1968: Von Texten und Theorien aus einer Zeit euphorischer Kritik [1. Aufl.] 9783839407417

Der für die Geschichte der BRD bedeutsame Komplex »1968« ist in den letzten Jahren weitgehend hinter vagen Erinnerungen

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1968: Von Texten und Theorien aus einer Zeit euphorischer Kritik [1. Aufl.]
 9783839407417

Table of contents :
Inhalt
Einleitung: Das unbekannte 1968
1. Politisch-ökonomische Kritik
Auftakt: Amerikanische Neue Linke
Free Speech Movement
Eindimensionale Gesellschaft
Vietnam I
Demokratische Prinzipien
Legalität und Legitimität
Kapitalismuskritik
Das kritische Verhältnis von Demokratie und Kapitalismus
Vietnam II
Bewegung und Widerstandsformen
Mögliche revolutionäre Subjekte
Entfremdungs- und Konsumkritik
Kritik der Herrschaft
Feminismus
Utopische Entwürfe
Zwischenbilanz
2. Lebensformen
Versionen der Bewegung
Hippies
Gegen Konkurrenz, Arbeit, Normalität
Antiautoritär
Kommunen, befreite Gebiete
Ästhetik
Underground und Vereinnahmung
Schluss: Kritik an der 68er-Bewegung
Literatur

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Thomas Hecken 1968

Thomas Hecken (Dr. phil. habil.) ist Privatdozent für Deutsche Philologie an der Ruhr-Universität Bochum. Veröffentlichungen zuletzt u.a.: »Gegenkultur und Avantgarde 1950-1970. Situationisten, Beatniks, 68er« (Tübingen 2006); »Avantgarde und Terrorismus. Rhetorik der Intensität und Programme der Revolte von den Futuristen bis zur RAF« (Bielefeld 2006).

Thomas Hecken

1968 Von Texten und Theorien aus einer Zeit euphorischer Kritik

X T E X T E

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Inhalt Einleitung: Das unbekannte 1968 | 7 1. Politisch-ökonomische Kritik | 15 Auftakt: Amerikanische Neue Linke | 15 Free Speech Movement | 18 Eindimensionale Gesellschaft | 21 Vietnam I | 24 Demokratische Prinzipien | 29 Legalität und Legitimität | 34 Kapitalismuskritik | 38 Das kritische Verhältnis von Demokratie und Kapitalismus | 42 Vietnam II | 49 Bewegung und Widerstandsformen | 55 Mögliche revolutionäre Subjekte | 70 Entfremdungs- und Konsumkritik | 72 Kritik der Herrschaft | 75 Feminismus | 77 Utopische Entwürfe | 80 Zwischenbilanz | 87 2. Lebensformen | 101 Versionen der Bewegung | 101 Hippies | 106 Gegen Konkurrenz, Arbeit, Normalität | 111 Antiautoritär | 113 Kommunen, befreite Gebiete | 116 Ästhetik | 121 Underground und Vereinnahmung | 127 Schluss: Kritik an der 68er-Bewegung | 135 Literatur | 149

Einleitung: Das unbekannte 1968 | 7

Einleitung: Das unbekannte 1968

Ein weiteres Buch zur hoch einprägsamen und bereits viel beschriebenen Zeitsignatur 1968 vorzulegen, das scheint vermessen. Der mit dem vorliegenden Band verbundene Anspruch, über ein teilweise unbekanntes, wieder vergessenes 1968 zu sprechen, dürfte sogar besonders widersinnig erscheinen. Schließlich hat sich die Jahresangabe tief in das historische Gedächtnis eingebrannt, selbst heutige Schüler und Studenten können mit dem (symbolischen) Datum zumeist einige Stichworte verknüpfen. Wie jedes in hohem Maße Aufsehen erregende Ereignis mag auch dieses medial nie vergehen: Fernsehen, Nachrichtenmagazine und die Feuilletons großer Zeitungen nutzen jeden sich bietenden Anlass, um die spektakulären Bilder aus dem Archiv zu holen oder die Protagonisten der Vergangenheit zu porträtieren. Selbst in Debatten außerhalb von Talkshows bleibt das Thema ein wichtiger Bezugspunkt: Alle Umschwünge innerhalb der vorherrschenden Meinung gingen bislang damit einher, die Einschätzungen zur Bedeutung von 1968 neu zu fassen (vgl. Hinz 2003). Da spielt es erst einmal keine Rolle, ob die Umschwünge lediglich angestrebt oder in vielen Bereichen Wirklichkeit geworden sind. Die Revision von Ansichten und Doktrinen, für die 1968 einsteht, ist ein wichtiger Punkt sowohl für die gescheiterte »geistig-moralische Wende« der 80er Jahre gewesen als auch für die vielen Spielarten des seit zehn Jahren stark propagierten wirtschafts- und sozialpolitisch neoliberal ausgerichteten Programms. Im zweiten Schritt macht aber die erfolgreich durchgesetzte Publizität der neoliberalen Anschauungen natürlich einen bedeutenden Unterschied aus. In ihr liegt einer der Gründe, weshalb man von einem unbekannten 1968 sprechen kann. Ein neuer Sprachgebrauch schafft es sogar, die sozialliberale Aneignung von 1968 begrifflich zu parodieren und auszulöschen. Das Wort von der Reform bedeutet in der Sprache des Neoliberalismus keineswegs wie Anfang der 70er Jahre eine versuchte Überwindung historisch benennbarer konservativer Satzungen und Pflichtvorstellungen, son-

8 | 1968 dern wird vordergründig zu einem leeren Zeichen des Aufbruchs. Die schlichte Tatsache, dass Reform nun exakt jede Änderung meint, welche die Renditen von Kapitaleignern zu verbessern scheint, bleibt in der diffusen Rhetorik des »Rucks« und »Neuanfangs« zunächst verborgen. Etwas deutlicher kommt dies in einer weiteren Variante der zeitgenössischen Reformbestrebungen zum Ausdruck. Als konservativ gilt nun alles, was sich der gebotenen Flexibilisierung, sprich: den Forderungen der Unternehmen und Kreditgeber nach niedrigen Arbeitslöhnen und reduzierten staatlichen Abgaben oder arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen widersetzt. Selbst auf das klassische Argument, dass die private Profitmaximierung mittelbar zum Wohle aller beitrage, wird nicht selten im Namen der Reform einfach verzichtet, so alternativlos präsentiert sich die altbekannte neue Welt. Dazu passt auch, dass der Begriff »neoliberal« kaum selbst von den Verfechtern der ungemein einflussreichen sowie vor allem institutionell, rechtlich und militärisch tief verankerten kapitalistischen Weltanschauung gebraucht wird, obwohl er doch eine angemessene Bezeichnung für die teilweise Wiederaufnahme historischer, englischer liberaler Prinzipien ist. Der Begriff wird vielmehr nahezu ausschließlich von den sozialdemokratischen, kommunistischen oder autonomen Kritikern verwendet. Hier zeigt sich offenbar eine letzte Wirkung der Maximen von 1968 mit ihrer scharfen Kritik des Liberalismus. Abseits der Ökonomiekritik hört man aber selbst in linken Kreisen häufig das positiv gemeinte Argument, 1968 habe in kultureller und rechtlicher Hinsicht stark zu einer liberaleren Grundstimmung und Verfassung beigetragen. Zumindest in Fragen der demokratischen Ordnung und Öffentlichkeit, in moralischen und pädagogischen Belangen ist die dort ebenfalls strikt antiliberale Haltung der 68er so weit in Vergessenheit geraten, dass viele ihrer Freunde oder sogar ihre ehemaligen Repräsentanten die früheren Aktionen in dieses neue, nun heller erscheinendere Licht rücken. An dieser Argumentationsfigur kann man darum den zweiten wichtigen Grund ablesen, weshalb man von einem unbekannten 1968 reden kann. Insgesamt gesehen haben sich die (neo-)liberalen Anschauungen wesentlich umfassender in den führenden Tageszeitungen und Illustrierten durchsetzen können als in den rechtlichen Bestimmungen des Sozialstaats. Zwar gibt es in Fragen des ›feuilletonistischen‹, kulturellen 1968 noch keine neuliberale oder gar -konservative Deutungshoheit (wenn auch die christliche Rechte in den USA beachtliche Erfolge dabei verzeichnet, die sixties als Quell von vielerlei sozialen, moralischen und pädagogischen Fehlentwicklungen herauszustellen). Trotzdem ist das heutige Bild von 1968 oftmals eigentümlich verschoben; stärker sogar als ihre (ehemaligen) politischen Opponenten haben bislang zahlreiche Berichte und nachträgliche Urteile von früheren 68ern oder heutigen Linken und Sozialliberalen dazu beigetragen, ein verzerrtes Bild der vergangenen Haltungen und Ziele

Einleitung: Das unbekannte 1968 | 9 zu zeichnen; neben den Einschätzungen von Renegaten tragen dazu auch die der Apologeten oder von Teilnehmern bei, die ihre damalige Einstellung retrospektiv zu unbefangen zur allgemeinen Leitlinie erklären.1 Die Erinnerungen an ’68 werden insgesamt zu häufig von dem Bedürfnis nach Rettung, Rechtfertigung, persönlicher Darstellung, anekdotisch-biographischer Einordnung, Selbstkritik, nachträglicher Uminterpretation, origineller Beleuchtung und öffentlicher Bekräftigung oder Reuebekundung geprägt (eine sehr beachtliche Ausnahme ist der Band des ehemaligen SDS-Mitglieds Todd Gitlin, The Sixties. Years of Hope, Days of Rage). Viele rückblickende Zeitungsartikel, aber auch einige Abhandlungen in Buchform bieten bestenfalls Karikaturen oder schlichte Erlebnisschilderungen der Ereignisse von 1968. Menschlich allzu verständliche, zweitrangige psychologische Erkundungen2 oder Verdächtigungen3 wechseln dabei mit vorgeblich individuellen Berichten bzw. selektiven Erinnerungen weitgehend allgemein bekannter Geschehnisse.4 Die Kritik5 oder Legitimation6 mancher Thesen oder besonders einprägsamer Slogans überlagert oftmals die wünschenswerte genaue, umfangreichere Rekapitulation, was im Zusammenhang gedacht und gesagt wurde. Je mehr Zeit vergeht, desto stärker ergeht man sich in teilweise bedenkenswerten,7 häufig aber tendenziös,8 assoziativ9 und theoretisch10 überfrachteten Betrachtungen, welche diskreditierten Ursachen oder ideologischen Vorläufer 1968 bestimmt haben bzw. welche späteren Folgen es nach sich gezogen hat; Spekulationen treten so in zu hohem Maße an die Stelle der viel sachgerechter

1 | Siehe etwa die große Mehrzahl der Beiträge in Schauer 1987; Baier u.a. 1988; Kraushaar 1998a; Cohn-Bendit 2001. Positive Ausnahme: Lönnendonker 1998.

2 | Etwa Lipset 1972: 102ff.; Liebert 1971; Laermann 1993; Koenen 2003; vgl. Allerbeck 1973.

3 | In jüngerer Zeit z.B. Wieland 2005; Reiche 1998: 160ff.; Herzog 2005: 197ff.

4 | Siehe etwa die Erinnerungen zweier Kommunarden: Kunzelmann 1998; U. Enzensberger 2004; oder auch Wesel 2002.

5 | Über die Jahre: Dietz 1970; Löwenthal 1970a; Levitt 1984; Berman 1996; Fels 1998; Langguth 2001; Koenen 2001.

6 | Nachträglich etwa durch Theweleit 1990; Negt 2001; Ali 2005. 7 | Vor allem Touraine 1971; Allerbeck/Rosenmayr 1971; Hess 1988; zusammenfassend Kimmel 1998.

8 | Ein jüngstes Beispiel: Röhl 2006. 9 | Etwa Hakemi 2006; Kraushaar 2006. 10 | Eindrucksvolle Beispiele: Rohrmoser 1981; Jameson 1985.

10 | 1968 zu bewerkstelligenden Analyse, was zu einem bestimmten Zeitpunkt gedacht und getan worden ist.11 Dies ist besonders misslich, wenn es sich, wie im Falle 1968, um einen Zeitabschnitt handelt, dessen Protagonisten vielfach Intellektuelle gewesen sind, Leute also, die ihre politischen Vorstellungen überwiegend aus Büchern beziehen und ihre eigenen Absichten vorzugsweise in längeren Abhandlungen begründen und dokumentieren. Nun soll gewiss nicht behauptet werden, dass die Bewegung des Jahres 1968 jene bekannte Dynamik hätte gewinnen können, wenn alle ihre Teilnehmer sich überwiegend dem genauen, langwierigen Studium von theoretischen, wissenschaftlichen und strategischen Schriften hingegeben hätten. Ohne Übertreibung kann man wohl aber feststellen, dass viele der führenden Protagonisten der Bewegung ungewöhnlich umfangreich, offen, nah an den Geschehnissen und auf hohem Reflexions- oder zumindest Abstraktionsniveau über ihre Anschauungen und Absichten Auskunft gegeben haben. Entscheidend für die Gesamtheit der Bewegung ist dabei nicht, dass solche Ausführungen und die klassischen Abhandlungen von Marx, Freud, Lukács etc., auf denen sie zum Teil beruhen, im Einzelnen gelesen oder verstanden worden sind, sondern dass die wichtigsten Schlagworte und Begründungszusammenhänge den Teilnehmern der Bewegung geläufig sind bzw. in hohem Maße einleuchten. Tatsächlich dürfte im Falle der antiautoritären Bewegung schwer zu bezweifeln sein, dass diese polemisch konzentrierten oder akademisch ausgreifenden Überlegungen nicht bloßes Beiwerk waren, sondern für viele ein zentraler Antrieb und eine wichtige Hilfe, abweichende Haltungen und Lebensformen argumentativ hervorzubringen, diskursiv zu befestigen, nachdrücklich anzunehmen und selber offensiv zu vertreten (vgl. etwa Kittsteiner 2002). Die Menge der Raubdrucke, die bei allen Veranstaltungen aufgebauten Büchertische, die Fülle der Flugblätter und Underground-Zeitschriften, besonders jedoch die für heutige Verhältnisse schier überwältigende Auflagenhöhe anspruchsvoller soziologischer, politischer u.a. Titel sind nur das äußere Zeugnis dafür. Fehlende materielle Möglichkeiten und mangelnde exekutive und politische Gestaltungschancen sind definitiv nicht der einzige Grund, um diese Nähe zur Theorie zu erklären; selbst der aktionistische Impuls, die 11 | Über historische Daten, Fakten und Ereignisse kann man sich gut informieren bei Hermann 1967; Mager/Spinnarke 1967; Rauch/Schirmbeck 1968; Münster 1968; Bauß 1977; Zaroulis/Sullivan 1984; Fraser 1988; Caute 1988; Anderson 1995; Kraushaar 1998c. Besonders empfehlenswert Katsiaficas (1987), Gilcher-Holtey (2001) und Schmidtke (2003), weil dort neben den Daten auch einige entscheidende Theoreme und politische Beweggründe der internationalen 68er-Bewegung kenntnisreich und präzise benannt werden.

Einleitung: Das unbekannte 1968 | 11 Absage der Bewegung an autoritäre Strukturen oder Organisationsformen wird ja ausführlich interpretiert und hergeleitet. Die Faszination des Jahres 1968 für eine bestimmte Sorte Künstler und Theoretiker liegt in hohem Maße darin begründet, dass hier die intellektuelle Rede auch außerhalb der offiziellen Institutionen von Universität, Gericht und Ministerialverwaltung eine gewisse Macht erlangen konnte, zumindest eine Anerkennung und augenfällige Wirkung, die über die Kenntnisnahme durch andere Feuilletonisten oder wissenschaftliche Kollegen weit hinausgeht. Die Euphorie, der oftmals unbedingte Anspruch, mit der die scharfe Kritik an den bestehenden Verhältnissen vorgetragen wird, speist sich stark aus dieser Quelle. Ging die euphorische, hochgetriebene Kritik um 1965 herum noch zumeist auf die deprimierende Diagnose von der eindimensionalen, unabänderlich schlechten oder mittelmäßigen Gesellschaft zurück, verdankt sie sich nun der umschlagenden Hoffnung, alles könne sich in einem raschen Bruch zum Besseren wenden. Selbst die konservative oder liberale Kritik an den Positionen der außerparlamentarischen Opposition profitiert in höchstem Maße von dieser Aufbruchstimmung und der bemerkenswerten Lage des Jahres 1968, dass theoretisch hergeleitete, politisch anspruchsvolle Programme auf große öffentliche Aufmerksamkeit stoßen; man erkennt das allein schon daran, wie schnell und in wie vielen Artikeln und Büchern die pointierte Kritik an den Schriften und Plänen der Neuen Linken vorgetragen wird. Der dritte, entscheidende Grund, weshalb man heute vom unbekannten Jahr 1968 sprechen muss, ist darum leicht zu benennen: Abgesehen von einigen kenntnisreichen, aber spezieller angelegten wissenschaftlichen Abhandlungen12 gibt es überraschenderweise kaum eingehendere Darstellungen wichtiger Texte und Abhandlungen jener Zeit.13 Gerade von Geistes- und Sozialwissenschaftlern, die doch in der älteren Generation zu einem beträchtlichen Teil die Schule von ’68 durchlaufen haben, sind in den letzten zwanzig Jahren, aus Überdruss, Scham oder wegen politischer Kehrtwendungen, relativ wenige Anstrengungen unternommen worden, die damals begeistert aufgenommenen oder selbst verfassten Schriften in neuen Anläufen zu bearbeiten, zu analysieren oder zu kanonisieren. Der vorliegende, essayistisch knapp gehaltene Band will einen Beitrag dazu leisten, diese Lücke zu schließen. Natürlich kann es hier nicht darum gehen, einen Überblick zu all den einzelnen Facetten der Diskussionen zu 12 | Sale 1973; Voßberg 1979; Breines 1982; Scheerer 1988; Hubert 1992; Briegleb 1993; Gilcher-Holtey 1995; Juchler 1996; Lönnendonker/Rabehl/Staadt 2002. Unter zwei vernünftigen Sammelbänden (McMillian/Buhle 2003; Hodenberg 2006) ist besonders der amerikanische lesenswert.

13 | Ein solider, auf Deutschland konzentrierter Vorläufer zum vorliegenden Band ist Weiss 1985.

12 | 1968 geben, auch nicht zu all den Gruppen und Gemeinschaften, die unter eigenen Bezeichnungen Texte oder Zirkulare veröffentlicht haben. Angestrebt wird vielmehr, eine Synthese zu liefern, die durch ausgewählte, bedeutende Beispiele die wichtigsten Ausprägungen der im Frühjahr/ Sommer 1968 bereits allgemeiner geläufigen Argumente und Pläne vorstellt, eine Zusammenschau, die Unterschiede zwischen den 68er-Strömungen herausstellt, sich aber ebenfalls bemüht, deren (vorübergehende) Übereinstimmungen zu präsentieren, ohne einfach der mythischen Einheit der Jahreszahl zu erliegen. Die Arbeit wird insofern erleichtert, als es – zusätzlich zu den bereits angeführten exzellenten wissenschaftlichen Studien – eine ganze Reihe nützlicher Anthologien zum Thema gibt.14 Unerlässlich für die Untersuchung ist es, mit Hilfe der gesammelten, zu einem kleineren Teil französischen, hauptsächlich englisch- und deutschsprachigen Texte den Blick über die nationalen Verhältnisse auszuweiten. 1968 – die Angabe schließt natürlich auch die wichtigsten Vorläufer aus den Jahren zuvor sowie einige Buchveröffentlichungen ein, die mit der üblichen drucktechnischen Verzögerung erst 1969 erscheinen – ist ein internationales Phänomen. Ob in Los Angeles, Paris oder Berlin, überall werden die gleichen Argumente gebraucht. Spezifische nationale Gegebenheiten und historische Besonderheiten tragen viel zu dem Verlauf der Ereignisse (Touraine 1972: 124ff.), wenig aber zu den wichtigsten Begründungen und Aktionsformen der Handelnden bei. Ob diese auch heute noch Bedeutung besitzen oder mittlerweile von rein geschichtlichem Interesse sind, ist sicherlich eine Frage, die der historischen Rekonstruktion erst jenen Reiz verleiht, der über das ausschließlich fachwissenschaftliche Interesse hinausführt. Allein angesichts der Erfahrung, dass Rezensenten bei Themen von öffentlicher Bedeutung ohnehin stets versuchen, dem wissenschaftlichen Autor auch gegen seinen ausdrücklich bekundeten Willen eine politische, moralische Haltung oder Wertung zu soufflieren oder zumindest abzuverlangen,15 ist es zweifellos verlockend, die politischen und anderen Gedanken oder Handlungen der antiautoritären Kräfte gleich selbst mit einer entschiedenen Einschätzung 14 | Jacobs/Landau 1969; Cohen/Hale 1967; Kornbluth 1968; Brown 1969; Berke 1969; Teodori 1970; Lebel/Brau/Merlhès 1969; Oglesby 1969a; Long 1969; Goodman 1970; Stansill/Mairowitz 1971; Stolz 1971; Wolff/Windaus 1977; Miermeister/Staadt 1980; Albert 1984; Bloom/Breines 1995; Kraushaar 1998b; Schulenburg 1998; Sievers 2004.

15 | Bislang habe ich mich in erster Linie mit den gegenkulturellen Formen, dem sog. Underground, der Künstler- und Kommune-Boheme von 1968 beschäftigt, vor allem in den Büchern Gegenkultur und Avantgarde 1950-1970 und Avantgarde und Terrorismus.

Einleitung: Das unbekannte 1968 | 13 zu versehen. Weil ich aber meine, dass bereits genügend Bewertungen der Zeit vorliegen (bei einer mittlerweile vergleichsweise geringen öffentlichen Kenntnis der für die zweite Hälfte der 60er Jahre wichtigen Reden und Aufsätze), möchte ich im Rahmen dieses Buches darauf verzichten. Stattdessen hoffe ich, dass der Leser sich anhand der hier präsentierten und analysierten Texte, Theorien und Handlungsbekundungen ein eigenes Bild machen kann.

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 15

1. Politisch-ökonomische Kritik

Auftakt: Amerikanische Neue Linke 1968 spielen in Deutschland und Amerika zwei Organisationen eine wichtige Rolle, die den gleichen Namen tragen: SDS. Im einen Falle steht das Kürzel für »Sozialistischer Deutscher Studentenverband«, im anderen für »Students for a Democratic Society«. Die Gemeinsamkeiten der zwei Gruppierungen gehen weit über die drei Buchstaben hinaus. Beide vertreten nicht nur in den entscheidenden Jahren 1966-1968 ähnliche Positionen, beide lösen sich auch kurz nach dem Höhepunkt der beträchtlich ausgeweiteten Proteste auf; bereits schnell nach dem Mai ’68 können sich ihre unterschiedlichen Fraktionen auf keine gemeinsame Richtung mehr einigen. Nicht allein am Ende ihrer Arbeit, sondern sogar ebenfalls an ihrem Beginn steht ein bemerkenswerter Gleichklang: Sowohl die deutsche als auch die amerikanische Gruppe werden Anfang der 60er Jahre von ihren jeweiligen sozialdemokratischen Mutterorganisationen, der SPD und der sehr viel kleineren League for Industrial Democracy, ausgeschlossen, weil sie sich nach deren Urteil zu weit nach links bewegen (vgl. Sale 1973; Fichter 1988). Um kommunistische Organisationen in einem hergebrachten Sinne handelt es sich aber vor allem im amerikanischen Fall nicht. Auch beim deutschen SDS, der immerhin durchgehend marxistische Theoriediskussionen betreibt und teilweise über (geheim gehaltene) Kontakte zur DDR verfügt, gibt es bereits in der ersten Hälfte der 60er Jahre im Kontrast zur alten, realsozialistischen Richtung einen leichten, allerdings stets umstrittenen Überhang der Neuen Linken (s. Vring 1963; Abendroth 1963; Vester 1963). Nach der Frankfurter Schule Horkheimer/Adornos prägt mit dem Eintritt u.a. Rudi Dutschkes in den SDS ein aktionistischer Flügel den Verband öffentlichkeitswirksam noch stärker auf eine Art und Weise, die kaum mit traditionellen sozialdemokratischen oder kommunistischen

16 | 1968 Prinzipien und Politikformen zu vereinbaren ist (Bock 1976: 189ff.; Demirovic 1999: 856ff.). Was sich auf dem Papier so ebenbürtig gegenübersteht – Neue Linke, alte Linke –, ist natürlich in vielerlei Hinsicht überhaupt nicht vergleichbar. Die alte Linke gebietet über einen enormen Exekutivapparat und hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg eine ganze Reihe von Nationen untertan machen können; sogar in einigen westeuropäischen Ländern verfügt sie über kommunistische Parteien mit einer großen Anzahl von Mitgliedern und Wählern (in der BRD ist die KP als verfassungsfeindlich verboten worden). Die Neue Linke hingegen kann lediglich auf einige kleine Theoriezirkel und Zeitschriften verweisen; die Bezeichnung Neue Linke steht bloß für eine diffusere, geistige Richtung und verweist nicht auf das geschlossene Programm einer funktionierenden Partei oder internationalen Vereinigung (vgl. Gilcher-Holtey 1995: 46ff.). Die Neue Linke ist folglich zu Beginn noch viel stärker eine Idee, eine Absichtserklärung als eine wirksame Kraft. Für den amerikanischen Soziologen C. Wright Mills, der 1960 einen offenen Brief an (bzw. über) die Neue Linke schreibt, ist sie zuerst ein Versuch der Intellektuellen, die widersprüchlichen, aber hoffnungsvollen antiamerikanischen bzw. antisowjetischen Bestrebungen in Kuba und Japan bzw. Ungarn und Polen zu unterstützen. Der wichtigste Ansatzpunkt der Neuen Linken liegt für Mills darin, zur Kritik der bestehenden Verhältnisse nach dem Maßstab jener humanen, politischen Ideale beizutragen, die er durch die herrschende »Machtelite« aus industrieller, politischer und militärischer Verwaltung missachtet sieht. Die technokratische These vom Ende der Ideologien, wie sie seit der Mitte der 50er Jahre von vielen amerikanischen Soziologen geteilt wird, weist Mills in seinem Beitrag für die englische Zeitschrift New Left Review (vgl. Halsey/Marks 1969: 43ff.) deshalb scharf zurück. Das Ende der Ideologien darf noch längst nicht gekommen sein, weil das amerikanische System nach Mills’ Ansicht weit mehr als nur kleineren Verbesserungen unterworfen werden muss. Den Maßstab utopischer, nicht systemimmanenter Kritik nutzt er aber gleichfalls, um die sowjetischen Machthaber der Chruschtschow-Zeit anzugreifen; sie sind in Mills’ Augen innerhalb ihres militärisch-industriellen Komplexes auch nur daran interessiert, zum Funktionieren der gegebenen Systemabläufe beizutragen. Die scharfe Kritik an der Sowjetunion (selbst nach der Ära Stalins) geht bei ihm aber nicht mit einer neuen Lesart des Marx’schen Werks einher, wie man sie zu der Zeit bei jenen Theoretikern findet, die das Frühwerk des entfremdungskritischen Marx dazu nutzen, von der kommunistischen Parteilinie abzurücken. Mills’ entscheidender Einsatzpunkt im Sinne der von ihm vorgeschlagenen Konzeption einer Neuen Linken ist gleich vollkommen unmarxistisch: Als historischen Träger der politisch-ideologisch angestrebten radikalen Ver-

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 17 änderungen verabschiedet Mills umstandslos die Arbeiterklasse. Die Bezeichnung »Neue Linke« bekommt dadurch eine ganz eigenständige Bedeutung: An die Stelle der Arbeiterklasse setzt Mills seinesgleichen, die Intellektuellen, setzt er die Studenten, jüngeren Professoren und Schriftsteller (1969: 17ff.). Die Idee wird vom amerikanischen SDS begeistert angenommen. Einige seiner führenden Mitglieder schreiben rasch universitäre Haus- oder Abschlussarbeiten über Mills. Im wichtigsten Papier der kleinen studentischen Gruppe finden sich folgerichtig viele Punkte im Geiste Mills’. Das Port Huron Statement, zuerst ein Arbeitspapier von Tom Hayden, bis es dann nach eingehender Diskussion 1962 als SDS-Erklärung veröffentlicht wird (vgl. Vickers 1975: 73ff.), wendet sich wie Mills auf vielen Seiten gegen die liberal-technokratische Rede vom alternativlosen Sachzwang und dem Ende der Utopien. Anders als Mills stellt der SDS jedoch stark den gegenwärtigen Konformismus unter den Studenten heraus. Eigene Erfahrungen, aber auch die repräsentativen Umfragen von Meinungsforschungsinstituten zeigen – genau wie bis Mitte der 60er Jahre in Deutschland auch (Habermas/Friedeburg/Oehler/Weltz 1967; Adam 1965; Scheuch 1968a) –, dass die weit überwiegende Mehrzahl der Studenten am persönlichen Fortkommen interessiert ist und sich darum strikt innerhalb der vorgegebenen Verhältnisse bewegt. Die vorherrschenden Aktivitäten im Studium und in der Freizeit sind aus Sicht des SDS darum nichts als Zeichen politischer Apathie. Diese Diagnose nehmen die SDS-Mitglieder allerdings nicht zum Anlass, ihre ganz anders gearteten Bemühungen einzustellen. Das Port Huron Statement zeigt natürlich, dass man auf Änderung drängt. Die Aussichtslosigkeit der Diagnose ruft offenbar in den eigenen Reihen keine Apathie hervor, weil man selber der tief empfundenen »Entfremdung« der Menschen untereinander unbedingt entfliehen möchte. Der Hauptgrund, weshalb man auf Änderung hofft, liegt in der Annahme, dass die übrigen Menschen unterschwellig in gleicher Weise unter den unpersönlichen, von Rollenanforderungen geprägten Beziehungen litten. Egoismus und Isolation wären demnach kein Ausdruck menschlicher Natur, sondern das Ergebnis gesellschaftlicher Einrichtungen. Auch die studentische Apathie wird darum nicht als Summe individueller Einstellungen, sondern als Produkt der undemokratischen Art und Weise betrachtet, wie die Universitäten organisiert seien. Das beobachtbare konformistische Verhalten der Studenten entstehe erst durch jenes Gefühl der Machtlosigkeit, welches mangelnde Mitbestimmungsmöglichkeiten, autoritäre Strukturen und eine zu starke Zergliederung des Studiums erzeugten. Was der SDS fordert, kann man sich danach leicht denken. Er tritt für eine Demokratie der Mitwirkung ein, in der die Möglichkeiten des Einzelnen, seine Probleme und Ansichten zu Gehör zu bringen, sowohl ihn

18 | 1968 selbst bereichern als auch eine wirkliche Gemeinschaft stiften. Arbeit und Studium sollten einen anderen Anreiz liefern, als die Chance, Status zu erwerben oder Geld zu verdienen, sie sollten vielmehr einen bildenden, schöpferischen Charakter annehmen. Gewalt als politisches Mittel wird scharf abgelehnt, da es Einzelne oder Gruppen zu einem unpersönlichen Objekt des Hasses herabwürdige. Dass all diese Forderungen in der gegenwärtigen amerikanischen Gesellschaft noch lange nicht verwirklicht sind, erkennen die Mitglieder des SDS an den militärischen Anstrengungen der USA und an der unterstellten Manipulation der öffentlichen Meinung; sie erkennen es vor allem an den miserablen Lebensbedingungen der Schwarzen (SDS 1970a: 165ff.), an deren Kampf für Gleichberechtigung sie in den nächsten Jahren unter hohem Einsatz teilnehmen werden. Liest man diese Forderungen, wird nicht recht deutlich, weshalb es sich um eine Neue Linke handeln soll. Offensichtlich greift der SDS stark auf libertäre amerikanische Traditionen zurück, kombiniert die zeitgenössische intellektuelle Kritik am Zustand der demokratischen Öffentlichkeit mit älteren Ideen einer erfüllten Gemeinschaft. Nimmt man noch hinzu, dass der SDS in der Programmschrift von Port Huron wenigstens in einem kurzen, recht unbestimmten Absatz die demokratische Kontrolle der Bodenschätze und Produktionsmittel einfordert, erkennt man schnell, in welch starkem Maße der SDS vielen vergangenen Strömungen des Sozialismus und Anarchismus verpflichtet ist. In der Hinsicht ist die Neue Linke eine alte Linke (Hunt 2003); die scharfe Abgrenzung gewinnt nur Sinn, wenn man als Vergleichsmaßstab die Programme und Organisationsformen des realexistierenden Sozialismus heranzieht.

Free Speech Movement Noch schärfer fällt der Kontrast aus, wenn man als Beispiel einer Aktion, einer Bewegung der Neuen Linken den Protest auf dem Campus von Berkeley im Jahr 1964 betrachtet (vgl. Draper 1965; Lipset/Wolin 1965; Stern 1970). Mehr als ein Beispiel unter vielen ist es insofern, als es sich um den wichtigsten, öffentlichkeitswirksamsten Vorläufer der Universitätsrevolten der Jahre nach 1967 handelt. Der Ausgangspunkt in Berkeley ist ein Protest gegen Beschneidungen der Redefreiheit auf dem Gelände der Universität von Kalifornien. Das Free Speech Movement (FSM) entzündet sich im September 1964 an dem polizeilich unterstützten Verbot des Rektorats, auf dem Campus für politische Ziele zu werben und Gelder einzusammeln (konkret geht es um die Unterstützung der schwarzen Bürgerrechtsbewegung). Verbunden damit sind aber weitere Ziele; es geht der Berkeley-Bewegung, die schnell an Aktivisten gewinnt, auch um den Widerstand gegen eine Universität, die sich aus Sicht der Neuen Linken in

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 19 erster Linie als Zulieferer für die Bedürfnisse der Verwaltungen und der amerikanischen, hochtechnologischen Produktion und »Kriegsmaschine« versteht (Cleaveland 1969: 207). Durchdrungen bzw. in vielen Fällen überlagert werden diese direkt politischen Gründe zudem von jenen Punkten, die bereits in dem Port Huron Statement großen Raum eingenommen haben. Das Gefühl der Entfremdung dient den Protestierenden als sicherer Beweis für die Richtigkeit ihrer Forderungen. Die bürokratisch festgehaltenen Rollenanforderungen rufen für sie die beklagenswerten undemokratischen Verhältnisse und passiven, konformistischen Haltungen hervor. Es bleibt aber nicht bei der kritischen Feststellung, die ihrerseits Ohnmacht und Passivität bewirken könnte. Ungemein wichtig für das (Selbst-)Verständnis der Bewegung ist die Gewissheit, dass die behauptete tiefgreifende Entfremdung nicht allein ein wichtiger Punkt ist, um den eminent schlechten Zustand der amerikanischen Gesellschaft zu beweisen. Mindestens genauso wichtig wie das kritische Argument ist den Studenten die Erfahrung, bereits im Widerstand die beklagte Entfremdung aufheben zu können. In der Aktion kann die Entfremdung sogar mehr als nur individuell beseitigt werden; der Druck administrativer Maßnahmen oder der polizeilichen Verfolgung trägt im besten Fall zusätzlich zur gegenseitigen Hilfe und zu einer »echten Gemeinschaft« der Protestierenden bei. Nach Ansicht manches aufbegehrenden Studenten nehmen die Mittel des expressiven, riskanten Protests gegen die bürokratische Macht bereits den Zweck vorweg, an die Stelle der verwalteten Welt eine andere zu setzen. Der Weg, um das Ziel zu erreichen – etwa der Einsatz des Körpers bei der Besetzung von Plätzen oder dem Überschreiten von Grenzlinien –, ist schon ein Beispiel seiner Erfüllung, wie ein Protagonist der Berkeley-Revolte Ende 1964 ausführt: »Wer den Zielen des Free Speech Movement seine Zustimmung gab, aber an den Mitteln, deren es sich bediente, Anstoß nahm und es lieber gesehen hätte, wenn sich die Studenten an die Gerichte um richterliche Verfügungen und an die Legislative um Gesetzesänderungen gewandt hätten, verstand die Ziele der Bewegung nicht; denn die Mittel, welche die Studenten gebrauchten, waren gleichzeitig das Ziel der Bewegung. Die Studenten kämpften um das Recht, direkt an der Welt, in der sie leben, teilzuhaben, um das Recht, anderen Menschen gegenüberzustehen und nicht Verzeichnissen und Verordnungen, Formularen und Verfahrensordnungen, einer Lautsprecherstimme und einem Fernsehgesicht. Sein Heil in Gerichtsverfahren zu suchen, in denen andere Menschen, Juristen, die verschiedenen Seiten eines Falls debattieren, während der Protagonist selbst dasitzt und zuschaut, oder sich der bei Wahlen geübten Taktik zu bedienen, daß man andere wählt oder auf andere Druck ausübt, um seine eigenen Ziele zu erreichen, – dies hätte die kampflose Aufgabe des Lebens der Bewegung bedeutet.« (Rosenfield 1969: 197)

20 | 1968 Bei dem bekanntesten Sprecher des Free Speech Movement, Mario Savio, findet man das Argument sogar in noch wesentlich persönlicherer Manier wieder. Auch Savio richtet sich vehement gegen die herrschenden Zustände an der amerikanischen Universität. Die Konzeption des liberalen Rektors Clark Kerr (1963) von einer »Multiversität«, der Verflechtung von Wissenschaft und Wirtschaft im Rahmen einer rasch wachsenden »Wissensindustrie«, muss er als entschiedener Gegner des Status quo natürlich ebenfalls ablehnen, auch wenn ihm wahrscheinlich die alte Idee der humanistischen Universität, in der ohne direkte Berücksichtigung von materiellem Nutzen geforscht wird, nicht sonderlich am Herzen liegen dürfte. Im gegebenen Moment gilt seine Kritik aber ausschließlich den Konzeptionen der liberalen Technokraten, die Änderungen nur noch innerhalb des gesetzten hochindustriell-kapitalistischen und administrativen Rahmens zulassen wollen und gar für möglich halten (obwohl immerhin noch im Gegensatz zu den 1990er Jahren die realsozialistische Alternative machtvoll besteht). Ihnen ruft Savio im Dezember 1964 in einer berühmten Rede vor dem Gebäude der Universitätsverwaltung Berkeleys zu, dass die Geschichte noch nicht, wie sie annähmen, an ihr Ende gekommen sei. Zuerst beruft er sich dabei auf die schwarzen Amerikaner; sie könnten die These und den Imperativ vom »Ende der Geschichte« auf keinen Fall akzeptieren. Danach wird aber schnell deutlich, dass die Botschaft auch für die weißen Studenten gilt, denen es bekanntermaßen unendlich viel besser als den materiell und ideell entrechteten Schwarzen geht. Wie schon besonders viele konservative und linksintellektuelle deutsche (Schildt 1995), aber auch manch amerikanische Kulturkritiker vor ihm (Hecken 2006a), zieht Savio nachdrücklich gegen die ästhetisch gering geschätzte Konsumgesellschaft und die standardisierte Welt der Angestellten zu Felde. Weil die Universität genau darauf vorbereite, Laufbahnen und Positionen als Rechtsanwalt, Geschäftsmann, Ministerialfachmann anzutreten, zeichnet Savio die pragmatische, konformistische »Multiversität« in genauso düsteren Farben wie die Welt, der sie zuarbeitet. Alle schöpferischen Fähigkeiten würden in ihr unterdrückt, um die geforderten Charaktere hervorzubringen. Die Beatniks der 50er Jahre hätten das sicherlich genauso gesagt, wenn sie der Universität stärker verbunden gewesen wären. Die persönliche Zuspitzung besteht zuletzt darin, dass Savio sich selbst und seinesgleichen bescheinigt, zu den »Besten« zu gehören, welche die Universität besuchten. Gerade ihnen, den schöpferisch Begabten, bereite die Universität lange, sinnlose Jahre und schließlich eine freudlose Karriere, wenn sie sich schließlich ganz den Regeln des unkreativen Spiels unterwerfen würden. Ganz am Ende seiner Rede schließt Savio aber selbstverständlich mit einer positiven Note. Pathetisch spricht er davon, lieber sterben zu wollen, als sich zum austauschbaren Rädchen in der großen Maschinerie machen zu lassen. Seine ganze Hoffnung setzt er konsequent

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 21 auf das eigene Beispiel bzw. auf jene »bedeutsame Minderheit«, die mit höchstem Einsatz der drohenden Standardisierung und dem »verchromten Verbraucherparadies« absage (Savio 1969).

Eindimensionale Gesellschaft Es ist sehr aufschlussreich, die Rede des jungen Studenten mit einem Buch zu vergleichen, das ebenfalls im Jahr 1964 veröffentlicht wird, Herbert Marcuses One-Dimensional Man. Gemessen an Savio, ist der Autor ein alter Mann. Marcuse, Jahrgang 1898, ist Professor im amerikanischen Exil, mit anderen Mitgliedern des Frankfurter Instituts für Sozialforschung musste er vor den Nationalsozialisten fliehen. Als Schüler nimmt Marcuse an der deutschen Jugendbewegung teil, die der bürgerlichen Welt bei romantischen Fahrten und Wanderungen zeitweilig entkommt, als Student gehört er zu den Schülern Heideggers. Marcuse hat damit in wenigen Jahren alle wichtigen Stationen linker wie rechter Kulturkritik durchlaufen. Kein Wunder, dass er auch Anfang der 60er Jahre den richtigen Ton trifft, um eine weitere zeitgemäße Version dieser Kritik vorzulegen. Tatsächlich liest sich die Analyse des Eindimensionalen Menschen wie eine theoretisch avancierte, philosophisch ausgedehnte Variante von Standpunkten, die ein Beatnik (vgl. Hecken 2006b) oder eben ein aufbegehrender Student der Neuen Linken vertritt. Ob etwa Mario Savio den Band Ende 1964 bereits gelesen hat, ist zweifelhaft, in den nächsten Jahren jedoch wird er zur Pflichtlektüre der Neuen Linken gehören. Der immense Erfolg des recht anspruchsvollen, in einigen Teilen nur für Philosophiestudenten interessanten Buches erklärt sich vor allem daraus, dass es neben der unter vielen Intellektuellen gängigen Kulturkritik einige besonders intensive Ansichten und Stellungnahmen aufweist. Die Intensität speist sich vor allem aus der Feststellung, dass die technologisch-administrativen Apparate eine perfekte Kontrolle ausübten. Perfekt ist die Kontrolle, weil sie nicht mehr durch offene Gewaltmittel, sondern durch eine Steuerung garantiert wird, die funktional, produktiv, erträglich und angenehm erscheint. Dank der zunehmenden Möglichkeit der Arbeiter, an der steigenden Konsumgüterproduktion teilzuhaben, sieht Marcuse die Arbeiterklasse ins System eingebunden. Lenins Kritik an den aufstrebenden Facharbeitern, der reformistischen Arbeiteraristokratie, wandelt sich bei Marcuse zur resignierten Diagnose vom vollständigen Niedergang der einstmals revolutionären Klasse. Angesprochen wird aber weit mehr als der gestiegene allgemeine Lebensstandard, welcher dazu beiträgt, die abhängig Beschäftigten über ihre relative Armut hinwegzutrösten. Entscheidend ist nach Marcuses Ansicht, dass sowohl die Ausgestaltung des Produktionsapparates als auch die der

22 | 1968 Waren das zeitgenössische Leben in ganz durchdringender Art und Weise formt. Die unablässige Produktion von Dingen (die Marcuse als unnütz betrachtet) hält das Regiment der abstumpfenden, mechanisierten Arbeit in der Fabrik, aber auch im Büro aufrecht – und die dabei hergestellten Produkte oder Dienstleistungen tragen nach dem Urteil Marcuses in hohem Maße zur Durchsetzung und Aufrechterhaltung des Systems bei. Die modernen Konsumgüter, die Angebote der Massenkommunikationsund Unterhaltungsindustrie prägten einen ganz bestimmten bequemen, beschränkten Lebensstil. Die Entfremdung habe sich so weit vervollkommnet, dass sie überhaupt nicht mehr verspürt werde. Die Menschen, glaubt Marcuse, würden sich in den Waren, die sie kaufen, wiedererkennen, sie fänden »ihre Seele in ihrem Auto, ihrem Hi-Fi-Empfänger, ihrem Küchengerät« (1989: 29). Jede Idee, man könne auch anders, sinnvoller und freier leben, werde dadurch abgewehrt. Der gewährte Pluralismus beschränke sich auf konforme Varianten der bestehenden Arbeits- und Konsumgesellschaft. Das ausgerufene Ende der Ideologien ist ein genauer Ausdruck des derart nachhaltig reduzierten Pluralismus. Auch aus Sicht Marcuses ist das Ende der Geschichte darum erreicht. Für ihn ist das allerdings eine Schreckensvision einer totalitären Gesellschaft, in der die Massenmedien die Privatsphäre auslöschen, sich Arbeiter, Angestellte und Führungsschicht im Konsum angleichen, die Wissenschaften direkt nationalen Anliegen unterstellt sind sowie Großkonzerne und staatliche Verwaltung nur zwei Seiten desselben technokratischen Steuerungsprozesses darstellen (ebd.: 39). Die Identifikation der Einzelnen mit dieser Gesellschaft kann Marcuse folglich nicht akzeptieren. Der Verweis auf offensichtlich erfüllte Bedürfnisse, auf die bekundete Zufriedenheit der Kunden und Staatsbürger ist für ihn nur ein Beweis, in welch starkem Maße bereits die Bedürfnisse konditioniert worden sind. Marcuse räumt zwar ein, dass letztlich die Individuen selbst bestimmen müssten, was ihre Bedürfnisse sind, solange aber ihre Manipulation vorherrsche, könnten ihre Antworten nicht ihre wahrhaft eigenen sein. Konsequenterweise traut sich Marcuse zu, für alle anderen zu bestimmen, was wahre und was falsche Bedürfnisse sind. Jene Bedürfnisse, die sich unter den gegebenen Bedingungen der fortgeschrittenen Industrie- und Mediengesellschaft erfüllt finden, verfallen natürlich seinem negativen Urteil; bei ihnen muss es sich um falsche Bedürfnisse handeln. Marcuse hat sich und seine Leser damit in eine äußerst privilegierte Position gebracht. Sie durchschauen als einzige den herrschenden Trug, sie können begründet festlegen, was richtige oder falsche Befriedigungen, was freie oder beschränkte Entscheidungen sind. Die privilegierte ist aber gleichzeitig eine verzweifelte Position, weil das Falsche bereits das Ganze geworden ist. Das funktionierende System bringt auf breiter Front – in der Arbeit und in der Freizeit, in Wissenschaft und Kunst – jene Haltungen

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 23 und Einstellungen hervor, die es braucht, um (scheinbar) freiwillig akklamiert zu werden. Im Gegensatz zum Port Huron Statement des SDS, im Gegensatz zu Mario Savios Berkeley-Rede muss danach bei Marcuse jede hergeleitete Hoffnung auf Veränderung, auf das Vertrauen oder Wissen, dass die Geschichte keineswegs beschlossen sei, fehlen. Trotzdem spricht Marcuse ganz zu Beginn des Eindimensionalen Menschen davon, dass sein Buch zwischen zwei widersprüchlichen Aussagen schwanken werde, zwischen der These totaler Kontrolle und der Annahme eines radikalen Bruchs mit der modern-technokratischen Kontrollgesellschaft. Tatsächlich dienen die folgenden 250 Seiten jedoch allein der Begründung der ersten These. Alle Formen vorgeblicher Abweichung, die Marcuse um 1960 herum ausmachen kann – besonders die kryptoreligiösen Bestrebungen der Existenzialisten und Beatniks – stehen für ihn letztlich sogar im Dienste des Status quo. Trotz des vollkommen aussichtslosen Bildes, das er entwirft, rechnet er auf den letzten beiden Seiten seines Buches aber auf einmal doch mit einer Änderung. Nachdem er die integrierte Arbeiterklasse bzw. die »Volksbasis« als Betreiber des Umbruchs ausgeschlossen hat, verweist er ganz am Ende auf die darunter liegende Schicht der Ausgestoßenen und Marginalisierten, auf die rassistisch Verfolgten und auf die Arbeitslosen, verweist er auf die stets von massiver Repression und Gewalt bedrohten Demonstrationen der Schwarzen, wie sie »ohne Waffen, ohne Schutz« auf die Straße gehen, »um die primitivsten Bürgerrechte zu fordern«. Eine richtige Perspektive, dass hier »das fortgeschrittenste Bewußtsein der Menschheit und ihre ausgebeutetste Kraft« wieder zusammenträfen, möchte Marcuse aber nicht bieten. Zwar ist er von der alten marxistischen Kritik am Lumpenproletariat weit entfernt, dennoch sieht er in der Weigerung der Ausgegrenzten, »das Spiel mitzuspielen« (an dem sie kaum beteiligt werden), »nichts als eine Chance«. Aus dem starken Kontrast zwischen der zuvor ausgiebig dargestellten vollkommen eindimensionalen Gesellschaft und den verzweifelten Gesten der Entrechteten geht so die vielleicht stärkste Wirkung hervor, die Marcuse erzielen kann. In den Schlusssätzen des Buches hält er als Aufgabe der kritischen Theorie fest, nichts zu versprechen und keinesfalls eine bessere Zukunft begrifflich vorwegzunehmen. Allein in solcher Negativität könne die Theorie »jenen die Treue halten, die ohne Hoffnung ihr Leben der Großen Weigerung hingegeben haben und hingeben«. Aus der nachhaltig aufgezeigten Totalität der Kontrolle, aus der eindringlich begründeten Hoffnungslosigkeit soll damit der ohne Hoffnung durchgeführte, umso entschlossenere Widerstand hervorbrechen. Dank dieser abschließenden Wendung befindet sich Marcuse wieder ganz im Einklang mit den Aktionen des amerikanischen SDS und der Berkeley-Revolteure, wenn er auch deren direktere, positive Hoffnungs-

24 | 1968 gründe theoretisch widerlegt hat – und wenn er auch das Engagement von Studenten, die soziologisch gesehen fast den genauen Widerpart zu den marginalisierten Schichten bilden, nicht vorhersieht. Im Gegensatz zu den amerikanischen linken Studenten, die an der fortschreitenden Automatisierung der Produktion in erster Linie die Bedrohung für die bestehenden Arbeitsplätze und die Gefahr inhumaner, zentraler Steuerung herausstellen, steht ebenfalls Marcuses teilweise Begeisterung für die technologische Rationalität. Trotz seiner scharfen Kritik am herrschenden, technologisch implementierten System, glaubt er letztlich doch an die positiven Seiten der wissenschaftlich-technischen Entwicklung, sofern sie vom Zweck der Ausbeutung gelöst wäre. Hier – und nur hier – argumentiert Marcuse ganz im hergebrachten marxistischen Sinne. Die zunehmende Verflechtung und Größe der Konzerne erscheint ihm als geschichtlich notwendiger Schritt hin zur koordinierten Planung und Vergesellschaftung der Produktion. Ebenfalls wie Marx hält er die kapitalistisch vorangetriebene Teilung der Arbeit und die damit einhergehende Entfesselung der Produktivkräfte für eine unumgängliche Vorbedingung, dem Reich der Notwendigkeit, sprich: der Mühsal der Arbeit, zu entkommen; erst dann wäre das Individuum frei, sein eigenes Leben zu gestalten; ökonomische Freiheit würde »Freiheit von der Wirtschaft« bedeuten, Freiheit von dem Zwang, sich den Lebensunterhalt täglich unter dem Kommando privatwirtschaftlicher Verfügungsgewalt und Renditeanforderungen verdienen zu müssen (ebd.: 22ff.). All diese Voraussetzungen sind nach Einschätzung Marcuses bereits weitgehend erfüllt. Umso unerträglicher muss für ihn sein, dass die Möglichkeiten der Technik und der zentralisierteren Produktionsplanung nur genutzt werden, um den Mangel, den Wettbewerb und die anstrengende Arbeit aus privatkapitalistischen und nationalistischen Gründen zu verlängern. Die mögliche geschichtliche Alternative – die Nutzung des enormen technologischen Fortschritts zur allgemeinen Befriedigung der Lebensbedürfnisse bei gleichzeitig maximaler Verringerung harter Arbeit – rücke dadurch immer stärker in den Hintergrund, bilanziert Marcuse, sie erscheine fälschlich utopisch angesichts der beherrschenden Realität, die in irrationaler, aggressiver Konkurrenz, konsumistischer Verschwendung, vertiefter Ausbeutung und betäubender mechanisierter Arbeit aufgehe.

Vietnam I Zumindest mit dieser Beschreibung gegenwärtiger Zustände trifft Marcuse wieder den Nerv der rebellischen Studenten. Zusammen mit seiner Begeisterung für den mutig-verzweifelten Einsatz des eigenen Körpers bei Protesten, die öffentliche Plätze für sich reklamieren, ergibt sich darum eine gro-

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 25 ße Übereinstimmung zwischen der theoretischen Abhandlung Marcuses und den Aktionen von amerikanischem SDS und FSM, selbst wenn erstens speziell die Berkeley-Revolteure ihren Akzent noch stärker auf die Entfremdungskritik legen, als Marcuse es bereits tut, zweitens SDS und FSM das Prinzip demokratischer Beteiligung und kreativer Entfaltung zentral betonen, von der Entfesselung der Produktivkräfte aber schweigen, und sie drittens im Namen der Praxis oder des Versuchs grundsätzlich ein Misstrauen gegenüber allzu ausgeweiteten theoretischen Entwürfen hegen. Zeitgeistdiagnostikern wie Leslie Fiedler können darum die Slogans der Protestler, die, wie Fiedler spöttisch bzw. zynisch schreibt, »treuherzig zu ›Guten Taten‹ aufrufen (zur Verbesserung vorhandener Sozialstrukturen etwa, oder zur Übertragung akzeptierter ›Rechte‹ auf davon ausgeschlossene Gruppen)«, als nebensächlich vorkommen. Als Hauptsache hebt er den Verlautbarungen der Studenten zum Trotz die Form des Protests heraus. Ihm erscheinen die politischen Anliegen als bloßer Anlass, um eine neue Form des Boheme- und Beatnik-Lebens zu erproben. Aus der Perspektive Fiedlers stellen die Proteste gegen die Universität keinen Widerstand gegen deren kommerzielle oder militärische Indienstnahme dar, sondern eine tiefgreifende Absage an die puritanische Lebensart. Der Bibliothek und der rational-methodischen Arbeit zögen die rebellischen Studenten die Gemeinschaft der »entflammten Menge (den Rhythmus der Gitarren im Hintergrund)« vor, eine aktionistische Gemeinschaft, die ihr Ziel erfühlt statt durchdacht habe und ihren Zweck in sich selber trage, nicht in der Propagierung politischer Anliegen (1983: 20ff.). Das ist sicher übertrieben, wenn auch etwa festzustellen ist, dass die Sympathie manches protestierenden Studenten für Castros Kuba nicht dem kommunistischen Modell gilt, sondern der befreienden Tat angesichts der amerikanischen Übermacht und angesichts der lokalen Oligarchien. Dem Beispiel solcher Taten sind nicht wenige Studenten verpflichtet, die kleinen, traditioneller sozialistisch ausgerichteten Gruppen, die sich beim Protest ebenfalls engagieren, betrachten hingegen ihre »direkten Aktionen« eher reserviert (May 1965: 456). Trotzdem wäre es falsch, mit Fiedler zu glauben, die Aktionen seien nur um der schockierenden, selbstbefreienden Aktion willen ausgeführt worden. Der Verlauf der weiteren Monate und Jahre widerlegt diese Ansicht nachhaltig. Die Ernsthaftigkeit des Protests gegen den amerikanischen Kriegseinsatz in Vietnam ist wohl kaum in Zweifel zu ziehen. Bekanntermaßen wird dieser Protest ab 1965 schnell dazu beitragen, die Basis und die Ausläufer jener antiautoritären, linken Systemkritik, die ursprünglich auf zahlenmäßig unbedeutende studentische und politische Gruppierungen beschränkt war, beträchtlich zu verbreitern. Dies kann geschehen, weil der Widerstand gegen die amerikanische Kriegsführung von teilweise recht verschiedenen Gruppen getragen wird

26 | 1968 (Zaroulis/Sullivan 1984; De Benedetti 1990). Auch Martin Luther King entschließt sich 1967, nach zwei Jahren falschen Schweigens, wie er selber sagt, die amerikanische Intervention als Fehler zu verurteilen. Die Versäumnisse der Amerikaner bzw. ihrer südvietnamesischen Verbündeten, die Landreform voranzubringen und demokratische Beteiligungsmöglichkeiten zu garantieren, zählen für King zu den Bedingungen des Fehlers; hunderttausende Opfer unter der Bevölkerung sind dessen Fanal. Der Bürgerrechtler King sieht durch den Krieg zugleich seine eigene Haltung gegenüber den militanten Schwarzen, die den Wahlspruch Black Power in den Ghettos mit Brandanschlägen und Waffengewalt unterstreichen (wollen), in unlösbare Schwierigkeiten gebracht. Seine Maxime, dass Gewalt keinen sozialen Fortschritt hervorbringen könne, sieht er durch das Vorgehen der USA entwertet. Deshalb scheint es ihm nun endlich geboten, die Aufforderung an die militanten Kräfte unter den Schwarzen, auf Gewalt als politisches Mittel zu verzichten, zuerst an die Adresse der eigenen Regierung zu richten: »As I have walked among the desperate, rejected, and angry young men, I have told them that Molotov cocktails and rifles would not solve their problems. I have tried to offer them my deepest compassion while maintaining my conviction that social change comes most meaningfully through non-violent action. But, they asked, what about Vietnam? They asked if our own nation wasn’t using massive doses of violence to solve its problems, to bring about the changes it wanted. Their questions hit home, and I knew that I could never again raise my voice against the violence of the oppressed in the ghettos without having first spoken clearly to the greatest purveyor of violence in the world today – my own government.« (1995: 231f.)

King beendet seine Rede in der New Yorker Riverside Church folgerichtig mit dem Aufruf an die amerikanische Führung, den Krieg zu beenden. Er beruft sich dabei buchstäblich auf Gott und die Welt, auf das Gebot christlicher Brüderlichkeit. Etwas weniger allgemein ist seine Ansicht, dass dieser Krieg ein Krieg der Reichen und Sicheren gegen die Armen sei, auch dieses Argument ist aber natürlich biblisch grundiert, nicht marxistisch. Protest gegen die amerikanische Parteinahme für das südvietnamesische Regime ist demnach möglich, ohne sich zugleich auf die Seite der kommunistischen Nordvietnamesen und ihre südvietnamesischen Gefolgsleute und Guerilla-Kämpfer (den Vietcong) zu stellen. Sogar das regierungsamtliche Argument, man ermögliche durch den Protest, vielleicht auch ohne es zu wollen, objektiv den Sieg der kommunistischen Machthaber in Vietnam und damit höchstwahrscheinlich in der ganzen Region, kann von den Bürgerrechtlern ausgehalten werden. Neben einer manchmal anzutreffenden elementar pazifistischen Einstellung sind dafür zwei Gründe verantwortlich. Erstens überzeugt die

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 27 Argumentation, man leiste den antidemokratischen Kräften Vorschub, nicht, weil das südvietnamesische Regime selbst eine Militärdiktatur ist (so z.B. die Einschätzung einer studentischen Protestgruppe aus Berkeley, zu deren Gründern 1965 der spätere Yippie Jerry Rubin gehört; Vietnam Day Committee 1969; vgl. Degroot 1998). Weiter führt noch die Überlegung, angesichts der Verwurzelung der vietnamesischen Kommunisten im antikolonialen, nationalen Befreiungskampf der Jahrzehnte zuvor müsse die amerikanische Regierung den Gedanken zulassen, dass die Kommunisten im Verbund mit anderen nationalistischen Kräften die Mehrheit des Volkes hinter sich hätten und ihnen dadurch eine demokratische Legitimation zukomme (Potter 1970). Umgekehrt, zweitens, muss dann ebenfalls das Recht der Vereinigten Staaten bezweifelt werden, selbst unter (vorgeblich) demokratischen Absichten in die Geschicke fremder, eigenständiger Länder gewaltsam einzugreifen oder jede politische Änderung, welche auf die Beseitigung der kapitalistischen Ökonomie zielt, als Bedrohung der eigenen Nation aufzufassen. Verfechtern des Völkerrechts, die das Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten zum Kern dieses Rechts erklären, muss die Idee, dass die Demokratie einem Land von einer nicht einmal supranationalen Militärmacht auferlegt werden soll, als besonders eklatanter und bestürzender Rechtsbruch erscheinen. Ein gutes Beispiel für diese Haltung ist der Linguist und politische Intellektuelle Noam Chomsky, dessen Beschreibung der Lage aus dem Jahr 1967 in jeder Hinsicht auch auf das heutige amerikanische Vorgehen übertragbar ist. Chomsky verweist darauf, dass es früher ein gebräuchlicher Kritikpunkt gewesen sei, die Sowjets der Missachtung des Völkerrechts zu zeihen und damit dessen Gültigkeit vorauszusetzen. Angesichts Vietnams neigten jedoch viele Amerikaner dazu, »solche Dinge als irrelevant und unrealistisch zu verspotten. Plötzlich ist die Verfassung, ist das System von Verträgen, zu denen wir uns verpflichtet haben – insbesondre die Charta der Vereinten Nationen –, ›aus der Mode‹ gekommen, nicht länger den Komplexitäten unserer Zeit angemessen, die eine starke Exekutive erforderlich machen, welche die Freiheit hat, mit überwältigender militärischer Macht auf wirkliche oder angebliche ›Notstandssituationen‹ und ›Angriffe‹ zu reagieren – etwa auf den angeblichen Angriff in der Tonking-Bucht. Bei einer weltbeherrschenden Macht muß eine solche Mißachtung von Formalitäten alarmierend wirken.« (1969a: 185)

Nun befinden sich diese kritischen Argumente schon seit längerem im Arsenal linksliberaler Opponenten der amerikanischen Außen- und Kriegspolitik. Sie konnten im vorangegangenen Jahrzehnt mit gleicher Berechtigung bereits nach den teils geheimdienstlich instrumentierten,

28 | 1968 teils offen militärischen Interventionen der USA im Iran, in Guatemala, Kuba und der Dominikanischen Republik vorgebracht werden (Rapoport 1968: 52), ohne größeren Widerhall zu erlangen. Die Frage bleibt deshalb, warum die Argumente um 1968 auf fruchtbareren Boden fallen. Die wichtigste Antwort zur Erklärung der Frage liegt darin, dass dieser Krieg mit öffentlich sichtbarem Aufwand über eine lange Zeit ohne endgültigen Erfolg geführt wird (in der Hinsicht dem heutigen Einsatz der Amerikaner im Irak vergleichbar). Die Grausamkeit der militärischen Mittel rückt angesichts der ausbleibenden Durchsetzung der (ohnehin nicht von allen Exekutivstellen als erstrangig erachteten politischen) Ziele immer stärker in den Blickpunkt einer breiteren Öffentlichkeit. An deren Aufrüttelung haben die Protestbewegungen wiederum beträchtlichen Anteil. In seiner Rede zur ersten zentraleren Kundgebung gegen den Vietnam-Krieg streicht der SDS-Vorsitzende Paul Potter im April 1965 bereits nicht nur allgemein das Ausmaß menschlichen Leids heraus, sondern klagt den »cultural genocide« an, der durch Vertreibungen, Umsiedlungen und durch Napalm- oder Gasangriffe erfolge (1970: 246). Die Feststellung und Anklage bleibt über viele Jahre die gleiche, wegen der Intensivierung der amerikanischen Bombenangriffe gewinnt sie sogar zunehmend an Dringlichkeit. Noam Chomsky hält etwa Anfang 1968 fest, dass die Bombardierung ein in der Geschichte einmaliges Ausmaß angenommen habe: »Wir erfahren, daß allein bei Luftangriffen mehr als 100 Pfund Sprengstoff pro Person, 12 Tonnen Sprengstoff auf eine Quadratmeile verbraucht wurden, fast gleichmäßig auf Nord- und Südvietnam verteilt. Viele hunderttausend Morgen Land wurden der Entlaubung ausgesetzt, deren letztliche Konsequenzen niemand kennt.« Dass die Vernichtung zivilen Menschenlebens ein Bestandteil des Bombardements sei, könne darum nicht länger bestritten werden, zu schweigen von der in die Million gehenden Zahl der Flüchtlinge in Südvietnam (1969a: 177f.). Aus militärischer Sicht müssen die amerikanischen Maßnahmen sogar als kontraproduktiv bezeichnet werden, weil sie mit dazu beitragen, den Zustrom von Teilen der Bevölkerung in die nordvietnamesische Armee und den südvietnamesischen Vietcong zu beschleunigen. Das amerikanische Militär zählt bzw. schätzt die Anzahl der gefallenen Gegner (body count), um angeben zu können, wann ein vorab errechneter crossover point erreicht sein wird (der Punkt, an dem der Vietcong und die Nordvietnamesen ihre Verluste nicht mehr ausgleichen können). Dem Befehlshaber vor Ort scheint der Punkt im Frühjahr 1967 erreicht, die CIA hingegen sieht richtigerweise trotz der immens gesteigerten Vernichtung der Gegner zunehmende Erfolge von kommunistischer Guerilla und Armee, ihre Reihen durch Rekrutierungen mindestens wieder aufzufüllen (McNamara 1996: 306f.).

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 29 In den USA überprüfen Meinungsforschungsinstitute zur gleichen Zeit in regelmäßigen Abständen die Stellung der einheimischen Bevölkerung zum Krieg. Hier werden keine toten Körper, sondern Meinungen gezählt. Die Ergebnisse sind für die Exekutive nicht unmittelbar bedrohlich. Zwar spricht sich eine beträchtliche Zahl der Amerikaner gegen den Krieg aus, die Mehrheit befürwortet aber den Einsatz. Erst 1971 ändern sich die Mehrheitsverhältnisse. Von einem Erfolg der 68er kann in der Hinsicht demnach unmittelbar keine Rede sein. Als Erfolg darf man die weit, aber eben keineswegs mehrheitlich verbreitete Einstellung gegen die amerikanische Kriegspolitik in Vietnam um 1968 wohl aber bezeichnen, wenn man bedenkt, dass sie fast ohne Unterstützung durch die gewählten Volksvertreter auskommen muss, gibt es doch in der Angelegenheit von den oppositionellen Republikanern natürlich keinen Widerstand gegen die herrschenden Demokraten, in deren Reihen sich zumindest einige Abweichler bemerkbar machen. Beim Anblick der nationalen, antikommunistischen, interventionistischen Allparteienkoalition könnte man sogar von einem großen (späten) politischen Erfolg der 68er sprechen (Rorty 1999: 67). Gegen diese Einschätzung spricht allerdings die Vermutung, dass der Einstellungswandel der Bevölkerung, der 1966/67 beginnt und 1971 dann einen mehrheitlichen Ausdruck gewinnt, zu einem beträchtlichen Teil der militärischen Erfolglosigkeit der amerikanischen Armee geschuldet ist und nicht den entschieden politischen Gründen, wie sie von der außerparlamentarischen Opposition vorgebracht werden.

Demokratische Prinzipien Wenn man auch bezweifeln muss, dass die Mehrheit derjenigen, die sich schließlich gegen den amerikanischen Militäreinsatz in Vietnam aussprechen, im Sinne der Argumente einer Neuen Linken handelt, bleiben aber immerhin indirekte demokratische Erfolge festzuhalten. Erstens hat die außerparlamentarische Opposition dazu beigetragen, eine Öffentlichkeit für das Thema herzustellen, zweitens hat sie im Zuge dessen die große politische Mehrheit mit ihrer Minderheitenmeinung konfrontiert. Damit haben die Protestbewegungen zwei Handlungen oder Prozesse vollzogen bzw. in Gang gesetzt, die nach allgemeiner liberaler, oftmals sogar verfassungsrechtlich niedergelegter Auffassung elementar für eine funktionierende, wahrhafte Demokratie sind. In Deutschland bescheinigt Jürgen Habermas in diesem Sinne den Studenten, erst sie hätten der Öffentlichkeit eine Alternative zu den offiziellen Darstellungen geboten, erst sie hätten durch abweichende Meinungen und überraschende theoretische Perspektiven eine weitergehende

30 | 1968 Aufklärung und Diskussion ermöglicht, die bis dahin weder von den Staatsorganen noch der Presse vorbereitet worden sei. Habermas erblickt darum im studentischen Protest eine Erfüllung der Prinzipien »unserer sozial rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassung« (1967a: 44f.). Habermas hätte sich bei seinem Vortrag auch auf den amerikanischen SDS berufen können, der in seinem Port Huron Statement das positive Bild einer politischen Ordnung zeichnet, die eine gut begründete Wahl zwischen gegensätzlichen Positionen zulässt und fördert (SDS 1970a: 152). Im Nachsatz heißt es dann aber – genau wie bei Habermas –, dass solch eine Wahl unter den gegebenen Umständen nicht einfach möglich sei. Eines der grundlegenden, in vielen verschiedenen Zusammenhängen erprobten Argumente der demokratischen Neuen Linken besteht folglich darin, die Ideale der Verfassung gegen die schlechte Wirklichkeit auszuspielen. Ihre Kritik an den herrschenden Zuständen ist deshalb keine besondere oder gar extremistische Meinung, sondern steht im Einklang mit den obersten Rechtsprinzipien der Nation, so zumindest die Überzeugung. Das ganze Pathos und die grundlegende Botschaft der demokratisch verfassten Gesellschaft meint der SDS darum für seine Anliegen mobilisieren zu können, wenn er die deprimierende Feststellung trifft, die gegenwärtige Ordnung sei keineswegs »›vom Volk, durch das Volk und für das Volk‹« eingerichtet worden, sondern beruhe vielmehr auf Apathie und Manipulation (ebd.: 146). Verstöße gegen den Geist und die Gesetze der demokratischen Verfassung stellen Vertreter der Neuen Linken auf vielen wichtigen Feldern heraus. Erstens sehen sie die Möglichkeit demokratischer Meinungsbildung durch die einseitige bzw. zu einem großen Teil unvollständige Berichterstattung der führenden Medien nachhaltig gestört. Der Nachweis darüber wird etwa am Beispiel der Berichte und Kommentare zum Vietnamkrieg geführt (Jaeggi/Steiner/Wyniger 1966), später vor allem in Deutschland an den Artikeln der Boulevardpresse – Bild und BZ aus dem Verlagshaus Axel Springer – über die außerparlamentarische Bewegung (Grossmann/Negt 1968). Letzteren bescheinigt man, dass in ihnen eine spürbar »antidemokratische Haltung« zum Ausdruck komme (Lettau 1967: 90). Erhebliche demokratische Defizite erkennt die Neue Linke zweitens ausgerechnet in dem wichtigsten öffentlichen Organ, dem frei und gleich gewählten, gesetzgebenden, das Volk repräsentierenden Parlament. Wichtige Fragen würden dort nicht mehr diskutiert; ein Dialog mit dem Wähler finde nicht statt, wohl aber öffne man sich den Einflüssen der Wirtschaftsverbände und Lobbygruppen; Rhetorik und die Einübung eines image ersetzten rationale Argumentation; die öffentliche Meinung würde so erfolgreich manipuliert; die Interessen der wirtschaftlichen Lobby bekämen durch den scheindemokratischen Prozess die Weihe des Gemeinwohls

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 31 (SDS 1970a: 158f.). Tatsächlich würden die Entscheidungen nicht mehr nach Aussprache im Parlament getroffen, sondern es werde dort nach einer öffentlichen Scheindebatte nur noch akklamiert, was vorab beschlossen worden sei. Betrieben würden diese Beschlüsse nun de facto von einem Establishment, das sich aus hochrangigen Regierungsmitgliedern, Ministerialbeamten, Wirtschaftsführern, Militärs, Partei- und teilweise auch Gewerkschaftssekretären zusammensetze (SDS 1970b: 175). Die politikwissenschaftliche Auskunft, dass wegen der Komplexität der modernen Gesellschaft Entscheidungen nicht mehr in freier, allgemeiner Debatte, sondern nach fachmännischer, mindestens vorbereitender Expertise exekutiver Stellen getroffen werden müssten, bekommt demnach in der Fassung der Neuen Linken einen wesentlich kritischeren Akzent. Für sie bedeutet die Verlagerung der Entscheidungsfindung in den vorparlamentarischen Raum einen eminenten Machtgewinn nicht »verfassungsmäßiger Institutionen«, eine Veränderung, die sich weniger technischen Gründen, sondern in erster Linie der fortschreitenden Konzentration ökonomischer Macht verdanke (Blank/Hirsch 1969: 170). Es handele sich deshalb nicht nur um eine leichte Änderung der Machtbalance zwischen Parlament und Exekutive. Die Vermischung von exekutiver mit ökonomischer Macht bereite vielmehr dem Parlamentarismus ein Ende, auch wenn die Institution des Parlaments als Hülle weiter bestehe. Wegen der Ausschaltung der parlamentarischen Debatte als Garant rationaler Beschlüsse gerate die Berufung aufs Gemeinwohl jetzt zu einer bloßen Phrase. In der »spätkapitalistischen Industriegesellschaft« verlören die grundlegenden liberalen Kategorien – Interesse, Kompromiss, Konflikt, Diskussion – jede Bedeutung. Die von der Exekutive im Verbund mit den Wirtschaftsverbänden vorbereiteten Entscheidungen seien, selbst wenn sie noch formell parlamentarisch verabschiedet würden, nichts als Ausdruck besonderer Interessen (Negt 1969: 368f.). Weil die Gemeinwohlorientierung nun in einem verschleierten Klasseninteresse falsch aufgehe, bleibe von dem älteren bürgerlichen, liberalen Modell bloß noch eine ideologische Fassade übrig: »Dem Selbstverständnis des klassischen Bürgertums widersprechen diese von rationaler Kontrolle abgelösten Begriffe von Gemeinnutz und Gemeinwohl deshalb, weil das bürgerliche Klasseninteresse im 18. und 19. Jahrhundert, von der sichtbaren Interessenkonkurrenz und den materialen Einzelentscheidungen der Privateigentümer weitgehend entlastet, auf dem parlamentarischen Forum ausgetragen und im Medium öffentlich-rationaler Diskussion interpretiert wurde; die in abstrakte und generelle Normen transformierten Kompromisse konnten als rechtliche Rahmenbedingungen der gesellschaftlichen Produktions- und Verkehrsverhältnisse gelten. Die allenthalben durchscheinende Partikularität der Unternehmerinteressen führt heute jedoch zu einer Verlagerung des Kompromisses von der Öffentlichkeit,

32 | 1968 vor allem der parlamentarischen Legislative, auf interne Verhandlungen innerhalb vorparlamentarischer Instanzen, staatlicher Verwaltungen und zunehmend auch der Exekutivorgane der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.« (Ebd.: 370)

Interessant an dieser mit linkem oder marxistischem Selbstverständnis vorgetragenen historischen Einschätzung (grundlegend dafür Mills 1962: 355ff.; Habermas 1962) ist die unausgesprochene, vielleicht auch gar nicht bemerkte Pointe, dass die rationale parlamentarische Debatte unter anderem ins 19. Jahrhundert verlegt wird, in eine Zeit also, in der schärfste Ausbeutung, tiefe Klassenspaltung und undemokratisches Wahlrecht vorherrschten. In der Gegenwart der 60er Jahre, die daran gemessen einen beträchtlichen Fortschritt verzeichnen darf, fällt den linken Verfechtern vernünftiger Debatte dann lediglich die falsche Identifikation von besonderem unternehmerischen Interesse mit dem Allgemeinwohl (mit dem unterschobenen, nicht mehr in offener parlamentarischer Entscheidungsfindung erzielten allgemeinen Kompromiss) auf. Auf eigentümliche Art und Weise kommt die Verpflichtung der Neuen Linken auf liberal-demokratische Ideale hier erneut zum Ausdruck. Sie zeigt sich aber nicht allein in theoretischen und geschichtlichen Analysen. In einigen studentischen Gruppen findet sie einen geeigneten Träger, sich in konkreten Forderungen zu äußern. Die Begeisterung für den demokratischen Prozess ist bei den linken Studenten so stark, dass sie ihn auch an ihrer eigenen Wirkungsstätte, der Universität, verwirklicht sehen wollen, nicht nur im Vorfeld von parlamentarischen Wahlen und in der Parlamentsdebatte selbst. Deshalb drängt sowohl in Deutschland als auch in Amerika die studentische Neue Linke Mitte der 60er Jahre auf wesentlich ausgeweitete Mitbestimmungsmöglichkeiten. Das ist nahe liegend, müsste doch wenigstens die Wissenschaft dem (vermissten parlamentarischen) freien und gleichen, rationalen Diskurs nachkommen. Wahrheitsfindung sollte dort der offenen und öffentlichen Debatte aller am Wissenschaftsprozess Beteiligten unterliegen. Nach dem Prinzip des Fallibilismus müssen sich auch (momentan) feststehende Ergebnisse immer wieder der kritischen Prüfung aussetzen und ggf. bestätigen oder widerlegen lassen. Weil die Studenten sich selbst nicht allein als Zuschauer, sondern als Beteiligte dieses Prozesses sehen (Müller 1967), fordern sie konsequenterweise vergrößerte Mitspracherechte. Diese sollen sich aber nicht aufs Seminargespräch beschränken; auch bei Fragen der organisatorischen und inhaltlichen Ausrichtung der Fakultäten wollen die Studenten den Professoren in ihrer Stimm- und Entscheidungsbefugnis gleichberechtigt gegenüberstehen. Die Mehrheit der nach geltendem Recht noch weitgehend allein mit Satzungskompetenz ausgestatteten Professoren wehrt solche Bestrebungen aber bereits im Vorfeld ab, wenn es um Fragen der Exmatrikulation, der

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 33 Prüfungsordnungen, der politischen Äußerungsmöglichkeiten studentischer Vertretungen, der Veranstaltung alternativer Seminare (unter Titeln wie teach-in, Kritische Universität) etc. geht (vgl. Leibfried 1967: 220ff.; Lethen u.a. 1967; Friedeburg u.a. 1968; Preuß 1969); manche wehren sich sogar gegen die Veröffentlichung von sog. Vorlesungskritiken (studentische Rezensionen ihrer Lehrveranstaltungen). Die linken und linksliberalen Studenten wiederum reagieren darauf mit zahlreichen Schriften und Einlassungen, aber auch zum Teil mit Aktionen, die Belästigungen und/oder Rechtsbrüche darstellen, wie z.B. Störungen von Veranstaltungen oder Absperrung von Räumen durch sit-ins, Besetzungen. Damit ist die Grundlage für weitere Aktionen der anderen Seite gelegt, für empörte Reden, Verdächtigungen, Ordnungsmaßnahmen, Einsatz der Polizei auf dem Campus und umgekehrt für weitere sit-ins, Beleidigungen, Unterstellungen etc. Die Eskalation der Ereignisse geht von nun an erfolgreich voran (vgl. Hager 1967; Lönnendonker/Fichter 1975). Voraussetzung ist, dass jede Seite ihre Aktion immer nur als angemessene Reaktion auf die Verfehlung der anderen Seite betrachtet. Im Namen der Demokratie sieht die eine Seite ihre Forderungen als unabweisbar sinnvoll an, während die andere Seite jeden kleinen Verstoß gegen geltendes Recht als manifeste Bedrohung der demokratischen Ordnung betrachtet. Versuche, durch neue Deutungen vermittelnd zu wirken, können zu einem solchen Zeitpunkt zumeist wenig ausrichten, weil sie von der einen oder anderen, oft sogar von beiden Seiten als bewusste Schwächung oder Verdrehung der Wahrheit bzw. des Rechts aufgefasst werden. Jürgen Habermas und Ludwig von Friedeburg (1969: 134f.) unternehmen im Mai 1967 einen solchen problematischen Vermittlungsversuch. Zuerst halten sie fest, dass es sich beim sit-in zweifellos um eine Verletzung der universitären Hausordnung handle, die darum einen Anlass zu Disziplinierungsmaßnahmen biete. Entsprechenden Sanktionen die Berechtigung abzusprechen halten sie folgerichtig für falsch. Dennoch raten sie, die Auseinandersetzung weiter mit den Mitteln des politischen Diskurses und nicht mit jenen rechtlicher Instrumente zu führen, zumal man das sit-in auch als legitime Möglichkeit betrachten könne, den Machtvorteil der universitären Amtsinhaber auszugleichen. Ganz ähnlich argumentiert Tom Hayden, einer der führenden Protagonisten des amerikanischen SDS. Von einem Untersuchungsausschuss befragt, was er tun würde, wenn er sich in der Position eines Rektors befände und z.B. dreizehn Studenten sein Büro stürmten, antwortet er: »If I were really smart, which university administrators never are, because they do not know how to save themselves, I would leave my office. I would organize a student rally and have the problems discussed at it. I would give my own opinions. I would have a referendum on the issues raised by the thirteen students. I would in-

34 | 1968 vite the press to go to my office and see what the thirteen students were doing in it. I would just let the situation drag itself out and win public support for my position by the most ruthlessly nonviolent methods possible.« (1969: 40)

Geht man von solchen Einschätzungen aus, besteht offensichtlich selbst im tiefen Konflikt das große einigende Band der Demokratie. Auf der einen Seite befinden sich die Vertreter legaler, auf rechtsstaatlichem Wege erworbener bzw. hervorgebrachter und abgeleiteter Positionen, auf der Gegenseite diejenigen, welche diese Positionen immer wieder neu bzw. auf direktere Weise demokratisch begründet sehen wollen. Auf der gemeinsamen Grundlage trägt zur (evtl. nur vorübergehenden) Spaltung eine unterschiedliche Auffassung vom Grad hinreichender Legitimität bei. Die Spaltung vertieft sich in dem Moment entscheidend, in dem die eine Seite mit legalen exekutiven und juristischen Maßnahmen auf die (kleineren) Rechtsbrüche reagiert, welche sich die andere Seite herausnimmt.

Legalität und Legitimität Bedeutender als die Frage der Legalität ist letztlich für beide Seiten das Problem der Legitimität. Die Einstellung der studentischen Provokateure kann leicht angegriffen werden, auch und gerade im Rahmen einer Debatte über deren mögliche Rechtfertigung. Die Gegner der revoltierenden Neuen Linken ziehen sich keineswegs bloß auf eine legalistische Position zurück (in dem Sinne, dass sie rein auf einer Erfüllung herrschender Rechtssätze bestünden, ungeachtet deren Inhalts). Sie berufen sich vielmehr ihrerseits auf die hohe demokratische Legitimität des geltenden westlichen Rechts. Verstöße dagegen erscheinen ihnen darum wenn nicht bereits als eklatante Gefährdung der Demokratie, so doch als schlicht anmaßende, eigensinnige, undemokratische Akte. Der Unterschied zu den sit-ins der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung um 1960 ist für sie darum erheblich. Bei den Protesten gegen die Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung hätten die Teilnehmer an den Aktionen tatsächlich mit demokratischer Legitimation gehandelt; ein äußeres, schwaches Indiz dafür ist bereits die Beteiligung liberaler Kräfte an den Akten bürgerlichen Ungehorsams, ein starkes die Berufung auf nachhaltig gerechtfertigte Anliegen, auf elementare Menschenrechte und auf die Möglichkeit, institutionell Gehör zu finden: »Civil disobedience and other modes of confrontation, of course, are not employed exclusively by radicals. Liberals, too, participate in sit-ins and have few qualms about resorting to such tactics when all other means of redressing grievances have been exhausted – that is, when the repeated presentation of legitimate demands evokes no response.« (Etzioni 1969: 76)

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 35 Nicht allein von konservativer, sondern gerade von liberaler Seite kann darum das Argument verwendet werden, die Neue Linke akzeptiere die Grundsätze demokratisch-argumentativ legitimierten Rechts nicht. In den Fällen des studentischen Protests um 1968 ist für sie die Voraussetzung der in Kauf genommenen Ordnungswidrigkeiten – dass berechtigte Anliegen zuvor ganz ungehört blieben – nicht gegeben. Die bewusste, öffentlich vorgenommene Verletzung geltenden Rechts beschädigt in ihrer Sicht darum jetzt genau jene Bürgerrechte, für die man noch einige Jahre zuvor in den amerikanischen Südstaaten so beherzt und mutig eingetreten sei: »Civil rights, like democracy itself, exist only in a legal context; without a rule of law there are no rights either for minorities or for anyone else. In the South, the principal effort of the civil-rights workers has been to uphold laws broken by those in authority – for example, the laws granting suffrage irrespective of race. Sometimes bad laws – that is, those that would not be upheld by a judge – are deliberately broken in order to get the issue before a court; this was the purpose of disobeying the laws that segregated the races in schools, in buses, or at lunch counters. It is an entirely different matter to attack legal authority indiscriminately, and then protest when one is arrested.« (Petersen 1965: 374)

Die Neue Linke lässt sich auf den Disput freilich gerne ein. Gegen einen legalen Zusammenhang hat sie zumeist nichts einzuwenden, sie bestreitet jedoch mit großer Vehemenz, dass die vom Professor der Universität Berkeley William Petersen angeführten demokratischen Zustände bereits vorherrschen. Zu einem Teil bewegt sie sich dabei genau in den vorgegebenen liberalen Bahnen. Sie akzeptiert die demokratischen Anforderungen, verneint aber, wie bereits gezeigt, dass gegenwärtig etwa die Medien und das Parlament die notwendigen Voraussetzungen für einen in diesem Sinne legitimierten Gesetzfindungsprozess bereitstellten bzw. verkörperten. Auf dieser Linie liegt ebenfalls, dass sie in den geplanten oder vorgesehenen Ausnahmeregelungen, welche im Falle des Notstands die Einschränkung von Freiheitsrechten erlauben, die staatliche Bemühung entdecken, die Zwangsmittel des Notstands unmittelbar und dann fortwährend gegen die freiheitlichen Bestrebungen einzusetzen (vgl. Waldmann 1968: 174ff.; Rieser 1973: 49ff.). Gegen den vermuteten bzw. fest angenommenen diktatorischen oder »Faschisierungsprozeß« ist Widerstand natürlich Pflicht. Oskar Negt (1998a: 394) ruft darum im Frühjahr 1968 zum politischen Generalstreik auf, Hans-Jürgen Krahl spricht zugleich klassischer und unbestimmter vom »Recht des Geschlagenen«, vom »elementaren Recht auf Notwehr« (1968a: 37). Krahls Bezugspunkt dürfte Herbert Marcuses Aufsatz aus dem Band Critique of Pure Tolerance des Jahres 1965 sein, in dem er an das Naturrecht auf (gewaltsamen) Widerstand erinnert, falls Minderheiten per

36 | 1968 Gesetz unterdrückt würden. Ausdrücklich weist Marcuse jedoch darauf hin, dass es kein Widerstandsrecht »für irgendeine Gruppe oder ein Individuum gegen eine verfassungsmäßige Regierung« gebe, »die von einer Mehrheit der Bevölkerung getragen wird« (1966: 127). Auch hier findet man also wieder die Anerkennung der demokratischen Ordnung, die schließlich überall in der westlichen Welt aus einer Kombination von Wahlentscheidungen und unantastbaren, auch per Mehrheitsvotum nicht veränderbaren Grundrechten (wie z.B. dem Minderheitenschutz) besteht. Einen drängenden und bedrohlichen Charakter besitzen die Hinweise auf das Widerstandsrecht aber natürlich, weil die meisten Vertreter der Neuen Linken meinen, dass die gegenwärtigen parlamentarischen Wahlen den demokratischen Ansprüchen nicht genügten; folglich müssten die vom Parlament verabschiedeten Gesetze ebenfalls illegitim sein. An der Begründung, weshalb die stattfindenden Wahlen und Abstimmungen nicht den verfassungsmäßigen Prinzipien entsprechen, hängt demnach sehr viel. Eine haben wir bereits kennen gelernt, es ist die These von der durchschlagenden Beschränkung und Manipulation der öffentlichen Meinung, die eine freie, rationale Wahl überhaupt nicht zulasse (Marcuse [1966: 108] spricht in seiner Schrift zum Widerstandsrecht sogar von der gegenwärtigen Demokratie als einer totalitären Gesellschaft). Die Frage ist dann nur, woran man die Manipulation erkennen soll, wenn doch auch die kritischen Ansichten der außerparlamentarischen Opposition geäußert und verbreitet werden können. Die relativ leicht kontrollierbare Antwort der liberalen Verfassung, demokratische Öffentlichkeit sei gewährleistet, wenn es keine staatliche Zensur gebe (außer jener für die Feinde der Verfassung), kann von der Neuen Linken nicht einfach hingenommen werden. Zum einen verweisen sie auf die ökonomisch bedingte, äußerst ungleich verteilte Macht, Meinungen in großem Ausmaß propagieren zu können oder kommerziell auszuwerten (Hinz 1969); mit diesem Hinweis bewegen sie sich noch ganz im Rahmen der gängigen Verfassungsinterpretationen. Zum anderen aber wollen sie die Manipulation sogar daran erkennen, dass bestimmte, ihnen widerstrebende Meinungen vorherrschen. Vorbereitet wird diese Argumentation durch die Überzeugung, dass es bei einer politischen Wahl im Kern um richtige Einschätzungen gehe, nicht nur um letztlich unvergleichliche Wertentscheidungen und einigermaßen überprüfbare Angaben, wie bestimmte Ziele erreicht werden könnten. Mehrheitsentscheidungen gelten solchen Verfechtern politischer Rationalität und Wahrheit darum lediglich als Ersatz für die zwanglose Einigung über das beste Argument, die erzielt würde, wenn die öffentliche Debatte nicht unter dem Druck, rasch zu einer Entscheidung zu kommen, abgebrochen werden müsste (Habermas 1969a: 123f.). Abgeschlossen wird die Argumentation durch die Überzeugung, bereits

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 37 jetzt, unabhängig von der potentiell unendlichen, im herrschaftsfreien Diskurs betriebenen Wahrheitsfindung, über die richtigen Werte und Lösungen zu verfügen. Nimmt man diese Stellung ein, ist es nur konsequent, in anderen politischen Meinungen nicht alternative Vorschläge, sondern schlicht Manipulationen zu erkennen. Weil man die eigenen politischen Aussagen und Vorstellungen keineswegs in letzter Instanz als eine Manipulation bzw. einen Überzeugungsversuch unter anderen, sondern als alternativlos angemessene Ideen betrachtet, kann man aus dem Umstand, dass eine Mehrheit sich dagegen ausspricht, allein den Schluss ziehen, diese Mehrheit sei nicht in der Lage, richtig zu urteilen: »[W]enn lebenswichtige Ideen, Werte und Ziele des menschlichen Fortschritts nicht mehr (oder besser: noch nicht) als ebenbürtige Faktoren in die Bildung der öffentlichen Meinung eingehen; wenn das Volk nicht mehr (oder besser: noch nicht) Souverän ist, sondern von den wirklich souveränen Mächten ›gemacht‹ wird – gibt es dann irgendeine Alternative zur Diktatur einer ›Elite‹ über die Masse? Denn die Meinung der Masse (gewöhnlich das ›Volk‹ genannt) – die gerade derjenigen Vermögen beraubt ist, in denen der Liberalismus die Wurzeln der Freiheit sah: autonomes Denken, unabhängige Rede –, kann keine übergeordnete Geltung und Autorität beanspruchen, selbst wenn ›das Volk‹ die überwältigende Mehrheit darstellt.« (Marcuse 1998b: 333)

Mit anderen Worten: Demokratie und selbstständiges Denken ist allseits dann gegeben, wenn die große Mehrheit aus freien Stücken einsieht, was ihr ein Vordenker der Neuen Linken bereits jetzt, da sie noch verblendet ist, diktieren möchte. Bei Anerkennung der demokratischen Mehrheitsentscheidung in einer zwar fernen, aber jetzt doch bereits ganz bestimmten Zukunft ist die aktuelle demokratische Wahl dadurch vollkommen entwertet. Das Argument ist natürlich hoch riskant, es klingt äußerst verdächtig nach einer diktatorischen, elitären Selbstermächtigung, selbst wenn dabei wichtige liberale Titel (öffentliche Meinung, unabhängige Rede) angeführt werden. Wesentlich demokratischer sind dagegen die Argumente, die etwa Tom Hayden vom amerikanischen SDS vorbringt, der mit Marcuse (sonst) sicherlich in allen wichtigen Punkten übereinstimmt. Zwar bezweifelt auch er die Legitimität der gegebenen demokratischen Entscheidungen, weil er die Majorität der Bevölkerung für un- bzw. desinformiert hält (1969: 36). Sein anderes wichtiges Argument, um Widerstand gegen Einberufungen, Blockaden von Militärgebäuden oder sit-ins in Büroräumen von Firmen, die Napalm B herstellen, zu rechtfertigen, ist jedoch viel rechtsstaatlicher angelegt. Haydens Hauptargument, weshalb die Formen des Widerstands, der civil disobedience, dennoch rechtens seien, liegt darin, die fundamentale Illegalität des Kriegseinsatzes herauszustellen. Die amerikanische Militär-

38 | 1968 operation in Vietnam verstoße gegen die Verfassung, weil sie ohne die Zustimmung des Kongresses durchgeführt werde, und sie verletze nachhaltig die Bestimmungen der Genfer Konvention und des Völkerrechts (1969: 26; in Deutschland entsprechend Griepenburg/Steinhaus 1966: 53). Die gemessen an den eingesetzten Gewaltmitteln ohnehin unvergleichlichen Rechtsbrüche – auf der einen Seite blockierte Räume, auf der anderen verheerte Landstriche – verlieren im Rahmen dieser Argumentation selbstverständlich genau den Status, den ihnen die offiziellen amerikanischen Stellen zuschreiben, wie Hayden in einer rhetorisch sehr eindrucksvollen Passage deutlich macht: »To say that we were acting illegally is to say that the manufacturer of napalm is legal, that the war in Vietnam is legal, that the system is operating according to law – much more according to law than those who block doors at universities.« (1969: 31) Akzeptiert man dieses Argument – dass die kriegerische Intervention Amerikas illegal sei –, spielt der Hinweis auf die mögliche oder fehlende (manipulierte oder frei erteilte) Legitimation des Krieges durch demokratische Mehrheiten keine Rolle mehr, fällt der Hinweis auf die Entscheidungen des demokratisch gewählten Präsidenten oder umgekehrt auf die rasch wachsende Zahl der Kriegsgegner nicht mehr unmittelbar ins Gewicht. Hayden argumentiert zeitweilig sogar derart legalistisch, dass er die Verurteilungen für die Verstöße der Kriegsgegner ausdrücklich hinnimmt; besser gesagt, verknüpft er Legalismus und amerikanisches Freiheitspathos: Hayden spricht eindringlich vom Recht des Individuums, allein seinem Gewissen zu folgen und Widerstand zu leisten, egal, wie sehr es sich in der Minderheit befindet, aber immer im Bewusstsein, dafür eine Strafe zu bekommen (ebd.: 39).

Kapitalismuskritik Zwischen dem Bezug auf eine wahrhaft aufgeklärte Öffentlichkeit und der Berufung auf Prinzipien des Natur-, Menschen- und Völkerrechts lassen große Teile der Neuen Linken nichts unversucht, um den amtierenden Regierungen, aber auch den gesetzgebenden Parlamenten Legitimität und Rechtschaffenheit abzusprechen. Sie bewegen sich damit im Rahmen der liberalen Tradition, wenn auch viele ihrer Argumente geeignet sind, das gewohnte Maß des Liberalismus zu zersprengen; hier ist vor allem die unterschwellige oder offen ausgesprochene Überzeugung zu nennen, dass bestimmte Absichten und Haltungen einfach im Sinne der Mehrheit seien; mit der Konsequenz, aus der tatsächlich fehlenden Zustimmung zu solchen Plänen zu schließen, die öffentliche Meinung sei nicht frei in ihrer Entscheidung. Es gilt aber trotzdem festzuhalten, dass selbst diese Argumentation noch einen verfassungsmäßigen Anhalt besitzt, zählt es doch

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 39 zum liberalen Credo, von einer demokratischen Ordnung nur im Zusammenhang einer freien Presse und eigenständig möglichen Meinungsbildung zu sprechen. Ganz illiberal ist hingegen die Auffassung der Neuen Linken, die private, individuelle Verfügung über das Eigentum müsse stark beschnitten werden. Dabei gibt es natürlich keinen Unterschied zur alten Linken, deren wichtigster, marxistischer Programmpunkt die Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln ist. Unterschiede innerhalb der Linken kann man hier nur daran entdecken, dass der Punkt in den Konzeptionen der Neuen Linken nicht stets die zentrale Stelle einnimmt. Im Gegensatz zum deutschen SDS etwa steht marxistisches Gedankengut in der ersten Hälfte der 60er Jahre beim amerikanischen SDS nicht im Vordergrund. Dies liegt ganz allgemein daran, dass der amerikanische SDS sich bewusst zurückhaltend gegenüber stark theoretisch ansetzenden Welterklärungsmodellen zeigt. Dies liegt aber auch daran, dass bei dem amerikanischen Verband Freiheitspathos und jugendbewegte Gemeinschaftsvorstellungen sozialistische Gesellschaftskonzeptionen überwiegen. Ab 1965 setzen sich dann jedoch marxistische Einschätzungen stärker durch, bis sie 1967/68 zum festen Repertoire jedes Anhängers der Neuen Linken gehören. In der ersten großen Kundgebung im April 1965 gegen den amerikanischen Militäreinsatz in Vietnam hatte Paul Potter die Frage gestellt, was das für ein »System« sei, das diese kriegerische Intervention betreibe und rechtfertige (1970: 248). Bei einer weiteren Antikriegs-Veranstaltung ein halbes Jahr später benennt der damalige SDS-Vorsitzende Carl Oglesby das System als corporate liberalism, als militärisch-industriell-politischen Komplex, der den nationalen Reichtum durch die Unterdrückung und Ausplünderung der meisten anderen Länder der Welt sichere (1970: 186f.). Wiederum wenige Monate danach spricht ein weiterer führender Funktionär des SDS vom amerikanischen corporate capitalism, der international, aber auch im eigenen Lande (dort allerdings verdeckter) ein ungemein brutales und entmenschlichendes System errichtet habe (Calvert 1970: 413). Das Ausmaß der Wiederaufnahme marxistischer Ideen zeigt sich eindrucksvoll daran, in welch hohem Maße selbst liberale Ästheten wie Susan Sontag ab 1966 auf Begriffe wie Kapitalismus und Imperialismus zurückgreifen, die sie nach eigenem Zeugnis über zehn Jahre lang nicht mehr in den Mund genommen haben (Sontag 1969: 28). Dank der zunehmenden Kapitalismus-Kritik tritt die Rede vom eindimensionalen Menschen wieder etwas zurück, zusätzlich oder an ihrer Stelle wird nun erneut verstärkt auf die tiefgreifenden sozialen Unterschiede und Abstände innerhalb der bestehenden westlichen Gesellschaften hingewiesen. Die marxistische Bestimmung der Klassenspaltung, deren Kriterium die Verfügung über Produktionsmittel ist, liefert auch der gesamten Neuen Linken um 1968 den

40 | 1968 entscheidenden Ausgangspunkt zur Analyse der gegenwärtigen Gesellschaft. Die Beispiele dafür sind entsprechend vielzählig. In einem Manifest etwa, das von führenden Theoretikern der englischen Neuen Linken wie Raymond Williams, Stuart Hall und Terry Eagleton verfasst ist, wird gleich zu Beginn das Bild der durchgesetzten materiellen Gleichheit, der umfassenden Mittelstandsgesellschaft als wirklichkeitsfern zurückgewiesen: »To move from the rhetoric to the reality is to see that not everyone has in fact shared equally in the benefits of economic growth and full employment: that the gap between rich and poor has not, in fact, grown noticeably less. Two per cent of the British people still own 55 per cent of all private wealth. Ten per cent own 80 per cent. Differences of income are still very wide. When income from property is added to earnings, the top 1 per cent of the British people receive about as much income as the bottom 30 per cent put together. These are the ground-lines of all the other changes.« (Williams 1968: 20)

Die Vermögensverhältnisse lieferten nach wie vor ein getreues Abbild der Besitzverhältnisse, daran änderte auch das in absoluten Ziffern gestiegene Einkommen der lohnabhängigen Bevölkerung oder die vergrößerte Anzahl der von hohen Angestellten (Managern) geleiteten Firmen und Aktiengesellschaften nichts. Mit der unterschiedlich verteilten Verfügung über Privateigentum seien aber nicht allein Einkommensdifferenzen verbunden, sondern auch ganz unterschiedliche Möglichkeiten, Macht auszuüben, also das Leben der Machtlosen tatsächlich weitgehend zu bestimmen: »At the centre of capitalism is the power of a minority, through ownership and control, to direct the energies of all other members of the society.« (Ebd.: 38) Die Herrschaft mache sich weit über den Arbeitsplatz in der Fabrik oder im Büro bemerkbar; in allen Fragen, die das Leben des Besitzlosen unmittelbar beträfen, sei sie anzutreffen. Die Stellung im Produktionsprozess bestimme nicht nur den arbeitenden, sondern auch den konsumierenden Menschen; bereits im Laufe seiner Ausbildung werde der spätere Lohnarbeiter von den Ansprüchen der Produktion erfasst, da die Schule auf deren Anforderungen zugeschnitten sei. Einmal eingeordnet, liege der weitere Lebensablauf fest, »die einzelnen erhalten dann jene Güter, die sie zum Leben in ihrer sozialen Schicht brauchen. Entgegen der Ideologie, die von einer enorm gesteigerten Mobilität spricht, verlassen die meisten die durch Schule und Ausbildung erreichte soziale Schicht nicht mehr.« Und mehr noch, nicht einmal innerhalb der Schule könne von einer Gleichheit der Startchancen und einer unparteiischen Bewertung nach Maßgabe egalitärer Leistungsanforderungen die Rede sein, wie man an dem weitgehend schichtenabhängigen Schulerfolg leicht erkennen könne; selbst die Mobilität von Generation zu Generation werde dadurch verhindert (Jaeggi 1969: 34, 159).

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 41 Gerade für die körperlich anstrengende, eintönige Arbeit rekrutiere die Industrie ihre Arbeitskräfte nach kurzer Schulzeit und bilde sie direkt am Arbeitsplatz aus, um ihnen so einzig eine stark begrenzte Qualifikation zu verschaffen, die genau für die Zwecke der Firma ausreiche, nicht aber für weitere Aufstiegsmöglichkeiten und allgemein für eine menschliche Selbstständigkeit. Auf die Weise sichere sich der Unternehmer »nicht nur eine Art lebenslängliches Eigentumsrecht an den Arbeitnehmern, sondern auch das Recht, nach Gutdünken die Qualifikation und den Preis der Arbeit, die Arbeitszeit, das Arbeitstempo, den Akkordlohn usw. festzusetzen« (Gorz 1967: 48). Diese Kritik kann auch angesichts der in den 50er und 60er Jahren recht reibungslos funktionierenden kapitalistischen Wirtschaft aufrechterhalten werden. Selbst der dabei produzierte Wohlstand verbessere wenig an den Arbeitsbedingungen; die eminenten Kosten der Produktionsweise träten zudem auf verborgene Weise zutage, wie sie erst eine vollständige Bilanz enthülle: Lasse man sich von dem gleißenden Schein der Warenfülle nicht blenden, zeigten sich schnell jene Produktionskosten, die bislang gar nicht auf dem Markt berücksichtigt würden: »Umweltschäden durch Wasser- und Luftverschmutzung, Schäden an der Gesundheit, Raubbau an natürlichen Ressourcen, überhaupt die Zerstörung des menschlichen Lebensmilieus.« Die Warenproduktion diene demzufolge nur dem Anschein nach dem Wohlstand, tatsächlich zerstöre sie die »notwendigen Bedingungen für die Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit« (Altvater 1969: 5). Dieser letzte Punkt bringt einen neuen Aspekt in die marxistische Diagnose hinein, die traditionellerweise von der Voraussage einer ganz anderen Verelendung – der zunehmenden materiellen Armut der Arbeiter – geprägt ist. Ansonsten gehen in die grundsätzlichen Annahmen der Neuen Linken aber die sozialistischen Basissätze unverändert ein. Besonders im Jahr 1968 findet man sie in unzähligen Formulierungen niedergelegt. Immer wieder wird der Blick darauf gelenkt, dass die Unsicherheit des täglichen Lebens fortdauere, weil die Produktion nicht an der Befriedigung der Bedürfnisse, sondern an der Erzielung von Renditen ausgerichtet sei. Der Verkauf der Arbeitskraft diene der privaten Aneignung des Mehrwerts und der Kapitalakkumulation durch die Eigentümer der Produktionsmittel, also der Vergrößerung des Eigentums derjenigen, die keine eigene Arbeit dafür leisteten. Die Konsequenzen sind aus marxistischer Sicht gut bekannt. Die letztlich ungeplante Konkurrenz sorge erstens für diskontinuierliche Investitionstätigkeit und damit immer wieder auch für Rezessionen; zweitens bleibe mit der Kommandogewalt der Unternehmer auch die Entfremdung des Arbeiters erhalten (Mandel 1968: 142). Bemerkenswert an diesen vertrauten Einschätzungen ist, dass sie vom weitaus überwiegenden Teil der Neuen Linken ebenfalls kritisch gegen die

42 | 1968 Wirtschaftsordnung der realsozialistischen Staaten gerichtet wird. André Gorz etwa stellt unmissverständlich heraus, dass dieser Sozialismus bislang nichts als ein gigantisches Unternehmen zur »staatlichen Akkumulation« gewesen sei und darum zur Emanzipation der Arbeiter keinen Beitrag habe leisten können (1967: 25). Jean-Paul Sartre unterstützt deshalb wie viele andere auch die antisowjetische Revolution der tschechoslowakischen Arbeiter im Frühling 1968; es handele sich nicht um konterrevolutionäre Bestrebungen, sondern um den Versuch, eine unumschränkte Teilhabe am wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, kulturellen Leben der Nation zu gewinnen, mit einem Wort: um den Versuch, durch die »Einführung neuer Produktionsverhältnisse den Sozialismus zu verwirklichen« (1974a: 53; 1975: 181f.). Zahlreiche Aufrufe des Jahres ’68 klingen entsprechend vertraut. Um nur ein Beispiel unter den Hunderten oder Tausenden zu nennen: Eine französische Vereinigung mit dem Namen Gruppe 10. Mai fordert konsequent die Enteignung des Industrie- und Finanzkapitals durch die Arbeiterklasse – die Macht solle von den Arbeitern selbst, mittels demokratisch gewählter und jederzeit absetzbarer Komitees ausgeübt werden. Dass es sich bei dieser Gruppe um Studenten handelt, mag man an der weiteren Forderung erkennen, die Bestimmung über die universitären Fakultäten müsse gleichermaßen den Professoren und den Studenten obliegen. Vorwiegend konzentrieren sich die Forderungen aber auf die Arbeitswelt abseits der Bildungsanstalten; die Gruppe setzt sich im historischen Moment für die Abschaffung der Akkordarbeit und die Verkürzung der Arbeitszeit auf dreißig Stunden (bei vollem Lohnausgleich) ein. Grundsätzlich lautet das Ziel: Die »Ausbeutung des Menschen durch den Menschen« muss an ihr Ende kommen (1969: 259ff.).

Das kritische Verhältnis von Demokratie und Kapitalismus Angestrebt wird von allen Neuen Linken weit mehr als die Möglichkeit, seine Arbeitskraft vertragsrechtlich vollkommen frei, aber eben unter tatsächlichem materiellem Zwang zu verkaufen. Die alte marxistische Kritik an der bürgerlichen Gleichheit ist Gemeingut der großen Anzahl der Organisationen des Jahres ’68: Die formale Gleichheit vor dem Gesetz lasse die materielle Ungleichheit unangetastet bzw. zementiere sie sogar. Die Frage ist dann, ob diese strikt illiberalen Ansichten, die Freiheit nicht unabhängig von hergestellter kollektiver Gleichheit erkennen, mit den demokratischen Verfassungen in Einklang stehen, immerhin berufen sich viele Revolutionäre ja noch, wie gerade gesehen, auf die Prinzipien der (wahren) Demokratie. Die Frage ist umso drängender, als die Bemühungen um eine materiell gegebene Gleichheit durch die Aufhebung des Pri-

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 43 vateigentums an Produktionsmitteln vorangebracht werden sollen, das Recht auf Eigentum aber zum zentralen Bestand der liberalen Menschenrechtskonzeption zählt. Auch in einer jungen Verfassung wie der bundesdeutschen ist das Eigentum (und Erbrecht) als Grundrecht gewährleistet. Allerdings haben dort nun auch illiberale Punkte Eingang gefunden. Im nächsten Absatz steht gleich die Klausel, dass Eigentum verpflichte und darum zum Wohle der Allgemeinheit gebraucht werden müsse. Enteignungen sind folgerichtig zulässig, wenn sie dem Gemeinwohl dienen. In einem weiteren Artikel wird zudem die Bundesrepublik Deutschland nicht allein als demokratischer, sondern ebenfalls als sozialer Staat ausgerufen. Dies ist der Ansatzpunkt für Sozialisten, ihren antikapitalistischen Entwurf im Rahmen der bestehenden Verfassung zu sehen und zu konzipieren. Unabhängig von den Postulaten der Verfassung steht ohnehin jedem politischen Beobachter deutlich vor Augen, dass die liberale Grundüberzeugung, Staat und Gesellschaft müssten strikt getrennt bleiben, längst nicht mehr Wirklichkeit ist (und das natürlich nicht nur in Deutschland). Besonders am sog. Sozialstaat zeigt sich dies eindrucksvoll. Die Aufrechterhaltung der Ordnung durch Polizei, Militär, Justiz und eine sehr zurückhaltend ausgeübte Steuerpolitik wird im 20. Jahrhundert auf der Seite des Staates zunehmend durch gestalterische Aufgaben ergänzt oder abgelöst, die weit in das wirtschaftliche und soziale Leben eingreifen, sei es durch Subventionen, Umverteilungsmaßnahmen, Sozialrechtsbestimmungen oder durch Maßnahmen zur Steuerung der Konjunktur und der Investitionstätigkeit. Ein hohes Maß an Planung und Vergesellschaftung existiert darum bereits in der Gegenwart, lange vor projektierten sozialistischen Verhältnissen, aber eben auch bereits weit entfernt von der klassisch liberalen Beschränkung des Staates. Ganz im liberalen Sinne jedoch bleibt immerhin die private, individuelle Verfügung über die Produktionsmittel weitgehend unangetastet. Die Kritik der Neuen Linken setzt natürlich genau daran an, sie setzt aber auch am demokratisch zweifelhaften Zusammenspiel von Privatwirtschaft und staatlicher Interventionspolitik an. Mit dieser Politik sei eine deutliche Schwächung des Parlaments verbunden, die wichtigen Entscheidungen fielen nun in einem vordemokratischen Raum, der durch die Absprachen von Unternehmerverbänden und Verwaltungsspitzen geschaffen würde bzw. sich aus dem Interessengleichklang von Großindustrie, Regierungsparteien und Exekutive von selbst ergebe. Je nachhaltiger das zur Befriedung der Klassengegensätze benötigte wirtschaftliche Wachstum unmittelbar von der internationalen Konkurrenzfähigkeit eines Landes abhänge, desto stärker trete die Bürokratie »praktisch als Agent der objektiven Interessen des nationalen Großkapitals« auf (Blank/Hirsch 1969: 170). Die staatlich gesteuerten Maßnahmen, die den Folgen der anarchischen

44 | 1968 Konkurrenz (Rezession und Klassenspaltung) entgegenwirken – indem sie erstens die Lage der ökonomisch schwachen Schichten verbessern und zweitens in den Konjunkturzyklus glättend eingreifen –, verlängerten auf ihre neue Weise nur die hergebrachte Diskrepanz zwischen der postulierten demokratischen Gleichheit und der tatsächlichen Möglichkeit, politisch mitzubestimmen. Bei steigender Politisierung der Gesellschaft durch die sozial- und konjunkturpolitischen Eingriffe des Staates fände gleichzeitig eine Entpolitisierung der Mehrheit der Wähler statt, merkt Jürgen Habermas an. Als Entsprechung zu den zunehmenden staatlichen Eingriffen, die gemeinsam von Exekutive und Verbänden geplant würden, sieht er mit dem Funktionsverlust des Parlaments den des souveränen Volks gegeben. Entscheidungen, die nichtöffentlich, von privaten Gruppen gefällt würden, stießen in wachsendem Maße auf ein stillgestelltes Wahlpublikum. Zum einen reduzierten sich im Sozialstaat, der versorgt und verteilt, die politischen Interessen der solchen Verwaltungsakten ausgesetzten Bürger hauptsächlich darauf, Ansprüche an den Staat zu stellen, Ansprüche, deren Vertretung sie zudem unübersichtlichen bürokratischen Organisationen überließen. Zum anderen versorge und dirigiere mittlerweile ein großer Apparat auf wirkungsmächtige Weise auch noch die wenigen verbliebenen politischen Einstellungen der Wahlbürger. Politik werde dadurch überwiegend Teil des Konsumbereichs, werde durch dominante Medien, Parteien und durch exekutive Maßnahmen zur Ware: »Die Massenmedien bringen sie als Unterhaltung, als Schlager, bringen sie ›spielend‹ an den Mann. Sie erziehen den Wähler zum Zuschauer; versehen die Sache mit human interest; und erzeugen Sentimentalität gegenüber Personen, Zynismus gegenüber Institutionen. Die Stimmen werden handgreiflich ›geworben‹; Reklame für die Wahl unterscheidet sich, gleichviel für welche Partei, nicht von der Reklame für den Markt. Die manipulative Auswertung der motivanalytisch verfeinerten Umfrageforschung führt zu Resultaten, die sich mit modernen Werbetechniken sozialpsychologisch effektsicher umsetzen lassen: die Themen des Wahlkampfs werden exploriert und dann inszeniert, die Imago des Führers und die seiner Mannschaft sind vorkalkuliert, die Schlagworte vorgetestet, die Massenrituale vor Radio und Fernsehen nach Drehbuch einstudiert; dieser gezielte glamour, verbunden mit ebenso gezielten Appellen an Sicherheits-, Schuld- und Autoritätskomplexe, wird überdies nach strategischen Gesetzen des politischen marketing ergänzt, sowohl durch termingerecht zugestandene und wissenschaftlich dosierte Wahlgeschenke als auch durch Palliativmaßnahmen in der Art preisstabilisierender Absprachen und ähnlichem. Die Technik der Wahlvorbereitung tendiert dazu, den einzigen Akt politischer Mitbestimmung, der dem souveränen Volk noch verblieb, jener möglichen Vernunft breiter Schichten der Bevölkerung zu entziehen, an die er dem eigenen Sinn nach sich richtet. Um sich der Gewalt dieser Tendenz zu versichern, genügt es zu bedenken, wie hoch einerseits die Gestehungskosten sind, um heutzutage poli-

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 45 tisch etwas ›aufzuziehen‹, und wie weit andererseits ökonomische Macht in privaten Händen konzentriert ist.« (Habermas 1967c: 48f.)

Die offenkundigen Verbesserungen der sozialen Lage der breiten Bevölkerung, soweit sie durch staatliche Maßnahmen der Steuer- und Sozialversicherungspolitik herbeigeführt werden, erscheinen in diesem Licht nicht als Fortschritte, die auf politische Forderungen zurückgehen und auf demokratischem Wege durchgesetzt worden sind; sie erscheinen vielmehr als Zugeständnisse, um die Passivität des Volks sicherzustellen, als Mittel, die dem gleichen vorparlamentarischen Entscheidungszentrum entspringen wie alle anderen Beschlüsse auch, welche der in Verbänden oder Konzernen gebündelten, privaten Verfügungsgewalt über das Eigentum an Produktionsmitteln dienen. Oder anders ausgedrückt: Je stärker es der kapitalistischen Machtelite gelinge, die Verfolgung der eigenen Interessen zur Voraussetzung des Gemeinwohls zu erheben, desto unvermittelter fungierten die politischen Institutionen als Agenturen der großen Konzerne (Hirsch 1969: 209). Diese Auffassung bleibt nicht linken sozialwissenschaftlichen Theoretikern vorbehalten, sie prägt auch die Texte und Reden der Wortführer der außerparlamentarischen Bewegung. Carl Oglesby vom amerikanischen SDS spricht von der Zentralisierung wirtschaftlicher und politischer Entscheidungen; big government und big business seien äußerst stark miteinander verflochten (1969b: 139). Rudi Dutschke und Hans-Jürgen Krahl reden bei einem Referat vor Delegierten des deutschen SDS 1967 in Anlehnung an Horkheimer vom »Integralen Etatismus«, von einer »Symbiose staatlicher und industrieller Bürokratien«, die den Staat zum »gesellschaftlichen Gesamtkapitalisten« mache (1998: 288; vgl. Kraushaar 1998d). Die Diagnose muss nicht einmal in jedem Fall an dem konkreten Nachweis hängen, dass bestimmte Initiativen der Verbände oder lobbyistischer Arbeit Gesetzes- oder Verordnungsform annehmen. Der Befund von der Autonomie der politischen Institutionen verträgt sich mit der Diagnose insofern, als eine Unabhängigkeit der staatlichen Verwaltung von einzelnen ökonomischen Interessen ohnehin, aber auch von den Vorstellungen bestimmter Unternehmerorganisationen angenommen werden kann. Als Schranke des Regierungshandelns gelten dann allgemeiner die private Verfügungsgewalt über die industriellen Großunternehmen und deren Investitionsentscheidungen sowie der Zwang, die finanzpolitischen und rechtlichen Voraussetzungen für ein stetiges Wirtschaftswachstum zu erfüllen (Bergmann u.a. 1969: 73). Sobald für die wichtigsten Entscheidungen diese Bedingungen zur Grundlage erklärt werden, herrscht der alternativenlose Sachzwang, vor dem vorgeblich kritische Investigationen, die Verbandsmacht oder gar Korruption beklagen, versagen. Einige Vertreter der Neuen Linken schlagen deshalb sogar vor, darauf zu verzichten, in kri-

46 | 1968 tischer Manier die Interessen und Absichten einer lokalisierbaren herrschenden Klasse herauszustellen. Stattdessen heben sie in viel abstrakterer Weise die Funktionserfordernisse der gerade benannten Abläufe und Antriebe des »wohlfahrtsstaatlich regulierten Kapitalismus« hervor (Offe 1969: 180). Dadurch übernimmt man zwar scheinbar selbst die Ideologie des Sachzwangs, aber nur um darauf zu drängen, die Bedingungen dieser Zwänge abzuschaffen. Diese Einschätzungen des modernen Sozial- und Interventionsstaats machen eins schnell deutlich: Die scharfe Kritik der Neuen Linken richtet sich nicht allein gegen einen anarchischen Kapitalismus, in dem die Regeln und Grundrechte der formalen demokratischen Gleichheit tiefe soziale Unterschiede befestigen. Im weiteren Sinne undemokratisch erscheint ebenfalls der organisierte Kapitalismus. Zwar sichert er ein beträchtlich erhöhtes Niveau des allgemeinen Lebensstandards, dies reicht der Neuen Linken aber lange nicht aus. Zum einen heben sie kritisch die weiter bestehenden eklatanten materiellen Unterschiede in der westlichen Welt der Gegenwart hervor, die zwischen Lohnabhängigen und Produktionsmittel- bzw. Kapitaleignern bestehen. Zum anderen steht für sie fest, dass den Planungstechniken und konjunkturpolitischen Steuerungsmöglichkeiten, die der Exekutive zugeordnet sind, auf der Seite des Parlaments nichts Gleichrangiges entspricht; die Legislative werde dadurch faktisch ausgeschaltet, sogar die formal garantierte Demokratie ausgehöhlt. Nach der Feststellung ist es wiederum möglich, zur Überwindung der demokratischen Defekte aufzufordern, indem man die Ideale der Verfassung mit der schlechten Wirklichkeit kontrastiert (Jaeggi 1969: 94f.). Im speziellen Fall heißt dies, das Prinzip des sozialen Rechtsstaats gegen die gegenwärtige Realität des undemokratischen Sozialstaats auszuspielen. Auch die Eingrenzung oder sogar weitgehende Beseitigung der privaten Bestimmung über die Produktionsmittel erscheint dann als Konsequenz des demokratischen Rechtsstaats, der aus einer Kombination von liberalen mit sozialen Freiheits- und Gleichheitsrechten besteht. Gemäßigtere Vertreter der Neuen Linken fordern darum im angenommenen Einklang mit der gegebenen Verfassung eine »gesellschaftliche Verwaltung des Produktionsprozesses und gesellschaftliche Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel, soll Demokratie nicht nur ein formales Prinzip bleiben. Nur durch Demokratie auch und gerade in der Wirtschaft und im Betrieb, wo das gesellschaftliche Bewußtsein unserer arbeitenden Bevölkerung gebildet wird, werden wir in unserer hochindustrialisierten, arbeitsteiligen Gesellschaft dem vom Grundgesetz ausgesprochenen Prinzip des demokratischen und sozialen Rechtsstaats gerecht, und nur so kann die Verwirklichung und der reale Vollzug der demokratischen Freiheitsrechte gesichert werden. Die Prinzipien der

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 47 liberalen Demokratie können heute nur durch die soziale Demokratie verwirklicht werden.« (Jendis 1968: 123)

Gemäßigt kann man diese Auffassung nennen, weil sie die Vergesellschaftung der Produktionsmittel als verfassungskonformes Projekt vorstellt. Damit ist die herrschende Verfassung anerkannt, Debatten und Entscheidungen, ob und zu welchen Entschädigungen Enteignungen rechtens sind, sollten von solchen Vertretern der Neuen Linken darum gleichfalls respektiert werden. Der Weg, zu Entscheidungen im Sinne der postulierten sozialen Demokratie zu gelangen, dürfte deshalb nur der Weg demokratischer Wahlen und parlamentarischer Abstimmungen sein (wollte man nicht unrealistischerweise darauf bauen, dass durch Beschluss des Verfassungsgerichts die meisten Formen des Privateigentums einfach als Verstöße gegen die Grundrechte deklariert würden). Wie bereits mehrfach gesehen, erscheint der Neuen Linken insgesamt der verfassungsgemäße Weg, entsprechende Änderungen herbeizuführen, aber wegen der erfolgreichen Manipulation der öffentlichen Meinung und der exekutiven Ausschaltung des Parlaments faktisch versperrt. Der gemäßigte Teil der Neuen Linken steht deshalb vor einem aktuell unlösbaren Widerspruch, der nur durch die Hoffnung auf kommende Erfolge bei der Wiederherstellung rationaler Öffentlichkeit und legislativer Macht aufgehoben werden kann. So baut Jürgen Habermas etwa trotz der von ihm konstatierten einseitigen Berichterstattung durch die Presse, trotz vorbereiteter Notstandsgesetzgebung und mitunter illegaler Maßnahmen durch die Exekutive (Stichwort »Spiegel-Affäre«) weiter ganz allgemein auf fortgeführte »Kommunikation« (1969b: 128f.). Sein Lehrer Adorno hält präziser eine verändernde Praxis im geschichtlichen Moment nur vorstellbar »als gewaltlos und durchaus im Rahmen des Grundgesetzes« (1998: 606). Das sind jedoch Anweisungen und Hoffnungen, die wegen des zugleich äußerst pessimistisch gezeichneten Bildes der gegenwärtigen Lage kaum Anhalt in der so verstandenen Wirklichkeit finden können. Der festgestellte Widerspruch zwischen den behaupteten Möglichkeiten der demokratischen Verfassung und der enttäuschenden Wirklichkeit kann darum auch leicht zu einer ganz anderen Schlussfolgerung führen. Dann erscheinen die beklagenswerten herrschenden Zustände keineswegs mehr als »Verfälschung von ›an sich‹ guten öffentlich-rechtlichen Instituten«, sondern als typische Form des bürgerlichen Staates (Agnoli 1969: 197). Die Bürger in den westlichen Demokratien seien lediglich auf dem Papier der Souverän des Staates, tatsächlich trage aber das Wahlrecht in seiner jetzigen Form und im Rahmen der bestehenden Gesellschaftsordnung nur dazu bei, ihnen die Souveränität vorzuenthalten (Sartre 1974a: 54). Grundlegend ist dafür nach Auffassung der Neuen Linken, die sich hier

48 | 1968 ganz an der klassisch marxistischen Lehre orientiert, der objektiv gegebene Konflikt zwischen der individuellen Verfügungsgewalt über das Eigentum und der arbeitsteiligen, kollektiv organisierten Produktionsweise: Der parlamentarisch-demokratische Verfassungsstaat habe genau die Funktion, diesen Konflikt zu überspielen und zu verdecken. Aktuell erfülle er die Funktion, indem er die exekutiven Planungen zur Konjunktursteuerung, zur Organisation der Arbeit und zur sozialen Sicherung im Sinne gesamtkapitalistischer Interessen mit einem demokratischen Anschein versehe. Die Pluralität der (tatsächlich fast ununterscheidbaren) Parteien sowie die formal gesehen ausschlaggebende Entscheidungsgewalt der Legislative, die wiederum auf das Mehrheitsvotum des Volkes zurückgeht, diene nur dazu, diesen Schein zu erzeugen und das wahre Machtzentrum – marktbeherrschende Produktionseigentümer im Bunde mit dem Exekutivapparat – unsichtbar zu machen (Agnoli 1968: 8, 37f., 24, 60). Bereits um 1960 herum hatten undogmatische amerikanische Marxisten deshalb von einem flexible totalitarianism gesprochen (vgl. Mattson 2003: 34). Das ist im ersten Anlauf nichts anderes als die schon bekannte These von der illiberalen Umwandlung der bürgerlichen Konkurrenzgesellschaft in den modernen Sozialstaat und in eine keineswegs mehr freie Marktwirtschaft, die teilweise exekutiv und vor allem oligopolistisch kontrolliert wird. Wie gezeigt, kann diese kritische These sehr leicht mit einem Bekenntnis zu den noch unausgeschöpften Chancen der Verfassung zusammen gehen. Auch bei Agnoli deutet sich das stark an, wenn er darauf hinweist, dass Liberalität und »vormalige Rechtsstaatlichkeit« nun durch die Symbiose von Kapital und Staatsapparat hinfällig geworden seien bzw. jetzt eine »Betrugsfunktion« erfüllten (1969: 197). Agnoli treibt sein Argument aber wesentlich weiter vor. Er hält es für eine gesicherte Tatsache, dass die Einhaltung der parlamentarischen Verfahrensregeln (sog. formale Demokratie) und sogar die Beteiligung unterschiedlicher Repräsentanten und pluraler Parteien an den Wahlen zum Parlament einer wahren Demokratie zuwiderliefe. Agnoli gibt dafür zwei Gründe an, die allerdings keineswegs denselben Status haben: Erstens dient nach seiner Auffassung der Kern des Parlamentarismus, das Prinzip der Repräsentation, der repressiven Aufgabe, die Mehrheit der Bevölkerung nachhaltig von der Stätte der Macht fernzuhalten; weil das Parlament keine Institution direkter Demokratie sei, erfülle es sehr gut den Zweck, Wünsche und Kritik der Bevölkerung zu filtern und abzubiegen; solange sich sozialistische Parteien im Parlament an die formalen Spielregeln hielten, verfielen sie unvermeidlich auch der Anpassung an eine mittlere, reformistische Linie, die bestenfalls Korrekturen am Machtgebrauch zuließe; die Politik der Opposition im staatlich-parlamentarischen Rahmen nehme so unvermeidlich den Charakter der Herrschaft an. Für den radikalen Teil der außerparlamentarischen Bewegung ist die

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 49 angestrebte Änderung der Eigentumsverhältnisse darum nicht im Rahmen der Verfassung und der repräsentativen Demokratie, sondern nur auf revolutionärem Wege denkbar. Zweitens können die Thesen von der Unmöglichkeit, unter den gegebenen parlamentarisch-demokratischen Bedingungen nachhaltige Änderungen der sozialen Ordnung herbeizuführen, derart entschieden vorgebracht werden, weil sie (vorgeblich) im Bunde mit einer gesicherten Alternative stehen. Agnoli weiß um die »Unvernünftigkeit von Herrschaft und Ausbeutung«; zugleich geht er von der »Vernünftigkeit der Massen« aus. Dass diese Vernunft sich aber tatsächlich nicht durchsetzt, dient ihm wie so vielen Neuen Linken folglich als Beweis für die Manipulation der Massen, aber auch für die unabänderliche Macht des Parlaments, nachhaltige Änderungsbestrebungen aufzufangen: Die in den Massen niedergelegte Vernunft kann sich im Verfassungsstaat nie durchsetzen (Agnoli 1968: 25, 63, 75f.). Solche Argumente weisen über die gegebenen Verfassungen zum Teil weit hinaus, der Bruch mit der bürgerlich-repräsentativen Demokratie ist nachhaltig vollzogen. Im Zuge dieser Argumentation ist es nur konsequent, auf die außerparlamentarische »Gewalt der Worte und der Demonstrationen« zu vertrauen, wie es z.B. André Glucksmann tut. Die Ansteckungskraft solch außerparlamentarischer Aktion genüge (wie sich im Pariser Mai gezeigt habe), das Parlament aufzulösen. Dies sei kein Akt der Gewalt gegen die legitimierte Politik und das darauf gründende Gewaltmonopol des Staates, sondern ein wahrhaft demokratischer Akt, durch den die Debatte erst wieder eröffnet werde, der sich der bürgerliche Staat, als angemaßter Monopolist der richtigen Meinung und der reinen Idee, mit allen Mitteln verschließe. Die revolutionäre Gewalt gegen das in freier und gleicher Wahl bestimmte Parlament und die Regierung muss darum zugleich Rückhalt in der Bevölkerung gewinnen (Glucksmann 1969: 18ff.). Mit dieser Volte ist die Missachtung der verfassungsgemäßen demokratischen Ordnung deutlich erklärt, zugleich aber die Berufung auf demokratische Titel getreulich weitergeführt.

Vietnam II Die Absage an die bestehende Demokratie ist spätestens 1968 bei fast allen Neuen Linken festzustellen. Unter dem Titel »Manipulation« wird den durchgeführten demokratisch-parlamentarischen Wahlen, die der Neuen Linken stark zuwiderlaufende Ergebnisse bringen, jede Legitimation abgesprochen. Bemerkenswert ist dabei, dass noch nicht einfach die Karte der Macht gespielt wird, um die selbst als richtig erkannte Ordnung durchzusetzen. Obwohl 1968 bereits zahlreiche maoistische Einflüsse unter der

50 | 1968 Neuen Linken anzutreffen sind (wie eben bei Glucksmann), trifft man auf die nüchterne Feier revolutionärer Macht in großer Zahl erst in den kommenden Jahren. Ein besonders spektakuläres Beispiel dafür liefert der antihumanistische Philosoph Michel Foucault, der 1972 in einer Debatte seine maoistischen Diskussionspartner an Radikalität noch übertrifft, indem er die Norm der Gerechtigkeit und die Idee einer unabhängigen Justiz als Mittel bürgerlicher Herrschaft verwirft, um stattdessen allein auf eine reflektierte Aktion der Masse und ihre Machteinnahme und Gewaltanwendung zu setzen, die ohne jeden Bezug auf eine separate juristische Instanz auskäme (2002: 451ff.). 1968 möchte aber fast niemand die Berufung auf demokratische Prinzipien aufgeben. Die zentrale Aussage lautet darum, dass die Versprechen der bürgerlichen Revolution – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – erst noch eingelöst werden müssten, da sie in der herrschenden Klassengesellschaft nicht verwirklicht werden könnten. Die bürgerliche Gesellschaft habe als liberale Ordnung von Privateigentum und Lohnabhängigkeit tiefe Ungleichheit hervorgebracht; statt Brüderlichkeit dominiere Eigennutz; und an die Stelle der Freiheit sei »totale Manipulation« getreten (Nirumand/Siepmann 1968: 87). Der Verweis der liberalen Kräfte auf freie Wahlen und liberale Grundrechte wird damit vollständig entwertet. In den meisten Texten der Neuen Linken des Jahres ’68 wird folgerichtig kaum mehr Zeit auf Betrachtungen zu parlamentarischen Abstimmungen oder zur Meinungsfreiheit verwendet; der Hinweis auf die kapitalistische Wirtschaftsordnung reicht nun schon aus, um zu verdeutlichen, dass die herrschende Demokratie nur eine falsche sein kann. Im Lichte solcher Überzeugungen gewinnt auch der Protest gegen den amerikanischen Kriegseinsatz in Vietnam eine ganz spezielle Gestalt. Es ist natürlich ein großer Unterschied, ob man gegen die militärische Intervention aus humanitären Gründen und völkerrechtlichen Bedenken protestiert oder ob man den politischen Kampf des Vietcong und der nordvietnamesischen Truppen unterstützt. Der Schriftsteller Uwe Johnson pointiert den Unterschied mit ganzer Härte. Mit lakonischer Unerbittlichkeit verspottet er die »guten Leute«, die sich gegen die amerikanische Militärmaschinerie wenden, ohne sich den vietnamesischen Sozialisten zuzuwenden: »Die guten Leute haben es mit der Moral, die Einhaltung des Genfer Abkommens wünschen sie sich, Verhandlungen, faire Wahlen, Abzug der fremden Truppen, Anstand sagen sie und Würde des Menschen; sie sprechen zum übermenschlichen Egoismus eines Staatswesens wie zu einer Privatperson mit privaten Tugenden. Die guten Leute mögen am Krieg nicht, daß er sichtbar ist; die guten Leute essen von den Früchten, die ihre Regierungen für sie in der Politik und auf den Märkten Asiens ernten. Die guten Leute wollen einen guten Kapitalismus, einen Verzicht auf Expansion durch Krieg, die guten Leute wollen das sprechende Pferd; was sie nicht

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 51 wollen, ist der Kommunismus. Die guten Leute wollen eine gute Welt; die guten Leute tun nichts dazu.« (1967: 177)

Nach der Logik dieser manierierten, bewusst schlicht getrimmten Rhetorik gibt es demnach nur eine richtige Konsequenz, wenn man sich gegen den Krieg wendet – sich dem Erfolg der kommunistischen Sache verschreiben, sei sie auch mit Gewalt verbunden. Für die westliche Welt sind die Konsequenzen der geforderten richtigen Haltung noch einigermaßen zurückhaltend; Johnson legt in seinem Text nahe, die Arbeiter daran zu hindern, die Kriegswaffen herzustellen (ohne allerdings zu sagen, wie er sich solche Aktionen genau vorstellt). Im Stellvertreterkrieg auf dem heimischen Papier agiert man jedoch wesentlich ungehemmter. In einer ersten, noch vorsichtigen Variante bedeutet dies, über die Gräueltaten des südvietnamesischen Militärs, das die Amerikaner unterstützen, zu reden und über entsprechende Taten der kommunistischen Guerilla zu schweigen. Nur in neutraler gehaltenen Berichten (nicht in den Veröffentlichungen der Neuen Linken) wird auch die gnadenlose kommunistische Gewalt eingehend geschildert, nachdem zuvor auf die ursprüngliche brutale Repression des mit den Gutsherren verbündeten Staats verwiesen worden ist (Morrock 1969: 295). Offensiv mit dem Kriege und dem politischen Mittel der Gewalt im Bunde ist die Neue Linke in einem zweiten Schritt, bei dem es darum geht, den Sinn des Opfers zu erweisen. Hier kommen ihre Argumente mit denen der amerikanischen Exekutive und der Mehrheit der amerikanischen Abgeordneten überein. Während Letztere die Vernichtungstaten ihres Militärs durch die kommunistische Gefahr begründen, rechtfertigen die Vertreter der Neuen Linken den Blutzoll, den die kommunistischen Vietnamesen entrichten, mit der überragenden Bedeutung, die dem Sieg gegen den amerikanischen Imperialismus und das kapitalistische System zukomme. Beide Seiten vertreten ebenfalls die gleiche Dominotheorie, die besagt, dass ein Sieg des Vietcong in Südvietnam in weiteren Ländern erfolgreiche kommunistische Revolutionen nach sich ziehen würde; die amerikanische Regierung befürchtet dies, die Neuen Linken erhoffen es; zudem verknüpfen sie damit die Erwartung, dass mit den möglichen kommunistischen Erfolgen in Asien, Afrika oder Lateinamerika sich auch die Klassengegensätze innerhalb der westlichen Staaten revolutionär verschärfen würden (Horlemann/Gäng 1966: 156; Plogstedt 1968). Weshalb die Verschärfung eintreten würde, darüber besteht keine uneingeschränkte Einigung. Zum einen verweist man auf die imperialistische Ausplünderung der Dritten Welt, die auch nach dem Verlust direkter politischer, kolonialer Macht weiter betrieben werden könne; die Länder der Dritten Welt seien zu weiterem wirtschaftlichen Siechtum verurteilt, wenn sie Teil des kapitalistischen Systems blieben. Auch die gewährte

52 | 1968 Entwicklungshilfe und die von westlichen Staaten abgesicherten Kreditzuflüsse zementierten nur die extreme Ungleichheit; von einer Hilfe könne darum keinerlei Rede sein (Gustafsson 1966: 119f.). Ein Teil der gewährten Gelder fließe in die Taschen korrupter Bürokraten und Machthaber jener Länder, um deren antikommunistisches Engagement zu fördern; ein weiterer Teil diene dazu, Schuld- und Zinszahlungen an die Banken der Staaten zu leisten, die für die angebliche Hilfe gesorgt haben. Der Aufstieg der westlichen Staaten hängt demnach an dem ökonomisch erfolgreichen Versuch, die unterentwickelten Länder in ihrer Rückständigkeit zu belassen (Sweezy 1970a: 18ff.). Die Verelendung (und die sich daran anschließende Revolutionierung) der westlichen Arbeiterklasse werde durch die imperialistische Ausbeutung im Weltmaßstab verhindert; der gehobene Lebensstandard der Lohnabhängigen in Europa und Amerika beruhe auf dem Elend der Menschen in der Dritten Welt (Sweezy 1970b: 128f.). Es gibt aber in Reihen der Neuen Linken auch eine andere Erklärung, weshalb den Ländern des Trikont eine derart große Bedeutung für die westliche, kapitalistische Staatengemeinschaft zukomme. Die These ist stärker politisch und militärisch als ökonomisch ausgerichtet; zugrunde liegt ihr die Annahme, dass auch ein weitgehender sozialistischer Umschwung in Asien, Lateinamerika und Afrika in den imperialistischen Staaten nicht gleich zu einer Wirtschaftskrise führen würde (Nirumand/ Siepmann 1968: 79). Herbert Marcuse etwa weist in einer abgeschwächten Variante der These darauf hin, dass die ökonomische Bedeutung Vietnams für Amerika eher gering sei; der Krieg werde angestrengt, um jedes Signal für andere Befreiungskämpfe, die möglicherweise dann viel näher an die Metropolen heranreichten, zu unterbinden (1998b: 274). Rudi Dutschke übernimmt das Argument, wenn er zuerst ausführt, dass die Amerikaner den Vietnamkrieg als exemplarisches Muster für die Bekämpfung revolutionärer Aufstände in der Dritten Welt betrieben, um dann sofort im nächsten Absatz aufzuzeigen, in welch starkem Maße auch die antiautoritäre Bewegung von dem erfolgreichen Kampf des Vietcong inspiriert gewesen sei, selbst aktiven Widerstand gegen das eigene, westliche Herrschaftssystem zu leisten (1968a: 73f.). Dem Widerstand der kommunistischen Vietnamesen gegen die hoch überlegene amerikanische Militärtechnologie kommt in dieser Sicht eine enorme Bedeutung zu. Sie rührt von dem Nachweis bzw. der Interpretation und dem Signal her, dass eine Gegenwehr möglich ist, wenn man nur mutig genug ist, sie voranzutreiben. Im Gegensatz zur Position der meisten kommunistischen Parteien etwa scheint den Neuen Linken eine sozialistische Revolution in Ländern der Dritten Welt bereits möglich, ohne dass erst in einem historisch langwierigen Prozess ein Industrieproletariat an die Stelle der Bauern getreten ist (Echeverria/Kurnitzky 1969). Nach dem Ausweis vieler Neuer Linker in der westlichen Welt soll sich die weitge-

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 53 hend umstandslos gegebene Möglichkeit der gewaltsamen Änderung aber auch einer neuen Strategie des Kampfes verdanken, die man u.a. von den Vietnamesen lernen könne. Dutschke z.B. spricht von der faszinierenden Fähigkeit der kommunistischen Vietnamesen, sich den Kampfbedingungen erfolgreich anzupassen (1968a: 74). Tatsächlich hat Ho Tschi Minh, der führende Stratege Nordvietnams, seine kommunistische Partei bereits Jahrzehnte zuvor auf eine militärische Avantgardeorganisation festgelegt (Minh 1968a), mit der besonderen Pointe, dass diese Avantgarde dicht mit dem alltäglichen Leben der vorwiegend bäuerlichen Bevölkerung verwoben sein müsse (1968b). Beim Kampf gegen den übermächtigen Feind, bei dem eine offene militärische Konfrontation die sichere Niederlage bedeutete, kommt dies der kommunistischen Guerilla natürlich zugute. Trotzdem bleibt aber die Frage, inwieweit die Strategie der verdeckten Guerilla-Operationen, die wegen der Duldung oder Mithilfe der Bevölkerung erfolgreich durchgeführt werden können, bei der Verschärfung des Krieges noch als Hauptgrund der unablässig fortgesetzten Gegenwehr benannt werden darf. In eine zum Teil andere Richtung weist eine Einschätzung Herbert Marcuses. Vielleicht bedeute Vietnam den Anfang vom Ende des (amerikanischen) Imperialismus, glaubt oder hofft Marcuse, da sich dort zeige, dass »der menschliche Körper und der menschliche Wille mit den geringsten Waffen das leistungsfähigste Zerstörungssystem aller Zeiten in Schach halten kann« (1998b: 274). Richtig ist die Einschätzung aber nur, wenn man hinzufügt, dass der Körper dem allein unter einer ganz bestimmten Bedingung standhalten kann. Dazu muss man das Wort »Körper« in den Plural setzen: Wegen des ungeheuren Opfers an Menschenleben, das die kommunistischen Vietnamesen entrichten, geht die Strategie nur auf, wenn beständig neue Soldaten und Guerilleros rekrutiert werden können, welche die Hunderttausende an Toten ersetzen und nun selber den Tod auf sich nehmen. Wenn beide Seiten – eine sehr gut in der ländlichen Bevölkerung verankerte Guerilla und eine technisch hoch überlegene Militärmaschinerie – diesen Blutzoll als gerechtfertigt erachten, ist der Exzess an Gewalt und Vernichtung auf Dauer gestellt. Eric Hobsbawm hat bereits 1965 die Konsequenzen eines solchen Kriegs mit großer Deutlichkeit benannt. Zum einen könne eine große Zahl an Guerilleros, welche mit einer weitgehenden Unterstützung des Volkes agiert, durch eine herkömmliche Kriegsführung nicht bezwungen werden, wie es nach den Franzosen in Algerien nun auch die Amerikaner in Vietnam erfahren: »Bombardements richten nichts aus, es sei denn, es gäbe etwas anderes, als aus Reisfeldern eine Kraterlandschaft zu machen. Die ›offiziellen‹ oder die ausländischen Streitkräfte erkennen bald, daß der einzige Weg, die Guerillas zu bekämpfen, der ist, ihre Basis anzugreifen, das heißt die zivile Bevölkerung. Dafür gab es die

54 | 1968 verschiedensten Vorschläge, angefangen bei den alten Nazi-Methoden, alle Zivilisten als potentielle Guerillas zu behandeln, über die Methode, bestimmte Personen zu massakrieren und zu foltern, bis hin zu dem zur Zeit verbreiteten Mittel, ganze Bevölkerungsteile zu kidnappen und sie in befestigten dorfartigen Lagern zu konzentrieren, in der Hoffnung, den Guerillas die unentbehrliche Quelle, aus der sie Unterstützung und Information schöpfen, zu entziehen. Die amerikanischen Streitkräfte scheinen sich mit ihrer üblichen Vorliebe, soziale Probleme mit technischen Mitteln zu lösen, zur totalen Zerstörung riesiger Gebiete entschlossen zu haben, vermutlich in der Hoffnung, entweder zusammen mit allem menschlichen, tierischen und pflanzlichen Leben auch alle Guerillas zu töten oder die Guerillas, wenn Bäume und Sträucher in Rauch aufgegangen sind, endlich einmal zu sehen und sie wie richtige Soldaten bombardieren zu können.« (1977a: 233)

Auf der anderen Seite können aber auch die vietnamesischen Guerillas den äußerst ungleich geführten Kampf nicht gewinnen. Es gibt hier keine realistische Möglichkeit, den Guerilla-Krieg in eine reguläre Schlacht zu überführen. Deshalb ist ein Ende des Krieges nur durch eine politische Entscheidung herbeizuführen. Geschieht dies nicht, opfert die nordvietnamesische Führung unablässig das Leben ihrer Anhänger und führen die Amerikaner ihre weitgehend ungefährdeten Operationen durch: »Natürlich ist die Entscheidung, das verheerende Spiel abzublasen, erniedrigend, und es gibt immer gute Gründe, die Entscheidung hinauszuschieben; denn es wird kaum vorkommen, daß ausländische Streitkräfte entscheidend geschlagen werden, nicht einmal in lokal begrenzten Aktionen, wie beispielsweise in Dien Bien Phu. Die Amerikaner sind noch immer in Saigon, und vielleicht, abgesehen von einer gelegentlichen Bombenexplosion in einem Café, trinken sie ganz friedlich ihren Bourbon. Ihre Kolonnen durchstreifen das Land scheinbar nach Belieben und ihre Menschenverluste sind nicht größer als die durch Verkehrsunfälle zu Hause. Ihre Luftwaffe wirft Bomben, wo immer sie will, und es gibt immer jemanden, den man Premierminister des ›freien‹ Vietnam nennen kann, auch wenn es nicht leicht ist, von einem zum anderen Tag vorauszusagen, wer es sein wird. Daher kann man ständig behaupten, es bedürfe nur einer weiteren Anstrengung, um das Gleichgewicht umkippen zu lassen: mehr Truppen, mehr Bomben, mehr Massaker und Folter und ›soziale Einsätze‹.« (Ebd.: 237f.)

An die Adresse der Amerikaner gerichtet, schreibt Hobsbawm, dass es angesichts der militärischen Überlegenheit zwar schwer sei, mit den Verlusten Schluss zu machen. Aber, so lautet seine Bilanz viele Jahre, bevor die amerikanische Regierung den Schritt tatsächlich vollzieht, »es gibt Augenblicke, in denen jede andere Entscheidung sinnlos ist« (ebd. 238). Mit ähnlichem Recht kann das jedoch ebenfalls für die andere Seite behauptet werden. Auch sie kann den Krieg nicht gewinnen, sondern immer

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 55 nur mehr eigene Kräfte aufreiben lassen, in der Hoffnung, dass die Amerikaner sich irgendwann von ihrer Einschätzung über die ungeheure Bedeutung ihres Einsatz lösen und sich zurückziehen. Weil die Neue Linke auf der Seite des Vietcong steht und dessen immense Verluste als heldenhaft empfindet (Horlemann 1968: 153), ist ihr Anteil an der Beendigung des Krieges nicht ganz eindeutig zu bestimmen. Einerseits bemühen sich Vertreter des amerikanischen SDS sogar direkt um einen Friedensschluss, indem sie mit Akten informeller Diplomatie bei den kommunistischen Vietnamesen versuchen, deren Bedingungen für ein Ende des Krieges herauszufinden (Lynd/Hayden 1966). Vor allem trägt die Neue Linke insgesamt mit dazu bei, die westliche Öffentlichkeit über Ausmaß und Hintergründe des Krieges zu informieren, und verschafft der Kritik der amerikanischen Regierungspolitik dadurch allmählich einen größeren Rückhalt (eine wachsende Kritik, welche die Regierungsstellen, als wollten sie die Vorbehalte der Neuen Linken gegenüber der bestehenden Demokratie exemplarisch bestätigen, vollständig ignoriert). Andererseits besitzt für die meisten Anhänger der Neuen Linken der aufopferungsvolle Widerstand der vietnamesischen Kommunisten eine eminente Bedeutung, weil sie annehmen, dass der Ausgang dieses Krieges gegen die amerikanische Macht den Ausgang oder das Ausmaß der »folgenden Kämpfe gegen den Imperialismus« bestimmen werde (Dutschke 1968a: 86). Geldsammlungen für den Vietcong und die Unterstützung amerikanischer Wehrdienstverweigerer und Deserteure (Goodman 1970: 435ff.; Mahler/Preuss 1969) bilden die greifbarste Konsequenz der Hypothese, über die sozialistische Umwälzung auch der westlichen Länder werde in hohem Maße in der Dritten Welt entschieden. Auf dieser argumentativen und politisch-materiellen Ebene leisten demnach ebenfalls die Neuen Linken – im Rahmen ihrer allerdings sehr bescheidenen Möglichkeiten – einen Beitrag zur Verlängerung des Krieges.

Bewegung und Widerstandsformen Vom Opfermut der Vietnamesen lassen sich viele Neue Linke beeindrucken. Dass jene ihr Leben selbst angesichts der militärtechnologischen Überlegenheit der USA aufs Spiel setzen, erklären sie in den Jahren ab 1966 zum Grund und zum hoffnungsspendenden Ausgangspunkt, selbst in den Widerstand gegen den offensichtlich doch nur scheinbar übermächtigen Imperialismus einzutreten (Weiss 1968). Die Begeisterung für den erfolgreichen Widerstand der Vietnamesen weckt auch das Interesse an der Strategie, wie man aus der unterlegenen Position heraus den Widerstand aufbauen und organisieren kann. Das Vorgehen der Guerilla fasziniert viele Neue Linke in einem derart hohen Maße, dass sie es sogar als Mög-

56 | 1968 lichkeit für die westliche Welt in Betracht ziehen. Wenn sich auch einige dafür entscheiden, selbst in die Länder der Dritten Welt zu gehen, um den Kampf dort direkt zu unterstützen, bleibt es für die meisten anderen der radikalen Kräfte (wie in Deutschland etwa der aus der Gruppe der Subversiven Aktion hervorgegangene Kreis Berliner SDS-Mitglieder um Dutschke und Dieter Kunzelmann) bei Überlegungen, in den Heimatländern militante Aktionen durchzuführen (Kommune 2 1969: 17). Die wesentlichen Überlegungen dazu gewinnt man nicht aus vietnamesischen Schriften und Anordnungen. Man gewinnt sie auch nicht überwiegend aus den kanonischen Abhandlungen Maos, dessen GuerillaKampf nach langen Jahren und immensen Verlusten bekanntermaßen zur Gründung eines bäuerlich-kommunistischen Riesenreichs geführt hat. In erster Linie stützt sich die Neue Linke vielmehr auf Schriften, die sich auf das kleine kubanische Beispiel berufen. Sympathien für die vergleichsweise unblutige kubanische Revolution, die zudem gegen Umsturzversuche der USA verteidigt werden kann, beweist die Neue Linke von Beginn an. Der kubanischen Überzeugung aus der zweiten Hälfte der 60er Jahre, dass nach dem Vorbild der Methode Castros und Guevaras Revolutionen gegen die Ausbeuter- und Militärregime Lateinamerikas auf der Tagesordnung stünden, schließt sie sich ebenfalls an. Ab 1967 werden die Aufsätze und Abhandlungen von Che Guevara und Régis Debray, einem jungen französischen Castro-Adepten, in den westlichen Ländern intensiv studiert (vgl. Huberman u.a. 1970; Maschke 1973; Gierds 2006). Neben der Anziehungskraft der charismatischen Gestalten Castro und Guevara und des kubanischen Modells allgemein, das sich in den Augen der Neuen Linken von den realsozialistischen Gesellschaftsformen des Ostens unterscheidet, spielt dabei höchstwahrscheinlich eine wichtige Rolle, dass die kubanische Guerilla-Konzeption in einigen Punkten mit den Organisationsvorstellungen und -bedingungen der außerparlamentarischen westlichen Bewegungen in Einklang zu bringen ist. Rudi Dutschke etwa zieht – mit Guevara – aus den Guerilla-Kämpfen die Schlussfolgerung, dass ein Revolutionär nicht nach der geläufigen marxistischen Überzeugung erst darauf warten muss, bis die Bedingungen für einen Umsturz der Gesellschaft ökonomisch und politisch gegeben seien; auch die »subjektive Tätigkeit« könne die »objektiven Bedingungen für die Revolution« schaffen (1968a: 69). Genauer gesagt, spricht Guevara davon, dass es ein »aufständischer Fokus« sei, der solche Bedingungen zum Teil selbst herbeiführen oder zumindest beschleunigen könne (1968a: 23). Bei diesem rebellische Fokus handelt es sich um nichts anderes als um kleine Gruppen (von Männern), welche die Möglichkeiten des Geländes nutzen, um unerkannt umherzuschweifen, die Bevölkerung zu agitieren und feindliche Stellungen oder strategisch wichtige Objekte verdeckt anzugreifen. Die subjektive Voraussetzung zur erfolgreichen Revolution stiftet

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 57 der Guerilla-Fokus, indem er am Beispiel seiner Tat das Bewusstsein erweckt, ein gewaltsamer Sieg über die ausländischen Imperialisten und deren heimische Verbündete sei tatsächlich möglich (Guevara 1969: 99). So können nach der Überzeugung der Guerilla-Theorie auch schwache Kräfte ohne die Unterstützung einer großen Partei, die sich auf der Höhe der politischen Auseinandersetzung und einer ökonomisch entwickelten, nun aber rezessiven Lage befindet, zu einem revolutionären Umschwung beitragen. Entgegen einer marxistisch-deterministischen Vorstellung, dass in den unterentwickelten Ländern erst eine bürgerlich-kapitalistische Demokratie etabliert werden muss, bevor an sozialistische Verhältnisse zu denken sei, dringt auch die Neue Linke im Sinne der kubanisch-lateinamerikanischen antiimperialistischen Doktrin des Jahres 1967 (OLAS 1968) auf eine sofortige politische Revolution (Sweezy 1970b: 130), die im Zuge der irregulären militärischen Anstrengungen betrieben werden soll (vgl. Löwenthal 1970c). Trotz der richtigen Wiedergabe Guevaras durch Dutschke ist das aber allenfalls die halbe Wahrheit. Einige Bedingungen nennt Guevara nämlich doch, die zumindest ansatzweise erfüllt sein müssen. Wichtig ist vor allem, dass die kleinen bewaffneten Gruppen sich in ländlichen, dünn besiedelten Räumen bewegen, in denen eine arme Bevölkerung ihr niedergedrücktes Leben fristet (1968a: 26). Ganz im Einklang mit dem chinesisch-maoistischen und dem vietnamesischen Vorgehen gilt Guevara als unumgängliche Erfolgsbedingung der Guerilla, dass sie fest in der Bevölkerung verankert sein muss und mit deren Unterstützung rechnen kann. Der angestrebte Endpunkt ist sogar mit einer noch stärkeren, massenhaften Bedingung verknüpft: Der Sieg im Guerilla-Krieg setzt voraus, dass die bewaffneten Kämpfer – wie etwa in Vietnam (Guevara 1968b: 63) – die Mehrheit des Volkes nun sogar als reguläre militärische Kräfte einsetzen können. Guevara konzipiert die Guerilla zwar als »kämpfende Avantgarde des Volkes«, trotzdem bleibt der Guerilla-Krieg insgesamt aber ein »Kampf der Massen« (1968a: 25). Wenn man dies ausblendet, kann der westlichen Neuen Linken das Guerilla-Prinzip sehr attraktiv erscheinen, nicht zuletzt weil es dem traditionellen Muster einer hierarchisch gegliederten Partei entgegensteht. Auch Lenins Maßgabe einer straff geführten Kaderpartei als proletarische Avantgarde wird vom Prinzip einer Guerilla-Avantgarde gerade nicht erfüllt. Avantgardistisch schillert das Guerilla-Konzept vielmehr im Sinne künstlerisch-experimenteller Vorstellungen, die hier einen politisch-aktionistischen Zug annehmen, wie es im sozialistischen Denken seit Rosa Luxemburgs Direktive von dem Vorrang klassenkämpferischer Aktionen gegenüber der Parteiorganisation bereits ausgeprägt ist: Im Laufe der (nun militärischen) Kämpfe wird sich diese Partei schon herausbilden, das soll wiederum das kubanische Beispiel belegen (Debray 1968: 119).

58 | 1968 In diesem Sinne avantgardistisch – im Sinne einer versuchten Aufhebung der Grenze zwischen Aktiven und Passiven – klingt sogar die ganze Guerilla-Theorie: Der Guerillero wirkt aus einer unterlegenen Position heraus, im Gegensatz zur regulären Armee agiert er im Geheimen, darum ist er – will er Erfolg haben – darauf angewiesen, sich im Volk zu bewegen wie ein Fisch im Wasser, wie es das berühmte Mao-Wort besagt. Sein letzter Erfolg – die offene Herausforderung der Armee – läuft also konsequent über die teilweise Verwandlung der Bevölkerung in eine reguläre Truppe (siehe Mao 1966: 120; Guevara 1968c: 140; vgl. Hampel 1989). Der Guerilla-Kampf betreibt deshalb, recht verstanden, vor allem die Militarisierung großer Teile des Volkes, eine Militarisierung, die sich im Zuge der gefahrvollen Unterstützung der Guerilleros durch die Bevölkerung herausbilden muss. Rein unter dem Gesichtspunkt betrachtet, rückt die Guerilla-Theorie allerdings sofort in ein fernes Licht. Nichts an diesen Positionen der Guerilla-Theorie lässt irgendwie erahnen, dass sie für die radikale Opposition in westlichen Industrie- und Wohlfahrtsstaaten von Bedeutung sein könnten (vgl. Müller-Borchert 1973). Begreiflich ist allein die Faszination angesichts der versuchten Aufhebung des Unterschieds zwischen Kämpfern und Zivilisten im Kern der massenhaften Guerilla. Sie lässt sich – ebenso wie die Idee des plötzlichen, voluntaristischen Bruchs – gut mit der europäischen avantgardistischen Tradition des 20. Jahrhunderts und der noch älteren anarchistischen Tradition vereinbaren (Hecken 2006b). Der Partisanenkampf dient dann als Musterbeispiel für eine nicht-entfremdete Lebensweise, für eine Manier der Politik, bei dem bereits die Mittel des politischen Kampfes die Ziele einer befreiten Gesellschaft vorwegnehmen; das Verhältnis der Partisanen sei nicht von starrer Hierarchie und angemaßter Autorität, sondern von demokratischen, situationsbedingten Entscheidungen geprägt, bürokratische und stalinistische Strukturen seien darum prinzipiell, auch für die Zeit nach der erfolgreichen Revolution, ausgeschlossen: »Die Theorien des Guerillakampfes von Fidel Castro, Ché Guevara und Régis Debray gehen von einer dezentralisierten Kampfführung aus, für die ein abgestufter Parteiapparat sich als zu schwerfällig erweisen könnte. Die Führung im Partisanenkampf liegt bei politisch und militärisch gut geschulten Kadern, die sich über das ganze Land zerstreuen und an geeigneten Stellen Guerillatruppen bilden, deren Stärke nie so groß ist, daß sie nicht notfalls in der Bevölkerung unauffindbar untertauchen könnten. Schon aus dieser Voraussetzung folgt, daß die Befreiungsbewegung sich niemals verselbständigen kann, daß ihre militärische Stärke immer in einem direkten Verhältnis zu der im Volke vorhandenen Zustimmung zur Revolution steht. Sie bleibt abhängig von ihrer Fühlung mit dem Volk und unterliegt damit einer wirklichen Kontrolle von unten. Guerilla-Taktik bedeutet die Gleichzeitigkeit

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 59 von Aufklärung und Aktivierung, von Schulung und Kampf. Sie hat die weitgehende Selbsttätigkeit der Guerilleros zur Voraussetzung, die allseitige Entfaltung der Fähigkeiten jedes Einzelnen, und verwirklicht bereits mitten im Krieg partiell die neue Gesellschaft und den neuen Menschen.« (Nirumand 1968: 17)

Che Guevara selbst denkt beim neuen Menschen eher an die Zeit nach dem Kampf, an die Menschen, welche beim Aufbau des Sozialismus ihren Egoismus abstreifen und mit aller Individualität Teil der Masse werden (1968d: 392). Zu den notwendigen Beweggründen beim Guerilla-Krieg zählt er zudem ganz konkret den Hass; die beredteren, mit der Rhetorik des neuen Menschen vorgetragenen Feierstunden der Gewalt findet man jedoch bei Frantz Fanon und dessen Interpreten Jean-Paul Sartre. Für westliche Neue Linke wie Rudi Dutschke erfüllt Frantz Fanon, der Propagandist des algerischen Befreiungskrieges, zuerst die Funktion, existentialistischen Voluntarismus mit authentischem Pathos zu erfüllen. Gerne zitiert er Fanons Parole, der von den Kolonialherren Unterdrückte müsse sich zu einem sofortigen Kurswechsel hin zum Kampf entschließen, um dank der selbstbewussten Gewalt aus der repressiven Vergangenheit herauszutreten: »Die große Nacht, in der wir versunken waren, müssen wir abschütteln und hinter uns lassen« (Fanon 1969: 239). In einer frühen Teilübersetzung von Fanons Schrift im deutschen Kursbuch fehlt natürlich auch Fanons Feier der Gewalt als befreiende, positive Praxis der Kolonisierten nicht (Fanon 1965: 45; vgl. Coser 1970). Jean-Paul Sartre hält mit Fanon fest, dass solche Gewalt kein irrationaler Akt sei, sondern »nichts weiter als der sich neu schaffende Mensch«. Dieser neue Mensch besitzt danach im antikolonialen Kampf keinerlei Alternative. Entweder bleibe man »terrorisiert oder man wird selber terroristisch«, schreibt Sartre schneidend. Der neue Mensch hat sich bereits entschieden – und mit ihm Sartre: »[I]n der ersten Zeit des Aufstands muß getötet werden.« (1969: 18) Einen Aufschluss, wie man in den westlichen Ländern zu verfahren habe, gibt das aber selbstverständlich noch nicht. Dazu bedarf es erst einer Zuspitzung bzw. Verkleinerung der Guerilla-Konzeption. Abseits des gewaltsamen Entschlossenheits-Pathos kann das Fokus-Konzept direktere strategische Bedeutung für deutsche u.a. Aktionisten erst dank einiger Einschätzungen Régis Debrays gewinnen. Noch einmal stärker als Guevara konzentriert sich Debray auf die von den Volksmassen zuerst getrennte Einheit des wenige gewaltsame Kämpfer umfassenden Fokus (Debray 1967). Diese Bedingung kann der zahlenmäßig noch kleine Kern radikaler Neuer Linker leichterdings erfüllen. Auch die lateinamerikanische »studentische Avantgarde« muss sich nach Ansicht Debrays im »Niveau der Kampfformen« zu einem »gewissen Zeitpunkt wohl oder übel von den Massen absondern«, eine weitere Direktive, die sich sehr leicht auf Westeuropa und Nordamerika übertragen lässt. Ein früherer Hinweis Debrays

60 | 1968 macht die Sache sofort wieder viel schwieriger; in einem Aufsatz, der in der deutschen Übersetzung mit einem Vorwort u.a. von Rudi Dutschke versehen ist, hält Debray noch fest, dass ohne »das gleichzeitige Vorhandensein ländlicher tätiger Fronten und einer städtischen Guerilla in den Arbeitervierteln« die Universität eine vollkommene Falle darstelle (1968a: 108). In Lateinamerika bleiben Debrays Ansichten nicht ohne Konsequenz. Bei den uruguayischen Tupamaros etwa findet man viele der Argumente in der Praxis wieder. Obwohl es nach ihrer eigenen Einsicht in Uruguay keine geeigneten ländlichen Gegenden für einen Guerilla-Fokus gibt, beginnen sie den bewaffneten Kampf. Ein wichtiger Grund dafür sind die in ihren Augen günstigen Bedingungen der Hauptstadt Montevideo. Nach vorangegangenen Auseinandersetzungen sei die Stadtbevölkerung so polarisiert, dass ein Teil genügend Rückhalt für eine aktive revolutionäre Gruppe biete. Die notwendige Polarisierung schließt für die Tupamaros allerdings nicht die Existenz einer kommunistischen »Massenpartei« ein. Um dieses Manko zumindest theoretisch auszugleichen, preisen die Tupamaros ebenfalls den Vorrang der Aktion. Nach ihrer Hoffnung bzw. Überzeugung tritt die Partei während der bewaffneten Tat heraus, deshalb kann man auch ohne sie den Kampf beginnen. Der Eindruck täuscht wohl nicht, dass die Tupamaros ähnlich wie Guevara und vor allem Debray auch das Fehlen anderer günstiger Umstände auf die Art und Weise noch fast in einen Vorteil verkehren würden. An einer Stelle schreiben sie sogar, dass die revolutionäre Aktion sowohl revolutionäres Bewusstsein als auch die revolutionären Bedingungen aus sich selbst hervorbringe (vgl. Nunez 1971: 45ff.). Mit diesen knappen Worten haben die Tupamaros bereits die einzige Überzeugung benannt, die auch von den linksradikalen Terroristen der westlichen Länder nach 1968 gegen ihre marxistischen Kritiker vorgebracht werden wird. Das Argument läuft darauf hinaus, alle bestehenden Gründe gegen den Erfolg vereinzelter Aktionen durch die behauptete Gewissheit zu widerlegen, dass die Aktion ungeheuer erfolgreiche Wirkungen entfalteten wird. Bis 1968 hat die Aufnahme der Guerilla-Theorien in Europa und Nordamerika erst einmal die Funktion, die revolutionären Aufbrüche in den anderen Kontinenten zu unterstützen, und sei es nur, indem man sie ideologisch anerkennt. Guevaras Parole, es gelte viele weitere Vietnams zu schaffen (1968e), macht sich die Neue Linke 1967 gerne zu Eigen, daran ändert auch der tödliche Misserfolg der Guerilla-Aktivitäten Guevaras in Bolivien nichts. Die Aneignung der Guerilla-Strategie erklärt sich aber nicht allein aus der Überzeugung heraus, dass ein bewaffneter Kampf gegen die miserablen Lebensumstände in den Ländern des Trikont unumgänglich sei. Die Absage der lateinamerikanischen politisch-militärischen Theoretiker an den Vorrang der Partei passt sehr gut mit den Prinzipien der außerparlamentarischen Bewegung zusammen. Auf der Höhe der

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 61 reinen Theorie kann man sich sogar das Bild der Guerilla-Tätigkeit als Vorschein einer befreiten Gesellschaft ausmalen; der Guerilla-Fokus erzwinge dank der Permanenz des revolutionären Prozesses bereits jene Veränderung menschlicher Tätigkeiten, die man auch später benötige: »Der Partisanenkampf erfordert die weitgehende Selbsttätigkeit der Revolutionäre, nicht das blinde Ausführen von Befehlen; die militärischen Ränge sind aufgehoben, eine Vorwegnahme der Aufhebung der gesellschaftlichen Hierarchie; die Durchbrechung der Isolation, das Vertrauen und die Unterstützung der Guerilleros untereinander; schließlich als vielleicht wichtigstes die Aufhebung der Arbeitsteilung, da jeder Einzelne zugleich Soldat, Theoretiker, Jäger, Lehrer etc. sein muß. Die Notwendigkeiten des Partisanenlebens nehmen so vorweg, was die Aufhebung der traditionellen Zwänge in der befreiten Gesellschaft erst ermöglichen soll: die allseitige Entfaltung der Fähigkeiten und Möglichkeiten des Menschen.« (Nirumand/Siepmann 1968: 91)

Selbst im militärischen Vorgehen wollen die Autoren der viel gelesenen deutschen Zeitschrift Kursbuch ihre äußerst weitgehenden demokratischen Prinzipien, die sogar mit den Begrenzungen der Arbeitsteilung brechen sollen, am Werke sehen. Das gibt einen guten Anhalt, wie stark die radikaldemokratischen Überzeugungen in der Neuen Linken verwurzelt sind. In den meisten Fällen wird die Überzeugung jedoch natürlich an weniger martialischen Beispielen demonstriert, wenn sich auch die Guerilla-Methode, in engem Kontakt mit der Bevölkerung und ohne einen abgehobenen Parteiapparat vorzugehen, ohne jede Schwierigkeit mit friedlicheren Bewegungen in Einklang bringen lässt. Zum besonders eindringlichen demokratischen Credo des amerikanischen SDS in der Mitte der 60er Jahre gehört es, eine Identität von demokratischem Ziel und demokratischem Prozess zu postulieren. Von oben nach unten strukturierte Organisationen, an deren Spitze mächtige Führer stehen, sollen um jeden Preis vermieden werden. Diese Haltung verträgt sich sehr gut mit der scharfen Parlamentarismuskritik der Neuen Linken, mit der Kritik an der parlamentarischen Eingemeindung abweichender Meinungen, am Prinzip indirekter, repräsentativer Demokratie, an der Parteienoligarchie sowie an der Verpflichtung auf die strikte Einhaltung formaler Spielregeln, ein Legalismus, der in Sicht der Neuen Linken nur einer falschen Toleranz und einem leeren, nicht inhaltlich gefüllten Demokratismus Vorschub leistet. Ein Begriff wie der des movement zeigt hingegen unmissverständlich an, dass auch nur ansatzweise starr geregelte und hierarchisch gegliederte Organisationsformen auf Seiten der Neuen Linken prinzipiell ausgeschlossen sein sollten. Eine Dezentralisierung der beschließenden Organe und der Versuch, zwischen den Einzelnen und der Gruppe Übereinstimmung herzustellen, soll den Charakter der demokrati-

62 | 1968 schen Bewegung gewährleisten (Hayden/Fruchter/Cheuse 1969: 231f.; Flacks 1971: 30; vgl. Breines 1982; Rolke 1987; Rucht 1998). Die Verneinung zentralistischer Prinzipien dient gleichfalls dazu, sich deutlich von den sozialdemokratischen, aber vor allem den leninistischen Parteien abzugrenzen: Es gelte jede Organisationsform auszuschließen, die zur bürokratischen Behinderung und zentralistischen Beschneidung der Mitgliederaktivitäten beitrage und den Einzelnen auf einen Status als Objekt reduziere. Von der außerparlamentarischen Opposition werde dieser Anspruch erfüllt, hält Oskar Negt im Oktober 1967 zustimmend fest, wenn auch sein Lob im ersten Moment wie eine scharfe Kritik klingt: »Keine der bestehenden formalen Mitgliederorganisationen der westdeutschen Linken, auch nicht die stabilste, der SDS, zeigte sich imstande, sämtliche Aktionsbereiche zentral zu koordinieren, durch Versammlungs- oder Vorstandsbeschlüsse politisch zu führen, durch strenge Disziplin auf Programme zu verpflichten, Zuwiderhandelnden Ausschlüsse anzudrohen. Von lokalen, überschaubaren Kommunikationszentren oder Brennpunkten, in denen sich informelle politische Kader bildeten, ausgehend, organisierte sich die Bewegung um inhaltlich konkrete Aktionslinien. Aber diese Zentren, wie der Republikanische Club in Berlin, haben sich als theoretisch-praktische Grundeinheiten der Bewegung, die einen lockeren organisatorischen Rahmen für die Bildung informeller Kader darstellen, nicht in der Abfassung von Tageslosungen, in der Fixierung von Programmen, in administrativer Anleitung der Aktionsgruppen erschöpft; in ihnen konstituierte sich vielmehr selber erst, was revolutionäre Theorie und revolutionäre Praxis unter den gesamtgesellschaftlichen Bedingungen der einzelnen Aktionen bedeuten.« (Negt 1998c: 301f.)

Dennoch kann die emphatische Deutung nicht überdecken, dass in vielen Fällen die antiorganisatorischen Maximen und die Absage an repräsentative Vertreter genau dazu beitragen, auf willkürliche Weise Sprecher und nur unzulänglich legitimierte Entscheidungen hervorzubringen (Salvatore 1968: 114). Bis einschließlich 1968 behilft sich die Neue Linke (auch in ihrer organisatorischen Gestalt wie dem SDS) damit, dem durch Handlungsformen entgegenzuwirken, die tatsächlich von der repräsentativen Parteien-Demokratie weit entfernt liegen. Ein Vorgehen im Sinne von direct action garantiert zwar nicht, dass die Ziele der direkten Aktion in einer rationalen Diskussion oder mehrheitlich vorab festgelegt werden, wohl aber dass alle Teilnehmer der Bewegung Verantwortung und Initiative tragen (Lynd 1970: 199). In Deutschland finden die amerikanischen Aktionsformen bei Teilen des SDS schnell Anklang (Amendt 1965; Vester 1965; vgl. Kraushaar 2000; Klimke 2007). Rudi Dutschke setzt sogar noch weitgehender darauf, dass sich bei Aktionen wie denen aggressiver Demonstrationen Organisation und zeitweilige Führung selbst herausbilden und auch währenddessen die

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 63 »Selbstaufklärung über den Sinn und das Ziel der Aktion« fortgesetzt wird (1968a: 63). Versuche, auf dem (westlichen) langen Marsch eigene, staatsferne Räume zu etablieren (Ebert 1968), zählen zu den weiteren Beispielen solch riskanter Bewegungspolitik, bei der sich unter dem Druck der Ereignisse ein Höchstmaß an Engagement und permanenter, direkter Entscheidungsfindung einstellen soll. An den spektakulären Ereignissen soll sich aber nicht nur die wachsende Radikalisierung bzw. Bewusstheit der Beteiligten entzünden, sondern auch ein übergreifendes politisiertes Klima geschaffen werden, das der konventionellen Hinnahme abgetrennter parlamentarischer Beschlüsse und der routinierten Verfolgung privater Interessen entgegenwirkt: »Gegen die heutige Apathisierung der lohnabhängigen Massen hat die antiautoritäre Bewegung die Manifestation von Herrschaftskonflikten am Arbeitsplatz, in Schule, Hochschule und Betrieb gesetzt. Politische und soziale Manipulation wird durch wirksame Aktionen (Springer-Blockade) und Demonstrationen auf der Straße und in Diskussionen am Arbeitsplatz transparent gemacht. Im Unterschied zu den parlamentarischen Scheingefechten und ihrer agitatorischen Wirkung wird in diesen Aktionen die Bewußtseinsveränderung mit konkreter Erfahrung verbunden. […] Die strikte Ablehnung jeglicher kanalisierter Oppositionsformen und die Verweigerung der Integration in das Disziplinierungssystem in Hochschule und Schule verweist auf den antiinstitutionellen Charakter der Bewegung. Spontaner Protest ist verbunden mit der Berufung auf historische Formen direkter Demokratie. Die Beschäftigung mit der Kommune von Paris und der Rätebewegung ist eine Etappe auf der Suche nach neuen Organisationsformen. Diese Formen kollektiver politischer Zusammenarbeit und Massenmobilisierung werden, soviel läßt sich heute schon absehen, nicht die Gestalt einer zentralistischen Parteiorganisation annehmen. Die Übertragung des Leninschen Parteitypus auf die Struktur der radikalen Oppositionsbewegung widerspräche deren legitimer Ablehnung autoritären Zwangs.« (Grunenberg 1968: 100f.)

Abgesehen davon, dass die Vorhersage bereits für die Jahre ab 1969 nicht zutrifft, übergeht das Wort von der antiautoritären Bewegung auch ein Moment, das sehr wohl mit einer Avantgardekonzeption, wenn auch nicht der des leninistischen Parteirats, im Zusammenhang steht. Diese Konzeption geht wiederum auf die Ideen zum Guerilla-Fokus zurück. Zwar trägt die Rede über den Fokus in den westlichen Metropolen (noch) insofern metaphorischen Charakter, als sie nicht auf bewaffnete weiße, irregulär militärische Gruppen zielt, sondern nur die angestrebte radikale Änderung der Länder der Ersten Welt dramatisch hervorhebt (vgl. Sale 1973: 360f.). Die Konzentration auf kleinere Gruppen übernimmt man aber von Guevara und vor allem von Debray, sicher allein schon deshalb, weil man von einer Massenbewegung noch weit entfernt ist.

64 | 1968 Dutschke führt etwa den lateinamerikanischen Guerilla-Fokus als »bewaffnete Avantgarde des Volkes« an, er hebt ausdrücklich hervor, dass die »subjektive« Tätigkeit eines solchen Fokus auch in Deutschland die objektiven Bedingungen für eine Revolution schaffen könnte, um dann als Beispiel dafür das unerlaubte Anschlagen von Plakaten zu nennen (1968a: 69f.). Er redet von dem nötigen unerbittlichen Kampf gegen die Diktatoren Duvalier, Ky, den persischen Schah, um im nächsten Satz mit einer politischen Begründung Attentate gegen westliche Staatsmänner strikt abzulehnen; diese seien vollkommen austauschbar, Anschläge gegen sie müsste man folglich als »unmenschlich und konterrevolutionär« bezeichnen (1998: 258; 1968a: 79f.). Dutschke bejaht die Gewalt gegen den heimischen Staat, um in einem Atemzug die so benannte Gewalt lediglich als Einsatz des eigenen »unbewaffneten Körpers« und »ausgebildeten Verstands« gegen den Staatsapparat zu definieren (1998: 258). Er fordert martialisch dazu auf, die »›Propaganda der Schüsse‹ (Che) in der Dritten Welt« durch einen westlichen »städtischen Guerillero« zu ergänzen, um zugleich eine solche »›Propaganda der Tat‹« in gewohnter Manier als »Agitation in der Aktion« zu charakterisieren (Dutschke/Krahl 1998: 290). Am weitesten geht Dutschke in einem Aufsatz, der zusammen mit deutschen Übersetzungen von Schriften Debrays und Castros erscheint. Hier hofft er auf eine »Verweigerungs- und Sabotage-Guerilla« aus den Reihen der technischen, ökonomischen und kulturellen Intelligenz, die ihre Positionen innerhalb des Machtapparats der Universitäten und Forschungseinrichtungen subversiv nutzen soll, um ihn zu einem politisch reifen Zeitpunkt zu »sabotieren und vernichten« (Dutschke/Käsemann/ Schöller 1968: 19). Es bleibt aber bei diesen kurzen, summarischen Angaben. Genauer und viel weniger bedrohlich lauten wiederum die sofort anschließenden Hinweise, die zugleich einen viel größeren Realitätsgehalt aufweisen. Zum »langen Marsch durch die Institutionen« rechnet Dutschke ebenfalls die Etablierung von Stätten, in denen Angehörige der antiautoritären Opposition eine »Keimform der neuen Gesellschaft« bereits hier und jetzt erproben und sich in eigenen Häusern, Instituten, Kinos, Schulen, Kindergärten, Universitäten eine planmäßige materielle Existenz aufbauen. Erneut im ganz hohen, martialischen rhetorischen Register bewegt sich Dutschke im nächsten Absatz, wenn er eine kurz zuvor veranstaltete Aktion in Berliner Kaufhäusern als Form »spätkapitalistischer Guerilla-Praxis« bezeichnet. Tatsächlich ging es um nichts anderes als das ungenehmigte Verteilen von Flugblättern und die zeitweilige Behinderung der Arbeit in Kaufhäusern (als Protest gegen die geplante Verlängerung der Öffnungszeiten am Wochenende). Von einer Guerilla-Aktion meint Dutschke wohl auch sprechen zu müssen, weil es sich nach seinen Worten um eine »›Vertretungsaktion‹ mit autoritären Elementen« handelte, die von außen,

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 65 ohne Unterstützung der Belegschaft durchgeführt wurde. Dutschke regt darum an, allgemein in den Betrieben, unabhängig von den Gewerkschaften, »antiautoritäre Basisgruppen, selbsternannte Avantgardes« zu errichten, die eine breite Unterstützung bei den jeweiligen Arbeitern und Angestellten organisieren sollen. In dem Falle würde er also sicher von einer antiautoritären Guerilla-Aktion reden, in deren Kern freilich bei aller erzielten Anbindung an größere Teile der Belegschaft eine eigens, separat agierende Avantgarde stünde (ebd.: 20f.). Die Gewalt dieser außerparlamentarischen Avantgarde – oder schlichter gesagt: der überwiegend studentischen Protestierer – besteht trotz aller theoretisch und vor allem rhetorisch geforderten Aneignung der GuerillaPraxis durch westliche, metropolitane Kräfte lange ausschließlich in Verstößen gegen das Demonstrations- und Versammlungsrecht (Hager 1967; Sack 1984). Solche Verstöße ergeben sich nicht nur aus spontanen Konflikten mit der Polizei, die teilweise sicherlich bereits durch schiere Präsenz, aber vor allem natürlich durch eine ganze Reihe von Übergriffen das Ihre dazu beiträgt, die Auseinandersetzungen zu verschärfen; sie werden auch oftmals bewusst gesucht und inszeniert, das geht von der Einnahme nicht genehmigter Demonstrationsrouten über das Werfen von Eiern oder von Pudding-Bomben bis zur beleidigenden Provokation von Beamten, seien es Ordnungshüter, Staatsanwälte, Richter oder Professoren. Wenn Dutschke fordert, man solle »zentrale Nervenpunkte des Systems« wie beispielsweise das Abgeordnetenhaus, Steuerämter, Gerichtsgebäude, Fernsehsender, Armeezentren und Polizeistationen in »mannigfaltiger Form (von gewaltlosen offenen Demonstrationen bis zu konspirativen Aktionsformen) angreifen« (1968a: 84), dann stellt sich solcher Angriff in der Wirklichkeit als aggressiver Demonstrationszug in Berliner Straßen heraus. Wichtig erscheint der Neuen Linken die entschlossene Verletzung von Ordnungsbestimmungen aus dreierlei Gründen. Erstens dient sie in ihren Augen dazu, eine bloß passiv und abstrakt gepflegte politische Haltung durch die »sinnliche Erfahrung« in der Auseinandersetzung mit der Staatsgewalt zu überwinden. Zweitens soll den ruhiggestellten Massen der eindimensionalen Gesellschaft am Vorbild der provozierten Konflikte deutlich werden, dass es zum einen doch Alternativen gebe (Neusüss 1968: 65) und dass zum anderen hinter den nur scheinbar friedlichen täglichen Funktionsabläufen greifbare Gewaltverhältnisse stünden (Dutschke/Krahl 1998: 290), wie dies bereits Guevara als wichtigen Ansatzpunkt des Guerilla-Kampfes gegen eine Oligarchie mit dem Anstrich »bürgerlicher Legalität« benannt hat (1968c: 128, 132). Die holländischen Provos sehen entsprechend im brutalen Polizisten ihre größte Waffe; je faschistischer er auftrete, desto stärker mobilisiere das die bislang unpolitische Bevölkerung (Duyn 1985: 30). Dutschke setzt im gleichen Sinne auf die Verstöße und Provokationen, damit sich das bestehende System daraufhin selbst als

66 | 1968 »›Diktatur der Gewalt‹« entlarve (1968a: 84). Drittens scheint die illegale Durchbrechung der »etablierten Spielregeln« berechtigt (Dutschke 1967: 80), weil es sich nur um die »fetischisierten Spielregeln der formalen Demokratie« handle (Dutschke 1968a: 63) und nicht um respektable Bestimmungen einer wahren demokratischen Gesetzgebung (Negt 1998b: 359). Gestützt oder intensiviert wird das letzte Argument in erheblichem Maße durch den Verweis auf den illegitimen und nach Ansicht der Neuen Linken auch illegalen westlichen Gewalteinsatz in Vietnam. Der Kontrast könnte kaum größer sein, »während dort Bomben fallen, fliegen hier faule Eier« (Buch 1967: 135), während auf der einen Seite die Herstellung und der Abwurf von Napalm offiziell als legal erklärt werde, gälten auf der anderen Seite Sitzblockaden gegen die Produzenten der Bomben als unbedingt zu ahndende Gesetzesbrüche. Angesichts dieser Konstellation reklamieren große Teile der Neuen Linken weit mehr als das Recht auf bürgerlichen Ungehorsam für sich: »We were going beyond that form of civil disobedience in which the individual breaks the law to test its legality and then accepts the legitimacy of being punished and sent to jail.« Stattdessen akzeptiert man nun nicht länger die Strafen für die Gesetzesverstöße, weil man die Autoritäten, welche die Gesetze machen und über ihre Einhaltung wachen, für moralisch diskreditiert und sogar illegal hält (Hayden 1969: 31; Negt 1998b: 360). Die Bedingungen für einen scharfen Konflikt sind damit geschaffen. Er kommt u.a. erfolgreich in Gang, weil die staatliche Seite, verstärkt durch Teile der öffentlichen Meinung, auf begangene Ordnungswidrigkeiten im Rahmen des herrschenden Rechts oftmals hart reagiert. Bereits 1968 sind viele Wortführer oder radikale Exponenten der außerparlamentarischen Bewegung mit universitären Ordnungsmaßnahmen oder juristischen Strafen belegt. Der Konflikt gewinnt aber vor allem an Dynamik, weil einzelne Polizeiaktionen das Bild des hässlichen Staates besonders sinnfällig machen. Nichts hat wahrscheinlich so sehr zur Radikalisierung und Verbreitung der Bewegung beigetragen wie z.B. in Deutschland die tödlichen Schüsse auf den Demonstranten Ohnesorg am 2. Juni 1967. Für den Kern der Bewegung dürften solche Ereignisse eigentlich überhaupt keine Überraschung gewesen sein, geht man dort doch sogar von einer bereits begonnenen ›Faschisierung‹ des Staates aus. Trotz dieser Annahme sind die Wortführer der Bewegung aber wohl selbst von den staatlichen Maßnahmen hoch beeindruckt, obwohl diese tatsächlich von faschistischer Repression sehr weit entfernt liegen. Dennoch werden sie häufig in einem dramatischen Ton zum Ausgang genommen, um weiter über die Legitimität der Gegengewalt zu verhandeln. Das Urteil darüber steht 1968 fest: Angesichts des Gewaltcharakters des Systems sei Widerstand geboten. Weil die herrschende Ordnung statt zu rationaler Debatte

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 67 nur zu »Verboten, Diffamierungen, Polizeieinsätzen und, als Gegenstück, zur irrationalen Glorifizierung vertrauensvoller Unterwerfung unter staatliche Autorität« fähig zu sein scheine (Roth 1968: 156), müsse man die gängigen Regeln solch einer Pseudodemokratie durchbrechen, um Exekutive, Parteien und Verbände überhaupt zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Zielen der außerparlamentarischen Opposition führen zu können (Rabehl 1968: 161). Diese Argumentation ist geeignet, um auch liberale oder linksliberale Kräfte für Verstöße gegen das geltende Recht zu gewinnen, zumindest jedoch bei ihnen ein gewisses Verständnis für solche Gesetzesbrüche zu erzeugen, werden sie ja schließlich nach den Bekundungen ihrer Urheber vorgenommen, um demokratische Verhältnisse wiederherzustellen. Endgültig trennen müssten sich die Wege aber angesichts der viel weitergehenden sozialrevolutionären Ziele, die 1968 von den meisten Neuen Linken auf die Tagesordnung gesetzt werden. Zur Erreichung solcher Ziele könnte aus liberaler Sicht der Einsatz illegaler Mittel nicht einmal ansatzweise toleriert werden. Die Gewaltfrage wird darum nicht nur von den Vertretern der Neuen Linken oft selbst gestellt, sondern ihnen noch viel häufiger von ihren Gegnern zur Beantwortung vorgelegt (nicht selten wird die abverlangte Stellungnahme natürlich schon vorweg überflüssig gemacht, indem man zentralen Teilen der außerparlamentarischen Bewegung von vornherein eminent gewalttätige Züge attestiert, um sie politisch zu diskreditieren). Dass es sich bei den Neuen Linken kaum um Pazifisten handelt, steht ohnehin fest, das fast einmütige Eintreten für die antikolonialen und antiimperialistischen Befreiungskämpfe zeigt dies sofort. Ebenfalls oftmals freimütig ausgesprochen findet sich das Theorem von dem legitimen Widerstandsrecht gegen repressive Mehrheiten und eine autoritäre staatliche Exekutive. Herbert Marcuse etwa plädiert 1968 in einer Weiterführung seines Aufsatzes über »Repressive Toleranz« für »intolerante Minderheiten« von »militanter Unduldsamkeit und kämpferischem Ungehorsam gegenüber Verhaltensregeln, die Zerstörung und Unterdrückung tolerieren«. Die altehrwürdige Berufung aufs Widerstandsrecht gewinnt ihre Brisanz dadurch, dass Marcuse ungesetzliche Aktionen auch in den westlichen Demokratien für angemessen erachtet, da sich in ihnen die Mehrheitsverhältnisse nicht aus Akten selbstständigen Denkens und freien Ideenaustauschs ergäben, sondern durch exekutiv und durch Medienindustrien formierte Meinungen (Marcuse 2004a: 166, 162f.). Ein dritter wichtiger Punkt wird öffentlich weniger diskutiert, ist aber für das Selbstverständnis und den theoretischen Ansatz der Neuen Linken von großer Bedeutung. Die Rede ist von dem Moment des Plötzlichen, von der Idee eines raschen Umschlags. Die Rhetorik der überraschenden, intensiven Wende findet sich zuerst bei Theoretikern und Gruppen, die in

68 | 1968 der Tradition avantgardistischer (etwa surrealistischer) Programmatiken der Revolte stehen, in die wiederum anarchistische Überzeugungen des 19. Jahrhunderts eingegangen sind (vgl. Hecken 2006b). Diese Rhetorik verbindet sich gerne mit der Hoffnung auf eine jäh wirkende revolutionäre oder revoltierende Gewalt, mit der Idee eines Ausnahmezustands, der das »geschichtliche Kontinuum der Gewalt aufsprengen kann«, wie Marcuse mit Walter Benjamin sagt (Marcuse 1965: 100). Weitere Bedeutung über kleinere kulturrevolutionäre, situationistische und neoanarchistische Gruppierungen hinaus gewinnt die Feier und Konzeption einer plötzlichen, schockartigen, gewaltförmigen Durchbrechung alltäglicher Routinen und herrschender Institutionen, weil sie mit der Gesellschaftsdiagnose der Neuen Linken vermittelt werden kann. In der eindimensionalen Gesellschaft manipulierter Öffentlichkeit und wegen der sozialstaatlichen Entschärfung von Klassenkonflikten scheint es ihnen nicht länger sinnvoll zu sein, auf die Auswirkungen ökonomischer Krisen zu warten oder gar innerhalb des parlamentarischen Systems Änderungen betreiben zu wollen (Offe 1968a: 106). Gerade weil für sie das System derart geschlossen wirkt, erscheint es der Neuen Linken möglich, dass bereits die deutliche Verweigerung einer kleineren Gruppe der Bevölkerung alles in Frage stellen könne. Werde der herrschende Rahmen einmal aufgesprengt, glaubt z.B. Rudi Dutschke, könne dies den Ausgangspunkt für eine umfassende Bewusstseinsveränderung und damit für eine sich schnell ausbreitende, spontane Emanzipationsbewegung der Massen bilden (1968a: 89; vgl. Hubert 1992: 130ff.). Die Frage bleibt dann, was die häufig benutzten Metaphern des Sprengens und Durchbrechens genau besagen sollen. Die Frage gewinnt an Dramatik, wenn man zusätzlich zu den bereits angeführten Texten noch die Aussage eines amerikanischen Studentensprechers aus dem Jahr 1967 heranzieht, nach der in den Gesprächen unter seinesgleichen der Terrorismus eines der bevorzugten Themen sei (Richman u.a. 1969: 120). Um die Dramatik aber erst sofort wieder zu nehmen: Bis einschließlich 1968 bleibt das ein reines Konversationsthema. Dass die angestrebte Überführung lateinamerikanischer Guerilla-Strategien in den Westen sich weitgehend auf Ordnungsverstöße beschränkt und bei den führenden Vertretern der weißen außerparlamentarischen Bewegung auch theoretisch (im Höchstfall) über Sabotageakte nicht hinausgeht, haben wir bereits gesehen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass nicht wenige Studentensprecher sich nach den zerstörerischen Revolten in den elenden Schwarzenvierteln amerikanischer Großstädte (Kopkind 1968: 37ff.) eine organisiertere schwarze Gegengewalt gut vorstellen können (Hayden 1967: 70f.; Hayden 1969: 153) und später folgerichtig starke Sympathien für die im Rahmen einer erklärten Guerilla-Strategie offen gewaltbereiten Black Panthers (Newton 1970; vgl. Brandes/Burke 1970: 229ff.) zeigen (vgl. Juchler 1996).

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 69 Von einzelnen Ausnahmen abgesehen – wie dem Brandanschlag auf ein Frankfurter Kaufhaus Anfang April 1968 durch Andreas Baader und Gudrun Ensslin, der zudem außer von einer neoanarchistischen Kommune im Frühjahr/Sommer ’68 einhellig öffentlich abgelehnt (Negt 1998b: 361; Reiche 1968b: 94f.) oder wenigstens nicht offen unterstützt wird (vgl. Hakemi/Hecken 2006) –, bleibt es in Deutschland wie auch international bei den Sitzblockaden und militanten Demonstrationszügen. Letztere werden allerdings zunehmend heftiger von »Gewalt gegen Sachen« geprägt, wie es im Wortgebrauch der deutschen Neuen Linken heißt, die sich das Recht solcher Gewaltausübung im Gegensatz zu tätlichen Angriffen auf Personen vorbehält (Roth 1968: 166). In der Mitte des Jahres 1968 geht diese Gewalt aber nun über zerschlagene Scheiben am Rande von Demonstrationszügen hinaus. In Deutschland bleibt der auf dem »Internationalen Vietnam-Kongress« im Februar geforderte »Kampf gegen die NATO-Stützpunkte« zwar eine bloße Parole (Krahl 1998: 346). Auch zu den von Dutschke generalstabsmäßig angestrebten Aktionen gegen SFB, Polizei-, Armee-, Gerichtsgebäude, gegen das Springer-Hochhaus und gegen das Parlament kommt es nur in einem Fall – nach dem beinahe tödlichen Attentat auf Dutschke werden Ostern 1968 verschiedene Gebäude des Springer-Verlags belagert, um die Auslieferung der Zeitungen, in deren Reportern und Kolumnisten man die Anstifter des Anschlags auf Dutschke erkennt, teilweise mit Hilfe von Steinwürfen und angezündeten Autos zu verhindern. Die Intensität und Aggressivität der Auseinandersetzungen nimmt jedoch auch über die unmittelbaren Tage nach dem schockierenden Attentat allgemein deutlich zu. Genau wie bei den Ordnungsstörungen innerhalb der Universität und den Verletzungen von Auflagen bei Demonstrationen stellt sich jetzt die Lage dar – allerdings auf einem beträchtlich erhöhten Niveau der Gewaltausübung. Beide Seiten können ohne große Mühe jeweils den Gegner als Grund der Eskalation angeben. Verweist die staatliche Seite auf die begangenen Rechtsbrüche der Demonstranten (und beruft sich auf die demokratisch verabschiedeten Gesetze), prangert die außerparlamentarische Opposition das teilweise brutale Vorgehen der Staatsmacht an (und sieht sich mit einem höheren Recht im Bunde). Die Straßenschlachten mit der Polizei werden folgerichtig international die nächsten Monate prägen. Diese Auseinandersetzungen schaffen zweifellos einen großen Erfolg der radikal oppositionellen Kräfte. Ohne zentrale Lenkung, nur durch die Überzeugungskraft der ausgegebenen Losungen und Ziele, im spektakulären Zusammenspiel mit den Medien, bilden die konfliktträchtigen Ereignisse einen starken Motor zur Mobilisierung und Neugewinnung von Anhängern. Die Idee, dass sich am Aufsehen erregenden, politisch zugespitzten, sinnlich agitierenden Kampf mit der Staatsmacht ein neues politisches Bewusstsein entzünden wird, kann sich zu einem nicht unbeträchtli-

70 | 1968 chen Teil bestätigt sehen. Auch wenn die Eskalation und schnelle Abfolge der Ereignisse nach ihren zeitweiligen Höhepunkten (wie etwa Ostern 1968 in Deutschland, der Besetzung der Columbia-Universität in New York Ende April, beim Marsch auf Chicago im August) nur im Falle des Pariser Mai zu einer großen Welle von Streiks außerhalb der Universitäten führt, steht jedem zeitgenössischen Beobachter eindrucksvoll vor Augen, in welch starkem Maße die anfänglich kleine Bewegung die literarische Intelligenz, Oberschüler und Studenten erfasst hat.

Mögliche revolutionäre Subjekte Gemessen an ihren eigenen langjährigen Analysen und Diagnosen, sollte die Neue Linke von der überwiegend intellektuellen, studentischen und jungen Zusammensetzung ihrer Anhängerschaft nicht überrascht sein, gehört es doch seit C. Wright Mills zu ihrem festen politisch-wissenschaftlichen Repertoire, die Arbeiterklasse als revolutionäres Subjekt zu verabschieden und an deren Stelle nach neuen Protagonisten einer tiefgreifenden Änderung bzw. eines jähen Umsturzes zu suchen. Zu Beginn des Kapitels ist bereits auf Marcuses einflussreiche These hingewiesen worden, wonach in der eindimensionalen Gesellschaft Widerstand nur noch von den Ausgeschlossenen und Marginalisierten zu erwarten sei. Die Neue Linke folgt der Auffassung nach 1966 vor allem in der Form, dass sie große Hoffnungen mit den Kolonisierten, im Weltmaßstab besonders Ausgebeuteten bzw. den von US-Militär und -Geheimdiensten bedrohten Befreiungsbewegungen der Dritten Welt verbindet (vgl. Horlemann 1989: 231f.). Daneben kann wegen der unterstellten Geschlossenheit des westlichen Wirtschaftsstaates auf alle möglichen Kräfte gesetzt werden, die einen (sich dann schnell verbreiternden) Bruch im bzw. mit dem System herbeiführen (sollen); in der einzigen längeren, aus zahlreichen Lesefrüchten und politischen Versatzstücken zusammengesetzten Abhandlung Dutschkes (1968a) werden etwa neben den Schülern, den Arbeitslosen, den Unterprivilegierten auch wieder Teile der Arbeiterklasse als mögliche revolutionäre Subjekte aufgerufen, die den herrschenden Rahmen sprengen könnten. Der amerikanische SDS hat sich bereits zuvor die These Marcuses insofern praktisch zu Eigen gemacht, als er bis 1966 überwiegend auf die politische Arbeit mit den Schwarzen und mit den Armen setzt, wobei die Studenten sich selbst nur eine unterstützende, organisierende Rolle und die eigentliche Kraft den entrechteten Gruppen zubilligen (Wittman 1970; Gitlin 1970; vgl. Pasolini 1982a). In Deutschland setzen Bemühungen um die Bewohner von Trabantensiedlungen, um Heimzöglinge und um jugendliche Strafgefangene überwiegend erst 1969 ein, die theoretische Begründung dafür liegt aber be-

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 71 reits zuvor bereit. Wegen der staatlichen Eingriffe in den Wirtschaftszyklus zur Vermeidung durchschlagender Krisen und wegen der ausgleichenden sozialstaatlichen Programme würden Klassenkonflikte zunehmend von einem zumindest teilweise übergreifenden Schema der Ungleichheit überlagert. Neben den verelendeten Gebieten einzelner Vorstädte stünden demnach die zum Teil schichtenunabhängigen Probleme der Phase nach der Beendigung des Berufslebens, stünde die »Marginalsituation« der ethnischen Minderheiten, der Süchtigen, Verwirrten und Kriminellen (Bergmann u.a. 1968: 86). Viele Theoretiker und Strategen der Neuen Linken haben aber nach den Unruhen in Berkeley, Berlin etc. noch ein ganz anderes mögliches Subjekt der Revolte entdeckt – den Studenten. Bezogen auf den SDS muss man also sagen: Sie entdecken sich selbst. Besonders in den Jahren 1966/67 haben sie den Ehrgeiz, nicht einfach nur auf ihre eigene Praxis zu verweisen, sondern eine soziologische und sozialpsychologische Erklärung aufzubieten, weshalb den Studenten eine erhöhte Bedeutung zukomme. Wenn die Armen und Marginalisierten Teil der Bewegung würden, weil sie nichts mehr zu verlieren hätten, schreibt etwa Tom Hayden, dann gehörten umgekehrt die Studenten dazu, weil sie bereits von Geburt an, als Angehörige der Mittel- und Oberschicht, über weitreichende Möglichkeiten verfügten; in der zur Bildungsfabrik ausgebauten Universität müssten sie jedoch feststellen, dass sie bereits dort zum Teil auf relativ unkreative Aufgaben verwiesen werden, um anschließend ihre Laufbahn als Rädchen im System fortsetzen zu können bzw. zu müssen (Hayden 1970a: 207; andere weiten diesen Widerspruch später auf den Sozialisationsprozess insgesamt aus und rücken damit die Jugendlichen – youth – als möglichen Träger des Protests in den Blickpunkt: Gilbert/Gottlieb/Sutheim 1970: 435). Der Widerspruch zwischen der wenigstens noch zum Teil anspruchsvollen Ausbildung sowie einer durch erhöhte technologische oder bürokratische Anforderungen komplexen Arbeit auf der einen Seite und der rechtlich sowie hierarchisch unselbstständigen Stellung auf der anderen Seite trage – ähnlich wie bei den nicht-akademischen Technikern und Funktionären innerhalb des Produktionsprozesses (Mallet 1972a: 224) – zur Politisierung der Studenten bei und öffne ihnen die Augen für eine mögliche demokratischere, autonomere, weniger entfremdete Verwendung ihrer Fähigkeiten (Habermas 1998: 451f.) – wie auch insgesamt bei einer Arbeiterklasse, die sich durch die Zunahme der neuen Schicht der Angestellten und technischen Intelligenz verändert habe, nicht mehr die Forderungen nach Abschaffung des Privateigentums, sondern nach einer Teilhabe am technokratischen Entscheidungsprozess im Vordergrund stehen sollten (Touraine 1959). Durch die verstärkte Bedeutung akademischen Wissens für die Produktion und Verwaltung vergrößere sich zudem schlicht die Zahl der Studen-

72 | 1968 ten; zugleich nähmen sie später im Produktionsprozess eine wesentlich bedeutendere Rolle als zuvor ein. Deshalb könne die new working class ebenfalls bereits auf der Stufe der Ausbildung eine bedeutendere Rolle bei der Revolutionierung der Gesellschaft spielen (Davidson 1970: 333; Calvert 1970: 416; Marcuse 1998c: 454; vgl. Breines 1982: 96ff.), wenn sie ihre Anstrengungen wider die »profitorientierte Leistungsuniversität« verstärke (Dutschke 1967: 157). Der Abstand zur traditionellen Linken wird dadurch wiederum sehr deutlich. Zum einen wird die Selbstberufung zu einem kleineren Teil von dem radikaldemokratisch-anarchistischen Verlangen getragen, keine Stellvertretungspolitik durchzuführen; ein revolutionäres Bewusstsein müsse immer von der eigenen Lage ausgehen, müsse immer vom Wunsch angetrieben werden, die eigene Unfreiheit zu überwinden (Calvert 1970: 415); Rudi Dutschke spricht in gleichem Sinne in Deutschland davon, dass die Berufung auf die eigenen individuellen Bedürfnisse es verhindere, dass sich Strukturen herausbilden, die es Parteien erlaubten, sich als repräsentative Organisationen allgemeinerer Interessen auszugeben (1968a: 90). Es bleibt aber nicht bei einer solchen Absage an gängige Parteien auch sozialistischen Typs. Zum anderen entspringen all diese Überlegungen dem ganz und gar unmarxistischen Bemühen, eine antikapitalistische Bewegung oder zumindest einen revolutionären Katalysator, einen »›Détonateur‹« abseits der Arbeiterklasse zu begründen (Marcuse 1998c: 454; Cohn-Bendit 1968a: 77).

Entfremdungs- und Konsumkritik Ablesen kann man die Distanz zum traditionellen Marxismus direkt daran, dass es wenig Kontakte zu den bestehenden kommunistischen Parteien gibt, wie vor allem das Beispiel Frankreichs nachdrücklich belegt. Aufgrund von diffusen Nachrichten aus dem sehr fernen Osten sind sogar viele Neue Linke geneigt, das chinesische Modell dem Sowjetsozialismus weit vorzuziehen, weil man in der chinesischen Kulturrevolution einen gegen die bürokratische Macht und gegen verfestigte Autorität gerichteten spontanen Aufschwung vermutet. Es geht aber der Neuen Linken nicht nur um eine Kritik der Repression »innerparteilicher Demokratie« und an den kaum »wirklich sozialistischen« sowjetischen Staaten, wie Rudi Dutschke sagt (1968a: 48, 62), sondern auch an deren ökonomischer Ausrichtung. Hier ist erneut Herbert Marcuse anzuführen, der bereits frühzeitig scharfe Kritik an der sowjetischen Wirtschaftsorganisation übt. Die Zielvorgabe der Produktivitätssteigerung, welche mit harschen Disziplinforderungen und einer technokratisch installierten Hierarchie einhergeht, erfüllt für Marcuse selbst unter den Bedingungen enteigneten Privateigentums

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 73 keineswegs sozialistische Ansprüche. Ganz entgegen den sowjetischen Einschätzungen hält Marcuse fest, dass die entfremdete Arbeit nicht einfach aufhöre, wenn die Produktionsmittel verstaatlicht worden seien (1964: 90; so auch schon bereits die französische Gruppe Socialisme ou Barbarie: Castoriadis 1980a). In ähnlicher Weise gilt nach Marcuse aber für die westlichen Länder, dass die enorm erhöhte Produktivität und der damit verbundene Zuwachs an Konsumgütern in den Haushalten der Arbeiter nichts über ein Ende der Entfremdung besage. Im Gegenteil, die »technische Struktur«, deren Prinzipien der Arbeitsteilung bzw. der rationalisierten, einseitigen, erschöpfenden Tätigkeit die Bevölkerung unterworfen werde, sei dadurch stärker denn je – weil die Menschen wegen der konsumistischen Manipulation ihrer Bedürfnisse die herrschende technologische Kontrolle alternativlos als Form der Vernunft anerkennen würden. Seine Diagnose von der Integration der Arbeiterklasse ins kapitalistische System weitet Marcuse damit zum Urteil aus, die bestehenden Gesellschaften seien durch eine »ökonomisch-technische Gleichschaltung« gekennzeichnet (1989: 29, 23). Der Akzent der Kapitalismuskritik verschiebt sich freilich trotz der angedeuteten Verflochtenheit von Ökonomie und Technik bei Marcuse nicht selten zur Kritik der rationalisierten Arbeit und Freizeit sowie ihrer bürokratischen und massenmedialen Kontrolle (vgl. Offe 1968b). Die Neue Linke steht deutlich erkennbar in der Tradition jener entfremdungskritischen Marxisten wie Georg Lukács, die Marx’ Theorem vom Fetischcharakter der Ware wieder stärker mit den humanistisch-idealistischen Ansprüchen des frühen Marx aufladen. Geht es im Kapital bei der Rede vom Fetischcharakter darum aufzuzeigen, dass sich den Menschen die eigenen produktiven Gestaltungsmöglichkeiten in der kapitalistischen Gesellschaft zum Sachzwang verkehren, bildet in der entgrenzten Form der Kritik bereits die Arbeitsteilung den Grund der Entfremdung. Als zentraler Kritikpunkt am kapitalistischen System dient dann nicht mehr die Anklage materieller Ausbeutung, sondern die Anklage der immer stärker rationalisierten Arbeit; sie raube dem Ding seine konkrete, ganzheitlich erfahrbare Dimension und schalte zugleich die qualitativen, menschlich-individuellen Eigenschaften des Arbeiters aus (Lukács 1970: 177ff.). Für die Neue Linke ist der Kritikansatz besonders attraktiv, weil sie den Arbeiter u.a. wegen seiner erhöhten Teilhabe an den Produkten der Konsumgüterindustrie stark ins System integriert sieht. Die Kritik an der Entfremdung (und weniger an der Ausbeutung) bietet folgerichtig einen weiteren bzw. teilweise neuen bedeutenden Grund, die Revolutionierung der Verhältnisse anzustreben. Zugleich liefert sie sogar die Möglichkeit, die verbesserten materiellen Lebensbedingungen der Arbeiter scharf anzugreifen. Im Zeichen der Konsumkritik kann die angebliche Verbesserung ebenfalls schnell als Ausdruck und Verstärkung der Entfremdung erschei-

74 | 1968 nen, als Konsequenz manipulativ erzeugter falscher Bedürfnisse (Marcuse 1989: 25ff.). Die Kritik an der Nutzlosigkeit, dem falschen Schein, der tatsächlichen Gleichförmigkeit der nur durch Marketing-Vorspiegelungen und überflüssige Nebensächlichkeiten variierten Produkte besitzt bereits eine lange Tradition. Man findet sie in der Kulturkritik der antikapitalistischen Konservativen, bei lebensphilosophisch und -reformerisch Bewegten ebenso wie in der Frankfurter Schule, bei Soziologen der Massenkultur und in kleinen avantgardistischen Gruppierungen wie den französischen Situationisten und verwandten deutschen Gruppen wie der Subversiven Aktion oder der Kommune I (Hecken 2006a; 2006c). Die meisten linken Formen dieser teilweise übergreifenden Kulturkritik zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre Konsumkritik nicht von der Kritik an bestehenden Produktionsbedingungen lösen wollen. Besonders die Neue Linke hebt den Zusammenhang im Namen des Entfremdungsbegriffs hervor. In viel stärkerem Maße, als es den traditionellen Kommunisten und Sozialdemokraten möglich ist, nimmt ihre Kritik an den herrschenden Verhältnissen einen totalen Charakter an; das äußerst negative Urteil kann Arbeit und Freizeit zugleich treffen. Mode, Sozialtechnologie und die Werbung als besonders geschlossenes Universum der Manipulation (Haug 1964) verstärken in dieser Sicht nur, was die monotonen, rationalisierten, zur Unselbstständigkeit erziehenden Arbeitsverhältnisse bereits vorbereitet haben: den »passiven Massenverbraucher«. Der entfremdete Mensch sei »der (manuell, intellektuell oder im ›Weißkittel‹) Arbeitende, der, atomisiert, durch die Wohnbedingungen vereinzelt, zur Passivität verurteilt und der militärischen Disziplin der Fabrik unterworfen, von seinem Produkt abgeschnitten und dazu verdammt ist, seine Zeit zu verkaufen, gelehrig eine vorfabrizierte Aufgabe auszuführen, ohne sich um Sinn und Zweck seiner Arbeit zu kümmern. […] Weil der Arbeitnehmer bei ›seiner‹ Arbeit nicht ›bei sich‹ ist, […] sind die aktiven und schöpferischen Bedürfnisse des Individuums beschnitten; und es findet seine Souveränität erst in der Nicht-Arbeit, d.h. in der Befriedigung der passiven Bedürfnisse, im Konsum und im häuslichen Leben. Auf der Basis dieser ersten Vorbestimmung konnte der Monopolkapitalismus die Bedürfnisse nach passivem und individuellem Konsum beeinflussen. […] Und je weiter er auf diesem Weg fortschreitet, desto mehr betäubt er eine Menschheit, die der Vermassung anheimgegeben ist. Sie wird verstümmelt durch Befriedigungen, die das grundlegende Unbefriedigtsein unberührt lassen, aber gleichzeitig davon ablenken. Um so mehr hofft der Monopolkapitalismus, daß diese mit den Mitteln der Flucht betäubten Menschen auch vergessen werden, wie fragwürdig das ganze, auf Entfremdung der Arbeit beruhende System ist. Er zivilisiert den Konsum und die Freizeitbeschäftigungen, um nicht die gesellschaftlichen Beziehungen, die Arbeits- und Produktionsbedingungen zivilisieren zu

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 75 müssen; er entfremdet die Individuen in ihrer Arbeit, um sie als Konsumenten entfremden zu können; und umgekehrt entfremdet er sie als Konsumenten, um sie in ihrer Arbeit um so eher entfremden zu können.« (Gorz 1967: 92f.)

Man könnte demnach vermuten, dass der hergestellte Zusammenhang zwischen den kapitalistisch-rationalistisch auferlegten Arbeitsbedingungen und den zweifelhaften Freizeitvergnügungen die Neue Linke davor bewahrt, in eine allzu direkte Kritik der Konsumwelt zu verfallen. In einer Hinsicht trifft dies auch zu; im Unterschied zu manchem konservativen Kulturkritiker wird nicht einfach der naturgegebene schlechte Geschmack der Masse bzw. der niederen Schichten konstatiert; das Theorem der Manipulation schützt vor solcher Ursachenfindung. Andererseits verselbstständigt sich die Konsumkritik auch in Reihen der Neuen Linken überaus häufig; dann rücken Unterhaltungsangebote und Konsumgegenstände in den Rang eminent gefährlicher, bedeutender Objekte vor, dann erscheinen auch ihre Käufer und Rezipienten wenigstens indirekt als hochgradig verdorbene, abzuwertende Subjekte. Auch wenn die Abneigung gegen die konsumierenden Kleinbürger gerade in der alltäglichen Kommunikation nicht selten offen zum Ausdruck kommt, kann man aber an der Sprache weiterhin den behaupteten ursächlichen Vorrang des Systems, das die manipulationsstarken Objekte hervorbringt, ablesen. Von der ab 1968 unablässig beklagten »Kommerzialisierung« bis hin zu dem mit leichter Hand diagnostizierten »Konsumterror« reicht das Spektrum der in Artikeln und Aufsätzen oft gebrauchten, einschlägigen Begriffe.

Kritik der Herrschaft In der Frontstellung gegen die weitgefasste Entfremdung des Menschen (und weniger gegen die relativ schlechte materielle Lage der meisten Lohnabhängigen) besteht der Ansatz, der die neue am stärksten von der alten Linken trennt. Nicht nur die Entfremdung des Arbeiters innerhalb des Bereichs der Produktion, sondern auch die Entfremdung der Arbeiter und Angestellten in der Gesellschaft rückt dabei in den kritischen Blick. Überall ist man, wie Sartre sagt, seinem Schicksal ausgeliefert, auch als Student; niemals sei man Subjekt, sondern immer bloß Objekt, den Weichenstellungen anderer ausgeliefert (1974b: 64). Die Rede von der Entfremdung wächst sich so zu einem Superprinzip aus, mit dessen Hilfe – noch einmal über die rationalisierten Abläufe und die Welt des Konsums hinaus – alle möglichen wichtigen gesellschaftlichen Bereiche negativ bemessen werden können. Als einer der Wortführer der neulinken Intellektuellen spricht André Gorz frühzeitig davon, dass die Menschen nicht nur in ihrer Rolle als Ar-

76 | 1968 beiter, sondern ebenfalls als Staatsbürger der Entfremdung anheim fielen. Hochgetriebene Konsumkritik verbindet sich bei ihm mit einer Kritik der Herrschaftsverhältnisse, die aus seiner Sicht ebenso zur Passivität zwingen wie die Verhältnisse in Produktion und Konsumtion. Den Kapitalismus gelte es darum als »Prinzip einer autoritären Gesellschaft« abzulehnen (ebd.: 41). Schon seit seiner Anfangsphase hat der amerikanische SDS genau dies getan. Allgemein prangert der SDS die zur Unselbstständigkeit des Einzelnen führenden, entfremdeten Verhältnisse an, um in seiner Funktion als Studentenvereinigung besonders die universitären Zustände negativ hervorzuheben, den Abstand zwischen Lehrer und Schüler, die Abdichtung der vorgeblich wertfrei ausgesuchten und behandelten Studieninhalte von anstehenden gesellschaftlichen Problemen sowie die Zergliederung des Studiums, welche in den Augen des SDS ein notwendiges ganzheitlicheres Verständnis verhindert. Gebündelt werden die kritischen Punkte in dem Vorwurf an die Professoren, sie würden das Engagement und die Eigentätigkeit der Studenten repressiv beschneiden (SDS 1970a: 155). Der Vorwurf autoritären Verhaltens richtet sich folglich nicht allein auf jene Maßnahmen, die gegen die Aktionen der antiautoritären Studenten getroffen werden, er beschränkt sich nicht darauf, die Professoren anzuklagen, auf die Proteste überwiegend mit Repressalien zu reagieren. Die Ablehnung autoritärer Strukturen schließt auch die Organisation des Studiums ein, deshalb drängen die Studenten auf demokratische Möglichkeiten der Mitwirkung an der universitären Verwaltung und bei der Bestimmung der Forschungsziele (Hager 1967: 126, 18). Sinnfälligen Ausdruck findet die Kritik der Herrschaftsverhältnisse in der Ablehnung bestimmter Prozeduren und Habitusformen, in denen der gewollte Abstand, das Machtgefälle sowohl materiell als auch symbolisch zum Ausdruck kommen. In der breiteren Öffentlichkeit wird die antiautoritäre Kritik vornehmlich am Beispiel der Ablehnung solcher Formen – das Tragen von Talaren, das Aufstehen vor Gericht, die ununterbrochene Vorlesung – diskutiert. Auch ohne ausgesprochene Kritik kann in derartigen Situationen und sogar in weniger institutionellen Zusammenhängen bereits das zunehmend informellere Aussehen der Studenten sowie ihre entweder lässigere oder forderndere Haltung als Affront wahrgenommen werden. Die Kritik der Herrschaft umspannt demnach enorm große und unterschiedliche Gebiete. Wenn etwa der Soziologe Jaeggi zuerst in traditioneller Weise gegen das autoritäre Regime anschreibt und ausführt, dass der deutsche Staat nach wie vor ein Obrigkeitsstaat sei, der es sich »auch jetzt, ohne großen Widerspruch, leisten konnte, in fast allen Bereichen Mittäter und Mitverantwortliche des Dritten Reichs wieder einzustellen«, dann vergleicht er dies im nächsten Satz sofort mit den Abläufen, wie sie in der

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 77 Wirtschaft üblich seien: »[D]ie Weisungen und Ideen kommen von oben und werden nach unten weitergegeben.« (1969 : 210) Aber der Kreis kann noch viel weiter gezogen werden; Dutschke spricht unisono in negativer Absicht von Autorität (oder in positiver Hinsicht von wünschenswertem antiautoritären Widerstand), wenn er das militaristische Gepräge der Polizei, die universitäre Bürokratie, die »Herrschaftsstruktur des Systems« oder noch allgemeiner Manipulation und Unterdrückung zum Thema macht (1968a: 92, 68, 77, 90). Ein anderes Mitglied des deutschen SDS identifiziert den autoritären Staat mit dem gesamten System der »psychischen und der politischen Manipulation, der gesteuerten Information, der gesteuerten Bedürfnisweckung und der Lenkung und Kanalisierung der Bedürfnisbefriedigung«; zentral beruhe die Möglichkeit der Manipulation auf der Atomisierung der Bevölkerung, die, als je Einzelne – als Konsument, Rezipient, Wähler, Arbeitnehmer – aufgerufen, den Weisungen leicht unterliegen (Reiche 1968a: 28). Mit den Worten Jean-Paul Sartres: Die Unfreiheit und Abhängigkeit herrscht überall. Als Produzent, sei es als Arbeiter, Angestellter oder Student, unterliege man ganz offensichtlich der Entfremdung; alles sei von außen festgelegt, Arbeitsablauf, Lohn, Examen. Aber auch als Konsument werde man in seinen Bedürfnissen manipuliert und könne keineswegs frei entscheiden (1974b: 64). Darum stehe hier erst einmal nicht die Frage des Eigentums im Vordergrund, sondern die der Macht. In der Konsumgesellschaft sei es in erster Linie von Bedeutung, am »Entscheidungs- und Kontrollprozeß« teilnehmen zu können. Umso dringlicher erscheint dieses Anliegen, weil selbst im engeren, politischen Bereich der Demokratie nach Einschätzung Sartres solche Mitbestimmung nicht gewährleistet ist. Zwar besäßen alle das Wahlrecht, aber tatsächlich werde den meisten Gruppen die Souveränität vorenthalten. Gegen die Herrschaft, gegen die Autorität wird deshalb die Forderung nach dem Vermögen, über das eigene Tun entscheiden zu können, gestellt. Sartre vergisst dabei in den Tagen unmittelbar nach dem Mai ’68 natürlich nicht herauszustellen, dass das Verlangen nach Souveränität nicht das Verlangen eines Einzelnen sein darf, sondern eine gemeinsame Handlung darstellen müsse; auf die Art und Weise entstehe im Widerstand gegen die Herrschaft die »Forderung nach einer ›Macht‹ – einer Black Power, einer Studentenmacht, einer Arbeitermacht« (1974a: 54).

Feminismus Kein Zufall ist, dass in Sartres Aufzählung verschiedener Gegenmächte – die Schwarzen, die Studenten, die Arbeiter – die Frauen nicht vorkommen. Die große Sensibilität für autoritäre Verletzungen demokratischer, partizi-

78 | 1968 patorischer Anforderungen reicht allgemein in der von Männern bestimmten Bewegung noch nicht aus, um Ansätze zu einem weiblich bestimmten Widerstand zu erkennen oder zu fördern, und das, obwohl es an historischen Vorläufer des Feminismus, bekannten Abhandlungen (vor allem Simone de Beauvoirs Das andere Geschlecht), einer amerikanischen liberalen Frauenrechtsorganisation (NOW, unter Leitung Betty Friedans) und vor 1968 selbst an einschlägigen Aufsätzen von Autorinnen wie Juliet Mitchell und Jane Adams in Zeitschriften der Neuen Linken und des SDS nicht fehlt (Evans 1980; Rossinow 1998: 297ff.; Maleck-Lewy/Maleck 1998; Krauss 1999; Gosse 2005: 156ff.). Die feministischen Ansätze bleiben in der außerparlamentarischen Bewegung noch unerhört. Rudi Dutschke etwa nimmt die Frauen nur einmal in den Blick; »nicht auszudenken«, schreibt er, »was eine organisierte Weigerung politisierter Hausfrauen, die überdimensionalen Mieten zu bezahlen, für den staatlich-gesellschaftlichen Apparat bedeutete« (1998: 260). Die Vorstellung bleibt aber im Konjunktiv und wird nicht weiter verfolgt. Bei Herbert Marcuse rücken ebenfalls die Hausfrauen einmal kurz ins Blickfeld, bei ihm sogar im Indikativ; er weiß zu berichten, dass Aktivisten beim Sammeln von Unterschriften gegen den Vietnamkrieg bei den Hausfrauen am meisten Verständnis gefunden hätten. »Sind Frauen von der Aggressivität der männlichen Gesellschaft noch relativ verschont?«, fragt sich Marcuse deshalb (1998d: 207). Aus früheren Einlassungen Marcuses ist bekannt, dass er die Frage bejaht. Gerade weil er die Ansicht vertritt, kann er die Emanzipation der Frauen von der häuslichen Sphäre unter den gegebenen Umständen aber nicht begrüßen; die zunehmende Eingliederung der Frauen ins Berufssystem leistet für ihn lediglich der Verwandlung der Frau in ein »Arbeitsinstrument« Vorschub; anstatt die Arbeitsverhältnisse zu verändern, werde durch diese Emanzipation die Frau derselben Repression ausgesetzt wie bereits der Mann (1962: 4f.). Aus vielen Erinnerungen von Teilnehmerinnen an der außerparlamentarischen Bewegung ist allerdings bekannt, dass die Gefahr, in gleicher Weise einer abhängigen, unbefriedigenden Arbeit nachgehen zu müssen, keineswegs bestand. Selbst in Reihen der Antiautoritären ist nach ihrem Zeugnis die Arbeitsteilung stark von der Geschlechterordnung bestimmt gewesen. Häufig bekommt man deshalb in feministischen Rückblicken auf die Studentenbewegung als Bilanz das einprägsame Bild vor Augen geführt, dass Männer redeten und theoretisierten, während Frauen Texte abtippten oder Geschirr säuberten (Munaker/Goldfield/Weisstein 1969: 241). Als generelle Bilanz ist das Bild freilich überzeichnet, zumindest in einigen persönlichen Erinnerungen, aber auch in den Ämterlisten zeigt sich, dass Frauen etwa im SDS zumindest größere Möglichkeiten hatten, bedeutende Positionen einzunehmen, als in vergleichbaren anderen Ver-

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 79 bänden (Kätzel 2002; Foley 2003). Trotz der kleinen Relativierung bleibt aber unbestritten, dass von einer tatsächlichen Gleichstellung keine Rede sein kann. Nicht einmal in den theoretischen, politischen Grundsatztexten der linken Antiautoritären oder anarchistischen Provos findet sich die Emanzipation der Frauen als wichtiges Ziel aufgenommen. Dennoch zeigt sich die radikaldemokratische Kraft der antiautoritären Programme und Bekenntnisse – selbst wenn sie ausdrücklich nur an entfremdete Studenten und Arbeiter, manipulierte Konsumenten, Zeitungsleser, Wähler oder an marginalisierte Volksschichten wie die Schwarzen oder die Internierten gerichtet sind – auch in der Frauenfrage. Es ist auch kein Zufall, dass eine scharfe feministische Kritik gerade aus dem SDS heraus erwächst (und nicht aus anderen politischen Parteien oder gesellschaftlichen Organisationen). Die nachdrücklich formulierten antiautoritären Ziele – Aufhebung der Trennungen, Stärkung egalitärer Beteiligung – bieten die beste Voraussetzung, von Gruppen aufgegriffen zu werden, die unterrepräsentiert sind. Diese Möglichkeit ergreifen ab Mitte 1968 auch und gerade Frauen im SDS und in anderen linken Zusammenhängen, indem sie die speziellen männlichen Handlungen an deren eigenen, prinzipiellen antiautoritären Ansprüchen messen (Echols 1994). Die Kritik an der bislang untergründigen und nun von den Betroffenen sichtbar gemachten Ungleichbehandlung und Einengung kann vollständig in dem allgemein bereits akzeptierten Vokabular vorgebracht werden. Dass die mangelnde Berücksichtigung der Frauen nicht von den (männlichen) Wortführern und Organisatoren der Bewegung selbst erkannt worden ist, lässt den Widerspruch, wenn er denn erst einmal benannt worden ist, sogar besonders deutlich hervortreten. Unter der Voraussetzung überrascht es kaum, dass die ersten feministischen Stellungnahmen nach der langen Phase mehr oder minder erzwungenen Schweigens und männlicher Ignoranz oftmals einen eruptiven Charakter besitzen, in denen sich die lange hingenommenen oder als solche noch nicht politisch erkannten Zurückstufungen und sexistischen Erniedrigungen nun kritisch Bahn brechen. Dann rücken auf einmal nicht die Kapitalisten, die Lehrer oder die Chefs, sondern die eigenen männlichen Genossen im SDS als Unterdrücker und autoritäre Machthaber hart in den Blick (Steffen 1977: 221); scharf wird der fortwährende männliche Versuch denunziert, den Frauen sowohl mit »sozialistischem intellektuellen pathos« als auch mit »sozialistischem bumszwang« das »maul« zu stopfen (Weiberrat der Gruppe Frankfurt 1977; vgl. Schulz 2002: 79ff.). Solche Kritik ist nicht nur ganz vom radikalen antiautoritären Gestus getragen, sie beruht auch vollständig auf den bekannten antiautoritären Prinzipien: Die Gruppe WITCH (Women’s International Terrorist Conspiracy From Hell) agitiert 1968 gegen alles, was »repressive, solely maleoriented, greedy, puritanical, authoritarian« ist (1971: 203); autoritäre Ver-

80 | 1968 hältnisse im Alltagsleben sollen nicht als rein private Angelegenheit, sondern als Folge und Stütze politisch-ökonomischer Strukturen begriffen werden (Aktionsrat zur Befreiung der Frauen 1980: 220; Witt 1969; zu entsprechenden feministisch angelegten Kommunen und Gegenkulturplänen der Zeit ab 1969 vgl. Echols 1989; Hecken 2006c: 111ff.). Unter dieser Voraussetzung, nach der das Private (auch) das Politische ist, finden sich weitere feministische Ausarbeitungen bekannter Themen und Thesen der Neuen Linken, etwa Überlegungen zur übergreifenden Bedeutung sexueller Handlungen (hier besonders zum negativ eingestuften Vorrang des vaginalen Orgasmus; Lydon 1970) oder die Kritik an den (Frauen noch besonders betreffenden) manipulierenden und entfremdenden Wirkungen des modernen Konsums (Jaffe/Dohrn 1970), eine Kritik, die sich schnell auch auf die exklusiv chauvinistisch ausgerichtete Ikonographie sexueller Freiheit richtet (ebd.: 355; Rowbotham 2000: 208ff.), wie man sie in den Illustrierten der Neuen Linken und den Underground-Büchern jener Tage von Konkret über Ramparts und Black Dwarf bis Acid sehr häufig antrifft. Weil die Anfänge der feministischen Bewegung sich erst sehr spät, 1968, herausbilden, bewahren sie in der Kritik der bis dahin weitgehend männlich geprägten antiautoritären Bewegung zugleich aber deren allgemeinen Geist getreu. Zu einem Zeitpunkt, da bedeutende Teile der Neuen Linken und antiautoritären Aktivisten eine proletarische Wende vollziehen, halten sie sich von einer strikt traditionellen marxistischen Politikkonzeption (bzw. ihrer maoistischen Zuspitzung und Überformung) fern. Selbst in der ab 1969 oft postulierten feministischen Grundthese, dass die Unterdrückung der Frau durch den Mann die historisch tiefliegendste Form der Machtausübung sei (und also mit der kapitalistischen Ordnung nicht verschwinden würde; vgl. Willis 1985: 93ff.), kann man noch deutlich den antiautoritären, kulturell ausgeweiteten Zugriff erkennen, der sich von einem sozialistischen, politökonomisch bestimmten Ansatz nie vollständig umfassen lässt.

Utopische Entwürfe An Ausdehnung und Schärfe ist die Kritik der Neuen Linken an der bestehenden Gesellschaftsordnung kaum zu überbieten. Die Gewissheit, warum viele Institutionen und Verfahrensweisen abzulehnen sind, prägt die Radikalität der umfassenden Kritik. Die Forderung, dass dies alles ein Ende haben müsse, ist nur konsequent. Zum begeisternden, selbstgewiss-euphorischen Ton der Kritik, der selbstverständlich mitunter in ein resigniertes oder deprimierendes Register umschlagen kann, trägt die Größe des Gegners auf etwas paradoxe Weise bei. Angesichts der eigenen Diagnose über die Reichweite und Totalität der autoritär-manipulativen Herrschaft

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 81 muss den Kritikern der Widerstand dagegen – und bestehe er erst einmal lediglich aus Worten – als äußerst mutiger Schritt vorkommen, der mit einem hohen Maß an Bewusstheit und gespannter Geistesgegenwart einhergeht. Die Kritik an den herrschenden Verhältnissen entzündet sich an zahllosen kleineren Anlässen oder auch weltpolitischen Ereignissen, das geht vom Protest gegen Fahrpreiserhöhungen bis zur Debatte über die Lage ganzer Kontinente. Sie ist aber, wie in den vorigen Kapiteln ausgeführt, prinzipiell orientiert. Diese grundsätzlichen Kritikpunkte können anhand der vielen tagesaktuellen Geschehnisse, zu denen die außerparlamentarische Bewegung selbst Beiträge liefert oder solche herausfordert, entwickelt oder bestätigt werden. Die prinzipielle Kritik kann demnach stets mit Details und fasslichen Beispielen gesättigt und anschaulich gemacht werden; die als umfassend wahrgenommene Wirklichkeit der autoritären Mächte liefert dazu ständig neues oder greifbares Material. Über die Kritik am Bestehenden hinaus liegt der weitere, vorwärtsweisende Schritt zuerst einfach darin, die Gründe, in deren Namen die Kritik vorgebracht wird, zu den Maximen und Zielen einer kommenden Gesellschaft zu erklären. Herbert Marcuse etwa verurteilt die eindimensionale moderne Industriegesellschaft, weil deren unbestrittene Produktivitätsfortschritte nach seinem Urteil nicht mit einem Rückgang der Arbeitsanstrengung und des ausgeübten Zwangs verbunden sind (wenn auch beide Repressionen einen mitunter stärker psychischen als direkt körperlichen Zug annehmen). Zudem hält Marcuse die »freie Auswahl zwischen gleichwertigen Marken und nichtigem Zubehör bei grundsätzlichem Konsumzwang« für ein weiteres Beispiel einer bloß scheinbaren Freiheit. Ebenso wie die freie Wahl der Herren weder Herren noch Untergebene abschaffe, bedeute die individuelle Auswahl unter einer großen Anzahl von Produkten und Dienstleistungsangeboten keine Freiheit, wenn diese Güter und ihre Aneignung dazu beitragen, den Zustand der Entfremdung im Bereich der Produktion wie der Konsumtion aufrechtzuerhalten. Folgerichtig ernennt Marcuse zum politischen Ziel einer künftigen Gesellschaft das Verschwinden der Autoritäten als »unabhängige, den Individuen aufgenötigte Mächte« – und bestimmt als ökonomisches Ziel die radikale Verringerung der Arbeitszeit, die »Verteilung lebenswichtiger Güter ohne Rücksicht auf Arbeitsleistung« sowie die Möglichkeit, innerhalb der Produktionsabläufe die Arbeit wechseln zu können, um nicht stets dieselbe Funktion einnehmen zu müssen (1989: 28f., 64). Die außerparlamentarische Bewegung wird die gleichen oder ähnlich weitreichende Ziele vertreten. Bemerkenswert ist aber, dass sie zum Teil – obwohl oder gerade weil ihr die Machtmittel fehlen – ihre Grundsätze in den kleineren Zusammenhängen und halbwegs ausgebildeten Organisationsformen, in denen sie agiert, bereits verwirklichen möchte. Gegen die

82 | 1968 Kritik der liberalen und konservativen Gegner, die Absichten der Neuen Linken seien utopisch, hatte C. Wright Mills zuerst vorgebracht, dass eine Konzeption, die auf strukturelle Änderungen abzielt, notwendigerweise zu Anfang in theoretischer Manier über die bestehenden Einrichtungen hinausgehen müsse; nur wenn man am Status quo festhalten wolle, könne man auf eine derartige utopische Ausrichtung verzichten (1969: 20f.). Der amerikanische SDS macht sich diese Haltung zu Eigen; zwar hält er in einer Erklärung des Jahres 1963 (nach den Erfahrungen des Stalinismus) Skepsis gegenüber den »alten Träumen der Linken« für angebracht und möchte selbst keine allzu selbstsicheren Formeln oder ausgetüftelten Theorien mehr vorlegen; dennoch will er ausdrücklich dem Niedergang utopischer Hoffnungen entgegenarbeiten (SDS 1970a: 149). Im Unterschied zu C. Wright Mills stellen die Sprecher des frühen amerikanischen SDS dabei aber deutlich heraus, dass ihre wegweisenden Theorien und utopischen sozialen Werte bereits – soweit es in ihrer Macht steht – unter den strukturellen Bedingungen der bestehenden Gesellschaft verwirklicht werden sollen. Besonders die Entfremdung und Isolierung der Menschen, die der SDS im großen Rahmen einer anderen, künftigen Gesellschaft demokratischer Mitwirkung aufheben möchte, soll schon in dem kleinen Rahmen der eigenen politischen Arbeit dank erfolgreich hergestellter politischer Partizipation weichen. Bei ihrem Versuch, in einigen Städten Teile der armen Bevölkerung zu mobilisieren, achten sie nicht nur stark darauf, an den unmittelbaren Interessen der Leute anzusetzen (Gitlin 1970), sondern versuchen sogar, ihnen bei Treffen in ihrer Nachbarschaft oder ihrer Gemeinschaft jene Redemacht und Entscheidungsgewalt zu übertragen, die ihnen sonst verwehrt oder abgesprochen wird (Hayden 1970a: 206). Der Gemeinschaftsgedanke, die Zielsetzung, dass die Organisation nicht von unpersönlich geregelten Abläufen, sondern von intensivem Austausch geprägt wird, bildet auch den hohen Anspruch an den eigenen politischen Verbund (Gitlin 1993: 104ff.). Eine andere antiautoritäre Strategie oder Denkfigur besteht darin, Hierarchien und Entscheidungszentren in der Bewegung der Aktionen und Demonstrationen zu verflüssigen (Dutschke 1968a: 63). All dies sind Dinge, die man erfolgreich innerhalb der Grenzen der eigenen, kleinen Gruppe oder Bewegung durchführen kann, durchführen könnte, wenn auch vielleicht um den Preis, relativ klein und ohne großen politischen Erfolg zu bleiben. Als die Zahl der politischen Aktivisten und gegenkulturellen Kräfte um 1968 beträchtlich wächst, wird sogar verstärkt versucht, in der Szene oder community eigene Kindergärten, Schulen, Arztpraxen einzurichten (Appleby 1969). Viel ferner liegen die Chancen auf Verwirklichung natürlich, falls die Ansprüche sich auf Institutionen richten, die der Welt des erkannten Gegners angehören. Solche Ansprüche

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 83 erscheinen darum leicht als utopisch, selbst wenn sie eventuell viel weniger menschenunmöglich sind, als es die Vertreter der bestehenden Einrichtungen unterstellen; utopisch bleiben sie aber in jedem Fall wenigstens zu Beginn wegen des beträchtlichen Widerstands, den sie erst einmal überwinden müssen. Das gilt ebenfalls für Absichten, welche die Universität betreffen, selbst wenn die studentischen Kräfte der Neuen Linken hier im Laufe der 60er Jahre ein recht großes Kontingent bilden. Auch hier sind die Änderungsvorstellungen weitreichend genug, um über (später verwirklichte) Pläne zur Studienreform hinaus genug Ablehnung zu erfahren. Außer in den zeitlich stark begrenzten und nicht institutionalisierten Formen von sog. Gegenuniversitäten finden die revolutionäreren Pläne keinen Anhalt. Zu diesen Plänen gehört u.a. die Abschaffung von Pflichtseminaren, ständigen Klausuren, professoralen Eingriffen oder Benotungen, um dem Ziel der selbstständigen Arbeit, bei der die Dozenten nur beratende und keine zensierende Funktion haben, näher zu kommen (Cleaveland 1969: 202). Zu den Plänen für die Ausbildungsinstitutionen gehört neben dem antiautoritären als zweites ein traditionelleres sozialdemokratisches Ziel – die ungleiche Verteilung der schulischen und universitären Abschlüsse zu beenden. Die Selektionen des Ausbildungssystems erfolgen aus Sicht seiner Kritiker nicht aufgrund gleicher Chancen und Voraussetzungen; die scheinbar neutrale, angemessene Sprache der Lehrer und Wissenschaftler werde durch die Sprache der Oberschicht (Jaeggi 1969: 151) bzw. durch eine bürgerliche Kultur und einen bürgerlichen Habitus geprägt, die allesamt in der familialen Sozialisation erworben würden (oder dort eben nicht erworben werden könnten); deshalb sei die Idee und selbstgewisse oder resignierte Haltung, die Examensprädikate und damit verbundenen Berufswahlmöglichkeiten beruhten auf individueller Leistung bzw. prämierten persönlichen Verdienst, gegenstandslos (Bourdieu/Passeron 1971: 30ff., 86). Um der schulischen Verlängerung und Legitimation sozialer Unterschiede entgegenzuwirken, empfehlen die französischen Bildungssoziologen Pierre Bourdieu und Jean-Claude Passeron eine viel stärker methodisch angeleitete Ausbildung. Sie plädieren dafür, Anforderungen (u.a. rhetorische sowie abstrakt-philosophische Anforderungen) des bestehenden Schulsystems, die für eine gelehrte Bildung von Bedeutung seien, aufrechtzuerhalten, gleichzeitig aber die geforderten Fähigkeiten in viel stärkerem Maße als zuvor durch technische, rationale Übungen erlernbar und überprüfbar zu machen (ebd.: 87f.). Die meisten Anhänger der Neuen Linken werden jedoch einen anderen Weg begehen. Sie setzen allgemein auf größere Freiheit, Eigenständigkeit und Kreativität (Goodman 1970: 266ff.), was unter den herrschenden Bedingungen einfach (nach Bourdieu/Passeron) zur Folge hätte, dass sich der bereits in der Familie erwor-

84 | 1968 bene Redegestus der Bürgerkinder sowie ihre viel größere Vertrautheit mit den durchgesetzten kulturellen Standards und Topoi weiter niederschlagen würde. Eine Antwort antiautoritärer Theoretiker darauf besteht in der zur Gewissheit erklärten Hoffnung, dass in einer befreiten Lern- und Arbeitsatmosphäre sich die Fähigkeiten allgemeiner entwickeln könnten und das Selektionsinstrument der Prüfungen dadurch überflüssig würde (Sartre 1974c: 86). Eine ganz anders gelagerte Lösung des Problems liegt darin, jene gehobenen Laufbahnen, die auch den linken Studenten als erfolgreichen Absolventen der bürgerlich-akademischen Kultur offen stehen, radikal abzulehnen, um nicht Teil (auch nicht privilegierter Teil) der entfremdeten, hierarchisch organisierten Arbeit zu werden bzw. sich »bis zur Pensionierung zu Bütteln des privaten Unternehmertums zu machen« (ebd.: 79). Zum Dritten bietet sich der Versuch an – in einer Art Kombination der beiden ersten Ansätze –, den Nachweis zu führen, dass die Konzeption der Leistungsgesellschaft bereits unter den gegenwärtigen Arbeitsbedingungen fragwürdig sei, da die avancierten technologischen Formen industrieller und bürokratischer Arbeit wesentlich weniger stark nach einem im Wettbewerb gezeigten, individuellen Leistungs- und Durchsetzungsvermögen verlangten. Wie schon die Anforderungen an den Unternehmer im Zeitalter großer Konzerne nicht mehr in persönlicher Risikobereitschaft oder intuitiv-eigenständiger Entschlusskraft bestünden (Negt 1969: 416), nehme insgesamt die Bedeutung der individuellen Initiative für das Arbeitsergebnis ab; in komplexen, stark arbeitsteiligen Organisationen könnten der Anteil der jeweiligen individuellen Produktivität und die Bedeutung unterschiedlicher funktionaler Positionen keineswegs mehr klar bestimmt werden. Deshalb diene bereits jetzt das Leistungsprinzip nicht mehr wie noch zu Beginn des industriellen Zeitalters als rationales Mittel der Produktivitätssteigerung, sondern fungiere weitgehend unökonomisch ›nur‹ noch als eine Disziplinierungstechnik, welche die »Loyalität mit herrschenden Interessen und Lebensformen« belohne. Zudem bilde die Berufung auf das Leistungsprinzip ein erfolgreiches Instrument, um die hierarchische Ordnung und die immensen Einkommensunterschiede auf eine scheinbar technische, unideologische Weise zu rechtfertigen; tatsächlich beruhten die Unterschiede in der Geltungs- und Lohnhierarchie aber mittlerweile überwiegend auf durchgesetzten, kulturell als angemessen akzeptierten Statusansprüchen (Offe 1970: 165f., 147f.). Das letzte Argument soll demnach genau umgekehrt dazu führen, den bislang in der autoritären Gesellschaft erfolgreich eingezogenen Unterschieden die Rechtfertigung zu nehmen. Wenn auch die Neue Linke grundsätzlich die Effektivität des Wirtschaftssystems keineswegs als höchsten Wert annimmt (Sweezy/Huberman 1970: 139ff.), wird das Ziel hoher

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 85 Produktivität im Zuge des utopischen Entwurfs einer antiautoritär verfassten Ökonomie freilich aufrechterhalten; verlangt wird ja nicht, aus politisch-moralischen Gründen eine deutliche Verringerung der Lohn- und Machtdifferenzen ungeachtet einer möglichen Verschlechterung der Arbeitsleistung herbeizuführen; behauptet wird vielmehr, dass die Verkleinerung der Abstände keine größeren Auswirkungen auf das ökonomische Ergebnis hätte. Eine entsprechende Argumentation findet sich in Kreisen der Neuen Linken ebenfalls, wenn es nicht um die Aufhebung hierarchischer Unterschiede, sondern um die Zurücknahme der Arbeitsteilung geht. Die Reduktion der Arbeiter und einfachen Angestellten auf die Erfüllung einseitiger, monotoner Handgriffe und Dienstleistungen soll beendet, die fordistische Organisation der Arbeit in mancherlei Hinsicht rückgängig gemacht werden. Wichtig ist dabei wiederum festzuhalten, dass die Wortführer der Neuen Linken diese Forderungen überwiegend nicht als moderne Maschinenstürmer vorbringen. Zwar finden sich durchaus häufig Verurteilungen der modernen Technologie, manchmal sogar in ganz allgemeiner Form (Marcuse 1989: 181), diese werden aber in anderen Schriften oder bereits im nächsten Absatz zumeist doch wieder sofort relativiert, indem man die abträglichen Wirkungen der Technik ihrem (staats-)kapitalistischen oder destruktiven Gebrauch zuschreibt. Im einfachsten Fall läuft die Absage an die entfremdenden, entmenschlichenden Formen der Arbeitsteilung sogar auf eine Feier der mechanisierten Produktion hinaus. Der Automatisierung wird dann unter neuen sozialistischen Bedingungen bereits in naher Zukunft zugetraut, den menschlichen Arbeitstag erheblich zu verkürzen (ebd.: 57; vgl. Habermas 1968a: 53ff.). Die allgemeinere Absage an die hoch spezialisierte Berufswelt geht zwar innerhalb der Neuen Linken (im Gegensatz zu den Hippies) ebenfalls mit der Bejahung hoher Produktivität einher; die Absage ist jedoch mit der Aufforderung verbunden, die Technologie so umzuwandeln, dass in die Produktion die schöpferischen Fähigkeiten der Arbeiter eingehen können (Castoriadis 1980b: 151). Einzelne Beispiele, die belegen sollen, dass in Form der Gruppenarbeit genauso viele komplexe, aus mancherlei Einzelteilen zusammengesetzte Güter hergestellt werden können wie durch die Fließbandproduktion, stehen regelmäßig im Zentrum dieser Argumentation. Zur ausgeweiteteren Schlussfolgerung zählt noch, dass selbst die Managementaufgaben sich nach einer längeren Anlaufzeit ebenso wirksam von einem Gremium gewählter, wechselnder Personen ausfüllen ließen. Als Grund, weshalb innerhalb der bestehenden Ökonomien weiterhin viel hierarchischer und arbeitsteiliger gegliederte Organisationen vorherrschen, wird folglich das Effizienzargument nicht länger akzeptiert. Der Hauptgrund für die Beibehaltung solcher Organisationsformen liege vielmehr in der in ihnen viel leichter durchzuführenden Kontrolle durch zentrale Stel-

86 | 1968 len; der hochgradigen Differenzierung der Arbeit, die den meisten Beschäftigten jeden auch nur kleineren Überblick über den größeren Arbeitszusammenhang verwehrt, entspreche negativ die Machtbefugnis einer kleinen Entscheidungsspitze (Benello 1969: 409). Auf die Art und Weise kann der stark antiautoritäre Zug der Neuen Linken mit Konzeptionen sozialistischer Ökonomie vereint werden, die im Zeichen von Demokratie, Mitwirkung und Dezentralisierung sowohl von den westlichen als auch den sowjetischen Wirtschaften deutlich unterschieden sind (Altvater 1966: 283ff.; Gottschalch 1968: 39ff.). Wie das letzte Beispiel – die angestrebte Wahl von Managementgruppen – aber bereits zeigt, sind die Konzeptionen immerhin dem Namen der Sowjetunion jedoch zutiefst verpflichtet. Viele Neue Linke greifen die Räte-Idee bereitwillig wieder auf, wenn es darum geht, wenigstens ansatzweise das Bild einer kommenden Gesellschaft näher zu entwerfen und dies nicht einfach, wie es Marx-Kenner oder Anhänger der Frankfurter Schule vorziehen, künftigen realen Entwicklungen nach der Beseitigung der alten Gesellschaft zu überlassen. Das Räte-Konzept sieht eine allseitig entfaltete Demokratie vor, in der Individuen in ihren entscheidenden Lebenszusammenhängen (in ihrem Viertel, in den Betrieben, Schulen, Verwaltungen) durch direkte Wahl eine jederzeit absetzbare und insofern weisungsgebundene, nicht bloß repräsentative Führung bestimmen (Dutschke 1998: 257). Die ungeheuer starke Einbeziehung der Bürger, die eminente Politisierung von Gesellschaft und Fabrik – sprich: die Totalität dieses Entwurfs – wird durch Andeutungen, die im Rahmen einer massiven Bürokratiekritik in Richtung dezentraler Einheiten weisen, versuchsweise kompensiert (Dutschke/Rabehl/Semler 1968: 164ff.). Vereinzelte kritische Stimmen, die direkte Rätedemokratie sei nur einer revolutionären Umbruchsituation angemessen und nicht einer danach errichteten komplexen Gesellschaft (Naschold 1969: 27), bleiben in den eigenen Reihen auch deshalb ungehört, weil man genau diese Situation, die man ansatzweise in einigen Tagen des Jahres 1968 durchlebt, als Vorschein des Kommenden intensiv verspürt (Rabehl 1969: 43). Die Abwehr und Diskreditierung leninistischer Zentralisten und reformistischer Studenten, welche in Sicht der radikalen Kräfte letztlich »ihre bürokratischen Funktionen retten wollen, die Privilegien, ihre intellektuellen Spezialisierungen oder ihre Zukunft als kleine Chefs« (Komitee der Enragés und der Situationistischen Internationale – Rat für die Aufrechterhaltung der Besetzungen 1969: 402), geschieht unmittelbar mit Blick auf das kurzfristige rätedemokratische Vorgehen in einigen besetzten Universitäten und Fabriken, bei der als einzige Macht die Vollversammlung der Besetzer anerkannt wird (Rat für Aufrechterhaltung der Besetzungen 1969: 143). Die Tatsache, dass die Proklamatoren dieser Macht –

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 87 die kleine Gruppe der Enragés, welche mit ihren universitären Störaktionen einen wichtigen Auslöser der schnell eskalierenden Ereignisse des Pariser Mai geliefert hat, sowie die kulturrevolutionären Avantgardisten der Situationistischen Internationale – ganz schnell mit anderen Gruppen, die vergleichbare Räteideen vertreten, in erbitterten Streit über die konkrete Durchführung solcher Versammlungen und über ihre Ergebnisse geraten (Viénet 1977), ändert jedenfalls nichts an der allgemeinen Definition: Die »direkte und totale Demokratie« geht über das Verfahrensprinzip, dass der Delegierte durch seine Wähler jederzeit abgesetzt werden kann, noch einmal weit hinaus; sie wird in einer Synthese aller wichtigen utopischen Ziele der Neuen Linken näher bestimmt als »praktische Einheit der Entscheidung und der Ausführung«, als »Abschaffung der Hierarchie und der verselbständigten Spezialisierung« sowie als »bewußte Verwaltung und Veränderung aller Bedingungen des befreiten Lebens« (Komitee der Enragés und der Situationistischen Internationale – Rat für die Aufrechterhaltung der Besetzungen 1969: 401).

Zwischenbilanz Auf die Frage, welchen Stellenwert ihre eigenen Theorien, Absichten und Vorgehensweisen besitzen, haben die Sprecher der antiautoritären Bewegung und die Autoren der Neuen Linken oftmals selbst versucht, bestimmende Antworten zu liefern. Die Selbstgewissheit vieler ihrer Einschätzungen verdankt sich nicht allein der Meinung, im moralischen und politischen Sinne das Richtige zu tun oder zu fordern, sondern geht zudem auf die Auffassung zurück, in einem rationalen, nachweisbaren Sinne angemessen zu planen und zu handeln. Diese Auffassung bildet sich im Rahmen der Kritik an der bestehenden Universitätsordnung heraus. Den Anspruch, mit der Vernunft im Bunde zu sein, erhebt die antiautoritäre Bewegung im Zuge ihrer nachhaltigen Kritik an der herrschenden Lehre. Das Selbstverständnis der westlichen Universitäten, sich unparteilich der Hervorbringung und Vermittlung von ständig kritisch überprüften wahren Aussagen zu widmen, stellen die antiautoritären Studenten zutiefst in Abrede. Erstens verweisen sie auf die gerade in den 60er Jahren rapide zunehmende Funktion der Universität, den Studenten nicht mehr in einem allgemeineren Sinne selbstständiges Denken zu ermöglichen, sondern sie vielmehr in großer Zahl auf ganz bestimmte Berufe in der staatlichen Schule und Bürokratie sowie im Management und den technischen Zweigen der kapitalistischen Firmen vorzubereiten (Lefèvre 1968: 105f.). Zweitens erkennen sie in dem damit verbundenen Anspruch, Leistungen ohne Ansehen von Stand und Person zu prämieren und darauf gründende Status- und Einkommensunterschie-

88 | 1968 de als objektiven Verdienst zu legitimieren, eine ideologische Täuschung, die darüber hinweggehe, dass sowohl die Bildungsnormen als auch die Möglichkeiten des Bildungserwerbs klassenspezifischen Bedingungen unterliegen (Bourdieu/Passeron 1971). Drittens sehen sie mit den Leistungsmaximen und dem Konkurrenzprinzip mehr oder minder unterschwellig die Bildung eines egoistischen, männlich-aggressiven und zugleich anpassungswilligen Habitus verknüpft: Die moderne Universität sei ein raffinierter Aufruf an den Studenten und späteren Akademiker, sich als Rädchen im Getriebe zu fühlen und ein Privatleben zu führen, in dem es als Tugend gelte, »gierig auf Frauen und Geld auszugehen« (Cleaveland 1969: 204). Viertens heben sie negativ die Ausrichtung der Universität auf die Forschungsinteressen privatwirtschaftlicher Firmen und des militärischen Apparats hervor (NACLA 1970); der Vietnam-Krieg sei geradezu ein Krieg der universitär-technokratischen Intelligenz, er sei ein liberal’s war (Roszak 1968). Fünftens kritisieren sie die strikt systemimmanenten, dennoch stets als sachlich und vernünftig deklarierten Einschätzungen wissenschaftlicher Experten etwa aus dem Feld der Politik- und Geschichtswissenschaften; Noam Chomsky weist auf die gängige Praxis in den Debatten zum Vietnam-Krieg hin, einen bezeichnenden Unterschied zwischen »verantwortlicher« Kritik einerseits und »emotionaler« oder »hysterischer« Kritik andererseits zu machen: »Die ›hysterischen Kritiker‹ sind offenbar an ihrer unvernünftigen Weigerung zu erkennen, ein grundsätzliches politisches Axiom zu akzeptieren, daß nämlich die Vereinigten Staaten das Recht haben, ihre Macht und Kontrollgewalt unbegrenzt auszuweiten, soweit das möglich ist. Verantwortliche Kritik stellt dieses Axiom nicht in Frage, sondern argumentiert höchstens, daß wir zu dieser bestimmten Zeit und an jenem besonderen Ort wahrscheinlich ›keinen Erfolg damit haben‹« (1969b: 249). Man muss wohl kaum hinzufügen, dass Chomsky selbst diese Haltung keineswegs als vernünftig einstuft. Dies bedeutet aber nicht, dass die linken Kritiker zu einer Universität zurückkehren (oder eine solche begründen) wollen, in deren Fakultäten man sich auf interesselose, autonome Forschung beschränkt; jene Wissenschaftler, die ihre Forschungen vorantreiben, ohne deren moralische oder politische Konsequenzen mitzubedenken, verfallen ebenfalls einer scharfen Kritik (Rapoport 1968: 50). Wiederum am bedeutsamen Beispiel des Vietnam-Kriegs stellt Chomsky die Attitüde der Professionalität bloß, indem er auf Verhaltensforscher und Sozialtechniker hinweist, die »in Vietnam ›Experimente mit Methoden zur Kontrolle von Bevölkerung und Ressourcen‹ planen und durchführen« (Chomsky 1969c: 28). Allgemein kritisiert die Neue Linke an dem Postulat autonomer Forschung, dass die Wissenschaften dadurch indirekt allzu leicht irrationalen oder abträglichen Interessen oder Nutzanwendungen anderer, vorherrschender gesellschaftlicher Kräfte dienlich würden (Habermas/Wellmer 1969: 137). Die von den

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 89 antiautoritären Studenten und Dozenten geforderte Politisierung der Wissenschaften soll dagegen Abhilfe schaffen, soll die Wissenschaft für den gesellschaftlichen Zusammenhang, in dem sie arbeite (und von dem sie in ihrer positivistischen Variante allerdings bereits beharrlich absehe; Adorno 1969), sensibilisieren (Brückner/Leithäuser 1968). Die Forderung nach einer politisierten Wissenschaft beruht in der Variante von Jürgen Habermas auf der Absage an eine neutrale Forschung, über deren Verwendung politische Kräfte willkürlich (nicht wissenschaftlich rational ableitbar) zu entscheiden hätten. Habermas wendet sich aber gleichfalls gegen das technokratische Modell, nach dem die Politik den wissenschaftlich aufgezeigten und technologisch implementierten Sachzwängen unterliege. Er orientiert sich stattdessen an der Position des amerikanischen Pragmatismus, wonach Werturteile einen objektiv begründeteren Status und nicht nur den von Gefühlen oder bloßen Dezisionen einnehmen, wenn sie sich mit der praktischen, technisch-theoretischen Kenntnis verbinden, wie die als erstrebenswert gekennzeichneten Ziele verwirklicht werden können. Solch eine Vermittlung von Wertsetzung und Praxis möchte Habermas nun verstärkt den Anforderungen einer rational und herrschaftsfrei geführten Debatte unterwerfen, an der auch und gerade die Forscher teilnehmen müssten, indem sie sich innerhalb der demokratischen Öffentlichkeit über die politischen Bedingungen und Folgen ihres Handelns reflektierend vergewisserten (Habermas 1966; 1968). Oft tritt die Forderung, die Wissenschaften sollten politisiert werden, 1968 jedoch in einer wesentlich eindeutigeren, sozialistischen Variante auf. Ein deutliches Beispiel liefert dafür Oskar Negt in einem seiner Aufsätze, in welchem er zwar zuerst ganz im Sinne Habermas’ argumentiert, um schließlich aber die Forschung mit einer ganz bestimmten Aufgabe zu identifizieren, mit der Entfaltung der Theorie, dass die wissenschaftlichen und technischen Möglichkeiten bereits jetzt den Übergang zu einer »Wirtschaftsdemokratie und planmäßigen Organisation der gesellschaftlichen Produktion« erlaubten, dies jedoch durch besondere Herrschaftsinteressen verhindert würde; diese Unterscheidung soll den Maßstab liefern für die gleichgeartete Unterscheidung »zwischen den historisch relevanten, auf Selbstbestimmung und gesellschaftlich sinnvolle Tätigkeit der Menschen gerichteten Aufgaben der Universität und den ihren gegenwärtigen Zustand noch bestimmenden repressiven Funktionen (1968: 45). Andere sagen das kürzer und sprechen einfach davon, dass die »antiautoritäre Intelligenz« sich dem Kampf gegen den Imperialismus anschließen müsse, um die »Identität von Theorie und Praxis« herzustellen (Salvatore 1968: 90). Diese Verkürzung der Wissenschaften auf eine wegen politischer Wertsetzungen als allein sinnvoll erachtete antikapitalistische Ausrichtung kann also in der antiautoritären Phase der Bewegung keineswegs den Vorrang der Theorie besiegeln. Die aktionistische Strategie der Antiautoritären

90 | 1968 verhindert noch die intellektualistische Devise, dass jede Vorgehensweise im Rahmen einer groß angelegten, hoch abstrakten Gesellschaftskonzeption korrekt hergeleitet und als richtig bewiesen werden müsste; der Seminarmarxismus lebt erst nach 1968 wieder in vollen Zügen auf (Sontheimer 1976: 158ff.). Nur in der Hinsicht ist auch die spätere Kritik erklärlich, die Studentenbewegung sei theorielos gewesen. Vollkommen wertfrei betrachtet, lässt sich aber eines den Konzeptionen der Neuen Linken nicht absprechen. Seien sie nun gut begründet oder nicht, wirklichkeitsblind oder auf der Höhe der Zeit – insgesamt gesehen weisen sie jedenfalls eine hohe Folgerichtigkeit auf. Mit der Verabschiedung der Arbeiterklasse als traditionellem Motor der Veränderung sind konsequenterweise verschiedene Versuche verbunden, neue revolutionäre Subjekte zu finden. Schlüssig ist dann auch, an die Stelle der Anklage von Ausbeutung und materieller Verelendung teilweise (oder weitgehend) die Kritik der Entfremdung zu setzen. Speziell die Konsumkritik der Neuen Linken bildet einen Ansatz, der Integration der Arbeiterklasse ins kapitalistische System ideologischen Widerstand entgegenzusetzen. Manipulation, Isolation und fehlende Möglichkeiten eigenständigen Engagements werden aber in allen wichtigen gesellschaftlichen Bereichen beklagt, selbst in der Universität. Die radikale Kritik an vielfältigen möglichen Formen autoritärer Abstände und Hierarchien geht weit über eine Kritik offener Repression hinaus, sie bezieht auch die aus Sicht der Neuen Linken nur scheinbar technisch begründeten Formen der Arbeitsteilung ein. In Vorwegnahme der angestrebten direkten Demokratie in den Betrieben und der politischen Verwaltung streben die antiautoritären Wortführer der Neuen Linken als ihre politische Handlungsbasis nicht eine Partei und als ihre Bühne das Parlament an, sondern eine Bewegung, die sich in der (wenn nicht immer legalen, so doch stets im Sinne eines höheren Rechts legitimierten) öffentlichen Aktion ihr eigenes Programm und ihre eigene vorübergehende Struktur gibt. Das geht nicht selten sogar bis zu einer (theoretischen) Überführung einiger Organisationsformen der antiimperialistischen Kämpfer in Lateinamerika und Vietnam nach Westeuropa und Nordamerika; auch bei der Guerilla sieht man die Aufhebung der mannigfaltigen, überall in der westlichen Welt herrschenden Trennungen am Werk. Eine grundlegende Schrift, in der all diese Punkte im Zusammenhang entwickelt würden, gibt es freilich nicht. In den Reden und Artikeln der bekanntesten Protagonisten der Bewegung findet man häufig zwei oder drei der Punkte angesprochen, teilweise auch aufeinander bezogen. Theoretiker und Wissenschaftler, die der Bewegung verbunden sind oder zumindest von ihr gerne herangezogen werden, konzentrieren sich ebenfalls vorwiegend auf einen Aspekt oder Untersuchungsgegenstand. Schon allein bei der Gewichtung der Punkte können sich deshalb durchaus erhebliche

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 91 Unterschiede innerhalb der unter einem Titel versammelten Neuen Linken auftun. Trotzdem braucht es keinen historischen Abstand (siehe vor allem die exzellente Typologie von Gilcher-Holtey aus dem Jahr 2001: 15f.), um einige grundlegende Gemeinsamkeiten (vor deren konfliktträchtigen Binnendifferenzierung) herauszustellen. Staughton Lynd etwa, einer der wichtigen Wortführer des amerikanischen SDS, nennt Ende der 60er Jahre als übereinstimmenden Zug der Neuen Linken: »rejection both of capitalism and of the bureaucratic Communism exemplified by the Soviet Union; anti-imperialism; and an orientation to decentralized ›direct action‹, violent or nonviolent« (1969: 2). Lynd spricht diese Merkmale und Haltungen in einem Atemzug allerdings ebenfalls den westlichen Studentenbewegungen zu. Hier lohnt jedoch eine genauere Unterscheidung. In der Studentenbewegung und der noch einmal um Schüler, Gewerkschaftler etc. ausgeweiteten außerparlamentarischen Opposition darf man die genannten Charakteristika nicht in vollem Umfang voraussetzen. Gerade in den Jahren vor 1968 sind hier auch manche Teilnehmer anzutreffen, die sich überwiegend aus pazifistischen, humanitären, demokratischen Gründen engagieren; mit ihrem politischen Protest gegen vermutete staatliche Bestrebungen wider die Ideale der Verfassung sind sozialistische oder aktionistische Haltungen (noch) nicht zwingend verbunden. Selbst bei den bestehenden größeren Organisationen wie dem SDS kann man die Grundsätze der Neuen Linken, wie sie in intellektuellen Debatten und den Absichtserklärungen der links-antiautoritären Wortführer vorgebracht werden, keineswegs unisono antreffen. Auch in ihnen gibt es unterschiedliche Fraktionen, allerdings überwiegen die an Marcuse, Mills, Gorz u.a. geschulten Gruppen; medial wird zudem die Dominanz des aktionistischen, neulinken Teils weiter verstärkt. An der Entzweiung und schnell folgenden Auflösung des SDS nach dem Frühling und Sommer des Jahres ’68 sollte man deshalb auch eine Änderung bei den überwiegend geteilten oder vorherrschenden Prinzipien ablesen können – diese Annahme drängt sich zumindest als eine Arbeitshypothese auf. Tatsächlich erkennt man schnell zwei Punkte, mit denen Änderungen verbunden sind. Der erste betrifft die Haltung zur traditionelleren marxistischen Theorie und Politik, konkreter gesagt: betrifft die Einschätzung der Arbeiterklasse und des Aufbaus einer zentral geführten Partei. Der zweite Punkt ist insofern wesentlich weniger bedeutsam, als er viel weniger Leute direkt angeht – der Einsatz von Gewalt als hervorragendes politisches Mittel. Bedeutsamkeit gewinnt dieser Punkt aber, weil er eine enorme Aufmerksamkeit auf sich zieht und in hohem Maße dazu geeignet ist, die Bewegung derjenigen, die ähnliche Ziele mit anderen Mitteln verfolgen, von beiden Seiten (der Seite der politischen Gewalttäter und der des Staates

92 | 1968 sowie der bürgerlichen Öffentlichkeit) unter Druck zu setzen, was entweder (wie es die linken Terroristen erhoffen) zu offener Solidarisierung und schließlich zu revolutionären Aufständen führen kann oder im (meistens eintretenden) umgekehrten Fall zu einer Schwächung, Spaltung oder Isolierung der Bewegung. Um mit dem ersten Punkt zu beginnen, dem bemerkenswerten Umstand, dass viele Anhänger der außerparlamentarischen Opposition nach 1968 an der Gründung von straff organisierten Parteien oder sog. Aufbauorganisationen mitwirken, zu deren Adressaten sie die Arbeiterklasse erklären, eine Klasse, die sie (in der maoistischen Variante) grundsätzlich politisieren wollen oder auf die sie (in traditionellerer Manier) wieder ausdrücklich als ausgebeutete, besonders in Wirtschaftskrisen zu agitierende Klasse hoffen – wobei Hoffnung in ihrer Sicht ein ganz falsches Wort ist, sind sie doch sicher, im Rahmen umfangreicher marxistischer, leninistischer und/oder maoistischer Analysen und Theorieableitungen bewiesen zu haben, dass entsprechende proletarische revolutionäre Umschwünge im Kapitalismus notwendigerweise bevorstehen. Die antiautoritäre Bewegung, also ihre zumindest teilweise eigene Vergangenheit, wird folglich von den Angehörigen der neuen Kaderparteien als kleinbürgerliche Verirrung abgetan; die Ausrichtung an der Aktion, an losen Organisationsformen und an Trägergruppen abseits der westlichen Industriearbeiterschicht spielt keinerlei Rolle mehr (vgl. Langguth 1971; Brückner 1973; Kukuck 1974; Sontheimer 1976: 42ff.; Bock 1976: 266ff.). Zu einem Teil überzogen ist die rückblickende kommunistische Kritik an der außerparlamentarischen Bewegung von ’68, weil man ähnliche Einschätzungen bereits in ihr finden kann. Dies betrifft nicht nur die sozialistisch-marxistischen Vertreter bzw. maoistischen Parteiungen, die im deutschen bzw. amerikanischen SDS bereits vor dem Jahr 1968 anzutreffen sind (etwa Eisner 1967; Lederer 1977: 140; vgl. Bock 1976: 218; Sale 1973: 310ff.), sondern ebenfalls deren antiautoritäre Widersacher. Selbst Herbert Marcuse, der die alte Arbeiterklasse deutlich als revolutionäres Subjekt verabschiedet hat, möchte die Diagnose Mitte 1967 nur auf die USA bezogen wissen, in Europa hält er es durchaus für möglich, dass die Arbeiter zusammen mit den Unterprivilegierten ein »neues Proletariat« bilden könnten (1998b: 273). Potentielle Verfechter der Randgruppenpolitik passen 1968 ihre Konzepte insofern an die überkommene marxistische Theorie an, als sie in der Jugend eine besonders ausgebeutete und niedergedrückte Klasse entdecken (Klonsky 1968) oder sie als »Vorposten des Proletariats« bestimmen (Glucksmann 1969: 34). Selbst Sprecher des deutschen SDS (und nicht nur Außenstehende, denen der interne Vorlauf von Entscheidungen verborgen bleiben kann) zeigen sich überrascht, mit welch hohem Tempo um die Jahreswende 1967/68 die überwiegende Zahl der Mitglieder im Verband von Marcuses Randgruppen-Theorem zu Klas-

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 93 senkampf-Parolen übergeht (Claussen 1968: 16; Krahl 1968b: 59). Sog. Basisgruppen versuchen bereits ab Anfang 1968 als »selbsternannte Avantgarden« in Betrieben Arbeiter und Angestellte zu erreichen, um zusammen mit ihnen Protestaktionen abseits der bestehenden Gewerkschaften durchzuführen (Dutschke/Käsemann/Schöller 1968: 20f.); solche Basisgruppen agieren aber noch autonom, sind ausdrücklich noch keine zentral gesteuerten Vertreter einer Partei; zudem bemühen sich die unterschiedlichen Gruppen nicht nur um Arbeiter in Betrieben, sondern z.B. auch um Mieter in bestimmten Stadtvierteln (Kuckuck 1974: 95). Spätestens die Streikwelle der Arbeiter im Anschluss an die studentischen Proteste im Pariser Mai ’68 beweist vielen (ehemaligen) Anhängern der Kritischen Theorie, dass der stumme Zwang der modernen Herrschaftsverhältnisse die Arbeiterklasse doch nicht durchdrungen habe (Bergmann/Fertl 1969: 53). Zwar gibt es einigen Raum für unterschiedliche Deutungen: Gemäß der älteren These von der neuen Arbeiterklasse verweist eine Hand voll Theoretiker der Neuen Linken auf die treibende Kraft der französischen Jungarbeiter und der Beschäftigten in technologisch avancierten Firmen oder Abteilungen, um in den wilden Streiks nicht nur eine antikapitalistische, sondern in erster Linie eine gegen die Herrschaft der Technokraten gerichtete Bewegung auszumachen (Mallet 1972b; Touraine 1971: 200ff.); die meisten Akteure und Wortführer der Revolte erkennen aufgrund der Ereignisse jedoch in der Arbeiterklasse die entscheidende revolutionäre Bewegung gegen bürgerlichen Staat und kapitalistische Gesellschaft (Glucksmann 1969: 67). Zwar herrscht unmittelbar nach den Ereignissen keineswegs Einigkeit, ob das wiederentdeckte revolutionäre Subjekt der Leitung durch eine revolutionäre Partei (Gorz 1969: 98) oder einer als Avantgarde fungierenden Aufbauorganisation (Mandel 1969: 141) bedarf, damit künftige Massenstreiks wirklich zu einem Umsturz führen, oder ob nicht doch nach antiautoritärem Muster ein »Netz von Aktionskomitees« (Glucksmann 1969: 76) ohne »Führungskader« (Cohn-Bendit 1968b: 267) ausreicht. Zweifel am entscheidenden Gewicht der Arbeiterklasse als revolutionäre Kraft sind von diesen Debatten jedoch schon häufig ausgenommen, in vielen Fällen werden bereits kurz danach – nach 1968 – ebenfalls die antiautoritären Bewegungs- durch striktere und zentralistischere Organisationsformen ersetzt werden. Auch dies gilt wiederum international; besonders sinnfällig kommt das im Sommer 1969 durch die resignierte Klage des entmachteten amerikanischen SDS-Sprechers Tom Hayden über den distorted proletarianism seiner früheren antiautoritären Mitstreiter zum Ausdruck (Bardacke/Hayden 1971: 147; Hayden 1988: 259). Zum »Proletarianismus« kommt auch in Amerika noch der Leninismus hinzu. Liegt in Frankreich nach den von Millionen Arbeitern und Angestellten getragenen Streiks der Gedanke an

94 | 1968 eine leitende, organisierende Stelle nahe, dient in den anderen Ländern genau umgekehrt die relative Erfolglosigkeit, breitere Teile der Bevölkerung für Widerstandsaktionen zu gewinnen, als Argument zur Verabschiedung antiautoritärer Prinzipien: »Many [New Leftists] abandoned their preference for a freewheeling, decentralized movement in favor of a wish for an ideologically unified and disciplined party.« Dieser Umbruch kann mit der eindeutigen Ersetzung von student power durch den Kampf der Arbeiterklasse einhergehen, er kann aber auch im Rahmen der vertrauten Identifikation mit den aufständischen Bewegungen in den ehemaligen Kolonien erfolgen: »Many tried to abandon their identity as members of the intelligentsia, believing that material privilege made them unreliable for revolutionary struggle. For some, this meant an increase of identification with white workers; for others, it meant deep pessimism about the chances for revolution in the U.S., coupled with a belief that the only appropriate role for American radicals is to disrupt the imperialist machine so that Third World revolutionaries can make their struggle.« (Flacks 1971: 249) Dieser strategische Ansatz leitet zum zweiten Punkt über, an dem man über Änderungen innerhalb der außerparlamentarischen Opposition bzw. über einen eventuell vollzogenen Bruch mit den antiautoritären Prinzipien diskutieren kann – zu dem Punkt, der die neue oder, in anderer Lesart, lediglich ausgeweitete Rolle der Gewalt im politischen Kampf betrifft. Solche politisch begründete Gewalt, die man keineswegs dem bestehenden Staat als Mittel vorbehalten möchte (Glucksmann 1969: 19), wird zumeist in erster Linie im Namen der antiimperialistischen Bewegungen in Lateinamerika und Südostasien ausgeübt. Es gibt aber auch andere Varianten, die sich direkter auf die heimische Arbeiterklasse beziehen, zuerst – wie in Frankreich und Italien – auf konkrete Auseinandersetzungen in Fabriken, später – wie in Deutschland und wiederum Italien – auf abstraktere, allgemeinere Schemen dieser Klasse. Insofern überschneidet sich die programmatische Ausrichtung der gewaltsamen Gruppen mit denen der kommunistischen Kader; auch die RAF kritisiert den Marcuse zugeschriebenen Glauben von Teilen der Studentenbewegung, selbst das revolutionäre Subjekt zu sein, scharf, verteidigt jedoch andererseits ihren sozialistisch-internationalistischen Teil nachdrücklich, um an ihn in kommunistisch-maoistischer Absicht anzuknüpfen (1971: 114ff.; neben bzw. vor den proletarisch orientierten Stadtguerilla-Gruppen sind einige eher anarchistisch-antiautoritär inspirierte Terroransätze aber ebenfalls zu verzeichnen; vgl. etwa Kraushaar 2005; Hecken 2006b: 92f.). Allen Formen der nach 1968 eingesetzten linksradikalen Gewalt ist gemeinsam, dass sie sich deutlich von der zuvor gezeigten Militanz unterscheiden; a) weil die Anschläge erstens häufiger auch gegen Menschen, nicht prinzipiell allein gegen Sachen gerichtet sind, b) weil sie von eigens dafür gegründeten Organisationen ausgeübt werden, die ihre Taten vorab

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 95 länger planen und nach den Anschlägen oft schriftlich begründen (selbst die Brandanschläge gegen amerikanische Universitäten im Frühjahr/ Sommer 1968 blieben hingegen oft noch unerklärt; vgl. Kopkind 1970). Gruppen wie die französischen Gauche Prolétarienne, die amerikanischen Weatherman und die deutsche RAF haben hingegen keinerlei Scheu, mit Mao zu erklären, dass die Macht aus den Gewehrläufen komme (Glucksmann 1969: 18; Gauche Prolétarienne o.J.: 53; Weatherman 1970: 461; Rote Armee Fraktion 1971: 112), um zugleich keinen Zweifel daran zu lassen, dass der Satz für sie nicht ein Sinnspruch zum vermuteten Wesen des Staates darstellt, sondern eine entschiedene Handlungsanweisung an die linken Aktivisten. Außer in Italien gibt es zwar keine zahlenmäßig nennenswerten Kräfte, die sich der Maxime praktisch verschreiben, dafür jedoch nicht wenige Studenten und Akademiker, welche die Aufforderung zumindest theoretisch nachvollziehen können, selbst wenn sie zumeist selber davon Abstand nehmen, sie öffentlich ausdrücklich mit Worten zu unterstützen. Bei keinem Geringeren als Jean-Paul Sartre, der sich mit der Gauche Prolétarienne solidarisiert, nachdem sie verboten worden ist, findet sich die Argumentation allerdings einmal offen ausgebildet. Zuerst weist er allgemein darauf hin, dass man an der bestehenden Gesellschaft nichts ändern könne, wenn man sich als Intellektueller von der »Gewalt der Massen« distanziere; verfahre man so, übergehe man einfach den entscheidenden Umstand, dass solche Gewalt nur eine Reaktion auf die herrschende Gewalt sei, eine Gewalt, die Sartre in den unterschiedlichsten Anforderungen und Zwängen ausgebildet sieht, in den »unerträglichen Arbeitsnormen« etwa oder der »systematischen Ruinierung der Kleinbetriebe« (1971a: 48). In einem anderen Gespräch nimmt seine Rechtfertigung der Gegengewalt jedoch einen wesentlich konkreteren Charakter an. Angesichts einer Gesellschaft wie der Frankreichs, welche die Repression zum Äußersten treiben könne, sei die einzige Antwort und zugleich das einzige Mittel die Gewalt; man werde die kapitalistische Gesellschaft nie dazu bringen, einer sozialistischen Gesellschaft »freundlich den Platz zu räumen«, deshalb sei ein entsprechender Umbruch mit »sofortiger und totaler Gewalt« verbunden. Noch genauer und persönlicher gesagt: »[…] Gewalt ist immer schlecht, das steht außer Frage. Nur ist sie unerläßlich und da gut, wo sie Volksgewalt ist. […] In dieser Hinsicht habe ich immer die Ansicht vertreten, einen Direktor einzusperren, sei gut, aber das könne nur geschehen, wenn die Gesamtheit der Fabrik einverstanden ist. Ich bin grundsätzlich für Entführungen, nur weiß ich nicht, wie die Gesamtheit der Franzosen reagiert, die es ja für Entführungen in Frankreich zu gewinnen gilt. In jedem Fall ist es eine Frage der politischen Zweckmäßigkeit. […] Eine Entführung ist weder gut noch schlecht. Sie ist politisch gültig unter bestimmten Umständen und gemäß der Effektivität, die sie

96 | 1968 enthält. Wenn ich in der Situation stünde, einen gefesselten, gefangenen Menschen umlegen zu müssen, dann wäre mir das ziemlich entsetzlich – aber man darf es eben nicht auf diese Weise, individuell sehen. Man muß einzig und allein die Zweckmäßigkeit betrachten. Da also, wo Entführungen zweckmäßig sind, d.h. da, wo der Klassenkampf sich auf einer gewissen Höhe entfaltet hat, erscheint mir das vollkommen gerechtfertigt.« (1971b: 77f.)

Wie an diesen Ausführungen bereits zu erahnen, prägt die versuchte Abgrenzung zu isolierten terroristischen Anschlägen auch die wirklich gewaltsam vorgehenden Gruppierungen, die es im Gegensatz zu Sartre nicht bei gedanklichem Probehandeln belassen. Vor dem Hintergrund ihrer Taten sind Sartres Ausführungen zu verstehen. Sie alle findet man im Zeichen der Guerilla-Konzeption bestimmt von der Absicht – und dem Glauben –, ihre gewaltsamen Aktionen im engen Verbund mit Teilen der Bevölkerung durchzuführen; sie alle stimmen dann aber auch darin überein, dass sie tatsächlich mit ihren Anschlägen (mehr oder weniger lang) fortfahren, als sich selbst für sie der Glaube als irrig hätte erweisen können. Weitere Formen und Ansatzpunkte der linksradikalen politischen Gewalt fallen jedoch unterschiedlich aus. Die Weatherman erkennen die führende Rolle der Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt und der Schwarzen in den USA an; auf die aus ihrer Sicht integrierte weiße Arbeiterklasse setzen sie insgesamt keine Hoffnungen, wohl aber auf die (proletarische) Jugend (Ashley u.a. 1970: 61, 69). Um den Kampf auch ins Mutterland des Imperialismus zu übertragen, versuchen sie darum zuerst, die weißen Jugendlichen zu offenem Widerstand in Feldschlachten mit der Polizei zu bewegen (Boudin/Dohrn/Robbins 1970); nach solchen riskanten, verlustreichen Versuchen ziehen sich die Weatherman in kleine, geheime Gruppen zurück, um einige Anschläge gegen repräsentative Gebäude durchzuführen (vgl. Jacobs 1997; Varon 2004). Die französischen Gauche Prolétarienne hingegen setzen überwiegend auf die Arbeiter in den Fabriken und sehen sich selbst als Partisanenkämpfer, die Aktionen gegen Chefs und Unternehmer unterstützen oder im Einverständnis mit der Belegschaft durchführen (o.J.: 41ff.; vgl. Fields 1985). Auch die deutsche RAF will mit ihren Anschlägen zur Revolutionierung der Arbeitermassen beitragen; im Unterschied zur Gauche Prolétarienne gehört zu ihrem frühen Konzept Stadtguerilla aber die organisatorische Absonderung von den Gruppen, die in Betrieben und Stadtteilen verankert sind (Rote Armee Fraktion 1971; vgl. Hecken 2006b: 98ff.). Verbunden ist diese Gewaltausübung und -begründung mit einigen Teilen der antiautoritären Bewegung insofern, als deren Sprecher – wie Dutschke oder Hayden – über Sabotageakte und Guerilla-Aktionen in den westlichen Ländern laut nachgedacht haben. Solche Übereinstimmungen

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 97 werden etwa von der RAF genutzt, um sich selbst als – nun organisatorisch und strategisch besser konzipierter – Nachfolger der Studentenbewegung auszugeben (1971: 117). Überwiegend dient der Hinweis auf solche Schnittmengen aber natürlich dazu, die außerparlamentarische Opposition rückwirkend zu diskreditieren. In einer quasi-offiziellen sowjetischen Abhandlung aus der ersten Hälfte der 70er Jahre heißt es etwa, dass die durch kleine linksextremistische Gruppen betriebene Aufnahme der »von Rudi Dutschke unterstützten Losung ›den Partisanenkampf in den Dschungeln der Großstädte zu beginnen‹« ein konterrevolutionäres Unterfangen darstelle (Batalow 1975: 183). Gegen die Zuspitzungen der sowjetischen, aber natürlich auch der im Ansatz vergleichbaren konservativen und liberalen Kritiker spricht jedoch, dass jemand wie Dutschke seine Losung weder in die Tat umgesetzt noch (wie später Sartre) offen oder in großem öffentlichen Zusammenhang entfaltet hat (vgl. Kraushaar 2005); zu einem beträchtlichen Teil fungierte die Rede von der metropolitanen Guerilla sogar ja nur als rhetorische Intensivierung der propagierten Ordnungsverstöße und der angestrebten Aufhebung hierarchischer Trennungen. Freilich kann man umgekehrt für die These einfach anbringen, dass es zahlreiche andere personelle Überschneidungen gibt – in den gewalttätigen Gruppen der Jahre 1969-1972 befinden sich fast ausschließlich frühere Anhänger der Studentenbewegung und selbst eine Reihe ihrer Wortführer (wie Bernardine Dohrn in den USA oder Alain Geismar in Frankreich). Die Frage nach dem Zusammenhang der antiautoritären Bewegung der Jahre 1964-68 mit den Bestrebungen am Ende der 60er und zu Beginn der 70er Jahre ist deshalb in dieser Hinsicht nicht eindeutig zu beantworten. Das gilt für die terroristischen Gruppen, und es gilt gleichfalls für die neu gegründeten kommunistischen Organisationen, die wieder ganz auf straffe Organisation und die Arbeiterklasse (oder die Volksfront) setzen. Festzuhalten bleibt jedoch, dass in beiden Fällen zwar personelle Kontinuitäten zu verzeichnen sind, sich jedoch nach 1968 die Organisationen nicht allein dem Namen nach, sondern auch zu einem großen Teil in ihren Organisationsformen ändern. Zusätzlich steht fest, dass nicht nur andere Mittel – zentralistische Parteiarbeit bzw. Gewalt – und Adressaten – die proletarischen Massen oder Jugendlichen –, neu in den Vordergrund, sondern auch einige ältere Ziele in den Hintergrund rücken; die Konsumkritik der Neuen Linken etwa wird von den Kommunisten angesichts der ihrer Meinung nach weiterhin bestehenden schlechten materiellen Lage der meisten Arbeiter ebenso vernachlässigt oder ganz verworfen wie die scharfe Kritik an vielen Formen der Arbeitsteilung (Putnam 1969); die Ausrichtung am Prinzip direkter, nicht repräsentativer Demokratie wird in den meisten kommunistischen oder terroristischen Avantgardeorganisationen allenfalls für den engen Kreis der Mitglieder postuliert.

98 | 1968 Eine (weitgehende) Identität von antiautoritärer Bewegung und den nach 1968 rasch entstehenden maoistischen und leninistischen Gruppierungen kann deshalb ausgeschlossen werden. Kompliziert wird die Sache aber dadurch, dass zum einen viele wichtige Ziele die gleichen bleiben – Ablehnung des bürgerlich-formalen Rechtsstaats, der amerikanisch-imperialistischen Interventionen, der kapitalistischen Eigentumsordnung – und zum anderen die antiautoritäre Opposition sowie manche Theoretiker der Neuen Linken auf dem Höhe- bzw. fast auch schon Endpunkt der Bewegung im Frühjahr 1968 sich zumindest in Absichtserklärungen verstärkt der marxistischen Lehre und der Arbeiterklasse zuwenden. Darum bleibt es in vielerlei Hinsicht möglich, je nach Einschätzung (und natürlich in unserem Falle auch nach politischer Opportunität) die Kontinuität oder den Abstand zwischen der außerparlamentarischen Opposition und den späteren kaderkommunistischen oder gar gewalttätigen Organisationen zu betonen. Deshalb bleibt es vor allem stets möglich, Vermutungen über kausale Zusammenhänge anzustellen, also das zeitlich Frühere als alleinige Ursache oder als notwendige Bedingung des Nachfolgenden herauszustellen. Wie üblich in solchen Debatten, werden entsprechende Stellungnahmen strikt als Sachaussagen präsentiert, obwohl es höchst selten um nachweisbare direkte Ursachen für bestimmte Wirkungen geht (wissenschaftlich ist das Problem deshalb nicht aufzulösen, weil die geschichtlichen Ereignisse weder festen Gesetzen gehorchen noch unter Laborbedingungen wiederholt werden können). Was bleibt, ist demnach der Versuch (wie er in diesem Kapitel durchgespielt worden ist), eine möglichst genaue, umfassende Bestimmung der wichtigsten neulinken Bestrebungen und Aktionsprinzipien zu liefern, um so einen Vergleich mit verwandten oder abgelegeneren Ansätzen überhaupt durchführen zu können. Auch hierbei ergibt sich allerdings ein Problem – das Problem, mit der Begriffsbestimmung und Etikettierung Phänomene zusammenzubringen, die vielleicht tatsächlich eine stark unterschiedliche Bedeutung gehabt haben. Im Falle der außerparlamentarischen Bewegung der 60er Jahre, die weder eine festgefügte Partei mit Aufnahmestatuten und Ausschlussgründen ist noch sein will, potenziert sich das Problem sogar. Weil keineswegs einfach vorausgesetzt werden darf, dass die in verschiedenen Reden und Schriften je teilweise niedergelegten neulinken Ansichten den Teilnehmern der Bewegung überwiegend als Handlungsantrieb dienen, kann die ausgearbeitete Merkmalsliste neulinker Positionen im schlechtesten Fall zu einer falschen Einschätzung und Beschreibung der außerparlamentarischen Kräfte führen. Ob besagte Auffassungen bei der sich seit 1967 schnell ausweitenden Menge der Protestierer oft nur zur Rationalisierung oder zusätzlichen Begründung anderer Motive dienen, ist keineswegs von vornherein auszuschließen. Allerdings zeigt u.a. die öffentliche Aufmerksamkeit, die antiautoritäre Expo-

1. Kapitel: Politisch-ökonomische Kritik | 99 nenten wie Rudi Dutschke, Tom Hayden, Daniel Cohn-Bendit erfahren, wohl doch einigermaßen deutlich an, in welch hohem Maß ihre Auffassungen gegenüber traditionelleren sozialistischen oder humanitären Konzepten innerhalb und außerhalb der Bewegung einen prägenden Unterschied setzen.

2. Kapitel: Lebensformen | 101

2. Lebensformen

Versionen der Bewegung Mit der Benennung der wichtigsten politischen Grundsätze und Ziele der Neuen Linken und bedeutender Teile der außerparlamentarischen Bewegung ist noch längst nicht das letzte Wort über »1968« gesprochen. Nimmt man nur die bislang angeführten ökonomischen und soziologischen Analysen und Begründungen zur Kenntnis, wäre man sicher überrascht zu hören, dass die große Mehrheit der Protestierer junge Leute sind, die von den Erwachsenen in der zweiten Hälfte der 60er Jahre nicht allein wegen ihrer Jugend, sondern vor allem wegen ihres besonderen Aussehens und Auftretens gleich als Gegner oder Abweichler erkannt werden. Das gilt vor allem für Amerika, in Deutschland braucht es etwas länger, bis die Haare wachsen und die Schlipse fallen. Im Lauf des Jahres 1967 ist aber auch hier bereits an der Kleidung und der Frisur deutlich zu erkennen, dass der angestrebte umfassende politisch-ökonomische Umbruch mit einer Änderung kultureller Formen, mit einer Änderung des Lebensstils insgesamt verbunden sein soll. Die Betonung liegt dabei allerdings auf der Verbindung, auf dem Zusammenhang. Der spezielle, schnell unterscheidbare Habitus sowie die auffälligen, äußerlichen Zeichen dürfen sich nicht einer bloßen Mode oder einem vorübergehenden, oberflächlichen kulturellen Trend verdanken, so lautet zumindest die Absicht und der Wertgrundsatz derjenigen, die den Wandel offensiv betreiben. Für sie sind die langen Haare, die lässigeren Kleidungsstücke, die lockereren oder direkteren Umgangsformen tatsächlich nicht nur symbolischer Ausdruck, sondern ein bedeutender Motor der betriebenen gesellschaftlichen Umwälzung. Interessant daran ist, dass man die Auffassung grundsätzlich auch bei den neulinken, antiautoritären Kräften finden kann, nicht allein bei den

102 | 1968 Anhängern zeitgenössischer kultureller Ausprägungen wie vor allem der neuen aggressiven oder experimentellen Rockmusik. Beide Gruppen teilen nicht nur einen ähnlichen Geschmack und begegnen sich manchmal bei Konzerten oder in Kneipen, sondern vereinen sich zuweilen sogar bei Demonstrationen, wenn es darum geht, dem (lokalen) establishment eine Absage zu erteilen (McBride 2003). Über solche Begegnungen recht klar identifizierbarer Lager hinaus – z.B. von linksintellektuellen Akademikern und Hippie-Aussteigern – bleibt der Zusammenhang wohl unbefangener bei jenen bewahrt, die den Protest nicht zu ihrem Lebensinhalt oder Beruf gemacht haben und im Moment des allgemeinen Aufbruchs noch nicht einer Organisation oder Subkultur fest zuzurechnen sind; nach einer Erinnerung Urs Widmers: »Der SDS von damals neben Rolling-Stones-Konzerten, Haschatmosphäre, Flippern, Wirtshausdebatten«, sozialistische Maximen neben der »Erkenntnis, daß man orange Socken und violette Hemden tragen konnte« (1979: 19). Wie tief die Gemeinsamkeiten, wie verträglich die Bestandteile der Mischung aber wirklich sind, ist umstritten. Gerade von Autoren, die der späteren maoistisch-leninistischen Wendung vieler Antiautoritärer kritisch gegenüberstehen, wird eine Kluft zwischen den jugendlichen Hippies und Popfans auf der einen und den politisch argumentierenden Neuen Linken auf der anderen Seite bereits zuvor, zu einem frühen Zeitpunkt ausgemacht. Die großen Proteste sehen sie folglich von einem entscheidenden Widerspruch durchzogen, vom Gegensatz zwischen einer letztlich doch sehr traditionell politisch ausgerichteten Führung bzw. öffentlich identifizierten Sprechern und einer spontanen kulturellen, sozialen Massenbewegung junger Leute: »Political ideology meant nothing to this relatively uncultured generation. It was not interested in anti-authoritarian demands per se but embarked on collective action purely as a means of furthering its own aspirations which were mainly individualistic«, schreibt etwa ein Beobachter der französischen Szenerie (Harmon 1989: 18f.). Solche Einschätzungen findet man nicht nur zur Lage in Frankreich, sondern gleichfalls zu den in vielerlei Hinsicht anders gearteten amerikanischen Verhältnissen. In den 60er Jahren habe es tatsächlich zwei Gegenkulturen gegeben, heißt es in einem Rückblick von Stanley Aronowitz (1985: 25): Zum einen die politische Gegenkultur der Verfechter einer direkten Demokratie, zum anderen die der cultural radicals, die ihre Freiheiten nicht in der politischen Auseinandersetzung mit den staatlichen Institutionen, sondern in der vollkommenen Abwendung von ihnen suchten. Weil es hier wiederum nicht um eine Identität oder direkte Nachfolge von Organisationen gehen kann, gibt es wie bei der Frage zur Nähe oder Ferne zwischen kaderkommunistischen oder terroristischen Gruppierungen und der antiautoritären Bewegung aber prinzipiell Spielraum für andere Pointierungen. Darum überrascht es nicht, dass einige Autoren in wesentlich

2. Kapitel: Lebensformen | 103 höherem Maße Überschneidungen zwischen den beiden angenommenen Lagern herausstellen (Breines 1982: 20). Die Frage nach dem Verhältnis der zwei versuchsweise abgegrenzten Gruppen – libertäre Jugend und sozialistische Sprecher, cultural radicals und politisch Bewegte, Rockfans und Marxleser – kann zudem deshalb nicht einfach beantwortet werden, weil sie bereits die Protagonisten der 60er Jahre selbst beschäftigt, so dass die verschiedenen Antworten darauf deren Handeln in unterschiedlicher Weise zwangsläufig bereits prägen. Ja, selbst die Unterscheidung zwischen den Gruppen fällt keineswegs einheitlich aus. Als Hauptredner des Berliner Kongresses Vietnam – Analyse eines Exempels sieht Herbert Marcuse im Mai 1966 eine neue Einheit der amerikanischen Studenten- und Jugendbewegung gegeben, die über eine rein politische Opposition hinausgehe, eine »spontane Einheit von politischer, intellektueller und instinktiver sexueller Rebellion« (1998: 207). Ein Jahr später, auf der Londoner Tagung zum Thema The Dialectics of Liberation, isoliert Marcuse aber nicht nur die Gruppe der Hippies, sondern macht in ihr sogar zusätzlich noch eine Teilung aus; bei einem Teil der Hippies sieht er eine harmlose, private »Maskerade und Clownerie« am Werk, beim anderen Teil ein lobenswertes »politisches Element«; nur Letzteren konzediert er, dass ihr Protest eine sexuelle, moralische und politische Rebellion in sich vereinige (1969a: 100f.). Solche Bestimmungen und definitorischen Abgrenzungen bilden in wichtigen geschichtlichen Momenten (wie eben um 1968) keine folgenlosen Operationen eines vom Geschehen weit distanzierten Wissenschaftlers, sondern führen geradewegs in das Geschehen selbst hinein, welchem durch die begrifflichen Abgrenzungen und Etikettierungen eine bestimmte Richtung aufgezeigt und ein eigener Stempel aufgedrückt werden soll. Von Bedeutung ist die Unterscheidung oder Amalgamierung diverser abweichender Gruppen der 60er Jahre bereits seit Beginn der studentischen Proteste. Der Versuch, etwas zur Klärung der Frage beizutragen, führt darum notwendigerweise zuerst ins Berkeley des Jahres 1964 zurück. Das Free Speech Movement haben wir bereits als erste Form einer größer angelegten studentischen, von neulinken Auffassungen beeinflussten Oppositionsbewegung kennen gelernt. Kurz nach den Aufsehen erregenden Aktionen des Free Speech Movement bekommt die Bewegung gegen die undemokratisch verfasste Universität aber noch eine weitere Bedeutung; FSM steht dann nach der Bezeichnung einiger Teilnehmer oder auch Gegner für Free Sexual Movement oder für Filthy Speech Movement. Anlass der neuen Auffüllungen des Kürzels FSM ist die Aktion einiger Studenten, die in nichts anderem besteht, als ein Schild mit der Aufschrift »Fuck« hochzuhalten. Die Aktion sorgt für eine mindestens genauso große Aufmerksamkeit wie die vorherigen politischen Anlässe und löst eine Fülle eskalierender Ereignisse aus (Lipset/Seabury 1965: 346f.).

104 | 1968 Mit den unterschiedlichen Bewertungen, die sich auf die spektakulären, damals noch skandalträchtigen Ereignisse richten, gehen nun erstmals eine ganze Reihe von Bemühungen einher, Übereinstimmungen oder Brüche zwischen den traditioneller politisch gefassten und den libertär-schockierenden Parolen und Protestformen festzustellen. Kommentatoren, die linke oder radikaldemokratische Anliegen vertreten, tun die Sache als trivial und unbedeutend ab (Draper 1965: 143). Vertreter des Free Speech Movement selbst distanzieren sich zwar von den four-letter-word rallies, treten aber dennoch grundsätzlich für das Recht ein, solche Aktionen auf dem Campus durchzuführen (Draper 1965: 143, 147). Für konservativere Professoren hingegen bildet die Abfolge der Verweigerungen und Provokationen eine einzige, kontinuierliche Szenerie. Verweigerung des Militärdienstes, abweichende Sexualität, Unterstützung des Vietcong, Drogengebrauch und die Propagierung von Verhütungsmitteln liegen nach ihrer Erfahrung auf einer Ebene; darum ist es ihnen möglich, die verschiedenen Forderungen, Anlässe, Gruppen in einem Absatz zusammenzufassen: »Some months ago a representative of SLATE, one of the extremist student groups, asked me to preside at a meeting at which a student would advocate the smoking of marijuana as a healthful practice. It was not my pot of tea, I replied; but the meeting took place without me. When student opponents of the FSM mounted picket signs endorsing a ›Free Sex Movement‹, the joke fell flat: it might have been meant in earnest. After all, there had been a meeting demanding that the Student Union put contraceptives on sale; and more recently we have had the ›Filthy Speech Movement‹. In a university lecture hall a self-proclaimed anarchist gave detailed advice on how to avoid the draft by pretending to various illnesses; a self-proclaimed Communist used university facilities not only to attack the government’s policy in Vietnam but to collect money – illegally – for the Vietcong. A student, using the amplifying system supplied by the chancellor, described in vulgar detail his participation in a mass homosexual-heterosexual orgy, and recommended this kind of liberating experience to his fellow students.« (Petersen 1965: 368)

Die gleiche Zusammenballung kann aber auch mit einer anderen politischen Spitze vorgenommen werden. Irving Howe kritisiert zuerst sicher ganz im Sinne Petersens, dass die Neue Linke bei ihrer Ablehnung der amerikanischen Gesellschaft und Politik vorschnell die abendländische Tradition und das liberale Erbe gleich mit verwerfe, weil sie diese Traditionen zu stark mit jener bekämpften Mittelstandsmoral identifiziere, die sie mit allen schockierenden Mitteln (Drogengebrauch, öffentliche Perversitäten etc.) herausfordere. Wie Petersen lässt Howe die Neue Linke demnach ganz mit der kulturellen Revolte verschmelzen; im Gegensatz zu ihm hält er aber der Neuen Linken nicht nur ihre aus seiner Sicht überzogene Verurteilung der liberal-humanistischen Tradition vor. Mit einem linken Ar-

2. Kapitel: Lebensformen | 105 gument greift er vielmehr deren falsche Stoßrichtung an; der gehobene Mittelstand ließe sich auf dem Feld der Kultur überhaupt nicht provozieren, sondern verlange geradezu danach, aus Gründen der Abwechslung dort schockiert zu werden. »Nur eines freut das Bürgertum überhaupt nicht«, weiß Howe: »eine Verringerung des Einkommens, ein Verlust an gesellschaftlicher Macht, eine Bedrohung seines Eigentums.« (1969: 247ff.) Ganz anders stellt sich das einem weiteren Beobachter der Geschehnisse von Berkeley dar, dem nonkonformistischen Literaturprofessor Leslie Fiedler. Er konstatiert (ebenfalls 1965) in exakter Umkehrung der Meinung Howes, dass die liberalen Eltern gegen das politische Engagement ihrer Kinder im SDS nichts einzuwenden hätten, aber ärgerlich würden, wenn die jungen Leute verwirrend obszön-vulgäre Texte zitieren, oder Angst bekämen, wenn diese Drogen nehmen. Darum wandelt sich der Protest nach Fiedlers Einschätzung erst zu einer wahrhaftigen Rebellion, wenn die Demonstranten wie in Berkeley nicht die zwar radikalen, aber eben doch gewohnt politischen Forderungen stellen, sondern provozierende, sonst in öffentlicher Rede ausgeschlossene Slogans gebrauchen. In ihnen entdeckt Fiedler sogar die eigentliche Botschaft des überwiegenden Teils der Studenten, die den politischen Protest tragen. Erkennen könne man dies an ihrer Haltung, an den ungezwungenen Protestformen, nicht an den vorgebrachten, bloß vordergründigen Parolen. Die Fragen der Bürgerrechte, der Redefreiheit, des amerikanischen Militäreinsatzes besäßen lediglich den Status äußerer Anlässe, das wirklich bestimmende Motiv sei der Widerstand gegen die puritanische Ethik in Studium, Arbeit und Freizeit, sei die Ablehnung von Rationalität, Triebunterdrückung, Isolation, Pflicht, Leistungswettbewerb und vorgeblicher Reife (1983: 30, 22, 20). Fiedlers Teilung der Protestbewegung in traditionelle Politbürokraten und »neue Irrationalisten« – mit der Pointe, dass Letztere mehr oder minder untergründig den Hauptteil und Antrieb der Protestbewegung bildeten – bleibt jedoch nicht unwidersprochen. Susan Sontag postuliert bei der Diskussion von Fiedlers Aufsatz ganz im Gegenteil einen ungebrochenen Zusammenhang zwischen einer neu definierten politischen und sexuellen Revolution. Ebenso wie für Petersen ist der Zusammenhang aus ihrer Sicht eine Tatsache: »to engage and to ›drop out‹; to be beautiful to look at and touch as well to be good; to be loving and quiet as well as militant and effective«. Im Unterschied zu Petersen ist für Sontag – man sieht es natürlich bereits an ihrer Wortwahl – der Zusammenhang aber von Bedeutung, nicht weil er die politischen Anliegen weiter diskreditiert, sondern weil er für sie genau umgekehrt eine angemessene Antwort auf die amerikanische Malaise darstellt, auf einen verzweifelten Zustand, der durch eine ausschließliche Änderung der politischen Repräsentanten und Institutionen (und geschehe sie in sozialistischer Manier) nicht überwunden werden

106 | 1968 könne (1967: 56f.). In einer für sie ungewöhnlich plakativen Rhetorik und zugleich generalisierenden Argumentation benennt Sontag das grundlegende, durch fortschrittliche Politik keineswegs zu lösende Problem schlichtweg als das Problem westlichen Fortschritts, westlich-aufklärerischer Dynamik: »[F]rom a world-historical perspective, that local history which some young people are repudiating (with their fondness for dirty words, their peyote, their macrobiotic rice, their Dadaist art etc.) looks a good deal less pleasing and less self-evidently worthy of perpetuation. The truth is that Mozart, Pascal, Boolean algebra, Shakespeare, parliamentary government, baroque churches, Newton, the emancipation of women, Kant, Marx, Balanchine ballets, et al., don’t redeem what this particular civilization has wrought upon the world. The white race is the cancer of human history; it is the white race and it alone – its ideologies and inventions – which eradicates autonomous civilizations wherever it spreads, which has upset the ecological balance of the planet, which now threatens the very existence of life itself. What the Mongol hords threaten is far less frightening than the damage that Western ›Faustian‹ man, with his idealism, his magnificent art, his sense of intellectual adventure, his world-devouring energies for conquest, has already done, and further threatens to do.« (Ebd.: 57f.)

Hippies Der weiße, intellektuelle, technologisch vertiefte Wettbewerbsdrang als Krebsgeschwür der Menschheit, als alles nivellierende und ökologisch selbstzerstörerische Gefahr – mit dieser Reader’s-Digest-Version von Adorno/Horkheimers Dialektik der Aufklärung steht Susan Sontag letztlich Fiedlers Einseitigkeit viel näher, als sie selbst ausdrücklich vorgibt. Jene neue Bewegung, die gegen die in den Schulen, Betrieben, Verwaltungen herrschende Rationalität gerichtet ist, hat Fiedler schließlich bereits zwei Jahre vor Sontag eingehend beschrieben. Mit Sontags Überzeugung, dass eine (sozialistische) Umgestaltung der politischen Institutionen wenig am Lauf der Dinge ändern würde, ist Fiedler sicherlich einverstanden; genau diese Haltung meint er bei den protestierenden Studenten unterschwellig zu erkennen. Freilich nimmt er insgesamt eine etwas reserviertere Haltung als Sontag an, argumentiert ohne ihren apokalyptischen Grundton und darum auch ohne ihre Überzeugung, es bei den Revoltierenden von Berkeley mit einer tief politischen Bewegung zu tun zu haben. Für Fiedler führt die Haltung der jungen Verweigerer – »feindselig nennen wir sie Beatniks oder Gammler, Blindgänger oder Tagediebe« – nicht zum Engagement, sondern zum Versuch, eine von der Welt der Integrierten strikt separierte innere Freiheit zu gewinnen. Dabei geht es, wie

2. Kapitel: Lebensformen | 107 auch ohne Fiedler gut bekannt, nicht in erster Linie um einen moralischen Selbstentwurf, sondern um eine Selbstentdeckung auf dem Wege der Bewusstseinserweiterung. Recht paradox, haben die jungen Aussteiger keine Scheu, der Entfremdung der äußeren Welt durch künstliche Stimulantien zu entfliehen: Indem der Drogengebrauch ihnen dazu verhelfe, die einem eingeprägte innere Ordnung zu zerstören, entlasse er sie aus der vermeintlichen geistigen Gesundheit in den (nun positiv gefassten) Wahnsinn, aus der vorgestanzten Ordnung der Arbeitszeit in eine freier fließende hedonistische Existenz (1983: 23, 29f.). Auf der gleichen Ebene liegen zwei weitere Umkehrungen: Aus der weißen Gesellschaft soll es natürlich hinausgehen; als Alternative bietet sich (in vertrauter Manier) die Gemeinschaft an, hier einigermaßen originell nach dem Vorbild des indianischen Stammes projektiert. Zu dieser Gemeinschaftsbildung, die zugleich individuellen Hedonismus, individuelle Bewusstseinserweiterung und eine Überschreitung der Ego-Grenzen zulässt, ohne auf die ödipalen Individuierungs- und Gemeinschaftsformen der bürgerlichen Kleinfamilie zurückzugreifen, sollen auch bestimmte Formen befreiter Sexualität beitragen. Leslie Fiedler verweist an dem Punkt auf Wilhelm Reich als einen wichtigen theoretischen Bezugspunkt, der nach den Bohemiens der 40er und 50er Jahre damit auch bei den Protestierern der 60er Jahre Wirkung gewinnt. Die jungen Leute, schreibt Fiedler, schätzten selbstverständlich die Auffassung, dass der Geschlechtsakt nicht aus Gründen der Reproduktion, sondern zum Zwecke der Lust, und damit verbunden dem der Überwindung von Schuldgefühlen bzw. Machtgelüsten, ausgeübt werde. Zu Recht fügt Fiedler aber noch an, dass den jungen Leuten der Nachdruck, den Reich auf die genitale Sexualität lege, »auf das Erwachsenwerden und die Überwindung infantiler Lustbedürfnisse«, wie eine »versteckte Aufforderung zum Erlangen der Reife« vorkomme, eine Aufforderung, die sie zutiefst ablehnten, um sich die »Freuden der Kindheit« auch im erwachsenen Alter nicht länger versagen zu müssen. An die Stelle des in der Hinsicht noch freudianisch argumentierenden Wilhelm Reich trete deshalb auf dem Gebiet der Theorie Norman O. Browns Abhandlung Life Against Death (1959) mit ihrer positiven Betonung des Polymorph-Perversen, die mit der Rückkehr zur frühkindlichen Sexualität auch eine Abkehr von maskuliner Penetranz und Aggression, folglich eine Hinwendung zu femininem Gebaren (und auch Aussehen) bedeute (ebd.: 25f.). Fiedler bezeichnet die Anhänger dieser (teilweise) neuen Auffassungen und Lebensstile als »Generation der noch nicht Fünfundzwanzigjährigen«, als »Irrationalisten«, von ihren Treffpunkten stellt er besonders ein »Beatnikcafé« heraus. Nur an einer Stelle übernimmt er bereits den Begriff des »Hippies«, der sich bekanntlich in den nächsten Jahren allgemein durchsetzen wird. Von den Beatniks sind die Hippies der Mitt-60er-Jahre nicht

108 | 1968 nur zu unterscheiden, weil sie die altersmäßig nächste, jüngere Generation der Verfechter einer Lebensweise der Boheme darstellen. Sie sind von ihnen substanziell zu unterscheiden – über die durchschlagende quantitative Tatsache hinaus, dass die Hippies schnell eine immens viel größere Zahl an Anhängern bilden –, obwohl sich bereits bei einem Teil der Beatniks der 50er Jahre einige Züge finden, die ebenfalls (teilweise auch von denselben Autoren wie etwa Allen Ginsberg oder Gary Snyder vermittelt) den Hippies äußerst wichtig sind – freie Bewegung, Improvisation, Spontaneität, Betonung der (ekstatischen) Gegenwart, pseudobuddhistische Weisheit, drogeninduzierte Reisen ins Innere, Abkehr vom Materialismus und einer Welt künstlicher Konsumprodukte wie -bedürfnisse (Hecken 2006c: 55ff.; Smith 1995; Green 1998; Stephens 1998). Den bedeutenden Unterschied macht (wenn auch vielleicht nicht für die ersten Protagonisten, LSD-Experimentatoren und Künstler der Bewegung wie etwa Ken Kesey oder Jerry Garcia, so doch für die schnell anwachsende Menge der Hippies) die veränderte Attitüde der hipness aus (vgl. Kemper 2001: 141; Matusow 1984: 292; Ebner 1972). Schon die frühen Bürgerrechtler hatten sich an dem cynical detachment der Beatniks gestört (Haber 1969a: 29), bei den Hippies macht sich die Wendung gegen den intellektualistischen oder auf andere Art aggressiv auf Abgrenzung bedachten coolen Habitus zwar nicht in hergebrachtem politischen Engagement bemerkbar, jedoch in vielerlei auffälligen Präsentations- und Verhaltensweisen vom Kleidungsstil bis zur Form des Zusammenlebens. (Selbst-)Beschreibungen der Hippies ziehen deshalb nicht nur in altbekannter Weise als Vergleichsmaßstab die squares, die Spießer, heran, sondern zeigen bei einem Teil der wichtigsten Punkte auch die Differenz zu den Beatniks an. Tuli Kupferberg etwa zählt zur Charakterisierung der neuen Generation folgende Merkmale und Veränderungen auf: »1) The change from hip to hippy was a change from hard to soft: 2) Tough leather towards nudity. Clothes reveal the body as a supple free instrument of beauty & joy. 3) Machine shoes to boots & sandals & to bare feet. Boots are elegant & they ARE masculine – & they can be ›tough‹. The damned up sadism esposes itself. When it works itself thru we see it again as rough love. After violence man becomes soft. The trick is to prevent the accumulation of uncontrollable deadly hate (murderous hate). The more man fucks, the less he beats, all other things being equal. Fuck however alas does not equal fuck. Some fuck with hate & not in love. Some achieve arousal & no satisfaction, no climax. Some fuck because it is expected of them. Some see it as proof of their worth &c. &c. […] 4) The music is free, dancy, inventive, moving, total, overwhelming. The hippy is not afraid to be overwhelmed. He has more mystic (total) experiences in a week, than the old man has in a lifetime.

2. Kapitel: Lebensformen | 109 The music, art is not separate from life. He plays and/or listens to music everywhere. He will dance anywhere. He is not ashamed of his joy. His dance is a prelude to sex, or a celebration of his existence: not a substitute for sex, or a tease, or a ritualistic (unsatisfactory) discharge of sexual energy. […] The world is an artform. He will decorate his body as a work of art. He will bead it, paint it, clothe it in rainbows & the idiosyncratic style or mixture of styles of all times all place; there is no CORRECT way to dress, there is no correct way to fuck. Let a thousands bodies bloom! […] 6) There is a disgust with the cruel abstract, the fake, the phony, the rhetoric, the gas & lies of politicians, the neuroses of bureaucracy, the insanity of war & internal institutionalized brutality (ie the police & ›justice‹ systems). There is a mistrust of the written word – used to mystify & to oppress with meaningless dogma. […] There is an unwillingness to ›play the game‹ when the game means disease, poverty, discrimination, boredom, murder (called ›war‹ or ›self defense‹), enslavement to property (things) or many ›ideals‹ (ofttimes meaningless abstractions like ›nation‹, ›country‹, ›flag‹, ›state‹, ›honor‹ […]). 7) There is a movement of disgust with the entire old dying society & an attempt to retreat, to drop out. There is an incredible seeking out, testing & creation of new forms of living together & of raising children: meditation, communal living, tribalization (a restructuring of the old paranoid family whose main slogan was actually: ›us against the world‹). There are new economic forms being contemplated: a new ›primitive‹ communism. There is a movement away from the choked dying cities to the living countryside. There is a rebirth of communal work, even in the egotistic arts. […] In a world controlled by man for his own joy the difference between art & objects disappears … life becomes the work.« (Kupferberg 1968: 205ff.)

Als weiteren wichtigen Punkt vergisst Kupferberg natürlich nicht, den Drogengebrauch der Hippies zu nennen. Wie für Timothy Leary und manch andere begeisterte Ideologen der neuen chemischen Halluzinogene, bietet LSD für ihn eine magische Möglichkeit, die vorgegebenen, tief in der Psyche verankerten Strukturen der bestehenden bürgerlichen Welt zu durchbrechen (Hecken 2006c: 123ff.). Wichtig ist aber beiden, dass die Droge keineswegs automatisch zu diesem erstrebenswerten Ziel der Bewusstseinserweiterung führt, Umstände und Vorbereitungen des Gebrauchs ermöglichen dies erst; zudem kann man auch auf anderem Wege (Tanz, wortlose Weisheit, Herausfallen aus Schule und Beruf …) dorthin gelangen. Das Hippietum ist auch insofern eine freundliche, diesseitige Religion, als es bei allem bekundeten Widerwillen gegen formelhafte Sprache und große Abstraktion genügend Kurzformen und kondensierte Weltanschauungen ausbildet, um leicht verständlich zu sein und rasch angeeignet werden zu können. Keineswegs muss man auf die anspielungsreichen Exegesen eines Norman O. Brown oder Marcuse (1979) und noch nicht einmal

110 | 1968 auf feuilletonistische Verallgemeinerer wie Ginsberg oder Kupferberg zurückgreifen (Roszak 1970a). Eine Vielzahl von Underground-Zeitschriften (vgl. Peck 1985; Fountain 1988; Cohen 1991) informiert einen in rasch wachsender Auflage zuverlässig über die in der Szene favorisierten Einstellungen und Anschauungsobjekte (vgl. Hall 1969). Ab 1966, mit dem Höhepunkt des sog. summer of love 1967 in HaightAshbury, tragen zudem die Illustrierten und Nachrichtenmagazine enorm zum Bekanntheitsgrad und zur Ausbreitung der Bewegung bei. Bestimmte Kürzel, die im Zuge dieser Berichterstattung geprägt werden – vor allem die Botschaft friedlicher, sprich: unpolitischer flower power –, tragen zusammen mit den Bildern manch hübscher, bunt-exotisch gekleideter junger Leute zum positiven Image der Hippies bei. Auf der Negativseite wird aber gerade mit der stark zunehmenden Attraktivität des Lebensmodells der Hippies für Schüler und junge Studenten verbucht, dass es Ausstrahlung über die Freizeit hinaus gewinnt. Fällt kleinbürgerlichen Augen in erster Linie das unordentliche Gebaren der Gammler und deren abgerissene Kleidung auf, sind auch liberalere Kreise schnell zutiefst besorgt über die fluchtartige Abkehr junger Leute von der Welt ihrer Eltern; jugendliche Ausreißer und Drogenkonsumenten in steigender Zahl stellen die medialen Themen dar, die den nötigen Grundstein allgemeiner Sorge bilden. Vertraute Motive wie Gefahr, Verführung, Abhängigkeit kehren dabei den selbstbewussten Anspruch der Hippie-Ideologen um, aus eigenständigen, gut begründeten Überlegungen heraus dem bürgerlich geordneten Leben ebenso abzusagen wie der damit zunehmend verbundeneren neuen, entfesselteren Welt des Konsums. Auf der direkten politischen Ebene treten konservativere Autoren der drop-out-Parole mit dem Argument entgegen, der offen erklärte Sezessionswille verdecke lediglich den parasitären Charakter der Hippies, die sich tatsächlich nur aus den bestehenden Ausbildungs- und Arbeitsverhältnissen zurückziehen könnten, weil sie nach wie vor von der Arbeit und den darauf beruhenden sozialen Leistungen der anderen profitierten (Toch 1969: 112). Da hilft auch das Gegenargument eines radikalliberalen Anhängers der Hippies nicht weiter, dass die Ausstiegsbemühungen sinnvoll seien, weil in Zeiten verstärkter Automatisierung die allgemeine Arbeitsgesellschaft ohnehin an ihr Ende gelange (Roszak 1970b: 87). Untauglich ist das Argument, weil die Anhänger der Hippie-Bewegung, wie viele Beobachter rasch registrieren, nicht zukünftige Handarbeiter wären, sondern zu einem großen Teil jener Mittelschicht entstammen, deren Kinder als Techniker, Manager und Lehrer weiter unumgängliche Leitungspositionen einnehmen sollten. Hans Toch möchte sich darum gar nicht auf die in seinen Augen immerhin mit Abstrichen verständlichen Anliegen der Hippies einlassen. Deren gefährliche Attraktivität liegt für ihn gerade darin, dass sie weitverbrei-

2. Kapitel: Lebensformen | 111 tete alltägliche Nöte und Begierden aufgreifen und sie durch die von ihnen betriebene ideologische Überhöhung in verstärktem Maße Wirklichkeit werden ließen: »The hippie makes it possible for the middle-class drug experimenter to define himself as a reality-seeker or an amateur anthropologist; it redefines promiscuity as an ethical revolution; it widens the definition of creativity and spontaneity to include doodling« (1969: 113). Jene Protagonisten der Hippie-Bewegung, die trotz mancher gegenläufiger Beteuerung nicht dem Wort zugunsten der sinnlichen Erfahrung und dem flickernden Bild entsagen, müssten sich von Tochs Befürchtungen stark bestätigt sehen, ist es doch natürlich ihr Anliegen, die von ihnen propagierte Lebensform mit eindringlichen rhetorischen und weltanschaulichen Mitteln in höchstem Maße attraktiv erscheinen zu lassen; sei es mit ruhiger, entschlossener Gewissheit – »We won’t, simply won’t play the game no longer. We return to the prosperous consumer society and refuse to consume. And refuse to consume. And we do our thing for nothing. In truth, we live our protest« (Metesky 1968: 52) – oder lyrisch höher gestimmt: »The most sensitive and among the ›best minds‹ do drop out. They wander over the body of the nation looking into the faces of their elders, they wear long Adamic hair and form Keristan communities in the slums, they pilgrimage to Big Sur and live naked in forests seeking natural vision and meditation, they dwell in the Lower East Side as if it were an hermetic forest. And they assemble thousands together as they have done this year in Golden Gate Park in San Francisco or Tompkins Park in New York to manifest their peaceableness in demonstrations of Fantasy that transcend protest against – or for – the hostilities of Vietnam. Young men and women in speckled clothes, minstrels’ garb, jesters’ robes, carrying balloons, signs ›President Johnson we are praying for you‹, gathered chanting Hindu and Buddhist mantras to calm their fellow citizens who are otherwise entrapped in a planetary barroom brawl.« (Ginsberg 1968: 55)

Gegen Konkurrenz, Arbeit, Normalität An einer theatralisch-religiösen ›Transzendierung‹ des Protests gegen den Vietnamkrieg, wie Allen Ginsberg vorschlägt, ist der amerikanische SDS ganz sicher nicht interessiert. Andere Entwürfe der Hippies, wie ein besseres Leben auszusehen habe, kommen aber ihrer eigenen Praxis sehr nahe. In seinen Anfängen begegnet der SDS der beklagten Isolation und Entfremdung innerhalb des amerikanischen Arbeits- und Alltagslebens nicht nur mit Aufrufen zur politischen Veränderung, sondern im Rahmen der noch kleinen Gruppe durch das Verlangen und den Imperativ intensiven Austauschs und großer (erotischer) Nähe (Gitlin 1993: 109). Die meisten

112 | 1968 neuen Mitglieder des ab 1966 immens anwachsenden Verbandes suchen laut dem Zeugnis des SDS-Sprechers Carl Davidson weiter nach solchen Gemeinschaftserlebnissen, wenn sie nun auch allenfalls auf lokaler Ebene erfahrbar sind. Davidson schätzt, dass fast 90 Prozent der Mitglieder im Sommer 1967 dieser Gruppe zuzurechnen seien. Er bezeichnet sie als shock troops; im Regelfall handele es sich um jüngere Mitglieder, eher antiintellektuell ausgerichtet, »rapidly moving into the hippy, Bobby Dylan syndrome« (zit.n. Sale 1973: 352). Aber auch die verbleibenden 10 Prozent des SDS (Davidson unterteilt sie in superintellectuals und organizers) dürften zweifelsfrei mit ihnen und den unpolitischen Hippies außerhalb des Verbandes die tiefsitzende Abneigung teilen, in der bestehenden Gesellschaft Rollenanforderungen zu erfüllen. Herbert Marcuse nennt diese Entwicklung unter den oppositionellen Jugendlichen eine spontane Weigerung, noch länger den Kontrast zwischen dem gesellschaftlichen Reichtum sowie dem technischen Fortschritt einerseits und der weiter fortbestehenden niederdrückenden Arbeit sowie der teilweisen Armut andererseits hinzunehmen (1998d: 206). Jürgen Habermas spricht ganz ähnlich von dem unter den protestierenden MittelschichtsJugendlichen herrschenden Unverständnis dafür, »warum das Leben des einzelnen trotz des hohen Standes der technologischen Entwicklung nach wie vor durch die Ethik des Leistungswettbewerbs, durch den Druck der Statuskonkurrenz, durch Werte der possessiven Verdinglichung und der angebotenen Surrogatbefriedigungen« bestimmt werde (1969e: 170). Oder mit den deutlicheren Worten Jean-Paul Sartres, der zwar wie viele französische Intellektuelle erst spät die Studentenbewegung als Thema für sich entdeckt, sich dann aber selbstverständlich schnell als Interpret ihrer Anliegen und Antriebe bewährt: Nicht mehr die Unmöglichkeit, die unmittelbarsten materiellen Bedürfnisse zu befriedigen, schaffe ein Bewusstsein dafür, wie unerträglich das bestehende System sei, sondern die herrschende Entfremdung. Sie führe diejenigen, welche ihr nicht ohnmächtig unterliegen, zum Bewusstsein der Tatsache, »daß dieses Leben nicht mehr die Mühe lohnt, gelebt zu werden, daß es keinen Sinn mehr besitzt, daß der Mechanismus des Systems ein betrügerischer Mechanismus ist, daß diese Bedürfnisse künstlich geschaffen wurden, daß sie falsch sind, daß sie erschöpfen und lediglich dem Profit dienen« (1974: 97f.). In dem Punkt sind sich alle einig, Hippies und junge Marxisten, politische Aktivisten und avantgardistische Künstler, marcusianische und situationistische Theoretiker. Die Frage nach dem Wert des vorherrschenden Lebens ist deshalb bloß eine rhetorische Frage: »Was bleibt an menschlichem Funken, das heißt an möglicher Kreativität, bei einem Wesen übrig, das jeden Morgen um sechs aus dem Schlaf gerissen wird, in den

2. Kapitel: Lebensformen | 113 Vorstadtzügen hin- und hergeworfen, vom Lärm der Maschinen betäubt, vom Akkord, den sinnlos gewordenen Gesten, der statistischen Überwachung ausgelaugt und am Ende des Tages wieder in die Bahnhofshallen ausgestoßen wird, diese Kathedralen des Aufbruchs in die Hölle der Arbeitswochen und das winzige Paradies der Wochenenden, wo die Menge in der Erschöpfung und im Stumpfsinn verbunden ist? Von der Jugend bis zum Rentenalter wiederholt sich unablässig und gleichförmig im Kreislauf von 24 Stunden das Zerbröckeln gebrochener Scheiben: Zerbrechen im erstarrten Rhythmus, Zerbrechen in der Zeit, die Geld ist, Zerbrechen in der Unterordnung unter den Chef, Zerbrechen in der Langeweile, Zerbrechen in der Erschöpfung.« (Vaneigem 1980: 47)

Doch nicht genug. Die Pointe an solchen Überlegungen ist, dass sie im Ergebnis auch auf die Schulen und Büros bezogen werden, in denen die Erschöpfung nach Meinung der entfremdungskritischen Beobachter eine vergleichbare, wenn auch vorwiegend psychische Qualität besitzt. Die leere, unkreative, unpersönliche, standardisierte Arbeit trete den Teilnehmern der antiautoritären Bewegung auf eine geradezu schmerzhafte Weise ins Bewusstsein: »many of us can no longer tolerate psychologically the demands of orthodox jobs or the training they require« (Haber 1969b: 290f.). Noch stärker ausgeweitet, erscheint das ganze Leben als eine Abfolge von Stationen, die (aus Sicht der bewusst Abweichenden fälschlich) als normal angesehen werden. Normalität als statistical concept, als goldene Regel jenes Verhaltens, das sich an der Mehrheit der anderen orientiert, werde von der Geburt an durch verschiedene Institutionen etabliert, bis sie ganz verinnerlicht worden sei: »From the womb we are born into the box of the family from which we progress into the box of the school. By the time we leave school we have become so conditioned to being in a box that from then on we erect our own box, prison, bin around us – until, finally with relief, we are put into the coffin or the oven« (Cooper 1967: 15, 17). Die revoltierende Schlussfolgerung kann deshalb nur auf eine vollkommene Ablehnung solcher Normalität hinauslaufen: »Nie hat eine Zivilisation einen derartigen Grad von Verachtung gegenüber dem Leben erreicht; im Ekel ertränkt hat nie eine Generation leidenschaftlicher den Wunsch zu leben empfunden« (Vaneigem 1980: 47).

Antiautoritär Paradox an der Schlussfolgerung, die gegebene Normalität fordere eine vollkommene Ablehnung heraus, ist jedoch, dass sie als Gewissheit formuliert wird, nachdem die durchdringend gefestigten Verhältnisse zuvor in derart düsteren Farben ausgemalt worden sind. Festgehalten werden kann aber auf jeden Fall, dass angesichts der vorausgesetzten Totalität des ent-

114 | 1968 fremdeten, rationalisierten Lebens jede Abweichung den Anschein einer bedeutenden Bedrohung des Systems bekommt. Was Konservative befürchten, erhoffen sich genau umgekehrt die Neuen Linken. Fühlen sich Erstere etwa von den langen Haaren der Jugendlichen abgestoßen und erkennen darin eine Bedrohung der hergebrachten Ordnung, vertrauen Letztere genau in diesem Sinne darauf, dass es sich tatsächlich um weit mehr als eine Änderung im Bereich der Freizeit und des Privaten handelt. Sie sind in positivem Sinne davon überzeugt, dass solche Änderungen insgesamt eine Abkehr von der bislang durchgesetzten Normalität bedeuten und damit eine wichtige Bedrohung der »für den Produktionsprozeß unumgänglichen Disziplin« darstellen (Amendt 1968: 19), aber natürlich ebenfalls der Disziplin, die nötig ist, um die Gesetze und Anweisungen von politischen Führern zu befolgen. Die Übereinstimmung mit und der Gegensatz zu bestimmten Hippie-Gruppen wird an der Stelle besonders deutlich. Die Übereinstimmungen sind gut unter dem Titel einer Revolution des Bewusstseins bzw. dem der cultural rebellion zu fassen, wie es z.B. bei dem jugendkulturell interessierten Vertreter der britischen New Left Stuart Hall heißt. Umfassender ausgeführt, steht der Titel für die Überzeugung, dass gesellschaftliche Veränderungen zu kurz greifen, wenn sie bloß im Hinblick auf politische Einrichtungen und ökonomisch-rechtliche Verfügungsgewalt durchgeführt werden; unabdingbar sei vielmehr, tiefer in die Anschauungen und Abläufe des Alltagslebens einzugreifen, um den sozialmoralischen Kitt und die Ordnungsvorstellungen, die alles zusammenhielten, aufzulösen: »›society‹ is not only a power ›out there‹ but also a structure inside the head« (Hall 1969: 196f.). Während die unpolitischen Hippies aber ihre Verweigerung gegenüber der herrschenden Ordnung und ihre Wendung gegen feste Hierarchien als Auszug aus dem gesellschaftlichen System, als Abschied von der Politik schlechthin begreifen sowie als Versuch, innerlich mit sich selbst ins Reine zu kommen (Wright 1969), sehen die Neuen Linken alle Änderungen, die an Personen ansetzen, stets in engem Zusammenhang mit einer politischen Umwälzung der bestehenden Institutionen. Grundlegend für diese Konzeption ist die Auffassung, dass autoritär eingerichtete gesellschaftliche Verhältnisse nicht allein auf Zwang und der Herstellung von Abhängigkeiten beruhen, sondern zu ihrer Aufrechterhaltung der massenhaften Stützung durch autoritäre Charaktere weit abseits der Kommandozentralen politischer oder ökonomischer Macht bedürften. »Society not only requires us to ›collude‹ with its values and way of perceiving reality, but helps us to gain deep satisfactions from that collusion«, um erneut Stuart Hall zu zitieren (1969: 197). Der umgekehrte Versuch, bei den Einzelnen darauf hinzuarbeiten, dass die Verhaltensanforderungen der bestehenden Institutio-

2. Kapitel: Lebensformen | 115 nen auf Unlust und Widerwillen stoßen, ist demnach ein bedeutender politischer Akt und nicht bloß eine individuelle Nebensache. Neben dem bereits erwähnten Wilhelm Reich trägt vor allem die Kritische Theorie zu dieser Auffassung der Neuen Linken bei (Gilcher-Holtey 1998). Rudi Dutschke zitiert an einer wichtigen Stelle ausführlich die u.a. von Adorno verfassten Studies in the Authoritarian Personality aus dem Jahr 1950. Mit Adorno gelten ihm etwa folgende Charakteristika der autoritären Persönlichkeit als bekämpfenswert: eine rigide moralische Einstellung, die Ablehnung des Weichen und Phantasievollen, Feindseligkeit gegenüber Fremden, Betonung männlicher Durchsetzungsfähigkeit (Dutschke 1968a: 58). Wichtig ist dabei festzuhalten, dass die Charakteristika der autoritätsgebundenen Persönlichkeit bereits nach dem Verständnis der Frankfurter Schule nicht allein den potentiellen Faschisten für die Aufnahme »antidemokratischer Propaganda« höchst empfänglich machen (Adorno/FrenkelBrunswik/Levinson/Sanford 1975: 158); die übermächtigen bürokratischen Institutionen der verwalteten Welt benötigten ebenfalls autoritätshörige, unkritische Charaktere (Horkheimer/Adorno 1975: 371). Ähnlich übergreifend sieht Max Horkheimer in seinem Beitrag zu dem Sammelband Studien über Autorität und Familie den Grund für den autoritären Typus, der Ungleichheit als unveränderlich hinnimmt oder gar bejaht, in der kapitalistischen Klassengesellschaft gegeben (1977: 321). Bei Rudi Dutschke findet man die Gedankenfigur wieder; er glaubt, dass die »Persönlichkeitsgrundlage des Faschismus« durch die deutsche Niederlage zwar äußerlich überwunden worden sei, jedoch im Wesentlichen in der Ideologie des Antikommunismus umgewandelt weiterbestehe (1968a: 58). Die Richtigkeit der Einschätzung einmal vorausgesetzt, ist die Notwendigkeit, antiautoritäre Handlungen zu fördern, für die Anhänger radikaldemokratisch-kommunistischer Bestrebungen natürlich schier überwältigend. Im Unterschied zu klassischen sozialistischen Konzeptionen, die erst langsam nach der kompletten Umwälzung der bestehenden Eigentumsordnung verwirklicht werden können, besteht hier sogar die Chance, bereits in der Gegenwart damit zu beginnen, antiautoritäre Charaktere herauszubilden. Die Störaktionen in Schulen und Universitäten, aber auch die argumentativen Herausforderungen der Redemacht der Lehrer und Dozenten besitzen dann gleich den Vorteil, nicht nur auf rationale oder provokative, öffentlichkeitswirksame Weise die eigene, abweichende Position deutlich zu machen, sondern in einem Zuge auch antiautoritär zu wirken – indem sie die bislang verborgene Autorität manifest werden lassen und (dadurch) zur weiteren antiautoritären Radikalisierung beitragen.

116 | 1968

Kommunen, befreite Gebiete Viel stärker in den Bereich, der traditionell nach liberaler Manier als private Sphäre von der Politik getrennt ist, greift eine weitere wichtige Folgerung ein, die von den entschieden antiautoritären Kräften aus der Theorie des autoritären Charakters gezogen wird. Auf der Überzeugung der Frankfurter Schule, dass der Unterwerfungstrieb »keine ewige Größe, sondern ein wesentlich in der bürgerlichen Kleinfamilie erzeugtes Phänomen« sei (Horkheimer 1977: 343), fußen bei ihnen nicht allein Entwurf und Praxis einer radikal veränderten Erziehung z.B. in Kinderläden (Bott 1970) – wobei sie Horkheimers Diktum, dass aus jeder Erziehung der Zwang nicht wegzudenken sei (1977: 343), oftmals wenigstens teilweise übergehen. Auf der Überzeugung beruhen vor allem auch Maximen und Handlungsweisen, die noch elementarer die Struktur der bürgerlichen Familie angreifen sollen. Eine extreme Form liegt darin, den von den Agenten des Normalen (Foucault 2001: 773) bzw. der »angepaßten Rationalität« (Glucksmann 1968: 52) diagnostizierten Wahnsinn als begrüßenswerten Ausbruch aus der Ordnung der auf die Abhängigkeit und Unterwerfung vorbereitenden Familie zu deuten (Cooper 1967: 17, 35ff.; Laing 1969: 15, 22; vgl. Scruton 1985: 45ff.). Die eingängigere Variante, zur Auflösung der Kleinfamilie beizutragen, besteht in der Propagierung ›befreiter Sexualität‹ (Hecken 2006c: 91ff.). Unter den in mancherlei Bedeutung kursierenden Schlüsselbegriff der zweiten Hälfte der 60er Jahre fallen im Sprachgebrauch der antiautoritären Neuen Linken ausdrücklich nicht der verschwiegene Ehebruch oder andere Weisen eines privaten Hedonismus (Binger 1969: 13; Brückner 1968: 116), sondern allein viel systematischere, öffentliche Formen geschlechtlicher Beziehungen, welche den festen Verbund der Einehe und des geschlossenen Kerns von Vater/Mutter/Kind zwangsläufig hinter sich lassen. Solche größeren, durch Intimität vermittelten Zusammenhänge werden in erster Linie unter dem Titel »Kommune« diskutiert und angestrebt. Die »tendenzielle Aufhebung bürgerlicher Abhängigkeitsverhältnisse (Ehe, Besitzanspruch auf Mann, Frau, Kind etc.)« sowie die »Destruierung der Privatsphäre und aller uns präformierenden Alltäglichkeiten« steht programmatisch auf dem Plan der schnell große mediale Berühmtheit erlangenden Berliner Kommune 1. Um die Kommune vollends von einer modernen Variante der Großfamilie zu unterscheiden, hebt Dieter Kunzelmann gleich hervor, dass die angezielte Aufhebung bürgerlicher Individualität nur im Zusammenhang des Kampfes gegen die repressive Gesellschaft geschehen könne. In deutlicher Abgrenzung zu marxistischen Konzeptionen glaubt Kunzelmann zwar, durch die von den amerikanischen Hippies entlehnte Losung »Fuck for Peace« werde eine stärkere Vermitt-

2. Kapitel: Lebensformen | 117 lung mit allgemeinen Emanzipationsbestrebungen gewährleistet als durch klassenkämpferische Konzepte. Jeder Verdacht, Kunzelmann strebe mit der K 1 letztlich doch eine apolitische Gemeinschaft an, wird aber gleich wieder ausgeräumt, wenn im nächsten Satz der neue Mensch Che Guevaras als Mittel und Ziel militanter, subversiver Aktionen ausgegeben wird. Herbert Marcuses zu Beginn des Kapitels angeführte Kritik an der harmlosen Seite der Hippies ist dadurch ausgeräumt; Marcuses positive Anerkennung des politischen Teils der Hippies – er nennt die Diggers und Provos – als eine Kraft, die sich der »leistungsfixierten und wahnsinnigen Vernunft« verweigere, wird von den Kommunarden nicht enttäuscht. Über Marcuses Feststellung, dass der rebellische Teil der Hippies auf aggressive Weise eine »nicht-aggressive Lebensform« vertrete bzw. eine »aggressive Nicht-Aggressivität« an den Tag lege (1969a: 100f.), geht ihr Programm sogar noch einmal hinaus. Trotzdem bleibt die Beziehung zwischen den Provo-Kommunarden und den antiautoritären Neuen Linken gespannt, wie man bereits anekdotisch an dem Umstand ablesen kann, dass Rudi Dutschke, der viele Mitglieder der deutschen K 1 aus der Subversiven Aktion und dem Berliner SDS sehr gut kennt, Anfang 1967 nicht mit in die Kommune einzieht, sondern sich um den Aufbau einer sog. Wissenschaftskommune bemüht. Auf der grundsätzlichen theoretischen und politischen Ebene kritisieren die Neuen Linken zum einen die Überforderung und den Zwang, der bei dem individuell bzw. gruppentherapeutisch ansetzenden Versuch, die eigene, bürgerliche Vergangenheit etwa auf sexuellem Gebiet hinter sich zu lassen, entstehe (Reiche 1971: 154; s. Kommune 2 1969: 150ff.); zum anderen distanzieren sie sich von dem aus ihrer Sicht unreflektierten, falsch unmittelbaren Anarchismus, bei dem Negation und schockierende Provokation zum Selbstzweck würden (Lefèvre 1977: 107). Die Provos geben die Vorwürfe mit gleicher, umgedrehter Münze zurück. Für sie agieren auch die Neuen Linken (von den alten ganz zu schweigen) immer noch zu zurückhaltend, zu gehemmt; auch die Antiautoritären im SDS seien immer noch zu stark von einem traditionellen Politikverständnis bestimmt (vgl. Gitlin 1993: 224ff.), setzten bei ihrer Kritik auf einem zu hohen Abstraktionsniveau statt bei den »subjektiven Erfahrungen und Gefühlen« an (Kommune 2 1969: 33); spektakulär pointiert wird der letzte Punkt durch den viel zitierten Ausspruch Dieter Kunzelmanns: »Was geht mich Vietnam an – ich habe Orgasmusschwierigkeiten.« Kurz gefasst, bilden die Provos innerhalb des erweiterten Kreises der Neuen Linken eine nochmalige Herausforderung der ohnehin schon weitgehend antiautoritär argumentierenden Kräfte. Gemeinsamkeiten sind demnach in beträchtlicher Zahl vorhanden; wie oft zu beobachten, führen aber gerade dann Unterschiede zu scharfen Absetzbewegungen oder Überzeugungsversuchen. Die stärkste Übereinstimmung gibt es zwischen bei-

118 | 1968 den Gruppierungen neben dem generell geteilten antiautoritären politischen Ansatz bei den Konzeptionen einer Gegenmacht. Genauer gesagt, geht es um den als äußerst wichtig erachteten Versuch, bereits innerhalb des falschen Ganzen einigermaßen abgeschottete Bereiche zu etablieren, in denen Prinzipien und Organisationsformen einer künftigen Gesellschaft zur Geltung kommen können (Nirumand 1968: 13); Rudi Dutschke schätzt das »Experiment der Hippies« als ein »totales Experiment: ein eigenes Milieu, ein eigenes Leben, gegenseitige Hilfe, eigenes Zirkulationsfeld« (Dutschke/Rabehl/Semler 1968: 155). Kommunen gehören dazu, sind aber nur ein Projekt unter vielen. Dutschke, der den Ansatz der Hippies, der Machtfrage gewissermaßen auszuweichen, strikt ablehnt, bemüht sich von vornherein, jede Möglichkeit des privaten Rückzugs auszuschließen. Er hält viel von der Selbstorganisation des antiautoritären Lagers in Gegenuniversitäten oder, bescheidener gedacht, in vielen kleinen Institutsassoziationen von sechs bis zehn Antiautoritären, die innerhalb der Universität, aber doch weitgehend unabhängig von ihr gemeinsame Forschungsgebiete erkunden und zugleich kostenlose juristische, medizinische oder pädagogische Beratungsstellen einrichten (Dutschke 1998: 259). In vergleichbarer Manier lobt Tom Hayden vom amerikanischen SDS die Besetzung der New Yorker Columbia Universität im Frühjahr 1968, indem er sich der Einschätzung der rebellierenden Studenten, sie hätten während der Zeit der Besetzung ein befreites Gebiet geschaffen, anschließt; new society, liberated area oder commune heißen die Begriffe, mit denen der hohe Anspruch umschrieben wird (Hayden 1970b: 346). Die Provos wiederum verbindet kein gesteigertes Interesse mit der Universität, und sei es eine Gegenuniversität, dennoch klingen ihre ›kommunalen‹ Ziele prinzipiell gleich. Vor allem die von Marcuse belobigten Diggers tun sich auf dem Felde hervor. Ihr Sitz befindet sich in HaightAshbury, der Hochburg der Hippies, ihre Absicht ist es, zusammen mit den radikalen Gruppen des Viertels und der Stadt San Francisco, darunter die Black Panthers oder die Mission Rebels, Bedingungen zu schaffen, die ein autonomes Leben gewährleisten, unabhängig von entfremdeter Arbeit, aber auch von öffentlichen Einrichtungen und kommerziellen Anbietern. Dank der schnell wachsenden Szene gelingt ihnen das tatsächlich teilweise, Ärzte, Drucker, Rechtsanwälte, Handwerker ergänzen die eigenen Reihen. Sie ermöglichen es wiederum den Diggers (ihre Wortführer sind Theaterleute), sich gezielt der Versorgung derjenigen zu widmen, die arm sind bzw. die der Hippie-Lebensstil und Drogenkonsum aus allen sozialen Bezügen gelöst hat. Die Realität einer vorübergehenden alternativen Heilsarmee steht den radikalen Aktivisten der Diggers aber natürlich insgesamt nur schlecht an, zumindest in ihren Texten münden ihre Versuche in einer umfassenden free city, die sich aus szeneeigenen Schulen, Banken, Klini-

2. Kapitel: Lebensformen | 119 ken, Sendern und Wohngebieten zusammensetzt (Diggers 1995; vgl. Hollstein 1969: 110ff.; Yablonsky 1973). Der Vorwurf an die Hippies, bloß an einer individuellen, persönlichen Befreiung interessiert zu sein (Davidson 1970 : 332), wird dadurch zumindest von den Diggers entkräftet. Die Kritik der politischeren Antiautoritären verstummt deshalb aber noch lange nicht. Immer wieder wird von ihnen (oft auch im Sinne einer Selbstkritik) angemahnt, die Etablierung vereinzelter Gegeninstitutionen sei nur sinnvoll im Rahmen allgemeiner politischer Kampagnen durchzuführen, »die allein ihre Einheit herstellen können: Aktionen gegen den Imperialismus, gegen die NATO« etc. (H.M. Enzensberger 1968a: 197). Auf einer weiteren, höheren Stufe der Ablehnung wird Gruppen wie den Diggers oder der Kommune 1 vorgehalten, im falschen Ganzen sei es schlichtweg unmöglich, richtige Enklaven einzurichten; die Totalität des Tauschsystems bzw. des rationalisierten Lebens verhindere dies. Die Kritik kann im Sprachgebrauch der Frankfurter Schule formuliert werden, sie kann aber auch in direkter sozialistischem Sinne erfolgen; dann wird den Kommunarden attestiert, sie würden mit ihren Bestrebungen darüber hinwegtäuschen, dass »der Imperialismus keinen Spielraum für Freiheit« und nicht einmal ein »Ghetto der Freiheit« zulasse (Salvatore 1968: 97). Anders betrachtet, liegt dem Konflikt die Differenz von Reformismus und Revolutionarismus zugrunde, wobei die Ansätze der Kommunarden ins erste Fach fielen, wie es etwa einer grundsätzlichen Abhandlung früher einflussreicher amerikanischer SDS-Mitglieder zu entnehmen ist: »The revolutionary situation, if it does occur, will be created slowly, without a single decisive struggle and transfer of power: by mobilizing small enclaves of radicalism in a variety of social locations, by changing people’s consciousness, by creating alternative ways of living, by extending people’s definitions of the possible« (Haber 1969b: 300). Auf die Provos, Diggers, Kommunarden trifft die Beschreibung aber allenfalls halb zu. Zwar favorisieren sie tatsächlich Konzepte der Bewusstseinserweiterung und des demonstrativen alternativen Lebensstils, an eine langsame Veränderung denken sie jedoch überhaupt nicht. Ihr ganzes Gebaren ist auf radikale Konfrontation ausgerichtet, ihre abweichende Lebenspraxis wird nicht abgeschieden ausgeübt, sondern in aller Öffentlichkeit zelebriert bzw. gerade den liberalen, diskret toleranten Bürgern immer wieder aufdringlich, peinlich nahe gebracht, ihr Verhalten soll schockieren, zu einer plötzlichen Eskalation und Umkehr führen (vgl. Hecken 2006c: 135ff.; 2006b: 49ff.; Siegfried 2006a; 2006b: 399ff.). Im Gegensatz dazu klingen – auf teilweise gleicher Grundlage, die bei den Bedürfnissen der Einzelnen ansetzt – zunächst viel eher die Pläne der sozialistischen Antiautoritären bescheiden und reformistisch. Dutschke etwa feiert Anfang 1968 nichts anderes als die politische Arbeit kleiner

120 | 1968 Gruppen abseits einer Partei; er zeigt sich begeistert darüber, dass sich überall »›selbsternannte Avantgarden‹« bilden, die »völlig autonom und von keiner Zentrale organisiert beziehungsweise manipuliert den von ihnen als notwendig erkannten Kampf gegen Manipulation und Unterdrückung der schöpferischen Fähigkeiten des Menschen begonnen haben.« Die Stärke der Bewegung liege genau darin, dass »die praktisch-kritische Tätigkeit der Antiautoritären der reale Ausdruck eigener Bedürfnisse und Interessen« sei. Mit dieser Selbstbesinnung ist bei Dutschke konsequenterweise die Warnung verbunden, nicht »›das Proletariat‹ oder ›die Massen‹ schier metaphysisch zu verabsolutieren« oder die »temporäre Trennung zwischen minoritären radikalen Bewußtseinsgruppen und den breiten Massen« zu übersehen (1968a: 90). Ganz ähnlich wie bei den radikalen Provos und Kommunarden bringt aber die Überzeugung und das existentielle Gefühl, es sei notwendig, dass sich alles äußerst schnell, tiefgreifend ändert, bei vielen sozialistischen Antiautoritären letztlich eine andere Pointe hervor. Dann erscheinen die Aktionen der Studenten, falls sie nur entschlossen und revolutionär genug angelegt würden, jemandem wie Dutschke als »entscheidende Voraussetzung für die Revolutionierung der Massen«. Die Notwendigkeit der Revolution macht den Abstand zu den Arbeitern und zu traditionelleren marxistischen Konzepten gesellschaftlicher Veränderung wieder zu Teilen vergessen. Im Ziel der beschleunigten, umfassenden Umwälzung des Bestehenden sind sich darum beide Gruppen – die politischen und die lebenskünstlerischen Antiautoritären – einig. Der Unterschied zwischen beiden wird aber sehr schnell wieder daran deutlich, dass sie nicht selten an sehr unterschiedlichen Orten ansetzen und agieren. In den gerade angeführten Passagen verweist Dutschke u.a. auf die ersten »autonomen Basisgruppen«, die in Industriebetrieben versuchen, »die autoritären Zwänge der Hierarchie der Betriebsstruktur« zu bekämpfen (ebd.: 93, 90). Die späteren kommunistischen Gruppierungen haben es in der Hinsicht leicht, teilweise an ihre eigene antiautoritäre Vergangenheit anzuknüpfen und nun die Linie von Proletariat und Klassenkampf direkter zu verfolgen. Den Kommunarden und Provos hingegen liegen im Regelfall die Schauplätze industrieller oder bürokratischer Arbeit sehr ferne: Bei den Diggers ist von free city events, free city radio, free city hospitals, free city garage, free city stores die Rede, von einem ›freien Industriebetrieb‹ oder einer ›freien Universitätsverwaltung‹ liest man bei ihnen in keiner Zeile.

2. Kapitel: Lebensformen | 121

Ästhetik Zum Plan einer freien Stadt zählen bei den Diggers natürlich Veranstaltungsorte, Radiostationen und free city music. Entsprechend versuchen sie und andere Gruppierungen des Underground, Druck auf die Clubbesitzer und die Veranstalter von Konzerten auszuüben. Die New Yorker Gruppe Up Against The Wall Motherfucker etwa gehört zu den Sprechern der Proteste gegen Bill Grahams Fillmore, in dem Rock- und andere Szene-Veranstaltungen stattfinden. Der enorme Erfolg solcher Veranstaltungen bei den Hippies ruft 1968 den aktiveren Teil dieser Bewegung auf den Plan; die community der Hippies und Rockmusikhörer verstehe sich nicht als zahlendes Publikum für die Leistungen anderer: »a new community, a new world, sees the possession of $1 million as ipso facto proof of guilt, of human violation, bribery, pillaging of community rights.« Die Kritik an den Profiten Einzelner findet ihren Grund in der Überlegung, dass Leistungen nicht trennscharf individuell bilanziert werden können. Die community, welche die Konzerte zu einem Ereignis macht und aus deren Mitte auch die Musiker hervorgehen, fordert darum das Recht auf zeitweiligen freien Zutritt zu den Veranstaltungsorten (Pitchford 1970: 576). Selbst arrivierte Vertreter des Kunstbetriebs und der feuilletonistischen Neuen Linken, die keine Zutrittsschranken mehr überwinden müssen, bemühen sich in vergleichbarer Weise um größere kollektive Mitspracherechte in Verlagen und staatlichen Kulturinstitutionen (Gilcher-Holtey 2006). Der Versuch, nicht nur eine Kunst zu propagieren, in der sich Ansichten und Haltungen der Bewegung wiederfinden, sondern die künstlerischen Produktionsmittel über die Gitarre oder die Schreibmaschine hinaus unter Kontrolle zu bringen, steht zeitlich gesehen am Ende einer schnellen und facettenreichen Diskussion und Entwicklung ›antiautoritärer Kunstpolitik‹. In Anführungszeichen muss der Ausdruck allerdings gesetzt werden, weil in den Schriften der Antiautoritären die Kunst häufig direkt überhaupt keine Rolle spielt. Dass dennoch indirekt ein starker Bezug vorherrscht, muss man folglich an anderen Zusammenhängen aufweisen. Bei den Hippies, aber auch den meisten jungen Mitgliedern des amerikanischen SDS hat man es da einfacher, wenn man denn gewillt ist, die Rockmusik der 60er Jahre als Kunst zu bezeichnen. Bemerkenswert an deren Vorliebe für die Rockmusik ist vor allem, dass sie sich nicht auf musikalisch unterstützte politische Texte und Slogans bzw. Refrains richtet, wie das noch in der ersten Hälfte der 60er Jahre der Fall ist. Am Beispiel Bob Dylans kann man dies sehr gut zeigen, wie es bereits 1966 der junge Aktivist Frank Bardacke vormacht. Den Vorwurf der Linken, Dylan habe mit seinem Griff zur elektrischen Gitarre und dem Verzicht auf klare Botschaften, habe mit der Folkmusik auch seine politische Position als Sänger der Bürgerrechtsbewegung verraten, teilt Bardacke nicht. In den persönlichen,

122 | 1968 eigenwilligen und verrätselten Texten Dylans erkennt er eine andere, neue Art der Politik: »The left has been mistaken. It is not only the Negroes who are in chains, but all Americans who are trapped by an uneasy boredom, by loneliness, and by god knows what else. These are the chains that Dylan wants to break. He is convinced that the only way to freedom is through an understanding of his own personal dilemmas. […] Look at our situation. The most important reason why middle class Americans do not act to change their lives is because they can not conceive of a different kind of life. […] This is what is completely missed by those who claim that Bobby Dylan has deserted radical politics and is now acting out the politics of escape. The very first mission of the American radical is to escape. If he does not escape from American values and the American vision of society, then his political activity is meaningless. […] So Bobby Dylan has escaped. He has held onto his dangerous fantasies. And he intends to ›blow their minds‹. In a society where the most important restrictions of freedom are the limitations on consciousness, ›blow their minds‹ is the rallying cry of freedom fighters. It is roughly equivalent to the cry of an older historical period, ›break your chains‹.« (Bardacke 1970: 379f.)

Die Parole des blow your mind kann im Laufe der zweiten Hälfte der 60er Jahre auch wesentlich aggressivere Züge annehmen, etwa wenn 1967 eine Gruppe von politisierten West Coast-Fans der Rolling Stones (»they call us dropouts and delinquents and draftdodgers and punks«) in der Musik der Stones ein Gegenstück zum militanten Aufruhr erkennt (zit.n. Gleason 1969: 72) – oder wenn der Mitbegründer der White Panther in dem highenergy guerilla rock der MC5 einen kulturrevolutionären Anschlag ausmacht (Sinclair 1972: 104f.; vgl. Waksman 1998). Eine Intensität, die aus dem bürgerlichen Leben herausführt, kann jedoch ebenfalls auf weniger martialische Weise erzeugt werden (und zudem ohne Schlagworte wie street, fighting, kick out, revolution auskommen). Die psychedelische und experimentelle Rockmusik von Grateful Dead oder Pink Floyd löst zum Teil vertraute Songstrukturen der Rock ’n’ Roll- und Beatmusik auf oder verzerrt deren gewohnte Klänge (Fryer 1967: 17), hält aber an deren Anspruch fest, eine enorme, durchschlagende Wirkung zu entfalten – mit dem bedeutenden Unterschied, dass die angestrebte Intensität weniger punktuell ekstatisch und isoliert reizvoll, sondern ganzheitlich, alle Wahrnehmungsformen und Lebensbereiche einnehmend sein soll (Anderson 1968). Gegen den »Ruf nach Klarheit in der Popmusik« stellen die psychedelischen Hippies im Namen der Bewusstseinserweiterung das »Mehrfachkodierte«, die Komplexität und die Vielfalt von Bedeutungen, wie Paul Willis (1981: 201) im Rahmen seiner empirischen englischen Studie festhält. Als Vertreter einer wesentlich älteren Generation begrüßt auch Herbert Marcuse die Auflösung alter Wahrnehmungsstrukturen. Im Zusammen-

2. Kapitel: Lebensformen | 123 hang damit feiert er sogar eine »neue Sensibilität«, der das Sinnlich-Spielerische und die phantasievoll, aber nicht aggressiv freigesetzte Lust – sprich: das Ästhetische – »als mögliche Form einer freien Gesellschaft erscheint« (1969b: 63, 45f.). Solche ästhetische Praxis mündete dann beim Neubau der Gesellschaft nicht mehr in Kunstwerken, die in ihrer Form zwar der schlechten Wirklichkeit widerstreben, aber unter den Bedingungen der herrschenden Ordnung des Mangels letztlich etwas Irreales und Fiktives bleiben, sondern sie führte direkt zur allseitigen Umgestaltung der Gesellschaft, glaubt Marcuse. In der Aufhebung der Kunst, der Versöhnung des Ästhetischen mit dem Wirklichen gewönne die Kunst ihren traditionelleren technischen Charakter (etwa als Kochkunst) zurück, sie verbände sich aber auch futuristisch mit der enorm angewachsenen Produktivkraft von Wissenschaft und Technik. Noch würden deren befreiende Möglichkeiten systematisch beschnitten, wie man z.B. an den sozialtechnischen Experimenten zur Verhaltenssteuerung, der Erfindung und Produktion von »minderwertigen Waren und luxuriösem Plunder« sehen könne. Aus den Zwängen des ausbeuterischen, destruktiven Systems entlassen, von der neuen Sensibilität durchdrungen, könnte die technologische Phantasie jedoch dazu beitragen, eine Welt aufzubauen, in welcher das Leben seine hässlichen und aggressiven Züge verlöre. Die Reichweite des Ästhetischen würde sich dabei entscheidend verändern; das ästhetische Vermögen fände Ausdruck in der künstlichen Umgestaltung der Lebenswelt (nicht länger ausschließlich in der Hervorbringung von Kunstwerken, die der interesselosen Kontemplation dienen; ebd.: 69f., 62, 54, 72). Trotz des sehr weitgehenden Verständnisses für die Ablehnung der bürgerlichen Kultur bleibt Marcuse jedoch ein strikter Gegner aller Verfechter einer aggressiven Anti-Kunst-Haltung (Marcuse 2004b: 100f.), die nach dem Vorbild chinesischer Rotgardisten (Blumer 1968: 192) bis zur Zerstörung bzw. zur Verhinderung von Kunstobjekten bzw. -aufführungen gehen kann (vgl. Mosler 1977: 14; Weiss 1982: 694ff.). Eine allzu starke Unmittelbarkeit, eine radikale, grobe Wendung gegen Form und Verfremdung hält Marcuse bestenfalls für ein Übergangsphänomen. Dazu zählt er neben den Happenings ebenfalls die neue Popmusik. Deren einfache Negation der sublimierten Formen bürgerlicher Kunst besitzt für ihn zudem den Nachteil, relativ leicht vom Markt absorbiert und entschärft werden zu können. Mit dieser Auffassung entfernt sich Marcuse zumindest zum Teil wieder beträchtlich von der Haltung der antiautoritären Bewegung, selbst wenn er große Sympathien sowohl für die friedliche Sinnlichkeit der Hippies als auch für »surrealistische Protest- und Verweigerungsformen« zeigt (1969b: 74f., 60, 51). Beträchtlich ist die Entfernung, weil die avantgardistische Direktive der Futuristen, Dadaisten und Surrealisten, die Trennung zwischen Kunst und Leben aufzuheben, gleich in vielerlei Hinsicht die ästhetisch-politische

124 | 1968 Handlungsweise der Antiautoritären bestimmt (Hecken 2006b; 2006c). Man erkennt das an ihrer zunehmenden Weigerung, nicht nur die Grenze zwischen Bühne und Parkett, sondern auch die zwischen dem Öffentlichen und dem Privaten einzureißen; durchgängig informelle Kleidung, Abneigung gegen statuierte Höflichkeitsformen, ausgestellte Intimität, offen diskutierte (vormals als persönlich erachtete und beschwiegene) Erfahrungen weisen hier deutlich den Weg. Spezieller im künstlerischen Bereich beweist sich der avantgardistische Impuls daran, dass aus dem Feld der schönen Literatur oder der bildenden Kunst kein bekannter, feuilletonistisch gut eingeführter Protagonist als Sprecher der Bewegung Anerkennung finden kann oder mit seinen künstlerischen Werken einen wichtigen Bezugspunkt liefern würde. Die meiste Beachtung erfahren die bekannten Literaten, wenn sie, wie etwa Hans Magnus Enzensberger (1968b), ihre eigene Rolle als modernistische Künstler in Frage stellen. Selbst die realistische Literatur nimmt im Zuge dessen aber keinen bedeutenden Platz wieder ein. An ihre Stelle treten dokumentarische Stücke, Reportagen oder Protokolle von Arbeitern und Angestellten, die sonst keinen Zugang zur veröffentlichten Literatur bekommen (Berghahn 1980). Auch damit bleibt der geforderte Zusammenhang von Kunst und Leben getreulich gewahrt; gleiches gilt auf anderer Ebene für die Nutzung rhetorischer und künstlerischer Mittel zur Verfertigung von Plakaten und Sprüchen, von Agit-Prop-Filmen und -Broschüren (Hubert 1992: 169ff.; Goodman 1970: 392ff.). Wie bereits von den sowjetischen Linksfuturisten vorgemacht, wird die (bürgerliche) Kunst dadurch im politischen Leben aufgehoben. Die Antiautoritären steigern den Zusammenhang noch, da sie darauf dringen, dass die Werke in Zusammenarbeit mit denjenigen Gruppen, die sie betreffen, hergebracht werden (Farocki 1968). Die wichtigste Verbindung von ästhetischer mit politischer Sinnlichkeit findet sich um 1968 nicht in Objekten wieder, sondern vollzieht sich im Modus der Teilnahme und der Aktion. Sowohl von dem unter engagierten antiautoritären Künstlern recht beliebten Straßentheater, das Zuschauer abseits der gewohnten Kunstinstitutionen erreicht, als auch von dem im avancierten Feuilleton stark rezipierten Happening sind diese Ereignisse noch einmal geschieden. Gerade das Happening, als wichtige Form moderner Kunst der 60er Jahre, provoziert zwar (vor allem bei Veranstaltungen, die nicht in Galerien, sondern in öffentlichen Gebäuden ablaufen) mitunter eine große (mediale) Aufmerksamkeit (ihren Höhepunkt erreicht die Erregung sogar im politischen 1968 im Zuge einer Veranstaltung des Sozialistischen Österreichischen Studentenbunds, bei der nach der Verlesung von Traktaten und Pamphleten Günther Brus sich selbst verletzt und Otto Mühl als Flagellant agiert; vgl. Gorsen 1969: 121ff.). Aus Sicht der avantgardistischen Antiautoritären jedoch sind die sich bei einigen Happenings einstellenden schockierenden Momente sowie die Verwicklungen

2. Kapitel: Lebensformen | 125 der Zuschauer ins Geschehen grundsätzlich zu sehr abgeschwächt, weil sie von vornherein als Kunst (und sei es als Anti-Kunst) klassifizierbar sind. Das gilt selbst für das Straßentheater, welches sich immerhin außerhalb institutionalisierter Kunstorte präsentiert. Von Wert seien die Aufführungen jedoch nur dann, hält etwa Peter Handke 1968 fest, wenn sie sich nicht vorweg als solche zu erkennen gäben; nur so sei es zu vermeiden, den Zuschauer befangen zu machen, nur so könne man überraschend in die gewohnten Abläufe des Alltagslebens eindringen (Handke 1972). Den Provos muss das nicht erst gesagt werden (und schon gar nicht von einem Romancier und Stückeschreiber wie Handke). Neben der direkten Provokation schätzen sie besonders die Verletzung bestehender Diskursregeln und die unangekündigte, erst im Nachhinein theatralisch anmutende Aufführung; zu nennen sind hier besonders einige Flugblätter der Kommune I, die unter falschem Namen oder als fingierte Presseberichte erscheinen (Briegleb 1993: 67ff.), sowie Aktionen der amerikanischen Yippies, die etwa in der Wall Street mit Dollarscheinen um sich werfen (Hoffman 1970a: 36f.). Solche verwirrenden Vorkommnisse rufen nicht nur ein enormes Aufsehen hervor, sie sind tatsächlich im Hinblick darauf geplant worden. Abbie Hoffman, ein Anführer der Yippies, möchte ins Fernsehen, er scheut sich nicht, den Vorwurf des SDS, er gehe bei seinen Aktionen wie ein Repräsentant der Werbeindustrie vor, ausdrücklich anzunehmen. Der Grund dafür besteht nicht allein in der angestrebten Publizität; zu Hoffmans Spaß-Guerilla-Credo gehört als wichtiger Bestandteil die Absage an die unsinnliche Theorie: »Soon as you analyze it, it’s dead, it’s over.« Darum setzt er vehement auf die nonverbale Aktion und Bewegung (1970b; vgl. Farber 1988: 14ff.). Die politisch gemeinten Happenings sehen sich aber nicht nur folgerichtig der Kritik der Neuen Linken ausgesetzt, sie verstießen in zu starkem Maße gegen das Gebot aufklärerischer Reflexion (Riha 1966). Angesichts der revolutionären Ziele stellt sich den Beteiligten oftmals die Frage, ob die Herstellung verwirrender Situationen, die zur entlarvenden Provokation jener mit der Normalität verbundenen Autorität beitragen, nicht doch zu spielerisch und wirkungslos sind; ob der Einsatz von Happenings nicht sogar ein untrüglicher Indikator dafür ist, dass die »Möglichkeiten wirklichen Widerstands, von Revolutionschancen zu schweigen, gleich null sind« (Anders 1969: 397). Für Abhilfe sorgt hier eine nochmalige Erweiterung. Nachdem das künstlerische Interesse der Antiautoritären sich nicht länger auf die kontemplative Betrachtung von Werken erstreckt, nachdem selbst die Einbeziehung des Publikums in Galerien der Kritik verfällt, weil entsprechende intensive Situationen vielmehr im Alltagsleben oder provokativ an den Orten der Macht durchgespielt werden sollen, erscheint in einem nächsten,

126 | 1968 letzten Schritt der revolutionäre Moment als eine Art Kunst. Damit ist nicht eine realistische Beschreibung oder lyrische Überhöhung der revolutionären Ereignisse gemeint, sondern jenes »befreite Leben«, welches »als Ausdruck und Aktion dermaßen selbständig werden kann, dass es in sich selbst seine Lyrik bzw. sein Drama besitzt« (Situationistische Internationale 1977a: 229). Unter der Voraussetzung stellt sich der Pariser Mai als Ablehnung »jeder Spezialisierung, jeder hierarchischen Enteignung« und damit auch als »Ablehnung der Kunst« heraus. Die Kunst wird aufgehoben in der revoltierenden »Fete«, im »Spiel«, in der »wirklichen Gegenwart der Menschen und der Zeit« (Situationistische Internationale 1977b: 330): »Es gab keine Intellektuellen, keine Arbeiter mehr, sondern nur noch Revolutionäre, die sich überall unterhielten und eine Art von Kommunikation verallgemeinerten, von der sich nur die ›Arbeiter‹-Intellektuellen und andere Aspiranten auf Führungsrollen ausgeschlossen fühlten. […] Das plötzlich wiederentdeckte alltägliche Leben wurde das Zentrum aller möglichen Eroberungen. Leute, die immer in Büros gearbeitet hatten, die jetzt besetzt waren, erklärten, daß sie nie wieder so leben könnten wie vorher […]. Das Verschwinden der Zwangsarbeit fiel notwendigerweise mit dem Aufschwung der Kreativität in allen Bereichen zusammen: in den Inschriften, in der Sprache, bei den Kampftechniken, der Agitation, den Liedern, den Plakaten und Comics. Jeder kann daran die Menge kreativer Energie ermessen, die in den Zeiten des Überlebens, den zur Leistung verurteilten Tagen, beim Einkaufen, vor dem Fernseher, bei der zum Prinzip erhobenen Passivität verpulvert wird.« (Viénet 1977: 103, 110)

Keinen Zweifel lassen die situationistischen Avantgardisten daran, dass zu der unterdrückenden Passivität ebenfalls die Rezeption der Werke von Filmemachern wie Jean-Luc Godard und anderer moderner oder traditionellerer Vertreter der Hochkultur beiträgt (Situationistische Internationale 1977c: 11). Es geht ihnen also keineswegs allein um eine vertraute Kritik an den Produkten der Massenkultur. Solch eine Maximalkritik, die sich schlechthin gegen alle Werkkunst richtet, unterscheidet sich auf den ersten Blick nicht von einer Negation der Kunst, wie man sie gerade im Verlauf des Jahres 1968 öfter einmal antrifft (ganz in dem Sinne, dass es in dem bedeutenden Augenblick des möglichen politischen und ökonomischen Umbruchs wichtigere Dinge und Beschäftigungen gibt als eine Kunstausübung). Vom Ziel her ist sie aber deutlich davon getrennt, geht es den Situationisten ja bei der Abschaffung der besonderen Kunst um eine nachhaltige Privilegierung allgemeiner Kreativität; bestimmte künstlerische Mittel bleiben erhalten, um sie rein zu einer Hervorbringung neuer, intensiver, lebendiger Situationen zu nutzen. Deshalb berührt sich die situationistische Maximalkritik mit Prinzipien der Bewegung, sogar der Bewegung in einem sehr weiten Sinne. Auch die

2. Kapitel: Lebensformen | 127 jugendlichen Rockmusikanhänger stehen in sichtlich direkterer Interaktion mit den Stars auf der Bühne als Zuhörer bei einem Symphoniekonzert, selbst wenn aus situationistischer Sicht beides gleichermaßen trennende Spektakel sind. In weniger grundsätzlicher Manier leuchtet das situationistisch-avantgardistische Prinzip, die Kunst kreativ ins Alltagsleben zu überführen, selbstverständlich auch denjenigen Hippies und Neuen Linken ein, die sich weiterhin für Romane, Gemälde, Musikstücke und andere Formen der Werkkunst begeistern. Der Grund dafür, weshalb im Moment der Revolte die avantgardistischen Maximalpositionen eine besondere Geltung bekommen, liegt nicht nur in dem Umstand, dass jeder revolutionäre Höhepunkt sich durch das überschießende Gefühl der Solidarität und gesteigerter Verständigung auszeichnet (Morin 1968: 31). Im speziellen Fall der 68er-Bewegung kann sich die äußerst ausgedehnte Ästhetik besondere Geltung verschaffen, weil die antiautoritäre Position in vielerlei Hinsicht auf eine Aufhebung von Trennungen hinausläuft. Die angestrebte Aufhebung der Trennung zwischen Führern und Gefolgsleuten in der Aktion, zwischen Schülern, Jugendlichen, Handarbeitern, Angestellten und Lehrern, Erwachsenen, Intellektuellen, Chefs im gemeinsamen Lern- und Arbeitsprozess, zwischen Privatem und Öffentlichem in der authentischen Kommunikation oder der antifamilialen Lustentäußerung bildet eine genaue politische und soziale Entsprechung zu der avantgardistischen Forderung, die Grenze von Kunst und Leben aufzulösen.

Underground und Vereinnahmung Im erweiterten Bereich der Kunst prägt die angestrebte avantgardistische Aufhebung herkömmlicher Trennungen um 1968 unterschiedlichste Versuche und Projekte. Da gibt es zum einen eine beachtliche Zahl greifbarer Produkte, etwa die große (teilweise auch auflagenstarke) Menge an Subkulturzeitschriften, die selbstständig, ohne Einhaltung gängiger professioneller Standards hergestellt werden und eine Ästhetik des Unfertigen, Collagenhaften, Heterogenen, auch Schmutzigen ausbilden (s. etwa Halbach 1987; Gwerder 1998; vgl. Schwanhäußer o.J.). Das geht zum anderen bis zu kühnen architektonischen Plänen, welche die Aufspaltung der Stadt gemäß der Teilung von Arbeit und Freizeit sowie der Spaltung in gesellschaftliche Klassen überwinden möchten (Bardet 1971); die (angeblich) funktionale Architektur habe die »Zerstückelung des Lebens« bewirkt, den unmittelbaren Kontakt der Menschen unterbrochen und die »Bildung von ›soziologisch funktionalen‹ Klassen ermöglicht, von Klassen also, die ausgebeutet werden können«; in kleinerem Rahmen kann der architektonischen Segregation und »Sauberkeitsideologie« immerhin eine Wohnungs-

128 | 1968 nutzung entgegengestellt werden, die sich nicht der vorgegebenen sterilen Ordnung – ein Raum zum Kochen, einer zum Essen, einer zum Schlafen etc. – unterwirft (Virilio 1971: 135). Ein weiteres bedeutendes Zeugnis der nachhaltigen Bestrebungen, überkommene Trennungen hinter sich zu lassen, liefert die Debatte um die postmoderne bzw. Popliteratur. Der bekannteste Beitrag zu dieser Debatte heißt auch gleich Cross the Border, Close the Gap. Leslie Fiedler, der seine Thesen 1968 bei einem Vortrag in Deutschland vorstellt (1968a; 1968b), wendet sich im Namen einer Postmoderne gegen die intellektualistische, moderne Literatur eines Joyce oder Proust. Im Gegenschlag tritt Fiedler aber nicht einfach für die Produkte der Populärkultur ein. Sein erklärtes Anliegen ist vielmehr, die Lücke zwischen »belles-lettres und pop art« zu schließen. Die gleichzeitige Übertretung der Grenze nach beiden Seiten hin geht zum einen durch die Travestie der klassischen Kunst voran, zum anderen durch die Abwandlung und Neuaneignung populärer Genres wie vor allem Western, Science Fiction und Pornographie, durch die »Übernahme und Verfeinerung [camping] von Pop-Formen«. Verbunden damit ist nach Fiedlers Vorstellung eine Vielzahl weiterer Auflösungen; in solch postmoderner Kultur werde die Kluft zwischen Elite- und Massenkultur überbrückt, die Kluft zwischen der Kunst unterschiedlicher Klassen und Generationen, zwischen Erwachsenen- und Jugendliteratur, Kritikern und Publikum, Profis und Amateuren (1994: 21ff.). Die jüngeren Anhänger Fiedlers, wie etwa der deutsche Autor Rolf Dieter Brinkmann, widersprechen dem in keinem Punkt, sie sind aber über Fiedler hinaus schnell bereit, die Literatur zugunsten anderer, aus ihrer Sicht unmittelbarerer Reize und Sensationen preiszugeben, für die »Photos von Vogue-Beauties«, die »Glätte … die Oberfläche eines Bildes« oder für die Rockmusik, von Brinkmann umständlich definiert als ein »durch Handhabung hochtechnischer Geräte provoziertes sinnliches Erleben: die Erschließung neuer Gefühlsqualitäten im Menschen« (1983: 399, 388, 393). Solche Ansichten gehen zurück auf Marshall McLuhans in der zweiten Hälfte der 60er Jahre stark beachtete Spekulationen über eine neue televisionäre Ära des gleichzeitigen total involvement aller Sinne, welche das alte Zeitalter der mit dem Buchdruck verbundenen Rationalität glücklich ablöse; im Gegensatz zu dem starren Auge, das auf die Verfolgung linear angeordneter Wortsequenzen fixiert sei, beziehe das Fernsehen wie alle anderen elektrischen Phänomene die beweglichen Sinne in einem hohen Maße ein (McLuhan/Fiore 1996: 61, 44, 125). Entsprechend feiern intellektuelle Parteigänger die Rockmusik – »it engages the entire sensorium« (Anderson 1968: 61) –, sie können aber auch »flickering TV beauties with all the subliminal delights of pulsating Coke ads« schätzen (Wagner 1968: 234). Als Absagen an ein ästhetisches interesseloses, weitgehend unkörperli-

2. Kapitel: Lebensformen | 129 ches Wohlgefallen stellen solche Pop-Thesen einen klaren Affront bildungsbürgerlicher Kunstauffassungen dar. Weil sie wegen ihrer postulierten Abneigung gegen narrative und traditionell sinnstiftende Zusammenhänge zudem vielen Formen der Populärkultur (z.B. Hollywoods) entgegenstehen, kann sich »Pop« am Ende der 60er Jahre als neue Variante der Avantgarde verstehen. Pop und Underground stimmen augenblicklich überein. Der Schock, den z.B. die manchmal glatt stilisierten, zumeist jedoch unordentlichen Adaptionen pornographischer Vorlagen bei einem herkömmlich kunstsinnigen Publikum auslösen, das Unverständnis dieses Publikums gegenüber laut mäandernder Musik und irritierenden, nervös machenden Lightshows bestärkt die Anhänger der Pop-Avantgarde in ihrem Selbstverständnis, Teil einer Gegenkultur zu sein, die mit ihrer Absage an die bürgerliche Autorität und Ordnung einen – im erweiterten Sinne der neulinken Auffassungen jener Zeit – eminent politischen Charakter besitzt (Hecken 2003). Elle-Schönheiten, die (in einem Godard-Film) aus brennenden Autowracks kriechen, Gerümpel, Flohmarkt-Ästhetik, aber auch neueste technische, artifizielle Geräte, die Musik der Mothers of Invention, die »Titten einer 19jährigen«, Jim Morrisons exaltiert-intime Bühnenshow, Texte, die das Nebensächliche zur Hauptsache machen, »taumelige psychodelische Gebilde«, Auflösung der Geschlechteridentität, eine von den Konditionierungen der Sprache, der abstrakten Begriffe gelöste Sensibilität – das alles findet man bei Brinkmann (1983) unter dem Schlagwort eines »totalen Angriffs auf die Kultur« versammelt. Die antiautoritäre Überzeugung, dass es äußerst wichtig sei, nicht allein die Institutionen zu verändern, wird dadurch aufrechterhalten. Sie wird aber ebenfalls zugespitzt, politisch-ökonomische Bedingungen spielen in den Texten solch westlicher Kultur-Revolutionäre kaum mehr eine Rolle; und sie erfährt ein zeitgenössischeres Design, sie bekommt verstärkt den Habitus und das Outfit der aktuellen jugendlichen Rock-Subkultur zugewiesen, zu der auch (vorgeblich) subversive, reizstarke Ausrisse und Entlehnungen aus dem konventionelleren Bereich von Pop und Pornographie gehören (Hermand 1971). Die kritische Einschätzung liegt darum nahe, dass die auffälligen Abgrenzungen, Reizsteigerungen und hedonistisch-nonkonformistischen Lebensentwürfe der Rock- und Underground-Szene recht leicht vereinnahmbar seien, dass sie gegen ihre erklärte Absicht jener stets auf Neuerungen und Distinktionen angewiesenen kapitalistischen Konsumkultur tatsächlich eine attraktive, kommerziell hochgradig nutzbare Vorlage lieferten – zumal die neue Szene die reichhaltigen Facetten und Produkte eines ganzen Lebensstils umfasst, ohne dass deren Symbolgehalt direkt mit einer parteipolitischen Richtung verbunden ist, sondern diffuser als Ausdruck der Jugendlichkeit und Offenheit gelesen werden kann. Auf ausführliche

130 | 1968 Abhandlungen dieses kritischen Tenors trifft man in den letzten Jahren häufiger (etwa Grasskamp 1995; Frank 1997; Heath/Potter 2005); vielleicht aus Unkenntnis (wahrscheinlich eher um die Originalität der eigenen Ansicht zu bewahren) bleibt in ihnen jedoch fast durchgängig unerwähnt, dass solche kritischen Überlegungen bereits in der subkulturellen Szene selbst und ebenfalls bei den Neuen Linken einen bedeutenden Platz eingenommen haben. Der anti-kommerzielle Impuls ist bei ihnen allen stark ausgeprägt. Dies bleibt von ihrer Seite auch zumeist kein bloßes Lippenbekenntnis, welches durch den eifrigen Konsum von Waren nach eigenem alternativen Geschmack als wohlfeile Phrase entlarvt würde; die Abneigung betrifft keineswegs allein Konsumgegenstände nach Geschmack des Spießers. Angeschmutzte oder eingerissene Hosen und Hemden, Kleidungsstücke aus zweiter Hand, karg möblierte Zimmer, unfrisierte Haare belegen die Bemühungen, zu einer ständigen profitablen Ersetzung von Waren aus bloßen modischen Gründen zumindest auf der Käuferseite selbst keinen Beitrag leisten zu wollen. Um ein frühes Beispiel der gängigen Kritikformel anzuführen: Kurz nach der Eröffnung des Psychedelic Shop 1966 in San Francisco wird dem Besitzer unmissverständlich mitgeteilt: »You’re selling out the revolution … You’re putting it on the market« (zit.n. Anderson 1994: 196). Gründe für den negativen Bescheid sind reich an Zahl. Erstens glauben auch diejenigen, welche grundsätzlich den materiellen Fortschritt und den Überfluss an Gütern begrüßen, dass die »Ideologie des Konsumierbaren« die Waren wie ein Fabrikationsfehler entstelle, weil ihre Aneignung in dem Zusammenhang nur zur vorherrschenden Passivität und zur Aufrechterhaltung der zu ihrem Erwerb notwendigen, entfremdenden Lohnarbeit beitrüge (Vaneigem 1980: 266). Selbst der Gebrauchswert der Kunstwerke, nämlich ihr aufklärerischer Gehalt, werde durch die kapitalistische Kulturindustrie ausgehöhlt; der Tauschwert ihrer Produkte bemesse sich an Kriterien der Seltenheit, der Virtuosität sowie des Reizwerts von Modeerscheinungen (SDS-Gruppe »Kultur und Revolution« 1968; vgl. Lüdke 1977; Luckscheiter 2001: 48ff.). In einer zweiten, schwächeren Ausprägung des Arguments nehmen viele Angehörige der Subkultur an, die von ihnen favorisierten Dinge und Einstellungen würden von kommerziellen Unternehmen (und parlamentarischen Parteien) nur aufgegriffen, um sie zu verwässern; diesen Vorgang fürchten sie als falsche Form der Vereinnahmung, der graduellen Verbreitung ihrer Vorstellungen können sie nichts Positives abgewinnen. Das Ausmaß des Erfolgs gegenkultureller Aktivitäten bei einem Publikum außerhalb der Szene wird darum äußerst besorgt registriert. Solchen Erfolg interpretieren die Anhänger des Pop-Underground keineswegs als Anzeichen einer begrüßenswerten Liberalisierung des Geschmacks und

2. Kapitel: Lebensformen | 131 der Meinungen. Sie distanzieren sich oftmals sogar nicht nur von solchem ›Erfolg‹ mit dem Argument, es handele sich bloß um eine abgeschwächte, verfälschte Variante ihrer Bestrebungen, sondern sie fassen ihn als Hinweis auf, zu wenig radikal agiert zu haben. So klagt Ralf-Rainer Rygulla, ein Mitstreiter Rolf Dieter Brinkmanns, etwa: »Warhols letzter Film über lesbische Mädchen und süchtige Schwule wurde von der offiziellen Kritik wohlwollend aufgenommen. Die Massenmedia nehmen sich Learys LSD Parties an.« Seine Schlussfolgerung und endgültige Forderung lautet deshalb: »Der kulturelle countdown muß beschleunigt werden« (zit.n. Ohff 1968: 38). Dadurch soll der Umschlagspunkt, an dem keine Vereinnahmung mehr möglich ist, herausgefunden werden, wie es sehr pointiert in der Frage eines amerikanischen Kritikers zum Ausdruck kommt: »But how much spontaneity, rebelliousness and sexuality can this society absorb?« (Cohen 1970) Man könnte meinen, die Frage lasse sich im Sinne des antiautoritären, avantgardistischen Programms der Aufhebung konventioneller Grenzen bündig beantworten. Der wirklich rebellische Punkt wäre dann erreicht, wenn die als nonkonform oder revolutionär eingeschätzten Aktivitäten sich nicht auf die Freizeit oder Privatsphäre und schon gar nicht auf den Kauf von Produkten mit gegenkulturellen oder antiautoritären Inhalten beschränkten. Immerhin gibt es ja um 1968 neben den vielen hochinteressanten Gruppen, die in verschiedenster Weise die Beschränkungen eines Genres mit neuen Verknüpfungen und Mischformen überwinden – Byrds, Grateful Dead, Mothers of Invention, Flying Burrito Brothers, Incredible String Band, Beach Boys, Tony Williams Lifetime, Miles Davis – tatsächlich bereits auf Seite der Produktion ein Label, das die Aufnahmen ganz von den Künstlern bestimmen lässt (ESP; mit solch außergewöhnlichen Ergebnissen wie den LPs von Sun Ra, Albert Ayler, Holy Modal Rounders oder Patty Waters), oder Musiker, die sich als Kollektiv verstehen (das Art Ensemble of Chicago, das Jazz Composers Orchestra). Selbst solche und vergleichbare andere Unternehmungen gelten jedoch am Ende der 60er Jahre nicht allen als hinreichend. Die öffentliche Politisierung des (im bürgerlichen Sinne) Privaten sowie eine Aktivität, die über den passiven Konsum von Artefakten weit hinausreicht, ist aus Sicht der meisten Neuen Linken noch lange kein zuverlässiges Anzeichen für die umwälzende Kraft solcher Handlungen: Die »Ausweich- und Weigerungs-Proteste« der Provos, Hippies, Kommunarden könnten relativ leicht als skurril und exotisch aufgefasst und damit ihres politischen Potentials beraubt werden; auf die Art und Weise sei es möglich, sie zum Beleg scheinbarer Liberalität in »kontrollierten Spielräumen einer manipulierten Freiheit« zu tolerieren und ihre Protestattitüden und -symbole wiederum für ein breiteres Publikum »konsumfähig« zu machen (Neusüss 1968: 63). Oftmals wird die entsprechende Kritik am Beispiel der sog. freien

132 | 1968 Sexualität formuliert. Auch die Kommune I muss sich vorhalten lassen, an ihnen zeige sich der »Warencharakter der kollektiven Liebe« (Salvatore 1968: 111). Direkt verbunden mit diesem Argument ist in der Regel ein zweites, das sogar noch stärker das Selbstverständnis der Antiautoritären insgesamt betrifft: Aus dem Versuch der Provos und radikalen Hippies, die gesamte bürgerliche Kultur und mit ihr die Institution der Familie zerschlagen zu wollen, gingen letztlich weder wahrhaft antiautoritäre Charaktere hervor noch würde dadurch die kapitalistische Ordnung substantiell herausgefordert (Reiche 1971: 156). Dieser Einwand der Neuen Linken liegt ganz auf der Linie der Frankfurter Schule; Horkheimer hatte bereits frühzeitig darauf verwiesen, dass die Auflösung der bürgerlichen kulturellen Werte und Ordnungen von der Wirtschaft selbst betrieben werde (1977: 359); und hinter Herbert Marcuses viel zitierter Formel von der »repressiven Entsublimierung« verbirgt sich genau diese Einschätzung; wiederum am Beispiel der Sexualität besagt sie, dass eine Lockerung sexualmoralischer Verbote keineswegs automatisch zu einer Versöhnung von Lust, Spiel und befriedigender Arbeit führen muss, sondern, wie gegenwärtig, Anfang der 60er Jahre, schon gut zu beobachten sei, zu einer Sexualisierung der Öffentlichkeit, die ganz im Sinne moderner Konsum- und Leistungsimperative liege (1989: 94). Aus Sicht der an Marcuse geschulten Neuen Linken bilden viele antiautoritäre Bestrebungen darum gar keinen Gegensatz zur zeitgenössischen Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft. Die moderne, an der Konsumsteigerung ausgerichtete Ökonomie benötige nun hedonistischere und zugleich flexiblere, auf wechselnde Reize reagierende, immer wieder neu manipulierbare Charaktere, nicht mehr den puritanischen Menschen, der an den väterlich-autoritär eingepflanzten Pflicht- und Tugendidealen um ihrer selbst willen festhält (Böckelmann 1987: 34ff.; Horn 1969: 334ff.). Die Gefahr der antiautoritären, radikalen Revolte gegen die Formen bürgerlicher Autorität bestehe folglich darin, gegen die erklärte eigene Absicht doch nur ich-schwache, zu konzentrierter, entsagungsreicher politischer Arbeit unfähige Personen hervorzubringen (Reiche 1971: 157), die sich zudem den erotisierten Lockungen der Waren-Werbung kaum entziehen könnten (Jaffe/Dohrn 1970: 358). Vor allem den vielen jungen, gerade an den Formen der neuen Rockkultur interessierten Anhängern der Protestbewegung wird so bedeutet, dass sie mit ihrer Herausforderung konservativer Eltern, Lehrer, Vermieter, Professoren, Feuilletonisten eigentlich nichts anderes als überlebte Generationen treffen, deren rigidere, puritanische und autoritäre Vorstellungen und Verhaltensmuster bereits der kapitalistisch-liberalen Zersetzung ausgesetzt seien und darum ohnehin bald vergessen wären. Auch von dieser Seite her steht demnach die Beschreibung der 68er als einer Bewegung, die für mehr Liberalität und offenere Umgangsformen gesorgt habe,

2. Kapitel: Lebensformen | 133 in Zweifel. Wie auf der anderen Seite bereits gesehen, zielten die antiautoritären Anläufe der 68er keineswegs darauf ab, Freiräume für die Entscheidung von Individuen zu schaffen, sondern genau umgekehrt darauf, die Trennung zwischen Privatem und Öffentlichem zugunsten einer ganz spezifischen Ausgestaltung aller Arbeits-, Freizeit-, Gesellschaftsbereiche aufzuheben, einer Ausgestaltung, die überall die Bedingungen für ein Leben ohne hierarchische Strukturen und ohne persönlichen ökonomischen oder sexuellen Besitz schaffen soll. Liberale Wirkungen können den 68ern also höchstens indirekt zugestanden werden, man kann allenfalls von Effekten sprechen, die sich gegen ihre erklärten Absichten, wegen des Widerstands und der Moderation anderer gesellschaftlicher Kräfte, eingestellt haben. Folgt man den Argumenten der Marcusianer, kann man nun über die antiautoritären Aktivitäten um 1968 nicht einmal behaupten, dass sie einen bedeutenden Anstoß zu der in den 70er Jahren dann auf breiterer Front strafrechtlich, pädagogisch und alltäglich vollzogenen Liberalisierung der Sitten und Verhaltensregeln gegeben hätten. Für diese These spricht, dass die diagnostizierte Umstellung von einer puritanischen zu einer fun-Moral bereits in den 50er Jahren zu einem Gemeinplatz der amerikanischen Soziologie und des modernen Marketing zählt (Hecken 2006c: 41ff.). Für die These spricht ebenfalls, dass der bestimmende, unter den jungen Leuten erstmals schnell schichtenübergreifende Poptrend der 60er Jahre, nämlich die englische Mod- und Beatmusik, anfänglich ganz ohne die Zeichen und Ideologeme amerikanischer Gegen- bzw. Hippie-Kultur auskommt und gleichwohl direkt gegen konservative Einstellungen gerichtet ist. Schon die frühen Filme der Beatles sind durch nichts so geprägt wie den Anspruch und den Gestus, die seriöse, erwachsene, autoritätsfixierte Welt respektlos und albern-unpolitisch in die Schranken zu weisen. Teilweise ähnlich geartete, aber natürlich sich auf ganz andere Weise vollziehende Verschiebungen im juristischen und parteipolitischen Feld ab Mitte der 60er Jahre verstärken den Eindruck, dass auch ohne die avantgardistisch-politische, illiberale Überhöhung und Generalisierung des antiautoritären Prinzips eine Verbreiterung des Wählbaren und Möglichen, des Widerspruchsrechts und der Diskussionspflicht erfolgt wäre (wie es auch von einzelnen Antiautoritären damals bereits gesehen wird; Böckelmann 2000: 50). Charakteristisch für solche Prozesse der Liberalisierung ist, dass sie zum einen den Spielraum der Individuen erweitern, bei ihren privaten Entscheidungen, in ihrer Privatsphäre ein größeres Maß an Eigenständigkeit gegenüber staatlichen Institutionen oder gesellschaftlichen Gruppen bzw. deren religiösen, sexualmoralischen u.a. Ansprüchen zu wahren – und zum anderen, dass sie die private Verfügungsgewalt über das Eigentum ebenso unangetastet lassen wie das Prinzip indirekter, repräsentativer

134 | 1968 Demokratie. Gegen genau all das richtet sich der Einsatz der radikalen Antiautoritären. Ihre Agitation wider manche konservative oder reaktionäre Position läuft darum keineswegs auf eine liberale Haltung hinaus; im Gegenteil, liberale Errungenschaften, wie etwa vergrößerte Wahlmöglichkeiten auf dem Felde der Kultur und der Konsumgüter sowie im Rahmen der eigenen Lebensführung, müssen ihnen sogar als Teil einer besonders perfiden Strategie erscheinen, die Bevölkerung ruhig zu stellen und im Banne von Scheinfreiheiten zu halten. Was sie wollen, ist nicht eine Wahlfreiheit zwischen Produkten, politischen Parteien oder bestimmten privaten Lebensformen, sondern eine ganz bestimmte Gesellschaft ohne feste familiäre und hierarchische Strukturen, ohne fixierte Eigentumstitel und individuelle Entscheidungsbefugnisse, mit allgemeinen Partizipationsmöglichkeiten auch in den Bereichen der Ökonomie und der konkreten politischen Gesetzgebung. Darüber sind sich in manchmal klar artikulierter, manchmal eher intuitiver oder konformistischer Manier die beiden Ausprägungen der antiautoritären Bewegung einig, sowohl das organisiertere, etwas traditioneller politisch argumentierende Lager als auch jene viel größere, aber diffusere, zu Teilen lediglich medial oder über den gemeinsamen Kleidungsstil vergemeinschaftete Gruppe der Rockmusikanhänger und (ideellen) Aussteiger, die sich nicht wie einige Teile der Hippies als vollkommen antipolitisch verstehen. Einigkeit besteht auch darüber, dass bereits hier und jetzt durch antiautoritäre Verhaltensformen die große, gesamtgesellschaftliche Umwälzung zumindest teilweise vorweggenommen und symbolisiert werden soll. Zwar stehen die Theoretiker und Politiker der Neuen Linken den vehementen Versuchen, abseits der Arbeits- und Ausbildungsstätten Bereiche eines von Lohnabhängigkeit, institutionalisierter Autorität und konventioneller Moral unabhängigen Lebens zu etablieren, häufig reserviert gegenüber, auch wenn sie viele Elemente daraus ebenfalls in ihre eigene Lebenspraxis aufnehmen; die Auffassung, dass es unmöglich sei, im bestehenden falschen kapitalistisch-demokratischen System ein richtiges Leben zu führen, und die damit direkt verbundene These, dass gegenkulturelle Entwürfe relativ leicht manipulativ vereinnahmt werden könnten, liefern oftmals den Grund für die Reserve. Die Differenz ist aber demnach nur eine zeitlich begrenzte; unter anderen politischen, ökonomischen Bedingungen müssten viele Lebensformen der radikalen Hippies, Kommunarden und Underground-Aktivisten uneingeschränkt im Mittelpunkt der dann ununterscheidbaren antiautoritären Alltags-Politik stehen.

Schluss: Kritik an der 68er-Bewegung | 135

Schluss: Kritik an der 68er-Bewegung

Als sich nach 1968 die einzelnen Teile der antiautoritären Bewegung verstärkt herausbilden und oftmals ausdrücklich voneinander abgrenzen, geraten auch die Provos, Kommunarden und Pop-Underground-Anhänger unter eine nun vollkommen rückhaltlose antianarchistische und antikommerzielle Kritik von linker Seite. Scharfe Auseinandersetzungen sind aber selbst innerhalb einzelner Szenen an der Tagesordnung; Leute, die sich nahe stehen, befehden sich gerade darum umso heftiger. Das gilt für den politischen Bereich mit der bekannten Aufsplitterung in viele Parteien und Aufbauorganisationen, das gilt ebenso für die Kunst- und Alternativszene, in der aufmerksam darüber gewacht wird, wer sich evtl. zu stark vereinnahmen lässt; der Regisseur Jean-Luc Godard etwa, der sich von seiner Laufbahn als Autorenfilmer verabschiedet, um sich mit Gebrauchsfilmen ganz in den Dienst der politischen Sache zu stellen, trifft auf die erbitterte Feindschaft derer, die noch kunstfeindlicher als er eingestellt sind (Rowbotham 2001: 214); der kommunistische Autor und Dramatiker Peter Weiss sieht sich den Attacken derjenigen ausgesetzt, die verhindern wollen, dass er seine Stücke an einem staatlich subventionierten, bürgerlichen Theater aufführt; verschiedene Lager der Rockmusik bezichtigen sich untereinander des Ausverkaufs oder der Abgehobenheit usw. All diese offen ausgetragenen Konflikte tragen zur Spaltung und Schwächung der Bewegung bei, sollte man meinen. Dies ist auch in einer Hinsicht der Fall. Die große Wirkung des Frühjahrs 1968, als sich die Aktionen bündeln und Massenaufmärsche und wütende Proteste gegen genau lokalisierbare gegnerische Ziele richten, wird nicht mehr erreicht. Zu einem bedeutenden Teil verdankte sich die Wirkung dieser wenigen Wochen aber der relativen Überraschung, dass solche Ereignisse tatsächlich stattfinden, potenziert durch die vereinheitlichende mediale, öffentliche Aufmerksamkeit. Es ist darum wohl nicht zuletzt der Gewöhnungs-

136 | 1968 effekt, der zum Bilde einer geschwächten Bewegung beiträgt (vgl. Gitlin 1980). Denn trotz der nach 1968 dann offenkundigen Spaltung der Bewegung finden erstens weiterhin riesige Veranstaltungen und spektakuläre Aktionen statt, werden zweitens Universitätsveranstaltungen in einem viel beträchtlicheren Ausmaß gestört oder übernommen, können sich drittens viele linke Kräfte – obwohl sie Dutschkes Forderung, beim langen Marsch durch die Institutionen solle man sich stets gegen diese wenden (1968b: VII), zu Beginn einigermaßen beherzigen – in Fakultäten, Senderabteilungen etc. festsetzen und sind viertens selbst die einzelnen Parteien und Milieus, ganz zu schweigen von der unglaublich ausgreifenden Jugendund Alternativkultur der 70er Jahre, allein von der Zahl der Mitglieder oder Teilnehmer her oft größer als der innere Kern oder sogar als ausgedehntere Teile der früheren außerparlamentarischen Opposition (Rossinow 2003). Die konservative und liberale Kritik an den Ideen und Aktionen des in Deutschland lange im Nachhinein als 68er-Bewegung betitelten links-antiautoritären Aufschwungs hat demnach unmittelbar keineswegs dazu geführt, diesen zu verlangsamen oder gar zu brechen, soviel lässt sich bereits vorweg sagen. Daran gemessen, hat allerdings die im Jahr 1968 erfolgende mehr oder minder interne Kritik der Linken und Antiautoritären aneinander in einem gravierenden Maße zur Schwächung der Bewegung beigetragen. Wenig überraschend, erscheint diese Bewegung im Spiegel der distanzierten oder entsetzten Reaktion konservativer oder liberaler Beobachter oftmals viel einheitlicher, als sie sich selbst untereinander verstehen konnte. Den konservativen sowie manchen liberalen Kritikern der Geschehnisse und Theorien von 1968 ist es im Unterschied zu anderen liberalen oder linksliberalen Zeitzeugen unmöglich, besonders radikale Äußerungen und Handlungen nicht für bare Münze, sondern als Ausdruck eines momentanen Enthusiasmus zu nehmen, der sich aus der vorübergehenden Dynamik der eskalierenden Abläufe ergibt. Raymond Aron berichtet über Bekannte und Freunde der antistalinistischen Linken, die sich begeistert an die Aufbruchsstimmung aus der Zeit der Oktoberrevolution oder der Pariser Kommune erinnert fühlen. Aron hingegen macht überaus deutlich, dass er sich dem Elan der admirable jeunesse einfach entziehen kann, bei ihm lösen die aktuellen Ereignisse lediglich Abscheu aus (1968: 65, 68). Er nutzt nicht einmal die Herabwürdigung, die bereits in dem Lob mitschwingt und darin besteht, politische Theorien und Forderungen auf das Moment jugendlicher Frische und jugendlichen Idealismus zu reduzieren; konservativ gewendet, liegt dann die Gleichsetzung mit anderen kulturkritischen Jugendbewegungen und deren romantischen oder reaktionären Gemeinschaftsidealen nahe (Scheuch 1968; Shils 1969: 16; Lipset 1972: 27; Schelsky 1979), von denen sich die politisch denkenden Neuen Linken

Schluss: Kritik an der 68er-Bewegung | 137 selbst immer entschieden abgesetzt haben (s. Klönne 1971: 114; vgl. Grebing 1971). Aron verzichtet auf diese Form der Herabwürdigung. Sein Urteil fällt sogar noch härter aus. Er spricht den Ereignissen jeden vernünftigen Gehalt ab, er erkennt in den kulturrevolutionären Bestrebungen ausschließlich ein »verbales Delirium« (1970: 15) und einen exzessiven Karneval, ein psychodrame. Den beinahe physischen Abscheu, den er demgegenüber verspürt (1968: 68, 65), geben auch andere Beobachter zu Protokoll; bei ihnen ist er aber zumeist weniger offen formuliert, manchmal ironischer, manchmal auch politisch aggressiver. Melvin J. Lasky etwa berichtet über eine Versammlung aus dem Berliner Audimax der Freien Universität im Frühjahr 1968; der Kontrast zu akademischen Veranstaltungen aus den Jahren zuvor könnte für den Besucher nicht größer sein, er fühlt sich darum gleich an weiter zurückliegende deutsche Veranstaltungen erinnert: »Im modernistischen gläsernen Saal des Henry-Ford-Baus habe ich oft Magnifizenz und Spektabilitäten in Baretten und Talaren defilieren und vor dem mucksmäuschenstillen Publikum (viel Silberschlipse, viel Damen mit übergroßen Handtaschen) auf dem Podium sich zurechtsetzen sehen. Heute schien diese ganze alte Welt auf den Kopf gestellt, nichts war mehr davon übrig. Mehrere tausend Studenten, singend, brüllend, rote Fahnen schwenkend, füllten den Raum dicht gedrängt bis zum Rand, daß er im Takt der hin- und herschwappenden Masse erzitterte. […] Der Lärm und die Hitze stiegen zu Kopf. Als das gröhlende ›Ho-Ho-Ho Chi Minh‹ sich zum zehnten oder zwölften Mal zur Decke erhob, erwischte ich mich dabei, den Rhythmus mit den Fingern auf die Glasscheibe hinter mir zu klopfen. Das also war das große Urerlebnis des Gemeinschaftsrausches, von dem die Anthropologen schreiben. Ähnlich muß es in Nürnberg gewesen sein […].« (Lasky 1968: 22)

Lasky, einer der Herausgeber der englischen Zeitschrift Encounter, vergisst darauf aufmerksam zu machen, dass den Nationalsozialisten von den sich respektabler benehmenden Akademikern nicht gerade der größte Widerstand entgegengesetzt worden ist. Zudem zeigt der nächste Satz an, dass es bei den großen Versammlungen der Nationalsozialisten ordentlicher zugegangen sein muss als bei den revoltierenden Studenten. »Als das ›HoHo-Ho‹ von der Internationale abgelöst wurde«, berichtet Lasky, »war mir schon etwas wohler, als wäre man von Stockhausen zu Johann Strauß übergegangen« (ebd.). Der zumindest indirekte Vergleich des studentischen Staccato mit den neuen Tönen Stockhausens lässt doch unterschwellig die Ferne des studentischen Gebarens zu straff organisierten und sauber orchestrierten Parteitagen erahnen. Andere Liberale ziehen deshalb die Parallele auch nicht zur Nürnberger Massenästhetik, sondern zu den wilden Übergriffen und körperlichen Drangsalierungen durch die SA in der Zeit der Weimarer Republik (Berger 1971: 47).

138 | 1968 Laskys Äußerungen sind an entsprechender Stelle nun hingegen von britischem Understatement geprägt. Als er am Ende der Berliner Veranstaltung mitansehen muss, wie Fritz Teufel und Rainer Langhans das große hölzerne Wappen der FU in Brand setzen, vergleicht er die Kommunarden mit Gestalten aus dem Struwwelpeter. Seine abschließende Beobachtung ist allerdings sprechend genug: »Auf den Trümmern des Wappens, mit dem sich jetzt Feuerwehrleute beschäftigten, konnte man gerade noch die Inschrift lesen. Was stand darauf? Pro patria mori oder sonst eine vaterländische Schnulze? Nein: Veritas, Justitia, Libertas …« (1968: 23) Interessanterweise ist damit für Lasky die Diskussion aber nicht beendet. Auf den kommenden Seiten berichtet er, wie er linken Bekannten, die sich mit dem revolutionären Aufschwung identifizieren, versucht unter Hinweis auf Aristoteles, Montesquieu u.a. den Glauben an die Möglichkeiten einer direkten, sozialistisch-partizipatorischen Demokratie auszutreiben. Bemerkenswert ist das, weil Leute wie Lasky zehn Jahre zuvor fest angenommen hatten, in den westlichen Staaten sei das Ende der Ideologien erreicht (nach 1989 wird es dann sogar in genau dem Sinne heißen, das Ende der Geschichte sei gekommen). Grundsätzliche Debatten um Demokratie, rationalisierte Verwaltung, Stand der Arbeitsteilung, Legitimation sozialer Unterschiede gelten folgerichtig als abgeschlossen, weil es nach Auffassung der manchmal als NATO liberals titulierten Wissenschaftler und Publizisten nur noch darum geht, graduelle, technische Verbesserungen und Neuadjustierungen des bestehenden demokratisch-repräsentativen, kapitalistisch-wohlfahrtsstaatlichen Systems durchzuführen. In Zeitschriften wie New Leader, Encounter (deren deutsches Pendant Der Monat im Übrigen bezeichnenderweise nach der Übernahme durch den Zeit-Verleger Bucerius 1969 rapide an Qualität verliert), in Komitees und Kongressen für Cultural Freedom findet man diese Ansicht dank der finanziellen Unterstützung des CIA sehr gut dokumentiert; teilweise auch heute noch bekannte Namen wie Daniel Bell, Arthur Schlesinger, John K. Galbraith, Edward Shils, Lionel Trilling, Irving Kristol, R. Aron, Isaiah Berlin, S.M. Lipset stehen dafür ein (Saunders 2000; Buhle 1999). Auf die Spitze getrieben wird die vorgebliche Entideologisierung, die in der Akklamation bestehender Funktionsabläufe besteht, in einigen Ausprägungen der Systemtheorie. Ein sehr gutes Beispiel gibt dafür 1968 in Deutschland Niklas Luhmann ab. Als zentralen Punkt für die Entstehung der außerparlamentarischen Opposition hält er, dass es »in unserem politischen System« nicht möglich sei, aus Themen der »kubanischen Revolution, dem Reiche Maos oder dem Leidensweg Vietnams« »entscheidbare Themen« zu machen (ungeachtet des Umstands, dass man für diese Themen unter Studenten »rasche Sympathien« wecken könne). Luhmanns Bilanz lautet darum: »Das Fassungsvermögen unserer politischen Prozesse ist, gemessen an ihren eigenen Idealen, zu gering. Sie können zuwenig

Schluss: Kritik an der 68er-Bewegung | 139 Alternativen zur Entscheidung bringen.« Was sich zuerst anhört wie eine Kritik an der Kapazität gegebener politischer Abläufe, ist aber bloß eine Kritik an den überholten, grenzenlosen Idealen. Umgekehrt kann Luhmann deshalb den Studenten vorrechnen, dass sie nicht fähig seien, den Status quo zu akzeptieren, wobei der Status quo für Luhmann nicht bestimmte Haltungen und Hierarchien sind, sondern die »allgemeine Reduktion von Komplexität«. Eine anschlussfähige Politik liegt nach dem Urteil Luhmanns außerhalb der Kompetenz der antiautoritären Studenten (1968: 82, 80). Das sehen seine liberalen Kollegen natürlich genauso, der Vorwurf des Utopismus zählt zu ihren wichtigsten Kritikpunkten gegenüber den Aufbegehrenden (z.B. Löwenthal 1970b). Im Gegensatz zu Luhmann kritisieren sie aber nicht in einem Zug auch überkommene demokratische Ideale nach Vorgabe der Komplexitätsreduktion und Themenselektion bestehender Funktionssysteme. Sie nutzen vielmehr die Möglichkeit, die bestehende Demokratie mit ihren Idealen zu identifizieren, nachdem sie selber zuvor angenommen hatten, eine offensive Legitimation sei gar nicht mehr notwendig. Nun ergreifen sie, namentlich etwa Daniel Bell, Edward Shils, Nathan Glazer, Seymour M. Lipset (vgl. Breines 1982: 2ff.), die Chance, nicht mehr allein gegenüber den sowjetischen Gesellschaften ihre politischen Auffassungen als die einzig angemessenen herausstellen zu können. Freilich beruht diese Chance in ihren Augen auf der Gefahr, dass die neuen linken Kräfte im Westen weiter an Gewicht gewinnen könnten. Die als drängend empfundene Notwendigkeit, für die bestehende Form der Demokratie eintreten zu müssen, schafft aber immerhin ein hohes Maß an erneuerter Emphase, an Äußerungsdruck. Dabei haben sie den erheblichen Vorteil, auf bereits existierende Institutionen und Regeln bauen zu können. Zwar ist ihre Sprache auch nicht konkreter als die ihrer politischen Gegner, der Vorwurf, die Neue Linke verbleibe mit ihren Vorschlägen und Argumenten im Ungefähren, kann aber leicht erhoben werden, weil die Liberalen und gemäßigt Konservativen weder einen Gesamtentwurf einer kommenden Gesellschaft noch genauere Pläne für deren Teilbereiche vorlegen müssen, sondern ihre Idealvorstellungen bereits gut in den bestehenden Einrichtungen (wenn auch nicht immer bei ihrem leitenden Personal) aufgehoben wissen. Leitartikler wie Joachim Fest nutzen die Gelegenheit nicht nur dazu, den Studenten Unfähigkeit, sich über unpolitische, gesinnungsethische Einstellungen hinaus zu artikulieren, vorzuwerfen, sondern sie bemängeln die gleiche Unfähigkeit zu einer aus ihrer Sicht angemessenen Führung auch bei den Repräsentanten des Staates – als entspringe der antiautoritäre Protest einer romantisch rückwärts gerichteten Haltung, die sich zum bukolischen Bild des »Überflusses, der Heiterkeit und des Friedens« zurückträume, und als finde diese Haltung ihren wahrscheinlichen Grund in dem aus Sicht Fests

140 | 1968 unzureichend staatsmännischen Auftreten der herrschenden politischen Klasse. Zur Abwehr der studentischen Kritik scheint es dann auszureichen, ohne weitere Debatte nominell auf die »moderne Arbeitswelt« oder auf Herrschaft als notwendiges »Mittel, dem permanenten Kriegszustand Spielregeln aufzuzwingen«, zu verweisen; es scheint Kommentatoren wie Fest zu genügen, auf das beträchtliche Maß an Freiheit, Rechtssicherheit und Wohlstand in den westlichen Staaten hinzuweisen, als erledige der Hinweis bereits die speziellere Kritik der Neuen Linken an der Unfreiheit, dem undemokratischen Zustand der (medialen) Öffentlichkeit und an der rechtlichen wie materiellen Ungleichheit in den liberal verfassten Staaten (1968: 224ff.; Auszüge aus Leitartikeln und Politikerreden zur APO: Winkler 1968). Bei anderen einflussreichen Kommentatoren wird es zumindest etwas konkreter. Nachdem z.B. George F. Kennan den radikalen Linken vorgeworfen hat, sie besäßen kein Programm und würden bloß mit Schlagworten, obszönen Anwürfen und einem falschen, kompromisslosen Moralismus operieren, verweist er selbst auf den Vorrang der Mehrheitsentscheidung. Es gehöre zum Wesen der Demokratie, dass die Entschlüsse gewählter Parlamente anerkannt werden müssten; wenn man sich ihnen durch Gehorsamsverweigerung oder Gewaltmittel zu widersetzen versuche, zeige dies entweder, dass man glaube, allein als Minorität vom rechten Geist beseelt zu sein, oder dass man meine, das bestehende System bringe die Kräfteverhältnisse in der Gesellschaft nicht mehr repräsentativ zum Ausdruck. Selbst gesetzt, Letzteres sei der Fall, meint Kennan, dass eine demonstrativ bekundete Gegnerschaft keineswegs ausreiche. Ärger und Entrüstung über einzelne Handlungen des Systems »wie etwa die Fortsetzung des Vietnam-Krieges« berechtigten nicht dazu, das demokratische System insgesamt in Frage zu stellen, schon gar nicht, wenn man kein konstruktives Programm zur Verbesserung dieser Demokratie vorweisen könne. Die »primitive Form von Massendemonstrationen und Massenobstruktionen« hält er bereits deshalb für unangemessen; ohnehin zweifelt er selbst nicht daran, dass die legislativen und exekutiven Beschlüsse in Amerika nach wie vor auf dem Willen der Wählermehrheit beruhten (1968: 20f.). Bei vielen weiteren Autoren findet man dann die genauere Begründung dafür, weshalb der gegenwärtige Zustand der repräsentativen Demokratie im Gegensatz zur Auffassung der Neuen Linken auch im Sinne demokratischer Ideale anzusehen sei (Begründung und Form des amerikanischen Einsatzes in Vietnam machen sie an der Einschätzung offenkundig ebenfalls nicht irre, selbst wenn sie einmal wie Kennan auf eine Änderung der amerikanischen Außen- und Militärpolitik in Südostasien drängen; vgl. Windmiller 1968: 118). Erstens sei es vollkommen ausreichend, wenn wechselnde Minderheitengruppen in komplizierten Sachfragen Entschei-

Schluss: Kritik an der 68er-Bewegung | 141 dungsalternativen vorlegen würden; das ganze Wahlvolk brauche (und könne) nicht von Beginn an in solche Überlegungen und Debatten einbezogen werden; für demokratische Vielfalt sei von vornherein durch die Teilnahme pluralistischer Interessenverbände an der Ausarbeitung von Gesetzesvorlagen gesorgt; eine durchschlagende Kraft des Großkapitals sei nicht gegeben, es herrsche letztlich eine Autonomie der Verfassungsorgane vor (Scheuch 1968b: 111ff.). Die These von der alles bestimmenden Manipulation sei demnach falsch, die Berufung auf angeblich wahre, nicht-entfremdete Bedürfnisse oder Interessen und die damit verbundene Ablehnung formal-demokratischer Prozeduren trage folglich totalitären Charakter und diene lediglich dazu, die Ansprüche der Neuen Linken diktatorisch durchzusetzen (Lohmar 1968; Gellner 1969: 134; Schönbohm 1969). Auch die Räte-Konzeption der Neuen Linken stehe dem nicht entgegen, weil diese Ausgestaltung der direkten Demokratie in der Sphäre von Politik und Wirtschaft de facto auf die »konkurrenzlose Führung und Manipulation der Massen durch eine Führungsgruppe«, auf die Konzentration von Entscheidungsbefugnissen in kleinen Zirkeln der Partei oder der technischökonomischen Bürokratie hinauslaufe (Ritter 1968: 37f.). Der Versuch, eine (wenn auch noch fehlerhafte) Demokratie wegen solch vager Aussichten zu zerstören, sei grundsätzlich abzulehnen, besonders aber auch, weil er die Gefahr in sich berge, faschistische Kräfte an die Macht zu bringen (Grass 1969). Eine ganze Reihe der Kritikpunkte wird auch von linken Autoren, die der antiautoritären Bewegung skeptisch gegenüberstehen, zumindest ansatzweise geteilt. Die Rede ist hier nicht von der offiziellen, parteikommunistischen Kritik, die natürlich die Abneigung der Neuen gegen die alte Linke auf ihre ganz eigene Weise vollkommen erwidert. Die Rede ist vielmehr von immerhin teilweise wohlwollenden Begleitern bzw. Beobachtern der Szenerie seit Mitte der 60er Jahre, stammen sie nun eher der Frankfurter Schule, den Trotzkisten, der linken Sozialdemokratie oder reformwilligen kommunistischen Zirkeln ab. Auch sie zeihen die Antiautoritären regelmäßig des Utopismus und Voluntarismus, selbst sie verteidigen die gegenwärtige bürgerliche Demokratie – zumindest insoweit, als sie in ihr noch die Prinzipien der Aufklärung aufscheinen sehen und als sie mit der außerparlamentarischen Absonderung keine längerfristigen Erfolgsaussichten verbinden. Nach anfänglichen Erfolgen, lautet eine entsprechende Bilanz von Urs Jaeggi, habe sich gezeigt, dass die Bewegungsformen der Agitation und Demonstration rasch an ihre Grenzen gelangten; die Verwendung expressiver Symbole sei ohnehin kein Wert an sich, sondern ein sicheres Zeichen dafür, dass eine Bewegung sich wegen ihrer beschränkten Größe und Mittel besonders auffällig präsentieren müsse, um überhaupt kurzfristig Aufmerksamkeit zu erringen. Wichtiger sei aber der lang angelegte Versuch, in den Betrieben, Gewerkschaften und sozialdemokra-

142 | 1968 tischen Parteien Einfluss zu gewinnen: »Mit antiparlamentarischen Argumenten allein isoliert sich die Opposition und, was wesentlicher ist: sie wird von der Mehrheit der Bevölkerung mißverstanden. Die Mehrheit der Bevölkerung setzt Hoffnungen in die parlamentarische Demokratie, die ihrer Substanz nach berechtigte, echte demokratische Hoffnungen sind« (1969: 218f.). Besonders scharf in die Kritik gerät die Methode, bei den außerparlamentarischen Demonstrationen und Bekundungen auf das Moment der bewussten Regelverletzung zu setzen. Jürgen Habermas geht Mitte 1967 so weit, dies als »ein Spiel mit dem Terror«, das »faschistische Implikationen« aufweise, zu bezeichnen (1967b: 75). Die kulturrevolutionäre Aggression gegen die bürgerliche Kultur bzw. gegen Werkkunst und (vorübergehend) etablierte Symbolsysteme generell scheint ihm gleichfalls verfehlt und höchst gefährlich (1969f: 27f.). Im politischen Bereich nimmt Habermas aber einige Monate später das Wort vom »linken Faschismus« mit der Begründung zurück, er habe zuvor nicht erkannt, dass die »neuen Formen der Provokation ein sinnvolles, legitimes und sogar notwendiges Mittel sind, um Diskussionen dort, wo sie verweigert werden, zu erzwingen« (1969b: 151). Jetzt findet er sogar manch lobendes Wort für jene »Techniken der begrenzten Regelverletzung« und des gewaltlosen Widerstands, wie sie in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung angewandt worden seien (1969c: 191). Unter amerikanischen Professoren der Couleur Habermas’ ist das selbstverständlich keine neue Nachricht, sie erinnern Formen von civil disobedience nicht gleich an faschistische Provokationen (Walzer 1970; Etzioni 1970: 43f.). Nachdem auch Habermas im Sinne eines zumindest bedenkenswerten bürgerlichen Ungehorsams argumentiert, stellt er sogar einige Erfolgsmomente der außerparlamentarischen Demonstrationsformen heraus; angesichts eines bürokratisierten Herrschaftsapparates und der kommerziellen Massenmedien besäßen sie eine erhöhte Bedeutung, weil sie »Publizitätsbarrieren« überwinden und in die »Nischen eines frontal unangreifbaren Systems« eindringen könnten; mit recht geringem Aufwand erzielten sie überproportionale Wirkungen; sie führten zu heftigen Abwehrreaktionen, aber auch zu jenem »heilsamen Schock, der ein erstauntes Nachdenken über Routinen und über unsere routinierten Verdrängungen provoziert«; dadurch träfen sie die »einzig schwache Stelle des legitimations-bedürftigen Herrschaftssystems, nämlich die funktionsnotwendige Entpolitisierung breiter Bevölkerungsschichten«. Einschränkend fügt Habermas jedoch an, dass die Provokations- und Demonstrationstechniken – weil sie ihm oft pennälerhaft vorkommen – nur etwas für junge Leute seien. Mit anderen Worten, von der Gewohnheit ruhiger, höflicher Argumentation möchte er selbst in keinem Fall abgehen (1969c: 191f.).

Schluss: Kritik an der 68er-Bewegung | 143 Weitergehendere, aggressivere, gar gewaltsame Formen treffen ohnehin unverändert auf die strikte Ablehnung Habermas’, wenn er auch das Wort vom linken Faschismus dafür nicht mehr benutzen möchte (1969b). Eine Strategie, die latente Gewalt des bürgerlichen Staates durch militante Provokationen als eine manifeste, repressive Polizeistaatsgewalt zu entdecken, sieht er nicht nur als höchst gefährlich, sondern in ihrem Begründungsgehalt als vollkommen falsch an. In dieser Hinsicht gibt es überhaupt keinen Unterschied zwischen Habermas’ Einschätzung und der sozialliberaler amerikanischer Intellektueller (Etzioni 1969; Lasch 1969: 183f.; Howe 1970: 44f.). Nach ihrem Urteil ist die herrschende Staatsgewalt noch ausreichend demokratisch und verfassungsrechtlich legitimiert; ein »leichtfertiger oder rücksichtsloser Umgang mit den elementar Freiheit verbürgenden Prinzipien unserer Rechtsordnung« sei darum in hohem Maße ungerechtfertigt, wie Habermas nachdrücklich anmerkt (1969d: 184). Noam Chomsky, der immer um rationale, vollkommen offene Argumentation bemühte Anarchist, lehnt hingegen »zerstörerische Handlungen« einer gewissen Sorte (»Universitätsstreiks, Versuche, die Produktion von Kriegsmaterial zu behindern«) aus vollkommen anderen Gründen ab; angesichts des amerikanischen Vietnam-Einsatzes hielte er sie sogar für gerechtfertigt, falls gewährleistet wäre, dass dadurch eine »unmittelbar bevorstehende Katastrophe« verhindert würde; da er aber im historischen Moment bezweifelt, dass sie solch eine Wirkung hätten, spricht er sich gegen sie aus (1969d: 288). Zudem hält er es für einen Kurzschluss, wegen der Lage in Vietnam eine vergleichbar desaströse Situation in den USA auszumalen. Wegen der nach wie vor existierenden Freiheitsspielräume in den USA sei zum Widerstand kein Heroismus nötig; eine spätere Parole wie die, den Krieg nach Hause, nach Amerika selbst zu tragen, ist damit schwerlich zu vereinbaren, auch wenn Chomsky die amerikanische Macht ähnlich negativ beurteilt wie z.B. später die Guerilla-Kräfte der aus Teilen des amerikanischen SDS hervorgehenden Weatherman. An objektiven Maßstäben gemessen, seien die Vereinigten Staaten zur aggressivsten Macht der Welt, zur größten Gefahr für den Frieden geworden, schreibt Chomsky, um aber im nächsten Satz sofort anzumerken: »Gleichzeitig genießen wir ein hohes Maß an Freiheit in unserem eigenen Land. Wir dürfen sprechen, schreiben, organisieren. Wer Widerstand leistet, mag hart bestraft werden, wird jedoch weder in ein Arbeitslager noch in die Gaskammer geschickt. Unter solchen Umständen ist Widerstand selbst für jene möglich, die von Natur aus nicht zum Heldentum geschaffen sind« (1969e: 303). Konservative und sozialliberale Autoren sehen das natürlich genauso. Sie verfertigen daraus aber selten einen Aufruf, den Freiheitsraum zum Widerstand zu nutzen, sondern gebrauchen das Argument, um jene Ak-

144 | 1968 tionisten, die den gewährten Spielraum übertreten, daran zu erinnern, dass sie sich dann nicht über eine strafrechtliche Verfolgung beklagen dürften. Besonders heuchlerisch sei es, nach illegalen Handlungen gegen den Staat, die mit seinen diktatorischen Zügen gerechtfertigt werden, zu erwarten, dass dessen Strafverfolgungsbehörden und Gerichte ihre erklärten Gegner höchst liberal weiter gewähren lassen. »What kind of expectation is this?«, fragt sich Ernest Gellner, um die Frage sogleich zugespitzt zu beantworten: »It has the mad logic of a family quarrel. These are emotionally most exhausting rebels. They demand to be loved by the order against which they are raising their hands.« (Gellner 1969:142) Einen ganz anderen Hintergrund besitzt das zuerst ähnlich klingende Argument von Habermas, die militanten Parolen und Aktionsformen gingen aus einer wahnhaften Verwechslung von Wunsch und Wirklichkeit hervor. Habermas nutzt die drastische Formulierung, um seine Auffassung zu unterstreichen, dass im Jahr 1968 ungeachtet der hoffnungsvollen bzw. radikal verblendeten Einschätzungen der Antiautoritären objektiv keine revolutionäre Situation gegeben sei (1969c: 198; kritisch dazu Abendroth u.a. 1968). Hier stimmt Habermas wiederum mit einer ganzen Reihe sozialistischer Intellektueller und Funktionäre überein, darunter auch viele, die anders als Habermas tatsächlich (oder zumindest erklärtermaßen) eine Überwindung der bestehenden liberalen Demokratie anstreben. Eric Hobsbawm etwa hält das Ausmaß kulturrevolutionärer Ansprüche im Frühjahr 1968 von vornherein für ein Symptom revolutionärer Schwäche; Feindeserklärungen an das entfremdende System schlechthin (und nicht an bestimmte Institutionen und Repräsentanten) seien unpolitisch und raubten darum der Bewegung die zum Umsturz nötige Dynamik (1977b: 332ff.). Mit größerem zeitlichen Abstand wird Hobsbawm manchmal sogar Raymond Arons Diagnose, beim Mai ’68 habe es sich um ein karnevaleskes Straßentheater oder Psychodrama gehandelt, teilweise akzeptieren; jedenfalls sei 1968 kein revolutionäres Jahr gewesen (1995: 555, 376). Unmittelbar nach den Ereignissen des Frühjahrs klingt das bei Hobsbawm jedoch noch anders; was nämlich Habermas zu den wenig revolutionsträchtigen Verhältnissen in Westdeutschland sagt, hat schließlich noch im April 1968 ebenfalls jedermann über die französische Situation behauptet. Deshalb weist Hobsbawm darauf hin, dass die spontaneistische, antiautoritäre, anarchistische Aktion in einigen, wenigen geschichtlichen Momenten sehr wohl eine revolutionäre Ausgangslage schaffen könne. Zwar stellten die Kulturrevolutionäre und situationistischen Anarchisten im weiteren Verlauf revolutionärer Ereignisse – wenn es entscheidend darauf ankomme, die Richtung der Bewegung mit Hilfe einer entschlossenen Organisation zu steuern – zweifellos ein Hindernis dar, anfangs sei ihre Initiative aber oft wertvoll, da, historisch gesehen, die meisten erfolg-

Schluss: Kritik an der 68er-Bewegung | 145 reichen Revolutionen eher wie »Happenings« und nicht wie sorgsam geplante und von bestimmten Bedingungen her prognostizierte Veranstaltungen begonnen hätten (1977c: 130f.). Ob aber der revolutionäre Impetus des französischen Mai ’68 unter einer sich durchsetzenden kommunistischen Führung eine erfolgreiche, feste Gestalt hätte annehmen können, steht selbst in schnell folgenden weiteren Überlegungen Hobsbawms stark in Zweifel. In einem anderen Aufsatz, der ebenfalls wenige Monate nach den Mai-Ereignissen geschrieben worden ist, bezieht sich Hobsbawm auf Touraines (1971: 30ff.) Ausführungen über die Wandlungen in der Zusammensetzung der potentiell revolutionären Arbeiterklasse; diese (neben den Studenten) neue, sich gegen technokratische Bevormundung, Manipulation und Einengung richtende Schicht aus Technikern, Architekten, Redakteuren, Lehrern etc. hänge zwar einerseits einer Gegenutopie im Sinne des libertären Kommunismus nach, bringe aber andererseits auch einen »der Gegenwart angemessenen Reformismus mit sich, eine Kraft, der es gelingen kann, rigide und veraltete Strukturen der Gesellschaft zu verändern – das Erziehungssystem, die Verhältnisse in der Industrie, im Management und in der Regierung« (Hobsbawm 1977b: 335). Was Hobsbawm an der Stelle noch als Zwiespalt offen lässt, aber bereits als Dilemma benennt, neigt sich in einem weiteren Aufsatz kurz danach bereits viel stärker zu einer Seite hin. Dort spricht Hobsbawm von einer neuen Form der Arbeiteraristokratie, die man als revolutionär nur bezeichnen könne, wenn man unter Revolution eine schrittweise, tiefgreifende Veränderung verstünde. Zudem kann eine Gesellschaftskritik, deren Schlüsselworte nicht Armut oder Ausbeutung, sondern Entfremdung und Bürokratisierung lauten, offensichtlich nicht die traditionelle Arbeiterschicht erreichen, die in zwar relativ gesehen bescheidenem, aber dennoch spürbarem Umfang von dem Wirtschaftsaufschwung der letzten Jahrzehnte profitiert hat (Hobsbawm gibt freimütig zu, dass »der Kapitalismus als ökonomischer Mechanismus bis Ende der sechziger Jahre glänzend funktioniert hat«). Alles zusammengenommen, lautet Hobsbawms Bilanz deshalb nun, dass der Abstand zwischen revolutionärer Gärung, der Wut auf die bestehende Gesellschaft, und einer möglicherweise erfolgreichen revolutionären Aktion bedeutend größer sei als in den Jahrzehnten zuvor (1977d: 351ff.). Pasolini weist genau in dem Sinne, aber wesentlich heftiger auf den Verlust hin, den es bedeute, dass die Studenten, die jungen Intellektuellen in ihrem Hass auf das Bürgertum keine Außenperspektive mehr übernehmen könnten, nämlich jenen kommunistischen Blick, den sie früher von der »nichtbürgerlichen Welt« der Arbeiter und Bauern lernen konnten, die nun jedoch im Begriff sei zu verschwinden. Die »bürgerliche Entropie« sei nahe, die Jugend sei bereits heute bis in die Physis hinein bürgerlicher

146 | 1968 als die Generation davor. Darum misstraut Pasolini den gegenkulturellen Attacken der Antiautoritären auf das Bürgertum zutiefst; er sieht darin lediglich eine Auseinandersetzung innerhalb der Bourgeoisie (1982b: 194f.). In einem provozierenden Gedicht denunziert er die von den internationalen Nachrichtenmagazinen eifrig begleiteten Mittelschichts-Revolteure als linksradikale Antikommunisten und wirkliche Feinde der untergehenden nichtbürgerlichen Welt: »Nur eins kennen die Studenten wirklich:/den Moralismus des Vaters im Richteramt oder freien Beruf,/die konformistische Gewalt des älteren Bruders/(der natürlich in die Fußstapfen seines Vaters tritt),/den Haß auf die Kultur, wie ihre Mutter sie besitzt,/bäuerlicher Herkunft, wenn auch schon weit zurück./Dieses, liebe Kinder, kennt ihr./Und durch zwei eherne Gefühle wendet ihr es an:/das Bewußtsein eurer Rechte (man weiß, die Demokratie/zieht nur euch in Betracht) und das Streben/nach Macht./Ja, in euren Parolen geht es immer um/die Machtergreifung./Ich lese in euren Bärten ohnmächtige Ambitionen,/in eurer Blässe verzweifelte Snobismen,/in euren ausweichenden Augen eine zerfahrene Sexualität,/im Zuviel an Gesundheit Arroganz, im Zuwenig Verachtung […].« (Ebd.: 189)

Damit nähern sich Pasolini und Hobsbawm schließlich Habermas doch wieder beträchtlich an. Ein gravierender Unterschied bleibt aber bestehen. Während Hobsbawm seine Diagnose mit einem Anflug von Resignation (und Pasolini voller Wut und Verzweiflung) formuliert, kann Habermas den Abschied von Revolutionserwartungen sehr leicht vollziehen; seine Bemühungen richten sich bloß darauf, den »institutionellen Rahmen industriell entwickelter Gesellschaften demokratisch« zu verändern. Bleiben diese Angaben auch deutlich reformistisch, argumentiert Habermas bei den Zielangaben für solch eine angestrebte Veränderung wieder stärker im Sinne seiner linken Schüler (links im antiautoritären Sinne, nicht in dem Pasolinis, versteht sich). Für die Kosten einer durch Statuskonkurrenz, Leistungswettbewerb, durch eine entpolitisierte Öffentlichkeit und durch die Disziplin entfremdeter Arbeit geprägten Gesellschaft ist er ebenso sensibilisiert wie die protestierenden Studenten (1969d: 183). Auch er glaubt, dass der Umfang des gesellschaftlichen Reichtums, der durch organisierte Wissenschaft, Technik und kapitalistische Wirtschaft bzw. durch die daraufhin staatlich ausgerichteten, ausgebildeten und betreuten Bürger hervorgebracht wird, die beträchtlichen individuellen Besitz- und Status-Unterschiede nicht mehr rechtfertige (1969c: 193). Angesichts des ausgebauten Sozialstaats, der zum Teil exekutiv gesteuerten Wirtschaft und des immens ausgeweiteten staatlich betriebenen Ausbildungssektors vertritt Habermas zudem die Auffassung der Neuen Linken, dass der Konflikt zwischen den Klassen nicht mehr der treibende

Schluss: Kritik an der 68er-Bewegung | 147 Motor politischer Entwicklung sein kann. Diese Einsicht stellt für ihn den rationalen Kern jener Annahme des »neuen Anarchismus« dar, nach der das politische System nur noch durch Antriebe angegriffen werden könne, die sich nicht durch materielle Kompensationen still stellen lassen. Trotz dieser Anerkennung einer begründeten Voraussetzung politischer Strategie fällt Habermas’ Kritik an den verschiedenen Konzepten der 68er jedoch äußerst umfassend aus. Den späteren Weg nicht weniger Antiautoritärer, doch wieder auf die (noch relativ, aber eben nicht mehr absolut verelendete) Arbeiterklasse zu setzen, muss er ohnehin ganz im Sinne ihrer früheren Ansicht verwerfen. Die Hoffnung auf jene in weiterem Sinne antiautoritären, kulturrevolutionären Antriebe und Ansprüche hält Habermas freilich zumindest gegenwärtig ebenfalls für trügerisch, da vorerst eine gegen staatliche Kompensationszahlungen und Betreuungsmaßnahmen immun bleibende Unzufriedenheit sich nur in kleinen privilegierten Gruppen herausbilden könne. Wenn es aber stimmt, dass erst der Überdruss gegenüber dem materiellen Wohlstand einen für die anderen Fragen des »guten Lebens« empfänglich mache, dann – so lautet Habermas’ Schlussfolgerung – »würde eine Revolutionierung der fortgeschrittenen Gesellschaft die Abschaffung der Armut nicht herbeiführen, sondern ihrerseits voraussetzen müssen« (1969f: 20ff.). Solch ein Reich der Freiheit, der weitgehenden Unabhängigkeit von materiellen Zwängen, sieht er offensichtlich noch lange nicht gekommen; die antiautoritär angestrebte Aufhebung des Konkurrenzprinzips und der hierarchisch eingeschliffenen Arbeitsteilung muss ihm deshalb bei aller grundsätzlichen Sympathie für das Ziel abgemilderter Ungleichheit noch ferner liegen. Tatsächlich entspricht die Abstufung genau den Vorstellungen der Neuen Linken, wenn auch mit ganz anderer Pointe. Herbert Marcuse etwa erkennt in der weitgehenden Beseitigung materieller Knappheit und ausgedehnter Arbeitszeit nur die Vorbedingung, nicht den Inhalt wünschenswerter Selbstbestimmung. Nach der Abhängigkeit von materiellen Zwängen müsse man sich zuletzt von dem Bann der Herrschaft befreien, lautet darum die konsequente Forderung Marcuses. Zwar würden auch in einer wahrhaft freien Industriegesellschaft weiterhin Formen der Arbeitsteilung und damit der Ungleichheit fortbestehen, diese gründeten dann aber nicht länger in Herrschaftsverhältnissen, sondern ergäben sich »notwendig aus wirklichen gesellschaftlichen, technischen Erfordernissen und aus den körperlichen und geistigen Unterschieden zwischen den Individuen. Die ausführenden und Überwachungsfunktionen gingen jedoch nicht mehr mit dem Vorrecht einher, das Leben anderer in irgendeinem partikulären Interesse zu beherrschen« (1989: 64). Der letzte Satz ist noch im Konjunktiv formuliert, im Unterschied zu Habermas nimmt Marcuse (und mit ihm der radikale Teil der antiautoritären Bewegung) aber an, dass die Voraus-

148 | 1968 setzungen dafür bereits geschaffen sind und nur auf ihre revolutionäre Entfesselung warten. An dem Punkt endet dann alle Möglichkeit einer kritischen Debatte.

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Volker Heins Das Andere der Zivilgesellschaft Zur Archäologie eines Begriffs 2002, 102 Seiten, kart., 12,80 €, ISBN: 978-3-933127-88-4

Stefan Weber Medien – Systeme – Netze Elemente einer Theorie der Cyber-Netzwerke 2001, 128 Seiten, kart., 13,80 €, ISBN: 978-3-933127-77-8

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Thomas Lemke Veranlagung und Verantwortung Genetische Diagnostik zwischen Selbstbestimmung und Schicksal 2004, 140 Seiten, kart., mit Glossar, 14,80 €, ISBN: 978-3-89942-202-3

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