Abstrakte Freiheit: Zum Begriff des Eigentums bei Hegel 9783787327270, 9783787327287, 3787327274

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Abstrakte Freiheit: Zum Begriff des Eigentums bei Hegel
 9783787327270, 9783787327287, 3787327274

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HEGEL-STUDIEN BEIHEFT 62



HEGEL-STUDIEN In Verbindung mit Walter Jaeschke und Ludwig Siep herausgegeben von Michael Quante und Birgit Sandkaulen Beiheft 62

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG



ABSTRAKTE FREIHEIT Zum Begriff des Eigentums bei Hegel

von AMIR MOHSENI

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG



Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 978-3-7873-2727-0 ISBN eBook 978-3-7873-2728-7

ISSN 0440-5927 © Felix Meiner Verlag Hamburg 2015. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspei­cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§  53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Satz: Type & Buch Kusel, Hamburg. Druck und Bindung: Druckhaus Nomos, Sinzheim. Werkdruckpapier: alterungsbeständig nach ANSINorm resp. DIN-ISO 9706, hergestellt aus 100% chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany.



INHALT

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

1. Voraussetzungen der Rechtsphilosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1.1 Die Dinge auf den Begriff bringen: Hegels Universalprinzip . 19 1.2 Im Kontext der Philosophie des Geistes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

1.2.1 Selbstbewusstsein und Geist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1.2.2 Zum Begriff des Willens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

2. »Privateigenthum als Dieser« – Interpretation des Hegelschen Eigentumsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2.1 Person und Sache: Natur als Material der Freiheit . . . . . . . . . . . 48 2.2 Zur Formulierung des Zueignungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2.3 Objektivierung und Objektivation: Hegels Unterscheidung von Besitz und Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2.4 »Alle concreten Zustände vergessen« – Die Einleitung in das Abstrakte Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 2.4.1 »Die concrete Natur des Geistes« – Hegels Darstellungsweise der Rechtsphilosophie . . . . . . 87 2.4.2 Der beziehungslose Wille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 2.4.3 Person und Persönlichkeit im Abstrakten Recht . . . . . . 101 2.5 Der Körper: »Eine besondre Art des Eigenthums« . . . . . . . . . . 111 2.5.1 Zur Struktur der Unmittelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 2.5.2 Perspektiven auf den Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

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Inhalt

3. Reichweite und Grenzen des Hegelschen Eigentumsrechts . . . . . . . 135 3.1 Waldrons Idealismus: Zur Definition von Privateigentum . . . . 135 3.2 Vergegenständlichungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3.3 Privat-Eigentum: Wider Waldron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 3.4 Privat-Eigentum: Wider Hegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191



Meinen Brüdern: Aidin, Benni und Yagmur



DANKSAGUNG

Dieses Buch ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertationsschrift, die im Sommer 2013 von der Philosophischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster angenommen wurde. Meinem Doktorvater Michael Quante danke ich für die gute Betreuung, das freie Umfeld des Arbeitens und die Erstellung des Erstgutachtens. Vor allem aber bin ich ihm für die ernsthafte wissenschaftliche Auseinandersetzung von Herzen dankbar. Ludwig Siep danke ich für das Zweitgutachten und für erhellende Gespräche über die Philosophie des Deutschen Idealismus. Auf verschiedenste Weise haben Eric Achermann, Dan Brudney, Andrew Chitty, Simon Derpmann, Dominik Düber, Dirk Hartmann, Matthias Hoesch, Thomas Meyer, Douglas Moggach, Nadine Mooren, Athena Panteos, Tim Rojek, David Schweikard und Matthias Wille mich beim Verfassen dieser Arbeit unterstützt – danke dafür. Zu besonderem Dank bin ich aber Fritz Bender verpflichtet, der jede Zeile dieses Buchs gelesen und mit seiner konstruktiven Kritik alles verbessert hat. Robert Pippin und Dan Brudney danke ich für die Einladung zu einem Forschungsaufenthalt an der University of Chicago, dem DAAD für das Stipendium hierzu. Prof. Birgit Sandkaulen danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die Hegel-Studien. Mein größter Dank gilt natürlich meiner Familie und meinem Lehrer Bernhard Buschendorf. Ohne sie wäre nichts zustande gekommen. Köln, im Juli 2014

In allen und jeden WillensActen, Vollbringungen des Rechts dasselbe, Besitznahme, Verbrechen, Straffe, Arbeit, Staat – ohnehin Geist an Geist, Wille an Wille sich wendet. G.W. F. Hegel

EINLEITUNG EINLEITUNG

Die produktive Auseinandersetzung mit der Natur ist bei aller kulturellen Diversität eine notwendige Voraussetzung jeder sozialen Wirklichkeit. Darum zeichnen sich organisierte Gesellschaften durch einen regelgeleiteten Umgang mit materiellen Gegenständen aus. Die Gesamtheit der Normen, die den Zugriff auf materielle Gegenstände regeln, lässt sich als Eigentumsordnung bezeichnen.1 Mit der Institution des Privateigentums hat sich weltweit ein bestimmter Typ von Eigentumsordnung durchgesetzt, der sich im Allgemeinen durch folgenden Sachverhalt auszeichnet: Einzelne Subjekte dürfen Gegenstände willkürlich gebrauchen und dabei alle anderen Subjekte vom Gebrauch ausschließen. Letztere sind dazu verpflichtet, ihr eventuelles Bedürfnis an dem Besitz derselben Gegenstände unbefriedigt zu lassen.2 Es ist daher kein Wunder, dass ein solches Recht von Anfang an nach Legitimation gerufen hat. In diesem Zusammenhang ist das Recht auf Privateigentum immer wieder mit der Freiheit der Person in Verbindung gebracht worden. Um die normative Relevanz dieser Verknüpfung von persönlicher Freiheit und Privateigentum herauszustellen, braucht es deutliche Begriffe davon, was hier mit Freiheit und was mit Person gemeint ist. Klassiker der Eigentumstheorie – wie z. B. Locke, Rousseau und Kant – hatten diesbezüglich unterschiedliche Vorstellungen.3 In der Gegenwart hat sich angesichts der enormen Ausdifferenzierung von wirtschaftlichen und von rechtlichen Verhältnissen der Fokus der Eigentumsdebatte verschoben. Was ist überhaupt Eigentum? Vor allem aus rechtswissenschaftlicher Perspektive ist darauf hingewiesen worden, dass wir keine hinreichend genauen Informationen erhalten, wenn wir hören, dass jemand Eigentümer eines Objekts ist.4 Damit können ja je nach Rechtssubjekt und betroffenem Gegenstand die verschiedensten Berechtigungen gemeint sein. Es ist schließlich auch beim Privateigentum niemals der Fall, dass wir mit 1 

Vgl. Jeremy Waldron (1988, S. 31–47). – Der Diskussion um geistiges Eigentum kann ich mich in dieser Studie nicht widmen. Ich bin ohnehin davon überzeugt, dass das materielle vorrangig zu klären ist und folge hier Waldron (ebd., S. 33–37). 2  Dies ist keine abschließende Definition; vgl. hierzu Kap. 3.1. 3  Vgl. hierzu Eckl/Ludwig (2005). 4  Darauf komme ich in Kap. 3.1 zu sprechen.

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Einleitung

den Objekten buchstäblich tun und lassen können, was wir wollen. Welche konkreten Ansprüche sind mit diesem Recht verbunden; welchen Beschränkungen unterliegt es? Neben einem bestimmten Verständnis von Freiheit und von Personen bedarf es folglich zunächst auch Klarheit darüber, worauf wir uns eigentlich beziehen, wenn wir z. B. sagen, dass die Institution des Privateigentums notwendig für die Freiheit der Person ist. Man muss also zwischen definitorischen und legitimatorischen Fragen der Eigentumstheorie unterscheiden. Dabei liegt auf der Hand, dass philosophische Verständnisse davon, wodurch sich die Institution des Privateigentums im Wesentlichen auszeichnet, bereits mit Blick auf die moralische Relevanz der Institution konzipiert sein können. Die Unterschiede in der Auffassung darüber, welche Bestimmungen zu den wesentlichen Zügen des Rechts auf Privateigentum gehören, sind nach Jeremy Waldron so fundamental, dass man den Begriff des Privateigentums in die Rubrik der »essentially contested concepts« (1988, 51) einzuordnen habe.5 So berechtigt die gegenwärtige Auseinandersetzung mit grundlegenden definitorischen Fragen auch erscheinen mag, so klar ist gleichwohl, dass hier Dringlichkeit geboten ist. Denn es gibt zu viele Menschen, die keinen Zugriff auf Gegenstände haben, die für ihr einfachstes Wohlbefinden notwendig sind. Das Nachdenken über das Recht auf Privateigentum muss darum – selbst wenn man dabei die These vertreten möchte, dass güterbezogene Ergebnisgerechtigkeit nicht zu den eigentlichen Zwecken des Eigentumsrechts zu zählen ist – auch auf Fragen der Distribution von Gütern Bezug nehmen.6 Denn so viel Konsens sollte man in gesellschaftsanalytischer Perspektive voraussetzen, dass auf der Grundlage der Institution des Privateigentums Individuen Entscheidungen treffen können, die immensen Einfluss auf die Möglichkeit der selbstbestimmten Lebensführung vieler anderer Individuen haben: If Jennifer owns a steel factory, it is for her to decide (in her own interest) whether to close it or to keep the plant operating, even though a decision to close may have the gravest impact on her employees and on the prosperity of the local community. (Waldron, SEP) Jennifers Recht auf Privateigentum muss daher normativ sehr gut fundiert sein. Hegel hat hierzu in seinen Grundlinien einen Vorschlag formuliert; und auch er entwickelt ihn entlang eines bestimmten Verständnisses von persön5 

Zur Bestimmung der »essentially contested concepts« vgl. den gleichnamigen Aufsatz von W.B. Gallie (1956, S. 167–188). 6  Vgl. hierzu Waldron (1988, S. 331 ff.)

Einleitung

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licher Freiheit.7 Das systematische Interesse meiner Auseinandersetzung mit Hegel besteht darin, diesen Vorschlag offenzulegen und zu bewerten. Ich bin allerdings nicht der erste, der Hegels Eigentumsbegriff zum Gegenstand macht. Die diesbezüglich bekannteste Studie hat Joachim Ritter 1961 mit seinem Aufsatz Person und Eigentum vorgelegt. Darin beklagt er gleich zu Beginn: Es ist auffällig, wie wenig Beachtung auch in der Literatur zu Hegels Rechtsphilosophie seine Theorie des bürgerlichen Rechts und des in seine Sphäre gehörigen Privateigentums gefunden hat. […] Die Theorie des Eigentums wird daher meist in der Literatur nur als Element und Bestandteil im allgemeinen, systematischen Zusammenhang der Hegelschen Rechtsphilosophie behandelt. (1975, 167 f.) An diesem Desiderat hat natürlich auch Ritters eigener Aufsatz nichts Substantielles ändern können, da Ritter Hegels allgemeinen Zugriff auf das Eigentumsrecht zwar benennt, aber auf so kurzem Raum die einzelnen Argumentationsschritte nicht kritisch nachzeichnen und einordnen kann. Dass Hegels Eigentumsrecht einer detaillierten Interpretation bedarf, hat nicht zuletzt die Diskussion zu Beginn der 1980er Jahre gezeigt: Da man sich in der Hegelforschung weitgehend einig darin gewesen ist, dass die Stärke seiner praktischen Philosophie wesentlich auf einen konsequent intersubjektiv und geschichtlich gedachten Vernunftbegriff zurückgeht, hat Hegels vermeintlich individualistische – nach Michael Theunissen gar »solipsistische« (1982, 351) – Abhandlung des Eigentumsrechts, die ja gleichzeitig die Eröffnung der Rechtsphilosophie insgesamt darstellt, für erhebliche Verwirrung gesorgt. Wie kann Hegel allen Ernstes behaupten, dass das Eigentumsrecht als die Freiheit »einer einzelnen, sich nur zu sich verhaltenden Person« (R § 40) zu fassen ist? Wo bleibt das zentrale Prinzip wechselseitiger Anerkennung? In diesem Zusammenhang sind die verschiedenen Deutungen der Hegelschen Begründung des Eigentumsrechts derart krass voneinander abgewichen, dass nun nicht mehr klar war, mit welchen grundsätzlichen methodologiWenn ich im Folgenden von Hegels Rechtsphilosophie spreche, dann beziehe ich mich stets auf seine Grundlinien der Philosophie des Rechts. Ich zitiere das Werk abkürzend mit »R« und der Angabe der jeweiligen Paragraphenzahl. Findet sich nach der Ziffer noch ein »A«, dann referiere ich auf Hegels Anmerkungen zu den Paragraphen; mit »RN« und der Angabe der Seitenzahl beziehe ich mich auf Hegels handschriftliche Randnotizen; mit »Z« auf die entsprechenden mündlichen Zusätze. Aus Hegels Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (»ENZ«) zitiere ich nach demselben Verfahren. Gelegentlich verweise ich auch auf die Heidelberger Ausgabe der Enzyklopädie – hier kürze ich mit »HENZ« ab. Aus den beiden Bänden zur Wissenschaft der Logik (»WDL«), die ich im Folgenden einfach Logik nenne, zitiere ich unter Angabe von Band und Seitenzahl. 7 

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Einleitung

schen Überzeugungen Hegel überhaupt Rechtsphilosophie betreibt.8 Bedauerlicherweise ist diese Debatte seither nicht fortgesetzt worden. Ein Grund hierfür mag die Tatsache sein, dass Diskussionen über Hegels spekulatives Verfahren – also über das, was er Dialektik nennt – sehr spannend sein können, aber gleichzeitig schnell dazu führen, dass die Ausgangsfrage – hier: das Eigentumsrecht – aus dem Blick gerät. Ohne auf die genannte Debatte Bezug zu nehmen, hat Jeremy Waldron einige Jahre später in seinem bahnbrechenden Werk The Right to Private Property nicht bloß eine glänzende Diskussion wesentlicher systematischer Fragen des Eigentumsrechts, sondern gleichzeitig die bis heute umfassendste Interpretation des Hegelschen Eigentumsbegriffs vorgelegt. Seine diesbezügliche Motivation skizziert er dort wie folgt: Most commentators are content to repeat or paraphrase what appear to be the crucial phrases in Hegel’s presentation of his argument, without attempting to explain what that argument actually involves. This is a particular problem for those who approach the Philosophy of Right on the basis of a mildly skeptical interest in property, as opposed to an enthusiastic interest in the Hegelian dialectic. My intention is partly to fill that gap. (1988, 129) Ich verfolge in diesem Buch dasselbe Interesse wie Waldron. Gleicht man allerdings seine Interpretation mit den Paragraphen der Hegelschen Rechtsphilosophie ab, dann zeigt sich, dass es auch Waldron nicht gelungen ist, eine überzeugende Darstellung dessen zu liefern, was Hegel mit Bezug auf das Eigentumsrecht in systematischer Hinsicht tatsächlich vertritt. Um Hegels Argumentation in das Raster der systematisch möglichen Positionen einordnen und anschließend bewerten zu können, ist es nötig, zentrale Passagen seines Eigentumsrechts einer Satz-für-Satz-Analyse zu unterziehen. Dabei wird sich zeigen, dass man nur dann ein adäquates Verständnis des Hegelschen Eigentumsrechts erwirbt, wenn man den systeminternen Charakter seiner Argumentation berücksichtigt. Setzt man Hegels Abhandlung des Eigentumsrechts in den Kontext seiner Philosophie des Geistes, dann muss man freilich noch lange keinem »enthusiastic interest in the Hegelian dialectic« verfallen. 8 

Vgl. hierzu insbesondere die Debatte zwischen K-H. Ilting und Ludwig Siep in dem von Dieter Henrich und R.-P. Horstmann herausgegebenen Band zu Hegels Philosophie des Rechts (1982, S. 225–255 u. 255–277). Während Ilting sich den das einzelne Subjekt fokussierenden Anfang der Grundlinien nur dadurch erklären kann, dass er die gesamte »Rechtsphilosophie als Phänomenologie des Bewusstseins der Freiheit« (ebd., S. 225) deutet, sieht Siep die Grundlinien nicht durch eine phänomenologische, sondern durch eine »logisch-systematische Notwendigkeit strukturiert« (ebd., S. 271). Vgl. zu dieser Debatte außerdem die Beiträge von Theunissen und H. F. Fulda im selben Band (1982, S. 317–382 u. 393–428).

Einleitung

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Die adäquat interpretierende Darstellung ist vielmehr die Voraussetzung dafür, Hegels Position auf nüchterne Weise einer systematischen Evaluation unterziehen zu können. Mein primäres Interesse liegt daher darin zu prüfen, ob Hegels Eigentumsrecht begrifflich und legitimatorisch etwas taugt oder nicht. Zentral ist dabei für mich die Frage, ob Hegel für seine These von der Notwendigkeit des Privateigentums gute Argumente anzubieten weiß. Nichtsdestoweniger ist der größte Teil dieser Arbeit zunächst daran orientiert herauszuarbeiten, was Hegel in den Grundlinien mit Bezug auf das Eigentumsrecht genau vertritt. Die ersten beiden Kapitel widmen sich dieser Aufgabe. Zu meiner Herangehensweise in diesen Teilen der Arbeit sind noch die folgenden Bemerkungen vorauszuschicken. Ein Punkt betrifft Hegels Sprache. Über sie wird bekanntlich viel geklagt. Auch Waldron moniert gleich zu Beginn: Hegel’s theory of property (like much of his work) is philosophically very difficult and stylistically very obscure. (1988, 129) Das ist richtig. Man sollte dabei nur bedenken, dass es verschiedene Gründe dafür geben kann, warum eine Sprache als undurchsichtig erscheint. Was man Hegel jedenfalls nicht vorwerfen kann, ist, dass er seine Begriffe nicht klar einführt. Ich werde in den ersten beiden Teilen zeigen, dass sämtliche Schlüsselbegriffe des Hegelschen Eigentumsrechts im Rahmen seines philosophischen Systems hinreichend erläutert sind. Die Distanz, die zwischen Hegels Text und demjenigen liegt, der ihn heute verstehen will, ist vielmehr auf die unterschiedlichen Vorstellungen davon zurückzuführen, wie überhaupt ein Phänomen philosophisch zu erfassen ist. In Kapitel 1 rufe ich darum diejenigen inhaltlichen Grundsatzentscheidungen Hegels auf, die den generellen Hintergrund seiner Auseinandersetzung mit dem Eigentumsrecht vergegenwärtigen helfen sollen. Dann muss, wie ich glaube, auch seine Sprache nicht allzu obskur erscheinen. Erst im zweiten Kapitel widme ich mich dann dem eigentlichen Textkorpus des Eigentumsrechts, also den ersten Hauptparagraphen des Abstrakten Rechts (R §§ 41 ff.). Man kann dieses Kapitel als ausführlichen Kommentar zu den Eigentumsparagraphen lesen. Um aber gleich vor Missverständnissen zu warnen, sei erwähnt, dass ich in interessierter Lektüre kommentiere: Es gibt zu den Paragraphen selbstverständlich mehr zu sagen, als ich es hier tue. Meine Absicht ist, nur alles das herauszuarbeiten, was für das Verständnis der Hegelschen Position zum Eigentumsrecht unerlässlich ist. Dabei wird es sich, wie ich hoffe, als hilfreich herausstellen, dass ich nicht immer dem Aufbau der Grundlinien selbst folge, sondern den Fokus jeweils auf diejeni-

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Einleitung

gen Teile des Hegelschen Texts lege, die die Interpretation vorantreiben. Wo es nötig ist, werfe ich – wie etwa in Kapitel 2.4 – den Blick sogar auf Passagen, die selbst nicht zu den Grundlinien, sondern zur Enzyklopädie gehören, aber für die Klärung von interpretatorischen Fragen nützlich sind. Die generelle Berechtigung, Passagen aus der enzyklopädischen Philosophie des Geistes zur Stützung der Inhalte der Grundlinien zu nutzen (und vice versa), erteilt Hegel übrigens nicht zuletzt durch die folgende Bemerkung, die sich am Beginn des Abschnitts zum Objektiven Geist findet: Da ich diesen Theil der Philosophie in meinen Grundlinien des Rechts (Berlin 1821) ausgeführt habe, so kann ich mich hier kürzer, als über die anderen Theile fassen. Damit sei auch noch vor einem weiteren möglichen Missverständnis gewarnt. Ich liefere hier keine umfassende Darstellung des Eigentumsbegriffs im Gesamtwerk Hegels. Was sich an anderen Stellen – etwa in seiner Phänomenologie des Geistes – auch noch alles zum Eigentumsrecht findet, lasse ich unberücksichtigt. Mein Augenmerk richtet sich allein auf die Klärung der Abhandlung des Eigentumsrechts in den Grundlinien. Allerdings widme ich mich auch hier primär den wesentlichen Argumentationsschritten, die Hegel im Zuge des Abstrakten Rechts unternimmt. Spätere Bemerkungen Hegels, die etwa das Eigentumsrecht in der Bürgerlichen Gesellschaft (R §§ 182–256) betreffen, sind meines Erachtens für die Interpretation von Hegels Abhandlung nicht entscheidend. Auf der Grundlage der in Kapitel 1 und 2 vorgelegten Darstellung des Eigentumsrechts setze ich Hegels Argumentation dann im abschließenden dritten Kapitel in ein Verhältnis zu den zentralen systematischen Problemkomplexen. Vor allem zwei Punkte interessieren mich hier: Der erste betrifft einen Aspekt der Hegelschen Argumentation, den man als Vergegenständlichung des Rechtssubjekts bezeichnen kann.9 Wie bei Locke findet sich auch bei Hegel die Vorstellung, dass materielle Gegenstände einen rechtlich besonderen Status dadurch erhalten können, dass Subjekte ihren Willen »in sie gelegt«, oder – wenn man so will – in den Gegenständen ihren Willen objektiviert haben. Gelingt es Hegel, mit dieser Vorstellung einen Ausschnitt unserer sozialen Wirklichkeit zu rekonstruieren? Das diskutiere ich – auch in Auseinandersetzung mit Waldrons Locke- und Hegeldeutung – in Kapitel 3.2. Der zweite und letzte Punkt betrifft die bereits genannte Frage nach der Notwendigkeit der Institution des Privateigentums. Dabei wird sich herausstellen, dass es Hegel wohl nicht gelingt, allen seinen selbst gesetzten Ansprüchen 9 

Vgl. hierzu Kap. 2.3.

Einleitung

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gerecht zu werden. Nichtsdestoweniger hat sich dann hoffentlich gezeigt, dass es gute Gründe dafür gibt, bei der gegenwärtigen Debatte um das Eigentumsrecht einen Blick auf Hegels Argumente zu werfen.

1.  Voraussetzungen der Rechtsphilosophie

1.1  Die Dinge auf den Begriff bringen: Hegels Universalprinzip Hegel hatte ein klares und anspruchsvolles Bild von der Aufgabe einer Staatsphilosophie: Entweder es gelingt die »immanente Entwickelung einer Wissenschaft, die Ableitung ihres ganzen Inhalts aus dem einfachen Begriffe« oder es »verdient eine Wissenschaft wenigstens nicht den Namen einer philosophischen Wissenschaft« (R § 279 A). Der Bedeutung dieses Hegelschen Begriffs kann man sich nähern, wenn man die besondere Rolle in Erinnerung ruft, die der Begriff des Selbstbewusstseins in der klassischen deutschen Philosophie gespielt hat. Insofern Kant und seine Nachfolger stets darum bemüht waren, ihr philosophisches Denken in zwingende und systematische Darstellung zu bringen, erschien ihnen der Begriff des Selbstbewusstseins als vielversprechender, irrtumsresistenter Ausgangspunkt. Zwar kann keinesfalls von einem einheitlichen Gebrauch des Selbstbewusstseinsbegriffs im Deutschen Idealismus gesprochen werden. Nichtsdestoweniger zeigt bereits die cartesische Insistenz auf die erkenntnistheoretisch fundamentale Bedeutung der erstpersönlichen Referenz des denkenden Subjekts auf sich, dass die kontinentale Philosophie jener Zeit im Selbstbewusstsein ein Phänomen entdeckt zu haben glaubte, das als Grundlage von Wissenschaftlichkeit überhaupt dienen kann.10 Kant hat im Rahmen seiner Erkenntnistheorie von einem »allgemeine(n) Selbstbewusstsein« (1966, B 132) gesprochen, das er von dem konkreten empirischen Selbstbewusstsein der Subjekte unterschied. Jenem nicht-empirischen Selbstbewusstsein kommt nach Kant gegenstands- und subjektkonstitutive Funktion zu: Unsere einzelnen sinnlichen Eindrücke stehen als sinnliche Eindrücke völlig relationslos zueinander. Indem das allgemeine Selbstbewusstsein dieses zusammenhanglose Material auf sich als auf eine bündelnde Zentrale bezieht, die selbst nichts Sinnliches ist, bezieht es dieses Material auch aufeinander, so dass die Eindrücke zum einen überhaupt 10 

Vgl. zu wesentlichen Aspekten der Rolle des Selbstbewusstseins im Deutschen Idealismus die Studie von Halbig/Quante (2000) und Pippin (1989).

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Voraussetzungen der Rechtsphilosophie

Eindrücke eines und desselben Erfahrungssubjektes sein können, und zum anderen diese Eindrücke überhaupt als ganze, einheitliche Objekte erscheinen können.11 Aus dieser Beobachtung zieht Kant den folgenden Schluss: (D)ie Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung überhaupt sind zugleich Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung, und haben darum objektive Gültigkeit (1966, B 198). Die Bedeutung der »objektive(n) Gültigkeit«, von der Kant hier spricht, ist in der Forschung zu dessen Erkenntnistheorie umstritten.12 Für Hegel jedenfalls bleibt Kant ob dessen vermeintlich strikter Trennung von erscheinender Welt und Welt an sich, von begrifflichem Schema und stofflichem Inhalt, im Rahmen eines repräsentationalistischen Denkmodells, das ihn nicht überzeugt.13 Hegel sieht keinen Grund darin, die Zugänglichkeit bzw. Rationalität der Objekte nur als Resultat einer Funktion des menschlichen Erkenntnisapparates zu betrachten und über die eigentliche Beschaffenheit der Objekte agnostisch zu bleiben, etwa weil deren Eigenschaften »nur Bestimmungen seyen, die vom Selbstbewußtseyn herkommen« (ebd.). Inwiefern Hegel Kant gerecht wird, ist breit diskutiert worden und hier nicht mein Thema.14 Hegel ist jedenfalls davon überzeugt, dass Kant mit seinen diesbezüglichen Überlegungen dennoch entscheidende Vorarbeit für ein adäquates Verständnis von Selbstbewusstsein entwickelt hat. Im zweiten und letzten Band seiner Wissenschaft der Logik kommt Hegel gleich zu Anfang auf Kant zu sprechen: Es gehört zu den tiefsten und richtigsten Einsichten, die sich in der Kritik der Vernunft finden, daß die Einheit, die das Wesen des Begriffs ausmacht, als die […] Einheit des: Ich denke, oder des Selbstbewußtseyns erkannt wird. (WDL II, 17 f.) In diesem Zusammenhang referiert Hegel die wesentlichen Elemente seiner eigenen Auffassung des nicht-empirischen Selbstbewusstseins bzw. des Begriffs. Da, wie noch zu zeigen ist, Hegels Entwicklung des Eigentumsrechts von dieser Auffassung untrennbar und ohne sie auch nicht begreiflich zu Vgl. hierzu aus Kants Kritik der reinen Vernunft (1966) die »Deduktion der reinen Verstandesbegriffe«, insbesondere die dortigen §§ 15, 16; darüber hinaus § 25 und die folgende Passage: »Also nur dadurch, daß ich ein Mannigfaltiges gegebener Vorstellungen in einem Bewußtsein verbinden kann, ist es möglich, daß ich mir die Identität des Bewußtseins in diesen Vorstellungen selbst vorstelle, d. i. die analytische Einheit der Apperzeption ist nur unter der Voraussetzung irgend einer synthetischen möglich.« (ebd., B 133). 12  Vgl. hierzu Rosefeldt (2000); in systematischer Orientierung Wille (2011). 13  Vgl. zum Verhältnis von Schema und Inhalt bei Kant und Hegel Siep (1991). 14  Vgl. zu dieser Frage Düsing (1976, S. 233–243). 11 

Die Dinge auf den Begriff bringen

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machen ist, empfiehlt es sich, die entsprechende Passage im Kontext in den Blick zu nehmen: [1] Der Begriff, insofern er zu einer solchen Existenz gediehen ist, welche selbst frey ist, ist nichts anderes als Ich oder das reine Selbstbewußtseyn. [2] Ich habe wohl Begriffe, d. h. bestimmte Begriffe; aber Ich ist der reine Begriff selbst, der als Begriff zum Daseyn gekommen ist. Wenn man daher an die Grundbestimmungen, welche die Natur des Ich ausmachen, erinnert, so darf man voraussetzen, daß an etwas Bekanntes, d. i. der Vorstellung geläuffiges erinnert wird. [3] Ich aber ist erstlich diese reine sich auf sich beziehende Einheit, und diß nicht unmittelbar, sondern indem es von aller Bestimmtheit und Inhalt abstrahirt und in die Freyheit der schrankenlosen Gleichheit mit sich selbst zurückgeht. So ist es Allgemeinheit; Einheit, welche nur durch jenes negative Verhalten, welches als das Abstrahiren erscheint, Einheit mit sich ist und dadurch alles Bestimmtseyn in sich aufgelöst enthält. [4] Zweytens ist Ich eben so unmittelbar als die sich auf sich selbst beziehende Negativität, Einzelnheit, absolutes Bestimmtseyn, welches sich Anderem gegenüberstellt und es ausschließt; individuelle Persönlichkeit. [5] Jene absolute Allgemeinheit, die ebenso unmittelbar absolute Vereinzelung ist, und ein An-und Für-sichseyn, welches schlechthin Gesetztseyn und nur dies An-und Für-sichseyn durch die Einheit mit dem Gesetztseyn ist, macht ebenso die Natur des Ich als des Begriffes aus; von dem einen und dem anderen ist nichts zu begreifen, wenn nicht die angegebenen beyden Momente zugleich in ihrer Abstraction und zugleich in ihrer vollkommenen Einheit aufgefaßt werden. (WDL II, 17; meine Siglen, A.M.)15 Hegels deutliche Allusionen auf Kants und Fichtes Selbstbewusstseinstheorien lasse ich im Folgenden weitestgehend unberücksichtigt; außerdem blende ich zunächst auch die Relevanz und Tragweite der hier zu findenden Unterscheidungen für Hegels praktische Philosophie aus. Mein Ziel ist lediglich die Annäherung an wesentliche Elemente des Hegelschen Begriffsapparats. Zunächst ist offensichtlich, dass Hegel hier zwei verschiedene Verwendungsweisen von »Ich« unterscheidet. In der einen, für Hegel relevanten Verwendung ist das Ich »der Begriff« oder »das reine Selbstbewußtseyn«. Sobald er diese These formuliert hat, sucht Hegel aber vor Missverständnissen zu warnen. Zwar sind, wie wir sowohl im ersten als auch im letzten Teil dieser Passage erfahren, die »Natur des Ich« und die Natur »des Begriffes« identisch (vgl. [1] und [5]). Die Redeweise von »Ich« kann aber irreführend sein, 15 

Vgl. zu einer anderen Deutung dieser Passage Christian Iber (2002).

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Voraussetzungen der Rechtsphilosophie

sofern durch das »geläuffige« Wort »Ich« Vorstellungen abgerufen werden, die den hier zu fassenden Gegenstand gerade nicht treffen (vgl. [2]). Unrichtig ist nach Hegel die Auffassung vom »Ich« als eines Gegenstands, der von seinen verschiedenen, ihn bestimmenden Prädikaten getrennt gedacht wird. Danach hat ein »Ich« etwa Verstand, Erinnerungen, Haarfarbe und andere Eigenschaften, die diesem »unbestimmten Substrate« (ebd.) angehören. So verstanden »ist Ich nur das einfache Ding« (WDL II, 19) im Sinne des Substanz-Eigenschafts-Kategorienpaares. Urheber einer solchen Missdeutung und somit Gegenstand der Abgrenzung ist hier für Hegel aber offenbar keine philosophische Theorie, sondern die »Vorstellung […] wie sie unsrem gewöhnlichen Bewußtseyn vorschwebt« (ebd.).16 Dass die für Hegel relevante Bedeutung von jenem gewöhnlichen Verständnis (»Ich als unbestimmtes Substrat«) zu unterscheiden ist, gibt er durch die den Gegensatz ausdrückende Konjunktion »aber« zu Anfang des vierten Satzes deutlich zu erkennen (vgl. [3]). Was nun folgt, ist die Darstellung der Struktur des »Ich«, die sich durch genau zwei Aspekte auszeichnet, die Hegel aufzählt und nummeriert (»erstlich«, »(z)weytens«), ohne dass der Übergang vom ersten zum zweiten Aspekt hier einen zeitlichen oder gar evaluativen Sinn hätte.17 Zuerst wird das »Ich« als eine Entität beschrieben, die als geschlossenes Ganzes spezifiziert wird, das sich durch ein bestimmtes Verhältnis zu sich selbst auszeichnet und nicht als empirische Größe aufzufassen ist: »reine sich auf sich beziehende Einheit«. Diesen Selbstbezug erreicht diese Entität aber nur über den Zugriff auf ein Mittel, »nicht unmittelbar«. Dieses Mittel ist der Prozess der Loslösung von jeder Eigenschaft und der – erst auf dieser Grundlage ermöglichten – Relation zu sich selbst, durch welche die hier verhandelte Entität als »Freyheit der schrankenlosen Gleichheit mit sich selbst« bezeichnet wird. Von Freiheit meint Hegel hier reden zu können, weil das »Ich« durch die von ihm selbst betriebene Abtrennung jeder Eigenschaft eben keiner äußerlichen Determination unterliegt: Insofern jede 16 

Dass diese Vorstellung auch als philosophische Theorie vertreten worden ist, bleibt bei Hegel an dieser Stelle unerwähnt. Hegels These, dass eine bestimmte Vorstellung vom »Ich« für das gewöhnliche Bewusstsein charakteristisch ist, ist – ohne weitere Explikation – problematisch. Insofern das »gewöhnliche Bewusstsein« eine empirische Größe ist, ist die Zuschreibung einer Vorstellung, die ihm generell zukommt, ein gewagtes Unterfangen. Hegel hat sich allerdings an anderen Stellen mit der Frage nach dem Status der Vorstellungen des Alltagsverständnisses, des sogenannten »gesunden Menschenverstands« und des Common Sense intensiv auseinandergesetzt. Vgl. hierzu Hegels Diskussion in (Hegel 1986, S. 171–188 und ebd. S. 30–35); außerdem ENZ § 63, wo Hegel den »gesunden Menschenverstand« mit dem Common Sense gleichsetzt und inhaltlich mit der Philosophie in Übereinstimmung sieht. Vgl. hierzu auch Halbig (2002, Kap. 4–9) und Quante (2011, Kap. 2). 17  Vgl. zur Irrelevanz der Reihenfolge der Begriffsmomente WDL II, 50.

Die Dinge auf den Begriff bringen

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Eigenschaft eine Unterscheidung oder Schranke zu anderen Eigenschaften eröffnen würde, kann Hegel hier auch von »Schrankenlosigkeit« sprechen.18 Die »Gleichheit« ist für Hegel ein Unterfall der Identität; dies insofern, als die Gleichheit (Hegel nennt sie »äußerliche Identität«, WDL I, 268) das Resultat eines reflektierenden Bezugs auf etwas ist, das dem hier verhandelten »Ich« (unter dem Blickwinkel dieses ersten Aspekts) äußerlich ist – nämlich sämtliche »Bestimmtheit und Inhalt«.19 Da diese Identität mit sich erst über die Loslösung von inhaltlicher Bestimmtheit erreicht ist, nennt Hegel sie »Allgemeinheit« – das ist der Titel für den ersten Aspekt des »Ich«. Auf den ersten Blick scheint es so, als würde Hegel im direkten Anschluss den gerade explizierten Gedanken lediglich noch einmal wiederholen: Das »Ich«, fährt Hegel noch im Rahmen der Erläuterung des ersten Aspekts fort, ist die »Einheit, welche nur durch jenes negative Verhalten, welches als das Abstrahiren erscheint, Einheit mit sich ist und dadurch alles Bestimmtseyn in sich aufgelöst enthält.« Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass Hegel hier einen Perspektivwechsel vollzieht. Was zunächst noch als Prozess der Abstraktion, der Loslösung von jeder Eigenschaft bezeichnet wurde, wird jetzt zwar immer noch als das »negative Verhalten« begriffen, aber entscheidend spezifiziert: Es »erscheint« nur als Abstraktion. Aus dieser veränderten Perspektive werden die Bestimmungen nicht suspendiert und gegenübergestellt, nicht losgelöst, sondern »aufgelöst« und als Eigenschaften betrachtet, welche die jetzt betrachtete Einheit »in sich […] enthält«. Halten wir den Unterschied dieser zwei Perspektiven für einen Augenblick fest: In der ersten Perspektive erscheint der Bezug auf die Bestimmungen als Abstraktion und somit als Gegenüberstellung von »Ich« und den Bestimmungen.20 In der zweiten Perspektive, die Hegel durch das Semikolon absondernd einleitet, soll das Verhältnis des »Ich« zu den Bestimmungen als internes begriffen werden. Diesen Perspektivwechsel vollzieht, wie sich im Folgenden zeigen wird, Hegel auch bei der Darstellung des zweiten Aspekts (vgl. [4]). So soll dieses »Ich«, fährt Hegel fort, »eben so unmittelbar« auch »Einzelnheit« sein. Mit dieser Formulierung bezieht sich Hegel nicht auf das »unmitIm selben Sinne spricht Hegel in der Rechtsphilosophie mit Bezug auf das Moment der Allgemeinheit des Willensbegriffs von »schrankenlose(r) Unendlichkeit« (R § 5). Darauf komme ich im nächsten Kapitel zu sprechen. Mit dem Begriff der Schranke hat sich Hegel in einem Kapitel der Seinslogik ausführlich auseinandergesetzt, vgl. WDL I, 73–75: »Sollen und Schranke«. Die oben zitierte Passage kann auch als Auseinandersetzung mit dem Ich-Begriff Fichtes gelesen werden; vgl. hierzu Siep (2004). 19  Vgl. zu den Reflexionsbestimmungen »Identität« und »Verschiedenheit« WDL I, 260–279 und R § 49 A. Außerdem die Analyse bei Düsing (1976, S. 220 ff.). 20  »Es ist abstractes Allgemeines, insofern diß Aufheben ein äusserliches Thun, und hierdurch ein Weglassen der Bestimmtheit ist.« (WDL II, 49). 18 

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telbar« aus der ersten Perspektive des ersten Aspekts von »Ich«. Denn dieser zeichnete sich ja gerade nicht über einen unmittelbaren Selbstbezug aus. Vielmehr sucht Hegel klarzustellen, dass die beiden Aspekte des »Ich« nicht als getrennte Eigenschaften oder gar als zwei verschiedene Typen von »Ich« aufzufassen sind, sondern bereits begrifflich zusammenhängen und sich nicht völlig getrennt voneinander betrachten lassen.21 Hegel nutzt für diese Fälle bekanntlich häufig die Redeweise von »Momenten«, die auch in dieser Passage Verwendung findet (vgl. [5]). Darum leitet er auch die Darstellung des zweiten Aspekts durch den Aufgriff des ersten Aspekts ein: Qua jenes Verhaltens, das sich dadurch auszeichnet, sich von Bestimmungen zu lösen und so den Selbstbezug herzustellen – »als die sich auf sich selbst beziehende Negativität« (meine Hervorhebung, A.M.) – ist das »Ich« selbst etwas Qualitatives, das »sich anderem gegenüberstellt, und es ausschließt« und von Hegel als »Einzelnheit« oder, explikativ, »absolutes Bestimmtseyn« betitelt wird. Hier wird lediglich explizit gemacht, was bereits im Zuge der Darstellung des ersten Aspekts kaum zu verbergen war: Selbstverständlich ist die Bestimmung des »Ich« zu einer Entität, die von allen Eigenschaften abstrahiert, selbst noch eine Bestimmung. Damit ist aber das Gegenteil dessen ausgesprochen, was der erste Aspekt zu etablieren suchte: Anstatt eine Allgemeinheit zu sein, bei der »von aller Bestimmtheit und Inhalt abstrahirt« wird, ist das »Ich« jetzt selbst als etwas Bestimmtes dargestellt, dem andere Entitäten gegenübergestellt sind. Der Gegensatz, um den es hier geht, ist allerdings ein Gegensatz, der wieder nur aus einer bestimmten Perspektive hervorgeht.22 Der Unterschied zwischen den beiden Perspektiven des ersten Aspekts von »Ich« bestand in der Differenz von externem und internem Verhältnis zu Bestimmungen. Diese dop21 

Ich deute hier folglich »unmittelbar« im Sinne von »notwendig«. Vgl. hierzu HENZ § 112: Da »im Begriff ihre Identität gesetzt ist, kann jedes seiner Momente unmittelbar nur aus und mit den andern gefasst werden.« Diesbezüglich ausführlicher außerdem Hegels Argumentation zur »Untrennbarkeit der Begriffsbestimmungen« (WDL II, 50 ff.). 22  Hegel ist davon überzeugt, dass die Gegensätzlichkeit der Aspekte die Vollständigkeit der logischen Bestimmung des Begriffs etabliert. Dass dieser deutliche Gegensatz von schrankenloser Allgemeinheit und ausschließendem Bestimmtsein von Hegel intendiert und für ihn wenig besorgniserregend ist, dafür gibt es in dieser Passage einige Hinweise. So wird etwa das »Bestimmtseyn« als »absolutes« charakterisiert. Damit ist im Rahmen der Hegelschen Terminologie klar, dass dieses »Bestimmtseyn« nicht als Fremdbestimmung zu verstehen ist – »absolut« heißt an dieser Stelle unabhängig von Anderem. Ein unabhängiges »Bestimmtseyn« aber, das qua »Bestimmseyn« dennoch Selbstbestimmtsein ist, nennt Hegel in der Begriffslogik stets das »absolute Bestimmtseyn« des Begriffs selbst: »Indem sie die Bestimmtheit des Begriffs, damit die absolute Bestimmtheit, die Einzelheit, ist, ist der Begriff, Grund und Quelle aller endlichen Bestimmtheit und Mannichfaltigkeit.« (WDL II, 23). Vgl. exemplarisch WDL II, 16, 35.

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pelte Perspektive eröffnet Hegel auch hier im zweiten Aspekt von »Ich« – und er hebt die verschiedenen Perspektiven erneut durch ein Semikolon hervor (vgl. [4]): Auf der einen Seite handelt es sich um ein »Bestimmtseyn«, das »sich anderem gegenüberstellt, und es ausschließt« – hiermit ist eindeutig ein externes Verhältnis eröffnet. Das »Ich« als »Bestimmtseyn« wird so zum Relatum in einem Referenzsystem, in welchem andere Relata auch unabhängig vom »Ich« Relationen bilden können. Auf der anderen Seite des Semikolons bleibt: »individuelle Persönlichkeit«. Wenn das hier verfolgte Interpretationsmuster der »Doppelperspektive« adäquat sein soll, dann muss sich die »individuelle Persönlichkeit« als ein internes Verhältnis deuten lassen.23 Bevor dieser Punkt angegangen wird, lässt sich allerdings noch der Indikator benennen, der überhaupt das Vorhandensein von Perspektivität oder unterschiedlicher Modalität auch für diesen zweiten Aspekt von »Ich« anzeigt – Hegels Einführung des zweiten Aspekts von »Ich« durch den Operator »unmittelbar« (vgl. [4]). Vor dem Hintergrund der Doppelperspektive erhält diese Bestimmung nicht bloß die bereits genannte Bedeutung der genuinen Einheit beider Aspekte des »Ich« und der Unmöglichkeit, sie völlig getrennt voneinander zu betrachten. Indem beide Aspekte des »Ich« hier als Aspekte bzw. Momente zur Sprache kommen sollen, müssen sie zunächst über den Fokus auf einen der Aspekte zur Sprache kommen. Auf diese Weise aber erhält das »unmittelbar« an jener Stelle die zusätzliche Bedeutung, durch die aufgezeigt werden soll, dass Hegel hier genau diese getrennte, vom anderen Moment abstrahierende Betrachtungsweise unternimmt: Schaut man sich die zusammengehörenden Aspekte des »Ich« in Isolation an, dann betrachtet man sie ohne ihren gegenseitigen Bezug, d. h. ohne Vermittlung, d. i. »unmittelbar«.24 Und dies gilt folglich für den ersten und »eben so« (vgl. [4]) für den zweiten Aspekt. Was hat es nun mit der Persönlichkeit auf sich? In der gesamten Wissenschaft der Logik spricht Hegel lediglich an sechs Stellen und äußerst knapp von Persönlichkeit.25 Im Rahmen seiner praktischen Philosophie wird die Persönlichkeit aber zu einem zentralen Begriff.26 Für die hier zu klärende Frage, ob der Begriff der Persönlichkeit ein internes Verhältnis bezeichnet, 23 

Ich komme auf das Verhältnis von interner und externer Relation in Kapitel 2.4 noch einmal zu sprechen. 24  Der Bestimmung der Unmittelbarkeit widme ich mich in Kap. 2.5.1 ausführlicher. 25  Siehe WDL I, 376 und WDL II, 17, 49, 138, 236, 251. Der Grund für diese stets knappe Behandlung des Persönlichkeits-Begriffs liegt meiner Auffassung nach in dem Umstand, dass »Persönlichkeit« für Hegel strenggenommen überhaupt kein Gegenstand der Logik sein kann. Seine Abhandlung gehört in die Philosophie des Geistes. Vgl. hierzu auch Kapitel 2.4.3. 26  Vgl. hierzu Kapitel 2.4.3.

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Voraussetzungen der Rechtsphilosophie

genügt der Blick auf den folgenden Passus aus dem Auftakt des Kapitels über »Die absolute Idee«: Der Begriff ist […] freyer subjectiver Begriff, der für sich ist und daher die Persönlichkeit hat, – der praktische, an und für sich bestimmte, objective Begriff, der […] nicht ausschließende Einzelnheit, sondern für sich Allgemeinheit und Erkennen ist und in seinem Anderen seine eigene Objectivität zum Gegenstande hat. (WDL II, 236) Dem Begriff der »Persönlichkeit« werde ich mich im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Abstrakten Recht noch ausführlich widmen (vgl. Kap. 2.4.3). So viel ist aber hier bereits klar, dass Hegel mit der Persönlichkeit eine selbstreferenzielle Struktur bezeichnet, deren Selbstbezug nicht im Rahmen einer Relation erreicht wird, deren verschiedene Relata unabhängig voneinander sind. Der freie Begriff oder »Ich« unterscheidet sich hier aktiv von einem Gegenstand, nur damit er über diese Unterscheidung den Selbstbezug herstellen kann. Im Rahmen dieser Referenz ist der Bezug des »Ich« zu dem »Bestimmtseyn« ein internes Verhältnis. Entscheidend ist daher, dass die Einzelheit vor dem Semikolon (vgl. [4]) noch als ein »Bestimmtseyn, welches sich Anderem gegenüberstellt und es ausschließt«, gefasst wird, während über die Einzelheit qua Persönlichkeit ausgesagt wird, dass sie zwar der »bestimmte, objective Begriff«, gleichwohl »nicht ausschließende Einzelnheit« sei. Das »individuelle« der Persönlichkeit markiert somit das Bestimmtsein derselben. Das »Ich« ist hier in diesem zweiten Aspekt daher als Entität aufgefasst, die etwas Bestimmtes ist und sich als dieses »Bestimmtseyn« auf sich selbst bezieht. Vor dem Hintergrund des ersten Aspekts, d. i. die unbestimmte Allgemeinheit des »Ich«, erscheint dieses »Bestimmtseyn« als etwas dem »Ich« Äußeres oder als das »Andere«. Als dieses »Andere« unterscheidet sich das »Ich« von anderem »Bestimmtseyn« oder schließt es aus. Hegel kann somit, wenn er von der »individuellen Persönlichkeit« spricht, nur dann behaupten, dass das »Ich« qua Einzelheit zwar »Bestimmtseyn«, aber nicht ausschließend sein soll, wenn er jenen Perspektivwechsel vollzieht: Mit Bezug auf anderes »Bestimmtseyn« ist das »Bestimmtseyn« des »Ich« ausschließend – erste, unvermittelte Perspektive. Mit Bezug auf das eigene »Bestimmtseyn« ist das »Bestimmtseyn« nicht etwas Ausschließendes, sondern Medium der Selbstbestimmung. Es wird sich später zeigen, dass Hegels Konzeption der Beziehung von Personen zu ihrem Eigentum, insbesondere zu ihrem eigenen Körper, genau nach der hier explizierten Struktur gestaltet ist. Die folgende Tabelle fasst Hegels Angabe der Struktur des Begriffs und des »Ich« zusammen:

Die Dinge auf den Begriff bringen

27 Verhältnis zum »Bestimmtseyn«

Perspektive

Operator

»Ich« qua

Verhältnis zum anderen Moment

Allgemeinheit

1

unmittelbar

Bestimmungen ausschließend

Abstraktion von Einzelheit

extern

Allgemeinheit

2

vermittelt

Bestimmungen in sich enthaltend

unmittelbare Vermittlung mit Einzelheit

intern

»Bestimmtseyn« und ausschließend

Abstraktion von Allgemeinheit

extern

»Bestimmtunmittelbare seyn« als Selbst- Vermittlung mit bestimmtsein Allgemeinheit

intern

Einzelheit

1

unmittelbar

Einzelheit

2

vermittelt

Im Zuge der Angabe der Struktur des Begriffs referiert Hegel demnach erst aus der zweiten Perspektive stets den ganzen Begriff; dies allerdings aus dem Blickwinkel des jeweiligen Moments.27 Dass Hegel die Struktur des »Ich« bzw. des Begriffs hier auf diese gedoppelte, d. i. sowohl unvermittelte als auch vermittelte Art wiedergibt, darauf weist er selbst am Ende der zitierten Passage hin. Es sei von der Natur des »Ich« und der Natur des Begriffs »nichts zu begreifen, wenn nicht die angegebenen beyden Momente zugleich in ihrer Abstraction und zugleich in ihrer vollkommenen Einheit aufgefaßt werden.« (vgl. [5]) Das ist der Schlüssel zum Verständnis der hier analysierten Passage. Hegel fasst damit seine eigene Darstellungsweise zusammen. Auf der Grundlage der hier diskutierten Passage zur Struktur des Begriffs lässt sich skizzenhaft eine Reihe von systemimmanenten Voraussetzungen festhalten, die sich in den materialen Teilen der Philosophie Hegels entscheidend niederschlagen. Der Sache nach ist Hegels Diskussion des Begriffs in wesentlichen Zügen eine Auseinandersetzung mit den Selbstbewusstseinsbegriffen von Kant und Fichte. Was Kant betrifft, so bezieht sich Hegel, wie bereits erwähnt, vor allem auf dessen Analyse der transzendentalen Einheit der Apperzeption. Die Verknüpfung, die Kant zwischen dem »allgemeinen 27  Vgl.

hierzu die folgende Passage: »Jedes von ihnen ist die Totalität, jedes enthält die Bestimmung des Anderen in sich, und darum sind diese Totalitäten ebenso schlechthin nur Eine, als diese Einheit die Diremtion ihrer selbst in den freyen Schein dieser Zweyheit ist – einer Zweyheit, welche in dem Unterschied des Einzelnen und Allgemeinen als vollkommener Gegensatz erscheint, der aber so sehr Schein ist, daß, indem das eine begriffen und ausgesprochen wird, darin das andere unmittelbar begriffen und ausgesprochen ist.« (WDL II, 16)

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Voraussetzungen der Rechtsphilosophie

Selbstbewusstseyn« und den diesem Selbstbewusstsein durch die sinnliche Anschauung gegebenen Bestimmungen (das »Mannigfaltige«) herstellt, wird allerdings von Hegel stark umgedeutet.28 Er teilt zwar mit Kant und Fichte die Überzeugung, dass mit der Konzeption des reinen Selbstbewusstseins grundlegende Einsichten der Erkenntnistheorie zu gewinnen sind, aber die prinzipielle Differenz zwischen dem erkennenden Selbstbewusstsein und der zu erkennenden Objektivität lehnt er ab. Mit dem »reinen Begriff« distanziert sich Hegel vom Kantischen Dualismus von Form und Inhalt (Selbstbewusstsein und Bestimmungen) und deutet die Struktur des Begriffs im Einklang mit Fichte und Schelling als Einheit von formaler und inhaltlicher Bestimmung.29 In der Wissenschaft der Logik versucht Hegel die »Kategorien, logischen Formen, Reflexionsbestimmungen und Grundbegriffe der Wissenschaften als ein System der Implikationen von Bedeutungen« (Siep 1992, 109) darzustellen, ohne aber dabei mit dem »Ich« oder überhaupt einem existierenden Subjekt als unmittelbar Evidentem zu beginnen. Da das reine Selbstbewusstsein oder »Ich«, wo es als Prinzip der Konstruktion der Grundbegriffe verstanden werden soll,30 selbst schon über Kategorien wie etwa Einheit, Identität oder Verschiedenheit bestimmt werden muss, kann der Gegenstand der Wissenschaft der Logik in seiner Bedeutung als begrifflicher Basis von Wissenschaft überhaupt jene Kategorien nicht einfach durch den Gebrauch von »Ich« voraussetzen,31 sondern muss sie – und das ist Hegels Anspruch – allererst in ihrem notwendigen und im Ergebnis sich als holistisch erweisenden Zusammenhang entwickeln. Dem Hegelschen Selbstverständnis zufolge generiert sich dieser holistische Zusammenhang von Grundbegriffen insofern von selbst, als er eben in der aufzeigbaren Notwendigkeit der wechselweisen Referenz der Grundbegriffe begründet ist. Dieser Prozess der Entwicklung der Grundbegriffe beruht bei Hegel auf einem Verfahren, das kategorial voraussetzungslos zu beginnen versucht, bei fortschreitender Entwicklung komplexer wird, aber prinzipiell auf eine einzige Struktur zurückgeht.32 Diese Struktur nennt 28  Vgl.

zu einer ausführlichen Diskussion von Hegels Auseinandersetzung mit Kants transzendentaler Einheit der Apperzeption Düsing (1976, S. 233–244). 29  Vgl. hierzu WDL II, 237; vgl. hierzu außerdem Halbig/Quante (2000). 30 »Als Wissenschaft ist die Wahrheit das reine sich entwickelnde Selbstbewußtseyn und hat die Gestalt des Selbsts […].« (WDL IB, 33). 31  Vgl. hierzu WDL IB, 53 ff. 32  Vgl. dazu Siep (1991). Henrich (1976) hat in diesem Zusammenhang aufzuzeigen gesucht, dass sich Hegels philosophisches Denken auf eine »Grundoperation« zurückführen lässt. Zur Voraussetzungslosigkeit des Anfangs der Logik siehe ENZ § 78; vgl. hierzu auch Anton F. Koch (2000).

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Hegel den Begriff oder Subjektivität.33 Als eine solche Struktur verstanden, organisiert der Begriff – anders als bei Kant – keinen von außen gegebenen Inhalt, sondern seine eigenen Bedeutungsmomente.34 »Schon der Ausdruck: Synthesis leitet leicht wieder zur Vorstellung einer äusserlichen Einheit, und blossen Verbindung von solchen, die an und für sich getrennt sind.« (WDL II, 22)35 Für Hegel sind die Denkbestimmungen bzw. Grundbegriffe der Wissenschaften objektiv nicht bloß im Sinne intersubjektiver Überprüfbarkeit, sondern im ontologischen Sinne: Die Bestimmungen des Denkens sind auch Bestimmungen der Gegenstände selbst.36 »Die Objectivität des Denkens ist also […] eine Identität des Begriffs und des Dinges, welche die Wahrheit ist.« (WDL II, 23) Ich kann diese für Hegels Philosophie wichtige These hier weder ausführlich explizieren noch verteidigen oder kritisieren. Auch Hegel selbst entwickelt sie nicht etwa im Rahmen eines einzigen und besonders scharfsinnigen Arguments, sondern im Zuge seines gesamten Systems. Nachdem er Kant knapp zurückweist, bemerkt er im letzten Band seiner Logik: Diese Sätze, an welche hier erinnert wird, sind darum keine dogmatischen Assertionen, weil sie aus der ganzen Entwicklung des Wesens durch sich selbst hervorgegangene Resultate sind. Der jetzige Standpunkt, auf welchen diese Entwicklung geführt hat, ist, daß die Form des Absoluten, welche höher als Seyn und Wesen (Buch I und II der Logik, A.M.), der Begriff ist. (WDL II, 24; meine Hervorhebungen, Hegels nicht übernommen, A.M.) Diese gesamte »Entwicklung des Wesens« kann ich weder hier noch an anderer Stelle nachzeichnen. Insofern jedenfalls der Begriff das Prinzip der Entwicklung der Grundbestimmungen des Denkens und gleichzeitig der Wirklichkeit selbst sein soll, kann Hegel auch sagen, dass er ebensowohl eine Stuffe der Natur, als des Geistes ausmacht. Das Leben oder die organische Natur ist diese Stuffe der Natur, auf welcher der Begriff hervortritt; aber als blinder, sich selbst nicht fassender d. h. nicht denkender Begriff; als solcher kommt er nur dem Geiste zu. (WDL II, 20) 33 

Vgl. hierzu Düsing (1976) und Horstmann (1990). Vgl. hierzu Siep (1992, S. 109) und Quante (2011, S. 161 ff.). 35  Diese Überzeugung spiegelt sich auch in Hegels Staatsbild wieder. Fasst man den Staat – wie dies nach Hegel die Vertragstheoretiker tun – als eine willkürliche Zusammenkunft von freien Privateigentümern auf, dann ist »das Ganze daher mehr ein Aggregat als ein Organismus« (R § 278 A). Ich komme darauf in Kapitel 2.4 zu sprechen. 36  Vgl. zur Erkenntnistheorie Hegels Halbig (2002) und Fulda (2004). 34 

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Unabhängig von diesem Zusammenhang mit Natur und Geist habe die Wissenschaft der Logik die Aufgabe, die »logische Form« (ebd.) des Begriffs zu entwickeln. Mit dieser Differenz zwischen »blinder Begriff« in der Natur und sich »denkender Begriff« als Geist lässt sich auch noch ein weiterer Punkt im Rahmen der hier analysierten Passage zum »Ich« erhellen. Sofort zu Anfang (vgl. [1]) spricht Hegel nämlich von der Identität zwischen »Ich oder das reine Selbstbewußtseyn« auf der einen Seite und dem Begriff auf der anderen Seite. Allerdings spezifiziert er die Gleichung noch: Nicht der Begriff überhaupt – denn als solcher ist er doch Prinzip aller Grundbestimmungen und so auch »Stuffe der Natur« – sondern nur der zur freien Existenz entwickelte Begriff ist identisch mit »Ich« oder dem reinen Selbstbewusstsein. Das »Ich« ist somit eine besondere Gestaltung des Begriffs; und die Identität zwischen »Ich« und Begriff ist somit eine Strukturidentität; oder – um Hegel selbst sprechen zu lassen – die Bestimmung, Allgemeinheit und Einzelheit zugleich zu sein, »macht ebenso die Natur des Ich, als des Begriffes aus«. (vgl. [5]) Was ist aber die freie Existenz des Begriffs, die »nichts anderes als Ich« sein soll? Der selbstbewusste Geist. »Das Absolut-Concrete ist der Geist (s. Anm §. 159), – der Begriff, insofern er als Begriff, sich unterscheidend von seiner Objectivität, die aber des Unterscheidens unerachtet die seinige bleibt, existiert.« (ENZ § 164 A) Das ist die logische Bestimmung des Geistes. In der enzyklopädischen Philosophie des Geistes zeichnet Hegel dann die einzelnen, als frei existierenden Gestalten des Begriffs nach.37 Auch das Eigentumsrecht ist eine solche Gestalt des Begriffs. Es ist in bestimmter Hinsicht sogar eine besondere Gestalt des Begriffs, denn das Eigentumsrecht ist die erste Gestalt, die im Rahmen der Philosophie des Objektiven Geistes überhaupt abgehandelt wird. Die Art und Weise zu begreifen, wie Hegel diese Gestalt und mit ihr die gesamte Philosophie des Rechts eröffnet, ist für das Verständnis der Grundlinien sowohl mit Blick auf ihre Inhalte als auch mit Blick auf ihre Methode essentiell. Der Rechtsphilosophie zentraler Begriff ist bekanntlich der Wille. Dessen Bestimmung widme ich mich im Folgenden.

1.2  Im Kontext der Philosophie des Geistes Im Rahmen seiner Einleitung (R §§ 1–33) in die Rechtsphilosophie bietet Hegel der Leserin eine ganze Reihe eindeutiger Hilfestellungen zur Erleichterung des Textverständnisses an. Diese Hilfestellungen sind in erster Linie Vgl. zur Frage des Verhältnisses von Logik und Philosophie des Geistes Fulda (2003); mit besonderem Blick auf den Erkenntnisbegriff Hegels (Fulda 2004). 37 

Im Kontext der Philosophie des Geistes

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Einordnungshinweise in die Landkarte seines Systems. Nachdem er im ersten Paragraphen mit der »Idee des Rechts« den Gegenstand der Grundlinien benannt hat, erinnert Hegel im zweiten Paragraphen an den einfachen Umstand, dass man es hier mit einem »Theil der Philosophie« zu tun hat, die insgesamt als ein zusammenhängendes Ganzes begriffen werden muss.38 Dieses zusammenhängende Ganze hat er in seiner Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften umrisshaft dargestellt. Die Rechtsphilosophie ist Teil dieser Enzyklopädie und wird dort unter dem Titel der Philosophie des Objektiven Geistes abgehandelt, der bekanntlich die Philosophie des Subjektiven Geistes vorhergeht. Ist einmal dieser Hinweis auf den systeminternen Topos der Rechtsphilosophie klar, dann ist es auch keine Frechheit, sondern nur konsequent von Hegel, wenn er sofort zu Anfang feststellt: Der Begriff des Rechts fällt daher seinem Werden nach außerhalb der Wissenschaft des Rechts, seine Deduction ist hier vorausgesetzt, und er ist als gegeben aufzunehmen. (R § 2) Für Hegel selbst ist mit diesem Hinweis auf den systeminternen Zusammenhang der Grundlinien – zusätzlich zu den damit implizierten sachlichen Verknüpfungen mit anderen Themen der Philosophie – gleichzeitig das Urteil über die adäquate Methode der Rechtsphilosophie gefällt. Doch auch daran erinnert er eigens: »Worin das wissenschaftliche Verfahren der Philosophie bestehe, ist hier aus der philosophischen Logik vorauszusetzen.« (R § 2 A) Dass diese Hilfestellungen keineswegs gleich alle möglichen Unklarheiten beseitigen, liegt auf der Hand: Hegels holistisches System ist sehr schlecht zum Stöbern geeignet. »Worin das wissenschaftliche Verfahren der Philosophie bestehe«, lässt sich darum auch nicht ad hoc nachblättern. Mittlerweile sind allerdings in der Hegelforschung zu vielen Themen seiner Philosophie gute Ergebnisse erreicht. Im Rahmen der hier folgenden Interpretation des Eigentumsrechts muss darum glücklicherweise nicht mit dem Anfang der Logik des Seins oder etwa mit dem Anfang der Phänomenologie des Geistes begonnen werden. Nichtsdestoweniger fordert die Auseinandersetzung mit dem Eigentumsbegriff allein schon darum einen stärkeren Blick auf vorherWas das Verhältnis der »Idee des Rechts« zur einen Idee überhaupt betrifft, so gilt für Hegel folgendes: »Die Idee selbst ist nicht zu nehmen als eine Idee von irgend Etwas, so wenig als der Begriff blos als bestimmter Begriff. Das Absolute ist die allgemeine und Eine Idee, welche als urtheilend sich zum System der bestimmten Ideen besondert, die aber nur diß sind, in die Eine Idee, in ihre Wahrheit zurückzugehen. Aus diesem Urtheil ist es, daß die Idee zunächst nur die eine, allgemeine Substanz ist, aber ihre entwickelte, wahrhafte Wirklichkeit ist, daß sie als Subject und so als Geist ist.« (ENZ § 213) 38 

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Voraussetzungen der Rechtsphilosophie

gehende Auszüge des Systems, weil das Eigentumsrecht den ersten Gegenstand der Rechtsphilosophie ausmacht. So mögen Abschnitte aus dem dritten Teil – »Die Sittlichkeit« – wenigstens insofern zugänglicher erscheinen, als ihr Kontext unmittelbar gegeben ist. Das gilt für den Anfang der Rechtsphilosophie in der Version der Grundlinien nicht. Und aus diesem Grund hat Hegel seinen Ausführungen jene umfangreiche Einleitung (R §§ 1–33) vorausgeschickt. Auf diese Einleitung und auf manche Aspekte der Philosophie des Subjektiven Geistes ist die Interpretation des Eigentumsrechts im Folgenden angewiesen. 1.2.1  Selbstbewusstsein und Geist Hat Hegel mit der »Idee des Rechts« den Gegenstand der Rechtsphilosophie benannt und ihn anschließend als Teil des Philosophieganzen bezeichnet, so spezifiziert er im vierten Paragraphen den systeminternen Ort jenes Gegenstands und umreißt dessen allgemeinen Horizont: Der Boden des Rechts ist überhaupt das Geistige und seine nähere Stelle und Ausgangspunkt der Wille, welcher frey ist, so daß die Freyheit seine Substanz und Bestimmung ausmacht und das Rechtssystem das Reich der verwirklichten Freyheit, die Welt des Geistes aus ihm selbst hervorgebracht, als eine zweyte Natur, ist. Für die Darstellung des Eigentumsrechts kommt es hier zunächst nur auf jene drei Begriffe an, die Hegel selbst hervorhebt: Das »Geistige«, der »Wille« und dessen Attribut »frey«. Da das Geistige offenbar notwendige Voraussetzung für alles ist, was je als Recht bezeichnet werden kann, lohnt es, sich einiger Implikationen dieser Voraussetzung zu widmen. Um nicht zu weit zurückgehen zu müssen, kann man sich an Hegels Hinweis orientieren, wonach der »Anfangspunkt« der Rechtsphilosophie gleichzeitig »das Resultat und die Wahrheit von dem ist, was vorhergeht« (R § 2). Ich unterziehe die im Folgenden zu erwähnenden Voraussetzungen der Rechtsphilosophie – deren intensive Bearbeitung eigenständige Studien erforderlich macht bzw. gemacht hat – keiner kritischen Analyse, sondern stelle lediglich dar. Das Ziel besteht nur darin, den systeminternen Ort der Rechtsphilosophie grundrisshaft zu bestimmen. Die Psychologie bildet das letzte Kapitel der Philosophie des Subjektiven Geistes. Hegel erreicht diesen Teil seiner Geistphilosophie durch den 439. Paragraphen der Enzyklopädie. Vor dem Hintergrund der Analyse des »Ich« und der Natur des Begriffs erscheint der Text nicht allzu fremdartig:

Im Kontext der Philosophie des Geistes

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Das Selbstbewußtseyn, so die Gewißheit, daß seine Bestimmungen eben so sehr gegenständlich, Bestimmungen des Wesens der Dinge, als seine eigenen Gedanken sind, ist die Vernunft […]. Denn sie hat hier zur eigenthümlichen Bestimmtheit, zur immanenten Form den für sich selbst existirenden reinen Begriff, Ich, die Gewißheit seiner selbst als unendliche Allgemeinheit. – Diese wissende Wahrheit ist der Geist. Die Vernunft als Geist ist das Resultat der enzyklopädischen Phänomenologie des Geistes. Hegel ist bekanntlich der Überzeugung, dass unsere Welt keine blinde Aneinanderreihung von Ereignissen darstellt (vgl. ENZ § 250 A), sondern dass die Geschichte der Menschheit ein teleologischer Prozess ist, den er einmal als »Fortschritt im Bewußtsein der Freyheit« (GW 18, 153) bezeichnet hat.39 Die Freiheit, die hier bewusst wird, ist für Hegel das Wesen des Menschen, die treibende Kraft aller Menschheitsgeschichte und die Grundstruktur der Wirklichkeit. In dieser umfassenden Bedeutung ist darum auch in philosophischer Perspektive »Freiheit als Konstituens des ganzen Systems zu erfassen« (Angehrn, 153).40 Dieses Wesen der Wirklichkeit nennt Hegel in der Regel die Idee: »Sie ist der einzige Gegenstand und Inhalt der Philosophie.« (WDL II, 236) Aufgabe der Philosophie ist es folglich, die Idee als Grundstruktur der Wirklichkeit zu explizieren. Das Prinzip der Entwicklung und Erkenntnis dieser Grundstruktur der Wirklichkeit ist, wie in 1.2. erwähnt, der Begriff. Über dessen Struktur wiederum haben wir festgehalten, dass sie sich durch zwei Aspekte auszeichnet: Allgemeinheit als der Distanzierung von aller Bestimmtheit und Einzelheit als Bestimmtsein. Da für Hegel das Bestimmtsein des Begriffs aber als Selbstbestimmung aufzufassen ist, weil er ausschließlich seine eigenen Bedeutungsmomente organisiert, verkündet Hegel bereits in der Logik: »Im Begriffe hat sich daher das Reich der Freyheit eröffnet.« (WDL II, 15) Diese Struktur des Begriffs, die Hegel als »sich auf sich selbst beziehend« (WDL II, 16) bezeichnet, ist als organisierendes Prinzip der Grundstruktur der Wirklichkeit auch der Grund dafür, wa39  Exemplarisch

für Hegels essentialistische und teleologische Geschichtsauffassung ist die folgende Passage aus der Rechtsphilosophie: »Aber denen, welche diesen Gedanken verwerfen, ist der Geist ein leeres Wort geblieben sowie die Geschichte ein oberflächliches Spiel zufälliger, sogenannter nur menschlicher Bestrebungen und Leidenschaften. Wenn sie dabey auch in den Ausdrücken von Vorsehung und Plan der Vorsehung den Glauben eines höheren Waltens aussprechen, so bleiben diß unerfüllte Vorstellungen, indem sie auch ausdrücklich den Plan der Vorsehung für ein ihnen Unerkennbares und Unbegreifliches ausgeben.« (R § 343 A) 40  Vgl. zum Freiheitsbegriff Hegels in systeminterner Perspektive Angehrn (1977); in systematischer Perspektive Pippin (1997).

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rum wir Menschen zu uns selbst in ein denkendes Verhältnis treten können. Das Selbstbewusstsein menschlicher Subjekte ist für Hegel ein Verhältnis, wodurch sich im unmittelbaren empirischen Selbstbewußtseyn die absolute, ewige Natur desselben und des Begriffes offenbart, deßwegen offenbart, weil das Selbstbewußtseyn eben der daseyende, also empirisch wahrnehmbare, reine Begriff, die absolute Beziehung auf sich selbst ist, welche als trennendes Urtheil sich zum Gegenstande macht und allein diß ist, sich dadurch zum Cirkel zu machen. (WDL II, 194) Dass der Mensch überhaupt zu Selbstbewusstsein fähig ist, ist demnach für Hegel kein Zufall, sondern in dem Begriff als dem reflexiven Prinzip der Idee begründet.41 Wenn – um nun auf den 439. Paragraphen zurückzukommen – menschliches Selbstbewusstsein zurückzuführen ist auf das Universalprinzip des »für sich selbst existirenden reinen Begriff(s)«, dann darf dies nicht zur Annahme verleiten, es gehe Hegel beim Selbstbewusstsein etwa um ein Vermögen, das den Individuen qua einzelnen Lebewesen natürlicherweise zukomme. Selbstbewusstsein ist bei Hegel bekanntermaßen sozial konstituiert. Die intersubjektive Konstitution des Selbstbewusstseins hat Hegel in seiner Phänomenologie des Geistes von 1807 ausführlich entwickelt. Die in diesem Rahmen abgehandelte »Bewegung des Anerkennens« (GW 9, 109) gehört zu den einflussreichsten Teilen seines Werks.42 Dort, in der »Wissenschaft der Erfahrung des Bewusstseyns« (GW 9, 61), versucht Hegel grundrisshaft aufzuzeigen, dass das Bewusstsein der Menschen als die Erscheinung des Geistes zu verstehen ist. Da Hegel zu demonstrieren sucht, wie Wissen und Geist zur Erscheinung kommen, nennt er sein Werk Erscheinungslehre, Phänomenologie des Geistes. Er führt dabei die Leserin von einer Subjekt-ObjektKonzeption des Bewusstseins zur nächsten, zeigt deren Unzulänglichkeiten auf und trifft am Ende bei einem den Gegensatz von Subjekt und Objekt aufhebenden Erkenntnisbegriff ein:43 Die Wirklichkeit ist aus philosophischer Perspektive keine Welt, in der rationale Subjekte einen Erkenntnisapparat über irrationale Objekte stülpen, um Wissen zu etablieren; die Wirklichkeit ist vielmehr eigentlich eine einzige Entität, die sich vergegenständlicht, d. h. in Subjekt und Objekt aufteilt, nur um sich selbst zum Gegenstand machen zu können, sich erkennen zu können. Wenn dieses Verhältnis eingesehen ist, 41 

Zum Verhältnis von menschlichem vs. göttlichem Selbstbewusstsein bei Hegel vgl. Theunissen (1970). 42  Vgl. zu Hegels Anerkennungsbegriff Siep (1979), E. Düsing (1986), Honneth (1992, 2001a, 2001b, 2008), Wildt (1982), Pinkard (1994), Quante (2011, Kap. 11). 43  Vgl. zur Phänomenologie des Geistes Siep (2000) und Moyar/Quante (2008). Zu den verschiedenen Bedeutungen des Aufhebungsbegriffs vgl. WDL IB, 94 f.

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wenn die geschichtliche Entwicklung so weit vorangeschritten ist, dass der Philosoph die Wirklichkeit als »Seyn, welches in Wahrheit Subject, oder was dasselbe heisst, welches in Wahrheit wirklich ist, nur insofern sie die Bewegung des sich selbst Setzens, oder die Vermittlung des sich anders Werdens mit sich selbst ist« (GW 9, 18), dann spricht der Philosoph die Welt adäquaterweise als Geist aus.44 Für den Geist – das ist der Startpunkt der Enzyklopädischen Psychologie – gilt der Dualismus von Schema und Inhalt nicht mehr. »Der Geist fängt daher nur von seinem eigenen Seyn an und verhält sich nur zu seinen eigenen Bestimmungen.« (ENZ § 440) Wie dies zu verstehen ist, das werde ich im Zuge der Interpretation des Eigentumsrechts ansatzweise zu zeigen versuchen. Aus diesen der Rechtsphilosophie begrifflich vorhergehenden Entwicklungen des Hegelschen Systems sind die folgenden vier Punkte, die ich hier nur festhalte, wichtig: Der Geist ist, erstens, kein natürliches Attribut von Individuen, sondern die soziale Gestalt des frei existierenden Begriffs. Als solche Gestalt des Begriffs ist der Geist demnach die Manifestation von Freiheit. Damit ist bei Hegel zunächst nur die Realisation der Minimalbestimmung praktischer Selbstreferenz gemeint. Was hierunter im Weiteren zu verstehen ist, werde ich Rahmen der Analyse des Eigentumsrechts zeigen.45 Für das Selbstbewusstsein normaler Subjekte erscheint der Geist im Rahmen ihrer alltäglichen Einstellungen, zweitens, nur unter der Voraussetzung der Natur bzw. einer Außenwelt, die das empirische Selbstbewusstsein für unabhängig von geistigen Prozessen und für unmittelbar gegeben hält. Diese Betrachtungsweise des Verhältnisses von Natur und Geist ist für Hegel aus philosophischer Perspektive gesehen letztlich unrichtig, aber notwendig.46 Unrichtig ist diese Betrachtungsweise, weil nicht das Geistige als Produkt unter dem Primat der Natur verstanden werden darf, sondern die Natur vielmehr ihr Wesen nicht in sich selbst, sondern nur in der Entwicklung zum Geist hat.47 Nicht zufällig, sondern notwendig ist aber jenes Bild von der 44 

Das sind klarerweise sehr starke Behauptungen, mit denen sich Hegel eine ungeheure Beweislast aufbürdet. Mir geht es an dieser Stelle nach wie vor nur darum, den Kontext für seine Abhandlung des Eigentumsrechts bereitzustellen. 45  Vgl. hierzu Kapitel 2.3. 46  Im 381. Paragraphen der Enzyklopädie expliziert Hegel den »Begriff des Geistes« und greift dort die Perspektive des alltäglichen Geist-Natur-Verständnisses durch die Wendung »für uns« auf. Vgl. hierzu die Analyse von Quante (2011, Kap. 5). Auf das Verhältnis der Vorstellungen von normalen Subjekten zur Perspektive der philosophischen Analyse komme ich im Rahmen der Hegelschen Unterscheidung von Besitz und Eigentum noch einmal zu sprechen. Vgl. Kap. 2.3. 47  Für Hegel gehört es zum Wesen der Natur, dass sie »sich zur Existenz des Geistes hervorbringe, der die Wahrheit und der Endzweck der Natur und die wahre Wirklichkeit

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Priorität der Natur und einer unabhängigen, vorgefundenen Außenwelt, weil es – nach Hegels Selbstverständnis – bereits in der Struktur des reinen Begriffs aufzeigbar ist. Denn im Zuge der Explikation der Begriffsmomente Allgemeinheit und Einzelheit stellt sich, wie wir in 1.1 gesehen haben, erstere zunächst nur als Abstraktionsresultat von vorgefundenen Bestimmungen dar; und letztere, die Einzelheit, tritt zunächst als Bestimmtsein anderem Bestimmtsein entgegen, das ihm, dem Bestimmtsein, als etwas Unabhängiges gegenübersteht. Erst die vermittelnde Perspektive – und nur diese entspricht dem Blick des Philosophen – betrachtet die Momente des Begriffs in ihrem Zusammenhang und somit dessen Allgemeinheit als Bestimmungen enthaltende Allgemeinheit und dessen Einzelheit als selbstbestimmte, gegenstandsübergreifende Einzelheit. Es sei freilich noch einmal erwähnt, dass Hegel nicht glaubt, er hätte diese, uns als normale Subjekte auszeichnende, realistische Betrachtungsweise auf die Außenwelt in ihrem Zusammenhang mit der Struktur des reinen Begriffs bereits durch jene kurze Passage zur Begriffsnatur (vgl. Kap. 1.1) hinreichend expliziert. Dies geschieht – gesetzt, es gelingt – letztlich nur auf der Grundlage des Durchgangs durch die gesamte Logik in ihrer Verknüpfung mit der Geistphilosophie.48 Für das Eigentumsrecht jedenfalls wird diese Unterscheidung zwischen der Perspektive des empirischen Selbstbewusstseins und des Standpunkts der Philosophie noch bedeutsam. Darauf komme ich im Zuge der Unterscheidung von Besitz und Eigentum zurück. Auf der einen Seite Bestimmungen vorzufinden und gleichzeitig diese Bestimmungen als Selbstbestimmung zu begreifen – mit diesen Aspekten der Struktur des Begriffs unterlegt Hegel, drittens, auch die Struktur des selbstbewussten Geistes, wo er die Gestalt des Objektiven Geistes zu entwickeln beginnt: »Somit, indem er in seinem Anfang bestimmt ist, ist diese Bestimmtheit die gedoppelte, die des seyenden und die des seinigen; nach jener etwas als seyend in sich zu finden, nach dieser es nur als das seinige zu setzen.« (ENZ § 443) Auf diese »gedoppelte« Bestimmtheit wird die Entwicklung des Objektiven Geistes aufbauen. Wenn Hegel später in der Rechtsphilosophie etwa davon reden wird, dass wir Menschen auf der einen Seite nur leben, insofern wir dieser vorgefundene, natürliche Körper sind, und auf der anderen Seite aber diesen Körper unter unserer Kontrolle, in unserem Besitz haben (vgl. R § 47), dann ist es die hier im Rahmen der Philosophie des Sub-

der Idee ist.« (ENZ § 251) Diese Betrachtungsweise der Natur wird für das Verhältnis der Rechtsperson zur Außenwelt (vgl. hierzu Kapitel 2.1) relevant. 48  Vgl. hierzu Quante (2011, S.120ff).

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jektiven Geistes erreichte gedoppelte Bestimmtheit des Geistes, die dort, im Objektiven Geist, weiter ausgeführt wird. Die Rechtsphilosophie wird darum, viertens, hinter das im Subjektiven Geist Erreichte auch nicht mehr zurückfallen – dies ist jedenfalls Hegels Selbstverständnis. Spricht Hegel also im vierten Paragraphen der Grundlinien über das Geistige, dessen näherer Ausgangspunkt der freie Wille ist, dann ist insbesondere auch die Struktur des allgemeinen Selbstbewusstseins vorausgesetzt – und mit ihr demnach jene intersubjektive Verfasstheit des Selbstbewusstseins, die Hegel im Rahmen der »Bewegung des Anerkennens« (GW 9, 109) etabliert hatte. Nichts und niemand kann in der Rechtsphilosophie als selbstbewusst und frei bezeichnet werden, ohne dass damit bereits fundamentale Anerkennungsprozesse ausgesprochen sind. In der Debatte um das Eigentumsrecht ist Hegel aber gerade dies wiederholt vorgeworfen worden, dass er – sonst doch der große Philosoph reziproker Anerkennungsverhältnisse – beim Eigentum jede intersubjektive Vermittlung außen vor lasse.49 Auf diese Frage wird darum die Analyse des Abstrakten Rechts besonderes Augenmerk richten. Dabei werde ich zeigen, dass Hegel – aus systeminterner Perspektive – kein einziger Fehler unterläuft.50 Vor dem Hintergrund dieser einzelnen Voraussetzungen der Rechtsphilosophie kann jetzt der Willensbegriff selbst und seine Entwicklung zum Objektiven Geist betrachtet werden.

1.2.2  Zum Begriff des Willens Die Momente des reinen Begriffs hat Hegel in der von mir in Abschnitt 1.1 analysierten Passage der Logik sehr gedrängt zusammengefasst – und dabei versucht, sie »zugleich in ihrer Abstraction und zugleich in ihrer vollkommenen Einheit« (WDL II, 17) darzustellen. Dort, in der Einführung »Vom Begriff im Allgemeinen«, hat Hegel die Momente nur aufgezählt, benannt, aber nicht entwickelt; dies zu tun, ist Aufgabe der gesamten Begriffslogik. Im Rahmen seiner ausführlichen Analyse der Begriffsmomente Allgemeinheit und Einzelheit reißt er sie zunächst vollständig auseinander, um auf der Grundlage des jeweils isolierten Blicks auf das einzelne Moment den Bedeutungsgehalt des selbigen bis an die jeweilige Grenze zu entwickeln, wo der Übergang 49 

Vgl. hierzu insbesondere die bereits erwähnte Debatte zwischen Ilting und Siep in dem von Henrich und Horstmann herausgegebenen Band zu Hegels Philosophie des Rechts (1982, S. 225–255 u. 255–277); außerdem die Beiträge von Theunissen und Fulda im selben Band (1982, S. 317–382 u. 393–428). 50  Vgl. Kapitel 2.4 –2.6.

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zum anderen Moment sich als alternativlos erweist.51 Dabei operiert er nicht nur mit den Begriffen der Allgemeinheit und Einzelheit, sondern auch mit dem Begriff der Besonderheit. Hegels Auseinandersetzung mit diesen Aspekten des reinen Begriffs zeigt sich allerdings auch bei seiner Explikation der Struktur des Willensbegriffs. Dieser lässt sich nach Hegel in drei Schritten begreifen (vgl. R §§ 5–7):52 Erstens, als Abstraktion des Willens von jedem »unmittelbar vorhandene(n)« Inhalt, die als das »reine Denken seiner selbst« aufgefasst werden kann. Zweitens, als direkter Gegensatz zum ersten Moment: Das »Setzen einer Bestimmtheit als eines Inhalts«. Das erste Moment nennt Hegel »absolute Abstraction oder Allgemeinheit«, das zweite nennt er »Besonderung« oder »Moment der Bestimmung«. Bevor ich zum dritten Schritt komme, sei auf Folgendes hingewiesen: Diese beiden Momente sind klarerweise genau jene Momente, die im Rahmen der Analyse der Struktur des reinen Begriffs zur Sprache gekommen sind. Es zeigt sich allerdings, dass Hegel hier drei Gedanken zu berücksichtigen sucht: (i.) Zum einen ist hier in der Geistphilosophie eine Ebene erreicht, auf der die Idee selbstbewusst oder für sich wird. Das Moment der Unbestimmtheit erscheint hier als Freiheitsbewusstsein des empirischen Selbstbewusstseins, das sich denkend von jedem »durch die Natur, die Bedürfnisse, Begierden und Triebe« gegebenen Inhalt lösen kann (R § 5). Das Moment der Bestimmung des Begriffs erscheint dagegen konsequenterweise als Zwecksetzung. (ii.) Zum anderen hat Hegel vor, den Gegenstand der Philosophie des Rechts hier zu entwickeln (vgl. R § 2 und § 279 A).53 Das heißt zunächst, dass er die Idee des Rechts nicht sofort als fertiges Produkt vorstellen möchte, indem er etwa die notwendigen Institutionen des vernünftigen Staates direkt benennt und anschließend in ihrem Zusammenhang expliziert. Hegel sucht zu zeigen, dass die wissenschaftliche Betrachtungsweise keine subjektive Didaktik an das Darzustellende heranzutragen braucht, wenn sie denn den sachlichen Zusammenhang der Phänomene erfasst hat. Für die Rechtsphilosophie ist dieser innere Zusammenhang die Begriffsnatur des Willens. Hegels Aufgabe ist es darum, »der eigenen immanenten Entwickelung der Sache selbst zuzusehen.« (R § 2) Wie dieses Zusehen im Einzelnen aussieht, werde ich an für das Eigentumsrecht relevanten Stellen aufzeigen. 51 

Vgl. hierzu Düsing (1976). zu einer ausführlicheren Interpretation dieser Paragraphen Peperzak (2001). Mit kritischem Blick auf Hegels Staatsverständnis diskutiert Manfred Baum (1978) die Eröffnungsparagraphen der Rechtsphilosophie. 53  Ich widme mich dem Hegelschen Entwicklungsbegriff ausführlicher in Kap. 2.4.1. 52  Vgl.

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(iii.) Somit ist aber drittens klar, dass Hegel – anders als in jener bereits interpretierten Passage aus der Logik – die Begriffsmomente nicht von vornherein aus der Perspektive ihrer Einheit darstellen kann, sondern sie in Abstraktion voneinander präsentieren muss. Nur auf diese Weise kann er der angesprochenen Entwicklung Nachvollziehbarkeit verleihen. Dies gesagt, erscheint nun der dritte Schritt in Hegels Darstellung der Begriffsnatur des Willens nicht überraschend. Ich zitiere im Zusammenhang: γ) Der Wille ist die Einheit dieser beyden Momente; – die in sich reflectierte und dadurch zur Allgemeinheit zurückgeführte Besonderheit, – Einzelnheit, die Selbstbestimmung des Ich, in einem sich als das Negative seiner selbst, nemlich als bestimmt, beschränkt zu setzen und bey sich, d. i. in seiner Identität mit sich und Allgemeinheit zu bleiben, und in der Bestimmung, sich nur mit sich selbst zusammenzuschließen. – Ich bestimmt sich, insofern es die Beziehung der Negativität auf sich selbst ist; als diese Beziehung auf sich ist es ebenso gleichgültig gegen diese Bestimmtheit, weiß sie als die seinige und ideelle, als eine bloße Möglichkeit, durch die es nicht gebunden ist, sondern in der es nur ist, weil es sich in derselben setzt. – Dies ist die Freyheit des Willens, welche seinen Begriff oder Substantialität, seine Schwere so ausmacht wie die Schwere die Substantialität des Körpers. (R § 7) Somit hat Hegel klargestellt, dass nur diese Auffassung des Willens als der Einheit seiner beiden Momente die richtige ist. Dessen Darstellung in drei Schritten darf darum auch nicht zur Annahme verleiten, es gäbe den freien Willen in drei verschiedenen, den Paragraphen 5, 6 und 7 entsprechenden Zuständen. Ein bloßes Nachdenken über und die Distanzierung von jedem möglichen Willensinhalt ist für Hegel noch kein wirklicher Wille. Dazu muss erst die Entscheidung für etwas Bestimmtes erreicht werden – Intentionalität ist darum nach Hegel für den Begriff des Willens bedeutungskonstitutiv.54 In dieser Entscheidung, die erst das Denken qua Wille in die soziale Wirklichkeit übersetzt,55 soll aber dessen Freiheit, d. i. dessen unabhängiger Selbstbezug, nicht verloren sein, sondern sich allererst realisieren. Damit ist außerdem klar, dass die Freiheit des Willens nicht als fertige und inhaltslose Fähigkeit des einzelnen Subjekts verstanden werden darf, das dann diesen Vgl. R § 7 RN 321: »Ich will nicht nur, sondern will Etwas.« Zum 8. Paragraphen notiert sich Hegel: »In allen und jeden WillensActen – Vollbringungen des Rechts dasselbe – Besitznahme – Verbrechen – Straffe – Arbeit, Staat – ohnehin Geist an Geist, – Wille an Wille sich wendet.« (RN § 8 RN 329) Dass und inwiefern die Realität, die das Denken und der Wille gestalten, für Hegel eine grundsätzlich soziale, intersubjektive Realität ist, werde ich im Zuge der Explikation seines Eigentumsrechts aufzuzeigen suchen. Vgl. Kap. 2.4.1–2.4.3. 54  55 

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freien, leeren Willen auf einen äußeren Gegenstand ›anwendet‹. So wie das Bestimmtsein notwendiges Moment der Struktur des Begriffs ist, so ist auch der Bezug zum Gegenstand – verstanden als inhaltliche Bestimmung überhaupt – Teil der Begriffsbestimmung des Willens selbst. In dieser Auffassung des Willensbegriffs kann der Gegenstandsbezug somit auch nichts vom Willen Verschiedenes sein, sondern muss als »Beziehung auf sich« begriffen werden.56 Dieser begrifflichen Bestimmung des Willens als Selbstbezug in der Bestimmung – von der hier klar wird, dass sie mit jener zweiten, vermittelnden Perspektive auf die Struktur des reinen Begriffs identisch ist (vgl. Tabelle in 1.1) – entspricht für Hegel die Wahrnehmung des gesunden Menschenverstands (vgl. R § 7 RN), wonach wir im einzelnen Willensakt durchaus im Bewusstsein der prinzipiellen Unabhängigkeit unserer Zwecksetzung sein können und darum die Entscheidung nicht als Unfreiheit erleben, sondern erst als Realisation unserer Absicht.57 Der Wille ist nichts »Fertiges und Allgemeines vor seinem Bestimmen und vor dem Aufheben der Idealität dieses Bestimmens, sondern er ist erst Wille als diese sich in sich vermittelnde Thätigkeit und Rückkehr in sich.« (R § 7 A) Im Zuge der Einleitung beginnt Hegel an diesem Punkt bereits die Entwicklung des Willensbegriffs. Dabei ist sofort zu beachten, dass er im Haupttext bislang an keiner Stelle der Explikation des Willensbegriffs vom Willen als dem Willen eines menschlichen Individuums gesprochen hat. Der Startpunkt ist zunächst nur die Darstellung des Willensbegriffs, das heißt seiner allgemeinen Struktur. Inwiefern diese Struktur – dadurch, dass sie sich offenbar durch eine Art der Selbstbestimmung auszeichnet – auch als von den einzelnen Individuen unterscheidbares Subjekt begriffen werden muss, das lasse ich an dieser Stelle noch dahingestellt sein, komme aber hierauf in Kapitel 2.3 zurück.58 In jedem Fall ist mit der Angabe der Elemente dieser Struktur noch 56 

In der Anmerkung zu Paragraph 6 (und indirekt auch bei § 10 A) wirft Hegel Fichte vor, dass dieser die inhaltliche Bestimmung des Ich als prinzipiell von dessen Begriffs­natur geschieden betrachtet habe und daher bei einem bloß abstrakten, inhaltsleeren Verständnis von Ich stehenbleibe. Im 415. Paragraphen der Enzyklopädie wirft Hegel selbiges auch Kant vor. 57  Strenggenommen wäre daher auf der Ebene der allgemeinen definitorischen Bestimmung die Rede vom freien Willen pleonastisch. Was die klassische Debatte um Willensfreiheit und Determinismus angeht, so beteiligt sich Hegel an ihr bewusst nicht. Er ist der Überzeugung, dass sich das Problem bei einem adäquaten Verständnis von Natur und Geist gar nicht erst stellt. Vgl. hierzu Wolff (1992). 58  In einer Randnotiz zum 7. Paragraphen bezeichnet Hegel die Einheit der Willensmomente als »Subject«. In der Werkausgabe des Suhrkamp-Verlages wird diese Notiz – im Unterschied zur Kritischen Ausgabe – irrtümlicherweise als »Subjektivität« wiedergegeben. Ein Blick auf die Vorlesungen (Band 10, S. 180) und die Enzyklopädie (Enz § 20

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nicht der Wille etwa einer einzelnen Person gemeint. Diese allgemeine Struktur, deren Momente der Allgemeinheit und Bestimmtheit Hegel unvermittelt oder getrennt voneinander, d. i. »abstract« (R § 7 A) nur benannt hat, wird nun im weiteren Verlauf konkretisiert. Das Programm steht aber bereits hier fest: Es gilt zu beobachten, wie auf der Grundlage dieses Willensbegriffs eine soziale Wirklichkeit als »Reich der verwirklichten Freyheit« (R § 4) gedacht werden kann. Dass die Grundstruktur unserer Wirklichkeit für Hegel nach der Struktur des Begriffs organisiert ist, habe ich in Kapitel 1.1 bereits erwähnt. Da für Hegel der Wille als Universale nichts anderes als die begriffliche Weiterbestimmung des reinen Selbstbewusstseins ist, gilt für das Verhältnis zwischen Wille und einzelnem, empirischem Willenssubjekt dasselbe, was auch für das Verhältnis von empirischem zum absoluten Selbstbewusstsein gilt: Die Bestimmungen des Unterschieds, welchen der sich selbst bestimmende Begriff im Willen setzt, erscheinen im unmittelbaren Willen als ein unmittelbar vorhandener Inhalt – es sind die Triebe, Begierden, Neigungen, durch die sich der Wille von Natur bestimmt findet. (R § 11) Der Frage nach der Wirklichkeitsauffassung, durch die sich der Philosoph von dem gewöhnlichen Verständnis empirischer Subjekte unterscheidet, widme ich mich später noch ausführlich (vgl. Kap. 2.3). Hier ist jedenfalls wichtig, dass Hegel die konkretisierende Entwicklung des Willensbegriffs mit der Spezifikation des Moments der Bestimmung (R § 6) und nicht mit der abstrakten Allgemeinheit (R § 5) beginnt. Hegels minimalistischer Darstellungsanspruch zwingt ihn, das Moment der Allgemeinheit ohne weitere Speund Anmerkung, § 163 A) legen nahe, dass Hegel an jener Stelle in der Tat den Begriff des »Subjects« und nicht »Subjektivität« im Sinn hat. So heißt es etwa in der enzyklopädischen Logik: »Jedes Moment des Begriffs ist selbst der ganze Begriff (§. 160), aber die Einzelnheit, das Subject, ist der als Totalität gesetzte Begriff.« (ENZ § 163 A) Indes, was bei Hegel »Subjekt« und »Subjektivität« bedeuten, hängt häufig von dem Kontext ab, in dem sie Verwendung finden. Es ist bekannt, dass Hegel von beiden Begriffen nicht bloß im Zusammenhang mit menschlichen Individuen spricht, sondern auch im Rahmen der Auseinandersetzung mit den verschiedensten »Denk-, Handlungs-, Gegenstands-, und Gemeinschaftsformen« (Siep 1992, S. 70). In bestimmten Kontexten gilt für beide Begriffe, dass sie eine Entität charakterisieren, die zum »Begreifen [ihrer] selbst als in gegensätzlichen Bestimmungen sich entwickelnde Ganzheit« (ebd., S. 69) fähig ist. Sachlich interessant ist für die Entwicklung des Eigentumsrechts die Frage nach dem Typus dieses Begreifens. Wird der Staat beispielsweise als ein Subjekt bzw. als Subjektivität aufgefasst, dann ist zu klären, durch wen oder was und auf welche Art und Weise die Selbsterkenntnis der Ganzheit im Einzelnen geleistet wird. Diese Frage wird in der vorliegenden Untersuchung besonders im Rahmen von Hegels Unterscheidung von Besitz und Eigentum relevant.

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zifikation zunächst lediglich als Selbstbezug aufzufassen. Was auch immer im Ergebnis als Welt der verwirklichten Freiheit festzuhalten ist – jene (in 1.2.1 erwähnte) bloße Form des Sich-auf-sich-selbst-Beziehens wird in ihr auffindbar sein müssen. Mehr kann Hegel an dieser Stelle aus der abstrakten Allgemeinheit nicht herausarbeiten. Was macht aber den Inhalt der Freiheit aus? Welche Bestimmungen muss das Universale freier Wille entwickeln, damit eine soziale Wirklichkeit als dessen Werk betrachtet werden kann? Hegel beginnt mit dem unmittelbaren Willen, da er – wie bereits erwähnt – die Komplexität eines vernünftigen Staats, die schließlich in jeder Rechtsphilosophie die Vermittlung, die Interaktion verschiedener Willenssubjekte und Abstimmung verschiedener Willensinhalte zum Gegenstand hat, erst als alternativloses Ergebnis präsentieren möchte (vgl. R § 2 A). Aufgrund dieser Entscheidung blendet Hegel die Vogelperspektive auf den vernünftigen Staat für einen Augenblick aus, betrachtet die Bestimmungen des Willens nicht vom Resultat her, d. i. nicht in Vermittlung, sondern legt den Fokus auf die Art und Weise, wie das Universale freier Wille den empirischen Subjekten ohne jede Vermittlung erscheint: als »Triebe, Begierden, Neigungen« (R § 11). Aus höherer Perspektive, die allererst die Differenz von unmittelbarer Erscheinung und eigentlicher Struktur thematisch werden lässt, sind diese Bestimmungen nichts anderes als Existenzweisen des Universale und somit »an sich vernünftig« (ebd.). Im Unterschied zu Kant hält Hegel nämlich freies Handeln für durchaus vereinbar mit bedürfnisorientiertem Handeln bzw. mit einem Handeln, dessen Motiv faktisch aus einem Trieb resultiert – so lange Trieb und triebreduzierendes Handeln eben nicht unmittelbar walten, sondern mittelbar als vernünftig eingesehen und durch das Denken geformt werden können.59 Wenn diesem unmittelbaren Willen die Inhalte als gegeben erscheinen und er sich zunächst entschließt, einem dieser Bedürfnisse oder Neigungen zu folgen, erst dann »setzt der Wille [als Universale, A. M.] sich als Willen eines Individuums und als sich hinaus gegen Anderes unterscheidenden.« (R § 13)60 Bereits an dieser Stelle beobachtet Hegel einen produktiven Gegen59 

Die philosophische Abhandlung der Rolle von Bedürfnissen unternimmt Hegel vor allem im Abschnitt über die Bürgerliche Gesellschaft, insbesondere im Rahmen der Paragraphen 149 ff.; vgl. außerdem zum diesbezüglichen Unterschied der praktischen Philosophie Kants und Hegels, Wildt (1982) und Siep (1992). 60  Hier drängt sich selbstverständlich bereits die Frage danach auf, was der freie Wille mit Bezug auf dieses Setzen in ontologischer Hinsicht eigentlich ist. Ist es lediglich ein »Interaktionsmuster« (Quante 2011, S. 269), das durch Individuen und ihre Interaktion instantiiert ist? Wenn ja, wie ist Hegels Rede zu verstehen, dass es – auch über das Wissen der Individuen hinaus – dieses »Interaktionsmuster« selbst ist, das seine Realisierung wissend betreibt? Was Hegel hier wirklich vertritt, ist in der Forschung vielfach und kon-

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satz: Auf der einen Seite ist der Inhalt des Willens prinzipiell vernünftig, doch die Form, in der dieser Inhalt erscheint, widerspricht dem Begriff des freien Willens. Insofern, so war in Paragraph 7 erwähnt, für den Willensbegriff gilt, dass er sich »in der Bestimmung nur mit sich selbst zusammenzuschließen« pflegt, ist die unmittelbare Hingabe zu einem unmittelbar vorhandenen Bedürfnis noch eine defizitäre Weise der Selbstbestimmung. Die Analyse der Struktur des reinen Begriffs (vgl. 1.1) hat schließlich gezeigt, dass der Begriff nichts Gegebenes – wie etwa das Kantische Mannigfaltige – organisiert, sondern nur sich selbst aus sich bestimmt. Von Selbstbestimmung kann aber auf derjenigen Ebene keine Rede sein, wo wir Bedürfnisbefriedigungen, die Hegel einmal »Mannichfaltigkeit des Besondern(s)« (R § 12 RN 339) nennt, als zwingend erleben. Hegel wird hierzu in seinen Randnotizen deutlicher als im eigentlichen Text: »Ich finde mich so und so bestimmt; […] Muß, Nothwendigkeit wie das Thier«. (R § 11 RN 337) Der Gegensatz besteht somit zwischen dem Begriff des freien Willens, nämlich Selbstbestimmung zu sein, und der Unfreiheit seiner eigenen vorgefundenen Bestimmung.61 Hegel greift diese Differenz mit der Verwendung der Operatoren »an sich« und »für sich«. An sich, d. h. dem Wesen der Sache nach, handelt es sich beim unmittelbaren Willen durchaus um den freien Willen. Dies wird dem unmittelbaren Willen aber nur über die Perspektive des Philosophen attestiert: »So ist der Wille nur an sich frey, oder für uns.«62 (R § 10) Die »Bewegung« trovers diskutiert worden (vgl. z. B. Theunissen 1982). Siep kritisiert in einem anderen Zusammenhang die grundsätzliche Gestalt des Hegelschen Monismus’: »Aber sein Monismus verzichtet nicht nur »sparsam« auf die Annahme inkommensurabler Seinsarten, sondern geht auch von einem Monon, einem Einen und Selben aus, das in teleologisch geordneten Seinsbereichen zunehmend Selbstständigkeit und Wirklichkeit gewinnt. Daher kann er sich mit Strukturentsprechungen zwischen autonomen Bereichen letztlich nicht zufrieden geben. Er muß sie als Modifikationen eines zu sich kommenden Selben auffassen – mit den Konsequenzen der Instrumentalisierung der Natur, der Individualisierung des objektiven Geistes und der notwendigen Übereinstimmung von Staat und bestimmter Religion.« (1992, S. 328) Der wesentliche Vorwurf, der immer wieder an Hegel gerichtet wird, läuft darauf hinaus, dass seine Philosophie auf problematische Weise von einem Primat des Geistes über die Natur ausgeht. Ich behandle dieses Thema nur insoweit das Eigentumsrecht davon betroffen ist. 61  Das empirische Subjekt erlebt diesen Gegensatz überhaupt nicht als solchen, da es über den Blick auf die Gesamtheit der Bestimmungen des Willensbegriffs nicht verfügt. In der handschriftlichen Randnotiz zum 8. Paragraphen schreibt Hegel: »Gegensatz innerhalb des Willens selbst – nicht des Bewusstseyns.« 62  Hegel nutzt die Wendung »für uns« nicht immer im selben Sinn. Im Zuge der enzyklopädischen Darstellung des »Begriff(s) des Geistes« (ENZ § 381) referiert Hegel an entscheidender Stelle mit »für uns« auf die eingeschränkte Alltagsperspektive empirischer Subjekte. Vgl. hierzu Quante (2011, Kap. 5).

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(R § 10 RN 333) des freien Willens nimmt hier ihren weiteren Lauf und hat eine klare Richtung: »Erst indem der Wille sich selbst zum Gegenstande hat, ist er für sich, was er an sich ist.« (R § 10) Denkt man an jene »gedoppelte« Bestimmtheit des Geistes, wonach der Geist anfänglich zweiseitig bestimmt ist, d. i. »nach jener etwas als seyend in sich zu finden, nach dieser es nur als das seinige zu setzen« (ENZ § 443), dann wird außerdem nachvollziehbar, warum Hegel den unmittelbaren Willen auch als »formellen Willen« (R § 13 A) bezeichnet: Er ist formell, weil er die Bedürfnisse als seine Bedürfnisse betrachtet63 und somit immerhin über seinen vorgefundenen, gegebenen Gegenstand der Form nach eine Relation zu sich herstellt – »diese Form und jener Inhalt sind aber noch verschieden«. (R § 11) Wie wird aber der Wille auch für sich frei? Zunächst erfährt das Willenssubjekt die »Mannigfaltigkeit von Trieben« als eine Menge, über die es reflektieren (vgl. R § 21) und aus welcher es wählen (R § 14) kann: »Die Freyheit des Willens ist nach dieser Bestimmung Willkühr – in welcher dieß beydes enthalten ist, die freye von allem abstrahirende Reflexion und die Abhängigkeit von dem innerlich oder äußerlich gegebenen Inhalte oder Stoffe.« (R § 15) Das Problem der Willkürfreiheit ist somit offensichtlich: Auf der einen Seite hat sie einen Inhalt, der prinzipiell vernünftig und in diesem Sinne nicht beliebig, sondern »notwendig« (vgl. ebd.) ist. Auf der anderen Seite ist dieser »an sich« notwendige Inhalt für den reflektierenden Willen nur eine Möglichkeit: Welche Bedürfnisse befriedigt werden und auf welche Weise dies überhaupt geschieht – nichts davon ist für Hegel philosophisch systematisierbar, weil die Entwicklung, Befriedigung und Weise der Befriedigung von Bedürfnissen sowohl individuell-subjektiver als auch raum-zeitlicher Kontingenz unterliegt.64 Das einzelne Willenssubjekt kann zwar die Reflexion über die eigenen Neigungen, Bedürfnisse etc. soweit vorantreiben, dass es eine »formelle Allgemeinheit an diesen Stoff« (R § 20) bringt: Es kann seine Bedürfnisse, Neigungen und Triebe unter eine für sie alle geltende, allen gemeinsame Direktive des subjektiven Wohlbefindens, »der Glückseligkeit« (R § 20) 63 

Bereits ein solches »Selbstgefühl« (ENZ §§ 407 ff.) mit Bezug auf die Bedürfnisse hat nach Hegel Urteilsform, weil das einzelne Gefühl bzw. Bedürfnis eingeordnet wird unter die allgemeine Rubrik, Gefühl meiner selbst zu sein. Vgl. hierzu insgesamt Siep (1992, S. 195–217). 64  Hegel nennt dies die »gedoppelte Unbestimmtheit« (R § 12) des unmittelbaren Willens. Dass Peperzak (2001, Chapter 3) Hegel hier vorwirft, er unterlasse die weitergehende systematische Betrachtung der Triebe, Emotionen, Bedürfnisse etc. ohne Angabe von Gründen, kann darum nur auf einem Missverständnis beruhen.

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bringen. Maßgebend für diese Glückseligkeit bleibt aber der Genuss, das subjektive Wohlbefinden des einzelnen Individuums. Diese Allgemeinheit äußert sich darum auch nur in der einzelnen Bedürfnisbefriedigung, »denn wirklich ist eine einzelne angenehme Empfindung, […] einzelner Trieb« (R § 20 RN 349). Somit ist die Allgemeinheit, die hier erreicht ist, selbst noch insofern »unbestimmt« (ebd.), als ihr Inhalt eben von Individuum zu Individuum variieren kann. Sie ist formell allgemein, aber inhaltlich durch die »Natürlichkeit und die Particularität« (R § 21 A), die letztlich vorgefunden ist, bestimmt. Erst über eine Allgemeinheit des Willens, die inhaltlich allgemein ist, d. h. keine vorgefundenen, einzelnen, natürlichen und somit auch dem Zufall unterliegenden Bestimmtheiten organisiert, kann der Wille nicht bloß an sich, sondern auch als für sich frei bezeichnet werden. Der freie Wille, der auch für sich frei ist, bezieht sich auf nichts Vorgefundenes, sondern nur auf Bestimmungen, die der Wille selbst entwickelt – der formelle Selbstbezug würde dann auch ein inhaltlicher Selbstbezug, den Hegel als »die sich selbst bestimmende Allgemeinheit« (R § 21) bezeichnet.65 Ein allgemeiner Inhalt ist aber für Hegel immer ein Inhalt des Denkens und Wissens (vgl. R § 21 A) – Hegels Rechtsphilosophie ist daher kognitivistisch ausgerichtet.66 Der Wille müsste sich – um die Begrifflichkeit des 443. Paragraphen der Enzyklopädie noch einmal zu bemühen – nicht erst als »seyende(s) […] bestimmt« auffin65  In

Paragraph 24 nennt Hegel drei verschiedene Allgemeinheitsbegriffe, die er in der Enzyklopädie ausführlicher unterscheidet (Vgl. ENZ §§ 169–178). Die formelle Allgemeinheit, die er auch »Gemeinschaftlichkeit oder die Allheit« (R § 24 A) nennt, ist für Hegel prinzipiell nur eine willkürliche »Allgemeinheit der Reflexion« (ebd.): Relata werden nach beliebigem Maßstab identische Eigenschaften zugeschrieben, sodass diese Prädikate allen gemein sind oder, wenn man so will, die Relata auf dieser Grundlage eine Gemeinschaftlichkeit aufweisen (vgl. hierzu auch WDL II, 51). So sind die Individuen x, y und z Mitglieder beispielsweise eines Schachvereins. Dass sie es ebenso gut auch nicht sein könnten, macht das bloß formelle dieser Allgemeinheit für Hegel aus. Gerade der Staat dürfe nicht als ein solcher Verein oder als Vertragsverhältnis (vgl. § 258 A) aufgefasst werden. Als Beispiel für die hiervon unterschiedene »abstracte Allgemeinheit« bietet Hegel das erste Moment des Willensbegriffs selbst an, das sich durch Inhaltslosigkeit, Losgelöstsein von jeder besonderen Bestimmung auszeichnet. Während daher bei der formellen Allgemeinheit inhaltliche Bestimmungen als beliebige betrachtet werden, bei der abstrakten Allgemeinheit als von ihr kategorial unterschiedene, charakterisiert Hegel die »konkrete« Allgemeinheit »als das über seinen Gegenstand übergreifende, durch seine Bestimmung hindurchgehende Allgemeine, das in ihr mit sich identisch ist.« Die Rechtsphilosophie selbst zeigt nach Hegel auf, was unter dieser letzten, philosophisch gehaltvollsten Allgemeinheit, die nur auf »speculative Weise gefaßt werden kann«, im Genaueren zu verstehen ist. 66  Darauf komme ich bei der Unterscheidung von Besitz und Eigentum noch zu sprechen (vgl. Kap. 2.3).

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den und diese Existenz organisieren, sondern von Anfang an das »seinige« selbst zum »seyenden« machen. Wie diese Vergegenständlichung des Willens im Näheren aussieht, wird noch zu diskutieren sein. »Die sich selbst bestimmende Allgemeinheit« setzt jedenfalls eine denkende Loslösung (vgl. § 21 A) von der vorgefundenen Gebundenheit an die Natur, die Leiblichkeit voraus. In der Distanzierung von dieser Bindung an die Leiblichkeit ist auch die natürliche Unterschiedenheit der einzelnen Subjekte wieder nivelliert. Der an und für sich freie Wille muss somit als überindividuelle Entität aufgefasst werden. Die Bestimmungen des an und für sich freien Willens, d. i. die Wirklichkeit, die dieser Wille selbst hervorbringt, gehören somit nicht mehr zur Philosophie des Subjektiven Geistes. Mit dem »Daseyn des freyen Willens« ist der Objektive Geist erreicht: »das Recht« (R § 29). Mit diesem Recht, das als soziale Verwirklichung des Begriffs des freien Willens verstanden wird, ist schließlich der Begriff des Gegenstands der gesamten Rechtsphilosophie erreicht: die »Idee des Rechts« (R § 1). Die Eröffnung der Grundlinien, die auch die Abhandlung des Eigentumsrechts enthält, beginnt Hegel mit dem Abstrakten Recht.

2.  »Privateigenthum als Dieser« – Interpretation des Hegelschen Eigentumsrechts

Hegel hat die drei Hauptteile seiner Rechtsphilosophie (Abstraktes Recht, Moralität, Sittlichkeit) jeweils selbst noch einmal mit einer einführenden, das jeweilige Programm benennenden Vorklärung versehen. Die eigentliche Abhandlung des Eigentumsrechts beginnt erst mit dem 41. Paragraphen. In der Debatte um das Hegelsche Eigentumsrecht haben dessen systeminterner Kontext und jene vorklärenden Paragraphen 34–40 bislang zu wenig Beachtung gefunden. In der Konsequenz sind wichtige Fragen der Interpretation unbeantwortet und Hegels Abhandlung des Eigentumsrechts unverstanden geblieben. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch das durch Hegels Eigentumsbegriff ausgelöste Befremden hinreichend deutlich lokalisieren. Beginnt man mit dem formalen Startpunkt der Darstellung des Eigentumsrechts, d. h. mit dem 41. Paragraphen, dann erscheinen Hegels Überlegungen zunächst wenig problematisch. Der Sache nach eröffnet Hegel die Diskussion mit dem überzeugenden Hinweis darauf, dass wir Menschen unserer Freiheit – sofern sie denn keine bloße Fiktion sein soll – auch in der Auseinandersetzung mit der Natur Ausdruck verleihen müssen (vgl. R § 41). Mit typisch rationalistischem Impetus bemerkt Hegel anschließend, dass wir uns die Natur unterordnen, sie unter unsere Kontrolle bringen müssen; und dass dieser Gegenstand unserer Kontrolle – sofern wir denn in Rechtsverhältnissen leben – niemals ein anderes freies Subjekt sein kann (R §§ 42–44). Anschließend unterscheidet er sauber zwischen physischem Besitz und rechtlichem Eigentum – und reiht sich auch hier offenbar reibungslos in die Tradition der philosophischen Eigentumsdebatte ein (R § 45). Erst der 46. Paragraph sorgt für die große Irritation: Da mir im Eigenthum mein Wille als persönlicher, somit als Wille des Einzelnen objectiv wird, so erhält es den Charakter von Privateigenthum, und gemeinschaftliches Eigenthum, das seiner Natur nach vereinzelt besessen werden kann, die Bestimmung von einer an sich auflösbaren Gemeinschaft, in der meinen Antheil zu lassen für sich Sache der Willkühr ist.67

67 

Waldron betrachtet diese Passage als Auftakt der Hegelschen Argumentation für die Notwendigkeit des Privateigentums und bezeichnet sie als schlicht »unconvincing« (1988, 373). Patten (1999, S. 149 f.) schließt sich Waldron an und sieht sich gezwungen, den Ab-

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Interpretation des Hegelschen Eigentumsrechts

Ist das wirklich alles? Da mein Wille nun einmal ein persönlicher Wille ist, kann Eigentum nur Privateigentum sein? Während schon Platon und Aristoteles die Notwendigkeit von Privateigentum kontrovers diskutieren, während etwa Locke und Kant viel Mühe damit haben, die Überlegenheit des Privateigentums gegenüber anderen Formen des Eigentums herauszustellen, macht Hegel hier scheinbar sehr kurzen Prozess. Er wird auch in den folgenden Paragraphen kein weiteres Argument für die Notwendigkeit von Privateigentum liefern. Wenn Hegel die Notwendigkeit von Privateigentum überhaupt philosophisch entwickelt, dann ist diese Entwicklung auf jener Strecke zu suchen, die mit der Einleitung in das Abstrakte Recht (R §§ 34 ff.) beginnt und mit diesem 46. Paragraphen das Ergebnis »Privateigenthum« nur benennt. Eine solche zweckgerichtete Suche muss die folgenden Fragen, die man an den hier zitierten Paragraphen paraphrasierend herantragen kann, beantworten können: 1. Was ist bei Hegel überhaupt Eigentum? 2. Was ist ein Wille als »persönlicher«? 3. Was heißt es, dass ein persönlicher Wille »objectiv« wird? 4. Wo bleibt die Übereinkunft mit anderen Subjekten? Um diese Punkte zu klären, werde ich mit folgender Strategie arbeiten: Die Anfangsparagraphen des Abschnitts zum Eigentumsrecht (§§ 41–46) werden einer Detailanalyse unterzogen, wobei, wo nötig, für die Klärung zentraler Begriffe und für die Explikation einzelner Argumentationsschritte sowohl auf jene einführenden Paragraphen 34–40 als auch auf den systeminternen Zusammenhang der Hegelschen Philosophie insgesamt einzugehen ist.

2.1  Person und Sache: Natur als Material der Freiheit Ich beginne mit Paragraph 41, der die Freiheit der Person zum Gegenstand hat: Die Person muß sich eine äußere Sphäre ihrer Freyheit geben, um als Idee zu seyn. Weil die Person der an und für sich seyende unendliche Wille in dieser ersten, noch ganz abstracten Bestimmung ist, so ist dieß von ihm Unterschiedene, was die Sphäre seiner Freyheit ausmachen kann, gleichfalls als das von ihm unmittelbar Verschiedene und Trennbare bestimmt.

schnitt, der seine Diskussion des 46. Paragraphen umfasst, mit »A Puzzle« zu überschreiben (ebd., S. 146–150).

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Zunächst ist kurz zu erwähnen, was in diesem Zusammenhang für Hegel eine »Person« ist.68 Hierfür ist es notwendig, sich noch einmal zu vergegenwärtigen, welches Resultat die Entwicklung des Willensbegriffs im Zuge der Einleitung (§§ 1–33) erreicht hat. Hegel hat dort aufzuzeigen gesucht, dass nur die Idee des an und für sich freien Willens den Gegenstand der Rechtsphilosophie ausmachen kann. Der freie Wille ist kein bloßer Begriff (vgl. R § 1), sondern Idee, weil er selbst eine soziale Wirklichkeit der Freiheit hervorbringt. Er ist somit auch kein Ideal, dem es nachzueifern gilt oder anhand dessen nur Forderungen darüber aufzustellen seien, »wie die Welt sein soll« (R, Vorrede, 27), sondern er ist die in Hegels Zeit gegebene soziale Realität in ihren vernünftigen Grundzügen. Idee ist somit für Hegel immer der Begriff einer Sache und ihre Selbst-Realisation. Diese Selbst-Realisation des an und für sich freien Willens kann, so haben wir gesehen, nicht adäquat als Verwirklichung von Freiheit begriffen werden, wenn der freie Wille lediglich dazu in der Lage ist, einen unmittelbar vorgefundenen Inhalt – wie etwa unsere unmittelbaren Triebe und Bedürfnisse – zu organisieren. Der freie Wille ist nur dann an und für sich frei, wenn er fähig ist, sich selbst zum Gegenstand zu machen, indem er seine eigenen Bestimmungen in die Wirklichkeit überträgt. Was das im Einzelnen und für den Anfang heißt, beginnt Hegel jetzt mit dem Abstrakten Recht zu zeigen. So viel ist aber als Ergebnis der bisherigen Entwicklung des Willensbegriffs klar, dass ein Wille in der Lage sein muss, sich denkend in Distanz zu allem zu setzen, was er unmittelbar innerlich und äußerlich vorfindet. Und just dies zeichnet nach Hegel eine Person aus. Wenn ein Subjekt dazu fähig ist, »nicht bloß ein Selbstbewußtseyn überhaupt von sich […] als concretem, auf irgendeine Weise bestimmten, sondern vielmehr ein Selbstbewußtseyn von sich als vollkommen abstractem Ich« (R § 35 A) zu entwickeln, dann hat es Persönlichkeit. Und ein einzelnes Individuum, das Persönlichkeit hat, nennt Hegel hier Person (vgl. ebd.). Mit diesem abstrakten Selbstbezug greift Hegel das Moment der abstrakten Allgemeinheit des Willensbegriffs auf, denn diese bezeichnete nichts anderes als »das reine Denken seiner selbst« (R § 5). Hegel erkennt und benennt bereits an dieser frühen Stelle der Grundlinien eine wichtige Voraussetzung von Rechtsverhältnissen: Jeder rechtliche Anspruch, jede freiheitliche Institution und jeder vernünftige Staat kann für Hegel nur dann sinnvoll gedacht werden, wenn die Subjekte dieser sozialen Gebilde dazu in der Lage sind, sich 68 

Ich komme auf Hegels Personbegriff in Kap. 2.4.3 noch einmal ausführlich zu sprechen. Vgl. hierzu außerdem die Studien von Siep (1992, S. 81–116) und Quante (2011, Kap. 8).

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Interpretation des Hegelschen Eigentumsrechts

von ihren Bedürfnissen und Willensinhalten zu distanzieren, um einen allgemeineren Standpunkt einzunehmen. Die Subjekte müssen sich also selbst als von ihrem unmittelbaren Wollen gelöst denken können. In einer Randnotiz zum Paragraphen über die abstrakte Allgemeinheit formuliert Hegel darum: »Wer sich nicht gedacht hat, ist nicht frey.« (R § 5 RN 317) Mit dieser Distanzierungsfähigkeit der Person ist freilich zunächst nur eine negative Charakterisierung erreicht: Der Wille qua Person kann sich als frei von allem denken und ist so durch nichts Vorgefundenes bestimmt. Was ist aber die positive, inhaltliche Bestimmung der Freiheit des Willens, die doch nicht bloß abstrahieren, sondern eine soziale Wirklichkeit selbst hervorzubringen im Stande sein soll?69 Der erste Schritt in diese Richtung ist Hegels Bemerkung, dass die Person ihrer Freiheit eine »äußere Sphäre« verleihen muss. Soll die Rechtsphilosophie Begriff und Wirklichkeit der Freiheit darstellen, dann hat die Person konsequenterweise »als Idee zu seyn.« (R § 41) Sie muss also ihrer Freiheit einen Ausdruck verliehen haben, der wirklich in dem Sinne ist, dass er Gegenstand sozialer Auseinandersetzung sein kann, d. h. auch für andere Subjekte sichtbar ist.70 Wie ist dieser »äußere« Bereich der Freiheit der Person aber zu greifen? Als direkte diskursive Auseinandersetzung mit anderen Personen? Als Kampf um Anerkennung oder als Prozess reziproker Aufforderung zur Selbstbeschränkung? Als Hobbessche Kollision mit anderen Individuen bzw. als egoistischkluge Vermeidung derselben? Nichts dergleichen. An dieser Stelle demonstriert Hegel auf bemerkenswerte Art und Weise, was es für ihn bedeutet, »der eigenen immanenten Entwickelung der Sache selbst zuzusehen.« (R § 2) Wenn die Idee des an und für sich freien Willens methodisch kontrolliert dargestellt werden soll, dann ist sie – so viel ist aus der Einleitung bekannt – zunächst ohne jede Vermittlung, ohne Komplexität aufzufassen, sofern etwaige Schritte nicht zwingend sind. Hegel nennt darum den gesamten ersten Abschnitt seines Werks abstraktes Recht, weil er von der konkreten, reichhaltigen Realität abstrahiert, um ihren internen Zusammenhang erst Schritt für Schritt nachzuzeichnen. Die Idee des an und für sich freien Willens betrachtet er darum »in der Bestimmtheit der Unmittelbarkeit« (R § 34). In einer handschriftlichen Randnotiz zum 40. Paragraphen, wo im Haupttext von dem »unmittelbare(n) Daseyn, welches sich die Freiheit auf unmittelbare Weise gibt«, die Rede ist, fordert Hegel sich wie in einem inneren Monolog zur Achtsamkeit bezüglich der Methode auf: »Diß die Grundbestimmungen – 69 

Vgl. zur positiven Willenssetzung R § 53. Das ist eine vorgreifende Interpretationsthese, die ich im Zuge der Analyse nach und nach zu plausibilisieren versuche. 70 

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abstract – Fruchtbarkeit dieses Begriffs im folgenden – Resultate nur durch sie – ohne sie nichts im folgenden bestimmen – selbst das Concrete – Folge von ihnen«. Wenn nun die Person als ein Subjekt gedacht wird, das sich dadurch auszeichnet, »sich als vollkommen abstracte(s) Ich« denken zu können, und wenn Hegel die »äußere Sphäre« dieses denkenden Selbstbezugs so voraussetzungsarm wie möglich zu bestimmen sucht – welchen argumentativen Zug betrachtet er dann als alternativlos? Der Philosoph, denkt Hegel, darf dieses Äußere der Person an dieser Stelle nur als das von dem denkenden Selbstbezug »unmittelbar Verschiedene« bezeichnen – weiter nichts. Mit dieser Qualifikation ist freilich ein folgenreicher Schritt getan. Denn alles, was im Rahmen der Philosophie des Objektiven Geistes begrifflich bestimmt wird, darf für Hegel nicht bloß als konstruktivistisches – d. i. den Dualismus von Schema und Inhalt beibehaltendes – Zurechtlegen der Wirklichkeit aufgefasst werden. Auf der Ebene des selbstbewussten Geistes gilt schließlich, »daß seine Bestimmungen eben so sehr gegenständlich, Bestimmungen des Wesens der Dinge sind« (ENZ § 439). Was von dem denkenden Selbstbezug verschieden ist, erscheint nicht bloß als verschieden und ist auch nicht nur in irgendeiner beliebig variierbaren Relation das Verschiedene, sondern es ist als das vom freien Willen essentiell Verschiedene zu begreifen: »Was für den freyen Geist, der vom bloßen Bewußtseyn wohl unterschieden werden muß, das Aeußerliche ist, ist es an und für sich […].« (R § 42 A)71 Inhaltlich braucht Hegel die hier gesuchte Entität lediglich dadurch zu bestimmen, dass er ihr den zentralen semantischen Gehalt des Begriffs des freien Willens qua Person abspricht – sonst wäre ja jene Entität nicht als verschieden zu bezeichnen. In der Heidelberger Enzyklopädie nennt Hegel diese äußere Sphäre darum auch »Negation« (HENZ § 403)72 des abstrakt freien Ichs. Vor diesem Hintergrund mag der anschließende Paragraph 42 in der Tat so erscheinen, als bräuchte man ihm nur »zuzusehen« (R § 2): »Das von dem freyen Geiste unmittelbar Verschiedene ist für ihn und an sich das Aeußerliche überhaupt – eine Sache, ein unfreyes, unpersönliches und rechtloses.« diesem Grund spricht Hegel auch nicht etwa vom ›Unterschiedenen‹, weil er der Bestimmung der »äußeren Sphäre« jeden subjektiv-konstruktivistischen Charakter nehmen möchte. Er ist freilich sehr achtsam darauf, hier stets nur vom unmittelbar Verschiedenen zu sprechen (vgl. auch R § 43 A). Denn aus höherer Perspektive betrachtet, verweisen Geist und Natur wechselweise aufeinander und bilden – auf ontologischer Ebene – nur verschiedene Entwicklungsstufen und Aspekte der einen Substanz, der Idee. Vgl. hierzu Quante (2011, Kap. 5 u. 6). 72  Vgl. zur Rolle der Negation bei Hegel Henrich (1976). 71  Aus

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Bevor ich gleich noch einmal kurz auf diesen 42. Paragraphen eingehe, ist zunächst auf einige weitere Punkte des 41. Paragraphen zurückzukommen. Denn Hegel spricht hier nicht bloß vom Verschiedenen, sondern bezeichnet das von der Person Unterschiedene auch als das »Trennbare«. Möchte man Hegel nicht unterstellen, dass er hier bereits in Aussicht auf noch zu entwickelnde Phänomene – wie beispielsweise die Tauschpraxen der Akteure (R §§ 72–81) – jene »immanente Entwickelung« (R § 279) der Rechtsphilosophie von außen auf die richtige Spur zu bringen sucht, und möchte man außerdem nicht annehmen, dass er hier lediglich aus stilistischen Gründen einen weiteren Begriff für jenes »Verschiedene« verwendet, dann ist zu prüfen, welchen weiteren Gehalt dieses »Trennbare« hat. Damit darf zwar gegenüber dem vom Geist unmittelbar Verschiedenen nicht ein gänzlich verschiedener Gehalt prädiziert sein; es kann allerdings ein weiterer Aspekt des vom freien Geist Unterschiedenen hervorgehoben sein. Und das ist in der Tat der Fall: Während Hegel das unmittelbar Verschiedene einfach über und als die Negation des abstrakt freien Geistes etabliert hat, spezifiziert er diese Klassifikation der äußeren Sphäre der Freiheit der Person, indem er jene Abstraktionsbewegung des »Ich« (vgl. §§ 5 und 35) ausbuchstabiert: Alles, von dem sich das »Ich« denkend lösen kann, ist somit zunächst als das Abstrahierbare oder eben Trennbare bestimmt. Und nach wie vor gilt: Wenn die Bestimmungen des Geistes »eben so sehr gegenständlich, Bestimmungen des Wesens der Dinge sind« (ENZ § 439), dann darf Hegel im 42. Paragraphen auch folgern, dass mit diesem Trennbaren »Sachen« gemeint sind – d. h. nicht notwendig nur Gegenstände des Reflektierens, sondern ebenso Entitäten, von denen man sich auch im handgreiflichen Sinn trennen, lösen kann.73 Wichtig ist an dieser Stelle, dass Hegels Ich-Begriff in Erinnerung gehalten wird: Das Moment der abstrakten Allgemeinheit – so haben wir in Kapitel 1.1. bereits gesehen – ist nur ein Moment des ganzen Begriffs, zu dessen Struktur das Bestimmtsein notwendigerweise hinzuzudenken ist. Darum hat auch der Umstand, dass Hegel nicht »das Getrennte« schreibt, keinen ästhetischen Grund. Die Verwendung des passivisch-modalen Suffixes (das »Trennbare«) verweist auf eine notwendige Einheit von abstraktem Selbstbezug und – hier noch nicht näher charakterisiertem – Bestimmtsein, von dem sich die Person lösen kann, das aber offenbar nicht zwingend als gelöst begriffen wer73 

Hegel hat hier auch die Fähigkeit des Menschen zum Freitod im Sinn. Darin sieht er einen wesentlichen Unterschied zwischen Mensch und Tier: »(D)as Thier kann sich nicht selbst verstümmeln oder umbringen, aber der Mensch.« (R § 47 A) Rechtmäßig ist diese Wahl allerdings Hegel zufolge in der Regel nicht. Vgl. hierzu den 70. Paragraphen der Grundlinien.

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den muss. Diesen Unterschied wird Hegel im Zuge seiner Argumentation noch geltend machen.74 Eine letzte Bemerkung zu dem vom freien Geiste Verschiedenen: Insofern diese Bestimmung das Wesen des vom Geist Unterschiedenen ausmacht und insofern Hegel jeden Menschen für wesentlich frei hält (vgl. R § 209 A), kann er bereits auf der Grundlage des bisherigen Argumentationsstrangs die Sklaverei nur als ein Unrecht betrachten. Zurück zum 42. Paragraphen. Das dort erwähnte »Aeußerliche überhaupt« ist bei Hegel bekanntlich die Natur.75 Da selbige aber auf »vielfache Weise« (R § 42 RN 401) vorhanden ist, kann Hegel im Rahmen jener immanenten Entwicklung nicht einfach über jede Gegebenheitsweise der Natur begrifflich disponieren. Gerade vor dem Hintergrund, dass in seiner Philosophie Natur und Geist stets wechselweise aufeinander verweisen, muss Hegel die für das Abstrakte Recht relevanten Daseinsweisen der Natur eingrenzen und spricht auch darum nur von der »Sache«.76 Streng genommen darf Hegel hier, wo der an und für sich freie Wille »in der Bestimmtheit der Unmittelbarkeit« (R § 34) ist, auch die Daseinsweisen der Natur nur unmittelbar betrachten. Man vergegenwärtige sich für einen Augenblick die Aufgabe, die Hegel zu lösen hat: Er hat die Person als unmittelbare Gestalt der Allgemeinheit des an und für sich freien Willens entwickelt (1); er hat anschließend das Material für die erste Verwirklichung der Freiheit der Person unmittelbar entwickelt (2); er muss nun auch die Art und Weise der Beziehung von Person (1) und Sache (2) selbst noch unmittelbar betrachten (3). In der Anmerkung zum 42. Paragraphen beginnt Hegel zu klären, was hier unter einer »Sache« zu verstehen ist. Er unterscheidet die »entgegengesetzten Bedeutungen«, die der Ausdruck »Sache« haben kann: Damit kann dasjenige gemeint sein, worauf es in einem gegebenen Kontext wesentlich ankommt. Dieser Gebrauch von »Sache« findet sich etwa in Sätzen wie diesem: »Amir, schweif ’ nicht ab und komm endlich zur Sache!« Mit »Sache« kann aber auch – und nur um diese Bedeutung geht es Hegel im Abstrakten Recht – das geradezu Nebensächliche gemeint sein. Wer auf die Frage, was für ein Mensch Bruce Lee gewesen ist, auf dessen Haus, dessen Auto und auf dessen Socken hinweist, der hat mit Bruce Lee zusammenhängende Äußerlichkeiten auf74 

Ich komme darauf im Rahmen der Analyse der Paragraphen 47 und 48 zurück. Dort diskutiert Hegel die Differenz zwischen der erstpersönlichen und drittpersönlichen Perspektive auf den eigenen Körper. 75  Vgl. hierzu den »Begriff der Natur« in der Einleitung zur Naturphilosophie (ENZ § 247 und § 251). 76  Vgl. zum Verhältnis von Geist und Natur bei Hegel Quantes Analyse des 381. Paragraphen der Enzyklopädie (2011, Kap. 5); außerdem Bonsiepen (1997).

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gezählt, aber nur »das Gegentheil des Substantiellen, das seiner Bestimmung nach nur Aeußerliche« (R § 42 A) erfasst. Entscheidend ist, dass Hegel dieses »Gegenteil des Substantiellen« hier auf die Person qua erster Gestalt des an und für sich freien Willens bezieht: Substantiell, d. h. das für unsere soziale Wirklichkeit des Rechts hier Notwendige und uns Individuen als Rechtspersonen auszeichnende, ist zunächst die geistige Distanzierungsfähigkeit von jeder vorgefundenen Bestimmung und die Referenz auf uns selbst als auf einen Gegenstand des Denkens (R § 35 A). Was dieser Selbstreferenz äußerlich ist, kann nicht das Substantielle, nicht selbst dasjenige sein, worauf es hier ankommt. Wie löst Hegel folglich die oben explizierte Aufgabe der unmittelbaren Beziehung von Person und Sache? Er behauptet, die Person habe selbst eine natürliche Existenz, theils an ihr selbst, theils als eine solche, zu der sie als einer Außenwelt sich verhält. – Nur von diesen Sachen, als die es unmittelbar, nicht von Bestimmungen, die es durch die Vermittlung des Willens zu werden fähig sind, ist hier […] die Rede. (R § 43) Mit dieser Eingrenzung der Extension des Begriffs der »Sache« hat Hegel gleichzeitig die unmittelbare Art und Weise der Beziehung von Person und Sache eingefangen. Unsere natürliche Existenz – der Körper, den wir vorfinden und die Außenwelt, mit der wir uns auseinandersetzen – wird hier von Hegel selbst als eine Menge von Sachen betrachtet. Ist das kein Rückfall? Sollte unsere unmittelbar vorgefundene Natur in ihrer Rolle als uns unmittelbar bestimmende Kraft (Triebe, Bedürfnisse etc.) auf der Ebene des an und für sich freien Willens nicht überwunden sein? Das sollte sie und das ist sie auch. Denn Hegel arbeitet hier mit der vorgefundenen Natur unter völlig veränderten Vorzeichen: Nicht die unmittelbare Natur bestimmt jetzt den freien Geist qua nur an sich freiem Willen (vgl. R § 11), sondern die Person bestimmt hier die unmittelbar vorgefundene Natur als »Material« (ENZ § 483) des äußerlichen Ausdrucks ihrer Freiheit. In ihrem abstrakten Selbstbewusstsein ist sie nicht von äußeren, sinnlichen Reizen einer selbständigen Natur bestimmt, sondern sie behandelt – so viel wird bereits durch den 42. Paragraphen klar – diese Äußerlichkeit nur als unselbständiges Medium. Dass die Person nach ihrer »natürlichen Existenz« einen Körper hat, heißt demnach keinesfalls, dass sie von diesem Körper bestimmt ist, sondern nur, dass sie ihn zum Material macht.77

Aus der Perspektive des reinen Selbstbezugs, des »Ich«, sind beide (Körper und Außenwelt) das Äußere. Dieser Punkt wird im Fortlauf der Interpretation noch bedeutsam. 77 

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Dabei kommt es hier darauf an, den Hegelschen Begriff der Person nicht mit dem Begriff des individuellen, leiblich-natürlichen Subjekts zu verwechseln. Denn als natürliche Subjekte sind wir selbstverständlich alle auch durch unsere Leiblichkeit bestimmt. Diese Tatsache bestreitet Hegel überhaupt nicht. Es darf aber, so hat er in der Einleitung (§§ 1–33) zu zeigen versucht, der an und für sich freie Wille nicht die vorgefundene, dem Zufall unterliegende Natur zu seinem Inhalt haben, sondern nur seine eigenen Bedeutungsmomente. Demnach geht es Hegel nicht um eine natürliche Ordnung, sondern um eine soziale Wirklichkeit, die er zu Beginn der Grundlinien als »Welt des Geistes aus ihm selbst hervorgebracht, als eine zweite Natur« (R § 4) bezeichnet hat. Wenn Hegel das »Rechtssystem« (ebd.) als zweite Natur darstellt, dann macht er darauf aufmerksam, dass eine institutionalisierte Sozialität der Freiheit nur das zu reproduzierende und voranzutreibende Resultat der geschichtlichen Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur sein kann. Dabei nimmt Hegel die Existenz der Natur, die uns die praktische Auseinandersetzung mit ihr aufzwingt, nicht einfach nur als Tatsache hin. So wie Hegel schon die unser Alltagsbewusstsein bestimmende realistische Sichtweise auf die Natur nicht bloß als psychisches oder kultürliches Phänomen hinnimmt, sondern in dem – durch die Struktur des Begriffs im Rahmen der Wissenschaft der Logik zu explizierenden – Prozess der Selbstrealisierung der Idee begründet sieht, genau so ist auch der Umstand, dass der an und für sich freie Wille in der »Bestimmtheit der Unmittelbarkeit« (R § 34) als Person bestimmt ist, die selbst eine »natürliche Existenz« hat, als durch die Logik alternativlos begründet anzusehen. Die Hegelsche Verknüpfung der Kategorie »Unmittelbarkeit« mit der »Natur« bzw. »Naturverhaftetheit« zieht sich durch sein gesamtes System. Wie tief diese Verknüpfung im spekulativen System verankert ist, zeigt bereits der vieldiskutierte Übergang von der Logik in die Naturphilosophie. Denn es ist die »unmittelbare Idee«, die sich dazu entschließt, »sich als Natur frei aus sich zu entlassen.« (ENZ § 244)78 Um diesen Zusammenhang von »Unmittelbarkeit« und »Natur« kritisch nachzuzeichnen, bräuchte es eine eigene Studie. Für die Analyse des Eigentumsrechts bin ich gezwungen, diese Verknüpfung als systeminterne Voraussetzung aufnehmen.79 Bemerkenswerterweise hat Hegel noch in der Anmerkung zu Paragraph 43 einen exkursartigen Vorgriff auf die auch damals intensiv geführte Debatte über die Problematik »geistigen Eigenthums« (R § 43 A) unternommen.80 Hegel Vgl. hierzu auch in der großen Logik: WDL II, 252 und 253; außerdem zu Idee und natürliche Konkretisation: WDL II, 173–187 (besonders 175). 79  Ich komme gleichwohl noch einmal darauf zurück (vgl. Kapitel 2.5.1). 80  Die damalige Debatte bezog sich in erster Linie auf die Rechte von Autoren gegenüber Verlegern. 78 

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Interpretation des Hegelschen Eigentumsrechts

kommt darauf im Zuge weiterer Ausführungen zu den hier relevanten Exemplifikationen des Begriffs der Sache zu sprechen. Er suspendiert zunächst diejenigen Sachen, »die es durch die Vermittlung des Willens zu werden fähig sind«, weil sie das Kriterium der unmittelbaren Betrachtungsweise verletzen. Denn »inneres Eigenthum des Geistes« – wie etwa die »Fähigkeit, eine Predigt zu halten« ist selbst nicht unmittelbar als Äußerlichkeit, d. i. als raum-zeitliche Entität vorhanden, sondern setzt, um als Sache gelten zu können, den Willen der Person voraus, diese Fähigkeit zu äußern. Unter geistiges Eigentum im All-

gemeinen fällt bei Hegel auch die Äußerung körperlicher Fähigkeiten, wie etwa Simons Gitarrenspiel, weil auch dieses (anders als die Gitarre selbst), um raum-zeitliches Referenzobjekt zu sein, die aktuale Vermittlung des Geistes voraussetzt. Vorausgreifend ist diese Anmerkung bereits dadurch, dass sie überhaupt von Eigentum spricht; im Haupttext der Paragraphen hat Hegel die Entwicklung des Eigentums noch nicht erreicht und darum auch den Begriff unerwähnt gelassen. Unklar bleibt im Rahmen dieser Anmerkung zum 43. Paragraphen, ob denn die Eingrenzung der Sachen auf diejenigen, »die es unmittelbar« sind, bedeutet, dass zunächst nur raum-zeitliche Einzeldinge adressiert sein dürfen. Diese Frage werde ich in Erinnerung halten (vgl. Kap. 2.5.1). Mit den in den Paragraphen 41 bis 43 entwickelten Vorbereitungen hat Hegel jedenfalls die Bedingungen dafür geschaffen, um im 44. Paragraphen das erste allgemeine Recht, das in seinen Grundlinien überhaupt erreicht wird, zu benennen.

2.2  Zur Formulierung des Zueignungsrechts Den Paragraphen zum absoluten »Zueignungsrecht« hat Hegel unnötig gedrängt formuliert. Er legt darum auf den ersten Blick eine Lesart nahe, die der bisherigen Entwicklung des Abstrakten Rechts die Stringenz nimmt. Ich zitiere im Zusammenhang und setze Sigel in das Textkorpus: Die Person hat das Recht, in jede Sache ihren Willen zu legen [i], welche dadurch die Meinige ist [ii], zu ihrem substantiellen Zwecke [iii], da sie einen solchen nicht in sich selbst hat [iv], ihrer Bestimmung und Seele meinen Willen erhält [v], – absolutes Zueignungsrecht des Menschen auf alle Sachen [vi]. Die auf den ersten Blick plausibelste Lesart dieses Satzes dröselt seine Bestandteile etwa wie folgt auf:

Zur Formulierung des Zueignungsrechts

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Die erste Lesart i. ii.

Personen haben das Recht (R), in jede Sache ihren Willen zu legen. Sachen, in die Personen ihren Willen legen, sind dadurch diesen Personen zugeordnet. iii. Personen haben R zu ihrem substantiellen Zweck. iv. Sachen haben keinen substantiellen Zweck in sich selbst. v. Sachen erhalten zu ihrer Bestimmung und Seele den Willen der Personen. vi. R ist zu bezeichnen als: absolutes Zueignungsrecht des Menschen auf alle Sachen. Dieser Deutung entspricht auch die englische Wiedergabe des Paragraphen aus der weitverbreiteten Übersetzung, die T. M. Knox besorgt hat: A person has as his substantial end the right of putting his will into any and every thing and thereby making it his, because it has no such end in itself and derives its determination and soul from his will. This is the absolute right of appropriation which human beings have over all ›things‹.81 Mit Blick auf den ursprünglichen Text ist zunächst festzuhalten, dass diese Lesart Hegel mit Bezug auf den Teilsatz »ihrer Bestimmung und Seele meinen Willen erhält« eine bis zur Unverständlichkeit elliptische und sprunghafte Rhetorik oder gar einen Grammatikfehler unterstellen muss. Inhaltlich fragwürdig ist außerdem der folgende Punkt: Warum soll das Recht, ihren Willen in Sachen zu legen, der substantielle Zweck der Person sein? Substantialität ist für Hegel – das haben wir bereits im Zusammenhang mit dem Willensbegriff (R § 7) und mit Bezug auf die Bestimmung von Sachen (R § 42 A) festgehalten – der Begriff, das Wesen, die eigentümliche Natur einer Entität. Die Substantialität des Willens ist darum die Freiheit. Was ist die Substantialität der Person? Sicherlich ihre Fähigkeit, sich in Abstraktion von aller vorgefundenen Bestimmtheit zum Gegenstand des Denkens zu machen. Der Zweck der Person nun kann hier auf zweifache Weise verstanden werden: Er kann – aus externer Perspektive – dasjenige sein, wozu die Person im Sinne von Telos und Funktion bestimmt ist (Z1), d. h. benennen, welchen Sinn ihre Existenz ergibt bzw. welche Bedeutung der Rechtsperson im Gefüge des vernünftigen Staats zukommt. So ist es etwa beim Fußball der allgemeine Zweck des Stürmers, Tore zu schießen. Den allgemeinen, substantiellen Zweck der Person im komplexen Gesamtgefüge Outlines of the Philosophy of Right, translated by T. M. Knox; revised, edited, and introduced by Stephen Houlgate, 2008. 81 

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Interpretation des Hegelschen Eigentumsrechts

des Staats aber darf Hegel hier im Abstrakten Recht überhaupt nicht benennen – es gilt immer noch, die »Bestimmtheit der Unmittelbarkeit« (R § 34) zu beachten. In Rücksicht auf diese methodische Beschränkung ließe sich über die Person höchstens sagen, dass es – wenn man so will – ihr Zweck ist, »sich eine äußere Sphäre ihrer Freyheit« (R § 41) zu geben. Das hat aber Hegel schon deutlich genug gesagt – warum hier wiederholen? Der Zweck der Person kann aber auch dasjenige sein, was sie sich zum bewussten Gegenstand ihres Willens macht (Z2). Aus Hegels Darstellung der Begriffsnatur des Willens wissen wir, dass »die Richtung des Willens auf Etwas« (R § 6 RN 321) das Moment der Besonderung darstellt. Gerade dieses ist »aber in der abstracten Persönlichkeit als solcher noch nicht enthalten.« (R § 37) Es kommt im Abstrakten Recht überhaupt nicht darauf an, welche besonderen Zwecke die Person hat, sondern gerade darauf, dass sie in der Lage ist, von diesen Zwecken zu abstrahieren. Wird nun der substantielle Zweck gedeutet als derjenige Zweck, bei dem die Person ihr eigenes Wesen zum Gegenstand macht und somit gar beide Verwendungsweisen von Zweck (Telos [Z1] und Gegenstand des Willens [Z2]) vereint, dann sieht die Sache für diese Lesart nicht besser aus. Denn hierzu ist Hegel bereits in der Vorklärung des Abstrakten Rechts deutlich genug geworden: Die inhaltliche Bestimmung des Moments der Besonderung des Willens ist »von der Persönlichkeit, der Bestimmung der Freyheit, noch verschieden«. (R § 37) Und darum ist sie hier im Abstrakten Recht auszuklammern.82 Klärungsbedürftig ist außerdem die Frage danach, wieso Hegel von dem Recht der Personen auf ein Recht von Menschen überhaupt schließt, wo doch beispielsweise die »Kinder, Blödsinnigen, Verrückten usf.« (R § 120 A) über jene Distanzierungsfähigkeit gar nicht verfügen. Eine adäquate Lesart des absoluten Zueignungsrechts kann freilich aufzeigen, dass Hegel hier völlig bewusst von der Person auf den Menschen hinaufsteigt.

Die zweite Lesart Der Paragraph ist wie folgt zu lesen: i. ii.

Personen haben das Recht (R), in jede Sache ihren Willen zu legen. Sachen, in die Personen ihren Willen legen, sind dadurch diesen Personen zugeordnet.83

hierzu die Randnotiz zu Paragraph 33: »Recht geht besondere Innerlichkeit – Einsicht, Überzeugung, Vorsatz, Gewissen – nichts an –«. 83  Vgl. hierzu ENZ § 488, wo Hegel von der Sache als dem »Accidens« der Person spricht. 82  Vgl.

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iii. iv. v. vi.

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Sachen erhalten zu ihrem substantiellen Zweck den Willen von Personen. Sachen haben keinen substantiellen Zweck in sich selbst. Sachen erhalten zu ihrer Bestimmung und Seele den Willen von Personen. R ist zu bezeichnen als: absolutes Zueignungsrecht des Menschen auf alle Sachen.

Hegel führt in diesem Paragraphen seine Entwicklung der Relation zwischen Person und Sache weiter. Lässt man die bisherige Route Revue passieren, dann ergibt sich folgendes Bild: Hegel hat die Person als unmittelbare Gestalt der Allgemeinheit des an und für sich freien Willens entwickelt; er hat anschließend das unmittelbare Material für die erste Verwirklichung der Freiheit der Person entwickelt – Sachen; er hat dann auch die Art und Weise der Verbindung von Person und Sache selbst noch unmittelbar entwickelt: Sie sind die »natürliche Existenz« – Körper und Außenwelt – der Person. Was tut nun die Person mit ihrer natürlichen Existenz? Sie eignet sie sich an. Hegels These ist an dieser Stelle, dass in der Aneignung von Sachen die Wirklichkeit des freien Willens zu erkennen ist. Damit haben die Grundlinien das erste Mal ein Recht erreicht. Nachdem dieses Recht der Person einmal genannt ist (vgl. [i.]), expliziert der Paragraph bis zur allgemeinen Titelgebung (»absolutes Zueignungsrecht des Menschen auf alle Sachen.«) ausschließlich die Modifikation der Bedeutung der Sache. Bislang ist die Sache als das Unpersönliche bezeichnet worden, jetzt aber ist sie das Meinige. Diese Zuordnung muss nicht zwingend als Schachzug in der Debatte um die Notwendigkeit des Privateigentums gelesen werden. Hegel geht es vielleicht noch nicht darum, das Meinige vom Deinigen abzugrenzen. Interaktion oder überhaupt Relation mit anderen Personen ist hier noch nicht entwickelt, denn noch ist nicht hinreichend geklärt, wie denn überhaupt die Manifestation der Freiheit von Personen in einer »äußeren Sphäre« aussieht. Dass das Unpersönliche meinig wird, heißt, dass es positives Relatum in der Selbstreferenz des selbstbewussten Subjekts wird. Warum spricht Hegel überhaupt aus dieser erstpersönlichen Perspektive? Weil es die Selbstbezüglichkeit des (die Grundstruktur auch der sozialen Wirklichkeit organisierenden) Begriffs ist, die im Objektiven Geist als Selbstbewusstsein – und hier näher als Selbstbewusstsein oder »Ich« der Person – durchsichtig wird. Dieses »Ich« bezieht sich – nicht mehr abstrahierend, sondern positiv, setzend – auf die Sache und über die Sache auf sich, so dass das Sachliche persönlich und das Persönliche sachlich wird. Was das genuin freiheitlich-rechtliche dieser Vergegenständlichung des Willens in einer Sache ist, dazu wird sich Hegel im Zuge des nächsten Paragraphen bei seiner Unterscheidung von Besitz und Eigentum äußern.

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Interpretation des Hegelschen Eigentumsrechts

­ aldron hat mit Bezug auf Lockes Eigentumsrecht überzeugend aufgezeigt, W dass dessen Vergegenständlichungsmodell der Arbeit erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt ist. Gerade in der Differenz der Vergegenständlichungsmodelle ist nach Waldron das Hegelsche Eigentumsrecht dem Lockeschen überlegen. Auf Hegels Vergegenständlichungsmodell komme ich bei der Analyse des nächsten Paragraphen ausführlich zu sprechen; auf Waldrons Deutung desselben gehe ich in Kapitel 3.2 ein. Was es für die Sache bedeutet, zum »Accidens« (ENZ § 488) der Person gemacht zu sein, buchstabiert Hegel anschließend wenig leserfreundlich aus. Mit Regieanweisungen wäre so zu lesen: Die Person hat das Recht, in jede Sache ihren Willen zu legen, welche dadurch die Meinige ist, [d. h.] zu ihrem substantiellen Zwecke, […], [d. h., zu] ihrer Bestimmung und Seele meinen Willen erhält […]. Sehr klar kommt diese adäquate Lesart in der neueren Übersetzung von H. B. Nisbet zum Ausdruck: A person has the right to place his will in any thing [Sache]. The thing thereby becomes mine and aquires my will as its substantial end (since it has no such end within itself), its determination, and its soul – the absolute right of appropriation which human beings have over all things [Sachen].84 Die Sache, sagt Hegel, erhält durch das Gesetztsein des Willens in ihr ihren substantiellen Zweck. Damit ist klar, dass zunächst nur die erste (Z1) der oben unterschiedenen Bedeutungen von Zweck in Frage kommen kann. Denn das Unpersönliche, Unfreie hat selbst keinen Willen, kann sich darum auch nichts zum Gegenstand, zum subjektiven Zweck (Z2) machen. Interessant ist Hegels Begründung dafür, dass die Sache ihren Zweck (Z1) von der Person erhält. Sie lautet: »da sie einen solchen nicht in sich selbst hat«.85 Hier wiederum sind durchaus beide Zweckbegriffe einsetzbar. Die Sache erhält ihre Bestimmung (Z1), weil sie keine eigene Bestimmung (Z1), ihr Wesen nicht in sich selbst hat – so würde Hegel ausschließlich mit der ersten Verwendungsweise operieren. Er könnte aber auch – freilich erst auf der Ebene der Begründung – von der ersten zur zweiten Bedeutung wechseln: Die Sache erhält ihre Bestimmung (Z1), weil sie sich selbst nicht bestimmen, sich keine Zwecke (Z2) setzen kann. Inhaltlich unterscheiden sich diese Sätze für Hegel allerdings nicht. Denn implizit integriert er beide Verwendungsweisen, 84 

Edited by A. Wood, translated by H. B. Nisbet, Cambridge 1991. Auch A. Ryan (1984a, S. 122) zum Beispiel teilt die Auffassung, dass Sachen keinen Zweck an sich haben. 85 

Zur Formulierung des Zueignungsrechts

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da er im Zuge der vorherigen Paragraphen die Zweckbegriffe selbst in ein Begründungsverhältnis gesetzt hat: Den freien Geist qua Person zeichnet es aus, dass er sich selbst zum Gegenstand des Denkens machen, er sich selbst Zwecke (Z2) setzen kann (vgl. R § 7). Dagegen zeichnet sich das vom freien Geist Verschiedene dadurch aus, dass es sich nicht selbst zum Gegenstand machen, sich keine Zwecke setzen kann (R §§ 41, 42). Und da auf der Ebene des selbstbewussten Geistes die Bestimmungen des Geistes auch »Bestimmungen des Wesens der Dinge« (ENZ § 439) sind, gilt: Was sich nicht bestimmen kann (Z2), hat zur Wesensbestimmung (Z1), sich nicht selbst bestimmen zu können und seine Bestimmung von außen erhalten zu müssen.86 Geht man von diesen Verhältnissen zwischen der Sache und der Person aus, dann stellt sich die bereits angesprochene Frage, wieso Hegel anschließend auf ein Recht des Menschen schließen kann. Indessen zeigt sich bei näherem Hinschauen, dass Hegel an dieser Stelle überhaupt keinen Schluss offeriert. Formal zeigt sich dies bereits in der Art und Weise, wie Hegel generell den Gedankenstrich nutzt. Er verwendet ihn meist, um zwei verschiedene Typen von Ebenenwechseln kenntlich zu machen: Die Rechtsphilosophie hat die Idee des Rechts zum Gegenstand, das hat Hegel bereits im ersten Paragraphen verkündet. Unter dieser Idee versteht Hegel den Begriff des Rechts und dessen Verwirklichung. Die Begriffsbestimmungen des Willens sind terminologische Bestimmungen, denen die Grundstruktur der sozialen Wirklichkeit entspricht, d. h. »die Reihe der sich ergebenden Begriffe ist damit zugleich eine Reihe von Gestaltungen« (R § 32). Diese sozialen Gestaltungen – wie etwa das Eigentumsrecht oder die Familie – werden im Medium der Vorstellungen ausgedrückt (vgl. R § 2 A). Wenn Hegel von der Ebene der Begriffsbestimmung auf die der dazugehörigen Gestaltung wechselt, dann zeigt er dies in der Regel durch den Gedankenstrich an.87 So wird etwa der philosophische Gehalt des Verkaufs einer Ware in Hegelscher Darstellungsweise wie folgt zum Ausdruck gebracht: »die Reflexion des Willens aus der Sache – Veräußerung« (R § 53).88 Diesem Zusammenspiel von begrifflicher 86 

Siep (z. B. 1992, S. 326) hat diese »rechtsphilosophische und rechtliche Reduzierung aller nicht-menschlichen Natur zur Sache, die personalem und institutionellem Willen grenzenlos zur Disposition steht«, immer wieder kritisiert. Aus anthropologischer Perspektive zeigt sich in diesem Zusammenhang, dass Hegel auf der hier dargelegten Grundlage der Nietzscheanischen Vorstellung vom Menschen als dem nicht festgestellten Tier zugestimmt hätte. 87  Dies ist sehr gut zu sehen etwa bei den Paragraphen 15 A, 33, 42 und 53. 88  An einigen Stellen findet sich diese Darstellungsweise auch in umgekehrter Reihenfolge: »Die gewöhnlichste Vorstellung, die man bei der Freyheit hat, ist die der Willkühr – die Mitte der Reflexion zwischen dem Willen als bloß durch die natürlichen Triebe bestimmt und dem an und für sich freyen Willen.« (R § 15 A)

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Interpretation des Hegelschen Eigentumsrechts

Entwicklung und empirischer Vorstellung, das für das Verständnis und für die Kritik an Hegels Eigentumsrecht von großer Relevanz ist, werde ich mich nach und nach widmen. In diesem 44. Paragraphen markiert Hegel allerdings eine andere Art des Wechsels der Ebenen. Er definiert häufig einen Begriff und setzt anschließend den Gedankenstrich, um deutlich zu machen, dass er von der Intension des Begriffs auf den Begriffstitel wechselt. Der Paragraph 6 etwa ist ein klarer Fall eines solchen Ebenenwechsels: Ebenso ist Ich das Uebergehen aus unterschiedsloser Unbestimmtheit zur Unterscheidung […]. Durch dies Setzen seiner selbst als eines bestimmten tritt Ich in das Daseyn überhaupt; – das absolute Moment der Endlichkeit oder Besonderung des Ich. Genau mit einem solchen Fall haben wir es auch beim absoluten Zueignungsrecht des Menschen zu tun. Das absolute Recht des Menschen auf Zueignung von Sachen folgt nicht aus einem Recht der Person auf Sachen, sondern ist zu begreifen als das, was der Paragraph über das Verhältnis von Person und Sache aussagt. Was das Verhältnis der Begriffe Person und Mensch betrifft, so ist so viel klar, dass Hegel keine generelle Koextensionalität annimmt. Es gibt Menschen, die keine Personen sind – wie etwa Kinder und geistig Kranke (R § 120 A). Es kommt also darauf an, die abgerufene Hinsicht, in der hier der Begriff des Menschen thematisch wird, herauszustellen. Dabei ist es sinnvoll, sich zu vergegenwärtigen, dass das, was Hegel an dieser Stelle der Sache nach vertritt, nicht besonders aufsehenerregend ist. Mit seiner Überzeugung, dass der »Mensch Herr über alles in der Natur« (R § 39 RN 391) ist, reiht sich Hegel in die Tradition der Verfechter des dominium terrae ein. Das Besondere an Hegels absolutem Zueignungsrecht ist die Art und Weise der wissenschaftlichen Entwicklung desselben. Denn für die Beobachtung des Faktums, dass der Mensch sich die Natur aneignet, dazu braucht es nach Hegel keine Rechtsphilosophie. Darin aber einen Bestandteil jeder freiheitlichen Sozialität zu erkennen, diesen Bestandteil in ein komplexes System von Institutionen einzuordnen und im Rahmen der Entwicklung dieses Systems nichts unbegründet, nichts als Faktizität hinzunehmen – das kann, für Hegel, nur von der Philosophie geleistet werden. Darum ist für ihn auch klar, dass die philosophische Arbeit ein solches Zueignungsrecht des Menschen qua Person nicht zu Beginn der Abhandlung einfach aufstellen kann. Wenn Hegel mit dem Begriff des Willens beginnt, diesen dann als zunächst natürlichen Willen (R §§ 8–13) entwickelt, um mit der Idee des an und für sich freien Willens den Startpunkt der Philosophie des Objektiven Geistes zu erreichen, wo er sich erneut zunächst die Perspektive

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der Unmittelbarkeit aufzwingt, dann ist dieses Verfahren seiner Überzeugung geschuldet, dass der richtigen Darstellungsweise eines Gegenstands selbst Begründungsfunktion zukommt. Ich werde auf diese Methode der Rechtsphilosophie im übernächsten Abschnitt noch einmal ausführlich eingehen. Für Hegel muss jedenfalls – so viel sei hier schon verraten und ist ohnehin hinlänglich bekannt – jeder Schritt der »immanente(n) Entwickelung einer Wissenschaft« (R § 279 A) nicht bloß plausibel, sondern notwendig sein, damit sie den inneren Zusammenhang des zu begreifenden Gegenstands nachzeichnen kann. Wird daher mit dem absoluten Zueignungsrecht endlich ein erstes Ergebnis aufgestellt, dann sollte – nach Hegelschem Selbstverständnis – die Unklarheit mit Bezug auf den Begriff des Menschen, der hier verwandt wird, auf der Strecke zu diesem Resultat bereits ausgeräumt worden sein. Wie etabliert der Philosoph den Freiheitsgehalt der Tatsache, dass der Mensch sich die Natur aneignet? Auch andere Lebewesen eignen sich Teile ihrer Umwelt an. Wie kann er zeigen, dass in dieser Tatsache ein notwendiger Aspekt einer freiheitlichen sozialen Ordnung zu erkennen ist? Den wichtigsten Teil der Antwort hierauf wird Hegel im nächsten Paragraphen bei der Unterscheidung von Besitz und Eigentum anbieten. Was aber die hiesige Verwendung des Begriffs des Menschen betrifft, so gilt folgendes: »Der Boden des Rechts ist überhaupt das Geistige« (R § 4) – das hat Hegel sofort bei der Eröffnung klargestellt. Die Sozialität, die er herausarbeiten wird, ist darum keine Welt der Steine und Tiere, sondern nur die Welt des Menschen. Dieser rückt somit auch nicht als Naturwesen in den Fokus der Betrachtung, sondern qua geistiges, denkendes Wesen: »nur Mensch als frei, – nicht als lebendig«, schreibt Hegel in der Randnotiz zum 39. Paragraphen. Etwas später, zum 55. Paragraphen findet sich gar folgende handschriftliche Notiz: »Mensch nimmt in Besitz, hat Eigenthum – als denkender Mensch.« Das, was Hegel in diesem 44. Paragraphen vor dem Gedankenstrich formuliert, ist nichts anderes als die terminologisch adäquate Fassung dieses Verhältnisses zwischen Mensch und Natur. Und dennoch lässt sich die Frage danach, warum Hegel hier den gegenüber der Person allgemeineren Begriff des Menschen wählt, mit dem Hinweis auf den geistigen Menschen nicht ganz abschütteln. Wenn es nur um den zum abstrakten Selbstbewusstsein fähigen Menschen geht, warum nicht einfach bei Person bleiben? Der Grund dafür liegt im Begriff der Zueignung selbst, der von Hegel als Oberbegriff zu Besitz und Eigentum, die im nächsten Paragraphen entwickelt werden, verstanden wird. Die Zueignung ist ein allgemeines Verhältnis des Menschen zur Natur, die ihm gegenüber bedingungslos rechtlos ist – darum gilt das Zueignungsrecht »absolut«. Rechtlich beschränkt kann mein Zugriff auf eine Sache offenbar nur durch die Berechtigung eines

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Interpretation des Hegelschen Eigentumsrechts

anderen Willens werden, nicht aber auf der Grundlage einer Berechtigung der Natur. So darf Subjekt A beispielsweise keinen willkürlichen Gebrauch von einer Sache machen, die bereits Eigentum von Subjekt B ist. Für Hegel gibt es aber auch für diese Beschränkung selbst noch eine Grenze: Ist das Leben eines Menschen in Gefahr, so hat er »ein Notrecht« (R § 127) darauf, das Eigentum eines anderen zu verletzen und sich die entsprechende Sache anzueignen. Ein solches Verhältnis, das Hegel »nicht als Billigkeit, sondern als Recht« (ebd.) verstanden wissen will, ist streng genommen aber aus dem Begriff der Person und somit aus dem Abstrakten Recht allein nicht ableitbar, sondern auf das Recht des Menschen auf Leben (vgl. R § 175) zurückzuführen. Da Hegel hier wenigstens seine Möglichkeit offen lassen möchte, formuliert er das Zueignungsrecht als Recht des Menschen überhaupt – denn »fiat iustitia soll nicht«, wie er später sagen wird, »pereat mundus zur Folge haben.« (R § 130) Nichtsdestoweniger lässt sich mit Bezug auf die Formulierung des Zueignungsrechts eine Reihe von weiterführenden Fragen stellen. Denn es ist beispielsweise noch nicht klar geworden, wie sich der freie Wille in der Sache manifestiert. Was genau ist mit der bildlichen Ausdrucksweise gemeint, dass Subjekte ›ihren Willen in Sachen legen‹? Um was für eine Art Vergegenständlichung geht es hier? Und wie weit reicht die Spannweite des Zueignungsrechts eigentlich? Haben wir das Recht auf die Möglichkeit der Zueignung oder gar einen Anspruch auf die Ausstattung mit zuzueignenden Sachen? Der nächste Paragraph, der den Unterschied zwischen Besitz und Eigentum eröffnet, bringt ein wenig Licht in diesen Problemkomplex.

2.3  Objektivierung und Objektivation: Hegels Unterscheidung von Besitz und Eigentum Ich pflücke eine Kastanie von einem Baum und lege sie auf meinen Küchentisch. Für Hegel lässt sich eine solche Tatsache aus zwei Perspektiven betrachten: Daß Ich etwas in meiner selbst äußern Gewalt habe, macht den Besitz aus, so wie die besondere Seite, daß Ich etwas aus natürlichem Bedürfnisse, Triebe und der Willkühr zu dem Meinigen mache, das besondere Interesse des Besitzes ist. Die Seite aber, daß Ich als freyer Wille mir im Besitze gegenständlich und hiermit auch erst wirklicher Wille bin, macht das Wahrhafte und Rechtliche darin, die Bestimmung des Eigenthums aus. (R § 45) Hätte Hegel hier die Bedürfnisbefriedigung ins Zentrum des Eigentumsrechts gestellt, dann würde seine bisherige Darstellung der Idee des Rechts an die-

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ser Stelle implodieren. Der entscheidende Punkt für Hegels Personbegriff ist schließlich die Fähigkeit zur Abstraktion von allen Willensinhalten gewesen. Wurde dann im Abstrakten Recht die »äußere Sphäre« der Freiheit der Person und in diesem Zuge der Begriff der Sache entwickelt, dann geschah dies, weil mit jener Abstraktionsfähigkeit der Subjekte noch keine gesellschaftliche Wirklichkeit des Rechts, keine Institution, nicht einmal Interaktion expliziert worden ist. Das erste Zwischenziel ist durch den Paragraphen über das Zueignungsrecht erreicht worden: Die Person legt ihren Willen in die Sache, d. h. sie besetzt die Sache. Der weiteste Ausdruck hierfür heißt jetzt einfach Besitz. Hegel interessiert sich dabei zunächst nicht für die Motivation des Subjekts – warum die Person eine Kastanie und keine Orange pflückt, bleibt ausgeblendet. Damit ist vorerst auch weitestgehend ausgeblendet, um welche Art von Prozess es sich bei der Zueignung von Sachen handelt. In Lockes Eigentumstheorie ist es bekanntlich von zentraler Bedeutung, dass, wenn man so will, der Willens-Setzungs-Prozess ein Arbeitsprozess ist.89 Das Arbeiten ist indessen ein Unterfall des Handelns. Für Handlungen sind bei Hegel wiederum Absichten zentral, die aber im Rahmen des Abstrakten Rechts weiterhin keine zentrale Rolle spielen können.90 Etwaige arbeitstheoretische Komponenten des Eigentumsrechts lässt Hegel darum hier unberücksichtigt.91 Das, woran er hier »zwey Seiten« (R § 45 RN 407) ausfindig macht, ist folglich auch nicht der Zueignungsprozess selbst, sondern sein Resultat: Die Person hat etwas in ihrer »äußeren Gewalt«. Die Kastanie auf meinem Küchentisch ist freilich bereits ein spezifischer Fall eines »etwas«, welches das »Ich« in seiner »äußeren Gewalt« hat. Denn kennzeichnend für das Subjekt des Abstrakten Rechts ist – das haben wir bereits gesehen – »ein Selbstbewußtseyn von sich als vollkommen abstractem Ich« (R § 35 A). Die »äußere Sphäre« (R § 41) der Freiheit der Person ist als von diesem Selbstbewusstsein »Verschiedenes« entwickelt worden; damit kann – das lässt Hegel bislang offen – an dieser Stelle aber auch der Körper der Person gemeint sein. Ob nun Körper oder Kastanie – worauf es für das Eigentumsrecht ankommt, wenn das »Ich« etwas in seiner äußeren Gewalt hat, ist der Umstand, dass der freie Wille sich auf diese Weise »gegenständlich« ist. Nur diese Seite einer solchen Tatsache enthält die Bestimmung des Eigentums. Was heißt es aber, sich im Besitze »gegenständlich« zu sein? Aus systeminterner Perspektive zeigt bereits Hegels Begriffswahl, dass er mit dem Hinweis 89 Vgl.

Locke (1976, § 27). Zum Handlungsbegriff bei Hegel vgl. Quante (1993). 91  Das sehen Waldron (1988) und Patten (1999) anders. Ich komme hierauf an späterer Stelle zurück. 90 

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auf das sich »gegenständlich« gewordene »Ich« einen wesentlichen Punkt seiner Rechtsphilosophie erreicht zu haben glaubt. In Kapitel 1.2.2 habe ich in der Synopse zum Begriff des Willens zu zeigen versucht, dass es nach Hegel für die Existenz vernünftiger Rechtsverhältnisse nicht ausreicht, wenn deren inneres Prinzip – der freie Wille – lediglich dazu in der Lage ist, vorgefundene Inhalte – wie etwa unsere unmittelbaren Triebe und Bedürfnisse – zu organisieren. Der freie Wille ist nur dann an und für sich frei, wenn er fähig ist, seine eigenen Bestimmungen in die Wirklichkeit zu übertragen. Der an und für sich seyende Wille ist wahrhaft unendlich, weil sein Gegenstand er selbst, […] weil das Daseyn des Begriffs, oder seine gegenständliche Aeußerlichkeit, das Innerliche selbst ist. (R § 22, meine Hervorhebungen, A.M.) Doch auch im Zusammenhang mit den Voraussetzungen der Philosophie des Objektiven Geistes (vgl. Kap. 1.2.1) spricht Hegel vom Gegenständlich-Sein. Ich zitiere noch einmal: Das Selbstbewußtseyn, so die Gewißheit, daß seine Bestimmungen eben so sehr gegenständlich, Bestimmungen des Wesens der Dinge, als seine eigenen Gedanken sind, ist die Vernunft […]. – Diese wissende Wahrheit ist der Geist. (ENZ § 439) In erkenntnistheoretischer Hinsicht ist hier bei der Rede von der Gegenständlichkeit des Denkens Hegels Rationalismus sichtbar.92 Offenkundig ist freilich auch, wie sehr die Entwicklung des Eigentumsrechts Teil dieses Rationalismus’ ist. Die Person ›legt ihren Willen in die Sache‹, verleiht der Sache dadurch eine Wesensbestimmung (vgl. R § 44) und ist sich in ihr »gegenständlich«. Aber was ist an diesem Sachverhalt »das Wahrhafte und Rechtliche«? Warum ist der von dem Löwen gerissene Büffel, der anschließend vor dem Raubtier liegt, nur das Resultat tierischen Verhaltens; die Kastanie auf meinem Küchentisch aber »die Vernunft«, der sich gegenständliche Geist? Inwiefern ist die Nuss auf dem Küchentisch Vergegenständlichung von Freiheit? Eine Verständnishilfe bietet Hegel selbst an: Ich bin mir in der Kastanie gegenständlich »und hiermit auch erst wirklicher Wille«. Der wirkliche Wille ist offenbar das, was die Person qua bloßes, von Bestimmungen abstrahierendes Selbstbewusstsein noch nicht war: »Erst« dieser Wille hat auch eine »äußere Sphäre« (R § 41). Denn – so lautete die Bestimmung, die Hegel in der Eröffnung des Abstrakten Rechts formuliert – nur die Einheit von abstraktem 92 

Vgl. hierzu Halbig (2002).

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Selbstbewusstsein und der selbst gesetzten »äußere(n) Sphäre« ermöglicht es der Person, »als Idee zu sein.« (ebd.) Diese äußere Sphäre hat Hegel im Anschluss als »das Aeußerliche überhaupt«, als Natur (R § 42) entwickelt und in diesem Zusammenhang die »natürliche Existenz« der Person und ihre sie umgebende »Außenwelt« (R § 43) eingeführt. Sich in der Kastanie gegenständlich zu sein, kann somit nicht einfach nur bedeuten, sich überhaupt intentional auf sich selbst zu beziehen, sondern die Selbstreferenz via raum-zeitlichem Objekt herzustellen. Der Ausdruck »sich gegenständlich sein« ließe sich dann – wie Hegel dies im Folgenden (R §§ 46, 56, 58 RN 439, 62) tatsächlich tun wird – synonym zu »sich objektiv sein« gebrauchen. Im Rahmen der Einleitung in die Rechtsphilosophie unterscheidet Hegel mit Bezug auf den Willen drei Bedeutungen von »objectiv« (R § 26): 1. Der Wille ist objektiver Wille, wenn er »seinem Begriffe gemäß und wahrhaftig ist«. 2. Der Wille ist objektiv, wenn er, zu jenem abstrakten Selbstbewusstsein nicht fähig, völlig in ein Objekt oder einen Inhalt versunken ist, wie etwa »der kindliche« Wille. 3. Der Wille ist objektiv, wenn er einen bislang unausgeführten Zweck in die »äußerliche Existenz« (ebd.) übersetzt. Nach allem bisher Gesagten scheidet die zweite Bedeutung klarerweise aus. Zweifelsohne haben wir es an dieser Stelle mit der dritten Verwendungsweise zu tun. Die Kastanie, in die ich meinen Willen lege, wird nach Hegel die »Meinige« (R § 44), so dass ich über die Kastanie meinem Willen »äußerliche Existenz« verleihe. Allerdings, gerade an der Tatsache, dass ich die Kastanie in meine Gewalt gebracht und somit meinen Willen habe objektiv, äußerlich werden lassen, an dieser Tatsache unterscheidet Hegel eben jene zwei Seiten: die des Interesses und die der Objektivierung des »Ich«. Dass in der Bedürfnisbefriedigung der Wille einen unausgeführten Zweck zu einem ausgeführten und somit sich selbst zu einem objektiven Willen macht, just diesen Aspekt unterscheidet Hegel von der »Bestimmung des Eigenthums«. Dies wiederum kann aber nicht heißen, dass die äußerliche Existenz des Willens irrelevant wäre – der grundlegende Zug des Abstrakten Rechts ist bislang nichts anderes als die Entwicklung der »äußeren Sphäre« der Person gewesen. Dass der Wille objektiv im Sinne raum-zeitlicher Äußerlichkeit wird, ist darum durchaus notwendig ­­­­­­­­­für die Bestimmung des Eigentums. Irrelevant an dieser Objektivierung des Willens ist das Interesse, das ich darin verfolge. Entscheidend ist offenbar, dass ich mir »gegenständlich« auch im ersten Sinn von objektiv werde: Mein Wille hat »sich selbst zu seiner Bestimmung« und ist »so seinem Begriffe gemäß und wahrhaftig« (R § 26). Darum spricht Hegel auch hier, im 45. Paragraphen, über »das Wahrhafte« an dem Umstand, dass ich etwas in meiner äußeren Gewalt habe. Was aber ist damit gemeint?

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Interpretation des Hegelschen Eigentumsrechts

In jedem Fall lässt sich hier von zweierlei Objektivierung mit Bezug auf ein und dieselbe Tatsache sprechen: Erstens, mein innerlicher Zweck wird ausgeführt, die Kastanie gepflückt und auf den Tisch gelegt, so dass mein Wille jetzt objektiv (3. Bedeutung) ist. Diese Hinsicht der Bedürfnisbefriedigung unterscheidet Hegel, zweitens, von der Objektivierung des »Ich«, das »als freyer Wille« seinem Begriff »gemäß und wahrhaftig« (1. Bedeutung) wird, weil es sich eine »äußere Sphäre« (R § 41) verschafft und somit wirklicher Wille wird. Nun unterscheidet Hegel diese beiden Hinsichten nicht bloß, sondern setzt sie in bestimmte Relation zueinander: Die Bedürfnisbefriedigung als Objektivierung eines inneren Zwecks ist das Medium der »wahrhaften« Objektivierung des »Ich«, das sich »darin«, d. i. »im Besitze« erst diese Objektivierung verschafft. Wirklich beseitigt sind aber die Unklarheiten noch nicht. Denn was ist das für eine Objektivierung, die sich in der Übersetzung von Zwecken in die Außenwelt manifestiert, dabei aber von der Intention dieser Übersetzung abstrahiert und nur auf dieser Grundlage das »Wahrhafte und Rechtliche« ist? Man kann sich der Antwort auf diese Frage nähern, indem man eine weitere Frage stellt: Wer ist eigentlich das Subjekt dieser Objektivierung? Zunächst scheint es plausibel, anzunehmen, dass die beiden Seiten, die Hegel an einer solchen Tatsache unterscheidet – A hat X in seiner äußeren Gewalt – sich beide auf Objektivierungen beziehen, die ein und dasselbe Subjekt zum Urheber haben.93 Auf der einen Seite bringt A den Sachverhalt p hervor und hat somit den innerlichen Zweck (Ich beabsichtige herbeizuführen, dass p) objektiviert (3. Bedeutung), d. i. eine Tatsache in der äußeren Realität hervorgebracht – hier: Besitz. Auf der anderen, die »Bestimmung des Eigenthums« enthaltenden Seite, bringt A Sachverhalt p hervor und es ist für A irrelevant, dass es damit diesen Zweck (Ich beabsichtige herbeizuführen, dass p) realisiert hat. Wie kann aber ein Subjekt sowohl einen Zweck verfolgen, ihn in die raumzeitliche Realität übersetzen (Besitz) und gleichzeitig von diesem Zweck abstrahieren und auch dadurch eine Objektivierung (Eigentum) betreiben? Man fokussiere zunächst nur die Objektivierung, die das Eigentum ausmacht: Welchen Sinn ergibt eine Objektivierung ohne das, was es zu objektivieren gilt? Was ist eine Objektivierung in Abstraktion von der Absicht des Subjekts? Eine Möglichkeit besteht darin, dass A den Sachverhalt p hervorbringen möchte, dies auch tut (Besitz), und darüber hinaus die hervorgebrachte Tat93  In

welcher Beziehung Handlungen zur Naturkausalität stehen, lasse ich hier unberücksichtigt. Vgl. hierzu mit Bezug auf Hegels Handlungsbegriff Knowles (2010) und Quante (1993).

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sache p einen Aspekt aufweist, dessen Hervorbringung nicht Teil der Absicht von A gewesen ist. Zum Beispiel: Ich schmiere mir ein Honigbrot und ziehe damit – ungewollt – Braunbären an. Die Anziehung der Braunbären mag nun eine Instantiierung des Sachverhalts Braunbären werden angezogen sein, und kann somit eine Tatsache genannt werden, die jenen Sachverhalt exemplifiziert. Aber sie ist keine Objektivierung eines vorher von einem Subjekt beabsichtigten Zwecks. Mit Bezug auf die »Bestimmung des Eigenthums« fordert Hegel aber deutlicherweise, dass ein Subjekt sich in der Tatsache p objektiv wird: Es kommt darauf an, »daß Ich als freyer Wille mir im Besitze gegenständlich bin« (meine Hervorhebung, A.M.). Damit ist zumindest gefordert, dass Tatsache p einen Aspekt aufweist, der in irgendeiner Weise von A selbst als Objektivierung wahrgenommen wird. Die Objektivierung hat folglich eine irreduzible intentionale Struktur. Und damit sind die Unklarheiten weiterhin nicht beseitigt: Wenn A einen Zweck durch die Hervorbringung eines Sachverhalts p objektiviert, und die »Bestimmung des Eigenthums« von dieser Objektivierung zwar unterschieden, aber dennoch eine Objektivierung für A sein soll, dann fragt sich: Objektivierung wovon? Die Zwei-Subjekte-Lesart Ein anderer Lösungsversuch besteht in der Annahme, dass die beiden Objektivierungen auf zwei verschiedene Subjekte zurückgehen. Zum Beispiel: A legt hinterlistig B den Honig auf den Tisch, damit sich B ein Brot schmiert und dadurch – ohne Absicht – die Bären anzieht.94 Folgendes ist dann der Fall: B hat den von ihm beabsichtigten Sachverhalt p (geschmiertes Honigbrot) hervorgebracht und dadurch auch den von A beabsichtigten Sachverhalt q (Braunbären werden angezogen) hervorgebracht. Ein und dieselbe Tatsache (B hat durch das geschmierte Honigbrot Braunbären angezogen) könnte dann als doppelte Objektivierung bezeichnet werden, wobei die Objektivierung des Zwecks von B als Mittel der Objektivierung des Zwecks von A zu beder Zweck sich aber in die mittelbare Beziehung mit dem Objekt setzt und zwischen sich und dasselbe ein anderes Object einschiebt, kann als die List der Vernunft angesehen werden.« (WDL II, 166) Anders als gemeinhin angenommen, nutzt Hegel die Rede von der »List der Vernunft« in der Regel nur bei der philosophischen Analyse der Struktur des zweckmäßigen Handelns (vor allem des Arbeitens). Zentral ist dabei die Rekonstruktion der Bedeutung des »Werkzeugs« (ebd.). In der Enzyklopädie (ENZ § 551) und in der Rechtsphilosophie (R § 344) bezeichnet Hegel allerdings auch die Handlungen der einzelnen Individuen als »Werkzeuge« des Weltgeistes. Ich prüfe im Folgenden, ob und inwiefern dieser Umstand für das Eigentumsrecht relevant ist. 94  »Daß

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Interpretation des Hegelschen Eigentumsrechts

trachten wäre. Hat Hegel bei der Unterscheidung von Besitz und Eigentum derartiges im Sinn? Zunächst scheint die Annahme verschiedener Subjekte mit Bezug auf Hegels Ausführungen im 45. Paragraphen völlig abwegig, spricht er doch durchgehend aus erstpersönlicher Perspektive und eben nicht von mehreren Subjekten. Aus der Einleitung Hegels (vgl. Kap. 1.2.2) war allerdings hervorgegangen, dass er den vernünftigen Staat durch den freien Willen organisiert sieht – und dieser Wille ist, das habe ich dort erwähnt, seiner Bedeutung nach nicht ausschließlich der Wille von einzelnen Individuen, sondern eine überindividuelle Entität. Betrachtet man diese überindividuelle Entität in ihrer Relation zum einzelnen empirischen Subjekt, dann könnte man bei der Unterscheidung von Besitz und Eigentum folgendes Bild zeichnen: Das empirische Subjekt, das über jene Abstraktionsfähigkeit verfügt, die Personen auszeichnet, hat »etwas« in seiner »äußeren Gewalt«, weil es dadurch Bedürfnisse befriedigt. Es objektiviert in diesem Zusammenhang einen subjektiven Zweck, belegt eine Sache und bringt eine Veränderung in der Außenwelt hervor – das nennt Hegel Besitz. Durch diese Objektivierung wird aber auch die – hier selbst als Subjekt aufgefasste – überindividuelle Entität freier Wille, die bislang nur als Loslösungsfähigkeit und Denken des einzelnen Subjekts zum Zuge gekommen war, wirklich im Sinne raum-zeitlicher Realität. Denn nicht ein Kind oder ein Löwe hat hier etwas in seiner äußeren Gewalt, sondern das zum abstrakten Selbstbewusstsein fähige empirische Subjekt. Für dieses einzelne Subjekt selbst ist an der Tatsache des Besitzes, von dem es auch wieder zurücktreten kann, immer und nur die Bedürfnisbefriedigung der Zweck. Auch das Eigentumsrecht betrachtet dieses Subjekt immer und nur aus der Perspektive der Bedürfnisbefriedigung.95 Aus der Perspektive der überindividuellen Entität ist die besondere Bedürfnisbefriedigung irrelevant; es kommt nur darauf an, dass sie, die überindividuelle Entität, nicht bloß als Vermögen der einzelnen Subjekte verharrt, sondern auch in der unmittelbaren Realität sichtbar wird – und das ist ihre Objektivierung. Ich nenne sie im Folgenden Objektivation, weil der Gehalt dieser Vergegenständlichung nicht 95 H.-C.

Schmidt am Busch (2007, S. 114) ist davon überzeugt, dass Hegel diese These vertritt. Er schreibt: »Vom Standpunkt der Struktur des freien Willens ist die Bildung von Eigentum der »Zweck«. […] Unter dieser Perspektive sind die Zwecke p, q & r, welche die individuellen Akteure mit der Bildung von Eigentum letztlich verfolgen, von untergeordnetem Interesse; sie sind lediglich das Vehikel der Selbstverwirklichung der Willensstruktur. Vom Standpunkt des individuellen Akteurs ist demgegenüber das Eigentum als solches ein »Mittel«, der Gebrauch desselben hingegen der Zweck.« Die Frage allerdings, wer denn das »Ich« ist, dass sich »als freyer Wille im Besitze gegenständlich« (R § 45) ist – und wie dieses Gegenständlich-Sein genau zu begreifen ist, lässt Schmidt am Busch bedauerlicherweise unberührt.

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in der Absicht eines handelnden, menschlichen Subjekts auffindbar ist. Die Objektivierung (Besitz) des einzelnen empirischen Subjekts ist nach dieser Lesart folglich auch Objektivation (Eigentum) des freien Willens qua überindividueller Entität. In der Anmerkung zu dem hier in Rede stehenden Paragraphen scheint Hegel dieses Bild zu bestätigen: Eigenthum zu haben, erscheint in Rücksicht auf das Bedürfniß, indem dieses zum Ersten gemacht wird, als Mittel; die wahrhafte Stellung aber ist, daß vom Standpunkte der Freyheit aus das Eigenthum, als das erste Daseyn derselben, wesentlicher Zweck für sich ist. Wem »erscheint« dieses falsche Bild der Bedeutung des Eigentums? Nimmt man – zur Stützung der Zwei-Subjekte-Lesart – an, dass damit ein empirisches, zum abstrakten Selbstbewusstsein fähiges Subjekt gemeint ist: Es betrachtet das Recht auf Eigentum »als Mittel« zur Bedürfnisbefriedigung. Nehmen wir außerdem an, dass – umgekehrt – die überindividuelle Entität freier Wille die Bedürfnisbefriedigung und somit den Besitz des empirischen Subjekts »als Mittel« nutzt, um sich selbst äußerliche Realität zu verschaffen. Dafür könnte auch der Umstand sprechen, dass Hegel den Willen der einzelnen Subjekte in der Enzyklopädie als »Element der Bethätigung« (ENZ § 485) jener überindividuellen Entität bezeichnet. In Analogie zum Honigbrot-Beispiel hieße es dann hier: A (überindividuelle Entität) richtet B (einzelne Person) so ein, dass B ein »etwas« in seiner »äußeren Gewalt« hat und dadurch – ohne Absicht – A äußerliche Realität verschafft. B hat den von ihm beabsichtigten Sachverhalt p (ein »etwas« in seiner Gewalt haben) hervorgebracht und dadurch auch den von A beabsichtigten Sachverhalt q (sich äußerliche Realität verschaffen) hervorgebracht. Ein und dieselbe Tat (B hat das »etwas« in seiner Gewalt und dadurch A äußerliche Realität verschafft) kann dann wieder als Objektivierung und Objektivation bezeichnet werden, da die Objektivierung des Zwecks von B als Mittel der Objektivierung des Zwecks von A zu betrachten ist, die, unter der Bedingung, dass die überindividuelle Entität kein menschliches Subjekt ist, als Objektivation zu bezeichnen ist. Zwei wesentliche Unterschiede zum Honigbrot-Beispiel liegen auf der Hand: Erstens ist klar, dass wir es hier nicht mehr nur mit zwei verschiedenen Subjekten, sondern mit Subjekten verschiedenen Typs zu tun haben. Zweitens sucht die überindividuelle Entität nicht irgendeinen beliebigen Zweck zu objektivieren, sondern sich selbst.96 Im 27. Paragraphen spricht Hegel genau Das Eigentumsrecht ist dadurch Selbstzweck, eine Gestaltung des »freye(n) Willen(s), der den freyen Willen will.« (R § 27) Die Familie und der Staat sind ebenfalls solche Insti96 

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in diesem zweifachen Sinn von »objectiv«, wenn er das Telos der überindividuellen Entität freier Wille darin sieht, daß ihm seine Freyheit Gegenstand sey – objectiv sowohl in dem Sinne, daß sie als das vernünftige System seiner selbst, als in dem Sinne, daß dieß unmittelbare Wirklichkeit sey […]. Im Rahmen dieser Lesart wird über die Objektivierung des empirischen Subjekts darum die überindividuelle Entität nicht bloß äußerlich real, sondern via äußerlicher Realität sich selbst thematisch, d. i. Gegenstand des eigenen Bewusstseins. Auf diese Weise wird auch jene erste Bedeutung von »objectiv« ein wenig klarer: Der Wille ist »seinem Begriffe gemäß und wahrhaftig«, wenn er »sich selbst zu seiner Bestimmung hat« (R § 26) – das heißt, wenn er das Hervorbringen eines (im allgemeinsten Sinne) Gegenstands betreibt, dieser Gegenstand er selbst ist und er sich auf diesen Gegenstand bewusst als auf sich selbst bezieht.97 Beim Eigentum haben wir es nach Hegel mit einem solchen Gegenstand zu tun: es ist das »erste Daseyn« der Freiheit, d. i. die erste Gestalt der überindividuellen Entität selbst. Selbstverständlich ist eine solche Lesart nicht unproblematisch. Die an dieser Stelle entscheidenden Fragen lauten: i. Was ist hier genau unter dem »Gegenstand« zu verstehen, der bewusst wird? ii. Wer ist sich dieses »Gegenstands« bewusst? Zunächst zur letzteren Frage: Wenn es nicht das empirische, an Bedürfnissen orientierte Subjekt ist – auf wen trifft Hegels Aussage, dass ich »mir im Besitze gegenständlich« bin, zu? Wie wird hier die überindividuelle Entität freier Wille ihrer Objektivation gewahr? So viel ist klar, dass Hegel selbst, der Philosoph, der den gesamten Zusammenhang der Idee des Rechts kennt, hier ein »erstes Daseyn« der Freiheit zu erkennen imstande ist. Erkennt sich der freie Wille also via Hegel? Nun hat es das Eigentumsrecht ja in der gesellschaftlichen Wirklichkeit auch unabhängig von Hegel bereits gegeben. Hegel stellt dem eigenen Anspruch nach ohnehin kein ideales, kontrafaktisches Staatsbild dar, sondern die fundamentalen Institutionen der existierenden Wirklichkeit; das Eigentumsrecht als freiheitsverbürgendes Recht war daher bereits realisiert. Zählen somit etwa die Urheber der Verfassung, besondere Staatsmänner zu denjenigen, die im Besitz auch das Dasein der Freiheit erkennen? tutionen (vgl. §§ 75, 100, 163, 258). Damit gibt es für Hegel keine Möglichkeit ihrer Revidierbarkeit durch demokratische Entscheidungsprozesse. 97  Vgl. hierzu auch diese Passage: »Er ist wahr […], weil sein Bestimmen darin besteht, in seinem Daseyn, d. i. als sich Gegenüberstehendes zu sein, was sein Begriff ist […].« (R § 23)

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Unabhängig von der Tatsache, dass Hegel und der Staatsmann an dieser Stelle wohl kaum dasselbe erkennen, denn sonst wäre auch der Staatsmann Philosoph des Absoluten Idealismus, zeigt sich hier ein weiterer Unterschied zur Objektivierung und Objektivation im Honigbrot-Beispiel. Denn dadurch, dass Hegel oder der Staatsmann die Selbsterkenntnis der überindividuellen Entität übernimmt, liegen nun nicht mehr zwei, sondern drei Subjekte vor: A (überindividuelle Entität), B (an Bedürfnissen orientiertes Subjekt), C (Hegel). C, der die Objektivation von A erkennt, ist – wie B natürlich – schließlich keinesfalls das Subjekt, das den Gegenstand von A bezweckt hat – es erkennt folglich auch nicht sich selbst qua einzelnes Subjekt, sondern fungiert nur als Bewusstsein von A. Die Schwierigkeit, die hier offenkundig wird, liegt darin begründet, dass letztlich nicht klar ist, an welchem Punkt die Rede von der überindividuellen Entität als von einem Subjekt überstrapaziert wird. Es hat in der Forschung zu Hegels Rechtsphilosophie verschiedene Zugriffe auf dieses Problem gegeben. Häufig hat sich in neuerer Zeit mit Bezug auf Hegels freien Willen eine relationalistische Interpretationslinie durchgesetzt.98 Man spricht – das habe auch ich bislang getan – vom freien Willen als von einem Relationen organisierenden »Prinzip«, einer »Struktur«, einer »Ganzheit«, einem »Universale«. Dabei ist es kein Geheimtipp, dass eine Entität, die selbstbestimmt und denkend tätig ist (R §§ 5–7), nicht bloß an eine »Ganzheit« oder an eine »Struktur«, sondern an ein gewöhnliches menschliches Subjekt erinnert – Hegel erinnert bekanntlich selbst daran (R § 4 A). Dass er ununterbrochen von dieser Entität aussagt, dass sie denkt, übergreift, Inhalte setzt, die Natur verändert, abstrahiert, reflektiert, weiß usw. ist keine façon de parler – Hegel spricht hier nicht in Metaphern. Gleichzeitig ist klar, dass der überindividuellen Entität Prädikate zugeschrieben werden können, die es deutlich von menschlichen Subjekten unterscheiden. Über ein normales menschliches Subjekt würden wir beispielsweise weder die Aussage treffen, dass es außer ihm kein anderes Subjekt seiner Art gibt, noch würden wir sagen, dass die Aktionen anderer Subjekte dessen »eigenthümliche(s) Element der Bethätigung« (ENZ § 485) sind. Apropos »Bethätigung«: Insofern »Thätigkeit« (R § 7 A) das wesentliche Prädikat des freien Willens ist, ist auch klar, dass Hegels überindividuelle Entität in keiner Weise als von den menschlichen Individuen unabhängiges Extra-Subjekt gedacht werden kann.99 Doch gerade dieser versöhnende Ritterschlag, der 98 

Vgl. etwa Pippin (1997) und Quante (2011). Dieser Punkt wird auch im Zusammenhang mit der Einleitung klar: »Es kann hier nur bemerklich gemacht werden, daß […] der Wille […] nicht ein Fertiges und Allgemei99 

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den Zusammenhang der einzelnen Subjekte mit dem freien Willen ausspricht, birgt eben die vorhin angesprochene Schwierigkeit: Wie bzw. über wen oder was – so lautete Frage ii. – wird der freie Wille hier beim Eigentumsrecht seiner Objektivation gewahr? Denn so klar es auch ist, dass die überindividuelle Entität nicht als unabhängig von den einzelnen menschlichen Subjekten begriffen werden darf, so klar ist auch, dass es diesen Subjekten selbst völlig unbekannt bleiben kann, dass sie deren »Element der Bethätigung« sind. Hegel macht an verschiedensten Stellen immer wieder darauf aufmerksam, dass die einzelnen Subjekte Teil der vernünftigen, durch den freien Willen organisierten Relationen sein können, ohne dass sie wissen, dass und warum diese Relationen vernünftig sind: Gegen das Prinzip des einzelnen Willens ist an den Grundbegriff zu erinnern, daß der objective Wille das an sich in seinem Begriffe Vernünftige ist, ob es von Einzelnen erkannt und von ihrem Belieben gewollt werde oder nicht […]. (R § 258 A) »Element der Bethätigung« zu sein, kann auf mancher Ebene der Rechtsphilosophie Hegels gar bedeuten, dass die Subjekte »bewußtlose Werkzeuge und Glieder« (R § 344; vgl. auch ENZ § 551) der überindividuellen Entität sind.100 Aus diesen Passagen und aus der Differenz zwischen (der Möglichkeit) der beschränkten Einsicht einzelner Subjekte und dem adäquaten Blick des Philosophen ist der Versuch, das Eigentumsrecht über eine Zwei-SubjekteLesart zu deuten, gerechtfertigt. Letztgenannte Differenz kann selbstverständlich auch in Fällen gegeben sein, in denen Subjekte durch ihre Handlungen kein überindividuelles Subjekt, sondern einfach bestimmte soziale Relationen – etwa Herrschaftsverhältnisse – etablieren, ohne dass sie dies wissen, d. i. ohne dass sie der sozialen Implikationen und Konsequenzen ihrer Handnes vor seinem Bestimmen und vor dem Aufheben und der Idealität dieses Bestimmens, sondern er ist erst Wille als diese sich in sich vermittelnde Thätigkeit und Rückkehr in sich.« (R § 7 A; meine Hervorhebungen, Hegels nicht übernommen, A.M.) 100  Es finden sich allerdings auch Passagen wie diese: »Der Staat ist die Wirklichkeit der konkreten Freyheit; die concrete Freyheit aber besteht darin, daß die persönliche Einzelnheit und deren besondere Interessen sowohl ihre vollständige Entwickelung und die Anerkennung ihres Rechts für sich […] haben, als sie durch sich selbst in das Interesse des Allgemeinen theils übergehen, theils mit Wissen und Willen dasselbe und zwar als ihren eigenen substantiellen Geist anerkennen und für dasselbe als ihren Endzweck thätig sind, so daß weder das Allgemeine ohne das besondere Interesse, Wissen und Wollen gelte und vollbracht werde, noch daß die Individuen bloß für das letztere als Privatpersonen leben und nicht zugleich in und für das Allgemeine wollen und eine dieses Zwecks bewußte Wirksamkeit haben.« (R § 260, meine Hervorhebungen, Hegels Hervorhebungen nicht übernommen, A.M.)

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lungen vollständig gewahr wären.101 Der Unterschied solcher Fälle zum hier nach der Zwei-Subjekte-Lesart gezeichneten Bild liegt freilich in dem Umstand, dass die etablierte soziale Relation nicht bloß jenseits des Bewusstseins der unmittelbar Beteiligten liegt und etwa von Wissenschaftlern erkannt wird, sondern eine Essenz und ein Telos hat und sich über das Bewusstsein der Wissenschaftler selbst erkennt. Die Frage nach dem konkreten Subjekt des Bewusstseins der Vergegenständlichung des freien Willens könnte man auch noch einmal über die Klärung des genauen Gehalts dieses Bewusstseins (Frage i.) zu entscheiden versuchen. Wenn das Subjekt sich »als freyer Wille […] im Besitze gegenständlich« ist und diesen Umstand tatsächlich auch »als das erste Daseyn« des freien Willens erkennt, dann sehe ich nicht, wer außer Hegel (und seiner Leserschaft) selbst für diese Erkenntnis in ihrem gesamten Bedeutungsumfang in Frage kommen kann. Dass aber der freiheitsverbürgende Charakter einer derart grundlegenden Institution wie des Eigentumsrechts sich ausschließlich im Rahmen der philosophischen Analyse zu erkennen gibt, ist eine höchst unplausible These, für die der Hegelsche Text keine zwingende Basis bietet. Wenn dagegen der Gehalt des Bewusstseins der Vergegenständlichung schwächer gedeutet wird – etwa als (noch näher zu bestimmendes) Bewusstsein darüber, dass sich im Besitz jenseits des besonderen Interesses auch noch eine (ebenfalls näher zu bestimmende) allgemeine Freiheit manifestiert –, dann ist die Liste der Kandidaten dieses Gewahrwerdens wesentlich offener. In diesem Fall stellt sich indessen die Frage, ob man zwingend ein zweites Subjekt annehmen muss. Ich prüfe darum im Folgenden noch einmal die Möglichkeit, dass beide Vergegenständlichungen auf ein und dasselbe Subjekt zurückgehen – und auch von diesem selbst einmal als Bedürfnisbefriedigung und einmal als Vergegenständlichung von Freiheit wahrgenommen werden. Die Ein-Subjekt-Lesart Die Rahmenpunkte für eine Lesart, die von bloß einem Subjekt ausgeht, lassen sich wie folgt skizzieren: Das Subjekt befriedigt ein beliebiges Interesse, hat ein »etwas« in seiner »äußeren Gewalt« und objektiviert dadurch seinen Zweck. Davon unterschieden objektiviert dasselbe Subjekt sich selbst »als freyer Wille« (meine Hervorhebung, A.M.). Die Unterscheidung von Besitz 101  So

könnten z. B. Eltern ihren Töchtern rosafarbene Miniaturküchen und ihren Söhnen große Spielzeugautos schenken, ohne zu wissen, dass sie dadurch auch bestimmte soziale Verhältnisse reproduzieren.

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und Eigentum wäre in diesem Fall auf zwei verschiedene Hinsichten zurückzuführen, nach denen das Subjekt sich selbst betrachten kann: Es ist sowohl ein bedürftiges Lebewesen, das sich mit der Natur auseinandersetzt und sie sich aneignet – Besitz. Gleichzeitig ist es aber, anders als der Löwe, auch ein geistiges Lebewesen, das sich von dieser und jeder Bedürfnisbefriedigung auch wieder loslösen kann – und just diese seine geistige Natur ist ihm in seinem Besitz ebenfalls präsent. Es objektiviert auf dieser geistigen Ebene keinen besonderen Zweck, sondern wird sich über den Gegenstand des Besitzes selbst als freies, denkendes Subjekt thematisch, das heißt: es kann hier auch seiner allgemeinen Entscheidungsfreiheit gewahr werden. Die doppelte Vergegenständlichung wäre somit einmal die Objektivierung eines Zwecks und, hierüber, auch das Selbstgewahrwerden des Subjekts qua Person. Das ist alles, was dem Subjekt hier gewahr wird. Wenn es diesem seinen Verhältnis zur Sache den richtigen Titel gibt, dann spricht es von Eigentum. Und der Philosoph – und nur er – fasst diese Relation von der Person zur Sache terminologisch korrekt: Sie ist das erste Dasein der Freiheit – die Idee des an und für sich freien Willens, die sich in der Bestimmtheit der Unmittelbarkeit eine erste »Gestaltung« (R § 1 A) gibt. Nach allem bisher Gesagten ist klar, dass der Deutungsspielraum, den dieser 45. Paragraph zulässt, in diesem Satzteil begründet liegt: »daß Ich als freyer Wille mir im Besitze gegenständlich […] bin«. Ich gehe zur Unterfütterung der soeben skizzierten Ein-Subjekt-Lesart zunächst zwei Punkte durch, die sofort festgehalten werden können: 1. Das »Ich« bezeichnet hier dasselbe Subjekt, das auf der Ebene des Besitzes und der Bedürfnisbefriedigung einen materiellen Gegenstand in seiner Gewalt hat. 2. Es macht einen Unterschied, ob man sagt, dass x gegenständlich ist, oder ob man – wie Hegel hier – sagt, dass x sich gegenständlich ist. Das Reflexivpronomen »mir« markiert den Sachverhalt, dass das Gegenständlich-Sein mit Bezug auf das Subjekt in einem bestimmten Gegebenheitsmodus steht. Zwei Deutungen müssen darum hier ausgeschlossen werden: Erstens kann Sich-Gegenständlich-Sein nicht so verstanden werden, dass es darum gehe, irgendeine Fähigkeit oder gar sich selbst qua abstraktes Selbstbewusstsein einfach in einen materiellen Gegenstand zu verwandeln. Derartiges vertritt Hegel nicht. Selbstverständlich ist aber, zweitens, der materielle Gegenstand hier dennoch relevant: In der Tatsache, dass das Subjekt einen materiellen Gegenstand in seiner Gewalt hat, ist es sich thematisch. Darum darf die Verknüpfung dieses Sich-Gegenständlich-Seins mit dem materiellen Gegenstand nicht auseinandergerissen werden. Es kann hier nicht darum gehen, dass sich die Person lediglich selbst reflektiert und sich auf diese Weise thematisch ist.

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Vielmehr wird sie hier ihrer selbst über das raum-zeitliche Objekt, die Sache gewahr. Das Subjekt wird keine Kastanie, sondern wird sich über die Kastanie qua Resultat seiner Willenssetzung thematisch. Zur weiteren Klärung dieses Satzteils ist es sinnvoll, jene beiden Fragen, die im Rahmen der Zwei-Subjekte-Lesart nicht überzeugend genug beantwortet werden konnten, erneut heranzuziehen. Sie lauteten: i. Was ist hier genau unter dem »Gegenstand« zu verstehen, der bewusst wird? ii. Wer ist sich dieses »Gegenstands« bewusst? Strukturell geht es hier um die Frage nach dem Objekt und dem erkennenden Subjekt der Vergegenständlichung. Da die Relation des ›Sich-Gegenständlich-Seins‹ eine reflexive Struktur hat, lassen sich Subjekt und Objekt nach dieser Lesart beide mit dem Satzglied »Ich als freyer Wille« greifen. So viel war klar: Das Subjekt des Besitzes ist auch dasjenige Subjekt, das des Gegenständlich-Seins gewahr ist – ein und dasselbe »Ich«. Lässt man Hegels Spezifikation (»als freyer Wille«) beiseite, dann ergibt sich folgendes Bild: Ich habe etwas in meiner äußeren Gewalt: Besitz; ich bin mir im Besitz gegenständlich: Eigentum. Was fehlt nach Hegel, wenn der Zusatz »als freyer Wille« ausgespart wird? Es ist der Kontrast zur ersten Verwendungsweise des »Ich«. Bei der Bedürfnisbefriedigung haben wir es stets mit einem besonderen Willensakt zu tun: Ein Subjekt trinkt ein Glas Wasser oder betrachtet ein Gemälde oder hält eine Kastanie fest usw. An diesem Aspekt des konkreten Interesses der Handlung des Subjekts ist nichts unmittelbar Rechtliches. Es ist dadurch, wenn man so will, ein besonderes, sich von anderen unterscheidendes »Ich«. Und jetzt markiert Hegel den Gegensatz: Da die Besitznahme Besitznahme eines mit Selbstbewusstsein begabten Subjekts ist, wird darin – »im Besitze« – auch der Allgemeinheits-Aspekt (vgl. Kap. 1.1 u. 1.2.2) des »Ich« sichtbar. Denn als ein solches denkendes Subjekt, das sich von seinen Bedürfnissen distanzieren kann, unterscheidet sich kein »Ich« vom anderen.102 Das rechtlich Relevante ist darum für Hegel nicht, dass ein Subjekt sein besonderes Bedürfnis befriedigt, sondern dass der Besitz Besitz eines Subjekts ist, das die Bestimmung – etwa das Bedürfnis nach einer Kastanie – bewusst als seine, auch wieder fallenzulassende Bestimmung betrachtet, d. i. in der Bestimmung sich selbstbestimmt, frei weiß. Das ist klarerweise eine Exemplifikation für den Begriff des Willens (und somit für den Begriff überhaupt): (D)ie Selbstbestimmung des Ich, in einem sich als das Negative seiner selbst, nemlich als bestimmt, beschränkt zu setzen und bey sich, d. i. in seiner […] Allgemeinheit zu bleiben, und in der Bestimmung, sich nur mit sich selbst zusammenzuschließen. (R § 7) 102 

Vgl. hierzu die Analyse der Begriffe Person und Persönlichkeit, Kap. 2.4.3.

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Beide Fragen sind damit beantwortet: Das denkende Subjekt ist für es selbst (Subjekt der Vergegenständlichung) im Besitz als denkendes Subjekt (Objekt der Vergegenständlichung) sichtbar. Doch das heißt freilich nicht, dass sämtliche bislang aufgeworfenen Unklarheiten beseitigt sind. Dass das Gegenständlich-Sein des Subjekts qua freier Wille für dieses Subjekt selbst in einem bestimmten Modus der Gegebenheit steht, habe ich bisher mit verschiedenen Wendungen zu greifen versucht: Die eigene Freiheit als Distanzierungsfähigkeit wird dem Subjekt gewahr, bewusst oder thematisch; es betrachtet, weiß, erkennt die eigene Freiheit; es nimmt sie wahr, sie ist sichtbar oder präsent. Das kann natürlich alles sehr Verschiedenes bedeuten. Welche Art der erstpersönlichen propositionalen Selbstbezugnahme des Subjekts hat Hegel an dieser Stelle genau im Sinn? Aus zwei, einander verstärkenden Gründen ist dieser Frage sorgfältig nachzugehen: Zum einen ist bereits an verschiedenen Stellen klar geworden, dass es Kontexte gibt, in denen Hegel dem einzelnen Individuum Vorstellungen zuschreibt, die aus der Perspektive des Philosophen als inadäquat zu bezeichnen sind; und dass nach Hegel die Vernünftigkeit etwa bestimmter Institutionen von der Einsicht und Zustimmung der einzelnen Individuen unberührt sein kann. Was ist z. B., wenn das Subjekt irrtümlicherweise glaubt, es wäre sich gegenständlich? Zum anderen hat Hegel hier im 45. Paragraphen die »Bestimmung des Eigenthums« als das »Wahrhafte und Rechtliche« bereits entwickelt und andere Subjekte bislang mit keiner Silbe erwähnt. Ich werde auf diesen Punkt später noch einmal ausführlich eingehen; an dieser Stelle möchte ich lediglich darauf aufmerksam machen, dass Hegels offensichtlicher Verzicht auf intersubjektive Übereinkunft den Druck auf die erstpersönliche Selbstbezugnahme erhöht. Wenn das Sich-Gegenständlich-Sein des einzelnen Subjekts nicht überzeugend genug entfaltet werden kann, dann bricht der Argumentationsgang des Abstrakten Rechts hier gleich beim »ersten Daseyn« der Freiheit zusammen. Mit welchem Typ von Intentionalität wir es beim Sich-GegenständlichSein des Subjekts zu tun haben, lässt sich am einfachsten ex negativo herausarbeiten. Zunächst ist klar, dass dieses Sich-Gegenständlich-Sein, anders als der Besitz, keine Objektivierung darstellt. Das Subjekt, das etwas in seiner äußeren Gewalt hat, bezweckt nur seine Bedürfnisbefriedigung. Es beabsichtigt nur, Sachverhalt p herbeizuführen – das ist sein bewusster Zweck. Mit der gepflückten Kastanie ist dieser Zweck erreicht und das Subjekt hat somit die Tatsache p hervorgebracht. Nur diese Fälle nenne ich Objektivierung, bei denen der propositionale Gehalt der herbeigeführten Tatsache von dem Subjekt selbst vor der Handlung gewusst, während der Handlung als leitend

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betrachtet und nach der Handlung als gewolltes Resultat erkannt wird.103 Davon kann folglich – in systeminterner als auch in systematischer Hinsicht – bei der Bedürfnisbefriedigung keine Rede sein: Ich pflücke in der Regel keine Kastanie, weil ich meiner selbst qua freiem Subjekt gewahr sein will, sondern weil ich die Kastanie essen möchte. Dass wir im Zuge der Befriedigung unserer Bedürfnisse generell auch den bewussten Zweck verfolgen, uns qua freier Subjekte gewahr zu sein, halte ich für wenig überzeugend. Es ist – das sagt auch Hegel an keiner Stelle des Abstrakten Rechts – nicht die Absicht des Subjektes, sich in diesem Sinne gegenständlich zu sein.104 Das Sich-Gegenständlich-Sein des Subjekts ist aber auch kein Gefühl, das sich etwa im Zuge oder als Ergebnis der Bedürfnisbefriedigung einstellt – auch dafür bietet der Text keine Grundlage. Im Gegenteil, die gesuchte Art der Selbstbezugnahme muss sich von der Ebene der besonderen Absicht und des individuellen Gefühls unterscheiden, um das »Wahrhafte und Rechtliche« ausmachen zu können. Das Sich-Gegenständlich-Sein kann auch nicht über andere sinnliche Wahrnehmung erreicht sein: Ich sehe mich nicht selbst als freies Subjekt; ich sehe nur die Kastanie. Und doch, das ist bereits erwähnt, ohne die Kastanie auf meinem Küchentisch erreicht die Begriffsentwicklung des freien Willens keine »äußere Sphäre« (R § 41), die eben gebraucht wird, damit die Person »als Idee« (ebd.) gedacht werden kann. Ob ich nun die Kastanie, eine Apfelsine oder eine Himbeere in der Hand habe – in jedem Fall kann ich mir selbst als freies Subjekt gegenständlich werden. Wenn das Sich-Gegenständlich-Sein in jedem inhaltlich verschiedenen Besitz auffindbar sein kann, dann kommt es offenbar darauf an, dass das Subjekt überhaupt ein raum-zeitliches Relatum als »Material« (ENZ § 483) seiner Freiheit nutzt. Angenommen also, dass dies die Struktur der Einstellung des Subjekts sei: Ich beabsichtige, dass ich x tue. Worauf es bei der »Bestimmung des Eigenthums« ankommt, ist dann auf der Seite des propositionalen Gehalts nur, dass ein materielles »etwas« involviert ist und dass ich qua freies Subjekt x tue. Man kann es aber drehen und wenden wie man möchte: Im Zuge der Befriedigung unserer Bedürfnisse durch die Aneignung materieller Gegenstände 103 

Selbstverständlich lässt sich ein solcher Begriff von Objektivierung problematisieren und erfordert ausführlichere Fassung. Es geht mir an dieser Stelle allerdings nur darum, aufzuzeigen, dass das hier relevante Gegenständlich-Sein des »Ich«, das die »Bestimmung des Eigenthums« enthält, eben kein Fall von Objektivierung ist. Dazu mögen die angegebenen Qualifikationen genügen. 104  Dies ist erst im Kapitel über die Moralität der Fall: »Seine Persönlichkeit, als welche der Wille im abstracten Rechte nur ist, hat derselbe so nunmehr zu seinem Gegenstande; die so für sich unendliche Subjectivität der Freyheit macht das Princip des moralischen Standpunkts aus.« (R § 104)

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beabsichtigen wir in der Regel nicht, uns auch als freie Subjekte gewahr zu werden. Denkt man nun für einen Augenblick an die Möglichkeit, dass mein Zweck nicht verwirklicht ist, und nimmt man zusätzlich an, dass die Ursache des Scheiterns auf das Verhältnis zwischen mir und anderen Subjekten zurückzuführen ist (zum Beispiel: Simon hindert mich mit Gewalt daran, die Kastanie zu pflücken) – wird dann in solchen Fällen das Vorhandensein eines Phänomens verhindert, das im Falle der ungehinderten Zweckverwirklichung präsent ist? Man könnte – das haben Alan Patten und Jeremy Waldron getan – Hegel wie folgt argumentieren lassen: Wenn ich bei dem Versuch, die Kastanie oder andere Gegenstände in meine Gewalt zu bringen, scheitere, dann fehlt mir die Grundlage dafür, meine freie Wirksamkeit zu erfahren. Ich lerne somit niemals, dass ich ein Subjekt bin, das in die Außenwelt eingreifen und selbst Veränderungen nach eigenen Vorstellungen hervorbringen kann. Nur durch die ungestörte Bearbeitung der Gegenstände – daher die Notwendigkeit der Institution des Privateigentums – kann ich meinen individuellen Einfluss im doppelten Sinne wahrnehmen: ihn ausüben und betrachten. Das Bewusstsein dieser Freiheit als individueller Wirksamkeit kann sich nur durch die individuelle Besitznahme und den Ausschluss des Zugriffs anderer Subjekte entwickeln.105 Ich bin »mir im Besitze gegenständlich und hiermit auch erst wirklicher [d. h. wirkender, A.M.] Wille«. Rundheraus: Das ist nicht Hegels Position. Freiheit als Bewusstsein der Wirksamkeit in der Außenwelt ist kein in der Rechtsphilosophie zu entwickelnder Gegenstand, sondern im Rahmen der Philosophie des Objektiven Geistes vorausgesetzt.106 Die Entwicklung der Idee des an und für sich freien Willens beginnt beim Abstrakten Recht mit einem Subjekt, das zum »reine(n) Denken seiner selbst« (R § 5) fähig ist. Der zugrundegelegte Freiheitsbegriff geht somit längst über ein bloßes »Bewusstseyn von sich« (R § 35 A) in seiner Wirkung auf die Außenwelt hinaus. Indem es sich selbst »als abstractes und zwar freyes Ich zum Gegenstande und Zwecke hat und so Person ist« (ebd.), ist das Subjekt des Abstrakten Rechts nicht nur seiner Fähigkeit, Zwecke zu setzen gewahr – das gilt bei Hegel für jedes Handeln –, sondern auch des Umstands, dass es sich von jeder Zwecksetzung wieder loslösen kann. Jene Distanzierungsfähigkeit ist – als Moment des Willensbegriffs überhaupt (vgl. R § 5) – für die gesamte Rechtsphilosophie konstitutiv und wird durch Hegels Argumentationsgang nach und nach konkretisiert. Beim Eigen105 

Vgl. Patten (1999, S. 150–163). Ich komme auf diesen Punkt im nächsten Kapitel noch einmal zurück, wenn es um die Rolle von Anerkennungsverhältnissen für das Abstrakte Recht geht. 106 

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tum als dem ersten »Daseyn« der Freiheit wird darum zunächst nur diese Bedeutung von Freiheit philosophisch rekonstruiert und gleichsam die Vorgabe des 41. Paragraphen erfüllt: »Die Person muss sich eine äußere Sphäre ihrer Freyheit geben, um als Idee zu seyn.« Nicht das Bewusstsein der eigenen Wirksamkeit ist daher »im Besitze« gegenständlich, sondern das Bewusstsein von sich als einem Subjekt, das Zwecke frei wählen und sie wieder fallen lassen kann. Es bleibt freilich nach wie vor zu klären, wann und wie genau ein solches Bewusstsein für das besitzende Subjekt präsent ist. Angenommen wieder, dass Simon mich zunächst an der Besitzergreifung der Kastanie hindert – und anschließend aber, aus einer Laune heraus, mich sogar dazu zwingt, die Kastanie doch noch in meine Gewalt zu bringen. Man kann die These vertreten, dass wir in solchen Situationen zwar unser Bedürfnis nach der Kastanie befriedigt haben, aber uns dennoch in einem Anspruch verletzt fühlen.107 Mein Wille soll also Objektivität haben, äußerliche Wirklichkeit einerseits, daß ich diese Sache in Besitz nehme und daß andere Menschen mir diese 2. gelten lassen. (VR2, S. 56) Wir wollen selbst entscheiden, welche Zwecke wir verfolgen und welche nicht – und wir wollen uns an keinen dieser Zwecke durch den Willen anderer gebunden fühlen.108 Ein solcher Anspruch wird für das Subjekt erst durch seine Verletzung explizit, ist aber als jede besondere Zwecksetzung implizit begleitend zu denken. Auf dieser Grundlage ist Hegels Redeweise von den »zwey Seiten« (R § 45 RN 407) wie folgt zu begreifen: Auf der einen Seite bringt das Subjekt ein »etwas« in seine Gewalt und befriedigt dadurch ein Bedürfnis. Es verfolgt eine ihm bewusste, konkrete Absicht und objektiviert im Resultat einen Zweck. Das ist die Seite des Besitzes. Auf der anderen Seite ist der Bezug des Subjekts zur Sache auch die Objektivation seiner Freiheit. Ich nenne sie Objektivation, weil das Subjekt diese seine Freiheit nicht in derselben Weise als Absicht verfolgt, wie dies etwa bei der Absicht, eine Kastanie zu pflücken der Fall ist. Über die Befriedigung von Bedürfnissen hinaus, kann das Subjekt 107 

Dieses Erheben eines Geltungsanspruchs wird sehr deutlich in der folgenden Randnotiz zum Ausdruck gebracht: »Die Bestimmtheit des Willens wodurch er Recht ist, daß diß besondere, Ich will diß oder jenes, der Freyheit – zukommt – und ich diese darin, und in meinem freyen Willen NICHT BESCHRÄNKT seyn will.« (R § 35 RN 387) 108  Es geht Hegel daher auch nicht um die Rekonstruktion eines Anspruches auf Bedürfnisbefriedigung als solche, sondern um die Rekonstruktion des Anspruchs auf Anerkennung eines evaluativen Selbstverhältnisses: »Sclaven, Leibeigene – sind gut versorgt«, notiert er sich handschriftlich zum 46. Paragraphen.

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die Tatsache, dass die Kastanie in seiner Gewalt ist, als Manifestation seiner Freiheit, autonom Zwecke zu verfolgen, betrachten.109 Dies ist ein Anspruch, der durch den Besitz Realität gewinnt, aber dem Subjekt in der Regel nur dann bewusst wird, wenn er verletzt wird. Wie stabil ist diese Konzeption des Selbstbezugs qua freier Wille? Was ist, wenn beispielsweise nur jede fünfte Person sich in den beschriebenen Fällen in besagtem Anspruch verletzt fühlt – und die Übrigen voll und ganz zufrieden sind, wenn ihre Bedürfnisse befriedigt sind? Hegel kann nicht davon überzeugt gewesen sein, dass das »erste Daseyn« der Freiheit derart von der subjektiven Beurteilung der Akteure abhängig ist. Er muss zwar davon ausgehen, dass in der Regel jedes erwachsene und gesunde Subjekt diesen Anspruch hat; gleichzeitig will Hegel diesen Anspruch aber nicht als anthropologische Konstante darstellen. Hegel weiß sehr wohl, dass die Institutionen, die er in seiner Rechtsphilosophie herausarbeitet, die Grundpfeiler der freiheitlichen Sozialität seiner Zeit zum Ausdruck bringen. Er rekonstruiert, das habe ich bereits erwähnt, keine ideale und transhistorische Wirklichkeit, sondern lediglich die vor ihm liegende Gesellschaft, deren Teil er selbst ist: Das was ist zu begreifen, ist die Aufgabe der Philosophie, denn das was ist, ist die Vernunft. Was das Individuum betrifft, so ist ohnehin jedes ein Sohn seiner Zeit; so ist auch die Philosophie ihre Zeit in Gedanken erfaßt. (R, Vorrede, 15)110 Die Subjekte, die zum reinen Selbstbewusstsein fähig sind und sich von jeder Zwecksetzung unabhängig denken können, sind nicht Subjekte des alten Griechenlands oder alten Roms, sondern nur die Subjekte von Hegels Europa. Die Selbstverständlichkeit des Anspruchs, selbst Zwecke zu setzen und nicht fremdbestimmt oder versklavt zu werden, ist für Hegel eine historisch errungene und gewachsene Selbstverständlichkeit. Dieser Anspruch versteht sich insofern von selbst, als er in der Regel nicht mehr eigens als Zweck intendiert wird, sondern als Habitus jede Interaktion begleitet. Als zur Gewohnheit gewordene Einstellung prägt dieses Selbstbild der Subjekte den Zeitgeist einer Gesellschaft.111 Ein solcher Anspruch gehört somit für Hegel in der Tat zur Natur jedes einzelnen Subjekts, weil er in Fleisch und Blut übergegangene Geschichte ist – aber eben nicht zur biologischen Natur, sondern zur kultu109 

Die – so notiert Hegel am Rande – diesbezügliche Eigentümlichkeit des »Willens ist daß er sich, seine Freyheit will, – einen besonderen Zweck wohl – aber die Seite daran, daß er nur sich will.« (R § 35 RN 385) 110  Darum kann Hegel als »Sohn seiner Zeit« natürlich nicht auf den Gedanken kommen, dass das Individuum auch Tochter ihrer Zeit sein kann. 111  Zum Verhältnis des Geistbegriffs bei Hegel und Herder vgl. Forster (2013).

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rellen, historisch-spezifischen, geistigen oder, mit Hegels Worten, »zweyten Natur« (R § 4). Die Verletzung dieser ihrer »zweyten Natur« spüren oder fühlen die Subjekte nicht bloß (etwa wie wir eine körperliche Verletzung sinnlich fühlen), sie werden ihr auch nicht auf irgendeine dunkle Weise gewahr, sondern sie wissen sie. Wenn ihre Fähigkeit, sich selbst zu denken, sich von jeder besonderen Zwecksetzung geistig distanzieren zu können – wenn dies als verletzt erlebt wird, dann haben die Subjekte kognitiven Zugang zu ihrem Anspruch. Es ist daher richtig: Ich sehe nur die Kastanie; aber ich weiß, dass meine Entscheidungsfreiheit sich für mich in der Kastanie manifestiert hat.112 Ich kann mich darin irren, dass sich mein Wille in der Kastanie manifestiert – etwa dann, wenn es nicht die Kastanie A war, sondern Kastanie B. Aber ich kann mich nicht darin irren, dass ich den Anspruch erhebe, meinen Willen in Kastanie A gelegt zu haben. Damit wird deutlich, dass diese Lesart mit dem Wortlaut des 45. Paragraphen deutlich besser harmoniert als die Zwei-Subjekte-Lesart. Hegel bestätigt diese Deutung durch eine Passage aus der Enzyklopädie, der die Philosophie des Objektiven Geistes einleitet: Wenn das Wissen von der Idee, d. i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck und Gegenstand die Freiheit ist, speculativ ist, so ist diese Idee selbst als solche die Wirklichkeit der Menschen, nicht die sie darum haben, sondern sie sind. Das Christenthum hat es in seinen Anhängern zu ihrer Wirklichkeit gemacht, z. B. nicht Sclave zu seyn; wenn sie zu Sclaven gemacht, wenn die Entscheidung über ihr Eigenthum in das Belieben, nicht in Gesetze und Gerichte gelegt würde, so fänden sie die Substanz ihres Daseyns verletzt. Es ist diß Wollen der Freiheit nicht mehr ein Trieb, der seine Befriedigung fodert, sondern der Charakter, – das zum trieblosen Seyn gewordene geistige Bewußtseyn. (ENZ § 482 A) Der Unterschied zwischen der spekulativen Perspektive und derjenigen der normalen Menschen, den Hegel hier zu Beginn der Passage erwähnt, erinnert an einen Punkt, der auch mit Bezug auf die Anmerkung zum hier verhandelten Paragraphen über Besitz und Eigentum – diesmal freilich im Rahmen der Ein-Subjekt-Lesart – noch zu klären ist. Ich zitiere noch einmal: Eigenthum zu haben, erscheint in Rücksicht auf das Bedürfniß, indem dieses zum Ersten gemacht wird, als Mittel; die wahrhafte Stellung aber ist, daß vom Standpunkte der Freyheit aus das Eigenthum, als das erste Daseyn derselben, wesentlicher Zweck für sich ist. (R § 45 A) 112 

Vgl. zum Begriff der Manifestation des Geistes ENZ § 383.

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Interpretation des Hegelschen Eigentumsrechts

So viel ist klar: Dass die Subjekte in der Lage sind, einen klaren Anspruch zu erheben und sich im Besitz als freie Subjekte manifestiert zu wissen, heißt noch lange nicht, dass sie die philosophische Bedeutung dieses Anspruchs adäquat einzuschätzen wissen oder wissen müssten. Diesen Standpunkt kann Hegel vertreten, ohne dass eine überindividuelle Entität als Subjekt ins Spiel gebracht werden muss. Klar ist außerdem, dass Hegel die unrichtige Auffassung von Eigentum als Mittel zur Bedürfnisbefriedigung tatsächlich den normalen Subjekten seiner Zeit zuschreibt – und nicht etwa nur möglichen alternativen philosophischen Ansätzen.113 Damit ist das Eigentumsrecht die einfachste Gestalt der rechtlichen Wirklichkeit, ihr »erstes Daseyn«. Ungelöst sind aber sicher die folgenden Probleme: Was berechtigt den Philosophen dazu, das Verhältnis des einzelnen Subjekts zur Sache als Eigentum zu bezeichnen? Der nächste Paragraph (R § 46) wird, das habe ich bereits zitiert, Eigentum sofort als Privateigentum bezeichnen – und keine weitere Begründung für diese Spezifikation liefern.114 Eigentum muss also schon hier als Privateigentum entwickelt worden sein. Auffällig ist überhaupt, dass Hegel hier das Eigentumsrecht philosophisch entwickelt zu haben glaubt, ohne dass er andere Personen und Formen der Übereinkunft explizit erwähnt hat. Welchen Grund kann Hegel für diese Verfahrensweise haben? Lässt man die bisherige Strecke des Abstrakten Rechts Revue passieren, dann zeigt sich außerdem, dass Hegels Argumentation nichts anderes als die Weiterentwicklung eines Verhältnisses zwischen zwei Relata war: Das »reine Denken seiner selbst« auf der einen Seite und die Sache auf der anderen. Diese Sache ist, das ist bereits erwähnt, nicht dem leibhaftigen Subjekt äußerlich, 113 

Beim »Übergang vom Eigenthum zum Vertrage«, wo Hegel just auf die Anmerkung des 45. Paragraphen eingeht, ist dieser Punkt unmissverständlich ausformuliert: »Es ist durch die Vernunft ebenso nothwendig, daß die Menschen in Vertragsverhältnisse eingehen – schenken, tauschen, handeln usf. –, als daß sie Eigenthum besitzen (§ 45 Anm.). Wenn für ihr Bewußtseyn das Bedürfnis überhaupt, das Wohlwollen, der Nutzen usf. es ist, was sie zu Verträgen führt, so ist es an sich die Vernunft, nehmlich die Idee des reellen (d. i. nur im Willen vorhandenen) Daseins der freien Persönlichkeit.« (R § 71 A) Hegel behauptet damit aber nicht, dass die normale Bürgerin seiner Zeit notwendigerweise ein falsches Bild von der Bedeutung des Eigentumsrechts haben muss. Für ihn ist die Frage danach, wie die Subjekte selbst das Eigentumsrecht als Recht einschätzen, nur von sekundärer Bedeutung. Darum stellt er seine diesbezügliche Bemerkung auch nur in die Anmerkung. Wichtiger ist für Hegel, dass die Subjekte jenen Anspruch erheben und sich in der Zwecksetzung auch als freie Subjekte manifestiert sehen. Ihr Urteil über das Eigentumsrecht selbst ist für den argumentativen Gang nicht konstitutiv. 114  Auch die verschiedenen Arten der Besitznahme, die Hegel in den späteren Paragraphen vorstellt (§§ 54 ff.), liefern keine Gründe für die Vorzüglichkeit des Privateigentums – und können darum unberücksichtigt bleiben.

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sondern dem Subjekt qua freien Willen. Aus diesem Grund spricht Hegel auch davon, dass »ich etwas in meiner selbst äußeren Gewalt habe« (R § 45, meine Hervorhebung; A.M.); also nicht davon, dass etwas einfach nur in meiner »äußeren Gewalt« ist – wie etwa die Kastanie in meiner Hand –, sondern meinem »Selbst« qua abstraktem Selbstbewusstsein äußerlich. Dazu zählt aber dann auch die Hand selbst. Wenn Hegel aus der Tatsache, dass wir Menschen alle einen Körper haben, ein Argument für die Notwendigkeit von Privateigentum gewinnen möchte, dann muss er dem Körper der Subjekte einen besonderen Status in der Welt der Sachen verleihen können. Der Körper wäre somit die einzige konkrete Sache, die Hegel selbst noch philosophisch entwickeln müsste. Ob ihm dies gelingt und ob – selbst wenn es ihm gelingt – dieses besondere Verhältnis zwischen freiem Subjekt und Körper überzeugender Weise als Privateigentumsverhältnis darzustellen ist, das werde ich prüfen. Zu Anfang dieses 2. Kapitels habe ich anhand der Wiedergabe des 46. Paragraphen eine Liste von zu klärenden Fragen aufgestellt. Ich liste noch einmal auf: 1. Was ist bei Hegel überhaupt Eigentum? 2. Was ist ein Wille als »persönlicher«? 3. Was heißt es, dass ein persönlicher Wille »objectiv« wird? 4. Wo bleibt die Übereinkunft mit anderen Subjekten? Ich denke, dass – obwohl der Gang durch die Paragraphen 41–45 beendet ist – lediglich die Fragen 2 und 3 einigermaßen geklärt sind. Im nächsten Abschnitt widme ich mich darum noch einmal in interessierter Lektüre der Einleitung in das Abstrakte Recht (§§ 34–40).

2.4  »Alle concreten Zustände vergessen« – Die Einleitung in das Abstrakte Recht Der Umstand, dass nach wie vor nicht hinreichend klar ist, was Hegel genau unter Eigentum versteht, hängt mit einem allgemeinen Vorverständnis zusammen, das ich meiner Interpretation unterlege: Ich gehe davon aus, dass die Relation einer einzelnen Person zu einer Sache noch kein Recht etablieren kann. Diese Annahme nutze ich nur als Instrument, um Hegels Position zu beleuchten. Denn alles Befremden, das durch Hegels bisherige Argumentation ausgelöst wird, läuft auf den einen Punkt hinaus: die Rolle von Intersubjektivität im Rahmen des Abstrakten Rechts. Dass Hegel Intersubjektivität ausblendet, d. i. keinen expliziten Bezug auf sie nimmt, ist unbestreitbar. Dies ist nicht bloß im Zuge der bisherigen Analyse (R §§ 41–45) deutlich geworden, sondern zeigt sich sofort im ersten Paragraphen der Einleitung in das Abstrakte Recht:

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Interpretation des Hegelschen Eigentumsrechts

Der an und für sich freye Wille, wie er in seinem abstracten Begriffe ist, ist in der Bestimmtheit der Unmittelbarkeit. Nach dieser ist er seine gegen die Realität negative, nur sich abstract auf sich beziehende Wirklichkeit – in sich einzelner Wille eines Subjects. (R § 34) Für sich genommen ist dieser Beginn mit dem einzelnen Subjekt nicht problematisch. Ich habe Hegel bislang so gedeutet, dass er zeigen möchte, über welche Eigenschaften jedes einzelne Subjekt verfügen muss, damit eine Sozialität als Geflecht berechtigter Ansprüche und Verpflichtungen, d. i. als Verwirklichung des an und für sich freien Willens begreifbar wird. Als merkwürdig erscheint Hegels Argumentation erst dort, wo mit Bezug auf das Verhältnis von einer einzelnen Person zu einer Sache bereits von einem Rechtsverhältnis gesprochen wird. Als hätte er aber die Diskussion um die vermeintlich »verdrängte Intersubjektivität« (Theunissen 1982) seiner Argumentation antizipiert, wird Hegel im letzten Paragraphen der Einleitung in das Abstrakte Recht geradezu trotzig-überdeutlich: Das Recht ist zuerst das unmittelbare Daseyn, welches sich die Freyheit auf unmittelbare Weise gibt, a) Besitz, welcher Eigenthum ist; – die Freyheit ist hier die des abstracten Willens überhaupt oder eben damit einer einzelnen, sich nur zu sich verhaltenden Person. (R § 40) Zu klären ist darum der Zusammenhang zwischen der reinen Begriffsentwicklung des Willens – hier in der »Bestimmtheit der Unmittelbarkeit« – einerseits und der dieser Entwicklung entsprechenden rechtlichen Institution andrerseits. Warum glaubt Hegel jenes Sich-Gegenständlich-Sein des einzelnen Subjekts, jenen Geltungsanspruch sofort mit der »Bestimmung des Eigenthums« (R § 45), die dann im 46. Paragraphen kurzerhand als »Privateigenthum« spezifiziert wird, identifizieren zu können? Hierzu ist zunächst die »Bestimmtheit der Unmittelbarkeit« selbst zu begreifen. Fordert Hegel die Leserin dazu auf, sich ein einzelnes Subjekt in einer von anderen Subjekten freien und nur mit »Sachen« bestückten Welt vorzustellen – also etwa eine Art Naturzustand anzunehmen, in den dann nach und nach auch intersubjektive Relationen eingeführt werden? Einer der ausführlicheren Hinweise auf die Betrachtungsweise, die Hegel bei der Darstellung der Philosophie des Geistes überhaupt einnimmt, findet sich im 380. Paragraphen der Enzyklopädie, der zur Einleitung des Begriffs des Geistes gehört. Ich werde mich diesem Paragraphen in dem folgenden Exkurs widmen und seine Relevanz für Hegels Eigentumsrecht herausstellen. Anschließend können die Paragraphen 34–40 einer zielgerichteten Detailanalyse unterzogen werden. Dabei werde ich zeigen, dass die Argumenta-

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tionsweise des Abstrakten Rechts als Konsequenz bestimmter methodologischer Überzeugungen Hegels begriffen werden muss. 2.4.1 »Die concrete Natur des Geistes« – Zur Darstellungsweise der Rechtsphilosophie Hier der Wortlaut des genannten Paragraphen: Die concrete Natur des Geistes bringt für die Betrachtung die eigenthümliche Schwierigkeit mit sich, daß die besondern Stufen und Bestimmungen der Entwicklung seines Begriffs nicht zugleich als besondere Existenzen zurück- und seinen tiefern Gestaltungen gegenüber bleiben, wie diß in der äußern Natur der Fall ist, wo die Materie und Bewegung ihre freie Existenz als Sonnensystem hat, die Bestimmungen der Sinne auch rückwärts als Eigenschaften der Körper und noch freier als Elemente existiren usf. Die Bestimmungen und Stufen des Geistes dagegen sind wesentlich nur als Momente, Zustände, Bestimmungen an den höhern Entwicklungsstufen. (ENZ § 380) Dem Verständnis der »concrete(n) Natur des Geistes« kann man sich durch den Rückbezug auf eine bestimmte, von mir bereits abgehandelte Stelle der Argumentation des Abstrakten Rechts nähern: Der Objektive Geist muss sich – das haben wir gesehen – qua unmittelbarer Wille eine »äußere Sphäre« (R § 41) der Freiheit geben. Hegel hat diese Sphäre über die »Negation« (HENZ § 403) des Geistes als das »Trennbare« (R § 41) bestimmt. Dieser Schritt impliziert, dass der Geist dagegen als eine ganzheitliche Entität aufzufassen ist, die nicht aus isolierbaren Einzelteilen zusammengesetzt ist. Das Konkrete meint bei Hegel – anders als in der alltagssprachlichen Bedeutung – nichts unmittelbar Vorliegendes und von Zusammenhängen Unabhängiges, sondern stets eine komplexe Ganzheit.115 Hegel macht dabei einen methodologischen Punkt, indem er auf einen allgemeinen Unterschied zwischen der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Natur auf der einen und Geistigem auf der andren Seite verweist. Mit Bezug auf die Natur kann die Wissenschaftlerin ihren Gegenstand auf eine Weise isolieren, die bei der Beschäftigung mit geistig-sozialen Phänomenen häufig nicht zielführend ist. Sie kann beispielsweise ein bestimmtes, einzelnes Gestein in ihr Labor tragen und unter Zuhilfenahme eines Mikroskops Seine Auffassung des »Konkreten« kommt daher dem lateinischen concrescere (zusammenwachsen, verdichten) nahe. 115 

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mineralogische Untersuchungen zur Zusammensetzung des Gegenstands anstellen. Die Sozialphilosophin dagegen kann – angenommen, ihr Gegenstand sei das Phänomen »Freundschaft« – nicht auf selbe Weise verfahren. Sie kann, so muss man Hegel verstehen, keine zwei einzelnen Individuen aus ihrer komplexen Sozialität extrahieren und in einem Labor Untersuchungsbedingungen schaffen, die das Phänomen »Freundschaft« in Isolation beobachtbar machen. Außerhalb des Geflechts sozialer Institutionen sind die Subjekte nicht mehr die Entitäten, die es zu untersuchen gilt – geistige Sozialität besteht nicht aus Elementen und deren intrinsischen Eigenschaften.116 Für Hegel sind Freundschaftverhältnisse – wie Rechts-, Familien-, Wirtschaftsverhältnisse etc. – nur als »Momente, Zustände, Bestimmungen« einer Ganzheit sozialer Institutionen adäquat zu begreifen. Was heißt das für das Eigentumsrecht? Zunächst einmal dies, dass Hegels Argumentationsstrang, der sich bloß auf die einzelne, »sich nur zu sich verhaltende Person« (R § 40) konzentriert, keine ahistorische, hypothetische Welt annimmt, die von einem einzigen Subjekt besiedelt ist. Hegel konzipiert weder einen Naturzustand noch eine Robinsonade.117 Als Philosophie des Geistes steht die Rechtsphilosophie vor der Aufgabe, ihren konkreten Gegenstand – die soziale, komplexe Welt des freien Willens – methodisch kontrolliert und nachvollziehbar, d. h. Schritt für Schritt darzustellen; und sie muss dabei berücksichtigen, dass die »Theile desselben nicht Theile, sondern Glieder, organische Momente sind und deren Isoliren und Für-sich-Bestehen die Krankheit ist« (R § 278 A).118 Hegels Konzentration auf die eine, sich nur zu sich verhaltende Person muss daher als methodisch begründeter Ausschnitt eines Gesamtbilds begriffen werden. Zu klären sind demnach zunächst die Adäquatheitsbedingungen für dieses Herausschneiden, das ja sowohl ein Fokussieren als auch ein Ausblenden, Abstrahieren von etwas ist. Wie glaubt 116  Unter

Elementen verstehe ich Einzeldinge, die als von einander isolierbare Teile eines Ganzen betrachtet werden können, ohne dass mit einer solchen Betrachtungsweise der Bedeutungsgehalt der Teile selbst tangiert wird. 117 Dagegen Theunissen: »Das Buch konzipiert Eigentum aber nicht bloß individualistisch, sondern solipsistisch. Nach dem Vorbild herkömmlicher Robinsonaden stellt es den Eigentümer als jemanden dar, der in seiner Welt allein lebt.« (1982, S. 351 ff.) Theunissen erkennt zwar, dass Hegels Abstraktes Recht als »Abstraktion von der Realität« (ebd.) verstanden werden muss; allein er vermag den spezifischen Sinn der Abstraktion nicht zu greifen. Auch Ilting (1975, S. 53) und Bobbio (1975, S. 98 ff.) sehen in Hegels Abstraktem Recht die Darstellung eines Naturzustands; außerdem Ilting: »Hegel dagegen tut so, als könne ein isoliertes Individuum für sich Eigentümer sein.« (1982, S. 233). 118  Betrachtet man den Staat dagegen als Zusammenkunft voneinander wesentlich unabhängiger Individuen, dann ist »das Ganze daher mehr ein Aggregat als ein Organismus« (R § 278 A).

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Hegel dafür Sorge tragen zu können, dass seine Darstellung der Idee des Rechts keine willkürliche ist? Primär natürlich dadurch, dass er – ähnlich wie Rousseau – mit dem Willensbegriff den alles organisierenden Begriff des konkreten Gegenstands »Recht« gefunden zu haben überzeugt ist. Alles organisierend insofern, als Hegel tatsächlich glaubt, er könne die Philosophie des Rechts, d. i. »die Ableitung ihres ganzen Inhalts«, aus »dem einfachen Begriffe« (R § 279 A) entwickeln. Aber wie? Man muss sich einmal vor Augen führen, was Hegel hier der philosophischen Auseinandersetzung mit dem Thema »Recht« abverlangt: Familie, Absicht, Eigentum, Korporationen, Handlung, Markt, Strafe, Stände, Legislative, Exekutive, Monarch, Verbrechen, Vertrag, Vorsatz – all diese und andere Phänomene müssen als »Momente, Zustände, Bestimmungen« der ganzheitlichen Wirklichkeit des einen Willensbegriffs aufgefasst werden. Für einen solchen auf holistische Zusammenhänge bezogenen Theorieanspruch gibt es in Hegels Denken inhaltliche Gründe. Dass er sich genötigt sieht, verschiedenartige soziale Phänomene als Existenzweisen eines Prinzips aufzufassen, ist auf seine Überzeugung zurückzuführen, dass es – in ontologischer Hinsicht – nur die eine Substanz, die Idee gibt. Diesen Monismus fasst Hegel überdies rationalistisch, essentialistisch und teleologisch: Die Substanz ist sinnvoll und erkennbar, ihr Wesen ist die Freiheit und ihr Zweck ist ihre Selbstverwirklichung. Das ist alles skizzenhaft bereits in Kapitel 1 zur Sprache gekommen; und es nützt an dieser Stelle nichts, diese allgemeinen inhaltlichen und methodologischen Positionen des Hegelschen Systems einer intensiveren Analyse zu unterziehen – Hegels spezifische Verfahrensweise bei der Entwicklung des Eigentumsrechts würde sich dadurch nicht erhellen. Hegels Paragraph über die »concrete Natur des Geistes« unterscheidet allerdings nicht bloß die Beschaffenheit von Geist und Natur mit Blick auf die allgemeine Weise, in der sie Gegenstand der »Betrachtung« werden können, sondern es ist darin auch die Rede von »niedrigeren« und »höheren« Bestimmungen zu finden. Jene niedrigeren Bestimmungen des Geistes sind nach Hegel nicht als »besondere Existenzen« auffindbar, sondern nur als »Momente, Zustände« der höheren Bestimmungen aufzufassen. Bevor ich ausführlicher diskutiere, was genau für Hegel hier »Momente, Zustände« sind, ist zu klären, was unter niedrigen und hohen Bestimmungen zu verstehen ist. Klar ist, dass es um niedrigere und höhere »Bestimmungen der Entwicklung seines Begriffs« – für die Rechtsphilosophie heißt das: des Willensbegriffs – geht. Die »Entwicklung« des Willensbegriffs ist es demnach, die niedrigere und höhere Bestimmungen aufweist. Was heißt das aber? Inwiefern ist eine Bestimmung A niedriger als eine Bestimmung B?

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Interpretation des Hegelschen Eigentumsrechts

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass es nichts Unübliches ist, mit Bezug auf »Entwicklungen« von niedrigen und hohen Stufen zu sprechen. Betrachtet man beispielsweise die Entwicklung der Fortbewegungsmittel, dann stellt das Pferd sicher eine niedrigere Stufe als das Auto dar. Selbstverständlich ist aber bereits eine solche Aussage evaluativ selektiv: Wenn unter »Fortbewegungsmittel« Instrumente verstanden würden, die Menschen bei größtmöglichem Verzicht auf Umweltverschmutzung von einem Ort zum anderen bringen, dann kann wieder das Pferd als höhere Stufe erscheinen. Ob etwas eine niedrige oder hohe Stufe darstellt, hängt nach diesem Bild davon ab, inwieweit die einzelne Entität als mehr oder weniger gelungene Exemplifizierung des vorausgesetzten Begriffs zu verstehen ist. Grundsätzlich teilt Hegel diese Denkweise. Und er hebt eigens hervor, dass eine so verstandene Einordnung – die besser als evaluative Klassifizierung denn als Entwicklung zu bezeichnen wäre – keine zeitliche Stufenleiter zur Darstellung bringt: Das Auto – um bei dem Beispiel zu bleiben – ist offenkundig nicht deswegen niedriger einzustufen, weil es historisch bereits vor dem Pferd existent wäre. Die Einstufung ist ausschließlich eine geltungstheoretische: Das in der Zeit erscheinende Hervortreten […] von Rechtsbestimmungen […] steht außer dem Verhältniß mit der philosophischen Betrachtung, insofern nehmlich die Entwicklung aus historischen Gründen sich nicht selbst verwechselt mit der Entwicklung aus dem Begriffe und die geschichtliche Erklärung und Rechtfertigung nicht zur Bedeutung einer an und für sich gültigen Rechtfertigung ausgedehnt wird. (R § 3 A) Damit zeigt sich freilich, dass Hegel den Begriff »Entwicklung« in beiden Fällen – d. i. sowohl bei der »Entwicklung aus historischen Gründen« als auch bei der »Entwicklung aus dem Begriffe« – nicht zur Bezeichnung der Veränderung einer Entität in einem zeitlichen Prozess nutzt.119 Die angesprochene »Entwicklung der Fortbewegungsmittel« trifft daher – wenn man sie als historische Entwicklung versteht – Hegels Verwendungsweise gar nicht. Versteht man sie aber lediglich als evaluative Liste, dann ist nicht nachvollziehbar, warum sie überhaupt als Entwicklung bezeichnet werden soll. Hegel versteht unter »Entwicklung« in diesem Kontext das Hervorbringen einer Entität, z. B. einer Theorie – etwa so wie der Mathematiker eine Formel entwickelt. Es müssen daher zwei verschiedene Bedeutungen von Entwicklung grob auseinandergehalten werden: In der geläufigsten Verwendungsweise bezieht sich »Entwicklung« auf den Prozess der Veränderung einer 119  Dieser

Punkt ist bei Ilting (1982), Ryan (1984b), Waldron (1988), Patten (1999) missverstanden worden. Ich komme darauf noch einmal in Kapitel 3.1 zu sprechen.

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raum-zeitlichen Entität, wobei die Aufeinanderfolge und Charakteristik der einzelnen Abschnitte wesentlich auch zeitlich ist (z. B. bei der Rede von der Entwicklung des Regenwalds, der Entwicklung eines Fötus, einer Krankheit etc.). Davon unterschieden ist die Rede von Prozessen der zweckgerichteten Hervorbringung von Entitäten, bei denen die Aufeinanderfolge und Charakteristik der einzelnen Abschnitte sich durch eine rein geltungstheoretische Ordnung ergibt. Denkt man etwa an die Rede von der Entwicklung einer Theorie oder eines Arguments, dann stehen beispielsweise die Prämissen in einem logischen Zusammenhang mit der Konklusion; mit Bezug auf ihren Inhalt stehen die einzelnen Teile des Arguments in keiner zeitlichen Relation. In diesen Fällen ist die Ebene der raum-zeitlichen Hervorbringung von der Ebene des internen Zusammenhangs der Teile zu unterscheiden. Selbstverständlich muss jedes Argument zur Darstellung gebracht, aufgesagt, aufgeschrieben werden etc. Dieser raum-zeitliche Prozess wird hier nicht als Entwicklung bezeichnet. Wenn man etwa davon spricht, dass ein Autor in seinem Werk ein Argument entwickelt, dann bezieht man sich nicht auf ein sich im Prozess des Schreibens befindendes Subjekt, sondern auf einen semantischen Zusammenhang der Teile eines theoretischen Konstrukts. Wichtig ist überdies, dass Hegel von dem Hervorbringen einer Entität aus X (historischen Gründen, dem Begriff, Intuitionen etc.) spricht. Er gibt somit auch die jeweilige Ressource an, aus der entwickelt wird. Damit ist jetzt klar, dass Hegel, wo er mit Bezug auf die Rechtsphilosophie von der »Ableitung ihres ganzen Inhalts aus dem einfachen Begriffe« (R § 279 A) spricht, mit »Ableitung« nichts anderes als »Entwicklung« meint. Es finden sich freilich Passagen, in denen Hegel auf den ersten Blick jenes zeitlich-prozessuale Verständnis mit dem geltungstheoretischen zu identifizieren scheint. Gleich zu Anfang der Grundlinien spricht er – das habe ich in Kapitel 1 bereits erwähnt – davon, dass es darauf ankommt, »die Vernunft eines Gegenstandes […] aus dem Begriffe zu entwickeln oder, was dasselbe ist, der eigenen immanenten Entwicklung der Sache selbst zuzusehen.« (R § 2) Hier müssen beide Erwähnungen des Entwicklungsbegriffs nur als jene geltungstheoretische Bedeutung abrufend verstanden werden, sonst wäre – unberechtigterweise – Hegel eine Äquivokation zu attestieren. Der Hinweis darauf, dass man der »Entwicklung der Sache selbst zuzusehen« habe, fordert nicht die Beobachtung der Genese der Wirklichkeit des Rechts, sondern zeigt Hegels Insistenz auf den objektiven Charakter des Hervorbringens: Bei einer »wissenschaftlichen Entwicklung« (R § 32 A) gibt es keinen wesentlichen subjektiven Gestaltungsraum. Die Darstellung der Rechtsphilosophie aus ihrem Begriff betrachtet Hegel als eine Offenlegung, Explikation dessen, was der zentrale

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Begriff des Rechts, der Willensbegriff, bereits implizit enthält – er wird lediglich ent-wickelt.120 Allerdings muss die Explikation des Willensbegriffs hier gegenstandssensitiv aufgefasst werden: Wenn der Begriff des Willens der Begriff eines Gegenstands ist, der eine »concrete Natur« (ENZ § 380) hat, dann sind die wesentlichen Abschnitte des Explizierens für Hegel nur dann adäquat, wenn sie nicht – wie das etwa bei Prämissen und Konklusion der Fall ist – die Verknüpfung von Einzelteilen zur Darstellung bringen, sondern stets in jedem Abschnitt den ganzen Gegenstand.121 Darum behandelt Hegel die wissenschaftliche Darstellung des Willensbegriffs so, als erfasse sie einen organischen Körper, der auf jeder »Entwicklungsstufe« (ebd.) stets der ganze Körper ist – so wie auch die Phasen der Embryogenese nicht einzelne Funktionen, sondern stets den ganzen Embryo erfassen.122 Und das erschwert natürlich das Verständnis des Entwicklungsbegriffs: Hegel versteht »Entwicklung« als wissenschaftliches Hervorbringen von Propositionen, betreibt dieses Hervorbringen aber so, als ginge es um verschiedene Etappen der Entstehung eines organischen Körpers, der am Schluss der Darstellung nur ans Licht bringt, was zu Beginn der Darstellung bereits in nuce enthalten ist.123 Für die einzelnen Explikations-Abschnitte bedeutet dies, dass sie als aufeinander aufbauende, einander integrierende Entstehungsschritte des darzustellenden Gegenstands aufzufassen sind – und darum von Hegel in bildlicher Ausdrucksweise als »niedrige« bzw. »hohe« Bestimmungen bezeichnet werden.124 Der Sache nach sind sie als zunehmend inhaltsreichere, intern differenziertere Abschnitte der im Stile der Entwicklung eines organischen Körpers vorgetragenen Explikation des zentralen Begriffs zu verstehen. Vor dem Hintergrund eines solchen Entwicklungsbegriffs muss Hegel auch Folgendes behaupten: Die Bestimmungen in der Entwicklung des Begriffs sind einerseits selbst Begriffe, andererseits, weil der Begriff wesentlich als Idee ist, sind sie in der Form des Daseyns, und die Reihe der sich ergebenden Begriffe ist da120 

Vgl. zu der hier vorgeschlagenen Deutung des Entwicklungsbegriffs außerdem die folgenden Passagen aus der Logik: WDL IB, 8–10, 18–20. 121  Dieser Aspekt der Hegelschen Methode ist letztlich auf seine Überzeugung zurückzuführen, dass die Wirklichkeit durch den Begriff bestimmt, d. i. propositional strukturiert ist (vgl. Kapitel 1). 122  Vgl. hierzu R § 278 A; außerdem Wolff (1984). 123  Vgl. hierzu ENZ § 88, wo Hegel sich davon überzeugt zeigt, dass »überhaupt der ganze Fortgang des Philosophirens als methodischer, d. h. als nothwendiger nichts anderes ist als blos das Setzen desjenigen, was in einem Begriffe schon enthalten ist […].« 124  Weitere Paare, die Hegel häufig nutzt, sind oberflächlich, abstrakt, unmittelbar vs. tief, konkret, vermittelt.

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mit zugleich eine Reihe von Gestaltungen; so sind sie in der Wissenschaft zu betrachten. (R § 32) Wenn der Begriff sich wie ein organischer Körper verändert, dann sind die einzelnen Entstehungsabschnitte nichts anderes als der ganze Begriff (samt seiner Momente der Allgemeinheit und Besonderheit) in seinen verschiedenen Formen bzw. »Bestimmungen«. Darauf komme ich bei der Analyse des 34. Paragraphen sofort zu sprechen. Wichtig ist hier aber noch, dass Hegel über die »Form des Daseyns« der Bestimmungen spricht – so wie er bereits in jenem 380. Paragraphen der Enzyklopädie von »besonderen Existenzen« oder von »Zuständen« gesprochen hat. Die Rede von »Zuständen« und »Gestaltungen« erinnert daran, dass die Entwicklung der Rechtsphilosophie – obwohl ihre einzelnen Abschnitte keine raum-zeitliche Aufeinanderfolge darstellen – nicht von der empirischen Wirklichkeit losgelöste theoretische Modelle (wie etwa einen Naturzustand) zum Gegenstand hat, sondern im Zuge der Bestimmungen ihres Begriffs durchaus auch empirisch wahrnehmbare Verhältnisse benennt – wie z. B. die vertraglich organisierten Tauschpraxen der Akteure im Rahmen der Bürgerlichen Gesellschaft. Damit sind zwei weitere grundlegende Eigentümlichkeiten der Hegelschen Verfahrensweise festzuhalten: Zum einen zeigt sich auch an dieser Stelle der bereits erwähnte Umstand (vgl. Kap. 2.2), dass Hegel seine Explikation der einzelnen Bedeutungsmomente des Willensbegriffs stets mit sozialen »Gestaltungen« verknüpft, die er als notwendige Erscheinungsweise (»Weise des Daseyns« [R § 32 A]) der Begriffsbestimmungen versteht. Einem bestimmten Abschnitt in der Entwicklung des Willensbegriffs entspricht beispielsweise die Gestaltung des Vertrags oder der Familie. Zum anderen – und das ist der eigentliche Punkt, um den es Hegel in jenem 380. Paragraphen der Enzyklopädie geht – erfassen die Gestaltungen, die den inhaltsärmeren Begriffsbestimmungen entsprechen, soziale Institutionen nur qua gedankliche Ausschnitte einer komplexeren Wirklichkeit, die sich erst bei weiterer Begriffsentwicklung in der Darstellung ergibt, aber forschungstechnisch bereits gegeben ist: Nur die unmittelbar vor Hegel liegende, gegenwärtige Gesamtheit der berechtigten Ansprüche und Verpflichtungen ist stets der eigentliche Gegenstand seiner Rechtsphilosophie. Dies mag als Vergegenwärtigung von Grundzügen der Hegelschen Vorgehensweise genügen. Ich kann hier nicht diskutieren, ob Hegel gut daran tut, auf diese Weise zu verfahren.125 Zunächst geht es lediglich darum, ein 125 

Vgl. hierzu aber Fulda (1982), der Hegels Verfahrensweise – skizzenhaft – mit der von Hume, Hobbes, Kant und Rawls vergleicht.

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adäquates Verständnis seines Eigentumsrechts zu gewinnen. Was Letzteres betrifft, so sind mit den bislang gesammelten Hinweisen zur Methode der Grundlinien die entscheidenden Fragen längst noch nicht geklärt: Warum kann der Wille im Rahmen des Abstrakten Rechts nur als »Wille eines Einzelnen objectiv« (R § 46) werden? Und welche Rolle spielt – auch diese Frage ist offengeblieben – die Übereinkunft mit anderen Subjekten? Es wird sich zeigen, dass die in diesem Exkurs skizzierten Hinweise zur Hegelschen Methode für die Klärung dieser Fragen unverzichtbar sind.

2.4.2  Der beziehungslose Wille Ich setze Sigel in Hegels Text, um meine Bezugnahme auf die einzelnen Teile des 34. Paragraphen deutlich zu machen. Das ist sein Wortlaut: Der an und für sich freie Wille [1], wie er in seinem abstrakten [2] Begriffe ist, ist in der Bestimmtheit der Unmittelbarkeit [3]. Nach [4] dieser ist er seine gegen die Realität negative, nur sich abstrakt auf sich beziehende Wirklichkeit [5] – in sich einzelner [6] Wille eines Subjekts [7]. Nach dem Momente der Besonderheit des Willens hat er einen weiteren [8] Inhalt bestimmter Zwecke [9] und als ausschließende Einzelheit [10] diesen Inhalt zugleich als eine äußere, unmittelbar vorgefundene Welt vor sich [11]. Bedenkt man die im vorangegangenen Exkurs zusammengefassten Eigentümlichkeiten der Hegelschen Darstellungsweise, dann erscheint dieser erste Paragraph der Einleitung in das Abstrakte Recht als konsequenter und klarer Beginn der »Entwicklung« – d. i. Explikation im Stile der Narration der Entstehung eines Organismus – des zentralen Begriffs der Rechtsphilosophie. Sofort lässt uns der Autor wissen, was entwickelt wird und auf welcher Stufe der Entwicklung wir uns befinden [1–3]; anschließend legt er offen, welche Konsequenzen mit dem Umstand verbunden sind, dass der zu verhandelnde Gegenstand hier in einer bestimmten Verfassung (»Unmittelbarkeit«) zu betrachten ist [4–11]. Weil Hegel die »Entwicklung« des Willensbegriffs als Darstellung der Entwicklung eines organischen Körpers betreibt, muss er zunächst zwei Punkte berücksichtigen: Er muss erstens den gesamten Begriff als sich in einer bestimmten Verfassung befindend wiedergeben. Das heißt: Er muss Auskunft darüber geben, wie die Momente des Willensbegriffs (Allgemeinheit und Besonderung) bzw. wie ihre Einheit (Einzelheit) auf dieser Stufe zu denken ist. Hegel betreibt hier folglich den Beginn der rechtsphilosophisch-inhaltlichen Ausdifferenzierung des Begriffs des an und für sich freien Willens.

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Da dieser Beginn die erste oder, wenn man so will, niedrigste Stufe der Entwicklung darstellt, ist zweitens klar, dass dasjenige, was hier noch als ganzer Begriff samt seiner bestimmten Daseinsweise präsentiert wird, eigentlich, d. i. in der tatsächlichen Wirklichkeit, wie sie vor Hegel liegt, nur als Moment, Zustand, Bestimmung an den höheren Entwicklungsstufen (vgl. ENZ § 380) zu betrachten ist. In diesem Zusammenhang liegt es nahe, Hegels diesbezügliche Verfahrensweise in bestimmter Hinsicht als Sammlung von kontrafaktischen Konditionalaussagen zu klassifizieren.126 Kontrafaktisch insofern, als es eine Wirklichkeit, wie sie der Begriff in der »Bestimmtheit der Unmittelbarkeit« darzustellen vorgibt, d. i. eine Welt des einzelnen, »nur sich abstract auf sich« beziehenden Subjekts, die als ganze Wirklichkeit des Rechts – denn das gilt von jeder Stufe der Entwicklung des Begriffs – aufgeführt wird, nicht gibt – und nie gegeben hat. Im Gesamtbild der Wirklichkeit des Geistes, das sich erst am Schluss der »wissenschaftlichen Entwicklung« (R § 32 A) ergibt, ist das einzelne, sich nur auf sich beziehende Subjekt darum zwar nicht völlig verschwunden, sondern eingebettet in selbst noch zu explizierende soziale Zusammenhänge; aber es verliert dort das Prädikat, die gesamte Wirklichkeit des Rechts darzustellen.127 Denkt man aber – und das ist das Konditionale an der Eröffnung der Rechtsphilosophie – den Willensbegriff in einem solchen ersten Stadium, das Hegel hier »Bestimmtheit der Unmittelbarkeit« nennt, dann muss der Philosoph in der Gesamtheit unserer sozialen Praxen nach genau denjenigen Aspekten suchen, die dem Begriff des Willens, sofern er als Begriff in der Unmittelbarkeit gilt, entsprechen. Auf dieser Folie muss Hegels Präposition (vgl. [4]) zu Beginn des zweiten Satzes gelesen werden. Der übrige Teil des Paragraphen übernimmt das, was zu erwarten war: Schlagwortartig benennt Hegel die spezifische Gestalt der Momente des unmittelbaren Begriffs und deren Einheit. Vor dem Hintergrund der in 2.4.1 angesprochenen methodologischen Vorgaben ist auch die Struktur des weiteren Verlaufs dieser Einleitung (R §§ 35–40) in das Abstrakte Recht absehbar. Hegel muss die Verfasstheit der Begriffsmomente und deren Relation, die er hier im 34. Paragraphen nur benennt, explizieren. Im Zuge dieser Explikation der Begriffsmomente wird Hegel, wenigstens vorbereitend, auch darauf hinweisen müssen, welche sozialen Praxen (oder Ausschnitte aus denselben) durch die anstehende Begriffsentwicklung des Abstrakten Rechts als philoso126 

Vgl. hierzu Fulda (1982). Nichtsdestoweniger gilt für Hegels Verfahren, dass die Struktur des gesamten Begriffs stets in jedem einzelnen Subjekt des organischen Staatsganzen im entelechischen Sinn, wenn man so will, pulsiert. Vgl. zu einer ähnlichen Einschätzung Siep (1992, S. 65–80 und S. 78–80). 127 

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phisch rekonstruiert zu gelten haben. Und noch eine weitere Ankündigung hat Hegel einzuholen: »Die Bestimmungen in der Entwicklung des Begriffs sind […] selbst Begriffe […].« (R § 32) Wie heißt – darauf ist im Rahmen der Einleitung in das Abstrakte Recht eine Antwort zu erwarten – derjenige Begriff, der die Rolle des Begriffs in der »Bestimmtheit der Unmittelbarkeit« spielt? Die Spezifik der Begriffsmomente und ihrer Einheit Ich widme mich zunächst der besonderen Gestalt der Begriffsmomente. Was an ihnen spezifisch ist, lässt sich nur durch die Gegenüberstellung mit ihrer Reinform, die Hegel im Rahmen der Paragraphen 5–7 dargestellt hatte, kenntlich machen. Klar ist, dass Hegel, wenn er hier im 34. Paragraphen von einem negativen, abstrakten Selbstbezug (vgl. [5]) spricht, das Moment der Allgemeinheit des Willens benennt. Auf den ersten Blick ist kein wesentlicher Unterschied zwischen den hiesigen Formulierungen und denen des 5. Paragraphen zu erkennen. Bemerkenswert ist allerdings der folgende Punkt: Während im 5. Paragraphen von der Allgemeinheit lediglich als von einem »reinen Denken« die Rede ist, bezeichnet der Begriff des Willens in der Unmittelbarkeit hier eine »sich abstract auf sich beziehende Wirklichkeit« (meine Hervorhebung, A.M.).128 Damit ist bereits das ursprüngliche Moment der Allgemeinheit, sofern es nur das »Element der […] absoluten Abstraction« bezeichnet, überschritten. Da der 34. Paragraph von einer »sich abstract auf sich beziehende(n) Wirklichkeit« spricht, sind in dieser Darstellung des Willensbegriffs bereits eine inhaltliche Zwecksetzung und deren Durchführung impliziert. Der bloß denkende Wille ist – wie Hegel in der Einleitung (R §§ 1–33) aufzuzeigen sucht – noch kein wirklicher Wille.129 Das heißt aber nichts anderes, als dass in dieser Fassung der Allgemeinheit des in der »Bestimmtheit der Unmittelbarkeit« zu denkenden Willensbegriffs der Bezug auf das Moment der Besonderung und auf die Form der Einzelheit schon enthalten ist. Nun spricht Hegel freilich auch in der Anmerkung zum 6. Paragraphen bereits davon, dass die Momente der Allgemeinheit und Besonderung einander enthalten: 128 

Nach Quante (2011, S. 170) greift Hegels diesbezügliche Rede von der »Wirklichkeit« des Willens die aristotelische energeia auf und ist als »Akt, im erstpersönlichen Modus auf sich zu referieren« zu verstehen. 129  »[D]adurch daß der Wille sich […] die Form der Einzelnheit giebt, (§. 7.) ist er beschließend und nur als beschließender Wille überhaupt ist er wirklicher Wille.« (R § 12)

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Wie das Besondere überhaupt im Allgemeinen, so ist deswegen dies zweite Moment im ersten schon enthalten und nur ein Setzen dessen, was das erste schon an sich ist […]. An dieser Stelle sucht Hegel allerdings nur aufzuzeigen, dass die Momente implizit aufeinander verweisen, da sie letztlich eine gemeinsame ontologische Grundlage, den Begriff, haben.130 Im hier zur Diskussion stehenden Paragraph 34 befinden sich die Momente dagegen in einer asymmetrischen Relation: Die Besonderung ist formbestimmt durch die Allgemeinheit – und nicht vice versa. Ich stelle die Frage, warum Hegel das Moment der Besonderung und die Form der Einzelheit auf der Grundlage des Moments der Allgemeinheit gestaltet, für einen Augenblick zurück. Zunächst ist nur augenfällig, dass dies geschieht.131 Bevor ich auf die »Besonderheit des Willens« eingehe, ist kurz zu klären, was ein »in sich einzelner Wille eines Subjects« ist (vgl. [6]). Offensichtlich ist, dass Hegel die Bedeutung dieses Ausdrucks durch den dem Gedankenstrich vorhergehenden Teil des Satzes für expliziert hält.132 Was ein einzelner Wille ist, scheint freilich auch ohne Hegel klar: Bei einer Abstimmung zum Beispiel können sich verschiedene, einzelne Willen äußern und im Ergebnis einen allgemeinen Willen zum Ausdruck bringen, der sich möglicherweise von einem gemeinsamen Willen unterscheidet, der bei den Spielerinnen eines HockeyTeams beobachtbar sein kann. Die Schwierigkeit für das Verständnis liegt in der Kombination mit der Wortverbindung »in sich«. Der Unterschied zwischen einem einzelnen und einem »in sich« einzelnen Willen besteht zwischen den verschiedenen Ebenen, auf denen jeweils Relationen von einem Willen ausgesagt werden können. Auf der externen Ebene kann ein Wille als zu anderen Willen in keiner Beziehung stehend betrachtet und insofern als einzelner Wille bezeichnet werden. Aber auch auf der internen, das Selbstverständnis des wollenden Subjekts betreffenden Ebene kann – ohne Hegel einen idiosynkratischen Sprachstil zu attestieren – der Wille als »einzeln« bezeichnet werden, wenn unter dem Prädikat »einzeln« Beziehungslosigkeit verstanden wird. Werden beispielsweise ein Haus oder eine Kastanie einzeln betrachtet, dann werden sie losgelöst von oder beziehungslos zu anderen Häusern oder Kastanien zum Gegenstand gemacht. Genau diesen Gehalt des Adjektivs bemüht Hegel hier, um die interne Ebene des Willens eines 130 

Diese gegenseitige Implikation der Momente des Willensbegriffs hat Baum (1978) einer kritischen Diskussion unterzogen. 131  Vgl. hierzu Kap. 2.5. 132 Vgl. zu Hegels Verwendungsweise von Gedankenstrichen in den Grundlinien Kapitel 2.2.

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Subjekts zu qualifizieren. Wenn ein Subjekt sich dadurch auszeichnet, dass es sich über seinen Willen auf sich selbst bezieht, indem es sich von allen seinen konkreten Eigenschaften und der übrigen Realität losgelöst denkt, dann ist dieser Selbstbezug durch Beziehungslosigkeit hergestellt. Das Subjekt bezieht sich über seinen Willen auf sich als von jeder Relation gelöst, d. i. als auf etwas Einzelnes. Im Unterschied dazu könnte man den Willen eines Subjekts, das sich bspw. auf sich als auf ein Mitglied eines Tennisclubs bezieht, als einen in sich vermittelten Selbstbezug herstellend bezeichnen.133 Den in sich einzelnen Willen bezeichnet Hegel in der Randnotiz zum 34. Paragraphen darum als »noch nicht bewegt – bezogen auf Anderes – so unmittelbar.« Der Umstand, dass Hegel das Moment der Besonderheit auf der Grundlage des Allgemeinheits-Moments gestaltet, ist auch daran zu erkennen, dass er die grundlegende inhaltliche Bestimmung des unmittelbaren Willensbegriffs über den abstrakten Selbstbezug formuliert. Darum ist die Aufnahme der Besonderheit auch als Bestimmung aufgeführt, die hinzukommt, »einen weiteren Inhalt« (vgl. [8]) ausmacht. Auch hier bemühe ich den Abgleich mit der Darstellung der Besonderung in Paragraph 6: Dort ging es Hegel nur um »die Richtung des Willens auf Etwas« (R § 6 RN 321); und es macht auf der begrifflichen Ebene keinen Unterschied, durch welchen Inhalt diese Richtung bestimmt ist. Hier, im 34. Paragraphen, könnte man freilich erwarten, dass mit der Unbestimmtheit der Zwecksetzungen aufgeräumt wird. Für eine Rechtsphilosophie kann nicht jeder Willensinhalt im selben Maße relevant sein; es geht auch Hegel schließlich um die Darstellung eines »Reich(s) der verwirklichten Freyheit« (R § 4) – und nicht etwa um ein Reich der verwirklichten Knechtschaft. Naheliegend, so könnte man meinen, wäre daher, dass Hegel nun angibt, welche konkrete inhaltliche Bestimmung die Besonderheit erreicht hat. Stattdessen bleibt er hier unspezifisch und spricht nur von bestimmten Zwecken (vgl. [9]). Obgleich die Rede von »bestimmten« Zwecken sich etwa von der Rede über beliebige Zwecke unterscheidet, lässt sich auf der Grundlage des 34. Paragraphen der spezifische Charakter des Moments der Besonderheit noch nicht festmachen. Wenn das Besonderheits-Moment tatsächlich über die abstrakte Allgemeinheit bestimmt ist, dann muss Hegel zur Begründung seines Bezugs auf jene »bestimmte(n) Zwecke« den abstrakten Selbstbezug heranziehen. Der 37. Paragraph wird zeigen, dass und wie er das tut. spricht in diesen Fällen häufig von einem in sich reflektierten Willen (vgl. z. B. R §§ 33, 104, 111, 121; vgl. zu dieser Verwendungsweise von »Reflexion« ENZ § 112, Zusatz). Im Kapitel über die Moralität beispielsweise behandelt Hegel Subjekte, die sich über ihren Willen auf sich als im Konflikt zu oder Einklang mit sozialen Werten stehend betrachten. 133  Hegel

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Die Einzelheit hatte Hegel im 7. Paragraphen als Einheit der beiden Momente aufgeführt: Das Subjekt verfolgt einen Zweck, verliert dadurch die bestimmungslose Allgemeinheit und weiß diesen Zweck aber »als eine bloße Möglichkeit«, die es auch wieder fallen lassen kann. Die Spezifikation dieser Einheit der beiden Momente liegt hier, das ist unschwer zu erkennen, darin, dass der autonomen Zwecksetzung die Eigenschaft zugeschrieben ist, ›ausschließend‹ zu sein (vgl. [10]) und ihren Zweck außer sich ›vorzufinden‹ (vgl. [11]). Damit wird zwar dem Subjekt die Fähigkeit, den Zweck als »bloße Möglichkeit« zu betrachten, nicht abgesprochen. Nichtsdestoweniger geht diese Charakterisierung der Einzelheit über ihre Grundgestalt aus Paragraph 7 klarerweise hinaus – einfach deshalb, weil dort der Hinweis auf das Ausschließende der Einzelheit und das Vorfinden ihres Inhalts ausbleibt. Dabei muss das ›Vorfinden‹ der Zwecke nicht notwendigerweise als objekttheoretische Information gelesen werden. Dass die Inhalte als vorgefunden erscheinen, kann auch lediglich als Hinweis auf die Gegebenheitsweise der selbigen gelten – möglicherweise möchte Hegel verschiedene Perspektiven auf diese »bestimmte(n) Zwecke« anzeigen. Vorgefundene Zwecke – zum Beispiel das Verlangen nach einer Kastanie – sind überdies im Rahmen des Hegelschen Freiheitsverständnisses kein hinreichendes Kriterium für eine heteronome Handlung (vgl. Kapitel 1.2.2). Der Wille in der »Bestimmtheit der Unmittelbarkeit« bezieht sich auf sich selbst und wird darum von Hegel als frei bezeichnet – selbst wenn das Medium dieses abstrakten Selbstbezugs dem Subjekt als etwas Vorgefundenes gegeben ist. Rekonstruiert man diesen Zusammenhang in der Weise, die ich mit Bezug auf den 45. Paragraphen und dessen Unterscheidung von Besitz und Eigentum vorgeschlagen habe, dann ist ihm durchaus Sinn abzugewinnen (vgl. Kapitel 2.3). Auf diesen Punkt gehe ich im folgenden Abschnitt über ›Person und Persönlichkeit‹ näher ein. An dieser Stelle kann aber bereits mit Blick auf die Gesamtkonzeption der Bezug auf vorgefundene Zwecke kaum als des freien Willens letztes Wort gelten. Die rechtliche Wirklichkeit, die sich erst am Schluss der Darstellung in ihrer Vollständigkeit zeigt, bezeichnet Hegel in der Vorausschau des 4. Paragraphen als »die Welt des Geistes aus ihm selbst hervorgebracht«. Das ist als Vorzeichen dafür zu lesen, dass Hegel die Freiheit, die mit der Institution des Eigentums verbunden ist, für ergänzungsbedürftig und -fähig hält. Nachdem die Analyse der eigentlichen Eigentumsparagraphen (vgl. Kapitel 2–2.3) wesentliche Fragen134 unbeantwortet lassen musste, ist mit Bezug auf Formulierungen wie »ausschließende Einzelnheit« (vgl. [10]) besondere 134 

Zusammengedrängt ließe sich wie folgt fragen: Warum und inwiefern arbeitet das

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Sensibilität geboten. Wer oder was wird hier wovon wie ausgeschlossen? Eine ›unschuldige‹ Lesart könnte dieses Ausschließen wie folgt deuten: Subjekte, die sich abstrakt auf sich beziehen, unterscheiden sich mit Bezug auf dieses Prädikat nicht voneinander. Da ein wirklicher Wille nach Hegel aber nur ein – mit welchem propositionalen Gehalt auch immer – beschließender, etwas Bestimmtes wollender Wille ist, kann er sich nur in dieser Hinsicht von anderen Willen unterscheiden. Angenommen nun, dass die Rechtsphilosophie das Ziel verfolgt, nicht nur die Fähigkeit von Subjekten zum abstrakten Selbstbezug philosophisch zu rekonstruieren, sondern auch – als Teilbereich der sozialen Wirklichkeit – den Anspruch der Subjekte, dass andere Subjekte ihnen die Fähigkeit zu einem solchen Selbstverhältnis zuschreiben, d. i. sie als Subjekte anerkennen, die trotz der einzelnen Zwecksetzung sich doch von jeder Bestimmung lösen können (vgl. Kapitel 2.3). Eine solche Zuschreibungs- bzw. Anerkennungspraxis kann sich nicht direkt auf jenen reinen Selbstbezug als solchen richten.135 Die Distanzierungsfähigkeit oder – um mit Hegel zu sprechen – »das reine Denken seiner selbst« (R § 5) eines Subjekts A ist keine Entität, die aus der externen Perspektive eines Subjekts B unmittelbar zugänglich, wahrnehmbar sein kann. Subjekt B kann Subjekt A eine solche Distanzierungsfähigkeit nur dann zuschreiben, wenn B eine ihm (Subjekt B) zugängliche Entität (z. B. eine körperliche Bewegung) als Ausdruck der Distanzierungsfähigkeit von A bewertet. Dazu muss B diese Entität als Ausdruck der Distanzierungsfähigkeit von A allein bewerten – und nicht von Subjekt C oder D. Diese Individuationsbedingung sucht Hegel hier mit der »ausschließenden Einzelnheit« zu greifen.136 Für diese Deutung spricht, dass Hegel den Willensbegriff als Entität betrachtet, die die »Wirklichkeit« (vgl. [5]) des Rechts organisiert und sich sowohl durch den formalsprachlich zu erfassenden »Zusammenhang […] der Freiheits-Bestimmungen« als auch durch einen diesen Bestimmungen entsprechenden »erscheinende(n) Zusammenhang« (ENZ § 484) auszeichnet. Hegel wird diese Verknüpfung von reiner Begriffsentwicklung und

Abstrakte Recht nur mit dem Willen eines einzelnen Subjekts, das bereits Eigentum als Recht – zumal als notwendigerweise privateigentümliches – etabliert? 135  Vgl. hierzu Siep (1982, S. 263). 136  Nach der Mitschrift von J. R. Ringier hat sich Hegel in der Vorlesung von 1819/1820 wie folgt zur »ausschließenden Einzelnheit« geäußert: »Das dritte ist […] die schließende Einzelheit, die ausschließende Einzelheit. Die Person, weil sie in sich den Unterschied nicht hat, so fällt der Unterschied nach außen. Dies ist dann die Sphäre der Erscheinung.« (VR, S. 17)

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erscheinendem Zusammenhang fortentwickeln und im Zuge dessen auch das Eigentumsrecht verorten. Es ist schon erinnert worden, daß außerdem daß der Gegenstand nach seiner Begriffsbestimmung in dem philosophischen Gange anzugeben ist, noch weiter die empirische Erscheinung, welche derselben entspricht, nahmhaft zu machen und von ihr aufzuzeigen ist, daß sie jener in der That entspricht. (ENZ § 246 A) Ich werde im Folgenden prüfen, ob und inwiefern es Hegel gelingt, aufzuzeigen, dass das Eigentumsrecht – und insbesondere die Form des Privateigentums – einer spezifischen Begriffsbestimmung entspricht. Viel mehr lässt sich ohne Weiteres über diesen 34. Paragraphen nicht sagen. Was die Spezifikation der Momente und ihrer Einheit betrifft, so wird Hegel in den folgenden Paragraphen (R §§ 35–39) ausführlicher. Ich werde die Fortführung seiner Begriffsentwicklung nur insofern verfolgen, als sie für das Verständnis des Eigentumsrechts relevant ist. Da der 40. Paragraph lediglich eine Art kommentiertes Inhaltsverzeichnis des Abstrakten Rechts darstellt, konzentriere ich mich im Folgenden auf die übrigen fünf Paragraphen dieser Einleitung (R §§ 35–39) und stelle, wo nötig, Rückbezüge auf den 34. Paragraphen her. 2.4.3  Person und Persönlichkeit im Abstrakten Recht Dass das Moment der Allgemeinheit des Willens – durch den grundlegenden Paragraphen 5 als das »reine Denken seiner selbst« bezeichnet – hier im Rahmen des Abstrakten Rechts in modifizierter Gestalt erscheint, hat sich bereits an den Formulierungen des 34. Paragraphen gezeigt. Der nachfolgende Paragraph bestätigt diesen Umstand umso deutlicher, als Hegel für die Explikation der Allgemeinheit sofort auch auf die Einzelheit, d. i. die Einheit der Willensmomente, verweist. Der Paragraph lautet wie folgt: Die Allgemeinheit dieses für sich freyen Willens ist die formelle, die selbstbewußte sonst inhaltslose einfache Beziehung auf sich in seiner Einzelnheit, – das Subject ist in so fern Person. In der Persönlichkeit liegt, daß ich als Dieser vollkommen nach allen Seiten (in innerlicher Willkühr, Trieb und Begierde, sowie nach unmittelbarem äußerlichen Daseyn) bestimmte und endliche, doch schlechthin reine Beziehung auf mich bin und in der Endlichkeit mich so als das Unendliche, Allgemeine und Freye weiß. An dieser Stelle macht Hegel deutlich, dass das Moment der Allgemeinheit des Willens das einzelne Subjekt, von dem im vorherigen Paragraphen die

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Rede gewesen, in einer bestimmten Hinsicht thematisch werden lässt: »In so fern« ein Subjekt sich durch eine bestimmte Art des Selbstbezugs auszeichnet, muss es als »Person« gefasst werden. Zu klären ist demnach die Reihe der Adjektive, die Hegel vor dem Gedankenstrich zur terminologischen Bestimmung seines hiesigen Personbegriffs anführt. »Formell« ist der durch das Moment der Allgemeinheit bestimmte Selbstbezug, da im Rahmen dieser Selbstreferenz von jeder inhaltlichen Bestimmung abstrahiert wird – dazu braucht es keine besondere Interpretationsleistung; so viel war ohnehin bereits durch die »sich abstract auf sich beziehende Wirklichkeit« (R § 34) des letzten Paragraphen erreicht. Aus der Einleitung (R §§ 1–33) ist aber darüber hinaus noch eine spezifischere Verwendungsweise bekannt: Dort spricht Hegel genau dann von einem »formellen Willen« (R § 13 A), wenn der Wille über einen vorgefundenen und somit nicht selbst generierten Inhalt (z. B. ein Bedürfnis) der Form nach eine Relation zu sich herstellt (etwa: »Ich befriedige mein Bedürfnis.«). Die Selbstbeziehung ist an dieser Stelle daher nur als vom besonderen Inhalt losgelöst zu denkende gemeint. Im 37. Paragraphen macht Hegel dann explizit, dass er diesen vorgefundenen Inhalt als »von der Bestimmung der Freyheit […] noch verschieden« betrachtet und darum das Abstrakte Recht als das »formelle Recht« zu bezeichnen ist. Darauf komme ich noch einmal zu sprechen. Für die Debatte um das Hegelsche Eigentumsrecht ist das nächste Prädikat ungleich wichtiger: Die Selbstbeziehung der Person wird hier als »selbstbewußte« qualifiziert. Nur wenn diese Qualifikation adäquat gedeutet wird, kann die Interpretation der Hegelschen Argumentationslinie des Abstrakten Rechts überzeugen. Denn mit Bezug auf diese Qualifikation kann der in der Diskussion um das Eigentumsrecht wiederholt erhobene Vorwurf, Hegel ignoriere beim Anfang des Abstrakten Rechts jedes intersubjektive Verhältnis, zurückgewiesen werden.137 Dass der Hegelsche Text einen solchen individu137 

Landau (1975, S. 178) erhebt diesen Vorwurf zuerst. Michael Theunissen, der den Grundlinien insgesamt »verdrängte Intersubjektivität« (1982, S. 317) attestiert, wirft etwa die Frage auf, »was Hegel dazu berechtigt, dem Eigentum selber und damit der ganzen Sphäre Asozialität zu unterstellen. Eine menschenleere, auf die äußere Natur reduzierte Welt hat die Person des Eigentümers »als ausschließende Einzelheit« vor sich (§ 34; vgl. § 39). Allein, das hier gemeinte Ausschließen läßt sich gar nicht denken, ohne andere Subjekte mitzudenken. […] Will man Hegel nicht eines groben Denkfehlers bezichtigen, so kann man auf die Frage nur eine Antwort geben: Er stilisiert die negative, ausschließende und gleichgültige Beziehung der Privateigentümer aufeinander zur völligen Beziehungslosigkeit, um so scharf wie möglich herauszuarbeiten, daß die Kontrahenten des Vertrags gar nicht in Besitz der Voraussetzungen für eine Staatsgründung sind. Er will den Kontraktualismus Lügen strafen, indem er den Individuen, die sich im staatsgründenden Vertrag vermeintlich zusammenschließen, die Sozialität abstreitet, deren sie dazu bedürften.« (1982, S. 352) Richtig ist sicher, dass sich im Kontext der Hegelschen Philosophie wesent-

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alistischen Eindruck erweckt, kann kaum bestritten werden. Hegel beginnt ja in der Tat mit dem »in sich einzelne(n) Willen eines Subjects« (R § 34); und die Analyse der Eigentumsparagraphen (R §§ 41–45) hat gezeigt, dass er auch dort an keiner Stelle explizit von Interaktionen mehrerer Personen spricht. Der vermeintliche Widerspruch lässt sich daher wie folgt formulieren: Wie kann Hegel an dieser Stelle von einem selbstbewussten Subjekt sprechen, wenn er keinen Bezug zu intersubjektiven Anerkennungsverhältnissen herstellt?138 Um diesen Widerspruch aufzulösen, ist zunächst zu klären, welchen Bedeutungsgehalt von »Selbstbewusstseyn« Hegel hier abruft. Je nach Kontext kann damit Verschiedenes, z. B. das Prinzip der Wissenschaft und Wirklichkeit überhaupt oder aber etwa auch nur das konkrete, empirische »Bewußtseyn von sich« (R § 35 A) gemeint sein. Zum Ratespiel muss die Deutung des hiesigen Gebrauchs von Selbstbewusstsein freilich nicht werden, wenn Hegels Ausführungen zur »Natur des Geistes« (ENZ § 380) und der systematischen »Betrachtung« (ebd.) des selbigen berücksichtigt werden.139 Die Philosophie des Objektiven Geistes ist hiernach das Resultat der Entwicklung des Subjektiven Geistes – und sie integriert deren Ergebnisse. Der »Prozeß des Anerkennens« (ENZ § 430), den Hegel im Zuge der Philosophie des Subjektiven Geistes entwickelt, ist im Rahmen der Grundlinien daher vorausgesetzt:140 Der Standpunkt des freyen Willens, womit das Recht und die Rechtswissenschaft anfängt, ist über den unwahren Standpunkt, auf welchem der Mensch als Naturwesen und nur als an sich seyender Begriff, der Sclaverey liche Eigenschaften einer Person nur dann denken lassen, wenn andere Personen mitgedacht werden. Darauf komme ich gleich noch zu sprechen. Richtig ist auch, dass Hegel generell die Vertragstheorie des Staats als unzureichend bewertet, weil es nicht von der Willkür der einzelnen Subjekte abhängen kann, ob sie in den Staat treten oder nicht (vgl. R § 258 A). Unrichtig ist freilich die These, dass Hegel die Person mit einer »menschenleeren« Welt konfrontiert und daher der Sphäre des Abstrakten Rechts insgesamt »Asozialität« unterstellt. Auch die Hegel zugeschriebene Motivation zur Zeichnung eines solchen Bildes (Kritik des Kontraktualismus) ist darum nicht zutreffend. Sie läuft im Übrigen darauf hinaus, die Rechtsphilosophie als »Phänomenologie des Bewußtseins der Freiheit« (Ilting 1982, S. 225–255; Theunissen, S. 345) zu deuten – eine Lesart, die bereits von Siep (1982, S. 255–277) knapp, aber stichhaltig kritisiert worden ist. Ich komme hierauf im dritten Kapitel kurz zu sprechen. 138  Dass Hegels Selbstbewusstseinsbegriff intersubjektiv verfasst und anerkennungstheoretisch zu begreifen ist, kann ich hier nicht eigens begründen; siehe aber die diesbezüglichen Arbeiten von Siep (1979 und 1992), Honneth (1992, 2001a, 2001b, 2008), Pinkard (1994), Quante (2011) und Wildt (1982). 139  Vgl. Kapitel 2.4.1. 140  Auch auf diesen Punkt macht Siep (1982, S. 258) bereits skizzenhaft aufmerksam. Vgl. hierzu außerdem Fulda (1982, S. 417).

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daher fähig ist, schon hinaus. Diese frühere unwahre Erscheinung betrifft den Geist, welcher nur erst auf dem Standpunkte seines Bewußtseyns ist; die Dialektik des Begriffs und des nur erst unmittelbaren Bewußtseyns der Freyheit bewirkt daselbst den Kampf des Anerkennens und das Verhältniß der Herrenschaft und der Knechtschaft […]. (R § 57 A) Die Person, die Hegel hier im 35. Paragraphen der Rechtsphilosophie als »selbstbewusst« bezeichnet, muss somit aufgefasst werden als ein Subjekt, dem Selbstbewusstsein im Sinne des Resultats jenes geschichtlichen Anerkennungsprozesses zukommt. Damit ist dieses Subjekt selbstbewusst qua »Wissen seiner selbst im andern Selbst […]«, d. i. selbstbewusst insofern, »als es im freien Andern sich anerkannt weiß, und diß weiß in sofern es das andere anerkennt und es frei weiß.« (ENZ § 436) Später, wenn Hegel in der Anmerkung zu Paragraph 71 über den Vertrag spricht, macht er es ein weiteres Mal deutlich: Da der Vertrag »ein Verhältnis des objectiven Geistes ist, so ist das Moment der Anerkennung schon in ihm enthalten und vorausgesetzt (vgl. § 35; 57 A).« Und Hegel verweist an dieser Stelle selbst noch einmal auf den hier zu diskutierenden 35. Paragraphen – er kann sich damit nur auf das Prädikat »selbstbewusst« beziehen. Vor diesem Hintergrund lässt sich nicht mehr überzeugend behaupten, Hegel lasse auf der Bühne des Abstrakten Rechts ein isoliertes Subjekt auf eine menschenleere, asoziale Welt los.141 Ein fiktives Subjekt des Naturzustands ist hier ebenso wenig Thema wie ein Subjekt, das sich ein reichhaltiges Bewusstsein der Freiheit oder eine reife Persönlichkeit nach und nach noch erarbeiten muss.142 Die Subjekte der Rechtsphilosophie erkennen einander als freie Individuen an – wie dies im Einzelnen geschieht und was das jeweils Rechtliche daran ist, ist hier noch nicht expliziert.143 Ohne dieses gegenseitige Aner141  So

aber z. B. bei Theunissen (1982, S. 352), Hecker (1990, S. 241) oder bei Cristi (1995, S. 337). Hecker ist von folgendem Bild überzeugt: »Erinnert man sich der früheren Erörterungen zu der Frage, ob Adam Eigentum besessen hätte, solange er der einzige Mensch war, so wäre Hegels Antwort ein klares Ja. Da das Eigentumsrecht auf dem freien Willen beruht, bedarf es insofern keines weiteren Menschen.« Cristi formuliert dieselbe Deutung wie folgt: »Contrary to Kant, for whom an individual that existed alone in the world would not be able to own anything, Hegel thinks that such individual may, without previous agreement, come to own things.« (ebd.) Richtig ist vielmehr, dass sich Hegel an Gedankenspielen über »such individual« einfach nicht beteiligt. 142 Zur Rechtsphilosophie als »Phänomenologie des Bewußtseins der Freiheit« Ilting (1982, S. 225–255) und Theunissen (ebd., S. 345). Zur psychogenetischen Deutung der Argumentationslinie des Abstrakten Rechts vgl. Waldron (1988), Patten (1999) und Honneth (2011, S. 135–137). Ich komme darauf noch einmal im dritten Kapitel zu sprechen. 143  Ich stimme Quante (2011, Kapitel 9 u. 10) darin zu, dass die anerkennungstheoretische Dimension der Rechtsphilosophie am besten als Rekonstruktion unserer Praxen der

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kennen jedenfalls ist kein Subjekt zu der Art von Selbstbeziehung fähig, die durch das »reine Denken und Wissen von sich« (R § 35 A) charakterisiert ist – die Distanzierungsfähigkeit ist grundsätzlich soziogen. Man muss daher davon ausgehen, dass Hegel sich imstande sieht, das, was er hier zu Beginn des Abstrakten Rechts zu zeigen beansprucht, offenbar unter Bezugnahme auf ein einzelnes dieser Subjekte aufzeigen zu können. Als Teilbereich des Gesamtbilds berechtigter Ansprüche fokussiert Hegel das einzelne Subjekt und abstrahiert von der gegebenen Komplexität der übrigen Sozialität: »Alle concrete(n) Zustände vergessen«, notiert er sich an den Rand dieses Paragraphen (R § 35 RN 385). Ob und inwiefern für Hegel das Verhältnis zu anderen Subjekten für die »Gestalt« des Eigentums möglicherweise doch konstitutiv ist, ist im Weiteren zu beobachten. Bevor ich auf das »sonst (I)nhaltslose« dieser Selbstbeziehung zu sprechen komme, widme ich mich kurz dem Umstand, dass Hegel jene Relation zu sich außerdem als »einfache« bezeichnet. Er zielt damit sicher nicht auf den Schwierigkeitsgrad des Zustandebringens einer solchen Selbstbeziehung ab, sondern auf ihre Struktur. Wer sich auf sich in Loslösung von jeder besonderen Bestimmung oder Eigenschaft bezieht, dessen Referenz auf sich erfolgt nicht vermittelt über Gegebenheitsweisen. Sie ist daher, wenn man so will, nicht komplex, sondern simplex: »einfach«. Der Sache nach entspricht diese Hegelsche Formulierung der sprachanalytischen Beobachtung, dass die Referenz mit »ich« ohne Kennzeichnungen erfolgen kann.144 Wenn Hegel im Anschluss an diese Qualifikation davon spricht, dass die Selbstbeziehung des Subjekts eine »sonst inhaltslose« ist, dann greift er damit den Unterschied von »Subject« und »Person« auf. Im 34. Paragraphen musste er noch von dem Willen »eines Subjects« sprechen, weil er dort – im Zuge der Angabe der Bestimmtheitsstufe (»Unmittelbarkeit«) des Willens – auch den »weiteren Inhalt bestimmter Zwecke«, d. i. das Moment der Besonderheit, in das Gesamtbild des unmittelbaren Willens aufzunehmen hatte. Jetzt, bei der Darstellung des Allgemeinheits-Moments, macht Hegel deutlich, dass das Subjekt, wenn es sich auf sich in Abstraktion von den vorgefundenen Bestimmtheiten (z. B. »Trieb und Begierde« [R § 35]) bezieht, als Person zu bezeichnen ist.

Zuschreibung von Verantwortung und des Erhebens von Geltungsansprüchen zu begreifen ist. Auch jenes Sich-Gegenständlich-Sein, von dem Hegel im Zuge der Unterscheidung von Besitz und Eigentum spricht (vgl. Kap. 2.3), habe ich als ein solches Erheben eines Geltungsanspruches herausgearbeitet. Vgl. außerdem zur Analyse von Hegels Begriff der Anerkennung Quante (2011, Kap. 11) und Siep (1979; und 1992, S. 172–182). 144  Vgl. hierzu Quante (2011, S. 186).

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Auf dieser Folie ist jedes menschliche Individuum für Hegel ein Subjekt. Doch »Person und Subject sind verschieden« (R § 35 RN 383), denn Person ist nur dasjenige Subjekt, das zu der hier thematisierten Selbstbeziehung fähig ist. Es kann daher Subjekte geben, die keine Personen sind – etwa Kinder und geistig Kranke (vgl. R § 120 A, § 174 und § 175); aber nicht Personen, die keine Subjekte sind. Notwendige Bedingung beider ist, dass sie raumzeitlich individuierte Entitäten sind. Diese These verbirgt sich hinter der Aussage, dass das Moment der Allgemeinheit hier die abstrakte Selbstbeziehung auf der Grundlage der »Einzelnheit« (R § 35) des Willens ist. Die »Einzelnheit« verknüpft – ich wiederhole das – die Momente der Allgemeinheit und Besonderheit. Letztere umfasst die »bestimmte(n) Zwecke« (R § 34), durch die sich ein Wille auszeichnen kann. Diese Zwecke, die jeweils im einzelnen Willensentschluss (Einzelheit) verfolgt werden, hat Hegel aber im 34. Paragraphen bereits als »äußere, unmittelbar vorgefundene Welt« qualifiziert. Und damit zielt Hegel auch auf unseren Körper ab. Im 35. Paragraphen erwähnt er darum, dass wir »nach unmittelbarem äußerlichen Daseyn« bestimmt, ein »Dieser« sind. Darum spricht Hegel auch in jenem 43. Paragraphen von der »natürliche(n) Existenz«, die die Person »an ihr selbst« hat. Diese individuelle Inkorporation der reinen Selbstbeziehung unterscheidet die Person von einer bloß mentalen Entität, von einem »sogenannte(n) blosse(n) Begriffe« (R § 1 RN 293). Gleichwohl ist darum die Person qua Person nichts Individuelles. Denn das, was die Person zur Person macht, ist ja gerade die denkende Loslösung von jeder vorgefundenen Bestimmung, durch welche die Person »ein Selbstbewußtseyn von sich als vollkommen abstractem Ich« (R § 35 A) hat. Was die Personen von einander unterscheidet, ist ihre raumzeitliche Individuation, von der sie aber gerade abstrahieren, wenn sie jenen abstrakten Selbstbezug herstellen, der sie zu Personen macht. Damit ist nichts anderes gesagt, als dass die Personen als Personen von einander nicht unterschieden sind.145 Man denke an das Beispiel des Kastanien-Pflückens: Ich lege meinen Willen in eine Kastanie, weiß diese Zwecksetzung als freie, prinzipiell wieder fallenzulassende Entscheidung und erhebe implizit den Anspruch, dass meine Entscheidungsfreiheit sich in der Ergreifung der Kastanie manifestiert hat und als solche – als Manifestation meines freien Willens überhaupt – zu respektieren ist. Indem ich mich aber von dieser und jeder Bestimmung losgelöst denke, unterscheide ich mich von einem Kleinkind, betrachte ich mich 145 

»(D)enn die Person ist als das Abstracte eben das noch nicht Besonderte und in bestimmtem Unterschiede Gesetzte.« (R § 49 A) Ich komme auf diese Frage noch einmal im Rahmen der Diskussion des Körpers zu sprechen (vgl. Kap. 2.5.2).

Die Einleitung in das Abstrakte Recht

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als Person. Jeder Mensch, der sich auf diese abstrakte Weise denken kann, verfügt über ›Person-Haftigkeit‹ – Hegel bezeichnet diese Eigenschaft als »Persönlichkeit«: Die Persönlichkeit fängt erst da an, insofern das Subject nicht bloß ein Selbstbewußtseyn überhaupt von sich hat als concretem, auf irgendeine Weise bestimmtem, sondern vielmehr ein Selbstbewußtseyn von sich als vollkommen abstractem Ich, in welchem alle concrete Beschränktheit und Gültigkeit negiert und ungültig ist. (R § 35 A) Zwei Punkte sind hier zu bemerken: Erstens zeigt sich an dieser Stelle, dass Hegel den Begriff der Persönlichkeit auf eine Weise gebraucht, die unserem alltäglichen Verständnis entgegengesetzt ist. Persönlichkeit bei Hegel bezieht sich hier nur ausblendend auf die Eigenarten der Subjekte. Zweitens kann man auch an dieser Passage sehen, dass es durchaus weiterhin das Subjekt ist, das hier mit Bezug auf verschiedene Selbst-Betrachtungsweisen beschrieben wird. Man kann nun diese unterschiedlichen Selbstverhältnisse psychogenetisch fassen, indem man beispielsweise darauf hinweist, dass Kinder »an sich Freye« (R § 175) sind und darum zu jenem abstrakten Selbstbezug noch nicht in der Lage. Man kann die notwendigen Erfahrungsprozesse zur Etablierung eines solchen Selbstverhältnisses auch aus sozialgeschichtlicher Perspektive betrachten: »Individuen und Völker haben noch keine Persönlichkeit, insofern sie noch nicht zu diesem reinen Denken und Wissen von sich gekommen sind.« (R § 35 A) Die genealogische Perspektive auf das Selbstverhältnis »Persönlichkeit« hat Hegel aber zu Recht nur in der Anmerkung erwähnt, da sie Missverständnisse provoziert: Zum einen ist – das habe ich in 2.4.1 zu zeigen versucht – die Rechtsphilosophie nicht als idealtypische Darstellung von Etappen der historischen Entwicklung des Rechts zu begreifen.146 Das heißt selbstverständlich nicht, dass Hegel Erfahrungsprozesse von Gesellschaften bei der Frage nach Recht und Gerechtigkeit für irrelevant hält;147 sie sind hier nur einfach nicht als solche thematisch. Zum anderen denkt Hegel – auf der Ebene der praktischen Philosophie als ganzer – auch nicht, dass wir zunächst unreife Subjekte sind, die als erwachsene Menschen dann zu Personen werden – und sich fortan nur noch als Personen betrachten. Sich selbst als von allen Bestimmungen frei zu denken, ist eine Weise des Selbstbezugs neben anderen; auf seine besondere Stellung komme ich gleich zu sprechen. Kein Staat aber – so muss man Hegel verste146 

Vgl. hierzu mit Bezug auf Hegels Theorie der Bürgerlichen Gesellschaft Horstmann (1997). 147  Vgl. zur Geschichtlichkeit des Rechts bei Hegel Jaeschke (2003, S. 375 ff.).

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Interpretation des Hegelschen Eigentumsrechts

hen – würde existieren, wenn wir uns alle selbst nur als Personen betrachten würden (vgl. R § 258). Die Selbstbeziehung des nur »für sich freyen Willens« ist ein isolierendes Verhältnis, »insofern als es das Anderssein, seine Beziehung und Gemeinschaft mit Anderem aufhebt, sie zurückgestoßen, davon abstrahirt hat.« (WDL IB, 145) Es gibt daher soziale Kontexte, in denen wir diesen distanzierenden Selbstbezug aufgeben.148 Wir gründen beispielsweise eine Familie, »um in ihr nicht als eine Person für sich, sondern als Mitglied zu sein.« (R § 158; vgl. auch §§ 161 f.) In Aufnahme der ursprünglichen Bedeutung des Begriffs der Person versteht Hegel den abstrakten Selbstbezug als eine ›Maske‹, die wir auf- und auch wieder absetzen können.149 Was die besondere Stellung dieses abstrakten Selbstverhältnisses betrifft, so ist zu berücksichtigen, dass es mit Bezug auf Rechtsverhältnisse auf einer bestimmten Ebene (Eigentums-, Vertrags- und Strafrecht) einen konstitutiven Charakter hat: Eine notwendige Bedingung der Möglichkeit dafür, dass ich einen Rechtsanspruch auf Respektierung meines Willens überhaupt konsistent formulieren kann, ist, dass ich auch anderen Subjekten die Fähigkeit zur Distanzierung von ihren (gegebenenfalls mit den meinen konfligierenden) Ansprüchen zuschreibe:150 I. Die Persönlichkeit enthält überhaupt die Rechtsfähigkeit und macht den Begriff und die selbst abstracte Grundlage des abstracten und daher formellen Rechtes aus. (R § 36)151 Hegel hat somit seine Ankündigung aus der Einleitung (R §§ 1–33) umgesetzt: »Die Bestimmungen in der Entwicklung des Begriffs sind […] selbst 148 

Honneth ist davon überzeugt, dass das Festhalten an diesem abstrakten Selbstbezug ein »Leiden an Unbestimmtheit« (2001a) zur Folge hat und dass ein entsprechender »Einstellungswandel« (2001b) eines der zentralen Anliegen der Grundlinien sei. 149  Hegel entwickelt im Verlauf der Grundlinien den Begriff der Person aber noch weiter. Vgl. hierzu Siep (1992, S. 103 ff.) 150  Vgl. hierzu Quante (2011, S. 187), der überdies davon überzeugt ist, dass für Hegel »Persönlichkeit die notwendige Bedingung für jede Art von berechtigten Ansprüchen ist.« (ebd., S. 176 f.; dagegen anders auf S. 332 f.). Auf dieser Grundlage ist aber unklar, wie Hegel behaupten kann, dass Kinder »das Recht, aus dem gemeinsamen Familienvermögen ernährt und erzogen zu werden« (R § 174) haben. Man kann Hegel hier ein PotentialitätsArgument unterstellen, wonach das Recht der Kinder auf ihre ›Anlage‹ zur Persönlichkeit zurückzuführen wäre. Siep dagegen sieht das Recht der Kinder bei Hegel auf den Begriff des Lebens gegründet und nicht auf Persönlichkeit (vgl. 1992, S. 111 f.) Diese Unklarheit geht freilich auf Hegel selbst zurück, der auf der einen Seite von den Rechten der Kinder spricht, auf der anderen Seite aber in der Tat behauptet, dass »jede Art von Rechten […] nur einer Person« (R § 40 A) zukommt. 151  Vgl. zu den rechtsphilosophischen Bezügen dieses und der übrigen Paragraphen der Einleitung in das Abstrakte Recht (R §§ 34–40) Quante (2011, S. 184–195).

Die Einleitung in das Abstrakte Recht

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Begriffe« (R § 32) – und derjenige, der die Rolle des Willensbegriffs in der »Bestimmtheit der Unmittelbarkeit« (R § 34) spielt, heißt »Persönlichkeit«. Auf dieser Grundlage lässt sich die Strukturidentität von Begriff, Willensbegriff und Persönlichkeit angeben: Der Begriff ist in seiner abstraktesten Fassung nichts anderes als Selbstbestimmung einer allgemeinen Entität. Mit dem Willensbegriff ist eine Ebene benannt, auf der auch das Bewusstsein dieser Selbstbestimmung thematisch wird. Die Persönlichkeit enthält dann die einschränkende Spezifikation, nach der das Medium der Selbstbestimmung unmittelbar vorgefunden wird. Zur Erläuterung dieser Unterschiede ist es sinnvoll, zunächst an eine der systeminternen Voraussetzungen (vgl. Kap. 1.2.1) der Rechtsphilosophie zu erinnern. Denn das Phänomen der »unmittelbar vorgefundene(n) Welt« (R § 34) spielt in Hegels Philosophie immer wieder eine wichtige Rolle. So zeigt sich der notwendige Zusammenhang von Geist und Natur aus der Perspektive des Geistes zunächst auf folgende Weise: Somit, indem er in seinem Anfang bestimmt ist, ist diese Bestimmtheit die gedoppelte, die des seyenden und die des seinigen; nach jener etwas als seyend in sich zu finden, nach dieser es nur als das seinige zu setzen. (ENZ § 443) Für das Selbstbewusstsein der Subjekte erscheint – das habe ich bereits erwähnt – der Geist im Rahmen ihrer alltäglichen Einstellungen nur unter der Voraussetzung der Natur (zu der auch Triebe, Bedürfnisse etc. gehören) bzw. einer Außenwelt, die das empirische Selbstbewusstsein für unabhängig von sich und unmittelbar gegeben hält. Dieses Vorfinden einer von uns unabhängigen Außenwelt ist nach Hegel für das Selbstverständnis wollender Subjekte konstitutiv: Wenn wir uns als handelnde, d. i. unsere Absichten realisierende Wesen begreifen, dann gehen wir notwendigerweise von der Existenz einer von unserem Willen unabhängigen Welt aus (vgl. R § 8).152 Auf der Ebene der Selbstbestimmung des Begriffs aber kann es nach Hegel – so hat er in seiner Wissenschaft der Logik zu zeigen gesucht – diesen Bezug auf Unabhängiges und Vorgefundenes nicht geben.153 Auch auf der Ebene des Willensbegriffs als Universale ist der Bezug des Willens auf etwas ihm Fremdes und von ihm Unabhängiges daher ausgeschlossen. Die Begriffsnatur des Willens setzt voraus, dass »alles Verhältnis der Abhängigkeit von etwas anderem hinwegfällt.« (R § 23) 152  Vgl.

hierzu Quante (2011, Kap. 5); zum Handlungsbegriff Hegels Quante (1993; hier insbesondere Kap. 1). 153  Vgl. hierzu die Analyse des Begriffs in Kap. 1.1.

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Interpretation des Hegelschen Eigentumsrechts

Nichtsdestoweniger ist für Hegel die Auseinandersetzung mit der Natur – insbesondere mit unserer Leiblichkeit – unverzichtbarer Aspekt der Bedeutung von Rechtsverhältnissen. Für Hegel setzt eine rechtliche Wirklichkeit selbstverständlich eine kulturgeschichtlich hervorgebrachte Distanzierung von der Natur und ständige Kontrolle des Naturzusammenhangs durch deren Aneignung voraus. Doch nicht jede Auseinandersetzung mit der Natur ist für Hegel ein »Daseyn des freyen Willens« (R § 29). Im Zuge der Einleitung (R §§ 1–33) hat er beispielsweise zu zeigen versucht, dass die reflektierende Haltung gegenüber unseren unmittelbar vorgefundenen Bedürfnissen zum Zwecke der »Glückseligkeit« (R § 20) gerade darum noch keine Wirklichkeit des Rechts darstellt, weil sich die Subjekte hier auf sich selbst nicht qua unabhängige Wesen beziehen. Und Persönlichkeit ist gerade dies, sich selbst in Unabhängigkeit von jeder Bestimmung zum Gegenstand zu machen. Worin unterscheidet sich dann aber der Begriff der Persönlichkeit überhaupt von dem Begriff des Willens? Bestimmt zu sein und die Bestimmung als eigene betrachten – darin zeigt sich der Wille; ein »Dieser« (R § 35) zu sein und als Dieser dennoch »reine Beziehung auf mich« (ebd.) zu sein – darin zeigt sich Persönlichkeit. Wo liegt der Unterschied? Insofern der Begriff der Persönlichkeit als erster Begriff in der Entwicklung des Willensbegriffs gilt, muss er an bestimmte begriffliche Vorgaben geknüpft sein, die ihn als einen solchen Beginn der Entwicklung auszeichnen. Diese begrifflichen Anforderungen des Entwicklungsbeginns nennt Hegel die »Bestimmtheit der Unmittelbarkeit« (R § 34). Dass die Denkbestimmung der »Unmittelbarkeit« für Hegel notwendigerweise »Naturverhaftetheit« impliziert, habe ich bereits erwähnt (vgl. Kap. 2.1). Anders als für den Willensbegriff überhaupt, ist für den Persönlichkeits-Begriff die Gebundenheit an eine unmittelbar vorgefundene Natur konstitutiv. Diese Differenz schlägt sich in den verschiedenen Weisen der zum Bedeutungsgehalt von Wille und Persönlichkeit gehörenden Individuation nieder. Die einzelnen Individuen sind – das gilt für den Willensbegriff im Allgemeinen und für die Persönlichkeit im Besonderen – das »Element der Bethätigung« (ENZ § 485) dieser Universale. Die verschiedenen Bestimmungen, die der Willensbegriff im Zuge seiner philosophischen Entwicklung durchläuft, ergeben verschiedene Konstellationen seiner Exemplifikation. So ist beispielsweise die Institution der »Ehe«, die einzugehen für Hegel »sittliche Pflicht« ist, durch den Willen zweier Subjekte verwirklicht, die sich fortan dazu entschließen, ihr sich nur abstrakt auf sich beziehendes Selbstbild aufzugeben und mit dem anderen Subjekt ein »geistige(s) Band« zu bilden (R §§ 161–163). Das Selbstbewusstsein der Subjekte der Ehe bezieht sich dabei auf sich, indem es sich auf ein anderes Subjekt als Teil einer geistigen Einheit

Der Körper: »Eine besondre Art des Eigenthums«

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(vgl. ebd.) bezieht. Die Exemplifikation der Persönlichkeit dagegen erfolgt durch Subjekte, die sich auf sich beziehen, indem sie sich in ihrer unmittelbaren »natürliche(n) Existenz« (R § 43) ein dingliches Dasein geben, an das sie sich nicht gebunden fühlen – so sind sie Personen. Damit ist die Exemplifikation der Persönlichkeit begrifflich an den Körper des Menschen geknüpft.154 Wenn aber der Körper – und nicht bloß die Kastanie – als Sache begriffen wird, in die das Subjekt ihren Willen hineinlegt und darüber vermittelt den Geltungsanspruch auf Respektierung seiner Freiheit erhebt – wenn diese Relation von Subjekt und Körper als Eigentumsverhältnis gilt, dann vertritt Hegel die folgende These: Es gibt keine Person ohne Eigentum. Jede Person verhält sich qua Person zu ihrem Körper als zu ihrem Eigentum. Die Rolle des Körpers ist also näher zu betrachten.

2.5  Der Körper: »Eine besondre Art des Eigenthums« Meinen jetzigen Überzeugungen nach geht die Deduktion des Eigentumsrechts in eine der schwindelndsten Tiefen der Spekulation, und setzt nichts Geringeres voraus, als die Beantwortung der Frage: wie komme ich dazu, meinen Körper zu meinem Ich zu nehmen, und in wiefern rechne ich ihn dazu? J. G. Fichte

Bevor ich die Bedeutung des Körpers für das Hegelsche Eigentumsrecht herausstelle, mag es sinnvoll sein, die bisherige Strecke noch einmal in ihren Grundzügen Revue passieren zu lassen. Für Hegel ist Privateigentum die genuin freiheitsverbürgende Form des Eigentums – eine These, die er im 46. Paragraphen der Grundlinien explizit macht. Gleichzeitig wird das Befremdliche an Hegels Eigentumsrecht an diesem Paragraphen deutlich sichtbar, da die Begründung für die Notwendigkeit des Privateigentums äußerst unvermittelt und wenig zwingend erscheint. Ich führe ihn hier noch einmal an: Da mir im Eigenthum mein Wille als persönlicher, somit als Wille des Einzelnen objectiv wird, so erhält es den Charakter von Privateigenthum, und gemeinschaftliches Eigenthum, das seiner Natur nach vereinzelt besessen 154 

Das gilt nach Hegel für die Person des Eigentumsrechts bis hin zur Person des Monarchen, der, weil er die Exemplifikation der »Persönlichkeit des Staats« (R § 279) ist, unter der »Bestimmung der Natürlichkeit« (R § 280) steht: Der »Monarch ist daher wesentlich als dieses Individuum, abstrahirt von allem anderen Inhalte, und dieses Individuum auf unmittelbare natürliche Weise, durch die natürliche Geburt, zur Würde des Monarchen bestimmt.« (ebd.) Vgl. zur Rolle des Körpers im Abstrakten Recht Nuzzo (2001, S. 111–125).

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Interpretation des Hegelschen Eigentumsrechts

werden kann, die Bestimmung von einer an sich auflösbaren Gemeinschaft, in der meinen Antheil zu lassen für sich Sache der Willkühr ist. An diesen Zusammenhang von der Objektivierung des persönlichen Willens auf der einen und der ihr entsprechenden Institution des Privateigentums auf der anderen Seite war eine Reihe von Fragen zu stellen – insbesondere nach dem genauen Sinn dieses Objektivierens und dem vermeintlichen Ausbleiben intersubjektiver Relationen. Zur Klärung habe ich zunächst das eigentliche Textkorpus zum Eigentumsrecht – die Paragraphen 41 und folgende – herangezogen. Als das wichtigste Ergebnis hat sich dabei herausgestellt, dass Hegels Vergegenständlichungsmodell keine physische Übertragung persönlicher Eigenschaften auf raum-zeitliche Einzeldinge meint,155 sondern das Erheben eines Geltungsanspruchs der Person rekonstruiert: Ein eigenes Interesse in einer Sache manifestiert wissen und darin als freies Subjekt respektiert werden zu wollen – dieses Verhältnis der Person zur Sache nennt Hegel die »Bestimmung des Eigenthums« (R § 45). Warum aber ein derartiges Verhältnis gleich als privateigentümliches zu bezeichnen ist, das ist noch nicht beantwortet worden. Unklar war außerdem, in welcher Beziehung ein solches Ansprüche erhebendes Subjekt zu anderen Subjekten steht, die Hegel mit keiner Silbe zu erwähnen schien. Diese Sachlage legte die Vermutung nahe, dass Hegel entscheidende Ressourcen seiner Argumentation bereits in jenen vorklärenden Paragraphen zum Abstrakten Recht (R §§ 34–40) bereitgestellt haben muss. Dort präsentiert er den Willensbegriff als sich in der »Bestimmtheit der Unmittelbarkeit« (R § 34) befindend. Zur Entschlüsselung der Redeweise von einem Begriff, der sich ob seiner »Entwicklung« (R § 32) in verschiedenen ›Bestimmtheiten‹ befindet, wurden jener Einleitung in das Abstrakte Recht Ausführungen zur Methode und zur Darstellungsweise der Rechtsphilosophie überhaupt vorangeschickt. Gemessen an Hegels These von der »concrete(n) Natur des Geistes« (ENZ § 380) erschien dann die Annahme, dass er das Eigentumsverhältnis als Relation zwischen einem völlig asozial zu denkenden Subjekt auf der einen und der Natur auf der anderen Seite zu konstruieren sucht, wenig überzeugend. Spätestens dort, wo Hegel der »Person« eine »selbstbewußte« (R § 35) Art der Selbstreferenz attestiert, ist klar geworden, dass er kein Subjekt meint, das in seiner Welt alleine ist, er also kein solum ipse im Sinn, sondern durchaus unsere soziale Wirklichkeit der 155 

Eine solche Übertragungs-These vertritt Locke, dessen Eigentumstheorie sich, wie Waldron (1988) gezeigt hat, aus diesem Grund enormen Schwierigkeiten ausgesetzt sieht. Ich komme auf Waldrons Locke- und Hegel-Deutung im dritten Kapitel zu sprechen.

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berechtigten Ansprüche vor Augen hat, um sich einen bestimmten Ausschnitt aus derselben anzuschauen. Den Geltungsanspruch, den das Subjekt auf Respektierung seines Willens erhebt, versteht Hegel in jedem Fall als einen an andere Subjekte gerichteten – doch zunächst, so ist Hegels Darstellung zu verstehen, gilt es, den genauen Gehalt dieses Anspruchs selbst zu explizieren. Auf dieser Grundlage habe ich Hegels These von der »ausschließende(n) Einzelnheit« (R § 34) des Willens als Individuationsbedingung der Erhebung des genannten Geltungsanspruches gedeutet: Der Anspruch des Subjekts, dass andere Subjekte seinen Willen respektieren, setzt voraus, dass diese sich auf eine ihnen zugängliche Entität beziehen können, die sie als Ausdruck des freien Willens dieses Subjekts bewerten können, da sich eine derartige Zuschreibungs- bzw. Anerkennungspraxis nicht direkt auf jenen reinen Selbstbezug als solchen richten kann. Im Zuge der Auseinandersetzung mit dem Begriff der Person hat sich herausgestellt, dass Hegel den Körper der Person eben als ein solches raumzeitliches Medium betrachtet, über das der Anspruch auf Respektierung des Willens vermittelt wird. Für die Person ist nach Hegel daher ein bestimmtes Verhältnis zu ihrem Körper konstitutiv: Sie bezieht sich auf ihn als auf ein Medium, in das sie ihren Willen legt – und sie erhebt den Anspruch darauf, dass andere Subjekte diese ihre natürliche Existenz als eine über ihren freien Willen vermittelte anerkennen. Dieses Verhältnis von Person und Körper ist der sachliche Grund für Hegels These von der Notwendigkeit des Privateigentums – eine These, die selbstverständlich Anlass zur Diskussion gibt. Bevor ich mich ihr widme, sollte aber noch einmal diejenige Kategorie erörtert werden, die den Körper allererst auf das Spielfeld geschickt hat: die Unmittelbarkeit. Es ist die Unmittelbarkeit, die die Eröffnung der Rechtsphilosophie an den Selbstbezug »einer einzelnen, sich nur zu sich verhaltenden Person« (R § 40) bindet; es ist, wenn man so will, die Unmittelbarkeit, die die verschiedensten Arten der Vermittlung mit anderen Subjekten ausblendet; sie ist auch der Grund dafür, warum die besonderen Gegenstände des Willens als »unmittelbar vorgefundene« (R § 34) zu betrachten sind; und sie ist nicht zuletzt der Grund für die »natürliche Existenz« (R § 43) der Person selbst. Wenn ein Begriff derart stark die Argumentation prägt, dann verlangt eine adäquate Interpretation des Eigentumsrechts die – wenigstens skizzenhafte – Erläuterung seiner Funktion.

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Interpretation des Hegelschen Eigentumsrechts

2.5.1  Zur Struktur der Unmittelbarkeit Warum eigentlich, so lässt sich ganz simpel fragen, beginnt Hegel die Rechtsphilosophie mit der »Bestimmtheit der Unmittelbarkeit« (R § 34)? Welche Gründe hat er für diese Entscheidung? Nachdem Hegel im Zuge der »Eintheilung« (R § 33) das erste Mal erwähnt hat, dass die Idee des an und für sich freien Willens zunächst »unmittelbar« (ebd.) ist, fühlt er sich in der zugehörigen Anmerkung wenigstens zu der folgenden Bemerkung veranlasst: Daß eine Sache oder Inhalt, der erst seinem Begriffe nach, oder wie er an sich ist, gesetzt ist, die Gestalt der Unmittelbarkeit […] hat, ist aus der speculativen Logik vorausgesetzt. (R § 33 A) So viel ist also auf dieser Basis klar, dass die gründliche Explikation der Kategorie der Unmittelbarkeit eine eigene Studie erfordert, hier daher nicht der Anspruch sein kann.156 Wenn darum zwar die Bedeutung des Unmittelbarkeits-Begriffs nicht kritisch nachgezeichnet werden kann, so ergibt es dennoch Sinn, sich derjenigen Implikationen und Funktionen des selbigen zu vergegenwärtigen, die für das Eigentumsrecht relevant sind. Ein wichtiger Grund dafür, warum Hegel den Willensbegriff zunächst in der Bestimmtheit der Unmittelbarkeit betrachtet, liegt – darauf habe ich im Zuge meiner Darstellung regelmäßig hingewiesen – sicher in seinem Theorieanspruch. Die Wirklichkeit des Rechts, das komplexe Geflecht berechtigter Ansprüche sucht Hegel auf eine Weise darzustellen, die der ganzheitlichen Natur des darzustellenden Gegenstands entspricht. Weil er davon überzeugt ist, dass die wesentlichen Aspekte unserer Praxen des Erhebens und Anerkennens von Geltungsansprüchen in einem gemeinsamen Zusammenhang stehen, dessen inneres Band als »Wille« zu greifen ist, verlangt er eine Darstellung, die diesen Zusammenhang als Zusammenhang zum Ausdruck bringt. Das heißt aber für Hegel, dass die Rechtsphilosophie mit Bezug auf die einzelnen abzuhandelnden Phänomene nicht bloß auflistend verfahren kann, sondern dass jedes Phänomen als Glied in seiner besonderen Stellung innerhalb des Ganzen auftreten muss; und, dass diese Glieder nur dann als philosophisch rekonstruiert gelten, wenn sie in ihrem bestimmten Verhältnis zu anderen Gliedern einsichtig gemacht werden. Um diesem Darstellungsanspruch gerecht zu werden, beginnt Hegel die Systematisierung der Wirklichkeit des Rechts dergestalt, dass er sich das Universale ›Wille‹ unabhängig von den verschiedensten Weisen seiner Ausdiffe156  Vgl.

zur Kategorie der Unmittelbarkeit bei Hegel den instruktiven Aufsatz von Sandkaulen (2010, S. 166–191).

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renzierung anschaut: Es erscheint als der »nur sich abstract auf sich beziehende« (R § 34) Wille eines Subjekts. In diesem Sinne bedeutet Unmittelbarkeit ›inhaltliche Undifferenziertheit‹. Unmittelbarkeit im Sinne noch zu entwickelnder Ausdifferenzierung ist nach Hegel für den Beginn jeder philosophischen Theorie konstitutiv: Der Anfang ist das »Unmittelbare […]; für sich aus dem einfachen Grunde, weil er der Anfang ist.« (ENZ § 238)157 Den notwendigen Zusammenhang der einzelnen Bausteine seiner Rechtsphilosophie meint Hegel nur dann darstellen zu können, wenn er den Zusammenhang nicht voraussetzt, sondern nachweist, dass das bestimmte Verhältnis zu weiteren Bereichen der Theorie zum Bedeutungsgehalt des unvermittelten Anfangs selbst gehört (vgl. ENZ § 78): So ist der Gang unserer Entwicklung verschieden von dem der Wirklichkeit, denn wir fangen von 1 Abstracten an, um die Notwendigkeit des Fortgangs zu finden. (GW 14,3; 902) Vor drei Missverständnissen ist mit Bezug auf das ›unmittelbare Anfangen‹ zu warnen: Erstens ist zu berücksichtigen, dass der Anspruch auf Darstellung der »Notwendigkeit des Fortgangs« sich nur auf die Ebene der Begriffsentwicklung selbst, nicht aber auf die ihr entsprechende »Reihe von Gestaltungen« (R § 32) bezieht. Das ist für das Eigentumsrecht nicht unbedeutend. Auf der begrifflich-logischen Ebene, deren Instrumentarium Hegel in seiner Logik einmal als »philosophische Kunstsprache« (WDL IB, 95) bezeichnet, muss für den Fortgang der Argumentation, so deute ich Hegels Anspruch, niemals an noch auszuweisende Begriffsbestimmungen verwiesen werden. Auf der Ebene der zu rekonstruierenden sozialen »Gestaltungen« aber muss an früheren Stellen bereits von Institutionen gesprochen werden, die ihren vollen Bedeutungsumfang erst auf der Grundlage einer ausdifferenzierteren Stufe der Begriffsbestimmungen erreichen.158 Denn selbstverständlich ist auch für Hegel klar, dass es das Eigentumsrecht nur als Institution innerhalb eines ausdifferenzierten Staates gibt; er muss aber, um die soziale »Gestaltung« des Willens in der »Bestimmtheit der Unmittelbarkeit« namhaft machen 157 

Vgl. hierzu auch: »Das Abstracte ist der Gedanke zunächst, der in sich nicht unterschieden und bestimmt ist. Wenn der Gedanke als Abstractheit existiert, so ist er in der Weise der Unmittelbarkeit; in sich ist das Recht concret, aber die 1ste Weise seines Seins ist die Unmittelbarkeit.« (GW 14,3; 903). Vgl. hierzu außerdem ENZ § 86. 158  Vgl. hierzu ENZ § 380: »Aber zugleich wird es, indem niedrigere Stufen betrachtet werden, nötig, um sie nach ihrer empirischen Existenz bemerklich zu machen, an höhere zu erinnern, an welchen sie nur als Formen vorhanden sind, und auf diese Weise einen Inhalt zu antizipiren, der erst später in der Entwicklung sich darbietet […].«

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zu können, prüfen, welche empirische Erscheinung der einzelnen, sich über ihre unmittelbare Negation (eine Sache) »nur zu sich verhaltenden Person« (R § 40) entspricht. Hegel denkt: Es ist das Eigentum. »Indem so sein [des Willensbegriffs, A. M.] Inhalt für sich notwendig ist, so ist das Zweite, sich umzusehen, was in den Vorstellungen und in der Sprache demselben entspricht.« (R § 2 A) Bei diesem Verfahren ist daher zu berücksichtigen, dass Hegel in der Eröffnung des Abstrakten Rechts nur den Bedeutungskern einer Theorie des Eigentumsrechts bzw. lediglich den Eigentumsbegriff getroffen zu haben beansprucht.159 In jedem Fall bietet dieses Verhältnis von Begriffsbestimmung auf der einen und ihr entsprechender empirischer Erscheinung auf der anderen Seite ein geeignetes Spielfeld, um Hegels Eigentumsrecht auf interne Weise, d. i. in einer Art zu kritisieren, die er selbst zu akzeptieren verpflichtet wäre. Dem gehe ich in Kapitel 3.3 nach. Zweitens darf die Entwicklung des zunächst undifferenzierten Willensbegriffs ihr erstes Ergebnis – etwa die Bestimmung des Eigentumsbegriffs – nicht als normative Grundlage des Folgenden begreifen, das dann etwa nur als Erscheinungsform des ersteren gilt. Hiernach wäre ein Staat nichts anderes als das komplexe Verhältnis von Eigentümern zueinander – und seine Aufgabe bestünde vor allem in der Garantie des Eigentumsrechts. Im Gegenteil gilt für Hegel vielmehr, dass die inhaltlich ›ärmeren‹ Institutionen in ihrer normativen Tragweite allererst aus der Perspektive des Ganzen zu beurteilen sind.160 Nach dem bisher Gesagten ist der Beginn mit der Unmittelbarkeit als ›inhaltliche Undifferenziertheit‹ ein darstellungsstrategisches Mittel. Das dritte Missverständnis liegt somit auf der Hand: Die Darstellungsweise könnte als Methode begriffen werden, die dem Stoff der Rechtsphilosophie übergestülpt wird. Dabei sollte mittlerweile klar geworden sein, dass Hegel das philosophische Systematisieren nicht als Organisation eines gegebenen Inhalts, sondern als Explikation desselben betrachtet: Eine philosophische Eintheilung ist überhaupt nicht eine äußerliche, nach irgendeinem oder mehreren aufgenommenen Eintheilungsgründen gemachte äußere Klassifizierung eines vorhandenen Stoffes, sondern das immanente Unterscheiden des Begriffes selbst. (R § 33 A) Der Beginn mit der Kategorie der Unmittelbarkeit hat darum inhaltliche Konsequenzen, deren zwei im Folgenden zu benennen sind. 159  Über

Eigentum ist selbstverständlich noch mehr zu sagen, als es zu Beginn des Abstrakten Rechts der Fall ist. Vgl. zum Beispiel R §§ 217 ff. 160  Vgl. hierzu ENZ § 380, aber auch R §§ 75 A, 258 A.

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Singularität und Naturverhaftetheit In der Regel gebraucht Hegel ›Unmittelbarkeit‹ als einstelligen Operator, der den Operanden, vor den er gesetzt wird, in bestimmten Aspekten darbietet. Hiernach erhält die Entität, vor die der Operator »unmittelbar« gesetzt wird, die Eigenschaften Singularität und Naturverhaftetheit. Beide Werte der Unmittelbarkeit gewinnt Hegel aus ihrem Begriff und dem Verhältnis desselben zur Idee. Dem Begriff nach ist Unmittelbarkeit die unvermittelte, d. i. nicht über andere Relata erfolgende Beziehung eines Relatums auf sich. In Hegels Worten: »einfache Beziehung auf sich« (R § 35). Eine Entität, die in der Bestimmtheit der Unmittelbarkeit steht, bezieht sich auf sich, ohne dass sie sich in Relation zu anderen Entitäten setzt – sie ist singulär oder einzeln. Mit Bezug auf mehrere unmittelbare Entitäten spricht Hegel folglich stets davon, dass sie außer einander stehen oder einander ausschließen. Diese Singularität ist im Rahmen der Hegelschen Auffassung von der Idee, die ja »der einzige Gegenstand und Inhalt der Philosophie« (WDL II, 236) ist, als ein Wesensmerkmal der Naturgegenstände konzipiert: »Die Idee als Natur ist […] in der Bestimmung des Außereinander, der unendlichen Vereinzelung.« (ENZ § 252) Wie bereits gesagt, kann ich an dieser Stelle nicht verteidigen, wie Hegel zu einem solchen Naturbegriff gelangt, sondern konstatiere nur. Dass die Idee in der Bestimmung der Unmittelbarkeit als Natur zu fassen ist, zieht sich durch Hegels gesamtes System und ist auf sein Grundverständnis von Idee bzw. dem Absoluten oder Gott zurückzuführen:161 So ist auch Gott in seinem unmittelbaren Begriffe nicht Geist; der Geist ist nicht das Unmittelbare, der Vermittlung Entgegengesetzte, sondern vielmehr das seine Unmittelbarkeit ewig setzende und ewig aus ihr in sich zurückkehrende Wesen. Unmittelbar ist daher Gott nur die Natur. (WDL I, 367 f.) Denkt man noch einmal zurück an den Anfang dieser Untersuchung und die Darstellung des Begriffs des Begriffs, in der Hegel sowohl »die Natur des Ich als des Begriffes« (WDL II, 17) einer illustrativen Betrachtungsweise unterzogen hatte, so war auch das dortige Ergebnis auf den Unmittelbarkeitsoperator zurückzuführen:162 Die Allgemeinheit des Begriffs oder des Ich musste Vgl. hierzu zum Beispiel den – bereits erwähnten – Übergang von der Logik in die Naturphilosophie, bei dem es die »unmittelbare Idee« ist, die sich dazu entschließt, »sich als Natur frei aus sich zu entlassen.« (ENZ § 244) Vgl. außerdem WDL II, 252 und 253; zu Idee und natürliche Konkretisation vgl. WDL II, 173–187 (besonders 175). 162  Vgl. insbesondere die Tabelle in Kap. 1.1; vgl. zur Unmittelbarkeit als Operator 161 

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Interpretation des Hegelschen Eigentumsrechts

Hegel als eine von jeder inhaltlichen Vermittlung losgelöste, somit als »abstracte« Allgemeinheit auffassen. Wir erkennen jetzt darin die Fähigkeit der Person, sich von jedem Willensinhalt frei denken zu können. Gleichzeitig – so hatte Hegel seine Analyse fortgesetzt und zusammengefasst – ist diese allgemeine Entität, die ohne Bezug, ohne Vermittlung zu Anderem steht, ein Einzelnes. Ein Relatum, das in keiner Beziehung zu anderen Relata steht, ist einzeln: Das Ich ist »(j)ene absolute Allgemeinheit, die ebenso unmittelbar absolute Vereinzelung ist.« (ebd.) Hegel hat diese Seite des Ich mit der Kombination »individuelle Persönlichkeit« (ebd.) zu greifen gesucht. Im Rahmen der Philosophie des Objektiven Geistes kann dies jetzt folgendermaßen ausgedrückt werden: Die Person, die sich von jeder Bestimmung losgelöst denken kann, ist gleichzeitig ein raum-zeitliches, bestimmtes natürliches Individuum.163 auch den 74. Paragraphen der Enzyklopädie: »Noch ist die allgemeine Natur der Form der Unmittelbarkeit kurz anzugeben. Es ist nämlich diese Form selbst, welche, weil sie einseitig ist, ihren Inhalt selbst einseitig und damit endlich macht. Dem Allgemeinen gibt sie die Einseitigkeit einer Abstraction […]. Dem Besonderen gibt die Form der Unmittelbarkeit die Bestimmung, zu seyn, sich auf sich zu beziehen.« 163  Vgl. hierzu die handschriftliche Randnotiz zum 33. Paragraphen der Grundlinien: »ich bin besonderes Ich und allgemeines.« Siep hat mit Bezug auf Hegels Ich-Begriff darauf hingewiesen, dass er »sowohl die Bedeutung einer allgemeinen Struktur jedes Bewußtseins wie die eines auf Individuen verweisenden »indexikalischen Ausdrucks«« trägt. (Siep 1992, S. 110) Vgl. hierzu aber ausführlicher Quante (1993, Kap. 2.1 und Quante 2011, S. 166 ff.) – Im Übrigen hat Quante mit Bezug auf diese Passage die Frage aufgeworfen, wie Hegel auf der Ebene der Logik die raum-zeitliche Individuation der Persönlichkeit herleiten könne: »Klarerweise gibt es auf dieser spekulativen Ebene keine derartig inhaltlich bestimmte und individuelle Menge möglicher Bestimmungen, durch die eine Persönlichkeit zu einer individuellen wird. Außerdem ist gar nicht klar, wie im reinen Denken allein das Ich zu einem Gegenstand für das Selbstbewusstsein werden kann. […] Hegel nimmt das Faktum der raum-zeitlichen Individuiertheit von Menschen in seine Theorie des Geistes auf, ohne es aus der in der Wissenschaft der Logik entfalteten Struktur der Subjektivität heraus als notwendiges Moment sichtbar machen zu können.« (2011, S. 173 f.) Wenn letzteres zutrifft, dann ist das für das Selbstverständnis des Hegelschen Systems sicher ein herber Schlag. Ich kann dieses Problem hier nicht diskutieren; vgl. aber Halbig/Quante: Absolute Subjektivität. Was die von Quante aufgeworfene Frage nach der Individualität der Persönlichkeit betrifft, so bin ich davon überzeugt, dass Hegel an besagter Stelle den Bereich der Logik bewusst verlässt, um mit der »Natur des Ich« eine Illustration der Natur des Begriffs anzubieten. Auf dieser Grundlage hofft er, seinem Leser etwas anzubieten, das dem – so leitet er den besagten Absatz ein – »Auffassen der hier entwickelten Begriffe dienen kann, und es erleichtern mag, sich darein zu finden.« (WDL II, 17) Dass der Gehalt seiner Illustration nicht in den Bereich der Logik, sondern in den der Philosophie des Geistes fällt, ist ihm daher bewusst. Gleichwohl mag Hegel davon überzeugt sein, dass er – an anderer Stelle innerhalb der Logik – die raum-zeitliche Individuiertheit von Menschen aus dem Begriff herleiten kann; diese Frage, wie gesagt, kann ich im Rahmen der vorliegenden Studie nicht klären.

Der Körper: »Eine besondre Art des Eigenthums«

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Für Hegels Entwicklung des Eigentumsrechts ist entscheidend, dass zwei ihrer Eigentümlichkeiten auf den Unmittelbarkeitsoperator zurückzuführen sind: Der Beginn mit dem »in sich einzelne(n) Wille(n) eines Subjekts« (R § 34) und der Naturverhaftetheit (»Dieser« [R § 35]) desselben.164 Die Spuren, die auf den Unmittelbarkeits-Operator zurückgehen, sind – ist die Hegelsche Verfahrensweise einmal klar – unübersehbar: Der Eröffnungsparagraph 34 fasst die Allgemeinheit des unmittelbaren Willens als sich »abstract auf sich beziehende«, er lässt die Besonderheit, die ja für Vermittlung steht, unausgeführt beiseite und nennt die Einzelheit eine »ausschließende«. Konsequenterweise bezeichnet Hegel einen solchen Willen im nächsten Paragraphen als »für sich freien Willen«. Schaut man sich an, was Hegel in der Logik unter dem »Fürsichsein« versteht, zeigt sich: Das Fürsichsein als Beziehung auf sich selbst ist Unmittelbarkeit, und als Beziehung des Negativen auf sich selbst ist es Fürsichseyendes, das Eins, – das in sich selbst Unterschiedslose, damit das Andere aus sich Ausschließende. (ENZ § 96) Ich komme sofort darauf zu sprechen, wie es Hegel mit einem solchen, derart streng an systeminterne Begriffe geknüpften Verfahren gelingt, tatsächlich Phänomene begreifbar zu machen. Vorher aber sei an einigen weiteren zentralen Stellen des Eigentumsrechts auf den dortigen Einsatz der Unmittelbarkeit hingewiesen. Das betrifft zum einen die bereits erwähnte Passage, in der Hegel den Skopus der anzueignenden »Sachen« spezifizieren möchte und darum folgende Aussage macht: »Die Person hat als der unmittelbare Begriff und damit auch wesentlich einzelne eine natürliche Existenz […]« (R § 43; Hegels Hervorhebung). Singularität und Naturverhaftetheit kommen hier beide zum Zug.165 Auf dieser Grundlage kann auch die bislang unbeantwortet gebliebene Frage danach, ob denn die Eingrenzung der Sachen auf diejenigen, »die es unmittelbar« (R § 43) sind, bedeutet, dass zunächst nur raum-zeitliche Einzeldinge adressiert sind, positiv beantwortet werden. Es ist in der Tat der Fall, dass Hegel die Möglichkeit, z. B. die Luft einer Stadt zum persönlichen Eigentum zu machen, nicht mit dem Hinweis auf die »physische Unmög164 

Darauf weist auch Quante hin: »Die Unmittelbarkeit des Selbstbezugs im Freiheitsbewusstsein des Ich ist in Hegels spekulativer Logik zugleich der Grund dafür, dass diese Gestalt des Willens als das bestimmte Wollen eines Individuums existiert.« (2011, S. 184) 165  Ebenso im 487. Paragraphen der Enzyklopädie: »Der freye Wille ist: A. selbst zunächst unmittelbar und daher als einzelner, – die Person.« Vgl. zur Singularität des Operators auch ENZ § 216: »So ist das Leben wesentlich Lebendiges und nach seiner Unmittelbarkeit Dieses Einzelne Lebendige.« (Hegels Hervorhebungen)

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lichkeit«, sondern mit dem Hinweis auf die »unmittelbare Einzelnheit« der Person ablehnt, da sie »sich auch als solche zum Äußerlichen als zu Einzelnheiten verhält.« (R § 52 A) Was die »ausschließende Einzelnheit« (R § 34) betrifft, so ist auch ihre spezifische Gestalt durch die Unmittelbarkeit geformt. Denn der Unmittelbarkeits-Operator sorgt schließlich dafür, dass die Begriffsmomente des Willens miteinander nicht vermittelt werden. Die Allgemeinheit ist inhaltsleer, die Besonderheit ist irrelevant und die Einzelheit ist zwar Einheit von Allgemeinheit und Besonderheit, insofern das Subjekt den Anspruch auf Respekt als freie Person (Allgemeinheit) an der einzelnen, bestimmten (Besonderheit) Realisierung seines Willens festmacht, aber sie, die Einzelheit, führt Unvermitteltes zusammen: Ein abstraktes Selbstverständnis und ein vorgefundenes, natürliches Interesse.166 Die Naturverhaftetheit ist darum für die »unmittelbare Einzelnheit« (R § 39) konstitutiv. Besonders deutlich wird dies auch bei der Frage nach der Bestimmung des Monarchen, die mich hier nur aufgrund der Rede von der »unmittelbaren Einzelnheit« interessiert: Das höchste »Selbst des Staatswillens ist in dieser seiner Abstraction einfach und daher unmittelbare Einzelnheit; in seinem Begriffe selbst liegt hiermit die Bestimmung der Natürlichkeit; der Monarch ist daher wesentlich als dieses Individuum […] zur Würde des Monarchen bestimmt.« (R § 280) Das soziale Phänomen, das Hegel mit diesem Instrumentarium zu greifen sucht, ist unser Verhältnis zu unserem Körper. Die Unmittelbarkeit als »einfache Beziehung auf sich in seiner Einzelnheit« (R § 35) nutzt Hegel zur Beschreibung eines praktischen Verhältnisses: Ich beziehe mich über meinen Körper auf mich, betrachte ihn als meine Existenz und erhebe – nicht als Staatsbürgerin, nicht als Familienglied, nicht als Brillenträger oder Kahlköpfiger, sondern als vollkommen ungebundenes Subjekt – den Anspruch, dass er als mein Eigentum, als die Sache, über die allein ich die Entscheidungsgewalt habe, respektiert werde. Hegel ist davon überzeugt – das sei abschließend zur Unmittelbarkeit gesagt –, dass er die nötigen Mittel bereitgestellt hat, um das Erheben eines 166 

Auf der Grundlage dieser internen Unvermitteltheit des Willensbegriffs entwickelt Hegel im Zuge der Argumentation des Abstrakten Rechts Spannungen, die zu Widersprüchen fortgesponnen werden, um den Übergang zur Moralität zu erzwingen. Vgl. hierzu Siep (1982, S. 264–272) und Quante (2011, Kap. 8, insbesondere aber S. 193 ff.) Zu einer anderen, bemerkenswerten Deutung der Übergänge vgl. Fulda (1982, dort insbesondere die ausführliche Fußnote 35 auf den Seiten 423 f.).

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solchen Geltungsanspruchs philosophisch rekonstruieren zu können. Dazu gehört vor allem der Aufweis der notwendigen raum-zeitlichen Individuation des abstrakten Selbstbewusstseins in einem einzelnen lebendigen organischen Körper.167 Gesetzt nun, Hegel hätte, wo und wie auch immer, diesen Baustein seines Eigentumsrechts argumentativ eingeholt – welche Arbeit leistet der Begriff des Körpers bei der Begründung der Notwendigkeit des Privateigentums? Das prüfe ich im Folgenden.

2.5.2  Perspektiven auf den Körper Den Begriff des Körpers führt Hegel sofort nach dem 46. Paragraphen, also gleich nach seiner Verkündung der Alternativlosigkeit des Privateigentums an: Als Person bin Ich selbst [1] unmittelbar Einzelner; dieß heißt in seiner weiteren Bestimmung zunächst: Ich bin lebendig in diesem organischen Körper, welcher mein dem Inhalte nach allgemeines [5] ungetheiltes äußeres [2] Daseyn, die reale Möglichkeit [6] alles weiter bestimmten Daseyns ist. Aber [4] als Person habe ich zugleich mein Leben und Körper, wie andere Sachen, nur, in so fern es mein Wille ist [3]. (R § 47, meine Siglen, A.M.) Singularität und Naturverhaftetheit der Unmittelbarkeit zeigen sich hier in der Bestimmung der Person, in einem Körper zu leben.168 Der organische Körper ist nichts anderes als das genauere Fassen dessen, was Hegel in der Grundlegung zu diesen eigentlichen Paragraphen des Eigentumsrechts (R §§ 41 ff.) 167 

Mit Selbstbewusstsein begabte Maschinen oder ein Selbstbewusstsein, das auf verschiedene Körper verteilt ist usw. – diese Debatten fallen von vornherein aus dem Feld der Eigentumstheorie bei Hegel heraus. Im Übrigen erhebt Hegel nicht den Anspruch, die genaue Anatomie des menschlichen Körpers aus dem Begriff entwickeln zu können, sondern nur, dass er ein organischer Körper ist: Ein unteilbares Ganzes – selbst wenn es über vier Arme und zwei Köpfe verfügt. Strawson (2005, S. 90 f.) hat die These vertreten, dass die Verkörperung in einem Körper begrifflich nicht zwingend ist – man könne sich durchaus vorstellen, dass Personen mehrere, von einander verschiedene Körper haben. Inwiefern Strawsons Überlegungen für Hegels Eigentumsrecht relevant sind, lässt sich aber nur dann sinnvoll diskutieren, wenn das Verhältnis ihrer verschiedenen Person-Begriffe zueinander geklärt wird. Dem kann ich hier nicht nachgehen. 168  In der Anmerkung zu diesem Paragraphen macht Hegel auf den logischen Begriff des »Lebens« aufmerksam, auf den es zurückzuführen sei, warum die unmittelbare Person in einem Körper lebendig ist. Dort, im 216. Paragraphen der Enzyklopädie greift Hegel die unmittelbare Idee als Leben; und letzteres ist selbst »nach seiner Unmittelbarkeit Dieses Einzelne Lebendige.«

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im Zuge des 35. Paragraphen als das »Dieser«-Sein der Person bezeichnet hatte. Vor dem Hintergrund der generellen Argumentationslinie des Abstrakten Rechts ist klar, in welcher Rolle der Körper hier in Betracht kommt: Person auf der einen und Sache auf der anderen Seite – das sind die Relata, deren Relation Hegel im Zuge der Begriffsentwicklung nach und nach spezifiziert hat. Jetzt füllt der Körper die Stelle des Relatums »Sache« aus. Entscheidend an dieser Betrachtungsweise des Körpers ist, dass er selbst in gewisser Weise zur ›Außenwelt‹ wird: Sache »bin Ich selbst« [1]. Allein der Umstand aber, dass der Körper die einzige bestimmte »Sache« ist, die eine philosophische Auseinandersetzung erfordert, weist bereits auf dessen besondere, sich daher auch von anderen Sachen unterscheidende Rolle und Natur hin. Doch zunächst zu den Gemeinsamkeiten zwischen Körper und anderen Sachen. Für den Körper wie für die Kastanie gilt, dass sie dem von jeder Bestimmung losgelösten Selbstbezug des Subjekts äußerlich [vgl. 2] sind. Das hat für sich noch nichts mit der physischen Beschaffenheit von Körper und Kastanie zu tun. Dem abstrakten Ich ist selbst der besondere Gedanke an mich (beispielsweise als Anhänger der Werke Max Frischs) äußerlich. Die physische Natur der dem abstrakten Ich äußerlichen Entitäten gewinnt Hegel – wie bereits gesehen (vgl. Kap. 2.1) – über die Bestimmung der Unmittelbarkeit. Unmittelbarkeit als fehlende Vermittlung bedeutet aber auch, dass die physischen Einzeldinge hier als Vorgefundene, d. h. als unabhängig von unserer geistigen Vermittlung Gegebene in Frage kommen: Nach diesem Bild sind Kastanie und Körper als Naturgegenstände unabhängig davon existent, ob ich meinen Willen (als Willen eines über besagte Distanzierungsfähigkeit verfügenden Subjekts) in sie hineinlege oder nicht. Und zu meiner Sache werden beide nur, »insofern es mein Wille ist.« [3] Dass diese Gleichsetzung unseres Körpers mit den übrigen raum-zeitlichen Einzeldingen ihre Grenzen hat, ist auch Hegel klar; sonst würde er den Hinweis auf ihre gleiche Geltung nicht mit jenem einschränkenden »Aber« [4] einleiten. Die Grundlage der Unterschiede zwischen meinem Verhältnis zu einer Kastanie und dem Verhältnis zu meinem Körper lautet: »Ich bin lebendig in diesem organischen Körper, welcher mein dem Inhalte nach allgemeines ungeteiltes äußeres Daseyn, die reale Möglichkeit alles weiter bestimmten Daseyns ist.« Es ist bemerkenswert, dass Hegel sowohl davon spricht, dass wir in unserem Körper lebendig sind; aber auch die These vertritt, dass der Körper gleichzeitig unser »äußeres Daseyn« ausmacht. Von der Kastanie könnte man mit einiger Plausibilität sagen, dass sie mein »äußeres Daseyn« insofern ist, als andere Subjekte an ihr meinen in sie gelegten Willen erkennen und aner-

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kennen sollen. Lebendig sind wir aber in der Kastanie nicht. Dass die Person in ihrem Körper lebendig ist, darf nun nicht so verstanden werden, als säße die Person als Homunculus im Körper.169 Es ist ohnehin nicht die Entität A (Person) in eine Entität B (Körper) hineingelegt, als könnte Entität A unabhängig von B gedacht werden – das Dieser-Sein ist schließlich konstitutiv für die Person. Der Körper ist eine vorgefundene »Seite« (R § 47 A) unserer Existenz, die wir als Medium unserer Entscheidungsfreiheit nutzen. Die Person ist darum stets beides: Ein Subjekt, das sich im bestimmten, vorgefundenen Körper auf sich als Unbestimmtes bezieht und somit auf ihn als zu Bestimmendes beziehen kann.170 Der Körper ist »allgemeines« [5] Dasein der Person, weil wir jeden Anspruch auf Respektierung unseres Willens sinnvollerweise nur vermittelt über unseren Körper erheben können; er begleitet überhaupt jede meiner Handlungen, seine Existenz ist allen gemein (vgl. [5]). Gleichzeitig nennt Hegel ihn »reale Möglichkeit«171 [6] und nicht etwa Notwendigkeit. Das hat zunächst zwei Gründe, von denen der erste auf der Hand liegt: Ich bin nicht bloß ein Körper, sondern habe, verfüge über ihn ja nur, »insofern es mein Wille ist.« [3] Doch selbst in dieser Hinsicht unterscheidet sich der Körper von der Kastanie: Die Kastanie ist einfach nur Möglichkeit, ich existiere auch ohne sie; der Körper dagegen ist »reale« Möglichkeit, d. i. ein bereits Existierendes – und gleichwohl stets unter der Bedingung der Willenssetzung Stehendes: »Ich habe diese Glieder, das Leben nur, in so fern ich will, das Thier kann sich nicht selbst verstümmeln oder umbringen, aber der Mensch.« (R § 47 A)172 In phylo- und ontogenetischer Hinsicht ist der Körper – zweitens – insofern nur die »Möglichkeit, Vermögen, Anlage« (R § 57) des Daseins eines freien Subjekts, weil er als materielle Entität allein selbst noch nicht als äußere 169  Hegel

leistet solchen Fehldeutungen selbst Vorschub, wenn er von der »äußeren Sphäre« (R § 41) der Freiheit der Person spricht – als wäre ihre Freiheit ein innerer Kern, der von einer ›Hülle‹ umschichtet ist. Was die Metapher von der Sphäre greifen soll, ist das Alles-Begleitende des Körpers: Jedes Vorkommnis des freien Willens ist inkorporiert. 170  Man erkennt, wie Hegel die Struktur der gedoppelten Bestimmtheit des unmittelbaren Geistes (vgl. Kap. 1.2.1) hier im Verhältnis der Person zu ihrem Körper exemplifiziert sieht: »Somit, indem er in seinem Anfang bestimmt ist, ist diese Bestimmtheit die gedoppelte, die des seyenden und die des seinigen; nach jener etwas als seyend in sich zu finden, nach dieser es nur als das seinige zu setzen.« (ENZ § 443) 171  Vgl. zur »realen Möglichkeit« Hegels diesbezügliche Ausführungen in der Logik (WDL I, 386 ff. und ENZ § 147). 172  Siep hat mit Bezug auf diese Gleichstellung von Körper und anderen Sachen moniert, dass Hegel der Tatsache, dass wir unseren Körper – anders als beispielsweise die Kastanie – nicht von vornherein freiwillig aussuchen, zu wenig Beachtung schenkt. (1992, S. 212) Ich komme auf diesen Punkt zum Schluss dieser Arbeit (Kap. 3.3) noch einmal zu sprechen.

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Gestalt eines denkenden Subjekts gilt. Darauf komme ich in Kürze noch einmal zu sprechen. Der wesentliche Unterschied zwischen meiner Kastanie und meinem Körper ist der folgende: Nur mit Bezug auf den Körper gilt: »ich finde mich im Besitze« (R § 47 RN 413) oder, wie Hegel in einer weiteren handschriftlichen Notiz festhält: »Mein Körper unmittelbar mein – Dinge nicht« (R § 51 RN 419). Was bedeutet ein solcher Unterschied für das Abstrakte Recht im Allgemeinen und das Eigentumsrecht im Besonderen? Wird die Relation zwischen Person und Sache, die Hegel durchgängig als bloße »Möglichkeit« bezeichnet hat, mit Blick auf den Körper nicht doch zwanghafter als er es darstellt? Schaut man sich noch einmal die Stellung des Körpers in der Struktur des Willensbegriffs an, so fällt er – als das Alles-Begleitende meiner besonderen Zwecke – selbst in das Moment der Besonderung des Willens. Das Allgemeine ist auf der Ebene des Abstrakten Rechts – und auf jeder späteren – das Denken, die Selbstreferenz, mit der sich das Subjekt von jeder Bestimmung, auch dem Körper, losgelöst denkt. Ist, so muss man Hegel verstehen, die Fähigkeit zur denkenden Loslösung von jeder Bestimmung gegeben, dann sind diese Bestimmungen auch als solche zu fassen: als mögliche. Wenn es zunächst darauf ankommt, das Recht als Wirklichkeit dieses freien, abstrahierenden Denkens zu rekonstruieren, dann »kommt es daher nicht auf […] den besonderen Bestimmungsgrund meines Willens, auf die Einsicht und Absicht« an. (R § 37) Hegel deduziert darum auf dieser Ebene keine »concrete Handlung« (ebd.), die wir als Staatsbürger auszuführen hätten. Da das Abstrakte Recht nur einen bestimmten Aspekt an Handlungen – nämlich dass sie Handlungen von Personen sind, die als solche respektiert werden wollen – herausarbeitet, kann Hegel bereits in seiner Einleitung (R §§ 34–40) sagen, dass die besondere Handlung in rechtlicher Perspektive »nur eine Möglichkeit« (R § 38) darstellt. Darum lässt Hegel hier auch den Körper unter diese Bestimmung fallen. Es fragt sich allerdings, wie etwas als Möglichkeit bezeichnet werden kann, an das ich, solange ich lebe, gebunden bin. Denn Hegels Aussagen ließen sich ja auch umdrehen: »Ich habe diese Glieder, das Leben, nur in so fern ich will […]« – ganz recht; aber ich will auch nur, insofern ich in diesem Körper lebe. Selbst dort, wo Hegel die krasse Überlegenheit des Willens gegenüber der ›Körpersache‹ artikuliert, wenn er darauf hinweist, dass der Mensch sich »selbst verstümmeln oder umbringen« kann, selbst dort gilt ja noch, dass wir den Körper brauchen, um den Körper zu verstümmeln. Doch Hegel rückt von seinem Standpunkt nicht ab: Eine raum-zeitliche Entität, in die ich meinen Willen hineinlege und auch wieder herausziehen kann, ist eine mögliche

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Sache. Der Körper fällt darum in die Kategorie des »Trennbaren« (R § 41), auch wenn er – wie etwa die Kastanie – nie als Getrenntes betrachtet werden kann, sondern stets nur als eine »Seite« (R § 47 A) des denkenden Subjekts betrachtet werden muss.173 In einer knappen handschriftlichen Notiz zum 38. Paragraphen deutet Hegel gleichwohl eine besondere Berücksichtigung unserer Leiblichkeit an. Hatte er im Haupttext des Paragraphen die Besonderungen des Willens »nur eine Möglichkeit« genannt, so heißt es in besagter Notiz: »Für den andern bin ich da in der Sache; also keine blosse Möglichkeit für ihn«. Das ist insofern eine bemerkenswerte Behauptung, als man auf den ersten Blick vermuten könnte, dass es sich eher gegenteilig verhält: Für mich ist mein vorgefundener Körper keine Möglichkeit; und für den anderen vielmehr ist er nur die Möglichkeit der Existenz einer Person – denn Arme und Beine machen für sich noch kein denkendes Subjekt. Bemerkenswert ist überhaupt der Umstand, dass hier andere Subjekte Erwähnung finden. Denn die Rolle der anderen Subjekte hat Hegel ja im Zuge seiner Darstellung des Eigentumsrechts weitestgehend ausgeblendet. Sein Thema war bislang nur die Freiheit »einer einzelnen, sich nur zu sich verhaltenden Person.« (R § 40) Bereits bei der Explikation seiner Rede davon, dass sich die Person beim Eigentum in der Sache »gegenständlich« (R § 45) ist, ist freilich klar geworden, dass die Person sich über die Sache zwar nur auf sich selbst bezieht, insofern sie implizit einen Anspruch auf Respektierung ihres völlig unabhängigen Willens erhebt; gleichwohl verweist eine solche Rekonstruktion von Ansprüchen zwingend auch auf andere Subjekte. Dort, wo wir den über den Körper vermittelten Anspruch auf Respektierung unseres Willens erheben, wird die intersubjektive Dimension des Hegelschen Eigentumsrechts besonders deutlich. Denn die verschiedenen, zunächst nur in besagter Notiz aufleuchtenden Perspektiven auf den Körper, der aus erstpersönlicher Sicht nur meine Möglichkeit, aus drittpersönlicher Sicht aber »keine blosse Möglichkeit« sein soll, stellt Hegel im nächsten Paragraphen in den Vordergrund seiner Rekonstruktion des Eigentumsrechts.

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Ausführlicher wird Hegel hierzu bei der Darstellung der Idee des Lebens: »Die Endlichkeit hat in dieser Sphäre die Bestimmung, daß um der Unmittelbarkeit der Idee willen Seele und Leib trennbar sind; dies macht die Sterblichkeit des Lebendigen aus. Aber nur insofern es tot ist, sind jene zwei Seiten der Idee verschiedene Bestandstücke.« (ENZ § 216) Das hat möglicherweise Konsequenzen für die Frage nach den Grenzen der körperlichen Selbstverfügung. Dieses Thema kann ich hier leider nicht verfolgen.

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»in Beziehung auf Andere – Eine besondre Art des Eigenthums« (R § 48 RN 415) Der 48. Paragraph macht das Verhältnis zwischen Subjekten auf eine Weise explizit, die im Rahmen von Hegels bisheriger Begriffsentwicklung beispiellos ist: Der Körper, in so fern er unmittelbares Daseyn [2] ist, ist er dem Geiste nicht angemessen [5]; um williges Organ und beseeltes Mittel [4] desselben zu seyn, muß er erst von ihm in Besitz genommen [3] werden (§ 57). – Aber für andere bin ich wesentlich ein Freyes [5] in meinem Körper, wie ich ihn unmittelbar habe [1]. (meine Sigel, A.M.) Bereits die Struktur dieses Paragraphen erscheint für Hegels Verfahrensweise unüblich. Schaut man sich die Reihenfolge der Paragraphen an, dann verkündet der 46. Paragraph die These, dass Eigentum Privateigentum sein muss, der 47. Paragraph führt den Körper der Person als Sache an – »Privateigenthum als Dieser«, notiert sich Hegel handschriftlich – , um jetzt im 48. Paragraphen zu sagen, dass der Körper erst dann als Sache in Betracht kommt, wenn er ausgebildet, beseelt ist – und somit verweist Hegel die Leserin an einen künftigen Paragraphen, der im Kontext der verschiedenen, erst noch zu entwickelnden Arten der Besitznahme (R §§ 54 ff.) steht. Warum dann überhaupt den Körper jetzt erwähnen? Nur aus einem Grund: »Aber für andere bin ich wesentlich ein Freyes in meinem Körper, wie ich ihn unmittelbar habe.« [1] Die Rolle meines Körpers auch mit Blick auf die Perspektive der anderen Subjekte einzufangen – das ist der entscheidende Punkt, um den es Hegel hier geht. Und er arbeitet dabei mit verschiedenen Modi, in denen der Körper Gegenstand der Betrachtung werden kann. Zunächst unterscheidet er zwischen dem Körper, der »unmittelbares Daseyn ist« [2], und demjenigen Körper, der »in Besitz genommen« [3] ist. Was ein Körper als »unmittelbares Daseyn« bedeutet, ist nach den Überlegungen zum Unmittelbarkeits-Begriff klar: Es ist ein Körper, der als raum-zeitlich existierendes, sinnlich-triebhaftes Naturwesen gilt. Der »in Besitz« genommene Körper dagegen ist kein unmittelbares, sondern, wenn man so will, ein durch den Geist vermitteltes Dasein. Durch den Geist vermittelt zu sein, heißt hier nicht bloß, dass der Körper lebendig ist – das ist auch, wie etwa beim Kind, der unmittelbare Körper –, sondern dass er die Gegenwart eines zum abstrakten Selbstbewusstsein fähigen Subjekts ist. Solange der Körper des Menschen nicht als ein solches »beseeltes Mittel« [4] existiert, ist er seiner eigenen Bestimmung noch nicht gerecht geworden. Für Hegel ist es die Bestimmung, der objektive Zweck des Körpers, zum wil-

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ligen Organ des denkenden Subjekts zu werden, dem Geist »angemessen« [5] zu sein.174 Zweifelsohne steht der menschliche Körper, der bloßes triebhaftes Naturwesen ist, zu demjenigen Körper, der »beseeltes Mittel« ist, in einem erfahrungsabhängigen Entwicklungsprozess. Hegel spricht in diesem Zusammenhang von der »Ausbildung« (R § 57) des Körpers, die er als »Einbildung« (vgl. R § 270 A) des Geistes in ihn begreift. Die Nachzeichnung dieser Entwicklung ist hier aber nicht Hegels Thema. Für ihn ist klar, dass wir zu einem solchen kultivierten Verhältnis zum eigenen Körper nur im Zuge von historischen Prozessen gelangt sind. Diesen Entwicklungsstand setzt Hegel bei seiner Rekonstruktion von Rechtsverhältnissen voraus; was ihn interessiert, sind die rechtlich relevanten Aspekte eines solchen Körperbezugs. Relevant ist für ihn offensichtlich, dass es – gesetzt, wir leben in einer Welt von Subjekten, die über ihren Körper als »beseeltes Mittel« verfügen – einen Unterschied zwischen dem erstpersönlichen und dem drittpersönlichen Zugang zum Körper gibt. Ich zitiere noch einmal: »Aber für andere bin ich wesentlich ein Freyes in meinem Körper, wie ich ihn unmittelbar habe.« [1] Was ist das für ein Unterschied? Um herauszustellen, welche Beschränktheit Hegel hier zu greifen sucht, ist es sinnvoll, zunächst noch einmal genauer das Eigentümliche an der Perspektive, die wir selbst gegenüber unserem Körper einnehmen können, offenzulegen. Was den Körper als »unmittelbares Daseyn« [2] betrifft, so gilt für Hegel, dass wir es in diesen Fällen überhaupt nicht mit dem Körper eines zum abstrakten Selbstbewusstsein fähigen Subjekts zu tun haben. Der Wille, der einen solchen Körper lenkt, ist derjenige »objective Wille«, der »als [der] ohne die unendliche Form des Selbstbewußtseyns […] in sein Object oder Zustand versenkte Wille« gilt, wie z. B. »der kindliche, […] der sclavische […].« (R § 26)175 Ein solches Subjekt steht selbst noch nicht in jenem durch Distanzierungsmöglichkeit ausgezeichneten Verhältnis zum eigenen Körper. Die zum abstrakten Selbstbewusstsein fähige Person dagegen kann ihren Körper als Sache betrachten, als etwas, in das sie ihren Willen hineinlegen und auch wieder herausziehen kann. Entscheidend ist bei einem solchen Subjekt daher, dass die erstpersönliche Perspektive auf den eigenen Körper sich durch die Möglichkeit auszeichnet, selbst zwischen zwei Umgangsweisen zu wählen: Ich kann meinen Willen in meiner Hand manifestiert sehen und sie dadurch als »beseeltes Mittel« betrachten; oder ich betrachte meine Hand als bloße Äußerlichkeit, die ich nicht zu meinem Ich zählen möchte – 174  175 

Vgl. hierzu das generelle Verhältnis von Person und Sache in Kap. 2.2. Vgl. zu den verschiedenen Bedeutungen der Objektivität des Willens Kap. 2.3.

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und nutzte sie nicht mehr. Das eine Mal habe ich meinen Willen in meine Hand gelegt, so dass sie geistiges, »williges Organ« wird – man kann dies ein durch das Denken vermitteltes Verhältnis nennen; das andere Mal weigere ich mich, meine Hand als Teil meiner Vorstellung von mir zu akzeptieren und trenne mich – wenn ich will, sogar praktisch – von ihr, sodass sie zum bloßen, unmittelbaren Naturding degradiert wird: Eine solche Hand ist nicht mehr die Daseinsweise meines Selbstbewusstseins, in ihr manifestiert sich nicht mehr »das im Willen sich durchsetzende Denken« (R § 21 A) – selbst wenn die Hand Teil des Körpers bleibt.176 Kurz, ich kann mich in meinem Körper, den ich mir nicht ausgesucht habe, als frei betrachten, ihn zum Instrument meiner Interessen machen oder ich kann meinen Willen aus ihm herausziehen.177 Warum aber sollten andere Subjekte meine Freiheit als Person an meinen von mir vorgefundenen Körper knüpfen, und zwar scheinbar ungeachtet der Frage, ob mein freier Wille in ihm (oder in Teilen desselben) manifestiert ist oder nicht [vgl. 1]? Um zu erhellen, was Hegel hier im Sinn hat, ist es notwendig, noch einmal daran zu erinnern, als was wir anerkannt zu werden beanspruchen, wenn wir unseren Willen in eine Sache legen bzw. als was wir andere Subjekte anerkennen, wenn wir sie als »ein Freyes« [5] betrachten. Freiheit umfasst auf der Ebene des Abstrakten Rechts die Fähigkeit des Subjekts, seine einzelne bestimmte Handlung für sich lediglich als Möglichkeit zu betrachten; und den Anspruch des Subjekts, dass andere Subjekte meine Handlung als Handlung eben eines solchen freien, völlig ungebundenen Subjekts anerkennen. Was heißt es aber, als völlig ungebundenes Subjekt anerkannt zu werden? Ein solches Anerkennungsverhältnis impliziert in jedem Fall die Beziehung zweier Subjekte zu einander. Aber das »vollkommen abstracte Ich« (vgl. R § 35 A) ist überhaupt kein Relatum, das für sich Teil eines intersubjektiven Verhältnisses sein kann. Damit Subjekt B von Subjekt A als »ein Freyes« behandelt werden kann, muss sich A auf eine empirisch wahrnehmbare Entität beziehen, die es als Zeichen dafür nimmt, dass B »ein Freyes« ist.178 Subjekt B, das sich zwar als unbestimmtes Ich zu erfassen in der Lage ist, muss dennoch seinen bestimmten Willen artikulieren, so dass dieser das Medium der Vgl. hierzu auch die Studie von A. Stirn et alii (2009) zum Phänomen der Body Integrity Identity Disorder. 177 »Ich kann mich aus meiner Existenz in mich zurückziehen und sie zur Aeußerlichen machen, – die besondere Empfindung aus mir hinaushalten und in den Fesseln frey sein.« (R § 48 A) 178  Vgl. hierzu meine Deutung der »ausschließenden Einzelnheit« aus Paragraph 35 in Kap. 2.4.2. 176 

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Referenz von A werden kann. Ein und dieselbe in die intersubjektiv zugängliche Form gebrachte Willensäußerung von B ist für B, das in dieser Äußerung Anerkennung beansprucht, selbst nur eine Möglichkeit; für das anerkennende Subjekt A dagegen eine Notwendigkeit dieses Anerkennens. Da nach Hegel der Wille menschlicher Subjekte nicht als Wollen überhaupt, sondern nur als bestimmtes, intentionales und in der raum-zeitlichen Realität wirkendes Wollen existiert, können Subjekte einander auch nicht in ihrer Unbestimmtheit anerkennen, sondern nehmen die ihnen zugängliche, bestimmte Erscheinung des Anderen als Ausdruck von dessen Selbstbestimmung. Der Körper von Subjekt B ist nun für Hegel eine solche raum-zeitliche Entität, die Subjekt A als Zeichen der Selbstbestimmung von Subjekt B nehmen kann: »frey für den anderen bin ich nur als frey im Daseyn […].« (R § 48 A) Der bestimmte Körper kann somit als die »daseyende, also empirisch wahrnehmbare« (WDL II, 194) Freiheit der Person gelten. Aber Hegel behauptet noch Stärkeres. Der Körper des anerkannten Subjekts B gilt für das anerkennende Subjekt A als Erscheinung der Freiheit von B bereits in der Weise, wie B ihn »unmittelbar« hat. Aber warum eigentlich? Es ist schließlich nicht jeder menschliche Körper der Körper einer Person. Richtig ist sicher, dass die Distanzierungsfähigkeit der Subjekte selbst keine raum-zeitliche Bezugsgröße ist. Ob ich meinen Willen in meine Hand gelegt habe oder nicht, liegt auf einer privaten Ebene, die aus drittpersönlicher Perspektive nicht unmittelbar zugänglich ist. Wir können, so muss man Hegel verstehen, die ›beseelte‹ Hand von der Hand als bloßem Naturding nicht aufgrund der physischen Beschaffenheit der Hand selbst unterscheiden. Was nichts genuin Physisches ist, kann auch nicht als Physisches erkannt werden. Es gilt für das Anerkennen und somit für das Erkennen der Personen überhaupt, dass wir ihre »Persönlichkeit« nicht an ihren besonderen Haaren, Händen oder Gesichtszügen beobachten können.179 Woran aber dann? Warum bin ich nach Hegel für den Anderen »ein Freyes in meinem Körper, wie ich ihn unmittelbar habe«? Fichte hat das diesbezügliche Problem im Zuge seiner Grundlage des Naturrechts explizit gemacht: Denn wie weiß ich denn, […] ob etwa nur dem weißen Europäer, oder auch dem schwarzen Neger, ob nur dem erwachsenen Menschen, oder auch dem Kinde der Schutz jener Gesetzgebung zukomme […]? (1971, 84) Was Hegel betrifft, so ist zunächst wichtig, dass seine These, nach der ich für andere Subjekte »wesentlich ein Freyes in meinem Körper [bin], wie ich Vgl. hierzu Hegels Abschnitt zur »Beobachtenden Vernunft« aus seiner Phänomenologie des Geistes; eine Interpretation desselben findet sich bei Quante (2008). 179 

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Interpretation des Hegelschen Eigentumsrechts

ihn unmittelbar habe«, nicht als moralische Forderung missverstanden wird. Der Philosoph stellt die Normen, durch die sich die soziale Wirklichkeit des Rechts auszeichnet, nicht selbst auf; er rekonstruiert sie, systematisiert ihren Kerngehalt – und er hofft, dass er dadurch einen Beitrag zum kulturellen Selbstverständnis seiner Gesellschaft leisten kann. Wenn Hegel nun sagt, dass wir den Körper des Anderen sofort als »ein Freyes«, d. i. als Existenzweise einer Person nehmen, dann meint er allerdings auch nicht, dass es praktisch gar nicht anders geht. Zwar müssen wir uns im Rahmen unserer Praxen des Erhebens von Geltungsansprüchen notwendigerweise auf Äußerungen von einander, d. h. auf Vorkommnisse unseres inkorporierten Handelns beziehen.180 Von dieser Notwendigkeit ist Hegels These, dass unser Körper aus drittpersönlicher Perspektive sofort als Körper einer Person gilt, jedoch durchaus noch zu unterscheiden. Prinzipiell ist jedenfalls das Gegenteil möglich: Wir betrachten den menschlichen Körper der anderen Subjekte zunächst immer nur als Körper eines Subjekts, das nicht zu jenem abstrakten Selbstbezug fähig ist, versuchen daher unseren Willen in den fremden Körper zu legen und erst, wenn wir Grund zu der Annahme haben, dass wir es mit dem Körper einer Person zu tun haben – etwa dadurch, dass wir eine entsprechende sprachliche Willensbekundung wahrnehmen –, erst dann behandeln wir den anderen Körper als Körper einer Person. Wann genau haben wir denn Gründe für die Annahme, dass der betreffende Körper der Körper einer Person ist? Hegels Antwort auf diese Frage fällt für manchen Leser möglicherweise enttäuschend aus: Es gibt aus drittpersönlicher Perspektive keinen präzisen Generalschlüssel, der die Tür des Körpers zu der darin versteckten Persönlichkeit öffnet. Für uns gilt der Körper eines jeden erwachsenen Menschen von vornherein als Körper einer Person – wir setzen das voraus. Es ist die Ausgangsposition, die wir bzw. die Zeitgenossen Hegels gegenüber einander einnehmen, unsere Körper als Körper von Personen zu betrachten. Damit ist auch kein implizites epistemisches Schließen gemeint, sondern ein soziales Geltungsverhältnis, das Hegel als geschichtliche Errungenschaft versteht.181 Die Voraus-Setzung, bei der wir andere menschliche Körper ungeprüft als Körper von Personen aufnehmen, versteht Hegel als Grundhaltung, die wir erst dann aufgeben, wenn wir Anlass zur Skepsis haben. Indem wir den Körper als Körper einer Person anerkennen, schreiben wir dem Subjekt die Fähigkeit zur Distanzierung und somit auch die Fähigkeit und das Recht zur Kontrolle über seinen Körper zu. 180 

Vgl. hierzu Siep (1982, S. 263). Nota bene allerdings, dass Hegel diese historische Entwicklung selbst noch in seine essentialistisch-teleologische Wirklichkeitsauffassung integriert. 181 

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Damit ist, um in Hegels Sprache zu sprechen, die genannte Voraussetzung in gewisser Weise nichts anderes als unsere Setzung: Aus historischer Perspektive hat sich die Tatsache, dass wir den Körper eines jeden erwachsenen Menschen von vornherein als dessen »beseeltes Mittel« begreifen und respektieren, erst durch soziale Kämpfe etablieren, durchsetzen müssen. Zentral ist in dieser Hinsicht das explizite Erheben von diesbezüglichen Geltungsansprüchen von Subjekten gewesen, denen eine solche Anerkennung verweigert wurde.182 Hegel denkt, dass diese Anerkennung in seiner Gegenwart zur Selbstverständlichkeit, zur »zweyten Natur« (vgl. R § 4) geworden ist: Wir schreiben einander zuerst Persönlichkeit zu (womit dann auch die Zuschreibung von Verantwortung, Schuld etc. einhergeht), und nehmen die Zuschreibung nur dann zurück, wenn wir Gründe zur Annahme haben, dass der betreffende Körper kein Körper einer Person ist. Darum ist auch aus der erstpersönlichen Perspektive unser Anspruch darauf, dass unser eigener Körper als Mittel unserer Freiheit respektiert wird, nur als jedes inkorporierte Handeln implizit begleitend zu verstehen. Explizit artikuliert wird der Anspruch, wenn er als verletzt erfahren wird.183 Dieses Verhältnis von Körper und Person ist Hegels wesentlicher Grund dafür, von der Notwendigkeit des Privateigentums zu sprechen. Das privateigentümliche Verhältnis ist hier seinem Fundament nach ein geschichtlich errungenes soziales Geltungsverhältnis, bei dem Personen das Recht dazu haben – d. h. den Anspruch darauf erheben können –, sich nach individueller Willkür (vgl. R § 46) auf ihren eigenen Körper als auf eine Sache zu beziehen. Bei der Ausführung dieser erstpersönlichen Kontrolle über den eigenen Körper sind Personen nicht gezwungen, sich als Staatsbürger, Familienglieder, wirtschaftliche Kooperationspartner, Beamte oder überhaupt als Teile 182 

Heute beziehen sich solche Auseinandersetzungen beispielsweise auf das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. 183  Vgl. hierzu noch einmal die klare Passage aus der Enzyklopädie, die ich bereits als Beleg für meine Lesart der »Bestimmung des Eigenthums« (R § 45) in Kap. 2.3 angeführt habe: »Wenn das Wissen von der Idee, d. i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck und Gegenstand die Freiheit ist, speculativ ist, so ist diese Idee selbst als solche die Wirklichkeit der Menschen, nicht die sie darum haben, sondern sie sind. Das Christenthum hat es in seinen Anhängern zu ihrer Wirklichkeit gemacht, z. B. nicht Sclave zu sein; wenn sie zu Sclaven gemacht, wenn die Entscheidung über ihr Eigenthum in das Belieben, nicht in Gesetze und Gerichte gelegt würde, so fänden sie die Substanz ihres Daseyns verletzt. Es ist diß Wollen der Freiheit nicht mehr ein Trieb, der seine Befriedigung fodert, sondern der Charakter, – das zum trieblosen Seyn gewordene geistige Bewußtseyn.« (ENZ § 482 A) – Es ist allerdings fraglich, ob es Hegel auf dieser Grundlage auch gelingen kann, für die körperliche Integrität von Subjekten, die keine Personen sind, ein Argument zu liefern.

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Interpretation des Hegelschen Eigentumsrechts

des sozialen Ganzen zu begreifen. Sie haben das Recht, sich dabei in völliger Unabhängigkeit nur auf sich und ihre individuellen Interessen zu beziehen. Begründete Grenzen dieser »abstracten Freyheit« (R § 336, § 149) können nur durch den Staat formuliert und durchgesetzt werden.184 Dass es in diesem Zusammenhang zwischen dem Privateigentum an meinem Körper und dem Privateigentum an den übrigen äußerlichen Dingen – darauf komme ich im nächsten Kapitel noch zu sprechen – Unterschiede gibt, leugnet Hegel nicht; sie sind aber für die Begründung seiner These, dass Eigentum als Privateigentum verstanden werden muss, nicht weiter ausschlaggebend. Es ist diese »besondre Art des Eigenthums« (R § 48 RN 415), die auch dem Verhältnis zu anderen Sachen die rechtliche Formbestimmtheit gibt. Zu Beginn dieses Kapitels hatte ich den 46. Paragraphen der Grundlinien aus zwei Gründen zitiert: Zum einen, weil dort Hegels These von der Notwendigkeit des Privateigentums zu finden ist; und zum anderen, weil die dort erwähnte Begründung des Privateigentums derart knapp ausfällt, dass das in der Forschung wiederholt hervorgetretene Unbehagen an Hegels Argumentation nachvollziehbar ist. Hier ist er noch einmal: Da mir im Eigenthum mein Wille als persönlicher, somit als Wille des Einzelnen objectiv wird, so erhält es den Charakter von Privateigenthum, und gemeinschaftliches Eigenthum, das seiner Natur nach vereinzelt besessen werden kann, die Bestimmung von einer an sich auflösbaren Gemeinschaft, in der meinen Antheil zu lassen für sich Sache der Willkühr ist. Die Fragen, die an Hegels Position heranzutragen waren, lauteten: 1. Was ist bei Hegel überhaupt Eigentum? 2. Was ist ein Wille als »persönlicher«? 3. Was heißt es, dass ein persönlicher Wille »objectiv« wird? 4. Wo bleibt die Übereinkunft mit anderen Subjekten? Nach dem Durchgang der relevanten Teile der Argumentation lauten die Antworten nun folgendermaßen: Eigentum bezeichnet das Verhältnis eines zum abstrakten Selbstbezug fähigen Subjekts zu einer raum-zeitlichen Sache, die ein Interesse befriedigt, wobei das Subjekt den impliziten, berechtigten Anspruch auf Respektierung seines Willens erhebt. Ein solcher Wille ist ein persönlicher Wille, weil Subjekte, die zu einem abstrakten Selbstbezug fähig sind, Personen heißen. Personen zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich von ihren vorgefundenen Bestimmtheiten, zu denen neben ihren individuellen Interessen, Bedürfnissen etc. wesentlich auch ihr Körper gehört, unabhängig denken können. Zu diesem ihrem Körper verhält sich jede Person als zu ihrem Privateigentum. 184 

Darauf komme ich im nächsten Kapitel noch einmal kurz zu sprechen.

Der Körper: »Eine besondre Art des Eigenthums«

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Was die Übereinkunft mit anderen Personen betrifft, so ist sie keine Voraussetzung für dieses Verhältnis. Eigentum beruht nicht auf Vertrag, sondern auf dem Anspruch der Person, gerade über den eigenen Körper unabhängig von der vorherigen Absprache mit anderen Personen als allein ihre Sache zu verfügen – dieser Anspruch ist für die Person nicht verhandelbar. Vielmehr schreiben Personen einander diesen Anspruch von vornherein zu. Dass diese seine Konzeption mit weitverbreiteten Vorverständnissen des Eigentumsrechts in Konflikt stehen kann, war Hegel bewusst. Er beansprucht nicht, dass die philosophische Rekonstruktion eines Phänomens mit dem sogenannten Alltagsverständnis notwendigerweise übereinstimmen muss. Hegel zufolge hat sich das nicht-wissenschaftliche Verständnis, wo ernste Differenzen sichtbar werden, durch die Ergebnisse der wissenschaftlichen Analyse »zu berichtigen und zu erkennen« (R § 2 A) – zu Recht, wie ich denke. Ob und was an Hegels Rekonstruktion des Eigentumsrechts überzeugend ist, das lässt sich meiner Auffassung nach ertragreich diskutieren, wenn man ihm ein anderes wissenschaftliches Verständnis von Privateigentum gegenüberstellt. Waldron hat in The Right to Private Property eine überzeugende definitorische Darstellung dessen geliefert, wodurch sich die Institution des Privateigentums auszeichnet. Ich werde im nächsten Kapitel Hegels Eigentumsbegriff mit diesem neueren Verständnis konfrontieren. Dadurch wird sich zeigen, dass es Hegel in der Tat gelingt, einen bestimmten Teilbereich unserer sozialen Wirklichkeit überzeugend zu erfassen. Dass er dadurch aber nicht jedem seiner eigenen Ansprüche gerecht werden kann, skizziere ich zum Schluss.

3.  Reichweite und Grenzen des Hegelschen Eigentumsrechts

3.1  Waldrons Idealismus: Zur Definition von Privateigentum Jede systematisch brauchbare Diskussion des Eigentumsrechts muss zwischen seiner Definition und seiner Legitimation unterscheiden. Was das Recht auf Privateigentum betrifft, so ist seit jeher insbesondere seine Legitimation umstritten.185 Gründe für und gegen eine Institution lassen sich aber sinnvoll nur erörtern, wenn vorher hinreichend geklärt ist, worüber überhaupt gestritten wird. Unter der Voraussetzung, dass die Institution des Privateigentums bereits als etabliert gilt, erhält ihre philosophische Rekonstruktion einen gesellschaftsanalytischen Charakter.186 Dabei ist die philosophische Rekonstruktion von der Darstellung des Eigentumsrechts als konkretem positiven Recht zu unterscheiden. Waldron spricht in diesem Zusammenhang von einem allgemeinen Begriff des Privateigentums (»concept of private property«), der von seinen einzelnen, von Nation zu Nation variierenden Ausgestaltungen (»conceptions of that concept«) unterschieden werden kann (1988, 47–53).187 Grundsätzlich teilt Hegel diese Überzeugung (vgl. R § 3).

185 

Wenn ich im Folgenden vom Eigentumsrecht spreche, dann beziehe ich mich stets auf die Institution des Privateigentums. 186  Vergleiche zum gesellschaftsanalytischen Charakter der Hegelschen Rechtsphilosophie Siep (1979) und Honneth (2001a u. 2011). 187  Diese Unterscheidung ist keinesfalls trivial. Der Jurist T. C. Grey hat in seinem ­vielbeachteten Aufsatz »The Disintegration of Property« (1980) aufgrund der vermeintlichen Unbrauchbarkeit eines allgemeinen Eigentumsbegriffs die vollständige Abschaffung desselben für den rechtswissenschaftlichen Diskurs gefordert. Die vage Vorstellung, nach der das Eigentumsrecht das geschützte Verhältnis einer einzelnen Person zu einer Sache umfasst, könne der Komplexität und den Einzelheiten der wirtschaftlichen, der rechtlichen sowie der rechtswissenschaftlichen Wirklichkeit nicht gerecht werden. Juristische Konfliktfälle würden nur mit Bezug auf die jeweils konkreten Verfügungsrechte und Pflichten der involvierten Parteien gelöst; anstatt also von einem einfachen Eigentumsverhältnis zwischen Person und Sache zu sprechen, sollte man besser von einem »bundle of rights« sprechen, das die verschiedenen interpersonalen Verhältnisse, in denen Subjekte mit Bezug auf Sachen stehen, aufgreift. Die Bündel-Metapher findet bereits seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Verwendung; vgl. hierzu Penner (1996, S. 711–820) und Stepanians (2005). Warum es aus philosophischer Perspektive dennoch Sinn ergibt, nach einem allgemeinen Begriff des Eigentums und seiner Legitimation zu suchen, erhellt sich im Zuge der Diskussion von Waldrons Eigentumsbegriff. – Zur Unterscheidung von

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Reichweite und Grenzen des Hegelschen Eigentumsrechts

Um die Leistungsstärke des Hegelschen Eigentumsrechts in gesellschaftsanalytischer Perspektive einschätzen zu können, ist es sinnvoll, seine Darstellung einem gegenwärtigen Verständnis von Privateigentum gegenüberzustellen. Hierzu eignet sich Waldrons The Right to Private Property gut, da es mittlerweile als Standardwerk der modernen Eigentumstheorie gilt. Nach Waldron ist unter der Institution des Privateigentums das Folgende zu verstehen: In a system of private property, the rules governing access to and control of material resources are organized around the idea that resources are on the whole separate objects each assigned and therefore belonging to some particular individual. (1988, 38) So unscheinbar dieser einzige Satz wirken mag – Waldrons Definition ist eine konzentrierte Zusammenfassung zentraler Elemente seiner Überlegungen zur Institution des Privateigentums. Der erste Aspekt, der bei näherem Hinsehen auffällt, betrifft die Rede von Gesetzen, die ›organized around an idea‹ sind. Inwiefern kreisen verschiedene Regeln um eine Vorstellung? Man nehme beispielsweise an, dass Simon Eigentümer einer Kastanie ist: Er hat dann das Recht auf den willkürlichen Gebrauch der Kastanie, von dem er Nadine und David ausschließen kann. Letztere haben daher die Pflicht, von dem Gebrauch der Kastanie Abstand zu nehmen. Dabei hat Simon freilich kein Recht darauf, seine Kastanie Nadine an den Kopf zu werfen. Er darf seine Kastanie verkaufen, aber möglicherweise nicht an den fünfjährigen Tim. Er darf das Recht auf den Gebrauch der Kastanie an Nadine veräußern, wobei der Gebrauch, den Nadine von der Kastanie machen kann, sich von dem Gebrauch, den Simon selbst machen konnte, unterscheiden kann. Schon mit Bezug auf diese simplen Differenzierungen ließe sich fragen, warum diese einzelnen Normen überhaupt einer allgemeinen Vorstellung bedürfen, entlang derer sie ›organisiert‹ sind. Richtig ist sicher, dass ein Komplex von solcherlei Ansprüchen und Verpflichtungen auch ohne eine derartige allgemeine Hintergrundidee denkbar ist. Das gesteht auch Waldron zu (1988, 42). Aus ­gesellschaftsanalytischer Perspektive wäre aber eine solche, wenn man so will, ideenlose ­Auffassung des Eigentumsrechts unzureichend. Gäbe es eine solche allgemeine Hinter­ grundidee nicht, dann müsste, so Waldron, jede einzelne Bürgerin zur Rechts­­ expertin werden. Ohne die sehr allgemeine Vorstellung, dass die Gegenstände unserer Welt in der Regel in dem Besitz und somit in der sozial anerkannten »concept« und »conception« vgl. auch Rawls (1971, S. 5–11) und Dworkin (1979, S. 103 u. 134 ff.).

Waldrons Idealismus: Zur Definition von Privateigentum

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Entscheidungsgewalt einzelner Individuen stehen, würde unser alltäglicher Umgang mit Gegenständen kaum die Einfachheit aufweisen, durch die er sich tatsächlich auszeichnet. Wir stehen täglich im Verhältnis zu den verschiedensten Gegenständen, von denen wir ohne Weiteres wissen, auf welche Weise wir uns mit ihnen auseinandersetzen dürfen – und wir bedürfen im Normalfall keines Rechtsexperten, der den genauen Rahmen unserer Handlungsoptionen für jeden Einzelfall referiert.188 Praxen des Gebrauchens, Ausschließens, des Vermietens, des Kaufens und Verkaufens sind daher zwar auch ohne eine allgemeine Hintergrundidee vorstellbar; Waldrons Punkt lautet gleichwohl: »On the whole, our society is not like that.« (1988, 43) Neben diesem Hinweis auf die Orientierung leistende Funktion der Hintergrundidee deutet Waldron eine weitere gesellschaftsanalytische Beobachtung an: Da es im eigentumsrechtlichen Zusammenhang auch um bitterernste soziale Auseinandersetzungen um Ressourcen geht, sorgt die einmal akzeptierte Hintergrundidee auch für normative Stabilität. Damit es nicht ununterbrochen zu Gewaltausbrüchen kommt, muss das komplexe Geflecht der einzelnen Regeln des Eigentumsrechts von einer bekannten und einfachen Vorstellung begleitet sein, die als allgemein anerkannte Legitimationsgrundlage dient (1988, 43, 321). Wie steht Hegel zu diesen Aspekten des Eigentumsrechts? Bevor ich dieser Frage nachgehe, sind zunächst die folgenden drei Fragen an Waldrons Definition selbst zu richten: i. Vorausgesetzt, dass die gesellschaftsanalytische These von der Hintergrundidee überzeugend ist, lässt sich gleichwohl fragen, mit welchem Verfahren der Philosoph den bestimmten Inhalt der Hintergrund-Idee einfängt. ii. Zweitens lässt sich fragen, in welchem genauen Verhältnis die normativen Einstellungen der Rechtssubjekte zu der genannten Hintergrundidee stehen: Wodurch erhält die Hintergrundidee ihre allgemeine Akzeptanz? iii. Und drittens: In welcher Beziehung steht das gerade genannte Verhältnis zur philosophischen Rechtfertigung der Institution des Privateigentums? Ad i. und ii.)  Was die Frage nach der Quelle des propositionalen Gehalts der Hintergrundidee betrifft, so entwickelt ihn Waldron in gewisser Weise als einen idealen gemeinsamen Nenner der national verschiedenen Exemplifizierungen der Institution des Privateigentums. Waldron benennt dabei drei Verfahren der Herausarbeitung der allgemeinen Definition: a) Der Phi188 

Vgl. hierzu Ackermann (1977, Kapitel 5 u. 6) und Waldron (1988, 42 ff.).

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Reichweite und Grenzen des Hegelschen Eigentumsrechts

losoph schaut sich ein einzelnes Set von besonderen Rechten und Pflichten in einer bestimmten Gesellschaft an und formuliert anschließend den Begriff des Eigentumsrechts als eine Art Kurzversion jenes komplexen positiven Rechte- und Pflichtengeflechts (vgl. 1988, 47). b) Der Philosoph schaut sich ein bestimmtes Set von besonderen Rechten und Pflichten an und formuliert anschließend den Begriff des Eigentumsrechts nicht als knappe Inhaltsangabe jenes komplexen Rechte- und Pflichtengeflechts, sondern als ihren sittlichen Geist (»spirit«) – so wie etwa die Einzelheiten der Gesetze zum Ehebruch ihren Geist in der Vorstellung von der Verwerflichkeit der Untreue haben (ebd.). Ob nun als Kurzversion oder als sittlicher Geist – Waldron verzichtet auf diese Arten der Entwicklung einer Definition des Eigentumsrechts aus einem bestimmten Regel-Set, da sich aus juristischer, sich auf die besondere Rechtslage stützender Perspektive kein analytisch brauchbarer Begriff von Privateigentum herleiten lasse: Die Aussage »Person A ist Eigentümer von Gegenstand G« ist vor dem Hintergrund der Komplexität der positiv-rechtlichen Ordnung, die den Zugriff auf Ressourcen detailliert regelt, schlicht unterbestimmt (vgl. 1988, 47, 26–30). c) In Rückgriff auf die Unterscheidung zwischen concept und conception hält Waldron den allgemeinen Begriff des Privateigentums zunächst mit dem Hinweis auf einen internationalen Vergleich fest. Bei allen Unterschieden, die es zwischen der Institution des Privateigentums etwa in Frankreich, Deutschland und in den USA gibt, ist eine bestimmte Familienähnlichkeit – Waldron bezieht sich explizit auf Wittgenstein – unübersehbar: Die französische, die deutsche und die amerikanische conception unterscheiden sich zwar; aber wir sind durchaus dazu in der Lage, sie als conceptions des Privateigentums zu erkennen. In der Regel verstehen wir unter dem Satz »A ist Eigentümer von G« über die Ländergrenzen hinweg etwas Ähnliches: A darf G gebrauchen, darf andere daran hindern, G zu gebrauchen, darf G verleihen, verkaufen oder verschenken (1988, 49). Die positiv-rechtlichen Variationen, die Gebrauch und Veräußerung betreffen, liegen auf der Ebene der einzelnen conceptions. Gleichwohl wird durch Waldrons Darstellung nicht immer hinreichend deutlich, dass auch bei dem Vergleich verschiedener conceptions der Institution des Privateigentums ihr allgemeiner Begriff nicht induktiv gewonnen werden kann. Der Begriff des Privateigentums, d. i. ein concept, muss schließlich vorausgesetzt werden, um eine bestimmte rechtliche Ordnung überhaupt zielgerichtet in den Blick nehmen zu können. Das lässt aber die Frage nach dem Verfahren der Bestimmung des propositionalen Gehalts des gesuchten Begriffs weiterhin im Dunkeln.

Waldrons Idealismus: Zur Definition von Privateigentum

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Was Waldron an die einzelnen conceptions tatsächlich heranträgt, ist ein concept des Eigentumsrechts, das er geradezu beiläufig als »›intuitive‹ idea« (1988, 48) bezeichnet. Es ist die Überzeugung von einer correlation between individual names and particular objects, such that the decision of the named individual object (sic!) about what should be done with an object is taken as socially conclusive. (1988, 52) Dies ist die »very abstract idea« (ebd.), die den Kern der Waldron’schen Definition bildet und die er offenbar für unmittelbar gegeben hält. Waldrons Motivation für eine Definition, deren Kern unmittelbar verfügbar ist, könnte darin liegen, auf der Grundlage einer möglichst unstrittigen allgemeinen Vorstellung von Privateigentum Befürworter und Gegner der Institution nicht bereits bei der Frage nach der Definition getrennte Wege gehen, sondern wenigstens über denselben Gegenstand streiten zu lassen. Nichtsdestoweniger darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass Waldron mit diesem intuitiven Verständnis von Privateigentum nicht bloß einen vermeintlich unstrittigen Bezugspunkt für die philosophische Debatte bereitstellen möchte, sondern gleichzeitig den Anspruch erhebt, dass diese Vorstellung von Privateigentum in gesellschaftsanalytischer Hinsicht adäquat ist. Ein Privateigentums-System ist für Waldron ein System, das sich über die genannte intuitive Vorstellung selbst normative Stabilität verschafft. Waldron hat diesen Aspekt seiner Definition an späterer Stelle als Baustein im Rahmen der philosophischen Legitimation für die Institution des Privateigentums genutzt (1988, 321) – spätestens hier ist daher die Frage nach der Adäquatheit und Relevanz der »intuitive idea« geboten. Denn gegenüber kollektiven Eigentumsordnungen lässt sich Waldron zufolge der normativ stabilisierende Faktor des privateigentümlichen concepts geltend machen: It seems reasonable to require not only that the detailed rules of the imagined system [einer alternativen Eigentumsordnung, A.M.] should do the work for liberty that we want it to do, but also that the organizing idea should make a contribution in this effect. So […] although the rules of a particular conception of collective property may be capable in principle of fostering a stable sense of individual responsibility, we must also take into account the effect on individual responsibility of people going about their daily lives with the idea in their head that, as a basic rule, important resources are reserved for collective rather than individual purposes. (1988, 321) Waldron trifft hier sicher einen richtigen Punkt. Gesetze sind natürlich nicht bloß durch ihre explizite Anwendung (etwa im Falle von Verstößen) wirksam,

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Reichweite und Grenzen des Hegelschen Eigentumsrechts

sondern sie können auf verschiedene Art und Weise die Denk- und Wahrnehmungsschemata der Subjekte prägen. Es wäre allerdings angemessen gewesen, die Grundlage der normativen Kraft des privateigentümlichen concepts auch systematisch zu explizieren, statt sie nur zu behaupten. Wodurch entwickelt denn die privateigentümliche Hintergrundidee ihre allgemeine Akzeptanz (ii. Frage); inwiefern geht von ihr ein positiver Effekt für die Entwicklung individueller Verantwortung aus; warum ist das privateigentümliche System »capable of generating its own support« (ebd.)? Waldron widmet sich diesem Thema leider nicht. Die »organizing idea« ist samt ihrer normativ stabilisierenden Wirkung ›in den Köpfen‹ der Subjekte einfach vorhanden. Ein wenig problematisch ist dabei außerdem der Umstand, dass sich innerhalb der Waldron’schen Definition selbst ein bedeutender Aspekt findet, der den rein intuitiven Charakter der Hintergrundidee als zweifelhaft erscheinen lässt. Man betrachte noch einmal die Definition: In a system of private property, the rules governing access to and control of material resources are organized around the idea that resources are on the whole separate objects each assigned and therefore belonging to some particular individual. (1988, 38) Klarerweise ist nicht die gesamte Definition eine »›intuitive‹ idea«, sondern nur die Vorstellung, dass Ressourcen im Großen und Ganzen einzelne Dinge sind, die jeweils bestimmten Individuen gehören. Dass ein komplexes Regelgeflecht von einer solchen Vorstellung begleitet ist, ist natürlich nur die These des Philosophen. Es ist aber bemerkenswert, dass für Waldron die Überzeugung, dass es Ressourcen sind, die den Individuen zugeordnet sind, selbst noch zum propositionalen Gehalt der »›intuitive‹ idea« gehört. Auch an jener vorhin zitierten Stelle spricht Waldron davon, dass people [go] about their daily lives with the idea in their head that, as a basic rule, important resources are reserved for […] individual purposes. (1988, 321; vgl. auch 60, meine Hervorhebung, A.M.) Dass eine Eigentumsordnung nicht bloß raum-zeitliche Objekte überhaupt, sondern jeweils die Verteilung von wichtigen Ressourcen zum Gegenstand hat, ist meiner Auffassung nach keine Einsicht, die unmittelbar evident bzw. Teil eines intuitiven Bewusstseins ist. Waldron selbst verwendet einige Energie darauf, zu zeigen, dass jede Gesellschaft ihr Allokationsproblem – die Frage nach der Verteilung von zur wirtschaftlichen Reproduktion notwendigen und knappen Ressourcen – lösen muss. Die verschiedenen Typen von Eigentumsordnungen sind für Waldron verschiedene Lösungen dieses Problems (1988, 31–33).

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Insgesamt lassen sich daher drei Linien in Waldrons Überlegungen zur Definition des Privateigentums erkennen: Erstens der Versuch einer gesellschaftsanalytisch adäquaten Erfassung des komplexen positiven Rechte- und Pflichtengeflechts, das zur Annahme einer »organizing idea« zwingt, deren Charakter als intuitiv zu bezeichnen ist. Zweitens der Anspruch, mit einer abstrakten Idee des Privateigentums eine konsensfähige Grundlage für den wissenschaftlichen Legitimationsdiskurs bereitzustellen. Und drittens die voraussetzungsreichen Überlegungen zur politisch-ökonomischen Bedeutung jeder Eigentumsordnung (»problem of allocation«, 1988, 32). Ad iii.)  Soweit zu Waldrons Antwort auf die ersten beiden Fragen, die an seine Definition zu richten waren. Die dritte Frage betrifft das Verhältnis der intuitiven Vorstellung zur philosophischen Legitimation von Privateigentum. Philosophische Gründe für oder wider eine Institution unterscheiden sich selbstverständlich von einem intuitiven Urteil. Dabei ist es zwar denkbar, dass der intuitive Blick auf das Eigentumsrecht insofern mit den philosophischen Überlegungen zu seiner Legitimation identisch ist, als er als schlagwortartige Kurzfassung der philosophischen Legitimation gelten kann. Es könnte aber auch der Fall sein, dass unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten die intuitive Vorstellung von einer Institution bzw. einer Regel als Fehleinschätzung einzustufen ist. Es könnte außerdem der Fall sein, dass gerade auf der Grundlage einer solchen Fehleinschätzung die Institution breite normative Akzeptanz findet. Bei Waldron findet sich zu diesem Thema ein einziger Satz: (T)he organizing idea of a property system […] provides a natural point of contact between legitimizing considerations and the grasp which ordinary citizens have on the rules. (1988, 43) Sehe ich recht, dann sucht Waldron mit dieser Formulierung anzudeuten, dass die philosophische Legitimation des Eigentumsrechts und der lebensweltlich-normative Zugriff, den die Rechtssubjekte auf diese Institution haben, nicht gänzlich ohne Berührungspunkt sind. Die Institution, für die der Philosoph legitimierende Argumente sucht, ist ihm begrifflich unter anderem in der Gestalt einer allgemeinen Idee gegeben. Seine Rechtfertigung ist folglich Rechtfertigung eines Teilbereichs der sozialen Wirklichkeit, die durch die allgemeine Idee strukturiert ist. Diese allgemeine Idee ist aber auch die Gestalt, in der die Institution in dem Bewusstsein der »ordinary citizens« erscheint und dort intuitiv als gerechtfertigt gilt. Philosophische Rechtfertigung und lebensweltliche Akzeptanz haben somit denselben Gegenstand – die »organizing idea«.

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Reichweite und Grenzen des Hegelschen Eigentumsrechts

Zur Definition von Privateigentum bei Hegel Um es gleich vorweg zu sagen: Hegel teilt in den wichtigsten Punkten die Waldron’sche Auffassung von Privateigentum. Dass die besonderen Gesetze, welche die verschiedensten Arten von Gebrauch und Veräußerung raumzeitlicher Einzeldinge rechtlich regeln, nicht bloß als von Fall zu Fall unterschiedliche ›Bündel aus Rechten‹ zu betrachten sind, sondern deren philosophisch adäquates Begreifen sie als Konfiguration einer allgemeinen Idee erkennen muss – darin sind sich Waldron und Hegel einig. Dabei ist es bemerkenswert, dass Waldron in der Definition noch davon spricht, dass die besonderen Regeln um die allgemeine Idee herum organisiert sind (»organized around the idea«), während er in der anschließenden Explikation der Definition stets sogar von der »organizing idea« spricht, die Idee also in heuristischer Absicht als Subjekt der Organisation des Rechte- und Pflichtengeflechts bezeichnet (vgl. 1988, 42–60). Doch Hegel würde nicht bloß die Rede von der »organizing idea« sofort unterschreiben; auch mit den Funktionen, die sie in der Lebenswelt der normalen Bürgerin übernimmt, ist er einverstanden. Die Institutionen des Objektiven Geistes – auch das Eigentumsrecht – sind für Hegel die Idee des Rechts. Hegel begreift diese Idee als Verwirklichung eines universalen Willens. Über diesen Universal-Willen und dessen Verhältnis zum Bewusstsein des normalen Bürgers sagt er: [I]n seiner Allgemeinheit dem subjectiven Willen eingebildet, als dessen Gewohnheit, Sinnesart und Charakter, ist er als Sitte. (ENZ § 485) Institutionen haben daher auch für Hegel Orientierung leistende Funktion. Es ist schließlich eine der Hauptthesen der Rechtsphilosophie Hegels, dass die für einen Staat wesentlichen Regeln und Prinzipien nicht dadurch wirksam sind, dass der einzelne Bürger die besonderen rechtlichen Formen ihrer Implementierung theoretisch auswendig und praktisch anzuwenden lernt, sondern dass sie wirksam sind als die in gesetzliche Gestalt gegossenen eigenen Geltungsansprüche der Subjekte. Materielle Einzeldinge anzueignen, sie zu gebrauchen, andere von diesem Gebrauch auszuschließen, vom Gebrauch von Dingen Abstand zu nehmen, die der Willkür anderer Subjekte unterliegen – das ist alles längst zu unserer »zweyten Natur« (R § 4) geworden.189 Vgl. hierzu Siep (1992, S. 118 f.) In Mind and World hat McDowell (1996, Kap. 6) ein ähnliches Konzept der »zweyten Natur« entwickelt; vgl. außerdem auch dessen Aufsatz Two Sorts of Naturalism (1998, S. 167–197). Zur Nähe von Hegel und McDowell vgl. Sedwick (1997); diesbezüglich kritisch Wetzel (2004) und Quante (2011, Kap. 2). Zur Problematisierung von McDowells Naturbegriff vgl. Quante (2000). 189 

Waldrons Idealismus: Zur Definition von Privateigentum

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Auch der normative Rückhalt, den die Institutionen durch die Subjekte genießen, lässt sich bei Hegel wie bei Waldron auf eine, wenn man so will, »organizing idea« zurückführen. Insgesamt ist aber das Verhältnis zwischen allgemeiner Idee und dem evaluativen Rückhalt der Institution durch die Subjekte bei Hegel ein wenig komplizierter als bei Waldron. Zur Gegenüberstellung mag es hilfreich sein, Hegels Position mit denjenigen Fragen zu konfrontieren, die auch an Waldrons definitorischen Überlegungen gerichtet worden sind: i.

Auf welche Weise wird der konkrete Gehalt der Hintergrundidee generiert? ii. Wodurch entfaltet die Hintergrundidee ihre allgemeine Akzeptanz und stabilisierende Wirkung? iii. In welcher Beziehung steht die Hintergrundidee zur philosophischen Rechtfertigung der Institution des Privateigentums? Ad i.)  Im Falle Hegels ist hier zunächst das Folgende zu erwähnen: Die »organizing idea« der Rechtsphilosophie ist die Idee des freien Willens. Sie ist die ontologische Grundlage der gesamten Wirklichkeit des Rechts – nicht bloß des Eigentumsrechts. In Kapitel 2.4.1 habe ich nachgezeichnet, dass Hegel im Zuge seiner Rechtsphilosophie diese Idee als eine Entwicklung darstellt. Das Eigentumsrecht ist dabei selbst eine Stufe dieser Entwicklung, wobei Hegel bereits in den einleitenden Paragraphen (R §§ 1–33) darauf hinweist, dass die einzelnen Stufen der Entwicklung dieser Idee selbst als Begriffe (R § 32) aufzufassen sind. Um also zu sehen, welcher Begriff bzw. welche »organizing idea« für das Eigentumsrecht maßgeblich ist, reicht jetzt ein Blick in Hegels eigene »Eintheilung«: Nach dem Stufengange der Entwicklung der Idee des an und für sich freyen Willens ist der Wille A. unmittelbar; sein Begriff daher abstract, die Persönlichkeit, und sein Daseyn eine unmittelbare äußerliche Sache. (R § 33) Die »organizing idea« des Eigentumsrechts ist für Hegel daher der Begriff der »Persönlichkeit«. Dessen Analyse hat gezeigt, dass Hegel mit ihm nicht bloß die »Bestimmung des Eigenthums« (R § 45; vgl. Kap. 2.3) philosophisch rekonstruiert zu haben meint; er hat im Zuge der Explikation der Persönlichkeit auch offengelegt, wodurch sich Subjekte überhaupt auszeichnen müssen, damit von ihnen sinnvollerweise gesagt werden kann, dass sie Eigentümer sind – Hegels Begriff der Persönlichkeit enthält ja auch die Bedeutung der »Rechtsfähigkeit« (R § 36). Dieser Punkt ist auch für die Definition des Eigentumsrechts bei Waldron relevant, da in ihr davon die Rede ist, dass Ein-

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Reichweite und Grenzen des Hegelschen Eigentumsrechts

zeldinge einzelnen Subjekten rechtmäßig zugeschrieben bzw. zugeordnet sind (»assigned and therefore belonging« 1988, 38). Nun ist selbstverständlich nicht von einer Definition zu fordern, dass in ihr expliziert wird, was unter diesem Zuordnen genau zu begreifen ist. Es ist erst einmal davon auszugehen, dass hier nicht Tiere oder Kleinkinder einander den Besitz von Objekten zuschreiben, sondern gesunde erwachsene Bürger. Hegel jedenfalls hat mit der Distanzierungsfähigkeit der Person, mit jenem abstrakten erstpersönlichen Selbstbezug, ein philosophisches Rekonstruktions-Angebot für dieses vorwissenschaftliche Urteil bereitgestellt (vgl. Kap. 2.4.2–2.4.3). Auf der Grundlage des Persönlichkeitsbegriffs hat Hegel aber auch zwei weitere wichtige Elemente der Waldron’schen Definition eingefangen: Die These, dass das Eigentumsrecht den Zugang zu materiellen Objekten regelt; und die These, dass wir uns im Rahmen dieses Rechts so verhalten, als ob die Natur eine Ansammlung einzelner, trennbarer Dinge sei (»separate objects« 1988, 38). Man könnte diese – nach Waldron – intuitive Vorstellung, nach der wir uns auf Ressourcen als auf vereinzelte und ›besitzbare‹ materielle Gegenstände beziehen, in rechtssoziologischer Perspektive untersuchen – etwa indem man mit Methoden der empirischen Sozialforschung nach dem Wechselverhältnis von positiver Rechtsordnung und außerrechtlicher sozialer Wirklichkeit fragt.190 Hegel dagegen entwickelt dieses Bewusstsein im Rahmen der philosophischen Analyse: Für jede Gesellschaft ist irgendeine geregelte Art der Auseinandersetzung mit der Natur konstitutiv. Insofern Hegel nun seine gegenwärtige, auch der Willkür des Individuums Raum eröffnende Gesellschaft (R §§ 260–264) rechtsphilosophisch rekonstruiert, fokussiert er zunächst das sich nur auf sich selbst beziehende Subjekt und sein Verhältnis zur Außenwelt. Hegel hat in diesem Zusammenhang von »abstracter Freiheit« (R § 336, § 149) gesprochen; und Waldron illustriert sie wie folgt: The person to whom a given object is assigned […] has control over the object: it is for her to decide what should be done with it. In exercising this authority, she is not understood to be acting as an agent or official of the society. She may act on her own initiative without giving anyone else an explanation, or she may enter into cooperative arrangements with others, just as she likes. (SEP) Diesen Raum der individuellen Willkür sucht Hegel im Abstrakten Recht zu rekonstruieren. Dem ausschließenden Blick auf sich entspricht dabei für He190 

Vgl. hierzu die synoptische Darstellung des Verhältnisses von Recht und Anthropologie bei Gutmann (2010).

Waldrons Idealismus: Zur Definition von Privateigentum

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gel der Blick auf die Natur als Welt vereinzelter Gegenstände. Als einzeln und trennbar hat Hegel sämtliche Entitäten ausgezeichnet, von denen sich die Person in ihrem abstrakten Selbstbezug distanzieren kann (vgl. Kap. 2.1). Es ist das Recht eines Subjekts, das »als Person unmittelbare Einzelnheit ist, hiermit sich auch als solche zum Aeußerlichen als zu Einzelnheiten verhält.« (R § 52 A)191 Dass das Eigentumsrecht in erster Linie den Zugriff auf materielle Einzeldinge regelt, etabliert Hegel ebenfalls im Zuge seiner Explikation des Persönlichkeits-Begriffs. Da sich – wie in Kap. 2.4.2 gezeigt – das Anerkennungsverhältnis zwischen Personen nicht direkt auf jenen abstrakten Selbstbezug als solchen richten kann, müssen sich die Subjekte vermittelt über raum-zeitliche Entitäten auf einander beziehen. Dies ist letztlich auch der systematische Grund dafür, dass Hegel den menschlichen Körper als für Personen konstitutiv betrachtet (vgl. Kap. 2.5.2). Inwiefern Hegels diesbezügliche Argumente für das Eigentumsrecht in systematischer Hinsicht überzeugend sind, werde ich im übernächsten Kapitel (3.3) diskutieren. Ad ii.)  Was die Frage nach der allgemeinen Akzeptanz und Quelle des Rückhalts des Eigentumsrechts betrifft, so ist in Bezug auf Hegels Position festzuhalten, dass die Bürger nicht notwendigerweise ein – aus philosophischer Perspektive – adäquates Verständnis der Institution besitzen. Hegel hat seine Rekonstruktion des Eigentumsrechts – wie ich in Kapitel 2.4.1 gezeigt habe – in gewisser Weise doppelseitig vorangetrieben: Grundlegend ist die Ebene der philosophischen Explikation des Willensbegriffs. Ihre für das Eigentumsrecht relevante Kulmination erreicht diese Begriffsentwicklung bei der Darstellung des Geltungsanspruchs von Personen: Sie vergegenständlichen (vgl. R § 45) ihren Willen in raum-zeitliche Einzeldinge und wollen diesen ihren sozial zugänglichen Willen als Willen eines freien Subjekts anerkannt wissen (vgl. Kap. 2.4.3). Dieses soziale Phänomen sieht Hegel durch das Eigentumsrecht gesichert – das ist die Ebene der Institutionen. »Privateigentum« ist dabei für Hegel – anders als der Willensbegriff z. B. – kein philosophischer Begriff, sondern der Name für die soziale »Gestaltung« (R § 1 A), die der Begriffsentwicklung des Willens auf dieser Stufe entspricht. »Privateigentum« ist vielmehr eine »Vorstellung« (R § 2 A) – das Medium, in welchem sich die normalen Bürger ein Bild von der Institution machen. Dabei geht es der philosophischen Rekonstruktion keinesfalls stets darum, 191 

Waldron hat gesehen, dass Hegel diese Einstellung philosophisch zu rekonstruieren versucht; er setzt Hegels diesbezügliche Überlegungen aber nicht zu seinen eigenen Definitionsbemühungen in Beziehung (1988, 360).

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Reichweite und Grenzen des Hegelschen Eigentumsrechts

lediglich den semantischen Gehalt der empirisch vorhandenen Vorstellungen auszubuchstabieren. Die Deutungshoheit liegt für Hegel ganz klar bei der Wissenschaft. Die Subjekte können sich in ihrem vorstellenden Bild von der Institution des Eigentumsrechts durchaus irren. Nichtsdestoweniger ist Hegel davon überzeugt, dass die Institution des Privateigentums – auch unabhängig von ihrer wissenschaftlichen Erfassung – einen breiten Rückhalt in der Gesellschaft besitzt, ja besitzen muss. Die Existenz der Institutionen findet nur darum breite Akzeptanz, weil und insofern die Individuen auf dieser Basis ihre Interessen befriedigen. Im Zusammenhang des Eigentumsrechts sind hier für Hegel zwei Stränge von Geltungsansprüchen (ich diskutiere sie im übernächsten Kapitel) zu erwähnen: Erstens unser Anspruch darauf, unseren vergegenständlichten Willen als freien Willen anerkannt zu sehen. Das gilt für das Verhältnis zu unserem eigenen Körper und hierüber vermittelt auch zu anderen raum-zeitlichen Einzeldingen. Und zweitens der im Rahmen der Bürgerlichen Gesellschaft sich artikulierende Anspruch, auf der Grundlage der eigenen Arbeit für die eigene Subsistenz zu sorgen (vgl. R § 245). Selbst diese Ansprüche aber müssen nicht stets in expliziter Weise erhoben werden (vgl. Kap. 2.3) – sie bilden für Hegel die, wenn man so will, »interne Grammatik« (Quante 2011, 17) der sozialen Institutionen. Ohne diesen in den sozialen Praxen implizit verankerten Rückhalt »steht der Staat in der Luft. Das Selbstgefühl der Individuen macht seine Wirklichkeit aus.« (R § 265 Z) Ad iii.)  Wie steht nun die philosophische Rekonstruktion der genannten Geltungsansprüche der Subjekte zur philosophischen Rechtfertigung der Institutionen? Für Hegel ist die philosophische Rekonstruktion der institutionellen Wirklichkeit, d. i. unserer zentralen normativen Praxen der Zuschreibung von Verantwortung sowie der Erhebung und Anerkennung von Geltungsansprüchen identisch mit ihrer Legitimation (vgl. R § 148 A). Gerechtfertigt sind die Institutionen insofern sie als soziale Manifestation des freien Willens ausgewiesen werden können. Wenn es gelingt zu zeigen, dass das Eigentumsrecht neben anderen Institutionen einen notwendigen Platz im Gefüge der freiheitsverbürgenden Institutionen hat, dann ist das Eigentumsrecht dadurch auch gerechtfertigt. Darstellung und Evaluation des Eigentumsrechts sind bei Hegel daher ein und derselbe Akt.192 Um dieses Verfahren der Verschränkung von Kritik und Darstellung systematisch angemessen zu diskutieren, müsste man weiter ausholen als ich es Honneth (2011) sucht dieses Verfahren der Hegelschen Rechtsphilosophie, das er »normative Rekonstruktion« nennt, auch zur Grundlage seiner eigenen Sozialphilosophie zu machen. 192 

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hier tun kann. Sehe ich recht, dann ist dieses Verfahren in Hegels Fall ohne seinen starken teleologischen Essentialismus und Rationalismus nicht denkbar. Von einer solchen Diskussion ist aber die Hegelsche These, dass Privateigentum die notwendige Institution zur Verwirklichung der rekonstruierten Ansprüche der Subjekte ist, hinreichend ablösbar. Inwiefern seine These überzeugend ist, diskutiere ich im übernächsten Kapitel. Vor dem Hintergrund der in dieser Studie entwickelten Interpretation des Hegelschen Eigentumsrechts gibt es aber einen weiteren Aspekt, der möglicherweise einen zentralen Unterschied zwischen Hegel und Waldron markiert: Die Rolle des Körpers im Eigentumsrecht. Für Hegel ist das Verhältnis der Person zu ihrem Körper und zu ihren körperlichen und geistigen Fähigkeiten auch als Eigentumsverhältnis zu betrachten. In Waldrons Definition findet sich zwar kein expliziter Hinweis darauf, ob der Körper von Personen als Gegenstand von Eigentumsverhältnissen in Frage kommt oder nicht; nichtsdestoweniger ist der systematische Diskussionsort dieses Punktes klar: Eigentumsordnungen regeln den Umgang mit Ressourcen – und der Körper und die mit ihm verbundenen Fähigkeiten könnten aus der Perspektive des von Waldron formulierten Allokations-Problems in Betracht kommen. Was den allgemeinen Zusammenhang zwischen Eigentumsrecht und seiner politisch-ökonomischen Relevanz betrifft, so ist meiner Auffassung nach Hegel mit Waldron durchaus auf einer Linie. Vermittelt über das Eigentumsrecht wird der Zugriff auf Ressourcen geregelt (vgl. R § 46). Hegel hat aber auch Arbeitsverhältnisse ausdrücklich als Eigentumsverhältnisse begriffen. Das Eigentum am eigenen Körper erlaubt auch die Veräußerung des Gebrauchs eigener Fähigkeiten: Von meinen besonderen, körperlichen und geistigen Geschicklichkeiten und Möglichkeiten der Thätigkeit kann ich einzelne Productionen und einen in der Zeit beschränkten Gebrauch von einem anderen veräußern, weil sie nach dieser Beschränkung ein äußerliches Verhältniß zu meiner Totalität und Allgemeinheit erhalten. (R § 67) Auf dieser Grundlage lässt sich Hegel eine Konzeption der self-ownership zuschreiben.193 Waldron steht dagegen in seinen systematischen Überlegungen zum Eigentumsrecht der self-ownership-Vorstellung skeptisch gegenüber (vgl. 1988, 390–423). Am Beispiel der Lockeschen Eigentumstheorie hat er zu self-ownership-Ansätzen im 20. Jahrhundert Nozick (1974) und Cohen (1995). Hegels Auffassung der self-ownership unterscheidet sich freilich von diesen Ansätzen. Darauf kann ich hier leider nicht näher eingehen. Gleichwohl komme ich im Folgenden noch einmal skizzenhaft auf diesen Punkt zurück. 193  Vgl.

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gezeigt, dass die Vorstellung des Eigentums an der eigenen Person äußerst problematisch ist. Die über dieses Verhältnis vermittelte Beziehung zu anderen materiellen Gegenständen – Locke denkt an Arbeitsverhältnisse – kann man als ein Modell der Vergegenständlichung begreifen. Das Eigentum an der eigenen Person und Arbeit berechtigt auch zum Eigentum an den Produkten der eigenen Arbeit. Doch auch Hegels diesbezügliche Gedanken lassen sich als eine Art Vergegenständlichung der Person begreifen (vgl. Kap. 2.3). Waldron hat sich beiden Modellen ausführlich gewidmet. Um zu beurteilen, ob Hegel gut daran tut, Arbeitsverhältnisse als Eigentumsverhältnisse zu begreifen, ist es sinnvoll, sich Waldrons Überlegungen zu den verschiedenen Vergegenständlichungsmodellen einmal genauer anzuschauen.

3.2 Vergegenständlichungsmodelle Nehmen wir noch einmal an, ich habe Lust auf eine Kastanie. Ich gehe in den Wald, pflücke die Frucht unter Einsatz meiner Kraft, kehre zurück nach Hause und lege sie auf den Tisch. Man kann jetzt die Kastanie auf dem Tisch als Vergegenständlichung meines Willens bezeichnen. In Lockes Fall bedeutet dies, dass eine Eigenschaft des Subjekts jetzt in bestimmter Weise mit dem Objekt verknüpft ist – eine Verknüpfung, die zum Eigentum berechtigt: (E)very Man has a Property in his own Person. This no Body has any Right to but himself. The Labour of his Body, and the Work of his Hands, we may say, are properly his. Whatsoever then he removes out of the State that Nature hath provided, […] he hath mixed his Labour with and joined to it something that is his own, and thereby makes it his Property. (1976, § 27) Zwei Thesen sind hier zu unterscheiden: Erstens die These, dass jeder Mensch Eigentümer seiner Person ist. Und zweitens die These, dass die Person durch eigene Arbeit auch Eigentümer von Gegenständen wird, weil sie den Gegenständen etwas hinzugefügt hat, das ursprünglich zu ihrem Eigentum gehört. Mit Bezug auf die erste These hat Waldron nachgewiesen, dass Locke nicht das Eigentum am eigenen Körper im Sinn hat, sondern ausdrücklich an der eigenen Person (1988, 177–180). Personen sind für Locke selbstbewusste, freie Subjekte, deren Handlungen einer Zurechnung fähig sind.194 Der Mensch ist nach Locke daher primär Eigentümer seiner Handlungen und Fähigkei194 

Vgl. Locke (1961, Book II, ch. xxvii, sect. 16; außerdem ebd. sect. 10). Vgl. zu Lockes Personbegriff und seine Relevanz für dessen praktische Philosophie außerdem Siep (1992, S. 81–116).

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ten.195 Aus systematischer Perspektive ist es nach Waldron allerdings unglücklich, Handlungen als Entitäten aufzufassen, auf die man ein Eigentumsrecht haben kann. Wenn ich beispielsweise beim Pflücken einer Kastanie nicht gestört werden möchte, dann sei besser von einem Recht auf Handlungsfreiheit zu sprechen als von einem Recht auf Eigentum an meinen Handlungen. Waldrons zentraler Einwand ist hier, dass es nur dann Sinn ergibt, von Eigentum zu sprechen, wenn davon die Rede sein kann, dass einem Subjekt der Gegenstand seines Eigentumsrechts ohne Zustimmung entwendet werden kann. Wenn ich aber einmal ungestört die Kastanie gepflückt habe – wie sollte man mir anschließend die Handlung des Pflückens entwenden (1988, 180 f.)? Handlungen, die einmal frei ausgeführt sind, können nicht nachträglich unfrei gemacht werden. Auf diesen Einwand gegen Locke komme ich noch einmal bei der abschließenden Diskussion des Hegelschen Eigentumsrechts zu sprechen. Unabhängig von dieser Problematik macht Waldron auf eine weitere Unzulänglichkeit des Locke’schen Vergegenständlichungsmodells aufmerksam. Locke spricht davon, dass die Arbeit des Subjekts mit dem Gegenstand ›vermischt‹ oder ›verbunden‹ (»joined«) wird. Seine These hat daher etwa die folgende Struktur: P1: Subjekt A vermischt seine Arbeit mit Gegenstand G. Um das Problem deutlich zu machen, analogisiert Waldron diese Aussage durch andere Aussagen, die das Vermischen von Gegenständen betreffen. Man nehme z. B. den folgenden Fall: P2: Subjekt A vermischt Salz mit Teig. Wenn das Salz die Rolle der mit dem Gegenstand vermischten Arbeit spielt, fragt sich, welche Rolle dann die Tätigkeit des Vermischens noch spielen soll. Ist aber das Vermischen die Arbeit selbst, dann fragt sich, welche Rolle noch der Zutat – dem Salz – gebührt. Waldron resümiert seine gnadenlos wörtliche Interpretation daher wie folgt: There is the mixer, the thing being mixed in, and the thing into which it is being mixed; but there is no distinct action of mixing. Or, if you like, we have the mixer, the action of mixing, and the object into which something is being mixed; but there is nothing which is being mixed in. We have ingredient and mixture but no mixing, or mixing and mixture but no ingredient. […] The phrase ›mixing one’s labour‹ is shown to have the logical form of ›mixing one’s mixing‹. (1988, 185 f.) 195 

Vgl. hierzu auch Siep (2007, S. 330).

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Ob Waldron Lockes diesbezüglichen Überlegungen gerecht wird, ist eine Frage der Locke-Interpretation und hier nicht mein Thema.196 Auch wenn Waldron seinen Standpunkt selbst nicht systematisch weiter ausführt, ist sein Einwand gegen Locke der Sache nach klar: Arbeit, verstanden als eine Reihe von Handlungen, kann nicht mit Gegenständen vermischt werden. Die Aussage P1 enthält folglich einen Kategorienfehler, der wohl darauf zurückzuführen ist, dass bei der Rede über das ›Vermischen mit eigener Arbeit‹ der Prozess-Sinn von Arbeit nicht sauber von dem Resultat-Sinn von Arbeit (z. B. dieser Tisch ist meine Arbeit) unterschieden ist. Hegels Vergegenständlichungsmodell ist nach Waldron frei von solchen Fehlern. Und mehr noch: Für Waldron findet sich bei Hegel eines der systematisch stärksten Argumente, das man für die Institution des Privateigentums überhaupt ins Feld führen kann. An Waldrons Hegel-Deutung197 lässt sich in der Tat aufzeigen, inwiefern das Hegelsche Vergegenständlichungsmodell und dessen Verknüpfung mit dem Eigentumsrecht in systematischer Perspektive überzeugend ist – und inwiefern nicht. Im Folgenden widme ich mich daher den wesentlichen Zügen der Waldron’schen Auseinandersetzung mit Hegel.

Waldrons Version des Hegelschen Vergegenständlichungsmodells Um Waldrons Hegel-Deutung adäquat in den Blick nehmen zu können, ist es zunächst sinnvoll darauf hinzuweisen, dass Waldron ausschließlich an Hegels Argument für die Legitimation von Privateigentum interessiert ist; was die Definition, die Darstellung der Institution betrifft, so setzt er implizit voraus, dass Hegel unter Privateigentum in etwa dasselbe versteht wie er selbst.198 Setzt man gemeinsam mit Waldron voraus, dass auch Hegel die allgemeine Vorstellung darüber teilt, wodurch sich eine privateigentümliche Rechtsordnung insgesamt auszeichnet, dann kann jetzt Hegels Vergegenständlichungsmodell als Baustein im Rahmen eines Argumentationsstranges für die Rechtfertigung in den Fokus rücken. 196 Waldrons

Locke-Kritik findet sich in Ansätzen bereits bei Day 1966. Zu einer anderen Locke-Deutung vgl. Brandt (1974, S. 240), Olivecrona (1974), Brocker (1992) und Peters (1997). 197  Seine Deutung ist in der neueren Hegel-Forschung wiederholt rezipiert worden. Honneth betrachtet sie als die beste Lesart des Hegelschen Eigentumsrechts (2011, S. 136); auch Patten stützt sich auf Waldrons Ergebnisse (1998). 198  Dass es Hegel selbst um Darstellung und um Legitimation geht, hat Waldron richtig gesehen (vgl. 1988, 344 ff.).

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Worin nach Waldron das zentrale Element des Hegelschen Arguments für die Institution des Privateigentums besteht, blende ich noch einen Augenblick aus, da mit Blick auf Hegels Text sofort jene Gefahr droht, die der Locke’schen Eigentumstheorie erhebliche Schwierigkeiten eingebracht hatte: Auch Hegel spricht – wie gesehen – häufig davon, dass ein Wille in Gegenständen »objectiv« oder sich »gegenständlich« wird. Diese Redeweise betrifft nicht bloß unwesentliche Aspekte seines Eigentumsrechts, sondern findet sich an einer Schlüsselstelle des Abstrakten Rechts: die »Bestimmung des Eigenthums« ist für Hegel nichts anderes als der Umstand, »daß ich als freyer Wille mir im Besitze gegenständlich und hiermit auch erst wirklicher Wille bin.« (R § 45; vgl. Kap. 2.3.) Waldron ist nun der Auffassung, dass Hegel an keiner Stelle behauptet, dass eine Handlung bzw. der Wille der Subjekte buchstäblich in den Gegenständen enthalten ist. Er stützt sich dabei wesentlich auf Hegels Ausführungen zu den Typen der Besitznahme (R §§ 54 ff.). Bei der »Formierung« (R § 56) beispielsweise spricht Hegel davon, dass die Zugehörigkeit eines Dings zu einer Person »eine für sich bestehende Aeußerlichkeit« (ebd.) erhält. Für Waldron meint Vergegenständlichung bei Hegel daher das Folgende: Durch die zweckgerichtete Tätigkeit eines Subjekts an einem Objekt verändert sich das Objekt dergestalt, dass sein Zustand anschließend nur über die Referenz auf das Subjekt der Formierung begreifbar wird (vgl. 1988, 365, 369).199 Als Illustration für das Hegelsche Vergegenständlichungsmodell erwähnt Waldron folgendes Beispiel: Previously there were thirty apples on a tree but now there are only twentynine; the non-existence of one of the apples is a fact about the world which can be explained only by reference to my hunger and my wilful satisfaction of it. (1988, 366) An dieser Stelle unterläuft Waldron offenbar ein Fehler. Warum sollte das Fehlen eines Apfels nur über den Bezug zu dem Willen eines Subjekts begreifbar sein? Es lassen sich die verschiedensten Ursachen für ein solches Fehlen anführen. Es könnte schließlich auch starker Wind gewesen sein, der gerade diese labil hängende Frucht heruntergerissen und fortgerollt hat. Es ist keineswegs zwingend, dass der Wille eines Subjekts als Grundlage der Veränderung herangezogen werden muss. Noch weniger ist klar, warum der Bezug auf den Willen des anderen Subjekts auch noch derart konkret sein muss »(A)n individual’s will is ›embodied‹ in an object to the extent that there is something about that object that can be understood only by making reference to the operation of his will.« (1988, 369) 199 

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(»reference to my hunger«). Ich könnte den Apfel auch aus Versehen abgerissen haben; oder ich könnte ihn abgerissen haben, um mit ihm meine Fähigkeiten im Weitwurf zu trainieren. Im Übrigen ist – gesetzt die These von der notwendigen Referenz auf den Willen eines Subjekts wäre überzeugend – auf dieser Grundlage auch noch nichts über die besondere normative Geltung von solcherlei Vergegenständlichung gesagt.200 Waldron bemerkt zwar zu Recht, dass die Rückführung auf den Willen eines menschlichen Subjekts der Vergegenständlichung ethische Relevanz verleiht (1988, 366). Dies gilt offenbar darum, weil auf dieser Grundlage die Zuschreibung von Verantwortung ins Spiel kommen kann. Warum aber sollte diese Art der Vergegenständlichung gleich den Anspruch auf Eigentum begründen können? Waldron zufolge sucht Hegel hier auf die enorme Bedeutung des Gebrauchs von Gegenständen für das Eigentumsrecht hinzuweisen.201 An dem ungestörten Gebrauch eines Gegenstands hat das Subjekt ein schützenswertes Interesse, weil der Gebrauch ihm hilft, seine Wirksamkeit in der Außenwelt zu erfahren (ebd.) und so seine Persönlichkeit auszubilden.202 Der These von der Entwicklung der Persönlichkeit widme ich mich gleich noch ausführlicher. Insgesamt liegt Waldron mit seiner Deutung des Hegelschen Vergegenständlichungsmodells jedenfalls insofern richtig, als Hegel in der Tat nicht behauptet, dass eine Handlung oder ein Wille in einem Gegenstand auffindbar ist. Die These aber, dass durch die Bearbeitung eines Gegenstands selbiger einen Zustand erhält, der nur auf der Grundlage der Intentionen des Subjekts erklärbar wird, ist freilich nicht bloß systematisch schwach – sie ist auch keine adäquate Interpretation der Hegelschen Rede von Vergegenständ200 

Auf diesen Punkt komme ich gleich noch einmal zu sprechen. »Use – the wilfull satisfaction of material need – is the substantial aspect of ownership; from an ethical point of view, it is the most important thing about an individual’s ownership of some object.« (1988, 366) Das mag in systematischer Hinsicht plausibel sein; als Hegel-Interpretation – und das ist Waldrons Anspruch an dieser Stelle – ist diese These nicht korrekt. Die Bedürfnisbefriedigung durch den Gebrauch ist selbstverständlich ein wichtiger Aspekt des Hegelschen Eigentumsrechts. Der wesentliche Sinn des Eigentumsrechts liegt aber nicht in der Bedürfnisbefriedigung und auch nicht in der ontogenetischen Bedeutung des Gebrauchs. In der Anmerkung zum 59. Paragraphen heißt es ganz klar: »Daß der Gebrauch die reelle Seite und Wirklichkeit des Eigenthums ist, schwebt der Vorstellung vor, wenn sie Eigenthum, von dem kein Gebrauch gemacht wird, für todtes und herrenloses ansieht und bey unrechtmäßiger Bemächtigung desselben es als Grund, daß es vom Eigenthümer nicht gebraucht worden sey, anführt. – Aber der Wille des Eigenthümers, nach welchem eine Sache die seinige ist, ist die erste substantielle Grundlage, von der die weitere Bestimmung, der Gebrauch, nur die […] besondere Weise ist, die jener allgemeinen Grundlage nachsteht.« Vgl. hierzu auch Chitty (2013). 202  Diese Deutung vertritt auch Patten (1999, Chapter 5). 201 

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lichung. Worauf Hegel hinaus möchte, wenn er das Resultat der Formierung als »für sich bestehende Aeußerlichkeit« (R § 56) bezeichnet, ist ein Anerkennungsverhältnis zwischen Subjekten – und nicht die Erfahrung der eigenen Wirksamkeit. Dass wir auf eine Außenwelt wirken, die wir als von uns unabhängig betrachten, und dass wir dieses Wirken auch wahrnehmen – das gilt bei Hegel für jedes Handeln (vgl. Kap. 2.3). Relevant für das Eigentumsrecht – und darum geht es Hegel hier – ist der Umstand, dass andere Subjekte den Gegenstand als einen Gegenstand bewerten können, in den ich meinen Willen gelegt habe. Baue ich meine zehn Kastanien zu einem Häuslein zusammen, dann ist der Gegenstand als der »Meinige« (R § 56) auch dann noch erkennbar, wenn ich ihn nicht unmittelbar in der Hand halte bzw. meinen Anspruch explizit mache. Dies heißt aber noch lange nicht, dass der veränderte Zustand des Gegenstands nur dadurch begreiflich gemacht werden kann, dass andere Subjekte ihn auf meine Intentionen beziehen, sondern nur, dass der Gegenstand eine Gestalt angenommen hat, die meinen Willen sozial sichtbar gemacht hat: »Das Daseyn, welches jenes Wollen hierdurch erhält, schließt die Erkennbarkeit für andere in sich.« (R § 51) Die soziale Sichtbarkeit ist im Kontext des Eigentumsrechts überhaupt der wesentliche Sinn des Hegelschen Vergegenständlichungsmodells: Die Subjekte haben den Anspruch, dass andere Subjekte ihre besondere, auf einen raum-zeitlichen Gegenstand gerichtete Zwecksetzung als Zwecksetzung einer Person respektieren – eines Subjekts, dass zur Distanzierung von seinen eigenen Interessen und Bedürfnissen in der Lage ist (vgl. Kap. 2.3). In meinem Bezug zum raum-zeitlichen Gegenstand wird sowohl mein Bedürfnis befriedigt als auch mein freier Wille für mich implizit manifest; und wenn dieser Gegenstand von anderen Subjekten als Manifestation einer Person bewertet wird, dann vermittelt der Gegenstand die Anerkennungsrelation – das ist für Hegel die »Bestimmung des Eigenthums« (R § 45). Setzt man einmal Waldrons Locke-Deutung voraus, dann liegt der wesentliche Unterschied der beiden Vergegenständlichungsmodelle folglich darin, dass Hegel die Vergegenständlichung des personalen Willens nicht als einen natürlichen Übertragungsprozess, sondern als ein soziales Geltungsverhältnis konzipiert. Wie wichtig eine adäquate Interpretation des Hegelschen Vergegenständlichungsmodells ist, das ist nicht zuletzt auch bei der PersonKörper-Relation klar geworden. Auch hier hat Hegel mit diesem Gedanken gearbeitet: Wir setzen unseren Willen in unseren Körper und wollen, dass er als Körper einer Person behandelt wird. Wenn dies geschieht, wenn er aus drittpersönlicher Perspektive als der Körper einer Person betrachtet wird, dann ist die zugrunde liegende Schlussfolgerung auf der epistemischen Ebene keineswegs alternativlos, sondern als geschichtlich-sitt-

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liche und sich fortan reproduzierende Errungenschaft zu begreifen (vgl. Kap. 2.5.2). Und nur auf dieser Grundlage ist Hegels Eigentumstheorie als eine soziale Theorie der self-ownership zu verstehen. Das ist bei prominenteren Theoretikern der self-ownership anders. Für Nozick zum Beispiel gilt, dass »people’s entitlements to the parts of their own bodies […] are not socially or institutionally based.« (1974, 206 f.) Insofern hier das Recht aus der Perspektive des Bewusstseins der Subjekte rekonstruiert wird, würde Hegel zustimmen: Den Anspruch auf Eigentum am eigenen Körper erheben wir nicht in unserer besonderen Rolle als Staatsbürger oder als Familienglied. Das heißt aus der Perspektive der politischen bzw. der Rechtsphilosophie für Hegel aber noch lange nicht, dass der Anspruch auf Eigentum am eigenen Körper eine genuin vor-soziale ontologische Grundlage hat und darum etwa die Interessen von sozialen Entitäten (etwa des Staats) übertrumpft. Schon die Distanzierungsfähigkeit von eigenen Ansprüchen, die Subjekten allererst die Rechtsfähigkeit verleiht, ist für Hegel keine natürliche Eigenschaft der Individuen. Zu sagen, dass Personen ihren Körper besitzen, heißt für Hegel, von Subjekten zu reden, die einander nicht bloß als natürliche Lebewesen begegnen, sondern die raum-zeitliche Erscheinung des jeweils anderen als Existenzweise eines autonomen Subjekts bewerten. Diese Sichtweise unterscheidet sich von zentralen systematischen Hintergrundannahmen der modernen Verfechter einer self-ownership-Idee: Still even if we concede that property is the product of social rules […] there might be facts about the human condition or our agency as embodied beings that provide philosophical premises for an argument that property relations should be established in one way rather than another. Clearly, there is at least one material object with which a person does seem to have an intimate pre-legal relation that would bear some philosophical analysis – namely, that person’s body. (Waldron, SEP) In der Tat, das Verhältnis zum eigenen Körper ist ein besonderes: »ich finde mich im Besitze« (R § 47 RN 413) – das hat auch Hegel gesehen. Das Verhältnis von Person und Körper ist aber für ihn keine anthropologische Konstante; es ist das historische, einmal gewachsene und sich fortan reproduzierende Ergebnis von Praxen der Zuschreibung und Anerkennung von Ansprüchen und Verantwortung, deren Existenz für Personen konstitutiv ist. Für Hegel ist daher die Aussage »Es gibt eine Person, die ihren Körper besitzt.« eine Aussage über ein Individuum, das in bestimmten sozialen Relationen steht, durch die dem Individuum Eigenschaften (Persönlichkeit) zukommen, die es unabhängig von diesen Relationen nicht hat (vgl. hierzu Kap. 2.4.1–2.4.3) –

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Persönlichkeit zu haben, ist für Hegel eine holistische (vgl. ENZ § 14) Eigenschaft.203 Diese soziale Verfasstheit des Hegelschen Person-Körper-Verhältnisses hat Waldron bei der Interpretation des Vergegenständlichungsmodells nicht hinreichend berücksichtigt. Nach Waldron gilt für den Körper dasselbe wie für die übrigen formierten Einzeldinge: Aus drittpersönlicher Perspektive ist er nur unter Verweis auf den Willen des Subjekts der Formierung begreifbar: To look at a highly trained athlete is to look at a body almost totally subject to wilfull control; it is a markedly different experience from watching the movements of an awkward or clumsy man. (1988, 363) Das ist natürlich völlig richtig. Ohne die Fähigkeit, uns willentlich zu unseren Bedürfnissen zu verhalten, könnten wir uns nach Hegel nicht auf Ansprüche von anderen Subjekten einstellen, gäbe es also auch keine Rechtsverhältnisse. Dazu gehört, dass wir unseren Körper sowie die übrige Natur aneignen, sie unter unsere Kontrolle bringen (R § 42–44). Für den »clumsy man« würde Hegel hier aber eine Lanze brechen: In der Regel erkennen wir auch seinen Körper – und mag er ihn niemals in ein Fitness-Studio geschleppt haben – als Körper eines Subjekts an, das zu jenem reinen Selbstbezug fähig ist. Als Person unterscheidet er sich kein Stück vom Top-Athleten. Hegels Punkt ist vielmehr, auf den Unterschied zwischen, wenn man so will, der gesellschaftlichen Stellung des Sklaven und der des modernen Athleten hinzuweisen, wobei eben auch der Sklave einen sehr durchtrainierten Eindruck machen kann. Für Waldron jedenfalls ist das Person-Körper-Verhältnis ein Modell, durch das sich Hegels zentrales Argument bei der Legitimation des Privateigentums erhellen lässt. Das Körper-Verhältnis zeigt, dass das Subjekt der Formierung durch den Prozess der Formierung Erfahrungen sammelt, die für dessen eigene Entwicklung bedeutsam sind. Der Umgang, den ich heute mit meinem Körper pflege, hat Konsequenzen für den Umgang, den ich morgen pflegen kann. Darum lernen wir, verantwortungsvoll mit ihm umzugehen. Für externe materielle Objekte gilt dasselbe. Das ist – so Waldron – Hegels zentraler Gedanke bei der Legitimation von Privateigentum. Für die Verteidigung des Privateigentums liefert Hegel nach Waldron damit das systema203 

Hegel sucht auf dieser Grundlage Rechtsverhältnisse nicht als Beschränkung, sondern als Verwirklichung von Freiheit zu begreifen. Beim Verständnis von holistischen Eigen­schaften schließe ich mich Quante und Schweikard an: »Die Eigenschaft H ist holistisch genau dann, wenn eine Entität x H nur dann haben kann, wenn es (1) mindestens eine von x verschiedene Entität y sowie mindestens eine von H verschiedene Eigenschaft G geben muss, damit x H haben kann; und (2) H nicht auf intrinsische Eigenschaften von x und y reduzierbar ist.« (2011, S. 257) Vgl. zum Holismus insgesamt Esfeld (2002).

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tisch stärkste Argument überhaupt (1988, 343). Ich prüfe darum im Folgenden zweierlei: erstens, ob dieses Argument in systematischer Hinsicht stichhaltig ist; und zweitens, ob es als Hegel-Interpretation überzeugen kann.

3.3  Privat-Eigentum: Wider Waldron Hegels Argument für die Legitimation von Privateigentum ist nach Waldron Teil einer »developmental theory« (1988, 347); es lässt sich in seinem Kern wie folgt zusammenfassen: In working on an object, using it, and having control over it, an individual confers on his will a stability and a maturity that would not otherwise be possible, and enables himself to establish his place as one in a community of such wills. Of course, he must not remain forever preoccupied with his status as a proprietor; there are other tasks to be undertaken before ethical development is complete. (1988, 378) Da Waldron dieses Argument in systematischer Perspektive als leistungsstark einschätzt, ergibt es Sinn, die Frage nach seiner Adäquatheit als Hegel-Interpretation zunächst auszublenden. In seinen einzelnen Schritten handelt es sich um folgenden Argumentationsstrang:204 1. In einem erstrebenswerten Staat leben menschliche Subjekte, die über einen starken Sinn für individuelle Verantwortung verfügen. Dieser Sinn ist nicht angeboren, sondern muss ausgebildet werden. (1988, 312, 321, 335) 2. Eine Grundlage für die Ausbildung des Sinns für individuelle Verantwortung ist ein produktiver und persistierender Gebrauch von Gegenständen eines bestimmten Typs: es sind Ressourcen – sie sind knapp und sie werden von den Subjekten als für ihr allgemeines Wohlergehen notwendig erachtet. (ebd., 335, 385 f.) 3. Der genannte Gebrauch von Gegenständen des erwähnten Typs verändert die Gegenstände dergestalt, dass die Menge der weiteren realisierbaren Zwecksetzungen der Subjekte eingeschränkt wird. (ebd., 312, 373 f.) Als Beispiel: Wenn ich ein Ei zerschlage, dann kann ich es anschließend nicht mehr als Osterei bemalen. 204  Ich

verweise im Folgenden sowohl (und zuerst) auf diejenigen Stellen, an denen sich die entsprechenden Teile des Arguments bei Waldron in rein systematischer Hinsicht wiederfinden, als auch auf diejenigen Stellen, an denen die entsprechenden Teile des Arguments als Rekonstruktion des Hegelschen Eigentumsrechts konzipiert sind.

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4. Dieser Umstand führt zu einem vorsichtigeren Umgang mit Zwecksetzungen. (ebd., 312, 373 f.) 5. Die Menge der realisierbaren Zwecksetzungen eines Subjekts A mit Bezug auf einen Gegenstand R wird für A unvorhersehbar, wenn auch andere Subjekte Gegenstand R gebrauchen dürfen. (ebd., 313, 373 f.) 6. Für die Entwicklung eines starken Sinns für individuelle Verantwortung ist es hilfreich, wenn der produktive und persistierende Gebrauch von Gegenständen einen andere Subjekte ausschließenden Charakter hat. Diesen Zweck erfüllt die Institution des Privateigentums. (ebd., 313, 374) Das ist das Argument. Und seine allgemeine Stoßrichtung ist zweifelsohne überzeugend. Wenn Menschen über einen Sinn für individuelle Verantwortung verfügen, dann ist das etwas Gutes. Völlig unstrittig ist auch die These, dass dieser Sinn keine natürliche Eigenschaft der Subjekte ist, sondern etwas Erlerntes. Die Entwicklung eines solchen Sinns für individuelle Verantwortung ist erfahrungsabhängig. Zwar lässt sich der hiesige Begriff der Verantwortung – etwa durch philosophische Theorien über das Verhältnis von Verantwortung und Willensfreiheit oder durch empirische, insbesondere sozialpsychologische Studien über das Gefühl der Verantwortung – selbstverständlich facettenreich diskutieren.205 Ich werde aber den Begriff (und auch seine Verwendung mit dem Adjektiv »individuell«) hier nicht weiter problematisieren, sondern gebrauche ihn in seiner lebensweltlichen Bedeutung. Als Kinder z. B. haben viele von uns sich sagen lassen müssen, dass sie mit ihrem Hab und Gut nicht verantwortungsvoll genug umgehen. Was den zweiten Argumentationsschritt betrifft, so ist darauf zu achten, dass der dort erwähnte Gebrauch von Gegenständen nicht als einzig mögliche Grundlage der Entwicklung eines Sinns für individuelle Verantwortung behauptet wird. Auch wenn Waldron an keiner Stelle seines Werks explizit ausspricht, dass die Entwicklung eines Sinns für individuelle Verantwortung auch durch andere Tätigkeits- oder Praxisformen gefördert werden kann, behauptet er ebenso wenig, dass sie nur durch den produktiven und persistie­ renden Gebrauch in Gang kommen kann. Als produktiv und persistierend kann man diesen Gebrauch darum bezeichnen, weil Waldron auf ein bestimmtes Subjekt-Objekt-Verhältnis hinweisen möchte: Der gewünschte charakterliche Effekt wird genau dann erzielt, wenn Subjekt A Gegenstand R auf eine Weise gebraucht, die R der205 

Zum Begriff der Verantwortung bei Hegel vgl. Quante (2011, S. 207–227); zu einer systematischen Rekonstruktion von Verantwortung, die der Institution des Privateigentums vorgelagert ist, vgl. Quante (2013, S. 253–271).

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gestalt verändert, dass A selbst künftige Handlungen mit Bezug auf den herbeizuführenden Gegenstand R’ ausführen kann (vgl. 1988, 312). Dieses Verhältnis ist nicht mit der Struktur des Produzierens überhaupt zu verwechseln. Produktion bedeutet erst einmal nur die zweckgerichtete Bearbeitung von Material zur Hervorbringung von Gebrauchsgegenständen. Für Waldron kommt es darauf an, dass das Subjekt der Produktion mit dem Subjekt der Konsumtion identisch ist. Damit ist bereits ein bestimmtes soziales Produktionsverhältnis angesprochen: In a system where they do, where the producers and the users of the finished product are the same, production may make an important contribution to one’s sense of responsibility […]. (1988, 312) Offenbar möchte Waldron damit sagen, dass Produktionsverhältnisse, in denen die Subjekte der Produktion und Konsumtion voneinander verschieden sind, die Entwicklung des Verantwortungsgefühls nicht fördern. Ich blende diese These für einen Augenblick aus. Was sich an dieser Stelle gleichwohl deutlich zeigt, ist der Umstand, dass Waldrons systematisches Argument für die Institution des Privateigentums sich nicht primär als Darstellung der vorhandenen Eigentumsordnung versteht. Es ist vielmehr ein Argument für eine bestimmte Version – eine conception – der Institution des Privateigentums, die auch als kritischer Maßstab dienen kann: In unseren wirtschaftlich hochentwickelten und ausdifferenzierten Gesellschaften ist es in der Regel nicht der Fall, dass diejenigen, die aus Ressourcen konkrete Gebrauchsgegenstände herstellen, letztere auch selbst konsumieren. Dadurch entgeht, so müsste Waldron folgern, die Chance, im Rahmen von Produktionsverhältnissen individuelle Verantwortung zu fördern. Auf diesen Punkt komme ich noch einmal im Zuge der Diskussion von Waldrons Hegel-Deutung zu sprechen. Unabhängig von der Frage danach, inwiefern verschiedene Produktionsverhältnisse Einfluss auf die Entwicklung eines Sinns für individuelle Verantwortung haben, halte ich Waldrons These von der Förderung des individuellen Verantwortungsgefühls durch die Verknüpfung von Produktion und Konsumtion für überzeugend. Wenn ich weiß, dass ich später den Kamin anzünden möchte, dann suche ich möglichst trockenes und gut brennbares Holz, lasse es auf dem Weg nach Hause nicht fallen und lagere es entsprechend. Dass sich durch derlei Tätigkeiten ein Sinn für Verantwortung entwickelt, erscheint mir jedenfalls nicht als sonderlich abwegiger Gedanke. Bemerkenswert ist eher die Tatsache, dass Waldron von Anfang an an Produktion denkt bzw. Ressourcen im Sinn hat. Die Gründe für diese Spezifikation sind ja zunächst einleuchtend: Wenn die zu bearbeitenden Gegenstände nicht knapp sind und nicht als bedeutsam empfunden werden, dann

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scheint es auch weniger zwingend, dass die Auseinandersetzung mit ihnen den gewünschten charakterlichen Effekt zeitigt. Allein es ist nicht alles, was gebraucht wird und knapp ist und Bedeutung hat, als Ressource zu bezeichnen. Die Erstausgabe von Anna Seghers’ Das siebte Kreuz ist sicher knapp und bedeutsam für mich; darum gebe ich beim Lesen auf sie Acht und vielleicht wird dadurch mein Sinn für individuelle Verantwortung gestärkt – aber sie ist keine Ressource. Angesichts des Umstands, dass sich offenbar viele verschiedene Tätigkeitsund Praxisformen denken lassen, die der Entwicklung von individueller Verantwortung förderlich sind, kann es für Waldrons Fokus auf Produktion und auf Ressourcen nur einen Grund geben: Das Faktum, dass Eigentumsordnungen tatsächlich den Zugriff auf Ressourcen regeln. Denn diese These hatte Waldron im Zuge seiner Definition bereits vertreten: Eigentumsordnungen sind Lösungen des Allokationsproblems, also Antworten auf die Frage nach der regelgeleiteten Verteilung von Ressourcen. Hier zeigt sich die enorme Bedeutung der Definition für die Legitimation. Ein sauberes Argument, das gute Gründe für die Institution des Privateigentums präsentiert, setzt selbstverständlich einen bestimmten Begriff von Privateigentum voraus. Wenn in einer solchen Definition von Ressourcen keine Rede ist, dann müsste Waldron Gründe dafür angeben, warum sich das systematische Argument für Privateigentum gerade und nur auf den Umgang mit Ressourcen konzentriert. Wenn das erstrebenswerte Gut die Gesellschaft der verantwortungsvollen Individuen ist, dann ist ohne Weiteres nicht sofort klar, warum die Institution des Privateigentums sich nicht auf den Gebrauch von Gegenständen beschränken könnte, die – wie meine Erstausgabe – knapp und für die jeweiligen Subjekte bedeutsam, aber eben keine Ressourcen sind. Diese Einsicht ist gleichwohl keine direkte Kritik an der vorliegenden Argumentation für Privateigentum; sie zeigt vielmehr auf, wie spannungsgeladen bereits die harmlos erscheinende ›intuitive Definition‹ von Privateigentum werden kann. Wenn von vorneherein klar ist, dass Eigentumsordnungen primär den Umgang mit Ressourcen regeln, dann lautet die Frage in der Tat nur noch wie folgt: Was leistet der private Umgang mit Ressourcen im Unterschied zu einem – wie auch immer näher bestimmten – kollektiven Umgang mit Ressourcen? Im Übrigen wird die Relevanz der Definition für die Legitimation noch größer, wenn ein weiterer Punkt aus der Diskussion der Waldron’schen »organizing idea« (1988, 321) in Erinnerung gerufen wird. Dort hat Waldron die These vertreten, dass eine Eigentumsordnung durch die »organizing idea« nicht bloß philosophisch verständlich gemacht wird, sondern auch das lebensweltliche Bewusstsein der Subjekte doppelt prägt: Sie gibt Orientierung im Dickicht des positiven Rechts und sie ver-

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leiht normative Akzeptanz. An alternative Theorien des Eigentums können nach Waldron diese Leistungen als zusätzlicher Maßstab herangetragen werden. Zusätzlich insofern, als die alternative Eigentumsordnung nicht bloß durch ihre konkreten Regeln als zur Förderung von individueller Verantwortung tauglich zu erachten ist, sondern auch durch die ihr zugehörige »organizing idea« für lebensweltliche Orientierung und Akzeptanz sorgen können muss.206 Erst in einem Schritt, den ich unter Punkt 5 aufgeführt habe, unterläuft Waldron ein Fehler, der die Stichhaltigkeit des gesamten Arguments erheblich mindert. Die These ist klar: Wenn die Ressource unter meiner alleinigen Kontrolle steht, dann kann die Auseinandersetzung mit ihr den gewünschten charakterlichen Effekt zeitigen. Ansonsten gilt folgendes: Again, this effect is more difficult to achieve if resources are not owned privately, for then limits are placed on purpose and intention not only by one’s present acts but by the external and unpredictable actions of others. (1988, 313) Aber warum sollte dies der Fall sein? Warum muss der Umstand, dass der Zugriff auf die einzelne Ressource nicht als privateigentümliches Verhältnis geregelt ist, darauf hinauslaufen, dass die relevanten Handlungen anderer Subjekte unvorhersehbar werden? Dass andere Subjekte auf den entsprechenden Gegenstand Zugriff haben, sagt noch nichts darüber aus, wie sie diesen Zugriff gestalten. Waldron stellt dem privateigentümlichen Zugriff auf die Ressource, der sich ja wesentlich durch den rechtlich geregelten Raum individueller Willkür auszeichnet (1988, 60), einen alternativen Zugriff gegenüber, der sich selbst wieder durch individuelle oder kollektive Willkür auszeichnet. Obwohl wir uns also vorstellen sollen, welche Konsequenzen der nicht-privateigentümliche Zugriff für das Subjekt A hätte, wird das Verhalten der anderen Subjekte entlang des privateigentümlichen Horizonts gedeutet. Dabei ist es durchaus denkbar, dass die entsprechende Ressource zwar niemandes Privateigentum ist, und dennoch einzelne Subjekte über einen bestimmten Zeitraum auf sie ungestört zugreifen können. Wer wann auf welche Weise auf die entsprechende Ressource Zugriff hat, könnte diskursiv geregelt und transparent gemacht werden. »Unvorhersehbar« würde der Zugriff auf die Ressource vielleicht dann, wenn die anderen Personen mit der Ressource so verfahren, als gäbe es keinerlei Reglementierung. Dies

206 

Inwieweit derartige Überlegungen nicht eigentlich in den Gegenstandsbereich empirischer Forschung fallen, lasse ich einmal dahingestellt.

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kann aber kaum als einzige Alternative zum privateigentümlichen Zugang gelten. Zwar deutet Waldron mit Bezug auf die gewünschte Entwicklung von individueller Verantwortung selbst an, dass die unterschiedlichen Eigentumssysteme eher einen graduellen (»more difficult«) denn einen Schwellenunterschied austragen. Das mag auch der Grund dafür sein, warum Waldron niemals von einer Notwendigkeit des Privateigentums spricht. Nichtsdestoweniger verliert auch seine hier vertretene schwächere These erheblich an Plausibilität, da die zentrale These von der Unvorhersehbarkeit nicht überzeugend ist. Denn fällt die Unvorhersehbarkeits-These, dann muss nicht weiter davon ausgegangen werden, dass die Einflussmöglichkeit der anderen Subjekte für das Subjekt A primär beschränkend wirkt (1988, 313, 373). Andere Subjekte könnten die Menge der realisierbaren Zwecksetzungen von A in R selbstverständlich auch erweitern. Welche Konsequenzen dies für die gewünschte Entwicklung eines Sinns für individuelle Verantwortung haben kann, das kommt auf so viele weitere Faktoren an, dass ich mir hier kein konkretes Urteil zutraue. Dass jeglicher nicht-privateigentümliche Zugriff dem privateigentümlichen in dieser Hinsicht per se unterlegen ist, kann ich allerdings nicht sehen. Insgesamt betrachte ich daher Waldrons Argument als gescheitert. Seine generelle Stoßrichtung ist meiner Auffassung nach gleichwohl überzeugend. Die zweckgerichtete, produktive Auseinandersetzung mit Ressourcen verändert in der Tat nicht bloß die Ressource, sondern auch das tätige, planende Subjekt selbst.207 Die Stärkung eines Sinns für individuelle Verantwortung ist in diesem Zusammenhang sicher ein wichtiger und wünschenswerter Aspekt. Und insofern die Institution des Privateigentums derartige produktive Tätigkeiten rechtlich organisiert, leistet sie einen positiven Beitrag zur Entwicklung von individueller Verantwortung. Dass sie in dieser Hinsicht anderen Eigentumsordnungen überlegen ist, hat Waldron nicht zeigen können. Nach dem bisher Gesagten ist daher folgendes klar: Wenn das hier besprochene systematische Argument als überzeugende Interpretation eines wesentlichen Teils der Hegelschen Eigentumstheorie gilt, dann leidet Hegels Eigentumsrecht mindestens unter denselben Schwächen. Ich werde nun zeigen, dass dies nicht der Fall ist. Bevor ich aber auf manche Einzelheiten der Waldron’schen Interpretation eingehe, seien einige allgemeinere Bemerkungen zum Verhältnis des von Waldron bereitgestellten systematischen Arguments auf der einen Seite und seiner Phänomenologie des Geistes (Kap. IV) hat sich Hegel diesem Phänomen ausführlich gewidmet. 207  In

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Hegels Eigentumsrecht auf der anderen Seite angebracht. Zum einen bin ich davon überzeugt, dass Hegel der These, dass Privateigentum den Sinn für individuelle Verantwortung stärkt, zugestimmt hätte.208 Es ist nur eben nicht die These, für die er in seiner Rechtsphilosophie argumentiert. Im Rahmen des Arguments, das Hegel tatsächlich entwickelt, spielt dessen Vergegenständlichungsmodell eine zentrale Rolle. Waldron hat sowohl bei der Darstellung des systematischen Arguments als auch im Zuge seiner Hegel-Interpretation immer wieder auf das Vergegenständlichungsmodell Bezug genommen. Ich denke aber zum anderen, dass die Diskussion des systematischen Arguments auch gezeigt hat, dass das Vergegenständlichungsmodell in seiner Waldron’schen Version keine tragende Rolle für das Argument spielen muss. Die These von der Stärkung des Sinns für individuelle Verantwortung durch den produktiven und privateigentümlichen Gebrauch lässt sich auch ohne jede Idee von Vergegenständlichung im Waldron’schen Sinne plausibel machen. Das gilt für Hegels These von der Notwendigkeit des Privateigentums nicht.

Abschließendes zur Hegel-Deutung Waldrons Hegels Rechtsphilosophie ist eine »developmental theory« (1988, 347), sicher. Aber sie ist dies nicht in Waldrons Sinn. Dass etwas eine Entwicklungstheorie ist, kann sehr Verschiedenes bedeuten. Thema und Zweck einer Entwicklungstheorie kann es sein, die historische Herausbildung bestimmter sozialer Phänomene – etwa von Rechtsverhältnissen – nachzuzeichnen, um auf dieser Grundlage Thesen über Normen aufzustellen.209 Von einer solchen Soziogenese unterschieden ist die Nachzeichnung der biographischen Entwicklung einzelner Subjekte – die Psychogenese – innerhalb bestimmter sozialer Figurationen. Beide Projekte fallen in den Gegenstandsbereich von primär empirischer Forschung. Hegel liefert in den Grundlinien weder eine sozio- noch eine psychogenetische Theorie. Zwar hat es in der Politischen Philosophie bekanntlich lange Tradition, dass man rationale Genesen nachzeichnet, um auf solcher Grundlage normative Sätze zu begründen. Locke zum Beispiel verfährt auf diese Weise, das zeigt Waldron präzise auf (1988, 162–168). Hegels Verfahren ist – 208 

Dieses Argument findet sich ja auf ähnliche Weise bereits bei Aristoteles; vgl. hierzu Szaif (2005). Selbst Marx (vgl. MEW 19, S. 403 f.) ist davon überzeugt, dass bestimmte Formen des Privateigentums diesen Effekt zeitigen. 209  Vgl. hierzu z. B. Elias (1969).

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das habe ich in Kapitel 2.4.1 zu zeigen versucht – ein anderes.210 Die Philosophie des Objektiven Geistes zeichnet nicht die notwendigen asozialen und sozialen Etappen der Entwicklung einzelner Subjekte nach, die sich etwa zunächst in einer triebgesteuerten, egoistischen Seelenverfassung befinden und dann nach und nach zum besonnenen zoon politikon heranreifen. Doch genau einen solchen Typ von Entwicklung sieht Waldron in der Rechtsphilosophie am Werk. Ich zitiere einige Passagen im Zusammenhang: The argument, as we have seen, is a developmental one. Property is shown to be necessary, not in absolute or final terms, but as a stage in a process of individual and social development. (1988, 348) The subject for whom property is demanded stands at the beginning of the long and arduous process of education and discipline which Hegel claims is required before final liberation and individuality is achieved. (1988, 349) In another […] passage Hegel suggests that the change from the state of nature to civil society may actually be to the detriment of the poor. (1988, 388) Hier wird klar, dass Waldron den Gegenstand dessen, was in Hegels Rechtsphilosophie entwickelt, und die Art und Weise, wie entwickelt wird, missverstanden hat. Hegel beobachtet nicht die Entwicklung der Subjekte, und auch nicht die historische Entwicklung bestimmter sozialer Konstellationen, sondern die Entwicklung eines Begriffs, die er als Explikation betreibt. In der Rechtsphilosophie ist das die Explikation des Willensbegriffs. Zu zeigen, wie Hegel mit diesem Verfahren zur Darstellung und zur Legitimation der Institution des Privateigentums gelangt, das ist Gegenstand der vorliegenden Untersuchung gewesen. Im zweiten Kapitel habe ich gezeigt, dass Hegel im Zuge dieser Begriffsentwicklung gleichzeitig die der jeweiligen Entwicklungsstufe entsprechenden sozialen »Gestaltungen« (R § 32) einzufangen sucht. Was in diesem Verfahren zuerst Gegenstand der philosophischen Entwicklung ist, ist darum aber nicht auch historisch das Erste (vgl. R §§ 32, 33). Das gilt sowohl in sozio- wie in psychogenetischer Perspektive: Es hat nicht erst das Eigentumsrecht gegeben, danach die Familie und zu guter Letzt den Staat. Und es lernen die Subjekte auch nicht zunächst, was es heißt, Eigentümer zu sein, um dann mit der hier gewonnenen Persönlichkeit und individuellen Verantwortung über den Weg zum Familienmitglied endlich auch sittliche Staatsbürger zu werden. Vgl. mit Bezug auf ontogenetische Überlegungen den 442. Paragraphen der Enzyklopädie. 210 

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Damit ist der entscheidende Zugriff, den Waldron für die Interpretation des Hegelschen Eigentumsrechts wählt, missglückt. Im besten Fall ließe sich noch zeigen, dass Waldrons Argument von der Bedeutung des Privateigentums für die Entwicklung von individueller Verantwortung mit Hegels Abhandlung des Eigentumsrechts kompatibel ist; als seine Interpretation kann das Argument nicht überzeugen.

3.4  Privat-Eigentum: Wider Hegel Es fällt nicht leicht, ein allgemeines Urteil über Hegels Eigentumsrecht abzugeben. Als Teile eines holistischen Theoriegebäudes hängen seine einzelnen Argumentationsschritte von vielen inhaltlichen und methodologischen Grundüberzeugungen ab (vgl. Kap. 1 und 2.4.1), deren kritische Diskussion zu weit in Bereiche anderer Teildisziplinen der Philosophie geführt hätte. Ohne eine solche kritische Auseinandersetzung mit den inhaltlichen und methodologischen Grundlagen des Hegelschen Eigentumsrechts hätte aber seine positive oder negative Bewertung lediglich bekenntnishaften, jedoch keinen wissenschaftlichen Charakter. Was nützte beispielsweise die These, dass Hegel zwar ein gelungenes Eigentumsrecht formuliert, aber dessen spekulative Philosophie des Geistes heute nicht mehr besonders überzeugen kann? Ist denn Hegels Eigentumsrecht ohne seine Philosophie des Geistes noch Hegels Eigentumsrecht? Ich glaube nicht. Angesichts dieser Sachlage beschränke ich mich auf Folgendes: Zum einen weise ich auf einige einzelne Einsichten hin, die Hegel im Zuge seines Eigentumsrechts entwickelt und die ich überzeugend finde. Damit möchte ich nicht gleichzeitig sagen, dass ich die philosophische Art und Weise, wie Hegel zu diesen Einsichten kommt und welche Bedeutung er diesen Einsichten im Rahmen seines Systems verleiht, ebenfalls überzeugend finde. Seinen essentialistisch-teleologischen Monismus, der jeden Schritt seines holistischen Denkens begleitet, versuche ich dabei in evaluativer Hinsicht unkommentiert zu lassen. Zum anderen werde ich bestimmte Einwände gegen Hegels Eigentumsrecht formulieren, die jene inhaltlichen und methodologischen Grundüberzeugungen weder attackieren noch verteidigen, sondern als gut begründet voraussetzen. Damit versuche ich Hegel auf eine Weise zu kritisieren, die er – wenigstens ein Stück weit – selbst zu akzeptieren gezwungen gewesen wäre.

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Zur Reichweite des Hegelschen Eigentumsrechts Eine Gesellschaft, in der die Gebrauchsgegenstände jeweils von denselben Subjekten konsumiert werden, die sie auch produziert haben, müsste Hegel im Sinn gehabt haben, wenn Waldrons Deutung des Hegelschen Eigentumsrechts adäquat wäre. Bereits in Hegels Zeit ist die kapitalistische Wirtschaftsweise freilich derart vorangeschritten, dass von solchen Produktionsverhältnissen keine Rede mehr sein konnte. In seinen Ausführungen zur Bürgerlichen Gesellschaft hat sich Hegel mit der enormen Ausdifferenzierung von Arbeitsteilungsprozessen auseinandergesetzt. Wenn das Eigentumsrecht durch die Verschmelzung von individueller Produktion und Konsumtion tatsächlich für die Entwicklung von individueller Verantwortung sorgen sollte, dann hat Hegel mit seiner Darstellung der modernen industriellen Produktionsweise eine soziale Wirklichkeit ans Licht gebracht, die dem gewünschten privateigentümlichen Effekt den Boden unter den Füßen wegzieht. Und dafür kritisiert ihn Waldron: Anstatt den eigentlichen Sinn des Privateigentums gegenüber der komplizierten Massen-Warenproduktion kritisch geltend zu machen, hätte Hegel sich bedauerlicherweise mit einer widersprüchlichen Wirklichkeit des Vernünftigen abgefunden (1988, 374). Wenn aber Hegels Eigentumsbegriff auf jene Weise gedeutet wird, die ich im Zuge dieser Untersuchung vorgeschlagen habe, dann zeigt sich, dass sein Konzept äußerst gut dazu geeignet ist, gerade die modernen Wirtschaftsverhältnisse in einen adäquaten zeitdiagnostischen Blick zu nehmen. In diesem Zusammenhang ist sein Vergegenständlichungsmodell entscheidend. Dessen Kern besteht mit Bezug auf die Bestimmung des Eigentums darin, dass Subjekte sich auf raum-zeitliche Gegenstände beziehen und selbige als Manifestation ihrer Entscheidungsfreiheit bewerten und bewertet wissen wollen. Damit sagt Hegel nicht, dass dieses Gelten dadurch zustande kommt, dass die Subjekte epistemisch gar keine andere Wahl hätten, als den Gegenstand auf diese Weise zu deuten. Er sagt ebenso wenig, dass diese Gegenstände nur dann als Manifestation der freien Willen von Subjekten gelten können, wenn letztere Arbeit in die Gegenstände investiert haben. Die Verfügung über einen raum-zeitlichen Gegenstand gilt vielmehr in einem intersubjektiven Verhältnis als berechtigter Anspruch einer Person. Auf dieser Grundlage kann Hegel die These vertreten, dass die Subjekte den Gebrauch auch ihrer Tätigkeiten veräußern können, weil diese Tätigkeiten nur insofern überhaupt Realität gewinnen, als die Subjekte sie willentlich ausführen (vgl. R § 67). Da die Subjekte der gegenwärtigen Gesellschaft freie Personen sind, kann sie beispielsweise niemand zur Tätigkeit des Torf-Stechens rechtlich zwingen. Das Torf-Stechen-Können wird zu ihrem Eigentum,

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das sie zeitlich begrenzt veräußern können. Die These, dass eine Entität nur dann sinnvoll als Gegenstand von Eigentumsverhältnissen in Frage kommen kann, wenn es anderen Subjekten möglich ist, den entsprechenden Gegenstand gegen meinen Willen zu entwenden (1988, 180 f.), wird nach Hegel der normativen Dimension von sozialen Tauschverhältnissen nicht gerecht. Eine Verletzung des Eigentumsrechts ist vielmehr dann gegeben, wenn ein bestimmtes Geltungsverhältnis verletzt wird. Für Hegel heißt das zum Beispiel, dass die Tätigkeit des Torf-Stechens gegen adäquate Bezahlung erfolgen muss, damit das Eigentumsrecht des Arbeitenden nicht verletzt ist (vgl. R § 77). Mit diesem Zugriff gelingt es Hegel, noch die abstraktesten Entitäten als mögliche Gegenstände von Eigentumsverhältnissen einzufangen: Simon kann sich für sein Gitarren-Spiel bezahlen lassen, David für seine schöne Stimme und Dominik für eine Taxi-Fahrt. In keinem Fall muss ein materieller Gegenstand getauscht werden – und dennoch handelt es sich hier nach Hegel um Eigentumsverhältnisse. Seine bemerkenswerte Einsicht besteht somit darin, dass er auch Dienstleistungsverhältnisse als Eigentumsverhältnisse rekonstruieren kann. Die zentrale Voraussetzung für einen solchen Ansatz ist die These, dass der Körper des Subjekts als Körper einer Person behandelt werden muss. Nur mit der Einsicht, dass der Körper, so muss man Hegel verstehen, unter der alleinigen Kontrolle eines rechtsfähigen Subjekts steht, lässt sich die freiheitsverbürgende Dimension der marktwirtschaftlichen Gesellschaft begreifen. Dieser Standpunkt markiert den wesentlichen Unterschied zu denjenigen Gesellschaftsformen, in denen die Subjekte nicht Eigentümer ihres Körpers, also keine Personen sind. »Der athenäische Sklave hatte vielleicht leichtere Verrichtung und geistigere Arbeit als in der Regel unsere Dienstboten, aber er war dennoch Sklave […].« (R § 67 Z)211 Das gilt umso mehr, als Hegel von den Eigentumsverhältnissen der Bürgerlichen Gesellschaft in der Tat kein durchweg harmonisches Bild zeichnet. Er hat klar gesehen, dass die Dynamik der kapitalistischen Wirtschaftsform schon zu seiner Zeit zu erheblichen Ungleichheitsverhältnissen führt (vgl. R §§ 243–246) und viele Subjekte strukturell zu eindimensionalen Tätigkeitsformen zwingt (R §§ 196–198). Er hat gesehen, dass systematische Verelendung ein Problem für den sozialen Zusammenhalt und damit für den Staat insgesamt darstellt; er war allerdings davon überzeugt, 211 

Dieser freiheitsverbürgende Charakter des Kapitalismus kann dabei natürlich zur Formalität verkommen, wenn der Handwerker des 19. Jahrhunderts zwar nicht rechtlich, aber strukturell zu einem Arbeitstag von 15 Stunden gezwungen ist. Auf diese Frage komme ich im Folgenden noch einmal zu sprechen.

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dass diese Fragen nicht im Rahmen des Eigentumsrechts beantwortet werden können.212 Ein materiales Recht auf eine bestimmte Menge von Gegenständen bzw. einen bestimmten Tauschwert stößt nach Hegel mindestens auf das folgende Problem: Der Effekt der distributiven Maßnahme würde sofort verpuffen, wenn nicht gleichzeitig erhebliche Eingrenzungen des privateigentümlichen Umgangs mit Gegenständen umgesetzt würden. Denn wenn Privateigentum ausschließenden, willkürlichen Gebrauch und Recht auf Veräußerung einschließt, dann ist abzusehen, dass die Praxis dieser Institution immer wieder zu Ungleichheitsverhältnissen führt. (vgl. R § 49 A und Z)213 In gesellschaftsanalytischer Perspektive halte ich diese Aspekte des Hegelschen Eigentumsrechts insbesondere mit Bezug auf das Verhältnis zu unseren körperlichen und geistigen Fähigkeiten für überzeugend. Allerdings sind dieselben Punkte auf der legitimatorischen Ebene ungleich weniger überzeugend. Das zeige ich im Folgenden.

Gestaltungen der Person: Eine interne Kritik Auch wenn es plausibel erscheint, dass und wie Hegel bei der Erfassung unserer hochkomplex arbeitsteiligen Gesellschaft die Rolle des Eigentums am eigenen Körper und an den eigenen Geschicklichkeiten hervorhebt, lässt sich dennoch zunächst die Frage stellen, ob es ihm gelungen ist, das PersonKörper-Verhältnis mit Notwendigkeit als Eigentumsverhältnis auszuweisen. Schließlich ist für Hegel durch den Nachweis dieser Notwendigkeit auch die Legitimationsfrage beantwortet: Insofern Personen nur dann als Personen gelten können, wenn ihre Auseinandersetzung mit ihrem Körper und anderen Gegenständen durch die Institution des Privateigentums geregelt wird, ist das Recht auf Privateigentum als gerechtfertigt zu betrachten. Um diesen Standpunkt in Zweifel zu ziehen, braucht es hier keinen eigenen Theorieansatz, der für eine alternative Deutung des Person-Körper-Verhältnisses wirbt. Man kann die Kritik an Hegels These von der Notwendigkeit des Privateigentums auch theorieimmanent entwickeln. Dazu muss zunächst die grundlegende Verfahrensweise Hegels mitgespielt werden. Die Regeln dieses Verfahrens habe ich mehrfach skizziert: Hegel entwickelt doppelseitig – auf der einen Seite wird der zentrale Begriff der Rechtsphilosophie expliziert; auf 212  Man

kann hierbei den Eindruck gewinnen, dass die systematische Verelendung breiter Bevölkerungsschichten zu den wenigen sozialen Problemen gehört, für die Hegel selbst keine Lösung hat – und auch nicht zu haben vorgibt. 213  Bei Nozick (1974, S. 163) findet sich dasselbe Argument.

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der anderen Seite sucht der Philosoph nach derjenigen sozialen »Gestaltung« (R §§ 1, 32), die der jeweiligen Stufe der Begriffsentwicklung entspricht: Es ist schon erinnert worden, daß außerdem daß der Gegenstand nach seiner Begriffsbestimmung in dem philosophischen Gange anzugeben ist, noch weiter die empirische Erscheinung, welche derselben entspricht, nahmhaft zu machen und von ihr aufzuzeigen ist, daß sie jener in der That entspricht. (ENZ § 246 A) Mit Bezug auf die Benennung der »empirischen Erscheinung« spricht Hegel demnach nicht mehr von philosophischer Beweisführung, die er ja als »Zusehen« der Begriffsentwicklung bezeichnet hatte, sondern davon, dass man in der empirischen Wirklichkeit »sich umzusehen« (R § 2 A) habe.214 Eine empirische Erscheinung – wie etwa das Eigentumsrecht – »entspricht« einer bestimmten begrifflichen Erfassung der sozialen Wirklichkeit. Der Philosoph hat also plausibel zu machen, dass ein bestimmter Typ von sozialen Phänomenen als die adäquate soziale Figuration einer bestimmten begrifflichen Konstellation zu betrachten ist. Was wäre aber, wenn sich zeigen ließe, dass andere soziale Phänomene der relevanten Begriffsbestimmung ebenso gut entsprechen? Mit dem Verhältnis von Begriffsbestimmung und sozialer »Gestaltung« eröffnet Hegel den Raum für eine Weise der Kritik, die er selbst zu akzeptieren verpflichtet ist. Vor diesem Hintergrund zeichne ich nun das für das Eigentumsrecht relevante Verhältnis von Begriffsbestimmung und empirischer Erscheinung schrittweise nach: Auf allgemeinster Ebene ist die Rechtsphilosophie eine Theorie über das Verhältnis von praktischem Geist und Natur. In wesentlichen Zügen fasst Hegel dieses Verhältnis als eines der Distanzierung: Rechtsverhältnisse, d. h. objektiven Geist, gibt es für Hegel nur dann, wenn Subjekte sich von ihren unmittelbar vorgefundenen Bedürfnissen, Trieben usw. prinzipiell loslösen können. Dieses Distanzierungsvermögen gegenüber dem unmittelbaren Naturzusammenhang setzt nach Hegel freilich Aneignung der Natur voraus. Erst durch die Ergreifung und Bearbeitung, d. h. Versachlichung von Natur stellt der Mensch die praktische Grundlage von Rechtsverhältnissen her. Denn distanzieren kann er sich vom unmittelbaren Naturzusammenhang nur dann, wenn er Natur gefügig gemacht, sie seinen Zwecken untergeordnet hat. Im Rahmen dieses kulturgeschichtlichen Prozesses der Versachlichung von Natur entwickelt der Mensch die institutionelle Absicherung einmal etablierter Distanzierung. Hegel spricht in diesem Zusammenhang von der Natur als dem »Material« (ENZ § 483) der Freiheit. 214 

Vgl. hierzu außerdem ENZ § 3.

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Bis zu diesem Punkt ist Hegel übrigens weder der einzige noch der erste, der ein solches Verhältnis von Aneignung und Distanzierung zur Natur entwirft. Vor ihm hat beispielsweise auch Fichte in ähnlichen Kategorien gedacht. Auch für Fichte sollte sich der Mensch die Natur dergestalt zum Gegenstand machen, dass der Umgang mit ihr den Anforderungen eines vernünftigen, gerechten Staats Genüge tut. Zu dieser anzueignenden und nach Vernunftgesetzen zu gestaltenden Natur zählte für Fichte aber auch die Leiblichkeit der Subjekte selbst.215 In der Konsequenz sah Fichte sich zu der Forderung gezwungen, dass auch die natürlichen Fähigkeiten, Talente, überhaupt die Arbeitskraft der Subjekte nicht primär nach subjektiven Präferenzen einzusetzen sind, sondern im Rahmen eines staatlich verordneten Systems der Arbeitsteilung.216 Hegel hat eine solche Vorstellung in erster Linie deshalb abgelehnt, weil er das Verhältnis von Geist und Natur nicht bloß als eines der instrumentellen Aneignung und Distanzierung, sondern auch als Identifikation verstanden hat.217 In welchem Sinn diese Auffassung sich bei der hier zu diskutierenden Relation von Begriffsbestimmung und sozialer Gestaltung niederschlägt, zeigt sich bereits am zentralen Begriff des Abstrakten Rechts: der Persönlichkeit. Aus diesem Begriff entwickelt Hegel ja den gesamten Inhalt der Sphäre 215 

Vgl. zu einer systematischen Analyse des Verhältnisses von Leiblichkeit und Wille bei Fichte die Studie von Kottmann (1998). 216  Fichte (1988). Bei aller Fremdbestimmtheit der Arbeit, die Fichte im Rahmen seines geschlossenen Handelsstaats für prinzipiell legitim hält, sollte aber sein Bild von zumutbarer Arbeit nicht vergessen werden: »Der Mensch soll arbeiten; aber nicht wie ein Lastthier, das unter seiner Bürde in den Schlaf sinkt, und nach der nothdürftigsten Erholung der erschöpften Kraft zum Tragen derselben Bürde wieder aufgestört wird. Er soll angstlos, mit Lust und mit Freudigkeit arbeiten, und Zeit übrig behalten, seinen Geist und sein Auge zum Himmel zu erheben, zu dessen Anblick er gebildet ist. Er soll nicht gerade mit seinem Lastthier essen; sondern seine Speise soll von desselben Futter, seine Wohnung von desselben Stalle sich ebenso unterscheiden, wie sein Körperbau von jenes Körperbaue unterschieden ist. Dies ist sein Recht, darum weil er nun einmal ein Mensch ist.« (ebd., S. 71) Im Übrigen hat die Aneignung und Versachlichung von äußerer Natur, Körper und natürlichen Fähigkeiten selbstverständlich auch außerhalb des Deutschen Idealismus seine Relevanz und entsprechende Problematik. Im rigoros utilitaristischen Rahmen, so hat Nozick (1974, 206 f.) befürchtet, könnte die gerechte Gestalt der Versachlichung von Natur auch bedeuten, dass wir einem gesunden Menschen Organe entreißen, um diese auf mehrere sterbenskranke Menschen zu verteilen. 217  Vgl. hierzu Quante (2011, Kap. 5), dessen Interpretation des 381. Paragraphen der Enzyklopädie zu Recht die wechselseitige Angewiesenheit der Begriffe von Geist und Natur (als Reflexionsverhältnis) präzise herausarbeitet. Betrachtet man aber das GeistNatur-Verhältnis im größeren Kontext des Hegelschen Werks, dann darf der Umstand des wechselseitigen aufeinander Verweisens nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass Hegel von einem Primat des Geistes überzeugt ist.

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des Abstrakten Rechts. Anders als für den Willensbegriff überhaupt, ist – wie ich in Kapitel 2.4.3 gezeigt habe – für den Persönlichkeits-Begriff die Gebundenheit an eine unmittelbar vorgefundene Natur konstitutiv. Die Exemplifikation der Persönlichkeit erfolgt darum durch Subjekte, die sich je auf sich beziehen, indem sie sich in ihrer unmittelbaren »natürliche(n) Existenz« (R § 43) ein raum-zeitliches Dasein geben, das sie zwar als ihre Existenzweise betrachten, an das sie sich aber nicht gebunden fühlen – so sind sie Personen. Damit ist die Exemplifikation der Persönlichkeit begrifflich an den Körper des Menschen geknüpft. Darum ist Hegel auch nicht bereit, das Selbstbewusstsein der Personen als von ihrem Körper unabhängig zu denken. »Ich bin lebendig in diesem organischen Körper«, schreibt Hegel im 47. Paragraphen, um anschließend klarzustellen: »Insofern Ich lebe, ist meine Seele (der Begriff und höher das Freye) und der Leib nicht geschieden, dieser ist das Daseyn der Freyheit, und Ich empfinde in ihm.« (R § 48 A) Ein solches Verhältnis von Geist und Natur im Allgemeinen und von Selbstbewusstsein und Körper des Individuums im Besonderen kann nun für Hegel unmöglich durch eine soziale »Gestaltung« institutionalisiert werden, die den Gedanken zur Grundlage hat, dass »die Seele […] nicht berührt oder angegriffen werde, wenn der Körper mißhandelt und die Existenz der Person der Gewalt eines anderen unterworfen wird.« (R § 48 A) Stattdessen schaut Hegel hinüber auf die Welt der »empirischen Erscheinung« und stellt die These auf: Die wirkliche soziale Gestaltung, die dem auf der Ebene der Begriffsentwicklung etablierten Verhältnis von Selbstbewusstsein und Körper entspricht, ist das Eigentumsrecht. Dabei muss er nicht einmal behaupten, dass die empirischen Subjekte ihren eigenen Körper notwendigerweise selbst als Eigentum bezeichnen. Es ist aber das Eigentumsrecht, das ihren berechtigten Anspruch mit Bezug auf den eigenen Körper einfängt. Die eigene Freiheit in einem raum-zeitlichen Einzelding manifestiert wissen und darin als freies Subjekt respektiert werden zu wollen – dieses Verhältnis der Person zur Sache begreift Hegel als »Bestimmung des Eigenthums« (R § 45). Die Leistungsfähigkeit einer solchen Rekonstruktion von Praxen der Zuschreibung und Anerkennung von Geltungsansprüchen habe ich im vorherigen Abschnitt mit Bezug auf ihre diagnostische, gesellschaftsanalytische Kraft bereits gewürdigt. Es ist allerdings nicht zu sehen, warum die Verknüpfung zwischen der Entwicklung des Persönlichkeitsbegriffs auf der einen und dem Eigentumsrecht auf der anderen Seite alternativlos sein muss. Was Hegel zunächst braucht, ist ein Recht, das den ausschließenden Zugriff und willkürlichen Gebrauch des eigenen Körpers schützt. Man kann dies als Recht auf Privateigentum am eigenen Körper fassen; man muss aber nicht. Man könnte auch von einem Recht auf körperliche Unversehrtheit und auf Bewegungs-

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freiheit, d. h. von der Unverletzlichkeit der Freiheit der Person sprechen.218 Um den internen Charakter der Kritik zu wahren, ist hier freilich darauf zu achten, dass die Suche nach alternativen sozialen »Gestaltungen«, die der jeweiligen Begriffsbestimmung zu entsprechen haben, keine Suche im Raum des bloß theoretisch Möglichen sein darf. Die soziale »Gestaltung« ist stets als Institutionalisierung einer vorhandenen, nicht erdachten »empirischen Erscheinung« zu verstehen. Diese Bedingung ist bei der Gestaltung »Eigentumsrecht« erfüllt: Der Anspruch auf den ausschließenden, ungestörten und willkürlichen Zugriff auf den eigenen Körper wird von den Hegelschen Zeitgenossen in der Tat tagtäglich implizit erhoben. Die Frage ist an dieser Stelle nur, ob der Rechtsphilosoph gute Gründe dafür hat, das Eigentumsrecht als einzig adäquate Institutionalisierung der vorgefundenen »empirischen Erscheinung« zu bezeichnen. Bleiben wir für einen Augenblick bei dem Körper von Personen: Der diesbezügliche Umgang miteinander ist bei den Subjekten zu Hegels Zeit bereits in relevanter Hinsicht respektvoll gewesen. Man ist nicht einfach über einander hergefallen, sondern hat den Körper des anderen Subjekts in der Regel als Körper einer Person respektiert. Geht jemand zur Nachtzeit sicher auf der Straße, so fällt es ihm nicht ein, daß dieses anders sein könne […] und man denkt nicht gerade nach, wie dies erst die Wirkung besonderer Institutionen sei. (R § 268 Z) Ganz recht. Die Frage ist weiterhin, ob es denn unbedingt die Institution des Privateigentums sein muss. Man kann hier natürlich den Standpunkt vertreten, dass sich das Recht auf körperliche Unversehrtheit und auf Bewegungsfreiheit historisch nur auf der Grundlage eines auf Privateigentum basierenden Wirtschaftssystems durchgesetzt haben. Aus philosophischer Perspektive ist aber dieser genetische Zusammenhang von Marktwirtschaft und der Freiheit der Person noch kein Grund für seine Notwendigkeit in systematischer Hinsicht. Nun möchte Hegel mit dem Eigentum am eigenen Körper ja nicht bloß den Schutz des einzelnen vor Privatpersonen und Gruppen einfangen, sondern ihnen auch das Recht auf Veräußerung ihrer »besonderen, körperli218 

Vgl. hierzu die Verfassungsurkunde für das Königreich Württemberg vom 25. September 1819 (insbesondere die §§ 24–26, 29, 32), in: Huber (1978, S. 187 ff.). Für die heutige Rechtslage siehe die Artikel 2 und 104 des Grundgesetzes der Bundesrepublik. En passant: Ein Blick in Hubers Bände zeigt auch schnell, dass die von Schnädelbach (2000, S. 206) aufgestellte Behauptung, der Begriff des Privateigentums sei eine »Wortschöpfung Hegels«, unzutreffend ist; vgl. hierzu z. B. bereits den vierten Paragraphen der Verfassungsurkunde für das Königreich Bayern vom 26. Mai 1818 (Huber 1978, S. 158).

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chen und geistigen Geschicklichkeiten und Möglichkeiten der Thätigkeit« (R § 67) einräumen. Es ist allerdings auch hier nicht einzusehen, wieso aus dem berechtigten Anspruch auf Anerkennung der Körper als Körper von Personen gleich ein Recht auf Lohnarbeit folgen soll. Vom Anspruch darauf, mit meinem Körper im Rahmen gegenseitigen Respekts ungestört machen zu können, was ich möchte, ist es noch ein weiter Weg zu Kaufverträgen bzw. zur Veräußerung von körperlichen Fähigkeiten. Zwar ist die Veräußerung selbst eine Voraussetzung für die Existenz bestimmter Anerkennungsverhältnisse, die Hegel im Zuge der Analyse des Vertrags und später im Rahmen der Analyse der Bürgerlichen Gesellschaft ausführlich rekonstruiert. Die Notwendigkeit dieser Praxen der Bürgerlichen Gesellschaft kann Hegel allerdings methodisch nicht bereits im Abstrakten Recht als vorausgesetzt behandeln. Es bleibt darum unbegründet, warum allein der Verkauf von Gegenständen und des Gebrauchs von Fähigkeiten (R § 71 A) den Vorgaben des Begriffs der Persönlichkeit entsprechen soll. Die Möglichkeit, meine Fähigkeiten und Talente im arbeitsteiligen Zusammenhang der Bürgerlichen Gesellschaft geltend zu machen, ist sicherlich eine Weise, in der ich als Person respektiert werden kann. Denn wer als Sklave zum Einsatz seiner Fähigkeiten und Talente gezwungen wird, erfährt keinen solchen Respekt. Warum aber sollte die durch den Markt vermittelte Anerkennung von körperlichen und geistigen Fähigkeiten als alternativlose soziale Gestalt der Begriffsbestimmung der Persönlichkeit gelten? Institutionalisiert muss der Raum des ungestörten und nicht zwangsverordneten Ausübens von körperlichen und geistigen Fähigkeiten werden. Dieser Raum ist mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit und der Bewegungsfreiheit der Person im Wesentlichen bereits eingefangen. Die Subjekte der Bürgerlichen Gesellschaft befriedigen zwar als Beitragende zum allgemeinen (Re-)Produktionsprozess des Staats auch ihr Bedürfnis nach Anerkennung ihrer wirtschaftlichen »Selbstständigkeit« (R § 245) und nach Bestätigung ihres Gefühls der »Ehre« (R § 244). Hierzu ist an dieser Stelle das Folgende zu sagen: Die sozialen Anerkennungsphänomene, die im Zusammenhang mit Lohnarbeit stehen, gehen weit über das hinaus, was der Begriff der Persönlichkeit im Rahmen des Abstrakten Rechts fordert. Als Person respektiert zu werden, ist weit weniger anspruchsvoll als das Bedürfnis nach Anerkennung der wirtschaftlichen »Selbstständigkeit« des Gesellschaftsmitglieds – von einem Anspruch auf Befriedigung des Ehrgefühls ganz zu schweigen.219 Das Eigentumsrecht ist zwar eine Voraussetzung der 219 

Ich komme auf diese »Selbstständigkeit« und die »Ehre« in Kürze noch einmal zu sprechen.

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Lohnarbeit und der mit ihr verbundenen Anerkennungsverhältnisse; aus dem Begriff der Persönlichkeit und dem mit ihm geforderten Respekt der Person folgt die Notwendigkeit dieser Phänomene keinesfalls. Meiner Fähigkeit des Tennisspielens oder des Töpferns ist in relevanter Hinsicht bereits Genüge getan, wenn ich die genannten Tätigkeiten freiwillig ausüben darf. Ob ich für mein ungestörtes Tennisspiel nun Geld oder nur Applaus erhalte, liegt auf einer anderen Ebene. Hier setze ich, um in Hegels Bild zu bleiben, meinen Willen auf bestimmte Weise in meinen Körper und in einen Tennisschläger (sowie in die übrigen Utensilien) und ziehe meinen Willen nach Belieben auch wieder heraus. Ich kann das Spielen aufhören, wenn ich möchte. Ich kann den Schläger beiseite legen. Wichtig ist an dieser Stelle, dass die sogenannte Willenssetzung nicht irreversibel ist.220 Dazu passt die Praxis des Kaufens und Verkaufens von Tennisschlägern natürlich ganz gut. Man bedenke, dass es Hegel schließlich nicht um ein bloß natürliches Phänomen geht, bei dem ein Lebewesen einen Gegenstand in seine Gewalt bringt und anschließend wieder abstößt. Aneignung und Loslösung nehmen für Hegel als soziale Anerkennungsverhältnisse Gestalt an. Ob dieses Aneignen, Gebrauchen und Loslösen unbedingt als Kauf, Besitz und Verkauf figurieren muss, hängt von den Vorgaben ab, die durch die Begriffsbestimmung der Persönlichkeit gegeben sind. Im Rahmen des Abstrakten Rechts sind Personen für Hegel einzelne menschliche Individuen, die über Distanzierungsfähigkeit (abstraktes Selbstbewusstsein) verfügen, ihre beliebigen Interessen durch inkorporiertes Handeln befriedigen und dabei als selbstbestimmte Subjekte respektiert werden wollen. Hegel hat in diesem Zusammenhang das Moment der Besonderheit des Willens (R § 37) – also die konkreten, einzelnen Interessen der Personen – bewusst von jeder Anforderung auf seine inhaltliche Vernünftigkeit befreit. Bereits auf der begrifflichen Ebene steht daher fest: Willkür muss, sofern sie die Persönlichkeit anderer nicht verletzt, erlaubt sein. Ist damit die Reihe der möglichen sozialen »Gestaltungen« auf das Privateigentumsrecht eingeschränkt? Mit Bezug auf den Körper sicherlich nicht. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit und auf Bewegungsfreiheit befriedigt hier jede begriffliche Vorgabe. Damit ich mit meinem Körper ungestört tun und lassen kann, was mir beliebt, brauche ich kein Recht auf den Verkauf oder Verleih meiner Fähigkeiten bzw. Arbeitskraft.221 Mit Bezug auf den Ryan formuliert einen ähnlichen Punkt wie folgt: »Were men able to take but not relinquish, this freedom would be a bad joke – we would be much like the monkey who seized the sweets in the sweet jar, but could not extract his clenched fist when he had done so.« (1984a, S. 129 f.) 221  Nozick (1974, 225 ff.) hat in einem ähnlichen Zusammenhang gefordert, dass jeder 220 Alan

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Körper und die mit ihm verbundenen Fertigkeiten irrt sich Hegel darum, wenn er meint, dass es »durch die Vernunft ebenso nothwendig [ist], daß die Menschen in Vertragsverhältnisse eingehen – schenken, tauschen, handeln usf. – als daß sie Eigenthum besitzen.« (R § 71 A) Weder das eine noch das andere ist vor dem Hintergrund des Persönlichkeitsbegriffs mit Blick auf den eigenen Körper notwendig. Soviel vorerst zum Körper. Doch wie verhält es sich mit anderen Gegenständen – zum Beispiel mit dem Tennisschläger selbst? Die Begriffsbestimmungen verlangen: Ich muss meinen Willen in den Schläger hineinlegen und auch aus ihm wieder herausziehen können, das ist klar. Der Schläger hat mir gegenüber kein Recht. Andere müssen diesen meinen Willen als Willen einer Person respektieren, d. h. sie dürfen ihrerseits meinen Willen nicht einfach übergehen. Ich dagegen darf, so lange ich Persönlichkeiten anderer nicht verletze, den Schläger völlig willkürlich gebrauchen. Man sieht sofort: Die Institution des Privateigentums trifft diese Begriffsbestimmungen äußerst gut. Ob sich in der sozialen Wirklichkeit, die vor Hegel liegt, auch andere soziale Phänomene finden, die jenen begrifflichen Bestimmungen entsprechen, hängt im Wesentlichen davon ab, wie jener berechtigte Raum der Willkür aufzufassen ist. Hegel spricht im entscheidenden 37. Paragraphen davon, dass der besondere Bestimmungsgrund des Willens als »zufälliges Belieben« aufzufassen ist. Und genau das bezeichnet er als Willkür: »die Zufälligkeit, wie sie als Wille ist.« (R § 15) Charakteristisch für einen willkürlichen Willen ist, dass er »nicht an diesen oder jenen Inhalt […] gebunden ist« (R § 14). Gegenüber der Natur hat Hegel diese Ungebundenheit ja durch sein »absolutes«, d. h. uneingeschränktes Zueignungsrecht (R § 44) zum Ausdruck gebracht. Im Selbstverhältnis bedeutet diese Ungebundenheit die Freiheit von jeder bestimmten Zwecksetzung. Entscheidend ist aber die Frage, welche Gestalt diese Ungebundenheit im Verhältnis zu anderen Personen oder Gruppen erhält. Meinem Verständnis nach kann sie nur bedeuten, dass die besonderen Absichten, die meinen Gebrauch von einem Gegenstand leiten, nicht an die vorgegebenen Interessen anderer Personen gebunden sein dürfen. Es muss daher, so ist Hegel zu verstehen, einen sozialen Raum der Mensch eine Berechtigung dazu haben sollte, von der Ausübung der eigenen Talente und Fähigkeiten uneingeschränkt zu profitieren. Vor diesem Hintergrund hat er Rawls (1971, 101 f.) für dessen Vorstellung kritisiert, nach der soziale Vorteile, die auf die ungleiche Verteilung von natürlichen Fähigkeiten und Talenten zurückgehen, nur insofern aufrecht zu erhalten seien, als der Gebrauch von natürlichen Fähigkeiten und Talenten auch den sozial schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft zum Vorteil gereicht. Was Hegel an dieser Stelle betrifft, so kommt es nur darauf an, zwischen dem Recht auf ungestörte Ausübung einer Fähigkeit auf der einen und dem Recht auf Vermietung/Verkauf einer Fähigkeit auf der anderen Seite zu unterscheiden.

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Auseinandersetzung mit raum-zeitlichen Gegenständen geben, in welchem die Person ein, wenn man so will, Recht auf Nicht-Rechtfertigung hat.222 Bereits der öffentliche Park, den ich besuche und dessen Schaukel ich gebrauche, bindet meinen Willen auf bestimmte Weise: Es ist nicht allein durch mich bestimmt, welchen Gebrauch ich von dem Park machen kann und welchen nicht. Das wird auch an anderen Beispielen deutlich: Man denke sich im preußischen Staat ein Dorf, das Droschken verleiht. Man trägt sich dort in eine Liste ein und erhält ohne Weiteres das Recht darauf, für eine gewisse Zeit eine Droschke zu gebrauchen. So nett eine solche Vorstellung auch erscheinen mag – es ist klar, dass der Wille des gebrauchenden Subjekts in solchen Fällen nicht als ungebunden bezeichnet werden kann. Für den unangemessenen Gebrauch der Droschke – also einen Gebrauch, der einem vorgegebenen Maß nicht entspricht – wird man sich vermutlich rechtfertigen müssen. Selbiges gilt auch für die Praxen, die heute im Zusammenhang mit der Nutzung etwa von Stadtteilautos stehen. Vor diesem Hintergrund erscheint mir das Recht auf Privateigentum in der Tat als einzig adäquate soziale Gestalt der anfänglichen Begriffsbestimmungen des Abstrakten Rechts. Damit möchte ich nicht gleichzeitig behaupten, dass jede soziale Konstellation, in der Subjekte ungestört einen willkürlichen Gebrauch von Objekten machen dürfen, notwendigerweise die Institution des Privateigentums voraussetzt. Alternative Gestaltungsweisen der Begriffsbestimmungen würde Hegel allerdings, wie bereits erwähnt, nur dann akzeptieren, wenn sie auf soziale Phänomene zurückgehen, die bereits in der gegebenen sozialen Wirklichkeit als »empirische Erscheinung« (ENZ § 246 A) auffindbar sind. Diese Prämisse, die letztlich auf Hegels essentialistisch-teleologische Wirklichkeitsauffassung zurückgeht, kann ich hier im Rahmen einer internen Kritik nicht selbst zum Gegenstand der Auseinandersetzung machen. Festzuhalten sind an dieser Stelle jedenfalls drei Punkte: 1. Hegel kann durch die begrifflichen Bestimmungen kein Recht auf Privateigentum am eigenen Körper begründen. 2. Mit Bezug auf den Umgang mit den übrigen raum-zeitlichen Einzeldingen kann Hegel durchaus ein Recht auf Privateigentum begründen. 3. Das Recht auf Privateigentum an raum-zeitlichen Einzeldingen sichert den willkürlichen Gebrauch; ein Recht auf ökonomische Verwertung folgt daraus nicht. Der Staat ist auf der Grundlage der hier Was Hegel hier nur auf der Ebene des Abstrakten Rechts formuliert, trifft sich mit Waldrons systematischer These über die Natur von Rechten überhaupt: »Rights constitute for each agent the extent of the egoism he can proclaim against the community without moral embarrassment.« (1988, 103) 222 

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relevanten Begriffsbestimmungen nicht gezwungen, Institutionen bereitzustellen, die den Verkauf von Objekten ermöglichen. Hegels These von der Notwendigkeit des Vertrags ist sowohl mit Bezug auf den Körper als auch mit Bezug auf andere Objekte nicht überzeugend begründet.223 Dass die soziale Gestaltung für die Begriffsbestimmung des Abstrakten Rechts mit Bezug auf den Körper (Recht auf körperliche Unversehrtheit, Bewegungsfreiheit) sich von der Gestaltung mit Bezug auf die äußeren Einzeldinge (Privateigentum) unterscheidet, dagegen könnte Hegel im Übrigen nicht klagen. Er führt selbst erhebliche Unterschiede zwischen dem Eigentum am eigenen Körper und demjenigen an äußeren Gegenständen ein – etwa, wenn er behauptet, dass der Körper und auch Teile desselben (z. B. »Zahnausreissen«, R § 66 RN 467) nicht verkauft werden dürfen.224 Doch selbst wenn man zugestehen würde, dass der Verkauf ebenso notwendig ist wie der Besitz von Privateigentum an äußeren Gegenständen, ergibt sich im Anschluss an diese interne Kritik an Hegels Eigentumsrecht 223  Beim

Vertrag wiederholt Hegel einfach die Formulierung, die bereits für die Bestimmung des Eigentums entscheidend war: »Ich kann mich eines Eigenthums nicht nur […] als einer äußerlichen Sache entäußern, sondern muß durch den Begriff mich desselben als Eigenthums entäußern, damit mir mein Wille, als daseyend, gegenständlich sei.« (R § 73) Auch in der Randnotiz zum 73. Paragraphen findet sich eine Formulierung, die mit jener des 45. Paragraphen fast identisch ist: Die Veräußerung sorge dafür, »daß ich mir als freyer Wille objectiv sei.« Was Hegel hier behauptet, ist aber nicht zutreffend. Mein Wille ist – das habe ich in Kapitel 2.3 und 2.4.2 ausführlich gezeigt – als freier Wille gegenständlich, wenn er durch den raum-zeitlichen Gegenstand sozial sichtbar ist und als Wille einer Person respektiert wird. Damit muss die Person ein Recht auf willkürlichen Gebrauch haben – und in diesem Sinne Privateigentum. Die vertraglich geregelte Veräußerung dagegen ist nicht notwendig. Hegel möchte hier sicherlich den Punkt machen, dass andere Subjekte nicht bloß anerkennen, dass eine Person ihren Willen in ein Objekt gesetzt hat, sondern auch, dass der Austritt des freien Willens aus dem besonderen Objekt selbst sozial sichtbar wird. Dass dabei der Tausch von Privateigentum als notwendige soziale Gestalt aufzufassen ist (R § 74, 76, 77, 80), ist aber nicht gezeigt. Die Notwendigkeit des Vertrags braucht Hegel allerdings, da er nur auf diesem Wege glaubt, den Begriff des »Unrechts« (R § 81) entwickeln zu können. 224  Ob Hegel für die Grenzen der Selbstverfügung im Rahmen der Rechtsphilosophie überzeugende Gründe (etwa auch für seine ablehnende Haltung zum Recht auf den Freitod, R § 70) anbieten kann, lasse ich hier unentschieden. Zum einen ist er davon überzeugt, dass der Körper der Person für die Person konstitutiv ist – und dass daher eine Person ihre Persönlichkeit aufgeben würde, wenn sie ihren Körper verkauft. Darin sieht er einen normativ bedeutsamen Widerspruch (R § 66 A). Zum anderen begreift er den Körper der Person begrifflich offenbar als prinzipiell »trennbar« (R § 41), aber nicht als teilbar. Der Körper ist mein »ungeteiltes äußeres Daseyn« (R § 47), und er zeichnet sich, weil er ein Organismus ist, durch »Glieder« (R § 47 A) und nicht durch Teile aus. Strawson (2005, S. 90 f.), der ja die Möglichkeit der Verkörperung von Personen in mehreren Körpern diskutiert hat, hätte somit schon darum einen anderen Person-Begriff als Hegel, weil er einen anderen Begriff des menschlichen Körpers hat.

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ein letzter, wichtiger Problemkomplex: Die Begriffsbestimmungen erfordern, dass das zum abstrakten Selbstbewusstsein fähige Subjekt über seinen eigenen Körper verfügt und dass es seinen willkürlichen Willen in raum-zeitliche Einzeldinge legt, damit er sozial sichtbar wird – und das Subjekt sich somit »als freyer Wille […] im Besitze gegenständlich« (R § 45) sein kann. Nur auf dieser Grundlage kann der Wille der Person »auch erst wirklicher Wille« (ebd.) genannt werden. Das heißt aber, dass ein Subjekt, das kein Privateigentum an äußeren raum-zeitlichen Einzeldingen hat, keine Person ist. Vor dem Hintergrund der begrifflichen Vorgaben des Abstrakten Rechts muss Hegel daher bereits aus systeminterner Perspektive nicht bloß ein Recht auf die Möglichkeit der Aneignung fordern, sondern auch das Recht auf den tatsächlichen Besitz von Privateigentum. Und das tut er auch: »Im Verhältnisse zu äußerlichen Dingen ist das Vernünftige, daß Ich Eigenthum besitze […].« (R § 49)225 Selbiges findet sich auch in der Anmerkung zum 71. Paragraphen: »Es ist durch die Vernunft […] nothwendig, daß die Menschen […] Eigenthum besitzen.«226 Angesichts der Tatsache, dass viele Zeitgenossen Hegels in größter Armut leben: Warum entwickelt er im Rahmen seines Eigentumsrechts kein Prinzip für Verteilungsgerechtigkeit? Wenn es vernünftig, d. h. gefordert ist, dass die Subjekte Eigentum besitzen, warum diskutiert Hegel nicht, wie der Staat diesem berechtigten Anspruch der Subjekte gerecht werden kann? Betrachtet man die methodologischen Bedingungen seiner philosophischen Auseinandersetzung mit dem Eigentumsrecht, dann zeigt sich, dass Hegel auch hier konsequent gehandelt hat. Auf der Ebene der Begriffsbestimmung hat es das Abstrakte Recht zunächst nur mit der Entfaltung von denjenigen Bedeutungsmomenten des freien Willens zu tun, die ihn »in seinem abstracten Begriffe« (R § 34) zeigen.227 Hegel hat sich darum auf ein Subjekt konzentriert, das von den eigenen Ansprüchen abstrahieren kann; er hat auf 225  Nicht

nur durch die hiesige Formulierung wird deutlich, dass Hegel keineswegs bloß das Eigentum am eigenen Körper meint. Aus systeminterner Perspektive ist von Anfang an klar, dass es um Eigentum am eigenen Körper und an äußeren Gegenständen geht (vgl. Kap. 2.1 und 2.2). Warum auch aus systematischer Perspektive Argumente für ein Recht nur auf das Eigentum am eigenen Körper wenig attraktiv sind, zeigt Waldron (1988, Kap. 11 und 12). 226  Waldron (1988) hat sich mit dem Unterschied zwischen einem Recht auf die Möglichkeit der Aneignung und einem Recht auf den tatsächlichen Besitz von Gegenständen intensiv auseinandergesetzt. Im Kontext seiner Hegel-Interpretation hat er – gegen Ilting (1975) und Teichgraeber (1977, S. 54 f.) – die These vertreten, dass Hegels Eigentumsrecht mehr als ein Recht auf die bloße Möglichkeit der Aneignung fordere (1988, 391). Im Folgenden zeige ich, dass Hegels Antwort auf diese Frage kontextabhängig ausfällt. 227  Vgl. hierzu Kap. 2.4.

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diesem Weg »Persönlichkeit« (R § 35) als Bedingung der Möglichkeit von Rechtsverhältnissen einer bestimmten Sorte, als »Rechtsfähigkeit« (R § 36) überhaupt entwickelt; er hat aber auch darauf hingewiesen, dass diese Würdigung der Abstraktion von jedem bestimmten Willensinhalt der Person ihre Kehrseite hat: Was die Person will, warum sie etwas will, ob ihr besonderer Wille mit dem allgemeinen Guten in Übereinstimmung steht – das ist hier alles nicht relevant (R § 37 f.). Es kommt an dieser Stelle nur darauf an, dass es eine Person ist, die etwas will: In Beziehung auf die concrete Handlung und moralische und sittliche Verhältnisse ist gegen deren weiteren Inhalt das abstracte Recht nur eine Möglichkeit, die rechtliche Bestimmung daher nur eine Erlaubniß oder Befugniß. Die Nothwendigkeit dieses Rechts beschränkt sich aus demselben Grunde seiner Abstraction auf das Negative, die Persönlichkeit und das daraus Folgende nicht zu verletzen. (R § 38) Hegels Rede vom Abstrakten Recht als bloßer »Möglichkeit« darf hier aber nicht missverstanden werden. Er sagt damit nicht, dass Subjekte Eigentum besitzen können oder es auch lassen können. Es geht hier nicht darum, den Besitz von Privateigentum selbst als bloße Möglichkeit darzustellen, sondern um die Frage, ob das abstrakte Recht die Ausführung von bestimmten, einzelnen Handlungen zum Gebot macht. Wer kein Eigentum hat, der hat auch kein sozial sichtbares Dasein als Person – der Besitz von Eigentum steht daher nicht zur Disposition. Das abstrakte Recht erteilt Subjekten mit Persönlichkeit – anders als Pferden oder Steinen – die Berechtigung bzw. die »Erlaubniß oder Befugniß«, Eigentum zu besitzen. Es schreibt ihnen nicht vor, was sie konkret zu tun haben. Es schreibt ihnen auch nicht vor, was sie Konkretes zu besitzen haben. Hegel möchte ja gerade einen sozialen Raum etablieren, in welchem die Subjekte ihren beliebigen Interessen nachgehen können, ohne dass sie dabei anderen Subjekten oder etwa dem Staat ständig Rechenschaft über den »besonderen Bestimmungsgrund« (R § 37) ihres Willens schuldig sind.228 Alles das ändert freilich nichts an der Tatsache, dass die Person »sich eine äußere Sphäre ihrer Freyheit geben« (R § 41) muss, um überhaupt Person zu sein. Wenn nun ein raum-zeitlicher Gegenstand mein Eigentum ist, dann ist, sofern ich Person bin, das Verhältnis zwischen mir und dem Gegenstand kein Zwangsverhältnis: Ich kann den Tennisschläger entsorgen, ich muss 228 

Vgl. hierzu auch Honneth (2011, S. 136 f.), der aber »die materielle Dimension eines Rechts auf privates Eigentum« (ebd.) bei Hegel, wie sich im Folgenden zeigen wird, überschätzt.

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nicht gerade ihn als Eigentum besitzen. Ich kann mein Recht auf den Schläger auch fallen lassen, ich muss es nicht geltend machen. Und nichtsdestoweniger gilt für Hegel: Ohne jedes Eigentum, namentlich ohne Eigentum am eigenen Körper, bin ich für andere Subjekte gar nicht als Adressat von Respekt (vgl. R § 36) vorhanden. Hegels hiesiger Standpunkt lautet darum wie folgt: Der Besitz von Eigentum überhaupt ist eine Notwendigkeit; der Besitz von jedem bestimmten Eigentum ist dagegen nur eine Möglichkeit. Für Hegel muss daher wichtig sein, dass jeder Eigentum besitzt; er kann aber an dieser Stelle nicht philosophisch entwickeln, wer aus welchen Gründen was besitzt. Ihm ist natürlich klar, dass die Willkür einer Person schon begrifflich – solange sie die Persönlichkeit anderer Subjekte nicht verletzt – die Aneignung einer unbestimmbaren Portion der äußeren Natur bedeuten kann. Die damit einhergehende Möglichkeit der Ungleichheit des Besitzes kann Hegel aber im Rahmen des Abstrakten Rechts nicht thematisieren, weil dies eine Auseinandersetzung mit besonderen Interessen, Umständen, Zwecken usw. bedeuten würde. Denn das Moment der Besonderheit hat Hegel von Anfang an konsequent ausgeklammert. Man kann es darum nicht klarer sagen als er selbst: Im Verhältnisse zu äußerlichen Dingen ist das Vernünftige, daß Ich Eigenthum besitze; die Seite des Besondern aber begreift die subjectiven Zwecke, Bedürfnisse, die Willkühr, die Talente, äußere Umstände usf. […]; hiervon hängt der Besitz bloß als solcher ab, aber diese besondere Seite ist in dieser Sphäre der abstracten Persönlichkeit noch nicht identisch mit der Freyheit gesetzt. Was und wieviel Ich besitze, ist daher eine rechtliche Zufälligkeit. (R § 49) Allerdings ist das Abstrakte Recht freilich auch noch in einer anderen Hinsicht von Hegel als »Möglichkeit« konzipiert: In der Hierarchie der Rechtsebenen bildet das Recht der abstrakten Freiheit der Person die niedrigste aller Stufen (R § 30). Sollten etwa wichtige Interessen von Gemeinschaften bzw. des Staates gefährdet sein, dann kann in das Eigentumsrecht der Einzelnen eingegriffen werden (vgl. z. B. R § 46 A).229 Wenn Hegel daher zwar auf der Ebene des Abstrakten Rechts noch keine Antwort auf das Problem der Eigentumslosigkeit vieler Bürger formulieren kann, so widmet er sich diesem Problem dann im Rahmen seiner Theorie der Bürgerlichen Gesellschaft. 229  Siep

spricht in diesem Zusammenhang von einer »Übermacht des Staates.« (Siep 1992, S. 306); vgl. hierzu auch Siep (1982, S. 272). Warum Hegels Staat darum nicht sofort als totalitär gelten muss, versucht Quante (2011, Kap. 12) zu zeigen.

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Hier lässt Hegel bekanntlich keinen Zweifel daran, dass er die massenhafte Verelendung der Menschen als ein schwerwiegendes Problem seiner Zeit erkannt hat (R § 242–249). Es ist allerdings ungleich schwieriger zu beurteilen, ob er diese systematische Verelendung auch als Problem für seine Theorie gesehen, ob er die Herausforderung für sein Eigentumsrecht begriffen hat. Die Bürgerliche Gesellschaft, in der die Menschen ihre Subsistenz nicht mehr dem Feudalherren oder der Familie verdanken, »reißt […] das Individuum aus diesem Bande heraus« (R § 238, vgl. auch 241); die Subjekte werden somit »als selbstständige Personen« (ebd.) anerkannt. Diese Anerkennung sollte allerdings nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass der freiheitliche Sinn des Unterschieds zwischen dem Sklaven und der Person zynisch zu werden droht, wenn die Person struktureller Armut und Arbeitslosigkeit (R § 245) ausgesetzt ist. Das weiß auch Hegel. Armut verkehrt alles das, wodurch sich die Person ihrem Begriffe nach auszeichnet, in sein Gegenteil: Eine große Masse der Gesellschaft ist an eine bestimmte, beschränkte Tätigkeitsweise (vgl. R § 243) gebunden, sie erleidet »Abhängigkeit und Noth« (ebd.). Warum also nicht ein ordentliches Mindestmaß an Eigentum für alle fordern? Um Hegels diesbezügliche Position zu erhellen, ist zu berücksichtigen, dass er bei seiner Auseinandersetzung mit der Bürgerlichen Gesellschaft die Begriffsentwicklung des freien Willens bereits deutlich vorangetrieben hat. Das Bild der sozialen Wirklichkeit, das er hier zum Gegenstand hat, ist weitaus differenzierter, umfassender als noch beim Willen, der »in der Bestimmtheit der Unmittelbarkeit« (R § 34) betrachtet worden ist. Gegenüber dem Standpunkt des Abstrakten Rechts geht es jetzt nicht mehr bloß um die abstrakte Freiheit der Person, sondern um die konkreter bestimmten Ansprüche von Subjekten, die Mitglied einer arbeitsteiligen Gesellschaft sind und sich auch als solche Mitglieder wahrnehmen. Einem solchen Subjekt geht es darum, sich und zwar aus eigener Bestimmung, durch seine Thätigkeit, Fleiß und Geschicklichkeit zum Gliede eines der Momente der bürgerlichen Gesellschaft zu machen und als solches zu erhalten und nur durch diese Vermittlung mit dem Allgemeinen für sich zu sorgen sowie dadurch in seiner Vorstellung und der Vorstellung anderer anerkannt zu seyn. (R § 207) Diese »selbständigen Personen« (R § 238) der Bürgerlichen Gesellschaft sind nach wie vor Personen, d. h. sie brauchen Eigentum, um ihrem Willen sozial anerkannte Wirklichkeit zu verleihen. Aber sie brauchen dieses Eigentum nicht mehr als »nur sich abstract auf sich beziehende« (R § 34) Individuen, sondern als Subjekte einer »Realität, die weiter bestimmt ist« (R § 38

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RN 391).230 Sie sind jetzt Bürger zwischen Bürgern, deren Bild von sich abhängig ist von dem Bild, das andere von ihnen haben. Schenkte man ihnen Eigentum, dann würde »gegen das Princip der bürgerlichen Gesellschaft und des Gefühls ihrer Individuen von ihrer Selbstständigkeit und Ehre« (R § 245) verstoßen. Denn Eigentum will hier »durch eigene Thätigkeit und Arbeit« (R § 244) erworben sein. Während Hegel daher im Abstrakten Recht noch fordert, »daß die Menschen […] Eigenthum besitzen« (R § 71), ist in der Bürgerlichen Gesellschaft nur noch vom »Schutz des Eigenthums« (R § 208) und einem Recht auf die »Möglichkeit der Theilnahme« (R § 200) an Tauschpraxen die Rede. Es geht somit lediglich um die Sicherung vorhandener Eigentumsverhältnisse, nicht um staatlich organisierte (Neu-)Verteilung. Wer also ohne Eigentum ist, hat nicht das Recht auf Eigentum, sondern das Recht auf die Möglichkeit, Eigentum zu erwerben. Ich fasse zusammen: Für Hegel sind die Subjekte unserer modernen Gesellschaften Bürger, die Eigentum brauchen, um ihrem Willen, ihren Interessen einen intersubjektiv abgesicherten privaten Entfaltungsraum zu verleihen. Da sie sich aber als selbständige Subjekte begreifen, wollen sie nicht einfach mit Eigentum ausgestattet werden, sondern dafür arbeiten – und nur über dieses durch eigene Leistung erworbene Eigentum sehen sie ihr Bedürfnis nach Anerkennung durch Ihresgleichen befriedigt. Gleichzeitig ist aber Eigentum durch Arbeit, sogar bloße Subsistenz durch Arbeit notwendigerweise für eine Vielzahl der Bürger nicht möglich.231 Das ist Hegels letztes Wort in Sachen Eigentum. An keiner Stelle seiner weiteren Ausführungen erhebt er ernsthaft den Anspruch, institutionelle Maßnahmen gegen systematische Verelendung formuliert zu haben.232 Er hat offenbar gedacht, dass die Armut einer »großen Masse« (R § 244) jedenfalls kein Problem für seine Eigentumstheorie und seine Auffassung von der allgemeinen Vernünftigkeit der Wirklichkeit darstellt. Sein diesbezüglicher Standpunkt wird am Ende auf sein Staatsverständnis zurückzuführen sein. Dem vernünftigen Staat geht es eben nicht primär um das »Interesse der Einzelnen als solcher« (R § 258). Um sich aber an dieser Stelle noch weiter mit Hegel auseinanderzusetzen – denn er verdient Auseinandersetzung und Widerspruch – müsste man das Medium der internen Kritik nicht nur des Abstrakten Rechts verlassen.

Vgl. hierzu Hegels explizite Erwähnung der Entwicklung von Person zu Bürger in der Anmerkung zum 190. Paragraphen der Grundlinien. 231  Vgl. R §§ 200, 237, 241–246. 232  Vgl. hierzu Teichgraeber (1977). 230 

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PERSONENREGISTER

Ackermann, B. 137 Angehrn, E. 33 Aristoteles 48, 96, 162 Baum, M. 38, 97 Bobbio, N. 88 Bonsiepen, W. 53 Brandt, R. 150 Brocker, M. 150 Chitty, A. 152 Cohen, G. A. 147 Cristi, R. 104

Halbig, Chr. 22, 29, 66 Halbig, Chr. /Quante, M. 19, 28, 118 Hecker, D. 104 Hegel, G. W. F. 107 Henrich, D. 14, 28, 37, 51 Herder, J. G. 82 Hobbes, Th. 50, 93 Honneth, A. 34, 103, 104, 108, 135, 146, 150, 178 Horstmann, R.-P. 14, 29, 37, 107 Houlgate, St. 57 Huber, E. R. 171 Hume, D. 93

Day, J. P. 150 Descartes, R. (cartesisch) 19 Düsing, E. 34 Düsing, K. 20, 23, 28, 29, 38 Dworkin, R. 136

Iber, Chr. 21 Ilting, K.-H. 14, 37, 88, 90, 103, 104, 177

Eckl, A. / Ludwig, B. 11 Elias, N. 162 Esfeld, M. 155

Kant, I. 11, 19, 20, 21, 27, 28, 29, 40, 42, 48, 93, 104 Knowles, D. 68 Knox, T. M. 57 Koch, A. F. 28 Kottmann, R. 169

Fichte, J. G. 21, 23, 27, 28, 40, 111, 129, 169 Forster, M. 82 Frisch, Max 122 Fulda, H. F. 14, 29, 30, 37, 93, 95, 103, 120 Gallie, W. B. 12 Grey, T. C. 135 Gutmann, Th. 144

Jaeschke, W. 107

Landau, P. 102 Lee, B. 53 Locke, J. 11, 16, 48, 60, 65, 112, 147, 148, 149, 150, 153 Marx, K. 162 McDowell, J. 142 Moyar, D. / Quante, M. 34

192

Personenregister

Nietzsche, Fr. 61 Nisbet, H. B. 60 Nozick, R. 147, 154, 169, 173 Nuzzo, A. 111 Olivecrona, K. 150 Patten, A. 47, 65, 80, 90, 104, 150 Penner, J. E. 135 Peperzak, A. 38, 44 Peters, J. T. 150 Pinkard, T. 34, 103 Pippin, R. 19, 33, 73 Platon 48 Quante, M. 22, 29, 34, 35, 36, 42, 43, 49, 51, 53, 65, 68, 73, 103, 104, 105, 108, 109, 118, 119, 120, 129, 142, 146, 155, 157, 169, 179 Rawls, J. 93, 136, 174 Ringier, J. R. 100 Ritter, J. 13 Rosefeldt, T. 20 Rousseau, J.-J. 11 Ryan, A. 60, 90, 173

Sandkaulen, B. 114 Schmidt am Busch, H. C. 70 Schnädelbach, H. 171 Schweikard, D. 155 Sedwick, S. 142 Seghers, A. 159 Siep, L. 14, 20, 23, 28, 29, 34, 37, 41, 42, 43, 44, 49, 61, 95, 100, 103, 105, 108, 118, 120, 123, 130, 135, 142, 148, 149, 179 Stepanians, M. 135 Stirn, A. 128 Strawson, P. F. 121, 176 Teichgräber, R. 177 Teichgraeber 181 Theunissen, M. 13, 14, 34, 37, 43, 86, 88, 102, 103, 104 Waldron, J. 11, 12, 14, 15, 16, 47, 60, 65, 80, 90, 104, 112, 135 – 181 Wetzel, M. 142 Wildt, A. 34, 42, 103 Wille, M. 20 Wolff, M. 40, 92 Wood, A. 60