Abstrakte Gegenstände [2 ed.]

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Abstrakte Gegenstande

RoteReihe

Fi.ir Malakeh, Cornelia und Sebastian

Bibliographisc hc Information der Deu tsc hcn Nationalbi bliorhck Die Deutsc he Nationalbibliothck vcrzeichnet dicsc Publikation in der Deutschcn Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sine! im Internet tib er http://dnb.d-nb.de abru fb ar. 2 . , um ei ncn Anhang erweitertc Auflage 2007, Vittorio Klosterman n, Frankfurt am Main r. Auflage 1983, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main © Vittorio Klostermann Gm bH ·Fra nkfurt am Main · 2007 Alie Rcchte vorbchal ten, insbesonclc re die des Nachdrucks und clcr Obersetzung. O hne Genehmigun g des Verlages ist cs nicht gestattet, dieses Werk oder Teile in cinem photomechanisc hcn oder sonstigcn Reproduktionsvcrfahren zu verarbeiten, zu verv ielfoltigcn und zu verbrcitcn . Gedruckt auf altc rungsbestandi gcm Papicr § iso•mr. Drucie Wilhelm & Adam, Hcusenstamm Printed in Germany ISSN 1612-4545 ISBN 978-3-465 -04032-3

ln me11101iam Sir Peter St.rawson

(1919-2006)

Inhalt

v ()[\\'()rt Vorwort zur zweiten 1\uflage ..................... . Finleitung ..................................... .

10 11

13

I. Kapitcl Terme uncl Gegenstande

§ 1 Singulare und generelle Terme ................. . § 2 Exemplifikation . . . . . . . . .................... . §3 Konkrete und abstraktc Termc ................ . §4 Gegcnstiinde, Entitatcn, Seiendcs

24 33 38 43

2. Kapitel Kritcrien der i\bstrakthcit

§1 §2 §3 §4

Unveranderlichkcit uncl Zeitlosigkeit . . . . . . . . . . . . Nicht-Wahrnehmbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unwirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischcnspiel: Individuclle i\Iomcntc und q11a!i(/ . . . § 5 Rein begrifl1iche Identifizicrbarkcit . . . . . . . . . . . . . .

48 60 66 77 85

3. Kapitcl Die Existenz abstrakter Gegenstande

§1 §2 §3 §4 §5 §6

Existcnz-Bcdingungcn fiir cinzclnc >Universaliern Platonismus und Quantifikation . . . . . . . . . . . . . . . . Gegenstandsquantifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einsetzungsc1l1antifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein drittcr Wcg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Irrecluzibcl abstrakte Aussagen . . . . . . . . . . . . . . . . .

96 l 01 104 109 117

126

7

§ I Lin cpistcmologischcs Problem ................ .

us

§ 2 Kausalitiit und das ,,{·'assen nin Gcdankcrw

138 145 154 161 165

§ 3 »\Vcscnserschauung« (1): Der crstc Schritt

....... .

§ 4 »\Vcscnserschauung« (2): Phantasievariation ...... . § 5 »l•:igentliche Vorstellung« ..................... . § (> »Acquaintance« .. , .......................... .

§ 7 r\bstraktc Gcgcnstande und priisentierende singuEire Tcrme

............................ .

287 297

§ 2 Vorstcllung und Darstellung .............. , ... . § 3 Narrative Opcratorcn ........................ .

4. I(apitel Gcgcbcnhcitswcisc und Rcfcrcnz

169

Postskn/>t1w1 200 7

Eigcnschaftcn uncl Bcgriffe Scrnantik und Ontologic

§ 1 H6hcrstufige Priidikationcn uncl die Stratcgicn . . .

311 328 340

.

348

Litcratur ...................................... . Pcrsoncnregistcr ................................ . Sachrcgister ................................... .

353 371 376

des Partikularismus .......................... § 2 Pradikate, generellc Terme und Eigcnschaftcn .... § 3 Eigcnschaften und Begriffe ................... § 4 Nicht zu wenigc l~:igenschaften - und nicht zu viclc ......................................

5. Kapitel Verstehcn und Evidenz

§ 1 Bczugnahme auf sprachlichc r\usclrlickc ......... . § 2 V crstehcn und Sinn ......................... . § 3 Kcnntnis des sprachlichcn Sinnes .............. .

§ 4 Trivialitiit und Evidcnz

...................... .

180 189 195 205

§ 5 Evidcnz, r\nalytizitat und holistischc Rcchtfertigung .................................. .

213

6. Kapitcl Identitatskritcrien for abstraktc Gcgcnstande

§ 1 Exposition des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Extensionalc abstrakte Gegenstandc . . . . . . . . . . . . . § 3 Intcm;ionalc abstrakte Gegenstancle . . . . . . . . . . . . .

§ 4 Synonymic und kognitivc Gleichwertigkcit . . . . . . . . § 5 Propositionen und okkasionellc Satzc . . . . . . . . . . . .

225 228 236 244 262

An hang Fiktive Gegenstande

§ 1 Fiktionalc Rede und Behauptungcn i.iber fiktivc Gegenstiindc ............................... .

279 9

8

Vorwort

Vorwort zur zweiten Auflage

Sind Ausdrticke, die sich allem 1\nschein nach auf nicht wahrnehmbare, atcrnporale Gcgenstandc bezichcn, sprachliche Irrlichtcr, die in mctaphysischc Stimpfe fohrcn? Oder sine! sic unent· behrlichc Bestandteilc dcr Rcalitiitsbcschreibung? An dicscr h·agc schciden sich die Geister oft auch inncrhalb derselbcn philosophischcn Tradition: hier trennen sich z. B. die \v'cgc 13rentanos und llusserls gcnauso wie die \'Vittgcnsteins und Freges. Das vorliegencle Buch setzt cliese Kontroverse, den sogenannten Universalien-Streit, irn begrifflichen i\Icdium dcr i\nalytischen Philosophic der Sprache fort. An cinem Grundproblem der klassischen !lletaphysica ,~eneralis sire ontolo,~i{/ versucht es vorzufohrcn, clan die bcgrifflichc Orientierung an der Analytischen Philosophic auch elem 13cmiihen zugute kommen kann, von Philosophen andcrer Provcnienz zu lernen. Die diesen Versuch bestimmencle Obcrzeugung hat Strawson einmal so formuliert: »Der Fortschritt ist, zumindcst in der Philosophic, dialcktisch: Wir kehren zu alten Einsichten in neuen und - wie wir hoffen - verbesserten Formen zurtick.« Dern Buch liegt meine Hamburger Ifabilitationsschrift aus elem Jah re l 979 zugruncle. Hilfreiche kritische Anmerkungen zu (verschiedenen Teilen) dieser Schrift haben T. Diering, P. J\I. S. Hacker, K. Oehler, C. Oetkc, G. Patzig, P. i\I. Simons uncl vor allem rnein Freund Edward Craig gernacht. Herbert Schnadelbach und Dieter Henrich haben das Publikationsprojekt entscheidend gefordert. Ihnen alien mbchte ich an dieser Stelle herzlich danken -, insbesondere aber meiner Frau, die dafor gesorgt hat, clan ich die i\rbeit an diesem Buch zum AbschluG bringen konnte.

Dieser zweitcn Au fl age meines vor einem Vierteljahrhunclert erstmals erschienenen PEidoycrs for den »Platonismus« habe ich einen umfangreichen Essay tiber zwci Katcgorien von abstrakten Gegenstiinden, iiber l':igemchaften und Begriffe, hinzugefogt. Dicsem J>ostskript11m 2007 kann man entnehmen, wie sich mir der gegenwartige Stand des Universalienstreits in der Analytischen Philosophic darstellt und in wclchen Hinsichten ich meine frtihere i\uffassung beztiglich dieser beiden Kategorien revidiert habe. Um dafor zu sorgen, class der neue Essay auch mr der Lekti.ire des alten Buchs verstandlich ist, habe ich einige Oberlappungen mit den vorangegangenen Kapiteln in Kauf genommen. Neuere Literatur, die in diesern Essav beriicksichtigt wird, ist in dcr Bibliographic durch cin Sternchen gekennzeichnet. Dort sind auch Verbffentlichungen registriert, in denen ich an anderen Problcmen weitergearbeitet habe, die in elem hier neu aufgelegten Buch zur Sprache kommen. 1 In den Text der ersten Auflage habe ich ansonsten nur eingegriffen, um Druckfehler und einige stilistische und terminologische i\Iissgriffe zu beseitigen. Ich danke Vittorio E. Klostermann for die Beharrlichkeit, mit der er mich imrner wieder an seinen Plan einer \'Viederverbffentlichung erinnert hat, und meinern Freund und Kollcgen Andreas Kemmerling for f1ankierende i\faGnahmen. 13ei Claudia Nissie bedanke ich mich for ihren gronen Einsatz bei der Erstellung der Druckvorlage. Ein besonders herzliches Dankeschbn gebtihrt i\Iaria Kuper for die immense Sorgfalt, die sie beim t\npassen des Postskriptums, bei cler Erweiterung von Bibliographic und Personenregister sowie beirn Aufspi.iren von Corrigenda an den Tag gelegt hat.

Hamburg, Oktober 1982 Hamburg, Juli 2007

1

Zu Kap. 3, §§ 3-5 (Quantifikation; Wahrheit) vgl. [!OJ, Kap. 2.2 und 6.2, [12], § 2,

[16], § 2; zu Kap. 5, §§ 4-5 (Evidenz und Analytizitat) vgl. [10], Kap. 2. l, [14], zu Kap. 2, § 3 unc! l(ap. 4, § 2 (Frcgcs Ontologic und Scmantik) ,-gl. zum V crha!tnis von »a ist F« und »a hat F--heit« ,·gl. [ 13], § 4; zum t\nhang (fiktionak Rede und fikti,·c Gegenstiindc) ,·gl. [15]; zur !dee einer deskripti\-en C.lctaphysik vgl. [12], § 3.1.

10

fl 7]; fl 7];

11

Gist< kommt auf clieser Scitc mehrfach vor. Die Mt11thii11.r-Passion wird jedes Jahr an viclcn Otten aufgcfiihrt.

(/)

Zah/en: 4 ist cine gcrade Zahl.

(g)

Klassen (Afengen): Die Klas.re der rorhestrajien

V(~etmier ist

nicht leer.

Paracligmatische ko11krete Gegenstiincle sine! rnaterielle Kbrper und Personen, - Dinge, an clenen man sich stof3en, die man beri.ihren kann. Nach einigen terminologischen Erliiuterungen zu clieser rhapsodischen Kategorientafel will ich elem Leser auf den niichsten Seiten einen Oberblick i.iber den Weg geben, den ich in diesem Buch beschritten habe. Indem ich die in meiner Liste angefohrten Gegenstiinde abstrakt nenne, folge ich Carnaps Sprachgebrauch, der sich in der

Plato, Thcactctus 146.

l4

15

Analytischcn Philosophic wcitgehend durchgesetzt hat. Die philosophische Tradition pflcgtc statt dcsscn mcist von L'ni1'enalie11 zu rcden. Dieser Bcgriff findct sich noch bei Russell (mniversals< im Untcrschied zu >particularsallgcmeine< im Unterschied zu >individucllcn Gcgenstiindcrn). l''.r hat den groflcn Nachtcil, nicht cinmal auf alle Eigcnschaftcn anwendbar zu scin. »Univcrsalc wird das genannt«, so lautet die traditioncllc, auf i\ristotelcs zurikkgchende Erliiuterung dicscs Bcgriffs, »was seiner Natur nach in mehrercm zu sein vcrmag«. 6 Dcmnach ware die l''.igcnschaft, cine ungerade Primzahl zu scin, cine Universale, - die Eigcnschaft, cine geradc Primzahl zu scin, aber nicht: denn sic kann (»ihrer Natur nadl«) nicht mehrfach cxcmplifiziert sein. Ich habc die Aufzahlung abstrakter Gegcnstande mit Hilfc cinigcr kategorialcr Bcstimmungen gcglicdcrt. Von Propositioncn und Typen wire! in diescm Buch standig die Rede sein, - nicht nur dann, wcnn sic als Kategorien thematisiert \Verden. Ich mCichtc dcshalb gleich eincn \Vink geben, wic ich die i\usdrticke >Proposition< und >Typ< verstanden wissen will. Der zwcite clieser bciden Termini ist (im hier intenclierten Sinne) von Peirce eingeflihrt worclen. 7 Vergegcnwartigcn wir uns an cincm Bcispicl, welchen Unterschiecl Peirce im Auge hat, wenn er >types< von >tokens< abhebt. \Vic vicle Siitze stehen in diesem Kasten? Schnee ist wciG. Gras ist griin. Blut ist rot. Schnee ist wciG.

\Ver antwortct »Vier«, hat Satzvorkommnissc (tokens) geziihlt; wcr antwortet »Drei«, hat Satztypen (types) gezahlt. Man verwendet den J\usdruck >Satz< im Sinnc von >SatztypSchnee ist weif3< zweimal in dicsem Kasten vorkommt. Dasjenige, von elem man clann behauptet, es komme mchrfach vor, ist einer cler abstrakten Gegenstande, die unter (c) zu subsumieren sine!. Satze bcstehen aus \Vfatern, um! natiirlich hatte ich die Typ/Vorkommnis-Ambiguitat auch am Gebrauch des i\usclrucks >\Vort< erlautern kbnnen. Das, was unter Verwenclung eines Satzes w1e Dia/11r 1111il'c'rsale q11od apt11111 na/11111 est tsse in pluri!ms: Petrus Aristotcles, De lntcrprctationc 7, 17 a 39-40. - Peirce, 2.143; 4.421, 537. Schnee ist weiB< gesagt wird, bcsteht nicht aus \\/iirtcrn. Das mit einem solchen Satz Gesagte ist das, was man als wahr oder nicht wahr zu bezeichncn pflegt. Es ist etwas, das in meincr l .iste untcr (c) zu subsumieren ist: eine Proposition. (Das Gcsagte ist selbstvcrstiincllich nicht imrner etwas, das mit einem cinzigcn Satz ausgcdrlickt wird. i\uch die i\llgerneinc Relativitiitstheorie ist cine Proposition.) Diese Verwendungswcisc des i\usdrucks >Proposition< hat sich erst in unserem Jahrhunclert durchgesctzt. Im 1\fittclalter meinte rnan mit >propositio< den Satz sclber - und nicht das mit ihm Gesagte; letzteres nannte man meist >dictum propositionisProposition< werde ich in cliesem Buch hiiufig die i\usdriicke >clas Gcsagte< und >i\ussagc< vcrwendcn. Daf3 man beim Ziihlen von i\ussagen haufig zu anclercn Resultaten kommt als beim Zahlcn von Satzt:ypen oder Satzvorkommnissen, hat Strawson hervorgehobcn. »The same sentence may be used to make different statcments.«9 \Venn ich sage >Das gehbrt mirKant war ein JunggeselleKant was a bachelor< und >Kant war ein unverheirateter i\Iann< dieselbe i\ussage machcn. Es kann zum ancleren aber auch dann cler Fall scin, wcnn es sich um sinnverschicclene Satze clerselben Sprache handelt: \Vahrcnd A iiber C sagt >Er ist krank< und B zu C >Du bist kranklch bin krankclaf3 p< 10) 0 Vgl. Kretzmann; Nuchelmans. '' Strawson [6], S. 192 (NB. Das Strawson-Zitat im Vorwort findct sich in [7J,

s.

177.)

'" \Vic man im Latcinischcn cine Bczcichnung for das dictum propositionis bildcn kann, dariiber habcn mittclaltcrliche Philosophcn im i\nschluB an t\baclard priizise i\ngabcn gemacht: Einc Ilezcichnung (appe!!atio) des mit dcm Satz >01m1is homo est cmilJJal< c;esagten erzeugt tnan aus dicscn1 Satz, indcm man ihn cntwedcr in cine a.c.i.-Phrase vcrwandelt (>01111u'111 hominem esse tl!l!l11c1Iq11od
C:!{~enstand< heif3t, sollen die grammatischen Prolegomena dieses Buches dartun, die im 1. Kapitel enthalten sind. Ob alien abstrakten Gegenstanden etwas gemeinsam uncl eigentiimlich ist, werde ich im 2. Kapitel untersuchen. Im Verlauf der dort angestellten Uberlegungen wire! etwas augenfallig werden, was im >Universalienstreit< cler Analytischen Philosophic (wohl wegen cler vorherrschenden Orientierung am Grundlagenstreit der Mathematik) noch kaum zur Kenntnis niranstellt. Vgl. Kretzrnan, S. 774 f. :\Ioderne Semantiker sind oft wenigcr sorgfaltig. So lautet z. B. clas Definiens cler Wahrheitsdefinition in Carnaps [3], S. 50: »there is a proposition p such that S designates p, and p«. Bei ihrem letztcn t\uftreten ist die Variable'!" Platzhaltcr fiir eincn w>llstiindigen Satz, bei ihrern vorletzten t\uftretcn aber Platzhaltcr flir die l3eze1dm1111,~ einer Proposition; cla sie nicht gut in eincrn Satz beidc Rollen spielen kann, ist die Formulierung schlicht ungrammatisch. 11 \Venn man z. B. auf die Frage 1\Vas hat NN bcstritten?< mit >Da[) p< antwortet, so macht man nattirlich cine ,\ussage (aber eben nicht die r\ussage, dall p). 11 \Vittgenstein, llPhilosophische Untersuchungen« (in [!],Bel. l), § 49; vgl. auch

§ 22. u Strawson [6], S. 193.

18

genommen worden ist: dafl einige abstrakte Gegenstandc einc (intcrne) Gcschichte habcn.1 1 Ich habe behauptet, daB clie-uncl-clie Komponentcn dcr untcr (a) bis (g) zusammcngestellten Satzc abstraktc Gegcnstande bezciclmen. Damit habc ich mich noch nicht auf die These festgclegt, da/f es so!cl.1e Ge.genstcinde .~iht. Wer sagt, >Pegasus< sei der Name eincs gcflligclten Pfcrdes, widerspricht sich nicht, wcnn er bestrcitct, daG Fli.igclrbsser existieren.1.' Nomi11a!isten sind der 1\Ieinung, es gebc keinc abstraktcn Gegcnstande. Realisten oder wie man hcutc wegen der Vicldcutigkcit diescs Titels lieber sagt 16 P!atonisten glauben, daB solche Gegenstiindc existicren. (Da Versicherungen der Form >NN war kein NNist/NNianer< inzwischcn zum guten Ton zu gehfaen scheinen, sei hier hervorgehoben: Plato war tatsachlich ein Platonist.) Woran kann man auch dann erkcnnen, ob jemand eine Platonistische Ontologie akzcptiert, wenn er nicht explizit sagt, daB er es tut? Und, wichtiger noch: Ist es verniinftig, Platonistische Existenz-Annahmen zu machcn? Diese Fragen wcrdc ich im 3. Kapitcl eriirtcrn. Wer die zweite Frage bcjaht (und ich werde sie bejahcn), dcr muf3 die epistemolo,gischen Bedenken des No!llina!isten ausriiumen, die der Grund for seine Eidophobie sine!: J\Iit welchem Recht kann man for cine Aussage iibcr einen abstrakten Gcgenstand eincn Geltungsanspruch erheben, wenn sie ihre Glaubwiirdigkeit nicht anderen A11ssage11 verdankt? >Nicht-sinnliche Anschauung< - so lautet die traditionelle Antwort des Platonisten gibt uns dieses Recht. Der Kynikcr Diogenes sol! zu Plato cinmal gcsagt haben: »kh sehe zwar cinen Tisch und einen Becher, doch niemals so etwas wie Tischheit oder Becherhcit«. Plato, so hcif3t cs, habe darauf erwidert: »Das ist verstancllich; denn Augen, mit denen man einen Becher sieht oder eincn Tisch, die hast du wohl, aber clas, womit man Tischheit und Bccherhcit erblickt (j3).in:ern1), den 1·1 Zu diesen "historischen« abstrakten Gegcnstandcn gchiiren auch solchc soziokulturellcn Objektc wic Das Schachspiel und Die sizilianische Vcrteidigung, Der evangclische Gottesdienst und Das Abendmahl, die ich in dicscrn Buch nicht eriirtcrn werde (und datum auch in meiner Katcgorienlistc nicht rcpriiscntiert babe). Vgl. daw Quinton [2]. " Von dcr Sernantik um! Pragmatik dcr Rede tibcr fikti\"e Gegenstiinde handclt der Anhang zu diescm Buch. 11< \Venn ich recht sehe, ist dcr ,\lathcrnatikcr und Logikcr Paul Bernays dcr Vatcr dicser Tcrminologic: Bernays, S. 65.

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c;cist hast du nicht ( vouv OUK E;:(l'lt;)«. 1 DaB die Konzcption cincr >nicht-sinnlichcn Anschauung< auch in ihrcr subtilstcn Variantc unplausibel ist, werde ich irn 4. Kapitel zu zeigen versuchen. t\us den Tr1irnrncrn clicscr Konzcption wcrdc ich Bausteine for cine (hoffentlich) cinleucht:cnderc Antwort auf die Fragc nach dcr Zuganglichkeit abstraktcr Gegenstiincle rctten. Unter dern Gcsichtspunkt der abschlicf3endcn Idcntifikation hat die clciktische Bezugnahrnc auf konkrete Gcgenstiinde einen Vorzug vor der deskriptiven. Untcr dcmselben Gcsichtspunkt gibt es auch (so wcrde ich darlegen) eine ausgczeichnete \'Veise clcr Bczugnahrnc auf abstrakte Gegenstande. \'Vas die \'V'ahrnehmung for die abschlieBendc Identifikacion konkreter Gegenstande becleutet, leistct das Verstehen (von Bezeichnungen einer bestirnmtcn Sorte) for die abschlieBende Identifikation eines abstrakten Gegenstandes. >Ventehen< ist denn auch der Grundbegriff des im 5. Kapitel vorgelegten Versuchs, die erkenntnistheorctischen Skrupel des Nominalisten zu zerstreucn: Unter bestimmten Bedingungen garantiert das Verstehen eines Satzes i.iber einen abstrakten Gcgenstand das \'Vissen, welches dcr gemcinte Gcgenstand und welches der \'Vahrheitswert der mit elem Satz gemachten Aussage ist. In diesem Zusammenhang werde ich einen Begriff explizieren, der (sehr zum Schadcn fiir die Theorie des apriorischen \'Visscns) in Vergesscnheit gcraten ist: den Begriff der evidenfia e.;.: tetminis. Mit seiner Hilfe wird es dann auch moglich sein, cine Unterscheidung zu crklaren, die in der Sprachphilosophie der zweiten Halftc unscres .Jahrhunderts keine gute Prcsse hat: 18 die Distinktion zwischen analytischen und sy11thetische11 Aussagen. Unentbehrlichkeit und Grenzen der heute so beliebtcn holistischen Rechtfertigungsstrategie werden dabei sichtbar werden. Die Entkraftung der Einwandc gegcn die Annahmc, es gebe abstrakte Gegenstande, cntbindet uns nicht von der Aufgabc, Rechenschaft 1iber den Sinn der einzelnen Kategorien dieses Bereichs zu geben. \'Vir wissen erst dann, \Vas ein Gegenstand der Kategorie X ist, wenn wir wisscn, wie man einen derartigen Gegcnstand von einem anderen (der Kategorie X) unterscheiden und woran man ihn als denselben wiedererkennen kann. So habe ich

oben bci der vorlaufigen Erliiuterung der Ausdri.icke >Iyp< und >Proposition< davon gesprochen, Vorkomrnnisse »vcrschicdencr« Satze kbnntcn unter gewisscn Urnstiinden »dicsclbe« Proposition ausdri.icken. Auf welchc Kriterien kann man sich bci solchen Unterschcidungcn uncl Idcntifizierungen berufen? Thema des 6. Kapitels ist die Frage nach den Identitiitskriterie11 for einige Kategorien mciner Listc. Ftir Klassen ist sie durch das Extensionalitatsaxiom kristallklar beantwortet: Die Klassc ;\ ist genau dann identisch mit der Klasse B, wcnn es kein Element von A gibt, das nicht auch ein Element von B ist, und umgekehrt. Um jene Frage auch for »intensionale« Gegenstande (wie Eigenschaften und Propositionen) zufriedcnstellend beant:wortcn zu keinncn, muB man Klarheit clartiber gewinnen, warm zwei Ausdr1icke denselben Sinn haben. Die ontologischc Fragc nach elem Idcntitatskriteriurn for bestimmtc Gegenstande erweist sich hier als ein Grundproblem der Sprachphilosophie. Der heute wcit vcrbrcitcte Zweifel an der Priizisicrbarkeit des Begriffs der Sinniclentitiit 19 liiBt deshalb auch die Kategorien >Attribut< und >Proposition< suspckt erschcinen. Der Versuch, sie zu rehabilitieren, muB daher in wesentlichen Teilen ein Traktat i.iber (kognitivc) Sy11onymie sein. Es wird sich zeigen, daB die Explikation des Synonymie-Begriffs nur cine Teilkisung des Individuationsproblems for Propositioncn ist. Nicht minder heikel ist die (seltener gcstellte) Frage: Unter welchen Bedingungen wird mit Siitzcn, die inde.-x:ikalisd;e Elementc (wie >ichhier< und >heuteDer \'\/al hat gcraclc clas Schiff gerammtabstrakter singuliirer Term< gehbrt zu einer Familie \'Ofl Begriffcn, deren ich mich im V crlauf clieser U ntersuchung standig bedienen wercle. Ich werde sie in diesem Kapitel erlautern. !\ls Terme (opot, termini) werden in dcr traditionellen Logik dicjenigen i\usdrikke klassifizicrt, mit denen man Gegcnstandc bezeichncn, die man ihnen zu- oder absprechen kann: im Unterschied etwa zu >abcralleauGer< und >auac 1 Das Merkmal 11bstrakt stcht in Opposition zu konkret; und si11g11kir ist der Gegenbegriff zu generel! Jede Bestimmung des einen Paares kann mit jeder Bestimmung des ancleren Paares kombiniert werden, so claG wir vier i\rten von Tcrmen erhalten. 2 (In den folgenden Beispielsiitzen ist dcr jeweils hervorgehobene i\usdruck ein Exemplar der fraglichen Art.) konkrctc singularc Tcrmc:

Sokrates ist tapfcr

konkrctc gencrcllc Tcrmc :

Sokratcs ist tap/er

abstrakte singuliire Tcrmc:

TapJi'rkeit ist cine Tugend

abstraktc generclle Terme:

Tapfcrkcit ist cine T1igend

Ich cri:irtere im ersten Paragraphen die Gegeniiberstellung von ,generel!, im dritten die von ahstrakt und konkret.

sit~~11kir uncl

1 !ch nenne these i\usdriicke )fennc< und nicht (wie Tugendhat in [3] und (4]) /Tcnninitkfinitorisch fcstgelegter Fachausdruck< uncr-

wi.inscht ist. 2

Vgl. Quine [SJ,§ 34; [9], §§ 25, 49.

23

§I ,\'i,1g11!titt m1d ,ge11ere!le 'l 'er!!!e Um Vorschliigc zur 1\bgrcnzung von singularcn und generdlen Termen bcurteilen zu kCinncn, brauchcn wir cine Acliiquathcitsbcdingung. Soll sic nicht willkiirlich sein, so mi.isscn die Bcforworter der vcrschiedenen Kriterien ihre lrnentionen in ihr wicclercrkennen, lhre lntentionen kbnnen \vir am besten an den Beispielen ablesen, die sie for diese Kategorien von Termen anfohren. Die folgende Adaquatheitsbedingung erfollt cliescs methodische Desiderat. Ein Kriterium for die Unterscheiclung zwischcn singubren und generellen Termen ist nur dann akzeptabel, wenn es die folgenclen Klassifikationen legitimiert: Personennamen, \'Or denen kein quantifizierencler i\usdruck wie >eirn oder >alle< steht, sind si1w1kire Terme; Adjektive, die in dem Rahmen >ist , .. ist ein(e) ,. .< ausfollen, sind ,generelle Terme. Der Leser kann sich leicht davon i.iberzeugen, daB nur ein Kriterium, das diese Minimalbedingung erfollt, die in der Einleitung dieses Kapitels vorgenommene Klassifikation der Ausclri.icke >Sokratestapfer< und >Tugend< rechtfertigt. Die Unterscheidung zwischen singularen und generellen Termen ist ein Bestandteil der traclitionellen Logik. 3 Petrus Hispanus, der /\utor des Lehrbuchs der scholastischen Logik, orientiert sich letztlich an i\ristoteles, wenn er schreibt: 4 »Ein terminus communis kann seiner Natur nach von mehrcrcn Gcgcnstanden ausgesagt werclcn (aptus natus est praeclicari de pluribus); cin

_) Statt >Tenn< sagen nrnnchc Autorcn >notnen< (marneNarncSokratcs< z11 Recht auf cine andere Personals Sokratcs anwenden kann, Mill fordert i.ibcrclies die Sclbigkcit des Sinncs, weil viele Personcn denselben Eigcnnamen habcn kbnncn: \'Vcndct man cincn solchen singuliiren Term auf vcrschicdene Gcgcnstande zu Recht an, dann hat er (Mill zufolgc) jcwcils cinen anderen Sinn. (Es ist frcilich merkwi.irdig, daB dersclbc Au tor ein paar Seiten spatcr den Eigcnnamen die Eigenschaft, Sinn zu haben, abspriclu!(') Dicsc Konzeption ist aus mehreren Gri.indcn unbcfricdigcnd. Termc wic >von sich verschiedcn< oder mmdcs Viereck< kbnnen »ihrer Natur nach« keincm cinzigcn Gegenstand zugesprochcn wcrdcn: Wic soll man sic klassifizieren? Ausdri.ickc wie >Primzahl zwischcn 3 uncl 7< uncl >iclcntisch mit Sokrates< kbnncn (»im selben Sinn«) nur cincm einzigen Gegenstand zugesprochen wcrclen: Solien wir sic clcshalb als singular einstufen? Verwirrcncl ist an dcr vorliegcndcn Auffassung vor allem, daG sie sowohl den gencrellen als auch den singularen Tcrmcn die Funktion zuschreibt, von Gegcnstanden ausgesagt zu \Verden (pracdicari de, to be affirmed of} Kann man den Term >Sokrates< von eincr Person aussagen? Kann man ihr diesen Term zusprechcn? Nati.irlich kann man auf jcmanden zeigcn uncl sagen: >Er ist Sokratesidentisch mit SokratesSokrates ist tapferEr ist cin Sokratcscin Sokratcs< kann ohnc Sinnverschiebung von mchrcrcn Personen ausgesagt werclen (gleichgiiltig, ob er nun soviel bedeutcn soil wic >cine Person, die Sokrates in der-uncl-der ':-!ill, I, 2, § 3. "a, a, 0,, § 5; ,-gL dazu: unten, Kap. 4, § 7 (Anfang).

25

f-linsicht glcicht< oder wic >cin J\lann namcns SokratesSokrates< priidiziert. Vielleicht fiihrt uns diescs Unbchagen in die Niihe eincs brauchbarcren Kriteriums. In einem Satz wie 8 (S)

Sokratcs ist tapfer

hat nicht jcder Tei! dicselbe Funktion. Zwar kann man sagen, daG bei einer assertorischen AuBerung von (S) sowohl >Sokratcs< als auch >(ist) tapfer< auf dieselbe Person angewendet wird; abcr beide !\usdri.icke werden doch nicht auf dieselbe Weise angcwendct. Es ist nun naheliegend, die funktionale Differenz z\vischen den Tcilen von (S) so zu beschreiben: J\lan nimmt mit >Sokrates< auf eine Person Bezug und charakterisiert sic durch den Rest des Satzes. Von dieser These ausgehend konnte man dann versuchen, singulare Terme durch ihre Funktion von den genercllen zu unterscheiden: Singulare Terme dienen der Refere11z (Bezugnahme), gencrcllc Terme sine! V ehikel der Priidzkatio11 (Charakterisierung). Aber warum solltcn wir eigentlich nicht auch umgckchrt sagen hinnen: J\lan nimmt in (S) mit >tapfer< auf die Tapferkeit Bezug und charakterisiert sic durch den Rest des Satzes als cine Eigenschaft, die Sokrates hat (cxemplifizicrt)?9 In der Tat ist die cine Beschreibung genauso korrckt wie die anclere, und deshalb ergibt sich aus der (unerliiG!ichen) funktionalen Untcrscheidung zwischen Referenz und Priidikation nicht das, was wir suchen: ein Kritcrium, mit dessen Hilfe sich singuliire und generelle Terme voneinander abheben !assen. Es konnte der Eindruck aufkommen, als sci durch meinen Gebrauch des Terminus >Rcferenz< bcrcits untcr der Hand cine Vorentscheidung zugunstcn des Platonismus gefallen. Aber dieser Eindruck tri.igt. Bezugnahme setzt nicht die h"'dste11z eines Gegenstandes voraus, auf den Bezug genommen wird. Eine Relation R ist genau dann existcnzindifferent, wenn aus >aRb< nicht folgt, daG es ctwas gibt, zu elem a in der Beziehung R steht. In diesem

Sinne sind z. B. Verehrung und Vorstellung existenzindifferente Relationen; denn man kann sich Baal auch clann vorstellcn urn! ihn verehrcn, \Venn cs ihn nicht gibtY' Im selbcn Sinnc ist nun auch Referenz cine existenzinclifferente Bcziehung: i\Ian kann auf Baal (z. B. mit Hilfc des Terms 1Baal0 Bczug nehmcn, um ihn (z. B. mit Hilfe des Terms >wurdc in Kanaan verehrtist derselbe Gcgcnstand wie< (oder e1t1cs synonymen Ausdrucks) stehen kann.13 Damit ist nun allerdings (explizit) nur cine hinrcichcndc Bedingung angegeben. Oder ist diese Bedingung zugleich auch notwenc1ig? Wenn sic es ware, dann gabe es in einer Sprachc ohne ein Aquivalcnt des >=< eo ipso keine singularen Terme. In einer Sprache, 1!1. der ke1t1e zwei singu!aren Terme denselben Gegenstand beze1chnen, wiirc cin Identitatsoperator ein leerlaufencles Rad. Aber cs sollte doch wohl moglich sein (was ich geracle als moglich unterstellt habe), auch in ihr singulare Terme von anderen Ausdrticken zu unterscheiden. Ich ziehe deshalb ein Kriteriurn vor, das die U nterscheidbarkeit von singularcn und generellen Termen nicht abhiingig macht von cler Verfogbarkeit des Identitatsoperators. 14 (Flir mcincn !\bgrenzungsvorschlag babe ich cine These adaptiert, die Strawson in seinem Aufsatz »The Asymmetry of Subjects and Predicates« (1970) vorgetragen hat. 15 Von einer Adaptation spreche ich u. a. deshalb, wcil Strawson cine Unterschcidung zwischen nichtsprachlichen Gegenstanclen vcrschicdener Stufen trifft, wo ich Terme verschiedener Kategorien voneinancler abzuheben versuchc. Schon deshalb sind eventuelle Irrtiimer in meiner Argurnen-

ration nicht Strawson anzulastcn.) Zur Vorbcreitung auf meinen 1\bgrcnzungsvorschlag mag die folgcndc Obcrlcgung dicncn. \Venn es wahr ist, daB dcr 1".iffelturm 300 m hoch ist, dann kann cs nicht ebenfalls wahr sein, claB er 200 m hoch ist, aber es burn sehr wohl wahr sein, daB irgcndein anderes Objckt, z. B. der Hamburger Fernsehturrn, ebenfalls 300 rn hoch ist. \Vir konncn in der Aussagc >Der Eiffclturm ist 300 m hoch< also zwar den Bcstandtcil >300 m hochclcr Eiffclturm< so gcgen einen anderen /\usdruck desselbcn Typs austauschcn, daB die resulticrendc i\ussagc nicht ebenfalls wahr sein kcmn. Termc wie dcr erste gchCiren (uncl solche wic der zweite gch(iren nicht) zu einem .\'ystem von i\usdrticken, dessen Elcmente sich kraft ihres Sinncs r111ssch!iefle11. 16 1n crstcr !\nnaherung lautet mcin !\bgrenzungsvorschlag: Ein Term ist genau dann ein gcncrcller, wenn man ihn in jcdcm i\ussagcsatz untcr Beibehaltung der tibrigcn Satzteile so durch einen anderen Term crsetzen kann, daB die alte und die neue Aussagc inkompatibel sind. Diese Forrnulierung muB aus zwei Grtinden moclifiziert werdcn. (l) Unser Kriterium sollte dcr l\Ioglichkcit Rcchnung tracren '-b ' daB ein und dassclbe (orthographische) Wort in ein und derselben Sprache sowohl als gencrcller als auch als singubrer Term verwcndct wird: In dcm Satz >This flag is red< fungiert >red< als gencreller Term, in >John's favourite colour is red< als singularer Term. (Beidc Verwcndungs\vcisen hangcn nattirlich svstematisch miteinander zusammen: In der eincn Verwendungs~veise ist clas \Vort >red< ein Name dcrjenigcn Eigcnschaft, die man einem Gegenstand mit diesem \Vort in seiner anderen Verwendungsweise zuschreibt.) (2) Die i\ussage, daB irgend etwas 300 m hoch ist, ist rnit keiner i\ussage cler Form >Irgencl etwas ist f« inkompatibel. Das sollte uns aber nicht daran hindern, >300 m hoch< als generellen Term cinzustufen. \Xlir mtissen das Kriterium also auf quantorenfreie Aussagesatze einschriinkcn. - !\us diescn Gri.inden forrnulicre ich meinen Abgrenzungsvorschlag folgendermaBen: ([)

Ein Term t hat gcnau dann cine Vcrwcndungswcisc, in dcr er cin ist, wcnn cs mindcstcns cincn Term t' gibt, dcrart, daB ttir alle quantorcnfrcicn S(t) und S(t') gilt: [•:s ist unmCiglich, daB sowohl clas mit S(t) Gesagtc als auch das rnit S(t') Gcsagtc wahr ist.

,~ene1dlcrTcrm

u Die Scmantik der Quantoren ist Thema von Kap. 3, §~ 2-5. 1·1 Eiufo als gcnerellen Term 7.ll klassifiziercn; dcnn dieser 1\usdruck konkurriert in elementarcn Aussagen wie (T) mit >sitztstcht< etc. l\Ichr noch, unser Abgrcnzungsvorschlag gestattet cs, Satzfragmcnte wie >ist tapferist eine Tugcnd< als generelle Tcrmc einzustufcn (statt sic weiter zu zerlegen). Genau das gcschieht bci der formallogischen Schematisierung eines Satzes wie (S)

Sokratcs ist tapfcr

zu >Faa< eincn singuEiren Term und >F< den Rest des Satzes. V crsteht man das >ist< in Satzen wie (S) gewissermaBen als Vorsilbe eines gencrellcn Terms, so wire! seine semantische Differenz zu elem gleichlautenden i\usdruck in Identita tssa tzen wie Sokratcs ist dcr I ,chrcr Platos

manifest: Hier fungiert dieser i\usdruck namlich als zwcistclligcr genereller Term (>ist-iclentisch-mit< oder >=< kCinnten ihn ersetzen). Hcgcls beri.ihmt-bcri.ichtigte Iist< nach elem 1\fodell von >=< zu verstehen ist. Dicse >Kritik< wire! gcgenstanclslos, wenn man sich die funktionale Differenz zwischen einer V orsilbe uncl einem eigens tandigen Relationsausdruck vor Augen fohrt. 19 Das in dem Schema >Fa< zum Ausdruck kommende V erstandnis eines quantorenfrcien i\ussagesatzes geht auf Frege zuri.ick. Frege schreibt allerclings statt >ist tap fer< oft >~ ist tap fertiitet< kommt in jedem dieser Siitze als Bcstandtcil vor. i\bcr (V) und (\Xi) weisen cine Bcsonderhcit auf, die :;ie von (U) unterscheidet: die h~ge11srha(t, eine Einsetzungsinstanz von >~ tiitet ~< zu scin. Die zweirnalige Verwendung desselben griechischen Buchstabens signalisicrt, daB er an bciden Stellen durch denselbcn singularen Term zu crsetzen ist. Nun ist aber >~ tiitet ~< kei11 Bestandteil von (V) oder (\'V); cliese Struktur kann (wie Prege gelegentlich sagt) zwar »unterschieden«, aber nicht »abgeschieden« werdcn. 21 Denken wir uns cine Sprachc, zu dercn Vokabular nur singulare Terme, namlich Stiidtenamen gchiiren, in der wir gleichwohl aber ,\ussagcn dari.ibcr machcn kCinnen, ob cine Stadt rnchr Einwohner als cine andcrc hat oder genauso vielc. \'Hamburg< und ciner klcinercn von >\Vcdel< zu bestchen. (Durch tlicscs Sprachmodell kann man s1ch i.ibrigcns vieles von dcm vcrstandlich machen, was \Vittgenstcin im »Tractatus« ubcr Elcmcntarsatze sagt.) Im folgenden blcibc ich bei dcr Klassifikation von Satzbcstandtcilcn \vie >(ist) tapfcr< und >(ist cine) Tugcnd< als gcnercllen Tcrmen, wcil sic bei mcincr Fragestcllung kcinen Schadcn anrichten kann und einc fliissigcre barstcllung crlaubt. Statt >gcncrellcr Tenn< wcrdc ich i.ibrigcns in spatcren Kapitcln oft auch >Pradikat< sagcn.

·" hege [6], S. 270, r\nrn. 5. Vgl. auch die Opposition »distinguishable chable« bzw. »abstractable \'S. extractable« bei Ryle [2], Bd. 1, S. 58.

32

\Vir ki.inncn die Relation, die Z\\·ischcn Sokrates und der l·:igenschaft Tapferkeit (in dicscr Rcihcnfolgc) genau dann hesteht, wcnn man mit dcm Satz

\'S.

deta-

ist nur cine stilistische Variantc von (S). Das Synonymie-Kriteriurn, cl as ich bei dicser trockcncn V crsichcrung voraussctze, wcrdc ich im 6. Kapitcl entwickcln. 20 Gemafl dcr These von dcr Differcnz zwischcn sin.L,>·ularen und gcnerellcn Tcnncn hinsichtlich dcr scmantischen Exklusivitiit kiinncn wir (SI) auf zwcifachc Weise zcrlcgcn: >cxcmplifiziert Tapfcrkeit< ist (gcnau wic >ist tapfercxemplifizicrtEinc Gcigc ist cine Violinc< (\·gl. dazu: untcn, l(ap. 6, § 3). Sollte die semantischc Bcziehung zwischcn (S) und (S 1) nicht doch cngcr sein; Das mcincn jedcnfalls auch Ramsc1· (a. a. 0.), Strnwson (a. a. 0.) um! Quine in [20J, S. 164. Ohnc cin SmormnicKriterium kann dieser Streit natiirlich nicht gcschlichtct wcrdcn: Dazu untcn Kap. 6, § 4.

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man rnit (S 1) cine wahre Behauptung aufstellt, dann kann die i\ussage, dafl Sokrates der Tapferkeit mm11zge!t, nicht ebenfalls \vahr sein, und dasselbe gilt flir alle quantorenfreien Einsetzungsinstanzen von >... excmplifiziert ... Fa< als au ch zu >a Rb< schematisieren kann, spricht nicht gegen, sondern for unser Kriterium. \'Vollen wir dartun, warum das Argument Sokrates ist klcincr al:; Simrnias, Sirnmias ist klcincr als Phaidon, also: Sokratcs ist klcincr als Phaidon

schli.issig ist, so chirfcn wir das Satzfragment >(ist) kleiner als Simmias< nicht als einstelligen generellen Term behandeln. \'Vir mi.issen vielmehr aus jedem Satz dieses Schlusses ein und denselben zweistelligen generellen Term herausschiilen; denn vom Sinn dieses Terms hiingt die Giiltigkeit des Schlusses ab. Wenn wir uns aber von der Schli.issigkeit des folgenden Arguments i.iberzeugen wollen: Sokratcs ist klcincr als Sirnmias, allc, die klcincr als Simrnias sind, habcn Problcmc, also: Sokrarcs hat Problcmc,

konnen wir jenes Satzfragmcnt getrost als semantische Einhcit behandeln. Denselben Sinn wic (S 1) hat au ch der folgendc Satz: 26 (S2)

Tapfcrkcit wird cxcmplifizicrt durch Sokratcs.

J\Iit Hilfe dicser konverscn Forrnulierungen kbnnen wir unserem Kriterium zur Unterscheidung von singularen uncl genercllcn Termen cin objektsprachliches Pendant an die Seite stellen. Flir alle x und y: \Venn x y exernplifiziert, clann gibt es ein z, von dem gilt, daG x cs nicht exemplifiziert. Hingegen gilt nicht fi.ir alle x und y: wenn x durch y cxcmplifiziert wird, dann gibt cs ein z, durch das x nicht excmplifiziert wire!. Wenn jeder singulare Term, der durch Nominalisierung eines mchrstclligcn gcnerellcn Terms entstanden ist, cine Relation bezeichnet, dann ist Exe11Jphfikatio11 (µitf1:fu;) cine Relation. U nd in 26

Ober Synonymic, wie gcsagt: Kap. 6, § 4.

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der Tat kiinnen wir den i\pparat dcr Rclationcn-Logik vcrwcnden, um ihre formalcn Eigenschaften zu bestimmen. Die Beziehung der Exemplifikation (E) ist erstens pmt1!11-rejhfr. Es gilt niirnlich weder (x) xEx,

da Sokrates nicht Sokratcs exernplifiziert und Dreicckigkeit nicht Dreieckigkeit, - noch gilt 2 ' (x)-xEx;

denn Denkbarkeit beispielsweise (oder Selbstidentitat oder NichtWahrnehmbarkeit) exemplifiziert sich selbst. Exemplifikation ist also weder reflexiv noch irreflexiv. Diese Beziehung ist zweitens pmti!!!-S)'!/J//Je!risch. Es ist namlich weder cler Fall, daJ3 (x) (y) (xEy --> yEx),

cla Sokrates zwar Tapferkeit exemplifiziert, aber nicht umgekchrt, -- noch trifft es zu, daJ328 (x) (y) (xEy-->

~yEx);

denn Denkbarkcit cxemplifiziert Selbstidentitat, u. u. Exemplifikation ist also \veder symmetrisch noch asymmctrisch. Diese Beziehung ist drittcns pC11ti11J-tmnsitiv. Es gilt namlich wed er (x) (y) (z) (xEy & yEz. --> xEz),

cla Sokratcs Tapferkeit exemplifiziert uncl Tapferkeit die Eigenschaft, cine Tugcnd zu sein, ohne daB Sokrates die Eigcnschaft, cine Tugencl zu sein, exemplifizieren \Vtirde, - noch gilt (x) (y) (z) (xEy & yEz.-->

~xEz);

denn Tapferkeit exemplifiziert Selbstidentitat, Selbstidentitat excmplifiziert Denkbarkeit, uncl Tapferkcit excmplifizicrt Dcnkbarkeit. Exemplifikation ist also wecler transitiv noch intransitiv.

,- Contra Sellars [ l ), S. 148: »no uni\·crsal exemplifies itself«. " Contm Hochberg, S. 469: »The exemplification relation is asnnmctrical«.

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Die angegebenen relatiomlogischen l ·:igenschaften teilt der i\usclruck >exernplifiziert< natlirlich mit viclen anderen, z. B. mit >spiclt gerne Schach mitkorrektere< Formulierung sei, ist genauso abwegig wie die Frage, ob cine fhchentreue Projektion von Punkten der Erdoberflache auf eine Kartenebene korrekter sei als eine winkeltreue: Beide sind gleichermaBen korrekt (und inkorrekt), beide stcllen dieselben geographischen Sachverhalte dar, jede clieser Darstellungen kann gemaB bestimmten Regeln in die anclere i.iberfohrt werden.·12

:•i \\'ie ich irn niichsten Parngrnphen darlegen wcrdc, ist das cin zurcichcndcr Grund, den Term >exemplifi:imtifi{I/ril1ir< und >/01titHdocwi111al< und >t1111!1Mlitas< jeweils mit dcnselben Silbcn ... , abcr sie cndcn verschicdcn. Das nomen abstractum hat immcr oder doch haufig mchr Silbcn als das (cntsprechcndc) 110111w co11mt11111, wic aus den vorangegangcnen Beispiclcn deutlich wird. Ferner ist das 1101J1CJ1 co11ort11111 hiiufig ein Adjekti\', das 110111e11 abst/'C/c/11111 cin Substantiv.«

\Vic man sieht, sind Ockhams exemplarische nomi11a concreta allesamt Ausdrticke, die (normalerweise) als gcnerellc Termc verwendct werden, und alle Beispiele for 11omina ahstrm1a sind singularc Terme. Ockhams Charaktcrisicrung ist also schon deshalb for unscre Zwecke nicht umfassend genug. Aber vielleicht erlaubt sic ja immerhin, konkrete generellc und abstrakte singulare Terme voneinandcr abzuheben. Betrachten wir sic also genauer. Daf3 ein abstrakter singularer Term nicht immer Linger ist als der cntsprechende konkrete generelle Term, zeigt das Paar >Mutmutig>PDies ist ein bcsonders schiines Rothigen Sie dort noch ctwas Rot hinzuAlic \Vale sind nan~irliche r\rtenAlles, was rot ist, ist cine Farbe< paraphrasiert wcrden. In d1escn Obersatzcn fungiert clas grammatische Subjekt also nicht als snl:srische Variantc dcr Kombination: >alle< + konkreter gcncrcller fcrm, sondcrn als abstrakter singu!arcr Term. 18 Ockhams Darstellung suggeriert falschlichenveise, claf3 >animal< immer als konkret er (genercllcr) Term verwendet wird. Auf Satze wie (!\) 1 und (r\) z1elt Qurnes Bemcrkung: »l7nter einem logischen Gcsichtspunkt tut man gut damn, sich dcrartige Beispicle so umformuliert zu denkcn, daf3 der abstrakte singuliirc Term sich (grammat1sch) als sole her zu erkennen gibt«. 39 lch babe gerade versucht, etnen bes.nmmten »logischen Gesichtspunkt« anzugeben, unter elem es wunschenswert ware, daB die Umgangssprache die Differenz zw1schcn konkreten generellen und abstrakten singuliiren Termen stets an der Satz-Oberflache sichtbar werden lieBe.' Ockhams i\ntwort auf unsere Frage nach einem Unterscheidungsmerkmal fi.ir konkrete und abstrakte Terme hat sich in 1mi11e11

,- 1:rege [4], S. 711, 72. Dicsc Diagnose_ cntspricht gcnau derjcnigen, die Leibniz gcgebcn hat: nRtspo11deo, JJJi!J01 r111 11on l'JSt J1J1tf't'JJc!lt111u (ebd.). Zu (.\) US\\-. auch I Iusscrls l(ritik an den1 dubio~

sen Prinzip

wwfd 110/ac est HO/a ref,,,

in [41, Bd. I, S. 155.

. Quine [5], S. 205; ,·g\. auch [9J, S. 241. Als cincn frlihcn philosophischcn Bcitrng zur D1skuss1on rnn d1c I-...Je1nschre1bung rn(Jchtc ich Husseds Hin\n::is in Frinnc~-tlf1~ rufen~ da() cine Gcpflo,~cnheit _ckr (unrcfonnicrtcn) deutschen Schriftsprachc tn d1esem /'.u~ammcnhang cine log1schc Pointe bekommt. Husserl sagt irn Blick nut die i\focl1hkat1on, die der Gcbrnuch cincs \Vortes erfahrt. wcnn cs nicht rnchr ab konk~~t~r gcnerd!cr, sondcrn ab abstrakter singub.rcr Term verwendct wird: "Im schnttlichcn Ausdruck dcutct sich mindestens cin Allgcmeines dieser C\fodifikanon durch die Schreibwcise rnit dcm groDcn Anfongsbuchstabcn an, die sornit kc1ncswcgs_ log1sch urn! grarnmatisch wertlos ist« ([4J, Bd. II/I, S. 325). Husser! dcnkt an Satzc w1c >Rot, Grein um! Blau sind Farbenabstrakter TermGe,ge11stand< verwcnde ich (wie Frcge) im denkbar allgemeinsten Sinne: \\?enn >a< ein singularer Term ist, dann ist a cin Gcgcnstand.·18 Flir einen solchen Gebrauch des J\usdrucks >Gegenstancl< »irn \VCitesten Sinne« p!adiert auch Husserl in den »Logischen Untcrsuchungen«. Er fi.irchtet aber, daf3 »die Interpretation des Wortcs Gcgcnstand durch Ding (bei dcr Mehrhcit clcr Leser) zu vorwiegend (ist), als daf3 die Bezeichnung einer Farbc oder Form als Gegenstand nicht als sti:irend oder gar verwirrcnd empfunden werden konnte«. 49 Doch die terminologische Alternative, die Husserl um solcher Leser willen erwagt, der Terminus >Inhalt< - ist auch in seincn Augen alles andcrc als zufriedenstellcnd. In scinen »Philosophischen Bemerkungen« glaubt \Vittgenstein bereits darin cine »Schwierigkcit« der philosophischen Verwcndungsweisc des \Vortcs >Gcgenstand< zu erblicken, daf.\ sie versucht, »Tische und Tone und Schwingungen und Gcdanken ...

"' (.2uine [SJ, S. 204. Vgl. Aristoteles, i\let. IV, 2, 1022 b 32 ff. i\lan kiinntc die sekundare Verwcndungsweise auch als >analogische< bezeichnen: so Thomas von t\quin [1], la, 7

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untcr cincn Hut zu bringctw. 50 (Er crinnert sich in dicsem 7'.usammcnhang an cine Untcrrcdung mit Frcgc: »Frcgc hiitte allcrdings gcsagt. .. , dal3 das 7'.usammentreffcn cincr i\Iondfinstcrnis um! cincr Gcrichtsverhandlung cin Gcgcnstand sci.«)51 Um so dubioser mul3 \Vittgenstein nati.irlich Fregcs Anwendung des 1\usdrucks >Gegcnstand< auf Zahlen crschcincn. Aber ein dcrart weitcr Gebrauch dicses \Vortes ist durchaus keine ldiosvnkrasie philosophiercndcr Logiker, dcr man cine vcrmeintlich in ,icr Urngangssprachc praktizicrtc Beschrankung auf Kiirper als wcnigcr »vcrwirrcncl« gegeni.iberstcllcn kCinntc. Auch die Umgangssprachc kcnnt niimlich cincn solchen Gebrauch: >Das 7'.usammentreffen einer i\fondfinsternis und ciner Gerichtsvcrhandlung war clamals Gcgcnstand hitziger Diskussioncn zwischcn dcm Hofastrologcn und scincn Gcgncrrn. Mit dcm so verwcndctcn Ausdruck >Gcgenstand< bringcn wir schon vor allcr philosophischen Theoricbildung Tischc und T(inc und Schwingungen und Gedanken untcr eincn !Iut: als etwas, worauf man Bczug nehmcn uncl was man charakterisicren kann. J\ls stilistische Variantc fi.ir >Gegenstand< verwende ich den Ausdruck >Lntitci!entitas< ist »ein Sti.ick barbarischen Latcins, das von den Scholastikern als abstrakter Name erfunclen \Vurde, in wclchc Klasse cs seine grammatische Form zu stellen scheint«. In dieser altcren Verwcndungs\veisc fungiert >Entitat< demnach wic z. B. >Virtuositatq11od est< sagcn: Seneca, Brief 58,

fiir

i\fill, I, 3, § 2. Zurn scholastischcn Ursprung \'On >cntitas< Frnout-i\leillct, S. 302. Vgl. ctwa Ctrnap [4J, S. 22 f. \'gl. ctwa Sellars [7J, S. 245 ff.

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:\!ills Listc von Kandidatcn for die Rolle, die in dicscm Buch die Ausdri.icke >Gcgcnstand< und >Entitiit< spiclen, cnthiilt auch das \Vort >Seie11des< (>bcingscir1Gegenstand< aquivalcnt? Das \\?ort >ClVCCl< ka1111 als Synonym von >existieren< vcrwcnclct wcrdcn: »\'Vas die Giittcr angeht, so wciB ich nicht, ob sic sind oder nicht sind«, sagt Protagoras, ic und Aristotelcs fonnulicrt die Fragc, »ob ein Zcntaur oder ein Gott ist oder nicht ist«.i 8 Seneca bcrichtct: Einige Stoikcr \Varcn dcr i\uffassung, daB die Bestimmung >Scicndes< (q11od est, ov) nicht die allgcmeinste ist, da ja auch 7'.cntaurcn und Giganten, die nicht sind (11011 s1111t), zur 11at11m remm gchorcn. 59 Die Erinnerung an diesen Sprachgebrauch liiBt cinen Philosophen wie Quine die ontologischc Problematik, die durch unscre Rede i.ibcr Zcntauren, Olympische Giitter oder Gigantcn erzeugt wire!, als das »Riitscl des Nichtseicnden« 611 bezcichncn. (Dicses Ratsel ist das Thcma des Anhangs zu clicscm Buch.) Nun kann man aber sehr wohl auf Chiron, Zeus oder Porphyrion Bczug nehmen, und man kann sic charaktcrisicren: cs sind Gegenstande (im hier unterstellten Sinne dieses \Vortes). Da dcr J\usdruck >Seicndes< also zumindcst bci ei11er Vcrwendungsweise nicht mit >Gegcnstand< aquivalcnt ist, wcrdc ich ihn im folgendcn \·ermeiden. - Ich habe i.ibrigens noch eincn wciteren Grund for die Enthaltsamkeit gegeni.ibcr cincm der Grundworte unserer philosophischen Tradition, den ich

7. Zur Verwendung nm

>OV
Sokrates ist genauso grofl wie Theaetetvergangengegcnwartig< und >ZL1klinftig< (McTaggarts A-Bestimmungen) keine relationalen Eigenschaften zuschreibt. \'Vir wenclen cl1ese Bestimmungen auf Ercignisse an. Ereignisse kCinnen sich veranclern: \'Venn wir sagen, clafl ein Streit immer heftiger \Vire!, so schreiben wir einem Ereignis cine (qualitative) Veranderung zu. Ll Tun wir clas auch, wenn wir von einem Ereignis erst sagen, es sci gcgenwiirtig, - dann, es sci vergangen? In diesem Falle ist die im Vordersatz von (Vl) angegebene Beclingung zwar erfollt; aber dafor, dafl a in T etwas ist, was es in T' nicht ist (namlich: gegcnwiirtig), ist vollkommen J1/eichgiiltig, u•as zwischen T und T' geschieht. Aus cliesem Grunde ist man bier schwerlich geneigt, von einer Veranclerung des Gegenstandes a zu sprechen. Sine! die rein temporalen Terme einstellige Priidikate? Man hat die These vertreten, dal3 diese Bestimmungen zeitliche Relationen zu einem psychischen oder einem sprachlichen Ereig.nis (zum Auftreten eines Sinnesdatums - so Russell oder zur AuGerung eines Satzes - so Reichenbach u. a.) zum Ausdruck bringen. Von a wtircle man demnach mit elem Pradikat >gegenwartig< sagen, daB es gleichzeitig mit einem bestimmten psychischen oder sprachlicher~ Vorgang stattfindet. 14 Wenn man diese These akzeptiert, so dart man z. B. nicht mehr behaupten, dal3 alles, was vergangen 1st, irgendwann einmal gegenwartig war; clenn Ereignisse, die vor cler Entstehung des Lebens stattgefunden haben, sincl zwar vergangen, 3 1 Start >lhr Streit wurde immer heftigcr< kann man natiirlich auch sagen >Sie stritten sich imn1er hefrigen, und cine solchc Paraphrase ist in11ner dann n16glich, wenn Ereignis-Bczcichnungen Norninalisierungcn nm Satzen sind, in denen r)in~en Pradikatc zugesprochen werden. Das lcgt die These nahe, »daG Dinge zwar rucht die einzigcn, abcr doch die primarcn Subjekte ,-on Veranderungen siml« (Kiinnc 12J, S. 184). Da,·idson [3J, Kap. 6-10, cnthalt gcwichtige Argurnente gegen tltese These. '·' Vgl. hierzu Gale, S. 16-22 um! die dort angegcbene Literatur.

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abcr sic waren nicht gleichzeitig mit dem J\uftreten eines Sinnesdaturns oder cler AuGerung eines Satzes. Es ist hier nicht der Ort, zu untersuchen, ob derartige Konsequenzen die These vom (verdeckt) relationalcn Charakter der rein tcmporalcn Bestimmung.cn widcrlegen. Jcdcnfalls (und nur darauf kommt cs luer an) .schre1bt man cinem Ereignis a mit einem Pradikat der Form >!st glc1chzeltlg mit (friihcr, spii~er als) b< nicht in T eine relationale Eigcnschaft zu Recht zu, die man ihm in T' (in ein uncl demselben Bezugssystem) zu Recht absprcchen kCinnte. . . Nach (\12) cliirfen wir behaupten: Wenn a erst 111 der Bez1ehung R zu b steht, dann nicht mehr, so hat sich zurnindest ein Gegenstand verandert. Es ist naheliegend, fortzufahren: namlich a oder b. Aber bier ist Vorsicht geboten. Daraus, dafl Themistokles im Jahre 480 v. Chr. popularer ist als Kirnon, 15 Jahre spater aber ·nicht mehr, folgt keineswegs, dal3 sich eine der genannten Personen veriindert l1at. J\khr noch: Im Jahre 448 sine! beide tot, sie konnen sich nun nicht mehr verandern; und cloch ist es moglich, daG dann zunachst die Popularitat des einen griifler ist, spater die des anderen: Die Athener sine! eben wankelmiitig. Nun kann Themistokles natiirlich nur dann popu!arer sein als Kirnon, wenn es eine Population gibt, bei der er popu!arer. ist. U nd von .der Relation, die durch das dreistellige Pradikat >x 1st be1 y popularer als z< ausgedriickt wire!, kann man nun tatsachlich sagen: \'Venn sie zwischen clrei Gegenstanden erst besteht und clann 111cht besteht, dann hat sich in ~!er Z\vischenzeit einer clieser clrei Gegenstande gdindert. 15 Die Griinde fi.ir die Abschwachung von (Vl) zu (\12) machen verstiindlich, warum in der aristotelisch-thomistischen Klassifikation der Veranderungweisen nicht so etwas wie cine m11tatio in der Kategorie des Relativen vorkommt: Wenn einem Gegenstand cine relationale Eigenschaft erst zukommt uncl dann 111cht mehr, so braucht dcr fragliche Gegenstancl sich nicht selber veriinclert zu haben. 16

" Einc Population (die Athener z. B.) ist cine Gruppe - in dcm Sinne dicscs \\'ones, den ich alsbald eriirtern wcrde. 11. Vgl. 1 \ristotelcs, l\lct. XIV, l, 1088 a 29-35; XI, 12, 1068 al l-13. !ch kann an dieser Stelle nicht auf die Konscrangcgangcnen Cberlegungen for die aristotelische Kategoric des Ortcs haben.

55

Kchrcn wir nun zu dcm Bcispicl zurtick, das diesc Rcflcxioncn tibcr den Sinn von >V eriinclernng< vcranlaGt hat. \vas kCinnen \Vir demjenigen cntgegcnhaltcn, der zu (c) folgenderma!3en Stcllung ntmmt:

Im Unterschicd zu (e) kann (d) nicht als Konjunktion n>n zwc1 Siitzcn paraphrasiert werden. 18 Lind der Ausdruck >Philipps Kinder< funr>icrt in b (t)

\Venn auf die Zahl 2 scit hcutc morgen dcr gcnercllc Tenn >ist idcntisch mit dcr Zahl dcr Kinder Philipps< nicht rnchr zutrifft, dann mull s_ic sich\·~riindert habcn, - auch wcnn dicsc Vcriindcrung kcinc quantitative 1st:'

Dicse Behauptung kann jedenfalls nirht dadurch entkriiftct werden daG man cine Zeitangabe in den generellen Term aufnimmt: >is; die ~ah! der Kinder Philipps in T« - und clann sagt, clicser Term trcfte doch ltnmer auf die 2 Zll. 1\uf dicse Weise kbnnte man namlich jedes Priidikat, das von einem gcgcbenen Gcgcnstancl gilt, in Cine .Besturnnung verwandcln, die ihm immer zukommt: Philipp 1st mcht immcr krank, rn d1eser Hinsicht verandert er sich; aber bei geeigneter Einsetzung fo:· >T« ergibt >ist krank in T< einen gcnercllen Term, cler JCderzeJt aut Philipp zutrifft.F If/as hat sich vcriindert, wcnn von der 2 seit heute morgen nicht mehr gilt, daG sic identisch ist mit der Zahl der Kinder Philipps (bzw. wcnn von Pluhpp se1t heute morgen nicht mehr gilt, da!3 er genau 2 Kinder hat)? . l\Ian kbnnte ein Schild mit der Aufschrift >Philipps Kinder< als Namensschilcl venvenden; Trager dieses Namens ware kcines der Kinder Philipps, sondcrn ein diskontinuicrlicher konkreter Gegenstand, -. cine Gmppe, cleren Mitgliecler sich viellcicht gclegenthch hmter JCnem Schild versammeln, for gcwbhnlich aber weit verstreut sind. (DaG die Teilc des Tragers des Namens >der Gro!3e Bar< einen gewaltigen Abstand voneinander haben, tut dem Namensstatus dieses Ausdrucks ja auch keinen Abbruch.) Ob ein Ausdruck em s111gu!arer Term for cine Gruppe ist, hangt oft von elem Satz ab, 111 den er erngebettet ist. In (d)

Romeo undjulia sind cin Licbespaar

fungicrt die Phrase >Romeo und Julia< als Name for cine Gruppe, _ mcht 111 (c)

Romeo und Julia lcbcn in Verona.

,. Dummett [lJ, S. 492.

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Philipps Kinder sind cin gutcs Team

als Bezcichnung for eine Gruppe, nicht aber in (g)

Phili11ps Kinder sind friihlich.

Im Unterschicd zu (p_;) kann ((l nicht als All-Satz paraphrasiert werdcn. Der Gcgenstand, von dem in ((l die Rede ist, darf nicht vcrwechselt wcrdcn rnit elem, was T,ogiker und 1\Iathernatiker cine KJasse nennen. Jede Klasse ist dcterrninicrt durch ihre Elcrnente: Die Klasse A ist genau dann identisch mit der Klasse B, wenn alle Elemcntc von A I ~lemente von B sind u. u. i\ber nicht jede Gruppc ist durch ihre i\fitglieder dctcrrniniert. Eine i\llinz-Kollektion, ein Wald, cin Rudel, cine Bancle, cine Schulklasse, - all das sind Gruppen (von i\Ilinzen, Baumen, \viilfen, unerfrculichen l\fitmenschen oder Schulkindern), von denen gilt: ein und diesclbe Gruppc kann zu verschicdenen Zciten verschicdene Mitglicder haben, und sic kann 'ma! mehr um! 'ma! weniger J\fitglieder haben. (Nattir!ich gilt das beispielsweise nicht von cincr Gruppe, die ein Liebespaar ist.) Eine Klasse, die jetzt einen Ausf1ug macht, ist also nicht zu vcrwechscln rnit elem (ungli.icklicherweise) gleichnamigen abstrakten Gegenstand, dessen Elernentc die Kinder sind, aus denen die Schulklasse jctzt zusamrnengesetzt ist. 19

"Fregc hat deutlich geschen, daG das \\'ort >Und< in Satzen wie (d) cin l'unktor ist, der nicht aus Satzen cincn ncuen Satz, sondcrn aus singularcn 'Tcnncn cincn ncucn singuliircn Tenn erzcugt: 17J, S. 246; [8], S. 222. Tugcndhat iibersicht in seiner Husserl-Kritik dicsen for I Iusscrls Theorie dcr kategorialcn Synthesis giinstigcn Fall dcr Verwendung Yon >Undc [3J, S. 291--2%. i•; \Ian Yerglciche Emil Stcinbergers !cider nocb ungedruckte Einfohrung in die ~lcngenlebrc: »Hier sehen Sic cine Menge i'.iircher, danebcn cine \lenge Kalbfleisch. Und da, wo die beiden illcngen sich iibcrschneiden, das ist dann i'.iircher Geschnetzcltes.« Um! (im 1-:rnst): heges Unterscheidung dcr ilkngc als »Begriffsurnfong« nn1 dcr 0.fcngc als »A&~regat«, >>(;;rnzes«) »Systen1« in [7J, S. 196·-199; l8\, S. 222 f; Sharns l.interscheidung zwischen »classes« und »other kinds of things that rnay be sai~l to have rnembe~·s, like the Supreme Court«; SO\\·ic Peter Sitnor;s' Aufsatze (mit ausfohrlicher Bibliographic zur Philosophic der illcngcnlehre und der ~fcrcologie) in: Smith, S. 160--260. Simons \Ttwcndet den Ausdruck >Gruppe
Otto ist an cler Ti.ire Das wird durch die folgcnclen Paraphrasen clcutlich: (a') (b')

Dafl jcmand leichtsinnig war, war die Ursache dcr Katastrophc Dafl Otto leichtsinnig war, war die Ursachc der Katastrophc.

In (a) hat >Leichtsinnigkeit< also eine anderc Funktion als in dem Satz Lcichtsinnigkcit ist keinc Tugcnd,

in elem dicser Ausdruck 11icht durch die Satz-Nominalisierung in (a') ersetzt \Verden kann. 49 Aber hat sich clamit das Problem nicht nur verschoben? Es sieht jetzt cloch so aus, als sagten \vir von einer Proposition, daG sie cine bestimmte \\/irkung hervorgcrufen hat. Aber tun wir das eigentlich? Sagen wir nicht vielmehr, clafl jemcmd (bz\v. dafl Otto) eine Katastrophe ausgclost hat, weil er leichtsinnig war? Diese Interpretation hat den groGen Vorteil, clafl sic es uns erspart, cincn mysteriosen Kausal-Zusammenhang zwischen einer unzeitlichen ·'' Der Salomon-Song aus der »Drcigroschenopern enthiilt etlichc Scntcnzen, die meinem (a) entsprcchen. !ch zitiere die erste Strophe: »lhr saht den weisen Salomon. !hr wiflt, "·as aus ihm wurd! Dem ,\lann war allcs sonnenklar. Er verfluchtc die Stunde seiner Gcburt end sah, dafl alles eitel war. \Vie grofl und weis war Salomon' Uml seht, da war cs noch nicht Nacht, Da sah die Welt die Folgcn schon: /)ie rr·eir!Hit hlllle 1h11 smreit '--zehrachJ - Bcncidenswcrt. wcr frci davon!«. .;\J Und welchc Satz-Non1inalisierung stcckt in >()ttos cinzigcs Laster ,-crursachte die Katastrophc