Ad salutem consulere: Die Paränese Cyprians im Kontext antiken und frühchristlichen Denkens 9783666553776, 9783525553770

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Ad salutem consulere: Die Paränese Cyprians im Kontext antiken und frühchristlichen Denkens
 9783666553776, 9783525553770

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Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte Herausgegeben von Thomas Kaufmann und Volker Henning Drecoll

Band 99

Vandenhoeck & Ruprecht

Rolf Noormann

Ad salutem consulere Die Paränese Cyprians im Kontext antiken und frühchristlichen Denkens

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-55377-0

© 2009, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Gesamtherstellung: c Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhalt

Vorwort ......................................................................................................... 9 Einleitung ...................................................................................................... 11 1. Zur Fragestellung ................................................................................ 2. Zur Forschungsgeschichte ................................................................... 2.1 Umfassende Untersuchungen zur cyprianischen Paränese ............ 2.2 Untersuchungen zu paganen Einflüssen auf die cyprianische Theologie ..................................................................................... 2.3 Untersuchungen zu spezifischen Prägungen des cyprianischen Verständnisses des Bischofsamtes ................................................ 3. Zu Aufbau, Methodik und Quellen der Untersuchung .........................

11 16 16 22 28 34

Kapitel 1: Die Begründung der tätigen christlichen Existenz in Taufe und Umkehr nach Cyprians Schrift Ad Donatum .................................................. 47 1. Die Taufe als Konstituierung eines neuen moralischen Subjekts (Don 3–4) ............................................................................................ 48 1.1 Der Zustand vor der Taufe (Don 3;33–4;59) ................................. 54 1.2 Die Erneuerung durch die Taufe (Don 4;59–76) ........................... 57 2. Die Taufe als Befreiung von den „Stürmen der Welt“ und Begründung christlicher Ataraxie (Don 6–14) ................................................ 61 2.1 Die Missstände der paganen Gesellschaft (Don 6–13) .................. 61 2.2 Die Hinwendung zum Christentum als Befreiung von den „Stürmen der Welt“ und Begründung christlicher Ataraxie (Don 14) ....................................................................................... 66 Kapitel 2: Die Taufe als ein auf Zukunft ausgerichteter Beginn: die Zeitstruktur der christlichen Existenz ................................................................... 83 1. Christliche Existenz zwischen den Zeiten ............................................ 83 2. Der durative Aspekt der cyprianischen Paränese: das Verständnis christlicher Existenz in der Zeit als Beharren bei dem in der Taufe gesetzten Anfang ................................................................................. 89 2.1 Christliche Existenz in der Zeit als perseuerare ............................ 89 2.2 (Esse) Coepisse-Formulierungen im Zusammenhang der cyprianischen Paränese ................................................................. 93 3. Der dynamische Aspekt der cyprianischen Paränese: das Verständnis christlicher Existenz in der Zeit als peruenire ad salutem ............... 98 3.1 Führung und Unterweisung auf dem Weg zum Heil .................... 100

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Inhalt

3.2 Die tätige christliche Existenz in der Zeit als ein mit Mühen und Anstrengungen verbundenes Streben danach, zum Ziel zu gelangen ................................................................................ 106 3.3 Die tätige christliche Existenz als ein Wachsen und Vorwärtsschreiten ..................................................................................... 112 Kapitel 3: Sit tantum timor innocentiae custos (Don 4;76f): die Forderung, das in der Taufe Empfangene zu bewahren .................................................. 119 1. Die lex innocentiae: die Forderung der Taufbewahrung .................... 119 2. Ne quis sibi quasi innocens placeat (or 22;413): die Unvermeidlichkeit postbaptismaler Sünden und die Möglichkeit ihrer Tilgung ........ 125 Kapitel 4: Christliches Handeln als Entsprechung zu dem in der Taufe begründeten neuen Sein ............................................................................... 133 1. Die tätige Entsprechung zu dem in der Taufe begründeten neuen Gottesverhältnis ................................................................................ 2. Die tätige Entsprechung zu der in der Taufe begründeten Zugehörigkeit zu Christus ................................................................. 3. Die tätige Entsprechung zu dem in der Taufe empfangenen Heiligen Geist ................................................................................... 4. Die tätige Verwirklichung der in der Taufe stattfindenden renuntiatio und die Ausrichtung christlicher Existenz auf den Bereich des Himmlischen ..................................................................

135 138 145 148

Kapitel 5: Christliche Existenz in der Zeit als ständiger Kampf mit dem Widersacher und der Welt ........................................................................... 157 1. Die Gegner der Christen: der Widersacher, die „Stürme der Welt“ und die Widrigkeiten irdisch-fleischlicher Existenz ........................... 1.1 Die Angriffe des Widersachers ................................................... 1.2 Die Widrigkeiten der irdisch-fleischlichen Existenz: die „Stürme der Welt“ und die aduersa ....................................... 1.3 Die theologische Deutung der Angriffe des Widersachers und der Welt als probatio, temptatio und correptio ............................ 2. Bewährung gegenüber den Angriffen des Widersachers und der Welt ............................................................................................ 2.1 Die Vorbereitung auf die Angriffe des Widersachers und der Welt ..................................................................................... 2.1.1 Einübung der Gebote Christi und Wachsamkeit gegenüber den allezeit drohenden Angriffen des Widersachers .. 2.1.2 Die cyprianische Rezeption des Motivs der praemeditatio futurorum malorum .................................... 2.2 Die Standhaftigkeit der Christen gegenüber den vielfältigen Angriffen des Widersachers und der Welt .................................. 2.2.1 Standhaftigkeit gegenüber den „Stürmen der Welt“ durch das Festhalten an den Geboten ................................

158 159 170 179 184 184 184 190 195 195

Inhalt

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2.2.2 Durch die fiducia futurorum die Widrigkeiten der Welt ertragen ............................................................................ 200 2.2.3 Christliche patientia als klagloses Ertragen der Widrigkeiten der Welt und der incommoda carnis ....................... 204 2.2.4 Magnitudo animi in christlichem Horizont ....................... 211 Kapitel 6: Das menschliche Handeln als Ausdruck des Gottesverhältnisses 217 1. Gottesfurcht als die grundlegende Haltung des Menschen gegenüber Gott ........................................................................................... 218 2. Der Gehorsam gegenüber den Forderungen Gottes ............................ 224 2.1 Das Tun des Willens Gottes ....................................................... 224 2.2 Gehorsam gegen Gott als selbstverständliches, pflichtgemäßes Verhalten des Menschen ............................................................. 227 2.3 Gehorsam gegen Gottes Gebot statt Einführung menschlicher Überlieferungen oder Neuerungen: die cyprianische Auslegung von Mk 7,9 ................................................................................. 230 3. Das menschliche Tun als ein Handeln auf Gott hin ........................... 234 Kapitel 7: Dei est omne quod possumus (Don 4;74): der Glaubende als ein von Gott Befähigter ............................................................................... 245 Kapitel 8: Das Reich Gottes und der verheißene Lohn: Zukunftserwartung als Motivierung christlichen Handelns ......................................................... 257 1. Elemente der cyprianischen Zukunftserwartung und ihre paränetische Verwendung ................................................................. 1.1 Die Wiederkunft Christi, das Auftreten des Antichrists und das Ende der Welt ...................................................................... 1.2 Zukunftserwartung oder Jenseitshoffnung: die cyprianische Deutung des Todes ..................................................................... 1.3 Gericht, Strafe und Lohn ............................................................ 2. Zur theologischen Struktur der cyprianischen Lohn- und Gerichtsvorstellung ........................................................................................ 2.1 Zur Frage der Berechenbarkeit von Lohn und Strafe ................... 2.2 Fundamentale Relativierungen des Leistung-Lohn- bzw. Schuld-Strafe-Verhältnisses ........................................................

258 258 262 265 273 273 283

Kapitel 9: Paränese als vom Bischof ausgeübte ecclesiastica disciplina ....... 291 1. Ecclesiastica disciplina ...................................................................... 2. Die Ausübung der disciplina durch den Bischof ................................ 2.1 Singulis ad salutem suam consulere: Aufgabe und Funktion der vom Bischof ausgeübten disciplina ....................................... 2.2 Machtmittel des Bischofs zur Durchsetzung der disciplina ......... 2.3 Die bischöfliche Binde- und Lösegewalt .................................... 3. Der Bischof als Priester Gottes, dessen Anweisungen unbedingter Gehorsam geschuldet wird ................................................................ 3.1 Die Begründung des Bischofsamtes im Gesetz Gottes ................

292 302 302 316 318 327 329

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Inhalt

3.2 Die Interpretation des Bischofsamtes als Priesteramt .................. 331 3.3 Die Forderung des Gehorsams gegenüber dem Bischof als Priester Gottes ............................................................................ 334 3.4 Die Forderung der Makellosigkeit des Priester-Bischofs ............. 337 Schluss: Ad salutem consulere ..................................................................... 343 Abkürzungen ............................................................................................... 367 Literatur ...................................................................................................... 369 Register ....................................................................................................... 405 1. Stellen ............................................................................................... 407 2. Moderne Autoren .............................................................................. 420

Vorwort

[...] scias nos ab euangelicis et apostolicis traditionibus non recedere, quominus fratribus et sororibus nostris constanter et fortiter consulatur et per omnes utilitatis et salutis uias ecclesiastica disciplina seruetur [...]. Cyprian ep 4,1,2;12–16

Die vorliegende Untersuchung wurde im Juni 2007 abgeschlossen und im Wintersemester 2007/2008 von der Theologischen Fakultät der Ruprecht-KarlsUniversität Heidelberg als Habilitationsschrift angenommen. Für den Druck wurde sie an einigen Stellen leicht überarbeitet und im Schluss um zwei Abschnitte ergänzt. Neuere Literatur konnte nicht mehr aufgenommen werden. Mein Dank gilt an erster Stelle Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Adolf Martin Ritter. Mit ihm wurden die ersten Entwürfe der Arbeit diskutiert, er hat ihre Entstehung über die Jahre hin mit stetem Wohlwollen begleitet und schließlich das Erstgutachten erstellt. Herrn Prof. Dr. Winrich Löhr gilt mein Dank für die Anfertigung des Zweitgutachtens. Wichtige Anregungen verdanke ich auch Herrn Prof. Dr. Gerrit Kloss sowie Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies. Grundgedanken des ersten und des fünften Kapitels wurden in der kirchengeschichtlichen Sozietät an der Theologischen Fakultät der RuprechtKarls-Universität zur Diskussion gestellt; den Teilnehmerinnen und Teilnehmern danke ich für das stimulierende Gespräch. Für die Aufnahme der Untersuchung in die Reihe „Forschungen zur Kirchenund Dogmengeschichte“ danke ich Herrn Prof. Dr. Volker Henning Drecoll und Herrn Prof. Dr. Thomas Kaufmann. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verlags Vandenhoeck & Ruprecht, insbesondere Frau Tina Grummel und Herrn Philipp Mickat, danke ich für die freundliche Unterstützung bei der Erstellung der Druckvorlage, der Calwer Verlag-Stiftung und der Ev. Landeskirche in Württemberg für Zuschüsse zu den Druckkosten. Mein besonderer Dank gilt meiner Frau, PD Dr. Gudrun Holtz, die die Entstehung der Arbeit aus nächster Nähe begleitet hat, mir stets eine wichtige Gesprächspartnerin war und verschiedene Fassungen der Arbeit gelesen und kommentiert hat. Gewidmet sei dieses Buch dem Andenken meines verehrten Lehrers Prof. Dr. Ulrich Wickert (4. 2. 1927 – 7. 1. 2009). Mit seinen Untersuchungen zur Ekklesiologie Cyprians hat er Grundlegendes zur Cyprianforschung der letzten Jahrzehnte beigetragen. Beeindruckend war für mich, wie er, getragen von der Überzeugung, dass „die Wahrheit perspektivisch durch die Geschichte geht“,

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Vorwort

die Väter und Mütter der Kirche „aus ihrem jeweils eigenen Horizont zu verstehen“ und sie so für das theologische Gespräch der Gegenwart fruchtbar zu machen suchte. Denkendorf, im März 2009

Rolf Noormann

Einleitung 1. Zur Fragestellung Cyprian von Karthago, nach dem Urteil Adolf von Harnacks bis Augustin „der lateinische Kirchenschriftsteller κατ εξοχη'ν“,1 ist „ein Mann der Praxis“.2 Für kaum einen anderen Vertreter der frühen lateinischen Theologie trifft die Aussage der älteren Dogmengeschichtsschreibung, diese sei im wesentlichen praktisch orientiert und besitze kaum spekulatives Interesse,3 in so hohem Maße zu wie für Cyprian. Seine Schriften befassen sich fast ausschließlich mit Fragen des christlichen Lebens und verraten kaum einmal ein eigenständiges Interesse für theoretisch-theologische Themen.4 Dies ist umso auffälliger, als es ihm keineswegs an theologischer Kompetenz mangelt, wie nicht nur seine einflussreiche, von tiefgreifenden theologischen Reflexionen zeugende Konzeption der Ekklesiologie zeigt,5 sondern auch und mehr noch sein Verhältnis zu Tertullian: So sehr er diesen als seinen „magister“ ansieht und ihn intensiv studiert und benutzt,6 er kopiert ihn nie, bringt an vielen Stellen stillschweigend bedeutsame theologische ‚Korrekturen‘ an7 und entwickelt das von Tertullian Rezipierte zu einer eigenständigen, klar durchdachten ‚paränetischen Theologie‘ weiter.8 Dem entspricht es, dass viele seiner paränetischen Ausführungen durchaus ein explizierbares theologisches Fundament besitzen, auch wenn Cyprian es in der Regel nicht für angezeigt hält, dieses über knappe Andeutungen hinaus zu entfalten. ____________

1 Von Harnack, Lehrbuch III, 23 (Hvb. i.Or.); vgl. Quasten, Patrology II, 373, und von Campenhausen, Lateinische Kirchenväter, 55. 2 Speigl, Cyprian, 30; ähnlich Quasten, Patrology II, 344, Koch, Tertullian und Cyprian, 59, und viele andere. 3 Vgl. etwa von Harnack, Lehrbuch III, 20f, und Seeberg, Lehrbuch I, 638f. 4 Vgl. Hoffmann, Cyprian von Karthago, 145: „C.[yprian] ist kein systematischer oder spekulativer Theologe. Seine Schriften sind von den praktischen Problemen und aktuellen Konflikten bestimmt.“ Ähnlich Quasten, Patrology II, 344.373, Simonetti/Prinzivali, Storia, 187, u.a. 5 Vgl. dazu bes. Wickert, Sacramentum unitatis. 6 Vgl. die bekannte, von Hieronymus uir ill 53 überlieferte Anekdote, Cyprian habe keinen Tag ohne Tertullian-Lektüre verbracht und bezogen auf Tertullian häufig zu seinem Diener gesagt: Da magistrum! (31,24f Richardson). 7 Beispiele dafür werden im Verlauf der Untersuchung zur Sprache kommen; vgl. etwa Kap. 5.1.3 mit Anm. 189 (zu den Gründen dafür, dass dem Widersacher Macht über die Christen gegeben wird); Kap. 8.2.2 mit Anm. 249 (Gott verlangt nicht nach dem Blut der Christen – so Tertullian Scorp 6,11 –, sondern nach ihrem Glauben). 8 Die Eigenständigkeit Cyprians in seiner Tertullian-Rezeption wird von Bakhuizen van den Brink, Cyprianus, 17f, mit Recht betont; anders dagegen Quasten, Patrology II, 340: „as a theologian Cyprian is entirely dependent on Tertullian“.

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Einleitung

Eine Erklärung für die ungewöhnlich strikte Konzentration der cyprianischen Theologie auf Fragen christlicher Praxis könnte darin zu suchen sein, dass aus seinen Schriften in aller Regel der für die Leitung seiner Gemeinde verantwortliche Bischof spricht.9 Gehört es für Cyprian zu den grundlegenden Aufgaben eines Bischofs, die Gemeinde als ganze ebenso wie die einzelnen Gemeindeglieder durch Unterweisungen, Ermahnungen usw. zu lenken,10 so kann es nicht verwundern, dass die Wahrnehmung dieser Verantwortung auch im Mittelpunkt seines eigenen schriftstellerischen Interesses steht. Ein Vergleich seiner Schriften mit den Werken seines Lehrers Tertullian ist hier erhellend: An die Stelle des schroffen Polemikers tritt der seelsorgerliche Bischof, der auch in seinen polemischen Schriften weniger aus- oder abgrenzen als vielmehr zurechtbringen will.11 So formuliert Cyprian nicht nur theologisch behutsamer und sachlicher als häufig Tertullian – dessen extreme ad hoc-Zuspitzungen finden bei ihm keinen Widerhall –, sondern er redet auch sehr viel konzentrierter zur jeweiligen Sache, als Tertullian dies tut.12 Die in Tertullian gleichsam wie in einem Feuerwerk zu einer ersten Entfaltung kommende abendländische Theologie gewinnt damit diejenige Gestalt, die sie in der Folgezeit bis Augustin maßgeblich geprägt hat.13

Doch so naheliegend es auch sein mag, im Selbstverständnis Cyprians als Bischof den Grund für die weitgehende Konzentration seiner Schriften auf die Paränese zu sehen, zwingend ist dies nicht, sehen doch nicht wenige altkirchliche Bischöfe ihre Aufgabe durchaus auch darin, ihre Gemeinden über theologische Streitfragen aufzuklären und sie gegen entsprechende Verirrungen und Irrlehren zu wappnen.14 Nicht wenige Interpreten vor allem der älteren dogmen____________

9 Vgl. dazu jüngst Pereira Lamelas, Una domus, 19. Eine Ausnahme ist die wahrscheinlich vor seinem Amtsantritt als Bischof abgefasste Schrift Ad Donatum. Die an einen nicht-christlichen Adressaten(kreis) gerichtete Schrift Ad Demetrianum wird ihre Leserschaft ebenso, wenn nicht primär in der christlichen Gemeinde gefunden haben. 10 Vgl. dazu exemplarisch Texte wie ep 4 oder habit 1. 11 Vgl. dazu auch von Campenhausen, Lateinische Kirchenväter, 37, ferner Koch, Tertullian und Cyprian, 58, und Simonetti/Prinzivali, Storia, 186. 12 Wer etwa Tertullians De patientia mit Cyprians De bono patientiae vergleicht, erhält einen lebhaften Eindruck von diesem Unterschied; vgl. dazu auch Bayard, Le latin, 319–321. 13 Vgl. Koch, Tertullian und Cyprian, 60: Als „ein kirchlich abgeschliffener Tertullian“ ist Cyprian zum „Urbild der afrikanischen, ja der abendländischen Frömmigkeit der vorkonstantinischen Zeit geworden“; ähnlich Quasten, Patrology II, 344, von Campenhausen, Kirchliches Amt, 293f, Sage, Cyprian, 359, u.a. Seine Schriften genossen quasi-kanonisches Ansehen (von Harnack, Das Leben Cyprians, 40; vgl. von Soden, Briefsammlung, 1f). Zur Hochschätzung Cyprians bei Augustin vgl. Bakhuizen van den Brink, Mereo(r), 334, und Dassmann, Cyprianus, 199–201, zu seiner Anerkennung als „Autorität“ auch im „Orient“ von Harnack, Lehrbuch I, 767 Anm. 4. Vgl. zum Ganzen die umfangreiche Sammlung von Zeugnissen bei von Harnack, Geschichte I/2, 701–717. 14 Wie anders das literarische Werk eines zeitgenössischen Bischofs aussehen konnte, zeigen die erhaltenen Informationen über Dionysius von Alexandrien, der u.a. Schriften gegen den ägyptischen Chiliasmus und zur Widerlegung der Atomlehre Demokrits und Epikurs verfasst hat (vgl. Hamm, Dionysius, 174). Auffällig ist bei Cyprian nicht zuletzt der nahezu vollständige Wegfall der „antignostischen Theologie“ (von Harnack, Lehrbuch III, 24). Obgleich Cyprian „Häresien“ gelegentlich erwähnt, beteiligt er sich nicht an dieser theologischen Debatte. Eine Erklärung dazu liefert seine Bemerkung, es spiele keine Rolle, was Novatian lehre, da er außerhalb der Kirche Christi lehre (ep 55,24,1;417–421). Cyprian hat sich, wie es scheint, den Grundgedanken von Tertullians De prae-

1. Zur Fragestellung

13

und theologiegeschichtlichen Forschung führen das ausgeprägt praktische Interesse Cyprians daher weniger auf seine Rolle als Bischof als vielmehr auf seine ‚römische‘ Herkunft zurück,15 gilt doch die praktische Orientierung vielfach als charakteristisch für das ‚römische‘ Denken. Für die Rezeption griechischer Philosophie im römischen Kontext wird häufig eine Konzentration auf die lebenspraktische Umsetzung philosophischer Erkenntnisse herausgestellt. Als paradigmatisch dafür gilt die Bemerkung Ciceros, Cato habe sich die stoische Philosophie zu eigen gemacht, „nicht um darüber zu diskutieren, wie die meisten, sondern um entsprechend zu leben“.16 Für die ‚römische‘ Prägung Cyprians spielen seine Herkunft und Bildung eine zentrale Rolle. Auch wenn weder Cyprian selbst noch sein Biograph Pontius etwas über seine Herkunft sagen, ist den vorliegenden historischen Informationen zumindest so viel zu entnehmen, „that Cyprian had been a man of property and education“.17 Er hat viele Freunde in der lokalen Aristokratie, die aus „families of curial, equestrian and senatorial station“ stammen,18 und gehört zweifellos auch selbst „zur städtischen Oberschicht“,19 auch wenn strittig ist, welchem Stand genau er angehört.20 Mit Cyprian übernimmt demnach – wie es scheint, zum ersten Mal – ein Angehöriger der römischen Oberschicht das Bischofsamt einer christlichen Gemeinde. Er verfügt auch nach seiner Bekehrung zum Christentum und der damit verbundenen weitgehenden Preisgabe seines Besitzes21 über größere Güter und ist weiterhin dazu in der Lage, die Gemeinde finanziell zu unterstützen.22 Haltung und Handeln Cyprians lassen seine aristokratische Herkunft erkennen:

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scriptione haereticorum zu eigen gemacht und – anders als dieser! – daraus die Konsequenz gezogen, nun auch tatsächlich nicht mehr zu debattieren. 15 Vgl. Beck, Römisches Recht, 108f, der S. 109 Anm. 1 weitere Vertreter für diese Auffassung anführt. 16 [...] neque disputandi causa, ut magna pars, sed ita uiuendi (Mur 62 [31,15 Kasten]). Gauthier, Magnanimité, 165, spielt auf diese Aussage an, wenn er schreibt: „lorsqu’ils eurent appris des Grecs cet idéal (sc. der stoischen magnanimitas), les Romains n’y virent point matière à réflexion, ils ne l’enrichirent d’aucune idée nouvelle: ils en vécurent“. Zum Primat der praktischen Philosophie bei Cicero und zu dessen Unverständnis für griechische „Theoria“ vgl. auch Forschner, Theoria, 164– 168. Eine entsprechende Gewichtung der ‚theoretischen‘ und ‚praktischen‘ Philosophie stellt Maurach, Seneca, 200, bei Seneca fest: Stehe in der sokratischen Tradition die Erarbeitung eines Wissens im Vordergrund, seine praktische Umsetzung dagegen im Hintergrund, so kehre Seneca dieses Verhältnis um: „das Wissen der stoischen, ganz natürlichen, weil auf die Natur des Menschen, den Logos gegründeten Philosophie ist vorgegeben und steht jederzeit verfügbar im Hintergrunde. Im Vordergrunde aber steht seine Anwendung“. Vgl. Grimal, Sénèque, 1969, sowie Spanneut, Apatheia, 4687. 17 Clarke, Biography, 680. 18 Ebd. 19 Vössing, Schule und Bildung, 273. Dies zeigen nicht zuletzt der Prozess und die Hinrichtung Cyprians im Jahre 257–258 (Clarke, Biography, 680). Eine Zusammenstellung von Indizien, die für eine Herkunft „aus einer Familie [...], die zu den führenden Kreisen Karthagos gehört“, sprechen, bietet Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 44f. 20 Am wahrscheinlichsten ist wohl eine Herkunft aus dem ritterlichen Stand; vgl. Vössing, Schule und Bildung, 273f, sowie Wischmeyer, Bischof, 366f. Eine gute Übersicht über die verschiedenen dazu vertretenen Auffassungen bietet J. Rist, Cyprian, 259f mit Anm. 9. 21 Vgl. dazu Kap. 1 Anm. 59. 22 Vgl. dazu Bobertz, Cyprian, passim, der das Verhältnis Cyprians zu seiner Gemeinde mit dem eines Patrons zu seinen Klienten vergleicht; vgl. ebenso Clarke, Biography, 681, und Straw, Cyprian and Mt 5:45; kritisch dazu jüngst G.D. Dunn, Crown.

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Einleitung

Cyprian ist nicht nur „a man with sense of his position, conscious of his role as a persona insignis, a figure of prominence“,23 er bemüht sich auch, „das Ethos des verantwortungsbewußten römischen Beamten im kirchlichen Bereich zu verwirklichen“.24 Ist die aristokratische Herkunft Cyprians abgesehen von seiner exakten Standeszugehörigkeit im wesentlichen unstrittig, so ist die Frage, welchen Beruf er vor seiner Bekehrung ausgeübt hat, Gegenstand intensiverer Diskussionen geworden. Wie Clarke m.E. überzeugend nachgewiesen hat, sprechen die Indizien für die Ausübung des Berufs eines Rhetors, das heißt primär eines Rhetoriklehrers.25 Dies schließt eine Ausbildung als öffentlicher Redner und Anwalt ein,26 jedoch kaum eine spezifisch juristische Schulung.27 Seine Schriften zeugen von seiner rhetorischen Ausbildung28 und enthalten viele Reminiszenzen klassischer Bildung.29

Zu diskutieren sind freilich nicht nur die Berechtigung und Reichweite der beiden angedeuteten Erklärungsmodelle, die die auffällige Konzentration der cyprianischen Theologie auf das christliche Leben gewissermaßen von außen zu begründen versuchen, es ist auch die Frage nach den inneren Beweggründen zu stellen, mit anderen Worten: es ist zu fragen, wie das ausgeprägt praktische Interesse Cyprians theologisch zu verstehen ist. Dass Cyprian seine bischöfliche Verantwortung zuerst und vor allem darin sieht, die Gemeinde mit heilsamen Ratschlägen zu lenken und jedem einzelnen Gemeindeglied durch paränetische Unterweisungen und Ermahnungen fürsorglich zum Heil zu raten (ad salutem consulere),30 versteht sich nicht allein aus seinem Amtsverständnis heraus. Es hat auch – und mehr noch – damit zu tun, wie er christliche Existenz in der Zeit zwischen Taufe und Vollendung grundsätzlich wahrnimmt. Damit ist das Thema der vorliegenden Arbeit umrissen: sie untersucht, warum und in welchem Sinne getaufte Christen in den Augen Cyprians beständiger Ermahnung und Unterweisung bedürfen, um zum Heil zu gelangen; inwieweit und in welcher Weise seine ‚römische‘ Herkunft und Prägung die praktische Haltung Cyprians und die innere Struktur seiner paränetischen Theologie beeinflussen; und wie er in diesem Zusammenhang die Aufgabe des Bischofs als des ____________

23 Clarke, Biography, 680. 24 Hoffmann, Cyprian, 35, der mit Recht hinzufügt: „Dieser Hintergrund scheint in seinem Verhalten und Denken immer durch.“ 25 Vgl. Clarke, The Secular Profession, der die antiken Nachrichten dazu sorgfältig analysiert; ebenso Benson, Cyprian, 1–3, Quacquarelli, La retorica, 100–102, Sage, Cyprian, 111–113, sowie Vössing, Schule und Bildung, 271. 26 Vgl. Clarke, Biography, 681; die Ausrichtung des Rhetorikunterrichts auf die Advokatentätigkeit wird von Vössing, Schule und Bildung, 384–392.418 u.ö., stark betont. 27 Vgl. Vögtle, Schriften, 326–338, und Sage, Cyprian, 113. Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 310, dagegen räumt zwar das Fehlen „(e)indeutige(r) Hinweise auf eine fachwissenschaftliche juristische Ausbildung oder eine Verwaltungstätigkeit“ in den Schriften Cyprians ein, warnt aber mit Blick auf seine ebenfalls nicht „auf den ersten Blick“ wahrnehmbare, jedoch unzweideutig vorhandene „Kenntnis der römischen Literatur und seine philosophische Bildung“ vor der Schlussfolgerung, Cyprian habe „keine vertieften juristischen Kenntnisse“ besessen. 28 Vgl. Norden, Kunstprosa II, 619–621.944f, sowie Clarke, The Secular Profession, 633. 29 Vgl. dazu die unten 2.2 vorgestellten Forschungsbeiträge. 30 Die Ermutigung des Pomponius: [...] ut quantum potes consiliis salutaribus fraternitatem regas et singulis ad salutem suam consulas (ep 4,5,1;106f), gibt das Selbstverständnis Cyprians als Bischof bündig wieder; zum Verständnis dieser Formulierung s.u. Kap. 9.2.1.

1. Zur Fragestellung

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verantwortlichen Gemeindeleiters versteht. Dabei wird stets zu fragen sein, wie Cyprian im Kontext seiner Paränese das frühchristliche Erbe, insbesondere das Erbe seines Lehrers Tertullian, aufnimmt und weiterführt. Gegenstand der Untersuchung ist damit nicht das Ganze der cyprianischen Theologie, sondern seine praktische Unterweisung und Ermahnung der Gemeinde bzw. einzelner Gemeindeglieder. Als Oberbegriff zur Bezeichnung dieses Gegenstandes wird hier der Begriff der Paränese gewählt. Cyprian ist kein Ethiker bzw. Moraltheoretiker, sondern „un pastor preocupado por conducir a los fieles de la fe a la práctica de las virtudes“.31 Ausführlichere Reflexionen zu den anthropologischen Voraussetzungen menschlichen Handelns oder zu den theologischen Fundamenten seiner Normierung sucht man bei ihm vergebens,32 und die verhandelten Themen sind in der Regel situationsbedingt.33 Ist demnach von einer cyprianischen Ethik allenfalls bedingt zu sprechen, so dürfte der Begriff der Paränese, wie er in der neueren exegetischen Diskussion bestimmt worden ist,34 zur Bezeichnung seiner praxisbezogenen Ausführungen geeignet sein: Paränese ist demnach zu verstehen als „a mode of hortatory communication, rather than a genre or literary form that is typified by a number of social and formal characteristics“,35 gekennzeichnet durch „a spirit of good-will that aims to affirm and encourage moral practices that are the outworking of a shared worldview“.36 Paränese ist dabei, wie Starr mit Recht herausstellt, keineswegs in erster Linie Anfangsunterricht für Neubekehrte, sondern hat die Aufgabe, „to foster the ____________

31 Capmany, Miles, 127; G.D. Dunn, Infected Sheep, 2f.19, wählt demgemäß als Oberbegriff für die literarischen Aktivitäten Cyprians den Ausdruck „pastoral care“. 32 Vgl. Spanneut, Tertullien, 66; seine Bemerkung, es seien kaum „quelques principes derrière des attitudes concrètes“ zu entdecken (ebd.), geht allerdings zu weit. Vgl. dagegen auch Gaudette, Baptême, 5, der nach den „principes fondamentaux“ der cyprianischen „conception de la vie morale“ sucht. 33 Der Situationsbezug der cyprianischen Theologie ist jüngst von Burns, Cyprian, viiif, und Pereira Lamelas, Una domus, 17–20, stark betont worden. Pereira Lamelas unternimmt aufgrund dessen den Versuch einer „Leitura sócio-antropológica do projecto de ecclesia de S. Cipriano de Cartago“ (so der Untertitel; zur Methodik vgl. ebd., 20–27) und nimmt praktisch die gesamte cyprianische Theologie aus dieser Perspektive in den Blick (vgl. ebd., 27f). Burns setzt sich zum Ziel, „to elucidate the correlation between Cyprian’s theology and his practice as a bishop“ (viii), konzentriert sich dabei auf die Streitfragen und Konfliktpunkte, die Cyprians Tätigkeit als Bischof prägen, und lässt sich in der Analyse durch die Theorien von Mary Douglas zu abgegrenzten sozialen Gruppen leiten (ix; zur kritischen Würdigung vgl. Deléani, CTC 2002,17 [361f]). Die vorliegende Untersuchung wählt insofern einen anderen Weg, als sie primär nach den theologischen Grundstrukturen fragt, die für Cyprians Haltung in den konkreten Konflikten bestimmend sind. 34 Ausgangspunkt für eine neue Diskussion des Begriffs Paränese war v.a. die Monographie von Popkes, Paränese, der unter Rekurs auf den antiken Sprachgebrauch die einflussreichen Bestimmungen der frühen Formgeschichtler grundsätzlich in Frage stellt (vgl. bes. S. 24–29.48–52), nachdem zuvor bereits Perdue/Gammie (Hg.), Paraenesis: Act and Form, sowie Malherbe, Hellenistic Moralists, 278–287, neue Fragen aufgeworfen hatten. Die dadurch ausgelöste Debatte ist dokumentiert bei Starr/ Engberg-Pedersen (Hg.), Early Christian Paraenesis. 35 Starr, Paraenesis, 81; die Abgrenzung richtet sich gegen die klassische formgeschichtliche Definition der Paränese. 36 Ebd., 97, in Anlehnung an den sog. „Oslo account“ (vgl. Starr/Engberg-Pedersen, Introduction, 4). – Der von Betz, The Literary Composition, 375–377, bzw. ders., Galaterbrief, 433–435, im Blick auf die paränetischen Abschnitte der paulinischen Briefe unternommene Versuch, den Begriff der Paränese im Sinne rhetorischer Formen oder Argumentationsstrukturen zu bestimmen, hat sich nicht als weiterführend erwiesen; vgl. dazu die kritischen Ausführungen von Kern, Rhetoric and Galatians, hier bes. S. 112–119.138–140. Auch Betz selbst scheint diesen Ansatz inzwischen zurückhaltender zu beurteilen; vgl. ders., Paraenesis, 221 bzw. S. 226f.

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Einleitung

working out over the course of a lifetime of the moral ideal inherent in a given theology or philosophy“.37 Paränese wird „characteristically [...] from a position of authority“ aus geübt38 und kann sowohl in allgemeiner Form als auch bezogen auf bestimmte Situationen praktiziert werden. In diesem Sinne wird der Begriff der Paränese hier als Oberbegriff für die Gesamtheit der cyprianischen Unterweisungen, Ermahnungen, Ermutigungen usw. verwendet, unabhängig von den literarischen und rhetorischen Formen seiner jeweiligen Ausführungen. Im Vorangehenden ist des öfteren in Anführungszeichen das Adjektiv ‚römisch‘ verwendet worden. Es kann sich bei diesem Adjektiv zunächst nur um eine Chiffre handeln, die für ein ganzes Konglomerat von kulturellen Einflüssen steht, denen Cyprian aufgrund seiner Herkunft und Bildung ausgesetzt war und die auch seine christliche Haltung mit bestimmen. Wie diese Prägungen im einzelnen aussehen, wird im Verlauf der nachfolgenden Untersuchungen an Punkten, die für seine Paränese wesentlich sind, genauer zu analysieren sein.

2. Zur Forschungsgeschichte 2.1 Umfassende Untersuchungen zur cyprianischen Paränese Die Fragestellung, wie sie im Vorangehenden skizziert worden ist, ist bislang noch nicht bearbeitet worden. Es gibt jedoch zwei monographische Untersuchungen und einen längeren summarischen Überblick zur cyprianischen Paränese,39 die wesentliche Aspekte der Thematik herausarbeiten, zugleich aber grundlegende Gesichtspunkte unberücksichtigt lassen, deren Beachtung für eine sachgemäße Wahrnehmung des Gegenstands als unverzichtbar erscheint. Die erste umfassende Untersuchung zur Paränese Cyprians ist 1956 von José Capmany unter dem Titel: „Miles Christi“ en la espiritualidad de san Cipriano veröffentlicht worden. Zum leitenden Prinzip seiner Darstellung der „doctrina ascética“ Cyprians macht Capmany das, was er als deren „idea central“ ansieht: die im Bild des „Miles-Christi“ zum Ausdruck kommende Vorstellung, der Christ habe ständig und überall zu kämpfen, um all dem standzuhalten, was ihn um sein übernatürliches Leben zu bringen oder an seinem geistlichen Aufstieg zu hindern sucht (S. 8f). Bezogen auf dieses Thema werden die für die Paränese ____________

37 Starr, Paraenesis, 111 (Hvb. i.Or.). Vgl. auch Engberg-Pedersen, Concept, 59, der, ausgehend von Ausführungen Senecas, den Begriff einer „philosophical paraenesis“ bildet und diese ganz ähnlich als „the giving of injunctions concerning the concrete living of an ethical life as a way of spelling out the content of the ultimate good“ bestimmt und diesem Begriff der Paränese auch die paulinischen Ermahnungen zuordnet (ebd., 64–68). Zur Paränese bei Seneca vgl. auch Hi. Cancik, Untersuchungen, 15–17.42–45. Popkes, Paraenesis, 40, stimmt der Beobachtung Starrs zu, dass neutestamentliche Paränese „was directed to more or less established believers, not to newcomers“, hält aber den (möglichen) Rückbezug auf die Anfangssituation fest und formuliert die Aufgabe frühchristlicher „exhortation“ seinerseits daher folgendermaßen: „Christians are called to be and to perform what they are (cf. e.g. Gal 5:25), that is, to translate into every day’s reality what Christ enabled them to be and to do. ‚Reminding‘ in this sense is a matter of referring back to the roots of salvation. Christians remain, as it were, beginners on their way to perfection“ (ebd.). 38 Starr, Paraenesis, 80. 39 Der Begriff Paränese wird hier als neutraler Oberbegriff gebraucht; die referierten Autoren verwenden andere, unterschiedliche Begriffe zur Bezeichnung ihres Gegenstandes.

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Cyprians wichtigen Lehren, moralischen Gebote, Tugenden und Mittel zur Heiligung dargestellt (S. 9). Die wesentlichen Aspekte der cyprianischen „doctrina ascética“ werden in zehn Kapiteln entfaltet: Als „fundamentos“ der militia christiana charakterisiert Capmany die Taufe, durch die der einzelne zum miles Christi werde, die Abgrenzung von der paganen Lebensweise, die Taufrenuntiation sowie die Schwierigkeiten des neuen Lebens, die den Kampf unvermeidlich werden ließen (S. 21–67). Der Kampf des miles Christi bestehe zunächst in der Situation der Verfolgung (S. 69–126); daneben habe er aber auch mit alltäglichen Versuchungen zu kämpfen, als welche Capmany kurz die „contrariedades de la vida“ und ausführlich die Begierden des Fleisches, das Streben nach Reichtum sowie den Hochmut des Geistes thematisiert (S. 127–185). Der Kampf finde statt im Angesicht Gottes, auf seine Anordnung hin und mit seiner Unterstützung, und der miles habe Gott zum Richter und Rächer (S. 187–220). Entsprechendes gelte für Christus, der seinem miles darüber hinaus ein Vorbild gegeben habe, selbst in ihm kämpfe und siege und ihn zur Belohnung an seiner Herrlichkeit teilhaben lassen werde (S. 221–254). Der Feind des miles Christi sei in allen seinen Kämpfen ein und derselbe, nämlich der Teufel, der sich sowohl gewaltsamer Verfolgungen wie alltäglicher Täuschungen und Verführungen bediene, um ihn niederzuwerfen (S. 255–286). Unter den „motivos incitantes“ spiele die Liebe zu Gott bzw. Christus nur eine geringe Rolle; zentrale Motive seien dagegen die Hoffnung auf Lohn und die Furcht vor Strafe, wobei das Lohnmotiv überwiege (S. 287–302). Zwei Kapitel sind den Waffen („armas“) des miles Christi gewidmet, zu denen Capmany zum einen seine „virtudes características“, Glaube, Tapferkeit (uirtus) und patientia, zählt (S. 303–322), zum anderen die Mittel zu seiner Stärkung, als welche Gebet, „mortificaciones“, Eucharistie, Unterweisung und gutes Beispiel genannt werden (S. 323–353). Das letzte Kapitel handelt von den im Kampf „Besiegten“, den Apostaten, den Sündern im allgemeinen und den Schismatikern, sowie von der Buße als dem Heilmittel für diese (S. 355–381).

Capmany bietet damit eine ebenso umfassende wie materialreiche Darstellung der cyprianischen Paränese, wobei sowohl prinzipielle als auch materiale Aspekte verhandelt werden. Mit der Konzentration auf den miles-Begriff rückt er eines ihrer grundlegenden Charakteristika, das Verständnis christlicher Existenz als eines permanenten Kampfes, ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Freilich verbindet sich damit ein methodisches Problem, das nicht reflektiert wird: Die Konzentration auf die militia-Thematik hat zur Folge, dass die Martyriumstheologie Cyprians in den Mittelpunkt tritt. Capmany schließt daraus, der Martyriumsaspekt dominiere die gesamte „doctrina ascética“ Cyprians, die Kämpfe im Alltag seien daher nur „analógicamente“ einzubeziehen (S. 383),40 verkennt damit jedoch, dass mit der militia-Terminologie keineswegs alle wesentlichen Aspekte der cyprianischen Paränese ihrem sachlichen Gewicht entsprechend erfasst werden. Dagegen spricht schon die Beobachtung, dass diese lediglich in vier der zwölf cyprianischen Traktate und bei weitem nicht in allen wichtigeren Briefen begegnet.41 So wichtig der miles-Begriff bei Cyprian zweifellos ist, um

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40 So verfährt Capmany vor allem in den Kapiteln 7–9. 41 Die vier Traktate sind Don, laps, mort und Fort; durch die Einbeziehung weiteren militärischen Vokabulars wie castra, exercitus, acies etc. käme lediglich ein weiterer Traktat (pat) hinzu.

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die „idea central“ seiner Paränese handelt es sich kaum.42 Eine weitere Begrenzung der Untersuchung Capmanys besteht in ihrem vorwiegend deskriptiven Charakter. Analytische Partien, etwa zu den Hintergründen der cyprianischen Vorstellungen, sucht man – von gelegentlichen Bezugnahmen auf Tertullian abgesehen – vergebens. Selbst die traditionsgeschichtlichen Hintergründe der militia-Thematik bleiben unberücksichtigt. Der spezifische Charakter der cyprianischen Konzeption bleibt damit ungeklärt. Die zweite umfassende Darstellung der cyprianischen Paränese bietet die Untersuchung Pierre Gaudettes, Baptême et vie chrétienne chez saint Cyprien de Carthage (1971),43 die am Beispiel Cyprians eine kritische Überprüfung der These einer „mentalité juridique“ der westlichen Kirche im 3. Jahrhundert intendiert. Nachdem sich ihm eine Konzentration auf die „concepts de ‚loi‘ et d’‚obéissance‘“ als zu eng erwiesen hat, sucht Gaudette in seiner Arbeit die „principes fondamentaux“ der cyprianischen „conception de la vie morale“ zu klären. Als entscheidend hat sich dabei für ihn das Thema der Taufe und der „vie baptismale“ herausgestellt (S. 5). Gaudette handelt demgemäß in einem ersten Teil (S. 18–44) von der „renaissance baptismale“, wobei er zunächst die in der Gewalt des Widersachers befindliche Welt und den von diesem niedergeworfenen sündigen Menschen skizziert (S. 21–29), bevor er dann die Taufe als „naissance à une vie nouvelle“ beschreibt (S. 29–44). Die Taufe erscheine als Reinigung von den Sünden und Befreiung aus der Macht des Widersachers und der Welt sowie als Geburt und Erneuerung durch die Eingießung des Heiligen Geistes (S. 30–35). Das „neue Sein“ („L’être nouveau“) des Getauften werde als im Rahmen der Kirche realisierte neue Beziehung zum Vater, zum Geist und besonders zu Christus charakterisiert, wobei die Angleichung („assimilation“) an Christus und die „consécration“ für seinen Dienst als Zentrum verstanden würden (S. 35–42). Als „le milieu exclusif“ der Vermittlung der Taufgnade erscheine die Kirche (S. 42–44). Der zweite Teil thematisiert in vier Kapiteln „La vie baptismale du chrétien“, von denen freilich nur das zweite („La fidélité à la grâce baptismale“) und vierte („L’attente d’un monde nouveau“) veröffentlicht worden sind (S. 45–73).44 Ausgangspunkt ist für Gaudette die Überzeugung Cyprians, der durch die Taufe erneuerte Christ müsse bis zur Wiederkunft des Herrn in Übereinstimmung mit der empfangenen Gabe leben. Das christliche Leben erscheine demgemäß unter einem fundamentalen Doppelaspekt als „fidélité à ce que Dieu a déjà réalisé“ und als „attente active d’un accomplissement total“ (S. 45). Zuerst und vor allem komme es für den Getauften darauf an, in der empfangenen Heiligkeit („sainteté“) zu verharren (S. 45–51) und

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42 Im Widerspruch zu expliziten cyprianischen Aussagen charakterisiert Capmany gewaltsame Verfolgungen als die gefährlichsten Angriffe des Widersachers (S. 9.55.69 u.ö.; vgl. dagegen unit 1– 3; zel 1–3) und das Martyrium als den von allen verlangten Weg zum Heil (S. 125f; vgl. dagegen mort 17;277–300; Fort 12;41–59 u.ö.). Für Cyprian wesentliche Aspekte wie etwa der Kampf gegen die alltäglichen Versuchungen oder gegen die Unannehmlichkeiten der irdisch-fleischlichen Existenz finden dagegen nicht hinreichend Beachtung. 43 Die publizierten Excerpta ex dissertatione geben „pour l’essentiel la majeure partie“ der Arbeit wieder (S. 5). 44 Nicht gedruckt sind Kapitel 1: „L’accueil du don de Dieu dans l’humilité et la foi“, und Kapitel 3: „La lutte contre le démon“; vgl. dazu die Übersicht S. 7.

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dem durch die Taufe gewordenen neuen Sein tätig zu entsprechen (S. 51–53).45 Innerhalb dieses Rahmens bestehe die Funktion des äußeren Gesetzes (lex, disciplina, praecepta etc.) darin, dem Getauften die Verwirklichung der ihm durch die Taufe eingeschriebenen Anforderungen zu ermöglichen (S. 53–56). Als Vollendung der „vie baptismale“ gelte das Martyrium (S. 57f). Der zweite Fundamentalaspekt des christlichen Lebens sei für Cyprian „la tension vers les réalités futures“ (S. 58–73). Gaudette beschreibt hier zunächst die Erwartung der kommenden Welt als „motivation de l’agir du chrétien“ (S. 58–65). Der Grundgedanke Cyprians sei, dass man im Glauben verharre, um die Belohnung zu erlangen, wobei die Kontemplation des Zieles die tägliche Anstrengung ermögliche und erleichtere; gelegentlich erscheine die zukünftige Welt auch als Norm des christlichen Handelns. In einer vertiefenden Würdigung dieser Konzeption (S. 65–73) hebt Gaudette als ihre grundlegenden Aspekte Weltverachtung (S. 65f) und die Erwartung himmlischer Güter (S. 67–70) hervor. Im Zentrum der verheißenen Seligkeit stehe „la vision et l’amour de Dieu et du Christ“, auch wenn es daneben einige als „zweitrangig“ erscheinende Aspekte gebe (S. 67f). Im Gegenüber zu protestantischer Cyprian-Kritik betont Gaudette, der Mensch habe für Cyprian in der Tat „un rôle à jouer dans l’obtention du salut“, aber „tout cela est transfiguré, assumé par la vision qu’il a de l’œuvre de la grâce“: Der Getaufte verdanke alles Gott, der in ihm belohne, was er selbst gewährt und vollendet habe (S. 71f).

Die Untersuchung Gaudettes stellt einige wesentliche Strukturen der cyprianischen Paränese überzeugend heraus. Das gilt sowohl für die Darstellung der „vie baptismale“ als auch für deren Entfaltung als treues Beharren bei der empfangenen Gabe und tätige Erwartung des Zukünftigen. Auch im einzelnen werden etwa zur Taufentsprechung, zur Einordnung der Funktion von Gesetz und Geboten oder zum Verhältnis von menschlicher Anstrengung und göttlicher Gnade wichtige Aspekte benannt. Die vorliegende Untersuchung kann deshalb in einigen wesentlichen Gesichtspunkten an Gaudette anknüpfen und wird seine Untersuchungen zu vertiefen und weiterzuführen suchen. Ein großes Manko seiner Studie besteht in der nahezu vollständigen Ausblendung paganer Einflüsse auf die cyprianische Paränese. Obwohl etwa mit Recht die grundlegende und bleibende Bedeutung der Tauferfahrung Cyprians für seine Paränese unterstrichen wird (S. 17f), fehlt jede Reflexion zum spezifischen Charakter ihrer Darstellung in der Schrift Ad Donatum. Werden einmal, wie bei der Schrift De mortalitate, begriffliche und motivische Berührungen mit stoischen Vorstellungen konzediert, so werden diese sogleich aufgrund der Unterschiedlichkeit der Rahmenvorstellungen als eine „simple concordance verbale“ beurteilt (S. 62). Die Frage, ob bzw. inwieweit mitgebrachtes oder rezipiertes stoisches oder sonstiges paganes Gedankengut innerhalb eines neuen, christlichen Rahmens bleibendes sachliches Gewicht oder prägenden Einfluss gewinnt bzw. behält, sei es auch möglicherweise in modifizierter Gestalt, wird nicht gestellt. Die besondere Gestalt, in der biblisch-frühchristliches Gedankengut bei Cyprian begegnet, wird damit weitgehend ausgeblendet.46 ____________

45 Dies wird exemplarisch an den Aspekten der renuntiatio, der Gotteskindschaft, der Einwohnung des Geistes und des Tragens des Namens Christi erläutert. 46 Dass einige wichtige Aspekte wie etwa das Problem der unvermeidlichen postbaptismalen Sünden nicht erörtert werden, sei nur am Rande vermerkt.

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Eine kürzere Übersicht über das Ganze der cyprianischen Paränese bietet Michel Spanneut, Tertullien et les premier moralistes africains (1969), in seinem Cyprian-Kapitel (S. 65–114). Spanneut unterstreicht die praktisch-pastorale Ausrichtung des cyprianischen Werkes und betont, Cyprian sei weder Philosoph noch „moraliste“; Grundlinien einer „morale fondamentale“ oder eine entfaltete „théologie morale“ suche man in seinen Schriften vergeblich (S. 66). Zu würdigen sei er jedoch als ein herausragender Zeuge der christlichen „morale“ in einer Zeit der Verfolgungen und Spaltungen (S. 112).47 Spanneut stellt in einem ersten Kapitel unter dem Titel „L’acte humain“ grundlegende Aspekte der cyprianischen Paränese vor (S. 67–80). Ihr Ziel sei die durch Angleichung an Christus verwirklichte Ähnlichkeit mit Gott (S. 67). Dem Versuch der Christen, dieses Ziel zu erreichen, stelle sich der Widersacher entgegen, der ihr Leben zu einem täglichen Kampf ohne einen Augenblick der Ruhe mache (S. 70). Die Vorstellung des Kampfes nehme daher in der „morale“ Cyprians eine herausragende Stellung ein (S. 68); mehr noch als bei Tertullian werde das ganze christliche Leben als die neue, wahre militia Christi beschrieben (S. 70–72).48 Als „critères de moralité“ (S. 72) bei Cyprian nennt Spanneut zunächst die Natur und das Gewissen (conscientia), das in Übereinstimmung mit der philosophischen Tradition als „un juge de moralité“ verstanden werde (S. 74), stellt dann aber den Gehorsam gegen die Anordnungen bzw. Gesetze Gottes als das wichtigste Motiv der cyprianischen Paränese heraus (S. 75). Diese konkretisierten sich in der „‚discipline ecclésiastique‘“, die Spanneut als „autre règle morale“ auffasst (S. 76). Kaum reflektiert würden bei Cyprian die Bedingungen menschlichen Handelns; die Willensfreiheit werde nur gelegentlich erwähnt (S. 77); das Verhältnis von Gnade und Freiheit werde nicht problematisiert: das Martyrium erscheine als eigene Leistung und als Wirkung des göttlichen Wohlwollens, und „la gratuité absolue du don de Dieu qui nous transforme au Baptême et nous fait progresser“, würden häufig betont (S. 78). Die weiteren Kapitel sind stärker der materialen Ethik gewidmet (S. 81–107). Hier werden zunächst die „vertus théologales“, Glaube, Liebe und Hoffnung, das Gebet sowie verschiedene religiöse Praktiken erörtert (S. 81–86), bevor dann unter den beiden Aspekten „Frieden und Einheit“ und „Werke der Barmherzigkeit“ das cyprianische Verständnis der Liebe thematisiert wird, die Spanneut zufolge „une place absolument unique“ einnimmt (S. 87–93). Im vierten Kapitel wird besonders der sowohl stoische (S. 94f) als auch biblisch-eschatologische Charakter des cyprianischen Begriffs der patientia hervorgehoben (S. 100–102).49 Nach einigen weiteren, weniger gewichtigen Aspekten (S. 103–107) werden abschließend die verschiedenen sozialen Bezüge der cyprianischen Paränese erörtert (S. 108–111).

Spanneut thematisiert eine Reihe grundlegender Aspekte der cyprianischen Paränese und macht wiederholt treffende Beobachtungen zu ihrem theologischen Charakter. Wie Capmany rückt auch er den Kampfcharakter christlicher Existenz in den Mittelpunkt, ohne freilich wie jener dem Martyrium eine Zentralstellung zuzuschreiben. Die Kürze der Darstellung bringt es mit sich, dass die verschiedenen Gesichtspunkte in der Regel nur knapp angesprochen und mit einigen Belegstellen versehen werden, genauere Analysen dagegen kaum zu fin____________

47 Vgl. auch S. 81: „Sa morale est une vie, ce n’est pas une philosophie, à peine une théologie.“ 48 Spanneut stimmt daher dem thematischen Ansatz Capmanys zu (S. 72 Anm. 52). 49 Vgl. dazu ausführlicher unten Kap. 2.1.

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den sind. So sind den Ausführungen Spanneuts wichtige Anregungen etwa zu den leitenden Prinzipien der cyprianischen Paränese, zu seinem Verständnis der Gnade oder zu seinem Zeitverständnis zu entnehmen, die freilich einer eingehenderen Untersuchung bedürfen. Die drei vorgestellten Arbeiten tragen somit Wesentliches zum Verständnis der cyprianischen Paränese bei.50 Während Capmany vor allem durch seine umfangreiche Materialdarbietung und die Berücksichtigung vieler Facetten besticht, bieten Spanneut und Gaudette eine Reihe von wichtigen Beobachtungen und Deutungsthesen zur theologischen Struktur der Paränese Cyprians, Spanneut insbesondere zum Verhältnis von Gnade und Freiheit sowie zum Zeitverständnis, Gaudette vor allem zu grundlegenden Elementen seiner Paränese als „Taufparänese“. Freilich bleiben in allen drei Untersuchungen wichtige Aspekte der cyprianischen Paränese unberücksichtigt oder unterbelichtet. Dies gilt zum einen für die Tatsache, dass die paränetische christliche Tradition in Cyprian auf einen römisch-philosophisch gebildeten nordafrikanischen Rhetor trifft, der mit seiner Konversion zum Christentum keineswegs alles Frühere einfach ablegt. Der Prozess der ‚Inkulturation‘ des Christlichen bei Cyprian, in dem Altes und Neues auf charakteristische Weise miteinander verschmelzen,51 wird von Capmany ausgeblendet, von Spanneut nur gelegentlich gestreift und von Gaudette in seiner Bedeutung unterschätzt oder negiert. Die Möglichkeit, dass das Ganze der cyprianischen Paränese bzw. grundlegende Elemente ihrer theologischen Struktur durch außerchristliche Einflüsse wesentlich mit bestimmt sein könnten, wird von Capmany und Gaudette gar nicht, von Spanneut nur ansatzweise in den Blick genommen. Keine der drei skizzierten Untersuchungen thematisiert zum anderen die Rolle des Paräneten, wie sie bei Cyprian in der auch theologisch begründeten amtlichen Vollmacht des Bischofs Gestalt gewinnt.52 Dass in der Paränese Cyprians sehr bewusst ein verantwortlicher Bischof zu seiner Gemeinde bzw. einzelnen Gemeindegliedern spricht, verleiht ihr insofern einen spezifischen Charakter, als Cyprian, nicht zuletzt aufgrund seiner aristokratischen Herkunft, sein Bischofsamt in einer bis dahin kaum bekannten Weise als eine Art christliche Magistratur versteht und, damit zusammenhängend, Paränese für ihn zur vom Bischof ausgeübten ecclesiastica disciplina geworden ist. Damit sind sowohl ihr (übergreifender) Sitz im Leben als auch ihre charakteristische Autoritätsstruktur ____________

50 Nützlich sind auch thematisch orientierte Studien wie Edelhard L. Hummel, The Concept of Martyrdom According to St. Cyprian of Carthage (1946), die hier nicht zu referieren sind. 51 Wie sehr dies der Fall ist, zeigt schon die Bekehrungsschrift Ad Donatum, die darin, wie zu zeigen sein wird, keine Ausnahme, sondern durchaus typisch für Cyprian ist. 52 Gaudette stellt zwar den ekklesiologischen Bezug des cyprianischen Taufverständnisses heraus, geht aber auf die Frage, inwieweit dies auch im Blick auf die „vie baptismale“ von Bedeutung sein könnte, nicht ein.

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benannt. In der paränetischen Begleitung des einzelnen geht es für Cyprian immer auch um die disciplina der Kirche. Eine Untersuchung der cyprianischen Paränese, die diese beiden grundlegenden Aspekte angemessen berücksichtigt und damit ein sachgemäßes Gesamtbild ihrer theologischen Struktur gewinnt, fehlt bislang. Die vorliegende Untersuchung nimmt diese Aufgabe in Angriff. Zur Prägung der cyprianischen Theologie durch seine römisch-rhetorische und philosophische Bildung und zu seinem Verständnis der Rolle des Bischofs gibt es eine Reihe von Forschungsbeiträgen, deren wichtigste Ergebnisse im folgenden kurz zu skizzieren sind. 2.2 Untersuchungen zu paganen Einflüssen auf die cyprianische Theologie Mit Cyprian eignet sich ein philosophisch gebildeter römischer Rhetor aus der Provinzhauptstadt Karthago das Christentum an. Dass dieser biographisch-kulturelle Hintergrund auch seine theologische Konzeption beeinflusst, ist von vornherein zu erwarten und in seiner christlichen Erstlingsschrift Ad Donatum mit Händen zu greifen. Eine umfassende Untersuchung zu dieser Thematik liegt bislang noch nicht vor, wohl aber eine ganze Reihe von Beiträgen und Studien zu einzelnen Aspekten. Eine kleine Studie zur philosophischen Prägung der Theologie Cyprians hat Georg Morgenstern, Cyprian, Bischof von Carthago, als Philosoph (1889), vorgelegt. Gegenstand der Untersuchung Morgensterns ist der Einfluss der „antiken Gedankenwelt“ auf das cyprianische Denken. Auch wenn Cyprian „nicht geradezu ein Philosoph“ sei, steht er, so der Autor, doch „unbewußt unter dem Einflusse der philosophisch gebildeten Welt, unbewußt strömen antike Bilder und Gedanken in seine Vorstellungen ein, und trotz seiner ausdrücklichen Opposition zur Philosophie hat sich die Philosophie in gewissem Grade Eingang in seine Schriften verschafft“ (S. 1).53 Die wichtigsten Punkte, an denen Morgenstern einen Einfluss philosophischer Vorstellungen wahrnimmt, sind folgende: die griechische Vorstellung Gottes als eines Zuschauers des menschlichen Kampfes (S. 5f) bzw. der stoische, an Seneca dial 1,2 anknüpfende Gedanke, dass der Christ, dem „stoischen Heros“ entsprechend, „in seinen Leiden und Kämpfen der Gottheit ein großartiges Schauspiel bietet“ (S. 9f);54 die Vorstellung des Alterns der Welt (S. 10–13); die pessimistische Beurteilung des irdischen Daseins, die sich zwar durch ihre Begründung in der christlichen Zukunftshoffnung von der Stoa unterscheide, sich aber in einer asketischen Weltenthaltung äußere, die sich „an die antike naturhafte Moral“ anlehne (S. 21–24); die dem „Vernunftreich der Stoiker“ vergleichbare Ekklesiologie (S. 27) sowie die den „proficientes [...] der Stoiker“ entsprechenden „Büßenden“ (S. 29); die den senecanischen Gedanken uiuere est militare detailliert entfaltende Vorstellung der christlichen militia (S. 29f), bei der freilich in der Rede von der „göttliche(n) Hilfe [...] im Kampfe [...] ein starker Gegensatz zur Antike“ vorliege (S. 32); die trotz expliziter Abgrenzung „doch sehr dem apathischen Stoiker“ ähnelnde Auffassung der christlichen patientia (S. 37); die einen stoischen Anspruch aufnehmende Charakterisierung der Christen als „Philosophen der That, nicht des Wortes“ (S. 37).

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53 Ähnlich S. 26. 54 Vgl. dazu noch S. 43.

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Mit ihrem „eudämonistischen Zug“ (S. 41) bleibe die cyprianische Ethik jedoch deutlich hinter der „antike(n) Ethik“ zurück, werde dort doch „die Tugend um der Tugend willen geübt, hier nur um des Lohnes willen“ (S. 46).

Morgenstern bietet eine Bestandsaufnahme der von ihm wahrgenommenen Philosophoumena in der Theologie Cyprians und notiert dazu charakteristische Übereinstimmungen und Unterschiede. Aufgenommen, teilweise ergänzt und vor allem neu bewertet werden die Ergebnisse Morgensterns bei Karl Hermann Wirth, Der „Verdienst“-Begriff in der christlichen Kirche nach seiner geschichtlichen Entwicklung. II. Der „Verdienst“-Begriff bei Cyprian (1901), unter der Überschrift „Der Verdienst-Begriff bei Cyprian in seiner Beziehung zu antiken Philosophemen [...]“ (S. 147–164).55 Wirth lehnt es zwar ab, Cyprian als „Philosophen“ zu bezeichnen, nimmt aber an, dass antike Philosopheme, „vielleicht mehr als man gemeinhin anzunehmen geneigt“ sei, „die Grundlagen für seine eminent practischen Ausführungen“ bilden (S. 147). Grundlegend ist für ihn die „Überschätzung der ethischen Persönlichkeit des Menschen, wie sie in den antiken, moral-philosophischen Systemen von Anfang an zu Hause ist und nicht zum mindesten in der Stoa sich findet“ (S. 148 [i.Or. gesperrt]), begründe diese doch „auf heidnisch-philosophischer Grundlage [...] die Position der Möglichkeit menschlichen meritums vor Gott“ (ebd.). Die von Wirth thematisierten Einzelpunkte stammen vielfach von Morgenstern, werden aber durchgängig auf den Verdienstgedanken bezogen: die Motive des Schauspiels und des Kriegsdienstes für Gott bzw. Christus betonten bei Cyprian anders als an den entsprechenden neutestamentlichen Stellen „das Moment der Leistung des Menschen für Gott“ (S. 151); die ganze Konzeption sei eine in „grellem Widerspruch“ zum neutestamentlichen Geiste (Lk 17,10) stehende, „ganz im Sinne der Antike“ zu verstehende Verherrlichung der „menschliche(n) Leistungsfähigkeit“ (S. 153); dazu gehöre auch die „starke(n) Hervorhebung des Ruhmes“ vor dem himmlischen Preisrichter ebenso wie vor den Menschen (S. 153f). Auch die cyprianische Deutung der Angriffe des Widersachers als von Gott zugelassene und damit letztlich als „aus pädagogischen Gründen“ auferlegte Maßnahmen, sei es zur „Strafe, Züchtigung und Besserung der Sünder“, sei es besonders zur „Vervollkommnung und Bewährung der Heiligen in ihrem verdienstlichen Handeln vor Gott“, entspreche „den Anschauungen der Stoa“ (S. 154f).56 Mit der „Annahme der Lehrbarkeit und Lernbarkeit des sittlichen Verhaltens, wie sie aus dem Intellectualismus der Stoa resultier(e)“, und dem Verständnis der Sünden als „Sache menschlichen Irrthums“ folge er den Spuren antiker Philosophie (S. 156f). Auch das für Cyprian wichtige Motiv der Nachahmung des von Christus gegebenen Beispiels sei „ein stoisches Moment“, stimme Cyprian doch „mit der Stoa in Bezug auf den hohen sittlichen Werth einer derartigen Leistung des Menschen vor Gott“ überein (S. 160f). Auch die „Vorstellung von der Verdienstlichkeit asketischen Handelns vor Gott“ stehe auf diesem Boden (S. 162). In der cyprianischen Vorstellung, dass „bereits der Wille des Menschen zum Guten oder Bösen genüge, um auf Grund eigenen Verdienstes Anrecht auf Lohn vor Gott zu bedingen bezw. der Strafe Gottes verfallen zu machen“, klinge „wohl zweifelsohne eine Saite des stoischen Moralcanons“ an (S. 162f). Als einen Punkt, in dem „in hervorragender Weise das Vorhandensein antik-philosophischer Anschauung in Cyprians Verdienstlehre“ hervortrete, nennt Wirth schließlich den die cyprianische „Lohntheorie“ kennzeich-

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55 Die in der Kapitelüberschrift ebenfalls erwähnten „Anschauungen der Volksreligion“ werden auf S. 164f nur kurz gestreift. 56 Wirth verweist dazu auf Seneca dial 1,4,5ff.

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nenden, „in der antiken Philosophie so heimische(n) Eudämonismus“, sei doch „das verdienstliche Handeln“ bei Cyprian durch „das Streben nach Glückseligkeit“ normiert (S. 163f).

Wirth lässt alle Differenzierungen, die es bei Morgenstern noch gibt, fallen, streicht überall den Verdienstaspekt heraus und sucht diesen als außerchristlich zu erweisen. Wiederholt werden Vorstellungen, die zumindest auch biblisch begründet sind, einseitig auf paganen Einfluss zurückgeführt. Signifikant ist die unterschiedliche Beurteilung des cyprianischen „Eudämonismus“. Insgesamt kommt es Wirth weniger auf den Nachweis von Einflüssen als auf die Verurteilung von Vorstellungen an. Angesichts des Gewichtes, das vor allem Wirth dem philosophischen, insbesondere stoischen Einfluss auf die innere Struktur der cyprianischen Theologie beimisst,57 überrascht es, wie wenig Cyprian in der einschlägigen Literatur zur Rezeption antiker Philosophie bei den Kirchenvätern Berücksichtigung findet. Die klassischen Untersuchungen zum Stoizismus der frühen Kirchenväter von Johannes Stelzenberger, Die Beziehungen der frühchristlichen Sittenlehre zur Ethik der Stoa. Eine moralgeschichtliche Studie (1933), und Michel Spanneut, Le stoïcisme des Pères de l’Église. De Clément de Rome à Clément d’Alexandrie (1957), behandeln Cyprian nur am Rande,58 und auch die neuere Studie von Marcia L. Colish, The Stoic Tradition from Antiquity to the Early Middle Ages. Vol. II: Stoicism in Christian Latin Thought through the Sixth Century (1985), widmet Cyprian lediglich zwei Seiten (S. 33–35).59 Den Einfluss des Kynismus im frühen Christentum untersucht F. Gerald Downing, Cynics and Christian Origins (1992). Er widmet Cyprian nur ein kurzes Kapitel (S. 214– 216), nimmt kynischen Einfluss aber an nicht wenigen Punkten wahr.60 In den zahlreichen Untersuchungen zum Platonismus im frühen Christentum spielt Cyprian keine Rolle.61 Auch weiter ausgreifende Arbeiten zum Einfluss antiker ____________

57 Vgl. auch Seeberg, Lehrbuch I, 638–643 u.ö. 58 Stelzenberger nimmt nur gelegentlich beiläufig auf Cyprian Bezug, Spanneut etwas intensiver lediglich im Kapitel über die „Vie morale“; er rechnet mit cyprianischer Kenntnis der senecanischen Schrift De prouidentia und einigen wenigen weiteren literarischen Berührungen. In den weiteren Beiträgen Spanneuts zu dieser Thematik (Les normes morales du stoïcisme chez les Pères de l’Église [1981]; Permanence du stoïcisme. De Zenon à Malraux [1973]; Permanence de Sénèque le philosophe [1980]) spielt Cyprian kaum eine Rolle. 59 Colish hält Cyprians Abhängigkeit von stoischen Vorstellungen für ebenso oberflächlich wie begrenzt (S. 33f). Sie rechnet mit Bezugnahmen auf authentisch stoisches Material nur in habit 15f (Naturargumentation), mort (adiaphora-Lehre, magnitudo animi) und ep 55,16 (explizite Polemik). 60 Genannt werden u.a. die mit der Taufe verbundene Absage an den aristokratischen Lebensstil und die Hinwendung zum einfachen Leben (Don 3f), die überaus kritische Beurteilung der zeitgenössischen Gesellschaft, die strikte Ablehnung des Reichtums und die Forderung von Besitzverzicht. 61 Vgl. etwa Luc Dietz, Bibliographie du platonisme impérial antérieur à Plotin: 1926–1986 (1987) 162–170, Eginhard Peter Meijering, Zehn Jahre Forschung zum Thema Platonismus und Kirchenväter (1971), Endre von Ivánka, Plato Christianus. Übernahme und Umgestaltung des Platonismus durch die Väter (1964), und Stephen Gersh, Middle Platonism and Neoplatonism. The Latin Tradition (1986).

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Literatur auf die lateinischen Kirchenväter handeln Cyprian vergleichsweise kurz ab.62 Stärker beschäftigt hat die Forschung das Verhältnis Cyprians zu Seneca, nachdem Hugo Koch, Cyprianische Untersuchungen (1926), S. 286–313, eine umfangreiche, allerdings nicht im einzelnen begründete und interpretierte Zusammenstellung möglicher Berührungen zwischen Cyprian und Seneca vorgelegt hat. In der Folgezeit ist dieses Verhältnis überwiegend skeptischer beurteilt worden.63 So widmet Arlette Vidal Fontan, Apologétique et philosophie stoïcienne. Essai sur la permanence de Sénèque chez les pères latins de Tertullien à Lactance (1986), lediglich zwölf der insgesamt etwa vierhundert Seiten ihrer Untersuchung dem Einfluss Senecas auf Cyprian (S. 257–268). Sie räumt zwar einige literarische Berührungen ein, schränkt aber ein, diese beträfen abgesehen von der Vorstellung des Alterns der Welt lediglich Topoi und könnten daher ebenso gut auf Handbücher zurückgehen;64 einen signifikanten Einfluss Senecas implizierten sie nicht (S. 267f). Die zusammenfassende Bemerkung, Seneca sei für Cyprian nicht als Philosoph, sondern lediglich als Rhetor und Moralist von Interesse (S. 364), wirft freilich die Frage auf, inwieweit und in welchem Sinne Seneca als „Moralist“ prägenden Einfluss auf Cyprian ausgeübt hat; Vidal Fontan lässt diese Frage unbeantwortet. Mit einem erheblichen Einfluss Senecas auf die Bekehrung Cyprians zum Christentum rechnet Giorgio Barbero, Seneca e la conversione di San Cipriano (1962).65 Wenn Jean-Claude Fredouille, „Seneca saepe noster“ (1991), das Verhältnis der christlich-lateinischen Schriftsteller zu Seneca insgesamt als eine „question ouverte“ charakterisiert (S. 140),66 so gilt dies für Cyprian in besonderem Maße, und seine Bemerkung, die „culture sénéquienne“ der christlichen Autoren werde keineswegs überschätzt (S. 136f), könnte sich auch für Cyprian als zutreffend erweisen. Eine Vielzahl von Einzelstudien befasst sich mit paganen Einflüssen bezogen auf einzelne cyprianische Schriften, bestimmte Themen oder weitere einzelne Autoren.67 So gibt es eine Reihe detaillierter Untersuchungen zu literarischen ____________

62 Vgl. bes. Gerard L. Ellspermann, The Attitude of the Early Christian Latin Writers Toward Pagan Literature and Learning (1949), 43–51, und Harald Hagendahl, Von Tertullian zu Cassiodor. Die profane literarische Tradition in dem lateinischen christlichen Schrifttum (1983), 29–31. 63 Vgl. etwa Jacques Fontaine, Aspects et problèmes de la prose d’art latine au IIIe siècle. La genèse des styles latins chrétiens (1968), 158 Anm. 14, Spanneut, Le stoïcisme, 262, und bes. Colish, The Stoic Tradition II, 34. Eine entsprechende Warnung hatte zuvor schon, sozusagen avant la lettre, Paul Faider, Études sur Sénèque (1921), 87 Anm. 1, ausgesprochen. 64 Vidal Fontan folgt damit einer Bemerkung Fontaines, Aspects, 158 Anm. 14, ohne freilich einen Nachweis dessen zu versuchen. 65 Vgl. zu dieser Thematik ferner Luigi Castiglioni, Cyprianea (1933), 1081–1083, und Alberto Tornatora, Angelus increpans. La mens religiosa secondo Cipriano (1996), 239f Anm. 18. 66 Der Artikel enthält methodisch wichtige Überlegungen zum Einfluss Senecas auf frühchristliche Schriftsteller und bietet eine umfangreiche Literaturübersicht. 67 Zur literarischen Bildung Cyprians und zu exemplarischen Klassiker-Reminiszenzen äußert sich Louis Bayard, Le latin de saint Cyprien (1902), XVIII–XXV. Vgl. auch die Literaturübersicht bei Freund, Vergil, 214f.

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Einleitung

Einflüssen auf die Schrift Ad Donatum.68 Den „Echi e riflessi classici“ in der Schrift De mortalitate hat Giuseppina Stramondo, Studi sul ‚De mortalitate‘ di Cipriano. Studi, testo et traduzione (1964), S. 49–77, eine eindringliche, auch auf das sachliche Gewicht der von ihr wahrgenommenen Einflüsse und Berührungen eingehende Studie gewidmet.69 Mario Naldini, Note esegetiche al „De lapsis“ di s. Cipriano (1978), sucht am Beispiel der genannten Schrift die harmonische Verbindung von biblischen und paganen Elementen bei Cyprian aufzuzeigen; Entsprechendes leistet Carla Lo Cicero, La persecuzione come punizione divina in Cipriano. Motivi biblici e classici (1992), für die Deutung der decischen Verfolgung in laps 5–7 und ep 11,1. Unter den untersuchten Themen ragt das Motiv des Alterns der Welt heraus, das von Elena Zocca, La „senectus mundi“. Significato, fonti et fortuna di un tema ciprianeo (1995), umfassend abgehandelt worden ist.70 Dem für die cyprianische Paränese wichtigen, stoisch geprägten Motiv der Standhaftigkeit geht Jacques Fontaine, Un cliché de la spiritualité antique tardive: stetit immobilis (1982), in einer diachronischen Studie nach, die auch auf Cyprian eingeht (S. 545–548). Schließlich gibt es eine Reihe von Untersuchungen, die sich mit der Rezeption weiterer paganer Autoren bei Cyprian befassen. So ist wiederholt das Verhältnis Cyprians zu Lukrez erörtert worden, mit dem ihn nach Meinung einiger Interpreten eine verwandte Grundstimmung verbindet;71 daneben gibt es Beiträge zu möglichen Berührungen Cyprians mit Apuleius72, Catull73, Ovid74, Plinius d.J.75 und Vergil76. Mit einem ____________

68 Außer der weitgespannten Untersuchung und Materialsammlung von Umberto Moricca, Di alcune probabili fonti d’un opuscolo di S. Cipriano (1917), sind hier besonders die eingehenden Studien von Fontaine, Aspects, 149–171, und Vinzenz Buchheit, Non agnitione sed gratia (Cypr. Don. 2) (1987), bzw. ders., Non homini sed Deo (Cypr. Don 3–4) (1989), zu Don 2–4 sowie die Arbeit von Geneviève Ellien, L’Ad Donatum de Cyprien de Carthage et le thème de la curiosité (1992), zu nennen. Weitere Literatur dazu ist in Kap. 1 Anm. 16 zusammengestellt. 69 Eine wertvolle Zusammenstellung von Beispielen, wo Cyprian, „consciously or not, (borrowed) some of the commonplace expressions employed by earlier writers“, bietet Hannan, mort, 7–12 (Zitat S. 7). J.H.D. Scourfield, The De mortalitate of Cyprian: Consolation and Context (1996), 20f (mit S. 36 Anm. 43), hält den stoischen Einfluss in der Schrift De mortalitate für sehr gering, geht aber auf die einschlägigen Stellen kaum ein. 70 Vgl. dazu ferner etwa Spanneut, Le stoïcisme, 413f, Gallicet, Dem, 149–163, Vidal Fontan Apologétique, 263–266, Luigi Castagna, Vecchiaia e morte del mondo in Lucrezio, Seneca e san Cipriano (2000), sowie Fredouille, Dem, 21–38. 71 Vgl. dazu Carlo Pascal, Lucrezio e Cipriano (1903), der Lukrez-Rezeption in Dem 3 und mort 14 nachzuweisen sucht, die Aufnahme und Weiterführung seiner These bei Francesco Dalpane, Se Arnobio sia stato un epicureo. Lucrezio e gli apologetici cristiani Minucio Felice Tertulliano Cipriano Lattanzio (1905), 425f, und Stramondo, mort, 67–70, sowie die Kritik dieser Thesen bei Harald Hagendahl, Latin Fathers and the Classics. A Study on the Apologists, Jerome and other Christian Writers (1958), 77f. 72 Vgl. Hugo Koch, Cyprianische Untersuchungen, 314–333. 73 Vgl. N.I. Herescu, De Catulle à S. Cyprien. Évolution d’un concept de la divinité (1959). 74 Vgl. Carlo Pascal, Sopra alcuni passi delle metamorfosi ovidiane imitati dai primi scrittori cristiani (1909), 4f. 75 Vgl. Hugo Koch, Novaziano, Cipriano e Plinio il Giovane (1935). 76 Vgl. zuletzt Stefan Freund, Vergil im frühen Christentum. Untersuchungen zu den Vergilzitaten bei Tertullian, Minucius Felix, Novatian, Cyprian und Arnobius (2000), 213–254.

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Einfluss der römischen Deklamationen rechnen Antonio Quacquarelli, La retorica antica al bivio (L’Ad Nigrinum e l’Ad Donatum) (1956), und Giorgio Forti, La concezione pedagogica in Cipriano (1963/64). Eine eigenständige Untersuchung zur cyprianischen Rezeption Ciceros, die nach den Beobachtungen Stramondos und Fontaines durchaus von Gewicht ist,77 liegt bislang nicht vor.78 Findet Cyprian in übergreifenden Studien zum Einfluss antiker Literatur bei den (lateinischen) Kirchenvätern wohl auch deshalb wenig Beachtung, weil er pagane Autoren nie namentlich erwähnt und höchst selten implizit zitiert,79 so dürften die genannten Einzeluntersuchungen gezeigt haben, dass dessenungeachtet vielfältige Reminiszenzen paganer Autoren in seinen Schriften festzustellen sind. Die Frage nach dem systematischen Stellenwert der verschiedentlich verzeichneten literarischen und sachlichen Berührungen für das Denken Cyprians ist in jüngerer Zeit kaum in Angriff genommen worden. Ansätze dazu bieten besonders die Beiträge von Stramondo, Fontaine und Barbero, größere Zusammenhänge erfassende Untersuchungen fehlen jedoch. Klärungsbedürftig ist nicht zuletzt das sachliche Gewicht der wiederholt festgestellten, offenbar vielfältigen literarischen Berührungen mit Seneca. Dass die cyprianische Rezeption paganer Autoren weitergehende Studien verdiente, zeigen einige interessante Beobachtungen der Forschung. So stellt etwa Vidal Fontan mit Recht fest, dass senecanisches Gedankengut, das Cyprian aus Tertullian übernehme, bei ihm viel stärker „christianisiert“, das heißt in eigene, auch biblisch bestimmte Gedankengänge integriert sei als bei seinem Vorgänger, fragt allerdings nicht, ob bzw. inwieweit dabei zugleich auch das BiblischChristliche verwandelt wird. Demgegenüber bemerkt Colish zu habit 15f, die cyprianischen Ausführungen seien im Vergleich zu den entsprechenden Bemerkungen Tertullians „much more narrowly Christian“, zeigten aber zugleich „a much more genuinely Stoic respect for the idea of nature as an ethical criterion“.80 Dass hier ein Prozess wechselseitiger Durchdringung stattfindet, versuchen besonders Stramondo und Fontaine in ihren genannten Beiträgen zu zeigen, ohne freilich der Bedeutung dieses Phänomens für das theologische Denken Cyprians intensiver nachzugehen.81

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77 Vgl. Stramondo, mort, 55–59, und Fontaine, Aspects, 149–171. 78 Die Habilitationsschrift von Eckhart Reichert, Cicero Christianus. Übernahme und Umgestaltung des Ciceronianismus in den apologetischen Schriften der voraugustinischen lateinischen Kirchenväter mit einem Ausblick auf Augustin, Hamburg 1993, war mir leider nicht zugänglich. 79 Dazu s.u. 3 (b). 80 Colish, The Stoic Tradition II, 34; Entsprechendes läßt sich auch sonst des öfteren zeigen; vgl. etwa unten Kap. 5 Anm. 418 zum Begriff der patientia. 81 Vgl. dazu auch Naldini, Note, und Lo Cicero, La persecuzione; Freund, Vergil, 253f, unterstreicht, dass Cyprian Biblisches „unter Verwendung vergilischer Wendungen“ zum Ausdruck bringt und „auch an Stellen, an denen er Christliches im engsten Sinne ausdrückt, Anleihen bei Vergil“ macht. Johannes Baptista Nsuka-Nkoko, Christifidelium officia in quibusdam sancti Cypriani libellis eorumque fontibus (2000), ist dieser Frage im Blick auf die wichtigsten christlichen officia, als welche er bei Cyprian uerecundia, disciplina, sanctificatio und caritas ausmacht, nachgegangen. Er stellt zu jedem officium die Frage nach den Fontes classici und den Rationes biblicae und deutet ansatzweise an, wie diese sich bei Cyprian verbinden (vgl. bes. S. 30f).

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Einleitung

So ist die Forschungslage, was den Einfluss paganer Autoren und Vorstellungen auf die cyprianische Theologie betrifft, ambivalent: Auf der einen Seite gibt es eine Fülle größerer und kleinerer Beiträge, die die cyprianische Rezeption verschiedener paganer Autoren oder Motive zum Teil detailliert und eindringlich untersuchen, auf der anderen Seite fehlen nicht nur größere Darstellungen, die die vielfältigen Rezeptionsvorgänge zusammenhängend vor Augen führen, sondern auch und mehr noch Versuche, das sachliche Gewicht des Rezipierten im Kontext des cyprianischen Denkens zu ermitteln. Die folgenden Untersuchungen werden bezogen auf grundlegende Aspekte der cyprianischen Paränese dazu einen Beitrag zu leisten versuchen. 2.3 Untersuchungen zu spezifischen Prägungen des cyprianischen Verständnisses des Bischofsamtes Eine umfassende Untersuchung zum cyprianischen Verständnis des Bischofs in seiner Rolle als Paräneten bzw. zur disciplina-bezogenen Aufgabe des Bischofs liegt noch nicht vor.82 Zwei Aspekte, die die Forschung zum cyprianischen Amtsverständnis intensiver beschäftigt haben, berühren aber die Fragestellung der vorliegenden Untersuchung: die Frage der römischen bzw. römisch-rechtlichen Prägung seines Amtsverständnisses sowie sein vor allem alttestamentlich begründetes Verständnis des Bischofsamtes als Priesteramt. Eine spezifisch ‚römische‘ Prägung erhält die Theologie Cyprians nach dem Urteil der Forschung nicht nur durch die Bildungstraditionen, die er als philosophisch gebildeter Rhetor mitbringt, sondern auch dadurch, dass mit ihm ein römischer Aristokrat das Bischofsamt übernimmt.83 Seiner gehobenen sozialen Stellung und der damit verbundenen Erwartung, er werde sich als Bischof zugleich als ‚Patron‘ seiner Gemeinde erweisen, dürfte sich schon seine nicht allzu lange nach seiner Bekehrung erfolgte, verdientere Presbyter übergehende Wahl zum Bischof von Karthago verdanken.84 Dem entspricht es, dass Verständnis und Ausübung des Bischofsamtes bei Cyprian Analogien zur römischen Magistratur erkennen lassen. Entsprechende Beobachtungen sind bereits von Karl Gerold Goetz, Das Christentum Cyprians. Eine historisch-kritische Untersuchung (1896), vorgetragen worden.85

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82 Richard Seagraves, Pascentes cum disciplina. A Lexical Study of the Clergy in the Cyprianic Correspondence (1993), beschränkt sich im wesentlichen auf eine Sammlung von Begriffen und Belegstellen und geht daher auf die hier interessierende Thematik kaum ein. 83 Zur sozialen Herkunft Cyprians s.o. 1. 84 Vgl. dazu bes. Charles A. Bobertz, Cyprian of Carthage as Patron. A Social Historical Study of the Role of Bishop in the Ancient Christian Community of North Africa (1988), 75–129. Wichtige Anfragen und Differenzierungen gegenüber der These von Bobertz formuliert Geoffrey D. Dunn, The White Crown of Works: Cyprian’s Early Pastoral Ministry of Almsgiving in Carthage (2004). 85 Vgl. bes. das Kapitel „Politisches Christentum“ (S. 113–137).

2. Zur Forschungsgeschichte

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Für Cyprian, so Goetz, vollzieht sich das Wirken Gottes „nach der römischen Auffassung gemäss dem römischen Staatsbegriff [...] durch die Kirche als Magistrat“; es erscheine daher „wesentlich als politisches, als dispositio, ordinatio im Sinne von Magistratsordnung“ (S. 114); durch seine „Verfügung“ würden „die kirchlichen Magistrate bestellt“ (S. 115). Die Kirche werde „unter dem Einfluss des römischen Staatsbegriffs“ als „rein juristische(n) Person [...], deren Dasein und Vermögen von ihren individuellen Mitgliedern unabhängig ist [...]“, verstanden (S. 116); „der bischöfliche Magistrat“ werde „in römisch-politischer Art“ „als Grundlage und Verfassung der Einzelgemeinde und als Zusammenhalt der Gesamtkirche“ aufgefasst (S. 123). In der Einzelgemeinde agierten die Bischöfe als Stellvertreter Gottes bzw. Christi, seien aber, den Magistraten entsprechend, „an das Gesetz gebunden, bezw. an den Willen des ersten Magistrats“, dem sie „über ihre Amtsführung Rechenschaft“ ablegen müssten (S. 130). Auch die Sukzessionsvorstellung und die „Schätzung des Apostolats als politische Gewalt“ zählt Goetz zu den römischen Elementen des cyprianischen Amtsverständnisses (S. 132). Die Verbindung von Episkopat und Priestertum könne mit der römischen Verbindung von Priestertum und Magistratur erklärt werden, doch dominiere hier wohl jüdischer Einfluss, da das römische Priestertum in der Kaiserzeit nur selten mit „priesterliche(r) Gewalt, Macht, Zensur u.s.w.“ verbunden werde; allerdings übe der „Oberpontifikat“ über Priester und Vestalinnen in vergleichbarer Weise disziplinarische Gewalt aus wie der cyprianische Bischof über Priester, Diakonen und Jungfrauen (S. 133f). Goetz betont freilich, dass der cyprianische Kirchenbegriff in seiner römischen Konzeption nicht aufgehe, und es erscheint ihm „fraglich, ob Cyprian sich die römisch-politische Auffassung von der Kirche je ganz angeeignet“ hat (S. 124); die Weigerung Cyprians, den römischen Bischof als obersten Beamten der Kirche anzuerkennen, ist ihm dafür ein Indiz (S. 128).

Spricht Goetz damit schon wesentliche Gesichtspunkte einer möglichen staatsrechtlichen Beeinflussung des cyprianischen Amts- und Kirchenverständnisses an, so ist die weitere Forschungsgeschichte vor allem durch die einflussreiche Studie von Alexander Beck, Römisches Recht bei Tertullian und Cyprian (1930), S. 106–146, geprägt worden.86 Während Beck bei Tertullian ein „privatrechtlich orientierte(s) Kirchendogma“ ausmacht,87 stellt er bei Cyprian eine Entwicklung hin zum „öffentlich-rechtlich bestimmten (Kirchendogma)“ fest

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86 Vgl. dazu auch Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 19. Die aus rechtshistorischer Perspektive verfasste Untersuchung von Joseph Vögtle, Die Schriften des hl. Cyprian einschließlich der „Vita Pontii Diaconi“, der „Acta proconsularia“ und der „Opera spuria“ als Erkenntnisquelle römischen Rechts (1920), markiert ihr Ziel als „ein rein juristisches“ (S. 3) und geht demgemäß auf theologische Aspekte kaum ein. Vögtle untersucht u.a. die cyprianische Verwendung juristischer Begriffe wie ius, fas, lex, uindicare usw. (S. 24–59), kommt aber zu dem Schluss, Cyprian verwende solche Begriffe eher dem normalen, nicht-juristischen Sprachgebrauch entsprechend und erweise sich damit als Rhetor, nicht als Jurist (S. 336–338). Eine kritische Zusammenfassung der Arbeit bietet Hoffmann, a.a.O., 16f. – Unerreichbar blieb mir T. Gasparini Fogliani, Cipriano. Contributo alla ricerca di riferimenti legali in testi extragiuridici del 3° secolo (1928). 87 Vgl. bes. S. 13–57. Neuere Untersuchungen zum Einfluss römisch-rechtlichen Denkens auf Tertullian bzw. die frühe lateinische Theologie veranschlagen diesen erheblich geringer als Beck; vgl. dazu etwa R. Braun, Deus Christianorum, 178.228, Fredouille, Tertullien, 195–234, R. Braun, ChrTert 75,5 (S. 305f), sowie Hallonsten, Satisfactio, 105–212. Dass Begriffe, die auch im rechtlichen Kontext verwendet werden, bei den frühchristlichen lateinischen Autoren in der Regel keine juristisch-terminologische Bedeutung haben, betonen Braun, Deus Christianorum, 553f, Fredouille, Tertullien, 483f, und Hallonsten, Satisfactio, 119f.151–162.

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(S. 107), die der historischen Entwicklung der Kirche hin zu einem „Staat im Staate“ (S. 106–108) korrespondiere. Cyprian verkörpere dank seiner wahrscheinlichen Herkunft aus einem „hochgestellten, in Karthago niedergelassenen Geschlecht römischer Beamter“ die „Überlieferung römischen Beamtenadels“, was sich in seinem vornehmen Auftreten, der häufigen Verwendung „staatsrechtliche(r) Begriffe“ sowie in seiner aristokratisch geprägten praktischen Orientierung äußere (S. 108– 110). Während Beck beim Gottesverhältnis Cyprians ein Zurücktreten der „zivilrechtlichen Termini Tertullians“ wahrnimmt und eine spezifisch rechtliche Prägung kaum noch zu erkennen vermag (S. 116),88 liegt der Schwerpunkt des römisch-rechtlichen Einflusses auf Cyprian für ihn eindeutig in seiner Ekklesiologie und in seinem Verständnis des Bischofsamtes.89 Die Kirche werde bei Cyprian „zur staatsrechtlich-politischen Einheit“ umgestaltet und als „eine neue Universalgemeinde mit scharfen verfassungsrechtlichen Merkmalen [...] in Gestalt einer Föderation der Bischofsgemeinden“ verstanden (S. 124). Die „Einherrschaft der Bischöfe als Verfassungsform der Einzelgemeinden“ (S. 126) werde durch die Aufnahme des „Solidarbegriff(s) des römischen Privatrechtes“ mit der „Einheit und Einzigkeit des verfassungsrechtlichen Episkopats“ in Einklang gebracht (S. 127).90 Unter dem Titel „Die Bischofsmagistratur“ (S. 130–138) sucht Beck zu zeigen, „daß Cyprian, ausgesprochener- oder unausgesprochenermaßen, die Bischofsgewalt wesentlich auf dieselben Rechtsbegriffe gründet, mit welchen das römische Staatsrecht die Amtsgewalt seiner Oberbeamten erfaßt“ (S. 130). Wie nach römischem Staatsrecht „die römische Gemeinde selbst keine Staatsgewalt ausüb(e), sondern der Magistrat immer und ausschließlich für sie handel(e)“, so führe bei Cyprian allein der Bischof „alle Handlungen der Kirche“ aus (S. 131f). Hier wie dort gehe das Leitungsamt rechtlich der Gemeinde voraus, die Amtsgewalt werde demgemäß direkt auf den (nach öffentlicher Wahl) von Kollegen eingesetzten Nachfolger übertragen (S. 131f). Analog dem römischen Magistrat besitze der Bischof gegenüber niederem Klerus und Gemeindegliedern das „Interzessions- und Koerzitionsrecht“ (S. 134); seine „Disziplinärgewalt“ sei lediglich „durch die Rücksicht auf die concordia collegii sacerdotalis“ eingeschränkt (S. 137). Dem korrespondiere die „Rezeption entsprechender strafrechtlicher Schutznormen“: Häresie erscheine als Verschwörung und Aufruhr, und neue „Sakraldelikte“ wie sacrilegium, Impietät und Inreligiosität bzw. kirchliche Delikte wie „Usurpation und Exambition des Priesteramtes“ begegneten nun (S. 137f).91

Die Studie Becks bringt einige wesentliche Aspekte der Theologie Cyprians zum Vorschein. Am überzeugendsten ist sie dort, wo es um institutionelle Aspekte geht. Dass das cyprianische Verständnis des Bischofsamtes jedenfalls auch durch die Konzeption des römischen Magistrats geprägt ist, dürfte überzeugend nachgewiesen sein, auch wenn zu fragen ist, inwieweit es sich hier um ____________

88 Die vielzitierte These von Harnacks, Lehrbuch II, 179f, ausgeführt bes. bei Wirth, „Verdienst“-Begriff I/II, Tertullian und Cyprian fassten das Gottesverhältnis des Menschen in rechtliche Kategorien, ist in jüngerer Zeit nachhaltig in Frage gestellt worden; vgl. bes. R. Braun, Deus Christianorum, 554, ferner Hallonsten, Meritum, 174, und ders., Satisfactio, 211. 89 Im cyprianischen Verständnis der „Kirchenbuße“ sieht Beck das „strafrechtliche Element“ hervortreten, das „eine starrere, allgemeiner zugeschnittene Regelung von Bußart und Bußzeit“ zur Folge habe (S. 119–120). 90 Zur Diskussion der juristischen Bedeutung der Formulierung episcopatus unus est cuius a singulis in solidum pars tenetur in unit 5;127 vgl. neben Beck (S. 127–129) besonders noch Maurice Bévenot, Épiscopat et primauté chez s. Cyprien (1966), 186–195, und Ulrich Wickert, Sacramentum unitatis. Ein Beitrag zum Verständnis der Kirche bei Cyprian (1971), 76–84. 91 Zur staats- und sakralrechtlich beeinflussten Amtsterminologie vgl. S. 135f.

2. Zur Forschungsgeschichte

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über allgemeinere Amtsvorstellungen hinausgehenden, spezifisch juristischen Einfluss handelt. Entsprechendes gilt für die cyprianische Ekklesiologie, soweit es um ihre ‚Episkopalverfassung‘ geht.92 Ausgehend von vergleichbaren Bemerkungen von Campenhausens93 hat sich zuletzt Andreas Hoffmann, Kirchliche Strukturen und Römisches Recht bei Cyprian von Karthago (2000), mit der Frage befasst, „welchen Einfluß die rechtlichen und politischen Ordnungen seiner Zeit auf sein Kirchen- und Gemeindeverständnis, insbesondere sein Konzept von der Stellung des Bischofs und des Klerus gegenüber den Laien ausgeübt haben“ (S. 15).94 Freilich beschränkt sich die Untersuchung auf die „Frage, inwiefern Cyprian selbst für den Bereich der Kirche von der Existenz einer Rechtsordnung ausgeht“ (1. Teil), sowie auf die Strukturierung der Gemeinde am Beispiel der „Frage der hierarchischen Zweiteilung der Gemeinde in Klerus und Laien“ (2. Teil); weitere Problemzusammenhänge, insbesondere „die Stellung und Funktion des Bischofs“, werden als wichtige Themen benannt, jedoch nicht untersucht (S. 34). Auf eine ausführlichere Vorstellung dieser Arbeit kann hier darum verzichtet werden. Wichtig ist hier freilich die erste der beiden abschließenden Erläuterungen Hoffmanns zu den Konsequenzen der „Nutzung rechtlicher Termini und Ordnungsprinzipien des städtischen und staatlichen Lebens“ bei Cyprian: „Die Betonung der göttlich gegebenen Rechtsordnung führt zu einer Stärkung der beherrschenden Stellung des Bischofs. Wenn in den Heiligen Schriften alles durch ein Gesetz und eine Anordnung geregelt ist und folglich in ihnen die Maßstäbe für das Rechtmäßige niedergelegt sind, dann kommt dem Interpreten dieser Schriften großes Gewicht zu. Diese Funktion übernimmt in erster Linie der Bischof, der Klerus unterstützt ihn dabei“ (S. 307). Bei Fehlentwicklungen, Unklarheiten oder Streitfragen „nimmt der Bischof für sich die Verantwortung und die Kompetenz in Anspruch, diese Fragen, oft in Abstimmung mit den Amtskollegen, gültig zu entscheiden.“ Grundlegend dafür sind nicht primär seine amtliche Stellung und Macht, „sondern sein größeres Wissen, seine überlegene Kenntnis der Heiligen Schriften und ihrer Forderungen“, m.a.W. „seine Lehrkompetenz“ (S. 307f). Hoffmann macht damit auf eine wichtige Verbindung zwischen (sakral-) rechtlich beeinflusster Schriftauslegung und der Ausübung der ecclesiastica disciplina durch den Bischof aufmerksam.95

Neben der römischen Beeinflussung des cyprianischen Amtsverständnisses ist auch die Frage eines (gleichzeitigen) alttestamentlichen bzw. jüdischen Einflusses diskutiert worden. Die alttestamentliche und speziell priestergesetzliche Begründung des cyprianischen Verständnisses des Bischofsamtes ist in seinen Schriften mit Händen zu greifen und hat die Cyprianforschung wiederholt beschäftigt. S.L. Greenslade, Scripture and Other Norms in Early Theories of the ____________

92 Paganen römischen Vorbildern folgt zweifellos auch die Ordnung der Bischofswahl, wie sie in den Briefen Cyprians beschrieben wird; vgl. dazu die Kap. 9 Anm. 183 genannte Literatur. 93 Vgl. Hans von Campenhausen, Kirchliches Amt und geistliche Vollmacht in den ersten drei Jahrhunderten (21963), 292–322, hier bes. S. 297f, sowie ders., Lateinische Kirchenväter (21960), 38. 94 Vgl. ebd., 13–15, das Referat der Ausführungen von Campenhausens, sowie den ausführlichen Forschungsüberblick S. 15–33. 95 Vgl. auch von Campenhausen, Kirchliches Amt, 292: „Amt und Lehrgabe oder -pflicht können bei Cyprian überhaupt nicht mehr geschieden werden“; vgl. auch ebd., 309f.

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Ministry (1943), zufolge ist die bischöfliche Autorität bei Cyprian weitgehend aus der Gleichsetzung des Bischofs mit dem alttestamentlichen Priester abgeleitet und damit „supported much more from the O.T. than the N.T., but for the all-important exception, the connexion between bishops and apostles“ (S. 173). Dass der Bischof „the fulfilment of the O.T. priest“ sei, werde freilich weder biblisch noch anderweitig begründet (S. 175f). Für Greenslade verbinden sich diese Beobachtungen mit der Frage der theologischen Legitimität der cyprianischen Argumentationsweise,96 eine Frage, die auch in der Folgezeit wiederholt aufgeworfen worden ist. Eine Darstellung der cyprianischen Verwendung des Priestertitels und der weitgehend ungebrochenen Anwendung eines „umfangreichen Katalog(s) immer wieder herangezogener alttestamentlicher Stellen“ zur Begründung der „Rechte und Pflichten des kirchlichen Amtsträgers“ bietet Ernst Dassmann, Die Bedeutung des Alten Testaments für das Verständnis des kirchlichen Amtes in der frühpatristischen Theologie (1970), S. 108–111. „Sätze aus Israels Kult- und Priesterordnung“ würden bei Cyprian „direkt auf die Bischöfe übertragen mit der Verbindlichkeit, die ihnen als Sätzen der Heiligen Schrift zukommt“ (S. 110). Freilich sei die „Verwendung des Alten Testaments zur Beschreibung des kirchlichen Amtes [...] im 3. Jahrhundert [...] Allgemeingut der Kirche“ (S. 111).97 Zuletzt hat Allen Brent, Cyprian’s Exegesis and Roman Political Rhetoric (2000), die alttestamentliche Begründung des bischöflichen Priesteramtes bei Cyprian analysiert und sowohl die, wie er meint, rhetorisch beeinflusste exegetische Methode (S. 147–152) als auch die darin sich äußernde Tendenz, „to find the New Testament fulfilled in the Old“ (S. 158), kritisiert. Neben dem alttestamentlichen Einfluss auf das Amtsverständnis Cyprians rechnen einige Autoren hier auch mit zeitgenössisch-jüdischem Einfluss. Entsprechende Thesen sind bereits von Goetz, Das Christentum Cyprians (1896), vorgetragen worden.98 Für jüdisch beeinflusst hält Goetz u.a. die Ausübung der „Gesetzeslehre“ wie des „Priestertums“ durch Presbyter und besonders Bischöfe (S. 91f) sowie die zur „Hirten- und Regentenpflicht“ gehörige „Obacht auf das Halten des Gesetzes [...]“ (S. 93). Das cyprianische Verständnis des Bischofsamtes steht für ihn in einem „ursprüngliche(n) Zusammenhang“ zum zeitgenössischen jüdischen Amt des Archisynagogos (S. 106), auch wenn es zugleich über dieses Amt hinausgehende Aspekte umfasse (S. 99–113). Jüdischen bzw. jüdisch-christlichen Vorbildern verdankten sich Gemeindeleitung, Vorsteher- und Richteramt sowie Vermögensverwaltung und Oberpriesteramt, möglicherweise auch die Verbindung von Episkopat und Priestertum (S. 132).99 ____________

96 „What does the O.T., taken seriously as revelation, and as revelation given to and constituting a ‚people of God‘, tell us about the Christian church and ministry?“ (S. 176). 97 Dassmann verweist dazu auf entsprechende Phänomene in der Syrischen Didaskalia. 98 Vgl. das Kapitel „Nationales Christentum“ (S. 72–113). 99 Von Harnack, Lehrbuch I, 459, sieht in der erstmals bei Cyprian uneingeschränkt wahrnehmbaren Rezeption des Priestertitels einen „Beweis der Ethnisierung und Verjudung (sic!) der Kirche zugleich“.

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Der Frage einer zeitgenössisch-jüdischen Prägung des frühen nordafrikanischen Christentums im allgemeinen und Tertullians im besonderen ist vor allem W.H.C. Frend in einer Reihe von Beiträgen nachgegangen.100 Frend rechnet nicht zuletzt im Blick auf Amtsverständnis und Organisationsformen mit jüdischem Einfluss.101 Er wirft auch die Frage auf, ob die starke alttestamentlichpriestergesetzliche Begründung der kirchlichen Hierarchie und des monarchischen Episkopats sowie der alttestamentlich geprägte „‚sacerdotalism‘ of the African bishop“102 über biblische Exegese hinaus nicht auch Erbe der jüdischen Gemeinde sein könnte.103 Gegen solche und ähnliche Vermutungen hat sich Peter Brown, Approaches to the Religious Crisis of the Third Century A.D. (1968), S. 82–84, ausgesprochen. Brown nimmt in Judentum und Christentum dieser Zeit gegenläufige Entwicklungen wahr – dort eine Tendenz zur Demokratisierung, hier zur Hierarchisierung – und beurteilt die christliche Rezeption des Alten Testaments „as a literal rule of life for a religious group“ als eine Form von „neo-Judaism“, die sich organisatorischen Notwendigkeiten der Kirche, also inneren Entwicklungen, nicht äußeren Einflüssen verdanke. Die verschiedenen Thesen zur Herleitung des christlichen Bischofsamtes sind in jüngerer Zeit von Robin Lane Fox, Pagans and Christians (1986), 493– 517, erneut untersucht worden. Fox weist im wesentlichen überzeugend nach, dass eine innerchristliche Entwicklung des Amtsverständnisses bis zur Auffassung des Bischofsamtes, wie es in der Mitte des dritten Jahrhunderts begegnet, deutlich zu erkennen ist,104 wirkliche Entsprechungen zu diesem Amt jedoch ____________

100 Vgl. bes. The seniores laici and the Origins of the Church in North Africa (1961), A Note on Jews and Christians in Third-Century North Africa (1970), A Note on Tertullian and the Jews (1970), und Jews and Christians in Third Century Carthage (1978). Vgl. auch die umfangreiche Untersuchung von Claude Aziza, Tertullien et le judaïsme (1977), sowie ders., Quelques aspects de la communauté juive de Carthage au IIe siècle d’après Tertullien (1978). 101 Vgl. bes. Frend, The seniores laici, 280–284, und ders., Jews and Christians, 190f. Zur Organisation der jüdischen Gemeinde in Karthago und möglichen Entsprechungen zur christlichen Kirche vgl. auch Aziza, Tertullien, 35f. – Die Existenz einer großen, aktiven und blühenden jüdischen Gemeinde in Karthago zur Zeit Tertullians findet Frend sowohl in dessen Schriften als auch durch archäologische Befunde bezeugt; vgl. Frend, A Note on Tertullian, 291f, und ders., Jews and Christians, 185f.187f. Aziza, Tertullien, 7–59, bestätigt diese Annahme. In den Schriften Cyprians findet das zeitgenössische Judentum freilich kaum Erwähnung, und Cyprian zeigt ausgesprochen wenig Interesse am aktuellen Verhältnis zwischen Juden und Christen in Karthago; vgl. dazu Charles A. Bobertz, „For the Vineyard of the Lord of Hosts was the House of Israel.“ Cyprian of Carthage and the Jews (1991), sowie Michael M. Sage, Cyprian (1975), 145. In der Debatte zur jüdischen bzw. judenchristlichen Prägung des nordafrikanischen Christentums wird Cyprian demgemäß lediglich zu zwei kleineren Punkten – die Bezeichnung des Kollektenkastens als corban (op 15) und eine Bemerkung zu Juden als Urhebern von Christenverfolgungen (ep 59,2) – angeführt (vgl. Frend, Jews and Christians, 188, bzw. A Note on Jews and Christians). 102 The seniores laici, 283; vgl. ders., A Note on Tertullian, 293, sowie ders., Jews and Christians, 189. 103 Jews and Christians, 191; einen Nachweis versucht Frend nicht. 104 Zur Entwicklung des christlichen Amtsverständnisses in den ersten drei Jahrhunderten vgl. auch Dassmann, Bedeutung, der den Weg vom Vergleich der Ordnung der christlichen Gemeinde mit der alttestamentlichen Kultordnung in 1Clem 40 bis zu einer „quasi rechtsetzenden Anwendung entsprechender (sc. priestergesetzlicher) alttestamentlicher Stellen“ (S. 111) bei Cyprian und in der Syri-

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außerchristlich weder im Judentum noch in der paganen Umwelt zu finden sind.105 Die nächste Parallele zum christlichen Bischofsamt sieht Fox in der Gestalt des mebaqqer in Qumran, doch sei hier allenfalls ein indirekter Einfluss denkbar (S. 495).106 Mit dem jüdischen Archisynagogos habe dieses Amtsverständnis nichts zu tun (S. 495f), und die jüdische Entwicklung einer vielfältigen Hierarchie mit zahlreichen Titeln im 2. und 3. Jahrhundert biete „no parallel for the pattern of power in the Christian Church“ (S. 498). Die Vorstellung eines „lifelong rule by a single bishop“ sei neu gegenüber jeder Form von Autorität in paganen Kulten und jüdischen Synagogen (S. 495; vgl. S. 506), sei aber als Resultat einer innerchristlichen Entwicklung verständlich zu machen: „The language of the bishop’s authority and inspiration“ gehe auf Ignatius zurück (S. 502), und die Entwicklung des Amtes sei als Resultat innerchristlicher Konflikte zu verstehen (S. 503f).107

Dass im cyprianischen Verständnis des Bischofsamtes an wesentlichen Punkten mit einem zeitgenössisch-jüdischen Einfluss zu rechnen ist, ist demnach wenig wahrscheinlich. Es scheint vielmehr so zu sein, dass hier innerchristliche Entwicklungstendenzen zu einem vorläufigen Höhepunkt kommen und sich mit einem entschiedenen legitimatorischen Rückgriff auf entsprechende alttestamentliche Regeln und Vorstellungen verbinden. Die skizzierte Diskussion ist in der vorliegenden Untersuchung mit der Frage aufzunehmen, inwieweit und in welchem Sinne römische und alttestamentliche Einflüsse das cyprianische Verständnis der Aufgabe des Bischofs als Paräneten bzw. als Verantwortlichen für die ecclesiastica disciplina prägen und für die theologische Legitimation seines Amtsverständnisses eine Rolle spielen.

3. Zu Aufbau, Methodik und Quellen der Untersuchung (a) Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist, wie oben dargelegt, die theologische Struktur der cyprianischen Paränese im Kontext antiken und frühchristlichen Denkens. Sie nimmt damit ein Thema auf, das bislang allein von Gaudette einer umfassenderen Untersuchung unterzogen worden ist, betrachtet die theo____________

schen Didaskalia sorgfältig nachzeichnet. Vgl. auch ders., Zur Entstehung des Monepiskopats (1974), sowie von Harnack, Lehrbuch I, 403–405. – Ein weiteres Zeugnis für diese Entwicklung bildet die Traditio Apostolica (vgl. Dassmann, Bedeutung, 103f), sofern die übliche Datierung auf den Anfang des 3. Jahrhunderts zutreffen sollte (anders Markschies, Traditio Apostolica, bes. S. 49–56). 105 Vgl. bes. S. 495f sowie S. 502–504. 106 Fox verweist dazu S. 760 Anm. 6 auf Vermes, The Dead Sea Scrolls, 90–99.215–219, der mit einem Einfluss dieses Amtes bes. auf das „monarchic government of the Pauline churches“ rechnet (S. 219). Vgl. auch Thiering, Mebaqqer and Episkopos, bes. S. 69–74, sowie Ysebaert, Amtsterminologie, 118f. 107 Fox wendet sich auch gegen die These Peter Browns, The Making of Late Antiquity (1978), 54–80, derzufolge die bischöfliche Gestalt des Cyprian allgemeinen Entwicklungstendenzen des 3. Jahrhunderts zuzuordnen ist (vgl. bes. S. 59.68.79f). Vgl. dazu auch Ernst Dassmann, Kirche, Geistliches Amt und Gemeindeverständnis zwischen antikem Erbe und christlichen Impulsen (1992), 14–16.

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logische Konzeption Cyprians anders als dieser jedoch nicht gewissermaßen isoliert, sondern sucht sie in ihrem geistesgeschichtlichen und ‚institutionellen‘ Kontext wahrzunehmen. Um die Frage nach der theologischen Struktur der cyprianischen Paränese historisch sachgemäß stellen zu können, ist es unverzichtbar, den hier stattfindenden Prozess einer ‚Inkulturation‘ zu analysieren und auf seine theologischen Implikationen hin zu befragen. Hier kann die Arbeit, wie gezeigt, auf vielfältige Einzelbeiträge zurückgreifen, die es im Blick auf das Ganze der paränetischen Theologie Cyprians aufzunehmen und weiterzuführen gilt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, wie er die – von ihm selbst ausgeübte – Rolle des Bischofs in diesem Zusammenhang theologisch versteht und wie dies den Charakter seiner Paränese beeinflusst. Die Methodik der Untersuchung ergibt sich aus der skizzierten Fragestellung: Um die innere Struktur der paränetischen Theologie Cyprians herauszuarbeiten, sind ihre wesentlichen Elemente zu ermitteln und in ihrem systematischen Zusammenhang darzustellen; der Aufbau der Arbeit spiegelt die Resultate dieser Analysen wider. Die eingangs formulierten Fragehorizonte kommen dabei in unterschiedlicher Weise zum Tragen: Während die Aufgabe und Funktion des Bischofs in seiner Verantwortung für die disciplina der Gemeinde im wesentlichen zusammenhängend in einem eigenen Kapitel untersucht werden kann, durchzieht die Frage, inwieweit und in welcher Weise die ‚römische‘ Prägung Cyprians und das überkommene frühchristliche Erbe seine praktische Haltung und die innere Struktur seiner paränetischen Theologie beeinflussen, grundsätzlich alle Kapitel, auch wenn die Gewichtung entsprechend der Bedeutung der Thematik für den jeweiligen Zusammenhang im einzelnen sehr unterschiedlich ausfällt. Die Frage, warum und in welchem Sinne getaufte Christen in den Augen Cyprians beständiger Ermahnung und Unterweisung bedürfen, um zum Heil zu gelangen, anders ausgedrückt: wie die für ihn kennzeichnende Konzentration auf die tätige christliche Existenz theologisch zu verstehen ist, wird durch eine systematische Darstellung des inneren Zusammenhangs seiner paränetischen Theologie insgesamt zu beantworten versucht. Den Ausgangspunkt der Untersuchung bildet eine Analyse der Schrift Ad Donatum, in der Cyprian in protreptischer Absicht seine eigene Bekehrung zum Christentum reflektiert (Kap. 1). Diese Schrift ist für die skizzierte Fragestellung insofern von erheblicher Bedeutung, als sie zum einen die in der Taufe sich vollziehende Erneuerung als Begründung und Ermöglichung eines neuen tätigen Lebens darstellt, zum anderen aber das Taufgeschehen und das durch die Taufe ermöglichte neue Leben im Horizont paganer philosophischer Vorstellungen interpretiert und die tätige christliche Existenz als Verwirklichung entsprechender Ideale deutet. Die Frage, wie Cyprian als ein rhetorisch und philosophisch gebildeter römischer Aristokrat die ihm zufließende christliche Überlieferung wahrnimmt und interpretiert, erhält hier eine erste, für das Verständnis seiner Paränese wesentliche Antwort. Von hier aus ist dann der innere Zusammenhang der cyprianischen Paränese, das heißt sein Verständnis der tätigen christlichen Existenz in der Zeit als Ver-

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wirklichung des in der Taufe begründeten und ermöglichten neuen Seins, in seinen wesentlichen Aspekten zu entfalten. Nach einer Analyse der Zeitstruktur christlicher Existenz zwischen bereits abgelegter Vergangenheit und noch ausstehender Vollendung, die Zeit und Raum für die Paränese eröffnet und ihre Notwendigkeit begründet (Kap. 2), werden die grundlegenden Forderungen der Bewahrung der in der Taufe empfangenen Unschuld (Kap. 3) und der tätigen Entsprechung zu dem in der Taufe begründeten neuen Sein (Kap. 4) erörtert. Ihre charakteristische Struktur gewinnt die Paränese Cyprians freilich erst darin, dass und wie sie die tätige christliche Existenz in der Zeit als einen permanenten Kampf gegen die Angriffe des Widersachers und der Welt und die Widrigkeiten der irdisch-fleischlichen Existenz versteht (Kap. 5). Ebenso wichtig ist für Cyprian, dass der Christ in seinem Handeln und Kämpfen nicht auf sich selbst gestellt ist, sondern immer schon im Verhältnis zu Gott lebt und existiert: er ist gefordert, in respektvollem Gehorsam das zu tun, was Gott gebietet (Kap. 6); er ist dazu befähigt, dies zu tun und den ihm auferlegten Kampf zu bestehen, weil und sofern Gott selbst ihm gewährt, was er dazu benötigt (Kap. 7); und er ist dazu motiviert, weil er um den verheißenen Lohn und die drohende Strafe weiß (Kap. 8).108 Ist damit der innere Zusammenhang der cyprianischen Paränese in seinen wesentlichen Gesichtspunkten dargestellt, so ist abschließend die Rolle des Paräneten selbst zu analysieren (Kap. 9). Zuständig für die Auslegung, Einprägung und Durchsetzung der Gebote Gottes ist der Bischof in seiner Funktion als Vorsteher der Gemeinde und Priester Gottes. So sehr es in der cyprianischen Paränese um den einzelnen geht, so sehr geht es für den verantwortlichen Bischof zugleich um die ecclesiastica disciplina, und das heißt für Cyprian: um die Verwirklichung der Gebote Gottes im Leben jedes einzelnen als eines Gliedes der Gemeinde. Seine Paränese steht damit von vornherein in einem kirchlichen Horizont. (b) Für eine sachgemäße Interpretation der cyprianischen Paränese ist es unerlässlich, die hier stattfindende Rezeption paganer und frühchristlicher Autoren zu analysieren und sie so im Kontext antiken und frühchristlichen Denkens zu verorten. Cyprian zitiert, wie häufig festgestellt worden ist, grundsätzlich keine außerbiblischen Quellen; er ist, was explizite Zitate betrifft, offenbar programmatisch ein homo unius libri.109 Das bedeutet freilich nicht, dass er keine anderen Quellen rezipiert, im Gegenteil: christliche wie außerchristliche Autoren werden in großem Umfang herangezogen. Ihre Nicht-Erwähnung entspricht der antiken literarischen Gepflogenheit „de ne guère citer les auteurs dont on est ____________

108 Die Martyriumsparänese, für Cyprian zweifellos von besonderem Gewicht, wird nicht separat behandelt, sondern als integrierender Bestandteil seiner Paränese in den jeweiligen systematischen Zusammenhängen mit einbezogen, da hier keine grundsätzlich anderen Argumente und Vorstellungen zum Tragen kommen als sonst. Vgl. ebenso Capmany, Miles, 132f. 109 Vgl. Clarke, Biography, 684: „Cyprian has joined a Church of The Book.“

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imprégné ou dont on s’inspire“110 und ist daher kaum, wie es häufiger geschieht, im Falle paganer Autoren als Ausdruck des in der Taufe vollzogenen Bruchs mit seiner paganen Vergangenheit,111 im Falle Tertullians als Reaktion auf dessen spätere Hinwendung zum Montanismus zu deuten.112 Gegen letzteres spricht schon, dass auch Minucius Felix trotz eindeutiger literarischer Bezugnahmen nie namentlich genannt wird. Auch die These Wiles’, Cyprian ersetze „the pagan literary tradition“ durch „the Bible and Tertullian“,113 ist trotz des überragenden Gewichts, das Tertullian für Cyprian besitzt, als unzutreffend zurückzuweisen. Auf christlicher Seite ist neben den Schriften Tertullians besonders der Octavius des Minucius Felix zu nennen, der in Teilen erheblichen Einfluss auf Cyprian gewonnen hat,114 auf paganer Seite ragt Seneca heraus, steht aber ebenfalls keineswegs isoliert; mehr oder minder wörtliche Bezugnahmen auf Sallust, Plinius d.J., Horaz u.a. sind seit langem nachgewiesen.115 Die Frage, welche paganen Autoren Cyprian gekannt hat, lässt sich kaum anders als durch den Nachweis literarischer Bezugnahmen beantworten. Die ausführliche Untersuchung zu „Schule und Bildung im Nordafrika der Römischen Kaiserzeit“ von Konrad Vössing stellt heraus, „wie unterschiedslos die Schulen Karthagos in den religiösen und kulturellen Kontext Roms eingegliedert sind“, und unterstreicht die „feste(n) Einbindung Africas in den ‚mainstream‘ der kaiserzeitlichen Schulbildung“.116 Die „Unterrichtslektüre“ bleibe ganz an der „auctoritas der Alten“ orientiert und beinhalte demgemäß „vor allem Terenz, Vergil, Cicero und Sallust: die quadriga Messii“, wobei Vergil in Afrika eine besondere Verehrung genieße und daher im Schulprogramm eine beherrschende Rolle spiele;117 für berühmte jüngere, noch dazu lokalgeschichtlich interessante Autoren wie etwa Apuleius sei da kein Platz.118 Das theoretische Lehrprogramm eines Rhetoriklehrers, der Cyprian, wie gesehen, offenbar war, bestand aus rhetorischer Fachliteratur, die in fester Reihenfolge studiert wurde: Cicero De ____________

110 Fredouille, „Seneca saepe noster“, 131; vgl. auch Faider, Études, 83, und Moreschini, Varia christiana, 66 Anm. 29. 111 Vgl. etwa Monceaux, HAC II, 207f, d’Alès, La théologie, 332f, Ellspermann, Attitude, 45f.52, Forti, La concezione pedagogica, 305–307, sowie Saxer, Cipriano, 680. Clarke, Biography, 683, spricht von einem Wegfall von Zitaten, Anspielungen und wörtlichen Reminiszenzen der klassischen Literatur, der nur „the result of conscious rejection and restriction“ sein könne. Der Schrift Ad Donatum wird häufig eine Sonderstellung zugewiesen; vgl. etwa Fontaine, Aspects, 159, und Moricca, fonti, 157. 112 So etwa Monceaux, HAC II, 352. 113 Wiles, Legacy, 141; ebenso Saxer, Cipriano, 680. Vgl. auch Hinchcliff, Cyprian, 36, Labriolle, Histoire I, 198 (kritisch dazu Bardy, ebd., 198f), sowie von Harnack, Tertullians Bibliothek, 334 (bezogen auf die christlichen Quellen Cyprians). 114 Vgl. Norden, Kunstprosa II, 619 Anm. 3: „die stilistische und inhaltliche Abhängigkeit von diesem (sc. Minucius) geht bei ihm noch viel weiter als man annimmt“, sowie Koch, CU, 56–65. Die Priorität des Minucius gegenüber Cyprian ist heute weitgehend unstrittig; vgl. den knappen Forschungsüberblick bei Heck, HLL 4 (1997) §475 (S. 513), sowie Beaujeu, Oct, LXX–LXXII, und Sage, Cyprian, 52–67. Die in jüngerer Zeit dagegen vorgebrachten Argumente Carvers, Minucius and Cyprian, überzeugen nicht. – Zur cyprianischen Kenntnis weiterer frühchristlicher Autoren vgl. Koch, I rapporti, sowie Ellspermann, Attitude, 43 mit Anm. 3. 115 Vgl. dazu die oben 2.2 erwähnten Forschungsbeiträge. 116 Vössing, Schule und Bildung, 315 bzw. S. 578. 117 A.a.O., 513 bzw. S. 514 Anm. 1716. 118 Ebd., 512.

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inuentione als Grundstein der Rhetorenausbildung, ferner Ciceros Orator und De oratore; hinzu kam die Interpretation berühmter Reden, insbesondere Ciceros, sowie das Studium rhetorisch interessanter Prosawerke, besonders des Sallust – Historiker spielten im Rhetorikunterricht eine wesentliche Rolle –, vielleicht auch etwas Seneca. Den Abschluss bildeten die philosophischen Werke Ciceros, wobei das Interesse v.a. deren sprachlich-rhetorischen und allgemeinbildenden Aspekten galt. Auch hier blieb der Kanon der jahrhundertealten Vorbilder maßgeblich, der „offenbar kaum Platz ließ für Zeitgenössisches, Lokales oder auch nur weniger Bekanntes“. Im praktischen Unterricht standen die Deklamationen mit ihren verschiedenen genera dicendi im Mittelpunkt.119 Die bisherige Forschung zu Cyprian hat Reminiszenzen der meisten der genannten Autoren nachgewiesen – Vergil spielt offenbar eine erhebliche Rolle, Sallust wird mindestens einmal annähernd wörtlich zitiert und Kenntnisse Ciceros scheinen immer wieder durch; lediglich Terenz wird offenbar nicht herangezogen –, daneben aber auch Bezugnahmen auf Seneca, Apuleius, Lukrez u.a. wahrscheinlich gemacht.120 Art und Umfang der cyprianischen Kenntnis paganer Autoren kann daher nicht im vorhinein festgestellt, sondern nur durch sorgfältige Einzelanalysen ermittelt werden. Die vorliegenden Detailstudien legen die Vermutung nahe, dass hier noch manches zu entdecken ist.

Das methodische Problem für eine Untersuchung der cyprianischen Rezeption paganer wie frühchristlicher Quellen wird dadurch verschärft, dass auch von der Namensnennung abgesehen richtiggehende Zitate, sei es paganer, sei es christlicher Autoren, die Ausnahme sind; selbst Tertullian wird kaum einmal wörtlich zitiert.121 Was immer Cyprian rezipiert, wird nicht nur in seinen eigenen Argumentationszusammenhang integriert, sondern auch seinem Sprachstil anverwandelt.122 Die daraus resultierende methodische Schwierigkeit liegt auf der Hand: „[...] les emprunts, en réalité innombrables, qu’il fait aux auteurs païens, sont difficiles à discerner, car ils sont comme fondus dans le creuset de sa phrase“.123 Ein Nachweis literarischer Bezugnahmen ist daher oft nur schwer ____________

119 Vgl. Vössing, Schule und Bildung, 377–382 (Zitat S. 380), basierend v.a. auf Augustin (vgl. S. 377–394 insgesamt), sowie Bonner, Education, 250–327, der sich an Quintilian orientiert. Zu der vor allem durch Apuleius repräsentierten Verbindung von philosophischer und rhetorischer Bildung vgl. Vössing, a.a.O., 461–467. 120 Moricca, fonti, 157, charakterisiert den Rhetor Cyprian als „vero discepolo di Seneca“ und „in grande dimesticchezza con gli scrittori romani, specialmente quelli dell’età imperiale“. 121 Benson, Cyprian, 443, bemerkt bezogen auf De bono patientiae mit Recht: „[...] it avoids verbal coincidences even when they seem inevitable“; ähnlich ebd., 269f, zu De dominica oratione, und Galdi, Commentatio, zu De habitu uirginum. Vgl. ferner Sage, Cyprian, 55f.289f, sowie Colombo, Osservazioni, 216–219. – Das Verhältnis Cyprians zu Tertullian verdiente, wie bereits Galdi, Commentatio, 541f, hervorgehoben hat, eine eingehende Untersuchung. 122 Ein Vergleich der häufig als direkteste Nachahmung Tertullians charakterisierten Schrift De bono patientiae mit Tertullians De patientia zeigt das auf jeder Seite; vgl. exemplarisch Kap. 5.1.1 zur Verarbeitung von Tertullian pat 14,2–7 in Cyprian pat 18. Auch die von Waszink, Ennius-Reminiszenz, entdeckte Verarbeitung einiger Ennius-Verse in pat 4;57–59 veranschaulicht dies; vgl. ferner Poirier, op, 22f, und Freund, Vergil, 248–249. Weitere Beispiele dafür werden im Verlauf der Untersuchung zur Sprache kommen. Bakhuizen van den Brink, Cyprianus, 17f, überträgt daher mit Recht die Aussage Dörries’ zu Konstantin dem Großen, „dass er allein das ihm Gemässe auswählte und das Übernommene sich anverwandelte“, auf Cyprian; vgl. auch Wickert, Sacramentum unitatis, 17 Anm. 24, sowie Buchheit, Cyprian – Seneca, 548f.551. 123 Deléani, „Limes uiae“, 261; Deléani sucht hier anhand des Ausdrucks uiae limitem in habit

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zu führen;124 da über einzelne Begriffe hinausgehende wörtliche Übereinstimmungen meist fehlen, kann häufig nur eine Art Indizienbeweis geführt werden, um einen literarischen Zusammenhang wahrscheinlich zu machen. Dass dennoch nicht selten auch mit literarischen Bezugnahmen bzw. Abhängigkeiten zu rechnen ist, zeigt erneut das Verhältnis der cyprianischen Schriften zu Tertullian und Minucius. Daneben ist freilich durchgängig auch mit der Rezeption verbreiteter Motive und Topoi zu rechnen, die sich kaum bestimmten Autoren oder Texten zuordnen lassen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist eine umfassende Untersuchung dieses vielschichtigen Problems nicht zu leisten, so lohnend dies wäre.125 Es kann vielmehr nur darum gehen, an Punkten, die für die theologische Struktur der cyprianischen Paränese wesentlich sind, zum einen das durch bisherige Forschungsbeiträge bereitgestellte Material zu sichten, zu ergänzen und zu vertiefen, zum anderen detailliertere Analysen traditionsgeschichtlicher Zusammenhänge vorzunehmen. Leitend ist dabei die Frage nach der sachlichen Bedeutung des Rezipierten im Zusammenhang der Ausführungen Cyprians. Die Untersuchung möglicher literarischer Bezüge ist auf lateinische (bzw. ins Lateinische übersetzte) Autoren zu beschränken, da mit (weitergehenden) Griechischkenntnissen Cyprians nicht zu rechnen ist:126 „Daß Cyprian Griechisch gekonnt hat, läßt sich nicht beweisen. Das griechische Original der Bibel kannte er nicht“.127 Es ist unwahrscheinlich, dass er griechischchristliche Autoren (im Original) gelesen hat,128 und auch diatribische Themen dürfte er allein aus der „tradizione latina“ kennen.129 Bezogen auf literarische Rezeptionsvorgänge beschränkt sich die vorliegende Untersuchung daher auf die lateinische Literatur. Dass die betreffenden Inhalte nicht selten auch eine griechische Vorgeschichte haben, liegt auf der Hand; diese ist jedoch in der Regel nur dann zu berücksichtigen, wenn es um Motive und Topoi als solche geht. ____________

21;202,11 eine diskrete Bezugnahme auf Ciceros Somnium Scipionis nachzuweisen (vgl. ebd., 255– 261). Zur Sache vgl. auch Fredouille, „Seneca saepe noster“, 127f.135–137. 124 Vgl. dazu auch Molager, Don/pat, 24f.249f, und Buchheit, Cyprian – Seneca, 351. 125 Eingehendere Studien zum Verhältnis Cyprians zu paganen Autoren wie Cicero, Seneca oder Apuleius sind ebenso wünschenswert wie solche zu seinem Verhältnis zu Tertullian und Minucius. 126 Zum Rückgang der Griechischkenntnisse in Nordafrika nach Tertullian vgl. Norden, Kunstprosa II, 593f, und Vössing, Schule und Bildung, 475. 127 Von Harnack, Tertullians Bibliothek, 334 Anm. 2; ebenso Poirier, op, 34, d’Alès, La théologie, 46, und Clarke III, 269f Anm. 11. Das anderslautende Urteil Bayards, Le latin, XV, stützt sich auf einige wenige etymologische Anspielungen, zu denen ein gebildeter Christ auch ohne eigenständige Griechischkenntnisse in der Lage gewesen sein dürfte; vgl. die Diskussion der einzelnen Stellen bei Clarke III, 269f Anm. 11; IV, 190f Anm. 60; III, 293 Anm. 13, und IV, 200 Anm. 9. Die Deutung von Ps 6,6 in Quir 3,114; ep 55,17,3; 55,29,2 auf die Exhomologese scheint die Kenntnis des griechischen Textes (confitebitur übersetzt ε ξομολογη' σεται) vorauszusetzen; vgl. Clarke III, 193 Anm. 79. 128 Vgl. Poirier, op, 167. Koch, I rapporti, sucht cyprianische Kenntnis des Irenäus nachzuweisen und Berührungen mit weiteren griechisch-christlichen Autoren wahrscheinlich zu machen, bleibt aber in der Frage der Griechischkenntnisse Cyprians unentschieden (vgl. bes. S. 138f.151–154.162f); weiteres Material bietet ders., Ancora Cipriano. Traditionsgeschichtliche Zusammenhänge mit der griechisch-christlichen Literatur sind in der Tat wiederholt anzunehmen (vgl. etwa Kap. 6.3 Anm. 187 und Kap. 9.3.3 Anm. 355); die Frage der konkreten Vermittlung bedürfte jedoch einer eingehenden Untersuchung, die hier nicht geleistet werden kann. 129 Castiglioni, Cyprianea, 1081.

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(c) Als primäre Quellen liegen der Untersuchung die authentischen Schriften und Briefe Cyprians zugrunde. Die bis heute kontroverse Frage der Authentizität von Quod idola dii non sunt dürfte mit der Mehrheit der Forscher negativ zu entscheiden sein. Gegen eine cyprianische Urheberschaft spricht besonders die mosaikartige Zusammenfügung von Versatzstücken aus Tertullian und Minucius nahezu ohne jede sprachliche und stilistische Überarbeitung, die sich aufs stärkste von der sonst zu beobachtenden kunstvollen Arbeitsweise Cyprians unterscheidet.130 Pellegrino hält es zwar für erklärungsbedürftig, „come Cipriano, che pure usava rielaborare con arte tutta sua i concetti desunti da Tertulliano [...], siasi indotto a copiare così servilmente a Tertulliano e Minucio“, beurteilt die Schrift jedoch mit Koch dennoch als authentisch und verweist zur Erklärung auf Ad Quirinum und Ad Fortunatum.131 Bei diesen Schriften handelt es sich freilich keineswegs um literarisch minderwertige Kompilationen, sondern um zweckgerichtete, als solche kenntlich gemachte Sammlungen von Bibelzitaten, die sich einem klar erkennbaren literarischen Genre zuordnen lassen.132 Der wiederholt begegnende Hinweis, es handle sich um das Erstlingswerk des gerade erst Christ gewordenen Cyprian, der noch nicht in Besitz „di una cultura et di idee proprie“ war und sich deshalb auf Kompilationen habe beschränken müssen,133 übersieht offenbar, dass er zwar als Christ, keineswegs aber als Rhetor ein Neuling war; wie anders Cyprian direkt nach seiner Bekehrung zu schreiben vermag, zeigt Ad Donatum. Der von Koch im wesentlichen mit Hilfe von sprachlichen und stilistischen Argumenten versuchte Echtheitsnachweis134 ist von Axelson mit Recht als unzureichend zurückgewiesen worden: Die Argumente beweisen im Zweifelsfall lediglich, „dass der Autor von Quod idola den Cyprian fleissig studiert hat, nicht, dass er mit ihm identisch sei“.135 Der von Diller versuchte Nachweis einer Abhängigkeit der Schrift von Laktanz136 ist von Simonetti mit ernstzunehmenden Gründen in Frage gestellt,137 von Heck dagegen jüngst erneut verteidigt worden.138

Nicht unumstritten ist die cyprianische Urheberschaft für die drei Bücher Ad Quirinum bzw. Teile dieses Werkes.139 Am auffälligsten sind zunächst Proble____________

130 Ebenso etwa Sage, Cyprian, 373f, und Becker, ‚Octavius‘, 96f. Von Harnack, Geschichte II/2, 336–338, sieht die Schrift v.a. aus überlieferungsgeschichtlichen Gründen (Quod idola ist in keinem alten Handschriftentypus mit den Traktaten verbunden, sondern bei den Briefen eingeschoben und wird im Cheltenham-Verzeichnis nicht erwähnt) als pseudo-cyprianisch an. 131 Studi, 137f Anm. 3 (vgl. S. 136f); ebenso Simonetti, Sulla paternità, 287. 132 Zu der hier verwendeten literarischen Gattung vgl. etwa Audet, L’hypothèse, 383f, und bes. Deléani, Les titres, 416–424, sowie dies., La syntaxe. 133 Simonetti, Sulla paternità, 288; ähnlich Benson, Cyprian, 10; vgl. auch Koch, CU, 53f. 134 Vgl. Koch, CU, 1–40. 135 Axelson, Kleinigkeiten, 72f (Zitat S. 73). Freilich beschränkt sich die Argumentation Kochs nicht nur auf sprachliche Phänomene; bei Nicht-Authentizität ist an einigen Stellen mit literarischen Bezugnahmen auf Cyprian zu rechnen (vgl. bes. Koch, CU, 18–21). 136 Diller, Tertullian – Minucius Felix, 98–114; ebenso Axelson, Kleinigkeiten, 67–74. 137 Simonetti, Sulla paternità; vgl. dazu auch Sage, Cyprian, 55 Anm. 2 (anders ebd., 374f). 138 Heck, Pseudo-Cyprian; ebenso Wlosok, HLL 4 (1997) §481.3 (S. 583f); kritisch dazu Deléani, CTC 95,43 (S. 317f), die die Echtheitsfrage für unentschieden hält. 139 Der ursprüngliche Titel, wie er sowohl in der Cheltenham-Liste als auch in der MSS-Tradition bezeugt wird, ist Ad Quirinum (Turner, Prolegomena IV, 228). Nachdem für längere Zeit der offenbar auf das Ende des 4. Jahrhunderts zurückgehende Titel Testimonia (vgl. Wohleb, Cyprians Spruchsammlung, 22; Audet, L’hypothèse, 382f Anm. 3, bezweifelt freilich, dass Augustin dieses

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me, die das Verhältnis von Quir 1–2 und Quir 3 betreffen: das Thema von Quir 3 wird im Vorwort von Quir 1 nicht angekündigt, das Vorwort des dritten Buches nimmt auf die vorangehenden Bücher nicht Bezug;140 während Quir 1 und 2 wohlgeordnete Sammlungen zu klar bestimmten Themen bieten, macht Quir 3 einen ungeordneten, streckenweise zufälligen Eindruck;141 begegnen die Themen und Zitate von Quir 1 und 2 im sonstigen cyprianischen Werk ausgesprochen selten, so gilt für Quir 3 das Entgegengesetzte.142 Die beiden Teile des Werkes sind demnach offenbar getrennt zu beurteilen.143 Die Authentizität von Quir 1–2 ist kaum in Frage gestellt worden.144 Dies ist insofern überraschend, als, wie Monat mit Recht hervorgehoben hat, weniger Quir 3 als vielmehr die beiden ersten Bücher „occupent, ensemble, une place spéciale dans l’œuvre cyprianique“.145 Auffällig ist vor allem die thematische Sonderstellung der beiden Bücher im sonstigen cyprianischen Werk, die sich auch darin äußert, dass nur relativ wenige der angeführten Zitate auch sonst herangezogen werden.146 Die sachliche Isolierung von Quir 1 ist von Bobertz stark betont und als Indiz gegen die Authentizität des Buches gewertet worden: „[...] such isolation fits with a host of other evidence to indicate that Cyprian’s authorship of this adversus Iudaeos collection is far from certain“;147 ein weitergehender Nachweis wird für Quir 1 freilich nicht geführt.148 Da trotz ____________

Wort schon im Titel der Schrift vorfand) verwendet worden ist, ist in jüngerer Zeit mit Recht die Rückkehr zum ursprünglichen Titel des Werkes angemahnt worden; vgl. bes. Bobertz, Vineyard, 3, und Deléani, Les titres, 421–423, ebenso bereits Audet, a.a.O., 382f.405. – Zur vieldiskutierten Geschichte der frühchristlichen Testimoniensammlungen vgl. jetzt Albl, Form and Function. 140 Wohleb, Cyprians Spruchsammlung, 26–28, deutet Quir 1 pr.;4–17 als Rückverweis auf die bereits vorliegende Sammlung Quir 3; vgl. dagegen mit Recht Koch, Das dritte Buch, 1–4. 141 Vgl. von Soden, Das lateinische Neue Testament, 17 (Quir 3 wurde „veröffentlicht [...], ehe es ganz fertig war“), Wohleb, Cyprians Spruchsammlung, 24f, Turner, Prolegomena IV, 228 („a much more miscellaneous compilation, [...] constructed apparently on no particular system and with no plan of continuous development“), und Monat, Les testimonia, 502f. Vgl. auch Glaue, Echtheit, 281, der es „nicht für angängig“ hält, Cyprian ein solches Werk zuzutrauen, das weithin „ganz ohne Ordnung, ohne alle Subdivisionen niedergeschrieben“ sei. 142 Wohleb, Cyprians Spruchsammlung, 23–26, leitet aus einem Vergleich zwischen Quir 1–2 und Quir 3 die Priorität von Quir 3 ab; kritisch dazu Koch, Das dritte Buch, 5–7. Unterschiedliche Zitationsformeln konstatiert Turner, Prolegomena I, 255.262. 143 Vgl. von Harnack, Geschichte II/2, 335 Anm. 1: Quir 3 „ist ein Spruchbuch für sich, welches an das zweigeteilte erste Spruchbuch herangerückt worden ist, weil es ihm formell gleichartig ist“; es sei weder bei der Abfassung von Quir 1–2 geplant noch als drittes Buch gedacht gewesen. Ähnlich Koch, Das dritte Buch, 1, und Deléani, La syntaxe, 91f, anders Gülzow, HLL (1997) §478 (S. 558). 144 Vgl. Turner, Prolegomena IV, 225, sowie Koch, CU, 183f. 145 Monat, Les testimonia, 504. Monat führt die Besonderheit von Quir 1–2 auf eine Quelle zurück, in der Cyprian „la matière nécessaire à l’élaboration méthodique d’un manuel de catéchèse“ gefunden habe (ebd., 504–507, Zitat S. 507); ähnlich Albl, Form and Function, 133. 146 Vgl. Albl, Form and Function, 133: Nur 22 der 304 Zitate in Quir 1–2 finden sonst Verwendung. Wohleb, Cyprians Spruchsammlung, 33, geht dennoch von einer prinzipiell gleichartigen Benutzung von Quir 1–2 und Quir 3 in den sonstigen Werken Cyprians aus. Die Aussage, Quir 1 und 2 ließen „keine Berührungen mit anderen echten Schriften Cyprians in den Zitaten erkennen“ (Glaue, Echtheit, 276 [Hvb. RN]), trifft nicht zu. 147 Bobertz, Vineyard, 4f. 148 Bobertz, ebd., 5 Anm. 15, verweist für das übrige Beweismaterial auf seinen (damals noch unveröffentlichten) Artikel „An Analysis of Vita Cypriani 3.6–10 ...“, der sich freilich, was die „evidence“ betrifft, weitestgehend auf Quir 3 konzentriert (s.u.).

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Einleitung

der Sonderstellung von Quir 1–2 keine durchschlagenden Argumente gegen die Authentizität dieser Bücher vorgebracht worden sind, ist bis auf weiteres an der Autorschaft Cyprians festzuhalten, die durch die MSS-Tradition, die Cheltenham-Liste sowie die weitreichenden Übereinstimmungen der praefatio mit derjenigen zu Ad Fortunatum nahegelegt wird. Seit längerem strittig ist die Authentizität von Quir 3. Dass „der cyprianische Ursprung des 3. Buches gewissen Bedenken“ unterliege, hat zunächst von Harnack angedeutet.149 Seine Echtheit ist daraufhin von Haussleiter verteidigt worden, der neben einer Widerlegung der Argumente von Harnacks150 am Beispiel der Schrift De habitu uirginum eine Benutzung von Quir 3 durch Cyprian selbst nachzuweisen sucht.151 Die weitgehende Anerkennung von Quir 3 als authentisches cyprianisches Werk152 verdankt sich den Ausführungen Kochs, der mit Hilfe von sprachlichen und sachlichen Beobachtungen zur praefatio und zu den Titeln sowie anhand der Verwendung der Bibelzitate überzeugend dargetan hat, „daß das dritte Buch der Testimonien nach dem Gedankengehalt und der sprachlichen Fassung seiner Leitsätze entschieden cyprianisch ist, und daß sein ganzes Schrifttum von den Gedanken und Schriftstellen dieses Buches durchtränkt ist“.153 Dass zwischen den cyprianischen Traktaten und Quir 3 engste Verbindungen bestehen, lässt sich in der Tat kaum bestreiten. Sicherzustellen ist damit die Urheberschaft Cyprians freilich nicht,154 bleibt doch die Möglichkeit eines vorcyprianischen Ursprungs der Schrift bestehen. Eben dies hat in jüngster Zeit – nach dem Vorgang Hansons155 – Bobertz zu ____________

149 Von Harnack, Der pseudocyprianische Tractat De aleatoribus, 53; ebd., Anm. 1, verweist er darauf, dass Quir 1 praef nur zwei Bücher ankündige und „die Überlieferungsgeschichte [...] auch nicht durchweg der Echtheit des 3. Buches günstig“ sei. Von Harnack hat diese Bedenken freilich später zurückgenommen (Geschichte II/2, 335). Schon Erasmus hatte 1520, freilich ohne nähere Begründung, behauptet, Quir 3 stamme nicht von Cyprian (Glaue, Echtheit, 284). 150 Vgl. Haussleiter, Cyprian-Studien, 379 (drittes Buch ursprünglich nicht geplant, auf Bitten des Adressaten später verfasst; Indiculum von 359 nennt drei Bücher Ad Quirinum). 151 Ebd., 380–385: 28 der 32 Schriftzitate in habit „decken sich“ mit Quir 3; die übrigen vier Zitate seien auf Schriften Tertullians zurückzuführen. Der Versuch Glaues, umgekehrt die Benutzung cyprianischer Traktate durch den Verfasser von Quir 3 wahrscheinlich zu machen (Echtheit, bes. S. 277–281; als Autor sucht er ebd., 284–288, Commodian zu erweisen), wird durch das von Wohleb, Cyprians Spruchsammlung, 37, vorgebrachte „schwere Bedenken“ widerlegt, „warum dieser Pseudocyprian, der sämtliche Traktate nach brauchbaren Zitaten durchsucht haben müsste, nicht etwa einfach die von Cyprian verwendeten Bibelstellen übernommen, sondern bald Zitate ausgelassen, bald andere hinzugefügt hätte [...]“; vgl. auch Koch, CU, 201. 152 Vgl. die Zusammenstellung bei Bobertz, Analysis, 125 Anm. 19, ferner Turner, Prolegomena IV, 225.228–231, sowie Gülzow, HLL 4 (1997) §478 (S. 559): „Insbesondere aus inhaltlichen Gründen wird heute die Zusammengehörigkeit und Echtheit der Schrift nicht mehr in Zweifel gezogen; denkbar ist, daß B.3 in geringem zeitlichen Abstand den ersten gefolgt ist.“ 153 Koch, CU, 183–210, bes. S. 184–201 (Zitat S. 201). 154 Dass sprachliche und stilistische Argumente im Kontext der cyprianisch-pseudocyprianischen Literatur nur begrenzte Beweiskraft besitzen, betonen Hanson, Tradition, 261, und Monat, Les testimonia, 503, mit Recht. 155 Vgl. Hanson, Tradition, 261–264. Hanson rechnet aufgrund abweichender neutestamentlicher Lesarten sowie für Cyprian untypischer Ausdrucksweisen und Vorstellungen für Quir 1–2 im Anschluss an Rendel Harris mit „an already existing document edited, but not originally written, by Cyprian“ und hält Entsprechendes auch im Blick auf Quir 3 für „wholly likely“. Als Herkunftszeit und -ort dieser Quelle(n) vermutet er „the church of Rome about the year 200, before the episcopate of Callistus“ (Zitate S. 263f). Zur Frage der abweichenden Lesarten s.u.; die Argumentation mit „words and phrases which are markedly uncharacteristic of Cyprian“ (S. 262) dürfte kaum weniger problematisch sein als die von Hanson kritisierte Argumentation mit sprachlichen Ähnlichkeiten (s. die vorige Anm.); die Liste von Vorstellungen „which are not easily reconciled with Cyprian’s characteristic teachings“ ist, sieht man von Quir 3,28 ab (dazu s. gleich), abwegig: Quir 1,17 hat eine Entsprechung in ep 63,4,1; Quir 3,51 formuliert eine Grundlinie cyprianischen Denkens, die in Don 4;70–74 pro-

3. Zu Aufbau, Methodik und Quellen

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zeigen versucht.156 Seine These, dass Ad Quirinum157 nicht Cyprian zugeschrieben werden sollte, diese von ihm „to such great rhetorical effect in nearly all of his treatises and many of his letters“ benutzte Sammlung vielmehr „a part of an earlier North African ecclesial tradition“ gewesen sei,158 begründet er zunächst damit, dass Pontius dieses Werk zwar kenne und benutze, es aber dennoch nicht in seine ‚Liste‘ der cyprianischen Schriften (Vita 7,3–11) aufnehme, also wisse, „that Ad Quirinum should not be attributed to Cyprian“.159 Die Nicht-Authentizität wäre eine Lösung für „a host of problems with this text“, als welche Bobertz zum einen „a host of discrepancies“ hinsichtlich der Textgestalt der Bibelzitate, zum anderen „one of the perennial problems in Cyprianic studies“, den Widerspruch zwischen Quir 3,28 und „the ethos of the Church in Carthage at the time of the Decian persecution“, einschließlich der Haltung Cyprians, nennt.160 Da Cyprian die Schrift von Anfang an benutze, sei zu folgern, „that Ad Quirinum existed prior to Cyprian’s episcopate“.161 Überzeugend ist die Argumentation von Bobertz nicht. Zunächst bleibt unklar, warum, nachdem zuvor der Unterschied zwischen Quir 1–2 und Quir 3 so stark betont worden ist, dieser hier gänzlich unberücksichtigt bleibt. Wurde zuerst die Echtheit von Quir 1 angezweifelt, so geht es hier de facto nahezu ausschließlich um die Authentizität von Quir 3; lediglich die Argumentation mit der Liste des Pontius bezieht sich auf Ad Quirinum insgesamt. Die Argumentation mit der vieldiskutierten ‚Werkliste‘ des Pontius in Vita 7 ist insofern nicht zwingend, als „jusqu’à présent aucune interprétation satisfaisante n’a été donnée de cette liste“.162 Die geringfügigen Differenzen der vorgeführten Schriftzitate beweisen keineswegs, dass Quir „an independent text“ repräsentiert; die sehr weitgehende Übereinstimmung des Bibeltextes mit den Zitaten in den Traktaten kann vielmehr als ein Argument für die Echtheit von Quir 3 gelten.163 Die sachliche Differenz zwischen Quir 3,28tit (non posse in ecclesia remitti ei qui in deum deliquerit), laps 17;337f (nemo se fallat, nemo decipiat: solus dominus misereri potest) und Fort 4tit (non facile ignoscere deum idolatris) ist keineswegs so ____________

grammatisch zum Ausdruck kommt; Glaube und Sünde gehören zweifellos zu den zentralen Themen Cyprians. Auf Réveillaud, orat, 7–24: „Les ‚Testimonia Inedita‘“, verweist Bobertz, Analysis, 125 Anm. 19, in diesem Zusammenhang zu Unrecht: Réveillaud zweifelt keineswegs die Echtheit von Quir 3 an – die Echtheit von Quir und Fort wird vielmehr als gesichert angenommen (S. 22) –, sondern rechnet mit der Existenz eines zusätzlichen Florilegiums, das er Testimonia Inedita nennt und dessen Ursprung er in der Kirche von Cäsarea vermutet (ebd.). Zur Kritik dieser These vgl. Sage, Cyprian, 394– 396, zur Beurteilung der für die Argumentation Réveillauds wichtigen, von Firmilian verfassten ep 75 vgl. Clarke IV, 248–250. 156 Bobertz, Analysis. 157 Obwohl Titel und Thesen des Aufsatzes von Ad Quirinum insgesamt sprechen, konzentriert sich die Beweisführung fast ausschließlich auf Quir 3. 158 Analysis, 113. Was die wirkungsvolle Benutzung betrifft, so gilt dies ausweislich von Bobertz, Vineyard, 4f, bes. Anm. 11.14 (vgl. ders., Analysis, 123 Anm. 7), nur für Quir 3. 159 Analysis, 113–118, Zitat S. 117. Bobertz versucht hier, Vita 3,7–9 als eine auf Kenntnis von Quir 3 und mort beruhende „composition“ des Pontius zu erweisen. 160 Analysis, 118–121; S. 124f Anm. 18 werden außerdem das Vorwort von Quir 3, das Problem der Textlänge und der Interpolationen sowie die Nichterwähnung in Fort pr. erwähnt. 161 Analysis, 120 mit S. 127 Anm. 25; vgl. auch ebd., 122. 162 Deléani, CTC 92,7 (S. 446); vgl. auch dies., CTC 97,11 (S. 317), ferner etwa Turner, Two Early Lists, sowie Schmidt, HLL 4 (1997) §478 (S. 535–538). 163 Vgl. von Soden, Das lateinische Neue Testament, 18f, der nicht nur die Identität des neutestamentlichen Textes von Quir 3 und Quir 1–2, sondern auch die „nahezu völlige(n) Übereinstimmung aller Citate in Buch III mit denen in allen anderen Cyprianischen Schriften“ herausstellt; kleinere Differenzen hält er angesichts dessen für bedeutungslos, kämen diese doch selbst innerhalb einzelner Schriften vor. Ebenso urteilt Turner, Prolegomena IV, 228f; vgl. ferner von Harnack, Geschichte II/2, 335 Anm. 1, und Wohleb, Cyprians Spruchsammlung, 23.

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Einleitung

groß, dass die verschiedenen Aussagen nicht ein und demselben Autor zuzutrauen sind.164 Unklar bleibt schließlich, wie sich Bobertz das Verhältnis Cyprians zu der postulierten vorcyprianischen Schrift genau vorstellt: Die Beobachtung Kochs, „that the preface (sic!) is thoroughly Cyprianic“, besagt für Bobertz „only that Cyprian took over the collection and made it his own“.165 Was heißt hier „only“? Sollte Cyprian sich eine vorgefundene Sammlung angeeignet haben, beträfe dies dann allein das Vorwort? Könnte und müsste er dann nicht auch ein sachlich offenbar ‚falsches‘ Kapitel wie Quir 3,28 weglassen oder korrigieren? Auch die Argumentation Kochs mit den „chapter headings“ hält Bobertz für „inconclusive“, freilich mit dem entgegengesetzten Argument: „for who is to say that the rhetor Cyprian was not influenced by the language originally used in the compendium [...]“?166 Warum dann nicht auch durch die praefatio(nes)? Der Nachweis der Nicht-Authentizität von Quir 3 (bzw. Quir insgesamt) dürfte Bobertz damit kaum gelungen sein. Zusammengehörigkeit und cyprianische Autorschaft von Quir 1–2, Quir 3 und Fort sind jüngst noch einmal durch Deléanis Untersuchung der tituli untermauert worden.167

Sind demnach sowohl Quir 1–2 als auch Quir 3 bis auf weiteres als authentische cyprianische Schriften zu betrachten, auch wenn besonders für Quir 1–2 mit wie auch immer gearteten Vorstufen zu rechnen ist, so ist mit Blick auf die vorliegende Untersuchung noch die Frage zu erörtern, in welcher Weise die drei Bücher, besonders ihre tituli, zur Ermittlung grundlegender Vorstellungen Cyprians herangezogen werden können. Diese Frage stellt sich vor allem dann, wenn es zu Kapiteln von Quir keine Entsprechung in den übrigen cyprianischen Schriften gibt. Es ist auffällig und bedarf methodischer Berücksichtigung in der Cyprian-Interpretation, dass eine Vielzahl der Themen von Quir 1 und 2 im cyprianischen Werk allein hier begegnet und, wie angedeutet, die große Mehrzahl der angeführten Bibelzitate sonst keine Verwendung findet.168 Nur Themen, die zumindest der Sache nach auch sonst begegnen, können bedenkenlos als für das cyprianische Denken wesentlich angesehen werden.169 Entsprechendes gilt für das hier erheblich wichtigere Buch Quir 3, das die religiosa disciplina der Christen zum Thema hat (pr.;5f). Hier gibt es zwar zu einer großen Zahl von Kapiteln deutliche Entsprechungen in den übrigen Schriften und Briefen Cyprians170 – manche Traktate können geradezu als Ausführungen der in Quir 3 ____________

164 Mit einem Meinungswandel Cyprians infolge der lapsi-Problematik rechnen etwa Turner, Prolegomena IV, 229f, Bévenot, Sacrament, 188–191, Deléani, CTC 92,7 (S. 446), und Gülzow, HLL 4 (1997) §478 (S. 559). Einen Ausgleich der verschiedenen Vorstellungen versuchen d’Alès, La théologie, 283–287, Poschmann, Paenitentia secunda, 411–415, Taylor, St. Cyprian, 35f, sowie Favazza, Order, 206–209. Dass Cyprian in Fort 4 und laps 19 nahezu dieselben Zitate anführt wie in Quir 3,28, spricht gegen die Annahme eines tiefgreifenden Meinungswandels. 165 Analysis, 125 Anm. 20. 166 Ebd. 167 La syntaxe, 97.105f.112. – Zur Frage der Interpolationen in Ad Quirinum vgl. Ramsay, On Early Insertions; im folgenden wird dazu jeweils auf Webers App. z.St. verwiesen. 168 S.o. Anm. 146. Der Hinweis, dass „Cyprians Schrifttum [...] eben nicht Themen adversus Judaeos oder de Christo, sondern Stoffe aus der religiosa disciplina“ umfasse (Wohleb, Cyprians Spruchsammlung, 33), kommt eher einer Problemanzeige als einer Erklärung gleich. 169 Ebenso Bobertz, Vineyard, 5, zu Quir 1. 170 Eine Statistik der übereinstimmenden Zitate bietet Glaue, Echtheit, 276–280: 172 der 455 Zitate in Quir 3 finden auch in anderen Schriften Cyprians Verwendung, etliche mehrmals.

3. Zu Aufbau, Methodik und Quellen

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angelegten Zitatensammlungen beschrieben werden171 –, doch finden sich ebenso viele Kapitel, darunter solche mit grundlegenden paränetisch-theologischen Themen, zu denen keine Parallelen zu verzeichnen sind. Zudem ist nicht zu verkennen, dass es sich bei nicht wenigen Kapiteln, besonders im letzten Drittel von Quir 3, um mehr oder minder flüchtig zusammengestellte Lesefrüchte handelt, deren Gewicht für die cyprianische Theologie begrenzt sein dürfte.172 Auch hier ist als methodische Regel zu beachten, dass Kapitel, zu denen es keine Entsprechungen in sonstigen cyprianischen Schriften gibt, mit einer gewissen Vorsicht heranzuziehen sind. Die angedeuteten Beobachtungen, verbunden mit der Disparatheit der Thesen und dem Fehlen einer erkennbaren systematischen Ordnung,173 sprechen dagegen, in Quir 3 eine Art Grundriss der cyprianischen Paränese zu suchen. Es handelt sich tatsächlich, wie Cyprian im Vorwort sagt, um quaedam capitula zur disciplina der Christen (pr.;5f), die offenbar weder auf Vollständigkeit noch auf systematische Ordnung Anspruch erheben.174 So bleibt Quir 3 zwar von wesentlicher Bedeutung für das Verständnis seiner Paränese, jedoch nur im Verein mit seinen Traktaten und Briefen.175 Von Quod idola und Ad Quirinum abgesehen besteht bezüglich der Authentizität der cyprianischen und der Nicht-Authentizität der zahlreichen pseudocyprianischen Schriften weitgehend Einigkeit.176 Was die cyprianische Briefsammlung betrifft, so sind die an Cyprian gerichteten Briefe selbstverständlich nicht als primäre Quellen zu berücksichtigen. Einzubeziehen sind dagegen die vier Synodalbriefe (ep 57, 64, 67 und 70) sowie die beiden weiteren Briefe, die Ko-Autoren im Absender angeben (ep 4 und 72), da hier grundsätzlich mit einer Federführung Cyprians zu rechnen und angesichts der weitreichenden Übereinstimmungen mit sonstigen cyprianischen Ausführungen an seiner (maßgeblichen) Autorschaft nicht zu zweifeln ist.177 Fragen der Datierung und des ____________

171 Vgl. exemplarisch Haussleiter, Cyprian-Studien, 380–385, zu habit (s.o. Anm. 151). 172 So sind etwa in Quir 3,70–73 Exzerpte aus Eph 6 zusammengestellt, in 3,81–85 aus Lev 19 usw.; vgl. dazu auch Wohleb, Cyprians Spruchsammlung, 31. Auch ist das in Quir 3 zusammengestellte Material „undoubtedly traditional to some extent“ (Albl, Form and Function, 133). 173 S.o. Anm. 141. 174 Vgl. auch Monat, Les testimonia, 502 („des règles de morale ou des conseils pratiques“); um eine „christliche Sittenlehre“ (Koch, Das dritte Buch, 6) handelt es sich kaum. 175 Wichtig sind auch die Hinweise Azzali Bernardellis, „Templum Dei estis“, 95.100, zur besonderen Bedeutung des jeweils ersten Zitates der einzelnen Kapitel. 176 Vgl. zu den gemeinhin dem 3. Jh. zugerechneten pseudocyprianischen Schriften – die Datierung ist nicht selten strittig – zuletzt Doignon, HLL 4 (1997) §477.2–3 (S. 530–532), vorcyprianisch: De pascha computus; De montibus Sina et Sion; ders., a.a.O. §480 (S. 577–581), zeitgleich De laude martyrii; Ad Nouatianum; De rebaptismate; ders., a.a.O. §481.1–2 (S. 581–583), nachcyprianisch: Aduersus Iudaeos; Ad Vigilium episcopum de Iudaica incredulitate; zu den auf spätere Zeit datierten pseudocyprianischen Schriften vgl. Doignon, HLL 5 (1989) §575.1 (S. 416–418): Sermo de centesima, sexagesima, tricesima, und §591 (S. 501–510): De singularitate clericorum; De aleatoribus; Orationes Cypriani; Epistula Cypriani plebi Cartagini). Zur der als Fälschung des Erasmus erwiesenen Schrift De duplici martyrio vgl. den kurzen Literaturbericht Dolbeaus, CTC 98,25 (S. 401). 177 Ep 4 stimmt in seiner disciplina-Argumentation einschließlich der angeführten Zitate mit habit 1 (und Quir 3,66) und in seiner Amtstheologie mit sonstigen cyprianischen Ausführungen dazu überein; ep 64 trägt „deutlich die Handschrift Cyprians“ (Hammerich, Taufe und Askese, 138); bezo-

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Einleitung

historischen Ortes der cyprianischen Traktate und Briefe werden, sofern erforderlich, im jeweiligen Zusammenhang erörtert.178 Textgrundlage der Arbeit ist die Cyprianausgabe im CChr.SL 3–3D (1972–1999). Stellenangaben nennen bei Traktaten Kurztitel und Kapitel, bei Briefen Nummer des Briefes, Kapitel und Paragraph, danach, jeweils durch Semikolon abgetrennt, die Zeile(n). Die Schrift De habitu uirginum ist weiterhin nach der Ausgabe Hartels (CSEL 3/1, 187–205) zu zitieren; hier folgen auf die Angabe des Kapitels nach dem Semikolon Seite und Zeile der Ausgabe. Tertullian wird nach CChr.SL 1–2 zitiert; sofern nötig, werden neuere Ausgaben mit herangezogen. Bei Zitaten werden nach Kapitel und Paragraph, durch Semikolon abgetrennt, entweder die Zeile(n) des Kapitels oder, wo das CChr der Seiten- und Zeilenzählung des CSEL folgt, Seite und Zeile(n) der Wiener Ausgabe angegeben. Bei allen übrigen Autoren werden bei Zitaten Seite, Zeile (sofern angegeben) sowie Herausgeber der jeweils benutzten Ausgabe genannt. Die in den Textausgaben unterschiedlich gehandhabte Schreibweise von v und u, i und j sowie der Groß- und Kleinschreibung ist vereinheitlicht, die Zeichensetzung gelegentlich verändert worden. Die Orthographie dagegen folgt der teilweise selbst innerhalb einer Schrift schwankenden Schreibweise der jeweils benutzten Ausgabe. Kommentierte Textausgaben u.ä. werden mit Herausgeber und Kurztitel des Werkes angeführt, Übersetzungen in der Regel mit Namen des Übersetzers sowie (Band- und) Seitenangabe; Entsprechendes gilt für die kommentierte Übersetzung der Briefe Cyprians von Clarke. Alttestamentliche Stellenangaben richten sich nach der LXX.

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gen auf ep 57 gibt es „very little doubt that it was actually written by Cyprian himself“ (Hinchcliff, Cyprian, 81); ep 67 „brings to sharp focus the characteristic Cyprianic view that church ministers must themselves be ‚sound and without blemish‘“ (Clarke IV, 140); ep 70 und 72 entsprechen den cyprianischen Briefen zum Ketzertaufstreit (ep 69, 71 und 73f) ebenso im Gesamtduktus wie in vielen Einzelheiten. 178 Zu Einleitungsfragen der authentischen cyprianischen Schriften und Briefe vgl. zuletzt Gülzow/Schmidt/Wlosok, HLL 4 (1997) §478 (S. 532–575), zur Datierung der Briefe außerdem Duquenne, Chronologie, Gülzow, Cyprian, und Clarke, CChr.SL 3D, 691–709. Zu Fragen der cyprianischen Biographie vgl. v.a. Benson, Cyprian, und Sage, Cyprian.

Kapitel 1: Die Begründung der tätigen christlichen Existenz in Taufe und Umkehr nach Cyprians Schrift Ad Donatum

Christliche Existenz beginnt nach frühchristlicher Auffassung mit der Taufe. Das Verständnis der Taufe als Wiedergeburt oder, wie es bei Cyprian an etlichen Stellen noch deutlicher heißt, als „Geburt“ (natiuitas) kennzeichnet diese in radikaler Weise als einen Neubeginn. Cyprian selbst hat seine Taufe offenbar so erlebt, und sein Biograph Pontius hält es demgemäß für angemessen, seine Vita Cypriani mit der Taufe beginnen zu lassen.1 Mit der Taufe verbindet sich nach frühchristlichem, auch von Cyprian geteiltem Verständnis das Ablegen des alten Menschen und die Begründung einer neuen Existenz(weise). Die Taufe erscheint damit nicht nur als Anfangspunkt des Christseins, sondern auch und mehr noch als Ermöglichungsgrund der tätigen christlichen Existenz.2 Ausführlicher kommt die Interpretation der Taufe als Befähigung zu einer neuen Lebensweise bei Cyprian allein in der Schrift Ad Donatum zur Sprache. Er beschreibt hier seine eigene Tauferfahrung in zwei Durchgängen zunächst als Konstituierung eines neuen moralischen Subjekts (Don 3–4) und sodann als Ermöglichung einer neuen Welthaltung, die als Befreiung von den „Stürmen der Welt“ und Erlangen eines Zustandes der Unerschütterlichkeit und Weltüberlegenheit charakterisiert wird (Don 6–14).3 In beiden Durchgängen wird das Geschehen der Taufe als Befreiung bzw. Abkehr von einem Zustand moralischer Verkommenheit und Ermöglichung einer neuen, moralisch überlegenen Existenzweise bestimmt und dieses doppelte Geschehen in der freien, jedem und jederzeit zugänglichen göttlichen Gnade verankert. Sowohl in der Schilderung des früheren Zustandes als auch in der Charakterisierung des neuen Lebens greift Cyprian in starkem Maße auf außerchristliche Vorstellungen zurück, die zum Teil verbreitete Motive und Topoi betreffen, zum Teil aber auch spezifische philosophische Bezüge erkennen lassen.

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1 Vgl. Vita Cypr 2,1. 2 Capmany, Miles, 23, bezeichnet die Taufe daher als „el fundamento de la milicia cristiana“. 3 In Don 5 und Don 15 wird das neue Leben der Getauften thematisiert; auf diese Kapitel wird an späterer Stelle der Arbeit Bezug genommen.

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Die Begründung der tätigen christlichen Existenz

1. Die Taufe als Konstituierung eines neuen moralischen Subjekts (Don 3–4) Ein wesentlicher, wenn nicht entscheidender Gesichtspunkt für das Verständnis einer theologischen Konzeption dürfte in dem zu suchen sein, was ein christlicher Theologe selbst als Beweggrund seiner ‚Bekehrung‘, als seine theologische ‚Entdeckung‘ o.ä. ausgibt. Es steht zu vermuten, dass hier Aufschluss über das oder jedenfalls ein Movens, wenn nicht sogar über das organisierende Prinzip seiner Theologie zu gewinnen ist. Cyprian stellt in der Schrift Ad Donatum in protreptischer Absicht seine eigene Hinwendung zum Christentum dar. Er tut dies, indem er seine Taufe und ihre Folgen als Widerfahrnis der an ihm handelnden göttlichen Gnade beschreibt. Als Thema der Schrift gibt er demgemäß die Verkündigung der diuina indulgentia an, die ihm die Möglichkeit radikaler Erneuerung als Geschenk durch die Taufe in einem einzigen Augenblick verspricht.4 Der Begriff indulgentia findet sich in Ad Donatum noch in 4;77f, bezogen auf die in der Taufe stattfindende Einwohnung Gottes im Menschen. Neben diesem von Cyprian selbst hervorgehobenen Begriff spielen in dieser Schrift auch die Begriffe gratia (2;32; 5;84.90)5 sowie (dei) munus (4;72; 5;86; 6;109; 14;285.297) eine wichtige Rolle. Bezeichnet indulgentia hier die gnadenhafte, auf das menschliche Heil bedachte Haltung Gottes gegenüber dem Menschen, so gratia vor allem die diesem gewährte, in ihm wirksame Gnadengabe. Der Begriff munus unterstreicht den Geschenkcharakter des in der Taufe Empfangenen. Die Begriffe indulgentia und gratia sind bei Cyprian „sinnverwandt, doch nicht ganz synonym“.6

Cyprian benennt damit offenbar die Grunderfahrung, die sich für ihn mit seinem Übertritt zum Christentum verbindet. Diesem Ausgangspunkt entsprechend spielt die Gnade Gottes, wie sich zeigen wird, für seine gesamte theologische Konzeption eine wesentliche Rolle.7 Ein Vergleich des cyprianischen Ausgangspunktes mit entsprechenden Aussagen Tertullians könnte einen Hinweis geben auf die (theologische) Ursache der oft beobachteten Unterschiede zwischen Tertullian und Cyprian, insbesondere der unterschiedlichen Grundstimmung. Für die ____________

4 Vgl. Don 2;29f bzw. 3;37–41. Spanneut, Tertullien, 78 Anm. 126, bezeichnet Don mit Recht als „une sorte de traité sur la grâce“; vgl. ebenso schon Benson, Cyprian, 13, und Goetz, Christentum, 2, ferner Buchheit, Non agnitione, 331f, sowie Pellegrino, Studi, 114, zu Vita Cypr 7,3. Courcelle, Les confessions, 123f, rechnet mit einem Einfluss dieser Schrift auf die Entwicklung der Gnadentheologie Augustins; vgl. dazu auch Kneller, Sacramentum, 700. 5 Vgl. auch gratuitum in 14;296f und dazu Anm. 222; zu gratia vgl. noch 16;328 und 1;16. 6 So mit Recht Munier, Indulgentia, 75; anders Buchheit, Non agnitione, 330f Anm. 76, der die beiden Begriffe für „praktisch identisch“ hält. 7 Dass „die Erinnerung an seine Taufe mit ihren innern Erfahrungen und Erlebnissen für Cyprians geistliches Leben auf immer bestimmend und entscheidend“ geblieben ist, betont Kneller, Sacramentum, 690. Zur Bedeutung der Gnade in der cyprianischen Theologie vgl. auch Barbalato, La dottrina, sowie Schindler, Gnade, 391f.

1. Die Taufe als Konstituierung eines neuen moralischen Subjekts

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theologische Konzeption Tertullians hat das „natürliche“ Gottesverhältnis des Menschen, wie er es wahrnimmt, strukturbildende Funktion, und er kommt interessanterweise gerade in diesem Zusammenhang auf seine eigene Hinwendung zum Christentum zu sprechen: „die natürliche Gottesfurcht der Seele“ (naturalis timor animae in deum) spiele für Leute wie ihn, „die aus Furcht vor dem angekündigten Gericht zu dieser Lehre übergetreten“ seien, eine zentrale Rolle.8 Die rigoristische, drängende Grundstimmung seiner Theologie und besonders seiner Paränese dürfte hier eine wesentliche Ursache haben. Dass Cyprians Theologie bei der Erfahrung gnadenhafter Erneuerung ihren Anfang nimmt, verleiht ihr trotz ihrer stark paränetischen Orientierung und durchaus vorhandener rigoristischer Tendenzen eine deutlich andere Tönung. Es entspricht dieser Erfahrung Cyprians, wenn er die Taufe mit Vorliebe als gratiam (dei / dominicam / Christi / diuinam) consequi beschreibt (Quir 3,27tit; ep 64,5,1;72; ep 69,12,1;253 u.ö.); Taufe und Gnade sind für ihn „fast austauschbar“.9 Demgemäß ist nicht selten von der baptismi gratia (op 2;44; ep 63,8,2;118f; ep 66,5,2;93 u.ö.) bzw. der gratia lauacri salutaris (ep 73,3,1;53f; habit 23;204,6 u.ö.) die Rede, und die göttliche Gnade kann geradezu als Subjekt des Taufgeschehens erscheinen (orat 9;134; 12;214f; ep 69,15,2;348f u.ö.). Im Taufkontext verwendet Cyprian in der Regel den Begriff gratia, des öfteren auch den Begriff munus10, deutlich seltener den Begriff indulgentia11; im Bußkontext dagegen dominiert eindeutig der Begriff indulgentia.12 Geht es dort vor allem um die empfangene Gabe, so hier in erster Linie um die zu Fall gekommenen Christen von Gott gewährte Nachsicht.

Cyprian spricht nun freilich in Bezug auf seine eigene Hinwendung zum Christentum von der Gnade in einer sehr bestimmten Weise. Die Verheißung der göttlichen Gnade, dass er durch die Taufe zu einem neuen Leben geführt werde, seine frühere Existenzweise ablege und durch innere Erneuerung ein neuer Mensch werde,13 interpretiert er im Horizont verbreiteter paganer, zum Teil philosophisch beeinflusster Vorstellungen und Ideale. Er versteht die Taufe als Befreiung von tief verwurzelten Fehlhaltungen (uitia), zu denen er insbesondere die Verwicklung in das nach seiner Wahrnehmung moralisch verkommene gesellschaftlich-politische Leben der römischen Oberschicht zählt, sowie als Befähigung zu einem neuen, moralisch integren Handeln. Die im kirchlich-liturgischen Akt der Taufe sich vollziehende Bekehrung zum Christentum erscheint damit als eine Art moralische Konversion,14 wie sie auch in der (römisch-) phi____________

8 [...] qui ad istam disciplinam metu praedicati iudicii transuolamus (test 2,3–5, Zitate 2,3;23f bzw. 2,5;35); vgl. ähnlich Scap 1,1;3–7 und dazu Tibiletti, test 1, 119. Die Bedeutung dieser Aussage im Blick auf die Motivation der Bekehrung Tertullians ist bereits von Wirth, Der „Verdienst“-Begriff I, 37, notiert worden, scheint mir aber sonst in der Tertullian-Forschung kaum hinreichend gewürdigt zu werden. So geht etwa Barnes, Tertullian, 245–247: Appendix 6: Accidental Autobiography, auf diesen Text gar nicht ein, obwohl er die Motive der Bekehrung Tertullians ausführlicher diskutiert. 9 Schindler, Gnade, 391f; vgl. orat 36;688f. Bei Tertullian findet sich die formelhafte Umschreibung der Taufe als gratiam consequi noch nicht; zur Verbindung von Taufe und Gnade bei Tertullian vgl. Lombino, La Grazia, 127–131. 10 Vgl. außer den oben erwähnten Belegen in Don noch habit 23;204,4f; ep 64,3,1;33f sowie ep 69,12,2;275–261; 69,13,3;305–308; 69,14,1;318–322. 11 Als Ausnahme vgl. neben den genannten Belegen in Don noch orat 36;692f. 12 Vgl. or 22;411–413.420f; laps 36;707f; ep 55,22,2;372f u.ö. 13 Vgl. Don 3;37–41. 14 Ähnlich Bakhuizen van den Brink, Cyprianus, 24f („geestelijke en zedelijke omwending“); vgl. auch Gallicet, Dem, 64f, zum Verständnis der conuersio in der Schrift Ad Demetrianum.

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losophischen Tradition konzipiert worden ist,15 mehr noch: als Konstituierung eines neuen, zu moralischem Handeln befähigten Subjekts, das freilich nicht isoliert und autonom, sondern allein von Gott her lebens- und handlungsfähig ist. Die besondere Prägung des cyprianischen Verständnisses der in der Taufe sich vollziehenden Konversion äußert sich in der Schrift Ad Donatum nicht nur in einer Vielzahl von Reminiszenzen paganer Autoren und der Rezeption verbreiteter popularphilosophischer Topoi, die wiederholt zusammengestellt und zum Teil eingehend analysiert worden sind,16 sondern darüber hinaus in der Anknüpfung an bestimmte philosophische Konzeptionen, die im folgenden näher zu untersuchen sind. Die szenische Rahmung in Don 1 und 16 knüpft, wie wiederholt gezeigt worden ist, an entsprechende pagane Vorbilder an und stellt die Schrift damit in die Tradition der philosophischen Dialoge.17 Fontaine beurteilt die Schrift, offenbar das Erstlingswerk des getauften Cyprian,18 als ein „œuvre de transition“, in dem aus protreptischen Gründen noch der Stil des Rhetors Cyprian bewahrt sei, den er bald als „alten Menschen“ ablegen werde.19 Der besondere stilistische Charakter von Don, zu dem auch das gänzliche Fehlen von Bibelzitaten gehört, darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass Cyprian, was die theologischen Vorstellungen und Motive betrifft, sozusagen schon ganz er selbst ist.20 Zu allen zentralen Motiven gibt es in seinen späteren Schriften zahlreiche Entsprechungen, nicht selten mit wörtlichen Übereinstimmungen.21 Auch wenn es sich bei dieser Schrift zweifelsohne um einen Protreptikos handelt,22 ist es daher kaum ratsam, wesentliche Inhalte als bloße Adaptation an die avisierte Leserschaft zu deuten.23 Dem Zusammenspiel traditionell-christlicher Elemente mit den rezipierten paganen Vorstellungen und Topoi sowie der – in der Forschung recht unterschiedlich ____________

15 Zur „Conversion to Philosophy“ in der Antike vgl. Nock, Conversion, 164–186, und P. Hadot, Exercices, 175–182, bes. S. 176f, zur besonderen Akzentuierung der „réforme morale de l’individu“ im römischen Kontext vgl. etwa Chevallier, Le milieu stoïcien, 535–539 (Zitat S. 538, Hvb. RN), sowie Ciceros pointierte Charakterisierung der Philosophie als uirtutis indagatrix expultrixque uitiorum (Tusc 5,5 [406,3f Pohlenz]; vgl. dazu Schmid, Ein Tag, 155f.162f). – Wenn Ramos-Lissón, La conversión, 156f, betont, es bestehe eine „diferenciación cualitative“ zwischen philosophischer und cyprianischer Konversion, welche freilich „aspectas comunes“ nicht ausschließe (ähnlich Ellien, L’Ad Donatum, 149f), so dürfen die zweifellos gegebenen, sachlich gewichtigen Unterschiede nicht den Blick dafür verstellen, dass hier gerade „le surnaturel“ (Ellien, ebd.) in einem Horizont interpretiert wird, der durch entsprechende philosophische Vorstellungen mit bestimmt ist. 16 Vgl. Moricca, fonti, Koch, CU, 289–295 (nur Seneca), Quacquarelli, La retorica, 97–145, Pellegrino, Studi, 107–119, Barbero, Seneca, Fontaine, Aspects, 149–171 (Don 2–4), Buchheit, Cyprian – Seneca, ders., Non agnitione (Don 2), ders., Non homini (Don 3–4), Molager, Don/pat, 24–34, Szarmach, „Ad Donatum“, sowie Ellien, L’Ad Donatum. 17 Vgl. dazu Moricca, fonti, 130f.146f, Pellegrino, Studi, 108.111, Quacquarelli, La retorica, 122f, Courcelle, Les confessions, 121–123, sowie Wlosok, HLL 4 (1997), §578 (S. 555f). 18 Zur Datierung der Schrift vgl. Buchheit, Non agnitione, 318f mit Anm. 1, zum biographischen Kontext Sage, Cyprian, 110–135. 19 Fontaine, Aspects, 159; ähnlich etwa Moricca, fonti, 157. 20 Ebenso Quacquarelli, La retorica, 129. 21 Vgl. dazu auch die Zusammenstellung bei Kneller, Sacramentum, 690–700. 22 Zum protreptischen Charakter der Schrift vgl. ausführlich Szarmach, „Ad Donatum“, bes. S. 292–296, ferner etwa Pellegrino, Studi, 115–118, Scorza Barcellona, Dono, 186, und Ellien, L’Ad Donatum, 136. 23 Die literarisch-rhetorische Gestaltung von Ad Donatum hat zu unterschiedlichen Beurteilungen ihres biographischen Wertes geführt: Während sich von Campenhausen, Lateinische Kirchenväter, 38f, und Wiles, Legacy, 140, skeptisch dazu äußern, rechnen Moricca, fonti, 156–158, Gaudette, Baptême, 19, und Fink-Dendorfer, Conversio, 38–46, mit weitgehender Authentizität.

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beurteilten – Frage nach dem sachlichen Gewicht der paganen Einflüsse wird in den nachfolgenden Analysen besondere Aufmerksamkeit gewidmet.

Bevor Cyprian auf seine eigene Tauferfahrung zu sprechen kommt, schickt er in Don 2 ‚methodologische‘ Vorbemerkungen voraus, in denen er das Verhältnis zwischen Gegenstand und Darstellung reflektiert.24 Nach einem kurzen, rhetorischen Gepflogenheiten entsprechenden Hinweis auf sein begrenztes Redevermögen25 stellt er den durch glänzende Beredsamkeit, Ehrgeiz und Prahlerei gekennzeichneten Gerichts- und Volksreden die von einer Rede über Gott geforderte pura sinceritas gegenüber, die sich zur Beweisführung für den Glauben nicht auf die Kräfte der Beredsamkeit stütze, sondern auf die Dinge selbst.26 Mit der Betonung der sinceritas nimmt Cyprian das rhetorische Ideal einer „strikten Übereinstimmung zwischen res und verba“ auf.27 Die Hervorhebung der res gegenüber der Redegestaltung folgt rhetorisch-philosophischen Traditionen, und auch die weitere Entfaltung dieser Gegenüberstellung mit einer Reihe von Gegensatzpaaren lässt entsprechende Einflüsse erkennen;28 ihre nächste Entsprechung haben die cyprianischen Bemerkungen offenbar bei Minucius.29 Cyprian polemisiert demnach zwar gegen bestimmte rhetorische Traditionen – Fontaine verweist hier besonders auf den Neo-Asianismus der Zweiten Sophistik30 –, tut dies aber unter Rückgriff auf Ideale, die sich selbst philosophisch-rhetorischen Traditionen verdanken. Der mit Cyprians Konver____________

24 Zum folgenden vgl. bes. Fontaine, Aspects, 159–166, und Buchheit, Non agnitione. 25 Z. 20–24; Fontaine, Aspects, 159f, spricht von einem „bel exemple du ‚locus humilitatis propriae‘, dont les racines plongent à la fois dans un cliché rhétorique ancien et dans bien des versets pauliniens“; vgl. auch Buchheit, Non agnitione, 320–323. 26 [...] cum de domino, de deo uox est, uocis pura sinceritas non eloquentiae uiribus nititur ad fidei argumenta sed rebus (Z. 24–27). – Dass Cyprian entgegen dieser Ankündigung in Don keineswegs auf die Redekunst verzichtet, ist oft festgestellt und nicht selten kritisiert worden; vgl. etwa Moricca, fonti, 128f, Ellspermann, Attitude, 52f, und Szarmach, „Ad Donatum“, 296f. Zur Verteidigung Cyprians vgl. Buchheit, Non agnitione, 334 Anm. 94. 27 H. Lausberg, Handbuch, §1244 s.v. sincerus (S. 814); vgl. ebd., §1074 und §258, sowie Buchheit, Non agnitione, 321, der auf die „zentrale rhetorische Vorschrift des πρε' πον-decorum [...], die u.a. das dem Gegenstand angemessene Reden fordert“, verweist. Zum πρε' πον bzw. zur ευ πρε' πεια als Element der stoischen „Vorzüge der Rede“ vgl. Hülser II, 672–677. Das πρε' πον wird definiert als λε' ξις οι κει' α τω^, πρα' γματι (Frg. 594,6f 672 Hülser). Dass die Ablehnung gekünstelter Rede „als etwas gegenüber den Erörterungen über Gott Unangebrachtes [...] rhetorische Traditionen“ hat, betont Szarmach, „Ad Donatum“, 293. 28 Z. 27–32; vgl. die detaillierten Analysen bei Fontaine, Aspects, 162–165, und Buchheit, Non agnitione, 323–326, die v.a. mit ciceronischen und senecanischen Einflüssen rechnen; Buchheit nimmt zudem eine Einwirkung Tertullians an. Die Forderung schlichter, sachbezogener Redeweise war „a common theme among Stoics“ (Clarke, Oct, 249 Anm. 194; vgl. Fontaine, a.a.O., 161, sowie Kennedy, Art, 477–479). Zu biblischen Entsprechungen zur Forderung der simplicitas vgl. Ellien, L’Ad Donatum, 153. 29 Vgl. Oct 16,6 und dazu Beaujeu, Oct, LXIX, der zudem mit einem Einfluß von Oct 14,3f rechnet; Fontaine, Aspects, 162, nimmt in Z. 26f direkte Abhängigkeit von Oct 15,2 an. 30 Vgl. Fontaine, Aspects, 160f. Zur Zweiten Sophistik in der lateinischen Literatur vgl. Norden, Kunstprosa II, 586–654, bes. S. 586–615, und Sallmann, HLL 4 (1997), §453 (S. 277–280), zu ihrem soziokulturellen Ort am Beispiel des Apuleius Vössing, Schule, 436–467.

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sion verbundene, in Don 2 reflektierte Bruch mit seiner Vergangenheit als Rhetor koinzidiert demnach mit der Rückkehr zum Ideal einer auf ihren Gegenstand bedachten Redekunst, wie es bereits von Cicero, Seneca und anderen vertreten worden ist.31 Fontaines Fazit lautet daher: „Double pèlerinage aux sources, scripturaires et classiques. Cicéron et Sénèque y pèsent autant que la méditation des Écritures, mais dans le même sens [...]“.32 Biblischer Einfluss lässt sich freilich, was die Ausführungen zur geforderten Redeweise betrifft, allenfalls in der Motivierung des cyprianischen Rückgriffs auf die genannten rhetorisch-philosophischen Ideale ausmachen,33 und die behauptete Konvergenz trifft nicht auf alle Gegenüberstellungen in Z. 27–32 zu. Bleibt die Entgegensetzung der Zielrichtung profaner Redekunst (das Anlocken der Aufmerksamkeit des Volkes) und schlichter christlicher Rede (die Verkündigung der diuina indulgentia) formal im Rahmen der skizzierten Traditionen, so deutet Cyprian sachlich schon mit dieser Zielbestimmung die Besonderheit des Gegenstandes der vorliegenden Schrift an.34 Auch der Hinweis, der Gegenstand der Rede helfe seinen beschränkten Fähigkeiten auf, gehört ungeachtet möglicher rhetorischer Prägung35 in diesen Kontext, wie der Schluss des Kapitels zeigt: Was hier zu empfangen ist, wird wahrgenommen und verstanden, noch bevor es gelernt wird, und es wird – das ist entscheidend – „nicht durch einen langen Erkenntnisprozeß über einen großen Zeitraum hin zusammengesammelt, sondern auf dem kurzen Weg der (den Empfänger) reif machenden Gnade eingesogen“.36 Cyprian spielt hier offenbar auf das Taufgeschehen an37 ____________

31 Fontaine, Aspects, 162; ähnlich ebd., 166. 32 Fontaine, ebd., 166; vgl. ebenso Buchheit, Non agnitione, 323, der freilich mit einer impliziten Entgegensetzung der beiden Traditionen rechnet. Auf diese Frage wird am Ende des Kapitels näher einzugehen sein. 33 Dass Cyprian mit der Forderung gegenstandsgemäßen Redens auf Paulus zurückgeht und wie dieser „mit sinceritas eindeutig vom Rhetorischen weg(führt)“, wie Buchheit, Non agnitione, 321–323 (Zitat S. 323), meint, wird man kaum sagen können. 34 Die Besonderheit der cyprianischen Rede von der indulgentia Gottes tritt erst im weiteren Verlauf der Schrift heraus. Das Thema der insbesondere in seiner prouidentia sichtbar werdenden göttlichen indulgentia gibt es auch in paganen philosophischen Traditionen (vgl. dazu etwa Seneca benef 2,29,5); ob bzw. inwiefern dabei allerdings die Vorstellung einer Gnade Gottes vertreten wird, die sich im Leben des einzelnen auswirkt und von Menschen erbeten werden kann, ist fraglich. Dörrie, Gnade, 326–331, zufolge wird eine solche Vorstellung als weder möglich noch nötig entschieden abgelehnt; anders jüngst Bergjan, Der fürsorgende Gott, 222–263, die nachzuweisen sucht, dass es im zweiten und dritten Jahrhundert in platonischen und stoischen Kreisen eine Debatte über die Frage einer göttlichen Fürsorge für den einzelnen, einer „individuellen Pronoia“, gegeben hat; differenziert P. Hadot, Die innere Burg, 222–231. 35 Molager, Don/pat, 76 Anm. 5, bezeichnet die Wendung materia dicendi facit mecum (Z. 23f) als „cicéronien“; die dazu genannte Stelle Cicero diu 1,84 (si ratio mecum facit [51,1 Giomini]) bietet freilich nur eine sprachliche Entsprechung. Wenn dagegen bei Apuleius Met 11,3,3 angedeutet wird, die Göttin Isis selbst könnte dem Erzähler dapsilem copiam elocutilis facundiae (326,10 Helm) geben, damit er ihre wunderbare Erscheinung angemessen beschreiben könne, lassen sich Übereinstimmung und Gegensatz deutlich erkennen: Auch hier wird der menschlichen Schwäche die (mögliche) göttliche Hilfe gegenübergestellt, erhofft wird aber gerade die von Cyprian abgelehnte elocutilis facundia. 36 [...] accipe quod sentitur, antequam discitur, nec per moras temporum longa agnitione colligitur, sed conpendio gratiae maturantis hauritur (Z. 30–32); vgl. auch unten zu Don 14;294–298. Der

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und stellt damit den christlichen Zugang zur Wahrheit in Gegensatz zu einem philosophischen Erziehungsprogramm, das auf allmähliche Wissensaneignung setzt,38 kann damit freilich auch an innerphilosophische Diskussionen anknüpfen.39 Seine Rede hat nicht nur einen besonderen Gegenstand, dieser Gegenstand bringt auch einen eigenen Erkenntnismodus mit sich.40 Die göttliche Gnade ist wie in der Verkündigung (materia dicendi facit mecum), so auch in ihrer Aufnahme beim Hörer (gratia maturans) wirksam. Die ‚methodologischen‘ Ausführungen von Don 2 knüpfen damit implizit, aber für gebildete Leser erkennbar an verbreitete rhetorisch-philosophische Traditionen an, die durch Cicero, Seneca u.a. repräsentiert werden; die Ablehnung bestimmter rhetorischer Verfahrensweisen ist Teil dieser Tradition. Die Hervorhebung der göttlichen Gnade nicht nur als Gegenstand der Schrift, sondern auch als zu sachgemäßer Rede befähigend und zu schneller Erkenntnis reif machend, verdankt sich bei Cyprian in erster Linie der biblisch-christlichen Tradition. Auch wenn die Vorstellung plötzlicher Erleuchtung, auf die hier offenbar angespielt wird,41 in der philosophischen, insbesondere der platonischen Tradition keineswegs fehlt,42 dürfte hier eine Absetzung von den rezipierten paganen Traditionen beabsichtigt sein.43 Es handelt sich also in der Tat, wie Fontaine herausstellt, um eine doppelte Einspeisung. Dass beide Einflussbereiche durchgän____________

Anfang des Zitats dürfte durch Minucius Oct 39 angeregt sein: quae facilius est sentire quam dicere (37,6 Kytzler). Die metaphorische Verwendung von haurire in Bezug auf geistige Güter ist pagan wie biblisch belegt; vgl. Fontaine, Aspects, 165 Anm. 35, und Buchheit, Non agnitione, 332f. 37 Der Erkenntnisaspekt der Taufe wird von ihm sonst kaum hervorgehoben, klingt aber gelegentlich an (vgl. Don 4;60f.65–67; habit 2;189,5f); die Schnelligkeit der durch die Taufe bewirkten Veränderung wird in Don 3;41f (repente ac perniciter); 4;62f (protinus) u.ö. betont. 38 Vgl. dazu ausführlich Buchheit, Non agnitione, 330–333. 39 Vgl. v.a. die bekannte Definition des Kynismus als συ' ντομος ε π α ρετη` ν ο δο' ς (vgl. Fr. V A 136 [II,189 Giannantoni] und dazu Giannantoni IV, 526f), die als entsprechende Abgrenzung intendiert war: „Le raccourci des Cyniques s’opposait à la voie plus longue empruntée traditionellement par les écoles philosophiques, qui passait par l’étude et l’acquisition des connaissances“ (Goulet-Cazé, L’ascèse cynique, 22–24; vgl. S. 22–28 insgesamt). Auch wenn wohl keine Anspielung auf die kynische Formel beabsichtigt sein dürfte, könnte die Vorstellung eines abgekürzten Weges zum Ziel der Philosophie kynisch beeinflusst sein. Eine grundlegende Gemeinsamkeit besteht darin, dass sich der kurze Weg hier wie dort mit einer radikalen Veränderung der Lebensweise verbindet. – Seneca rechnet damit, dass sich besonders begabte Naturen die philosophische Weisheit sine longo magisterio aneignen können (ep 95,36 [391,6f Reynolds]). 40 Vgl. die Paraphrase Buchheits, Non agnitione, 331: „[...] Erkenntnis wird gewonnen [...] auf dem kurzen Weg (conpendio) des Gnadengeschenks, das zur Aufnahme dieser Erkenntnis bereit macht (maturantis)“. 41 Cyprian beschreibt die Taufe in Don 4;59–67, frühchristlicher Tradition entsprechend (vgl. dazu etwa Beierwaltes, Lux intelligibilis, 104–107, sowie Ferguson, Baptismal Motifs, 213f), u.a. als Erleuchtung (s.u. 1.2). 42 Vgl. Beierwaltes, Lux intelligibilis, passim, und ders., Erleuchtung. Klassischer Text dazu ist Plato ep 7 341cd, wo freilich der plötzlichen Erleuchtung eine längere Erkenntnisbemühung vorausgeht; vgl. dazu Beierwaltes, Lux intelligibilis, 92–97. 43 Pointiert formuliert dies Buchheit, Non agnitione, 331 Anm. 76: „Im Kontext tritt diese divina indulgentia zusammen mit der gratia maturans in scharfen Kontrast zum intellektuellen Anspruch des Menschen [...]“.

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gig in die gleiche Richtung wirken, wird man freilich nicht sagen können. Die rezipierten paganen Vorstellungen und Ideale werden nicht nur in einen neuen Zusammenhang gestellt, sie werden auch durchbrochen und überboten. 1.1 Der Zustand vor der Taufe (Don 3;33–4;59) Die Verschmelzung traditionell-christlicher und paganer Vorstellungen kommt in Cyprians Schilderung seiner früheren Zweifel und seines Zögerns gegenüber dem Vollzug der Taufe deutlich zum Ausdruck. Was die göttliche Gnade (indulgentia) von der Taufe versprach, kam ihm, verwickelt in die Irrtümer seines früheren Lebens und bestimmt durch seine damalige Lebensweise, „gänzlich schwierig und hart“ vor,44 so sehr waren die ihm anhaftenden Fehlhaltungen (uitia adhaerentia) Teil seiner eigenen Person geworden.45 Knüpft Cyprian mit dieser Charakterisierung seines vorchristlichen Zustandes an verbreitete Topoi über das verfehlte, durch die Philosophie zurechtzubringende Leben an,46 so wird der Inhalt des göttlichen Versprechens mit Formulierungen gezeichnet, die weitgehend traditionell-christlich klingen, sich aber zugleich an ein „vocabulaire religieux commun“ halten.47 Das Versprechen lautet, „dass einer von neuem wiedergeboren werden könne und dass er, durch das Bad des heilbringenden Wassers zu neuem Leben beseelt, ablege, was er zuvor war, und den Menschen an Seele und Geist verändere, auch wenn der Organismus des Leibes (unverändert) bleibe“.48

Cyprian beschreibt die Taufe zunächst in Anlehnung an Joh 3,3–5 als Neubzw. Wiedergeburt49 und benennt dann drei Wirkungen des Taufgeschehens: ____________

44 [...] difficile prorsus ac durum [...] opinabar (3;36f); die Wendung könnte durch Seneca angeregt sein, der ep 20,13 bezogen auf die Trennung von der gewohnten Lebensweise sagt: [...] quod deliciis permaduimus et omnia dura ac difficilia iudicamus [...] (56,6f Reynolds); vgl. Buchheit, Non homini, 219 Anm. 59, im Anschluss an Koch, CU, 289. 45 3;33–37 bzw. 4;55–59; Cyprian knüpft hier wie öfters an verbreitete Konversionsterminologie an; vgl. etwa noch Dem 16;300–303 und dazu Gallicet, Dem, 230f, Fredouille, Dem, 170, sowie Clarke, Oct, 167f Anm. 8. In Z. 33–35 ([...] cumque in salo iactantis saeculi nutabundus ac dubius uestigiis oberrantibus fluctuarem [...]) liegt offenbar ein „souvenir direct“ an Apuleius Met 4,2,1 (cum in isto cogitationis salo fluctuarem [104,16 Helm]) vor (Fontaine, Aspects, 167 Anm. 37), uitae meae nescius könnte eine Reminiszenz an Persius sat 5,34: uitae nescius error (48 Kißel) sein (vgl. Fontaine, a.a.O., 167 Anm. 36). Zum Ausdruck uitia adhaerentia s. gleich. 46 Zum Schwanken der „Jünger“ angesichts der Entscheidung für ein philosophisches Leben vgl. Rabbow, Seelenführung, 261–264. Buchheit, Non homini, 210f, rechnet stärker mit einem christlichen Hintergrund der verschiedenen Motive. 47 Fontaine, Aspects, 168; zu Berührungen mit Apuleius vgl. Koch, CU, 319, Molager, Don/pat, 33, sowie Ellien, L’Ad Donatum, 153f. 48 [...] ut quis renasci denuo posset utque in nouam uitam lauacro aquae salutaris animatus, quod prius fuerat, exponeret et corporis licet manente conpage hominem animo ac mente mutaret (3;38– 41). Zur Wiedergabe von conpages vgl. Georges s.v. compages II. 49 Renasci denuo ist pleonastisch, denuo vermutlich durch α»νωθεν in Joh 3,3 veranlasst; ebenso Buchheit, Non homini, 214f, der außerdem Tit 3,5–7 nennt. Joh 3,5, „the favorite text on baptism in

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das Ablegen der früheren Existenz(weise),50 die Beseelung zu neuem Leben51 sowie die Veränderung des inneren Menschen; unverändert bleibt dagegen der Leib.52 Geht Cyprian mit diesen Bestimmungen nicht wesentlich über neutestamentliche bzw. frühchristliche Taufaussagen hinaus, so zeigt die Fortsetzung die Besonderheit seines Taufverständnisses: „Wie ist eine so große Umwandlung (conuersio)53 möglich, fragte ich mich, dass plötzlich und schnell ausgezogen werde, was, sei es als Angeborenes durch Vernachlässigung der natürlichen Anlage hart geworden, sei es als schon lange in Gebrauch Genommenes durch das hohe Alter angewachsen ist. Mit tiefer, tief eindringender Wurzel haben sich diese Dinge festgesetzt.“54

Diese Beschreibung der von Cyprian zuvor wahrgenommenen Schwierigkeiten lässt erkennen, dass er die durch die Taufe versprochene Veränderung im Horizont philosophisch geprägter Vorstellungen deutet. Ziel ist die Befreiung von tief verwurzelten Fehlhaltungen. Das Motiv der alt und hart gewordenen, tief eingewachsenen uitia ist in der antiken Literatur verbreitet,55 und auch die Zurückführung von Fehlhaltungen teils auf vernachlässigte Naturanlage, teils auf spätere Aneignung hat entsprechende Vorbilder.56 Die Befreiung von solchen ____________

the second century“ (Ferguson, Baptismal Motifs, 211), wird von Cyprian wiederholt zitiert oder angespielt; vgl. dazu Fahey, 374–376. 50 Im Hintergrund steht die neutestamentliche Vorstellung, in der Taufe werde der „alte Mensch“ abgelegt (vgl. Röm 6,6; Kol 3,9; Eph 4,22 und dazu etwa Wilckens, EKK VI/2, 16f, sowie Schnackenburg, EKK X, 203f), die bei Cyprian wiederholt begegnet; vgl. habit 23;204,4–6; Quir 3,11tit (exposito priore homine) u.ö. Nach Dem 20;397 wird in der Taufe die natiuitas terrena abgelegt (vgl. orat 17;322f), nach ep 74,5,2;94 sind es die Sünden (ähnlich Quir 3,65tit); vgl. auch zel 14; 259– 261 sowie ep 74,6,1;113. Das Ablegen des alten Menschen bezieht sich für Cyprian demnach auf die gesamte, durch die „fleischliche“ Geburt inaugurierte irdische Existenz, die als solche den Sünden verhaftet ist (Don 4;65f; vgl. ep 64,5,2;84–88). 51 Das geschieht, wie Don 4;67 zeigt, durch den Heiligen Geist. Die Formulierung in nouam uitam [...] animatus dürfte auf Gen 2,7 anspielen und damit die Taufe als Neuschöpfung deuten; explizit vollzogen wird diese Verknüpfung in ep 74,7,1;125–129. 52 Ähnlich Don 5;101–103. Das Erleiden der Widrigkeiten irdisch-leiblicher Existenz hat daher noch keine Ende; vgl. mort 8;112–120 sowie pat 11;215–217 und dazu Kap. 5.1.2. 53 Zum Begriff conuersio vgl. Ramos-Lissón, La conversión, 151. 54 Qui possibilis, aiebam, tanta conuersio, ut repente ac perniciter exuatur, quod uel genuinum situ materiae naturalis obduruit uel usurpatum diu senio uetustatis inoleuit? alta haec et profunda penitus radice sederunt (3;41–44). 55 Vgl. etwa Vergil Aen 6,737f: [...] penitusque necesse est / multa (sc. mala) diu concreta modis inolescere miris (250 Mynors; vgl. vv. 730–738 insgesamt); Seneca ep 59,9: diu in istis uitiis iacuimus, elui difficile est; non enim inquinati sumus sed infecti (164,4f Reynolds); ep 94,24: duram iam et ueterem [...] pestem (369,24 Reynolds); ep 95,34, sowie Buchheit, Non homini, 219f, mit weiteren Belegen. Weiteres dazu s.u. Anm. 65. 56 Die Unterscheidung zwischen Naturanlage und Gewohnheit spielt für die Ethik des Aristoteles eine zentrale Rolle; vgl. hier bes. EN 1154a32–34: die (negativ gewerteten) η δοναι' werden als φαυ' λης φυ' σεως [...] πρα' ξεις charakterisiert, wobei sogleich präzisiert wird: η ε κ γενετη^ ς, ω « σπερ θηρι' ου, η δι ε» θος, οι ον αι τω^ ν φαυ' λων α νθρω' πων (170f Susemihl/Apelt). Eine vergleichbare Gegenüberstellung findet sich bei Horaz sat 1,3,34–36: denique te ipsum / concute, num qua tibi uitiorum inseuerit olim / Natura aut etiam consuetudo mala (176 Shackleton Bailey). Vgl. auch die Beschreibung des postmortalen Reinigungsvorgangs bei Seneca dial 6,25,1: dum expurgatur et inhaerentia uitia et situm

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uitia gehört zu den grundlegenden Zielen philosophischer Erziehung.57 Cyprian versteht demnach offenbar die Erneuerung des Menschen durch die Taufe als Verwirklichung dieses philosophischen Programms. Die sich anschließende Konkretisierung der Fehlhaltungen bestätigt diesen Eindruck. Der erste Teil beschreibt die Schwierigkeiten eines Angehörigen der römischen Oberschicht, auf die Vorzüge seiner Lebensweise zu verzichten: Wer an opulente Festessen, edle Gewänder, mit Ämtern verbundene Ehren und Klientenscharen gewöhnt ist, für den sind Sparsamkeit, einfache Kleidung, Verzicht auf Ehren und Alleinsein kaum zu ertragen.58 Das Ablegen des „alten Menschen“ in der Taufe wird von Cyprian als Bruch mit dieser Lebensweise interpretiert und ist von ihm selbst, wie sein Biograph Pontius berichtet, offenbar tatsächlich in ungewöhnlich radikaler Weise so praktiziert worden.59 Im Hintergrund stehen hier weniger biblische bzw. frühchristliche Sündenvorstellungen60 als vielmehr die verbreitete popularphilosophische Kritik am Leben der römischen Aristokratie.61 Die Radikalität des nach cyprianischem Verständnis in der Taufe geforderten Bruchs mit dieser Lebensweise dürfte ihre nächste Entsprechung in den Forderungen der Kyniker haben.62 Der zweite Teil spricht in einer Art Lasterkatalog von den hartnäckigen Verlockungen von Trunkenheit, Hochmut, Jähzorn, Raubsucht, Grausamkeit, Ehrsucht und Wollust.63 Verschränken ____________

omnem mortalis aeui excutit (163,13f Reynolds), und dazu Wlosok, Laktanz, 43–45, und Manning, On Seneca’s „Ad Marciam“, 144f. 57 Vgl. Buchheit, Non homini, 220f. 58 Z. 44–51. 59 Vgl. Vita Cypr 2,4–8; einzelne Aussagen dieses Abschnitts dürften freilich zu weit gehen. So wird eine vollständige Preisgabe des Besitzes von Sage, Cyprian, 131–134, und Countryman, The Rich Christian, 185–188, mit Recht ausgeschlossen. G.D. Dunn, Crown, 719–726, deutet Cyprians Besitzverzicht als bewusste Absage an das Patron-Klienten-Verhältnis. – Zur Herkunft Cyprians aus der karthagischen Oberschicht s.o. Einleitung 1. Dass keineswegs alle Christen in Karthago den Bruch mit einer gehobenen Lebensweise für erforderlich hielten, lassen Cyprians Schriften De opere et eleemosynis und De habitu uirginum erkennen; vgl. dazu auch Hinchcliff, Cyprian, 32f. 60 Ebenso Kneller, Sacramentum, 687, und Downing, Cynics and Christian Origin, 214f. 61 Freund, Vergil, 222, spricht von „loci communes paganer Gesellschaftskritik“; vgl. ähnlich Fontaine, Aspects, 168. Buchheit, Cyprian – Seneca, 351, erkennt Berührungen mit Minucius Oct 37, 9f und, vielleicht über diesen vermittelt, mit den laudes agricolarum Vergils (georg 2,458–540), die ihrerseits traditionelles Material verarbeiten (vgl. Richter, georg, 250–252). 62 Vgl. Downing, Cynics and Christian Origin, 214: „the renunciation is expressed in Cynic terms [...]: a meagre life-style in place of banquets, plain clothes instead of gold and purple, powerless simplicity rather than ambition for authority and honours“. Seneca spricht in ep 22,9 – auf diese Stelle verweist Moricca, fonti, 133 – ähnlich von den Schwierigkeiten, sich aus dem geschäftigen Leben der Aristokratie zu lösen, empfiehlt selbst aber einen behutsamen Rückzug (vgl. ep 22,1–12 insgesamt). 63 Tenacibus semper inlecebris necesse est, ut solebat, uinolentia inuitet, inflet superbia, iracundia inflammet, rapacitas inquietet, crudelitas stimulet, ambitio delectet, libido praecipitet (Z. 51–54). Die nächsten Parallelen zu diesem Lasterkatalog finden sich bei Cyprian selbst, in der Regel als Beschreibung des Zustandes der (zunehmend) verkommenen ‚Welt‘ (unit 16;410–413; Dem 10;180–182; zel 6;107–109; mort 4;62–67; vgl. dazu auch Gallicet, Dem, 204–206). Auf einen vergleichbaren Lasterkatalog bei Seneca ep 10,2 verweist Molager, Don/pat, 82 Anm. 2: [...] tunc audaciam acuit (sc. animus), libidinem inritat, iracundiam instigat (23,7 Reynolds); vgl. noch Cicero fat 8. Nähere Entsprechungen gibt es in der erhaltenen paganen lateinischen Literatur offenbar nicht.

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sich im einzelnen möglicherweise popularphilosophische und biblische Einflüsse,64 so verraten die Vorstellung tiefer Einwurzelung der Laster und ihre Bezeichnung als uitia adhaerentia stoischen Einfluss;65 das Motiv der beständigen und hartnäckigen Verlockung durch die uitia (tenaces semper inlecebrae) ist verbreitet.66 Wenn die Taufe den Bruch mit jener Lebensweise und das Ablegen dieser tief verwurzelten, gleichsam zur zweiten Natur gewordenen Laster ermöglicht, verwirklicht sie mit einem Schlag und in radikaler Form das Erziehungsprogramm antiker, insbesondere stoischer Philosophen.67 1.2 Die Erneuerung durch die Taufe (Don 4;59–76) Den früheren Zweifeln und Bedenken stellt Cyprian ihre schlagartige Überwindung durch den Vollzug der Taufe gegenüber: „Aber nachdem sich, nach Versenkung des Unheils der früheren Lebenszeit mit Hilfe des zeugenden Wassers, von oben das Licht in das entsühnte, reine Herz gegossen hatte; nachdem, nach Aufnahme des Geistes vom Himmel her, die zweite Geburt mich zu einem neuen Menschen wiederhergestellt hatte,68 da wurde wunderbarerweise sogleich das Zweifelhafte fest, das Verschlossene öffnete sich, das Finstere leuchtete, es wurde möglich, was vorher schwierig schien, es konnte getan werden, was vorher für unmöglich gehalten wurde, so dass zu erkennen war, dass irdisch gewesen war, was zuvor, fleischlich geboren, den Vergehen verhaftet lebte, dass zu Gott zu gehören begonnen hatte, was bereits der Heilige Geist beseelte.“69 ____________

64 Zu den biblischen Lasterkatalogen und ihren popularphilosophischen und religionsgeschichtlichen Hintergründen vgl. Kamlah, Form, A. Vögtle, Tugend- und Lasterkataloge, Wibbing, Tugendund Lasterkataloge, sowie Berger, Formgeschichte, 148–152. 65 Vgl. Ciceros Darlegung der stoischen Affekten- und Lasterlehre in Tusc 4,23–32 und dazu I. Hadot, Seneca, 142–147, und Graver, Tusc 3–4, 148–156. Cicero zufolge wird nach stoischer Lehre ein spontaner Affekt, etwa Geld zu begehren, zu einer dem Menschen anhaftenden Fehlhaltung, „Krankheit“ genannt, in diesem Fall Habgier (auaritia), wenn es alt wird und sich gleichsam in Mark und Bein festsetzt (cum [...] inueterauerit et tamquam in uenis medullisque insederit [372,20–22 Pohlenz]). Eine noch weiter verfestigte Fehlhaltung – „Siechtum“ (α ρρωστη' ματα) – charakterisiert Cicero wiederholt als inhaerens et penitus insita (373,17.19f.25f Pohlenz); die Formulierungen in Tusc 4,24– 27 berühren sich mit Don 3;42–44. Die von Cicero erwähnten Beispiele (auaritia, ambitio, uinulentia u.a.) entsprechen Cyprians Lasterkatalog. Vgl. auch Seneca ep 75,11f, ferner die Zusammenstellung von Texten in SVF III, 421–430, sowie Inwood, Ethics, 163, und Nussbaum, Therapy, 387f. 66 Vgl. etwa Cicero Sest 138: uitiorum inlecebris et cupiditatum lenociniis (73,17 Maslowski), ferner Tusc 4,6 u.ö.; s. dazu ThLL VII/1, 365,42–80. Vgl. auch Seneca ep 116,8 sowie Kap. 2.3.2 mit Anm. 176f zu den Verlockungen des „breiten Weges“. 67 Vgl. dazu bes. Seneca ep 75,8–17, der drei Stufen von proficientes, charakterisiert durch den Grad ihrer Befreiung von den uitia, unterscheidet und die Erreichbarkeit der einzelnen Stufen diskutiert. Seneca greift damit auf Vorstellungen zurück, die in der mittleren Stoa entwickelt worden sind (vgl. Colish, The Stoic Tradition I, 44f mit Anm. 115); die altstoische Theorie scheint dagegen mit einem plötzlichen Umschlag vom stultus zum sapiens zu rechnen. Zu Fortschrittsvorstellungen in der alten Stoa vgl. Luschnat, Problem, zu Seneca Ganss, Bild, 84–93. 68 Zum Perfekt (statt Plusquamperfekt) nach postquam vgl. LHS §279 II.A.b (S. 549), zu den sich anschließenden historischen Infinitiven Watson, Style, 217. 69 Sed postquam undae genitalis auxilio superioris aeui labe detersa in expiatum pectus ac purum desuper se lumen infudit, postquam caelitus spiritu hausto in nouum me hominem natiuitas

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Der Abschnitt beschreibt zunächst in zwei postquam-Sätzen das Taufgeschehen, schildert sodann mit einer Reihe von historischen Infinitiven dessen Auswirkung und stellt schließlich das frühere dem neuen Leben gegenüber. Das Taufgeschehen selbst wird weitgehend traditionell als Reinigung und Entsühnung in Bezug auf das frühere Leben70 und als Wiederherstellung zu einem neuen Leben durch eine zweite Geburt charakterisiert,71 freilich mit poetischausdrucksstarken Bildern.72 Der Aspekt der Reinigung verbindet sich mit dem Wasser, der der Erneuerung mit der Eingießung des himmlischen Lichtes – ein gegenüber traditionell-christlichen Vorstellungen neuer Aspekt73 – bzw. dem Empfang des Heiligen Geistes.74 Die Wirkung der Taufe wird als Aufhebung der früheren Zweifel und Erkenntnisblockaden sowie als Befähigung zu radikal neuem, vorher schwierig, ja unmöglich scheinendem Handeln, m.a.W.: als Einlösung des oben angeführten göttlichen Versprechens beschrieben. Die abschließende Gegenüberstellung von früherem und jetzigem Leben erklärt den überraschenden Vorgang theologisch: Das frühere, durch die fleischliche Geburt bestimmte Leben war den Vergehen verhaftet und darum auf das Irdische bezogen; das durch die Taufe als zweite Geburt inaugurierte neue Leben ist bereits durch den Heiligen Geist beseelt und darum nunmehr zu Gott gehört (dei esse coepisse).75 Die Befreiung von der alten Existenzweise und die Ermög____________

secunda reparauit, mirum in modum protinus confirmare se dubia, patere clausa, lucere tenebrosa, facultatem dare (cj. dari Buchheit, Non homini, 219 Anm. 61) quod prius difficile uidebatur, geri posse quod inpossibile putabatur, ut esset agnoscere terrenum fuisse, quod prius carnaliter natum delictis obnoxium uiueret, dei esse coepisse, quod iam spiritus sanctus animaret (Z. 59–67). – Für die Konjektur Buchheits spricht die entsprechende Formulierung in Don 5;91 (inde iam facultas datur); Bayard, Le latin, 242, bemerkt zu 5;91 mit Hinweis auf unsere Stelle: facultas datur „équivaut à ε» ξεστι“, geht aber auf die Differenz dare – dari nicht ein. 70 Zur Taufreinigung s.u. Anm. 209; die Vorstellung einer Entsühnung durch die Taufe klingt bei Cyprian nur selten an; vgl. noch Don 5;105 sowie ep 69,2,2;52f (bezogen auf die Sintflut als mundi baptismum [sic]). 71 Cyprian bezeichnet die Taufe häufiger als natiuitas (secunda, iterata o.ä.); vgl. etwa habit 23;204,7f, wo die iterata natiuitas mit der Reinigung vom Schmutz der alten Befleckung verbunden wird, ep 74,5,4;103–105 u.ö. und dazu Pereira Lamelas, Una domus, 195–197. Das Verbum (re-) nasci verwendet er entsprechend. Der Ausdruck natiuitas secunda findet sich auch bei Tertullian an 41,4; cast 1,4 (vgl. Fontaine, Aspects, 170 Anm. 43). – Zum biblischen und patristischen Hintergrund der genannten Vorstellungen vgl. auch Buchheit, Non homini, 215–218.221–224, zu paganen Entsprechungen Fontaine, Aspects, 170, und Molager, Don/pat, 84f Anm. 1f. 72 Fontaine, Aspects, 171, spricht von „une sorte de phénoménologie poétique du baptême et de ses conséquences immédiates“. 73 Fontaine, Aspects, 169 Anm. 42, vermutet, die „association eau-lumière-esprit“ in der Formulierung desuper lumen se infundit akkumuliere drei Verwendungsweisen des Verbums infundere bei Vergil (georg 3,509f; Aen 9,461; 6,726f) – die Junktur desuper infundere sei „proprement virgilienne“ –, und nimmt in Z. 59–62 verschiedene „souvenirs virgiliens“ wahr, die den Eintritt Vergils in die Ausdrucksweise der christlichen Mystik signalisierten (ebd. 170); Freund, Vergil, 222–224, stimmt Fontaine weitgehend zu. 74 Vgl. ähnlich habit 23;204,6f; ep 74,5,2;94f u.ö. Die Verbindung des Bads der Wiedergeburt mit der Erneuerung durch den Heiligen Geist findet sich neutestamentlich Tit 3,5. 75 Das iam deutet darauf hin, dass hier eine Art Vorgriff stattfindet; zu den cyprianischen esse coepisse-Formulierungen s.u. Kap. 2.2.2.

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lichung eines neuen Lebens wird also mit einem Wechsel der (ontologischen) Zugehörigkeit begründet: was „irdisch“ war, gehört jetzt zu Gott.76 Hier dürften biblische, vor allem paulinische Vorstellungen im Hintergrund stehen.77 In der Fortsetzung wendet sich Cyprian direkt an Donatus, zunächst mit einem zusammenfassenden Rückblick auf das Taufgeschehen: „Du weißt in der Tat und anerkennst ebenso wie ich, was uns weggenommen oder was uns gebracht hat jener Tod der Verbrechen, (jenes) Leben der Tugenden“.78 Cyprian benennt hier nochmals die beiden Aspekte des Taufgeschehens in Entsprechung zur paulinisch-deuteropaulinischen Tauftheologie als mortificatio des alten Lebens und uiuificatio zu neuem Leben:79 die Taufe befreit von den früheren crimina und befähigt zur Praktizierung der uirtutes.80 Im weiteren stellt Cyprian die Bedeutung des dei esse coepisse heraus. Es heißt für ihn nichts anderes, als dass der Getaufte seine neue Befähigung ganz und gar Gott verdankt: Zu berichten, was die Taufe in ihm bewirkt habe, sei kein tadelnswerter Selbstruhm,81 sondern Ausdruck des Dankes, beziehe es sich doch auf etwas, „was nicht der uirtus des Menschen zugeschrieben, sondern als Geschenk Gottes gepriesen“ werde.82 Wie die frühere Sünde Ausdruck des menschlichen Irrtums gewesen sei, so sei das jetzige Nicht-mehr-Sündigen Folge des Glaubens.83 „Gottes ist, sage ich, Gottes ist alles, was wir können. Von ihm her leben wir, von ihm her sind wir stark, von ihm her erkennen wir nach Empfang und Aufnahme der (neuen) Lebenskraft noch hier (sc. auf Erden) befindlich (bereits) die Anzeichen des Zukünftigen.“84

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76 Vgl. ebenso Dem 20;397–399: nam qui exposita natiuitate terrena spiritu recreati et renati sumus nec iam mundo sed deo uiuimus [...]; ferner orat 17;322f. 77 Vgl. 1Kor 15,46–49; 6,19f u.ö. und dazu unten Kap. 4.3 und 4.4. 78 Scis profecto et mecum pariter recognoscis, quid detraxerit nobis quidue contulerit mors ista criminum, uita uirtutum (Z. 67–69). 79 Vgl. ebenso ep 74,6,1;112f, wo die Taufe als der Ort beschrieben wird, in quo homo uetus moritur et nouus nascitur. Ebenso verstehen Pellegrino, Studi, 109, Ramos-Lissón, La conversión, 157, und Scorza Barcellona, Dono, 183, diese Formulierung; anders Molager, Don/pat, 85 Anm. 4, der hier (stillschweigend Fontaine, Aspects, 171, ausschreibend) eine Gegenüberstellung des praeund postbaptismalen Zustandes erkennt, und Buchheit, Non homini, 219. 80 Ähnlich charakterisiert Cicero in Tusc 5,5 die Philosophie (s.o. Anm. 15); vgl. auch Seneca ep 50,7: uirtutes discere uitia dediscere (132,14f Reynolds). 81 Die Formulierung in proprias laudes odiosa iactatio est (Z. 70) erinnert an Quintilian, Inst 11,1,15: in primis igitur omnis sui uitiosa iactatio est [...] (625,6 Winterbottom; vgl. Baluzius, PL 4, 204f Anm. z.St.). 82 [...] quicquid non uirtuti hominis adscribitur, sed de dei munere praedicatur (Z. 71f). Weiteres dazu s.u. 2.2 zu Don 14;294–298. 83 [...] ut iam non peccare esse coeperit fidei, quod ante peccatum est, fuerit erroris humani (Z. 72–74). Merkx, 23, bemerkt mit Recht, dass fidei kein gen. praed. sein könne, das „Nichtsündigen“ vielmehr als „Folge des Glaubens“ aufzufassen sei; allerdings dürfte entgegen seinen Erwägungen erroris entsprechend zu verstehen sein. 84 Dei est, inquam, dei omne, quod possumus. inde uiuimus, inde pollemus, inde sumpto et concepto uigore hic adhuc positi futurorum indicia praenoscimus (Z. 74–76).

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Die Begründung der tätigen christlichen Existenz

Was immer Cyprian über die Taufe als Neukonstituierung des Menschen als eines moralischen Subjekts zu sagen hat, ist demnach als Aussage über ein schenkendes, gnadenhaftes Handeln Gottes zu verstehen. Der menschlichen uirtus kommt hier, in der christlichen uita uirtutum, in pointiertem Gegensatz zu philosophischen Konzeptionen, die gerade die Autarkie der uirtus betonen, keinerlei Urheberschaft zu.85 Alles, was der Getaufte ist und vermag, ist und vermag er von Gott her.86 Das dei esse coepisse ist also strikt zu nehmen. Es bezeichnet die Basis, die Kraft- und Lebensquelle der neuen Existenzweise.87 Kraft und Leben teilen sich mit in der Beseelung durch den Heiligen Geist und werden empfangen durch den Glauben. Was der Mensch aufgrund dessen vermag, wird hier nur angedeutet: Er ist in der Lage, nicht mehr zu sündigen, und er kann schon in seiner gegenwärtigen Existenz Zeichen des Zukünftigen erkennen.88 Cyprian beschreibt somit das Taufgeschehen und seine Wirkung in dichter, poetischer Sprache dergestalt, dass sich biblische und pagane, nicht zuletzt philosophische Begriffe und Motive durchdringen. Dominant bleibt der Gesichtspunkt der Befähigung zu radikal neuem Handeln, verbunden mit der Befreiung von der Verhaftung an die frühere, durch Sünden und Vergehen gekennzeichnete Lebensweise. Basis der so beschriebenen moralischen Konversion ist ein radikaler Wechsel der Zugehörigkeit: der Getaufte gehört nicht mehr dem Bereich des Irdischen zu, das bisher sein Handeln bestimmte, sondern zu Gott. Die Neukonstituierung des moralischen Subjekts beruht also ebenso sehr auf einer Befreiung und Loslösung wie auf einer neuen Einbindung. Diese aber ist fundamental eine neue Befähigung: von Gott her lebt und handelt der Getaufte, ihm verdankt er seine gesamte neue Existenz(weise). So sehr Cyprian die Sünde ____________

85 Vgl. dazu Buchheit, Non homini, 224f.220f. 86 Vgl. auch ep 76,5,1;110f: ipsius enim esse quod uincimus [...]; Weiteres zur Sache s.u. Kap. 7. – Eine Anspielung auf Seneca ep 90,1: Quis dubitare [...] potest quin deorum inmortalium munus sit quod uiuimus, philosophiae quod bene uiuimus? (331,16f Reynolds) ist hier m.E. kaum zu finden (gegen Koch, CU, 289, Barbero, Seneca, 19, und Buchheit, Non homini, 224). Falls doch, läge eine deutliche Abgrenzung vor, geht es hier doch um das (Cyprian zufolge durch die Taufe zugeeignete) bene uiuere, nicht um die allgemeine Befähigung aller Menschen durch den ‚Schöpfer‘ (so mit Recht Buchheit, ebd. ,224f; anders Barbero, a.a.O.). 87 In der Formulierung inde uiuimus, inde pollemus, inde [...] futurorum indicia praenoscimus ist wiederholt eine Bezugnahme auf Apg 17,28: ε ν αυ τω^, γα` ρ ζω^ μεν και` κινου' μεθα και` ε σμε' ν wahrgenommen worden; vgl. bes. Buchheit, Non homini, 224f mit Anm. 98, ferner etwa Molager, Don/pat, 86 Anm. 1. Sollte tatsächlich eine Anspielung auf diese Formulierung – und damit auch auf die möglicherweise dahinter stehende stoische Kosmologie (zur neueren Diskussion der Stelle vgl. Fitzmyer, AncB 31, 610f) – intendiert sein, so wäre damit zugleich, wie Buchheit mit Recht betont, eine „nachdrückliche(n) Verdeutlichung der wesentlichen Unterschiede“ intendiert (a.a.O., 224); Cyprian geht es um die in der Taufe zu empfangende besondere Gnadengabe Gottes, nicht um eine natürliche Gottesverwandtschaft des Menschen. 88 Im Kontext sonstiger cyprianischer Aussagen ist diese Formulierung am ehesten im Sinne der fiducia futurorum zu deuten (dazu s.u. Kap. 5.2.2.2); vgl. auch Don 14;293f: [...] amare conpellimur, quod futuri sumus, und dazu Ellien, L’Ad Donatum, 151 mit S. 175 Anm. 136. D’Alès, La théologie, 22, paraphrasiert: „De Dieu la vie, la force, l’énergie qui nous fait trouver ici-bas le gage des biens à venir“.

2. Die Taufe als Befreiung von den „Stürmen der Welt“

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dem menschlichen Irrtum zuschreibt, so sehr das Nicht-mehr-Sündigen dem Glauben,89 und das heißt für ihn: der Gabe Gottes. Er versteht das Christentum im Ansatz als Verwirklichung einer grundlegenden moralischen Erneuerung, wie sie auch antike Philosophen angestrebt haben, aber der Modus ihrer Verwirklichung unterscheidet sich fundamental von denjenigen philosophischen Konzeptionen, denen Cyprian hier wesentliche Anregungen verdankt: Das neue christliche Handeln verdankt sich nicht der eigenen uirtus, sondern der Gabe Gottes; die uita uirtutum wird demgemäß nicht durch einen Prozess allmählicher Annäherung erreicht, sondern durch die radikale Umkehr im Akt der Taufe.90

2. Die Taufe als Befreiung von den „Stürmen der Welt“ und Begründung christlicher Ataraxie (Don 6–14) In einem zweiten, erheblich längeren Gedankengang in Don 6–14 beschreibt Cyprian die in der Taufe erfahrene Veränderung als Befreiung von den vielfältigen Missständen der paganen Gesellschaft und als Ermöglichung einer neuen Haltung zur Welt, die durch Unabhängigkeit und Überlegenheit gekennzeichnet ist und mit einem tiefgreifenden Orientierungswechsel einhergeht.

2.1 Die Missstände der paganen Gesellschaft (Don 6–13) Um die Kennzeichen der empfangenen göttlichen Gabe klarer hervortreten zu lassen, führt Cyprian in Don 6–13 seinem Freund und Adressaten Donatus die „Finsternis der Welt“ vor Augen, von der nach seinem Verständnis die Taufe den Christen befreit.91 Zur szenischen Einkleidung seiner Ausführungen nimmt er das in der antiken Literatur wiederholt begegnende, insbesondere in der Tradition der Protreptik beheimatete Motiv einer kritischen Weltbetrachtung von ____________

89 In der Scholastik wird es bezogen auf den Zustand des freien Willens „nach der Wiederherstellung“ heißen: posse non peccare (vgl. Kutsch, Das posse non peccare, 268; Augustin bezieht die Formel in corrept 12,33 auf den Urstand). Courcelle, Les confessions, 124, rechnet damit, dass die cyprianischen Bemerkungen Augustin zur präzisen Formulierung des Problems der Gnade als „pouvoir ou ne pouvoir pas; pouvoir avec Dieu, ne pouvoir pas sans Dieu“ angeregt haben. – Zur Frage postbaptismalen Sündigens bei Cyprian s.u. Kap. 3. 90 Die von Cyprian lediglich implizit angedeuteten Entsprechungen und Differenzen werden von Laktanz inst 3,26,3–13 explizit vorgetragen (vgl. Buchheit, Non homini, 217 Anm. 47). 91 Don 6;109–111; Don 6–13 ist „la partie centrale“ (Ellien, L’Ad Donatum, 146) einer wohlüberlegten Komposition, aber wohl kaum „le cœur de l’ouvrage“ (so Fontaine, Aspects, 159; ebenso Veronese, Alle radici, 78). Umgekehrt von „eine(r) Art Exkurs“ zu reden, der „nicht mehr zum eigentlichen Bekehrungsbericht“ gehört (so Fink-Dendorfer, Conversio, 38), hieße freilich, den inneren Zusammenhang der cyprianischen Schrift zu verkennen.

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Die Begründung der tätigen christlichen Existenz

einer erhobenen Warte aus auf,92 um in einer Art Panorama den misslichen Zustand der Welt zu schildern:93 Donatus möge sich auf einen hochragenden Berggipfel geführt glauben und von dort aus, selbst von irdischen Berührungen frei,94 die „Stürme der schwankenden Welt“ (fluctuantis mundi turbines)95 betrachten, denen er dank der Taufe entronnen sei.96 Die „Stürme der Welt“ bestehen für Cyprian zunächst in der Gefährlichkeit der Wege und der Verbreitung von Kriegen, in den grausamen und schändlichen Schauspielen der Gladiatorenkämpfe und des Theaters, in Unzucht sowie in Unrecht und Käuflichkeit auf dem Forum, das der Ort des Rechts sein sollte. Darüber hinaus sei auch das, was weltliche Unwissenheit für (erstrebenswerte) „Güter“ halte, Ämter, Reichtum und Macht, zu fliehen, weil auch diese Dinge nur Schaden, Sorgen und Gefahr mit sich brächten. Cyprian schildert damit auf der einen Seite moralische Missstände der römischen Gesellschaft, wie er sie wahrnimmt, und charakterisiert auf der anderen gesellschaftliche Spitzenstellungen als Scheingüter, die besser zu meiden sind. Die konkrete Schilderung der „Stürme der Welt“ erweist sich als eine „diatribe contre le monde“,97 die durchgängig Berührungen mit paganer Gesellschafts- und Kulturkritik zeigt, in ihrer Komposition jedoch durch Minucius Felix angeregt sein dürfte und an einigen Stellen über innerpagane Kritik hinausgeht.98

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92 Vgl. dazu jüngst ausführlich Veronese, Alle radici, ferner etwa Moricca, fonti, 135, Ellien, L’Ad Donatum, 140–142, sowie P. Hadot, Die innere Burg, 241–247. 93 Zum Hintergrund dieses Vorgehens in der Tradition der Protreptik vgl. Szarmach, „Ad Donatum“, 292f, zur protreptischen Funktion des Abschnitts Scorza Barcellona, Dono, 185f. Die nächste sachliche Entsprechung zu Don 6–13 bietet Lukians Charon 18–19, ohne dass es größere Berührungen im einzelnen gäbe; vgl. auch den Ikaromenippos des Lukian und dazu Moricca, fonti 135–138. 94 Die Wendung ipse a terrenis contactibus liber (Z. 114) nimmt eine Formulierung aus Don 5; 104f auf (ipsum esse subtractum perniciosis contactibus mundi), spielt also offenbar trotz ihrer metaphorischen Verwendung auf die durch die Taufe bewirkte Befreiung von der Welt an. 95 Cyprian nimmt diese Metapher am Ende von Don 6–13 mit der Formulierung inquietantis saeculi turbines (14;283) leicht variierend wieder auf; zu seiner sonstigen Verwendung dieser Metaphorik s.u. Kap. 5.1.2. – Exakt wäre die Übersetzung von turbines mit „Wirbelstürme“, die aber im Deutschen schwerfällig wirkt. 96 Z. 111–117. Die szenische Einkleidung und, damit verbunden, der dialogische Charakter der Weltbetrachtung werden in den folgenden Kapiteln weitgehend durchgehalten; vgl. 7;123f; 8;141f; 9;174–176; (10;189–194); 11;220–224. 97 Fontaine, Aspects, 159. 98 Die thematischen Übereinstimmungen mit Minucius Oct 37,7–12 sind auffällig: Minucius handelt in 37,7–10 zunächst von der Täuschung durch diuitiae, honores und potestates – das ist das Thema von Don 11–13 – und polemisiert dann in 37,11f gegen die moralische Verworfenheit von Gladiatorenspielen und Theater – die Themen von Don 7–8. Da die Verwendung des Octauius auch sonst in Ad Donatum erkennbar ist (vgl. dazu Koch, CU, 56–59, Beaujeu, Oct, LXX–LXXII, Pellegrino, Studi, 111–113, und Molager, Don/pat, 29f), ist es wahrscheinlich, dass Cyprian sich in seiner Disposition von Don 6–13 durch Minucius hat anregen lassen; ähnlich schon Schwenke, Zeit, 263, sowie, bezogen auf Don 13f, Pellegrino, Studi, 113. Ein Einfluss Tertullians, wie ihn Ellien, L’Ad Donatum, 146, annimmt, lässt sich hier dagegen kaum zeigen.

2. Die Taufe als Befreiung von den „Stürmen der Welt“

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Literarische Bezüge und motivische Übereinstimmungen der cyprianischen Ausführungen mit paganen und christlichen Quellen sind in der Sekundärliteratur wiederholt zusammengestellt und diskutiert worden.99 Zu fast allen kritischen Themen und zu vielen Einzelpunkten lassen sich Entsprechungen finden; in besonders starkem Maße gilt dies für die Kritik an den Missständen auf dem Forum sowie für die Infragestellung von Ämtern, Reichtum und Macht. An nicht wenigen Stellen lassen sich literarische Bezüge der cyprianischen Ausführungen wahrscheinlich machen, in erster Linie zu Minucius und Seneca. Für die übergreifenden Themen sowie für exemplarische Einzelpunkte soll dies im folgenden gezeigt werden. Polemik gegen den Krieg ist in der popularphilosophischen Tradition ein verbreitetes Thema;100 die cyprianischen Bemerkungen dazu in Don 6;118–122 weisen jedoch sprachlich und sachlich so starke Berührungen mit Seneca ep 95,30f auf, dass hier mit einer direkten Rezeption zu rechnen ist.101 Die Kritik an Gladiatorenspielen, der Ausbildung dazu und der Teilnahme von Freiwilligen daran in Don 7 hat Entsprechungen in der vorausgehenden christlichen Literatur,102 aber auch bei Seneca,103 dessen ep 95 erneut direkten Einfluss ausgeübt zu haben scheint.104 Die Kritik am Theater in Don 8 hat ihre deutlichsten Vorläufer bei Tertullian spect 10,4; 17,1–7 und Minucius Oct 37,12; Polemik gegen den schlechten Einfluss des Theaters auf die Sitten gibt es auch in der paganen römischen Literatur.105 Die Ausführungen gegen sexuelle Ausschweifungen und Vergehen in der Verborgenheit der Schlafzimmer in Don 9 nehmen das verbreitete Motiv des Blicks unter die Dächer auf das private, verborgene Treiben der Menschen auf.106 Bemerkenswert ist die Formulierung euasisse se conscium credit, quasi conscientia satis non sit (Z. 182f), die eine nahe Entsprechung bei Minucius Oct 35,6 hat, aber, womöglich durch Minucius angeregt, direkt auf Seneca zurückgehen dürfte.107 Die Kritik am Zustand auf

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99 Vgl. Moricca, fonti, 138–145.148–154, Koch, CU, 290–294 (Seneca), Buchheit, Cyprian – Seneca, 352f (Vergil und Seneca), Ellien, L’Ad Donatum, 140–143, sowie Molager, Don/pat, 30f. 90– 110, ferner die in der vorigen Anm. genannte Literatur. 100 Vgl. Oltramare, Les origines, 60.286 (th.72b), sowie S. 303 s.v. „Guerre considérée comme un crime“, und Brennecke, Frühchristliches Bekenntnis und Militärdienst, 91. 101 Vgl. die Formulierung homicidium cum admittunt singuli, crimen est: uirtus uocatur, cum publice geritur (Z. 119f) mit Seneca ep 95,30: homicidia conpescimus et singulas caedes: quid bella et occisarum gentium gloriosum scelus? [...] publice iubentur uetata priuatim (389,16f.21 Reynolds); darüber hinaus gibt es weitere gemeinsame Wörter und Wendungen (scelera – scelus; saeuitia – saeua; mutuo sanguine – sanguine alterno [389,20.23 Reynolds]). Vgl. dazu auch Koch, CU, 290, sowie Vidal Fontan, Apologétique, 260f. 102 Vgl. Tertullian spect 19, besonders §4, ferner Apol 15,4f sowie Minucius Oct 37,11. 103 Kritik an Gladiatorenkämpfen ist in der römischen Literatur nicht verbreitet; vgl. Flaig, Gladiator, 1078: „Obgleich es auch kritische Stimmen zu einzelnen Auswüchsen gab (Cicero Tusc. 2,42 [sic]; Seneca epist. 7), wurde die Gladiatur niemals grundsätzlich abgelehnt“. Mag diese Aussage für Seneca ep 7,3–5 und Cicero Tusc 2,41 (!) zutreffen, für Seneca ep 95,33 gilt sie kaum; vgl. auch J.M. Rist, Seneca, 2009, sowie Molager, Don/pat, 92f Anm. 3. 104 Vgl. die Formulierung homo occiditur in hominis uoluptatem (Z. 128) mit uoluptas ex omni quaeritur [...] homo [...] iam per lusum ac iocum occiditur (Seneca ep 95,33 [390,5–8 Reynolds]); auch die Abfolge der beiden Themen stimmt mit Don 6–7 überein. Tertullian bezeichnet die Gladiatoren als publicae uoluptatis hostiae (spect 19,4;15f). Die Polemik gegen die Ausbildung zur Gladiatur (disciplina est, ut perimere quis possit [Z. 131]) hat ihre nächste Entsprechung bei Minucius Oct 37,11 (in gladiatoriis homicidii disciplinam [35,35–36,1 Kytzler]). 105 Vgl. die Kritik des Theaters bei Tacitus ann 14,20f, der v.a. den schlechten Einfluss auf die alten römischen mores moniert (ann 14,20,4), und dazu Koestermann, Annalen IV, 62–68. Tertullian zufolge haben römische censores häufig moribus consulentes Theater zerstört (spect 10,4); ein Beispiel dazu berichtet Livius XLVIII frg. (138,57–60 Weissenborn/Müller); vgl. Turcan, spect, 185. 106 Vgl. dazu Ellien, L’Ad Donatum, 142f, sowie Moricca, fonti, 134 Anm. 1. 107 Vgl. Seneca frg.14: quid tibi prodest non habere conscium habenti conscientiam (421 Haase),

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Die Begründung der tätigen christlichen Existenz

dem Forum, den Cyprian durch permanenten Rechtsbruch, massives öffentliches Unrecht, Käuflichkeit, maßlose Folter usw. gekennzeichnet sieht (Don 10),108 kann an eine ganze Reihe von paganen Vorgängern anknüpfen.109 Die letzten drei Kapitel seiner Darstellung der „Stürme der Welt“ setzt Cyprian von den vorangehenden ab: Nachdem er Donatus bislang Dinge vor Augen geführt habe, deren Anblick das bessere Gewissen verletze, wolle er ihm nun das zeigen, was „weltliche Unkenntnis“ (ignorantia saecularis) für „Güter“ (bona) halte; er werde auch hier lauter Dinge wahrnehmen, die zu fliehen seien (Don 11;220–224). Die folgende ‚Entlarvung‘ von Ämtern, Reichtum und Macht als Scheingütern knüpft an einen breiten Traditionsstrom literarischer Protreptik an.110 Cyprian wendet sich zunächst gegen den vermeintlichen Nutzen von Ämtern (honores): Sie seien teuer erkauft, die Anerkennung durch die Klienten sei bloßer Schein und mit Verlust des Amtes seien Besitz wie Anerkennung dahin (Don 11;224–247).111 Von der Wahrnehmung öffentlicher Ämter abzuraten, die den Weisen von seinem eigentlichen Interesse fernhalten und viel Unruhe und Unrecht mit sich bringen, ist ein verbreiteter popularphilosophischer Topos.112 In Don 12 charakterisiert Cyprian Reichtum als ein Scheingut und kritisiert den Umgang der Reichen mit ihren Gütern. Dass Reichtum mehr schade als nütze, ist ein überaus weit verbreiteter Topos in der antiken Literatur;113 einzelne Formulierungen und Motive dieses Kapitels lassen sich auf Vergil114, Horaz115, Seneca116 und Plinius d.J.117 zurückführen. In Don 13 thematisiert Cyprian die Unsicherheit der Macht bzw. die Besorgtheit der Mächtigen. Das zentrale Motiv, die unvermeidliche Furcht dessen, der gefürchtet wird, ist ein verbreiteter Topos;118 einzelne Formulierungen sowie die verwendete Begrifflichkeit deuten auf einen Einfluss von Seneca ep 105,4.119

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sowie Minucius Oct 35,6: uos conscios timetis, nos etiam conscientiam solam, sine qua esse non possumus (34,1f Kytzler), und dazu M. Lausberg, Untersuchungen, 69f. 108 Vgl. dazu noch Dem 10;184–189 und 11;212–218. 109 Moricca, fonti, 142–144, verweist allgemein auf Entsprechungen bei Tacitus und Juvenal und nennt vergleichbare Aussagen bei Sallust, Apuleius, Seneca und Cicero; Koch, CU, 293, verzeichnet etliche Vergleichsstellen aus Seneca, Buchheit, Cyprian – Seneca, 352, vermutet eine literarische Berührung mit Vergil. 110 Vgl. Szarmach, „Ad Donatum“, 292, und M. Lausberg, Untersuchungen, 148, ferner Beaujeu, Oct, 158f, und Clarke, Oct, 367f, zu den entsprechenden Ausführungen bei Minucius Oct 37,7–10. 111 In Z. 235: quas superbas fores matutinus salutator obsedit, könnte, wie Buchheit, Cyprian – Seneca, 352f, gezeigt hat, eine Bezugnahme auf Vergil georg 2,461f vorliegen: si non ingentem foribus domus alta superbis / mane salutantum totis uomit aedibus undam (60 Mynors). 112 Zu den unterschiedlichen Haltungen der verschiedenen philosophischen Schulen in dieser Frage s.u. Anm. 242. 113 Vgl. etwa Moricca, fonti, 140, und Oltramare, Les origines, 305 s.v. „richesse considérée comme n’étant pas un bien“. Näheres zur cyprianischen Haltung zum Besitz s.u. Kap. 4.4. 114 Die Formulierung bibat licet gemma in Z. 256 dürfte durch Vergil georg 2,506 angeregt sein (ut gemma bibat [62 Mynors]); vgl. Buchheit, Cyprian – Seneca, 353, und Freund, Vergil, 227. 115 In Z. 250–252 gibt es wörtliche Übereinstimmungen mit Horaz sat 1,1,41f; vgl. Moricca, fonti, 152, und Freund, Vergil, 227; anders Buchheit, Cyprian – Seneca, 353. 116 Die Wendung uigilat in pluma in Z. 257 ist ein Zitat aus Seneca dial 1,3,10: uigilabit in pluma (7,31 Reynolds); vgl. Koch, CU, 294. 117 Die Formulierung possideri magis quam possidere diuitias (Z. 259) nimmt ein verbreitetes Motiv auf, das auf Aristipp zurückgehen könnte (Koch, CU, 294), in seinem Wortlaut aber Plinius ep 9,30,4 am nächsten kommt: [...] ut possideri magis quam possidere uideantur (283,13 Mynors); vgl. Moricca, fonti, 153. Weitere Parallelen nennt Castiglioni, Cyprianea, 1081. 118 Vgl. Otto, Sprichwörter, 349 (Nr.1785), Koch, Novaziano, 328f, und Sage, Cyprian, 123f. 119 Vgl. dazu Barbero, Seneca, 21f, der aufgrund der Verbindung der Formulierung tam ille timere cogitur quam timetur (Z. 273f) mit dem Begriffspaar terribilis – securus (Z. 276–278) eine Abhängigkeit von Seneca ep 105,4: adice nunc quod qui timetur timet: nemo potuit terribilis esse secure

2. Die Taufe als Befreiung von den „Stürmen der Welt“

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Die cyprianische Darstellung der „Stürme der Welt“ in Don 6–13 erweist sich damit als eine kritische Bestandsaufnahme moralischer Missstände und vermeintlicher Güter der römischen Gesellschaft, die nicht nur viele Berührungen mit der vorangehenden christlich-lateinischen Literatur zeigt, sondern über weite Strecken auf einen breiten Traditionsstrom paganer Kultur- und Gesellschaftskritik zurückgreift.120 In ihrer Radikalität stimmen die Ausführungen Cyprians mit seinen Vorgängern Tertullian und Minucius Felix überein; in der paganen Literatur haben sie eine gewisse Nähe zu Seneca, der sich ähnlich massiv und allgemein äußern kann;121 wiederholte literarische Bezugnahmen unterstreichen diese Nähe.122 Die Kritik von Ämtern, Reichtum und Macht als Scheingütern kann an verbreitete (popular-) philosophische Motive und Vorstellungen anknüpfen. Die „Welt“, von der sich Cyprian durch die Taufe befreit sieht, ist das gesellschaftliche Leben insbesondere der römischen Oberschicht, und er sieht diese Welt nicht so sehr mit spezifisch christlichen Augen als vielmehr mit den Augen paganer Kultur- und Gesellschaftskritiker – die oben zu Don 3 gemachten Beobachtungen bestätigen sich damit. Dabei muss offen bleiben, ob seine kritischen Bemerkungen primär der Tradition (popular-) philosophischer Protreptik geschuldet sind123 oder auch konkrete Erfahrungen widerspiegeln; vergleichbare Ausführungen in der Schrift Ad Demetrianum könnten für letzteres sprechen.124 Inwieweit diese Äußerungen als Indiz für krisenhafte Entwicklungen des römischen Reiches gedeutet werden können, ist freilich eine andere Frage.125 ____________

(444,9f Reynolds), für wahrscheinlich hält; ebenso bereits Koch, CU, 294, sowie Spanneut, Le stoïcisme, 263. Vgl. auch Minucius Oct 37,9: sed tam times quam timeris (35,25f Kytzler), wo freilich das Begriffspaar terribilis – securus fehlt. Weiteres dazu s.u. 2.2. – Die Formulierung extollit ut deprimat (Z. 279) nimmt ein sprichwörtliches Motiv auf (vgl. Otto, Sprichwörter, 17 [Nr.73], sowie S. XLII), das auch bei Minucius Oct 37,7 in diesem Kontext anklingt. 120 Vgl. Molager, Don/pat, 44f: „Ces pages portent l’empreint de l’éthique stoïcienne, mais elles sont surtout diatribiques. Pas de thèmes plus rebattus dans la littérature des cyniques et de leurs imitateurs [...]“. Vgl. auch Buchheit, Cyprian – Seneca, und Freund, Vergil, 224–228, zur Rezeption von Motiven aus den laudes agricolarum Vergils (georg 2,458–540) in Don 10–12, die ihrerseits die beliebte Gegenüberstellung von Stadt- und Landleben traktieren. 121 Vgl. bes. dial 4,7,3–9,2, wo es u.a. heißt: omnia sceleribus ac uitiis plena sunt; [...] certatur ingenti quidem nequitiae certamine. maior cotidie peccandi cupiditas, minor uerecundia est [...] (4,9,1 [67,27–30 Reynolds]), und dazu J.M. Rist, Seneca, 1996–1998, der auch die historischen Hintergründe solcher Ausführungen zu ergründen sucht. 122 Downing, Cynics and Christian Origins, 215, hält die cyprianische Kritik der kontemporären Gesellschaft für „closest in its intensity and it its pessimism to our Cynic sources“, bietet jedoch keinen Nachweis konkreter Entsprechungen. 123 So etwa Szarmach, „Ad Donatum“, 292–295; ähnlich Fredouille, Dem, 28f, zu entsprechenden Ausführungen in der Schrift Ad Demetrianum. 124 Vgl. bes. Dem 3.10f und dazu Alföldy, Der Heilige Cyprian, 303f.307–315, der in der Schrift Ad Demetrianum eine herausragende Quelle für zeitgenössische historische Entwicklungen sieht; kritisch dazu Strobel, Imperium, 171–182 (vgl. bes. S. 182 Anm. 359), sowie Fredouille, Dem, 21–32 (zur Debatte Alföldy – Strobel vgl. S. 27 Anm. 3). 125 Eine entsprechende historische Interpretation der Ausführungen in Don 6–13 deutet Alföldy, Der Heilige Cyprian, 307f, an; anders dagegen Strobel, Imperium, 149–151.

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Die Begründung der tätigen christlichen Existenz

2.2 Die Hinwendung zum Christentum als Befreiung von den „Stürmen der Welt“ und Begründung christlicher Ataraxie (Don 14) Nach der ausführlichen Darstellung der „Stürme der Welt“ in Don 6–13 beschreibt Cyprian in Don 14 die – durch Taufe bzw. Umkehr zu erreichende – Befreiung von ihnen. Er tut dies, indem er in starkem Maße auf teils verbreitete, teils spezifische Motive und Vorstellungen der antiken philosophischen Tradition zurückgreift. Dies zeigt sogleich der Beginn des Kapitels: „Es gibt also nur eine sanfte, zuverlässige Ruhe (tranquillitas), nur eine unerschütterliche, feste Freiheit von Besorgnis (securitas): dass einer diesen Stürmen der Unruhe schaffenden Welt entzogen wird und am Ankerplatz des rettenden Hafens festmacht“.126

Formal erinnert dieser Passus an den Beginn der bekannten Rede des Isis-Priesters in den Metamorphosen des Apuleius,127 und weitere Berührungen im Kontext sprechen für die Möglichkeit eines literarischen Einflusses.128 Sachlich liegen jedoch andere Bezugspunkte erheblich näher. Auffällig ist besonders die Verwendung der beiden Begriffe securitas und tranquillitas zur Charakterisierung der Befreiung von dem schwankenden, beunruhigenden Treiben der Welt. Das Begriffspaar dürfte für gebildete Leser Cyprians Signalcharakter haben, werden diese Begriffe doch bei Cicero und Seneca zur Definition der uita beata verwendet.129 Cicero nimmt in diesem Zusammenhang auf die ευ θυμι'α-Lehre Demokrits Bezug:130 „Die ‚Unbesorgtheit‘ Demokrits, die er gleichsam als Seelenruhe auffasst (und) die er ευ θυμι'α genannt hat, [...] ist selbst das glückselige Leben“,131 folgt damit aber offenbar Panaetius, der den Begriff der ευ θυμι'α in ____________

126 Vna igitur placida et fida tranquillitas, una solida et firma securitas, si qui ab his inquietantis saeculi turbinibus extractus salutaris portus statione fundetur [...] (Don 14;282–284). 127 Multis et uariis exanclatis laboribus magnisque Fortunae tempestatibus et maximis actus procellis ad portum Quietis et aram Misericordiae tandem, Luci, uenisti (Met 11,15,1 [336,15–17 Helm]); vgl. dazu auch Griffiths, Met XI, 240–246. Tertullian formuliert bezogen auf die Taufe : haec te peccatorum fluctibus mersum proleuabit et in portum diuinae clementiae protelabit (paen 4,3;10–12). 128 Gemeinsam sind etwa noch der Begriff tutela (Don 14;289; Met 11,15,3 [336,26 Helm]) sowie der metaphorisch gebrauchte Begriff militia (Don 15;302: caelestis militia; Met 11,15,5: sancta militia [336,32 Helm]); Weiteres bei Molager, Don/pat, 32f, sowie Koch, CU, 318–320, und Ellien, L’Ad Donatum, 153f. 129 Vgl. auch Buchheit, Non homini, 213 Anm. 17, für den „die terminologische Anbindung an Cicero und Seneca“ hier „offenkundig“ ist; zu Belegen vgl. ders., Einflüsse, 88f Anm. 15f. 130 Die philosophische Verwendung des Begriffs ευ θυμι' α geht auf Demokrit zurück; vgl. dazu etwa Salem, Démocrite, 307–318, und Löbl, Demokrit, 82–84. 131 Democriti autem securitas, quae est animi tamquam tranquillitas, quam appellauit ευ θυμι' αν, [...] ea ipsa est beata uita (fin 5,23 [120f Martha]). Als Bestimmung der uita beata begegnet der Begriff securitas bei Cicero auch sonst; vgl. Tusc 5,42: die uita beata besteht in der uacuitas aegritudinis, die er securitas nennt; nat deor 1,53: die Epikureer bestimmen die beata uita der Götter als animi securitas und Freiheit von allen Pflichten (21,20f Plasberg/Ax; vgl. dazu Gerlach/Bayer, nat deor, 616); Lael 45: die securitas als caput ad beate uiuendum (30 Combès) erfordert Zurückhaltung gegenüber Freundschaften (zu epikureischen und stoischen Hintergründen dieser Bemerkung vgl. Combès, Lael, XLIX–L).

2. Die Taufe als Befreiung von den „Stürmen der Welt“

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die stoische Philosophie hineingenommen hat: tranquillitas animi und securitas basieren auf der Freiheit von allen Affekten (animi perturbatio) und gewähren Beständigkeit (constantia) und Würde (dignitas).132 Ebenso bestimmt Seneca die beata uita als securitas et perpetua tranquillitas,133 und er macht darüber hinaus – anders als Cicero – tranquillitas und v.a. securitas zu Zentralbegriffen seiner Philosophie.134 Wird Demokrits Begriff der ευ θυμι'α bei ihm mit tranquillitas wiedergegeben135, so entspricht sein Begriff securitas, verstanden als „Freiheit von Sorgen und Aufregungen, die dem Menschen als Frucht seiner unerschütterlich festen sittlichen Haltung zuteil wird“, offenbar dem Begriff der α ταραξι'α.136 Die cyprianische Wendung solida et firma securitas (Z. 282f) hat eine nahe literarische Entsprechung bei Seneca: solida et inconcussa securitas.137 Auf senecanischen Einfluss deutet auch die Beschreibung der „Stürme der Unruhe schaffenden Welt“ in den vorangehenden Kapiteln, wo wiederholt eine besondere Nähe zu Seneca zu konstatieren war.138 Die Metapher des Hafens wird in der antiken Literatur häufig in diesem Sinne verwendet.139

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132 Cicero off 1,69; als Affekte werden genannt cupiditas, metus, aegritudo, uoluptas und iracundia; das Begriffspaar tranquillitas animi et securitas wird in off 1,72 nochmals aufgenommen. „The phrase tranquillitas animi et securitas surely renders the Panaetian ευ θυμι' α“ (Dyck, A Commentary, 199; zum Kontext vgl. ebd., 183–185; zu Panaetius’ Schrift περι` ευ θυμι' ας vgl. Gill, Peace of Mind, 4609–4616); vgl. auch Spanneut, Apatheia, 4673f, und Gauthier, Magnanimité, 139. 133 Vgl. ep 92,3: Quid est beata uita? securitas et perpetua tranquillitas. hanc dabit animi magnitudo, dabit constantia bene iudicati tenax (351,22–24 Reynolds); vgl. noch ep 44,7: solida securitas et eius inconcussa fiducia sind die summa uitae beatae (115,17f Reynolds). Nach ep 95,12 werden securitas und tranquillitas durch die Lehrsätze (decreta) der Philosophie geschützt. 134 Vgl. I. Hadot, Seneca, 126–141, und Veyne, Weisheit, 53–56; die Zahl der Belege zu dieser Begrifflichkeit hat sich gegenüber Cicero vervielfacht. 135 Vgl. dial 9,2,3; 9,13,1; 5,6,3 und dazu auch Laurenti, L’ΕΥΘΥΜΙΑ. 136 Pohlenz, Stoa I, 309. Pohlenz weist darauf hin, dass der Terminus α ταραξι' α „schon lange in der Stoa statt des viel angegriffenen Wortes ‚Apathie‘ zur Bezeichnung des idealen Seelenzustandes üblich geworden war“ (ebd.); für die Übernahme dieses Begriffs hat offenbar Panaetius eine wichtige Rolle gespielt (ders., Stoa II, 102.140). Pohlenz zufolge beinhaltet der senecanische Begriff der securitas zugleich „die positive heitere Seelenstimmung, die Euthymie des Panaitios“ (Stoa I, 309). Verwandt ist auch das epikureische Ideal der Ataraxie der Seele (neben der α πονι' α des Körpers); vgl. dazu J.M. Rist, Epicurus, 100–105, sowie Spanneut, Apatheia, 4668. 137 Benef 6,28,2 (173,20 Hosius); vgl. auch Ellien, L’Ad Donatum, 149, die in den „substantifs et leurs épithètes“ in Z. 282f „(d)es souvenirs manifestes de Sénèque“ sieht. Sachlich erinnert der Eingangssatz von Don 14 an Seneca ep 104,22: Vnus est enim huius uitae fluctuantis et turbidae portus euentura contemnere, stare fidenter ac paratum tela fortunae aduerso pectore excipere, non latitantem nec tergiuersantem (439,22–25 Reynolds; Hinweis Koch, CU, 294). Hier wie dort wird betont, angesichts der Unsicherheiten und Gefährdungen menschlicher Existenz – von Seneca metaphorisch als fluctuans et turbida uita umschrieben, von Cyprian als fluctuantis mundi turbines (Don 6;114f) bzw. inquietantis saeculi turbines (14;283) – gebe es nur eine Zufluchtsmöglichkeit, metaphorisch als Hafen bezeichnet, und beide meinen damit eine innere Freiheit und Ruhe, die der Unruhe und Unsicherheit der Welt trotzt (Näheres dazu s.u. Kap. 5). 138 Vgl. zu diesem Zusammenhang auch Barbero, Seneca, 21f, sowie Sage, Cyprian, 124f. 139 Vgl. die oben Anm. 127 angeführte Stelle aus Apuleius Met 11,15,1, ferner die Belege zum „haven of rest and refuge“ in philosophischen und religiösen Kontexten bei C. Bonner, Desired Haven, 55–59 (Zitat S. 56).

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Die Begründung der tätigen christlichen Existenz

Direkte Bezüge zum Thema der securitas sind vor allem in Don 12–13 auszumachen:140 Cyprian zeichnet ein düsteres Bild von der besorgten Unruhe und Ängstlichkeit des Reichen, gemartert von der durch Gedanken der Unsicherheit verursachten Sorge (cogitationis incertae sollicitudo), zitternd inmitten seines Reichtums, frei von Sorge (securus) weder zu Tisch noch im Schlaf (12;252–259). Auch Mächtige, von bewaffneter Schutzwache (armorum excubantium tutela) umgeben, sind keineswegs geschützt (tuti) und dauerhaft sicher (securi), sie müssen vielmehr als von den anderen Gefürchtete selbst noch mehr sich fürchten, kann doch selbst nicht unbesorgt (securus) sein, wer seine Untertanen nicht unbesorgt (securi) sein lässt (13;270–278). Dringlich wird die Suche nach einem zuverlässigen Fundament für securitas und tranquillitas nicht zuletzt deshalb, weil auch die vermeintlich höchsten irdischen Güter sie nicht zu gewähren vermögen. Eben dies aber ist der Zusammenhang, in dem Seneca das Thema der securitas (und tranquillitas) mit Vorliebe aufgreift.141

Cyprian knüft demnach mit seiner pointierten Verwendung der Begriffe tranquillitas und securitas in Don 14 an Seneca an, sei es auch in freier Weise und unter Ausdehnung der zu lösenden Problematik über die popularphilosophisch oft beklagte Unsicherheit von Reichtum und Macht hinaus auf die Gesamtheit der von ihm wahrgenommenen Missstände des gesellschaftlichen Lebens. Hier wie dort geht es darum, durch eine grundlegend neue Orientierung den Unbilden des Lebens entzogen zu werden.142 Durch die Rezeption des Begriffspaars tranquillitas und securitas zur Charakterisierung der durch die Taufe geschenkten Befreiung von den „Stürmen der Welt“ gibt Cyprian zu verstehen, dass er für das Christentum die Verwirklichung des stoischen Ideals der Ataraxie – in seiner senecanischen Ausprägung – in Anspruch nimmt.143 Erreicht wird dieses Ziel freilich nicht durch philosophische Anstrengung, sondern durch den Empfang der Taufe.144 Die Begriffe tranquillitas etc. und besonders securitas etc. begegnen in den cyprianischen Schriften wiederholt, nicht selten an prominenten Stellen. Hervorzuheben ist hier ein Passus in mort 3, in dem Cyprian in einer Art Selbstzitat Motive und Wendungen aus Don 14 aufnimmt,145 das Erreichen von tranquillitas und securitas jedoch nicht mit der Taufe, sondern mit ____________

140 Das Stichwort securus steht 12;255 und 13;271.275.276; vgl. auch tutus etc. in 13;270.272. 276. Der Gegenbegriff inquietare (14;283) findet sich in 12;255 (und 3;52f); vgl. auch sollicitudo etc. in 12;253.265. Tranquillitas etc. kommt in Don sonst nicht vor. 141 Zur möglichen Rezeption von Seneca ep 105,4 in Don 13;273–278 s.o. Anm. 119; das Motiv, wer gefürchtet werde, könne selbst nicht securus sein, begegnet bei Seneca wiederholt (vgl. dial 4,11,3; clem 3,17,5; 3,10,3 u.ö.); noch häufiger wird das Verhältnis von securitas und Reichtum thematisiert (vgl. ep 90,10.17.38; dial 9,8,4; ep 17,3.10 u.ö.). 142 Vgl. bei Seneca etwa noch benef 7,1,7, wo es von dem Weisen heißt: subductus ille tempestatibus in solido ac sereno stetit (189,8f Hosius). Der Passus ist als Referat der Lehre des Kynikers Demetrius gestaltet; vgl. dazu Billerbeck, Demetrius, 31–35. 143 Zur Abgrenzung von philosophischer Inanspruchnahme des Ideals der patientia in pat 2–3 s.u. Kap. 5.2.2.3, zur Kritik an der als „stoisch“ gedeuteten Haltung Novatians Kap. 5.2.2.1. 144 Von Campenhausen, Lateinische Kirchenväter, 38, identifiziert den „Port des Friedens“ in Don 14 zu Unrecht mit dem „Jenseits“. Hier ist, wie die Fortsetzung unzweideutig zeigt, die durch die Taufe gewonnene Weltüberlegenheit und -unabhänggkeit gemeint; vgl. auch Don 4;79f zur Bewahrung der in der Taufe bereits empfangenen securitas. 145 Es stimmen überein die Ausdrücke fida tranquillitas und firma securitas, die Wendung mundi

2. Die Taufe als Befreiung von den „Stürmen der Welt“

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dem Tod verbindet. Er deutet das Simeon-Wort in Lk 2,29f (Nunc dimittis) als Zeugnis, „dass wir Knechte Gottes dann Frieden, dann freie, ruhige Stille haben (werden), wenn wir, den Stürmen der hiesigen Welt entzogen, dem Hafen des ewigen, von Sorgen freien Wohnsitzes zustreben, wenn wir nach Absolvierung dieses Todes146 zur Unsterblichkeit gelangen. Diese nämlich ist unser Friede, diese die zuverlässige Ruhe, diese die unerschütterliche, feste, fortwährende Unbesorgtheit“.147 Cyprian verwendet hier die Begriffe tranquillitas und securitas – im Gegenüber zu den „Stürmen der Welt“ – zur Interpretation des Begriffs pax im Lk-Zitat, den er auf den postmortalen Zustand der ‚Glückseligkeit‘ bezieht;148 auch die Metapher des Hafens wird hier, anders als in Don 14, auf den Tod bezogen. Ein wesentlicher Grund für diese Verschiebung besteht zweifellos in der unterschiedlichen literarischen Ausrichtung der beiden Schriften: Preist Ad Donatum in protreptischer Absicht die befreiende Wirkung der Taufe, so hält De mortalitate während einer in Karthago wütenden Pestepidemie die Christen zu Furchtlosigkeit und Unbesorgtheit angesichts des drohenden Todes an.149 Möglich ist eine solche Verschiebung, weil Cyprian grundsätzlich beides vertritt, sowohl das Erlangen gegenwärtiger securitas und tranquillitas durch die Taufe als auch die Erfahrung fortdauernder Gefährdungen und Bedrängnisse, die erst durch den Tod zu einem Ende kommen. Ungefährdete Ruhe und Unbesorgtheit sind ein zukünftiges Heilsgut: Die Menge der bereits im Himmel befindlichen Glaubensgeschwister wird beschrieben als schon de sua incolumitate secura, aber noch de nostra salute sollicita.150 In Bezug auf den Tod können Christen darum unbesorgt (securus) sein,151 werden sie doch dann durch das Erreichen der Unsterblichkeit frei von jedweder Besorgnis und Beunruhigung sein (inmortalitate securus).152 Als zukünftiges Heilsgut wird die securitas zum Gegenstand gegenwärtiger (Vor-) Sorge.153 Cyprian warnt daher, die in der Taufe empfangene securitas dürfe keine Nachlässigkeit (indiligentia) hervorbringen, da sonst der „alte Feind“ (uetus hostis) Gelegenheit zu neuen Angriffen erhalte,154 und ____________

/ saeculi turbinibus extractus sowie das Motiv des Hafens; dass De mortalitate später verfasst ist als Ad Donatum, ist unstrittig. Zur Technik des Selbstzitats bei Cyprian vgl. Watson, Style, 206f, sowie Norden, Kunstprosa II, 619 Anm. 1, der auf entsprechende rhetorische Gepflogenheiten hinweist. 146 Zum Verständnis von expungere in der Wendung expuncta hac morte (ähnlich pat 11;216f) vgl. Bayard, Le latin, 89. 147 [...] probans scilicet adque contestans tunc esse seruis dei pacem, tunc liberam, tunc tranquillam quietem, quando de istis mundi turbinibus extracti sedis et securitatis aeternae portum petimus (Hartel mit einigen MSS: petiuimus), quando expuncta hac morte ad immortalitatem uenimus. illa est enim nostra pax, illa fida tranquillitas, illa stabilis et firma et perpetua securitas (mort 3;51–56). Portum petere steht auch in mort 25;425f für den Tod; „in dem eschatologischen Begriff ‚perpetua securitas‘“ nimmt Cyprian „ein Prädikat römischer Staatsideologie“ auf (Andresen, Erlösung, 153). 148 Zur frühchristlichen Deutung der Wendung dimittere in pace als dimittere in pacem vgl. Tibiletti, Il senso escatologico, sowie Teeuwen, Sprachlicher Bedeutungswandel, 52f. Die Rede von postmortaler pax entspricht römischem Sprachgebrauch; vgl. ThLL X/1 Fasc.VI, 871,17–30. 149 Zur historischen Situation der Schrift vgl. Koch, CU, 140–145, und Gülzow, HLL 4 (1997), §478 C.13 (S. 566f). 150 Mort 26;440–443; ähnlich mort 19;326f. 151 Vgl. mort 3;47f; ep 10,5,2;107f; ferner mort 15;246–251. 152 Dem 26;527f; vgl. dazu auch Gallicet, Dem, 287. In ep 6,3,2;82–88 heißt es, die drei Jünglinge aus Dan 3 zögen die zukünftige, ewige libertas und securitas einer Befreiung aus der gegenwärtigen Gefahr vor. Als magna libertas und securitas charakterisiert auch Seneca in ep 70,16 den Tod (206,14f Reynolds); vgl. auch dial 6,20,3 u.ö. sowie Tibiletti, Stoicismo, 314f. – Als eschatologisches Heilsgut dürfte die tranquillitas in Tertullians allegorischer Auslegung von Mk 4,35–41par auf die Situation der Kirche in bapt 12,7 zu verstehen sein. 153 Vgl. op 24;502f: securitati ac saluti aeternae dum tempus est consulamus; ähnlich Dem 25; 492, der Sache nach ebenso op 26;543f. 154 Don 4;79f; ähnlich unit 20;480–493 bezogen auf Konfessoren; vgl. dazu Kap. 3.1

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Die Begründung der tätigen christlichen Existenz

unterstreicht die Zukunftsorientierung der Getauften.155 In der Gegenwart gibt es Ruhe und Unbesorgtheit nur, sofern die in der Taufe begründete Orientierung auf die Zukunft hin es ermöglicht, ungeachtet der vielfältigen Widrigkeiten Weltunabhängigkeit und Weltüberlegenheit zu gewinnen.156 So ist es Ausdruck großartiger dignitas und securitas, inmitten von Bedrängnissen fröhlich und ruhmreich sterben zu können, weil die für die Menschen und die Welt geschlossenen Augen sich sogleich öffnen, um Gott und Christus zu schauen.157 Die Gewissheit der verheißenen Herrlichkeit jenseits des Todes158 verleiht den Christen selbst in äußerster Bedrängnis gelassene Unbesorgtheit und befähigt sie so zu einer unerschütterlichen Haltung gegenüber den Widrigkeiten der Gegenwart.159 Unbesorgt (securi) und geschützt (tuti) gegenüber allem, was der Teufel und die Welt gegen sie ins Werk setzen, sind die Christen dann, wenn Gott ihnen auf ihre Bitte hin seine protectio aduersus malum gewährt.160 Kennt Cyprian demnach sowohl präsentische wie zukünftige securitas und tranquillitas, so legt er in Ad Donatum den Akzent ganz auf das ‚schon jetzt‘ der Taufbefreiung, in De mortalitate dagegen auf das ‚noch nicht‘ des zukünftigen Heils. Die Verwendung des Begriffs securitas etc. zur Kennzeichnung christlicher Unerschütterlichkeit und Gelassenheit gegenüber feindseligen Angriffen und Widrigkeiten der Welt hat Entsprechungen in der senecanischen Beschreibung der constantia des Weisen,161 unterscheidet sich aber von der stoischen Konzeption grundlegend darin, dass die securitas nicht in einer strikten Unabhängigkeit von allem, was nicht der eigenen Verfügungsgewalt unterliegt, also auch und gerade von allem Zukünftigen,162 begründet ist, sondern in der Hilfe Gottes und dem Vertrauen

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155 Vgl. Don 14;293f: plus amare conpellimur, quod futuri sumus [...] (dazu s. gleich). – Es ist von hier aus zu verstehen, wenn Cyprian in mort 7;102–106 Formulierungen, mit denen er in Don 4 und Don 14 die durch die Taufe erlangte Befreiung charakterisiert, zur Beschreibung des erst mit dem Tod zu erreichenden zukünftigen Heils verwendet; vgl. noch mort 3;39–41; 18;313f. 156 Dazu s. gleich zur Fortsetzung in Don 14. Präsentisch verstanden ist auch die Freiheit von Affekten wie Zorn, Streitsucht usw., die der Christ nach pat 16;318–320 erreicht hat: Si enim christianus a furore et contentione carnali tamquam de maris turbinibus excessit et tranquillus ac lenis in portu Christi esse iam coepit [...]. Der Passus ist durch Tertullians Paraphrase von Eph 4,30f in spect 15,2;6–9 angeregt; vgl. Z. 314–322 insgesamt sowie Kap. 4 Anm. 111 zur Quir 3,7. Ein ähnlicher Gedanke begegnet bei Marc Aurel 3,16. Als Freiheit von Affekten werden tranquillitas (animi) und / oder securitas wiederholt bei Cicero bestimmt; vgl. off 1,69 (angeführt oben bei Anm. 132), ferner Tusc 4,10.34f u.ö. und dazu Spanneut, Apatheia, 4697–4700. 157 Fort 13;31–34; vgl. die entsprechende Ermahnung in mort 21;362–365, im Vertrauen auf die Verheißungen Christi laeta securitate zu sterben. 158 Vgl. die Formulierung futurorum fides certa et solida in Z. 26; im gleichen Sinne heißt es in mort 3;39f: de domini pollicitatione securus. 159 Vgl. Fort 13;23–25 sowie bes. Dem 20;380–383, ferner Quir 3,58tit (resurgendi securitas). Nach Dem 17;325–330 befähigt die Gewissheit, dass erlittenes Unrecht zukünftig gerächt werden wird (de secutura ultione securitas), die Christen dazu, Unrecht gelassen zu ertragen und auf Widerstand zu verzichten. Securitas meint hier, wie der Zusammenhang zeigt, „(Zukunfts-) Gewissheit“, ist also keineswegs in senecanischem Sinne gebraucht (gegen Gallicet, Dem, 237f). 160 Orat 27;502–512; vgl. ähnlich orat 14;244–252, außerdem ep 57,5,2;135–138; Näheres zur Sache s.u. Kap. 7. – Eine große Anzahl der cyprianischen Belege zu den Begriffen securitas, tranquillitas etc. bezieht sich auf die ihnen von Gott gewährte Unbesorgtheit, Sicherheit und Ruhe (vgl. Fort 10;20–22; ep 55,6,1;79f u.ö.), nicht selten bezogen auf das Ende der decischen Verfolgung, in ep 11,8; 151–158 u.ö. als Bitte, in laps 1;1–6 als Gegebenheit (die Rede von pax, securitas und tranquillitas könnte hier ironisch auf die römisch-politische Ideologie der pax et securitas anspielen; vgl. dazu Andresen, Erlösung, 148, sowie Sage, Cyprian, 170f.173, zur entsprechenden Münzprägung des Decius). 161 Nach dial 2,13,5 ist securitas das proprium bonum des Weisen, der sich durch iniuria oder contumelia nicht erregen lässt (32,19–22 Reynolds); vgl. auch ep 53,11f; ep 109,18 u.ö. 162 Vgl. dazu Kap. 5 Anm. 345.

2. Die Taufe als Befreiung von den „Stürmen der Welt“

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auf seine Verheißungen.163 Auch mit der Verwendung der Begriffe tranquillitas und securitas in Bezug auf den Tod bzw. den postmortalen Zustand kann Cyprian an pagane Autoren anknüpfen; wiederholt ist eine besondere Nähe zu Seneca festzustellen.164 Wenn Seneca schreibt, Weisheit habe erlangt, wer ebenso unbesorgt (securus) sterbe, wie er geboren werde, sei es doch schändlich, noch auf der Schwelle zur securitas besorgt (sollicitus) zu sein,165 so ist es genau diese Haltung, die Cyprian in De mortalitate den karthagischen Christen einzuschärfen versucht.166 Die Charakterisierung des postmortalen Zustandes als securitas und / oder tranquillitas ist ein epikureisches Thema, das Seneca wiederholt aufnimmt.167 Tiefgreifende Differenzen zu epikureischen und senecanischen Vorstellungen werden erkennbar, wenn Cyprian von einer zukünftigen securitas als Gegenstand gegenwärtiger Sorge spricht. Die christliche Gerichtserwartung, derzufolge der Tod zwar den Glaubenden Ruhe und Sicherheit, den Ungläubigen dagegen ewige Strafe bringen wird,168 widerstreitet der Gleichsetzung des Todes mit dem Ende aller Schmerzen, Sorgen und Beunruhigungen. Entsprechungen hat sie in der platonischen Tradition, in der von der postmortalen Ruhe des „Guten“ im Gegenüber zur Bestrafung des „Bösen“ gesprochen werden kann.169 Mit der Verwendung der Metapher des Hafens für den Tod nimmt Cyprian einen in der antiken Literatur verbreiteten Topos auf.170 Der Tod kann mit diesem Bild als gleichsam natürliche Zielbestimmung des Lebens gekennzeichnet werden,171 aber auch als erstrebenswerter Zufluchtsort oder als in schwierigen Lagen jederzeit zugänglicher Ausweg.172

Die doppelte Bewegung der Befreiung von den „Stürmen der Welt“ und des Festmachens „am Ankerplatz des rettenden Hafens“ wird in der Fortsetzung als Orientierungswechsel weg vom Irdischen hin zum Himmel beschrieben, der zu Weltüberlegenheit und Bedürfnislosigkeit gegenüber der Welt führt: „Der (sc. welcher in jenem Hafen festmacht) erhebt seine Augen von der Erde weg zum Himmel und, zur Gabe des Herrn zugelassen und im Geiste (mente) seinem Gott schon nahe, rühmt sich, ____________

163 Näheres zur Sache s.u. Kap. 5.2.2. 164 Cicero verwendet den Begriff securitas nicht in Bezug auf die postmortale Existenz, den Begriff tranquillitas lediglich in einer Plato-Paraphrase in leg 2,68 (dazu s. gleich). 165 Ep 22,16 (63,10–14 Reynolds). 166 Auch die für Seneca charakteristische Entgegensetzung von securus und sollicitus (vgl. I. Hadot, Seneca, 126f) begegnet bei Cyprian wiederholt; vgl. auch Tertullian cult 2,2,3. 167 Lukrez fragt rer 3,977, ob der im Tod Befindliche non omni somno securius exstat; zu seiner Todesvorstellung vgl. Salem, La mort, 26–45. Seneca verrät epikureischen Einfluss, wenn er den postmortalen Zustand des Menschen mit dem vor seiner Geburt gleichsetzt und beide als tranquillitas (dial 6,19,5) bzw. securitas (ep 54,4f: utrimque uero alta securitas est [144,3f Reynolds]) bezeichnet; vgl. dazu Tibiletti, Un tema, 586f, sowie Hoven, Stoïcisme, 116–118. Er kann den Tod auch als aeterna requies (dial 6,24,5) und pax (dial 6,19,6) beschreiben. Zu den verschiedenen, bei Seneca begegnenden Todesvorstellungen vgl. Hoven, Stoïcisme, 109–126, J.M. Rist, Seneca, 2003f, sowie Manning, On Seneca’s „Ad Marciam“, 111f. 168 Vgl. dazu Kap. 8.1.3. 169 Vgl. etwa Plato Nom 959b 5f, wo die Vorstellung eines postmortalen Gerichts als τω^, με` ν γα` ρ α γαθω^, θαρραλε' ον, τω^, δε` κακω^, μα' λα φοβερο' ν charakterisiert wird (421 Burnet); Cicero leg 2,68 nimmt mit der Wendung post mortem tranquillitas bonorum, poenae impiorum auf diese Stelle Bezug (86,16–18 Ziegler/Görler). Zur Sache vgl. Bernstein, Formation, 50–83. 170 Vgl. dazu bes. C. Bonner, Desired Haven, 51–53, ferner Schlimme, Hafen, 298. 171 So etwa Seneca ep 70,3. 172 Vgl. Cicero Tusc 1,118f: [...] portum potius paratum nobis et perfugium putemus. quo utinam uelis passis peruehi liceat! (279,10–12 Pohlenz), und Seneca dial 11,9,6, ein Passus, der mort 3 relativ nahe kommt (zum Kontext s.u. Kap. 5.1.2), bzw. Cicero Tusc 5,117 und Seneca dial 7,19,1.

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Die Begründung der tätigen christlichen Existenz

dass, was immer unter den menschlichen Dingen bei den übrigen für erhaben und groß gilt, nicht an sein Bewusstsein heranreicht. Nichts kann mehr von der Welt erstreben, nichts wünschen, wer größer ist als die Welt“.173

Die neue Orientierung ist begründet in der Taufe,174 die, vermittelt durch die Eingießung des himmlischen Geistes,175 eine innere Nähe zu Gott herstellt176 und eben damit eine befreiende Distanzierung von den bisherigen Wertvorstellungen ermöglicht. Auch die scheinbar erhabensten Dinge weiß der Getaufte weit unter sich, nichts Irdisches kann er mehr begehren. Die Seele, die, wie es wenig später in Anknüpfung an einen Passus bei Cicero heißt, durch die Betrachtung des Himmels ihren Urheber erkannt hat, ist „höher als die Sonne und erhabener als alle diese irdische Macht“.177 Eben darin besteht die Befreiung von den „Stürmen der Unruhe schaffenden Welt“. Cyprian knüpft damit erneut an geprägte Vorstellungen an, die sich einem breiten Traditionsstrom griechisch-römischer Philosophie verdanken. Entscheidend ist hier das verbreitete, letztlich auf platonische Traditionen zurückgehende Motiv der contemplatio caeli, das sich mit der Vorstellung verbindet, durch geistige Orientierung auf das Himmlische hin gewinne der Mensch innere Freiheit von den irdischen Dingen.178 Der hier nur kurz angedeutete, für Cyprian mit der conuersio verbundene fundamentale Wechsel der Blickrichtung (ad caelum oculos tollere a terris: Z. 284f) – und damit der Lebensorientierung – wird in Dem 16 protreptisch als Verwirklichung der durch den status rectus angezeig____________

173 [...] ad caelum oculos tollit a terris et ad domini munus admissus ac deo suo mente iam proximus, quicquid apud ceteros in rebus humanis sublime ac magnum uidetur, intra suam iacere conscientiam gloriatur. nihil adpetere iam, nihil desiderare de saeculo potest, qui saeculo maior est (Don 14; 284–289). Statt intra bietet W die v.l. infra, die Bayard, Le latin, 335, aufgrund des Kontextes und der Verbindung mit iacere für ursprünglich hält, wahrscheinlich mit Recht; Molager, Don/pat, 110f Anm. 5, dagegen folgt ThLL VII/2, 38,9f, wo diese Stelle als Beleg für intra in der Bedeutung von „unter“ verzeichnet ist (vgl. 37,55–38,18 insgesamt); anders Ellien L’Ad Donatum, 158f. In zel 9;155 und Dem 1;9f, wo intra ebenfalls in Verbindung mit conscientia steht, ist offenbar „innerhalb“ gemeint. 174 Der Taufbezug der Formulierung ad domini munus admissus wird durch die Parallele habit 23;204,4f sichergestellt. 175 Vgl. Z. 297f bzw. 4;61f.66f. 176 Die Formulierung deo suo mente iam proximus hat nahe Entsprechungen bei Seneca (vgl. ep 73,16; ep 41,1 u.ö.), das jeweilige Gottesverständnis ist jedoch sehr verschieden, wie Buchheit, Non homini, 213f.217f, mit Recht herausgearbeitet hat. Zum Verständnis entsprechender Formulierungen bei Seneca vgl. I. Hadot, Seneca, 148f, und ausführlich Scarpat, Il pensiero religioso, 17–56, hier bes. S. 41–46. Während I. Hadot und Scarpat auch pointierte Formulierungen Senecas wie in ep 41 ganz im Rahmen traditioneller stoischer Lehren deuten, sehen Cancik/Cancik-Lindemaier, Konstruktion, 317, hier „ethisches Streben und göttliche Hilfe stärker aufeinander bezogen, als es für die Ältere Stoa nachweisbar ist“; in eine ähnliche Richtung deutet Erler, Hilfe der Götter, 394f. 177 Postquam auctorem suum caelum intuens anima cognouit sole altior et hac omni terrena potestate sublimior [...] (Z. 299f). Vgl. Cicero nat deor 2,140: [...] ut deorum cognitionem caelum intuentes capere possent [sc. homines] (310,11f Gerlach/Bayer); in diesem Referat stoischer Vorstellungen ist die Himmelsschau wie in Dem 16 mit dem status rectus-Motiv verbunden; vgl. dazu auch Wlosok, Laktanz, 19f. 178 Zur Herkunft und Entwicklung dieses Motivkomplexes vgl. Wlosok, Laktanz, 8–47, sowie Pellegrino, Il „topos“.

2. Die Taufe als Befreiung von den „Stürmen der Welt“

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ten menschlichen Wesensbestimmung entfaltet. Cyprian kontrastiert hier in Aufnahme eines „cliché of ancient philosophy“179 der gebückten, der Erde zugewandten Haltung der Tiere die aufrechte Gestalt des Menschen, die ihn zur Betrachtung des Himmels bzw. des Oberen prädestiniert,180 wendet ersteres gegen die Verehrung paganer Götter, die in Verbindung mit einem Zitat von Jes 2,8f181 als ein Sich-Herabbeugen zu irdischen Gebilden charakterisiert wird,182 und deutet die Hinwendung zum Gott der Christen, zu der die Schrift Ad Demetrianum den Adressaten auffordert,183 als Verwirklichung der mit dem status rectus gegebenen Ausrichtung des Menschen auf den Himmel: Zum Himmel soll er schauen, dorthin seine Augen aufrichten und sein Herz zu den oberen, himmlischen Dingen erheben, um dort, im oberen Bereich, Gott zu suchen und damit der Unterwelt zu entgehen.184 Nur so wird er seinem ureigensten Wesen gerecht: „Bewahre die Erhabenheit, mit der du geboren bist! Verharre so, wie du von Gott geschaffen bist! Zusammen mit dem (aufrechten) Stand (status) des Gesichtes und des Körpers stelle (auch) die Seele auf (statuere)! Damit du Gott erkennen kannst, erkenne zuvor dich selbst!“185 Soll der Mensch seinem Wesen entsprechen, muss die innere Haltung mit der äußeren Gestalt übereinstimmen. Wie der menschliche Körper von Natur aus dem Himmel zugewandt ist, so muss es auch die Seele sein, und das heißt für Cyprian: sie muss sich dem einen, ^ θι σαυτο' ν187 aufwahren Gott zuwenden.186 In diesem Sinne kann er nun auch das berühmte γνω nehmen: Die Erkenntnis des durch den status rectus signalisierten menschlichen Wesens wird zum Weg der Gotteserkenntnis.188 Cyprian folgt damit sehr weitgehend einer Theo-anthropologie, wie sie vor allem in der platonischen Tradition ausgebildet worden ist. Abschließend werden diese philosophisch geprägten Motive und Vorstellungen freilich in einen christlichen Rahmen eingezeichnet: Gefordert ist das Verlassen der von menschlichem Irrtum erfundenen Götter (idola), die Umkehr zu dem Gott, der dem Flehenden Hilfe gewährt, und der Glaube an Chris-

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179 Clarke, Oct, 250f Anm. 200, mit umfangreichen Literaturhinweisen; vgl. auch Wlosok, Laktanz, 10f mit Anm. 9. 180 Rectum te deus fecit et cum cetera animalia prona et ad terram situ uergente depressa sint, tibi sublimis status et ad caelum adque ad dominum suum uultus erectus est (Z. 308–311; die von Simonetti gebotene Textfassung ad dominum suum ist mit Fredouille, Dem, 171, festzuhalten; anders Hartel [ad Dominum susum] und Gallicet [ad Deum sursum]; zur Diskussion der Varianten vgl. Simonetti, Note, 868). Cyprian lehnt sich hier an Minucius Oct 17,2.11 an, der seinerseits auf pagane Vorbilder zurückgreift; vgl. Pellegrino, Studi, 127, Gallicet, Dem, 232f, sowie Beaujeu, Oct, 99. 181 Adorauerunt eos quos fecerunt digiti eorum, et curuatus est homo et humiliatus est uir, et non laxabo illis? 182 Z. 304–308. Er gibt damit der mit dem status rectus-Motiv nicht selten verbundenen Polemik gegen eine Orientierung am Irdisch-Materiellen eine besondere Zuspitzung. 183 Die protreptische, auf conuersio zielende Ausrichtung der Schrift wird von Gallicet, Dem, 62–68, mit Recht unterstrichen; vgl. auch Heck, ΜΗ ΘΕΟΜΑΧΕΙΝ, 157f. Zum Adressaten, der stellvertretend für einflussreiche Christengegner in Karthago zu stehen scheint, vgl. Gallicet, Dem, 58f Anm. 25, außerdem Fredouille, Dem, 15–21, bes. S. 18 Anm. 1. 184 Illuc intuere, illuc oculos tuos erige, in supernis deum quaere. ut carere inferis possis, ad alta et caelestia suspensum pectus adtolle (Z. 311–313). In Z. 313–315 klingen mit Schlange und Teufel spezifisch jüdisch-christliche Motive an. 185 Sublimitatem serua qua natus es. perseuera talis qualis a deo factus es. cum statu oris et corporis animum tuum statue. ut cognoscere deum possis, te ante cognosce (Z. 315–318). 186 Vgl. Z. 318–320. Wie bereits bei Plato wird der status rectus hier zu einem Symbol für die Transzendenzorientierung des Menschen; vgl. dazu Wlosok, Laktanz, 12–16. 187 Vgl. dazu Courcelle, Connais-toi toi même, bes. S. 11–25. Nach Cicero Tusc 5,70 führt die Naturbetrachtung zur Selbsterkenntnis des menschlichen Geistes (mens) als mit dem göttlichen Geiste (mens) verbunden. Vgl. auch Cicero fin 3,73. 188 Vgl. dazu auch Gallicet, Dem, 234.

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Die Begründung der tätigen christlichen Existenz

tus, den der Vater gesandt hat, um die Menschen lebendig zu machen und wiederherzustellen.189 Cyprian deutet damit an, dass es zur Umkehr der göttlichen Hilfe bedarf und dass sie das Heilshandeln Gottes in Christus zur Voraussetzung hat.

Wird das Thema der mit der Himmelsbetrachtung verbundenen Gotteserkenntnis in Don 14 nur kurz angedeutet, so erhält die Vorstellung der aus der Himmelsorientierung resultierenden Weltüberlegenheit starkes Gewicht. Der „Gedanke, daß die Einsicht in die Dimensionen des Kosmos dem Menschen dazu verhilft, die irdischen Angelegenheiten zu verachten“, begegnet bereits bei Plato190 und hat in der Folgezeit vielfältige Ausgestaltungen gefunden. Die platonische Vorstellung, die Seele werde durch die Erkenntnis der himmlischen Ordnung selbst zum Himmel hin aufgerichtet bzw. erhoben,191 erhält bei Cicero – als Begründung für die consideratio contemplatioque naturae im Sinne der Kosmosschau – eine Gestalt, mit der sich die cyprianischen Ausführungen berühren: erigimur, altiores fieri uidemur, humana despicimus cogitantesque supera atque caelestia haec nostra ut exigua et minima contemnimus.192 In solcher Geringschätzung alles Irdischen besteht für Cicero im Anschluss an die Stoiker die magnitudo animi.193 Für den, der sich der Betrachtung des Kosmos widmet und damit nicht das Menschliche, sondern das Göttliche zum Thema seiner philosophischen Betrachtung macht194 und so selbst dem Göttlichen nahekommt,195 wird alles Irdische belanglos.196 Obgleich bei Cyprian an die Stelle der naturphilosophischen Himmelsbetrachtung die in der Taufe zu vollziehende Umkehr zum Gott der Bibel tritt, kann er Motive aus dieser Tradition aufnehmen und die Wirkung der Taufe in vergleichbarer Weise beschreiben. Wichtig ist für ihn vor allem der Gedanke, dass Himmelsbetrachtung und Gotteserkenntnis bzw. Gottesnähe den Menschen weit über alles Irdische erheben.197 Der in diesem Kontext wiederholt anklingende Gedanke der Verachtung der ____________

189 Z. 318–320; hier klingen Buß- und Taufterminologie an. 190 Straume-Zimmerman/Gigon, Hort/Luc/Ac, 442, mit Verweis auf Plato Theait 174e und Rep 486ab; schon Anaxagoras und Demokrit könnten „sich ähnlich geäußert“ haben. 191 Vgl. dazu Wlosok, Laktanz, 12–16. 192 Luc 127 (91,24–27 Plasberg); vgl. dazu Wlosok, Laktanz, 26–28. Zu entsprechenden Vorstellungen bei Seneca vgl. ebd., 37–43. 193 Vgl. Cicero Tusc 3,15: qui magni animi sit, inuictum; qui inuictus sit, eum res humanas despicere atque infra se positas arbitrari (324,17–19 Pohlenz); ähnlich off 1,66–68 im Anschluss an Panaetius. Zur μεγαλοψυχι' α vgl. auch den Panaetius-Schüler Hekaton bei Diogenes Laertius VII,128: ει γα` ρ, φησι' ν, αυ τα' ρκης ε στι` ν η μεγαλοψυχι' α προ` ς το` πα' ντων υ περα' νω ποιει^ν, ε» στι δε` με' ρος τη^ ς α ρετη^ ς, αυ τα' ρκης ε» σται και` η α ρετη` προ` ς ευ δαιμονι' αν καταφρονου^ σα [και` ] τω^ ν δοκου' ντων ο χληρω^ ν (519,16– 20 Marcovich). Zum stoischen Verständnis der „magnanimité“ als „mépris du monde“ vgl. Gauthier, Magnanimité, 121–144, bes. S. 126-128, sowie Fredouille, Tertullien, 396f. 194 Vgl. Seneca nat 1,0,1f, wo die Naturphilosophie als „Theologie“ (hanc [partem philosophiae] quae ad deos pertinet [1,7f Hine]) eingeführt wird. 195 Vgl. etwa Cicero Tusc 5,70. 196 Vgl. Seneca nat 1,0,6–17 und dazu Waiblinger, Senecas Naturales Quaestiones, 67f. Zur „Kleinheit der Menschendinge, verglichen mit der Unermeßlichkeit des Kosmos und der Ewigkeit der Zeit“, vgl. auch Rabbow, Seelenführung, 41, mit Belegen aus Marc Aurel. 197 Vgl. Z. 288f: qui saeculo maior est, sowie Z. 300 (s.o. Anm. 177).

2. Die Taufe als Befreiung von den „Stürmen der Welt“

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irdischen Dinge wird von ihm vor allem paränetisch fruchtbar gemacht.198 Neben der Weltüberlegenheit wird hier vor allem eine radikale Bedürfnislosigkeit gegenüber der Welt proklamiert.199 Der von Cyprian angedeutete innere Zusammenhang zwischen dem fundamentalen Wechsel der Blickrichtung weg vom Irdischen hin zum Himmlischen und dem Erlangen von Ruhe und Unbesorgtheit erinnert an die Beschreibung des Resultats naturwissenschaftlicher Himmelsbetrachtung bei Cicero: „Wenn er (sc. der Weise) dies anschaut und dahin emporblickt [...], mit welcher Ruhe der Seele erwägt er dann das Menschliche und Irdische!“200 Gewinnt der Weise, wie ihn die Stoiker verstehen, „die Heiterkeit göttlicher Ruhe, Distanz und Gelassenheit gegenüber den menschlichen Angelegenheiten“201 durch die philosophische Naturbetrachtung, so erreicht der cyprianische Christ die gleiche Haltung durch die in der Taufe sich vollziehende Hinwendung zum himmlischen Gott. In der Fortsetzung preist Cyprian das so Erreichte als „feste, unerschütterliche Obhut“ und „himmlischen Schutz durch ewige Güter“.202 Er macht damit deutlich, dass es um einen von außen, nämlich von oben, gewährten Schutz, also um geschenkte Ruhe und Unbesorgtheit geht.203 Den Vorgang selbst, durch den dies empfangen wird, also das Taufgeschehen, beschreibt er hier als Befreiung „von den Fesseln der verstrickenden Welt“ und Reinigung „von irdischem Dreck zum Empfang des Lichtes ewiger Unsterblichkeit“.204 Dürfte der Ausdruck „Fesseln der Welt“ spezifisch christlich sein – der Begriff mundus wird in paganen Texten nicht negativ verwendet205 –, so ist die Thematik, das Festgehaltenwerden durch die Fesseln des Besitzes, des Leibes usw. und die insbesondere von der Philosophie erwartete bzw. versprochene Befreiung davon, in der antiken Literatur verbreitet;206 bei Cyprian ist besonders an die in Don 6–13 geschilderten Missstände zu denken.207 Die Befreiung von diesen „Fesseln“ äußert ____________

198 Vgl. dazu Kap. 4.4. 199 Die Forderung radikaler Bedürfnislosigkeit ist vor allem von den Kynikern popularisiert worden; vgl. dazu etwa J.M. Rist, Stoic Philosophy, 54–63. 200 Haec ille intuens atque suspiciens [...] quanta rursus animi tranquillitate humana et citeriora considerat (Tusc 5,71 [436,15–17 Pohlenz; Übersetzung Büchner, Tusc, 419]). Zum Kontext, in dem Cicero stoische Lehren entfaltet, vgl. Forschner, Theoria, 179–187. 201 Forschner, Theoria, 182. 202 Er wählt dazu die Form eines Ausrufs: Quam stabilis, quam inconcussa tutela est, quam perennibus bonis caeleste praesidium [...] (Z. 289f). Buchheit, Non homini, 213 Anm. 17, erkennt hier einen „Anklang an den senecanischen Lieblingsausdruck inconcussus“. 203 Zu dem für Cyprian zentralen Thema der Hilfe und des Schutzes Gottes s.u. Kap. 7. 204 [...] inplicantis mundi laqueis solui, in lucem immortalitatis aeternae de terrena faece purgari (Z. 290–292; Übersetzung in Anlehnung an Molager, Don/pat, 111). 205 Vgl. dazu Kap. 5 Anm. 111. 206 Vgl. dazu etwa Deléani, Christum sequi, 127f Anm. 580. 207 Wird in Don besonders die Befreiung von den Fesseln der Welt herausgestellt (vgl. 5;104f; 6;114; 14;283f), so verbindet sich die Befreiung in Fort 7 durchgängig mit der Errettung de faucibus diaboli (vgl. Fort 7tit; Z. 11f.18f u.ö.). Besonders häufig ist bei Cyprian von den Fesseln des Besitzes die Rede (vgl. orat 20;381f; laps 12;222f; op 13;255f u.ö.).

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Die Begründung der tätigen christlichen Existenz

sich hier wie dort in Weltüberlegenheit und Bedürfnislosigkeit gegenüber irdischen Dingen.208 Die Reinigung von der terrena faex geschieht durch das Taufbad.209 Worin die faex besteht, wird hier nicht gesagt; es dürfte an die von Adam herrührende „alte Befleckung“ (contagio antiqua) des Menschen gedacht sein.210 Die metaphorische Rede von einem dem Menschen anhaftenden (irdischen) Schmutz ist in der griechisch-römischen Literatur vielfach belegt.211 Eine bemerkenswerte Entsprechung zu den cyprianischen Ausführungen in Don 14 findet sich bei Seneca: Wer irgendeinmal aus diesem Schmutz (faex) entkommt – gemeint ist die Verstrickung in uitia, occupationes und mala tenacissima – hinauf zu jener erhabenen Höhe (sc. der uirtus), den erwarten, da die Irrtümer vertrieben sind, tranquillitas animi und völlige Freiheit.212 Hier wie dort verbindet sich die Reinigung von der faex mit einer Hinwendung zum Oberen und dem Erlangen von Ruhe.213 Die Zielbestimmung der Reinigung und Befreiung ist jedoch eine ganz andere: für Seneca lautet das Ziel suum fieri,214 für Cyprian dei fieri.215 Auch das Prozedere der Reinigung unterscheidet sich daher grundlegend: an die Stelle der durch philosophische Reflexion und eventuell asketische Übungen zu erreichenden Selbstbefreiung tritt die im liturgischen Akt der Taufe empfangene ____________

208 Weiteres dazu s.u. Kap. 4.4. In mort 7;102–106 wird die Befreiung von den Fesseln der Welt auf den Tod datiert; vgl. dazu auch oben Anm. 155. 209 Dies wird durch die Parallele in habit 2;188,13f bestätigt: membra nostra ab omni faece contagionis antiquae lauacri uitalis sanctificatione purgata; ähnlich habit 23;204,7f. Keenan, habit, 83, verweist auf eine vergleichbare Formulierung bei Plinius paneg 83,2: est magnificum quod te ab omni contagione uitiorum reprimis ac reuocas [443,21–23 Schuster/Hanslik]). – Die in der Taufe sich vollziehende Reinigung (purgare, purificare, [e]mundare, abluere) bezieht Cyprian in der Regel auf die Sünden (peccata: ep 70,1,3;31; ep 74,5,4;106, ferner pat 6;112f; delicta bzw. delictorum contagia: unit 11;275; ep 69,12,2;261f). Zur Sache vgl. Ferguson, Baptismal Motifs, 206–208. 210 So habit 2;188,13f; vgl. auch ep 64,5,2;84–86: qui recens natus nihil peccauit, nisi quod secundum Adam carnaliter natus contagium mortis antiquae prima natiuitate contraxit (vgl. Z. 78–88 insgesamt). Zu dem hier anklingenden Ansatz einer Erbsündenlehre vgl. Gross, Geschichte, 121–133, Beatrice, Tradux peccati, 185–190, und Clarke III, 313f Anm. 20, zu den von Cyprian offenbar rezipierten Ausführungen Tertullians in an 39–41 vgl. Hammerich, Taufe und Askese, 107–111. Entsprechendes klingt in Don 4;65f an. 211 Vgl. dazu Deléani, Christum sequi, 128 Anm. 583, mit einigen lateinischen Belegstellen und Literaturangaben, sowie ThLL VI/1, 171,43–78. Vgl. aber auch Ps 39,3 Vg.: eduxit me dominus [...] de luto faecis. 212 [...] expectant nos, ex hac aliquando faece in illud euadimus sublime et excelsum, tranquillitas animi et expulsis erroribus absoluta libertas (ep 75,18 [236,18–20 Reynolds]; vgl. §16f). Vgl. noch Seneca dial 6,23,1, wo die faex (das faecis pondus) mit dem In-sich-Aufnehmen des Irdischen (terrena) verbunden wird, und dazu Manning, On Seneca’s „Ad Marciam“, 136f, der die platonischen und stoischen Hintergründe der Stelle erläutert. In benef 7,9,1 ist (im Kontext einer Rede des Kynikers Demetrius) von der faex und der fesselnden Last (pondus) des Reichtums die Rede. 213 Auffällig ist auch die Übereinstimmung der Bewegungsrichtung: in lucem immortalitatis aeternae de terrena faece purgari – ex hac [...] faece in illud euadere sublime et excelsum; das Verbum euadere verwendet Cyprian in entsprechendem Kontext in Don 6;114–117. 214 Ep 75,18 [236,23 Reynolds]; vgl. dazu Traina, Lo stile, 11–14, und Blänsdorf, L’interprétation, bes. S. 83–87. 215 Vgl. Don 4;67 und dazu oben 1.2.

2. Die Taufe als Befreiung von den „Stürmen der Welt“

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Reinigung. Dennoch ist unverkennbar, dass Cyprian die traditionell christliche Vorstellung der Taufreinigung mit Motiven interpretiert, die im Kontext antiker philosophischer Reflexionen beheimatet sind. Im weiteren kommen zwei Aspekte der durch die Taufe erlangten Befreiung zur Sprache, die für die cyprianische Konzeption der Paränese eine zentrale Rolle spielen, hier aber nur kurz zu streifen sind, da sie später ausführlicher thematisiert werden. Zunächst gibt Cyprian zu verstehen, dass der Zustand vor der Taufe mit dem Wirken eines „Feindes“ zu tun hat, dessen früheres feindseligverderbliches Wüten für die Getauften jetzt keine Rolle mehr spielt.216 Verbunden damit deutet er sodann die Zeitstruktur christlicher Existenz an: „Wir werden genötigt, mehr zu lieben, was wir sein werden, wenn uns zu erkennen und zu verurteilen gewährt wird, was wir waren“.217 Gegenwärtige christliche Existenz wird gelebt zwischen einer Vergangenheit, die bereits abgetan ist, und einer Zukunft, die noch aussteht. Die präsentischen Aussagen von Don 14 gehen daher in der Gegenwart nicht auf, sie beschreiben vielmehr die gegenwärtige Partizipation am Zukünftigen.218 Demgemäß heißt es am Schluss des Kapitels, die Seele des Getauften beginne das zu sein, was sie zu sein glaube. Es handelt sich demnach in der Gegenwart um eine anfangsweise Realisierung dessen, was der Christ aufgrund der Taufe bereits zu sein glaubt, vollkommen aber erst in der Zukunft sein wird.219 In Z. 294–298 stellt Cyprian noch einmal pointiert heraus, dass die durch die Taufe zu erlangende Befreiung von den „Stürmen der Welt“ nicht das Ergebnis menschlicher Anstrengungen, sondern göttliches Geschenk ist.220 Die höchste Würde (dignitas) oder Macht (potestas) des Menschen ist nicht mühsam mit Geld, Ehrgeiz (ambitus) oder Anstrengung zu erreichen – der durch die Taufe zu erreichende Zustand wird hier pointiert der zuvor angestrebten gesellschaftlichen Stellung und Macht gegenübergestellt221 –, sie ist vielmehr ein Geschenk Gottes, kostenlos und leicht zugänglich,222 gießt sich doch der himmlische Geist ____________

216 Viderit, quae in nos prius infestantis inimici pernicies insidiosa grassata sit (Z. 292f). Zum Verständnis des textgeschichtlich unsicheren uiderit (Hartel beruft sich für diese Lesart auf P, Simonetti findet in P uideri, übernimmt aber uiderit als Korrektur; die übrigen MSS variieren) vgl. Bayard, Le latin, 265f (anders Molager, Don/pat, 111 Anm. 7); vgl. auch Don 4;79f. Zu der hier anklingenden Thematik vgl. Kap. 5. 217 Plus amare conpellimur, quod futuri sumus, dum et scire conceditur et damnare, quod eramus (Z. 293f). 218 Molager, Don/pat, 112 Anm. 1, bemerkt treffend, Cyprian konfrontiere hier „le passé du vieil homme au présent tout tendu vers la vie future“. 219 Näheres zu dieser für Cyprian grundlegenden Verhältnisbestimmung zwischen Gegenwart und Zukunft s.u. Kap. 2. 220 Ellien, L’Ad Donatum, 151, bezeichnet den Passus als „l’hymne à la grâce“; vgl. sachlich ebenso schon Don 2;30–32 und 4;70–76. Das gloriari in Z. 287 ist von hier aus kaum als unpaulinischer Rückfall in stoische μεγαλοψυχι' α zu werten (gegen Barbero, Seneca, 23). Cyprian versteht die durchaus stoisch gefasste „Megalopsychie“ des Christen als Gnadengeschenk. 221 S.o. zu Don 3 und 11–13; vgl. auch Ellien, L’Ad Donatum, 153. 222 [...] et gratuitum de deo munus et facile est (Z. 296f). Zu biblischen und paganen Hintergründen vgl. Ellien, L’Ad Donatum, 151, die sich vor allem an Aussagen Senecas erinnert fühlt.

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Die Begründung der tätigen christlichen Existenz

aus eigenem Antrieb (sponte) ein.223 Über Don 4 hinausgehend wird hier nicht nur der Geschenkcharakter der in der Taufe stattfindenden, erneut in Anknüpfung an philosophisch geprägte Motive und Vorstellungen als eine Art moralische Konversion interpretierten fundamentalen Veränderung und Erneuerung des Menschen betont, sondern auch die leichte Zugänglichkeit der göttlichen Gnade. Auch wenn die Vorstellung gnadenhafter Erleuchtung o.ä. in der philosophischen Tradition durchaus nicht fehlt,224 unterscheidet sich Cyprian damit signifikant von den philosophischen Reflexionen, auf die er im gleichen Zusammenhang vielfach zurückgreift. Dies gilt nicht zuletzt für Seneca, durch dessen Konzeption der securitas und tranquillitas er sich beeinflusst zeigt und auf den er auch sonst wiederholt Bezug zu nehmen scheint: genau an der Stelle, an der der senecanische Weise alles allein sich selbst verdankt,225 verdankt der Christ alles allein der göttlichen Gabe.226 Die Analyse von Don 14 im Gegenüber zu Don 6–13 bestätigt und intensiviert die an Don 3–4 gewonnenen Beobachtungen: Cyprian interpretiert die in der Taufe sich vollziehende Umkehr als Verwirklichung von Zielen und Idealen, die philosophische, insbesondere stoische Prägungen erkennen lassen. Die Schilderung der „Stürme der Welt“ (Don 6–13), von denen sich der Christ befreit sieht, zeigt vielfältige Übereinstimmungen mit popularphilosophischen Traditionen, erhält aber eine Konzentration und Intensität der negativen Sicht, wie sie außer bei christlichen Autoren nur selten zu finden ist.227 Auch die Beschreibung der Befreiung von diesen „Stürmen“ (Don 14) ist durch vielfältige pagane Traditionen beeinflusst. Mit der pointierten, gleichsam überschriftartigen Charakterisierung des durch die Taufe erreichten Zustandes mit dem Begriffspaar tranquillitas und securitas knüpft Cyprian an entsprechende Zielbestimmungen Senecas an. Dies verbindet sich für ihn wie in Teilen der stoischen Tradition mit dem ursprünglich platonisch geprägten Motivkomplex der contemplatio caeli. Cyprian nimmt damit für das Christentum die Verwirklichung des stoischen Ideals der α ταραξι'α bzw. der μεγαλοψυχι'α in Anspruch, macht aber zugleich deutlich, dass deren Verwirklichung auf ganz andere Weise geschieht als in der von Seneca repräsentierten Tradition gedacht: An die Stelle der durch philosophische Bemühungen allmählich zu erringenden Haltung des Weisen treten eine Ruhe und Weltüberlegenheit, die in der Taufe als Geschenk Gottes empfangen werden. ____________

223 Zum Vergleich der „spontanen“ Selbsteingießung des Geistes mit dem Strahlen der Sonne, dem Leuchten des Tages, dem Bewässern der Quelle und dem Befeuchten des Regens (Z. 297f) und zu den biblischen und paganen Hintergründen dieser „imagerie“ vgl. Ellien, L’Ad Donatum, 151–153. 224 Vgl. oben Anm. 42. 225 Zur Autarkie des Weisen bei Seneca vgl. Ganss, Bild, 48–51, und bes. Blänsdorf, L’interprétation. 226 Vgl. dazu ausführlicher Kap. 7. 227 Auf entsprechende Tendenzen bei Seneca und in der kynischen Literatur ist oben Anm. 121f hingewiesen worden.

2. Die Taufe als Befreiung von den „Stürmen der Welt“

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Sollten Barbero und Sage mit ihrer Annahme Recht haben, die Suche nach tranquillitas und securitas sei ein wesentlicher Grund für die Bekehrung Cyprians zum Christentum gewesen,228 stünden hier auch biographische Erfahrungen im Hintergrund. Es spricht vieles dafür, dass Cyprian in seiner vorchristlichen Zeit eine starke Prägung durch die Schriften und Vorstellungen Senecas erfahren hat,229 und es scheint, als verdanke sich seine Hinwendung zum Christentum ganz wesentlich dem Versprechen, er werde die angestrebte moralische Erneuerung als ein Geschenk der göttlichen Gnade, wirksam im Akt der Taufe, empfangen.230 Cyprian hegt gegenüber einem solchen Versprechen zunächst massive Zweifel, erfährt es dann aber an sich selbst als wahr: Befreiung und Neuwerdung vollziehen sich in einem Augenblick, als Geschenk Gottes; ihm verdankt er von nun an alles, was er vermag. Er wird damit zum Verkündiger einer Gnade, die den Menschen von Grund auf moralisch erneuert und zu einer neuen Lebensweise befähigt. Dass es sich bei der cyprianischen Rezeption paganer Motive, Vorstellungen und Ideale in der Schrift Ad Donatum keineswegs bloß um literarische Anleihen in protreptischer Absicht handelt, wird durch spätere, nach innen gerichtete Schriften bestätigt, in denen ähnliche Rezeptionsvorgänge zu beobachten sind. Bekehrung zum Christentum heißt für Cyprian nicht einfach Absage an seine frühere Existenz- und Denkweise, es heißt vielmehr auch Bestätigung und Verstärkung bisheriger Erfahrungen und Weltwahrnehmungen und schließt die Verwirklichung philosophisch geprägter Ideale und Zielvorstellungen ein. Fontaine bemerkt zu Recht, die radikale „conversion“ Cyprians schließe „un goût de l’éthique où se révèle, jusque dans l’expression, l’empreinte du stoïcisme latin: celui des traités de morale de Cicéron et de Sénèque, ou, plus simplement, de la vulgate des écoles de rhétorique“, keineswegs aus.231 Dass sich das angedeutete Phänomen nicht auf „une simple relation Cyprien-Sénèque“ reduzieren lässt, wendet Fontaine mit Recht gegen Koch ein.232 Die voranstehenden Analysen dürften aber gezeigt haben, dass es an nicht wenigen Punkten senecanische Texte sind, die in der uns erhaltenen Literatur den cyprianischen Ausführungen am nächsten stehen.233

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228 Vgl. Barbero, Seneca, 21, und Sage, Cyprian, 124–126; ähnlich Clarke, Biography, 681f. 229 Vgl. Wiles, Legacy, 141: „The influence of Seneca to be traced in some of his writings is probably indicative of the source of the ideals which had motivated him even in his pre-Christian days“; ähnlich Quacquarelli, La retorica, 128–130. Cyprian steht damit offenbar in einer nordafrikanischen Seneca-Tradition, die auch bei Tertullian und Minucius Felix fassbar wird; vgl. dazu Vidal Fontan, Apologétique, die freilich in der Sache zurückhaltender urteilt. 230 Dass „il desiderio di forza morale“ Cyprian zum Christentum geführt habe, betont Barbero, Seneca, 22; ähnlich Capmany, Miles, 127. 231 Fontaine, Aspects, 158. 232 Fontaine, ebd. Anm. 14, unter Hinweis auf das komplexe Problem der „médiations concrètes“; vgl. dazu auch Barbero, Seneca, 18. 233 Ähnlich urteilt Buchheit, Cyprian – Seneca, 358.

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Die Begründung der tätigen christlichen Existenz

Während Fontaine die Kongruenz von biblischem und römisch-philosophischem Traditionsgut im Denken Cyprians betont und die Kontinuität der „prose convertie“234 zu ihren paganen Vorgängern herausarbeitet, hebt Buchheit vor allem auf die in den vielfältigen Anknüpfungen intendierte Abgrenzung ab: „Er (sc. Cyprian) will die Heiden in ihren vertrauten Bildern ansprechen, um ihnen so den bisherigen Weg als irrig vor Augen zu stellen und den Zugang zur via recta et vera vermitteln zu können“235. Zwar räumt Buchheit ein, dass es „auch die Zeugenschaft Vergils für die Ablehnung der von Cyprian kritisierten Lebensform“ sowie „die Wirkkraft der Antike in der Formkunst Cyprians, in Argumentation und Gestaltung einzelner Abschnitte, ganzer Schriften“ gebe, aber doch nur, um sogleich hinzuzufügen, dass Cyprian „bei ethischen Prinzipien oder gar in Glaubensfragen nicht die geringste Konzession“ mache.236 Letzteres geht, wie gesehen, entschieden zu weit, und der paganen Literatur lediglich formalen Einfluss sowie eine gewisse „Zeugenschaft“ zuzugestehen, greift zu kurz.237 Es ist keineswegs so, dass Cyprian etwa in Don 2 lediglich pagane Zeugen für eine anderweitig – offenbar aus der biblisch-christlichen Tradition – gewonnene Kritik bestimmter Redeformen findet, diese sind vielmehr selbst die Quelle jener Kritik; selbst der von Fontaine verwendete Begriff der Koinzidenz238 reicht hier kaum aus. Gerade die Schrift Ad Donatum, aber nicht nur sie, zeigt, dass hier eine sachliche Verschmelzung von Traditionen stattfindet, bei der keineswegs von vornherein entschieden ist, welche Tradition jeweils dominiert. Die von Cyprian ‚mitgebrachten‘ philosophischen (und rhetorischen) Traditionen werden zwar gewissermaßen von innen neu durchdrungen und gewinnen damit ganz neue Aspekte – darunter auch solche, die zu den rezipierten Traditionen in deutlichem Widerspruch stehen –, aber sie werden weder einfach abgetan noch zu einem bloßen protreptischen Instrument.239 Wie Fontaine von einer „prose convertie“ spricht, so ist im gleichen Sinne von einer „philosophie (morale) convertie“ zu sprechen. Es findet eine Konversion statt, bei der das Frühere nicht einfach ausgelöscht wird, sondern als ‚Bekehrtes‘ durchaus wirksam bleibt.240 Zuzustimmen ist Buchheit, wenn er die Zielsetzung der Schrift Ad Donatum dahingehend bestimmt, paganen Lesern, „die, wie vordem Cyprian und Donat, ihr Heil in traditionellen Lebensformen suchen: im öffentlichen Leben, in der rhetorisch-philosophischen Bildung [...] die bisherige Lebensform als irrig vor Augen zu stellen und den wahren Weg zur vita beata durch die Deutung der eigenen conversio zu eröffnen [...]“.241 Freilich bringt schon diese Zielsetzung eine Vermischung der unterschiedlichen Horizonte mit sich, und näheres Zusehen zeigt, dass sich die Wahrnehmung und Formulierung der Problematik, die Cyprian durch das Christentum gelöst sieht, zu erheblichen Teilen paganen philosophischen Traditionen verdankt.

Das cyprianische Verständnis der Taufe und der darin begründeten christlichen Existenz gewinnt durch die Rezeption antiker philosophischer Vorstellungen und Ideale einen spezifischen Charakter, der im folgenden weiter herauszuarbeiten ist. Die Konversion zum Christentum äußert sich für Cyprian vor allem ____________

234 Vgl. Fontaine, Aspects, 158: „une prose totalement ‚convertie‘“. 235 Non agnitione, 333f; vgl. ders., Cyprian – Seneca, 348f Anm. 5. 236 Non agnitione, 334. 237 Kritisch zu einer solchen Differenzierung zwischen „formes“ und „fond“ äußert sich mit Recht Ellien, L’Ad Donatum, 138, mit Blick auf Monceaux, HAC II, 262; vertreten wird sie auch von Ramos-Lissón, La conversión, 149f. 238 Vgl. Fontaine, Aspects, 162. 239 Gegen Buchheit, Non agnitione, 334 Anm. 94. 240 Vgl. dazu auch Wickert, Glauben und Denken, 153–158, sowie Fontaine, Christentum. 241 Non agnitione, 319. Zu Cyprians wahrscheinlicher vorchristlicher Tätigkeit als Rhetor s.o. Einleitung 1.

2. Die Taufe als Befreiung von den „Stürmen der Welt“

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in einer fundamentalen Veränderung des Verhältnisses zur Welt, das heißt zum gesellschaftlichen Leben, aber auch zum irdischen Leben überhaupt. Der in der philosophischen Tradition vielfach erörterte Rückzug aus dem gesellschaftlichpolitischen Leben242 wird in der Taufe als radikaler Bruch vollzogen und als tiefgreifende Befreiung erfahren.243 Das durch die Taufe gegebene neue Gottesverhältnis begründet eine souveräne Weltüberlegenheit, die sich mit der des (idealen) stoischen Weisen durchaus messen kann, und äußert sich als radikale Bedürfnislosigkeit gegenüber allem Irdischen, die an die Radikalität der Kyniker erinnert. Wie dieses neue Weltverhältnis Cyprian zufolge in der christlichen Existenz zu leben ist, wird näher zu untersuchen sein.244

____________

242 In dieser Frage unterscheiden sich die philosophischen Schulen. Während die Epikureer um der inneren Ruhe willen einen Rückzug aus den öffentlichen Geschäften befürworten, sind die Stoiker gehalten, sich auch um das Wohl der Gemeinschaft zu kümmern, sofern dies möglich ist (zum stoischen Ideal eines βι' ος λογικο' ς, verstanden als „une vie mixte, à la fois contemplative et active“, vgl. Gauthier, Magnanimité, 128–132 [Zitat S. 130], sowie I. Hadot, Seneca, 138–141). Im römischen Kontext erhält die politische Betätigung besonders starkes Gewicht. So kann Cicero den Rückzug ins otium zwar als Ausnahme für bestimmte Personen akzeptieren (off 1,69–72 im Anschluß an Panaetius; vgl. dazu Boyancé, Le stoïcisme, 224–226, und Gauthier, Magnanimité, 140), sein Ideal repräsentiert jedoch Cato, der, obwohl nichts ihn dazu nötigte, in his undis et tempestatibus (sc. des öffentlichen Lebens) ad summam senectutem maluit iactari quam in illa tranquillitate atque otio iucundissime uiuere (rep 1,1 [2,24–26 Ziegler]; vgl. auch off 1,153 und dazu I. Hadot, Seneca, 139). Auch Seneca akzeptiert fraglos die Notwendigkeit politischer Partizipation des Philosophen, hält es aber in bestimmten politischen Umständen für besser, der Gesellschaft durch Rückzug ins otium zu dienen; vgl. Grimal, Sénèque, 1976–1981; ähnlich J.M. Rist, Seneca, 1996f. Freilich finden sich bei ihm Äußerungen, die einen ähnlich radikalen Rückzug zu fordern scheinen, wie ihn Cyprian vollzogen hat (vgl. bes. ep 22,1.3 und dazu Tibiletti, Stoicismo, 319). Zu Senecas Äußerungen vgl. ausführlich Griffin, Seneca, 316–339, sowie Dionigi, ot, 66–100, zum Verständnis des otium im römischen Kontext vgl. Berner, Otium, sowie André, L’otium. – Dass Cyprian selbst in seiner Amtsausübung als Bischof eher in den Spuren Ciceros wandelt, bemerkt Fontaine, Aspects, 156, mit Recht. 243 Einen ähnlich radikalen Bruch hat Rabbow, Seelenführung 261f, zufolge Sextius d.Ä. vollzogen, „der dem Leben in Ämtern und Ehren, zu dem ihm seine Geburt bestimmte, im Bruch mit römischem Denken völlig entsagte, um als stoischer [sic] Philosoph zu leben und als Gründer einer eigenen Schule zu lehren“; vgl. dazu auch ebd., 317 Anm. 99. 244 Vgl. dazu bes. Kap. 4.4 sowie Kap. 5.

Kapitel 2: Die Taufe als ein auf Zukunft ausgerichteter Beginn: die Zeitstruktur der christlichen Existenz 1. Christliche Existenz zwischen den Zeiten Cyprian versteht die Taufe, wie gesehen, als radikalen Bruch mit der früheren Existenzweise und als Beginn eines neuen Seins. Von den „Stürmen der Welt“ befreit, ist der Getaufte im „Hafen“ der Ruhe und Unbesorgtheit angekommen. Fast könnte es scheinen, als wäre er schon am Ziel. Dies ist freilich nach cyprianischem Verständnis keineswegs der Fall, und zwar nicht nur, weil die Gefahr besteht, das in der Taufe Empfangene wieder zu verlieren, auch nicht nur, weil das durch diese bereitgestellte Potential nun auch in der christlichen Existenz zu aktualisieren ist, sondern zuerst und vor allem deshalb, weil die weitreichenden Aussagen über die Wirkung der Taufe in der Schrift Ad Donatum streng genommen futurische Aussagen sind, mögen sie auch präsentisch oder perfektisch formuliert sein. Ist der in Don 6–13 beschriebene moralische Zustand der Welt für die Christen Vergangenheit – sie verurteilen, was sie waren –, so ist ihr neues Sein keineswegs schon Gegenwart, sondern noch Zukunft – sie lieben, was sie sein werden.1 Die Hinwendung zum Himmlisch-Ewigen, in der die Abwendung von der Welt begründet ist, ist eine Orientierung auf die Zukunft hin. Christliche Existenz wird demnach gelebt in einer Zwischenzeit zwischen der Vergangenheit, der die Christen nicht mehr angehören, und der Zukunft, der sie zwar schon zugehören, die aber für sie noch nicht Gegenwart ist. Die in Don 14 nur angedeutete Zeitstruktur christlicher Existenz wird in pat 13 in Auslegung von Mt 24,13par und Joh 8,31f2 ausführlicher entfaltet: „Es ist notwendig, zu ertragen und zu beharren,3 überaus geliebte Brüder, damit wir, zugelassen zur Hoffnung auf Wahrheit und Freiheit, zur Wahrheit und Freiheit selbst gelangen können, weil eben das, was wir [als] Christen sind, eine Sache des Glaubens und der Hoffnung ist. Damit aber Hoffnung und Glaube zu ihrer Frucht gelangen können, bedarf es der patientia. Denn nicht nach der gegenwärtigen Herrlichkeit streben wir, sondern nach der zukünftigen“.4

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1 Vgl. Don 14;293f und dazu Kap. 1.2.2. 2 Zur cyprianischen Verwendung dieser beiden Texte s.u. 2.1. 3 Bezugspunkt sind die in der Welt zu erduldenden Widrigkeiten; vgl. pat 11–12, bes. 12;228– 242, und dazu unten Kap. 5. 4 Tolerandum est et perseuerandum, fratres dilectissimi, ut ad spem ueritatis et libertatis admissi ad ueritatem et libertatem ipsam peruenire possimus, quia hoc ipsum quod christiani sumus fidei et spei res est. ut autem peruenire spes et fides ad fructum possint sui patientia opus est. non enim praesentem gloriam sequimur sed futuram [...] (Z. 246–252). Zum Verständnis des Begriffs patientia vgl. unten 2.1 mit Anm.54.

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Die Taufe als ein auf Zukunft ausgerichteter Beginn

Cyprian unterscheidet hier sehr deutlich zwischen dem, was den Christen durch die Taufe5 bereits zuteil geworden ist, nämlich die Hoffnung auf Wahrheit und Freiheit – die inhaltliche Bestimmung der Hoffnung ist durch das vorangehende Joh-Zitat veranlasst –, und dem, was noch aussteht, nämlich das Erreichen des Erhofften. Diese Zeitstruktur ist für ihn im Wesen des Christseins selbst begründet: Christen sind, wie es im sich anschließenden Zitat von Röm 8,24f heißt, „auf Hoffnung gerettet“,6 weil das Heilsgut, auf das sich ihr Glaube richtet, in der zukünftigen Herrlichkeit besteht,7 in der Gegenwart also per definitionem lediglich im Modus der Hoffnung zugänglich ist. Das Christsein kann daher geradezu definiert werden als fidei et spei res, als „Sache des Glaubens und der Hoffnung“. Es entspricht dieser Definition des Christseins, dass Cyprian die Begriffe fides und spes häufig als Begriffspaar verwendet und den christlichen Glauben wiederholt als spes ac fides nostra umschreiben kann.8 Glauben und Hoffnung zu stärken und zu bewahren, wird daher zu einem zentralen Gegenstand seiner Paränese,9 besteht doch stets die Gefahr, dass sie verloren gehen könnten.10 Neben den Geboten und der disciplina spielt hier auch die Gottesfurcht eine wichtige Rolle, die als fundamentum et firmamentum spei et fidei charakterisiert werden kann.11 Bibelworte können mit der Bemerkung eingeführt werden, hier werde die spei ac fidei firmitas gekräftigt.12 Wer so im Glauben und in der Hoffnung gestärkt ist,13 der hält kraft seiner fiducia futurorum allen Angriffen dieser Welt unerschütterlich stand.14

So viel den Christen also durch die Taufe schon gegeben sein mag, das Wesentliche steht noch aus.15 Es bedarf deshalb, so Cyprian, gespannter, ausdauernder ____________

5 Admissi in Z. 248 ist eine Anspielung auf die Taufe; vgl. admissus in Don 14;285f u.ö. 6 Z. 252–255; Röm 8,24f wird noch in Quir 3,45 angeführt, als einziger Belegtext zu dem Titel: Spem futurorum esse, et ideo fidem circa ea quae promissa sunt patientem esse debere. Ein Anklang an den Text ist in mort 21;355f (Qui autem spe uiuimus [...]) zu erkennen. 7 Cyprian spielt hier offenbar auf Röm 8,18b an; vgl. auch Fahey, 430f. 8 Vgl. pat 1;8f; un 15;381f und ep 71,3,2;71f; vgl. ferner mort 20;345f. Gallicet, Dem, 252, bemerkt dazu mit Recht, die enge und häufige Verbindung der Begriffe spes und fides enthülle „un’ideachiave della mentalità ciprianea: il cristiano vede il presente come ponte che si proietta verso il futuro [...]“. Vgl. auch Studer, Hoffnung, 1212f. 9 Vgl. bes. orat 1;1–6 und habit 1;187,2–6, ferner pat 20;403–405 sowie op 26;544 und dazu unten 3.1. 10 Christen, die um Verstorbene trauern, sind spei nostrae et fidei praeuaricatores (mort 20; 345f); wer sich durch eine Pestepidemie erschrecken lässt, dem fehlen spes und fides (mort 2;34f); vgl. auch laps 8;168f. 11 Quir 3,20tit; Näheres zur Sache s.u. 3.1. 12 Vgl. or 19;361f (zu 1Tim 6,7–10) und bes. Dem 20;383f (zu Hab 3,17f). 13 Dem 20;388–391 ([...] subnixum spei ueritate et fidei stabilitate fundatum [...]); vgl. auch Z. 380 (uiget apud nos spei robur et firmitas fidei). 14 Vgl. dazu ausführlich Kap. 5.2.2.2. Zum Zusammenhang zwischen spes und fiducia futurorum vgl. auch Studer, Hoffnung, 1212. 15 Dem entspricht es, dass die Taufe in ep 73,12,1;195f als ad spem uitae aeternae salutaris ingressio bestimmt wird, d.h. als Zugang zur Hoffnung auf das ewige Leben, noch nicht als Erreichen dieses Lebens selbst; vgl. dazu auch Pereira Lamelas, Una domus, 429–433. Deléani, Christum sequi, 138 Anm. 631, versteht ingressio hier mit Hinweis auf habit 7;193,15 als „marche, avance“, Clarke IV, 60, übersetzt entsprechend; kann von der Wortbedeutung her sowohl der actus introeundi als auch

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Erwartung, „damit wir das, was wir zu sein begonnen haben, erfüllen und (das), was wir erhoffen und glauben, ergreifen, wenn Gott es herbeiführt“.16 Weil die Christen das, was sie glauben und hoffen, erst in der Zukunft ergreifen können, nämlich dann, wenn Gott es herbeiführt, ist ihre gegenwärtige Existenz wesentlich durch patientia bestimmt. Patientia aber heißt hier vor allem tolerare und perseuerare, Durchhalten bis zum Erreichen des Zieles. Umschreibt die Formulierung quod esse coepimus die in der Taufe begonnene gegenwärtige christliche Existenz,17 so bezeichnet das Verbum implere die Vollendung dessen, was in der Taufe seinen Anfang genommen hat. Das implere ist, wie der Parallelismus des ut-Satzes ebenso unzweideutig zeigt wie der ganze Zusammenhang, als streng zukünftig zu verstehen, wird also nicht durch die christliche Existenz in der Zeit realisiert. Beharrliche Geduld und gespannte Erwartung sind vielmehr notwendig, weil das, was auf Erden mit der Taufe begonnen hat, erst im Himmel seine Erfüllung finden wird. Über diese Spannung kommt christliche Existenz in der Zeit grundsätzlich nicht hinaus. Auf die Bedeutung der Zeit in der Theologie Cyprians hat zunächst Michel Spanneut aufmerksam gemacht18 und dabei mit Recht die Zukunftsorientierung der christlichen Existenz herausgestellt: Der Christ sei „mit freudiger Geduld ganz und gar auf die Zukunft ausgerichtet“,19 die patientia sei „essentiellement“ eschatologisch verstanden und habe damit ihre biblische Bedeutung als „eschatologische Erwartung“ zurückgewonnen, die bei Tertullian fehle.20 Die Zeit der Erwartung aber sei für Cyprian keineswegs eine „leere Zeit“, sondern eine Zeit der „Erfüllung“ (accomplissement) bzw. der „Reifung“ (maturation). Spanneut verweist dazu auf die oben angeführte Formulierung ut id quod esse coepimus impleamus (pat 13;256), den Ausdruck maturum et pacatum tempus (ep 15,2,2;39f) und die Wendung gratia maturans (Don 2;32) sowie auf bei Cyprian häufig begegnende Formulierungen mit coepisse c. inf., in denen die Taufe „als ein Anfang“ beschrieben werde, „dessen Erfüllung das christliche Leben ist“.21 Sein Fazit lautet ____________

der actus gradiendi gemeint sein (ThLL VII/1, 1576,5.26), so spricht die Verbindung mit der Wendung ad spem uitae aeternae – nicht ad uitam aeternam – für ersteres. Zur Sache vgl. noch Dem 16; 302f und op 4;65. 16 Exspectatio (sic) et patientia necessaria est, ut id quod esse coepimus impleamus et quod speramus et credimus deo repraesentante capiamus (Z. 255–257). – Conway, pat, 79, übersetzt deo repraesentante mit „through God’s help“ und verweist dazu ebd., 150, auf Blaise s.v., wo eine solche Bedeutung von repraesentare freilich nicht belegt ist. Die entsprechende Übersetzung Molagers, Don/ pat, 215: „avec l’aide de Dieu“ (mit ausführlicher Begründung S. 214f Anm. 3) kritisiert Deléani, Rez., 158, mit Recht: „il faut absolument laisser à repraesentare son sens théologique: Dieu ‚rendra effectif‘, ‚actualisera‘ l’objet de notre foi“. Gemeint ist die eschatologische Vergegenwärtigung des Heils. Vgl. ebenso orat 13;216f.225–227; pat 4;79 u.ö. Zur entsprechenden Verwendung des Begriffs bei Tertullian vgl. Dölger, Tertullian, 133 mit Anm. 56. 17 Näheres dazu s.u. 2.2. 18 Vgl. Spanneut, Patience, und ders., Tertullien, 100–102 (Spanneut und Deléani werden im folgenden in eigener Übersetzung aus dem Französischen angeführt). 19 Tertullien, 101, mit Verweis auf zel 16;305 und Dem 20;394–397. 20 Patience, 8f; ähnlich schon Capmany, Miles, 322, ferner Molager, Don/pat, 152–154. Dass auch Tertullian die patientia im biblisch-eschatologischen Sinne verstanden hat, hat jüngst Jaffelin, Le temps, 447–459, zu zeigen versucht; er sieht Cyprian demgemäß stärker in Kontinuität zu Tertullian (ebd., 459f). 21 Patience, 8; vgl. ders., Tertullien, 101f.

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Die Taufe als ein auf Zukunft ausgerichteter Beginn

daher: „Das christliche Leben dient zur Entfaltung (épanouissement) der anfänglichen Gabe der Taufe. Es findet wesentlich in der Dauer (durée) statt“.22 Spanneut hat mit diesen Ausführungen einen wichtigen Aspekt der cyprianischen Theologie herausgestellt. Ob allerdings die Zeit der christlichen Existenz als eine Zeit der „Erfüllung“ bzw. „Reifung“ des in der Taufe gesetzten Anfangs bestimmt werden kann, scheint mir fraglich. Die dafür herangezogenen Belegstellen bezeugen eine solche Vorstellung keineswegs: pat 13;255–257 spricht, wie gezeigt, von der zukünftig-jenseitigen Erfüllung des in der Taufe gesetzten Anfangs, nicht von der christlichen Existenz in der Zeit;23 die Wendung maturum et pacatum tempus in ep 15,2,2;39f bezieht sich auf die Behandlung der lapsi-Frage, für die Cyprian zufolge die Zeit erst dann „reif“ ist, wenn die Kirche wieder Frieden hat;24 der Ausdruck gratia maturans in Don 2;32 bezeichnet nicht einen allmählichen Reifungsprozess, sondern im Gegenteil die göttliche Gnade, die den Empfänger im Akt der Taufe mit einem Schlag reif macht;25 auch die coepisse-Belege stützen eine solche Konzeption, wie zu zeigen sein wird, nicht. Cyprian versteht die christliche Existenz in der Zeit zwar als Realisierung der empfangenen Taufgnade, nicht jedoch als „Erfüllung“ eines in der Taufe gesetzten Anfangs bzw. als eine allmähliche „Reifung“ hin zur Vollendung. Deléani hat die Überlegungen Spanneuts zunächst in Verbindung mit den von ihr untersuchten „räumlichen und dynamischen Bildern (images) des Weges und des Gehens“26 und später in einer gesonderten Studie zum Zeitverständnis Cyprians aufgenommen und weitergeführt.27 Ohne das Gewicht des perseuerare und der Taufbewahrung für das cyprianische Denken zu bestreiten,28 versucht sie zu zeigen, dass die Zeit von Cyprian nicht nur als Gefährdung, sondern auch als „Gelegenheit des Heils“ gesehen werde.29 Er präsentiere das Leben des Getauften in zeitlicher Ausdehnung („en extension“) und deute vorsichtig an, „dass die Dauer notwendig sei [...], damit sich das in der Taufe ganz, aber in Potentialität Empfangene verwirkliche“.30 Spanneuts Ausführungen zur Zeit Gottes als „Erfüllung und Reifung des in der Taufe begonnenen Werkes“31 sieht sie durch ihre Analyse des Begriffs consummatio bei Cyprian bestätigt: Vollendung werde erreicht „am Ende eines langen Laufes in der Nachfolge Christi“, sei es durch das Martyrium, sei es durch ein gebotskonformes Alltagsleben, und sie werde verstanden als „Vollendung (achèvement) dessen in der Zeit, was in der Taufe und im Bekenntnis begonnen“ habe.32 Mit seiner Behauptung, das ewige Heil werde durch die Anstrengung jedes Tages erreicht,33 erweise Cyprian seine Originalität im Bereich des christlichen Denkens, auch wenn ____________

22 Tertullien, 101. 23 Auch die sonstigen Belege zu implere etc. bei Cyprian bestätigen diese These nicht. 24 Eine Reihe der von Spanneut herangezogenen Belege entstammt dem Bußkontext; in Bezug auf das paenitentiam agere spielt für Cyprian die rechte Zeitdauer eine wichtige Rolle; vgl. dazu Kap. 8 Anm. 170. 25 Conpendio gratiae maturantis hauriri steht im Gegenüber zu per moras temporum longa agnitione colligi (dazu s.o. Kap. 1). Von den weiteren Belegen zu maturus etc. bei Cyprian beziehen sich zwei auf wünschenswertes baldiges Sterben (mort 23;389f; 25;428f), wobei die fortdauernde Zeit nicht als Gelegenheit zur Reifung, sondern als Gefährdung begriffen wird. Lediglich laps 3;56–58 könnte hier herangezogen werden, wo die Vorstellung anklingt, ein Mensch könne für Martyrium und confessio reif bzw. noch nicht reif sein, ohne jedoch näher erläutert zu werden. 26 Deléani, Christum sequi, 104–110, Zitat S. 109. 27 Deléani, Croissance. 28 Vgl. ebd., 328–330. 29 Ebd., 330. 30 Christum sequi, 106; in Anm. 504 werden als Belege dazu genannt Don 5;81–84; pat 13;256 und orat 12;198f. 31 Zitat Spanneut, Patience, 9. 32 Christum sequi, 107 (Hvb. i.Or.); ähnlich Croissance, 332. 33 Christum sequi, 110; ähnlich Croissance, 331: „chaque journée vécue en conformité avec l’Evangile vaut au chrétien une plus grande gloire“.

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diese Vorstellung ebenso wie die dafür verwendete Ausdrucksweise, insbesondere die räumlichen Bilder, in gewisser Weise schon bei Seneca vorgegeben seien.34 Zur Begründung dieser Aussagen verweist Deléani auf lexikalische und syntaktische Untersuchungen, nicht zuletzt auf die auch von Spanneut genannten coepisse-Stellen.35 Die häufig anzutreffende Gegenüberstellung eines „inchoativen“ und eines „durativen“ Aspekts offenbare die cyprianische „intuition“, dass Zeit notwendig sei zur Erfüllung dessen, was begonnen habe.36 Eben dieses Zeitbewusstsein komme in seiner Verwendung räumlicher Bilder zum Ausdruck: „In Ermangelung einer logischen Erklärung bringen die räumlichen und dynamischen Bilder des Weges und des Gehens die Vorstellungen des Werdens (devenir) und der Entwicklung (évolution) zum Ausdruck.“ Statt von einer „évolution“ sei freilich besser vom „Wachstum“ (croissance) einer Sache zu sprechen, die schon vollständig ist, was sie sein wird.37 Die von Cyprian verwendeten Metaphern des Wachstums und besonders des Weges zeigten, dass er zumindest intuitiv die Vorstellung vertrete, „dass das geistgewirkte Sein der Entwicklung fähig ist und in der dem Menschen gewährten Zeit Fortschritte machen kann“.38 Trotz des Fehlens einer deutlichen Entwicklungs- bzw. Fortschrittsvorstellung sei es ihm so gelungen, „sich von dem unbeweglichen Bild [...] eines christlichen Lebens, das in der Bewahrung der empfangenen Gnade besteht, zu lösen [...] und dieses Bild durch eine dynamische Anschauung zu überholen“.39 Dem entspreche es, dass die eschatologische Ausrichtung der cyprianischen Paränese nicht nur eine Ausrichtung auf die zukünftigen Güter aus sich heraussetze, sondern auch eine „attente toute temporelle“.40 Zusammenfassend heißt es, die cyprianische „spiritualité“ sei in einer dynamischen Vorstellung des Glaubenslebens begründet,41 wobei die Forderung einer ständigen „sorgfältigen Nachahmung des Herrn“ und einer „pünktlichen Beobachtung seiner Gebote“ das übersetze, was für Cyprian „der Kern der christlichen Botschaft“ sei: „Durch Gehorsam und Nachahmung kann der Getaufte aus seinem irdischen Dasein ein echtes ‚Martyrium‘ machen und unter Ausnutzung der ihm von Gott gegebenen Zeit zum Reich gelangen“.42 Auch wenn seine Zeitvorstellung unsicher und zweideutig sei, sei klar, dass er dem Getauften zu einem Bewusstsein von der Notwendigkeit der Zeit für ein Leben in Erwartung der zukünftigen Güter und in Erfüllung des durch die Taufe wiedergeborenen Seins, letzteres verstanden als ein Fortschreiten auf dem durch die Taufe eröffneten Weg, verhelfen wolle.43 Eines aber stehe für ihn unzweideutig fest: „Die von dem Christen gelebte Zeit ist ausgespannt zwischen der Taufe und dem Tod, das heißt zwischen den Anfängen und der Erfüllung. Die Gegenwart trägt in sich ‚das Jetzt eines Reiches, das schon begonnen hat, und das Noch-nicht seiner sichtbaren Manifestation‘“.44 Deléanis Ausführungen bedeuten eine erhebliche Weiterführung und Vertiefung der Beobachtungen Spanneuts. Es handelt sich nicht mehr um vereinzelte Aussagen, sondern um ein ____________

34 Christum sequi, 110. 35 Vgl. Christum sequi, 108f mit Anm. 516 u.ö. 36 Ebd., 108; Deléani zufolge ist dies „une des intuitions profondes de la mentalité romaine“ (ebd., mit Hinweis auf Tacitus hist 4,53,4). 37 Ebd., 109. 38 Croissance, 332; vgl. S. 332–334 insgesamt. Die Beweiskraft der dafür angeführten, zum großen Teil von Spanneut übernommenen Belege, scheint mir, wie gezeigt, zweifelhaft. 39 Croissance, 331; vgl. Christum sequi, 109: Es handelt sich für den Christen darum „de persévérer sur la voi qui lui a été ouverte au baptême, de conserver ce qu’il a reçu, de développer ce qu’il a commencé d’être“. 40 Ebd., 331f. 41 Christum sequi, 110. 42 Ebd., 111; ähnlich Croissance, 330. 43 Croissance, 335f. 44 Ebd., 336; das Zitat stammt von Réveillaud, orat, 47.

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Die Taufe als ein auf Zukunft ausgerichteter Beginn

ganzes Konglomerat von Begriffen, Schriftzitaten und Ausdrucksformen, das die Argumentation trägt und begründet, darunter die in ihrer Bedeutung verteidigten coepisse-Stellen. Mit der Hervorhebung des dynamischen Charakters des cyprianischen Verständnisses christlicher Existenz in der Zeit im Gegenüber zum perseuerare und der Taufbewahrung hat Deléani einen grundlegenden Aspekt seiner Paränese herausgestellt, der im folgenden genauer herauszuarbeiten sein wird. Inwieweit dieser dynamische Aspekt mit Begriffen wie Evolution – diesen Begriff relativiert Deléani selbst –, Wachstum, spiritueller Fortschritt u.ä. angemessen zu beschreiben ist, scheint mir allerdings fraglich zu sein. Die von ihr mit Recht hervorgehobenen vielfältigen Weg- und Wandermotive verbinden sich in der Regel nicht mit Wachstumsvorstellungen. Es ist in der Tat so, dass Cyprian die christliche Existenz in der Zeit als Gehen eines Weges, als Hingelangen zu einem Ziel o.ä. beschreibt, aber die damit verbundene Paränese fordert vor allem dazu auf, den einmal eingeschlagenen Weg beizubehalten. Wann und wie das Ende dieses Weges und damit die Vollendung erreicht wird, hängt weniger vom Fortschritt des Menschen als vom Handeln Gottes ab, und auch wenn Cyprian längerer Leidenszeit einen theologischen Sinn beimessen kann, zieht er doch ein möglichst schnelles Erreichen des Endes eindeutig vor. Der Weg dorthin ist nicht so sehr eine Zeit des Wachstums und der Reifung als vielmehr eine Zeit dauernder Gefährdung und darum geforderter Bewährung.

Christen erhalten, wie gesehen, durch die Taufe Zugang zur Hoffnung auf das zukünftige Heil, noch nicht dieses selbst. Christliche Existenz in der Zeit spannt sich deshalb aus zwischen ihrem Anfang in der Taufe und ihrem Ziel im zukünftig-jenseitigen Reich Gottes. Die von Spanneut und Deléani erörterte Frage, wie Cyprian diese Zeit versteht, ist für das Verständnis seiner Paränese von grundlegender Bedeutung. Zwei Aspekte erweisen sich hier als dominant: das Verharren bei dem, was der Christ durch die Taufe geworden ist bzw. zu sein begonnen hat, und das Streben, zum zukünftig-jenseitigen Ziel zu gelangen, ein durativer und ein dynamischer Aspekt.45 Verdichtet sich der durative Aspekt in der cyprianischen Verwendung des Verbums perseuerare,46 so lässt sich der dynamische Aspekt auf die Formel ‚peruenire ad salutem‘ bringen. Die von Spanneut und Deléani hervorgehobenen, in der Tat auffälligen, zahlreichen (esse) coepisse-Aussagen im Kontext der cyprianischen Paränese sind, wie sich zeigen wird, dem ersten Aspekt zuzuordnen,47 die von Deléani diskutierte Vorstellung eines „Wachstums“ bzw. eines „geistlichen Fortschritts“ dem zweiten.

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45 Vgl. Deléani, Croissance, 328–331, und dies., Christum sequi, 106–110. Dass die beiden aus Gründen der Übersichtlichkeit zu trennenden Aspekte für Cyprian sachlich zusammengehören, zeigt prägnant die abschließende Mahnung der Schrift De habitu uirginum: durate fortiter, spiritaliter pergite, peruenite feliciter (habit 24;205,3f). 46 Daneben werden in ähnlicher Weise Verben wie durare, insistere, manere, permanere u.a. gebraucht. 47 Entsprechend verfährt Deléani, Croissance, 329f.

2. Der durative Aspekt der cyprianischen Paränese

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2. Der durative Aspekt der cyprianischen Paränese: das Verständnis christlicher Existenz in der Zeit als Beharren bei dem in der Taufe gesetzten Anfang 2.1 Christliche Existenz in der Zeit als perseuerare Da die Frucht des Glaubens und der Hoffnung grundsätzlich zukünftig ist, bedarf der Getaufte, um zur Vollendung zu gelangen, der Beharrlichkeit. Zwei Momente dieses in der Zeitstruktur christlicher Existenz begründeten, für die cyprianische Paränese charakteristischen perseuerare treten in dem bereits herangezogenen Abschnitt pat 13 hervor: Zunächst wird es mit Zitaten von Mt 24,13par48 und Joh 8,31f49 als ein ausdauerndes, die Widrigkeiten und Mühen christlicher Existenz in der Welt ertragendes Ausharren in Glauben und Hoffnung bis zum Erreichen des Ziels bestimmt,50 danach in Auslegung von Gal 6,10.951 als geduldiges und tapferes Beharren in den Werken der Barmherzigkeit:52 Wer durch Ungeduld in der Praktizierung solcher Werke nachlässt oder durch Versuchungen vom Weg des Ruhmes abkommt, verliert damit, was er zuvor erreicht hat.53 Die Christen werden deshalb in Apk 3,1154 dazu ermahnt, „geduldig und tapfer auszuharren, damit der, der sich auf einen dem Kranz bereits nahen Ruhm stützt, mit Hilfe andauernder patientia (auch tatsächlich) bekränzt werde“.55

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48 Qui tolerauerit usque ad finem hic saluus erit (Z. 244). Mt 24,13par wird bei Cyprian häufig zitiert (Quir 3,16;36; Fort 8;7f; unit 21;495f; ep 12,1,3;23f; ep 14,2,2;45f; in Fort 11;20–60 wird Mt 24,4–31 insgesamt angeführt) bzw. angespielt (pat 7;150f). Die Wiedergabe von υ πομε' νειν schwankt zwischen tolerare (viermal), perseuerare (zweimal) und sustinere (einmal). Zu weiteren Variationen vgl. von Soden, Das lateinische Neue Testament, 76f, sowie S. 64.149; die VL-Database verzeichnet als hauptsächliche Übersetzungen perseuerare und permanere. 49 Si permanseritis in uerbo meo, uere discipuli mei estis: et cognoscetis ueritatem, et ueritas liberabit uos (Z. 244–246). Der Text wird auch in Fort 8;8–10 neben Mt 24,13par zitiert. 50 Z. 243–249; perseuerare steht hier deshalb neben tolerare, das bei Cyprian in der Regel das Ertragen von Leiden und Widrigkeiten bezeichnet. Vorbild eines solchen perseueranter ac iugiter tolerare bis zum Ende ist Christus (pat 7;150–152). 51 Ergo dum tempus habemus, operemur quod bonum est ad omnes, maxime uero ad domesticos fidei. bonum autem facientes non deficiamus: tempore enim suo metemus (Z. 260–263). Der Text wird noch in op 24;503–506 zitiert; zur Textgestalt vgl. Deléani, Croissance, 333. 52 Cyprian deutet die Formulierungen operemur quod bonum est bzw. bonum facientes des Paulus-Zitates als Umschreibung von Werken der Barmherzigkeit; zu diesem auffälligen Verständnis von operari etc. s.u. Kap. 3 Anm. 59. 53 Z. 257–270; Cyprian zitiert dazu die harsche Aussage von Ez 33,12b: iustitia iusti non liberabit eum in quocumque die exerrauerit (Z. 266f; ebenfalls zitiert in Fort 8;5–7). – Der Begriff patientia umfasst demnach, wie von Spanneut, Patience, gezeigt, sowohl die beharrliche Zukunftsorientierung (bedeutungsverwandt mit perseuerare; vgl. pat 13;268–270; 21;419f u.ö.) als auch das Ertragen von Leiden und Widrigkeiten (ähnlich wie tolerare; vgl. pat 12;241f; 20;405–407 u.ö.). 54 Tene quod habes ne alius accipiat coronam tuam (Z. 267f). 55 Quae uox adhortatur patienter et fortiter perseuerare, ut qui ad coronam laude iam proxima nititur durante patientia coronetur (Z. 268–270). Weil Cyprian das Erreichen des „Kranzes“ streng zukünftig denkt, interpretiert er das quod habes des Zitates als ad coronam laude iam proxima nititur!

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Die Taufe als ein auf Zukunft ausgerichteter Beginn

Nur wer bis zum Ende ausharrt im geduldigen Ertragen von Widrigkeiten wie im beharrlichen Tun von Werken der Barmherzigkeit,56 wird das verheißene Heil tatsächlich erlangen.57 Von hier aus ist das Gewicht des perseuerare zu ermessen: Wer nicht in tätiger Anspannung ausharrt bei dem, was in der Taufe seinen Anfang genommen hat, und durchhält bis zuletzt, für den zählen frühere Leistungen nicht mehr; nicht bloß ein Rückschlag auf dem Weg nach oben droht hier, sondern der totale Verlust des Erlangten.58 Die beiden aufgezeigten Aspekte des perseuerare treten auch in der cyprianischen Ermahnung der Konfessoren hervor. Die Konfessoren verkörpern die Zeitstruktur christlicher Existenz in besonders intensiver Weise, da sie den Weg zum Martyrium, dem höchsten erreichbaren Ruhm, schon betreten, das Ziel aber noch nicht erreicht haben.59 Am Anfang der decischen Verfolgung ermahnt Cyprian die eingekerkerten Konfessoren, tapfer und standhaft im Bekenntnis des himmlischen Ruhmes zu verharren (perseuerare), um so nach Betreten dieses Weges auch zum Empfang des (Märtyrer-) Kranzes zu gelangen.60 Bezieht sich die Ermahnung zum perseuerare hier auf das standhafte Ertragen der zu erwartenden Leiden,61 so gewinnt dieselbe Mahnung nach der Entlassung der Konfessoren aus dem Kerker einen deutlich anderen Sinn: Die Aufforderung, den durch den Sieg über den Widersacher erworbenen Ruhm mit starker, beharrlicher Tapferkeit festzuhalten,62 wird jetzt als Verharren auf dem „schmalen Weg“ durch besonders konsequentes Tun des von allen Christen Geforderten konkretisiert.63 Hier wie dort erfordert der ruhmreiche Anfang ein konsequentes perseuerare, soll der damit angestrebte Lohn tatsächlich erreicht werden, gilt doch auch für die Konfessoren, dass nur der gerettet sein wird, der bis zum Ende ausharrt.64 Erreicht haben dieses Ziel neben den Märtyrern auch diejenigen, die nach ihrem Bekenntnis im Gefängnis gestorben sind, ohne zuvor gefoltert ____________

56 Zum perseuerare in „guten Werken“ vgl. noch zel 16;295f und ep 18,2,1;22f. 57 Vgl. habit 21;202,22–26, wo es heißt, dem Ausharrenden (perseueranti) werde die Unsterblichkeit gegeben, dauerndes Leben verheißen und vom Herrn das Reich versprochen, und daraus die Aufforderung an die Jungfrauen abgeleitet wird, zu bewahren, was sie zu sein begonnen haben und daher zukünftig sein werden; Näheres zu diesem Imperativ s.u. 2.2. – Vgl. auch Minucius Oct 36,9: Gott prüft den Willen des Menschen usque ad extremam mortem (34,32f Kytzler). 58 Vgl. Rabbow, Seelenführung, 264, zu entsprechenden Vorstellungen im Kontext philosophischer, insbesondere stoischer Seelenführung: „[...] Nachlassen in der Philosophie ist Verlassen; ja, ein kleiner Fehltritt vernichtet alles, was zuvor errungen“. 59 Zur Bedeutung des Begriffs confessor bei Cyprian vgl. etwa Hummel, Concept, 5–22, bes. S. 11–14. 60 Ep 6,1,2;15–18. 61 Zur Verwendung von perseuerare etc. in entsprechenden Kontexten vgl. noch ep 10,2,1;27; ep 11,8;158 sowie ep 5,1,2;11f. Vgl. ferner ep 60,5,1;88–92; ep 63,13,2;233–236 und ep 58,6,3;148f. 62 Ep 13,2,1;16–18 (fortis et perseuerans uirtus). 63 Ep 13,3,1;32–38; zum Motiv des schmalen Weges s.u. 3.2. Als Vorbild für solches Verhalten nennt Cyprian in ep 14,2,3;52f Paulus. Zur historischen Situation dieser beiden – zwischen ep 6 und ep 12 zu datierenden – Briefe vgl. Duquenne, Chronologie, 68–75, und Clarke I, 254f.261f. 64 Vgl. dazu bes. unit 20;480–21;525. Zu beharrlicher Standhaftigkeit angesichts eines drohenden Schismas werden die Konfessoren in ep 43,7,1;142–144 aufgefordert.

2. Der durative Aspekt der cyprianischen Paränese

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worden zu sein, haben sie doch „bis zum Tod treu, standhaft und unbesiegbar ausgeharrt“.65 In der später verfassten Martyriumsparänese Ad Fortunatum66 widmet Cyprian der Notwendigkeit des perseuerare als der unabdingbaren Voraussetzung dafür, zum Ziel zu gelangen, ein eigenes Kapitel (Fort 8), dessen Aussagen über den speziellen Anlass der Schrift hinausreichen: „Man muss im Glauben und in der Tapferkeit und in der Vollendung der himmlischen, geistlichen Gnade beständig verharren67, um zur Siegespalme und zum (Sieges-) Kranz gelangen zu können.“68

Perseuerare in fides und uirtus heißt hier offenbar, allen Angriffen mit beharrlicher Standfestigkeit entgegenzutreten und sich nicht zur Abwendung vom Glauben verleiten zu lassen. Fides und uirtus begegnen bei Cyprian überaus häufig als Begriffspaar, insbesondere im Kontext der Martyriumsparänese. In dieser Verbindung meint uirtus in der Regel die im Festhalten der Glaubensüberzeugung trotz Bedrohung bewährte Tapferkeit, fides dagegen die darin zum Ausdruck kommende Treue zu Christus bzw. das Vertrauen auf die göttliche Hilfe;69 sie erweisen sich vor allem im mannhaften Ertragen von Leiden. Überraschend ist die Rede von einem perseuerare in der caelestis ac spiritalis gratiae consummatio, bezeichnet doch consummatio in der Regel die Vollendung. Die Formulierung ist offenbar ein Hinweis darauf, dass die zukünftige Vollendung ____________

65 Vsque ad mortem fideles et stabiles et inexpugnabiles perseuerauerunt (ep 12,1,2;14–3;30, Zitat Z. 27f nach der von Diercks mit einigen MSS mit Recht favorisierten Lesart; die Mehrzahl der Zeugen, denen Hartel folgt, liest peruenerunt). Cyprian zitiert dazu neben Mt 24,13par noch Mt 10,32 und Apk 2,10c. Zur historischen Situation vgl. Duquenne, Chronologie, 79–86, und Clarke I, 247f, zur cyprianischen Erweiterung des Martyriumsbegriffs s.u. Kap. 8.2.2. 66 Zu den kontroversen Abfassungsverhältnissen der Schrift Ad Fortunatum vgl. auf der einen Seite Koch, CU, 149–183: „im Frühjahre 253“ (Zitat S. 182 [Hvb. i.Or.]), dem u.a. Alföldy, Der Heilige Cyprian, 302f mit Anm. 39, und Butterweck, „Martyriumssucht“, 179 Anm. 263, zustimmen, auf der anderen Seite etwa Monceaux, HAC II, 253: im Jahr 257, und Sage, Cyprian, 382: „most likely“ im Jahr 257 (mit scharfer Kritik an der Methodik Kochs); ebenso Gülzow, HLL 4 (1997), §478 C.18 (S. 572). Unstrittig ist, dass die Schrift am Vorabend einer drohenden Verfolgung verfasst worden ist. Wiederholte Bezugnahmen auf Probleme im Kontext der decischen Verfolgung (vgl. Fort 11;152–157: Polemik gegen anmaßendes Verhalten von Konfessoren; 11;192–212: Elieser als Gegenbild zu den sog. libellatici) sprechen m.E. für die frühere Datierung. 67 Das Verbum insistere dient der pleonastischen Verstärkung von perseuerare. In entsprechender Bedeutung verwendet Cyprian es auch in pat 24;480f; op 7;139; unit 2;22.35 u.ö.; vgl. auch Deléani, Christum sequi, 114 Anm. 526. 68 Insistendum esse et perseuerandum in fide et uirtute et caelestis ac spiritalis gratiae consummatione ut ad palmam et coronam possit perueniri (Fort 8tit). 69 Die Junktur fides uirtusque o.ä. ist auch in vorcyprianischen paganen Texten nicht selten anzutreffen. Besonders häufig findet sie sich bei Livius (vgl. 24,5,14; 4,40,9; 8,36,12 u.ö.), aber auch bei anderen Autoren begegnet sie (vgl. Sallust Cat 20,2; Cicero Sest 68; Sull 42 u.ö.; Tacitus Ann 3,61,1 u.ö.); überwiegend steht sie in militärischem Kontext. Cyprian rezipiert damit offenbar ein bekanntes Begriffspaar und verwendet es weitgehend in überkommener Weise, auch wenn der Begriff fides im christlichen Kontext eine spezifische Prägung erhält. Bei Tertullian findet sich eine entsprechende Verwendung dieses Begriffspaars nicht.

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schon gegeben ist, es aber zugleich darauf ankommt, bei ihr zu verharren, um sie zum sicheren Besitz zu machen.70 Das Ziel des perseuerare ist das Erreichen des verheißenen Lohnes.71 Cyprian begründet die Titelaussage zunächst mit vier Zitaten zu den Folgen des Nicht-Beharrens (2Chr 15,2; Ez 33,12) bzw. der Forderung des Beharrens (Mt 24,13par; Joh 8,31f).72 Es folgen fünf Zitate, die durch das Thema Kampf- und Leidensbereitschaft verbunden sind (Lk 12,35; 1Kor 9,24f; 2Tim 2,4f; Röm 12,1f; Röm 8,16f); Cyprian interpretiert demnach das perseuerare im Sinne der militia Christi.73 Der letzte Teil des Kapitels nimmt das Stichwort perseuerare wieder auf und verbindet es mit dem Kampfmotiv. Cyprian zitiert Apk 3,1174 und deutet dann die Haltung des Mose in der Schlacht gegen Amalek als exemplum perseuerandi et permanendi (Z. 31f): Er habe den Widersacher nur besiegen können, solange er mit zum Zeichen des Kreuzes erhobenen Händen beständig ausgeharrt habe.75

Christliche Existenz in der Zeit wird also von Cyprian grundlegend unter dem Aspekt des perseuerare betrachtet, das im Anschluss an den häufig zitierten Text Mt 24,13par als perseuerare usque ad finem präzisiert wird. Von der Taufe her auf das zukünftig-jenseitige Heil hin orientiert, kommt es für die Christen zuerst und vor allem darauf an durchzuhalten, bis jenes Ziel erreicht ist, und das heißt für Cyprian: bis zu dem Zeitpunkt, an dem von außen das Ende und damit die Vollendung gesetzt wird.76 Das geforderte perseuerare wird sowohl als Beharrlichkeit im Tun des Gebotenen wie auch als standhaftes, unbeirrbares Ertragen bzw. Aufsichnehmen der Widrigkeiten der Welt und der Angriffe des Widersachers entfaltet.77 Nur wer so, tätig und ertragend, in fides und uirtus beharrt, wird des zukünftigen Lohnes teilhaftig werden. Wenn Cyprian die erste Vaterunserbitte interpretiert als Bitte darum, „dass wir, die wir in der Taufe geheiligt worden sind, in dem verharren, was wir zu sein begonnen haben“,78 so verbindet sich das Motiv des perseuerare sowohl mit dem der Taufbewahrung als auch mit dem Verständnis der Taufe als eines Beginns, bei dem es zu verharren gilt, um zur Vollendung zu gelangen.79

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70 Vgl. auch orat 16;283–294. 71 Zur cyprianischen Verwendung der Begriffe palma und corona zur Bezeichnung der zukünftigen Belohnung s.u. Kap. 8.1.3. 72 Drei der ersten vier Zitate werden, wie gesehen, auch in pat 13 angeführt. 73 Vgl. auch ep 10,4,3;70–80 sowie Fahey zu den genannten Texten. 74 Auch dieser Text wird in pat 13 zitiert. 75 Cyprian führt dazu Ex 17,11–14 an. 76 Vgl. mort 17;293f und dazu Kap. 8.1.2. 77 Das Motiv des perseuerare berührt sich hier eng mit dem in Kap. 5.2.2 zu erörternden Thema der Standhaftigkeit. 78 [...] ut qui in baptismo sanctificati sumus in eo quod esse coepimus perseueremus (orat 12; 198f). 79 Perseuerare ist hier sachlich gleichbedeutend mit seruare in Z. 214f, unterstreicht aber im Gegenüber zum esse coepisse den durativen Aspekt der Taufbewahrung; vgl. auch orat 23;442f und pat 16;311–314, zur Sache auch Kap. 3. – Cyprian spricht auch vom perseuerare im Stand der uirginitas (habit 5;191,12f; 22;203,15–18; ep 4,2,3;42–46).

2. Der durative Aspekt der cyprianischen Paränese

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2.2 (Esse) Coepisse-Formulierungen im Zusammenhang der cyprianischen Paränese In den Schriften Cyprians findet sich eine Vielzahl von Aussagen, in denen die Existenz der Christen durch das Verbum coepisse (gelegentlich auch incipere) in Verbindung mit einem Infinitiv (in der Regel esse) zum Ausdruck gebracht wird. Die Häufigkeit dieser Ausdrucksweise hat die Cyprian-Forschung wiederholt zu Stellungnahmen herausgefordert und zu unterschiedlichen Beurteilungen geführt. Ihr Gewicht für das cyprianische Verständnis christlicher Existenz in der Zeit erfordert eine erneute Überprüfung der relevanten Belege.80 Während Watson und Bayard in dieser Konstruktion mit bloßer Hilfsverbfunktion des coepisse ohne semantisches Gewicht rechnen,81 interpretieren Schrijnen-Mohrmann diese Verbindung als Umschreibung von Aktionsarten, insbesondere der „ingressive(n) Aktion“,82 aber auch als Mittel, „einem an sich durativen Verbum eine terminative oder punktuelle Bedeutung beizulegen“;83 gelegentlich rechnen sie mit „bloss pleonastisch(er)“ Verwendung.84 Eine theologische Deutung dieses auffälligen sprachlichen Phänomens ist, wie erwähnt, von Spanneut vorgetragen worden: „Die Taufe wird mehr als zwanzig Mal als ein Anfang dargestellt, dessen Erfüllung das christliche Leben ist“,85 freilich mit dem relativierenden Zusatz, angesichts der gehäuften Verwendung könne man sich fragen, ob coepisse nicht zu einem bloßen morphologischen Instrument ohne semantische Bedeutung geworden sei.86 Für Deléani ist die Verwendung des Verbums coepisse, insbesondere in der periphrastischen Verbindung mit einem Infinitiv und einem Begriff, der die Dauer zum Ausdruck bringt, ein besonders interessantes Beispiel für die bei Cyprian häufigen „oppositions ‚aspectuelles‘ [...] entre un terme ‚inchoatif‘ appliqué au baptême, ou à la confession, et un terme ‚duratif‘, appliqué au déroulement de la vie chrétienne [...]“.87 In dieser Umschreibung einen einfachen Ersatz des Futurs zu sehen,88 lehnt sie mit Hinweis auf die sprachliche Meisterschaft Cyprians ab, die eine undifferenzierte Verwendung des Futurs und der Periphrase mit coepi nicht erlaube, und sie unterstreicht die „Originalität der Verwendung von coepi zur Bezeichnung des Eintritts in das neue Leben in der Taufe oder im Bekenntnis“ im Vergleich mit Tertullian.89 Es sei freilich nicht immer einfach auszumachen, ob mit dem Gebrauch von coepi die Taufe als „ein zeitlicher Ausgangspunkt“ oder als „ein ‚An____________

80 Die folgende Durchsicht beschränkt sich im wesentlichen auf Belege zu coepisse c. inf., die im Kontext der Paränese stehen. Unberücksichtigt bleiben u.a. Futurumschreibungen mit coepisse oder incipere c. inf.; vgl. dazu Schrijnen-Mohrmann II, 19–24, und Merkx, 98–101. Merkx, 75.100, deutet auch einige der im folgenden diskutierten Stellen (mort 2;29; orat 9;142f) als Futurumschreibungen; der jeweilige Kontext spricht m.E. nicht für diese Deutung. 81 Vgl. Watson, Style, 239 Anm. 1, und Bayard, Le latin, 99f. 82 Schrijnen-Mohrmann II, 11f (Zitat S. 11 [i.Or. gesperrt]); vgl. I, 26. Vgl. auch LHS §168c und §178cα sowie Kühner-Stegmann II/2, 569f. 83 A.a.O., 12. 84 Ebd., 49–51, Zitat S. 49; als Beleg dazu wird ep 65,1,1;7 genannt. 85 Patience, 8 (Belege S. 8f; esse coepisse wird mit „commencer à être“ wiedergegeben); vgl. ders., Tertullien, 101f. 86 Patience, 10 Anm. 35 (wiederholt ders., Tertullien, 102 Anm. 108). 87 Deléani, Croissance, 329; vgl. dies., Christum sequi, 108f. 88 Deléani schreibt diese Auffassung zu Unrecht Schrijnen-Mohrmann zu (Croissance, 329, mit S. 338 Anm. 26; ebenso Christum sequi, 109 mit Anm. 516), die, wie gezeigt, verschiedene Verwendungsweisen unterscheiden. 89 Croissance, 329f, Zitat S. 330.

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fang‘ im eschatologischen Sinne“ verstanden ist, „das heißt, dass sie von jetzt an, aber ‚en figure‘ gibt, was Gott herbeiführen wird, wenn die Zeiten gekommen sein werden“.90 Häufig erlaube jedoch der Kontext eine Klärung im Sinne des ersteren, besonders wenn coepi mit einem durativen Verb verbunden werde.91 Diese Formeln erinnerten an entsprechende Formulierungen, die Seneca gebrauche, um Lucilius zur Fortsetzung der in Angriff genommenen „Bekehrungsarbeit (travail de conversion)“ zu ermutigen,92 wobei es sich freilich für Cyprian weniger um die „Fortsetzung einer Aktion“ als um den „Erhalt des durch die Taufe wiedergeborenen Seins durch die Zeit hindurch“ handle.93

Gegenüber einem generellen Urteil bezüglich der fraglichen coepisse-Aussagen ist Zurückhaltung angebracht, da die verschiedenen Belege zum Teil unterschiedlichen Charakter haben. An einigen Stellen ist mit einer variierenden Umschreibung des Perfekts von fieri o.ä. zu rechnen, ohne dass ein ingressiver Aspekt erkennbar würde. Wenn es etwa in zel 14;250–253 in einer Reihung von fünf si-Sätzen neben je zwei präsentischen und perfektischen Formulierungen an zweiter Stelle heißt: si templa eius (sc. dei) esse iam coepimus, noch dazu nach vorangehendem si filii dei sumus, dann ist kaum einzusehen, welchen Sinn hier ein Inchoativ haben könnte.94

Wiederholt nehmen coepisse-Aussagen auf die Taufe als den Anfangspunkt (eines Aspektes) der christlichen Existenz Bezug, ohne dass dieser damit als durch das christliche Leben zu erfüllen oder weiterzuentwickeln verstanden würde. Das coepisse verleiht den mit ihm verbundenen Infinitiven einen ingressiven Aspekt und unterstreicht so die Bezugnahme auf die Taufe. Entsprechende Formulierungen finden sich sowohl in beschreibenden Charakterisierungen christlicher Existenz als auch in paränetischen Ausführungen, in denen die Christen aufgefordert werden, das, was sie durch die Taufe geworden sind, nun auch in ihrer Existenz zu bewahren. In Don 15;310–312 heißt es, der Getaufte sei zu einem Haus geworden, in dem Christus sich niedergelassen (insedit) und der Heilige Geist Wohnung genommen habe (coepit habitare); bei____________

90 Croissance, 330. 91 Als Beispiele werden genannt Don 5;83f und habit 22;202,25f. 92 Deléani, Croissance, 339 Anm. 30, verweist dazu auf Seneca ep 4,1: perseuera ut coepisti (5,19 Reynolds), und ep 20,6: preme quod coepisti (54,19 Reynolds). Die für Cyprian charakteristische, auch in paganer Literatur verbreitete Konstruktion coepisse c. inf. findet sich hier freilich nicht. 93 Ebd., 330. – Eine Sonderthese zu den zahlreichen coepisse-Belegen in der Schrift De oratione vertritt Réveillaud, orat, 47f: Obwohl er davon ausgeht, dass die untersuchte Konstruktion bei Cyprian „‚commencements‘ au sens eschatologique“ bezeichnen kann, meint er, die coepisse-Aussagen dieser Schrift bezeichneten die Neugetauften, die „débutants“, die ihr neues Leben als Kinder Gottes gerade begonnen hätten; diese würden damit als Adressaten der Schrift erwiesen. Gegen diese These ist zum einen einzuwenden, dass entsprechende taufbezogene coepisse-Formulierungen auch in anderen Traktaten Cyprians wiederholt begegnen (bes. in Don, zel und habit), derselbe Adressatenkreis daher auch für diese Schriften angenommen werden müsste, was sehr unwahrscheinlich ist. Zum anderen ist es methodisch fragwürdig, für eine bei Cyprian häufig begegnende Ausdrucksweise in einer Schrift eine Sonderbedeutung anzunehmen. 94 Entsprechendes gilt für die Reihung in zel 10;181–184.

2. Der durative Aspekt der cyprianischen Paränese

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des bezeichnet in gleicher Weise einen durch die Taufe nicht bloß anfangsweise, sondern vollkommen hergestellten Zustand.95 Entsprechendes gilt etwa für die in coepisse-Formulierungen begegnende Aussage, die Christen seien filii dei geworden,96 und etliche weitere Stellen.97 In orat 23;442–444 steht die Wendung qui filii dei esse coepimus parallel zu quales nos fecit (sc. deus) secunda natiuitate, und sie wird paränetisch verbunden mit der Aufforderung an die Getauften, so zu bleiben (perseuerare, manere), wie sie durch die Taufe geworden sind. Das esse coepisse impliziert hier keineswegs die Vorstellung, die Taufe habe lediglich einen Anfang gesetzt, sondern begründet die Aufforderung, den durch die Taufe hergestellten Zustand zu bewahren.98

In einer Reihe von Texten werden esse coepisse-Formulierungen verwendet, um die Forderung tätiger Entsprechung zu dem in der Taufe begründeten neuen Sein zu untermauern. Das von Cyprian in solchen Ausführungen wiederholt eingefügte Adverb iam unterstreicht, dass es um Entsprechung zu etwas bereits Empfangenem, nicht um Erfüllung oder Weiterentwicklung geht. Die Schrift De mortalitate soll dazu beitragen, dass derjenige, qui homo dei et Christi esse iam coepit, durch sein Verhalten in der Bedrängnis dessen auch für würdig gehalten werde (mort 1; 13f). Nach orat 11;186–188 darf das christliche Handeln nicht von der Art des Geistes abweichen, ut qui spiritales et caelestes esse coepimus non nisi spiritalia et caelestia cogitemus et agamus.99

Die (esse) coepisse-Formulierungen haben hier überall appellativen Charakter. Es handelt sich um eine Form paränetischer Argumentation, die als solche mit einer besonderen Zeitstruktur christlicher Existenz nichts zu tun hat. Nicht darum geht es, dass in der christlichen Existenz „erfüllt“ werden müsste, was in der Taufe bloß begonnen hat. Vielmehr scheint Cyprian der emphatischen Erinnerung an das, was Christen von der Taufe her bereits sind, einen besonderen paränetischen Wert beizumessen. Die Grundstruktur dieser paränetischen Argumentation ist in Don 5;81–84 zu erkennen: „Aber wenn du den Weg der Unschuld, den Weg der Gerechtigkeit [...] festhältst, wenn du, mit allen Kräften und ganzem Herzen an Gott hängend, allein das bist, was du zu sein begonnen

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95 Vgl. die entsprechende Formulierung mit incipere in ep 69,15,2;354f und dazu SchrijnenMohrmann II, 11: das durative habitare erhält durch incipit einen ingressiven Aspekt. 96 Vgl. orat 9;133–135 (filius esse iam coepit, parallel dazu in Z. 138 factus est dei filius) und 10;154f. In orat 10;170f und 13;239–243 steht entsprechendes esse coepisse im Gegenüber zu desinere bzw. cessare. 97 Vgl. Don 4;67 (dei esse coepisse, quod iam spiritus sanctus animaret, im Gegenüber zur früheren Existenzweise); Don 4;72–74 (zitiert Kap. 1 Anm. 83); ferner habit 2;189,6; orat 9;140–143; op 2;38–41 (cute [...] et corpore mundum esse coepisse, parallel zu id quod foris est repurgasse); mort 26;437–440. Vgl. noch orat 17;310f (qui adhuc terreni sunt et necdum caelestes esse coeperunt) im Gegenüber zu Z. 322f (ut qui adhuc sunt prima natiuitate terreni incipiant esse caelestes ex aqua et spiritu nati). 98 Entsprechendes gilt für orat 12;197–199 (s.o. Anm. 78) und Z. 209–211 sowie für orat 36; 688f; vgl. ferner, bezogen auf die uirginitas, habit 22;202,25. 99 Vgl. ebenso op 26;551–553; pat 16;318–322; orat 19;352–355 sowie habit 2;188,16f.

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hast, (dann) wird dir so viel an Ermächtigung gegeben, wie an geistlicher Gnade in dir wächst“.100

Hoc esse tantum quod esse coepisti kann als kurzgefasste Zielbestimmung der cyprianischen Paränese verstanden werden. Die parallele Formulierung in den ersten beiden si-Sätzen, innocentiae bzw. iustitiae uiam tenere,101 zeigt, wie sie zu verstehen ist: nicht im Sinne eines ‚Werde, der du bist!‘, sondern im Sinne eines ‚Sei (und bleibe), der du geworden bist!‘102 Darauf kommt es für den Getauften in der tätigen christlichen Existenz an, das – und nur das – zu sein, was er aufgrund der Taufe schon ist. Cyprian kann darum sagen: „Das himmlische Bild aber können wir nur dann tragen, wenn wir in dem, was wir jetzt zu sein begonnen haben, Ähnlichkeit mit Christus zeigen. Denn das heißt verändert haben, was du gewesen warst, und geworden sein, was du nicht warst, dass in dir die göttliche Geburt aufleuchte, dass die gottgegebene disciplina Gott dem Vater entspreche [...]“.103

Cyprian formuliert hier offenbar ein Paradox: Nur wenn die durch die Taufe geschenkte Erneuerung – die Formulierung quod esse nunc coepimus umschreibt das neue Sein des Getauften im Gegensatz zur früheren Existenz als homo terrenus – in der similitudo Christi bzw. dei zum Tragen kommt, hat sie tatsächlich stattgefunden. Nicht um die Erfüllung eines anfangsweise Gegebenen geht es dabei, sondern um die Realität des Anfangs, das heißt des esse coepisse selbst. Der Passus bringt damit auf eindrückliche Weise die für Cyprian charakteristische innige Verquickung zwischen Taufe und „vie baptismale“ zum Ausdruck. Demgemäß warnt er vor einem Nachlassen in den Werken der Barmherzigkeit, damit niemand auf dem Weg des Ruhmes aufhöre und das Vergangene (praeterita) nicht zugrunde gehe, „da (sonst), was vollkommen zu sein begonnen hatte, aufhört (es zu sein)“.104 Die Formulierung quae coeperant [...] esse perfecta bezieht sich auf den mit und seit der Taufe eingeschlagenen Weg des Ruhmes; ____________

100 Ceterum si tu innocentiae, si iustitiae uiam teneas [...], si in deum uiribus totis ac toto corde suspensus hoc sis tantum quod esse coepisti, tantum tibi ad licentiam datur, quantum gratiae spiritalis augetur. – Licentia ist hier im Sinne von Macht, Vollmacht, Ermächtigung zu verstehen, geht es doch, wie die Fortsetzung zeigt, um das dem Wachstum der Gnade korrespondierende Ausmaß der Befähigung (Z. 84–90: Wachstum der zu empfangenden Gnade, Z. 90–108: daraus resultierende Befähigung); ähnlich versteht Capmany, Miles, 209, die Aussage. Zur Kritik der Übersetzung Molagers, Don/pat, 87 („la liberté t’est donnée à la mesure de l’accroissement en toi de la grâce spirituelle“), vgl. Deléani, Rez., 158. 101 Innocentiae und iustitiae sind gen. def.: „die Art, nicht das Ziel des Weges“ ist gemeint (Merkx, 5). Vgl. ebenso Don 4;76f: sit tantum timor innocentiae custos. 102 Kneller, Sacramentum, 688, paraphrasiert wie folgt: „Es kommt nur darauf an, das festzuhalten, was du bereits empfangen hast, das im vollen Sinn zu sein und auszuwirken, was zu sein du bereits begonnen hast“; vgl. ebd., 693f sowie S. 684f. 103 Imaginem autem caelestem portare non possumus, nisi in eo quod esse nunc coepimus Christi similitudinem praebeamus. hoc est enim mutasse quod fueras et coepisse esse quod non eras, ut in te diuina natiuitas luceat, ut ad patrem deum deifica disciplina respondeat [...] (zel 14;267–15;272, als Kommentar zu 1Kor 15,47–49). 104 [...] dum quae coeperant desinunt esse perfecta (pat 13;263–266); zum Kontext s.o. 2.1.

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dass Cyprian hier von perfecta spricht, ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass das esse coepisse nichts zu tun hat mit anfänglicher Unvollkommenheit. Das Vollkommene ist, sofern die Taufe tätig bewahrt wird, bereits gegeben, bleibt aber gefährdet. Darum kommt es darauf an, beim Empfangenen zu verharren. Die untersuchten coepisse-Stellen lassen in der großen Mehrzahl der Fälle eine ingressive Bedeutung des coepisse erkennen; als bloßes „morphologisches Instrument“ ist es nur an wenigen Stellen zu beurteilen.105 Die mehr als 30mal belegte Verbindung esse coepisse ist als ein stehender Ausdruck zu betrachten, der offenbar als Ersatz für ingressive Perfektformen anderer Verben bzw. zur Betonung des ingressiven Aspekts dient. Die Grundbedeutung dürfte als „(von einem bestimmten Zeitpunkt an etwas) geworden sein“ zu bestimmen sein. Häufig ist mit den coepisse-Formulierungen ein Rückverweis auf den Beginn der christlichen Existenz in der Taufe intendiert,106 der in der Regel eine appellative Funktion hat und damit als paränetisches Motiv fungiert. Das wiederholt hinzugefügte Adverb iam verstärkt in paränetischen Kontexten den appellativen Charakter der Formulierung; gelegentlich scheint es die durch die Taufe gegebene Antizipation des Zukünftigen anzudeuten. Nirgends wird dagegen mit einer solchen Formulierung zum Ausdruck gebracht, dass die Taufe lediglich ein Beginn sei, der durch das christliche Leben (allmählich) auszufüllen oder weiterzuentwickeln sei; die diesbezügliche These Spanneuts erweist sich damit als unhaltbar. Vielmehr ist das eschatologische Heilsgut, das erst zukünftigjenseitig seine Erfüllung finden wird, mit der Taufe bereits vollkommen gegeben.107 In der christlichen Existenz geht es darum, das Empfangene zu bewahren bzw. ihm tätig zu entsprechen. Diese in der Tat geforderte tätige Entsprechung folgt nicht dem Prinzip ‚Werde, der du (anfangsweise schon) bist!‘, sondern dem Prinzip ‚Sei (und bleibe), der du (schon) geworden bist (und daher sein wirst)!‘108 Dem entspricht es, dass sich die coepisse-Formulierungen in der Regel nicht mit Begriffen des Fortschreitens oder Wachsens verbinden.109 Diese Beobachtungen werden durch orat 36 bestätigt, wo Cyprian zur Begründung des nächtlichen Gebets das Motiv, als Christen „allezeit im Licht zu sein“, auf dreifache Weise variiert: Christen sind „allezeit im Licht des Herrn“, sofern sie erinnernd festhalten, was sie aufgrund der (in der Taufe) empfangenen Gnade geworden sind;110 Cyprian lädt sie daher ein zu glauben, dass sie „allezeit im Licht wandeln“,111 und als solche, die im Reich Gottes den von keiner ____________

105 Das entspricht dem Ergebnis von Schrijnen-Mohrmann für die cyprianischen Briefe; vgl. auch Tibiletti, Ascetismo, 438f. 106 Es ist hier ein wechselseitiger Zusammenhang wahrzunehmen: Taufkontexte verursachen coepisse-Formulierungen, diese dienen als Erinnerung an die Taufe. 107 Ähnlich versteht offenbar Ellien, L’Ad Donatum, 156f, die entsprechenden Stellen in Ad Donatum. 108 Ähnlich Deléani, Croissance, 330. 109 Eine Ausnahme stellt ep 13,2,1;19–21 da; vgl. dazu unten 2.3. 110 [...] qui in domini luce semper sumus, qui meminimus et tenemus quid esse accepta gratia coeperimus [...] (Z. 687–689). 111 Ambulare nos credamus semper in lumine [...] (Z. 689f).

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Nacht unterbrochenen Tag haben werden, nachzuahmen, was sie sein werden.112 Das „allezeit im Licht sein“ erscheint damit als eine in der Taufe begründete, in der Gegenwart im Glauben antizipierte, aber wesentlich zukünftige Realität113 und wird entsprechend paränetisch fruchtbar gemacht: als appellative Erinnerung an das esse coepisse der Taufe, als Ermahnung zum Glauben und als Einladung zur Orientierung auf die Zukunft hin. Die Formulierung imitari quod futuri sumus entspricht damit sachlich genau dem amare quod futuri sumus in Don 14;293f; hier wie dort ist das, was die Christen sein werden, in dem esse coepisse der Taufe verankert. Dieselbe Zeitstruktur liegt offenbar in folgender Ermahnung der Jungfrauen vor: „Bewahrt, Jungfrauen, bewahrt, was ihr zu sein begonnen habt, bewahrt, was ihr sein werdet!“114 Die pointierte Parallelisierung der beiden Wendungen quod esse coepistis und quod eritis erscheint wie eine nachdrückliche Bestätigung der oben aufgezeigten Zeitstruktur christlicher Existenz: Sie wird gelebt zwischen vergangenem Beginn und zukünftiger Vollendung, und beide sind offenbar identisch; es kann deshalb in der Gegenwart nur darum gehen, eben dies zu bewahren. Bezugspunkt der Aussage ist hier freilich nicht die christliche Existenz allgemein, sondern speziell die Ehelosigkeit der Jungfrauen115, die nach Lk 20,34f die Existenz der Auferstandenen kennzeichnet: „Was wir (sc. die übrigen Christen) sein werden, habt ihr schon zu sein begonnen. Ihr haltet die Herrlichkeit der Auferstehung schon in dieser Welt fest [...]“.116

3. Der dynamische Aspekt der cyprianischen Paränese: das Verständnis christlicher Existenz in der Zeit als peruenire ad salutem Obgleich Cyprian sagen kann, durch die Taufe werde man „zur Gnade des Heils“ zugelassen,117 versteht er, wie gesehen, die Taufe als „heilsamen Zugang zur Hoffnung auf das ewige Leben“,118 noch nicht zu diesem selbst. Ist demnach die Aussage, die Taufe führe zum Heil, in einem eschatologischen, zukunftsbezogenen Sinn aufzufassen, so kommt für den Getauften alles darauf an, nun auch tatsächlich zu dem Erhofften und Geglaubten zu gelangen. Die tätige christliche Existenz in der Zeit kann deshalb nicht nur als ein Beharren bei dem in der Taufe Empfangenen, sondern auch als ein ‚zum Heil gelangen‘ beschrieben werden. Formulierungen mit der Struktur uenire / peruenire etc. ad deum / regnum dei / diuina praemia etc. begegnen daher bei Cyprian in überaus großer Vielfalt und Zahl;119 sie wurzeln offenbar in der angedeuteten Zeitstruktur ____________

112 [...] imitemur quod futuri sumus (Z. 693f). 113 Vgl. dazu auch Deléani, Christum sequi, 108. 114 Seruate, uirgines, seruate quod esse coepistis. seruate quod eritis (habit 22;202,25f). 115 Zur möglichen Gestalt eines Jungfrauengelübdes zur Zeit Cyprians s.u. Kap. 4 Anm. 137. 116 Quod futuri sumus, iam uos esse coepistis. uos resurrectionis gloriam in isto saeculo iam tenetis [...] (203,7–14, Zitat Z. 12–14). Vgl. dazu Tibiletti, Ascetismo 438, und Frank, ΑΓΓΕΛΙΚΟΣ ΒΙΟΣ, 169. Zu einer vergleichbaren Deutung von Lk 20,34f bei Irenäus vgl. Keenan, habit, 172, zu ähnlichen Vorstellungen bei Tertullian Frank, a.a.O., 171f., zu Novatian pud 7,2f ebd., 169 Anm. 51. 117 Vgl. orat 34;647f (ad gratiam salutis); vgl. auch habit 23;204,4f u.ö. 118 Ep 73,12,1;195f, zitiert oben Anm. 15. 119 Vgl. dazu Deléani, Christum sequi, 109: „A elle seule l’expression imagée (per)uenire ad deum (regnum, praemium, salutem, uitam, coronam, etc.) est employée plus de cent fois dans son œuvre, et il faudrait presque doubler ce nombre si l’on ajoutait ducere ad, festinare ad, properare ad“; vgl. auch dies., Croissance, 333f.

3. Der dynamische Aspekt der cyprianischen Paränese

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christlicher Existenz und übersetzen diese gewissermaßen in eine aktive, dynamische Haltung.120 Getaufte sind offenbar in dem Sinne zur Gnade des Heils zugelassen, dass das peruenire ad salutem zum Inhalt ihrer Existenz geworden ist.121 Christliche Existenz in der Zeit lässt sich von hier aus verstehen als ein Weg vom Heil zum Heil: von der Taufe als dem Zugang zum Heil bzw. präziser: zur Hoffnung auf das Heil hin „zur Freude des ewigen Heils“ im zukünftighimmlischen Reich.122 Dem Verständnis christlicher Existenz in der Zeit als eines peruenire ad ... entspricht es, dass die Wegmetaphorik für die cyprianische Paränese großes Gewicht gewinnt.123 Das christliche Leben kann als Beschreiten des „Heilsweges“ bezeichnet werden,124 die christlich-paränetische Unterweisung als ein „fürsorgliches Raten zum Weg des Heils“,125 der Versuch, Schismatiker zurückzugewinnen, als ein Zurückrufen zum Weg des Heils.126 Das unbeirrte Voranschreiten auf diesem Weg wird zu einem zentralen Gegenstand der cyprianischen Paränese, und zahlreiche Einzelaspekte können mit solchen Weg- und Zielbestimmungen verbunden werden. Die Ausrichtung der christlichen Existenz auf die Zukunft hin und ihr darin begründetes Verständnis als ein ‚zum Heil gelangen‘ wirkt sich in allen Bereichen der praxisorientierten Theologie Cyprians aus. Einige grundlegende, die Struktur seiner Paränese prägende Aspekte dessen sind im folgenden herauszuarbeiten; die vielfältigen Umschreibungen des Zieles selbst dagegen sind gesondert zu untersuchen.127

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120 Vgl. Deléani, Christum sequi, 109, und dies., Croissance, 333f. Es handelt sich um ein auffälliges sprachliches Phänomen, das sachlich von Bedeutung ist und auch etwa in der Paraphrasierung biblischer Zitate wiederholt zu beobachten ist (vgl. die Wiedergabe der Formulierung non potest introire in regnum dei aus Joh 3,5b–6 in Quir 3,25tit mit den Worten ad regnum dei [...] peruenire non posse, ferner etwa Fort 13;7–12 zu Röm 8,18; Fort 10;10–16 zu Ps 26,3–4a u.ö.). 121 Mit der Formel peruenire ad salutem, die sich bei Cyprian wörtlich so nicht findet, werden hier die vielfältigen Aspekte der entsprechenden cyprianischen Formulierungen synthetisierend zusammengefasst. 122 [...] ad laetitiam salutis aeternae Christo uocante proficisci (mort 7;105f). 123 Deléani, Croissance, 333, weist darauf hin, dass die Wegmetaphorik teilweise durch biblische Zitate vorgegeben ist, teilweise aber aus einer „interprétation ‚dynamique‘ de certains textes scripturaires souvent cités“ resultiert. Zur cyprianischen Verwendung der Wegmetaphorik vgl. auch die Übersichten bei Ball, Nature, 100–106.190–196. 124 Vgl. zel 12;213; habit 1;187,2f (iter salutare) und unit 2;42 (uia salutaris), ferner unit 15;381 und Dem 25;500f. 125 Ad salutis uiam consulere (habit 4;189,23f); ähnlich orat 2;14 (s. gleich); mort 19;316f; ep 4,5,1;107 u.ö. Zum Verständnis von consulere ad s.u. Kap. 9.2.1. 126 Ad salutis uiam reuocare (unit 23;549); vgl. auch unit 23;552f; ep 65,2,2;47–51; ferner ep 17,2,2;33; ep 43,6,1;120f; op 1;20 u.ö. 127 Vgl. dazu Kap. 8.

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Die Taufe als ein auf Zukunft ausgerichteter Beginn

3.1 Führung und Unterweisung auf dem Weg zum Heil Wie Getaufte grundsätzlich von Gott zu neuem Handeln befähigt sind, so sind sie auch im Voranschreiten auf dem Weg zum Heil nicht auf sich selbst gestellt. Christus hat ihnen diesen Weg nicht nur eröffnet und sozusagen ein für allemal gebahnt, er hat sie durch die Gabe der „Gebote des Evangeliums“ auch dazu befähigt, den Weg wahrzunehmen und unter seiner Führung und Leitung festzuhalten.128 Christus öffnet den Menschen nicht nur den „Weg des Lebens“ (uia uitae), er führt sie auch hin zum Himmelreich und lässt sie damit zum Paradies zurückkehren.129 Der Kontext deutet an, dass beides, Wegeröffnung und Hinführung zum Himmelreich, im Heilshandeln Christi begründet ist, macht aber zugleich deutlich, dass der Weg des Lebens von den Glaubenden selbst beschritten werden muss; die Beschreibung des Heilshandelns Christi mündet deshalb in die Aufforderung, ihm nachzufolgen.130 Mit der Führung Christi auf dem Weg zum Himmelreich ist offenbar mehr gemeint, als dass er selbst diesen Weg vorangegangen ist und ihn damit eröffnet und gezeigt hat; vielmehr scheint an ein Führen und Geleiten in der christlichen Existenz selbst gedacht zu sein.131 Der angedeutete Zusammenhang zwischen dem Heilshandeln Christi und der Eröffnung des Weges zum Leben verdichtet sich in der Bezeichnung Christi als „Weg unseres Heils“,132 den es in Nachfolge und Nachahmung Christi zu beschreiten gilt. Auf die Frage, wie Christus die Getauften auf dem Weg zum Heil führt, geben die bislang angeführten Texte zwei Antworten: zum einen durch die Gabe der Gebote, zum anderen durch sein vorbildhaftes Verhalten, das zur Nachfolge bzw. Nachahmung einlädt. Letzteres wird bei Cyprian vor allem bezogen auf die Forderung der Taufentsprechung thematisiert, die gesondert zu erörtern ist133; hier ist die wegweisende Funktion der von Christus gegebenen ____________

128 Orat 1;9–12; Bezugspunkt dieser Aussage sind die euangelica praecepta in Z. 1 (dazu s. gleich); ähnlich Quir 1 pr.5–8. Zu Christus als dux vgl. auch ep 6,1,2;14–19. 129 Dem 26;520f; ähnlich op 26;531–539. 130 Z. 515–520; vgl. auch Z. 521–523. Zur Christusnachfolge als Einherschreiten auf dem Weg zum Heil vgl. auch ep 76,7,1;139–141 (per uestigia et uias suas [sc. durch Nachahmung seines Leidens] ad regna aeterna gradiri; ähnlich ep 6,2,1;45–47); zel 12;211–213 (non per Christi uiam pergere heißt desertio itineris salutaris); orat 20;380–383; laps 12;222–225. 131 Anders ist dies offenbar in unit 27;614–616, wo mit der Formulierung ut ipse (sc. Christus) nos ad lucem claritatis aeternae de hac saeculi nocte perducat die zukünftig-jenseitige Belohnung für den gegenwärtigen Gehorsam angedeutet zu sein scheint. Vgl. ebenso mort 8;116–119 (donec [...] spiritus nos perducat ad deum patrem) sowie mort 18;307; ähnlich Tertullian mart 1,3. 132 Salutis nostrae uia (pat 9;164); die Vorstellung dürfte durch Joh 14,6 angeregt sein, der Ausdruck ο δο` ς σωτηρι' ας findet sich Apg 16,17 bezogen auf die Verkündigung des Paulus. Vgl. auch die schwierig wiederzugebende Bezeichnung Christi als exempli nostri uia in ep 11,5,1;89, die offenbar die Vorbildlichkeit seines Handelns andeutet; exempli ist entweder als gen. expl. (er ist Weg, indem er unser Vorbild ist) oder als gen. inuersus (exemplum nostrae uiae) zu deuten; Clarke I, 78, übersetzt „the Way for us to imitate“, Deléani, Christum sequi, 98, paraphrasiert „c’est-à-dire qu’il est Voie, comme il l’a affirmé lui-même, parce qu’il nous enseigne et nous donne l’exemple [...]“ (Hvb. i.Or.). 133 Dazu s.u. Kap. 4.2.

3. Der dynamische Aspekt der cyprianischen Paränese

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Gebote zu untersuchen, die für die cyprianische Konzeption der christlichen Existenz als eines peruenire ad salutem eine zentrale Rolle spielt. Die Schrift De dominica oratione beginnt mit einer kurzen, dichten, fast hymnischen Funktionsbestimmung der „Gebote“134: „Die Gebote des Evangeliums, überaus geliebte Brüder, sind nichts anderes als Unterweisungen Gottes, Fundamente zum Bau der Hoffnung, Stützen zur Stärkung des Glaubens, Nahrung zur Pflege des Herzens, Leitung zur Ausrichtung des Weges, Hilfe zum Festhalten des Heils; wofern sie die gelehrigen Sinne der Glaubenden auf Erden unterrichten, führen sie zum himmlischen Reich.“135

Gegenstand dieser Prädikationen sind diejenigen Gebote und Lehren, die nicht durch Vermittlung der Propheten, sondern durch das menschgewordene Wort Gottes selbst kundgetan worden sind, um eben damit den Weg zum Leben zu zeigen und die Getauften auf diesem Weg zu führen.136 Cyprian unterstreicht hier mit einer der bei ihm seltenen ‚heilsgeschichtlichen‘ Bemerkungen – die diesbezüglichen Thesen von Quir 1 stehen in seinem Werk weitgehend isoliert da – Kontinuität und Steigerung: Es ist derselbe Gott, dasselbe Wort, aber es ist eine unterschiedliche Intensität. Die Steigerung ist formal darin begründet, dass der Sohn hier selbst mit eigener Stimme, dort dagegen durch seine Knechte spricht, inhaltlich darin, dass an die Stelle der gebotenen Wegbereitung für den Kommenden die Wegeröffnung durch den Gekommenen selbst getreten ist. Zweck dieser – offenbar durch Tertullian orat 1,1–2 angeregten – heilsgeschichtlichen Reflexion ist die Hervorhebung der besonderen Autorität der zuvor gepriesenen euangelica praecepta, Bezugspunkt die von orat 2 an entfaltete Gebetsunterweisung Jesu. Eine vergleichbare Differenzierung zwischen alttestamentlichen und neutestamentlichen Geboten findet sich bei Cyprian sonst nicht; in aller Regel verwendet er diese unterschiedslos nebeneinander.137

Die Funktion der von Christus gegebenen Gebote wird von Cyprian als ad salutem consulere bestimmt.138 Die Gebote „raten fürsorglich zum Heil“, indem sie – wie Christus selbst – diejenigen, die sich von ihnen belehren lassen, zum Himmelreich führen. Die Wegweisung durch die Gebote erscheint damit als Modus der Führung Christi.139 ____________

134 Der Begriff praeceptum ist bei Cyprian weit zu fassen; neben Geboten im engeren Sinn gehören dazu Ermutigungen, exempla, Lehren usw.; vgl. dazu Kap. 5.2.1.1 mit Anm. 219. 135 Euangelica praecepta, fratres dilectissimi, nihil sunt aliud quam magisteria diuina, fundamenta aedificandae spei, firmamenta corroborandae fidei, nutrimenta fouendi cordis, gubernacula dirigendi itineris, praesidia obtinendae salutis, quae dum dociles credentium mentes in terris instruunt, ad caelestia regna perducunt (orat 1;1–6). 136 Orat 1;6–12. 137 Gelegentlich wird betont, im neuen Bund sei ein größerer Gehorsam gefordert als im alten; vgl. bes. op 17;339–353 und Fort 5;23–31, ferner orat 35;652f sowie Fort 11;213–219. Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 84–86, scheint mir die Ansätze zu einer heilsgeschichtlichen Differenzierung der Gebote bei Cyprian zu stark zu gewichten. 138 Orat 2;13f. 139 Vgl. ebenso unit 15;381f, wo es heißt, Christus habe durch das Doppelgebot der Liebe als einen kurzgefassten Auszug (conpendium) der Gebote dem „Weg unserer Hoffnung und unseres Glaubens“ (spei et fidei nostrae uia) Orientierung gegeben (dirigere).

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Die Taufe als ein auf Zukunft ausgerichteter Beginn

Wie das perducere ad caelestia regna durch die Gebote genauer vorzustellen ist, wird durch fünf parallel konstruierte Prädikationen erläutert.140 Die ersten beiden Prädikationen nehmen das für Cyprian eminent wichtige Begriffspaar spes und fides auf.141 Den Geboten Christi schreibt Cyprian hier eine grundlegende, die christliche Hoffnung auferbauende und den Glauben stärkende Funktion zu.142 Wie noch zu zeigen sein wird, dient die Einschärfung der Gebote dazu, die Gläubigen gegen die jederzeit drohenden Nachstellungen des Widersachers zu wappnen und sie auf bevorstehende Kämpfe vorzubereiten.143 Fundamenta und firmamenta der Hoffnung und des Glaubens sind die Gebote des Evangeliums demnach in dem Sinne, dass sie den Christen Unerschütterlichkeit und Beharrungsvermögen gegenüber den Angriffen und Versuchungen des Widersachers und der Welt verleihen. Die Bezeichnung der Gebote als „Nahrung zur Pflege des Herzens“ in der dritten Prädikation lässt die Vorstellung einer ‚geistlichen Nahrung‘ anklingen, mit der offenbar die Notwendigkeit beständiger Beschäftigung mit den Geboten angedeutet werden soll.144 Die beiden letzten Prädikationen benennen als Aufgabe der Gebote, die Glaubenden auf dem Weg zu halten, der sie zum künftigen Heil führt. Sie haben die Funktion eines Steuerruders (gubernacula), also der Lenkung und Leitung auf dem eingeschlagenen Weg. Wegweisung und Orientierung geben die Gebote, indem sie zum rechten Handeln anleiten. Eben damit werden sie zu „Hilfsmitteln“, das in der Taufe empfangene Heil zu bewahren und so zum zukünftigen Heil zu gelangen.145 Was hier für die Gebote Christi gesagt wird, gilt nach cyprianischem Verständnis für die Gebote generell.146 Für die christliche Existenz kommt ihnen eine herausragende Bedeutung zu. Sie sind das, woran sich der Christ halten kann und halten muss, um die in der Taufe begonnene neue Existenzweise ____________

140 Es steht fünfmal ein n. pl. Nomen im Nominativ mit davon abhängiger Gerundivkonstruktion im Genetiv; magisteria diuina scheint als Oberbegriff gedacht zu sein, fällt jedenfalls aus dieser auffälligen Konstruktion heraus. 141 S.o. 1. zu pat 13. 142 Er verwendet dazu die beiden Begriffe fundamentum und firmamentum, die bei ihm, obwohl an sich keineswegs gleichbedeutend, wiederholt in Parallelismen bzw. pleonastischen Formulierungen begegnen. Vgl. hier bes. die entsprechende Charakterisierung der Gottesfurcht in Quir 3,20tit, angeführt oben bei Anm. 11; Gottesfurcht und Gebotsgehorsam haben demnach die gleiche Funktion; zur Sache s.u. Kap. 6.1. 143 Vgl. dazu Kap. 5.2.1.1 und 5.2.2.1. 144 Vgl. dazu Don 15;304–306; zel 16;294–296 sowie Don 1;7f, ferner Don 16;329–332. Zur metaphorischen Beschreibung der praecepta als Nahrung vgl. auch Seneca ep 94,30: ingenii uis praeceptis alitur et crescit [...] (371,13 Reynolds). 145 Die Bedeutung von obtinere in der Wendung praesidia obtinendae salutis ist nicht eindeutig: es kann sowohl gemäß seiner Grundbedeutung „festhalten“ bzw. „fest an etwas halten, von etwas nicht abgehen“ (Georges s.v. I bzw. IV) als auch „erlangen, erhalten“ (Heumann-Seckel s.v. 1; ThLL IX/2, 287,81–288,27) heißen. 146 Wie bereits erwähnt, differenziert Cyprian hier in der Regel nicht; charakteristisch ist, dass er in unit 2;26 die von Christus gegen den Versucher herangezogenen Gebote als Christi mandata bezeichnet. Indirekt führt er auch die alttestamentlichen Gebote auf Christus zurück.

3. Der dynamische Aspekt der cyprianischen Paränese

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durchzuhalten und ans Ziel zu gelangen. Sie verleihen ihm ebenso die nötige Standfestigkeit wie die unentbehrliche Zielorientierung. Er muss den „Weg zum Leben“ nicht selbst suchen, dieser ist ihm vielmehr gewiesen, und er erhält die Stärkung, die nötig ist, um ihn festzuhalten. Ähnlich wie hier die euangelica praecepta beschreibt Cyprian zu Beginn der Schrift De habitu uirginum die disciplina, die hier – wie öfter bei Cyprian – als Oberbegriff für die biblischen praecepta zu verstehen ist.147 „Die disciplina, Hüterin der Hoffnung, Halteklammer des Glaubens, Führerin auf dem Weg zum Heil, Zündstoff und Nahrung der guten Anlage, Lehrmeisterin der Tugend, bewirkt es, allezeit in Christus zu bleiben und beständig auf Gott hin zu leben (und so) zu den himmlischen Verheißungen und göttlichen Belohnungen zu gelangen. Ihr nachzustreben ist heilsam, sich von ihr abzuwenden und sie zu vernachlässigen tödlich.“148

Wie die Gebote des Evangeliums zum Himmelreich führen, so verhilft die disciplina dazu, zu den himmlischen Verheißungen und Belohnungen zu gelangen. Sie tut dies, indem sie es ermöglicht, beständig in Christus zu bleiben und auf Gott hin zu leben. Die Einhaltung der disciplina ist demnach keineswegs bloß ein sozusagen äußerliches Mittel zum Erlangen von Belohnungen; sie leitet vielmehr dazu an, in dem besonderen Verhältnis zu Christus bzw. Gott zu verharren, das durch die Taufe begründet worden ist,149 und ist so Wegweisung auf dem Weg zum Heil Diese Funktion der disciplina wird, orat 1 entsprechend, durch eine Reihe von fünf Prädikationen begründet bzw. erläutert, von denen sich auch hier die ersten beiden auf Hoffnung und Glauben beziehen, freilich nicht so sehr auf ihre Standfestigkeit als vielmehr auf ihre Bewahrung.150 Das dritte Prädikat ____________

147 So mit Recht Morel, Disciplina, 1227; anders Keenan, habit, 70. Der unvermittelte Einsatz der Schrift mit dem absolut gebrauchten Begriff disciplina ist ein Hinweis darauf, dass es sich um einen wohlvertrauten, in seiner Bedeutung offenbar klaren Begriff handelt. Die Fortsetzung in habit 2; 188,6–12 deutet an, dass die disciplina durch das Halten der Gebote gewahrt wird. Die Wahl unterschiedlicher Leitbegriffe ist dennoch auffällig: Während Cyprian im Blick auf das von Christus im Evangelium gebotene Gebet von (euangelica) praecepta spricht, verwendet er bezogen auf das geforderte Verhalten kirchlicher Jungfrauen den Begriff der (vom Bischof ausgeübten) disciplina. Faktisch argumentiert er aber auch hier mit biblischen Geboten; eine Deutung des Begriffs disciplina auf kirchliche Vorschriften wird durch den Kontext in habit 1f ausgeschlossen und auch durch die Fortsetzung der Schrift nicht nahegelegt. 148 Disciplina custos spei, retinaculum fidei, dux itineris salutaris, fomes ac nutrimentum bonae indolis, magistra uirtutis, facit in Christo manere semper ac iugiter deo uiuere, ad promissa caelestia et diuina praemia peruenire. hanc et sectari salubre est et auersari ac neglegere letale (habit 1;187,2– 6). Formal dürfte dieser Passus durch Tertullian pud 1,1 angeregt sein (vgl. Keenan, habit, 27; zurückhaltender Galdi, Commentatio, 562). 149 Zu dem in der göttlichen Urheberschaft der Gebote begründeten Zusammenhang zwischen Gebotsgehorsam und Gottesverhältnis s.u. Kap. 6.2. 150 Als custos innocentiae bezeichnet Cyprian in Don 4;76f die Gottesfurcht (timor). Pagane Belege zur disciplina als custos sind bei Keenan, habit, 71, zusammengestellt; bei Valerius Maximus 6,1,11 wird die seuera castrorum disciplina als certissima Romani imperii custos bezeichnet (274,22 Kempf); vgl. ferner ThLL IV, 1577,49–67.

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Die Taufe als ein auf Zukunft ausgerichteter Beginn

bezeichnet die disciplina als dux itineris salutaris und weist ihr damit dieselbe Funktion zu wie orat 1 den praecepta euangelica: Orientierung und Leitung auf dem Weg zum Heil.151 Ähnlich wie in orat 1 die praecepta, wird die disciplina hier ferner als „Zündstoff und Nahrung der guten Anlage“ prädiziert.152 Die abschließende Prädikation der disciplina als Lehrmeisterin der uirtus, hier offenbar als Inbegriff des für Christen angemessenen Verhaltens verstanden, deutet an, wie sie die genannten Funktionen erfüllt, nämlich durch Unterweisung zu tugendhaftem Handeln. Hat die disciplina die Aufgabe und Fähigkeit, Hoffnung und Glauben zu bewahren und Christen auf dem Weg des Heils zu leiten, dann ist klar, dass, wie es am Schluss heißt, ihr nachzustreben „heilsam“ ist, sie zu vernachlässigen dagegen den Verlust des Heils zur Folge hat und in diesem Sinne „tödlich“ ist. Wer den Weg, der zum Heil führt, verlässt, kommt um.153 Um auf dem Weg zum Heil voranschreitend auch tatsächlich das Ziel zu erreichen, bedarf es deshalb der Treue zu Gottes Geboten; ohne sie fehlt die notwendige Orientierung: „[...] wie wird zum Lohn des Glaubens (der Treue) gelangen, wer die Treue zum Gebot nicht wahren will?154 Es ist unvermeidlich, dass er schwankt und umherschweift und, durch den Geist des Irrtums fortgerissen, wie Staub, den der Wind forttreibt, umhergetrieben wird; und selbst wenn er läuft, wird nicht zum Heil fortschreiten, wer den wahren Weg des Heils nicht festhält“.155 ____________

151 Die wegweisende Funktion der disciplina und die Ausrichtung des von ihr gewiesenen Weges auf das Erreichen des zukünftigen Lohnes treten auch in pat 1;7–12 deutlich hervor. Beschritten wird dieser Weg durch gottesfürchtigen Gehorsam gegen die Gebote des Herrn. 152 Fomes ac nutrimentum bonae indolis; zum möglichen sprachlichen Einfluss Vergils auf diese Formulierung vgl. Freund, Vergil, 235. Die metaphorische Rede von Nahrung im Kontext von Bildung und Erziehung hat eine lange Tradition; vgl. etwa die Belege bei LSJ s.v. τροφη' II.2, Georges s.v. nutrimentum I.B und II sowie H. Braun, HNT 14, 151–153. Eine übertragene Verwendung von fomes ist erstmals bei Gellius belegt (vgl. ThLL VI/1, 1020–1022), der von einem angeblichen Platoniker berichtet, dieser habe den Wein als fomitem [...] quendam [...] et ignitabulum ingenii uirtutisque bezeichnet (NA 15,2,3 [448,2f Marshall]). Die damit persiflierte Metaphorik ist freilich weit verbreitet; vgl. etwa die Bezeichnung der Anlagen des Menschen zu den Tugenden als igniculi bzw. scintillae, die von der Philosophie zu entfachen sind, bei Cicero fin 5,18.43; ferner ähnlich Seneca ep 94,29 u.a. 153 Ähnlich wie die Funktion der euangelica praecepta in orat 1 und der disciplina in habit 1 wird in pat 20;403–408 die Funktion der patientia bestimmt: sie befestigt unerschütterlich die fidei nostrae fundamenta, sie bringt die incrementa spei auf erhabene Weise voran und sie lenkt das Handeln der Christen, damit sie in Nachfolge des Erduldens (tolerantia) Christi seinen Weg festhalten können und durch Nachahmung der patientia des Vaters Söhne Gottes bleiben. Demgemäß heißt es in Z. 384–386, die patientia ermögliche es, in Christus zu bleiben und mit ihm zu Gott zu gelangen. Damit tritt die patientia, wie der Kontext zeigt, keineswegs in Konkurrenz zu den Geboten oder zur disciplina, sie wird vielmehr als unerlässliche Bedingung für deren Beobachtung beschrieben; vgl. dazu auch Amata, Educare, 148. In op 26;544 werden die Werke der Barmherzigkeit in einer längeren hymnischen Reihung u.a. als munimentum spei und tutela fidei charakterisiert. Weitere formal vergleichbare cyprianische Passagen führt Keenan, habit, 70, an. 154 Die Argumentation mit einer quasi selbstverständlichen Korrespondenz basiert auf der außergewöhnlichen Näherbestimmung der fides als fides mandati; vgl. auch Z. 37f. 155 [...] unde perueniet ad praemium fidei, qui fidem non uult seruare mandati? nutet necesse est et uagetur et, spiritu erroris abreptus, uelut puluis quem uentus excutit, uentiletur; nec ambulando pro-

3. Der dynamische Aspekt der cyprianischen Paränese

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Wer zum Heil vorwärtsschreiten will, muss sich auf dem richtigen Weg befinden. Dazu aber bedarf es des Festhaltens der Gebote des Herrn, die es dem Voranschreitenden ermöglichen, durch äußere Anfechtungen und Irreführungen unbeirrt den richtigen Weg festzuhalten und so das Ziel zu erreichen.156 Keiner kann, so Cyprian an anderer Stelle, das Himmelreich erlangen, „wenn er nicht in Beobachtung des rechten, gerechten Weges einherschreitet“, und das heißt für ihn: wenn er nicht Gerechtigkeit übt und den Geboten und Mahnungen Gottes gehorcht.157 Die oben angeführte, für Cyprian charakteristische Bestimmung, Christus rate durch seine heilsamen Mahnungen und Gebote seinem Volk fürsorglich zum Heil, ist von hier aus zu verstehen. Die Gebote sind den Christen ad salutem gegeben158 und können darum auch als praecepta salutis, salutaria praecepta o.ä. bezeichnet werden.159 Cyprian kann daher das Heilshandeln Christi auf doppelte Weise bestimmen: Als „Lehrer unseres Lebens und Meister des ewigen Heils“ macht Christus nicht nur das Volk der Glaubenden lebendig, er rät auch den Lebendiggemachten fürsorglich zum Ewigen, indem er ihnen „seine göttlichen Weisungen und himmlischen Gebote“ gibt.160 Die Gebote und Mahnungen Christi sind demnach zu verstehen als Weisungen zum Heil für diejenigen, die er gerettet hat, m.a.W.: als Gebote zum Heil für Geheilte. Die Funktionsbestimmung der Gebote korrespondiert damit dem Verständnis der christlichen Existenz in der Zeit als eines Weges vom Heil zum Heil. Die Gebote treten nicht in Konkurrenz zum uiuificare Christi – dieses ist vielmehr die Voraussetzung –, sind aber von eminenter Bedeutung für die uiuificati. Ihre Bedeutung aber besteht zuerst und vor allem darin, dass sie diese auf dem Weg

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ficiet ad salutem, qui salutaris uiae non tenet ueritatem (unit 2;38–42); salutaris uiae ueritatem ist ein gen. inuersus (vgl. Merkx, 18; Bévenot, laps/unit, 59 Anm. 2). 156 Der Gedanke könnte durch das in Z. 26f angeführte Zitat von Mt 19,17b angeregt sein: si uis ad uitam uenire serua mandata! Vgl. dazu auch zel 12;211–214. 157 [...] nisi recti et iusti itineris obseruatione gradiatur (unit 15;370–380, Zitat Z. 373). Kontext dieser Aussage ist eine gegen Schismatiker gerichtete Auslegung von Mt 7,22f, mit der Cyprian herausstellt, dass auch großartige Leistungen wie Dämonenaustreibungen usw. ohne Gehorsam gegen die Gebote keinen Lohn erlangen werden. 158 Vgl. ep 11,1,2;13; ähnlich pat 5;83f. 159 Vgl. orat 28;521; laps 23;553 u.ö. Praeceptum steht fünfmal in Verbindung mit salutare, zweimal mit salubre, bis auf eine Ausnahme stets im Plural; daneben gibt es einmal die Verbindung praecepta salutis; mandatum steht zweimal mit dem Adjektiv salutare, monitum viermal, magisterium einmal, stets im Plural. Entsprechende Verbindungen mit lex oder disciplina finden sich nicht; zu disciplina vgl. aber ep 4,1,2;14–16 und habit 1;187,2f. In der paganen Literatur findet sich die Junktur praecepta salutis laut BTL allein Cicero leg 1,62, die Verbindung salutare praeceptum nur bei Seneca (dial 5,6,3; 5,41,1; ep 13,1; 88,39; 108,9). 160 Itaque in euangelio dominus doctor uitae nostrae et magister salutis aeternae uiuificans credentium populum et uiuificatis consulens in aeternum inter sua mandata diuina et praecepta caelestia nihil crebrius mandat et praecepit quam [...] (op 7;135–138); das uiuificatis consulere in aeternum geschieht nach cyprianischem Verständnis durch die Gabe der Gebote (vgl. dazu auch Kap. 9.2.1). In der Sache ebenso orat 2;15f (qui fecit uiuere docuit et orare) sowie habit 2;188,25f (zitiert Kap. 3 Anm. 29).

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Die Taufe als ein auf Zukunft ausgerichteter Beginn

zum ewigen Leben führen, indem sie ihnen die nötige Zielorientierung, Unbeirrbarkeit und Standfestigkeit verleihen und es ihnen so ermöglichen, von der in der Taufe empfangenen Hoffnung auf das Heil zu diesem selbst zu gelangen. 3.2 Die tätige christliche Existenz in der Zeit als ein mit Mühen und Anstrengungen verbundenes Streben danach, zum Ziel zu gelangen Ist bislang von der Führung auf dem Weg zum Heil gehandelt worden, so ist jetzt zu klären, wie Cyprian den Weg selbst bzw. das Beschreiten dieses Weges wahrnimmt. Charakteristisch dafür ist, dass das peruenire ad salutem mit großen Mühen und Anstrengungen verbunden ist. Prägnant kommt dies in einer kurzen Kommentierung von Röm 8,18 zum Ausdruck: „Wer sollte sich daher nicht mit allen Kräften anstrengen, zu einer so großen Herrlichkeit zu gelangen, dass er Freund Gottes wird, dass er sogleich mit Christus sich freut, dass er nach den irdischen Foltern und Strafen die göttlichen Belohnungen empfängt?!“161

Quis ergo non omnibus uiribus elaboret ad claritatem tantam peruenire: das ist eine bündige Umschreibung der Haltung, die Cyprian bestimmt, das Movens, das ihn selbst zum Handeln treibt und das ihn nicht müde werden lässt, seine Gemeinde sei es zum Martyrium, sei es zu sonstigen Mühen anzuhalten. Die „Leiden dieser Zeit“, von denen Paulus spricht, fasst er nicht als bloßes Erleiden auf, sondern als höchste Aktivität, als ein omnibus uiribus elaborare, und die Offenbarung der zukünftigen Herrlichkeit an den Christen deutet er als ein Hingelangen zur Herrlichkeit, das zum Gegenstand christlicher Anstrengung wird. Beseelt von einer intensiven Zukunftshoffnung, versteht Cyprian das Christsein insgesamt als angespannte Bemühung, zum zukünftig-jenseitigen Ziel zu gelangen. Ein wichtiges Motiv, das in diesem Zusammenhang wiederholt bei Cyprian begegnet, ist das der sog. Zwei-Wege-Lehre entstammende Motiv des schmalen Weges, der zum Leben führt.162 Cyprian zitiert Mt 7,13f, die neutestamentliche Aufnahme der Zwei-Wege-Lehre, neben etlichen anderen Schriftzitaten als Belegtext zu der Aussage: „Alle Guten und Gerechten haben mehr zu kämpfen, ____________

161 Quis ergo non omnibus uiribus elaboret ad claritatem tantam peruenire, ut amicus dei fiat, ut cum Christo statim gaudeat, ut post tormenta et supplicia terrena praemia diuina percipiat? (Fort 13; 9–12); das Paulus-Zitat steht in Z. 7f. 162 Das Motiv des schmalen Weges klingt wiederholt an (ep 4,5,1;107–109; 13,3,1;32f; mort 14; 229–233 sowie Fort 11;61–65; vgl. dazu auch Fahey, 287f) und wird einmal ausführlicher entfaltet (habit 21); zur entsprechenden Anführung von Mt 7,13f s. gleich. – Zur sog. Zwei-Wege-Lehre in der frühen christlichen Literatur und ihrer paganen wie jüdischen Geschichte vgl. etwa Michaelis, ο δο' ς, hier bes. S. 43–46 (sog. Prodikus-Fabel: Herkules am Scheideweg [Xenophon Mem 2,1,21–33]), S. 57–62 (Zwei-Wege-Lehre im Frühjudentum), S. 71–77 (Mt 7,13f) sowie S. 99–101 (Apostolische Väter und Apologeten), zum Topos der beiden Wege ferner Niederwimmer, KAV 1, 83–87, zum paganen Hintergrund außerdem Snell, Symbol, und Hommel, Per aspera ad astra.

3. Der dynamische Aspekt der cyprianischen Paränese

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müssen (es) aber ertragen, weil sie geprüft werden“.163 Der schmale Weg, den die Gerechten gehen, wird damit als ein Weg des laborare und tolerare gedeutet. Demgemäß heißt es an anderer Stelle, die Guten, Gerechten und wahrhaft Gottesfürchtigen schritten „allezeit unter Bedrängnissen, Unrecht und schweren und vielfältigen Strafen der Feinde auf dem beschwerlichen engen Weg“ einher.164 Mit dem Motiv des schmalen Weges wird eine theologische Erklärung dieses scheinbar widersinnigen ‚Tatbestandes‘ angedeutet: Indem die Guten und Gerechten solches erleiden, schreiten sie auf dem schmalen Weg voran, der zwar schwierig ist, mit dem sich aber die Erwartung verbindet, dass er zum ewigen Leben bzw. zu einem großen Lohn führt. Die Christen sollten sich daher, so Cyprian, über Leidenserfahrungen wie eine Pestepidemie freuen, „weil wir, indem wir unseren Glauben fest kundtun und durch Ertragen des Leidens auf dem engen Weg Christi zu Christus voranschreiten, nach seinem Urteil den Lohn seines Weges und des Glaubens (an ihn) empfangen“.165

„Auf dem engen Weg Christi zu Christus voranschreiten“166 heißt hier: standhaftes, unerschütterliches Ertragen der durch die Pest verursachten Leiden.167 Die Bewährung im Leiden wird damit als solche, unabhängig von der konkreten Ursache des Leidens, zum Ausdruck der Nachfolge Christi auf dem schmalen Weg. Das Motiv des schmalen Weges begegnet bei Cyprian freilich noch in einem anderen Sinn, nämlich bezogen auf die Anstrengungen eines ‚tugendhaften‘ Lebens, das in besonderem Maße von den Konfessoren und uirgines als ‚höheren christlichen Ständen‘ gefordert wird. So kann er die Ermahnung an die aus dem Kerker entlassenen Konfessoren, den Ruhm ihres Bekenntnisses und die empfangene Gnade durch ihr Verhalten zu bewahren,168 mit den Worten zusammenfassen: „Wir müssen auf dem schmalen und engen Pfad des Lobes und des Ruhmes verharren“.169 Dieses tun sie, wenn sie ihrer Vorbildfunktion entsprechend ____________

163 Bonos quosque et iustos plus laborare, sed tolerare debere, quia probantur (Quir 3,6tit; zu quisque mit Positiv statt mit Superlativ vgl. LHS §100e). Die von Cyprian bezeugte Textgestalt von Mt 7,13f (Quid lata et spatiosa uia est quae ducit ad interitum, et multi sunt qui introeant per eam. quid arta et angusta uia est quae ducit ad uitam, et pauci sunt qui eam inueniunt [Quir 3,6;26–29]) zeigt einige Varianten zum überlieferten griechischen Text, die freilich auch sonst bezeugt sind (fehlendes η πυ' λη, τι' statt ο« τι, jeweils in beiden Versen); zu den zahlreichen Textvarianten vgl. Tischendorf z.St. 164 [...] cum [...] semper [...] per praessuras et iniurias et graues ac multiformes infestantium poenas angusti itineris difficultate gradiantur (Fort 11;61–65; Näheres zum Zusammenhang s.u. Kap. 5.2.1.3); ähnlich Fort 11tit. 165 [...] quod dum nostram fidem firmiter promimus et labore tolerato ad Christum per angustam Christi uiam pergimus, praemium uiae eius et fidei ipso iudicante capiamus (mort 14;229–233). 166 Für Tornatora, Angelus increpans, 245 Anm. 40, ist dies „l’esortazione che sottende a tutta la predica del vescovo di Cartagine“. Der Ausdruck per uiam Christi pergere steht auch in zel 12;211f, freilich in anderem Zusammenhang. 167 Vgl. auch Z. 218–229 und dazu Kap. 5.2.2.3. 168 Vgl. ep 13,2,1–2 und dazu Kap. 3.1. 169 Perseuerandum nobis est in arto et in angusto itinere laudis et gloriae [...] (ep 13,3,1;32f).

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das in höherem Maße praktizieren, was von allen Christen gefordert ist, nämlich Stille, Demut und die Ruhe guten Verhaltens.170 Haben die Konfessoren den schmalen Weg des Ruhmes durch das Ertragen der Kerkerhaft aufgrund ihres Christusbekenntnisses betreten – hier berührt sich der Text mit den zuvor genannten –, so ist das Verharren auf diesem Weg an vorbildliches, ‚tugendhaftes‘ Verhalten gebunden. Ebenso begründet Cyprian die Notwendigkeit strenger Ermahnung syneisaktisch zusammenlebender Jungfrauen (und Diakone) mit der Bemerkung: „Schmal und eng ist der Weg, auf dem wir zum Leben einherschreiten, aber die Frucht ist überaus groß, wenn wir zur Herrlichkeit gelangen“.171 Er unterstreicht damit die mit der uirginitas verbundenen hohen ‚moralischen‘ Anforderungen und Mühen, weist aber zugleich auf den in Aussicht gestellten, die Mühe rechtfertigenden Lohn hin.172 Dass Cyprian dieser Aussage die Form einer allgemeinen Sentenz gibt, ist ein Hinweis darauf, dass dies nach seinem Verständnis für die christliche Existenz generell gilt. Auch in habit 21 verwendet Cyprian das Motiv des schmalen Weges, um die Jungfrauen zur Beobachtung der für sie geltenden, offenbar als streng und hart empfundenen Anforderungen zu ermuntern:173 „Schmal und eng ist der Weg, der zum Leben führt; hart und steil ist der Pfad, der zur Herrlichkeit strebt. Auf diesem Pfad und Weg schreiten die Märtyrer vorwärts, gehen die Jungfrauen, schreiten alle Gerechten einher.“174

Der schmale, enge Weg wird hier explizit als ein harter und steiler, das heißt ein mühsamer Pfad charakterisiert,175 und es werden – in ‚hierarchischer‘ Abfolge – diejenigen genannt, die diesen Weg beschreiten: die Märtyrer, die Jungfrauen und die Gerechten. Die beiden vorgestellten Deutungen des Motivs des schmalen Weges werden demnach von Cyprian als verschiedene Stufen dieses Weges verstanden. Nur kurz lässt Cyprian dann das Gegenbild der zu meidenden breiten, weiten Wege anklingen, auf denen der Teufel mit „tödlichen Verlockungen und todbringenden Genüssen“ schmeichelt und lockt, um die Christen zu täuschen und ____________

170 Z. 33–38; Cyprian spielt hier auf Jes 66,2b an. Nach ep 26,1;4–8 gilt diese Mahnung für alle Christen, bes. aber für die lapsi. Zur cyprianischen Verwendung des Jes-Textes vgl. Deléani, „Gentiles uiae“, 243, sowie Fahey, 215f. 171 Arta et angusta uia est per quam gradimur ad uitam, sed summus et magnus est fructus cum peruenimus ad gloriam (ep 4,5,1;107–109); vgl. Z. 105–114 insgesamt. 172 Cyprian spielt hier auf Mt 7,14 an (Clarke I, 180 Anm. 39). 173 Vgl. die Zusammenfassung der vorgetragenen Ermahnungen in habit 21;201,25–202,9. 174 Arta et angusta est uia quae ducit ad uitam (Mt 7,14a), durus et arduus limes qui tendit ad gloriam. per hunc uiae limitem martyres pergunt, eunt uirgines, iusti quique gradiuntur (202,9–12). Zum Verständnis der Junktur uiae limes und des ganzen Zusammenhangs vgl. Deléani, „Limes uiae“, bes. S. 255–261, die hier mit einer Benutzung von Ciceros Somnium Scipionis rechnet. Eine nahe Parallele zu dem zweiten zitierten Satz bietet cent 20 (80,181f Reitzenstein). 175 Zum Parallelismus der beiden Teile des ersten Satzes vgl. Deléani, „Limes uiae“, 255f, zur stilistischen Ausschmückung Ball, Nature, 105f. Vgl. auch Perp 10,3 und dazu Habermehl, Perpetua, 103–108, sowie Perp 4,3–8 und dazu Amat, Perp, 201f.

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zu töten.176 Er nimmt damit das traditionelle Motiv der Verlockungen des Irrweges auf177 und verbindet es mit dem biblischen Thema der Täuschung und Verführung durch den Widersacher,178 führt die Thematik hier aber nicht weiter aus. Stattdessen nimmt er die in der frühchristlichen Literatur wiederholt begegnende Vorstellung unterschiedlicher Belohnungen der Märtyrer (100-fache Frucht) und der Jungfrauen (60-fache Frucht) auf179 und macht sie im Blick auf die Jungfrauen paränetisch fruchtbar: Wie die Märtyrer nicht an das „Fleisch“ und die Welt denken und ihr Kampf keineswegs leicht und angenehm ist, so sollen sich auch die uirgines, deren Lohn der zweithöchste ist, durch eine dem Ertragen von Leiden nahekommende uirtus auszeichnen.180 So ist nach cyprianischer Auffassung von den Jungfrauen – wie von den Konfessoren – weit mehr als allein die den ‚Stand‘ begründende Leistung verlangt; die uirginitas muss sich vielmehr in einer dem Martyrium vergleichbaren Absage an alles „Fleischlich-Weltliche“ konkretisieren.181 Die Fortsetzung lässt den Bezug auf die Jungfrauen in den Hintergrund treten und formuliert allgemeine Grundsätze für das Erreichen eines großen Lohnes, die dem Motiv des schmalen Weges seine für Cyprian charakteristische Zuspitzung geben: „Der Aufstieg zu großen Dingen ist nicht einfach. Welchen Schweiß, welche Mühe erdulden wir, wenn wir Hügel und Berggipfel hinaufzusteigen versuchen! Was (müssen wir da erst erdulden), um zum Himmel hinaufzusteigen?!“182

Cyprian nimmt hier ein römisches Sprichwort auf,183 um die Mühen christlicher Existenz zu illustrieren. Verstanden als ein ascendere ad caelum184 ist es, nicht anders als Bergsteigen, mit Mühe und Schweiß verbunden. Wie nach griechisch-römischer Tradition der Weg der Tugend mühsam und steil ist,185 so gilt nach cyprianischem Verständnis für die christliche Existenz in der Zeit Entspre____________

176 Lata et spatiosa itinera uitate. letales illic inlecebrae et mortiferae uoluptates. illic diabolus blanditur ut fallat, adridet ut noceat, inlicit ut occidat (Z. 12–14). 177 Vgl. dazu etwa Xenophon Mem 2,1,23–25; zu inlecebrae vgl. auch Kap. 1 Anm. 66. 178 Näheres dazu s.u. Kap. 5.1.1. 179 Zur cyprianischen Rezeption dieser Vorstellung s.u. Kap. 8.2.1. 180 Z. 14–19. 181 Das ist das Thema der Schrift De habitu uirginum. 182 Non est ad magna facilis ascensus. quem sudorem perpetimur, quem laborem, dum conamur ascendere colles et uertices montium? quid ut ascendamus ad caelum? (Z. 19–21). 183 Vgl. dazu Otto, Sprichwörter, 36 (Nr.161), Hommel, Per aspera ad astra, 159–161, Eisenhut, Virtus Romana, 105, sowie Keenan, habit, 169f. 184 Vgl. ähnlich Seneca ep 92,31: magnus erat labor ire in caelum (359,4 Reynolds). 185 Vgl. neben den von Otto, a.a.O., verzeichneten sprichwörtlichen Formulierungen etwa Hesiod op 287–292, bes. vv. 289f: „Vor die Tugend haben die unsterblichen Götter den Schweiß gesetzt!“ (τη^ ς δ α ρετη^ ς ι δρω^ τα θεοι` προπα' ροιθεν ε» θηκαν α θα' νατοι [61 Solmsen]; vgl. dazu Snell, Symbol, 219f, und Hommel, Per aspera ad astra, 161–163, der diese Stelle für den Ausgangspunkt der ProdikusFabel hält), sowie Xenophon Mem 2,1,20 mit einem Spruch des Epimarchos: τω^ ν πο' νων πωλου^ σιν η μι^ν πα' ντα τα γα' θ οι θεοι' (Z. 25 Marchant [ohne Seitenangabe]), ferner Hommel, a.a.O., 159f: der Weg zur Tugend ist asper, arduus, durus u.ä.

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chendes, und zwar offenbar nicht nur für Märtyrer und Jungfrauen, sondern für alle Christen. Erleichtert wird das Ertragen dieser Mühen durch die Aussicht auf den verheißenen Lohn,186 als welchen Cyprian hier Unsterblichkeit, ewiges Leben und Teilhabe am Reich Gottes nennt.187 Diese Verheißungen gelten für alle Christen, und „zum Himmel hinaufsteigen“ heißt nichts anderes, als zu diesen Verheißungen zu gelangen.188 Die Orientierung der christlichen Existenz auf den künftigen Lohn hin macht die Mühen lohnend und erträglich, aber zugleich – das ist für Cyprian die Kehrseite der Medaille – unverzichtbar: non est ad magna facilis ascensus. Die cyprianische Rezeption des Motivs des „schmalen Weges, der zum Leben führt“, bringt einen grundlegenden Aspekt seines Verständnisses christlicher Existenz in der Zeit als eines peruenire ad salutem zum Ausdruck: es ist das Beschreiten eines harten, steilen Weges, gekennzeichnet durch Leiden, Mühen und hohe moralische Anforderungen. Dies gilt nicht nur in Bedrängnissen und Verfolgungen, sondern grundsätzlich, weil das angestrebte Ziel hoch und erhaben ist. Cyprian vertritt dieses für ihn charakteristische Verständnis der christlichen Existenz schon vor Ausbruch der decischen Verfolgung.189 Hier wirkt sich offenbar ein antikes philosophisches Erbe aus, demzufolge der Weg zur ‚Tugend‘ mit Anstrengungen und Mühen verbunden ist. Um diesen Gedanken zum Ausdruck zu bringen, greift Cyprian nicht selten, angeregt durch biblische Texte wie 1Kor 9,24f und die inzwischen entwickelte Martyriumstheologie, auf die in der Antike verbreitete Kampf- oder Wettkampfmetaphorik190 zurück. ‚Zum Heil gelangen‘ heißt für ihn in vielen Zusammenhängen ad coronam bzw. ad palmam peruenire.191 Auch diese Motivik gibt zu verstehen, dass in der tätigen christlichen Existenz etwas auf dem Spiel steht, das zu erreichen große Anstrengungen und Mühen erfordert. Der herausragende Weg, zum zukünftig-jenseitigen Ziel zu gelangen, ist für Cyprian zweifellos das Martyrium. Verfolgungszeiten sind darum keineswegs Anlass zur Furcht, sondern im Gegenteil Grund zur Hoffnung, gelangen doch die Gerechten durch diesen Kampf zum Lohn des göttlichen Wohnsitzes und des ewigen Heils.192 Durch ihren Sieg über die Welt sind die Märtyrer „auf dem ____________

186 Si praemium pollicitationis adtendas, minus est quod laboras (Z. 21f). Vgl. auch Kap. 5.2.2.2 zum Motiv der fiducia futurorum. 187 Z. 21–24. 188 Vgl. ebenso laps 12;223–225 und dazu Kap. 4.4. 189 Die Schrift De habitu uirginum wird in der Regel in die Zeit zwischen Cyprians Amtsantritt als Bischof von Karthago und dem Ausbruch der decischen Verfolgung, also etwa auf das Jahr 249 datiert; vgl. etwa Keenan, habit, 4, Watson, De habitu uirginum, 361f, und Sage, Cyprian, 380f. 190 Vgl. dazu Pfitzner, Agon Motif, 23–35. 191 Vgl. etwa Fort 8tit; pat 10;199f u.ö. 192 [...] congressione illa iustos ad diuinae sedis et salutis aeternae praemium peruenire [...] (Fort 10;10–13). Cyprian deutet hier die Bitte in Psalm 26,4a, alle Tage im Hause Gottes zu wohnen (V. 3– 4a wird in Z. 13–16 zitiert), als Gewissheit, durch den Martyriumskampf zum Haus Gottes zu gelangen.

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ruhmreichen Weg zum Herrn“ gekommen;193 durch ihre patientia im Ertragen von Leiden und Schmerzen sind die zahlreichen getöteten Propheten und Märtyrer zu den himmlischen Kränzen gelangt.194 Eingekerkerte, verbannte oder zu Bergwerken verurteilte Konfessoren haben diesen herausragenden Weg bereits betreten, sind aber noch nicht ans Ziel gelangt.195 Sie bedürfen daher der Standhaftigkeit, um mit geistgemäßer Tapferkeit unter dem Schutz und der Führung Christi auf dem durch das Bekenntnis betretenen „Weg der Begnadung des Herrn“ zum Empfang des Siegeskranzes voranschreiten zu können.196 Ist mit einem Martyrium nicht mehr zu rechnen, so ist gebotsgetreues Verhalten der Weg, zur himmlischen Krone zu gelangen.197 Wie für jeden Christen198 kommt auch und gerade für die Bekenner alles darauf an, auf dem eingeschlagenen Weg nun auch durchzuhalten, um tatsächlich zum Ziel zu gelangen.199 Martyrium bzw. Leidensnachfolge sind freilich keineswegs der einzige Weg, um zu einem Kranz und damit zum Ziel zu gelangen.200 Cyprian kann vielmehr die gesamte christliche Existenz als eine Art permanenten Tugendwettkampfes interpretieren, in dem es darum geht, in verschiedensten Bereichen den Widersacher zu besiegen und so Siegeskränze zu erringen. Als Formen des Wettstreites erscheinen die Praktizierung von ‚Tugenden‘ wie Almosengeben201 oder Enthaltsamkeit ebenso wie das Meiden von uitia wie Zorn, Zwietracht u.a.202 „In diesem Stadion der Tugenden laufen wir täglich, zu diesen Palmen und Kränzen der Gerechtigkeit gelangen wir ohne Unterbrechungen durch die Zeitumstände.“203 ____________

193 [...] uicto et calcato saeculo ad dominum glorioso itinere uenerunt (ep 10,5,1;102f). 194 Pat 10;198–202. 195 Vgl. ep 69,7,3;122f; ep 76,7,1;139–141; 76,2,3;58f u.ö. 196 [...] ut [...] ingressi uiam dominicae dignationis ad accipiendam coronam spiritali uirtute pergatis, habentes dominum protectorem et ducem [...] (ep 6,1,2;15–18). Vgl. auch ep 6,4;98–102 u.ö. 197 Ep 14,2,2;39–42; vgl. ep 13f insgesamt, ferner ep 10,5,1;99–2;117: Die Bereitschaft zum Martyrium genügt für das Erlangen des Märtyrerkranzes; während Märtyrer „durch die Vollendung des Sieges zum Herrn eilen“ (ad dominum uictoriae consummatione properare; vgl. ep 76,7,2;142– 144), sollen Konfessoren in der Kirche durch ihre Werke um die größte Ehre kämpfen; vgl. dazu ausführlicher Kap. 8.2.2. – Zu properare bzw. festinare ad bezogen auf den Tod allgemein vgl. mort 5; 71f.75f; 23;393f u.ö. 198 Die Analogie wird von Cyprian in ep 13,2,1;18–25 explizit thematisiert. 199 Dieser Aspekt kommt in dem von Cyprian gern verwendeten Verbum pergere zum Ausdruck: „bes. eine schon begonnene Richtung, Bewegung weiter verfolgen, fortsetzen“ (Georges s.v.); vgl. ThLL X/1 Fasc. X, 1432,71–75. 200 Vgl. dazu bes. zel 16;299–302: [...] habet et pax coronas suas, quibus de uaria et multiplici congressione uictores prostrato et subacto aduersario coronamur. Das Martyrium steht gar nicht in der eigenen Macht, sondern verdankt sich einer besonderen Begnadung (dignatio) Gottes (mort 17; vgl. auch ep 76,1,2f und dazu Capmany, Miles, 110f), ist also durchaus nicht der für jeden zu gehende Weg. 201 Vgl. dazu etwa noch habit 11;195,8–10 sowie op 14;279–281. 202 Zel 16;302–310; vgl. dazu auch Kap. 8.1.3. Downing, Cynics and Christian Origin, 215, erkennt hier das Echo eines kynischen Topos. 203 In hoc uirtutum stadio cotidie currimus, ad has iustitiae palmas et coronas sine intermissione temporis peruenimus (Z. 310–312). Die Ausführungen erinnern an die paulinische Deutung christlicher Existenz als eines Wettlaufs um den Siegespreis in 1Kor 9,24f; die Wendung in stadio currere

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In der cyprianischen Verwendung der agonistischen und militärischen Metapher des durch (Wett-) Kampf zu erringenden Siegeskranzes kommt sein Verständnis des peruenire ad salutem als eines intensiven Ringens um das Erreichen des Zieles besonders deutlich zum Ausdruck. Die variierenden Zielbestimmungen sind letztlich als Umschreibungen des zukünftig-jenseitigen Heils zu verstehen, das zu erreichen von der Taufe her zum Inhalt der tätigen christlichen Existenz geworden ist. 3.3 Die tätige christliche Existenz als ein Wachsen und Vorwärtsschreiten Das cyprianische Verständnis christlicher Existenz in der Zeit ist von Deléani unter den Titel „Croissance et progrès spirituel du baptême au Royaume“ gestellt worden.204 Sie verbindet damit die in diesem Kapitel untersuchte Bewegung von der Taufe hin zum himmlischen Reich mit der Vorstellung eines Wachstums und geistlichen Fortschritts. Abschließend ist hier deshalb zu klären, in welchem Sinne Cyprian Wachstums- und Fortschrittsvorstellungen aufnimmt und wie sich diese zu seiner Konzeption des ad salutem peruenire verhalten. Die Vorstellung eines Wachstums begegnet bei Cyprian zunächst in Bezug auf die in der Taufe empfangene göttliche Gnade. Obwohl sich die Gnade nach seiner Überzeugung in der Taufe allen Glaubenden ohne Rücksicht auf Geschlecht, Alter oder Person in gleicher Weise, vollständig und ohne jede Einschränkung mitteilt, rechnet er damit, dass diese später durch Lebenswandel und Handeln der Christen verringert oder vergrößert wird.205 Zur Begründung nimmt Cyprian auf das Gleichnis vom Sämann Bezug, das er sonst, wie angedeutet, auf unterschiedliche christliche ‚Stände‘ (Märtyrer, Jungfrauen, Gerechte) deutet;206 an fortschreitende Entwicklungsstufen ist hier wohl nicht gedacht. Freilich erwartet er von Getauften auch ein tägliches Wachsen und Fortschreiten im Glauben und in der Gnade. Dieses Ideal verwirklichen für ihn diejenigen, die nach einer Nottaufe auf dem Krankenbett genesen sind und seither „ein

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und die Begriffe palma und corona sind gemeinsam. Vgl. auch zel 17;313–315; 18;340–346 und op 26;549–557. 204 So der Titel ihres Aufsatzes zum Zeitverständnis Cyprians; vgl. dazu auch oben 1. 205 Quin immo spiritus sanctus non de mensura datur sed super credentem totus infunditur. [...] Plane eadem gratia spiritalis quae aequaliter in baptismo a credentibus sumitur in conuersatione atque actu nostro postmodum uel minuitur uel augetur [...] (ep 69,14,1;309–2;329, Zitate Z. 309f.322–324). Zur aequalitas der Gnadengabe vgl. auch ep 64,3,2;47–51. – Die cyprianische Konzeption erinnert an das Gleichnis von den anvertrauten Pfunden in seiner lukanischen Fassung, derzufolge allen Dienern der gleiche Betrag anvertraut wird (Lk 19,12–27). Die Formulierung cum singuli ad denarium uocentur in Z. 327f dürfte auf Lk 19,12 anspielen, nicht auf Mt 20,9f (gegen Fahey, 319, und Clarke IV, 188 Anm. 50), wo eine ganz andere Aussageintention vorliegt. 206 Z. 324–327; Näheres zur cyprianischen Deutung dieses Gleichnisses (Mt 13,1–23par) und ihrem traditionsgeschichtlichen Hintergrund s.u. Kap. 8.2.1.

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lobenswertes, bewährtes Leben in der Kirche führen und täglich mehr durch das Wachsen des Glaubens zur Vermehrung der himmlischen Gnade fortschreiten“.207 Umgekehrt gibt nachlassender Glaube Sünde und Teufel neue Macht über sich.208 Entscheidend für das Wachstum der Gnade und damit auch für die entsprechende Befähigung zum Handeln ist demnach allein der Glaube, den Cyprian in diesem Zusammenhang wesentlich als Empfangsbereitschaft für die prinzipiell in unbegrenzter Fülle zur Verfügung stehende göttliche Gnade bestimmt.209 Wiederholt gebraucht Cyprian auch den Begriff des proficere in Verbindung mit der Existenz des Getauften.210 Programmatisch kann er sagen, es sei zu wenig, getauft zu werden und die Eucharistie zu empfangen, wenn der Getaufte nicht durch sein Tun vorwärtsschreite.211 Zur Begründung dieser Aussage zitiert Cyprian 1Kor 9,24f sowie vier Texte zur Notwendigkeit des Tuns guter Werke.212 Das Fehlen einer Zielbestimmung ist ein Hinweis darauf, dass das proficere hier in erster Linie als ein von der Taufe her In-Bewegung-gesetzt-Sein zu verstehen ist. Cyprian kann 1Kor 9,24f freilich auch als Ermahnung deuten, „dass unser Glaube fortschreite und wachse und zum höchsten Punkt gelange“,213 das paulinische currere also auch als proficere und crescere des Glaubens interpretieren. Als anzustrebender Zielpunkt und damit als krönender Abschluss von Fortschritt und Wachstum erscheint hier das Martyrium.214 Diese Bemerkungen zum proficere und crescere stehen freilich unter einer Überschrift, die es dem insistere und perseuerare zuschreibt, zum Siegespreis zu gelangen.215 Es bestätigt sich damit die Zusammengehörigkeit des durativen und des dynamischen Aspekts der cyprianischen Paränese: Weil das perseuerare ausgerichtet ist auf das Erreichen eines (zukünftig-jenseitigen) Zieles, hat es ____________

207 [...] (experimur ut) laudabiles ac probabiles in ecclesia uiuant plusque per dies singulos in augmentum caelestis gratiae per fidei incrementa proficiant (ep 69,16,1;358–360); zum Kontext vgl. Clarke IV, 190 Anm. 58. – Von einem cotidie crescere et proficere discendo meliora spricht Cyprian in ep 74,10,1;199–201 in Bezug auf die bleibend notwendige Lernbereitschaft der Bischöfe. 208 Z. 360–364; im Kontext geht es Cyprian darum, im Blick auf die sog. Klinikertaufe zu zeigen, dass es bei der Taufe weniger auf den Modus der Applikation des Wassers als vielmehr auf den Glauben des Getauften ankommt. 209 Vgl. zu diesem Thema auch Don 5;81–90 und dazu unten Kap. 7. 210 Zu den verschiedenen Bedeutungsaspekten von proficere vgl. ThLL X/2 Fasc. XI, 1694,50– 1703,71, außerdem OLD s.v. Proficere im Sinne von „nützen“ o.ä. (vgl. Georges s.v. I.B.2.b) bleibt hier unberücksichtigt, verwandte Begriffe wie prouehere, promouere etc. werden einbezogen. 211 Parum esse baptizari et eucharistiam accipere, nisi quis factis et opere proficiat (Quir 3,26tit). 212 Die Zitate sind Mt 7,19; 7,22f; 5,16 sowie Phil 2,15. 213 [...] ut fides nostra proficiat et crescat et ad summa perueniat [...] (Fort 8;16f). – In zel 10;173f wird mit der Formulierung de humilitate ad summa crescere die zukünftig-jenseitige Erhöhung dessen, der jetzt demütig ist, umschrieben. 214 Vgl. bes. Z. 10–29, aber auch die Ausrichtung von Ad Fortunatum insgesamt; in ep 10,4,3; 70–75 wird 1Kor 9,24f ausdrücklich als Martyriumsparänese zitiert. Vgl. auch Fort pr.4;65, wo es heißt, das Martyrium vollende (consummare) fidei nostrae incrementa. Zur Bezeichnung des Martyriums als Vollendung (consummatio, consummare) der christlichen Existenz vgl. Deléani, Christum sequi, 107f. 215 Fort 8tit; vgl. dazu oben 2.1 mit Anm. 68.

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keinen statischen Charakter, sondern ist identisch mit dem beharrlichen Einherschreiten auf einem Weg, das Cyprian auch als Wachsen oder Fortschreiten, als ein proficere ad salutem,216 bezeichnen kann. Bittet Cyprian zu Beginn der decischen Verfolgung für die eingekerkerten karthagischen Konfessoren, der Herr, der sie habe bekennen lassen, möge sie auch gekrönt werden lassen, indem die Anfänge (das Bekenntnis) zum Gipfelpunkt (das Martyrium) vordringen,217 so ermahnt er die Konfessoren nach ihrer Freilassung bzw. Verbannung,218 sich anzustrengen, um nach den Anfängen auch zum Wachstum zu gelangen, damit in ihnen vollendet werde, was sie mit glücklichen Anfangsgründen schon zu sein begonnen hätten.219 Das Wachstum aber, das jetzt, da mit einer unmittelbar bevorstehenden Vollendung im Martyrium nicht mehr zu rechnen ist, zwischen den Anfang des Bekenntnisses und die Vollendung tritt,220 muss sich in der disciplina, dem gebotsgetreuen Verhalten, der Konfessoren erweisen.221 Cyprian mahnt daher: „Lasst uns einander mit wechselseitigen Ermahnungen stärken und lasst uns mehr und mehr im Herrn vorwärtsschreiten, damit wir, wenn er gemäß seiner Barmherzigkeit Frieden geschaffen hat, [...] neu und sozusagen verändert zur Kirche zurückkehren und unsere Brüder ebenso wie die Heiden uns als in jeder Hinsicht zurechtgebracht und zum Besseren erneuert empfangen und diejenigen, die zuvor den Ruhm in der Tapferkeit bewundert haben, jetzt die disciplina im Verhalten bewundern.“222

Wachsen heißt hier magis ac magis proficere in domino, und dieses äußert sich in einer allseitigen ‚moralischen‘ Besserung und Erneuerung, anders ausgedrückt: in einer vorbildlichen Praktizierung der disciplina,223 ist hier also eindeutig in einem ‚moralischen‘ Sinne verstanden. Dem entspricht es, dass ____________

216 Vnit 2;41f; in Z. 38f steht, sachlich gleichbedeutend damit, ad praemium fidei peruenire; zum Kontext s.o. 3.1. 217 [...] ut initiis ad summa pergentibus quos confiteri fecit faciat et coronari (ep 6,4;99f). Zum Bezugspunkt des vorangehenden quod ut consummetur in uobis vgl. Clarke I, 197 Anm. 33. 218 Zur historischen Situation vgl. Duquenne, Chronologie, 68–75. 219 Danda opera est, ut post haec initia ad incrementa quoque ueniatur et consummetur in uobis quod iam rudimentis felicibus esse coepistis (ep 13,2,1;19–22). Voran geht hier die Ermahnung, den erlangten Ruhm forti et perseueranti uirtute festzuhalten (Z. 16–18), und es folgt ein pointierter Hinweis auf die Notwendigkeit der Bewahrung des in der Taufe Erlangten (Z. 22–25). Die Verbindung des Wachstumsmotivs mit dem der Bewahrung des Empfangenen bis zur Vollendung ist signifikant. 220 Die Formulierung ad incrementa uenire ist offenbar mit Bedacht an die Stelle des ad summa pergere in ep 6,4;99f gesetzt worden. Das consummari ist hier auf den (gewöhnlichen) Tod als das Ende der irdischen Existenz zu beziehen (anders Gülzow, Cyprian, 24 Anm. 31); vgl. ebenso habit 4; 190,1f. 221 Das ist das leitende Thema von ep 13. 222 Corroboremus nos exhortationibus mutuis et magis ac magis proficiamus in domino, ut cum pro sua misericordia pacem fecerit [...] noui et paene mutati ad ecclesiam reuertamur, et excipiant nos siue fratres nostri siue gentiles circa omnia correctos atque in melius reformatos et qui admirati fuerant prius in uirtutibus gloriam nunc admirentur in moribus disciplinam (ep 13,6;94–100). – Diese Stelle scheint Kinzig, Novitas Christiana, 283f, zu übersehen, wenn er bemerkt, bei Cyprian gebe es bezogen auf den einzelnen „eine reformatio in melius [...] erst nach dem Tod“. 223 Vgl. auch die entsprechenden Ausführungen in ep 14,2,2;36–46.

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Cyprian in Verbindung mit entsprechenden Bibeltexten wiederholt die Vorstellung einer spirituellen oder moralischen Vollendung anklingen lässt.224 Bezogen auf die Konfessoren wird das Motiv des notwendigen Beharrens auch mit dem eines stufenweisen Aufstiegs verknüpft: „Das Bekenntnis ist der Beginn des Ruhmes, nicht schon das Erlangen der Krone, und es macht das Lob nicht vollkommen, sondern setzt einen Anfang der Würde. Und da geschrieben steht (Mt 24,13par): ‚Wer ausharrt bis ans Ende, der wird gerettet sein‘, ist alles das, was vor dem Ende geschieht, eine Stufe, auf der zum Gipfel des Heils aufgestiegen wird, nicht der Endpunkt, an dem schon der höchste Gipfelpunkt festgehalten wird.“225

Weil ein perseuerare bis zum Ende gefordert ist, kann vor dem Ende der Gipfelpunkt, das heißt die durch den (Märtyrer-) Tod zu erlangende Sicherheit des Heils,226 noch nicht erreicht sein; weil es aber um das Erreichen des Zieles geht, wird das perseuerare keineswegs als passives Verharren, sondern als eine fortschreitende Bewegung hin zum Ziel aufgefasst. Christliche Existenz in der Zeit, das heißt nach der confessio bzw. der Taufe,227 aber vor dem „Ende“, ist demnach gekennzeichnet durch den doppelten Aspekt des Beharrens bei dem Empfangenen und des Vorwärtsschreitens hin zum Ziel.228 Die Bewegung hin zum Ziel wird ähnlich wie in habit 21 als ein ad fastigium salutis ascendere beschrieben; der Aufstieg scheint hier, wie sonst nur selten bei Cyprian, stufenweise gedacht zu sein,229 wobei der Akzent allerdings darauf liegen dürfte, dass vor dem Ende alles, was der Christ erreichen kann, lediglich eine Vorstufe ist. Als einen Aufstieg zu höherragenden Gipfeln (ad fastigia celsiora ascendere) deutet Cyprian die Verzögerung des Martyriums230 der mehr als ein Jahr lang eingekerkerten römischen Konfessoren, indem er das Wachstum ihres Ruhmes zur Länge ihres Leidens ins Verhältnis setzt und damit ihrem langen Kerkeraufenthalt einen theologischen Sinn verleiht.231 ____________

224 Vgl. pat 5;94–98 (zu Mt 5,43–48); orat 20;377–380 (zu Mt 19,21) sowie op 7;146–149. Zur cyprianischen Verwendung von perfectus, consummatus etc. vgl. auch Deléani, Christum sequi, 107f, und dies., Croissance, 332. 225 Confessio exordium gloriae est non meritum iam coronae, nec perficit laudem sed initiat dignitatem; cumque scriptum sit: ‚qui perseuerauerit usque ad finem hic saluus erit‘, quicquid ante finem fuerit, gradus est quo ad fastigium salutis ascenditur, non terminus quo iam culminis summa teneatur (unit 21;494–498). Meritum ist hier im Gegenüber zu exordium von dem Bedeutungsaspekt „erlangen, bekommen“ des Verbums her zu verstehen (vgl. Kap. 8 Anm. 208f); ähnlich Baer I, 154: „der Gewinn der Krone“, anders Bévenot, ACW 25, 62: „the final crown of merit“, und Mattei/Poirier/ Siniscalco, unit, 233: „un titre à recevoir la couronne“. 226 Vgl. unit 20;480–483 und dazu oben Kap. 1.2.2. 227 Die auf die Konfessoren bezogenen Ausführungen gewinnen hier allgemeingültigen Charakter. 228 Vgl. dazu auch Mattei/Poirier/Siniscalco, unit, 233f Anm. 3. 229 Vgl. ähnlich noch ep 28,2,1;24f. 230 Zur technischen Bedeutung des hier verwendeten Begriffs passio vgl. Hoppenbrouwers, Recherches, 116–118. 231 [...] longoque temporum ductu glorias uestras non trahitis, sed augetis. [...] tot uestrae laudes quot dies, quot mensium curricula tot incrementa meritorum (ep 37,1,3;19–28); vgl. ähnlich ep

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Die Taufe als ein auf Zukunft ausgerichteter Beginn

Wachstums- und Fortschrittsbegriffe verwendet Cyprian nicht selten in Bezug auf die kirchliche Ämterlaufbahn. Besonders deutlich zeigt dies die Beschreibung des kirchlichen cursus honorum des römischen Bischofs Cornelius: „Indem er durch alle kirchlichen Ämter vorangeschritten ist und in der Verwaltung der göttlichen Dinge oft das Wohlgefallen des Herrn gefunden hat, ist er auf allen Stufen der Frömmigkeit zum erhabenen Gipfel des Priesteramtes aufgestiegen“.232 Den zweifachen Konfessor Aurelius ernennt Cyprian aufgrund seiner besonderen Leistungen zum Lektor und bemerkt dazu, „ein solcher (Mann) verdiente weitere Stufen der Klerikerordination und größeres Wachstum“.233 In diesem Sinne dürfte auch seine Bemerkung zu verstehen sein, er könne nirgendwo besser sein als dort, wo er nach Gottes Willen zu glauben begonnen habe und gewachsen sei.234

„Croissance“ und „progrès spirituel“ (Deléani) spielen für die cyprianische Konzeption der Paränese eine nicht unerhebliche Rolle. Es handelt sich um eine der Beschreibungsformen für die Ausrichtung christlicher Existenz auf das zukünftige Heil.235 Grundlegend ist die Vorstellung, dass die in der Taufe empfangene Gnade einschließlich der damit verbundenen Befähigung durch Zutun des Getauften vergrößert (oder vermindert) werden kann; dieses aber wird im wesentlichen als (wachsende) Aufnahmebereitschaft charakterisiert. Diese Konzeption kann ebenso auf das Erlangen des Martyriums wie auf ‚moralische‘ Fortschritte bezogen werden. Dabei klingt sowohl die Vorstellung bestimmter Stufen bzw. Stände236 als auch der Gedanke eines kontinuierlichen, täglichen proficere an. Bezugspunkt des proficere oder crescere ist in der Regel der wachsende zukünftige Lohn. Kann demnach das ‚zum Heil gelangen‘ auch als proficere ad salutem, als peruenire oder crescere ad summa o.ä. beschrieben werden, so dürfte es wahrscheinlicher sein, dass die von Cyprian zur Einkleidung des peruenire ad salutem aufgenommene Wegmetaphorik zur Verwendung von Verben wie proficere führt, als dass umgekehrt, wie Deléani annimmt, die Wegmetaphorik als eine ____________

76,1,2;21–26 sowie pat 18;340f (zu Hiob) und mort 10;151–154 (zu Tobias). Zur Entsprechung zwischen der Intensität des Leidens und dem zu erwartenden Lohn s.u. Kap. 8.2.1.1. 232 [...] per omnia ecclesiastica officia promotus et in diuinis administrationibus dominum saepe promeritus ad sacerdotii sublime fastigium cunctis religionis gradibus ascendit (ep 55,8,2;120–122). Vgl. dazu auch Clarke III, 173f Anm. 32, sowie Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 165–170.253. Die von Cyprian verwendete Terminologie, die sich zum Teil mit der in unit 21 zu findenden berührt (s.o.), hat Entsprechungen im profanen Bereich; vgl. Hoffmann, a.a.O., 248.252–254, sowie Heumann-Seckel s.v. promouere 2; s.v. gradus 2.b.γ und s.v. fastigium bzw. Georges s.v. ascendere II. Zum römischen cursus honorum vgl. Kunkel/Wittmann, Staatsordnung, 43–51. 233 Merebatur talis clericae ordinationis ulteriores gradus et incrementa maiora [...] (ep 38,2,1; 26–28). Vgl. auch ep 39,4,3;74 und ep 40,3;21f, ferner ep 1,1,2;28f und ep 72,2,2;63–67. 234 [...] ubi me deus et credere uoluit et crescere (ep 7,1;12–14); ebenso versteht die Stelle Leimbach, Cyprianus, 369. Clarke I, 200 Anm. 7, dagegen deutet crescere auf Cyprians „spiritual growth in his new life as a believer“, das durch sein „rapid ecclesiastical advancement“ signalisiert werde; ähnlich Deléani, Croissance, 341 Anm. 69. Ein solcher Hinweis auf sein eigenes „geistliches Wachstum“ widerspräche m.E. Cyprians sonstigen Bescheidenheitsbekundungen. 235 Vgl. auch Deléani, Croissance, 333: „[...] la vie du chrétien est représentée parfois comme un ascension, avec des étapes possibles, le plus souvent comme une marche en direction du Royaume“. 236 Ein Sonderfall dessen sind die Klerikerpromotionen.

3. Der dynamische Aspekt der cyprianischen Paränese

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intuitive Ausdrucksweise für eine (noch) nicht klar auf den Begriff gebrachte Fortschrittsvorstellung zu verstehen ist,237 zumal es entsprechende Vorstellungen bei Irenäus und Tertullian schon gibt.238 Deléani betont mit Recht, dass Cyprian christliche Existenz in der Zeit dynamisch, nicht statisch versteht,239 aber es handelt sich dabei weniger um die Dynamik des Fortschritts als um die Dynamik des Kampfes. Anstrengungen und Leiden machen Sinn, weil sie am Ende belohnt werden und größere Mühen größeren Lohn erhalten, aber die Vollendung erscheint weniger als Ziel eines Wachstums- oder Entwicklungsprozesses denn als ersehntes Ende aller Kämpfe und Gefährdungen. Dem entspricht es, dass die Vorstellung eines heilsgeschichtlichen Wachstums oder Fortschritts, die für Tertullian (im Anschluss an Irenäus) eine wesentliche Rolle spielt, bei Cyprian nur gelegentlich und sehr beiläufig anklingt.240 Dies dürfte ein Reflex seiner Überzeugung sein, dass am „Ende der Zeiten“ vor allem Missstände und Übel zunehmen241 und die consummatio mundi nichts anderes ist als der katastrophale Zusammenbruch einer altgewordenen Welt.242

____________

237 Christum sequi, 108f. 238 Vgl. dazu Kinzig, Novitas Christiana, 210–279. 239 Vgl. Deléani, Croissance, 331. 240 Nach orat 35;652f sind für die Christen et spatia et sacramenta und damit die darauf bezogenen Gebetszeiten gewachsen (creuerunt). Vgl. dazu auch Kinzig, Novitas Christiana, 283f. 241 Vgl. bes. ep 67,7;155–157 und Dem 10;183f, ferner unit 16;392–395; mort 2;22–25; Fort 10;18 u.ö. 242 Vgl. dazu Kap. 8.1.1.

Kapitel 3: Sit tantum timor innocentiae custos (Don 4;76f): die Forderung, das in der Taufe Empfangene zu bewahren 1. Die lex innocentiae: die Forderung der Taufbewahrung In der Taufe hat der Christ seine Vergangenheit, seine alte Existenzweise abgelegt, die Unschuld ist wiederhergestellt, er ist geheiligt und ein neuer Mensch geworden. Er ist freilich noch nicht am Ziel, vermittelt die Taufe doch, wie gesehen, den Zugang lediglich zur Hoffnung auf das zukünftige Heil, noch nicht dieses selbst. Für Cyprian bedeutet dies auch, dass die empfangene Gnade noch kein sicherer Besitz ist, die Getauften vielmehr ständig gefährdet sind, sei es durch eigene Nachlässigkeit und Verfehlungen, sei es durch Angriffe des Widersachers. Christliche Existenz in der Zeit ist deshalb für ihn wesentlich durch die Forderung der Taufbewahrung bestimmt. Die Darstellung der durch die Taufe empfangenen Erneuerung und Befähigung in Don 41 mündet demgemäß in eine Ermahnung zur Bewahrung des Empfangenen: „Nur sei die Furcht Hüterin der Unschuld, damit der Herr, der aufgrund seiner Milde durch das Herabgleiten der himmlischen Gnade in unsere Sinne hineingeflossen ist, durch gerechtes Wirken in der Herberge der ihn ergötzenden Seele festgehalten werde, damit nicht die empfangene Freiheit von Besorgnis Nachlässigkeit hervorbringe und sich der alte Feind von neuem einschleiche.“2

Die Formulierung sit tantum timor innocentiae custos bezeichnet kurz und prägnant ein Grundthema der cyprianischen Paränese: Der Getaufte ist zwar zu einem neuen Menschen wiederhergestellt, befähigt, ein „Leben der Tugenden“ (uita uirtutum) zu führen und nicht (mehr) zu sündigen,3 aber diese Befähigung wirkt nicht sozusagen automatisch; sie ist vielmehr sogleich durch Bewahrung der innocentia zu bewähren. Das menschliche Subjekt wird in der Taufe nicht ersetzt, sondern gewissermaßen instand gesetzt. Das die „Unschuld“ bewahrende Verhalten fasst Cyprian im Begriff timor zusammen, der absolut gebraucht die Gottesfurcht bezeichnet,4 also weniger die Angst vor drohendem Heilsverlust meint als vielmehr eine gottesfürchtige Haltung. Gottesfurcht äußert sich ____________

1 Vgl. Don 4;59–76 und dazu oben Kap. 1.1.2. 2 Sit tantum timor innocentiae custos, ut qui in mentes nostras indulgentiae caelestis adlapsu clementer dominus influxit, in animi oblectantis hospitio iusta operatione teneatur, ne accepta securitas indiligentiam pariat et uetus denuo hostis obrepat (Z. 76–80). Tantum findet sich in ähnlicher Funktion auch in Don 15;302–304 – hier steht disciplinam tenere anstelle von innocentiam custodire – und habit 22;203,16f. Zur Sache vgl. auch unit 2;21–24. 3 Vgl. Don 4;69–74. 4 Vgl. dazu Kap. 6.1 mit Anm. 6.

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Die Forderung der Taufbewahrung

nach diesem Passus in gerechtem Handeln und bewahrt vor Nachlässigkeit (indiligentia), m.a.W.: sie erweist sich in einem Verhalten, das der Einwohnung Christi Rechnung trägt und ihn so „festhält“.5 Falsch verstandene securitas, die Nachlässigkeit hervorbrächte, böte dem alten Feind, vor dessen Nachstellungen und Einschleichversuchen Christen ständig auf der Hut sein müssen, Gelegenheit zu neuen Angriffen.6 Die Taufe befreit zwar von der Macht des Widersachers, verleiht aber keine Immunität. Die geforderte Taufbewahrung hat demnach zwei Aspekte: Praktizierung der dem neuen Sein entsprechenden Lebensweise und sorgsame Vorsicht gegenüber den Angriffen des Widersachers. Dass die Taufe von der Macht des Widersachers befreit, gehört zu den Grundgedanken der cyprianischen Theologie, klingt aber in der Regel nur in paränetischen Kontexten an.7 Eine Ausnahme ist der Abschnitt ep 69,15,1;330–16,1;364, wo es um das Problem der sog. Klinikertaufe geht:8 Mit der Taufe endet die Macht des Teufels und verliert seine hartnäckige Bosheit (nequitia) ihre schädigende Kraft. Wie die langdauernde Widerspenstigkeit und Überlegenheit des Pharao durch das Wasser des Roten Meeres besiegt und ausgelöscht wurden, so gilt Entsprechendes für den hartnäckigen und betrügerischen Widerstand des Teufels: Wenn es zum „rettenden Wasser“ der Taufe geht, so „müssen wir wissen und glauben, dass dort der Teufel versenkt und der Gott geweihte Mensch durch die göttliche Gnade befreit wird“.9 Im Leib des getauften, geheiligten Menschen, in dem der Heilige Geist Wohnung genommen hat, ist für böse bzw. unreine Geister kein Platz mehr. Sündigt der Getaufte, gibt er freilich dem Teufel erneut Macht über sich. Für Cyprian heißt dies, „dass der Teufel in der Taufe durch den Glauben des Gläubigen vertrieben wird, (aber) zurückkehrt, wenn der Glaube später nachlässt“.10 Er bestimmt damit die in der Taufe stattfindende Befreiung von der Macht des Widersachers als eine geglaubte Realität, die nur solange real bleibt, wie sie geglaubt und durch Freiheit von Sünde bewahrt wird. Darin ist die Notwendigkeit der Paränese begründet.

Die den Getauften drohende Gefahr kann Cyprian auf die kurze Formel bringen, der Getaufte verliere die Gnade, die er erlangt hat, wenn er nicht die Unschuld bewahre.11 Von den drei zur Begründung dieser Aussage angeführten Texten (Joh 5,14b; 1Kor 3,16–17a; 2Chr 15,2b) spielen die ersten beiden im Kontext seiner Ausführungen zur Taufbewahrung eine wesentliche Rolle. Die jesuanische Ermahnung des am Teich Betesda Geheilten, nicht mehr zu sündi____________

5 Vgl. ähnlich Don 15;309–312 sowie pat 16;311–314. 6 Vgl. dazu auch Tertullian cult 2,2,2f, bes. 2,2,3;19–21: qui securus agit, non et sollicitus, non possidet tutam et firmam securitatem. at qui sollicitus est, is uere poterit esse securus; ähnlich idol 24,1 und paen 6,23. Zu den Nachstellungen des Widersachers s.u. Kap. 5.1.1. 7 Vgl. zu diesem Motiv bei Cyprian Capmany, Miles, 282–286, zur frühchristlichen Tauftradition Ferguson, Baptismal Motifs, 209–211, und Daniélou, Démon, 179. 8 Vgl. Hammerich, Taufe und Askese, 155–157, und Pereira Lamelas, Una domus, 77f.83. 9 [...] scire debemus et fidere quia illic diabolus opprimitur et homo dicatus deo diuina indulgentia liberatur (Z. 348f). Voraussetzung der Taufbefreiung ist das Heilshandeln Christi, qui nos de diaboli faucibus exuit (ep 62,2,2;30; ähnlich Fort 7tit). 10 [...] ut manifestum sit diabolum in baptismo fide credentis excludi, si fides postmodum defecerit regredi (Z. 362–364). Vgl. zu diesem Passus auch Azzali Bernardelli, „Templum Dei estis“, 108f. 11 Baptizatum quoque gratiam perdere quam consecutus sit, nisi innocentiam seruet (Quir 3, 27tit); vgl. auch ep 59,13,4;361f u.ö. Zu den notwendigen Differenzierungen s.u. 2.

1. Die lex innocentiae

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gen (Joh 5,14b),12 ist für ihn zu einer Art Leitmotiv geworden. Der Text wird nicht nur wiederholt in diesem Zusammenhang zitiert oder angespielt,13 sondern scheint seine paränetische Konzeption auch sachlich zu prägen. Der zweite Text, 1Kor 3,16–17a, wird zwar sonst in diesem Kontext nicht explizit zitiert, V. 17a14 klingt aber wiederholt in entsprechenden Ausführungen an.15 Eine ausführlichere Entfaltung der Forderung, das in der Taufe Empfangene zu bewahren, findet sich in habit 2, wo Cyprian die Aufgabe der Christen, mit unerschütterlicher Standfestigkeit durch die Gebote zu den Gaben Gottes zu gelangen,16 in zwei Gedankengängen unter Aufnahme von 1Kor 3,17a und Joh 5,14b näher ausführt. Der erste Gedankengang ist durch das Tempelmotiv bestimmt:17 Durch das Taufbad geheiligt und vom Schmutz der alten Befleckung gereinigt, sind die Glieder der Christen zu Tempeln Gottes geworden,18 die zu entehren oder zu beflecken nicht rechtens ist, „da der, der (sie) entehrt, selbst entehrt wird“.19 Cyprian spielt hier offenkundig auf 1Kor 3,17a an,20 wobei er freilich unter Einfluss von 1Kor 6,12–20 statt der Gemeinde die Glieder der Christen als Tempel bezeichnet.21 Mit einem Hortativ fordert er diese anschließend dazu auf, als cultores und antistites dieser Tempel dem zu dienen, dem sie bereits zugehören, zitiert dazu 1Kor 6,19b–20 und leitet aus dem paulinischen Text die Aufforderung ab, Gott „mit reinem, unbeflecktem Leib und besserem Gehorsam“ zu verherrlichen und zu tragen,22 dem Erlöser vollkommenen Gehorsam zu erweisen und dafür zu sorgen, „dass nichts Unreines oder Unheiliges in den Tempel Gottes hineingetragen werde, damit er nicht Anstoß nehme und ____________

12 Ecce sanus factus es: iam noli peccare ne quid tibi deterius fiat (Z. 3f). 13 Vgl. habit 2;188,25–27; ep 13,2,2;25–27 und ep 55,26,1;464–466, ferner die Anspielungen in op 1;15 und orat 12;211f; vgl. dazu auch Fahey, 379–381. 14 Si qui templum dei uiolauerit, uiolabit illum deus (Z. 6f). 15 Vgl. habit 2;188,14f; laps 10;189–192; 35;675–677 und ep 55,27,2;488–490. – 2Chr 15,2b wird in Fort 8;4f in vergleichbarem Zusammenhang zitiert, aber nicht kommentiert. 16 Vgl. habit 2;188,6–12 und dazu unten Kap. 5.2.2.1. 17 Habit 2;188,12–25. Die paulinische Vorstellung, die Christen seien ein Tempel Gottes (1Kor 3,16f) bzw. ihr Leib ein Tempel des Heiligen Geistes (1Kor 6,19a), wird von Cyprian wiederholt aufgenommen; eine Zusammenstellung von Belegen bietet Kneller, Sacramentum, 690–693. Die Einwohnung kann auf den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist bezogen werden; vgl. etwa orat 11;185f (Gott); Don 15;310–312 (Christus und der Geist) sowie ep 73,12,2;197–204 (‚trinitarisch‘). Zum Tempelmotiv bei Cyprian vgl. ausführlich Azzali Bernardelli, „Templum Dei estis“, 95–111. 18 Das Tempelmotiv verbindet sich für Cyprian direkt mit der Taufe, und er kann die verschiedenen Aspekte der Taufe als Sequenz formulieren: Taufe > Sündenvergebung > Heiligung > Tempel Gottes-Werden (ep 73,12,2;197–200; vgl. ep 69,11,3;247–249 u.ö.). Über denen, die zum Tempel Gottes geworden sind, wird der Heilige Geist ausgegossen (ep 74,5,2;92–94 u.ö.). 19 [...] nec uiolari ea aut pollui fas sit, quando qui uiolat et ipse uioletur (188,14f); zu uiolare in Verbindung mit templa oder loca religiosa vgl. Georges s.v. b.α. 20 Watson, De habitu uirginum, 362f Anm. 1, deutet quando als Zitateinführung. 21 Cyprian bezieht das Tempelmotiv gern konkret auf die leibliche Existenz der Christen: mit den Konfessoren sind Tempel Gottes eingekerkert (ep 6,1,2;21–23; ähnlich ep 76,2,3;51–54), mit kriegsgefangenen Christen Tempel Gottes gefangen (ep 62,2,1;19–26). 22 Clarificemus et portemus deum puro et mundo corpore et obseruatione meliore (188,20f); obseruatio melior dürfte eine Anspielung auf Mt 5,20 sein und ist im Kontext auf die disciplina bzw. die praecepta diuina zu beziehen.

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Die Forderung der Taufbewahrung

den Wohnsitz verlasse, den er bewohnt“.23 Die Verletzung der in der Taufe empfangenen innocentia wird hier metaphorisch als Entehrung, Verunreinigung und Profanierung des Tempels Gottes umschrieben. Gefordert sind die Reinheit des Leibes und vollkommener Gehorsam, beides offenbar verstanden als allgemeine Bestimmungen, die jeweils entsprechend zu konkretisieren sind.24 Wer dem einwohnenden Gott Anstoß bereitet, läuft damit Gefahr, der Einwohnung Gottes verlustig zu gehen. Das durch 1Kor 3,17a angeregte Motiv des templum dei uiolare begegnet bei Cyprian häufiger. So haben nach laps 35;677 die lapsi durch ihre Beteiligung an paganen Opferungen den Tempel Gottes entehrt. Als „Gefäße des Herrn und Tempel Gottes“ hätten sie das Exil vorziehen müssen, „damit sie nicht gezwungen würden, Unreines zu berühren und durch todbringende Speisen befleckt und entehrt zu werden“.25 Auch wer Ehebruch begeht oder ein Bordell aufsucht, „entehrt den geheiligten Leib und Tempel Gottes mit abscheulichem Unrat“.26 Cyprian verbindet hier das aus 1Kor 3,17a rezipierte Motiv des templum dei uiolare mit der auf 1Kor 6,15–20 zurückgehenden Vorstellung, dass Unzucht und Ehebruch den als Tempel Gottes verstandenen Leib des Getauften verunreinigen. Durch eine Vertauschung von Subjekt und Objekt des uiolare kann er damit zugleich Ehebruch als direkten Angriff auf Gott und damit als Götzendienst erscheinen lassen: „Denn da unsere Leiber Glieder Christi sind und jeder einzelne von uns ein Tempel Gottes ist, entehrt jeder, der durch Ehebruch den Tempel Gottes entehrt, Gott [...]“.27

Der generelle Charakter der Ausführungen in habit 2 tritt im zweiten Gedankengang, der als Auslegung von Joh 5,14b gestaltet ist,28 noch deutlicher hervor. Cyprian führt das Zitat ein als „Worte des Herrn, der rettet und lehrt, heilt und ____________

23 [...] demusque operam ne quid immundum et profanum templo dei inferatur, ne offensus sedem quam inhabitat derelinquat (188,23–25). – Der ganze Passus ist durch Tertullian cult 2,1,1;8– 12 angeregt, aber eigenständig ausgeführt: Nam cum omnes templum dei sumus, inlato in nos et consecrato spiritu sancto, eius templi aeditua et antistita pudicitia est, quae nihil inmundum nec profanum inferri sinat, ne deus ille qui inhabitat sedem offensus derelinquat. Cyprian rezipiert die kursivierten Formulierungen und Motive, verallgemeinert aber die Ausführung, indem er statt der pudicitia die Christen selbst als antistites des „Tempels“ einsetzt, und ergänzt u.a. die Anspielung auf 1Kor 3,17a sowie das Zitat von 1Kor 6,19b–20 (zur Eigenständigkeit Cyprians in De habitu uirginum trotz und in seiner Tertullianrezeption vgl. auch Galdi, Commentatio). Mit einer „dépendence littéraire“ von cent 16 (oremus ergo [...] ne offensus dominus sedem spiritalem derelinquat [79;144f Reitzenstein], zuvor wird 1Kor 3,16f zitiert) ist hier gegen Daniélou, Les origines, 65, trotz deutlicher Entsprechungen nicht zu rechnen; Zusammenhang und größere literarische Übereinstimmungen sprechen eindeutig für Tertullianrezeption, und die frühe Datierung von cent ist kaum haltbar (vgl. dazu Kap. 5 Anm. 108). 24 Anders als bei Tertullian ist keine Einschränkung auf den Bereich der pudicitia intendiert. Das uiolare und polluere wird direkt der Taufheiligung gegenübergestellt, und die Fortsetzung zeigt, dass es um Taufbewahrung allgemein geht. 25 Et qui uasa sunt domini ac templum dei, ne inmundum tangere et feralibus cibis pollui uiolarique cogantur, non exeunt de medio nec recedunt? (laps 10;189–192). Wie in habit 2 stehen auch hier polluere und uiolare nebeneinander. 26 [...] sanctificatum corpus et dei templum detestabili conluuione uiolauerit [...] (ep 55,26,1; 470–472; es folgt ein Zitat von 1Kor 6,18). Vgl. auch pat 14;278f sowie ep 13,5,1;75–81. 27 Nam cum corpora nostra membra sint Christi et singuli simus templum dei, quisque adulterio templum dei uiolat deum uiolat [...] (ep 55,27,2;488–490); vgl. dazu auch ep 55,27,1;482–488. In ep 65,4,1;74 wird die Apostasie eines Bischofs als ein dominum uiolare charakterisiert. 28 Habit 2;188,25–189,10.

1. Die lex innocentiae

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zugleich ermahnt“,29 m.a.W.: der das Heil schenkt, aber zugleich zu seiner Bewahrung auffordert.30 Christus gibt damit, so Cyprian, „die Furcht, (recht) zu leben, er gibt (damit) das Gesetz, (fortan) die Unschuld zu wahren, nachdem er (zuvor) die Gesundheit gegeben hat“.31 Die Formulierung dat uiuendi timorem ist eine kühne Abbreviatur; gemeint ist offenbar wie in Don 4 die Gottesfurcht, die sich in einem aufmerksam-besorgten Lebenswandel äußert. Der Ausdruck lex innocentiae fasst die Ermahnung von Joh 5,14b, wie Cyprian sie versteht, prägnant zusammen.32 Cyprian deutet den Text in der Fortsetzung als Hinweis auf das größere Gewicht postbaptismaler Vergehen, begründet dies mit der durch die Taufe gewonnenen Erkenntnis Gottes und seiner disciplina und betont, dass es gegenüber solchen Verfehlungen keine Nachsicht (uenia) geben könne.33 Die in der Taufe empfangene Sündenvergebung verbindet sich demnach mit der strengen Verpflichtung, nunmehr die Unschuld zu wahren. Cyprian mahnt deshalb abschließend: „[...] jedes Geschlecht und jedes Alter gebe Obacht und trage gemäß der Ehrfurcht und Treue, die es Gott schuldig ist, Sorge dafür, dass das, was heilig und rein durch die Begnadung des Herrn empfangen wird, mit nicht weniger besorgter Furcht festgehalten werde“.34

Der für die Taufbewahrung notwendige sollicitus timor35 ist im Gottesverhältnis des Glaubenden begründet: Die sorgsame Bewahrung des dank göttlicher Begnadung Empfangenen36 entspricht der religiösen Ehrfurcht und (Pflicht-) Treue, die Gott zu erweisen sind. Der so verstandene timor erscheint als eine Art Leitbegriff von habit 2 bzw. der cyprianischen Paränese insgesamt.37

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29 Sospitantis domini uerba sunt et docentis, curantis pariter et monentis [...] (188,25f). 30 Zu der hier anklingenden Doppelstruktur s.o. Kap. 2.3.1. 31 Dat uiuendi timorem, dat innocentiae legem, postquam contulit sanitatem [...] (189,1f). Während Hartel z.St. zu der schwierig zu deutenden Wendung uiuendi timorem eine Reihe von textkritischen Varianten anführt (uiuenditi morem: S [offenbar ein Trennungsfehler]; uiuendi mores: V; uiuendi morem: v; uiuendi tenorem: Baluzius nach einem jüngeren Codex), bezeugen laut Petitmengin, Le „Codex Veronensis“, 370, alle MSS einschließlich V die Lesart (uiuendi) timorem. Für diese Lesart spricht neben der handschriftlichen Bezeugung auch, dass der Begriff timor im Kontext zweimal an prominenter Stelle begegnet (188,8; 189,10) und weder für tenor noch für mos bzw. mores vergleichbare Verwendungsweisen bei Cyprian beizubringen sind. 32 In op 1;15–17 verwendet er in gleichem Kontext den Ausdruck innocentiae praescriptio; vgl. auch Fort 11;62f. 33 Habit 2;189,2–6; vgl. ep 63,17,2;316–318 (Hinweis Keenan, habit, 89). Der Begriff uenia ist hier „nicht im technischen Sinne gebraucht, sondern so, wie wir auch von ‚verzeihlich‘ (entschuldbar) und ‚unverzeihlich‘ (unentschuldbar) sprechen“ (Koch, CU, 250f Anm. 2; vgl. ebd., 258f Anm. 2). 34 [...] sexus omnis adque omnis aetas obseruet et curet pro religione et fide quam deo debet, ne quod sanctum et purum de domini dignatione percipitur minus sollicito timore teneatur (189, 7–10). 35 Sollicitus bzw. sollicitudo begegnet wiederholt im Sinne besorgter Vorsicht gegenüber möglichen Angriffen des Widersachers (vgl. etwa habit 3;189,21f; Fort pr.2;27; unit 1;5; 27;616f; zel 1;7f; ep 67,2,2;44f u.ö.). Bayard, Tertullien, 249, übersetzt sachgemäß mit „avec un soin scrupuleux“; die Übersetzung von Keenan, habit, 45, „with anxious fear“ trifft dagegen das Gemeinte kaum. 36 Zum Begriff der dignatio bei Cyprian s.u. Kap. 7. 37 Vgl. dazu ausführlicher Kap. 6.1.

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Die Forderung der Taufbewahrung

Die Vorstellung, der Christ müsse die durch die Taufe empfangene Unschuld bewahren, da er andernfalls die erlangte Gnade wieder verliere, mag wie eine Selbstverständlichkeit anmuten, fehlt es doch an entsprechenden Mahnungen weder im Neuen Testament noch in der sonstigen frühchristlichen Literatur.38 Für das Denken Cyprians gewinnt sie freilich eine herausragende, die Struktur seiner Paränese prägende Bedeutung, wie schlaglichtartig der folgende, an karthagische Konfessoren gerichtete Passus erhellt: „Es ist zu wenig, dass man etwas hat erlangen können; mehr ist es, das, was du erlangt hast, bewahren zu können, wie auch der Glaube selbst und die heilsame (sc. zweite) Geburt nicht als empfangene, sondern als bewahrte lebendig machen. Nicht sogleich das Erlangen, sondern (erst) die Vollendung bewahrt den Menschen für Gott.“39

Zur Begründung zitiert Cyprian auch hier Joh 5,14b und verweist dann auf alttestamentliche Beispiele wie Salomo, Saul und viele andere, welche die ihnen gegebene Gnade nur so lange festzuhalten vermocht hätten, wie sie in den Wegen des Herrn wandelten; „als aber die disciplina des Herrn von ihnen wich, wich auch die Gnade“.40 Die Aussage, nicht schon die empfangene Taufe mache den Menschen lebendig, sondern erst die bewahrte, ist offenbar zugespitzt – Cyprian verbindet die uiuificatio sonst selbstverständlich mit der Taufe41 –, ist aber insofern in der Sache begründet, als die Taufe nach seinem Verständnis, wie gesehen, lediglich den Zugang zur Hoffnung auf das ewige Leben, noch nicht dieses selbst vermittelt. Solange die Christen noch in der Welt sind, haben sie täglich um ihr Leben zu kämpfen, kann also alles noch verloren gehen.42 In diesem alltäglichen Kampf die Taufgnade zu bewahren heißt aber nichts anderes als die disciplina festzuhalten; Taufbewahrung und Gebotsgehorsam erweisen sich damit als identisch. Das Gewicht dieser Thematik innerhalb der cyprianischen Paränese ist begründet in der intensiven Wahrnehmung der Gefährdung der Christen durch

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38 Vgl. etwa die bei Benoît/Munier, Taufe, 275, s.v. „Taufe (Bewahren der Taufe)“ genannten Stellen. 39 Parum est adipisci aliquid potuisse; plus est quod adeptus es posse seruare, sicut et fides ipsa et natiuitas salutaris non accepta sed custodita uiuificat. nec statim consecutio, sed consummatio hominem deo seruat (ep 13,2,1;22–25); zu parum in diesem Sinne vgl. auch Quir 3,26tit (zitiert Kap. 2 Anm. 211). Der zu Beginn des Zitats formulierte Gedanke hat einen sprichwörtlichen Hintergrund; vgl. Otto, Sprichwörter, 265 (Nr.1341), und dazu Eisenhut, Virtus Romana, 104. 40 [...] recedente ab his disciplina dominica recessit et gratia (13,2,2;25–31, Zitat Z. 30f). Zu Salomo vgl. ebenso unit 21;486–493 und orat 25;482–484. 41 Vgl. ep 73,12,1;196; Dem 26;518 sowie orat 12;214f. 42 Vgl. ep 13,2,1;18f sowie ep 14,2,2;36–46, wo mit drei Bibelzitaten (Sir 11,28a; Apk 2,10; Mt 24,13par) daran erinnert wird, dass noch mehr aussteht, als schon erreicht zu sein scheint (plus enim superest quam quod transactum uidetur [Z. 42f]). In diesen beiden parallel an verschiedene karthagische Adressaten (Konfessoren bzw. Klerus) versandten Briefen (vgl. dazu Duquenne, Chronologie, 68–75) geht es um den Status der Konfessoren. Entsprechendes gilt nach cyprianischem Verständnis für die Christen allgemein; vgl. oben Kap. 2.2.1 zu pat 13;263–270.

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ständige Angriffe des Teufels und der Welt.43 So wenig die confessio den Konfessor den Nachstellungen des Teufels entzieht und ihn mit dauernder Sicherheit (perpetua securitas) gegen die Versuchungen, Gefahren und Angriffe der Welt schützt, solange er noch in der Welt ist,44 so wenig vermag dies die Taufe.45 Solange das Ende noch nicht erreicht ist, sind weder die empfangene Gnade noch der durch das Handeln erworbene „Kranz der Gerechtigkeit“ sicherer Besitz,46 da Gefährdungen, Angriffe und Versuchungen andauern. Festzuhalten ist die empfangene Gnade nur dann, wenn der Christ bis zuletzt durch das Tun der Gerechtigkeit die in der Taufe empfangene innocentia bewahrt.

2. Ne quis sibi quasi innocens placeat (orat 22;413): die Unvermeidlichkeit postbaptismaler Sünden und die Möglichkeit ihrer Tilgung Die im Vorangehenden analysierten Texte lassen keinen Zweifel daran: Christen sind gefordert, durch einen gerechten Lebenswandel die in der Taufe empfangene Unschuld zu bewahren; tun sie dies nicht, droht der Verlust der ihnen zuteilgewordenen Gnade. Cyprian ist freilich zugleich der Auffassung, dass es unmöglich ist, dieser Forderung zu entsprechen, mehr noch: dass es Hochmut wäre, hielte jemand sich selbst für innocens bzw. sündlos, ist doch nach seiner Überzeugung „niemand ohne Schmutz und ohne Sünde“.47 Der damit angedeutete Widerspruch wird im Eingangskapitel der Schrift De opere et eleemosynis explizit thematisiert und als ein für die Getauften unlösbares Dilemma charakterisiert. Cyprian paraphrasiert Joh 5,14b,48 bezieht die Aussage des Textes auf die durch den Menschgewordenen von den Wunden Adams und dem Gift der Schlange geheilte Menschheit und streicht die Strenge dieses Gebotes stark heraus: „Durch diese Vorschrift, die Unschuld zu wahren, waren wir eingezwängt und ins Gedränge gebracht.“49 Der Mensch in seiner Schwachheit – die menschliche Schwäche wird im Anschluss an eine Formulierung Ciceros durch die pleonastische Aneinanderreihung annähernd synonymer Begriffe hervorgeho____________

43 Vgl. dazu Kap. 5.1. 44 Vnit 20;480–483. 45 Anders ist dies lediglich bei der sog. „Bluttaufe“, das heißt beim Martyrium, in dem „Taufe“ und Vollendung zusammenfallen; es ist deshalb ein baptisma in gratia maius (Fort pr.4; 61–68). Vgl. dazu Hummel, Concept, 124–128; zu entsprechenden Vorstellungen bei Tertullian vgl. Dölger, Tertullian, 123f. 46 Vnit 20;483–21;498; vgl. auch Kap. 1.2.2 zum Thema der securitas. 47 Neminem sine sorde et sine peccato esse (Quir 3,54tit). Cyprian begründet diese Aussage mit Zitaten von Hiob 14,4–5a; Ps 50,7 und 1Joh 1,8; nur das dritte Zitat wird auch sonst angeführt (op 3;54–56; orat 22;415–419; zu diesen Abschnitten s. gleich). 48 [...] legem dedit sano et praecepit ne ultra iam peccaret, ne quid peccanti grauius eueniret (op 1;15f). 49 Coartati eramus et in angustum innocentiae praescriptione conclusi (Z. 16f); vgl. dazu auch Poirier, op, 73 Anm. 4.

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ben50 – kann aber als solcher, so die Überzeugung Cyprians, die Unschuld nicht wahren.51 Hätte Gott nicht noch einen weiteren Schritt zu seinem Heil unternommen, wäre er – trotz empfangener Taufe! – ausweglos verloren gewesen. Die Liebe Gottes hat jedoch „einen Weg zur Bewahrung des Heils eröffnet“,52 indem sie es ermöglicht hat, durch Werke der Barmherzigkeit53 postbaptismale Vergehen abzuwaschen.54 Der aus der Sicht des Getauften unlösbare Widerspruch zwischen der Forderung der innocentia und der Unvermeidlichkeit postbaptismaler Sünden wird damit durch die Bereitstellung eines Mittels zur Tilgung jener Sünden gelöst. Diese in op 1 thetisch formulierte Konzeption wird in op 2–3 ausführlicher entwickelt. Cyprian begründet zunächst mit Zitaten von Prov 15,27a55 und Sir 3,3056 die sündentilgende Kraft der „Werke der Barmherzigkeit“ (eleemosynae), beschränkt diese aber sogleich auf postbaptismale Sünden, da vorher begangene Sünden durch das Blut Christi und die Heiligung in der Taufe gereinigt würden.57 Da durch die Taufe nur einmal Sündenvergebung gewährt werde,58 solle das beständige, ununterbrochene Tun von Werken der Barmherzigkeit (operatio),59 die Taufe nachahmend,60 von neuem die Gnade Gottes (dei indulgentia) reichlich mitteilen.61 Anschließend wird die Notwendigkeit, von diesen durch ____________

50 Fragilitatis humanae infirmitas adque inbecillitas (Z. 18); vgl. Cicero Tusc 5,3: humani generis imbecillitatem fragilitatemque (405,10f Pohlenz) und dazu Rebenack, op, 99, sowie Poirier, op, 22f bzw. 73 Anm. 4 („probable source“). 51 Die Ausführung könnte durch Tertullian Scorp 6,9;158,3–10 angeregt sein, wo es freilich heißt, Gott habe angesichts der inbecillitates condicionis humanae, der aduersarii insidiae, der rerum fallaciae usw. die Tilgung postbaptismaler Verfehlungen durch das Martyrium ermöglicht. 52 [...] uiam quandam tuendae salutis aperiret (Z. 20). Cyprian preist die von Gott getroffene Vorkehrung zur Bewahrung des erlösten Menschen in Z. 1–13 als Ausdruck seiner übergroßen prouidentia und clementia; vgl. auch op 26;542–549. 53 Die Wendung iustitiae et misericordiae opera (Z. 19f) bezeichnet nicht „two separate and distinct topics“, sondern Werke, „which are at one and the same time works of mercy and works of justice“ (Rebenack op, 52; vgl. S. 44–53); sie kann daher in Z. 21 durch den Begriff eleemosynae ersetzt werden. Zur Bedeutung dieses bei Cyprian in der Regel im Plural (Bayard, Le latin, 56) gebrauchten Begriffs vgl. Rebenack, op, 32–35, der ihn im Anschluss an Watson, Style, 277, und Bayard, Le latin, 191, mit „acts or works of mercy“ wiedergibt (Zitat S. 32); ebenso Gutiérrez, La Teología, 23. 54 Vgl. auch op 2;43–45. 55 Eleemosynis et fide delicta purgantur (op 2;23f). 56 Sicut aqua extinguit ignem, sic eleemosyna extinguit peccatum (Z. 26f). 57 Ebenso ep 55,2,1;360–364 zu Tob 4,10. 58 Zur Einmaligkeit der Taufe bei Cyprian vgl. ep 63,8,4;138f; ep 69,13,2;303f sowie Rahner, Busslehre, 308 mit Anm. 30 (mit weiteren Belegen), und de Clerck, Pénitence seconde, 355. Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit der Sündenvergebung in der Taufe werden von Tertullian stark betont; vgl. bapt 15,3 und dazu Evans, bapt, 92–94, sowie pud 18,15 und dazu Micaelli/Munier, pud, 422. 59 Operatio, operari etc. bezeichnen bei Cyprian absolut gebraucht häufig das Tun von Werken der Barmherzigkeit; vgl. Watson, Style, 277f, Bayard, Le latin, 191, sowie Rebenack, op, 35–43. 60 Zu der ungewöhnlichen, pleonastischen Formulierung baptismi instar imitata vgl. Poirier, op, 77 Anm. 5; er übersetzt „sur le modèle du baptême“. 61 Op 2;23–32; mit einer allegorisierenden Auslegung von Lk 11,40f wird in Z. 32–45 begründet, dass auch Christus dies gelehrt habe; vgl. dazu Poirier, op, 78f Anm. 1, sowie Garrison, Redemptive Almsgiving, 66, zur frühchristlichen Verwendung von Lk 11,41 als „proof-text to support the doctrine that almsgiving redeems sin“.

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die göttliche Gnade zur Verfügung gestellten Heilmitteln auch tatsächlich Gebrauch zu machen, erläutert: Da niemand ohne Sünde bzw. ohne irgendeine Wunde des Gewissens sein kann, wie mit Zitaten von Prov 20,862 und 1Joh 1,863 begründet wird, kann kein Christ im Vertrauen auf die eigene innocentia auf diese Medizin verzichten. Sich selbst schuldlos zu nennen, wäre Ausdruck von Hochmut oder Torheit.64 Das Vertrauen auf die – als Taufbewahrung geforderte! – innocentia wird hier als Irrweg bezeichnet; sie ist vorgeschrieben, aber es gibt sie nicht.65 Der Getaufte benötigt daher, soll die Taufgnade nicht verlorengehen, einen permanent gangbaren Weg der Tauferneuerung. Die praescriptio innocentiae ist damit nicht aufgehoben – das kommt für Cyprian offenbar nicht in Frage –, wohl aber gewissermaßen mit einem Auffangnetz versehen. Mit den Werken der Barmherzigkeit hat Gott dem Getauften eine seine Fehltritte korrigierende Handlungsmöglichkeit und damit trotz des unvermeidlichen Scheiterns an der innocentiae praescriptio einen Weg zur Bewahrung der Taufgnade eröffnet. Mit der Vorstellung einer Sündentilgung durch Werke der Barmherzigkeit nimmt Cyprian (späte) alttestamentlich-weisheitliche, frühjüdische und frühchristliche Traditionen auf,66 wobei er sich durchgängig auf alttestamentliche Zitate stützt.67 Entsprechende neutestamentliche Aussagen fehlen,68 es sei denn, die auf Prov 10,12 zurückgehende „vieldeutige Sentenz“69 ο« τι α γα' πη ____________

62 Quis gloriabitur castum se habere cor aut quis gloriabitur mundus esse a peccatis? (op 3;52f); Hartel liest mit einigen Zeugen mundum, ich folge Poirier und Simonetti. 63 Si dixerimus quia peccatum non habemus, nos ipsos decipimus et ueritas in nobis non est (Z. 54–56). 64 Op 3;46–60; in op 4f wird diese Konzeption mit einer Auslegung von Jes 58,1.7–9 und anderen alttestamentlichen Zitaten noch etwas weiter ausgeführt, ohne dass für den hiesigen Zusammenhang wesentliche neue Gesichtspunkte hinzukämen; danach klingen entsprechende Überlegungen nur noch vereinzelt an (vgl. op 14;274–276 und 18;356–373). Die Möglichkeit der Tilgung postbaptismaler Sünden durch „Almosen“ wird auch in ep 55,22,1;361–364 in ähnlicher Weise ausgeführt, dort allerdings bezogen auf das paenitentiam agere der lapsi; vgl. ferner noch laps 35;684–686. 65 Cyprian stimmt an diesem Punkt nicht nur mit biblischen Vorstellungen überein, auch in paganen Texten gibt es entsprechende Aussagen. Vgl. etwa Seneca mai. contr 2,4,4: nemo sine uitio est [...] tres fuimus, omnes peccauiumus (98,18–20 Håkanson); Seneca min. clem 1,6,3: peccauimus omnes [...] (219,5f Hosius); dial 3,14,3: nemo, inquam, inuenietur qui se possit absoluere, et innocentem quisque se dicit respiciens testem, non conscientiam (53,8–10 Reynolds) u.ö., und dazu Bellincioni, Potere ed etica, 80–86; ferner Epictet IV,12,19 u.a. Im Hintergrund steht offenbar die stoische Lehre von der Gleichheit aller Sünden: „All ordinary men, therefore, are equally guilty“ (J.M. Rist, Stoic Philosophy, 90). 66 Zu entsprechenden alttestamentlichen Vorstellungen vgl. Garrison, Redemptive Almsgiving, 46–55, der in der LXX eine deutliche Weiterentwicklung gegenüber der Hebräischen Bibel erkennt; zur „doctrine of redemptive almsgiving“ im Frühjudentum vgl. Countryman, The Rich Christian, 103–105, und Garrison, a.a.O., 56–59, zur parallelen Entwicklung dieser Vorstellung im frühen Christentum Garrison, ebd., 76–108, Countryman, a.a.O., 107–114, und Poirier, op, 166–169. 67 Neben den bereits genannten Texten Prov 15,27a und Sir 3,30 werden noch Dan 4,24 (op 5;95–97), Tob 12,8 (op 5;102f; orat 32;594f) und Tob 4,10 (ep 55,22,1;361) bzw. 4,5–11 (op 20;401– 412; Quir 3,1;32–43) angeführt. Vgl. dazu auch Gutiérrez, La Teología, 24. 68 Zu Ansatzpunkten für entsprechende Vorstellungen im Neuen Testament vgl. Garrison, Redemptive Almsgiving, 60–75. 69 Goppelt, KEK XII/1, 283.

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καλυ' πτει πλη^ θος α μαρτιω ^ ν (1Petr 4,8b)70 würde mit 2Clem 16,4 in diesem Sinne gedeutet.71 In der frühchristlichen Tradition dagegen begegnen solche Vorstellungen wiederholt,72 am deutlichsten in 2Clem 16,4, wo die Fasten und Gebet übertreffende Wirksamkeit des Almosens in Bezug auf die Sündentilgung hervorgehoben wird.73 Bei Tertullian findet sich diese Vorstellung nicht,74 wohl aber bei Clemens von Alexandrien,75 dessen Ausführungen den cyprianischen an etlichen Punkten korrespondieren. Kann Cyprian somit hinsichtlich der Vorstellung einer Sündentilgung durch Almosen auf verbreitete alttestamentliche und frühchristliche Traditionen zurückgreifen,76 so scheint er der erste zu sein, der sie zur christlichen Soteriologie in Beziehung gesetzt und so zu einer speziell auf die Vergebung postbaptismaler Sünden bezogenen Lehre weiterentwickelt hat.77 Die cyprianischen Ausführungen zur sündentilgenden Kraft der Werke der Barmherzigkeit in der Schrift De opere et eleemosynis sind in der Forschung zum Teil scharf kritisiert worden.78 Während Benson von einer „erroneous, or at least ambiguous, theory“ spricht und „a commencement of much mediaeval trouble“ gemacht sieht,79 findet Beck hier „die klassische Theorie vom Gnadenmittel des Almosens“ vorgetragen,80 die er massiv kritisiert: „Auf das äußerliche objektive Tun des Verrichtens ‚gesetzgerechter‘ Werke wird hier so sehr abgestellt, daß unzweideutig davon gesprochen werden kann, die göttliche Gnade durch Almosen zu erkaufen; die Deliktsschuld des Sünders wird also buchstäblich durch Geld abgetragen.“81 Die als Belegstelle dazu angeführte Formulierung negotiator caelestis gratiae et comparator salutis aeternae aus op 7;149f82 ist allerdings auszuklammern, da sie durch das Gleichnis Mt 13,45f veranlasst ist und sich nicht auf die Sündenvergebung durch Almosen bezieht. Es bleibt die wiederholt begegnende, durch Dan 4,2483 angeregte Wendung delicta bzw. peccata eleemosynis redimere o.ä.84 Dass redimere hier im strikten Sinne als „loskaufen“ zu verstehen wäre, wie Beck suggeriert, ist zweifelhaft; eine entsprechende Deutung des Begriffs redimere im soteriologischen Kontext hat zu einer letztlich irreführenden Debatte darüber geführt, an wen Christus sich selbst als Lösegeld „bezahlt“ habe,85 und es fehlt jeder Hinweis auf ‚Tarife‘, auf Gott als Empfänger der Bezahlung usw.86 Cyprian vertritt in der Tat im Anschluss an (spät-) alttestament____________

70 Vgl. auch Jak 5,20. 71 Vgl. dazu Garrison, Redemptive Almsgiving, 72f, ferner Goppelt, KEK XII/1, 283f, und Achtermeier, A Commentary, 294–296, die sich gegen diese Deutungsmöglichkeit aussprechen; zur Auslegungstradition des Textes vgl. auch de Clerck, Pénitence seconde, 370f mit Anm. 65. 72 Vgl. etwa Did 4,6: ε α` ν ε» χη, ς δια` τω^ ν χειρω^ ν σου, δω' σεις λυ' τρωσιν α μαρτιω^ ν σου; ähnlich Barn 19,10, ferner Polykarp Phil 10,2 u.ö. 73 Vgl. zu diesem Passus Poirier, op, 167, und Dassmann, Sündenvergebung, 147f, zur Entfaltung dieser Vorstellung im 2Clem insgesamt Garrison, Redemptive Almsgiving, 94–107. 74 Vgl. Poirier, op, 168. 75 Vgl. dazu Countryman, The Rich Christian, 54–63. 76 Zur Selbstverständlichkeit dieser Vorstellung im frühen Christentum vgl. Countryman, The Rich Christian, 107–109.113, und Garrison, Redemptive Almsgiving, 13f. 77 Vgl. Poirier, op, 168. 78 Vgl. Countryman, The Rich Christian, 197 mit S. 206 Anm. 39. 79 Benson, Cyprian, 249; vgl. auch Morgenstern, Cyprian, 43. 80 Die Formulierung schließt offenbar an von Harnack, Lehrbuch I, 465, an. 81 Beck, Römisches Recht, 121. 82 Beck, ebd., Anm. 4. 83 [...] et peccata tua eleemosynis redime et iniustitias tuas miserationibus pauperum [...] (zitiert op 5;94–97). 84 Belege dazu bietet Beck, Römisches Recht, 121 Anm. 4. 85 Vgl. dazu Poirier, op, 164f, ferner Noormann, Irenäus, 460f. 86 Von einer Wirkung entsprechender Werke auf Gott (deum placare bzw. propitiare, deo satisfacere) ist allein in op 4f – in Auslegung von Jes 58,1.7–9a – die Rede.

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liche Aussagen die Vorstellung einer sündentilgenden Wirkung von Almosen bzw. Werken der Barmherzigkeit. Um ein Erkaufen der Gnade Gottes handelt es sich jedoch schon deshalb nicht, weil es nach seiner Auffassung gerade ein Akt der göttlichen Gnade ist, solchen Werken diese Wirkung zuzubilligen;87 lapsi können sich nach cyprianischem Verständnis auch durch Werke der Barmherzigkeit keine Rechtsansprüche o.ä. erwerben.88 Die Gnade steht bereit, aber wer sie für sich in Anspruch nehmen will, der muss diesen von Gott eröffneten Weg gehen.89 Für Cyprian gilt hier derselbe Entsprechungsgedanke wie in der Vergebungsbitte des Vaterunsers: „Denn es wird auch nicht die Barmherzigkeit Gottes erlangen können, wer selbst nicht barmherzig gewesen ist, oder in seinen Bitten etwas von der göttlichen Liebe erreichen, wer selbst nicht menschenfreundlich gegenüber der Bitte des Armen war.“90

Die Werke der Barmherzigkeit sind freilich nicht die einzige Handlungsmöglichkeit, die Cyprian im Blick auf die unvermeidlichen postbaptismalen Sünden sieht. Hinzu kommt, wie zwei Kapitel der Schrift De dominica oratione zeigen, die tägliche Bitte um Heiligung und Vergebung der Schuld.91 Cyprian deutet die erste Vaterunserbitte im Anschluss an Tertullian als Bitte darum, dass der Name Gottes in den Christen geheiligt werde,92 und das heißt für ihn, dass die in der Taufe Geheiligten darin verharren,93 bzw. dass die in der Taufe empfangene sanctificatio „in uns bleibe“.94 Die Getauften bedürfen täglicher Heiligung, um ihre täglichen Verfehlungen wieder zu bereinigen (repurgare). Die Notwendigkeit der beständigen Bitte darum, „dass die Heiligung und Lebendigmachung, die von der Gnade Gottes empfangen wird, durch seinen Schutz bewahrt wer____________

87 Dies betont Bakhuizen van den Brink, Reconciliation, 105, mit Recht; vgl. auch Poirier, op, 48. Anders von Harnack, Lehrbuch I, 466f; III, 23. 88 Vgl. ep 33,2,1;26–29 und dazu unten Kap. 8.2.2. 89 Im Hintergrund dieser Konzeption dürfte zum einen das Motiv der Fürbitte der die Hilfe empfangenden Armen stehen (vgl. habit 11;195,9f; 2Kor 9,11–14 und dazu Countryman, The Rich Christian, 110–112), zum anderen der bußtheologische Gedanke, dass die Reue sich als wahrhaft erweisen muss (vgl. dazu etwa Rahner, Busslehre, 398–403). Daneben könnte auch „the equation of almsgiving with sacrifice“ (Countryman, a.a.O., 110) eine Rolle spielen. 90 Neque enim mereri dei misericordiam poterit qui misericors ipse non fuerit aut inpetrabit de diuina pietate aliquid in precibus qui ad precem pauperis non fuerit humanus (op 5;87–90); vgl. noch op 2;42f und dazu Poirier, op, 49f. – Countryman, The Rich Christian, 191–196, erklärt die cyprianische Betonung der Werke der Barmherzigkeit damit, dass die Gemeinde dringend finanzielle Mittel benötigt und es viele reiche lapsi gegeben habe; das Almosengeben habe so beiden geholfen; Weaver, Wealth and Poverty, 371–375, folgt dieser Deutung. Vgl. ähnlich Garrison, Redemptive Almsgiving, 109–134, zur Entwicklung der Vorstellung des „redemptive almsgiving“ in der nachapostolischen Zeit. 91 Vgl. außer den beiden im folgenden erörterten Passagen noch orat 6;79–81. 92 Orat 12;193–215; vgl. Tertullian orat 3,2–4. Cyprian rezipiert den Gedanken Tertullians, es gehe in dieser Bitte nicht um eine Heiligung Gottes, sondern um die der Christen, geht aber in der Ausführung des positiven Aspekts ganz eigene Wege. Vgl. auch Réveillaud, orat, 176. 93 Z. 198f, zitiert Kap. 2 Anm. 78. 94 Haec sanctificatio ut in nobis permaneat oramus [...] (Z. 210f). Die Verbindung der sanctificatio mit der Taufe, hier mit einem Zitat von 1Kor 6,9b–11 begründet (Z. 202–210), ist für Cyprian so selbstverständlich, dass sanctificatio absolut gebraucht die Taufe bezeichnen kann (vgl. orat 2;21; op 2;25; 26;536 u.ö.) und sanctificare häufig mit baptizare ein Hendiadyoin bildet (vgl. ep 64,2,1;21f; ep 69,1,1;5f; ep 73,18,2;316f u.ö.); vgl. auch Wendungen wie baptismi sanctificatio (habit 23;204,5 u.ö.), baptismo sanctificare (ep 73,19,3;354f) usw.

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de“,95 wird mit der „Drohung“ Christi in Joh 5,14b begründet. Der Widerspruch zwischen der strikten Forderung, nicht mehr zu sündigen, und der Realität täglicher Verfehlungen96 ist also nach diesem Text so zu lösen, dass Gott selbst durch täglich neue Heiligung des Menschen die in der Taufe empfangene Heiligung schützt und bewahrt. Eben darum müssen die Getauften täglich bitten.97 Die cyprianische Auslegung der Vergebungsbitte des Vaterunsers führt dieses Thema weiter:98 Die Bitte um die uenia delicti sei notwendig, weil der Christ (nur dann) in Gott leben und zum ewigen Leben gelangen könne, wenn ihm seine Sünden vergeben werden, und sie erinnere die Christen daran, dass sie Sünder seien: „Damit niemand sich selbst gefalle, als ob er unschuldig wäre, und durch Selbstüberhebung umso mehr zugrunde gehe, wird er (sc. der Christ) unterwiesen und unterrichtet, dass er täglich sündigt, indem er geheißen wird, täglich für seine Sünden zu bitten.“99

Cyprian zitiert dazu 1Joh 1,8–9, wo er sowohl die Notwendigkeit der Bitte um Vergebung als auch die Zusage, die indulgentia zu erlangen, ausgesprochen findet. Treu werde Christus hier genannt, weil er nicht nur für die Sünden zu beten gelehrt, sondern auch die väterliche Barmherzigkeit und Vergebung verheißen habe. Wie in op 1–3 werden die Getauften auch hier davor gewarnt, sich für innocens zu halten. Nicht die notwendigerweise bloß eingebildete innocentia ist der Weg, zum ewigen Leben zu gelangen, sondern die tägliche Bitte um Sündenvergebung. Nicht die zwar geforderte, aber de facto nicht verwirklichte eigene Gerechtigkeit ist der Modus, das in der Taufe auf Hoffnung Empfangene zu bewahren, sondern die göttliche indulgentia und Barmherzigkeit, die dem nicht versagt bleiben, der darum bittet. Von Werken der Barmherzigkeit oder anderen menschlichen Bußakten ist in diesem Zusammenhang keine Rede. Cyprian ist offenbar wie Tertullian der Auffassung, das Gebet selbst tilge Sünden.100

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95 [...] ut sanctificatio et uiuificatio quae de dei gratia sumitur ipsius protectione seruetur (Z. 214f). 96 Vgl. Z. 200f: qui cotidie delinquimus mit Z. 212: comminatur iam non delinquere. 97 Réveillaud, orat, 176f, charakterisiert orat 12 als ein „sommaire d’un véritable traité de la sanctificatio“, wobei es in der sanctificatio um die „persévérance“ der in der Taufe empfangenen Gabe, nicht um wachsende Heiligung gehe. Ist dem zuzustimmen, so dürfte die Rede von einer „grâce de persévérance“ (ebd., 177) zu weit gehen, da eine entsprechende Prädestinationslehre fehlt; ähnlich urteilt Barbalato, La dottrina, 35. 98 Orat 22;403–424; das Kapitel zeigt Berührungen mit Tertullian orat 7,1 – auch hier ist die Bitte im Wissen um die Allgemeinheit der Sünde begründet: sciebat dominus se solum sine delicto esse (Z. 3f) –, ist aber ganz eigenständig ausgeführt. Zur frühchristlichen Bedeutung der Vergebungsbitte des Vaterunsers für die „Gesinnung lebenslanger Buße“ vgl. Dassmann, Sündenvergebung, 149– 153. 99 Ne quis sibi quasi innocens placeat et se extollendo plus pereat, instruitur et docetur peccare se cotidie, dum cotidie pro peccatis iubetur orare (Z. 413–415). 100 Vgl. Tertullian orat 29,2;21f: eadem (sc. oratio) diluit peccata.

2. Ne quis sibi quasi innocens placeat

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Die in diesem Abschnitt untersuchten Texte stellen sich einem Dilemma, das der cyprianischen – und nicht nur seiner – Paränese inhärent ist, sofern der Imperativ „Sei (und bleibe), was du (in der Taufe) geworden bist!“ mit der Realität postbaptismaler Sünden konfrontiert ist. Es handelt sich dabei für Cyprian keineswegs bloß um ein kontingentes Phänomen, sondern um etwas schlechterdings Unvermeidliches.101 So wenig er die praescriptio innocentiae in Frage stellt oder ermäßigt, so sehr betont er, dass es Ausdruck von Hochmut und Anmaßung wäre, hielte ein Getaufter sich selbst tatsächlich für innocens. Aus menschlicher Perspektive gibt es für dieses Dilemma keine Lösung. Zu überwinden ist es nur, weil und sofern die göttliche Gnade und Barmherzigkeit nicht nur im Akt der Taufe, sondern auch danach wirksam ist und bleibt. Die Beschreibung dieses „zweiten“ gnadenhaften Handelns Gottes variiert: Es besteht in der täglichen Erneuerung bzw. Bewahrung der in der Taufe empfangenen sanctificatio, in der (täglich) gewährten Vergebung der Sünden sowie in der Möglichkeit, durch Werke der Barmherzigkeit postbaptismale Sünden abzuwaschen. Eine Systematisierung der verschiedenen Aspekte findet sich nicht. Die in der Sekundärliteratur begegnende Tendenz, die Werke der Barmherzigkeit als einzigen Weg zur Bereinigung postbaptismaler Sünden zu betrachten,102 dürfte ebenso unangemessen sein wie die Zusammenfügung der verschiedenen Aspekte zu einer Art Maßnahmenbündel.103 Alle drei untersuchten Texte stellen ebenso sehr die unausweichliche Realität postbaptismaler Sünden wie die bleibende Angewiesenheit auf göttliche Gnade heraus. Die Cyprian zugeschriebene Vorstellung, praebaptismale Sünden würden in der Taufe durch die Gnade Gottes getilgt, postbaptismale Sünden dagegen seien vom Menschen selbst zu bereinigen,104 widerspricht dem Tenor seiner Ausführungen. Die Bitte um diuina protectio und Sündenvergebung wird kaum als menschliches Werk zu charakterisieren sein,105 und die Aussagen von orat 12 und 22 werden durch op 1–3 weder aufgehoben noch relativiert – nach jenen Texten genügt das Gebet, nach diesen genügen die Werke der Barmherzigkeit. Zudem lassen auch die Ausführungen in op 1–3 keinen Zweifel daran, dass es sich auch hier um eine Maßnahme der göttlichen clementia handelt.106

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101 Das der fides verdankte iam non peccare (Don 4;72–74) ist demnach als ein posse non peccare zu verstehen, das von niemandem in absoluter Weise verwirklicht wird. 102 Vgl. etwa Rahner, Busslehre, 381–384, der zwar die entsprechenden Kapitel orat 12 und 22 kurz erwähnt, systematisch aber nicht in Rechnung stellt. 103 Nach de Clerck, Pénitence seconde, 370, haben frühchristliche Autoren im Anschluss an 1Petr 4,8 stets verschiedene Mittel zur Überwindung der täglichen Verfehlungen benannt, insbesondere Gebet, Almosen, Fasten und Tränen; von Origenes an seien die Listen solcher Mittel länger geworden (vgl. ebd., 365–374, insgesamt zu den „voies de la pénitence quotidienne“ v.a. im 4.–5. Jh.). Cyprian greift vergleichbare Vorstellungen lediglich im Kontext des förmlichen Bußverfahrens auf. 104 So etwa Rahner, Busslehre, 381f. 105 Gegen Rahner, Busslehre, 382. Seine These, es gebe bei Cyprian keine einfache Sündenvergebung für postbaptismale Sünden (ebd.), wird durch orat 22 widerlegt. 106 Vgl. op 1;11 und 3;58 (ferner 1;19: pietas diuina) und dazu Poirier, op, 46–50.

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Die Forderung der Taufbewahrung

Auffällig ist, dass keiner der untersuchten Texte eine Näherbestimmung oder Eingrenzung der Verfehlungen enthält, auf die sich diese Ausführungen beziehen. Eine systematische Unterscheidung zwischen alltäglichen bzw. kleineren und schweren Sünden findet sich bei Cyprian auch sonst nicht.107 Dass er de facto mit einer solchen Unterscheidung operiert, liegt freilich auf der Hand:108 Geht es in den hier untersuchten Texten um die Bewahrung der Taufgnade, so handelt es sich etwa bei den lapsi um die Wiederherstellung der verlorenen Taufgnade; in diesem Fall ist nach cyprianischem Verständnis das Absolvieren des geordneten kirchlichen Bußverfahrens unverzichtbar.109 Sind schwere Sünden, die den Verlust der Taufgnade zur Folge haben, die unter allen Umständen zu vermeidende Ausnahme, so ist von täglichen und in diesem Sinne alltäglichen Sünden niemand frei. Freilich sind auch diese ein ernstes Problem. Nur wenn sie durch Gebet oder Werke der Barmherzigkeit getilgt werden, kann die Taufheiligung trotz täglicher Verfehlungen bewahrt werden. Gäbe es diese Möglichkeit nicht, wären alle Christen ungeachtet des in der Taufe zugeeigneten Heilshandelns Christi rettungslos verloren. Der in diesem Kapitel untersuchte Widerspruch von strikter Forderung der Unschuld und ihrer ebenso strikten Unmöglichkeit und dessen ‚Lösung‘ durch die göttliche Gnade sind von grundlegender Bedeutung für das Verständnis der cyprianischen Paränese. So sehr Cyprian in seinen Ermahnungen weitreichende Forderungen aufstellt und diese nicht ermäßigt, so sehr räumt er die damit grundsätzlich gegebene Überforderung ein. Dies bedeutet freilich nicht, dass es sich für ihn um ein unlösbares Dilemma handelte, im Gegenteil: der Widerspruch ist zu lösen, weil und sofern Gott selbst ihn durch sein gnadenhaftes Handeln überwindet. Die cyprianische Paränese unternimmt demnach den Versuch, beides festzuhalten, sowohl die Strenge frühchristlicher Paränese als auch die Realität christlicher Unzulänglichkeit, und sie verweist deshalb auf die göttliche Gnade, deren fortdauernde Wirksamkeit in der tätigen christlichen Existenz allein diesen grundlegenden Widerspruch aufzuheben vermag.

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107 Vgl. dazu auch Bévenot, laps/un, XVII und S. 27 Anm. 3. Stattdessen gilt, so mit Recht Favazza, Order, 208 Anm. 116, die allgemeine Regel „that the punishment must suit the crime“ (vgl. laps 17, 31 und 35). 108 Die Vorstellung, dass alle Sünden gleich seien (omnia peccata paria esse), weist er als stoischen Rigorismus zurück (vgl. ep 55,16,1;260–266 und dazu unten Kap. 5.2.2.1), und er entwickelt bezogen auf die lapsi der decischen Verfolgung eine ausgesprochene Kasuistik (vgl. ep 55,13,2; 55,26,1; ep 16,2,3 u.ö.); vgl. auch Favazza, Order, 220f. Dennoch bleibt auffällig, dass die Formulierungen in op 1–3, wie Gutiérrez, La Teología, 25, zu Recht feststellt, offenbar unterschiedslos „ambas especies (sc. mortales y veniales) de pecados“ umfassen und die nächsten Parallelen zu diesen Ausführungen in ep 55,22,1 und laps 35 sich unzweideutig auf schwere Sünden beziehen. 109 Zum kirchlichen Bußverfahren bei Cyprian vgl. die kompakte und klare Darstellung bei Favazza, Order, 212–227, ferner etwa Poschmann, Paenitentia secunda, 418–422.

Kapitel 4: Christliches Handeln als Entsprechung zu dem in der Taufe begründeten neuen Sein

Christliche Existenz in der Zeit wird von Cyprian, wie gesehen, unter dem Gesichtspunkt des Verharrens bei dem in der Taufe Empfangenen, der Taufbewahrung und des Hingelangens zum Heil beschrieben. So wichtig diese grundsätzlichen Bestimmungen für das Verständnis seiner Paränese sind, sie bleiben gewissermaßen im Formalen. Im folgenden wird zu klären sein, wie Cyprian das christliche Handeln inhaltlich bestimmt. Zwei Aspekte erweisen sich dabei als grundlegend: zum einen die Forderung der tätigen Entsprechung zu dem in der Taufe begründeten neuen Sein, zum anderen die Wahrnehmung christlicher Existenz als eines permanenten Kampfes gegen den Widersacher und die Welt. Hier ist zunächst das Thema der Entsprechung zu erörtern. Die von Christen geforderte tätige Entsprechung zu dem in der Taufe empfangenen neuen Sein gehört zu den fundamentalen Aspekten der cyprianischen Paränese.1 Wer aufgrund der Taufe zu Gott gehört, der muss tun, „was Gottes würdig ist“; wer durch Christus erlöst worden ist und nun „in Christus“ lebt, der muss „nachahmen, was Christus gesagt und getan hat“; wer den Geist Gottes empfangen hat, der darf „nur Geistgemäßes und Göttliches tun“; wer in der Taufe dem Teufel und der Welt abgesagt hat, der muss diese Absage in seiner tätigen Existenz verwirklichen. Weitere, weniger gewichtige Facetten der Entsprechungsforderung ließen sich nennen. In den verschiedensten Zusammenhängen greift Cyprian auf diese Argumentationsfigur zurück, der er offenbar eine hohe Überzeugungskraft beimisst. Häufig ist dabei zu beobachten, dass er das von Christen geforderte Verhalten in dem wurzeln lässt und durch das begründet, was sie in der Taufe empfangen haben bzw. aufgrund des in der Taufe Empfangenen schon sind. Das christliche Verhalten soll der in der Taufe geschenkten Veränderung und Erneuerung nun auch in der Tat entsprechen. Die durch die Taufe begründete und inaugurierte neue Existenzweise erscheint gleichermaßen als Fundament und als Norm des geforderten Handelns. Charakteristisch für die entsprechenden paränetischen Ausführungen Cyprians ist eine Indikativ-Imperativ-Struktur, die nicht selten in auffälligen syntaktischen Formen bzw. Satzperioden hervortritt. Folgende syntaktische Muster lassen sich erkennen: a) si ... si ... (mit Ind.) > Hortativ / Imperativ: Si filii dei sumus,/ si templa eius esse iam coepimus,/ si accepto spiritu sancto sancte et spiritaliter uiuimus,/ si de terris oculos ad caelum sustulimus,/ si ad superna et diuina

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1

Vgl. dazu auch Capmany, Miles 24–29.

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Christliches Handeln als Taufentsprechung

plenum deo et Christo pectus ereximus,/ non nisi quae sunt deo et Christo digna faciamus [...].2 b) qui ... qui ... (m. Ind.) > Hortativ / Imperativ: [...] qui in domini luce semper sumus,/ qui meminimus et tenemus quid esse accepta gratia coeperimus,/ computemus noctem pro die.3 c) ut qui ... (m. Ind.) ... (Konj.): [...] ut qui spiritales et caelestes esse coepimus / non nisi spiritalia et caelestia cogitemus et agamus.4 d) Gelegentlich finden sich Mischformen aus (a) und (b): Quodsi et nos, fratres dilectissimi, in Christo sumus,/ si ipsum induimus,/ si ipse est salutis nostrae uia,/ qui Christum uestigiis salutaribus sequimur / per Christi exempla gradiamur [...].5 In den vorgestellten syntaktischen Formationen begründen die vorangestellten bzw. eingeschobenen si- oder qui-Sätze die nachfolgende Aufforderung mit dem, was die Christen von der Taufe her sind. Sie sind nicht konditional zu verstehen, sondern bringen als real gegeben gedachte Voraussetzungen zum Ausdruck.6 Vergleichbare Aussagen finden sich bei Cyprian in großer Zahl und vielfältigen Formen.7

Eine an die paulinische Paränese erinnernde Indikativ-Imperativ-Struktur ist demnach zu einem zentralen Moment der cyprianischen Paränese geworden.8 Wie Paulus ringt auch Cyprian darum, dass die durch die Taufe geschenkte Erneuerung des Menschen sich in einem erneuerten Existenzvollzug äußert.9 Wenn er etwa 1Kor 3,1–3 als Ermahnung des Paulus deutet, „dass der Mensch, der schon des Heiligen Geistes voll und durch die himmlische Geburt ein Sohn Gottes geworden ist, allein nach Geistgemäßem und Göttlichem strebe“,10 so kommt die Forderung der Entsprechung ebenso deutlich zum Ausdruck wie die Verwurzelung des Geforderten in dem bereits Gegebenen. Dass der Imperativ ____________

2 Zel 14;250–254; ebenso zel 10;181–184; Fort 11;213–216; ep 74,9,2;190–192 sowie mort 3; 38–41; in kürzerer Form pat 3;44–46 (si dominus nobis et pater deus est, sectemur patientiam domini pariter et patris); ep 63,18,3;342–344; unit 24;578f; pat 16;318–322; mort 21;362f u.ö. 3 Orat 36;687–689; ebenso zel 14;259–262 und pat 3;35–40; in kürzerer Form mort 1;13f (zitiert unten Anm. 22); op 26;551–553; orat 9;138f; 36;681f; mort 21;355–359 u.ö. 4 Orat 11;186–188; ebenso zel 10;175–177; orat 2;21f; 19;348–350; 23;443f; unit 21;506–508 und pat 13;269f; ähnlich pat 1;10–12 und zel 13;234f, mit ne qui ... orat 18;332–335. – Dieselbe syntaktische Struktur findet sich auch nach Verben wie petere (orat 18;346f; 22;405–407; 12;198f u.ö.). 5 Pat 9;163–165; vgl. auch ep 13,4,3;70–72. 6 Es gibt freilich auch vergleichbare Satzperioden und syntaktische Formen, in denen die (dann meist nachgestellten) qui- bzw. si-Sätze konditional zu verstehen sind. Vgl. etwa zel 11;199–202; 12; 213–217; 18;338–340 u.ö. (qui-Sätze) bzw. zel 18;342–346; op 26;553–556 u.ö. (si-Sätze). 7 Besonders häufig begegnen entsprechende paränetische Strukturen in orat und in zel 10–14. 8 Zu Paulus vgl. grundlegend Bultmann, Problem, ferner etwa Schrage, Ethik, 134–139, und J.D.G. Dunn, Theology, 626-631, zu entsprechenden Strukturen in der neutestamentlichen Paränese insgesamt Popkes, Paränese, 171–174. Als leitendes Deutungsprinzip der paulinischen Ethik ist das Indikativ-Imperativ-Schema jüngst von Zimmermann, Jenseits von Indikativ und Imperativ, grundsätzlich in Frage gestellt worden – ob zu Recht, muss die weitere Diskussion zeigen. Für die paränetische Argumentation Cyprians ist eine entsprechende Struktur zweifellos zentral. 9 Vgl. dazu auch Capmany, Miles, 29. 10 [...] ut homo iam sancto spiritu plenus et natiuitate caelesti dei filius factus non nisi spiritalia et diuina sectetur [...] (zel 13;233–235).

1. Die tätige Entsprechung zum neuen Gottesverhältnis

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im Indikativ nicht allein begründet und gefordert, sondern auch ermöglicht ist, gehört zu den grundlegenden Überzeugungen Cyprians.11

1. Die tätige Entsprechung zu dem in der Taufe begründeten neuen Gottesverhältnis Die Taufe begründet ein neues Gottesverhältnis des Menschen, das Cyprian gern mit dem Begriff der Gotteskindschaft12 und der Formel dei esse (coepisse) zum Ausdruck bringt.13 Seine Paränese zielt auf eine der Zugehörigkeit zu Gott entsprechende Lebensweise,14 ist es doch nicht nur eine hohe Auszeichnung, „Söhne Gottes“ genannt zu werden, sondern zugleich eine Verpflichtung: „Wir müssen also, überaus geliebte Brüder, daran denken und wissen, dass wir, wenn wir Gott ‚Vater‘ nennen, wie Söhne Gottes handeln müssen, damit, wie wir mit uns zufrieden sind, weil wir Gott zum Vater haben, so auch er unsretwegen mit sich zufrieden sei.“15

Cyprian erläutert diese Verpflichtung mit der Forderung, so als Tempel Gottes zu wandeln, dass die Einwohnung Gottes sichtbar wird,16 und zitiert zur Begründung 1Sam 2,30b17 und 1Kor 6,19b–2018, zwei Texte, die durch das Thema der Verherrlichung (clarificare) Gottes miteinander verbunden sind.19 Aus der ____________

11 Vgl. dazu ausführlicher Kap. 7. 12 Geheiligt und wiederhergestellt durch die (Neu-) Geburt (natiuitas) in der Taufe werden Menschen zu filii dei (orat 10;153–155); vgl. op 25;520f; ep 63,8,1;115f; zel 13;234f u.ö. Ermöglicht ist die Gotteskindschaft ebenso durch die Menschwerdung des Gottessohnes (op 1;5f: [...] quodque filius [sc. dei], missus, esse et hominis filius uoluit ut nos dei filios faceret; im Hintergrund steht hier die sog. „Tauschformel“ des Irenäus [vgl. Bengsch, Heilsgeschichte, 75]) wie durch sein Leiden (ep 58,6,3;148: filius dei passus est ut nos filios dei faceret); vgl. noch Dem 26;522 und ep 58,8,1;185f. 13 Vgl. Don 4;67; habit 2;188,16f und mort 1;13; vgl. auch den Ausdruck homo / homines dei (ep 6,1,2;20f; ep 10,2,1;32; ep 69,15,2;344; Dem 20;388f und dazu Kneller, Sacramentum, 693 Anm. 2). Auch von einer Einwohnung Gottes kann Cyprian sprechen (orat 11;185f; pat 16;313f; vgl. zel 14; 252f); vgl. auch Don 14;285f: deo suo mente iam proximus. 14 Vgl. dazu auch Gaudette, Baptême, 51–53, und Capmany, Miles, 24–27. 15 Meminisse itaque, fratres dilectissimi, et scire debemus quia quando patrem deum dicimus quasi filii dei agere debemus, ut quomodo nos nobis placemus de deo patre, sic sibi placeat et ille de nobis (orat 11;176–192, Zitat Z. 181–184). Zu sibi placere im Sinne von „mit sich zufrieden sein“ vgl. Georges s.v. I und Lewis-Short s.v. I.B.2. 16 Zur Verbindung des Tempelmotivs mit dem der Gotteskindschaft vgl. auch zel 14;250. Nach ep 58,4,1;79–89 ist nirgendwo ohne Gott, wer bei drohender Verfolgung flieht, um seinen Tempel zu bewahren. – Zum sich anschließenden Motiv der Geist-Entsprechung (Z. 186–188) s.u. 4. Eine Zusammenstellung von Entsprechungsforderungen bezogen auf das Tempelmotiv bietet Azzali Bernardelli, „Templum Dei estis“, 100–103. 17 Eos qui clarificant me clarificabo et qui me spernet spernetur [so die Lesart fast aller MSS, die durch zel 15;274 bestätigt wird; Hartel und Moreschini lesen mit S spernent spernentur] (Z. 188f). 18 Non estis uestri, empti enim estis magno. clarificate et portate deum in corpore uestro (Z. 190–192). 19 1Kor 6,19b–20 wird auch in habit 2;188,17–20 in vergleichbarem Kontext angeführt, 1Sam 2,30b in zel 15;274f.

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Christliches Handeln als Taufentsprechung

Gotteskindschaft leitet sich für Cyprian demnach eine grundlegende ethische Richtschnur ab, die er auf die Formel quasi filii dei agere bringen kann.20 Ziel des Handelns ist die Verherrlichung Gottes; motiviert wird es mit der Freude über die empfangene Gotteskindschaft, die als Ansporn verstanden wird, durch das eigene Handeln Gott eine entsprechende Freude zu bereiten.21 Wie die Gotteskindschaft, so begründet auch das dei esse (coepisse) einen entsprechenden Imperativ: „[...] wer bereits ein Mensch Gottes und Christi zu sein begonnen hat, der werde auch Gottes und Christi für würdig gehalten“,22 m.a.W.: der erweise sich in seinem Lebenswandel dieser besonderen Zugehörigkeit würdig.23 Wer zu Gott gehört, ist aufgefordert, ihm – durch besonders intensive Beobachtung seiner Gebote – zu dienen.24 Cyprian kann das geforderte tätige Gottesverhältnis auch mit einer paulinischen Formel als deo uiuere beschreiben,25 das nach seinem Verständnis durch die disciplina verwirklicht wird, sich in der Absage an die Welt bzw. die irdischen Güter und der Orientierung auf die zukünftigen Gaben Gottes hin äußert und die Bereitschaft zum Leiden impliziert.26 Am deutlichsten kommt die Forderung, der in der Taufe begründeten Gottesbeziehung entsprechend zu leben, in der cyprianischen Verwendung des Motivs der Gottähnlichkeit (similitudo dei) zum Ausdruck. Die durch die Taufe bewirkte Veränderung und Erneuerung muss sich Cyprian zufolge darin erweisen, dass in dem Getauften „die göttliche Geburt aufleuchte, dass die gottgegebene disciplina27 Gott dem Vater entspreche, dass durch die Ehre und den Ruhm der Lebensweise Gott im Menschen erglänze“, verspreche doch Gott, den zu verherrlichen, der ihn verherrlicht.28 Als eine Anleitung zu solcher Verherrlichung Gottes durch Gottähnlichkeit führt er Mt 5,43–45 an, wobei V. 45a einen leicht

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20 Vgl. auch die Formulierung conuersari quasi templa dei in Z. 185. 21 Mit dem Motiv der Gotteskindschaft begründet Cyprian außerdem in orat 9;133–150 die Anrufung Gottes als „Vater“ (vgl. auch Fort 11;109–113), in orat 23;441–445 die Forderung der Friedfertigkeit und Einmütigkeit der Christen; vgl. ebenso unit 24;579–582; zel 18;338f, ferner unit 12; 356–360 sowie pat 16;311–314 und 20;392f. 22 [...] qui homo dei et Christi esse iam coepit deo et Christo dignus habeatur (mort 1;13f). 23 Dieses paränetische Motiv begegnet auch in der paulinisch-deuteropaulinischen Literatur; vgl. 1Thess 2,12; Kol 1,10; Phil 1,27; Eph 4,1 u.ö. 24 Seruiamus illi, cuius esse iam coepimus (habit 2;188,16f); zum Zusammenhang s.o. Kap. 3.1. 25 Vgl. Röm 6,11; 14,8 und 2Kor 5,15 und dazu etwa J.D.G. Dunn, WBC 38B, 807. 26 Vgl. habit 1;187,2–4; Dem 20;394–400 sowie Fort 11;213–216. Zu vergleichen ist noch die auf Minucius Oct 36,4 zurückgehende Wendung deo diues esse in habit 7;192,14 (ähnlich 10;195,2f) und op 13;263. 27 Benson, Cyprian, 450, gibt deifica disciplina mit „the ‚Discipline that divinises‘“ wieder, S. 455 mit „deifying education“; wahrscheinlicher ist, dass deifica hier wie in ep 52,2,4;60f (ebenfalls neben disciplina) mit diuina gleichbedeutend ist (vgl. Bayard, Le latin, 41 Anm. 1). 28 [...] ut in te diuina natiuitas luceat, ut ad patrem deum deifica disciplina respondeat, ut honore et laude uiuendi deus in homine clarescat [...] (zel 15;270–274; in Z. 274f wird erneut 1Sam 2,30b zitiert). Ausgangspunkt der Ausführung ist ein Zitat von 1Kor 15,47–49 (zel 14;262–267), das zunächst kurz auf die similitudo Christi (Z. 267–269; dazu s.u. 2), dann aber ausführlich auf die similitudo dei hin interpretiert wird.

1. Die tätige Entsprechung zum neuen Gottesverhältnis

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veränderten Wortlaut zeigt: „damit ihr ähnlich seid eurem Vater, der in den Himmeln ist“.29 Die Forderung der Ähnlichkeit zwischen den Kindern Gottes und ihrem himmlischen Vater wird durch einen Vergleich mit entsprechenden menschlichen Erwartungen untermauert: „Wenn es (schon) für Menschen erfreulich und rühmlich ist, Kinder zu haben, die (ihnen) ähnlich sind, und es sie dann mehr ergötzt, gezeugt zu haben, wenn der nachfolgende Sprössling dem Vater mit gleichen Zügen entspricht, eine wie viel größere Freude ist (da erst) bei Gott dem Vater, wenn jemand so durch den Geist (wieder-) geboren wird, dass durch seine Taten und seine rühmlichen Eigenschaften die edle göttliche Abkunft gepriesen wird.“30

Die similitudo dei patris erscheint hier als die von den Getauften erwartete Entsprechung zu Gott und zugleich als Modus der Verherrlichung Gottes. Gefordert ist sie von Gotteskindern auch deshalb, weil ihre Lebensweise sozusagen auf ihren Erzeuger zurückschlägt.31 Sie sollen daher so leben, dass ihr himmlischer Vater darüber gepriesen wird32 und Gott selbst sich an ihnen freut.33 Mit Mt 5,43–48 kann Cyprian auch die Aussage begründen, „dass patientia eine Sache Gottes ist und (dass), wer immer milde, geduldig und sanft ist, ein Nachahmer Gottes des Vaters ist“.34 Die Nachahmung der patientia Gottes ist für ihn daher nicht nur der Weg zur Vollkommenheit,35 sondern darüber hinaus eine Möglichkeit, die durch die Sünde Adams verlorene Gottähnlichkeit (similitudo diuina) durch das eigene Handeln wieder aufleuchten zu lassen.36 Auch wenn das Thema Verlust und Wiedergewinnung der imago und / oder similitudo dei bei Cyprian sonst keine große Rolle spielt, scheint doch klar, dass er die Wiedergewinnung der similitudo dei weder mit der Wiederherstellung des Men____________

29 [...] ut sitis similes patris uestri qui in caelis est (Z. 275–282, Zitat Z. 280f; ebenso in einer Paraphrase von V. 45 in orat 17;316–318); die von R a b v vertretene Lesart filii patris ist Angleichung an den üblichen biblischen Text, den auch Cyprian an anderen Stellen vertritt (vgl. pat 5;85– 94; Quir 3,49;4–7). – Zur cyprianischen Rezeption von Mt 5,43–48 vgl. Fahey, 278f; zu ergänzen ist eine Anspielung auf V. 45 in op 25;520f. 30 Si hominibus laetum est et gloriosum filios habere consimiles et tunc magis generasse delectat, si ad patrem liniamentis paribus suboles subsiciua respondeat, quanto maior in deo patre laetitia est, cum quis sic spiritaliter nascitur, ut in actibus eius et laudibus diuina generositas praedicetur (Z. 282–287). In Z. 287–291 zitiert Cyprian als Gegenbeispiel Jes 1,2b, als Lob Christi für rechte Kinder Gottes Mt 25,34b. 31 Vgl. auch pat 3;44–47: Christen müssen die patientia Gottes nachahmen, weil Kinder nicht aus der Art schlagen dürfen (filios non decet esse degeneres); Näheres zu diesem Text s.u. Kap. 6.2.2. 32 Cyprian dürfte in Z. 286f auf Mt 5,16 anspielen; vgl. auch ep 13,3,2;40–44, wo der Text in entsprechendem Kontext zitiert wird. 33 Vgl. auch zel 18;340–346: Cogita [...] peruenire nos tunc demum posse ut eum (sc. deum) uidere contingat, si ipsum nunc uidentem delectemus actibus nostris [...]. Nach Z. 338–340 können allein diejenigen filii dei genannt werden, die friedfertig sind und durch die (neue) Geburt und das göttliche Gesetz Gott dem Vater und Christus ähnlich sind (ad similitudinem ... respondere ist pleonastisch, respondere ad ... die bei Cyprian übliche Konstruktion; vgl. zel 15;271f.284f u.ö.). 34 [...] quia patientia dei res est et quisque lenis patiens et mitis est dei patris imitator est [...] (pat 5;82f; das Mt-Zitat steht in Z. 85–94). Vgl. auch pat 2;14–16; 20;407f. 35 Dieser Gedanke ist durch V. 48 angeregt. 36 Pat 5;81–100.

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Christliches Handeln als Taufentsprechung

schen in der Taufe gleichsetzt noch als Ziel einer prozesshaften Annäherung versteht.37 Es handelt sich für ihn vielmehr darum, das, was der Christ aufgrund der Taufe schon ist, durch tätige Entsprechung im Handeln sichtbar werden zu lassen.38 So deutet er auch die durch Besitzverkauf und Gütergemeinschaft praktizierte Nachahmung der aequitas Gottes in der Urgemeinde als wahrhaftige Verwirklichung der Gotteskindschaft.39 Das aus Mt 5,45 abgeleitete Gebot, Gott dem Vater ähnlich zu sein, kann auch auf andere Verhaltensbereiche, etwa das Gebet für das Heil auch der Nicht-Christen, bezogen werden.40 Angeregt durch Mt 5,45 entfaltet Cyprian die von den Christen geforderte, auf die Verherrlichung Gottes zielende tätige Entsprechung zu dem in der Taufe begründeten Gottesverhältnis mit Vorliebe mit dem Motiv der similitudo dei. Die beiden bei ihm begegnenden Varianten von V. 45a (ut sitis filii / similes patris uestri) können als eine Art Diptychon verstanden werden: Weil der Getaufte als filius dei nicht ‚aus der Art schlagen‘ darf, muss er in seiner tätigen Existenz die similitudo dei verwirklichen. Die Konkretionen sind in der Regel durch den matthäischen Kontext veranlasst, können aber auch darüber hinausgehen.41 Die Argumentationsfigur dient nicht nur als eine übergreifende Verhaltensnorm, sondern auch als eine besondere Motivierung christlichen Handelns.

2. Die tätige Entsprechung zu der in der Taufe begründeten Zugehörigkeit zu Christus Die Taufe begründet die Zugehörigkeit des Getauften wie zu Gott dem Vater, so auch und mehr noch zu Christus. Der Getaufte ist „in Christus“ bzw. hat „Christus angezogen“, und Christus hat in ihm Wohnung genommen.42 Nun ____________

37 Zu dieser von Irenäus vertretenen Vorstellung vgl. Fantino, l’homme, 121–143. 38 Cyprian verwendet hier Verben wie manifestari und lucere; vgl. auch zel 15;271–273. 39 Hoc est natiuitate spiritali uere dei filium fieri [...] (op 25;520f); zur Praxis der Urgemeinde vgl. Z. 507–520, zur Nachahmung Gottes Z. 521–530, zum ganzen Abschnitt auch Poirier, op, 188– 191. – Die cyprianische Beschreibung der aequitas Gottes dürfte nicht nur durch Mt 5,45, sondern auch durch entsprechende stoische Motive beeinflusst sein (vgl. Dörrie, Gnade, 329; eine verwandte Formulierung bei Plinius d.J. paneg 35,4f verzeichnet Koch, Novaziano, 330). Zur Interpretation menschlicher Freigebigkeit als Nachahmung der aequitas Gottes vgl. auch Wengst, SUC 2, 299.335 (zu Diog 10,4–6), Dörrie, Gnade, 326, sowie Garrison, Redemptive Almsgiving, 44f (zu Musonius). Straw, Cyprian and Mt 5:45, deutet die entsprechenden Ausführungen Cyprians (vgl. noch ep 69,14,1; 309–2;329 und ep 64,3,1;33–2;51) als Versuch, eine „Christian patronage“ zu etablieren. Die Darstellung der cyprianischen Unterweisung während der Pest zum Nutzen von Werken der Barmherzigkeit bei Pontius Vita Cypr 9,6–9 ist mit Bastiaensen, Vita, 261f, als synthetisierende Zusammenfassung der vorgestellten Ausführungen zu verstehen (anders von Harnack, Das Leben Cyprians, 35 Anm. 1). 40 Vgl. orat 17;316–319. 41 In habit 16;199,11–14 wird das Färben grauer Haare mit dem Hinweis kritisiert, eine Haarfarbe, die ad domini caput similis sei (s. Apk 1,14), dürfe nicht verachtet werden! 42 Zum in Christo esse vgl. pat 9;163f; orat 18;332; 36;681 und ep 74,9,2;190, ferner ep 13,4,3; 68 (in Christo uiuere). Zur Deutung der Taufe als Christum induere (im Anschluss an Gal 3,27) vgl. ep 74,5,2;96–2;103; unit 7;186f (bzw. Z. 163–189 insgesamt); unit 1;6f; ep 76,2,4; 70f, ferner zel 12;

2. Die tätige Entsprechung zur Zugehörigkeit zu Christus

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kommt es darauf an, „in Christus zu bleiben“,43 und das heißt für Cyprian: in der tätigen Existenz Christus zu entsprechen. Die geforderte Entsprechung mit Christus gehört zu den Grundelementen der cyprianischen Paränese und kann auf vielfältige Weise zum Ausdruck gebracht werden. Dominierend sind die Motive der imitatio und der Nachfolge Christi; daneben spielen die similitudo bzw. imago Christi, der Begriff des exemplum sowie das Motiv, sein Heilshandeln zu vergelten, eine wichtigere Rolle.44 Dass Christen in ihrer durch die Taufe begründeten neuen Existenz Ähnlichkeit mit Christus zeigen (Christi similitudinem praebere) und daher das bedenken und tun müssen, was zu Christus gehört (quae sunt Christi), begründet Cyprian mit der paulinischen Mahnung, das „Bild des Himmlischen“ zu tragen (1Kor 15,49b).45 Das Tragen der imago Christi kann demgemäß mit einer Art Tugendkatalog ethisch konkretisiert werden: „Dieses Bild trägt die uirginitas, trägt die Unversehrtheit, tragen die Heiligkeit und die Wahrheit, tragen diejenigen, die der disciplina Gottes eingedenk sind, (die) in Frömmigkeit die Gerechtigkeit festhalten, im Glauben standfest sind, in der Furcht demütig, tapfer zu jedwedem Ertragen, sanft zum Erdulden von Unrecht, bereitwillig zum Tun der Barmherzigkeit, in brüderlicher Liebe einmütig und einträchtig.“46

Der Abschnitt beginnt mit der uirginitas und einigen zugehörigen ‚Tugenden‘,47 weitet sich dann aber zu einer Beschreibung allgemeiner christlicher Verhaltensforderungen. Die imago Christi trägt demnach, wer den grundlegenden christlichen Normen entsprechend handelt.48 Eine von Cyprian bevorzugte Ausdrucksweise für die geforderte Entsprechung mit Christus ist das Motiv der Nachahmung Christi (Christum / Dominum imitari),49 das sich häufig mit anderen verwandten Motiven, besonders ____________

211 (Christi nomen induere) sowie Fort pr.3;42–49; op 14;277–279; vgl. dazu auch Barbalato, La dottrina, 28f, Fahey, 475f, sowie Pereira Lamelas, Una domus, 202–208. Zur Einwohnung Christi vgl. ep 62,2,2;26–32 (mit Zitat Gal 3,27); pat 19;360f; orat 3;22; Don 15;311; ep 74,9,2;190 und ep 60,3,2;74–77, ferner Don 4;77f. 43 Nach habit 1;187,4 bedarf es dazu der disciplina, nach pat 20;384f der patientia; vgl. auch mort 18;356f. Schwerere Vergehen gefährden dies (orat 18;331–335; vgl. Z. 345–347). 44 Zu Einzelaspekten vgl. orat 3;32f (das Gebet Jesu sprechen); orat 36;681f (Tag und Nacht beten); ferner unit 1;6–8; 24;578 sowie mort 21;355–359. 45 Zel 14;259–269; Cyprian zitiert hier 1Kor 15,47–49 insgesamt, beschränkt seinen Kommentar aber auf V. 49b, wo er, wie viele andere Zeugen, portemus (φορε' σωμεν) liest (Fee, NIC 7, 794f, tritt für die meist bestrittene Ursprünglichkeit dieser Lesart ein). 46 Hanc imaginem uirginitas portat, portat integritas, sanctitas portat et ueritas, portant disciplinae dei memores, iustitiam cum religione retinentes, stabiles in fide, humiles in timore, ad omnem tolerantiam fortes, ad sustinendam iniuriam mites, ad faciendam misericordiam faciles, fraterna pace unanimes adque concordes (habit 23;204,17–22). Auch hier wird 1Kor 15,47–49 insgesamt zitiert (Z. 11–17), aber lediglich V. 49b interpretiert. 47 Vgl. dazu Z. 8–11 sowie habit 3;189,14f: dei imago respondens ad sanctimoniam domini. 48 Dem entspricht es, dass Cyprian in orat 15 das Tun Christi selbst als eine Art christlichen Tugendkatalog zusammenfassen kann; vgl. dazu Kap. 6.2.1. 49 Zur Bedeutung dieser Thematik für Cyprian vgl. auch Beck, Römisches Recht, 109f.

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Christliches Handeln als Taufentsprechung

dem der Nachfolge,50 verbindet. Ein dichtes Konglomerat entsprechender Ausdrucksweisen bietet die folgende Erläuterung der Nachfolge Christi: „Christus aber folgt nach, wer bei seinen Geboten verharrt, wer auf dem Weg seiner Lehre einherschreitet, wer seinen Fußspuren und Pfaden nachstrebt, wer das nachahmt, was Christus sowohl gelehrt als auch getan hat“.51

Das Christum sequi wird hier durch vier qui-Sätze erläutert, die eine Entsprechung sowohl mit der Lehre als auch mit dem Leben Christi zum Ausdruck bringen. Beides ist im cyprianischen Sprachgebrauch in gleicher Weise Gegenstand der Nachahmung und Nachfolge Christi.52 Ein wiederkehrender Grundsatz seiner Paränese lautet daher: Christen müssen lernen und tun, was Christus gelehrt und getan hat.53 Das Stichwort imitari ist durch die Zitate im Kontext nicht vorgegeben, könnte aber durch den Begriff exemplum im anschließenden Zitat von 1Petr 2,21 angeregt sein und entspricht dem Verständnis der Nachfolge in diesem Text.54 Ist Christus gekommen, nicht um seinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der ihn gesandt hat (Joh 6,38), so müssen auch die Christen, um den Fußspuren und Lehren ihres Herrn nachzustreben, alles dem Willen Gottes gemäß tun.55 Die Forderung, Christus nachzuahmen,56 wird mit der Beziehung der Christen zu ihm begründet: Wer Christ zu sein begehrt, muss nachahmen, was Christus gesagt hat,57 wenn anders der Knecht nicht größer ist als sein Herr58 und der Befreite seinem Befreier Gehorsam schuldet.59 Das erste Argu____________

50 Zum Thema der Nachfolge Christi bei Cyprian vgl. die ebenso umfassende wie eindringliche Untersuchung Deléanis, Christum sequi; die Belege sind ebd., 13 Anm. 32, zusammengestellt. 51 Sequitur autem Christum qui praeceptis eius insistit, qui per magisterii eius uiam graditur, qui uestigia eius adque itinera sectatur, qui id quod Christus et docuit et fecit imitatur [...] (zel 11; 199–202). Cyprian kommentiert hier Joh 8,12, zitiert in Z. 198f. 52 Vgl. entsprechende Formulierungen in ep 58,1,3;22f (zitiert unten Anm. 73); ep 55,19,2;326f und ep 63,14,1;255–257 ([...] utique id nos obaudire et facere oportet quod Christus fecit et quod faciendum esse mandauit), ferner den Abschnitt ep 63,18,3;342–4;353. 53 Vgl. etwa unit 2;36: quaecumque et docuit et fecit discere et facere debemus, und dazu Mattei/ Poirier/Siniscalco, unit, 172f Anm. 1; ferner ep 13,4,3;68–70; ep 63,10,3;177–179; 63,1,1;6f.9f u.ö. 54 Der dort angedeutete Aspekt der Leidensnachfolge wird hier nicht thematisiert. 55 Habit 7;193,4–8; Z. 4–17 ist eine durch den Schluss des vorangehenden Zitates von 1Joh 2,15–17 angeregte Digression zum Tun des göttlichen Willens. Näheres dazu s.u. Kap. 6.2.1. 56 Vestigia sectari wird hier wie in zel 11 als imitari interpretiert; in ep 13,4,3;72 heißt es demgemäß uestigia eius imitari (dazu s. gleich). 57 Die ungewöhnliche Formulierung quod Christus dixit imitari (193,10f) hat in der Textgeschichte zu verschiedenen Varianten geführt (vgl. Petitmengin, Le „Codex Vernonensis“, 373; Hartel z.St. ist unpräzise): Christus fecit (V); Christus docuit et fecit (b); Christus dixit (die übrigen MSS). Die Lesart dixit ist, da handschriftlich am besten bezeugt und lectio difficilior, als ursprünglich zu beurteilen. Bezugspunkt ist das vorangehende Zitat Joh 6,38. Dass Christen nachahmen sollen, quod Christus et docuit et fecit, sagt Cyprian des öfteren (s.o. Anm. 51.53). 58 Die Formulierung quodsi non est maior domino suo seruus (193,9) ist ein implizites Zitat aus Joh 13,16 (par Joh 15,20; vgl. Mt 10,24); ebenso ep 13,4,3;70f; ep 54,3,2;44f. Explizit zitiert wird Joh 13,16f in Quir 3,5;20–23; vgl. dazu auch Fahey, 392f. 59 193,9f; ähnlich habit 2;188,21–23 zum Gehorsam der redempti gegenüber dem redemptor.

2. Die tätige Entsprechung zur Zugehörigkeit zu Christus

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ment ist als ein auf das Vorangehende bezogenes argumentum a fortiori zu verstehen: Wenn schon der Herr den Willen Gottes getan hat, muss dies der Knecht umso mehr tun.60 Das zweite könnte durch römisch-rechtliche Vorstellungen angeregt sein. Dass Cyprian nicht Dankbarkeit, sondern Gehorsam gegenüber dem Befreier fordert, könnte eine Analogiebildung zur römischen Rechtsauffassung sein, wonach ein Freigelassener (libertus) zeitlebens seinem ehemaligen Herrn verpflichtet bleibt.61 Zur weiteren Untermauerung der imitatio-Forderung zitiert Cyprian 1Joh 2,6,62 paraphrasiert V. 6b und bemerkt abschließend: „Dann wird die wahrhaftige Nachfolge dem Glauben an den Namen entsprechen und (dann) wird dem Glaubenden der Lohn gegeben, wenn das, was geglaubt wird, auch getan wird.“63

Imitatio Christi heißt demnach nichts anderes, als das zu tun, was man glaubt, und eben darin dem eigenen Christsein treu zu sein. Umgekehrt heißt zu tun, was geglaubt wird, den nachzuahmen, an den geglaubt wird.64 Die Entsprechung zwischen Glauben und Handeln, Sein und Tun, ist eine Grundforderung der cyprianischen Paränese.65 Er folgt hier einer verbreiteten philosophischen Tradition, die im römischen Bereich besonders von der Schule der Sextier repräsentiert wird.66 Übereinstimmung ihres Handelns mit dem Tun Christi erwartet Cyprian besonders von den Konfessoren, „damit, wer ein Bekenner Christi genannt wird, Christus, den er bekennt, nachahme“.67 Während der decischen Verfolgung sieht er sich genötigt, die karthagischen Konfessoren besonders zur Nachahmung der Demut Christi anzuhalten:68 Wer als Konfessor „durch ihn und in ihm“ lebe und ihm nachfolge, müsse, seiner Taten und ____________

60 Expliziert wird dieses Argument in orat 14;258–260, angedeutet in ep 11,1,2;14f; vgl. ferner orat 29;541–544; ep 11,5,2;91–99 sowie pat 6;119–122. 61 Vgl. dazu J. Vögtle, Schriften, 117, der annimmt, das Wort liberatus statt libertus sei „wegen des Gleichklanges mit liberator gewählt“. Zur Rechtsstellung des libertus vgl. etwa Heinrichs, Freigelassene, bes. Sp. 647. 62 Qui dicit se in Christo manere debet quomodo ille ambulauit et ipse ambulare (193,12–14). Die Zitateinführung (Z. 11f) unterstreicht das – auch liturgische – Gewicht dieses Textes. Er wird auch pat 9;116f; ep 58,1,3;24f sowie Quir 3,11;67–69 zitiert. 63 Tunc respondebit ad fidem nominis sectatio ueritatis et credenti praemium datur, si quod creditur et geratur (193,15–17); sectatio nimmt das zweimalige sectari in Z. 5f auf. Zum ersten Teil der Aussage vgl. auch zel 12;211–213; op 12;235f und unit 3;59–62, zum si-Satz mort 24;412f. 64 Vgl. dazu auch unit 2;37f. 65 Vgl. auch die Formel factis non uerbis operandum in Quir 3,96tit sowie die Betonung der Prävalenz der facta über die uerba in pat 3;35f (dazu s.u. Kap. 5.2.2.3); vgl. ferner ep 11,1,2;17f; laps 4; 66f; mort 20;347f u.ö., sowie unten Anm. 88. 66 Vgl. dazu Lana, secta, 215; Seneca, der bei Sextiern in die Schule gegangen ist (vgl. Grimal, Seneca, 174–184), folgt dieser Tradition (vgl. etwa ep 75,4: concordet sermo cum uita [233,20 Reynolds]); zu entsprechenden Forderungen in der stoischen Tradition vgl. Winston, Sage, 171f. Vgl. auch Kap. 5 Anm. 399f. 67 [...] ut, qui Christi confessor dicitur, Christum quem confitetur imitetur (unit 21;507f). Nach ep 13,5,2;88–90 bekennt Christus täglich, wer entsprechend lebt; vgl. ähnlich schon 2Clem 3,4. 68 Zum historischen Hintergrund vgl. Clarke I, 164f, und Duquenne, Chronologie, 68–75.

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Christliches Handeln als Taufentsprechung

Gebote eingedenk, „demütig, ruhig und schweigend seine Fußspuren nachahmen“.69 Zur Nachahmung Christi gehört für Cyprian zuletzt und zuhöchst auch die Nachahmung seines Leidens.70 So versteht er Röm 8,16b–17 als Ermahnung des Paulus, „dass wir, die wir zu den Verheißungen des Herrn zu gelangen begehren, den Herrn in allem nachahmen müssen“,71 und das heißt hier: auch in seinem Leiden.72 Die konsolatorische Aussage des Paulus zum Mitleiden mit Christus in Röm 8,17 wird bei Cyprian zu einem Imperativ, der den Zugang zu den Verheißungen Christi an die Nachahmung seines Leidens bindet. Dass Christen bereit sein müssen, für Christus ihr Blut zu vergießen, kann er deshalb mit dem bereits erwähnten Gedanken begründen, wer bei Christus erfunden werden wolle, müsse nachahmen, „was Christus sowohl gelehrt als auch getan hat“.73 Auch dieser Aspekt der imitatio-Forderung kann mit dem dominusseruus-Motiv untermauert werden.74 Auch wenn das Martyrium weder von allen noch immer verlangt ist,75 schließt die imitatio Christi die Bereitschaft zur Nachahmung seines Leidens und Sterbens notwendig mit ein.76 Der Forderung der imitatio Christi korrespondiert das Verständnis des Lebens und Handelns Christi als eines exemplum uiuendi.77 Es entspricht dieser Konzeption, wenn Cyprian in pat 6–9 zunächst die vorbildliche patientia Christi schildert und dann abschließend zu ihrer Nachahmung auffordert: „Wenn nun auch wir, überaus geliebte Brüder, in Christus sind, wenn wir ihn selbst angezogen haben, wenn er selbst der Weg unseres Heils ist, (dann) lasst uns, die wir Christus auf heilsamen Spuren nachfolgen, nach den Beispielen Christi einherschreiten“.78

____________

69 [...] quisquam per ipsum nunc atque in ipso uiuens [...] qui dominum sequuntur humiles et quieti et taciturni uestigia eius imitentur [...] (ep 13,4,3;67–72). Im Kontext wird sowohl die von Christus praktizierte (Z. 63–67) als auch die von ihm gebotene Demut (Z. 72–74) ausgeführt. Vgl. ebenso ep 14,2,3;46–51. – Bezogen auf das Abendmahl wird die Forderung genauer Nachahmung dessen, was Christus selbst getan und geboten hat, in ep 63 entfaltet; vgl. 63,2,1;23f; 63,14,4;275–282 u.ö. und dazu auch Kap. 6.2.3. 70 Vgl. zum folgenden auch Hummel, Concept, 97–102. 71 [...] ut qui ad domini promissa uenire cupimus imitari dominum in omnibus debeamus (ep 6,2;51–55); debere ist hier als Konjunktivumschreibung zu deuten (Schrijnen-Mohrmann II, 46f). Die syntaktische Struktur (qui ... cupimus > imitari debeamus) stimmt mit habit 7;193,10f (s.o.) überein. 72 Vgl. ähnlich Z. 44–51 sowie pat 20;405–407 und orat 20;380f. 73 Hoc est enim uelle cum Christo inueniri (vgl. Phil 3,9), id quod Christus et docuit et fecit imitari (ep 58,1,2;20–3;28, Zitat Z. 22f). Dazu werden Röm 8,16b–17 und 1Joh 2,6 zitiert. 74 Vgl. ep 58,6,3;145f; ähnlich 58,3,1;65–69. – Hat Christus für die Sünden der Christen gelitten, so leiden diese für ihre eigenen Sünden (ep 58,6,3;146–148; Fort 5;28–31). 75 Cyprian lehnt das freiwillige Martyrium ab und erlaubt Flucht in der Verfolgung; vgl. dazu Hummel, Concept, 48–53; anders zu Unrecht Capmany, Miles, 125f. 76 Die Terminologie der Leidensnachfolge kann paränetisch auch auf die Nachahmung der Märtyrer und Konfessoren bezogen werden; vgl. ep 6,4;92–95; ep 10,4,4;85–88 sowie ep 39,3,1;42–44 und dazu Hummel, Concept, 147–152. 77 Quir 3,39tit; Cyprian zitiert dazu 1Petr 2,21–23; Phil 2,6–11 und Joh 13,14f. 78 Pat 9;163–165, zitiert oben bei Anm. 5. Es folgen Zitate von 1Joh 2,6 und 1Petr 2,21–23 (Z. 166–173). Vgl. auch pat 19;360f und 16;303–309.

2. Die tätige Entsprechung zur Zugehörigkeit zu Christus

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Per Christi exempla gradi heißt seine (zuvor mit vielen Beispielen beschriebene) patientia in der eigenen Lebenspraxis nachzuahmen.79 Begründet ist der Hortativ zum einen in der durch die Taufe inaugurierten Christus-Beziehung, zum anderen darin, dass Christus selbst der Weg des Heils ist. Diesen Weg muss gehen, wer gerettet werden will, und das heißt: er muss tun, was dieser getan hat. Eben darin besteht für Cyprian die Nachfolge Christi.80 Heilshandeln und Vorbildcharakter Christi werden so direkt miteinander verbunden. Das Handeln und Verhalten Christi, wie es aus den neutestamentlichen Berichten zu erheben bzw. systematisch zusammenzufassen ist, wird damit zu einer grundlegenden normativen Instanz christlicher Paränese.81 Weil das Handeln Christi grundsätzlich Vorbildcharakter trägt, kann Cyprian es als ein exemplo docere, ein Lehren durch das von ihm gegebene Vorbild, charakterisieren.82 Das nächstliegende Beispiel dafür ist die Fußwaschung, wo der biblische Text selbst eine solche Deutung nahelegt.83 In gleichem Sinne verweist Cyprian auf das häufige Beten Jesu,84 sein ehrerbietiges Verhalten gegenüber den jüdischen Priestern und Hohenpriestern,85 seinen Sieg über den Versucher86 sowie sein Leiden und Sterben.87 Sachlich gleichbedeutend ist die Formulierung „nicht allein durch Worte, sondern auch durch Taten lehren“.88 Mit dem Motiv der imitatio Christi ist das der Nachfolge eng verbunden; die wichtigsten Ausführungen dazu sind deshalb im Vorangehenden schon zur Sprache gekommen. Einen etwas anderen Charakter hat der von Cyprian im Anschluss an einige neutestamentliche Texte wiederholt vorgetragene Gedanke, Nachfolge Christi habe die (Bereitschaft zur) Preisgabe des irdischen Besitzes bzw. das Verlassen von Haus, Kindern und Verwandten zur Voraussetzung.89 Wer alles Seinige verlässt und so seinem Herrn nachfolgt, ist ein guter Soldat Christi, realisiert wahrhaft die in der Taufe vollzogene Absage an die Welt und ____________

79 Eine Einschränkung oder Konzentration auf das Leiden Christi ist vom Kontext her nicht geboten (gegen Deléani, Christum sequi, 16 Anm. 49). 80 Die Formulierung qui Christum uestigiis salutaribus sequimur (Z. 164f) dürfte durch 1Petr 2,21 ([...] ut sequamini uestigia eius [Z. 169f]) angeregt sein. 81 Als nachzuahmende exempla können bei Cyprian auch die Apostel, Märtyrer und Konfessoren sowie die Kleriker erscheinen. 82 Vgl. pat 6;121; Fort 5;28; ep 63,9,1;146f u.ö. Zur Bedeutung der Argumentation mit exempla vgl. Deléani, Les exempla, 243–245, sowie Jaffelin, Le temps. 83 Vgl. Joh 13,14f und dazu pat 6;119–122 sowie ep 14,2,3;48–51. 84 Vgl. orat 29;537f sowie ep 11,5,1;88f (zu dieser Stelle s.o. Kap. 2 Anm. 132). 85 Vgl. ep 3,2,2;53–56 u.ö. und dazu unten Kap. 9.3.3. 86 Vgl. unit 1;19–2;22 und dazu unten Kap. 5.2.1.1. 87 Vgl. Fort 5;26–28 und ep 6,2;44–46. 88 Nec uerbis tantum sed et factis docere (orat 29;536); ähnlich Fort 5;26. Dass Christus das mit Worten Gelehrte auch getan hat, betont Cyprian in pat 6;101f; laps 7;142; 10;196–198 u.ö., dass Christen deshalb entsprechend zu handeln haben, in ep 58,6,2;158–160. Als Vorbilder rühmt er den aus einer Verbannung zurückgekehrten römischen Bischof Lucius (ep 61,2,3;31–35) sowie zu Bergwerken verurteilte Bischöfe (ep 76,6;122–126). Vgl. ferner zel 12;215–219 sowie ep 54,4;63f. 89 Die wichtigsten neutestamentlichen Texte dazu sind Mt 19,21; Lk 14,33 und Lk 18,29f. Zum Thema Besitzverzicht bei Cyprian s.u. 4.

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Christliches Handeln als Taufentsprechung

kommt damit einem Märtyrer gleich.90 Die Absage an alles Eigene ist notwendig (Lk 14,33), „damit niemand sei es durch irgendeine Begierde nach Vermögen, sei es durch das Bedürfnis nach den Seinen (darin) gehemmt werde, Christus nachzufolgen“.91 In diesen Texten ist die Christusnachfolge nicht als imitatio Christi zu verstehen – Vorbilder sind die Apostel bzw. die Urgmeinde –, sondern als Realisierung der Taufrenuntiation.92 Als eine Radikalisierung dieses Motivs ist die Interpretation der Christusnachfolge als Bereitschaft zum Sterben aufzufassen.93 Eine besondere Form des Entsprechungsgedankens ist die Vorstellung, Christen könnten oder müssten das Heilshandeln Christi durch entsprechendes eigenes Handeln vergelten. Ein Christ muss dazu bereit sein, durch Einsatz seines Besitzes für Christus den Preis seines Leidens und Blutes wenigstens in Geringem zu vergelten.94 Eine Konkretion dessen ist für Cyprian der Loskauf kriegsgefangener Christen: Ist mit diesen auch der ihnen innewohnende Christus selbst gefangen, so müssen andere Christen den um eine Summe Geldes aus der Gefahr der Gefangenschaft loskaufen (redimere) und aus den Händen der Barbaren lösen (exuere), der sie durch sein Kreuz und Blut aus der Gefahr des Todes losgekauft und aus dem Rachen des Teufels gelöst hat.95 Entsprechung und qualitative Differenz zwischen dem, was Christus getan hat, und dem, was von den Christen erwartet wird, werden hier gleichermaßen deutlich. Cyprian kann dieses Motiv auch auf christliches Leiden um Christi willen beziehen. So deutet er das Leiden von zu Bergwerken verurteilten Christen in Auslegung von Ps 50,19 und Röm 12,1–2 als ein heiliges, unbeflecktes, Gott besonders wohlgefälliges Opfer, „mit welchem allein der Gehorsam unseres Glaubens und unserer Hingabe dem Herrn seine großen und heilsamen Wohltaten“ vergilt.96 Cyprian erläutert diesen Gedanken mit einer paraphrasierenden Kommentierung von Ps 115,3f.697, wobei er das nach seinem Verständnis in V. 4.6 angedeutete Martyrium als Antwort auf die in V. 3 formulierte Frage deutet, was dem Herrn ____________

90 Vgl. ep 57,4,3;100f; ep 13,5,3;90–93 bzw. Fort 12;41–49. Zur cyprianischen Erweiterung des Martyriumsbegriffs s.u. Kap. 8.2.2. 91 [...] ne quis aliqua uel cupiditate rerum uel suorum dulcedine retardetur quominus Christum sequatur [...] (Fort 7;22–25). Vgl. ähnlich laps 11;219–12;223 sowie orat 20;377–383 (hier kommt der Aspekt der Nachahmung seines Leidens hinzu) und dazu ausführlicher unten 4. 92 Näheres dazu s.u. 4. 93 Vgl. mort 24;399–401 und ep 58,2,1;29–32. – In habit 5;190,18f wird Enthaltsamkeit bzw. uirginitas als Modus der Christusnachfolge bestimmt; vgl. dazu Deléani, Christum sequi, 117f. 94 Op 23;455f; nach op 17;348–351 hat die Witwe von Zarpat dies durch die Ernährung des Propheten Elia schon im voraus getan; vgl. dazu auch Poirier, op, 129 Anm. 1. 95 Ep 62,2,2;26–32. 96 [...] hoc est quod solum domino de beneficiis eius grandibus et salutaribus fidei ac deuotionis nostrae obsequia retribuant [...] (ep 76,3,1;79–4,1;98; Zitat Z. 96–98). 97 Quid retribuam, inquit, domino de omnibus quae mihi tribuit? calicem salutaris [so Diercks mit etlichen MSS; Hartel folgt der von s L N M vertretenen lectio facilior salutis] accipiam, et nomen domini inuocabo. pretiosa in conspectu domini mors iustorum eius (Z. 98–101). Cyprian zieht V. 6 im Kontext der Martyriumsparänese wiederholt heran (vgl. Fahey, 150f) – vgl. ähnlich schon Tertullian Marc 4,39,8 –, der für das Motiv der Vergeltung entscheidende V. 3 findet sich nur hier.

3. Die tätige Entsprechung zum empfangenen Heiligen Geist

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für seine Gaben vergolten werden könne.98 Das Martyrium als höchste Form wie der imitatio Christi so auch der Vergeltung seines Heilshandelns zu verstehen liegt nahe. Um eine Art gleichgewichtige Gegenleistung für das Heilshandeln Christi kann es sich freilich auch hier nicht handeln, ist doch das Martyrium nach cyprianischem Verständnis letztlich keine menschliche Möglichkeit, sondern eine göttliche Gabe.99 Es geht vielmehr um eine von Gott selbst ermöglichte dankbare Antwort,100 die freilich gefordert sein kann.101

3. Die tätige Entsprechung zu dem in der Taufe empfangenen Heiligen Geist Mit der Taufe verbindet sich wie für die frühchristliche Tradition102 so auch für Cyprian selbstverständlich der Empfang des Heiligen Geistes.103 Der Geist teilt sich, so der für Cyprian charakteristische Gedanke, sponte, ohne jede menschliche Anstrengung mit und kennt weder Maß noch Schranken.104 Er bewirkt die Erneuerung des Menschen, die auch als Neuschöpfung oder Wiedergeburt beschrieben werden kann.105 Der Empfang des Heiligen Geistes begründet die Verpflichtung, diesem Geist entsprechend zu handeln, und das heißt für Cyprian: allein nach geistgemäßen und göttlichen Dingen zu streben.106 Damit ihr Handeln nicht „von der Art des Geistes abweicht“ (degener esse ab spiritu), müssen diejenigen, „die geistbestimmte, himmlische (Menschen)“ geworden sind, „allein Geistgemäßes und Himmlisches bedenken und tun“.107 Wer dies ____________

98 Ep 76,4,2;101–107. 99 Vgl. hier bes. ep 76,4,2;107–109 und dazu unten Kap. 7. 100 Vgl. dazu auch Capmany, Miles, 288–290. 101 Nach ep 58,6,3;148f hat der Sohn Gottes gelitten, ut nos filios dei faceret, der Mensch aber müsse zum Leiden bereit sein, ut esse dei filius perseueret, m.a.W.: die Gotteskindschaft wird als Geschenk empfangen, ist aber durch das eigene Tun zu bewahren. Vgl. auch Fort pr.5;90–92: Wer durch das Blut Christi erlöst und lebendig gemacht worden ist, darf Christus nichts vorziehen, da dieser auch ihm nichts vorgezogen hat; vgl. dazu die Ausführung in Fort 6 sowie orat 15;275f. 102 Vgl. Ferguson, Baptismal Motifs, 212–215. 103 Der Geistempfang ist bereits in Don ein zentrales Thema (vgl. Don 4;61.67; 14;298 sowie Don 5 insgesamt); vgl. ferner ep 63,8,3;128–130; zel 14;250f; orat 2;21f u.ö. sowie Réveillaud, Note, 182f. – Gelegentlich verbindet Cyprian die Geistmitteilung nicht mit dem Taufbad selbst, sondern mit der anschließenden Handauflegung (vgl. ep 73,9,1;147–2;155), eine Vorstellung, die offenbar auf Tertullian zurückgeht (vgl. bapt 8,1 und dazu Ferguson, Baptismal Motifs, 213, Gistelinck, Doopbad en geestesgave, und Neunheuser, HDG IV/2, 51f); Sündenvergebung, Heiligung und Erneuerung des Menschen im Taufbad können so als Vorbereitung für den Geistempfang beschrieben werden (vgl. ep 74,5,2;94–96; ep 69,15,2;353–355 u.ö.; vgl. Tertullian bapt 6,1). Kann das Taufbad auch von untergeordneten Klerikern vollzogen werden, so bedarf es zum Empfang des Heiligen Geistes des Gebetes und der Handauflegung des Bischofs; vgl. dazu Clarke IV, 227f Anm. 24. 104 Vgl. Don 14;294–298 bzw. ep 64,3,2;45–51; ep 69,14,1;309f sowie Don 5;84–90. 105 Vgl. Don 4;61f; habit 23;204,6f bzw. Dem 20;397f. 106 Zel 13;233–235, zitiert oben Anm. 10. 107 Orat 11;186–188, zitiert oben bei Anm. 4; vgl. auch die an Gal 5,25 erinnernde Formulierung in zel 14;250f (zitiert oben bei Anm. 2) sowie Quir 3,11tit.

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Christliches Handeln als Taufentsprechung

nicht tut, verliert den empfangenen Geist108 und damit auch die Fähigkeit, entsprechend zu handeln.109 Wer in der Taufe „den Geist und die Wahrheit“ empfangen hat, soll mit dem Vaterunser „wahrhaft und geistgemäß anbeten“.110 Der in der Taufe empfangene Heilige Geist darf nicht durch Bitterkeit, Zorn, Ärger, Geschrei und Blasphemie betrübt werden.111 Zeichnet sich die den Geist symbolisierende Taube durch Friedfertigkeit und Einmütigkeit aus, so muss die Kirche diese Wesenseigenschaften des Geistes nachahmen.112 Beeinflusst durch Anschauungen des montanistischen Tertullian113 kann Cyprian formulieren, in geistbezogenen Dingen (spiritalia) sei nicht mit der Gewohnheit (consuetudo) zu argumentieren, sondern „demjenigen zu folgen, was vom Heiligen Geist im Sinne einer Verbesserung offenbart worden ist“.114 Die Erneuerung des Menschen durch die Taufe betrifft lediglich den inneren Menschen, das heißt für Cyprian Seele und Geist, nicht jedoch den Leib und das damit verbundene irdisch-leibliche Leben insgesamt.115 Solange sie in dieser Welt leben, teilen die Christen daher mit ihren Mitmenschen, was immer es an carnis incommoda gibt, sind sie doch bis auf weiteres „durch die Gleichheit des Fleisches mit dem Menschengeschlecht“ verbunden und nur durch den Geist von ihm getrennt.116 Die „Trennung durch den Geist“ bringt freilich eine veränderte Haltung gegenüber den carnis incommoda mit sich: Christen leben bereits „mehr im Geist als im Fleisch“ und können daher „mit der Festigkeit der Seele die Schwäche des Leibes“ besiegen;117 weil ihr Leben durch das Ablegen ____________

108 Vgl. ep 59,17,2;488f sowie ep 66,2,2;34–41; ep 65,4,1;68–70 u.ö. 109 Vgl. ep 70,2,3;63f; ferner ep 65,4,1;72f. 110 [...] ut qui spiritum et ueritatem de eius sanctificatione percepimus de traditione quoque eius uere et spiritaliter adoremus (orat 2;21f in Anspielung auf Joh 4,23). Zum Verständnis des Zusammenhangs vgl. Réveillaud, orat, 50f.159, sowie Saxer, Vie liturgique, 139–141. 111 So Quir 3,7 mit einem Zitat Eph 4,30f (ähnlich pat 16;310–322, freilich bezogen auf den einwohnenden Christus; vgl. Kap. 1 Anm. 156); der Gedanke ist durch Tertullian spect 15,2 angeregt. – Gegenüber Schismatikern und Häretikern muss freilich, wer den Geist Gottes empfangen hat, den zelus diuinae fidei haben, ist doch Gott nach Dtn 4,24 ein deus zelans (ep 73,10,1;158–2;163). 112 Vnit 9;217–225; in orat 23;441–445 wird entsprechend mit der Einheit des Geistes argumentiert. 113 Vgl. besonders Tertullian uirg 1,4–7 und dazu Fredouille, Tertullien, 290–297. 114 [...] quasi [...] non id sit in spiritalibus sequendum quod in melius fuerit a sancto spiritu reuelatum (ep 73,13,1;205–208). Vgl. dazu auch van den Eynde, Les normes, 249f, der darauf hinweist, dass sich Cyprian – anders als Tertullian – nur zur Verteidigung der biblischen Tradition, nicht zur Begründung einer Abweichung davon, auf eine (fortschreitende) Offenbarung des Geistes beruft. Zum Hintergrund des consuetudo-Arguments der Gegner Cyprians im sog. Ketzertaufstreit vgl. Clarke IV, 208f Anm. 7; zur cyprianischen Kritik der Argumentation mit der consuetudo vgl. auch Kap. 6.2.3. 115 Vgl. dazu oben Kap. 1.1.1 mit Anm. 52. 116 Quoadusque istic in mundo sumus, cum genere humano carnis aequalitate coniungimur, spiritu separamur (mort 8;112–120, Zitat Z. 114–116). Als carnis incommoda bezeichnet Cyprian hier die mit der irdischen Existenz als solcher verbundenen Widrigkeiten (Z. 120–128). 117 Spiritu magis quam carne uiuentes firmitate animi infirmitatem corporis uincimus (Dem 18; 357f). Die Aussage könnte durch Mt 26,41 angeregt sein. Vgl. auch Dem 13;272–275 sowie die Zusammenstellung bei Gallicet, Dem, 246f.

3. Die tätige Entsprechung zum empfangenen Heiligen Geist

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der „irdischen Geburt“ und die Wiedergeburt durch den Geist in der Taufe auf die zukünftig-jenseitigen Verheißungen Gottes ausgerichtet ist, ertragen sie unbeeindruckt die Widrigkeiten der gegenwärtigen Welt.118 Ist caro hier im Sinne des hebräischen ‫ ב◌ׂשר‬zu verstehen, so operiert Cyprian mit einem theologischen Sarx-Begriff, wenn er das vom Heiligen Geist beseelte und daher Gott zugehörige Leben der „irdischen“ Existenz gegenüberstellt, die aufgrund der fleischlichen Geburt den Vergehen verhaftet ist.119 Im Anschluss an paulinische Überlegungen beschreibt er demgemäß die christliche Existenz als einen ständigen Kampf des Geistes gegen das der Sünde und dem Irdischen verhaftete Fleisch:120 „Es gibt nämlich ein Gefecht zwischen Fleisch und Geist und täglichen Kampf gegeneinander unter diesen Zwieträchtigen, so dass wir nicht das tun, was wir wollen, da der Geist Himmlisches und Göttliches sucht, das Fleisch (aber) Irdisches und Weltliches begehrt.“121

Bezogen auf diesen Kampf interpretiert Cyprian die dritte Bitte des Vaterunsers als Bitte darum, dass sowohl im Leib, der „von der Erde“ ist, als auch im „Geist“, der „vom Himmel her“ kommt,122 der Wille Gottes geschehe und so mit Gottes Hilfe zwischen Fleisch und Geist Eintracht (concordia) herrsche und die Seele bewahrt werde.123 Cyprian zitiert dazu Gal 5,17.19–23124 und begründet damit die Dringlichkeit der so verstandenen Bitte, sei doch eben dies der Wille Gottes, „dass das Irdische dem Himmlischen weiche, das Geistgemäße und Göttliche (aber) überwiege“.125 Die anzustrebende Eintracht zwischen Fleisch und Geist ist also nicht im Sinne eines schiedlich-friedlichen Nebeneinanders zu verstehen, sondern im Sinne unbeeinträchtigter Vorherrschaft des Geistes. Eine Stütze in diesem Kampf findet der Getaufte in der patientia, die, dem Heiligen Geist gewogen und an himmlischen, göttlichen Dingen hängend, mit dem Bollwerk ihrer „Tugenden“ Widerstand leistet „gegen die Taten des Fleisches und des Leibes, mit denen die Seele bekämpft und gefangen“ wird.126 Die fleischlichen Fehlhaltungen und Sünden und die bedrohliche Schändlichkeit (infesta labes)127 des irdischen Leibes sind mit geistgewirkter Kraft nieder____________

118 Dem 20;394–400; vgl. dazu ausführlich Kap. 5.2.2. 119 Don 4;65–67; vgl. dazu auch Kap. 1.1.2. 120 Vgl. dazu auch Capmany, Miles, 137–152. 121 Est enim inter carnem et spiritum colluctatio et discordantibus aduersus se inuicem cotidiana congressio, ut non quae uolumus ipsa faciamus, dum spiritus caelestia et diuina quaerit, caro terrena et saecularia concupiscit (orat 16;287–291). Hier steht offenbar Gal 5,17 im Hintergrund. 122 Diese Bestimmungen dürften auf 1Kor 15,47 zurückgehen. 123 Z. 283–294; diese Deutung der dritten Vaterunserbitte ist durch Tertullian orat 4,1;4–6 angeregt, aber eigenständig ausgeführt. 124 Z. 294–304; der Text wird in Quir 3,64;3–13 in gleicher Form angeführt. 125 [...] ut terrena caelestibus cedant, spiritalia et diuina praeualeant (Z. 304–307). 126 [...] contra facta carnis et corporis quibus anima expugnatur et capitur uirtutum suarum propugnaculo reluctatur (sc. patientia) (pat 14;272–275). 127 Labes kann metonymisch vitium vel res vitiosa integritatem destruens, contaminans, polluens [...] bedeuten (ThLL VII/2,2, 770,6f).

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Christliches Handeln als Taufentsprechung

zutreten, soll es nicht zu einem Rückfall zum Lebenswandel des alten Menschen mit tödlichen Folgen kommen.128 Dem Geist entsprechend allein auf spiritalia bedacht zu sein, heißt demnach für Cyprian nicht zuletzt, gegen Sünden, uitia und Begierden des Fleisches zu kämpfen.129 Mit dem Empfang des Geistes verbindet sich für ihn also sowohl die innere Freiheit gegenüber den Widrigkeiten irdisch-fleischlicher Existenz als auch die Befähigung zum Kampf gegen die Verhaftung des Fleisches an Sünden und Irdisches.

4. Die tätige Verwirklichung der in der Taufe stattfindenden renuntiatio und die Ausrichtung christlicher Existenz auf den Bereich des Himmlischen Wie vor ihm Tertullian, so verbindet auch Cyprian mit der Taufe eine grundsätzliche Absage (renuntiatio) an den Teufel und die Welt.130 Eine eigenständige Thematisierung dieses Aspektes der Taufhandlung fehlt bei ihm zwar,131 doch finden sich wiederholt paränetische Bezugnahmen auf die renuntiatio. Die zur Zeit Cyprians in Karthago möglicherweise verwendete liturgische Renuntiationsformel ist seinen Schriften nicht eindeutig zu entnehmen.132 Als Objekt des renuntiare erscheint bei Cyprian einmal der Teufel allein,133 achtmal die Welt allein,134 dreimal der Teufel und die Welt,135 einmal die pompae und deliciae der Welt.136 Dreimal wird im Zusammenhang mit der renuntiatio Lk 14,33 zitiert: Qui non renuntiat omnibus quae sunt eius, non potest meus discipulus esse.137 ____________

128 [...] ne dum iterum ad ueteris hominis conuersationem reuoluimur letalibus laqueis inplicemur (zel 14;242–245); Cyprian begründet diese Aussage mit einem Zitat von Röm 8,12–14 (Z. 245– 249). Vgl. auch op 17;337–339: Die Witwe von Zarpat ordnet das Werk der Barmherzigkeit ihrer eigenen Ernährung vor, ut dum in opere salutari carnaliter uita contemnitur spiritaliter anima seruetur. 129 Caro in diesem Sinne findet sich in der außerchristlichen Literatur laut ThLL III, 484,50–55, erstmals und allein bei Seneca; vgl. dazu auch Löfstedt, Late Latin, 73 Anm. 2. Auch das Thema „Kampf mit dem Fleisch“ findet sich bei Seneca: omne illi (sc. animo) cum hac graui carne certamen est (dial 6,24,5 [163,5 Reynolds]); vgl. ferner ep 65,22; ep 74,16; ep 92,10 und dazu Manning, On Seneca’s „Ad Marciam“, 142f. 130 Zu Tertullian vgl. Waszink, Pompa diaboli, Kirsten, Taufabsage, 9–22, und Daniélou, Démon, 178f, zu Cyprian jüngst ausführlich Pereira Lamelas, Una domus, 73–92. 131 Cyprian bietet keine zusammenhängende Darstellung des Taufritus; einen Rekonstruktionsversuch unternimmt Saxer, Vie liturgique, 117–142, freilich vielfach unter Heranziehung anderer nordafrikanischer Quellen, insbesondere Tertullians. 132 Vgl. dazu Saxer, Vie liturgique, 120–123, der diese zu rekonstruieren versucht, sowie Capmany, Miles, 46f, und Kirsten, Taufabsage, 54. 133 Zel 11;187. 134 Siebenmal saeculum: laps 2;44f; Quir 3,11tit; ep 57,3,1;56f; ep 11,1,2;17f; ep 13,5,3;90f; orat 13;231f; 19;348f; einmal mundus: mort 26;430f. 135 Fort 7;18f; laps 8;162f; pat 12;238f (zweimal saeculum, einmal mundus). 136 Habit 7;192,19f; vgl. auch orat 19;348f. 137 Quir 3,11;29f; orat 19;350–352; Fort 7;24f. In orat 9;140–143 wird die Taufe als Absage auch an den irdisch-fleischlichen Vater interpretiert. Das Element (diabolo) et operibus eius ist bei Cyprian

4. Die tätige Verwirklichung der Taufrenuntiation

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Die Absage an die Welt begründet für Cyprian die Orientierung auf das Himmlisch-Zukünftige hin. Bezugspunkt christlicher Existenz ist kein irdisches Reich, sondern das Himmelreich, ist doch, „wer bereits der Welt abgesagt hat, größer als ihre Ehren und ihr Reich“.138 Als solche, die der Welt abgesagt haben, verbringen die Christen ihre Zeit auf Erden einstweilen wie Gäste und Fremdlinge; der Tod bedeutet für sie Heimkehr zum Vaterland.139 Die renuntiatio saeculi ist in der christlichen Existenz dadurch zu bewähren, dass die Christen ihre Aufmerksamkeit nicht auf die Welt richten, der sie bereits abgesagt haben, sondern allein auf Himmlisches und Geistgemäßes bedacht sind.140 Die Absage an die Welt impliziert für Cyprian die Forderung einer schlichten, genügsamen Lebensweise. So kann er die Brotbitte des Vaterunsers dahingehend verstehen, „dass wir, die wir der Welt abgesagt und ihre Reichtümer und ihren Prunk im Vertrauen auf die geistliche Gnade abgeworfen haben, allein um Speise und Lebensunterhalt bitten sollen“.141 Cyprian spricht, anders als Tertullian, von pompa saeculi, nicht diaboli, und er bezieht diesen Ausdruck auf die Güter der Welt.142 Für ihn selbst verbindet sich die Taufabsage darum mit der Preisgabe seines irdischen Besitzes.143 Einen sozusagen naiven privaten Gebrauch des Reichtums, wie ihn einige wohlhabende uirgines für sich in Anspruch nehmen, lehnt er mit der Begründung ab, die irdischen Dinge müssten von denjenigen, die dem Prunk und den Genüssen der Welt abgesagt haben, ebenso verachtet werden wie die Welt selbst.144 Wer in der Situation der Verfolgung dazu bereit ist, um seines Glaubens willen auf alles Seinige zu verzichten, sei es durch Flucht, Inhaftierung, Verbannung oder Proskription, sagt damit wahrhaft der Welt ab.145

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nicht als Teil der Renuntiationsformel bezeugt (gegen Réveillaud, orat, 197). – Die (am vorangehenden Zitat von Gal 5,24 orientierte) Formulierung quae se concupiscentiis carnis et uitiis renuntiasse profitetur in habit 6;191,23f deutet eine Art Jungfrauengelübde an; vgl. dazu Koch, Virgines Christi, 76–86, sowie Keenan, habit, 7–10, und Clarke I, 176 Anm. 22. Zu den Anfängen des Jungfrauenstandes allgemein vgl. Schöllgen, Jungfräulichkeit, 553–557. 138 [...] qui renuntiauit iam saeculo maior est et honoribus eius et regno (orat 13;229–233); vgl. ebenso Don 14;288f sowie op 26;551f und dazu auch Capmany, Miles, 50. 139 Mort 26;430–446; mit der Wendung tamquam hospites et peregrinos (Z. 431f) spielt Cyprian auf 1Petr 2,11 an (der Text wird in Quir 3,11;63–65 in entsprechendem Kontext zitiert). Vgl. auch mort 18;310–314 und orat 19;355–360. 140 Eum qui fidem consecutus est exposito priore homine caelestia tantum et spiritalia cogitare debere nec adtendere ad saeculum cui iam renuntiauit (Quir 3,11tit). 141 Potest uero et sic intellegi, ut qui saeculo renuntiauimus et diuitias eius et pompas fide gratiae spiritalis abiecimus cibum nobis tantum petamus et uictum [...] (orat 19;348–350). In der Fortsetzung begründet Cyprian die Beschränkung des christlichen Gebets auf die tägliche Speise (diurnus cibus) mit Zitaten von Lk 14,33 und Mt 6,34 (Z. 350–359). Einige Andeutungen zum diatribischen Hintergrund dieser Auslegung bietet Alfonsi, Il „De dominica oratione“, 55f. 142 Vgl. dazu auch Kirsten, Taufabsage, 56f, der im Vergleich mit Tertullian von einer „Versachlichung“ des Begriffs pompa spricht, sowie Pereira Lamelas, Una domus, 83. 143 Vgl. dazu Kap. 1 Anm. 60. 144 Vgl. habit 7;192,12–21; das Thema wird in habit 8–11 breit ausgeführt. 145 Vgl. ep 13,5,3;90–93 und dazu Clarke I, 258 Anm. 32, sowie laps 2;37–46.

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Christliches Handeln als Taufentsprechung

Dass die Christen „der Welt allein mit Worten und nicht mit Taten“ abgesagt haben, ist eine der Verfehlungen, mit denen Cyprian die Deutung der decischen Verfolgung als verdiente göttliche Heimsuchung begründet.146 Dem entspricht es, dass längst nicht alle Christen während der Verfolgung die Absage an Teufel und Welt bewährt haben. Viele haben durch die Teilnahme an paganen Opferungen nunmehr Christus abgesagt,147 sind zur Welt zurückgekehrt und leben jetzt wieder gentiliter.148 Erscheint damit implizit das gentiliter uiuere insgesamt als Bezugspunkt der Taufabsage,149 so können auch einzelne Verfehlungen wie Eifersucht und Neid als Rückfall hinter die renuntiatio diaboli interpretiert werden.150 Die Warnung vor der „Rückkehr“ zur Welt bzw. zum Teufel, von denen die Christen durch die Taufe befreit worden sind, wird in Fort 7 breiter ausgeführt.151 Konkretisiert wird sie in Auslegung von Lk 14,33 als Ermahnung, sich nicht durch das Begehren irgendwelcher Dinge oder durch die Sehnsucht nach der Familie an der Nachfolge Christi hindern zu lassen.152 Die in der Taufe vollzogene Absage an den Teufel und mehr noch an die Welt erweist sich damit als ein wichtiges Motiv der cyprianischen Paränese. Dokumentiert der rituelle Akt der renuntiatio die Befreiung des Getauften von Teufel und Welt, so ist von den Christen eine entsprechende Lebensweise gefordert, soll ein Rückfall an jene Mächte vermieden werden. Anders bei Tertullian steht für Cyprian die Absage an die Welt, nicht die an den Teufel, im Mittelpunkt des paränetischen Interesses.153 Der Absage an die Welt korrespondiert, wie gesehen, die Hinwendung zum Bereich des Himmlischen.154 Die Taufrenuntiatio verbindet sich daher mit einem fundamentalen Orientierungswechsel, der von Cyprian auch über den unmittelbaren Kontext der renuntiatio-Belege hinaus paränetisch fruchtbar gemacht wird. Ist der ungetaufte Mensch aufgrund der ersten Geburt irdisch und, da fleischlich geboren, den Vergehen verhaftet,155 so wird in der Taufe die irdische Geburt abgelegt, und der Mensch, durch den himmlischen Geist wiedergeboren und erneuert, lebt nun, ausgerichtet auf die Verheißung des Zukünftigen, „nicht

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146 [...] saeculo uerbis solis et non factis renuntiantes [...] (ep 11,1,2;17f); der Vorwurf wird nicht konkretisiert. 147 Laps 8;161–163: renuntiare Christo. 148 Ep 57,3,1;55–57; vgl. dazu auch Deléani, „Gentiles uiae“, 237. 149 Vgl. auch Quir 3,34tit: Fidelem gentiliter uiuere non oportere (einige MSS lesen debere). Als eine Illustration dessen können die Ausführungen in Don 6–13 gelten. 150 Vgl. zel 11;185–188. 151 Vgl. auch die längere Zitatensammlung in Quir 3,11. 152 Fort 7;22–25, zitiert oben Anm. 91. 153 Anders Saxer, Vie liturgique, 143, der die Absage an den Teufel für eine Art „ligne directrice“ der cyprianischen Paränese hält. 154 Ebenso Capmany, Miles, 50f. Eine umfangreiche Zusammenstellung cyprianischer Belegstellen zu „Heaven and Heavenly, Earth and Earthly“ bietet Ball, Nature, 278–295. 155 Vgl. orat 17;322f; Don 4;65f u.ö.

4. Die tätige Verwirklichung der Taufrenuntiation

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mehr der Welt, sondern Gott“.156 Diese in der Taufe vollzogene Hinwendung zum Bereich des Himmlischen begründet eine fundamentale Weltüberlegenheit und -unabhängigkeit,157 die nun in der tätigen christlichen Existenz zu bewähren ist. Zeigt sich die cyprianische Deutung der conuersio hier, wie gesehen, durch die platonisch-stoische contemplatio caeli-Tradition beeinflusst,158 so gilt für die damit verknüpfte Paränese Entsprechendes. In besonderer Weise genügen der neuen Ausrichtung der Christen die Jungfrauen, verwirklichen sie doch Cyprian zufolge bereits in der Gegenwart die himmlisch-zukünftige, nämlich engelgleiche, von Sexualität freie Existenz und gehen damit „ohne Befleckung der Welt durch diese Welt hindurch“.159 Cyprian kann seine Ermahnungen an sie daher in der Aufforderung bündeln, nun auch tatsächlich allein auf Gott und den Himmel zu schauen und ihre zum Erhabenen erhobenen Augen nicht – etwa durch Interesse an kostbarem Schmuck und teuren Gewändern – zur Begierde des Fleisches und der Welt niederzudrücken bzw. zum Irdischen niederzulegen.160 Cyprian lässt hier Elemente des contemplatio caeli-Motives anklingen161 und zeichnet damit seine Paränese in die fundamentale Alternative zwischen Himmelsorientierung und Weltbezogenheit ein: Jedwede Ausrichtung auf Irdisch-Fleischliches stellt für ihn die von den Jungfrauen in besonders radikaler Weise verwirklichte Hinwendung zum Himmlisch-Göttlichen in Frage. Diese Grundausrichtung der Schrift De habitu uirginum klingt auch bei einzelnen Ermahnungen gelegentlich an. So sind Kosmetika u.ä. Cyprian zufolge von abtrünnigen Engeln vermittelt worden, „als sie, zur irdischen Befleckung hinabgestürzt, von der himmlischen Strenge gewichen sind“,162 sind also Resultat einer Bewegung weg vom Himmlischen hin zum Irdischen. Den Verzicht auf kostbare Gewänder und Goldschmuck begründet er mit der für die uirginitas kennzeichnenden Absage an Fleisch und Welt: „Besiege das (kostbare) Gewand, die du Jungfrau bist, besiege das Gold, die du das Fleisch und die Welt besiegst“.163 Als solche, die Christus nachfolgen und für das Reich Gottes bestimmt sind, haben die uirgines rechtmäßigerweise mit irdischem Schmuck nichts mehr zu schaffen. Jedes Bemühen um ein attraktives Äußeres widerspräche ihrer Absage an die Begierden und Fehlhaltungen des Fleisches. Nicht nur in der ____________

156 [...] nec iam mundo sed deo uiuimus [...] (Dem 20;397–399); nach habit 7;192,20f ist die Taufe ein meliore transgressu ad Deum uenire. Ist die Himmelsorientierung des Getauften durch den Empfang des himmlischen Geistes ermöglicht, so korrespondiert der Abwendung von der Welt die Absage an das Fleisch; spiritalia, caelestia und diuina gehören ebenso zusammen wie carnalia, terrena und saecularia; vgl. Quir 11tit; zel 14;242–244 u.ö. 157 Vgl. Don 14;284–289. 158 Vgl. dazu oben Kap. 1.2.2. 159 [...] per saeculum sine saeculi contagione transitis (habit 22;203,12–16, Zitat Z. 14f). 160 Deum spectet et caelum neque oculos ad sublime porrectos ad carnis et mundi concupiscentiam deprimat, ad terrena deponat (Z. 18–20); vgl. auch habit 4;189,25–190,1. 161 Die Formulierungen haben deutliche Entsprechungen in Dem 16;306–318. 162 [...] quando ad terrena contagia deuoluti a caelesti uigore recesserunt (habit 14;197,26–28). Cyprian folgt hier Ausführungen Tertullians (vgl. die Gegenüberstellung bei Keenan, habit, 21–24), der jüdische Deutungen des ‚Engelfalls‘ in Gen 6,1–4 rezipiert (vgl. dazu Turcan, cult, 47f). 163 Vince uestem quae uirgo es, uince aurum quae carnem uincis et saeculum (habit 21;202,7f); vgl. noch habit 22;202,16f; 23;204,2–4.9f.

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Christliches Handeln als Taufentsprechung

carnis integritas muss sich die uirginitas zeigen, sondern in einer im umfassenden Sinne der Welt und dem Fleisch abgewandten Lebensweise.164 Ähnlich wie die Jungfrauen dürfen auch Kleriker sich grundsätzlich nicht mit „weltlichen Dingen“ (saecularia) befassen: Darf sich nach 2Tim 2,4 niemand, der Gott Kriegsdienst leistet – also kein Christ –, weltlichen Beschäftigungen verpflichten,165 so gilt dies Cyprian zufolge umso mehr für Priester bzw. Kleriker, „die, mit göttlichen und geistlichen Dingen beschäftigt, von der Kirche nicht weichen und für irdische, weltliche Tätigkeiten keinen Freiraum haben“ können.166 Die dem Zehnten für die alttestamentlichen Leviten entsprechende Versorgung des christlichen Klerus durch ihre Gemeinden soll eben dies ermöglichen.167 Die Einsetzung von Klerikern als Erbverwaltern ist daher durch einen (nordafrikanischen) Synodalbeschluss untersagt worden.168 Dass vor Ausbruch der decischen Verfolgung viele Bischöfe unter Missachtung ihrer eigentlichen Aufgabe zu procuratores rerum saecularium geworden sind und mehr mit der Vermehrung ihres Besitzes als mit der Versorgung bedürftiger Gemeindeglieder beschäftigt waren, kritisiert Cyprian scharf.169

Dass hier nicht nur für Jungfrauen und Kleriker, sondern für alle Christen Gefahr droht, zeigt eine Ermahnung an die karthagischen Christen während der decischen Verfolgung: „Lasst uns unsere Augen zum Himmel emporheben, damit uns nicht die Erde mit ihren Genüssen und Verlockungen täusche“.170 Nur so kann die Taufabsage an die Welt verwirklicht werden,171 ruft doch der Teufel die Christen durch die täuschenden Verlockungen der Welt zurück zu dem, was hinter ihnen liegt, während Christus sie zu dem vor ihnen Liegenden – gemeint ist offenbar das Himmlisch-Zukünftige – ruft.172 Ein Indiz für die täuschende und verlockende Macht der Welt ist für Cyprian die Todesfurcht vieler Christen, die er während einer Pestepidemie in Karthago beklagt.173 Überwindung der Todesfurcht bis hin zum Todeswunsch gehören auch in der philosophischen Tradition zur contemplatio caeli von Anfang an

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164 Vgl. habit 5–6, bes. 190,18–20.24–27 und 191,13–192,2; vgl. auch Quir 3,36tit. 165 Nemo militans deo obligat se molestiis saecularibus, ut possit placere ei qui se probauit (zitiert ep 1,1,1;13–15), in Z. 16 aufgenommen mit molestiis et laqueis saecularibus obligari non debent. 166 [...] qui diuinis rebus et spiritalibus occupati ab ecclesia recedere et ad terrenos et saeculares actus uacare non possunt (ep 1,1,1;13–2;18, Zitat Z. 16–18). 167 Z. 18–33; zur Versorgung der Kleriker z.Zt. Cyprians vgl. Kap. 9 Anm. 342. 168 In ep 1 geht es um die Durchsetzung dieses Synodalbeschlusses in einem konkreten Fall; zu den Einzelheiten vgl. Clarke I, 151–155 Anm. 6–11. Zu historischen Fragen bzgl. der hier erwähnten Synode vgl. Duval, Les chrétientés d’occident, 112–125, sowie Fischer/Lumpe, Synoden, 157–160. 169 Vgl. laps 6;107–114 und dazu Drexhage, Wirtschaft und Handel, 52–56, mit interessanter, wenngleich nicht in jeder Hinsicht überzeugender These; er verteidigt ebd., 53, die Lesart rerum in Z. 109 gegen die von Y S T bezeugte v.l. regum. Zur Verbindung von biblischen und römisch-historiographischen Motiven in dieser cyprianischen Polemik vgl. Lo Cicero, La persecuzione, 93f. 170 Oculos erigamus ad caelum, ne oblectamentis et inlecebris nos suis terra decipiat (ep 11,7,2; 136f); vgl. auch die Paraphrase von Kol 3,1–4 in zel 14;251–254. 171 Dass eine tätige Absage an die Welt bislang nicht wirklich erfolgt ist, wird von Cyprian in demselben Brief beklagt (s.o. zu ep 11,1,2;17f). 172 So Z. 135f in Anlehnung an Phil 3,13b. 173 Eius est in mundo diu uelle remanere, quem mundus oblectat, quem saeculum blandiens adque decipiens inlecebris terrenae uoluptatis inuitat (mort 24;397–399); die Welt zu lieben heißt carnalia desideria sectari (Z. 403f).

4. Die tätige Verwirklichung der Taufrenuntiation

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dazu; dies kann geradezu als logische Konsequenz der damit verbundenen Abwendung von allem Irdischen erscheinen.174 Als größtes Hindernis für die geforderte Orientierung auf das Himmlisch-Zukünftige hin erscheint bei Cyprian irdischer Besitz,175 offenbar nicht zuletzt aufgrund der Glaubensleugnung vieler reicher Christen während der decischen Verfolgung.176 Blinde Liebe zu ihrem Besitz, so beklagt er am Ende der Verfolgung, habe viele getäuscht: Fußfesseln gleich habe ihr Vermögen die Reichen daran gehindert, zu fliehen und so ihren Glauben zu bewahren.177 Wie mit Ketten habe es Tapferkeit, Glaube, Geist (mens) und Seele festgehalten und damit diejenigen, die am Irdischen hafteten, zur Beute und Speise für die Schlange gemacht, die nach dem Urteil Gottes Erde fresse.178 Hätten die Reichen gemäß dem Gebot Christi ihren Besitz verkauft und den Armen gegeben (Mt 19,21), wären sie nicht durch ihren Reichtum zugrunde gegangen. „[...] ihren Schatz in den Himmel verlegend, hätten sie jetzt keinen häuslichen Feind und Widersacher. Im Himmel wären Herz, Seele und Sinn, wenn der Schatz im Himmel wäre,179 und es könnte nicht von der Welt besiegt werden, wer in der Welt nicht hat, wodurch er besiegt werden könnte.“180

So hätten es in apostolischer und nachapostolischer Zeit viele, danach noch manche gemacht, hätten ihre Güter und Verwandten verlassen und seien frei und unabhängig Christus nachgefolgt.181 „Wie aber können Christus nachfolgen, die durch die Fessel des Besitzes festgehalten werden? Oder wie gelangen zum Himmel und steigen auf zu Erhabenem und Hohem, die durch die Last irdischer Begierden niedergedrückt werden?“182 ____________

174 Dass die philosophische Betrachtung des Alls dazu führe, das menschliche Leben nicht mehr für etwas Großes und den Tod nicht für furchterregend zu halten, bemerkt schon Plato Rep 486ab. Dieser Gedanke begegnet in der Tradition des Motivs immer wieder. Bei Seneca kommt die philosophische contemplatio caeli erst durch den postmortalen Seelenaufstieg zur Vollendung; vgl. dazu Wlosok, Laktanz, 43–46. 175 Vgl. dazu auch Capmany, Miles, 152–166, Cacitti, L’esegesi, 138–164, sowie González, Faith and Wealth, 124–128. 176 Vgl. dazu Countryman, The Rich Christian, 190f, und Weaver, Wealth and Poverty, 373. 177 Die Flucht zur Vermeidung einer möglichen Glaubensleugnung hält Cyprian – anders als Tertullian – nicht nur für erlaubt, sondern sogar für geboten; vgl. laps 10;182–202 und dazu auch Cacitti, L’esegesi, 147–151. 178 [...] ut serpenti, terram secundum dei sententiam deuoranti (vgl. Gen 3,14), praeda et cibus fierent qui terrestribus inhaererent (laps 11;203–210, Zitat Z. 209f). 179 Dieser Gedanke ist auf Mt 6,20f zurückzuführen. 180 [...] thesaurum in caelo reponentes hostem nunc et expugnatorem domesticum non haberent; esset in caelo cor et animus et sensus, si thesaurus esset in caelo, nec uinci a saeculo posset qui unde uinceretur in saeculo non haberet (Z. 214–218). 181 Zur Urgemeinde als Vorbild für christlichen Besitzverzicht vgl. op 25;510–515 und unit 26; 591–596. 182 Sequi autem Christum quomodo possunt qui patrimonii uinculo detinentur? aut quomodo caelum petunt et ad sublimia et alta conscendunt qui terrenis cupiditatibus degrauantur? (laps 12;222– 225).

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Christliches Handeln als Taufentsprechung

Sie sind, so Cyprian, Sklaven ihres Besitzes, dessen Herren sie zu sein glauben.183 Cyprian zeichnet hier ein klares Gegenbild zur geforderten Himmelsorientierung: Wer an seinem Besitz hängt, haftet am Irdischen; Besitz drückt den Menschen zur Erde nieder,184 hindert ihn somit daran, zum Himmlisch-Erhabenen aufzusteigen, und liefert ihn den Angriffen der Welt aus.185 Unbesiegbar ist dagegen, wer sich von seinem Besitz freigemacht hat. Christliche Weltüberlegenheit basiert demnach auf einer inneren Unabhängigkeit von der Welt, die für Cyprian offenbar die äußere Preisgabe des irdischen Besitzes zur Voraussetzung hat. Nur so kann die durch die Taufe gewonnene Orientierung auf den Himmel hin, nur so kann Christusnachfolge tatsächlich gelebt werden.186 Die von Cyprian wiederholt aufgenommene neutestamentliche Mahnung, sich „Schätze im Himmel“ anzulegen (Mt 6,20f; vgl. Mt 19,21),187 kann in der Schrift De opere et eleemosynis geradezu als Hauptgebot Christi erscheinen: Nichts gebiete der Herr häufiger, „als dass wir darin beharren, Almosen zu geben, und nicht auf irdischen Besitztümern brüten, sondern vielmehr himmlische Schätze anlegen“.188 Die Besitzthematik wird auch an vielen anderen Stellen dieser Schrift in das Gegenüber von Erde bzw. Welt und Himmel eingezeichnet. So fordert Cyprian diejenigen, die als Christen, „nachdem die Welt bereits verachtet und niedergetreten ist, eine zum Oberen, Göttlichen aufgerichtete Seele haben“, dazu auf, für Christus irdische Gewänder und weltliche Speise und Trank zu geben, da sie himmlische Gewänder empfangen und mit Abraham, Isaak und Jakob zum himmlischen Gastmahl kommen werden.189 Dürfte die Metapher des „Niedertretens“ (calcare) der Welt aus der frühchristlichen Auslegungstradition von Lk 10,19 zu verstehen sein,190 so verdankt sich die Vorstellung des animus erectus der auf Plato ____________

183 Z. 225–227; zur Herkunft des verbreiteten Motivs possidere se credunt qui potius possidentur (Z. 225) s.o. Kap. 1 mit Anm. 117. In Z. 227–244 werden weitere biblische Texte zu den Gefahren des Reichtums bzw. zum Nutzen des Besitzverzichtes angeführt. Zur Sache vgl. außerdem noch op 13; 255–258. 184 Zum Besitz als Last vgl. bei Cyprian noch op 13;257f.262f; Don 12;261f u.ö. 185 Vgl. noch mort 1;7f (die dulcedo saecularis uitae schwächt die Standfestigkeit der Christen) sowie orat 20;370–377 und habit 11;195,22–24 (Reichtum als Wurzel täuschender Übel). 186 In op 13;255–257 erscheint demgemäß die Versklavung an die Ketten des Besitzes als Rückfall an die Welt, von der Christus die Christen schon befreit hatte. 187 Vgl. neben dem referierten Passus laps 11;211–218 noch habit 11;195,10–15 und mort 26; 451–454. Zum Anlegen himmlischer Schätze vgl. auch pat 13;258f; op 22;443f (in einer fiktiven Rede des Teufels) sowie zel 16;307f; zum Vorkommen des Ausdrucks caelestes thesauri bei Cyprian und Tertullian vgl. auch Poirier, op, 94f Anm. 3. In op 14;267–281; habit 7;192,12–21 u.ö. wird das Reichsein bei Christus vermeintlichem irdischen Reichtum gegenübergestellt. 188 [...] quam ut insistamus eleemosynis dandis nec terrenis possessionibus incubemus sed caelestes thensauros potius recondamus (op 7;138–140; zur Verwendung des Verbums incubare in Verbindung mit Reichtum und Besitz vgl. Poirier, op, 94 Anm. 2). Diese Behauptung wird in Z. 140–155 mit Zitaten von Lk 12,33a; Mt 6,19–21; 19,21 und einer entsprechenden Auslegung des Gleichnisses von der kostbaren Perle (Mt 13,45f) untermauert. 189 [...] quibus [...] spreto calcatoque iam mundo ad superna et diuina animus erectus est [...] (op 24;495–501, Zitat Z. 495–497). Vgl. auch op 16;326f; 12;232f; 26;533f u.ö. 190 Der Text wird in der frühchristlichen Literatur häufig metaphorisch auf das Niedertreten des Teufels und / oder seines Heeres gedeutet; vgl. dazu Overbeck, Menschwerdung, 333–336; bei Cyprian vgl. ep 58,9,1;209f; ep 39,2,2;32f sowie ep 69,15,2;352f und dazu Clarke II, 189 Anm. 12. Zur Bedeutung von calcare vgl. Dölger, Kampf, 179–185.

4. Die tätige Verwirklichung der Taufrenuntiation

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zurückgehenden Deutung des status rectus-Motivs auf die Forderung einer entsprechenden Haltung der Seele.191 Eine direkte Entgegensetzung der zum Himmel ausgerichteten Blickrichtung des Menschen und des niederzutretenden, da von der Natur in der Erde verborgenen Goldes und Silbers findet sich bei Seneca.192 Eine Verschmelzung von biblischen und paganen Motiven zeigt auch die folgende, römisch getönte Paraphrase von Mt 6,19f, mit der Cyprian besorgte Familienväter davon zu überzeugen sucht, dass es auch für ihre Kinder besser ist, das Vermögen ‚bei Gott aufzubewahren‘: „Gott anvertrauten Familienbesitz raubt nicht der Staat, wird nicht vom Fiskus angegriffen und nicht durch irgendeine gerichtliche Falschanklage zunichte gemacht. In Sicherheit wird das Erbe gebracht, das von Gott als Wärter bewahrt wird.“193 Cyprian verbindet hier die in paganen Texten häufig reflektierte Unsicherheit irdischen Besitzes194 mit dem biblischen Motiv des im Himmel anzulegenden Schatzes.195

Cyprian reflektiert den in der Taufe vollzogenen Orientierungswechsel, die Absage an den Teufel und die Welt und die Hinwendung zum Bereich des Himmlischen, paränetisch mit Vorliebe in Bezug auf die Frage des Reichtums bzw. des irdischen Besitzes. Er führt zu dieser Thematik eine Vielzahl biblischer Texte an, ist in seinen Ausführungen dazu aber ebenso durch antike Reflexionen zur Versklavung an den Besitz und zur Freiheit gegenüber den Angriffen der fortuna bestimmt.196 Dass Besitz eine Last ist, die den Menschen versklavt und in seinen wahren Lebensmöglichkeiten behindert, ist ein Topos in der antiken Literatur.197 Die Forderung, von allem Äußeren innerlich unabhängig zu werden, um sich so für die Angriffe der fortuna – die Wechselfälle des Schick____________

191 Vgl. dazu Wlosok, Laktanz, 12–16, sowie oben Kap. 1.2.2. 192 Pedibus aurum argentumque subiecit (sc. natura) calcandumque ac premendum dedit quidquid est propter quod calcamur ac premimur. illa uultus nostros erexit ad caelum et quidquid magnificum mirumque fecerat uideri a suspicientibus uoluit (ep 94,56 [377,12–16 Reynolds]; vgl. dazu Poirier, op, 148f Anm. 2); sachlich ähnlich ep 92,30f; nat 5,15,3. Das Motiv, dass Gold und Silber von der Natur in der Erde verborgen worden sind, weil sie nur Unheil anrichten, ist ein verbreiteter popularphilosophischer Topos; in benef 7,10,2–4 führt Seneca ihn in einem stilisierten Vortrag des Kynikers Demetrius an (vgl. dazu Billerbeck, Demetrius, 19–28; weitere Belege ebd., 25). 193 Patrimonium deo creditum nec respublica eripit nec fiscus inuadit nec calumnia aliqua forensis euertit. in tuto hereditas ponitur quae deo custode seruatur (op 19;378–381). Zu den spezifisch römisch-rechtlichen Konnotationen dieses Abschnitts vgl. J. Vögtle, Schriften, 127f. In op 12;232f wird die Furcht, es könnte denjenigen an Irdischem mangeln, denen Himmlisches und Göttliches zugeteilt wird, zurückgewiesen; ähnlich Don 15;307f. 194 Dieses Thema wird von Cyprian in Don 12 mit vielen Reminiszenzen an pagane Autoren breiter ausgeführt; vgl. dazu oben Kap. 1.2.1. 195 Auch Seneca kann schreiben, nur das sei sicherer Besitz, was als beneficia anderen gegeben werde; vgl. benef 6,3,1–4 und dazu Griffin, Seneca, 301. 196 Eine interessante Entsprechung zur Argumentation in laps 11f bietet Seneca ep 65,16–21, wo allerdings die den geistigen Höhenflug behindernde Fessel mit dem Leib identifiziert wird; zu diesen platonisch beeinflussten Ausführungen vgl. Wlosok, Laktanz, 37–40, und J.M. Rist, Seneca, 2010. 197 Vgl. Clarke, Oct, 363 Anm. 615. Der Kyniker Demetrius lehnt die Annahme großer Reichtümer als pondus und faex ab (Seneca benef 7,9,1); Demokrit hat seinen Reichtum weggeworfen, weil er ihn als onus bonae mentis ansah (Seneca dial 1,6,2 als Beispiel für das externa contemnere des uir bonus ausgeführt); auch Minucius Felix nimmt dieses Motiv auf (Oct 36,6). Vgl. auch den bekannten, in etlichen Variationen überlieferten Ausspruch, mit dem der Kyniker Krates die Preisgabe seines Besitzes als Befreiung seiner selbst charakterisiert (s. die Belege bei Giannantoni II, 524–528). Zur Versklavung an Ruhm, Geld u.ä. vgl. etwa Cicero Tusc 5,9; Seneca ep 47,17 u.ö.

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Christliches Handeln als Taufentsprechung

sals – unangreifbar zu machen, spielt insbesondere für die Stoiker eine zentrale Rolle;198 Cyprian knüpft hieran an, wenn er sagt, der könne nicht von der Welt besiegt werden, der – aufgrund der Preisgabe seines Besitzes – in der Welt nichts hat, wodurch er besiegt werden kann.199 Auch der Gedanke, dass Reichtum den Menschen an der Ausrichtung seiner Existenz auf den Himmel hindert, hat Vorläufer.200 Das in der philosophischen Tradition mit dem Vorstellungskomplex der contemplatio caeli verbundene Motiv der Geringschätzung alles Irdischen und Äußerlichen201 wird von Cyprian in Verbindung mit der renuntiatio mundi rezipiert und insbesondere auf den Umgang mit Reichtum und Besitz bezogen.202 Das Thema der „dispossession“ und die radikale Ablehnung des Reichtums203 „as an enemy“ erinnert, wie Downing mit Recht unterstreicht, an die kynische Tradition.204 Die grundlegende Kontrastierung des Irdischen mit der Ausrichtung auf das Himmlisch-Erhabene führt dazu, dass Cyprian letztlich eine radikale Abwendung von allem Irdisch-Weltlichen fordert – bis hin zur entsprechend begründeten Forderung der Sterbebereitschaft in der Schrift De mortalitate –, und die Argumentation gegenüber jedweden cultus und ornatus der (Jung-) Frauen redet in ihrer Konsequenz einer kynisch-radikalen Selbstvernachlässigung das Wort, von der bei ihm sonst wenig zu erkennen ist. Wer wie die Christen seit der Taufe bereits größer ist als die Welt, der darf sich, so Cyprian, durch keine wie auch immer geartete Begierde nach der Welt aufhalten lassen;205 Fluchtpunkt seiner Existenz ist allein das Himmlisch-Zukünftige. ____________

198 Vgl. etwa Cicero off 1,66.72 u.ö. (rerum externarum despicientia o.ä. als Kennzeichen des fortis animus et magnus) im Anschluss an Panaetius, ferner Seneca ep 74,6: una haec uia est ad tuta uadenti, externa despicere [...] (225,20f Reynolds), und dazu Busch, Fortunae resistere, 141, Griffin, Seneca, 297f.313, sowie oben Kap. 1.2.2. 199 Vgl. Seneca dial 2,15,5: Die fortuna kommt nicht über die Türschwelle des Weisen; scit non esse illic sibi locum ubi sui nihil est (34,21f Reynolds), und zwar deshalb, weil der Weise nichts von der fortuna für sich annimmt (15,3ff). 200 Vgl. außer den Belegen in Anm. 192 noch Minucius Oct 16,5: adeo diuites facultatibus suis inligatos magis aurum suspicere consuesse quam caelum [...] (13,7f Kytzler), sowie Seneca ep 17,1–8 zum Reichtum „als Hindernis im Philosophieren“ (Billerbeck, Demetrius, 202). 201 Vgl. Cicero Rep 6,20: haec caelestia semper spectato, illa humana contemnito (132,18f Ziegler; in § 20–25 als Verachtung irdischen Ruhmes konkretisiert); Luc 127 (s.o. Kap. 1.2.2); Seneca nat 1,0,7–13 u.ö. Wlosok, Laktanz, 29f, zufolge ist „die moralische Abzweckung (sc. der Himmelsbetrachtung) auf die Verachtung des Irdischen“, das heißt „die Zuspitzung auf ein bestimmtes paränetisches Anliegen“, für Cicero und Seneca kennzeichnend; es handle sich um „persönliche, moralisierende Variationen des allgemeinen Schemas, die charakteristisch für die Verfahren der Römer“ seien. 202 Vgl. bes. habit 7;192,17–21 (referiert oben bei Anm. 144). 203 Besonders deutlich ist hier habit 7–11, wo Cyprian jeden sozusagen naiven Gebrauch von Reichtum radikal ausschließt. 204 Downing, Cynics and Christian Origin, 215f. Downing betont, dass weder die Bibel noch die Stoa Reichtum eindeutig ablehnen. Auch Seneca kann sagen: nemo alius est deo dignus quam qui opes contempsit, fügt aber sogleich hinzu, er verbiete nicht den Besitz, sondern verlange nur innere Unabhängigkeit (ep 18,13 [49,17–19 Reynolds]); vgl. dazu auch Griffin, Seneca, 294–314, bes. S. 297f.306.311f, sowie Billerbeck, Demetrius, 29f. 205 [...] qui saeculo et mundo maiores iam esse coepimus cursum nostrum nulla saeculi et mundi cupiditate tardemus (op 26;551–553).

Kapitel 5: Christliche Existenz in der Zeit als ständiger Kampf mit dem Widersacher und der Welt

„Noch sind wir in der Welt, noch stehen wir in der Schlacht, kämpfen wir täglich um unser Leben.“1 Diese an karthagische Konfessoren adressierte Aussage fasst knapp zusammen, wie Cyprian christliche Existenz in der Zeit generell versteht. Solange das In-der-Welt-Sein der Christen fortdauert, dauert auch der Kampf an, in dem es um ihr „Leben“, das heißt um ihr zukünftiges Heil geht. Es ist ein täglicher Kampf gegen den Teufel, gegen die ständige Verlockung zum Sündigen, gegen die Widrigkeiten der Welt und die Mühsal irdisch-fleischlicher Existenz. Den vielfältigen Angriffen und Versuchungen standzuhalten wird damit zur dringlichsten Aufgabe der Christen, ihnen zu erliegen zur größten Gefahr. Cyprian versteht die Taufe, wie gesehen, als effektive Befreiung von der Macht des Teufels und der Welt, der auf seiten des Getauften die Absage an den Teufel und die Welt und damit an alles Irdische korrespondiert.2 Der damit markierte fundamentale Bruch bedeutet freilich nicht das Ende des Kampfes, im Gegenteil: der Kampf wird damit recht eigentlich erst eröffnet.3 Der Widersacher versteht die renuntiatio als eine Provokation und unternimmt daher alle Anstrengungen, um die Getauften wieder in seine Gewalt zu bringen,4 und die Widrigkeiten der Welt werden für die Christen zu einer permanenten Bewährungsprobe. Zwar hat der Widersacher von sich aus keine Macht mehr über sie; er gewinnt sie jedoch wieder, sobald er sie erneut zur Sünde zu verleiten vermag. Die Taufe befreit von Teufel und Welt, macht aber nicht unangreifbar.5 Christliche Existenz in der Zeit ist deshalb von der Taufe her ein ständiger Kampf mit dem Widersacher und der Welt, aus dem der Christ zwar grundsätzlich immer siegreich hervorgehen kann, der aber zugleich eine ständige Gefährdung bedeutet. Definitiv beendet ist dieser Kampf erst mit dem Tod.6 Der damit angedeutete dramatische Charakter christlicher Existenz kennzeichnet die gesamte Paränese Cyprians. Sein Verständnis der christlichen Kampfesexistenz erweist sich dabei vielfach als durch pagane philosophische ____________

1 Adhuc in saeculo sumus, adhuc in acie constituti, de uita nostra cotidie dimicamus (ep 13,2,1; 18f). 2 S.o. Kap. 1.1.2 und Kap. 3.1 bzw. Kap. 4.4. 3 Vgl. auch Capmany, Miles, 51–61, bes. S. 56f. 4 Vgl. Daniélou, Les origines, 335: „Ce thème du combat avec Satan et de sa defaite se continue dans toute l’existence chrétienne. Il est essentiel chez Cyprien.“ 5 Vgl. ep 69,16,1;360–364 bzw. unit 20;480–483 und dazu oben Kap. 3. 6 Vgl. dazu bes. De mortalitate passim.

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Christliche Existenz in der Zeit als ständiger Kampf

Vorstellungen beeinflusst. Dies gilt sowohl für die Deutung der Angriffe des Widersachers und der Widrigkeiten der Welt als auch für die Darstellung der von den Christen geforderten Standhaftigkeit gegenüber diesen Angriffen und der dafür notwendigen Vorbereitung.

1. Die Gegner der Christen: der Widersacher, die „Stürme der Welt“ und die Widrigkeiten irdisch-fleischlicher Existenz Als Urheber der Angriffe, denen die Christen ausgesetzt sind, solange sie in der Welt sind, erscheint zunächst der Widersacher der jüdisch-christlichen Tradition, der Teufel (diabolus), den Cyprian als den Feind der Menschheit schlechthin charakterisiert.7 Dieser versucht nicht nur, die Christen mit vielfältigen Versuchungen und Verlockungen zu Verfehlungen zu verleiten, er ist auch die treibende Kraft hinter Christenverfolgungen und der Urheber von Schismen und Häresien.8 Daneben rechnet Cyprian freilich auch mit feindseligen Angriffen der „Welt“ (mundus, saeculum).9 Zu den „Stürmen der Welt“, deren sich die Christen zu erwehren haben, zählt er neben Bedrängnissen und Bedrohungen auch die allgemeinen Widrigkeiten irdisch-fleischlicher Existenz. Das Gewicht dieses Gegners zeigt sich u.a. darin, dass Cyprian die renuntiatio – anders als Tertullian – deutlich öfter auf die Welt als auf den Teufel bezieht.10 Die Welt tritt teils als gewissermaßen eigenständiges Subjekt, teils in direkter Verbindung mit dem Widersacher auf; die beiden Größen werden nicht identifiziert, sind aber ebenso wenig klar voneinander zu trennen.11 Der Kampf, zu dem die Christen ständig herausgefordert sind, hat mit beiden zu tun; gegenüber beiden haben sie sich zu bewähren, gegenüber beiden im Vertrauen auf die zukünftigen Gaben Christi ihre Standhaftigkeit zu erweisen.

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7 Zur frühchristlichen Geschichte dieser Thematik vgl. Daniélou, Démon. 8 Vgl. dazu ausführlich Capmany, Miles, 255–272. 9 Vgl. etwa Dem 20;390f: mundi huius et saeculi infestationes. Cyprian „ne fait guère de différence entre saeculum et mundus employés péjorativement“ (Orbán, Les dénominations, 191); vgl. ebd., 187–192.221–228, zum Gebrauch der Begriffe saeculum und mundus bei Cyprian. 10 S.o. Kap. 4.4. 11 In pat 12;229–235 werden die Angriffe des Widersachers, bestehend aus Versuchungen und Verfolgungen, zunächst von den zuvor in pat 11;203–12;228 beschriebenen labores et procellae mundi abgehoben, bevor in Z. 238–240, beides zusammenfassend, von den vermehrten Angriffen des Teufels und der Welt die Rede ist; vgl. ähnlich mort 8;119–9;132 sowie pat 17–18. In Fort 7 werden Befreiung und Gefahr des Rückfalls durchgängig auf Teufel und Welt bezogen; nach Don 5;104–106 gehen Befreiung von der Welt und vom Widersacher Hand in Hand; vgl. ferner noch orat 27;503–512. Nach Orbán, Les dénominations, 226, ist die Welt für Cyprian „le milieu hostile à Dieu, dont le diabolus est le chef“; vgl. auch ebd., 189f, sowie Capmany, Miles, 258.267–269, der freilich die Bedeutung von Katastrophen und allgemeinen Widrigkeiten irdisch-fleischlicher Existenz für Cyprian unterschätzt.

1. Die Gegner der Christen

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1.1 Die Angriffe des Widersachers Christen werden mehr als andere Menschen geplagt, weil sie nicht nur den Mühseligkeiten des irdischen Lebens allgemein ausgesetzt sind, sondern zusätzlich mit den Angriffen des Widersachers zu kämpfen haben.12 Das Angriffsziel ist nicht zufällig gewählt: es sind diejenigen, die „dem Teufel und der Welt abgesagt“ haben, die „häufiger und heftiger Bedrängnisse und Anfeindungen des Teufels und der Welt erleiden“.13 Teufel und Welt sehen sich durch die renuntiatio herausgefordert, alles zu tun, um die Christen wieder in ihre Macht zu bringen.14 Entsprechendes gilt für die Konfessoren: Nach ihrem Bekenntnis müssen sie den Widersacher noch mehr fürchten als zuvor, da dieser gerade die Stärksten15 vermehrt angreift – hier scheint der Gedanke Senecas durch, ‚Schicksalsschläge‘ träfen gerade die Weisen, weil sich die fortuna die Stärksten aussuche, um ebenbürtige Gegner zu haben16 – und, wegen der erlittenen Niederlage grimmiger geworden, den zu überwältigen versucht, der ihn überwältigt hat.17 Weil es für den Widersacher vor allem darum geht, verlorenes Terrain zurückzugewinnen, richten sich seine Angriffe allein gegen die ‚wahre‘ Kirche, sind doch Schismatiker und Häretiker Cyprian zufolge bereits wieder ihm unterworfen.18 Umgekehrt deutet er das vermehrte Auftreten von Schismen und Häresien als Versuch des „Feindes“, durch die Ausbreitung des Christentums verlorene Anhänger mit Täuschung und Betrug zurückzugewinnen.19 Cyprian unterscheidet zwei Formen von Angriffen des Widersachers, den offenen, gewaltsamen Angriff in Zeiten der Verfolgung und das jederzeit zu fürchtende, heimlich-verborgene Sich-Einschleichen durch Verführungen und ____________

12 Vgl. mort 8;112–9;132, hier bes. Z. 130–132, sowie pat 12;229–231 (nach pat 11;203–12; 229). Nach Minucius Oct 12,1–4 haben die Christen neben den allgemeinen Widrigkeiten menschlicher Existenz noch die christenfeindlichen Maßnahmen des römischen Staates zu erdulden. 13 Si autem qui diabolo et mundo renuntiauimus pressuras et infestationes diaboli et mundi crebrius ac uiolentius patimur [...] (pat 12;238–240); ebenso Capmany, Miles, 271. 14 Dieselbe Vorstellung findet sich bei Tertullian paen 7,7–9, wird dort aber deutlicher ausgeführt; der Passus scheint Cyprian auch sonst beeinflusst zu haben. 15 Zu fortiorem quemque vgl. Schrijnen-Mohrmann I, 147; hier liegt eine Vertauschung von Superlativ und Komparativ vor. 16 Idem facit fortuna: fortissimos sibi pares quaerit [...] (dial 1,3,4 [6,16f Reynolds]). Umgekehrt zieht Seneca zufolge auch der Weise die Erprobung durch das Schicksal einer unangefochtenen Existenz vor; vgl. etwa ep 66,49–53 und dazu unten Anm. 428 und 436. Zum Motiv der probatio bei Cyprian und seiner senecanischen Beeinflussung s.u. 1.3. 17 Ep 14,3,1;58–61; vgl. ebenso unit 21;499f. Entsprechendes gilt für Jungfrauen (vgl. habit 3; 189,21f) und Bischöfe (vgl. ep 59,6,2;168–174; ep 55,7,2;104–107; 55,10,1;167–171). 18 Vgl. ep 60,3,2;70–77 zu einer neuen „Verfolgung“ in Rom, die sich gegen den Bischof Cornelius und seine Gemeinde, nicht aber gegen Novatian und seine Anhänger gerichtet habe – historisch ist wohl mit einer Verhaftung allein des römischen Bischofs Cornelius zu rechnen (vgl. Clarke III, 267f Anm. 3; ähnlich Sage, Cyprian, 284–286). Vgl. ebenso ep 61,3,1;36–2;49 (bes. Z. 46–49) sowie ep 66,4,1;69–75; ep 59,9,1;146–2;166 und dazu Clarke III, 177 Anm. 38. Gegen diese Argumentation spricht freilich, dass Cyprian sich wiederholt zu außerhalb der ‚wahren‘ Kirche erlittenen Martyrien zu äußern genötigt sieht (vgl. ep 60,4;78–83 u.ö.). 19 Vnit 3;44–68.

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Christliche Existenz in der Zeit als ständiger Kampf

Täuschungen.20 Den Teufel als „the ultimate source and active agent of persecution“ zu betrachten, ist in der frühchristlichen Literatur, besonders in Martyriumskontexten, weit verbreitet21 und auch für Cyprian selbstverständlich.22 In christenfeindlichen Maßnahmen römischer Behörden, wie sie das Decius-Edikt zu einer reichsweiten allgemeinen supplicatio zur Folge hatte,23 oder drohenden bzw. befürchteten neuen Verfolgungen sieht er stets den Widersacher am Werk, der so auf gewalttätige Weise die Christen niederzuwerfen und damit wieder in seine Macht zu bringen versuche.24 Für gefährlicher hält Cyprian freilich das heimlich-verborgene Sich-Einschleichen des Widersachers, das nicht so gut wahrzunehmen sei und daher leichter unterschätzt werde.25 Die täuschenden Einschleichversuche des Widersachers, als welche Cyprian zum einen die Verführung durch Schismen und Häresien, zum anderen die Verlockung zu uitia und Verfehlungen nennt, sind eine ständige Gefahr, vor der die Christen sorgsam auf der Hut sein müssen, wollen sie nicht erneut zu Fall kommen.26 Charakteristisch ist der Anfang der Schrift De ecclesiae unitate,27 wo Cyprian unmittelbar nach Ende der decischen Verfolgung betont, Verfolgungen seien die geringere Gefahr, da das offene Auftreten des Widersachers Vorsicht und Vorbereitung leichter machten. Größere Furcht und Vorsicht seien geboten, wenn der Feind sich unter Vortäuschung des Friedens auf verborgenen Zugangswegen heimlich einschleiche, sei doch eben dies seine ständige Hinterlist (astutia) und heimlich-verborgene Täuschung (fallacia), wie er gleich zu Anbeginn der Welt die noch unerfahrenen, unvorsichtig-leichtgläubigen Seelen mit schmeichelnden Lügen getäuscht28 und es auch bei Christus, allerdings vergeb-

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20 Vgl. dazu auch Capmany, Miles, 272–282. 21 Clarke I, 328 Anm. 35. 22 Vgl. dazu ausführlich Hummel, Concept, 73–78, Capmany, Miles, 255–261, und Daniélou, Les origines, 333–338; Capmany, a.a.O., 259, rechnet hier mit einer Abhängigkeit von Tertullian Scorp 1 und fug 2. Zu Tertullian und seinen Vorgängern in der Märtyrerliteratur vgl. Daniélou, Démon, 180–182, zur Deutung des Martyriums als eines Kampfes mit dem Teufel Dölger, Kampf, 185– 188. Cyprian nimmt diese Vorstellungen auf, entfaltet sie aber nicht. 23 Zum neueren Verständnis der decischen Verfolgung vgl. etwa Saumagne, Saint Cyprien, 23– 32, von Stritzky, Erwägungen, 1–8, und bes. Selinger, Religionspolitik, bzw. ders., Persecutions, 27– 82. Eine knappe Forschungsübersicht bietet Duval, Les chrétientés d‘occident, 175–178. 24 Zu ersterem vgl. bes. ep 13,1,2;12–14, ferner ep 11,7,3;143f; laps 4;63f; ep 57,1,1;15–17 u.ö. und dazu Capmany, Miles, 256f, zu letzterem etwa Fort pr.1;2–5; pr.2;22–26 sowie ep 58,7,1;161–168 (antichristus, inimicus und aduersarius stehen hier wie häufiger als Wechselbegriffe). 25 Vgl. unit 1;8–14 und zel 2;32–3;41, ferner Don 4;76–80 und dazu oben Kap. 3.1. 26 Vgl. unit 1;16–2;24. 27 Es ist strittig, ob das Adjektiv catholicae zum ursprünglichen Titel der Schrift gehört; dagegen hat sich v.a. Koch, CU, 102–107, ausgesprochen, dafür zuletzt Mattei/Poirier/Siniscalco, unit, 35–37; Deléani, Les titres, 404f Anm. 30, lässt die Frage unentschieden. 28 Zu dieser Auslegungstradition, die den Sündenfall in erster Linie der Unerfahrenheit der ersten Menschen zuschreibt, vgl. Harrison, Childhood, sowie Mattei/Poirier/Siniscalco, unit, 168f Anm. 3. Cyprian spricht sonst im Anschluss an Paulus vom Ungehorsam Adams (pat 11;205f; 17;325–327 u.ö.).

1. Die Gegner der Christen

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lich, versucht habe.29 Als Konkretion dieses für den Widersacher charakteristischen Vorgehens beschreibt Cyprian die Verbreitung von Häresien und Schismen:30 Während die Getäuschten noch meinen, dem Licht nahe und der Nacht der Welt entkommen zu sein, habe er sie ohne ihr Wissen schon wieder von neuem mit Finsternis erfüllt. Dem Wort des Apostels entsprechend (2Kor 11, 14f) verkleide sich der Widersacher schmeichelnd und täuschend als ein Engel des Lichts, schmücke seine Diener als Diener der Gerechtigkeit und mache die Wahrheit zunichte, indem er in allem der Wahrheit Ähnliches (uerisimilia) für die Wahrheit ausgebe.31 Paradigma für das latenter obrepere des Widersachers ist für Cyprian das Auftreten der Schlange in Gen 3. Täuschung, Hinterlist und lügnerische Schmeichelei werden stark herausgestellt, aktuelle kirchliche Entwicklungen betont als jüngste Konkretion einer generellen Vorgehensweise charakterisiert.32 Die verborgenen Angriffe des Widersachers, die sich in der Verleitung zu uitia und Verfehlungen äußern, werden am Anfang der Schrift De zelo et liuore ausführlich thematisiert.33 Ausgangspunkt ist die Beobachtung Cyprians, die Gefahr von Eifersucht und Neid werde von manchen unterschätzt, daher nicht gefürchtet und infolgedessen nicht leicht gemieden, da sie als eine kaum durchschaute Gefahr die unvorbereiteten Herzen im Verborgenen angreife.34 Sobald sich aber der allezeit wachende Widersacher ins Herz des Christen eingeschlichen habe, bringe er aus kleinen Anfängen großes Unglück hervor und bewirke so den Zusammenbruch von Glauben, Heil und Leben. Auf ständiger Suche ____________

29 Vnit 1;8–20. 30 In unit 1–2 eröffnet Cyprian seine Ausführungen zur Einheit der Kirche mit grundsätzlichen Überlegungen zu den Angriffen des Widersachers und der demgegenüber geforderten Wachsamkeit der Christen (Näheres zu letzterem s.u. 2.1.1 und 2.2.1), bevor er in unit 3 zum Thema kommt. – Zur Rückführung von Schismen und Häresien auf den Widersacher vgl. bes. noch ep 69,1;10–3;28 und ep 70,3,2;79–3;95 und dazu Daniélou, Les origines, 338f; allgemein dazu vgl. Monaci Castagno, La demonologia cristiana, 122–124.128–130. 31 Vnit 3;43–70. 32 Auch in der kontrovers diskutierten lapsi-Frage nimmt Cyprian Täuschungsmanöver des Widersachers wahr, und zwar sowohl in der nach seiner Auffassung voreilig-täuschenden Wiederaufnahme der lapsi durch die Partei des Felicissimus, mit der die Verwundeten um das Heilmittel der Buße und so endgültig um ihr Heil gebracht würden (ep 43,2,2;32–3,2;52; vgl. auch 43,6,3;133–141 sowie laps 16;330–336), als auch in der rigoristischen Verweigerung jeder Bußmöglichkeit, die ebenso die Heilung der Verwundeten verhindere und so der Bosheit des Teufels die Vollendung ihres Werkes ermögliche (ep 59,13,1;327–331; vgl. auch ep 55,19,2;320–328 u.ö.); vgl. ebenso Capmany, Miles, 280f. Eine Zusammenstellung von Begriffen und Belegstellen zu Täuschungsmanövern des Widersachers bietet Capmany, ebd., 274f. 33 Der Abschnitt zel 1;1–3;41 hat allgemein-einleitenden Charakter; danach wendet Cyprian sich dem eigentlichen Thema der Schrift, dem zeli et liuoris malum (Z. 41f), zu. Hier geht es zunächst um die Angriffe des Widersachers; zur geforderten Wachsamkeit gegen diese Angriffe s.u. 2.1.1. Vgl. zu diesem Abschnitt auch Daniélou, Les origines, 335f. Zum Widersacher als Urheber der „sollicitation au mal dans le cœur de l’homme“ in der frühchristlichen Theologie vgl. ders., Démon, 160–168 (Zitat Sp.160), zu seiner Verbindung mit den „vices“ ebd., 168–174. 34 Ähnliche Sequenzen finden sich auch bei Tertullian cult 2,2,2f u.ö.; vgl. dazu Turcan, cult, 97f Anm. 2f. Die Verbindung des Teufels mit Eifersucht und Neid ist ein judenchristliches Thema (Daniélou, Les origines, 335).

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Christliche Existenz in der Zeit als ständiger Kampf

nach einem Angriffspunkt richte er seine Wurfgeschosse (iacula) auf alle Teile des Körpers, an denen die Christen verwundet werden könnten.35 Cyprian zitiert dazu 1Petr 5,8,36 übersetzt aber den Vergleich des Widersachers mit einem nach Raub suchenden, brüllenden Löwen sogleich in militärische Metaphorik: „Jener umkreist jeden einzelnen von uns, und wie ein Feind, der geschlossene Mauern belagert, kundschaftet er aus und erprobt, ob irgendein Teilstück weniger fest und weniger zuverlässig sei, durch dessen Zugang er ins Innere eindringen könne.“37

Die vielfältigen Angriffsversuche des Teufels werden im weiteren näher ausgeführt: er biete den Augen verlockende Genüsse, um die Keuschheit zu zerstören; die Ohren versuche er mit wohlklingender Musik, um die christliche Spannkraft (uigor) zu schwächen; die Zunge fordere er mit Beschimpfungen heraus, die Hand durch Unrecht, das zu leichtfertiger Gegengewalt reize; mit unrechtem Gewinn verlocke er zu Betrug; er biete gefährliche Gewinne, um die Seele mit Geld zu fangen; irdische Ehren(ämter) (honores) verspreche er, um die himmlischen wegzunehmen; er zeige Falsches, um das Wahre zu entwenden.38 Misslinge die heimliche Täuschung, so drohe der Widersacher schließlich offen mit dem Schrecken stürmischer Verfolgung, „allezeit unruhig und allezeit feindselig, um die Knechte Gottes niederzukämpfen, im Frieden hinterlistig, in der Verfolgung gewalttätig“.39 Die größere Gefahr geht freilich, wie abschließend nochmals betont wird, von den heimlich-verborgenen Angriffen (tela, iaculatio) aus, wüten diese doch desto schwerer und häufiger gegen die Christen, je weniger sie durchschaut werden.40 Cyprian kann deshalb an anderer Stelle die christliche Existenz auf Erden als täglichen Kampf gegen den Teufel und „seine Wurfgeschosse und Pfeile“ (iacula eius et tela)41 beschreiben, und das heißt hier: als Kampf gegen Habgier, Unkeuschheit, Zorn und Ehrsucht bzw. gegen fleischliche uitia und weltliche Verlockungen.42 Belagert und von überallher durch die Anfeindung des Teufels

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35 Zel 1;1–16. 36 Z. 16–19. 37 Circuit ille nos singulos et tamquam hostis clausos obsidens muros explorat et temptat an sit pars aliqua membrorum minus stabilis et minus fida, cuius aditu ad interiora penetretur (zel 2;20–23). 38 Zel 2;23–30; einige der angeführten Beispiele verraten pagane Einflüsse: Zur Kritik der Musik verzeichnet Oltramare, Les origines, 88f, sowie ebd., 45.264 (th.8), einige Belege; in der frühen lateinisch-christlichen Literatur finden sich vergleichbare Ansätze zu einer kritischen Haltung gegenüber der Musik nur bei Novatian spect 7,1–3 (vgl. McKinnon, Music, 48f); die Polemik gegen Ehren (-ämter) ist ein verbreiteter Topos (vgl. Kap. 1 bei Anm. 115 sowie Anm. 249). 39 [...] ad debellandos seruos dei inquietus semper et semper infestus, in pace subdolus, in persecutione uiolentus (Z. 30–34). 40 3;35–41; vgl. noch zel 3;44–46; 9;151–156. Zu fürchten ist das frequenter obrepere und subtiliter fallere des Widersachers selbst beim Gebet (orat 31;571–574). 41 In mort 5;69f ist in gleichem Sinne von diaboli gladii die Rede. 42 Mort 4;57–62; vgl. 5;59f; den Ausdruck inlecebrae saeculares verwendet auch Tertullian in entsprechendem Kontext (paen 7,9; pud 9,15). Zur Verlockung der uitia vgl. auch Kap. 1 Anm. 66.

1. Die Gegner der Christen

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mit Angriffswällen bedrängt,43 habe der menschliche Geist (mens) kaum die Möglichkeit, den einzelnen Lastern entgegenzutreten und ihnen Widerstand zu leisten: Habe er die auaritia niedergeworfen, so erhebe sich die libido; sei diese unterdrückt, folge die ambitio, weiter ira, superbia, uinolentia (sic), inuidia und zelus.44 Darüber hinaus werde man zum Fluchen und Schwören genötigt, was beides vom „Gesetz Gottes“ verboten werde.45 Angeregt durch entsprechende Ausführungen Tertullians,46 sieht Cyprian die Christen in einer Art permanenten Belagerungszustandes, in dem die kleinste Schwäche gravierende Folgen haben kann. Immer und überall sind sie den Angriffen des Widersachers ausgesetzt, der stets auf der Suche nach Schwachstellen ist, ihre moralische Integrität zu schwächen oder zu zerstören trachtet und, hat er sich erst einmal durch scheinbar harmlose Verfehlungen Zutritt zum menschlichen Herzen verschafft, den Glauben gänzlich zu Fall zu bringen droht. Angesichts dieser ständigen verborgen-heimlichen Täuschungsmanöver und Versuchungen, zu denen für Cyprian nicht zuletzt Schismen, Häresien oder abweichende Auffassungen in der Bußfrage gehören,47 erscheint selbst die decische Verfolgung als vergleichsweise harmlos.48 Die Beschreibung der Angriffe des Widersachers verrät außerchristliche Einflüsse: Seine den Christen zusetzenden „Geschosse“ erkennt Cyprian insbesondere in kaum zu kontrollierenden, immer neu hervorbrechenden uitia, die er in Anlehnung an entsprechende pagane Kataloge bestimmt.49 Er identifiziert damit ____________

43 Die (metaphorische) Verwendung des Verbums uallare in der Formulierung undique diaboli infestatione uallata (sc. mens) (Z. 62f) ist ungewöhnlich; gemeint ist offenbar ein feindlicher Wall. Zur „Belagerung“ (obsedere) der mens bzw. des pectus durch den Teufel vgl. noch ep 59,2,3;32f und Dem 15;292f, zu obsedere in ähnlicher Verwendung op 13;252–255; zel 7;128f und mort 25; 417f. 44 Z. 62–67; Parallelen zu der besonderen Form des Lasterkatalogs in Z. 65–67 sind in Kap. 1 Anm. 63 zusammengestellt. Zur Sache vgl. noch ep 59,3,2;73–76. 45 Z. 67f; biblische Belegstellen zu diesen Verboten werden in Quir 3,12f angeführt. 46 Vgl. bes. die Beschreibung der Angriffe des Teufels in paen 7,9;29–34: itaque obseruat obpugnat obsidet (sc. diabolus), si qua possit aut oculos concupiscentia carnali ferire aut animum inlecebris saecularibus inretire aut fidem terrenae potestatis formidine euertere aut a uia certa peruersis traditionibus detorquere; non scandalis, non temptationibus deficit. Die Übereinstimmung der Grundelemente (intensive Belagerung, diverse Verlockungen, irdische Gewalt und Häresien) sowie diverser Einzelheiten spricht dafür, dass Cyprian hier Anregungen empfangen hat. Vgl. auch uirg 1,4;26f: [...] diabolo semper operante et adiciente cottidie ad iniquitatis ingenia [...]; Benson, Cyprian 265, Anm. 1, rechnet mit einem Einfluss dieser Stelle auf Fort pr.2;24–26. 47 Innerkirchliche Gegner werden in unit 3;62–68 im Anschluss an 2Kor 11,13–15 als verkleidete Diener des Teufels denunziert. – Täuschungsmanöver des Widersachers sieht Cyprian auch in den von ihm kritisierten Fehlhaltungen der uirgines am Werk; vgl. dazu bes. habit 21;202,12–14 und 20;201,18–24, ferner habit 14;197,17–22; 15;198,13f u.ö. Cyprian folgt hier durchgängig Ausführungen Tertullians (vgl. Keenan, habit, 21–24), der seinerseits traditionelle Motive aufnimmt. 48 Die Wiederholung dieses zunächst in unit 1 formulierten Gedankens in der wahrscheinlich deutlich später verfassten Schrift De zelo et liuore zeigt, dass es sich in unit 1 keineswegs bloß um eine rhetorische Zuspitzung angesichts aktueller Probleme handelt. – Zur Datierung der Schrift vgl. Sage, Cyprian, 382: um 256, und Monceaux, HAC II, 252f: Ende 256 oder Anfang 257, denen Gülzow, HLL 4 (1997) §478.17 (S. 571), folgt; anders Koch, CU, 132–136: Ende 251 oder Anfang 252. 49 Eine nahe Parallele zu seinen Ausführungen in mort 4 findet sich bei Seneca ep 51,8: Non est emolliendus animus: si uoluptati cessero, cedendum est dolori, cedendum est labori, cedendum est

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den Kampf gegen den Widersacher mit dem Kampf gegen die uitia, um den es auch in der philosophischen Tradition geht. Die Auffassung des Lebens als eines ständigen Kampfes „between virtue and vice, reason and irrational impulses“, wie etwa Seneca sie vertritt, ist ein klassisches stoisches Thema.50 Auch Seneca kann sagen, dass uitia sich einschleichen (obrepere), und zwar mit Vorliebe unter dem Schein des Gegenteils.51 Die biblisch-christlichen Traditionen entspringende Vorstellung eines hinterlistig-täuschenden Vorgehens des Widersachers hat Entsprechungen in paganen, auch philosophischen Reflexionen zur Täuschung des Menschen durch die fortuna.52 Für Seneca besteht das von der Philosophie zu lösende Problem genau darin, dass die res täuschen, dass mala anstelle von bona ergriffen werden, ja, dass das ganze Leben lügt.53 Für die Wahrnehmung der Situation des Christen als eines permanenten Belagerungszustandes, der ihn zu einem ständigen, geradezu verzweifelten Abwehrkampf nötigt, gilt Entsprechendes.54 Der Christ befindet sich damit offenbar in einer ähnlichen Situation, wie sie der römische Philosoph Sextius für den „Weisen“ beschreibt, der, dem römischen Heer vergleichbar, ständig in alle Richtungen abwehrbereit zu sein hat.55 Cyprians Ausführungen erinnern zudem an Senecas Beschreibung derjenigen, die auf dem Weg zur Weisheit fortschreitend zwar schon viele und große, aber noch nicht alle uitia hinter sich gelassen haben.56 Anders als Seneca scheint Cyprian allerdings nicht mit der Möglichkeit einer zunehmend größeren Freiheit von den uitia zu rechnen.57 ____________

paupertati; idem sibi in me iuris esse uolet et ambitio et ira; inter tot adfectus distrahar, immo discerpar (134,22–25 Reynolds). Nsuka-Nkoko, officia, 20–22, arbeitet Übereinstimmungen zwischen mort 4 und Seneca dial 12,13,2f heraus. Vergleichbare Lasterkataloge finden sich etwa Seneca ep 85,7, wo beispielhaft pecuniae cupiditas, ambitio, iracundia, inconstantia und libido genannt werden, ep 47,17 u.ö. Übereinstimmungen mit neutestamentlichen Lasterkatalogen wie Mk 7,21f; Röm 1,29–31 und Gal 5,19–21 fallen weniger deutlich aus. Entsprechendes gilt für den Abschnitt zel 16;299–312, wo der Kampf gegen den Widersacher als Kampf gegen libido, ira, iniuria, auaritia, mundi aduersa et prospera und zelus konkretisiert wird. 50 J.M. Rist, Seneca, 1998. 51 Ep 45,7; vgl. auch dial 6,21,7: [...] quoque facilius obrepat, mors sub ipso uitae nomine latet (158,12f Reynolds). 52 Vgl. im fortuna-Artikel im ThLL VI die Abschnitte 1182,47–1184,1 (s.v. blanditur, decepit, ludit etc.) und 1185,77–1188,44 (s.v. blanda, fallax etc.); die Unbeständigkeit der fortuna wird häufig als Bosheit o.ä. interpretiert (vgl. Kajanto, Fortuna [1969], 187f). 53 Ep 45,5–10; vgl. auch ep 8,3. 54 Zur Geschichte des Bildes von der Belagerung in der philosophischen Tradition vgl. Malherbe, Antisthenes, passim, bes. S. 149–151 zur Verwendung dieser Metaphorik bei Antisthenes sowie S. 153–156 zu ihrer Verwendung in der stoischen Philosophie. 55 Vgl. das Sextius-Zitat bei Seneca ep 59,7(–8) – die Abgrenzung des Zitates ist nicht eindeutig – und dazu Lana, secta, 19f. Die Einzelheiten sind freilich ganz verschieden, und das Interesse des Sextius gilt primär dem sapiens, nicht so sehr den möglichen Angriffen; als Angriffe werden in §8 paupertas, luctus, ignominia und dolor genannt. Ähnlich schildert Panaetius fr.116 (44,13–29 van Straaten) die notwendige ständige Kampfbereitschaft des animus. 56 Vgl. mort 4;63–67 mit Seneca ep 75,14: effugit auaritiam sed iram adhuc sentit; iam non sollicitatur libidine, etiamnunc ambitione; iam non concupiscit, sed adhuc timet [...] (235,25–27 Reynolds). Vgl. ferner ep 51,8; ep 88,7 u.ö. 57 Zu Fortschrittsvorstellungen bei Seneca vgl. Kap. 1 Anm. 67.

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Die Angriffe des Widersachers, denen die Christen nach seinem Verständnis jederzeit ausgesetzt sind, werden von Cyprian wiederholt metaphorisch als tela und / oder iacula diaboli, als „Pfeile und Geschosse des Teufels“, bezeichnet. Es handelt sich, wie im folgenden zu zeigen sein wird, um eine von Tertullian angeregte Metapher, die Cyprian unter römisch-philosophischem, speziell senecanischem Einfluss zu einem geprägten Motiv formt. Der bei Tertullian noch deutlich erkennbare biblische Anknüpfungspunkt (Eph 6,16) tritt dabei gänzlich in den Hintergrund. In den bisher angeführten Texten war von tela und / oder iacula des Widersachers in erster Linie in Bezug auf die Verführung zu diversen moralischen Verfehlungen die Rede; einmal wurden darüber hinaus gewaltsame Verfolgungen genannt.58 In Fort pr.2;15–18 fasst die Metapher diaboli tela et iacula die vielfältigen, nahezu 6000-jährig erprobten Angriffsbemühungen des Widersachers zusammen, als deren jüngstes Beispiel eine drohende Verfolgung erscheint;59 in pat 18;341f steht der Ausdruck diaboli iacula (und tormenta) als Überschrift für die Verluste, Leiden und Versuchungen Hiobs. Als iacula grassantis inimici (und saeuientes gladii) kann Cyprian auch die behördlichen Maßnahmen während der decischen Verfolgung bezeichnen, welche die lapsi zu Fall gebracht haben (laps 4;79–81). In ep 58,8,3;195–9,2;220 verwendet er die Metapher im Kontext einer auf eine drohende Verfolgung bezogenen, paraphrasierenden Auslegung von Eph 6,12–17, freilich nicht, wie zu erwarten wäre, in Verbindung mit V. 16 – hier steht die Formulierung τα` βε' λη του^ πονηρου^ [τα` ] πεπυρωμε' να60 –, sondern in der Paraphrase von V. 14b: „Lasst uns anziehen den Brustpanzer der Gerechtigkeit, damit das Herz gegen die Geschosse des Feindes geschützt und sicher sei“.61 Die Anregung Cyprians zur metaphorischen Rede von den tela bzw. iacula diaboli ist demnach offenbar nicht von Eph 6,16 ausgegangen. Dem entspricht es, dass an keiner der genannten übrigen Stellen Anzeichen einer Benutzung dieses Verses bzw. seines Kontextes zu erkennen sind.

Cyprian bezeichnet mit der Metapher tela und / oder iacula diaboli die verschiedensten Angriffe, denen Christen ausgesetzt sind, von den Verlockungen der diversen uitia über ‚Schicksalsschläge‘, körperliche Leiden und aduersa mundi bis hin zu Verfolgungen. Im Kontext geht es in der Regel darum, sich gegen diese allezeit drohenden Angriffe zu wappnen. Ist Eph 6,16 offenbar nicht die Quelle dieser cyprianischen Ausdrucksweise, so lässt sie sich zumindest in einem Falle auf Tertullian zurückführen.

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58 Vgl. mort 4;57–68; zel 1;13–16 und 2;23–3;41 sowie zel 16;292–312. 59 Vgl. Fort pr.2;22–26 und pr.1;2–5. – Die Rede von einer nahezu 6000-jährigen Wirksamkeit des Widersachers lässt eine Geschichtskonzeption anklingen, derzufolge die ersten sechs Jahrtausende der Geschichte fast vorüber sind; damit verbundene millennaristische Vorstellungen spielen bei Cyprian sonst freilich keine Rolle. Vgl. dazu von Harnack, Lehrbuch I, 616 Anm. 1, d’Alès, La théologie, 35f, Schwarte, Vorgeschichte, 159–162, Fitschen, Geschichte, 300f, sowie Gallicet, Cipriano e l’Apocalisse, 82–84. 60 Im Zitat Z. 202f mit ignita iacula nequissimi wiedergegeben; ebenso Quir 3,117;9f. 61 Induamus loricam iustitiae, ut contra inimici iacula munitum sit pectus et tutum (Z. 207f). Die Paraphrase von V. 16 dagegen lautet: Portemus fortiter scutum fidei, quo protegente quidquid iaculatur inimicus possit extingui (Z. 211f).

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Mit einer direkten, wenn auch freien Tertullian-Rezeption ist in pat 18;341f zu rechnen.62 Hiob hat Tertullian zufolge „gegen alle Gewalt des Teufels“ jede Art der patientia verwirklicht und „alle Geschosse der Versuchungen durch Panzer und Brustschild der patientia zurückgeschlagen“.63 Tertullian fasst die verschiedenen Angriffe des Teufels gegen Hiob in dem Ausdruck iacula temptationum zusammen und kleidet ihre Abwehr in die durch Eph 6,14.16 angeregte metaphorische Formulierung lorica clipeoque patientiae retundere.64 Cyprian übernimmt die metaphorische Bezeichnung der Angriffe, denen Hiob ausgesetzt ist, als iacula,65 ersetzt aber temptationum durch diaboli, streicht die Anspielung auf Eph 6,14.16 und verwendet den Ausdruck diaboli iacula pointiert als eine Art Überschrift.66 Der Ausdruck tela bzw. iacula diaboli begegnet bei Tertullian noch einige weitere Male. In einer Paraphrase von Eph 6,14–17 in Marc 3,14,4 gibt er die Formulierung πα' ντα τα` βε' λη του^ πονηρου^ [τα` ] πεπυρωμε' να aus V. 16 mit omnia diaboli ignita tela67 wieder (399,18–20), ersetzt also του^ πονηρου^ durch diaboli. In fug 3,2;14f identifiziert Tertullian die im Anschluss an Sach 13,9 als „Feuerprobe“ des Glaubens gedeuteten Christenverfolgungen mit den „feurigen Geschossen des Teufels“ (ignea iacula diaboli) aus Eph 6,16. In fug 9,2;19–22 verweist er zur Begründung seiner Auffassung, Paulus habe Standhaftigkeit in der Verfolgung, nicht Flucht gelehrt, u.a. auf Eph 6,16: „Er zeigt auch Waffen, welche für Fliehende nicht notwendig wären, unter ihnen auch der Schild, mit dem ihr die Pfeile des Teufels auslöschen könnt, ohne Zweifel widerstehend und seine ganze Gewalt hinnehmend“.68 In einer allegorischen Auslegung von Eph 6,16f auf den Schleier der Jungfrauen werden Helm und Schild als Schutz „gegen die Hiebe der Versuchungen, gegen die Geschosse der Anstößigkeiten, gegen Verdächtigungen, Geflüster und Eifersucht, auch sogar gegen den Neid“, gedeutet.69 Die Zurückführung der in temptationes und scandala bestehenden ictus (pl.) und iacula auf den Widersacher ist naheliegend,70 wird aber nicht expliziert.71

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62 Die Ausführungen Cyprians zu Hiob in pat 18 gehen auf Tertullian pat 14,2–7 zurück; vgl. dazu Bayard, Le latin, 319–321, und Conway, pat, 36–38. 63 Aduersus omnem diaboli uim (Tertullian pat 14,2;3f) bzw. retusis omnibus iaculis temptationum lorica clipeoque patientiae (14,6;22f). Vgl. die sachlich entsprechende, freilich auf Schmähungen und Gewalt durch Mitmenschen bezogene Aussage Tertullians in pat 8,7;25–30, von der patientia pralle jedes Unrecht (iniuria) ebenso ab wie ein Pfeil (telum), der gegen einen harten Fels geschleudert werde und entweder wirkungslos liegenbleibe oder gegen den Urheber zurückgestoßen werde. Sowohl die Metaphorik dieses Textes wie die beschriebene Haltung haben deutliche Entsprechungen bei Seneca; vgl. bes. dial 2,3,5 und 5,5,8, ferner dial 2,7,6 und 2,19,4, und dazu Fredouille, pat, 193f. 64 Tertullian verwendet sonst in V. 14 den Ausdruck lorica iustitiae (Marc 3,14,4), in V. 16 scutum (ebd.) oder clipeum fidei (fug 9,2); vgl. dazu auch Fredouille, pat, 258. 65 Die metaphorische Verwendung des Wortes iaculum ist laut ThLL VII/1, 78,1–79,21, erstmals bei Tertullian zu belegen. 66 Er ersetzt damit die tertullianische Überschrift omnis diaboli uis (s.o. Anm. 63); von temptationes spricht er in Z. 347f. 67 Tertullians Wiedergabe von τα` βε' λη wechselt zwischen tela und iacula. 68 Arma quoque demonstrat, quae fugituris non essent necessaria, inter quae et clipeum, quo possitis tela diaboli extinguere, resistentes sine dubio et excipientes omnem uim illius (Z. 19–22). Die Formulierung excipere omnem uim diaboli, verstanden als widerstehendes Standhalten, erinnert an senecanische Beschreibungen der Standhaftigkeit des Weisen gegenüber den Geschossen der fortuna (vgl. bes. die unten Anm. 86 zitierte Stelle Seneca ep 104,22). Der ganze Passus zeigt entsprechende Einflüsse; vgl. dazu auch Fontaine, Un cliché, 543f. 69 [...] aduersus ictus temptationum, aduersus iacula scandalorum, aduersus suspiciones et susurros et aemulationem, ipsum quoque liuorem (uirg 15,1;3–7). 70 Vgl. dazu etwa die Fortsetzung in uirg 15,2. 71 In nat 1,9,4 werden Katastrophen als iacula der paganen Götter bezeichnet, in nat 1,10,1 gegen Christen gerichtete Verleumdungen als calumniae tela.

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Tertullian verwendet den Ausdruck tela bzw. iacula diaboli dreimal, stets mit erkennbarer Bezugnahme auf Eph 6,16; Entsprechendes gilt für die je einmal begegnenden Wendungen iacula temptationum und iacula scandalorum. Zweimal sind Christenverfolgungen der Bezugspunkt, einmal die von Hiob erlittenen ‚Schicksalsschläge‘. Die metaphorische Rede von den tela und / oder iacula diaboli bei Cyprian geht demnach auf die tertullianische Rezeption der Wendung τα` βε' λη του^ πονηρου^ aus Eph 6,16 zurück. Eine direkte literarische Beziehung ist in pat 18 zu erkennen, die freilich den Ausdruck tela / iacula diaboli nicht betrifft; die Bezeichnung der Ereignisse der decischen Verfolgung als iacula (grassantis) inimici hat bei Tertullian deutliche Entsprechungen. Während es sich freilich bei Tertullian um gelegentliche, variierende Bezugnahmen auf Eph 6,16 handelt, gewinnt diese Metapher bei Cyprian den Charakter eines geprägten, vielfältig verwendbaren Motivs, das offenbar bewusst von Eph 6,16 gelöst wird.72

Knüpft Cyprian demnach mit der metaphorischen Rede von den tela und / oder iacula diaboli an Tertullian an, so erweist er sich in der Verwendung dieser Metaphorik als weitgehend eigenständig. Keine Entsprechung haben bei Tertullian die Identifikation der Geschosse des Teufels mit der Verlockung durch uitia u.ä., die Vorstellung ständiger, insbesondere heimlich-verborgener Angriffe des Widersachers sowie das Thema der notwendigen Vorbereitung auf diese Angriffe. Eine auffällige Analogie zur cyprianischen Verwendungsweise dieser Metaphorik findet sich in der Rede von den tela fortunae o.ä., wie sie nicht selten bei Seneca und vereinzelt auch sonst in der vorcyprianischen lateinischen Literatur begegnet.73 Auch hier lassen sich sowohl literarische als auch sachliche Bezüge ausmachen.74 Cicero deutet in Pis 43 die Auffassung der „Griechen“ – gemeint sind offenbar die Stoiker –, ein uir bonus sei aufgrund der Macht der uirtus notwendig auch beatus, dahingehend, dass Männer wie Regulus und C. Marius zwar fortunae tela, nicht jedoch poenae oder culpae erleiden könnten.75 Als fortunae tela erscheinen hier Gewaltmaßnahmen, die einem uir bonus letztlich nicht schaden können. In dem konsolatorischen Brief fam 5,16 greift Cicero das im Kontext der consolatio verbreitete Motiv auf, Menschen seien nach dem Gesetz geboren, dass ihr Leben

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72 Dass Cyprian entgegen seiner sonstigen Tendenz, biblische Bezüge hinzuzufügen, die bei Tertullian überall gegebene Verbindung dieser Metapher mit Eph 6,16 an keiner Stelle auch nur anklingen lässt, also den biblischen Bezug der Metapher streicht, ist sehr auffällig. 73 ThLL VI, 1190,49f, verzeichnet zu tela fortunae neben einigen exemplarischen Belegen aus Seneca lediglich drei vorcyprianische Belege und kann damit, soweit ich sehe, Vollständigkeit beanspruchen – sie werden im Folgenden erörtert. Iaculum fortunae ist laut ThLL VI, 1189,66, nur einmal bei dem offenbar ins 4. Jahrhundert zu datierenden Q. Serenus anzutreffen (Ser. Samm. 790 – die Angabe Serenus Sammonius [gest. 212] ist laut ThLL Index 21990, 202, zu Q. Serenus, liber medicinalis [saec. IVex?], zu korrigieren). – Zur Geschichte der Metapher „Pfeile des Schicksals“ in der griechischen Literatur vgl. Grimal, const, 44, Viansino, prou/const, 111, sowie Hauck, βε' λος. 74 Die Untersuchung konzentriert sich exemplarisch auf die genannte Metaphorik. Auch andere, von Cyprian zur Umschreibung der Angriffe des Widersachers verwendeten Wörter wie insidiae, incursio etc. können in der vorcyprianischen paganen Literatur ebenfalls mit der fortuna verbunden werden (vgl. die Zusammenstellung bei Kajanto, Fortuna [1981], 531f, sowie ThLL VI, 1189f). Entsprechendes gilt für die Begrifflichkeit, mit der Cyprian Täuschungsmanöver des Widersachers charakterisiert (fallacia etc., astutia usw.). 75 118 Grimal. Zu C. Marius vgl. Elvers, Marius, zu M. Atilius Regulus Deißmann-Merten, Regulus, zu römischen exempla allgemein Wheatland Litchfield, National Exempla Virtutis.

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allen tela fortunae ausgesetzt sei;76 gemeint sind hier umfassend alle ‚Schicksalsschläge‘, die zum menschlichen Dasein unvermeidlich dazugehören und deshalb ohne allzu große Erschütterung hinzunehmen sind. Ovid spricht in Pont 2,7,15f von den „ungerechten Pfeilen der fortuna“, ohne das Motiv weiter zu erläutern.77 Erhebliches Gewicht gewinnt die Rede von den tela fortunae bei Seneca, für den es bekanntlich das Ziel der Philosophie ist, sich gegenüber den Angriffen der fortuna unangreifbar zu machen.78 So heißt es in dial 2,1,1 programmatisch, es gelte, möglichst schnell jenen hochragenden Gipfel zu erreichen, „der sich dergestalt über jeden Pfeilwurf hinaus erhebt, dass er die fortuna überragt“.79 Die Möglichkeit, sich dergestalt den Geschossen der fortuna zu entziehen, ist für Seneca darin begründet, dass „der Gott“ der fortuna „keinen Pfeil gegeben (hat), mit dem sie die Seele verwunden kann“.80 Zwar habe er die Menschen den vielfältigen Übeln, die sich ereigneten, nicht entziehen können, aber er habe ihre Seelen gegen alles gewappnet (dial 1,6,6).81 Da sich der Mensch Seneca zufolge freilich ständig selbst den Geschossen der fortuna ausliefert, bedarf es der Philosophie, um diese Unangreifbarkeit gegenüber der fortuna auch tatsächlich leben zu können.82 Eben dies tut der stoische Weise, der alles Gute allein in seiner eigenen Seele findet und den das Schicksal (fortuna) deshalb selbst mit seinem schädlichsten Geschoss (telum) allenfalls ritzen, nicht verwunden kann, während alle übrigen Geschosse (tela), mit denen es das Menschengeschlecht bekriegt (debellare), von ihm abprallen wie Hagel von den Dächern (ep 45,9). Als tela fortunae, die der uir fortis im Wissen darum, dass es sich nur um scheinbare Übel (mala) handle, nicht fürchte, nennt Seneca in ep 85,24–29 Tod, Fesseln und Feuer (§26), Gefangenschaft, Auspeitschung, Ketten, Bedürftigkeit und Verstümmelung der Glieder durch Krankheit oder Gewalt (§27), Hinrichtung durch das Schwert und Foltern (§29).83 Um eine solche unangreifbare Haltung zu erlangen, bedarf es Seneca zufolge der Vorbereitung auf die tela fortunae, sei es durch innere Vorbereitung auf alle denkbaren Angriffe (ep 99,32),84 sei es durch regelmäßige Übung in einfachster, schlichter Lebensweise (ep 18,5–13).85 Ziel der philo____________

76 [...] homines nos ut esse meminerimus, ea lege natos ut omnibus telis fortunae proposita sit uita nostra [...] (fam 5,16,2 [153 Shackleton Bailey]). Vgl. zu diesem Passus Johann, Trauer und Trost, 69f, und Kassel, Untersuchungen, 67–71; zum Verständnis der fortuna bei Cicero vgl. Kajanto, Fortuna (1981), 534. 77 Sic ego Fortunae telis confixus iniquis / pectore concipio nil nisi triste meo (44 Richmond). Die Aussage steht im Kontext einer längeren Klage über das persönliche Schicksal; vgl. dazu Galasso, Pont, 307–309. 78 Vgl. dazu bes. Busch, Fortunae resistere, ferner Lefèvre, Mensch, Hachmann, Der fortunaBegriff, bes. S. 308–315, sowie Kajanto, Fortuna (1981), 543f. 79 [...] qui adeo extra omnem teli iactum surrexit ut supra fortunam emineat (18,10f Reynolds); zu der Formulierung supra fortunam eminere vgl. Viansino, prou/const, 118, zum Verständnis des Zusammenhangs auch Malchow, Interpretation, 3. 80 [...] nullum illi (sc. fortunae) telum quo feriret animum dedi (16,20f Reynolds). Kontext ist eine als Gottesrede gestaltete ‚Theodizee‘ (dial 1,6,3–9). 81 Als Übel werden genannt paupertas, dolor, mors und fortuna. 82 Vgl. dazu etwa ep 82,4–6, wo es heißt, die Philosophie sei ein inexpugnabilis murus, den die fortuna nicht überschreite; sie versetze den animus in eine unüberwindliche Burg, in der er alle externa hinter sich lasse und damit für jeden Pfeil (telum) der fortuna unerreichbar bleibe. 83 Seneca verteidigt hier gegen peripatetische Anfragen die stoische Sequenz, der uir fortis sei ohne Furcht, folglich ohne Traurigkeit und daher beatus; vgl. dazu Forschner, Die stoische Ethik, 160–182, hier bes. S. 176–178. Der Abschnitt zeigt deutliche Entsprechungen zur späteren christlichen Martyologie. 84 Konkreter Bezugspunkt des Briefes ist der Tod eines Kindes; der vorzeitige Tod von Angehörigen wird auch in dial 6,16,5 zu den tela fortunae gezählt. Näheres zu dem hier anklingenden Motiv der praemeditatio malorum s.u. 2.1.2. 85 Zu gegen den Besitz gerichteten tela fortunae vgl. auch benef 6,3,2.

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sophischen Vorbereitung ist es, „was da kommen wird, geringzuachten, zuversichtlich zu stehen und gerüstet die Geschosse des Schicksals frontal hinzunehmen, ohne sich zu verbergen und auszuweichen“ (ep 104,22).86

Die Metapher tela fortunae begegnet bei Seneca häufig und bezeichnet alle Verluste und Schädigungen, die den Menschen sozusagen ‚von außen‘ treffen können, vom Verlust des Besitzes und dem Tod von Angehörigen über Foltern, Kerker und Todesstrafe bis hin zu Schmerzen und Krankheiten. Dies entspricht der cyprianischen Verwendung des Motivs der iacula diaboli bezogen auf die von Hiob erlittenen ‚Schicksalsschläge‘ und die decische Verfolgung, das heißt bezogen auf den Bereich, in dem er auch mit Tertullian übereinstimmt. Die biblische Gestalt des Hiob, wie Tertullian und Cyprian sie verstehen, bildet hier eine Brücke zwischen christlichem und stoischem Denken; eine Identifikation des für die von Hiob erlittenen ‚Schicksalsschläge‘ verantwortlichen Satans mit der fortuna liegt nahe. Die für Cyprian wichtige Verbindung der tela und iacula diaboli mit den Verlockungen der uitia oder den Affekten hat bei Seneca so wenig eine Entsprechung wie bei Tertullian, beschränken sich doch die tela fortunae dezidiert auf die externa, die zwar körperliches Leiden, nicht jedoch innerseelische Vorgänge einschließen; der animus ist dem Machtbereich der fortuna entzogen.87 Deutliche Übereinstimmungen lassen sich erkennen in dem umfassenden Verständnis der jeweiligen Angriffe – wie der Widersacher die Christen niederzukämpfen sucht, so die fortuna das Menschengeschlecht88 – sowie bezogen auf das Thema der notwendigen Vorbereitung auf diese stets zu erwartenden Angriffe; dieser für Cyprian wichtige, bei Tertullian fehlende Aspekt steht bei Seneca dergestalt im Zentrum, dass die tela fortunae selbst kaum einmal länger ausgeführt werden. Während Cyprian die Gefährlichkeit der vielfältigen „Pfeile und Geschosse des Teufels“ betont, konzentriert sich Seneca ganz auf die gegenüber den Angriffen der fortuna geforderte Haltung.89 Der motivische Charakter des Ausdrucks tela fortunae, der durch die wenigen nicht-senecanischen Belege bestätigt wird, dürfte Cyprian zur Prägung eines entsprechenden Motivs angeregt haben. Die von Laktanz explizit vollzogene Gleichsetzung der (philosophischen) fortuna mit dem diabolus90 bahnt sich hier offenbar an.91 ____________

86 [...] euentura contemnere, stare fidenter ac paratum tela fortunae aduerso pectore excipere, non latitantem nec tergiuersantem (439,23–25 Reynolds; Übersetzung Rosenbach IV, 609). 87 Vgl. Busch, Fortunae resistere, 141. Freilich kann auch Seneca in Bezug auf die Gegner, mit denen der animus zu kämpfen hat, zwischen der fortuna und den Affekten wechseln; vgl. etwa ep 51, 6–8 und dazu Hachmann, Der fortuna-Begriff, 309. 88 Vgl. die Verwendung des Verbums debellare bezogen auf den Widersacher (Cyprian zel 2; 32f) bzw. die fortuna (Seneca ep 45,9; vgl. auch ep 51,8). 89 Näheres dazu s.u. 2.1. 90 Vgl. Laktanz inst 3,29,13–17 (mit Blick auf Seneca) und dazu Kajanto, Fortuna [1969], 193f. Bei Tertullian gibt es dazu allenfalls Ansätze (vgl. an 20,5 und res 58,5 sowie Kajanto, ebd., 195f). 91 Eine entsprechende Anregung durch Seneca dial 1,3,4 war schon in Cyprian ep 14,3,1 festzustellen (s.o. Anm. 16f). Vgl. dazu auch Scarpat, Il pensiero religioso, 35.

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1.2 Die Widrigkeiten der irdisch-fleischlichen Existenz: die „Stürme der Welt“ und die aduersa Als Angriffe fasst Cyprian nicht allein die offenen oder verborgenen Attacken des Widersachers auf, sondern darüber hinaus eine ganze Bandbreite von Widrigkeiten, denen die Christen in ihrer irdisch-fleischlichen Existenz ausgesetzt sind. Ebenso wie die Nicht-Christen müssen auch sie carnis incommoda wie eine aktuelle Pestepidemie, Hungersnöte, Kriege, Dürreperioden, Schiffsunglücke oder Krankheiten ertragen.92 Es handelt sich um eine communis hominum condicio, die Cyprian als Folge des Sündenfalls versteht.93 Er kann diese Widrigkeiten irdisch-fleischlicher Existenz als „Anfeindungen dieser Welt und Zeit“ o.ä. bezeichnen,94 womit sie als Angriffe gekennzeichnet werden, und er beschreibt das Erleiden solcher Widrigkeiten als Kampf, in dem der Christ seine uirtus zu erweisen hat.95 Charakteristisch für Cyprian ist die Zusammenfassung der vielfältigen Angriffe der Welt in wiederkehrenden Oberbegriffen, insbesondere dem metaphorischen Ausdruck „Stürme der Welt“ und dem abstrakten Begriff aduersa. Mit der häufig verwendeten Metapher „Stürme der Welt“ o.ä.96 bezeichnet er die verschiedensten Widrigkeiten, denen Christen ausgesetzt sind, seien es die allgemeinen Mühsale des menschlichen Daseins oder die – als bereits stattfindend wahrgenommenen – Katastrophen der Endzeit, seien es moralische Missstände der römischen Gesellschaft, die Unsicherheiten aristokratischer Existenz oder der für die „alternde Welt“ charakteristische Niedergang von Natur und Gesellschaft, seien es Verfolgungen oder andere gegen die Christen gerichtete Angriffe des Widersachers. Auch wenn, wie der zuletzt genannte Aspekt zeigt, zwischen den Angriffen des Widersachers und der Welt nicht überall scharf zu trennen ist, darf die charakteristische Ausweitung dessen, was als Angriffe verstanden wird, nicht übersehen werden.

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92 Mort 8;111–128; vgl. ähnlich Dem 19;368–377, wo in entsprechendem Kontext der Ausdruck mundi et carnis incommoda begegnet. Von uitae incommoda o.ä. ist in vergleichbarer Bedeutung auch in der paganen Literatur die Rede; vgl. Cicero Tusc 1,84; Juvenal sat 13,21; Seneca dial 11,9,2; Quintilian inst 5,11,38 u.ö. 93 Pat 11;203–12;228; Gallicet, Dem, 250, erkennt in dieser Aufnahme des stoischen Motivs der communio naturae einen „‚stoicismo‘ [...] rielaborato“, werde dieses Motiv doch mit Gen 3,17–19 begründet (pat 11) und zugleich unter den Vorbehalt eschatologischer Trennung gestellt (Dem 19;372– 374). 94 Vgl. neben Dem 20;390f (zitiert oben Anm. 9) Dem 18;346.353f; mort 13;210f u.ö. 95 Mort 12;188–194; Näheres dazu s.u. 2.2. 96 Am häufigsten begegnet der Ausdruck turbines mundi, daneben sind procellae mundi und tempestates wichtig; häufig werden verschiedene Ausdrücke kombiniert. Andere vergleichbare metaphorische Ausdrücke wie etwa fluctus (saeculi) finden sich erheblich seltener und sind in der Regel mit der Sturmmetaphorik verbunden. (Unvollständige) Zusammenstellungen von Belegen bieten Gallicet, Dem, 249, Hannan, mort, 53 (ep 58,4,2;91 ist hier zu Unrecht genannt), sowie Ball, Nature, 112–116.211–216. Orbán, Les dénominations, geht auf diese Metaphorik nicht ein.

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Die Bedeutung der Metaphorik variiert und muss daher aus dem jeweiligen Kontext heraus bestimmt werden. In habit 2;188,11 verwendet Cyprian die Wendung procellae et turbines saeculi als eine allgemeine Bestimmung der Gefährdungen, in denen Christen sich zu bewähren haben; in unit 2;30 steht die Formulierung tempestates et turbines saeculi in gleicher Bedeutung, ist aber vom Kontext her besonders an die vielfältigen Täuschungsversuche des Widersachers zu denken.97 – In mort 1;4 bezeichnet Cyprian als turbidos impetus mundi et uiolentos saeculi fluctus die Widrigkeiten irdischer Existenz, wobei er besonders die in Mt 24,6–7par angekündigten Katastrophen der Endzeit im Blick hat (Kriege, Hungersnöte, Erdbeben und Pestepidemien: mort 2;21), zu denen er auch die zur Abfassungszeit in Karthago grassierende Pestepidemie zählt; in demselben Sinn ist in mort 2;17 von procellae et turbines mundi, in mort 3;53 von mundi turbines die Rede,98 in Dem 19;366f in ähnlichem Zusammenhang von fluctuantis mundi turbines.99 In pat 12;223–225 werden die durch das Weinen Neugeborener bezeugten100 Bedrängnisse und Leiden des menschlichen Daseins als labores et procellae mundi bezeichnet.101 – In Don 6;114f (fluctuantis mundi turbines) bzw. 14;283f (inquietantis saeculi turbines) fasst die Metapher die in Don 6–13 ausführlich beschriebenen moralischen Missstände der römischen Gesellschaft und die Unsicherheit aristokratischer Existenz zusammen.102 – Häufig wird die Unwettermetaphorik in Bezug auf Verfolgungen verwendet, die Cyprian als procellae et turbines (ep 11,8;154f), tempestas (ep 59,6,1;162) u.ä. bezeichnen kann;103 in diesem Sinne ist offenbar auch die Wendung fluctuantis mundi turbines in pat 21;412f zu verstehen.104 – In zel 1;8–13 heißt es bezogen auf die Verleitung zu uitia, der sich ins Herz einschleichende Teufel entfache aus Funken große Brände und wirble aus leichtem, schmeichelndem Wind procellae ac turbines auf; in pat 16;318–320 werden uitia wie furor, contentio, ira, discordia etc. mit maris turbines verglichen.

Die Weite und Variabilität der Verwendung der Sturm- und Unwettermetaphorik ist ein Hinweis darauf, dass es Cyprian hier weniger auf den Urheber oder den unterschiedlichen Charakter der verschiedenen Angriffe ankommt als vielmehr auf die damit gegebene Gefährdung und Herausforderung der angegriffenen Christen. Die darin zum Ausdruck kommende einheitliche Wahrnehmung solcher Gefährdungen von Unglücksfällen und Widrigkeiten irdisch-leiblicher Existenz über gesellschaftliche Missstände bis hin zu uitia und Affekten105 hat Entsprechungen in der Verwendung der Sturm- und Unwettermetaphorik in der antiken paganen Literatur.

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97 Vgl. auch unit 9;234–237 sowie mort 12;199f. 98 Nach mort 25;417f ist die Welt von den malorum infestantium turbines belagert; vgl. auch Z. 423–429. 99 Zu den Katastrophen der Endzeit vgl. hier Dem 5;81–83, zu den Anzeichen des Alterns der Welt Dem 3;46–55. 100 Cyprian nimmt hier ein in der Antike verbreitetes, auch von Tertullian an 19,7f rezipiertes Motiv auf; vgl. dazu Waszink, an, 278f, sowie ders., Seele, 255 Anm. 148. 101 Vgl. pat 11;207–12;228 insgesamt. 102 Vgl. dazu ausführlicher Kap. 1.2.1. 103 Vgl. noch laps 1;5; 2;18f; 15;288; zel 2;31f u.ö. 104 Vgl. Z. 409–416 insgesamt sowie ep 59,2,3;38f (incursus atque inpetus oblatrantium fluctuum). Den karthagischen Schismatiker Novatus charakterisiert Cyprian als turbo et tempestas (ep 52,2,1;39f; ähnlich 52,2,2;42); vgl. noch laps 16;323–325. 105 Vgl. auch die Zusammenfassungen bei Ball, Nature, 116.216.

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Die Breite und Intensität der cyprianischen Verwendung der Sturm- und Unwettermetaphorik ist in der vorcyprianischen christlich-lateinischen Literatur ohne Vorbild. Bei Tertullian ist lediglich eine allegorische Auslegung von Mk 4,35–41par in bapt 12,7;38–43 zu nennen, in der das „Schiffchen“ (nauicula) auf die Kirche und die „Fluten“ (fluctus) auf Verfolgungen und Versuchungen gedeutet werden, durch die die Kirche in Unruhe gehalten wird, bis Christus die Welt besänftigen und den Seinigen Ruhe (tranquillitas) geben wird; eine Bezugnahme auf diesen Passus ist bei Cyprian nirgends zu erkennen. Von procellae oder turbines mundi o.ä. spricht Tertullian nicht, und die sporadisch verwendeten vergleichbaren Metaphern106 haben nicht entfernt dasselbe Gewicht wie bei Cyprian. Dagegen dürfte die Charakterisierung der irdischen Existenz in Ps.-Cyprian mart 14;36,13f als ein in huius mundi turbinibus fluctuare, von dem allein der Tod Ruhe (requies) verschaffe, durch Cyprian selbst angeregt sein, ist die Schrift doch seiner ‚Schule‘ zuzurechnen.107 Entsprechendes dürfte für die Formulierung manendum est in aeternis sedibus, non istis mundi turbinibus – gemeint sind die delicia und delicta der Welt – diutius stare [...] in cent 5;43–45 (75f Reitzenstein) gelten.108 Sie zeigt so deutliche Übereinstimmungen mit mort 3;53f,109 dass mit einer literarischen Beziehung zu rechnen ist.110 Formulierungen wie turbines, procellae oder tempestates mundi bzw. saeculi sind in der paganen vorcyprianischen Literatur, soweit ich sehe, nicht belegt; das vorausgesetzte Verständnis der „Welt“ dürfte spezifisch christlich sein.111 Eine entsprechende Verwendung der Sturmoder Unwettermetaphorik ist jedoch weit verbreitet.112 Lukrez zufolge hat Epikur durch die Reinigung des Herzens (pectus) der Menschen von Begierden, Furcht, Hochmut u.a. (rer 5,43–51) „aus so gewaltigem Sturm das Leben und solcher Verfinstrung / in so helles Licht, so heitere Stille gestellt“ (rer 5,10–12).113 Stimmung und Grundbewegung dieser Verse entsprechen Don

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106 Vgl. noch paen 4,3 (peccatorum fluctus); paen 1,3 (das drohende Gericht Gottes als inminens saeculo procella); an 46,7;38 (Bürgerkriege als ciuiles turbines) sowie nat 1,16,9 und an 2,1. 107 Vgl. Monceaux, HAC II, 103, Koch, CU, 334–348, sowie Doignon, HLL 4 (1997) §480.1 (S. 577f). Das Verbum fluctuare wird, wie gesehen, auch von Cyprian in entsprechendem Zusammenhang verwendet. 108 Die Mehrzahl der Forscher datiert die Schrift De centesima, sexagesima, tricesima ins spätere dritte oder vierte Jahrhundert (grundlegend Koch, Die Ps.-Cyprianische Schrift; vgl. ferner Quacquarelli, Il triplice frutto, 24–26, Frede, Kirchenschriftsteller, 423: „zwischen 251/7 und etwa 380“, Dekkers, Clavis, 19: „Saec. iv, origine afra“, sowie Doignon, HLL 5 [1989] §575.1 [S. 416–418]). Für eine Datierung ins späte zweite Jahrhundert hat sich Daniélou, Le traité, und ders., Les origines, 64– 87, ausgesprochen, für das frühe dritte Jahrhundert votieren Beatrice, Il sermone, 240–242, und (vorsichtig) Sellew, Five days, 278f mit Anm. 8. 109 [...] quando de istis mundi turbinibus extracti sedis et securitatis aeternae portum petimus (Hartel mit S petiuimus); der Ausdruck diu stare findet sich in mort 5;70 in entsprechendem Kontext . 110 Der von Hannan, mort, 53, genannte inschriftliche Beleg (CIL V/2, 6728;15f) stammt aus dem 6. Jh. n.Chr. 111 Vgl. Ellien, L’Ad Donatum, 174 Anm. 125. Mundus wird außerchristlich nicht in negativer Bedeutung gebraucht (vgl. Orbán, Les dénominations, 204–208; zum spezifisch christlichen Sprachgebrauch vgl. ThLL VIII, 1639,4–1640,14), saeculum kann mit negativen Konnotationen den aktuellen Zustand der Gesellschaft im Gegenüber zur ‚goldenen Vorzeit‘ bezeichnen (Orbán, a.a.O., 169– 171), wird aber kaum in dem allgemeinen negativen Sinne verwendet wie bei Cyprian. 112 Die folgende Übersicht kann angesichts der Breite und Vielfältigkeit des Phänomens lediglich einige Tendenzen und auffällige Entsprechungen markieren. 113 [...] quique per artem / fluctibus e tantis uitam tantisque tenebris / in tam tranquillo et tam clara luce locauit (176 Martin [et tantis ist offenbar ein Druckfehler]; Übersetzung Büchner, rer, 353). Vgl. auch die metaphorische Umschreibung des Zustandes der Befreiung in rer 2,1–4 und dazu Salem, La mort, 57–61.

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14, die Metaphorik ist ähnlich, aber nicht identisch.114 Cicero bezeichnet gelegentlich die Turbulenzen des politischen bzw. öffentlichen Lebens metaphorisch als tempesta(te)s, fulmina o.ä. (rep 1,1.7; Tusc 5,5), verwendet aber entsprechende Metaphern nicht zur Beschreibung des irdisch-menschlichen Daseins allgemein.115 Horaz umschreibt in ep 2,2,84f mit der Formulierung rerum / fluctibus in mediis et tempestatibus urbis (305 Shackleton Bailey) den Trubel der Großstadt.116 Seneca verwendet die Sturm- bzw. Unwettermetaphorik häufig zur Bezeichnung der Wechselfälle des Schicksals bzw. der Widrigkeiten menschlicher Existenz, und er gebraucht tempestas wiederholt als eine Art metaphorischen Allgemeinbegriff. Das Ziel der Philosophie ist es, zu einer solida felicitas zu führen, die von keiner tempestas erschüttert wird (ep 115,18 [492,17 Reynolds]); sie handelt deshalb von solchen Dingen, die sich allen humanae tempestates entziehen (dial 7,19,3 [186,1f Reynolds]). Eine ausführlichere Beschreibung der tempestates, denen der Weise entzogen ist, findet sich in benef 7,1,7:117 es sind die Unsicherheit äußerer Dinge (fortuita), Furcht und maßlose Begierde (die grundlegenden Affekte), Angst vor Menschen und Göttern (das epikureische Thema), Leiden aller Art sowie der Tod. In dial 11,9,6 zitiert Seneca die Ansicht der Weisen, das ganze Leben sei eine Strafe (supplicium), vergleicht es mit einem ständig schwankenden Meer, das niemals sicheren Stand erlaube, und schließt dann mit den Worten, auf diesem so stürmischen und allen Unwettern (tempestates) ausgesetzten Meer gebe es keinen anderen Hafen als den Tod.118 Die tempestates sind mit den im Kontext beschriebenen uitae incommoda zu identifizieren: Übel, Furcht, Begierde und Leiden, Zorn, Krankheit, Argwohn und Neid, die leuitas der fortuna und die Last falscher Güter (dial 11,9,2.4f). In ep 85,30–41 wird ausführlich begründet, dass die von der fortuna verursachten tempestates uitae, als welche hier exemplarisch zunächst Schmerz und Armut, später außerdem Ehrverlust, Kerker und Verbannung genannt werden, dem Weisen nicht schaden können, vielmehr seiner sapientia die ausgezeichneteste Gelegenheit zur Bewährung geben. Als große Stürme (procellae) der fortuna beschreibt Seneca in dial 6,26,2–6 das Unglück von Königen, Feldherrn und Adligen, Mord, Kriege und Gerichtsprozesse, den Niedergang von Königreichen und Städten, ja ganzer Erdteile, Erdbeben, Pest, Überschwemmungen und Feuerbrände bis hin zum Weltenbrand. Ähnlich wie Cicero kann auch er den Trubel einer aristokratisch-öffentlichen Existenz metaphorisch als fluctus bzw. tempestates bezeichnen (dial 10,18,1).119 Schließlich gibt es solche „Unwetter“ auch in der Seele selbst: tempestates nos animi cotidie iactant, die Schlechtigkeit (nequitia) treibe den Menschen in alle von Odysseus erlittenen Übel (ep 88,7 [314,9–11 Reynolds]); Affekte wie Zorn und Liebe (amor) können als procellae animos uexantes bezeichnet werden (dial 5,10,2 [102,18f Reynolds]).120 Auch Apuleius verwendet die Unwet-

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114 Stramondo, mort, 70, rechnet für die Schrift De mortalitate mit einem starken Einfluss des Lukrez auf Begrifflichkeit und Weltwahrnehmung und hält Ausdrücke wie saeculi fluctus, procellas et turbines mundi usw. in mort 1–3 für „termini dottrinari epicurei e lucreziani“. Konkrete literarische oder terminologische Bezüge zwischen Cyprian und Lukrez gibt sie in diesem Zusammenhang freilich nicht an und lassen sich trotz grundsätzlicher Verwandtschaft des cyprianischen Weltgefühls mit dem des Lukrez hier auch kaum nachweisen. 115 Vgl. auch Lucilius frg. 673 (384 Krenkel): quodque te in tranquillum ex saeuis transfert tempestatibus, wo freilich weder das Subjekt des transferre noch die tempestates näher bestimmt werden. 116 Vgl. auch carm 2,10. 117 Obgleich der Abschnitt in benef 7,1,3 und 7,2,1 als Zitat des Kynikers Demetrius gekennzeichnet wird, ist er, wie Billerbeck, Demetrius, 32–35, gezeigt hat, von senecanischer Diktion geprägt und enthält im wesentlichen stoisch-senecanisches Gedankengut. 118 Vgl. dazu Kurth, Senecas Trostschrift, 116f. Vgl. auch ep 108,37, wo es heißt, das Leben werde von einem sehr viel größeren Sturm (tempestas) erschüttert als jedes Schiff; in ep 104,22 ist ähnlich von der uita fluctuans et turbida die Rede. Vgl. noch dial 7,28,1; 1,4,5 und 6,6,1–3. 119 Vgl. auch dial 8,3,4 und ep 28,6. 120 Vgl. auch dial 5,1,4.

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termetaphorik in vielfältiger Weise, wenn auch bei weitem nicht so häufig wie Seneca. So ist in Met 11,15,1 bezogen auf das Geschick des Lucius von magnae fortunae tempestates und maximae procellae die Rede (336,15–17 Helm);121 in Met 11,25,2 heißt es, die uitae procellae und Fortunae tempestates würden durch Isis vertrieben oder gelindert (346,33f Helm).122 Nach Apol 21,4 hält sich in ista uitae humanae tempestate leichter oben, wer nicht viel besitzt und damit weniger belastet ist (48,4f Helm). In Socr 12 werden Affekte (misereri, indignari, angi, laetari etc.) und das unruhige Schwanken (fluctuare) von Herz und Sinn als turbulae tempestatesque bezeichnet, die den Menschen von der tranquillitas der Götter fernhalten (22,4–9 Moreschini); magnae aerumnarum procellae versetzen einen Vater, der beide Söhne verloren hat, in Erschütterung (Met 10,5,6 [292,31f Helm]). Wie gebräuchlich die Ausdrucksweise ist, zeigt die halb ironische Bezeichnung der Verführung eines Jünglings durch seine Stiefmutter als procella Fortunae saeuientis (Met 10,4,3 [290,6f Helm]) sowie die Bemerkung über einen Koch, dem ein Hund den Braten des Herrn gestohlen hat, er befinde sich in ultimo Fortunae turbine (Met 8,31,4 [246,22f Helm]).123

Während die Sturm- bzw. Unwettermetaphorik in der vorcyprianischen christlich-lateinischen Literatur kaum und bei Lukrez, Cicero und Horaz nur gelegentlich Verwendung findet, spielt sie bei Seneca eine erhebliche Rolle, und auch bei Apuleius begegnet sie wiederholt. Seneca verwendet entsprechende Metaphern, insbesondere tempesta(te)s, häufig und bezeichnet damit eine ganze Bandbreite von Widrigkeiten, denen der Mensch in der Welt ausgesetzt ist, von der Unsicherheit falscher Güter und der Unbeständigkeit der fortuna über das Erleiden von Armut, Strafen, Krankheiten und Schmerzen, politische Zusammenbrüche und Naturkatastrophen wie Erdbeben, Pestepidemien usw. bis hin zu Affekten wie Furcht, Begierde, Neid, Zorn usw. Das ist, von Unterschieden im einzelnen abgesehen, das ganze Spektrum, das Cyprian als turbines mundi o.ä. bezeichnet. Auch Apuleius verwendet die Sturm- und Unwettermetaphorik in einer Vielfalt von Bedeutungen, wenngleich deutlich seltener: zur Bezeichnung der allgemeinen Schwierigkeiten des menschlichen Daseins und konkreter Unglückserfahrungen, von Affekten, schwankenden Meinungen und Verführungen bis hin zu schwerwiegenden Vergehen. Dass er die Metaphorik in Verbindung mit der fortuna gelegentlich karikierend aufnimmt, dürfte ein Hinweis auf ihre Verbreitung sein. Als Näherbestimmung der tempestates und procellae erscheint bei Seneca und Apuleius einige Male uitae, bei Apuleius außerdem fortunae; letztere erscheint auch bei Seneca als deren Urheberin. Die einheitliche Wahrnehmung verschiedenster Widrigkeiten christlicher Existenz in der Welt unter einem gemeinsamen metaphorischen Nenner, wie sie bei Cyprian begegnet, hat demnach ihre nächste Entsprechung bei Seneca sowie, allerdings mit deutlich geringerer Intensität, bei Apuleius. Cyprian bedient sich freilich nicht nur einer vergleichbaren metaphorischen Ausdrucksweise, er teilt auch die damit verbundene Wahrnehmung der Wirklichkeit als bedrängend, anstürmend, unerschütterliche Standhaftigkeit erfordernd, wie sie sich in dieser ____________

121 Vgl. zu diesem Passus auch Kap. 1.2.2. 122 Vgl. noch Met 11,7,5 sowie 11,5,5. 123 Ähnlich Met 8,18,2 und 9,2,4; vgl. noch Met 10,28,3.

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Form in Verbindung mit der untersuchten Metaphorik nur bei Seneca findet. Dass Cyprian darin senecanischem Einfluss unterliegt, ist wahrscheinlich. Neben der Sturmmetaphorik begegnet als zusammenfassende Bezeichnung dessen, was Christen in der Welt zu erleiden und zu ertragen haben, nicht selten der abstrakte Ausdruck aduersa, in der Regel absolut gebraucht, gelegentlich aber auch in Verbindung mit mundi oder im Gegenüber zu prospera.124 Eine Durchsicht der Belege zeigt, dass es Cyprian, wenn er von aduersa spricht, in der Regel um die Haltung geht, mit der Christen die Widrigkeiten der irdischfleischlichen Existenz ertragen sollen.125 In zwei Texten nimmt Cyprian den stoisch geprägten Topos auf, wonach maßvolles Verhalten sowohl in prosperis wie in aduersis erfordert ist: in prosperis kommt es auf Demut an, in aduersis auf Tapferkeit bzw. Duldsamkeit;126 beide Begriffe sind hier in einem umfassenden und allgemeinen Sinn verstanden. In der Regel befasst Cyprian sich freilich allein mit den aduersa, da er in der Gegenwart nicht so sehr mit Wechselfällen des Schicksals als vielmehr mit mala adque aduersa mundi rechnet, zu denen er neben sonstigen Widrigkeiten insbesondere die zunehmenden Missstände der „altgewordenen Welt“ zählt, bona et prospera dagegen erst für die Zukunft erwartet.127 Die aduersa umfassen ebenso sehr äußere Katastrophen wie körperliche Leiden.128 In der Schrift De mortalitate ist der Begriff aduersa in erster Linie auf die biblischen Ankündigungen gemäß „in den letzten Zeiten“ zunehmenden Katastrophen wie Kriege, Hungersnöte, Erdbeben und Pestepidemien zu beziehen, für die die zur Abfassungszeit in Karthago grassierende Pestepidemie lediglich ein Beispiel ist.129 Dass Cyprian den Begriff aduersa mit der Formulierung quaecumque in saeculo accidunt gleichsetzen kann,130 lässt seine einseitig negative Wahrnehmung der Geschehnisse in der Welt deutlich hervortreten.131 In pat 17;323–334 bezeichnet der Begriff aduersa in erster Linie körperliche Leiden und Gebrechlichkeit, daneben aber auch den Verlust von Besitz und den Tod von Angehörigen,132 in mort 13;204–206 die von Paulus erlittenen Schiffbrüche, Prügelstrafen und vielfältigen körperlichen Qualen. Ein Urheber der aduersa wird nur an wenigen Stellen genannt. Während die aduersa in orat 27;503–505.510 auf den Widersacher bzw. auf Teufel und Welt zurückgeführt werden, erscheint in einigen Texten bezogen auf angedrohte (op 5;98f) oder aktuell sich ereignende Plagen und Katastrophen (Dem 9;169–175) Gott als deren Urheber. Dass Gott solche aduersa nicht verhindert, ist den Sünden der Nicht-Christen geschuldet (Dem 11;220f); dennoch bitten ihn die Christen um deretwillen, die aduersa wegzunehmen oder zu mäßigen (Dem 20;400–404).

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124 Die große Mehrzahl der Belege findet sich in den beiden Schriften De mortalitate und Ad Demetrianum (je neun). Die Verbindung aduersa mundi begegnet dreimal (zel 16; Dem 18; 20), ebenso die Gegenüberstellung mit prospera (zel 16; pat 20; Dem 20; vgl. Dem 19). 125 Capmany, Miles, 134, gibt den Ausdruck mit „contrariedades de la vida“ wieder; die Bedeutung „Mißgeschick, Unglück“ (Georges s.v. 1. adversus II.1.b.α) dürfte hier zu eng sein. 126 Vgl. zel 16;305–307 bzw. pat 20;399–401 und dazu unten 2.2.2. 127 Dem 20;395–397; vgl. ähnlich Dem 19;361–367; sachlich ebenso mort 8;109–111 u.ö. 128 Dem 18;347f.353–357. 129 Mort 2;15–25; der Passus korrespondiert Dem 5;81–85; ähnlich ep 67,7;153–157. 130 Mort 11;168–171; vgl. ähnlich Z. 174–176. 131 Vgl. auch mort 8;110; 13;214–217 und pat 17;334–337. 132 Vgl. ebenso mort 12;198f (mit Z. 188–191); in mort 10;153 ist die Erblindung des Tobias gemeint.

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Die cyprianische Verwendung des absolut gebrauchten Begriffs aduersa zur Bezeichnung verschiedenster Unbilden, die Menschen widerfahren können, bzw. als Oberbegriff für die Widrigkeiten, welche die Christen zur Standhaftigkeit herausfordern, hat eine Vorgeschichte sowohl in der christlichen wie in der paganen Literatur. In der christlich-lateinischen Literatur vor Cyprian begegnet der Begriff aduersum/a einige Male, freilich nicht sehr häufig. Bei Tertullian ist einmal das Begriffspaar in secundis – in aduersis belegt (nat 2,5,7); die aduersa werden in §11 mit verschiedenen Beispielen illustriert: Verwundung durch Schwert oder Lanze, Einsturz eines Hauses oder Schiffbruch. Der cyprianischen Konzeption kommt besonders nahe die Wiedergabe des jesuanischen Gebots, in Verfluchung und Verfolgung zu jubeln (Mt 5,11f), mit in aduersis exultare (pat 11,9), auch wenn Cyprian diese Auslegung nicht rezipiert.133 Daneben finden sich die Wendung si quid aduersi acciderit bzw. infligitur (Apol 40,9; 41,5)134 sowie, bezogen auf dolor, maeror, gemitus und mors, der Ausdruck casus aduersi (res 58,4f). Minucius verwendet den Ausdruck aduersa in Oct 36,8–9 bezogen auf die corporis humana uitia, die als eine Prüfung der Christen durch Gott gedeutet werden; dieser Passus dürfte Cyprians Ausführungen in pat 17 angeregt haben.135 In der paganen Literatur sind der Begriff aduersum/a im hier interessierenden Sinne sowie vergleichbare Ausdrücke (res aduersae, fortuna aduersa etc.) vielfach belegt.136 So findet sich häufig die Gegenüberstellung von aduersa und secunda o.ä.,137 wobei der stoisch geprägte Topos, aduersa und secunda seien in gleicher Weise gelassen zu ertragen, besonders hervorzuheben ist.138 Daneben begegnen aduersa, res aduersae u.ä. Ausdrücke nicht selten auch absolut, insbesondere in philosophischen Ausführungen zu der von einem uir bonus bzw. einem sapiens geforderten Unerschütterlichkeit. Cicero referiert in fin 4,59 die Auffassung des Stoikers Zeno, durch die uirtus seien omnia quae dura difficilia aduersa uideantur niederzutreten (88 Martha), und er kritisiert in fin 5,12 die Meinung des Peripatetikers Theophrast, res aduersae könnten die uita beata des sapiens beeinträchtigen (114 Martha). Als Verwirklichung des Ideals des Weisen, der durch seine Weisheit alle aduersa überwindet, deutet Apuleius Odysseus (Socr 24).139 Auf das Eintreten von res aduersae muss man sich vorbereiten,140 damit man sie klaglos und mit frohem Sinn zu ertragen vermag.141 Es handelt sich bei aduersa demnach um einen Allgemeinbegriff, der grundsätzlich alle Widrigkeiten umfassen kann, die den Menschen von außen treffen können; innerseelische Vorgänge werden mit diesem Begriff, anders als mit den zuvor untersuchten Unwettermetaphern, nicht bezeichnet.

Die cyprianische Verwendung des Begriffs aduersa hat vereinzelte Parallelen bei Tertullian und Minucius, die sich zum Teil literarischer Abhängigkeit ver____________

133 Näheres dazu s.u. 2.2. 134 Ebenso Cicero ac 2,121; ähnlich off 1,73; Tusc 3,32; Apuleius Met 3,13,11 u.ö. 135 Dazu s.u. Anm. 170. 136 Die folgenden Beispiele beschränken sich angesichts der Fülle des vorhandenen Materials auf die Andeutung einiger wesentlicher Gesichtspunkte. 137 Vgl. etwa Cicero fin 1,57; Seneca ep 39,3; 85,39 u.ö. 138 Vgl. etwa Cicero off 1,90; Seneca ep 98,3; Apuleius Plat 2,20 u.ö. und dazu Gauthier, Magnanimité, 128. 139 Angeregt ist diese Odysseus-Interpretation offenbar durch Horaz ep 1,2,21f; zu ihrer Vorgeschichte vgl. Malherbe, Antisthenes, 151–153.158–162. 140 Vgl. Cicero Tusc 3,34 und Seneca dial 9,11,12. 141 Vgl. Seneca nat 3,0,12: laeto animo aduersa tolerare (112,77 Hine); ep 96,2; 88,9, ferner Cicero Tusc 2,50 und 5,4.

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danken dürften, und eine Vielzahl von Entsprechungen in römisch-philosophischen Ausführungen, die traditionsgeschichtliche und teilweise auch literarische Beziehungen wahrscheinlich machen; da es hier wie dort freilich vor allem um die gegenüber den aduersa einzunehmende Haltung geht, lässt sich die Frage möglicher Bezüge erst im zweiten Teil dieses Kapitels genauer erörtern. Die Verwendung von Metaphern wie „Stürme der Welt“ und des Begriffs aduersa als übergreifende Bezeichnung für eine ganze Bandbreite von Bedrängnissen verdankt sich einer einheitlichen Wahrnehmung der Widrigkeiten menschlicher Existenz, die erst vor dem Hintergrund paganer philosophischer, insbesondere stoischer Traditionen voll verständlich wird. Hier werden die verschiedensten Gefährdungen von Krankheiten und Schmerzen über plötzlichen Verlust von Reichtum oder gesellschaftlicher Stellung bis hin zu Foltern, Kerker und Tod unterschiedslos aufgefasst als Herausforderungen und Angriffe, in denen sich der Weise bzw. der uir bonus zu bewähren hat. Cyprian steht in dieser Tradition, wenn er Katastrophen wie die karthagische Pestepidemie, christenfeindliche Maßnahmen wie die decische Verfolgung und körperliche Leiden mit denselben Metaphern und Begriffen bezeichnet und unter demselben Gesichtswinkel, nämlich als Angriffe der Welt bzw. des Widersachers, wahrnimmt. Der biblisch-christlichen Tradition verdankt sich der negative Begriff der Welt als eines feindseligen Gegenübers, nicht jedoch das für Cyprian charakteristische umfassende Verständnis der Angriffe der Welt.142 Die vorangehenden Ausführungen haben die Angriffe, denen die Christen Cyprian zufolge ausgesetzt sind, in ihrer Vielfalt und Intensität deutlich hervortreten lassen. Christliche Existenz in der Zeit erscheint von hier aus als ein täglicher Kampf, sei es gegen die vielfältigen, offenen oder verborgenen „Geschosse und Pfeile des Teufels“, sei es gegen die „Stürme der Welt“ und die diversen Widrigkeiten irdisch-fleischlichen Daseins.143 Wenn Seneca schreibt: „Auch wir müssen Kriegsdienst leisten, und zwar von einer Art, wo niemals Ruhe, niemals Muße gewährt wird“,144 oder kürzer: uiuere [...] militare est,145 so entspricht dies der cyprianischen Auffassung genau.146 Es ist daher kein Zufall, dass seine Paränese in starkem Maße auf die verbreitete militia-Metaphorik zurückgreift.

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142 Dass Capmany, Miles, den „contrariedades de la vida“ nur wenige Seiten widmet (S. 134– 137), dagegen der „concupiscencia de la carne“ (S. 137–152), der „ambición de la riqueza“ (S. 152– 166) und der „soperbia de espíritu“ (S. 167–183) lange Kapitel, ist eine Verzeichnung der Gewichte, die den eigentümlichen Charakter der cyprianischen Konzeption verdeckt. 143 Vgl. mort 4;57–59 (ähnlich pat 12;229–331) bzw. pat 17;323–325. 144 Nobis quoque militandum est, et quidem genere militiae quo numquam quies, numquam otium datur (ep 51,6 [134,6–8 Reynolds; Übersetzung Rosenbach III, 405]). Vgl. dazu Fredouille, Le héros, 17f. 145 Ep 96,5 (402,1f Reynolds); ebenso Epictet III,24,34. Zur Geschichte und Verbreitung dieses Motivs vgl. Edmonds, Geistlicher Kriegsdienst, ferner Oltramare, Les origines, 56 Anm. 4, Pfitzner, Agon Motif, 42f, sowie Grimal, const, 43. 146 Vgl. ebenso Morgenstern, Cyprian, 29f, ferner Daniélou, Les origines, 355–359.

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Cyprian versteht christliche Existenz schon von der Taufe her als eine militia, ein militare deo o.ä.: Wer sich taufen lässt, wird durch die himmlische militia für das Heerlager des Geistes gekennzeichnet;147 dem Christentum beitreten heißt ad militiam accedere bzw. nomen militiae dare;148 Christen werden häufig als milites Christi bzw. (seltener) dei bezeichnet,149 christliche Gemeinden als castra, exercitus o.ä.150 Mit der Verwendung der militia-Metaphorik knüpft Cyprian an eine vertraute christliche Ausdrucksweise an, die im lateinischen Christentum vor allem durch Tertullian etabliert worden ist.151 Biblische Texte, die diese Metaphorik verwenden, spielen für den cyprianischen Gebrauch der militia-Metaphorik kaum eine Rolle;152 lediglich eine Anregung der einige Male begegnenden Wendung militare deo153 durch 2Tim 2,4 ist wahrscheinlich. Von größerem Gewicht ist dagegen der Einfluss allgemeiner römisch-militärischer Ideale wie disciplina, Unerschrockenheit, Kampfbereitschaft usw. sowie der (römisch-) stoischen Verwendung der militia-Metaphorik.154 Mit militärischen Metaphern begründet Cyprian die Ermahnung, mit religiosae uirtutes die unversehrte, nüchterne disciplina festzuhalten;155 wie Soldaten sind die Christen zu striktem Gehorsam gegenüber den Anweisungen und Geboten ihres imperator (Christus) verpflichtet;156 auch die Forderung der Unerschrockenheit und Unbeirrbarkeit gegenüber den „Stürmen der Welt“ wird mit militärischer Metaphorik motiviert.157 Als eine militia versteht Cyprian auch die uirginitas, als militare neben der Standhaftigkeit in der Verfolgung auch den Kampf gegen Armut.158 Besonders häufig findet die militia-Metaphorik im Kontext der Martyriumsparänese sowie der Märtyrer- bzw. Konfessorenpanegyrik Verwendung.159 Obgleich Cyprian grundsätzlich die ganze christliche Existenz als eine militia Christi versteht,160 konzentriert sich die Verwen-

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147 Don 15;302f; zur militärischen Bedeutung von signare vgl. Dölger, Sacramentum militiae, 268–274, zur Sache Capmany, Miles, 22f, und Daniélou, Les origines, 356. 148 Vgl. mort 15;260 bzw. ep 58,3,1;65. Zum zweiten Ausdruck vgl. von Harnack, Militia Christi, 35 Anm. 2; Clark III, 63, übersetzt ihn mit „to enlist for military service“. 149 Vgl. dazu Capmany, Miles, 21–23.221, Hummel, Concept, 58–60, sowie Hoppenbrouwers, Recherches, 149–151. 150 Vgl. ep 12,2,2;42; ep 58,8,2;192; Fort pr.2;17 u.ö. Katechumenen gehören bereits zum göttlichen Heerlager, Schismatiker nicht mehr (ep 73,22,2;398–401); vgl. auch Hummel, Concept, 61–64. 151 Vgl. dazu bes. von Harnack, Militia Christi, 32–40.104–109, ferner Teeuwen, Sprachlicher Bedeutungswandel, 106–108 Anm. 1, und Hoppenbrouwers, Recherches, 71–73. Sage, Cyprian, 202, rechnet hier mit einem Einfluss Tertullians auf Cyprian, erkennt in seinem Gebrauch der militia-Terminologie aber auch ihm Eigenes. 152 Texte mit entsprechender Terminologie (2Tim 2,4f; 1Petr 2,11f) werden zwar gelegentlich angeführt (vgl. Fahey 511f.520), aber nicht auf die militia-Thematik hin ausgewertet. 153 Vgl. mort 2;15f; ep 74,9,1;178 u.ö. 154 Vgl. dazu Edmonds, Geistlicher Kriegsdienst, bes. S. 30–42, sowie Auer, Militia Christi, 1210–1212; zur griechischen Traditionsgeschichte der Metaphorik vgl. auch Malherbe, Antisthenes. Alfonsi, Note, 131, rechnet (bezogen auf Tertullian) mit einem starken Einfluss Senecas auf die christlich-römische Konzeption der militia Christi, die ebenso sehr der historischen Situation des Christentums wie den Idealen der römischen Gesellschaft entsprochen habe. 155 Don 15;302–304; Weiteres zur disciplina militaris bei Cyprian s.u. Kap. 9.1. 156 Ep 15,1,1;7–10; zur Bedeutung strikten Gehorsams im römischen Militär vgl. Mauch, Begriff, 74f, sowie das Beispiel des Manlius Torquatus bei Cicero fin 1,35. 157 Mort 2;15–18. 158 Vgl. laps 2;35f bzw. ep 12,2,2;40–46. – Im sog. Ketzertaufstreit verwendet Cyprian militärische Terminologie, um jedes Entgegenkommen gegenüber Häretikern und Schismatikern zu diskreditieren; vgl. ep 73,10,1;158–160 sowie ep 74,9,1;177–179; 74,8,2;150–3;165; bezogen auf die Unbesiegbarkeit der castra Christi ähnlich ep 59,17,1;475–480. 159 Vgl. exemplarisch ep 10, ep 57 und ep 58 passim. 160 Ebenso Capmany, Miles, 77.128.

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dung der militia-Metaphorik auf den Kontext von Verfolgungen bzw. staatlicher Gewaltmaßnahmen gegen die Christen; das Ganze der cyprianischen Paränese dominiert sie nicht.161

Erscheint in der römisch-philosophischen Tradition als Gegner des Menschen die fortuna bzw. die durch sie repräsentierte tiefgreifende Unsicherheit der Lebensumstände, die sich in plötzlichem Verlust von Besitz, Stellung oder Macht und dem Erleiden von Krankheit und Schmerzen, Foltern, Verbannung und Tod äußert, so bei Cyprian der Widersacher der jüdisch-christlichen Tradition sowie die teilweise mit diesem verbundenen aduersa und „Stürme der Welt“. Einbezogen wird hier der Kampf gegen die uitia, die auch bei Seneca und Apuleius mit der Unwettermetaphorik bezeichnet werden können. Der Widersacher gewinnt damit tendenziell Züge der fortuna, sofern diese als Urheberin aller Unbilden und Widrigkeiten des menschlichen Daseins erscheint. Das für die fortuna charakteristische Schwanken der Lebensumstände findet angesichts der durchgängig negativen Wahrnehmung irdischer Existenz bei Cyprian freilich kaum Widerhall.162 Wie nach Auffassung paganer Autoren das ganze Leben der Willkür der fortuna ausgeliefert ist, so erstrecken sich für Cyprian die Attacken des Widersachers und der Welt auf alle Aspekte der irdisch-fleischlichen Existenz des Christen. Außerchristliche Traditionen üben hier einen erheblichen Einfluss auf seine Vorstellungswelt aus. 1.3 Die theologische Deutung der Angriffe des Widersachers und der Welt als probatio, temptatio und correptio Die Beschreibung der christlichen Existenz als eines dauernden Kampfes und die konsequente Wahrnehmung der Welt unter dem Gesichtswinkel ständiger Angriffe bedürfen einer theologischen Erklärung. Cyprian reflektiert diese Frage sowohl in Bezug auf die decische Verfolgung als auch in Bezug auf die vielen anderen Widrigkeiten, denen Christen ausgesetzt sind. Unter den verschiedenen Antworten, die sich dazu in seinen Schriften finden, ragt ihre Deutung als eine probatio, eine Prüfung, in der sich die Christen zu bewähren und damit als tüchtig zu erweisen haben,163 eindeutig heraus; der Aspekt der ____________

161 Anders Capmany, Miles, der seine Darstellung der cyprianischen Ethik insgesamt unter diesen Titel stellt; vgl. dazu auch Einleitung 2 mit Anm. 41. 162 Daniélou, Les origines, 340, spricht mit Recht von einem „pessimisme profond sur ce monde“ und einer „vision profondement sombre de la condition terrestre de l’homme“ bei Cyprian. 163 Die verschiedenen Bedeutungsaspekte von probare etc. lassen sich im Deutschen nur schwer einheitlich wiedergeben. Georges s.v. probo geht aus von der Bedeutung I) „etwas als tüchtig od. untüchtig erkennen“, zerlegt diese dann in die beiden Aspekte A) „etwas in bezug auf seine Tüchtigkeit, Güte, Echtheit erproben, prüfen, untersuchen [...]“ und B) „als tüchtig anerkennen, als erprobt-, echt-, tüchtig annehmen [...]“ und gibt schließlich II) als objektive Bedeutung „jmdm. etwas als tüchtig, gut, brauchbar zeigen [...]“ bzw. „sich jmds. Beifall erwerben [...]“ an. Vgl. auch ThLL X/2 Fasc. X, 1461,14–57, wo unter Caput prius: respicitur quod bonum, gratum, rectum, idoneum est, die drei Aspekte des affirmare, commendare und examinare unterschieden werden.

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Christliche Existenz in der Zeit als ständiger Kampf

Versuchung (temptatio) ist dem zuzuordnen. Daneben begegnet an einigen Stellen die Vorstellung einer correptio im Sinne von Strafe und Zurechtbringung. Als eine Bewährungsprobe deutet Cyprian die Mühseligkeiten, denen gerade die Guten und Gerechten in höherem Maße ausgesetzt sind als andere.164 Die Deutung von Leiden und Bedrängnissen als „Prüfung“ ist biblisch wie pagan verbreitet;165 dass es gerade die Gerechten sind, die so erprobt werden, gehört ebenso in diesen Zusammenhang166 wie die naheliegende Schlussfolgerung, dass diese daher mehr zu erleiden haben als andere.167 Zur Begründung zitiert Cyprian Sir 27,5,168 eine der klassischen biblischen Belegstellen für die angedeutete Konzeption, sowie eine Reihe weiterer Texte, die vor allem das Leiden der Gerechten thematisieren. In gleicher Weise werden Bedrängnisse und Verfolgungen als Bewährungsprobe der Christen interpretiert.169 Als notwendige probatio deutet Cyprian schließlich alle Widrigkeiten irdisch-menschlicher Existenz, seien es körperliche Leiden, sei es der Verlust von Besitz oder der Tod von Angehörigen, seien es Katastrophen wie eine Pestepidemie, werde doch „der Steuermann im Unwetter erkannt, der Soldat in der Schlacht erprobt“.170 Cyprian zitiert hier Seneca,171 dessen Einfluss sich in mort 12 insgesamt zeigt.172 Der Kampf mit den Widrigkeiten ist für Cyprian eine „Probe der Wahrhaftigkeit“.173 Als entsprechende biblische Texte werden dazu Sir 2,4f174 sowie der bereits erwähnte Text Sir 27,5 angeführt.175 In gleicher Weise wird ____________

164 Quir 3,6tit, zitiert Kap. 2 Anm. 163; vgl. auch Fort 11;62–65. 165 Zum Sprichwort von der Feuerprobe vgl. etwa Otto, Sprichwörter, 170 (Nr. 843), ferner Koch, CU, 296 Anm. 1, und Lo Cicero, La persecuzione, 91. 166 Vgl. etwa Sir 2,5 und Seneca dial 1,5,10. 167 Ebenso offenbar Seneca dial 1,2,6f bezogen auf den Weisen; vgl. auch dial 1,2,1. 168 Vasa figuli probat fornax et homines iustos temptatio tribulationis (Quir 3,6;3f); V. 5b weicht von der LXX deutlich ab, wo es heißt: και` πειρασμο` ς α νθρω' που ε ν διαλογισμω^, αυ του^ ; der von Cyprian vertretene Texttyp K der VL geht offenbar auf eine andere griechische Überlieferung zurück; vgl. dazu VL 11/2 Lfg. 2 (1988), 113–117. Der Text wird auch in Fort 9;5–7 und mort 13; 213f zitiert (vgl. Fahey, 183). 169 Vgl. Fort 9tit: Ad hoc praessuras et persecutiones fieri ut probemur; bezogen auf die decische Verfolgung vgl. ebenso ep 13,5,3;91f; ep 11,5,3;110–113; laps 5;88f u.ö. 170 Gubernator in tempestate dinoscitur, in acie miles probatur (mort 12;196f); zum Zusammenhang vgl. Z. 188–194. Vgl. ebenso pat 17;323–339, wo Cyprian ähnliche Erfahrungen als eine auf ihre Bewährung zielende Prüfung und Erkundung der Christen deutet; die Formulierung examinandis autem nobis atque explorandis diuersi importantur dolores et multiplex temptationum qualitas irrogatur (Z. 331–333) erinnert an Minucius Oct 36,9 (in aduersis unumquemque explorat [sc. deus] et examinat [34,31 Kytzler]), und das ganze Kapitel scheint eine freie Verarbeitung von Oct 36,8f zu sein. Vgl. noch pat 18;340–356 und mort 10;137–167 zur Erprobung von Hiob und Tobias. 171 Gubernatorem in tempestate, in acie militem intellegas (dial 1,4,5 [9,25f Reynolds]); vgl. dazu Stramondo, mort, 60f, sowie Koch, CU, 295, und Spanneut, Le stoïcisme, 264f. 172 So mit Recht Stramondo, mort, 61f; Weiteres dazu s.u. 2.2. 173 Conflictatio in aduersis probatio est ueritatis (mort 12;198f); vgl. auch ep 58,3,1;65f. 174 In dolore sustine et in humilitate tua patientiam habe, quoniam in igne probatur aurum et argentum (mort 9;134–136; ebenso pat 17;337–339). 175 Mort 13;213f; Gallicet, Dem, 247, bemerkt zu Dem 18;358–360, Cyprian verdanke die Vorstellung des probari weniger dem „stoicismo“ als vielmehr der Bibel – er rechnet hier, m.E. zu Unrecht, mit einer Anspielung auf 1Petr 4,12–14 –, übergeht dabei aber die sachlich entscheidende

1. Die Gegner der Christen

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auch die Versuchung des Menschen durch Gott als Bewährungsprobe gedeutet.176 In einigen der im Vorangehenden genannten Texte erscheint Gott selbst als Subjekt der probatio und temptatio,177 in anderen werden diese mehr oder weniger direkt mit dem Widersacher in Verbindung gebracht oder ausdrücklich auf diesen zurückgeführt.178 Es ist deshalb zu klären, wie Cyprian das Verhältnis der unterschiedlichen Subjekte des probare und temptare der Christen näher bestimmt. Außer Frage steht für ihn, „dass dem Teufel nichts erlaubt ist gegenüber dem Menschen, wenn Gott es nicht gestattet“,179 dieser also keine eigenständige Macht besitzt.180 Cyprian thematisiert dieses Problem ausführlicher in seiner Auslegung der sechsten Bitte des Vaterunsers. Diese hat bei ihm den Wortlaut: „und lass es nicht zu, dass wir in Versuchung geführt werden“,181 und impliziert für ihn daher, dass der Widersacher ohne Erlaubnis Gottes nichts gegen die Christen vermag.182 Macht gegen sie werde dem Bösen aber auf zweifache Weise gegeben, entweder zur Strafe, wenn sie sündigten,183 oder zum Ruhm, wenn sie erprobt würden.184 Diese Unterscheidung ist offenbar durch Tertullian angeregt, der drei Gründe (causae) dafür nennt, dass dem Teufel Macht über die Christen gegeben wird, die causa probationis, die causa reprobationis (in poenam) sowie die causa cohibitionis185 (letztere wird von Cyprian nicht rezipiert). Während Tertullian jedoch der probatio durchgängig die reprobatio gegenüberstellt,186 ist

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Frage, inwieweit die auch biblisch bezeugte Vorstellung bei Cyprian stoisch verstanden ist (vgl. dazu unten 2.2). 176 Ad hoc temptari homines a deo ut probentur (Quir 3,15tit; etliche MSS lesen explorentur). Die dazu angeführten Bibelzitate sprechen u.a. von der Versuchung Abrahams und dem Erleiden von Foltern. – Als von Gott zugelassene „Erprobung“ versteht Cyprian auch Häresien; vgl. etwa unit 10;241– 250 und dazu Frank, Vom Nutzen der Häresie, 29f. 177 Vgl. besonders Quir 3,15tit und ep 13,5,3;91–93. 178 Vgl. pat 18;340–353; mort 9;129–136 bzw. pat 12;231f; Fort pr.2;24–26 u.ö. 179 Nihil licere diabolo in homine (v.l. hominem), nisi deus permiserit (Quir 3,80tit). Die Formulierung lehnt sich an Tertullian fug 2,2;22f an: nihil satanae in seruos dei uiui licebit, nisi permiserit dominus. In fug 1,2–3,2 wird die Frage erörtert, ob Verfolgungen von Gott oder vom Teufel kommen, und dazu auch das Verhältnis zwischen dem Willen Gottes und dem Tun des Teufels untersucht. 180 Vgl. dazu auch ep 59,2,4;51f; 59,2,6;59f u.ö. 181 Et ne patiaris nos induci in temptationem (orat 25;471). Dass es sich hier um eine variierende Textfassung handelt, hat Réveillaud, orat, 194f, überzeugend gezeigt; anders Benson, Cyprian, 272. 182 Orat 25;471–473. 183 Diesen Aspekt hat Cyprian in orat 25;477–484 zunächst als einzigen vorgetragen. Wenn in orat 30;545–549 die Aussage, Christus bete pro delictis nostris, mit einem Zitat von Lk 22,31–32a begründet wird, so ist auch hier die Vorstellung vorausgesetzt, der Satan erhalte wegen der Sünden der Christen Macht gegen sie. In entsprechender Deutung führt Tertullian den Text in fug 2,4 an. Zur Deutung des Lk-Textes vgl. Wiefel, ThHK 3, 374, sowie Klostermann, HNT 5, 212f. 184 Potestas uero dupliciter aduersum nos datur, uel ad poenam cum delinquimus uel ad gloriam cum probamur (orat 26;485f); als Beispiele für letzteres führt Cyprian in Z. 486–491 die Versuchung Hiobs (Hiob 1,12a) und die Macht des Pilatus über Jesus (Joh 19,11a) an. Nach laps 7;122f ist die decische Verfolgung ad correptionem delicti et probationem fidei gekommen (ebenso Z. 125). 185 Fug 2,7;60–72. 186 Vgl. fug 1,1;24f; 2,2;23–25 u.ö.

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Christliche Existenz in der Zeit als ständiger Kampf

das Pendant bei Cyprian die correptio, die zwar Strafe ist, aber auf die Zurechtbringung des Sünders zielt187 – ein ebenso charakteristischer wie weitreichender Unterschied!

Dass der Widersacher keine eigenständige Macht gegen die Christen besitzt, hat für Cyprian eine doppelte Konsequenz: zum einen ist seine Macht grundsätzlich begrenzt, also keine wirkliche Gegenmacht,188 zum anderen ist der Kampf zwischen dem Widersacher und den Christen in ihr Gottesverhältnis eingebunden. Ist ihr Handeln durch Gottesfurcht und Gehorsam bestimmt, können Angriffe des Teufels allein zum Erweis der Standfestigkeit ihres Glaubens dienen;189 sündigen sie, so wird der Widersacher zum Instrument der auf Zurechtbringung zielenden Strafe Gottes. Eine Illustration zu diesen grundsätzlichen Überlegungen bietet die Deutung der decischen Verfolgung in ep 11 als eine Ermächtigung des Widersachers zur Strafe der Christen.190 Cyprian interpretiert die Verfolgung der Christen einschließlich der in einer zweiten Phase hinzugekommenen Foltern191 zunächst als eine Heimsuchung Gottes infolge ihrer Sünden und ihres Ungehorsams gegen seine Gebote,192 bringt dann aber unter Berufung auf eine Vision den Widersacher als den eigentlichen Akteur ins Spiel.193 Die Vision zeigt einen paterfamilias mit einem ärgerlich-betrübten Jüngling zur Rechten194 und einen mit einem Netz Drohenden zur Linken.195 Die mitgeteilte Deutung lautet: der Jüngling zur Rechten sei betrübt und leide, „weil seine Gebote nicht beobachtet würden“, der zur Linken dagegen jubele, „weil ihm Gelegenheit (dazu) gegeben werde, dass er vom paterfamilias die Macht zum Wüten empfange“.196 Diese schon lange vor dem gegenwärtigen „Unwetter der Verwüstung“ (tempestas uastitatis) gewährte Vision sieht Cyprian in der Gegenwart erfüllt. Damit ergibt sich eine klare Rollenverteilung: Das Wüten (saeuire) gegen die Christen ist Sache des Teufels, die irdischen Machthaber sind offenbar seine Ausführungsorgane;197 die Gelegenheit dazu gibt ihm der Ungehorsam der Christen, die Vollmacht erhält er vom himmlischen Vater, der ihn damit gewissermaßen zum Vollzugsor-

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187 Ad poenam heißt im Kontext der cyprianischen Theologie, wie laps 7;120–126 und ep 11 passim zeigen, ad correptionem, also Zurechtbringung, nicht endgültige Verwerfung. 188 Gegen Morgenstern, Cyprian, 13, der bei Cyprian einen „Dualismus zwischen dem guten und bösen Prinzipe“ wahrnimmt. 189 Cyprian leitet deshalb aus der sechsten Vaterunserbitte die Schlussfolgerung ab, sich mit aller Furcht und Hingabe und vollem Gehorsam Gott zuzuwenden (orat 25;473f). Vgl. auch die entsprechende Argumentation in laps 21;424–437. 190 Die Grundzüge dieser Deutung werden in laps 5–7 wiederholt; vgl. zum folgenden auch Hummel, Concept, 39–44, Capmany, Miles, 194–196, und Lo Cicero, La persecuzione. 191 Vgl. dazu Saumagne, Saint Cyprien, 34–37, und Duquenne, Chronologie, 75–86. 192 Ep 11,1,2;9–2,1;37; zur Begründung zitiert er Ps 88,31–33. Vgl. auch laps 5;89–6;119. 193 Ep 11,4,1;65–2;79; die Vision ist offenbar nicht Cyprian selbst zuteil geworden (so mit Recht von Harnack, Cyprian als Enthusiast, 179.181; ähnlich Anselmetto, Rivelazione privata, 285, anders Hinchcliff, Cyprian, 42, und Robeck, Prophecy, 180), entspricht aber weitestgehend seiner eigenen theologischen Konzeption. 194 Vgl. dazu Clarke I, 243f Anm. 29f, sowie Robeck, Prophecy, 180 mit S. 289 Anm. 16. 195 Das Netz (rete) gehört zur Ausrüstung des Gladiators; vgl. Hummel, Concept, 87f Anm. 91, und Dölger, Tertullian, 131f. 196 [...] dictum est ei iuuenem qui ad dexteram sic sederet contristari et dolere quod praecepta sua non obseruarentur, illum uero in sinistra exultare quod sibi daretur occasio (vgl. Eph 4,27) ut a paterfamilias potestatem sumeret saeuiendi (Z. 71–74). 197 Vgl. Capmany, Miles, 255–261.

1. Die Gegner der Christen

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gan der göttlichen Heimsuchung macht. Christus gerät, da seine Gebote nicht beachtet werden, in die Rolle eines betrübten, aber passiven Zuschauers: Wie der Widersacher nur dann mächtig ist zum Verderben der Christen, wenn diese ihm aufgrund ihrer Sünde von Gott zur Strafe ausgeliefert werden, so ist Christus offenbar nur dann mächtig zu ihrem Schutz, wenn sie sich an seine Gebote und Weisungen halten.198 Freilich hat auch die dem Widersacher übergebene Vollmacht zur Bestrafung der Christen letztlich eine positive Funktion: Da Gott liebe, wen er züchtige (corripere), züchtige er sie, um sie zu bessern und so zu bewahren.199 Zudem ist selbst in dem „Bußbrief“200 ep 11 die Züchtigung der Christen nur die eine Seite des Geschehens; die andere ist auch hier die „Prüfung und Erkundung“ (examinatio [...] atque exploratio)201 ihres Herzens. Die Christen sollen erschüttert und erprobt, nicht aber zu Fall gebracht werden; wer am Glauben festhält – das ist die einzige, aber unerlässliche Bedingung –, dem wird es, wie stets in den Bewährungsproben (probationes) Gottes, an (göttlicher) Hilfe nicht fehlen.202 Wenn es zu massenhafter Glaubensleugnung kommt, so ist das nicht in der Absicht Gottes begründet, sondern darin, dass allzu vielen der nötige Glaube fehlt und sie sich daher nicht als bewährt erweisen.203

Die theologische Deutung der Angriffe und Widrigkeiten, denen die Christen in der Welt ausgesetzt sind, ist eindeutig: Was immer ihnen widerfährt, rührt letztlich von Gott her und hat daher eine klare Zielrichtung, sei es ihre Zurechtbringung, sei es den Erweis ihrer Tüchtigkeit. Der Widersacher, auf den tendenziell alle Angriffe zurückgeführt werden,204 hat keine eigenständige Rolle; wie bereits für Tertullian ist er auch für Cyprian letztlich nicht mehr als ein ausführendes Organ des göttlichen Willens. Während Cyprian das allein biblisch begründete Motiv der correptio205 vergleichsweise selten aufgreift, wird die sowohl biblisch wie pagan belegte Vorstellung der probatio, wie im folgenden zu zeigen sein wird, im Anschluss an pagane, besonders senecanische Überlegungen weiter ausgebaut. Die gesamte christliche Existenz, verstanden als täglicher Kampf gegen die unausgesetzten Angriffe des Widersachers und der Welt, wird für Cyprian zu einer ständigen Bewährungsprobe des Glaubens.206

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198 Vgl. dazu auch Fort pr.2;28–31. 199 Ep 11,5,1;83f; vgl. ebenso habit 1;187,16f im Anschluss an Prov 3,11f; ähnlich laps 5;91–94. 200 Vgl. Clarke I, 239. 201 Vgl. ähnlich Minucius Oct 36,9 (s.o. Anm. 170) sowie laps 5;93f. 202 Ep 11,5,3;110–113; vgl. auch Quir 3,91tit, wo es im Anschluss an 1Kor 10,13 heißt: Tantum unumquemque temptari quantum potest sustinere. Zum Motiv des probare vgl. noch ep 11,6,1;117f; 11,7,2;128f; 11,7,3;141–145 sowie laps 5;88f. 203 Der Gegensatz zwischen göttlicher Absicht und tatsächlichem Effekt wird in laps 7;120–131 deutlich herausgestellt. 204 So mit Recht Capmany, Miles, 267–272. 205 Vgl. Lo Cicero, La persecuzione, 92f. 206 Vgl. dazu auch d’Alès, La théologie, 355.

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Christliche Existenz in der Zeit als ständiger Kampf

2. Bewährung gegenüber den Angriffen des Widersachers und der Welt Ist christliche Existenz in der Zeit, wie gesehen, als ein ständiges Angegriffenwerden durch die offenen und verborgenen Angriffe des Widersachers, durch die „Stürme der Welt“ und die Widrigkeiten irdisch-fleischlicher Existenz zu verstehen, so kommt für die Christen alles darauf an, diesen Angriffen standzuhalten. Gefordert ist von ihnen nach cyprianischem Verständnis eine unerschütterliche Standhaftigkeit, die sich von den vielfältigen Angriffen und Widrigkeiten nicht tangieren lässt. Um eine solche Haltung gewinnen zu können, bedarf es freilich intensiver Vorbereitung. Es ist daher ein zentrales Anliegen der Paränese Cyprians, auf die unvermeidlichen Angriffe des Widersachers und der Welt vorzubereiten und sie zu der geforderten Standhaftigkeit anzuhalten. 2.1 Die Vorbereitung auf die Angriffe des Widersachers und der Welt Die Notwendigkeit der Vorbereitung wird von Cyprian v.a. in Bezug auf die offenen und verborgenen Angriffe des Widersachers wiederholt betont. Zwei Aspekte treten hier besonders hervor: die Einübung der Gebote Christi und die Forderung ständiger Wachsamkeit. Bezogen sowohl auf Verfolgungen wie auf die Katastrophen der Endzeit greift Cyprian einige Male das in der antiken Literatur verbreitete Motiv der praemeditatio malorum futurorum auf. Bei allen genannten Aspekten geht es darum, sich im vorhinein auf die zu erwartenden Angriffe einzustellen, um für den Kampf instruiert und gewappnet zu sein und so den Angriffen widerstehen zu können.207 2.1.1 Einübung der Gebote Christi und Wachsamkeit gegenüber den allezeit drohenden Angriffen des Widersachers Für die Vorbereitung auf offene Angriffe des Widersachers wie Verfolgungen und Gewaltmaßnahmen gegen die Christen kommt für Cyprian den Geboten eine wichtige Rolle zu. Die Einübung und „Meditation“ der „Gebote des Herrn“ erscheint hier, wie besonders die praefatio der Schrift Ad Fortunatum zeigt, als der wichtigste Weg der Vorbereitung:208 Angesichts unmittelbar bevorstehender Bedrängnisse und Verfolgungen209 will Cyprian „zur Vorbereitung und Stärkung der Herzen der Brüder Ermahnungen aus den göttlichen Schriften“ zusam____________

207 Weitere, nur gelegentlich erwähnte Aspekte der Vorbereitung bleiben hier unberücksichtigt. Vgl. zum folgenden auch Capmany, Miles, 323–354: „Las armas del Miles (II): Los medios para fortalecerse“, der freilich andere Akzente setzt („oración“, „mortificaciones“, „Eucaristía“, „instrucción“ und „buen ejemplo“), sowie Hummel, Concept, 70–73. Zur Bedeutung des Empfangs der Eucharistie für den Martyriumskampf s.u. Kap. 9.2.3. 208 Vgl. auch Capmany, Miles, 75f.344–349. 209 Vgl. Fort pr.1;2–5; zur Abfassungssituation der Schrift s.o. Kap. 2 Anm. 66.

2. Bewährung gegenüber den Angriffen des Widersachers und der Welt

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menstellen, um damit „die Soldaten Christi zum geistgemäßen, himmlischen Kampf“ zu beseelen.210 „Gleichsam als Waffen und Bollwerke“ (quasi arma ac munimenta) stelle er eine Auswahl aus den praecepta dominica zusammen, genüge doch in der Situation der Bedrängnis die Aufrichtung durch menschliche Worte nicht; die Christen müssten vielmehr durch die göttliche Schrift gefestigt werden.211 Die Gebote dienen demnach nicht nur der (mentalen) Vorbereitung auf bevorstehende Kämpfe, sondern auch der Ausrüstung für den Kampf selbst. Die Notwendigkeit solcher Vorbereitung wird mit allgemeinen Überlegungen begründet: Wie ein Soldat der militärischen Übung bedarf, um kampfbereit zu sein, und der Athlet ohne vorheriges Training keinen Siegeskranz erlangen kann,212 so bedürfen die Christen als Vorbereitung auf die „Pfeile und Geschosse des Teufels“ ständiger Ermahnungen (exhortationes) durch ihre Bischöfe,213 haben sie es doch mit einem alten, aufgrund seiner fast 6000-jährigen Erfahrung214 überaus versierten Gegner zu tun, der einen unvorbereiteten, unausgebildeten und nicht absolut wachsamen Soldaten Christi leicht zu täuschen vermag.215 Wenn dieser dagegen die Gebote des Herrn wahrt und tapfer an Christus hängt, „wird er (sc. der Feind) notwendigerweise besiegt, da Christus, den wir bekennen, unbesiegbar ist“.216 Ist das praecepta custodire vom Kontext her als Modus des fortiter Christo adhaerere zu verstehen,217 so ist der so vorbereitete miles Christi siegreich nicht deshalb, weil er selbst unbesiegbar geworden wäre, sondern weil Christus unbesiegbar ist. Nicht der eigene Heroismus ist das Ziel der paränetischen Einübung der Gebote, sondern die tapfere Bindung (fortiter adhaerere!) an die Person Christi.218 Die Ausführung des in der praefatio angekündigten Vorhabens lässt erkennen, dass Cyprian sowohl Ermunterungen und Verheißungen als auch eindringliche und drohende Ermahnungen zur Stärkung der christlichen Kampfbereitschaft für erforderlich hält: Es geht zuerst und vor allem um wahre Gottesverehrung bzw. Warnung vor jedweder Form von Götzendienst (Fort 1–5) und ____________

210 [...] ut [...] ad praeparandas et corroborandas fratrum mentes de diuinis scripturis hortamenta conponerem quibus milites Christi ad spiritale et caeleste certamen animarem (Fort pr.1;2–7). Vgl. auch laps 7;134f. 211 Z. 7–14; dieser Gedanke wird in Fort pr.4;50–59 noch einmal unterstrichen. 212 Das hier kurz anklingende Agon-Motiv (Z. 20–22) tritt hinter der dominierenden militiaMetaphorik zurück; in ep 58,8,1;181–9,2;220 ist dies ähnlich. Zum Zusammenhang von militia- und Agon-Metaphorik vgl. auch Pfitzner, Agon Motif, 42f u.ö. 213 Vgl. ähnlich ep 57,1,2;27–35 und dazu Kap. 9.2.3. 214 Zu dieser Zeitangabe s.o. Anm. 59. 215 Cyprian verwendet in Z. 26–28 zur Umschreibung mangelnder Vorbereitung eine ganze Serie von Adjektiven: inparatus, rudis, nescius, incautus, inperitus, außerdem die Wendung non sollicito ac toto corde uigilans (dazu s. gleich); vgl. ähnlich ep 60,2,2;36; ep 11,54,2;78f u.ö. 216 [...] si uero quis dominica praecepta custodiens et fortiter Christo adhaerens contra eum steterit, uincatur necesse est, quia Christus quem confitemur inuictus est (Fort pr.2;15–31, Zitat Z. 28–31); vgl. ähnlich ep 59,17,1;480f, außerdem Fort 13;23–26.36–39. Wer die Gebote Christi missachtet, ist demgemäß kaum gegen die Angriffe des Widersachers gewappnet (ep 11,4,2;75–79). 217 Vgl. auch Fort pr.3;39–49, wo die praecepta dominica metaphorisch als lana de agno per quem redempti ac uiuificati sumus (Z. 42f) beschrieben werden. 218 Vgl. auch ep 60,2,1;27f sowie orat 15;275–282, zur Sache auch Hummel, Concept, 91.37–39.

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Christliche Existenz in der Zeit als ständiger Kampf

sodann um die Notwendigkeit des Beharrens im christlichen Glauben (Fort 6–9). Die letzten vier Kapitel (Fort 10–13) halten dazu an, sich durch Bedrängnisse und Verfolgungen nicht schrecken zu lassen, da der Herr stärker sei als die Gegner, solche Ereignisse angekündigt und für Gerechte unvermeidlich seien und der zukünftige Lohn die gegenwärtigen Leiden weit übertreffen werde. Formal handelt es sich um eine Mischung aus Verboten und Warnungen, Geboten, Ermunterungen und exempla, praemeditatio, Zuspruch und Verheißungen; der Ausdruck praecepta dominica ist demnach weit zu fassen.219

Der praefatio von Ad Fortunatum korrespondiert der Schluss von ep 58, einem offenbar in ähnlicher Situation und mit vergleichbarer Intention verfassten Brief an die Gemeinde in Thibaris:220 Ein Soldat Christi, der, wenn der Tag der Verfolgung kommt, die zukünftige Bestrafung und Belohnung bedenkt,221 schreckt nicht vor dem Kampf zurück, sondern ist, durch die Gebote und Mahnungen Christi ausgebildet (eruditus), für den Siegeskranz bereit.222 Die Funktion der Gebote im Blick auf den bevorstehenden „Kampf“ wird hier als erudire bezeichnet,223 der Effekt solcher Ausbildung als Unerschrockenheit und Kampfbereitschaft beschrieben. Der Schrecken einer zukünftigen Verfolgung oder des drohenden Kommens des Antichrists darf einen Christen daher nicht so sehr aus der Fassung bringen, dass er nicht „als durch die Ermahnungen des Evangeliums und die himmlischen Gebote und Mahnungen für alles gerüstet“ erfunden wird.224 Auf das Wüten des Feindes werde das baldige Kommen Christi folgen, der nicht nur die Christen rächen und befreien werde, sondern zudem wegen seines unentrinnbaren Zorns allein wirklich zu fürchten sei.225 Eben darum aber ist, wie Cyprian in einer längeren Auslegung von Eph 6,12–17 ausführt, die „Bewaffnung“ und Vorbereitung für den Kampf notwendig, kann doch nur der mit solchem geistgewirkten, himmlischen Schutz gewappnete Christ „am übelsten Tag den Drohungen des Teufels widerstehen und Paroli bieten“.226 ____________

219 Vgl. auch ep 6,2;24–3,2;88, wo Cyprian die karthagischen Konfessoren ermahnt, nichts in ihren Herzen zu bewegen als die diuina praecepta und mandata caelestia, durch die der Heilige Geist die Christen allezeit zum Ertragen von Leiden beseelt habe (Z. 24–26), und dann eine Mischung aus Verheißungen, Forderungen, Drohungen und exempla folgen lässt (Z. 26–88). Auf den engen Zusammenhang zwischen praecepta, mandata und magisteria bei Cyprian weist Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 81–83, hin, der darin „eine innere Verbindung von Lehre und Weisung“ erkennt (S. 82). Vgl. auch Cancik/Cancik-Lindemaier, Konstruktion, 309, zu den „Formen ethischer Rede“ in der Stoa. 220 Zu den Abfassungsverhältnissen von ep 58 vgl. Koch, CU 168–172, Alföldy, Der Heilige Cyprian, 302f, Clarke III, 226f.228f Anm. 5, sowie Strobel, Imperium Romanum, 158–161. 221 Bezugspunkt des viermal wiederholten haec sind die Ausführungen zum zukünftigen Gericht in ep 58,10,1;221–2;240, in denen die exhortationes des Briefes kulminieren. 222 Ep 58,11;246–249; vgl. auch ep 37,3,2;68–73, wo es von römischen Konfessoren heißt, sie orientierten sich allein an den praecepta Gottes und den praemia Christi. 223 Der unvorbereitete miles Christi ist dagegen rudis (Fort pr.2;26f; ep 60,2,2;36; vgl. unit 1;17). 224 [...] ut non euangelicis exhortationibus et praeceptis ac monitis caelestibus ad omnia inueniatur armatus (ep 58,7,1;161–164). 225 Ep 58,7,1;164–3;180; der letzte Punkt wird breit ausgeführt. 226 [...] ut in die nequissimo resistere diaboli minis et repugnare possimus (ep 58,8,2;190–9,2; 220, Zitat Z. 206f). Das Eph-Zitat wird mit den Worten: armari et parari nos beatus apostolus docet dicens (Z. 195f) eingeführt. In Quir 3,117 stellt Cyprian den Eph-Text unter die Überschrift: Fortem congressionem esse aduersus diabolum et ideo fortiter nos stare debere ut possimus uincere.

2. Bewährung gegenüber den Angriffen des Widersachers und der Welt

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Bezogen auf die verborgenen Angriffe des Widersachers, das heißt seine hinterlistigen Verführungs- und Täuschungsversuche, besteht die notwendige Vorbereitung der Christen in ständiger Wachsamkeit und aufmerksamer Vorsicht. Das Gebot Christi, klug zu sein und mit vorsichtiger Besorgnis zu wachen,227 bezieht Cyprian auf das Problem der gefährlichen Unterschätzung der uitia, die, wenn sie nicht hinreichend ernst genommen und gefürchtet würden, sich zu einer kaum durchschauten, verborgenen Gefahr entwickelten, welche die unvorbereiteten Herzen (inprouidae mentes) im Verborgenen angreife. Gegenüber dem Feind, der ständig auf der Suche nach Schwachstellen sei, seien die Christen gefordert, mit besorgter, voller Wachsamkeit (uigilantia) Widerstand zu leisten.228 Zur Begründung dieser Mahnung zitiert Cyprian, wie gesehen, 1Petr 5,8, die einzige neutestamentliche Stelle, an der die Forderung der Wachsamkeit direkt mit der Tätigkeit des Widersachers begründet wird.229 Um allezeit zum Widerstand gegen die ständigen Angriffsversuche des Widersachers bereit zu sein, muss die Seele unterrichtet und gewappnet (instructus et armatus) sein, und sie muss wachsam sein (uigilare), um die häufigeren, schwerer zu durchschauenden und darum gefährlicheren verborgenen Angriffe erkennen und abwehren zu können.230 Cyprian bezieht damit den neutestamentlich besonders im eschatologischen Kontext beheimateten Begriff der Wachsamkeit auf den alltäglichen Kampf gegen den Widersacher und seine Versuchungen231 – eine Anregung dazu könnte von Mt 26,41par ausgegangen sein –, und er ergänzt den Aspekt der vorsichtigen Aufmerksamkeit um den der notwendigen Vorbereitung. Wachsam sein heißt vorbereitet (paratus) sein; wer nicht hinreichend vorbereitet ist, macht sich eben damit verwundbar. Hier berührt sich das Thema der Wachsamkeit mit dem der Einübung der Gebote. Dies wird noch deutlicher, wenn Cyprian in unit 1–2 die Forderung, mit besorgtem Herzen zu wachen (sollicito corde uigilare)232 und sich vor den besonders zu fürchtenden heimlichen Einschleichversuchen und Täuschungen des hinterlistigen Feindes vorzusehen (prouidere) und zu hüten (cauere), nicht nur mit Ermahnungen Jesu begründet,233 sondern zugleich als Nachahmung seines vorbildlichen Handelns konkretisiert: Wie dieser den Widersacher, der ihn zu täuschen versuchte, erkannt, enthüllt und niedergeworfen und so durch die ____________

227 Cyprian paraphrasiert in zel 1;7f Mt 10,16bα und spielt auf Mt 26,41par an. 228 Zel 1;1–16. Zur Bezeichnung der Wachsamkeit verwendet Cyprian am häufigsten das Verbum uigilare mit seinen Derivaten. Daneben begegnet gelegentlich das Verbum excubare (zel 1;13; ep 43,3,1;41; ep 65,3,3;62f). Wichtig sind auch Wörter wie sollicitus, sollicitudo (vgl. Kap. 3 Anm. 35) und cautus, cauere etc. 229 Z. 16–19; vgl. die klare, allerdings knappe Übersicht von Nützel, γρηγορε' ω, 638f. 230 Zel 3;34–41; vgl. auch zel 6;93–95. 231 Der eschatologische Aspekt fehlt bei Cyprian keineswegs (vgl. bes. pat 21–24 sowie den im folgenden angeführten Abschnitt unit 27), tritt aber in den Hintergrund. 232 Vgl. ebenso Fort pr.2;27. 233 Eine Paraphrase von Mt 10,16b steht hier neben einem Zitat von Mt 5,13a (unit 1;2–4); die vorausgesetzte Deutung von Mt 5,13a ist unklar. Die beiden Texte stehen auch in Quir 3,87 zusammen.

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Gebote (mandata) den Tod besiegt habe, so könnten die Christen nur dann die Unsterblichkeit festhalten, wenn sie, sich vor der Gefahr vorsehend, die Gebote Christi wahrten.234 Cyprian stellt den Gebotsgehorsam Jesu als zentrales Moment seines Sieges über den Versucher heraus235 und lässt so im Kontext den Gebotsgehorsam als Modus der gebotenen Vorsicht und Wachsamkeit erscheinen.236 Expliziert wird dieser Zusammenhang im Schlusskapitel der Schrift:237 Der das Kapitel eröffnende Hortativ, aus dem Schlaf der alten Trägheit zu erwachen und zum Halten und Tun der Gebote (praecepta) des Herrn wachsam zu sein,238 wird zunächst in einer Auslegung von Lk 12,35–37a eschatologisch auf die Wiederkunft Christi bezogen: Christen müssen gegürtet sein, damit der Tag des „Abmarsches“ (expeditio) sie kampfbereit und ungebunden antrifft;239 ihr Licht soll in guten Werken leuchten, damit Christus sie zum Licht ewiger Herrlichkeit führt; sie sollen „allezeit besorgt und vorsichtig“ (solliciti semper et cauti) die plötzliche Ankunft des Herrn erwarten, damit er sie wachend antrifft und sie den Lohn der Wachsamkeit erhalten.240 Abschließend bezieht Cyprian die aus dem Gebotsgehorsam resultierende Wachsamkeit auf die Täuschungsversuche des Widersachers: „Wenn diese Weisungen gewahrt werden, wenn diese Ermahnungen und Gebote gehalten werden, dann können wir nicht als Schlafende durch den täuschenden Teufel niedergedrückt werden [...]“.241

Gebotsgehorsam und Wachsamkeit bedingen sich demnach gegenseitig: Wer zum Halten und Tun der Gebote wachsam ist, der ist eben damit auch gegenüber den verborgenen Angriffsversuchen des Widersachers wachsam242 und daher von diesem nicht zu täuschen und zu besiegen.243 ____________

234 Vnit 1;2–2;28. Die Forderung des Gebotsgehorsams wird in Z. 26–28 mit Zitaten von Mt 19, 17b und Joh 15,14b–15a unterstrichen; der Ausdruck mandata Christi bezeichnet hier die von Christus gegen den Versucher zitierten alttestamentlichen Gebote. Zur weiteren Fortsetzung s.u. 2.2.1. 235 Das hier vorausgesetzte, nur kurz angedeutete Verständnis der Versuchungsgeschichte entspricht den Ausführungen des Irenäus in haer 5,21,2; vgl. dazu Steiner, La tentation, 53–63. 236 Gegenbild ist die Täuschung des ersten Menschen (Z. 16f), dessen leichtfertige Unvorsichtigkeit in Z. 21 als ueteris hominis uia charakterisiert wird; vgl. auch Z. 22f. Die Gebotsübertretung Adams hatte nach cyprianischem Verständnis den Verlust der Unsterblichkeit zur Folge (vgl. pat 17; 325–227 u.ö.). 237 Korrespondenzen zwischen Anfang und Schluss einer Schrift finden sich bei Cyprian häufig. 238 Vnit 27;606–608; vgl. ähnlich pat 24;480–482. 239 Bévenot, ACW 25, 67, übersetzt expeditio mit „campaign“. 240 Z. 608–619; vgl. ähnlich Fort 8;10–12, ebenfalls zu Lk 12,35–37a. 241 Si haec mandata seruentur, si haec monita et praecepta teneantur, opprimi dormientes diabolo fallente non possumus [...] (Z. 619–621). Bévenot, ACW 25, 124 Anm. 203, erwägt für possumus futurische Bedeutung; vgl. dazu auch Merkx, 102. 242 In dieser Schrift ist hier vor allem an Schismen und Häresien gedacht (s.o. 1.2); entsprechend wird γρηγορει^ν in Apg 20,31f gebraucht. 243 Vgl. auch ep 43,3,1;39–41 bzw. 43,6,3;133–141 sowie ep 59,20,2;553–557. – Bei der von Cyprian häufig thematisierten Forderung der Wachsamkeit im Gebet (in oratione uigilare) ist in der Regel an unablässiges Beten gedacht (vgl. ep 11,5,1;80–2;99; orat 29;542–544; 36;682–684.692–697

2. Bewährung gegenüber den Angriffen des Widersachers und der Welt

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Die Vorbereitung auf die vielfältigen Angriffe des Widersachers, seien es offene, seien es verborgene, ist für Cyprian vor allem eine ‚mentale‘ Vorbereitung: Wer durch die biblischen Gebote „ausgebildet“ ist, weiß, was auf ihn zukommt und wie er sich zu verhalten hat, er ist wachsam, sieht sich vor und ist daher jederzeit zum Kampf bereit. Die theologische Systematisierung des angeführten biblisch-paränetischen Materials unter dem Gesichtspunkt des praeceptis armari et parari dürfte sich paganen philosophischen Einflüssen verdanken. Das Memorieren und Einüben der wesentlichen Lehrsätze, das darauf zielt, diese in jeder Situation anwenden zu können, ist besonders den Kynikern und den Epikureern wichtig.244 Die Notwendigkeit steter Wachsamkeit wird auch in der philosophischen Psychagogie betont und ist v.a. für die stoische Philosophie von Bedeutung.245 Dient bereits für den Kyniker Diogenes die Philosophie dazu, auf jedes Schicksal gefasst zu sein,246 so wird die Notwendigkeit, stets auf alle Angriffe des Schicksals vorbereitet zu sein, besonders von Seneca häufig betont;247 mit letzterem gibt es auch im Vokabular vielfältige Übereinstimmungen.248 Der wachsame Christ, wie Cyprian ihn beschreibt, ist verwandt dem stoischen Weisen, der mit allem rechnet und daher den „Pfeilen des Schicksals“ unerschrocken gegenüberzutreten vermag.249 Wachsamkeit heißt vor allem, durch das Wissen um die häufig täuschende Vorgehensweise des Widersachers und permanente Abwehrbereitschaft auf Angriffe und Gefahren vorbereitet zu sein.250 Wie die constantia des stoischen Weisen im Wissen darum begründet ist, wie

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u.ö.). Zur Wachsamkeit gegenüber den subtilen Ablenkungsmanövern des Widersachers während des Gebets wird in orat 31;562–588 ermahnt. 244 Zur Forderung der „Griffbereitschaft der Lehre“ bei den Kynikern vgl. Billerbeck, Demetrius, 31–35, die freilich damit rechnet, dass es sich hier um „kynisch-stoisches Gemeingut“ handelt, zu den Epikureern vgl. Rabbow, Seelenführung, 127–130.336–338. Von einer praeceptorum salutarium adsidua meditatio, die dem Geist (animus) Frieden gebe, spricht Seneca dial 5,41,1 (126,5f Reynolds). Um das, was heilsam ist (salutaria), zur Hand zu haben (in promptu), bedarf es nach Seneca ep 94,26 der praecepta. 245 Vgl. Rabbow, Seelenführung, 249–257. Rabbow verweist auf den Terminus προσοχη' , verstanden als ‚sittliche Aufmerksamkeit‘, wobei es darum gehe, selbst in kleinsten Dingen das sittliche Bewusstsein bzw. die philosophischen Grundregeln zur Anwendung zu bringen (S. 250); jedes Nachlassen in der Wachsamkeit werde als Scheitern verstanden (S. 255). Zur Notwendigkeit ständiger Aufmerksamkeit vgl. besonders Epictet IV,12: περι` προσοχη^ ς; vgl. ferner Epictet III,22,104f sowie die Belege bei Rabbow, a.a.O., 316f Anm. 91–99. 246 [...] το` γου^ ν προ` ς πα^σαν τυ' χην παρεσκευ' ασθαι (Giannantoni II, 368 Nr.360). 247 Vgl. etwa ep 107,12: paratos nos inueniat atque inpigros fatum [...] (450,10f Reynolds), sowie die Ausführungen zur praemeditatio-Thematik im folgenden Abschnitt. 248 Zu inparatus vgl. Seneca ep 59,8; 107,3f; 18,8, zu rudis und inperitus ep 102,26; 72,9; benef 3,31,5 u.ö.; auch die Wendung praeceptis erudiri (Cyprian ep 58,11) findet sich bei Seneca dial 12,17,4 in vergleichbarem Kontext (in anderem Zusammenhang auch Cicero Rep 1,36). Zur wiederholt anklingenden Agon- und militia-Metaphorik s.o. 1.2. 249 Vgl. dazu Busch, Fortunae resistere, bes. S. 140–144, und Blänsdorf, L’interprétation. 250 Die Wachsamkeit gegenüber den ständig sich einschleichenden uitia, wie sie besonders in zel 1–3 gefordert wird, hat Entsprechungen darin, wie in stoischen Texten die Bekämpfung von Affekten beschrieben wird; vgl. etwa Seneca ep 116,2f; dial 3,8,1–3 und dazu Ganss, Bild, 25–30, sowie Spanneut, Apatheia, 4680f.

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sich die Dinge in Wahrheit verhalten, worin bona und mala tatsächlich bestehen und worauf es letztlich ankommt,251 so bedarf der cyprianische Christ der Einübung in die richtige theologische Beurteilung der Situation der Bedrängnis oder Verführung, um für alles gewappnet zu sein. Eben dies geschieht Cyprian zufolge durch die Meditation der biblischen praecepta,252 als welche er, wie gesehen, keineswegs nur Gebote im strikten Sinne des Wortes anführt, sondern schlechterdings alles, was zur angemessenen Haltung gegenüber den Angriffen des Widersachers und den Widrigkeiten der Welt beitragen kann. Wer diese „Gebote“ meditiert, gewinnt nicht nur die Überzeugung, dass es notwendig ist standzuhalten, da andernfalls die Taufbefreiung verlorenzugehen droht, und dass es möglich ist, weil der, der diese Gebote gibt und selbst in den Christen wohnt, stärker ist als der Widersacher; er ist auch auf alles, was kommen mag, vorbereitet und darum in der Lage, den Angriffen zu widerstehen. Die in der Einübung der Gebote begründete Wachsamkeit berührt sich daher mit der im folgenden erörterten praemeditatio-Motivik, zielt doch auch diese auf eine „Grundhaltung gespannter Wachsamkeit“.253 2.1.2 Die cyprianische Rezeption des Motivs der praemeditatio futurorum malorum In der antiken philosophischen Tradition begegnet nicht selten das Thema, man müsse stets auf Wechselfälle des Schicksals wie etwa den Verlust des Besitzes oder der Stellung, Krankheiten oder den plötzlichen Tod von Angehörigen vorbereitet sein, da solche Dinge unvermeidlicher Bestandteil des menschlichen Lebens seien. Dieses Thema, die sog. praemeditatio futurorum malorum, findet sich häufig in der Konsolationsliteratur, wo es insbesondere der Kritik maßloser Trauer dient,254 aber auch in der Psychagogie, für die es ein wesentliches Element der Erziehung zur constantia ist.255 Hier wie dort geht es um den Anspruch, auf das Eintreten widriger Ereignisse vorbereitet zu sein, um entsprechend souverän reagieren zu können. Cyprian rezipiert an einigen Stellen Grundelemente dieser Thematik und bezieht sie auf die Angriffe des Widersachers und der Welt, denen die Christen ausgesetzt sind. Die ausführlichste Erörterung der praemeditatio-Thematik findet sich bei Cicero, der ihre philosophische Verwendung auf die Kyrenaiker zurückführt, entsprechende Äußerungen aber auch bei Dichtern sowie bei dem Stoiker Chrysipp findet.256 Die Übung, sich im vorhinein auf das

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251 Vgl. dazu Forschner, Die stoische Ethik, 165–171. 252 Vgl. ep 6,2,1;24–26; ep 58,11;241–249 u.ö. 253 I. Hadot, Seneca, 61; Näheres dazu s. gleich. 254 Vgl. dazu ausführlich Johann, Trauer und Trost, 63–84. 255 Vgl. I. Hadot, Seneca, 60f. 256 Vgl. Cicero Tusc 3,28–61, bes. §§28–31.52; als Dichter werden Telamon, Euripides und Terenz angeführt. Newman, Cotidie meditare, 1477, folgert daraus, dass die Vorstellung der praemeditatio nicht auf die Philosophie beschränkt war; vgl. aber Cicero Tusc 3,31: a philosophia sumptum (333,23 Pohlenz). Dass die Kyrenaiker tatsächlich die praemeditatio empfohlen haben, wird von Rab-

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Eintreffen von Übeln einzustellen, ist demnach verbreitet und hat eine lange Tradition.257 Eine besondere Bedeutung hat die praemeditatio für die Stoa, für die sie, wie I. Hadot betont, „geradezu eine zentrale Stelle“ einnimmt.258 Notwendig sei diese Übung für die Stoiker, damit auch bei plötzlichem Eintreten fälschlich so genannter Übel das „stoische Grunddogma, daß es kein Übel gebe außer dem Laster“, zur Hand sei.259 Die Forderung, „in aufrechter Haltung und mit offenen Augen der Tyche ins Gesicht zu sehen“, führe zu einer „Grundhaltung gespannter Wachsamkeit“.260 Newman macht daher mit Recht darauf aufmerksam, dass es im stoischen Kontext weniger um die bloße Vorwegnahme eines zukünftigen Übels als vielmehr um „an actual rehearsal for that event“ gehe. Das Ziel sei nicht bloß, Überraschung und Kummer zu reduzieren, sondern vor allem, an vermeintlichen Übeln die Tugend zu bewähren.261

Cyprian steht in dieser Tradition, wenn er karthagischen lapsi, die gleich zu Beginn der Durchführung des Decius-Ediktes in Massen ihren Glauben verleugnet haben, die vorwurfsvolle Frage stellt: „Was für Unerhörtes, bitte schön, was für Neues war geschehen, dass der Eidesbund mit Christus in voreiliger Kühnheit aufgelöst wurde, so als ob unbekannte und unerwartete Dinge aufgekommen wären?!“262

Mit der Frage: quid inauditum, quid nouum uenerat, greift Cyprian ein zentrales Element der praemeditatio-Motivik auf. Die Formulierung hat eine nahe Entsprechung bei Seneca: quid incredibile, quid nouum euenit?263 Begründet Sene-

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bow, Seelenführung, 306 Anm. 37, in Frage gestellt; vgl. dagegen Newman, Cotidie meditare, 1477 Anm. 8, sowie Giannantoni IV, 183. Die Ausführungen Ciceros haben eine nahe Entsprechung bei Poseidonius Fragm. 165 Edelstein-Kidd (vgl. bes. Z. 22–53), wo ebenfalls die Notwendigkeit der praemeditatio (προενδημει^ν) vertreten wird. Zu den Hintergründen von Tusc 3,28–61 vgl. auch Graver, Tusc, 96–110, zur Erwähnung der Kyrenaiker ebd., 195–201. 257 Vgl. Rabbow, Seelenführung, 160f, der neben Euripides und dessen Lehrer Anaxagoras noch die pythagoreische Schule nennt (Belege S. 306 Anm. 37); vgl. S. 160–179 insgesamt mit vielen Belegen zu dieser Thematik sowie Sorabji, Emotion, 235–237. 258 Seneca, 61; ähnlich Rabbow, Seelenleitung, 168. 259 I. Hadot, Seneca, 60; vgl. dazu auch Newman, Cotidie meditare, 1478. – Entschiedene Gegner einer praemeditatio futurorum malorum sind die Epikureer, die darin lediglich eine Vergrößerung der Übel erkennen; vgl. dazu Cicero Tusc 3,32f sowie I. Hadot, Seneca, 62f, und Rabbow, Seelenführung, 145–147. 260 I. Hadot, Seneca, 61, mit Hinweis auf Cicero Tusc 4,37f: nam quid aut in studiis humanis aut in tam exigua breuitate uitae magnum sapienti uideri potest, qui semper animo sic excubat, ut ei nihil inprouisum accidere possit, nihil inopinatum, nihil omnino nouum. atque idem ita acrem in omnis partis aciem intendit, ut semper uideat sedem sibi ac locum sine molestia atque angore uiuendi, ut, quemcumque casum fortuna inuexerit, hunc apte et quiete ferat (379,23–380,6 Pohlenz). Zum stoischen Hintergrund dieser Stelle vgl. auch Johann, Trauer und Trost, 68–70. 261 Newman, Cotidie meditare, 1478; Hauptbeispiel dafür ist der Tod: Chrysipp kann die Philosophie in diesem Sinne als μελε' τη του^ φυσικου^ θανα' του definieren (SVF III, 768 [190,36f von Arnim]). 262 Quid, oro, inauditum, quid nouum uenerat ut, uelut incognitis adque inopinatis rebus exortis Christi sacramentum temeritate praecipiti solueretur? (laps 7;129–131). Zur Bedeutung des Ausdrucks Christi sacramentum vgl. hier Hummel, Concept, 61f. 263 Ep 99,22 (414,30f Reynolds); ep 99 ist ein harscher Trostbrief zum Tod eines Kindes. Vgl. ähnlich Seneca dial 11,11,2 u.ö. sowie die Zusammenstellung der Belege bei Kassel, Untersuchungen, 69, und Martin, laps z.St.

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ca, der Ausrichtung der Konsolationsliteratur entsprechend, mit diesem Argument die Forderung, das Unvermeidliche mit Gelassenheit zu tragen,264 so verwendet Cyprian es mit entsprechender Intention: Angesichts der Erwartbarkeit der eingetretenen Ereignisse hätten sich die karthagischen Christen durch sie nicht zu solchem Fehlverhalten verleiten lassen dürfen. Der Charakter des Erwartbaren ist freilich verschieden: Steht bei Seneca wie im Kontext der antiken praemeditatio-Thematik generell das Motiv der communis hominum condicio im Hintergrund, zu welcher der (plötzliche) Tod ebenso gehört wie die Unsicherheit und Wechselhaftigkeit alles Irdischen,265 so bei Cyprian das Angekündigtsein sowohl des göttlichen Gerichts im Falle von Ungehorsam als auch der Bedrängnisse und Verfolgungen.266 Solche vorbereitende, sowohl drohende wie stärkende Ankündigung hätte die Christen in die Lage versetzen müssen, die eingetretenen Katastrophen geduldig und tapfer zu ertragen.267 Die Erwartbarkeit bedrängender Ereignisse begründet wie im paganen Kontext so auch hier den Anspruch, sich im vorhinein auf ihr Eintreten einzustellen und sie dann mit Gelassenheit zu tragen. Cyprian kann die praemeditatio-Motivik daher auch verwenden, um angesichts einer in Karthago grassierenden Pestepidemie zur Standhaftigkeit zu ermutigen: Wer als Soldat Gottes im himmlischen Heerlager diene, müsse wissen, dass es für ihn angesichts der Stürme der Welt weder Zittern noch Verwirrung geben dürfe, habe doch Christus das Eintreten von Kriegen, Hungersnöten, Erdbeben und Pestepidemien vorhergesagt und sie damit vorsorglich unterwiesen, vorbereitet und gestärkt, alles Zukünftige zu ertragen. Er habe die Zunahme der Widrigkeiten in den letzten Zeiten zuvor angekündigt, damit nicht „der unerwartete und neue Schrecken feindseliger Ereignisse“ sie erschüttere.268 Die Deutung der jesuanischen Ankündigung der Katastrophen der Endzeit269 als Vorbereitung und Stärkung, die dazu befähigt, diese Ereignisse unerschrocken zu tragen, nimmt eine zur praemeditatio-Motivik gehörige psychologische ____________

264 Aequo animo excipe necessaria (ep 99,22 [414,30 Reynolds]). Zur Verwendung des Motivs der praemeditatio futurorum malorum bei Seneca vgl. Manning, Seneca’s 98th Letter, und ders., On Seneca’s „Ad Marciam“, 60f. 265 Vgl. Johann, Trauer und Trost, 63–66. 266 Vgl. laps 6;114–7;120 bzw. 7;131–146. 267 Dass de facto das Gegenteil dessen geschehen ist, weil die karthagischen Christen dies alles ‚vergessen‘ haben, wird in laps 8–12 breit ausgeführt. – Dass viele römische lapsi in einer neuen Situation der Bedrängnis standhaft geblieben sind, bestätigt für Cyprian, dass sie beim ersten Mal überrascht worden und aus Furcht vor einer neuen, ungewohnten Sache ins Zittern geraten seien (ep 60,2,5;53–59). 268 [...] ne inopinatus nos et nouus rerum infestantium metus quateret (mort 2;15–25, Zitat Z. 22f); die Fortsetzung betont, das Eintreten der angekündigten aduersa verbürge zudem die baldige Erfüllung auch der Verheißungen Christi (Z. 25–37). In ep 58,2,2;37–41 wird bezogen auf eine drohende neue Verfolgung entsprechend argumentiert; das dort folgende Zitat von 1Petr 4,12–14 (Z. 41– 52) enthält in V. 12 die Formulierung: nolite mirari adorem accidentem uobis [...] nec excidatis tamquam nouum uobis contingat, wird freilich nicht explizit auf das nihil nouum-Motiv hin ausgelegt. 269 Cyprian nimmt in Z. 21f auf Mt 24,7b Bezug; in Fort 11;20–60 wird in entsprechendem Kontext Mt 24,4–31 insgesamt zitiert (s.u.).

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Argumentation auf, wie sie etwa bei Cicero begegnet: Schicksalsschläge, von denen man im voraus weiß, treffen nicht so hart wie Unerwartetes.270 Auch die von Cyprian verwendeten Adjektive inopinatus und nouus begegnen in entsprechenden Zusammenhängen wiederholt.271 Der Rückzug auf ein „Damit habe ich nicht gerechnet“ ist für Cyprian so wenig erlaubt wie für die stoische Tradition,272 freilich nicht, weil grundsätzlich mit allem zu rechnen ist,273 sondern weil der Christ durch die Ankündigungen Jesu im voraus über das, was ihm widerfährt, unterrichtet worden ist.274 In modifizierter Form kann Cyprian freilich auch den für die praemeditatioMotivik grundlegenden Aspekt der communis hominum condicio aufnehmen, und zwar indem er sie durch eine communis bonorum et iustorum condicio ersetzt. Auf diese Weise kann er wesentliche Elemente dieser Thematik für seine Paränese fruchtbar machen: „Dass zuvor angekündigt worden ist, dass uns die Welt hassen werde und dass sie Verfolgungen gegen uns anstacheln werde und dass den Christen (damit) nichts Neues geschehe, da von Anbeginn der Welt an die Guten gelitten hätten und die Gerechten von den Ungerechten unterdrückt und getötet worden seien“.275

Das Motiv des nihil nouum wird hier nicht nur mit entsprechenden Ankündigungen, sondern darüber hinaus mit einer allgemeinen Regel begründet: Bedrängnisse und Verfolgungen kennzeichnen die Situation der Guten und Gerechten seit Anbeginn der Welt;276 wenn Christen Entsprechendes wider-

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270 Videntur enim omnia repentina grauiora. [...] haec igitur praemeditatio futurorum malorum lenit eorum aduentum, quae uenientia longe ante uideris (Tusc 3,28f [332,7f.15f Pohlenz]); vgl. Tusc 3,28–31 insgesamt und dazu Stramondo, mort, 56f. Vgl. auch Seneca ep 113,27: [...] nisi [...] omnis casus antequam exciperet meditando praedomuit (sc. fortitudo) (479,2–4 Reynolds), ferner dial 2,19,3; dial 12,5,3; ep 107,4 u.ö. Bei Cyprian vgl. noch unit 1;10–12 (bezogen auf die offenen Angriffe des Widersachers). 271 Vgl. etwa Cicero Tusc 4,37 (zitiert oben Anm. 260); zu inopinatus o.ä. vgl. ferner Cicero Tusc 3,52.55.57; Seneca dial 6,9,2; 11,11,1; ep 107,4 u.ö.; vgl. auch necopinatum Cicero Tusc 3,45.52 u.ö. 272 Vgl. Cicero off 1,81 (non putaram) im Anschluss an Panaetius (bestätigt durch Plutarch περι` ε πιθυμι' ας 16; vgl. Rabbow, Seelenführung, 162f); Seneca dial 4,31,4 (non putaui); dial 9,11,8 u.ö. 273 So die Begründung bei den Stoikern; vgl. Cicero off 1,81 (Panaetius) und Seneca dial 4,31,4 (omnia puta, expecta [85,28 Reynolds]) u.ö. 274 Vgl. dazu auch Stramondo, mort, 56f. Die Argumentation entspricht damit in etwa dem ι δου` προει' ρηκα υ μι^ν in Mt 24,25, dort bezogen auf das Auftreten von ψευδο' χριστοι. Die Parallelstelle Mk 13,23 wird in unit 17;414–419 in entsprechendem Kontext – bezogen auf das Auftreten von Häretikern und Schismatikern – angeführt. Vgl. ähnlich bereits Tertullian paescr 4,1. 275 Ante praedictum esse quod nos mundus odio habiturus esset et quod persecutiones aduersum nos excitaret et quod nihil nouum christianis accidat, quando ab initio mundi boni laborauerint et oppressi adque occisi sint iusti ab iniustis (Fort 11tit). – Die etwas breitere Ausführung dieser These in Fort pr.5;111–119 ergänzt die beiden aus mort 2 bekannten Aspekte, dass die Ankündigung solcher Ereignisse die Christen zur Unerschrockenheit befähigen soll und ihr Eintreten die Zuverlässigkeit auch der göttlichen Verheißungen verbürgt. 276 Vgl. ebenso laps 7;132–134.

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fährt, ist dies nichts Neues.277 Cyprian erläutert diese These zunächst mit einer Reihe von Zitaten, in denen die Feindseligkeit der Welt und die Verfolgung der Christen angekündigt werden,278 unterstreicht dann nochmals, was den Christen jetzt widerfahre, sei „weder neu noch unvermutet“ (nec noua aut repentina haec sunt),279 da die Guten, Gerechten und wahrhaft Frommen zu allen Zeiten vielfältigen Bedrängnissen und Anfeindungen ausgesetzt seien,280 und belegt dies ausführlich mit biblischen exempla leidender Gerechter.281 Die abschließende Aufforderung, sich diesen Leidenszeugnissen entsprechend zu verhalten, wird mit einem weiteren, im Kontext der praemeditatio-Thematik beheimateten Motiv verbunden, wonach eine von vielen anderen bereits erlittene Sache nicht schwer zu ertragen sein könne:282 Angesichts der in Apk 7,9f.13–15 erwähnten großen Zahl der christlichen Märtyrer mahnt Cyprian, „niemand möge es für schwierig oder allzu mühevoll halten, ein Märtyrer zu werden, da er (ja) sehe, dass das Volk der Märtyrer unzählbar sei“.283 Die Aufforderung, den genannten Beispielen zu entsprechen,284 erinnert daran, dass hier, anders als bei den Wechselfällen des Schicksals, die gelassen zu ertragen sind, weil niemand ihnen entgehen kann, das Moment des willentlichen Aufsichnehmens von Bedrängnissen um der gewählten Lebensweise willen hinzukommt: Der communis bonorum et iustorum condicio kann man sich leicht, etwa durch Leugnung des Glaubens, entziehen. Die christliche tolerantia passionum gewinnt damit einen heroischen Zug, der sie mit entsprechenden römischen Vorstellungen kompatibel macht.285 Die Rezeption der praemeditatio-Motivik ist ein aufschlussreiches Beispiel für die wechselseitige Durchdringung von biblischen und antiken philosophischen Elementen im cyprianischen Denken. Ist die Thematik der untersuchten ____________

277 Deléani, L’utilisation, 319f, spricht von einem universalen, auch durch pagane Analogien bestätigten Gesetz „de la souffrance du juste“, äußert sich aber nicht zum Thema der praemeditatio. 278 Z. 6–60; neben Mt 24,4–31 werden Zitate aus den johanneischen Abschiedsreden angeführt. 279 Repentinus etc. begegnet ebenfalls wiederholt im Kontext der praemeditatio-Motivik; vgl. Cicero Tusc 3,28; Seneca ep 117,19; dial 9,11,7 u.ö. 280 Z. 61–65; zu diesem Passus s.o. Kap. 2.3.2. 281 Z. 65–212; der erste Teil der exempla-Reihe (Z. 65–87: Abel, Jakob, Joseph, David, Elia, der Priester Zacharias sowie die drei Jünglinge aus Dan 3) stimmt weitgehend mit Tertullian Scorp 8,2–8 überein (das Motiv des nihil nouum hat hier jedoch keine Entsprechung); der erheblich längere zweite Teil handelt von den sieben Makkabäer-Brüdern, ihrer Mutter und Eleasar (Z. 87–212). Zum Hintergrund der cyprianischen exempla-Reihe in der jüdisch-christlichen Tradition des leidenden Gerechten vgl. Deléani, Les exempla, bes. S. 246–251, zu exempla constantiae in der paganen praemeditatioTradition Johann, Trauer und Trost, 72f. 282 Vgl. etwa Cicero Tusc 3,57: [...] significat tolerabilia esse, quae et tulerint et ferant ceteri (346,11f Pohlenz), ferner Tusc 3,60; 4,63 u.ö. sowie Johann, Trauer und Trost, 70–75. Tertullian verweist in mart 4,3 mit entsprechender Absicht auf die große Zahl der paganen exempla. 283 [...] nemo difficile uel arduum putet esse martyrem fieri, quando uideat martyrum populum non posse numerari (Z. 213–232, Zitat Z. 230–232). 284 [...] per eadem documenta poenarum, per eadem passionum martyria pergamus (Z. 214–216). 285 Vgl. etwa die Definiton der patientia als honestatis aut utilitatis causa rerum arduarum ac difficilium uoluntaria ac diuturna perpessio bei Cicero inu 2,163 (149b,11–13 Stroebel) und dazu Kunick, Begriff, 4–22 (römisch-soldatische Tugend) sowie S. 82–120 (Cicero und Seneca).

2. Bewährung gegenüber den Angriffen des Widersachers und der Welt

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Abschnitte eindeutig biblisch-christlich bestimmt, so verraten die Deutung der aufgenommenen biblischen Texte und die Beschreibung der geforderten christlichen Haltung unverkennbar philosophische Einflüsse, die auch in begrifflichen Übereinstimmungen sichtbar werden. Das Angekündigtsein von Verfolgungen und Endzeitkatastrophen wird zur praeparatio auf diese Ereignisse, und der Topos des leidenden Gerechten wird als communis bonorum et iustorum condicio entsprechend ausgelegt. Die praeparatio aber besteht wesentlich in der praemeditatio, die dazu befähigt, Bedrängnisse, Verfolgungen und Katastrophen, wenn sie der Erwartung entsprechend eintreten, mit ebenso unerschrockener Gelassenheit zu ertragen wie der Weise in der paganen philosophischen Tradition die Schläge der fortuna. 2.2 Die Standhaftigkeit der Christen gegenüber den vielfältigen Angriffen des Widersachers und der Welt Die unerschütterliche Standhaftigkeit als Bewährung gegenüber den Angriffen, denen die Christen ausgesetzt sind, kann von Cyprian unter verschiedenen Aspekten beschrieben werden. Wichtig ist hier für ihn, wie vom Vorangehenden her zu erwarten, das Festhalten an den Geboten Gottes. Darüber hinaus spielt die christliche Zukunftserwartung eine zentrale Rolle: Das zuversichtliche Vertrauen auf das Verheißene ermöglicht es, Bedrängnisse und Widrigkeiten der Gegenwart gelassen und klaglos zu ertragen. Trotz aller Schmerzen und Leiden nicht zu klagen, macht für Cyprian die christliche Haltung in dieser Zeit und Welt aus. Wie der stoische Weise nach Seneca, so begrüßt auch der Christ selbst schlimmste Widrigkeiten, die ihm widerfahren, als Gelegenheit, seine magnitudo animi unter Beweis zu stellen. 2.2.1 Standhaftigkeit gegenüber den „Stürmen der Welt“ durch das Festhalten an den Geboten Nicht nur für die Vorbereitung auf die Angriffe, denen die Christen ausgesetzt sind, kommt den Geboten eine zentrale Rolle zu, sondern auch für die Kämpfe selbst. Dies zeigen besonders deutlich einige Passagen, in denen Cyprian im Anschluss an das neutestamentliche Gleichnis vom Haus auf dem Felsen (Mt 7,24f) christliche Standhaftigkeit gegenüber den „Stürmen der Welt“ in den Geboten wurzeln lässt. So leitet er in unit 2 ein Zitat von Mt 7,24f mit den Worten ein, Christus sage von denjenigen, die seine Gebote wahrten, „dass sie stark und standhaft sind, dass sie mit mächtiger Stärke auf einem Felsen gegründet sind, dass sie mit unbeweglicher, unerschütterlicher Festigkeit gegen alle Unwetter und Stürme der Welt festgemacht sind“.286 ____________

286 Hos denique fortes dicit et stabiles, hos super petram robusta mole fundatos, hos contra omnes tempestates et turbines saeculi inmobili et inconcussa firmitate solidatos (unit 2;28–31). Der Ablativ

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Christen müssten daher „bei seinen Worten beharren (und) lernen und tun, was immer er gelehrt und getan hat“.287 Cyprian identifiziert damit nicht nur das Hören und Tun der Worte Christi in Mt 7,24a mit dem Halten seiner Gebote, sondern deutet darüber hinaus das Gleichnis allegorisch auf die Funktion des Gebotsgehorsams für die christliche Existenz: Er verleiht den Christen unerschütterliche Standhaftigkeit gegenüber den Angriffen der Welt. Wer dagegen die Gebote nicht wahrt, wird umhergetrieben wie Staub, den der Wind zerstreut.288 Schon in der Schrift De habitu uirginum, das heißt bereits vor Ausbruch der decischen Verfolgung,289 betont Cyprian, es sei für Christen nichts erstrebenswerter als, „die Wurzeln kräftig befestigt“ und die Häuser „mit mächtiger Stärke auf einem Felsen festgemacht, unerschütterlich den Winden und Stürmen der Welt“ standzuhalten und so durch die göttlichen Gebote zu den Gaben Gottes zu gelangen.290 Die christliche Standfestigkeit wird mit zwei biblisch geprägten Metaphern angedeutet, deren erste (radicibus fortius fixis) als Anspielung auf das Gleichnis vom Sämann zu verstehen sein dürfte,291 während die zweite offenkundig Mt 7,24f aufnimmt;292 Bezugspunkt der festen Verankerung ist die disciplina als Inbegriff der Gebote Gottes.293 Das in dem dramatischen Bild des den „Stürmen der Welt“ ausgesetzten „Hauses“ sich artikulierende Verständnis christlicher Existenz in der Zeit und die damit verbundene Funktionsbestimmung des Gebotsgehorsams erweisen sich damit als ein konstituierendes Element der cyprianischen Theologie von Anfang an.294 Dass sich die Verwendung dieser Metaphorik auch in der Situation der Verfolgung nahelegt, liegt auf der Hand. Von karthagischen Christen, die zwar nicht zu Bekennern geworden sind, aber zum Bekenntnis bereit gewesen wären, sagt Cyprian, sie hätten sich, „gestützt auf die unerschütterlichen Wurzeln der himmlischen Gebote und gestärkt durch die evangelischen Überlieferungen“, durch die Androhung von Exil, Foltern und Strafen an Vermögen und Leib nicht schrecken lassen.295

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robusta mole ist mit Schrijnen-Mohrmann I, 124, und Merkx, 67, als „modal-resultativer Ablativ“ zu verstehen; der Ablativ inmobili et inconcussa firmitate wird von Merkx, 65, ebenso gedeutet. Bévenot, ACW 25, 44, übersetzt mit „in massive security“ bzw. „in unshakable solidity“. 287 Verbis igitur eius insistere, quaecumque et docuit et fecit discere et facere debemus (Z. 35f als Schlussfolgerung aus dem Zitat); vgl. ähnlich ep 58,6,3;158–160. 288 Vgl. Z. 37–42 und dazu oben Kap. 2.3.1. 289 Zur Datierung der Schrift De habitu uirginum s.o. Kap. 2 Anm. 189. 290 [...] quam ut radicibus fortius fixis et domiciliis nostris super petram robusta mole solidatis inconcussi ad procellas et turbines saeculi stemus [...] (habit 2;188,8–12). Zur Verwendung des Komparativs (fortius) statt des Positivs vgl. Bayard, Le latin, 126f. 291 Vgl. Mt 13,3–9.18–23par, bes. V. 6.20–21par, wo in Bezug auf das Hören und Tun („Frucht“) der Worte Jesu von fehlender Verwurzelung die Rede ist. 292 Ebenso Keenan, habit, 78; die Formulierung erinnert an unit 2;29f. 293 Vgl. Z. 6–8 und dazu Kap. 9.1. 294 Vgl. auch die Verwendung ähnlicher Metaphorik in Don 6 und 14. 295 [...] inconcussis praeceptorum caelestium radicibus nixos et euangelicis traditionibus roboratos [...] (laps 2;37–46, Zitat Z. 40–42); vgl. ähnlich ep 37,4,2;81–89.

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Unerschütterliche Standhaftigkeit in Verfolgungssituationen ist demnach für Cyprian im Festhalten an den Geboten des Herrn begründet, deren Einprägung daher für seine (Martyriums-) Paränese wesentlich ist.296 Die Beschreibung der im Gebotsgehorsam begründeten christlichen Haltung gegenüber den „Stürmen der Welt“ mit Ausdrücken wie fortis, inconcussus, stabilis, inmobilis, firmitas u.ä. erinnert an stoische, insbesondere senecanische Vorstellungen.297 Dass solche Reminiszenzen keineswegs zufällig sind, wird durch eine weitere Anspielung auf Mt 7,24f bestätigt: Einem Bischof namens Antonianus, der durch einen Brief Novatians verunsichert worden ist, hält Cyprian vor, „ernsthafte und einmal mit fester Standhaftigkeit auf einem Felsen gegründete Männer“ würden „nicht (nur nicht) durch einen leichten Hauch, sondern nicht einmal durch einen Wind oder Sturm bewegt“; sie ließen sich durch unterschiedliche Meinungen nicht beunruhigen und nicht leicht von einem Vorsatz abbringen.298 Cyprian spielt hier auf Mt 7,24f an,299 um die Anforderungen an einen christlichen Bischof metaphorisch zu umschreiben, fasst das damit bezeichnete Ideal aber zugleich in den Begriff uir grauis, den er an späterer Stelle des Briefes als stoischen Terminus verwendet.300 Während er dort freilich stoische Unbeugsamkeit, die Fehlverhalten nicht verzeiht, kritisiert, erscheint der uir grauis hier als ein selbstverständliches Ideal,301 und er zeichnet die geforderte Standfestigkeit unverkennbar in stoisierender Weise.302

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296 Eine weitere Anspielung auf Mt 7,24f könnte in ep 59,2,3;36–40 vorliegen, wo freilich nicht von Gebotsgehorsam die Rede ist. In mort 1;3–6 ist eine Anspielung denkbar, eine Bezugnahme auf senecanische Metaphorik aber wahrscheinlicher (s.u. 2.2.4), in Dem 19;366f und mort 2;15–18 liegen kaum Anspielungen auf diesen Text vor (gegen Keenan, habit, 78f). 297 Vgl. etwa Seneca dial 2,5,4; ep 71,27; ep 44,7; inconcussus ist ein senecanischer „Lieblingsausdruck“ (Buchheit, Non homini, 213 Anm. 17). Zum senecanischen Ideal der „stabilité immobile“ vgl. Fontaine, Un cliché, 534–538. Vgl. auch Valerius Maximus 5,10 ext. 2 und dazu Fontaine, a.a.O., 534. 298 [...] graues uiros et semel super petram solida stabilitate fundatos non dico aura leui sed nec uento aut turbine commoueri [...] (ep 55,3,1;23–28, Zitat Z. 23–25). 299 Die Bezugnahme wird durch die Wendung super petram solida stabilitate fundatos sichergestellt; vgl. auch Clarke III, 168 Anm. 10. 300 Ep 55,16,1;261f; dazu s. gleich. 301 Das gilt auch für die von Clarke III, 168 Anm. 10, verzeichneten weiteren cyprianischen Belege zu diesem Terminus (ep 41,2,1;38f; ep 55,7,3;109f; ep 59,9,1;224f – stets bezogen auf Bischöfe!) sowie für mort 6;86. Zum römischen Ideal der grauitas vgl. Hiltbrunner, Vir gravis, zur Verbindung mit der constantia und dem philosophischen Ideal des uir sapiens S. 413f, zur christlichen Rezeption des Begriffs S. 418f. 302 Wenn Koch, CU, 288 Anm. 1, zu dieser Stelle bemerkt: „Das ist biblisch=stoisch gefaßt“, so müsste es richtiger heißen: Das ist biblisch ausgedrückt, aber stoisch aufgefasst. Die innere Festigkeit gegenüber den schwankenden Meinungen und das Beharren bei dem einmal gefassten Vorsatz (Z. 25– 28) gehören zu den kennzeichnenden Eigenschaften des stoischen Weisen; vgl. etwa die senecanische Definition der constantia als bene iudicati tenax (ep 92,3 [351,24 Reynolds]), mit der er die klassische stoische Definition der καρτερι' α als ε πιστη' μη ε μμενητικη` τοι^ς ο ρθω^ ς κριθει^σι (SVF III, 264 [64,35f von Arnim]; vgl. III, 265) aufnimmt, und dazu Grimal, const, 32. Der im folgenden zu erörternde stoische Grundsatzes des non facile flecti umfasst nicht zuletzt auch diesen Aspekt.

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Christliche Existenz in der Zeit als ständiger Kampf

Als falschen Stoizismus kritisiert Cyprian die harte Haltung Novatians und seiner Anhänger in der Frage der Bußmöglichkeit für Christen, die während der decischen Verfolgung abgefallen sind.303 Novatian sei „lieber dank der Verkehrtheit weltlicher Philosophie hart als dank der Milde der Weisheit des Herrn friedfertig“304 und daher (u.a.) ein Feind der Barmherzigkeit (misericordiae hostis).305 Konkret sieht Cyprian die Haltung Novatians durch zwei stoische Grundsätze geprägt: die Auffassung, alle Sünden seien gleich, und die Forderung, ein uir grauis dürfe sich nicht leicht umstimmen lassen.306 Cyprian betont demgegenüber den großen Abstand zwischen Christen und Philosophen und folgert aus der paulinischen Warnung vor täuschender Philosophie (Kol 2,8), es müsse gemieden werden, was nicht auf die Milde Gottes, sondern auf die Anmaßung einer überharten Philosophie zurückgehe.307 Die Frage, inwieweit die novatianische Haltung tatsächlich stoisch geprägt war, kann hier nicht untersucht werden;308 die Erklärung gegnerischer Positionen mit philosophischem Einfluss ist zumindest auch eine polemische Strategie.309 Wichtig für unseren Zusammenhang ist die Kritik an der stoischen Philosophie. Mit dem mehrfach anklingenden Vorwurf der duritia nimmt Cyprian einen Topos paganer antistoischer Polemik auf;310 Cicero wendet ihn in einem längeren Passus, der sich in seiner Thematik mit den cyprianischen Ausführungen eng berührt, gegen die unbeugsame Haltung des stoisch geprägten Cato Uticensis.311 Die Charakterisierung Novatians als misericordiae hostis steht in demselben Kontext.312 Gegenbegriffe sind bei Cyprian wie bei ____________

303 Zur Sache s.u. Kap. 9.2.3. 304 [...] magis durus saecularis philosophiae prauitate quam sophiae dominicae lenitate pacificus [...] (ep 60,3,1;67f); vgl. noch ep 55,24,1;421–423; duritia und inhumanitas als antistoische Schlagworte klingen auch in ep 55,15,1;252f und 55,19,1;314f an; vgl. noch ep 57,4,3;102f und 57,5,1;118– 120. 305 Z. 69f in einer längeren Reihe. 306 [...] qui dicunt omnia peccata paria esse et uirum grauem non facile flecti oportere [...] (ep 55,16,1;261f). Die Stoiker werden in Z. 260 explizit genannt (philosophorum et Stoicorum ratio), angeführt werden zwei bekannte stoische Grundsätze (dazu s. gleich). Vgl. zu diesem Passus auch Moreschini, Varia christiana, 66f. 307 [...] uitanda sunt quae non de dei clementia ueniunt, sed de philosophiae durioris praesumptione descendunt (Z. 262–266); zur Wiedergabe des Komparativs durior vgl. Kühner-Stegmann II/2, 475f. 308 Vgl. dazu etwa Koch, CU, 272–275, Sage, Cyprian, 222 mit Anm. 3, sowie Clarke III, 188 Anm. 69, mit weiterer Literatur. 309 Vgl. Tertullian praescr 7, wo ebenfalls der Gegensatz zwischen Christentum und Philosophie stark herausgestrichen wird. Dass damit noch nicht alles über Tertullians Haltung zur Philosophie gesagt ist, zeigt Osborn, Tertullian as Philosopher, 233–241. 310 Seneca etwa erwähnt diesen Vorwurf wiederholt; vgl. dial 2,15,4 (bezogen auf den Widerstand gegen die fortuna); ep 99,26 und dial 11,18,5 (bezogen auf die stoische Haltung zum Schmerz); clem 2,3,2 u.ö. Vgl. auch Tertullian nat 1,10,41. – Zum positiven Verständnis des (in-) durare bei Seneca vgl. Tibiletti, Stoicismo, 316f. 311 Mur 60–66; Cicero kritisiert zunächst die übermäßige duritia der stoischen Lehre allgemein – doctrina non moderata nec mitis, sed, ut mihi uidetur, paulo asperior et durior quam aut ueritas aut natura patitur (Mur 60 [30,23–25 Kasten]) – und führt dann eine Reihe von auf Zenon zurückgeführten praecepta an, darunter auch die von Cyprian hier kritisierten Lehren sowie die ausdrückliche Ablehnung von Barmherzigkeit und Verzeihen. Cicero bezieht diese Punkte in der Fortsetzung auf die harte Haltung Catos, zum Teil scherzhaft, wie er selbst später bemerkt (fin 4,74), und weist die angeführten stoischen Lehren unter Berufung auf Platoniker und Peripatetiker auch sachlich zurück (Mur 63). 312 Vgl. den stoischen Grundsatz: neminem misericordem esse nisi stultum et leuem (Cicero Mur 61 [31,3f Kasten]), und dazu Spanneut, Apatheia, 4658f mit Anm. 79f und S. 4684 mit Anm. 172. Auch der Grundsatz, der Weise vergebe niemals ein Vergehen (sapientem [...] numquam cuiusquam delicto ignoscere [Cicero Mur 61 (31,2f Kasten)]; vgl. SVF III, 640f), gehört in diesen Zusammen-

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Cicero lenitas, mitis, clementia u.ä.313 Die These von der Gleichheit aller Sünden ist ein vieldiskutiertes stoisches Paradoxon.314 Die Ablehnung des zweiten Grundsatzes, der die „imperturbability and constancy (non facile flecti) characteristic of the Stoic sapiens“ postuliert315 – uir grauis figuriert hier „as a variant for vir sapiens, the ideal philosophic character“316 –, ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Cyprian wendet sich nicht gegen das Ideal der constantia als solches, sondern, ähnlich wie Cicero in Mur 60–66, gegen die damit verbundene Ablehnung der Barmherzigkeit und des Verzeihens. Vertritt Cicero demgegenüber unter Berufung auf Platoniker und Peripatetiker, es sei Sache des uir bonus, Barmherzigkeit zu zeigen, und auch ein beständiger Mensch verzeihe,317 so entspricht dies in der Sache der Auffassung Cyprians, der zur Begründung freilich auf die clementia Gottes und die Milde Christi verweist.318 Das Ideal des uir grauis bzw. constans wird nicht in Frage gestellt;319 es wird aber verstanden als eine ausgewogene Verbindung von misericordia bzw. humanitas auf der einen und seueritas auf der anderen Seite.320 Wie wenig Cyprian trotz seiner deutlichen Polemik das stoische Ideal des non facile flecti in Frage stellt, zeigt die oben angeführte positive Bezugnahme auf dieses Ideal am Anfang desselben Briefes, der die Kritik der stoisierenden Novatianer enthält.

Cyprians Vorliebe für die aus Mt 7,24f abgeleitete Metaphorik und seine allegorische Deutung des Gleichnisses auf die durch das Wahren der Gebote zu erlangende Unerschütterlichkeit gegenüber den „Stürmen der Welt“ dürften vor diesem Hintergrund zu verstehen sein.321 Seine Konzeption der christlichen Standhaftigkeit inmitten der „Stürme der Welt“ verrät damit deutlich eine stoische Prägung. Dieser Einfluss zeigt sich hier freilich im ganzen weniger in literarisch greifbaren Berührungen als vielmehr in der Auswahl und Interpreta-

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hang. Seneca erörtert das Thema ausführlich in clem 2,4,4–6,4 (Kritik der misericordia als uitium animi) bzw. clem 2,7,1–5 (Ablehnung des ignoscere bzw. der uenia als debitae poenae remissio). 313 In ep 55,16,1f stellt Cyprian der philosophia durior die clementia dei sowie die biblische Charakterisierung des Mose als homo lenis nimis (Num 12,3) gegenüber, in ep 60,3,1 die sophiae dominicae lenitas. Cicero bedient sich in Mur 60–66 in entsprechendem Kontext ganz ähnlicher Begrifflichkeit (lenitas, mitis, humanitas etc.). 314 Vgl. SVF III, 524–533, sowie Cicero Parad 20–26 und dazu J.M. Rist, Stoic Philosophy, 81– 96. Cyprian dürfte darin den Grund dafür sehen, dass die Novatianer zwischen den sog. libellatici und sacrificati keinen Unterschied machen. 315 Clarke III, 188f Anm. 70. 316 Clarke III, 168 Anm. 10. 317 Vgl. Mur 63: aiunt [...] uiri boni esse misereri bzw. esse apud hominem constantem ignoscendi locum (31,32–32,3 Kasten) 318 Auch mit Ciceros Gegenposition zum Grundsatz von der Gleichheit aller Verfehlungen – distincta genera esse delictorum et dispares poenas (Mur 63 [32,1f Kasten]) – stimmt Cyprian überein; dazu s.u. Kap. 9.2.3. 319 Dass Cyprian in der Schrift De bono patientiae die Wörter constans, constanter etc. als „termes trop marqués par la philosophie de Sénèque“ (anders als seine Vorlage Tertullian) bewusst meide (Molager, Don/pat, 165), scheint mir insofern fraglich, als er die Begriffe constantia, constans etc. in anderen Schriften durchaus nicht selten und gelegentlich auch an hervorgehobener Stelle verwendet (vgl. orat 15;279; Fort 10;40f u.ö.). 320 Vgl. Cicero Mur 65; zu Cyprian s.u. Kap. 9.2.2–3. 321 Eine entsprechende vorcyprianische Auslegung von Mt 7,24f ist, soweit ich sehe, nicht überliefert; die Ausführungen in cent 7f dürften später zu datieren sein (s.o. Anm. 108) und bieten kaum eine Vorlage für die cyprianischen Vorstellungen (anders offenbar Daniélou, Les origines, 65). Zur cyprianischen Rezeption des Mt-Textes vgl. auch Orbe, Parábolas evangélicas I, 81–83.

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tion des herangezogenen biblischen Textes. Das den Stürmen und Unwettern standhaltende, weil auf Felsen gegründete Haus im matthäischen Gleichnis wird für Cyprian zu einem Sinnbild christlicher Existenz in der Zeit, weil es – in allegorischer Auslegung – die Erfahrung des Angegriffenseins mit dem Ideal unerschütterlicher Standhaftigkeit verbindet. Es korrespondiert damit dem stoischen Ideal des Weisen, der den Widrigkeiten und Wechselfällen des Lebens ausgesetzt ist, sich aber durch nichts erschüttern lässt.322 2.2.2 Durch die fiducia futurorum die Widrigkeiten der Welt ertragen Kann Cyprian sentenzartig formulieren, es sei „der Ruhm des Glaubens, durch zuversichtliches Vertrauen auf das Zukünftige die Widrigkeiten der Welt zu ertragen“,323 so erweist sich die Orientierung auf die Zukunft hin bei ihm in der Tat als ein wesentliches Fundament christlicher Standhaftigkeit. Ausgeführt wird diese Konzeption in Dem 18–21, einer längeren „inserzione“324, in der Cyprian zu begründen versucht, weshalb Katastrophen und sonstiges Unglück der Welt die Christen nicht betreffen, obwohl sie diesen Dingen augenscheinlich nicht weniger ausgesetzt sind als die Nicht-Christen, als deren göttliche Bestrafung er sie interpretiert.325 Der Grundgedanke ist folgender: Während diejenigen, deren ganze Freude und Herrlichkeit in der Welt liegen und die nach dieser Welt nichts Gutes mehr zu erwarten haben, die aduersa mundi als Strafe empfinden, verursacht der Angriff gegenwärtiger Übel denjenigen, die auf die zukünftigen Güter vertrauen, keinen Schmerz;326 für sie sind diese Dinge daher keine Strafe, da Strafe auf Empfinden von Schmerz beruht.327 Die christliche ____________

322 Vgl. hier exemplarisch Senecas Schrift De constantia sapientis, in der das bekannte stoische Paradoxon ου κ α δικει^ται ο σοφο' ς entsprechend entfaltet wird (s. bes. 6,4: [...] at nulla machinamenta posse reperiri quae bene fundatum animum agitent [24,14f Reynolds], ferner 1,1; 8,3 u.ö.). Zu der in dieser Schrift verarbeiteten stoischen Tradition vgl. Grimal, const, 18–23, sowie SVF III, 578f. 323 Laus est fidei fiducia futurorum mundi aduersa tolerare (zel 16;305). – Die wiederholt vertretene Annahme einer Beeinflussung der frühchristlichen Verwendung des Begriffs fiducia durch juristischen Sprachgebrauch (vgl. etwa Gallicet, Dem 246, im Anschluss an Scarpat, Parrhesia, 131–134) ist von Engels, Influence, 88–117, v.a. am Beispiel Tertullians (S. 94–117) widerlegt worden; vgl. auch ders., Fiducia, bes. Sp. 862–864.875f. 324 Gallicet, Dem, 243. 325 Vgl. Dem 18;345–347 und 21;405–412. Der Abschnitt Dem 18–21 dürfte durch Tertullian Apol 41,1–6 angeregt sein, wo nicht nur die Argumentation mit der Zukunftshoffnung der Christen, sondern auch die Behauptung ihrer „Unverwundbarkeit“ (dazu s. gleich) eine direkte Entsprechung hat; ähnlich Koch, CU, 64, und Heck, ΜΗ ΘΕΟΜΑXΕΙΝ, 176f, anders Pellegrino, Studi, 129, der auf Minucius Oct 12 und 36 verweist. 326 [...] ceterum nullus his dolor est de incursatione malorum praesentium quibus fiducia est futurorum bonorum (Dem 18;347–355, Zitat 353–355). Zur Fortsetzung s.u. 2.2.3. 327 Nam cum in sensu doloris sit omne quod punit, manifestum est eum non esse participem poenae tuae quem uideas tecum non dolere (Dem 19;377–379). Vgl. dazu auch Minucius Oct 36,8, demzufolge körperliche Gebrechen für Christen keine poena sind (s. dazu unten Anm. 433), sowie die bereits angeführte Aussage Ciceros, ein uir bonus erleide zwar fortunae tela, aber keine poenae oder culpae (Pis 43 [118 Grimal]; vgl. oben 1.2). Die Zusammengehörigkeit von Strafe und Schmerz wird in antiker Literatur selbstverständlich vorausgesetzt; vgl. etwa (Ps.-) Quintilian Decl mai 12,14: [...] ut ibi poenam quaerat, ubi sensus doloris non inueniat (246,19f Håkanson).

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patientia fordert für sich auf Erden nichts Erfreuliches oder Günstiges, sondern erwartet „sanft, mild und gegenüber allen Stürmen der schwankenden Welt standhaft die Zeit der göttlichen Verheißung“.328 Was immer in der Welt an Katastrophen geschehen mag,329 „was geht das die Christen an, was die Knechte Gottes, die das Paradies einlädt, die jedwede Gnade und aller Überfluss des Himmelreiches erwartet?! Sie jubeln allezeit im Herrn und freuen sich und sind fröhlich in ihrem Gott und ertragen die Übel und das Unglück der Welt tapfer, da sie auf die zukünftigen Güter und das zukünftige Glück vorausschauen“.330

Was hier – in einer nach außen gerichteten Schrift – als von Christen verwirklichte Haltung behauptet wird, wird in anderen Schriften zum Gegenstand eindringlicher Ermahnung: Christen sind daran zu erinnern, dass der Glaube nicht dazu dient, geschützt vor der Berührung durch Übel glücklich diese Welt zu genießen, sondern dazu, nach standhaftem Erdulden aller irdischen aduersa und incommoda carnis für die zukünftige Freude aufbewahrt zu werden.331 Was immer ihnen in der Welt an Widrigkeiten widerfahre, seien es Krankheiten, Besitzverlust oder Tod von Angehörigen, dürfe ihren Glauben nicht brechen, sondern solle im Kampf ihre Tapferkeit (uirtus)332 erweisen, müsse doch alle Gewalttat gegenwärtiger Übel im Vertrauen auf die zukünftigen Güter verachtet werden.333 Ein Herz, das im frommen Bedenken des verheißenen, das gegenwärtige Leiden bei weitem übertreffenden künftigen Lohnes gegründet ist, hält tapfer und standhaft aus, und die Seele, die „das gewisse und feste Vertrauen auf das Zukünftige“ stärkt, hält „gegen alle Schrecken des Teufels und (alle) Drohungen der Welt unbeweglich stand“.334

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328 [...] nec quicquam istic laetum aut prosperum sibi uindicat, sed mitis et lenis et contra omnes fluctuantis mundi turbines stabilis diuinae pollicitationis tempus expectat (!) (Dem 19;365–367). 329 Die metaphorischen Formulierungen in Z. 391f lehnen sich an das vorangehende Zitat von Hab 3,17f an. 330 [...] quid hoc ad christianos, quid ad dei seruos quos paradisus inuitat, quos gratia omnis et copia regni caelestis exspectat(!)? exultant semper in domino et laetantur et gaudent in deo suo et mala adque aduersa mundi fortiter tolerant, dum bona et prospera futura prospectant (Dem 20;391–397). 331 Mort 8;107–120; nach Don 5;104f scheint der Getaufte dagegen den perniciosi contactus (pl.) mundi bereits entzogen zu sein. 332 Der Begriff uirtus hat hier wie häufig bei Cyprian die charakteristisch römische Bedeutung „Mannhaftigkeit, Tapferkeit“; vgl. dazu Eisenhut, Virtus Romana, passim, bes. S. 22.40–42.51–58. Zu der bei Cyprian häufig begegnenden Verbindung von uirtus und fides s.o. Kap. 2.2.1 mit Anm. 69. 333 [...] cum contemnenda sit omnis iniuria malorum praesentium fiducia futurorum bonorum (mort 12;188–194, Zitat Z. 193f). Eingekerkerte Konfessoren werden demgemäß dazu ermahnt, unter Verachtung des Gegenwärtigen allein das Zukünftige zu bedenken (ep 6,4;89–92; ähnlich 6,2,1;40f; vgl. ferner 6,2,1;55–60 sowie ep 58,1,2;15–18). 334 Durat fortis et stabilis religiosis meditationibus fundata mens et aduersus omnes diaboli terrores et minas mundi animus inmobilis perstat quem futurorum fides certa et solida corroborat (Fort 13; 23–26; ähnlich Z. 31–34); zum Bezug der religiosae meditationes vgl. Fort 13 insgesamt. Zur Sache vgl. auch Fontaine, Un cliché, 546f, der in dem zitierten Passus eine Bezugnahme auf Kol 1,23 wahrnimmt.

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Die in dem Ausdruck fiducia futurorum bonorum335 zusammengefasste Orientierung der Christen auf die Zukunft hin begründet für Cyprian eine Haltung gegenüber den Widrigkeiten der Welt, die selbst einem stoischen Weisen zur Ehre gereichte: Die Hoffnung auf die zukünftige Herrlichkeit, ein Grundelement des christlichen Glaubens von Anfang an,336 befähigt sie dazu, mit unerschütterlicher Standfestigkeit jedwede iniuria malorum praesentium zu verachten. Sie wird damit zum Fundament einer Haltung gegenüber den Widrigkeiten des irdischen Lebens, die deutlich Züge der stoischen magnitudo animi trägt. Weil ihr Leben in der zukünftig-jenseitigen Welt begründet und ganz auf diese ausgerichtet ist, sie also durch die fiducia futurorum gewissermaßen schon jetzt in jener anderen Welt leben,337 gehen sie durch die „Anfeindungen dieser Welt und Zeit“338 hindurch, als berührten diese sie nicht, mehr noch: sie empfinden, was immer ihnen auch widerfahren mag, keinerlei Schmerz mehr, weil dieses Leben sie nicht mehr wirklich betrifft. Mit dieser letzten Behauptung geht Cyprian über den Anspruch der Stoiker noch hinaus, die für den Weisen nicht die Empfindung von Schmerz, sondern lediglich die Beeinträchtigung seiner Lebensqualität durch den Schmerz bestreiten,339 und nähert sich damit den Auffassungen Stilpons von Megara und der Kyniker an.340 Cyprian nimmt hier offenbar Anregungen Tertullians auf, der in gleichem Kontext sagt, Christen würden durch irdische Katastrophen in keiner Weise verletzt, da sie zum einen in dieser Welt nichts mehr interessiere, außer sie möglichst schnell zu verlas____________

335 In Fort 13 steht stattdessen futurorum fides certa et solida. 336 Zu den variierenden inhaltlichen Bestimmungen der futura, die sich weitgehend an den frühchristlich üblichen Lohnerwartungen orientieren, s.u. Kap. 8. 337 Vgl. ep 37,3,2;71–73: [...] in carne adhuc licet uobis positis uita iam uiuitur non praesentis saeculi sed futuri. 338 Dem 20;390f, zitiert oben Anm. 9. 339 Schon Chrysipp räumt ein, dass der Weise Schmerz empfindet; vgl. SVF III, 574: ε» λεγεν δε` ο Χρυ' σιππος α λγει^ν με` ν το` ν σοφο' ν, μη` βασανι' ζεσθαι δε' . μη` γα` ρ ε νδιδο' ναι τη,^ ψυχη,^ (152,8–10 von Arnim) und dazu Rist, Stoic Philosophie, 37f.49–52. Poseidonius charakterisiert den Schmerz als molestus, bestreitet jedoch, dass er ein malum sei (Test 38 Edelstein-Kidd; vgl. dazu die Erläuterungen Kidds, Posidionius II/1, 28f). Auch Seneca betont wiederholt, der Weise empfinde Schmerz, bleibe aber unbesiegt (vgl. Spanneut, Apatheia, 4685f); gefordert ist aber, den Schmerz zu verachten (dolorem contemnere: dial 1,6,6). Ausführlich diskutiert wird die stoische These, dass der Schmerz kein malum sei, bei Aulus Gellius 12,5, bes. §4–14 (hier wird in §10 Panaetius als Zeuge dafür angeführt, dass der Weise Schmerz empfinde), sowie bei Cicero Tusc 2, wahrscheinlich unter Benutzung einer Schrift des Panaetius (Ad Q. Tuberonem de dolore patiendo); vgl. fin 4,23 und dazu Pohlenz, Tusc I– II, 130–133, van Straaten, Panétius, 285–292, sowie Steinmetz, GGPh2 I 4/1, 649. Vgl. ferner noch Cicero Tusc 5,76–82. Im Hintergrund solcher Ausführungen dürfte die Kritik an der stoischen α πα' θεια-Lehre, verstanden im Sinne von indolentia / non dolere, stehen; vgl. dazu Spanneut, Apatheia, 4662f. 340 Stilpon von Megara bestreitet für den Weisen die Empfindung von Schmerz, und Kyniker wie Diogenes und Krates treiben die Verachtung der äußeren Dinge „jusqu’à l’inconscience de la douleur“ (Spanneut, Apatheia, 4663f). Seneca sieht hierin einen wesentlichen Unterschied zwischen den Stoikern und den Anhängern Stilpons: noster sapiens uincit quidem incommodum omne sed sentit, illorum ne sentit quidem (ep 9,3 [17,12–14 Reynolds]); vgl. Spanneut, a.a.O., 4684f. Billerbeck, Demetrius, 17, bezieht diese Aussage auf die Kyniker. Zur Unangreifbarkeit des Kynikers Diogenes durch die Pfeile des Schickals vgl. Fr. V B 148 (II, 481 Giannantoni) und dazu Giannantoni III, 469–471.

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sen, und zum anderen jedwedes Unglück den Vergehen der Nicht-Christen zuzuschreiben sei,341 und in anderem Zusammenhang die These vertritt, Christen empfänden aufgrund ihrer patientia durch ihnen zugefügtes Unrecht keinen Schmerz.342 Biblische, tertullianische und – teilweise durch Tertullian vermittelte – stoische Elemente verquicken sich in den cyprianischen Ausführungen dergestalt, dass die propagierte Haltung gegenüber den Widrigkeiten der Welt im wesentlichen durch stoische Ideale geprägt, ihr ‚dogmatisches‘ Fundament dagegen biblisch-christlich begründet ist.343 Anders als die stoische constantia sapientis ruht die entsprechende christliche Haltung freilich nicht in sich selbst, sondern in ihrer Zukunftsorientierung,344 ein Fundament, das die Stoiker entschieden zurückweisen würden.345 Entsprechungen zu dieser Haltung gibt es allenfalls in der fundamentalen Relativierung des Irdisch-Menschlichen durch Orientierung auf das Himmlisch-Ewige hin.346 Sind für den stoischen Weisen die gegenwärtigen Leiden keine wirklichen Übel (mala), weil sie als Adiaphora seine uirtus und damit seine Glückseligkeit nicht berühren,347 so gilt dasselbe für Cyprian, ____________

341 Apol 41,5; die Formulierung nos nullo modo laedimur (Z. 20) ist offenbar durch Seneca dial 2,3,3–5 angeregt, wo es u.a. heißt: inuulnerabile est non quod non feritur, sed quod non laeditur (20, 30f Reynolds); dem Weisen widerfährt Unrecht, aber es schadet (nocere) ihm nicht. Dass der Weise nicht verletzt werden kann, ist ein klassisches stoisches Thema; vgl. SVF III, 578: [...] μη' τε δε` α δικει^σθαι μηδε` βλα' πτεσθαι το` ν σπουδαι^ον [...] (152,30f von Arnim) und dazu Spanneut, Apatheia, 4658, sowie Grimal, const, 18. 342 Pat 8,7–9; der Passus geht auf Seneca dial 2,17,4 zurück (vgl. Fredouille, Tertullien, 373), wo freilich der Bezug auf das Thema Schmerz fehlt. Vgl. noch pat 10,9. 343 In der Begrifflichkeit I. Hadots, Seneca, 7–9 u.ö., könnte man sagen: An die Stelle der stoischen Dogmatik ist die christliche getreten, die Paränese jedoch ist dieselbe geblieben. Zu dieser Unterscheidung, die sich auf die bei Seneca ep 94f diskutierte Verhältnisbestimmung zwischen decreta und praecepta bezieht, vgl. auch Hi. Cancik, Untersuchungen, 16f. 344 Vgl. Dionigi, La patientia, 427: „La patientia cristiana è la virtù non solo della ‚sopportazione‘ nel presente ma anche dell’‚attesa‘ e della ‚speranza‘ della dimora futura. [...] La patientia per il cristiano non è, come per lo stoico, fine a se stessa; non è il paradiso, ma ne è la via.“ Vgl. auch Spanneut, Geduld, 253. Gallicet, Dem, 245, spricht von einem Gegensatz zwischen der „αυ τα' ρκεια dello stoico“ und der „fiducia futurorum bonorum del cristiano“. Ob hier, wie Gallicet meint, von einer Überbietung des „stoicismo“ zu reden ist, hängt von den angewandten Kriterien ab. 345 „Le sage vit dans la possession présente (ou plutôt intemporelle) du Bien. Ne désirant ne craignant rien, il est invulnérable“ (Grimal, const 69, zu Seneca dial 2,9,2). Spanneut, Apatheia, 4683f, betont, dass die Hoffnung für die Stoa von Anfang an als eine Untugend galt. Seneca formuliert demgemäß in ep 92,25: quid est in uirtute praecipuum? futuro non indigere [...] (357,8f Reynolds); vgl. ferner bes. ep 101 sowie ep 59,14; ep 74,12.33f u.ö. und dazu Dionigi, La patientia, 427, Studer, Hoffnung, 1169, sowie Wlosok, Laktanz, 22: „So bleibt der Weise auch unberührt von Ewigkeits- und Zukunftshoffnungen“. Cicero stellt in Tusc 5,2 den uota facienda die uirtutis fiducia gegenüber. Zu den „Attitudes to the future“ in den verschiedenen philosophischen Schulen vgl. auch Sorabji, Emotion, 235–238. 346 Vgl. etwa Cicero Tusc 4,37: quid enim uideatur ei magnum in rebus humanis, cui aeternitas omnis totiusque mundi nota sit magnitudo? (379,21–23 Pohlenz), zur Sache oben Kap. 4.4. 347 Vgl. dazu die kurze Skizze der stoischen Güterlehre bei Cicero fin 3,25–29 sowie Pohlenz, Stoa I, 121–123; II, 69f, und Forschner, Die stoische Ethik, 165–171, zur stoischen Adiaphora-Lehre. Im Hintergrund steht der bereits von dem Kyniker Antisthenes vertretene Grundsatz der Autarkie der Tugend für die Glückseligkeit (αυ τα' ρκη δε` τη` ν α ρετη` ν προ` ς ευ δαιμονι' αν [V A 134,3 II, 186 Giannan-

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weil die wahren Güter (bona) zukünftig sind.348 Von der „Stoic conception of natural virtue as its own definition, source, and reward“ hat er sich damit weit entfernt.349 Freilich spielt die Vorstellung postmortaler Belohnung (und Bestrafung) auch in philosophischen Traditionen durchaus eine Rolle. Plato etwa „was fascinated with the notion of postmortem retribution“, und auch für Cicero ist der Gedanke einer zukünftigen Belohnung keineswegs unerheblich.350 2.2.3 Christliche patientia als klagloses Ertragen der Widrigkeiten der Welt und der incommoda carnis Bewähren sich Christen in Zeiten der Verfolgung, indem sie ihren Glauben nicht verleugnen, so besteht ihr Sieg über die Widrigkeiten der Welt und die incommoda der irdisch-fleischlichen Existenz darin, diese klaglos, ohne Murren, zu ertragen. Cyprian zufolge unterscheiden sich die Christen von „den übrigen, die Gott nicht kennen“, darin, „dass jene bei Widrigkeiten klagen und murren, uns (dagegen) Widrigkeiten nicht von der Wahrheit der Tapferkeit und des Glaubens wegrufen, sondern (uns) im Schmerz als bewährt erweisen“.351 Reagieren jene auf das Erleiden von aduersa mit einer „allezeit schreienden, klagenden Unduldsamkeit“, so zeichnen sich die Christen durch „eine tapfere, fromme patientia“ aus, die „allezeit ruhig und allezeit Gott dankbar“ ist;352 sie murren weder wegen äußerer Katastrophen noch aufgrund körperlichen Leidens.353 Karthagische Christen, die sich durch eine Pestepidemie erschüttern lassen, werden an die von den Gerechten und Aposteln gelehrte und gelebte disciplina erinnert, „bei Widrigkeiten nicht zu murren, sondern, was immer in der Welt geschieht, tapfer und geduldig anzunehmen“.354 Vorbild für das klaglose Ertragen von Leiden und Schmerzen ist Hiob, der sich Cyprian zufolge gegenüber den unzähligen „Geschossen“ und „Foltern“ des Teufels darin als bewährt erweist, dass er „durch die schweren, zahlreichen Heimsuchungen nicht gebrochen wird“, und das heißt für ihn: dass er nicht auf-

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toni]), der für die stoische Lehre grundlegend geworden ist. Vgl. dazu Pohlenz Stoa I, 120f, zu Seneca auch Hachmann, Der fortuna-Begriff, 300.308–311. 348 Vgl. etwa habit 7;192,15–17. 349 Colish, The Stoic Tradition II, 34; vgl. dazu auch Kap. 8 Anm. 272. 350 Vgl. Bernstein, Formation, 52–62, zu Plato (Zitat S. 52) und S. 115–121 zu Cicero. Bernstein untersucht S. 19–129 die vielfältigen griechischen und römischen Vorstellungen zur Frage postmortaler Vergeltung. 351 Hoc denique inter nos et ceteros interest qui deum nesciunt, quod illi in aduersis queruntur et murmurant, nos aduersa non auocant a uirtutis et fidei ueritate, sed conprobant in dolore (mort 13; 214–217); ähnlich Dem 18;358–360. Zu der Formulierung qui deum nesciunt vgl. Gal 4,8; 1Thess 4,5 u.ö. 352 [...] aput uos inpatientia clamosa semper et querula est, aput nos fortis et religiosa patientia quieta semper et semper in deum grata est [...] (Dem 19;361–365); ähnlich pat 17;334–337. 353 Dem 18;355–357. 354 [...] non mussitare in aduersis sed quaecumque in saeculo accidunt fortiter et patienter excipere (mort 11;168–171); ähnlich Z. 174–176. Vgl. auch Quir 3,14tit: Numquam mussitandum, sed circa omnia quae accidunt benedicendum deum.

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hört, „inmitten jener Bedrückungen und Bedrängnisse“ mit Hilfe der „siegreichen patientia“ den Lobpreis Gottes zu verkünden.355 Weder Heimsuchungen und Schmerzen noch die Worte seiner Frau können ihn dazu verleiten, „mit klagender, aufsässiger Stimme etwas gegen Gott“ zu reden.356 Auf diese Haltung klaglosen Ertragens jedweden Leidens bezieht Cyprian das „Zeugnis“ Gottes in Hiob 1,8, er sei „ein Mensch ohne Klage“ (homo sine querella). Cyprian (miss-) versteht die Wiedergabe des Adjektivs α»μεμπτος (tadellos) mit sine querella als „jemand, der nicht klagt“, bzw. „ohne Klagen“.357 Dass Hiob sich durch Schmerz und Leid weder besiegen (uincere) noch brechen (frangere) lässt, erweist sich für Cyprian zuhöchst darin, dass er sich nicht zum Klagen (gegen Gott) verleiten lässt.358 In ähnlicher Weise beschreibt Cyprian das Ertragen der uaria carnis incommoda und der häufigen, schweren körperlichen Qualen, die dem Menschengeschlecht infolge des aus dem Sündenfall resultierenden Verlustes der Festigkeit (firmitas) des Leibes täglich zusetzen: Das menschliche Leben ist für ihn ein ständiges Ringen und Kämpfen mit körperlicher Gebrechlichkeit und Schwachheit (fragilitas atque infirmitas), das nur mit den Kräften der patientia auszuhalten ist. Als bewährt erweisen sich Christen in diesem Kampf, indem sie den Schmerzen und Versuchungen zum Trotz nicht ungeduldig klagen oder lästern.359 Cyprian begründet sein Verständnis christlicher Bewährung als geduldigdankbares, von Klagen und Murren freies Ertragen aller Widrigkeiten und Schmerzen mit biblischen Texten und Vorbildern;360 dennoch verdankt sich seine Konzeption kaum allein dieser Quelle.361 Ist die Kritik des Murrens auf die biblische Tradition zurückzuführen,362 so ist die Wertung des Klagens als ____________

355 [...] nec tamen Iob grauibus et densis conflictationibus frangitur quominus inter illas angustias et pressuras dei benedictio uictrice patientia praedicetur (pat 18;340–353, Zitat Z. 350–353). 356 [...] ut ui doloris inpatiens aliquid aduersus deum querula et inuidiosa uoce loqueretur (mort 10;137–148, Zitat Z. 143–145); Cyprian zitiert dazu Hiob 1,21 und 2,10b. Zu seiner Hiob-Deutung vgl. noch die kurze Bemerkung in laps 19;390–392 sowie Fahey, 590f. Die Geschichte des erblindeten Tobias wird entsprechend interpretiert; vgl. mort 10;151–159; pat 18;353–356 und dazu Fahey, 588– 590. 357 Weitere Belege dazu werden im folgenden zur Sprache kommen; die Übersetzung sine querel(l)a ist in der VL-Database zu Hiob 1,8 wiederholt belegt. 358 Gegenbild ist in mort 11;171 das häufige Murren (murmurare) des jüdischen Volkes gegen Gott. 359 Pat 17;323–339; dass es sich um eine Bewährungsprobe handelt, wird mit einem abschließenden Zitat von Sir 2,4f untermauert. 360 In Quir 3,14 zitiert er dazu neben Hiob 2,9f und 1,8 noch Ps 33,2 (der Herr ist in omni tempore zu loben); Num 17,25 (Verbot der murmuratio); Apg 16,25 (Dankgebet im Gefängnis) und Phil 2,14f (omnia autem pro delectatione facite sine murmurationibus et reputationibus, ut sitis sine quaerella [sic] et inmaculati filii dei [Z. 15–17]), in mort 11 neben Num 17,25b noch Ps 50,19 sowie Dtn 8,2 und 13,4b. 361 Anders Gallicet, Dem, 246, der zu mussitare in Dem 18;357 und mort 11;168–171 bemerkt: „Il motivo, cioè, non si presenta come un adattamento cristiano di una tendenza genericamente stoica, ma per Cipriano ha un’origine esclusivamente biblica“ (Hvb. RN). 362 Cyprian zitiert, wie erwähnt, Num 17,25b und Phil 2,14 und führt weiteres biblisches Material dazu an.

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des Verstoßes gegen den Glauben und damit als Niederlage gegenüber den Angriffen der Welt kaum aus der biblisch-christlichen Tradition allein heraus verständlich zu machen. Zwar kann Cyprian sich auf die ersten beiden Kapitel des Hiobbuches stützen, doch muss er die Fortsetzung des Buches ebenso ausblenden wie andere biblische Klagetexte.363 Hier ist möglicherweise Seneca die primäre Inspirationsquelle, der nicht nur fordert, die aduersa mit fröhlichem Herzen zu tragen, sondern auch das Weinen, Klagen und Seufzen als Abtrünnigkeit von Gott verurteilt, da alles ex decreto dei geschehe;364 selbst die Kritik des Murrens hat hier eine Entsprechung.365 Dem entspricht es, dass die cyprianische Deutung des Ausdrucks sine querella in einigen Bibelzitaten als „ohne Klage“ zwar, was die ursprüngliche Bedeutung des Textes betrifft, ein Missverständnis ist, aber eine direkte Entsprechung in vergleichbaren Ausführungen Senecas hat. Dieser fordert, sachlich den cyprianischen Ausführungen in pat 17 entsprechend, sine querella die mortalitatis tributa zu entrichten,366 und er thematisiert wiederholt die Notwendigkeit, Widrigkeiten klaglos hinzunehmen.367 Seneca selbst steht hier freilich in stoischer Tradition. Er beruft sich für die Mahnung, in allem, was geschieht, „dem Gott“ ohne Murren zu folgen, auf Verse des Kleanthes,368 und tatsächlich erinnert die Weise, wie bei Seneca „l’acquiescement à Dieu“ zur Quelle seiner „morale“ geworden ist, auch nach dem Urteil Grimals besonders an Kleanthes.369 Im Hintergrund steht die stoische Deutung der pythagoreischen Ermahnung, „dem Gott“ zu folgen,370 im Sinne eines ____________

363 Ein Verbot des Klagens gibt es biblisch, soweit ich sehe, nicht. Vgl. aber Texte wie 1Thess 5,18: ε ν παντι` ευ χαριστει^τε. 364 Quid est praecipuum? posse laeto animo aduersa tolerare, quidquid acciderit sic ferre quasi tibi uolueris accidere. debuisses enim uelle si scisses omnia ex decreto dei fieri. flere, queri et gemere desciscere est (nat 3,0,12 [112,77–79 Hine]). Vgl. auch ep 96,1f; ep 120,10f; dial 7,15,4–7 u.ö. sowie zur Sache Busch, Fortunae resistere, 143f. 365 Vgl. ep 107,9: optimum est pati quod emendare non possis, et deum quo auctore cuncta proueniunt sine murmuratione comitari (449,22–24 Reynolds), sowie dial 5,24,2 und benef 5,15,2. Murmuratio ist in diesem Sinne außerchristlich nur bei Seneca belegt (ThLL VIII, 1677,63–1678,7), mussitatio einmal bei Apuleius (ebd. 1706,82–1707,14); die Verben murmurare und mussitare begegnen auch pagan häufiger (vgl. ebd., 1678,73–1680,29 bzw. 1707,20–1708,35). 366 Ep 107,6 (449,7f Reynolds). 367 Der Ausdruck sine querel(l)a findet sich bei Seneca häufig bezogen auf klagloses Hinnehmen von Verlusten und Schicksalsschlägen; vgl. etwa ep 98,4; dial 6,10,2; benef 5,15,5; dial 7,21,2; ep 26,3 u.ö. Entsprechende Belege zu queri und anderen Ausdrücken des Klagens gibt es in großer Zahl. 368 Vgl. ep 107,9–11. In dial 1,5,5 führt Seneca entsprechende Äußerungen des Kynikers Demetrius an; zu Abgrenzung und Verständnis des Zitates vgl. Billerbeck, Demetrius, 38–40. 369 Sénèque, 1990; vgl. dazu auch Gauthier, Magnanimité, 410–412. Zu entsprechenden Zügen bei Epictet und Marc Aurel – bei letzterem begegnet die Thematik überaus häufig (vgl. etwa 5,8; 5,27; 6,16; 6,44 usw.) – vgl. ebd., 412–417, Grimal, a.a.O., 1991, sowie die Belege bei Rabbow, Seelenführung, 36–40. 370 Vgl. Seneca dial 7,15,5: habebit illud in animo uetus praeceptum: deum sequere (182,17f Reynolds), und dazu J.M. Rist, Seneca, 2012: „What seems to guide his path, if anything can be said to do so, is a Stoic rendering of the old ‚Pythagorean‘ call to ‚Follow God‘; for to obey God is liberty“ (Rist zitiert hier noch dial 7,15,7: deo parere libertas est [182,29f Reynolds]). Im Hintergrund steht die Zenon zugeschriebene Telosformel [...] ο« τι τε' λος ε στι` το` ε« πεσθαι θεοι^ς (SVF I, 182 [46,8f von Arnim]); vgl. dazu auch Deléani, Christum sequi, 27f.

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bewussten Sich-Fügens in die Gesetzmäßigkeiten der „Natur“.371 Die positive Bestimmung des non mussitare in aduersis als quaecumque in saeculo accidunt fortiter et patienter excipere372 nimmt einen verbreiteten Gedanken auf; entsprechende Formulierungen gibt es besonders bei Cicero und Seneca.373 Eine gewisse Nähe zeigen die cyprianischen Ausführungen auch zu stoischen Reflexionen zum Ertragen von Schmerzen, wie sie bei Aulus Gellius 12,5 dokumentiert sind,374 ein Abschnitt, der bereits von Minucius rezipiert worden ist.375 Wie dort der stoische Philosoph mit dem Schmerz kämpft,376 so tut es auch der cyprianische Christ,377 beide bedürfen dazu der patientia, und hier wie dort erweist sich der Sieg darin, nicht zu klagen.378 Dass Cyprian diese Forderung mit Sir 2,4f begründen kann,379 lässt erkennen, wie sehr hier für ihn biblisches Gebot und stoisches Ideal konvergieren. Das Thema ist auch biblisch verankert, seine Auslegung aber trägt spezifisch stoische Züge. Das cyprianische Verständnis der patientia als einer ‚Tugend‘, die es ermöglicht, die vielfältigen Leiden und Widrigkeiten tapfer und klaglos zu ertragen,380 entspricht dem römischstoischen Verständnis dieses Begriffs, in dem es um ein unerschütterliches, kämpferisches Aufsichnehmen von Widrigkeiten geht.381

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371 Vgl. dazu Pohlenz, Stoa I, 104–106, Gauthier, Magnanimité, 124f, Spanneut, Geduld, 252, sowie Forschner, Die stoische Ethik, 104–113. 372 Mort 11;169–171, zitiert oben Anm. 354. 373 Vgl. Cicero Att 14,13,3: ut quicquid acciderit fortiter et sapienter feramus [...] (226,10 Shackleton Bailey), ferner fam 12,22,2; 6,13,5; 6,20,3 u.ö.; Seneca dial 7,15,5: illa (sc. uirtus) fortiter stabit et quidquid euenerit feret non patiens tantum sed etiam uolens (182,12–14 Reynolds); dial 7,15,4 u.ö. 374 Der Titel des Kapitels lautet: Sermo Tauri philosophi de modo atque ratione tolerandi doloris secundum Stoicorum decreta (366,19f Marshall). Zur Analyse dieses Kapitels vgl. J.M. Rist, Stoic Philosophy, 38–44, der die Ausführungen mit Poseidonius verbindet, zur Sache außerdem AuvrayAssayas, La douleur. 375 Vgl. Oct 37,1 (s. dazu Beaujeu, Oct, 157) und bes. 37,4, wo mit der Wendung sine ullis eiulatibus (35,13 Kytzler) auf jenen Text angespielt zu sein scheint. 376 Vgl. bes. §3: congredientes conpugnantesque philosophum et dolorem (367,18f Marshall). 377 Vgl. pat 17, hier bes. Z. 328–331, ferner ep 37,1,3;27f. 378 Das klaglose Ertragen der Schmerzen (nullos eiulatus, nullas conplorationes, keine uoces indecoras [367,23f Marshall]) trotz der unvermeidlichen, dem Körper zugeschriebenen Seufzer (gemitus) wird bei Gellius betont herausgestellt (12,5,3); zur stoischen Haltung zum Schmerz s. auch oben Anm. 339. Minucius Oct 37,4 beansprucht dasselbe für die christlichen Märtyrer, Cyprian sieht genau darin die Bewährung im Leiden (vgl. pat 17;334–337; 18;350–353 u.ö.). 379 Vgl. pat 17;337–339 sowie oben 1.3 mit Anm. 170. 380 So bes. in pat 17f und Dem 19. Zu diesem charakteristisch römischen „aktiven“ Aspekt der patientia bei Cyprian vgl. Kunick, Begriff, 165–169. In der Verbindung der patientia mit Epitheta wie fortis und stabilis, die gegenüber Tertullian eine Neuerung darstellt, kommt Kunick zufolge ein typisch „römische(s) Pathos“ zum Durchbruch (S. 165f). 381 Vgl. dazu ausführlich Kunick, Begriff, 4–22.75–120, sowie Fredouille, Tertullien, 390f. 397– 399. Auffällig ist bei Cyprian die häufige Verbindung von fortiter und patienter. Entsprechendes gilt für den Begriff der tolerantia, der bei Cyprian wie in korrespondierenden paganen römischen Texten (vgl. Gellius 12,5tit; 12,5,3; Seneca nat 3,0,12 u.ö.) nicht als ein passives Erdulden, sondern als ein aktives, kämpferisches Aufsichnehmen zu verstehen ist: Zur passionis tolerantia muss man gestärkt (roborari: Fort pr.4;58f) und „bewaffnet“ werden (armari: mort 10;157); vgl. dazu auch Koch, CU, 178, sowie Hummel, Concept, 56.

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Angesichts der aufgezeigten Übereinstimmungen des cyprianischen Verständnisses der patientia bzw. der christlichen Haltung gegenüber den Widrigkeiten irdischer Existenz mit entsprechenden philosophischen, insbesondere stoischen Vorstellungen und Idealen ist zu fragen, wie die Abgrenzung gegen die philosophische patientia in der Schrift De bono patientiae zu verstehen ist.382 Cyprian beginnt mit der Festellung, auch die Philosophen behaupteten, der patientia nachzustreben,383 betont aber sogleich, deren patientia sei so falsch wie ihre Weisheit.384 Er begründet dies mit dem fehlenden Gottesbezug der Philosophie – wer weder die Weisheit noch die patientia Gottes kenne, könne nicht weise oder patiens sein385 – sowie drei gegen menschliche Weisheit bzw. Philosophie gerichteten Schriftzitaten und schließt, wo es keine wahre Weisheit gebe, könne auch keine wahre patientia vorhanden sein.386 Auf diesen ersten, rein deduktiven Argumentationsgang, der auf die Sache – die Auffassung der patientia bei „den“ Philosophen – gar nicht eingeht, folgt so etwas wie eine empirische Verifizierung: „Denn wenn derjenige patiens ist, der demütig und mild ist, die Philosophen aber, wie wir sehen, weder demütig noch sanft sind, sondern ausgesprochen selbstgefällig und eben darum, weil sie sich selbst gefallen, Gott missfallen, so ist klar, dass es dort keine patientia gibt, wo sich maßlose Kühnheit gekünstelter Freiheit und schamlose Prahlerei mit entblößter, halbnackter Brust finden.“387 Cyprian konfrontiert hier eine spezifisch christliche Definition der patientia388 mit antiphilosophischen Topoi:389 Lässt sich der Vorwurf der Selbstgefälligkeit kaum eindeutig zuordnen,390 so richtet sich der Schluss zweifellos gegen Kyniker: der halbnackte Oberkörper gilt ebenso als typisches Kennzeichen kynischer Philosophen391 wie ihre häufig kritisierte Schamlosigkeit.392 Der Ausdruck affectata libertas393 dürfte sich auf die bewusste Absetzung der Kyniker von den geltenden Werten und Normen beziehen, die für diese selbst In____________

382 Die Ausführungen in pat 2–3 sind durch den entsprechenden Passus bei Tertullian pat 1,7– 2,1 angeregt, gehen aber im einzelnen eigene Wege; vgl. die Gegenüberstellung bei Conway, pat, 24f. 383 Patientia, eine „virtù morale propria delle diverse scuole filosofiche“, lässt sich für die sokratische, die kynische und die stoische Schule als Tugend belegen (Dionigi, La patientia, 415). In dem einzigen erhaltenen paganen lateinischen Traktat De patientia, Valerius Maximus 3,3, geht es im wesentlichen um das Ertragen von Foltern (vgl. dazu auch Dionigi, ebd., 413f). Eine besondere Hochschätzung der patientia (καρτερι' α) kann nur für die Stoiker behauptet werden (Fredouille, pat, 23– 25). War die καρτερι' α hier ursprünglich der α νδρει' α als einer der vier Kardinaltugenden untergeordnet, so wird sie in der mittleren Stoa bei Panaetius und seinen Schülern zu einer der drei Haupttugenden (fortitudo, patientia, magnitudo animi); vgl. dazu auch Gauthier, Magnanimité, 158–161. 384 Hanc se sectari philosophi quoque profitentur, sed tam illic patientia falsa est quam et falsa sapientia est (pat 2;13f). 385 Z. 14–16; Christen lernen die patientia von Gott selbst (pat 3;38–43); vgl. Tertullian pat 2,1. 386 Z. 14–29; die Zitate sind Jes 29,14b; Kol 2,8f und 1Kor 3,18–20. 387 Nam si patiens ille est qui est humilis et mitis, philosophos autem nec humiles uidemus esse nec mites sed sibi multum placentes et hoc ipso quod sibi placeant deo displicentes, apparet illic non esse patientiam, ubi sit insolens affectatae libertatis audacia et exerti ac seminudi pectoris inuerecunda iactantia (pat 2;29–34). 388 Dazu s. gleich. 389 Vgl. ebenso Moreschini, Filosofia pagana, 4f, zu Tertullian. 390 Verbreitet ist die Polemik gegen die Selbstgefälligkeit der Kyniker; vgl. Goulet-Cazé, L’ascèse cynique, 27f. Zur cyprianischen Kritik der Selbstgefälligkeit vgl. auch Kap. 6.3. 391 Zu seminudus als identifizierendem Stichwort vgl. Billerbeck, Demetrius, 28, Molager, Don/ pat, 185 Anm. 3, und Goulet-Cazé, Le cynisme, 2738f, zur äußeren Stilisierung der kaiserzeitlichen Philosophen allgemein vgl. Hahn, Philosoph, 33–45. 392 Vgl. etwa Cicero off 1,148, wo – im Anschluss an Panaetius – die Cynicorum ratio als inimica uerecundiae charakterisiert und daher strikt abgelehnt wird, und dazu Goulet-Cazé, Le cynisme, 2729f.2750f, Dyck, A Commentary, 300f, sowie Downing, Cynics and Christian Origins, 50–53. 393 Angeregt ist der Ausdruck offenbar durch Tertullian pat 2,1;1f, der im gleichen Kontext von einer adfectatio humana caninae aequanimitatis spricht.

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begriff ihrer Freiheit,394 in ihrer Radikalität aber für ihre Gegner ein Ausdruck maßloser Kühnheit ist.395 Eine derartige Philosophie ist in den Augen Cyprians jedenfalls nicht „demütig und sanft“, eine patientia solcher Philosophen daher angesichts seiner Definition dieses Begriffs von vornherein ausgeschlossen. Wie er dazu kommt, die Kyniker als die Philosophen zu nehmen, bleibt freilich ebenso unklar396 wie die Frage, was denn die kritisierten Philosophen unter patientia verstehen.397 Nicht die Lehre der Kyniker wird kritisiert, sondern ihr Auftreten. Diesen „falschen“ Philosophen stellt Cyprian in der Fortsetzung die Christen als die „wahren“ gegenüber: Sie sind Philosophen nicht durch Worte, sondern durch Taten; sie legen Weisheit an den Tag nicht in ihrer Kleidung, sondern in Wahrheit; für sie zählt nicht die Prahlerei mit Tugenden, sondern das Bewusstsein, sie zu haben; sie reden nicht Großes, sondern leben es.398 Diese Gegenüberstellung von wahren und falschen Philosophen ist insofern bemerkenswert, als sie in allen wesentlichen Punkten paganen philosophischen Topoi folgt. Zum ersten Punkt bemerkt Morgenstern mit Recht, dass „die stoische Philosophie mit demselben Anspruche auftrat“;399 auch andere haben Entsprechendes vertreten.400 Der zweite Punkt ist von Minucius übernommen,401 doch die Feststellung, dass das Äußere wie etwa der Philosophenmantel „did not make a genuine philosopher“, war auch in der paganen Literatur „a cliché“.402 Dass es im Blick auf die Tugend(en) (und Fehlhaltungen) entscheidend auf das eigene Mit-Wissen (conscientia) um sie ankommt, nicht auf die Wahrnehmung anderer, wird in der philosophischen Tradition nicht selten betont, insbesondere in Verbindung mit dem Gedanken, die Tugend bedürfe keiner Belohnung.403 Den Abschluss bildet ein wörtliches Minucius-Zitat,404 das sachlich

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394 Vgl. Giannantoni IV, 423–433, zum kynischen Slogan παραχαρα' ττειν τα` νομι' σματα, sowie ders., ebd., 513–527, zum Verständnis des tugendgemäßen Lebens als Infragestellung aller δο' ξαι und νο' μοι, ferner J.M. Rist, Stoic Philosophy, 57–63, und Downing, Cynics and Christian Origins, 30f. Zur παρρησι' α als spezifisch kynischer Form der Redefreiheit vgl. Goulet-Cazé, Le cynisme, 2746f. 395 Vgl. dazu etwa Billerbeck, Demetrius, 40f, und Goulet-Cazé, Le cynisme, 2728. 396 Eine Ursache dafür könnte sein, dass die Kyniker zum literarischen Typus des Philosophen geworden sind; vgl. Goulet-Cazé, Le cynisme, 2728f. 397 Fredouille, pat, 126f, zufolge sieht Tertullian die patientia, verstanden als aequanimitas (und das heißt als α πα' θεια), als „un idéal typiquement cynique“ an. Die Aussage Clarkes III, 189 Anm. 71, Cyprian greife in pat 2 „the false patientia of the Stoic sapiens“ an (ähnlich Morgenstern, Cyprian, 37), scheint unbegründet. 398 [...] qui philosophi non uerbis sed factis sumus, nec uestitu sapientiam sed ueritate praeferimus, qui uirtutum conscientiam magis quam iactantiam nouimus, qui non loquimur magna sed uiuimus [...] (pat 3;35–38). Zum Verständnis des Ausdrucks uirtutum conscientia vgl. Conway, pat, 109. 399 Morgenstern, Cyprian, 37, mit Verweis auf Seneca ep 20,2: facere docet philosophia, non dicere (53,17f Reynolds); Koch, Novaziano, 327, führt diesen Gedanken auf Seneca ep 16,3 zurück: non in uerbis sed in rebus est (sc. philosophia) (42,9 Reynolds). Vgl. auch Benson, Cyprian, 199, sowie Koch, CU, 304f. 400 Vgl. etwa Kap. 4 Anm. 66 zu den Sextiern, Downing, Cynics and Christian Origins, 34–39, zu den Kynikern sowie Koch, Novaziano, 328, der eine entsprechende Bemerkung bei Plinius d.J. verzeichnet (ep 2,4,2: ad quod te ne uerbis magis quam rebus horter [...] [40,15f Mynors]). 401 Oct 38,6: nos non habitu sapientiam sed mente praeferimus (36,28f Kytzler). 402 Clarke, Oct, 373 Anm. 664; vgl. Goulet-Cazé, Le cynisme, 2741.2745. Die Formulierung des Minucius könnte angeregt sein durch eine polemische Bemerkung Plinius d.J. gegen diejenigen, qui sapientiae studium habitu corporis praeferunt (ep 1,22,6 [33,6 Mynors]; vgl. Koch, Novaziano, 327). 403 Vgl. etwa Cicero Tusc 2,63f, der betont, es komme beim rechten Handeln nicht auf den Applaus der Menge an, sei doch für die uirtus kein Publikum (wörtlich: theatrum) bedeutender als die conscientia, ferner Kap. 8 Anm. 269 (conscientia als entscheidende Richterin) sowie Anm. 272 und 276 (Unabhängigkeit der Tugend von Belohnung); vgl. auch Kunick, Begriff, 100–102. 404 Oct 38,6: non eloquimur magna sed uiumus (36,29 Kytzler); vgl. auch Tertullian Apol 46,18.

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im wesentlichen der ersten Gegenüberstellung entspricht.405 Die cyprianische Polemik gegen „die“ Philosophie verdankt sich also selbst weithin paganen philosophischen Traditionen.406 Implizit nimmt Cyprian damit für die Christen in Anspruch, anders als die paganen Philosophen selbst die ‚besseren‘ philosophischen Ideale zu verwirklichen.407 Dies gilt in seinen Augen auch und gerade für die patientia. Eine sachliche Abgrenzung von philosophischen Konzeptionen der patientia nimmt er hier nur insoweit vor, als er die wahre (christliche) patientia durch die Adjektive humilis und mitis qualifiziert.408 Humilitas ist in paganem Kontext negativ konnotiert,409 Sanftheit (lenitas etc., mitis) wird sowohl bei Cyprian als auch bei Cicero als Gegenbegriff zur (angeblichen) stoischen duritia gebraucht.410 Da freilich Cicero zufolge bereits Panaetius die stoische Lehre in einer milderen Form vorgetragen hat411 und auch Seneca den Weisen als placidus et lenis charakterisieren kann,412 ist die Abgrenzung an diesem Punkt nicht so eindeutig, wie Cyprian vorzugeben scheint. Seine Kritik betrifft, wie die Ausführungen in pat 2–3 insgesamt erkennen lassen, weniger die konkrete Beschreibung der patientia als vielmehr das jeweilige Fundament der Lehre.413 Weil die Christen ihre patientia – wie ihre Weisheit – von Gott lernen, darum ist sie anders als die der Philosophen wahr, und darum kann sie von ihnen nun auch in der Tat gelebt werden. Durch diese grundlegende Differenz erhält die christliche patientia im ganzen ein anderes Gesicht als die korrespondierenden philosophischen Ideale.414 Anders als bei Tertullian, dessen Konzeption der patientia, wie besonders Fredouille gezeigt hat, im wesentlichen stoisch geprägt ist,415 trägt die patientia bei Cyprian in starkem Maß biblisch-christliche Züge,416 zu denen nicht zuletzt ihre enge Verbindung mit der christlichen Zukunftshoffnung gehört.417 Dies hindert ihn jedoch, wie gesehen, nicht daran, im einzelnen sehr weitgehend Züge philosophischer, insbesondere stoischer Konzeptionen zu integrieren.418

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405 Seneca preist in ep 20,9 den Kyniker Demetrius, weil er lebt, was er lehrt: non praeceptor ueri sed testis est (55,11 Reynolds); vgl. ähnlich ep 64,3 zu Sextius. 406 Vgl. dazu auch Spanneut, Le stoïcisme, 103f, der Entsprechendes für die christliche Polemik gegen zeitgenössische Philosophen allgemein feststellt. Cyprian verfährt hier demnach ähnlich wie bei seiner Kritik „der“ Beredtsamkeit in Don 2 (vgl. dazu oben Kap. 1). 407 Minucius formuliert diesen Anspruch explizit (Oct 38,6): gloriamur nos consecutos, quod illi (sc. philosophi) summa intentione quaesiuerunt nec inuenire potuerunt (36,29f Kytzler). Vgl. auch Tertullian Apol 46,7–18 und dazu Fredouille, Le héros, 12f. 408 Vgl. dazu Kunick, Begriff, 159, der auf entsprechende Bemerkungen Tertullians verweist (vgl. dazu auch ebd., 153), aber betont, bei Cyprian sei die typisch christliche Qualifizierung der patientia als humilis und mitis bereits selbstverständlich geworden. Eine Zusammenstellung von Belegen bietet Molager, Don/pat, 185 Anm. 2. 409 Vgl. Kunick, Begriff, 153, und Gauthier, Magnanimité, 405. 410 S.o. 2.2.1. 411 Vgl. fin 4,79, ferner Mur 66. 412 Ep 120,13 (514,7 Reynolds). 413 Vgl. dazu auch Dionigi, La patientia, 426f. 414 Die Auseinandersetzung mit den Novatianern in ep 55,16 u.ö. ist dafür beispielhaft; vgl. dazu auch Kap. 9.2.3. 415 Vgl. Fredouille, pat, 30–33, und ders., Tertullien, 363–410. 416 Vgl. Kunick, Begriff, 158f, Molager, Don/pat, 152–155, sowie Fredouille, pat, 34f. 417 Vgl. dazu Geyer, Geduld, 34f.47, Spanneut, Geduld, 265f, sowie oben Kap. 2.1. 418 Vgl. dazu auch Spanneut, Geduld, 265, demzufolge Cyprian in seinem Begriff der patientia nachdrücklich alles herausstellt, was mit der „Seelenruhe, dem ‚animus immobilis‘“, und das heißt für ihn: mit der „Ataraxie“ zu tun hat. Wenn Gallicet, Dem, 248f, bemerkt, der cyprianische Begriff der patientia in Dem 19;361–367 stimme nicht mit der stoischen Apathie überein, weil er eschatologischen Charakter habe und in bewusster Abgrenzung mit Adjektiven wie quieta, mitis, lenis u.ä. verknüpft werde (ähnlich Amata, Educare, 159), so ist dagegen zum einen festzuhalten, dass für Cyprian zwar in der Tat eine alles andere als stoische Zukunftsorientierung maßgeblich ist, diese aber dennoch

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2.2.4 Magnitudo animi in christlichem Horizont Deutlicher noch als in den bislang untersuchten Texten zeigt sich stoischer Einfluss in Passagen, in denen Cyprian die von Christen geforderte Haltung gegenüber den Widrigkeiten des irdischen Lebens bzw. den Angriffen des Widersachers ausführlicher beschreibt.419 So zeichnet sich nach cyprianischer Auskunft die Mehrzahl der karthagischen Christen angesichts einer in Karthago wütenden Pestepidemie aus durch „einen unerschütterlichen Sinn, einen festen Glauben und eine hingegebene Seele, die angesichts des Übermaßes des gegenwärtigen Sterbens420 nicht erschüttert wird, sondern wie ein starker, standfester Felsen die stürmischen Angriffe der Welt und die gewaltsamen Fluten des irdischen Lebens eher selbst bricht, als gebrochen zu werden, und durch die Versuchungen nicht besiegt, sondern als bewährt erwiesen wird“.421

Ist das Motiv des Felsens in der Brandung ein verbreiteter Topos,422 so erinnert die Charakterisierung der christlichen Haltung mit Ausdrücken wie mens solida und fides firma, non mouetur und nec frangitur, fortis und stabilis usw.423 an Beschreibungen der unerschütterlichen Haltung des stoischen Weisen bei Cicero und Seneca.424 Dass solche Entsprechungen nicht zufällig sind, zeigt sich, ____________

eine stoisch verstandene patientia begründet, zum anderen aber, dass die von Gallicet als abgrenzend verstandenen Adjektive auch bei Seneca in entsprechendem Kontext begegnen (s.o. bei Anm. 412) und die patientia auch bei Cyprian mit Adjektiven wie fortis, stabilis u.ä. verbunden ist. Kunick, Begriff, 158–169, nimmt bei Cyprian im Vergleich mit Tertullian einerseits eine viel stärkere biblischchristliche Prägung des Begriffs der patientia wahr, andererseits aber auch, wie erwähnt, eine sehr viel deutlichere Akzentuierung des typisch römischen Pathos des tapferen, standhaften Aufsichnehmens von Widrigkeiten – ein Phänomen, das bei Cyprian wiederholt zu beobachten ist. 419 Neben den im folgenden herangezogenen längeren Deskriptionen gibt es eine Vielzahl kürzerer Bemerkungen, die denselben Einfluss widerspiegeln; vgl. auch Daniélou, Les origines, 350–353. 420 Der Begriff mortalitas bezeichnet hier unzweifelhaft das durch die Pestepidemie verursachte Massensterben; dass der Begriff mortalitas sonst in der Schrift De mortalitate und insbes. im Titel praktisch gleichbedeutend mit „plague“ sei (so Hannan, mort, 48), ist von Stramondo, mort, 9–19, mit Recht zurückgewiesen worden. Während Stramondo im Titel der Schrift die klassische Bedeutung „natura mortale dell’uomo“ annimmt, rechnet Deléani, Les titres, 402–404, mit einer bewusst eingesetzten Mehrdeutigkeit des Begriffs (Pestepidemie, Tod eines Menschen, „la ‚condition mortelle et temporelle‘“). 421 Etsi aput plurimos uestrum, fratres dilectissimi, mens solida est et fides firma et anima deuota quae ad praesentis mortalitatis copiam non mouetur, sed tamquam petra fortis et stabilis turbidos impetus mundi et uiolentos saeculi fluctus frangit potius ipsa nec frangitur, et temptationibus non uincitur sed probatur [...] (mort 1;1–6). 422 Vgl. die Zusammenstellung von Belegen bei Viansino, prou/const, 125. 423 Vgl. ähnlich ep 28,1,1;11f und laps 2;18–21 von den römischen bzw. karthagischen Konfessoren und dazu auch Clarke II, 100f.104 Anm. 5. 424 Vgl. bes. Cicero off 1,67f und Seneca dial 3,20,6 (jeweils als Beschreibung der magnitudo animi), ferner Cicero Tusc 2,66; 4,51; Seneca dial 2,3,5; benef 7,26,4 sowie Ps-Quintilian Decl mai 5,3. Eine nahe sprachliche Parallele bietet auch (Ps-) Quintilian Decl min 272,10, allerdings mit entgegengesetzter Sachaussage: ubi tam robur animi, ubi tam firmam solidamque mentem quae non dolore uincatur, non ignibus cedat, non uerberibus ingemiscat (103 Shackleton Bailey). – Die von Fontaine, Un cliché, 543f, zu dieser Motivik genannten neutestamentlichen Stellen 1Kor 15,58 und Kol 1,23 werden Fahey zufolge von Cyprian nicht rezipiert.

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wenn Cyprian zunächst en detail die Symptome eines an Pest erkrankten Körpers vor Augen malt,425 nur um dann hervorzuheben, dies alles diene zum Erweis des Glaubens der Christen (ad documentum fidei).426 Cyprian zitiert damit nicht nur eine Wendung aus Senecas Schrift De prouidentia – Seneca schreibt in Bezug auf die Regulus zugefügten Schicksalsschläge, die fortuna habe ihm wohl kaum damit geschadet, quod illum documentum fidei, documentum patientiae fecit427 –, er rezipiert auch die damit verbundene Vorstellung, schwere äußere Bedrängnisse dienten dem dergestalt Herausgeforderten dazu, seine „Tugend“ unter Beweis zu stellen:428 „Gegen so viele Anstürme der Verheerung und des Todes mit unerschütterlichen Kräften der Seele zu kämpfen, was für eine Größe des Herzens ist das, und was für eine Erhabenheit, inmitten der Zusammenbrüche des Menschengeschlechts aufrecht zu stehen und nicht mit denen, die keine Hoffnung auf Gott haben,429 niedergestreckt am Boden zu liegen, sich vielmehr zu beglückwünschen und das Geschenk dieser Zeit zu ergreifen [...]“.430

Für Cyprian ist die Pestepidemie ein spiritueller Kampf. Gekämpft wird nicht gegen die Krankheit und ihre Symptome – das ist hinzunehmen –, gekämpft wird dagegen, sich davon tangieren oder gar erschüttern zu lassen. Wie der römisch-stoische uir bonus,431 so soll auch der cyprianische Christ selbst ____________

425 Pascal, Lucrezio e Cipriano, 556f, rechnet hier wohl mit Recht mit einer literarischen Abhängigkeit von Lukrez rer 6,1138ff; ebenso Stramondo, mort, 69 (vgl. S. 67–70 insgesamt), die die dagegen vorgebrachten Einwände Hagendahls, Latin Fathers, 77f, zurückweist. 426 Mort 14;218–225. 427 Dial 1,3,9 (7;19f Reynolds); die Bezugnahme ist bislang offenbar übersehen worden. Dass fides im jeweiligen Kontext eine unterschiedliche Bedeutung hat, versteht sich: ist bei Seneca Treue, Verlässlichkeit gemeint, so bei Cyprian der Glaube, das Vertrauen auf Christus. Vgl. aber Fontaine, Un cliché, 550f, demzufolge die römische Verwendung von fides keineswegs frei von religiösen Untertönen ist und die christliche Verwendung dieses Begriffs „a conservé bien des valeurs de fidélité propres à la fides classique et préchrétienne“. 428 Tibiletti, Stoicismo, 311, bemerkt zu Senecas De prouidentia: „La capacità di pati è la misura della virtù. Il saggio desidera l’avversità [...]“. Zur philosophischen Sehnsucht nach Peristasen als Bewährungsproben der Tugend vgl. auch Rabbow, Seelenführung, 231–233 und S. 313f Anm. 72, mit Belegen aus Seneca und Epictet. Auch Marc Aurel betont, Unglück tapfer zu tragen, sei ein Glück (4,49). 429 Die Formulierung spielt auf 1Thess 4,13 an. 430 Contra tot inpetus uastitatis et mortis inconcussis animi uirtutibus congredi quanta pectoris magnitudo est, et quanta sublimitas inter ruinas humani generis stare rectum nec cum eis quibus spes in deum nulla est iacere prostratum, gratulari magis et temporis munus amplecti [...] (mort 14;225– 230). Die Formulierung inter ruinas humani generis stare rectum ist offenbar ein freies Zitat aus Seneca dial 1,2,9: stantem (sc. Catonem) nihilo minus inter ruinas publicas rectum (4,19 Reynolds; ähnlich ep 95,71); auch diese Bezugnahme scheint bislang übersehen worden zu sein. Vgl. bei Cyprian ähnlich noch Dem 20;380f (zitiert unten Anm. 451). 431 Zur Verschmelzung des stoischen uir sapiens mit dem römischen uir bonus bzw. magnus bei Seneca vgl. Regenbogen, Seneca, 403, und Robling, Topik, 71–73. Wie Cicero das nahezu unerreichbare stoische Ideal des sapiens durch das des uir bonus ersetzt, für das es in der römischen Tradition heroische Vorbilder gibt (vgl. Boyancé, Le stoïcisme, 223), verbindet auch Seneca das stoische Ideal – ohne es freilich preiszugeben – mit herausragenden Persönlichkeiten aus der römischen Geschichte; prominentestes Beispiel ist Cato Uticensis (ebd., 247). Auch in Lucans Darstellung des Cato verbin-

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extreme Schicksalsschläge als willkommene Gelegenheit begrüßen, sich auszuzeichnen. Hier können und müssen die Christen zeigen, dass Gottesfurcht und Glaube sie zu allem bereit machen432 und dass, was immer ihnen an Leiden und Unglück widerfährt, für sie „keine Anfechtungen, sondern Kämpfe“ sind, die, statt ihren Glauben zu schwächen oder zu brechen, im Gefecht ihre Tapferkeit erweisen.433 Der so unter Beweis gestellte christliche Glaube erweist sich damit als Verwirklichung des stoischen Ideals der magnitudo animi.434 Colish nimmt hier die Rezeption von zwei „Stoic ethical principles“ wahr, „the tranquillity resulting from the conceptualization of passing woes such as plagues as adiaphora and the magnitudo animi that enables the wise man to confront and to overcome the tests of virtue of this type“.435 Cyprian geht freilich ebenso wie Seneca in der Schrift De prouidentia noch einen Schritt weiter: Stellt dieser die Unverzichtbarkeit der aduersa für den Weisen heraus,436 so behauptet Cyprian Entsprechendes für die Christen: sie brauchen den „Kampf mit den Widrigkeiten“ so sehr als „Probe der Wahrhaftigkeit“ (ihres Glaubens) wie der Athlet den Wettkampf und der Soldat die Schlacht.437 Weil demnach die Pestepidemie den Christen erwünschte Gelegenheit gibt, die Wahrhaftigkeit ihres Glaubens unter Beweis zu stellen, können und sollen sie sich zum „Geschenk dieser Zeit“ beglückwünschen.438 ____________

den sich stoische und römische Elemente auf charakteristische Weise; vgl. dazu Eisenhut, Virtus Romana, 153–156. Zur Identifikation des Weisen mit dem Heros vgl. auch Fredouille, Le héros, 15–18. Christliche Martyriumstheologie kann hier anknüpfen. 432 Ad omnia te paratum facere timor dei et fides debet (mort 12;187f; vgl. ähnlich mort 24;410f; ep 6,3,2;74–77). Die Formulierung hat eine Entsprechung bei Apuleius Plat 2,21: ad hoc sapientem et fortissimum dicit (sc. Plato) esse, ut qui uigore mentis ad omnia perpetienda sit paratus (134,3–5 Moreschini). Obwohl als Plato-„Zitat“ eingeführt, bietet Apuleius hier „une définition du sage nettement stoïcienne“ (Spanneut, Apatheia, 4709). 433 [...] non sint tibi scandala (Hartel mit S: offendicula) ista sed proelia [...] (Z. 191–193); ähnlich Minucius Oct 36,8 bezogen auf die corporis humana uitia: non est poena, militia est (34,25f Kytzler). Nach mort 16;271–276 sind die Leidenserfahrungen während der Pestepidemie für die Christen exercitia [...], non funera, lehren diese sie doch Todesverachtung und bereiten sie so auf das Martyrium vor. Dass der Weise omnia aduersa für exercitationes hält, betont Seneca dial 1,2,2 (3,12 Reynolds); vgl. auch Tertullian mart 3,3f. 434 Der Ausdruck pectoris magnitudo in mort 14;227 spielt auf diesen Terminus an. 435 Colish, The Stoic Tradition II, 34. Colish bemerkt freilich, diese stoischen Prinzipien seien hier eingebettet „in an argument that is thoroughly Christian“. 436 Charakteristisch für Seneca ist „an unorthodox preference for the virtue shown in overcoming adversity over that manifested in moderating prosperity“ (Griffin, Seneca 177). Zurückzuführen ist diese Haltung, die sich etwa in ep 66–67 manifestiert, I. Hadot, Seneca 118f, zufolge auf römischmilitärische Ideale; vgl. dazu auch Kunick, Begriff, 115–119.108f. Seneca beruft sich für diese Position auf den Kyniker Demetrius (vgl. ep 67,14 und dazu Billerbeck, Demetrius, 37f, mit vielen weiteren Belegen aus Seneca) sowie auf den Stoiker Attalus (ep 67,15); Epictet führt dasselbe am Beispiel des Herakles aus (diss 1,6,32–36; vgl. 3,22,57 zum Idealbild des Kynikers). Vgl. dazu auch Tibiletti, Stoicismo, 315f; zur Rezeption dieses Motivs bei Tertullian vgl. ebd., 316f. 437 Mort 12;194–199; Cyprian zitiert auch hier (Z. 196f) Senecas De prouidentia (dial 1,4,5; dazu s.o. 1.3 Anm. 170f). 438 Entsprechendes gilt nach ep 58,3,1;62–65 (im Anschluss an Lk 6,22f!) für Verfolgungen.

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Zur Beschreibung christlicher Standhaftigkeit in Verfolgungssituationen greift Cyprian mit Vorliebe auf die militia-Metaphorik zurück.439 So preist er nach dem Ende der decischen Verfolgung die karthagischen Konfessoren als militum Christi cohors candida, die den wilden Sturm der sie bedrängenden Verfolgung in standhaftem Kampf gebrochen, tapfer der Welt widerstanden habe und jetzt, im Triumph aus der Schlacht zurückkehrend, die Trophäen des niedergeworfenen Feindes zur Kirche trage.440 Dass zu den siegreichen milites Christi auch Frauen, Jungfrauen und Knaben zählen, die damit zugleich ihr Geschlecht bzw. ihr Alter besiegt haben, wird in der Tradition sowohl der paganen wie der jüdischen und christlichen ‚Märtyrerliteratur‘ besonders hervorgehoben.441 Besonders gewürdigt werden auch diejenigen, die angesichts der in einer zweiten Phase der decischen Verfolgung in Karthago hinzugekommenen Foltern442 ihre Furchtlosigkeit, Tapferkeit, Standhaftigkeit und Hingabe bewiesen haben: Wie für Soldaten Christi im göttlichen Heerlager geziemend, war die unversehrte Festigkeit ihres Glaubens (incorrupta fidei firmitas) weder durch Schmeicheleien zu täuschen noch durch Drohungen zu erschrecken noch durch Martern und Foltern zu besiegen.443 Begründet ist die siegreiche Standfestigkeit der Konfessoren freilich nicht in ihrer eigenen Macht, sondern in der Überlegenheit der Macht Christi und des göttlichen Schutzes.444

Die Vorstellung, dass aduersa den Christen nicht schaden, sondern nützen, findet Cyprian in 2Kor 12,7–9 bestätigt: Paulus werde nach eigener Auskunft „durch Widrigkeiten nicht gemartert, sondern gebessert“ und durch schwerere Heimsuchungen nur umso wahrhaftiger als bewährt erwiesen.445 V. 9aβ kommentiert Cyprian mit den Worten, die uirtus der Christen werde dann vollendet, wenn „irgendeine Schwäche, Kränklichkeit oder Verheerung“ wüte.446 Er verkehrt damit die Aussageintention des Textes ins Gegenteil: Nicht um menschliche Schwäche geht es ihm, die Raum gibt für die Kraft (δυ' ναμις) Gottes, sondern um die Situation der Bedrängnis – infirmitas wird mit inbecillitas und uastitas zusammengestellt, und diese „wüten“ (grassari) – als Gelegenheit, die eigene uirtus – verstanden als Tapferkeit – unter Beweis zu stellen und so die Vollendung zu erlangen.447 Ebenso verstehen den Paulus-Text offenbar schon ____________

439 Zur Forderung der Standhaftigkeit in Verfolgungssituationen vgl. ep 6,1,2;15f; ep 57,3,2;65; Fort 12;57f u.ö. Zur cyprianischen Verwendung der militia-Metaphorik s.o. 1.2; vgl. ferner Capmany, Miles, passim, Hummel, Concept, 79–90, sowie Trisoglio, S. Cipriano, 359–362. Zur erheblich seltener begegnenden Agon-Motivik s.o. Kap. 2.3.2 sowie Brekelmans, Martyrerkranz, 94f. 440 Laps 2;18–34; vgl. auch ep 37,1,1;5f; ep 38,1,2;10–19; ep 39,2,1;19–25 u.ö. und dazu Hummel, Concept, 58–61. Zur Rezeption des Triumph-Motivs vgl. auch Fort 13;12–16 sowie ep 54,1,1;4– 2;16. Als in fide stantes und fortiter militantes preist Cyprian auch diejenigen, die trotz drohender Gefahr die castra Christi nicht verlassen haben (ep 12,2,2;40–46; vgl. laps 2;37–46). 441 Laps 2;34–37; ebenso ep 6,3,1;62–70. Zur Tradition dieses Motivs vgl. Carlson, Pagan Examples, 97f, Mazzucco, La donna, 104–107, sowie Jensen, Gottes selbstbewußte Töchter, 178–253, bes. S. 238–240. 442 Vgl. oben 1.3 Anm. 191. 443 Ep 10,1,1;10–2;25; vgl. auch 10,2,2;33–43 u.ö. 444 Z. 20–22; Näheres dazu s.u. Kap. 7. 445 [...] non uexari sed emendari se dicit aduersis, ut dum grauius adfligitur uerius probaretur (mort 13;204–207). Die aduersa werden in Z. 204f mit einer knappen Zusammenfassung des paulinischen Peristasenkatalogs in 2Kor 11,23–27 erläutert. 446 Quando ergo infirmitas et inbecillitas et uastitas aliqua grassatur, tunc uirtus nostra perficitur [...] (Z. 210–212); zuvor wird 2Kor 12,7–9 zitiert, danach Sir 27,5. 447 Vgl. dazu auch von Albrecht, Geschichte II, 1246.

2. Bewährung gegenüber den Angriffen des Widersachers und der Welt

215

Tertullian und Minucius.448 Es ist bemerkenswert, wie hier ein veränderter Resonanzboden eine ebenso eigentümliche wie einheitliche Deutungstradition begründet. Es entspricht diesen Ausführungen, wenn Cyprian schreibt, als solche, die mehr schon im Geist als im Fleisch lebten,449 besiegten die Christen durch die firmitas animi die infirmitas corporis, und dieselben Dinge, die Nicht-Christen marterten und ermüdeten, erwiesen sie als bewährt und stärkten sie.450 Der durch den Geistempfang signalisierte Wechsel der Zugehörigkeit begründet eine innere Standfestigkeit, die zu einer grundlegenden Veränderung der Erfahrung von Leiden und Widrigkeiten führt: Statt sie zu zermürben, stärken sie die Christen. Solche „Stärke der Hoffnung und Festigkeit des Glaubens“ führen dazu, dass „inmitten der Zusammenbrüche der verfallenden Welt der Geist (mens) aufgerichtet, die uirtus unbeweglich, die Geduld niemals nicht fröhlich und die Seele allezeit ihres Gottes sicher ist [...]“.451 Cyprian begründet diese Aussage mit einer allegorischen Auslegung von Hab 3,17f, die erneut eine charakteristische Verschiebung erkennen lässt: Stellt das biblische Zitat den die anderen treffenden Katastrophen des Gerichts den eigenen Jubel gegenüber, so deutet Cyprian die Gerichtsankündigung auf die aktuellen Katastrophen, den Jubel aber auf die Haltung der Christen inmitten dieser auch sie selbst treffenden, sie aber nicht wirklich berührenden Katastrophen.452 Die Attribute, mit denen er die christliche Haltung gegenüber den aduersa beschreibt – erecta mens, inmobilis uirtus, laeta patientia, anima secura,453 ferner non conmoueri, fortiter tolerare –, verraten erneut weniger biblische als vielmehr stoische, insbesondere senecanische Prägung.454 Es ist diese stoisch geprägte magnitudo animi, die es den Christen ermöglicht, die Widrigkeiten der Welt ebenso klaglos ____________

448 Tertullian bemerkt in fug 2,7;67–72 zu 2Kor 12,7–9, Gott lasse die carnis uexatio des Paulus durch den Teufel zu, ut et uirtus tolerantiae scilicet in infirmitate perfici possit; vgl. auch fug 2,1. Minucius spielt offenbar auf V. 9a an, wenn er in Oct 36,8 schreibt: fortitudo enim infirmitatibus roboratur et calamitas saepius disciplina uirtutis est (34,26f Kytzler). 449 Vgl. dazu Kap. 4.3 mit Anm. 117. 450 [...] per ipsa quae uos cruciant et fatigant probari et corroborari nos scimus et fidimus (Dem 18;357–360); ebenso mort 13;214–217. 451 Viget aput nos spei robur et firmitas fidei et inter ipsas saeculi labentis ruinas erecta mens est et inmobilis uirtus et numquam non laeta patientia et de deo suo semper anima secura [...] (Dem 20; 380–383). Hier klingt erneut das oben Anm. 430 notierte Seneca-Zitat an; eine Reminiszenz an Horaz ep 1,168f kann ich hier nicht erkennen (gegen Fontaine, Un cliché, 547). 452 Z. 383–397; vgl. dazu auch oben 2.2.2. Tertullian spricht in pat 11,9;36f im Anschluss an Mt 5,11f in stoisierender Weise von einem in aduersis exultare, das die Verachtung (contemnere) der aduersa zur Voraussetzung hat; vgl. dazu Fredouille, Tertullien, 397. 453 Die offenbar durch den Schluss des nachfolgenden Zitates von Hab 3,17f ([...] ego autem in domino exultabo et gaudebo in deo salutari meo [Z. 387f]) angeregte Bestimmung de deo suo semper secura anima (Z. 382f) bezeichnet die Grundlage der christlichen Haltung. Gallicet, Dem, 237f.252, weist mit Recht auf die stoische Tönung des Adjektivs securus hin und übersetzt demgemäß „l’anima sempre tranquilla per la fiducia nel nostro Dio“ (S. 109). 454 Vgl. dazu auch die Skizze des „sapiens stoico“ bei Tibiletti, Stoicismo, 310f, der betont, der stoische Weise, besonders der senecanische, sei derjenige, „che affronta impavido l’avversità, che non si piega e non si lascia travolgere dalla sorte maligna“ (S. 310).

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Christliche Existenz in der Zeit als ständiger Kampf

hinzunehmen wie körperliche Leiden oder Verfolgungen.455 Eben darin liegt Cyprian die firmitas animi, mit der die infirmitas carnis zu besiegen ist. Die Bewährung der Christen gegenüber den vielfältigen Angriffen des Widersachers und der Welt besteht für Cyprian in einer unerschütterlichen Standhaftigkeit, die allen „Stürmen“ standhält, Leiden und Bedrängnisse klaglos erträgt und Angriffe als willkommene Bewährungsproben begrüßt. Diese Konzeption erweist sich in wesentlichen Zügen als stoisch geprägt, wie besonders in den Schriften Ad Demetrianum und De mortalitate sichtbar wird. An vielen Stellen ist eine besondere Nähe zu Seneca zu erkennen, die nicht nur weitreichende terminologische Übereinstimmungen betrifft, sondern sich auch in direkten Bezugnahmen äußert – Senecas Schrift De prouidentia wird wiederholt mehr oder weniger wörtlich zitiert; daneben gibt es motivische Entsprechungen, die auf senecanischen Einfluss hindeuten.456 Breiter gestreute Einflüsse antiker Philosophie sind insbesondere in Bezug auf die praemeditatio-Motivik wahrnehmbar und auch sonst häufiger zu vermuten. Die weitreichenden Übereinstimmungen der cyprianischen Konzeption christlicher Standhaftigkeit mit paganen, insbesondere stoischen Vorbildern dürfen freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass es wesentliche Unterschiede gibt. Ihr Fundament hat die magnitudo animi der Christen in einem fortiter Christo adhaerere, gelebt werden kann sie dank einer ausgeprägten fiducia futurorum, welche die gegenwärtigen Bedrängnisse als unerheblich erscheinen lässt. Es geschieht daher letztlich mit guten Gründen, wenn Cyprian sich in pat 2f von einer philosophisch konzipierten patientia absetzt und dabei den fehlenden Gottesbezug ins Zentrum rückt: An die Stelle der Autarkie des Weisen, der sich in seiner wesenhaften Existenz durch nichts Äußeres, dem Wohlwollen des Schicksals Unterliegendes tangieren lässt, tritt die in der christlichen Gottesbeziehung begründete Zukunftsorientierung, für die dann freilich ebenfalls alles Irdisch-Äußerliche seine Bedeutung verloren hat, und unbesiegbar ist der standhafte Christ, weil Christus in ihm siegt.457 So durchdringen sich in den cyprianischen Ausführungen biblische, frühchristliche und philosophische, besonders stoisch-senecanische Elemente auf vielfältige Weise. Die allegorische Interpretation von Mt 7,24f, das Missverständnis von Hiob 1,8 und die Umdeutung von 2 Kor 12,7–9 sind Beispiele dafür, wie sehr biblisches Denken hier von stoischsenecanischen Einflüssen imprägniert ist. Das Fundament ist ein anderes, aber die darin begründete Haltung zeigt weitgehende Übereinstimmungen.458 ____________

455 Vgl. dazu auch Morgenstern, Cyprian, 37. 456 Siehe dazu bes. die Ausführungen in 2.2.3 zum Thema sine querella. 457 Vgl. dazu auch Fredouille, Le héros, 24f, der die „opposition entre l’autarcie du héros patient et le théocentrisme de la sainteté“ betont und die christliche Haltung als „l’héroïsme plus la grâce“ charakterisiert (Zitate S. 24). 458 Vgl. auch Fontaine, Un cliché, 552, zur paganen und christlichen Rezeption des Gemeinplatzes stetit immobilis, in dem trotz unterschiedlicher theologischer und moralischer Begründungen „la même attitude spirituelle“ zum Ausdruck komme.

Kapitel 6: Das menschliche Handeln als Ausdruck des Gottesverhältnisses

Die maßgebliche normative Instanz der Paränese sind für Cyprian zweifellos die biblischen Gebote und Weisungen – die starke biblische Orientierung seiner Schriften ist oft festgestellt worden1 –, und er vertritt den Grundsatz, dass allein die in der heiligen Schrift begründete Überlieferung Autorität beanspruchen kann. Biblische Gebote und Weisungen sind für ihn Willensäußerungen Gottes bzw. Jesu Christi; sie werden daher mit Vorliebe als diuina praecepta, lex dei, disciplina domini o.ä. bezeichnet. Das menschliche Handeln in Gehorsam oder Ungehorsam gegen die Gebote ist demzufolge immer schon Ausdruck eines Gottesverhältnisses. Wie Gebotsgehorsam Gottes Wohlgefallen erlangt, so ist Ungehorsam ein Angriff auf Gott selbst. Es ist deshalb für das Verständnis der cyprianischen Paränese notwendig, grundlegende Aspekte des menschlichen Gottesverhältnisses zu analysieren. Eine besonders häufig begegnende Charakterisierung dieses Verhältnisses ist der auch biblisch begründete Begriff der Gottesfurcht, der für Cyprian die im Tun des Menschen sich äußernde Haltung gegenüber Gott offenbar am treffendsten beschreibt. Der Begriff der Gottesliebe begegnet erheblich seltener und gewinnt in seiner Paränese kaum eigenes Gewicht. Zum Thema des Gehorsams gegen Gott ist neben gelegentlichen grundsätzlichen Reflexionen auch die auffallend häufig anzutreffende Entgegensetzung von Weisungen Gottes auf der einen und menschlichen Überlieferungen und Gewohnheiten auf der anderen Seite zu diskutieren. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Wahrnehmung menschlichen Handelns unter dem Gesichtspunkt seiner Wirkung auf Gott; neben dem biblischen Ausdruck „Gott gefallen“ (deo placere) finden sich hier nicht selten typisch lateinische Wendungen wie deum promereri und deum offendere.

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1 Vgl. etwa Monceaux, HAC II, 317, dem Bayard, Tertullien, 21, folgt. Dass Cyprian selbst in der apologetischen Schrift Ad Demetrianum in starkem Maße auf die Bibel zurückgreift, kritisiert Laktanz Inst 5,1,26f; vgl. dazu Pellegrino, Studi, 130–135.

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Das menschliche Handeln als Ausdruck des Gottesverhältnisses

1. Gottesfurcht als die grundlegende Haltung des Menschen gegenüber Gott Das angemessene Gottesverhältnis des Menschen wird von Cyprian mit Vorliebe als Gottesfurcht bestimmt.2 Gott zu suchen und zu fürchten ist eine grundlegende Verpflichtung jedes Menschen, die zu vernachlässigen den Zorn Gottes zur Folge hat,3 und ist umso mehr eine selbstverständliche Obliegenheit jedes einzelnen Christen.4 Cyprian kann daher in Aufnahme und Modifikation des alttestamentlich-weisheitlichen Grundsatzes, wonach Gottesfurcht der Anfang aller Weisheit ist,5 die Gottesfurcht als „Grundlage und Stütze der Hoffnung und des Glaubens“ bezeichnen.6 In Gebotsgehorsam und Gottesfurcht nimmt „die gesamte Grundlage der Frömmigkeit und des Glaubens“ ihren Anfang.7 Bezugspunkt dieser Aussage ist die tätige Bewahrung der in der Taufe empfangenen göttlichen Gnade; Gebotsgehorsam und Gottesfurcht sind demnach für Cyprian das Fundament der gelebten christlichen Existenz in der Zeit.8 Gewinnt damit die Gottesfurcht für das cyprianische Denken großes Gewicht, so darf dieser Aspekt freilich nicht isoliert werden. Cyprian kann ebenso den Grundsatz formulieren, „dass der Liebe zu Gott und zu Christus nichts vorgeordnet werden darf“.9 Das biblische Hauptgebot, Gott von ganzem Herzen zu ____________

2 Vgl. Watson, Style, 276: „The right feeling of man towards God is usually timor, more rarely metus [...]“; ähnlich Welykyj, Lehre, 56 u.ö. 3 Vgl. dazu ausführlich Dem 5;87–98, ferner Dem 12;234 und 9;165f; timere meint hier im biblischen Sinne „non solo ‚temere‘, ma ‚ubbidire, onorare, servire‘“ (Gallicet, Dem, 183). 4 Vgl. ep 11,1,1;4f: pro timore quem singuli debemus deo. Die Fortsetzung (Z. 5f) begründet mit der Gottesfurcht das entsprechende Tun, hier beständiges Gebet. Dies entspricht der alttestamentlichen Bedeutung des Begriffs: „JHWHfurcht ist Ehrfurcht, die sich ihm unterwirft, ist nicht nur Haltung des Herzens, sondern auch äußeres Tun“ (Preuß, Theologie, 170). 5 Vgl. dazu etwa von Rad, Weisheit, 91–101.312f, und Becker, Gottesfurcht, 214–222. Zur Gottesfurcht als Inbegriff der Frömmigkeit im Alten Testament vgl. Mundle, Furcht (Gottes), 672– 680, und Preuß, Theologie, 166–171, hier bes. S. 170. 6 Fundamentum et firmamentum spei et fidei esse timorem (Quir 3,20tit). Die ersten beiden der dazu angeführten, durchgängig alttestamentlichen Zitate, Ps 110,10 und Sir 1,14, charakterisieren die Furcht Gottes als initium sapientiae (zu Interpolationen bei den weiteren Zitaten vgl. App. z.St.), der absolut gebrauchte Begriff timor bezeichnet hier demnach unzweideutig die Gottesfurcht (einige MSS ergänzen demgemäß dei); dies gilt in der Regel auch sonst (vgl. Bayard, Le latin, 195, und Watson, Style, 276). – Tertullian bezeichnet in cult 2,2,2;14f den timor als fundamentum salutis, meint damit aber, wie der Kontext zeigt, die Besorgtheit, die sich vor drohenden Verfehlungen in Acht nimmt. 7 [...] fundamentum omne religionis et fidei de obseruatione ac timore proficiscitur [...] (habit 2;188,7f); obseruatio ist vom Kontext her als Beobachtung der disciplina bzw. der göttlichen Gebote zu bestimmen (vgl. Z. 8–12), timor als Gottesfurcht. Vgl. auch ep 16,3,1;47f. 8 In orat 1;1f werden die Gebote (euangelica praecepta) als fundamenta aedificandae spei und firmamenta corroborandae fidei bezeichnet und nehmen damit die Stelle ein, die nach Quir 3,20tit die Gottesfurcht innehat (zu diesem Passus s.o. Kap. 2.3.1); vgl. auch Fort 11;62f. – Gottesfurcht begegnet bei Cyprian nicht selten in Aufzählungen grundlegender christlicher ‚Tugenden‘ (vgl. orat 24; 452–455; laps 19;390–392; ep 74,9,1;173–176 u.ö.); Christen können demgemäß allgemein als deum timentes o.ä. bezeichnet werden (vgl. etwa ep 4,2,1;23; ep 73,23,2;419f und pat 24;484). 9 Dilectioni dei et Christi nihil praeponendum (Quir 3,18tit); er zitiert dazu Dtn 6,5; Mt 10,37f und Röm 8,35–37, wobei er Röm 8,35a (quis nos separabit a dilectione Christi) auf die Liebe zu Chris-

1. Gottesfurcht als Grundhaltung des Menschen gegenüber Gott

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lieben, untergliedert er im Anschluss an eine bereits bei Tertullian anzutreffende,10 auf der „jedem Römer geläufige(n) Vorstellung des pater familias“ basierende Unterscheidung11 in die beiden Aspekte der Liebe und der Furcht: „ihn darin zu lieben, dass er der Vater ist, ihn (darin) zu fürchten, dass er der Herr ist“.12 Unter Rückgriff auf diese Vorstellung hält Cyprian reumütige lapsi dazu an, weder an der Barmherzigkeit des Herrn zu verzweifeln noch schon Vergebung für sich zu beanspruchen, sondern tätige Reue zu üben: „So sehr Gott aufgrund seiner väterlichen Liebe allezeit gnädig und gut ist, so sehr ist er aufgrund seiner richterlichen Majestät zu fürchten“.13 Das Thema der Gottesliebe begegnet bei Cyprian auch sonst, gewinnt freilich nicht entfernt dasselbe Gewicht wie das der Gottesfurcht.14 Außerhalb von Bibelzitaten gibt es nur wenige Belege. Dass der Liebe zu Gott nichts vorgezogen werden darf, auch nicht die Liebe zu Eltern oder Kindern, kann bezogen auf den Besitz reflektiert werden;15 auch im Kontext der Martyriumsparänese begegnet dieses Motiv, ohne dass jedoch die Liebe zu Gott außerhalb der Zitate thematisiert würde.16 Aus der Gottesliebe der Christen leitet Cyprian ab, dass der Widersacher sie auch durch Verfolgungen nicht daran hindern dürfe, allezeit und überall rühmend das Lob Gottes zu verkünden.17

Der Charakterisierung der Gottesfurcht als fundamentum des Glaubens entsprechend, werden Glaube und (Gottes-) Furcht bei Cyprian häufig miteinander verbunden. So beschreibt er die Standhaftigkeit in Verfolgungen und Bedräng____________

tus deutet, von der keine Bedrängnis den Christen trennen darf; ähnlich ep 11,5,3;105–108. Vgl. auch Fort 6tit sowie Fort pr.5;90–98. 10 Vgl. Tertullian Marc 1,27,3 und bes. Marc 2,13,5; Tertullian nimmt seinerseits offenbar entsprechende Überlegungen des Irenäus (haer 5,17,1) auf (vgl. R. Braun, Marc I, 232 Anm. 3). 11 Wlosok, Laktanz, 241; zu Tertullian vgl. ebd., 239–241. 12 [...] deum toto corde diligere, amare in illo quod pater est, timere quod dominus est (orat 15; 274f; in Z. 275 ist mit J T h dominus zu lesen, nicht deus [so Moreschini mit den übrigen MSS]; ebenso Hartel, der aber am Anfang mit S V dominum liest). Vgl. auch ep 55,20,1;332: timentes ac diligentes corde toto deum. 13 Deus quantum patris pietate indulgens semper et bonus est, tantum iudicis maiestate metuendus est (laps 35;666–673, Zitat Z. 671–673; ausgeführt wird beides in laps 35;673–696 bzw. 36;697– 720). Vgl. auch ep 55,22,4;385–387 zu Ps 88,33f: in psalmis etiam legimus censuram pariter et clementiam dei comminantis simul atque parcentis, punientis ut corrigat et cum correxerit reseruantis. 14 Dass Cyprian „fast nie selbständig und ausdrücklich von der Gottesliebe“ spricht (Welykyj, Lehre, 55), ist umso auffälliger, als das Thema christlicher Bruderliebe für ihn großes Gewicht hat. 15 Vgl. bes. op 16;313–319 und 19;389–394. 16 Vgl. dazu bes. Fort 6tit. Anders als etwa Tertullian Scorp 4,5; 13,12 u.ö. begründet Cyprian das Martyrium außerhalb von Schriftzitaten nicht mit der christlichen Liebe zu Gott. Selbst der dreimal zitierte Text Dtn 13,4b (Temptat dominus deus uester uos ut sciat si diligitis dominum deum uestrum ex toto cordo uestro et ex tota anima uestra et ex tota uirtute uestra [Fort 9;3–5; in mort 11;181–183 und Quir 3,15;5–7 fehlt das letzte Satzglied]) wird an keiner Stelle auf die Erprobung der Gottesliebe bezogen. 17 Laps 1;8–11; qui deum corde toto et anima et uirtute diligimus (Z. 9f) ist eine Anspielung auf den ersten Teil des Doppelgebots der Liebe. Cyprian zitiert dieses dreimal (Fort 2;12–18; unit 15;381– 386; orat 28;527–533 [zur Textgestalt vgl. Fahey, 319f]), legt es jedoch an keiner Stelle auf die Gottesliebe hin aus. – Die in Quir 3,116tit im Anschluss an Lk 7,47c formulierte Aussage: Plus ab eo diligi deum, cui in baptismo plura peccata dimittuntur, findet bei Cyprian sonst keine Aufnahme.

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Das menschliche Handeln als Ausdruck des Gottesverhältnisses

nissen als Ausdruck festen Glaubens und beharrlicher Gottesfurcht,18 wobei letztere offenbar die Kraft dazu verleiht, trotz massiver Bedrohung standhaft am christlichen Bekenntnis zu dem einen wahren Gott festzuhalten.19 Von Gottesfurcht und unversehrtem Glauben zeugt Cyprian zufolge auch das Bemühen spanischer Bischöfe, zwei zu Apostaten gewordene Kollegen aus ihrem Amt zu entfernen.20 Vorbild sowohl des Glaubens als auch der Gottesfurcht ist für ihn Abraham. Dessen Bereitschaft, seinen Sohn zu opfern, lehrt Cyprian zufolge, dass Gottesfurcht und Glaube den Christen zu allem bereit machen müssen21, und das heißt für ihn insbesondere zum klaglosen Ertragen aller Leiden und Widrigkeiten.22 Der innere Zusammenhang von Glaube und Gottesfurcht wird bezogen auf die Praktizierung von Werken der Barmherzigkeit erörtert: „Denn wenn Abraham an Gott glaubte und ihm dies zur Gerechtigkeit angerechnet wurde [Gal 3,6par], dann glaubt jedenfalls23 der an Gott, der gemäß dem Gebot Gottes Werke der Barmherzigkeit tut. Und wer wahren Glauben24 hat, der wahrt die Gottesfurcht; wer aber die Gottesfurcht wahrt, der denkt bei Taten der Barmherzigkeit gegenüber Armen an Gott.“25

Er tue gute Werke, weil er glaube und wisse, dass die durch die Worte Gottes in der heiligen Schrift angekündigte Bestrafung unfruchtbarer Menschen eintreffen werde.26 Cyprian folgert aus der Anrechnung des Glaubens zur Gerechtigkeit,

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18 Vgl. Fort 12;56–59; ep 13,5,3;91–93 ([...] fide ac timore eius stamus et uiuimus); ep 60,2,5; 53–59; Fort 11;183–188 u.ö., ferner ep 60,2,1;27f (die römischen Christen haben durch ihr Vorbild ihre Mitchristen gelehrt, granditer deum timere, Christo firmiter adhaerere) sowie ep 37,4,2;88f. Wenn es in ep 55,9,2;162–166 heißt, der römische Bischof Cornelius habe durch seine Bereitschaft, Foltern bzw. Martyrium zu erdulden, quantum ad eius deuotionem pertinet et timorem erlitten, was er erleiden konnte, so wird damit keineswegs die Furcht vor dem Drohenden als ersatzweises Erleiden des Martyriums gelobt, wie dies einige Übersetzungen suggerieren (vgl. Bayard II, 137, und Clarke III, 39), sondern es klingt die bei Cyprian auch sonst begegnende Vorstellung an, wonach es für Märtyrerehren weniger auf den Vollzug des Martyriums als vielmehr auf die innere Bereitschaft dazu ankommt (vgl. dazu Kap. 8.2.2). – Timor und deuotio stehen auch in orat 25;473f nebeneinander. 19 Sehr viel häufiger begegnet in diesem Kontext freilich das Begriffspaar fides und uirtus; vgl. dazu Kap. 2.2.1 mit Anm. 69. 20 Vgl. ep 67,1,1;17f und die korrespondierende Schlussermahnung in 67,9,3;207f, ferner ep 67,7;151–153; 67,8,1;160–163 sowie ep 74,9,1;173–179. 21 Mort 12;187f, zitiert Kap. 5 Anm. 432. 22 Vgl. mort 12 insgesamt; in ähnlicher Weise wird in mort 10;156–159 das vorbildliche Verhalten des Tobias beschrieben. Zur Sache s.o. Kap. 5.2.2.3. 23 Die an sich mögliche Deutung des utique als „steigernd“ (LHS §264 [S. 493]; SchrijnenMohrmann I, 138) und damit die Interpretation von Gal 3,6par als ein argumentum a fortiori wird durch die Parallele in ep 63,4,2;54–57 (s.u. Anm. 27) ausgeschlossen. 24 Fidei ueritatem ist ein gen. inversus (vgl. Schrijnen-Mohrmann I, 86f, und Merkx, 17–19). 25 Nam si Abraham credidit deo et deputatum est ei ad iustitiam, utique qui secundum praeceptum dei eleemosynas facit deo credit: et qui habet fidei ueritatem seruat dei timorem: qui autem timorem dei seruat in miserationibus pauperum deum cogitat (op 8;160–165). 26 Z. 165–168. Der Abschnitt insgesamt erläutert, weshalb Jesus den mildtätigen Zachäus in Lk 19,8f als Abrahamssohn bezeichnet (vgl. Z. 156–160). Poirier, op, 99 Anm. 2, zufolge zielt die cyprianische Argumentation auf die Verwurzelung der Werke im Glauben sowie auf die Ausdehnung der Abrahamskindschaft auf alle, die aufgrund der im Glauben angenommenen Gebote Gutes tun.

1. Gottesfurcht als Grundhaltung des Menschen gegenüber Gott

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dass umgekehrt auch praktizierte Barmherzigkeit den Glauben erweist.27 Dass der Glaube über die Gottesfurcht zur Praxis der Barmherzigkeit führt, wird damit begründet, dass der Gottesfürchtige in seinem Handeln die Zuverlässigkeit der Drohungen und Verheißungen Gottes berücksichtigt. Glaube und Gottesfurcht sind hier auf das richterliche Handeln Gottes bezogen und motivieren so zu gebotsgetreuem Tun.28 Geschwächter Glaube äußert sich für Cyprian demgemäß darin, dass niemand mehr das göttliche Gericht fürchtet und davon sein Handeln bestimmen lässt. So zeige der Niedergang der christlichen Freigebigkeit, wie sehr die Kraft des Glaubens dahingeschwunden sei. Die Frage des Herrn, ob der Menschensohn bei seiner Wiederkunft wohl Glauben auf Erden finden werde (Lk 18,8b), beziehe sich auf diese Zeit,29 in der es in Gottesfurcht, Gerechtigkeit30, Liebe und Tun der Barmherzigkeit keinen Glauben mehr gebe.31 Niemand beachte die furchterregende Zukunft (futurorum metus)32 des göttlichen Gerichts und der drohenden Strafen und Foltern. „Was immer unser Gewissen fürchtete, wenn es glaubte, fürchtet es auch in keiner Weise, weil es nicht glaubt. Wenn es aber glaubte, sähe es sich auch vor; wenn es sich vorsähe, entrönne es (sc. dem Gericht)“.33

Dass auch die als auf Besserung zielende Sündenstrafe gesandte decische Verfolgung34 nicht zu einer Umkehr zur Furcht des Herrn, sondern zu massenhaftem Verrat des Glaubens geführt hat,35 wird von Cyprian ebenso beklagt wie der Zustand der Gottesfurcht und des Glaubens unbußfertiger lapsi, die selbst der Schrecken (metus) der Verfolgung nicht zu korrigieren vermocht hat.36 Vor____________

27 Cyprian rezipiert hier offenbar die begriffliche Gleichsetzung von Almosen und Gerechtigkeit im zeitgenössischen Judentum; vgl. dazu Garrison, Redemptive Almsgiving, 56–59. In der Fortsetzung (Z. 168–172) heißt es demgemäß zu Lk 16,11f, Christus bezeichne diejenigen, die entsprechende Früchte bringen, als Gläubige, während er den Unfruchtbaren den Glauben abspreche (fidem derogat). – Dass Cyprian mit dem Beispiel Abrahams auch ganz anders argumentieren kann, zeigt ep 63,4,2; 54–66, wo er mit einer Paraphrase von Gal 3,6par die Abrahamskindschaft der Christen begründet: nam si Abraham deo credidit et deputatum est ei ad iustitiam, utique quisque deo credit et fide uiuit iustus inuenitur et iam pridem in Abraham fideli benedictus et iustificatus ostenditur (Z. 54–57). Dass Cyprian „jedes Verständnis für die iustitia ex fide“ fehlt (Seeberg, Lehrbuch I, 650), trifft demnach so nicht zu, auch wenn das Thema bei ihm nur am Rande begegnet. 28 Vgl. dazu auch Welykyj, Lehre, 53. 29 Cyprian deutet die Frage als Prophezeiung, dass er keinen Glauben finden werde. 30 In lege iustitiae (unit 26;600) steht pleonastisch für in iustitia (Bayard, Le latin, 99). 31 Vgl. auch ep 67,7;151–153. 32 Metus bezeichnet hier metonymisch das, was Furcht auslöst (vgl. Georges s.v. II). 33 Quicquid metueret conscientia nostra si crederet, quia non credit, omnino nec metuit; si autem crederet, et caueret; si caueret, euaderet (unit 26;591–605, Zitat Z. 603–605). Zu ähnlichen Sequenzen bei Cyprian s.o. Kap. 5.1.1, zu Entsprechungen bei Tertullian ebd. Anm. 34. 34 Zu diesem Motiv s.o. Kap. 5.1.3. 35 Laps 7;124–126. Die ausbleibende Wirkung göttlichen Strafhandelns an Nicht-Christen wird in Dem 7;131–136 beklagt; vgl. dazu auch Dem 23;446–448; 16;300–303 sowie 9;169f. 36 Laps 22;438–440.

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Das menschliche Handeln als Ausdruck des Gottesverhältnisses

bildlich sind dagegen der Glaube und die Gottesfurcht derjenigen, die, obwohl sie lediglich erwogen haben, dem Decius-Edikt Folge zu leisten, im Wissen darum, dass Gott sich nicht spotten lässt (Gal 6,7a), dies den Priestern Gottes bekennen.37 Wie Cyprian während der decischen Verfolgung die Hoffnung auf ihr Ende an die Besserung der Christen knüpft, die sich u.a. in ihrer Furchtsamkeit gegenüber dem Zorn Gottes zeigt, so können nach Ende der Verfolgung reumütige lapsi, die sich durch Demut, Sanftmut und Gottesfurcht auszeichnen, darauf hoffen, das Wohlwollen Gottes zu gewinnen.38 Zielt die göttliche Züchtigung auf die Rückkehr zur Gottesfurcht, so erlangt eine gottesfürchtige Haltung, mag sie sich auch primär als Furcht vor seinem Zorn äußern, seine wohlwollende Nachsicht. Drohende Verfolgungen dürfen die Christen nicht nur deshalb nicht erschrecken, weil Christus sie aus der Hand des Widersachers zu befreien vermag,39 sondern mehr noch, weil Christus selbst zu fürchten ist, dessen Zorn niemand entgehen kann.40 Im Anschluss an Mt 10,28 gibt Cyprian damit der Furcht vor dem unentrinnbaren Zorn Christi großes Gewicht. Auch wenn die Furcht vor dem drohenden Gericht als ein wesentlicher Aspekt des Glaubens41 nicht einfach mit Gottesfurcht gleichzusetzen ist – Cyprian unterscheidet zwischen der Gottesfurcht als einer christlichen Grundhaltung und der durch das aktuelle oder zukünftige Gericht Gottes ausgelösten Furcht –, handelt es sich für ihn doch um zusammengehörige Aspekte. Gottesfurcht als Fundament, Begleiterin oder Wirkung des Glaubens – so die bisher sichtbar gewordenen Verhältnisbestimmungen – beinhaltet nicht zuletzt die Motivierung christlichen Handelns mit der Furcht vor dem drohenden Gericht. Schwere Vergehen erscheinen Cyprian von hier aus als Ausdruck völliger Vernachlässigung der Gottesfurcht. Wie für das zum Brudermord führende eifersüchtige Rasen Kains, so gilt generell, wann immer Eifersucht (zelus) die menschlichen Sinne verblendet und sich das Innere des Menschen unterwirft, dass die Gottesfurcht verachtet und auf den Tag des Gerichts keine Rücksicht genommen wird.42 Gottesfurcht meint auch hier nicht die Furcht vor seinem drohenden Gericht, das gesondert erwähnt wird, sondern die menschliche Grundhaltung, die sich in ihrem Handeln von dem Wissen um Gott bestimmen lässt und sich deshalb vor der Gefahr, Übertretungen zu begehen, in Acht nimmt. Cyprian kann die Gottesfurcht daher als Hüterin der Unschuld (custos innocentiae) charakterisieren und der Sorglosigkeit (indiligentia) gegenüberstellen, die dem Widersacher Angriffsmöglichkeiten eröffnet.43 Für die Christen ____________

37 Laps 28;548–555; vgl. ähnlich Fort 11;205–212 zu 2Makk 6,30. 38 Vgl. ep 11,7,3;141–145 bzw. ep 33,2,1;26–39, ferner ep 26,1;4–8 sowie laps 35f. 39 Vgl. dazu Fort 10, bes. den Titel und Z. 10–13.42–49, sowie orat 27;511f. 40 Ille metuendus est cuius iram nemo poterit euadere (ep 58,7,1;161–3;180, Zitat Z. 168f); zur Begründung zitiert Cyprian Mt 10,28; Joh 12,25 und Apk 14,9–11. Vgl. auch laps 10;186f und orat 18;341–343. 41 In laps 23;457f ist bezogen auf das zukünftige Gericht von der fides futurorum die Rede. 42 Zel 5;70–72 bzw. 6;104–107. 43 Don 4;76–80; vgl. dazu auch Kap. 5.1.1.

1. Gottesfurcht als Grundhaltung des Menschen gegenüber Gott

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kommt es deshalb darauf an, das in der Taufe Empfangene mit besorgter Furcht (sollicito timore) zu bewahren.44 Als Gegenbegriff zu Nachlässigkeit und Sorglosigkeit kommt timor hier der Bedeutung von sollicitudo nahe. Gemeint ist eine in der Gottesfurcht verwurzelte Haltung, die weniger mit Ängstlichkeit als vielmehr mit besorgter Achtsamkeit zu tun hat und im Wissen um die Notwendigkeit der Bewahrung der Gebote, die allezeit drohende Gefahr der Übertretung und das göttliche Gericht begründet ist.45 Ist solches in der Gottesfurcht begründete bzw. mit dieser identische Sich-inAcht-Nehmen nach cyprianischer Auffassung notwendig, um Sünden zu vermeiden und die Gebote einzuhalten – fehlende Gottesfurcht führt zur Missachtung der göttlichen Gebote46 –, so kann er, biblischem Sprachgebrauch entsprechend,47 die Gottesfurcht auch direkt mit dem Gehorsam gegen die Gebote verbinden.48 Er kann die beiden Aspekte einfach nebeneinander stellen,49 aber auch ein Entsprechungsverhältnis zwischen Gottesfurcht und Gebotsgehorsam formulieren.50 Als solche, die Gott fürchten, müssen Vorsteher und Gemeinde darauf hinarbeiten, dass die Gebote des Herrn gewahrt werden.51 Auch die besondere Verantwortung des Bischofs für die Einhaltung der disciplina wird wiederholt mit seiner Gottesfurcht begründet.52 Als Vorbilder wie der uirtus so auch der Gottesfurcht sind Märtyrer und Konfessoren in besonderer Weise gefordert, den Geboten des Herrn zu gehorchen.53 Wer immer zur Gottesfurcht bereit ist, soll Christus umfassenden Gehorsam erweisen und daher tun, was dieser geboten hat.54 Der Gehorsam gegen die Gebote Christi ist durch Furcht und Hingabe charakterisiert55 und damit im Verhältnis zu Christus verankert.56 Die enge Zusammengehörigkeit von Gottesfurcht und Gebotsgehorsam findet zugespitzt Ausdruck in der zweimal begegnenden Wendung „die Gebote fürch-

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44 Habit 2;189,8–10. 45 Vgl. auch ep 15,1,2;18–20 und unit 1;8–14 sowie, mit ironischer Übertreibung der geforderten besorgten Haltung, ep 55,2,2;17–20; vgl. dazu Clarke III, 167f Anm. 9. 46 Ep 15,1,2;15–21. 47 Vgl. Dtn 5,29; 6,2 u.ö. sowie etwa Mundle, Furcht (Gottes), 674, Fuhs, ‫ירא‬, 892f, und bes. Becker, Gottesfurcht, 184–283. 48 Welykyj, Lehre, 75, formuliert zugespitzt, bei Cyprian falle Gottesfurcht „mit der Beobachtung der Gebote Gottes zusammen“. 49 Vgl. ep 67,3,2;68; unit 12;306–308; ep 74,9,1;173f und 74,8,3;159f. 50 Vgl. ep 59,20,2;556f: [...] tantumque apud illos (sc. bei den römischen Christen) praeualere magisteria et praecepta diuina quantus illis in deum timor est. 51 Ep 4,2,1;23f; vgl. auch ep 73,14,2;229–231. 52 Vgl. bes. ep 15,1,1;4–7 und habit 15;198,4f, ferner habit 3;189,19–22; 21;201,25f; ep 20,2,1; 21f sowie ep 74,9,1;173–179; zur Sache s.u. Kap. 9.2.1. 53 Ep 15,1,1;8–10. 54 Op 24;495–498; zu der Formulierung quibus metus in deum pronus est (ähnlich laps 35;666) vgl. Blaise s.v. pronus 2. Bezugspunkt der Aussage ist ein Zitat von Mt 25,31–46 in op 23. 55 [...] qui praeceptis dominicis obsequio timoris ac deuotionis innitimur [...] (pat 1;10f); vgl. auch laps 31;612f (fidei ac timoris obsequium). 56 Conway, pat, 101, bemerkt mit Recht, timor werde hier „(i)n the pregnant sense of ‚the fear or the right feeling of man toward (!) God‘“ verwendet.

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Das menschliche Handeln als Ausdruck des Gottesverhältnisses

ten“ (praecepta metuere).57 Diese Wendung, sachlich mit praecepta obseruare identisch, ist gewissermaßen eine Abbreviatur für Gebotsgehorsam aus Gottesfurcht und weist damit auf dessen Verankerung im Gottesverhältnis des Christen hin, so wie umgekehrt Gottesfurcht als Beschreibung dieses Verhältnisses die Forderung begründet, den göttlichen Geboten entsprechend zu leben. Gottesfurcht ist für Cyprian eine grundlegende Bestimmung des christlichen Gottesverhältnisses und bezeichnet „die Gottesverehrung schlechthin“.58 Die enge Verbindung der Gottesfurcht mit dem Gebotsgehorsam entspricht einem Grundzug biblischer, insbesondere alttestamentlicher Theologie. Das Thema der Gottesliebe tritt demgegenüber deutlich zurück.59 Als christliche Grundhaltung verbindet sich die Gottesfurcht dergestalt mit dem Glauben, „daß jeder Mangel auf der einen Seite eine Störung auf der anderen verursacht“.60 Wie die Gottesfurcht dem Glauben eine solide Basis gibt, so wurzelt sie ihrerseits im Glauben. Biblischen Vorstellungen entsprechend ist der Bezug auf das göttliche Gericht integrierender Bestandteil der Gottesfurcht;61 die Verbindung mit dem Gericht verstärkt ihren ethischen, christliches Handeln motivierenden Charakter. So ist das cyprianische Gottesverhältnis trotz starker Betonung der Gotteskindschaft weniger durch eine innige Liebe als vielmehr durch die Respektierung der ehrfurchtgebietenden Majestät Gottes bestimmt. Es äußert sich daher zuerst und vor allem in hingebungsvollem Gehorsam gegen seine Gebote und Anweisungen.

2. Der Gehorsam gegenüber den Forderungen Gottes 2.1 Das Tun des Willens Gottes Die höchste normative Instanz ist für Cyprian fraglos der Wille Gottes.62 Eine selbstverständliche Grundregel für das christliche Handeln lautet daher: „Nicht unserem, sondern Gottes Willen muss man gehorchen“.63 Cyprian begründet diesen Gedanken im Kontext seiner Auslegung der dritten Vaterunserbitte (orat 14–17) mit dem Vorbild Jesu in Gethsemane (Mt 26,39b),64 zitiert zur Unter____________

57 Vgl. ep 33,1,1;2f und ep 11,5,1;103f. 58 Welykyj, Lehre, 54. 59 Mundle, Furcht (Gottes), 692f, stellt Entsprechendes für Tertullian fest. 60 Welykyj, Lehre, 53. 61 Vgl. Mundle, Furcht (Gottes), 674.678f. 62 Daniélou, Les origines, 346, nennt den Willen Gottes „un leit-motiv de l’œuvre de Cyprien“; vgl. auch Bayard, Tertullien, 20f, und Spanneut, Tertullien, 75. 63 Voluntati non nostrae sed dei obtemperandum (Quir 3,19tit); ähnlich mort 18;301f und orat 14;254f. Die in Quir 3,19 angeführten, ausschließlich neutestamentlichen Zitate (Joh 6,38; 1Joh 2,15– 17; Mt 26,39b; 6,10b; 7,21 und Lk 12,47) begegnen alle auch sonst bei Cyprian; die entsprechenden Abschnitte werden im folgenden diskutiert. 64 Vgl. auch die Anspielung auf diesen Text in ep 73,18,2;318f.

2. Der Gehorsam gegenüber den Forderungen Gottes

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mauerung dessen Joh 6,38 und leitet aus diesem Text mit einem argumentum a fortiori ab, dass, wenn schon der Sohn gehorsam den Willen des Vaters getan habe, umso mehr der Knecht gehorsam den Willen des Herrn tun müsse.65 Ist so das Tun des göttlichen Willens grundlegend durch das Vorbild Christi motiviert, dem es nachzueifern gilt,66 so wird der Wille Gottes demgemäß inhaltlich bestimmt als das, „was Christus sowohl getan als auch gelehrt hat“.67 Cyprian führt dies mit einem kurzen Summarium aus, das freilich weniger das Handeln Christi zusammenfasst als vielmehr einen charakteristisch cyprianischen, in der zweiten Hälfte auf die Martyriumsparänese zugespitzten ‚Tugendkatalog‘ bietet.68 Zu tun, was hier beschrieben wird, „das heißt“, so die Zusammenfassung, „Miterbe Christi sein zu wollen, das heißt das Gebot Gottes zu tun, das heißt den Willen des Vaters zu erfüllen“.69 Den Willen des Vaters zu erfüllen ist für Cyprian offenbar gleichbedeutend damit, das Gebot Gottes zu tun, und beides findet seinen konkreten Ausdruck in der Nachahmung dessen, was Christus getan und gelehrt hat, kulminierend im Martyrium.70 Dass die Christen dies nicht getan haben, den Weg Christi nicht festgehalten und die ihnen zum Heil gegebenen himmlischen Weisungen nicht bewahrt haben, dass sie also anders als Christus den Willen des Vaters nicht getan haben,71 ist für Cyprian die Ursache der decischen Verfolgung: „Wir werden also geschlagen, wie wir es verdienen, da geschrieben ist (Lk 12,47): ‚Jener Knecht aber, der den Willen seines Herrn kennt und seinem Willen nicht gehorcht hat, wird viele Schläge erhalten‘“.72

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65 Orat 14;252–269; im Hintergrund steht hier offenbar die Gegenüberstellung von dominus und seruus in Joh 13,16par (zur cyprianischen Rezeption dieses Motivs vgl. Kap. 4 Anm. 58). Als weitere Ermahnung zum Tun des Willens Gottes zieht Cyprian 1Joh 2,15–17 heran, wobei der Akzent auf V. 17b liegt (qui autem fecerit uoluntatem dei manet in aeternum, quomodo et deus manet in aeternum [Z. 266–268]; V. 17bβ ist eine schwach bezeugte v.l.; vgl. Nestle-Aland27 z.St.). 66 Vgl. ebenso habit 7;193,4–11 und dazu oben Kap. 4.2. 67 Voluntas autem dei est quam Christus et fecit et docuit (orat 15;270–282, Zitat Z. 270; zu quam als Attraktion vgl. Réveillaud, orat, 144). Cyprian folgt hier einer Anregung Tertullians, der in orat 4,3 in entsprechendem Zusammenhang ebenfalls auf Joh 6,38 rekurriert und die Vaterunserbitte als Aufforderung zur Nachahmung des Tuns Christi deutet. Zur Sache vgl. auch Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 84f. 68 Dies gilt besonders von Z. 275f an: Christo nihil omnino praeponere [...]. Vgl. dagegen pat 6– 9, wo nach einer Anspielung auf Joh 6,38 (pat 6;102f) eine ausführliche Beschreibung des Tuns Christi folgt (pat 6–8), die in die Forderung der imitatio Christi einmündet (pat 9). 69 Hoc est coheredem Christi uelle esse (vgl. Röm 8,17), hoc est praeceptum dei facere, hoc est uoluntatem patris implere (Z. 281f). 70 Zur imitatio Christi bei Cyprian s.o. Kap. 4.2. 71 Auch hier liegt offenbar eine Anspielung auf Joh 6,38 vor. 72 Vapulamus itaque ut meremur, cum scriptum sit: seruus autem ille qui cognoscit uoluntatem domini sui et non paruerit uoluntati eius, uapulabit multas (ep 11,1,2;9–21, Zitat Z. 19–21; das LkZitat steht auch in Quir 3,19); vgl. noch ep 11,4,1;71f und 11,4,2;76f. Als einzelne Verfehlungen werden Hochmut, Streitsucht, Vernachlässigung von Treue (fides) und Schlichtheit (simplicitas), bloß verbale Absage an die Welt und Selbstgefälligkeit genannt. Vgl. laps 6;114f bzw. die Ausführung der Verfehlungen in laps 6;95–114.

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Das menschliche Handeln als Ausdruck des Gottesverhältnisses

Wer Sünden begeht, tut den Willen des Teufels, dient damit Dämonen und Götzen und handelt somit gegen Gott, bestimmt nicht durch den Heiligen Geist, sondern durch den Widersacher und die aus unreinem Geist geborenen Begierden.73 Damit Christen trotz ständiger Obstruktionsversuche des Widersachers den Willen Gottes tun können, bedürfen sie der göttlichen Befähigung zum Gehorsam; eben darum bitten sie Cyprian zufolge in der dritten Vaterunserbitte.74 Gehorsam und Ungehorsam (Sünde) sind demnach grundsätzlich Ausdruck des menschlichen Verhältnisses zu Gott bzw. dem Widersacher.75 Eben darum ist es für Cyprian ein gravierendes Vergehen, Gottes Willen nicht zu tun, und eben darum ist für ihn Gehorsam gegen den Willen Gottes nur dank göttlicher Befähigung möglich. Zum Gehorsam gegen Gottes Willen gehört für Cyprian auch die Forderung, bereitwillig den Willen Gottes auf sich zu nehmen. Müssen Christen gemäß dem vom Herrn gebotenen täglichen Gebet nicht ihren, sondern Gottes Willen tun, so ist es für ihn Ausdruck höchster Verkehrtheit, um das Geschehen seines Willens zu bitten, dann aber, wenn er sie aus dieser Welt abberuft, nicht sogleich dem Befehl des göttlichen Willens zu gehorchen.76 Sich gegen den drohenden Tod durch die Pestepidemie aufzulehnen, bedeutet, so Cyprian, sich wie starrköpfige Sklaven dem Willen des Herrn zu widersetzen und nur „durch die Fessel der Notwendigkeit, nicht mit bereitwilligem Gehorsam“ aus dieser Welt zu scheiden.77 Das Beten der dritten Vaterunserbitte verpflichtet somit dazu, dem Willen Gottes unverzüglich und willig Folge zu leisten; widerwilliger, erzwungener Gehorsam disqualifiziert sich selbst. Die Gemeinde ist darum aufgefordert, „mit unversehrtem Geist, festem Glauben, kräftiger uirtus zu jedem Willen Gottes bereit (zu) sein“.78 Dazu gehört für Cyprian, verstorbene Angehörige nicht zu beklagen und dann, wenn der Tag der eigenen Abberufung (accersitio) kommt, ohne zu zögern und gern (incunctanter et libenter) zum Herrn zu kommen.79 Vorbild für die Forderung Cyprians, willig auf sich zu nehmen, was

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73 Ep 55,27,2;490–494; die Argumentation in ep 55,27,1;480–2;499 dient dazu, Vergehen wie Ehebruch und Raub als Götzendienst zu erweisen; vgl. dazu auch Tertullian idol 1,1–5, bes. § 5. 74 Orat 14;244–252; Näheres dazu s.u. Kap. 7. 75 Vgl. auch orat 16;283–307, wo Cyprian den Schluss der dritten Bitte („wie im Himmel, so auf Erden“) auf den Konflikt zwischen Fleisch und Geist bezieht und als Bitte darum deutet, dass mit Hilfe Gottes einträchtig sowohl im Geist als auch im Fleisch sein Wille getan werde; Näheres dazu s.o. Kap. 4.3. Bezogen auf Nicht-Christen besteht für Cyprian der Wille Gottes darin, dass auch sie, dem universalen Heilswillen Gottes entsprechend, von „Irdischen“ zu „Himmlischen“ werden (orat 17; 308–323). Hier geht Cyprian deutlich über Tertullian orat 4,2 hinaus. 76 [...] (ut) non statim uoluntatis eius imperio pareamus (mort 18;301–306, Zitat Z. 305f). 77 [...] exeuntes istinc necessitatis uinculo, non obsequio uoluntatis [...] (Z. 305–310, Zitat Z. 308). Nach Dem 8;147f ist „bereitwilliger Gehorsam“ (uoluntatis obsequium) selbst von Sklaven gefordert. 78 [...] mente integra, fide firma, uirtute robusta parati ad omnem uoluntatem dei simus (mort 24;409–415, Zitat Z. 410f). Zu der nahe verwandten Formulierung in mort 12;187f s.o. 1. 79 Wie in habit 7 veranlasst auch in mort 24 die Anführung von 1Joh 2,15–17 (Z. 401–409), hier zur Kritik des mundum diligere zitiert, eine kurze Digression zum Willen Gottes.

2. Der Gehorsam gegenüber den Forderungen Gottes

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einem nach Gottes Willen widerfährt,80 ist offenbar weniger der biblische Jesus, der sich trotz eigener Betrübnis und Trauer durchringt, dem Willen Gottes zuzustimmen,81 als vielmehr der stoische Weise, der Seneca zufolge in allem, was widrig und hart zu sein scheint, „dem Gott“ nicht bloß gehorcht, sondern zustimmt, ihm nicht gezwungenermaßen, sondern aus Überzeugung folgt und nichts je mit Trauer aufnimmt.82 Der Wille Gottes umfasst die gesamte christliche Existenz bis hin zu Märtyrer- und Pesttod. Im Anschluss an stoisch-senecanische Vorstellungen erhält so der Aspekt des Sich-Schickens in das, was einem im Leben widerfährt, besonderes Gewicht. 2.2 Gehorsam gegen Gott als selbstverständliches, pflichtgemäßes Verhalten des Menschen Gott tut seinen Willen nach cyprianischem Verständnis auf vielfältige Weise kund. Neben dem Tun und Reden Jesu Christi sind hier vor allem die biblischen Gebote und Weisungen zu nennen, deren göttliche Urheberschaft häufig zum Ausdruck gebracht83 und überall selbstverständlich vorausgesetzt wird.84 Darüber hinaus erkennt Cyprian Kundgebungen des göttlichen Willens auch in Visionen und Anweisungen für einzelne.85 Wo immer aber Gott etwas geboten hat, ist unbedingter Gehorsam gefordert.86 So begründet und entschuldigt Cyprian im Eingangskapitel von ep 63 die Abfassung dieses Briefes mit einer direkten Beauftragung Gottes:87 Er schreibe weder Eigenes noch Menschliches ____________

80 Diesem Anspruch genügen nach ep 37,3,2;68–73 römische Konfessoren, die sich trotz langer Einkerkerung ganz an den Geboten Gottes und den Belohnungen Christi ausrichten und deshalb allein durch den Willen Gottes bestimmt sind. 81 Vgl. bes. Mt 26,38f. 82 [...] in omnibus quae aduersa uidentur et dura sic formatus sum: non pareo deo sed adsentior; ex animo illum, non quia necesse est, sequor. nihil umquam mihi incidet quod tristis excipiam, quod malo uultu; nullum tributum inuitus conferam (ep 96,2 [401,12–15 Reynolds]). Seneca folgt hier stoischer Tradition; Näheres dazu s.o. Kap. 5.2.2.3. 83 Vgl. Ausdrücke wie praecepta diuina / dominica / dei / domini, lex a deo data / diuinitus data, disciplina domini / deifica usw. 84 Beck, Römisches Recht, 115, bemerkt mit Recht, im „Gottesbegriff“ Cyprians bleibe „die Gesetzgebereigenschaft Gottes wesentlich“. Im Vergleich zu Tertullian tritt dieser Aspekt jedoch stärker in den Hintergrund. 85 Cyprian unterscheidet nicht grundsätzlich zwischen aktuellen, einzelnen persönlich zuteilgewordenen Anweisungen Gottes und biblischen Geboten, beruft sich aber auf aktuelle göttliche Anweisungen praktisch allein dazu, seinem Eintreten für die Einhaltung der biblischen Gebote, wie er sie versteht, größeren Nachdruck zu verleihen, nicht um eine Modifikation, Ergänzung oder gar Abrogation biblischer Gebote zu begründen (vgl. etwa ep 63,17,2;317–321 und dazu Anselmetto, Rivelazione privata, 290.299–312; weitere Belege ebd., 310f Anm. 90). Dies ist bei Tertullian in seiner montanistischen Phase anders; vgl. bes. uirg 1,4–7 und dazu auch Kap. 4.3 mit Anm. 113f. Zur Sache vgl. auch Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 81. 86 Vgl. dazu auch Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 92–95. 87 Von Harnack, Cyprian als Enthusiast, 187, sieht die cyprianische Berufung „auf eine ihm zu Teil gewordene Specialanweisung Gottes“ darin begründet, dass er „die Schwierigkeit einzugreifen

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Das menschliche Handeln als Ausdruck des Gottesverhältnisses

noch habe er sich aus freien Stücken etwas angemaßt; wenn aber etwas durch Eingebung und Anweisung Gottes (deo inspirante et mandante) geboten werde,88 müsse der treue Sklave seinem Herrn notwendigerweise gehorchen und sei gegen den Verdacht hochmütiger Anmaßung entschuldigt, habe er doch die Ungnade des Herrn (offensa domini) zu fürchten, wenn er das Geheißene nicht tue.89 Cyprian begründet also die Notwendigkeit des Gehorsams gegenüber Gott mit dem Herr-Sklave-Verhältnis von Gott und Mensch; Ungehorsam wäre ein Angriff auf den Herrn.90 Ein ausgeführter Vergleich des menschlichen Gottesverhältnisses mit dem Verhältnis Sklave – Herr findet sich in Dem 8. Auf die Klage des Demetrianus, die Natur erweise ihm nicht mehr in vollem Maße Gehorsam und Dienst, erwidert Cyprian, Demetrianus selbst diene demjenigen, durch den ihm das All zu Diensten sei, nämlich Gott, nicht.91 Zur Erläuterung des geforderten Gehorsams verweist er auf die Erwartungen des Demetrianus an seinen Sklaven: Er fordere von diesem Sklavendienst, obwohl er ein ihm in jeder Hinsicht gleicher Mitmensch sei, nötige ihn zum Gehorsam und strafe ihn schwer, wenn er ihm nicht nach seinem Willen diene und ihm nicht bereitwillig gehorche. Wenn Demetrianus selbst auf solche Weise seine Herrschaft ausübe, wie könne er da Gott die Anerkennung als Herrn verweigern?92 Auch wenn die Darstellung des menschlichen Herr-Sklave-Verhältnisses Kritik anklingen lässt, hält Cyprian es offenbar für geeignet, den vom Menschen geforderten Gehorsam gegen Gott zu erläutern.93 Die Analogie wird freilich durch ein angedeutetes argumentum a minori ad maius durchbrochen: Anders als im Verhältnis zwischen Mensch und Gott besteht zwischen menschlichen Herren und Sklaven prinzipiell Gleichrangigkeit. Die Verpflichtung zum Gehorsam gegen Gott wird damit freilich nur verstärkt. Nicht nur als Geschöpfe Gottes, sondern auch und mehr noch als Erlöste sind Christen zum Gehorsam verpflichtet, und auch hier wird von ihnen erwartet, dass sie „mit der vollkommenen Dienstbeflissenheit eines Sklaven“ dem Befehl ihres Erlösers willfahren.94 Neben der Kategorie der Knechtschaft (seruitus) verwendet Cyprian zur Begründung des Gehorsams gelegentlich auch ____________

sehr lebhaft“ empfunden habe, und hält sie deshalb für unglaubwürdig; vgl. dagegen Sage, Cyprian, 204, und Anselmetto, Rivelazione privata, 281–290. Weiteres zu diesem Aspekt der cyprianischen Spiritualität s.u. Kap. 9 Anm. 193, Näheres zum Thema von ep 63 s.u. 2.3. 88 Vgl. ähnlich ep 63,17,2;317f und 63,19;361f und dazu Clarke III, 292 Anm. 4. 89 Ep 63,1,2;14–21; zum Verständnis des Ausdrucks offensa domini s.u. 3. 90 Vgl. ähnlich op 23;461f. 91 So die Intention der ironischen Bemerkungen in Z. 137–141; vgl. dazu auch pat 4;54–59. 92 Z. 141–151. Zum stoischen Topos der Gleichrangigkeit aller Menschen und seiner modifizierenden Verarbeitung bei Cyprian vgl. ausführlich Gallicet, Dem, 193–196. 93 Die Anregung dazu dürfte von Tertullian pat 4,3f kommen, wo der von Sklaven und Tieren geforderte Gehorsam dem Ungehorsam des Menschen gegen Gott gegenübergestellt und derselbe Grundgedanke vorgetragen wird. 94 [...] qui per sanguinem Christi redempti sumus per omnia seruitutis obsequia redemptoris imperio pareamus [...] (habit 2;188,21–23); vgl. auch habit 7;193,9f und dazu Kap. 4.2.

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militärische Metaphorik: Als Soldaten (milites) Christi müssen alle Christen die Gebote ihres Feldherrn (imperator) halten, besonders aber solche, die wie Märtyrer und Konfessoren eine Vorbildfunktion innehaben.95 Wer wie die sog. libellatici während der decischen Verfolgung jedenfalls pro forma dem Edikt des Decius gehorcht hat, hat damit Cyprian zufolge dem irdischen Herrn statt Gott gedient und einem menschlichen Befehl mehr gehorcht als Gott.96 Aus der sechsten Bitte des Vaterunsers, die nach seinem Verständnis besagt, dass der Widersacher ohne göttliche Zulassung nichts gegen die Christen vermag,97 leitet Cyprian die Forderung ab, alle Furcht und Hingabe und allen (Gesetzes-) Gehorsam Gott zuzuwenden;98 nur so ist für ihn der Kampf mit dem Widersacher zu bestehen. Eine umfassende Begründung des von Christen geforderten Gehorsams findet sich in pat 3. Cyprian interpretiert hier die patientia Gottes als himmlischen Unterricht (magisteria caelestia), dem auf Seiten des Menschen geistbestimmter Gehorsam (obsequia spiritalia) entsprechen müsse.99 Er betont zunächst, der Mensch müsse schätzen, was Gott teuer sei, da die göttliche maiestas das Gute, das sie liebe, empfehle, und argumentiert dann mit dem Gottesverhältnis der Christen: „Wenn Gott unser Herr und Vater ist, so lasst uns der patientia des Herrn ebenso wie (der) des Vaters nachstreben, da Sklaven gehorsam sein müssen und es sich für Söhne nicht geziemt, aus der Art zu schlagen.“100

Dass Gott selbst als Vorbild der patientia auftritt, begründet demnach für die Christen nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die unabdingbare Notwendigkeit, diese ihrerseits zu praktizieren. Nicht nur kommt die im göttlichen Handeln erkennbare Wertschätzung einer Sache ihrer Empfehlung und damit einem Gebot gleich, die Christen sind zudem aufgrund ihres Gottesverhältnisses zur Nachahmung Gottes verpflichtet Für Sklaven des himmlischen Herrn ist dies Teil ihrer Gehorsamspflicht, für Söhne des himmlischen Vaters Ausdruck der geforderten Treue zum familiären Charakter. Ist letzteres im römischen Kontext ein selbstverständlicher Anspruch101 und auch biblisch gefordert,102 so dürfte ____________

95 Ep 15,1,1;7–10; der Begriff imperium begegnet in entsprechendem Kontext noch in den bereits erwähnten Stellen habit 2;188,23 und mort 18;305. 96 Laps 27;530–533; Cyprian zitiert hier Mt 6,24a und spielt auf Apg 5,29b an. 97 Vgl. dazu oben Kap. 5.1.3, zum Wortlaut der Bitte bei Cyprian ebd. Anm. 181. 98 Orat 25;470–475. 99 Z. 38–40. Damit ist zugleich eine Abgrenzung von der Philosophie intendiert; vgl. pat 2;13– 3;38 und dazu oben Kap. 5.2.2.3. 100 Si dominus nobis et pater deus est, sectemur patientiam domini pariter et patris, quia et seruos esse oportet obsequentes et filios non decet esse degeneres (Z. 44–47). Auch dieser Passus dürfte durch Tertullian pat 4,1–6 angeregt sein; vgl. dazu auch Conway, pat, 25, sowie Benson, Cyprian, 443f. 101 Vgl. Mauch, Begriff, 46–51, zum römischen Ideal der disciplina familiaris. 102 Zur biblischen Begründung der Nachahmung des göttlichen Vaters durch die Kinder Gottes bei Cyprian s.o. Kap. 4.1.

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Das menschliche Handeln als Ausdruck des Gottesverhältnisses

der Gedanke, zum Gehorsam eines Sklaven gehöre es, der Wesensart seines Herrn zu entsprechen, auf Tertullian zurückgehen.103 2.3 Gehorsam gegen Gottes Gebot statt Einführung menschlicher Überlieferungen oder Neuerungen: die cyprianische Auslegung von Mk 7,9 Grundlegend für die cyprianische Paränese ist, wie gesehen, die strikte Ausrichtung auf die Gebote und Weisungen Gottes, wie sie zuerst und vor allem in den biblischen Schriften dokumentiert sind. Dass zwischen göttlichen Geboten und menschlichen Ermahnungen ein fundamentaler Unterschied besteht, wird von Cyprian wiederholt herausgestellt.104 Die jesuanische Polemik gegen eine pharisäische „Überlieferung“, die sich an die Stelle des Gebotes Gottes setze (Mk 7,9),105 wird nicht weniger als sechsmal zitiert – offenbar ein Schlüsseltext für die cyprianische Gebotstheologie106 –, dreimal ergänzt um das in der Perikope Mk 7,6–13par angeführte alttestamentliche Zitat Jes 29,13.107 Drei Aspekte treten dabei hervor: die Unerlässlichkeit strikten Gebotsgehorsams, da jede Abweichung vom göttlichen Gebot als seine Ersetzung durch menschliche Überlieferung erscheint; die Ablehnung von gewohnheitsmäßigen Bräuchen oder überlieferten Praktiken, die im Widerspruch zur „Schrift“ stehen; und die Zurückweisung von Neuerungen, die von herkömmlichen, als biblisch begründet angesehenen kirchlichen Verfahren abweichen. In ep 67 wird mit Jes 29,13 und Mk 7,9 die unausweichliche Notwendigkeit untermauert, gegebenen Geboten Gottes uneingeschränkt Folge zu leisten. Der Synodalbrief an zwei spanische Gemeinden begründet mit drei als „Geboten Gottes“ (diuina praecepta) von bloßen bischöflichen „Ratschlägen“ (consilia) abgehobenen alttestamentlichen Zitaten, dass mit schweren Sünden belastete Bischöfe ihr Amt nicht mehr ausüben können,108 und streicht dann die Unverrückbarkeit des von Gott Gebotenen stark heraus: „Da dies bekanntgemacht und uns geboten ist, ist es unausweichlich, dass unser Gehorsam den Geboten Gottes dient, und menschliche Nachsicht kann in solchen Dingen, wo eine Vorschrift

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103 Vgl. bes. Tertullian pat 4,1;1–5. 104 Vgl. bes. Fort pr.4;50–59 bzw. pr.1;11–14 sowie ep 67,1,2;23–27. 105 Reicitis mandatum dei ut traditionem uestram statuatis (so nach ep 67,2,1;43f). Cyprian zitiert stets Mk 7,9, nie Mt 15,3 (anders zu Unrecht Réveillaud, orat, 159). 106 Eine Zusammenstellung der Belege bietet Fahey, 333f; Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 57, begründet die häufige Verwendung dieser Stelle damit, dass sie „seiner Auffassung von der Heiligen Schrift als Sammlung göttlicher Gebote sehr entgegenkommt“. Die im zweiten Jahrhundert im Zusammenhang mit dieser Perikope debattierten Gesetzesfragen (vgl. dazu Noormann, Irenäus, 402f) spielen bei Cyprian keine Rolle. 107 Populus iste [...] labiis suis honorificant (!) me, cor uero eorum longe separatum est a me. sine causa autem colunt me mandata et doctrinas hominum docentes (nach ep 67,2,1;40–42). 108 Ep 67,1,1;15–2;32; Näheres dazu und zur historischen Situation s.u. Kap. 9.3.2.

2. Der Gehorsam gegenüber den Forderungen Gottes

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Gottes dazwischengetreten ist und ein Gesetz erlassen hat, weder auf Personen Rücksicht nehmen noch jemandem etwas zugestehen.“109

Zur Abstützung dieser Aussage werden Jes 29,13 und, als Wiederholung dessen „im Evangelium“, Mk 7,9 zitiert, eingeführt als Tadel der Juden, die unter Verachtung der Gebote Gottes menschlichen Lehren gefolgt seien.110 Gegenüber den Geboten Gottes kann es demnach nur unbedingten, sozusagen diskussionsund auslegungslosen Gehorsam geben; davon abzuweichen wäre gleichbedeutend mit ihrer Ersetzung durch menschliche Lehren.111 In zwei anderen Passagen führt Cyprian Mk 7,9, dem biblischen Kontext der Stelle eher entsprechend, gegen die Berufung auf Gewohnheit bzw. Überlieferung ins Feld. In ep 63,14 weist er die Auffassung zurück, man müsse der Gewohnheit (consuetudo) gewisser Leute folgen, die in der Vergangenheit im Abendmahlskelch allein Wasser dargebracht hätten.112 Bei dem von Christus dargebrachten Opfer sei nicht auf das Tun irgendeines Vorgängers zu achten, sondern allein Christus selbst zu folgen und daher gehorsam das zu tun, was er getan und zu tun geboten habe.113 Dass nicht der Gewohnheit eines Menschen, sondern der Wahrheit Gottes zu folgen sei,114 wird mit Zitaten von Jes 29,13b; Mk 7,9 und Mt 5,19 begründet. Wird durch die ersten beiden Zitate die Argumentation mit einer consuetudo grundsätzlich desavouiert, so dient das dritte dazu, sowohl die Unverbrüchlichkeit der biblischen Gebote generell als auch das Gewicht des hier zur Diskussion stehenden besonderen Gebotes hervorzuheben.115 Eine gegen die biblischen Gebote gerichtete bzw. diese relativierende ____________

109 Quae cum praedicta et mandata sint nobis, praeceptis diuinis necesse est obsequia nostra deseruiant nec personam in eiusmodi rebus accipi aut aliquid cuiquam largiri potest humana indulgentia, ubi intercedit et legem tribuit diuina praescriptio (ep 67,2,1;33–36); mandata ist die Lesart der VFamilie und von X, denen Diercks folgt; Hartel liest mit einigen MSS manifestata. 110 Z. 37–44. 111 In gleichem Sinne begründet Cyprian in orat 2;24–26 mit Mk 7,9, jede Abweichung von der im Vaterunser gegebenen Gebetsunterweisung Christi sei „nicht allein Unkenntnis, sondern auch Schuld“ (non ignorantia sola sit sed et culpa). Entgegenstehende Traditionen werden hier so wenig namhaft gemacht wie in ep 67; es geht allein um die Notwendigkeit strikten Gebotsgehorsams. – Vgl. auch ep 67,8,3;180–183 zu Röm 3,3f sowie ep 59,7,4;201–205 und unit 22;531–534. 112 Zu den sog. Aquariern, gegen die ep 63 gerichtet ist, sowie zum Hintergrund des Briefes vgl. Tampwo Maleya, L’acqua, und Clarke III, 287–290. 113 Ep 63,14,1;251–2;263; zur Begründung dieser Gehorsamsforderung werden Joh 15,14b–15a und Mt 17,5 zitiert. – Mt 17,5 wird von Cyprian in Quir 1,10;6–8 als Belegtext zur angekündigten noua lex herangezogen; er sieht hier die Verheißung eines „neuen Mose“ in Dtn 18,17–19 erfüllt (vgl. ähnlich Quir 1,18tit); Jesus erscheint damit als der neue Gesetzgeber. Zu entsprechenden heilsgeschichtlichen Bemerkungen bei Cyprian vgl. noch Kap. 2.3.1 mit Anm. 137. 114 Die Formulierung neque enim hominis consuetudinem sequi oportet, sed dei ueritatem (Z. 264f) könnte auf Röm 3,4 anspielen; die Entgegensetzung von ueritas und consuetudo begegnet auch bei Tertullian (vgl. etwa uirg 1,1;9f und dazu Schulz-Flügel/Mattei, uirg, 47–61); freilich ist der Begriff consuetudo „bei Cyprian anders als bei Tertullian nur mit negativer Konnotation belegt“ (Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 72). 115 Ep 63,14,2;264–3;275; Cyprian bezieht Mt 5,19 (auch) auf das neutestamentliche Gebot, um das es hier geht, die Einsetzung des Abendmahls. Vgl. auch ep 63,1,1;3–7, wo er der euangelicae ueritatis ac dominicae traditionis ratio die humana et nouella institutio gegenüberstellt.

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Das menschliche Handeln als Ausdruck des Gottesverhältnisses

Argumentation mit der consuetudo oder traditio ist damit grundsätzlich ausgeschlossen.116 In entsprechender Weise argumentiert Cyprian in ep 74 gegen das von dem römischen Bischof Stephan im Streit um die Anerkennung der Taufe durch Häretiker bzw. Schismatiker vertretene Traditionsprinzip:117 Entscheidend sei, ob die Überlieferung (traditio), auf die Stephan sich berufe, auf die Urheberschaft des Herrn bzw. die Gebote und Briefe der Apostel zurückgehe. Cyprian begründet mit einem Zitat von Jos 1,8,118 dass (allein) das zu tun sei, was geschrieben ist, untermauert dies mit einer Paraphrase von Mt 28,19b–20a und folgert daraus, das von Stephan propagierte Verfahren119 sei dann als göttliche, heilige Überlieferung zu beobachten, wenn es im Evangelium oder in den Briefen und Acta der Apostel geboten werde. Wenn dagegen in diesen Schriften die Häretiker überall scharf verurteilt würden, könne auch die Kirche nicht anders urteilen. Tatsächlich waren die Apostel, so Cyprian, jedoch weit davon entfernt, Taufen von Häretikern anzuerkennen.120 Wenn nun niemals zuvor geboten oder geschrieben worden sei, man solle mit Häretikern nach der Handauflegung zur Buße Gemeinschaft halten, und wenn es nur eine Taufe, nämlich die der Kirche, gebe, so sei es eine ausgesprochene Halsstarrigkeit (obstinatio) und Anmaßung (praesumptio), „eine menschliche Überlieferung der göttlichen Anordnung voranzustellen“.121 Dass Gott entrüstet ist und zürnt, „sooft eine menschliche Überlieferung die göttlichen Gebote auflöst und übergeht“,122 wird mit Zitaten von Jes 29,13; Mk 7,9 und 1Tim 6,3–4a123 begründet.124 Cyprian erhebt hier in betonter Weise die Schrift zum Kriterium, nach dem Überlieferungen zu beurteilen sind.125 Gültigkeit beanspruchen kann eine traditio nur dann, wenn sie in ____________

116 Die Argumentation mit grundsätzlich-allgemeinen Aussagen ist keine Verlegenheitslösung – biblisches Material zum konkreten Problem fehlt durchaus nicht –, sondern eine wiederholt zu beobachtende Argumentationstechnik Cyprians mit rhetorisch-persuasiver Absicht: der Einzelfall wird in einen größeren Zusammenhang gestellt und erhält damit größeres Gewicht. 117 Vgl. ep 74,2,2;22–26 mit der Formel Stephans: nihil innouetur [...] nisi quod traditum est, ferner ep 74,1,2;12–16 und dazu Sebastian, Stephan I., 154f, sowie Clarke IV, 237 Anm. 5. 118 Non recedet liber legis huius ex ore tuo, et meditaberis in eo die et nocte, ut obserues facere omnia quae scripta sunt in eo (Z. 30f). 119 Gemeint ist die (bloße) Handauflegung in paenitentiam (ohne Taufe) bei solchen, die von irgendeiner „Häresie“ zur Kirche kommen (Z. 35f). 120 Ep 74,2,2;26–4;51. 121 [...] humanam traditionem diuinae dispositioni anteponere [...] (Z. 58). 122 [...] quotiens diuina praecepta soluit et praeterit humana traditio (Z. 59f). 123 Si quis aliter docet et non adquiescit sanis uerbis domini nostri Iesu Christi et doctrinae eius, stupore elatus et nihil sciens, discede ab huiusmodi (Z. 67–69). Der Imperativ discede ab huiusmodi ist gegenüber V. 3–4a ergänzt; Diercks z.St. nimmt hier eine Einwirkung von V. 11 an. 124 Ep 74,3,1;52–2;69; die Fortsetzung (74,4,1f) polemisiert gegen eine offenbar von Stephan selbst erwähnte traditio, nämlich die entsprechende Praxis der Häretiker (vgl. bes. Z. 73f). 125 Vgl. dazu auch van den Eynde, Les normes, 246–251: Cyprian argumentiere in ep 63, anders als etwa Irenäus, nicht mit der Mehrheit der Bischöfe oder der Überlieferung besonderer Bischofssitze, sondern mit der „‚[...] tradition du Seigneur‘, dont l’Écriture est témoin“ (S. 247). Diese neue „méthode d’argumentation“ (ebd.) nehme er in ep 74 gegen Stephan von Rom wieder auf: Nicht die Überlieferung einer apostolischen Kirche, nicht einmal die der römischen, sei für Cyprian entscheidend, da

2. Der Gehorsam gegenüber den Forderungen Gottes

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der Schrift begründet oder jedenfalls mit ihr begründbar ist. Da es zur strittigen Frage der ‚Ketzertaufe‘ kein direktes biblisches Gebot gibt, beruft Cyprian sich auf das indirekte Zeugnis des Neuen Testaments: die scharfe Verurteilung von Häretikern, die Einzigkeit der Taufe und das Fehlen eines entsprechenden Gebotes.126 Dieselbe Argumentationsweise verwendet Cyprian schon im Streit um den Modus der Wiederaufnahme der lapsi der decischen Verfolgung, dort allerdings gegen (willkürliche) Neuerungen. Die von Felicissimus und seinen Anhängern praktizierte Wiederaufnahme der lapsi ohne Absolvierung eines Bußverfahrens und unter Übergehung der Bischöfe verstößt nach seiner Auffassung gegen die euangelica disciplina und initiiert damit eine noua traditio.127 Aus Mk 7,9 leitet Cyprian hier die Ermahnung ab, diejenigen, die das Gebot Gottes verwerfen und ihre (eigene) Überlieferung aufzurichten suchen, tapfer und unerbittlich zu missbilligen.128 Die Bezeichnung des von seinen Gegnern praktizierten Wiederaufnahmeverfahrens als (noua) traditio stellt dieses nicht dem bisher üblichen kirchlichen Bußverfahren gegenüber, sondern der Anordnung bzw. dem Gebot Gottes. Cyprian führt den aus Mk 7,9 und Jes 29,13 abgeleiteten Grundsatz, menschliche Überlieferungen, Gewohnheiten oder Lehren dürften nicht an die Stelle des Gebotes Gottes treten, in unterschiedlichen Zusammenhängen und Konfliktkonstellationen an.129 Dass die biblischen Gebote als Gebote Gottes unbedingten Gehorsam verlangen, unabhängig davon, ob sie gegen kirchliche Überlieferungen und Praktiken stehen oder diese stützen, gehört zu seinen ____________

sie vom Ursprung abgewichen sein könnte. „La vérité se discernera en remontant à la source et à l’origine, qui est la tradition divine“ (S. 249); von deren Erreichbarkeit und Eindeutigkeit gehe er aus (S. 250). Demgemäß verwende er den Begriff traditio ausschließlich für die „première révélation faite par Dieu, le Christ ou les apôtres“, nicht für die „révélation transmise par succession“ (S. 244). Sage, Cyprian, 313 Anm. 3, zufolge kann Cyprian außer der Synode des Agrippinus (zu historischen Problemen dieser Synode vgl. zuletzt Duval, Les chrétientés d’occident, 107–110) keine Tradition für seine Auffassung anführen, während Rom sich auf „apostolic tradition“ berufen könne (ebd., 322). Zum Verhältnis Schrift – Tradition bei Cyprian vgl. auch Cavallotto, Il magisterio episcopale II, 67–73. 126 Vgl. zu letzterem auch Tertullian cast 4,2;11f. 127 Ep 43,3,2;45–52; hier ist es Cyprian, der zumindest vorläufig die Position vertritt, ut nihil innouetur circa lapsorum causam, nisi omnes in unum conuenerimus [...] (Z. 54f)! Vgl. dazu Fitschen, „Nihil innouetur“, bes. S. 75f; auf römischer Seite vgl. ebenso ep 30,8;172f. – Vgl. auch die Polemik gegen die Errichtung einer eigenen schismatischen Kirche in ep 43,5,2;89–94. 128 Qui mandatum dei reiciunt et traditionem suam statuere conantur fortiter a uobis et firmiter respuantur (ep 43,6,1;113–115). Der hier im Anschluss an Mk 7,9 formulierte Gegensatz durchzieht den ganzen Brief. – Vgl. auch die entsprechende Argumentation in unit 17–19, wo die Gründung einer schismatischen Kirche als menschliche Anmaßung bzw. Willkür (humana uoluntas) gegen die ordinatio Gottes charakterisiert (17;435–18;458) und die Einführung fremder Lehren bzw. magisteria humanae institutionis unter Verachtung der Überlieferung Gottes (dei traditio) als Verstoß gegen Mk 7,9 bestimmt wird (19;459–463). Die von Bévenot, ACW 25, 119 Anm. 152, angedeutete Gleichsetzung der dei traditio mit der Tradition der Kirche scheint mir angesichts der vorgestellten cyprianischen Argumentation im sog. Ketzertaufstreit problematisch zu sein. 129 Entsprechende Entgegensetzungen von Menschlichem und Göttlichem findet sich bei ihm auch sonst; vgl. etwa noch laps 18;367–371; ep 67,4,4;94–98; ep 55,24,2;429–431 u.ö.

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Das menschliche Handeln als Ausdruck des Gottesverhältnisses

Grundüberzeugungen. Im Zweifelsfall ist jeder kirchliche Brauch, jede Überlieferung (traditio) dem Kriterium der Übereinstimmung mit den Geboten der Schrift (bzw. deren Aussagetendenz) zu unterwerfen. Allein oder primär mit kirchlichen Ordnungen zu argumentieren, kommt für Cyprian nicht in Betracht. Der pointierte Hinweis auf die niedergeschriebenen Gebote in ep 74 lässt ihn dabei als Verfechter eines Schriftprinzips erscheinen.130 Inwieweit die von ihm vertretenen Positionen tatsächlich biblisch begründet sind, ist freilich eine andere Frage.131

3. Das menschliche Tun als ein Handeln auf Gott hin Ein Kennzeichen der cyprianischen Theologie ist die häufige Verwendung von Ausdrucksweisen, die das menschliche Tun in seinem Bezug zu Gott beschreiben und deuten. Neben biblischen Wendungen wie „Gott gefallen“ (deo placere) bzw. „Gott missfallen“ (deo displicere) und „sich selbst gefallen, selbstgefällig sein“ (sibi placere) finden sich typisch lateinische Ausdrucksweisen wie deum promereri und deum offendere (offensa dei), für die es kaum biblische Äquivalente gibt.132 Die sachliche Zusammengehörigkeit der genannten Wendungen geht aus einigen Passagen hervor, in denen sie weitgehend synonym bzw. antonym gebraucht werden. Besonders aufschlussreich ist folgende Kommentierung von Gal 1,10b133: „Es ist ein Unterschied, ob jemand das Wohlgefallen der Menschen oder Gottes zu erlangen begehrt. Wenn man Menschen gefällt, missfällt man dem Herrn. Wenn wir aber mit aller Anstrengung darauf hinarbeiten, dass wir Gott gefallen, müssen wir menschliche Beschimpfungen und Schmähungen verachten.“134

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130 Wickert, Sacramentum unitatis, 42 (mit Anm. 42), warnt mit Blick auf ep 63,1,1;12–14 vor einer „protestantische(n) Färbung“ der Cypriandeutung und betont, es gebe bei Cyprian keine „isolierte Schrift“ und keinen „isolierten Christus“, sondern alles nur „sub specie ecclesiae“. Bemerkenswert ist jedoch, dass die Schrift als ursprüngliche traditio in ein kritisches Gegenüber zu jeder späteren kirchlichen Überlieferung treten kann. Dass Bischöfe grundsätzlich belehrbar bleiben müssen (vgl. bes. ep 74,10,1;193–201), gehört in diesen Zusammenhang. 131 Diese Frage wird in einer gesonderten, noch unveröffentlichten Studie am Beispiel des kirchlichen Bußverfahrens, das Cyprian sehr direkt mit den Geboten Gottes gleichsetzt, näher untersucht. Vgl. dazu auch Kap. 9.1 mit Anm. 65. 132 Das Verbum promereri kommt bei Cyprian nicht in Bibelzitaten vor – die Vulgata verwendet es allein in Hebr 13,16 zur Übersetzung von ευ αρεστει^ν (vgl. Hallonsten, Meritum 144) –, offendere etc. allein in Quir 1,1;14 als Übersetzung des Verbums παροργι' ζειν in Ri 2,12, also im Sinne von „to provoke anger“ (LSJ s.v.). 133 Si hominibus placerem, Christi seruus non essem (zitiert ep 59,8,2;213f). 134 Interest utrum quis homines promereri an deum cupiat. si hominibus placetur, dominus offenditur. si uero id enitimur et elaboramus ut possimus deo placere, et conuicia et maledicta debemus humana contemnere (ep 59,8,2;214–218). Zu possimus placere als Umschreibung von placeamus vgl. Schrijnen-Mohrmann II, 48.

3. Das menschliche Tun als ein Handeln auf Gott hin

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Cyprian verwendet hier hominibus placere und homines promereri bzw. deo placere und deum promereri als gleichbedeutend;135 dominum offendere ist Antonym zu letzterem und kommt offenbar der Bedeutung von domino displicere gleich. Auch wenn diese Zusammenstellung keineswegs eine durchgängige Bedeutungsgleichheit der involvierten Begriffe impliziert, signalisiert sie zweifellos eine enge Bedeutungsverwandtschaft.136 Wie placere c. dat. „jemandem gefallen“ heißt, so dürfte promereri c. acc. als „jemandes Wohlgefallen erlangen“ o.ä. zu verstehen sein;137 offendere c. acc. heißt umgekehrt „missfallen“ bzw. „jemandes Missfallen erregen“.138 Formuliert Cyprian hier einen strikten Gegensatz zwischen der Rücksichtnahme auf Menschen und einem Verhalten, das Gott wohlgefällig ist,139 so ist der Gedanke, dass der Christ nicht den Menschen, sondern Gott zu gefallen hat,140 zu einer zentralen Richtschnur seiner Paränese geworden, die in verschiedenen Zusammenhängen Anwendung findet. So sind als Syneisakten lebende Jungfrauen von ihrem Bischof dazu aufzufordern, in allem Gott zu gefallen (placere) und weder den Priestern Gottes noch der Kirche des Herrn durch Ärgernis erregende Verkehrtheit zu missfallen (offendere). Sollten sie den Bischöfen nicht gehorchen, so dürfen diese nicht Menschen gefallen wollen (Gal 1,10b), sondern sollen selbst, soweit es an ihnen ist, durch das Wahren seiner Gebote Christus gefallen (placere).141 Wer als Jungfrau durch Kleidung, Schmuck usw. Menschen zu gefallen sucht, missfällt (offendere) eben damit Gott.142 Cyprian begründet diese Aussage mit Ps 52,6 und Gal 1,10b, interpretiert von hier aus die paulinische Gegenüberstellung von placere deo und placere uxori / uiro in 1Kor 7,32–34 als absoluten Gegensatz und deutet diesen Text

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135 Der Zusammenhang spricht m.E. entschieden dagegen, promereri hier im Sinne von seruire aufzufassen, wie Bayard II, 176, und Clarke III, 75, dies tun; vgl. ähnlich auch Hallonsten, Meritum, 149. 136 Vgl. auch ep 73,10,2;162f, wo ein auf Gott bezogenes placuit mit deum promeritus aufgenommen wird, sowie ep 76,4,1;94–96, wo deo placere parallel zu ad promerendam uoluntatem dei steht. 137 Beschreibt placere eher einen Zustand, so promereri das Erreichen eines Zustandes, das Bewirken von etwas. Als allgemeine Bedeutung des Begriffs mit acc. pers. nennt OLD s.v. 2.c: „[...] to deserve well of, serve (a person, etc.)“ und 3. „To obtain by one’s actions, win, gain. b to gain the favour of, win over (persons, etc.)“, Georges s.v. II.B. „[...] um jmd. sich Verdienste erwerben, sich verdient machen“ (i.Or. mit Hvb.). Blaise s.v. 3. nimmt für die Wendung promereri deum generell die Bedeutung „gagner la faveur de Dieu“ an. 138 Vgl. Georges s.v. I.B.c: „mißfallen“; OLD s.v. 7: „(tr.) To give offence to, displease, annoy, vex. [...] c (absol.) to give offence“. 139 Bezugspunkt ist das Festhalten des als richtig erkannten Kurses im Umgang mit den lapsi (vgl. Z. 211–213). 140 Non hominibus sed deo placendum (Quir 3,55tit); die Zitate dazu sind Gal 1,10b und Ps 52,6. 141 Ep 4,5,1;109–2;121; vgl. auch ep 11,2,1;36f (mit 11,1,2;12–15); 11,5,3;103f u.ö. 142 Habit 5;190,18–20; (deum) offendere steht hier wie ep 4,5,1;110–112 als Gegenbegriff zu (hominibus) placere; vgl. auch habit 4;190,2f. Im Hintergrund stehen offenbar entsprechende Formulierungen Tertullians in cult 1,2,4;36f und 2,2,1;4. – Vgl. auch laps 30;590f: Wer als Gefallener ohnehin bereits Gott missfällt (displicere), darf nicht auch noch durch Bäder und Schönheitspflege anderen zu gefallen (placere) suchen.

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Das menschliche Handeln als Ausdruck des Gottesverhältnisses

als Forderung einer umfassenden, auch in der äußeren Aufmachung erkennbaren Keuschheit.143 Cyprian verwendet die Formel deo placere nicht selten, um eine bestimmte Handlungsweise positiv zu qualifizieren, sei es etwa die Bereitschaft Abrahams, seinen Sohn zu opfern,144 den geistgewirkten Eifer des Pinhas,145 den christlichen Verzicht auf Vergeltung von Unrecht mit Unrecht oder die aus Lk 9,48b abgeleitete Regel, „von der Niedrigkeit zum Höchsten“ zu wachsen.146 Nur wer im Herzen Gott gefällt, gefällt ihm auch in seinem Tun.147 In besonderem Maße ist nach cyprianischem Verständnis das Leiden und Sterben der Märtyrer und Konfessoren Gott wohlgefällig. So charakterisiert er das Leiden von zu Bergwerken verurteilten Christen in Auslegung von Ps 50,19 und Röm 12,1–2 als ein kostbares, in der ständigen Darbringung ihrer selbst bestehendes Opfer, das Gott in besonderer Weise gefalle (placere), das aufgrund größerer Leistungen in höherem Maße das Wohlwollen Gottes erlange (promereri uoluntatem dei)148 und mit dem allein Christen dem Herrn seine großartigen, rettenden Wohltaten vergelten könnten.149 Ist nach Ps 115,6 der Tod der Gerechten „kostbar im Angesicht Gottes“, so werde wohl jeder tapfer und standhaft den Märtyrertod auf sich nehmen, um den Augen Gottes zu gefallen.150 In Verbindung mit dem Motiv der göttlichen Zuschauerschaft begegnet das deo placere auch bezogen auf die angemessene Körperhaltung und Redeweise beim Gebet, die Barmherzigkeit der Witwe von Zarpat gegenüber dem Propheten Elia sowie eine Gott wohlgefällige christliche Existenzweise insgesamt.151 ____________

143 Habit 5;190,20–191,16; das Thema klingt in habit 17;199,25–200,4 erneut an. Auch die Berufung von Ehefrauen auf die von Paulus konzedierte Notwendigkeit, dem Ehemann zu gefallen, wird von Cyprian als bloßer Vorwand missbilligt (habit 5;191,11f; 17;199,25–200,2). – Zu seiner Auslegung von 1Kor 7,32–34 vgl. Ramos-Lissón, Exégesis, 650–654, zu der seines Lehrers Tertullian Ford, St Paul, 340–342, sowie R. Braun, Tertullien. 144 Mort 12;184f; Gegenbild ist das Volk der Juden, das durch häufiges Murren allezeit Gott missfallen hat (semper offenderit: mort 11;171f). 145 [...] quo zelo Finees placuit et deum promeritus indignantis iram populo pereunte leniuit (ep 73,10,2;162f); biblischer Bezugspunkt ist Num 25,11–13. 146 Vgl. Dem 25;493–498 bzw. zel 10;166–174. 147 So orat 24;450–452 bezogen auf die Opfer von Abel und Kain. Henoch wurde entrückt, weil er „im Angesicht Gottes Wohlgefallen gefunden“ hatte (mort 23;384–388). 148 Die Formulierung hoc est in quo maioribus meritis ad promerendam uoluntatem dei opera nostra proueniant (ep 76,4,1;94–96) ist als Paraphrase von Röm 12,2b zu verstehen. Zum Verständnis von (maiora) merita in diesem Kontext vgl. Kap. 8.2.1, zum christlichen Leiden als – von Gott selbst ermöglichter – ‚Gegenleistung‘ für die großartigen Wohltaten Gottes vgl. Kap. 4.2 und Kap. 7. Paulus hat in Röm 12,1f weniger das Martyriumsleiden als vielmehr die alltägliche Existenz im Blick; vgl. dazu Wilckens, EKK VI/3, 1–9, und J.D.G. Dunn, WBC 38B, 706–718, bes. S. 717. 149 Ep 76,3,1;79–4,1;98. Ein Gott wohlgefälliges Opfer ist nach Phil 4,18 auch die von Paulus empfangene Unterstützung der Philipper, von Cyprian orat 33;626–632 auf die unterstützende Wirkung von Werken der Barmherzigkeit im Blick auf das Gebet gedeutet. 150 Ep 76,4,1;98–2;105; Cyprian zitiert in Z. 98–101 zum Motiv der „Vergeltung“ des Heilshandelns Christi Ps 115,3f.6 (dazu s.o. Kap. 4.2) und deutet in der Fortsetzung jeden der drei Verse als besondere Motivation zum Martyriumsleiden. Zu Gott als Zuschauer der Christen, der diese in ihrem Kampf zugleich unterstützt, s.u. Kap. 7. 151 Vgl. orat 4;40–42; op 17;333–339 bzw. zel 18;340–346.

3. Das menschliche Tun als ein Handeln auf Gott hin

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Wie Gott missfällt, wer Menschen gefällt bzw. zu gefallen sucht, so missfällt ihm auch der Selbstgefällige. Der in orat 6 in Erinnerung gerufenen Parabel von Pharisäer und Zöllner (Lk 18,10–14) entsprechend interpretiert Cyprian die tägliche Bitte um Vergebung im Vaterunser als Unterweisung darin, „dass niemand sich selbst gefalle, als wäre er unschuldig, und durch Selbstüberhebung umso mehr zugrunde gehe“.152 Gott wohlgefällig ist allein die humilitas, die um die eigene Schuld weiß und deshalb um Vergebung bittet. Die Philosophen, denen Cyprian zufolge Demut fehlt, missfallen (displicere) durch ihre Selbstgefälligkeit Gott.153 Die Selbstgefälligkeit der Christen vor der decischen Verfolgung ist für Cyprian eine der Ursachen für diese Heimsuchung Gottes.154 Darin, dass einige sich selbst gefallen und mit hochmütiger Aufgeblasenheit ihren Vorgesetzten verachten, liegen für ihn die Anfänge von Häresien und Schismen.155 Dass die Schismatiker ihre Sünden nicht erkennen, sieht Cyprian mit 2Thess 2,10–12 darin begründet, dass sie infolge ihrer auf den Zorn Gottes zurückgehenden Verhärtung in ihrer Ungerechtigkeit sich selbst gefallen.156 Der häufigste Gegenbegriff zu placere (und promereri) ist bei Cyprian offendere bzw. offensa.157 Der Begriff offensa kann sowohl das Missfallen oder Ärgernis erregende Handeln als auch das dadurch ausgelöste Missfallen, den Ärger selbst, meinen;158 letzterem korrespondiert das part. perf. pass. offensus, das den verärgerten, erzürnten Gott bezeichnet.159 Eine offensa domini muss fürchten, wer nicht tut, was Gott bzw. Christus gebietet.160 Die Christen sind gefordert, durch ihr Verhalten dafür Sorge zu tragen, dass der in ihrem Leib ____________

152 Ne quis sibi quasi innocens placeat et se extollendo plus pereat [...] (orat 22;413–415); zur Sache s.o. Kap. 3. Vgl. auch Dem 10;177–179. 153 Vgl. pat 2;30–32 und dazu oben Kap. 5.2.2.3. 154 [...] unusquisque sibi placentes et omnibus displicentes [...] (ep 11,1,2;18). 155 [...] ut sibi placeant, ut praepositum superbo tumore contemnant (ep 3,3,2;65–67). Clarke I, 169 Anm. 18, rechnet hier im Anschluss an Fahey, 515f, mit einer Anspielung auf 2Tim 3,2 (erunt homines sibi placentes [φι' λαυτοι], superbi, tumidi, cupidi [...] – so der cyprianische Wortlaut nach unit 16;397). Die Verbindung des Ausdrucks sibi placere mit der Wendung superbo tumore spricht für eine Bezugnahme auf diesen Text. Entsprechendes gilt für ep 59,5,2;137f (vgl. Clarke III, 243 Anm. 20), unit 19;471–473 und ep 68,4,3;96f (zu Lk 16,15; vgl. auch Clarke IV, 169 Anm. 23). 156 Ep 59,13,4;349–357; sibi placere in iniustitia übersetzt hier ευ δοκη' σαντες τη,^ α δικι' α, (mit dem Texttyp K der VL [s. VL z.St.]). Vgl. auch laps 33;639–649 zu lapsi, die ihre Vergehen nicht einsehen und keine paenitentia üben. – Positiv ist das doppelte sibi placere de alicui in orat 11;181–184 zu verstehen, wo das ideale Verhältnis zwischen Gott und den Christen als ein wechselseitiges Mit-sichzufrieden-Sein wegen des jeweils anderen beschrieben wird; vgl. dazu Kap. 4.1. 157 Grundsätzliche Reflexionen zum Thema offendere deum o.ä. gibt es bei Cyprian anders als bei Tertullian (vgl. etwa test 2,5; Marc 1,26,3; 1,27,2; 4,28,3) nicht, und die Anzahl der Belege ist erheblich geringer als bei diesem. Eine direkte Tertullian-Rezeption ist nur in habit 2;188,24f zu erkennen (vgl. dazu Kap. 3 Anm. 23); daneben gibt es einige entferntere sachliche Entsprechungen. Offendere und promereri erscheinen auch bei Tertullian als Gegenbegriffe (vgl. res 1,3; cast 3,4; Apol 21,4). 158 Vgl. Georges s.v. offensa II.2.a: „der Anstoß = das Ärgernis, der Verstoß, die Kränkung, und die dadurch herbeigeführte Ungunst, Ungnade, ungünstige, ungnädige Stimmung, das gespannte Verhältnis“ (i.Or. mit Hvb.); vgl. auch Lewis-Short s.v. offensa II.A. 159 S.o. Anm. 132 zu offendere als Übersetzung von παροργι' ζειν. 160 Ep 63,1,2;20f.

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Das menschliche Handeln als Ausdruck des Gottesverhältnisses

einwohnende Gott nicht erzürnt (offensus) seinen „Wohnsitz“ verlässt.161 Als ein offendere deum bzw. eine offensa dei können verschiedene Verfehlungen charakterisiert werden, so etwa das Murren des jüdischen Volkes gegen Gott,162 mangelnde Konzentration beim Gebet, Zweifel an der Verheißung Gottes, der den Sterbenden Unsterblichkeit verspricht, die Veränderung des eigenen, von Gott geschaffenen Äußeren durch Kosmetika etc.,163 ferner auch die Amtsanmaßung gegen die Rechte des Priester-Bischofs.164 Obwohl er durch häufige, ja ununterbrochene offensae erbittert wird, mäßigt Gott aufgrund seiner patientia seinen Zorn und wartet den einmal festgesetzten Tag der Vergeltung geduldig ab.165 Offensae ist hier offenbar gleichbedeutend mit peccata,166 kennzeichnet diese aber als gegen Gott gerichtete Verfehlungen, so wie offendere bzw. offensa grundsätzlich menschlichen Ungehorsam in seiner Wirkung auf Gott charakterisiert. Demgemäß beurteilt Cyprian die Verehrung anderer Götter, nach der biblischen Tradition die schwerste Verfehlung gegen Gott, als ein in offensam dei grauiter delinquere.167 Für die lapsi der decischen Verfolgung geht es daher darum, durch tätige Reue und unter Einhaltung des kirchlichen Bußverfahrens die offensa des zürnenden und drohenden Herrn zu besänftigen (placare).168 Wer diesen Weg beschreitet, seine vergangenen Sünden bereut, die das Missfallen des Herrn hervorrufenden Vergehen bekennt und einsieht und für die Zukunft Gehorsam gegen Gottes Gebote verspricht, hat in Christus einen Anwalt und Fürsprecher.169 Wer dagegen glaubt, diesen notwendigen Schritt gegenüber dem dominus offensus übergehen zu können, setzt sich damit dem Gericht aus, und wer die Gefallenen ohne Bußverfahren wiederaufnimmt, fügt zum Götzendienst nur noch eine weitere offensa dei hinzu.170 Besonderes Gewicht gewinnt in den Schriften Cyprians die Konstruktion deum / dominum promereri. Während das Verbum promereri bei Tertullian lediglich 16-mal begegnet, davon 12-mal mit Bezug auf das Gottesverhältnis des Menschen, und seine Verwendungsweise keine geprägte Form annimmt,171 findet es ____________

161 Habit 2;188,20–25; Näheres zu diesem Passus s.o. Kap. 3.1. 162 Mort 11;171f; offendere steht hier absolut, ist aber vom Kontext her auf Gott zu beziehen. 163 Vgl. orat 31;580f; mort 6;90–94 bzw. habit 15;198,12–24. Die ebenfalls als Verstoß gegen die Schöpfung Gottes beurteilte Schauspielkunst wird demgemäß als ein diabolo placere bezeichnet (ep 2,2,1;18–22). 164 Vgl. ep 16,1,2;9–14; unit 18;453–456. 165 Pat 4;59–62. 166 Vgl. auch Hallonsten, Meritum, 143. 167 Quir 1,1tit. 168 Laps 16;314–319; vgl. ähnlich Z. 330–335 (der Herr, grauiter offensus, ist unter Weinen, Seufzen und Schmerzen mit langdauernder Reue anzuflehen); laps 29;581f (ira und offensa Gottes sind durch Fasten, Weinen und Klagen zu besänftigen – eine Deutung von Joel 2,12f); laps 36;711f; ep 11,2,2;39–43 (die offensa dei ist nur durch flehentliches, tätiges Bitten zu besänftigen); ep 11,2,2; 37–39 sowie ep 55,23,2;395–406 (im Anschluss an Mt 7,9–11 und Lk 15,11–32). 169 Ep 11,5,3;99–104; Cyprian spielt hier auf 1Joh 2,1f an. 170 Vgl. ep 65,5,2;93–96 bzw. ep 15,2,1;36f, ferner ep 17,1,2;13–16 sowie ep 59,13,4;357–363. 171 Vgl. Hallonsten, Meritum, 130–133.

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sich bei Cyprian 27-mal, davon 21-mal in der genannten Konstruktion sowie fünfmal in entsprechenden Gerundivkonstruktionen.172 Er gebraucht das Verbum damit nicht nur deutlich öfter als Tertullian, sondern auch in einer auffällig einheitlichen, offenbar geprägten Weise. Vergleichbare Konstruktionen finden sich einige Male bei Tertullian, aber ebenso bei Apuleius173 und, wie es scheint, in der Sprache des Kaiserkults;174 Cyprian nimmt hier offenbar eine der kultisch-religiösen Sprache der Zeit entstammende Ausdrucksweise auf. Christen sind Menschen, die „durch den Glauben das Wohlgefallen des Herrn erlangen“.175 Die drei Jünglinge in Dan 3 zeichnen sich durch einen Glauben aus, „der in besonders umfassender Weise das Wohlgefallen Gottes zu erlangen vermochte“: Zwar glauben und wissen sie, dass Gott sie zu retten vermag, aber sie machen ihr Handeln nicht davon abhängig, dass er sie tatsächlich auf Erden befreit,176 sondern sind auch zum Martyrium bereit,177 das, wie gesehen, in besonderer Weise geeignet ist, das Wohlwollen Gottes zu erlangen. Durch das standhafte, klaglose Ertragen seines Leidens hat Tobias in besonderer Weise Gottes Wohlgefallen erlangt.178 Es bedarf der Gerechtigkeit, „damit jemand das Wohlgefallen Gottes, des Richters, erlangen“ kann, und man muss den Geboten und Mahnungen Gottes gehorchen, damit die menschlichen Taten auch (himmlischen) Lohn empfangen;179 deum iudicem promereri ist demnach gleichbedeutend mit der (im Lohn sich äußernden) Anerkennung des Menschen im Gericht. Wenn Cyprian bezogen auf die kirchliche Ämterlaufbahn des römischen Bischofs Cornelius sagt: in diuinis administrationibus dominum saepe promeritus, so führt er offenbar dessen ‚Aufstieg‘ darauf zurück, dass er immer wieder aufs neue das Wohlgefallen Gottes erlangt hat.180 ____________

172 Neben deus bzw. dominus erscheint je einmal uoluntas dei und dei maiestas als Objekt des promereri; allein in ep 10,5,1;104f (ad coronam de eo [sc. domino] promerendam) steht es mit sächlichem Objekt in der Bedeutung von mereri = erlangen. 173 Mit deum o.ä. als Objekt verzeichnet ThLL X/2 Fasc. XII, 1846,59–1847,5, außerchristlich allein zwei Belege aus Apuleius. In Met 11,6,6 heißt es: quodsi sedulis obsequiis et religiosis ministeriis et tenacibus castimoniis numen nostrum promerueris [...] (328,36/330,1 Helm; vgl. dazu auch Koch, CU, 316f, der hier Entsprechungen zu Cyprian ep 19,1;12 sieht); vgl. ferner Met 5,25,5. 174 Vgl. von Harnack, Das Leben Cyprians, 70 Anm. 1, der dies aus Scill 1 folgert: potestis indulgentiam domini nostri imperatoris promereri [...] (86,3f Musurillo); vgl. auch Tertullian Apol 24,4. ThLL X/2 Fasc. XII, 1846,28–59, führt zu promereri c. acc. pers. einige Belege mit Bezug auf den princeps an. 175 [...] fide dominum promerentes [...] (Quir 1 pr.;22); das Gegenüber bilden die Juden, die Cyprian zufolge von Gott gewichen sind und damit seine Gnade verloren haben. Vgl. auch unit 18; 454– 456, wo Christen beiläufig als solche qualifiziert werden, die als Getaufte dem Herrn gefallen ([...] ubi signantur qui dominum promerentur). 176 Bezugspunkt ist die Formulierung και` ε α` ν μη' in Dan 3,18Θ (ebenso MT, anders LXX). 177 Ep 6,3,2;75–88 (Zitat Z. 75f: fides [...] quae promereri plenius deum potuit). 178 [...] granditer deum [...] promeruit (pat 18;353–356); vgl. ähnlich mort 10;156–159. 179 Vnit 15;378–380 (Zitat Z. 378f: [...] ut promereri quis possit deum iudicem); die beiden Aussagen stehen parallel und kommentieren Mt 7,22f (zitiert Z. 374–378). 180 Ep 55,8,2;120f; anders Bayard II, 136, und Clarke III, 37, die promereri hier im Sinne von seruire auffassen. Dieselbe Wendung wird laps 31;613 für die drei Jünglinge aus Dan 3 gebraucht: deum fidei ac timoris obsequio saepe promeriti; auch hier könnte der von Gott ermöglichte erfolgrei-

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Besonders häufig wird das deum promereri bei Cyprian mit Werken der Barmherzigkeit verbunden, und nicht selten begegnet in diesem Zusammenhang der Lohn- oder Gerichtsgedanke. So sagt Cyprian in der Zusammenfassung der Schrift De opere et eleemosynis von den Werken der Barmherzigkeit, solches Tun erlange das Wohlwollen Christi, des Richters.181 Mit dieser Formulierung fasst Cyprian seine Auslegung von Mt 25,31–46 in op 23f zusammen: Um das Wohlgefallen des Herrn zu erlangen (promerendo domino), so seine Deutung der Mt-Perikope, müssten die Christen ihm mit vollem Glauben, hingegebenem Verstand und beständigem Wirken Gehorsam erweisen und ihm daher auf Erden das geben, was sie im Himmel empfangen werden.182 Demgemäß ist es für ihn die stärkstmögliche Ermahnung zu Werken der Barmherzigkeit, wenn Christus in Mt 25,31–46 sagt, was immer Bedürftigen und Armen gegeben werde, werde ihm gegeben, und gegen ihn richte sich die Verfehlung (se dixit offendi), wenn ihnen nicht gegeben werde.183 Die als Antonyme gebrauchten Wendungen dominum promereri und dominum offendere bringen damit gewissermaßen das biblische „das habt ihr mir getan bzw. nicht getan“ auf den Begriff. Wie der gegenüber Bedürftigen Unbarmherzige Christus erzürnt, so wird, wer Barmherzigkeit übt, sein richterliches Wohlgefallen finden. Die Bezeichnung des für die Armen Bestimmten als „Gaben Gottes“ (dona dei) in der Perikope vom Scherflein der Witwe (Lk 21,1–4par)184 macht Cyprian zufolge deutlich, dass die Werke der Barmherzigkeit Gott gegeben werden, und jeder, der sie tut, Gottes Wohlgefallen erlangt, so dass immer klarer werde, dass, wer sich eines Armen erbarme, Gott auf Zinsen leihe.185 Dürfte der erste Teil der Aussage durch Mt 25,31–46 angeregt sein, so ist der Schluss ein implizites Zitat von Prov 19,17a;186 diesen Text lässt Cyprian wiederholt in Verbindung mit Mt ____________

che Aufstieg der Bezugspunkt sein (vgl. Dan 1,17–20; 2,49; 3,97LXX); vgl. noch Z. 619f, wo es bezogen auf Daniel heißt: post dignationem domini circa uirtutes ac laudes suas saepe repetitam. 181 Op 26;548f: promeretur Christum iudicem; vgl. ebenso ep 62,2,1;25f bezogen auf den Loskauf kriegsgefangener Christen; im Kontext wird betont, es handle sich dabei lediglich um eine bescheidene Gegenleistung für das empfangene Heilshandeln Christi (62,2,2;26–32) – um den Erwerb von Verdiensten geht es demnach offenbar nicht (gegen die Übersetzung Baers II, 252). 182 Op 24;497–502; vgl. noch op 11;222: operans et dominum promerens, wo et im Sinne von „und so“ zu deuten sein dürfte. 183 Op 23;487–491; in Z. 491–494 lässt Cyprian anklingen, dass eigentlich die Not des Bruders zum Handeln veranlassen sollte, wo dies aber nicht geschehe, wenigstens mit Blick auf Christus Barmherzigkeit geübt werden möge. 184 Der cyprianische Text liest mit vielen MSS in V. 4b (ε» βαλον ει ς τα` δω^ ρα) του^ θεου^ und fügt in dona dei auch am Ende von V. 3 ein (letzteres ebenso It cod e und einige wenige weitere Zeugen). 185 [...] quia qui miseretur pauperis (v.l. pauperi) deo faenerat (op 15;303–307, Zitat Z. 306f). Die enge Verbindung des promereri deum mit Werken der Barmherzigkeit wird in orat 32;588–597 bezogen auf das Thema Gebetserhörung deutlich gemacht; dieses Thema wird in orat 32;597–33;632 mit biblischen Texten und Vorbildern breiter ausgeführt, wobei Anspielungen auf Prov 19,17b und Mt 25,40 den Abschluss bilden. 186 Qui pauperem (v.l. pauperi) miseretur, deum faenerat (so der Wortlaut nach Quir 3,1;44f; diese Textgestalt ist in der VL-Database nicht bezeugt; der Wortlaut variiert bei Cyprian). Zur cyprianischen Rezeption dieses Textes vgl. auch Serra Zanetti, Osservazioni.

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25,40 anklingen.187 Er kann das Motiv des „göttlichen Zinses“ auch mit der neutestamentlichen Vorstellung vom Schatz im Himmel verknüpfen.188 Von hier aus ist die Formulierung zu verstehen, das Werk der Barmherzigkeit betrachte Gott als seinen Schuldner.189 Um die Werke der Barmherzigkeit als ein Handeln auf Gott bzw. Christus hin zu qualifizieren, rezipiert Cyprian damit sowohl das matthäische „das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40) als auch die weisheitliche Motivierung der Armenfürsorge mit dem Gedanken, Gott werde das Gegebene mit Zinsen zurückerstatten.190 Der Ausdruck deum / dominum promereri wird verwendet, um ersteres auf eine bündige Formel zu bringen, die Rede von Gott als Schuldner ist eine metaphorische Umschreibung des letzteren.191 Der Lohngedanke kann sich mit diesen Motiven verbinden, ist aber offenbar nicht mit ihnen identisch. Auch andere Aspekte des christlichen Verhaltens werden von Cyprian auf das deum promereri bezogen, sei es der von reichen Christinnen geforderte Verzicht auf Kosmetika u.ä.,192 sei es das von Konfessoren zu erwartende, ihrem Bekenntnisruhm entsprechende Verhalten (mores), das für Cyprian durch Demut, Mäßigung und Ruhe gekennzeichnet ist193 – in beiden Texten ist das deum ____________

187 Vgl. orat 33;630f; op 16;324–326 (si enim deus eleemosynis pauperum faeneratur et cum datur minimis Christo datur [...]); habit 11;195,8f (patrimonio tuo deum faenera, Christum ciba). Die Verbindung von Prov 19,17a mit der Mt-Perikope begegnet vorcyprianisch bei Irenäus von Lyon haer 4,18,6 und Clemens von Alexandrien Strom 3,54,4 (vgl. noch Paed 2,129,1f); hier liegt offenbar ein traditionsgeschichtlicher Zusammenhang vor. – Weitere Anspielungen auf Prov 19,17a bei Cyprian sind in op 15;306f und laps 35;692f zu erkennen (vgl. dazu auch Poirier, op, 121 Anm. 3). Zum Schwanken zwischen acc. und dat. bei faenerare vgl. Poirier, ebd., sowie J. Vögtle, Schriften, 65f. 188 Vgl. pat 13;258f: [...] iustos et operantes et [de (nur S, übrige MSS om.)] diuini faenoris incremento caelestes sibi thesauros recondentes, ferner zel 16;307f sowie op 9;189–192. Zur cyprianischen Rezeption des Motivs vom „Schatz im Himmel“ s.o. Kap. 4.4. 189 [...] deum computat debitorem (op 26;549); ebenso Rebenack, op 92 Anm. 8. Die Formulierung dürfte sich Tertullian paen 2,11;44–46 verdanken: bonum factum deum habet debitorem, sicuti et malum, quia iudex omnis remunerator est causae (vgl. auch pat 15,1;4); zum Verständnis der Wendung bei Tertullian vgl. Brück, „Genugtuung“, 280f, und Hallonsten, Satisfactio, 132–134. 190 Vgl. dazu Countryman, The Rich Christian, 104f. Deum faenerare bedeutet kaum „Gott zur Entrichtung des betreffenden Werthes rechtlich verpflichten“ (Wirth, „Verdienst“-Begriff II, 75); es handelt sich vielmehr um eine biblisch begründete metaphorische Redeweise für die dem Barmherzigen verheißene Belohnung; Entsprechendes gilt für die neutestamentliche Metapher vom „Schatz im Himmel“ (gegen Wirth, ebd., 62). Dass die Vorstellung der „Verdienstlichkeit“ von Almosen „so tief wie im AT so auch im NT“ wurzele und daher „jedenfalls nicht einseitig als Rückfall in jüdischen Moralismus zu werten“ sei, betonen Bolkestein/Schwer, Almosen, 306. 191 Ähnlich Brück, „Genugtuung“, 281, zu Tertullian paen 2,11. Zum Verständnis der Formulierung im Zusammenhang von op 26 vgl. Bakhuizen van den Brink, Mereo(r), 333f, der sich mit Recht gegen Wirth, „Verdienst“-Begriff II, 114, wendet. Die Vorstellung eines durch menschliche Leistungen begründeten Schuldverhältnisses zwischen Gott und Mensch ist durch die Ausführungen Cyprians in laps 17–19 radikal ausgeschlossen, auch wenn er den opera iustorum o.ä. durchaus einen Einfluss im Gericht Christi zubilligen kann (vgl. laps 17;348–351; ep 37,4,1;74–2;81 u.ö.). 192 Op 14;279–281. 193 Ep 14,2,2;36–42; die von Bayard I, 41, und, ihm folgend, Clarke I, 88, vertretene Deutung von promereri in Z. 41f (in omnibus dominum promerentes) im Sinne von seruire scheint mir auch hier nicht begründet. Anders könnte dies in orat 36;682–685 sein, wo es bezogen auf Lk 2,37b (Non recedebat de templo ieiuniis et orationibus seruiens [λατρευ' ουσα] nocte et die [Z. 684f]) von der Wit-

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Das menschliche Handeln als Ausdruck des Gottesverhältnisses

promereri mit dem Erreichen des himmlischen Lohnes verbunden –, sei es der in ihrem Bekenntnis und ihrem Einsatz für die Einhaltung der Gebote des Herrn bestehende doppelte Ruhm römischer Konfessoren, den Cyprian als „ein doppeltes Anrecht, das Wohlgefallen Gottes zu erlangen“, bezeichnet.194 Im Kontext von Ausführungen zum paenitentiam agere begegnet die Wendung deum / dominum promereri viermal. Dabei geht es stets um bestimmte Handlungen, die nach cyprianischem Verständnis von reumütigen Sündern zu praktizieren sind, um die Barmherzigkeit Gottes zu erflehen bzw. für ihre Verfehlungen dem Herrn Abbitte zu tun (domino satisfacere).195 Um nach einem schweren Vergehen das Wohlwollen des Herrn (wieder) erlangen zu können, bedarf es wahrer Reue und voller Demut, die sich nicht zuletzt in Ruhe und Gottesfurcht äußern,196 bzw. des Gehorsams gegen die göttlichen Gebote und die Priester Gottes sowie der Sanftmut, der Geduld und der Werke der Barmherzigkeit.197 Vorbildlich verhalten sich für Cyprian Daniel und die drei Jünglinge aus Dan 3, die sich trotz eigener Unschuld durch Bußhandlungen darum bemühen, für ihr Volk das Wohlwollen Gottes (wieder) zu gewinnen.198 Bezeichnet der Ausdruck deum promereri hier dasjenige, worauf die tätige Reue des in schwere Schuld geratenen Menschen zielt, so gewinnt promereri offenbar den Aspekt, durch entsprechendes Handeln das Wohlwollen bzw. die Gunst des zwar grundsätzlich barmherzigen, durch die Sünde des Menschen jedoch erzürnten Gottes199 wiederzuerlangen. Die Vorstellung, dass der Christ sich durch seine Handlungen bei Gott Verdienste erwerbe,200 verbindet sich für Cyprian mit dem Verbum promereri nicht. Ausgeschlossen ist sie im Bußkontext, wo es allenfalls um eine ansatzweise Wiedergutmachung gehen könnte, aber auch etwa in ep 62,2,1;25f, wo der Kontext deutlich macht, dass es lediglich um eine bescheidene Gegenleistung ____________

we Anna heißt, sie sei durch ununterbrochenes, auch nächtliches Gebet in promerendo deo verharrt, und Hallonsten, Meritum, 148, daher Bedeutungsgleichheit mit seruire annimmt. 194 Ep 28,2,1;19–29 (Zitat Z. 25f: geminatus promerendi dei titulus). 195 Zur Funktion solcher Bußpraktiken bei Cyprian vgl. laps 16;334f; 17;355f (misericordiam domini deprecari); 35;670–674 u.ö.; zum Verständnis von satisfacere (deo) s.u. Kap. 8.2.1. 196 [...] quibus laborandum est ut post grauem lapsum uera paenitentia et humilitate tota promereri dominum possint (ep 26,1;4–8). 197 Ep 19,1;10–12. 198 Vgl. laps 31f, bes. 31;620–622 und 32;629f; das Stichwort promereri begegnet hier innerhalb weniger Zeilen dreimal (zu 31;613 s.o.). 199 Gott ist ein deus offensus, weil die Sünde, um die es hier geht, ein offendere deum bzw. eine offensa dei war. Cyprian spricht daher nicht selten von „Sünden gegen Gott“ o.ä. (vgl. etwa laps 17; 342f u.ö. sowie die Belege bei Poschmann, Paenitentia secunda, 400 Anm. 1). 200 So die Übersetzung Baers II, 66.81 u.ö. (Baer übersetzt 15 der 27 Belege von promereri mit „sich Verdienste erwerben“); vgl. Schultz, Der sittliche Begriff, 24: promereri deum heißt „sich um Gott Verdienste erwerben, die er nach seiner Gerechtigkeit anzuerkennen hat“; zu Cyprian vgl. S. 32– 34. Nach von Harnack, Lehrbuch I, 465 Anm. 2, setzt die Formel fast überall voraus, „dass die Christen durch ihre Leistungen sich Gott geneigt machen“; in II, 179, gibt er als ihre Bedeutung „sich um Gott verdient machen, durch Verdienste Gottes Zuneigung erwerben“ an. Wirth, „Verdienst“-Begriff II, geht überraschenderweise auf diese für Cyprian charakteristische Formel nirgends näher ein.

3. Das menschliche Tun als ein Handeln auf Gott hin

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für das Heilshandeln Christi geht; gefordert ist eine solche Bedeutung an keiner Stelle. Die Konstruktion promereri deum bzw. dominum charakterisiert vielmehr christliches Handeln allgemein als ein Handeln auf Gott hin, das bei diesem eine positive Wirkung erzielt;201 genannt werden v.a. Werke der Barmherzigkeit und das Martyrium.202 Die an einigen Stellen erkennbare Bedeutungsnähe zu placere deo legt es nahe, diese Wirkung als „Wohlgefallen“, „Wohlwollen“ o.ä. zu fassen; im Bußkontext geht es offenbar um das wiederzugewinnende Wohlwollen bzw. die Gunst.203 Gegenbegriff ist offendere deum o.ä., verstanden als ein Sich-Verfehlen gegen Gott, das sein Missfallen erregt bzw. ihn erzürnt. In biblischer Perspektive fasst die Formulierung dominum promereri die erste Hälfte der Rede vom Weltgericht in Mt 25,31–46 zusammen, dominum offendere die zweite. Die positive Wirkung findet hier wie öfters ihren Ausdruck in der Belohnung durch Christus im Gericht. Daneben spielt auch die besonders in der späteren alttestamentlichen sowie der außerbiblischen frühjüdischen Literatur, aber auch bei Lukas anzutreffende Vorstellung eine Rolle, durch Werke der Barmherzigkeit und Bußhandlungen bei Gott etwas erreichen zu können, sei es die Erhörung eines Gebets, sei es die Vergebung von Sünden. Die Häufigkeit, mit der die Formel promereri deum / dominum bei Cyprian begegnet, sowie ihre geprägte Form sind Indizien dafür, dass darin ein wesentlicher Aspekt seiner Religiosität zum Ausdruck kommt. Dass es zu der Formel selbst keine biblischen, wohl aber mehr oder minder zeitgenössische pagane Entsprechungen gibt, ist ein Hinweis auf die Prägung Cyprians durch die Sprach- und Vorstellungswelt seiner Zeit. Grundsätzliche Verschiebungen im Verständnis des christlichen Handelns bzw. der christlichen Gottesbeziehung etwa gegenüber Mt 25,31–46 ergeben sich dadurch freilich kaum; es handelt sich eher um eine verstärkte Akzentuierung auch biblisch bezeugter Vorstellungen durch bündige lateinische Begriffe.

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201 Vgl. auch Langstadt, Observations, 124, der zu Begriffen wie offendere, satisfacere und promereri bei Tertullian bemerkt: „One of their distinctive characters is also that they apply to the psychological effect which our actions have on other persons, or the effect that we wish to produce; that is to say, these terms derive their meaning from personal relations.“ 202 Hallonsten, Meritum, 141f, weist darauf hin, dass Tertullian promereri weder mit dem Martyrium noch mit Almosengeben verbindet. 203 Die von Hallonsten, Meritum, 148, von seiner Tertullian-Deutung her auch für viele cyprianische Belege angenommene Bedeutung seruire legt sich m.E. allenfalls in orat 36 nahe.

Kapitel 7: Dei est omne quod possumus (Don 4;74): der Glaubende als ein von Gott Befähigter

Christliche Existenz in der Zeit ist nach cyprianischem Verständnis eine mühsame, ja gefährliche Sache. Ausgespannt zwischen dem Empfang des Heils in der Taufe und dem Erreichen des zukünftig-jenseitigen Heilsguts sind die Getauften gefordert, sowohl beharrlich an dem in der Taufe gesetzten Anfang festzuhalten und dem empfangenen neuen Sein tätig zu entsprechen als auch entschieden auf dem schmalen, steilen Weg zum Heil voranzuschreiten und den vielfältigen Angriffen des Widersachers und der Welt zu widerstehen. Auch wenn Cyprian nicht müde wird zu versichern, dass das Ziel jeder Mühe wert ist, so unterstreicht er zugleich, dass der Weg dorthin dornenreich ist, höchste Anstrengungen erfordert und von der ständigen Gefahr des Absturzes begleitet ist. Es fragt sich daher, wie es gelingen kann, auf diesem Weg bis zum Ende durchzuhalten und so das Ziel zu erreichen. Eine grundlegende Antwort auf diese Frage findet sich bereits in der Schrift Ad Donatum: Dei est [...] omne quod possumus. Gott verdankt der Getaufte, was immer er vermag, von ihm empfängt er wie das neue Leben selbst, so auch die Kraft, es zu führen.1 Das neue Leben ist göttliches Geschenk (munus), die Befähigung, nicht mehr zu sündigen, demgemäß Sache des Glaubens; menschlicher uirtus kommt hier keinerlei Verdienst zu.2 Die durch die Taufe inaugurierte tätige christliche Existenz verdankt sich demnach nicht nur bezüglich ihres Anfangspunktes, sondern grundsätzlich und in jeder Hinsicht göttlicher Befähigung. Das neue Leben ist real nur, weil und sofern diese Befähigung wirksam ist. Wie diese grundlegende Konzeption im Kontext der cyprianischen Paränese zum Tragen kommt, ist im folgenden in systematischer Weiterführung und Vertiefung bereits angeklungener Gesichtspunkte zusammenhängend darzustellen. Entsprechend weitreichende grundsätzliche Aussagen wie in Don 4 finden sich in den cyprianischen Schriften vergleichsweise selten.3 Zu nennen sind hier vor allem zwei Kapitel aus Quir 3, die sich beide auf das Thema des SichRühmens beziehen.4 Gewissermaßen als negatives Pendant zu dem zitierten

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1 Don 4;74–76. 2 Z. 67–74; vgl. dazu ausführlicher Kap. 1.1.2. 3 Eine Zusammenstellung von Entsprechungen zu Don 4f aus anderen cyprianischen Schriften bietet Kneller, Sacramentum, 695f. 4 Auch in dem eben herangezogenen Abschnitt aus Don 4 wird zunächst kritisch das Problem des Sich-Rühmens thematisiert (Z. 70).

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Dei est omne quod possumus

Grundsatz aus Don 4 formuliert Cyprian: „Keiner Sache darf man sich rühmen, da nichts uns selbst gehört“.5 Verdanken die Christen alles, was sie vermögen, Gott, so können sie nichts ihr Eigen nennen; jede Form von Selbstruhm ist damit ausgeschlossen. Die ersten beiden dazu angeführten Zitate, Joh 3,27 und 1Kor 4,7, heben die strikte Abhängigkeit von den göttlichen Gaben hervor,6 die weiteren, ausschließlich alttestamentlichen Zitate betonen die überlegene Weisheit und Macht Gottes und die Nichtigkeit menschlichen Ruhmes.7 Wird damit der Grundsatz, dass der Christ alles Gott verdankt, eindrücklich bestätigt, so ist freilich zu beachten, dass keiner der hier zitierten biblischen Texte sonst im cyprianischen Werk in diesem Sinne herangezogen und auch die Thematik in seinen sonstigen paränetischen Ausführungen kaum aufgegriffen wird.8 Die positive Entsprechung zum Verbot des Selbstruhmes lautet bei Cyprian: „Allein auf Gott darf man vertrauen und (allein) seiner darf man sich rühmen“.9 Von den zu diesem Grundsatz angeführten Bibeltexten bezieht sich nur der erste, Jer 9,22f, auf das Thema des Sich-Rühmens;10 die übrigen halten dazu an, in schwierigen Situationen auf Gott, nicht auf Menschen zu vertrauen,11 und stellen die Überlegenheit der göttlichen Hilfe gegenüber menschlichen Angriffen heraus.12 Das Kapitel wendet sich demnach in erster Linie gegen die Überschätzung menschlicher Macht und fordert Vertrauen auf Gott in den die christliche Existenz in der Welt kennzeichnenden Kämpfen und Mühen. Dem entspricht es, dass sich theologische Reflexionen zum Thema des gloriari im cyprianischen Werk eher selten finden,13 die Ermahnung zu unbedingtem Ver____________

5 In nullo gloriandum, quando nostrum nihil sit (Quir 3,4tit). 6 1Kor 4,7 hat bekanntlich für die augustinische Gnadenlehre wesentliche Bedeutung erlangt; vgl. dazu etwa Schindler, Gnade und Freiheit, 392, und Ring, Simpl, 278-282. Tertullian zieht diesen Text allein zur Begründung der Verschleierung der Jungfrauen heran: Was sie von Gott empfangen haben (Aussehen bzw. continentiae uirtus), sollen sie allein Gott zeigen (orat 22,9; uirg 13,3; vgl. noch pud 14,10 und dazu Schindler, a.a.O.). 7 Zitiert werden 1Sam 2,3.4; 2Makk 9,12 und 1Makk 2,62f. 8 Dass dieses Kapitel dennoch Gewicht hat, zeigen seine prominente Stellung im Anfangsteil von Quir 3 und die wohlausgewählten Zitate. 9 In deum solum fidendum et in ipso gloriandum (Quir 3,10tit). 10 Der Text spielt für die paulinische Kritik des Selbstruhms eine wichtige Rolle; vgl. 1Kor 1,31 und 2Kor 10,17. 11 Vgl. besonders Ps 117,8f und Jer 17,5.7 (V. 5a wird in laps 17;344f gegen das Vertrauen auf Märtyrerlibelli angeführt); Ps 61,2 und Dtn 6,13 (dieser Text wird auch in laps 7;135f; Fort 2;2f und Dem 6;100f zitiert) unterstreichen die Forderung, allein Gott zu verehren, Röm 1,25f zeichnet das Gegenbild dazu. 12 Vgl. 1Joh 4,4 (zur Verwendung dieses Textes in Fort 10;4f und ep 10,1,2;20 s.u.); Ps 55,12 und 117,6f (zitiert auch in Fort 10;5–7). Als letzter Text wird Dan 3,16–18, die Antwort der drei Jünglinge an Nebukadnezar, angeführt, ein Text, den Cyprian mit Vorliebe heranzieht; vgl. dazu Fahey, 235f. 13 Eine Ausnahme bildet habit 5f, wo Cyprian sich in Bezug auf die Jungfrauen kategorisch gegen jedes de carne et de eius pulchritudine gloriari (191,14f) wendet, da sie aduersus carnem zu kämpfen hätten, und dazu Gal 6,14 zitiert. Die einzige Möglichkeit, sich seines Fleisches zu rühmen (carne gloriari), sei das Erleiden des Martyriums (192,7–11). So rühmt sich auch die Kirche ihrer Märtyrer und Konfessoren (ep 10,1,1;6), und der Getaufte rühmt sich der in der Taufe empfangenen Weltüberlegenheit (Don 14;286f; vgl. dazu auch Kap. 1.2.2).

Der Glaubende als ein von Gott Befähigter

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trauen auf Gott und etliche der hier angeführten Zitate aber auch sonst von Bedeutung sind. Das Gewicht dieser grundsätzlichen Äußerungen für die cyprianische Paränese wird durch zwei Kapitel der Schrift De dominica oratione bestätigt. So zielt die dritte Bitte des Vaterunsers Cyprian zufolge nicht darauf, „dass Gott tue, was er will, sondern dass wir tun können, was Gott will“, suche doch der Widersacher die Christen daran zu hindern (obsistere), in allem Gott zu gehorchen.14 Damit sie trotz dieses Widerstandes Gottes Willen tun können, bedürfe es „des göttlichen Willens, das heißt seiner Hilfe und seines Schutzes“, sei doch niemand aus eigenen Kräften stark; durch die Gnade und Barmherzigkeit Gottes aber seien sie sicher.15 Mit der Deutung der dritten Vaterunserbitte auf das Geschehen des göttlichen Willens in den Christen und dem Gedanken, dass es eben dazu „des göttlichen Willens“ bedarf, nimmt Cyprian Überlegungen Tertullians auf.16 Ergänzt ist der Hinweis auf die Obstruktionsversuche des Widersachers17 sowie die für unseren Zusammenhang entscheidende Bemerkung, allein dank der indulgentia und misericordia Gottes könne der Christ dem Widersacher Paroli bieten.18 Der Abschnitt untermauert damit den cyprianischen Grundsatz, dass der Christ, was immer er vermag, Gott verdankt:19 Aus eigener Kraft vermag er nichts, aber im Vertrauen auf den ihn befähigenden Gott kann er den Widersacher überwinden. Die Auslegung der letzten Vaterunserbitte führt diese Überlegungen weiter:20 Die Bitte „sondern befreie uns von dem Bösen“ (sed libera nos a malo) umfasst Cyprian zufolge „alle Widrigkeiten, die der Feind in dieser Welt gegen uns ins Werk setzt, vor denen es einen sicheren, zuverlässigen Schutz geben kann, wenn Gott uns befreit, wenn er den Bittenden und Flehenden seine Hilfe gewährt“.21 ____________

14 [...] non ut deus faciat quod uult, sed ut nos facere possimus quod deus uult [...] (orat 14;244– 248, Zitat Z. 245f). 15 [...] quae ut fiat in nobis, opus est dei uoluntate, id est ope eius et protectione, quia nemo suis uiribus fortis est sed dei indulgentia et misericordia tutus est (Z. 248–252). Vgl. ähnlich orat 16;291– 294 bzw. Z. 304–307 sowie orat 12;210–215. 16 Vgl. Tertullian orat 4,1–3 sowie die Gegenüberstellung bei Benson, Cyprian, 276f. Es handelt sich hier um eine der wenigen Passagen, in denen sich Cyprian eng an Ausführungen Tertullians anlehnt und diese teilweise wörtlich zitiert; vgl. auch Janssen, De literaire eigenwaarde, 276. 17 Eine Anregung dazu könnte die tertullianische Formulierung non quod aliquis obsistat, quominus uoluntas dei fiat (Tertullian orat 4,1;2f) gegeben haben. 18 Dass die Betonung der „nécessité de la grâce divine dans l’œuvre de la sanctification et du salut“ gegenüber Tertullian hinzugefügt ist, notiert auch d’Alès, La théologie, 29. 19 Ebenso Capmany, Miles, 207. 20 Orat 27;503–512; Capmany, Miles, 199, charakterisiert diesen Abschnitt mit Recht als einen „texto precioso que hace referencia a toda clase de luchas espirituales, y nos manifiesta el hecho, la eficacia y la necesidad del auxilio divino para salir vencedores“. – Die Auslegung der siebten Bitte hat bei Tertullian keine Vorlage; in De oratione erscheint bereits die sechste Bitte als Abschluss (vgl. orat 8,1.6), die kurze Kommentierung der siebten Bitte in fug 2,5 deutet diese im wesentlichen als eine Wiederholung der sechsten. 21 [...] aduersa cuncta quae contra nos in hoc mundo molitur inimicus, a quibus potest esse firma

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Dei est omne quod possumus

Werde den Christen auf ihre Bitte hin der Schutz (protectio) Gottes gegen das Böse22 gewährt, so seien sie „frei von Besorgnis und geschützt gegen alles, was der Teufel und die Welt unternehmen“.23 Wer in der Welt Gott zum Beschützer (tutor) habe, den könne die Welt nicht mehr in Furcht versetzen. Die durch die Taufe erlangte Befreiung von der Macht des Teufels und der Welt24 ist demnach für Cyprian keineswegs bloß ein punktuelles, einmaliges Ereignis, sie gewinnt vielmehr den Charakter einer liberatio continua, die sich freilich nicht als Befreiung vom Kampf, sondern als protectio im Kampf äußert.25 Sollen die Christen den fortgesetzten Angriffen des Teufels und der Welt nicht erliegen, bedürfen sie dauernden göttlichen Schutzes. Auch hier werden damit gewissermaßen die systematischen Konsequenzen des dei est omne quod possumus ausbuchstabiert: Die in der Taufe erlangte Befreiung von Teufel und Welt ist real, weil und sofern Gott bleibend Schutz und Hilfe gewährt; dies aber muss erbeten werden. Nur in ständigem Gebet kann der Christ daher seine Kampfesexistenz bestehen.26 Die in Kapitel 5 aufgezeigten weitreichenden Übereinstimmungen mit stoischen, insbesondere senecanischen Vorstellungen in Bezug auf die cyprianische Wahrnehmung christlicher Existenz in der Zeit als eines permanenten Kampfes, in dem es vor allem darauf ankommt, sich durch unerschütterliche Standhaftigkeit zu bewähren, werden an dieser Stelle grundlegend durchbrochen: Während der stoische Weise seine Unangreifbarkeit gegenüber den aduersa allein sich selbst verdankt, gewinnt sie der cyprianische Christ, indem sie ihm auf sein Gebet hin von Gott gewährt wird – eine Vorstellung, die etwa für Seneca eines Weisen absolut unwürdig wäre.27 Dem entspricht es, dass der von Cyprian betont ausgeschlossene Selbstruhm bei Seneca als die einzig mögliche, wenn nicht geforderte Form des (Sich-) Rühmens erscheint.28 Dennoch gibt es auch hier eine tiefgreifende Übereinstimmung: Vermag Seneca zufolge „der Gott“ den Weisen nicht vor den Widrigkeiten irdischer Existenz zu schützen, wohl aber, seine Seele gegen diese Angriffe zu wappnen (dial 1,6,6), so bittet der cyprianische Christ nicht um Bewahrung vor Angriffen, sondern um Schutz im Kampf. Cyprian unterscheidet sich damit

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et fida tutela, si nos deus liberet, si deprecantibus atque implorantibus opem suam praestet (Z. 504– 507). 22 Der Kontext legt eine neutrische Deutung von aduersus malum nahe. 23 [...] contra omnia quae diabolus et mundus operantur securi stamus et tuti (Z. 509–511). 24 Vgl. dazu Kap. 3.1. 25 Vgl. ebenso Capmany, Miles, 199f. 26 Capmany, Miles, 324–336, beschreibt daher das Gebet als eine der Waffen des miles Christi. 27 Vgl. Seneca ep 31,5: et in totum iam per maxima acto uiro turpe est etiamnunc deos fatigare. quid uotis opus est? fac te ipse felicem (90,6–8 Reynolds), sowie Winston, Sage, 172. Dass Seneca die Befähigung zur uirtus auf den in der Seele einwohnenden „göttlichen Geist“ o.ä. zurückführen kann, tut dem keinen Abbruch, handelt es sich hier doch um die „Naturausstattung“ des Menschen; vgl. dazu Maurach, Kapitel, 352–355, Fürst, Seneca, bes. S. 88–94, sowie I. Hadot, Seneca, 148: „Aber das Entscheidende bleibt immer das eigene Bemühen des Menschen, vom Gotte verliehen ist nur die Anlage zum Guten. Auf keinen Fall ist daher in einem Satz wie ‚bonus vero vir sine deo nemo est‘ so etwas wie christliche göttliche Gnade hineinzudeuten.“ Für Cyprian dagegen kommt es entscheidend auf das Gebet – mit Senecas Worten: das deum fatigare – und die persönlich zugeteilte Gnade an. 28 Vgl. bes. ep 41,6–8.

Der Glaubende als ein von Gott Befähigter

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nicht nur von Tertullian,29 sondern er nimmt auch gegenüber biblischen Aussagen eine charakteristische Akzentverschiebung vor: Für ihn geht es in der sechsten Vaterunserbitte und der jesuanischen Ermahnung in Mt 26,41 nicht um Bewahrung vor der temptatio, sondern darum, ohne Anmaßung demütig alles Gott zu überlassen, damit dieser das flehentlich Erbetene gewährt, nämlich den Ruhm des Martyriums;30 es geht m.a.W. nicht um die Bewahrung vor der Versuchung, sondern um das siegreiche Bestehen in der Versuchung. Auch wenn Cyprian an die menschliche infirmitas und imbecillitas erinnert und vor Hochmut und Anmaßung warnt, letztlich geht es ihm allein darum, dank göttlicher Befähigung, auf die hier alles abgestellt wird, den Kampf zu bestehen; diesen zu meiden wäre für ihn so wenig erstrebenswert wie für den senecanischen Weisen.

Die Vorstellung göttlicher Befähigung wird besonders im Kontext der Martyriumsparänese breiter ausgeführt,31 teilt Cyprian doch die im frühen Christentum verbreitete Überzeugung, dass Christus es ist, der in den Märtyrern kämpft und siegt.32 So schreibt er bezogen auf den bevorstehenden „Kampf“ der karthagischen Konfessoren unter den Augen Christi, dieser schaue seinen Knechten keineswegs bloß zu: „er selbst kämpft vielmehr in uns, er selbst streitet, er selbst ist in unserem Wettkampf zugleich Geber und Empfänger des Kranzes“.33 Ausgeführt wird dieser Gedanke in einem Brief an Christen, die zu Zwangsarbeit in Bergwerken verurteilt worden sind: „[...] wer nähme nicht den im Angesicht Gottes kostbaren Tod tapfer und standhaft an, um den Augen dessen zu gefallen, der, während er uns im Kampf für seinen Namen von oben zuschaut, die Willigen stärkt, den Kämpfenden hilft, die Siegenden bekränzt, indem er mit der Vergeltung der väterlichen Güte und Liebe in uns belohnt, was er selbst gewährt hat, und ehrt, was er selbst vollendet hat?“34

Cyprian nimmt an beiden Stellen ein Motiv auf, das v.a. aus Senecas Schrift De prouidentia bekannt ist: Wie Seneca den Kampf des Weisen mit den Angriffen der fortuna als ein erhabenes Schauspiel für „den Gott“ charakterisiert,35 so versteht auch Cyprian die Standhaftigkeit der Christen in der Situation der Verfol____________

29 Vgl. bes. fug 2,5, wo die siebte Bitte des Vaterunsers als Bitte um Bewahrung vor der Versuchung durch den Teufel gedeutet wird. 30 Orat 26;491–500. 31 Vgl. dazu auch Capmany, Miles, 200–204.237–243, und ders., San Cipriano, 289–292. 32 Vgl. dazu etwa Dölger, Christophoros, 74f, und Clarke I, 235f Anm. 31. 33 [...] qui non sic est ut seruos suos tantum spectet, sed ipse luctatur in nobis, ipse congreditur, ipse in certamine agonis nostri et coronat pariter et coronatur (ep 10,4,4;93–98, Zitat Z. 96–98). Nach Clarke I, 228, ist ep 10 insgesamt von dem Thema „Christus in martyre“ bestimmt. Vgl. auch ep 58,5,2;125f, wo stattdessen der spiritus dei patris genannt wird. 34 [...] quis non pretiosam in conspectu dei mortem (Anspielung auf Ps 115,6; vgl. Kap. 6.3 mit Anm. 150) fortiter et constanter excipiat placiturus eius oculis qui nos in congressione nominis sui desuper spectans uolentes conprobat, adiuuat dimicantes, uincentes coronat, retributione bonitatis ac pietatis paternae remunerans in nobis quicquid ipse praestitit et honorans quod ipse perfecit? (ep 76,4,2;103–109). Zum möglichen Einfluss dieser Passage auf Augustin vgl. Capmany, Miles, 204. 35 Vgl. Seneca dial 1,2,8–12, besonders § 9; dieses Motiv scheint eine senecanische Neuerung innerhalb der Stoa zu sein: „Il semble bien que cet aspect dramatique des luttes humaines, voulues et approuvées par Dieu, soit un accent nouveau dans le stoïcisme“ (Grimal, Sénèque, 1990).

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gung entsprechend. Es ist ein Kampf, bei dem Gott bzw. Christus den Kämpfenden von oben her zuschaut, und je länger oder schwerer der Kampf ist, in dem der Widersacher besiegt wird, desto erhabener und wohlgefälliger ist das Schauspiel in den Augen Gottes.36 Auch im alltäglichen Kampf gegen die Pfeile und Geschosse des Widersachers soll das Bewusstsein, unter den Augen Gottes bzw. Christi zu kämpfen, zu einem Gott wohlgefälligen Lebenswandel motivieren.37 Auch wenn Cyprian das Motiv des Schauspiels für Gott bezogen auf das Martyrium mit Ps 115,6 begründen kann,38 ist der Einfluss Senecas sachlich von erheblich größerem Gewicht.39 Eine nahe Entsprechung haben seine Ausführungen auch bei Minucius Oct 37,1, der hier seinerseits Seneca rezipiert.40 Cyprian kann dieses Motiv rezipieren, weil er, wie gezeigt, die christliche Existenz im Kampf gegen die Angriffe des Widersachers und der Welt im Horizont stoischer, nicht selten speziell senecanischer Ideale interpretiert.41 Der mit dem Motiv des Schauspiels für Gott bei Seneca verbundene einsame Heroismus wird jedoch an entscheidender Stelle durchbrochen: Für Cyprian ist Gott bei diesem Schauspiel nicht bloß Zuschauer, sondern er selbst ist es, der in den Christen kämpft und siegt. Anders als der senecanische Weise ist der cyprianische Christ in seinem Kampf nicht auf sich gestellt; wäre er es, so wäre er dem Widersacher chancenlos unterlegen. Standhalten kann er allein im Vertrauen auf Gott, der stärker ist als alle Gegner, mit denen es der Christ zu tun bekommt.42 An die Stelle der Autarkie des stoischen Weisen tritt damit eine christliche humilitas, die um ihre eigene Schwäche weiß, aber dank göttlicher Befähigung jenem in nichts nachsteht.43 Die Vorstellung, dass Christus in den Märtyrern kämpft und siegt, wird von Cyprian durchgängig mit Mt 10,19–20par begründet.44 Nach cyprianischem ____________

36 Vgl. ep 10,2,3;43–45 zum nach schweren Folterungen erlangten Martyrium, sowie ep 37,3,1; 59–62 zur unerschütterlichen Standhaftigkeit lange eingekerkerter römischer Konfessoren, ferner laps 2;21f; ep 60,2,4;48–51 u.ö. Auch ein im Verborgenen stattfindender Kampf wird von Christus geschaut und belohnt (ep 12,1,2;19f; ep 58,4,2;89–94). Als Anreiz zu besonders tapferem, standhaftem Kampf in der Verfolgungssituation wird das Motiv in ep 10,4,4;93–96 und ep 58,8,1;181–190 aufgenommen. 37 Zel 18;340–346; vgl. auch op 26;550f sowie die am Begriff munus (im Sinne von Schauspiel) orientierte Ausführung in op 21;413–423 und dazu Veyne, Brot und Spiele, 48. 38 Vgl. bes. ep 10,2,3;45–49, außerdem die oben angeführte Stelle aus ep 76. 39 Vgl. dazu auch Morgenstern, Cyprian, 9f, Wirth, „Verdienst“-Begriff II, 148f, Castiglioni, Cyprianea, 1082, und Deléani, L’utilisation, 318. H. Braun, Exegetische Randglossen, 186–191, arbeitet mit Recht deutliche Unterschiede zwischen der senecanischen und der paulinischen (1Kor 4,9) Verwendung dieses Motivs heraus; Cyprian gehört hier eher auf die Seite Senecas. 40 Vgl. dazu Beaujeu, Oct, 156f, der „thème“ wie „plusieurs expressions“ auf Seneca dial 1,2,7– 9 zurückführt und bei Cyprian mit „réminiscences précises de Minucius“ rechnet. Bei Tertullian hat dieses Motiv deutlich geringeres Gewicht; Anklänge finden sich in Scorp 6,6.11. 41 Siehe dazu Kap. 5. 42 S.o. zu Quir 3,10. 43 Zur christlichen humilitas in diesem Zusammenhang vgl. den oben angeführten Passus aus orat 26 (bei Anm. 30) sowie Capmany, Miles, 168f. 44 Mt 10,19f „is one of the most frequently cited Biblical quotations in Cyprian’s writings“ (Fahey, 294); neben den bei Fahey, 294–296, genannten Belegen vgl. noch die Anspielungen in ep

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Verständnis erklärt Christus in Mt 10,19f (par Lk 21,14f), dass es „seine eigene Sache ist, dass wir siegen und dass wir nach Überwältigung des Widersachers zur Siegespalme des höchsten Wettkampfes gelangen“.45 Cyprian zieht daraus die bemerkenswerte Schlussfolgerung, eben darin bestehe „sowohl die große Zuversicht der Glaubenden wie auch die überaus schwere Schuld der Ungläubigen, dem nicht zu vertrauen, der den Bekennenden verspricht, dass er (ihnen) seine Hilfe geben wird, und umgekehrt denselben nicht zu fürchten, der den Leugnern ewige Strafe androht“.46

So sehr Cyprian die ‚Verdienste‘, Anstrengungen und Mühen der Konfessoren und Märtyrer hervorhebt, den Widersacher niederzuwerfen und zu besiegen ist nicht ihre Sache, sondern Sache Christi. Ihre Sache ist allein das zuversichtliche Vertrauen (fiducia) darauf, dass Christus gemäß seinen Verheißungen den Bekennern seine Hilfe gewähren wird.47 Glaubensleugnern fehlt dieses Vertrauen ebenso wie die Furcht vor der angedrohten Strafe.48 Dieser Konzeption entspricht die Beschreibung der ersten, nach langen Foltern erlittenen Martyrien in Karthago während der decischen Verfolgung: „Wie froh war Christus dort, wie gern hat er, der den Glauben beschützt und den Glaubenden so viel gibt, wie der zu fassen glaubt, der es empfängt, in solchen Knechten sowohl gekämpft als auch gesiegt. Er war bei seinem Kampf anwesend, er hat die Kämpfer und Bekenner seines Namens aufgerichtet, gestärkt, beseelt. Und der für uns den Tod einmal besiegt hat, besiegt (ihn) immer in uns“.49

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81,4;24–28 und, mit besonderer Zuspitzung auf den Bischof, ep 81,2;10f sowie ep 66,7,2;116f. Neben dem Mt-Text zitiert Cyprian in Fort 10;33–35 und ep 76,5,1;115–118 auch die lukanische Parallele (Lk 21,14f); vgl. dazu auch Fahey, 364. 45 Ipsius enim esse quod uincimus et quod ad maximi certaminis palmam subacto aduersario peruenimus [...] (ep 76,5,1;110f; es folgen die beiden Zitate). Vgl. ebenso ep 58,5,2;118–126, wo zur Bestätigung von Mt 10,19f auch die Aussage der drei Jünglinge in Dan 3,16–18 herangezogen und zudem betont wird, in den Märtyrern werde der Geist selbst bekränzt. In Fort 10;28–42 zitiert Cyprian Mt 10,19f und Lk 21,14f als Verheißung, dass den Knechten Gottes in Verfolgungen die göttliche Hilfe nicht fehlen werde. 46 In quo quidem et credentium magna fiducia est et culpa grauissima perfidorum non credere ei qui se opem suam daturum confitentibus pollicetur nec rursus eundem timere qui aeternam poenam negantibus conminatur (ep 76,5,2;118–121). 47 Vgl. auch ep 80,1,3;21–23: secundum fidei firmitatem sind die karthagischen Christen angesichts der bevorstehenden valerianischen Verfolgung zum Leiden bereit, den Siegeskranz aber erwarten sie de ope et indulgentia domini; vgl. ferner ep 55,6,1;79f. 48 Zu der für Cyprian kennzeichnenden engen Verbindung von credere und timere, Verheißung und Drohung vgl. auch Kap. 6.1. 49 Quam laetus illic Christus fuit, quam libens in talibus seruis suis et pugnauit et uicit protector fidei et dans credentibus tantum quantum se credit capere (v.l. accipere) qui sumit. certamini suo adfuit, proeliatores atque adsertores sui nominis erexit, corroborauit, animauit. et qui pro nobis mortem semel uicit semper uincit in nobis (ep 10,3;50–55). Zur Begründung wird auch hier Mt 10,19f zitiert. Als Illustration der Zuverlässigkeit dieser Zusage wird in ep 10,4,1; 59–3;85 das Martyrium des Mappalicus dargestellt. Vgl. außerdem noch ep 57,4,2;86–96.

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Charakteristisch für die cyprianische Interpretation von Mt 10,19f ist die Generalisierung der Zusage: Die göttliche Befähigung erstreckt sich auf die gesamte Situation der Verfolgung und Bedrängnis, und sie impliziert, dass es Christus selbst (bzw. der Heilige Geist) ist, der in den Märtyrern bzw. Konfessoren kämpft und siegt. Intensiver könnte der Gedanke göttlicher Befähigung kaum zum Ausdruck gebracht werden.50 Die Partizipation des Christen an diesem Kampf ist auf der Ebene des Glaubens, des Vertrauens auf die Zusage Christi angesiedelt. Der Märtyrerkranz ist eine Auszeichnung nicht so sehr heroischer menschlicher Leistungen als vielmehr des treuen Vertrauens auf die siegreiche Kraft Christi;51 belohnt wird m.a.W. der Glaube, der sich stärken lässt. Die eigenen Anstrengungen werden damit nach cyprianischem Verständnis nicht überflüssig gemacht, sondern ermöglicht; der Kampf wird den Christen nicht erspart, aber sie können ihn so bestehen.52 Die geforderte christliche Haltung kann demgemäß als ein tapferes Hängen an Christus (fortiter Christo adhaerere) beschrieben werden, durch das der Widersacher notwendig besiegt werde, weil Christus unbesiegbar sei.53 Voraussetzung ist die wiederholt vorgetragene, offenbar durch 1Joh 4,4 angeregte Überzeugung, dass die zum Schutz der Christen wirksame Macht Christi allemal größer ist als die sie bekämpfende Macht des Widersachers.54 Wenn Cyprian an anderer Stelle sagt, die constantia et fiducia loquendi würden „eingehaucht“ (inspirare),55 dann deutet er damit an, dass die in Kapitel 5 geschilderte constantia christianorum auf einem ganz anderen Fundament steht als ihre paganen, insbesondere stoischen Vorbilder. Was für den Stoiker eine contradictio in adiectis wäre, ist für Cyprian der Kern der Sache. Fredouille unterstreicht daher trotz aller zweifellos vorhandenen Übereinstimmungen mit Recht „la différence qui sépare, doctrinalement, dans leurs motivations profondes, l’attitude autarcique du héros antique de celle, christocentrique, du saint chrétien“.56 Es entspricht dieser Konzeption, wenn Bekenntnis (confessio) und Martyrium häufig als eine Sache besonderer göttlicher Begnadung (dignatio) charakterisiert werden.57 Cyprian betont, es ____________

50 Vgl. dazu auch Capmany, Miles, 202f. 51 Vgl. auch laps 20;417f. 52 Göttliche Hilfe meint „dando la fortaleza [...] para el combate“ (Capmany, Miles, 203). 53 Vgl. Fort pr.2;28–31 und dazu auch Kap. 5.2.1.1, ferner ep 59,17,1;478–481 und unit 27; 619–621 und dazu Hummel, Concept, 45f. 54 Vgl. dazu bes. Fort 10 – der Titel lautet: Timendas non esse iniurias et poenas persecutionum quia maior est dominus ad protegendum quam diabolus ad inpugnandum –, außerdem ep 10,1,2;18– 22 (mit Clarke I, 231 Anm. 9) sowie ep 59,2,3;34–36; 59,17,2;489–493 und ep 58,7,1;167f; vgl. auch die Zusammenstellung bei Koch, CU, 159 Anm. 1. 55 Fort 10;40f. 56 Fredouille, Le héros, 13; vgl. auch ebd., 24f; ähnlich Morgenstern, Cyprian, 32. 57 Vgl. etwa ep 6,4;92–95; ep 10,5,2;109–111 und ep 67,6,3;146f zum Martyrium sowie ep 5,2,1;18f; ep 28,1,1;7f; unit 22;534–537 u.ö. zu den Konfessoren; nach ep 6,1,2;16 haben die karthagischen Konfessoren mit ihrem Bekenntnis die uia dominicae dignationis betreten. Zum Begriff dignatio vgl. ThLL V/1, 1132f, ferner Amat, Perp, 191f, Bayard, Le latin, 122, Capmany, El sacerdocio ministerial, 153f, sowie Blaise s.v. 2.

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stehe nicht in menschlicher Macht, ob einer das Martyrium erlange, sondern in dei dignatione.58 Freilich enthält der Begriff dignatio nicht nur den Aspekt des gnädigen Geschenks, sondern auch den einer Würdigung, eines besonderen Gunsterweises, der auf das Handeln der betreffenden Person bezogen ist.59 Demgemäß kann Cyprian besonders in Bezug auf das Martyrium davon sprechen, dass diese göttliche dignatio jemandem ‚verdientermaßen‘ zuteil wird.60 Der Begriff der dignatio ist freilich keineswegs auf diesen Kontext beschränkt. Schon der Anfangspunkt der christlichen Existenz, die Taufe, steht für Cyprian in diesem Horizont.61 Besonders häufig wird der Begriff dignatio in Bezug auf das Bischofsamt und auf Beförderungen in der kirchlichen Hierarchie verwendet.62 Darüber hinaus wird auch ohne diesen Begriff öfters zum Ausdruck gebracht, dass ein bestimmter Stand oder eine bestimmte Leistung sich göttlicher Gnade verdankt. So erwartet die Jungfrauen in den Himmeln ein maioris gratiae praemium, die uirginitas wird als continentiae munus bzw. continentiae gratia bezeichnet.63 Ähnliches deutet Cyprian bezogen auf die Konfessoren an,64 und auch das Bischofsamt versteht er als einen besonderen Gunsterweis Gottes.65 Die herausragenden kirchlichen ‚Stände‘ verdanken sich demnach keineswegs allein eigener Leistung, sondern beruhen auf einer besonderen Gnadengabe Gottes.

Das Ausmaß der göttlichen Befähigung richtet sich Cyprian zufolge, wie eben bereits angeklungen, nach dem Maß des Glaubens des Empfängers.66 Demgemäß lässt er seine Ausführungen zur Überlegenheit der schützenden Macht Christi gegenüber den Angriffen des Teufels in Fort 10 in die Mahnung münden: „Deshalb möge in Verfolgungen niemand bedenken, welche Gefahr der Teufel herbeiführt, sondern er möge vielmehr erwägen, welche Hilfe Gott gewährt; die menschliche Anfeindung möge den Sinn nicht zu Fall bringen, sondern der göttliche Schutz den Glauben stärken, da ein jeder ____________

58 Mort 17;281f; vgl. ferner laps 10;198f sowie zur Sache auch orat 26;491–500 (s.o.) und dazu Hummel, Concept, 49–51, Capmany, Miles, 239, Brekelmans, Martyrerkranz, 95, sowie Butterweck, „Martyriumssehnsucht“, 185f und S. 178 Anm. 260. 59 Dass das Leiden um Christi willen eine von Gott gewährte Gunst ist, deutet auch Paulus in Phil 1,28f an ([...] ο« τι υ μι^ν ε χαρι' σθη [...] και` υ πε` ρ αυ του^ πα' σχειν). 60 Vgl. bes. ep 76,1,3;26–35, wo dies mit einer Art ‚Tugendliste‘ begründet wird, ferner mort 17;282f sowie ep 76,1,4;40f und 76,4,1;94–96; vgl. dazu auch Kap. 8.2.1. 61 Vgl. habit 2;189,9f; orat 12;202f (Z. 214f steht stattdessen gratia) sowie ep 73,12,1;194–196. 62 Vgl. bezogen auf das Bischofsamt ep 63,1,1;3f: [...] episcopos plurimos ecclesiis dominicis in toto mundo diuina dignatione praepositos [...], ferner ep 71,3,2;73; ep 70,3,3;92f u.ö., bezogen auf Klerikerpromotionen ep 39,1,1;11–13; 39,4,3;75–77 u.ö. 63 Vgl. habit 23;204,3f bzw. 4;190,9.12f. Lombino, La Grazia, 131f, zufolge ist die uirginitas auch bei Tertullian eine empfangene Gnade, kein menschliches Verdienst. 64 Vgl. unit 21;503f. 65 Cyprian betont demgemäß, er stehe de diuina / domini indulgentia der karthagischen Gemeinde vor (ep 58,1,1;8f; ep 62,3,2;64). 66 Ep 10,3;51f, zitiert Anm. 49. Clarke I, 232 Anm. 18, bemerkt zu dieser und vergleichbaren cyprianischen Aussagen: „This is central to Cyprian’s pneumatological viewpoint: it is the recipient who makes the Holy Spirit more or less efficacious by the manner of his reception.“ – Mit der Vorstellung, die göttliche Gabe richte sich nach dem Fassungsvermögen des Menschen, erklärt Irenäus die Unvollkommenheit des neugeschaffenen Menschen (haer 4,38,1f), Theophilus von Antiochien das Verbot des Erkenntnisbaumes (Autol 2,25,2–3). Vergleichbare Aussagen finden sich auch bei Seneca; so heißt es in benef 2,29,6 bezogen auf die ‚Schöpfung‘ der Menschen: carissimos nos habuerunt di inmortales habentque [...] magna accepimus, maiora non cepimus (45,12–15 Hosius).

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gemäß den Verheißungen des Herrn und der Beschaffenheit seines Glaubens so viel von der Hilfe Gottes empfängt, wie er zu empfangen glaubt, und es nichts gibt, was der Allmächtige nicht gewähren kann, es sei denn, der hinfällige Glaube des Empfangenden lasse nach.“67

Das Motiv der allen Gefahren und Angriffen überlegenen Hilfe Gottes verbindet sich hier auf charakteristische Weise mit dem Glauben: Potentiell steht die Hilfe in unbegrenztem Ausmaß zur Verfügung, ist es doch der „Allmächtige“, der den Christen zur Seite steht; in welchem Ausmaß diese Hilfe jedoch aktuell zum Tragen kommt, hängt davon ab, wie viel dieser zu empfangen glaubt, anders ausgedrückt: wie sehr er auf diese Hilfe vertraut. Es ist offenbar dieser Zusammenhang, den Cyprian auf die Formulierung secundum dominica promissa et fidei suae merita bringt: die Unterstützung ist verheißen, aber der Glaube muss sie auch annehmen.68 Der hier thematisierte Zusammenhang zwischen Glaube und Befähigung gilt, wie die entsprechenden Ausführungen in der Schrift Ad Donatum zeigen, nicht nur für Konfessoren und Märtyrer, sondern für die Getauften generell. Dem Getauften wird, sofern er die Taufe bewahrt, so viel an Befähigung gegeben, wie an geistgemäßer Gnade in ihm wächst,69 und das heißt für Cyprian: „Wie viel wir an aufnahmebereitem Glauben dorthin mitbringen, so viel schöpfen wir von der überfließenden Gnade“.70 Der Geist bzw. die gratia spiritalis71 stehen in überreichem, ja unbegrenztem Ausmaß zur Verfügung – die bei irdischen beneficia üblichen Einschränkungen gelten hier nicht72 –, „nur möge unser Herz dürsten und offenstehen“.73 Eben das meint Cyprian offenbar mit dem Ausdruck fides capax: ein dürstendes, offenstehendes Herz. Nicht um irgendeine geheimnisvolle Glaubensstärke geht es hier, sondern schlicht um die Bedürftigkeit und Offenheit für die göttliche Befähigung.74 In diesem Sinne kann er den Grund____________

67 Quare in persecutionibus nemo cogitet quod periculum diabolus inportet, sed immo consideret quod auxilium deus praestet, nec mentem labefactet humana infestatio, sed corroboret fidem diuina protectio, quando unusquisque secundum dominica promissa et fidei suae merita tantum accipiat de dei ope quantum se credat accipere, nec sit quod omnipotens praestare non possit, nisi accipientis fides caduca defecerit (Z. 42–49). 68 Zur Bedeutung des Ausdrucks fidei suae merita s.u. Kap. 8.2.1; zur Wiedergabe von merita mit „Beschaffenheit“ vgl. Heumann-Seckel s.v. merere 1.b.δ. 69 Zu dieser Wiedergabe von Don 5;83f s.o. Kap. 2 Anm. 100. 70 Quantum illuc fidei capacis adferimus, tantum gratiae inundantis haurimus (Don 5;81–90, Zitat Z. 89f); die wachsende Befähigung wird in Z. 90–108 als Befähigung zum siegreichen Kampf gegen den Teufel und sein Heer entfaltet. Capmany, Miles, 209f, diskutiert bezogen auf diese Stelle die Frage, ob nicht bereits „una santidad de la vida“ Voraussetzung für den Empfang der befähigenden Gnade sei, und kommt mit Recht zu dem Ergebnis, „que se trata aquí de pasar de la santidad inicial conseguida el día del bautismo a un grado más subido, al que nuestro Santo no quería se pusiera límite“. Schon die anfängliche „santidad“ ist eine Wirkung der göttlichen Gnade, und zwar der Taufgnade, die, wie Cyprian wiederholt betont, jedem offensteht. 71 Vgl. d’Alès, La théologie, 25: Die Gnade ist Gabe des Heiligen Geistes und dieser selbst. 72 Vgl. Z. 84–88: non enim [...] in capessendo munere mensura ulla uel modus est. Profluens largiter spiritus nullis finibus premitur [...]; vgl. auch ep 64,3,2;47–49. 73 [...] nostrum tantum sitiat pectus et pateat (Z. 89). Vgl. auch ep 63,8,4;133f. 74 Vgl. auch ep 69,14,2 und 69,16,1 und dazu Kap. 2.3.3. Buchheit, Non agnitione, 332, weist

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satz formulieren: „Der Glaube nützt zu allem, und wir vermögen so viel, wie wir glauben“.75 Grenzen setzt hier allein der Empfänger.76 Der in Ad Donatum formulierte Grundsatz, der Getaufte verdanke alles, was er als durch die Taufe erneuerter Mensch vermag, allein Gott, bestimmt die gesamte cyprianische Paränese. So sehr Cyprian die Christen dazu anhält, den mit der Taufe gesetzten Neuanfang in ihrer tätigen Existenz zu bewahren und zu verwirklichen, so sehr unterstreicht er die fundamentale menschliche Schwäche, die es unmöglich macht, dies aus eigener Kraft zu tun. Dies gilt für die Bewahrung der in der Taufe empfangenen innocentia und die Überwindung der alltäglichen Obstruktionsversuche des Widersachers nicht weniger als für die Situation der Verfolgung. Das aber heißt: die in der Taufe empfangene Gnade der Sündenvergebung und Erneuerung allein genügt zur Erlösung des Menschen nicht.77 Das gnadenhafte, auf das Heil des Menschen zielende Handeln Gottes setzt sich daher im christlichen Leben fort, sei es bezogen auf das Problem postbaptismaler Sünden,78 sei es bezogen auf den Gehorsam gegen den Willen Gottes (orat 14) und den unausgesetzten Kampf gegen die Angriffe des Teufels und der Welt (orat 27). Ohne diese beständig weiterwirkende Gnade Gottes, die sich insbesondere als Hilfe (ops) und Schutz (protectio) äußert, könnte der Christ nicht bestehen.

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auf einen vergleichbaren Gedanken bei Seneca ep 59,9 hin: Auf die Frage, warum die stultitia die Menschen so hartnäckig festhalte, antwortet er u.a.: deinde quia illa quae a sapientibus uiris reperta sunt non satis credimus nec apertis pectoribus haurimus [...] (164,9–11 Reynolds). 75 Fidem totum prodesse, et tantum nos posse quantum credimus (Quir 3,42tit). Einige der zu diesem Titel angeführten Bibelzitate, insbesondere Mt 14,31 (Kritik des Kleinglaubens), Mt 17,20 (‚Senfkornglaube‘) sowie Mk 11,24 und 9,23 (der Glaubende erlangt durch das Gebet alles, alles ist ihm möglich), dürften das biblische Fundament für die referierten Ausführungen Cyprians bilden; sie werden aber überraschenderweise nur hier zitiert. – Wie sehr es für Cyprian allein auf den Glauben ankommt, zeigen auch seine Ausführungen zur sog. Klinikertaufe in ep 69,12,1–3: Ob der Täufling untergetaucht oder bloß (auf dem Krankenbett) mit Wasser besprengt wird (Näheres dazu Hammerich, Taufe und Askese, 155–157), ist nicht entscheidend, die volle Wirksamkeit der Taufe ist vielmehr dort gegeben, ubi plena et tota fide et dantis et sumentis accipitur quod de diuinis muneribus hauritur (Z. 259–261; ähnlich Z. 284f u.ö.; der Hinweis auf den Glauben des Taufenden ist im Kontext des beginnenden sog. Ketzertaufstreites zu sehen; vgl. dazu ausführlich ep 73,4,1;59–6,2;113). Bei der Reinigung des Herzens (pectus) bzw. des Geistes (mens) von den Verfehlungen aufgrund des Glaubens (per fidei merita) in der Taufe können notfalls auch die diuina conpendia dem Glaubenden das Ganze gewähren. 76 Vgl. Capmany, Miles, 209. Die Bemerkung Seebergs, Lehrbuch I, 649, hier spreche sich zwar „ein Gefühl von der beherrschenden Bedeutung des Glaubens aus“, „der Zusammenhang der Gedanken“ erfordere jedoch „eine andere Bestimmung des Glaubensbegriffes“, da für Cyprian der Glaube „wesentlich die Anerkennung der christlichen Lehre, des göttlichen Gesetzes und das Fürwahrhalten der Verheißungen“ sei (ähnlich bereits Wirth, „Verdienst“-Begriff II, 121–133), ist unbegründet. Die analysierten Texte zeigen, dass es hier grundlegend um die Offenheit für und das Vertrauen auf die Wirksamkeit Christi bzw. des Geistes geht. 77 So mit Recht Capmany, Miles, 242f, in Verallgemeinerung der cyprianischen Martyriumsaussagen. 78 Vgl. op 1–3 und dazu oben Kap. 3.2.

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Dei est omne quod possumus

Dies bedeutet nun freilich nicht, dass Cyprian in der Strenge der Forderungen nachließe. Es ist die Verantwortung des Glaubenden, die göttliche Hilfe auch in Anspruch zu nehmen. Die Aussage, der Christ empfange so viel, wie er zu empfangen glaube, formuliert das Kriterium. Wer etwa im Martyriumskampf nicht besteht, dem ist keineswegs mangelnder Heroismus vorzuwerfen, wohl aber fehlendes Vertrauen auf Christus; Entsprechendes gilt für die anderen Aspekte der tätigen christlichen Existenz. Cyprian bietet keine ausgefeilte Gnadentheologie und ist weit davon entfernt, ein theologisches ‚System‘ zu entwickeln, wie dies später Augustin tun wird. Seine Paränese erweist sich jedoch als von einigen grundlegenden Überzeugungen getragen, die das in Kap. 1 gewonnene Ergebnis verstärken und weiterführen: Wie er im Blick auf den Anfangspunkt der christlichen Existenz den Empfang der göttlichen Gnade in den Mittelpunkt rückt, so gilt Entsprechendes für seine Paränese. Christen sind bleibend auf die zu neuem Handeln befähigende Gnade angewiesen, und diese Gnade wird ihnen beständig zur Verfügung gestellt. Nur so werden sie dazu in die Lage versetzt, auf dem in der Taufe begonnenen Weg ‚vom Heil zum Heil‘ unbeirrbar voranzuschreiten und schließlich das Ziel zu erreichen. Dies ist der theologische Horizont, innerhalb dessen die cyprianische Paränese zu verorten ist.

Kapitel 8: Das Reich Gottes und der verheißene Lohn: Zukunftserwartung als Motivierung christlichen Handelns

Die theologische Konzeption Cyprians ist, wie gesehen, durch ein dynamisches, auf das Erreichen der Zukunft ausgerichtetes Verständnis christlicher Existenz in der Zeit gekennzeichnet, das seine gesamte Paränese in den Horizont der Zukunftshoffnung und -erwartung rückt. Weil Wesentliches noch aussteht, gehört das paulinische „auf Hoffnung hin“ (Röm 8,24) zu den Grundzügen seines Denkens. Christliche Standhaftigkeit gegenüber den Angriffen des Widersachers und den Widrigkeiten irdisch-fleischlicher Existenz wurzelt im zuversichtlichen Vertrauen auf das Zukünftige.1 Die cyprianische Theologie hat somit durch und durch eschatologischen Charakter. Das eschatologische Heil aber besteht für ihn wesentlich im verheißenen Lohn. So gewinnt der Lohngedanke grundlegende Bedeutung für seine Theologie. Inhaltlich entspricht seine Zukunftserwartung weitgehend vertrauten neutestamentlichen bzw. frühchristlichen Vorstellungen. Dazu gehören die Wiederkunft Christi, ihr vorangehend eine im Auftreten des Antichrist kulminierende letzte Zeit der Bedrängnis sowie das Gericht, in dem Christus zwischen Gerechten und Ungerechten scheiden und himmlische Belohnung bzw. ewige Bestrafung zuteilen wird. Über die frühchristliche Vorstellung hinausgehend, dass allein die Märtyrer unmittelbar nach ihrem Tod zu Christus gelangen, versteht Cyprian den Tod generell als direkten Eintritt in die Welt Gottes bzw. in das Gericht. Auch die eschatologische Zukunftserwartung, die er damit keineswegs preisgibt, ist von der Perspektive des einzelnen und seines postmortalen bzw. eschatologischen Ergehens beherrscht; universale und kosmologische Aspekte der Eschatologie treten demgegenüber stark zurück.2 So sehr Cyprian mit einem baldigen Ende dieser Welt rechnet, so wenig ist von der Hoffnung auf einen neuen Himmel und eine neue Erde zu spüren.3 Im folgenden werden zunächst die verschiedenen Elemente der cyprianischen Zukunftserwartung und ihre paränetische Verwendung dargestellt, bevor dann die theologische Struktur seiner Lohn- und Strafvorstellungen diskutiert werden kann.

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1 Vgl. Kap. 2 bzw. Kap. 5.2.2.2. 2 An beiden Punkten weicht Cyprian deutlich von der etwa durch Irenäus und Tertullian repräsentierten Tradition ab. Vgl. dazu auch Fernández, La escatología, 113f, dessen Aufsatz eine umfassende Darstellung der cyprianischen Eschatologie bietet; dasselbe gilt für Atzberger, Geschichte, 521– 546. 3 Vgl. Fernández, La escatología, 127f.

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Zukunftserwartung als Motivierung christlichen Handelns

1. Elemente der cyprianischen Zukunftserwartung und ihre paränetische Verwendung 1.1 Die Wiederkunft Christi, das Auftreten des Antichrists und das Ende der Welt Die Erwartung der Wiederkunft Christi gehört zum selbstverständlichen Grundbestand der cyprianischen Theologie, wird jedoch nirgends ausführlicher thematisiert. War Christus bei seinem ersten Kommen in Demut verborgen, so wird er beim zweiten Kommen in Vollmacht sichtbar in Erscheinung treten und nicht demütig schweigen, sondern als Richter kommen und Rache üben.4 Zumindest zeitweise rechnet Cyprian mit einem unmittelbaren Bevorstehen der Wiederkunft Christi.5 Mit dessen Sich-Nähern verbindet er ein Wachstum an Erkenntnis, das die Christen dazu bringt, frühere falsche Gewohnheiten abzulegen.6 Dass Christus bzw. sein Reich bald kommen möge, ist Gegenstand inständigen Gebetes.7 Die angemessene christliche Haltung gegenüber dem als plötzlich zu erwartenden Kommen Christi ist für Cyprian, neutestamentlichen Aussagen entsprechend, Wachsamkeit.8 Dazu gehören für ihn die Bereitschaft für den Tag des „Abmarsches“ (expeditio), gute Werke sowie das ständige besorgte Erwarten der plötzlichen Ankunft Christi. Wachsamer Glaube wird vom wiederkommenden Herrn den entsprechenden Lohn erhalten.9 Da Christus in seiner patientia mit seiner eigenen Rache noch wartet, dürfen Christen in Verfolgungen und Leiden nicht auf schnelle Rächung des von ihnen Erlittenen drängen; sie sollen vielmehr, um selbst am Tag des Gerichts bestehen zu können, dem Kommen Christi erwartungsvollen Gehorsam entgegenbringen, indem sie wachsam, ____________

4 Vgl. pat 23;462–467 bzw. Quir 2,28tit, ferner Quir 2,30tit sowie pat 22;441f. 5 Dass Cyprian nur zeitweilig, nämlich in einer mittleren Phase nach der decischen Verfolgung, repräsentiert bes. durch Fort, mort und Dem sowie ep 57f, eine intensive Naherwartung vertreten habe, hat zuerst Koch, CU, 168–183, zu zeigen versucht. Alföldy, Der Heilige Cyprian, 298–306, nimmt entsprechende Wandlungen in seiner Wahrnehmung der „Krise des römischen Reiches“ wahr und weist überzeugend nach, dass Cyprian weder zuvor während der decischen Verfolgung noch später in der Schrift De bono patientiae solche Vorstellungen vertritt. In jüngster Zeit hat Burns, Cyprian’s Eschatology, die Entwicklung der cyprianischen Naherwartung nochmals nachzuzeichnen vesucht. Die einschlägigen Belegstellen sind bei d’Alès, La théologie, 78–80, zusammengestellt; vgl. auch Fernández, La escatología, 114–118. Gegen die These einer zeitweiligen Naherwartung und „Weltuntergangsstimmung“ Cyprians wendet sich Strobel, Imperium, 151–184, gegen einen Wandel seiner Anschauungen zum Altern der Welt Fredouille, Dem, 32f. Ältere Gegenpositionen nennt Alföldy, a.a.O., 299 Anm. 20; vgl. auch Tornatora, Angelus increpans, 237f mit Anm. 11. 6 Ep 63,18,4;355–357; vgl. dazu auch Tertullian uirg 1,4–7, der den heilsgeschichtlichen Erkenntnisfortschritt freilich mit neuen Offenbarungen des Geistes begründet. Clarke III, 301 Anm. 49, rückt ep 63 aufgrund seiner intensiven Naherwartung in die Nähe der „post-Decian writings“. 7 Vgl. orat 13;225–227; 35;660–664; mort 18;310–314. 8 Vgl. etwa Quir 3,89 mit Zitaten von 1Thess 5,2f und Apg 1,7; neutestamentlich sind etwa noch Mk 13,36 und Lk 21,34 zu vergleichen. 9 Vnit 27;606–621; vgl. dazu auch Kap. 5.2.1.1.

1. Elemente der cyprianischen Zukunftserwartung

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standfest und zu jedem Leiden bereit seine Gebote wahren.10 Dazu gehört auch, dass sie erlittenes Unrecht nicht selbst rächen, sondern die Rache Gott überlassen11. Die Erwartung der göttlichen Rache hat nicht zuletzt einen politischen Aspekt: Gewiss, dass nicht ungerächt bleiben wird, was immer sie erleiden, und die Rache umso gerechter und schwerer sein wird, je größer das Unrecht der Verfolgung ist, leisten Christen trotz ihrer Unschuld gegen staatliche Gewaltmaßnahmen keinen Widerstand und rächen trotz der zahlenmäßigen Stärke ihres Volkes das ihnen zugefügte Unrecht nicht. Aktuelle (politische) Ereignisse wie Niederlage und Tod des Decius lassen schon in der Gegenwart die göttliche Bestrafung der gegen sie begangenen Verbrechen sichtbar werden.12 Im Anschluss an neutestamentliche bzw. frühchristliche Vorstellungen rechnet Cyprian damit, dass der Wiederkunft Christi die (zunehmenden) Katastrophen und Bedrängnisse der Endzeit sowie die Zeit des Antichrists13 vorausgehen. Drohende neue Bedrängnisse und Verfolgungen bestärken ihn zeitweilig in der Annahme, dass „die feindselige Zeit des Antichrists bereits nahegekommen“ ist und nun weitaus heftigere Bedrängnisse und Kämpfe zu erwarten sind.14 Die Häufigkeit von Verfolgungen und Bedrängnissen ist für ihn ebenso ein Kenn____________

10 Pat 24;476–485; in pat 21–24 befasst sich Cyprian ausführlich mit dem Thema „Rache Gottes bzw. Christi“, da nach seiner Auskunft viele Christen den drängenden Wunsch hegen, das ihnen von ihren Verfolgern zugefügte schwere Unrecht möge bald gerächt werden (Zwisa, Entstehung, 547–549, sieht darin den eigentlichen Abfassungszweck der Schrift). Er ermahnt die Adressaten, geduldig und tapfer den Tag der zukünftigen Rache zu erwarten, betont aber ebenso das Kommen Christi als des Richter-Gottes, der mit majestätischer Strenge alles Unrecht, das ihm selbst, den Christen und den Gerechten aller Zeiten zugefügt worden ist, rächen werde. Angeregt ist das Thema durch Tertullian pat 10,1–9 (vgl. Conway, pat, 42–45); dessen Überlegungen zur psychologischen und theologischen Problematik menschlicher Rache rezipiert Cyprian freilich nicht, und das Thema gewinnt bei ihm erheblich größeres Gewicht. Vgl. dazu auch orat 24;459f; Dem 21;409–412; Fort 12;10–12 u.ö. 11 Vgl. Quir 3,106 mit Zitaten von Prov 20,22; Röm 12,19 und Zeph 3,8, ferner Fort 11;142– 146.155–157 u.ö. 12 Dem 17;323–344; dass Cyprian in Z. 334–337 auf die genannten Ereignisse anspielt, ist die „interpretazione commune“ (Gallicet, Dem, 56); vgl. Alföldy, Der Heilige Cyprian, 314, Sage, Cyprian, 380, u.a. Gallicets Versuch, diese Stelle stattdessen auf Berbereinfälle des Jahres 253 zu deuten (ebd., 57–62), ist von Heck, ΜΗ ΘΕΟΜΑΧΕΙΝ, 174–180, überzeugend widerlegt worden; zurückhaltend äußert sich Fredouille, Dem, 13f Anm. 3. Dass Gott selbst für die Christen Rache übt, wird in Z. 337–342 mit Zitaten von Röm 12,19b par und Prov 20,22 belegt. Zum Ganzen vgl. auch Heck, a.a.O., 183f, der auch auf entsprechende römische Vorstellungen verweist. – Die Bemerkung in laps 1;3f, durch göttliche Hilfe und Rache sei die Sicherheit (securitas) der Christen wiederhergestellt worden, hat wohl noch nicht den Tod des Decius im Blick (vgl. Bévenot, ACW 25, 78 Anm. 2). Alföldy, a.a.O., 312f, deutet sie auf den „Einbruch der Goten auf dem Balkan, der Decius dazu zwang, an die Donaufront zu eilen und die Maßnahmen gegen die Christen weitgehend einzustellen“. 13 Zum Antichristen bei Cyprian vgl. Atzberger, Geschichte, 541f, und Fernández, La escatología, 128–131. Neutestamentlich ist der Terminus auf die Johannesbriefe beschränkt; zur frühchristlichen Entwicklung der Vorstellung vgl. Jenks, Origins, 307–355, sowie Lohmeyer, Antichrist. 14 Vgl. Fort pr.1;2–5 (quoniam praessurarum et persecutionum pondus incumbit et in fine adque in consummatione mundi antichristi tempus infestum adpropinquare iam coepit [...]) und dazu Koch, CU, 169–172, sowie ep 58,1,2;13–20, ferner etwa ep 59,13,4;366 und ep 61,2,3;33f. In den von Naherwartung geprägten Schriften werden zeitgenössische Vorgänge häufig mit dem Antichristen in Verbindung gebracht, in späteren Schriften dagegen kaum (vgl. Alföldy, Der Heilige Cyprian, 489f.498f). Zu in Fort pr.2;23f anklingenden millennaristischen Vorstellungen s.o. Kap. 5 Anm. 59.

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Zukunftserwartung als Motivierung christlichen Handelns

zeichen der „letzten Zeiten“ wie die Zunahme von Schismen und Häresien,15 die er im Anschluss an 1Joh auf das Wirken des Antichrists zurückführt.16 Über Person oder Wesen des Antichrists selbst sagt Cyprian wenig: er kommt in Menschengestalt,17 ist in König Antiochus IV. in Erscheinung getreten18 und wird teils mit dem Widersacher identifiziert, teils als dessen Instrument beschrieben.19 Die Deutung bedrückender Erfahrungen als Zeichen der Endzeit hat konsolatorische Funktion – auf den Antichristen wird sogleich Christus selbst folgen –, fordert von den Christen aber zugleich intensive Vorbereitung, um den Bedrängnissen und Angriffen gewachsen zu sein.20 Die christliche Erwartung, dass das Ende der Welt nahe ist, verbindet sich bei Cyprian mit einem Weltgefühl, das die Welt als im Niedergang befindlich wahrnimmt. Obgleich er mit einem plötzlichen Ende der Welt rechnet,21 ist dieses für ihn seit dem Tod Christi schon im Anbruch.22 Katastrophen wie Hungersnöte, Kriege, Pestepidemien, Verfolgungen und Bedrängnisse deutet Cyprian im Anschluss an biblische Ankündigungen als Zeichen des nahen Endes,23 erkennt darin aber zugleich eine allgemein wahrnehmbare, auch pagan reflektierte Welterfahrung. So nimmt er in der Schrift Ad Demetrianum den Topos vom Altern der Welt auf,24 um den Vorwurf zu entkräften, die Christen seien für die Zunahme von Katastrophen und Unglücksfällen im Römischen Reich verantwortlich (Dem 3–4): durch das in Missständen der Natur wie der Gesellschaft erkennbare Zusammenbrechen der Dinge bezeuge die Welt selbst ihren Untergang; Alterndes, seinem Ende schon Nahes werde unvermeidlicherweise schwächer, und Gott habe der Welt die Ordnung gegeben, „dass alles, was geboren wird, stirbt, und was gewachsen ist, alt wird“.25 Niemand darf sich, so ____________

15 Vgl. ep 58,2,1;32–41 u.ö. bzw. ep 67,7;151–157; ep 59,7,1;175–180; unit 16;392–413 u.ö. 16 Vgl. ep 69,1,1;10–3;28 (mit 1Joh 2,18f); ep 73,15,1;254–2;263 (mit Anspielung auf 1Joh 4,3), ferner etwa ep 59,2,3;73–76; ep 70,3,2;79–97 u.ö. 17 Quir 3,118tit; zitiert wird dazu Jes 14,16f. 18 Fort 11;115f. 19 Vgl. ep 60,2,2;70–73; ep 58,7,1;164–166 u.ö. und dazu Fernández, La escatología, 130, bzw. unit 3;66f. In mort 15;249–251 erscheint der Antichrist als Subjekt der Verfolgungen. 20 Vgl. ep 58,7,1;161–2;169 und dazu Kap. 5.2.1.1, ferner Fort 13;27f sowie Fort pr.2. 21 Vgl. Quir 3,89tit und dazu Koch, CU, 205. 22 Ep 63,16,2;301–303. 23 Cyprian folgt hier den Ausführungen der sog. synoptischen Apokalypse; vgl. dazu bes. Fort 11;20–60, wo Mt 24,4–31 mit entsprechender Einführung zitiert wird. Ob solche Bemerkungen als Beschreibungen der Situation des Römischen Reiches gedeutet werden können, wie Alföldy, Der Heilige Cyprian, 304.309f, annimmt, scheint mir fraglich. Vgl. dazu auch Fredouille, Dem, 21–27. 24 Vgl. Dem 3;41 (senuisse iam mundum); 4;68f.78 (mundi senectus). Zum Topos der senectus mundi und ihrer cyprianischen Verarbeitung vgl. bes. Gallicet, Dem, 149–163, und Zocca, La „senectus mundi“, ferner etwa Morgenstern, Cyprian, 10–13, Spanneut, Le stoïcisme, 413f, Daniélou, Les origines, 207–212, sowie Fredouille, Dem, 33–38. – Pascal, Lucrezio e Cipriano, 555f, führt das Motiv des Alterns der Welt in Dem 3 auf Lukrez rer 2,1144–1174 zurück (ebenso Fredouille, Dem, 35 Anm. 5); kritisch dazu – m.E. mit guten Gründen – Hagendahl, Latin Fathers, 77f. 25 Haec sententia mundo data est, haec dei lex est ut omnia orta occidant et aucta senescant (Z. 64f). Der ut-Satz ist ein nahezu wörtliches Zitat aus Sallust Iug 2,3 (54,26f Reynolds; vgl. Koch, CU, 298), das in freierer Form auch bei Minucius Oct 34,2 begegnet; die Vorstellung selbst ist verbreitet

1. Elemente der cyprianischen Zukunftserwartung

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Cyprian, darüber wundern, „dass das einzelne in der Welt dahinzuschwinden begonnen hat, da schon die ganze Welt selbst im Dahinschwinden ist und zu Ende geht“.26 Diese von der Welt selbst bezeugten Phänomene koinzidieren für Cyprian mit dem christlichen Verständnis der „letzten Zeiten“.27 Das biblisch angekündigte Ende der Welt ist somit keineswegs ein von Gott inszenierter willkürlicher Abbruch, sondern die unvermeidliche Folge ihres Lebensgesetzes. Nimmt Cyprian den paganen Topos vom Altern der Welt in der Schrift Ad Demetrianum aus apologetischen und protreptischen Gründen auf – angesichts des bevorstehenden Zusammenbruchs der Welt sollten die Adressaten durch Umkehr zu dem wahren Gott für ihr ewiges Heil sorgen28 –, so zeigen weitere Bezugnahmen auf dieses Thema, dass er damit auch sein eigenes Weltgefühl zum Ausdruck bringt:29 Die von den Anstürmen feindseliger Übel belagerte Welt gleicht für ihn einem altersschwachen Haus, dessen baldiger Einsturz sich schon ankündigt. So ist die Welt bereits im Zusammenbruch begriffen, und die Dinge sind nicht nur alt, sondern schon am Ende.30 Im Kontext der Schrift De mortalitate dient diese pessimistische Beschreibung der Welt der paränetischen Motivierung christlicher Sterbebereitschaft und hat damit zugleich eine konsolatorische Funktion. Da die Welt bereits vergeht, sind die Freude des ewigen Heils und der (erneute) Besitz des verlorenen Paradieses schon im Kommen begriffen. Die Nähe des Gottesreiches lässt für Angst und Sorge ebenso wenig Platz wie für Todesfurcht, und der bevorstehende Zusammenbruch aller Dinge macht baldiges Sterben zu einem Gewinn.31 Entsprechende Argumentationen finden sich auch in der paganen Konsolationsliteratur.32 Bezogen auf die Wiederkunft Christi, das Kommen des Antichrists und das bevorstehende Ende der Welt partizipiert Cyprian im wesentlichen an traditionellen frühchristlichen Zukunftserwartungen, gibt diesen aber zum Teil durch die Rezeption paganer Vorstellungen eine spezifische Prägung. Biblisch-apokalyptische Vorstellungen koinzidieren hier mit einer auch in paganer Literatur

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(vgl. Fredouille, Dem, 143, sowie Clarke, Oct, 349 Anm. 563 bzw. S. 296 Anm. 352). Zur Bedeutung der auffälligen Zitateinführung, die an die Einführung biblischer Zitate bei Cyprian erinnert (vgl. dazu auch Heck, ΜΗ ΘΕΟΜΑΧΕΙΝ, 154), vgl. Strobel, Imperium Romanum, 175. Die Übereinstimmung von paganer und biblischer Weltsicht wird von Cyprian durch die korrespondierende Gegenüberstellung von allgemeinem Weltgesetz in Dem 3–4 (vgl. Dem 3;40f: illud primo in loco scire debes senuisse iam mundum [...]) und biblischer Ankündigung in Dem 5 (vgl. 5;84f: et hoc scias esse praedictum in nouissimis temporibus multiplicari mala [...]) signalisiert. 26 [...] ut nemo mirari debeat singula in mundo coepisse deficere, quando totus ipse iam mundus in defectione sit et in fine (Z. 78–80). – Verwandte Vorstellungen klingen bei Tertullian pud 1,2 und nat 1,10,3–7 an; vgl. dazu Beck, Römisches Recht, 122 Anm. 2. 27 Vgl. Dem 5;81–87, ferner mort 2;15–25; ep 58,2,2;37–61 sowie unit 16;392–413. 28 Vgl. bes. Dem 22;443–23;448. 29 Vgl. die Belege bei Gallicet, Dem, 151–153; zur Sache vgl. auch Fitschen, Geschichte, 297f. 30 Mort 25;416–429. 31 Vgl. mort 2;25–37 bzw. 25;418–420 (mit Anspielung auf Phil 1,21). Vgl. auch ep 58,2,1;29f u.ö.: von der dahinschwindenden Welt ist nichts mehr zu begehren. 32 Vgl. Johann, Trauer und Trost, 100–109.

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Zukunftserwartung als Motivierung christlichen Handelns

bezeugten pessimistischen Wahrnehmung der Entwicklung der Welt. Die cyprianischen Bemerkungen dazu haben durchgängig eine sowohl tröstende als auch mahnende Funktion. Die Ermahnung zielt bei den Christen auf Wachsamkeit und Kampfbereitschaft, bei den Nicht-Christen auf Umkehr. Beides verstärkt sich in den Schriften, in denen mit einem unmittelbar bevorstehenden Eintreten dieser Ereignisse gerechnet wird. 1.2 Zukunftserwartung oder Jenseitshoffnung: die cyprianische Deutung des Todes Während offenbar schon sehr früh damit gerechnet wird, dass die Seelen der Märtyrer direkt nach ihrem Martyrium in die Gegenwart Christi versetzt werden,33 nimmt die frühchristliche Tradition für die Seelen der übrigen Christen in der Regel einen bis zur Wiederkunft Christi währenden postmortalen Zwischenzustand an, der durch die Auferweckung der Toten, verstanden als eine Art Wiedervereinigung der Seelen mit ihren auferweckten Leibern, beendet wird.34 Abweichend von dieser Tradition rechnet Cyprian offenbar damit, dass alle Seelen sogleich nach ihrem Tod zu Christus bzw. zur ewigen Strafe gelangen. Die insbesondere von Tertullian weiterentwickelte Vorstellung eines Zwischenzustandes rezipiert er nicht.35 Die Vorstellung, dass Märtyrer direkt zu Christus gelangen, steht auch für Cyprian außer Frage: Wenn ein Märtyrer stirbt, schließt er die Augen, mit denen die irdische Welt wahrgenommen wird, und öffnet sie sogleich wieder, um Gott und Christus zu schauen.36 Zum postmortalen Geschick der übrigen Christen und zum Ergehen verstorbener Nicht-Christen äußert er sich nicht mit der gleichen Deutlichkeit. Dennoch scheint klar, dass er für alle Christen damit rechnet, dass sie unmittelbar nach ihrem Tod zu Christus bzw. in das Reich Gottes gelangen. Der Tod wird als ein transitus beschrieben: Christen schreiten durch den Tod zur Unsterblichkeit hinüber; er ist kein „Dahinscheiden, sondern ein Hinübergehen“ (non est exitus iste sed transitus), also kein Ende, sondern ____________

33 Vorausgesetzt ist eine solche Vorstellung offenbar schon in Apk 6,9–11; zu ihrer Entwicklung vgl. Stuiber, Refrigerium interim, 74–81. 34 Dass die Seele anders als der Leib nicht stirbt, scheint in der frühchristlichen Literatur unstrittig zu sein. Freilich wird die Unsterblichkeit in der Regel nicht als eine der Seele kraft ihrer Natur inhärente Eigenschaft, sondern als eine Gabe Gottes gesehen; vgl. dazu Wolfson, Immortality and Resurrection. Cyprian äußert sich zur Frage der Unsterblichkeit der Seele nicht; vgl. dazu auch Fischer, Studien, 180, sowie Fernández, La escatología, 104f. 35 Vgl. ebenso Morgenstern, Cyprian, 20f, und Fischer, Studien, 264. Stuiber, Refrigerium interim, 68–71, beginnt mit der gleichen Feststellung, sucht dann aber zu zeigen, dass Cyprian dennoch eine entsprechende Auffassung geteilt habe. Atzberger, Geschichte, 536f, möchte den direkten Zugang zu Christus auf „die ganz Reinen“ beschränken, während es für die übrigen ein „jenseitige(s) Reinigungsleiden“ gebe, kann dafür aber keine Belege beibringen. Zur Frage eines Purgatoriums bei Cyprian s.u. Anm. 175. – Zu Tertullian vgl. Stuiber, Refrigerium interim, 51–61. 36 Vgl. Fort 13;26–36 und dazu Hummel, Concept, 124–127, mit weiteren Belegen.

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lediglich ein Wechsel aus dem Bereich des Irdisch-Vergänglichen in den des Ewig-Unvergänglichen.37 Eben dies scheint für Cyprian der Inhalt der neutestamentlichen Auferstehungsbotschaft zu sein.38 Den im Tod stattfindenden transitus charakterisiert Cyprian mit Vorliebe als ein „zu Christus gehen“, also als Eintritt in die Gegenwart Christi.39 Christen dürfen daher den Tod nicht fürchten, hieße dies doch, die Bedrängnisse, Strafen und Tränen der Welt der Gemeinschaft mit Christus vorzuziehen.40 Sie sollten vielmehr zum Besseren eilen und sich die möglichst baldige Erneuerung nach der Gestalt Christi wünschen.41 Da der Tod gleichbedeutend damit sei, zur Herrlichkeit des Himmelreiches zu gelangen, sei er kein Anlass zur Trauer, sondern ein Grund zur Freude.42 Paulus betrachte das Sterben als Gewinn (Phil 1,21), weil der Tod von den Bedrängnissen und Übeln der irdischen Existenz befreie und ein Sich-Aufmachen zur Freude des ewigen Heils sei.43 Führt der Tod die Christen unmittelbar zu Christus, so vollzieht sich konsequenterweise bereits mit dem Tod die Scheidung der Menschen. Da ein jeder danach gerichtet wird, wie ihn der „Ruf Christi“ vorfindet,44 hat der Tod für Gerechte und Ungerechte höchst unterschiedliche Bedeutung: die einen werden zur Erholung (refrigerium) gerufen, die anderen zur Strafe (supplicium) fortgerissen;45 für diese ist der Tod ein transire zum „zweiten Tod“ und daher tatsächlich zu fürchten.46 Cyprian weicht damit in Bezug auf das Todesverständnis sehr deutlich von der Tradition, insbesondere von Tertullian, ab,47 auch wenn er die eschatologi____________

37 Mort 22;366–369; vgl. mort 3;54f sowie 6;90f. Zur Sache vgl. Morgenstern, Cyprian, 20, Atzberger, Geschichte, 534f, Fischer, Studien, 180f, sowie Fernández, La escatología, 105–111. 38 Der wiedergegebene Passus kommentiert 1Thess 4,13f und Joh 11,25f. 39 Vgl. mort 2;35f: ad Christum ire; 21;363–365; 22;380 u.ö. Nach mort 2;36f; 21;364; unit 27; 621 u.ö. gehört dazu auch die Partizipation an der Regentschaft Christi, eine Vorstellung, die ebenfalls in der Martyriumstheologie beheimatet ist (vgl. Hummel, Concept, 140f). 40 Mort 5;71–83. 41 So mort 22;369–374 im Anschluss an Phil 3,20f; Cyprian erwartet demnach offenbar auch die Verwandlung der sterblichen Leiber zur Unsterblichkeit unmittelbar nach dem Tod. Vgl. dazu auch die Paraphrase von 1Kor 15,53f in mort 8;116–120. 42 Mort 22;380–383 (mit Joh 17,24); vgl. auch mort 7;95–100 und dazu Sorabji, Emotion, 394. Die Polemik gegen das Betrauern des Todes findet sich bei Paulus 1Thess 4,13, hat aber vor allem in der paganen Konsolationsliteratur zahllose Entsprechungen; vgl. dazu Johann, Trauer und Trost, passim. Mit seiner Deutung von 1Thess 4,13 als Trauerverbot nimmt Cyprian freilich eine Sonderstellung ein; in der Regel wird „moderation [...], not eradication of grief“ empfohlen (Sorabj, a.a.O.). 43 Mort 7;100–106; der Tod wird in Z. 106 wie öfter in der Schrift De mortalitate als ein Gerufenwerden von Gott bzw. Christus (uocari, accersi) beschrieben. 44 Qualem te inuenit dominus cum uocat talem pariter et iudicat (mort 17;293f). Vgl. auch die Mahnung Marc Aurels: „[Bedenke,] wie du vom Tod ergriffen werden musst an Leib und Seele“ (12,7: ο ποι^ον δει^ καταληφθη^ ναι υ πο` του^ θανα' του και` σω' ματι και` ψυχη,^ [108,18 Dalfen]). 45 Vgl. mort 15;241–247; der Ausdruck refrigerium bezeichnet hier (anders als bei Tertullian an 58,1) keinen Zwischenzustand, sondern den der ewigen Strafe korrespondierenden jenseitigen Glückszustand (Fischer, Studien, 266). 46 Vgl. mort 14;233–239 und Dem 18;352f. 47 Vgl. dazu ausführlich Margerie, L’intérêt théologique. Fischer, Studien, 268, spricht von einem (alexandrinischen Entwicklungen korrespondierenden) „Wendepunkt“ in Bezug auf die Lehre

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sche (Nah-) Erwartung keineswegs preisgibt.48 Eine Erklärung dafür könnte die während und nach der decischen Verfolgung zu beobachtende fortschreitende Ausdehnung von Märtyrerehren auf Nicht-Märtyrer, zunächst auf die infolge ihrer Einkerkerung verstorbenen Christen, später auf alle martyriumsbereiten Konfessoren, bieten.49 Die bald nach der decischen Verfolgung wütende Pestepidemie könnte den Anstoß zu einer weiteren Ausdehnung gegeben haben.50 In der Schrift De mortalitate wird der Pesttod von Christen dem Märtyrertod nahezu gleichgesetzt.51 Die Vorstellung einer zukünftigen Auferstehung scheint Cyprian in konsolatorischem Kontext zur Überwindung der Todesfurcht und zur Begründung der von ihm geforderten, stoisierend gezeichneten Leidens- und Sterbebereitschaft nicht zu genügen. Dies dürfte auch mit dem Einfluss paganer Todesvorstellungen, insbesondere aus der Konsolationsliteratur, zu tun haben, die gerade in dieser Schrift an vielen Stellen wahrzunehmen ist.52 Die Deutung der biblischen Auferstehungsverheißung im Sinne eines transitus in den Bereich der aeterna im Augenblick des Todes verdankt sich außerchristlichem Einfluss. Ist die Vorstellung, die Seele erhalte nach der im Tod sich vollziehenden Trennung vom Leib Zugang zu einem anderen, höheren Bereich des Seins, in der griechisch-römischen Welt bekanntlich weit verbreitet,53 so ist in der Formulierung: non est exitus iste sed transitus mit einer literarischen Bezugnahme auf Seneca ep 65,24 zu rechnen: mors quid est? aut finis aut transitus.54 An die Stelle der von Seneca hier vertretenen Offenheit – der Tod ist entweder das Ende oder der Übergang in eine bessere Welt55 – tritt bei Cyprian freilich die entschiedene Behauptung des transitus-Charakters des Todes. Ein Ausgleich zwischen der Vorstellung eines präsentischen Jenseits der Verstorbenen und der eschatologischen Erwartung der Wiederkunft Christi und des Gerichtes findet sich bei Cyprian nicht; offenbar können für ihn beide Vor-

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vom postmortalen Los der Seele; ähnlich Daley, HDG IV/7a, 118, anders, allerdings ohne überzeugende Gründe, Stuiber, Refrigerium interim, 68. 48 Auch und gerade in der Schrift De mortalitate rechnet er, wie gesehen, mit einem baldigen Zusammenbruch der Welt; vgl. bes. mort 25 und dazu oben 1.1. 49 Vgl. ep 12,1,2;14–20 bzw. ep 10,5,1;99–106 u.ö. und dazu unten 2.2. 50 Vgl. Fischer, Studien, 268f. 51 Vgl. mort 14;225–233 u.ö. und dazu Corsato, Alcune „sfide della storia“, 237f. – Die Bitte Cyprians an die Jungfrauen, seiner zu gedenken, cum incipiet in uobis uirginitas honorari (habit 24; 205,4f; fast gleichlautend cent 52 [88,402f Reitzenstein]), könnte freilich ein Indiz dafür sein, dass er entsprechende Vorstellungen von Beginn an gehegt hat (so etwa Fischer, Studien, 265, und Fernández, La escatología, 107); Eindeutiges lässt sich dieser kurzen Bemerkung freilich nicht entnehmen. 52 Vgl. dazu bes. Stramondo, mort, 49–92. 53 Vgl. dazu etwa Bernstein, Formation, 19–129. 54 180,26 Reynolds (Hinweis Koch, CU, 296); vgl. auch ep 82,15. In ep 102,22–30 beschreibt Seneca den Tod als überaus wünschenswert: dies iste quem tamquam extremum reformidas aeterni natalis est (§26 [431,10f Reynolds]). 55 Zur senecanischen Rezeption dieser „‚alternative socratique‘“ vgl. Hoven, Stoïcisme, 114f, zu weiteren bei ihm begegnenden Todesvorstellungen Kap. 1 Anm. 167. Zur Sache vgl. ferner Tibiletti, Un tema, 586–589, sowie Johann, Trauer und Trost, 120–126.

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stellungen nebeneinander bestehen.56 Auch die Vorstellung einer zukünftigen Auferstehung bei der Wiederkunft Christi klingt gelegentlich an;57 die Mehrzahl der cyprianischen Aussagen zur Auferstehung der Toten enthält keinen Hinweis auf den Zeitpunkt, an dem dieses Ereignis erwartet wird.58 Dass seine Ausführungen zum Ergehen des Menschen unmittelbar nach dem Tod allein die Seele beträfen, während der Leib erst nach der Auferweckung bei der Wiederkunft Christi daran teilhaben werde,59 deutet Cyprian nirgendwo an, im Gegenteil. Wenn er, wie erwähnt, 1Kor 15,53f und Phil 3,20f auf das unmittelbare postmortale Geschick der Christen beziehen kann,60 so spricht dies für eine sofortige Einbeziehung des Leibes, so überraschend dies sein mag.61 Was dann allerdings der Wiederkunft Christi vorbehalten bleibt, lässt sich kaum sagen. 1.3 Gericht, Strafe und Lohn Der wiederkommende Christus wird, wie gesehen, als Richter kommen.62 Sein baldiges Kommen zum Gericht kündigt sich in zunehmenden Katastrophen und Widrigkeiten an, in denen Cyprian zufolge die Strenge des göttlichen Zornes immer stärker spürbar wird.63 Er betont im Anschluss an Joh 5,22a, Christus allein habe „das ganze Gericht vom Vater empfangen“,64 beschreibt aber gelegentlich auch den Vater als Richter.65 Das für die Zukunft erwartete Gericht wird häufig als „Tag des Gerichts“ (dies iudicii) bezeichnet.66 Dies ist der Tag, an dem „nach dem Untergang dieser Zeit und Welt das Volk Christi vor sein Gerichtsforum treten wird“.67 Es gehört zur besonderen Auszeichnung der Mär____________

56 Vgl. den unvermittelten Wechsel zwischen beiden Vorstellungen in mort 2;25–37, ferner mort 18;310–14. Dass Cyprian beides festhält, betont auch Fernández, La escatología, 120. 57 Vgl. habit 17;199,15f, wo von einem kommenden resurrectionis dies, offenbar identisch mit dem „Tag des Gerichtes“, die Rede ist, und dazu Atzberger, Geschichte, 535f. 58 Vgl. etwa Quir 3,58tit; habit 22;203,7–15; Fort 11;129–133; orat 13;227f u.ö. 59 So Atzberger, Geschichte, 536, Fischer, Studien, 265 (mit Hinweis auf Quir 3,58), und Fernández, La escatología, 110f. 60 S.o. Anm. 41. 61 Die Auferstehung des Leibes wird bei Cyprian kaum thematisiert, am deutlichsten noch in Don 15;318–321; vgl. dazu Fernández, La escatología, 120–122. 62 Zur cyprianischen Gerichtsvorstellung vgl. Atzberger, Geschichte, 544–546, und Fernández, La escatología, 123–127 (mit zahlreichen Belegstellen). 63 Vgl. Dem 5;84–87, ferner Dem 22;414f sowie ep 57,3,3;76f. 64 [...] qui omne iudicium de patre solus accepit (laps 17;346f); vgl. noch Quir 3,33tit und ep 58,3,2;70f, zur Sache Capmany, Miles, 244–251. 65 Vgl. etwa laps 35;671–673; zel 18;340–346 u.ö. und dazu Capmany, Miles, 212–220. 66 Vgl. etwa laps 9;175; 17;349; Dem 5;85f; op 9;200 u.ö.; weitere Bezeichnungen des Gerichtstages sind dies redditionis (op 26;554f), retributionis dies (pat 4;61), irae et uindictae dies (pat 24;483) und poenae dies (laps 23;460). 67 [...] cum iudicii dies uenerit, cum post occasum saeculi huius et mundi ante tribunal Christi populus eius adstiterit (laps 17;349–351). Angesichts dieser eindeutigen Aussage ist die These Bévenots, Sacrament, 191–194, und Hills, Regnum caelorum, 146f, Cyprian kenne kein Gericht am Ende der Zeiten, zurückzuweisen.

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tyrer, dass sie am Gericht Christi beteiligt sein werden;68 ihr fürbittendes Eintreten zugunsten gefallener Christen bleibt jedoch dem Gericht Christi anheimgestellt.69 Bischöfe nehmen in der Gegenwart an Christi Statt die Richterfunktion wahr, greifen aber seinem Gericht nicht vor.70 Vorwegzunehmen ist die Entscheidung des zukünftigen Gerichtes allein durch das Martyrium: Märtyrer werden sogleich von Christus bekränzt und sind keinem Gericht mehr ausgesetzt.71 Der Gerichtsgedanke wird auf vielfältige Weise paränetisch verwendet. So dient die einige Male anzutreffende Aussage, durch bestimmtes Handeln sei das Wohlgefallen des Richters zu erlangen (iudicem promereri), der nachdrücklichen Motivierung zu entsprechendem Tun.72 Gelegentlich verweist Cyprian zur verstärkenden Einleitung biblischer Zitate und Ermahnungen auf die Richterfunktion Christi, sei es eher beiläufig,73 sei es mit dem drohenden Hinweis, da Christus damit seinen künftigen Urteilsspruch schon im voraus bekannt gemacht habe, könne entsprechendes Fehlverhalten am Tag des Gerichts keine Entschuldigung vorbringen.74 Umgekehrt kann auch das Lob Christi für ein bestimmtes Tun mit dem Hinweis auf seine Richterfunktion besonders hervorgehoben werden.75 Es entspricht dieser paränetisch-motivierenden Bezugnahme auf das Gericht, wenn krasses Fehlverhalten als Missachtung des göttlichen Gerichts qualifiziert wird.76 Die, wie gesehen, mit dem Tod verbundene Scheidung ist für Cyprian gleichbedeutend mit dem doppelten Ausgang des Gerichts: Wer glaubt, bekennt oder Werke der Barmherzigkeit tut, wird von Christus belohnt, Ungläubige, Leugner und „Unfruchtbare“ dagegen werden bestraft.77 Gelegentlich klingt an, dass eine dem zukünftigen Gericht entsprechende Scheidung schon in der Gegenwart stattfindet.78 Mit dem Hinweis auf den offenen Ausgang des Gerichts motiviert Cyprian Konfessoren zu einem angemessenen Lebenswandel nach ihrem Bekenntnis, lapsi zum Martyrium und Christen allgemein zu Wachsamkeit, standhafter Leidensbereitschaft und Wahrung der Gebote Christi.79 Das Nachdenken über drohende Strafen und verheißene Belohnung hält er für eine überaus ____________

68 Vgl. Fort 13;18–20; ep 15,3,1;47f u.ö. Cyprian leitet diese Vorstellung aus Sap 3,8 ab, wie bes. ep 6,2,1;31–39 zeigt; zu ihrer Verbreitung vgl. Clarke I, 193f Anm. 14. 69 Vgl. laps 17;345–351. 70 Vgl. ep 59,5,1;131f; ep 4,4,2;94f u.ö. bzw. ep 55,18,1;292–297; ep 57,3,3;74–77. Die kirchliche Wiederaufnahme ist freilich die Voraussetzung dafür, dass ein Gefallener überhaupt als Christ gerichtet werden kann (vgl. ep 55,29,2;539–543 u.ö.). 71 Vgl. ep 76,7,1;138; ep 6,3,1;71–74 u.ö. und dazu Hummel, Concept, 124–127. 72 Vgl. unit 15;378–380 u.ö. und dazu Kap. 6.3; vgl. auch laps 35;692f. 73 Vgl. orat 12;211f und ep 16,2,2;20–22; sachlich vergleichbar ist ep 4,3,2;59–62. 74 Vgl. ep 58,3,2;69–74; op 23;456–462 sowie orat 23;439–441. 75 Vgl. bes. op 15;296–298, ferner orat 32;595–597 und op 9;194–201. 76 Vgl. ep 16,1,2;11f; ep 59,18,3;530–532; zel 6;104–107 u.ö. 77 Vgl. Dem 23;460–462; laps 7;144–146; 20;409f; op 23;458f u.ö. 78 Vgl. unit 10;246–250 (in Auslegung von 1Kor 11,19), ferner ep 52,2,4;57–62; 52,4,2;84–91 sowie ep 59,1,2;11–13. Das in Quir 3,31tit im Anschluss an Joh 3,18f formulierte Thema: Eum qui non crediderit iam iudicatum esse, begegnet sonst nicht. 79 Vgl. unit 21;518–525 und ep 10,5,2;106–109; ep 55,20,3;343–345 bzw. pat 24;480–485.

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effektive Vorbereitung auf die Situation der Verfolgung.80 Der bevorstehende Gerichtstag erscheint hier als Gegenstand freudiger Erwartung: Es wird ein großartiger Tag sein, „wenn der Herr sein Volk mustern und mit der Prüfung göttlicher Untersuchung die Werke jedes einzelnen erkennen“, die Übeltäter und Verfolger bestrafen und den Christen den Lohn ihres Glaubens und ihrer Hingabe auszahlen wird.81 Das zukünftige Gericht erweist sich damit nicht nur als ein selbstverständlicher Bestandteil der Zukunftserwartung Cyprians, sondern auch als ein wesentliches Element seiner paränetischen Motivierung christlichen Handelns. Zu einem Gegenstand tiefergehender Reflexionen wird das Gericht bei ihm nicht.82 Breitere Ausführungen dazu gibt es nur selten, und die von ihm rezipierten Vorstellungen bleiben sowohl sachlich als auch hinsichtlich ihrer Gewichtung im Rahmen neutestamentlicher bzw. frühchristlicher Überlieferung. Die den Ungerechten und Ungläubigen drohende Strafe wird in der Regel nur knapp angedeutet. Neben formalen Begriffen wie supplicium und poena klingt des öfteren die Vorstellung des Höllenfeuers an (gehennae adores o.ä.); Adjektive wie aeternus oder iugis weisen auf die ewige Dauer der Strafe hin.83 Etwas breiter ausgeführt werden entsprechende Vorstellungen allein in Dem 24: „Die Verurteilten wird immerwährendes Höllenfeuer und von lebendigen Flammen gefräßige Strafe verbrennen, und es wird nichts geben, wodurch die Foltern irgendeinmal zur Ruhe gelangen oder ein Ende haben könnten. Zusammen mit ihren Leibern werden die Seelen unter endlosen Martern für den Schmerz aufbewahrt.“84

Wer auf Erden eine Zeitlang mit grausamen Augen der Qual der verfolgten Christen zugeschaut habe, werde dort zur Vergeltung den Christen ein ewiges Schauspiel bieten.85 Zur Begründung dieser Aussagen beruft sich Cyprian auf Jes 66,24b, wo die Endlosigkeit der Strafe und eine Zurschaustellung der Bestraften angedeutet werden, sowie auf Sap 5,1–9a, wo ausführlicher das Zuschauen der Gerechten und die zu späte Reue der Bestraften thematisiert werden.86 Es ist das einzige Mal, dass Cyprian es sich erlaubt, die zukünftige Bestrafung der Verfolger auszumalen und die verfolgten Christen als Zuschauer ____________

80 Vgl. ep 58,11;241–249 und dazu Hummel, Concept, 71. Die Martyriumsparänese Ad Fortunatum betont am Ende (Fort 12f) allein den verheißenen Lohn. 81 [...] cum coeperit populum suum dominus recensere et diuinae cognitionis examine singulorum merita recognoscere [...] (ep 58,10,1;221–226; ähnlich 58,10,2;235–240). Vgl. auch op 26;532f. 82 Gelegentlich wird angedeutet, dass sich das jüngste Gericht „a modo de autojuicio“ vollzieht (Fernández, La escatología, 126). 83 Vgl. dazu die knappe Übersicht bei Atzberger, Geschichte, 539f, und ausführlich Fernández, La escatología, 151–163, ferner Capmany, Miles, 298–301. 84 Cremabit addictos ardens semper gehenna et uiuacibus flammis uorax poena, nec erit unde habere tormenta uel requiem possint aliquando uel finem. seruantur cum corporibus suis animae infinitis cruciatibus ad dolorem (Z. 466–469). 85 Z. 470–472. 86 Z. 472–488; Letzteres wird in Z. 488–491 abschließend nochmals hervorgehoben; vgl. auch Dem 9;155–157. Sap 5,1–9a wird in ähnlichem Sinne auch in Fort 12;12–25 angeführt.

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dessen zu imaginieren. Sachlich sind die Vorstellungen durch die Zitate angeregt, ausgebaut ist aber der Gedanke endloser Folter von Körper und Seele.87 Der Skopus des Kapitels ist jedoch nicht die zukünftige Schadenfreude der Christen, sondern die dringende Einladung der Adressaten der Schrift zur Umkehr.88 Beiläufige Hinweise auf die drohende zukünftige Strafe begegnen in paränetischen Ausführungen nicht selten, etwa im Kontext der Aufforderung Gefallener zu tätiger, demütiger Reue89 oder der Ermahnung reicher Christen zu Werken der Barmherzigkeit.90 Auch zur Martyriumsparänese gehören für Cyprian neben ausführlichen Schilderungen des verheißenen Lohnes auch kürzere oder längere Beschreibungen der ewigen Strafe.91 Die drohende zukünftige Strafe ist selbstverständlicher Bestandteil der cyprianischen Zukunftserwartung. Obwohl er sie nicht besonders stark akzentuiert und lieber mit dem verheißenen Lohn zu motivieren sucht,92 könnte er schwerlich auf diese Erwartung verzichten. Der Rahmen neutestamentlicher Vorstellungen93 wird dabei kaum überschritten. Dass die intensivsten Ausführungen zur drohenden Strafe im Kontext einer Ermahnung zur Umkehr stehen, deutet ihre eigentliche Intention an: Bezugnahmen auf die zukünftige Strafe dienen in der cyprianischen Paränese der Zurechtbringung derer, die sich verfehlen, und der Warnung der übrigen vor einem Verlassen des rechten Weges. Der Lohngedanke spielt für die cyprianische Theologie und insbesondere für seine Paränese eine zentrale Rolle.94 Der die Christen generell, besonders aber die Märtyrer und Konfessoren erwartende Lohn wird häufig erwähnt und nicht selten ausführlicher dargestellt. Die Belohnung der Christen besteht zum einen generell in der zukünftigen Existenz im Himmelreich, zum anderen in der ____________

87 Den „realismo“ der cyprianischen Vorstellung vom Höllenfeuer betont Fernández, La escatología, 156f, angesichts dieses Textes mit Recht. 88 Vgl. Dem 24;488–25;493, ferner Dem 23;446–462 u.ö. Die Schrift Ad Demetrianum wendet sich an Gegner der Christen, insbesondere ihre Verfolger, und fordert diese zur Umkehr zum Christentum auf; vgl. dazu bes. Gallicet, Dem, 62–68, Fredouille, Dem, 15–21, sowie Heck, ΜΗ ΘΕΟΜΑΧΕΙΝ, 157f. Obwohl Dem 24 teilweise an Tertullians berüchtigte Beschreibung des zukünftigen Gerichts über die Verfolger als eines großartigen Schauspiels (spect 30,2–7) anknüpft (vgl. bes. Z. 470– 472), ist die Intention damit eine deutlich andere: Cyprian ergötzt sich nicht an der zukünftigen Verdammnis seiner Gegner (gegen Sage, Cyprian, 279, und Wirth, „Verdienst“-Begriff II, 20), sondern will sie zur Umkehr bewegen; vgl. ebenso Moreschini, Varia christiana, 68. Dem korrespondiert die Deutung aktueller Katastrophen als auf Umkehr zielende exemplarische Vorwegnahme des Strafgerichts des die Christen rächenden Gottes in Dem 5–7 u.ö. Zur entsprechenden Deutung der decischen Verfolgung als eine auf Zurechtbringung zielende Bestrafung der Christen vgl. Kap. 5.1.3. 89 Vgl. laps 35;671–675; ep 55,23,3;408f u.ö. 90 Vgl. bes. op 13;261–263 und 15;299–302; mit anderem Bezugspunkt ähnlich zel 11;192–197 (Warnung vor eifersüchtigem Bruderhass), habit 17;199,15–19 (Ablehnung von Kosmetika u.ä.) u.ö. 91 Vgl. etwa ep 58,10,1;222–225 bzw. 58,10,2;237–240. 92 Dies betont auch Wirth, „Verdienst“-Begriff II, 19f. 93 Vgl. dazu etwa Röhser, Strafe, und Milikowsky, Which Gehenna? 94 Vgl. dazu etwa Capmany, Miles, 290–298, sowie Hummel, Concept, 132–143.

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jedem einzelnen gemäß seinen Werken zuteil werdenden individuellen Belohnung.95 Die beiden Aspekte gehören zusammen, sofern der Eintritt in das Gottesreich bzw. dessen Kommen einhergeht mit dem Empfang des verheißenen Lohnes,96 sind aber zu unterscheiden.97 Der Ort, an den die Gläubigen nach dem Gericht bzw. nach ihrem Tod gelangen, wird in der Regel als Reich Gottes, Himmelreich o.ä. bezeichnet.98 Nicht selten spricht Cyprian in diesem Zusammenhang von der Rückkehr in das einst verlorene Paradies,99 ohne dass damit ein anderer Ort gemeint wäre;100 einige Male wird angedeutet, dass damit die Folgen des Sündenfalls revidiert werden.101 Himmelreich und Paradies aber sind das wahre Vaterland der Christen, und dorthin zu eilen ist der gleichsam natürliche Wunsch jedes in der Fremde Weilenden.102 Das Reich Gottes ist für Cyprian zuerst und vor allem ein Ort der Begegnung. Sterben heißt für ihn, wie gesehen, zu Christus zu kommen, und das heißt: allezeit mit ihm zu leben, mit ihm zu regieren und sich an ihm und mit ihm zu freuen.103 Die Märtyrer erwarten darüber hinaus „Umarmung und Kuss des Herrn“,104 eine Ehrenstellung als amici dei105 und die Beteiligung am Gericht Christi.106 Wiederholt nimmt Cyprian das Motiv der Gottesschau auf, gelegentlich um das der Schau Christi erweitert, ohne dass diese Thematik jedoch näher entfaltet würde.107 Zum Erreichen der (zukünftig-) jenseitigen Welt gehört für ihn aber auch die Begegnung mit den bereits Verstorbenen sowie mit den ‚Heroen‘ der Vergangenheit.108 So ist es Teil der Belohnung der Märtyrer, ____________

95 Vgl. zum folgenden ausführlich Fernández, La escatología, 131–151; zur Frage der römischen Prägung der cyprianischen „Jenseitsvorstellungen“ vgl. Andresen, Erlösung, 158f. 96 Vgl. etwa mort 2;29–33 und ep 76,7,1;137f.141. 97 Anders Fernández, La escatología, 143. 98 Vgl. Fort 13;35f; ep 76,7,3;155; ep 6,4;91 u.ö. 99 Vgl. Dem 26;520f; op 26;538f; Fort 13;29f u.ö., und dazu Atzberger, Geschichte, 529–531. 100 Ebenso Bayard, Le latin, 201, und Fischer, Studien, 267 Anm. 292; anders d’Alès, La théologie, 32–35, der das Paradies bei Cyprian für eine Vorstufe zum Himmelreich hält. 101 Vgl. bes. Fort 13;14–16, ferner mort 2;31 und 26;433f. 102 Mort 26;430–440; vgl. dazu Cacitti, L’esegesi, 151–155. 103 Vgl. etwa Fort 12;55f; mort 2;35–37; ep 58,10,1;227f sowie Fort 13;10 und dazu Capmany, Miles, 251–254. 104 Conplexum et osculum domini (ep 6,4;91f); ebenso ep 37,3,1;58. 105 Den Titel amicus dei behält Cyprian tendenziell den Märtyrern vor; vgl. dazu bes. Fort pr.4; 68–70 und Fort 13;9–12. Gelegentlich können schon Konfessoren als amici domini bezeichnet werden (ep 15,3,1;47f); in biblischer Tradition erhalten auch Abraham (vgl. Jak 2,23 u.ö.) und Mose (in Anspielung auf Ex 33,11) diesen Titel (ep 58,5,1;101 bzw. laps 19;377); in ep 58,10,1;230f werden die Patriarchen, Propheten, Apostel und Märtyrer summarisch als dei amici apostrophiert. Zur Selbstbezeichnung der Kyniker als Freunde Gottes vgl. Downing, Cynics and Christian Origin, 210. 106 S.o. 1.2. 107 Von einer „in der Anschauung Gottes gipfelnde(n) himmlische(n) Seligkeit“ (Atzberger, Geschichte, 533) kann man bei Cyprian daher wohl nicht sprechen. Als eine besondere Belohnung erscheint die Gottesschau in op 14;280f und zel 18;343f; vgl. ferner ep 58,10,1;226f und ep 6,4;92. In Fort 13;32–34 und ep 66,7,2;117 ist Christus einbezogen, in mort 18;307 ist allein von der Schau Christi die Rede. Vgl. dazu Fernández, La escatología, 136–138. 108 Dieser Aspekt der Zukunftserwartung erscheint in der Regel als mit dem Tod erreichbar; in Fort 11;187f ist er auf den Tag des Gerichts datiert. In mort 20;337–339 nimmt Cyprian den konso-

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Zukunftserwartung als Motivierung christlichen Handelns

„Abraham, Isaak und Jakob, alle Patriarchen und Propheten, Apostel und Märtyrer zu begrüßen, sich mit den Gerechten und Freunden Gottes im Himmelreich des Genusses der gegebenen Unsterblichkeit zu freuen“.109 Entsprechendes gilt für jeden Christen, der durch den Tod zum himmlischen Vaterland zurückkehrt.110 Cyprian nimmt hier ein neutestamentliches Motiv auf (Mt 8,11 par),111 zeigt sich aber in seiner Ausgestaltung durch entsprechende Ausführungen Ciceros und Senecas beeinflusst.112 Der dem einzelnen verheißene Lohn113 wird allgemein als ewiges Leben114, Unsterblichkeit115, ewiges Heil116, ewige Freude117 u.ä. beschrieben. Die Belohnten werden den Engeln gleich sein.118 Weil mit dem Tod (bzw. dem Gericht) das Ende jeder Ungewissheit bezüglich des eigenen Heils verbunden ist, kann der Lohn auch als securitas o.ä. charakterisiert werden.119 Wiederholt kontrastiert Cyprian in einer Reihe von Gegensatzpaaren den zukünftigen Zustand der gegenwärtig Situation.120 Einen besonderen Lohn erhalten die Märtyrer.121 Diese im Kontext der Martyriumsparänese häufig betonte Vorstellung wird von Cyprian gern mit dem paulinischen Gedanken entfaltet, wonach der verheißene Lohn die gegenwärtigen Leiden weit übersteigt (Röm 8,18).122 Derselbe Paulus____________

latorischen Topos auf, wonach Verstorbene non amitti sed praemitti sind. Vgl. auch Tibiletti, Un tema, 588–590, zu entsprechenden senecanischen Äußerungen und ihrer cyprianischen Rezeption. 109 [...] Abraham et Isaac et Iacob et patriarchas omnes et prophetas et apostolos et martyras salutare, cum iustis et dei amicis in regno caelorum datae inmortalitatis uoluptate gaudere [...] (ep 58,10,1;228–231); ähnlich Fort 13;21f. 110 Vgl. mort 26;435–454, wo neben den ‚Heroen‘ auch die geliebten verstorbenen Angehörigen genannt werden. Daley, HDG IV/7a, 117, bemerkt mit Recht, Cyprian hebe „in auffallendem Ausmaß die soziale, zwischenmenschliche Dimension der erhofften Erfüllung“ hervor. 111 Zur cyprianischen Rezeption dieses Textes vgl. Fahey, 290f. 112 Vgl. Ciceros Somnium Scipionis, hier bes. rep 6,13.16, und die Aufnahme der Motivik bei Seneca dial 6,25,2 (vgl. Manning, On Seneca’s „Ad Marciam“, 145–147). Cyprian übernimmt aus dieser Tradition nicht nur die primär konsolatorische Funktion des Motivs, sondern auch die in der Charakterisierung der dort Anzutreffenden anklingende Ermahnung zu einer Lebensweise, die mit der Aufnahme in diese Gemeinschaft belohnt wird. Auf die Verbreitung solcher Vorstellungen weisen Fischer, Studien, 266f, und Tibiletti, Un tema, 589 Anm. 21, hin. 113 Cyprian verwendet hier eine ganze Bandbreite von Termini wie praemia, munera, promissa (dei, domini, diuina, caelestia) u.ä.; vgl. dazu auch Atzberger, Geschichte, 531. 114 Vgl. Dem 23;461; mort 2;30; Fort 13;30 u.ö. 115 Vgl. bes. mort 26;445f, ferner ep 58,10,1;20f; Fort 13;28f; op 26;35f u.ö. 116 Vgl. mort 2;30; Fort 10;12f u.ö. 117 Vgl. mort 2;30f; ep 58,10,1;226f.230f; 58,10,2;236f u.ö. 118 Vgl. Fort 13;20 sowie bes. habit 22;203,7–16; im Hintergrund steht Lk 20,34–35par. 119 Vgl. mort 26;442; 15;246f sowie Dem 26;527f 120 Vgl. Fort pr.5;94–98; Fort 13;26–30 sowie mort 2;32f; op 26;533–535 und 24;499–501. 121 Vgl. bes. ep 58,11;241–249, ferner Fort 13;22–26; ep 37,3,2;68–73 u.ö. Hummel, Concept, 47f, hält den Lohngedanken für die wichtigste Motivation zum Martyrium bei Cyprian; ähnlich von Campenhausen, Idee, 131, der hier freilich vom „Verdienstgedanken“ spricht. 122 Dieses Thema wird bes. in Fort 13 breiter ausgeführt; vgl. dazu auch Kap. 2.3.2 sowie Wirth, „Verdienst“-Begriff II, 92f. Zur weiteren cyprianischen Rezeption von Röm 8,18 vgl. Fahey, 430f. In Fort 12 wird neben der Belohnung der Gerechten und Märtyrer auch die Rächung des ihnen zugefügten Unrechts thematisiert; Christus wird demgemäß als ultor persecutionis und munerator passionis bezeichnet (Z. 34f; Weber trennt zu Unrecht munerator von passionis).

1. Elemente der cyprianischen Zukunftserwartung

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text kann freilich auch als Ermahnung zur Leidensbereitschaft interpretiert werden123 – trotz klarer Dominanz der motivierenden Verheißung hat der cyprianische Lohngedanken immer auch eine drohende Kehrseite. Ein bei Cyprian besonders häufig begegnendes Lohnmotiv ist der (Sieges-) Kranz (corona); eng damit verbunden ist das – deutlich seltener anzutreffende – Motiv der (Sieges-) Palme (palma).124 Beiden Motiven eignet von Haus aus der Charakter einer Belohnung für besondere Leistungen. Als Elemente der verbreiteten agonistischen Metaphorik begegnen sie auch in der neutestamentlichen Paränese;125 ein Großteil der einschlägigen Belege wird von Cyprian herangezogen.126 Darüber hinaus verwendet er die Motivik auch mit militärischen Konnotationen; insbesondere die im römischen Heer gebräuchliche Differenzierung der Kränze nach Art der erbrachten Leistung ist hier zu nennen.127 Die Motivik verbindet sich eng mit seinem Verständnis christlicher Existenz in der Zeit als kämpferisches Streben nach dem zukünftig-jenseitigen Ziel.128 Der Siegeskranz erscheint bei Cyprian, nicht zuletzt aufgrund der historischen Umstände seiner Schriften, zuerst und vor allem als Belohnung der Märtyrer:129 Wie durch die Taufe Sündenvergebung empfangen wird, so durch das Martyrium der „Kranz der Tapferkeiten“.130 Bekränzt wird das im Himmel befindliche unzählbare Volk der Märtyrer, die Kampf und Leiden siegreich bestanden haben;131 Entsprechendes gilt für alle um ihrer Gerechtigkeit willen getöteten Menschen seit Abel.132 Ausgenommen sind freilich Schismatiker und „Häretiker“: Außerhalb der einen wahren Kirche vollzogen, bleibt selbst das höchste christliche ‚Werk‘ ohne Lohn.133 Angesichts der starken Betonung des Märtyrerkranzes sieht Cyprian sich wiederholt genötigt, die – für die frühchristliche Tradition selbstverständliche – Möglichkeit, auch durch andere Leistungen einen Kranz zu erreichen, herauszustellen.134 So tröstet er Konfessoren, die ____________

123 Vgl. ep 6,2;55–61, bes. Z. 58–60: cuius claritatis gloriam cogitantes pressuras omnes et persecutiones tolerare nos conuenit. 124 Vgl. zum folgenden Brekelmans, Martyrerkranz, 93–109, sowie Baus, Kranz, 170–190. 125 Vgl. bes. 1Kor 9,24f, ferner 2Tim 2,5; 4,6–8; Jak 1,12; 1Petr 5,4; Apk 2,10; 3,11 und dazu Pfitzner, Agon Motif, 76–195. 126 Vgl. Fahey zu den in der vorigen Anm. genannten Stellen; lediglich Jak 1,12 und 1Petr 5,4 werden nicht zitiert. 127 Vgl. dazu Fiebiger, Corona, Le Bohec, Auszeichnungen, 341f, sowie Baus, Kranz, 147–149. 128 Vgl. dazu oben Kap. 2.3.2. 129 Zu der „hohe(n) Wertschätzung“ und der „ungemein häufige(n) Erwähnung“ der corona martyrii in der altkirchlichen Literatur insgesamt vgl. Baus, Kranz, 180–190 (Zitate S. 180). 130 Corona uirtutum (Fort pr.4;66–68); uirtutes kommt hier der Bedeutung von uires nahe (vgl. Eisenhut, Virtus Romana, 106.171). 131 Mort 26;448f; vgl. ferner laps 20;410.415f; 4;61f; habit 6;192,7–10; orat 15;279–281 u.ö. 132 Vgl. orat 24;457–460 u.ö. 133 Occidi talis potest, coronari non potest (unit 14;363f). Vgl. unit 14 insgesamt sowie orat 24; 467–469; ep 55,17,2;279–284; ep 60,4;78–83; ep 73,21,1;370–378 u.ö. und dazu Hummel, Concept, 119–122, und Clarke III, 190f Anm. 76. Ebenso urteilt Tertullian, wie Dölger, Tertullian, 140f, zeigt. 134 Vgl. auch Hummel, Concept, 88–90. Die Mehrzahl der o.gen. neutestamentlichen Belege steht nicht im Leidenskontext.

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Zukunftserwartung als Motivierung christlichen Handelns

möglicherweise kein Martyrium erleiden werden, u.a. mit dem Hinweis, es gebe neben dem purpurfarbenen Kranz der Märtyrer auch den weißglänzenden Kranz, mit dem Werke der Barmherzigkeit belohnt würden. In beiden Bereichen sei um die größte Würde (dignitas) zu kämpfen, hätten doch im himmlischen Heerlager sowohl der Friede als auch die Schlacht ihre Blumen, mit denen der Soldat Christi bekränzt werde.135 Weiter ausdifferenziert werden die Kränze des Friedens, mit denen die Sieger in den vielfältigen Kämpfen gegen den Widersacher bekränzt werden, in zel 16.136 Cyprian nennt hier exemplarisch eine Reihe von „Kämpfen“ – gegen sexuelle Begierde, Zorn, Rache und Eifersucht, um Geringschätzung des Geldes, um rechten Umgang sowohl mit aduersa wie mit prospera und um Bereitschaft zur Barmherzigkeit – und dazu den jeweils zu erwerbenden Siegespreis: die Palme der Enthaltsamkeit,137 den Kranz der patientia, den Triumph über die Habgier, den Preis des Glaubens (laus fidei), den Ruhm der Demut, die Vergeltung des himmlischen Schatzes sowie den Lohn (praemium) der Liebe und des Friedens.138 Den Kränzen des römischen Heeres vergleichbar, wird hier für jeden einzelnen „Kampf“ eine korrespondierende Belohnung konzipiert.139 Zugleich rückt damit, ähnlich wie bei Paulus in 1Kor 9,24f, die gesamte christliche Existenz in den Horizont eines Wettkampfes um himmlischen Lohn: Christen befinden sich in einem „Stadion der ‚Tugenden‘“ (uirtutum stadium), in dem sie täglich um das Erreichen von Palmen und Kränzen der Gerechtigkeit ringen.140 Cyprian verfügt über ein umfangreiches Repertoire an Vorstellungen, mit denen er die Belohnung der Christen nach dem Tod bzw. nach dem Gericht beschreiben kann, und er greift häufig und in immer neuen Variationen darauf zurück. Längere Ausführungen dazu sind jedoch die Ausnahme. Von den verschiedenen neutestamentlichen Vorstellungen, die er aufnimmt, spielen die zukünftig-jenseitige Gemeinschaft mit Christus (Phil 1,23) und die Vorstellung ____________

135 Ep 10,5,2;106–117; vgl. dazu Clarke I, 236f Anm. 34. Während Cyprian hier militia-Metaphorik verwendet, dominiert in ep 10,4,1–4 das Agon-Motiv; vgl. noch ep 28,2,4;45–50. In laps 2;18 werden die Konfessoren als militum Christi cohors candida bezeichnet; zum Kranz der Konfessoren vgl. auch Brekelmans, Martyrerkranz, 104–108. In op 26;549–557 erscheint der in Friedenszeiten durch Werke der Barmherzigkeit zu erlangende weißglänzende Kranz als der Normalfall – der agon iustitiae bzw. operis kann und soll jederzeit stattfinden –, der purpurfarbene Märtyrerkranz dagegen als seine Verdopplung; vgl. dazu Poirier, op, 192–194. 136 Grundsätzlich gilt, dass es Siegeskränze nur nach vorangehendem Kampf, das heißt nach entsprechenden Mühen und Anstrengungen geben kann; vgl. mort 12;194–196 u.ö. 137 Nach mort 15;251f erhalten Knaben, die durch einen frühen Tod der lubrica aetas entronnen sind, das continentiae adque innocentiae praemium. Zum besonderen Lohn der Jungfrauen vgl. ep 4,2,3;44; habit 4;190,3; 22;202,25–27 sowie unten 2.1. 138 Z. 302–310. 139 Es handelt sich hier um eine qualitative Entsprechung zwischen Leistung und Lohn; zur quantitativen Entsprechung s.u. 2.1. – Zur frühchristlichen Ausdifferenzierung des Kranzmotivs vgl. Baus, Kranz, 174f. 140 Z. 310–312; der Ausdruck iustitiae palma et corona könnte durch 2Tim 4,8 (ο τη^ ς δικαιοσυ' νης στε' φανος) angeregt sein; vgl. noch unit 20;402 sowie zel 15;287–289. Zur Geschichte des Motivs des Tugendwettkampfes vgl. Pfitzner, Agon Motif, 23–48.

2. Zur theologischen Struktur der Lohn- und Gerichtsvorstellung

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vom himmlischen Gastmahl (Mt 8,11par) eine besondere Rolle. Als Motto für die paränetische Verwendung des Lohngedankens bei Cyprian können die paulinischen Bemerkungen in 1Kor 9,24f gelten. Die gesamte christliche Existenz erscheint als ein Streben nach dem zukünftig-jenseitigen Siegespreis; pagane Agon- und militia-Metaphorik spielt hier ebenfalls eine bedeutsame Rolle. Texte wie Röm 8,18 werden in diesem Horizont interpretiert. Zukünftige Herrlichkeit und gegenwärtiges Leiden und Leben treten in ein klares Verhältnis, und der Lohngedanke wird stark akzentuiert. Eine Überbietung des Lohngedankens durch die Motivierung christlichen Handelns in der Gottesliebe o.ä. findet sich bei Cyprian nicht.141

2. Zur theologischen Struktur der cyprianischen Lohn- und Gerichtsvorstellung Die Vorstellung eines zukünftigen Gerichts und eines zukünftig-jenseitigen Lohnes sind neutestamentliches wie frühchristliches Gemeingut; dasselbe gilt für paränetische Bezugnahmen auf verheißenen Lohn und drohende Strafe.142 Cyprian folgt hier, wie gesehen, über weite Strecken konventionellen frühchristlichen Vorstellungen und Argumentationsmustern, zeigt freilich auch charakteristische Eigentümlichkeiten. Besondere Aufmerksamkeit hat in der Forschung die bei Cyprian erkennbare Entwicklung einer differenzierten Abstufung von Leistungen und korrespondierenden Lohnerwartungen erregt. In diesem Zusammenhang ist ihm, ähnlich wie Tertullian, eine urchristliche Vorstellungen preisgebende „Verdiensttheologie“ attestiert worden.143 Aussagen, die eine Proportionalität im Verhältnis von menschlicher Leistung und göttlichem Lohn bzw. göttlicher Strafe grundsätzlich in Frage stellen oder relativieren, werden dagegen weniger beachtet. Beide Aspekte sind im folgenden zu untersuchen. 2.1 Zur Frage der Berechenbarkeit von Lohn und Strafe Früher lateinischer Theologie wird nicht selten vorgeworfen, sie vertrete ein striktes, berechenbares Verhältnis zwischen Leistung und Lohn bzw. Schuld und Strafe, bei dem die Gnade Gottes auf der Strecke bleibe.144 Tatsächlich begnügt sich Cyprian nicht mit der allgemeinen, unbestimmten Vorstellung, dass ____________

141 Dies betont von Campenhausen, Idee, 131, im Blick auf die Martyriumsparänese mit Recht; vgl. dazu auch Capmany, Miles, 301f. 142 Vgl. dazu etwa Bornkamm, Lohngedanke, Winter, Lohn, und Röhser, Strafe. 143 Vgl. dazu bes. Wirth, „Verdienst“-Begriff II, ferner von Harnack, Lehrbuch I, 464–467; II, 179, Seeberg, Lehrbuch I, 649–655, und Beck, Römisches Recht, 119–122. 144 Vgl. die detaillierte Darstellung und Analyse der – weithin exemplarischen – Forschungsgeschichte zu Tertullian bei Hallonsten, Satisfactio, 14–104, und ders., Meritum, 11–15.

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die einen bestraft, die anderen belohnt werden, sondern nimmt Differenzierungen vor. Die Belohnung aller Christen mit der Teilhabe am Reich Gottes reicht offenbar als Motivierung zu besonders schwierigen, entsagungsvollen Leistungen oder als Trost für außergewöhnlich schweres Leiden nicht aus. Schon lange vor Cyprian hat sich deshalb die Vorstellung herausgebildet, dass für schwierigere Leistungen ein größerer Lohn zu erwarten sei. Neben der traditionellen Erwartung, dass Märtyrer anders als andere Christen unmittelbar nach ihrem Tod zu Christus gelangen,145 ist hier vor allem die frühchristliche Deutung von Mt 13,8par und Joh 14,2 auf eine Abstufung der himmlischen Belohnung zu nennen.146 Cyprian nimmt solche Vorstellungen auf und gestaltet sie weiter aus. Dass es zwischen menschlicher Leistung und göttlichem Lohn eine (gewisse) Proportionalität geben wird, gehört zu den selbstverständlichen Grundannahmen Cyprians. Wer wie die Jungfrauen Großes leistet oder wie die römischen Konfessoren während der decischen Verfolgung lange leidet, den erwartet eine besondere Belohnung. Entsprechendes wird gelegentlich für das Verhältnis von Schuld und Strafe angedeutet. Wie „im Evangelium“ (sc. im Gleichnis vom Sämann) der gleichmäßig gesäte Same der Verschiedenheit der Erde entsprechend teils weggenommen, teils zu 30-facher, 60-facher oder 100-facher Frucht aufgehäuft wird, so wird Cyprian zufolge die in der Taufe gleichmäßig (aequaliter) empfangene Gnade später durch Lebenswandel und Handeln des Getauften verringert oder vergrößert.147 Konkret ordnet er, bereits traditionellen Zuordnungen folgend, die 60fache Frucht der uirginitas, die 100-fache dem Martyrium zu;148 die 30-fache Frucht wird offenbar den „Gerechten“ zugeschrieben.149 Cyprian rezipiert damit das aus Mt 13,8par abgeleitete Motiv eines abgestuften Lohnes in einer als bekannt vorausgesetzten Deutungstradition, derzufolge die verschiedenen Fruchtbzw. Lohnkategorien bestimmten kirchlichen ‚Ständen‘ zugeordnet werden. In ____________

145 Vgl. dazu oben 1.2 mit Anm. 33. 146 Eine entsprechende Auslegung dieser beiden Texte erscheint schon bei Irenäus haer 5,36,1f als (Presbyter-) Tradition, ohne dass freilich die vorausgesetzten besonderen Leistungen benannt würden; vgl. dazu Quacquarelli, Il triplice frutto, 22, und Overbeck, Menschwerdung, 575f. Möglicherweise hat in der Herausbildung dieser Auslegungstradition auch Mt 19,27–29par (ε κατονταπλασι' ονα λη' μψεται) eine Rolle gespielt. – Die ausführlichste Entfaltung dieser Vorstellung findet sich in der von Reitzenstein entdeckten (pseudo-cyprianischen) Schrift De centesima sexagesima tricesima (die von Reitzenstein, Schrift, 74–88, veranstaltete editio princeps ist noch nicht durch eine kritische Ausgabe ersetzt; eine solche ist von Sellew, Five days, 277 Anm. 1, angekündigt worden); zur strittigen Datierung dieser wahrscheinlich nachcyprianischen Schrift s.o. Kap. 5 Anm. 108. 147 Ep 69,14,2;322–327; zum Zusammenhang s.o. Kap. 2.3.3. 148 Vgl. habit 21;202,14–16 sowie ep 76,6;129–131 und dazu Clarke IV, 284f Anm. 19. 149 Dies ist aus dem Zusammenhang in habit 21;202,11–16 zu erschließen, wo neben Märtyrern und Jungfrauen als dritte, auf dem schmalen, steilen Weg einherschreitende Gruppe die „Gerechten“ (iusti) genannt werden; ebenso Beatrice, Il sermone, 219 Anm. 19. Vergleichbare Aufzählungen begegnen bei Cyprian auch sonst; vgl. ep 59,13,3;341f: confessores, uirgines und iusti (vgl. Wirth, „Verdienst“-Begriff II, 54 Anm. 2); mort 26;447–454: martyres, uirgines und misericordes (vgl. Capmany, Miles, 112f, und Beatrice, a.a.O., 219). Mit der dritten Gruppe sind wohl alle Christen gemeint, die sich an die Gebote Gottes halten (ebd., 218).

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Anspielung auf Joh 14,2 kann er von den Jungfrauen daher sagen, sie strebten durch ihre Absage an die Begierden des Fleisches „jene besseren Wohnungen“ (habitacula ista meliora) beim himmlischen Vater an.150 Sein Interesse gilt dabei v.a. dem Verhältnis zwischen (zukünftiger) Belohnung und (gegenwärtiger) Anstrengung. Dürfte die große Lohnerwartung im allgemeinen als Motivierung etwa zur uirginitas dienen,151 so kann Cyprian umgekehrt mit dem verheißenen zweithöchsten Lohn seine Forderung an die Jungfrauen begründen, eine den Anstrengungen der Märtyrer vergleichbare umfassende Absage an das „Fleisch“ zu vollziehen;152 ähnlich kann er bei Konfessoren argumentieren.153 Die mit diesen ‚Ständen‘ verbundene besondere Lohnerwartung begründet demnach für Cyprian weitergehende ethische Anforderungen, die den gesamten Lebenswandel betreffen und deren Erfüllung Voraussetzung für das Erlangen der ‚standesgemäßen‘ Belohnung ist.154 Der Grundsatz Tertullians, größeren Kämpfen folge größerer Lohn,155 wird von Cyprian aufgenommen und besonders auf das Leiden von Märtyrern und Konfessoren bezogen.156 Obgleich er das Martyrium grundsätzlich als die höchstmögliche christliche ‚Leistung‘ betrachtet und daher mit dem 100-fachen Lohn verbindet, rechnet er auch in diesem Kontext mit Abstufungen. Römischen Konfessoren, die schon länger als ein Jahr eingekerkert sind, schreibt er, gerade durch den Aufschub ihres Martyriums seien sie zu höheren Gipfeln aufgestiegen. Jedes Ablehnen der angebotenen Freilassung sei ein neues Bekenntnis, Ruhm und Verdienste wüchsen mit den Tagen und Monaten ihrer Einkerkerung. Einmal siege, wer sogleich das Martyrium erleide; wer dagegen immerzu im Kerker mit dem Schmerz kämpfe und nicht besiegt werde, der werde täglich bekränzt.157 Täglich böten sie Gott ein Schauspiel158 und besiegten in ihrem

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150 Habit 23;204,1–4; die Jungfrauen leben nicht nach dem Gebot von Gen 1,28, sondern folgen freiwillig dem Rat Christi zur Enthaltsamkeit (Mt 19,11f) (203,21–204,1). Diese für Tertullian wichtige Unterscheidung (vgl. bes. ux 1,2,1–3,6) rezipiert Cyprian nur hier; dessen Tendenz, aus diesem „Rat“ ein für alle gültiges Gebot zu machen (vgl. cast 6,1–3 und dazu Moreschini, cast, 7–39), findet bei ihm keinen Widerhall. – Eine Auslegung von Joh 14,2 auf eine himmlische Lohnhierarchie begegnet außer bei Irenäus (s.o. Anm. 146) auch bei Tertullian (vgl. bes. Scorp 6,7, ferner res 41,3; 52,12; kritisch dazu mon 10,6). Cyprian setzt offenbar eine verbreitete Kenntnis dieser Auslegungstradition voraus. Zur Sache vgl. Beatrice, Il sermone, 221–223. Winter, Lohn, 448, geht davon aus, dass schon bei Paulus „der Gedanke unterschiedlicher Lohnstufen anklingt (I Kor 3,8–15)“. 151 Vgl. dazu habit 4;190,1f. 152 Vgl. habit 21;202,16–19 und dazu oben Kap. 2.3.2. 153 Vgl. ep 13f und unit 20f. 154 Hinchcliff, Cyprian, 41, bemerkt daher mit Recht, uirginitas sei für Cyprian „an all-or-nothing business“; vgl. auch Ramos-Lissón, Exégesis, 651–654, und Schöllgen, Jungfräulichkeit, 555f. Dass er lediglich „nach äußerlich wahrnehmbaren Merkmalen“ verschiedene „Klassen von Christen“ unterscheiden würde (so Seeberg, Lehrbuch I, 652), trifft somit nicht zu. 155 Sed maiora certamina maiora sequuntur praemia (Scap 4,8;54f). 156 Vgl. hier besonders ep 10,1,1;8–10. 157 Ep 37,1,3;21–28. In Z. 27f klingt das stoische Thema des congredi cum dolore an; vgl. dazu oben Kap. 5.2.2.3. 158 Zu diesem Motiv vgl. oben Kap. 7.

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Agon in vielfältigen Kämpfen Hunger und Durst, Dreck und Schrecken des Kerkers; je länger ihr Kampf dauere, desto erhabener werde ihr Kranz sein.159 Auch wenn rhetorischer Überschwang in Rechnung zu stellen ist,160 kommt hier eine cyprianische Grundüberzeugung zum Ausdruck: größere Leistung, als welche er das langdauernde Leiden der römischen Konfessoren wertet, wird einen größeren Lohn erhalten. Wie eine über den Märtyrerlohn hinausgehende Belohnung vorzustellen ist, deutet er nicht an; klar ist nur, dass es auch im Bereich des Märtyrerleidens noch Abstufungen geben kann, die sich in der himmlischen Belohnung entsprechend auswirken werden. Das Motiv dürfte für Cyprian vor allem eine seelsorgerliche Funktion haben, zeigt es doch, dass das Ausmaß christlichen Leidens in den Augen Gottes nicht bedeutungslos ist. Das Motiv des gesteigerten Lohnes verwendet Cyprian auch in anderen Kontexten. So preist er der karthagischen Gemeinde den Loskauf kriegsgefangener Christen als eine Überbietung des in Mt 25,31–46 Gebotenen an, die ihnen am Tag des Gerichts mit einer größeren Belohnung vergolten werde: Christus aus der Gefangenschaft zu befreien sei mehr, als ihn in einem Kranken oder Gefangenen zu besuchen.161 Bezogen auf die Bereitschaft zum Sterben, das er als Eintritt in die himmlische Gemeinschaft mit Christus versteht, steht für Cyprian das Ausmaß des himmlischen Lohnes in Relation zur Intensität des Wunsches, zu Christus zu kommen: Kann, wer nur unwillig und mit Trauer und Klagen zu ihm kommt, kaum auf Lohn hoffen,162 so wird Christus „denen reicheren Lohn seiner Liebe geben, die eine größere Sehnsucht nach ihm gehabt haben“.163 Sind für bestimmte Leistungen bzw. ‚Stände‘ besonders große Belohnungen zu erwarten, so droht umgekehrt auch die Gefahr einer entsprechend hohen Bestrafung, falls die damit verbundenen Ansprüche nicht erfüllt werden. Jungfrauen, die durch einen Verstoß gegen die Normen ihres ‚Standes‘ zu „Ehebrecherinnen“ gegenüber Christus werden,164 „werden ebenso große Bestrafung wegen der verlorenen uirginitas zu spüren bekommen, wie sie als uirgines einem außerordentlichen Lohn bestimmt waren“.165 Entsprechendes gilt für die Konfessoren: Mit der größeren Gabe und Würde, die sie empfangen haben, gehen höhere Erwartungen an ihre Lebensweise einher.166 Wer durch einen üblen Lebenswandel sein Bekenntnis verrät, darf nicht auf die Belohnung sei____________

159 Quo longior uestra pugna, hoc corona sublimior (ep 37,3,1;59–66, Zitat Z. 62f); vgl. ähnlich ep 76,1,2;19–26. 160 Vgl. etwa Gülzow, Cyprian, 108f.148. 161 Ep 62,3,1;46–2;62. 162 Mort 18;306–310. 163 [...] daturus eis caritatis (v.l. claritatis) suae ampliora praemia quorum circa se fuerint desideria maiora (mort 26;454–459, Zitat Z. 457–459). Bezogen auf die Wiederkunft Christi gibt es eine vergleichbare Formulierung in 2Tim 4,8: Der gerechte Richter wird den Kranz der Gerechtigkeit nicht allein Paulus geben, α λλα` και` πα^σι τοι^ς η γαπηκο' σι τη` ν ε πιφα' νειαν αυ του^ . 164 Cyprian dehnt den Ausdruck „Ehebruch“ auf jedwedes Fehlverhalten der uirgines aus. 165 [...] quam fuerant praemiis ingentibus uirgines destinatae, tam magna supplicia pro amissa uirginitate sensurae (habit 20;201,20–24). Vgl. auch ep 4,3,2;56–62. 166 Cyprian nimmt in unit 21;502–504 auf Lk 12,48bc Bezug (vgl. auch Fahey, 351).

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nes Ruhmes (gloriae praemium) hoffen; vielmehr wächst eben dadurch die verdiente Strafe.167 Die Vorstellung, dass Verfehlungen bei ‚höheren Ständen‘ schwerer wiegen, ist in dem Gedanken besonderer Begnadung begründet.168 Dies impliziert freilich, dass sich auch der verheißene Lohn keineswegs allein eigener Leistung verdankt, sondern auf einer besonderen Gnadengabe Gottes beruht. Das Leistung-Lohn-Schema erhält damit eine wichtige Brechung.169 Die Frage des Verhältnisses zwischen Schuld und Strafe bei Cyprian ist vor allem in Bezug auf seine Bußtheologie intensiv diskutiert worden, ein Aspekt, der hier, da es um die Zukunftserwartung geht, nur kurz gestreift werden kann. Eine gewisse Proportionalität zwischen der Schwere der Verfehlung und der Intensität des paenitentiam agere hält Cyprian für selbstverständlich. Er spricht wiederholt von der rechten Zeitdauer (iustum tempus) der Buße,170 und er erwartet bei schweren Verfehlungen eine intensive Reue: „Wie schwer wir uns verfehlt haben, so sehr lasst uns weinen! Der tiefen Wunde fehle nicht das sorgfältige, lange Heilmittel, die Reue sei nicht geringer als das Vergehen.“171 Mit exakter Berechenbarkeit hat die hier geforderte Entsprechung zwischen Sünde und sie beweinender Reue allerdings kaum etwas zu tun.172 Es ist kaum zufällig, dass in den cyprianischen Schriften keine Festlegung der Bußdauer oder anderer Bußleistungen zu finden ist; was als genug anzusehen ist, lässt sich nicht von vornherein festlegen, sondern unterliegt dem seelsorgerlichen Urteil der Bischöfe.173 Bei Todesgefahr oder angesichts einer drohenden neuen Verfolgung wird die Wiederaufnahme reumütiger lapsi nach (relativ) kurzer Zeit vollzogen,174 und es gibt keinen Hinweis, dass in diesem Falle die bis dahin geübte Reue als ungenügend betrachtet würde.175 Ebenso wenig gibt es bei ihm einen Anhaltspunkt für die von Wirth postulierte Vorstellung, der Mensch könne im Bußverfahren größere Leistungen vollbringen, „als zur Compensation der Schuld erforderlich“ sind, und dadurch „einen rechtlichen Anspruch an Gott“ begründen.176 So sehr Cyprian mit einer gewissen Proportionalität zwischen Verfehlung und tätiger Reue rechnet, so wenig handelt es sich dabei um ein exakt berechenbares Verhältnis.177 Über den auch biblisch bezeugten Gedanken, dass besonders schweren Verfehlungen größere Strafe droht und sie daher intensivere Reue erfordern, gehen seine Ausführungen nicht wesentlich hinaus. ____________

167 Vnit 21;500–525; vgl. noch Quir 3,112tit sowie Don 13;280f. 168 Vgl. dazu bezogen auf die Konfessoren unit 21;503f: cui plus dignitatis adscribitur plus de illo exigitur seruitutis. Weiteres dazu s.o. Kap. 7. 169 Weiteres dazu s.u. 2.2. 170 Vgl. ep 4,4,1;83; ep 16,2,3;35 u.ö. und dazu Köhne, Bußdauer. 171 Quam magna deliquimus [so Hartel und Martin mit S M W; Bévenot liest mit V R delinquimus], tam granditer defleamus. alto uulneri diligens et longa medicina non desit, paenitentia crimine minor non sit (laps 35;673–675). 172 Anders Seeberg, Lehrbuch I, 654, der aus dieser Stelle ableitet, für Cyprian müssten „die Buße und die Sünde in einem genauen quantitativen Verhältnis zueinander stehen“. 173 Vgl. dazu auch Hübner, Kirchenbuße, 191. 174 Vgl. ep 57 und zum Ganzen auch Kap. 9.2.3. 175 Ebenso Daly, Absolution, 203. – Die Vorstellung einer postmortalen Sündentilgung, etwa durch ein Purgatorium, findet sich in den cyprianischen Schriften nicht. Er unterstreicht vielmehr, paenitentia, reumütiges Wehklagen und exhomologesis hätten nur diesseits des Todes eine Wirkung (Dem 24;488–491 u.ö.). Die vieldiskutierte Stelle ep 55,20,3;342f handelt, wie mehrfach gezeigt worden ist, nicht von einem jenseitigen Purgatorium, sondern spricht metaphorisch von diesseitigen Bußhandlungen; vgl. bes. Jay, Saint Cyprien, ferner Bévenot, Sacrament, 194f Anm. 74, und LeGoff, La naissance, 86f; anders etwa Fischer, Studien, 267f, und Fernández, La escatología, 163–166. 176 Wirth, „Verdienst“-Begriff II, 52f; ähnlich Seeberg, Lehrbuch I, 654. Vgl. dazu unten 2.2. 177 Gegen Wirth, „Verdienst“-Begriff II, 29.46f.

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Die These von Harnacks u.a., Cyprian lehre ein berechenbares, rechtliches Verhältnis zwischen (postbaptismaler) Schuld und Strafe, verbindet sich insbesondere mit dem Begriff der satisfactio bzw. des satisfacere. Deo satisfacere heißt von Harnack zufolge: „der Mensch (der Christ) soll Gott das geben, was er ihm schuldig ist zu geben, das heisst, er soll die Rechtsansprüche Gottes befriedigen“ bzw. „durch Bussleistungen Beleidigungen Gottes wieder gut machen und Gott wieder besänftigen“.178 Es sei „seit der Mitte des 3. Jahrhunderts [...] im lateinischen Abendland ein kirchliches System von Leistungen an Gott ausgebildet“ worden, das „überall schon durch den Gedanken beherrscht (sei), dass die Grösse der Vergehungen und die Grösse der Leistungen an Gott (der Bussopfer) in streng juristischer Weise in ein Verhältnis zu setzen sind [...]“.179 Grundlegende Voraussetzung dieser These von Harnacks ist die Annahme, dass der Begriff satisfacere etc. in einem juristisch-technischen Sinn verwendet wird.180 Dies trifft für Cyprian sicher nicht zu: „Satisfactio ist für Cyprian nicht mehr die Befriedigung Gottes durch Ersatzleistung, sondern es kann mit deprecatio synonym gebraucht werden und ist nur noch ein Versuch, Gott zu versöhnen“.181 Die häufige Verbindung der satisfactio mit Bezeichnungen flehentlichen Bittens ist in der Tat auffällig;182 daneben wird sie nicht selten mit Weinen und Wehklagen ob der eigenen Verfehlung verknüpft,183 gelegentlich auch mit Werken der Barmherzigkeit.184 Das Ziel des satisfacere wird des öfteren mit deum / dominum placare angegeben;185 einmal heißt es metaphorisch, durch rechte satisfactiones und Wehklagen könnten die Verfehlungen „losgekauft“ werden (redimere), parallel dazu aber sogleich, durch Tränen könnten die Wunden abgewaschen werden.186 Die Vorstellung, eine durch Verfehlung verursachte Schuld abzubezahlen oder Ersatz zu leisten, verbindet sich bei Cyprian mit dem Begriff des satisfacere so wenig wie mit dem paenitentiam agere überhaupt. Ebenso wenig ist in diesem Zusammenhang von „Rechtsansprüche(n) Gottes“187 oder exakt zu berechnenden Bußleistungen die Rede.188 Die im Umfeld verwendeten Begriffe sprechen entschieden gegen die Annahme

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178 Von Harnack, Lehrbuch II, 179; ebenso Schultz, Der sittliche Begriff, 24. Eine breite Entfaltung dieser Deutungsthese bietet Wirth, „Verdienst“-Begriff II, 30–54. 179 Von Harnack, Lehrbuch II, 179f. 180 Vgl. dazu auch Brück, „Genugtuung“, 277–279. 181 So mit Recht Brück, „Genugtuung“, 290. Zur Kritik seiner Tertullian-Deutung, bei dem er eine juristische Bedeutung des Begriffs annimmt, vgl. R. Braun, ChrTert 75,5 (S. 305f), und bes. Hallonsten, Satisfactio, 105–210, der die Thematik ausführlich untersucht hat. 182 Vgl. etwa ep 43,2,2;35–37: [...] precibus et orationibus quibus dominus longa et continua satisfactione placandus est; ferner ep 43,5,3;98–100; ep 59,12,2;320f; laps 36;710–712 u.ö. 183 Vgl. ep 59,13,2;335f; ep 65,1,2;9–11; laps 30;607f u.ö. 184 Vgl. op 5;83f und ep 16,2,3;32f. Wenn Seeberg, Lehrbuch I, 653, schreibt: „vor allem aber durch gute Werke“, so entspricht das nicht der Gewichtung Cyprians. 185 Vgl. laps 17;345f; ep 43,2,2;36f; 43,5,2;99f, ferner laps 36;711f und op 4;72–74. 186 Ep 59,13,2;335f; ähnlich 59,13,4;352f; vgl. auch op 5;83f; 4;72 und ep 11,2,1; 36f sowie Kap. 3.2 zum Thema Almosen. Dass solche gelegentlich begegnenden Formulierungen nicht buchstäblich aufzufassen sind, zeigt exemplarisch ep 10, wo es zunächst, angeregt durch Ps 115,6 (mors pretiosa), heißt, der Märtyrer erkaufe (emere) sich um den Preis seines Blutes (pretio sui sanguinis) die Unsterblichkeit (10,2,3;47f), später jedoch herausgestellt wird, Christus kämpfe und siege im Märtyrer und bekränze daher mit dem Märtyrerkranz sich selbst (10,4,4;96–98; vgl. dazu unten 2.2 sowie Kap. 7). 187 Diese Kategorie hat keinen Anhalt an den cyprianischen Ausführungen und ist offenbar allein aufgrund einer vorausgesetzten Deutung von satisfacere etc. an sie herangetragen. Cyprian sagt dagegen, dass die Sünde Gott erzürnt (indignari), ihn angreift oder ihm missfällt (offendere) und deshalb seine misericordia zu erflehen ist. Paenitentiam agere heißt für Cyprian: deo qua patri et misericordi precibus et operibus suis satisfacere (ep 16,2,3;31–33; die MSS variieren zwischen misericordi, misericordiam u.a.; Hartel, dem Bayard folgt, konjiziert misericordi iam). 188 Ebenso d’Alès, La théologie, 276, Goetz, Christentum, 32f, sowie Bakhuizen van den Brink, Mereo(r), 334; anders von Harnack, Lehrbuch I, 465 Anm. 2, und Müller, Bussinstitution, 191. Die

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einer juristisch-technischen Bedeutung. Stattdessen ist, wie nicht zuletzt die häufige Verbindung mit deprecari etc. zeigt, von der Bedeutung „einem Beleidigten, Verletzten [...] durch Entschuldigung od. Rechtfertigung“ Genüge leisten, das heißt „sich gehörig entschuldigen, rechtfertigen, auch abbitten“,189 auszugehen.

Cyprian rezipiert die biblische Vorstellung, jeder werde gemäß seinen Werken bzw. seiner eigenen Mühe belohnt,190 und interpretiert sie im Horizont der bereits überkommenen Konzeption eines abgestuften Lohnes. Eine entsprechende Deutung von Mt 13,8par wird vorausgesetzt und klingt wiederholt an, wird aber nirgends systematisch entfaltet. Der biblische Gedanke, irdischem Leiden werde im Himmel großer Lohn zuteil,191 spielt für Cyprian eine besondere Rolle. Nicht nur kommt dem Martyrium, traditioneller Zuordnung gemäß, der höchste Lohn zu, es wird auch ein Entsprechungsverhältnis zwischen dem Ausmaß des Leidens und dem zu erwartenden Lohn angenommen. Den zweiten Rang in der ‚Lohnhierarchie‘ belegt die uirginitas, und Cyprian deutet an, dass irdischer Entsagung generell besonderer Lohn zukomme.192 Aus dem Jesus-Wort, wem viel anvertraut werde, von dem werde auch viel verlangt werden (Lk 12,48), folgert er, dass, wer diesem Anspruch nicht genügt, härter bestraft wird. Mit alledem bleibt er im wesentlichen im Rahmen neutestamentlicher, teilweise frühchristlich weiterentwickelter Vorstellungen. Allenfalls eine stärkere Akzentuierung des Gedankens, besondere Leistungen führten zu größerem Lohn, ist zu konstatieren. Fremd ist ihm – wie tendenziell der gesamten neutestamentlichen und frühchristlichen Überlieferung – die Vorstellung eines desinteressierten bzw. von äußerer Belohnung schlechterdings unabhängigen Handelns. Eine in Bezug auf die frühe lateinische Theologie häufig diskutierte, sachlich eng mit der Lohnvorstellung zusammenhängende Thematik ist die sogenannte „Verdiensttheologie“, die besonders mit dem Verbum merere/i und seinen Derivaten verbunden wird. Hallonsten hat diese Thematik am Beispiel Tertullians untersucht und die vielfach vertretene Auffassung, Tertullian sei so etwas wie der Begründer der (katholischen) Verdienstlehre,193 als im wesentlichen unbegründet erwiesen.194 Da ein „verdiensttheologisches“ Verständnis dieser Begrifflichkeit auch moderne Cyprian-Übersetzungen noch prägt195 und die ____________

einzige Formulierung, die hier genannt werden könnte, paenitentia satisfactioni proxima in ep 15,4; 71f, ist alles andere als exakt und wird von Cyprian nirgends präzisiert. 189 Georges s.v. satisfacere II.B.a; vgl. Lewis-Short s.v. satis II.D.2.b. 190 Vgl. etwa Röm 2,6; Apk 22,12 und Mt 16,27 bzw. 1Kor 3,8b und dazu ausführlich Heiligenthal, Werke als Zeichen, 143–233, sowie Zerafa, La retribuzione. 191 Vgl. bes. Mt 5,11f. 192 Im Hintergrund stehen möglicherweise Vorstellungen, wie sie in Lk 16,25 anklingen. 193 Vgl. dazu die bereits erwähnte Forschungsgeschichte bei Hallonsten, Satisfactio, 14–50, und ders., Meritum, 11–15. 194 Vgl. Hallonsten, Meritum, bes. S. 126–129.164–174. 195 Clarke zum Beispiel gibt merita fidei ac uirtutis in ep 12,1,1;13f mit „meritorious acts of faith and valour“ wieder (I, 81); ähnlich ep 12,1,3;25f: „meritorious deeds“ (I, 82); ep 15,3,1 (I, 91) u.ö.

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Zukunftserwartung als Motivierung christlichen Handelns

Thematik für ein sachgemäßes Verständnis seiner Lohnvorstellung von Bedeutung ist, ist die cyprianische Verwendung dieser Begrifflichkeit im folgenden kurz zu untersuchen.196 Die Ergebnisse Hallonstens werden sich dabei im wesentlichen bestätigen. Das Substantiv meritum kann neutral zur Bezeichnung menschlicher Taten verwendet werden, deren Beurteilung im göttlichen Gericht bzw. in einer Gemeindeversammlung noch aussteht;197 es kommt dann der Bedeutung von opus nahe. Nicht selten wird durch Kontext oder Appositionen angezeigt, dass das mit meritum bezeichnete Werk ein gutes Werk ist, ohne dass die Begriffsbedeutung wesentlich über die von opus hinausginge;198 gelegentlich ist hier die Bedeutung opus bonum gefordert.199 Solche merita, mögen sie in Werken der Barmherzigkeit oder im Erleiden des Martyriums bzw. langdauernder Foltern bestehen, können auf Belohnung rechnen und können in diesem Sinne als „Verdienste“ verstanden werden.200 Merita kann daher auch parallel zu praemia stehen oder als Wechselbegriff dazu gebraucht werden.201 Umgekehrt findet sich meritum auch in Verbindung oder im Wechsel mit delictum.202 Einige Male steht meritum mit der Apposition fidei: Wenn Cyprian sagt, die Christen seien merito fidei an die Stelle des jüdischen Volkes getreten, so heißt das offenbar: „dank des Glaubens“.203 In der Taufe werden per fidei merita, das heißt „aufgrund des Glaubens“, Herz und Geist des Menschen gereinigt;204 ____________

196 Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf mereri und meritum; das einzige bei Cyprian begegnende Derivat promereri ist in Kap. 6.3 erörtert worden. Unberücksichtigt bleiben in der Regel adverbiales und präpositionales merito (vgl. Blaise s.v. meritum 5: „grâce à, à cause de, pour“; LHS §82 Zusatz γ [S. 133] wird spätlateinisches merito c. gen. als Ersatz für den abl. causae gedeutet). Vgl. zum folgenden auch Bakhuizen van den Brink, Mereo(r). 197 Vgl. ep 58,10,1;221–226 (singulorum merita); unit 15;379f; ep 15,3,1;48f bzw. ep 38,1,1;5f (mores ac merita singulorum); 38,2,1;27f sowie ep 41,1,2;16f. 198 Vgl. op 6;131f (misericordiae merita steht parallel zu opera iusta; ebenso 17;345, ähnlich 5;83f); op 26;532–534; zel 13;226f; ep 76,1,4;39–41 u.ö. In mort 17;296–299 (Abraham, Isaak und Jakob haben fidei ac iustitiae meritis honorati die vornehmste Stellung unter den Erzvätern erlangt) ist meritis entweder gleichbedeutend mit operibus oder wie präpositionales merito aufzufassen (vgl. Stramondo, mort, 123: „premiati per la loro giustizia e per la loro fede“). 199 So steht in ep 67,4,2;81f merita als Gegenbegriff zu crimina. 200 Vgl. bes. op 26;553f: [...] nusquam dominus meritis nostris ad praemium deerit [...], ferner ep 76,1,2;19–21 u.ö. Besonders häufig ist von den merita der Märtyrer und Konfessoren die Rede. Der Begriff meritum steht hier oft im Wechsel mit anderen Wörtern wie opera (vgl. etwa laps 17;348f) und laudes (vgl. ep 37,1,3;25f; ep 60,1,1;5f), fungiert also als eine Bezeichnung des herausragenden Tuns der Märtyrer und Konfessoren neben anderen. Nicht selten wird aber auch der Aspekt des Verdienstes bzw. der besonderen Leistung der Märtyrer akzentuiert (vgl. etwa ep 76,4,1;94–96; ep 12,1,1;13f; ep 38,2,1;26–28; ep 61,2,1;18f u.ö.). – In zel 7;119–121 verbindet Cyprian die uirtus eines Menschen mit den merita propria, seine felicitas demgegenüber mit den beneficia diuina. 201 Vgl. ep 58,11;243f (iniquorum supplicia vs. praemia ac merita [Hendiadyoin?] iustorum); ep 37,2,2;54f; ep 69,10,1;209f (merita vs. supplicia) sowie ep 76,1,2;24f: [...] ad meritorum titulos ampliores tormentorum tarditate proficiens; der Begriff titulus ist hier – wie in ep 39,3,1;42 – in der allgemeineren Bedeutung „Claim to glory or fame, distinction [...] honour [...]“ (OLD s.v. 7) gebraucht, nicht in einem spezifisch juristischen Sinne (gegen Wirth, „Verdienst“-Begriff II, 74f mit Anm. 4). 202 Vgl. ep 11,1,3;31 (delicto et merito nostro; ähnlich Quir 3,47tit); Dem 5;94f; 11;220f, ferner unit 21;524f und laps 21;434f (conscientiae merita im Sinne von delicta). 203 Vgl. ep 63,12,2;218–220; Blaise s.v. meritum 5 nennt diese Stelle als Beleg für präpositionales merito c. gen.; ebenso schon Bayard, Le latin, 156, der selbst allerdings überraschenderweise mit „par le mérite de la foi“ übersetzt (Bayard II, 207; ebenso Baer II, 264, und Clarke III, 104, anders Toso, Opere, 641: „attraverso la fede“). 204 Ep 69,12,2;265f; vgl. auch 69,13,3;299.

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hier von „Verdienste(n) des Glaubens“ zu sprechen,205 widerspräche der cyprianischen Auffassung, wonach gerade der Getaufte alles der Gnade Gottes verdankt. Jeder empfängt gemäß den Verheißungen des Herrn und den merita seiner fides so viel an göttlicher Hilfe, als er zu empfangen glaubt, das heißt offenbar: gemäß der Bereitschaft seines Glaubens, göttliche Hilfe anzunehmen.206 Das Verbum mereri hat bei Cyprian nicht selten die Bedeutung „erlangen“, ohne dass damit impliziert wäre, dies geschehe „verdientermaßen“ oder „billigerweise“.207 Dies zeigen etwa einige Belege im Bußkontext: Wer in wahrhaft angemessener Weise paenitentia übt, der wird nicht nur die uenia Gottes erlangen, sondern auch den Märtyrerkranz.208 Lapsi, die schwerste Verfehlungen auf sich geladen haben, können bei Gott kaum etwas „verdienen“; es geht vielmehr darum, was dem Gefallenen dank seiner tätigen Reue von Gott gewährt werden könnte.209 So kann Cyprian auch sagen, dass Neugeborene mehr als andere von der Barmherzigkeit Gottes „erlangen“, weil sie von Geburt an nichts anderes tun, als durch ihr Weinen und Heulen Hilfe zu erflehen;210 dass solches mereri nichts mit Leistung, sondern allein mit schierer Bedürftigkeit zu tun hat, liegt auf der Hand. An einigen Stellen liegt die Annahme einer periphrastischen Konstruktion nahe.211 Freilich kann mit merere/i auch zum Ausdruck gebracht werden, dass jemandem etwas verdientermaßen oder billigerweise zukommt. So ist wiederholt davon die Rede, dass Strafen verdientermaßen erlitten werden, sei es in Bezug auf die decische Verfolgung,212 sei es in Bezug auf lapsi oder Schismatiker213 oder in anderen Zusammenhängen.214 Entsprechendes gilt für das merere/i einer Belohnung: Da es nach cyprianischer Überzeugung nicht von vornherein ausgemacht ist, ob jemand es aufgrund seines Lebenswandels verdient hat, mit dem Martyrium aus-

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205 So die Übersetzung Baers II, 317; ebenso Clarke IV, 41. 206 Fort 10;46–49; vgl. ebenso Don 5;89f; zur Sache s.o. Kap. 7. 207 Zur abgeschwächten Bedeutung und häufig bloß periphrastischen Verwendung von merere/i im Spätlatein vgl. Bakhuizen van den Brink, Mereo(r), 337f. 208 [...] nec iam solam dei ueniam merebitur sed coronam (laps 36;716–720). Vgl. ferner op 5;87f (mereri dei misericordiam); ep 73,13,1;210f (misericordiam merui als Übersetzung von η λεη' θην in 1Tim 1,13; Tertullian pud 18,16;73f hat hier misericordiam sum consecutus; vgl. Bakhuizen van den Brink, Mereo(r), 335) sowie ep 33,2,1;38f. – Im Sinne von „erlangen“ dürfte das Verb auch in mort 17;296–299 und ep 39,3,1;48 zu verstehen sein, das Nomen meritum im gleichen Sinne in unit 21; 494f (die confessio ist das exordium gloriae, noch nicht das meritum coronae; vgl. dazu Kap. 2.3.3). 209 Bakhuizen van den Brink, Mereo(r), 335, betont mit Recht, dass in Verbindung mit Begriffen wie misericordia, uenia, gratia etc. „as a rule, mereri loses its strict notion of merit in proportion to the notion of grace which is inherent in its object“. An der angeführten Stelle hält er allerdings überraschenderweise die Bedeutung „to merit“ für gefordert (ebd.). Für Seeberg, Lehrbuch I, 653, dagegen „vervollständigt“ die Wendung mereri dei misericordiam „die wunderliche Kombination von Erlösungs- und Rechtsreligion, die diese Bußtheorie darstellt [...] die Satisfaktion gegen die Gerechtigkeit verdient die Barmherzigkeit“ (vgl. auch ebd., 654 Anm. 1). Viel wahrscheinlicher ist, dass mereri hier wie häufig (vgl. Georges s.v. I.A.2!) in abgeschwächter Bedeutung verwendet wird. 210 Ep 64,6,2;94–96; Cyprian verwendet hier mit deprecari einen Terminus seiner Bußtheologie; vgl. dazu Swann, Relationship, 276–283. 211 So steht in orat 6;78 sanctificari hic magis meruit als Paraphrase von iustificatus [...] magis aus Lk 18,14a in Z. 90f, d.h. als periphrastische Umschreibung für sanctificatus est (dass hier nicht an eine „mérite“ gedacht sein kann, betont auch Réveillaud, orat, 167); Entsprechendes gilt für op 15; 296–298 (meruit laudari = laudatus est); vgl. ebenso mit fast identischer Formulierung mont 5,2 (158,11 Burini; zur strittigen Datierung dieses Textes vgl. Doignon, HLL 4 [1997], §477.3 [S. 513]). 212 Vgl. ep 11,1,2;19; 11,1,3;21f; laps 5;91f und 6;114f. 213 Vgl. laps 26;522f; ep 43,1,3;18–20; 43,5,4;109–111; ep 52,4,1;81f u.ö. 214 Vgl. Dem 11;225f; 9;173f; habit 13;197,5f; sachlich vergleichbar ep 1,2,1;38–40.

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Zukunftserwartung als Motivierung christlichen Handelns

gezeichnet zu werden,215 kann er sagen, der Märtyrer Mappalicus habe die verdiente Siegespalme empfangen,216 der Konfessor Aurelius den verdienten öffentlichen „Bekenntniskampf“ auf dem Forum gekämpft.217 Wie die eingekerkerten römischen Konfessoren zu erlangen verdienen, was immer sie von der Gnade Gottes erbitten,218 so verdient, wer Werke der Barmherzigkeit tut, von Gott erhört zu werden.219

Das Verbum merere/i findet somit bei Cyprian sowohl im Sinne von „erlangen“ als auch im Sinne von „verdienen, verdientermaßen, billigerweise erlangen“ Verwendung, wobei die Abgrenzung zwischen beiden Bedeutungsaspekten nicht immer einfach ist. Auch dort, wo die Bedeutung „verdienen“ vorzuliegen scheint, handelt es sich weniger um ein exaktes, berechenbares Verhältnis zwischen Leistung und Lohn als vielmehr um die Vorstellung, dass jemand etwas verdientermaßen, billigerweise erlangt. Martyrium oder Gebetserhörung sind nicht durch entsprechende (Vor-) Leistungen zu „erkaufen“, sie sind vielmehr eine Antwort Gottes auf entsprechendes, ihm wohlgefälliges Handeln. Das Nomen meritum ist eine uox media, die im Wechsel sowohl mit opus iustum als auch mit delictum stehen kann. Häufiger handelt es sich jedoch um menschliche Werke, die göttlichen Lohn empfangen werden, und nicht selten geht es dabei um besondere Leistungen wie das Leiden der Märtyrer. Der stete Wechsel mit opus, manchmal auch mit laudes, und die variierenden Bedeutungsaspekte sprechen gegen ein terminologisches Verständnis von meritum und damit gegen die Annahme einer mit diesem Begriff verbundenen cyprianischen Verdiensttheologie. An nicht wenigen Stellen, an denen manche Übersetzer und Interpreten eine ausgeprägte Verdiensttheologie wahrnehmen, ist mit bloßen präpositionalen oder periphrastischen Konstruktionen zu rechnen. Eine deutliche Prägung der theologischen Struktur des cyprianischen Lohngedankens durch die Begriffe meritum und merere/i ist nicht wahrzunehmen.220

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215 Vgl. dazu bes. mort 17;281–283, ferner ep 76,1,3;26–28. 216 [...] et palmam quam meruit accepit (ep 10,4,3;84f). 217 Ep 38,1,2;15–19; vgl. auch ep 76,1,3;26–35. – Aurelius „verdiente“ (merebatur) Cyprian zufolge aufgrund seines zweifachen Bekenntnisses auch einen höheren Klerikerstand (ep 38,2,1;26f). 218 Vgl. ep 37,4,2;80f. 219 Vgl. orat 32;597f (mit Z. 603f) und 33;625f (Réveillaud, orat, 125.127, übersetzt zu Recht mit „obtenir la faveur d’être entendu“). Der Purpurhändlerin aus Apg 9 kommt es „billigerweise“ zu, aufgrund der Bitte der von ihr versorgten Witwen ins Leben zurückgerufen zu werden (op 6;129–134; meruit bringt hier ein Entsprechungsverhältnis zum Ausdruck). 220 Dass der Begriff meritum als solcher „einen Anspruch“ einschließe und „also ein Rechtsverhältnis“ andeute, wie Schindler, Gnade und Freiheit, 183, meint, lässt sich durch die cyprianische Verwendungsweise der Begrifflichkeit kaum erhärten. Eine „Verdiensttheologie“, wie Wirth, „Verdienst“-Begriff II, 54–74, sie entwickelt, gibt es bei Cyprian nicht. Es handelt sich hier um ein von außen herangetragenes, aus cyprianischen Aussagen nicht zu begründendes systematisches Konstrukt.

2. Zur theologischen Struktur der Lohn- und Gerichtsvorstellung

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2.2 Fundamentale Relativierungen des Leistung-Lohnbzw. Schuld-Strafe-Verhältnisses In der cyprianischen Theologie finden sich nicht nur Aussagen zur Proportionalität zwischen Leistung und Lohn bzw. Schuld und Strafe, sondern ebenso auch Ausführungen, in denen die menschliche Leistung grundsätzlich relativiert und der göttliche Wille zur Strafe durch seinen Heilswillen überboten wird. Damit werden die im Vorangehenden analysierten Aussagen zu einem proportionalen Verhältnis zwischen menschlichem Tun und göttlicher Antwort keineswegs aufgehoben, wohl aber in einen neuen Horizont versetzt. Die von Cyprian wiederholt und in sehr grundsätzlicher Weise vertretene Auffassung, dass der Christ alles, was er ist und vermag, Gott verdankt,221 bedeutet für den Lohngedanken in letzter Konsequenz, dass Gott belohnt, was er selbst gegeben hat. Dies wird bei Cyprian besonders im Kontext der Martyriumsparänese deutlich: Dass Christus selbst in den Konfessoren und Märtyrern kämpft und siegt, heißt für Cyprian, dass er nicht nur der Geber des Märtyrerkranzes ist, sondern auch dessen Empfänger.222 Da Gott die Christen bei ihrem Kampf in seinem Namen stärkt und unterstützt, belohnt er mit der Bekränzung der siegreichen Märtyrer in ihnen, „was er selbst gewährt hat, und ehrt, was er selbst vollendet hat“.223 Diese an Augustin gemahnende Aussage224 schreibt dem Lohngedanken, genauer: dem Verhältnis zwischen (menschlicher) Leistung und (göttlichem) Lohn, eine fundamentale Relativierung ein. Obwohl Märtyrer fraglos den höchsten (100-fachen) Lohn erlangen, kommt ihnen dieser nicht aufgrund ihres eigenen Verdienstes zu, sind doch nicht sie es, die den „Sieg“ des Martyriums erringen, sondern Christus in ihnen. Sie sind Empfänger wie des Lohnes so auch der ‚Leistung‘. Dennoch kann Cyprian auch von einem „Verdientsein“ des Martyriums sprechen.225 Die göttliche Befähigung des Märtyrers ist für ihn eine Antwort auf vorangehende menschliche Leistungen, die sich freilich nach seinem Verständnis ihrerseits göttlicher Befähigung verdanken. Es ist ein Ineinander und Nebeneinander, dessen logische Struktur von Cyprian nicht vollständig geklärt wird.226

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221 Vgl. dazu Kap. 7. 222 Vgl. ep 10,4,4;93–98 sowie ep 58,5,2;118–126. 223 Ep 76,4,2;105–109, zitiert Kap. 7 Anm. 34; vgl. auch ep 76,5,1;110f sowie ep 80,1,3;21–23 und dazu Brekelmans, Martyrerkranz, 98. 224 Vgl. von Harnack, Lehrbuch I, 466 Anm.3: „Wer würde vermuthen, dass die Worte: ‚Retributione bonitatis ac pietatis paternae remunerat deus in nobis quidquid ipse praestitit [...]‘, nicht von Augustin, sondern von Cyprian [...] geschrieben sind!“; vgl. auch ders., Lehrbuch III, 21f Anm. 2. Die Überraschung von Harnacks ist freilich insofern unbegründet, als sich darin ein für Cyprian durchaus charakteristischer Gedanke äußert, wie in Kap. 7 gezeigt worden ist. Für entsprechende Belege bei Augustin vgl. ebd., 86 mit Anm. 1, sowie Seigfried, Lohn, 513 Anm. 16. 225 Vgl. hier bes. ep 76,1,3;26–35 bzw. 76,4,1;94–98 – es ist derselbe Brief, der die pointierteste Formulierung der Selbstbelohnung Gottes enthält (s.o. bei Anm. 223). 226 Vgl. dazu auch Capmany, Miles, 209–212, und Spanneut, Tertullien, 78.

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Die wohl stärkste neutestamentliche Infragestellung des Lohngedankens findet sich in Lk 17,10: „[...] wenn ihr getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren“.227 Cyprian zitiert den Abschnitt Lk 17,7–10 neben Sir 10,26 zu der Aussage, niemand dürfe sich aufgrund seines Tuns überheben.228 Die für ihn wesentliche Überzeugung, der Mensch dürfe sich keiner Sache rühmen, weil nichts ihm selbst gehört,229 erhält damit eine wichtige Ergänzung: Gute Werke sind auch deshalb kein Grund zur Selbstüberhebung, weil der Mensch damit nicht mehr als seine Pflicht tut. Auf Lk 17,10 beruft Cyprian sich auch, um die Haltung wahrhaft reumütiger lapsi zu charakterisieren. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht nur demütig, sanft und gottesfürchtig sind,230 sondern zudem im Wissen um das Herrenwort Lk 17,10 sich zwar allezeit auf ruhmreiche und großartige Weise mit Werken der Barmherzigkeit in der Kirche betätigt, jedoch „niemals dem Herrn ihr Werk in Rechnung gestellt haben“.231 Cyprian lobt die genannten lapsi, weil sie zwar alles tun, was von ihnen erwartet wird, und mehr als das, aber dennoch reumütig bleiben und aus ihrem Tun keine Ansprüche ableiten. Das heißt aber: weder Bußakte noch Werke der Barmherzigkeit begründen für ihn einen Anspruch auf Vergebung,232 und zwar nicht allein aufgrund der besonderen Lage der lapsi, sondern auch und mehr noch, weil nach Lk 17,10 selbst vollkommener Gehorsam nicht über das hinausgeht, was ein Christ seinem Herrn schuldet. Kein menschliches Werk, nicht einmal das Martyrium, gibt deshalb Anlass zur Selbstüberhebung. So wichtig der verheißene Lohn für die cyprianische Paränese auch sein mag, verselbständigte Ansprüche sind für ihn aus menschlichen Werken nicht abzuleiten; ihre Belohnung bleibt stets in Gottes freier Verfügung. Dass Cyprian zur Begründung dieses Gedankens Lk 17,(7–)10 heranzieht, ist auch insofern bemerkenswert, als es dazu in der erhaltenen vorcyprianischen Literatur keine Vorläufer gibt.233

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227 Bei Cyprian lautet der Text: sic itaque et uos, cum feceritis quae uobis imperata sunt, dicite: serui superuacui sumus, quod debuimus facere fecimus (Quir 3,51;8–10; ep 33,2,1;29–31). α χρει^οι ist hier nicht im Sinne von „armselig“ verstanden (so laut Klostermann, HNT 5, 173, und Wiefel, ThHK 3, 303f, die angemessene Deutung), sondern im Sinne von „unnütz“. Die große Mehrzahl der VLZeugen und die Vulgata bieten inutiles (etliche Cyprian-MSS, denen Hartel folgt, gleichen an diese Fassung an); die Lesart Cyprians wird auch von it cod e vertreten. 228 Quod nemo in opere suo extolli debeat (Quir 3,51tit); die Formulierung lehnt sich an den SirText an: Noli te extollere in faciendo opere tuo. 229 Vgl. Quir 3,4tit und dazu Kap. 7. 230 Cyprian spielt hier auf Jes 66,2b an; zu seiner Rezeption dieses Textes vgl. Kap. 2 Anm. 170. 231 [...] opus suum numquam domino inputauerunt [...] (ep 33,2,1;26–31, Zitat Z. 28f); Clarke II, 41, übersetzt: „they have never considered the Lord to be in their debt for what they have done“. 232 Die weitergehende Vorstellung, der Mensch könne die Bußanforderungen übertreffende Handlungen vollbringen und dadurch Gott bzw. Christus in ein Schuldverhältnis zu sich bringen (Wirth, „Verdienst“-Begriff II, 78.52f u.ö.), wäre für ihn geradezu abwegig. 233 Vgl. BiPa 1 und 2 z.St.; im Osten ist Origenes der erste, für den Bezugnahmen auf diesen Text verzeichnet sind (vgl. BiPa 3 z.St.).

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Einer fundamentalen Infragestellung unterliegt bei Cyprian auch das strikte Verhältnis zwischen Schuld und Strafe, und zwar durch seine Konzeption der Umkehr. Es ist nach seiner Überzeugung der Wille Gottes, dass möglichst alle Menschen zu ihm umkehren und so des zukünftigen Heils teilhaftig werden. So zögert Gott den Tag der Vergeltung hinaus, damit, wenn irgend möglich, die langdauernde Bosheit des Menschen sich irgendeinmal ändere und er wenigstens spät zu Gott umkehre.234 Eben darin besteht für Cyprian, wie er im Anschluss an Röm 2,4–6 ausführt,235 die Gerechtigkeit des göttlichen Gerichts, nämlich dass es spät kommt und lange aufgeschoben wird,236 „damit dem Menschen durch die lange patientia Gottes fürsorglich zum Leben geraten“, ihm also so lange wie möglich Zeit zur Umkehr gegeben werde.237 Zur Bestrafung des Sünders komme es erst, wenn das Bereuen der Sünde nichts mehr nützen könne.238 Wer immer zu Christus umkehrt und seine Vergehen bereut und eingesteht, erlangt nicht nur gnadenhafte Vergebung seines Verbrechens (indulgentia criminis)239, sondern sogar den Lohn des Himmelreiches.240 Das Gericht Gottes ist also nicht deshalb gerecht, weil es jedem das Seine zukommen lässt,241 also dem Sünder die verdiente, dem Ausmaß seiner Verfehlungen entsprechende Strafe zumisst, sondern weil es ihm bis zuletzt die Möglichkeit zum Sinneswandel gibt, der ihn der Strafe entkommen lässt.242 Das langmütige Warten Gottes auf die menschliche Umkehr wird damit geradezu zum definiens der Gerechtigkeit seines Gerichts. Ob es tatsächlich eine Äquivalenz zwischen Schuld und Strafe geben wird, bleibt damit offen bis zuletzt; die eigentliche Funktion, das opus proprium der Gerichts- und Strafandrohung ist für Cyprian die Aufforderung zur Umkehr.243 Der Gerichtsgedanke als solcher wird freilich ____________

234 [...] ut, si fieri potest, [...] uel sero ad deum conuertatur [...] (pat 4;59–66, Zitat Z. 64–66). 235 Neben dem Paulustext werden auch Ez 18,23 und Joel 2,13b zitiert (Z. 66–77). 236 Iustum iudicium dei dixit esse, quia serum est, quia diu multumque differtur [...] (Z. 77f). Der Gedanke geht hier offenbar auf Minucius Oct 34,12 zurück: cuius (sc. dei) quanto iudicium tardum, tanto magis iustum est (33,19 Kytzler); zu entsprechenden paganen Vorstellungen vgl. Beaujeu, Oct, 153, sowie Bernstein, Formation, 73–83 (zu Plutarchs Schrift Περι` τω^ ν υ πο` του^ θει' ου βραδε' ως τιμωρουμε' νων), ferner Benson, Cyprian, 441f. 237 [...] ut homini ad uitam longa dei patientia consulatur (Z. 78f); vgl. ebenso Quir 3,35tit: Deum ad hoc patientem esse ut nos paeniteat peccati nostri et reformemur; neben Röm 2,4–6 wird noch Sir 5,4 zitiert. Die Ausrichtung der göttlichen patientia auf die menschliche Umkehr ist gegenüber der Vorlage Tertullian pat 2,3 ergänzt. Dieser Gedanke begegnet auch bei Plutarch Mor 41 551C–D 238 Z. 79f; dieser Zeitpunkt ist für Cyprian erst mit dem Tod erreicht; vgl. Dem 25;504–514 u.ö. 239 Der Ausdruck ist hier „erstmals [...] belegt“ (Waldstein, Untersuchungen, 152); er bezeichnet einen „Gnadenakt, der die Sündenvergebung bewirkt“ (Munier, Indulgentia, 77). 240 Pat 8;153–160. 241 Vgl. die stoische Definition der Gerechtigkeit als „la science qui enseigne à accorder à chacun son dû“ (Grimal, Sénèque, 1971, mit Hinweis auf SVF III, 262 u.ö.), die u.a. von Cicero gern verwendet wird (vgl. fin 5,65: quae animi affectio, suum cuique tribuens [...], iustitia dicitur [150 Martha]; fin 5,67; rep 3,92 u.ö.); vgl. dazu auch Berger, Encyclopedic Dictionary s.v. ius. 242 Vgl. dazu auch Amata, Educare, 152. Wie sehr bei Cyprian die Androhung göttlicher Strafen auf die Umkehr des Menschen zielt, zeigt besonders die Schrift Ad Demetrianum. 243 Dem korrespondiert seine eigene Haltung gegenüber Gefallenen, Schismatikern und sich sonst verfehlenden Gemeindegliedern; vgl. dazu Kap. 9.2.2f.

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nicht in Frage gestellt, und grundsätzliche Reflexionen zur Legitimität göttlichen Strafhandelns, wie sie sich etwa bei Irenäus finden, sucht man bei Cyprian vergebens. Eine weitere, überaus wichtige Relativierung des Verhältnisses zwischen Leistung und Lohn liegt in dem für die cyprianische Paränese wesentlichen Gedanken, dass es für die Belohnung Gottes letztlich nicht auf die tatsächlich vollzogene Tat, sondern entscheidend auf die innere Bereitschaft dazu ankommt. So gibt Cyprian karthagischen Konfessoren angesichts ausbleibender Martyrien während der decischen Verfolgung244 zu verstehen, mit ihrem unversehrten Willen und ruhmreichen Gewissen stünden sie vollendeten Märtyrern in nichts nach, sehe doch Christus, der Erforscher von Herz und Nieren, ins Geheime und Verborgene, und sein Zeugnis allein genüge, um von ihm den (Märtyrer-) Kranz zu erlangen.245 Christen, die angesichts einer in Karthago grassierenden Pestepidemie klagen, der Pesttod bringe sie um die Ehre des Martyriums, antwortet er demgemäß, Gott, der das Innere und Verborgene des Menschen kenne und erforsche, werde einen jeden gemäß der Bereitschaft seiner uirtus belohnen. Wer sich innerlich auf Bekenntnis und Martyrium eingestellt habe, dessen Seele werde vom göttlichen Richter bekränzt; Gott verlange nicht nach dem Blut der Christen – das hatte Tertullian behauptet! –, sondern nach ihrem Glauben.246 Cyprian kann deshalb sagen, der zum Martyrium vorbereitete Glaube erhalte von Gott seinen Lohn unabhängig von den Zeitumständen: „In der Verfolgung wird der Kriegsdienst bekränzt, im Frieden das Gewissen“.247 Das heißt: weil Gott das Innere des Menschen, sein Herz und Gewissen, kennt und ihn danach richtet, kommt es auf den Vollzug der Tat letztlich nicht an. Cyprian beurteilt von hier aus auch die Flucht in einer Verfolgungssituation deutlich anders als Tertullian: Hatte dieser das Recht zur Flucht verneint,248 so ist die Flucht für Cyprian ein nicht-öffentlicher Bekenntnisakt, der sich mit Gott als seinem Richter begnügt.249

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244 Vgl. dazu Sage, Cyprian, 189f, demzufolge sich regelrechte Hinrichtungen während dieser Verfolgung im Westen kaum nachweisen lassen, sowie Selinger, Religionspolitik, 129–140. 245 So ep 10,5,1;99–106 mit einer Anspielung auf Apk 2,23 (ο ε ραυνω^ ν νεφρου` ς και` καρδι' ας); zur cyprianischen Rezeption dieses Textes vgl. Fahey, 540f). Vgl. ebenso ep 55,9,2;154–156 sowie ep 12,1,2;14–3;30 und dazu Clarke I, 249 Anm. 8, und von Campenhausen, Idee, 136–139. 246 Mort 17;283–296; vgl. Z. 277–281. Mit der Aussage: nec enim sanguinem deus nostrum sed fidem quaerit (Z. 296) grenzt Cyprian sich implizit von Tertullian ab, der auf die kritische Anfrage gnostischer Martyriumsgegner (Scorp 1,8) antwortet: sanguinem hominis deus concupiscit? et tamen ausim dicere, si et homo regnum dei [...] (Scorp 6,11;158,19–21). Zu dieser charakteristischen theologischen Differenz vgl. ausführlich Bähnk, Notwendigkeit, 289–315. 247 In persecutione militia, in pace conscientia coronatur (Fort 13;39–42, Zitat Z. 41f). 248 Vgl. Tertullians Schrift De fuga in persecutione; ähnlich schon ux 1,3,4. 249 Vgl. bes. laps 3;54–56, ferner Fort 12;41–46 sowie ep 58,4,2;89–98. Diese Aussagen sind auch als eine implizite Rechtfertigung seines eigenen Verhaltens während der decischen Verfolgung zu verstehen. Gülzow, Cyprian, 61–64, beurteilt diese Abweichung von Tertullian kritisch; anders Bakhuizen van den Brink, Cyprianus, 14–18, und Butterweck, „Martyriumssucht“, 181f.

2. Zur theologischen Struktur der Lohn- und Gerichtsvorstellung

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Entsprechendes gilt freilich auch für die Leugnung des Glaubens: Nicht erst der vollzogene Abfall, sondern schon die innere Bereitschaft dazu ist eine Verfehlung, die der Bereinigung bedarf. Beispielhaft verhalten sich für Cyprian deshalb Christen, die den Bischöfen ihr belastetes Gewissen eingestehen250 und bekennen, dass sie während der Verfolgung erwogen hatten, dem Edikt des Decius zu folgen, käme es doch einer Verhöhnung Gottes gleich, so zu tun, als bliebe der Bereich des Nicht-Öffentlichen, der menschlichen Überlegungen und Planungen, seinem richterlichen Urteil entzogen.251 Eben dies wirft Cyprian den sog. libellatici vor: Die Täuschung der Behörden durch die Beschaffung eines Opferlibellus ohne tatsächlichen Vollzug des Opfers deutet er als vergeblichen Versuch, dem richtenden Gott zu entgehen, der freilich schon die noch im Herzen verborgenen Gedanken und Absichten der Menschen wahrnehme und nicht nur über ihre Taten, sondern auch über ihre Worte und Gedanken richte; auch die bloß behauptete Glaubensleugnung beflecke das Gewissen.252 Im Kontext der Bußtheologie betont Cyprian, eine Täuschung der Bischöfe durch die lapsi sei zwar möglich, aber zwecklos, da Gott das Geheime und Verborgene des menschlichen Herzens kenne und die bischöfliche Entscheidung notfalls revidieren werde.253 Es ist also das Innere des Menschen, das „Gewissen“, das für Cyprian ins Zentrum der göttlichen Beurteilung menschlichen (Fehl-) Verhaltens rückt. Dass Gott kein menschliches Tun verborgen ist, heißt für ihn daher auch und vor allem, dass auch das Innere des Menschen Gott nicht entzogen ist.254 Gott nimmt deshalb nicht nur das im Verborgenen stattfindende Gebet wahr, es bedarf beim Beten auch nicht vieler Worte, da Gott „ein Hörer nicht der Stimme, sondern des Herzens“ ist und derjenige, „der die Gedanken schaut“, nicht mit Geschrei ermahnt werden muss.255 Der Vorrang des Willens bzw. der inneren Einstellung gegenüber der äußeren Tat wird auch in Bezug auf das Almosengeben betont.256 Biblisches exemplum dazu ist die Witwe aus Lk 21,1– 4par, die ihr letztes Geld in den Opferkasten wirft: Christus „beurteilt ihr Werk ____________

250 Die Wendung exomologesin conscientiae facere (Z. 551f) entspricht formal genau der Wendung exomologesim (!) delicti facere (ep 15,1,2;25f), meint also das Bekenntnis, dass ihr Gewissen belastet ist; vgl. dazu auch Hübner, Kirchenbuße, 184f, und Bévenot, ACW 25, 93 Anm. 142. 251 Laps 28;548–557; Cyprian zitiert dazu in Z. 554 Gal 6,7: deus non deridetur. 252 Laps 27;526–547; vgl. auch Fort 11;208–212, wo in Auslegung von 2Makk 6,24 Eleasar als Gegenbild zu den libellatici gezeichnet wird: Er sieht nicht auf König Antiochus, sondern auf Gott, den Richter des Gewissens. 253 Vgl. bes. ep 55,18,1;292–297 und ep 57,3,3;74–77. Wer wie Novatian den Versuch unternimmt, eine reine Kirche herzustellen, maßt sich demzufolge eine Rolle an, die allein Gott zukommt (ep 55,26,1;463f). 254 Vgl. Quir 3,56, wo sich drei der sechs angeführten Texte (1Sam 16,7; Apk 2,23 und Ps 18,13) auf diese Thematik beziehen. 255 [...] quia deus non uocis sed cordis auditor est, nec admonendus est clamoribus qui cogitationes uidet [...] (orat 4;43–5;72, Zitate Z. 56–58); Cyprian nimmt hier paraphrasierend auf Mt 6,6a.7 Bezug und führt zur Begründung weitere Bibelstellen an. 256 Vgl. Quir 3,2tit: In opere et elemosynis (sic), etiamsi per mediocritatem minus fiat, ipsam uoluntatem satis esse; als einziges Zitat dazu wird 2Kor 8,12f angeführt.

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Zukunftserwartung als Motivierung christlichen Handelns

der Barmherzigkeit nicht nach ihrem Vermögen, sondern nach ihrem Sinn (animus), und betrachtet nicht, wie viel, sondern von wie viel sie gegeben hat“.257 Cyprian zieht aus der biblischen Vorstellung, dass Gott auch das Herz des Menschen, seine verborgenen Gedanken und Absichten kennt, in radikaler Weise die Konsequenz, dass im Gericht Gottes nicht nur vollzogene Werke, sondern auch Intentionen beurteilt werden. Weil der göttliche Richter Gedanken und Absichten des Menschen noch vor ihrer Verwirklichung kennt, kommt es für den himmlischen Lohn auf den auch von äußeren Umständen abhängigen tatsächlichen Vollzug nicht mehr entscheidend an. Entscheidend für das Urteil Gottes ist das Innere des Menschen, sein Gewissen (conscientia), sein Wille oder animus.258 Der Lohngedanke wird damit in der Konsequenz weitgehend von äußeren Leistungen gelöst. Trotz dieser starken Tendenz zur Verinnerlichung bleibt die cyprianische Paränese freilich ganz und gar tatbezogen. Die innere Bereitschaft etwa zum Martyrium zielt auf das entsprechende äußere Tun, sie ist identisch mit dem Willen zur Tat und daher, sofern möglich, auch zu vollziehen. Gibt es jedoch aufgrund äußerer Umstände keine Gelegenheit dazu, wird die Gesinnung auch ohne entsprechende Tat belohnt.259 Allerdings tangiert diese Konzeption auch den Charakter des geforderten Tuns: Eine Flucht in Verfolgungszeiten erscheint als Bekenntnis im Verborgenen, eine vorgetäuschte Opferung als heimliche Leugnung. Eine sozusagen reine Innerlichkeit, die sich direkt auf Gott bezieht, ohne sich ins Tun zu entäußern, wird lediglich im Blick auf das Gebet angedeutet.260 Auch wenn es demnach keineswegs zu einer Lösung der inneren Gesinnung vom äußeren Tun kommt, erfährt dieses doch eine fundamentale Relativierung: Was von äußeren Umständen abhängig ist, kann keine höchste Gültigkeit beanspruchen. Mit der geschilderten Ausrichtung des göttlichen Urteils auf das Innere des Menschen kann Cyprian sich auf biblische Aussagen berufen, und er tut es wiederholt. Der Gedanke, dass Gott des Menschen „Herz und Nieren prüft“, ist biblisch sprichwörtlich,261 und die Vorstellung, dass er den Menschen auch in seinem Innersten kennt und erforscht, kommt etwa in Ps 139 deutlich zum Ausdruck.262 Dass es für Gott nicht auf das Äußere eines Menschen, sondern auf sein Herz ankommt – verstanden allerdings als sein „Tatzentrum“263 –, wird in

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257 [...] non de patrimonio sed de animo opus eius examinans et considerans non quantum sed ex quanto dedisset [...] (op 15;287–307, Zitat Z. 291f). 258 Dass Cyprian die Argumentation von Jungfrauen, die den Besuch gemischter Bäder mit ihrer reinen Gesinnung rechtfertigen, zurückweist (habit 19;201,3–14), erscheint von hier aus als inkonsequent. Zum Hintergrund der cyprianischen Polemik vgl. Schöllgen, Balnea mixta, hier bes. S. 188f. 259 Vgl. dazu auch von Campenhausen, Idee, 138. 260 Ansatzweise zeichnet sich auch die Entwicklung der Vorstellung einer von der äußeren Situation unabhängigen Martyriumsgesinnung ab. 261 Vgl. neben Apk 2,23 noch Ps 7,10; Jer 11,20 und 17,10, und dazu etwa Mounce, NIC 27, 105, sowie Charles, ICC 18/1, 72f, der die entsprechenden Belege zusammenstellt. 262 Vgl. dazu Kraus, BK XV/2, 1096f, und Seybold, HAT I/15, 515f. 263 Vgl. Pedersen, Israel, 104, sowie Preuß, Theologie, 119f.

2. Zur theologischen Struktur der Lohn- und Gerichtsvorstellung

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1Sam 16,7 an prominenter Stelle betont; neutestamentlich ist etwa an die Auseinandersetzungen über Reinheitsfragen zu denken.264 Entsprechende Tendenzen finden sich freilich auch in der griechisch-römischen Tradition. Das gilt vor allem für die stoische Theorie, der zufolge es für die Tugend allein auf die Intention eines Menschen, seinen animus, nicht auf den äußeren Erfolg ankommt.265 Der Wert menschlicher Handlungen „ne réside pas dans le contenu de l’acte (qui est, en soi, indifférent), mais dans l’intention qui l’anime, le jugement de sage qui est à l’origine“.266 Cicero kann darum von den Stoikern sagen: in animo reponunt omnia.267 So hat auch der cyprianische Gedanke, Werke der Barmherzigkeit seien nicht nach dem Besitz, sondern nach der Gesinnung (animus) bzw. dem Willen (uoluntas) des Gebers zu beurteilen, eine nahe Entsprechung bei Seneca.268 Auffällig ist zudem, wie sehr in Abschnitten wie mort 17 und laps 27f die Begriffe animus und conscientia ins Zentrum rücken. Hier dürfte der pagane Einfluss von größerem Gewicht sein als der biblische, auch wenn Cyprian gerade diesen Gedanken durchgängig mit einer Vielzahl biblischer Zitate begründet. Der philosophische Gedanke, das Gewissen sei der eigentliche Richter des Menschen,269 wird von Cyprian freilich theologisch reformuliert, wenn er Gott als conscientiae iudex bezeichnet.270 Die cyprianische Zukunftserwartung ist über weite Strecken durch traditionell neutestamentliche bzw. frühchristliche Vorstellungen bestimmt. Dies gilt im wesentlichen auch für die Konzeption eines tendenziell proportionalen Verhältnisses zwischen menschlichem Tun oder Erdulden und zukünftiger Belohnung bzw. Strafe. Auffällig ist jedoch eine starke Tendenz zur Verinnerlichung, die sich offenbar auch stoischem Einfluss verdankt. Entscheidend für den göttlichen Lohn ist Cyprian zufolge zuerst und vor allem die innere Bereitschaft, ____________

264 Vgl. dazu besonders Mk 7,1–23par, ferner Lk 11,37–42 u.ö. 265 Vgl. Gauthier, Magnanimité, 122f, Forschner, Die stoische Ethik, 164–168.176–178, sowie P. Hadot, Die innere Burg, 268–277. Zu beachten ist, wie Nussbaum, Therapy, 362, betont, „that when the Stoics deny all value to items other than virtue they are including here all the items to whose presence or absence contingencies of the external world can make a difference“. Dazu gehörten nicht nur äußere Güter wie Reichtum o.ä., sondern auch bestimmte Formen tugendhaften Handelns, zu denen es nur unter bestimmten Umständen Gelegenheit gebe. 266 Grimal, Sénèque, 1982; Grimal betont, dass diese – von Seneca neu herausgestellte – Auffassung in strenger Weise die altstoische Adiaphoralehre zur Geltung bringe (ebd., 1983; vgl. S. 1978f). Hi. Cancik, Untersuchungen, 115–137, sieht in der senecanischen Konzeption der „Innerlichkeit“ eine besonders radikale Akzentuierung der stoischen Lehre. 267 Tusc 5,119 (458,8 Pohlenz); vgl. dazu Forschner, Theoria, 179, sowie Nussbaum, Therapy, 364–366. 268 Vgl. Seneca ep 81,5f: [...] quoniam animo et beneficia et iniuriae constant [...] nec quantum sit sed a quali profectum uoluntate perpenditur (265,4–8 Reynolds); die Formulierung Cyprians in op 15 (zitiert oben Anm. 257) könnte durch diese Stelle angeregt sein. 269 Vgl. dazu Chadwick, Gewissen, 1036–1060, und Mayer, Conscientia, 1219f. Für Seneca ist conscientia „almost his watchword“ (J.M. Rist, Seneca, 2012); vgl. auch Hi. Cancik, Untersuchungen, 128f, sowie Kap. 1 Anm. 107. 270 Fort 11;211f.

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Zukunftserwartung als Motivierung christlichen Handelns

weniger das äußere Tun. Eine Weiterentwicklung des biblischen Lohngedankens hin zu einer „Verdiensttheologie“, wie besonders Wirth sie nachzuweisen versucht hat, ist nicht festzustellen. Die Vorstellung, menschliches Handeln könne einen Rechtsanspruch auf göttlichen Lohn begründen, ist Cyprian fremd. Niemand hat Anlass, sich seiner Taten zu rühmen; zuletzt und zuhöchst belohnt Gott doch nur, was er selbst gegeben hat.271 Außer Zweifel steht freilich, dass Cyprian den Lohngedanken, wie er für die neutestamentliche bzw. frühchristliche Literatur weithin kennzeichnend ist, nicht grundsätzlich durchbricht oder aufhebt. Eine Motivierung christlichen Handelns mit der Gottes- bzw. Christusbeziehung des Christen begegnet zwar durchaus, gewinnt aber nicht entfernt dasselbe Gewicht wie die Hoffnung auf zukünftige Belohnung. Die für die griechisch-römische, insbesondere stoische philosophische Tradition charakteristische Vorstellung, die uirtus habe ihren Lohn in sich selbst272 und das Wissen um die eigene Verfehlung sei die größte Strafe,273 findet bei Cyprian keinen Widerhall.274 Ist der (stoische) Weise sich selbst genug, so befindet sich der cyprianische Christ von vornherein in einem Gottesverhältnis, das zutiefst durch Gebot und Gehorsam, Belohnung und Bestrafung bestimmt ist. Cyprian unterscheidet sich damit sozusagen auf beiden Seiten grundlegend von stoischen Vorstellungen: Die christliche uirtus verdankt sich nicht sich selbst, sondern göttlicher Gnade,275 und sie genügt sich nicht selbst,276 sondern ist auf die Belohnung Gottes aus. Ist der Stoiker in jeder Hinsicht auf sein inneres Selbst bezogen, so ist der cyprianische Christ durchgängig Gott-bezogen; der Lohngedanke ist Ausdruck dieses Gottesbezugs.277

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271 Vgl. dazu auch Barbalato, La dottrina, 36f. 272 Vgl. etwa Cicero Rep 6,8: [...] quamquam sapientibus conscientia ipsa factorum egregiorum amplissimum uirtutis est praemium [...] (124,4–6 Ziegler; vgl. aber die Fortsetzung und dazu Eisenhut, Virtus Romana, 66f Anm. 167, sowie ebd., 109f), sowie Seneca ep 81,19: [...] quod uirtutum omnium pretium in ipsis est. non enim exercentur ad praemium: recte facti fecisse merces est (268,16–18 Reynolds). Der Gedanke begegnet bereits bei Plato Pol 612b–d; Gorg 500a und dann besonders in der Stoa, die die antisthenische Lehre von der Autarkie der Tugend (vgl. Diogenes Laertius VI,11) systematisch entfaltet; vgl. dazu Forschner, Die stoische Ethik, 212–226, bes. S. 212–216. Zu Chrysipp vgl. SVF III, 39; eine Zusammenstellung von zahlreichen Belegen aus Seneca bietet Oltramare, Les origines, 277 (th.48). Eine kurze Ausführung des Themas findet sich bei Cicero leg 1,48f. Vgl. ferner Horaz ep 1,16,52–54 u.ö. sowie die Zusammenstellung von Belegen bei Hauser, Lohn, 503f. 273 Auch dieser Gedanke begegnet andeutungsweise bereits bei Plato Gorg 469b (ausgeführt 469b–479a), dann in der Stoa – hier besonders häufig bei Seneca (vgl. dial 5,26,2: maxima est enim factae iniuriae poena fecisse [116,5f Reynolds], und dazu Bellincioni, Potere ed etica 89; ep 97,14f u.ö.) –, ferner bei Cicero nat deor 3,85 (für uirtus und uitia ist das Gewicht der conscientia selbst auch ohne irgendeine göttliche Heimsuchung schwerwiegend genug), Juvenal sat 13,1–4 u.a. Zur verbreiteten Vorstellung der Gewissensqualen vgl. Chadwick, Gewissen, 1035.1038f u.ö. 274 Vgl. dazu auch Morgenstern, Cyprian, 40f.46. 275 Vgl. dazu ausführlich Kap. 7. 276 Cicero fin 2,44–47 wird das honestum als dasjenige definiert, das unabhängig von jedem Nutzen, Lohn oder Gewinn lobenswert und daher allein um seiner selbst willen zu erstreben ist. 277 Vgl. zu dieser Thematik auch Bornkamm, Lohngedanke, 73f.

Kapitel 9: Paränese als vom Bischof ausgeübte ecclesiastica disciplina

Das Schreiben und Handeln Cyprians ist zutiefst von dem Bewusstsein geprägt, als Bischof seiner Gemeinde (und Inhaber des maßgeblichen Bischofssitzes in Nordafrika) zu agieren. Seine Paränese ist damit eingebettet in einen institutionellen Kontext, der nicht ausgeblendet werden darf, soll ihre theologische Struktur angemessen wahrgenommen werden; erst von hier aus gewinnt sie ihren spezifischen Charakter.1 Gelegentlich wird diese allgegenwärtige, aber häufig unausgesprochene Voraussetzung ausdrücklich thematisiert, etwa wenn sich Cyprian auf seine Stellung als Bischof beruft, um seinen Ermahnungen und Zurechtweisungen Autorität zu verleihen, oder wenn er Entscheidungen mit der Verantwortung der Bischöfe für das Heil der ihnen anvertrauten Gemeindeglieder begründet. Drei grundlegende Aspekte sind hier wahrzunehmen: die biblischen Gebote und Weisungen, auf die sich Cyprian in seiner Paränese beruft, sind nicht einfach nur einzelne biblische Gebote für einzelne Christen, sie konstituieren vielmehr in ihrer Gesamtheit die disciplina einer secta, das heißt die Verhaltensnorm bzw. -form einer religiösen Gruppierung; sie werden zur ecclesiastica disciplina.2 Als disciplina der christlichen secta sind Auslegung und Einhaltung der biblischen Gebote nicht in das Belieben des einzelnen gestellt, sie fallen vielmehr in die Zuständigkeit des Bischofs (und des Klerus). Er hat die Aufgabe, seine Gemeinde in den Geboten des Herrn zu unterweisen, sie zu ihrer Beobachtung anzuhalten, sie auf schwierige Situationen vorzubereiten und die Einhaltung der Gebote nötigenfalls mit bischöflicher Gewalt durchzusetzen. Der Bischof gewinnt damit eine wesentliche Funktion für den Weg der Christen ‚vom Heil zum Heil‘. Dieser besonderen Aufgabe des Bischofs korrespondiert eine ausgeprägte Amtstheologie, die in der Deutung des Bischofsamtes als Priesteramt ihr Zentrum hat. Es ist der Priester Gottes, der in der Gemeinde die disciplina ausübt. Amt und Befugnisse des Bischofs werden von Cyprian direkt ____________

1 An diesem Punkt trifft sich die Paränese mit der Ekklesiologie, die unbestritten im Zentrum der Theologie Cyprians steht und im Bischofsamt ihren „Dreh- und Angelpunkt“ hat (J. Rist, Cyprian, 264). Es ist ein Aspekt, an dem sich seine Paränese von derjenigen Tertullians, der offenbar Laie war (vgl. cast 7,3;16: nonne et laici sacerdotes sumus? und dazu Barnes, Tertullian, 11 mit Anm. 4; ebenso von Campenhausen, Kirchliches Amt, 250, anders R. Braun, Un nouveau Tertullien, 73f), fundamental unterscheidet. 2 Eine adäquate deutsche Wiedergabe des cyprianischen Begriffs disciplina ist kaum möglich; der Begriff bleibt hier daher in der Regel unübersetzt. Der erste Abschnitt dieses Kapitels arbeitet die verschiedenen Dimensionen des Begriffs bei Cyprian heraus.

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Paränese als vom Bischof ausgeübte ecclesiastica disciplina

auf biblische Gebote zurückgeführt; die Missachtung bischöflicher Zuständigkeitsbereiche und Anweisungen erscheint daher als Angriff auf das Gebot Gottes.

1. Ecclesiastica disciplina Der Begriff disciplina, von Tertullian zu einem Zentralbegriff der lateinischchristlichen Theologie gemacht,3 spielt auch für die cyprianische Paränese eine wichtige Rolle.4 Anders als Tertullian verwendet Cyprian den Begriff disciplina fast ausschließlich „in a religious sense“5 und bis auf eine Ausnahme immer im Singular; der für Tertullian wichtige Bedeutungsbereich „Lehre, Wissenschaft etc.“ fällt nahezu vollständig weg.6 Die Bedeutung des Begriffs für Cyprian erhellt exemplarisch aus der praefatio zu Ad Quirinum 3, wo die in dieser Schrift in Form eines Auszugs (breuiarium) aus den biblischen Geboten zusammengestellten christlichen Verhaltensgrundsätze als „einige Kapitel, die sich auf die gottesfürchtige disciplina unserer Gemeinschaft beziehen“, bezeichnet werden.7 Disciplina steht hier als Oberbegriff für das christliche Verhalten bzw. die entsprechenden Verhaltensnormen8 – der Begriff disciplina kann grundsätzlich ____________

3 Zur Verwendung des Begriffs disciplina bei Tertullian vgl. Mauch, Begriff, 92–101, Morel, Le développement (mit problematischer These), ders., Le mot, Cardman, Tertullian, sowie Uglione, „Regula – disciplina“. 4 Zum Begriff disciplina bei Cyprian vgl. bes. Mauch, Begriff, 101–105, Seagraves, Pascentes, 177–203, und Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 74–79, zur Bedeutung der Thematik Hinchcliff, Cyprian, 40.48, sowie Pereira Lamelas, Una domus, 334–337. Seagraves übernimmt für Cyprian ohne nähere Begründung das von Morel, Le mot, für Tertullian entwickelte Gliederungsschema (vgl. ebd., 180), was zu etlichen Fehlinterpretationen führt; vgl. kritisch zu Seagraves auch Hoffmann, a.a.O. 5 Seagraves, Pascentes, 179. 6 Vgl. zu Tertullian Morel, Le mot, 9–11.14–27, allgemein dazu Mauch, Begriff, 22–46. Die von Seagraves, Pascentes, 180–184, unter der Überschrift „Disciplina as Instruction“ zusammengestellten Belege sind m.E. durchgängig anders zu interpretieren, auch wenn einzuräumen ist, dass die Zuordnung im einzelnen schwierig bleibt (vgl. ThLL V/1, 1322,47–49, und Morel, Le mot, 13f). Im Sinne von „Kunstfertigkeit“ ist der Begriff disciplina lediglich in Don 7;131 gebraucht. Eine Übersicht über die Verteilung der Belege zu disciplina in den cyprianischen Schriften bietet Seagraves, Pascentes, 316f (für Quir 3,66 wird ein Beleg zu viel genannt, die Belege in orat 15 und 28 fehlen); auffällig ist das Übergewicht der Briefbelege. 7 [...] quaedam capitula ad religiosam sectae nostrae disciplinam pertinentia (Quir 3 pr.;8–14, Zitat Z. 5f). Es ist eine Kurzfassung (conpendium [sic]; vgl. Blaise s.v. 2: „sommaire, abrégé“), die dem Gedächtnis entgegenkommen soll. Vgl. orat 28;521–524, wo es bezogen auf neutestamentliche Gebotszusammenfassungen (zitiert werden in Z. 524–535 das Doppelgebot der Liebe, die Goldene Regel sowie Joh 17,3) heißt, Christus habe damit ein grande compendium (sic) seiner Gebote formuliert, ut in disciplina caelesti discentium memoria non laboraret, sed quod esset simplici fidei necessarium uelociter disceret. Cyprian lässt hier das Wortspiel disciplina – discere anklingen (vgl. dazu Mauch, Begriff, 28; etymologisch ist disciplina von discipulus > „dis-cipio (geistig auffassen)“ abzuleiten [Morel, Disciplina, 1213]). Vgl. zu diesem Passus auch Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 75. 8 Ähnlich Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 76f. Hübner, Kirchenbuße, 59, deutet den Begriff disciplina hier zu Unrecht auf „die christliche Lehre in ihrer Gesamtheit, alles, was Christus gelehrt hat“; ähnlich Seagraves, Pascentes, 182.

1. Ecclesiastica disciplina

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beides bezeichnen,9 und es ist im Einzelfall des öfteren schwer zu entscheiden, ob die Norm oder das normentsprechende Verhalten gemeint ist. Ihre Kennzeichnung als religiosa disciplina deutet ihre Begründung im Gottesverhältnis der Christen an. Charakteristisch ist, dass Cyprian von der disciplina der christlichen secta spricht: Es handelt sich für ihn nicht um eine gewissermaßen freischwebende normative Größe, sondern konkret um das (geforderte) Verhalten der Christen als einer institutionell verfassten Gruppe.10 Erinnert der Begriff secta an die Bezeichnung von Philosophenschulen,11 so deutet die sonstige Verwendungsweise des Begriffs disciplina bei Cyprian eher in eine andere Richtung. Wenn es etwa heißt, wer als Neugetaufter durch die himmlische militia für das Heerlager des Geistes rekrutiert worden sei, der müsse mit frommen Kräften die unverdorbene, nüchterne disciplina festhalten,12 so klingt die Konzeption einer christlichen disciplina militaris an. Es ist der charakteristisch römische Begriff der disciplina im Sinne von „Zucht“, wie er insbesondere als disciplina domestica und disciplina militaris Gestalt gewinnt,13 der das cyprianische Verständnis der disciplina als Verhaltensnorm und -form der christlichen Kirche prägt.14

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9 Vgl. Morel, Disciplina, 1227f: Disciplina wird von christlichen Autoren „gern im Sinne von göttlichen, sittlichen oder kirchlichen Geboten, entweder einzeln oder in ihrer Gesamtheit“, verwendet, bezeichnet aber ebenso „die mit dem Sittengesetz u[nd] der Kirchenzucht im Einklang stehende Lebensweise“, wo „(m)eist [...] das Verhalten eines Menschen in seiner Gesamtheit“ gemeint ist. Vgl. auch Mauch, Begriff, 96, und Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 133f. 10 Nach pat 1;7–12 wird die christliche secta durch die „Wege der himmlischen disciplina“ (disciplinae caelestis uias) – gemeint sind die praecepta dominica – auf das Erreichen der gottgegebenen Belohnungen hin ausgerichtet (secta ist hier mit Conway, pat, 63, u.a. als Bezeichnung der Christen zu verstehen; anders Molager, Don/pat, 183: „la manière de faire“). Als Bezeichnung der christlichen Religionsgemeinschaft begegnet der Begriff secta bei Cyprian noch in ep 27,3,2;56f (vgl. dazu auch Watson, Style, 257, und Bayard, Le latin, 176); in ep 39,5,1;80–82 dagegen steht secta parallel zu conuersatio, meint also die Lebensweise. Zu den verschiedenen Bedeutungsaspekten des Begriffs vgl. OLD s.v., zu seiner christlichen Verwendung Blaise s.v. 11 Vgl. Koch, CU, 324f, mit Belegen aus Apuleius – dieser lässt in Met 4,18,1 (118,26f Helm), offenbar in ironisierender Anspielung auf (popular-) philosophischen Sprachgebrauch, Räuber ex disciplina sectae handeln! – sowie Clarke, Oct, 179f Anm. 32. Zur disciplina philosophischer Schulen vgl. Morel, Disciplina, 1215f, zur christlichen Übernahme dieses Sprachgebrauchs ebd., 1222. Marrou, „Doctrina“, 10f, betont die praktische Ausrichtung der disciplina eines Philosophen, die (im Unterschied zu doctrina) dasjenige in seiner Lehre bezeichne, was sich auf die „action“ richte, „la pratique: règles morales, attitude prescrite à l’égard de la vie“. 12 Don 15;302–304. 13 Vgl. dazu Mauch, Begriff, 46–79, und Neumann, Disciplina militaris, 142–144. 14 Explizit militärische Konnotationen hat der Begriff disciplina etwa noch in ep 15,1,1;4–10. Das in laps 5;89f anklingende Motiv, die lange „Friedenszeit“ (pax longa) habe zum Niedergang der disciplina geführt, erinnert an entsprechende Bemerkungen römischer Historiker; vgl. Mauch, Begriff, 53.62f, und bes. Lo Cicero, La persecuzione, 91–93, wo die cyprianische Verknüpfung biblischer und paganer Motive überzeugend herausgearbeitet wird. Eine charakteristisch römische Tönung zeigt sich auch in der Verbindung der disciplina mit Begriffen wie censura, uigor, seueritas usw. Dass der christliche disciplina-Begriff nicht allein aus der militärischen Terminologie abzuleiten ist, betont Morel, Le mot, 13, gegen von Harnack, Militia Christi, 41, mit Recht. Pereira Lamelas, Una domus, 335f, betont einseitig die disciplina domestica.

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Paränese als vom Bischof ausgeübte ecclesiastica disciplina

Diesem Verständnis der disciplina korrespondiert die häufige Verwendung des Ausdrucks ecclesiastica disciplina.15 Zwar bezeichnet dieser Ausdruck, anders als gelegentlich in der Sekundärliteratur suggeriert, keineswegs einen eigenen Bereich kirchlicher Verhaltensnormen, Ordnungen o.ä., die als solche von den biblischen Geboten zu unterscheiden wären;16 gegen solche spezifizierende Einschränkungen spricht schon, dass ecclesiastica disciplina nicht selten im Wechsel mit anderen Gebotsbegriffen wie diuina praecepta oder lex euangelii steht17 und in parallelen Ausführungen das Adjektiv bald hinzugefügt, bald weggelassen oder durch ein anderes Attribut ersetzt werden kann.18 Das häufige Auftreten dieses Ausdrucks signalisiert jedoch einen veränderten Charakter der biblischen Gebote: Sie werden nicht nur als Gebote der christlichen Gemeinschaft betrachtet, sondern gewinnen als solche auch den verpflichtenden Charakter, den die disciplina im römischen Kontext hat, und fallen damit zugleich in die Zuständigkeit des die disciplina ausübenden Vorstehers der Gemeinschaft.19 Die grundlegende Bedeutung der ecclesiastica disciplina für die Zugehörigkeit zur Kirche kommt prägnant in der – auf den karthagischen Schismatiker Novatus bezogenen20 – Aussage zum Ausdruck, diejenigen, „die weder durch ihren tätigen Lebenswandel noch durch ihr friedfertiges Verhalten die göttliche, kirchliche disciplina festgehalten“ hätten, könnten auch „nicht in der Kirche Gottes bleiben“.21 Cyprian erläutert den Begriff disciplina hier in Entsprechung zu dem Ausdruck ecclesia dei mit den Adjektiven deifica und ecclesiastica; die Adjektive sind demgemäß nicht additiv, sondern explikativ aufzufassen. Es geht um die gottgegebene disciplina – als Inbegriff der Gebote Gottes –, die in der Kirche Gottes zu beobachten ist, nicht um göttliche und kirchliche Verhaltensregeln;22 Bezugspunkt sind der tätige Lebenswandel (actus conuersatio) und das ____________

15 Die Belege sind: ep 4,1,2;14–16; ep 14,2,2;37f; ep 19,1;7–9; ep 20,2,3;37f; ep 38,1,3;23f; ep 43,2,1;26–28; ep 52,2,4;60–62; ep 59,1,1;3–5; 59,3,1;63–65; ep 73,14,2;229–231; habit 8;193,26–28; in ep 15,3,2;55f steht gleichbedeutend ecclesiae disciplina. Darüber hinaus findet sich einmal der Ausdruck ecclesiastica praecepta (Quir 3,66tit); lex steht nie in einer solchen Verbindung. Während Tertullian bei insgesamt 319 Belegen zu disciplina (Morel, Le mot, 6) diese Ausdrucksweise nur dreimal verwendet (zweimal ecclesiastica disciplina [uirg 9,1; res 48,2], einmal ecclesiae disciplina [ux 1,7,4]), begegnet sie bei Cyprian bei insgesamt 104 Belegen zwölfmal. 16 Vgl. etwa Seeberg, Lehrbuch I, 651 u.ö., sowie Seagraves, Pascentes, 194–198, der fast alle Belege zu ecclesiastica disciplina der Rubrik „Church Laws and Precepts“, das heißt für ihn: „precepts issued by the authority in the Church“ (S. 194), zuordnet. Diese Bedeutung hat der Ausdruck bei Cyprian an keiner Stelle. 17 Vgl. etwa ep 4,1,2–2,1 und ep 20,2,2f. 18 Vgl. etwa ep 20,2,3;36–38 mit ep 17,2,1;30; 17,3,2;46f, und dazu Hübner, Kirchenbuße, 60. 19 Vgl. dazu Dürig, Disciplina, 274–277, sowie ausführlich unten 2. 20 Zu Novatus vgl. Clarke I, 266–268 Anm. 32, und II, 288–293. 21 Nec remanere in ecclesia dei possunt qui deificam et ecclesiasticam disciplinam nec actus sui conuersatione nec morum pace tenuerunt (ep 52,2,4;60–62); deificam ist hier gleichbedeutend mit diuinam (vgl. Bayard, Le latin, 41 Anm. 1), actus ein gen. inhaerentiae (vgl. LHS §54 Zusatz b). 22 Dies wird auch durch die Fortsetzung (ep 52,2,5;62–67) bestätigt, in der es um gravierende Verstöße gegen klare biblische Gebote geht.

1. Ecclesiastica disciplina

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Verhalten (mores) in ihrer Gesamtheit.23 Wer diese disciplina nicht einhält, wird früher oder später auch die Kirche verlassen, gehören doch die Kirche Gottes und die in ihr zu praktizierende disciplina untrennbar zusammen.24 Umgekehrt gilt für Cyprian im Anschluss an 2Thess 3,6b das Gebot, sich von dem zurückzuziehen, „der unordentlich und im Widerspruch zur disciplina lebt“;25 auch von Seiten der Kirche ist hier demnach eine Trennung zu vollziehen. Dieselbe 2Thess 3,6b entlehnte Formulierung verwendet Cyprian in einer interpretierenden Paraphrase von Phil 1,18, fügt hier aber das Adjektiv ecclesiastica hinzu und stellt diesem Ausdruck die Junktur euangelica ueritas gegenüber: Paulus spreche hier „über Brüder, die entweder unordentlich und im Widerspruch zur kirchlichen disciplina wandeln oder in Gottesfurcht die evangelische Wahrheit bewahren“.26 Ein der kirchlichen disciplina konformer Lebenswandel ist demnach gleichbedeutend mit der gottesfürchtigen Bewahrung der evangelischen Wahrheit.27 Da die ecclesiastica disciplina, wie gesehen, göttlichen Ursprungs ist, kann sie auch disciplina dei oder deifica disciplina genannt werden.28 Lehrer (magister) dieser disciplina und Vorbild einer entsprechenden Lebensweise ist Christus.29 Die göttliche Unterweisung zielt auf einen Lebenswandel der Christen, in dem die gottgegebene disciplina Gott dem Vater entspricht30 und so dazu

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23 Eine entsprechende Verbindung der Begriffe disciplina, conuersatio und mores findet sich in ep 4,3,3;65–68, mores und disciplina stehen auch in ep 28,2,1;19–29 bezogen auf die biblischen Gebote zusammen; vgl. noch ep 45,3,1;64f. Zu der Wendung in moribus disciplina s.u. Mores und disciplina gehören auch im römischen Kontext zusammen; vgl. Mauch, Begriff, 51–62 passim. 24 Vgl. auch die sachlich korrespondierende Ausführung in ep 52,4,2;84–89 (nur derjenige kann zugrunde gehen, qui plantatus non est praeceptis dei patris et monitis [Z. 86f]) sowie ep 13,2,2;30f (recedente ab his disciplina dominica recessit et gratia). 25 Recedendum ab eo qui inordinate et contra disciplinam uiuat (Quir 3,68tit); Cyprian ersetzt im Titel die Wendung non secundum traditionem aus 2Thess 3,6b durch contra disciplinam, fasst also den Begriff traditio im Sinne paränetischer Unterweisung auf (vgl. Trilling, EKK XIV, 144f, der παρα' δοσις in 2Thess 3,6 auf das Gesamt der von Paulus überlieferten Verhaltensmaßstäbe deutet); ebenso Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 77, anders Morel, Disciplina, 1229. Neben 2Thess 3,6 zitiert Cyprian hier noch Ps 49,18. In unit 23;553–556 und ep 59,20,2;562–566 wird mit 2Thess 3,6b die Trennung von Schismatikern begründet. 26 Loquebatur de fratribus siue inordinate et contra ecclesiasticam disciplinam ambulantibus siue euangelicam ueritatem de dei timore seruantibus (ep 73,14,2;229–231). Cyprian wendet sich damit gegen eine Deutung des ersten Versteils (siue per occasionem) auf „Häretiker“ (vgl. ep 73,14,1;222– 226); bei Paulus lautet das Gegenüber mit einer „geläufige(n) Formel populärer Bildungsvorträge“ (Lohmeyer, KEK IX/1, 47) προφα' σει – α ληθει' α, . Die (bisher offenbar übersehene) Bezugnahme auf 2Thess 3,6b wird durch Quir 3,68 sichergestellt. 27 Der Begriff euangelium erscheint bei Cyprian wiederholt als verhaltensbezogene Norm; vgl. etwa ep 15,3,1;44; ep 27,1,1;12f; 27,2,1;26f u.ö. 28 Die Verbindungen disciplina dei und deifica disciplina finden sich je dreimal. – In habit 2; 189,4–6 werden Gotteserkenntnis und Kenntnis der disciplina dei nahezu gleichgesetzt. 29 Ep 11,5,1;88f; demgemäß findet sich viermal die Junktur disciplina domini, dreimal disciplina dominica. 30 Zel 15;271f; vgl. dazu Kap. 4.1. In habit 1;187,2–6 erscheint disciplinam sectari als Inbegriff der geforderten „vie baptismale“.

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führt, dass der Name Gottes unter den Heiden gepriesen wird.31 Die gottesfürchtige, wahrhaftige disciplina kann Cyprian zufolge nur dann Bestand haben, wenn das durch den Geist Gebotene treu gewahrt wird.32 Um die von Gott gebotene, auf ihn bezogene disciplina geht es nun aber in der Kirche: „Die disciplina Gottes muss in den kirchlichen Geboten beobachtet werden.“33 Der nur hier begegnende Ausdruck ecclesiastica praecepta deutet darauf hin, dass die Wahrung der disciplina Gottes eine Aufgabe der Kirche ist. Dies wird durch das erste der dazu angeführten fünf Bibelzitate,34 Jer 3,15, bestätigt, das nach cyprianischem Verständnis die entsprechende Aufgabe der Bischöfe benennt.35 Die Beobachtung der disciplina Gottes durch die kirchlichen praecepta ist demnach offenbar so vorzustellen, dass die Bischöfe für die Einhaltung der Gebote Gottes Sorge zu tragen haben. Dass die disciplina der christlichen Gemeinde zuerst und vor allem in die Zuständigkeit des Bischofs fällt, unterstreicht auch der Anfang der Schrift De habitu uirginum.36 Demgemäß weist Cyprian wiederholt darauf hin, dass er als Bischof für die Einhaltung der disciplina Sorge getragen hat,37 und er weist den karthagischen Klerus an, während seiner fluchtbedingten Abwesenheit diese Aufgabe zu übernehmen.38 Gemeint ist damit das Eintreten für eine den Geboten Gottes konforme Lebensweise der Gemeinde(glieder).39 Zur Verantwortlichkeit für die disciplina gehört auch, dass Bischöfe und Kleriker selbst mehr noch als die übrigen Christen die disciplina festhalten, da sie „den übrigen mit ihrem Lebenswandel und ihrem Verhalten ein Beispiel und Vorbild geben sollen“.40 Da die gesunde disciplina, biblischer Ankündigung entsprechend, verachtet wird,41 ____________

31 Vgl. ep 13,3,2;40f. 32 Ep 63,15,1;283f. Häretikern und Schismatikern die Fähigkeit zu wirksamer Taufe zu konzedieren käme für ihn einer Preisgabe der disciplina gleich (ep 74,8,3;158f). 33 Disciplinam dei in ecclesiasticis praeceptis obseruandam (Quir 3,66tit). 34 Die Zitate sind Jer 3,15; Prov 3,11f; Ps 2,12; 49,16f und Sap 3,11; ihre Zusammenstellung orientiert sich am Stichwort disciplina. In Jer 3,15 gibt disciplina ε πιστη' μη wieder, in allen übrigen Zitaten παιδει' α. Zur Verwendung des Begriffs disciplina als Übersetzung von παιδει' α und ε πιστη' μη in der Vulgata vgl. Morel, Disciplina, 1223f. 35 Ebenso Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 77; Näheres dazu s.u. 2.1. 36 Vgl. habit 1;187,2–2;188,5, außerdem ep 4,1,2;12–2,1;26 und dazu ausführlich unten 2.1. Nach ep 73,22,3;411f müssen die Bischöfe zurückkehrende Schismatiker disciplinis caelestibus – gemeint ist offenbar die Gesamtheit der christlichen Gebote – für das Himmelreich erziehen (erudire). 37 Vgl. bes. ep 59,6,1;161f, wo er seine bischöfliche Tätigkeit vor Ausbruch der decischen Verfolgung mit der Formulierung in quiete seruiens disciplinae umschreibt (der Bezugspunkt von quies ergibt sich durch die Gegenüberstellung zu in tempestate proscriptus); vgl. dazu auch Clarke III, 245 Anm. 28. 38 Vgl. ep 5,1,1;7–9. 39 Ähnlich Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 180, zu ep 20,1,1;6f und ep 27,1,1;4f 40 [...] qui exemplum et documentum ceteris de conuersatione et moribus suis praebeant (ep 4,3,3;65–68). Vgl. dazu auch ep 55,7,3;107–111; ep 45,3,1;64 sowie die Belege bei von Campenhausen, Kirchliches Amt, 299 Anm. 4. 41 Praedictum quod disciplinam sanam aspernaturi essent (Quir 3,67tit). Einziger Belegtext ist 2Tim 4,3f, wo freilich der von Hartel und Weber gebotene Text dem überlieferten neutestamentlichen Wortlaut (η υ γιαι' νουσα διδασκαλι' α) entsprechend sanam doctrinam lautet (Z. 4). Obgleich dies die

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bedarf es zu ihrer Durchsetzung der Strenge. Die ecclesiastica disciplina muss sich daher nötigenfalls mit der sacerdotalis censura verbinden,42 gehört doch die Durchsetzung der disciplina gegen Abweichungen und Gegnerschaft zur unerlässlichen Pflicht des Bischofs.43 Von hier aus kann auch der Begriff disciplina selbst die Bedeutung von „Strenge“ oder „Striktheit“ gewinnen.44 Gelegentlich bezeichnet er auch, dem biblischen ‫ מוסר‬entsprechend, die von Gott geübte Züchtigung.45 Besonders häufig begegnet der Begriff (ecclesiastica) disciplina in der cyprianischen Korrespondenz während der decischen Verfolgung, wobei es v.a. um das Verhalten der Konfessoren und um den Modus der Wiederaufnahme der Gefallenen geht. Von den Konfessoren erwartet Cyprian eine ihrem in der Bekenntnissituation erworbenen Ruhm entsprechende bewundernswerte, gebotsgetreue Lebensweise.46 Da nicht alle Konfessoren diesen Erwartungen gerecht werden,47 sind sie vom karthagischen Klerus darin zu unterweisen, „was die kirchliche disciplina gemäß der Unterweisung der Schriften dringend fordert, ____________

erheblich stärker bezeugte Lesart ist, dürfte hier die von einigen MSS (V Q M) vertretene v.l. sanam disciplinam vorzuziehen und doctrinam als sekundäre Angleichung an den bekannten Bibeltext zu beurteilen sein. Die VL verzeichnet diese Lesart nicht, ebenso wenig Nestle-Aland27 z.St. 42 Vgl. ep 59,1,1;4f und 59,3,1;63–65, wo der römische Bischof Cornelius zu einem strikten Vorgehen gegen die Umtriebe karthagischer Schismatiker und zur Unerschütterlichkeit gegenüber Beleidigungen und Drohungen ermutigt wird (vgl. ep 59,1,1–3,1 insgesamt). Zu censura im Sinne von seueritas vgl. ThLL III, 806,10–49, sowie Fredouille, Dem, 194. 43 Vgl. auch ep 20,2,3;32–36: Weil einige karthagische Kleriker sich nicht an die disciplina gehalten haben, ist Cyprian mit dem sacerdotii uigor gegen sie vorgegangen. 44 Vgl. ep 43,3,2;55–57 (über die lapsi soll cum disciplina pariter et misericordia geurteilt werden – in ep 68,1,2;16–19 ist stattdessen von censura uigoris und clementia die Rede); ep 55,3,2;33–35 (disciplina et censura parallel zu euangelicus uigor); ep 59,9,2;230–232 (disciplina zur Bezeichnung eines strengen Vorgehens gegen Schismatiker); ep 27,4;78f (disciplina robusta legis dominicae neben euangelii plenus uigor); ep 76,1,3;35 (in disciplinae seueritate censura als Teil guter bischöflicher Haltung) sowie ep 34,1;4–6 (der karthagische Klerus hat mit seiner Exkommunikation des Presbyters Gaius integre et cum disciplina, das heißt „mit der gebotenen Strenge“, gehandelt – in ep 4,4,1;71–73 steht, sachlich gleichbedeutend, cum uigore; anders hier Mauch, Begriff, 104 Anm. 5: „gemäß der Kirchenzucht“). Zu diesem Bedeutungsaspekt von disciplina vgl. Mauch, Begriff, 48f, und Marrou, „Doctrina“, 23, zur entsprechenden Verwendung von uigor bei Cyprian Daniélou, Les origines, 349– 355, hier bes. S. 353f. 45 Vgl. ep 11,7,3;144f (auf die in der decischen Verfolgung bestehende disciplina wird [bald] die uenia folgen – zur Deutung der Verfolgung als eine Züchtigung der Christen vgl. Kap. 5.1.3) sowie Dem 7;126–131 (die auf den Zorn Gottes zurückzuführenden Katastrophen dienen entweder der disciplina contumacium [„Züchtigung der Halsstarrigen“, begründet mit Zitaten von Jer 3,30a und 5,3b] oder der poena malorum; vgl. dazu auch Gallicet, Dem, 190). Zu diesem biblisch geprägten Bedeutungsaspekt von disciplina in der christlichen Literatur vgl. Marrou, „Doctrina“, 21–25, und Morel, Disciplina, 1223.1226f. 46 [...] (ut) qui admirati fuerant prius in uirtutibus gloriam nunc admirentur in moribus disciplinam (ep 13,6;99f); vgl. ep 14,2,2;40 sowie ep 15,1,1;5–7. 47 Vgl. ep 13,4,1–5,2; ep 14,3,2;63–72 und dazu Clarke I, 266 Anm. 29–31. Als Strafe für die hier angedeuteten Verfehlungen der Konfessoren deutet Cyprian die in einer zweiten Phase der decischen Verfolgung in Karthago eingesetzten Foltern (vgl. ep 11,1,3;21–30 und dazu Clarke I, 241 Anm. 9). Der Konflikt um Friedenslibelli und Wiederaufnahme der lapsi ist hier noch kein Thema (so mit Recht Duquenne, Chronologie, 68; anders Bobertz, Cyprian, 150–161).

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(nämlich) dass sie demütig, maßvoll und ruhig sein müssen“.48 Die Forderung der kirchlichen disciplina wird hier mit einem impliziten, freien Zitat von Jes 66,2b zum Ausdruck gebracht,49 m.a.W.: eine biblisch begründete Weisung wird als Forderung der ecclesiastica disciplina eingeführt.50 Dies dürfte mit der besonderen kirchlichen Stellung und der damit einhergehenden Vorbildfunktion der Konfessoren zu tun haben,51 ist aber zugleich ein Hinweis auf den inneren Zusammenhang zwischen kirchlicher disciplina und göttlichen Geboten.52 Der Konfessor Aurelius, der sich Cyprian zufolge durch herausragende Tapferkeit in zweifachem Bekenntnis53 und zurückhaltendes, demütiges Verhalten ausgezeichnet hat, kann den anderen „in Bezug auf die kirchliche disciplina“ als Beispiel dienen, „wie die Knechte Gottes im Bekenntnis durch ihre Tapferkeit siegen, nach dem Bekenntnis aber durch ihr Verhalten herausragen“ sollten.54 Die Einfügung des sowohl sachlich wie syntaktisch entbehrlichen Ausdrucks ecclesiastica disciplina55 unterstreicht den kirchlichen Charakter der Vorbildfunktion des Aurelius: Es geht in beiden Aspekten, der Tapferkeit und dem bescheiden-maßvollen Verhalten, um das von den Christen als Gemeinschaft geforderte Verhalten.56 In ähnlicher Weise sagt Cyprian von römischen Konfessoren, die ihre karthagischen Mitbekenner nachdrücklich zur Einhaltung der biblischen Gebote ermahnt haben, zu ihrem Ruhm als erste Konfessoren der Verfolgung sei damit das strikte Festhalten der disciplina57 sowie die Unterweisung (anderer) im rechten Verhalten (morum magisteria)58 hinzugekommen.59 Der Begriff (ecclesiastica) disciplina wird in den angeführten Texten als Oberbegriff für die Gesamtheit der biblischen Weisungen bzw. das diesen ent____________

48 [...] quid secundum scripturarum magisterium ecclesiastica disciplina deposcat, humiles et modestos et quietos esse debere (ep 14,2,2;36–39). 49 In ep 13, dem zeitgleichen Brief an die Konfessoren selbst, wird Jes 66,2b textnah paraphrasiert (ep 13,3,1;34–36); vgl. dazu Kap. 2.3.2 mit Anm. 170. 50 In ep 13,3,1;34 wird die Textparaphrase als uox dei eingeleitet. 51 Vgl. ep 13,3,1;36–38: die Konfessoren sind für die übrigen zum exemplum geworden, ad quorum mores omnium uita et actus debeat prouocari, ferner ep 15,1,1;7–10 sowie unit 21;504–508. 52 Dass es hier speziell um die Anerkennung der Prärogative des Bischofs ginge, wie Bobertz, Cyprian, 158, annimmt, wird durch den Kontext in keiner Weise nahegelegt. 53 Er wurde zuerst verbannt, danach gefoltert; vgl. ep 38,1,2;10–19. 54 [...] qui ad ecclesiasticam disciplinam ceteris esset exemplo, quomodo serui dei in confessione uirtutibus uincerent, post confessionem moribus eminerent (ep 38,1,3;19–25, Zitat Z. 23–25; zu ad im Sinne von „in Bezug auf“ vgl. Bayard, Le latin, 139). Vgl. ähnlich ep 39,4,3;72–5,1;87 zu Aurelius und Celerinus. 55 Cyprian verwendet sonst die Konstruktion alicui exemplo esse (laps 2;22; 6;108); die Angabe eines Bezugspunktes mit ad wirkt angesichts des folgenden quomodo-Satzes überladen. 56 Nach ep 39,5,1;80–87 bietet das vorbildliche Verhalten der Konfessoren Aurelius und Celerinus den übrigen ein magisterium disciplinae, und auch hier wird die kirchliche Funktion ihres Vorbilds betont. Es ist daher nur konsequent, dass Cyprian beide Konfessoren zu Klerikern ernennt; zur Funktion von ep 38f vgl. Bobertz, Patronal Letters, sowie Clarke II, 183 Anm. 11. 57 Der Ausdruck disciplinae tenor findet sich auch bei Tertullian pud 9,8;32f. 58 Gemeint ist hier, wie der Kontext zeigt, die Ermahnung zur Einhaltung der biblischen Gebote und Weisungen, nicht ein von den Geboten unterschiedener Bereich kirchlicher „Sitte“ o.ä. 59 Ep 28,2,1;19–29; vgl. noch ep 28,2,4;46–48 sowie ep 37,4;281–285 und unit 22;534–537.

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sprechende Verhalten verwendet; er kann demgemäß im Wechsel mit (anderen) Gebotstermini erscheinen.60 Der konkrete Bezugspunkt ist von der jeweiligen Situation abhängig und variiert daher. Der Partei des Felicissimus61 wirft Cyprian vor, sie hätten einige Konfessoren dazu angestachelt, „dass sie weder die Eintracht mit ihrem Bischof wahrten noch den Geboten des Herrn gemäß62 mit Treue (Glauben) und Ruhe die kirchliche disciplina festhielten, damit sie nicht den Ruhm ihres Bekenntnisses durch unverderbten, unbefleckten Lebenswandel bewahrten“.63

Das angedeutete Fehlverhalten der genannten Konfessoren bezieht sich hier, wie die Fortsetzung des Briefes zeigt, in erster Linie auf die Wiederaufnahme von lapsi unter Umgehung des üblich gewordenen Bußverfahrens.64 Während in ep 14,2,2 die kirchliche disciplina nichts anderes als die Einhaltung der Gebote Gottes fordert, so erscheint hier umgekehrt das Festhalten der kirchlichen disciplina als eine Forderung der Gebote des Herrn. Bezugspunkt ist das kirchlich geordnete, dem Bischof unterstehende Verfahren des paenitentiam agere, das Cyprian als direkte Anwendung entsprechender biblischer Gebote versteht.65 Ansatzweise ist hier demnach eine Verselbständigung der (ecclesiastica) disciplina zu einer eigenständigen Größe zu erkennen. Beides, die ansatzweise Verselbständigung einer kirchlichen Ordnung und ihre bleibende Bindung an die Gebote Gottes, ist in der cyprianischen Diskussion der lapsi-Problematik wiederholt zu erkennen. Die Norm, gegen die Cyprian zufolge die von einigen karthagischen Presbytern vollzogene Wiederaufnahme Gefallener ohne Absolvierung des kirchlichen Bußverfahrens, allein aufgrund der durch Märtyrer und Konfessoren ausgestellten sog. Friedenslibelli, verstößt, kann variierend bald als ecclesiastica disciplina, ecclesiae disciplina oder disciplinae ordo,66 bald aber auch als disciplina domini, euangelica disci-

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60 Vgl. dazu exemplarisch unten Anm. 191 sowie Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 77–79. 61 Zu Felicissimus und seiner Partei vgl. Clarke II, 211, und bes. Wischmeyer, Golgatha, 183– 190. 62 Die Präposition iuxta findet sich bei Cyprian zweimal „avec le sens figuré, d’après, secundum“ (Bayard, Le latin, 141); der zweite Beleg ist ep 55,27,3;508. 63 [...] ne concordarent cum episcopo suo nec ecclesiasticam disciplinam cum fide et quiete iuxta praecepta dominica continerent, ne confessionis suae gloriam incorrupta et inmaculata conuersatione seruarent (ep 43,2,1;24–29). 64 Vgl. bes. ep 43,3,2;45–59 sowie die Literaturhinweise in Kap. 3 Anm. 109. 65 Wesentlich sind für ihn neben der Forderung des paenitentiam agere als solchem (Apk 2,5 u.ö.) die in Fasten, Weinen, Wehklagen usw. zum Ausdruck kommende tätige Reue (Joel 2,12–13a; Jes 30,15 u.a.) sowie die Anerkennung der Zuständigkeit des Bischofs (Mt 16,18f). Zur biblischen Begründung des kirchlichen Bußverfahrens bei Cyprian vgl. auch Kap. 6.2.3 Anm. 131. 66 Neben der eben angeführten Stelle vgl. ep 20,2,3;36–38 (Bezugspunkt ist die Ermahnung zur Einhaltung des dreigliedrigen kirchlichen Bußverfahrens in ep 17,2,1;24–31), ep 15,2,3;54–56 (bezogen auf eine verantwortungsbewusste Ausstellung der Friedenslibelli [vgl. bes. 15,3,1;46–52 und 15,4; 70–73], gleichbedeutend mit domini mandata in Z. 52–54) bzw. ep 16,2,3;34–37.

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plina67 oder auch praecepta domini o.ä.68 bezeichnet werden. Der Mahnung Cyprians, das Problem der lapsi solle nach seiner Rückkehr secundum domini disciplinam verhandelt werden,69 korrespondiert der Entschluss des karthagischen Klerus, Entscheidungen in der lapsi-Frage bis zu seiner Rückkehr zu vertagen, damit sie dann gemeinsam „über alle Arten (sc. von Verfehlungen) gemäß der kirchlichen disciplina verhandeln könnten“.70 Auch wenn es Cyprian hier in erster Linie um die Beobachtung des regulären dreigliedrigen Bußverfahrens einschließlich der besonderen Stellung des Bischofs geht, so ist seine variierende Ausdrucksweise ein deutlicher Hinweis darauf, dass es sich für ihn dabei noch nicht um eine verselbständigte kirchliche Ordnung, sondern um die Einhaltung der Gebote Gottes handelt;71 mit der umstandslosen Gleichsetzung des kirchlichen Bußverfahrens mit entsprechenden biblischen Geboten ist freilich der Weg dorthin angebahnt. Der Begriff disciplina wird des öfteren für bestimmte Einzelanweisungen oder Gebote verwendet,72 die Junktur ecclesiastica disciplina einmal.73 Gelegentlich bezeichnet disciplina so etwas wie die „Sittsamkeit“ oder „Züchtigkeit“ christlichen Handelns, sei es bezogen auf das Gebet,74 sei es bezogen auf das

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67 Vgl. ep 17,2,1;25–31 bzw. ep 43,3,2;50–52; absolut steht disciplina in diesem Sinne in ep 20,2,3;33–35. 68 Das Übergehen des kirchlichen Bußverfahrens wird in ep 15–20 häufig als Angriff auf die Gebote des Herrn charakterisiert. Zur Frage der Friedenslibelli bei Cyprian vgl. ausführlich Müller, Bussinstitution, 10–44, ferner etwa Hummel, Concept, 156–161. 69 Ep 17,3,2;44–48; auf rasche Wiederaufnahme drängende lapsi sind secundum diuina praecepta zu mäßigen (ep 17,3,1;37–43). 70 [...] ut quando in unum per eius misericordiam uenerimus de omnibus speciebus secundum ecclesiasticam disciplinam tractare possimus (ep 19,1;4–9, Zitat Z. 7–9). 71 Es dürfte daher eine Verengung sein, den Ausdruck ecclesiastica disciplina in ep 19,1;8 auf „regular and traditional institutional practices“ zu deuten, wie Clarke I, 301 Anm. 4, es tut. Tatsächlich steht ja nach der Rückkehr Cyprians das Vorgehen in der lapsi-Frage keineswegs schon von vornherein fest, sondern wird erst nach ausführlicher Abwägung biblischer Gebote bestimmt; vgl. dazu bes. ep 55,6,1;77–90. 72 Vgl. ep 63,11,1;190f (im Abendmahlskelch nur Wasser darzubringen, ist ein Verstoß gegen die euangelica et apostolica disciplina; vgl. auch ep 63,18,1;323–333); mort 11;168–183 (Verbot des Murrens); ep 67,9,1;184–2;198 (Verbot der Kirchengemeinschaft mit gefallenen Bischöfen). – In ep 2,1,2;8f dürfte euangelica disciplina im Sinne von euangelicus uigor zu verstehen sein, da ein neutestamentliches Verbot der Schauspielerei fehlt. – In ep 55,23,2;399f und Dem 11;203f ist für den Ausdruck innocentiae disciplina die Möglichkeit einer rein pleonastischen Genetivverbindung (innocentiae disciplina = innocentia) zu erwägen; anders Mauch, Begriff, 105. 73 Vgl. habit 8;193,24ff (der einzige Beleg für diese Junktur in den Traktaten); die Stelle ist möglicherweise durch Tertullian uirg 9,1 (disciplinae ecclesiasticae praescripta) angeregt. Anders als dieser führt Cyprian damit jedoch keine kirchlichen Vorschriften ein, sondern paraphrasiert das vorangehende Zitat von 1Petr 3,3–4a zu Kleidung und Schmuck von Frauen. 74 Vgl. orat 4;39–43 (cum disciplina zu beten heißt: ruhig und schamhaft, mit Gott wohlgefälliger Stimme und Körperhaltung) und Z. 52–56 (von uerecundia und disciplina geprägtes Gemeindegebet kann kein lautes Durcheinander sein). Disciplina meint hier „l’esprit du discipline ou de docilité et de modestie“ (Bayard, Le latin, 195; vgl. ebenso Réveillaud, orat, 136, sowie Watson, Style, 275). Ebenso dürfte disciplina auch in ep 19,2,2;25–29 zu verstehen sein; in orat 26;497–500 und Quir 3, 94tit steht in entsprechendem Zusammenhang die Wendung cum timore et honore (dei).

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von einem Konfessor in Nachahmung Christi geforderte Verhalten.75 Im Sinne von „Zucht“ ist der Begriff disciplina in der dreimal in Reihungen begegnenden Wendung in moribus disciplina zu verstehen, die einmal in profanem Kontext steht, zweimal dagegen als christliches Ideal erscheint.76 Disciplina ist hier als eine Qualifikation der mores aufzufassen;77 das Fehlen der in moribus disciplina wird in Dem 3 und laps 6 als ein Aspekt des allgemeinen Niedergangs der Moral beklagt. Cyprian rezipiert damit eine traditionelle römische Vorstellung,78 auch wenn der konkrete Bezugspunkt – dort die traditionellen römischen Sitten, hier die biblisch gebotenen Verhaltensweisen79 – wechselt. Cyprian kann den Begriff disciplina als eine Art Oberbegriff für die christliche Paränese bzw. das von ihr geforderte Verhalten verwenden, und er unterstreicht wiederholt die grundlegende Bedeutung der disciplina. Kennzeichnend für seine Verwendung des Begriffs ist der Bezug auf die Christen als Gemeinschaft. Der Begriff signalisiert damit, dass die cyprianische Paränese das Tun und Verhalten des einzelnen stets im Kontext der Kirche als einer wohlorganisierten Gemeinschaft sieht. Diese wiederum bedarf einer für alle verbindlichen, strikten disciplina, soll jeder einzelne das Ziel erreichen. Als verbindliche Norm der Kirche fällt die disciplina in die Zuständigkeit des Bischofs, der für ihre Einhaltung Sorge zu tragen hat.80 Es ist dieser besondere Charakter der disciplina, der in ihrer vergleichsweise häufigen Bezeichnung als ecclesiastica disciplina zum Ausdruck kommt. Cyprian scheint sich damit an der römischen Vorstellung der disciplina militaris bzw. disciplina domestica zu orientieren, weniger an der einer philosophischen secta. Daneben begegnen auch andere Bedeutungsaspekte wie „Strenge, Striktheit“, gelegentlich auch „Züchtigung“, „Züchtigkeit, Sittsamkeit“ und „Zucht“. Mit dem Begriff disciplina hält somit ein charakteristisch römisches Element in die christliche Paränese Einzug. Ohne dass damit die Verhaltensforderungen selbst einer inhaltlichen Veränderung unterworfen würden, kommen sie in einem neuen, römisch geprägten Horizont zu stehen.

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75 Der Konfessor soll demütig, ruhig und in seinem Handeln cum disciplina modestus, das heißt offenbar „züchtig und gemäßigt“ o.ä. sein (unit 21;506–508). – Wenn in pat 20;395 von der patientia u.a. gesagt wird: disciplinam regit, so ist vom Kontext her wohl daran zu denken, dass sie zu christlicher Sittsamkeit anhält. 76 Vgl. Dem 3;53–55 bzw. orat 15;271–273 und laps 6;98–100; zu ep 13,6;99f s.o. 77 Dies zeigt etwa die Reihung in orat 15;271–273: humilitas in conuersatione, stabilitas in fide, uerecundia in uerbis, in factis iustitia, in operibus misericordia, in moribus disciplina, wo die Nominative durchgängig als qualitative Bestimmungen aufzufassen sind. 78 Die Wendung selbst scheint in der erhaltenen paganen Literatur nicht belegt zu sein. Gallicets, Dem, 167f, Versuch, in Dem 3;53–55 eine sowohl römisch-stoische als auch spezifisch christliche Prägung des Begriffs disciplina nachzuweisen, überzeugt nicht. Im Kontext kann es sich nur um ein paganes Ideal handeln, und als paganer Begriff ist disciplina keineswegs primär stoisch geprägt. 79 Cyprian verwendet den römischen Begriff mos häufig, in der Regel im Plural, bezieht ihn aber, wie etwa ep 28,2,1;19–28 zeigt, auf das biblisch Gebotene. 80 Vgl. dazu ausführlicher den nächsten Abschnitt.

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2. Die Ausübung der disciplina durch den Bischof Der disciplina als „Führerin auf dem Weg zum Heil“ und den „zum Heil“ gegebenen Geboten des Herrn kommt in der Paränese Cyprians, wie in Kap. 2 gezeigt, eine zentrale Funktion zu.81 Freilich können disciplina und Gebote diese Funktion nach seinem Verständnis nicht aus sich selbst heraus erfüllen, sie bedürfen vielmehr der Auslegung, Applikation und Durchsetzung durch den Bischof. Cyprian kann diese bischöfliche Aufgabe als ein ad salutem consulere, ein „fürsorgliches Raten zum Heil“ charakterisieren,82 das eine ganze Bandbreite von Tätigkeiten umfasst: von der Auslegung und Einprägung der biblischen Gebote über ihre nachdrückliche, nötigenfalls durch Androhung bzw. Einsatz von Machtmitteln vollzogene Durchsetzung bis hin zur Ausübung der Bindeund Lösegewalt. Auch wenn der Bischof nicht selbst Wegweiser und Gebotsgeber ist – Cyprian unterscheidet dezidiert zwischen menschlichen consilia und göttlichen praecepta83 –, erfüllt er damit im Rahmen der cyprianischen Konzeption der Paränese eine zentrale, unverzichtbare Rolle.84 2.1 Singulis ad salutem suam consulere: Aufgabe und Funktion der vom Bischof ausgeübten disciplina Dass die disciplina keine sozusagen selbsttätige Größe ist, sondern vom Bischof gehandhabt und ausgeübt wird, tritt im Eingangskapitel der Schrift De habitu uirginum deutlich heraus. Cyprian lässt hier nach einem kurzen, dichten Hymnus auf die disciplina85 eine Reihe von fünf Schriftzitaten zum Stichwort disciplina folgen,86 deren Gefälle auf die beiden letzten, durch einen interpretierenden Zwischentext besonders hervorgehobenen Zitate zielt. Das vorletzte Zitat, Prov 3,11–12a,87 kommentiert Cyprian mit den Worten:

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81 Vgl. habit 1;187,2f bzw. pat 5;83f und dazu Kap. 2.3.1. 82 Zur Wiedergabe von consulere s.u. 2.1. 83 Vgl. bes. ep 67,1,2;23f ([...] non tam nostra consilia quam diuina praecepta respondent), ferner ep 65,3,1;52f; ep 15,1,2;14f; ep 17,3,1;37f sowie ep 20,2,2;31f, und dazu auch Kap. 6.2.3. Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 88, stellt mit Recht fest: Die Kirche „rezipiert, bewahrt, führt aus, aber sie schafft nach Cyprians Auffassung nicht ihrerseits neues Recht“. 84 Vgl. ebenso Hoffmann, ebd.: „Der Kirche kommt unter diesen Voraussetzungen (sc. dass sie nicht selbst die Quelle ihres Rechts ist) die Aufgabe zu, die Weisungen der Schrift aufzunehmen, auf die konkreten Probleme anzuwenden und hier für die Beachtung und Verwirklichung der göttlichen Ordnung zu sorgen“ (vgl. S. 88–92 insgesamt). Cyprian zufolge wird diese kirchliche Aufgabe in aller Regel vom Bischof wahrgenommen. 85 Vgl. habit 1;187,2–6 und dazu Kap. 2.3.1. 86 Vgl. 187,6–188,5; es sind dieselben Zitate wie in Quir 3,66 (s.o. Anm. 34), wobei aber Prov 3,11f und Jer 3,15 aus Gründen des Argumentationsgangs ans Ende gerückt sind. 87 Fili, ne neglexeris disciplinam dei (LXX: παιδει' α κυρι' ου) nec defeceris ab eo correptus (LXX: ε λεγχο' μενος), quem enim diligit deus corripit (LXX: παιδευ' ει; 187,14–16).

2. Die Ausübung der disciplina durch den Bischof

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„Wenn aber Gott den zurechtweist, den er liebt, und zurechtweist, um zu bessern,88 dann hassen auch die Brüder und insbesondere die Priester diejenigen nicht, die sie zurechtweisen, um sie zu bessern, sondern lieben sie“.89

Eben dies ist Cyprian zufolge in Jer 3,15 im Blick auf die Zeit der Kirche angekündigt worden: „Und ich werde euch Hirten geben nach meinem Herzen, und sie werden euch mit disciplina weiden“.90 Als Hirten des neuen Bundes91 kommt den Bischöfen – hier wie häufig bei Cyprian als Priester bezeichnet92 – die Aufgabe zu, ihre Gemeinde zu einem Leben in Übereinstimmung mit der disciplina anzuhalten.93 Der Lobpreis auf die disciplina, mit dem das Kapitel beginnt, mündet so in eine Beschreibung der disciplina-bezogenen Aufgabe der Bischöfe. „Führerin auf dem Weg zum Heil“ ist die disciplina, sofern sie vom Bischof ausgeübt wird; umgekehrt erscheint die von diesem wahrgenommene disciplina als in höchstem Maße heilsam und notwendig. Konkretisiert wird das bischöfliche pascere cum disciplina ausgehend von Prov 3,11f als ein Zurechtweisen (corripere), das auf Besserung (emendare) zielt. Dass dieses, wie Cyprian andeutet, als Ausdruck von Feindseligkeit missverstanden werden könnte, ist ein Hinweis auf die damit verbundene Strenge. Die Erwähnung der Mitchristen in diesem Zusammenhang zeigt, dass die bischöfliche Zuständigkeit für die disciplina nicht exklusiv zu verstehen ist.94 Bezogen auf die Adressatinnen der Schrift bestimmt Cyprian seine Aufgabe als Bischof näher, indem er in einer doppelten Gegenüberstellung deutlich macht, worin die paränetische Unterweisung der Jungfrauen kraft seines Amtes begründet sein könnte und worin sie demgegenüber tatsächlich begründet ist:95 ____________

88 Vgl. zu dieser Paraphrase von Prov 3,12a auch ep 55,22,4;387: punientis (sc. dei) ut corrigat et cum correxerit reseruantis. 89 Si autem deus quem diligit corripit et corripit ut (cj. Vahlen) emendet, fratres quoque et maxime sacerdotes non oderunt sed diligunt eos quos corripiunt ut emendent [...] (187,16–188,2). 90 [...] quando et deus per Hieremiam ante praedixerit et tempora nostra significauerit dicens: Et dabo uobis pastores secundum cor meum, et pascent uos pascentes cum disciplina (μετ ε πιστη' μης; 188,2–5). 91 In Quir 1,14 wird die heilsgeschichtliche Aussage: Quod pastores ueteres cessaturi essent et noui inciperent (1,14tit), bezogen auf die „neuen“ Hirten, mit Jer 3,15 begründet (Z. 7f; das nachfolgende Zitat ist offenbar interpoliert [s. App. z.St.]). 92 Zu sacerdos als meistgebrauchtem Bischofstitel bei Cyprian s.u. 3.2. 93 So versteht Cyprian das pascentes cum disciplina aus Jer 3,15; in der LXX dürfte die Wendung ποιμαι' νοντες μετ ε πιστη' μης dagegen als kundige Wahrnehmung des Hirtenamtes zu deuten sein. 94 Vgl. ebenso ep 4,2,1;22–26 (s.u.); ep 17,3,1;37f u.ö., wo Cyprian die Gemeinde an ihre Mitverantwortung für die disciplina erinnert. 95 Habit 3;189,18–22; vgl. die ausführliche captatio beneuolentiae in Z. 11–18. In der herausragenden kirchlichen Stellung der Jungfrauen (vgl. dazu noch habit 21;202,14–19; 24;205,4f) dürfte es begründet sein, dass Cyprian sich gerade ihnen gegenüber genötigt fühlt, seine bischöfliche Aufgabe zu begründen und zu erklären. Vgl. auch die Demutsbezeugung in Z. 19f (quo extremi et minimi et humilitatis nostrae admodum conscii) und dazu Keenan, habit, 94f.13. Vergleichbar ist die Begründung der Ermahnung der kirchlich ebenfalls hochrangigen Märtyrer und Konfessoren in ep 15,1,1;4f mit der im (Bischofs-) Amt begründeten Fürsorge (sollicitudo loci nostri); vgl. dazu Gallicet, laps/ unit/ep, 89 Anm. 3.

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Er könnte ihnen mit bischöflicher Autorität (potestas) gegenübertreten und ‚zensorische‘ Vollmacht in Anspruch nehmen.96 Der Bischof hat demnach, der Sittenaufsicht des römischen Zensors vergleichbar, die Aufsicht über die disciplina der Gemeinde und verfügt über die Vollmacht, bestimmte Verhaltensweisen einzufordern bzw. zu unterbinden,97 nötigenfalls mit Hilfe der ihm zu Gebote stehenden Zwangsmaßnahmen.98 Obgleich Cyprian diese Amtsvollmacht nach eigener Auskunft hier nicht in Anspruch nehmen will, dienen die Andeutungen zweifellos dazu, die ihm kraft Amtes zukommende Autorität in Fragen der disciplina herauszustellen. Statt sich auf seine bischöfliche Vollmacht zu berufen, begründet Cyprian seine Paränese hier zunächst mit seiner Zuneigung (affectus) zu den uirgines. Es ist ein väterlicher affectus,99 der als solcher ebenfalls Ausdruck seiner bischöflichen Stellung ist.100 Darüber hinaus ist sein Handeln im Wissen um die Gefährlichkeit der allezeit drohenden Angriffe des Widersachers begründet, die es ihm zur Aufgabe macht, mit fürsorglicher Besorgnis101 die Gemeinde und speziell die solchen Angriffen offenbar in besonderem Maße ausgesetzten Jungfrauen dagegen zu wappnen.102 Positiv wird die Aufgabe des Bischofs als ein ad salutis uiam consulere und als Bewahrung der lebendigmachenden Gebote des Herrn charakterisiert, das darauf zielt, dass die Jungfrauen ihr Werk vollenden können.103 Diese Aufgabenbestimmung entspricht der Beschreibung des Handelns Christi, der mit heilsamen Ermahnungen und göttlichen Geboten „seinem Volk fürsorglich zum Heil rät“.104 Hier wie dort geht es um ein auf das (ewige) Heil zielendes Handeln, und beide Male spielen die Gebote dabei eine wesentliche Rolle. Während Christus durch seine Gebote seinem Volk fürsorglichen Rat zum Heil gibt, besteht das ad salutis uiam consulere des Bischofs darin, die Gemeinde – hier ____________

96 [...] nec [...] aliquid ad censuram licentiae uindicemus (189,19–21); licentia ist im Sinne von ε ξουσι' α zu verstehen (Bayard, Le latin, 95; ebenso Keenan, habit, 95, anders Baer I, 64: „Zügellosigkeit“) und als von aliquid abhängiger gen. part. zu deuten; ad censuram gibt den Bezugspunkt der licentia an. Vgl. auch ep 3,3,4;78–82 und dazu unten 2.2. 97 Zur Zuständigkeit des Zensors für die disciplina vgl. Mauch, Begriff, 51: „Das regimen morum, das heißt die Erhaltung der überlieferten Sitte, ist eine der wichtigsten Aufgaben der Zensur“ (mit Hinweis auf Cicero Cluent 129 [134 Boyancé]: censor praefectus moribus bzw. magister ueteris disciplinae ac seueritatis, und Livius 4,8,2 [254 Ogilvie]: morum disciplinaeque Romanae [...] regimen; weitere Belege verzeichnet Mommsen, Römisches Staatsrecht II/1, 375 Anm. 3). Vgl. dazu ausführlicher Kunkel/Wittmann, Staatsordnung, 405–419, zum „‚Sittengericht‘ der Zensoren“ sowie Mommsen, a.a.O., 375–388. 98 Zu den Machtmitteln des Bischofs s.u. 2.2. 99 Vgl. habit 21;201,25f: audite itaque uirgines, ut parentem, audite quaeso uos timentem pariter ac monentem, und dazu Keenan, habit, 164, ferner habit 15;198,4–9. 100 Vgl. dazu auch Hinchcliff, Cyprian, 42. Im römischen Kontext fällt die disciplina zunächst in die Zuständigkeit des pater familias; vgl. Mauch, Begriff, 46–51. 101 Zur Bedeutung von sollicitudo (189,21) vgl. Bayard, Le latin, 108, demzufolge der Begriff bei Cyprian gelegentlich „une signification nouvelle, celle d’affectueuse sollicitude“, hat; bei HeumannSeckel s.v. ist die Bedeutung „Fürsorge, Sorge“ genannt. 102 Vgl. habit 3;189,21f.11f und dazu auch Kap. 5.1.1. 103 Habit 4;189,23–190,2. 104 [...] quibus populo suo consulit ad salutem [...] (orat 2;13f); vgl. dazu Kap. 2.3.1.

2. Die Ausübung der disciplina durch den Bischof

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speziell die Jungfrauen – zur Bewahrung der Gebote Christi anzuhalten.105 Die Übereinstimmung der Formulierungen ist ein Hinweis darauf, dass der Bischof hier an Christi Statt (uice Christi) agiert. Die Bestimmung der disciplina-bezogenen Aufgabe des Bischofs als ein ad salutis uiam consulere zeichnet diese somit in den Gesamtzusammenhang der cyprianischen Paränese ein: Wie nach habit 3f die Jungfrauen, so sind nach seinem Verständnis die Christen grundsätzlich gefährdet, weil sie das Ziel noch nicht erreicht haben und auf dem Weg dorthin den Angriffen des Widersachers ausgesetzt sind, der sie am Erreichen des Zieles zu hindern sucht. Wie die Christen zu vorsichtiger Wachsamkeit ermahnt werden,106 so ist der Bischof um seine Gemeindeglieder besorgt. Die Gebote können ihre Aufgabe, den Christen Orientierung auf ihrem Weg zum Heil und Standfestigkeit gegenüber den Angriffen des Widersachers zu verleihen,107 offenbar nur dann erfüllen, wenn der Bischof für ihre Auslegung und Durchsetzung Sorge trägt.108 Die Formulierung ad salutis uiam consulere begegnet so oder ähnlich wiederholt im cyprianischen Werk. Es gibt fünf weitere Belege zu der ungewöhnlichen Konstruktion consulere ad,109 wobei auf ad dreimal (ueram) salutem, zweimal uitam folgt; Bezugspunkt ist in allen Fällen das ewige Heil. Anders als in habit 4 wird sonst stets im Dativ die Person bzw. der Personenkreis genannt, dem das consulere gilt.110 Nun hat consulere c. dat. in der Regel die Bedeutung „für jmd. od. etw. Rat schaffen, sorgen, Sorge tragen, auf etw. bedacht sein [...]“,111 und diese Bedeutung ist auch bei Cyprian nicht selten belegt.112 Entsprechend wird consulere auch in der oben genannten Konstruktion in den Cyprian-Übersetzungen in der Regel wiedergeben, wobei die zusätzliche Bestimmung mit ad meist nach dem Muster „für jemandes Heil Sorge tragen“ integriert wird. Eine nähere Betrachtung der einzelnen Stellen wirft jedoch die Frage auf, ob die cyprianische Konstruktion damit zutreffend erfasst ist. In pat 4;77–79 bemerkt Cyprian zu Röm 2,4–6, Paulus nenne das Gericht Gottes gerecht, weil es spät sei und lange aufgeschoben werde, ut homini ad uitam longa dei patientia consulatur.113 Der ut-Satz paraphrasiert V. 4b: quoniam patientia et bonitas dei ad paenitentiam te ____________

105 Toso, Opere, 107, übersetzt quae ad salutis uiam consulit demgemäß mit „che suggerisce dei criteri di guida per il cammino verso la salvezza“ (anders Baer I, 65, und Keenan, habit, 47). Der Parallelsatz quae dominica et uitalia praecepta custodit ist, wie auch die Fortsetzung zeigt, auf die Anleitung der Jungfrauen zum Halten der Gebote zu beziehen. 106 Vgl. Kap. 5.2.1.1. 107 Vgl. Kap. 2.3.1 bzw. Kap. 5.2.2.1. 108 Die Aufgabe des Bischofs bzw. die Funktion seines consilium salubre gegenüber denen, die vom rechten Weg abweichen, kann daher als ad salutis uiam reuocare (unit 23;549) bzw. ad uiam innocentiae atque spem uitae reuocare (ep 2,2,3;31f) beschrieben werden. 109 Im ThLL IV, 580,8–23, ist zu dieser Konstruktion lediglich ein vorcyprianischer Beleg verzeichnet (Caesar ciu 3,51,4: der Feldherr muss libere ad summam rerum consulere [118,18f Klotz], d.h. „im Blick auf das Ganze freie Entschlüsse fassen“ [Schönberger 225]). 110 Für eine solche Konstruktion (consulere alicui ad) nennt der ThLL keine vorcyprianischen Belege; nachcyprianisch wird diese Konstruktion lediglich bei Augustin verzeichnet, bei dem jedoch auf ad regelmäßig ein Gerundivum folgt (ThLL IV, 580,17–23). 111 Georges s.v. I.c (i.Or. mit Hvb.). 112 Mit Dativ der Person vgl. etwa ep 4,1,2;14f; ep 20,1,2;14f und op 19;382f.388, mit Dativ der Sache habit 21;201,26f; op 24;502f; ep 7,1;6f.9f u.ö. 113 Zur Sache s.o. Kap. 8.2.2.

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adducit (Z. 73f). Molager übersetzt mit „qu’il soit pourvu au salut de l’homme par la longue patience de Dieu“114 und gibt damit der cyprianischen Formulierung einen von der paulinischen Aussage deutlich verschiedenen Sinn. Dass Cyprian dergestalt den Menschen von einem Adressaten göttlicher Mahnung zum Gegenstand seiner Fürsorge machen sollte, ist freilich wenig wahrscheinlich; näher liegt die Annahme, das paulinische „zur Umkehr treiben“ werde hier zu einem „zum Leben raten“ verallgemeinert. Eine solche Deutung wird unterstützt durch die Beobachtung, dass diese Konstruktion in der Regel im Kontext der Paränese gebraucht wird. So legt in ep 4,2,1;25f (nec patiamur errare fratres nostros et pro arbitrio et ructu suo uiuere, sed ad uitam singulis fideliter consulere115) und 4,5,1;106f (ut quantum potes consiliis salutaribus fraternitatem regas et singulis ad salutem suam consulas) der jeweilige Zusammenhang die Vorstellung eines auf das Leben bzw. Heil jedes einzelnen zielenden (dringlichen) Ratens näher als die Vorstellung, der Bischof habe für das Heil jedes einzelnen zu sorgen.116 Und wenn es in orat 2;13–15 heißt, Christus habe unter den übrigen Ermahnungen und Geboten quibus populo suo consulit ad salutem auch recht zu beten gelehrt, so käme in diesem Kontext, der von Geboten handelt und damit Verben des Ermahnens und Unterweisens verbindet,117 die Aussage, Christus sorge mit seinen Geboten für das Heil seines Volkes,118 überraschend, während die Vorstellung, er rate durch seine Gebote seinem Volk zum Heil, gebe ihnen also Anweisungen, die zu ihrem Heil dienen, sich organisch einfügte.119 Am ehesten passt die übliche Deutung von consulere in mort 19;316f, doch auch hier wird die Aussage, quod dominus praescius futurorum suis consulat ad ueram salutem,120 in der Fortsetzung als strenge Ermahnung ausgeführt (Z. 323–325).121 Zu diskutieren sind noch einige weitere Belege, in denen consulere zwar anders konstruiert ist, aber ähnliche Probleme entstehen. Eine sachliche Entsprechung zu orat 2;13–15 findet sich in op 7;135–139, wo Cyprian ebenfalls zur Einleitung eines bestimmten Gebotes eine grundsätzliche Bemerkung zu dem in der Gabe der Gebote sich äußernden Heilshandeln Christi macht: Als Lehrer unseres Lebens und Meister des ewigen Heils gebiete der Herr, uiuificans credentium populum et uiuificatis consulens in aeternum, unter seinen göttlichen Weisungen und himmlischen Geboten nichts öfter als das Beharren beim Almosengeben. Poirier übersetzt die zitierte Formulierung mit „lui qui donne la vie au peuple des croyants et après leur avoir donné la vie veille à jamais sur eux“.122 Unzweifelhaft dürfte sein, dass das uiuificare durch die Taufe, das consulere dagegen durch das Geben der Gebote geschieht. Inwiefern Christus freilich durch die Gebotsgabe „allezeit auf das Heil der Seinen achtgeben“ sollte, bleibt unklar, ganz abgesehen davon, dass sich eine solche Vorstellung für Cyprian meines Wissens nicht belegen lässt. Sehr viel näher dürfte es liegen, die angeführte Formulierung in Analogie zu orat

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114 Molager, Don/pat, 191; ähnlich Conway, pat, 67. 115 Zur hier vorliegenden Attraktion s.u. Anm. 131. 116 In ep 4,3,3;63–65 heißt es, die Bischöfe müssten omni consilio prouidere et elaborare, dass alle ihre Gemeindeglieder dem richtenden Schwert Christi entgehen können. 117 Vgl. orat 1;1–12. 118 Vgl. Réveillaud, orat, 79: „dont le Seigneur se sert pour œuvrer au salut de son peuple“, und dazu ebd., 135; ähnlich Baer I, 167. 119 Ein solches Verständnis entspräche auch der cyprianischen Aussage, die Gebote seien „zum Heil gegeben“ (vgl. ep 11,1,2;13 u.ö. und dazu Kap. 2.3.1). 120 Im Text steht ein Druckfehler: uerum salutem (korrekt Hartel 308,26f). Stramondo, mort, 123/125, übersetzt: „che cioè il Signore, conoscitore del futuro, ha cura della salvezza vera dei suoi“. 121 Die Wendung consulere in futurum in Z. 327f dürfte demgegenüber ebenso wie in Dem 9; 169f die Bedeutung „für die Zukunft Sorge tragen“ o.ä. haben. 122 Poirier, op, 93/95; er verweist dazu S. 94 Anm. 1 auf op 1;10–13: Gottes außerordentliche prouidentia und clementia zeigt sich darin, quod nobis salutari ratione prospicitur, ut homini qui redemptus est reseruando plenius consulatur. Zur Sache vgl. auch oben Kap. 2.3.1.

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2;15f (qui fecit uiuere docuit et orare) zu verstehen: Christus macht die Glaubenden durch die Taufe lebendig und gibt ihnen dann Anweisungen, entsprechend zu leben, um so zum ewigen Heil zu gelangen.123 Auch hier dürfte consulere daher den Aspekt des Ratens haben. An zwei Stellen ist absolut von einem fratribus (et sororibus) consulere der Bischöfe die Rede, beide Male in Kontexten, in denen es um die Einhaltung der Gebote bzw. der disciplina geht. In ep 4,1,2;14f (quominus fratribus et sororibus nostris constanter et fortiter consulatur) ist ein Verständnis von consulere im Sinne von prospicere oder prouidere möglich; etwas überraschend wäre dann freilich die Verbindung von consulere mit den Adverbien constanter und fortiter, die sich, wie die Fortsetzung des Briefes zeigt, auf den zu erwartenden Widerstand der Brüder und Schwestern gegen die bischöflichen Weisungen beziehen. In ep 20,1,2;12–15 fasst Cyprian seine Ausübung der Gemeindeleitung aus dem Versteck heraus als ein secundum domini praecepta fratribus nostris consulere zusammen und entfaltet dies in 20,2,1–3,2 als briefliche Ermahnung der Gemeinde, der Kleriker sowie der Märtyrer und Konfessoren, die Gebote des Herrn einzuhalten. Bayard übersetzt diesem Kontext entsprechend mit „de diriger nos frères conformément aux commandements du Seigneur“,124 m.E. zu Recht, auch wenn eine andere Deutung nicht auszuschließen ist.125 Dass consulere bei Cyprian selbst c. dat. rei den Aspekt des Ratens haben kann, zeigt ep 59,8,1;209–211, wo consulere sanitati mit consilii nostri salubritate sanare bedeutungsgleich ist. Es scheint demnach so zu sein, dass das Verbum consulere bei Cyprian häufiger als gemeinhin angenommen den Aspekt des Ratens beinhaltet,126 und dies auch in Konstruktionen, in denen für gewöhnlich die Bedeutung „sorgen für“ o.ä. vorausgesetzt wird. Hinzu kommt, dass an den meisten der genannten Stellen das consulere sich an die betroffene Person richtet, ein Aspekt, der durch Übersetzungen wie „sorgen für“, „auf jemandes Heil bedacht sein“ o.ä. verloren geht. Um sowohl dem hier geforderten Aspekt des Ratens als auch dem consulere c. dat. üblicherweise zukommenden Aspekt des „für jemanden sorgen, für etwas oder jemanden Sorge tragen“ Rechnung zu tragen, wird das Verbum an den entsprechenden Stellen mit „fürsorglich raten“ oder „ratend für etwas oder jemanden sorgen“ wiedergegeben.127

Wie das consulere ad salutem von Cyprian genauer verstanden wird, ist zwei Briefen zu entnehmen, die sich ausführlicher zur disciplina-bezogenen Aufgabe des Bischofs äußern. Der erste Brief, ep 4, erörtert die Frage des syneisaktischen Zusammenlebens von Jungfrauen.128 Die Verfasser betonen zunächst, ____________

123 Vgl. auch die Deutung von Joh 5,14 in habit 2;188,25–189,2 und dazu Kap. 3.1. 124 Bayard I, 54. 125 Vgl. etwa Clarke I, 101: „endeavouring to look after the interests of our brothers in conformity with the Lord’s precepts“, sowie Gülzow, Cyprian, 62. 126 Cyprian kann consulere auch parallel zu suadere (unit 23;544f), admonere (ep 43,4,3;75f) u.ä. gebrauchen. 127 Die Wiedergabe von consulere in den genannten Beispielen mit „fürsorglich raten“ geht auf einen Vorschlag der Tübinger Philologen Prof. Dr. Heinz Hofmann und Dr. Johannes Scherf zurück, mit denen die dargelegten Beobachtungen diskutiert wurden. Prof. Dr. Hofmann verdanke ich zudem den Hinweis, dass consulere c. dat. pers. grundsätzlich ein diese Person adressierendes, sich an sie wendendes Handeln meint. – Dass auch in Bezug auf die erwähnte Konstruktion consulere alicui ad c. gerundiuo bei Augustin eine entsprechende Deutung zu erwägen ist, sei hier nur angedeutet. 128 Der Brief antwortet auf die Anfrage eines Bischofs namens Pomponius (zur Person vgl. Clarke I, 172 Anm. 3) und nennt im Absender noch vier Kollegen Cyprians; dass er selbst die Federführung hatte, steht angesichts der zahlreichen Übereinstimmungen mit De habitu uirginum und anderen cyprianischen Ausführungen außer Zweifel. – Zum frühchristlichen Syneisaktentum vgl. etwa Achelis, Virgines subintroductae (zu Cyprian S. 7–9), Adam, Syneisakten, Mazzucco, La donna, 60– 65, Jensen, Gottes selbstbewußte Töchter, 70–72, sowie dies., Syneisakten.

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dass sie den Überlieferungen des Evangeliums und der Apostel entsprechend beharrlich und tapfer ratend für die Brüder und Schwestern Sorge tragen und auf jede nützliche und heilsame Weise die kirchliche disciplina wahren, und zitieren zur Begründung Jer 3,15 sowie Sap 3,11 und Ps 2,12, zwei Texte, die die Notwendigkeit der Bewahrung der disciplina unterstreichen.129 Vorgesetzte und Gemeinde müssten daher zuerst und vor allem darauf hinarbeiten, „dass wir, die wir Gott fürchten, unter vollständiger Einhaltung der disciplina die göttlichen Gebote festhalten130 und nicht dulden, dass unsere Brüder in die Irre gehen und nach ihrem eigenen Willen und Geschmack leben, sondern treu jedem einzelnen fürsorglich zum Leben raten [...]“.131

Die Bischöfe tragen demnach für ihre Gemeindeglieder Sorge, indem sie jedem einzelnen den zur Bewahrung des (ewigen) Lebens notwendigen Rat erteilen, und das heißt: ihn zur Bewahrung der ecclesiastica disciplina bzw. der Gebote Gottes anhalten. Die Dringlichkeit dieser Aufgabe und die damit verbundene Strenge wird durch die Bemerkung unterstrichen, es sei auf jede erdenkliche Weise für die Einhaltung der disciplina zu sorgen und es dürfe nicht geduldet werden, dass Gemeindeglieder auf Irrwege gerieten und ihre Lebensweise nach eigenem Gutdünken gestalteten. Das singulis ad uitam consulere umfasst gebieterisches, autoritatives Ermahnen, das abweichendes Handeln nicht zulässt. Zur Ausübung des bischöflichen consulere gehört daher unbeirrbare Beharrlichkeit ebenso wie Tapferkeit,132 ist doch damit zu rechnen, dass ihre Anweisungen auf Widerstand und Ablehnung stoßen.133 Dass diese Aufgabe dennoch mit einer gewissen Vorliebe als consulere bezeichnet wird, unterstreicht den zugewandten, fürsorglichen Charakter des disciplina-bezogenen Handelns. Ziel des nötigenfalls auch in strenger Zurechtweisung bestehenden consulere ist das Heil jedes einzelnen (ad uitam singulis fideliter consulere), das Cyprian zufolge nur dann erreichbar ist, wenn sowohl die Kirche als ganze als auch jeder einzelne Christ die disciplina festhält. Die Bischöfe müssen mit jeglichem Rat dafür Sorge tragen und sich anstrengen, dass jedes ihrer Gemeindeglieder dem „geist____________

129 Ep 4,1,2;12–21; es werden damit drei der fünf in Quir 3,66 und habit 1 angeführten Texte zitiert. Disciplina ist in ep 4 ein Zentralbegriff; neben den vier Belegen in 4,1,2 sind noch 4,2,1;24 und 4,3,3;65f zu nennen; hinzu kommen drei Belege zu indisciplinatus (4,4,3;101.103 [Prou 15,12]; 4,5,1; 105). 130 Disciplinae ist mit Baer II, 11, und Bayard I, 9, zu obseruatione zu ziehen (anders Clarke I, 58, der es mit diuina praecepta verbindet), die Wendung cum omni obseruatione disciplinae wohl als ein Pleonasmus zu diuina praecepta tenere zu verstehen. 131 Primo igitur in loco, frater carissime, et praepositis et plebi nihil aliud elaborandum est quam ut qui deum timemus cum omni obseruatione disciplinae diuina praecepta teneamus nec patiamur errare fratres nostros et pro arbitrio et ructu suo uiuere, sed ad uitam singulis fideliter consulere [...] (ep 4,2,1;22–26); consulere statt des zu erwartenden consulamus ist Attraktion (Schrijnen-Mohrmann I, 29); zur Begründung der Lesart ructu vgl. Bayard, Le latin, 70. 132 Vgl. Z. 14f, wo das consulere mit den Adverbien constanter und fortiter verbunden ist. 133 Vgl. habit 1;188,1f (s.o.) und ep 59,1–3. Cyprian macht entsprechende Erfahrungen besonders in den Auseinandersetzungen um die lapsi-Frage während und nach der decischen Verfolgung.

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gemäßen Schwert“ (gladius spiritalis) Christi und dem kommenden Gerichtstag entrinnen kann, m.a.W.: dass sich niemand durch seine Lebensweise dem Gericht ausliefert.134 Diese besondere Verantwortung nehmen sie wahr, indem sie die Einhaltung der disciplina bzw. der Gebote Gottes durchsetzen und abweichendes Verhalten unterbinden. Diese allgemeinen Bestimmungen werden mit einem strikten Verbot syneisaktischen Zusammenlebens konkretisiert.135 Begründet wird es nicht nur mit negativen Erfahrungen, sondern mehr noch mit den Nachstellungen des Widersachers, der stets nach einer Gelegenheit suche, Christen zu Fall zu bringen. Syneisaktisches Zusammenleben erscheint in dieser Perspektive nicht als eine gesteigerte asketische Leistung – so dürften die Syneisakten selbst ihre Lebensweise verstanden haben136 –, sondern als eine Selbstauslieferung an den Widersacher.137 Die Mahnung von Eph 4,27, dem Teufel keinen Angriffspunkt zu bieten,138 wird daher zu einer Leitlinie des bischöflichen consulere ad uitam. Auch dürfe Mitchristen und Bischöfen kein Anstoß gegeben werden.139 Gegenüber den offenbar überwiegend jungen uirgines, die traditionellen Vorstellungen gemäß als besonders gefährdet angesehen werden,140 wird daher eine strikte Reglementierung durch den zuständigen Bischof gefordert.141 Allerdings verbindet sich die Striktheit in der Untersagung syneisaktischen Zusammenlebens mit Milde gegenüber den Jungfrauen: Wer unter solchen Bedingungen lieber nicht als Jungfrau leben will, ist frei zu heiraten.142

In der besonderen bischöflichen Verantwortung für das Heil jedes einzelnen sind Strenge und Humanität ihrer Paränese begründet. So streng die Bischöfe in Bezug auf die Einhaltung und Durchsetzung der disciplina zu sein und so strikt sie gegen obstinate Syneisakten vorzugehen haben,143 ihr Ziel kann keineswegs darin bestehen, die indisciplinati zu exkommunzieren, sondern allein darin, die Gemeinde, soweit möglich, mit heilsamen Ratschlägen zu lenken und jedem einzelnen fürsorglich zu seinem Heil zu raten, um so alle Gemeindeglieder zum Heil zu führen.144 Singulis ad salutem suam consulere, das ist, prägnant formuliert, das Ziel ihres disciplina-bezogenen Handelns; das gilt auch und gerade für strenge Zurechtweisung und Unnachgiebigkeit.145 ____________

134 Ep 4,3,3;63–65; dass die Jungfrauen durch ihr syneisaktisches Zusammenleben eben dies tun, ist zuvor dargelegt worden (ep 4,3,2;56–62). 135 Vgl. ep 4,2,1;26–3;48. 136 Vgl. Adam, Syneisakten, 561; anders Achelis, Virgines subintroductae, 66f. 137 Die zur Begründung angeführte Sentenz: Nemo diu tutus est periculo proximus (Z. 34f) hat, wie Clarke I, 175 Anm. 18a, erkannt hat, eine nahe Entsprechung bei Seneca Her f 326f: nemo se tuto diu / periculis offere tam crebris potest (14 Zwierlein). 138 Auch wenn sich diese Aussage im biblischen Kontext auf den Umgang mit Zorn bezieht, hat sie zweifellos allgemeineren Charakter; vgl. dazu auch Schnackenburg, EKK X, 211f. 139 Zur Begründung wird 1Kor 8,13 angeführt, wobei allerdings aus der paulinischen Selbstaussage eine allgemeine gemeindebezogene Norm wird. Das Motiv klingt ep 4,5,1;111f nochmals an. 140 Zur verbreiteten frühchristlichen Herabsetzung der Frau vgl. Thraede, Frau, 242f.254–260, zum Motiv der besonderen Gefährdung der Jugend ThLL VII/2,1, 689,34–48. 141 [...] per omnia frenari a nobis et regi debeat (Z. 28f). 142 Vgl. dazu Koch, Virgines Christi, 85f; Z. 45f ist auf 1Kor 7,9 angespielt. 143 Vgl. ep 4,4,1;71–3;104 und dazu unten 2.2. 144 Vgl. ep 4,5,1;105–107. 145 Vgl. auch ep 34,1;11–15 zu Cyprians Haltung in der lapsi-Frage.

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Paränese als vom Bischof ausgeübte ecclesiastica disciplina

Dass der karthagische Klerus die Verpflichtung zur Ausübung der disciplina in Vertretung des abwesenden Bischofs146 gegenüber auf schnelle Wiederaufnahme drängenden lapsi aus seiner Sicht nicht angemessen wahrgenommen hat, wird von Cyprian in ep 15–17 heftig kritisiert. Es wäre die Aufgabe der in Karthago anwesenden Presbyter und Diakone gewesen, die Märtyrer und Konfessoren zu ermahnen und „aufs vollständigste in Bezug auf das Gesetz des Evangeliums“ zu unterrichten,147 so wie in der Vergangenheit die im Kerker ein- und ausgehenden Diakone die Wünsche der Märtyrer mit ihren consilia und den biblischen Geboten zu lenken pflegten.148 Was immer die Wünsche der lapsi seien, Aufgabe der Vorgesetzten sei es, am Gebot festzuhalten (praepositorum est praeceptum tenere) und Voreilige oder Unwissende zu unterweisen, damit sie nicht, statt Hirten der Schafe zu sein, durch eine voreilige, den Gefallenen schadende Wiederaufnahme zu ihren Schlächtern würden.149 Praepositorum est praeceptum tenere: das meint nicht nur ihre Verpflichtung, selbst die Gebote einzuhalten – das natürlich auch150 –, sondern auch und mehr noch die Verpflichtung, die Gemeindeglieder, seien sie Märtyrer oder lapsi, durch Unterweisung, Ermahnung oder Zurechtweisung zu gebotsgetreuem Handeln anzuhalten.151 Dieser Pflicht nicht nachzukommen, ist für Cyprian gleichbedeutend mit der Vernachlässigung des Hirtenamtes, an dem in der gegebenen Situation auch die Presbyter und Diakone partizipieren.152

Da das bischöfliche consulere ad salutem im Zweifelsfall eine rigide Einschränkung und Reglementierung der Lebensweise des einzelnen bedeutet,153 kann es nicht damit rechnen, durchgängig auf Gegenliebe zu stoßen.154 Die damit verbundene, auch in habit 1 angedeutete Problematik wird in ep 4 im Anschluss an Selbstaussagen des Paulus reflektiert:155 Mögen die Adressaten ihrer Paränese für den Augenblick von ihnen betrübt zu werden scheinen,156 so halten die Bischöfe doch an ihrem heilsamen Zureden fest, wissen sie doch, dass auch Paulus den Galatern als Feind erschienen ist, weil er ihnen die Wahrheit sagte.157

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146 Vgl. ep 5,1,1;6–9 und dazu oben 1. 147 [...] instruere plenissime circa euangelii legem (ep 15,1,2;12). 148 Ep 15,1,2;10–15; vgl. auch Z. 16f sowie ähnlich ep 16,3,2;60–63. 149 Ep 15,2,1;31–37 (mit Anspielung auf die Hirtenpolemik in Ez 34); ähnlich ep 16,3,1;45–48. 150 Dass einige Presbyter und Diakone selbst gegen die Gebote Christi verstoßen, erbittert Cyprian besonders; vgl. ep 15,1,2;10–30; ep 16,3,2;48–63; ep 17,2,1;20–24 u.ö. 151 Vgl. dazu auch Gallicet, laps/unit/ep, 94 Anm. 23. 152 Vgl. ep 17,2,2;32 sowie unten Anm. 239 und Anm. 307. 153 Vgl. neben ep 4 etwa noch ep 2, wo einem ehemaligen Schauspieler strictissime untersagt wird, weiterhin Schauspielunterricht zu geben, und dieses Verbot als ein ad uiam innocentiae atque ad spem uitae reuocare charakterisiert wird (ep 2,2,3;30–32). Die Argumentation des Briefes knüpft an Tertullian spect 23,6 an, der seinerseits jüdisch-rabbinische Vorstellungen aufzugreifen scheint (vgl. Aziza, Tertullien, 188f); biblische Schlüsselstelle ist Dtn 22,5. 154 Dass die Beurteilung eines bestimmten Tuns wie etwa das syneisaktische Zusammenleben von Jungfrauen auch eine Ermessensfrage sein kann, findet seinen institutionellen Ausdruck darin, dass jeder Bischof in seinen Entscheidungen letztlich allein Gott verantwortlich ist (vgl. dazu Bévenot, Bishop). Die Gemeindeglieder haben jedoch der Entscheidung ihres Bischofs Folge zu leisten. 155 Ep 4,5,2;112–121; in laps 14;279–286 u.ö. greift Cyprian die in antiker Literatur beliebte Metapher der bitteren, aber heilsamen Medizin auf; vgl. dazu auch Naldini, Note, 63–65. 156 Die Formulierung si ad praesens a nobis contristari uideantur (Z. 112) dürfte auf 2Kor 7,8c anspielen. 157 In Z. 113f wird dazu Gal 4,16 zitiert.

2. Die Ausübung der disciplina durch den Bischof

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Finden sie Gehorsam, so haben sie die Brüder gewonnen158 und sie durch ihre Unterweisung zum Heil gestaltet.159 Scheitern sie, so halten sie es mit Paulus, der nicht Menschen gefallen, sondern Christi Knecht sein will, und wollen jedenfalls selbst durch die Bewahrung seiner Gebote Christus gefallen.160 Wie Paulus gegenüber den Galatern, so sehen sich auch die Bischöfe zu strenger Ermahnung und Zurechtweisung der Syneisakten verpflichtet. Orientierungspunkt ihres Handelns ist wie für Paulus das Heil der Gemeindeglieder und das Wohlgefallen Gottes. Menschliche Ablehnung nehmen sie notfalls in Kauf. Eine exemplarische Illustration der disciplina-bezogenen Aufgabe des Bischofs bietet ep 20, ein Brief, in dem Cyprian den römischen Klerus darüber informiert, wie er nach seinem „einstweiligen Rückzug“161 zu Beginn der decischen Verfolgung seine Verantwortung für die Gemeinde wahrgenommen hat.162 Er habe, so heißt es einleitend, zwar dem Leibe, nicht aber dem Geist nach abwesend,163 durch sein Handeln und Ermahnen, soweit er es vermochte,164 gemäß den Geboten des Herrn fürsorglich den Brüdern geraten.165 Normative Instanz des fratribus consulere, wie Cyprian es im folgenden anhand von dreizehn während dieser Zeit verfassten Briefen erläutert,166 sind die Gebote Gottes (domini praecepta); damit diese aber auch tatsächlich zur Geltung kommen, bedarf es der Ermunterung und Stärkung, Ermahnung und Korrektur, Unterweisung und Zurechtweisung durch den Bischof.167 Eben darin besteht das an die Gebote gebundene, von diesen jedoch sehr wohl zu unterscheidende fratribus consulere. Seinen „einstweiligen Rückzug“ begründet Cyprian mit der Sorge für das Gemeinwohl bzw. den Nutzen der Gemeinde.168 Er hat sich wider Willen von seiner Gemeinde getrennt, weil er, als Bischof für die pax communis bzw. die Ruhe (quies) aller verantwortlich, fürchten musste, ____________

158 Die Formulierung lucrati sumus fratres (Z. 115; zur Textgestalt s. die folgende Anm.) spielt auf Mt 18,15b an: ε α' ν σου α κου' ση, , ε κε' ρδησας το` ν α δελφο' ν σου. 159 Ich folge an dieser textgeschichtlich problematischen Stelle (Z. 115f) dem von Diercks gebotenen Text: lucrati sumus fratres et eos ad salutem pariter et dignationem nostro sermone formauimus, der weitestgehend mit der von Bayard, Le latin, 349f, favorisierten Lesart der Handschrift R übereinstimmt (einziger Unterschied: R liest firmauimus – hier ist eine Entscheidung kaum zu treffen). Zu den zahlreichen, teilweise stark abweichenden Varianten vgl. Diercks App. z.St. sowie Bayard App. z.St., der hier selbst dem von Hartel gebotenen Text folgt. 160 Z. 118f wird Gal 1,10b zitiert; zum Motiv des deo bzw. Christo placere s.o. Kap. 6.3. 161 Vgl. ep 20,1,2;11: interim secessi; dazu s. gleich. 162 Zu Hintergrund und Funktion des Briefes vgl. ausführlich Gülzow, Cyprian, 58–64.129–132. 163 Die Formulierung absens tamen corpore nec spiritu (Z. 12f) dürfte auf 1Kor 5,3 anspielen; vgl. auch Gülzow, Cyprian, 62 Anm. 12, der weitere paulinische und deuteropaulinische Texte nennt. 164 Zu der für Cyprian typischen Bescheidenheitsformel in quibus possem mea mediocritate (Z. 14f) vgl. etwa noch ep 20,2,1;21f; ep 2,2,3;30f; ep 4,5,1;106 und Fort pr.1;8–10. 165 Ep 20,1,2;12–15. 166 Zu den dreizehn Briefen und ihrer Aufnahme in ep 20,2,1–3,2 vgl. Duquenne, Chronologie, 54–58, und Gülzow, Cyprian, 64–68. 167 Vgl. dazu auch Fort pr.2: die Gebote müssen eingeschärft werden. 168 Vgl. dazu Bakhuizen van den Brink, Cyprianus, 6–18, Montgomery, The Bishop Who Fled, sowie Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 188–191.

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Paränese als vom Bischof ausgeübte ecclesiastica disciplina

durch seine Gegenwart den Unwillen und Neid der Heiden zu provozieren und so selbst den Bruch der pax zu verursachen.169 Nicht seine eigene Rettung (salus) hatte er im Blick, wie offenbar der römische Klerus argwöhnt,170 sondern die öffentliche Ruhe der Gemeinde (quies fratrum publica), besorgt, durch seine Anwesenheit den „Aufruhr“ (seditio) noch mehr herauszufordern.171 Hintergrund solcher Aussagen ist offenbar die herausragende soziale Stellung Cyprians, mit der er dem Volkszorn eine besondere Angriffsfläche bietet.172 Cyprian gerät mit dieser Haltung freilich bald in ein Dilemma: Erfordert die utilitas communis im Blick auf die Leitung der Gemeinde (ecclesiae gubernacula) eine gemeinsame Beratung – Bezugspunkt ist offenbar die Frage, wie mit den lapsi verfahren werden soll173 – und damit seine baldige Rückkehr, so hält er es andererseits „in Anbetracht anderer Nutzerwägungen“ (respectu utilitatum aliarum), die den Frieden und das Heil aller betreffen, für besser, einstweilen an Versteck und Ruhe (quies) festzuhalten.174 Kriterium ist auf beiden Seiten die utilitas der Gemeinde; beides abwägend, hält Cyprian die Fortsetzung seines freiwilligen Exils für nützlicher.175 Damit Nutzen und Erfordernis der Gemeinde dennoch durch den bischöflichen Rat gelenkt werden können, bedarf der abwesende Bischof freilich der Unterrichtung durch den karthagischen Klerus.176 Cyprian begründet demnach seine vielfach kritisierte Flucht177 keineswegs mit seiner „Bewahrung zum Amt“,178 sondern mit seiner bischöflichen Verantwortung für das Wohl und den Nutzen seiner Gemeinde.179 Er interpretiert die durch das decische Edikt in Karthago entstandene Situation in politischer Terminologie als Aufruhr,180 und er agiert wie ein pflichtbewusster römischer Politiker, der sein Handeln an den Erfordernissen der pax communis und der quies publica ausrichtet.181 Es deutet sich damit an, dass Cyprian trotz ungleicher Rahmenbedingungen das Bischofsamt in Analogie zur römischen Magistratur versteht und für seine Amtsausübung allgemeine Kriterien politischen Handelns rezipiert.182 Dem entspricht es, dass seine Beschreibung des Wahl-

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169 Ep 7,1;4–10. 170 Vgl. ep 8 und dazu von Harnack, Briefe, und Gülzow, Cyprian, 30–36.115f. 171 Ep 20,1,2;8–12. 172 Vgl. ep 59,6,1;163–167 mit dem Hinweis, die Volksmenge habe ihn wiederholt vor die Löwen gefordert, und dazu Clarke III, 245f Anm. 30f. Zur sozialen Stellung Cyprians vgl. Einleitung 1 mit Anm. 20. 173 Vgl. ep 14,4;73–77 und dazu Clarke I, 266–269 Anm. 32–34. 174 Ep 14,1,2;10–17. 175 Vgl. ebenso noch ep 43,4,2;68–74 und dazu Clarke II, 219f Anm. 19. 176 Vgl. ep 18,1,1;4–7. Der Nutzen (utilitas) der Gemeinde erscheint bei Cyprian auch sonst wiederholt als Leitbegriff bzw. Kriterium des bischöflichen Handelns; vgl. ep 35,1;4–7 (zum Austausch zwischen Karthago und Rom); ep 55,7,2;100–103 (zur relativ milden Entscheidung in der lapsiFrage); ep 34,1;11f; habit 21;201,25–27 sowie ep 4,1,2;15. 177 Noch die Vita Cypriani des Pontius sieht sich hier zu apologetischen Bemühungen genötigt; vgl. dazu auch Sage, Cyprian, 192f, sowie die Kap. 8 Anm. 249 genannte Literatur. 178 Gegen Gülzow, Cyprian, 60; ähnlich schon d’Alès, La théologie, 371. 179 Vgl. auch Benson, Cyprian, 85f, der ansatzweise entsprechend deutet. Darüber hinaus beruft sich Cyprian auf eine persönliche Anweisung Christi: qui ut secederem iussit (ep 16,4,1;69; vgl. ep 20,1,2;8); vgl. dazu Bakhuizen van den Brink, Cyprianus, 7. Die Aussage von Harnacks, Cyprian als Enthusiast, 182f, so etwas habe Cyprian weder zuvor noch danach wieder zu behaupten gewagt, wird von Anselmetto, Rivelazione privata, 283f, unter Hinweis auf ep 7,1;10–12 mit Recht zurückgewiesen. 180 Vgl. ep 20,1,2;8: turbatio; Z. 12: seditio, und ep 43,4,2;73. Zur entsprechenden Charakterisierung innerkirchlicher Gegner vgl. Wischmeyer, Ecclesia in monte, 131f, sowie ders., Golgatha, 184f. 181 Vgl. auch Sage, Cyprian, 330. Wischmeyer, Golgatha, 185, bemerkt zu Cyprians Polemik gegen Felicissimus: „Er geht dabei ganz so vor, wie ein römischer Beamter es tun würde, sieht er doch die disciplina in Frage gestellt“. 182 Zur cyprianischen Auffassung (und Ausübung) des Bischofsamtes als einer Art Magistratur

2. Die Ausübung der disciplina durch den Bischof

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verfahrens für das Bischofsamt über weite Strecken paganen Vorbildern folgt183 und seine Wahrnehmung dieses Amtes auch sonst durch zeitgenössische aristokratische Konzeptionen beeinflusst zu sein scheint.184 Rist spricht darum von einer Inkulturation der cyprianischen „Konzeption des bischöflichen Amtes [...] in ein bereits bestehendes, in der zeitgenössischen Gesellschaft verankertes Koordinatensystem der Ausübung von Leitungsaufgaben“ und würdigt diesen „gelungenen Adaptionsprozeß“ als „eine der bleibenden Leistungen“ Cyprians.185 Dass damit sein Amtsbewusstsein „der weltlichen Amtsgesinnung gleich geworden“ sei,186 dürfte zu bestreiten sein. Sein hohes Amtsbewusstsein hindert Cyprian nicht daran, sein Amt wesentlich seelsorgerlich zu verstehen und humilitas für eine Bischofstugend zu halten.187

Cyprians Zusammenfassung seiner brieflichen Interventionen aus dem Versteck heraus zeigt eine ganze Bandbreite von performativen Umsetzungen des bischöflichen consulere.188 In der ersten Phase der Verfolgung hat er auf Eingebung des Herrn hin und in Übereinstimmung mit dem Gesetz des Glaubens (lex fidei) und der Gottesfurcht dem Klerus Rat erteilt, die Konfessoren zum Martyrium ermutigt, die (widerrechtlich zurückgekehrten) Verbannten getadelt sowie die ganze Gemeinde getröstet und dazu ermahnt, die Barmherzigkeit Gottes zu erflehen,189 m.a.W.: er hat situationsbezogen jedem das Seine zuteil werden lassen.190 Orientierungspunkte seines bischöflichen Handeln sind die lex fidei – hier offenbar eine variierende Bezeichnung der Gebote des Herrn191 –, die Gottesfurcht, die ihn zu seinen Interventionen drängt,192 sowie direkte göttliche Eingebungen.193 ____________

vgl. grundlegend Beck, Römisches Recht, 130–138; ähnlich Gmelin, Auctoritas, 92–94, und von Campenhausen, Kirchliches Amt, 319–321. 183 Vgl. Speigl, Cyprian, Osawa, Bischofseinsetzungsverfahren, 135–185, sowie Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 195–200.291–293. Herrmann, Ecclesia, 42–52, rechnet mit einer bewussten Übernahme von „Formen und Termini“ aus den „munizipalen Verfassungsformen im römischen Afrika“ (Zitate S. 42). Zur Rezeption römischer Vorstellungen in der cyprianischen Konzeption der Kirche vgl. jüngst auch Pereira Lamelas, Una domus, 320–384. 184 Vgl. dazu besonders Bobertz, Cyprian, der freilich im einzelnen zu weit gehen dürfte; kritisch dazu Fredouille, Le héros, 18–20. 185 J. Rist, Cyprian, 269; S. 269–276 findet sich eine instruktive Zusammenfassung der Thesen von Beck und Bobertz. 186 So von Campenhausen, Kirchliches Amt, 319 (Hvb. RN). 187 Vgl. unten 2.2 mit Anm. 230 sowie 2.3. 188 Ep 20,2,1;16–3,2;60. 189 Z. 16–22; zum Bezug der einzelnen Formulierungen vgl. die Zusammenfassung bei Duquenne, Chronologie, 111f, ferner Gülzow, Cyprian, 66 Anm. 29–32, und Clarke I, 308f Anm. 9–12. 190 Zum Ideal persönlicher, situationsbezogener Unterweisung vgl. ep 43,4,1;60–63, zum suum cuique als stoischem Ideal der Gerechtigkeit s.o. Kap. 8 Anm. 241. 191 Die normative Instanz wird in ep 20 variierend als domini praecepta (20,1,2;14), lex fidei (20,2,1;21), euangelii lex (20,2,2;30f), dominica praecepta (20,2,2;32), disciplina (20,2,3;34) und ecclesiastica disciplina (20,2,3;37) bezeichnet. – Mit der regula fidei, von Tertullian in uirg 1,4 lex fidei genannt und von der disciplina unterschieden, hat der Ausdruck lex fidei hier nichts zu tun; die regula fidei spielt bei Cyprian kaum eine Rolle und hätte im hiesigen Kontext keine Funktion. Zu der Formulierung lege et iure fidei in ep 69,13,3;298f vgl. Vögtle, Schriften, 25, und Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 59. 192 Zur Begründung des bischöflichen Handelns in der Gottesfurcht s.o. Kap. 6.1 mit Anm. 52. 193 Die Berufung auf empfangene Visionen und persönliche Inspiration ist charakteristisch für

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Paränese als vom Bischof ausgeübte ecclesiastica disciplina

Zu den Briefen der erheblich schwierigeren zweiten Phase der Verfolgung, als es auf der einen Seite zu Foltern und Martyrien,194 auf der anderen zu innerkirchlichen Konflikten über die Wiederaufnahme der lapsi kommt,195 äußert sich Cyprian ausführlicher.196 Die Gefolterten oder zur Folter Inhaftierten hat er brieflich gestärkt und ermutigt;197 Martyriumsparänese und Vorbereitung auf drohende Verfolgungen und Bedrängnisse, die für Cyprian vor allem in der Einschärfung der praecepta domini bestehen,198 gehören für ihn zu den wesentlichen Aspekten der bischöflichen Paränese.199 Märtyrer und Konfessoren, die durch die Umtriebe der sacrificati und libellatici200 dazu verleitet wurden, gegen das „Gesetz des Evangeliums“ (euangelii lex) unterschiedslos und ohne Einzelfallprüfung „täglich tausende“ von Friedensbriefen auszustellen, und damit aus seiner Sicht gegen biblische Gebote handelten, hat Cyprian, soweit er es mit seiner begrenzten Macht vermochte,201 durch seinen Rat (consilium) zum Gehorsam gegen die Gebote Gottes zurückzurufen versucht.202 Gegenüber Presbytern und Diakonen, die uneingedenk der disciplina die lapsi übereilt (wieder) zum Abendmahl zugelassen hatten, hat Cyprian priesterliche Strenge (sacerdotii uigor) walten lassen, um ihr Fehlverhalten zu unterbinden;203 das fratribus consulere umfasst auch die autoritative Durchsetzung dessen, was der Bischof für geboten hält.204 Gegenüber der Gemeinde beinhaltet das fatribus consulere in ____________

Cyprian (vgl. etwa ep 15,3,2;54–56; ep 63,1,2;14–21; ep 66,10,1;174–176 u.ö.) und beschränkt sich, wie etwa Fort pr.1;9f zeigt, keineswegs bloß auf kontroverse Entscheidungen, wie gelegentlich behauptet wird. Um ein exklusives Vorrecht des Bischofs handelt es sich dabei nicht; auch Märtyrer und Konfessoren werden direkt durch die diuina censura in Bezug auf die ecclesiae disciplina unterwiesen (ep 15,3,2;54–56), und etliche der Visionen, auf die Cyprian sich beruft, sind nicht ihm selbst zuteil geworden (vgl. etwa ep 16,4,1;65–69 sowie Anselmetto, Rivelazione privata, 286 Anm. 16). Vgl. zu diesem Aspekt der cyprianischen Spiritualität neben der vielzitierten Untersuchung von Harnacks, Cyprian als Enthusiast, etwa d’Alès, La théologie, 77–83, sowie Anselmetto, Rivelazione privata, der S. 281–290 die Thesen von Harnacks kritisch überprüft, ferner Clarke I, 287–291 Anm. 27–30, und Sage, Cyprian, 203f. Eine ausführliche Interpretation der Visionen bietet Robeck, Prophecy, 149–195. Schon Zeitgenossen haben Cyprians Empfänglichkeit für Träume und Visionen kritisiert (vgl. ep 66,10,2;178–181 und dazu von Harnack, a.a.O., 186, sowie Hinchcliff, Cyprian, 25f). 194 Vgl. dazu Duquenne, Chronologie, 75–92 195 Vgl. dazu ausführlich Bobertz, Cyprian, 130–174, der den Konflikt freilich zu einseitig als einen Konflikt um den Status des Bischofs deutet. 196 Zum Bezug der einzelnen Abschnitte vgl. Duquenne, Chronologie, 54–56.112f, Gülzow, Cyprian, 66f Anm. 33–37, und Clarke I, 309f Anm. 15.19–22. 197 Vgl. ep 20,2,2;22–25; Bezugspunkt ist ep 10. Vgl. schon Z. 18 zu ep 6. 198 Vgl. ep 6,2,1;24–28 und bes. Fort pr.1;8–14; 4;50–59 und dazu Kap. 5.2.1.1. 199 Vgl. dazu bes. Fort pr.2;15–18, ferner ep 57,1,2;25–2,1;39 (s.u. 2.3) u.ö. 200 Zur Bedeutung dieser Termini vgl. Clarke III, 167 Anm. 8. 201 Die Formulierung quantum possem (Z. 32) ist als ein allgemeiner Hinweis auf die Begrenztheit bischöflicher Macht zu verstehen; entsprechende Formulierungen begegnen bei Cyprian wiederholt (s.o. Anm. 164). Ein Bezug auf die Situation seiner Abwesenheit ist daher kaum anzunehmen. 202 Vgl. Z. 25–32 zu ep 15. 203 Vgl. ep 20,2,3;32–36 zu ep 16. Cyprian hat ihnen den Entzug gottesdienstlicher Rechte sowie die spätere Verhandlung ihres Falles vor Konfessoren und Gemeinde angedroht (ep 16,4,2;69–76). 204 Das hierarchische Verhältnis zwischen dem Bischof und den ihm untergeordneten Klerikern führt hier offenbar zu einem strengeren Ton. De facto erweist sich die Macht Cyprians gegenüber dem

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dieser Phase die Stärkung und Beruhigung sowie die Unterweisung, wie in der gegebenen Situation die ecclesiastica disciplina zu wahren ist.205 Auf den Versuch einiger lapsi, die ihnen von Märtyrern und Konfessoren durch die Ausstellung von Friedenslibelli versprochene pax gewaltsam zu erzwingen, hat Cyprian mit ‚politischer‘ Taktik reagiert: Um ihre Gewaltsamkeit einstweilen auf welche Weise auch immer zu mildern,206 hat er, einem römischen Vorschlag folgend, die Anweisung gegeben, im Besitz eines Friedenslibellus befindliche lapsi bei Todesgefahr nach Exhomologese und Handauflegung mit der ihnen von den Märtyrern versprochenen pax zum Herrn zu entlassen; für alle übrigen hat er auch bei Vorhandensein eines Friedenslibellus die Vertagung der Entscheidung auf seine Rückkehr angeordnet, damit nach Ende der Verfolgung auf einer Synode in Abstimmung mit Rom die Einzelfälle entschieden werden könnten.207 In einer kirchenpolitisch schwierigen Situation macht er damit ein Zugeständnis, um so die Situation zu entschärfen, bleibt aber im wesentlichen hart.208 Die (paränetische) Aufgabe des Bischofs, wie Cyprian sie auffasst, kann im Anschluss an das für ihn wichtige Wort Jer 3,15 als pascere cum disciplina bezeichnet werden. Er versteht den Bischof als einen Hirten, dem die liebevolle Fürsorge für die ihm anvertrauten Schafe obliegt. Realisiert wird diese Fürsorge freilich nach seinem Verständnis durch die Ausübung der disciplina, die nicht nur orientierende, belehrende und ermutigende Unterweisung umfasst, sondern auch strenge Zurechtweisung und Ermahnung. Die Zielrichtung solchen bischöflichen Handelns kommt in der wiederholt verwendeten Formulierung (singulis) ad salutem (uitam) consulere prägnant zum Ausdruck: Was immer er als Bischof an Ermahnung, Zurechtweisung oder Ermutigung für notwendig hält, es ist stets ein fürsorgliches Raten, das auf das Heil seiner Gemeindeglieder zielt. Als solches ad salutem consulere gewinnt die bischöfliche Ausübung der disciplina ihre unverzichtbare Funktion für die cyprianische Konzeption der Paränese.209

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Klerus in diesem Konflikt freilich als ziemlich begrenzt; die Unbotmäßigkeit einiger Kleriker gegenüber ihrem Bischof hat allerdings auch weitreichende Konsequenzen: es kommt zum Schisma. 205 Vgl. Z. 36–38 zu ep 17. 206 [...] ad illorum uiolentiam interim quoquo genere mitigandam [...] (Z. 43f; Hartel liest mit einigen MSS quoque). 207 Vgl. ep 20,3,1;39–2;60 zu ep 18f. 208 Cyprian unterstreicht in Z. 47–55, er habe damit keineswegs eigenmächtig eine lex erlassen wollen, sondern mit Blick auf die den Märtyrern zu erweisende Ehre (honor) und den zu unterdrückenden impetus einiger lapsi Vorschläge des römischen Klerus aufgegriffen (vgl. ep 8,3,1;43–47 und dazu Gülzow, Cyprian, 67f.127, sowie Clarke I, 311 Anm. 28). Die Forderung eines Märtyrerlibellus geht freilich über die römischen Überlegungen hinaus (vgl. Hinchcliff, Cyprian, 61.65). 209 In diesem Sinne ist der Bemerkung Andresens, Erlösung 156, die ratgebende Aufgabe der Bischöfe gewinne eine auf das Heil bezogene Funktion, was Cyprian angeht, zuzustimmen.

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2.2 Machtmittel des Bischofs zur Durchsetzung der disciplina Sind die Bischöfe dafür zuständig, dass ihre Gemeindeglieder die ecclesiastica disciplina einhalten, so sind sie nach cyprianischem Verständnis auch mit entsprechender Amtsvollmacht ausgestattet, um ihre Ermahnungen und Zurechtweisungen nötigenfalls auch gegen Widerstand durchsetzen zu können. Ihre wichtigsten Machtinstrumente sind Androhung und Vollzug der Exkommunikation, mit der sich gegebenenfalls auch der Entzug kirchlicher Unterstützung verbindet, Auferlegung einer Bußzeit, in der entsprechende, die Reue zum Ausdruck bringende Handlungen gefordert sind, sowie die Kontrolle der Wiederaufnahme von Exkommunizierten, Schismatikern und Häretikern. Gegenüber Klerikern kommt die Möglichkeit der Amtsenthebung sowie der Kürzung oder Streichung ihres Unterhalts hinzu.210 Auch die Verweigerung des für Verstorbene üblicherweise vollzogenen eucharistischen Opfers kann als Strafe angedroht werden.211 Bezogen auf das mögliche Vorgehen des Bischofs Pomponius gegen Syneisakten werden in ep 4 verschiedene bischöfliche Strafmaßnahmen erörtert. Die von ihm bereits vollzogene Exkommunikation eines Diakons und weiterer Männer, die mit Jungfrauen das Bett geteilt haben, wird von Cyprian und seinen Kollegen als bedachtsames und striktes Vorgehen gebilligt.212 Sofern die Syneisakten ihr Fehlverhalten bereuen,213 sich voneinander zurückziehen und die Jungfrauen sich als unversehrt erweisen, wird ihre Wiederaufnahme empfohlen, allerdings unter Androhung schwererer Strafe für den Fall einer Wiederholung. Ist ihre Jungfräulichkeit verletzt, was einem Ehebruch gegenüber Christus gleichkäme, haben die Jungfrauen sich dem kirchlichen Bußverfahren (paenitentia plena) zu unterwerfen und können erst nach angemessener Bußfrist und Vollzug der Exhomologese zur Kirche zurückkehren.214 Diejenigen dagegen, die hartnäckig (obstinate) auf ihrer syneisaktischen Lebensweise beharren, können aufgrund ihrer schamlosen Hartnäckigkeit (obstinatio) niemals wieder zur Kirche zugelassen werden, da sie sonst den übrigen ein schädliches Vorbild gäben.215 Obstinatio, hartnäckige Widersetzlichkeit, ist für Cyprian, ähnlich wie für römische Magistrate, schon als solche Grund genug für schwerste Bestrafung.216 Dass Ungehorsam gegen den Bischof den Verlust des Heils zur Folge ____________

210 Zum Unterhalt der Kleriker bei Cyprian s.u. 3.2 mit Anm. 342. 211 Vgl. ep 1,2,1;34–2;44 und dazu Clarke I, 159–161 Anm. 24–26.28. 212 [...] consulte et cum uigore fecisti [...] (ep 4,4,1;71–73; vgl. ähnlich ep 34,1;4–6). Zur terminologischen Bedeutung von abstinere vgl. Bayard, Le latin, 185. 213 Der Ausdruck paenitentiam agere hat hier (Z. 73f) keine terminologische Bedeutung. 214 Z. 73–84. 215 Ep 4,4,2;84–88. 216 Amtliche Befehle römischer Magistrate verlangen strikten Gehorsam; wer sich ihren Befehlen widersetzt, unterliegt ihrer Coercitionsgewalt (vgl. dazu Mommsen, Staatsrecht I, 138–140, und Kunkel/Wittmann, Staatsordnung, 175; zur neueren Sicht der römischen coercitio vgl. ebd., 149–176). Sherwin-White, The Letters of Pliny, 699, kommentiert die bekannte Stelle Plinius ep 10,96,3 mit den

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hat, wird mit einem Zitat von Dtn 17,12f begründet, wo Ungehorsam gegen die Priester Gottes mit Todesstrafe bedroht wird.217 Der indisciplinatus, der den heilsamen Geboten (salubria praecepta) nicht gehorcht, wird zugrunde gehen.218 Als disciplina-bezogene Machtmittel des Bischofs werden hier (zeitweilige) Exkommunikation, Bußverfahren und Wiederaufnahme sowie dauerhafter Kirchenausschluss genannt. In der Anwendung bzw. Nichtanwendung des förmlichen Bußverfahrens und der abgestuften Bestimmung der angemessenen Bußfrist219 verfügt er über ein variables Strafmaß. Hartnäckiger Ungehorsam gegen seine Anweisungen ist mit endgültigem Kirchenausschluss als der bischöflichen Kapitalstrafe zu ahnden. Lehnt sich jemand gegen seinen Bischof auf, wie dies nach ep 3 ein Diakon des Bischofs Rogatianus tut,220 so verfügt dieser „gemäß der Strenge des Bischofsamtes und der auctoritas seiner Kathedra“ über die souveräne Macht, sein Recht gegen den unbotmäßigen Diakon durchzusetzen.221 Cyprian verweist dazu auf die göttlich geschützte Stellung des Priesters, für die er neben Dtn 17,12f eine Reihe biblischer exempla und Gebote anführt.222 Der aufmüpfige Diakon muss daher für sein freches Verhalten Reue zeigen, die Ehre des Bischofs anerkennen und demütig Abbitte leisten (plena humilitate satisfacere).223 Setzt er jedoch seine Schmähungen fort, so ist er kraft bischöflicher Amtsvollmacht (potestas honoris) entweder abzusetzen oder zu exkommunizieren; Gemeindeglieder, die sich ihm angeschlossen haben, sind entweder in die Schranken zu weisen (coercere) oder zu exkommunizieren.224 Cyprian streicht hier die Amtsvollmacht des Bischofs stark heraus225 und begründet damit sein Recht, gegen unbotmäßige Kleriker und Gemeindeglieder nötigenfalls Machtmittel einzusetzen.

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Worten: „Pliny’s comment would be echoed by any Roman magistrate so defied by a provincial“. Vgl. auch Heumann-Seckel s.v. contumax. 217 Näheres dazu s.u. 3.3. 218 Z. 88–104; zur Begründung wird Prov 15,12a.10b angeführt. 219 Vgl. dazu auch Kap. 8 Anm. 170. 220 Vgl. bes. ep 3,1,1;5–7.11f sowie 3,3,3;72–74 und dazu Sage, Cyprian, 149f. 221 [...] cum pro episcopatus uigore et cathedrae auctoritate haberes potestatem qua posses de illo statim uindicari [...] (ep 3,1,1;9–12); in Z. 12 steht der Ausdruck sacerdotalis potestas. 222 Vgl. ep 3,1,1;12–2,2;55 und dazu unten 3.3. Da die Diakone nach Apg 6,2–6 durch die Apostel eingesetzt worden sind, sind sie den Bischöfen als deren Nachfolgern untergeordnet (3,3,1;56– 62). 223 Ep 3,3,2;62–65; es ist unklar, ob agere audaciae suae paenitentiam hier ein förmliches Bußverfahren oder lediglich die Bekundung von Reue meint. 224 Ep 3,3,3;69–4;78. „What precise sanctions ‚coercere‘ implies are left unclear“ (Clarke I, 169 Anm. 22). 225 Zu Bedeutung und Hintergrund der verwendeten Begrifflichkeit (episcopatus uigor, cathedrae auctoritas, sacerdotalis potestas u.ä.) vgl. Gmelin, Auctoritas, 93–96, der stärker die religiöse Begründung und Funktion der bischöflichen Amtsgewalt betont, und Beck, Römisches Recht, 133–138, der v.a. Entsprechungen zur Magistratsgewalt aufzuzeigen sucht, außerdem Seagraves, Pascentes, 224– 237, sowie Ring, Auctoritas, 95–101.

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Beide angeführten Briefe, die exemplarisch die Macht des Bischofs und die diesem zur Verfügung stehenden Machtinstrumente herausstellen, betonen freilich am Ende, Ziel der Bischöfe müsse es sein, die Betroffenen möglichst durch geduldige Ermahnung zur Einsicht zu bringen. Müssten sie ihre bischöflichen Machtinstrumente einsetzen, so gäben sie ihren eigentlichen Vorsatz preis, durch milde patientia alle Schmähungen und alles Unrecht zu überwinden.226 Auch wenn Bischöfe Machtmittel benötigen, um ihren Weisungen den nötigen Nachdruck zu verleihen,227 die ihnen eigentlich angemessene Methode der Durchsetzung ist nicht die Bestrafung, sondern das Überzeugen durch Milde und Geduld. Cyprian verbindet demnach, dem römischen Herrscherideal entsprechend, ein ausgeprägtes, durchaus hoheitliches Amtsbewusstsein228 mit der Forderung der Milde.229 Die gelegentlich anklingende, biblisch begründete Forderung der humilitas steht dagegen im Widerspruch zu römischen Idealen.230 2.3 Die bischöfliche Binde- und Lösegewalt Ein Kernstück der bischöflichen Verantwortung und Macht in Bezug auf die disciplina ist die Ausübung der sog. Binde- und Lösegewalt.231 Sie auszuüben ist nicht nur das alleinige, wenn auch delegierbare Recht des Bischofs, sondern auch seine Pflicht. Es ist nach cyprianischer Überzeugung seine Aufgabe, möglichst alle Sünder zur Buße zu bewegen, und er darf die Kirche reumütigen lapsi oder rückkehrwilligen Schismatikern nicht verschließen. Ausgeschlossen bleibt jedoch, wer sich dem Bischof widersetzt oder seine Wiederaufnahme gewaltsam zu erzwingen sucht. Cyprian zufolge wird in Mt 16,18f und Joh 20,21b–23, den Schlüsselstellen für sein Verständnis der Binde- und Lösegewalt,232 ein bestimmter Personen____________

226 [...] magis enim optamus et cupimus contumelias et iniurias singulorum clementi patientia uincere quam sacerdotali licentia uindicare (ep 3,3,4;78–82). 227 Zur abschreckenden Wirkung kirchlicher Strafmaßnahmen vgl. ep 1,2,2;45–49, zu den von Cyprian befürchteten verheerenden Konsequenzen einer unkontrollierten Lockerung der ‚Zügel‘ ep 27,2,1;27–30. 228 Vgl. von Campenhausen, Kirchliches Amt, 318f. 229 Zur Vereinigung von censura und humanitas in seinem Amtsverständnis und seiner Amtsführung vgl. etwa d’Alès, La théologie, 345; charakteristisch ist das nordafrikanische Vorgehen in der lapsi-Frage, wie es in ep 68,1,2;16–19 und ep 55,6,1;80–90 beschrieben wird. – Zum römischen Herrscherideal vgl. etwa Winkler, Clementia, 210–214, und Bellincioni, Potere et etica, 86–97, zur clementia als römischer Herrschertugend Dahlmann, Clementia Caesaris. 230 Vgl. bes. ep 66,3,1;42–48. Wischmeyer, Golgatha, 190 Anm. 98, hebt mit Recht die Bedeutung der Demut für das cyprianische Amtsverständnis und ihre biblische Prägung hervor; vgl. auch Gallicet, laps/unit/ep, 76 Anm. 5. 231 Von Campenhausen, Kirchliches Amt, 311–320, sieht diese Thematik als für das „amtliche Bischofsrecht“ bei Cyprian entscheidend an (S. 312), dürfte ihre Bedeutung damit aber vielleicht doch überschätzen. 232 Zu seiner Rezeption dieser Texte vgl. Fahey, 309–312 bzw. S. 403f; Mt 18,15–18 begegnet lediglich in der erwähnten Anspielung auf V. 15 in ep 4,5,2;115 (s.o. 2.1). – Zum Verständnis der Bin-

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kreis, nämlich die Apostel und die Bischöfe als ihre Nachfolger, mit der Zuständigkeit in Fragen der Sündenvergebung betraut. So beruft er sich im Kontext des Ketzertaufstreites auf diese beiden Texte, um – bezogen auf die Taufe! – die Frage zu klären, „wo und durch welche (Personen) Sündenvergebung gewährt werden kann“.233 Hat Christus zunächst Petrus die Vollmacht (potestas) gegeben, „dass das auf Erden gelöst sein würde, was er gelöst habe“234 – Cyprian spielt hier auf Mt 16,19b an, ersetzt aber ε ν τοι^ς ου ρανοι^ς durch in terris235 und nimmt damit, wie es scheint, eine signifikante Einschränkung der Reichweite der Lösegewalt vor –, und nach seiner Auferstehung in Joh 20,21b– 23 die Apostel insgesamt autorisiert, Sünden zu vergeben bzw. festzuhalten,236 so folgt daraus für Cyprian, dass „allein denen zu taufen und Sündenvergebung zu gewähren erlaubt ist, die in der Kirche den Vorsitz innehaben und in ihrem Amt durch das Gesetz des Evangeliums und die Amtseinsetzung des Herrn begründet sind“.237 Die Verbindung zwischen den praepositi in der Kirche und den Aposteln wird durch den Hinweis auf die Begründung ihres Amtes (bzw. ihrer selbst als Amtsträger) in der euangelica lex und der dominica ordinatio lediglich angedeutet.238 Mit der exklusiven Bevollmächtigung der Bischöfe zur Ausübung der Bindeund Lösegewalt,239 von Cyprian in der Regel auf die Vergebung postbaptismaler Sünden bezogen, verbindet sich die Verpflichtung, von dieser Vollmacht

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de- und Lösegewalt in Mt 16,19 vgl. etwa Luz, EKK I/2, 458f.465f, und Bohren, Kirchenzucht, 49–59, zu Joh 20,21–23 Schnackenburg, HThK IV/3, 383–390, ferner Goldhahn-Müller, Grenze, 172–178. 233 [...] ubi et per quos remissa peccatorum dari possit [...] (ep 73,7,1;114–2;126, Zitat Z. 114f). Aus der Tatsache, dass Joh 20,21b–23 auch ep 69,11,1;225–232 für die Taufe, jedoch nie bezogen auf postbaptismale Sünden herangezogen wird, folgern Koch, CU, 284, und Poschmann, Paenitentia secunda, 398, Cyprian unterscheide zwischen der auf die Taufe beschränkten bischöflichen Vollmacht zur Sündenvergebung in Joh 20,21–23 und einer auf postbaptismale Sünden bezogenen Binde- und Lösegewalt in Mt 16,18f. Dagegen spricht freilich, dass beide Texte hier ebenso wie in unit 4;79–83. 94fTR unzweideutig auf dieselbe potestas bezogen werden. 234 [...] (Petro) potestatem istam dedit ut id solueretur in terris quod ille soluisset (Z. 117f). 235 Die von einigen MSS gebotene v.l. in caelis ist sekundäre Angleichung an den Bibeltext. 236 Die Argumentation mit Joh 20,21b–23 richtet sich möglicherweise gegen Tertullian, der Mt 16,18f in pud 21,9f als eine persönliche Bevollmächtigung allein des Petrus interpretiert und die Vorstellung, die soluendi et alligandi potestas (Z. 41f) sei auf die gesamte Kirche übergegangen, ablehnt. 237 Vnde intellegimus non nisi in ecclesia praepositis et euangelica lege ac dominica ordinatione fundatis licere baptizare et remissam peccatorum dare [...] (Z. 122–125). Die Folgerung in Bezug auf den sog. Ketzertaufstreit lautet: foris autem nec ligari aliquid posse nec solui, ubi non sit qui aut ligare possit aut soluere (Z. 125f). Ein Reflex der referierten Ausführungen findet sich bei Firmilian in ep 75,16,1;318–329; zur Abhängigkeit dieses Briefes von Cyprian vgl. Clarke IV, 248–250. 238 Zur cyprianischen Verwendung des Titels praepositus, der in aller Regel den Bischöfen vorbehalten ist, vgl. Seagraves, Pascentes, 40 Anm. 1, und Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 173, zur Begründung des Bischofsamtes in Mt 16,18f s.u. 3.1. Die im Kontext des Ketzertaufstreites eigentlich unentbehrliche Absicherung des „in der Kirche“ durch den Sukzessionsgedanken überspringt Cyprian hier (auch dazu s.u. 3.1). 239 Diese Vollmacht kann an Presbyter und Diakone delegiert werden (vgl. ep 18,1,2;10–18 und dazu Clarke I, 298f Anm. 7), sie ohne bischöfliche Beauftragung in Anspruch zu nehmen wäre jedoch eine Usurpation (vgl. ep 16,1,2 u.ö.).

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zum Wohl ihrer Gemeindeglieder auch Gebrauch zu machen. Hat Christus selbst „erlaubt und das Gesetz erlassen, dass das auf Erden Gebundene auch im Himmel gebunden sei, dort aber gelöst werde(n könne), was zuvor hier in der Kirche gelöst werde“, so dürfen die Bischöfe denen, die reumütig bei der Kirche anklopfen, die Hilfe, welche die Hoffnung auf das Heil begründet, nicht versagen und sie nicht ohne Kirchengemeinschaft und pax zum Herrn schicken.240 Mit dieser Überlegung begründen die wahrscheinlich im Mai 253 zu einer Synode in Karthago versammelten Bischöfe rückblickend den Beschluss vom Frühjahr 251, bußfertigen lapsi bei Todesgefahr die kirchliche pax zu gewähren.241 Die in der Binde- und Lösegewalt begründete Aufgabe der Bischöfe, alles dafür zu tun, dass niemand durch ihre Schuld der Kirche verlorengehe, wird in den cyprianischen Briefen wiederholt erläutert und eingeschärft.242 In ep 55, einem Brief zur Verteidigung der Synodalentscheidung zur lapsiFrage vom Frühjahr 251 gegenüber Anfragen des Bischofs Antonianus,243 wird die Verpflichtung der Bischöfe, denen zu helfen, die zu Fall gekommen sind, ausführlich begründet.244 Cyprian beginnt mit den libellatici, deren Verfehlung allgemein als geringer eingestuft wird,245 ohne dass jedoch die angeführten theologischen Argumente durch die Unterscheidung zwischen sacrificati und libellatici bestimmt oder auf letztere beschränkt wären. Der erste Argumentationsgang orientiert sich an dem – als Darstellung des Handelns Christi gedeuteten – Gleichnis vom verlorenen Schaf (Lk 15,3–7): Lehnten die Bischöfe die paenitentia der libellatici ab, so dass diese zusammen mit ihren selbst unver____________

240 [...] quando permiserit ipse (sc. dominus) et legem dederit ut ligata in terris et in caelis ligata essent, solui autem possent illic quae hic prius in ecclesia soluerentur (ep 57,1,1;19–25, Zitat Z. 23– 25); biblischer Bezugspunkt ist Mt 16,19 (par 18,18). Während Bévenot, Sacrament, 210f, die Formulierung solui possent als eine bloße Futurumschreibung deutet und dazu auf entsprechende Belege bei Merkx, 102, verweist (ebenso schon Rahner, Busslehre, 394 Anm. 26, zustimmend Deléani, CTC 97, 32 [S. 326]), leitet Poschmann, Paenitentia secunda, 403, daraus ab, das „kirchliche Lösen“ falle „nicht schlechterdings mit dem Lösen im Himmel zusammen“, jenes sei „vielmehr die Voraussetzung für dieses“, stehe doch das bischöfliche Urteil unter dem Vorbehalt göttlicher Überprüfung (vgl. ep 55,18,1;292–297 u.ö.; ähnlich etwa von Campenhausen, Kirchliches Amt, 316f; Capelle, L’absolution, 233, spricht von einer „audacieuse atténuation du texte biblique“). Ein Vorbehalt bzgl. des noch ausstehenden göttlichen Urteils gilt freilich für alle Christen, und die kirchliche Wiederaufnahme Gefallener verbindet sich für Cyprian grundsätzlich mit ihrer vollen Rehabilitierung (so mit Recht Bévenot, Sacrament, 191–196; zur Ausnahme bei Klerikern s.u. 3.4). 241 Ep 57,1,1;14–19; der Brief ist ein Synodalbrief, der freilich von Cyprian verfasst sein dürfte (vgl. Hinchcliff, Cyprian, 81, und Fischer/Lumpe, Synoden, 203). Zur Datierung der Synode vgl. Duquenne, Chronologie, 38–41, Clarke III, 213f, Fischer/Lumpe, Synoden, 201, und zuletzt Duval, Les chrétientés d’occident, 124f. 242 Vgl. etwa ep 59,8,1;206f. 243 Zur Person vgl. Clarke III, 164f Anm. 1, zur Synode Fischer/Lumpe, Synoden, 165–182, sowie Duval, Les chrétientés d’occident, 117–121. 244 Vgl. bes. ep 55,15–19. Zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund der im folgenden skizzierten theologischen Argumentation vgl. Seeberg, Lehrbuch I, 603–606. 245 Zur Verfehlung der libellatici vgl. ep 55,14,1;225–2;241 sowie laps 27f; in ep 55,15,1;242f billigt Cyprian ihnen zu, aliquam fiduciam tolerabilis conscientiae zu haben.

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sehrt gebliebenen Frauen und Kindern246 vom Teufel zu Häresie oder Schisma fortgerissen würden, so würde den Bischöfen am Tag des Gerichts vorgehalten werden, „das verwundete Schaf nicht geheilt zu haben, ja sogar wegen eines verwundeten (Schafes) viele unversehrte verloren zu haben“;247 selbst die Zurückkehrenden hielten sie fern. Damit gäben sie den Gegnern Gelegenheit, die Herde Christi weiter zu verwüsten, und verdürben durch ihre unmenschliche Härte (duritia et inhumanitate) diejenigen, die die Verfolgung nicht verdorben habe.248 Die Charakterisierung der libellatici als verwundete bzw. verlorene „Schafe“ begründet die Pflicht der Bischöfe als „Hirten der Herde Christi“, sich ihrer ebenso anzunehmen, wie Christus selbst es tut, und das heißt für Cyprian: sie zum Bußverfahren zuzulassen und sie auf diesem Wege der Kirche wieder einzugliedern.249 In einem zweiten Argumentationsgang werden den Novatianern zugeschriebene stoische Vorstellungen, wonach alle Sünden gleich sind und ein uir grauis sich nicht leicht umstimmen lassen darf,250 mit dem Argument abgewiesen, Christen müssten meiden, was auf die Anmaßung einer harten Philosophie (philosophia durior) und nicht auf die Milde Gottes (dei clementia) zurückgehe.251 Leitend seien für sie vielmehr die Sanftheit des Mose (Num 12,3: homo lenis nimis) – für Cyprian offenbar ein biblisches Gegenbild zum (römisch-) stoischen Ideal des uir grauis252 –, die Barmherzigkeit des himmlischen Vaters (Lk 6,39) sowie das Wort Jesu, nicht die Gesunden bedürften des Arztes, sondern die Kranken (Mt 9,12par). Cyprian überträgt diese jesuanische Selbstaussage auf die Bischöfe, die offenbar auch hier an Christi Statt agieren:253 Wie ein Arzt müssen sie ihr hilfreiches Heilmittel gerade den Verwundeten (uulnerati) zuteil werden lassen.254 Dass den „Vorgesetzten“ keine „größere oder bessere Sorge“ ____________

246 „Im Normalfall schien den Behörden der Opfervollzug einer Person des Haushalts genügt zu haben“, der dem paterfamilias überreichte Opferlibellus galt „für alle Haushaltsmitglieder“ (Selinger, Religionspolitik, 104; vgl. S. 101–104). 247 [...] adscribetur nobis in die iudicii nec ouem sauciam curasse et propter unam sauciam multas integras perdidisse (Z. 245–247); zur „steigernde(n) Kraft“ von et vgl. Schrijnen-Mohrmann I, 148. 248 Ep 55,15,1;242–253. In gleichem Sinne verwendet Cyprian in ep 55,19,2;320–328 das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (vgl. dazu auch ep 68,3,4;61–67): Aufgabe der Bischöfe ist es, in Nachahmung dessen, was Christus gelehrt und getan hat, den Verwundeten – also die lapsi – aus dem Rachen des Widersachers herauszureißen, um ihn als Geheilten für Gott, den Richter, zu bewahren. Die Formulierung deo iudici reseruare impliziert keinen Vorbehalt bezüglich der Realität der Sündenvergebung, sondern meint die Bewahrung zum Heil; der Gefallene wird ja als curatus bezeichnet, und reseruare wird auch sonst in entsprechender Bedeutung gebraucht (vgl. ep 55,22,4;387; laps 3;51–53 u.ö.); ähnlich Bévenot, Sacrament, 194–196. 249 Zur Untermauerung dieses Gedankens verweist Cyprian in ep 55,15,2;253–259 auf das Vorbild des Apostels Paulus; er zitiert dazu 1Kor 10,33–11,1; 9,22 und 12,26. 250 Vgl. dazu oben Kap. 5.2.2.1. 251 Für die Ablehnung der Philosophie beruft sich Cyprian auf Kol 2,8. Zum Vorwurf des Stoizismus gegen die Novatianer s.o. Kap. 5.2.2.1 mit Anm. 308. 252 Cyprian kann dieses Ideal, wie in Kap. 5.2.2.1 gezeigt, freilich auch positiv aufnehmen. 253 Fahey, 292, spricht mit Recht von einem „transfer of meaning“. 254 Ep 55,16,1;260–3;276. Dass es sich bei den lapsi um Verwundete handelt, die zwar halbtot darniederliegen (Anspielung auf Lk 10,30), jedoch nicht tot sind, ist für Cyprian auch daran zu erken-

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obliege, „als mit gewissenhafter Fürsorge und heilsamer Arznei für die zu hegenden und zu bewahrenden Schafe Sorge zu tragen“, kann Cyprian auch aus ihrem Hirtenamt ableiten.255 Mit ihrer Entscheidung, die libellatici nach Einzelfallprüfung direkt wiederaufzunehmen, den sacrificati aber bei Todesgefahr die pax zu gewähren,256 greifen die Bischöfe, so Cyprian,257 keineswegs dem Urteil Christi vor, der vielmehr bei echter paenitentia ihre Entscheidung bestätigen, im Falle bloß vorgespielter Reue dagegen aufgrund seiner Kenntnis des menschlichen Herzens ihr Urteil verbessern werde.258 Sie folgen damit vielmehr der biblischen Weisung, dem Bruder zu helfen, seine Lasten zu tragen und ihn nicht hochmütig zu verurteilen.259 Wenn sie die Liebe (pietas) und Milde (clementia) Christi bedenken, der für die Sünden der Christen eintritt,260 dürfen sie gegenüber den Brüdern, für die sie zu sorgen haben, nicht grausam, hart und unmenschlich sein,261 sondern müssen mit ihnen mitleiden262 und sie nach Möglichkeit mit der Hilfe und dem Trost ihrer Liebe aufrichten. So wenig sie ihnen leichtfertig die communicatio gewähren dürfen, so wenig dürfen sie ihre paenitentia unerbittlich zurückweisen. Die Bischöfe sind demnach in der Ausübung der Binde- und Lösegewalt zur Nachahmung des Heilshandelns Christi verpflichtet.263 Wie dieser haben auch sie die Rolle des „Arztes“, der mit heilender und pflegender Fürsorge für die „Kranken“ Sorge zu tragen hat. Den lapsi die Möglichkeit zur Buße zu verweigern, wie dies Cyprian zufolge die Novatianer tun,264 kommt für ihn deshalb nicht in Frage.

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nen, dass einige Gefallene später zu Konfessoren und Märtyrern geworden sind (Z. 269–276). Koch, CU, 262, nimmt hier eine Verschiebung gegenüber laps 30;603f wahr, wo eine gefallene Frau als spiritaliter mortua bezeichnet wird. 255 Quae est enim maior aut melior cura praepositorum quam diligenti sollicitudine et medella salubri fouendis et conseruandis ouibus prouidere [...] (ep 68,4,1;68–2;86, Zitat Z. 68–70). Cyprian führt dazu neben Mt 9,12par auch die Hirtenpolemik in Ez 34,4–6.10.16 an; zu seiner Rezeption dieses Abschnitts vgl. noch unten Anm. 277 sowie Fahey, 231f. 256 [...] placuit [...] examinatis causis singulorum libellaticos interim admitti, sacrificatis in exitu subueniri (ep 55,17,1;277–3;291, Zitat Z. 285f). Zum Verständnis des vieldiskutierten interim vgl. Koch, CU, 213f.264–266, Poschmann, Paenitentia secunda, 383–385, und Clarke III, 191 Anm. 77. Die Einzelheiten des hier kurz zusammengefassten Beschlusses der karthagischen Synode vom Frühjahr 251 werden bei Poschmann, a.a.O., 379–390, im wesentlichen überzeugend interpretiert und erläutert; anders in vielem Koch, CU, 213–223; vgl. ferner etwa Chartier, La discipline pénitentielle, 135–137, und Taylor, St. Cyprian, 39–43. 257 Ep 55,18,3;292–19,1;319. 258 Vgl. zu dieser bei Cyprian wiederholt begegnenden Vorstellung Daly, Absolution, 206. 259 Cyprian zitiert Z. 298–305 Prov 18,19; Gal 6,1f; 1Kor 10,12 und Röm 14,4. 260 Dieser Gedanke wird mit 1Joh 2,1–2 und Röm 5,8f belegt (Z. 306–313). 261 [...] non acerbi adeo nec duri nec in fouendis fratribus inhumani esse debemus (Z. 314f). 262 Vgl. dazu auch laps 4;74–83 und ep 13,1;10–14. 263 Vgl. dazu auch Keenan, habit, 76, die in der Nachahmung der Liebe Christi das Leitbild für das gesamte disciplina-bezogene Handeln Cyprians sieht. 264 Vogt, Coetus sanctorum, 115–121.139–168, hält die cyprianische Darstellung der Position Novatians für im wesentlichen zutreffend, Koch, CU, 270–275, beurteilt sie als eine Verzeichnung.

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Die Bereitschaft Cyprians und seiner Kollegen, ihre Entscheidungen der jeweiligen Situation anzupassen und nötigenfalls zu revidieren, wird in der zwei Jahre nach ep 55 verfassten ep 57 erkennbar.265 Angesichts einer drohenden neuen Verfolgung sehen sich die Bischöfe jetzt gefordert, alle bußfertigen lapsi sofort wiederaufzunehmen, um sie für den bevorstehenden Kampf zu sammeln, auszurüsten und zu unterweisen.266 Als „Bewaffnung“ erscheint hier vor allem der Empfang der Eucharistie: Die von den Bischöfen zum Kampf angestachelten reumütigen lapsi sind aufzunehmen, damit sie nicht „unbewaffnet und nackt“ gelassen, „sondern durch den Schutz des Blutes und des Leibes Christi“ bewehrt werden.267 Da die Eucharistie als Schutz (tutela) empfangen werde, seien diejenigen, die gegen den Widersacher geschützt (tutus) sein sollten, mit dem Bollwerk (munimentum) der Speise des Herrn zu bewaffnen, und denjenigen, die im Bekenntnis des Namens ihr Blut vergießen sollten, dürfe das Blut Christi nicht verweigert werden.268 Niemand könne „zum Martyrium fähig sein, der nicht von der Kirche für den Kampf bewaffnet“ werde, und der Geist (mens), „den nicht die empfangene Eucharistie aufrichte(t) und entzünde(t)“, sei kraftlos.269 Dass die Entscheidung der Bischöfe mit Unwägbarkeiten verbunden sei – ob sie, ihrem Bischofsamt zu Ehre und Ruhm, zukünftigen Märtyrern die pax gewährten oder getäuscht würden, könnten sie nicht wissen –, dürfe nicht dazu führen, dass die Bösen den Guten im Weg stünden, vielmehr müsste jenen von diesen geholfen werden;270 Gott kenne ohnehin Herz und Sinn der Betroffenen und richte über das Verborgene. Entscheidend sei, dass allen, die kämpfen sollten, die pax gewährt werde, damit keiner, der im Kampf gekrönt werden könnte, durch ihre Unkenntnis übergangen werde.271 Andernfalls werde den ____________

265 Schon der Beschluss vom Frühjahr 251 wird in ep 55,7,2;100–103 damit begründet, dass, um möglichst viele zu retten, den Zeitumständen Rechnung getragen worden sei (necessitate temporum succubuisse). Zur Datierung von ep 57 s.o. Anm. 241. 266 Ep 57,1,2;25–2,1;39 (ähnlich 57,5,1;121–125); zur historischen Situation vgl. Clarke III, 213–216. Vgl. dagegen ep 59,13,4;366f, wo die Kritik einer (vor-) schnellen Wiederaufnahme von lapsi ohne förmliches Bußverfahren u.a. damit begründet wird, dass durch eine solche Preisgabe der Strenge der Glaube entwaffnet (exarmatur) und damit die Kampfbereitschaft der Christen geschwächt würde (zur Datierung von ep 59 s.u. Anm. 286). 267 [...] ut quos excitamus et hortamur ad proelium non inermes et nudos relinquamus, sed protectione sanguinis et corporis Christi muniamus [...] (Z. 45–47). 268 Ep 57,2,2;43–52. 269 [...] idoneus esse non potest ad martyrium qui ab ecclesia non armatur ad proelium, et mens deficit quam non recepta eucharistia erigit et accendit (ep 57,4,2;86–88). Vgl. auch ep 58,1,2;19–22, wo es heißt, die milites Christi empfingen deshalb täglich den Kelch des Blutes Christi, damit auch sie selbst ihr Blut um Christi willen vergießen könnten. Zur Sache vgl. Pellegrino, Eucaristia e martirio, 529–533, der weitere Anklänge an das Thema bei Cyprian zusammenstellt, Capmany, Miles, 339– 344, sowie zuletzt Carfora, Teologia eucaristica. 270 Der Gedanke: obesse autem mali bonis non debent, sed magis mali a bonis adiuuari (ep 57,3,3;77f), hat eine Entsprechung bei Seneca benef 4,28,1: satius est autem prodesse etiam malis propter bonos quam bonis deesse propter malos (104,22–24 Hosius). 271 [...] ne per ignorantiam nostram ille incipiat praeteriri qui habet in proelio coronari (ep 57,3,2;64–3;82, Zitat Z. 81f). – Koch, CU, 261f, weist mit Recht darauf hin, dass Cyprian während der decischen Verfolgung anders, nämlich mit der Möglichkeit für die lapsi, sich durch die confessio

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Paränese als vom Bischof ausgeübte ecclesiastica disciplina

Bischöfen am Tag des Gerichts stumpfe Nachlässigkeit (neglegentia segnis) oder grausame Härte (duritia crudelis) vorgeworfen, „weil wir als Hirten die uns anvertrauten und übergebenen Schafe weder im Frieden heilen noch in der Schlacht bewaffnen wollten“.272 Um nicht dem Vorwurf ausgesetzt zu sein, sie hätten den lapsi lieber die Härte (duritia) menschlicher Grausamkeit als die Milde (clementia) göttlicher, väterlicher Liebe entgegengehalten, sei auf Eingebung des Geistes und vielfältige Visionen des Herrn hin beschlossen worden, nach Einzelfallprüfung die reumütigen lapsi wiederaufzunehmen. Wer anders entscheide, möge Christus am Tag des Gerichts für seine unzeitgemäße Strenge (censura) oder seine unmenschliche Härte Rechenschaft ablegen.273 Ep 57 dokumentiert eine bemerkenswerte Verschiebung gegenüber ep 55: Argumente, die dort gegen die Verweigerung jedweder Bußmöglichkeit angeführt wurden, werden jetzt gegen die Ablehnung direkter Wiederaufnahme – allerdings nach etwa zweijähriger Bußzeit! – der lapsi aufgeboten.274 Die Bevollmächtigung der Bischöfe zur Sündenvergebung wird angesichts einer drohenden erneuten Verfolgung als Verpflichtung zu einer Art Generalamnestie für alle reumütigen lapsi interpretiert.275 Die von den Bischöfen gehandhabte Bußdisziplin erweist sich damit als Ausdruck eines situationsbezogenen, die ganze Gemeinde im Blick haltenden ad salutem consulere, das in der einen Situation Strenge, in einer anderen dagegen Milde erfordern kann.276 Das Bild des für das Wohlergehen der ihm anvertrauten Schafe verantwortlichen Hirten gewinnt für Cyprian in diesem Kontext großes Gewicht.277 Lässt die karthagische Synode von 253 dem einzelnen Bischof noch die Freiheit, anders zu entscheiden, sei es auch mit Hinweis auf die Rechenschafts____________

selbst wiederherzustellen, argumentiert hat (vgl. dazu ep 55,4,1;39–46 und laps 36;710–716); ebenso Hinchcliff, Cyprian, 81. Nur bei denjenigen, die im Kampf den Foltern erlegen waren, hatte Cyprian sich schon früher entsprechend geäußert (ep 56,2,2;30–41). 272 [...] quod pastores creditas et commissas nobis oues nec curare in pace nec in acie uoluerimus armare (ep 57,4,3;96–117, Zitat Z. 103–105); auch hier wird Ez 34,3–6.10.16 zitiert. 273 Ep 57,5,1;118–2;130; hier klingen die Begriffe aus ep 55,16,1;264–266 wieder an. 274 Wurde im Beschluss von 251, wie Poschmann, Paenitentia secunda, 387–389, wohl mit Recht annimmt, die Bußdauer für die sacrificati (noch) offen gelassen und nur im Falle des (baldigen) Todes eine feste Regelung getroffen (ebenso Seeberg, Lehrbuch I, 607; Markschies, Cyprianus, 353, geht von einer beabsichtigten Wiederaufnahme „nach längerer Bußfrist“ aus), handelt es sich hier um eine situationsbedingte Weiterführung jenes Beschlusses; ähnlich Taylor, St. Cyprian, 45f. Koch, CU, 242f, dagegen rechnet mit einer Revision der früheren Entscheidung, die eine Wiederaufnahme grundsätzlich nur auf dem Sterbebett erlaubt habe; ähnlich Frend, Martyrdom, 416. 275 Von Campenhausen, Kirchliches Amt, 314, spricht von einer „bedingungslose(n) Amnestie“; allerdings wird, wie es scheint, am Prinzip der Einzelfallprüfung festgehalten. 276 Während Benson, Cyprian, 222–225, und Fitschen, „Nihil innovetur“, bes. S. 81–85, die seelsorgerlichen Gründe der cyprianischen „Flexibilität“ herausstreichen (ähnlich Bévenot, Sacrament, 188–190), moniert von Campenhausen, Kirchliches Amt, 320, die Ausübung der Schlüsselgewalt werde von „taktisch-kirchenpolitischen Erwägungen“ mit beeinflusst. 277 Dazu gehört auch die wiederholte Erinnerung an die Hirtenpolemik in Ez 34, die sowohl gegen eine voreilige Wiederaufnahme der lapsi ohne angemessenes Bußverfahren (ep 15,2,1;33–37) als auch gegen die gänzliche oder „unzeitgemäße“ Verweigerung einer Wiederaufnahme (ep 68,4,1f; ep 57,4,4) gewendet werden kann.

2. Die Ausübung der disciplina durch den Bischof

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pflicht gegenüber Christus,278 fordert Cyprian in ep 68 ein Einschreiten Stephans von Rom gegen den gallischen Bischof Marcianus, der sich offenbar Novatian angeschlossen hat und daher reumütige lapsi gar nicht zum Bußverfahren zulässt.279 Folgt ein Bischof einer Häresie und sucht die Herde Christi zu verwüsten, muss das durch Eintracht und Einheit verbundene Priesterkollegium (corpus sacerdotum) die Hirtenverantwortung wahrnehmen und die Schafe des Herrn in der Herde sammeln, sind sie doch alle Hirten ein und derselben Herde Christi.280 Die Entscheidungsfreiheit des einzelnen Bischofs endet offenbar dort, wo er als Schismatiker oder Häretiker die Kirchengemeinschaft verlässt.281 Die rigoristische Ablehnung jedweder Wiederaufnahme bußfertiger lapsi hält Cyprian jetzt für kirchlich nicht (mehr) tragbar. Begrenzt ist die Verantwortung der Bischöfe für das Heil ihrer Gemeindeglieder durch die freie Entscheidung des einzelnen, wie Cyprian mit einer Auslegung von Joh 6,66–69 zu zeigen sucht: Habe Christus denen, die ihn verließen, nicht gedroht, sondern mit seiner Frage an die Apostel, ob auch sie gehen wollten, ausdrücklich die menschliche Entscheidungsfreiheit gewahrt,282 so zeige die stellvertretend für alle mit der Stimme der Kirche (ecclesiae uoce) ergangene Antwort des Petrus, dass diejenigen, die sich von Christus trennten, aus eigener Schuld zugrunde gingen, die Kirche jedoch niemals von ihm weiche.283 Aufgabe der Bischöfe könne daher nur sein, sich anzustrengen, dass niemand durch ihre Schuld der Kirche verlorengehe.284 Gehe jemand freiwillig durch sein Verbrechen zugrunde und weigere sich, Buße zu üben und zur Kirche zurückzukehren, so seien sie, „die fürsorgend zur Gesundheit rieten“, am Tag des Gerichts unschuldig; bestraft würden allein jene, die nicht durch ihren „heilsamen Rat“ geheilt werden wollten.285 ____________

278 Zu diesem bei Cyprian wiederholt begegnenden Motiv der Freiheit des einzelnen Bischofs vgl. Bévenot, Bishop, sowie Bakhuizen van den Brink, Cyprianus, 20–28, der Bévenots Versuch, das Motiv auf römischen Einfluss zurückzuführen, mit Recht in Frage stellt. 279 Vgl. ep 68,1,1;3–16 und dazu ausführlich Chartier, La discipline pénitentielle, 146–154. Konkret fordert Cyprian, Stephan möge die gallischen Bischöfe und die Gemeinde von Arles brieflich zur Exkommunikation des Marcianus und zur Einsetzung eines neuen Bischofs auffordern. Zur vieldiskutierten Frage einer Jurisdiktionsgewalt des römischen Bischofs in Gallien vgl. Clarke IV, 164f Anm. 7 und S. 167f Anm. 13, der entsprechende Deutungen entschieden ablehnt; ähnlich Duval, Les chrétientés d’occident, 286f, anders Sage, Cyprian, 301 mit Anm. 4. 280 Vgl. ep 68,3,2;48–53 bzw. 68,4,3;86–90 sowie unit 4;93fPT; anders unit 8;192–195. 281 Vgl. ep 68,2,1–2; anders ep 55,21,1–2, wo an die Tradition wechselseitiger Toleranz bei Differenzen erinnert wird. Zu historischen Hintergründen vgl. Duval, Les chrétientés d’occident, 115f. 282 Der Mensch ist libertati suae relictus et in arbitrio proprio constitutus und kann deshalb für sich selbst den Tod oder das Heil begehren (ep 59,7,2;185–188); ähnlich unit 10;243–246. – Das Thema der Willensfreiheit wird bei Cyprian nur gelegentlich berührt. Nach Quir 3,52tit ist die Entscheidung für den Glauben Sache menschlicher Willensfreiheit (Credendi uel non credendi libertatem in arbitrio positam; vgl. dazu Koch, I rapporti, 141f, der auf Entsprechungen zu Irenäus haer 4,37,5 hinweist, und d’Alès, La théologie, 30), nach habit 23;203,27–204,1 die Entscheidung für die uirginitas. 283 Ep 59,7,1;175–3;195. 284 Vgl. dazu auch ep 64,2,2;27f bezogen auf die Taufe Neugeborener. 285 [...] nos die iudicii inculpatos futuros qui consulimus sanitati, illos solos in poenis remansuros qui noluerint consilii nostri salubritate sanari (ep 59,8,1;206–211, Zitat Z. 209–211).

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Paränese als vom Bischof ausgeübte ecclesiastica disciplina

Seine eigene Anstrengung, möglichst niemanden zugrunde gehen zu lassen, erläutert Cyprian in ep 59 anhand seiner Bereitschaft, zurückkehrende Schismatiker wiederaufzunehmen.286 Er betont zwar zunächst, er habe, als sich nach der Erhebung des Fortunatus zum Pseudobischof viele von diesem abgewandt und wieder bei der Kirche angeklopft hätten, im Bewusstsein seiner Rechenschaftspflicht vor Christus ängstlich abgewogen und sorgfältig geprüft, wer aufzunehmen und zur Kirche zuzulassen sei,287 beschreibt dann aber vor allem sein großes Interesse an ihrer Wiederaufnahme. Intensiv bemühe er sich darum, die Zustimmung der Gemeinde zur Aufnahme der Schismatiker zu gewinnen,288 und zwar nicht nur der weniger belasteten, sondern auch derjenigen, die unverbesserlich, mit Ehebruch oder Opfern befleckt und trotz alledem noch hochmütig seien. Die karthagische Kirche sei niemandem verschlossen, und der Bischof versage sich niemandem, nicht einmal Felicissimus und seinen Genossen, die als Gesandte des Fortunatus nach Rom gereist seien.289 Er wünsche, dass alle zur Kirche zurückkehrten, und sei mit patientia und humanitas bereit, alles zu vergeben. In seinem Eifer, die Gemeinde zu sammeln, sei er bereit, vieles zu vergessen und sogar gegen Gott Begangenes nicht mit voller Strenge zu prüfen;290 in seiner Bereitschaft, mehr zu vergeben, als er sollte, sündige er beinahe schon selbst. Er umarme mit bereitwilliger, voller Liebe diejenigen, die mit Reue zurückkehrten und ihre Sünde mit demütiger, schlichter satisfactio bekennten.291 Erzwingen kann seine Wiederaufnahme freilich niemand: Wer meine, er könne mit Drohungen statt mit Bitten zur Kirche zurückkehren und sich statt durch Wehklagen und satisfactiones mit Schrecken (terrores) Zutritt verschaffen, der werde die Kirche verschlossen und den Priester Gottes unbesiegbar finden.292

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286 In der Literatur zur cyprianischen Bußtheologie scheint mir dem Umstand, dass es in der chronologisch vor ep 57 einzuordnenden ep 59 (vgl. Clarke III, 235–239) um Schismatiker, nicht um lapsi geht, nicht genügend Rechnung getragen zu werden. Dass die Verantwortung für die Wiederherstellung der Einheit der Kirche auf einer anderen Ebene angesiedelt ist als die seelsorgerliche Betreuung individueller Gefallener, zeigt schon die direkte Wiederaufnahme des Bischofs Trofimus und seiner Gemeinde, die gemeinsam abgefallen waren (s. dazu ep 55,11,1–3; die von von Stritzky, Erwägungen, 9 mit S. 22 Anm. 85, unter Berufung auf Eusebius h.e. 6,43,7–9 vertretene These, bei Trofimus und seiner Gemeinde handle es sich nicht um lapsi, sondern um Schismatiker, wird von Clarke III, 183 Anm. 50, mit Recht zurückgewiesen); dies wird auch hier erkennbar (vgl. ep 59,16,3;466– 469). Die Aussagen in ep 59,15f sollten deshalb trotz der Verwendung von Bußterminologie nicht umstandslos mit sonstigen bußtheologischen Ausführungen Cyprians verquickt werden, wie dies etwa bei Poschmann, Paenitentia secunda, 395, und Koch, CU, 259f, geschieht. 287 Ep 59,15,1;419–428; Cyprian beruft sich hier auf das Bild des Hirten, der seine Herde vor einer Gefährdung durch kranke, angesteckte Schafe schützen müsse; vgl. ähnlich habit 17;200,3–8. 288 Zur Mitwirkung der Gemeinde bei der Wiederaufnahme Gefallener vgl. Faivre, Les laïcs, 152–155, sowie Duval, Les chrétientés d’occident, 261–279, bes. S. 277f. 289 Vgl. auch ep 66,3,2;44–46. 290 Zur Frage der „Sünden gegen Gott“ s.o. Kap. 6 Anm. 199. 291 Ep 59,15,2;428–16,3;474. 292 Ep 59,17,1;475–481; dieses Thema wird in 59,17,1;481–18,3;532 breit ausgeführt.

3. Der Bischof als Priester Gottes

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Cyprian beschreibt hier, wie er seine Aufgabe als Bischof in einer schwierigen, durch ein Schisma gekennzeichneten Situation versteht. Unzweideutiges Ziel aller seiner Bemühungen ist es, möglichst alle Christen für die eine, wahre Kirche wiederzugewinnen. Zu diesem Zweck ist er zu sehr weitgehenden Konzessionen bereit, die freilich eine Voraussetzung haben: Wer immer wiederaufgenommen werden will, muss demütig seine Verfehlungen bekennen und reumütig zurückkehren; wer sich hochmütig und gewaltsam Eintritt zu verschaffen sucht, wird zurückgewiesen. Cyprian orientiert sich damit offenbar an dem biblischen Grundsatz, wonach Gott den Hochmütigen widersteht, aber den Demütigen Gnade gibt.293 Seine Ausübung der Binde- und Lösegewalt, verstanden als ein grundlegender Aspekt des singulis ad salutem suam consulere, ist zutiefst von dem universalen Heilswillen Gottes beseelt.294 Von hier aus ist es zu verstehen, dass Cyprian sich in Bezug auf die Bußfrage bei grundsätzlicher Kontinuität in dem Bestreben, einen Mittelweg zwischen Härte und Leichtfertigkeit zu beschreiten und sowohl Strenge als auch Barmherzigkeit festzuhalten, in der praktischen Durchführung jedesmal „nach der Seite der Milde hin“ entscheidet.295 Es bestätigt sich damit auch hier, dass seine paränetische Theologie wesentlich von der Erfahrung der göttlichen Gnade bestimmt ist, auch wenn diese wie im Blick auf die tätige christliche Existenz so auch im Blick auf schwerwiegende postbaptismale Verfehlungen keineswegs zu einer „billigen Gnade“ wird.296

3. Der Bischof als Priester Gottes, dessen Anweisungen unbedingter Gehorsam geschuldet wird Aufgabe und Stellung des für die Auslegung und Durchsetzung der biblischen Gebote zuständigen Bischofs werden bei Cyprian zum Gegenstand eigener theologischer Reflexionen. Seine Amtstheologie beschränkt sich charakteristischerweise weitestgehend auf das Amt des Bischofs; Funktion, Rechte und Stellung der diesem untergeordneten Presbyter, Diakone und sonstigen Kleriker werden nur selten erörtert.297 In seinen theologischen Reflexionen zu Rechten ____________

293 Vgl. Prov 3,34, zitiert in 1Petr 5,7 und Jak 4,6; der zweite Teil des Bibelwortes klingt in orat 6;80f an (qui humilibus ignoscit). Es ist aber auch an das sprichwörtlich gewordene römisch-politische Ideal des parcere subiectis et debellare superbos (Vergil Aen 6,853) zu erinnern. 294 Vgl. dazu auch Kap. 8.2.2. 295 So mit Recht Poschmann, Paenitentia secunda, 395. Vgl. dazu auch Wischmeyer, Golgatha, 187 Anm. 87, sowie Hinchcliff, Cyprian, 75: „He was not prepared, as Tertullian had been, to limit the scope of God’s mercy“. Vgl. auch ebd., 80f, sowie Taylor, St. Cyprian, 46, Evans, One and Holy, 44–46, und Trisoglio, S. Cipriano, 368–372. 296 Roldanus, No Easy Reconciliation, 28–31, vergleicht die cyprianische Bußtheologie mit der Theologie Bonhoeffers; zum Ausdruck „billige Gnade“ vgl. Bonhoeffer, Nachfolge, 29–43. 297 Gelegentlich beziehen sich amtstheologische Ausführungen auf den Klerus insgesamt; vgl. etwa ep 1. Zum cyprianischen Begriff des Klerus vgl. Faivre, Naissance, 252f mit Anm. 40.

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Paränese als vom Bischof ausgeübte ecclesiastica disciplina

und Pflichten des Bischofs spielt das Verständnis dieses Amtes als Priesteramt eine zentrale Rolle. Dabei wird eine Tendenz wahrnehmbar, kirchliche Strukturen, die sich bis zur Mitte des dritten Jahrhunderts herausgebildet haben, direkt auf biblische Gebote zurückzuführen. Eine Unterscheidung zwischen den entsprechenden biblischen Texten oder Textzusammenhängen und den damit begründeten kirchlichen Strukturen scheint kaum noch möglich.298 Der für die Ausübung der disciplina zuständige Bischof wird damit selbst zum Gegenstand biblischer Gebote, Fragen der kirchlichen Ordnung werden als Fragen der Gebote Gottes interpretiert. Cyprian beschreitet damit in seiner Amtstheologie entschieden den Weg hin zur Entwicklung eines Kirchenrechts, auch wenn von einem verselbständigten Kirchenrecht noch nicht die Rede sein kann, da durchgängig die biblischen Gebote selbst die entscheidende normative Instanz bleiben.299 Auf kirchliche Ordnungen wird nur gelegentlich und meist nur ergänzend Bezug genommen,300 und im Kontext des Ketzertaufstreites führt Cyprian programmatisch eine Art Schriftprinzip gegen jede von den biblischen Normen abweichende kirchliche Überlieferung ins Feld.301 Im folgenden kann es nicht darum gehen, das cyprianische Verständnis des Bischofsamtes umfassend zu reflektieren.302 Vielmehr sind einige zentrale Aspekte herauszustellen, die für die Rolle des Bischofs als Paräneten wesentlich sind. Dazu gehört auch, dass das Bischofsamt selbst ebenso wie der Gehorsam gegenüber den Bischöfen als biblisch geboten verstanden wird.

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298 Entsprechendes gilt in fast noch stärkerem Maße für die Bußtheologie Cyprians, soweit sie die kirchlich-ordnungsgemäße Wiederaufnahme von Christen, die schwere Verfehlungen begangen haben, betrifft; vgl. dazu oben 1 mit Anm. 65. 299 Zur Frage des Kirchenrechts bei Cyprian vgl. Sohm, Kirchenrecht, 202f.209f.225f, Beck, Römisches Recht, 106–138, Gaudemet, Le droit romain, 36–44, und jetzt v.a. Hoffmann, Kirchliche Strukturen, zur frühchristlichen Entwicklung allgemein vgl. etwa von Harnack, Mission, 489f, und Gaudemet, Kirchenrecht. 300 Die Forderung, den „Vorschriften“ der Kirche zu folgen (von Campenhausen, Kirchliches Amt, 309), erhebt Cyprian so gut wie nie. Die einzige Ausnahme ist ep 1, wo es um die Umsetzung eines nordafrikanischen Konzilsbeschlusses geht, demzufolge Kleriker nicht als Testamentsvollstrecker eingesetzt werden dürfen (vgl. ep 1,1,1;8–10; 1,2,1;34–38; 1,2,2;40f und dazu Kap. 4 Anm. 168); Maßstab ist hier eindeutig das sacerdotum decretum (1,2,2;44), auch wenn eine biblische Begründung nicht fehlt (vgl. 1,1,1;10–2;33). Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 66, sieht in der Regelung jener Synode „ein deutliches Indiz für das Entstehen eines innerkirchlichen Rechtes“, betont aber, dass Cyprian diese „als eine Umsetzung des in der Heiligen Schrift niedergelegten göttlichen Willens unter den konkreten Verhältnissen der Gegenwart“ begründe. – Im Ketzertaufstreit mag die mit der Synode des Agrippinus verbundene nordafrikanische Tradition (vgl. ep 71,4,1;77–82; ep 73,3,1;46–54) im Hintergrund eine wichtige Rolle spielen, sie bestimmt jedoch nicht die theologische Argumentation. Entsprechendes gilt für den in ep 67,6,3;144–150 erwähnten weltweiten Beschluss der Bischöfe, gefallene Kleriker könnten zwar zur Buße zugelassen werden, jedoch nicht in ihr Amt zurückkehren (dazu s.u. 3.4). 301 Vgl. ep 74,2–3 und dazu oben Kap. 6.2.3. 302 Vgl. dazu etwa Capmany, El sacerdocio ministerial, von Campenhausen, Kirchliches Amt, 292–322, Bakhuizen van den Brink, Cyprianus, 18–28, sowie Cattaneo, I ministeri, 503–564 (teilweise intensiv annotierte Textzusammenstellung [S. 516–564] mit ausführlicher Bibliographie [S. 503f]).

3. Der Bischof als Priester Gottes

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3.1 Die Begründung des Bischofsamtes im Gesetz Gottes In Aufnahme und Weiterentwicklung frühchristlicher Traditionen303 betrachtet Cyprian die Bischöfe als die direkten und einzig legitimen Nachfolger der Apostel. Was immer neutestamentlich über die Apostel gesagt wird, kann er daher direkt auf die Bischöfe beziehen.304 Basistext für die Einsetzung des Bischofsamtes ist für Cyprian Mt 16,18f,305 wo er Amtsvollmacht und kirchliche Stellung der Bischöfe als Nachfolger der Apostel bestimmt sieht. In ep 33 kommentiert er diesen Text mit den Worten: „Von hier aus kommt herab durch den Wechsel der Zeiten und Amtsnachfolgen die Einsetzung der Bischöfe und die Struktur der Kirche, so dass die Kirche auf den Bischöfen errichtet und jede Handlung der Kirche durch eben diese Vorgesetzten gelenkt wird.“306

Die Aussage, die Wesens- bzw. Organisationsstruktur der Kirche (ecclesiae ratio) bestehe darin, dass sie „auf den Bischöfen errichtet“ sei, ist offenbar eine Deutung des Felsenwortes Mt 16,18b auf die Bischöfe: Wie auf Petrus, so ist auch auf ihnen die Kirche Christi erbaut. Konkret heißt das für Cyprian: „Der Bischof ist derjenige, der alle Funktionen des kirchlichen Lebens bestimmt und jeden Akt der Kirche ausführt bzw. ausführen läßt“.307 Bischof und Gemeinde bilden daher, ekklesiologisch betrachtet, eine untrennbare Einheit: Eine Ge-

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303 Vgl. dazu etwa Ferguson, Apostolic Succession, Molland, Irenaeus, und Blum, Tradition und Sukzession, bes. S. 188–207, ferner Clarke I, 167f Anm. 16. Die Entwicklung der Sukzessionsvorstellung bis zu Cyprian skizziert Fox, Pagans, 506. 304 Vgl. ep 3,3,1;57–60 (zu Apg 6): meminisse autem diaconi debent quoniam apostolos id est episcopos et praepositos dominus elegit, diaconos autem [...] apostoli sibi constituerunt episcopatus sui et ecclesiae ministros; ep 66,4,2;77f: Christus spricht Lk 10,16 ad apostolos ac per hoc ad omnes praepositos qui apostolis uicaria ordinatione succedunt; ferner ep 67,4,2;84–3;89; ep 45,3,2;71f u.ö. Beck, Römisches Recht, 117f, sieht in dieser Gleichsetzung eine Verschiebung gegenüber Tertullian, der die Apostel noch „als auctores et antecessores von den von ihnen eingesetzten Bischöfen“ unterscheide; Gallicet, laps/unit/ep, 80 Anm. 18, beschreibt eine entsprechende Verschiebung gegenüber Irenäus; vgl. noch Wiles, Theological Legacy, 144. 305 Der Text wird nur zweimal zitiert, klingt aber häufig an (vgl. Fahey, 309–312); Wickert, Sacramentum unitatis, 89, beleuchtet die literarische Funktion der entsprechenden Petrus-Prädikation. Zur exegetischen Beurteilung sowie zur Wirkungsgeschichte von Mt 16,18f vgl. Davies/Allison, ICC 1/2, 623–641, und Luz, EKK I/2, 461–466.471–480, ferner die oben Anm. 232 genannte Literatur. 306 Inde per temporum et successionum uices episcoporum ordinatio et ecclesiae ratio decurrit, ut ecclesia super episcopos constituatur et omnis actus ecclesiae per eosdem praepositos gubernetur (ep 33,1,1;8–11). Laut Zitateinführung in Z. 3 werden hier der episcopi honor und die ecclesiae ratio von Christus festgelegt. Während Fahey, 310, in der Anführung von Mt 16,18f eine Rechtfertigung der „episcopal structure of Church government as it existed in Carthage and Rome“ sieht, bezieht sich diese Aussage Beck, Römisches Recht, 123f, zufolge „nicht auf eine empirische Kirche, sondern auf eine unsichtbare, geistige, deren irdische Funktionen die Bischöfe ausüben“; ähnlich Bakhuizen van den Brink, Cyprianus, 22f. Vgl. auch Wickert, Sacramentum unitatis, 73–76.86. 307 Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 165; die Formulierung des in der vorigen Anm. zitierten utSatzes entstammt „dem Bereich des städtischen bzw. staatlichen Lebens“ (ebd.). Eine stellvertretende Wahrnehmung bischöflicher Aufgaben durch Presbyter und Diakone ist möglich, sofern sie vom Bischof damit betraut werden (vgl. bes. ep 5,1,1;6–9); vgl. dazu auch oben Anm. 239.

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Paränese als vom Bischof ausgeübte ecclesiastica disciplina

meinde kann nicht unabhängig von ihrem rechtmäßig gewählten Bischof agieren308, und wer sich von seinem Bischof trennt, gehört nicht mehr zur Kirche Christi309. Die Einsetzung des Bischofsamtes in Mt 16,18f verbindet sich für Cyprian mit einer festgefügten Sukzessionsvorstellung, wonach das zuerst Petrus übergebene Bischofsamt in der Folge rechtmäßiger Sukzessionen an die ordnungsgemäß gewählten Bischöfe weitergegeben worden ist.310 Die respektvolle Anerkennung des Bischofs(amtes) ist demnach biblisch geboten: Es ist eine Anordnung Christi, dessen Gebote zu fürchten und einzuhalten sind, und damit eine Sache, die durch das Gesetz Gottes begründet ist.311 Wenn Cyprian daher die Einsetzung Novatians zum Gegenbischof gegen den rechtmäßig gewählten römischen Bischof Cornelius als einen Verstoß „gegen die Anordnung Gottes, gegen das Gesetz des Evangeliums (und) gegen die Einheit der katholischen Einrichtung“ brandmarkt,312 spielt er damit fraglos auf Mt 16,18f an.313 Entsprechendes gilt für den Vorwurf, die Schismatiker machten „ohne irgendein Gesetz der Amtseinsetzung sich selbst zu Vorgesetzten“ und rissen „den Titel ‚Bischof‘ an sich, obwohl (ihnen) niemand das Bischofsamt“ gebe.314 Mt 16,18f wird hier als ordinationis lex bezeichnet.315 Die Rechtmäßigkeit von Ordination und Sukzession wird für Cyprian durch das Bischofswahlverfahren gesichert,316 das damit zugleich die göttliche Einsetzung des jeweili____________

308 Ep 33 wendet sich gegen anmaßende lapsi, die im Namen der karthagischen Gemeinde (ecclesiae nomine) an Cyprian geschrieben haben (vgl. 33,1,2;12–25). Das heißt freilich nicht, dass der Bischof alles allein tun könnte; die Einbeziehung von Klerus und Gemeinde bei der Entscheidung wichtiger Fragen und die Unverzichtbarkeit der Beratung mit Bischofskollegen werden wiederholt betont; vgl. bes. ep 14,4;73–77 sowie Clarke I, 268 Anm. 33, mit weiteren Belegen bzw. ep 17,3,2;45– 48; ep 20,3,2;57–60 u.ö., und dazu von Campenhausen, Kirchliches Amt, 302–306, Fox, Pagans, 504f, und J. Rist, Cyprian, 268f. – Opposition gegen den Bischof gilt Cyprian als Hauptursache für Schismen und Häresien (vgl. ep 59,5,1;129–132 u.ö.); ähnlich bereits Tertullian bapt 17,2. 309 Vgl. dazu bes. ep 66,8,3;153–156: [...] illi sunt ecclesia, plebs sacerdoti adunata et pastori suo grex adhaerens. unde scire debes episcopum in ecclesia esse et ecclesiam in episcopo et si qui cum episcopo non sit in ecclesia non esse [...]. Die Abhängigkeit zwischen Bischof und Gemeinde ist wechselseitig. Von Campenhausen, Kirchliches Amt, 295, betont mit Recht, dass das Bischofsamt für Cyprian „ein kirchliches Amt“ ist, das „um der Kirche willen da ist und nur im Blick auf das Ganze ihrer Lebensgemeinschaft recht zu verstehen“ ist; eine „von der Gemeinde unabhängige Stellung“ (Beck, Römisches Recht, 132 Anm. 4) hat der Bischof daher keineswegs. Zur Präzisierung und Konsolidierung der cyprianischen Konzeption während des Ketzertaufstreits vgl. Sage, Cyprian, 328–330, der freilich allzu direkt Bischof, Kirche und Heil identifiziert. 310 Vgl. dazu auch ep 69,5,1;99f u.ö. 311 Vgl. Z. 2f bzw. Z. 12: Cum hoc itaque (v.l. ita) diuina lege fundatum sit [...]. Das Mt-Wort wird damit unverkennbar „rechtlich interpretiert“ (Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 51). 312 [...] contra [cj. Hartel] dispositionem, contra euangelicam legem, contra institutionis catholicae unitatem [...] (ep 46,1,2;10–13); vgl. auch unit 17;431.437f. 313 Ebenso Clarke II, 237 Anm. 8. 314 [...] qui se praepositos sine ulla ordinationis lege constituunt, qui nemine episcopatum dante episcopi sibi nomen adsumunt [...] (unit 10;252–254). Vgl. auch ep 69,3,2;70–74 und 69,5,1;97–101. 315 Zum Begriff ordinatio bei Cyprian vgl. van Beneden, Aux origines, 93–137, sowie Osawa, Das Bischofseinsetzungsverfahren, 42f. 316 Zum ordnungsgemäßen Bischofswahlverfahren bei Cyprian vgl. besonders Gryson, Les élections ecclésiastiques, 360–388 (mit umfangreichem „dossier“ S. 361–376), Osawa, Bischofseinset-

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gen Bischofs verbürgt.317 Der einzelne Bischof hat damit kraft göttlicher Erwählung das nach dem Gesetz Gottes die Kirche konstituierende Amt inne. 3.2 Die Interpretation des Bischofsamtes als Priesteramt Der Bischof ist Vorgesetzter des Volkes (plebs), Hirte der Herde, Steuermann (gubernator) der Kirche, Tempelvorsteher (antistes) Christi und Priester Gottes; er ist zuständig für das die Hoffnung auf Heil und Frieden verbürgende Totengeleit, für die Vermittlung der Gnade der Taufe und des Heiligen Geistes sowie für die Rekonziliation der lapsi und paenitentes; er ist Vorsteher und Leiter sowohl für den Altar Gottes wie für die Gemeinde.318 Der Bischof agiert demnach in zwei Richtungen, nämlich auf Gott hin und auf die Gemeinde hin; sein Amt umfasst sowohl den Altardienst, insbesondere die Darbringung der Eucharistie, als auch die Gemeindeleitung in ihren vielfältigen Aspekten.319 Weitere bischöfliche Aufgaben sind die Einsetzung von Presbytern, Diakonen und weiteren Klerikern im Einvernehmen mit dem örtlichen Klerus,320 die Verwaltung des kirchlichen Vermögens,321 die Vertretung der Gemeinde auf übergemeindlicher Ebene sowie die im Vorangehenden untersuchte Zuständigkeit für die disciplina.322 Zuerst und vor allem ist der Bischof für Cyprian Priester. Sacerdos ist der am häufigsten verwendete Bischofstitel, und das cyprianische Verständnis des Bischofsamtes ist zutiefst davon geprägt, dass er den Bischof – und diesen allein323 – als Priester Gottes versteht.324 Mit der selbstverständlichen Ver____________

zungsverfahren, sowie Duval, Les chrétientés d’occident, 195–218, ferner Speigl, Cyprian, und Fox, Pagans, 505–512. Zum geschichtlichen Kontext vgl. Dassmann, Bischofsbestellung (mit umfassender Bibliographie S. 190f Anm. 1), zu paganen Vorbildern oben Anm. 183. 317 Auch wenn Cyprian mit der Möglichkeit rechnet, dass durch humana praesumptio gegen den Willen Gottes ein falscher zum Bischof gemacht werden kann (ep 67,4,4;94–98), ist er grundsätzlich davon überzeugt, dass jeder Bischof mit Wissen und Willen Gottes gewählt und eingesetzt wird; vgl. Speigl, Cyprian, 39–43, und Osawa, Bischofseinsetzungsverfahren, 101–106. 318 Diese Aufgaben und Aspekte des Bischofsamtes sind ep 66,5,1;84–2;100 zu entnehmen, wo Cyprian ironisch ausführt, was von der Anerkennung seiner bischöflichen Legitimität durch ein Gemeindeglied namens Puppianus abhängt (zum Hintergrund vgl. Clarke III, 321–325). Eine Zuordnung der hier genannten Titel zu bestimmten Funktionen scheint mir nicht möglich zu sein (gegen d’Alès, La théologie, 310); eine Übersicht über die Bischofstitel bei Cyprian bietet Seagraves, Pascentes, 40f. 319 Zur Doppelfunktion des Bischofs bei Cyprian vgl. auch von Harnack, Lehrbuch I, 460. 320 Vgl. bes. ep 29 und ep 38–40 und dazu Duval, Les chrétientés d’occident, 219–233. 321 Vgl. dazu Fox, Pagans, 504: „His pre-eminence was linked with two basic instruments: pay and appointments“, sowie Bobertz, Cyprian, passim, der die bischöfliche Finanzverwaltung als Ausübung eines Patronats interpretiert. 322 Zu den Aufgaben und Befugnissen des Bischofs vgl. auch Altendorf, Einheit, 80–92. 323 Vgl. dazu den im wesentlichen überzeugenden Nachweis bei Bévenot, ‚Sacerdos‘, 421–423 (zu der häufig als Gegenargument angeführten Stelle ep 61,3,1;42f vgl. ebd., 414); ebenso von Campenhausen, Kirchliches Amt, 310 Anm. 2, und Seagraves, Pascentes, 41–48, anders Laurance, ‚Priest‘, 198–200. 324 Vgl. dazu bes. Bévenot, ‚Sacerdos‘.

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wendung des Priestertitels für den Bischof betritt Cyprian, wie es scheint, Neuland;325 zuvor war der Priestertitel ausweislich der erhaltenen christlichen Literatur allein Christus vorbehalten.326 Auch wenn das schon früh einsetzende, im Laufe der Zeit intensivierte kultische Verständnis des christlichen Gottesdienstes es nahelegte, den Gottesdienstleiter als Priester zu verstehen,327 wurde dieser Titel daher lange gemieden.328 Bei Cyprian ist von solcher Zurückhaltung nichts mehr zu spüren. Dem priesterlichen Verständnis des Bischofsamtes korrespondiert ein stark ausgeprägtes kultisch[-sakramental]es Verständnis bischöflicher Handlungen: das Amt des Bischofs (und niederer Kleriker) kann als Altar- und Opferdienst bezeichnet werden;329 das Recht zur Feier des als Opfer verstandenen Abendmahls330 wird in Analogie zur licentia sacrificandi im alten Bund als licentia offerendi bezeichnet, und wie jene ein Vorrecht Aarons und seiner Söhne war, so ist diese das Vorrecht des Bischofs (und der Presbyter);331 in entsprechender Weise ist von der licentia baptizandi die Rede,332 und auch die kirchliche Rekonziliation wird liturgisch-kultisch gestaltet.333 Cyprian sagt so deutlich wie keiner vor ihm, „was der Bischof kann und der Laie nicht kann“.334 Eine biblische Begründung des bischöflichen Priesteramtes findet sich bei Cyprian überraschenderweise nicht.335 Zwar kann er in heilsgeschichtlicher Perspektive von der Ablösung des alten Priestertums durch den „neuen Priester“ sprechen, doch diese Aussage bezieht sich auf Christus.336 Das wiederholt ange____________

325 Vgl. Laurance, ‚Priest‘, 195f, und Bévenot, ‚Sacerdos‘, 415f, anders von Harnack, Lehrbuch I, 459f Anm. 2. Zu entsprechenden Ansätzen bei Tertullian (bapt 17,1 u.ö.) vgl. Bévenot, Tertullian’s Thoughts, und Ysebaert, Amtsterminologie, 196, zum möglichen Einfluss Tertullians auf Cyprian Bévenot, ‚Sacerdos‘, 416f.423–429. 326 Vgl. Bévenot, ‚Sacerdos‘, 416, und Ysebaert, Amtsterminologie, 195f.202. 327 Vgl. Ritter, Amt und Gemeinde, 79f, und von Campenhausen, Anfänge, 272–274; von Harnack, Lehrbuch I, 462f, spricht von einer Wechselwirkung. 328 Zumindest bei Tertullian kommt die (aus Apk 1,6 abgeleitete) Überzeugung hinzu, alle Christen seien Priester (vgl. cast 7,3–6, bes. Z. 16–19, sowie mon 7,8f; 12,2 und dazu Mattei, „Habere ius sacerdotis“; zum Hintergrund vgl. Ysebaert, Amtsterminologie, 196–202), ein Gedanke, der bei Cyprian keinen Widerhall findet (vgl. Bévenot, ‚Sacerdos‘, 423f). 329 Vgl. ep 1,1,1;10–13 u.ö. und dazu von Harnack, Lehrbuch I, 467f. 330 Auch die pointierte Deutung des Abendmahls als eines Opfers (sacrificia deo offere o.ä.) stellt in dieser Form eine Neuerung dar (Saxer, Vie liturgique, 194; vgl. Hinchcliff, Cyprian, 43). 331 Näheres dazu s.u. 3.3. Die cyprianischen Schriften setzen voraus, dass auch Presbyter die Eucharistiefeier vollziehen können (vgl. etwa ep 16,4,2;72f). 332 Im Ketzertaufstreit kann Cyprian geradezu von einem Besitzrecht (possessionis ius) der rechtmäßigen Bischöfe an der Taufe sprechen; vgl. ep 73,11,2;183–186 und dazu Vögtle, Schriften, 100, sowie Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 63–65. 333 Die Rekonziliation verbindet sich mit Handauflegung, Opferung für den Rekonziliierten und anschließender Abendmahlsteilnahme (vgl. Favazza, Order, 223–227). – Zu nennen sind ferner die Praxis gottesdienstlicher Opferungen und Fürbitten für Verstorbene (vgl. ep 1,2,1;36–40 und dazu Clarke I, 159f Anm. 24–26) sowie das in ep 66,5,1;91–93 angedeutete bischöfliche Totengeleit. 334 Dassmann, Character indelebilis, 123f. 335 Greenslade, Scripture, 174f, sieht darin eine entscheidende Schwäche der cyprianischen Amtstheologie. 336 Quod sacerdotium uetus cessaret et nouus sacerdos ueniret, qui in aeternum futurus esset (Quir 1,17tit); zu Christus als Priester vgl. noch ep 63,4,1;44–53; 63,14,4;275–282 sowie Quir 1,8;17f.

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deutete, mit dem Verhalten der jüdischen Priester gegenüber Christus begründete Ende des alten Priestertums337 wird nicht direkt mit seiner Ablösung durch ein neues Priestertum in Verbindung gebracht,338 und das Priesteramt der Bischöfe wird nirgends heilsgeschichtlich begründet.339 Neben der Einsetzung des Petrus, auf die Cyprian auch die priesterliche auctoritas der Bischöfe zurückführen kann,340 ist offenbar entscheidend, dass sie ihr Amt stellvertretend für Christus ausüben,341 also auch als Priester Christus vertreten. Trotz der fehlenden heilsgeschichtlichen Ableitung sieht Cyprian das bischöfliche Priesteramt in direkter Entsprechung zum alttestamentlichen Priestertum. Priester (wie Kleriker überhaupt) unterliegen derselben Amtsregel (ordinationis et religionis forma) wie zuvor im alten Bund die Leviten: Durch den Zehnten respektive den kirchlichen Unterhalt versorgt,342 sind sie zu beständigem Altar- und Opferdienst freigestellt und haben sich daher von „weltlichen Beschäftigungen“ fernzuhalten.343 Grundlegend für diese Argumentation ist der Gedanke, dass die christlichen Kleriker ebenso wie zuvor die Leviten den Kultdienst versehen.344 Demgemäß kann Cyprian alttestamentliche Priestergesetze als Gesetz Gottes zur geforderten (moralischen) Beschaffenheit christlicher Bischöfe heranziehen; auch hier ist der Kultdienst der gemeinsame Nenner.345 Dass dabei grundlegende Verschiebungen zu beachten wären, etwa in Analogie zur Beschneidung,346 wird kaum angedeutet; in der Regel wird das alttestamentliche Priestergesetz direkt auf die Bischöfe angewendet.347 Die christologische Vermittlung ihres Priesteramtes findet hier keinen Niederschlag. Die Folgen sind weitreichend: es wird ein christlich-sakraler Stand etabliert, der in wesentlichen Aspekten dem alttestamentlichen Priestertum entspricht.

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337 Vgl. ep 59,4,3;119–122; ep 66,3,3;63–66 sowie ep 3,2,2;42–56 und dazu unten 3.3. 338 In ep 3,2,2;55f werden die christlichen Bischöfe als sacerdotes ueri den jüdischen Priestern zur Zeit Jesu als falsi sacerdotes gegenübergestellt, ohne dass jedoch ein heilsgeschichtlicher Zusammenhang hergestellt würde. 339 In den heilsgeschichtlichen Thesen von Quir 1 kommen die christlichen Amtsträger lediglich als die neuen Hirten in den Blick, die an die Stelle der alten getreten sind (Quir 1,14). Die dazu angeführten Texte (Ez 34,3–6.10.16; Jer 3,15; das dritte Zitat ist interpoliert) spielen für das cyprianische Verständnis des Bischofsamtes eine zentrale Rolle (s.o. 2.1 und 2.3). 340 Wenn in ep 72,1,1;8–10 die sacerdotalis auctoritas auf die diuinae dispositionis ordinatio zurückgeführt wird, ist an Mt 16,18f gedacht; vgl. dazu auch Greenslade, Scripture, 173. 341 Vgl. ep 63,14,4;278f, wo mit der als selbstverständlich vorausgesetzten Vorstellung, der Priester-Bischof agiere uice Christi, die Forderung der imitatio Christi begründet wird. Vgl. ferner ep 59,5,1;131f und dazu Bévenot, ‚Sacerdos‘, 426–429, sowie d’Alès, La théologie, 303. 342 Zum Unterhalt der Kleriker nach den Schriften Cyprians vgl. zuletzt Schöllgen, Anfänge, 57– 69, ferner Bobertz, Cyprian, 66–74, sowie Clarke I, 157f Anm. 19.21, und II, 193f Anm. 25. 343 Ep 1,1,2;15–33; vgl. dazu auch Faivre, Naissance 257f. Schöllgen, Anfänge, 59, weist darauf hin, dass damit keine „Wiederaufnahme des alttestamentlichen Zehntgebots“ verbunden ist. 344 Vgl. ep 1 passim; zur parallelen Entwicklung bei Origenes vgl. Faivre, Les laïcs, 136f. 345 Vgl. ep 67,1,2;23–32, bes. Z. 26f: deseruire altari et sacrificia diuina celebrare. 346 Vgl. dazu bes. ep 64,4,3;63–5,1;77. 347 Vgl. dazu etwa Wiles, Legacy, 144f; Dassmann, Bedeutung, 111, spricht mit Recht von einer „quasi rechtsetzenden Anwendung entsprechender alttestamentlicher Stellen“.

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3.3 Die Forderung des Gehorsams gegenüber dem Bischof als Priester Gottes Charakteristisch für die cyprianische Amtstheologie ist, dass sich das Verständnis des Bischofsamtes als eines Priesteramtes nicht auf die Verrichtung bestimmter kultisch-sakramentaler Handlungen beschränkt. Der Bischof ist vielmehr als solcher zuerst und vor allem Priester Gottes, und das Bischofsamt wird insgesamt im Horizont des alttestamentlichen Priestergesetzes interpretiert.348 Dies hat erhebliche Konsequenzen auch im Blick auf die disciplinabezogene Aufgabe des Bischofs: Als dem Priester Gottes schulden Christen dem Bischof Ehrerbietung, Anerkennung und unbedingten Gehorsam.349 Die bischöfliche Auslegung und Anwendung der biblischen Gebote gewinnt damit tendenziell den Charakter göttlichen Rechts, Ungehorsam gegen die Bischöfe und ihre Anweisungen wird zum Sakrileg. Mit seiner priesterlichen Stellung begründet Cyprian das Recht des Bischofs, gegen einen aufmüpfigen Diakon entschieden vorzugehen, die Heilsnotwendigkeit des Gehorsams gegen seine Weisungen, die göttliche Bestrafung von Beschimpfungen des Bischofs und anmaßendem Verhalten ihm gegenüber, die gravierenden Folgen schismatischer Amtsanmaßung sowie die unverzichtbare Funktion des Bischofs im Bußverfahren. Ein Schlüsseltext für die cyprianische Auffassung der Stellung des Bischofs als Priester ist Dtn 17,12f.350 Cyprian folgert aus diesem Text, dass nicht auf Leben oder Heil rechnen darf, wer den Priester-Bischöfen den Gehorsam verweigert, befehle doch Gott, diejenigen zu töten, die den von ihm auf Zeit als Richtern eingesetzten Priestern nicht gehorchten; dies geschehe jetzt, in der Zeit der geistgewirkten Beschneidung, durch das geistliche Schwert des Kirchenausschlusses, der mit dem Verlust von Leben und Heil gleichbedeutend sei.351 Geht es in Dtn 17,8–13 um das in schwierigen Fällen als höhere Gerichtsbarkeit fungierende priesterliche Obergericht im Tempel,352 so nimmt Cyprian, wie es scheint, entsprechende Autorität für jedwede Entscheidung und Anweisung des Bischofs etwa in Fragen des christlichen Verhaltens in Anspruch. Die Gehorsamspflicht gegenüber seinen Weisungen wird allein mit seiner Stellung als ____________

348 Vgl. dazu auch von Harnack, Lehrbuch I, 460f Anm. 2. 349 Vgl. dazu auch Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 202–204. Von Campenhausen, Kirchliches Amt, 300, schreibt mit Recht: „Jedermann hat den Bischof um seines Amtes willen zu verehren“. 350 Et homo quicumque fecerit in suberbia (stark bezeugte v.l. superbiam), ut non exaudiat sacerdotem aut iudicem, quicumque fuerit in diebus illis morietur homo ille, et omnis populus cum audierit timebit et non agent (die von Hartel und vielen MSS vertretene v.l. agit ist lectio facilior) impie etiam nunc (so der Wortlaut nach ep 4,4,2;90–93). Die Textgestalt weist in V. 12 Auslassungen gegenüber der LXX auf: του^ παρεστηκο' τος λειτουργει^ν ε πι` τω^, ο νο' ματι κυρι' ου του^ θεου^ σου sowie και` ε ξαρει^ς το` ν πονηρο` ν ε ξ Ισραηλ; die Auslassungen sind laut VL-Database sonst nicht bezeugt, der Singular iudicem nur einmal. Zur cyprianischen Rezeption von Dtn 17,12f vgl. auch Fahey 92f. 351 Ep 4,4,2;88–101; si episcopis et sacerdotibus obtemperare noluerint (Z. 89) ist als Epexegese zu deuten. Zu der Formulierung cum [...] nemini salus esse nisi in ecclesia possit (Z. 100f) vgl. Bévenot, ‚Salus extra ecclesiam non est‘, sowie Bakhuizen van den Brink, Cyprianus, 22f. 352 Vgl. dazu Reventlow, Priester / Priestertum, 387, und Nielsen, HAT I/6, 184.

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Priester Gottes begründet. Ungehorsam gegenüber diesem hat wie im alten so auch im neuen Bund den Verlust des Lebens zur Folge, nun allerdings den Verlust des ewigen Lebens. Dass lediglich an diesem Punkt eine heilsgeschichtliche Differenz markiert wird, unterstreicht die weitreichende Kontinuität hinsichtlich der autoritativen Stellung des Priesters. Aus Dtn 17,12f leitet Cyprian auch die priesterliche Vollmacht (sacerdotalis potestas) des Bischofs ab, kraft seines Amtes gegen einen unbotmäßigen, frechen Diakon entschieden vorzugehen.353 Das Eintreten Gottes für Ehre und Recht seiner Priester wird mit einer Reihe biblischer exempla und Zitate weiter untermauert:354 die Vernichtung Korahs, Dathans und Abirons und ihrer Anhänger, die mit frevlerischer Kühnheit gewagt haben, sich hochmütig dem Priester Gottes gleichzustellen;355 die Bestrafung des jüdischen Volkes, als es den Priester Samuel wegen seines Alters verachtete,356 mit der Erhebung Sauls zum König Israels;357 die Bezeugung der sacerdotalis auctoritas et potestas in Sir 7,29 und 7,31, zwei Texten, die im Parallelismus eine ehrerbietige Haltung gegenüber Gott und seinen Priestern fordern;358 das Verhalten des Paulus gegenüber dem Hohenpriester Hananias in Apg 23,4f, das Cyprian als Einhaltung dieser Gebote deutet; das Verhalten Christi, der den geheilten Aussätzigen zum Priester schickt (Mt 8,4par) und selbst in seinem Verhör vor dem Hohen Rat Demut gegenüber dem Hohenpriester übt,359 um mit dieser Haltung gegenüber den wegen ihrer fehlenden Gottesfurcht und Christuserkenntnis schon „falschen“ Priestern zu lehren, dass den wahren Priestern – das heißt den Bischöfen – auf rechtmäßige und vollkommene Weise Ehre zu erweisen ist.360 Alle diese bibli____________

353 Ep 3,1,1;9–17; vgl. dazu oben 2.2. 354 Ep 3,1,2;17–3,2,2;56. 355 Von Harnack, Lehrbuch I, 462, weist darauf hin, dass schon bei Irenäus haer 4,26,2 mit diesem Beispiel gedroht wird; dieser Abschnitt zeigt so deutliche Übereinstimmungen mit Cyprian unit 18 (zu diesem Text s.u.), dass mit einem traditionsgeschichtlichen Zusammenhang zu rechnen ist. Vgl. dazu auch Mattei/Poirier/Siniscalco, unit, 227f Anm. 3. 356 Die Aussage, Samuel sei ob senectutem vom Volk verachtet worden, ist offenbar eine durch die Situation des Adressaten (vgl. Z. 28: sicut tu modo) angeregte Deutung von 1Sam 8,1.5. Der biblische Text begründet den Königswunsch des Volkes mit der Untauglichkeit der Söhne Samuels (V. 3). 357 Die Interpretation der Einsetzung Sauls als Bestrafung Israels ist offenbar eine Deutung der Beschreibung des Königsrechts in 1Sam 8,11–18. 358 Die Zitate in Z. 35–37 lauten: ex tota anima tua time deum, et sacerdotes eius sanctifica (LXX: θαυμα' ζε; V. 29), bzw.: honora deum ex tota anima tua et honorifica sacerdotes eius (V. 31a); V. 31a weicht deutlich vom Wortlaut der LXX ab (φο' βου το` ν κυ' ριον και` δο' ξασον ι ερε' α; Septuaginta XII, 2 z.St. sind keine entsprechenden Varianten verzeichnet; das erhaltene hebräische MS hat hier ‫[ כבד אל והרר כהן‬Beentjes, Book, 31]), stimmt aber ebenso wie V. 29 mit dem Wortlaut der K-Familie der VL überein (vgl. VL 11/2 Lfg. 5, 324, hier als V. 31 und V. 33 gezählt). – Entsprechende Parallelisierungen oder Zusammenstellungen von Gott und Priester bzw. Bischof finden sich bei Cyprian auch ep 15,1,2;17–20 (vgl. Clarke I, 276 Anm. 9); ep 16,1,2;9–14; laps 22;450f sowie ep 67,8,1;162f. 359 Cyprian interpretiert den Wortwechsel in Joh 18,22f entsprechend. 360 Docuit enim sacerdotes ueros legitime et plene honorari, dum circa falsos sacerdotes ipse talis existit (Z. 55f). Das heilsgeschichtliche Überholtsein des jüdischen Priestertums wird in ep 59,4,3; 119–122 damit begründet, dass sie durch die Kreuzigung Christi zu Frevlern, Gottlosen und Mördern geworden seien und damit die priesterliche Ehre und auctoritas verloren hätten; vgl. ähnlich ep

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schen Texte und Beispiele beziehen sich auf das Priestertum des alten Bundes; die angeführten neutestamentlichen exempla sollen zeigen, dass die alttestamentliche Forderung der Ehrerbietung gegenüber den Priestern Gottes auch im neuen Bund keineswegs obsolet geworden ist, Angriffe auf die Ehre seiner Priester vielmehr auch weiterhin von Gott selbst aufs schärfste geahndet werden.361 Dass die Bischöfe die „wahren Priester“ sind, wird als selbstverständlich vorausgesetzt.362 Als Rebellion gegen die Priester Gottes deutet Cyprian auch schismatische Abspaltungen, und auch in diesem Zusammenhang greift er auf entsprechende alttestamentliche Beispiele zurück. Schismatiker verachten die Bischöfe, verlassen die Priester Gottes, machen sich der Feindschaft gegen den Altar und der Rebellion gegen das Opfer Christi schuldig und kämpfen gegen die Anordnung (dispositio) und Amtseinsetzung (ordinatio) Gottes.363 Dass solche Angriffe auf die Amtseinsetzung Gottes von diesem heimgesucht werden, zeigen Cyprian zufolge die Bestrafung Korahs und seiner Genossen wegen Anmaßung der sacrificandi licentia gegen Mose und den Priester Aaron (Num 16,1–35), des Königs Usija wegen gewaltsamer Opferanmaßung und Ungehorsams gegen den Priester Asarja (2Chr 26,16–20) sowie der Söhne Aarons wegen der Verwendung „fremden Feuers“ (Lev 10,1f).364 Entscheidend ist offenbar die schismatische Anmaßung des Opferrechts: Neben dem einen legitimen Altar Gottes, an

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66,3,3;62–66. – In ep 66,3,2;49–3;68 wird dasselbe Argumentationsarsenal (ohne Mt 8,4par) aufgeboten, um die respektlose Haltung des Puppianus gegenüber Cyprian zurückzuweisen; zur Sache vgl. auch ep 66,5,1;84–2;100; 66,7,1;109f und 66,10,1;177f. 361 Dem Eintreten Gottes für die Ehre seiner Priester korrespondiert deren Aufgabe, Gott die Ehre zu geben (honorem deo dare). Diese Aufgabe, die als Teil der alttestamentlich-priesterlichen Anforderungen an das Bischofsamt erscheint, wird in ep 59,13,5;367–6;383 und ep 74,8,1;142–4;172 im Anschluss an Mal 2,1–2, den Anfang einer prophetischen Gerichtsrede an die Priester, ausgeführt. Die Priester sind damit zu großer Anstrengung verpflichtet, die maiestas Gottes zu bekräftigen und zu fördern (sacerdotibus labor maior incumbit in adserenda et procuranda dei maiestate [ep 59,13,5; 368f]; vgl. auch ep 67,8,1;158–163). Als Verletzung dieser Pflicht wertet Cyprian sowohl die voreilige communicatio mit lapsi ohne vorhergehendes Bußverfahren als auch die Verteidigung und Anerkennung der Taufe der Schismatiker. 362 In der entsprechenden Argumentation in ep 59,4,1;99–3;124 kommt ein neues Element hinzu, das die Verbindung zwischen Gott bzw. Christus und den Bischöfen noch stärker herausstreicht. Cyprian zitiert dazu Lk 10,16: Qui audit [...] uos me audit et eum qui me misit, et qui reicit uos me reicit et eum qui me misit (Z. 109f; die Textgestalt weicht deutlich vom überlieferten Wortlaut ab und hat auch keine Entsprechungen in der VL-Database; einige MSS gleichen an den neutestamentlichen Text an), und bezieht damit die ‚repräsentative‘ Funktion der Apostel auf die Bischöfe; das heißt: „Im Handeln des Hierarchen ist Christus gleichsam gegenwärtig [...]“ (Klein, Die hermeneutische Struktur, 58). „Een hogere graad van ambtsbewustzijn is niet te formuleren“ (Bakhuizen van den Brink, Cyprianus, 19). Zur Sache vgl. auch Fox, Pagans, 501.503.511. 363 Vnit 17;428–438; vgl. ähnlich ep 68,2,1;31–35 gegen Novatian sowie ep 43,7,1;144–149. Ob schon die Schrift De ecclesiae unitate über die karthagischen Schismatiker hinaus auch Novatian und seine Anhänger im Blick hat, ist strittig; vgl. dazu etwa Wickert, Sacramentum unitatis, 14–23 (bejahend), Mattei/Poirier/Siniscalco, unit, 22–35 (vorsichtig bejahend), sowie Koch, CU, 83–110, Sage, Cyprian, 241f Anm. 4, Bobertz, Cyprian, 259–264, und ders., The Historical Context (verneinend). 364 Vnit 17;438–18;458.

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dem der eine, durch ordnungsgemäße Ordination eingesetzte Priester-Bischof amtet, kann es keinen weiteren Altar geben.365 Die Opferbefugnisse sind in der Kirche ebenso strikt geregelt wie im alten Bund. Die schismatische Gründung von Gemeinden wird als widerrechtliche Anmaßung priesterlicher Befugnisse und Auflehnung gegen den (zuständigen) Priester Gottes interpretiert, die unvermeidlicherweise die göttliche Bestrafung nach sich ziehen wird.366 3.4 Die Forderung der Makellosigkeit des Priester-Bischofs Als Priester nimmt der Bischof nicht nur eine besonders privilegierte, Ehrerbietung und Gehorsam fordernde Stellung ein, er ist auch selbst gefordert, diesem besonderen Amt entsprechend zu leben. Cyprian begründet die Forderung zum einen pragmatisch mit der Vorbildfunktion der Bischöfe, für die eine konsequente Beobachtung der biblischen Gebote wesentlich ist – Entsprechendes gilt auch für die übrigen Kleriker sowie die Märtyrer und Konfessoren367 –, zum anderen aber und vor allem mit der von Priestern (und sonstigen am Altardienst beteiligten Klerikern) verlangten Makellosigkeit. Geht es hinsichtlich der Vorbildfunktion lediglich darum, besonders konsequent zu praktizieren, was von allen verlangt ist,368 so entwickelt Cyprian an dem zweiten Punkt so etwas wie eine spezielle Amtsethik für den Stand der Priester-Bischöfe (und Kleriker). Eine grundsätzliche Erörterung dieser Thematik bietet der Synodalbrief ep 67, der auf eine Anfrage zweier spanischer Gemeinden zur Amtsfähigkeit der durch Opferlibelli und andere Vergehen belasteten Bischöfe Basilides und Martialis antwortet.369 Zur Beantwortung dieser Anfrage verweisen die nordafrikanischen Bischöfe auf die göttlichen Gebote (diuina praecepta), ____________

365 Brent, Cyprian’s Exegesis, 152–158, versucht zu zeigen, dass Cyprian die Sukzession räumlich fasst, „so that the succession is monarchical in a geographically located regnum“, und der Bischof als Nachfolger der Apostel „a geographical jurisdiction, an imperium“, innehat (Zitate S. 153). Er leitet aus ep 48,3,2;26f (sed quoniam latius fusa est nostra prouincia, habet etiam Numidiam et Mauretanias duas sibi cohaerentes) die These ab, Cyprian betrachte sich selbst nicht als „προεστω' ς of a community [...], but rather as the praeses of a geographical area, of a provincia“ (ebd.). Gegen letzteres spricht, dass prouincia hier keinesfalls das bischöfliche Herrschaftsgebiet Cyprians bezeichnet, selbst wenn hier so etwas wie ein „nascent ‚metropolitan‘ status“ wahrzunehmen sein sollte (vgl. Clarke II, 258 Anm. 15); jeder einzelne Bischof ist successor apostolorum. Cyprian zufolge kann es tatsächlich uno in loco nur einen Hirten geben (unit 8;194f), aber dieser locus ist identisch mit der „community“. 366 Im Kontext des Ketzertaufstreites argumentiert Cyprian bezogen auf die Frage der licentia baptizandi entsprechend; vgl. dazu ep 73,8,1;127–138 und bes. ep 69,8,1;162–9,2;208. 367 Zur Vorbildfunktion der Kleriker s.o. Anm. 40, zu der der Märtyrer und Konfessoren vgl. Hummel, Concept, 143–146. 368 Vgl. ep 4,3,3;65–70; ep 15,1,1;7–10 u.ö. 369 Vgl. ep 67,1,1;15–23; zum Hintergrund vgl. Clarke IV, 144–147 Anm. 2–5, zur kontroversen Datierung des Briefes Duval, Les chrétientés d’occident, 129–133. Clarke IV, 140f, betont mit Recht, der Brief bringe „into sharp focus the characteristic Cyprianic view that church ministers must themselves be ‚sound and without blemish‘ (§2.2)“, zeige aber zugleich, dass diese „sacramental theology“ nicht „exclusively ‚Cyprianic‘“ war (Hvb. RN).

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Paränese als vom Bischof ausgeübte ecclesiastica disciplina

„durch die schon vor langer Zeit mit himmlischer Stimme geboten und durch das Gesetz Gottes vorgeschrieben wird, welche und wie beschaffene (Menschen) dem Altar dienen und die göttlichen Opfer verrichten müssen“.370

Sie zitieren dazu Ex 19,22; 28,43 und Lev 21,17, drei alttestamentliche Texte, die von den Priestern verlangen, sich zu heiligen und von Vergehen, Makel und Fehlern frei zu sein, und unterstreichen dann, dass die Gebote bzw. das Gesetz Gottes eine Rücksichtnahme auf Personen nicht zuließen.371 Zur Frage der ‚moralischen‘ Beschaffenheit von Priestern – und damit von Bischöfen – gibt es demnach für Cyprian und seine Kollegen ein klares, strikte Beobachtung forderndes göttliches Gesetz, das in den genannten, wiederholt en bloc angeführten alttestamentlichen Zitaten seinen Ausdruck findet.372 Ex 19,22373 ist eine Anweisung an die Priester Israels, sich für die bevorstehende Gottesoffenbarung auf dem Berg Sinai zu heiligen. Die Verallgemeinerung dieser Anweisung auf jedes Vor-den-Herrn-Treten liegt nahe, der Begriff der Heiligung (sanctificare / α για' ζειν) lässt vielfältige Deutungen zu. Der zweite Text, Ex 28,43b374, ist Teil einer Anweisung an die Priester, bei ihrem Priesterdienst die vorgeschriebenen priesterlichen Gewänder zu tragen, damit sie sich keine Sünde zuziehen und sterben. Durch die Herauslösung des zitierten Versteils entsteht die allgemeine Aussage, an den Altar tretende Priester dürften sich keine Sünde zuziehen, damit sie ^ μος, der sich im Kontext nicht stürben. Im dritten Zitat, Lev 21,17375, wird der Ausdruck μω von Lev 21,16–24 auf körperliche Gebrechen bezieht, durch das Wortpaar macula et uitium wiedergegeben. Die für das alttestamentliche Priestertum charakteristische Forderung körperlicher Unversehrtheit wird von Cyprian auf moralische Unversehrtheit gedeutet. Gemeinsames Stichwort der drei Zitate ist accedere, verstanden als das Herantreten an den Altar Gottes zur Verrichtung kultischer Handlungen.

Cyprian leitet aus diesen drei Texten ab, dass jemand, der mit schweren Vergehen belastet ist – sei es die Teilnahme an paganen Opferungen während der decischen Verfolgung, sei es die schismatische Trennung von der Kirche, seien es andere Vergehen –, das Priestertum Gottes nicht mehr für sich beanspruchen

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370 [...] quibus iam pridem mandatur uoce caelesti et dei lege praescribitur, quos et quales oporteat deseruire altari et sacrificia diuina celebrare (ep 67,1,2;24–27). 371 Ep 67,2,1;33–44; zu letzterem vgl. ausführlicher Kap. 6.2.3. 372 Die drei Zitate werden auch in ep 65,2,1 und ep 72,2,2 herangezogen. 373 Sacerdotes qui accedunt ad dominum deum sanctificentur, ne forte derelinquat illos dominus (Z. 28f). 374 Et cum accedunt ministrare ad altare sancti, non adducent in se delictum, ne moriantur (Z. 29–31); der Text weicht geringfügig von der LXX ab. – Warum Fahey, 75, und Diercks z.St. hier (zusätzlich) auf Ex 30,20b–21a verweisen, wo der für Cyprian entscheidende Begriff der Sünde fehlt, bleibt unklar. 375 Homo in quo fuerit macula et uitium non accedet offere dona deo (Z. 31f). Der Text weist gegenüber der LXX (α»νθρωπος ε κ του^ γε' νους σου ει ς τα` ς γενεα` ς υ μω^ ν, τι' νι ε α` ν η, ε ν αυ τω^, μω^ μος, ου προσελευ' σεται προσφε' ρειν τα` δω^ ρα του^ θεου^ αυ του^ ) eine längere Auslassung (ε κ του^ γε' νους σου ει ς τα` ς γενεα` ς υ μω^ ν nach homo) und eine leichte Modifikation (deo statt του^ θεου^ αυ του^ ) auf. Die VLDatabase verzeichnet einen fast identischen Wortlaut (bis auf domino statt deo) für Hieronymus alt 5 (PL 23, 168B); alle anderen Belege unterscheiden sich deutlich.

3. Der Bischof als Priester Gottes

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und keine kultischen Handlungen mehr verrichten kann.376 Basilides und Martialis dürfen sich daher das Bischofsamt nicht länger anmaßen.377 Neben den genannten alttestamentlichen Texten wird mit Joh 9,31 auch ein neutestamentlicher Text wiederholt herangezogen: Die Aussage des geheilten Blindgeborenen, Gott erhöre keinen Sünder, sondern den, der ihn verehre und seinen Willen tue,378 besagt für Cyprian, dass, wer mit schweren Vergehen belastet ist, keine gottesdienstlichen Gebete für die Gemeinde verrichten kann,379 und allein unbefleckte, integre Personen als Priester und Vorsteher zu wählen sind, die, „indem sie in heiliger und würdiger Weise Gott Opfer darbringen, in den Gebeten, die sie für die Unversehrtheit des Volkes des Herrn verrichten, erhört werden können“.380 Aus den neutestamentlichen Bischofsspiegeln wird lediglich Tit 1,7a mit der Forderung, der Bischof müsse frei von Vergehen sein, zitiert.381 Diese Anforderungen gelten Cyprian zufolge unbeschadet der auch für Bischöfe und Kleriker bestehenden Möglichkeit der Buße. Er beruft sich dazu auf einen Beschluss aller Bischöfe weltweit, wonach „solche Menschen zwar zum Vollzug der Buße zugelassen werden können, aber von der Einsetzung in den Klerus und von priesterlicher Ehre ferngehalten werden“.382 Da es bei Cyprian sonst keine Hinweise darauf gibt, dass das Bußverfahren anders als die Taufe die Reinheit des Betreffenden nicht vollgültig wiederherstellen würde,383 impliziert diese weithin, wenn auch nicht überall anerkannte Regelung,384 dass in Bezug auf die für das Priesteramt geforderte Makellosigkeit besondere Ansprü____________

376 Vgl. ep 65,2,1;33–2;44; ähnlich 65,1,2;12f und 65,2,1;30–33. 377 Vgl. ep 67,6,1;126–3;144, bes. Z. 142–144. 378 Zum Verständnis der Aussage im johanneischen Kontext vgl. etwa Schnackenburg, HThK IV/2, 319, zum alttestamentlich-jüdischen Hintergrund Wengst, TKNT 4,1, 368. 379 Ep 65,2,2;42–47; ebenso ep 70,2,3;59–62 bezogen auf einen schismatischen Bischof. 380 [...] qui sancte et digne sacrificia deo offerentes audiri in precibus possint quas faciunt pro plebis dominicae incolumitate (ep 67,2,2;44–52, Zitat Z. 46–48). 381 Episcopum oportet esse sine crimine (α νε' γκλητον) quasi dei dispensatorem (ep 67,5,4;124f). Vgl. auch Turner, Pattern, 277. 382 [...] eiusmodi homines ad paenitentiam quidem agendam posse admitti, ab ordinatione autem cleri atque sacerdotali honore prohiberi (ep 67,6,3;144–150, Zitat Z. 148–150); vgl. auch ep 72,2,1; 35–3;63 (in Z. 65–67 erscheint die Vergabe von kirchlichen Ämtern als Belohnung für boni, innocentes und ab ecclesia non recedentes). Ein konkretes Beispiel dazu ist die in ep 55,11,1;177–3;193 erörterte Wiederaufnahme des während der Verfolgung zusammen mit seiner Gemeinde abgefallenen Bischofs Trofimus durch den römischen Bischof Cornelius: sic tamen admissus est Trofimus ut laicus communicet, non [...] quasi locum sacerdotii usurpet (Z. 191–193; sacerdotii ist die mit Hartel und Bayard vorzuziehende Lesart vieler MSS; Diercks liest mit einigen MSS sacerdotis); vgl. dazu auch Clarke III, 183f Anm. 50–52. Vgl. ferner ep 65,1,1;4–2;13 bzw. 65,2,2;47–51 sowie Clarke II, 273f Anm. 18, mit weiteren Belegen. 383 Dass kirchlich wiederaufgenommene lapsi sich in demselben status befinden wie die übrigen Gemeindeglieder, also durch dieses Verfahren Sündenvergebung stattfindet, wird von Bévenot, Sacrament, 191–196, gegen Poschmann, Rahner u.a. zutreffend herausgestellt. 384 Nach ep 72,3,1;68–2;78 rechnet Cyprian mit der Zustimmung Stephans, weiß aber, dass einige an anderen Traditionen festhalten, aber dennoch die bischöfliche Gemeinschaft wahren; zum Hintergrund vgl. Clarke IV, 217f Anm. 15.

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Paränese als vom Bischof ausgeübte ecclesiastica disciplina

che gestellt werden. Selbst ein durch das Bußverfahren vollgültig getilgtes Vergehen disqualifiziert für den Dienst am Altar Gottes.385 Um sicherzustellen, dass bei der Bischofswahl mit sorgfältiger Untersuchung unbefleckte, unbescholtene Personen für das Priesteramt ausgewählt werden und „sich kein Unwürdiger in den Altardienst bzw. ins Priesteramt einschleiche“,386 ist Cyprian zufolge wie für die Priestereinsetzung im alten Bund, so auch für die Einsetzung der Bischöfe und Diakone im neuen die Anwesenheit der gesamten Gemeinde erforderlich, so dass Vergehen oder Verdienste der Kandidaten bekannt gemacht werden können und eine durch Beifall und Urteil aller geprüfte gerechte, rechtmäßige Amtseinsetzung stattfindet. Nur so lasse sich verhindern, dass, wie es manchmal geschehe, nicht dem göttlichen Willen, sondern menschlicher Anmaßung gemäß zum Missfallen Gottes Unwürdige in das Bischofsamt eingesetzt würden.387 Ebenso ist nach cyprianischem Verständnis die Gemeinde auch dann gefordert, wenn ein Priester-Bischof den Anforderungen seines Amtes nicht mehr genügt: Wird nach Hos 9,4 durch das Opfer eines gottlosen, ungerechten Priesters die ganze Gemeinde unweigerlich mit verunreinigt und damit der Sünde verhaftet, so muss sich eine den Geboten Gottes gehorsame, gottesfürchtige Gemeinde von einem sündigen Vorgesetzten (peccator praepositus) trennen. Da sie die Vollmacht habe, würdige Priester zu wählen und unwürdige zurückzuweisen, dürfe sie an den Opfern eines frevlerischen Priesters nicht teilnehmen.388 Der verantwortlichen Rolle der Gemeinde bei der Bischofs- bzw. Priesterwahl korrespondiert demnach ihr Recht, mehr noch: ihre Pflicht zur Absetzung eines unwürdigen Priesters.389 Trotz seiner herausragenden Stellung bleibt demnach für Cyprian der Priester-Bischof der Kontrolle seiner Gemeinde (und seiner Kollegen) unterworfen.390 ____________

385 Vgl. dazu Favazza, Order, 229, der betont, der bleibende Ausschluss gefallener Kleriker vom Klerus trotz Absolvierung des Bußverfahrens sei „an addition to rather than a consequence of the process of penance“. 386 [...] ne quis ad altaris ministerium uel ad sacerdotalem locum indignus obreperet (ep 67,4,4; 93f); vgl. 67,2,2;44–52. 387 Ep 67,4,1;72–5,1;105, bes. Z. 81–84 und Z. 94–98. Als Beleg für die öffentliche Wahl der Priester im alten Bund wird Num 20,25f angeführt (Z. 72–84), für die Bischofseinsetzung im neuen Apg 1,15 (!), für die Einsetzung der Diakone Apg 6,2 (Z. 84–91). Zur Bischofswahlordnung bei Cyprian vgl. die oben Anm. 316 genannte Literatur, zum Gewicht des suffragium bei nordafrikanischen Magistratswahlen Fox, Pagans, 508–511. 388 [...] quando ipsa (sc. plebs) maxime habeat potestatem uel eligendi dignos sacerdotes uel indignos recusandi (ep 67,3,1;53–2;71, Zitat Z. 70f; vgl. noch 67,9,3;205–207). Nach ep 67,9,1;184–2; 203 machen sich auch Kollegen schuldig, die gefallenen Priester-Bischöfen die Gemeinschaft nicht aufkündigen; vgl. dazu auch ep 65,3,3;62–4,2;82. 389 Vgl. dazu Duval, Les chrétientés d’occident, 287–294. Von Campenhausen, Kirchliches Amt, 300f, folgert daher zu Unrecht aus ep 3,2,2;55f, nach cyprianischem Verständnis dürfe sich die Gemeinde auch gegen gottlose Priester-Bischöfe nicht erheben. In ep 3,2,2 begründet Cyprian mit einem argumentum a fortiori allein die Anerkennung „wahrer Priester“, in ep 67,3,1f dagegen spricht er geradezu von einer Verpflichtung der Gemeinde, „gottlose Priester“ ihres Amtes zu entheben. Die oben in 3.3 geschilderte Gehorsamsforderung findet hier eine klare Begrenzung. 390 Speigl, Cyprian, 44, weist darauf hin, dass an diesem Punkt Analogien im politischen Bereich fehlen.

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Die Auffassung, dass Priester-Bischöfe (und Kleriker) makellos sein müssen und daher nach schweren Vergehen wie Götzenopfer oder Schisma ihr Amt nicht mehr ausüben können, wird von Cyprian primär mit alttestamentlichen Texten begründet, die freilich aus ihrem Kontext gelöst, moralisch interpretiert und verallgemeinert werden. Die direkte Anwendung dieser alttestamentlichpriestergesetzlichen Bestimmungen als „Gesetz Gottes“ auf die Frage der Amtsfähigkeit christlicher Priester-Bischöfe (und sonstiger Altardiener) basiert auf einem kultischen Verständnis des christlichen Gottesdienstes in Analogie zum alttestamentlichen Kult. Auch Joh 9,31, der einzige in diesem Zusammenhang wiederholt verwendete neutestamentliche Text, wird kultisch interpretiert. Wie sehr sich hier ein besonderes Verständnis priesterlicher Reinheit durchgesetzt hat, zeigt sich exemplarisch daran, dass die geforderte Makellosigkeit und Sündenfreiheit des Priester-Bischofs die Freiheit von schwereren postbaptismalen Verfehlungen umfasst, obwohl diese durch das Bußverfahren getilgt werden können.391 Titel und Funktion des Priesters beziehen sich bei Cyprian nicht nur auf bestimmte sakramentale Handlungen des Bischofs, sondern auf das Amt als solches. Der episcopatus ist als solcher ganz und gar (auch) sacerdotium, das sich u.a. in der licentia offerandi, der licentia baptizandi und der Ausübung der Binde- und Lösegewalt äußert. Hat das jüdische Priestertum für Cyprian aufgrund der Nichtanerkennung Christi und der Beteiligung an seiner Kreuzigung seine (heils-) geschichtliche Legitimität eingebüßt, so wird das an dessen Stelle getretene ewige Priestertum Christi in der Zeit stellvertretend von den Bischöfen als den Priestern des neuen Bundes wahrgenommen. Trotz seiner christologischen Begründung entwickelt Cyprian seine Konzeption des christlichen Priesteramtes nicht primär von Christus her,392 sondern im Horizont des alttestamentlichen Priestergesetzes.393 Einen tiefgreifenden Bruch im Verständnis des Priestertums nimmt er nicht wahr.394 Alttestamentliche Texte werden in der Regel direkt, ohne Anwendung einer heilsgeschichtlich reflektierten Hermeneutik auf die Bischöfe als die christlichen Kultdiener bezogen. Durch ihre Herauslösung aus dem jeweiligen Kontext werden sie in ihrer Aussagetendenz noch verstärkt; dies gilt ebenso für die Forderung priesterlicher Makellosigkeit wie für den von der Gemeinde verlangten Gehorsam. Es zeichnet sich damit eine sakralrechtliche ____________

391 Cyprian erscheint hier als Vorläufer eines donatistischen Amtsverständnisses; vgl. dazu Fahey, 389 (im Anschluss an Klein, Die hermeneutische Struktur, 60), sowie Seeberg, Lehrbuch I, 613 Anm. 1, Frend, Martyrdom, 418–420, und Dassmann, Amt und Autorität, 136f. Von Harnack, Lehrbuch I, 461, vermutet, das cyprianische Verständnis des Bischofsamtes als Priesteramt sei primär, seine alttestamentliche Begründung dagegen sekundär; ähnlich Fasholé-Luke, Bridegroom, 295f. Zur Sache vgl. auch Evans, One and Holy, 58–60. 392 Dass er dies tun könnte, zeigt die Deutung des „Opfers“ in ep 63,14,4;275–282. 393 Dieses bildet freilich auch den Horizont für die frühchristliche Interpretation des Priestertums Christi, wie besonders der Hebräerbrief zeigt; vgl. dazu etwa H. Braun, HNT 14, 71–74. 394 Ebenso Dassmann, Bedeutung, 110.

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Paränese als vom Bischof ausgeübte ecclesiastica disciplina

Interpretation des Bischofsamtes ab, das nicht nur für die cyprianische Ekklesiologie, sondern auch für seine Konzeption der Paränese eine zentrale Rolle spielt, ist es doch der so verstandene Priester-Bischof, der für die disciplina der Gemeinde zuständig ist.

Schluss: Ad salutem consulere

In der theologischen Konzeption Cyprians gewinnt die frühchristliche Paränese eine neue, eigene Gestalt, auch wenn sie in vielen Punkten an Vorgänger, insbesondere Tertullian und Minucius Felix, anknüpfen kann. Charakteristisch für die cyprianische Paränese ist auf der einen Seite ihre konsequente kirchliche Einbindung, die in der Verantwortung des Bischofs für die Ausübung der (ecclesiastica) disciplina ihren deutlichsten Ausdruck findet, auf der anderen ihre tiefgreifende Prägung durch antike philosophische, insbesondere stoischsenecanische Motive und Vorstellungen, die vor allem in der Wahrnehmung christlicher Existenz in der Zeit als eines permanenten Kampfes zum Tragen kommen. Ist die stoisch-senecanische Prägung der Paränese Cyprians durch Tertullian und Minucius angebahnt und vorbereitet, so erscheint ihre konsequente Kirchlichkeit als eine Neuerung. In ihrem Kern aber erweist sich die cyprianische Konzeption der Paränese als Entfaltung seines Verständnisses tätiger christlicher Existenz in der Zeit zwischen Taufe und Vollendung als eines Unterwegsseins ‚vom Heil zum Heil‘. (1) Der Horizont der cyprianischen Paränese wird durch die ecclesiastica disciplina markiert. Die biblischen Gebote bestimmen, so sehr sie auf das Leben des einzelnen bezogen bleiben, zuerst und vor allem die disciplina der christlichen Gemeinschaft, der ansatzweise sakralrechtlich verfassten Kirche.1 Eine wesentliche Veränderung des Inhalts der Ermahnungen und Weisungen ist damit nicht verbunden, wohl aber eine grundlegende Modifikation ihres formalen Charakters. „Kirchliche Vorschriften“ begegnen in den cyprianischen Schriften, anders als gelegentlich in der Sekundärliteratur suggeriert, ausgesprochen selten, und sie erhalten in seiner Paränese so gut wie nie eigenständiges Gewicht.2 Der häufig gebrauchte Begriff disciplina bezeichnet in aller Regel biblische Gebote, sei es in ihrer Gesamtheit, sei es bezogen auf ein Einzelgebot, bzw. das diesen entsprechende Verhalten; dies gilt uneingeschränkt auch für die Verbindung ecclesiastica disciplina.3 Gelegentlich ist freilich erkennbar, dass sich der Charakter einer als Gebot verstandenen biblischen Aussage verändert, indem sie zu einer ____________

1 Von Campenhausen, Kirchliches Amt, 296, spricht in diesem Sinne nicht ohne Grund von einer soziologischen Auffassung der Kirche. Dass die Kirche für Cyprian in ihrer soziologischen Vorfindlichkeit nicht aufgeht, wird freilich von Wickert, Sacramentum unitatis, passim, mit Recht betont; Wickert spricht hier von einem „‚Extra Cyprianicum‘“ (ebd., 11). 2 Vgl. dazu Kap. 9.3 mit Anm. 299f sowie Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 88f. Bezugnahmen auf kirchliche Vorschriften sind bei Cyprian erheblich seltener als bei Tertullian. 3 Vgl. dazu Kap. 9.1.

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Schluss

Art Gruppennorm wird,4 und in einigen Bereichen werden biblische Gebote tendenziell mit bestimmten kirchlichen Formen identifiziert, die ihre Umsetzung zur Zeit Cyprians angenommen hat.5 Wichtiger noch ist hier freilich etwas anderes: Die biblischen Gebote werden bei Cyprian zur normativen Instanz einer in spezifisch römischem Sinne verstandenen disciplina, die als solche für die gesamte christliche Gemeinschaft verbindlich ist und in die Verantwortlichkeit ihres Vorstehers fällt.6 Der Bischof ist zuständig nicht nur für die Unterweisung im rechten christlichen Verhalten, sondern auch für die Einhaltung und Durchsetzung seiner biblisch begründeten Ermahnungen und Zurechtweisungen. Einem römischen Familienvater oder militärischen Befehlshaber vergleichbar, übt er die disciplina der christlichen Gemeinschaft aus. Dies hat zur Konsequenz, dass das Verhalten des einzelnen nicht in sein Belieben gestellt ist, sondern Gegenstand bischöflicher Fürsorge und Amtsgewalt wird. Der für das Wohl des einzelnen wie der Gesamtheit verantwortliche Bischof darf abweichendes Verhalten nicht dulden, gefährdet es doch nicht nur das Heil des einzelnen, sondern auch die disciplina der Gemeinde.7 Damit verändert sich aber zugleich die Position des Paräneten: Er verdankt seine Autorität nicht seinem Alter, seiner Weisheit oder seiner besonderen Begabung,8 sondern seiner amtlichen Stellung.9 Ist das Bischofsamt als solches für Cyprian in der als Amtseinsetzung verstandenen Beauftragung des Petrus in Mt 16,18f und der als Ausweitung dessen gedeuteten Bevollmächtigung aller Apostel in Joh 20,21–23 verankert,10 so begründet er die autoritative Stellung des Bischofs als desjenigen, der die disciplina der christlichen Gemeinde ausübt, vor allem im Rekurs auf das alttestamentliche Priestergesetz. Er beruft sich auf Dtn 17,12f und verschiedene alttestamentliche exempla, um die Forderung unbedingten Gehorsams gegenüber bischöflichen Anweisungen und die Unantastbarkeit seiner Ehrenstellung zu untermauern. Auch die Forderung einer dieser besonderen Stellung entsprechenden persönlichen Beschaffenheit der Amtsinhaber wird in erster Linie aus dem Priestergesetz abgeleitet. Die Interpretation der herangezogenen alttesta____________

4 Vgl. etwa Kap. 9 Anm. 139 zur cyprianischen Rezeption von 1Kor 8,13. 5 Dies gilt etwa für die in Kap. 9.3 untersuchte ‚Amtstheologie‘, aber auch und mehr noch für den Bereich der Bußtheologie (vgl. dazu Kap. 9.1 mit Anm. 65). Zur Sache vgl. auch Cavallotto, Il magisterio episcopale II, 67–69. 6 Vgl. dazu Kap. 9.1 und 9.2. 7 Dass dies im Extremfall auch schon zur Zeit des Paulus gelten konnte, zeigt 1Kor 5,1–13, wo es freilich vor allem um die Reinheit der Gemeinde gehen dürfte; vgl. dazu Harris, The Beginnings. Bei Cyprian ist daraus eine geregelte amtliche Struktur geworden, die auch etwa auf das Alltagsverhalten christlicher Jungfrauen Anwendung findet. 8 Vgl. zu entsprechenden paränetischen Modellen Perdue, Paraenesis, 247–249, sowie Popkes, Paränese, 19.26. 9 Hoffmann, Kirchliche Strukturen, 307f, verweist besonders auf die „überlegene Kenntnis der Heiligen Schriften und ihrer Forderungen“. Auch wenn dies ein gewichtiger Aspekt ist, Cyprian beruft sich darauf nicht. 10 Vgl. dazu Kap. 9.3.1.

Ad salutem consulere

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mentlichen Texte ist durchgängig von einer ihre Aussagetendenzen verschärfenden Verallgemeinerung geprägt.11 Die amtliche Stellung des Bischofs wird damit sakralrechtlich begründet, ihre Anerkennung gilt als biblisch geboten und wird so selbst zum Gegenstand verbindlicher Paränese. Für Cyprian verbinden sich mit dem Priesteramt nicht nur bestimmte, tendenziell exklusive sakrale Vorrechte wie das Tauf- und Opferrecht (licentia baptizandi bzw. offerendi), sondern auch eine besondere Amtsgewalt. Anmaßendes Verhalten gegenüber dem Priester Gottes ist ein Angriff auf Gott selbst, und Ungehorsam gegen seine Anweisungen hat den Verlust des Heils zur Folge. Mit dieser alttestamentlich-priesterlichen Interpretation des Bischofsamtes erreicht eine mit 1Clem 40 beginnende Deutungsgeschichte christlicher Gemeindestrukturen ihren (vorläufigen) Höhepunkt.12 Im cyprianischen Verständnis des priesterlich begründeten Bischofsamtes zeigen sich freilich zugleich spezifisch römische Elemente.13 Offenkundig wird dies in seiner Beschreibung der Bischofswahl, die nahezu direkt profanen Vorbildern folgt.14 Es zeigt sich aber auch darin, dass Cyprian sein eigenes bischöfliches Handeln mit seiner Verantwortung für die quies publica seiner Gemeinde begründen15 und schismatische oder häretische Gegner mit politischer Terminologie als Aufrührer und Unruhestifter charakterisieren kann.16 Auch die Begriffe, mit denen er die Amtsgewalt des Bischofs beschreibt, entstammen vielfach diesem Kontext, und die Weise, wie er selbst seine Amtsautorität wahrnimmt und durchsetzt, verrät einen entsprechenden Hintergrund.17 Römisch-magistratischem Amtsverständnis entspricht auch die Forderung strikten Gehorsams und die Qualifikation des Ungehorsams gegenüber den Anweisungen des Bischofs als obstinatio, die schon als solche schwerster Strafe würdig ist.18 Alttestamentlich-priesterliches und römisches Amtsverständnis konvergieren hier. Die herausragende, sakralrechtlich begründete autoritative Stellung des Bischofs verleiht seiner paränetischen Auslegung der biblischen Gebote für seine Gemeindeglieder höchste Verbindlichkeit. Der Gehorsam gegen die Gebote Gottes schließt den Gehorsam gegen den Priester als ihren autoritativen Ausleger mit ein.19 Diese autoritative Stellung besitzt jeder einzelne Bischof je für ____________

11 Vgl. dazu Kap. 9.3.3 und 9.3.4. 12 Vgl. dazu Einleitung 2.3 mit Anm. 104. 13 Vgl. Sage, Cyprian, 330: „A professor of rhetoric, thrust into a position of power, would take the Roman model to heart, particularly in view of the confirmation of his position in the Scriptures“. Vgl. auch Hoffmann, Cyprian, 33.35.42. 14 Vgl. dazu Kap. 9 Anm. 183. 15 Vgl. dazu Kap. 9.2.1. 16 Vgl. Beck, Römisches Recht, 137, sowie Wischmeyer, Golgatha, 184f, und ders., Ecclesia in monte, 131f. 17 Vgl. dazu Kap. 9.2.2. Dass auch sonst römische Institutionen wie etwa das Patronat für Verständnis bzw. Ausübung des Bischofsamtes bei Cyprian von erheblicher Bedeutung sind, haben Bobertz, Cyprian, u.a. wahrscheinlich gemacht. 18 Vgl. dazu Kap. 9.2.2 mit Anm. 216. 19 Vgl. Hoffmann, Cyprian, 46; ebenso schon Seeberg, Lehrbuch I, 618.623f.

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Schluss

sich, unbeschadet der Tatsache, dass er selbst keineswegs unfehlbar ist20 und die Gemeinde sogar das Recht und die Pflicht hat, einen unwürdigen Bischof seines Amtes zu entheben.21 Auch wenn Cyprian die Verpflichtung zur Kollegialität wiederholt hervorhebt und im Extremfall die Absetzung eines Bischofs durch seine Kollegen für notwendig halten kann, vertritt er den Grundsatz, dass jeder Bischof letztlich allein Christus rechenschaftspflichtig ist.22 Der Aussage von Campenhausens, das urchristliche „Bekenntnis zur Freiheit“ gelte bei Cyprian nicht mehr für alle Christen, sondern nur noch „für die Führer der Kirche“,23 ist zuzustimmen. Für individuelle Freiheit im Verständnis der biblischen Gebote ist in dieser römischen Konzeption einer ecclesiastica disciplina in der Tat kein Raum. Abweichendes Verhalten wie etwa das der Syneisakten wird nötigenfalls mit Hilfe bischöflicher Zwangsmaßnahmen unterbunden.24 Festzuhalten ist freilich, dass sich die paränetische Zuständigkeit der Bischöfe nach cyprianischem Verständnis auf die Auslegung, Anwendung und Durchsetzung biblischer Gebote beschränkt. Eigene gesetzgeberische Kompetenz kommt ihnen offenbar nicht zu, und ihre consilia sind den praecepta domini deutlich zu- bzw. nachgeordnet.25 Dass die Auslegung und Anwendung biblischer Gebote auf konkrete Situationen Ermessensspielraum lässt, liegt jedoch auf der Hand und wird durch die Hervorhebung der Eigenverantwortlichkeit jedes einzelnen Bischofs nachdrücklich unterstrichen. Die Ausübung der disciplina durch den mit priesterlicher und magistratischer Autorität versehenen Bischof ist demnach ein wesentliches Element der paränetischen Konzeption Cyprians, das in dieser ausgearbeiteten Form offenbar eine Neuerung darstellt. Die disciplina-bezogene Aufgabe des Bischofs unterliegt nun freilich einer eindeutigen Zweckbestimmung, die Cyprian mit der Formel singulis ad salutem suam consulere, „jedem einzelnen fürsorglich zu seinem Heil raten“, zum Ausdruck bringen kann.26 So sehr er die Amtsautorität des Bischofs hervorhebt, in der positiven Beschreibung seiner Aufgabe dominieren nicht Strenge und Macht, sondern die Ausrichtung an der Barmherzigkeit Gottes, die die Umkehr und Rettung möglichst aller anstrebt. Macht der Bischof von Zurechtweisung und Strenge Gebrauch, so zielt dies nach cyprianischem Verständnis auf die Besserung und damit das Heil des Betreffenden, nicht auf dauerhaften Aus-

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20 Cyprian betont, dass Bischöfe täglich dazuzulernen haben (ep 74,10,1;199–201, zitiert Kap. 2 Anm. 207), und verweist auf das Vorbild des Petrus, der sich von Paulus eines Besseren habe belehren lassen (ep 71,3,1;52–2;76). Vgl. auch von Harnack, Lehrbuch II, 92. 21 An diesem Punkt weicht Cyprian vom profanen Recht ab (s.o. Kap. 9 Anm. 390). 22 Vgl. dazu Kap. 9.2.3 mit Anm. 278. Zur Unabhängigkeit und Einbindung des Bischofs vgl. auch d’Alès, La théologie, 163–170, zur Sache außerdem Vogt, Bischofsamt, 233. 23 Von Campenhausen, Kirchliches Amt, 307f; vgl. auch Dassmann, Amt und Autorität, 129f. 24 Vgl. dazu Kap. 9.2.2. 25 Vgl. Kap. 9.2 mit Anm. 83f. Dass der Bischof „die Weisungen gibt“ (von Campenhausen, Kirchliches Amt, 309), gilt – zumindest der Intention nach – nur im Sinne verbindlicher Auslegung der Weisungen Gottes. Vgl. dazu auch Cavallotto, Il magisterio episcopale I, 400–407; II, 67–69. 26 Vgl. dazu Kap. 9.2.1.

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schluss aus der Gemeinde, und den einzelnen durch Milde und Geduld zu gewinnen ist dem Gebrauch bischöflicher Machtmittel eindeutig vorzuziehen.27 Als eine Form der Verwirklichung dieses Ideals erscheint die cyprianische Ausübung der Binde- und Lösegewalt. So sehr Cyprian grundsätzlich die – als solche nie in Frage gestellte – Möglichkeit der Vergebung schwererer Verfehlungen an strenge Auflagen bindet und dabei neben der reumütigen Ausrichtung des Sünders auf den barmherzigen, aber erzürnten Gott auch die Aufrechterhaltung der disciplina der Gemeinde im Blick hat, so sehr entscheidet er sich im Zweifelsfall stets zugunsten des reumütigen Sünders. Bischöfe, die Gefallenen die Möglichkeit zum Eintritt in das kirchliche Bußverfahren versagen, bekämpft er entschieden.28 Mögen auch die einzelnen Entscheidungen eines Bischofs in seinem eigenen Ermessen liegen, dass er für das Heil jedes einzelnen Sorge zu tragen und in diesem Sinne den einzelnen nicht nur zurechtzuweisen und zu ermahnen, sondern nach Möglichkeit auch wiederherzustellen hat, steht für ihn außer Frage. Als ein autoritatives, strikten Gehorsam verlangendes, aber stets an der Milde und Barmherzigkeit Gottes orientiertes ad salutem consulere lässt sich deshalb die paränetische Aufgabe des Bischofs bei Cyprian zusammenfassen. (2) Als kirchlich erweist sich die Paränese Cyprians auch darin, dass sie an ihre Vorgänger anknüpft. Ein a se ipso incipere kommt für ihn theologisch so wenig wie kirchlich in Betracht.29 Er lernt von seinen Vorgängern, übernimmt vieles und bewahrt doch in alledem seine Eigenständigkeit. In der uns erhaltenen Literatur sind es vor allem Tertullian und Minucius Felix, an die Cyprian erkennbar immer wieder anknüpft und denen seine Theologie Grundlegendes verdankt. Seine besondere Beziehung zu Tertullian kommt in der vielzitierten Da magistrum-Anekdote zum Ausdruck,30 die, falls es sich nicht um eine historische Reminiszenz handelt, eine Schlussfolgerung aus der Lektüre beider Autoren sein dürfte.31 Neben vielfachen Berührungen im einzelnen sticht besonders die ‚Nachahmung‘ mehrerer tertullianischer Schriften ins Auge, Nachahmung wohlverstanden im Sinne des antiken Ideals der imitatio durch Aneignung.32 Die Traktate De dominica oratione und De bono patientiae geben sich bereits

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27 Vgl. dazu Kap. 9.2.2. 28 Vgl. dazu Kap. 9.2.3. 29 Das a se ipso incipere ist für Cyprian ein Kennzeichen der Schismatiker (ep 69,5,1;100f). 30 Vgl. Einleitung Anm. 6. 31 Vgl. Hieronymus ep 84,2: [...] beatus Cyprianus Tertulliano magistro utitur ut eius scripta probant (122,11 Hilberg). 32 Zum Ideal eigenständig-kreativer imitatio in der Redekunst vgl. Quintilian Inst 10,2 und dazu Zimbrich, Mimesis, 197f: „Es handelt sich um ein freies, aus der eigenen Zeit schöpfendes Nacheifern der vorangegangenen Großen, das bis zum Wettstreit gesteigert wird (aemulatio).“ Vgl. auch von Albrecht, Imitation, sowie Seneca ep 84,5–8 zum Ideal der ‚Aneignung‘ in der philosophischen Bildung. Zum Verhältnis von imitatio und aemulatio vgl. Reiff, interpretatio, bes. S. 35–38 und S. 111–122; vgl. auch von Albrecht, Geschichte I, 11–13.

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im Titel als Neubearbeitungen tertullianischer Schriften zu erkennen – für De habitu uirginum gilt sachlich Entsprechendes33 – und fordern damit zu einer vergleichenden Lektüre geradezu heraus.34 Um Verdrängung eines durch seinen (späteren) Montanismus in Misskredigt geratenen Autors geht es dabei kaum, ist doch imitatio, wie Cyprian sie übt, bei aller Eigenständigkeit und bei allen Korrekturen im einzelnen Ausdruck der Bewunderung, nicht der Ablehnung;35 dass auch zeitgenössische Leser dies so verstanden haben, zeigt die erwähnte Da magistrum-Anekdote. Auch in vielen anderen Schriften nimmt Cyprian nicht selten Themen, Vorstellungen und Formulierungen Tertullians auf und fügt sie seinen eigenen Gedankengängen ein. Hier wie dort gilt freilich, dass er kaum je nur aus einer einzigen ‚Quelle‘ schöpft; fast überall spielen weitere christliche wie außerchristliche Einflüsse mit hinein. Das Ergebnis ist stets ein Neues, das sich erkennbar in die Tradition einordnet und doch zugleich seine literarische und theologische Eigenständigkeit erweist.36 Ein Beispiel für intensive Tertullianrezeption und theologische Eigenständigkeit ist Cyprians Auslegung der dritten Vaterunserbitte.37 Cyprian rezipiert die wesentlichen Elemente der Auslegung Tertullians,38 baut diese aber erheblich aus39 und fügt dabei Aspekte hinzu, die für seine eigene Theologie grundlegend sind:40 das gilt für die Aktivität des Widersachers, für die Betonung der Angewiesenheit auf die Gnade und Barmherzigkeit Gottes41 und für die Deutung des Gegenübers von Himmel und Erde auf den universalen Heilswillen Gottes.42 In seinem Verständnis christlicher Existenz als eines permanenten Kampfes gegen den Teufel und die Widrigkeiten der Welt greift Cyprian vielfach auf ____________

33 „[...] its immediate source“ ist De cultu feminarum (Keenan, habit, 11; vgl. S. 10–27). 34 Zum Verhältnis von De dominica oratione zu Tertullian De oratione vgl. O’Donnell, St. Cyprian, 28–38, Janssen, De literaire eigenwaarde, sowie Réveillaud, orat, 3–7, zu De bono patientiae im Vergleich zu Tertullian De patientia vgl. Einleitung Anm. 12 und Anm. 121f, zu De habitu uirginum Galdi, Commentatio. 35 Lukrez zufolge wird solche imitatio „aus verehrender Liebe“ geübt (Zimbrich, Mimesis, 198, mit Hinweis auf rer 3,5f); vgl. dazu auch Reiff, interpretatio, 9–15. 36 Vgl. dazu auch Einleitung 3 (b). 37 Orat 14–17; bei Tertullian ist die Reihenfolge der zweiten und dritten Bitte vertauscht. 38 Zur cyprianischen Rezeption von Tertullian orat 4,1–3 vgl. Kap. 7 mit Anm. 16–18 sowie Kap. 4.3 mit Anm. 123. 39 Vgl. exemplarisch Kap. 6.2.1 mit Anm. 67 zu orat 15 als Ausführung zu der Aussage Tertullians, der Wille Gottes sei das, was Christus in Verkündigung, Tun und Erleiden geübt habe. 40 Entsprechendes ist bei den als imitatio konzipierten Schriften wiederholt zu beobachten: Cyprian redet erheblich konzentrierter zur jeweiligen Sache, als Tertullian dies tut, und lässt viele Themen wegfallen, führt aber das Beibehaltene erheblich breiter aus. 41 Aus der Formulierung Tertullians: quae (sc. das, was im Tun Christi als Wille Gottes sichtbar geworden ist) ut implere possimus opus est dei uoluntate (orat 4,3;18f), wird bei Cyprian: quae (sc. uoluntas dei) ut fiat in nobis opus est dei uoluntate, id est ope eius et protectione, quia nemo suis uiribus fortis est sed dei indulgentia et misericordia tutus est (orat 14;249–252). Cyprian führt diesen Gedanken in seiner Auslegung der siebten Vaterunserbitte, die bei Tertullian ohne Gegenstück ist, weiter aus (vgl. orat 27 und dazu Kap. 7 mit Anm. 20). 42 Vgl. dazu Kap. 6 Anm. 75. – Entsprechendes ist im Verlauf der Untersuchung wiederholt gezeigt worden; vgl. etwa noch Kap. 3.1 Anm. 23 zu habit 2 sowie Kap. 3.2 zu orat 12 und 22.

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Vorstellungen und Texte Tertullians zurück. Wie für seinen Lehrer verbindet sich für ihn die Taufe mit einer grundsätzlichen Absage an den Teufel und die Welt, sei es auch mit veränderter Gewichtung.43 Er rezipiert die Vorstellung Tertullians, der Teufel greife besonders die Christen an, da er sie als aus seiner Gewalt befreit ansehe, diese befänden sich daher in einer Art permanenten Belagerungszustandes, und baut sie weiter aus.44 Die von Tertullian gelegentlich verwendete Metapher der tela und/oder iacula diaboli formt er – unter Einfluss entsprechender paganer, besonders senecanischer Metaphorik – zu einem geprägten Motiv.45 Die in diesem Zusammenhang wahrnehmbare tendenzielle Gleichsetzung des Teufels mit der fortuna geht über Tertullian hinaus,46 ebenso die vielfach aufgenommene Sturm- und Unwettermetaphorik.47 Wie Tertullian vertritt auch Cyprian die Auffassung, der Widersacher könne nur mit göttlicher Erlaubnis gegen die Christen handeln,48 unterscheidet sich aber in der Ausführung dieses Gedankens: Während Tertullian drei Gründe dafür anführt, dass dem Teufel Macht über die Christen gegeben wird, die probatio, die reprobatio und die cohibitio, lässt Cyprian den letztgenannten Aspekt wegfallen und ersetzt die von Tertullian betonte reprobatio durch die correptio, die auf Besserung zielende Strafmaßnahme – eine charakteristische Verschiebung mit weitreichenden Konsequenzen, nicht zuletzt in der Bußfrage.49 Angeregt durch Tertullian Apol 41,1–6 betont Cyprian, äußere Katastrophen beträfen die Christen nicht, und wie dieser erhebt auch er den – über stoische Ideale noch hinausgehenden – Anspruch, Christen empfänden durch irdische Leiden keinen Schmerz.50 Bemerkenswert ist hier die cyprianische Aufnahme und Entfaltung des Begriffs der patientia, der nicht nur seine biblisch-eschatologische Dimension zurückgewinnt, die bei Tertullian zu fehlen scheint,51 sondern zugleich stärker römisch-stoisch geprägt ist als bei jenem.52 Die Vorstellung, aduersa seien für Christen keine Anfechtungen, sondern notwendige und insofern wünschenswerte Bewährungsmöglichkeiten, geht auf senecanische Ausführungen zurück, die auch Tertullian rezipiert; literarisch scheint Cyprian hier ____________

43 Cyprian betont v.a. die Absage an die Welt, Tertullian die an den Teufel; vgl. Kap. 4.4 mit Anm. 142 sowie Kap. 5.1.1 mit Anm. 11. 44 Besonders der Abschnitt paen 7,7–9 scheint für Cyprian Bedeutung gewonnen zu haben; vgl. dazu Kap. 5.1.1 mit Anm. 14 und Anm. 46. 45 Vgl. dazu Kap. 5.1.1 mit Anm. 62–66, wo auch die cyprianische Verarbeitung von Tertullian pat 14,2–7 analyisert wird. – Ähnliche Phänomene sind des öfteren festzustellen; vgl. etwa noch Kap. 6.3 zur Verwendung des Ausdrucks promereri deum bei Cyprian. 46 Vgl. dazu Kap. 5.1.1 mit Anm. 90f. 47 Vgl. dazu Kap. 5.1.2. 48 Er zitiert dazu in Quir 3,80tit annähernd wörtlich Tertullian fug 2,2;22f; vgl. dazu Kap. 5.1.3 mit Anm. 179. 49 Vgl. dazu Kap. 5.1.3 sowie ep 55,22,4;385–387, zitiert Kap. 6 Anm. 13. 50 Vgl. Dem 18–21 und dazu Kap. 5.2.2.2 mit Anm. 325 und 341f. 51 Vgl. dazu Kap. 2.1 mit Anm. 20. 52 Vgl. Kap. 5.2.2.3 mit Anm. 380f und 418. Zu der von Tertullian rezipierten, aber modifizierten Abgrenzung von philosophischer Inanspruchnahme der patientia vgl. ebenfalls Kap. 5.2.2.3.

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zudem von Minucius beeinflusst zu sein.53 Alle drei deuten 2Kor 12,9 entsprechend – gegen die paulinische Aussageintention – auf die Bewährung christlicher uirtus gerade in solchen Herausforderungen.54 Wie angedeutet, verbinden sich die zahllosen Rezeptionsvorgänge, für die im Verlauf dieser Untersuchung viele weitere Beispiele zur Sprache gekommen sind,55 mit Akzentverschiebungen, gelegentlich auch mit bewussten Abgrenzungen; die unterschiedliche Beurteilung der Flucht in Verfolgungssituationen ist dafür ein prominentes Beispiel.56 Daneben gibt es strukturelle Aspekte wie die sehr unterschiedliche Wahrnehmung des Bischofsamtes, die in der Verschiedenheit der jeweiligen Position begründet sein dürfte.57 Wesentliche Unterschiede sind auch in der theologischen Grundhaltung zu erkennen, die, wie es scheint, schon das jeweilige Verständnis der eigenen Bekehrung prägen: Steht für Tertullian am Anfang die Furcht vor dem drohenden Gericht, so für Cyprian das Versprechen der göttlichen Gnade, er könne durch die Taufe ein von Grund auf neuer Mensch werden. Weil es in der Taufe um das Erlangen der Gnade geht,58 vertritt er die Auffassung, niemand dürfe von der Taufe ferngehalten werden; Tertullian rät dagegen zur Zurückhaltung und betont das pondus baptismi.59 Die unterschiedliche Haltung der beiden Autoren in Fragen der Buße dürfte damit zusammenhängen: Neigt Tertullian von Anfang an einer eher rigoristischen Haltung zu, die sich im Verlauf seiner literarischen Tätigkeit noch weiter zuspitzt, entscheidet sich Cyprian, bei aller Strenge der Bußdisziplin im einzelnen, im Zweifelsfall stets zur Milde hin; anders als Tertullian ist er grundsätzlich nicht dazu bereit, die Reichweite der göttlichen Gnade zu begrenzen.60 So sehr Cyprian als gelehriger Schüler seinen Lehrer Tertullian studiert und rezipiert, so wenig leistet er ihm demnach Gefolgschaft, wenn es um die theologische Grundhaltung geht. An die Stelle einer Theologie, die bei aller Verwurzelung in der christlichen Soteriologie auch und gerade im Blick auf die christliche Praxis das Moment der Gottesfurcht in den Mittelpunkt rückt,61 tritt eine theologische Konzeption, die ihren Ausgangspunkt ganz grundsätzlich bei der göttlichen Gnade nimmt und demgemäß auch das christliche Handeln wesentlich unter diesem Aspekt sieht.62 ____________

53 Vgl. Kap. 5.2.2.4 mit Anm. 433, 436 und 452. 54 Vgl. dazu Kap. 5.2.2.4 mit Anm. 448. 55 Vgl. etwa noch Kap. 6.1 mit Anm. 10 und Kap. 6.2.2 mit Anm. 93 und 100 zu Vorstellungen, die das menschliche Gottesverhältnis betreffen. 56 Vgl. Kap. 8.2.2 mit Anm. 246–249 zur Flucht als Bekenntnis im Verborgenen und zur ‚Korrektur‘ von Tertullian Scorp 6,11 in mort 17. 57 Tertullian scheint Laie gewesen zu sein; vgl. Kap. 9 Anm.1. 58 Taufe heißt für Cyprian grundlegend gratiam consequi, ein Ausdruck, der bei Tertullian fehlt; vgl. dazu Kap. 1.1 mit Anm. 9f. 59 Vgl. bapt 18,1–6. 60 Vgl. Hinchcliff, Cyprian, 75, und dazu Kap. 9.2.3 mit Anm. 295. 61 Vgl. dazu meinen Beitrag: „... dem Menschen ratend, dass er sich an Gott hänge“. Gesetz und Gottesverhältnis bei Tertullian (erscheint in ThBeitr 40, 2009). 62 Vgl. dazu Kap. 7.

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Neben den Traktaten Tertullians spielt auch die einzige erhaltene Schrift des Minucius Felix für Cyprian eine wichtige Rolle, auch wenn die Zahl der Bezugnahmen naturgemäß erheblich kleiner ausfällt.63 Da Minucius sich geradezu darum bemüht, möglichst weitgehend auf ‚Originalität‘ zu verzichten und stattdessen pagane Quellen sprechen zu lassen,64 ist an etlichen Stellen, an denen eine literarische Berührung vorzuliegen scheint, mit einer Art Dreiecksbeziehung zu rechnen. Dies gilt für die Rezeption einzelner Motive ebenso wie für umfassendere Vorstellungskomplexe. Wenn Cyprian etwa im Zusammenhang einer Polemik gegen pagane Götterverehrung die aufrechte Haltung und den zum Himmel gewandten Blick des Menschen der gebückten, der Erde zugewandten Haltung der übrigen Lebewesen kontrastiert, so liegt hier zweifellos eine literarische Bezugnahme vor; ob allerdings auf Minucius oder auf Ovid, ist kaum zu entscheiden.65 Wiederholt spricht einiges für die Annahme, Cyprian habe sich durch Minucius dazu anregen lassen, selbständig auf die von diesem rezipierten paganen Quellen zurückzugehen.66 Die Vorstellung, das Gericht Gottes erweise sich eben darin als gerecht, dass es lange auf sich warten lasse, dürfte Cyprian aus Oct 34,12 rezipiert haben, wenngleich es dafür auch pagane Vorbilder gibt.67 Neben solchen Einzelbezügen sind auch in größeren Zusammenhängen Einflüsse des Minucius wahrzunehmen. So dürfte die Komposition des Abschnitts Don 6–13 durch Minucius Oct 37,7–12 angeregt sein,68 und die in Oct 36–38 wahrzunehmende Seneca-Rezeption69 scheint für die theologische Konzeption Cyprians erhebliche Bedeutung gewonnen zu haben. Er lässt sich nicht nur dazu anregen, das senecanische Motiv des Schauspiels für Gott als Erklärung für das schwer verständliche Leiden gerade der Guten und Gerechten aufzunehmen,70 die Ausführungen des Minucius zum christlichen Erdulden von körperlichen Unannehmlichkeiten und Widrigkeiten scheinen für seine Haltung insgesamt prägend geworden zu sein.71 (3) Die cyprianische Paränese verrät in einigen wesentlichen Zügen antike philosophische, insbesondere stoisch-senecanische Prägungen. Entsprechende Einflüsse zeigt sogleich die seine eigene Hinwendung zum Christentum reflektierende Schrift Ad Donatum. Als ein mit philosophischen Traditionen vertrauter, vor allem stoisch-senecanisch geprägter römischer Rhetor vernimmt Cyprian in ____________

63 Zur lange Zeit strittigen Frage der Datierung des Octauius vgl. Einleitung Anm. 114. 64 Vgl. dazu B. Aland, Christentum, passim. 65 Vgl. Minucius Oct 17,2.11 und Ovid Met 1,84–86 und dazu Kap. 1.2.2 mit Anm. 180. 66 Vgl. dazu etwa Kap. 1 Anm. 107 und 119. 67 Vgl. dazu Kap. 8.2.2 mit Anm. 236. 68 Vgl. dazu Kap. 1.2.1, zur Komposition bes. Anm. 98. 69 Vgl. dazu B. Aland, Christentum, 26–30. 70 Vgl. dazu Kap. 7 mit Anm. 40. 71 Vgl. dazu Kap. 5.2.2.4 mit Anm. 433. Dass Cyprian ebenso wie Minucius Ausführungen aus den Noctes Atticae des Aulus Gellius zum klaglosen Ertragen von Schmerzen rezipiert, gehört in diesen Zusammenhang; vgl. dazu Kap. 5.2.2.3 mit Anm. 375 und 378.

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der christlichen Verkündigung eine Botschaft, die die von jenen Traditionen intendierte und von ihm selbst angestrebte moralische Erneuerung als ein Geschenk der göttlichen Gnade verspricht. Er erfährt seine Taufe als Befähigung zur Verwirklichung entsprechender Ideale: als Befreiung von tief verwurzelten uitia und als Befähigung zu einer uita uirtutum, als radikale Lösung von den Fesseln irdischer Existenz, als Ermöglichung von Weltunabhängigkeit und Weltüberlegenheit und so als Erreichen von Ruhe (tranquillitas) und Unbesorgtheit (securitas).72 Damit ist offenbar der Hintergrund bezeichnet, vor dem Cyprian seine eigene Hinwendung zum Christentum und die darin begründete tätige christliche Existenz versteht. Dass die Schrift Ad Donatum keineswegs nur ein Protreptikos, sondern unbeschadet ihrer literarischen Stilisierung auch biographisch ernstzunehmen ist, ist oft bemerkt worden.73 Die auch sonst vielfach wahrnehmbare Prägung der cyprianischen Paränese durch antike philosophische Vorstellungen und Ideale bestätigt dies. Geht es für Cyprian in Taufe und Umkehr um die Befreiung von tief verwurzelten Fehlhaltungen, die Abwendung von einer nach seiner Wahrnehmung moralisch verkommenen Welt und die Preisgabe der zweifelhaften, keine letzte Unbesorgtheit gewährenden Vorzüge des Lebens eines römischen Aristokraten, so beschreibt er sein früheres Leben weithin aus der Perspektive (popular-) philosophischer Kultur- und Gesellschaftskritik.74 Der hier anklingenden pessimistischen Weltwahrnehmung korrespondiert die Auffassung christlicher Existenz in der Zeit als eines täglichen Kampfes nicht nur gegen Versuchungen und Nachstellungen des Widersachers, sondern auch gegen die „Stürme der Welt“ und die Widrigkeiten des menschlichen Daseins, als welche Unglücksfälle und Katastrophen ebenso gelten wie die mit der irdisch-leiblichen Existenz als solcher verbundenen Unannehmlichkeiten.75 Lässt schon die Schrift Ad Donatum neben verbreiteten popularphilosophischen Topoi auch spezifische Bezugnahmen auf ciceronische und mehr noch senecanische Texte und Vorstellungen erkennen, so zeigt die weitere Entfaltung dieses Themenbereichs vielfach spezifisch stoische, insbesondere senecanische Einflüsse. Cyprian überträgt dabei wesentliche Aspekte des stoischen Kampfes gegen die fortuna auf den christlichen Kampf gegen den Widersacher und die Widrigkeiten der Welt. Die Übereinstimmungen mit stoisch-senecanischen Vorstellungen in der Wahrnehmung menschlicher Existenz als eines permanenten Kampfes sind weitreichend. Das senecanische Diktum uiuere [...] militare est könnte geradezu als Motto über das cyprianische Verständnis des christlichen Lebens gestellt werden.76 Die auch biblisch geprägte Deutung des Kampfes mit den Widrigkeiten der Welt als Bewährungsprobe wird nicht nur mit einem Seneca-Zitat untermauert – „der ____________

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Vgl. dazu Kap. 1. Vgl. Sage, Cyprian, 111.116 Anm. 2, sowie Kap. 1 Anm. 23. Vgl. dazu Kap. 1.1.1 und 1.2.1. Vgl. dazu Kap. 5.1. Vgl. Kap. 5.1.2 mit Anm. 145f.

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Steuermann wird im Unwetter erkannt, der Soldat in der Schlacht erprobt“77 –, sondern gewinnt insgesamt eine stoische, speziell senecanische Kontur. Die Anknüpfung an römisch-stoische Ideale zeigt sich besonders in der cyprianischen Beschreibung der in diesen Kämpfen geforderten christlichen Haltung.78 Neben der Rezeption von weiter verbreiteten philosophischen Motiven wie dem der praemeditatio futurorum malorum ist vor allem die Übernahme des stoischen Ideals der magnitudo animi hervorzuheben: In den Kämpfen der irdisch-leiblichen Existenz bewährt sich, wer, was immer ihm widerfährt, unerschütterlich, klaglos und ohne jedes Murren auf sich nimmt, sich inmitten der Katastrophen und Zusammenbrüche der Welt aufrecht hält und selbst im größten Leid nicht einmal Schmerz empfindet. Das schon von Tertullian vor allem im Kontext der Martyriumsparänese rezipierte Ideal des stoischen Weisen, der jeder Widrigkeit unerschrocken entgegentritt,79 bestimmt nun die Auffassung christlicher Existenz in der Zeit insgesamt, sind doch die Christen nach cyprianischer Überzeugung ständig Angriffen des Widersachers und der Welt ausgesetzt. Freilich ist dies für sie so wenig wie für den senecanischen Weisen ein Grund zu Betrübnis oder Klage, sondern Herausforderung und Gelegenheit zu immer neuer Bewährung. Die Deutung christlicher Bewährung als klagloses Ertragen jedweder Widrigkeit dürfte durch Seneca angeregt sein, auch wenn Cyprian sich gerade an dieser Stelle auf biblische Aussagen beruft. Biblische Belege dazu verdanken sich vielfach einem sprachlichen Missverständnis – das griechische α με' μπτως wird mit sine querella wiedergegeben und im Sinne von „ohne Klage“ gedeutet –, das freilich einem senecanisch beeinflussten Vorverständnis entspricht; bei Seneca begegnet der Ausdruck häufig in entsprechenden Zusammenhängen.80 Noch deutlicher wird die senecanische Prägung Cyprians in ausführlicheren Beschreibungen der geforderten christlichen Standhaftigkeit. Nicht nur das verwendete Vokabular zeigt eine deutliche Verwandtschaft, vor allem die Vorstellung, jedwede Widrigkeit, mit der der Christ zu kämpfen hat, und sei es eine Pestepidemie, sei als willkommene Gelegenheit zu begrüßen, seinen Glauben unter Beweis zu stellen, ist kaum anders denn als Rezeption dieser spezifisch senecanischen Zuspitzung stoischer Ideale zu deuten.81 Obwohl sich der Nachweis literarischer Beziehungen aufgrund der cyprianischen Rezeptionstechnik im einzelnen schwierig gestaltet82 und obwohl pagane philosophische Einflüsse nicht selten weiter verbreitete Vorstellungen und Motive betreffen, erweist sich so bei näherer Untersuchung, dass häufig senecanische Texte und Vorstellungen den cyprianischen Ausführungen am nächsten ____________

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Vgl. dazu Kap. 5.1.3 mit Anm. 170f. Zum folgenden vgl. Kap. 5.2. Vgl. Tibiletti, Stoicismo, zu Tertullians Ad Martyras, hier bes. S. 310f. Vgl. dazu Kap. 5.2.2.3. Vgl. dazu Kap. 5.2.2.4 mit Anm. 436. Vgl. dazu Einleitung 3 (b).

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stehen.83 Nachweisbare Zitate aus Senecas Schrift De prouidentia und wahrscheinliche Bezugnahmen auf andere Schriften und Briefe untermauern diesen Eindruck.84 Vorbereitet ist die Seneca-Rezeption Cyprians nicht nur dadurch, dass Seneca offenbar schon vor seiner Hinwendung zum Christentum großen Einfluss auf ihn ausgeübt hat,85 sondern, wie gesehen, auch durch entsprechende Rezeptionsvorgänge bei Tertullian und Minucius Felix.86 Nicht selten ist zu erkennen, dass Cyprian von seinen Vorgängern bereits gebahnte Wege selbst erneut beschreitet und weiterführt.87 Dass ein anderer römischer Autor vergleichbares Gewicht für ihn gehabt hätte, lässt sich nicht zeigen. Nicht wenige Berührungen gibt es auch etwa mit Cicero und Apuleius, ohne dass deren Einfluss freilich an den Senecas auch nur annähernd heranreichte. Dass rhetorische Schultraditionen vermittelnd gewirkt haben, ist nicht unwahrscheinlich, aber kaum nachzuweisen, direkte Kenntnis der genannten Autoren dagegen nicht selten wahrscheinlicher. Ein spezifischer Einfluss der Deklamationen-Literatur, auf die vor allem Quacquarelli als Hintergrund der cyprianischen Ausführungen verwiesen hat,88 ist für mich nach Durchsicht der erhaltenen Texte kaum wahrnehmbar. Übereinstimmungen beschränken sich im wesentlichen auf popularphilosophische Topoi wie etwa die Kritik des Reichtums, die auch sonst häufig begegnen.

Auch wenn sich die wahrnehmbaren Rezeptionsvorgänge im Bereich paganer philosophischer Einflüsse keineswegs einfach auf ein bilateres Verhältnis Cyprian – Seneca reduzieren lassen, geschieht es daher mit einigem Recht, wenn Fontaine bemerkt, man könne Cyprian in vielerlei Hinsicht „le Sénèque chrétien“ nennen.89 Cyprian ist tatsächlich bei Seneca in die Schule gegangen, und er hat das hier Gelernte mit der Taufe keineswegs abgelegt. Allerdings hat sich durch seine Bekehrung zum Christentum Grundlegendes verändert. Cyprian ist, um noch einmal den Ausdruck Fontaines aufzunehmen, tatsächlich „ein christ____________

83 Fredouille, „Seneca saepe noster“, 135, betont mit Recht, „la culture sénéquienne des Pères de l’Église“ reduziere sich nicht auf explizite Erwähnungen des Philosophen oder „fragments transcrits de son œuvre“, die Schwierigkeit bestehe vielmehr darin „de repérer les traces invisibles à un regard pressé d’une intime imprégnation“. 84 Zu De prouidentia vgl. Kap. 5.1.3 mit Anm. 171 und Kap. 5.2.2.4 mit Anm. 427 und 430, zu weiteren Bezugnahmen Kap. 1.2.1 mit Anm. 101, 104, 107 und 119, Kap. 1.2.2 mit Anm. 137 u.ö. 85 Vgl. dazu Kap. 1 Anm. 228f. Dass „Stoicism“ zur Zeit des Minucius den „mainstream“ der Kultur gebildeter Römer repräsentiert habe, betont Colish, The Stoic Tradition II, 33. 86 Vgl. das bekannte tertullianische Diktum Seneca saepe noster (an 20,1;3). Eine umfassende Untersuchung der Seneca-Rezeption Tertullians bietet Vidal-Fontan, Apologétique, 8–237; zu Minucius vgl. bes. Burger, Verhältnis, sowie Vidal-Fontan, Apologétique, 238–256. Faider, Études, 85f, rechnet mit einem Einfluss des tertullianischen Diktums auf die christliche Rezeptionsgeschichte des römischen Philosophen. Zur Bedeutung Senecas für die lateinischen Kirchenväter insgesamt vgl. Fredouille, „Seneca saepe noster“. 87 Exemplarisch sei hier nochmals Senecas Schrift De prouidentia genannt, in deren Rezeption Cyprian in Tertullian und Minucius Vorgänger hat, im einzelnen jedoch eigene Wege geht. 88 Vgl. Quacquarelli, La retorica, passim. 89 Fontaine, Un cliché, 545. Die Vermutung von Harnacks, Lehrbuch III, 21f Anm. 2, die religiöse Tönung der Ausführungen Senecas hätte ihre cyprianische Rezeption erleichtert, lässt sich aus den Schriften Cyprians weder verifizieren noch falsifizieren. Anders als Tertullian äußert Cyprian sich nicht zur Möglichkeit wahrer Gotteserkenntnis außerhalb des Christentums.

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licher Seneca“. Die damit verbundenen Differenzen und Verschiebungen sollen im Folgenden kurz skizziert werden. Entscheidend ist zunächst zweifellos der Akt der Taufe selbst. Anders als Seneca kritisiert Cyprian des Leben der römischen Gesellschaft und insbesondere der Aristokratie nicht nur, sondern vollzieht mit seiner Taufe tatsächlich einen radikalen Bruch mit der bisherigen Lebensweise. Dass er das von Sünde geprägte alte Leben, von dem die Taufe befreit, in seiner Schrift Ad Donatum tendenziell mit dieser Lebensform gleichsetzen kann, ist von kaum zu überschätzender Bedeutung. Hinzu kommt die weitgehende Preisgabe seines persönlichen Besitzes.90 Nähert sich Cyprian in dieser Hinsicht dem Ideal kynischer Philosophie, so zeigt die baldige Übernahme der Leitung der christlichen Gemeinde Karthagos, dass er im Blick auf die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung eher dem traditionellen Ideal römischer Philosophie verpflichtet bleibt.91 Mit der Taufe verbindet sich zudem ein Grundelement der cyprianischen Theologie, das diese von der stoisch-senecanischen Philosophie grundlegend unterscheidet. Die Erneuerung, die Cyprian anstrebt und die ihm nach eigenem Bekunden durch die Taufe tatsächlich zuteilwird, beschreibt er als ein Geschenk göttlicher Gnade. Er erlebt die Taufe als einen Moment plötzlicher, radikaler Veränderung, und er grenzt diese schlagartige Befreiung von seiner früheren Lebensweise explizit von einem langwierigen philosophischen Erkenntnis- und Erziehungsprozess ab.92 Wenn Cyprian darüber hinaus betont, die überschwängliche Beschreibung seines neuen Lebens sei kein tadelnswerter Selbstruhm, da er in dieser neuen uita uirtutum alles der göttlichen Gabe (dei munus), nichts dagegen der eigenen uirtus verdanke,93 so ist auch hier die intendierte Abgrenzung deutlich genug, ist doch nach verbreiteter philosophischer Tradition am Menschen allein das lobenswert, was er seiner eigenen uirtus verdankt: nemo gloriari nisi suo debet, wie es Seneca pointiert formuliert.94 Dieser grundlegende Unterschied betrifft nun nach cyprianischem Verständnis keineswegs nur den Anfangspunkt christlicher Existenz, sondern ist für das Ganze seiner theologischen Konzeption konstitutiv. Vermag der stoische Weise Seneca zufolge den vielfältigen Angriffen der fortuna unerschütterlich standzuhalten, weil „der Gott“ ihm einen animus gegeben hat, der für diese Angriffe unerreichbar ist, sofern er sich nur auf sich selbst zurückzieht und sich nicht den Unwägbarkeiten des Äußerlichen aussetzt,95 so kann der cyprianische Christ deshalb siegreich aus den Kämpfen mit dem Widersacher und der Welt hervorgehen, weil Christus, an dem er hängt, stärker ist als alle seine Gegner.96 ____________

90 91 92 93 94 95 96

Vgl. dazu Kap. 1 Anm. 59. Vgl. dazu Kap. 1.2.2 mit Anm. 242. Vgl. dazu Kap. 1 mit Anm. 38. Vgl. dazu Kap. 1.1.2. Ep 41,7 (109,24f Reynolds). Vgl. dazu Kap. 5.1.1 mit Anm. 82. Vgl. dazu Kap. 7 mit Anm. 53 sowie Fredouille, Le héros, bes. S. 12f.23f.

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Schluss

Cyprian nimmt daher gegenüber der von ihm rezipierten senecanischen Deutung des menschlichen Kampfes mit den Widrigkeiten des Lebens als eines Schauspiels für Gott eine charakteristische Modifikation vor: Er betont, Gott (bzw. Christus) sei in diesem Kampf keineswegs nur Zuschauer, sondern er kämpfe selbst in den Christen und erringe so für diese den Sieg.97 So sehr die äußere Beschreibung des Kampfes als solchen gemeinsame Züge trägt und so sehr Cyprian vor allem in der Charakterisierung der geforderten christlichen Standhaftigkeit an Seneca anknüpft, so sehr betont er an dieser Stelle die Differenz: Stark ist nicht der menschliche animus, mit dem ihn „der Gott“ von Natur ausgestattet hat, stark ist allein Christus, der den Widersacher und die Welt einmal für alle besiegt hat und nun in jedem einzelnen besiegt.98 In der Lebenspraxis äußert sich diese Differenz nicht zuletzt in der unterschiedlichen Beurteilung des Gebets. Lehnt Seneca es ab, die Götter mit Gebeten zu ermüden (deos fatigare)99, da diese dem Menschen alles gegeben hätten, was er brauche, so gehört für Cyprian das tägliche Gebet um die Hilfe und den Schutz Gottes wesentlich zum Christsein dazu, „denn niemand ist aus seinen eigenen Kräften stark, aber dank der Gnade und Barmherzigkeit Gottes ist er sicher“.100 An dieser Stelle zeigt sich der Unterschied zum senecanischen Gottesbegriff besonders deutlich. Auch Seneca kann bekanntlich betonen: prope est a te deus, tecum est, intus est;101 auch er kann schreiben: bonus uero uir sine deo nemo est: an potest aliquis supra fortunam nisi ab illo adiutus exsurgere?102 Aber Seneca macht im Weiteren deutlich, dass damit der animus bzw. ein göttlicher Anteil im animus gemeint ist. Der animus aber wird wie folgt definiert: qui nullo bono nisi suo nitet. quid enim est stultius quam in homine aliena laudare? [...] nemo gloriari nisi suo debet. [...] in homine quoque id laudandum est quod ipsius est.103 Das proprium hominis aber sind eben der animus und die ratio in animo perfecta.104 Die Senecaforschung deutet solche ‚religiösen‘ Aussagen Senecas daher in der Regel als zugespitzte Formulierungen klassisch stoischer Vorstellungen.105 Selbst wenn Seneca jedoch aktuelle göttliche Hilfe und konkretes menschliches Streben stärker aufeinander beziehen sollte, als dies in der älteren Stoa der Fall war,106 blieben fundamentale Unterschiede bestehen. Dass der cyprianische Christ im Kampf mit den Widrigkeiten der Welt Gott um Hilfe und Schutz bitten muss, um standhaft bleiben zu können, markiert eine deutliche andere Haltung. Die gegensätzliche Beurteilung der humilitas und der misericordia ist Folge dieses Unterschieds.

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97 Vgl. dazu Kap. 7. 98 Vgl. ep 10,3;50–55. 99 Vgl. Seneca ep 31,5, zitiert Kap. 7 Anm. 27. 100 Orat 14;250–252, zitiert oben Anm. 41; vgl. auch orat 27;508–511 und dazu Kap. 7. 101 Ep 41,1 (108,6f Reynolds). 102 Ep 41,2 (108,10f Reynolds). 103 Ep 41,6–7 (109,16–110,3 Reynolds). 104 Ep 41,8 (110,6–8 Reynolds). 105 Zur Religiosität Senecas vgl. Scarpat, Il pensiero religioso, 15–56, Cancik(-Lindemaier), Untersuchungen, 127f, Grimal, Sénèque, 1975f, sowie Kap. 7 Anm. 27 und Kap. 1 Anm. 176. 106 So die These von Cancik/Cancik-Lindemaier, Konstruktion, 317.

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Dem grundlegenden Unterschied in der Wahrnehmung des menschlichen Gottesverhältnisses entspricht eine ebenso charakteristische Differenz in der Bestimmung des Ziels der jeweiligen ‚philosophischen‘ Anstrengung: Hat für Seneca „der Gott“ den Menschen mit allem ausgestattet, was er zu einem glückseligen Leben braucht, nämlich mit einem animus, dessen Glück von allen externa unabhängig ist und der selbst die Gottesnähe des Menschen, mehr noch: das Göttliche im Menschen verkörpert, so heißt das philosophisch-paränetische Programm für ihn demgemäß uindica te tibi,107 und das Ziel, dessen Erreichen das höchste Gut darstellt, kann kein anderes sein als eben das suum fieri,108 das heißt die Erkenntnis und lebenspraktische Verwirklichung der Autarkie des menschlichen Geistes. An die Stelle des senecanischen suum fieri tritt für Cyprian das dei fieri; der durch die Taufe erreichte, in der tätigen christlichen Existenz zu bewährende Zustand wird als dei esse coepisse charakterisiert.109 Mit der Gotteszugehörigkeit des Menschen verbindet sich für Cyprian aber nicht nur das bereits angesprochene Moment gnadenhafter Befähigung, sondern zugleich eine grundlegende Ausrichtung auf die Zukunft hin. Anders als der ideale senecanische Weise ruht der getaufte Christ nicht in sich selbst, sondern ist auf einen Weg gesetzt, der ihn von dem in der Taufe bereits auf Hoffnung empfangenen Heil zum zukünftig-jenseitigen Heil führen soll. So sehr Cyprian die Taufe als Erreichen von securitas und tranquillitas beschreiben kann, der Getaufte „liebt“ nicht das, was er jetzt schon ist, sondern „das, was er sein wird“.110 Nicht der Rückzug auf ein den Angriffen der fortuna entzogenes inneres Selbst ist es deshalb, der ihn von allem Äußeren unabhängig macht und so dazu befähigt, die Widrigkeiten der Welt standhaft auf sich zu nehmen, sondern die Hoffnung auf das von Gott verheißene zukünftige Heil.111 Auch an diesem Punkt ist eine signifikante Verschiebung festzustellen, wird doch die Hoffnung auf Zukünftiges wie von den Stoikern generell so auch von Seneca grundsätzlich abgelehnt, da der Weise „dans la possession présente (ou plutôt intemporelle) du Bien“ lebt.112 Von der „Stoic conception of natural virtue as its own definition, source, and reward“113 hat Cyprian sich damit weit entfernt. Diese ebenso das Fundament wie viele Einzelaspekte betreffenden Differenzen bzw. Modifikationen sind wesentlich, heben aber die tiefgreifende stoischsenecanische Prägung cyprianischer Vorstellungen und Ideale nicht auf.114 Die ____________

107 Ep 1,1 (1,6 Reynolds). 108 Ep 75,18; vgl. dazu Kap. 1.2.2 mit Anm. 214. 109 Don 4;65–67; vgl. dazu Kap. 1.1.2. 110 Don 14;293f, zitiert Kap. 1 Anm. 217. 111 Vgl. dazu Kap. 5.2.2.2. 112 Grimal, const, 69; vgl. dazu auch Kap. 5 Anm. 345. 113 Colish, The Stoic Tradition II, 34. 114 Dies ist etwa gegenüber Gallicet, Dem, passim, festzuhalten, der wiederholt die Abhängigkeit Cyprians von römisch-stoischen Vorstellungen diskutiert, jedoch meist Differenzen feststellt und daraus ableitet, die entsprechenden Ausführungen Cyprians seien daher nicht römisch-stoisch, sondern biblisch geprägt. Die voranstehenden Untersuchungen dürften gezeigt haben, dass das Rezipierte nicht

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Schluss

Analyse der verschiedenen Aspekte der cyprianischen Paränese hat vielmehr gezeigt, dass hier gewissermaßen verschiedene geistige Welten in eine Wechselwirkung miteinander treten, ohne dass dabei schon im vorhinein entschieden wäre, welche Seite im einzelnen jeweils dominiert. Es ist ein produktiver Prozess, aus dem keine Seite unverändert hervorgeht. Gibt es zum Teil, wie Fontaine gezeigt hat, eine Gleichsinnigkeit der verschiedenen Traditionen,115 so dass eine wechselseitige Beeinflussung naheliegt, so ist daneben auch eine spannungsreiche Verknüpfung an sich unterschiedlicher oder auch gegensätzlicher Tendenzen wahrzunehmen. Dies lässt sich exemplarisch an der cyprianischen Deutung verschiedener neutestamentlicher Texte illustrieren: Während etwa die wiederholte Aufnahme von 1Kor 9,24f lediglich ein erheblich verstärktes Gewicht der bereits von Paulus rezipierten agonistischen Motivik signalisiert,116 versetzt die allegorisierende Deutung von Mt 7,24f auf die christliche Unerschütterlichkeit inmitten der „Stürme der Welt“ den biblischen Text in einen ganz neuen Horizont;117 die erwähnte Deutung von 2Kor 12,9 auf die gerade in Bedrängnissen sich bewährende christliche uirtus kehrt die paulinische Aussageabsicht geradezu in ihr Gegenteil um.118 Diese Andeutungen lassen erahnen, wie sehr pagane philosophische Einflüsse auch die Auswahl und das Verständnis der von Cyprian rezipierten Bibelstellen mit bestimmen. Die Rezeption biblischer Texte als Argument gegen das sachliche Gewicht stoischsenecanischen Einflusses ins Feld zu führen, wie etwa Gallicet es tut,119 wird diesem Sachverhalt nicht gerecht. Ebenso dürfte die Aussage, Cyprian greife lediglich ein stoisch geprägtes „idiom“ auf, um seine „Christian arguments“ auszubauen,120 den sachlichen Einfluss des Rezipierten erheblich unterschätzen.121 Die cyprianische Rezeption philosophischer, insbesondere stoisch-senecanischer Vorstellungen und Ideale ist, wie angedeutet, durch Tertullian und Minucius angeregt und vorbereitet, erweist sich aber in den konkreten Ausführungen als eigenständig. Diejenigen Elemente, die für seine paränetische Konzeption prägend geworden sind, haben nur zum Teil Entsprechungen bei seinen Vorgängern und, sofern dies der Fall ist, bei diesen in der Regel kein vergleichbares systematisches Gewicht. Cyprian schleift nicht nur Ecken und Kanten ab, wie

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selten zentrale cyprianische Vorstellungen geprägt hat. Unhaltbar ist auch die These Buchheits, der Einfluss paganer Vorstellungen beschränke sich auf eine apologetisch-protreptische Anpassung an Publikumserwartungen bzw. auf die äußere Form; vgl. dazu die Bemerkungen am Schluss von Kap. 1. Selbst sprachliche Einflüsse, wie sie etwa Stramondo, mort, 73–76, für Apuleius allenfalls gelten lassen will, reichen ins Inhaltliche hinein. 115 Vgl. Fontaine, Aspects, 166, bezogen auf biblische und römische Traditionen. 116 Vgl. dazu bes. Kap. 2.3.2 und Kap. 8.1.3. 117 Vgl. dazu Kap. 5.2.2.1. 118 Vgl. dazu Kap. 5.2.2.4. 119 Vgl. oben Anm. 114 und dazu exemplarisch Kap. 5.2.2.3 mit Anm. 361 und 418. 120 Colish, The Stoic Tradition II, 35. 121 Entsprechendes gilt für die Bemerkung Ellspermanns, Attitude, 45f, das cyprianische Denken sei „thoroughly Christian“, lediglich sein Stil halte sich an die „classical tradition“.

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bezogen auf Tertullian öfters bemerkt wird, er entwickelt Rezipiertes auch weiter, formt aus beiläufig Anklingendem paränetische Strukturen oder greift durch Tertullian oder Minucius angeregt auf Seneca selbst zurück. Er erweist sich damit als ein ebenso gelehriger wie eigenständiger Schüler, und dies nicht nur in Bezug auf Tertullian oder Minucius, sondern ebenso in Bezug auf Seneca und andere rezipierte pagane Autoren. (4) Die dergestalt kirchlich eingebundene, an Tertullian und Minucius anknüpfende und an wichtigen Punkten stoisch-senecanisch geprägte paränetische Konzeption Cyprians entfaltet in ihrem Kern die tätige christliche Existenz in der Zeit, wie er sie aufgrund seiner eigenen Existenzerfahrung von der Taufe her versteht. Die Taufe als Anfangsgrund christlicher Existenz begründet für ihn die Aufgabe, nun auch entsprechend zu leben und den in der Taufe begonnenen Weg ‚vom Heil zum Heil‘ bis zum Erreichen des Ziels durchzuhalten. Befähigt durch die göttliche Gnade, die jedem Christen nach Maßgabe seines Glaubens zur Verfügung steht, gefährdet durch ständige Angriffe des Widersachers und der Welt, die christlicher Existenz in der Zeit den Charakter eines permanenten Kampfes geben, und motiviert durch die Aussicht auf den verheißenen Lohn sind Christen gefordert, im Gehorsam gegen Gottes Gebot diesen Weg zu gehen. Hier ist der innere Grund für die auffällige Konzentration der cyprianischen Theologie auf die christliche Praxis zu suchen. Ausgangspunkt der paränetischen Theologie Cyprians ist die Taufe, die bei ihm ebenso sehr als Ermöglichungsgrund wie als grundlegende Norm christlicher Existenz erscheint. Wird die Taufe in der Schrift Ad Donatum als Befähigung zu einer neuen Lebensweise beschrieben, so folgt die cyprianische Paränese an vielen Stellen einer klaren Indikativ-Imperativ-Struktur, wie sie auch für die neutestamentliche Paränese weithin angenommen wird.122 Die Christen werden ermahnt, in ihrer Lebenspraxis nun auch tatsächlich das zu sein, was sie von der Taufe her sind. Das Motiv der tätigen Entsprechung zu dem in der Taufe empfangenen neuen Sein erweist sich als ein in vielen Variationen entfaltetes Leitmotiv der cyprianischen Paränese, das sich auf die Formel bringen lässt: „Sei (und bleibe), der du (schon) geworden bist!“123 Ihre spezifische Struktur gewinnt die cyprianische Paränese freilich erst von dem sie leitenden Zeitverständnis her. Kennzeichnend dafür ist ein eschatologi____________

122 Vgl. dazu etwa Popkes, Paränese, 171–174, und ders., Paraenesis, 40: „No matter which terminology we use to define early Christian exhortation, there can be little doubt about its overall character: Christians are called to be and to perform what they are (cf. e.g. Gal 5:25), that is, to translate into every day’s reality what Christ enabled them to be and to do.“ Vergleichbare paränetische Strukturen gibt es freilich auch sonst, wie vor allem Starr, Paraenesis, gezeigt hat; vgl. auch EngbergPedersen, Concept, 54–68, zur „philosophical paraenesis“ und deren Entsprechung bei Paulus. Zu jüngsten Anfragen an das Indikativ-Imperativ-Schema in der Paulusdeutung s.o. Kap. 4 Anm. 8. 123 Vgl. Kap. 2.2.2. Gaudette, Baptême, 7, unterstreicht vor allem diesen Aspekt, wenn er die cyprianische Paränese unter den Titel „La vie baptismale du chrétien“ stellt; vgl. dazu auch Capmany, Miles, 23–29, und d’Alès, La théologie, 21–23.

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Schluss

sches Verständnis christlicher Existenz in der Zeit, das das Gegenüber von „Schon jetzt“ und „Noch nicht“ auf eigenständige Weise entfaltet. Dass die Christen, wie Paulus sagt, „auf Hoffnung gerettet“ sind (Röm 8,24), Wesentliches also noch aussteht, ist für Cyprian zu einem bestimmenden Strukturmoment seiner Paränese geworden.124 Was es in einer von zahlreichen Bedrängnissen geprägten Zeit heißt, auf Hoffnung gerettet zu sein, und wie von hier aus tätige christliche Existenz in der Zeit zu verstehen ist, wird von Cyprian in ebenso eigenständiger wie eindringlicher Weise ausbuchstabiert.125 Es geht für ihn dabei sowohl um das Beharren bei dem in der Taufe gesetzten Neuanfang als auch um ein entschlossenes Voranschreiten auf dem mit vielen Schwierigkeiten verbundenen „schmalen Weg“ zum zukünftigen Heil. Tritt mit dem häufig im Anschluss an Mt 24,13par thematisierten Aspekt des Beharrens bis zum Ende gewissermaßen ein statisches Moment hervor, so wird dieses durch das Motiv des (schmalen) Weges um ein dynamisches Moment ergänzt. Christliche Existenz erscheint in diesem Zusammenhang als das Beschreiten eines mühsamen Weges von dem in der Taufe schon empfangenen zu dem erst in der Zukunft endgültig zu erreichenden Heil. Die notwendige Wegweisung empfangen die Christen wie durch das Vorbild Christi so auch durch seine Gebote, die in diesem Sinne als „zum Heil gegeben“ charakterisiert werden können.126 Auch wenn Cyprian in diesem Zusammenhang gelegentlich Begriffe des Fortschritts und Wachstums aufnimmt, dominiert die Vorstellung, es komme alles darauf an, auf diesem Weg durchzuhalten, um so allen Gefährdungen zum Trotz das erstrebte Ziel zu erreichen. Dass bis dahin das Christsein als solches ständig gefährdet ist, wird wiederholt hervorgehoben, sicher auch unter dem Eindruck massenhafter Glaubensleugnung und schismatischer Abspaltungen. Das Gerettetsein „auf Hoffnung“ impliziert freilich nicht nur fortdauernde Gefährdung, es ist vielmehr zugleich, wie gesehen, eine wesentliche Kraftquelle der Christen: Das zuversichtliche Vertrauen auf die zukünftig-jenseitige Welt (fiducia futurorum) befähigt sie dazu, inmitten der sie bedrängenden Angriffe des Widersachers und der Widrigkeiten irdischer Existenz mit unerschütterlicher Standhaftigkeit den eingeschlagenen Weg festzuhalten.127 Sowohl unter dem Gesichtspunkt der Taufbewahrung und Taufentsprechung als auch unter dem des unbeirrbaren Einherschreitens auf dem Weg ‚vom Heil zum Heil‘ rückt damit die tätige christliche Existenz ins Zentrum der cyprianischen Theologie. Ihre konsequente Ausrichtung auf die christliche Praxis steht freilich, wie schon seine Erstlingsschrift Ad Donatum zeigt, von vornherein im

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124 Vgl. dazu Kap. 2.1. 125 Das systematische Gewicht und der eigenständige Charakter dieser cyprianischen Konzeption sind von Spanneut und Deléani mit Recht herausgestellt worden, auch wenn m.E. zum Teil andere Akzente zu setzen sind; vgl. dazu Kap. 2 insgesamt. 126 Vgl. dazu Kap. 2.3.1. 127 Vgl. dazu Kap. 5.2.2.2.

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Horizont einer Theologie der Gnade.128 Nicht nur wird die Taufe selbst als eine Erneuerung des Menschen im Sinne seiner Neukonstituierung als eines moralischen Subjektes durch die Gnade Gottes beschrieben, auch die darin begründete neue Lebensweise insgesamt wird als ein Befähigtwerden von Gott her verstanden. Die Taufe wird so zum Anfangspunkt einer uita uirtutum, die sich in keiner Weise sich selbst, sondern ganz und gar Gott verdankt.129 Ist damit die christliche Existenz von der Taufe her in die Perspektive eines neuen Handelns aufgrund göttlicher Befähigung gerückt, so handelt es sich dabei für Cyprian keineswegs bloß um eine am Anfang gegebene, dann aber aus eigener Kraft zu bewahrende oder zu verwirklichende Befähigung. Er unterstreicht vielmehr das tägliche Angewiesensein des Christen auf die göttliche Hilfe, ohne die ein Leben im Gehorsam gegen den Willen Gottes nicht möglich wäre.130 Cyprians Auslegung der Bitte „Erlöse uns von dem Bösen“ zeigt, dass die in der Taufe sich vollziehende Befreiung von der Macht des Widersachers keineswegs bloß punktuell zu verstehen ist, sondern den Charakter einer liberatio continua annimmt, um die täglich zu bitten ist. Wie sehr für Cyprian das christliche Handeln in den Horizont göttlicher Befähigung rückt, zeigen besonders seine Ausführungen zum Martyrium: Die neutestamentliche Aussage, in der Situation des Bekenntnisses spreche der Heilige Geist durch den Christen (Mt 10,21f), begründet für ihn die Überzeugung, im Märtyrer kämpfe und siege Gott bzw. Christus selbst. Die gesamte tätige christliche Existenz von der Taufe her bis hin zur Vollendung ist demnach für Cyprian davon geprägt, dass die göttliche Gnade am Menschen handelt.131 Der gnadenhaften Befähigung von Seiten Gottes korrespondiert auf Seiten des Menschen der empfangsbereite Glaube. Der Grundgedanke Cyprians lautet: Die göttliche Befähigung steht grundsätzlich in unbegrenztem Maße zur Verfügung; wie viel der einzelne tatsächlich empfängt, hängt allein an der Aufnahmefähigkeit bzw. -bereitschaft seines Glaubens.132 Es ist die Aufnahmebereitschaft des Glaubens, die das Wachstum (oder die Verminderung) der in der Taufe von allen Christen in gleichem Maße empfangenen Gnade bestimmt.133 Auf den aufnahmebereiten Glauben kommt es nicht zuletzt in Situationen der Bedrängnis und Verfolgung an: Christen, die in der Bedrängnis scheitern, wird nicht man-

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128 Vgl. dazu Kap. 1. 129 Vgl. Don 4;67–76 und dazu Kap. 1.1.2. 130 Vgl. dazu und zum folgenden Kap. 7. 131 Vgl. auch d’Alès, La théologie, 23: „On retrouve la doctrine de la grâce répandue dans toute l’œuvre de Cyprien“. Dass wesentliche Aspekte der augustinischen Gnadentheologie bei Cyprian bereits angelegt sind, ist wiederholt festgestellt worden; vgl. etwa Benson, Cyprian, 273f, Courcelle, Les confessions, 123, und Bakhuizen van den Brink, Mereo(r), 334. Wirth, „Verdienst“-Begriff II, 5, verkennt diese grundlegende Struktur der cyprianischen Theologie, wenn er behauptet, alle cyprianischen Aussagen seien durch die Auffassung bestimmt, „dass der Mensch nach der Taufe sich das Heil selbst verdienen müsse“; ähnlich von Harnack, Lehrbuch I, 466; II, 179f, u.a. 132 Vgl. dazu Kap. 7. 133 Vgl. dazu auch Kap. 2.3.3.

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gelnder Heroismus zur Last gelegt, sondern fehlendes Vertrauen auf die göttliche Hilfe.134 Das menschliche Tun, um das es in der cyprianischen Paränese zweifellos geht, besteht zuerst und vor allem darin, sich befähigen zu lassen, und das heißt: die gnadenhaft zur Verfügung gestellte, gewissermaßen jederzeit abrufbare Hilfe Gottes auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Seinen konkreten Ausdruck findet die Aufnahmebereitschaft des Glaubens in der täglichen Bitte um die Hilfe und den Beistand Gottes, ist doch die göttliche Befähigung für Cyprian eine ständig neu zu erbittende, neu zu empfangende Hilfe.135 Die cyprianische Konzeption der Paränese verbindet demnach eine strenge Konzentration auf das tätige Leben des Christen zwischen Taufe und Vollendung mit einer ebenso strengen Hervorhebung bleibender Angewiesenheit auf die zum rechten Handeln befähigende göttliche Gnade, ohne die ein Beschreiten des schmalen und mühsamen Weges ‚vom Heil zum Heil‘ nicht möglich wäre. Christliche Existenz heißt daher für Cyprian grundlegend, durch die Gnade Gottes befähigt zu sein, das durch seine Gebote und Weisungen Geforderte nun auch tatsächlich zu tun. Trotz der Angewiesenheit des Christen auf die göttliche Befähigung liegt Cyprian daher eine Relativierung des verantwortlichen Handelns fern. Es ist vielmehr umgekehrt: Weil die göttliche Befähigung grundsätzlich in unbegrenztem Maße zur Verfügung steht, kann und muss der Christ sie in Anspruch nehmen und entsprechend handeln. In der älteren dogmengeschichtlichen Forschung ist das Nebeneinander dieser beiden Aspekte der cyprianischen Theologie wiederholt kritisch beurteilt worden. So schreibt etwa Seeberg: „Die Kirche spendet die Gnade [...], aber die Gnade will verdient sein durch Gehorsam gegen das neue Gesetz und die kirchliche Disziplin. So schlingen sich die Gaben der Erlösungsreligion ineinander mit den Aufgaben der Gesetzesreligion“.136 Von Campenhausen urteilt, bei Cyprian sei „das Verhältnis, in dem die moralische Forderung [...] zur ebenso straff betonten Güte und Nachsicht Gottes steh(e), [...] nicht geklärt und [...] (werde) von Fall zu Fall nach wechselnden Gesichtspunkten entschieden“; seine Mahnungen hätten deshalb „keine geistliche Eindeutigkeit mehr und keinen theologischen Verkündigungswert“.137 Demgegenüber ist festzuhalten, dass Cyprian keineswegs zwischen verschiedenen Gesichtspunkten hin und her schwankt, sondern durchgängig beides betont.138 Er kann damit in der Sache an Paulus anknüpfen, dessen Aussage in Phil 2,12b–13 Bornkamm so zusammenfasst: „Weil Gott alles wirkt, darum habt ihr alles zu tun“.139

Was immer der Christ ist und vermag, verdankt er also in sehr direkter Weise göttlicher Gabe. Dies zeigt sich nicht zuletzt in Cyprians Ausführungen zum Problem des Scheiterns.140 Der Anspruch, der Taufe entsprechend zu leben und ____________

134 135 136 137 138 139 140

Vgl. bes. ep 76,5,2;118–121 und dazu Kap. 7. Ebenso Barbalato, La dottrina, 34. Lehrbuch I, 654; vgl. ähnlich S. 641 Anm. 1 sowie S. 643. Kirchliches Amt, 308f. Vgl. dazu auch Barbalato, La dottrina, 21. Lohngedanke, 91. Vgl. dazu bes. Kap. 3.2.

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sich allen Widrigkeiten zum Trotz in der uita uirtutum zu bewähren, kollidiert mit der Alltagserfahrung, dass auch der Christ diesem Anspruch nicht genügt. Der Umgang mit alltäglichen Verfehlungen ist deshalb ein integrierender Bestandteil der cyprianischen Paränese, ohne dass deshalb der Anspruch selbst ermäßigt würde. Wie der Christ täglich um Stärkung und Befähigung bitten muss, so ist er ebenso täglich auf das vergebende und heiligende Handeln Gottes angewiesen. Obwohl die cyprianische Paränese durchgängig von einer „Theologie der Gnade“ durchstimmt ist, tritt die Soteriologie, in der diese wurzelt, in seinen Schriften weitgehend in den Hintergrund. Grundlegende soteriologische Aussagen klingen in mehr oder minder beiläufigen Bemerkungen immer wieder einmal an, werden aber offenbar als selbstverständliche Wahrheiten aufgefasst, die keiner weiteren Reflexion bedürfen.141 Seine paränetisch gestimmte Theologie basiert freilich unverkennbar auf dem universalen Heilswillen Gottes, wie er in seinem Handeln in Jesus Christus sichtbar geworden ist, dem einzelnen in der Taufe zugeeignet wird und auch der Möglichkeit postbaptismaler Sündenvergebung zugrunde liegt. Dem Heilswillen Gottes korrespondiert die Ausrichtung des gesamten bischöflichen Handelns auf das Heil jedes einzelnen. Im Zweifelsfall ist daher für Cyprian stets die Milde des barmherzigen Gottes, nicht die Strenge der disciplina maßgebend.142 In dem singulis ad salutem suam consulere des Bischofs gewinnt demnach die christliche Verkündigung der Gnade paränetische Gestalt, ohne dass damit die Paränese an die Stelle der Soteriologie treten würde.143

Weil Christsein für Cyprian heißt, „auf Hoffnung gerettet“ zu sein, spielt die Zukunftserwartung für seine paränetische Konzeption eine zentrale Rolle. Diese gewinnt, nicht zuletzt in Gestalt der verheißenen Belohnung, als Motivierung des christlichen Handelns großes Gewicht.144 Für Cyprian ist es, wie gesehen, das zuversichtliche Vertrauen auf die zukünftige Belohnung, das die stoisch gefasste christliche Standhaftigkeit gegenüber den Angriffen und Widrigkeiten der Welt ermöglicht. Die in antiker Philosophie verbreitete Auffassung, die Tugend sei um ihrer selbst willen zu erstreben, die Motivierung zum rechten Handeln mit der Aussicht auf Lohn moralisch minderwertig,145 findet bei ihm keine Resonanz, ja, er kann das Bedenken von verheißenem Lohn und drohender Strafe geradezu als die bestmögliche Motivierung zum Martyrium bezeich____________

141 Vgl. dazu etwa Seeberg, Lehrbuch I, 639–641, von Harnack, Lehrbuch I, 758f; III, 24.27f, sowie d’Alès, La théologie, 11. Zur Soteriologie Cyprians vgl. etwa Andresen, Erlösung, 155–158, und Studer, Soteriologie. 142 Cyprian beruft sich dafür sowohl auf paulinische Selbstaussagen wie auf jesuanische Gleichnisse vom Verlorenen; vgl. dazu Kap. 9.2.3. 143 Dies scheint Studer, Soteriologie, passim, zu suggerieren. 144 Vgl. zum folgenden Kap. 8. Es ist daran zu erinnern, dass der Lohngedanke nicht die einzige Motivierung zum christlichen Handeln bei Cyprian ist. Im Kontext der Taufparänese spielt vor allem das Motiv der Entsprechung zum empfangenen neuen Sein bzw. zu dem in der Taufe begründeten neuen Verhältnis zu Gott bzw. Christus eine zentrale Rolle. 145 Vgl. etwa Cicero leg 1,48f, wo es heißt, Gerechtigkeit nicht aus Liebe zur Gerechtigkeit, sondern um eines Lohnes willen zu erstreben, wäre eine Verkehrung moralischen Handelns; weiteres dazu s.o. Kap. 8 Anm. 272f. Bornkamm, Lohngedanke, 80, folgt antiken Traditionen, wenn er schreibt, der Lohngedanke könne „niemals Motiv eines echten Gehorsams sein“.

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Schluss

nen.146 Obwohl Cyprian mit solchen Vorstellungen wohlvertraut gewesen sein dürfte, geht er an diesem Punkt in Übereinstimmung mit verbreiteten neutestamentlichen und frühchristlichen Traditionen deutlich andere Wege.147 Er redet zudem nicht nur allgemein von einer Belohnung des christlichen Handelns, sondern rezipiert auch die schon neutestamentlich begegnende, im zweiten Jahrhundert weiterentwickelte Vorstellung eines abgestuften, der Intensität des Tuns oder Erleidens entsprechenden Lohns.148 Freilich korrespondiert der wachsende Lohn einer wachsenden Befähigung: Wächst die von allen Getauften in gleichem Maße empfangene Gnade, wie gesehen, entsprechend der menschlichen Aufnahmebereitschaft, so wachsen mit ihr die dank dieser Befähigung vollbrachten Werke sowie der ihnen korrespondierende Lohn.149 Trotz der Vorstellung einer Korrespondenz zwischen menschlichem Tun und göttlicher Belohnung ist der Lohn nach cyprianischem Verständnis demnach keineswegs in striktem Sinne durch eigene Leistungen verdient; Gott belohnt vielmehr, wie Cyprian es in Bezug auf die Märtyrer pointiert formulieren kann, was er selbst gegeben hat. Darüber hinaus weist Cyprian wiederholt darauf hin, für das Erlangen etwa des Märtyrerlohnes genüge schon die innere Bereitschaft zum Martyrium; ob es zum tatsächlichen Vollzug komme, sei demgegenüber unerheblich.150 Weitergehende Ansätze zu einer Vermittlung des Lohngedankens für ein philosophisch gebildetes Publikum sucht man bei ihm vergebens. Seine paränetische Konzeption ist in allen wesentlichen Aspekten, in der Begründung des christlichen Handelns in göttlicher Befähigung, in seiner Normierung durch die Gebote Gottes und in seiner Ausrichtung auf den verheißenen Lohn, Gottbezogen. Der für die gesamte paränetische Konzeption Cyprians grundlegende Gottesbezug findet seinen Ausdruck vor allem im Begriff der Gottesfurcht, in biblischem Sinne verstanden als eine ehrfürchtige Haltung gegenüber Gott, die zu entsprechendem Handeln, insbesondere zum Gehorsam gegen seinen Willen, veranlasst.151 Bestimmend ist für ihn die Vorstellung, dass jeder Mensch und besonders der Christ Gott gegenüber zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet ist. Das Gottesverhältnis artikuliert sich daher für Cyprian grundlegend im Gehorsam gegen seine Gebote. Auch die für seine Paränese wesentliche Forderung, Gott zu gefallen (deo placere), meint in erster Linie die Orientierung des Handelns an den Geboten Gottes.152 Der Gottesbezug des christlichen Handelns ____________

146 Vgl. bes. ep 58,11. Die von Capmany, Miles, 301f, und Gaudette, Baptême, 67–70, vertretene Auffassung, es handele sich hier um eine seelsorgerlich oder pädagogisch begründete Akkommodation an die Bedürfnisse der Gemeindeglieder, lässt sich m.E. kaum begründen. 147 Ebenso Hinchcliff, Cyprian, 142 Anm. 25; zum Neuen Testament vgl. etwa Schelkle, Lohn und Strafe, sowie, bezogen auf Lukas, Horn, Glauben und Handeln, 279–281. 148 Vgl. dazu Kap. 8.2.1. 149 Vgl. ep 69,14,2 und dazu Kap. 7. 150 Ähnlich wird in Bezug auf das Almosengeben argumentiert. 151 Vgl. dazu Kap. 6.1. 152 Vgl. dazu Kap. 6.3. Eine größere Innigkeit klingt lediglich in orat 11 an, wo bezogen auf das

Ad salutem consulere

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kommt bei Cyprian auch in der häufig begegnenden geprägten Wendung deum bzw. dominum promereri zum Ausdruck, die in der Regel mit „das Wohlgefallen Gottes bzw. des Herrn erlangen“ wiederzugeben ist; Gegenbegriff ist das „Erzürnen Gottes“ (deum offendere). Charakteristisch für sein Verständnis dieser Formulierungen ist ihre Verwendung als bündige Zusammenfassung der beiden Seiten von Mt 25,31–46: Sie qualifizieren christliches Handeln als ein wirksames Handeln auf Gott hin, das als solches entweder sein Wohlgefallen erlangt oder sein Missfallen erregt und demgemäß entweder belohnt oder bestraft wird.153 Der Begriff der Gottesliebe gewinnt im Kontext der cyprianischen Theologie kein eigenständiges Gewicht. Gott zu lieben bzw. an Christus zu glauben und nicht zu tun, was er geboten hat, wäre für ihn schlechterdings absurd,154 seine Gebote eigenmächtig durch „menschliche Ordnungen“ zu relativieren eine schwerwiegende Verfehlung.155 Demgemäß besteht auch das Verhältnis zu Christus, das nicht nur in Aufnahme neutestamentlicher Motive als „Christus in uns“ und „wir in Christus“, sondern auch als ein „an Christus hangen“ (Christo adhaerere) beschrieben werden kann, grundlegend im Halten seiner Gebote.156 Cyprian ist ein „Mann der Praxis“, weil er christliche Existenz in der Zeit zwischen Taufe und Vollendung als tätige Existenz versteht. Christsein heißt für ihn Unterwegssein auf dem Weg ‚vom Heil zum Heil‘, bei dem es darauf ankommt, die empfangene Gnade durch eine entsprechende Lebensweise zu bewahren und ungeachtet aller Angriffe und Widrigkeiten zum Ziel voranzuschreiten. Die für die tätige christliche Existenz als unverzichtbar herausgestellte göttliche Gnade wird vor allem als Befähigung zu neuem Handeln im Gehorsam gegen Gottes Gebote artikuliert, der Glaube als Bereitschaft, diese Gabe anzunehmen: „Wie viel wir an aufnahmebereitem Glauben dorthin mitbringen, so viel schöpfen wir von der überfließenden Gnade“.157 Ihre charakteristische Kontur gewinnt die paränetische Konzeption Cyprians durch ihre philosophische, insbesondere stoisch-senecanische Prägung, die seine Wahrnehmung des Christentums von Anfang an mit bestimmt. Wie sehr es für ihn in der tätigen christlichen Existenz darum geht, stoisch-senecanische Ideale zu verwirklichen, zeigen insbesondere seine Ausführungen zu der von Christen geforderten Standhaftigkeit inmitten der vielfältigen „Stürme der Welt“.

____________

Entsprechungsverhältnis zwischen dem himmlischen Vater und seinen irdischen Kindern von einer wechselseitigen Zufriedenheit mit dem so hergestellten Vater-Kind-Verhältnis die Rede ist; vgl. dazu Kap. 4.1. 153 Vgl. dazu Kap. 6.3. 154 Vgl. unit 2;37f; zel 12;211–213 u.ö. und dazu Kap. 2.3.1 sowie Kap. 4.2. 155 Vgl. dazu Kap. 6.2.3. 156 Vgl. Fort pr.2;28f und dazu Kap. 4.2 sowie Kap. 5.2.1. 157 Don 5;89f, zitiert Kap. 7 Anm. 70.

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Schluss

Für die konkrete Gestalt der cyprianischen Paränese ist seine Auffassung des bischöflichen Amtes von grundlegender Bedeutung, das er, römischen Vorbildern vergleichbar, als verantwortliche Ausübung der disciplina der christlichen Gemeinschaft versteht. Bleibt die Autorität des Bischofs in der Sache an die biblischen Gebote und Weisungen gebunden, die nach cyprianischem Verständnis zu einem tätigen Leben in Übereinstimmung mit dem in der Taufe empfangenen neuen Sein anleiten, so steht ihre Ausübung konsequent im Dienste des Heils jedes einzelnen der ihm anvertrauten Gemeindeglieder und korrespondiert damit dem universalen Heilswillen Gottes. Durch die Einbindung des einzelnen in die disciplina der Gemeinschaft soll der Bischof dafür Sorge tragen, dass er auf dem in der Taufe eingeschlagenen Weg ‚vom Heil zum Heil‘ zu bleiben und voranzuschreiten vermag. Vom Bischof ausgeübte Paränese heißt deshalb für Cyprian: singulis ad salutem suam consulere.

Abkürzungen

Die Abkürzungen der cyprianischen und pseudocyprianischen Schriften folgen dem Abkürzungsverzeichnis im CChr.SL 3 (S. LII), die der Schriften Tertullians Jean-Claude Fredouille, pat (SC 310), 47f. Die übrigen lateinischen Schriften werden in der Regel nach dem Index des ThLL (21990) abgekürzt. Epistula wird stets mit ‚ep‘ abgekürzt; die verschiedenen Verzeichnisse variieren hier. Die Abkürzungen der im Literaturverzeichnis genannten Reihen, Zeitschriften usw. richten sich nach den Vorschlägen im Abkürzungsverzeichnis der TRE von Siegfried M. Schwertner (21994). Daneben oder abweichend davon werden außer den allgemein gebräuchlichen noch folgende Abkürzungen benutzt: cent Fahey i.Or. HLL 4 HLL 5 Hvb. Koch, CU LHS LSJ OLD pr. ThLL

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Literatur

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1. Quellen

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Literatur

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1. Quellen

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Literatur

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2. Hilfsmittel

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2. Hilfsmittel Bibliographien Schneemelcher, Wilhelm/Schäferdiek, Knut, Bibliographia Patristica. Internationale Patristische Bibliographie 1, 1956 – 33/35, 1988/90, Berlin/New York 1959–1997. Braun, René u.a., Chronica Tertullanea et Cyprianea 1975–1994. Bibliographie critique de la première littérature latine chrétienne, Coll. EAug.SA 157, Paris 1999. Braun, René u.a., Chronica Tertullianea 1975–1984, REAug 22, 1976 – 31, 1985. Braun, René u.a., Chronica Tertullianea et Cyprianea 1985–2005, REAug 32, 1986 – 52, 2006. Dekkers, Eligius, Clavis Patrum Latinorum. Editio tertia aucta et emendata, CChr.SL, Turnhout 1995. Frede, Hermann Josef, Kirchenschriftsteller. Verzeichnis und Sigel, 4. aktualisierte Aufl., Freiburg 1995 (VL 1/1). Aktualisierungsheft 1999 Roger Gryson, Freiburg 1999 (VL 1/1C). Roey, Albert van/Dreesen, Gerard, Bibliographia Patristica. Patres latini 1900–1914, Hellenisme en Christendom, Leuven 1914. Sanders, Gabriel/Uytfange, Marc van, Bibliographie signalétique du latin des chrétiens, CChr. LP 1, Turnhout 1989. Sieben, Hermann Josef, Exegesis patrum. Saggio bibliografico sull’esegesi biblica dei Padri della Chiesa, Rom 1983. Sieben, Hermann Josef, Voces. Eine Bibliographie zu Wörtern und Begriffen aus der Patristik (1918–1978), BPatr.S 1, Berlin/New York 1980.

Computergestützte Hilfsmittel Bibliotheca Teubneriana Latina. BTL Editio 3–2004. Moderante Paul Tombeur, Louvain-laNeuve 2004. Cetedoc Library of Christian Latin Texts. CLCLT–4: release 2000. Moderante Paul Tombeur, Louvain-la-Neuve 2000. Nota BeneTM. CCAT Text & Tools, o.O., o.J. (Biblia Hebraica Stuttgartensia, Septuaginta ed. A. Rahlfs, Novum Testamentum Graece ed. K. Aland, M. Black u.a., Biblia Sacra iuxta Vulgatam Versionem ed. R. Weber). Vetus Latina Database. Bible verses of the Latin Fathers, Beuron/Turnhout 2002.

Konkordanzen, Indices u.ä. Abott, Kenneth Morgan/Oldfather, William Abott/Canter, Howard Vernon, Index verborum in Ciceronis rhetorica necnon incerti auctoris libros ad Herennium, Urbana (Ill.) 1964. Aland, Kurt, Vollständige Konkordanz zum griechischen Neuen Testament unter Zugrundelegung aller modernen kritischen Textausgaben und des textus receptus, in Verbindung mit H. Riesenfeld/H.-K. Rosenbaum/Chr. Hannick/B. Bonsack. 2 Bd., ANTT 4, Berlin/New York 1978–1983. Bennett, Alva Walter, Index Verborum Sallustianus, AlOm A,12, Hildesheim/New York 1970. Biblia Patristica. Index des citations et allusions bibliques dans la littérature patristique. Bd.1– 3. Hg. v. Centre d’analyse et de documentation patristique. J. Allenbach u.a., Paris 1975– 1980. Bo, Dominicus, Lexicon Horatianum. 2 Bd., AlOm 1.1–2, Hildesheim 1965–1966. Bonnell, Eduard, Lexicon Quintilianeum, Leipzig 1834 (Nachdr. Hildesheim 1962). Bouet, Pierre, u.a., Cyprien, Traités: Concordance, documentation lexicale et grammaticale. 2 Bd., AlOm A,67, Hildesheim 1986. Busa, R./Zampolli, A., Concordantiae Senecanae. Accedunt Index inversus, Indices frequentiae. 2 Bd., AlOm A,21, Hildesheim/New York 1975.

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Literatur

Deferrari, Roy J./Fanning, Maria Walburg/Sullivan, Anne Stanislaus, A Concordance of Lucan, Washingten 1940. Deferrari, Roy J./Barry, M. Inviolata/McGuire, Martin R.P., A Concordance of Ovid, Washington 1939. Kytzler, Bernhard/Najock, Dietmar, Concordantia in Minucii Felicis Octavium. Adiuuante Adam Nowosad, AlOm A,72, Hildesheim u.a. 1991. Merguet, Hugo, Lexikon zu den Schriften Cicero’s mit Angabe sämtlicher Stellen. Erster Teil. Lexikon zu den Reden des Cicero. 4 Bd., Jena 1877–1884 (Nachdr. Hildesheim 1962). Zweiter Teil. Lexikon zu den philosophischen Schriften. 3 Bd., Jena 1887–1894. Oldfather, William Abott/Canter, Howard Vernon/Perry, Ben Edwin, Index Apuleianus, Philol. Monogr. publ. by the Am. Philol. Ass. 3, Middletown (Connecticut) 1934. Oldfather, William Abott/Canter, Howard Vernon/Abott, Kenneth Morgan, Index verborum Ciceronis epistularum, Urbana (Ill.) 1938. Roberts, Louis, A Concordance of Lucretius, Suppl. to ΑΓΩΝ, Berkeley 1968. Warwick, Henrietta Holm, A Vergil Concordance. With the technical assistance of Richard L. Hotchkiss, Minneapolis 1975.

Grammatiken Hofmann, Johann B., Lateinische Syntax und Stilistik. Neubearb. v. Anton Szantyr. Mit dem Allgemeinen Teil der Lateinischen Grammatik, verb. Nachdr. d. 1965 erschien. 1. Aufl., HAW II.2.2, München 1972. Kühner, Raphael/Stegmann, Carl, Ausführliche Grammatik der lateinischen Sprache. Teil 1: Elementar-, Formen- und Wortlehre, Unv. Nachdr. d. 2. Aufl. Hannover 1912; Teil 2 in 2 Bänden: Satzlehre, Nachdr. d. 2. Aufl., Hannover 1912, mit d. Zusätzen u. Berichtigungen zur 3. Aufl. 1955 u. d. Bericht z. 4. Aufl. 1962, Darmstadt 1971.

Wörterbücher Bauer, Walter, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, 6., völlig neu bearb. Aufl. unter bes. Mitwirkung v. Viktor Reichmann hg. v. Kurt u. Barbara Aland, Berlin/New York 1988. Berger, Adolf, Encyclopedic Dictionary of Roman Law, Philadelphia 1953. Blaise, Albert, Dictionnaire latin-français des auteurs chrétiens. Revu spécialement pour le vocabulaire théologique par Henri Chirat, Turnhout 21962. Georges, Karl Ernst, Ausführliches Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch, Nachdr. d. 8., verb. u. verm. Aufl. v. Heinrich Georges, Hannover 141976 (Nachdr. Darmstadt 1988). Glare, P.G.W. (Hg.), Oxford Latin Dictionary, Oxford 1982. Heumanns Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechts. In neunter Aufl. neu bearb. v. E. Seckel (1907). Unv. Nachdr., Leipzig 1914. Lewis, Charlton T./Short, Charles, A Latin Dictionary founded on Andrews’ edition of Freund’s Latin Dictionary. Revised, enlarged, and in great part rewritten, Oxford 1958 (Nachdr. v. 1879). Liddell, Henry G./Scott, Robert, A Greek-English Lexicon. Rev. and augm. throughout by Henry S. Jones, Oxford 91940. With a Suppl. 1968 (Nachdr. 1978). Thesaurus Linguae Latinae editus auctoritate et consilio Academiarum quinque Germanicarum Berolinensis Gottingensis Lipsiensis Monacensis Vindobonensis (Vol.I–VI). Editus iussu et auctoritate consilii ab academiis societatibusque diuersarum nationum electi (Vol. VII–VIII. IX,2. X,1 Fasc.I–XV. X,2 Fasc.I–XIV), Leipzig 1900–2005. Index librorum scriptorum inscriptionum ex quibus exempla afferuntur. Editio altera, Leipzig 1990.

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Register 1. Stellen (in Auswahl) 1.1 Bibel Genesis 1,28 2,7 3 3,14

275 55 161 153

Exodus 19,22 28,43

338 338

Leviticus 10,1f 21,17

336 338

Numeri 12,3 16,1–35 17,25 20,25f 25,11–13

321 336 205 340 236

Deuteronomium 4,24 13,4 17,12f 18,17–19 22,5

146 219 317, 334f, 344 231 310

Josua 1,8

232

Hiob 1,8 1,12 1,21 2.10

205, 216 181 205 205

Psalmen 2,12 26,4 33,2 39,3 49,16f 50,19 52,6 88,31–33 110,10 115,3f.6 115,6

296, 308 110 205 76 296 144, 236 235 182 218 144f, 236 236, 249f, 278

Proverbien 3,34 3,11f 10,12 15,12.10 15,27 19,17 20,8 20,22

327 296, 302f 127 317 126 240f 127 259 137 73 230–234 127 108, 284, 298 296, 303, 308, 315, 333 297

1Samuel 2,30 8,1.5 16,7

135f 335 289

Jesaja 1,2 2,8f 29,13 58,1.7–9 66,2

2Chronik 15,2 26,16–20

120 336

Jeremia 3,15 3,30

406

Register

5,3 9,22f

297 246

Ezechiel 18,23 33,12b 34 34,4–6.10.16

285 89 310 322, 324, 333

Daniel 3 3,16–18 3,18 4,24

69, 239f, 242 246, 251 239 128

Joel 2,12–13 2,13

299 285

Habakuk 3,17f

201, 215

Sacharja 13,9

166

Maleachi 2,1f

336

Tobias Tob 4,10

126

Jesus Sirach 1,14 2,4f 3,30 7,29 7,31 10,26 11,28 27,5

218 180, 207 126 335 335 284 124 180, 214

Sapientia Salomonis 3,8 266 3,11 296, 308 5,1–9 267 Matthäus 5,11f 5,13 5,16

176, 215, 279 187 137

5,19 5,20 5,43–48 5,43–45 5,45 6,19–21 6,19f 6,20f 6,24 6,34 7,13f 7,14 7,22f 7,24f 8,4p 8,11p 9,12p 10,16 10,19f 10,28 10,32 13,1–23p 13,18p 13,45f 16,18f 16,19 17,5 18,15 19,11f 19,17 19,21 19,27–29p 24,4–31 24,6–7p 24,7 24,13p 24,25 25,31–46 25,34 25,40 26,38f 26,39 26,41p 28,19f

231 121 137 136f 138 154 155 153f 229 149 106f 108 105 195–200, 216, 358 335 270, 273 321f 187 250–252, 361 222 91 112, 196 274f, 279 128 299, 318f, 329f, 333, 344 320 231 311 275 105, 188 153f 274 192, 260 171 192 83, 89, 91f, 124, 360 193 240, 243, 276, 365 137 240f 227 224 146, 187, 249 232

Markus 4,35–41p 7,9 13,23

172 230–234 193

407

1. Stellen Lukas 2,29f 2,37 6,39 7,47 9,48 10,16 10,19 10,30 11,40f 12,33 12,35–37 12,47 12,48 14,33 15,3–7 16,11f 17,7–10 18,10–14 18,14 19,12–27 20,34f 21,1–4p 21,14f 22,31–32

69 241 321 219 236 329, 336 154 321 126 154 188 225 276, 279 144, 148–150 320f 221 284 237 281 112 98 240, 287 251 181

Johannes 3,3–5 3,5f 3,27 4,23 5,14 5,22 6,38 6,66–69 8,12 8,31f 9,31 13,14f 13,16 14,2 14,6 15,14f 18,22 19,11 20,21–23

54 99 246 146 120–125, 130, 307 265 140, 225 325 140 83, 89 339, 341 143 140, 225 274f 100 188, 231 335 181 318f, 344

Apostelgeschichte 1,15 340 5,29 229

6,2–6 6,2 16,17 17,28 23,4f

317, 329 340 100 60 335

Römer 2,4–6 3,4 8,16f 8,17 8,18 8,24f 8,24 12,1f 12,19

285, 305f 231 142 142, 225 84, 106, 270f, 273 84 257, 360 144, 236 259

1Korinther 3,1–3 3,16–17 3,17 4,7 6,12–20 6,15–20 6,18 6,19–20 7,32–34 8,13 9,24f 15,47–49 15,47 15,49 15,53f

134 120f 121f 246 121 122 122 121f, 135 235f 309, 344 110–113, 271f, 273, 358 96, 136, 139 147 139 263, 265

2Korinther 7,8 8,12f 9,11–14 11,13–15 11,23–27 12,7–9 12,9

310 287 129 163 214 214–216 214f, 350, 358

Galater 1,10 3,6 4,16 5,17.19–23 6,7 6,9.10

234f, 311 220 310 147 222, 287 89

408 Epheser 4,27 4,30f 6,12–17 6,14–17 6,14.16 6,16 Philipper 1,18 1,21 1,23 1,28f 2,12f 2,14f 3,13 3,20f 4,18

Register

182, 309 70, 146 165, 186 166 166 165–167 295 263 272 253 362 205 152 263, 265 236

1Thessalonicher 4,13 263 5,18 206 2Thessalonicher 2,10–12 237 3,6 295 1Timotheus 6,3f

232

2Timotheus 2,4 3,2

152, 178 237

4,3f 4,8

296 272, 276

Titus 1,7 3,5

339 58

Jakobus 5,20

128

1Petrus 2,11 2,21–23 2,21 3,3–4 4,8 4,12–14 5,8

149 142 140, 143 300 128, 131 192 162, 187

1Johannes 1,8f 1,8 2,6 2,15–17 4,4

130 127 141f 140, 225f 246, 252

Apokalypse 2,5 2,10 2,23 3,11 6,9–11 7,9f.13–15

299 91, 124 286, 288 89, 92 262 194

1.2 Cyprian Ad Demetrianum 3–4 260f 3 171, 301 5 171, 218, 261, 264 7 297 9 175 8 226, 228 11 175 16 72–74 17 70, 259 18–21 200f, 349 18 146, 175, 200, 204, 215

19 20 22 23 24 26

171, 200f, 204, 210 59, 70, 84, 146f, 151f, 158, 175, 201, 215 261 268 267f, 277 69, 100

Ad Donatum 1 2 3

50 48, 51–54, 80, 85f 48

409

1. Stellen 3–4in 4 5 6–13 6 7 8 9 10 11 12–13 12 13 14 15 16

54–57 57–61, 69, 76, 95f, 103, 119f, 131, 147, 222, 245, 357, 361 95f, 158, 254, 365 61–65, 351 63, 171 63 63 63 64 64 68 64 64 60, 66–78, 98, 151, 171, 357 94f, 119, 178, 265, 293 50

Ad Fortunatum pr.1–2 184f pr.1 259, 314 pr.2 165, 252, 365 pr.3 185 pr.4 113, 125, 271 pr.5 145, 193 1–13 185 4 43f 5 101 7 75, 144, 150, 158 8 91f, 113 9 180 10 110, 222, 252, 253f, 281 11 91, 107, 192, 193f, 260, 287, 289 13 70, 106, 201, 262, 266, 270, 286 Ad Quirinum 1–2 1 1 pr. 1,1 1,10 1,14 1,17 1,18 2,28 3 3 pr.

41f 101 239 238 231 303, 333 332f 231 258 42–45 292f

3,1 3,2 3,4 3,6 3,7 3,10 3,11 3,14 3,15 3,18 3,19 3,20 3,25 3,26 3,27 3,28 3,31 3,34 3,35 3,39 3,42 3,45 3,51 3,52 3,54 3,55 3,56 3,66 3,67 3,68 3,80 3,89 3,91 3,96 3,106 3,116 3,117 3,118

240 287 246, 284 106f, 180 146 246 149 204 181 218f 224 84, 102, 218 99 113 120f 43f 266 150 285 142 255 84 284 325 125 235 287 294, 296 296f 295 181, 349 258 183 141 259 219 186 260

De bono patientiae 1 104, 223, 293 2–3 208–210, 216 3 134, 137, 141, 229f 4 38, 238, 285, 305f 5 137 6–9 142, 225 7 89 8 285 9 100, 134, 142f 10 111

410 11–12 11 12 13 14 16 17 18 20 21–24 21 23 24

Register 170 158 159, 171 83–86, 89f, 96f, 241 147 70, 146, 171 175, 180, 188, 205, 207 165, 166f, 205, 239 104, 301 259 171 258 258f

De dominica oratione 1 100–103, 218 2 101, 105, 146, 231, 304, 306f 4 287, 300 6 281 9 95, 136 10 135 11 95, 134, 135f, 145, 237 12 92, 129f, 348 13 149 14–17 224f, 348 14 225f, 247, 348 15 219, 225, 301, 348 16 147, 226 17 95, 138, 226 19 149 22 125, 130, 237, 348 23 95, 136 24 236 25 181f, 229 26 181, 249 27 70, 175, 247f, 348, 356 28 292 29 143 30 181 31 162, 189 32f 240, 282 34 98 35 117 36 97f, 134, 241f De ecclesiae unitate 1–3 160f 1–2 187f

2 3 4 10 14 15 17–19 17 18 20–21 20 21 23 26 27

102, 104f, 114, 140, 171, 195f, 365 159, 163 319 325, 330 271 101, 105, 239 233 193, 336f 239 90 125 115, 141, 276f, 281, 301 305 221 100, 258

De habitu uirginum 1 103f, 302f 2 76, 105, 121–123, 136, 140, 171, 196, 218, 223, 228, 238 3f 303–305 3 139 4 304 5f 152, 246 5 235f 7 136, 140f, 149, 151, 154, 156, 221 8 300 11 129, 154, 241 14 151 16 138 17 264 19 288 20 276 21 90, 108–110, 151, 274f, 304 22 98, 151, 221 23 58, 72, 139, 253, 275 24 88, 264 De lapsis 1 2 3 4 5 6 7 8 10

70, 219, 259 178, 196f, 272 86, 286 165 293 152, 301 181–183, 191f 150 122, 153

411

1. Stellen 11f 16 17 27f 27 28 30 31f 31 35 36

153f 238 43f, 265 321 229, 287 222, 287 235 242 239 122, 219, 277 281

De mortalitate 1 95, 136, 154, 171, 197, 211f 2 84, 171, 175, 178, 192, 261, 264 3 68f, 70, 171f 4f 162–164 5 263 7 70, 76, 263 8 100, 146, 159, 170, 263 9 180 10 205 11 175, 204f, 207, 238 12 170, 180, 201, 213, 220 13 175, 180, 204, 214 14 107, 211–213 15 178, 263, 272 16 213 17 111, 253, 280, 286, 350 18 226, 276 19 306 20 84 21 70, 84 22 262f 23 236 24 152, 226 25 69, 171, 261 26 69, 149, 156, 269–271, 274, 276 De opere et eleemosynis 1 123, 125f, 135 2–3 126f 2 95 4f 128 5 128f, 175 6 282 7 105, 128, 154, 306 8 210f

12 13 14 15 16 17 19 23 24 25 26

155 154 241 240, 288 241 101 155 144, 240 69, 154, 223, 240 138 240f, 280

De zelo et liuore 1–3 161f 1 171, 187 3 187 5 222 10 113 11 140, 150 12 100, 365 13 134 14 94, 96f, 133–135, 145, 147f 15 136f, 295 16 111f, 164, 200, 272 18 137, 250 Epistulae 1 1,1,1 1,1,2 1,2,1 2,1,2 2,2,1 2,2,3 3 3,1,1f 3,2,2 3,3,1 3,3,2 4 4,1,2 4,2,1 4,3,3 4,4 4,4,2 4,5,1f 4,5,1 4,5,2 5,1,1 6,1,2

328 152, 332 333 316 300 238 305, 310 317f 335 333, 340 329 237 307–311 307f 223, 306, 308f 295f, 306, 309 316f 334f 225 108, 306 310 296, 329 60, 111, 121, 252

412 6,2 6,3,2 6,4 7,1 8,3,1 10,1,1 10,2,3 10,3 10,4,3 10,4,4 10,5,1 10,5,2 11 11,1,1 11,1,2 11,1,3 11,4,1 11,4,2 11,5,1 11,5,3 11,7,2 11,7,3 11,8 12,1,2 12,2,2 13,2,1 13,2,2 13,3,1 13,4,3 13,5,2 13,5,3 13,6 14,1,2 14,2,2 14,3,1 14,4 15,1,1 15,1,2 15,1,4 15,2,1 15,2,2 15,3,2 16,2,3 16,4 16,4,1 16,4,2 17,2,2 17,3,2 18,1,1 18,1,2

Register 142, 186, 271 69, 239 114, 201, 269 116, 311f 315 214, 275 250, 278 251f, 253, 356 113, 282 249, 278, 283 110f 272 182f 218 150, 225, 237 297 182f 185 100, 183, 295 183, 238 152 297 70, 171 90f, 250 178 90, 114, 124, 157 124, 295 90, 297 141f 141 149 114f, 297 312 111, 124, 241, 297–299 159 330 178, 223, 229, 293 223, 310 303 310, 324 85f 314 278 312 314 314, 332 310 300, 330 312 319

19,1 20 20,1,2 20,2,3 26,1 28,2,1 33,1,1 33,1,2 33,2,1 37,1,3 37,3,1 37,3,2 38,1,2 38,1,3 38,2,1 39,3,1 39,5,1 43,2,1 43,2,2–3,2 43,2,2 43,3,2 43,4,1 43,4,2 43,6,1 43,7,1 46,1,2 48,3,2 52,2,1 52,2,4f 52,4,2 55,3,1 55,7,2 55,8,2 55,9,2 55,11,1–3 55,14,1 55,15–19 55,16,1f 55,16,1 55,18,1 55,20,3 55,22,1 55,22,4 55,26,1 55,27,2 55,29,2 56,2,2 57 57,1,1 57,3,1

242, 300 311–315 307, 311f 297 108, 242 242, 298, 301 329f 330 129, 284 115, 275 250, 275 186, 202, 227 282 298 116, 282 280 293, 298 299 161 278 233, 297, 299 313 312 233 90 330 337 171, 126 294 295 197 323 116, 239 220 326, 339 320 320–322 199 132, 198 287, 320 277 127, 325 303, 349 122, 287 122, 226 266 324 323f 319f 150

413

1. Stellen 58,1,2 58,2,2 58,3,1 58,4,1 58,5,2 58,6,2 58,6,3 58,7,1–3 58,7,1 58,8,2–9,2 58,8,3 58,10,1 58,11 59 59,1,1–3,1 59,2,3 59,4,1 59,4,3 59,6,1 59,7,1–3 59,8,1 59,8,2 59,13,1 59,13,2 59,13,3 59,13,4 59,13,5 59,15,1 59,17,1f 59,20,2 60,2,3 60,3,1 61,2,3 62,2,1 62,2,2 63,1,1 63,1,2 63,4,2 63,14 63,14,1 63,14,4 63,15,1 63,16,2 63,17,2 63,18,4 64,3,2 64,4,3–5,1 64,5,2 64,6,2 65,2,1

142, 259, 323 192 178, 213 135 251, 283 143 135, 142, 145 186 222 186 165 267, 270 186, 266f, 270, 364 325–327 297 171, 197 336 335 171, 296, 311 325 307, 325 234f 161 278 274 237, 323 336 326 178, 326 223 159 198f 143 121, 240, 242f 120, 144 231, 234, 253 227f, 237 221 231f 140 333, 341 296 260 227 258 112 333 76 281 338f

65,2,2 65,4,1 66,3,1 66,3,2f 66,4,2 66,5,1 66,8,3 66,10,2 67 67,1,1–2,1 67,1,1 67,1,2 67,4,4 67,6,3 68 68,4,1f 69,1 69,5,1 69,11,1 69,12,1–3 69,12,2 69,13,3 69,14,1f 69,14,2 69,15,1–16,1 69,15,2 69,16,1 70,3,2 71,3,1 72,1,1 72,2,1 72,2,2 72,3,1 73,7,1f 73,9,1 73,10,1 73,10,2 73,11,2 73,12,1 73,12,2 73,13,1 73,14,1f 73,22,3 74,2,2–3,2 74,4,1f 74,5,2 74,6,1 74,7,1 74,8,1 74,10,1

339 122 318 335f 329 331 330 314 337–340 230f 220 302, 333 331 328 325 322, 324 161 347 319 255 280 313 112 274, 364 120 95 112f 161 346 333 339 338 339 319 145 146, 178 235f 332 84, 98 121 146, 281 295 296 232f 232 121 59 55 336 113, 234, 346

414 76,1,2f 76,1,2 76,1,3 76,3–4 76,3,1 76,4,1 76,4,2

Register 111 280 253, 283 236 144 235f, 283 144f, 249, 283

76,5,1 76,5,2 76,6 76,7,1 76,7,2 80,1,3

60, 250f 251, 362 143, 274 100 111 250

1.3 Sonstige christliche Quellen De centesima 5 7f 16 52

172 199 122 264

Hieronymus De uiris illustribus 53 11, 347f Epistulae 84,2

347

Irenäus von Lyon Aduersus haereses 4,16,6 241 4,37,5 325 4,38,1f 253 5,17,1 219 5,21,2 188 5,36,1f 274 Laktanz Diuinae institutiones 3,26,3–13 61 3,29,13–17 169 5,1,26f 217 Minucius Felix Octauius 12,1–4 16,5 17,2.11 34,2 34,12 35,6 36–38 36,4

159 156 73, 351 260 285, 351 63f 351 136

36,6 36,8–9 36,8 36,9 37,1 37,4 37,7–12 37,9 37,11 37,12 38,6 38,8 39

155 176, 180 200, 213, 215 90, 180 207, 250 207 62, 351 65 63 63 209, 210 209 53

Pontius Vita Cypriani 2,4–8 56 9,6–9 138 Tertullian Ad Martyras 4,3

194

Ad Nationes 1,10,3–7 2,5,7

261 176

Ad Scapulam 1,1 4,8

49 275

Ad uxorem 1,2,1–3,6

275

Aduersus Marcionem 1,26,3 237 1,27,3 219 2,13,5 219

415

1. Stellen 3,14,4 4,39,8

166 144

Apologeticum 24,4 40,9 41,1–6 41,5

239 176 200, 349 176, 203f

De anima 20,1

354

De baptismo 12,7 17,2 18,1–6

69, 172 330 350

De cultu feminarum 1,2,4 235 2,1,1 122 2,2,1 235 2,2,2f 120, 161 2,2,2 218 De exhortatione castitatis 4,2 233 6,1–3 275 7,3–6 332

De paenitentia 2,11 4,3 7,7–9 7,9

241 66 159 163

De patientia 1,7–2,1 2,3 4,1–6 4,3f 8,7–9 8,7 10,1–9 11,9 14,2 14,6

208f 285 229 228 203 166 259 176, 215 166 166

De praescriptione haereticorum 4,1 193 7 198 De pudicitia 18,16 21,9f

281 319

De resurrectione mortuorum 58,4f 176

De fuga in persecutione 2,2 181, 349 2,4 181 2,5 247 2,7 181f, 215 3,2 166 9,2 166

De spectaculis 10,4 15,2 17,1–7 19,4 23,6 30,2–7

De idololatria 1,1–5 226

De testimonio animae 2,3–5 49

De oratione 1,1–2 3,2–4 4,1–3 4,1 4,2 4,3 7,1 29,2

De uirginibus uelandis 1,1 231 1,4–7 146, 227, 258 1,4 163, 313 9,1 300 15,1 166

101 129 247, 348 147 226 225, 348 130 130

Scorpiace 1,8 4,5

63 70, 146 63 63 310 268

286 219

416 6,6.11 6,7 6,9

Register 6,11 8,2–8 13,12

250 275 126

11, 286, 350 194 219

1.4 Außerchristliche Quellen Apuleius Apologia 21,4

5,65 174

De deo Socratis 12 174 24 176 De Platone et eius dogmate 2,21 213 Metamorphosen 4,2,1 54 4,18,1 293 8,31,4 174 10,4,3 174 10,5,6 174 11,3,3 52 11,6,6 239 11,15,1 66, 174 11,25,2 174 Aristoteles Ethica Nicomachea 1154a 55 Aulus Gellius Noctes Atticae 12,5 202, 207 Cicero De diuinatione 1,84 52 De finibus bonorum et malorum 2,44–47 290 3,25–29 203 4,59 176 4,74 198 4,79 210 5,12 176 5,23 66

285

De inuentione 2,163 194 De legibus 1,48f 2,68

290, 363 71

De natura deorum 1,53 66 2,140 72 3,85 290 De officiis 1,66.72 1,69–72 1,69 1,72 1,148

156 81 67 67 208

De re publica 1,1.7 1,1 6,8 6,13.16 6,20

173 81 290 270 156

Epistulae ad Atticum 14,13,3 207 Epistulae ad familiares 5,16,2 167f In L. Pisonem 43 167, 200 Laelius de amicitia 45 66 Lucullus 127

74

417

1. Stellen Paradoxa Stoicorum 20–26 199 Pro A. Cluentio 129 304 Pro L. Murena 60–66 198f 61 198 63 199 Pro P. Sestione 138 57 Tusculanae disputationes 1,118f 71 2 202 2,63f 209 3,15 74 3,28–61 190f 3,28f 193 3,57 194 4,24–27 57 4,37f 191 4,37 203 5,2 203 5,3 126 5,5 50, 173 5,42 66 5,70 73f 5,71 75 5,117 71 5,119 289 Diogenes Laertius 6,11 290 7,128 74 Epictet Dissertationes 1,6,32–36 3,22,57 3,22,104f 4,12 Hesiod Opera et dies 287–292

213 213 189 189

Horaz Saturae siue sermones 1,1,41f 64 1,3,34–36 55 Epistulae 1,16,52–54 2,2,84f

290 173

Marc Aurel Ad se ipsum 3,16 4,49 12,7

70 212 263

Lukrez De rerum naura 3,5f 348 3,977 71 5,10–12 172f 5,43–51 172 Ovid Metamorphoses 1,84–86 351 Ex Ponto 2,7,15f

168

Persius Saturae 5,34

54

Plato Epistulae 7 341cd

53

Gorgias 469b 500a

290 290

Leges 959b

71

Politikos 612b

290

109 De re publica 486ab 153

418

Register

Plinius Epistulae 1,22,6 2,4,2 9,30,4 10,96,3

209 209 64 316f

Panegyricus 35,4f 83,2

138 76

Quintilian Institutio oratoria 11,1,15 59 10,2 347 (Ps.-) Quintilian Declamationes maiores 12,14 200 Declamationes minores 272,10 211 Sallust De bello Iugurthino 2,3 260 Seneca maior Controuersiae 2,4,4 127 Seneca (minor) Ad Lucilium epistulae morales 1,1 357 9,3 202 10,2 56 16,3 209 17,1–8 156 18,5–13 168 18,13 156 20,2 209 20,9 210 20,13 54 22,1.3 81 22,9 56 22,16 71 31,5 248 41 72, 356 41,6–8 248 41,7 355

44,7 45,5–10 45,7 45,9 50,7 51,6 51,8 54,4f 59,7(–8) 59,9 65,16–21 65,24 66–67 70,3 70,16 74,6 75,4 75,8–17 75,14 75,18 81,5 81,19 82,4–6 84,5–8 85,5 85,24–29 85,30–41 88,7 90,1 92,3 92,25 92,31 94,24 94,26 94,30 94,56 95,12 95,30f 95,33 95,36 96,2 96,5 99,22 99,32 102,22–30 104,22 105,4 107,6 107,9 107,12

67 164 164 168 59 177 163f 71 164 55, 255 155 264 213 71 69 156 141 57 164 76, 357 289 168 347 164 168 173 173 60 67, 197 203 109 55 189 102 155 67 63 63 53 227 177 191f 168 264 67, 166, 168f 64 206 206 189

419

1. Stellen 113,27 115,18 120,13

193 173 210

10,18,1 11,9,2.4f 11,9,6 12,13,2f

173 173 71, 173 164

De beneficiis 2,29,5 2,29,6 4,28,1 6,3,1–4 6,28,2 7,1,7 7,9,1 7,10,2–4

52 253 323 155 67 68, 173 76, 155 155

Fragmenta 14

63

De clementia 1,6,3 2,4,4–6,4

127 199

Dialogi 1,2,2 1,2,8–12 1,2,9 1,3,4 1,3,9 1,3,10 1,4,5 1,5,5 1,6,2 1,6,6 2,1,1 2,3,3–5 2,6,4 2,13,5 2,15,5 2,17,4 3,14,3 4,7,3–9,2 5,10,2 5,26,2 5,41,1 6,16,5 6,19,5 6,23,1 6,24,5 6,25,1 6,25,2 6,26,2–6 7,15,5 7,19,1 7,19,3

213 249f 212 159 212 64 180, 213 206 155 168, 202, 248 168 203 200 70 156 203 127 65 173 290 189 168 71 76 148 55 270 173 206f 71 173

Hercules furens 326f 309 Naturales quaestiones 1,0,1f 74 1,0,6–17 74 3,0,12 176, 206 Stoicorum ueterum fragmenta I, 182 206 III, 262 285 III, 264 197 III, 524–533 199 III, 574 202 III, 578f 200 III, 578 203 III, 640f 198f III, 768 191 Tacitus Annales 14,20,4

63

Valerius Maximus 3,3 208 6,1,11 103 Vergil Aeneis 6,737f 6,853

55 327

Georgica 2,458–540 2,461f 2,506

55 64 64

Xenophon Memorabilia 2,1,20

109

420

Register

2. Moderne Autoren (in Auswahl) Achelis, Hans 307, 309 Achtermeier, Paul J. 128 Adam, Alfred 307, 309 Aland, Barbara 351 Albl, Martin C. 41, 45 Albrecht, Michael von 214, 347 d’Alès, Adhémar 37, 39, 44, 60, 165, 183, 247, 254, 258, 269, 278, 312, 314, 318, 325, 331, 333, 346, 359, 361, 363 Alföldy, Géza 65, 91, 186, 258–260 Alfonsi, Luigi 149, 178 Altendorf, Erich 331 Amat, Jacqueline 108, 252 Amata, Biagio 210, 285 André, Jean-Marie 81 Andresen, Carl 69f, 269, 315, 363 Anselmetto, Claudio 182, 227f, 312, 314 Atzberger, Leonhard 257, 259, 262f, 265, 267, 269f Audet, Jean Paul 40f Auer, Johannes 178 Auvray-Assayas, Clara 207 Axelson, Bertil 40 Aziza, Claude 33, 310 Azzali Bernardelli, Giovanna 45, 120f, 135 Bähnk, Wiebke 286 Bakhuizen van den Brink, Jan Nicolaas 11f, 38, 49, 129, 241, 278, 280f, 286, 311f, 325, 328f, 334, 336, 361 Ball, Mary Tarcisia 99, 108, 150, 170f Barbalato, Samuele 48, 130, 139, 290, 362 Barbero, Giorgio 25, 27, 50, 60, 64, 67, 77, 79 Barnes, Timothy David 49, 291 Bastiaensen, Antoon A.R. 138 Baus, Karl 271f Bayard, Louis 12, 25, 39, 58, 69, 72, 77, 93, 126, 136, 166, 196, 217f, 221, 224, 252, 269, 280, 293f, 298–300, 304, 307f, 311, 316 Beatrice, Pier Franco 76, 172, 274f Beaujeu, Jean 37, 51, 62, 64, 73, 250, 285 Beck, Alexander 13, 29f, 128, 139, 227, 261, 273, 313, 317, 328–330, 345 Becker, Carl 40 Becker, Joachim 218, 223 Beierwaltes, Werner 53

Bellincioni, Marcia 127, 290, 318 Beneden, Pierre van 330 Bengsch, Alfred 135 Benson, Edward White 14, 38, 40, 46, 48, 128, 136, 163, 181, 209, 229, 247, 285, 312, 324, 361 Berger, Klaus 57 Bergjan, Silke-Petra 52 Berner, Ernst 81 Bernstein, Alan E. 71, 204, 264, 285 Betz, Hans Dieter 15 Bévenot, Maurice 30, 44, 105, 132, 188, 196, 233, 259, 265, 277, 287, 310, 320f, 324f, 331–334, 339 Billerbeck, Margarethe 68, 155f, 117, 189, 202, 206, 208, 213 Blänsdorf , Jürgen 76, 78, 189 Blum, Georg G. 329 Bobertz, Charles A. 13, 28, 33, 41–44, 297f, 313f, 331, 333, 336, 345 Bohren, Rudolf 319 Bolkestein, Hendrik/Schwer, Wilhelm 241 Bonhoeffer, Dietrich 327 Bonner, Campbell 67, 71 Bonner, Stanley F. 38 Bornkamm, Günter 273, 290, 362f Boyancé, Pierre 81, 212 Braun, Herbert 104, 250, 341 Braun, René 29f, 219, 236, 278, 291 Brekelmans, Antonius J. 214, 253, 271f, 283 Brennecke, Hanns Christof 63 Brent, Allen 32, 337 Brown, Peter 33f Brück, Michael 241, 278 Buchheit, Vinzenz 26, 38f, 48, 50–56, 58– 61, 63–66, 72, 75, 79f, 197, 254f, 358 Bultmann, Rudolf 134 Burger, Franz Xaver 354 Burns, J. Patout 15, 258 Busch, Gerda 156, 168f, 189, 206 Butterweck, Christel 91, 253, 286 Cacitti, Remo 153, 269 Campenhausen, Hans von 11f, 31, 50, 68, 270, 273, 286, 288, 291, 296, 313, 318, 320, 324, 328, 330–332, 334, 340, 343, 346, 362

2. Autoren Cancik(-Lindemaier), Hildegard 16, 72, 186, 203, 289, 356 Cancik, Hubert 72, 186, 356 Capelle, Bernhard 320 Capmany, José 15–18, 20f, 36, 47, 79, 85, 96, 111, 120, 133–135, 141, 145, 147– 150, 153, 157–161, 175, 177–179, 182– 184, 214, 247–250, 252–255, 265, 267– 269, 273f, 283, 323, 328, 359, 364 Cardman, Francine 292 Carfora, Anna 323 Carlson, Marie Luise 214 Carver, George L. 37 Castagna, Luigi 26 Castiglioni, Luigi 25, 39, 64, 250 Cattaneo, Enrico 328 Cavallotto, Stefano 233, 344, 346 Chadwick, Henry 289f Charles, Robert H. 288 Chartier, Marie-Clemens 322, 325 Chevallier, Raymond 50 Clarke, Graeme W. 13f, 36f, 39, 43, 46, 54, 64, 73, 76, 79, 90f, 100, 108, 112, 114, 116, 141, 145f, 149, 152, 154f, 159f, 182f, 186, 197–199, 209, 211, 223, 228, 231f, 237, 249, 252f, 258, 261, 266, 271f, 274, 279, 286, 293f, 296f, 299f, 307, 312–317, 319f, 322f, 325f, 329– 333, 335, 337, 339 Clerck, Paul de 126, 128, 131 Colish, Marcia L. 24f, 27, 57, 204, 213, 354, 357f Colombo, Sisto 38 Combès, Robert 66 Conway, George Edward 85, 166, 208f, 223, 229, 259, 293 Corsato, Celestino 264 Countryman, Louis Wm. 56, 127–129, 153, 241 Courcelle, Pierre 48, 50, 61, 73, 361 Dahlmann, Hellfried 318 Daley, Brian 264, 270 Dalpane, Francesco 26 Daly, C.B. 277, 322 Daniélou, Jean 120, 122, 148, 157f, 160f, 172, 177–179, 199, 211, 224, 260, 297 Dassmann, Ernst 12, 32–34, 128, 130, 331– 333, 341, 346 Davies, W.D./Allison, Dale C. 329

421

Deißmann-Merten, Marieluise 167 Dekkers, Eligius 172 Deléani, Simone 15, 38, 40f, 43f, 75f, 84– 89, 91, 93f, 96–100, 108, 112f, 115–117, 140, 143f, 150, 160, 194, 206, 211, 250, 320, 360 Dietz, Luc 24 Diller, Hans 40 Dionigi, Ivano 81, 203, 208, 210 Doignon, Jean 45, 172, 281 Dolbeau, Francp ois 45 Dölger, Franz Joseph 85, 125, 154, 160, 178, 182, 249, 271 Dörrie, Heinrich 52, 138 Downing, F. Gerald 24, 56, 65, 111, 156, 208f, 269 Drexhage, Hans-Joachim 152 Dunn, Geoffrey D. 13, 15, 28, 56 Dunn, James D.G. 134, 136, 236 Duquenne, Luc 46, 90f, 114, 124, 141, 182, 297, 311, 313f, 320 Dürig, Walter 294 Duval, Yvette 152, 160, 233, 320, 325f, 331, 337, 340 Dyck, Andrew R. 67, 208 Edmonds, Hilarius 177f Eisenhut, Werner 109, 124, 201, 213, 271, 290 Ellien, Geneviève 26, 50f, 54, 60–63, 66f, 72, 77f, 80, 97, 172 Ellspermann, Gerard L. 25, 37, 51, 358 Elvers, Karl-Ludwig 167 Engberg-Pedersen, Troels 15f, 359 Engels, Ludowijck J. 200 Erler, Michael 72 Evans, Robert 126, 327, 341 Eynde, Damien van den 146, 232f Fahey, Michael Andrew 55, 84, 92, 106, 108, 112, 121, 137, 139f, 144, 178, 180, 205, 211, 219, 230, 237, 246, 250f, 270f, 276, 286, 318, 321f, 329, 334, 338, 341 Faider, Paul 25, 37, 354 Faivre, Alexandre 326f, 333 Fantino, Jacques 138 Fasholé-Luke, E. 341 Favazza, Joseph A. 44, 132, 332, 340 Fee, Gorden D. 139 Ferguson, Everett 53, 55, 76, 120, 145, 329

422

Register

Fernández, Aurelio 257–260, 262–265, 267–269, 277 Fiebiger, Heinrich Otto 271 Fink-Dendorfer, Elisabeth 50, 61 Fischer, Joseph Anton 262–265, 269f, 277 Fischer, Joseph Anton/Lumpe, Adolf 152, 320 Fitschen, Klaus 165, 233, 261, 324 Fitzmyer, Joseph A. 60 Flaig, Egon 63 Fontaine, Jacques 25–27, 37, 50–54, 56, 58, 61f, 79–81, 166, 197, 201, 211f, 215f, 354, 358 Ford, J. Massingberd 236 Forschner, Maximilian 13, 75, 168, 190, 203, 207, 289f Forti, Giorgio 27, 37 Fox, Robin Lane 33f, 329–331, 336, 340 Frank, Karl Suso 98, 181 Frede, Hermann Josef 172 Fredouille, Jean-Claude 25f, 29, 37, 39, 54, 65, 73f, 146, 166, 177, 203, 207–210, 213, 215f, 252, 258–261, 268, 297, 313, 354f Frend, W.H.C. 33, 324, 341 Freund, Stefan 25–27, 38, 56, 58, 64f, 104 Fuhs, Hans F. 223 Fürst, Alfongs 248 Galasso, Luigi 168 Galdi, Marco 38, 103, 122, 348 Gallicet, Ezio 26, 49, 54, 56, 69f, 73, 84, 146, 165, 170, 180, 200, 203, 205, 210f, 215, 218, 228, 259–261, 268, 297, 301, 303, 310, 318, 329, 357f Ganss, Wilhelm 57, 78, 189 Garrison, Roman 126–128, 138, 221 Gaudemet, Jean 328 Gaudette, Pierre 15, 18f, 21, 50, 135, 176, 359, 364 Gauthier, René A. 13, 67, 74, 81, 206–208, 210, 289 Gerlach, Wolfgang/Bayer, Karl 66 Gersh, Stephen 24 Geyer, Gerbert 210 Giannantoni, Gabriele 53, 191, 202, 209 Gill, Christopher 67 Gistelinck, Frans 145 Glaue, Paul 41f, 44 Gmelin, Ulrich 313, 317

Goetz, Karl Gerold 28f, 32, 48, 278 Goldhahn-Müller, Ingrid 319 González, Justo L. 153 Goppelt, Leonhard 127f Goulet-Cazé, Marie-Odile 53, 208f Graver, Margaret 57, 191 Greenslade, S.L. 31f, 332f Griffin, Miriam T. 81, 155f, 213 Griffiths, J. Gwyn 66 Grimal, Pierre 13, 81, 141, 167, 177, 197, 200, 203, 206, 249, 285, 289, 356f Gryson, Roger 330 Gülzow, Henneke 41f, 44, 46, 69, 91, 114, 163, 276, 286, 307, 311–315 Gutiérrez, Acacio 126f, 132 Habermehl, Peter 108 Hachmann, Erwin 168f, 204 Hadot, Ilsetraut 57, 67, 71f, 81, 190f, 203, 213, 248 Hadot, Pierre 50, 52, 62, 289 Hagendahl, Harald 25f, 212, 260 Hahn, Johannes 208 Hallonsten, Gösta 29f, 234f, 238, 243, 273, 278–280 Hamm, Ulrich 12 Hammerich, Holger 45, 76, 120, 255 Hannan, Mary Louise 26, 170, 172, 211 Hanson, Richard P.C. 42 Harnack, Adolf von 11f, 30, 32, 34, 37, 39– 43, 128f, 138, 165, 178, 182, 227, 239, 242, 273, 278, 283, 293, 312, 314, 328, 331f, 334f, 341, 346, 354, 361, 363 Harris, Gerald 344 Harrison, Carol 160 Hauck, Friedrich 167 Hauser, R. 290 Haussleiter, Johannes 42, 45 Heck, Eberhard 37, 40, 73, 200, 259, 261, 268 Heiligenthal, Roman 279 Heinrichs, Johannes 141 Herescu, N.I. 26 Herrmann, Elisabeth 313 Hill, Charles 265 Hiltbrunner, Otto 197 Hinchcliff, Peter 37, 46, 56, 182, 275, 292, 304, 314f, 320, 324, 327, 332, 350, 364 Hoffmann, Andreas 11, 13f, 29, 31, 101, 116, 186, 225, 227, 230f, 292f, 295f,

2. Autoren 299, 302, 311, 313, 319, 328–330, 332, 334, 343–345 Hommel, Hildebrecht 106, 109 Hoppenbrouwers, Henricus 115, 178 Horn, Friedrich W. 364 Hoven, René 71, 264 Hübner, Siegfried 277, 287, 292, 294 Hummel, Edelhard L. 21, 90, 125, 142, 160, 178, 182, 184f, 191, 207, 214, 252f, 262f, 266–268, 270f, 300, 337 Inwood, Brad 57 Ivánka, Endre von 24 Jaffelin, Emmanuel 85, 143 Janssen, Harry 247, 348 Jay, Pierre 277 Jenks, Gregory C. 259 Jensen, Anne 214, 307 Johann, Horst-Theodor 168, 190–192, 194, 261, 263f Kajanto, Iiro 164, 167–169 Kamlah, Ehrhard 57 Kassel, Rudolf 168, 191 Keenan, Elisabeth 76, 98, 103f, 109f, 123, 149, 151, 163, 196f, 303f, 322, 348 Kennedy, George 51 Kern, Philip H. 15 Kidd, I.G. 202 Kinzig, Wolfram 114, 117 Kirsten, Hans 148f Klein, Günter 336, 341 Klostermann, Erich 181, 284 Kneller, C.A. 48, 50, 56, 96, 121, 135, 245 Koch, Hugo 11f, 25f, 37, 39–42, 44f, 54, 60, 62–67, 69, 79, 91, 123, 138, 149, 160, 163, 172, 178, 186, 197f, 200, 207, 209, 239, 252, 258–260, 264, 293, 309, 319, 322–326, 336 Köhne, Joseph 277 Koestermann, Erich 63 Kunick, Hans Jürgen 194, 207, 209–211, 213 Kunkel, Wolfgang/Wittmann, Roland 116, 304, 316 Kurth, Thomas 173 Kutsch, Ernst 61 Labriolle, Pierre de 37

423

Lana, Italo 141, 164 Langstadt, E. 243 Laurance, John D. 331f Laurenti, Renato 67 Lausberg, Heinrich 51 Lausberg, Marion 64 Le Bohec, Yann 271 Lefèvre, Eckhard 168 LeGoff, Jacques 277 Leimbach, K. 116 Lo Cicero, Carla 26f, 152, 180, 182f, 293 Löbl, Rudolf 66 Löfstedt, Einar 148 Lohmeyer, Ernst 259, 295 Lombino, Vincenzo 49, 253 Luschnat, Otto 57 Luz, Ulrich 319, 329 Malchow, Roland 168 Malherbe, Abraham J. 15, 164, 176, 178 Manning, C.E. 56, 71, 76, 148, 192, 270 Margerie, Bertrand de 263 Markschies, Christoph 34, 324 Marrou, Henri-Irénée 293, 297 Mattei, Paul 332 Mattei, Paul/Poirier, Michel/Siniscalco, Paolo 115, 140, 160, 335f Mauch, Otto 178, 229, 292f, 295, 297, 300, 304 Maurach, Gregor 13, 248 Mayer, Cornelius 289 Mazzucco, Clementina 214, 307 McKinnon, James 162 Meijering, Eginhard Peter 24 Merkx, P.A.H.J. 59, 93, 96, 105, 188, 196, 320 Micaelli, Claudio/Munier, Charles 126 Michaelis, Wilhelm 106 Milikowsky, Chaim 268 Molager, Jean 39, 50, 52, 54, 56, 58–60, 62f, 65f, 72, 75, 77, 85, 96, 199, 208, 210, 293, 306 Molland, Einar 329 Mommsen, Theodor 304, 316 Monaci Castagno, Adele 161 Monat, Pierre 41f, 45 Monceaux, Paul 37, 80, 91, 163, 172, 217 Montgomery, Hugo 311 Morel, Valentin 103, 292–297 Moreschini, Claudio 37, 198, 208, 268, 275

424

Register

Morgenstern, Georg 22–24, 128, 177, 182, 209, 216, 250, 252, 260, 262f, 290 Moricca, Umberto 26, 37f, 50f, 56, 62–64 Mounce, Robert H. 288 Müller, Karl 278, 300 Mundle, W. 218, 223f Munier, Charles 48, 285 Naldini, Mario 26f, 310 Neumann, Alfred 293 Neunheuser, Burkhard 145 Newman, Robert J. 190f Niederwimmer, Kurt 106 Nielsen, Eduard 334 Nock, Arthur Darbie 50 Norden, Eduard 14, 37, 39, 51, 69 Nsuka-Nkoko, Johannes Baptista 27, 164 Nussbaum, Martha Craven 57, 289 Nützel, Johannes M. 187 O’Donnell, Clement M. 348 Oltramare, André 63f, 162, 177, 290 Orbán, Árpad 158, 170, 172 Orbe, Antonio 199 Osawa, Takeo 313, 330f Osborn, Eric 198 Otto, August 64f, 109, 124, 180 Overbeck, Winfried 154, 274 Pascal, Carlo 26, 212, 260 Pedersen, Johs. 288 Pellegrino, Michele 40, 48, 50, 59, 62, 72f, 200, 217, 323 Perdue, Leo G. 344 Perdue, Leo G./Gammie, John G. 15 Pereira Lamelas, Isidoro 12, 15, 58, 84, 120, 139, 148f, 292f, 313 Petitmengin, Pierre 123, 140 Pfitzner, Victor C. 110, 177, 185, 271f Pohlenz, Max 67, 202–204, 207 Poirier, Michel 38f, 125–129, 131, 138, 144, 154f, 220, 241, 272, 306 Popkes, Wiard 15f, 134, 344, 359 Poschmann, Bernhard 44, 132, 242, 319f, 322, 324, 326f, 339 Preuß, Horst-Dietrich 218, 288 Quacquarelli, Antonio 14, 27, 50, 79, 172, 274, 354 Quasten, Johannes 11f

Rabbow, Paul 54, 74, 81, 90, 189–191, 193, 206, 212 Rad, Gerhard von 218 Rahner, Karl 126, 129, 131, 320, 339 Ramos-Lissón, Domingo 50, 55, 59, 80, 236, 275 Ramsay, H.L. 44 Rebenack, Edward V. 126, 241 Reiff, Arno 347f Regenbogen, Otto 212 Réveillaud, Michel 43, 87, 94, 129f, 145f, 149, 181, 225, 230, 281, 300, 348 Reventlow, Henning 334 Richter, Will 56 Ring, Thomas Gerhard 246, 317 Rist, John M. 63, 65, 67, 71, 75, 81, 127, 155, 164, 199, 206f, 209, 289 Rist, Josef 13, 291, 313, 330 Ritter, Adolf Martin 332 Robeck, Cecil Melvin 182, 314 Robling, Franz-Hubert 212 Röhser, Günter 268, 273 Roldanus, J. 327 Sage, Michael 12, 14, 37f, 40, 43, 45, 50, 56, 64, 67, 70, 79, 91, 110, 159, 163, 178, 198, 228, 233, 259, 286, 312, 317, 330, 336, 345, 352 Salem, Jean 66, 71, 172 Sallmann, Klaus 51 Saumagne, Charles 160, 182 Saxer, Victor 37, 146, 148, 150, 332 Scarpat, Giuseppe 72, 169, 200, 356 Schelkle, Karl Hermann 364 Schindler, Alfred 48f, 246, 282 Schlimme, Lorenz 71 Schmid, Wolfgang 50 Schmidt, Peter Lebrecht 43, 45 Schnackenburg, Rudolf 55, 309, 319, 339 Schöllgen, Georg 149, 275, 288, 333 Schrage, Wolfgang 134 Schrijnen, Joseph/Mohrmann, Christine 93, 95, 97, 141, 159, 196, 220, 234, 308, 321 Schultz, Hermann 242, 278 Schulz-Flügel, Eva/Mattei, Paul 231 Schwarte, Karl-Heinz 165 Schwenke, P. 62 Scorza Barcellona, Francesco 50, 59, 62 Scourfield, John H.D. 26

2. Autoren Seagraves, Richard 28, 292, 294, 317, 319, 331 Sebastian, J. Jayakiran 232 Seeberg, Reinhold 11, 24, 221, 255, 273, 275, 277f, 281, 294, 320, 324, 341, 345, 363 Seigfried, A. 283 Selinger, Reinhard 160, 286, 321 Sellew, Philipp 172, 274 Serra Zanetti, Paolo 240 Seybold, Klaus 288 Sherwin-White, Adrian N. 316 Simonetti, Manlio 40, 73 Simonetti, Manlio/Prinzivali, Emanuela 11f Snell, Bruno 106, 109 Soden, Hans von 41, 43, 89 Sohm, Rudolph 328 Sorabji, Richard 191, 203, 263 Spanneut, Michel 13, 15, 20f, 24–26, 48, 65, 67, 70, 85–89, 93, 97, 180, 189, 198, 202f, 207, 210, 212, 224, 260, 283, 360 Speigl, Jakob 11, 313, 331, 340 Starr, James 15f Steiner, Martin 188 Steinmetz, Peter 202 Stelzenberger, Johannes 24 Straaten, Modestus van 202 Stramondo, Giuseppina 26f, 173, 180, 193, 211f, 264, 358 Straume-Zimmermann, Laila/Gigon, Olof 74 Straw, Carole E. 13, 138 Stritzky, Maria Barbara von 160, 326 Strobel, Karl 65, 186, 258, 261 Studer, Basil 84, 203, 363 Stuiber, Alfred 262, 264 Swann, William S. 281 Szarmach, Marian 50f, 62, 64f Tampwo Maleya, Chrysostome 231 Taylor, John H. 44, 322, 324, 327 Teeuwen, St.W.J. 69, 178 Thiering, Barbara E. 34 Thraede, Klaus 309 Tibiletti, Carlo 49, 69, 71, 81, 97f, 198, 212f, 215, 264, 270, 353 Tornatora, Alberto 25, 107, 258 Traina, Alfonso 76 Trilling, Wolfgang 295 Trisoglio, P. 214, 327

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Turcan, Marie 63, 151, 161 Turner, C.H. 40–44 Turner, Henry E.W. 339 Uglione, Renato 292 Veronese, Maria 61f Veyne, Paul 67, 250 Viansino, Giovanni 167f, 211 Vidal Fontan, Arlette 25–27, 63, 79, 354 Vogt, Hermann Josef 322, 346 Vögtle, Joseph 14, 29, 141, 155, 241, 313, 332 Vössing, Konrad 13f, 37–39, 51 Waiblinger, Franz Peter 74 Waldstein, Wolfgang 285 Waszink, Jan Hendrik 38, 148, 171 Watson, Edward W. 57, 69, 93, 110, 121, 126, 218, 293, 300 Weaver, Rebecca H. 129, 153 Welykyj, A.G. 218f, 221, 223f Wengst, Klaus 138, 339 Wheatland Litchfield, Henry 167 Wibbing, Siegfried 57 Wickert, Ulrich 11, 30, 38, 80, 234, 329, 336, 343 Wiefel, Wiefel 181, 284 Wilckens, Ulrich 55, 236 Wiles, Maurice F. 37, 50, 79, 329, 333 Winkler, Klaus 318 Winston, David 141, 248 Winter, Martin 273, 275 Wirth, Karl Hermann 23f, 30, 49, 241f, 250, 255, 268, 270, 273f, 277f, 280, 282, 284, 290, 361 Wischmeyer, Wolfgang 13, 299, 312, 318, 327, 345 Wlosok, Antonie 40, 45, 50, 56, 72–74, 153, 155f, 203, 219 Wohleb, Leo 40–45 Wolfson, Harry Austryn 262 Ysebaert, Joseph 332 Zerafa, P. 279 Zimbrich, Ulrike 347f Zimmermann, Ruben 134 Zocca, Elena 26, 260 Zwisa, Carl 259

Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 98: Wibke Janssen »Wir sind zum wechselseitigen Gespräch geboren« Philipp Melanchthon und die Reichsreligionsgespräche von 1540/41 2009. 320 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-55215-5

97: Thomas Kaufmann »Türckenbüchlein« Zur christlichen Wahrnehmung »türkischer Religion« in Spätmittelalter und Reformation 2008. 299 Seiten mit 26 Abb. und 1 Karte, gebunden. ISBN 978-3-525-55222-3

96: Andreas Waschbüsch Alter Melanchthon Muster theologischer Autoritätsstiftung bei Matthias Flacius Illyricus 2008. XII, 208 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-55300-8

95: Margarethe Hopf Der Weg zur christlichen Vollkommenheit Eine Studie zu Walter Hilton auf dem Hintergrund der romanischen Mystik 2009. XI, 256 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-55219-3

94: Martin Teubner Historismus und Kirchengeschichtsschreibung Leben und Werk Albert Haucks (1845–1918) bis zu seinem Wechsel nach Leipzig 1889 2008. 426 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-55205-6

93: Hans-Jürgen Goertz Radikalität der Reformation Aufsätze und Abhandlungen 2007. 378 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-55200-1

92: Andreas J. Beck Gisbertus Voetius (1589–1676) Sein Theologieverständnis und seine Gotteslehre 2007. 509 Seiten mit Frontispiz, gebunden ISBN 978-3-525-55100-4

91: Ernst Feil Religio Vierter Band: Die Geschichte eines neuzeitlichen Grundbegriffs im 18. und frühen 19. Jh. 2007. 1006 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-55199-8

90: Harm Cordes Hilaria evangelica academica Das Reformationsjubiläum von 1717 an den deutschen lutherischen Universitäten 2006. 361 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-55198-1

89: Markus Vinzent Der Ursprung des Apostolikums im Urteil der kritischen Forschung 2006. 480 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-55197-4

88: Martin Streck Das schönste Gut Der menschliche Wille bei Nemesius von Emesa und Gregor von Nyssa 2005. 220 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-55196-7

Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 87: Thilo Krüger Empfangene Allmacht Die Christologie Tilemann Heshusens (1527–1588) 2004. 387 Seiten mit 1 Abb., gebunden ISBN 978-3-525-55195-0

86: Oliver Kösters Die Trinitätslehre des Epiphanius von Salamis Ein Kommentar zum »Ancoratus« 2003. 396 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-55194-3

85: Klaus Beckmann Die fremde Wurzel Altes Testament und Judentum in der Evangelischen Theologie des 19. Jahrhunderts 2002. 400 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-55193-6

82: Michael Basse Die dogmengeschichtlichen Konzeptionen Adolf von Harnacks und Reinhold Seebergs 2001. 384 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-55190-5

81: Wolfgang Matz Der befreite Mensch Die Willenslehre in der Theologie Philipp Melanchthons 2001. 279 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-55189-9

80: Jörg Haustein Liberal-katholische Publizistik im späten Kaiserreich »Das Neue Jahrhundert« und die Krausgesellschaft 2001. 406 Seiten mit 12 Abb., gebunden ISBN 978-3-525-55188-2

84: Anselm Schubert Das Ende der Sünde

79: Ernst Feil Religio

Anthropologie und Erbsünde zwischen Reformation und Aufklärung 2002. 269 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-55192-9

Dritter Band: Die Geschichte eines neuzeitlichen Grundbegriffs im 17. und frühen 18. Jahrhundert 2001. 542 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-55187-5

83: Sven Grosse Gott und das Leid in den Liedern Paul Gerhardts 2001. 365 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-55191-2

78: Wiebke Bähnk Von der Notwendigkeit des Leidens Die Theologie des Martyriums bei Tertullian 2001. 355 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-55186-8