Gottes Geist: Die biblische Rede vom Geist im Kontext der antiken Welt 9783161596261, 9783161596278, 3161596269

Dem Heiligen Geist kommt in den traditionellen Kirchen und Theologien eher eine Statistenrolle zu. Dagegen nimmt er in d

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Gottes Geist: Die biblische Rede vom Geist im Kontext der antiken Welt
 9783161596261, 9783161596278, 3161596269

Table of contents :
Cover
Titel
Dank
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen
I. Der Geist und die Geister: Prolog
1. Das Christentum als Religion des Geistes
2. Jesus als Charismatiker
3. Der Geist und die Tria Corda
4. Zwischen Begabung und Begegnung, Materialität und Personalität: Phänomenologie des Geistes
5. Pneuma und Erkenntnis
6. Aufbau
II. Atem des Schöpfers und Macht des Retters – die hebräische Tradition
1. Geist und Überwältigung – numinose Ursprünge . 
2. Geist und Schöpfung – Protologie
3. Geist und Erhaltung – Kosmologie und Anthropologie
4. Geist und Erneuerung – Identität und Ethik
5. Geist und Erlösung – Prophetie und Eschatologie
6. Geist und Gott – Zusammenfassung
III. Das Wirken der Weltvernunft – die griechisch-römische Philosophie
1. Die Stoa
1.1 Überwindung des Dualismus von Vernunft und Materie – die frühe Stoa 65 1.2 Die innere Harmonie des Alls – die Mittlere Stoa 69 1.3 „Gott in uns“ – die Stoa der Prinzipatszeit 74 1.4 Untergang und Wiederentstehung der Welt – die Stoa in der zweiten Sophistik
2. Der Mittelplatonismus
2.1 Repräsentant der Transzendenz – die Rückkehr Platons 90 2.2 Weissagung und Jungfrauengeburt – Plutarch
3. Der göttliche Geist und der Heilige Geist: Konvergenzen und Kontraste
IV. Die Immanenz des Transzendenten – das hellenistische Judentum
1. Geist, Gerechtigkeit und Gericht – die Sapientia Salomonis
2. Das Band zwischen dem einen Gott und seiner Schöpfung – Philon von Alexandria
3. Vollkommene Leiblichkeit – Joseph und Aseneth
4. Zusammenfassung
5. Das antike Judentum als Kontext des Neuen Testaments
V. Gottessohnschaft und ewiges Leben – das Neue Testament
1. Der geliebte und der getriebene Gottessohn – Markus
2. Adoption und Erbe – Paulus
3. Triadische Theologie und Heilsgeschichte – das lukanische Doppelwerk
4. Verheißung des Lebens und Gegenwart der Liebe – Johannes
VI. Veni Creator Spiritus: Epilog
Verzeichnis der zitierten Literatur
Stellenregister
Sachregister

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Reinhard Feldmeier Gottes Geist

Tria Corda Jenaer Vorlesungen zu Judentum, Antike und Christentum Herausgegeben von Karl-Wilhelm Niebuhr, Matthias Perkams und Meinolf Vielberg

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Reinhard Feldmeier

Gottes Geist Die biblische Rede vom Geist im Kontext der antiken Welt

Mohr Siebeck

Reinhard Feldmeier, geboren 1952; Promotion und Habilita­tion in Tübingen; Pfarrer der bayerischen Landeskirche; 1992–95 Professur in Koblenz; 1995–2002 Professur in Bayreuth; seit 2002 Professor für Neues Testament in Göttingen; Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.

ISBN 978-3-16-159626-1 / eISBN 978-3-16-159627-8 DOI 10.1628/978-3-16-159627-8 ISSN 1865-5629 / eISSN 2569-4510 (Tria Corda) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Böblingen aus der Minion gesetzt, von Druckerei Laupp & Göbel in Gomaringen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden. Printed in Germany.

Não sei se a vida é curta ou longa para nós, mas sei que nada do que vivemos tem sentido, se não tocarmos o coração das pessoas. Ich weiß nicht ob das Leben kurz oder lang für uns ist, aber ich weiß, dass nichts, was wir leben Sinn ergibt, wenn wir die Herzen der Menschen nicht berühren. Cora Coralina: „Saber viver“

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Für Uwe Wegner, in Dankbarkeit für mehr als 40 Jahre treue Freundschaft und kritische Weggenossenschaft über Atlantik und Äquator hinweg

Dank Dem Heiligen Geist kommt in unseren Kirchen wie in unseren Theologien eher eine Statistenrolle zu. Das ist im Globalen Süden signifikant anders: In den pentekostalen und neopentekostalen Bewegungen und den von dort bis tief in die traditionellen Konfessionen hinein wirkenden charismatischen Neuaufbrüchen nimmt der Geist die Rolle eines Hauptdarstellers ein. Jene Bewegungen sind auch die Kirchen, in denen das Christentum im Gegensatz zu unseren Breiten in stetigem Wachstum begriffen ist. Dieser Spannung zwischen dem Norden und dem Süden im Blick auf die Bedeutung des Geistes gilt es sich zu stellen – in allen Disziplinen der Theologie. Die vorliegende Studie tut das als eine exegetische Arbeit, welche die biblischen (und frühjüdischen) Zeugnisse auslegt, indem sie deren Entfaltungen im Kontext der Religions- und Geistesgeschichte der griechisch-römischen Antike nachzeichnet. Dabei zeigt sich, welch elementare Bedeutung dem Geist in den Gründungsurkunden des Christentums zukommt. Es zeigt sich aber auch, wie aus dem charismatischen Charakter der frühchristlichen Bewegung immer wieder die Notwendigkeit einer Unterscheidung der Geister erwächst. So verfolgt diese historisch-kritische Auslegung das hermeneutische Ziel, sowohl der Geistvergessenheit der Kirchen der Nordhalbkugel wie der Geistversessenheit mancher Kirchen des Globalen Südens den kritischen Spiegel des biblischen Zeugnisses vorzuhalten und so Impulse zu weiterem theologischen Nachdenken zu geben.

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Dank

Dass ich mich als eher traditioneller deutscher Exeget derartigen Fragen gestellt habe und stelle, ist das Verdienst meines brasilianischen Kollegen und Freundes Uwe Wegner von der Escola Superior de Teologia (EST), in Sao Leopoldo, der mich seit Ende der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts ohne jede Besserwisserei, aber mit überzeugender Bestimmtheit immer wieder auf die Begrenztheit meiner eurozentrischen Perspektiven hingewiesen und meine Sicht durch wertvolle Einblicke in sein Heimatland geweitet hat; ihm sei deshalb dieses Büchlein gewidmet. Zur Horizonterweiterung beigetragen haben auch die durch ihn ermöglichten Begegnungen mit anderen Kollegen; stellvertretend genannt seien der Kirchengeschichtler und Rektor der EST, Wilhelm Wachholz, der Systematiker Rudolf von Sinner von der Pontifícia Uni‑ versidade Católica do Paraná (PUC‑PR), der Soziologe Emil Sobottka von der päpstlichen Universität in Porto Alegre (PUC‑RS) sowie der Göttinger Religionswissenschaftler Fritz Heinrich, seit etlichen Jahren Gastprofessor in Sao Leopoldo. Auch ihnen sei hier gedankt. Dank schulde ich aber auch zahlreichen anderen Personen. Die Welt der späteren Antike habe ich mir seit mehr als zwei Jahrzehnten mit den beiden Mitherausgebern in der Reihe SAPERE erschlossen, dem Gräzisten Heinz-Günther Nesselrath aus Göttingen und dem Neutestamentler Rainer Hirsch-Luipold aus Bern. Aus dem Kreis der wissenschaftlichen Mitarbeiter von SAPERE möchte ich besonders Dr. Natalia Pedrique für ihre Anregungen beim gemeinsamen Seminar über den Geist in der griechisch-römischen Antike danken, aus dem Kreis des wissenschaftlichen Beirats dem Erlanger Philosophen Maximilian Forschner, der mir sein schönes Buch über die Stoa geschenkt hat und so freundlich war, das

Dank

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Kapitel über den Geist in der griechisch-römischen Philosophie durchzulesen; seine Anmerkungen und Anregungen habe ich gerne übernommen. Wertvolle Impulse zu Philon verdanke ich der Jerusalemer Kollegin Maren Niehoff, mit der ich in zwei Projekten zusammengearbeitet habe. Wichtige Einsichten in die Wirkungsgeschichte der neutestamentlichen Texte verdanke ich dem neutestamentlich-patristischen Doppelseminar mit meinem Kollegen Peter Gemeinhardt. Last but not least sei mein Freund und alttestamentlicher Kollege Hermann Spieckermann genannt, dessen Einsichten zum Geist im Alten Testament in der von uns gemeinsam verfassten Gotteslehre ich mich schamlos bedient habe und der auch noch so großmütig war, das Ergebnis gegenzulesen. Ein Lehrstuhl kann sich glücklich schätzen, wenn er so engagierte Mitarbeiter hat, mit denen auch Unfertiges durchdiskutiert und weitergedacht werden kann. Ich habe zu danken Dr. des. Jan Basczok, Prof. Dr. Dr. Matthias Becker, Pfarrer Dr. des. Jens-Arne Edelmann, stud. theol. Jonas Hiese sowie Travis Niles und Dr. des. Michael Wandusim. Die beiden Letztgenannten – der eine von der US-amerikanischen, der andere von der afrikanischen Westküste – haben mit mir ein Seminar im Studiengang Intercultural Theology über den Heiligen Geist im Neuen Testament und im Globalen Süden geleitet, das vorwiegend von Teilnehmern aus Afrika und Asien besucht war und in dem die eingangs genannten Herausforderungen noch einmal eindrücklich deutlich wurden. M. St. (Oxon.) Danilo Paap sei Dank dafür gesagt, dass er das gesamte Manuskript sorgfältig korrigiert hat, Dr. Claus-Jürgen Thornton dafür, dass er dieses wieder einmal perfekt für den Druck vorbereitet hat.

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Dank

Entstanden wäre diese Studie nicht, wenn nicht das Triumvirat der Tria Corda, Karl-Wilhelm Niebuhr, Matthias Perkams und Meinolf Vielberg, mich zu den letztjährigen „Jenaer Vorlesungen zu Judentum, Antike und Christentum“ eingeladen hätte. Ihnen und auch den anderen Kollegen, die mich in Jena offen aufgenommen und engagiert mitdiskutiert haben, sei ganz herzlich gedankt. Eigens hervorgehoben sei dabei Karl-Wilhelm Niebuhr, der die Studie auch danach auf vorbildlich kollegiale Weise bis zur Drucklegung betreut hat, sowie Frau Elena Müller vom Verlag Mohr Siebeck. Bayreuth, Pfingsten 2020

Reinhard Feldmeier

Inhaltsverzeichnis Dank  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Abkürzungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII I. Der Geist und die Geister: Prolog  . . . . . . . . . . . . . . 1 1. 2. 3. 4.

Das Christentum als Religion des Geistes  . . . . . . . . 1 Jesus als Charismatiker  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Der Geist und die Tria Corda  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Zwischen Begabung und Begegnung, Materialität und Personalität: Phänomenologie des Geistes  20 5. Pneuma und Erkenntnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 6. Aufbau  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

II. Atem des Schöpfers und Macht des Retters – die hebräische Tradition  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Geist und Überwältigung – numinose Ursprünge  . 33 2. Geist und Schöpfung – Protologie  . . . . . . . . . . . . . . . 39 3. Geist und Erhaltung – Kosmologie und Anthropologie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 4. Geist und Erneuerung – Identität und Ethik  . . . . . 45 5. Geist und Erlösung – Prophetie und Eschatologie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 6. Geist und Gott – Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . 61

III. Das Wirken der Weltvernunft – die griechisch-römische Philosophie  . . . . . . . . . . . 65 1. Die Stoa  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 1.1 Überwindung des Dualismus von Vernunft und Materie  – die frühe Stoa 65 1.2 Die innere Harmonie des Alls – die Mittlere Stoa 69 1.3 „Gott in

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Inhaltsverzeichnis

uns“ – die Stoa der Prinzipatszeit 74 1.4 Untergang und Wiederentstehung der Welt  – die Stoa in der zweiten Sophistik 84 2. Der Mittelplatonismus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 2.1 Repräsentant der Transzendenz – die Rückkehr Platons 90 2.2 Weissagung und Jungfrauengeburt – Plutarch 97 3. Der göttliche Geist und der Heilige Geist: Konvergenzen und Kontraste  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

IV. Die Immanenz des Transzendenten – das hellenistische Judentum  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Geist, Gerechtigkeit und Gericht – die Sapientia Salomonis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Das Band zwischen dem einen Gott und seiner Schöpfung – Philon von Alexandria  . . . . . . . . . . . . . 116 3. Vollkommene Leiblichkeit – Joseph und Aseneth  . . 131 4. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 5. Das antike Judentum als Kontext des Neuen Testaments  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

V. Gottessohnschaft und ewiges Leben – das Neue Testament  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 1. Der geliebte und der getriebene Gottessohn – Markus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 2. Adoption und Erbe – Paulus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3. Triadische Theologie und Heilsgeschichte – das lukanische Doppelwerk  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 4. Verheißung des Lebens und Gegenwart der Liebe – Johannes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

VI. Veni Creator Spiritus: Epilog  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Verzeichnis der zitierten Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

Abkürzungen Die Abkürzungen für antike Autoren und Schriften werden im Stellenregister aufgelöst. DWb

Deutsches Wörterbuch. Begründet von J. Grimm/​ W. Grimm, Leipzig/​Stuttgart 1.1965 ff. EG Evangelisches Gesangbuch GL Gotteslob. Katholisches Gebet- und Gesangbuch LXX Septuaginta RAC T.  Klauser u. a. (Hg.): Reallexikon für Antike und Christentum, Stuttgart 1.1950 ff. RGG3 K.  Galling u. a. (Hg.): Die Religion in Geschichte und Gegenwart, dritte, völlig neu bearbeitete Auflage, 6 Bände, Tübingen 1957–1962 RGG4 H. D.  Betz u. a. (Hg.): Religion in Geschichte und Gegenwart, vierte, völlig neu bearbeitete Auflage, 8 Bände, Tübingen 1998–2005 SVF H. von  Arnim: Stoicorum veterum fragmenta, 4 Bände, Stuttgart 1903–1924, 21999 ThWAT H.‑J.  Fabry (Hg.): Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, 8 Bände, Stuttgart u. a. 1971–1995 ThWNT G. Kittel (Hg.): Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, 10 Bände, Stuttgart u. a. 1933–1979 TRE G.  Krause/​G.  Müller (Hg.): Theologische Realenzyklopädie, 36 Bände, Berlin/​New York 1976–2004

I.  Der Geist und die Geister: Prolog 1.  Das Christentum als Religion des Geistes Es war am Rosenmontag in der südbrasilianischen Stadt Porto Alegre. Wir waren gekommen, um den berühmten Karnevalszug anzusehen, der die ganze Nacht andauern sollte, und da wir noch Zeit hatten, gingen wir auf Vorschlag unserer brasilianischen Kollegen zuvor zu einer Versammlung der Igreja Universal do Reino de Deus, der „Universalkirche des Gottesreiches“. Diese neopentekostale Bewegung, die zahlenmäßig stärkste Vertreterin der dritten Welle der pfingstlerischen Kirchen Brasiliens, ist dort inzwischen ein Machtfaktor geworden: Sie verfügt über 76 Radio- und 20 Fernsehsender sowie über weitere 100 Senderbeteiligungen und nimmt allein in Brasilien jährlich ca. 1,4 Milliarden Dollar ein.1 Seit Jahrzehnten in stetigem Wachstum begriffen, macht sie ihren Einfluss auch in der Gesellschaft geltend.2 1  Laut A. V. Balloussier: Igreja Universal faz 40 anos e realiza sonho de alcançar classe média alta. In: Jornal Folha de São Paulo (09.07.2017), verfügt die Universalkirche heute nach eigenen Schätzungen außerdem über 320 Bischöfe und 14.000 aktive Pfarrer, die für 7.157 Kirchen mit 7 Millionen Mitgliedern in Brasilien verantwortlich sind. Weitere 2.857 Kirchen gibt es für zwei Millionen Gläubige in mehr als 100 Ländern, von Russland bis zu den Arabischen Emiraten; vgl. auch A. Corten/​A .  P. Oro/​J.‑P.  Dozon: Igreja Universal do Reino de Deus. Os novos conquistadores da fé, São Paulo 2003. 2  Die Universalkirche ist etwa entschiedene Unterstützerin des gegenwärtigen Präsidenten Jair Bolsonaro.

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I.  Der Geist und die Geister: Prolog

Der mehrstündige Gottesdienst fand in einem großen Saal statt, der mit mehreren tausend Leuten gefüllt war – wobei die Bezeichnung ‚Gottesdienst‘ ungenaue Assoziationen weckt: Wir erlebten das Geschehen als schwer zu beschreibende Mischung aus Happening und Hypnose, bei der einpeitschende Musik und aufpeitschende Reden einander abwechselten. Immer wieder wurden das Kommen des Geistes und zugleich der Auszug der unreinen Geister beschworen: Sai, sai, sai  – „verschwinde (böser Geist), verschwinde, verschwinde“; vem, vem, vem  – „komm (Heiliger Geist), komm, komm“, skandierten die Teilnehmer nach den von der Bühne herab gegebenen und von entsprechender Gestik begleiteten Anweisungen. Am Rande standen mehrere Dutzend Ordner, die die Besucher beobachteten und immer wieder einzelne Teilnehmer aus der Menge herauspickten und nach vorne brachten, damit ihnen dort die Dämonen ausgetrieben würden, wobei die unreinen Geister ihren Widerstand dagegen mit allerlei Geräuschen wie Knurren und Stöhnen sinnenfällig zu Gehör brachten. Unterbrochen wurde das Ganze mehrmals von völlig ungenierten Aufforderungen zur Geldspende, die vom Himmel mit irdischem Wohlstand belohnt würde. Und das Ganze funktionierte bestens. Die Leute um mich herum machten begeistert mit und gaben bereitwillig große und kleine Scheine, die in Körben abtransportiert wurden, para o senhor, wie es lakonisch hieß, „für den Herrn“. Während also bei uns die etablierten Kirchen trotz aller Möglichkeiten, die ihnen hierzulande noch immer offenstehen, mit leeren Gotteshäusern und sinkenden Mitgliederzahlen zu kämpfen haben, geht dort, salopp gesagt, die Post ab. Und das ist nicht nur in Brasilien und in ganz Lateinamerika so, sondern darüber hinaus auch in großen Teilen Afrikas und



1.  Das Christentum als Religion des Geistes

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Asiens, also in den Bereichen, die man heute den Globalen Süden nennt. Die Anhängerschaft der charismatischen und pfingstlichen Gruppen beläuft sich dort je nach Zählweise3 auf 200 bis 600 Millionen Menschen. Dass das Christentum, das in unseren Breiten immer mehr zu einer gesellschaftlichen Minderheit wird, weltweit eine beständig wachsende Glaubensgemeinschaft ist, geht zu einem Gutteil auf das Konto dieser Gemeinden und Kirchen. Ein solcher Erfolg allein ist noch kein „Beweis des Geistes und der Kraft“ (1 Kor 2,4). Man kann mit guten Gründen gegenüber dem, was man dort an Manipulation von Menschen und Reduktion des Evangeliums auf Moral und persönlichen Vorteil erlebt, theologische Vorbehalte haben,4 zumal die besonders für die neopentekostalen Bewegungen charakteristischen Erfolgsversprechen5 3  Die unterschiedlichen Zahlen sind darauf zurückzuführen, ob man Menschen als Mitglieder zählt, die zugleich noch den traditionellen Kirchen in der einen oder anderen Weise verbunden sind. 4  Eine ausführliche und biblisch begründete Kritik zu den verschiedenen Aspekten des prosperity gospel (Evangelho da prosperi‑ dade) in Brasilien lieferte A. B. Pieratt: O Evangelho da Prosperidade. Análise e resposta, São Paulo 1993. Zum Vergleich zwischen historischen Kirchen und Pfingstbewegungen in Brasilien vgl. unter anderem L. S. Campos: Historischer Protestantismus und Pfingstbewegung in Brasilien. Annäherungen und Konflikte. In: Zeitschrift für Missionswissenschaft und Religionswissenschaft 81 (1997), 202–243; zur befreiungstheologischen Perspektive vgl. J. Sepúlveda: Pfingstbewegung und Befreiungstheologie: Zwei Manifestationen des Wirkens des heiligen Geistes für die Erneuerung der Kirche. In: M. Bergunder (Hg.): Pfingstbewegung und Basisgemeinden in Lateinamerika. Die Rezeption befreiungstheologischer Konzepte durch die pfingstliche Theologie, Weltmission heute 39, Hamburg 2000, 82–94. 5  Zu parallelen Erscheinungen in Afrika vgl. J. K. Asamoah-Gyadu: Contemporary Pentecostal Christianity. Interpretations from an African Context, Oxford 2013, 109–110: „Contemporary Pentecos-

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I.  Der Geist und die Geister: Prolog

nicht selten verbunden sind mit einer schwer erträglichen Härte gegenüber Menschen, bei denen der Erfolg ausbleibt und die deshalb für Krankheiten oder Armut selbst verantwortlich gemacht werden.6 Das steht in deutlichem Widerspruch zu dem Geist, der nach dem biblischen Zeugnis Menschen  – vom jesajanischen Gottesknecht über den galiläischen Gottessohn bis zu den missionierenden Gottesboten  – ergreift und für einen Weg aussondert, der in einer von Gott entfremdeten Schöpfung keineswegs eine success story darstellt, sondern in Leiden und Tod führt. Auch der von Paulus immer wieder entschieden betonten Verbundenheit des Geistes mit Gemeinschaft und Liebe entspricht eine derart am Eigennutz orientierte Instrumentalisierung des Geistes gewiss nicht. Daher ist durchaus Nüchternheit geboten, um sich nicht vom Erfolg dieser Geistbewegungen blenden und über problematische Entwicklungen hinwegtäuschen zu lassen, wenn Gottes Geist nicht mehr als Herr über das tal discourse usually dwells around words to do with victory, power, breakthrough, and winning and on other such terms and expressions that deliberately create the impression that the Spirit-filled Christian becomes almost completely insulated from certain misfortunes that afflict other people.“ Besonders wichtig ist dabei die „Salbung“ durch den Geist: „anointing helps people, objects, and places to function so that success and prosperity are realised“ (a. a. O., 123). 6  Vgl. dazu A. B. Pieratt: O segredo da espiritualidade da prosperidade. In: Vox Scripturae 3:2 (1993), 131–150. Nach der persönlichen Auskunft von Gabriel Ifeanyichukwu Ezenwata, einem katholischen Priester aus Nigeria, besteht einer internen Untersuchung der katholischen Kirche zufolge ein Zusammenhang zwischen einer deutlich gestiegenen Selbstmordrate und der Verzweiflung über das Ausbleiben der zugesagten Erfolge samt den damit verbundenen Schuldgefühlen. Da die Untersuchung nicht veröffentlicht wurde und die Untersuchenden nicht unabhängig waren, kann deren Wert nicht beurteilt werden.



1.  Das Christentum als Religion des Geistes

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eigene Leben anerkannt, sondern zum Mittel eigenmächtiger Lebensbeschaffung pervertiert wird.7 Geboten ist aber ebenso eine selbstkritische Offenheit, die sich der Herausforderung stellt, warum diese Form des Glaubens, die seit gut hundert Jahren dabei ist, die Gestalt des Christentums bis hinein in die traditionellen Kirchen deutlich zu verändern, für so viele Christen auf der anderen Seite unserer Weltkugel so attraktiv ist und selbst bei uns zunehmend Menschen in ihren Bann zieht. Herablassende Erklärungen wie die, dass Frauen diese Bewegungen stark machten, weil durch deren strikte Moral die Männer ‚vom Schnaps und von den Huren‘ abgehalten würden, taugen wenig; vermögen sie doch nicht zu begründen, warum das bei den Männern auch klappt. Anstatt nur nach externen Gründen für den Erfolg der charismatischen und pentekostalen Bewegungen zu suchen, sollte man anerkennen, dass Menschen in diesen Gemeinden eine Lebendigkeit erleben, die sie bei den etablierten Kirchen vermissen, und dass sie hier einen Raum ganzheitlichen Heils finden, in dem – so wird von ihnen selbst immer wieder gesagt – sich ihr Leben zum Besseren verändert hat, weil bei ihnen der Geist im Zentrum steht 7  Interessanterweise kann die Veräußerlichung der Spiritualität in Gestalt des Wohlstandsevangeliums dazu führen, dass auch einer charismatischen Gemeinschaft der Geist wieder fremder wird. Gerade die Universalkirche mit ihrem Tauschgedanken hat vieles von dem preisgegeben, was sie als ursprünglich aus methodistischer Tradition stammende Bewegung ausgezeichnet hat, und nimmt stattdessen immer mehr auf alttestamentliche Traditionen Bezug. So heißt ihr neues Zentrum in São Paulo „Templo de Salomão“ und ist als Nachahmung des Jerusalemer Tempels mit einer Replik der Bundeslade ausgestattet. Dagegen treten der Geist und seine Gaben zurück; offensichtlich kann man mit ihm nicht so gut die „Vertragslogik“ verfolgen (Hinweis E. Sobottka).

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I.  Der Geist und die Geister: Prolog

als ein lebendiges, teilweise überwältigendes Erleben des Heiligen, welches die oft in bedrückenden äußeren Situationen lebenden Menschen über sich hinausführt und ihrem Leben neuen Sinn und Halt gibt. Zudem spielt seit dem Ursprung der Pfingstbewegung vor über 100 Jahren8 der Geist als eine dynamische Energie, die immer wieder die ethnischen und gesellschaftlichen Schranken durchbricht, eine nicht zu unterschätzende Rolle. Dazu gehört auch die Emanzipation indigener Kirchen von den main‑ line churches der ehemaligen Kolonialherren, oft verbunden mit der Übernahme traditioneller Einstellungen und Bräuche, etwa im Ethiopianism und in den African Independent Churches. Trotz allem, was wir aus unserer Perspektive als manipulative Fremdbestimmung wahrnehmen, werden charismatische Bewegungen in vielen Ländern des Globalen Südens als befreiend erfahren, weil sie bisher Abhängige zu eigenständigen Subjekten bei der Interpretation der biblischen Schriften und ihrer eigenen Wirklichkeit machen. Das kann dann auch spirituelle Ermächtigungen nach sich ziehen, wie sie dem Neuen Testament noch ganz selbstverständlich waren, uns aber fremd geworden sind, etwa Geistheilung oder Glossolalie. Unsere jüngste Tochter, die zweimal in den Favelas Süd- und Nordbrasiliens Sozialarbeit geleistet hat, hat in der traditionellen und größten pentekostalen Kirche Brasiliens, der Assem‑ bleia de Deus, am eigenen Leib die Heilung von einem körperlichen Leiden durch Gebet erlebt, und als ich die europäische Zentrale der Pfingstbewegung in der Nähe von Brüssel evaluiert habe, stand da im Lehrplan wie 8  Als Gründungsdatum gilt das Azusa Street Revival in Los Angeles im Jahr 1906.



1.  Das Christentum als Religion des Geistes

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selbstverständlich als ein Unterrichtsfach spiritual heal‑ ing, Geistheilung. Selbst habe ich bei meinem Gemeindepraktikum bei einem charismatisch geprägten Pfarrer in einem dramatischen Seelsorgefall mit Glossolalie eine Erfahrung gemacht, der ich bei aller persönlichen Distanz einen erstaunlichen Erfolg nicht absprechen kann, und bei einem Seminar mit Studierenden der Intercul­ tural Theology, dessen Teilnehmer vor allem aus Asien und Afrika kamen, war es für mich überraschend, wie selbstverständlich auch für Katholiken, Reformierte und Lutheraner Charismen wie Geistheilung, Glossolalie und Prophetie Bestandteil ihrer Glaubenspraxis waren. Wie gesagt: Man kann gegen vieles, was einem in diesem Zusammenhang begegnet, mit guten Gründen Einwände erheben; denn die Ambivalenz all dessen, was mit dem Geist zu tun hat, ist an allen Ecken und Enden mit Händen zu greifen. Aber das ist kein Gegenargument, war es doch schon immer so, wie bereits in den neutestamentlichen Schriften vielfältig bezeugt wird: So geht in den Evangelien der vom Heiligen Geist erfüllte Jesus gegen unreine Geister vor. Paulus, der es vor allem in Korinth mit sehr lebendigen Geisterfahrungen zu tun hat, betont immer wieder, dass dem „Geist aus Gott“ ein „Geist der Welt“ entgegensteht (1 Kor 2,12) und dem „Geist der Adoption zu Kindern“ ein „Geist der Knechtschaft, der zur Furcht führt“ (Röm 8,15). Durch falsche Lehrer können die Glaubenden einen „anderen Geist“ empfangen (2 Kor 11,4), und ein Schüler des Apostels spricht von dem Geist, der jetzt in den „Söhnen des Ungehorsams“ wirksam ist (Eph 2,2), und vom „Schwert des Geistes“, mit dem der Christ gegen die „Geister der Bosheit“ kämpft (Eph  6,12.17). Deshalb gehört nicht nur für den Apostel zum Phänomen des Geistes auch die Unterscheidung

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I.  Der Geist und die Geister: Prolog

der Geister (1 Kor 12,10). Auch der 1. Johannesbrief fordert nachdrücklich, nicht jedem Geist zu glauben, sondern die Geister zu prüfen, ob sie wirklich aus Gott sind (1  Joh 4,1); es gibt eben auch den Geist des Antichrists (1 Joh 4,3), weshalb es Aufgabe der Christen ist, zwischen dem Geist der Wahrheit und dem des Irrtums zu unterscheiden (1 Joh 4,6). Bei aller berechtigten Kritik an dem vielfältigen Missbrauch des Geistphänomens sollte man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Zwar können die charismatischen Bewegungen nicht einfach als ‚Urchristentum reloaded‘ gelten, auch wenn sie diesen Anspruch gerne erheben, aber sie haben doch auf mancherlei Weise Anhalt an den Zeugnissen des Neuen Testaments, in dem das Christentum nicht nur mit der Ausgießung des Geistes beginnt (Apg 2), sondern auch nachhaltig vom Geist und von seinen Gaben geprägt bleibt (vgl. 1 Kor 12). Die westlichen Kirchen, in welchen der Geist oft auf ein Appendix von Christologie und Gnadenlehre reduziert wird und sein ekstatischer und Wunder wirkender Charakter weitgehend ausgeblendet bleibt, sollten sich hier einer epistemischen Demut befleißigen, zumal es auch in ihrem Bereich unter dem Stichwort Spiritualität9 zu Neuaufbrüchen kommt, die ihre Erfüllung nicht selten am Rande oder außerhalb des Christentums suchen. Angesichts solcher Herausforderungen wollen die folgenden Ausführungen die Bedeutung des göttlichen Geistes im biblischen wie im außerbiblischen Bereich in Erinnerung rufen und die Vielfalt seiner Erscheinungen und Wirkweisen nachzeichnen. Wie kaum anders zu erwar9 Der Begriff ist von spiritus, dem lateinischen Wort für den Geist, abgeleitet.



2.  Jesus als Charismatiker

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ten, weist eine solche ‚Phänomenologie des Geistes‘ eine große, bisweilen auch verwirrende Mannigfaltigkeit auf. Das Folgende will diese Vielfalt religionsgeschichtlich und theologisch systematisieren, ohne zu vergessen, dass der Geist, der „weht, wo er will“ (Joh 3,8), nicht in Begriffen ‚dingfest‘ gemacht werden kann.

2.  Jesus als Charismatiker Ausgangspunkt sind Erinnerungen an Jesus von Nazareth. Die Tatsachen, dass 1. der Geist in den meisten neutestamentlichen Schriften eine wichtige Rolle spielt, dass 2. dementsprechend das Christentum mehr als die verwandten Religionen Judentum und Islam eine Religion des Geistes geworden ist und dass sich 3. der Verbindung mit Jesus zentrale Impulse für das christliche Verständnis des Geistes verdanken, sind schwer erklärlich ohne Anhalt an Jesu Person, zumal 4. gegen eine weitgehende Ableitung der neutestamentlichen Pneumatologie aus hellenistischer Tradition10 die folgende Untersuchung zeigt, wie elementar diese trotz Hellenisierung in alttestament10  Beispielhaft dafür ist die Studie von H. Leisegang: Pneuma Hagion. Der Ursprung des Geistbegriffs der synoptischen Evangelien aus der griechischen Mystik, Leipzig 1922 (reprographischer Nachdruck Hildesheim 1970), 5. Leisegang schließt etwa aus Apg 19,1–6, wo Johannesjünger sagen, dass sie nichts vom Geist wüssten, dass der Täufer nie vom Heiligen Geist gesprochen habe. Dabei wird aber nicht nur die Historizität der Szene vorausgesetzt, sondern auch nicht gefragt, inwieweit dieser Text gerade die Täuferankündigung in typisch lukanischer Weise polemisch fortschreibt, insofern nur Lukas diese auf die christliche Taufe bezieht (Apg 1,5; 11,16) und darin den Unterschied der christlichen Gemeinde zu den Täuferjüngern sieht.

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I.  Der Geist und die Geister: Prolog

licher und frühjüdischer Tradition wurzelt. Die Bedeutung des Geistes für Jesus erschließt sich allerdings erst auf den zweiten Blick, denn direkt wird in den Evangelien nach den Vorgeschichten eher sporadisch auf ihn verwiesen. Aber bei genauerem Zusehen bezeugen eine Reihe von Erzählungen und Notizen die Bedeutung des Geistes für das erinnerte Jesusbild. Besonders aufschlussreich ist die sogenannte Beelzebulperikope (Mk 3,22–30 parr. Mt 12,24–32; Lk 11,14– 20), in der Jesus von Schriftgelehrten vorgeworfen wird, dass hinter seinen Exorzismen11 nicht Gottes Geist stehe, sondern vielmehr dessen Gegenspieler, der „Fürst der Dämonen“ (Mk 3,22), der im Folgenden mit Satan identifiziert wird (Mk 3,23.26). Jesus „hat einen unreinen Geist“ – so die abschließende Zusammenfassung der Vorwürfe in Mk 3,30. Der Vorwurf bezeugt, dass Jesus auch von seinen Gegnern als jemand wahrgenommen wurde, der von einer übermenschlichen Geistesmacht zu außerordentlichen Taten ermächtigt wurde. Sie zeigt aber auch, dass spirituelle Ermächtigung an sich noch durchaus ambivalent beurteilt werden kann: Es sind immerhin die mit der biblischen Schrift vertrauten religiösen Autoritäten, die hier nicht Gott am Werk sehen, sondern dessen Widersacher. Jesus hält ihnen zunächst entgegen, dass ihr Vorwurf der Logik entbehre, weil ein die eigenen Handlanger bekämpfender Satan seine eigene Herrschaft zerstören würde (Mk 3,24–26). Daraus zieht er die positive Folgerung, dass seine Exorzismen bestätigten, dass „der Starke“ schon gebunden sei (Mk 3,27), Gott also durch 11  Jesu Exorzismen gehören zu den bestbezeugten Zügen seines Auftretens. Von ihnen berichtet nicht nur das Markusevangelium immer wieder (Mk 1,21–28.34; 3,11–12.15; 5,11–20; 6,7), sondern auch die Redequelle (vgl. Mt 12,28 par. Lk 11,20).



2.  Jesus als Charismatiker

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ihn seine Herrschaft aufrichte.12 In Mt 12,28 wird dieser Zusammenhang von Geistbesitz, Exorzismus und der Aufrichtung von Gottes Herrschaft mit einem von Matthäus an die Beelzebulperikope angehängten Logion aus der Wortüberlieferung noch einmal explizit auf den Begriff gebracht: „Wenn ich im Geist Gottes die Dämonen austreibe, ist das Reich Gottes bereits bei euch erschienen.“ Der Argumentation liegt die strikte Unterscheidung von göttlicher und teuflischer Macht zugrunde: Während „der Starke“ Menschen versklavt, bindet Jesus diesen und ‚raubt‘ seine Habe (= die von ihm gefangenen Menschen). Wer solches als satanische Besessenheit diskreditiert, widersetzt sich Gott und betreibt selbst das Geschäft des Bösen. Deshalb schleudert Jesus seinen Widersachern zuletzt das berüchtigte Drohwort von der unvergebbaren Sünde wider den Heiligen Geist entgegen (Mk 3,28–29 par. Mt 12,31), das eine Doublette in der Wortüberlieferung hat (Mt 12,32 par. Lk 12,10), also doppelt bezeugt ist.13 12  Vgl. J. D. G. Dunn: Spirit and Kingdom. In: Expository Times 82 (1970), 36–40; neu aufgelegt in: Ders.: The Christ and the Spirit. Volume 2. Pneumatology, Edinburgh 1998, 133–141. Diese Rückbindung von Jesu exorzistischem Wirken an den Anbruch der Gottesherrschaft wird auch in anderen Texten bestätigt. So kommentiert das aus dem lukanischen Sondergut stammende Wort vom Satanssturz die Exorzismen der mit Jesu Vollmacht ausgesandten Jünger als Entmachtung der widergöttlichen Macht (Lk 10,17–20). 13  Jesu Aussage ist also theologisch begründet. Dass sie „zweifellos die Vorstellung des erloschenen Geistes zur Voraussetzung“ habe (F. W. Horn: Das Angeld des Geistes. Studien zur paulinischen Pneumatologie, Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 154, Göttingen 1992, 31), vermag ich nicht zu erkennen. Das ‚Dogma des erloschenen Geistes‘ findet sich erst in nachneutestamentlichen Zeugnissen und dürfte eine Reaktion auf die Tempelzerstörung und deren Folgen sein, als die autoritative

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I.  Der Geist und die Geister: Prolog

Indem Jesus den Widerstand gegen sich als Widerstand gegen den Heiligen Geist qualifiziert, beansprucht er zugleich, dass seine eigene Macht auf den Heiligen Geist zurückgeht. Man geht vermutlich nicht fehl, wenn man dieses Selbstverständnis in einen Zusammenhang mit der Ankündigung des Täufers bringt, dass der nach ihm Kommende nicht mehr wie er selbst mit Wasser, sondern „mit heiligem Geist“ (Mk 1,8) bzw. „mit Geist und Feuer“ taufen werde (Mt 3,11 par. Lk 3,16).14 Auch dieses Wort ist durch Markus und die Wortüberlieferung doppelt bezeugt, und gegen seine sekundäre Bildung spricht auch die Tatsache, dass die synoptischen Evangelien nichts von einer Tauftätigkeit Jesu wissen.15 Dass das Wort gleichwohl tradiert wurde, um das Spezifikum des Auftretens Jesu zu charakterisieren, macht es wahrscheinlich, dass bereits der historische Jesus die Ankündigung des Johannes auf sich bezogen hat.16 Dabei betrifft die RückAuslegung der Tora jeder charismatisch begründeten Autorität entgegengesetzt wird (vgl. die Zurückweisung von Elieser ben Hyrkanos trotz seiner Wunder). Die aus früherer Zeit angeführten Zeugnisse sprechen nur davon, dass es keine Prophetie mehr gibt. Das ist aber nicht das Gleiche, wie unten in den Kapiteln II und IV zu sehen sein wird, zumal es, wie Johannes der Täufer und andere belegen, zur Zeit des Neuen Testaments durchaus noch prophetische Gestalten gab. 14  Es ist dies „das erste Mal, daß von einer messianischen Figur gesagt wird, daß sie göttliches πνεῦμα austeile“ (J. D. G. Dunn: Art. Geist/​Heiliger Geist III. Neues Testament. In: RGG4 3 [2000], 565– 567, 565). 15  Erst Lukas versucht diese Ankündigung auf Pfingsten zu deuten und bezeugt damit die Schwierigkeiten, welche das frühe Christentum mit diesem Wort hatte. Nach Joh 3,22 tauft Jesus (vgl. aber Joh 4,2). 16  Das hat Dunn ausführlich begründet (J. D. G. Dunn: Christianity in the Making. Volume 1. Jesus Remembered, Grand Rapids/​



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bindung Jesu an den Geist nicht nur seine Exorzismen. In den wohl authentischen Seligpreisungen Lk 6,20–21 wie in seiner Antwort an den Täufer (Lk 7,18–23 par. Mt 11,2–6) nimmt Jesus auf Jes 61,1–3 Bezug, wo sich der Prophet als von Gottes Geist Gesalbten bezeichnet,17 und Theißen/​Merz ordnen Jesus dem Typus des charismatischen Wundertäters zu.18 Auch die Berufung von Frauen in seine Nachfolge „weist mit Sicherheit auf den charismatisch-pneumatischen Charakter der Bewegung“19 hin, und man kann wohl den sein gesamtes Auftreten bestimmenden Anspruch Jesu, dass in seinen Taten und Worten Gott selbst handelt, nur aus dem Bewusstsein einer charismatischen Gottunmittelbarkeit erklären, die auch die prophetischen Züge seines Auftretens begreiflich macht. In diesem Sinne fasst James Dunn die Erinnerungen der Jünger dahin gehend zusammen, dass „their own impression of Jesus as Spirit-inspired and God’s intimate would be part of the impact he made on them“,20 und Friedrich Büchsel hat in Abgrenzung von Hans Leisegang Jesus als „vom Geist [g]etriebene[n]“ jüdischen Charismatiker charakterisiert.21 Cambridge 2003, 804: „More likely, Jesus was remembered as taking up and echoing [deliberately] the Baptist’s metaphor“). 17  Der lukanische Jesus bezieht dieses Wort in seiner Antrittspredigt denn auch explizit auf sich (Lk 4,16–21). 18 G. Theiẞen/​A .  Merz: Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, Göttingen 19972, 279. 19 K. Berger: Art. Geist/​Heiliger Geist/​Geistesgaben III. Neues Testament. In: TRE XII (1984), 178–196, 181. 20  Dunn: Jesus Remembered, 376. 21 F. Büchsel: Der Geist Gottes im Neuen Testament, Gütersloh 1926, 149; vgl. auch sein Resümee a. a. O., 223: „Seine gesamte Lebenshaltung, nicht nur seine Wunder, zeigen das Pneumatische an ihm, das Hineinragen des Übernatürlichen, Jenseitigen, in die Welt

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I.  Der Geist und die Geister: Prolog

Den Zusammenhang von Jesu Selbstverständnis mit seiner Geistbegabung betonen auch die frühchristlichen Zeugnisse. Bereits das älteste Evangelium macht die Verbundenheit mit dem Geist zum Vorzeichen seines gesamten Lebens, indem es in seinem Prolog Mk 1,1–13 in gleich drei programmatischen Szenen den Heiligen Geist ins Zentrum stellt, und vor allem das Lukas- und das Jo‑ hannesevangelium führen das noch weiter aus. Zwar bedienen sich Erzählungen wie die von der Geburt durch eine Jungfrau, von einem zerreißenden Himmel und einem versuchenden Teufel mythischer Motive und können kaum beanspruchen, historische Berichte zu sein, aber sie bezeugen den impact der Geistbegabung auf das erinnerte Jesusbild. Die im Neuen Testament verbreitete mythische Rede will ja keine Märchen erzählen, sondern die Erinnerungen an Jesus mithilfe von Mythemen22 verdichten und auf die hinter ihnen stehende göttliche Wirksamkeit hin transparent machen, häufig in Rückbindung an das Alte Testament. So signalisiert die Taufszene durch Anspielung auf Jes 63,19, dass Jesus als jemand erfahren wurde, in dessen Auftreten die Trennwand zwischen Himmel und Erde durchbrochen war, weil der verborgene Gott durch den in ihm und durch ihn wirkenden des Natürlichen, Diesseitigen“. So auch G. Vermes: Christian Beginnings. From Nazareth to Nicaea, AD 30–325, London 2012; deutsch: Vom Jesus der Geschichte zum Christus des Dogmas. Aus dem Englischen von Claus-Jürgen Thornton, Berlin 2016. 22  Der Begriff ‚Mythem‘ wird in Anlehnung an C. Lévi-Strauss: Die Struktur der Mythen. In: Ders.: Strukturale Anthropologie 1. Aus dem Französischen von Hans Naumann, Frankfurt am Main 1967, 226–254, 231, in der von Horst Turk modifizierten Weise verwendet: „Mytheme: selbstständige, kleinste Ereignis-, Erzähl- oder Handlungseinheiten“ (H. Turk: Philologische Grenzgänge. Zum Cultural Turn in der Literatur, Würzburg 2003, 336).



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Geist gegenwärtig wurde. Konsequenterweise fasst dann der lukanische Petrus in der Apostelgeschichte das ganze Leben Jesu mit den Worten zusammen, dass er als der, den Gott „mit Heiligem Geist und Kraft getauft hat“, umherzog „und alle heilte, die vom Satan unterdrückt waren, denn“  – so die Schlussfolgerung  – „Gott war mit ihm“ (Apg 10,38).23 Zugleich macht die auf die Taufe folgende Versuchung deutlich, dass Geistbesitz kein privates Privileg ist. Vielmehr zwingt Gottes Geist Jesus sofort in die Konfrontation mit der widergöttlichen Macht. Die vom Geist bestimmte Gottessohnschaft impliziert den Auftrag, die ihrem Schöpfer entfremdete Welt wieder Gottes Herrschaft zu unterstellen. Damit aber wird der Geistträger zum Außenseiter. Das zeigte neben der Beelzebulperikope auch die im Zusammenhang damit überlieferte Notiz, dass die Mitglieder von Jesu Familie ihn ergreifen wollten, weil sie überzeugt waren, er sei „von Sinnen“ (Mk 3,21).24 Solch elementares Befremden über Jesus konnte sich bemerkenswert häufig auch zu Furcht und Schrecken stei23  In diesem Sinne kann es als adäquate Zusammenfassung der pneumatischen Christologie vor allem des Lukas gelten, wenn Basilius von Caesarea in seiner Schrift Über den Heiligen Geist resümiert: „Christi Gegenwart im Fleische, sie ist nicht zu trennen vom Geiste. Die Kraftwirkungen und Heilgaben wurden vom Heiligen Geist gewirkt. Die Dämonen wurden im Geist Gottes vertrieben. Der Teufel wurde unter Mithilfe des Geistes zunichte gemacht“ (Basilius von Cäsarea: De Spiritu Sancto. Über den Heiligen Geist. Übersetzt und eingeleitet von Hermann Josef Sieben SJ, Fontes Christiani 12, Freiburg im Breisgau u. a. 1993, 221.223). 24  Bezeichnenderweise wurde diese Szene von den synoptischen Seitenreferenten getilgt, weil sie offenbar als zu anstößig empfunden wurde, was es unwahrscheinlich macht, dass es sich um eine Gemeindebildung handelt.

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I.  Der Geist und die Geister: Prolog

gern,25 nicht nur bei Außenstehenden, sondern auch bei den eigenen Jüngern.26 Dieses Theophaniemotiv zeigt an, dass Menschen bei der Begegnung mit Jesus eine Tran­ szendenzerfahrung gemacht haben, die entweder als Gottesbegegnung bejaht wurde oder als Manifestation des Widergöttlichen entschiedenen Widerstand hervorrief.27 Insofern verdankt sich wohl nicht nur Jesu vollmächtiges Wirken seiner Geistbegabung, sondern auch das ebenfalls erstaunlich häufig berichtete und zuletzt erfolgreiche Bemühen, ihn zu töten.28

25  Vgl. Mk 1,22.27; 2,12; 5,15.42; vgl. ferner Mk 5,33 (mit den entsprechenden Parallelen bei den synoptischen Seitenreferenten). In diesen Zusammenhang gehören wohl auch Notizen wie die, dass die Leute Jesus bitten, sie zu verlassen (vgl. Mk 5,17). 26  Vgl. Mk 4,41; 6,50–51; 9,6; vgl. ferner Mk 10,32 samt Parallelen. Ein eindrückliches Beispiel aus dem lukanischen Sondergut ist Lk 5,8–10. 27  Entsprechend sagt der lukanische Jesus in demselben Redezusammenhang, in dem auch die Beelzebulperikope steht, dass er nicht gekommen sei, Frieden zu bringen, sondern Entzweiung (Lk 12,51). 28  Es sind dies seine Mitbürger (vgl. Lk 4,28–29), die Pharisäer und Herodianer (vgl. Mk 3,6; vgl. ferner Mt 12,14; Lk 6,11), Herodes Antipas (vgl. Lk 13,31–33), zuletzt die Vertreter des Synhedriums (vgl. Mk 11,18 par. Lk 19,47; Mk 12,12 parr. Mt 21,46; Lk 20,19; Mk 14,1–2 parr. Mt 26,3–5; Lk 22,1–2; Joh 11,53) oder einfach „die Juden“ (Joh 5,18; 7,1.19.25; 8,37.40.59; 10,31). Was immer bei den einzelnen Perikopen historisch sein mag  – in jedem Fall spiegelt sich in der bemerkenswerten Häufigkeit dieser Notizen die offenbar nachhaltige Erinnerung daran, dass Jesu Auftreten nicht nur Dankbarkeit und Glauben, sondern auch erbitterten Widerstand und tödliche Feindschaft hervorgerufen hat.



3.  Der Geist und die Tria Corda

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3.  Der Geist und die Tria Corda Die vorgestellten Texte lassen wenig Zweifel daran, dass Jesus als eine von Gottes Geist bestimmte Gestalt erlebt und erinnert wurde. Diese enge Verbindung des göttlichen Geistes mit Jesus hat bereits im Neuen Testament zur zunehmenden Personifizierung des Geistes geführt, die schließlich die Alte Kirche in ihm die dritte Person der Trinität sehen ließ. Insofern hat die wohl bereits beim historischen Jesus grundgelegte Bedeutung des Geistes die Theologie des Frühchristentums nachhaltig geprägt. In der späteren Geschichte der Kirche konnte der Geist dann je und je in den Hintergrund treten, aber bezeichnenderweise führte dieses Erbe immer wieder zu Neuaufbrüchen, bei denen die Erfahrungen des Geistes kritisch gegenüber den etablierten Kirchen und ihren Machtansprüchen zur Geltung gebracht wurden – in der Neuzeit von den sogenannten Schwärmern der Reformationszeit über die Quäker und den Pietismus bis zum Methodismus und zur Neuapostolischen Kirche. Dass solches auch in unseren Tagen und rund um den Globus geschieht, haben die eingangs angeführten Beispiele der charismatischen und pentekostalen Bewegungen mit hinreichender Deutlichkeit erwiesen. Im Folgenden werden deshalb die wichtigsten neutestamentlichen Aussagen zum Geist vorgestellt, und zwar im Blick auf das Verständnis Jesu anhand des ältesten Evangeliums, im Blick auf das Leben der Christgläubigen anhand der Paulusbriefe, im Blick auf die Konzeption einer Heilsgeschichte anhand des lukanischen Doppelwerks und im Blick auf die Vergegenwärtigung des Erhöhten anhand des Johannesevangeliums. Um diese Entfaltungen und Ausdifferenzierungen des Geistverständnisses genauer zu verstehen, genügt es aller-

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dings nicht, nur auf die Gestalt Jesu und deren Deutung in den ihn bezeugenden neutestamentlichen Schriften zu sehen. Jesus von Nazareth und seine Zeugen stehen in einer Entwicklungslinie, die im Alten Testament auf eine zunächst einigermaßen ungeistlich anmutende Weise beginnt, in exilisch-nachexilischer Zeit an Tiefe und Bedeutung gewinnt und in neutestamentlicher Zeit sowohl im palästinischen wie im hellenistischen Judentum zu einer breiten Entfaltung der Pneumatologie führt. Dieses „zweite Herz“ der Tria Corda wird aber seinerseits nur unzureichend verstanden, wenn man es nicht im Kontext der antiken Religions- und Geistesgeschichte betrachtet. In diesem „dritten Herz“ spielen auch religiöse Phänomene im engeren Sinne eine Rolle, wie der Verweis des Paulus in 1 Kor 12,2 auf ekstatische Erfahrungen, welche die Korinther vor ihrer Bekehrung gemacht haben, andeutet. Auch wenn Paulus diese auf εἴδωλα, auf ‚Götzen‘, zurückführt, müssen die Phänomene doch so weit vergleichbar gewesen sein, dass der Apostel im Kontext seiner Ausführungen zu den Geistesgaben darauf rekurrieren kann. Worum es sich genau dabei handelte, wissen wir nicht. Man könnte an Platons Ausführungen im Ion denken, wo er die Rhapsoden als „Begeisterte und Besessene“ mit Bakchen vergleicht, weil ihnen der Gott die Vernunft genommen und sie dadurch zu seinen Dienern gemacht hat (Pl. Ion. 533d–535a), oder an den Sokrates des Phai‑ dros, der den durch göttliche Gunst verliehenen Wahnsinn preist, dem sich die Kunst der Wahrsagung, Heilung und Dichtung verdankt (Pl. Phaedr. 244a–245b). Livius berichtet von einem Seher, der, von den zornigen Göttern „durch einen göttlichen Geist getrieben“ (divino spiritu in‑ stinctus), den Untergang seiner Heimatstadt verkündigen musste (Liv. a. u. c. V,15,10), und diese Notiz, wie immer



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ihr Geschichtswert zu beurteilen ist, bezeugt ebenso wie Plutarchs Erklärung des Delphischen Orakels als Eindringen eines mantischen Pneuma (siehe unten Kap. III.2.2), dass in neutestamentlicher Zeit ekstatische Phänomene auf das Wirken eines göttlichen Geistes zurückgeführt werden konnten. Aelius Aristides hat derartige ekstatische Erfahrungen nach eigenen Angaben selbst gemacht.29 Wichtiger für die Theologie und Hermeneutik des antiken Judentums und des Frühchristentums sind jedoch die Philosophien der Stoa und des Mittelplatonismus, in denen der Geist die wirkmächtige Gegenwart des Göttlichen in der Welt verkörpern kann. Wenn dabei so unterschiedliche Autoren wie Cicero, Pseudo-Platon, der jüngere Seneca und Plutarch von einem göttlichen oder heiligen Geist sprechen können, der im Menschen vorhanden ist, zugleich aber eine höhere Macht repräsentiert, die dessen sterbliche Natur übersteigt und ihn am Göttlichen teilhaben lässt, dann zeigt das, dass es sich beim „Geist“ um ein über den Einflussbereich von Judentum und Christentum hinaus verbreitetes religiöses Phänomen handelt, das in seiner philosophisch reflektierten Form Juden und Christen eine Kategorie zur Verfügung gestellt hat, mit deren Hilfe sie in Anknüpfung und Abgrenzung ihre eigenen Traditionen und Erfahrungen in ein neues Sprachspiel zu übersetzen und sie so anderen und sich selbst besser verständlich zu machen vermochten. Allerdings sind, wie schon gesagt, die Belege zusammengenommen viel zu spärlich und unterschiedlich, um die Bedeutung des Geistes im Neuen Testament aus der „hellenistisch-religiösen Spekulation“ abzuleiten.30 29 Aristid. Or. XLVIII,21 ff. Keil II (= XXIV,471 Dindorf I). 30  Leisegang: Pneuma Hagion, 120.

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I.  Der Geist und die Geister: Prolog

4.  Zwischen Begabung und Begegnung, Materialität und Personalität: Phänomenologie des Geistes Ehe das in den folgenden Kapiteln näher ausgeführt wird, seien einige grundsätzliche Bemerkungen zum Verständnis des Geistes vorausgeschickt. Dazu zunächst eine philologische Klärung: Wenn bislang einfach von „Geist“ die Rede war, so kann dieses Wort im Deutschen so manches bedeuten  – vom Weingeist bis zum Weltgeist, vom Esprit bis zum Schlossgespenst. Dagegen ist die antike Begrifflichkeit präziser: Bei der biblischen Rede vom Geist Gottes bzw. vom Heiligen Geist wird sowohl beim hebräischen Begriff rûaḥ wie bei dessen griechischem Äquivalent πνεῦμα bzw. dem lateinischen spiritus ein Wort verwendet, das ursprünglich die Bedeutung „Hauch, Wind, Atem“ hat. Damit bezeichnet das von πνέω „wehen, atmen“ abgeleitete Verbalsubstantiv πνεῦμα im Unterschied zu dem anderen wichtigen Äquivalent für das deutsche Wort „Geist“, dem griechischen νοῦς/διάνοια (lateinisch mens bzw. ratio), nicht primär Denkvermögen und Vernunft, also den Geist als Inbegriff von Rationalität, sondern die Bewegung, die Einwirkung auf anderes. Insofern der Atem und die damit verbundene Lebensenergie den Lebenden von der Leiche unterscheidet,31 wird πνεῦμα auch in der medizinischen Fachliteratur der Antike verwendet und bezeichnet dann übertragen die Lebensenergie.32 Von dieser Dynamik abgeleitet kann πνεῦμα dann auch für das Ereignis gegenseitiger 31 Vgl. H. Crouzel: Art. Geist (Heiliger Geist). In: RAC IX (1976), 490–545, 497–498. 32  Das πνεῦμα bezeichnet im Unterschied zur Luft als Element (ἀήρ) die bewegte Luft und hier wieder im Besonderen die Luft als Atemhauch des Lebewesens und damit überhaupt Lebendigkeit.



4.  Phänomenologie des Geistes

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Interaktion und eine dadurch konstituierte Wirklichkeit stehen. Analog können wir auch im Deutschen vom ‚Zeitgeist‘ sprechen oder vom ‚Ungeist‘ einer Epoche;33 wir können im Blick auf die Atmosphäre in einer Gruppe sagen, dass in ihr ‚ein guter Geist herrscht‘ oder – noch näher an der unmittelbaren Bedeutung von πνεῦμα – eine stattgefundene Veränderung damit beschreiben, dass sich ‚der Wind gedreht hat‘ bzw. dass jetzt ‚ein anderer Wind weht‘. Ein solches Geistverständnis kann ein ekstatisches Moment einschließen, das sich im Wort ‚Be-Geisterung‘ niedergeschlagen hat.34 Im Deutschen bringen wir diesen Doppelaspekt des Wortes ‚Geist‘ mit der Unterscheidung der Adjektive ‚geistlich‘ und ‚geistig‘ zum Ausdruck. Holzschnittartig zusammengefasst: Der νοῦς denkt, das πνεῦμα wirkt. Der νοῦς ist eine aktive Kraft, die dem Menschen zu eigen ist, während mit dem πνεῦμα mehr die Einwirkung eines Gegenübers verbunden ist. Durch seinen νοῦς, sein Denken, begreift der Mensch anderes und eignet es sich an, durch das πνεῦμα wird er von anderem ergriffen. Letzteres spielt dann auch in der religiösen Sphäre eine zentrale Rolle. Gerade weil der Mensch durch den Geist die Grenzen seines Ichs übersteigt, um außer sich wieder zu sich zu kommen, hat das πνεῦμα eine besondere Affinität zum Bereich des Religiösen. Die mit 33  Damit kennzeichnen wir im Allgemeinen eine Macht- und Einflusssphäre, die aus dem Austausch von Individuen entstanden ist, sich dann aber diesen gegenüber als eine eigene Größe verselbstständigt hat und als Machtphänomen wieder auf die Einzelnen zurückwirkt und ihr Denken und Handeln bestimmt. 34 So lässt sich nachvollziehen, warum das Grimm’sche Wörterbuch das deutsche Wort Geist mit dem altnordischen geisa „rauschend, brausend ausbrechen“ in Beziehung setzt (DWb 5, 2624– 2625); etymologisch wäre der Geist damit eher mit dem Geysir oder der Gischt verwandt denn mit der Ratio (Hinweis Fritz Heinrich).

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I.  Der Geist und die Geister: Prolog

‚Geist‘ bezeichnete Fähigkeit des Menschen, das eigene Selbst auf ein anderes hin zu transzendieren, um im Gegenüber neu zu sich selbst zu kommen, ist wohl die anthropologische Bedingung dafür, dass der Mensch im Gegensatz zum Tier für so etwas wie Transzendenz empfänglich ist. Das kann sich dann sehr unterschiedlich konkretisieren. Im Folgenden werden Texte vorgestellt, in denen der Geist über einen Menschen kommt bzw. als eine fremde Macht in ihn eindringt und sich seiner bemächtigt, aber auch solche, in denen er ein Bestandteil der menschlichen Natur ist, ja geradezu das Wesen des Menschen definiert. Ersteres ist im biblischen Schrifttum häufiger, wie schon bei Jesus zu sehen war, Letzteres in der paganen Tradition. Aber die Grenze verläuft nicht immer ganz eindeutig: Wie im paganen Bereich etwa beim Orakel in Delphi ein Pneuma in die Pythia eindringt und sich so durch sie der Gott äußert, so kann im biblischen Kontext der Geist so etwas wie das ‚Gottesorgan‘ des Menschen bezeichnen, wenn etwa Paulus in Röm 8,16 sagt, dass Gottes Geist unserem Geist Zeugnis gibt, oder in 1 Kor 14,14, dass „mein Geist“ in Zungen betet. Konstituiert der νοῦς den Menschen als animal rationale, als Vernunftwesen, so stellt das πνεῦμα den Einfluss des Göttlichen auf das menschliche Selbst dar.35 35  In seinem πνεῦμα-Artikel im Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament bestimmte Hermann Kleinknecht den Unterschied folgendermaßen: „Sie unterscheiden sich wie das unbewegte, ruhigklare Medium des Lichts, das für das reine u. distanzierte Schauen des Auges die Dinge in ihrem Stillestehen ganz das sein läßt, was sie in Wahrheit sind, sich von der so viel stofflicheren Kraft des Luftzuges unterscheidet, der seiner Natur nach sei es den Betrachter, sei es den Gegenstand mit elementarer Macht erfüllt, durchdringt, ergreift, umfängt, in eine Spannung oder Bewegung mit hinein-



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Die Besonderheit der biblischen Rede vom Geist hat in der Hauptsache damit zu tun, dass das πνεῦμα mit einem personal geglaubten Gott verbunden ist. Daher wird in der Bibel nirgends von einem „göttlichen Geist“ gesprochen, sondern vom Geist Gottes oder vom Geist des Herrn, dem sich im Neuen Testament noch der Geist Jesu bzw. Christi beigesellen kann. Auch die sich erst allmählich durchsetzende Rede vom „Heiligen Geist“ drückt dessen Zugehörigkeit zu Gottes Bereich aus: An den beiden einzigen Stellen, in denen das Alte Testament vom Heiligen Geist spricht, ist dieser mit einem auf Gott bezogenen Possessivpronomen verbunden.36 Durch den Heiligen Geist kommt der Herr des Himmels und der Erde Menschen nahe, wirkt er in ihnen, bindet er sich an sie und sie an sich.37 Geradezu programmatisch wird das bei der Erzählung von Jesu Taufe deutlich, wo das Herabkommen des Geistes durch eine Liebeserklärung Gottes kommentiert wird: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden“ (Mk 1,11). Dabei hebt der Geist die grundsätzliche Unterschiedenheit beider nicht auf: Der Vater bleibt der „eine Gott“ und der Sohn bleibt Mensch (Mk 10,18). Zugleich aber verbindet sich der Gott Israels durch den Geist aufs Engste mit diesem Zimmermann aus Nazareth und konstituiert so dessen Sein neu: Von nun an tritt Jesus in Vollmacht als der Menreißt […]“ (H. Kleinknecht: Art. πνεῦμα, κτλ. A. πνεῦμα im Griechischen. In: ThWNT 6 [1959], 333–357, 335–336). 36  „Dein Heiliger Geist“ in Ps 51,13 bzw. „sein Heiliger Geist“ in Jes 63,10–11. 37  Eduard Schweizer hat das in seinem Artikel über das πνεῦμα in die Formel gefasst: „Ergriffensein von Gott ist Gnade, nicht Natur“ (E. Schweizer: Art. πνεῦμα, κτλ. D. Gnosis; E. Das Neue Testament. In: ThWNT 6 [1959], 387–453, 387).

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schensohn auf, der von den außermenschlichen Mächten als der „Heilige Gottes“ bzw. als der „Sohn Gottes“ gefürchtet wird. Mit diesem Doppelcharakter des Geistes  – eins mit Gott und wird zugleich von ihm ausgehend eins mit dem Menschen – hängt im Neuen Testament auch seine zwiefache Erscheinungsweise zusammen: Zum einen ist er Gabe Gottes. Er wird von Gott „gegeben“38 bzw. von den Glaubenden „empfangen“, wie Paulus, Lukas und der Evangelist Johannes immer wieder betonen.39 Dabei kann er in einschlägigen Bildern geradezu substanzhaft vorgestellt werden. So lässt die bereits alttestamentlich bezeugte Metapher vom Ausgießen des Geistes,40 die von Paulus und seinen Schülern wiederholt aufgegriffen wird,41 an eine Art Flüssigkeit denken; in der allegorischen Auslegung von Ex 17,6 und Num 20,7–11 spricht Paulus sogar von „geistiger Speise“, die die Väter gegessen haben, und vom „geistigen Getränk“, das sie vom „geistlichen Felsen“ Christus getrunken haben (1 Kor 10,3–4). Die auf Taufe und Herrenmahl bezogene Aussage in 1 Kor 12,13, dass alle mit einem Geist getauft wurden und einen Geist zu trinken bekommen haben, unterstreicht diese substanzhafte Vorstellung. Die Rede vom Wehen des Geistes, der die Geburt von oben bewirkt, evoziert die Assoziation eines Windhauches (Joh 3,8; vgl. Apg 2,2). Gleiches gilt für die auf die Schöpfungsgeschichte anspielende Szene am Ende des vierten Evangeliums, wo Jesus seine Jünger 38  1 Thess 4,8; 2 Kor 1,22; 5,5; Röm 5,5; Apg 5,32; 15,8; 1 Joh 3,24; 4,13. 39  1 Kor 2,12; 2 Kor 11,4; Gal 3,2.14; Röm 8,15; Apg 1,8; 2,33.​ 38; 8,15.17; 19,2; Joh 7,39; 14,17; 20,22. 40  Jes 32,15; 44,3; Joel 3,1–2. 41  Röm 5,5; Tit 3,5–6; Apg 2,17–18.33; 10,45.



4.  Phänomenologie des Geistes

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anbläst und ihnen dadurch den Heiligen Geist überträgt (Joh 20,22). Der Geist „erfüllt“ Menschen,42 „kommt auf sie“ (Apg 19,6) und „wohnt“ in ihnen,43 sodass sie „voll des Geistes“ sind.44 In allen diesen Wendungen erscheint der Geist als etwas, das von außen in den Menschen eingeht und dessen Innerstes verwandelt.45 Doch so eng die Verbindung des Geistes mit seinen Empfängern auch vorgestellt wird, so bleibt der biblische Geist doch Repräsentant Gottes und seines Anspruchs auf den Menschen, das heißt, in uns (intra nos) tritt er als göttliches Gegenüber (extra nos) in Erscheinung.46 Der Geist, der nach 1  Joh 4,2 Jesus Christus als den im Fleisch Gekommenen bekennt, tut dieses mit dem Mund der Menschen und ist doch „aus Gott gekommen“. Entsprechend beschreibt Paulus die Verbundenheit der Glaubenden mit dem Geist nicht als einfache Anwesenheit. Die Christgläubigen haben den Geist vielmehr nur in der Weise einer wechselseitigen Einwohnung: Indem der Geist in ihnen ist, sind sie ihrerseits im Geist, wie Paulus in Röm 8,9 sagt. So hebt Paulus im Folgenden 42  Lk 1,41.67; Apg 2,4; 4,8.31; 9,17; 13,9.52. 43  Röm 8,9.11; 1 Kor 3,16; vgl. 2 Tim 1,14. 44  Lk 4,1; Apg 6,3.5; 7,55; 11,24; vgl. Eph 5,18. 45  Vielleicht passt am besten der vage Begriff des Fluidums, der früher in der Physik zur Bezeichnung eines nicht wägbaren Stoffes verwendet wurde und – davon abgeleitet – heute noch gebräuch­lich ist für die von einer Person oder Sache ausgehende Kraft, die ebenfalls physikalisch nicht messbar ist und doch eine Wirkung zeitigt, indem sie eine besondere Atmosphäre schafft. 46  Die Rede vom Geist hat also ihre Pointe gerade darin, „die Wirklichkeit Gottes […] von der Wirklichkeit der Menschen kate­ gorial [zu] unterscheide[n]“ (M. Wolter: Der heilige Geist bei Paulus. In: M. Ebner u.a. [Hg.]: Heiliger Geist, Jahrbuch für Biblische Theologie 24, Neukirchen-Vluyn 2011, 93–119, 103).

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I.  Der Geist und die Geister: Prolog

zunehmend die Eigenständigkeit von Gottes Geist hervor, der den Glaubenden ihre Gotteskindschaft bezeugt (Röm 8,16), ihrer Schwachheit aufhilft und sie vor Gott „mit unaussprechlichem Seufzen“ vertritt (Röm 8,26). Das in Röm 8,9 noch als „Geist Gottes“ und „Geist Christi“ bezeichnete πνεῦμα wird hier zu einem eigenen Akteur, was sich in anderen Schriften des Neuen Testaments noch verstärkt, vor allem in der Apostelgeschichte und im Johannesevangelium.47 Die Doppelheit des Geistes als übertragbares Machtphänomen und personanaloger Akteur zeigt sich auch daran, dass er einerseits zum Selbst des Menschen werden kann und andererseits bis an die Grenze der Identifizierung mit Gott (Joh 4,24) bzw. mit Christus (2 Kor 3,17) verbunden bzw. neben Vater und Sohn als die dritte Gestalt göttlichen Handelns genannt werden kann.48 Innen 47  In der lukanischen Apostelgeschichte bestimmt der Geist als selbstständiger Handlungsträger vom Auftreten des Philippus, des ersten Missionars außerhalb Jerusalems, bis zur Verhaftung des Paulus durch sein Reden und Handeln den Weg der Boten des Evangeliums in die Völkerwelt (Apg 8,29.39; 10,19; 11,12; 13,2.4; 15,28; 16,6–7; 20,23.28; 21,11). Im vierten Evangelium wird die Personalität des Geistes noch dadurch unterstrichen, dass aus dem neutrischen πνεῦμα in den Abschieds­reden der maskuline παρά­κλη­τος wird (Joh 14,16.26; 15,26; 16,7), der „Beistand“, der als der „andere Paraklet“ nach Christi Weggang diesen bei den Glaubenden vertritt, und noch im letzten Buch der Bibel, in der Offenbarung des Johan‑ nes, tritt der Geist als Sprecher hervor. 48  1  Kor  12,4–6; Apg  2,33; 10,38; vgl. weiter Mt  28,19; 2 Kor 13,13 u. ö. Um es noch einmal mit Basilius zu sagen: „Wenn wir […] die dem Geist eigene Würde betrachten, dann stellen wir uns ihn mit dem Vater und dem Sohn vor; wenn wir hingegen an die Gnade denken, die er in denen, die an ihm Anteil haben, wirkt, dann sagen wir, der Geist sei in uns“ (Basilius von Cäsarea: De Spiritu Sancto, 269).



5.  Pneuma und Erkenntnis

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und außen, glaubendes Selbst und bezwingende Kraft, Urheber vielfältiger Gaben und doch immer ein und derselbe, Zuspruch der Befreiung und Anspruch auf Gehorsam, an die Heilsgeschichte rückbindend und die Zukunft antizipierend, Grenzen ziehend und Grenzen überwindend, Substanz und Person, Wort und Wirkmacht, Gabe und Gegenüber, Ich und Du – all das sind Aspekte jener wirkmächtigen Größe, welche die Bibel als den Geist Gottes bzw. den Heiligen Geist bezeichnet. Da er kein begreifund definierbares ‚Ding an sich‘ ist, wird er immer nur wahrnehmbar in seinem Handeln an einem Gegenüber und in seinem Wirken durch ein Gegenüber. Den Geist hat nur, wen dieser hat, ihn begreift nur, wer selbst von ihm ergriffen ist. Dahin gehend können „Geist“ und „Kraft“ im Neuen Testament fast schon im Sinne eines Hendiadyoins zusammengestellt werden.49

5.  Pneuma und Erkenntnis Ehe das weiter ausgeführt wird, noch eine letzte Präzisierung: Wenn oben bei der Unterscheidung von νοῦς und πνεῦμα betont wurde, dass das πνεῦμα im Gegensatz zum νοῦς nicht Geist im Sinne der Vernunft ist, dann ist damit nicht gemeint, dass das πνεῦμα nichts mit Erkenntnis zu tun hätte, gar auf die Seite des Irrationalen gehörte. Gerade das Ergriffenwerden durch ein anderes ist auch Voraussetzung für vertieftes Erkennen, besonders wenn es um Personen geht. Es ist deshalb wohl nicht zufällig, dass sowohl πνεῦμα wie νοῦς im Deutschen mit dem Wort „Geist“ wiedergegeben werden können. Auch in den anti49  Vgl. 1 Thess 1,5; 1 Kor 2,4; Röm 15,19; Apg 1,8.

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I.  Der Geist und die Geister: Prolog

ken Quellen können beide Aspekte immer wieder miteinander verbunden werden. So kann in der griechischen Philosophie das πνεῦμα wiederholt mit dem Logos gleichgesetzt bzw. als Wirken des kosmischen νοῦς (lateinisch der mens mundi) bestimmt werden.50 In der stoischen Theologie wird sogar die Wortverbindung πνεῦμα νοερόν geprägt, „vernünftiges Pneuma“, die als Näherbestimmung des die Welt erschaffenden und erhaltenden Gottes πνεῦμα und νοῦς unmittelbar miteinander verbindet.51 Vergleichbares findet sich auch im Alten Testament, wo in den Psalmen und bei den Propheten die rûaḥ die Ausrichtung des Menschen auf Gottes Wort und Willen bezeichnet, die allein wahre Erkenntnis ermöglicht.52 So tritt der Geist schon in der Schöpfungsgeschichte in Gen 1,2 dem Chaos als Manifestation des ordnenden Schöpfungswillens entgegen, und nach Ex 28,3, 31,3 und 35,31 verleiht er eine Weisheit, die sich in besonderen Fähigkeiten äußert. Entsprechend kann das antike Judentum den Geist direkt mit Erkenntnis und Weisheit verbinden.53 Jesus Sirach spricht vom πνεῦμα συνέσεως, von dem „Geist der Einsicht“, der eigene Weisheitsworte hervorbringt,54 und die stoische Wendung πνεῦμα νοερόν 50  Nach Chrysipp (SVF II,913) ist der Logos Gottes, der die Welt durchdringt, nichts anderes als ein leibliches πνεῦμα. 51  SVF II,310.1009; vgl. SVF II,443, siehe unten Kap. III.1.1. 52  Das besagt auch der in verschiedenen Schriften wiederholte, geradezu axiomatische Grundsatz: „Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit/​Erkenntnis“ (Prov 1,7; 8,13; 9,10; Hi 28,28; Ps 111,10). 53  Angebahnt ist das schon in Sir 39,6; vgl. weiter SapSal 1,6–7; 7,7.22–24. Nach Phil. Al. Opif. 135–144 gewährt die durch den Geist geschaffene Seele des Menschen diesem Anteil an der göttlichen Vernunft (siehe unten Kap. IV. 2.). 54  Sir 39,6: ῥήματα σοφίας αὐτοῦ.



5.  Pneuma und Erkenntnis

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beschreibt in der Sapientia Salomonis den Inhalt der Weisheit (SapSal 7,22; siehe unten).55 In Qumran bewirkt die rûaḥ Gotteserkenntnis und Weisheit (1QH XX,14–16) und macht die, „die vollkommen im Wandel sind“, klug (1QS IV,21–22; vgl. IV,3–4). Nach PsSal 17,37 macht Gottes Heiliger Geist den erhofften Retter „weise in einsichtigem Rat“, und PsSal 18,6–7 spricht von der „Weisheit des Geistes“. Auch Paulus bindet in 1 Kor 2,13–16 Erkenntnis und Urteil in geistlichen Dingen an die Belehrung durch den Geist zurück, nach 1 Kor 12,8 gehören auch ein λόγος σοφίας und ein λόγος γνώσεως zu den Gaben des Geistes, und in 2 Kor 3,6–18 spielt der Geist eine entscheidende Rolle bei der Schriftauslegung.56 Daher verbietet sich sowohl im Blick auf die pagane wie im Blick auf die biblische Tradition die abstrakte Entgegensetzung von πνεῦμα und νοῦς. Gleichwohl bleibt richtig und für die weitere Darlegung wichtig, dass der Begriff πνεῦμα, der in der biblischen Tradition für Gottes Geist verwendet wird, nicht zur natürlichen Ausstattung des Menschen als Vernunftwesen gehört, sondern auch dort, wo er zu einer anthropologischen Größe wird, immer den Menschen als das Wesen in den Blick nimmt, dessen Selbst Teil eines größeren Ganzen ist, mit dem er qua Geist in Verbindung steht oder in Verbindung tritt. Dazu gehört auch die immer wieder herausgestellte Affinität des Wortes πνεῦμα zu seinem Ursprung im Atem, der das lebendige Lebewesen vom Toten unterscheidet, 55  Die Septuaginta kann in  Jes 40,13 sogar die rûaḥ mit νοῦς wiedergeben. 56  Vgl. U. Wilckens: Theologie des Neuen Testaments. Band II. Die Theologie des Neuen Testaments als Grundlage kirchlicher Lehre. Teilband  1. Das Fundament, Neukirchen-Vluyn 2007, 294– 299, den Abschnitt 3.5.5 „Geist und Vernunft“.

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I.  Der Geist und die Geister: Prolog

und die damit verbundene Lebendigkeit und Lebenskraft, die der Mensch nicht aus sich selbst hat. Der dritte Artikel des Apostolikums reflektiert diese Eigenart des Geistes, gerade darin er selbst zu sein, dass er in und an anderem wirkt, indem er den Geist nicht näher bestimmt, wie es das Credo im Blick auf Gottvater und auf Jesus Christus tut, sondern stattdessen aufzählt, was sich seinem Wirken verdankt: von der Konstitution der „heiligen allumfassenden Kirche“ und der „Gemeinschaft der Heiligen“ über die „Vergebung der Sünden“ bis zu der „Auferstehung der Toten“ und dem „ewigen Leben“.

6. Aufbau Aus dem Dargelegten ergeben sich für das Folgende vier Bereiche, in denen dem Auftreten und Wirken des Geistes nachgegangen werden soll: 1.  In einem ersten Hauptteil wird die Entfaltung der Geistvorstellungen im Alten Testament nachgezeichnet. Diese werden ergänzt durch die Zeugnisse des palästinischen Judentums (Qumran, Jubiläenbuch, Psal‑ men Salomos), die sich trotz einer unbestreitbaren Beeinflussung durch die hellenistische Welt noch relativ eng an die alttestamentliche Tradition anschließen. 2.  Ihm folgt als zweiter Hauptteil die griechisch-römische Tradition, und hier vor allem philosophische und rhetorische Texte aus der Zeit der späten Republik und der frühen Kaiserzeit. In dieser Zeit, in der das Neue Testament entstanden ist, finden sich auch im paganen Bereich aufschlussreiche Verweise auf einen heiligen bzw. göttlichen Geist, in denen das πνεῦμα nicht



6. Aufbau

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nur anthropologisch und kosmologisch, sondern auch ethisch und soteriologisch bzw. (wenn man den Begriff weiter fasst) eschatologisch konnotiert sein kann. 3.  In einem dritten Hauptteil wird die Rolle des Geistes in ausgewählten Zeugnissen des antiken Diasporajudentums untersucht. Hier ist der Einfluss des Hellenismus weit tiefgreifender als in den Zeugnissen des palästinischen Judentums, und hier werden auch wichtige Weichen für die frühchristliche Rede vom Heiligen Geist gestellt. Paradigmatisch vorgeführt wird das anhand der Sapientia Salomonis, einer frühjüdischen Weisheitsschrift, sodann anhand einiger Schriften Philons, in dessen Religionsphilosophie die Synthese von biblischer Tradition und hellenistischer Philosophie zu ihrer Vollendung kommt, und endlich anhand der Erzählung Joseph und Aseneth mit ihrer Vorstellung einer geistgewirkten Transformation der Anhänger des wahren (jüdischen) Gottes, die auch deren Körper einschließt. 4.  Den vierten Hauptteil bilden die erwähnten neutestamentlichen Zeugnisse, gefolgt von einem resümierenden Schlusswort.

II.  Atem des Schöpfers und Macht des Retters – die hebräische Tradition1 1.  Geist und Überwältigung – numinose Ursprünge Wie das griechische πνεῦμα bezeichnet auch dessen hebräisches Äquivalent rûaḥ im Alten Testament zunächst die machtvoll bewegte Luft, dann den Atem und davon abgeleitet die Lebenskraft, darüber hinaus aber auch den menschlichen Willen. Da aber Lebenskraft und Lebendigkeit mit Gott verbunden werden und selbst der mit rûaḥ bezeichnete menschliche Wille vor allem unter dem Aspekt in den Blick kommt, dass Gott auf ihn Einfluss nimmt (vgl. Jer 51,11; Esra 1,5), wird schon deutlich, dass 1  Die folgenden Ausführungen lehnen sich eng an die biblische Gotteslehre an, die ich zusammen mit meinem alttestamentlichen Kollegen und Freund Hermann Spieckermann unter dem Titel Der Gott der Lebendigen verfasst habe (R. Feldmeier/​H.  Spieckermann: Der Gott der Lebendigen. Eine biblische Gotteslehre, Topoi Biblischer Theologie  1, Tübingen 20203). Die einschlägigen Passagen zum Geist im Alten Testament entstammen erwartungsgemäß weitgehend der Feder des Alttestamentlers, der hier nicht zuletzt aufgrund der Anfragen aus dem Neuen Testament neue Wege gegangen ist. Sie wurden hier übernommen, ohne dass das im Einzelnen eigens ausgewiesen würde. Sie wurden allerdings teilweise neu arrangiert und im Blick auf die frühjüdischen Zeugnisse ergänzt, des Weiteren wurde wiederholt auf die pagane Tradition querverwiesen und an zentralen Stellen wurden schon einmal die in das Neue Testament führenden Entwicklungslinien markiert. Endlich wurde die Vorlage im Blick auf die ethische und eschatologische Dimension des Geistes ergänzt und zugespitzt.

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II.  Atem des Schöpfers und Macht des Retters

die rûaḥ als Teil des Menschen Ort und Mittel göttlichen Handelns ist, wie besonders deutlich in Ps 51 oder Ez 36 zu sehen ist. Der Mensch verfügt nicht über den Geist, sondern als Gotteskraft verfügt dieser über ihn.2 Nun sind allerdings die überlieferungsgeschichtlich ältesten Zeugnisse nicht von der Art, dass man aus ihnen bereits die steile theologische Karriere ersehen könnte, welche der Geist dann in den späteren Teilen des Alten Testaments und in dessen Gefolge dann im Judentum und Christentum gemacht hat. Nicht nur, dass der Geist überhaupt in der Frühzeit noch keine größere Rolle spielt  – auch dort, wo er vorkommt, ist ihm doch ein theologisch einigermaßen unordentlicher Charakter zu eigen; denn er begegnet zunächst als eine numinose Macht, die jäh einen Menschen überfällt und in Beschlag nimmt, sodass dieser in einer Situation der Krise zum charismatischen Krieger und Heerführer wird. Die älteste Vorstellung dürfte in 1 Sam 11 zu finden sein, wo angesichts der Bedrohung durch die Ammoniter die rûaḥ ʾĔlōhîm, der „Geist Gottes“, über Saul kommt mit der Folge, dass ihn ein brennender Zorn ergreift, der sich entsprechend berserkerhaft Ausdruck verschafft: Saul zerstückelt seine Rinder und versendet die Teile „in das ganze Gebiet von Israel“, verbunden mit der Drohung, entsprechend mit den Rindern eines jeden zu verfahren, der seinem Aufruf zur Heeresfolge nicht nachkommt (1 Sam 11,6–7a). Diese doch einigermaßen nachdrückliche Aufforderung führt dazu, dass der „Schrecken JHWHs“ auf alle Israeliten fällt, sodass diese „wie ein 2  Mit H. W. Wolff: Anthropologie des Alten Testaments, München 19773, 57, könnte man die rûaḥ deshalb als einen „theo-anthropologischen Begriff “ bestimmen.



1.  Geist und Überwältigung – numinose Ursprünge

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Mann“ mit Saul in den Kampf ziehen und die Ammoniter vernichtend schlagen (vgl. 1 Sam 11,7b–11). Im Richterbuch wird ein solches zeitweiliges Ergriffensein verbunden mit Gestalten wie Otniël (Ri 3,10), Gideon (Ri 6,34) und Jephta (Ri 11,29). Mit dem Kommen des Geistes kann eine göttliche Ermächtigung einhergehen, wie es in den bunten Farben der volkstümlichen Erzählung im Sagenkranz um Simson ausgemalt wird. Jener ‚starke Hans‘ der Bibel, von dem es schon am Beginn seines Auftretens heißt, dass der Geist des Herrn ihn umhertrieb (Ri 13,25), der ihn auch später immer wieder „überfällt“ (Ri 14,5– 6.19; 15,14–15), verdankt diesem seine übermenschliche Kraft, mittels derer er mit der bloßen Hand einen Löwen zerreißt und tausend Philister mit einem Eselskinnbacken erschlägt. Auf den ersten Blick scheint das mit den neutestamentlichen Zeugnissen herzlich wenig zu tun zu haben. Aber gerade diese archaischen, wenig ‚geistlich‘ anmutenden Texte geben erste Hinweise auf die spezifisch biblische Eigenart des göttlichen Geistes: Er ist ein Phänomen, das sich eines Menschen bemächtigt und ihn dadurch zu einem Dienst aussondert und befähigt, der in der Frühzeit vor allem im Kampf gegen die Feinde des Gottesvolkes besteht. Wir werden sehen, wie sich dieser dynamistische und zum Teil geradezu kriegerische Charakter immer wieder im von der biblischen Überlieferung geprägten Bereich Geltung verschafft. Reflexe dieses kämpferischen Geistes finden sich nicht nur in Texten von Qumran und in den Psalmen Salomos, sondern auch in der Sapientia Salomonis, und Jesus hat zwar keinen Löwen zerrissen und keine Philister erschlagen, aber auch er wurde durch den Geist nicht nur als der „geliebte Sohn“ mit Gott verbunden, sondern zugleich von ihm in

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II.  Atem des Schöpfers und Macht des Retters

Beschlag genommen: „Und sofort“, so heißt es im unmittelbaren Anschluss an die Himmelsstimme bei der Taufe Jesu durch Johannes, „wirft ihn der Geist hinaus in die Wüste“ (Mk 1,12). Der von Gott in Jesus hineingefahrene3 Geist zwingt ihn umgehend in die Konfrontation mit dem Satan, programmatischer Auftakt für eine schier ununterbrochene Abfolge von Auseinandersetzungen, in denen der Geistträger mit der ihm verliehenen Vollmacht gegen die menschlichen und außermenschlichen Handlanger der widergöttlichen Macht vorgeht, unter denen die „unreinen Geister“ nicht die geringsten sind. Und noch auf eine weitere Entsprechung sei hingewiesen: Das Ergriffenwerden durch Gottes Geist entfremdet den Betroffenen von seiner Mitwelt und macht ihn zum Außenseiter: „Ein Narr ist der Prophet, verrückt der Mann des Geistes“, muss sich Hosea sagen lassen (Hos 9,7). Auf vergleichbare Weise wird auch Jesus zum Außenseiter: Als der Menschensohn, „der nicht hat, wo er sein Haupt hinlegen kann“ (Lk 9,58), bleibt er bis zu seiner Hinrichtung einer, der bis hinein in seine Anhängerschaft und seinen engsten Familienkreis Anstoß erregt und Widerstand hervorruft. Bei allen Unterschieden zu den Geistträgern aus Israels Frühzeit, die nicht zuletzt mit der noch darzustellenden Transformation der alttestamentlichen Geistvorstellungen in der Prophetie zu tun haben, hat der Jesus bestimmende Geist mehr mit dem martialischen Geist der Richter und Könige zu tun als mit dem heiligen oder göttlichen Geist, der nach der zeitgenössischen Philosophie im Menschen als dessen höheres Selbst einwohnt. Pointiert gesagt: Der Gottessohn der Evangelien wird durch 3 Nur Markus verwendet die Präposition εἰς (Matthäus und Lukas: ἐπί).



1.  Geist und Überwältigung – numinose Ursprünge

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Gottes Geist zu einem Gotteskrieger.4 Und die von Gott durch den „Geist des Sohnes“ zu „Söhnen Gottes“ Adoptierten sollen ihrerseits im Einklang mit dem Geist leben, der gegen das Fleisch kämpft (Gal 5,17.25), indem sie die Taten des Fleisches töten (Röm 8,13). Entsprechend ist bei der ‚geistlichen Waffenrüstung‘ des miles Christia‑ nus im Epheserbrief nicht von ungefähr die Angriffswaffe Schwert mit dem Geist verbunden (Eph 6,17). Der jäh einen Menschen überfallende und ihn gegebenenfalls auch gegen seinen Willen5 zu seinem Auftrag aussondernde Geist wird dann nach der Darstellung des 1.  Samuelbuchs dem David als Amtscharisma im Akt der Salbung dauerhaft übertragen (1 Sam 16,13). Solche Verstetigung des Geistes als Amtscharisma bleibt in den alttestamentlichen Erzählungen bis auf eine Ausnahme (Josua in Num 27,18) weitgehend auf David beschränkt,6 wird aber nach dem Untergang des Königtums zum Grund neuer, zunehmend endzeitlicher Hoffnung.7 Später kann sich die Begabung eines auserwählten Menschen mit Gottes Geist von der Bindung an das Königtum 4  „Heiliger Gottes“ (Mk 1,24) heißt auch der geistbegabte Simson in Ri 13,7; 16,17 LXX. Es ist im Gegenzug spannend zu sehen, dass bei Josephus alle Stellen ausgelassen sind, in denen der Geist einen martialischen Charakter hat (Hinweis von R. Deines). 5  So in Num 24,2; vgl. dazu Ios. AJ IV,118–119. 6  Das beruht nach den Erkenntnissen der gegenwärtigen Exegese nicht auf alter Überlieferung, sondern ist Jahrhunderte später nach dem Ende des Königtums formuliert worden, um im Rückblick auf dessen Untergang deutlich zu machen, dass Gott durch den Geist bei den Herrschern im Guten wie im Bösen gegenwärtig war: Während er Saul verwirft, bleibt er bei David dauerhaft. 7  So erwartet die Prophetie zunächst noch das Heil von einem „Spross Isais“, also einem Hoffnungsträger aus der Daviddynastie, der als Herrscher Gottes Gegenwart vermittelt und so geradezu paradiesische Zustände heraufführt (Jes 11,1–9; siehe unten).

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II.  Atem des Schöpfers und Macht des Retters

lösen und allgemein die Befähigung eines bestimmten Menschen zu außerordentlichen Leistungen bezeichnen.8 Besonders wirkmächtig wurde die Verbindung des Geistes mit der Prophetie.9 So gewährt der Geist im ersten Gottesknechtslied dem Propheten seine besondere Gottesnähe und befähigt ihn zu seiner großen Aufgabe (Jes 42,1–4). Die Verbundenheit des Geistes mit der Prophetie10 ist auch charakteristisch für den von Gott immer wieder als „Menschensohn“ angeredeten Ezechiel.11 Im Blick auf das Neue Testament werden hier zwei Linien erkennbar: Sowohl der die Herrschaft Gottes ankündigende Prophet wie der sie heraufführende Davidsohn sind vom Geist erfüllte Gottesmänner, auf welche die neutestamentlichen Christologien Bezug nehmen. Mit den Erzählungen von Davids Salbung und der prophetischen Überlieferung sind wir bereits in der exilisch-nachexilischen Zeit, in welcher der Geist eine zunehmend wichtigere Rolle spielt. Denn nach dem Zusammenbruch der religiös und gesellschaftlich tragenden Institutionen wie Tempel und Königtum und einer da8 Vgl. neben den bereits erwähnten Stellen Ex 28,3, 31,3 und 35,31 noch Gen 41,38 sowie in paganer Diktion Dan 4,5–6; 5,11.14. 9  Vgl. 2 Kön 2,9.15; Num 11,29; 2 Chr 15,1–2; 20,14–15 u. ö. 10  So bewirkt bei Ezechiel der Geist ekstatisch-visionäre Erlebnisse (Ez 3,12.14; 8,3; 11,1.5.24; 37,1; 43,5) und im zweiten Gottesknechtslied ermöglicht die Geistausgießung den Nachkommen der Exilierten erneut die verlorene Gottesgemeinschaft (Jes 44,1–5). Hos 9,7 nennt den Propheten „Mann des Geistes“, und in Mi 3,8 sagt der Prophet in Auseinandersetzung mit falschen Propheten von sich, dass er mit der Kraft des Geistes erfüllt sei (vgl. weiter Num 24,2; 2 Chr 20,14; Ez 2,2 u. ö.). 11  Vgl. Ez 3,12.14; 8,3; 11,1.5.24; 37,1. Bei den anderen Schriftpropheten der frühen Zeit spielt der Geist eine eher geringe Rolle – vielleicht eine Abgrenzung gegenüber Sehern.



2.  Geist und Schöpfung – Protologie

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durch fraglich gewordenen Gegenwart Gottes12 werden jetzt Vorstellungen der wirkmächtigen Gegenwart Gottes präferiert, die angesichts der intensivierten Wahrnehmung menschlicher Schuldverstrickung und des daraus resultierenden Todesgeschicks 1.  protologisch-kosmologisch gegründet, 2.  anthropologisch belastbar, 3.  ethisch wegweisend und 4.  eschatologisch hoffnungsstiftend waren. In allen vier Bereichen wurde die Vorstellung von Gottes Geist zur bestimmenden Größe. Er war es, der in der Situation der Krise13 die verschiedenen Aspekte der göttlichen Zuwendung zu bündeln und von Neuem zu plausibilisieren vermochte14 – nicht zuletzt durch eine stärkere Verinnerlichung der Gottesgegenwart.

2.  Geist und Schöpfung – Protologie Im kanonisch gewordenen Text der Bibel begegnet der Geist zum ersten Mal gleich am Beginn des ersten Schöp12  Vgl. J. R. Levison: The Holy Spirit before Christianity, Waco 2019, 8. 13 Das unterstreicht zu Recht die Studie von Levison: Spirit, deren einseitige Herleitung der alttestamentlichen Pneumatologie aus einer prophetischen relecture des Exodus aufgrund von Hag 2,5 und Jes 63,7–14 jedoch nicht überzeugt. 14  M. V. Blischke: Der Geist Gottes im Alten Testament, Forschungen zum Alten Testament II/112, Tübingen 2019, zeigt anhand von Deuterojesaja, wie unter allen Versuchen, „Gottes heilvolles Mitsein mit den Menschen zum Ausdruck zu bringen“, der Geist „letztlich wohl als die tragfähigste Konzeption […] verstanden werden“ muss (189).

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II.  Atem des Schöpfers und Macht des Retters

fungsberichtes, wenn es in Gen 1,2 von der wüsten und leeren Erde heißt, dass „über den Wassern der Geist Gottes schwebte“. Hier repräsentiert die rûaḥ Gottes Machtanspruch gegenüber den Chaosmächten der Finsternis und des Tohuwabohu, der sich dann in der unmittelbar zuvor angekündigten Schöpfung (Gen 1,1) Geltung verschafft. Als Gegenmacht gegen das Chaos ist Gottes Geist die Voraussetzung für das nun folgende Handeln Gottes; er stellt „gleichsam die Urenergie“ dar, „die die aktive Potentialität der Schöpfung enthält“, welche dann durch Gottes gebietendes „es werde“ Zug um Zug realisiert wird (vgl. auch Ps 33,6).15 In diesem Sinne bindet auch das ursprünglich wohl hebräisch geschriebene, deuterokanonische Judithbuch im 2.–1. Jahrhundert v. Chr. Gottes Geist und Gottes Wort bei der Schöpfung in einem synthetischen Parallelismus Membrorum zusammen: ὅτι εἶπας, καὶ ἐγενήθησαν· ἀπέστειλας τὸ πνεῦμά σου, καὶ ᾠκοδόμησεν· (Jdt 16,14)

Denn du sprachst, und sie [sc. die Geschöpfe] entstanden, du sandtest deinen Geist, und er baute auf.

Das Sechstagewerk gipfelt in der Erschaffung des Menschen als Gottes Ebenbild (Gen 1,27). Wie im ganzen ersten Schöpfungsbericht wird dabei der Geist nicht mehr 15 S. Tengström: Art. rûaḥ. In: ThWAT VII (1993), 385–418, 406. Dadurch wird bereits am ersten Schöpfungstag mit dem Wechsel von Nacht und Tag die Finsternis des Uranfanges in die geschöpfliche Ordnung integriert, um dann am zweiten und dritten Schöpfungstag das andere Chaoselement, das Wasser, durch die Festsetzung von Firmament, Festland und Meer zu begrenzen und so einer lebensfördernden Funktion in der Schöpfung zuzuführen.



2.  Geist und Schöpfung – Protologie

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explizit genannt, aber das wird in gewisser Weise im zweiten Schöpfungsbericht nachgeholt: Wenn dort Gott dem Lehmkloß seinen „Lebensodem“ (nišmat ḥayyîm) in die Nase einhaucht (Gen 2,7), dann wird zwar nicht der Begriff rûaḥ, sondern das sinnverwandte nĕšāmâ („Atem“) verwendet; genaueres Zusehen zeigt aber, dass damit etwas Vergleichbares gemeint ist, denn von allen Lebewesen erhält allein der Mensch eine nĕšāmâ, und nur er wird dadurch zu einer nepeš ḥayyâ, zu einer „lebendigen Seele“.16 Der Schöpfer stiftet also in dieser Schöpfungserzählung ein personales Verhältnis zu seinem Geschöpf Mensch, indem er es an seiner eigenen Lebendigkeit partizipieren lässt. Als begriffliche Verdichtungen für die lebensstiftende Gottesbeziehung des Menschen, die Gott gewährt, aber auch wieder entziehen kann (siehe unten zu Ps 104,29), gehen beide Begriffe in jüngeren Texten eine immer engere Verbindung ein. So kann Elihu in seiner ersten Rede im Hiobbuch beider Wirken bei seiner eigenen Erschaffung parallelisieren: ‫־א֥ל עָ ָׂש ְ֑תנִ י‬ ֵ ‫ּוח‬ ַ ‫ֽר‬ ‫וְ נִ ְׁש ַמ֖ת ׁשַ ַּד֣י ְּתחַ ּיֵ �ֽנִ י׃‬

(Hi 33,4)

Der Geist (rûaḥ) Gottes hat mich gemacht, der Atem (nĕšāmâ) Schaddais hat mir Leben gegeben.

Was hier im Parallelismus Membrorum einander zugeordnet wird, wird in der zweiten Elihurede zu einem Hendiadyoin zusammengebunden: ‫ִאם־י ִָׂש֣ים אֵ ָל ֣יו ִלּבֹ֑ ו‬ ‫רּוחֹ֥ ו ְו ֝נִ ְׁשמָ ֹ֗תו אֵ ָל֥יו‬ ‫א ֹֽסף׃‬ ֱ ‫ֶי‬

14Wenn [Gott] nur an sich dächte, seinen Geist (rûaḥ) und Odem (nĕšāmâ) an sich zöge,

16  Die Landtiere und Vögel werden nach Gen 2,19 von JHWH zwar gebildet wie der Mensch, aber sie erhalten keine nĕšāmâ.

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II.  Atem des Schöpfers und Macht des Retters

‫יִ גְ וַ ֣ע ּכָ ל־ּבָ ָׂש֣ר יָ ֑חַ ד‬ ‫ְו ֝אָ ָ ֗דם עַ ל־עָ ָפ֥ר י ָֽׁשּוב׃‬

(Hi 34,14–15)

15so würde alles Fleisch miteinander vergehen, und der Mensch würde wieder zu Staub werden.

Als Bezeichnung für Gottes schöpferische Lebensmacht kann die rûaḥ die nĕšāmâ dann auch ersetzen, wie etwa Ez 37 zeigt. Die Vision des Propheten von den Totengebeinen, die sich erneut mit Fleisch überziehen und dann von Gott wiederbelebt werden, spielt auf Gen 2,7 an, aber bei Ezechiel ist es nun die rûaḥ, die als göttlicher Lebensodem eingehaucht wird (vgl. auch Sach 12,1). Dass auch das Judentum der neutestamentlichen Zeit die nĕšāmâ, welche die Septuaginta mit πνοή übersetzt, im Sinne der rûaḥ verstanden hat, bezeugen so verschiedene Schriften und Autoren wie die Weisheit Salomos, Philon und Josephus. Nach der Weisheit Salomos hat Gott dem von ihm geformten Menschen „eine tätige Seele eingehaucht“ und ihm einen „lebendigen Geist (πνεῦμα ζωτικόν) eingeblasen“.17 Ähnlich spricht Philon davon, dass Gott bei der Schöpfung des Menschen dem Erdenkloß einen „göttlichen Geist (πνεῦμα θεῖον) eingeblasen hat“.18 Und Josephus kann bei seiner Rekapitulation der Schöpfungsgeschichte sagen, dass Gott in den aus Erde geformten Menschen seinen Geist (πνεῦμα) und die Seele gab (Ios.  AJ I,34). Bemerkenswert ist, dass alle drei mit der Einhauchung des göttlichen Odems auch die Entstehung der menschlichen Seele verbinden, also der anthropologischen Größe, die besonders im platonisch gepräg17  SapSal 15,11; vgl. schon SapSal 2,3. 18 Phil. Al. Opif. 135; vgl. weiter Plant. 18; Spec.  IV,123; QG  II, Frg. 59.



3.  Geist und Erhaltung – Kosmologie und Anthropologie

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ten Denken den Menschen mit dem Göttlichen verbindet. Die Verbindung des göttlichen Geistes mit dem menschlichen Selbst ist allerdings kein Spezifikum des Griechisch sprechenden Judentums, sondern findet sich auch schon im Alten Testament.

3.  Geist und Erhaltung – Kosmologie und Anthropologie Im Blick auf die anthropologische Bedeutung des Geistes resümiert Sven Tengström: „Beim Sprechen über die Konstitution des Menschen erweist sich das Wort rûaḥ wesentlich als ein Terminus der Relation, als solcher mit der von P [sc. der Priesterschrift] aufgenommenen Vorstellung vom ‚Ebenbild‘ Gottes vergleichbar; wie letzteres den Menschen auf Gott als Vorbild bezieht, so bezeichnet rûaḥ seine dynamische Gottbezogenheit“.19 Ob die Bedeutung der Gottesebenbildlichkeit mit der Kategorie des Vorbildes hinreichend bestimmt ist, sei dahingestellt. In jedem Fall macht Tengström deutlich, dass die lebensstiftende Gottbezogenheit zwar beim Menschen den ‚Geist‘ als Bedingung der Möglichkeit der Kommunikation mit Gott voraussetzt, dass dieses ‚Gottesorgan‘ aber andererseits nicht naturgegebener Bestandteil der conditio huma‑ na ist, sondern immer wieder durch Gottes Zuwendung geschaffen bzw. aktualisiert werden muss. Ps 104 beschreibt diese bleibende Abhängigkeit von Gottes schöpferischem Handeln im Zusammenhang mit einem strahlenden Lobpreis der Herrlichkeit des Schöpfers und der Wohlordnung seiner Schöpfung, die Gott für 19  Tengström: Art. rûaḥ, 409.

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II.  Atem des Schöpfers und Macht des Retters

Mensch und Tier zu einem Raum des Lebens gemacht hat und ihn durch seine Zuwendung als solchen erhält (Ps 104,27–28). Im Zusammenhang mit dieser creatio continua20 wird auch die bleibende Angewiesenheit des Menschen auf seinen Schöpfer als völlige Abhängigkeit von der Gabe der rûaḥ thematisiert: ‫ּתַ ְס ִ ּ֥תיר ּפָ נֶיָך‬ ‫ִ ֽיּבָ ֫ ֵהל֥ ּון‬ ‫ּת ֵֹס֣ף רּ֭וחָ ם‬ ‫ׁשּובּון׃‬ ֽ ְ‫רם י‬ ֥ ָ ָ‫יִ גְ וָע֑ ּון ְוֽאֶ ל־עֲפ‬ ‫ְּתׁשַ ַּל ֣ח רּ֭וחֲָך‬ ‫יִ ּבָ ֵרא֑ ּון‬ ‫ו ֝ ְּתחַ ֵ ּ֗דׁש ְּפנֵ ֣י א ֲָד ָ ֽמה׃‬

29Verbirgst du dein Angesicht, so erschrecken sie; nimmst du weg ihren Geist (rûaḥ), so vergehen sie und werden wieder Staub. 30Sendest du deinen Geist (rûaḥ), so werden sie geschaffen, und du machst neu die Gestalt der Erde.

(Ps 104,29–30)

Die Menschen haben also einen Geist, durch den sie leben, aber auch als „ihr Geist“ bleibt dieser aufs Engste verbunden mit „deinem Geist“, also mit Gottes schöpferischem ‚Lebensodem‘. Entzieht Gott diesen, so wird der Mensch wieder zu dem Staub, aus dem er gemacht ist; entsendet Gott seine rûaḥ, geschieht die Erneuerung der Schöpfung. Das dafür in V. 30 verwendete Verb brʾ bezeichnet im Alten Testament ausschließlich Gottes schöpferisches Handeln. Das durch den Geist den Menschen ermöglichte Leben ist stets neu gewährtes Geschenk, es verdankt 20 Der Text macht verständlich, warum es kein hebräisches Äqui­valent für die Begriffe φύσις bzw. natura gibt, die als Deriva­te von φύω („hervorbringen, wachsen lassen“) bzw. nasci („ent­stehen, wachsen“) die Vorstellung der Natur als einer eigen­ständi­gen Reproduktion des Lebendigen bereits semantisch zum Aus­druck bringen. Nach biblischer Vorstellung existiert diese Welt als Lebensraum nicht aus eigenem, ‚natürlichem‘ Vermögen, sondern wird immer wieder durch die Zuwendung ihres Schöpfers erhalten.



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sich dem göttlichen Wirken.21 Als Handeln des Schöpfers hat es zugleich eine kosmische Dimension, wie der Folgesatz zeigt, in dem es heißt, dass Gott die Gestalt der Erde neu macht (V. 30). Kosmologisch und anthropologisch steht so der Geist pointiert für die von Gott gegen den Tod gewährte Partizipation an seinem eigenen Leben. Die immer wieder neu Geschaffenen sind die von Gott immer wieder neu mit Lebenskraft Beschenkten. Dieses Wirklichkeitsverständnis ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass sich im antiken Judentum die Überzeugung einer Auferweckung durch den Gott herausbildet, „der die Toten lebendig macht und das Nichtseiende ruft, dass es sei“, wie es Paulus im Anschluss an eine frühjüdische Formel auf den Begriff bringt (Röm 4,17b).22

4.  Geist und Erneuerung – Identität und Ethik Das den Tod überwindende göttliche Schöpfungshandeln im Geist kann auch als Hilfe erfleht werden, wenn es um die Überwindung von Schuld und der damit verbundenen Gottesferne geht. In dem ganz anders gestimmten Psalm 51, der nicht von ungefähr das Zentrum der sie21  Das unterstreicht hier auch die passivische Form, die als Passivum divinum zu deuten ist. 22  Deren erster Teil findet sich zum einen im hebräischen Achtzehn-Bitten-Gebet, wenn es dort heißt, dass Gott den Seinen auch noch dann, wenn sie „im Staube schlafen“, die Treue hält, und dieser dann in der zweiten Benediktion zweimal als mĕḥayyēh mētîm, „Beleber der Toten“, angerufen wird. Sie findet sich aber auch im griechisch geschriebenen Roman Joseph und Aseneth (siehe unten). Die von Paulus hergestellte Verbindung einer Schöpfung aus dem Nichts mit der Auferstehung der Toten findet sich in der erhaltenen Literatur erstmals in 2 Makk 7,28–29.

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II.  Atem des Schöpfers und Macht des Retters

ben Bußpsalmen ist, wirft sich der Beter angesichts seiner eigenen Verstrickung in Sünde und Bosheit (Ps 51,3– 11) ganz in Gottes Arme und erwartet alles von dessen Erbarmen. Gott allein, den er „meine Rettung“ nennt (Ps 51,16), kann sein Leben wieder heil machen (Ps 51,9– 10). Eine solche Heilung aber kann sich der Beter nur als einen Akt radikaler Neuschöpfung vorstellen; entsprechend bittet er: ‫ֱֹלה֑ים‬ ִ ‫א־ל֣י א‬ ִ ‫ֵל ֣ב ָ֭טהוֹר ְּב ָר‬ ‫ּדׁש ְּב ִק ְר ִ ּֽבי׃‬ ֥ ֵ ַ‫ּוח נ֝ ָֹ֗כון ח‬ ַ ‫וְ ֥ר‬ ‫יכ֥נִ י ִמ ְּלפָ נֶ ֑יָך‬ ֵ ‫אַ ל־ּתַ ְׁש ִל‬ ‫ל־ּת ַ ּ֥קח‬ ִ ַ‫ּוח ָ֝ק ְד ְׁש ָ֗ך א‬ ַ ‫וְ ֥ר‬ ‫ִמ ֶ ּֽמּנִ י׃‬ ‫לּי ְׂשׂשֹ֣ ון יִ ְׁש ֶע ָ֑ך‬ ֭ ִ ‫הָ ִׁש֣יבָ ה‬ ‫יב֣ה ִת ְס ְמ ֵ ֽכנִ י׃‬ ָ ‫ּוח נְ ִד‬ ַ ‫וְ ֖ר‬

(Ps 51,12–14)

12Schaffe mir, Gott, ein reines Herz und mache in mir neu einen beständigen Geist. 13Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir. 14Erfreue mich wieder mit deiner Hilfe, und mit einem willigen Geist rüste mich aus.

Die Bitte um die Erschaffung eines neuen Herzens, die auch hier mit dem Schöpfungsterminus brʾ ausgedrückt wird, ist im Alten Testament einzigartig. Was damit gemeint ist, entfaltet der Psalm durch drei jeweils im Parallelismus Membrorum formulierte Bitten, die alle in besonderer Weise die Gabe des Geistes zum Gegenstand haben. Die erste und letzte Bitte sind positiv formuliert: In ihnen bittet der Beter um Gottes Wirken an ihm, das in ihm zu einem „beständigen“ und „willigen“ Geist führt, ihn also zu einem Gottes Willen entsprechenden Leben befähigt (vgl. Ps 51,15). Dazu bedarf es Gottes bleibender Zuwendung. Im Zentrum steht daher die Bitte, dass Gott den Beter nicht von seinem Angesicht verwirft, erläutert



4.  Geist und Erneuerung – Identität und Ethik

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durch die parallele Bitte, dass Gott seinen „heiligen Geist“ nicht von ihm nehme. Noch schärfer als in den anderen Texten wird hier zugleich die Identität des Geistes mit dem Selbst des Beters wie auch die Differenz beider betont: Differenz, insofern der parallel zu Gottes Angesicht genannte Geist als der „heilige“  – es ist dies eine der beiden Stellen, an denen dieser Ausdruck im Alten Testament vorkommt  – ganz und gar Gottes Geist bleibt; Identität, weil er als „beständiger“ und „williger“ Geist zum neuen Selbst des Beters wird. Der „neue Geist“ ist so „dein heiliger Geist“, durch den Gott dem Beter die Teilhabe an seiner Heiligkeit ermöglicht.23 In diesem Sinne antwortet Gott in dem im zweiten Jahrhundert v. Chr. entstandenen Jubiläenbuch24 auf die auf Psalm 51 anspielende Bitte des Mose „Schaffe ihnen ein reines Herz und einen heiligen Geist“ mit der Verheißung: Und ich werde beschneiden die Vorhaut ihres Herzens und die Vorhaut des Herzens ihres Samens. Und ich werde ihnen schaffen einen heiligen Geist. Und ich werde sie rein machen, damit sie sich nicht von mir wenden von diesem Tag an bis in Ewigkeit.25 (Jub I,23. Übersetzung K. Berger) 23  Vgl. H. W. Wolff: Anthropologie, 67: Der Mensch als rûaḥ kann „nur aus der Kommunikation Gottes mit ihm recht verstanden werden“. In diesem Sinne kann auch im ganz anderen Kontext einer Volksklage gefragt werden: „Wo ist, der seinen heiligen Geist in ihre Mitte gab?“ (Jes 63,11) In diesem Fall geht es um den Widerstand des Volkes, das Gottes heiligen Geist „betrübte“ und sich so Gott selbst zum Feind machte (Jes 63,10). 24  Vgl. K. Berger: Das Buch der Jubiläen, Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit II,3, Gütersloh 1981, 271–575, 299–300. 25  Diese Textstelle ist bislang lediglich in der äthiopischen Fas-

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II.  Atem des Schöpfers und Macht des Retters

Noch expliziter als in  Ps 51 wird hier Gottes Geist zum neuen Selbst der Beter: Gott schafft ihnen einen heiligen Geist, der sie zu Gottes Willen entsprechenden Menschen macht. Die Erneuerung von Herz und Geist, im Psalm noch vom Einzelnen erbeten, wird dem Volk hier als endgültige Überwindung der Schuld zugesagt. Auf vergleichbare Weise wird bereits bei Ezechiel Gottes Verheißung, das zerstreute Volk wieder zu sammeln und ins Land zurückzuführen, mit der Zusage einer völligen Erneuerung des Inneren verbunden: ]…[

‫הו֔ה‬ ִ ְ‫אדֹנָ ֣י י‬ ֲ ֙ ‫ּכה אָ מַ ר‬ ֹ֤

‫ּוח‬ ַ ‫ּתי לָ כֶ ם ֙ ֵל ֣ב חָ ָ ֔דׁש וְ ֥ר‬ ֤ ִ ַ‫וְ נָת‬ ‫ח ֲָד ָׁש֖ה אֶ ֵּת֣ן ְּב ִק ְר ְּב ֶכ ֑ם‬ ֙ ‫ת־ל֤ב הָ ֶ֨אבֶ ן‬ ֵ ֶ‫ֹתי א‬ ִ֜ ‫ֲסר‬ ִ֨ ‫ַוה‬ ‫ִמ ְּבׂשַ ְר ֔ ֶכם‬ ‫ׂשר׃‬ ֽ ָ ָ‫וְ נָתַ ִ ּ֥תי לָ ֶכ֖ם ֵל֥ב ּב‬ ‫ת־רּוחי אֶ ֵּת֣ן ְּב ִק ְר ְּב ֶכ ֑ם‬ ִ֖ ֶ‫וְ א‬ ‫יתי ֵא֤ת‬ ִ ‫וְ עָ ִׂ֗ש‬ ‫לכּו‬ ֵ ֔ ֵ‫ר־ּבחֻ ּקַ י ֙ ּת‬ ְ ֶ‫אֲׁש‬ ‫יתם׃‬ ֽ ֶ ‫ֲׂש‬ ִ ‫ּומ ְׁשּפָ ַט֥י ִּת ְׁש ְמ ֖רּו ַוע‬ ִ

(Ez 36,22a. 26–27)

22So spricht der Herr JHWH: […] 26Ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euer Inneres geben und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben. 27Ich will meinen Geist in euch geben und will solche Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandeln und meine Rechte halten und danach tun.

Auch hier gibt Gott den Menschen einen „neuen Geist“, indem er seinen Geist in ihr Inneres gibt und die Empfänger dadurch verwandelt:26 Mit dem neuen Geist kommt sung des Jubiläenbuches überliefert. Vgl. für den entsprechenden Quellentext J. C. VanderKam: The Book of Jubilees. A Critical Text, Corpus scriptorum Christianorum orientalium 510, Leuven 1989. 26 Vgl. W. Zimmerli: Ezechiel 25–48, Biblischer Kommentar. Altes Testament XIII,2, Neukirchen-Vluyn 19792, 879: „Das Stichwort ‚neu‘, das Jer 31,31 mit dem Bunde verband, ist hier mit dem Herzen verbunden, das sich unter dem neuen Tun Jahwes ändert“.



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ein neues Herz, das wieder ein Herz aus Fleisch ist,27 das heißt: ein Herz, das im Gegensatz zum steinernen Herzen lebendig und somit wieder fähig ist, Gottes Willen zu tun. Diese „Neuausrichtung auf JHWH hin“28 führt der zweite Teil näher aus, indem er unterstreicht, dass die Erneuerung von Herz und Geist durch Gottes eigenen Geist geschieht, den er in die Menschen gibt, sodass auch hier „Gott durch seinen Geist im Inneren der Menschen unmittelbar auf diese und ihr moralisches Verhalten Einfluss nimmt“.29 Auf vergleichbare Weise kann auch ein Beter in Qumran die Möglichkeit zu einem Gott entsprechenden Wandel ganz auf Gottes Wirken durch den im Menschen geschaffenen Geist zurückführen, sodass er zwar verzagt ist, sofern er auf sich und seine Sünden blickt, sein Geist (rûaḥ) bei der Betrachtung von Gottes Erbarmen aber wieder Zuversicht gewinnt (1QH IV,33–37): Beim höchsten Gott sind alle Werke der Gerechtigkeit, ‫ וְ ֶד ֶרְך אֱנֹוׁש לֹוא ִתּכֹון‬aber der Wandel des Menschen steht nicht fest, ‫רּוח יָצַ ר אֵ ל לֹו‬ ַ ‫ִכּי ִאם ְּב‬ es sei denn durch den Geist, den Gott ihm schuf, ‫ְלהָ תֵ ם ֶד ֶרְך ִל ְבנֵי אָ ָדם‬ um den Wandel der Menschenkinder vollkommen zu machen. (1QH IV,31–32; vgl. VII,6; IX,32; XVI,7)30 ‫ְלאֵ ל עֶ ְליֹון ּכֹול מַ עֲׂשֵ י‬ ‫ְצ ָדקָ ה‬

27  Das Herz ist im Alten Testament vor allem Sitz des Denkens und damit der Gotteserkenntnis. 28  M. V. Blischke: Geist, 227. 29 J. Schnocks: „Und ich werde meinen Geist in euch geben“ (Ez 37,14). Konzeptionen der Rede vom Geist in Ez 36–37. In: M. Ebner u. a. (Hg.): Heiliger Geist, Jahrbuch für Biblische Theologie 24 (2009), Neukirchen-Vluyn 2011, 31–52, 36. 30  Die im Folgenden zitierten Quellen aus Qumran und deren

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II.  Atem des Schöpfers und Macht des Retters

Die ausgelegten Texte zeigen auch, wie die oben genannten theologischen Differenzierungen des Geistes ineinandergreifen und zusammenhängen. Mit dem Bezug zur Schöpfung verweisen die anthropologischen und ethischen Aussagen auf den ersten Themenkomplex zurück. Indem das schöpferische Handeln Gottes am Menschen durch den Geist auf eine Neuschöpfung zielt, sind diese Aussagen zugleich mit dem letzten Themenkomplex verbunden, der seinen Schwerpunkt in der prophetischen Tradition hat: mit der Eschatologie.

5.  Geist und Erlösung – Prophetie und Eschatologie Wie die schöpferische Macht des göttlichen Geistes selbst Abgestorbenes wieder lebendig zu machen vermag, entfaltet eindrücklich das Kapitel Ez 37, das durch den Bezug auf den Geist mit dem vorausgehenden Text Ez 36 verbunden ist. Dort wird der Prophet – vom Geist – auf ein weites Feld voller Totengebeine geführt und gefragt, ob diese wieder lebendig werden können (Ez 37,1–3a). Der Prophet gibt diese Frage an Gott zurück (Ez 37,3b), woraufhin dieser ihm den Auftrag gibt, den vertrockneten Knochen im Namen Gottes zuzusagen: „Ich will rûaḥ (Geist/​Odem) in euch bringen, damit ihr wieder lebendig werdet“ (Ez 37,5). Nach einer anatomischen Präzisierung des Angekündigten wird die Zusage noch einmal bekräftigt: „Ich will rûaḥ in euch geben, sodass ihr lebt“ Übersetzungen sind der Edition von E. Lohse (Hg.): Die Texte aus Qumran. Hebräisch und Deutsch. Band I, Darmstadt 19864, entnommen.



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(Ez 37,6). Das Folgende schildert dann detailliert, wie sich zunächst die Knochen mit Fleisch überziehen, um dann in einer Wiederholung des ursprünglichen Schöpfungsaktes von Gen 2,7 den göttlichen Lebensodem eingeblasen zu bekommen.31 Die anschließende Deutung der Vision in den Versen 11–1432 macht klar, dass es sich hier noch nicht um eine Auferstehung im postmortalen Sinne handelt, sondern um ein Bild für die Restitution des exilierten Volkes.33 Dennoch zeigt sich hier etwas Neues, wenn nun erstmals der göttliche Geist als eine die Todessphäre bezwingende und neues Leben ermöglichende Schöpfungsmacht vor Augen gemalt wird. Damit entwickelt sich die Vorstellung vom schöpferischen ‚Lebensatem‘ in Ez 36–37 weiter in Richtung auf das πνεῦμα ζωῆς, von dem bereits die Septuagintaübersetzung interpretierend spricht, auf den Geist des Lebens „im Sinne eines schöpferischen Prinzips, das JHWH zu Gebote steht“.34 Es ist daher nur konsequent, wenn Ez 37 später in Qumran (4Q385  Frg.  2) und in anderen Zeugnissen des antiken Judentums35 auf die endzeitliche Totenauferstehung hin gedeutet wird. 31 Ez 37,7–10. Wenn der schöpferische Atem hier nicht mehr nĕšāmâ heißt, sondern rûaḥ, so ist das nicht nur ein weiteres Beispiel für die Austauschbarkeit beider Begriffe, sondern soll wohl auch eine Verbindung zu dem Geist Gottes über den Wassern am Beginn der gesamten Schöpfung in Gen 1,2 herstellen. 32  Vgl. dazu Zimmerli: Ezechiel 25–48, 888. 33  Es war wohl die in Ez 37,11 zitierte Klage, die den Propheten zu seiner Vision inspiriert haben dürfte: „Unsere Gebeine sind vertrocknet und unsere Hoffnung ist verloren; es ist aus mit uns“. 34  Schnocks: Geist, 50. 35  Eine solche Deutung bezeugt auch die bildliche Wiedergabe dieses Geschehens in der Synagoge von Dura Europos, die im drit-

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II.  Atem des Schöpfers und Macht des Retters

Auch das frühe Christentum führt schon in den ältesten Bekenntnissen die Auferstehung Jesu auf das Wirken des Gottesgeistes zurück (vgl. Röm 1,4; 1 Petr 3,18). Auf der Einwohnung dieses Geistes, durch den Gott Christus lebendig gemacht hat, beruht auch die Hoffnung der Christen, wie Paulus in Röm 8,11 sagt. In seiner ausführlichen Begründung der Auferstehung im 1. Korintherbrief kann er dann unter Bezug auf Gen 2,7 Christus selbst als das πνεῦμα ζῳοποιοῦν, als den „(die Toten) lebendig machenden Geist“, bestimmen (1 Kor 15,45). Und wie sich Ez 37 auf das ganze Volk bezog, so geht es auch in den neutestamentlichen Texten, welche das Wirken des Schöpfergeistes eschatologisch auf die Überwindung des Todes beziehen, nicht um das Geschick des Einzelnen, sondern um eine die ganze Gemeinschaft der Christgläubigen, ja um eine den ganzen Kosmos umgreifende Erneuerung (vgl. 1 Kor 15,21–28).36 ten Jahrhundert n. Chr. das Geschehen als Auferweckung im eigentlichen Sinne darstellt. 36  In diesem Sinne deutet auch der lukanische Petrus in Apg 2 die Geistausgießung zu Pfingsten durch Joel 3. Im alttestamentlichen Prätext kündigt der Prophet für die Endzeit an, dass Gott über Männer und Frauen, Jung und Alt seinen Geist ausgießen wird, sodass sie alle Visionen haben und weissagen werden. Das steht dort im Kontext einer Gerichtsankündigung: Angesichts des „großen und schrecklichen Tages JHWHs“ ermöglicht der Geist den Mitgliedern des Gottesvolkes die Rettung durch die Anrufung von Gottes Namen (Joel 3,3–5). Dagegen handelt es sich beim Pfingstwunder um die Konstituierung einer neuen Gemeinschaft, deren Grundlage die von Gott in Christus bewirkte Überwindung der Verweslichkeit und damit der Anbruch des endzeitlichen Heils ist (Apg 2,24– 32). An dieser neuen Wirklichkeit gewinnen die Glaubenden Anteil durch den in Joel 3 verheißenen Geist, den der erhöhte Christus vom Vater empfangen und über die Seinen „ausgegossen“ hat, wie Petrus



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Vom „Geist des Herrn JHWH“ ist auch der Heilsbote in Jes 61,1–3 erfüllt.37 Ihn hat „JHWH gesalbt“ und gesandt, den Armen die „frohe Botschaft“ zu verkündigen (LXX: εὐαγγελίσασθαι), die dann in einer Reihe von Infinitiven, die von der Sendungsaussage abhängen, als umfassende Befreiung und heilsame Zeitenwende expliziert wird. Wie im vorigen Kapitel angedeutet, spielt dieser Text eine wichtige Rolle in der Jesusüberlieferung. Und wenn Lukas seinen Jesus, als dieser nach der Taufe „in der Kraft des Geistes“ wieder nach Galiläa kommt (Lk 4,14), in dessen Antrittspredigt in Nazareth diese prophetische Weissagung38 in der Synagoge vorlesen und auf sich beziehen lässt (Lk 4,16–21), so wird die erstmals bei David vorkommende (1 Sam 16,13; vgl. 2 Sam 23,1–2) und von Tritojesaja eschatologisch zugespitzte Verbindung der Geistverleihung mit der Salbung als Bevollmächtigung des Heilsbringers zu einem Schlüssel seiner Christologie.39 Das verweist auf die wohl wirkmächtigste Weiterentwicklung der alttestamentlichen Pneumatologie, auf die messianische, die als Erlöser einen idealen Herrscher erwartet.40 dann im weiteren Verlauf der Predigt als Auslegung von Joel 3 darlegt (Apg 2,33). 37  Eine ähnliche Formulierung, dort aber als Zusage Gottes, findet sich im ersten Gottesknechtslied Jes 42,1; als Selbstaussage findet sich das auch in Mi 3,8. 38  Genau genommen handelt es sich um eine Zusammenstellung von Jes 63,1–2 LXX und Jes 58,6 LXX. 39 Vgl. die Zusammenfassung des Lebens Jesu in Apg 10,38 (siehe unten). 40  Dabei dürften die Metaphern Reis und Wurzel auf den bereits eingetretenen Untergang der Daviddynastie hinweisen; das Neue kommt aus dem Stumpfe des bereits gefällten Stammes. Die Hoffnung auf einen Neuanfang greift denn auch über David hinaus auf

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Dessen Herrschaft, so schildert es dann Jes 11, wird nicht nur unter den Menschen vollkommene Gerechtigkeit schaffen (V. 3–5), sondern sogar die gesamte Schöpfung verwandeln: Wenn der Wolf beim Lamme wohnt und der Panther beim Böcklein, wenn Kalb und Löwe, Kuh und Bärin einander nichts antun, wenn der Löwe Stroh frisst und kleine Kinder bei den Giftschlangen spielen, dann geschieht nichts Böses und Verderbliches mehr auf Gottes heiligem Berge – so der in V. 9 formulierte Fluchtpunkt der prophetischen Weissagung. Möglich wird diese Wiederherstellung des Paradieses und damit die Aufrichtung der Gottesherrschaft über die gesamte Welt dadurch, dass der erhoffte Isai-Spross umfassend und bleibend von Gottes Geist durchdrungen ist, wie in den einleitenden Versen deutlich gemacht wird: ‫חטֶ ר ִמּגֵ ֣ �זַע יִ ָׁש֑י‬ ֹ ֖ ‫וְ י ָָצ֥א‬ ‫וְ נֵ ֖צֶ ר ִמּׁשָ ָר ָׁש֥יו יִ ְפ ֶ ֽרה׃‬ ‫ּוח יְ הוָ ֑ה‬ ַ ‫וְ נ ָָח֥ה עָ ָל֖יו ֣ר‬ ‫ּובי ֗ ָנה‬ ִ ‫ּוח חָ ְכ ָמ֣ה‬ ַ ‫֧ר‬ ‫בּורה‬ ֔ ָ ְ‫ּוח עֵ צָ ה ֙ ּוג‬ ַ ‫֤ר‬ ‫ּדעַ ת וְ יִ ְר ַא֥ת‬ ֖ ַ ‫ּוח‬ ַ ‫֥ר‬

(Jes 11,1–2)

‫יְ הוָ ֽה׃‬

1Und es wird ein Zweig hervorgehen aus dem Wurzelstock Isais und ein Sprössling aus seiner Wurzel Frucht bringen. 2Auf ihm wird ruhen der Geist (rûaḥ) JHWHs, der Geist (rûaḥ) der Weisheit und des Verstandes, der Geist (rûaḥ) des Rates und der Kraft, der Geist (rûaḥ) der Erkenntnis und der Furcht JHWHs.

Es ist auch hier Gottes eigener Geist, der im Geistträger gegenwärtig wird, wobei die Aussage, dass dieser Geist JHWHs auf ihm „ruht“, die Kontinuität der Geistesgegendessen Vater Isai zurück; das heißt, bei aller Kontinuität, die auch für die mit dieser Dynastie verbundene Verheißung wichtig ist, wird doch zugleich ein radikaler Neuanfang angezeigt.



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wart ausdrückt. Deren Folge ist seine Ermächtigung zum idealen Herrscher, indem der Geist JHWHs zu seinem Geist wird und indem er sich in ihm als Geist der Weisheit und des Verstandes, als Geist des Rates und der Stärke und als Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht konkretisiert. Diese Hoffnung auf eine messianische Rettergestalt, in der Gott durch seinen Geist gegenwärtig ist und wirksam wird, ist auch im Judentum der neutestamentlichen Zeit lebendig. Das zeigt die Rezeption von Jes 11 in Qumran, wo die Erneuerung des Bundes und die Wiederaufrichtung der Königsherrschaft (1QSb  V,21) verbunden wird mit dem „Fürsten der Gemeinde“, dem dann in Anlehnung an Jes 11 der Segen zugesprochen wird: ‫[יִ ]ּׂשָ [אֲכָ ]ה אֲדֹונָי ְלרּום‬

‫עֹולָ ם‬

‫ּוכ ִמגְ ַּדל עֹו[ז] ְבּחֹומָ ה נִ ְׂשּגָבָ ה‬ ְ ‫וְ ִה[ ִּכיתָ ה עַ ִּמים] ְבעֹ ז [ ִּפי]כָ ה‬ ‫אֶ ֶרץ‬41 ‫ְב ִׁש ְב ְטכָ ה ּתַ ח ֲִריב‬ ‫רּוח ְׂשפָ תֶ יכָ ה תָ ִמית‬ ַ ‫ּוב‬ ְ ‫ְרׁשָ ִע[ים‬

‫בּורת עֹולם‬ ַ ְ‫רּוח עֵ צָ ]ה ּוג‬ ַ ‫ִעם‬

‫רּוח ַּדעַ ת וְ יִ ְראַ ת אֵ ל‬ ַ

(1QSb V,23–25)

Der Herr [er]he[be dich] zur ewigen Höhe und wie einen stark[en] Turm auf einer hohen Mauer, und [du wirst die Völker schlagen] mit der Kraft deines [Mundes], mit deinem Szepter wirst du die Erde verwüsten, und mit dem Hauch deiner Lippen wirst du die Gott[losen] töten, [mit dem Geist des Ra]tes und mit ewiger Kraft, mit dem Geist der Erkenntnis und der Furcht Gottes.

41 Geändert nach der Edition von P. Alexander/​G. Vermes: Qumran Cave 4. XIX. Serekh ha-Yaḥad and two related texts, Discoveries in the Judaean Desert XXVI, Oxford 1998. Lohse liest stattdessen ‫„( ּתַ ח ֲִרים‬du wirst den Bann vollstrecken“).

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Auch hier ist es der von Gott verliehene Geist des Rates und der ewigen Kraft, der Erkenntnis und der Furcht Gottes, der dem erhofften endzeitlichen Erlöser zugesprochen wird, wobei dieser nicht mehr der jesajanische „Friedefürst“ ist (Jes 9,5), sondern wieder nach dem Bild des gewalttätigen Gotteskriegers gestaltet ist. Mit dem für die Endzeit angekündigten Retter kann in Qumran sogar die Salbung mit dem Geist verbunden werden (11QMelch 2,18–19). Dass solche messianischen Hoffnungen in neutestamentlicher Zeit nicht auf Qumran beschränkt gewesen sind, zeigt PsSal  17. Dieser Psalm, der in neutestamentlicher Zeit (vielleicht in pharisäischen Kreisen) entstanden ist,42 ist zwar auf Griechisch verfasst, aber von der palästinisch-jüdischen Tradition geprägt. Der Beter ruft zunächst Gott als den „König für immer und ewig“ an, auf den als den „Retter“ sich seine Hoffnung richtet. Im Zusammenhang mit dieser Vertrauensäußerung wird Gott dann aber auch an seine Zusage erinnert, dass Davids Königtum nicht enden wird (V. 1–4). Diese Verheißung wird im Folgenden mit der gegenwärtigen Realität der Gewaltherrschaft derer kontrastiert, die „Davids Thron in lärmendem Übermut verwüsteten“ (V. 6). Als eine Ursache dafür erkennt der Beter durchaus auch die Schuld des Volkes an, er unterstreicht aber zugleich die Erbarmungslosigkeit von Israels Feinden (V. 5–20). In V. 21 setzt der Psalm noch einmal neu ein, indem er als Konsequenz aus 42 Felix Albrecht datiert die messianische Endredaktion der Psalmen Salomos zwischen dem Auftreten Jesu und der Regierung Agrippas I., wobei er für Psalm 17 am ehesten die Zeit Agrippas I. (41–44 n. Chr.) annimmt; vgl. F. Albrecht (Hg.): Septuaginta. Vetus Testamentum Graecum XII,3. Psalmi Salomonis, Göttingen 2018, 233–235.



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dieser Spannung zwischen Verheißung und Realität nun Gott bittet, von Neuem über Israel einen König einzusetzen, einen Davidsohn (V. 21) und „Gesalbten des Herrn“ (V. 32), der die Feinde mit eisernem Stabe zerschlägt und die Sünder ausrottet, um das Land von allen Fremden zu befreien und ein heiliges Volk zu versammeln. Seine unbezwingbare Stärke, so führt der Psalm weiter aus, beruht nicht auf seinen Waffen und ökonomischen Ressourcen, sondern allein auf Gott (vgl. besonders V. 35–36). In diesem Zusammenhang spielt dann neben anderen Formen der göttlichen Zuwendung wie dem Segen auch der heilige Geist eine Rolle, und zwar als ermächtigende Kraft, wie V. 37–38 gleich mehrmals unterstreicht: καὶ οὐκ ἀσθενήσει ἐν ταῖς ἡμέραις αὐτοῦ ἐπὶ θεῷ αὐτοῦ· ὅτι ὁ θεὸς κατειργάσατο αὐτὸν δυνατὸν ἐν πνεύματι ἁγίῳ καὶ σοφὸν ἐν βουλῇ συνέσεως μετὰ ἰσχύος καὶ δικαιοσύνης. καὶ εὐλογία κυρίου μετ᾽ αὐτοῦ ἐν ἰσχύι, καὶ οὐκ ἀσθενήσει. (PsSal 17,37–38)

Und er wird nicht ermatten in seinen Tagen bei seinem Gott; denn Gott hat ihn stark gemacht mit heiligem Geist und weise in einsichtigem Rat samt Stärke und Gerechtigkeit. Und der Segen des Herrn (wird) mit ihm (sein) in Kraft und er wird nicht ermatten.

Hier wie auch in dem sich anschließenden Psalm 1843 ist es erneut der in Jes 11,1–2 verheißene Geist Gottes, der als der „(heilige) Geist“ dem von ihm ergriffenen Men43  PsSal 18 kann auf vergleichbare Weise diejenigen seligpreisen, die in der Zeit des „Gesalbten des Herrn“ (V. 6–7) leben, weil dessen züchtigender Stab von Gottesfurcht und Weisheit des Geistes sowie Gerechtigkeit und Stärke geführt wird (ebd.).

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II.  Atem des Schöpfers und Macht des Retters

schen Anteil an Gottes Überlegenheit gewährt. Der Kontext der Zitate zeigt, dass der alte kriegerische Geist der Richter und das daraus abgeleitete Amtscharisma Davids keineswegs vergessen sind, sondern in Verbindung mit der prophetischen Tradition in eschatologischer Zuspitzung zur Grundlage der Hoffnung der Bedrängten auf endgültige Erlösung werden.44 PsSal 17 und 18 sind mit ihrem Rückgriff auf die Davidstradition nur eine Art und Weise, wie das antike Judentum zur Zeit des Neuen Testaments mithilfe des Geistes seine eigene Gegenwart deutet, um dieser eine Zukunftsperspektive zu eröffnen. Die alttestamentliche Vorstellung, dass Gott den Menschen nicht nur mit seinem guten Geist, sondern auch durch einen Lügengeist bestimmen kann (1 Kön 22,19– 23), wird in der Gemeinderegel von Qumran (1QS III,13– IV,26) systematisiert zu einer Gesamtdeutung der Wirklichkeit als Widereinander zweier entgegengesetzter ַ ) und der Geistmächte: Der „Geist der Wahrheit“ (‫רּוח אֱמֶ ת‬ ַ ) teilen die Menschheit in zwei „Geist des Frevels“ (‫רּוח עַ וְ לָ ה‬ Einflussbereiche auf und kämpfen bis zu dem von Gott bestimmten Ende widereinander. Diese dämonologische Interpretation der Wirklichkeit45 durch die rûaḥ46 findet 44  PsSal  18,7 nimmt das  – ebenfalls im Blick auf den „Gesalbten“  – noch einmal auf. Wohl nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Situation akzentuieren auch die beiden Psalmen Salomos wieder stärker den Gedanken der Auseinandersetzung. Entsprechend ist wie schon in 1QSb V,23–25 auch hier die Herrschaft dieses DavidSprosses weniger als der prophetische Prätext vom Friedensgedanken bestimmt. 45  Eine Spannung besteht zwischen 1QS IV,23–24, wo zwei Geister im Menschen miteinander ringen, und 1QS  III,17–25, das sich so liest, als ob die Menschen dem Einflussbereich je eines Geistes angehören würden. Das deutet darauf hin, dass der Text ergänzt wurde, wobei III,20–24 eine spätere prädestinatianische Fortschrei-



5.  Geist und Erlösung – Prophetie und Eschatologie 

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sich so nicht im Alten Testament, hat aber Entsprechungen in der sonstigen Literatur des antiken Judentums. So kontrastiert das Testament Ruben die sieben guten Geister der Schöpfung47 mit den sieben Geistern der Verwirrung,48 das Jubiläenbuch versteht die ganze Schöpfung als von Geistern bestimmt (vgl. Jub II,2) und nennt Gott den „Gott der Geister“ (X,3) und seinen Widersacher Mastema den „Fürsten der Geister“ (X,8). Auch Philon kann zwischen einem guten und einem bösen Geist unterscheiden, von denen entweder der eine oder der andere den Menschen beherrscht (Phil. Al. Immut. 1–3). Der die Zwei-Geister-Lehre der qumranischen Gemeinderegel durchziehende Rekurs auf einen festgesetzten göttlichen Plan (1QS  III,15–16; vgl. IV,17–20) bzw. eine vorbestimmte Zeit (1QS  III,18.23; IV,25–26) hat dabei die theologische Funktion, dem Dualismus der beiden Geistmächte den einen Gott als die alles bestimmende Macht überzuordnen. Hier verbindet sich der biblische Monotheismus mit dem vor allem in der stoischen Philosophie prominenten Vorsehungsgedanken.49 Dabei bung darstellen dürfte, die den Kampf der Geister im Inneren des Menschen in die Geschichte und dessen Entscheidung ins Eschaton verlagert (vgl. M. V. Blischke: Geist, 278–280). 46  Sie zeigt sich auch darin, dass in den Texten von Qumran zehnmal so häufig der Plural von rûaḥ verwendet wird wie im Alten Testament. 47  Deren erster der „Geist des Lebens“, mit dem „der Zusammenhalt [des Körpers] geschaffen wird“ ist (Test.XII Rub. 2,4) – eine unverkennbare Anlehnung an die stoische Pneumatologie. 48 Test.XII Rub. 2,1–3,6; vgl. auch Test.XII Sim. 3–4 mit der Entgegensetzung von Gottes Geist und dem Geist der Irrung und des Neids. 49  Selbst der durch die Überordnung der göttlichen Vorbestimmung monotheistisch umgriffene Dualismus ist zwar vielleicht per-

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II.  Atem des Schöpfers und Macht des Retters

knüpft die Beschreibung der Wirksamkeit des auf die Seite Gottes gehörenden Geistes der Wahrheit eng an biblische Traditionen an, wenn ihm als Tätigkeit zugeschrieben wird, ‫לֶ הָ ִאיר ִּב ְלבַ ב ִאיׁש‬ ‫ּוליַּׁשֵ ר ְלפָ נָיו ּכֹול ַּד ְרכֵ י‬ ְ ‫צֶ ֶדק אֱמֶ ת‬ ‫ּולפַ חֵ ד ְלבָ בֹו ְב ִּמ ְׁש ְּפטֵ י אֵ ל‬ ְ ‫ע ָנוָה וְ א ֶֹרְך אַ ּפַ יִ ם‬ ֲ ‫רּוח‬ ַ ְ‫ו‬ ‫וְ רֹוב ַרח ֲִמים וְ טּוב עֹולָ ִמים‬ ‫בּורה‬ ָ ְ‫ּובינָה וְ חָ ְכמַ ת ּג‬ ִ ‫וְ ׂשֵ כֶ ל‬ ‫מַ אֲמֶ נֶת ְבּכֹול מַ עֲׂשֵ י אֵ ל‬ ‫וְ נִ ְׁשעֶ נֶת ְבּרֹוב חֲסָ ָדו‬ ‫רּוח ַּדעַ ת ְּבכֹול מַ חֲׁשֶ בֶ ת‬ ַ ְ‫ו‬ ‫מַ עֲׂשֶ ה‬ ‫וְ ִקנְ אַ ת ִמ ְׁש ְּפטֵ י צֶ ֶדק‬

ֶ ]…[‫קֹודׁש‬

‫ּומַ חֲׁשֶ בֶ ת‬

‫רּוח ִל ְבנֵי אֱמֶ ת‬ ַ ‫סֹודי‬ ֵ ‫אֵ ּלֶ ה‬ ‫ּתֵ בֵ ל‬

das Herz des Menschen zu erleuchten und alle Wege wahrer Gerechtigkeit vor ihm zu ebnen und sein Herz in Furcht zu versetzen vor den Gerichten Gottes; und einen Geist der Demut und Langmut und reiches Erbarmen und ewige Güte und Klugheit und Einsicht und mächtige Weisheit, die vertraut auf alle Werke Gottes und sich stützt auf seine reiche Gnade, und einen Geist der Erkenntnis in jedem Plan eines Werkes, Eifer um die gerechten Gerichte und heiliges Vornehmen […]. Dies sind die Ratschläge des Geistes für die Söhne der Wahrheit (in) der Welt.

(1QS IV,2–4b.6b)

Unverkennbar sind die Bezüge zu der Verheißung einer Erneuerung des Herzens durch den Geist in Ez 36 und zu dem neu geschaffenen Geist des Beters in Ps 51 (und 1QH  IV,31–32). Zugleich bildet der damit verbundene Tugendkatalog eine Brücke zu der paulinischen Rede von der „Frucht des Geistes“ in Gal 5,22–23, wie dann der sich daran anschließende Lasterkatalog mit den Auswirkungen sischen Ursprungs, hat aber auch Eingang gefunden in griechisches Denken, wie Plutarchs Traktate De Iside et Osiride und De E apud Delphos bezeugen.



6.  Geist und Gott – Zusammenfassung

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des „Geistes des Frevels“ in 1QS IV,9–11 an die „Werke des Fleisches“ in Gal 5,19–21 denken lässt. Auch der Gedanke der durch Gottes Geist bewirkten Sündenvergebung in Verbindung mit einer grundlegenden Erneuerung des Inneren fehlt nicht, wenn es am Ende jener Digression zur Geisterlehre im Blick auf das Gericht heißt, dass dann Gott durch seine Wahrheit alle Werke des Menschen läutern wird ‫ וְ זִ ּקַ ק לֹו ִמ ְּבנֵי ִאיׁש‬und sich einige aus den Menschenkindern reinigen wird, ‫רּוח עַ וְ לָ ה‬ ַ ‫ְלהָ תֵ ם ּכֹול‬ indem er allen Geist des Frevels aus dem ‫ִמּתַ ְכמֵ י ְבׂשָ רֹו‬ Innern ihres Fleisches tilgt ‫קֹודׁש‬ ֶ ‫רּוח‬ ַ ‫ּולטַ הֲרֹו ְב‬ ְ und sie reinigt durch heiligen Geist von ‫ִמּכֹול ע ֲִלילֹות ִר ְׁשעָ ה‬ allen gottlosen Taten. ‫רּוח אֱמֶ ת‬ ַ ‫ וְ יַז עָ לָ יו‬Und er wird über sie sprengen den Geist ‫ְּכמֵ י נִ ָּדה‬ der Wahrheit wie Reinigungswasser ‫ִמּכֹול ּתֹועֲבֹות ׁשֶ קֶ ר‬ (zur Reinigung) von allen Gräueln der Lüge ‫רּוח נִ ָּדה‬ ַ ‫ וְ ִה ְתּגֹולֵ ל ְּב‬und dem Sich-Wälzen in unsauberem Geist, ‫ְלהָ ִבין יְ ׁשָ ִרים ְּב ַדעַ ת‬ um die Rechtschaffenen zu unterweisen in ‫ עֶ ְליֹון‬der Erkenntnis des Höchsten ‫ וְ חָ ְכמַ ת ְבּנֵי ׁשָ מַ יִ ם‬und der Weisheit der Söhne des Himmels ‫ְלהַ ְׂש ִּכיל ְת ִּמימֵ י ָד ֶרְך‬ und klug zu machen, die vollkommen im Wandel sind. (1QS IV,20–22. Übersetzung E. Lohse, modifiziert) ‫וְ אָ ז יְ בָ ֵרי אֵ ל בַ א ֲִמּתֹו‬ ‫כֹול מַ עֲׂשֵ י גֶבֶ ר‬

6.  Geist und Gott – Zusammenfassung Bereits an diesen wenigen Stellen wurde deutlich, wie im Judentum der neutestamentlichen Zeit die alttestamentlichen Geistvorstellungen weiterleben. Der Geist wird hier wie bereits in den späteren Schriften des Alten Testaments

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II.  Atem des Schöpfers und Macht des Retters

eng mit Gott verbunden.50 Zugleich wird die Geistvorstellung weiter systematisiert, was hellenistischen Einfluss verrät. Dieser Einfluss war allerdings im palästinischen Mutterland und in der hebräischsprachigen Literatur noch deutlich begrenzter als in dem Griechisch sprechenden Diasporajudentum. Darum wird es im übernächsten Kapitel gehen. Jetzt sollen noch einmal die wesentlichen Punkte der alttestamentlichen Rede vom Geist zusammengefasst werden: 1.  Der Geist Gottes ergreift Menschen und sondert sie so für eine bestimmte Aufgabe aus, die kriegerischer, aber auch prophetischer Art und mit einer entsprechenden Ermächtigung verbunden sein kann. 2.  Der Gedanke einer durch den Geist ermöglichten Teilhabe an Gottes Lebensmacht bestimmt auch die Schöpfungsaussagen: Durch den göttlichen ‚Odem‘ erhält der Glaubende Anteil an der die Welt und vor allem den Menschen belebenden göttlichen Lebendigkeit. Als Folge kann auch vom Geist der Menschen gesprochen werden, aber dieser bleibt abhängig von Gottes Geist.51 3.  Der Geist ist im Menschen auch das Medium der Gottesbegegnung. Er ist nicht vorhanden im Sinne einer naturgegebenen Ausstattung, sondern er realisiert sich „in der Art eines dauernden organischen Lebensverhältnisses zu Gott“.52 50  Vgl. M. Oeming: Art. Geist/​Heiliger Geist II. Altes Testament. In: RGG4 3 (2000), 564–565, 565: „In der Spätzeit des AT wird G. ganz nah an Gott herangerückt […]. An manchen Stellen ist mit G. schlicht Gott gemeint (Jes 34,16; 63,14; Ps 139,7; 143,10)“. 51  Dabei spricht Ps 104,29 noch von „ihrem Geist“, der durch Gottes Geist dem Tode entrissen wird, während Gott in Ps 51,12 und 1QH IV,32 den Geist im Menschen erschafft. 52 A. Weiser: Die Psalmen. Erster Teil. Psalm 1–60, Das Alte



6.  Geist und Gott – Zusammenfassung

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4.  Damit bewirkt der Geist eine umfassende Verwandlung des menschlichen Selbst, die den Menschen befähigt, Gottes Willen zu tun. 5.  Die Erneuerung der Menschen durch den Geist wird zunehmend mit der Hoffnung auf eine endgültige Restitution des Volkes oder gar die endzeitliche Erneuerung der gesamten Schöpfung verbunden. 6.  Im Zusammenhang mit der Eschatologisierung des Geistes kann sich die Davidstradition mit den prophetischen Verheißungen verbinden und zur Hoffnung auf eine vom Geist Gottes erfüllte und ermächtigte messianische Erlösergestalt verdichten. In summa: Mag der Geist in der Frühzeit noch Züge einer numinosen Macht getragen haben, so wird er bereits in den Erzählungen von Saul und den Richtern an den Gott Israels gebunden. Diese theologische Rückbindung verstärkt sich in der Zeit der Krise und wird in der Spätzeit des Alten Testaments und im antiken Judentum immer enger.53 Selbst dort, wo er die Schöpfung und den Menschen belebt, stellt er keine dem Kosmos und dem Menschen inhärente Gegebenheit dar, sondern ist „die Art und Weise der Anwesenheit des bleibend transzendenten Gottes in der Welt und unter den Menschen“.54 Diesen Aspekt personaler Zuwendung zeigt besonders deutlich die mit dem Geist verbundene Rede von dem „Angesicht“, das Testament Deutsch 14, Göttingen 1950, 264. Interessant ist auch Weisers Bemerkung, dass dies die „alttestamentliche Wurzel des neutestamentlichen Gedankens der Wiedergeburt“ sei (ebd.). 53  Statistisch zeigt sich das etwa daran, dass in den Schriften des Alten Testaments nur dreimal von einem „heiligen Geist“ die Rede ist (Ps 51,13; Jes 63,10–11), dagegen allein in den Schriften von Qumran mehr als zehnmal so oft. 54  Wolter: Der heilige Geist bei Paulus, 95.

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II.  Atem des Schöpfers und Macht des Retters

Gott verbergen oder zuwenden kann (vgl. Ps 51; 104) – bis dahin, dass Jes 63,9–10 beide unmittelbar aufeinander bezieht. Zugleich zeigen sich erste Ansätze zu einer Personifikation des Geistes, wenn dieser etwa zum Propheten spricht (Ez 11,5; vgl. 3,24).

III.  Das Wirken der Weltvernunft – die griechisch-römische Philosophie 1.  Die Stoa 1.1  Überwindung des Dualismus von Vernunft und Materie – die frühe Stoa Die großen philosophischen Systeme eines Platon und Aristoteles stimmen bei allen Unterschieden darin überein, dass sie die Wirklichkeit in ihrer vernünftig geordneten Gestalt, also den Kosmos, auf einen überlegenen göttlichen Intellekt zurückführen (νοῦς bzw. λόγος), der zwar die gesamte Wirklichkeit durchwaltet, an dem jedoch der Mensch durch seine Vernunft gesteigert Anteil hat. Während nun aber in der Akademie und im Peripatos diese kosmische Vernunft der Materie als ein substanziell Anderes gegenübersteht – wirkmächtig wurde die platonische Definition des Göttlichen als „Jenseits des Seienden“1  –, ist die stoische Weltanschauung monistisch, insofern sie alles Seiende als körperlich versteht, und das beinhaltet, dass auch das Göttliche immanent und damit auch irgendwie stofflich gedacht werden muss. Um den Dualismus von Vernunft und Materie zu überwinden und zu erklären, wie die göttliche Weltvernunft als eine Substanz eigener Art, als „fünftes Element“,2 1 Pl. Rep. VI,509b: ἐπέκεινα τῆς οὐσίας. 2  Zu dieser ‚Quintessenz‘ vgl. Al. Aphr. De mixt. 225,8. Vgl. dazu

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III.  Das Wirken der Weltvernunft

durch ihre Feinstofflichkeit die gesamte Wirklichkeit zu durchdringen und zu gestalten vermag, bediente man sich eines Analogieschlusses. Dessen Ausgangspunkt ist die ursprünglich biologische Vorstellung vom Pneuma als Lebensatem, das heißt als einer dynamistischen Größe, die einen Körper durchdringt und ihn dadurch zu einem lebendigen Wesen macht.3 Das wird auf den ganzen als Lebewesen verstandenen Kosmos übertragen, sodass man das πνεῦμα als die Wirkursache für die Beseelung des Alls und die daraus resultierende vernunftgemäße Geprägtheit der Welt verstehen kann.4 „Pneûma ist nach stoischer Vorstellung das alles durchdringende feinst-körperliche Substrat, dessen Dynamik für die synchrone und diachrone Verbindung von allem verantwortlich zeichnet.“5 Insofern kann man mit Maximilian Forschner das πνεῦμα geradezu als „die (göttliche) Seele des Kosmos“ bezeichnen.6 Nach Tertullian geht die Einführung des πνεῦμα in die stoische Philosophie auf Kleanthes zurück, der damit Überlegungen Zenons, des Gründers der Stoa, über den Logos als Baumeister des Alls dahin gehend weiR. B. Todd: Alexander of Aphrodisias on Stoic Physics. A Study of the De Mixtione with Preliminary Essays, Text, Translation and Commentary, Leiden 1976, 222: „An ironic consequence in view of the claim […] that if God is a body, composite in substance but without matter, the Stoics will have to introduce another matter, that of God.“ 3  In diesem Sinne fügt Ps.‑Arist. De mundo 394b,9–11 anlässlich einer Erklärung über die Entstehung des Windes im Blick auf den Begriff des πνεῦμα erläuternd hinzu: „Doch nennt man πνεῦμα auch in anderem Sinne die lebendige und zeugende Kraft, die in Pflanzen und Lebewesen wirkt und alles durchwaltet.“ 4 Vgl. SVF II,340: Οἱ Στωϊκοὶ πάντα τὰ αἴτια σωματικά· πνεύματα γάρ. Zum Verständnis der αἴτια vgl. auch SVF II,338. 5  Vgl. M. Forschner: Die Philosophie der Stoa. Logik, Physik und Ethik, Darmstadt 2018, 117. 6  Forschner: Philosophie der Stoa, 118.



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terdachte, dass er den Geist gleichsam als den Aggregatszustand des Göttlichen bestimmte, durch den dieses die Welt zu durchdringen vermag: Apud vestros quoque Auch bei euren Weisen erscheint bekanntlich der Logos, ­sapientes λόγον, id est sermonem atque das heißt Sprache und Vernunft, ­rationem, constat artificem videri als der Baumeister des Alls. ­universitatis. Hunc enim Zeno determinat Denn ihn bezeichnet Zenon als factitatorem, den Schöpfer, qui cuncta in dispositione der alles geordnet und gestaltet habe; formaverit; eundem et fatum vocari et er werde auch Schicksal genannt, Gott, deum et animum Iovis et necessita- Seele Jupiters und Notwendigtem omnium rerum. keit aller Dinge. Haec Cleanthes in spiritum Dies überträgt Kleanthes auf congerit, den Geist, von dem er behauptet, er quem permeatorem universitatis affirmat. durchdringe das All. (Tert. Apol. 21,10 = SVF I,160.533)

Diese Vorstellung hat dann Chrysipp, der Nachfolger des Kleanthes als Schuloberhaupt und Systematiker der stoischen Lehre,7 dahin gehend präzisiert, dass er das πνεῦμα als den göttlichen Hauch bestimmte, der seine Elastizität der Luft und seine Aktivität dem Feuer verdankt und der es auf diese Weise dem göttlichen Intellekt ermöglicht, die gesamte Wirklichkeit zu einer Einheit zu verbinden und der Weltvernunft (dem Logos) konform zu machen. So ist für Chrysipp das die Welt re7  Von ihm stammt etwa die Einteilung der stoischen Lehre in Ethik, Logik und Physik.

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III.  Das Wirken der Weltvernunft

gierende Schicksal (εἱμαρμένη) der „Logos des Kosmos“, dessen körperliche Substanz (οὐσία) er als geistige Kraft (δύναμις πνευματική) charakterisiert.8 Die Verbindung des πνεῦμα mit dem νοῦς, der Weltvernunft, bezeugt besonders die zweimal bei Chrysipp begegnende Wendung πνεῦμα νοερόν, „vernünftiges Pneuma“, die den stoischen Gott kennzeichnet, sofern dieser in allem präsent ist, dabei der bestimmungslosen Materie Form und Gestalt gibt und auf diese Weise den Kosmos schafft (SVF II,310). Dessen Schönheit verweist auf eine dahinterstehende „schöpferische Kunstfertigkeit“ (τέχνη δημιουργούση), wobei das solches bewirkende göttliche πνεῦμα selbst ohne Gestalt ist und sich allem anzupassen vermag (SVF II,1009). In letzterem Text wird dem πνεῦμα neben dem Attribut νοερόν, das seine Vernunftnatur bezeichnet, noch als zweites Prädikat πυρῶδες, „feuerartig“, hinzugefügt, um den dynamischen Charakter des Substrats zu betonen. Henri Crouzel fasst die stoische Pneumatheorie prägnant zusammen: „Das Pneuma ist nicht mehr eines der Elemente, sondern wird […] zum Prinzip aller vier Elemente. Zwar immer noch mate8  SVF II,913 (aus Stob. Ecl. I, p. 79,1–8): „Chrysipp versteht unter dem Wesen der Heimarmene eine alles durchdringende Lebenskraft (dýnamis pneumatiké), die die Vorgänge im All ordnungsgemäß regelt. Das führt er im zweiten Buch ‚Über die Welt‘ aus. Im zweiten Buch ‚Über die Definitionen‘ und in den Büchern ‚Über die Hei­ marmene‘ und in anderen Schriften an verschiedenen Stellen erklärt er auf vielfältige Weise: ‚Die Heimarmene ist das Vernunftgesetz der Welt‘ oder ‚das Vernunftgesetz aller Prozesse, die in der Natur durch Vorsehung geregelt werden‘ oder ‚das Vernunftgesetz, nach dem das Gewordene geworden ist, das Entstehende entsteht und das Zukünftige sein wird.‘“ (Übersetzung von Rainer Nickel in: Ders. [Hg.]: Stoa und Stoiker. Band 1. Griechisch-lateinisch-deutsch, Düsseldorf 2008, 515)



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riell verstanden, aber von einer sehr feinen Stofflichkeit, unsichtbar u. das Prinzip seiner Bewegung in sich selbst tragend, durchdringt es das Universum in allen seinen Teilen, sichert seinen Zusammenhalt, bewegt, belebt u. beseelt es u. gestaltet es zu einem sympathetischen Organismus.“9

1.2  Die innere Harmonie des Alls – die Mittlere Stoa Die Rede von einem „sympathetischen Organismus“ verweist auf den bedeutendsten Vertreter der Mittleren Stoa, auf Poseidonios. Dessen Schriften sind verloren gegangen, seine Lehre kann nur aus späteren Zeugnissen rekonstruiert werden. Besonders wichtig war ihm, dass das Zusammenwirken von Spannkraft (τόνος) und Geist (πνεῦμα) den inneren Zusammenhalt des Alls ermöglicht, den er συμπάθεια nannte.10 Ein wichtiger Zeuge für seine Philosophie ist Cicero, dessen Verdienst es war, die griechische Philosophie im Lateinischen eingebürgert zu haben.11 Für seine Abhandlung De natura deorum wählt der Redner und Staatsmann die Form des aristotelischen Dialogs, das heißt, seine Darlegung ist nicht durch den beständigen Wechsel von Rede und Widerrede bestimmt wie bei Platon, sondern sie wird dominiert von längeren monologischen Passagen. Das bietet den verschiedenen Dialogpartnern die Möglichkeit, ihre Positionen aus der Sicht ihrer 9  Crouzel: Art. Geist (Heiliger Geist), 498. 10  SVF II,546. Nach der Darstellung des Peripatetikers Alexander von Aphrodisias ist das πνεῦμα das, was das All zusammenhält (αἴτιον τὸ συνέχον αὐτὰ πνεῦμα), er nennt es τὸ πνεῦμα τὸ συνδέον, „verbindendes Pneuma“ (Al. Aphr. De mixt. 224,7–9. Vgl. dazu auch M. Pohlenz: Die Stoa. Geschichte einer geistigen Bewegung. Band 1, Göttingen 20108, 217–218; Forschner: Philosophie der Stoa, 117–122). 11 Zur Zuverlässigkeit der ciceronischen Wiedergabe siehe Forschner: Philosophie der Stoa, 29.

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III.  Das Wirken der Weltvernunft

jeweiligen Schule  – des Epikureismus, der Stoa und der akademischen Skepsis – im Zusammenhang vorzustellen. In besagter Schrift lässt Cicero – nach der Darstellung der epikureischen Lehre von den Göttern durch den Epikureer Velleius und deren Kritik durch den Akademiker Cotta im ersten Buch – im zweiten Buch den Stoiker Balbus auftreten, der seine Darlegung in vier Teile gliedert: Zunächst will er die Existenz der Götter nachweisen (II,4–44), dann deren Wesen darstellen (II,45–72); ein dritter Teil soll zeigen, dass die Götter die Welt verwalten (II,73–153), ein vierter deren Fürsorge für die Menschen (II,154–167). Im Blick auf das Thema des ersten Teils, die Existenz der Götter, konstatiert der Stoiker zunächst, dass diese Frage eigentlich gar keiner Erörterung bedürfe; denn bereits der Blick zum Himmel zeige, dass das All von einem göttlichen Wesen mit einem alles übertreffenden Verstand (numen praestantissimae mentis) regiert sein müsse (II,4). Diese Behauptung wird zusätzlich plausibilisiert durch den Verweis auf die Verwurzelung dieser Überzeugung in der menschlichen Seele, deren Fortbestand für ihren Wahrheitsgehalt spreche, da sie nicht wie erdichtete Vorstellungen irgendwann als falsch aufgegeben werden musste. Sodann listet Balbus eine ganze Reihe von geschichtlichen Beispielen auf, die das Eingreifen der Götter demonstrieren sollen (II,5–12), um daraus die Schlussfolgerung zu ziehen: Itaque inter omnis ­omnium gentium summa constat; omnibus enim innatum est et in animo quasi insculptum esse deos. (Cic. Nat. deor. II,12)

Daher steht bei allen Menschen auf der ganzen Welt die Hauptsache fest, allen ist ja angeboren und ­­ gleichsam in die Seele gemeißelt: Es gibt Götter.



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Doch trotz dieser vorgeblichen Gewissheit fühlt sich der Stoiker dann doch genötigt, auf die Frage einzugehen, wie und warum sich überhaupt die Vorstellung von den Göttern in der menschlichen Seele gebildet hat. Balbus rekurriert dazu auf die Argumentationen der stoischen Gründergestalten und beginnt mit Kleanthes, der dafür vier Gründe anführt: 1. die Vorahnung des Kommenden, 2. die Zweckmäßigkeit der Welt, 3. das Erschrecken über gewaltige Naturereignisse und 4. die gleichbleibende Bewegung des Himmels. Vor allem Letzteres beweist für ihn, dass im Weltall nicht der Zufall regiert, weil „derartige gewaltige Vorgänge in der Natur durch eine denkende Kraft (aliqua mente) gelenkt werden“ (II,15). Von Chrysipp übernimmt Balbus einen Schluss a minore ad maius: Wenn es in der Wirklichkeit etwas gibt, was die Denkfähigkeit, die Kraft und das Können des Menschen übersteigt, so muss dieses vortrefflicher sein als der Mensch. Ebendas aber gilt für die ewige Ordnung der Himmelskörper, die der Mensch nicht hervorgebracht hat, sondern die etwas Größeres ist als dieser. „Welchen besseren Namen aber könnte man dafür gebrauchen“, so die Konklusion, „als Gott“ (II,16)? Dasselbe Schlussverfahren wird dann auf die geistige Veranlagung des Menschen angewandt (II,17), um daraus zu folgern, dass es „eine kosmische Vernunft gibt, und zwar eine schärfer denkende und göttliche“. Der im ersten Argumentationsgang erschlossene „Gott“ wird also nun als mens mundi, als kosmische Vernunft, näher bestimmt, und zwar als „schärfer denkende“, aus deren überlegener ratio auch die geistigen Fähigkeiten und Tätigkeiten der Menschen abgeleitet werden können (II,18). Mit fast schon hymnischen Worten wird daraufhin (vermutlich im Anschluss an die συμπάθεια-Lehre des Poseidonios) die tanta rerum consentiens conspirans continuata cogna‑

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III.  Das Wirken der Weltvernunft

tio, „die so große, in sich übereinstimmende, in gegenseitigem und kontinuierlichem Austausch stehende Verwandtschaft aller Dinge“ gepriesen, um aus dieser organischen Kohärenz des Kosmos dann den Schluss zu ziehen: haec ita fieri omnibus inter se concinentibus mundi partibus profecto non possent, nisi ea uno divino et continuato ­spiritu continerentur. (Cic. Nat. deor. II,19)12

Diese Vorgänge könnten in einer solchen Harmonie aller Teile des Weltalls selbstverständlich nicht geschehen, wenn sie eben nicht durch einen einzigen göttlichen und ununterbrochen tätigen Geist zusammengehalten würden.

Die Argumentation des Balbus ist ein weiteres der eingangs angekündigten Beispiele dafür, dass mens (= νοῦς) und spiritus (= πνεῦμα) zusammen die Gegenwart und Wirksamkeit der göttlichen Vernunft in der Welt allgemein und im Menschen im Besonderen bezeichnen können. Dabei sind die beiden auch hier nicht deckungsgleich: Es ist kein Zufall, dass der Stoiker an der Stelle vom spiritus divinus, vom „göttlichen Geist“, spricht, wo es darum geht zu erläutern, wie der kosmische νοῦς, die mens mundi, die gesamte Wirklichkeit zu durchdringen und so dessen Teile zu einem miteinander harmonierenden und in beständigem gegenseitigen Austausch stehenden Organismus zu machen vermag. Es ist der spiritus divinus, der als dynamistische Manifestation der göttlichen Vernunft den Zu12  Bei dieser Argumentation wird allerdings nicht ganz klar, wie sich Gott und die Welt zueinander verhalten, zumal der Rückschluss vom Werk auf dessen Urheber doch eher an eine Unterscheidung zwischen der Gottheit und ihrem Werk denken lässt. Wohl deshalb bemüht sich der Stoiker im Folgenden, immer wieder die Identität von Gott und Welt nachzuweisen (vgl. II,21.36.39), um den für die stoische Philosophie zentralen Monismus nicht infrage zu stellen.



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sammenhalt des Kosmos bewirkt, indem er die verschiedenen Teile durchdringt und sie mittels seiner kohäsiven Energie zu einer lebendigen Einheit zusammenbindet. Ihren wohl elegantesten Ausdruck hat diese Vorstellung vom Geist als jener göttlichen Macht, mittels derer die Vernunft das All zu durchdringen und zu einem die göttliche Ordnung widerspiegelnden kosmischen Leib zu machen vermag, in der Nekyia der Aeneis gefunden.13 Bei dieser im sechsten Buch geschilderten Unterweltsfahrt seines Helden Aeneas lässt Vergil den toten Anchises seinem Sohn das Schicksal der Seelen erläutern und beginnt dabei mit einer Gesamtdeutung des Kosmos, die in stoischer Tradition die Wirklichkeit durch das ineinandergreifende Wirken von spiritus und mens deutet: Principio caelum Im Anfang nährt den Himmel, ac terras, camposque das feste Land und die Wasserflut ­liquentis/ lucentemque globum die leuchtende Mondkugel und das lunae Titaniaque astra/ Gestirn des Titanen [= Sonne], spiritus intus alit im Innern ein Geist, totamque infusa per und die Vernunft setzt, wenn sie in artus/ alle Glieder eingeströmt ist, mens agitat molem die ganze Materie in Bewegung et magno se corpore und verbindet sich mit dem mächtigen Körper. miscet. (Verg. Aen. VI,724–727. Übersetzung E. und G. Binder, modifiziert)14 13  Den Hinweis auf diesen schönen Text verdanke ich meiner Kollegin Natalia Pedrique. 14  Dass ein Dichter hier als Beleg für eine philosophische Position zitiert wird, ist für die Antike so ungewöhnlich nicht. So schreibt Seneca in Ep. 8,8 geradezu programmatisch: „Wie viele Dichter sagen das, was von Philosophen entweder gesagt worden ist oder gesagt werden muss.“ Homer ist deshalb für ihn ein sapiens (Ep. 88,5;

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III.  Das Wirken der Weltvernunft

Der spiritus ist hier die Manifestation des Göttlichen, die von innen die gesamte Wirklichkeit ernährt und damit erhält, während die mens in alle Teile einströmt und sich so (wohl mittels des Geistes) mit dem Körper des Kosmos verbindet und ihn in Bewegung setzt, wobei am Ende der Rede das gesamte Geschehen (samt der eher unstoischen Schilderung des jenseitigen Geschicks der Seelen15) auf das Walten eines Gottes zurückgeführt wird (Aen. VI,749). 1.3  „Gott in uns“ – die Stoa der Prinzipatszeit Max Pohlenz hat in seinem Standardwerk über die Stoa das Kapitel zur Stoa der Kaiserzeit mit den Worten überschrieben: „Konzentrierung auf das persönliche Seelenheil“.16 Das ist nicht ohne eine gewisse Einseitigkeit, trifft aber durchaus einen charakteristischen Zug der kaiserzeitlichen Philosophie. Während die frühe Stoa die Gesamtdeutung der Wirklichkeit im Blick hatte, die Ethik in diese einschrieb und auch die sich an Poseidonios anlehnende Argumentation des Balbus bei Cicero noch in erster Linie in kosmologischen Zusammenhängen dachte, will die kaiserzeitliche Stoa, wie sie von dem römischen Staatsmann Seneca (ca. 1–65 n. Chr.) über den römischen Ritter Musonius Rufus (ca. 30–100), den römischen (aber ursprünglich griechischen) Freigelassenen Epiktet (ca. 50–120) bis zum römischen Kaiser Marc Aurel (121– vgl. Dion Chrys. Or. 44,1), und Rednern wie Maximos von Tyros galt er als Philosoph. 15  Das an das Fegefeuer erinnernde Geschick der Seelen, die von ihren Vergehen durch Leiden gereinigt werden, wird wohl dem Bedürfnis nach einer metaphysischen Verankerung des Ethos geschuldet sein (vgl. besonders VI,620). 16  Pohlenz: Stoa I, 277.



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180) vertreten wird, vor allem ars vitae sein.17 Ihr geht es in erster Linie um die Selbsterkenntnis, die Selbstbestimmung und die Selbstverwirklichung des Einzelnen. Ein Beispiel dafür ist der 41. Brief von Senecas Epistu‑ lae morales. Darin geht der Philosoph und Staatsmann im Dialog mit seinem Freund Lucilius18 auf die Frage ein, wie man zu einer bona mens, zu einer „guten Gesinnung“, kommen könne. Eine solche einfach von den Göttern zu erbitten, so stellt er gleich zu Beginn klar, wäre schlichtweg töricht, da man sie aus eigener Kraft erlangen könne und deshalb auch selbst erwerben solle. Diese grundsätzliche Feststellung wird von ihm im Folgenden erläutert, indem er darlegt, wie das Religiöse mit dem Ethischen zusammenhängt – und wie nicht: Non sunt ad caelum ­elevandae manus nec exorandus aedituus ut nos ad aurem simulacri, quasi magis exaudiri ­possimus, admittat: prope est a te deus, tecum est, intus est.

Nicht brauchen wir die Hände zum Himmel zu erheben, noch den Tempelhüter anzuflehen, dass er uns zum Ohr des Götterbildes Zutritt gewähre, als ob wir so eher erhört werden könnten: Nahe ist Dir Gott, mit Dir ist er, in Dir ist er.

17 Bemerkenswert ist, dass bis auf Seneca alle anderen Griechisch geschrieben haben. 18  Zur Person des Lucilius und damit zur Frage, inwieweit er in den Briefen als historische Person Dialogpartner ist, vgl. das Nachwort von M. Giebel in: Seneca: Epistulae morales ad Lucilium/​Briefe an Lucilius über Ethik. Teil 1 & Teil 2. Lateinisch/​Deutsch. Aus dem Lateinischen übersetzt von Heinz Gunermann, Franz Loretto und Rainer Rauthe. Herausgegeben, kommentiert und mit einem Nachwort versehen von Marion Giebel, Stuttgart 2014/2018, 1423– 1440, 1434–1435.

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Ita dico, Lucili: sacer intra nos spiritus sedet, malorum bonorumque nostrorum observator et custos. (Sen. Ep. 41,1–2)19

Das behaupte ich, Lucilius, ein heiliger Geist wohnt in uns als Beobachter und Überwacher unserer bösen und guten Taten.

Gegenüber der die traditionelle Religion noch hochschätzenden Haltung des Balbus in Ciceros De natura deorum fällt bei Seneca die fast schon polemische Distanz zum Kult und zu seinen Riten auf.20 Mit der Betonung ihrer Nutzlosigkeit für ein rechtes Leben unterstreicht Seneca, dass ein tugendhaftes Leben allein in der Hand des Einzelnen liegt. Das Göttliche ist keine dem Menschen nur äußerliche Instanz, an die er die Verantwortung für seine Lebensführung delegieren könnte. Vielmehr ist „Gott“ in Gestalt eines spiritus sacer aufs Engste mit dem Menschen verbunden, wie Seneca durch die dreigliedrige, sich steigernde Sentenz deutlich macht: Nahe ist Dir Gott, mit Dir ist er, in Dir ist er.

Diese göttliche Gegenwart hat vor allem eine ethische Pointe, insofern Gott „in uns als Beobachter und Über19  Die zitierten Stellen folgen der Übersetzung in Seneca: Epistulae morales ad Lucilium/​Briefe an Lucilius über Ethik, ändern sie allerdings an einigen Stellen ab, besonders im Hinblick auf die Rede vom „Geist“. 20  Grundsätzlicher noch formuliert Seneca dies in Ep. 95,47–49, wo er dem Kultus der rechten Götterverehrung Ep.  95,50 geradezu entgegensetzt: „Vis deos propitiare? Bonus esto. Satis illos coluit quisquis imitatus est.“ (Willst du dich mit den Göttern versöhnen? Sei gut! Denn wer auch immer [sie] nachgeahmt hat, hat sie hinreichend verehrt.)



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wacher unserer bösen und guten Taten wohnt“. In diesem „Selbstverhältnis, in dem der Mensch seinen Ist-Zustand in Beziehung setzt zu seinen göttlichen Möglichkeiten und ihn an ihnen misst“,21 ist das Göttliche unmittelbar verbunden mit dem menschlichen Ich und ist doch wieder von ihm unterschieden. Das unterstreicht die unmittelbare Fortsetzung der zitierten Stelle, die das Zusammenwirken mit dem Göttlichen als eine Art Rückkopplungsprozess darstellt, bei dem das durch den Geist im Menschen präsente Göttliche demjenigen, der ihm Folge leistet, seinerseits zu Hilfe kommt und ihm durch „bedeutsame und erhabene Ratschläge“ ermöglicht, sich über sein Geschick zu erheben:22 hic prout a nobis ­tractatus est, ita nos ipse tractat. Bonus vero vir sine deo nemo est: an potest aliquis supra ­fortunam nisi ab illo adiutus exsurgere? Ille dat consilia magnifica et erecta.

Wie dieser [sc. heilige Geist] von uns behandelt wurde, so behandelt er uns. Ein guter Mensch aber ist niemand ohne Gott. Oder vermag sich jemand über das Geschick hinaus zu erheben ohne seine Hilfe? Er gibt bedeutsame und erhabene Ratschläge.

21 M. Forschner: Synderesis und Conscientia. Zur Vorgeschichte des neuzeitlichen Gewissensbegriffs. In: S. Di Giulio/​ A. Frigo (Hg.): Kasuistik und Theorie des Gewissens. Von Pascal bis Kant, Berlin 2020, 17–34, 21. 22 Letzteres ist ein genuin stoisches Thema, aber wenn Seneca darauf im Folgenden noch einmal und noch ausgiebiger zu­ rückkommt (Ep. 41,4), so muss man darin wohl auch den Reflex seiner eigenen Situation und ungewissen Zukunft nach dem Verlust seiner einflussreichen Stellung am Hofe des unberechenbaren Nero sehen.

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III.  Das Wirken der Weltvernunft

In unoquoque virorum ­bonorum (quis deus in­ certum est) habitat deus. (Sen. Ep. 41,2)

In jedem guten Menschen wohnt ein Gott – welcher Gott, ist ­ungewiss.

Bei allem intra nos des Göttlichen (Ep.  41,2) ist dieses also immer auch ein extra nos, das auch als menschlicher Geist Teil des Göttlichen bleibt. Um das zu unterstreichen, kommt Seneca im Folgenden scheinbar unvermittelt auf die Außenwelt zu sprechen – und hier vor allem auf Orte mit besonderer Ausstrahlung, die er als Räume religiöser Erfahrung deutet: So bestärkt die Erhabenheit eines Hains mit seinem undurchdringlichen Dunkel hoher Bäume die fides numinis, den Glauben an ein göttliches Wesen, ebenso wie eine Grotte, die sich ohne menschliches Zutun in den Felsen hineingefressen hat, quaedam religionis suspicio, „eine gewisse religiöse Ahnung“, aufkommen lässt. Solche religiösen Ahnungen, die man nach Seneca auch noch an anderen Ehrfurcht gebietenden Lokalitäten erfahren kann, sind die äußere Bestätigung für die universale Gegenwart des Göttlichen, dessen Erkenntnis jedoch ihren Ausgangspunkt bei der im einzelnen Menschen wirksamen Vernunft nimmt, weil für den Stoiker der Blick nach innen auf die eigene Vernunftanlage und Vernunfttätigkeit entscheidend ist, und das Gewissen ist es, das zwischen dem Ist- und dem Sollzustand dieser Vernunftbestimmtheit unterscheidet. Wo der Mensch den bereits in ihm vorhandenen „heiligen Geist“ durch sein Denken und Wollen zur Geltung bringt, ist mehr als nur die religiöse Ahnung einer fides numinis und einer suspicio religionis, da ist Gott gegenwärtig, wie Seneca nicht nur in diesem Brief mehrmals unterstreicht, sondern auch an anderer Stelle betont: Gott, der als der



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Größte und Mächtigste das All bestimmt, ist als animus rectus, bonus, magnus im menschlichen Körper zu Gast (Ep. 31,10–11). Entsprechend kommt auch unser Brief von der Beschreibung der Ahnung des Göttlichen in der Natur wieder auf den Menschen zurück, und zwar diesmal auf den Weisen, in dem das Göttliche in Reinform gegenwärtig wird, weil ein solcher sich ganz von der ihm eigenen göttlichen Vernunft bestimmen lässt, interritum periculis, intactum cupiditatibus, inter adversa felicem, in mediis tempestatibus ­placidum, ex superiore loco homines ­videntem, ex aequo deos. (Sen. Ep. 41,4)

unerschrocken in Gefahren, unberührt von Leidenschaften, im Unglück glücklich, mitten in Stürmen gelassen, von einer höheren Ebene die Menschen betrachtend, auf gleicher die Götter.

Hier ergreift den Betrachter Ehrfurcht, denn da hat sich die „göttliche Macht“ gleichsam inkarniert (vis isto divina descendit), und die vernunftbegabte Seele (animus) wird von himmlischer Macht (caelestis potentia) bewegt (Ep. 41,4–5). Entsprechend betont Seneca, dass eine solche Lebensführung nicht ohne göttliche Hilfe erreicht werden kann:23 […] animus magnus ac sacer et in hoc demissus, ut pro­ pius (quidem) divina nossemus […]. (Sen. Ep. 41,5)

[…] eine große und heilige Vernunftseele wurde dazu herabgesandt, dass wir Göttliches näher kennenlernen […].

23 Sen. Ep. 41,5: „Non potest res tanta sine adminiculo numinis stare.“

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Gott wird also in der Selbsterkenntnis des Menschen als Inbegriff der universalen Vernunft erkennbar, wobei das Bild von der „heiligen Vernunftseele“, die „herabgesandt wurde“, ebenso wie das von der „göttlichen Kraft“, die „herab­gekommen ist“, eine nachgerade dualistische Einfärbung aufweist, die nicht so recht zum stoischen Monismus passen will24 und wohl hier als Gegengewicht zum „Gott in dir“ so markant betont wird.25 Wenn Seneca daraufhin noch einmal auf die äußere Natur, diesmal auf Tiere und Pflanzen, zu sprechen kommt, so will er damit 24  Nach H. Leisegang: Der Heilige Geist. Das Wesen und Werden der mystisch-intuitiven Erkenntnis in der Philosophie und Religion der Griechen. Band 1,1. Die vorchristlichen Anschauungen und Lehren vom πνεῦμα und der mystisch-intuitiven Erkenntnis, Leipzig 1919 (Nachdruck Darmstadt 1967), 85, wurde der Gegensatz von πνεῦμα und Körper durch Poseidonios wieder in die Stoa eingeführt und hat allmählich „den alten strengen Monismus fast völlig zu Gunsten des platonischen Dualismus“ verdrängt. 25  Wie weit Seneca bei der Übernahme platonischer Ideen gehen kann, zeigt der Brief Ep. 102 mit seinem Traum von einem Leben ‚nach diesem irdischen Gefängnis‘. Solche Beobachtungen führen bei Troels Engberg-Pedersen zu dem Vorschlag, die strikte Unterscheidung zwischen dem Mittleren Platonismus und der Mittleren und Späten Stoa bei der Charakterisierung dieser Zeit aufzugeben und stattdessen von einer „Transitional Period“ zu sprechen (T. Engberg-Pedersen: Setting the Scene. Stoicism and Platonism in the Transitional Period in Ancient Philosophy. In: T. Rasimus/​T. Engberg-Pedersen/​I. Dunderberg [Hg.]: Stoicism in Early Christianity, Grand Rapids 2010, 1–14). Engberg-Pedersen will damit die weitverbreitete Interaktion vor allem zwischen Stoikern und Platonikern (zum Teil unter gleichzeitiger schroffer Abgrenzung voneinander) erklären, ohne die (abwertenden) Labels des Eklektizismus oder des Synkretismus zu bemühen. Denn üblich war es, sich einer Schule (oder auch einer Religion, wie der Jude Philon oder der Christ Paulus) zugehörig zu wissen und dennoch Vorstellungen und Ideen der anderen für die eigene Schule zu reklamieren und sie in das eigene System zu integrieren.



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seine Argumentation plausibilisieren, dass das wahrhaft Gute nicht in äußerlichen Dingen besteht: So wie ein Pferd nicht besser wird durch einen goldenen Zügel und eine Löwe nicht tapferer durch eine vergoldete Mähne, so wie der Weinstock nicht aufgrund seiner goldenen Blätter geschätzt wird, so tragen auch äußere Besitztümer nichts zum Wert eines Menschen bei. Wertvoll an jedem Wesen ist nur das, was ihm weder gegeben noch genommen werden kann, weil es seiner naturgegebenen Eigenheit entspricht und ihm deshalb unverlierbar zu eigen ist. Beim Menschen ist dieses Eigene, das proprium ho‑ minis, „die vernunftbegabte Seele und das in dieser vollkommene Denkvermögen“ (Ep. 41,8: animus et ratio in animo perfecta).26 Diese Auszeichnung, ein animal ra‑ tionale zu sein (Ep. 41,8), bedeutet für den Stoiker aber immer zugleich die Verpflichtung, diese Anlage zu verwirklichen und damit das zu vollenden, wozu er als Mensch geboren wurde, nämlich der Forderung der Vernunft zu gehorchen. Das bringt Seneca mit dem berühm26  Diese Einsicht ist in gewisser Weise auch das Fazit von Senecas eigenem Leben, das wie kaum ein anderes von einem schwindelerregenden Auf und Ab gekennzeichnet war: Als junger Mann zog er sich die Eifersucht des Kaisers Caligula zu und wurde von diesem nur deshalb nicht umgebracht, weil der Kaiser überzeugt war, dass Seneca an seiner Tuberkulose sterben werde. Nach Caligulas Ermordung bot sich unter Claudius die Möglichkeit einer Rückkehr nach Rom, aber bald wurde Seneca in eine Palastintrige verwickelt und acht Jahre nach Korsika verbannt. Unter der Regentschaft des jungen Nero stieg Seneca zunächst zum Prinzenerzieher auf, der mit Burrus, dem Präfekten der Prätorianergarde, die Geschicke des Reiches lenkte. Aber schon nach wenigen Jahren entzog sich der heranwachsende Nero der ihm lästig gewordenen Bevormundung durch seinen Lehrer. Seneca zog sich ins Privatleben zurück, wurde aber nach der Pisonischen Verschwörung vom Kaiser zum Freitod gezwungen.

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ten stoischen Grundsatz secundum naturam suam vivere auf den Begriff: „entsprechend seiner (vernunftbestimmten) Natur zu leben“. Das wäre eigentlich ein erhebendes Schlusswort, doch angesichts einer ganz andersgearteten Realität sieht sich der Stoiker genötigt, zuletzt noch auf das einzugehen, was die Menschen davon abhält, der Forderung der Vernunft nachzukommen, obgleich diese doch eine res facillima ist, „die einfachste Sache der Welt“. Seneca nennt diese der Vernunft widerstreitende Gegenmacht die communis insania, was man in Anlehnung an Adorno frei als „universaler Verblendungszusammenhang“ übersetzen könnte.27 Dieser bewirkt, so der Stoiker, dass wir „einer den anderen in die Laster drängen“ (Ep. 41,9). Auch bei Seneca gehören die Begriffe spiritus, ratio und animus eng zusammen. Sie bezeichnen die kosmische Vernunft und den Anteil des Menschen an dieser. Wenn es allerdings vom Geist heißt, dass durch ihn der Gott im Menschen wohnt, der auch an den auratischen Orten der äußeren Wirklichkeit erahnt werden kann, dann stellt jener spiritus sacer die Verbindung des einzelnen Menschen mit dem universalen Göttlichen dar. Das erklärt auch, warum der „heilige Geist“ zum einen als „Gott in dir“ Teil des menschlichen Selbst ist und doch zugleich als malorum et bonorum nostrorum observator et custos dem Einzelnen als eine ethische Kontrollinstanz gegenübertritt (Ep.  41,2). Das fügt sich zu dem, dass auch andere Manifestationen des Göttlichen wie die „göttliche Kraft“, die „herabgestiegen ist“, oder die „heilige Vernunftseele“, die „herabgesandt wurde“ (Ep. 41,4–5), mit Blick auf das Verhältnis des Menschen zum Göttlichen eine Gleichzei27  T. W. Adorno: Minima Moralia, Frankfurt am Main 1971 [1951], 112.



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tigkeit von Identität und Differenz zum Ausdruck bringen. Insofern ist der spiritus sacer mit der menschlichen ratio nicht einfach deckungsgleich. Vielmehr hat dieser Geist sich im Menschen niedergelassen, sodass das die ganze Natur durchwaltende Göttliche sich in der vernunftgemäßen Selbstbestimmung in Reinform verwirklicht. Ein solches Verständnis legt auch der 66. Brief nahe, in dem Seneca die Vernunft als „den in den menschlichen Körper eingesenkten Teil des göttlichen Geistes“ bezeichnet: „Ratio autem nihil aliud est quam in corpus humanum pars divini spiritus mersa“ (Ep. 66,12). Die ratio ist hier ein Bestandteil des Selbst, durch die der Mensch am universalen Geiste Anteil hat, der hier nicht heilig (spiri‑ tus sacer), sondern wie bei Cicero göttlich (spiritus divi‑ nus) genannt wird. Wenn man den Durchgang durch die Stoa Revue passieren lässt, dann deutet sich folgende Entwicklungslinie an: – In der alten Stoa ist das πνεῦμα die Manifestation des göttlichen νοῦς, mittels dessen die Vernunft das gesamte Sein zu durchdringen und zum Kosmos zu gestalten vermag. – Bei Cicero wird das wohl unter Aufnahme von Gedanken des Poseidonios dahin gehend vertieft, dass die mens mundi in Gestalt des spiritus divinus das All zusammenhält und im Sinne der συμπάθεια zu einer lebendigen Einheit macht. – Bei Seneca ist der spiritus sacer der Gott, der zwar auch in der Außenwelt – und hier besonders an auratischen Orten – erahnt werden kann, der aber (soweit ich das sehe, erstmals in der stoischen Philosophie) als „Gott in dir“ die Gestalt eines ethischen Imperativs annimmt und sich im Weisen, der sich über das

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wechselhafte Geschick zu erheben vermag, am reinsten verwirklicht. Dass auch später noch die kosmische Dimension des Geistes Gegenstand philosophischer Reflexion blieb, jetzt in Auseinandersetzung mit der Erfahrung der Zerbrechlichkeit bislang bergender Ordnungen, zeigt die Borysthe‑ nes-Rede des Dion von Prusa. 1.4  Untergang und Wiederentstehung der Welt – die Stoa in der zweiten Sophistik Der Redner Dion von Prusa war ein Schüler des Musonius Rufus, welcher auch der Lehrer Epiktets war.28 Seine stoische Philosophie ist mit kynischen Ingredienzien durchsetzt, wobei er auch – nicht untypisch für jene Zeit des Übergangs – mittelplatonische Themen aufgreift. Besonders interessant ist Dion deshalb, weil sein Denken durch eine „Vertiefung des religiösen Elements“ charakterisiert ist.29 An ihm ist zu sehen, wie in neutestamentlicher Zeit philosophische Vorstellungen in Verbindung mit religiösen Themen auch außerhalb der Schulen verbreitet wurden.30 An diesem bedeutenden frühen Vertre28 H.‑J. Klauck: A. Einleitung. In: Dion von Prusa: Olympische Rede oder über die erste Erkenntnis Gottes. Eingeleitet, übersetzt und interpretiert von Hans-Josef Klauck. Mit einem archäologischen Beitrag von Balbina Bäbler, SAPERE 2, Darmstadt 20022, 9–30, 13. 29 H. Görgemanns: Religiöse Philosophie und philosophische Religion in der griechischen Literatur der Kaiserzeit. In: R. HirschLuipold/​H. Görgemanns/​M. von Albrecht (Hg.): Religiöse Philosophie und philosophische Religion der frühen Kaiserzeit. Literaturgeschichtliche Perspektiven, Ratio Religionis Studien I/Studien und Texte zu Antike und Christentum 51, Tübingen 2009, 47–66, 51. 30  Ausführlich dargestellt hat dies mein Schüler Matthias Becker



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ter der zweiten Sophistik lässt sich folglich ablesen, was man bei einer an Bildung interessierten, aber nicht philosophisch ausgebildeten Öffentlichkeit an Kenntnis und Reflexionsniveau voraussetzen kann, also das, was man zumeist mit dem etwas schwammigen Begriff der ‚Popularphilosophie‘ bezeichnet. Wie wenig später dann weitere Redner wie Apuleius von Madaura, Aelius Aristides und Maximos von Tyros wird Dion dabei zu einem Multiplikator religionsphilosophischer Vorstellungen bis dahin, dass er als eine Art Prediger31 heilige Texte und religiöse Vorstellungen für die Gegenwart auslegt. Das ist auch bei der im Folgenden vorgestellten Rede der Fall. Sie gibt an, in Borysthenes (=  Olbia) gehalten worden zu sein, einer Stadt am Nordrand des Schwarzen Meeres. Das ist einer der Orte, an denen sich Dion während seiner Verbannung durch Domitian aufgehalten hat. Bereits der Beginn macht deutlich, dass es sich bei dieser Stadt um einen von Barbaren berannten Außenposten der griechischen Zivilisation handelt, der zwar mit aller Kraft noch an der griechischen Bildung – vor allem an Homer – festhält, aber nur noch ein Schatten einstiger Größe ist. Darauf bezogen wählt Dion als Thema seiner Rede den Zusammenhang von menschlicher Gemeinschaft und göttlicher Ordnung.32 Nach dem Proömium folgt ein in seiner Göttinger Habilitationsschrift „Lukas und Dion von Prusa. Das lukanische Doppelwerk im Kontext paganer Bildungsdiskurse“ (Studies in Cultural Contexts of the Bible 3), Paderborn 2020. 31  Klauck: Einleitung, 15, spricht davon, dass Dion „in die Rolle eines kynischen Wanderpredigers“ geschlüpft sei. 32  So auch der Titel der Edition dieser Rede in der Reihe SAPERE (Dion von Prusa: Menschliche Gemeinschaft und göttliche Ordnung. Die Borysthenes-Rede. Eingeleitet, übersetzt und mit interpretierenden Essays versehen von Heinz-Günther Nesselrath u. a., SAPERE VI, Darmstadt 2003). Die zitierten Stellen der Rede folgen

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erster, argumentierender Teil, von Dion in Or. 36,38 als Logos bezeichnet, der zunächst über die menschliche Polis spricht, dann aber auf Bitten der Zuhörer auf den gesamten Kosmos als die von einem obersten Herrscher gelenkte Polis (Or. 36,36–37) zu sprechen kommt. Der zweite und umfangreichere Teil erzählt dann einen Mythos angeblich zoroastrischen Ursprungs,33 der den Sonnenwagen des Helios als den „starken und vollkommenen Wagen des Zeus“ (Or. 36,40) allegorisch auf den Kosmos auslegt, der durch die Bewegungen seiner vier Pferde als eine Art andauernder Prozess erscheint. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf den durch die sehr unterschiedlichen Pferde aufgrund ihrer verschiedenen Charaktere und Geschwindigkeiten immer wieder ausgelösten Katastrophen, die für die Menschen im Widerspruch zur behaupteten Ordnung des Weltalls zu stehen scheinen, die aber dem Mythos zufolge „durchaus in rechter Weise und nach dem Willen dessen geschehen, der das All bewahrt und lenkt“ (Or. 36,50). Wenn man so will, bietet Dion hier durch die stoische Allegorese eines Mythos eine Theodizee, welche die kosmischen Katastrophen aus der Grundstruktur der Wirklichkeit zu erklären sucht. Das Ungleichgewicht der Pferde führt dann im Endeffekt dazu, dass das schönste, größte und schnellste Pferd, das des Zeus, das in der äußeren Position läuft, nach und nach alle anderen „verbraucht“34 und so zuletzt „alles in einer einzigen Natur vereinigt hat“ (Or. 36,51–53). Das deutet Dion nun auf das stoische Dogma von der Ekpyder in dieser Edition enthaltenen Übersetzung Nesselraths, modifizieren sie jedoch teilweise. 33  So explizit in der Einleitung des zweiten Teils in Kap. 39. 34 Zu dieser Vorstellung vgl. auch SVF II,604 (Plutarch über Chrysipp).



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rosis, der gänzlichen Auflösung des Alls im sogenannten Weltenbrand. Diese überlebt alleine der „größte Gott“ (Or. 36,54), den Dion im folgenden Paragraphen als den übrig gebliebenen νοῦς identifiziert, der „einen unfassbaren Raum mit sich selbst erfüllt hatte, da er in gleicher Weise nach allen Seiten hin sich verströmt hatte“  (Or. 36,55). Das Plusquamperfekt hier macht deutlich, dass Dion sich mit seiner Beschreibung der Weltauflösung auf den Vorläufer des gegenwärtigen Kosmos bezieht. Doch dann nimmt die Darstellung eine zumindest für einen Stoiker unerwartete Wendung: Der göttliche νοῦς wollte – so Dion – nicht alleine bleiben, sondern er „sehnte sich sogleich wieder nach dem Leben, wie es am Anfang war“; es „ergriff ihn nun Verlangen nach jenem Wagenlenken und jener Herrschaft“  (Or. 36,55). So entschloss er sich aufgrund seiner Sehnsucht nach einem Gegenüber zur Hervorbringung des „jetzt existierenden Kosmos“ (Or. 36,55). Dazu aber musste er sich verwandeln, indem er zunächst seine feurige Natur herunterdimmte, damit er sich als „sanftes Feuer“ mit Hera vereinigen und so zeugen konnte, wie das Folgende schildert: μνησθεὶς δὲ Ἀφροδίτης καὶ γενέσεως ἐπράϋνε καὶ ἀνῆκεν αὑτόν, καὶ πολὺ τοῦ φωτὸς ἀποσβέσας εἰς ἀέρα πυρώδη τρέπεται πυρὸς ἠπίου. μιχθεὶς δὲ τότε Ἥρᾳ καὶ μεταλαβὼν τοῦ τελειοτάτου λέχους, ἀναπαυσάμενος

Da er sich aber an Aphrodite und die Zeugung erinnerte, besänftigte er und entspannte er sich selbst, löschte viel von seinem Lichte und verwandelte sich in feurige Luft, die aus sanftem Feuer besteht. Und nun vereinigte er sich mit Hera und hatte auf diese Weise teil am vollkommensten Hochzeitsbett; und da er mit ihr schlief,

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ἀφίησι τὴν πᾶσαν αὐτοῦ παντὸς γονήν. (Dion Or. 36,56)

ließ er den ganzen Samen in das All strömen.

Diese doch noch reichlich mythische Redeweise wird im Folgenden dahin gehend erläutert, dass der Gott ὑγρὰν δὲ ποιήσας τὴν ὅλην οὐσίαν, ἓν σπέρμα τοῦ παντός, αὐτὸς ἐν τούτῳ διαθέων, καθάπερ ἐν γονῇ πνεῦμα τὸ πλάττον καὶ δημιουργοῦν […]. (Dion Or. 36,57)

seine ganze Substanz flüssig machte, zu einem einzigen Samen für das All, und sich selbst in diesem schnell in alle Richtungen bewegte, so wie der Geist in der Samenflüssigkeit, der formt und erschafft […].

Nach der Auflösung der Welt kommt es also zur erneuten Weltentstehung (Palingenesis), und zwar durch den größten Gott, der sich, im Zustand reiner Energie, dann wieder in einen Kosmos (mit Göttern, Menschen und all den anderen Dingen) ausdifferenziert, indem er sich in ein πνεῦμα verwandelt und sich dadurch in die Lage versetzt, zeugend tätig zu werden. Auch hier gehören νοῦς und πνεῦμα aufs Engste zusammen; aber während der νοῦς gleichsam der Normalfall des Göttlichen ist, ist das πνεῦμα eine zweite Protosubstanz, in die sich das Göttliche transformiert, um in einer Art Hieros Gamos, einer mythischen Vermählung,35 wieder ein von ihm unterschiedenes Gegenüber hervorzubringen. Nur durch die Verwandlung in Geist (πνεῦμα) ist der Weltvernunft die Selbsttranszendenz als Bedingung der Möglichkeit einer erneuten Welterzeugung gegeben. 35 Dion Or. 36,56 spricht von der „glückseligen Hochzeit der Hera und des Zeus“.



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Dion hat sich in dieser Rede mit dem gesamten Kosmos beschäftigt, weil er die Erfahrung der Auflösung einer bergenden Wohlordnung mit seiner Überzeugung einer von der göttlichen Vernunft wohlgeordneten Wirklichkeit zu vermitteln suchte, also auf eine existenzielle Frage eine Antwort geben wollte. Die Konzentration auf den Einzelnen, welche die stoische Philosophie der Kaiserzeit charakterisierte, lässt nun aber auch den Punkt erkennen, an dem diese für viele keine letztlich befriedigende Antwort geben konnte: beim Problem des Todes. Dort setzt der sich außerhalb Athens neu konstituierende Platonismus an. Dieser sogenannte Mittelplatonismus verlässt den Weg der radikalen Skepsis, den die Akademie in der Nachfolge des sokratischen „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ in der hellenistischen Zeit eingeschlagen hatte.36 Stattdessen besinnt man sich wieder auf die dogmatischen Züge und die religiöse Dimension der Lehre Platons, wobei nun auch die Einflüsse anderer Philosophenschulen aufgenommen werden.37 Dafür ist der Axio‑ chos geradezu ein Musterbeispiel.

36  Arkesilaos, Karneades, Philon von Larissa; vgl. auch die Gestalt des Cotta in Ciceros De natura deorum. 37  Begünstigt wurde dies sicher durch die Schließung der Philosophenschulen durch Sulla nach dem Krieg gegen Mithridates (bei dem Athen sich auf die Seite des Mithridates geschlagen hatte). Das hatte nicht nur den Exodus der Schulen aus Athen zur Folge, sondern führte auch dazu, dass kein Scholarch mehr die Position der jeweiligen Schule definierte. Als Reaktion darauf wurden die Texte der Schulgründer zu autoritativen Texten, die ausgelegt wurden, zugleich konnten Einsichten anderer Schulen unbefangener reklamiert und absorbiert werden (Engberg-Pedersen: Stoicism, 6–7).

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2.  Der Mittelplatonismus 2.1  Repräsentant der Transzendenz – die Rückkehr Platons Der Untertitel des Axiochos, „Über den Tod“,38 lässt bereits das zentrale Thema der vermutlich kurz vor der Zeitenwende entstandenen pseudoplatonischen Schrift anklingen, in der Sokrates mit einem sterbenden Freund über die Überwindung der Todesangst durch die Philosophie diskutiert. Die Exposition schildert, wie der Philosoph von einem gewissen Kleinias zu dessen Vater Axiochos gerufen wird, weil dieser im Angesicht des Todes verzweifelt. Damit verbindet der Sohn eine Feststellung, welche die Weichen für das Folgende stellt: Das Sterben, so sagt Kleinias, ist der ‚Kairos‘, der Ernstfall, an dem sich zeigt, was die Weisheit des Philosophen wirklich wert ist (364b). Das wird vom Sterbenden selbst noch einmal in negativer Hinsicht bestätigt: Auf die anfänglichen Vorhaltungen des Sokrates, dass er sich als „einer, der auf Argumente hört“ und zudem Athener ist, gefälligst zusammenzunehmen habe, entgegnet dieser, dass angesichts seiner unmittelbar bevorstehenden Verwandlung in Maden und Insekten die bisherigen philosophischen Lehrsätze ihre Überzeugungskraft merklich eingebüßt hätten, weil sie dem Schrecken einer Auflösung ins Nichts nicht standzuhalten vermögen (365c). Nach dieser harschen Abfuhr sieht sich Sokrates genötigt, nun inhaltlich auf die Fragen seines Freundes einzugehen. Dabei wirft er zunächst dem Sterbenden vor, 38 Vgl. I. Männlein-Robert: A. Einführung. In: Ps.‑Platon: Über den Tod. Eingeleitet, übersetzt und mit interpretierenden Essays versehen von ders. u. a., SAPERE XX, Tübingen 2012, 3–41, 6–7.



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widersprüchlich zu argumentieren, da die beklagte Zerstörung seiner selbst von ihm als Totem gar nicht mehr erfahren werden könne (365d). An diese Argumentation wird nun einfach die Behauptung angefügt, dass der Tod nur die Auflösung des Körpers bedeute, während „wir Seele sind, ein unsterbliches Lebewesen, eingeschlossen im sterblichen Gefängnis“ (365e). Diese Seele aber, so fährt der Sokrates des Axiochos munter fort, leidet hier und „ersehnt den himmlischen und ihr verwandten ätherischen Ort und dürstet danach im Begehren nach der Lebensweise und dem Tanz dort“ (366a). Folglich sei Sterben als „das Fortgehen vom Leben eine Veränderung von einem Übel zu etwas Gutem hin“ (366b). Diese Argumentation verfängt allerdings beim Sterbenden überhaupt nicht: Grimmig fragt er zurück, warum Sokrates, wenn er das alles wirklich glaubt, selbst noch am Leben bleibe. Die philosophischen Schulmeinungen als solche, das wird hier deutlich gemacht, vermögen nicht (mehr) Trost zu spenden. Nachdem Sokrates dem Sterbenden den Tod nicht schmackhaft machen konnte, geht er gleichsam den umgekehrten Weg und versucht im nächsten Gesprächsgang das Leben madig zu machen, indem er (unter Berufung auf den „weisen Prodikos“ in 366c) in aller Ausführlichkeit die unzähligen Leiden von der Wiege bis zur Bahre vor Augen malt, Qualen, aus denen allein der Tod befreit.39 Das gipfelt in der Feststellung, „dass der Tod 39 Besonders auffällig ist die heftige (und reichlich unplatonische) Abqualifizierung jeder politischen Betätigung, die nicht nur in der Argumentation des Sokrates einen breiten Raum einnimmt, sondern sich sogar verselbstständigt, insofern der Sterbende der heftigen Absage an den Sinn jeder politischen Betätigung durch die Berufung auf eigene Erfahrungen als praktizierender Politiker lebhaft zustimmt, ohne dass erkennbar würde, was das alles noch mit seiner

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weder etwas mit den Lebenden noch mit den Toten zu tun hat“, weil während des Lebens der Tod noch nicht da ist und nach Eintritt des Todes die Lebenden nicht mehr existieren (369b–c). Dieser für eine angeblich von Platon verfasste Schrift doch bemerkenswert eindeutige Rekurs auf Epikur40 führt zu einer weiteren heftigen Reaktion des Sterbenden, der dieses ganze Aufgebot an philosophischer Dogmatik als ein „für junge Leute aufbereitetes Geschwätz“ abtut. Sein „Leid erträgt keine schlauen Überlegungen“, so begehrt er dagegen auf. Ihn verlangt es nach Argumenten, „die die Seele erreichen können“ (369d–e). Diesem Anspruch wird dann der vierte Argumentationsgang gerecht (369e–370d), dessen Wirkung auf den Sterbenden sich diametral von derjenigen der bisher vorgebrachten Argumente unterscheidet. Während Erstere nicht nur nichts ausrichteten, sondern den Widerstand des Sterbenden sogar noch anfachten, ist das nun plötzlich völlig anders. Der Todkranke hat nach der  – verhältnismäßig kurzen – Darlegung des Sokrates nicht nur mit einem Schlag jede Todesfurcht verloren, sondern er redet jetzt nur noch „von den Dingen am Himmel“. So „ein neuer Mensch geworden“, sehnt er sich nun geradezu nach dem Tode (370d–e). Damit hat der Logos dem vom Sterbenden aufgestellten Kriterium für die Wahrheit einer philosophischen Argumentation, dem gemäß diese in der Lage sein muss, die Seele zu erreichen (369d–e), das heißt Situation, dem bevorstehenden Tod, zu tun hat. Auf das Thema des Todes lenkt erst wieder Sokrates reichlich gezwungen durch eine erneute Berufung auf den zuvor zitierten Prodikos zurück. 40 Epic. Rat. sent. 2; Ep. Men. 124. Vorgespurt war dieses Argument bereits in Ps.‑Pl. Axi. 365e, aber dort konnte man sich noch an den Phaidon und die Worte zur Empfindungslosigkeit des Todes erinnert fühlen.



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sich als existenziell unmittelbar relevant zu erweisen, Genüge geleistet. Erreicht wird das durch die originellste41 Passage des Dialogs, in der Sokrates nun nicht mehr überkommene Argumente anführt, sondern mit wenigen kühnen Strichen zu begründen sucht, warum man das Wesen des Menschen nicht verstehen kann, wenn man in ihm nur seine sterbliche Natur sieht: οὐ γὰρ δὴ θνητή γε φύσις τοσόνδε ἂν ἤρατο μεγεθουργίας, ὥστε καταφρονῆσαι μὲν ὑπερβαλλόντων θηρίων βίας, διαπεραιώσασθαι δὲ πελάγη, δείμασθαι δὲ ἄστη, καταστήσασθαι δὲ πολιτείας, ἀναβλέψαι δὲ εἰς τὸν οὐρανὸν καὶ ἰδεῖν περιφορὰς ἄστρων καὶ δρόμους ἡλίου τε καὶ σελήνης, ἀνατολάς τε καὶ δύσεις, ἐκλείψεις τε καὶ ταχείας ἀποκαταστάσεις, ἰσημερίας τε καὶ τροπὰς διττάς,

Denn eine sterbliche Natur würde ja doch nicht so sehr die Ausführung großer Werke unternehmen, dass sie auf wilde Tiere, überlegen an Kraft, herabblickt, das Meer befährt, Städte baut, Verfassungen einsetzt, zum Himmel hinaufsieht und den Umlauf der Sterne und die Bahnen der Sonne und des Mondes betrachtet, ihre Auf- und Untergänge, ihr Abnehmen und schnelles Zunehmen, ihre Tag- und Nachtgleichen und zweimaligen Wendungen,

41  Ob diese Argumentation auf den Verfasser des Axiochos zurückgeht, kann nicht entschieden werden. Wahrscheinlicher ist, dass der Verfasser sich hier einer Tradition bedient, die auch an anderer Stelle anklingt, am deutlichsten bei Phil. Al. Det. 87–90; vgl. auch Cic. Tusc. I,63.

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καὶ Πλειάδων χειμῶνας,

und die Winterstürme der Pleiaden καὶ θέρους ἀνέμους τε καὶ und die Winde des Sommers καταφορὰς ὄμβρων, und die Regengüsse καὶ πρηστήρων ἐξαισίους und das plötzliche Aufziehen συρμούς, von Gewittern, καὶ τὰ τοῦ κόσμου und dass sie die Vorkommnisse des Kosmos für die Ewigkeit παθήματα παραπήξασθαι kalendarisch registriert, πρὸς τὸν αἰῶνα, wenn nicht wirklich ein göttεἰ μή τι θεῖον ὄντως ἐνῆν licher Geist in der Seele wäre, πνεῦμα τῇ ψυχῇ, δι᾿ οὗ τὴν τῶν τηλικῶνδε durch den diese die Gabe bekäπερίνοιαν καὶ γνῶσιν ἔσχεν. me, all dies zu erfassen und zu erkennen. (Ps.‑Pl. Axi. 370b–c)

Das Todesproblem führt also zu einer intensivierten Frage des Menschen, wer er ist. Diese Rückfrage aber weist ihn über sich hinaus: Die nur ihm eigene Fähigkeit, die Welt mit einem alles umgreifenden Verstand zu erfassen (περίνοια) sowie seine Mitwelt demgemäß umzugestalten, resultiert nach dieser Argumentation aus dem Drang, im Erkennen wie im Handeln ständig seine Grenzen zu übersteigen. Dieser Drang aber, so der Sokrates des Axiochos, lässt sich nur so erklären, dass der Mensch von etwas erfüllt und bestimmt ist, das größer ist als er selbst und das ihn nötigt, durch das Begreifen und Bearbeiten der Wirklichkeit ständig die eigenen Grenzen zu tran­ szendieren. Das bewirkt das θεῖον πνεῦμα, der der Seele einwohnende „göttliche Geist“. Auch hier hat das πνεῦμα mit der Vernunft, dem νοῦς, zu tun, wenn es die Seele mit der Erkenntnisfähigkeit begabt. Aber das Spezifikum dieser alles umgreifenden Einsicht, der περίνοια, ist nicht nur die reflektierende Betrachtung, sondern der aus der Verbindung mit dem



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göttlichen Geist resultierende Drang, seine natürlichen Grenzen zu übersteigen. Das ist für das hier verhandelte Problem deshalb von besonderer Bedeutung, weil im Gegensatz zur monistischen Stoa, die den Geist als eine feinstoffliche, immanente Größe verstand, für den Platoniker der göttliche Geist immateriell und transzendenten Ursprungs ist.42 Platonisch ist auch, dass hier (im Unterschied zur Stoa) nicht in erster Linie die Vernunft, sondern die Seele als ein primär rezeptives Organ der Ort des Göttlichen im Menschen ist. Insofern also der für den Menschen charakteristische Drang nach Selbsttran­ szendenz veranlasst ist durch den Geist als Manifestation der göttlichen Transzendenz, die der menschlichen Seele einwohnt, muss auch der Mensch – so der Kern der Argumentation – mehr als nur „eine sterbliche Natur“ sein. Deshalb kann Sokrates aus seiner Analyse der menschlichen Natur den Schluss ziehen: ὥστε οὐκ εἰς θάνατον ἀλλ’ εἰς ἀθανασίαν μεταβάλλεις […]. (Ps.‑Pl. Axi. 370c)

Du wandelst dich nicht zum Tode, sondern zur Unsterblichkeit hin […].

Äußerlich gesehen imitiert die Schrift einen platonischen Dialog: Sokrates diskutiert mit einem Gesprächspartner, schließt die Diskussion mit einem Mythos ab und behält am Ende Recht. Allerdings zeigt genaueres Hinsehen markante Unterschiede: In den authentischen Dialogen Platons besteht die Weisheit des Sokrates darin, dass er durch seine kritischen Fragen die Wissensansprüche der anderen auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft. 42 Vgl. dazu I. Männlein-Robert/​O.  Schelske: Anmerkungen. In: Ps.‑Platon: Tod, 60–95, 81 (Anm. 93).

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Hier dagegen bewährt sich seine Weisheit darin, dass er als Lieferant fertiger Antworten auftritt, die angesichts der kritischen Rückfragen des Gesprächspartners ihre Tragfähigkeit dadurch erweisen, dass sie einen Sterbenden von seiner Todesfurcht zu befreien vermögen. Diese Transformation des Sokrates vom fragenden philosophischen Skeptiker zur antwortenden religiösen Autorität hat zwar einen gewissen Vorlauf in den späten Dialogen Platons, aber dass gerade dieser Aspekt des Sokratesbildes aufgegriffen und verstärkt wird, ist Ausweis des religious turn,43 der den sich außerhalb der Akademie neu formierenden Mittleren Platonismus kennzeichnet. Durch diesen erhält auch das πνεῦμα  – soweit mir bekannt, das erste Mal in der paganen Literatur – eine explizit soteriologische Bedeutung: Als Gegenwart des transzendenten Göttlichen in der menschlichen Seele garantiert es deren Unsterblichkeit. Der Axiochos ist damit auch Zeuge für ein neues, religiös bestimmtes Bild von Sokrates.44 43 Zu dieser Entwicklung vgl. R. Feldmeier: „Göttliche Philosophie“. Die Interaktion von Weisheit und Religion in der späteren Antike. In: R. Hirsch-Luipold/​M. von Albrecht/​H. Görgemanns (Hg.): Religiöse Philosophie und philosophische Religion der frühen Kaiserzeit. Literaturgeschichtliche Perspektiven, Ratio Religionis Studien I/Studien und Texte zu Antike und Christentum 51, Tübingen 2009, 99–116; jetzt auch in Ders.: Der Höchste. Studien zur hellenistischen Religionsgeschichte und zum biblischen Gottesglauben, Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 330, Tübingen 2018 [2014], 31–48. 44  Wie später Jesus von Nazareth war der athenische Weise aufgrund seiner Botschaft von den Autoritäten angeklagt und hingerichtet worden, und wie Jesus hatte er nichts Schriftliches hinterlassen, sondern lebte in den Erinnerungen seiner Schüler fort, die seine Impulse aufnahmen und weiterentwickelten. Und wie beim erinnerten Jesus bildeten sich schon bald verschiedene, normative Sokratesbilder heraus. So wurde er in hellenistischer Zeit von der



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2.2  Weissagung und Jung frauengeburt – Plutarch Die Verbindung des Göttlichen mit der Transzendenz und deren soteriologische Konsequenzen waren eine Trumpfkarte des Platonismus, was ihn in den folgenden Jahrhunderten in Gestalt des Neuplatonismus zur dominierenden Philosophie machen sollte. Der Abgrenzung von der Stoa ist es vielleicht zu verdanken, dass bei ihm das für die Stoa wichtige πνεῦμα keine nennenswerte Rolle spielt. Allerdings kann bei der Vermittlung zwischen himmlischer und irdischer Welt gelegentlich darauf Bezug genommen werden, wie zwei Beispiele bei Plutarch zeigen. Das eine findet sich in seiner Schrift De defectu oraculorum,45 in der er sich mit dem Problem auseinandersetzt, warum viele Akademie aufgrund seines Bekenntnisses zum Nichtwissen zum Ahnherrn ihrer skeptischen Philosophie gemacht, während er für die Stoiker aufgrund seiner Anspruchslosigkeit und seines unbedingten Einsatzes für das Gute das „Ideal von Selbstkontrolle“ und damit die Einheit von gelehrtem und gelebtem Ethos verkörperte. Im Mittleren Platonismus kommt ein weiteres Bild hinzu: Sokrates wird nun zu einer religiösen Autorität, wobei vor allem sein Daimonion, von dem sowohl Platon wie Xenophon Zeugnis geben, eine entscheidende Rolle spielt. Wie verbreitet diese Vorstellung gerade in neutestamentlicher Zeit war, zeigt ein Blick auf die Literatur der Frühen Kaiserzeit, aus der uns noch insgesamt vier Schriften über das δαιμόνιον des Sokrates erhalten sind: eine von Plutarch, eine von Apuleius und zwei von Maximos von Tyros (vgl. P. Donini: Sokrates und sein Dämon im Platonismus des 1. und 2. Jahrhunderts n. Chr. In: Apuleius: De Deo Socratis. Über den Gott des Sokrates. Eingeleitet, übersetzt und mit interpretierenden Essays versehen von M. Baltes u. a., SAPERE VII, Darmstadt 2004, 142–161). Angesichts der Tatsache, dass das meiste der damaligen Literatur verloren gegangen ist, ist das eine ganz enorme Anzahl, die belegt, wie zentral die religiöse Bedeutung des Sokrates in dieser Zeit war. 45 Die nachstehenden Zitate folgen der Übersetzung von K. Ziegler (Plutarch: Über Gott und Vorsehung, Dämonen und

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einst blühende Orakel inzwischen verstummt sind. Dabei befasst er sich auch mit der Frage, wie überhaupt das Wissen um die Zukunft in die Seelen bestimmter Menschen gelangen könne. Zur Erklärung dieses Vorgangs bemüht er in Anlehnung an das Delphische Orakel, dessen Priester er war, den „prophetischen Strom und Geisthauch“ (μαντικὸν ῥεῦμα καὶ πνεῦμα), den er als „göttlichsten und heiligsten“ (θειότατον […] καὶ ὁσιώτατον) näher bestimmt. Dieser steige aus der Erde herauf und erzeuge in der Seele eine seltsame Verfassung, sodass, so mutmaßt Plutarch, „infolge der Durchflutung mit Wärme gewisse Öffnungen für das Eindringen von Vorstellungen des Zukünftigen sich auftun“, weil „die Seele, erwärmt und glühend geworden, die Behutsamkeit abschüttelt, welche die sterbliche Vernünftigkeit anwendet, und so viele Male den Enthusiasmus verdrängt und erstickt“ (De def. or. 40, Mor. 432D–E). Das wird im Folgenden noch mit komplizierten Überlegungen zur Veränderung des πνεῦμα ergänzt, das durch Erhitzung ätherartig und rein und dann durch Abkühlung wieder verdichtet und gestählt wird, um daraus zu erklären, warum „von den vielen Dünsten, die die Erde heraufsendet, allein dieser hier [im Orakel] die Seelen in Enthusiasmus und in den Stand versetzt, die Zukunft ahnend zu erfassen“ (De def. or. 42, Mor. 433C). Letztlich erklärt sich für Plutarch die Mantik so als Verschmelzung der Seele mit dem göttlichen Pneuma:

Weissagung. Religionsphilosophische Schriften. Eingeleitet und neu übertragen von Konrat Ziegler, Zürich/​Stuttgart 1952), modifizieren sie jedoch teilweise.



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ἐμοὶ δὲ δοκεῖ μάλιστα

Mir für meine Person scheint am ehesten, τοιαύτην πρὸς τὸ dass die Seele mit dem prophetischen Geisthauch eine Verschmelμαντικὸν πνεῦμα zung und Verbindung von der Art λαμβάνειν σύγκρασιν eingeht ψυχὴ καὶ σύμπηξιν, οἵαν πρὸς τὸ φῶς ἡ ὄψις wie das Gesicht mit dem wesens­ ὁμοιοπαθὲς γιγνόμενον verwandten Licht. (Plut., De def. or. 42 [Mor. 433D])

Das Pneuma ist hier nicht der universale, kosmische Geist der Stoa, sondern ein aus der Erde aufsteigender, numinoser Geisthauch. Im Zusammenhang mit dem Phänomen eines vom Menschen ursprünglich unabhängigen, in diesen eingehenden Geistes wird von Plutarch auch im Anschluss an ägyptische Überlieferungen als Möglichkeit erwogen, dass das göttliche πνεῦμα in einer Frau sogar die Schwangerschaft bewirken kann (Plut. Num. IV,4). Das Spannende im Blick auf den Vergleich beider Texte mit der biblischen Tradition ist, dass das Pneuma beide Male nicht ein Teil des menschlichen Selbst ist, sondern eine göttliche Kraft, die von außen in einen Menschen eindringt, auf diese Weise eine besondere Verbindung mit dem Göttlichen herstellt und damit in diesem etwas Außerordentliches bewirkt, sei es Weissagung oder ein übermenschliches Wesen.46

46  Auch in De Pyth. or. 21 (Mor. 404B–E) sagt Plutarch, dass die Seele das Werkzeug Gottes ist. So „bedient sich der Gott der Pythia, um an unser Ohr zu dringen“.

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3.  Der göttliche Geist und der Heilige Geist: Konvergenzen und Kontraste Der vorherrschende Begriff für die den Kosmos ordnende Vernunft war νοῦς mitsamt Derivaten, in geringerem Umfang auch λόγος. Dagegen wird man im Blick auf die Bedeutung des πνεῦμα für die gesamte Antike wohl dem Resümee von Hermann Kleinknecht zustimmen müssen, dass dieses „im Gegensatz zu der führenden Rolle, die es im NT spielt, für das griechische Daseinsverständnis im Ganzen trotz der Stoa nur geringe und untergeordnete Bedeutung“ hat.47 Gleichwohl gab es in der hellenistischen und römischen Philosophie die Konzeption eines göttlichen Geistes, der die Welt durchwaltet, aber auch im einzelnen Menschen gegenwärtig ist. Wie an den vorgestellten Schriften weiter zu sehen war, konnte man in der Kosmologie und der Anthropologie, der Ethik und der Soteriologie darauf zurückgreifen und mittels des πνεῦμα die Gegenwart des Göttlichen in der Welt erklären  – von deren Entstehung über ihre Erhaltung bis zur Wiederherstellung. Dabei war dem πνεῦμα nach stoischer Überzeugung eine kohäsive Energie zu eigen, welche die verschiedenen Einzelelemente nicht nur zu durchdringen, sondern sie zu einem einheitlichen Organismus zu verbinden vermochte. Mit dem Geist konnte man auch die besondere Verbundenheit des Menschen mit dem Göttlichen erklären, die diesen zur Teilhabe an der göttlichen Weltüberlegenheit und Ewigkeit befähigte. Beim Stoiker Seneca hat das eine ethische Pointe, insofern der Geist es dem Menschen ermöglicht, sein Leben an der göttlichen Vernunft auszurichten; hier ist der im Men47 H. Kleinknecht: Art. πνεῦμα, κτλ., ThWNT 6 (1959), 355.



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schen wohnende Geist als „Gott in dir“ der „Beobachter und Überwacher unserer bösen und guten Taten“. Damit verbunden ist auch ein spezifisch stoisches Heilsversprechen, insofern sich der Mensch aufgrund der Teilhabe am Göttlichen gottgleich über das Schicksal zu erheben vermag (vgl. Ep. 41,4–5). Diese stoische Soteriologie basiert allerdings auf einem anspruchsvollen Ethos, das nur wenigen erreichbar ist. Dagegen stellt der Axiochos auf dem Hintergrund einer platonisch geprägten Philosophie dem Menschen aufgrund seiner naturgegebenen Teilhabe an einem göttlichen Geist die Teilhabe an der Unsterblichkeit in Aussicht und verspricht so die Lösung für ein Grundproblem jedes individuellen Lebensentwurfes, den Tod. Diese philosophische Pneumatologie bot gebildeten Juden und dann auf lange Sicht noch mehr den Christen die Chance, auf das πνεῦμα als einen aus der alttestamentlich-jüdischen Tradition wie aus der Jesusüberlieferung vertrauten, zugleich aber in der zeitgenössischen Philosophie etablierten Begriff zurückzugreifen, der nicht per se polytheistisch konnotiert war. So nimmt etwa die paulinische Vorstellung der durch den Geist zur Einheit des Leibes Christi verbundenen Glieder in 1 Kor 12,12 ff. und Röm 12,4–5, die auch durch die συμπάθεια gemeinsamen Leidens und gemeinsamer Freude aller Glieder miteinander verbunden sind (1 Kor 12,26; vgl. Röm 12,15), unverkennbar auf stoische Vorstellungen Bezug. Aber auch die ethische und die soteriologisch-eschatologische Bedeutung des Geistes, die im Neuen Testament und besonders bei Paulus ebenfalls eine wichtige Rolle spielt, hat zwar Wurzeln in der alttestamentlichen Überlieferung, deren Rezeption und Weiterentwicklung wurde aber begünstigt durch die Entsprechungen in der paganen Literatur. Das

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gilt nicht zuletzt auch für die vom Geist gewirkte prophetische Inspiration. Allerdings nötigte die Anlehnung an die philosophischen Geistvorstellungen auch zu Modifikationen derselben; denn als die dynamische Gegenwart der Vernunft im Kosmos allgemein und im Menschen im Besonderen ist das πνεῦμα in der paganen Tradition zumeist eine anthropologische Gegebenheit, bisweilen auch eine numinose Kraft, in jedem Fall aber eine apersonale Größe.48 Die unbedingte Bindung des Geistes an einen personalen Gott und dessen Zuwendung, wie sie in der dem Alten Testament geläufigen Rede von „meinem Geist“ (so Gott) oder „deinem Geist“ (so die Beter) begegnet und sich im Neuen Testament durch die Verbindung des Geistes mit Jesus Christus noch verstärkt, findet sich hier nicht. Damit hängt wohl auch das auffällige Fehlen der im biblischen Bereich immer wieder zentralen Vorstellung einer Erneuerung und Verwandlung des Menschen durch Gottes Geist zusammen. Daher forderte die Hellenisierung des biblischen Glaubens dessen Vertreter immer wieder heraus, bei der Rezeption philosophischer Geistkonzepte zugleich die Eigenart des biblischen Geistbegriffs zur Geltung zu bringen.

48  Beim Daimonion des Sokrates deutet sich auch so etwas wie eine personale Hypostase des Göttlichen im einzelnen Menschen an, und es ist nicht auszuschließen, dass solche Vorstellungen auf die Personifikation des Heiligen Geistes, wie sie vor allem in der Apostelgeschichte begegnet, einen gewissen Einfluss ausgeübt haben, wobei allerdings dabei nicht vom πνεῦμα die Rede ist.

IV.  Die Immanenz des Transzendenten – das hellenistische Judentum 1.  Geist, Gerechtigkeit und Gericht – die Sapientia Salomonis „Als eine der spätesten Schriften der Septuaginta, des griechischen Alten Testaments, bereitet die Sapientia Salomo‑ nis (wahrscheinlich 1. Jahrhundert n. Chr.) die für das ‚christliche Abendland‘ wegweisende Synthese von biblischer Heilsgeschichte und jüdischer Weisheitstradition mit griechisch-philosophischem Denken vor“1 – mit diesen Worten sind die Sapientia Salomonis und die sie prägenden Traditionen treffend charakterisiert; denn diese Schrift, die Paulus möglicherweise gekannt hat,2 reformuliert die Geschichte des Gottesvolkes in griechischem Gewand. Obgleich in ihr durchgehend auf biblische Ereignisse, Personen und Motive angespielt wird, wird jegliche Namensnennung vermieden. Das Ganze gibt sich als Abfolge zweier Mahnreden eines Herrschers (gemeint ist Salomo, der jüdische Weise par excellence) an seine Herrscherkollegen, gefolgt von einem Gebet und zuletzt einer 1 K.‑W. Niebuhr (Hg.): Sapientia Salomonis (Weisheit Salomos). Eingeleitet, übersetzt und mit interpretierenden Essays versehen von Karl-Wilhelm Niebuhr u. a., SAPERE XXVII, Tübingen 2015, VII. Die zitierten Stellen folgen der darin enthaltenen Übersetzung von H.‑G. Nesselrath, modifizieren diese jedoch hier und da. 2 Vgl. F. Blischke: Die Sapientia Salomonis und Paulus. In: Niebuhr (Hg.): Sapientia Salomonis, 273–291.

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Darstellung von Gottes Gerichts- und Gnadenhandeln, unterbrochen von zwei ausführlichen Exkursen. Die camouflierte Wiedergabe der biblischen Überlieferung präsentiert diese als Inbegriff von Weisheit und Gerechtigkeit. Dabei zielt die Transformation der Narrative in einen sapientialen Diskurs nicht auf einen Ausgleich mit der hellenistischen Welt. Vielmehr macht die Sapientia von der griechischen Philosophie strategischen Gebrauch3 und reklamiert mit ‚Weisheit‘ und ‚Gerechtigkeit‘ zwei ihrer zentralen Werte exklusiv für das Judentum, um dessen Einzigartigkeit zu unterstreichen. Sie benutzt also die philosophische Begrifflichkeit, um „die Überlegenheit der jüdischen Religion gegenüber den Religionen der paganen Umwelt herauszustellen und so ihre Leser auf die Treue zur Tora zu verpflichten […]“.4 Entsprechend ist die Tiefenstruktur des Textes von einer klaren Abgrenzung des Gottesvolkes von den Völkern bestimmt,5 denen als Frevlern und Gottlosen immer wieder das Gericht angesagt wird. Dieser Aussageintention dient auch der Bezug auf den Geist, den die Schrift in verschiedenen Zusammenhängen herstellt. Auf den ersten Blick kann man den Eindruck gewinnen, der Begriff πνεῦμα werde „nicht kohärent gebraucht“.6 Doch genaueres Zusehen zeigt, dass die Sapientia zwar sehr unterschiedliche Vorstellungen alttestamentlicher wie pagan-philoso3  J. M. Reese: Hellenistic Influence on the Book of Wisdom and Its Consequences, Analecta biblica 43, Rom 1970, 156. 4 K.‑W. Niebuhr: Einführung in die Schrift. In: Ders. (Hg.): Sapientia Salomonis, 3–37, 22. 5 Vgl. Niebuhr: Einführung, 15–16. 6  So M. V. Blischke: Zur Theologie der Sapientia Salomonis. In: Niebuhr (Hg.): Sapientia Salomonis, 155–173, 171; vgl. dies.: Geist, 283–284.



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phischer Provenienz rezipiert, dabei aber eine durchaus konsistente Strategie verfolgt, die ihrem Interesse einer Apologie des Judentums samt Abgrenzung von der Mitwelt geschuldet ist. Dreimal ist gleich im Eingangsteil vom Geist die Rede. Die erste Mahnrede beginnt gut biblisch mit der Aufforderung, die Gerechtigkeit zu lieben und den „Herrn“ zu suchen (SapSal 1,1). Der programmatisch betonte Zusammenhang von Gottesbezug und Ethik wird durch die weitere Aussage unterstrichen, dass Gott sich von denen finden lässt, die ihn weder versuchen noch ihm misstrauen (1,2), während „krumme Gedankengänge von Gott trennen“ (1,3). Der Seele, die Böses plant und in die daher die Weisheit nicht einkehrt (1,4), wird der „heilige Geist der Erziehung“ entgegengestellt, der Arglist meidet (1,5). Durch das Syntagma ἅγιον πνεῦμα παιδείας wird der „heilige Geist“, den ein Jude aus Jes 63,10–11 und Ps 51,13, vor allem aber aus zeitgenössischen jüdischen Schriften kannte, mit dem zentralen Begriff der griechischen Bildung verbunden.7 Allerdings meint παιδεία hier nicht Gelehrsamkeit, sondern Erziehung als Disziplinierung8 im Sinne der eingangs genannten Gerechtigkeit, wie der Kontext deutlich macht: 7  Dabei eignet dem Begriff des Geistes auch hier die schon öfters beobachtete Doppelheit: Wenn es von ihm heißt, dass er das Böse meidet, so scheint er ein höherer Teil des Menschen zu sein, und in diesem Sinne kann die Sapientia auch im Folgenden immer mal wieder vom Geist als einer anthropologischen Größe sprechen. Zugleich weist die Rede vom „heiligen Geist“ auf dessen Verbundenheit mit Gott hin. 8 Luca Mazzinghi übersetzt es in seinem Kommentar mit „Zucht“ (L. Mazzinghi: Weisheit, Internationaler Exegetischer Kommentar zum Alten Testament, Stuttgart 2018, 52).

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ἅγιον γὰρ πνεῦμα παι­ δείας φεύξεται δόλον καὶ ἀπαναστήσεται ἀπὸ λογισμῶν ἀσυνέτων καὶ ἐλεγχθήσεται ἐπελθούσης ἀδικίας. (SapSal 1,5)

Der heilige Geist der Erziehung wird ja Arglist meiden und von unverständigen Gedanken Abstand nehmen und sich in einen Ankläger verwandeln,9 wenn das Unrecht hinzutritt.

Der Begriff ἐλέγχω bedeutet das Aufweisen von Schuld und die darauf bezogene Anklage und Bestrafung; in diesem Sinne wird das Wort dann auch im weiteren Verlauf der Sapientia10 wie im Neuen Testament11 verwendet. Das fügt sich zu den Warnungen der nächsten Verse. Dort wird zwar die Weisheit als „menschenfreundlicher Geist“ bezeichnet (SapSal  1,6a), aber diese harmlos klingende Prädikation wird im parallelen Glied dahin gehend expliziert, dass der Geist seine Menschenfreundlichkeit in Gestalt der Züchtigung der Übertreter exekutiert: φιλάνθρωπον γὰρ πνεῦμα σοφία καὶ οὐκ ἀθῳώσει βλάσφημον ἀπὸ χειλέων αὐτοῦ· (SapSal 1,6a–b)

Ein menschenfreundlicher Geist ist ja die Weisheit, und nicht straflos lassen wird sie einen, der durch seinen Mund frevelt.

9  Die hier vorgeschlagene Übersetzung lehnt sich an die mediale Deutung des Passivs bei Chrysostome Larcher an (C. Larcher: Le livre de la Sagesse ou la Sagesse de Salomon. I, Paris 1983, 176–178). Sie sucht der Verwendung desselben Wortes ἐλέγχω in V. 3 und V. 8 sowie des Substantivs ἔλεγχος in V. 9 Rechnung zu tragen, das an diesen Stellen die anklagende und richtende Funktion der göttlichen Macht und des göttlichen Geistes beschreibt. 10  SapSal 1,3.8.9; 2,14; 4,20; 11,7; 12,2; 17,7; 18,5. 11 Lk 3,19; Joh 16,8; Jud 15; Apk 3,19; vgl. 1  Tim  5,20; 2  Tim 4,2. F. Büchsel: Art. ἐλέγχω, κτλ., ThWNT 2 (1935), 470–474, 471, spricht von „erzieherische[r] Zuchtübung“.



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Der zweite Teil des Verses führt dann, mit begründendem ὅτι angeschlossen, die Erziehung durch das Zusammenspiel von Weisheit und Geist direkt auf Gott zurück: ὅτι τῶν νεφρῶν αὐτοῦ μάρτυς ὁ θεὸς καὶ τῆς καρδίας αὐτοῦ ἐπίσκοπος ἀληθὴς καὶ τῆς γλώσσης ἀκουστής. (SapSal 1,6c–e)

denn seiner [sc. des Frevlers] Nieren Zeuge ist Gott und seines Herzens wahrer Aufseher und der Zunge Zuhörer.

Das erinnert von Ferne an die Argumentation in Senecas 41. Brief,12 wo ebenfalls ein „heiliger Geist“ (spiritus sacer) als „Gott in dir“ Wächter und Beobachter der Taten des Menschen ist und die Umsetzung einer göttlichen Ordnung im Leben des Menschen einfordert (Sen. Ep. 41,2). Allerdings überlässt der Geist in der Sapientia die Durchführung seiner Forderungen nicht der Selbstbestimmung des Menschen, sondern ist direktes Instrument der göttlichen Gerechtigkeit und exekutiert im Falle ihrer Missachtung die damit verbundene Strafe. Diese universale Gegenwart des göttlichen Richters begründet die Sapien‑ tia in der Fortsetzung des eben zitierten Textes damit, dass der „Geist des Herrn“ (πνεῦμα κυρίου) die bewohnte Erde erfüllt und das All zusammenhält (1,7). Die Rede von einem göttlichen Geist, der die Erde erfüllt und das All zusammenhält, ist nicht biblisch und verrät stoischen Einfluss. Aber die schon in dem Syntagma „Geist des Herrn“ angedeutete jüdische Eingemeindung der philosophischen Geistkonzeption zeigt sich im Folgenden darin, dass die Allgegenwart und Allwissenheit des „Herrn“ 12  Besonders gilt das von SapSal 1,5–6. Zu Senecas 41. Brief siehe oben Kap. III.1.3.

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durch seinen alles durchdringenden Geist erneut in den Dienst der Bestrafung durch eine überführende und anklagende göttliche Gerechtigkeit (ἐλέγχουσα δίκη) gestellt wird. Der universal präsente Geist ist die immanente Gerichtsmacht des transzendenten Gottes: ὅτι πνεῦμα κυρίου πεπλήρωκεν τὴν οἰκουμένην, καὶ τὸ συνέχον τὰ πάντα γνῶσιν ἔχει φωνῆς. διὰ τοῦτο φθεγγόμενος ἄδικα οὐδεὶς μὴ λάθῃ, οὐδὲ μὴ παροδεύσῃ αὐτὸν ἐλέγχουσα ἡ δίκη. ἐν γὰρ διαβουλίοις ἀσεβοῦς ἐξέτασις ἔσται, λόγων δὲ αὐτοῦ ἀκοὴ πρὸς κύριον ἥξει εἰς ἔλεγχον ἀνομημάτων αὐτοῦ· ὅτι οὖς ζηλώσεως ἀκροᾶται τὰ πάντα, καὶ θροῦς γογγυσμῶν οὐκ ἀποκρύπτεται. (SapSal 1,7–10)

7Denn der Geist des Herrn hat die bewohnte Erde erfüllt, und das, was das All zusammenhält, hat Kenntnis (jeden) Lauts. 8Deshalb wird niemand, der Unrechtes äußert, verborgen bleiben, und es wird nicht an ihm vorbeigehen bei ihrem Aufdeckungswerk die (strafende) Gerechtigkeit. 9An den Plänen des Frevlers wird ja eine Untersuchung stattfinden, und seiner Worte Kunde wird zum Herrn gelangen, zur Aufdeckung seiner Gesetzesverstöße; 10denn das eifersüchtige Ohr hört alles, und das murrende Grummeln bleibt nicht verborgen.

Dass der Maßstab des Gerichts die Tora ist, wird in dieser camouflierten Wiedergabe der jüdischen Tradition zwar nicht explizit gesagt, aber dass es so gemeint ist, deutet der ungewöhnliche Begriff ἀνομήματα an  – und



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das bestätigt auch eine weitere Stelle, in der das eben Festgestellte näher ausgeführt wird. In SapSal  5,14–23, im Schlussteil der ersten Mahnrede an die Herrscher, der das Gottesgericht beschreibt, erhalten die Gerechten ihren verdienten Lohn, während „der Höchste“ zugleich – mit einer allegorisch ausgedeuteten Rüstung bewaffnet  – als göttlicher Krieger gegen seine Widersacher in den Kampf zieht und dabei auch die „Schöpfung bewaffnen wird zur Verteidigung gegen die Feinde“ (5,17). Das Folgende schildert, wie Elemente der Schöpfung diesen Kampf mit ausfechten (vgl. auch 16,24), wobei besonders auffällt, dass das Vorgehen gegen die Gottlosen immer wieder mit Metaphern des Windes und des Sturmes beschrieben wird. Dabei ist es das πνεῦμα δυνάμεως, der „Geist [göttlicher] Kraft“,13 der nicht nur die kosmische Ordnung bewahrt (1,7), sondern als ein (hier analog zum Sturm vorgestelltes) Machtphänomen auch die ethische Ordnung wiederherstellt, indem er das Gericht über diejenigen exekutiert, deren „Gesetzlosigkeit“ die Erde zerstört. Der hier verwendete Begriff ἀνομία (5,23) ist wie ἀνομήματα in 1,9 eine Negation von νόμος. Er umschreibt in jüdischer Tradition oft die Gesetzlosigkeit von Heiden (vgl. Apg 2,23; Röm 2,12; 1 Kor 9,21) und abtrünnigen Juden (vgl. das 1. Makkabäerbuch, passim) und muss wohl auch hier als 13  Wenn es am Ende in 5,23 heißt, dass gegen die Feinde das πνεῦμα δυνάμεως antritt, so ist Nesselraths Übersetzung in der ­S APERE‑Edition (Sapientia Salomonis, 55) mit „Atem der Macht“ aufgrund des im Parallelismus Membrorum genannten „Sturmwindes“ (λαῖλαψ) möglich; gleichwohl scheint mir nicht zuletzt aufgrund der breit bezeugten Verbindung von göttlichem πνεῦμα und δύναμις die interpretierende Übersetzung des Syntagmas mit „Geist göttlicher Kraft“ in der Lutherbibel 2017 treffender (vgl. auch Mazzin­ghi: Weisheit, 163: „Geist der Macht“).

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IV.  Die Immanenz des Transzendenten

Ausdruck für die Missachtung der Tora verstanden werden. Das bestätigt der anschließende Beginn der zweiten Mahnrede an die Herrscher, die nochmals auf das Gericht rekurriert (6,5–8) und dessen Androhung damit begründet, dass diese Herrscher, obgleich sie als Diener seiner Königsherrschaft die Macht vom Höchsten übertragen bekommen hatten, nicht das „Gesetz“ bewahrt haben (6,4).14 Das markante Syntagma πνεῦμα δυνάμεως wird in SapSal 11,20 wiederholt. Als „Hauch des Zornes Gottes, durch den der Gottlose bestraft wird“,15 bezeichnet es auch hier das (an dieser Stelle allerdings nur hypothetische) Gerichtsinstrument, das Gott gegen die Ägypter zu Gebote gestanden hätte, die 14  Die Rede vom νόμος ohne Artikel sowie dessen Verbindung mit dem Willen Gottes zeigen, dass die Tora gemeint ist  – das ist eine der wenigen Stellen, an denen die Sapientia direkt auf das alttestamentliche Gesetz Bezug nimmt. Positiv sagt dann SapSal 6,18, dass die Liebe zur Wahrheit sich in der „Einhaltung ihrer Gesetze“ äußert und dass das „Achten auf ihre Gesetze“ die Unvergänglichkeit sichert. Auch die weiteren mit α-privativum gebildeten Negationen von νόμος, welche die Gegner Gottes bzw. seines Volkes bezeichnen, sind ein indirekter, aber deutlicher Hinweis darauf, dass das richtige Leben ein Leben gemäß dem νόμος, also der Tora, ist (vgl. ­SapSal 1,9; 3,14; 4,6.20; 5,7.23; 15,17; 17,2). Deren Forderungen werden in der Sapientia vorzugsweise als „Recht“ und „Gerechtigkeit“ (δίκη bzw. δικαιοσύνη) auf den Begriff gebracht bzw. mit dem Prädikat „gerecht“ (δίκαιος) bedacht. Die Gerechtigkeit war schon am Beginn des Buches mit der Aufforderung, den „Herrn“ mit ganzem Herzen zu suchen (SapSal 1,1), parallelisiert und damit biblisch konnotiert worden. 15  Mazzinghi: Weisheit, 320. In ähnlicher Weise bringen in den Sibyllinischen Orakeln gewaltige πνεύματα den babylonischen Turm zum Einsturz (Orac.  Sib. III,102). Vergleichen könnte man damit in positiver Hinsicht auch Apg 8,39, wo Philippus vom Geist weggerissen wird.



1.  Geist, Gerechtigkeit und Gericht

ἑνὶ πνεύματι16 πεσεῖν ἐδύναντο ὑπὸ τῆς δίκης διωχθέντες καὶ λικμηθέντες ὑπὸ πνεύματος δυνάμεώς σου· (SapSal 11,20)

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durch einen einzigen Geisthauch17 hätten fallen können, von der Gerechtigkeit eingeholt, in die Luft geschleudert von deinem mächtigen Geisthauch.

Die hier vorausgesetzte Dreiheit von Gerechtigkeit, Geist und Gericht findet sich auch an anderer Stelle18 und ist charakteristisch für die Sapientia. Sie wird bereits am Beginn des Buches in SapSal  1,4.619 mit einem weiteren Topos verbunden, der zwar auch schon im Alten Testament eine gewisse Rolle spielte, aber auch der griechi16  Zitiert nach der Edition von Alfred Rahlfs (Septuaginta. Id est Vetus Testamentum graece iuxta LXX interpretes edidit A. Rahlfs. Editio altera quam recognovit et emendavit R. Hanhart. Duo volumina in uno, Stuttgart 2006). Niebuhr (Hg.): Sapientia Salomonis, 76, liest hier stattdessen νεύματι. 17  Zur textkritischen Diskussion zu dieser Stelle vgl. Mazzin­ ghi: Weisheit, 318. 18  So nimmt SapSal  15,11 zwar auf eine ganz andere biblische Geisttradition Bezug, wenn dort von dem πνεῦμα ζωτικόν die Rede ist, dem Schöpfergeist von Gen 2,7, der den Menschen eingehaucht wird. Zu beachten ist aber, dass auch diese Aussage im Kontext der Anklage steht, dass die Menschen Gott nicht als Schöpfer anerkannt und daher das Gericht verdient haben. Das wird wenige Verse später nochmals unterstrichen, wo die Fabrikation von leblosen Götzenbildern dem Menschen, dem ja selbst „das πνεῦμα nur als Darlehen gegeben ist“ (SapSal 15,16), zum Vorwurf gemacht wird. Hat Gott sich durch den Geist – die Sapientia verwendet hier gegen den Prätext der Septuaginta πνεῦμα und nicht πνοή – als der Schöpfer des Menschen erwiesen, so negiert der Mensch seine Geschöpflichkeit nicht nur, sondern pervertiert sie nachgerade, indem er Gottheiten herstellt – mit „gesetzlosen Händen“, wie eigens unterstrichen wird, um die Missachtung des ‚Gesetzes‘ anzudeuten (15,17). 19  In SapSal 1,5 dürfte die Weisheit dagegen textkritisch sekundär sein.

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IV.  Die Immanenz des Transzendenten

schen Welt wohl vertraut war: mit der σοφία, der Weisheit. Diese Verbindung wird im siebten  Kapitel näher expliziert. In dessen erstem Teil (7,1–21) geht es um die Erkenntnis der Weisheit, die auch dem König – hier spricht wieder die persona Salomos  – aufgrund seiner Teilhabe an der menschlichen Armseligkeit nicht einfach verfügbar war, sondern um die er Gott bitten musste. Der hat sein Gebet erhört und ihm das πνεῦμα σοφίας verliehen, den „Geist der Weisheit“ (7,7), dessen soteriologischer Wert im Folgenden emphatisch unterstrichen wird, wenn der Sprecher betont, dass er die Weisheit allem anderen vorziehe; denn sie verschaffte ihm nicht nur alle anderen Güter (7,11), sondern bewirkte auch Freundschaft mit Gott (7,14).20 Die Nähe zu stoischem Denken im Blick auf den Geist wird deutlich in dem sich anschließenden Lob der Weisheit in SapSal 7,22–8,1. War die Weisheit am Anfang mit dem Geist gleichgesetzt worden (1,6), so heißt es jetzt, dass „in ihr“ (ἐν αὐτῇ) ein Geist ist, der näherbestimmt wird durch 21, also drei mal sieben, Attribute mit einem „meist eher griechischen als biblischen Hintergrund“:21

20  Dieses Gut wird also dem Menschen zu eigen als Gottes Gabe. Wenn hier jedoch im Gegensatz zum biblischen Prätext 1 Kön 3,12 nicht von einem „weisen Herz“ gesprochen wird, das Salomo von Gott empfängt, sondern von einem „Geist der Weisheit“, so stellt dies einen Bezug zu der messianischen Weissagung Jes 11,2 her, wo das Syntagma den auf dem Sprosse Isais ruhenden Gottesgeist näher charakterisiert. 21  Mazzinghi: Weisheit, 222; vgl. a. a. O., 226: „Die Hauptquelle von 7,22b–23 ist sicher die stoische Philosophie“. Ähnlich J. R. Levison: Filled with the Spirit, Grand Rapids/​Cambridge (UK) 2009, 144: Der Geist ist hier „described in quintessential Stoic terms“.



1.  Geist, Gerechtigkeit und Gericht

Ἔστιν γὰρ ἐν αὐτῇ πνεῦμα νοερόν, ἅγιον, μονογενές, πολυμερές, λεπτόν, εὐκίνητον, τρανόν, ἀμόλυντον, σαφές, ἀπήμαντον, φιλάγαθον, ὀξύ, ἀκώλυτον, εὐεργετικόν, φιλάνθρωπον, βέβαιον, ἀσφαλές, ἀμέριμνον, παντοδύναμον, πανεπίσκοπον καὶ διὰ πάντων χωροῦν πνευμάτων νοερῶν καθαρῶν λεπτοτάτων. (SapSal 7,22–23)

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Es ist ja in ihr [sc. der Weisheit] ein Geist, denkend tätig, heilig, einzig-artig, viel-teilig, fein, leicht beweglich, durchdringend, unbefleckt, klar, unverletzlich, das Gute liebend, scharf, unbehindert, wohltätig, menschenfreundlich, fest, sicher, unbekümmert, alles kraftvoll durchwaltend, alles überblickend und durch alle Geister sich bewegend, die denkenden, reinen, überaus feinen.

Den Bezug auf stoische Pneuma-Vorstellungen verrät neben Attributen wie „durchdringend“, „alles kraftvoll durchwaltend“ und „durch alle Geister sich bewegend“ vor allem der am Beginn der Lobrede (V. 22) für den Geist in der Weisheit verwendete Ausdruck πνεῦμα νοερόν, wie gesehen eine geprägte Wendung, mit der bereits Chrysipp den stoischen Gott als den definiert hat, der alles durchdringt und so ordnend die Welt hervor-

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IV.  Die Immanenz des Transzendenten

bringt und erhält.22 Auf vergleichbare Weise macht hier der Geist die Weisheit zu einer Welt und Mensch dynamisch durchdringenden, erneuernden und erhaltenden göttlichen Macht.23 Die damit verbundene ethische Dimension des Geistes ist zwar kein ganz neuer Gedanke,24 er wird aber von der Sapientia in ihrem zweiten ‚Lob der Weisheit‘ besonders deutlich akzentuiert, wenn sie dort sagt, dass die Seele (ψυχή) und die Vernunft (νοῦς) des Menschen  – vom Körper beschwert – kaum die irdischen Dinge erkennen können, geschweige denn die des Himmels. Sie werden aber durch die Sendung von Gottes σοφία und πνεῦμα25 befähigt, Gottes Willen zu erkennen, ihren Weg danach auszurichten und so gerettet zu werden: 22  SVF II,310.1009; siehe oben Kap. III.1. 23  Damit erinnert das Verhältnis von σοφία und πνεῦμα in der Sapientia an das von νοῦς und πνεῦμα in der stoischen Philosophie. Dass die Sapientia statt des νοῦς die σοφία bevorzugt, hat sicher damit zu tun, dass die Weisheit längst in der jüdischen Literatur eingemeindet war und eng mit dem biblischen Gott und seiner Tora verbunden werden konnte, wie schon Jesus Sirach zeigt. Das bezeugt bereits der programmatische Auftakt in Sir 1,1: „Alle Weisheit kommt vom Herrn“ (vgl. weiter Sir 1,4.5.6.26–27 u. ö.) sowie der axiomatische Satz, dass die Furcht des Herrn der Ursprung der Weisheit ist (Sir 1,14; vgl. Sir 1,16.20; weiter Prov 1,7; Ps 111,10). Auch die Sapientia selbst lässt das immer wieder durchscheinen, wenn sie etwa die Liebe zur Weisheit als das Halten ihrer Gesetze definiert (SapSal 6,18; vgl. weiter SapSal 9,9). 24  Das kann man schon im Alten Testament aus Ps 51 herauslesen, wurde auch in den Schriften von Qumran betont, und auch Paulus kann ganz selbstverständlich voraussetzen, dass dem Heiligen Geist ein bestimmtes Verhalten entspricht (vgl. besonders Gal 5,16–26). 25  Hier wird dieser Geist das zweite Mal nach SapSal  1,5 der „heilige“ genannt.



1.  Geist, Gerechtigkeit und Gericht

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βουλὴν δέ σου τίς ἔγνω, εἰ μὴ 17Deinen Willen aber, wer erkannte ihn, wenn nicht du σὺ ἔδωκας σοφίαν (ihm) Weisheit gabst καὶ ἔπεμψας τὸ ἅγιόν σου und deinen heiligen Geist aus πνεῦμα ἀπὸ ὑψίστων; den höchsten Höhen sandtest? καὶ οὕτως διωρθώθησαν αἱ 18Und so wurden die Pfade τρίβοι τῶν ἐπὶ γῆς, derer auf Erden richtiggestellt, καὶ τὰ ἀρεστά σου und das dir Gefällige wurde den ἐδιδάχθησαν ἄνθρωποι, Menschen vermittelt, καὶ τῇ σοφίᾳ ἐσώθησαν. und durch die Weisheit wurden sie gerettet. (SapSal 9,17–18)

Bei aller Betonung des göttlichen Gerichts wird hier noch einmal hervorgehoben, was SapSal  2,23–24 bereits im Blick auf die ganze Schöpfung unterstrichen hatte: Die eigentliche Intention Gottes ist die Rettung der Menschen. Entsprechend heißt es auch wenig später, dass Gott als der „Herr, der das Leben liebt“, zwar zurechtweist, aber nur in geringem Umfang straft. Auch diese barmherzige Seite Gottes wird mit seinem Geist begründet, der im Gegensatz zum richtenden πνεῦμα an Gottes Lebensmacht Anteil gibt: φείδῃ δὲ πάντων, ὅτι σά ἐστιν, δέσποτα φιλόψυχε· τὸ γὰρ ἄφθαρτόν σου πνεῦμά ἐστιν ἐν πᾶσιν. (SapSal 11,26–12,1).

11,26Du aber verschonst alles, weil es dein ist, du Herr, der das Leben liebt. 12,1Dein unverderblicher Geist ist ja in allen.

Der Geist hat also in der Sapientia eine Doppelrolle: Zum einen tut er Gottes rettenden Willen kund (9,17–18) und bewahrt Leben (11,26–12,2), zum andern verschafft er der Gerechtigkeit Geltung als ein (durchaus nicht gewalt-

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freies) Instrument der göttlichen Züchtigung.26 Damit hat die Sapientia das πνεῦμα νοερόν, den die Wirklichkeit durchdringenden und vernünftig ordnenden stoischen Weltgeist, mit den dynamistischen Geistvorstellungen der biblischen Tradition kombiniert, nicht zuletzt mit der kriegerischen rûaḥ ʾĔlōhîm. Im Unterschied zum Alten Testament, aber auch zu den zeitgenössischen messianischen Vorstellungen, bedient sich Gott nicht mehr eines menschlichen Mittlers, den er mit seinem Geist begabt, sondern handelt unmittelbar durch seinen universal gegenwärtigen Geist, der Gerechtigkeit wirkt, indem er die Übertreter überführt, richtet und straft, zugleich aber den zu Gott Gehörenden Gottes Willen vermittelt und sie so bewahrt. Dabei gewinnt der Geist nicht zuletzt aufgrund seiner Verbindung mit der Weisheit ansatzweise personale Züge (vgl. besonders 1,5–9).

2.  Das Band zwischen dem einen Gott und seiner Schöpfung – Philon von Alexandria Die in der Weisheit Salomos zu beobachtende Sapientisierung der biblischen Tradition kommt in den Werken des alexandrinischen Religionsphilosophen Philon zu ihrem Höhepunkt. Das Folgende konzentriert sich vor allem auf zwei (nominell drei) Schriften Philons,27 in denen der Geist eine wichtige Rolle spielt: Die Abhandlungen „Über die Riesen“ (De gigantibus) und „Über die Unveränder26  Vergleichbares wird in SapSal 18,15–16 vom göttlichen Logos gesagt, der als „harter Krieger“ vom Himmel springt und das All mit Tod erfüllt. 27  Die ausführlichste Darstellung findet sich bei Leisegang: Der Heilige Geist.



2.  Das Band zwischen Gott und seiner Schöpfung

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lichkeit Gottes“ (Quod Deus sit immutabilis) bildeten ursprünglich zusammen ein Buch, in dem der Geist vor allem im Kontext einer religiösen Psychologie begegnet. Dagegen ist er in der Schrift „Über die Weltschöpfung“ (De opificio mundi) in erster Linie ein kosmisches Prinzip mit Konsequenzen für die Anthropologie und die darauf basierende Soteriologie. Die folgende Auslegung wird durch Querverweise auf andere Schriften präzisiert sowie am Ende noch durch zwei weitere Aspekte ergänzt. Dabei soll auch Philons Auseinandersetzung mit platonischem und stoischem Gedankengut deutlich werden.28 In seiner Frühschrift29 „Über die Riesen“/„Über die Unveränderlichkeit Gottes“ legt Philon mithilfe der allegorischen Auslegung, wie man sie in Alexandria von der Homerforschung kennt, den tieferen Sinn der mosaischen Erzählungen dar. Der erste Teil De gigantibus konzentriert sich auf die in Gen 6,2 genannten ‚Engelsehen‘, 28  Die in diesem Zusammenhang vielverhandelte Frage nach der Materialität des Geistes bei Philon wie dann auch bei Paulus bleibt ausgespart. Wie Volker Rabens gezeigt hat, ist diese nicht eindeutig zu beantworten, und das hängt damit zusammen, dass sie bei beiden nicht im Zentrum ihres Interesses steht, weil die Verwandlung des Menschen durch den Geist nicht als Austausch von Substanzen gedacht ist (V. Rabens: The Holy Spirit and Ethics in Paul. Transformation and Empowering for Religious-Ethical Life, Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament II,283, Tübingen 20132, 80–120). 29  Bei der im Folgenden vorgenommenen Einteilung und historischen Verortung der Schriften folge ich M. Niehoff: Philo of Alexandria. An Intellectual Biography, New Haven 2018; deutsch: Philon von Alexandria. Eine intellektuelle Biographie. Übersetzt von Claus-Jürgen Thornton und Eva Tyrell, Tübingen 2019, hier 291–293: Werkserie „Allegorischer Kommentar“ (mit der genannten Frühschrift) vor 38 n. Chr., Werkserie „Expositio legis“ (mit dem Traktat „Über die Weltschöpfung“) nach 40 n. Chr.

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IV.  Die Immanenz des Transzendenten

die Philon zu einer Wirklichkeitsdeutung veranlassen, die eine philosophische Kosmologie mit jüdischer Dämonologie verbindet: Der Kosmos, so Philon, sei „durch und durch beseelt“ (Gig. 7), wobei die Sterne besonders rein und göttlich seien, da sie ganz νοῦς sind (Gig. 8).30 Nach Ausführungen über die guten und bösen Engel diskutiert Philon dann zunächst im Rückgriff auf den Beginn des Schöpfungswerkes in Gen 1,2 die Bedeutung von πνεῦμα. Seiner Meinung nach31 ist damit die „reine Erkenntnis“ gemeint, „an der jeder Weise (σοφός) geziemend Anteil hat“ (Gig. 22). Das wird durch einen Querverweis auf Ex 31,2– 3 begründet, wo Gott einen Kunsthandwerker namens Bezalel für den Bau der Stiftshütte begabt (Gig. 23). Hier wird nach Philon „definiert, was göttlicher Geist ist“ (Gig. 23), nämlich „Weisheit, Verstand, Erkenntnis, das Erdenken jeglichen Werks“ (Gig. 23), also ein göttliches Charisma, mit dem der Mensch besonders im Blick auf seine geistigen Fähigkeiten begabt wird. Derselbe Geist geht nach Num 11,17 von Mose auf die 70 Ältesten über und lässt sie an seinem πανσόφον πνεῦμα teilhaben, an seinem „allweisen Geist“ (Gig. 24–27). Die Tatsache, dass dieser dadurch nicht geschwächt wurde, zeigt für Philon, dass dieser auf Mose liegende Geist (τὸ ἐπ’ αὐτῷ πνεῦμα) nicht sein „eigener Geist“ war, sondern Gottes Geist, ein 30  Platon hatte im Timaios den Kosmos als beseelt und mit Vernunft versehen definiert (Tim. 30bc), in dessen Mitte der Demiurg eine Seele gesetzt hat, die das Ganze durchdringt (Tim. 34b). Die Stoa hat das übernommen, wie das oben ausgelegte zweite Buch von Ciceros De natura deorum gezeigt hat. Nach Forschner: Philosophie der Stoa, 118, kann man in diesem Sinne das πνεῦμα geradezu als die göttliche Seele des Kosmos bezeichnen. 31  Philon kennt und verwirft die (bis heute von manchen Exegeten vertretene) Ansicht, dass darunter nur die Luft zu verstehen sei.



2.  Das Band zwischen Gott und seiner Schöpfung

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πνεῦμα θεῖον (so Gig. 28), das zuvor überschwänglich gepriesen wurde als […] τὸ σοφόν, τὸ θεῖον, τὸ ἄτμητον, τὸ ἀδιαίρετον, τὸ ἀστεῖον, τὸ πάντῃ δι’ ὅλων ἐκπεπληρωμένον· ὅπερ ὠφελοῦν οὐ βλάπτεται οὐδὲ μεταδοθὲν ἑτέροις οὐδ’ αὖ προστεθὲν ἐλαττοῦται τὴν σύνεσιν καὶ ἐπιστήμην καὶ σοφίαν. (Gig. 27)

[…] der weise [Geist], der göttliche, der unteilbare, der untrennbare, der treffliche, der alles erfüllende, der Nutzen bringend keinen Schaden leidet und, auch wenn er anderen mitgeteilt oder auch zugefügt wurde, sich nicht verringert an Verstand und Erkenntnis und Weisheit.

Daraufhin kommt Philon auf die zuvor schon genannte Einschränkung zurück, dass der göttliche Geist nur eine bestimmte Zeit in der Seele bleibt, was er unter Verweis auf Gen 6,3 damit begründet, dass „sie [sc. die Menschen] Fleisch sind“ (Gig.  28–29). Diese Einschränkung bezieht Philon nicht auf die naturgegebene Endlichkeit der menschlichen Natur, sondern er versteht „Fleisch“ als intellektuelles und moralisches Defizit: Als die Ursache der Unvernunft (Gig.  29) ist es „verbunden mit Unkenntnis und Unwissenheit“ (Gig.  30) und in beider Gefolge mit Begierden und Lüsten (Gig.  33–35). Entsprechend steht der aus Körper und Seele bestehende Mensch (Gig.  33) vor der Entscheidung zwischen zwei Möglichkeiten der Daseins- und Handlungsorientierung: οὐκοῦν τὸ μὲν σαρκός ἐστιν Es ist daher das (Gut) des Fleisches die vernunftlose Lust, ἄλογος ἡδονή,

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τὸ δὲ ψυχῆς καὶ τοῦ παντὸς ὁ νοῦς τῶν ὅλων, ὁ θεός. (Gig. 40)32

das der Seele und des Alls aber die Vernunft des Alls: Gott.

Die Gegenmacht gegen das Fleisch (als Repräsentant der Sinnlichkeit) ist hier gut platonisch die mit dem göttlichen νοῦς verbundene Seele des Menschen. Warnend wird Gott als eine allgegenwärtige moralische Instanz ins Feld geführt, vor dessen „unbewegbarer, furchtbarer und in den Strafen unerbittlicher Herrschergewalt“ es sich zu hüten gilt, „damit auch der göttliche Geist der Weisheit nicht leicht entweiche und davongehe, sondern eine lange Zeit bei uns bleibe, wie auch bei Mose, dem Weisen“ (Gig. 47). Die Betonung eines mit Gottes Geist verbundenen Gerichts erinnert an die Sapientia, aber während dort der in der Welt ubiquitär gegenwärtige und wirksame Geist ein das Gottesgericht vorbereitendes und exekutierendes Organ ist, ist er bei Philon nur heilsame Gabe an den Menschen, die allerdings als Strafe entzogen werden kann. Für sich hat der göttliche Geist bei Philon ausschließlich eine positive, die Menschen zu einem Leben nach Gottes Willen ermächtigende Funktion, wie im Besonderen an Mose exemplifiziert wird, der vom Geist allezeit auf rechtem Wege geführt wird (Gig. 55). Das Verständnis des Geistes als einer den Menschen bestimmenden göttlichen Macht kehrt auch in der Fortsetzung der Auslegung in dem Traktat Quod Deus sit im‑ mutabilis wieder, wenn Philon die Vermischung der Menschentöchter mit den „Engeln Gottes“ damit erklärt, dass 32  In Phil. Al. Her. 56–57 werden entsprechend „zwei Arten von Menschen“ unterschieden, von denen die einen durch den göttlichen, vernunftgeleiteten Geist (θείῳ πνεύματι λογισμῷ), die anderen nach der Lust des Fleisches leben.



2.  Das Band zwischen Gott und seiner Schöpfung

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der göttliche Geist wegen des Fleisches nur begrenzte Zeit „in der zersplitterten und vielgestaltigen Seele“ bleibe und nach seinem Weggang den Platz frei mache für „Lügenengel“. Solange „in der Seele die reinen Strahlen der Vernunft leuchten“, haben Letztere keine Chance, danach aber schleichen sie sich als „Genossen der Finsternis“ mit den Leidenschaften ein (Immut.  1–3).33 Hier zeigt sich eine ferne Parallele zur Zwei-Geister-Lehre von Qumran, insofern der Mensch in jedem Falle von einem Geist beherrscht wird, entweder von einem göttlichen oder einem widergöttlichen. Aufs Ganze gesehen ist der Geist im Allegorischen Kommentar aber eng mit den geistigen Fähigkeiten verbunden, die durch ihn den Menschen von Gott übermittelt werden. Philons Schrift „Über die Weltschöpfung“ (De opificio mundi) leitet die sogenannte „Expositio legis“ ein, Philons systematische Erklärung der Tora.34 Sie ist ein Spätwerk, das er unter dem Eindruck seiner Reise als Leiter einer Gesandtschaft zu Kaiser Caligula verfasst hat. Diese hatte nicht nur persönliche Konsequenzen für ihn, insofern der bis dahin zurückgezogen lebende Religionsphilosoph als Verteidiger der von alexandrinischen Nationalisten bedrängten jüdischen Gemeinde nun zu politischer Tätigkeit gezwungen wurde. Durch den dreijährigen Romaufenthalt war Philon neuen Eindrücken ausgesetzt, die den 33  Im Folgenden werden biblische Beispiele – positive wie Abraham und Hannah, negative wie Onan – angeführt und entsprechend allegorisch auf die erlangte oder verfehlte Tugendhaftigkeit gedeutet. 34 Der einleitenden Auslegung der Schöpfungserzählung(en) folgten ursprünglich vier Biographien über die Patriarchen, die diese als Verkörperungen von Tugenden darstellten, von denen die erste über Abraham und die letzte über Joseph erhalten sind. In einem dritten Block werden der Dekalog sowie die einzelnen Gesetze ausgelegt.

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Charakter seiner Schriften veränderten. Dazu gehörte nicht zuletzt ein stärkerer Einfluss der in Rom dominierenden Stoa auf den (Mittel-)Platoniker Philon. Dieser stoische Einfluss ist schon am Anfang der Abhandlung mit Händen zu greifen, wenn Philon die Tatsache, dass Mose seine Gesetzgebung weder mit den nackten Vorschriften beginnt, was „unbedacht, bequem und unphilosophisch“ wäre, noch mit mythischen Fiktionen, welche die Menge täuschen, weil sie „voll Lug und Trug“ sind (Opif. 1–2), sondern mit der Schöpfung, damit begründet, dass Mose dadurch deutlich machen möchte, […] ὡς καὶ τοῦ κόσμου τῷ νόμῳ καὶ τοῦ νόμου τῷ κόσμῳ συνᾴδοντος καὶ τοῦ νομίμου ἀνδρὸς εὐθὺς ὄντος κοσμοπολίτου, πρὸς τὸ βούλημα τῆς φύσεως τὰς πράξεις ἀπευθύνοντος, καθ’ ἣν καὶ ὁ σύμπας κόσμος διοικεῖται. (Opif. 3; vgl. 143)

[…] dass sowohl der Kosmos mit dem Gesetz als auch das Gesetz mit dem Kosmos übereinstimmt und dass der gesetzestreue Mann sich dadurch als Weltbürger erweist, weil er seine Taten gemäß dem Willen der Natur lenkt, nach der auch der gesamte Kosmos verwaltet wird.

Die jüdische Tora wird also von Philon von vornherein mit dem im Kosmos waltenden Vernunftgesetz identifiziert, weshalb auch derjenige, der nach ihr lebt, nicht ein merkwürdiger Sektierer ist, sondern ein „gemäß dem Willen der Natur“ lebender und handelnder Weltbürger (κοσμοπολίτης). Dem jüdischen Monotheismus wie der platonischen Metaphysik verpflichtet, besteht Philon allerdings darauf, dass diese Natur nicht mit Gott identisch ist, sondern dass hinter dem Sichtbaren die Macht des einen Gottes „als die eines Schöpfers und Vaters“ steht (Opif.  7), wobei das hier für Gott verwendete Hendia-



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dyoin ποιητὴς καὶ πατήρ auf Platons Timaios zurückgeht (vgl. Tim. 28c). Mose, der laut Philon „bis zum höchsten Gipfelpunkt der Philosophie vorgedrungen“ ist, habe in diesem Sinne als letzte Ursache des Seienden „die universale Vernunft“ (ὁ τῶν ὅλων νοῦς) erkannt (Opif. 8).35 Definiert hier der νοῦς das Wesen Gottes, so stellt das πνεῦμα Gottes schöpferisches Wirken dar, durch das er als „die Ursache des Lebens“ den Geschöpfen an seiner Lebendigkeit Anteil gibt. Deshalb bezeichnet Mose Gottes Geist auch als ζωτικώτατον, als „äußerst lebendig“ (Opif. 30). Man muss darin wohl die stoisierende Synthese der beiden biblischen Schöpfungserzählungen sehen,36 wobei der stoische Einfluss später noch deutlicher wird, wenn Philon konstatiert, dass die Schöpfung durch die δύναμις πνεύματος ἑνωτικοῦ zusammengehalten wird, durch die „kohäsive Kraft des Geistes“.37 Dagegen verrät es platonischen Einfluss, wenn Philon die beiden Schöp35  Das lässt ebenso an stoische Vorstellungen denken wie die sich anschließende Aussage, dass dieser master mind seine Schöpfung durch die Vorsehung lenkt und erhält (Opif.  9–11), wobei Philon allerdings im Folgenden wieder die strikte Unterscheidung Gottes von der sichtbaren Welt betont (Opif. 12.21–22) und gut platonisch der Entstehung der sichtbaren Welt ein von Gott gedachtes Urbild, also eine Idee, vorschaltet, die unsichtbar und unkörperlich ist und mit dem göttlichen Logos in eins gesetzt wird (Opif. 15–36). Zu den zuvor als Ideen geschaffenen unkörperlichen Wesenheiten rechnet Philon auch das πνεῦμα, das er im Folgenden in Anspielung auf den in Gen 1,2 über den Wassern schwebenden Geist eigens als „Geist Gottes“ hervorhebt. 36 Vgl. SVF II,796,26–27: „Vita enim secundum ipsos in solo spiritu“; weiter SVF II,443. 37  Anlässlich des Stroms, der dort die Erde wässert, räsoniert Philon über die Bedeutung des Wassers für den Zusammenhalt der Erde, stellt dem aber (im Vorgriff auf den folgenden Vers Gen 2,7) die Macht des einigenden Geistes zur Seite. Wie bei Cicero gesehen

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IV.  Die Immanenz des Transzendenten

fungsberichte auf zwei unterschiedliche Ereignisse deutet: Der erste, in Gen 1,26–27 „nach dem Ebenbild Gottes geschaffene Mensch“ ist die „Idee des Menschen“ (Opif. 134), „unkörperlich, weder männlich noch weiblich, von Natur unvergänglich“ (Opif. 134), weil er νοητός ist, also dem göttlichen νοῦς entstammt. Davon unterscheidet Philon den irdischen Menschen, auf dessen Erschaffung er Gen 2,7 deutet. Bei diesem ist das πνεῦμα die vermittelnde Kraft, durch welche Gott die Materie mit sich verbindet, indem er ihr den „Odem des Lebens“ einbläst,38 sodass der geschaffene Mensch eine Mischung von „irdischer Substanz und göttlichem Geist“ ist.39 Während (Cic. Nat. deor.  II,19) ist auch das eine typisch stoische Vorstellung (vgl. weiter SVF II,441). 38  Philon verwendet im Septuagintazitat noch πνοή, ersetzt es aber in seiner Kommentierung durch das πνεῦμα. An anderer Stelle kann Philon allerdings zwischen beidem auch unterscheiden: „Die Schrift redet aber vom ‚Hauch‘ (πνοή), nicht vom ‚Geist‘ (πνεῦμα), da beides wohl zu unterscheiden ist; denn beim Geist denkt man an etwas Starkes, Kräftiges, Machtvolles, während der Hauch einem Luftzug und einem schwachen, ruhig aufsteigenden Dunst vergleichbar ist. Nun kann der nach Gottes Ebenbild und nach der Idee geschaffenen Vernunft (νοῦς) ein Anteil an dem Geist zugesprochen werden, denn ihr Denken (λογισμός) hat Kraft; der aus der Materie Gebildete aber hat nur Anteil an dem leichten, flüchtigen Hauch“ (All. I,42). Das steht in einem gewissen Widerspruch zu Opif. 134– 135, wo gerade der aus Staub geschaffene Mensch den Geist hat (vgl. dazu C. R. Holladay: Spirit in Philo of Alexandria. In: P. Dragutinovic/​K .‑W. Niebuhr/​J. B. Wallace [Hg.]: The Holy Spirit and the Church according to the New Testament, Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 354, Tübingen 2016, 341–363, 348–349). 39  Opif. 134; vgl. auch All. III,161 und Det. 86, wo Philon ebenfalls für die Vorstellung einer durch die Schöpfung bedingten Doppelnatur des Menschen auf Gen 2,7 und das dort dem Menschen von Gott eingehauchte πνεῦμα rekurriert; vgl. G. van Kooten: Paul’s



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also der erste Mensch als reines Vernunftwesen Gottes ungetrübtes Ebenbild ist (Opif. 69), bedient sich Gott des πνεῦμα, um seine Eigenschaften mit der Materie zu verbinden und so den irdischen Menschen zu erschaffen. Philon vertieft das theologisch dahin gehend, dass er bei der Erschaffung des irdischen Menschen eine doppelte göttliche Aktivität annimmt: Der Leib wurde von dem „Verfertiger“ (τεχνίτης) aus dem Staub der Erde gemacht, während die Seele „vom Vater und Lenker des Alls“ hervorgebracht wurde, indem dieser dem Menschen sein πνεῦμα θεῖον, seinen „göttlichen Geist“, eingehaucht hat (Opif. 135).40 Als Amalgam von Geist und Materie steht der irdische Mensch „auf der Grenze zwischen der sterblichen und der unsterblichen Natur“;41 er ist im Blick auf seinen sichtbaren Teil sterblich, im Blick auf seinen durch den göttlichen Geist gebildeten unsichtbaren Teil aber unsterblich, wobei Letzterer wieder mit der begreifenden Anthropology in Context. The Image of God, Assimilation to God and Tripartite Man in Ancient Judaism, Ancient Philosophy and Early Christianity, Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 232, Tübingen 2008, 64–69. 40  Auf vergleichbare Weise kann Philon auch in De plantatione betonen, dass die Seele nichts Gewordenes ist, sondern „echtes Prägebild jenes göttlichen, unsichtbaren Geistes (πνεῦμα) […], gebildet nach dem Urbild des göttlichen Logos“ (Plant. 18–20; vgl. 44). Emphatisch betont er die Göttlichkeit des Geistes in Spec. IV,123, wo er im Blick auf Gen 2,7 sagt: „Offenbar war das Eingeblasene ein himmlischer Hauch (αἰθέριον πνεῦμα) oder eher noch etwas Besseres als himmlischer Hauch, da es eine Ausstrahlung der seligen, dreifach seligen Natur war.“ 41  Philon begründet die Tatsache, dass Gott durch den Geist an seiner höheren Wirklichkeit Anteil gibt, damit, dass es das Wesen Gottes ist, dass er zu schenken liebt (All. I,34: φιλόδωρος). Der Gedanke war bereits in der Tradition vorhanden, wie Pred 12,7 zeigt, wohl späterer (korrigierender) Zusatz zum ursprünglichen Text.

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IV.  Die Immanenz des Transzendenten

Vernunft (διάνοια) identifiziert wird (Opif. 135).42 Philon führt diesen Gedanken noch weiter im Blick auf die soteriologischen Konsequenzen dieser doppelten Herkunft des Menschen aus: Durch die Seele, die dem Menschen von Gott „eingehaucht“ wird, wie Philon in Anlehnung an Gen 2,7 sagt (Opif. 139: ἐμπνευσθεῖς), gab Gott Adam durch seinen Geist (πνεῦμα) Anteil an seiner Macht (δύναμις). Deshalb ist der Stammvater der irdischen Menschen συγγενής τε καὶ ἀγχίσπο­ ρος ὢν τοῦ ἡγεμόνος, ἅτε δὴ πολλοῦ ῥυέντος εἰς αὐτὸν τοῦ θείου πνεύμα­ τος […]. (Opif. 144)43

mit dem Herrscher [= Gott] übereinstimmend und nah verwandt, weil göttlicher Geist in Fülle in ihn hineingeflossen ist […].

Diese Vorstellung einer doppelten göttlichen Aktivität bei der Erschaffung des Menschen, bei welcher der Leib auf eine eher handwerkliche Verfertigung, dagegen die Seele auf ein gesondertes Wirken Gottes als Vater zurückgeführt wird, hat bis hin zur unterschiedlichen Benennung Gottes in beiden Akten eine auffällige Parallele bei Plutarch, der in der zweiten seiner Quaestiones Platonicae ebenfalls 42  Der Leib ist, so Philon wenig später, der Tempel für die ψυχὴ λογική, „die Vernunftseele“, die ihrerseits Gottes Ebenbild darstellt (Opif. 137). 43  Bei den Nachfahren schwächt sich die Gottesnähe zwar ab, sie geht aber nicht verloren, weil durch den Geist Gottes der Erdenkloß, aus dem der Mensch gemacht ist, ein höheres, mit Gott verwandtes Wesen wurde, wobei Philon noch einmal explizit betont, dass dies nur den rationalen Teil des Menschen betrifft: „Jeder Mensch ist hinsichtlich seines Denkvermögens (διάνοια) der göttlichen Vernunft (λόγος θεῖος) verwandt, da er ein Abbild, ein Teilchen, ein Abglanz ihres seligen Wesens ist“ (Opif. 146).



2.  Das Band zwischen Gott und seiner Schöpfung

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im Rückgriff auf die doppelte Bezeichnung des Schöpfers in Platons Timaios zwei unterschiedliche göttliche Schöpfungsakte im Blick auf die Formung und Beseelung des Menschen unterscheidet, wobei Letzteres auch bei dem delphischen Priester die Verwandtschaft der Menschen mit Gott begründet (Plut. Quaest. Plat. II, Mor. 1001B). Der Vergleich mit den Frühschriften zeigt, wie Philon seine Pneumatologie weiterentwickelt hat. Stand im Allegorischen Kommentar zu Gen 6 vor allem die anthropologische Bedeutung des πνεῦμα im Zentrum, so erweitert und vertieft Philon dessen Verständnis in De opificio mundi: 1.  Als πνεῦμα ζωτικώτατον schafft es Leben. Hier verbinden sich die kombinierten Schöpfungsaussagen von Gen 2,7 und Gen 1,2 mit philosophischen, vor allem stoischen Vorstellungen. 2.  Als πνεῦμα ἑνωτικόν verbindet es durch seine kohäsive δύναμις die Schöpfung zu einer Einheit. 3.  Als θεῖον πνεῦμα verbindet es Gott und Mensch und begründet beider συγγένεια. Während Gott als τεχνίτης den Leib formt, bringt er als „Vater“ die Seele hervor, durch die der Mensch am Göttlichen Anteil hat, was gut platonisch die Unsterblichkeit der Seele einschließt. In anderen Schriften kommen noch weitere Aspekte dazu, durch die zum Teil die jüdische Prägung Philons deutlicher zum Tragen kommt: Die reine Vernunft des Menschen, sein νοῦς, so führt Philon in der allegorischen Erklärung der Gesetze näher aus, wäre auf sich alleine gestellt ganz der Erde verhaftet geblieben, hätte nicht Gott ihm mit dem „göttlichen πνεῦμα“ die „Kraft (δύναμις) wahren Lebens“ eingehaucht (All. I,32–33). Durch diesen

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IV.  Die Immanenz des Transzendenten

vermittelnden Geist verbindet Gott den Menschen mit sich, wie Philon ebenfalls im Rückgriff auf Gen 2,7 ausführt. Der Geist ist also der Modus von Gottes Zuwendung, durch die er den Menschen mit sich vereint und dennoch unvermischt mit der Materie ganz er selbst bleiben kann: τρία γὰρ εἶναι δεῖ, τὸ ἐμπνέον, τὸ δεχόμενον, τὸ ἐμπνεόμενον· τὸ μὲν οὖν ἐμπνέον ἐστὶν ὁ θεός, τὸ δὲ δεχόμενον ὁ νοῦς, τὸ δὲ ἐμπνεόμενον τὸ πνεῦμα. τί οὖν ἐκ τούτων συνάγεται; ἕνωσις γίνεται τῶν τριῶν, τείναντος τοῦ θεοῦ τὴν ἀφ’ ἑαυτοῦ δύναμιν διὰ τοῦ μέσου πνεύματος ἄχρι τοῦ ὑποκειμένου – τίνος ἕνεκα ἢ ὅπως ἔννοιαν αὐτοῦ λάβωμεν; ἐπεὶ πῶς ἂν ἐνόησεν ἡ ψυχὴ θεόν, εἰ μὴ ἐνέπνευσε καὶ ἥψατο αὐτῆς κατὰ δύναμιν; οὐ γὰρ ἄν ἀπετόλμησε τοσοῦτον ἀναδραμεῖν ὁ ἀνθρώπινος νοῦς, ὡς ἀντιλαβέσθαι θεοῦ φύσεως, εἰ μὴ αὐτὸς ὁ θεὸς ἀνέσπασεν αὐτὸν πρὸς ἑαυτόν, ὡς ἐνῆν ἀνθρώπινον νοῦν ἀνασπασθῆναι […]. (All. I,37–38)

Dreierlei muss nämlich vorhanden sein: das Einhauchende, das Empfangende, das Eingehauchte. Das Einhauchende ist Gott, das Empfangende ist die Vernunft, das Eingehauchte der Geist. Was entsteht nun hieraus? Eine Vereinigung der drei findet statt, indem Gott seine Macht durch den Geist als Vermittler zu dem Gegenstand [das heißt der Vernunft] hindehnt – zu welchem Zweck, außer dass wir einen Begriff von ihm erlangen? Denn wie könnte die Seele Gott erkennen, wenn nicht Gott selbst sie angehaucht und berührt hätte nach ihrem Vermögen? So hoch hätte sich ja die menschliche Vernunft nicht zu versteigen gewagt, um Gottes Wesen zu erfassen, wenn nicht Gott selbst sie zu sich hinaufgezogen hätte, soweit eben die menschliche Vernunft hinaufgezogen werden kann.



2.  Das Band zwischen Gott und seiner Schöpfung

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So ist der Mensch zwar durch seine Vernunft mit Gott verwandt, aber das allein befähigt ihn noch nicht, zu Gott zu gelangen. Erst durch die Einhauchung des πνεῦμα kommt es zu einer Vereinigung von Gott, Geist und Vernunft (ἕνωσις […] τῶν τριῶν) mit der Folge, dass die menschliche Vernunft nun Gottes Wesen (θεοῦ φύσις) zu erkennen vermag, weil Gott den menschlichen νοῦς „zu sich hinaufgezogen“ hat.44 Ging es in den bisher ausgelegten Darlegungen um die potenzielle Fähigkeit eines jeden Menschen, mit Gott Kontakt aufzunehmen, so geht es bei der prophetischen Inspiration um eine besondere, unmittelbare Vereinigung von Gott und einem bestimmten Menschen. In deutlicher Anlehnung an die dichterische Inspiration in Platons Ion45 beschreibt Philon, wie das göttliche πνεῦμα den Menschen ergreift, wobei es hier nicht dessen νοῦς zu sich erhebt, sondern diesen vielmehr vorübergehend außer Kraft setzt, sodass es in der ψυχή, der menschlichen Seele als dem rezeptiven Gottesorgan des Menschen, zu einer von Gott bewirkten Ekstase kommt, die den vom Geist erfüllten Propheten zum Medium Gottes macht:

44 Vgl. F. Philip: The Origins of Pauline Pneumatology. The Eschatological Bestowal of the Spirit upon Gentiles in Judaism and in the Early Development of Paul’s Theology, Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament II,194, Tübingen 2005, 105: „Philo argues consistently that it is the divine Spirit which makes the νοῦς rational and capable of knowing God.“ 45 Vgl. Ion 534b: „Denn ein leichtes Wesen ist ein Dichter und geflügelt und heilig, und nicht eher vermögend zu dichten, bis er begeistert worden ist und bewusstlos und die Vernunft nicht mehr in ihm wohnt.“ Durch diese spricht der Gott, indem er ihnen „den νοῦς nimmt“ und sie zu seinen Dienern macht (Ion 534c).

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IV.  Die Immanenz des Transzendenten

ἕως μὲν οὖν ἔτι περι­λάμπει καὶ περιπολεῖ ἡμῶν ὁ νοῦς μεσημβρινὸν οἷα φέγγος εἰς πᾶσαν τὴν ψυχὴν ἀναχέων, ἐν ἑαυτοῖς ὄντες οὐ κατεχόμεθα· ἐπειδὰν δὲ πρὸς δυσμὰς γένηται, κατὰ τὸ εἰκὸς ἔκστασις καὶ ἡ ἔνθεος ἐπιπίπτει κατοκωχή τε καὶ μανία. ὅταν μὲν γὰρ φῶς τὸ θεῖον ἐπιλάμψῃ, δύεται τὸ ἀνθρώπινον, ὅταν δ’ ἐκεῖνο δύηται, τοῦτ’ ἀνίσχει καὶ ἀνατέλλει. τῷ δὲ προφητικῷ γένει φιλεῖ τοῦτο συμβαίνειν· ἐξοικίζεται μὲν γὰρ ἐν ἡμῖν ὁ νοῦς κατὰ τὴν τοῦ θείου πνεύματος ἄφιξιν, κατὰ δὲ τὴν μετανάστασιν αὐτοῦ πάλιν εἰσοικίζεται· θέμις γὰρ οὐκ ἔστι θνητὸν ἀθανάτῳ συνοικῆσαι. (Her. 264–265)

Solange noch unser Verstand nach allen Seiten hin leuchtet und umherwandelt, gleichsam Mittagshelle sich in die ganze Seele ergießt, sind wir in uns und nicht (von einem andern) eingenommen; sobald er aber „untergeht“, überfällt uns natürlich eine Ekstase, ein gottbegeistertes Eingenommensein und eine Verzückung. Sobald nämlich das göttliche Licht aufstrahlt, geht das menschliche unter; sobald aber jenes untergeht, erhebt sich dieses und geht auf. Das aber ist bei den Propheten gewöhnlich der Fall. Es entfernt sich der Verstand bei uns bei der Ankunft des göttlichen Geistes und kommt wieder bei dessen Entfernung. Denn es ist nicht recht, dass Sterbliches mit Unsterblichem zusammenwohnt.

Die beiden zuletzt ausgelegten Schriften haben dem Bisherigen noch zwei Aspekte hinzugefügt: 4.  Durch das μέσον πνεῦμα vereint sich Gott mit der menschlichen Vernunft und zieht so diese zu sich, sodass sie ihn zu erkennen vermag. 5.  Durch ein sich nicht mit dem νοῦς verbindendes, sondern diesen vorübergehend ausschaltendes mantisches θεῖον πνεῦμα46 nimmt Gott mit der prophe46 Zum mantischen πνεῦμα bei Philon vgl. auch Fug.  186;



3.  Vollkommene Leiblichkeit

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tischen Seele Kontakt auf und tut sich durch diese unmittelbar kund.

3.  Vollkommene Leiblichkeit – Joseph und Aseneth Philons Schriften sind religionsphilosophische Deutungen der biblischen Narrative, und auch die Sapientia gibt die Inhalte der jüdischen Heilsgeschichte in diskursiver Gestalt wieder. Dagegen ist Joseph und Aseneth ein erzählender Text, vermutlich in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. oder am Beginn des zweiten ebenfalls in Alexandria entstanden.47 Gattungsmäßig steht er an der Schnittstelle zwischen einer jüdischen Novelle wie die Bücher Esther, Judith und Tobit und dem griechischen Roman, namentlich dem Abenteuer- und Liebesroman.48 Sein Anlass ist die Notiz in Gen 41,45, dass der Pharao dem Joseph die Tochter eines ägyptischen Priesters mit Namen Aseneth zur Frau gegeben habe. Als später das Dia­sporajudentum um die Bewahrung seiner Identität rang, nahm man daran Anstoß, dass der Stammvater die Tochter eines Götzenpriesters geheiratet habe. Der TarV. Mos.  II,40; Gig. 24; Her. 259–265. Weiter V. Mos. I,277: Der göttliche Geist ersetzt temporär den menschlichen Geist, sodass der auf diese Weise entrückte Mensch nichts Eigenes mehr spricht, sondern Fremdes, das heißt, er verkündigt als Prophet Gottes Willen. Auf diese Weise transformiert der Geist den Menschen und verleiht ihm die Qualitäten idealer Herrscher und Redner, wie an Abraham zu sehen ist (Virt. 217–218). Zumeist ist diese Verwandlung zeitlich begrenzt. Mose ist eine Ausnahme; er ist sowohl Prophet par excellence als auch ethisches Vorbild (vgl. V. Mos. II,188). 47 M. Vogel: Einführung in die Schrift. In: E. Reinmuth (Hg.): Joseph und Aseneth, SAPERE XV, Tübingen 2009, 3–31, 11–15. 48  Sieht dazu Vogel: Einführung, 6–11.

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IV.  Die Immanenz des Transzendenten

gum  – die paraphrasierende aramäische Übersetzung  – zur Genesis löst das Problem, indem er Aseneth zu einer von den Heiden adoptierten Jüdin macht, während unsere Erzählung schildert, wie die Priestertochter durch die Begegnung mit Joseph so überwältigt wird, dass sie ihr Leben radikal ändert und zum Judentum konvertiert, sodass Joseph eine Proselytin heiratet.49 Das erste Mal ist vom Geist die Rede, als der Priester seiner Tochter, die er Joseph zur Frau geben möchte, von diesem vorschwärmt. In seiner Aretalogie schildert er Joseph als vollkommenen Mann und Herrscher und parallelisiert mit deutlich biblisch gefärbter Begrifflichkeit die Gegenwart von Geist und Gnade als Manifestationen der göttlichen Zuwendung zu diesem Menschen: […] πνεῦμα θεοῦ ἐστιν ἐπ’ αὐτῷ καὶ χάρις κυρίου μετ’ αὐτοῦ. (JosAs 4,7)

[…] der Geist Gottes ist auf ihm und die Gnade des Herrn mit ihm.

Die Gegenwart des göttlichen Geistes wirkt sich bei Joseph so aus, dass er als der „Starke Gottes“ sich in seiner Politik wie in seinem Lebenswandel als „mächtig an Weisheit und Wissen“ erweist – bis dahin, dass ihm der heidnische Priester sogar das Prädikat „Retter“ (σωτήρ) verleiht. Zu diesen geistigen und geistlichen Vorzügen 49  Dabei ist allerdings die Hochzeit noch nicht das Happy End; denn der Sohn des Pharao möchte ebenfalls Aseneth gewinnen, und so geht die Erzählung noch eine Weile dramatisch mit Ränkespielen, Hinterhalt und Mordversuch weiter, ehe am Ende der böse Pharaonensohn tot und Joseph Reichsverweser von Ägypten ist. Da dort aber der Geist nicht mehr vorkommt, konzentriert sich das Folgende auf die einschlägigen Passagen des ersten Teils.



3.  Vollkommene Leiblichkeit

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kommen die körperlichen hinzu, manifest in der nachgerade überirdischen Schönheit Josephs (vgl. JosAs 6,4). Die hochmütige Priestertochter, die zunächst auf die väterliche Empfehlung des Bräutigams höchst ungnädig mit einer abschätzigen Rekapitulation seiner Vita (einschließlich des angeblichen Ehebruchs) reagiert hat, bereut das schon bald bitter, nachdem sie das erste Mal Joseph in all seiner Schönheit erblickt hat (JosAs  6,1 ff.), der als der Geistbegabte von ihr sogar als „Sohn Gottes“ bezeichnet wird (JosAs 6,3). Dieser aber verweigert ihr den Begrüßungskuss mit einer Begründung, welche das jüdische Ressentiment gegen die heidnische Mitwelt in aller Härte als unversöhnlichen Gegensatz zwischen der zum ewigen Leben führenden jüdischen und einer den Tod wirkenden heidnischen Lebensweise auf den Begriff bringt: οὐκ ἔστι προσῆκον ἀνδρὶ θεοσεβεῖ, ὃς εὐλογεῖ τῷ στόματι αὐτοῦ τὸν θεὸν τὸν ζῶντα καὶ ἐσθίει ἄρτον εὐλογημένον ζωῆς καὶ πίνει ποτήριον εὐλογημένον ἀθανασίας καὶ χρίεται χρίσματι εὐλογημέν[ῳ] ἀφθαρσίας, φιλῆσαι γυναῖκα ἀλλοτρίαν, ἥτις εὐλογεῖ τῷ στόματι αὐτῆς εἴδωλα νεκρὰ καὶ κωφὰ καὶ ἐσθίει ἐκ τῆς τραπέζης αὐτῶν ἄρτον ἀγχόνης καὶ πίνει ἐκ τῆς σπονδῆς αὐτῶν ποτήριον ἐνέδρας

Es geziemt sich nicht für einen Gott verehrenden Mann, der mit seinem Mund den lebendigen Gott segnet und gesegnetes Brot des Lebens isst und den gesegneten Kelch der Unsterblichkeit trinkt und sich mit gesegneter Salbe der Unvergänglichkeit salbt, eine fremde Frau zu küssen, die mit ihrem Mund tote und stumme Götzenbilder segnet und von deren Tisch Brot des Erwürgens isst und aus deren Trankopfer den Kelch der Hinterlist trinkt

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IV.  Die Immanenz des Transzendenten

καὶ χρίεται χρίσματι ἀπωλείας. (JosAs 8,5)

und sich mit Salbe des Verderbens salbt.

Joseph hat dann aber Mitleid mit Aseneths Verzweiflung und bittet seinen Gott, der  – so ruft er ihn in der pars epica seines Gebetes an – das Universum lebendig machte und aus der Dunkelheit ins Licht rief und es aus dem Irrtum in die Wahrheit und aus dem Tode ins Leben führte: […] ἀνακαίνισον αὐτὴν τῷ πνεύματί σου καὶ ἀνάπλασον αὐτὴν τῇ χειρί σου τῇ [κρυφαίᾳ] καὶ ἀναζωοποίησον αὐτήν· (JosAs 8,9)

[…] erneure sie wieder mit deinem Geiste und forme sie wieder mit deiner verborgenen Hand und mache sie wieder lebendig.

Die für Aseneth erbetene Verwandlung geschieht wie schon in alttestamentlichen Texten (vgl. Ps 51,12–14; Ez 36,26–27) durch Gottes Geist als die Macht, die einen Menschen zu verwandeln vermag. Dabei unterstreichen die drei mit der Vorsilbe ἀνα- („wieder“) gebildeten Verben, dass die Eingliederung einer Heidin in den vom biblischen Gott bestimmten Machtbereich des Lebens, welches explizit als ewig, unvergänglich und unsterblich prädiziert wird, nichts weniger ist als ein Akt der Neuschöpfung. Das bestätigt auch die nächste Stelle, in welcher Aseneth als Frucht ihrer Umkehr (μετάνοια) eine wunderbare Bienenwabe zu essen bekommt, welche von einem himmlischen Boten mit dem „Geist des Lebens“ identifiziert wird (JosAs  16,14; vgl. 16,8), durch den sie Unvergänglichkeit erlangt (JosAs 16,16). Endlich führt wie schon in den alttestamentlichen Zeugnissen (Ps 51; Jes 11) der dem Menschen verliehene Gottesgeist dazu,



4. Zusammenfassung

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dass Aseneth nun mit guten Geistern begabt wird: mit dem Geist des Lebens, dem der Weisheit und dem der Wahrheit (JosAs 19,10–11). Die Besonderheit von Joseph und Aseneth besteht jedoch darin, dass die verliehenen Vorzüge nicht nur geistig sind, sondern sich in überirdischer Schönheit, also in der Vervollkommnung des Körpers, sinnfällig äußern.50 Im Gegensatz zu Philon steht der Geist hier nicht im Widerspruch zum Körper, sondern verwandelt diesen. Wie der Geist als himmlische Substanz einverleibt wird, so verwirklicht er das Heil leiblich.

4. Zusammenfassung Kommt man vom Alten Testament und von den Überlieferungen des palästinischen Judentums wie Qumran und den Psalmen Salomos her, so fällt auf, dass der Geist in den Schriften des Diasporajudentums zwar für die Kosmologie und die Anthropologie wichtig ist, jedoch nirgends eine Geschichtsmacht darstellt.51 Entsprechend hat er in den ausgelegten Schriften keine eschatologische Bedeutung im engeren Sinne, das heißt, er ist weder verbunden mit der messianischen Vorstellung einer Wiederherstellung der Davidsherrschaft noch mit der apokalyptischen 50  Aseneth wird zu einer Lichtgestalt mit einer selbst die eigenen Eltern erschreckenden himmlischen Schönheit (JosAs 20,6–7). In ihrem Buß- und Dankpsalm stellt sie dann noch einmal fest, dass Joseph sie durch seine Schönheit, seine Weisheit, seinen Geist und seine Stärke bezwungen und so zu Gott und zum Leben geführt hat (21,21). 51  In der Sapientia Salomonis wird zwar indirekt auf die Bestrafung der Ägypter eingegangen, aber diese hat eine paradigmatische, nicht eine heilsgeschichtliche Bedeutung.

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IV.  Die Immanenz des Transzendenten

einer umfassenden Erneuerung der Welt. Vielmehr verkörpert der Geist die Gegenwart des bleibend transzendenten Gottes in der Schöpfung überhaupt und im Menschen im Besonderen. Als solche gewährt er 1.  den Geistträgern Anteil an Gottes Ewigkeit, die aber als persönliche Unsterblichkeit vorgestellt wird, nicht als Auferweckung, wobei diese in der Sapientia und in Joseph und Aseneth mit einem Gottes Willen entsprechenden Leben zusammenhängt und damit de facto auf den Bereich des Judentums begrenzt ist.52 2.  Entsprechend ist der Geist in der Sapientia und in Jo‑ seph und Aseneth die Manifestation von Gottes schöpferischer und herrscherlicher Macht, welche die Grenze zwischen dem jüdischen Volk und den Heidenvölkern als Gegensatz zwischen dem Bereich des Heils und dem des Verderbens markiert.53 52  Auf den ersten Blick scheinen die Vorstellungen vom Geist in der Sapientia und bei Joseph und Aseneth höchst unterschiedlich, wenn nicht sogar gegensätzlich zu sein: In der Weisheitsschrift bleibt das πνεῦμα mit Gott verbunden. Es ist ein Instrument Gottes, mit dem er alles durchdringt, sodass er alles erfährt und weiß und so die Sünder überführt und bestraft. Zugleich tut der Geist Gottes Willen kund. Dagegen wird in der Novelle immer wieder die Verbindung des Geistes mit dem Menschen betont, der durch den Geist in den Heilsbereich der unvergänglichen, göttlichen Lebendigkeit eingegliedert und dadurch in ein himmlisches Wesen verwandelt wird, was sich bereits in der Gegenwart durch außerordentliche geistige und körperliche Vorzüge kundtut. Aber ein genauerer Vergleich der beiden Texte zeigt doch, zumal auf dem Hintergrund paganer Geistzeugnisse, überraschende Gemeinsamkeiten, die damit zusammenhängen, dass der Geist in beiden Schriften unmittelbar mit dem Gott Israels und damit auch mit seinem Volk verbunden ist. 53  In der Sapientia geschieht dies durch die Vermittlung des göttlichen Willens und die darauf beruhende Rettung im Gegensatz zum Gericht an den Feinden des Gottesvolkes, in Joseph und Aseneth



4. Zusammenfassung

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3.  Gegenüber diesem exklusiv jüdischen Verständnis des Geistes ist die philonische Rede vom πνεῦμα differenzierter und in der Sache näher bei den stoischen und mittelplatonischen Philosophen. Gott ist die „Vernunft des Alls“, und die Gottesebenbildlichkeit  – Philon spricht wiederholt von der Verwandtschaft des Menschen mit Gott – beruht auf der durch den göttlichen Geist eingehauchten Vernunft des Menschen. Dabei betont die Frühschrift „Über die Riesen“/„Über die Unveränderlichkeit Gottes“ vor allem den ethischen Aspekt der Abgrenzung von einer am Fleisch und seiner Lust orientierten Lebensweise, während die Schrift „Über die Weltschöpfung“ neben dem kosmologischen Aspekt besonders den soteriologischen der Teilhabe an der göttlichen Unsterblichkeit in den Vordergrund stellt.54 Damit will Philon die biblische Tradition nicht ersetzen, sondern übersetzen: Alle seine Aussagen durch die heilbringende Gegenwart seiner unvergänglichen Lebensmacht bei den Seinen in scharfer Abgrenzung von der entsprechenden Todverfallenheit der anderen. Die Grenze wird von der Tora markiert, die in der Sapientia rein ethisch, bei Joseph und Aseneth auch kultisch bestimmt ist. 54  Auch wo er sie auf Einzelpersonen bezieht, sind diese den biblischen Schriften entnommen (wie bei den vorgestellten Schriften Mose oder auch Adam). Besonders deutlich ist das dort, wo das Pneuma die prophetische Inspiration bewirkt. Auch hier ist Mose der Prophet par excellence, aber Philon kann den prophetischen Geist auch anderen Gestalten wie Noah, Abraham, Isaak, Jakob oder Bileam zuschreiben (vgl. Her. 265; Fug. 182.186; V. Mos. I,175.277; II,265; Ios. 117; Dec. 175; Spec. IV,49; Virt. 217). Das aber ist nicht nur eine äußerliche Sache; denn bei aller Anlehnung an philosophische Vorstellungen, die sich terminologisch schon an der unbiblischen Rede vom „göttlichen Geist“ zeigt, sind Philons Gottes- und seinem Geistverständnis durch den Bezug auf die biblischen Schriften immer wieder auch personale Züge eingeschrieben, sowohl im

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IV.  Die Immanenz des Transzendenten

stehen im Zusammenhang seiner Auslegung der biblischen Schriften und der in ihnen enthaltenen Tora. Biblischer wie platonischer Tradition verdankt sich auch, dass der Geist nicht wie in der Stoa eine weltimmanente, sondern eine transzendente Größe ist  – genauer gesagt die Macht, durch die der transzendente Gott in seiner Schöpfung am Werk ist.

5.  Das antike Judentum als Kontext des Neuen Testaments Das Frühchristentum entstand auf dem Boden des antiken Judentums, das die alttestamentlichen Vorstellungen weiterentwickelt und zum Teil mit hellenistischen Gedanken synthetisiert hat. Das ist auch beim Geist erkennbar. So ist das Verständnis des Geistes als einer Kraft Gottes, die als schöpferische Macht vorgestellt wird, welche die Welt belebt und erhält, aber auch den einzelnen Menschen beseelt, deutlich von der alttestamentlichen Überlieferung geprägt.55 Sie macht den Menschen zum Gegenüber Gottes, wie Philons Deutung von Gen 2,7 zeigt (vgl. Phil. Al. Opif.  134; All.  I,37–38). Dabei greift der Geist auch in das Innere der Menschen ein und richtet es auf Gottes Willen aus – bis dahin, dass er es neu schafft.56 In der jüdisch-hellenistischen Literatur kann dies dann mit Vorstellungen des Platonismus kombiniert werden, wenn durch den Geist die Seele des Menschen entsteht, durch Verhältnis des Menschen zu Gott (vgl. Opif. 71) als auch im Verhältnis Gottes zum Menschen (vgl. All. I,37–38). 55  Vgl. Ps 104,27–30; Jdt 16,14; Hi 33,4; 34,14–15. 56  Vgl. Ps 51,12–14; Ez 36,26–27; Jub I,23; 1QH IV,31; 1QS IV,2– 6.20–22; JosAs 8,9).



5.  Das antike Judentum als Kontext des Neuen Testaments 139

die dieser an der göttlichen Unsterblichkeit Anteil hat. In einer gewissen Entsprechung dazu kann auch im Neuen Testament der Geist als das ‚Gottesorgan‘ des Menschen verstanden werden. In besonderer Weise kann der Geist dann als Gotteskraft auch auserwählte Menschen ergreifen und in Dienst nehmen, zum Teil verbunden mit einer göttlichen Ermächtigung. Zunächst sind das kriegerische Rettergestalten, später dann auch Offenbarungsempfänger wie die Propheten oder Mose. Beides kann dann auch kombiniert57 und vor allem in prophetischer Tradition auf eine endzeitliche Erlösergestalt übertragen werden.58 Die Bezüge zu wichtigen Zügen der neutestamentlichen Christologie (vor allem in den Evangelien) sind unverkennbar. Die Verbindung der Geistvorstellung mit der Verwandlung der Mitglieder des erwählten Volkes erinnert an die geistgewirkte Verwandlung der Versklavten zu Gotteskindern, wie sie Paulus in Gal 4 und Röm 8 mit einer vergleichbaren soteriologischen Perspektive darstellt, und vor allem an die Vorstellung einer geistgewirkten Verwandlung der Leiblichkeit, wie sie Paulus in 1 Kor 15,35– 49 ausführt. Auch in Joh 3 bewirkt der Geist eine neue Geburt bzw. Geburt von oben, die den Eingang in das Reich Gottes und damit das ewige Leben ermöglicht. Bei Philon wie in Qumran kann der Geist als Gegenmacht zum Fleisch verstanden werden. Entsprechend ist der Mensch zwei antagonistischen Einflusssphären ausgesetzt und muss sich zwischen beiden im Blick auf seine 57  Nach Ios. AJ VI,166 fängt David, kaum dass er den Geist empfangen hat, zu prophezeien an. 58  Vgl. Jes 11,1–2; 1QSb V,23–25; PsSal 17,37.

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IV.  Die Immanenz des Transzendenten

Daseins- und Handlungsorientierung entscheiden. Der Antagonismus Geist – Fleisch hat alttestamentliche Wurzeln (vgl. Jer 17,5), ist aber in dieser ethischen Zuspitzung zugleich von der hellenistischen Entgegensetzung von Vernunft und Sinnlichkeit beeinflusst. Demselben Phänomen begegnen wir im Neuen Testament bei Paulus, am deutlichsten in Gal 5,16–25 (vgl. Röm 8,5–13). Vorwiegend dem Einfluss der stoischen Philosophie dürfte sich die Vorstellung von der alles durchdringenden Kraft des Geistes verdanken, mit der die Sapientia Salo‑ monis die göttliche Allwissenheit erklärt, wobei ein Spezifikum der Sapientia die Verbindung des Geistes mit dem Gerichtsgedanken ist, die auch dem Neuen Testament nicht fremd ist. Auch dort kann der Geist eine Macht sein, die Gottes Gericht exekutiert. Das deutet schon die Ankündigung des Kommenden durch den Täufer in Mt 3,11 par. Lk 3,16 mit ihrer Verbindung von „Geist“ und „Feuer“ an. In der johanneischen Abschiedsrede wird das in Joh 16,7–11 dahin gehend ausgeführt, dass der Paraklet den Kosmos in Bezug auf die Sünde und das Gericht anklagt/überführt (ἐλέγξει, V. 8). Am weitesten geht Apg 5,1–11, wo der Versuch von Hananias und Saphira, den „Geist des Herrn“ zu täuschen, mit dem Tode bestraft wird. Zugleich gliedert der Geist in der Sapientia die Menschen wie im Neuen Testament in Gottes Heilsbereich ein (SapSal 9,17; vgl. 7,7; 12,1–2). In der Sapientia finden sich auch weitere Ansätze zu einer Personalisierung und damit zu einer bedingten Selbstständigkeit des Geistes. Dagegen hebt Philon wie die Stoiker vor allem die kohäsive Kraft des Geistes hervor, der die Menschen mit Gott verbindet und die Schöpfung zu einer Einheit macht. Im Neuen Testament spielt die durch den Geist hergestellte Einheit besonders im Kontext der Ekklesiologie eine wich-



5.  Das antike Judentum als Kontext des Neuen Testaments 141

tige Rolle, wenn der eine Geist in 1 Kor 12,13 die Vielen zu einem Leib verbindet, was bis hin zu der vom Apostel unterstrichenen συμπάθεια der einzelnen Glieder reicht (1 Kor 12,26). Der Geist als Begabung wird dann im Rahmen der charismatischen Prägung des Frühchristentums besonders im Blick auf die Geistesgaben zugespitzt.

V.  Gottessohnschaft und ewiges Leben – das Neue Testament 1.  Der geliebte und der getriebene Gottessohn – Markus Die eingangs dargelegte Bedeutung des Geistes für Jesus von Nazareth1 und die durch das Christusereignis ausgelösten Erfahrungen des Frühchristentums haben im Neuen Testament zu einer „ungeheure[n] Intensivierung“2 der Geistthematik geführt. Bereits im ältesten Evangelium zeigt sich das daran, dass der Evangelist seiner Wiedergabe des Lebens Jesu mit Mk 1,1–13 einen Prolog voranstellt, in dem in gleich drei Szenen der Geist eine entscheidende Rolle spielt. Dadurch wird die im Folgenden entfaltete Jesusgeschichte von Anfang an auf Gottes Handeln durch ihn und an ihm hin transparent gemacht. Es beginnt mit dem Auftreten Johannes’ des Täufers, der im Zusammenhang mit seiner Bußtaufe auf den nach ihm kommenden „Stärkeren“ verweist. Indem sich im Täufer die prophetische Weissagung von dem „Rufer in der Wüste“ erfüllt, der den Weg des Herrn bereitet, steht er noch mit einem Fuß im Alten Testament und markiert 1  Siehe oben Kap. I. 2. 2 G. Ebeling: Dogmatik des christlichen Glaubens. Band III = Dritter Teil. Der Glaube an Gott, den Vollender der Welt. Register, Tübingen 1979, 8.

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V.  Gottessohnschaft und ewiges Leben

zugleich den „Anfang des Evangeliums“ (Mk 1,1–3). Aber während er mit Wasser getauft hat,3 wird der von ihm Angekündigte mit Heiligem Geist taufen (Mk 1,7–8). Diese erste Aussage macht bereits deutlich, dass „das Evangelium von Jesus Christus, dem Sohn Gottes“ (Mk 1,1), mit dem durch diesen vermittelten Heiligen Geist zusammenhängt. In der nächsten Szene Mk 1,9–11 werden sowohl die heilsgeschichtliche Kontinuität wie der endzeitliche Neuanfang durch eine Anspielung auf Jes 63,10–64,4 unterstrichen, wo der Prophet Gott bittet, den Himmel zu zerreißen und selbst herabzukommen. Wenn jetzt bei Jesu Taufe der Himmel zerreißt, der „Heilige Geist“ (vgl. Jes 63,10–11) in Jesus hineinfährt und Gott sich mit ihm als seinem „geliebten Sohn“ identifiziert, so zeigt das, dass diese Hoffnung sich jetzt erfüllt. Aber diese Gottesgegenwart stößt auf eine von ihrem Schöpfer entfremdete Welt, in der andere Mächte den Ton angeben, wie die dritte Szene deutlich macht: Καὶ εὐθὺς τὸ πνεῦμα αὐτὸν ἐκβάλλει εἰς τὴν ἔρημον. καὶ ἦν ἐν τῇ ἐρήμῳ τεσσερά­ κοντα ἡμέρας πειραζόμενος ὑπὸ τοῦ σατανᾶ … (Mk 1,12–13a)

12Und sofort treibt ihn der Geist hinaus in die Wüste. 13Und er war in der Wüste vierzig Tage, versucht vom Satan …

Der Geist, der Jesus als den „geliebten Sohn“ mit Gott verbindet, zwingt ihn zugleich in die Konfrontation mit den widergöttlichen Mächten. In vielen Übersetzungen und Auslegungen wird dieses αὐτὸν ἐκβάλλει zu einem „hinausführen“ abgemildert.4 Das ist philologisch fragwür3  Der Aorist zeigt an, dass diese Zeit an ihr Ende gekommen ist. 4  So auch das Wörterbuch von Bauer/​A land (W. Bauer: Grie-



1.  Der geliebte und der getriebene Gottessohn – Markus 145

dig, denn ἐκβάλλειν drückt fast immer eine gewaltsame Aktion aus.5 Die verharmlosende Wiedergabe dürfte sich einer theologischen Zensur verdanken, die bereits bei den synoptischen Seitenreferenten einsetzt, für die der Gottessohn offenbar nur noch als souveräner Inhaber des Geistes denkbar war.6 Dagegen ist im Prolog des ältesten Evangeliums der Geist das Subjekt und Jesus ein von ihm ergriffener, ja hingerissener Charismatiker,7 dessen erste Tat nicht von ungefähr darin besteht, dass er als der „Heilige Gottes“ gegen die „unreinen Geister“ vorgeht, was denn auch von diesen als Vernichtungsfeldzug gegen sich gedeutet wird: τί ἡμῖν καὶ σοί, Ἰησοῦ Ναζαρηνέ; ἦλθες ἀπολέσαι ἡμᾶς; οἶδά σε τίς εἶ, ὁ ἅγιος τοῦ θεοῦ. (Mk 1,24)8

Was hast du mit uns zu schaffen, Jesus von Nazareth? Bist du gekommen, uns zu vernichten? Ich weiß, wer du bist: Der Heilige Gottes!

chisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur. Hg. von K. Aland und B. Aland, Berlin/​New York 19886, 478. 5  Vgl. H. G. Liddell/​R .  Scott/​H.  S. Jones: A Greek-English Lexicon. With a Supplement, Oxford 19689, 501. 6  Nach Mt 4,1 wird Jesus vom Geist in die Wüste geführt, nach Lk 4,1 ist er voll des Geistes. 7  Das entspricht alttestamentlichen Vorstellungen; vgl. Ri 14,6.19; 15,14; 1  Sam 10,6.10; 11,6; 16,13; 18,10; siehe oben Kap. II.1. 8  Vgl. F. Hahn: Theologie des Neuen Testaments. Band II. Die Einheit des Neuen Testaments. Thematische Darstellung, Tübingen 2002, 266: „Daß Jesus die bösen bzw. unreinen Geister kraft seiner göttlichen Geisteskraft überwindet, ist bei allen Dämonenaustreibungen vorausgesetzt.“

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V.  Gottessohnschaft und ewiges Leben

So ist Mk 1,12–13 das Präludium zu den Auseinandersetzungen mit den menschlichen und außermenschlichen Feinden der mit Jesu Auftreten anbrechenden Herrschaft Gottes,9 die in die Passion mündet, was Markus am Beginn des ersten Hauptteils noch mit der Notiz unterstreicht, dass Jesus auftritt, „nachdem Johannes ausgeliefert worden war“ (Mk 1,14a). Der „geliebte Sohn“ tritt damit von Anfang an in die Fußstapfen eines wegen seiner Botschaft hingerichteten Gottesboten10 und wird zuletzt selbst ermordet (vgl. Mk 12,1–10). Doch die vom Geist begründete Identifikation Gottes mit Jesus wird auf dem Weg ins Leiden nicht widerrufen, sondern sogar gesteigert: Nach der ersten Leidensweissagung wird Jesus in Gegenwart von Elia und Mose proleptisch in seine zukünftige himmlische Gestalt verwandelt, erneut  – nun vor drei Jüngern – von Gott als „geliebter Sohn“ bestätigt und mit dem Zusatz „hört auf ihn“ autorisiert (Mk 9,2– 8). Das scheinbare Scheitern am Kreuz steht also nicht im Gegensatz zur Gottesherrschaft, sondern ist vielmehr Konsequenz eines Auftretens, dessen Stärke im Gegensatz zur gewaltbasierten Macht weltlicher Herrschaften auf Hingabe beruht (Mk 10,42–45). Entsprechend wird Jesu Weg in den Tod bei Markus als der in Niedrigkeit verhüllte Triumphzug des Gottessohnes dargestellt.11 Im 9  Es ist kaum ein Zufall, dass auch die folgenden Exorzismen auf die Taufszene insofern Bezug nehmen, als die Dämonen Jesus als Gottessohn anreden (Mk 3,11; 5,7), was sonst zu Jesu Lebzeiten nur Gott selbst tut. 10  Das Evangelium verwendet für die Hinrichtung des Johannes dasselbe Wort παραδιδόναι, mit dem auch durchweg Jesu eigene Passion wiedergegeben wird (Mk 9,31; 10,33; 14,10.11.18.21.41.42.44; 15,1.10.15). 11 Vgl. dazu R.  Feldmeier/​H.  Spieckermann: Menschwerdung, Topoi Biblischer Theologie 2, Tübingen 2018, 245–252.



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Prolog wird auch das zuletzt angedeutet, wenn nach bestandener Versuchung die Engel Jesus dienen und er mit den (wilden) Tieren zusammen ist (Mk 1,13). Tierfriede und Engelsdienst sind Kennzeichen des Paradieses:12 Mit der Trennung von Gott ist auch der Fluch von Gen 3,17– 19 und damit die Entfremdung von der Natur überwunden. Der neue Adam13 kann sein Wirken mit der „frohen Botschaft“ beginnen, dass die Zeit erfüllt und die Herrschaft Gottes angebrochen ist, verbunden mit dem Anspruch eines grundstürzenden Umdenkens (μετάνοια, Mk 1,14–15).14 Der Markusprolog stand immer im Schatten des Johannesprologs, der ob seiner Logoschristologie viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, obgleich der Logos dort nur in zwei Versen (Joh 1,1.14) vorkommt und dann im restlichen Evangelium nicht mehr. Dagegen schreibt Markus in seinem Prolog dem Geist, der für ihn bereits im Alten Testament vorbereitend wirksam war (Mk 12,36), im Gottessohn gegenwärtig ist (Mk 2,8; 8,12; vgl. 15,3715) 12  Vgl. J. Jeremias: Art. Ἀδάμ. In: ThWNT 1 (1933), 141–143, 141. 13  Vgl. J. Schniewind: Das Evangelium nach Markus, Das Neue Testament Deutsch 1, Göttingen 19494, 49: „Adam ist der Versuchung erlegen, Jesus hat sie bestanden.“ 14 Solches Umdenken von der gottgewollten Bestimmung der Schöpfung her hat heute, da die Lebensgier des adamitischen Menschen die eigenen Lebensgrundlagen zu zerstören droht, auch Implikationen für den Umgang mit dieser. 15  Sowohl Lukas (23,46) wie Johannes (19,30) als erste Rezipienten der Markuspassion haben in dem ἐξέπνευσεν von Mk 15,37 mehr gesehen als nur Jesu Sterben; vgl. F. Hahn: Theologie des Neuen Testaments. Band I. Die Vielfalt des Neuen Testaments. Theologiegeschichte des Urchristentums, Tübingen 2002, 499: „Jesus ‚war‘ als Mensch Träger des Gottesgeistes; diesen Geist hat er nun mit einem lauten Schrei an Gott zurückgegeben“.

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V.  Gottessohnschaft und ewiges Leben

und bei dessen Nachfolgern weiterhin am Werk sein wird (Mk 13,11), in drei programmatischen Szenen eine zentrale Rolle zu;16 der Evangelist ist so „konsequenter Vertreter einer Geistchristologie“. Die bei ihm dagegen nur angedeutete heilsgeschichtliche und ekklesiologische Dimension des Heiligen Geistes wird dann auf je eigene Weise bei Paulus, Lukas und Johannes entfaltet.

2.  Adoption und Erbe – Paulus Auch Paulus kann die Gottessohnschaft Christi auf das Wirken des Heiligen Geistes zurückführen (Röm 1,4). Vor allem aber wird bei ihm die Verwandlung der Christgläubigen von versklavten Geschöpfen zu Gottes Söhnen bzw. Kindern zum Fluchtpunkt der im Galater- und im Römerbrief entfalteten Rechtfertigungsbotschaft und damit des Herzstücks seiner Soteriologie.17 Wie der Gottessohn bei Markus stehen auch die „Söhne Gottes“ im Spannungsfeld zwischen dem vom Geist herbeigeführten Einbruch von Gottes geheilter Welt, der „neuen Schöpfung“ (2 Kor 5,17; Gal 6,15), und einer noch von anderen Kräften bestimmten Wirklichkeit. Soteriologie Erstmals hatte Paulus diese Vorstellung einer geistgewirkten Adoption (υἱοθεσία) und des damit verbundenen „Erbes“ als Teilhabe an Gottes Heil im Galaterbrief entfal16  Hahn: Theologie II, 265. 17  Feldmeier/​Spieckermann: Der Gott der Lebendigen, 68– 72; vgl. auch Dunn: Art. Geist/​Heiliger Geist III, 566: Die Adoption kann bei Paulus „mit Rechtfertigung gleichgesetzt werden“.



2.  Adoption und Erbe – Paulus

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tet, wo die Rechtfertigung aus Glauben im Gegensatz zu einer Rechtfertigung durch die Werke des Gesetzes18 mit dem Empfang des Geistes begründet wird, der „aus der Predigt des Glaubens“ resultiert (Gal 3,2–5).19 Die Konsequenz: „Alle seid ihr Gottes Söhne durch den Glauben“ (Gal 3,26) wird im vierten Kapitel präzisiert: Waren die Adressaten früher den Elementen des Kosmos unterworfen (Gal 4,1–3), so erfolgte die Wende, als Gott in der „Fülle der Zeit“ seinen Sohn sandte,20 um die „unter dem Gesetz“ freizukaufen (Gal 4,5a). Der Freikauf hat, wie der parallele Finalsatz Gal 4,5b deutlich macht, ihre Adoption zu „Söhnen Gottes“ zur Folge, die ihrerseits dazu führt (begründendes ὅτι), dass Gott seinen Geist in ihre Herzen sendet: Ὅτι δέ ἐστε υἱοί, ἐξαπέστειλεν ὁ θεὸς τὸ πνεῦμα τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ εἰς τὰς καρδίας ἡμῶν κρᾶζον· αββα ὁ πατήρ. (Gal 4,6)

Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen, der ruft: „Abba, Vater!“

Erfahrbar wird die Adoption somit im Gebet, wo Gott durch den „Geist seines Sohnes“ (Gal 4,6; vgl. Röm 8,9; 2 Kor 3,17–18; Phil  1,19) einen neuen Zugang zu sich eröffnet: Fast wie ein eigenständiger Akteur ruft ihn 18  Vgl. dazu H. Schlier: Der Brief an die Galater, Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament VII14, Göttingen 19715, 188. 19 Paulus kann dies mit der Taufe verbinden; vgl. 1 Kor 6,11; 12,13; 2 Kor 1,21 u. ö. (Horn: Angeld, 399–400). 20 Ähnlich wie in Phil  2 bedeutet das, dass dieser sich mit Haut und Haaren in die conditio humana hineinbegibt: „geworden von einer Frau, geworden unter das Gesetz“, wie es wörtlich heißt (Gal 4,4).

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der Geist mit Jesu eigener Gebetsanrede (Mk 14,36) als „Abba, Vater“ an.21 Der damit verbundene Statuswechsel – aus Sklaven werden Söhne – beinhaltet, dass die ehemaligen Heiden nun Erben der an Abraham ergangenen Verheißung werden, wie Paulus bereits in Gal 3,29 konstatiert hatte. Der folgernde Schlusssatz der Argumentation in Gal 4 unterstreicht das erneut, wobei er den Zuspruch durch den Wechsel in die zweite Person Singular noch intensiviert: ὥστε οὐκέτι εἶ δοῦλος ἀλλ’ υἱός· εἰ δὲ υἱός, καὶ κληρονόμος διὰ θεοῦ. (Gal 4,7)

sodass du nun nicht mehr Sklave bist, sondern Sohn, wenn aber Sohn, auch Erbe durch Gott.

Die Rolle des Geistes in diesem Geschehen wird im Rö‑ merbrief präzisiert. Die Aussage von Röm 8,14, dass diejenigen, die Gottes Geist treibt, Gottes Kinder sind, scheint in Spannung zu Gal 4,6 zu stehen, wo die Sendung des Geistes die Folge der Adoption zu Kindern ist. Aber die Spannung dürfte sich so auflösen lassen, dass der Apostel im Galaterbrief auf die Voraussetzung der Gotteskindschaft blickt, auf das durch die Sendung des Sohnes von Gott eröffnete Heil, während Röm 8 auf deren Realisierung im Menschen blickt. Bereits im fünften Kapitel hatte der Apostel das durch Christus gestiftete Heil auf die Liebe Gottes zurückgeführt, die „in unsere Herzen ausgegossen ist durch den Heiligen Geist, der uns gegeben 21  Zu weiteren Parallelisierungen vgl. J. Frey: Vom Windbrausen zum Geist Christi und zur trinitarischen Person. Stationen einer Geschichte des Heiligen Geistes im Neuen Testament. In: M. Ebner u. a. (Hg.): Heiliger Geist, Jahrbuch für Biblische Theologie 24, Neukirchen-Vluyn 2011, 121–154, 139–143.



2.  Adoption und Erbe – Paulus

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ist“ (Röm 5,5), und aufgrund derer Gott die ihm feindlich gegenüberstehenden Menschen mit sich versöhnt hat (Röm 5,8–10). Diese „Liebe Gottes in Christus Jesus, unserem Herrn“ (Röm 8,39), wird dann in Röm 8,31–39 als die Macht gepriesen, die mächtiger ist als alle Gewalten dieser Welt, sodass nichts mehr die Gläubigen von ihr trennen kann. Damit vertritt der Apostel keine naive theo‑ logia gloriae. In den Ausführungen, welche von den beiden Aussagen zur Liebe Gottes am Beginn des fünften und am Ende des achten Kapitels umschlossen werden, macht er deutlich, dass sich auch die Christgläubigen noch jenseits von Eden befinden. Zwar hat sich durch Christus ihre Situation vor Gott radikal geändert (Röm 5,12–19), sie sind aus der Herrschaft der Sünde in den Machtbereich der Gnade gewechselt (Röm 5,20–21; 6,6–11), aber gleichwohl bleibt die Sünde eine Macht, gegen die sie sich noch immer zur Wehr setzen müssen (Röm 6,12– 23). „Vom Gesetz entbunden“ dienen sie „im neuen Wesen des Geistes“ (Röm 7,6) und erfahren sich zugleich noch als „fleischlich, unter die Sünde verkauft“ (Röm 7,14). Dieses dramatische Ringen einer zwischen Wollen und Tun zerrissenen Existenz in Röm 7,7–23 mündet in ein Wort, das Klageruf und Hilfeschrei zugleich ist: Ταλαίπωρος ἐγὼ ἄνθρωπος· τίς με ῥύσεται ἐκ τοῦ σώματος τοῦ θανάτου τούτου; (Röm 7,24)22

Ich elender Mensch, wer wird mich aus diesem Todesleib retten?

22  Römer 7 ist nicht die Selbsterfahrung des adamitischen Menschen, sondern formuliert den durch Christus erkennbar gewordenen Selbstwiderspruch, der jedoch mit der Hinwendung zu Christus nicht einfach erledigt ist. Vgl. H. Lichtenberger: Das Ich Adams und das Ich der Menschheit. Studien zum Menschenbild in Röm 7,

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Die Antwort darauf entfaltet das „antithetisch“ auf Röm 7 bezogene achte Kapitel,23 indem es die Zerrissenheit des Ich als Widereinander zweier Machtsphären deutet, der „Gesetzmäßigkeit des Lebensgeistes“ und der „Gesetzmäßigkeit der Sünde“.24 Die insgesamt 21 Bezugnahmen auf den Geist in Röm 8 stellen „eine der wichtigsten Aussagen paulinischer Theologie“ dar;25 denn nur der Geist vermag den Glaubenden von der Unfähigkeit seiner Vernunft (νοῦς) zu befreien und den Selbstwiderspruch seines Ich zu überwinden (vgl. Röm 7,23.25b), sodass die Klage des von der Sünde versklavten Ich abgelöst wird durch den Dank eines befreiten Du: χάρις δὲ τῷ θεῷ διὰ Ἰησοῦ Χριστοῦ τοῦ κυρίου ἡμῶν. […] Οὐδὲν ἄρα νῦν κατάκριμα τοῖς ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ. ὁ γὰρ νόμος τοῦ πνεύματος τῆς ζωῆς ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ

7,25Dank aber (sei) Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn. […] 8,1So gibt es nun für die in Christus Jesus keine Verdammnis mehr. 8,2Denn die Gesetzmäßigkeit (νόμος) des Lebensgeistes in Christus Jesus ἠλευθέρωσέν σε ἀπὸ τοῦ hat dich befreit von der Gesetzνόμου τῆς ἁμαρτίας καὶ τοῦ mäßigkeit (νόμος) der Sünde und des Todes. θανάτου. (Röm 7,25a; 8,1–2) Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 164, Tübingen 2004, 268. 23 U. Wilckens: Der Brief an die Römer. Teilband 2. Röm 6–11, Evangelisch-Katholischer Kommentar zum Neuen Testament VI/2, Zürich u. a. 19872, 118. 24  Der Begriff νόμος meint hier eher nicht die Tora, sondern die Bestimmtheit durch eine Einflusssphäre, und wird daher mit Gesetzmäßigkeit übersetzt; vgl. Wolter: Der heilige Geist bei Paulus, 106, Anm. 28; anders etwa Horn: Angeld, 371–374. 25 E. Käsemann: An die Römer, Handbuch zum Neuen Testament 8a, Tübingen 19743, 215.



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Stand im Galaterbrief der Gegensatz zwischen Sklaverei und Freiheit im Zentrum und wurde dementsprechend der Gegensatz zwischen Fleisch und Geist vor allem par­änetisch ausgedeutet, so steht dieser in Röm 8,1–27 für den noch elementareren Gegensatz von Tod und Leben. Paulus kontrastiert zunächst das zum Tode führende Leben „gemäß dem Fleisch“ mit einem Wandel „gemäß dem Geist“, welcher Leben zur Folge hat (Röm 8,4–6).26 Im Vordergrund steht jedoch nicht die ethische, sondern die soteriologische Bedeutung des Geistes, die Paulus mit der in der zweiten Person Plural formulierten Zusage eröffnet: Ὑμεῖς δὲ οὐκ ἐστὲ ἐν σαρκὶ ἀλλ’ ἐν πνεύματι, εἴπερ πνεῦμα θεοῦ οἰκεῖ ἐν ὑμῖν. εἰ δέ τις πνεῦμα Χριστοῦ οὐκ ἔχει, οὗτος οὐκ ἔστιν αὐτοῦ. (Röm 8,9)

Ihr aber seid nicht im Fleisch, sondern im Geist, so gewiss der Geist Gottes in euch wohnt. Wenn aber einer den Geist Christi nicht hat, der ist nicht sein.

Diese Zusage ist das Scharnier der Argumentation: Ging es in Röm 8,1–8 um das Sein der Glaubenden im Machtbereich des Geistes bzw. Christi, so geht es ab 8,10 um das Sein des Geistes bzw. Christi in ihnen. Die Verschränkung beider Perspektiven in V. 9 – sie sind im Geist und der Geist ist in ihnen – betont, dass Geistbesitz nur in Gestalt eines gegenseitigen Ineinanders möglich ist: „Ihr seid […] im Geist, so gewiss der Geist Gottes in euch wohnt.“ Eine solche reziproke Immanenz ist nicht „vom Bild her 26 D. Zeller: Der Brief an die Römer, Regensburger Neues Testament, Regensburg 1985, 150: „Der Zusammenhang von Geist und Leben löst den Teufelskreis von Sünde und Tod ab.“

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unlogisch“,27 sondern folgt der Logik der Liebe,28 die das Gegenüber nur insofern hat, als sie sich ihrerseits an es gebunden und so von ihm ‚gehabt‘ weiß (vgl. Röm 8,14– 15).29 Diese Gottes Souveränität wahrende Unverfügbarkeit ist im Blick auf den von charismatischen und pentekostalen Gruppen oft exklusiv reklamierten Besitz des Geistes zu betonen: Den Geist hat nur, wen der Geist hat und wen dieser so mit Gott und den Geschwistern verbindet. Deshalb ist die Frucht des Heiligen Geistes nicht Erfolg und Machtgewinn, sondern die Liebe, wie Paulus in nahezu allen seinen Briefen betont.30 Wenn es im folgenden Vers 10 heißt, dass aufgrund der Gegenwart Christi „in euch“ der Leib zwar tot ist wegen der Sünde, der Geist aber Leben wegen der Gerechtigkeit, so scheint der Geist zu einem Teil des Menschen geworden zu sein; wenige Verse später kann Paulus sogar von „unserem Geist“ (Röm 8,16) sprechen, wenn er in Weiterführung seiner in Gal 4 erstmals vorgestellten Überlegungen den Geist als die göttliche Macht darstellt, welche die Gotteskindschaft erfahrbar macht: ὅσοι γὰρ πνεύματι θεοῦ ἄγονται, οὗτοι υἱοὶ θεοῦ εἰσιν.

14Denn wie viele vom Geist Gottes geführt werden, die sind Gottes Söhne.

27 So Zeller: Römer, 158. 28  Von dieser ist im Folgenden explizit die Rede: in Röm 8,28 von der Liebe der Glaubenden zu Gott, in Röm 8,35.39 von der Liebe Christi bzw. der Liebe Gottes zu den zu ihm Gehörenden. 29 Vgl. Wilckens: Römer II, 130: „Der Geist wird nie zu meinem Besitz, sondern zu meinem Herrn; die Herrschaft des Geistes aber ist keine Zwangsherrschaft, sondern Verwirklichung und Zumutung von Freiheit“. Zum Geist als der den Kyrios und die Gläubigen umgreifenden Größe vgl. auch 1 Kor 6,17. 30 Vgl. Röm 5,5; 15,30; 2 Kor 6,6; Gal 5,22; Phil 2,1 und vor allem 1 Kor 12–14.



2.  Adoption und Erbe – Paulus

οὐ γὰρ ἐλάβετε πνεῦμα δουλείας πάλιν εἰς φόβον ἀλλ’ ἐλάβετε πνεῦμα υἱοθεσίας ἐν ᾧ κράζομεν· αββα ὁ πατήρ. αὐτὸ τὸ πνεῦμα συμμαρτυρεῖ τῷ πνεύματι ἡμῶν ὅτι ἐσμὲν τέκνα θεοῦ. εἰ δὲ τέκνα, καὶ κληρονόμοι· κληρονόμοι μὲν θεοῦ, συγκληρονόμοι δὲ Χριστοῦ, εἴπερ συμπάσχομεν ἵνα καὶ συνδοξασθῶμεν. (Röm 8,14–17)

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15Denn ihr habt nicht einen Geist der Sklaverei erhalten, abermals zur Furcht, sondern ihr habt einen Geist der Adoption (πνεῦμα υἱοθεσίας) erhalten, in dem wir rufen: „Abba, Vater!“ 16Ebender Geist bezeugt unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind, 17wenn aber Kinder, dann auch Erben, einerseits Erben Gottes, andererseits Miterben Christi, so gewiss wir mitleiden, damit wir auch mitverherrlicht werden.

Die vieldiskutierte Frage, ob es sich bei „unserem Geist“ um ein im Menschen vorhandenes31 oder ein in die Glaubenden eingegangenes Pneuma handelt, beruht auf einer dem biblischen Zeugnis nicht angemessenen Distinktion: Wie bei den Psalmen 51 und 104 zu sehen war (siehe oben Kap. II.4), konnte sich Gottes Geist als Selbst der Beter individuieren, und in Qumran konnte die dem Menschen innewohnende rûaḥ als der von Gott geschaffene Ort seines Gottesverhältnisses verstanden werden.32 So ist auch bei Paulus der Geist als „individuiertes Derivat des Gottesgeistes […] (vgl. 1 Kor 7,40; 14,14 f. 32)“ Personzen31  In 1 Thess 5,23 und 1 Kor 2,11 scheint ein anthropologisches Verständnis zu überwiegen. 32  Vgl. E. J. C. Tigchelaar: Art. ‫רּוח‬ ַ . In: Theologisches Wörterbuch zu den Qumrantexten 3 (2016), 618–632, 628.

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trum des (christgläubigen) Menschen (vgl. 1 Kor 2,11; 7,34; 16,18 u. ö.).33 Man kann Röm 8,16 als Variation des alten philosophischen Grundsatzes verstehen, dass Gleiches durch Gleiches erkannt wird.34 Während allerdings die philosophische Konzeption von einer Aufstiegsbewegung des menschlichen νοῦς in die göttliche Sphäre gekennzeichnet ist, geht es bei Paulus um ein Empfangen des Geistes (vgl. 1 Kor 2,12), ein Vernehmen des Zuspruchs, also um ein Herabkommen Gottes. „So gesehen läßt sich ‚unser Geist‘, das menschliche Empfangsorgan des göttlichen Zeugnisses, als das vom göttlichen Pneuma angehauchte und dadurch verwandelte Selbst der Glauben‑ den identifizieren, das in solchem Zusprechen immer neu empfängt, was ihm bereits kraft der Taufe zuteil geworden ist.“35 Dieser Geist will Gestalt gewinnen in einer von ihm geeinten Gemeinschaft, durch ein von ihm bestimmtes Handeln und in einer von ihm inspirierten Hoffnung. Entsprechend entfaltet Paulus seine Bedeutung für Ekklesiologie, Ethik und Eschatologie. Ekklesiologie In Röm 8,2 war das im Selbstwiderspruch gefangene „Ich“ von Röm 7 zunächst von einem befreiten „Du“ abgelöst worden, das im Fortgang in ein „Wir“ bzw. „Ihr“ über33 S. Vollenweider: Paulinische Spiritualität. In: F. W. Horn (Hg.): Paulus Handbuch, Tübingen 2013, 422–425, 424. 34  Dieser wird von Paulus in 1 Kor 2,6–16 breit entfaltet; vgl. Horn: Angeld, 268–274. 35 S. Vollenweider: Der Geist Gottes als Selbst der Glaubenden. Überlegungen zu einem ontologischen Problem in der paulinischen Anthropologie. In: Zeitschrift für Theologie und Kirche 93 (1996), 163–192, 179.



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führt wird. „Der Heilige Geist ist kein Privatgeist“;36 es ist die Gemeinde, in der Gottes Geist wohnt und die gemeinsam Gott als Vater anruft. Die hier vorausgesetzte Verbindung des Geistes mit der Gemeinde bzw. Kirche37 wird vor allem im 1. Korintherbrief zum Thema, wo Paulus das Bild vom Tempel Gottes in 1 Kor 3,16–17 auf die ganze Gemeinde bezieht, die durch die Einwohnung des Heiligen Geistes selbst heilig wird (vgl. 1 Kor 6,11). Die Folgen solcher Einwohnung sind auch die Geistesgaben, die Paulus vor allem in 1 Kor 12,8–10 vor Augen stellt. Wie auch an anderer Stelle (vgl. Röm 15,18–19) versteht er vollmächtiges Reden (Erkenntnis- und Weisheitsrede, Prophetie und Glossolalie) und Handeln (bergeversetzender Glaube, Heilkräfte und Wundermacht) als vom Geist gewirkte Ermächtigungen der Glaubenden. Die erstaunliche Vielfalt und Lebendigkeit dieser Geistesgaben darf jedoch nicht der individuellen Profilierung dienen. Deshalb stellt Paulus zunächst klar, dass ekstatische Erfahrungen per se noch kein Erweis für Gottes Geist sind – sind sie doch den Korinthern auch aus ihrer heidnischen Vergangenheit bekannt (1 Kor 12,1–2). Zentral ist vielmehr die vom Geist bewirkte Bindung an Christus als den „Herrn“ (1 Kor 12,3). Entsprechend erinnert der Apostel daran, dass die vielfältigen Geistesgaben (vgl. 1 Kor 12,7– 10) ihren Ursprung in ein und demselben Geist haben 36 K. Barth: Die kirchliche Dogmatik. Vierter Band. Die Lehre von der Versöhnung. Erster Teil, Zollikon-Zürich 1953, 164. 37  Meistens meint ἐκκλησία bei Paulus noch die Einzel­gemeinde, aber der generalisierende Singular in 1  Kor  12,28 und 15,9 weist wohl schon auf einen übergreifenden Kirchenbegriff hin (siehe auch 1 Kor 10,32; 11,22); vgl. J. A. Fitzmyer: First Cor­inth­ians. A New Translation with Introduction and Com­mentary, The Anchor Yale Bible 32, New Haven/London 2008, 81.

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(1 Kor 12,4.11), weshalb die geistgewirkte Ermächtigung der Einzelnen nicht zu trennen ist von seiner Verbundenheit mit den anderen Gliedern, mit denen er den Leib Christi bildet, wobei das Bild des Leibes deutlich macht, dass sowohl die Verschiedenheit der Glieder wie ihre Einheit unverzichtbar sind: Καθάπερ γὰρ τὸ σῶμα ἕν ἐστιν καὶ μέλη πολλὰ ἔχει, πάντα δὲ τὰ μέλη τοῦ σώματος πολλὰ ὄντα ἕν ἐστιν σῶμα, οὕτως καὶ ὁ Χριστός· καὶ γὰρ ἐν ἑνὶ πνεύματι ἡμεῖς πάντες εἰς ἓν σῶμα ἐβαπτίσθημεν, εἴτε Ἰουδαῖοι εἴτε Ἕλληνες εἴτε δοῦλοι εἴτε ἐλεύθεροι, καὶ πάντες ἓν πνεῦμα ἐποτίσθημεν. (1 Kor 12,12–13)

12Denn wie der Leib einer ist und viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich sie viele sind, ein Leib sind, so auch der Christus. 13Denn wir sind alle durch einen Geist zu einem Leib getauft, seien wir Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, und alle haben wir einen Geist zu trinken bekommen!

Die Argumentation, dass der Mensch durch den Geist Teil eines größeren Ganzen wird, ist – wie auch das Bild von dem einen Leib und den verschiedenen Gliedern  – vermutlich philosophischen Ursprungs; die Betonung der συμπάθεια der Glieder in 1 Kor 12,26 lässt an Poseidonios denken. Aber das nach Livius (Liv. a. u. c. II,32,9) angeblich38 von dem Patrizier Menenius Agrippa bei einem Volksaufstand verwendete Bild vom Leib und von den Gliedern, das (als Legitimation des Magens) darauf ab38  Menenius Agrippa lebte in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts, aber man geht heute zumeist davon aus, dass seine Rede aus späterer Zeit stammt (vgl. H. G. Gundel: Art. Menenius. In: Der Kleine Pauly 3 [1979], 1212–1213, 1213).



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zielt, die Gliederung der Gesellschaft in Oben und Unten zu rechtfertigen, ist bei Paulus in ein Miteinander transformiert. Im Leib Christi ist die Zusammengehörigkeit der Glieder nicht durch eine hierarchische Ordnung bestimmt, sondern durch den sie miteinander verbindenden Geist39 und damit durch die Liebe. Deshalb steht im Zentrum der Ausführungen über die χαρίσματα bzw. πνευματικά in 1 Kor 12 und 14 das sogenannte Hohelied der Liebe (1 Kor 13), in dem Paulus „die Liebe als die entscheidende Äußerung des Pneuma“ bestimmt,40 ohne die auch die höchsten Gaben und Taten wertlos sind. In diesem Sinne hatte Paulus bereits in 1 Kor 12,7 betont, dass sich der Geist in den einzelnen Gaben zum Nutzen aller manifestiert, und im 14. Kapitel betont er mit der neuen Metapher vom Hausbau, dass der Sinn der Geistesgaben in der Auferbauung (οἰκοδομή) der Gemeinde besteht: ἐπεὶ ζηλωταί ἐστε πνευμάτων, Wenn ihr Eiferer seid um Geistesgaben (πνευμάτων), πρὸς τὴν οἰκοδομὴν τῆς eifert, um zur Erbauung der ἐκκλησίας ζητεῖτε ἵνα Gemeinde daran überzufließen. περισσεύητε. (1 Kor 14,12) 39  Auch in Phil  2,1 macht Paulus die vom Geist gestiftete Gemeinschaft zur Grundlage seiner Paraklese, und in der triadischen Formel am Ende des 2. Korintherbriefes wird die Gnade mit Jesus Christus, die Liebe mit Gott und die Gemeinschaft mit dem Heiligen Geist verbunden (2 Kor 13,13). In der Paulusschule verfolgt vor allem der Epheserbrief den Gedanken der geistgewirkten Einheit weiter (vgl. Eph 2,18–22; 4,3–4) und spricht von der „Einheit des Geistes“ (ἑνότης τοῦ πνεύματος) sowie vom dadurch bewirkten „Band des Friedens“ (Eph 4,3). 40 C. Wolff: Der erste Brief des Paulus an die Korinther, Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament 7, Leipzig 20113, 311.

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Ethik Die „Liebe des Geistes“ (Röm 15,30; vgl. Gal 5,22; 2 Kor 6,6; Phil  2,1) hat auch grundstürzende Folgen für das Verhalten derer, in denen nun statt der Sünde (Röm 7,17.20) der Geist Wohnung genommen und die Herrschaft übernommen hat (Röm 8,9.11).41 Indem er sie „führt“ und „treibt“ (Röm 8,14; vgl. Gal 5,18), bestimmt er ihr Verhalten. Als Gegenmacht zum Fleisch (Gal 5,17; vgl. Röm 8,3–8), dessen „Gesinnung“ feindlich gegen Gott ist (Röm 8,7–8), weil es das adamitische Aufbegehren verkörpert, verbindet er die Glaubenden mit Gott als Vater und mit den Nächsten als Geschwister. Für eine solche ethische Akzentuierung des Geistes kann man in der biblisch-jüdischen (siehe oben Kap. II.4) wie in der paganen Tradition (siehe oben Kap. III.1.3) Ansatzpunkte finden, aber in dieser Prägnanz ist sie ohne Parallelen und muss als Spezifikum der paulinischen Pneumatologie gelten.42 Kennzeichnend ist das Ineinander von Gabe und Aufgabe, von geistgewirkter Heiligkeit (vgl. Röm 15,16) und der daraus resultierenden Befähigung und Verpflichtung zur Heiligung, die der Apostel bereits in seinem ältesten Brief unterstreicht:43 οὐ γὰρ ἐκάλεσεν ἡμᾶς ὁ θεὸς ἐπὶ ἀκαθαρσίᾳ ἀλλ’ ἐν ἁγιασμῷ.

7Denn Gott hat uns nicht zur Unreinheit berufen, sondern zur Heiligung.

41  Nur von der Sünde und vom Geist sagt Paulus, dass sie im Menschen wohnen, er also von ihnen zum Bösen oder Guten besessen ist, ohne dass damit allerdings das Ichzentrum ausgeschaltet würde. 42 Vgl. W. Schrage: Ethik des Neuen Testaments, Grundrisse zum Neuen Testament 4, Göttingen 19895, 181; Hahn: Theologie II, 279. 43  Vgl. Röm 6,19; 1 Kor 6,18–20; 2 Kor 7,1; 1 Thess 4,3–4.



2.  Adoption und Erbe – Paulus

τοιγαροῦν ὁ ἀθετῶν οὐκ ἄνθρωπον ἀθετεῖ ἀλλὰ τὸν θεὸν τὸν [καὶ] διδόντα τὸ πνεῦμα αὐτοῦ τὸ ἅγιον εἰς ὑμᾶς. (1 Thess 4,7–8)

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8Darum, wer dies ablehnt, lehnt nicht einen Menschen ab, sondern den Gott, der [auch] seinen Heiligen Geist in euch gibt.

Im 1. Korintherbrief bringt Paulus die durch den Geist begründete Theonomie der christlichen Existenz mit dem Bild vom Leib als Tempel des Geistes zum Ausdruck: ἢ οὐκ οἴδατε Oder wisst ihr nicht, ὅτι τὸ σῶμα ὑμῶν ναὸς τοῦ ἐν dass euer Leib ein Tempel des ὑμῖν ἁγίου πνεύματός ἐστιν in euch (wohnenden) Heiligen Geistes ist, οὗ ἔχετε ἀπὸ θεοῦ, den ihr von Gott habt, καὶ οὐκ ἐστὲ ἑαυτῶν; und ihr euch (daher) nicht selbst gehört? (1 Kor 6,19; vgl. 3,16–17)

Am deutlichsten formuliert der Apostel die ethischen Konsequenzen der geistgewirkten Heiligkeit im Gala‑ terbrief, in dem er das erste Mal seine Botschaft von der Rechtfertigung aus Glauben ohne die Werke des Gesetzes entfaltet. Angesichts der Gefahr, diese Freiheit als „Brückenkopf44 für das Fleisch“ zu missbrauchen (Gal 5,13; vgl. 5,6), betont er, dass die Verbundenheit mit dem Geist Freiheit und Dienst zugleich bedeutet: Freiheit von der Versklavung durch das Gesetz (Gal 3,23–26) und die kosmischen Elemente (Gal 4,1–5) und Dienst durch gegen44  Der Begriff ἀφορμή ist ein gebräuchlicher militärischer Terminus technicus für die Operationsbasis im Krieg; vgl. F. Passow: Handwörterbuch der griechischen Sprache. Nebst einem Anhange. Erster Band. A–K, Leipzig 18314, 378; Liddell/​Scott/​Jones: A Greek-English Lexicon, 292.

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V.  Gottessohnschaft und ewiges Leben

seitige Liebe (Gal 5,13). Durch den Nachsatz, dass im Liebesgebot das ganze Gesetz erfüllt ist (Gal 5,14), unterstreicht Paulus, dass im Blick auf die Liebe die Gehorsamsforderung der Tora durch die Rechtfertigung aus Glauben nicht obsolet geworden ist (vgl. weiter Gal 5,6; 6,2). Das gipfelt in der grundsätzlichen Forderung: πνεύματι περιπατεῖτε καὶ ἐπιθυμίαν σαρκὸς οὐ μὴ τελέσητε. ἡ γὰρ σὰρξ ἐπιθυμεῖ κατὰ τοῦ πνεύματος, τὸ δὲ πνεῦμα κατὰ τῆς σαρκός, ταῦτα γὰρ ἀλλήλοις ἀντίκειται, ἵνα μὴ ἃ ἐὰν θέλητε ταῦτα ποιῆτε. (Gal 5,16–17)

16Wandelt durch den Geist, und erfüllt nicht das Begehren des Fleisches. 17Denn das Fleisch begehrt auf gegen den Geist, der Geist aber gegen das Fleisch; diese liegen miteinander im Streit, damit ihr nicht das tut, was immer ihr wollt.

Mit Fleisch und Geist stehen sich zwei Machtsphären gegenüber, die den Menschen bestimmen. Für die Christgläubigen wird dabei der mit dem Fleisch kämpfende Geist zu „Grund und Norm des neuen Handelns“.45 So kann Paulus daraus Konsequenzen für eine materiale „Pneuma-Ethik“46 ziehen: Einem Lasterkatalog mit „Werken des Fleisches“, die den Einzelnen sozial unverträglich und den Nächsten zum Objekt von Hass und Gier machen, kontrastiert er als „Frucht des Geistes“ einen Katalog mit gemeinschaftsfördernden Verhaltensweisen, ange45 U. Schnelle: Paulus. Leben und Denken, Berlin/​ Boston 20142, 529. 46 F. Mussner: Der Galaterbrief, Herders theologischer Kommentar zum Neuen Testament IX, Freiburg im Breisgau u. a. 19885, 365.



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führt von der Liebe (Gal 5,19–24). Die unterschiedliche Begrifflichkeit ist sprechend: Während Werke Ergebnis eigenen Handelns sind, wird eine Frucht geerntet, sie erwächst aus etwas anderem.47 Gleichwohl entbindet das nicht von dem eigenen Bemühen  – die Perikope endet vielmehr mit einer grundsätzlichen Standortbestimmung und der sich daraus ergebenden Forderung, sich in dem Kampf zwischen Geist und Fleisch vorbehaltlos auf die Seite des Geistes zu schlagen: οἱ δὲ τοῦ Χριστοῦ [Ἰησοῦ] τὴν σάρκα ἐσταύρωσαν σὺν τοῖς παθήμασιν καὶ ταῖς ἐπιθυμίαις. Εἰ ζῶμεν πνεύματι, πνεύματι καὶ στοιχῶμεν. (Gal 5,24–25)

24Die aber, die zu Christus Jesus gehören, haben das Fleisch mit den Leidenschaften und Begierden gekreuzigt. 25Wenn wir durch den Geist leben, lasst uns auch mit dem Geist in einer Schlachtreihe stehen!48

Mit vergleichbarer kämpferischer Metaphorik fordert Paulus in Röm 8,13, durch den Geist die „Taten des Leibes“ zu töten. Der Geist erweist sich somit als Lebensmacht, indem er das Todbringende tötet, wobei die entscheidende „Waffe des Lichts“ (vgl. Röm 13,12) die aus Gott stammende Liebe ist,49 die als „Basis allen geist47  Vgl. M. E. Boring: An Introduction to the New Testament. History, Literature, Theology, Louisville 2012, 289. 48 Zur militärischen Bedeutung von στοιχέω vgl. F. Passow: Handwörterbuch der griechischen Sprache. Nebst einem Anhange. Zweyter Band. Λ–Ω, Leipzig 18314, 963; Liddell/​Scott/​Jones: A Greek-English Lexicon, 1647. 49  Vgl. Röm 5,5.8; 8,39; 2 Kor 5,14; 13,11.13.

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gewirkten Tuns“50 (1 Kor 12,31–13,13; Röm 5,5; 15,30) entscheidendes Merkmal eines Lebens aus dem Geist ist (2 Kor 6,6; Gal 5,6.13–14.22). Eschatologie In der von Paulus am Anfang des Römerbriefes zitierten christologischen Bekenntnisformel Röm 1,3–4 wird die Einsetzung Jesu Christi zum Sohn Gottes aufgrund der Auferstehung auf den „Geist der Heiligkeit“ zurückgeführt. Entsprechend betont der Apostel auch im Blick auf die „Söhne Gottes“, dass deren Hoffnung auf Auferstehung auf dem Geist beruht: εἰ δὲ τὸ πνεῦμα τοῦ ἐγείραντος τὸν Ἰησοῦν ἐκ νεκρῶν οἰκεῖ ἐν ὑμῖν, ὁ ἐγείρας Χριστὸν ἐκ νεκρῶν ζῳοποιήσει καὶ τὰ θνητὰ σώματα ὑμῶν διὰ τοῦ ἐνοικοῦντος αὐτοῦ πνεύματος ἐν ὑμῖν. (Röm 8,11)

Wenn aber der Geist dessen in euch wohnt, der Jesus von den Toten erweckt hat, wird der, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch seinen in euch wohnenden Geist.

In der ausführlichen Begründung der Auferstehungshoffnung im 15.  Kapitel des 1.  Korintherbriefes identifiziert Paulus dann Christus als πνεῦμα ζῳοποιοῦν mit dem Leben schaffenden Schöpfergeist, der die Verwandlung der Glaubenden in das Bild des himmlischen Menschen bewirkt, sodass sie Anteil an Gottes Unvergänglichkeit, Herrlichkeit und Macht erlangen (1 Kor 15,42–49; vgl. 2 Kor 3,17–18; Phil 3,21). Mit guten Gründen nimmt 50 C. Wolff: Der erste Brief des Paulus an die Korinther, 311.



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man hier eine Beeinflussung „durch die griechische Philosophie“ an.51 Umso aufschlussreicher ist der Vergleich: Bei Pseudo-Platon und Seneca ermöglicht die Anwesenheit eines göttlichen Geistes im Menschen dessen Teilhabe an der göttlichen Sphäre, im Axiochos mit Einschluss der Unsterblichkeit, weil das θεῖον πνεῦμα bzw. der spi‑ ritus divinus/sacer Bestandteil der menschlichen Natur ist (siehe oben Kap. III.1.3 und III.2.1). Dagegen ist es bei Paulus der lebendig machende Geist des Schöpfers, dessen Einwohnung in den Christgläubigen den Tod überwindet (Röm 8,11; vgl. 8,2). In Weiterführung seiner Argumentation in Gal 4 zur Adoption durch den Geist greift Paulus dann im Folgenden vor allem im Blick auf das mit der Gotteskindschaft verbundene „Erbe“ weiter aus: War dieses im Galaterbrief noch an Abraham (Gal 3,18.29) rückgebunden, also heilsgeschichtlich als Anteil an den Verheißungen Israels gedeutet worden, so ist nun von den „Erben Gottes“ und „Miterben Christi“ die Rede, das heißt, das Erbe der „Söhne Gottes“ wird christologisch als Teilhabe an der Auferstehung und Verherrlichung des Gottessohnes präzisiert. Dass es damit auch umfassender verstanden ist, bestätigt Röm 8,29–30, wo Paulus die in Röm 8,18 in Aus51 C. Zimmermann: Die Namen des Vaters. Studien zu ausgewählten neutestamentlichen Gottesbezeichnungen vor ihrem frühjüdischen und paganen Sprachhorizont, Ancient Judaism and Early Christianity 69, Leiden/​Boston 2007, 447; vgl. a. a. O., 442. Zur Verbindung von Geist und Lebendigkeit in der biblischen und philosophischen Tradition vgl. R. Feldmeier: Die stoische Zeusallegorese und das Bekenntnis zum biblischen Gott als dem „Beleber der Toten“. In: Ders.: Der Höchste. Studien zur hellenistischen Religionsgeschichte und zum biblischen Gottesglauben, Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 330, Tübingen 2018 [2014], 151–159.

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V.  Gottessohnschaft und ewiges Leben

sicht gestellte „künftige Herrlichkeit“ als Verwandlung „in die Gleichgestalt (σύμμορφοι) des Bildes seines Sohnes“ expliziert. Das unterstreicht noch einmal, dass Gotteskindschaft keine protologische, sondern eine eschatologische Kategorie ist: Sie bezeichnet nicht die Herkunft von Gott,52 sondern eine Zukunft bei Gott. Allerdings lässt Röm 8,17 beim Ausblick auf die zukünftige Teilhabe an Gottes Herrlichkeit durch das der Zusage parallelisierte „so gewiss wir mitleiden“ auch anklingen, was einer ungetrübten Herrlichkeitstheologie im Wege steht: die „Leiden der Gegenwart“ (Röm 8,18), denen auch die Christgläubigen nicht entnommen sind. Wie die gesamte Schöpfung (Röm 8,19–21)53 seufzen auch sie und warten noch auf die „Erlösung des Leibes“ (Röm 8,23). Aber auch hier macht der Geist den Unterschied aus, weil sie als Kinder Gottes diesen bereits als „Erstlingsgabe“ erhalten haben, das heißt als den ersten Ertrag der Ernte, der deren Beginn anzeigt. Das schließt für Paulus bereits eine gegenwärtige Partizipation an Gottes Macht ein (vgl. Röm 15,19; 1 Kor 2,4), allerdings gerade nicht durch Überspringen des Leidens (vgl. 2 Kor 12,7–10). Deshalb bestimmt dieses Erbe ihr Leben 52  Diese heute auch in den christlichen Kirchen vorherrschende Deutung ist paganen Ursprungs (vgl. Ov. Met. I,78–79: hunc divino semine fecit ille opifex rerum) und findet sich nirgends im biblischen Schrifttum. Biblisch gesehen ist der Mensch Gottes Geschöpf, nicht sein Kind. Der soteriologische ‚Mehrwert‘ der eschatologisch verstandenen Gotteskindschaft besteht in der damit verbundenen Verheißung der Verwandlung. Entsprechendes gilt für die Rede von Gott als Vater. 53  Das Seufzen der Schöpfung ist wohl als ein „Hilfeschrei an Gott“ zu verstehen (M. Wolter: Der Brief an die Römer. Teilband 1. Röm 1–8, Evangelisch-Katholischer Kommentar zum Neuen Testament VI/1, Neukirchen-Vluyn 2014, 523).



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vor allem in Gestalt einer eschatologischen Hoffnung, die „durch die Macht des Heiligen Geistes bei euch überfließt“; die geistgewirkte Gotteskindschaft ist Rettung „auf Hoffnung hin“, deren Vollendung die Glaubenden „mit Geduld“ erwarten (Röm 8,24–25). In dieser Situation zwischen künftiger Herrlichkeit und gegenwärtigem Leiden, in der auch sie nicht wissen, wie sie recht beten sollen, partizipiert der Geist an ihrer Schwachheit (vgl. das Präfix συν-) und vertritt sie vor Gott „mit unaussprechlichem Seufzen“ (Röm 8,26–27). War der Geist in Röm 5,5 noch wie eine Flüssigkeit ausgegossen, so wohnt er nach Röm 8,9.11 in den Glaubenden, er treibt sie (Röm 8,14) und bezeugt ihnen ihre Gotteskindschaft (Röm 8,16). Diese Bewegung hin zu einer immer deutlicheren Eigenständigkeit und Personalisierung des Geistes kommt bei Paulus in der Interzession von Röm 8,26–27 zu ihrem Höhepunkt.54

3.  Triadische Theologie und Heilsgeschichte – das lukanische Doppelwerk Ist bei Markus der Heilige Geist Vorzeichen des Lebens Jesu und werden bei Paulus das Leben der Christgläubigen und ihre Gemeinschaft durch den Geist konstituiert, so werden die christologische, die soteriologische und die ekklesiologische Dimension im lukanischen Doppelwerk miteinander verwoben. Dabei bindet Lukas sein Zeugnis konsequent an die biblische Überlieferung zu54  Auch in den früheren Briefen des Paulus kann man Andeutungen in dieser Richtung finden, wenn etwa der Geist die Tiefe der Gottheit erforscht (1 Kor 2,10) oder als Geber nach 1 Kor 12,4.11 seine Charismen zuteilt.

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rück und bereitet es zugleich so auf, dass es auch seinen in der griechisch-römischen Welt beheimateten Adressaten von ihren eigenen Verstehensvoraussetzungen her begreiflich wird. Diese Doppelkodierung findet sich auch beim Geist, bei dem er sich auf die prophetische Tradition zurückbezieht und zugleich an außerbiblische Vorstellungen von der dynamischen Gegenwart des göttlichen Geistes in der Welt insgesamt und im Menschen im Besonderen anknüpft  – von der Jungfrauengeburt55 über das mantische Pneuma56 und das Selbst, das der Sterbende seinem Gott übergibt,57 bis zum kosmischen Lebensprinzip.58 Der im letzten Jahrhundert immer wieder der theologischen Unzulänglichkeit geziehene Lukas59 er55  Vgl. Lk 1,35 mit Plut.  Num.  IV,4; zum schöpferisch-zeugenden Pneuma siehe auch die oben (in Kap. III.1.4) ausgelegte Borys‑ thenes-Rede Dions. 56  Vgl. Lk 1,41–42; 2,25–32; Apg 2,4 mit Plut. De  Pyth.  or. 17, Mor. 402B; Plut. Am. 16, Mor. 759B; Dion Or. 1,57–58; 72,12. 57  Das letzte Wort Jesu am Kreuz: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist“ (Lk 23,46) zitiert einen Psalm, dem Lukas nur die Anrede ‚Vater‘ hinzufügt, aber zugleich besteht eine frappierende Parallele zum Hercules Oetaeus des Pseudo-Seneca, wo der sterbende Herakles seinen Vater Jupiter „mit ausgestreckten Händen“ anruft (O. Zwierlein: L. Annaei Senecae Tragoediae. Incertorvm avctorvm Hercvles [Oetaevs]. Octavia. Recognovit breviqve adnotatione critica instrvxit Otto Zwierlein, Scriptorum classicorum bibliotheca Oxoniensis, Oxford 1986, 402 [= Ps.‑Sen. Herc. Oet. 1695]) und ihn um die Aufnahme seines Geistes unter die Sterne bittet: spi‑ ritum admitte hunc, precor, in astra (ebd. [= Herc. Oet. 1703–1704]); Hinweis M. Becker. 58  Die Aussage in Apg 17,24–25, dass der Schöpfer des Kosmos „allen Leben und Atem (πνοή) und alles gibt“, lässt zwar bibelkundige Adressaten an Gen 2,7 denken, ist aber so allgemein ausgedrückt, dass es zugleich an das stoische Pneuma als kosmisches Lebensprinzip erinnert (vgl. Feldmeier: Zeusallegorese). 59  Vgl. dazu W. G. Kümmel: Lukas in der Anklage der heutigen



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weist sich so als origineller Hermeneut und Denker, der die christologisch vermittelte Gegenwart Gottes im Geist zur Grundlage einer Geschichtstheologie macht. Im Evangelium ist bereits der Täufer als Jesu Vorläufer von Mutterleib an vom Geist erfüllt und bestimmt, wie der Engel bei der Ankündigung seiner Geburt betont (Lk 1,15.17). Nach seiner Geburt prophezeit sein Vater Zacharias, „vom Heiligen Geist erfüllt“ (Lk 1,67), dass er als „Prophet des Höchsten“ dem Heil den Weg bereiten werde. Bei Jesus werden dann schon die Schwangerschaft der Mutter auf den Heiligen Geist und dadurch auf Gott selbst zurückgeführt60 und das Kind vor und nach seiner Geburt durch geisterfüllte Gestalten gedeutet (Lk 1,41; 2,25–27). So stellt Lukas mittels des Geistes bereits in den Geburtsgeschichten „Israel und die Gemeinde Jesu in einen Erfüllungszusammenhang, der die Kontinuität von Israel und Gemeinde garantiert“, und macht zugleich deutlich, dass „sich das Verständnis dessen, was Heilsgemeinschaft heißen wird, nicht an der Frage der Zugehörigkeit zu Israel, sondern zu dem Geistträger Jesus entscheiden wird“.61 Wie die anderen Evangelisten berichtet auch Lukas, dass Johannes die Geisttaufe durch den nach ihm Kommenden ankündigt (Lk 3,16), aber er allein greift das später wieder auf und bezieht es auf das Pfingstereignis Theologie. In: G. Braumann (Hg.): Das Lukas-Evangelium. Die redaktions- und kompositionsgeschichtliche Forschung, Wege der Forschung CCLXXX, Darmstadt 1974, 416–436. 60  Jesus heißt auch bei Lukas Sohn Gottes und nie Sohn des Heiligen Geistes; vgl. Lk 1,35. 61 H. Gunkel: Der Heilige Geist bei Lukas. Theologisches Profil, Grund und Intention der lukanischen Pneumatologie, Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament II,389, Tübingen 2015, 57.

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(Apg 1,5). Wie bei den Seitenreferenten empfängt auch bei ihm Jesus bei seiner Taufe den Geist, aber wiederum betont nur er im Anschluss daran, dass Jesus „voll des Heiligen Geistes“ vom Jordan wiederkommt (Lk 4,1) und nach bestandener Versuchung „in der Kraft des Geistes nach Galiläa zurückkehrte“ (Lk 4,14). Lukas macht so deutlich, dass die Bewährung der Gottessohnschaft durch das Bestehen der Versuchung ein „empowering for the messianic task“62 durch den Geist nach sich zieht, da nun deutlich geworden ist, dass Jesus seine Macht nicht für sich selbst einsetzt. Diese Verschränkung von Christologie und Pneumatologie wird dann programmatisch in der von Lukas gestalteten Antrittspredigt in Nazareth vorgestellt (siehe unten). Im Hauptteil des Evangeliums tritt der Geist zurück, was den Quellen geschuldet sein dürfte. Gleichwohl hat Lukas ihn auch hier an markanten Stellen eingefügt. So leitet er den für Jesu Selbstverständnis zentralen Jubelruf mit der Wendung ein, dass Jesus „in dem Heiligen Geist jubelte“ (Lk 10,21 diff. Mt 11,25), in Lk 11,13 wird die Zusage der Gebetserhörung mit der Gabe des Heiligen Geistes begründet (diff. Mt 7,11), und auch Jesu letztes Wort am Kreuz könnte man in diesem Zusammenhang anführen, wenn der Sterbende statt des anklagenden Schreis aus Ps 22 mit den Worten von Ps 31,6 seinen Geist wieder in die Hände des Vaters zurückgibt (Lk 23,46).63 Deutlicher als die anderen Evangelisten (einschließlich des vier62 M. Turner: Power from on High. The Spirit in Israel’s Restoration and Witness in Luke-Acts, Journal of Pentecostal Theology. Supplement Series 9, Sheffield 2000, 429. 63  Die Alternative ‚Gottes Geist‘ oder ‚menschliches Ich‘ ist auch hier schief: Das Selbst des Gotteskindes ist ja auch für Paulus der vom Geist Gottes durchdrungene Geist des Menschen (Röm 8,14–



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ten64) hat Lukas so Jesu Geistbesitz zum Vorzeichen seiner Christologie gemacht.65 Das prägt auch Jesu Lehre, insofern er als „inspired sage“66 durch den Geist Weisheit und Prophetie verbindet. Theologisch wegweisend ist nun allerdings, dass Lukas den Geist nicht einfach neben Gott und Jesus Christus nennt, sondern dass er die drei Gestaltwerdungen göttlichen Wirkens, die in der späteren Trinitätslehre als drei Personen den einen Gott vergegenwärtigen, in einer theologisch reflektierten Weise so zueinander in Beziehung setzt, dass ihr Wirken in der Welt als Folge einer innergöttlichen Interaktion verständlich wird. Das erste Mal geschieht das in der Antrittspredigt, wo Jesus seine Messianität mit Jes 61,1–2 als Salbung mit dem „Geist des Herrn“ deutet: πνεῦμα κυρίου ἐπ’ ἐμὲ οὗ εἵνεκεν ἔχρισέν με εὐαγγελίσασθαι πτωχοῖς,

18Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat. Armen gute Botschaft zu verkündigen,

17), und bereits im Blick auf den Täufer scheint Lukas beides miteinander zu verbinden (vgl. Lk 1,15.17 mit 1,80). 64  Im Johannesevangelium kommt zwar statistisch gesehen dem Geist eine vergleichbare Bedeutung zu, aber dort geht es vor allem um die Vergegenwärtigung Jesu bei den Glaubenden. 65  Gunkel: Geist, 135: Der Geist ist bei Lukas „die entscheidende ‚Ausrüstung‘ Jesu, durch die dieser seinem Auftrag nachkommen […] kann“. 66 F. Bovon: Luke the Theologian. Fifty-five Years of Research (1950–2005), Waco 20062, 223. Zur Sapientisierung der Jesusüberlieferung durch Lukas vgl. R. Feldmeier: Before the Teachers of Israel and the Sages of Greece. Luke-Acts as a Precursor of the Conjunction of Biblical Faith and Hellenistic Education. In: I. Tanaseanu-Döbler/​M. Döbler (Hg.): Religious Education in Pre-Modern Europe, Numen Book Series 140, Leiden/​Boston 2012, 77–95.

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ἀπέσταλκέν με, κηρύξαι αἰχμαλώτοις ἄφεσιν καὶ τυφλοῖς ἀνάβλεψιν, ἀποστεῖλαι τεθραυσμένους ἐν ἀφέσει, κηρύξαι ἐνιαυτὸν κυρίου δεκτόν. (Lk 4,18–19)

hat er mich gesandt, Gefangenen Befreiung zu verkünden und Blinden, dass sie wieder sehen, Traumatisierte in Freiheit zu entlassen, 19zu verkünden ein Gnadenjahr des Herrn.

Der Zusammenhang von Geistbegabung und Sendung, den Markus mit der Aufeinanderfolge von Taufe und Versuchung angedeutet hat, wird hier konsequent fortgeschrieben: Als der durch den Geist Entstandene (Lk 1,35), der vom Geist Erfüllte (Lk 3,22; 4,1.14) und der mit dem Geist Gesalbte (Lk 4,18; vgl. Apg 10,38) vergegenwärtigt Jesus den Heilswillen Gottes. Der Rückbezug auf die Schrift unterstreicht, dass der Geist bei allem Neuanfang in Jesus zugleich die biblischen Verheißungen erfüllt und so dessen Geschichte in die biblische Heilsgeschichte einbindet. Das markante Theologumenon der Geistsalbung67 greift Lukas wieder auf in der ausführlichsten Zusammenfassung des Christusereignisses außerhalb der Evangelien, wenn Petrus in seiner ersten Predigt vor Heiden Jesu Wirken als Befreiung der Menschen von der Macht des Satans deutet, die ermöglicht wurde durch seine Salbung mit Heiligem Geist und die damit verbundene Gottesgegenwart.68 Auch hier wird 67  Diese Vorstellung ist auch für das Verständnis Christi in Westafrika zentral; vgl. K. Appiah-Kubi: Christology. In: J. Parratt (Hg.): A Reader in African Christian Theology, rev. ed., London 1997, 65– 74. 68  Geist und Kraft können deshalb von Lukas geradezu im Sinne



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Jesu Besonderheit damit erklärt, dass Gott durch den Heiligen Geist an ihm gehandelt hat und dass dies ein Handeln Gottes durch ihn nach sich zog, sodass der Geist nicht nur Vater und Sohn verbindet, sondern durch ihn als Quelle der Vollmacht Jesu Gott in der Welt wirksam wird und sein Heil aufrichtet: ὑμεῖς οἴδατε τὸ γενόμενον ῥῆμα καθ’ ὅλης τῆς Ἰουδαίας, ἀρξάμενος ἀπὸ τῆς Γαλιλαίας μετὰ τὸ βάπτισμα ὃ ἐκήρυξεν Ἰωάννης, Ἰησοῦν τὸν ἀπὸ Ναζαρέθ, ὡς ἔχρισεν αὐτὸν ὁ θεὸς πνεύματι ἁγίῳ καὶ δυνάμει, ὃς διῆλθεν εὐεργετῶν καὶ ἰώμενος πάντας τοὺς καταδυναστευομένους ὑπὸ τοῦ διαβόλου, ὅτι ὁ θεὸς ἦν μετ’ αὐτοῦ. (Apg 10,37–38)

37Ihr wisst, was in ganz Judäa geschehen ist, angefangen von Galiläa nach der Taufe, die Johannes predigte, 38wie Gott Jesus von Nazareth gesalbt hat mit Heiligem Geist und Kraft; der ist umhergezogen und hat Gutes getan und alle gesund gemacht, die in der Gewalt des Teufels waren, denn Gott war mit ihm.

Die Wirksamkeit des Geistes setzt sich in der Apostel‑ geschichte fort: Wenn gleich an deren Beginn betont wird, dass die Jünger durch den Geist von Jesus erwählt sind (Apg 1,2), und wenn ihnen der Geist als himmlische Ermächtigung verheißen wird (Apg 1,8; vgl. Lk 24,49), dann macht Lukas deutlich, dass die Grenze zwischen Gott und den Menschen, die der Geist im Gottessohn durchbrochen hatte, auch im Raum der Heilsgemeinde durchlässig geworden ist – mit dem Unterschied, dass Jesus über eines Hendiadyoins zusammengestellt werden; vgl. Lk 1,17.35; 24,49; Apg 1,5.8; 10,38.

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den Geist verfügte, während seine Nachfolgerinnen und Nachfolger von ihm geführt werden.69 Durch ihn werden sie zu Propheten (Apg 2,17–19) und können ihrerseits den Geist durch Gebet und Handauflegung (Apg 8,15– 17) sowie durch die Taufe weitergeben.70 „Voll des (Heiligen) Geistes“ zu sein, ist geradezu Kennzeichen der Amtsträger (Apg 6,3.5; 7,55.59; 11,24; 13,9), und die Missionare und Ältesten können direkt vom Heiligen Geist berufen und eingesetzt werden (Apg 13,2.4; 20,28). Der Geist gibt den vor Gericht gestellten Aposteln die rechten Worte in den Mund (Apg 4,8.31), befähigt sie zur vollmächtigen Lehre (Apg 18,25) und unterstützt ihr Zeugnis vor Gericht (Apg 5,32), sodass beispielsweise der angeklagte Stephanus durch den Geist und die damit verbundene Weisheit nachgerade unüberwindlich ist (Apg 6,10). Der Geist wirkt in den urchristlichen Prophetinnen und Propheten (Apg 11,28; 20,23; 21,11), er lenkt die Gedanken und Schritte der Apostel und Missionare sowie der ganzen Gemeinde, bahnt vor ihnen den Weg und präfiguriert ihre Entscheidungen (Apg 10,44–48; 11,15–18; 15,8). Er wacht aber auch als richtende Instanz über die Ordnung der Gemeinde, und wer ihn belügt, der belügt Gott (Apg 5,1–11). Dieser vom Geist bestimmte Weg mündet in das Auftreten des Paulus, als Protagonist der Heidenmission die zentrale Gestalt der Apostelgeschichte: Schon nach seiner Bekehrung vom Heiligen Geist erfüllt und geheilt (Apg 9,18–19), wird er auf Weisung des 69 Vgl. H. Conzelmann: Grundriß der Theologie des Neuen Testaments, Tübingen 19976, 161. 70  Allerdings kann der Geist auch vor der Taufe kommen und diese nach sich ziehen; vgl. dazu F. Avemarie: Die Tauferzählungen der Apostelgeschichte. Theologie und Geschichte, Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 139, Tübingen 2002.



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Geistes mit Barnabas ausgesandt (Apg 13,2.4) und tritt daraufhin auf in der Kraft des Geistes (Apg 13,9). Besonderen Wert legt Lukas auf die außerordentlichen Manifestationen des Geistes, wie sie schon im pfingstlichen Sprachenwunder sichtbar werden, weil hier die göttliche Ermächtigung sinnfällig wahrnehmbar wird. Allerdings wird nur bei Jesus ein direkter Zusammenhang zwischen seinen Wundern und seiner „Salbung“ durch Gottes Geist hergestellt (Lk 4,14–18; Apg 10,38), während die Machttaten der Jünger im Namen Jesu geschehen.71 Das dürfte damit zusammenhängen, dass der Geist, sobald das Frühchristentum den Bereich des Judentums verlassen hatte, der Gefahr eines magischen Missverständnisses ausgesetzt war, das ihn als eine Art Zauberkraft verstand.72 Deshalb unterstreicht Lukas (wie schon Paulus; vgl. 1 Kor 12,1–5) den Zusammenhang von Christologie und Pneumatologie. Der Geist verbindet also die Gemeinde mit Christus, er begründet ihren Zusammenhalt im Inneren und leitet ihren Weg hin zur weltumspannenden Kirche. Zugleich bindet er sie zurück an die Heilsgeschichte des Alten Bundes: Immer wieder wird betont, dass das jetzt in der christlichen Gemeinde sich vollziehende Geschehen die Erfüllung dessen ist, was der Geist schon durch alttestamentliche Gottesmänner wie David (Apg 1,16; 4,25) oder Propheten wie Joel (Apg 2,16) und Jesaja (Apg 28,25) ge71  Vgl. Apg 3,6.16; 4,7.10; 16,18; 19,13. 72  Das zeigt das Ansinnen des Simon Magus, die Gabe der Geistverleihung zu kaufen (Apg 8,18–23), aber auch die Auseinandersetzung des „von Heiligem Geist erfüllten Paulus“ mit dem Magier Barjesus alias Elymas (Apg 13,4–12) oder der Versuch der sieben Söhne des Hohepriesters Skevas, unter Verwendung des Namens Jesu unreine Geister zu bezwingen (Apg 19,13–16; vgl. weiter 16,16–17), bezeugen in paganer Perspektive die Nähe des Geistes zur Magie.

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weissagt hat. Der Geist ist so die „driving force behind the narrative’s movement from Jerusalem to Rome“,73 bleibt aber auch nach der Erhöhung Christi in kommentierenden Worten und Reden eingebunden in das Verhältnis von Vater und Sohn, wie bereits in dem letzten Wort angedeutet wird, mit dem sich der Auferstandene im Evangelium von seinen Jüngern verabschiedet: καὶ [ἰδοὺ] ἐγὼ ἀποστέλλω τὴν ἐπαγγελίαν τοῦ πατρός μου ἐφ’ ὑμᾶς· ὑμεῖς δὲ καθίσατε ἐν τῇ πόλει ἕως οὗ ἐνδύσησθε ἐξ ὕψους δύναμιν. (Lk 24,49)

Und siehe, ich sende die Verheißung meines Vaters auf euch. Ihr aber bleibt in der Stadt, bis ihr überkleidet werdet mit Kraft aus der Höhe.

Diese Verheißung wird am Beginn der Apostelgeschichte wiederholt, wobei die „Kraft aus der Höhe“ nun mit dem Geist identifiziert und im Rückblick auf die Ankündigung des Täufers, dass der nach ihm kommende Stärkere „mit Heiligem Geist und Feuer taufen wird“ (Lk 3,16), auf das Pfingstereignis bezogen wird:74 ὅτι Ἰωάννης μὲν ἐβάπτισεν ὕδατι, ὑμεῖς δὲ ἐν πνεύματι βαπτισθήσεσθε ἁγίῳ οὐ μετὰ πολλὰς ταύτας ἡμέρας. (Apg 1,5)

Denn Johannes taufte mit Wasser, ihr aber werdet mit Heiligem Geist getauft werden nach nicht vielen Tagen.

73  So das Resümee von Craig Keener in seinem großen Kommentar (C. S. Keener: Acts. An Exegetical Commentary. Volume 1. Introduction and 1:1–2:47, Grand Rapids 2012, 662). 74  Dort wird das Kommen des Geistes durch Feuerzungen sichtbar (Apg 2,3–4). Dieser Rückbezug des Pfingstereignisses auf die Täuferankündigung wird in Apg 11,16 von Petrus wiederholt.



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Es sind nicht die Jünger, die aktiv werden und eine Kirche gründen, es ist der Geist, der sie in das Verhältnis von Vater und Sohn einbezieht und so in der neuen Gemeinschaft die biblische Heilsgeschichte fortsetzt. In diesem Sinne verbindet das letzte Wort des Auferstandenen die Verheißung einer himmlischen Kraft in Lk 24,49 mit der Geisttaufe von Apg 1,5 zur Zusage der „Kraft des auf euch kommenden Geistes“ und begründet damit das Missionsprogramm der Apostelgeschichte: ἀλλὰ λήμψεσθε δύναμιν ἐπελθόντος τοῦ ἁγίου πνεύματος ἐφ’ ὑμᾶς καὶ ἔσεσθέ μου μάρτυρες ἔν τε Ἰερουσαλὴμ καὶ [ἐν] πάσῃ τῇ Ἰουδαίᾳ καὶ Σαμαρείᾳ καὶ ἕως ἐσχάτου τῆς γῆς. (Apg 1,8)

Ihr werdet empfangen die Kraft des Heiligen Geistes, wenn er auf euch kommt, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samaria und bis an das Ende der Welt.

Die drei Worte ergänzen einander: Das Abschiedswort im Evangelium macht deutlich, dass die Jünger nach Jesu Himmelfahrt nicht allein bleiben, sondern mit himmlischer Macht ausgerüstet werden. Zugleich verortet es durch die Kategorie der Verheißung diesen Neuaufbruch in der Heilsgeschichte des Gottesvolkes. Der Rückbezug auf den Täufer am Beginn der Apostelgeschichte (Apg 1,5) identifiziert die verheißene Kraft aus der Höhe mit dem Heiligen Geist, dessen ermächtigender Charakter in Apg 1,8 noch einmal unterstrichen wird. Wiederum ist es Petrus, der bei der Kommentierung des Pfingstgeschehens die Entstehung der Kirche aus einer triadischen Interaktion von Vater, Sohn und Geist ableitet:

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τῇ δεξιᾷ οὖν τοῦ θεοῦ ὑψωθείς, τήν τε ἐπαγγελίαν τοῦ πνεύματος τοῦ ἁγίου λαβὼν παρὰ τοῦ πατρός, ἐξέχεεν τοῦτο ὃ ὑμεῖς [καὶ] βλέπετε καὶ ἀκούετε. (Apg 2,33)

Da er nun durch die rechte Hand Gottes erhöht ist und empfangen hat den verheißenen Heiligen Geist vom Vater, hat er diesen ausgegossen, wie ihr seht und hört.

Ist der Geist hier noch eine Macht, durch die Vater und Sohn agieren, so wird er im Verlauf der Apostelgeschichte immer mehr zum eigenständigen Akteur. Erstmals spricht er in Apg 8,29 wie eine Person zu Philippus und gibt ihm eine Weisung,75 die letztlich zur Taufe des äthiopischen Eunuchen führt, vermutlich eines Gottesfürchtigen, und sein Wirken beschließt auch die Szene, indem er Philippus nach Aschdod entrückt (Apg 8,39–40). In Apg 10,19 gibt der Geist, der im folgenden Vers sogar dezidiert „ich“ sagt (Apg 10,20b), Petrus einen Auftrag, welcher zuletzt in die Taufe der Heiden mündet, weil derselbe Geist dann auf diese „fällt“ (Apg 10,44–47; vgl. 11,12–17). In Apg 13,2 befiehlt der Geist die Aussonderung von Paulus und Barnabas zur Heidenmission (13,4). Wenn er in Apg 16,6–7 die Missionare daran hindert, das Wort in der Provinz Asia zu verkündigen und nach Bithynien zu reisen, und so ihre Schritte nach Europa lenkt, befördert er die vom Auferstandenen befohlene Mission „bis an das Ende der Erde“ (Apg 1,8). Diese Mission unter den nichtjüdischen Völkern hat wiederum die Passion des Paulus zur Folge, bei der ebenfalls der Geist seine Hand im 75  Damit übernimmt der Geist den Part des „Engels des Herrn“, der zunächst in Apg 8,26 als himmlischer Akteur eingeführt worden war.



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Spiel hat: In seiner Abschiedsrede in Ephesus bezeichnet sich Paulus vor den Ältesten als zu der Fahrt nach Jerusalem „durch den Geist gebunden“, als deren Konsequenz ihm dieser Geist Gefangenschaft und Leiden ankündigt (Apg 20,22–23). Das wird in Apg 21,11 nochmals aus dem Mund des Propheten Agabus bestätigt, der seine Ankündigung der Verhaftung und Auslieferung des Paulus mit den Worten einleitet: „Dies spricht der Heilige Geist“. Dass der Geist gerade dort zu einem eigenen Akteur wird, wo es in der Heidenmission um das Überschreiten der vom biblischen Gott gesetzten und für das zeitgenössische Judentum schlechthin essenziellen Grenze geht, ist schwerlich Zufall: Lukas unterstreicht so, dass nicht Menschen diesen Schritt vollzogen haben, sondern dass Gott selbst durch seinen Geist den Weg in die Völkerwelt eröffnet hat. Das wird vom lukanischen Petrus in seinem letzten Wort noch einmal betont: καὶ ὁ καρδιογνώστης θεὸς ἐμαρτύρησεν αὐτοῖς δοὺς τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον καθὼς καὶ ἡμῖν καὶ οὐθὲν διέκρινεν μεταξὺ ἡμῶν τε καὶ αὐτῶν τῇ πίστει καθαρίσας τὰς καρδίας αὐτῶν. (Apg 15,8–9; vgl. 11,17)76

Und der Herzenskenner Gott hat es bezeugt, als er ihnen wie auch uns den Heiligen Geist gab und in nichts unterschieden hat zwischen uns und ihnen, indem er ihre Herzen durch den Glauben reinigte.

So ist es auch der Heilige Geist, der bei Lukas – anders als bei Paulus – beim Apostelkonvent zusammen mit der 76  Es ist also nun der Geist, der über die Zugehörigkeit zum Gottesvolk entscheidet, „weil sich über die auf der Geisttaufe Jesu beruhende Geistbegabung das Gottesvolk neu definiert“ (Gunkel: Geist, 264).

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Jerusalemer Gemeinde die Entscheidung für die Heidenmission trifft (Apg 15,28). Entsprechend wird auch das Pendant dazu, die Verstockungsaussage von Jes 6,9–10 gegenüber den Juden Roms am Ende der Apostelgeschichte, mit der Paulus nun aus der Schrift die Heidenmission begründet, explizit auf den Heiligen Geist zurückgeführt, der „durch den Propheten Jesaja zu unseren Vätern gesprochen hat“ (Apg 28,25). Durch den Geist wird so die Geschichte Jesu mit der Geschichte der Kirche wie mit der Geschichte des Gottesvolkes verbunden und damit als Heilsgeschichte qualifiziert.77 Allerdings hat sich das Interaktionsgefüge verändert: War im Evangelium Jesus derjenige, der vom Vater den Geist erhielt und mit diesem erfüllt auftrat und wirkte, so empfängt er in der Apostelgeschichte diesen erneut vom Vater, aber als der Erhöhte wird er zum Spender des Geistes, der nun in den Menschen wirkt und bei der Durchsetzung der Heidenmission auch zum eigenständig Handelnden wird. Wir haben es also in beiden Büchern mit einer göttlichen Triade zu tun, deren Mitglieder in jeweils spezifischer Weise interagieren und agieren: 1.  Gott tritt schon im Evangelium nur bei Jesu Taufe und seiner Verklärung unmittelbar in Erscheinung, die Lukas aus der Tradition übernommen hat. Ansonsten ist er derjenige, dessen Willen und Planen hinter dem Weg Jesu steht. In der Apostelgeschichte greift er gar nicht mehr direkt ein,78 wohl aber wird er in den Reden, die durchweg theozentrisch argumentieren, als die Macht bekannt und verkündigt, die nicht nur die 77  Gunkel: Geist, 267. 78  Allenfalls könnte man das Erdbeben in Apg 16,26 so verstehen (zumal als Reaktion auf das Gotteslob Apg 16,25), aber Gott wird auch hier bezeichnenderweise nicht explizit genannt.



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Welt geschaffen hat und erhält, sondern auch den Weg der Kirche lenkt. 2.  Jesus, im Evangelium der Protagonist auf der Handlungsebene, bleibt in der Apostelgeschichte als der Erhöhte präsent, sodass einige Ausleger wie Kingsley Barrett und Petr Pokorný in ihm auch dort den eigentlichen Hauptakteur sahen.79 Nun haben wir es in der Tat im Doppelwerk mit dem in der antiken Literatur wohl einzigartigen Fall zu tun, dass in zwei Büchern derselbe Akteur in zwei unterschiedlichen Seinsweisen auftritt: im ersten als Mensch, im zweiten als himmlisches Wesen. Dabei ist aus dem Verkündiger der als „Retter“ und „Urheber/​Fürst des Lebens“ Verkündigte geworden (Apg 3,15; 5,31; 13,23), in dessen Namen Heil zugesprochen und Krankheiten geheilt werden; aus dem Träger des Geistes dessen Spender, was in biblischer Tradition bislang Gott vorbehalten war.80 Außer bei der (von der Tradition vorgegebenen) Berufung des Paulus wird er aber nicht mehr unmittelbar aktiv, sondern tut durch Visionen und Träume den göttlichen Willen kund bzw. ver79 So konstatiert Barrett in seinem Kommentar zur Apostelgeschichte: „Acts is an account of the works of Jesus the Messiah“ (C. K. Barrett: A Critical and Exegetical Commentary on the Acts of the Apostles. Volume 2. Introduction and Commentary on Acts XV–XXVIII, International Critical Commentary, London/​New York 2006 [ed. 2004, reprinted], LXXXV). Noch pointierter formulieren Petr Pokorný und Ulrich Heckel: „Jesus, nicht Paulus, ist der Haupt‑ akteur“ (P. Pokorný/​U.  Heckel: Einleitung in das Neue Testament. Seine Literatur und Theologie im Überblick, Tübingen 2007, 484). 80  Eine gewisse Ausnahme könnte man vielleicht in Philons Deutung von Num 11,17 in Gig. 24–27 sehen, der zufolge Mose den 70 Ältesten an seinem „allweisen Geist“ Anteil gibt (siehe oben S. 118).

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sichert, dass dieser geschieht.81 Aufs Ganze gesehen aber übergibt er das Heft des Handelns dem von ihm gesandten Geist. 3.  Der Geist greift in der Apostelgeschichte am unmittelbarsten in das Geschehen ein. Als die den Nachfolgenden verliehene Kraft aus der Höhe ist er seit Pfingsten die Triebkraft hinter der Mission und wird bei der Mission unter den Völkern seit Apg 8 als eigener Akteur tätig. Deshalb hatte schon Johann Albrecht Bengel festgestellt, dass Lukas in der Apostelgeschichte „weniger die Taten der Apostel denn die des Geistes beschreibe“,82 und auch moderne Ausleger wie Joseph Fitzmyer83 und Craig Keener84 sehen in ihm die die Heilsgeschichte vorantreibende Kraft. Allerdings handelt er nicht für sich, sondern erfüllt als Gesandter des Sohnes den Willen Gottvaters, sodass man auf die Frage nach dem Protagonisten des Doppelwerks eine triadisch ausdifferenzierte Antwort geben muss.

81  Neben der Berufung vgl. weiter Apg 10,10–16; 11,5–10; 18,9– 10; vgl. ferner in der Passion des Paulus 22,18.21; 23,11. 82  J. A. Bengel: Gnomon Novi Testamenti. Editio Tertia, London 1862, 389: non tam apostolorum, quam Spiritus sancti Acta de­ scribens. 83  Nach Fitzmyer wird er zum „dynamo of the Lucan story in Acts“ (J. A. Fitzmyer: The Acts of the Apostles. A New Translation with Introduction and Commentary, The Anchor Yale Bible 31, New York u. a. 1998, 200). 84  Keener: Acts, 662 (siehe oben).



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4.  Verheißung des Lebens und Gegenwart der Liebe – Johannes Während Lukas das Wirken des Geistes bei Jesus und in der Kirche auf zwei Zeiträume und Bücher aufteilt, verbindet der uns unter dem Namen Johannes vertraute Verfasser des vierten Evangeliums beides in einer einzigen Schrift, „indem er die Erinnerung an den Irdischen konsequent aus der Perspektive des Erhöhten gestaltet“85 und sie dadurch mit seiner eigenen Gegenwart verbindet. Dabei ist sein Evangelium von einer gegenläufigen Bewegung bestimmt: Schildert der erste Hauptteil die Offenbarung des Menschgewordenen vor der Welt (Joh 1,19–12,50), so der zweite dessen Hingang zum Vater (Joh 13,1–20,31). In beiden Teilen kommt der Geist (im Verhältnis zu ihrer Länge) etwa gleich oft vor: πνεῦμα 17‑mal im ersten Teil und siebenmal im zweiten, bei dem noch viermal der Paraklet dazukommt, sodass der Geist insgesamt 28-mal genannt wird. Das Evangelium wird durch den Prolog Joh 1,1–18 eröffnet, der Jesus mit dem Logos identifiziert, der bereits im Uranfang bei Gott war und „Fleisch“ wurde. Aber es begnügt sich nicht mit einem Auftakt vor aller Zeit, sondern lässt Jesu Wirken in der Zeit in Joh 1,19 ff. mit Johannes beginnen, der hier allerdings nicht als Täufer 85 U. Schnelle: Theologie als kreative Sinnbildung. Johannes als Weiterbildung von Paulus und Markus. In: T. Söding (Hg.): Johannesevangelium – Mitte oder Rand des Kanons? Neue Standortbestimmungen, Quaestiones disputatae 203, Freiburg im Breisgau u. a. 2003, 119–145, 145; vgl. U. Schnelle: Johannes als Geisttheologe. In: Novum Testamentum 40 (1998), 17–31, 30: „Der durch den Geist gewährte nachösterliche Rückblick ist für Johannes gleichermaßen theologisches Programm und Erzählperspektive“.

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auftritt. Vielmehr bestätigt er als der im Prolog angekündigte „Zeuge“ (Joh 1,6–8.15), dass er den Geist „wie eine Taube“ auf Jesus kommen und auf ihm bleiben sah und dass Gott dieses Geschehen durch die Ankündigung kommentierte, dass Jesus mit Heiligem Geist taufen werde (Joh 1,32–33). Hier ist es also nicht Johannes, der die Geisttaufe ankündigt, sondern Gott, während im Gegenzug nicht Gott, sondern Johannes Jesus als Gottes Sohn bezeugt (Joh 1,34). Michael Theobald sieht hier ein „Eröffnungsdiptychon“ mit zwei ineinander verzahnten „Tafeln“, deren erste eine Inkarnationschristologie, deren zweite eine Taufchristologie darbiete (Joh 1,1–18/19– 51).86 Auch wenn man dieser Deutung, die mit einer Reihe von Voraussetzungen bezüglich der ursprünglichen Gestalt des Prologs und der Gegner des Johannesevangeliums verbunden ist, zurückhaltend gegenübersteht, so hat Theobald doch gezeigt, dass diese beiden Aspekte zusammen von Anfang an die johanneische Christologie bestimmen: Bindet die Inkarnationschristologie Jesus direkt an Gott zurück und legt so den Grund für die das gesamte Evangelium bestimmende Einheit von Vater und Sohn, so steht bei der Taufchristologie nicht mehr Jesu Gottesbezug im Zentrum,87 sondern die mit dem Geist verbundene Vermittlung des Heils durch den Menschgewordenen. Das wird erstmals im Nachtgespräch mit Nikodemus thematisiert, wo Jesus die Wiedergeburt bzw. die Geburt von oben als Bedingung dafür nennt, „die Herrschaft 86  M. Theobald: Die Fleischwerdung des Logos. Studien zum Verhältnis des Johannesprologs zum Corpus des Evangeliums und zu 1 Joh, Neutestamentliche Abhandlungen. Neue Folge 20, Münster 1988, 164–295, besonders 295. 87  Dass Jesus selbst Geistträger ist, ist freilich auch bei Johannes vorausgesetzt; vgl. Joh 1,32; 3,34.



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Gottes zu sehen“ (Joh 3,3). Seine Erläuterung, dass damit eine Geburt aus „Wasser und Geist“ (Joh 3,5) gemeint sei, spielt auf die Taufe an, deren Heilsbedeutung in der vom Geist gewirkten Neukonstitution des Selbst besteht: τὸ γεγεννημένον ἐκ τῆς σαρκὸς σάρξ ἐστιν, καὶ τὸ γεγεννημένον ἐκ τοῦ πνεύματος πνεῦμά ἐστιν. (Joh 3,6)

Was aus dem Fleisch geboren ist, ist Fleisch; und was aus dem Geist geboren ist, ist Geist.

Die Entgegensetzung von Geist und Fleisch hat für die johanneische Soteriologie „axiomatische Bedeutung“,88 insofern der fleischliche Mensch nicht „zum Reich Gottes voranschreiten“ kann.89 Neu werden kann er nur durch Gottes Geist, der ihn ergreift und sein Dasein grund­stürzend verwandelt. Mit einem Bildwort, das mit der Doppelbedeutung von πνεῦμα als Wind und Geist spielt, macht der johanneische Jesus deutlich, dass dieser Geist von den ‚Geistgeborenen‘ als unfassbare und doch wirkmächtige Kraft ihrer Verwandlung wahrnehmbar ­ ist: τὸ πνεῦμα ὅπου θέλει πνεῖ καὶ τὴν φωνὴν αὐτοῦ ἀκούεις, ἀλλ’ οὐκ οἶδας πόθεν ἔρχεται καὶ ποῦ ὑπάγει·

Der Wind (πνεῦμα) bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt.

88  Vgl. M. Theobald: Das Evangelium nach Johannes. Kapitel 1–12, Regensburger Neues Testament, Regensburg 2009, 252. 89  Vgl. C. K. Barrett: Das Evangelium nach Johannes, Kritischexegetischer Kommentar über das Neue Testament. Sonderband, Göttingen 1990, 228.

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οὕτως ἐστὶν πᾶς ὁ γεγεννημένος ἐκ τοῦ πνεύματος. (Joh 3,8)

So ist ein jeder, der aus dem Geist (πνεῦμα) geboren ist.

Die damit verbundene Verheißung ewigen Lebens (Joh 3,15–16.36)90 wird im folgenden Kapitel wieder aufgegriffen in dem Bild des Wassers, das Jesus gibt und das im Menschen zur „Quelle sprudelnden Wassers ins ewige Leben“ wird (Joh 4,14). In dem deutenden Gespräch findet sich der Spitzensatz „Geist (ist) der Gott“ (Joh 4,24). Man kann das stoisch verstehen, wie schon die Kritik des Kelsos zeigt (apud Orig. C. Cels. VI,71). Doch selbst wenn der Evangelist in seiner Formulierung stoisch beeinflusst sein sollte,91 so ist die Pointe der Identifikation von Gott und Geist bei ihm keine kosmologische wie in der Stoa, sondern eine soteriologische. Entsprechend erläutert Jesus seine Aussage mit den Worten, dass „der Vater diejenigen sucht, die ihn anbeten“, und zwar „im Geist und in der Wahrheit“ (Joh 4,23–24). Wie schon in Joh 3 ist der Geist hier „die Gestalt des Eingreifens Gottes in der Welt, um seinen Geschöpfen das authentische Leben zu schenken“.92 Die in Joh 1,33 angekündigte Vermittlung des Geistes durch Jesus wurde in den ersten beiden Szenen nur im 90  Vgl. J. Zumstein: Das Johannesevangelium, Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament 2, Göttingen 2016, 279: Der Geist ist „die Ermöglichungsbedingung des Glaubens und aus joh Sicht also des Lebens“. 91  So versteht es etwa T. Engberg-Pedersen: John and Philos­ ophy. A New Reading of the Fourth Gospel, Oxford/​New York 2017; speziell zur johanneischen Pneumatologie vgl. G. Buch-Hansen: „It is the Spirit that Gives Life“. A Stoic Understanding of Pneuma in John’s Gospel, Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 173, Berlin/​New York 2010. 92  Zumstein: Johannesevangelium, 140.



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Kontext angedeutet (vgl. Joh 3,13–21.34–36; 4,25–26.42). Das ändert sich in Joh 6, wo nun unter Anspielung auf das ‚zweite Sakrament‘, das Herrenmahl, das Heil ewigen Lebens mit der Metapher des Lebensbrotes zum Ausdruck gebracht wird, mit dem sich Jesus in drei „Ich-binWorten“ identifiziert (Joh 6,41.48.51). Als die Jünger am scheinbaren Kannibalismus Anstoß nehmen, dass das Leben durch das Essen von Jesu Fleisch und das Trinken seines Blutes empfangen wird, macht der Evangelist deutlich, dass die Deutung der Aussage auf Jesu reales Fleisch und Blut hin den Sinn seiner Worte verfehlt; denn Fleisch als Repräsentant der irdischen Wirklichkeit „birgt keine Kräfte, die den Tod überwinden könnten“.93 Es ist das Fleisch des vom Himmel gekommenen und wieder dorthin zurückkehrenden Menschensohns (Joh 6,62), das durch dessen Hingabe zum Sakrament geworden ist und nun als „Gefäß des Geistes und Mundstück des Wortes Gottes“94 Leben zu gewähren vermag: τὸ πνεῦμά ἐστιν τὸ ζῳοποιοῦν, ἡ σὰρξ οὐκ ὠφελεῖ οὐδέν· τὰ ῥήματα ἃ ἐγὼ λελάληκα ὑμῖν πνεῦμά ἐστιν καὶ ζωή ἐστιν. (Joh 6,63)

Der Geist ist das, was Leben hervorbringt, das Fleisch nützt überhaupt nichts.95 Die Worte, die ich euch gesagt habe, sind Geist und sind Leben.

Die Vermittlung des Lebens durch den von Jesus ausgehenden Geist ist auch Thema eines weiteren Wor93  Theobald: Johannes, 492; vgl. Zumstein: Johannesevangelium, 279. 94  Barrett: Johannes, 312. 95  Die hier verwendete doppelte Negation hebt im Griechischen die Verneinung nicht auf, sondern verstärkt sie.

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tes, das Jesus in Jerusalem beim Laubhüttenfest spricht. Jesus lädt dort ein, bei ihm den Durst zu stillen, weil für jeden, der an ihn glaubt, „aus seinem [= Jesu]96 Inneren Ströme lebendigen Wassers hervorfließen werden“ (Joh 7,37–38).97 Das wird wieder auf den Geist gedeutet, den die Jünger von ihm empfangen sollen (Joh 7,39; vgl. 20,22), und zwar nach seiner „Verherrlichung“, das heißt nach der Vollendung seines Heilswerks und der Rückkehr zum Vater. Damit klingt erstmals an, was in den Abschiedsreden entfaltet wird: Der Geist vertritt Jesus nach seinem Hingang zum Vater. Ging es im ersten Hauptteil um das (ewige) Leben, das der Menschgewordene durch den Geist vermittelt (Joh 6,63; 7,38–39; vgl. 4,10–24), so in den Abschiedsreden um den Geist, der den Erhöhten vergegenwärtigt.98 Die unterschiedliche Funktion des Geistes spiegelt sich auch in der Terminologie: Hieß er im ersten Teil einfach πνεῦμα,99 so wird er nun als „Heiliger Geist“ (Joh 14,26; 20,22) und „Geist der Wahrheit“ (Joh 14,17; 15,26; 16,13) näher bestimmt bzw. das Neutrum πνεῦμα durch das Maskulinum παράκλητος100 er96 Diese christologische Deutung des Verses wird ausführlich begründet von Theobald: Johannes, 537–539. 97  Wohl eine Anspielung auf den Lanzenstich Joh 19,33–34. 98 Vgl. C. Hoegen-Rohls: Der nachösterliche Johannes. Die Abschiedsreden als hermeneutischer Schlüssel zum vierten Evangelium, Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament II,84, Tübingen 1996; ähnlich A. Dettwiler: La pneumatologie de l’Évangile de Jean. Un essai de synthèse, Études théologiques et religieuses 92/2 (2017), 353–377, 360: „clef herméneutique“. 99  Die einzige Ausnahme ist Joh 1,33, wo angekündigt wird, dass Jesus mit Heiligem Geist taufen werde. 100  Das verselbstständigte Verbaladjektiv παράκλητος bezeichnet den Rechtsbeistand („der Herbeigerufene“, lat. advocatus), im weiteren Sinne den Helfer und Fürsprecher, wobei die Bedeutungs-



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gänzt und zum Teil ersetzt (Joh 14,16.26; 15,26; 16,7). Dadurch wird er als eigene Größe profiliert, deren Personalität in seiner Bindung an Jesus gründet. Diese Bindung wird gleich in dem ersten Parakletwort programmatisch deutlich gemacht durch die Rede vom „anderen παράκλητος“, den der Vater aufgrund der Bitte des Sohnes senden wird101 und der Jesu Amt fortsetzt, indem er „bis in Ewigkeit mit euch ist“ (Joh 14,16). In Vers 17 wird dieser Paraklet dann mit dem „Geist der Wahrheit“ identifiziert,102 der „bei euch bleibt“ (als Gemeinde) und „in euch sein wird“ (als Glaubenden). In Verbindung mit dem Ich-bin-Wort, mit dem Jesus wenige Verse zuvor sich selbst als den Weg und die Wahrheit und das Leben bezeichnet hat (Joh 14,6), ist das Syntagma „Geist der Wahrheit“ so zu verstehen, dass der Geist „die Begegnung mit Jesus Christus [gewährt], der die Wahrheit ist“.103 Was mit dieser Wahrheit gemeint ist, deutete schon der Prolog an, wenn er die Herrlichkeit „des Einziggeborenen vom Vater voller Gnade und Wahrheit“ in der Menschwerdung sieht (Joh 1,14), deren Konsequenz die aus Liebe erfolgte Selbsthingabe des Sohnes ist, wie Johannes wiederholt unterstreicht (Joh 14,30–31; 15,13; vgl. 10,11–18). Der unmittelbare Zusammenhang der Parakletworte präzisiert das: Die Perikope mit der ersten Erwähnung beginnt mit dem Wort Jesu, dass, wer ihn liebt, seine Gebote bewahrt (Joh 14,15), und sie schließt damit, erweiterung des Verbs παρακαλεῖν in der biblischen Überlieferung zu „trösten“ und „mahnen“ den Assoziationshorizont mitbestimmt. 101  Das Johannesevangelium kann sowohl sagen, dass der Geist vom Vater (14,16; vgl. 14,26) wie vom Sohn (15,26; 16,7) gesandt wird. 102  Vgl. weiter Joh 15,26; 16,13. 103  Schnelle: Johannes als Geisttheologe, 19.

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dass sie das Verhältnis von Jesus, Gott und den Glaubenden als gegenseitige Einwohnung in der Liebe beschreibt (Joh 14,20–21). War im ersten Teil des Evangeliums der Geist vor allem mit der Verheißung (ewigen) Lebens (ζωή/ ζῆν) verbunden, so dominiert in den Abschiedsreden das Wortfeld Liebe (ἀγάπη/ἀγαπᾶν), eine Liebe, die von Gott kommend in Christus Gestalt gewinnt und die Wirklichkeit der christlichen Gemeinde bestimmt. Durch die erneute Betonung, dass sich die Liebe der Jünger im Halten seiner Gebote äußert und von Vater und Sohn erwidert wird (Joh 14,21), werden Zuspruch und Anspruch verschränkt. Die Aufgabe des im Folgenden explizit mit dem Heiligen Geist identifizierten Parakleten (Joh 14,26) besteht hier darin, dass er die Jünger „alles lehrt und sie an alles erinnert, was ich euch gesagt habe“ (Joh 14,26). Inhaltlich zielt diese „vergegenwärtigende Anamnese“104 auf Empfang und Weitergabe der Liebe, wie die folgenden Verse weiter ausführen. Der zweite Teil der Abschiedsrede Joh 15–16 wird heute oft als interpretierende relecture der ersten Rede gedeutet.105 An ihrem Beginn wird die in der Einheit mit Jesus (Joh 15,1–8) gründende Liebe als Differenzkriterium der Jüngergemeinde (Joh 15,9–17) der Ablehnung und dem Hass der Welt entgegengesetzt, die den Vater nicht kennt, der Christus gesandt hat (Joh 15,18–25). Auch in dieser Situation vergegenwärtigt der Paraklet den 104  Zumstein: Johannesevangelium, 546. 105  Diese These von A. Dettwiler: Die Gegenwart des Erhöhten. Eine exegetische Studie zu den johanneischen Abschiedsreden (Joh 13,31–16,33) unter besonderer Berücksichtigung ihres Relecture-Charakters, Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 169, Göttingen 1995, wird heute vielfach übernommen; vgl. Zumstein: Johannesevangelium, 553–556.



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Erhöhten. Als „Geist der Wahrheit“ ermöglicht er dessen Nachfolgern, von ihm, mit dem sie „von Anfang an“ verbunden sind, vor der Welt Zeugnis abzulegen (Joh 15,27). Diesmal sendet Jesus „den Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht“ (Joh 15,26). Auf dem Hintergrund des gesamten Kapitels, welches die durch Jesu Liebe begründete Gemeinschaft der Nachfolgenden106 mit dem Hass der Welt kontrastiert, ist diese abschließende Bezeugung Jesu durch den „Geist der Wahrheit“ erneut als Bestätigung der Liebe zu verstehen, welche in Gott ihren Ursprung hat (Joh 15,9; vgl. 14,21; 16,27), sich in Jesu Lebenshingabe offenbart (Joh 15,13–16; vgl. 3,16) und von der seinem Gebot gehorsamen Gemeinde empfangen (Joh 15,9.13– 16) und weitergetragen wird (Joh 15,10.12.17). Die Thematik des Gegensatzes zur Welt wird im folgenden Kapitel fortgeführt, wo der bis zur Ermordung der Jünger reichende Hass der Welt gegen die Jüngergemeinschaft und deren Ethos der Liebe erneut auf die Verblendung zurückgeführt wird, dass die Verfolger dadurch Gott zu dienen glauben, weil sie ihn als den (sich in Jesus offenbarenden) Vater nicht kennen (Joh 16,2–3). Wieder ist von Jesu Hingang zum Vater die Rede, nun als Bedingung für das Kommen des Parakleten. Dessen Wirken ist ein doppeltes: Zum einen wird er „den Kosmos überführen im Blick auf die Sünde und die Gerechtigkeit und das Gericht“ (Joh 16,8), was dann spezifiziert wird: Die Sünde besteht darin, dass die Menschen nicht an Jesus glauben, die Gerechtigkeit ist die in Tod und Erhöhung sich manifestierende „Rechtfertigung“ Jesu durch Gott vor der Welt,107 die wiederum das Gericht über den 106 Vgl. Dettwiler: La pneumatologie, 369: „[…] la communau‑ té des disciples, leur éthos de l’amour […]“. 107  Zumstein: Johannesevangelium, 599.

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„Herrscher dieses Kosmos“ zur Folge hat (Joh 16,9–11; vgl. 12,31). Wie in der Sapientia hat der (personalisierte) Geist hier anklagende und richtende Funktion: Als „Geist der Wahrheit“ schreitet er „gegenüber der Welt zum Angriff “.108 Zum andern führt er die Glaubenden auf dem „Weg der Wahrheit“, indem er Jesus als den verherrlicht, der alles mit dem Vater gemeinsam hat (Joh 16,13–15; vgl. 17,10), gipfelnd in der Aussage Joh 16,27, dass das Dasein der Jünger in der zuvorkommenden Liebe Gottes gründet, die dem Verhältnis von Vater und Sohn entspringt und durch die sie mit dem Vater und dem Sohn „einen einzigartigen Kreis der Liebe bilden“.109 Begann das vierte Evangelium mit der Ankündigung Gottes, dass Jesus mit Geist taufen werde (Joh 1,32–33), so endet es mit der Übergabe des Geistes an die Jünger durch den Auferstandenen. Sind bei Lukas Ostern und Pfingsten zeitlich getrennt, so findet bei Johannes Pfingsten bereits am Ostertag statt,110 wenn der Auferstandene seinen Jüngern in einem Akt der (Neu-)Schöpfung den Geist einhaucht (vgl. Gen 2,7) und sie dadurch mit der Vollmacht der Sündenvergebung ausstattet (Joh 20,22– 23). Wenn dabei nicht vom Leben die Rede ist, das der Geist vermittelt, obgleich die Verbindung von Geist und Leben ebenso den ersten Teil des Evangeliums bestimmt wie Gen 2,7 und dessen Rezeption in der späteren Überlieferung,111 so dürfte der Grund in der strikten christologischen Bestimmtheit des Geistes zu suchen sein: Die Jünger werden durch den Geist nur ermächtigt, durch 108  Barrett: Johannes, 473. 109  Barrett: Johannes, 481. 110  Horn: Angeld, 81; vgl. Frey: Windbrausen, 128, Anm. 23. 111  Vgl. Ez 37,9; SapSal 15,11; Phil. Al. Opif. 135; 1 Kor 15,45. Darauf hat mich R. Hirsch-Luipold aufmerksam gemacht.



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Sündenvergebung Zugang zu Jesus zu ermöglichen, dem allein es vom Vater gegeben wurde, in sich das Leben zu haben (Joh 5,26), und der deshalb allein dieses anderen weiterzugeben vermag.112 Die Kirche ist selbst kein Chris‑ tus prolongatus, sondern vermag nur den zu bezeugen, der das Leben ist (Joh 11,25; 14,6). In summa: 1.  Der Geist hat bei Johannes nichts mit auffälligen Phänomenen wie Ekstase und Wundern zu tun. Als „Kraft des im Wort sich selbst bezeugenden Christus“113 ist sein Wirken ganz auf diese worthafte Funktion konzentriert. 2.  Die bereits bei Paulus und Lukas zu beobachtende Personalisierung des Geistes gipfelt im Parakleten der Abschiedsreden, durch den der Erhöhte in der Gemeinde als der „göttliche Schöpfer und Erhalter ihres Glaubens“114 gegenwärtig wird. 3.  Dabei wird er nicht zum Selbst der Glaubenden, sondern bleibt Gegenüber, das sie untereinander eint, „dem Sein Gottes als Wirklichkeit der Liebe entsprechend“.115 Dem korrespondiert die Abgrenzung vom Hass der Welt (Joh 15,18–25). 4.  Als „Geist der Wahrheit“ ermöglicht der Paraklet das Zeugnis gegenüber der Welt (Joh 15,26–27) und überführt diese zugleich ihres Unglaubens (Joh 16,7–11). 112  Vgl. Joh 3,15–16; 4,14; 5,24; 6,27.33.40 u. ö. 113 E. Käsemann: Art. Geist. IV. Geist und Geistesgaben im NT. In: RGG3 2 (1958), 1272–1279, 1278. 114  Frey: Windbrausen, 150. 115 U. Schnelle: Das Evangelium nach Johannes, Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament 4, Leipzig 20043, 274 (mit Bezug auf Joh 4,23–24).

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5.  Entwirft Lukas mithilfe des Geistes eine Heilsgeschichte, so verbindet der Geist bei Johannes „die Gegenwart der nachösterlichen Gemeinde mit der Vergangenheit des irdischen Jesus (Anamnese) und sorgt dadurch für die Kontinuität der Offenbarung“.116 6.  So vollendet sich im jüngsten Evangelium die im ältesten begonnene Deutung des Christusereignisses durch den Geist.

116  Zumstein: Johannesevangelium, 539; vgl. Barrett: Johannes, 106.

VI.  Veni Creator Spiritus: Epilog Der Geist ist die Vergegenwärtigung des Göttlichen – vom Einbruch numinoser Mächtigkeit bis zur Begegnung mit einem personal erfahrenen Gegenüber. Er kann Gabe sein und Geber, Inspiration im Einzelnen und verbindende Grundlage einer Gemeinschaft, Ursprung vielfältiger Begabungen und Gegensätze in sich aufhebende Einheit, er kann das Eigene des Menschen bezeichnen und ein göttliches Anderes repräsentieren. Er manifestiert sich als kohäsive Energie in der immanenten Ordnung der Wirklichkeit, die griechisch Kosmos und biblisch Schöpfung heißt, und in der Transzendenzerfahrung von Menschen, die außer sich wieder zu sich kommen. Er kann versöhnen und spalten, kämpfen und Frieden stiften, Tradition infrage stellen oder neu begründen, ist Lebensprinzip und kann töten. Selbst nicht greifbar, ergreift er anderes, selbst nicht sichtbar, wird er in seinen Wirkungen wahrnehmbar. Immer wieder gibt es bemerkenswerte Analogien zwischen biblischer und paganer Religiosität und besonders zu deren philosophischer Deutung, die es dem Antiken Judentum wie dem Frühchristentum ermöglicht haben, Gottes Wirken in Schöpfung und Erwählung eine aus der Zugehörigkeit zum Gottesvolk bzw. zur Gemeinde der Christgläubigen resultierende Lebensweise sowie eine damit verbundene Hoffnung durch den Rekurs auf das Wirken eines göttlichen Geistes sich und anderen verständlich zu machen. Das ist bei dem jüdischen Religions-

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philosophen Philon besonders deutlich, aber auch Paulus, Lukas oder Johannes sind vor diesem Hintergrund besser zu verstehen.1 Der Vergleich offenbart aber zugleich tiefgreifende Unterschiede: 1.  Wenn in den Evangelien aus dem zerrissenen Himmel der Geist auf Jesus herabkommt und Gott selbst Jesus seinen „geliebten Sohn“ nennt, wenn Paulus in Röm 8,14–17 sagt, dass diejenigen, die von Gottes Geist geführt werden, zu Kindern Gottes adoptiert sind, oder wenn Joh 3,5–7 von einer neuen Geburt durch den Geist spricht, so stimmen sie darin überein, dass Gott durch den Geist Menschen mit sich verbindet und ihr Dasein neu konstituiert, indem er ihnen jetzt schon an seiner Gerechtigkeit, Heiligkeit und Kraft und zukünftig an seiner Herrlichkeit und Ewigkeit Anteil gibt. 2.  Eine solche transformierende Wirksamkeit des Geistes hat in der paganen Überlieferung keine Parallelen und ist in dessen Verbundenheit mit einem gleichermaßen personalen wie universalen Gott begründet. Auch wo dieser Geist im Menschen „wohnt“ und zu „unserem Geist“ wird, bleibt er souveränes Gegenüber. Er ist kein zur Natur des Menschen gehörendes intra nos (Sen. Ep. 41,2), ist nicht „in der Seele vorhanden“ (Ps.‑Pl. Axi. 370c), sondern eröffnet „denen in Christus Jesus“ (Röm 8,1) den Zugang zu Gott als einem zugewandten extra nos. Deshalb spricht der Apos1 Das hat Troels Engberg-Pedersen immer wieder aufgezeigt; vgl. Paul in His Hellenistic Context, Edinburgh 1994; Paul and the Stoics, Edinburgh/​Louisville 2000; Cosmology and Self in the Apostle Paul. The Material Spirit, Oxford 2010; John and Philosophy. A New Reading of the Fourth Gospel, Oxford/​New York 2017.



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tel nirgends von einem „Gott in dir“ (Sen.  Ep.  41,1), sondern davon, dass Gott durch den Geist zum Vater (Röm 8,15; Gal 4,6) und damit zum „Gott für uns“ wird (Röm 8,31). 3.  Als der Heilige bringt der Geist Gottes Heiligkeit gegen eine unheilige Wirklichkeit zur Geltung, auch im Menschen selbst: Der vom Psalmisten erbetene neue, willige, heilige Geist (Ps 51,12–14) ist Widerpart seines anders gepolten eigenen Willens. Als göttliche Gegenmacht zur Sünde vermag er den im Selbstwiderspruch gefangenen Menschen zu befreien (Röm 8,2) und dessen Wesen und Wirken zu erneuern.2 „Geistlich“ zu sein (vgl. Gal 6,1), ist deshalb kein Besitz, sondern Gabe (Gal 4,6; Röm 8,15) und Kampf (Gal 5,25; Röm 8,13). 4.  Die Eigenständigkeit des Geistes verleiht diesem im Neuen Testament personale Züge, sodass er zunehmend als personanaloge Größe wahrgenommen wird: In 1 Kor 12,4.11 tritt er als Manifestation göttlichen Wirkens neben Gottvater und Kyrios, in Gal 4,6 ruft er in den Herzen der Glaubenden Gott als Vater an, in Röm 8,16 gibt er unserem Geist Zeugnis, und in Röm 8,26–27 vertritt er die Glaubenden vor Gott. In der Apostelgeschichte tritt er ab dem achten Kapitel als eigenständiger Akteur auf, in den Abschiedsreden des 2 Dass das auch Konsequenzen für den Einsatz gegen Leben zerstörende Strukturen in der Gesellschaft hat, wo Christen die Politik mitbestimmen können, war für Paulus noch nicht im Blick, wurde aber nicht zu Unrecht daraus abgeleitet; vgl. J. Comblin: O Espírito Santo e a libertação, Petrópolis 1987; deutsch: Der Heilige Geist. Übersetzt aus dem Portugiesischen von Horst Goldstein, Bibliothek Theologie der Befreiung, Düsseldorf 1988; siehe auch ders.: O Espírito no mundo, Petrópolis 1978.

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Johannesevangeliums wird aus dem grammatikalisch neutrischen πνεῦμα der personale Paraklet, der den Erhöhten auf Erden vertritt, und im letzten Buch der Bibel ergreift er den Seher (Apk 1,10; 4,2) und spricht zu den Gemeinden (Apk 2,7.11.17.29; 3,6.13.22). Indem er den Menschen be-geistert, aus sich selbst heraussetzt, gewinnt er Macht über ihn, er „treibt“ ihn (Gal 5,18; Röm 8,14; vgl. Mk 1,12). Das ist nichts Harmloses: Die Religionsgeschichte kennt genügend Beispiele dafür, dass die Prädisposition des Menschen, sich selbst auf ein anderes hin zu transzendieren und in diesem aufzugehen, missbraucht werden kann. Nicht von ungefähr erinnert Paulus die von der pneumatischen Ekstase faszinierten Korinther daran, dass ihnen solches aus ihrer heidnischen Vergangenheit von den „stummen Götzen“ bekannt und deshalb keineswegs für sich schon etwas Gutes ist.3 Er insistiert darauf, dass die Gaben des Geistes nicht als unpersönliche Kraft vom Geber ablösbar sind (1 Kor 12,2–3).4 Wo diese nicht als „Dienste“ (1 Kor 12,5) allen zugutekommen, sondern von den Einzelnen zur Selbstdarstellung und Selbstbehauptung pervertiert werden, treten sie in Widerspruch zu ihrem Ursprung, der sich nach 1 Kor 12,7 zum Nutzen aller offenbart und sie als Glieder des Leibes Christi mit ihrem Herrn und miteinander verbindet (1 Kor 12,14–27). Aus diesem Grund hat der Apostel auch mit 1 Kor 13 ins Zentrum seiner Ausführungen über die Geistesgaben das Hohelied der 3  Wie beim Geist Gottes in Röm 8,14 verwendet er dafür das Passiv ἄγεσθαι („geführt/getrieben werden“). 4  Vgl. I. U. Dalferth: Wirkendes Wort. Bibel, Schrift und Evangelium im Leben der Kirche und im Denken der Theologie, Leipzig 2018, 281.



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Liebe gestellt5 und in 1 Kor 14 die „Auferbauung“ als Ziel aller Geistbegabung festgehalten. Ja, der Geist bedeutet Ermächtigung durch „Kraft aus der Höhe“ (Lk 24,49), aber diese Kraft dient nicht der individuellen Daseinssteigerung, sondern ist die Macht der Liebe. Deshalb ist auch heute gegenüber den Erfolgsversprechen vieler neo-charismatischer Bewegungen wie der eingangs vorgestellten Igreja Universal zur Geltung zu bringen, dass der Heilige Geist in der Bibel nicht Garant für seelische und körperliche Gesundheit, berufliches Fortkommen und wirtschaftliches Wohlergehen ist, sondern dass er für Gott und den Nächsten in Dienst nimmt. In einer Welt jenseits von Eden ist das alles andere als eine Garantie für ein unbeschwertes Leben. Dennoch ist ebendies Evangelium, ‚frohe Botschaft‘; denn die Gabe des Geistes besteht nicht in der Befriedigung persönlicher Bedürfnisse, sondern in der Gemeinschaft mit Gott, im Frieden untereinander und in der Hoffnung im Leiden (Röm 15,13; vgl. 14,17). Wenn aber Glaube, Liebe und Hoffnung, das Zentrum des christlichen Lebens, Manifestationen des Geistes sind, dann müssen sich andererseits auch die traditionellen Kirchen und ihre Theologien selbstkritisch fragen, ob es hinreichend ist, den Geist als Appendix zu den traditionellen theologischen Topoi eher nebenbei zu betrachten. Die ausgelegten biblischen Zeugnisse legen vielmehr nahe, das Verhältnis des Geistes zum Glauben an Gottvater und an Jesus Christus und damit zur Ekklesiologie, Ethik und Eschatologie als ein wechselseitiges zu bestimmen, also Theologie auch als „Theologie des 3. Artikels“ zu betreiben, wie das der späte Karl Barth erwogen hat.6 5  Deshalb wehren sich auch in der Apostelgeschichte die Missionare so heftig gegen ein magisches Missverständnis des Geistes. 6  In seinem nachdenklichen Nachwort zur Schleiermacher-Aus-

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Vielleicht ergäben sich daraus neue Anknüpfungspunkte für den Dialog mit anderen Religionen und mit der Philosophie, wie das für den antiken Diskurs aufgezeigt wurde. Vor allem aber könnte eine ‚Spiritualisierung‘ der traditionellen theologischen Topoi zu deren Dynamisierung führen, weil sie ernster nähme, dass es bei der biblischen Botschaft nicht um Bestätigung des Bestehenden geht, sondern um schöpferische Verwandlung der Wirklichkeit durch die von Gottes Geist immer wieder neu bewegten, ja ‚getriebenen‘ Menschen. Seine Einbindung in die Trinität stellt sicher, dass es dabei nicht um unsere Wünsche, sondern um Gottes Willen geht. Zugleich aber darf und soll eine auf den Geist und die durch ihn konstituierte Kirche bezogene Theologie der Stimme der „Unmündigen“ (Mt 11,25 par. Lk 10,21; Mt 18,3) theologisch eine größere Dignität einräumen:7 der Sehnsucht nach Heil und der Suche nach Heilung, den Traditionen lokaler Kulturen und den Träumen universaler Utopien, dem wahl (Schleiermacher-Auswahl. Herausgegeben von Heinz Bolli. Mit einem Nachwort von Karl Barth, München/​Hamburg 1968, 290–312) sagt er, dass er diese „Theologie des 3. Artikels“ gelegentlich erwogen hat, und fügt hinzu: „Alles, was von Gott dem Vater und Gott dem Sohn in Verständnis des 1. und 2. Artikels zu glauben, zu bedenken und zu sagen ist, wäre in seiner Grundlegung durch Gott den Heiligen Geist, das vinculum pacis inter Patrem et Filium, aufzuzeigen und zu beleuchten. Das ganze Werk Gottes für die Kreatur, für und in und mit dem Menschen wäre in seiner einen, alle Zufälligkeit ausschließenden Teleologie sichtbar zu machen“ (a. a. O., 310–311). 7 J. Ukpong: Inculturation Hermeneutics. An African Approach to Biblical Interpretation. In: W. Dietrich/​U. Luz (Hg.): The Bible in a World Context. An Experiment in Contextual Hermeneutics, Grand Rapids/​Cambridge 2002, 17–31, fordert für die ‚einfachen Leute‘ in diesem Sinne sogar ein „epistemological privilege“ ein (a. a. O., 21).



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Schrei nach Gerechtigkeit und dem Aufbegehren gegen Unrecht, dem Zweifel und dem Zorn, der Spontaneität und der Spiritualität, der Meditation und der Mystik. Die Erfahrungen von Christinnen und Christen im Globalen Süden lehren, dass der Geist so Herzen zu öffnen vermag, dass in diese Gottes Lebendigkeit einströmt. Am Ende soll deshalb die Erinnerung stehen, dass jene eingangs zitierte Bitte um das Kommen des Geistes, jenes vem, vem, vem der pfingstlichen Kirchen, auch unserer Tradition nicht ganz fremd ist: Das lateinische Äquivalent veni eröffnet einen der wenigen westkirchlichen Hymnen, der sich an den Geist richtet und der in diversen Übersetzungen zum Liedgut unserer Kirchen gehört:8 Veni, Creator Spiritus, mentes tuorum visita: imple superna gratia, quae tu creasti pectora.9

Komm her, du Schöpfer – Geist! Such auf den Sinn der Deinen! Erfüll mit Huld aus Himmelshöhn ihr Inneres, das du geschaffen.

8  Eine Übersetzung von Martin Luther findet sich EG 126, von Heinrich Bone GL 351 und von Friedrich Dörr GL 342. Der lateinische Text des ganzen Hymnus, die Bone’sche Übersetzung und ein ausführlicher Kommentar finden sich bei A. Stock (Hg.): Lateinische Hymnen, Berlin 2012, 188–203. 9  GL 341,1. Der Hymnus wurde vermutlich von Hrabanus Maurus anlässlich des Aachener Konzils am Beginn des 9. Jahrhunderts verfasst und hat seinen traditionellen Sitz im Leben an Pfingsten.

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Stellenregister 1. Altes Testament: Hebräische Bibel und Septuaginta Genesis (Gen) 1,1 40 1,2 28, 40, 51 Anm. 31, 118, 123 Anm. 35, 127 1,26–27 124 1,27 40 2,7 41, 42, 51, 52, 111 Anm. 18, 123 Anm. 37, 124 Anm. 39, 125 Anm. 40, 126, 127, 128, 138, 168 Anm. 58, 192 6,2 117 6,3 119 41,45 131

Richterbuch (Ri) 13,7 37 Anm. 4 16,17 37 Anm. 4 1. Samuel (1 Sam) 11 34–35 16,13 37 1. Könige (1 Kön) 3,12 112 Anm. 20 22,19–23 58 Judith (Jdt) 16,14 40 2. Makkabäer (2 Makk) 7,28–29 45 Anm. 22

Exodus (Ex) 31,2–3 118

Hiob (Hi) 28,28 28 Anm. 52 33,4 41 34,14–15 41–42

Numeri (Num) 11,17 118, 181 Anm. 80

Psalmen (Ps) 22 170 31,6 170

216

Stellenregister

51

45–47, 60, 114 Anm. 24 51,12–14 46, 134, 197 51,12 62 Anm. 51 51,13 63 Anm. 53, 105 104 43–44 104,29–30 44–45 104,29 62 Anm. 51 111,10 28 Anm. 52, 114 Anm. 23 Proverbien/Sprüche (Prov) 1,7 28 Anm. 52, 114 Anm. 23 8,13 28 Anm. 52 9,10 28 Anm. 52 Kohelet/Prediger (Pred) 12,7 125 Anm. 41 Sapientia Salomonis (SapSal) 1,1–5 105 1,1 110 Anm. 14 1,5–9 116 1,5 106, 111 Anm. 19 1,6a–b 106 1,6c–e 107 1,7–10 108 5,14–23 109 5,23 109 Anm. 13 6,4 110 6,5–8 110 6,18 110 Anm. 14, 114 Anm. 23 7,1–21 112

7,22–8,1 112 7,22–23 113 9,17–18 115 9,17 140 11,20 110, 111 11,26–12,1 115 15,11 42, 111 Anm. 18 15,16.17 111 Anm. 18 18,15–16 116 Anm. 26 Jesus Sirach (Sir) 1,1.14 114 Anm. 23 39,6 28 Anm. 53–54 Psalmen Salomos (PsSal) 17 56–58 17,37–38 57 17,37 29 18 57–58 18,6–7 29 Jesaja (Jes) 6,9–10 180 11 54–55, 134 11,1–2 54, 57 11,2 112 Anm. 20 11,9 54 42,1–4 38 44,1–5 38 Anm. 10 61,1–3 13, 53 61,1–2 171 63,9–10 64 63,10–64,4 144 63,10–11 63 Anm. 53, 105 63,10.11 47 Anm. 23 63,19 14

217

Stellenregister

Ezechiel (Ez) 11,5 64 36 60 36,26–27 48, 134 37 42, 50–51

Joel 3

52 Anm. 36

Micha (Mi) 3,8 38 Anm. 10

Hosea (Hos) 9,7 36, 38 Anm. 10

2.  Parabiblische Schriften Joseph und Aseneth (JosAs) 4,7 132 8,5 133–134 8,9 134 Jubiläenbuch (Jub) I,23 47 II,2 59 X,3.8 59

Testamente der Zwölf Patriar‑ chen (Test.XII) Ruben (Rub.) 59 2,1–3,6 59 Anm. 48 2,4 59 Anm. 47 Simeon (Sim.) 3–4 59 Anm. 48 Sibyllinische Orakel (Orac. Sib.) III,102 110 Anm. 15

3.  Neues Testament Matthäusevangelium (Mt) 3,11 12, 140 11,2–6 13 12,28 11 Markusevangelium (Mk) 1,1–13 14, 143–146 1,8 12

1,11 23 1,12–13a 144–145 1,12 36 1,24 37 Anm. 4, 145 3,21 15 3,22–30 10–11 3,28–29 11 9,2–8 146

218

Stellenregister

10,18 23 10,42–45 146 Lukasevangelium (Lk) 3,16 12, 140 4,16–21 53 4,18–19 171–172 6,20–21 13 7,18–23 13 10,17–20 11 Anm. 12 10,21 170 11,13 170 23,46 168 Anm. 57, 170 24,49 176 Johannesevangelium (Joh) 1,1–18 183 1,6–8 184 1,14 189 1,15 184 1,19–12,50 183 1,19ff. 183 1,32–33 184, 192 1,34 184 3 139 3,3 185 3,5–7 196 3,5.6 185 3,8 24, 185–186 4,14 186 4,23–24 186 4,24 26, 186 6 187 6,63 187 7,37–38 188

13,1–20,31 183 14,6 189 14,16.17 189 14,26 190 15,26–27 193 15–16 190–192 16,7–11 140, 193 20,22–23 192 20,22 25 Apostelgeschichte (Apg) 1,5 176 1,8 177, 178 2 52 Anm. 36 2,33 178 5,1–11 140 8,18–23 175 Anm. 72 8,39 110 Anm. 15 10,37–38 173 10,38 15 13,4–12 175 Anm. 72 15,8–9 179 17,24–25 168 Anm. 58 19,1–6 9 Anm. 10 28,25 180 Römerbrief (Röm) 4,17b 45 5,5 151 7 151 mit Anm. 22 7,24 151 7,25a 152 8 139, 152–155 8,1–8 153 8,1–2 152 8,1 164

219

Stellenregister

8,2 156 8,9 25, 153 8,14–17 155, 196 8,14 150 8,16 22, 26, 156, 197 8,17–23 166 8,26–27 167, 197 8,26 26 8,29–30 165–166 8,39 151 12,4–5 101 1. Korintherbrief (1 Kor) 2,13–16 29 6,19 161 10,3–4 24 12,2–3 198 12,4 197 12,8 29 12,11 197 12,12ff. 101 12,12–13 158 12,13 24, 141 12,14–27 198 12,26 141, 158 13 159, 198–199 14,12 159 14,14 22 15 164 15,21–28 52

15,35–49 139 15,45 52 2. Korintherbrief (2 Kor) 3,6–18 29 3,17 26 13,13 159 Anm. 39 Galaterbrief (Gal) 4 139 4,6 149, 150, 197 4,7 150 5,16–26 114 Anm. 24 5,16–25 140 5,16–17 162 5,19–21 61 5,22–23 60 5,24–25 163 Epheserbrief (Eph) 4,3 159 Anm. 39 6,17 37 Philipperbrief (Phil) 2,1 159 Anm. 39 1. Thessalonicherbrief (1 Thess) 4,7–8 161

4.  Qumranisches Schrifttum Gemeinderegel (1QS) III,13–IV,26 58

III,17–25 III,20–24

58 Anm. 45 58 Anm. 45

220

Stellenregister

IV,2–4b.6b 60 IV,9–11 61 IV,20–22 61 IV,21–22 29 IV,23–24 58 Anm. 45 Segenssprüche (1QSb) V,23–25 55, 58 Anm. 44

Hodayot (1QH) IV,31–32 49, 60 IV,32 62 Anm. 51 XX,14–16 29 Ezechiel-Pesher (4Q385) Frg. 2 51 11Q13 (11QMelch) 2,18–19 56

5.  Jüdisch-hellenistische Autoren Josephus Flavius (Ios.) Antiquitates Judaicae (AJ) I,34 42 Philon von Alexandria (Phil. Al.) De decalogo (Dec.) 175 137 Anm. 54 De fuga (Fug.) 186 130 Anm. 46, 137 Anm. 54 De gigantibus (Gig.) 7 118 8 118 22 118 23 118 24–27 118, 181 Anm. 80 27 119 28–29 119 28 119

40 119–120 47 120 De Iosepho (Ios.) 117 137 Anm. 54 Legum allegoriae (All.) I,32–33 127 I,34 125 Anm. 41 I,37–38 128–129, 138 I,42 124 Anm. 38 De opificio mundi (Opif.) 1–2 122 3 122 7 122 8 123 9–11 123 Anm. 35 12 123 Anm. 35 15–36 123 Anm. 35 21–22 123 Anm. 35 30 123 134 124, 138

Stellenregister

135–144 28 Anm. 53 135 42, 125–126 137 126 Anm. 42 144 126 146 126 Anm. 43 Quis rerum divinarum heres sit (Her.) 56–57 120 Anm. 32 264–265 130 Quod deterius potiori insidiari soleat (Det.) 86 124 Anm. 39 87–90 93 Anm. 41

221

Quod Deus sit immutabilis (Immut.) 1–3 59, 121 De plantatione (Plant.) 18–20 125 Anm. 40 De specialibus legibus (Spec.) IV,123 125 Anm. 40 De virtutibus (Virt.) 217–218 131 Anm. 46 De vita Mosis (V. Mos.) I,277 131 Anm. 46 II,188 131 Anm. 46

6.  Altkirchliche und pagane griechisch-römische Autoren Alexander von Aphrodisias (Al. Aphr.) De mixtione (De mixt.) 224,7–9 69 Anm. 10 225,8 65 Anm. 2 Aristides, Aelius (Aristid.) Oratio (Or.) XLVIII,21ff. 19 Anm. 29 Pseudo-Aristoteles (Ps.-Arist.) De mundo 394b,9–11 66 Anm. 3 Chrysipp SVF II,310 68, 114 Anm. 22

SVF II,913 28 Anm. 50, 68 Anm. 8 Cicero (Cic.) De natura deorum (Nat. deor.) II,4–44 70 II,4.12 70 II,15.16 71 II,17.18 71 II,19 72, 123–124 Anm. 37 II,45–72 70 II,73–153 70 II,154–167 70

222

Stellenregister

Tusculanae disputationes (Tusc.) I,63 93 Anm. 41 Dion Chrysostomos/von Prusa (Dion Chrys.) Oratio (Or.) 36 85–89 36,50 86 36,51–53 86 36,55 87 36,56 87–88 36,57 88 44,1 74 Anm. 14 Epikur (Epic.) Brief an Menoikeus (Ep. Men.) 124 92 Anm. 40 Ratae sententiae (Rat. sent.) 2 92 Anm. 40 Kelsos bei Origenes (Orig.), Contra Celsum (C. Cels.) VI,71 186 Livius (Liv.) Ab urbe condita (a. u.c.) II,32,9 158 V,15,10 18 Ovid (Ov.) Metamorphoses (Met.) I,78–79 166 Anm. 52

Platon (Pl.) Ion 533d–535a 18 534b.c 129 Anm. 45 Phaidros (Phaedr.) 244a–245b 18 Respublica (Rep.) VI, 509b 65 Timaios (Tim.) 28c 123 30bc 118 Anm. 30 34b 118 Anm. 30 Pseudo-Platon (Ps.-Pl.) Axiochos (Axi.) 364b 90 365c 90 365d 91 365e 91, 92 Anm. 40 366a 91 366b 91 366c 91 369b–c 92 369d–e 92 369e–370d 92 370b–c 93–94 370c 95, 196 370d–e 92 Plutarch (Plut.) Moralia (Mor.) Amatorius (Am.) 16 (759B) 168 Anm. 56

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De defectu oraculorum (De def. or.) 40 (432D–E) 98 42 (433C) 98 42 (433D) 99 De Pythiae oraculis (De Pyth. or.) 17 (402B) 168 Anm. 56 21 (404B–E) 98 Quaestiones Platonicae (Quaest. Plat.) II (1001B) 127 Vitae parallelae Numa (Num.) IV,4 99 Seneca (Sen.) Epistulae morales ad ­Lucilium (Ep.) 8,8 73 Anm. 14 31,10–11 79 41 75–83 41,1–2 75–76 41,1 197 41,2 77–78, 82, 107, 196 41,4–5 82, 101 41,4.5 79 41,8 81 41,9 82 66 83

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66,12 83 88,5 73 Anm. 14 95,50 76 Anm. 20 102 80 Anm. 25 Stoicorum veterum ­fragmenta (SVF) I,160 67 I,533 67 II,310 28 Anm. 51, 68, 114 Anm. 22 II,340 66 Anm. 4 II,546 69 II,604 86 Anm. 34 II,796,26–27 123 Anm. 36 II,913 28 Anm. 50, 68 Anm. 8 II,1009 28 Anm. 51, 68, 114 Anm. 22 Pseudo-Seneca (Ps.-Sen.) Hercules Oetaeus (Herc. Oet.) 1695 168 Anm. 57 1703–1704 168 Anm. 57 Tertullian (Tert.) Apologeticus (Apol.) 21,10 67 Vergil (Verg.) Aeneis (Aen.) VI,724–727 73 VI,749 74

Sachregister Abba 149, 150, 155, 197 Abraham 121 Anm. 33–34, 165 – ~verheißung 150 – Geistträger 131 Anm. 46, 137 Anm. 54 Abschiedsreden Jesu, johanneische 26 Anm. 47, 140, 188–192, 193, 197–198 Achtzehn-Bitten-Gebet 45 Anm. 22 Adam 126, 147 Anm. 13 Aelius Aristides 19, 85 Aeneas 73 Agabus 179 Alexander von Aphrodisias 65 Anm. 2, 69 Anm. 10 Allegorese – allegorische Bibelauslegung 24, 117, 121 Anm. 33, 127 – stoische ~ 86 Älteste, siebzig 118, 181 Anm. 80 Antrittspredigt Jesu in Nazareth 13 Anm. 17, 53, 171–172 Apostolikum 30 Apuleius von Madaura 85, 97 Anm. 44

Aristoteles 65 Auferstehungsglaube – Antikes Judentum 45 mit Anm. 22, 51 mit Anm. 35 – Neues Testament 30, 52, 164, 165 Auferweckung Jesu Christi 52, 164, 165, 176 auratische Orte 78–79, 83 Balbus (Stoiker) 70–72, 74, 76 Basilius von Cäsarea 15 Anm. 23, 26 Anm. 48 Beelzebulperikope 10–11, 15, 16 Anm. 27 „Beleber der Toten“ (Gottesprädikat) 45 Anm. 22, 165 Bileam 137 Anm. 54 Charismen (Geistesgaben) 7, 8, 18, 27, 29, 118, 157, 159, 167 Anm. 54, 198–199; siehe auch Geistheilung, Glossolalie, Liebe, Prophetie – Amtscharisma 37, 58, 174 – Charisma und Wunder­ taten 9–16, 175

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Sachregister

Chrysipp 28 Anm. 50, 67–68, 71, 113–114 Cicero 19, 69–73, 74, 76, 83, 118 Anm. 30, 123 Anm. 37 Dämonenaustreibung → Exorzismus David – Amtscharisma 37, 58 – Geistträger 37 mit Anm. 6, 53, 58, 139 Anm. 57, 175 Davididen 37 Anm. 7, 53 Anm. 40, 56, 58 Anm. 44, 63, 135 – Davidsohn als Geistträger 38, 54–55, 57, 63 Delphisches Orakel 19, 22, 98 Dion Chrysostomos/von Prusa 84–89 Dualismus – ethischer ~ 7, 58–61, 120 Anm. 32, 121, 139–140 – Fleisch und Geist 37, 119– 120 mit Anm. 32, 139–140, 151–153, 154, 160, 162– 163, 185, 187 – jüdisches Volk – Heidenvölker 104, 133–134, 136 – kosmologischer ~ 7–8, 10, 58 mit Anm. 45, 59, 80, 95 – Leib – Seele 119–121, 125, 126, 127 – Vernunft – Materie 65–69, 73, 124–125 Dura Europos 51 Anm. 35

Ekklesiologie 195, 200 – Johannesevangelium 189– 191, 193 – Lukas 174, 175, 177–178, 181 – Paulus 4, 101, 110–111, 156–159, 198 Ekpyrosis → Weltenbrandlehre Ekstase 2, 5–6, 8, 18–19, 21, 38 Anm. 10, 129, 130, 157, 193, 198 Elihureden 41 Epiktet 74, 84 Epikur/Epikureismus 70, 92 Eschatologie – Altes Testament 50–51, 53–55, 63 – griechisch-römisch 30–31 – Antikes Judentum 51, 55– 56, 63 – Markusevangelium 52, 144, 147, 164–167 Exorzismen 2 – Dämonenaustreibungen Jesu 10–11 mit Anm. 11– 12, 13, 15 Anm. 23, 145 mit Anm. 8, 146 Anm. 9 Ezechiel 38 mit Anm. 10–11, 42, 48 Gebet und Heiliger Geist 170, 174, 186 Geburtsgeschichten, lukanische 169

Sachregister

Geist (rûaḥ/πνεῦμα/spiritus), heiliger/göttlicher (siehe auch Heiliger Geist, Nous, göttlicher) – apersonale Größe in der paganen Tradition 102 – Definition 118–119 – Einwohnung des ~es im Menschen → Geisteinwohnung – „Frucht des ~es“ 60, 154, 162–163 – ~ und Erkenntnis 27–30, 128–129 – ~ der Erziehung, heiliger 105–106 – ~ und Feuer 12, 67, 68, 140, 176 – ~ und Gebet → Gebet und Heiliger Geist – ~ und Gerechtigkeit/Gericht 60, 106–111, 115– 116, 120, 136 Anm. 52, 140, 191–192, 193 – ~ und Handauflegung 174 – ~ als immanente Wirk­ weise des transzendenten Gottes 14–15, 63–64, 100, 108, 136, 138, 168, 186; siehe auch Transzendenz/ Immanenz – ~ und Kirche → Kirche und Heiliger Geist – ~ und Kraft 15, 27, 109, 110, 172 Anm. 68, 173, 176, 177, 182, 199

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– ~ und Logos 28, 29, 65, 67 – ~ und Magie 175 mit Anm. 72, 199 Anm. 5 – ~ und menschlicher Drang nach Selbsttranszendierung 94–95 – ~ und Mission → Mission, christliche – ~ und Neuschöpfung 43– 45, 46, 50–51, 52, 134, 164, 184–185; siehe auch ­Wiedergeburt/Geistgeburt – ~ und Nous → Nous, ­göttlicher, → Nous, menschlicher – ~ als numinose Macht 34– 37, 63, 99, 102 – ~ und Prophetie → Pro­ phetie und Geist – ~ und Salbung → Salbung und Geistverleihung – ~ und Schöpfung des ­Menschen 40–45, 123– 125; siehe auch Lebensodem – ~ und Schöpfung der Welt 39–40, 67–68 – ~ und Vernunft → Nous, göttlicher, → Nous, menschlicher – ~ als Weltseele 66 – ~ und Zusammenhalt (συμπάθεια) des Alls 67, 69 mit Anm. 10, 71, 72–73, 83, 100, 107–108, 113–114, 123, 127, 140

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Sachregister

– Geistbesitz und vom Geist besessen werden 4–5, 25, 27, 34, 153–154, 165 – mantisches Pneuma 18– 19, 98–99, 130, 168 – Präsenz im Einzelnen → Geisteinwohnung – Präsenz im/Ursache des Kosmos 28, 67, 68–69, 72– 73, 100, 102, 107, 123 – „Schwert des ~“ 7, 37 – soteriologische Bedeutung der Gegenwart des ~es in der menschlichen Seele 96 – spiritus divinus 18, 72, 83, 165 – spiritus sacer 76, 82–83, 107, 165 – vermittelnder Geist (μέσον πνεῦμα) 128, 130 – vernünftiges Pneuma (πνεῦμα νοερόν) 28, 68, 113, 116 – Weitergabe des ~es 174, 192 Geist (rûaḥ/πνεῦμα/spiritus), menschlicher 33–34, 43– 47, 49, 78, 105 Anm. 7, 154, 168 Anm. 57 – Empfänglichkeit des ~es für Transzendenz 21–22 – ~ und Fleisch 37, 119–120 mit Anm. 32, 139–140, 151–153, 154, 160, 162– 163, 185, 187

– heiliger ~ 47–48, 78, 82, 196 – Mose als „allweiser Geist“ (πανσόφον πνεῦμα) 118, 181 Anm. 80 Geist Christi 23, 26, 149, 153 „Geist der Adoption“ 7, 155 „Geist des Frevels/Irrtums“ 8, 58, 59, 61 „Geist des Lebens“ (πνεῦμα [τῆς] ζωῆς) 51, 59 Anm. 47, 134–135, 152 „Geist der Wahrheit“ – Antikes Judentum 58, 60, 61, 135 – Neues Testament (πνεῦμα τῆς ἀληθείας) 8, 188, 189, 191, 192, 193 „Geist der Weisheit“ (πνεῦμα σοφίας) 55, 112 mit Anm. 20, 120, 135 Geistausgießung – Altes Testament 38 Anm. 10, 52 Anm. 36 – Neues Testament 8, 52 Anm. 36, 150–151, 167, 178 Geisteinwohnung im Menschen/Geistbegabung/ Geistteilhabe (siehe auch Charismen) – Altes Testament 46–47 mit Anm. 23, 197 – Antikes Judentum 47, 49, 115, 120 Anm. 32, 121, 126, 132

Sachregister

– griechisch-römisch 19, 36, 76, 78, 82–83, 94, 101, 107, 165, 196 – Neues Testament 24–25, 153, 160 mit Anm. 41, 161, 164, 165, 167, 189, 196 Geister, unreine 2, 7, 10, 36, 145 mit Anm. 8, 175 Anm. 72; siehe auch Exorzismen Geistesgaben → Charismen Geistheilung 6–7, 157, 174, 181 Geistsalbung → Salbung und Geistverleihung Geisttaufe durch Jesus → Tauftätigkeit Jesu Geistterminologie 20–21, 29 Anm. 55, 33, 42 Geistträger → Abraham, → Bileam, → David, → Davididen: Davidsohn, → Isaak, → Jakob, → Jesus, → Johannes der Täufer, → Josua, → Mose, → Noah, → Paulus, → Prophetie und Geist, → Richter Israels, → Saul, → Simson Genesistargum 131–132 Glossolalie (Zungenrede) 6–7, 22, 157 Gottesbeweis/Beweis für die Existenz der Götter 70–71 Gottesdefinition – Johannesevangelium („Geist ist der Gott“) 186

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– Platon („Jenseits des Seienden“) 65 Gottesebenbildlichkeit/Gottverwandtschaft des Menschen (συγγένεια zwischen Gott und Mensch) 40, 43, 124 mit Anm. 38, 125, 126 mit Anm. 42–43, 127, 129, 137 Gotteserkenntnis 29, 49 Anm. 27, 54–56, 61, 78, 128–129, 130 Gottesfurcht 54–56, 57 Anm. 43 – ~ als Anfang der Weisheit 28 Anm. 52, 114 Anm. 23 Gottesherrschaft/Reich Gottes 10–11 mit Anm. 12, 15, 38, 54, 110, 126, 136, 139, 146–147, 184–185 Gotteskindschaft der Christgläubigen 26, 37, 148–150, 154–155, 165, 166–167, 170 Anm. 63, 196 – „Geist der Adoption“ 7, 155 – Heiliger Geist und ~ 149– 150, 154–155, 166–167, 196 ‚Gottesorgan‘ im Menschen – Geist (rûaḥ/πνεῦμα) in der Bibel 22, 33–34, 43, 139, 156 – Seele im Mittelplatonismus 42–43, 95, 96, 119, 127, 128, 129

230

Sachregister

– Vernunft in der Stoa 65, 95 Gottessohnschaft Jesu 15, 23–24, 35, 144–146, 148, 164, 170, 184, 196 – Abba als Gebetsanrede Jesu 150 Gotteswille 28, 46, 48, 49, 63, 86, 110 Anm. 14, 114– 116, 120, 131 Anm. 46, 136 mit Anm. 52–53, 138, 172, 181–182, 200 Handauflegung und Heiliger Geist 174 Heiliger Geist (im Judentum und Christentum) – Ansätze zur Personalisierung 17, 26, 64, 102 mit Anm. 48, 116, 137 Anm. 54, 140, 167, 174, 178–179, 180, 182, 189, 192, 193, 197; siehe auch Geist, heiliger/göttlicher, Paraklet, Trinität – ~ als dritte Person der Trinität 17, 26, 200 Heiligkeit – ~ der Frommen/Gläubigen 47, 160–161, 196, 197 – ~ Gottes 47, 196, 197 Heimarmene → Schicksal Herz – Erneuerung/Reinigung des ~ens 46–49, 60, 179 – Gott als ~enskenner 107, 179

– ~ und Geist 46, 47, 49, 149, 150, 201 – ~ aus Stein/Fleisch 48–49 – Sitz des Denkens 49 Anm. 27 Hiobbuch 41–42 Igreja Universal do Reino de Deus 1 mit Anm. 1, 199 imitatio Dei 76 Anm. 20 Immanenz → Transzendenz Intellekt → Nous Isaak 137 Anm. 54 Jakob 137 Anm. 54 Jesus von Nazareth/Jesus Christus und Geist – der Erhöhte als Geistspender 12 Anm. 14, 25, 149, 153, 176, 178, 180, 181, 186, 188, 192 – Geist Christi 23, 26, 149, 153 – der Irdische als Exorzist und Wunderheiler 9–16, 145 mit Anm. 8, 146 Anm. 9 – der Irdische als Geistträger 7, 11–16, 144–145, 147, 169–170, 171–172, 180, 181, 184 mit Anm. 87, 196 – Tauftätigkeit → Tauftätigkeit Jesu – Vergegenwärtigung des Erhöhten durch den Heiligen

Sachregister

Geist/Parakleten 188–191, 193 Johannes der Täufer 12 Anm. 13, 143–144, 171 Anm. 63, 173, 177, 183– 184 – Ankündigung des Geisttäufers Jesus 9 Anm. 10, 12, 140, 143–144, 169, 176, 184, 188 Anm. 99, 192 – Geistträger 169 – Hinrichtung 146 mit Anm. 10 – Täuferantwort 13 Johannesevangelium 171 Anm. 64, 183–194 Joseph (Erzvater) 121 Anm. 34, 131–134, 135 Anm. 50 – Geistträger 132, 133 Joseph und Aseneth 31, 45 Anm. 22, 131–135, 136 mit Anm. 52–53 – Abfassungverhältnisse 131 Josua 37 Jubelruf Jesu 170 Jubiläenbuch 47, 59 – Datierung 47 Kirche und Heiliger Geist 30, 101, 140–141, 148, 157, 177–178, 200; siehe auch Ekklesiologie Kleanthes 66, 67, 71

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Leben – ewiges ~ 133, 139, 186, 187, 188, 190, 196; siehe auch Unsterblichkeit – ~ und Geist 50–51, 123– 125, 126 mit Anm. 43, 127, 134, 153 mit Anm. 26, 154, 163, 164–165, 186 Anm. 90, 187, 190, 192– 193; siehe auch „Geist des Lebens“ Lebensodem 41, 42, 44, 51, 66, 124 Liebe 154, 159, 160, 162, 163–164, 189–190, 191, 193, 199 – ~ und Geist 4, 159, 160, 162–164 Liebe Gottes 151, 190, 191, 192 – ~ und Heiliger Geist 150– 151 Logos, göttlicher – Stoa 28 mit Anm. 50, 66–68 – Antikes Judentum 116 Anm. 26, 123 Anm. 35, 125 Anm. 40 – Neues Testament 147, 183 Lügengeist 58 lukanisches Doppelwerk 167–182 Mantik 19, 98–99, 130 mit Anm. 46, 168 Marc Aurel 74–75

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Sachregister

Markusevangelium 143–148 Maximos von Tyros 74 Anm. 14, 85, 97 Anm. 44 Menenius Agrippa 158 mit Anm. 38 Mission, christliche, und (Heiliger) Geist 174–175, 177, 178–180, 182 Mittelplatonismus 19, 80 Anm. 25, 89, 90–99; siehe auch Maximos von Tyros, Philon von Alexandria, Plutarch – ~ und Stoa 97, 122, 123 – Pseudo-Platons Axiochos 90–96, 101, 165 – religious turn 96 Monismus, stoischer 65, 72 Anm. 12, 80 mit Anm. 24, 95 Mose 47, 122, 123, 131 Anm. 46, 146 – Geistträger 118, 120, 137 Anm. 54, 139, 181 Anm. 80 Musonius Rufus 74, 84 Naturbegriff 44 Anm. 20 Nikodemus, Nachtgespräch mit 184–185 Noah 137 Anm. 54 Nous, göttlicher (mens, ratio, Intellekt, Vernunft, Verstand) 65, 67, 70, 87, 88, 100 – ~ und göttlicher Logos 28, 65, 66–67, 100

– ~ und göttliches Pneuma 67–68, 72–74, 88 – ~ und menschliche Seele 120, 121 – ~ als Regent des Alls 70, 71–73 – ~ als Schöpfer des Alls 67, 87–88, 122–123 – ~ als Schöpfer des Menschen 124 Nous, kosmischer/Weltvernunft (mens mundi) 28, 68, 71, 72, 82, 83, 88, 120, 123, 137 Nous, menschlicher (mens, ratio, Denkvermögen, Intellekt, Vernunft, Verstand) 21–22, 27–28, 65, 81–83, 130 – ~ und göttlicher Nous 65, 124 – ~ und göttliches Pneuma 18, 21–22, 83, 94, 114 mit Anm. 23, 124 Anm. 38, 127, 128, 130, 137, 156 – ~ und menschliches Pneuma 21–22, 27–29 Paraklet 26 Anm. 47, 140, 183, 188–191, 193, 198 – Wortbedeutung 188 Anm. 100 Paulus 148–167, 174–175, 178–179, 196–197 – Ekklesiologie 101, 156– 159, 198

Sachregister

– – – – –

Eschatologie 52, 164–167 Ethik 101, 160–164 Galaterbrief 148–150 Geistträger 174 1. Korintherbrief 157–159, 198–199 – Römerbrief 150–156 Peripatos 65, 66 Anm. 3, 69 Anm. 10 Petrus 15, 52 Anm. 36, 172, 176 Anm. 74, 177–178, 179 Pfingstbewegung 1–7, 154, 201 – Assembleia de Deus 6 – neopentekostale Bewegung 1–2, 3–4; siehe auch Igreja Universal do Reino de Deus Pfingsten 12 Anm. 15, 52 Anm. 36, 169–170, 175, 176, 177, 182, 192, 201 Anm. 9 Philippus (Evangelist) 26 Anm. 47, 110 Anm. 15, 178 Philon von Alexandria 28 Anm. 53, 42, 59, 80 Anm. 25, 116–131, 137, 138, 139, 140, 181 Anm. 80, 196 – Biographisches 121–122 – De gigantibus 117–120, 137 – De opificio mundi 121– 127, 137 – Quod Deus sit immutabilis 117, 120–121, 137

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Platon/Platonismus 18, 42–43, 65, 89, 95, 96, 97 Anm. 44, 118 Anm. 30, 122, 127, 129, 138–139; siehe auch Mittelplatonismus – Platons Gottesdefinition 65 – Platons Timaios 123, 127 – Stoa und Platonismus 80 Anm. 24–25, 84, 97, 118 Anm. 30, 122 Plutarch 19, 60 Anm. 49, 86 Anm. 34, 97–99, 126–127, 168 Anm. 55–56 – De defectu oraculorum 97–99 – mantisches Pneuma 19, 98–99 Poseidonios 69, 71, 74, 80 Anm. 24, 83, 158 Prophetie und Geist 7 – Altes Testament 13, 28, 36, 38 mit Anm. 10, 50, 62, 64 – Mittelplatonismus 98–99 – Antikes Judentum 129– 130, 131 Anm. 46, 137 Anm. 54, 139 mit Anm. 57 – Neues Testament 102, 157, 168, 169, 171, 174, 179, 198 Psalmen Salomos 35, 56–58, 135 – Endredaktion 56 Anm. 42 Qumran 29, 35, 49, 51, 55– 56, 58–61, 63 Anm. 53, 114 Anm. 24, 121, 135, 139, 155

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Sachregister

Richter Israels als Geistträger 35, 63 Salbung und Geistverleihung 4 Anm. 5, 13, 37, 38, 53, 56, 57, 171–173, 175 Salomo 103, 112 mit Anm. 20 Sapientia Salomonis 29, 35, 42, 103–116, 120, 135 Anm. 51, 140 – Datierung 103 Satan/Teufel 10–11 mit Anm. 12, 15 mit Anm. 23, 172, 173; siehe auch Versuchungsgeschichte Saul 34–35, 37 Anm. 6, 63 Schicksal (Heimarmene) 67–68 mit Anm. 8, 73, 74 mit Anm. 15, 77, 101 Schöpfungserzählungen, biblische 123–125 – erster Schöpfungsbericht 28, 39–41 – zweiter Schöpfungsbericht 24, 41 Schöpfungsglaube 134 – Ablehnung der Naturvorstellung 44 Anm. 20 – creatio continua 44 mit Anm. 20 – endzeitliche Erneuerung der Schöpfung 52, 54, 63, 148, 164–167 – Gott als „Schöpfer und Vater“ 122–123

– Schöpfung aus dem Nichts 45 Anm. 22 Seele – Einwohnung des göttlichen Geistes in der ~ 94, 95, 96, 119; siehe auch Geisteinwohnung – Geist/Hauch Gottes und menschliche ~ 41, 42, 98– 99, 125 mit Anm. 40, 126, 128, 138 – Körper als Gefängnis der ~ 91 – Leib-~-Dualismus 119– 121, 125, 126, 127 – nachtodliches Geschick der ~ 73–74 mit Anm. 15 – ~ und Erkenntnis 98–99, 114, 128 – ~ als ‚Gottesorgan‘ im Menschen 42–43, 70–71, 95, 128, 129 – Unsterblichkeit der ~ 91, 95, 96, 127 – Vernunftbegabung der ~ 79–80, 81, 82, 121, 126 Anm. 42 – Vernunft~ 79–80, 82, 126 Anm. 42 – Verschmelzung mit dem mantischen Pneuma 98–99 – Welt~ 66, 118 mit Anm. 30 Seligpreisungen Jesu 13

Sachregister

Seneca d. J. 19, 73 Anm. 14, 74, 75–83, 100–101, 107, 165, 196–197 – Biographisches 81 Anm. 26 Simon Magus 175 Anm. 72 Simson 35, 37 Anm. 4 Skepsis, akademische 70, 89, 97 Anm. 44 Sokrates 18, 90–96 – Biographisches 96 Anm. 44 – Daimonion 97 Anm. 44, 102 Anm. 48 Sophistik, Zweite 84–89; siehe auch Dion Chrysostomos, Maximos von Tyros Soteriologie – griechisch-römisch 79, 96, 101 – Antikes Judentum 115, 125–126, 136 Anm. 52–53, 137 – Neues Testament 139, 148–156, 171–173, 181, 184–187 spiritus divinus 83, 165 spiritus sacer 76, 82–83, 107, 165 Staub(substanz des Menschen) 42, 44, 45 Anm. 22, 124 Anm. 38, 125 Stephanus (Märtyrer) 174

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Sterblichkeit/Todesgeschick des Menschen 39, 93, 125, 164; siehe auch Staub Stoa 28, 65–89, 97 Anm. 44, 100–101, 107, 112, 113, 114 Anm. 23, 116, 118 Anm. 30, 122, 123, 127, 140, 168 Anm. 58, 186 – Monismus 65, 72 Anm. 12, 80 mit Anm. 24, 95 – secundum naturam suam vivere 82 – ~ und Platonismus 80 Anm. 24–25, 84, 118 Anm. 30 Süden, Globaler VII, IX, 3, 5, 6, 201 Sünde 46, 49, 151–154, 160 – Bestrafung der ~(r) 57, 136 Anm. 56, 140, 191 – ~ als Macht(bereich) 151– 152, 160 mit Anm. 41, 197 – ~ und Tod 153 mit Anm. 26, 154 – ~ wider den Heiligen Geist 11 – Vergebung der ~n 30, 61, 192–193 Taufe, christliche 9 Anm. 10, 149 Anm. 19, 156, 158, 174 Anm. 70, 178 – ~ und Geistverleihung/ Geistempfang 24, 174, 176, 177, 178, 185

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Sachregister

Taufe Jesu 14–15, 23, 36, 53, 144, 146 Anm. 9, 170, 172, 173, 180, 196 Tauftätigkeit Jesu – Ankündigung von Jesu Geisttaufe durch Johannes den Täufer 9 Anm. 10, 12, 140, 143–144, 169, 176, 184, 188 Anm. 99, 192 – irdische ~ 12 mit Anm. 15 – nachösterliche ~ 177, 179 Anm. 76 Tertullian 66–67 Teufel → Satan Theodizee 86 Tod 89, 90–96, 101, 116 Anm. 26, 133, 151, 152, 153; siehe auch Staub, Sterblichkeit – Überwindung des ~es 45, 51, 52, 134, 165 Todesfurcht 90 – Überwindung der ~ 90, 92, 96 Tora 104, 108–110 mit Anm. 14, 114 Anm. 23, 122, 137 Anm. 53, 162 Tora-Exegese 11 Anm. 23, 121, 138 Totenauferstehung → Auferstehungsglaube, → Auferweckung Jesu Christi Transzendenz/Immanenz Gottes 23, 65, 75–79, 82, 95, 96, 97, 108, 122, 123 Anm. 35, 136, 138, 144, 168

Trinität 171 – Heiliger Geist als dritte Person der ~ 17, 26, 200 Unsterblichkeit des Menschen 95, 101, 125, 130, 133, 134, 136, 137, 139, 165; siehe auch Leben: ewiges – ~ der Seele 91, 95, 96, 127 – ~ durch Teilhabe an Gottes Unsterblichkeit 137, 139 Unvergänglichkeit 110 Anm. 14, 124, 133, 134, 136 Anm. 52, 164 Vaterschaft Gottes – Gott als Vater der Christgläubigen 157, 160, 186, 190, 197; siehe auch Abba, Gotteskindschaft – Gott als Vater Jesu Christi 23, 26 mit Anm. 48, 30, 52 Anm. 36, 168 Anm. 57, 170, 173, 176, 177–178, 180, 183, 184, 188, 189, 191– 192 – Gott als Vater der Menschen 122–123, 125, 126, 127 Veni, Creator Spiritus 201 Vergil 73–74 Verklärung Jesu 146, 180 Vernunft → Nous Verstockung und Heiliger Geist 180

Sachregister

Versuchungsgeschichte 14, 15, 36, 144, 147, 170, 172 Vorsehung 59, 68 Anm. 8, 123 Anm. 35 Weisheit und Geist 28–29, 106–107, 112, 114 mit Anm. 23, 115, 118, 119– 120, 132, 135, 174; siehe auch „Geist der Weisheit“ Weltenbrandlehre 86–88 Weltvernunft → Nous, kosmischer

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Wiedergeburt/Geistgeburt 24, 63 Anm. 52, 139, 184– 186, 196 Wohlstandsevangelium 3 Anm. 4, 5 Anm. 7 Zenon 66, 67 Zeus 86–88 Zungenrede → Glossolalie Zwei-Geister-Lehre (Qumran) 59, 121