Zur Rechtsformenwahl des europäischen Gesetzgebers im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – Von der Richtlinie zur Verordnung: Exemplifiziert anhand des Lebensmittelrechts und des Pflanzenschutzmittelrechts [1 ed.] 9783428536016, 9783428136018

Die Rechtsetzung der EU vollzieht gegenwärtig einen grundlegenden Wandel: Immer mehr Sekundärrechtsakte, insbesondere im

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Zur Rechtsformenwahl des europäischen Gesetzgebers im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – Von der Richtlinie zur Verordnung: Exemplifiziert anhand des Lebensmittelrechts und des Pflanzenschutzmittelrechts [1 ed.]
 9783428536016, 9783428136018

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Schriften zum Europäischen Recht Band 161

Zur Rechtsformenwahl des europäischen Gesetzgebers im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – Von der Richtlinie zur Verordnung

Von Franziska Rösch

Duncker & Humblot · Berlin

FRANZISKA RÖSCH

Zur Rechtsformenwahl des europäischen Gesetzgebers im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – Von der Richtlinie zur Verordnung

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera · Detlef Merten Matthias Niedobitek · Karl-Peter Sommermann

Band 161

Zur Rechtsformenwahl des europäischen Gesetzgebers im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – Von der Richtlinie zur Verordnung Exemplifiziert anhand des Lebensmittelrechts und des Pflanzenschutzmittelrechts

Von Franziska Rösch

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg hat diese Arbeit im Jahre 2010 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 978-3-428-13601-8 (Print) ISBN 978-3-428-53601-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-83601-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im November 2010 von der Juristischen Fakultät der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg als Dissertation angenommen. Aufgrund des Inkrafttretens des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 wurde die Arbeit zur Vorbereitung der Drucklegung an die neue Rechtslage angepasst und umfassend überarbeitet. Die Arbeit wurde während der Promotionszeit durch die Friedrich-Ebert-Stiftung unterstützt. Die Drucklegung wurde mit Mitteln des Europäischen Rechtszentrums der Universität Würzburg gefördert. Ich danke meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Eckhard Pache herzlich für die Betreuung des Promotionsverfahrens und für die lange lehrreiche und bereichernde Zusammenarbeit an seinem Lehrstuhl. Er hat die Anfertigung der Arbeit ermöglicht, sie engagiert betreut und war stets für Fragen und Gespräche offen und hat mich dadurch in hohem Maße unterstützt. Herrn Prof. Dr. Kyrill A. Schwarz danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Wertvolle Anregungen erhielt ich von Herrn Dr. Rudolf Mögele und Herrn Prof. Dr. Gernot Sydow. Meiner Familie, meinen Kollegen sowie meinen Freunden, und hierbei insbesondere Ralf Nobis, danke ich herzlich für die Begleitung durch die Höhen und Tiefen der Promotionszeit. Mein abschließender und besonderer Dank gilt Daniel Rucireto, der in den vergangenen Jahren durch sein Verständnis, seine wertvollen Hinweise und seine Unterstützung wesentlich zur Fertigstellung der Dissertation beigetragen hat. Stuttgart, Oktober 2012

Franziska Rösch

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

Teil 1

Grundlagen A. Sekundärrechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 I. Arten der Rechtsetzung und Rechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 II. Die Rechtsform der Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 III. Die Rechtsform der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 IV. Zusammenfassung zu A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 B. Tendenzen in der Rechtsetzungspolitik der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . 68 I. Auswertung der wichtigsten im Bereich der Rechtsetzung ergangenen Mitteilungen und Berichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 II. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 C. Die Europäische Rechtsetzung im Lichte des Art. 5 EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 II. Der Inhalt des Art. 5 EUV (ex-Art. 5 EGV) als Maßstab der Rechtsetzung . . . . 101 III. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, Art.  5 Abs.  2 EUV (ex-Art.  5 Abs. 1 EGV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 IV. Das Subsidiaritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 V. Formenwahlermessen bzw. insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 136 VI. Ergebnis zum Ordnungsrahmen bezüglich der Wahl der Rechtsaktform im Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

Teil 2

Referenzgebiete A. Lebensmittelrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 I. Einführung in den Bereich des Lebensmittelrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 II. BasisVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

8

Inhaltsübersicht

B. Pflanzenschutzmittelrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 I. Einführung in den Bereich „Pflanzenschutzmittelrecht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 II. Alte Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 III. Von der Richtlinie zur Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281

Teil 3

Ergebnis, Konsequenzen und Perspektiven A. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 B. Begründungspflichten nach EGV und AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 I. Ziele und Umfang der Begründungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 II. Rechtslage nach dem EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 III. Die Rechtslage nach dem Vertrag von Lissabon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 IV. Problematik Begründungspflicht nach EGV und AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 C. Verbesserungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

Teil 1

Grundlagen A. Sekundärrechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 I. Arten der Rechtsetzung und Rechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Gesetzgebungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2. Ordentliches Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3. Besonderes Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 4. Rechtsakte ohne Gesetzescharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 5. Delegierte Rechtsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 6. Durchführungsrechtsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 II. Die Rechtsform der Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2. Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3. Allgemeine Geltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4. Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 5. Unmittelbare Geltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 6. Begründungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 7. Durchführungsverordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 8. Unmittelbare Wirkungsweisen der Rechtsform „Verordnung“ . . . . . . . . . . . 38 a) Unmittelbare Wirkungsweise der Rechtsform „Verordnung“ für die Union 39 b) Unmittelbare Wirkungsweise der Rechtsform „Verordnung“ für die Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 c) Unmittelbare Wirkungsweise der Rechtsform „Verordnung“ für den Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 9. Mittelbare Wirkungsweisen der Rechtsform „Verordnung“: Rechtsschutz Privater gegenüber Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 a) Rechtsschutz auf europäischer Ebene vor dem Vertrag von Lissabon . . . 43 aa) Verordnungen mit weiterem Vollzugsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 bb) Verordnungen ohne weiteren Vollzugsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

10

Inhaltsverzeichnis b) Rechtsschutz auf nationaler deutscher Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 aa) Verordnungen mit weiterem Vollzugsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 bb) Verordnungen ohne weiteren Vollzugsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 c) Rechtsschutz nach dem AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 III. Die Rechtsform der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Einordnung bezüglich des nationalen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3. Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 4. Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 5. Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 6. Unmittelbare Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 7. Arten von Richtlinieninhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 a) Materielle Richtlinienbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 b) Verwaltungsverfahrensrechtliche Richtlinienbestimmungen . . . . . . . . . . 57 8. Unmittelbare Wirkungsweise von Richtlinien mit materiellen Richtlinien­ inhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 a) Für die Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 b) Für die Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 c) Für den Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 9. Unmittelbare Wirkungsweise von Richtlinien mit verfahrensrechtlichen Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 a) Für die Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 b) Für die Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 10. Mittelbare Wirkungsweise der Rechtsform „Richtlinie“ . . . . . . . . . . . . . . . . 65 a) Rechtsschutz auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 b) Rechtsschutz auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 IV. Zusammenfassung zu A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

B. Tendenzen in der Rechtsetzungspolitik der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . 68 I. Auswertung der wichtigsten im Bereich der Rechtsetzung ergangenen Mitteilungen und Berichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1. Allgemeine Leitlinien der Kommission für die Legislativpolitik 1996 . . . . . 69 2. Bericht der Kommission: Bessere Rechtsetzung 1996 . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 3. Bericht der Kommission: Bessere Rechtsetzung 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 4. Mitteilung der Kommission: Weniger Gesetzgebung für besseres Handeln 1998 71 5. Bericht der Kommission: Bessere Rechtsetzung 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 6. Bericht der Kommission: Bessere Rechtsetzung 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

Inhaltsverzeichnis

11

7. Jahresbericht der Kommission: Bessere Rechtsetzung 2000 . . . . . . . . . . . . . 73 8. Zwischenbericht der Kommission an den Europäischen Rat: Verbesserung und Vereinfachung der Rahmenbedingungen für die Rechtsetzung 2001 . . . 74 9. Weißbuch der Kommission: Europäisches Regieren 2001 . . . . . . . . . . . . . . . 76 10. Bericht der Kommission: Bessere Rechtsetzung 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 11. Mitteilung der Kommission: Aktionsplan „Vereinfachung und Verbesserung des Regelungsumfeldes“ 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 12. Mitteilung der Kommission: Europäisches Regieren: Bessere Rechtsetzung 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 13. Bericht der Kommission: Bessere Rechtsetzung 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 14. Mitteilung der Kommission: Aktualisierung des „Acquis communautaire“ 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 15. Bericht der Kommission: Bessere Rechtsetzung 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 16. EP, Rat, Kommission: Interinstitutionelle Vereinbarung „Bessere Rechtsetzung“ 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 17. Mitteilung der Kommission: Bessere Rechtsetzung für Wachstum und Arbeitsplätze in der Europäischen Union 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 18. Bericht der Kommission: Bessere Rechtsetzung 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 19. Mitteilung der Kommission: Umsetzung des Lissabon-Programms der Gemeinschaft 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 20. Bericht der Kommission: Bessere Rechtsetzung 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 21. Strategische Überlegung zur Verbesserung der Rechtsetzung in der Euro­ päischen Union 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 22. Bericht der Kommission: Bessere Rechtsetzung 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 23. Mitteilung der Kommission: Ein Europa der Ergebnisse  – Anwendung des Gemeinschaftsrechts 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 24. Mitteilung der Kommission: Zweite strategische Überlegung zur Verbesserung der Rechtsetzung in der Europäischen Union 2008 . . . . . . . . . . . . . . . 89 25. Mitteilung der Kommission: Dritte strategische Überlegung zur Verbesserung der Rechtsetzung in der Europäischen Union 2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 II. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 1. Möglichst keine detaillierten Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2. Wandel in der Tendenz der bevorzugten Rechtsetzungspolitik . . . . . . . . . . . 91 3. Hinweise auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung und die Folgenabschätzung . 92 a) Verhältnismäßigkeit der Wahl der Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 b) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 c) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 d) Zwischenanmerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 e) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 4. Folgenabschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

12

Inhaltsverzeichnis

C. Die Europäische Rechtsetzung im Lichte des Art. 5 EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 II. Der Inhalt des Art. 5 EUV (ex-Art. 5 EGV) als Maßstab der Rechtsetzung . . . . 101 1. Abgrenzung Art. 5 Abs. 3 EUV (ex-Art. 5 Abs. 2 EGV) und Art. 5 Abs. 4 EUV (ex-Art. 5 Abs. 3 EGV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 a) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und seine Wirkungsweise bezüglich der Mitgliedstaaten vor dem Vertrag von Lissabon . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 aa) Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 bb) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 cc) Prüfungsumfang des Verhältnismäßigkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . 106 b) Verhältnis von Art. 5 Abs. 3 zu Abs. 4 EUV (ex-Art. 5 Abs. 2 zu Abs. 3 EGV) 108 aa) Grammatische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 bb) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 cc) Das gemeinsame Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 dd) Abgrenzung im Bezug auf die rechtliche Durchsetzbarkeit . . . . . . . 110 ee) Der Subsidiaritätskontrollmechanismus nach dem Vertrag von Lissabon 111 2. Ergebnis und Konsequenz für die weitere Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 III. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, Art.  5 Abs.  2 EUV (ex-Art.  5 Abs. 1 EGV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Kompetenzkatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 b) Kompetenzabgrenzung bezüglich Art. 114 AEUV (ex-Art. 95 EGV) . . . 116 c) Kompetenzabgrenzung bezüglich Art. 352 AEUV (ex-Art. 308 EGV) . . 118 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2. Bedeutung für die vorliegende Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 a) Ermächtigungsgrundlagen mit einer ausdrücklich vorgegebenen Handlungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 aa) Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 bb) Abweichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (1) Handlungsformentausch von der Verordnung zur Richtlinie . . . 122 (2) Handlungsformentausch von der Richtlinie zur Verordnung . . . 124 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Ermächtigungsgrundlagen ohne ausdrücklich vorgegebene Handlungs­ formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 c) Ermächtigungsgrundlagen mit verschiedenen ausdrücklich vorgegebenen Handlungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 d) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

Inhaltsverzeichnis

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IV. Das Subsidiaritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 2. Prüfungsmaßstab des Art. 5 Abs. 3 EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 a) Erforderlichkeits- und Effizienz- bzw. Mehrwertkriterium . . . . . . . . . . . 130 b) Leitlinien zur Subsidiarität zum EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 c) Leitlinien zur Subsidiarität zum EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 d) Der Begriff der Maßnahmen in Art. 5 Abs. 3 EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 3. Bedeutung für die vorliegende Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 V. Formenwahlermessen bzw. insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 136 1. Besonderheiten der Ermessensausübung bezüglich der zwei zu prüfenden Ermächtigungsgrundlagentypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 a) Ermächtigungsgrundlagen ohne ausdrücklich vorgegebene Handlungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 aa) Ermächtigungsgrundlagenimmanente Ermessensgrenzen . . . . . . . . . 138 bb) Auslegung der einzelnen Bezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (1) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (2) Historischer Wille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (3) Systematische Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (4) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (5) Ergebnis zur Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 cc) Tendenzen bei den einzelnen Ermächtigungsgrundlagen bezüglich der Rechtsetzungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 dd) Zwischenergebnis zu den Ermächtigungsgrundlagen ohne ausdrücklich vorgesehene Handlungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 b) Ermächtigungsgrundlagen mit ausdrücklich vorgesehenen Handlungs­ formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 b) Der Prüfungsumfang des Verhältnismäßigkeitsprinzips auf europäischer Ebene durch den EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 c) Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit nach dem EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 d) Legitimität des Ziels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 aa) Arten von Zielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (1) Ziele nach dem EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (2) Ziele nach dem EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 bb) Rechtsakte mit mehreren Ermächtigungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . 152 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

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Inhaltsverzeichnis e) Die Geeignetheit der gewählten Handlungsform zur Erreichung des in der Vorschrift angestrebten Ziels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 f) Die Erforderlichkeit der gewählten Handlungsform/Kein milderes Mittel 154 aa) Allgemeines und Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 bb) Das mildeste Mittel nach dem Subsidiaritätsprotokoll zum EGV . . . 155 cc) Rechtliche Wirkungen im Zusammenhang mit der gewählten Handlungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (1) Rechtliche Wirkungen der Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (2) Rechtliche Wirkungen der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (3) Versuch eines Ergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 dd) Konkrete Regelungsmethode und -dichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (2) Detaillierte Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (3) Konsequenz und Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 ee) Konkreter Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 ff) Ergebnis zur Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 g) Angemessenheit/Proportionalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 h) Ergebnis zur Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 i) Verbesserungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 3. Rechtsformenwandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 a) Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 b) Tendenz zum Ersetzen von Richtlinien durch Verordnungen . . . . . . . . . . 175 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 bb) Gründe für den Rechtsformenwandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 cc) Schwierigkeiten bei der Kontrolle der Umsetzung bzw. des laufenden Vollzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 dd) Im zu regelnden Rechtsgebiet liegende Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 ee) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 c) Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 d) Verhältnismäßigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 e) Ergebnis zum Rechtsformenwandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 VI. Ergebnis zum Ordnungsrahmen bezüglich der Wahl der Rechtsaktform im Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

Inhaltsverzeichnis

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Teil 2

Referenzgebiete A. Lebensmittelrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 I. Einführung in den Bereich des Lebensmittelrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 II. BasisVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Entwicklung der BasisVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 a) Das Grünbuch der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 bb) Aussagen über die Wahl der Rechtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 b) Das Weißbuch der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 bb) Aussagen über die Wahl der Rechtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. Rechtmäßigkeit der BasisVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 3. Die Ermächtigungsgrundlagen der BasisVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 a) Grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Heranziehung mehrerer Ermächtigungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 bb) Verfahren des „größten gemeinsamen Nenners“ . . . . . . . . . . . . . . . . 196 cc) Weitere Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 b) Rechtmäßigkeit im Falle der BasisVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 c) Ziele der Verordnung und Erwägungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 aa) Ziele in den Erwägungsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 bb) Ziele in Art. 1 BasisVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 d) Rangverhältnis der Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 bb) Hauptziele und „Nebenziele“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 cc) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 e) Art. 37 EGV: Agrarpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 aa) Inhalt der Kompetenznorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 bb) Übereinstimmung der Verordnung mit den Vorgaben des Art.  37 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (1) Produktion oder Vermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 (2) Der Verwirklichung der Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik dienende Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 cc) Konkurrenz und Verhältnis des Art.  37 EGV zu anderen Ermächtigungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

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Inhaltsverzeichnis (1) Verhältnis von Art. 37 Abs. 2 zu Art. 95 EGV . . . . . . . . . . . . . . . 207 (2) Verhältnis von Art. 37 Abs. 2 zu Art. 133 EGV . . . . . . . . . . . . . . 207 (3) Verhältnis von Art. 37 Abs. 2 zu Art. 152 Abs. 4 b EGV . . . . . . . . 208 f) Art. 95 EGV: Rechtsangleichung bezüglich des Binnenmarktes . . . . . . . 208 aa) Inhalt der Kompetenznorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 bb) Besonderer Rechtfertigungszwang des Art. 95 EGV . . . . . . . . . . . . . 210 cc) Übereinstimmung der Verordnung mit diesen Vorgaben . . . . . . . . . . 211 dd) Konkurrenz und Verhältnis des Art.  95 EGV zu anderen Ermäch­ tigungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (1) Verhältnis von Art. 95 zu Art. 133 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (2) Verhältnis von Art. 95 zu Art. 152 Abs. 4 b EGV . . . . . . . . . . . . 212 (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 g) Art. 133 EGV: Gemeinsame Handelspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 aa) Inhalt der Kompetenznorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 bb) Übereinstimmung der Verordnung mit diesen Vorgaben . . . . . . . . . . 214 cc) Konkurrenz und Verhältnis des Art.  133 EGV zu anderen Ermäch­ tigungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 h) Art. 152 Abs. 4 b EGV Gesundheitsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 aa) Inhalt der Kompetenznorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 bb) Übereinstimmung der Verordnung mit diesen Vorgaben . . . . . . . . . . 215 cc) Konkurrenz und Verhältnis des Art. 152 Abs. 4 b EGV zu anderen Ermächtigungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 dd) Konkurrenz und Verhältnis zu Art. 153 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 i) Verfahrensanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 j) Zusammenfassung bezüglich der Ermächtigungsgrundlagen . . . . . . . . . . 217 4. Die Verhältnismäßigkeit der BasisVO bezüglich der Wahl der Rechtsform . 218 a) Ziele der BasisVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 b) Die Geeignetheit der gewählten Rechtsform der Verordnung zur Er­ reichung des angestrebten Ziels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 c) Erforderlichkeit einer BasisVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 aa) Konkrete Regelungsmethode und -dichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (1) Kapitel I: Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen . . . . 223 (a) Inhalt des Kapitels I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (b) Verordnungscharakter des Kapitels I . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (2) Kapitel II: Allgemeines Lebensmittelrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 (a) Inhalt des Kapitels II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 (b) Verordnungscharakter des Kapitels II . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 (3) Anwendbarkeit der Kapitel I und II auf den Gemeinschaftsgesetzgeber und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit . 236

Inhaltsverzeichnis

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(4) Kapitel III: Errichtung einer Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 (a) Inhalt des Kapitels III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 (b) Verordnungscharakter des Kapitels III . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (5) Kapitel IV: Zusammenarbeit Gemeinschaft und Mitgliedstaaten . 242 (a) Inhalt des Kapitels IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 (b) Verordnungscharakter des Kapitels IV . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (6) Kapitel V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 (a) Inhalt des Kapitels V: Verfahren und Schlussbestimmungen 244 (b) Verordnungscharakter des Kapitels V . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 (7) Zusammenfassung und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 bb) Grundsätzliche rechtliche Wirkung der Verordnung und Konkretisierung bezüglich der ­BasisVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 (1) Die Vorteile der Verordnung im Bereich des Lebensmittelrechts nach dem Grünbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 (2) Die Mitgliedstaaten und deren Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (b) Auswirkungen der Rechtsform der ­BasisVO speziell auf das deutsche Lebensmittelrecht bzw. den deutschen Gesetzgeber 252 (c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 (3) Die anderen Rechtsanwender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 (4) Rechtliche Vorteile der Verordnung, insbesondere hinsichtlich des zu regelnden Rechtsgebietes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 (5) Einfluss des Einschätzungsspielraums des Gemeinschaftsgesetzgebers auf die Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 cc) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 (1) Wahl der Rechtsform der so genannten „hinkenden Verordnung“ für die ­BasisVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 (2) Pro einheitliche Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 (a) Bedürfnis aufgrund der Anwendung der Grundsätze durch die Gemeinschaftsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 (b) Effizienzgewinn durch die Regelung mit einer Verordnung . 266 (3) Möglichkeit der Aufspaltung der ­BasisVO als milderes Mittel . . 267 (a) Grundsätzliche Möglichkeit und Probleme . . . . . . . . . . . . . 268 (b) Die Möglichkeit der Aufspaltung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zur ENISA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 (c) Überprüfung der Vorteile einer Aufspaltung der Verordnung in Bezug auf die Regelungsinhalte der ­BasisVO mit Richt­ liniencharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 dd) Ergebnis zur Prüfung der Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276

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Inhaltsverzeichnis d) Ergebnis zur Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 5. Untersuchungsergebnis zur Wahl der Verordnungsform bezüglich der ­BasisVO 277

B. Pflanzenschutzmittelrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 I. Einführung in den Bereich „Pflanzenschutzmittelrecht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 II. Alte Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 III. Von der Richtlinie zur Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 1. Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 a) Erster Verordnungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 bb) Begründung des Vorschlags hinsichtlich des Subsidiaritätsprinzips . 285 cc) Begründung des Vorschlags hinsichtlich des Verhältnismäßigkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 dd) Begründung des Vorschlags im Hinblick auf die gewandelte Rechtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 ee) Stellungnahmen und Kritik bezüglich des ersten Verordnungsvorschlags hinsichtlich der Wahl der Rechtsform „Verordnung“ . . . . . . 287 b) Zweiter Verordnungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 c) Endgültige Verordnung (PflSchVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 2. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 a) Ziele der PflSchVO und Erwägungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 b) Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 aa) Inhalt der Kompetenznorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 bb) Übereinstimmung der PflSchVO mit diesen Vorgaben . . . . . . . . . . . 292 cc) Konkurrenz und Verhältnis des Art.  37 EGV zu anderen Ermächtigungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 (1) Verhältnis von Art. 37 EGV zu Art. 95 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . 292 (2) Verhältnis von Art. 37 Abs. 2 zu Art. 152 Abs. 4 b EGV . . . . . . 293 c) Art. 95 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 aa) Inhalt der Kompetenznorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 bb) Übereinstimmung der PflSchVO mit diesen Vorgaben . . . . . . . . . . . 295 cc) Verhältnis von Art. 95 zu Art. 152 Abs. 4 b EGV . . . . . . . . . . . . . . . 295 d) Art. 152 Abs. 4 b EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 aa) Inhalt der Kompetenznorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 bb) Übereinstimmung der PflSchVO mit diesen Vorgaben . . . . . . . . . . . 296 e) Vorschlag des Art. 175 Abs. 1 EGV als Rechtsgrundlage neben Art. 152 Abs. 4 b EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 aa) Inhalt der Kompetenznorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 bb) Übereinstimmung des Vorschlags mit diesen Vorgaben . . . . . . . . . . . 298 cc) Konkurrenz und Verhältnis des Art. 175 Abs. 1 EGV zu Art. 37 EGV 298

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f) Einhaltung der Verfahrensanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 g) Die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der Richtlinie 91/414/EWG  – Art. 43 EWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 h) Zusammenfassung bezüglich der Ermächtigungsgrundlagen . . . . . . . . . . 301 3. Die Verhältnismäßigkeit der PflSchVO bezüglich der Wahl der Rechtsform 302 a) Ziele der PflSchVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 b) Die Geeignetheit der gewählten Rechtsform der Verordnung zur Erreichung des angestrebten Ziels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 c) Erforderlichkeit der gewandelten Rechtsform „Verordnung“ . . . . . . . . . 305 aa) Konkrete Regelungsmethode und -dichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 (1) Kapitel I: Allgemeine Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 (a) Inhalt des Kapitels I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 (b) Verordnungscharakter des Kapitels I/Übereinstimmung mit der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 (2) Kapitel II: Wirkstoffe, Safener, Synergisten und Beistoffe . . . . . 309 (a) Inhalt des Kapitel II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 (aa) Abschnitt 1: Wirkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 (bb) Abschnitt 2: Safener und Synergisten . . . . . . . . . . . . . . 312 (cc) Abschnitt 3: Unzulässige Beistoffe . . . . . . . . . . . . . . . . 312 (b) Verordnungscharakter des Kapitels II/Übereinstimmung mit der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 (aa) Abschnitt 1: Wirkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 (bb) Abschnitt 2: Safener und Synergisten . . . . . . . . . . . . . . 318 (cc) Abschnitt 3: Unzulässige Beistoffe . . . . . . . . . . . . . . . . 318 (3) Kapitel III: Pflanzenschutzmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 (a) Inhalt des Kapitels III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 (aa) Abschnitt 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 (bb) Abschnitt 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 (b) Verordnungscharakter des Kapitels III/Übereinstimmung mit der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 (aa) Abschnitt 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 (bb) Abschnitt 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 (4) Kapitel IV: Hilfsstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 (a) Inhalt des Kapitels IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 (b) Verordnungscharakter des Kapitels IV/Übereinstimmung mit der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 (5) Kapitel V: Datenschutz und gemeinsame Datennutzung . . . . . . . 334 (a) Inhalt des Kapitels V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 (b) Verordnungscharakter des Kapitels V/Übereinstimmung mit der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334

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Inhaltsverzeichnis (6) Kapitel VI: Öffentlicher Zugang zu Informationen . . . . . . . . . . 335 (a) Inhalt des Kapitels VI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 (b) Verordnungscharakter des Kapitels VI/Übereinstimmung mit der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 (7) Kapitel VII: Verpackung und Kennzeichnung von Pflanzenschutzmitteln und Hilfsstoffen und Werbung dafür . . . . . . . . . . 336 (a) Inhalt des Kapitels VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 (b) Verordnungscharakter des Kapitels VII/Übereinstimmung mit der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 (8) Kapitel VIII: Kontrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 (a) Inhalt des Kapitels VIII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 (b) Verordnungscharakter des Kapitels VIII/Übereinstimmung mit der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 (9) Kapitel IX: Notfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 (a) Inhalt des Kapitels IX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 (b) Verordnungscharakter des Kapitels IX/Übereinstimmung mit der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 (10) Kapitel X: Verwaltungs- und Finanzbestimmungen . . . . . . . . . . 339 (a) Inhalt des Kapitels X . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 (b) Verordnungscharakter des Kapitels X/Übereinstimmung mit der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 (11) Kapitel XI: Übergangs- und Schlussbestimmungen . . . . . . . . . 341 (a) Inhalt des Kapitels XI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 (b) Verordnungscharakter des Kapitels XI/Übereinstimmung mit der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 (12) Anhänge der Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 (a) Anhang I: Über die Festlegung von Zonen für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln gemäß Art. 3 Abs. 15 . . . . . . . . 342 (b) Anhang II: Verfahren und Kriterien für die Genehmigung von Wirkstoffen, Safenern und Synergisten gemäß Kapitel II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 (c) Anhang III: Liste der Beistoffe, deren Verwendung in Pflanzenschutzmitteln gemäß Art. 27 nicht zulässig ist . . . . . . . . 342 (d) Anhang IV: Vergleichende Bewertung gemäß Art. 50 . . . . . 343 (e) Anhang V: Aufgehobene Richtlinien und ihre Änderungen gemäß Art. 83 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 (13) Anhänge der PflSchRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 (14) Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 (a) Detaillierung der Vorschriften der PflSchVO . . . . . . . . . . . 344 (b) Detaillierung der PflSchRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 (c) Regelungsinhalt der PflSchRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345

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(d) Adressaten Behörde/Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 (e) Keine Möglichkeit der Aufspaltung wie bei der ­BasisVO . . 348 bb) Überprüfung der Erforderlichkeit anhand der Begründung der Kommission in KOM (2006) 388 endg., Begründung Nr. 3 . . . . . . . . . . . 348 d) Ergebnis zur Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 e) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 f) Ergebnis zur Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350

Teil 3

Ergebnis, Konsequenzen und Perspektiven A. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 B. Begründungspflichten nach EGV und AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 I. Ziele und Umfang der Begründungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 1. Ziele der Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 2. Inhalt und Umfang der Begründungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 a) Inhalt der Begründungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 b) Umfang der Begründungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 II. Rechtslage nach dem EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 1. Verstoß gegen die Begründungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 2. Begründungspflicht hinsichtlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 III. Die Rechtslage nach dem Vertrag von Lissabon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 IV. Problematik Begründungspflicht nach EGV und AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 C. Verbesserungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388

Abkürzungsverzeichnis a. A. ABl. Abs. AEUV a. F. Anm. Art. Aufl. BasisVO Bd. BT-Dr. BVerfGE bzw. d. h. DÖV DVBl. EBLS ECHA EFSA EGV EMRK endg. Erwgr. EUDUR EuG EuGH EuGRZ EuR EUV EuZW EWG EWS f. ff. Fn. GFA GG grds. GRURInt. h. M.

andere Ansicht Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Anmerkung Artikel Auflage Lebensmittel-Basisverordnung Band Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgerichtsentscheidung beziehungsweise das heißt Die öffentliche Verwaltung Deutsche Verwaltungsblätter Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Europäische Agentur für chemische Stoffe European Food Safety Agency (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Europäische Menschenrechtskonvention endgültig Erwägungsgrund Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht Europäisches Gericht 1. Instanz Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europarecht Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Europarecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht folgende fortfolgende Fußnote Gesetzesfolgenabschätzung Grundgesetz grundsätzlich Gewerblicher Rechtschutz und Urheberrecht International herrschende Meinung

Abkürzungsverzeichnis Hrsg. Herausgeber i. S. d. im Sinne des JA Juristische Ausbildung JöR Jahrbuch des öffentlichen Rechts JZ Juristenzeitung KOM Kommission LFGB Lebens- und Futtermittelgesetzbuch lit. litera LS Leitsatz m. w. N. mit weiteren Nachweisen neue Fassung n. F. NJW Neue Juristische Wochenschrift NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NZS Neue Zeitschrift für Sozialrecht REACH Registration, Evaluation, Authorization of Chemicals RL Richtlinie Rn. Randnummer Rspr. Rechtsprechung S. Seite Dokumente des Sekretariats der Kommission Sek. Slg. Sammlung str. strittig u. a. unter anderem UAbs. Unterabsatz vgl. vergleiche VO Verordnung VR Verwaltungsrundschau VV Verfassungsvertrag VvL Vertrag von Lissabon ZaöRV Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht ZG Zeitschrift für Gesetzgebung ZLR Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik

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Einleitung Die Rechtsetzung der Europäischen Union vollzieht gegenwärtig – bislang politisch kaum diskutiert und rechtswissenschaftlich nicht einmal ansatzweise aufgearbeitet oder abgesichert – einen grundlegenden Wandel: Immer mehr Sekundärrechtsakte, insbesondere im Umwelt-, Technik- und Verbraucherschutzrecht, werden nicht mehr wie ihre unionsrechtlichen Vorgänger in der Rechtsform der Richtlinie erlassen, die durch die Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen ist und den Mitgliedstaaten hierbei typischerweise Umsetzungs- und Gestaltungsspielräume bietet, sondern als Verordnungen, die unmittelbar in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten Geltung beanspruchen und dort mit Vorrang vor eventuell entgegenstehendem nationalem Recht gelten. Aber auch bei erstmaligem Erlass einer unionsrechtlichen Regelung greift der Unionsgesetzgeber vermehrt auf die Rechtsform der Verordnung zurück. Dieser Wandel in der Art der Gesetzgebung des Unionsgesetzgebers bringt verschiedene Probleme mit sich: Zum einen stellt sich die Frage der Rechtmäßigkeit des Handelns der Europäischen Union unter dem Gesichtspunkt der Kompetenz und der im Europäischen Unionsrecht verankerten Grundprinzipien der begrenzten Einzelermächtigung, des Subsidiaritätsprinzips und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Zum anderen muss beachtet werden, dass mit den unterschiedlichen Handlungsinstrumenten auch unterschiedliche Rechtsschutzmöglichkeiten einhergehen, die sich auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes auswirken können. Zunächst soll als europarechtlicher Kernbestandteil der Arbeit nach einer Darstellung der beiden in Frage stehenden Rechtsaktformen die Einordnung und Bewertung des Problems der Entscheidung des Unionsgesetzgebers zwischen der Rechtsetzung durch Verordnung oder durch Richtlinie anhand der relevanten Bestimmungen und Grundsätze der Unionsverfassung erfolgen. Hier wird zu untersuchen sein, inwieweit sich aus allgemeinen Grundsätzen wie dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, dem Subsidiaritätsprinzip, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dem Grundsatz der Unionstreue in seiner kon­ kreten Ausprägung als Pflicht des Unionsgesetzgebers zu Rücksichtnahme auf die fortbestehende Autonomie der Mitgliedstaaten oder aus weiteren Bestimmungen des EU-Vertrags, des AEU-Vertrags oder aus allgemeinen Grundsätzen der Unionsrechtsordnung einerseits und aus den konkreten Kompetenzbestimmungen des AEUV, auf die Rechtsakte im Umwelt-, Technik- und Verbraucherschutzrecht gestützt werden können andererseits, primärrechtliche Vorgaben für die Wahl der Rechtsaktform ergeben, die den Unionsgesetzgeber bei der Entscheidung

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Einleitung

zwischen Verordnung und Richtlinie binden. Auch wird zu untersuchen sein, inwieweit das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon1 mit seiner Schärfung des Subsidiaritätsprinzips und der Stärkung nationaler Kontrolle der Einhaltung entsprechender europarechtlicher Vorgaben hier zu Veränderungen geführt hat. Diese für die konkrete Fragestellung des Einsatzes der Handlungsform der Verordnung oder der Richtlinie maßgeblichen unionsverfassungsrechtlichen Grundsätze werden mit Blick auf die konkreten Gründe und Umstände anzuwenden sein, die der Unionsgesetzgeber für seine Wahl der Handlungsform der Verordnung angeführt hat. Die Voraussetzungen für die Wahl der Art der Rechtsetzung im Unionsrecht sollen dann in zwei Sachbereichen des Unionsrechts näher untersucht werden. Erstes Referenzgebiet soll das Lebensmittelrecht sein, in dem der europäische Gesetzgeber im Jahr 2002 die zuvor teilweise vorhandenen Richtlinienbestimmungen durch die sog. lebensmittelrechtliche Basis-Verordnung2 ersetzt bzw. Teilbereiche des Lebensmittelrechts komplett neugeordnet hat. Hier wird insbesondere der Frage nachzugehen sein, ob der europäische Gesetzgeber nicht auch in Form der Richtlinie hätte handeln können bzw. im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hätte handeln müssen oder ob es daneben die Möglichkeit gegeben hätte, die Basis-Verordnung nach Inhalten in eine Basis-Richtlinie und einen Verordnungsteil aufzuspalten. Als zweites Referenzgebiet soll das Pflanzenschutzmittelrecht dienen, in dem im Jahr 2009 eine Verordnung zum Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln3 erlassen worden ist, durch die die bisherige Pflanzenschutzmittelzulassungsrichtlinie4 ersetzt wurde. Die vorstehend skizzierten Überlegungen sollen abschließend zu verallgemeinerungsfähigen Aussagen darüber führen, wie weit der Unionsgesetzgeber über einen gesetzgeberischen Spielraum oder über Beurteilungs- und Einschätzungsspielräume nicht nur hinsichtlich des Inhalts seiner gesetzgeberischen Entscheidungen, sondern auch im Hinblick auf die zu wählende Rechtsaktform verfügt. Ziel der Untersuchung ist es hierbei, die begrenzende Funktion der Unionsver 1 Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, unterzeichnet in Lissabon am 13.12.2007, ABl. 2007, Nr. C 306, in Kraft getreten am 01.12.2009. 2 Verordnung (EG) Nr.  178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Fest­ legung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit vom 28.01.2002, ABl. 2002, Nr. L 31, S. 1 ff. 3 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates vom 21.10.2009, ABl. 2009, Nr. L 309, S. 1 ff. 4 Richtlinie 91/414/EWG des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vom 15.07.1991, ABl. 1991, Nr. L 230, S. 1 ff.

Einleitung

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fassung auch hinsichtlich der Einschätzungsspielräume des Gesetzgebers bei der Wahl der Rechtsaktform herauszuarbeiten und die möglicherweise bestehende grundsätzliche rechtliche Präferenz der Unionsverfassung für die Handlungsform der Richtlinie gegenüber der Verordnung zum Schutz der fortbestehenden Auto­ nomie und Eigenständigkeit der Mitgliedstaaten innerhalb der EU normativ herauszuarbeiten.

Teil 1

Grundlagen Zunächst müssen bezüglich der Problematik des Wandels der Unionsgesetz­ gebung die Grundlagen und Voraussetzungen für diese Gesetzgebung und hier insbesondere für die Wahl der Rechtsaktform betrachtet werden.

A. Sekundärrechtsakte Als Grundlage für eine Untersuchung des Rechtsetzungswandels der Unions­ gesetzgebung sollen zunächst die unterschiedlichen Rechtsakte der Union, also die Sekundärrechtsakte und hierbei vor allem die Verordnung und die Richtlinie, im Hinblick auf ihre unterschiedlichen Wirkungsweisen untersucht werden. Unter Sekundärrechtsakten1 bzw. sekundärem Unionsrecht ist das von den Organen der Union nach Maßgabe bzw. aufgrund von Kompetenzzuweisungen des AEUV geschaffene Recht2 zu verstehen. Sekundärrecht steht in der Norm­ hierarchie der Unionsrechtsordnung im Rang unter dem primären Recht und den Unions­abkommen.3 In Art.  288 AEUV (ex-Art.  249 EGV), der „Kernnorm der unionsrechtlichen Rechtsquellenlehre“4, werden hierbei die primärrechtlich vorgesehenen Handlungsformen in Katalogform aufgelistet und ihre jeweiligen Wirkungen beschrieben: Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse, Empfehlungen und Stellungnahmen. Verordnungen, Richtlinien und Beschlüsse sind verbindliche5, Empfehlungen und Stellungnahmen unverbindliche Handlungsformen der Union. 1 Einen kurzen Überblick über die wichtigsten Handlungsformen der Gemeinschaftsorgane bietet Magiera, JURA 1989, S.  597 ff.; siehe weiter hierzu Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 5. Aufl. 2009, § 9, Rn. 64 ff.; Streinz, Europarecht, 8. Aufl. 2008, Rn. 423 ff.; Nico­ laysen, Europarecht I, Die Europäische Integrationsverfassung, 2. Aufl. 2002, S. 325 ff.; Hahn/ Oberrath, BayVBl. 1998, S. 353 ff. 2 Zum Umfang der Rechtsetzung der Europäischen Gemeinschaft vgl. nur Rabe, NJW 1993, S. 1 f. 3 Siehe hierzu Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV, Rn.  20; zum Rangverhältnis zwischen Primär- und Sekundärrecht siehe auch Ruffert, in: ­Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 288 AEUV, Rn. 8 f. 4 Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 288 AEUV, Rn. 6. 5 Zur Trias der verbindlichen Handlungsformen siehe von Bogdandy/Bast/Arndt, ZaörV 2002, S. 91 ff.

A. Sekundärrechtsakte

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Hierbei bestimmt sich die Qualität der Rechtsakte nach ihrem Gegenstand und Inhalt, jedoch nicht nach ihrer Bezeichnung.6 Art. 288 AEUV (ex-Art. 249 EGV) regelt dabei auch nicht die Befugnis zur Rechtsetzung in einer speziellen Rechtsaktform, sondern beschränkt sich auf eine nicht abschließende Auflistung7 der nach dem AEUV zulässigen Rechtsakte. Als weitere Rechtsakte, die Art.  288 AEUV (ex-Art. 249 EGV) nicht nennt, kommen alle sonstigen Rechtshandlungen der Unionsorgane, die ihre Kompetenzgrundlage im Bereich des AEUV finden, z. B. informelle Handlungen, Beschlüsse, Mitteilungen, Leitlinien, Fiskalhandlungen etc.,8 in Betracht.9 Richtlinie, Verordnung und Beschluss (ehemals „Enscheidung“) stellen als Rechtsetzungsakte die wichtigsten Handlungsinstrumente der Union dar, wobei Verordnung und Richtlinie Instrumente der Normsetzung sind.10 Eine Abgrenzung der Verordnung von der Richtlinie bzw. von den anderen Handlungsinstrumenten der Europäischen Union ist zum einen hinsichtlich der Tragweite und der Einhaltung von Ermächtigungsnormen11 und der Auswirkungen auf den Einfluss der originären Rechtsetzung der Mitgliedstaaten wichtig. Zum anderen entscheidet die Einordnung über den Rechtsschutz des Einzelnen. Dies war insbesondere noch während der Geltung des EGV also bis zum Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon problematisch. Gemäß Art. 230 Abs. 4 EGV konnte der einzelne EU-Bürger dabei nur gegen an ihn gerichtete Entscheidungen bzw. gegen diejenigen Entscheidungen, die, obwohl sie als Verordnung oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, ihn unmittelbar und individuell betroffen haben, klagen und Rechtsschutz nachsuchen. Das Erfordernis der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit war jedoch nur schwer zu er-

6 Nach EuGH, RS. 16/62 und 17/62, „Confédération nationale“, Slg. 1962, I-00963, LS 4, hängt die rechtliche Qualifizierung einer Maßnahme nicht allein von ihrer Bezeichnung, sondern in erster Linie von ihrem Gegenstand und Inhalt ab. 7 Zur Frage der Abgeschlossenheit des Handlungsformenkatalogs siehe auch Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 73; sind nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung in einer Kompetenznorm jedoch verschiedene Handlungsmöglichkeiten aufgelistet, so steht den Gemeinschaftsorganen dabei kein „Typenerfindungsrecht“ zu, siehe hierzu Oppermann, Europarecht, 3. Aufl. 2005, § 6, Rn. 73. 8 Siehe hierzu und zum Sekundärrecht allgemein, Magiera, JURA 1989, S. 597 f.; zu weiteren Handlungen der Gemeinschaft siehe auch Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art.  288 AEUV, Rn.  2; zur Unvollständigkeit des Handlungsformenkatalogs siehe auch Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2.  Aufl. 2009, Art.  249 EGV, Rn. 4. 9 Nettesheim in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Stand April 2009, Art. 249 EGV, Rn. 12. 10 Zur Rolle der gemeinschaftlichen Gesetzgebung bei der Entstehung einer europäischen Rechtsordnung, Iglesias, NJW 1999, S. 3 f. 11 Zum Verhältnis der Sekundärrechtsakte untereinander, Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 288 AEUV, Rn. 13.

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Teil 1: Grundlagen

füllen.12 Der Vertrag von Lissabon hat demgegenüber gem. Art. 263 Abs. 4 AEUV hinsichtlich der Möglichkeit der Nichtigkeitsklage Erleichterungen mit sich gebracht, auf welche an anderer Stelle eingegangen wird.13 Auf nationaler Ebene stellt sich die Möglichkeit, gegenüber einer Verordnung Rechtsschutz zu suchen, weiterhin als kompliziert dar, wohingegen sich der Rechtsschutz gegenüber Regelungen aus Richtlinien, da diese in nationales Recht umgesetzt werden müssen, nach den jeweiligen nationalen Vorschriften richtet. Die Wahl der Handlungsform des Unionsgesetzgebers wirkt sich also in vielfältiger Weise aus und kann auch missbraucht14 werden, um insbesondere den Rechtsschutz zu verkürzen oder strenge Verfahrensvorschriften zu umgehen.15 Somit ist davon auszugehen, dass die Unterscheidung zwischen Richtlinie und Verordnung als Instrumente der Unionsrechtsetzung zu den Strukturelementen des AEUV gehört.16

I. Arten der Rechtsetzung und Rechtsakte Zunächst ist darauf einzugehen, welche Arten von Rechtsakten17 nach dem AUEV überhaupt erlassen werden können. Wie bereits im Verfassungsvertrag vorgesehen, unterscheidet nunmehr auch der Vertrag von Lissabon zwischen Gesetzgebungsakten und Rechtsakten ohne Gesetzescharakter, die jeweils in Form von verbindlichen Handlungsformen, also als Verordnungen, Richtlinien und Beschlüsse ergehen können.18 Daneben gibt es die unverbindlichen Handlungsformen, also Empfehlungen und Stellungnahmen.

12 Zum Merkmal der individuellen Betroffenheit siehe unten unter Teil  2 A. I. 10.  b)  bb); hierzu auch, Nicolaysen, Europarecht I, Die Europäische Integrationsverfassung, 2. Aufl. 2002, S.  366 ff.; Cremer, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art.  230 EGV, Rn.  45 ff.; Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 249 EGV, Rn.  65.; Schwarze, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 230 EGV, Rn. 36 ff. 13 Siehe zu den Änderungen Thiele, EuR 2010. S. 30 ff., Everling, EuZW 2010, S. 572 ff., Frenz/Distelrath, NVwZ 2010 S. 162 ff. 14 Zum möglichen zweckwidrigen Einsatz von Handlungsformen siehe Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 134 ff. 15 Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 249 EGV, Rn. 15. 16 So auch schon bezüglich Art. 189 EWGV Wägenbaur, DVBl. 1972, S. 244. 17 Vgl. hierzu auch Rösch, VR 2008, S. 361 ff. 18 Vgl. zu dieser Systematik Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 288 AEUV, Rn. 4 f.

A. Sekundärrechtsakte

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1. Gesetzgebungsakte Die Rechtsakte, die gemäß der beiden Verfahren nach Art.  289 Abs.  2 und 3 AEUV angenommen werden, sind nach Art. 289 Abs. 3 AEUV Gesetzgebungsakte19. Als solche Gesetzgebungsakte kommen Verordnungen, Richtlinien und Beschlüsse in Betracht. Der Erlass von Gesetzgebungsakten im Bereich der GASP ist jedoch gem. Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 S. 3 EUV ausgeschlossen. 2. Ordentliches Gesetzgebungsverfahren Für den Erlass einer Verordnung, einer Richtlinie oder eines Beschlusses kann nach Art. 289 Abs. 1 AEUV das ordentliche Gesetzgebungsverfahren zur Anwendung kommen, das in einer gemeinsamen Annahme des jeweils in Frage stehenden Gemeinschaftsrechtsaktes durch das Europäische Parlament und den Rat auf Vorschlag der Kommission20 besteht. Dieses Verfahren ist in Art. 294 AEUV festgelegt, stützt sich auf das bisherige Mitentscheidungsverfahren nach Art. 251 EGV und ist in entsprechende Verfahrensschritte unterteilt. Durch Einführung des Mitentscheidungsverfahrens als Regelrechtsetzungs­ verfahren soll künftig das Europäische Parlament bei 95 % der Unionsrechtsakte zum Mitgesetzgeber werden, so dass die demokratische Legitimität dieser Rechtsakte deutlich erhöht wird. Abweichungen von diesem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren sind nur ausnahmsweise und häufig mit Zustimmungserfordernissen des Europäischen Parlaments für einzelne besondere Sachbereiche vor­ gesehen.21 3. Besonderes Verfahren In Ausnahmefällen kann nach Art. 289 Abs. 2 AEUV die Annahme einer Verordnung, einer Richtlinie oder eines Beschlusses im Rahmen eines besonderen Gesetzgebungsverfahrens durch das Europäische Parlament mit Beteiligung des 19 Siehe hierzu auch Streinz/Ohler/Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl. 2010, § 10. 20 Ausnahmsweise können nach Art. 289 Abs. 4 AEUV in bestimmten, in den Verträgen vorgesehenen Fällen Gesetzgebungsakte auf Initiative einer Gruppe von Mitgliedstaaten oder des Europäischen Parlaments, auf Empfehlung der Europäischen Zentralbank oder auf Antrag des Gerichtshofs oder der Europäischen Investitionsbank erlassen werden. 21 Zu Einzelheiten vgl Auswärtiges Amt, Denkschrift zum Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007, AS-RK 2007, 10 f. sowie die ausführlichen Tabellen zu den Bereichen des Übergangs in das ordentliche Gesetzgebungsverfahren sowie zum Übergang in ein besonderes Rechtsetzungsverfahren, eben da 26 ff. und 30 ff.

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Teil 1: Grundlagen

Rates oder durch den Rat mit Beteiligung des Europäischen Parlaments erfolgen. Die Beteiligung erfolgt hierbei in Form der Anhörung22 oder der Zustimmung23. 4. Rechtsakte ohne Gesetzescharakter Rechtsakte ohne Gesetzescharakter sind solche, die nicht im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens erlassen werden. Solche Rechtsakte können nunmehr von der Kommission, die im Bereich des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens nur ein Vorschlagsrecht besitzt, erlassen werden. Man unterscheidet hier zwei Arten von Rechtsakten ohne Gesetzescharakter: diejenigen, die auf delegierter Rechtsetzung beruhen und diejenigen, die Durchführungsrechtsakte darstellen. Rechtsakte ohne Gesetzescharakter können durch die gleichen Handlungsformen in Erscheinung treten wie Gesetzgebungsakte, also als Verordnungen, Richtlinien und Beschlüsse. 5. Delegierte Rechtsetzung Nach Art. 290 Abs. 1 AEUV kann der Kommission in bestimmten Fällen in Gesetzgebungsakten die Befugnis übertragen werden, Rechtsakte ohne Gesetzes­ charakter mit allgemeiner Geltung zur Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften des betreffenden Gesetzgebungsaktes zu erlassen. Hierbei müssen in den jeweiligen Gesetzgebungsakten Ziele, Inhalt, Geltungsbereich und Dauer der Befugnisübertragung ausdrücklich festgelegt werden, wobei diese Rechtsakte gem. Art. 290 Abs. 3 AEUV im Titel mit dem Wort „delegiert“ gekennzeichnet werden müssen. 6. Durchführungsrechtsetzung Grundsätzlich soll die Durchführung des Unionsrechts bei den Mitgliedstaaten verbleiben. Ausnahmsweise, wenn es einheitlicher Bedingungen für die Durchführung der verbindlichen Rechtsakte der Union bedarf, werden mit diesen Rechtsakten der Kommission und in Ausnahmefällen dem Rat Durchführungsbefugnisse übertragen, Art. 291 Abs. 2 AEUV. In den Titel dieser Durchführungsrechtsakte soll dann der Wortteil „Durchführungs-“ eingefügt werden.



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Vgl. hierzu exemplarisch Art. 21 Abs. 3 S. 2, Art. 22 Abs. 1 S. 2, Art. 23 UAbs. 2 AEUV. Bspw. so zu finden in Art. 19 Abs. 1 und Art. 25 UAbs. 2 S. 1 AEUV.

A. Sekundärrechtsakte

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7. Zusammenfassung Auf den ersten Blick bleiben die durch den Vertrag von Lissabon eingeführten Veränderungen bezüglich der Handlungsformen weit hinter den im Verfassungsvertrag vorgesehenen24 zurück. Die geforderte Normenhierarchie25, die vor allem auch durch die Terminologie „Europäisches Gesetz“ und „Europäisches Rahmengesetz“ und deren Wirkungsweise als Gesetzgebungsakte im Gegensatz zu den sonstigen Handlungsformen wie „Europäische Verordnung“ und „Europäischer Beschluss“ als Rechtsakte ohne Gesetzescharakter verwirklicht werden sollte, ist zunächst nicht erkennbar. Jedoch zeigt sich eine deutliche Steigerung der Transparenz bezüglich der Normenhierarchie und der Normenherkunft. Durch die geforderte genaue Bezeichnung von delegierten und Durchführungsrechtsakten sind solche genau erkennbar und mithin auch der diesbezügliche Normgeber, nämlich die Kommission. Bei allen Gesetzgebungsakten sind die Normgeber im Gegensatz dazu immer der Rat und das Europäische Parlament. Der Rat muss nun gem. Art. 16 Abs. 8 S. 1 EUV öffentlich tagen, wenn er über die Entwürfe zu Gesetz­ gebungsakten berät oder abstimmt.

II. Die Rechtsform der Verordnung 1. Allgemeines Als ersten Rechtsakt benennt Art. 288 Abs. 2 AEUV (ex-Art. 249 Abs. 1 EGV) die Verordnung26. Gemäß Art.  288 Abs.  2 S.  1 und 2 AEUV (ex-Art.  249 Abs.  2 S.  1 und 2  EGV) haben Verordnungen „allgemeine Geltung“, sind in „allen ihren Teilen verbindlich“ und gelten „unmittelbar in jedem Mitgliedstaat“. Man kann zwischen Grund- und Durchführungsverordnungen unterscheiden. In vielen Fällen enthalten Verordnungen Bestimmungen darüber, dass die Mitgliedstaaten die Durchführungsvorschriften erlassen sollen. Solche teilweise noch anpassungsbedürftigen Verordnungen bezeichnet man als „hinkende Verordnungen“27. Die Rechtmäßigkeit der Durchführungsvorschriften ist dann am Maßstab der zugrundeliegenden

24 Zu der Ausgestaltung der Normenhierarchie nach dem Verfassungsvertrag vgl Vedder, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), EVV Kommentar, Art. I-33 Rn. 1 ff. 25 Zur Hierarchisierung der Rechtsakte nach dem Vertrag von Lissabon vgl. Streinz/Ohler/ Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl. 2010, § 10. 26 Allgemein zur Verordnung siehe auch Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 5. Aufl. 2011, § 9, Rn. 71 ff.; Streinz, Europarecht, 8. Aufl. 2008, Rn. 426 ff.; siehe hierzu auch Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 249 EGV, Rn. 17; Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 288 AEUV, Rn. 16 ff. 27 Zu den hinkenden Verordnungen siehe Constantinesco, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften I, 1977, S. 562.

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Teil 1: Grundlagen

Hauptverordnung zu messen.28 Der Vollzug der in den Verordnungen festgelegten Regelungen obliegt jedoch – wie generell der Vollzug des Unionsrechts – zum überwiegenden Teil den Mitgliedstaaten.29 Die Verordnung, und nicht die Richtlinie, stellt wohl aufgrund der Häufigkeit ihres Erlasses tatsächlich die Standardform der europäischen Rechtsetzung dar30, obwohl diese augenscheinlich „regelungsdichter“ und mit einschneidenderer Wirkung als die Richtlinie versehen ist. 2. Adressaten Adressaten von Verordnungen31 sind aufgrund der allgemeinen Geltung die Mitgliedstaaten, die natürlichen und juristischen Personen und die Union und ihre Institutionen. Allerdings muss sich eine Verordnung nicht immer an alle in Betracht kommenden Adressaten richten. 3. Allgemeine Geltung Unter allgemeiner Geltung32 ist zu verstehen, dass Verordnungen als generelle Rechtsnormen des Unionsrechts dazu bestimmt sind, für eine Vielzahl von Sachverhalten und Personen Rechtswirkungen zu erzielen, also in allen Mitglied­staaten eine unbestimmte Vielzahl von Sachverhalten generell und abstrakt für eine Vielzahl von Personen regeln. Hierbei hat die Geltung der Verordnung tatbestandlichnormative Bedeutung, da sie eine Reihe von Tatbeständen normativ, also abstrakt, generell regelt.33 Einem Rechtsakt kommt auch dann Verordnungsqualität zu, wenn dieser nur einen bestimmten Sachverhalt regelt, solange die Regelungsadressaten unbestimmt sind.34 Das bedeutet, dass man nur dann von einer Verordnung sprechen 28 EuGH, RS.  230/78, „Eridania/Minister für Landwirtschaft und Forsten“, Slg.  1979, I-02749, Rn. 34. 29 Zum Vollzug des Gemeinschaftsrechts vgl. Pache, Verantwortung und Effizienz in der Mehrebenenverwaltung, VVDStRL 66, S. 107 ff. 30 Nach von Bogdandy/Bast/Arndt, ZaörV 2002, S.  90 ff. sind nach Stand 2002 31 % der Rechtshandlungen der Gemeinschaft Verordnungen und nur 9 % Richtlinien. 31 Zu den Adressaten der Verordnung siehe auch Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 5. Aufl. 2011, § 9, Rn. 81. 32 Aufgrund dieser Allgemeingültigkeit betrachtet Wägenbaur die Verordnung auch als das „eigentliche Gemeinschaftsgesetz“, siehe hierzu DVBl. 1972, S. 244. 33 Siehe hierzu auch Constantinesco, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften I, 1977, S. 601. 34 Richtet sich eine Norm jedoch an einen geschlossenen nicht abschließend bestimmten Kreis von Adressaten, so ist diese als Bündel von Entscheidungen zu behandeln, siehe hierzu Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Stand

A. Sekundärrechtsakte

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kann, wenn die Bestimmung einen „offenen Kreis von Adressaten“ anzusprechen versucht.35 Die Verordnung unterscheidet sich in dieser generellen und abstrakten Wirkungsweise vom Rechtsakt des Beschlusses nach Art. 288 Abs. 4 AEUV36 (vormals der Entscheidung nach Art.  249 Abs.  4 EGV), der sogar im Regelfall konkret seinen Adressaten37 bezeichnet, wobei die Abgrenzung zum Beschluss bzw. zur Entscheidung jedenfalls nach der alten Rechtslage nach dem EGV von Belang war, weil nur gegen diese von natürlichen und juristischen Personen gemäß dem Wortlaut des Art. 230 Abs. 4 EGV Klage erhoben werden konnte. Somit kam und kommt der Verordnung Rechtssatzqualität38 zu, wobei für diese Qualifikation entscheidend ist, dass sie nicht bestimmte Personen individuell als ihre Adressaten bezeichnet. Die allgemeine Geltung betrifft aber auch den räumlichen Geltungsbereich der Verordnung, hat also geographisch-räumliche Bedeutung39, womit gemeint ist, dass eine Verordnung grundsätzlich in allen Mitgliedstaaten Wirkung entfalten muss. Hiervon gibt es jedoch auch Ausnahmen.40 4. Verbindlichkeit Weiter zeichnet sich die Verordnung durch ihre Verbindlichkeit aus. Verbindlichkeit der Verordnung bedeutet, dass jeder, der von der Verordnung tatbestandsmäßig erfasst wird, beispielsweise Einzelpersonen, die Mitgliedstaaten oder auch die Unionsorgane selbst, die Regelungen befolgen muss bzw. sich auf diese berufen kann.41 Eine Verordnung ist gemäß Art. 288 Abs. 2 S. 2 AEUV „in

April 2009, Art. 249 EGV, Rn. 112; zur Abgrenzung zwischen Verordnung und Entscheidung siehe Bockey, Die Entscheidung der Europäischen Gemeinschaft, 1998, S. 49 ff. 35 So auch Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Stand April 2009, Art.  249 EGV, Rn.  111; siehe hierzu auch EuGH, RS.  101/76, „­Kononklijke Scholten Honig“, Slg. 1977, I-00797, LS 1. 36 Zur Rechtsform des Beschlusses vgl. auch Husmann, NZS 2010, S. 655 f. 37 Zum Problemfeld der getarnten Einzelfallentscheidungen in Form von Verordnungen siehe Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen im Gemeinschaftsrecht, 1999, S. 114 ff. 38 Zur Frage, warum die Verordnung nicht unter dem Begriff „Gesetz“ in den Vertrag aufgenommen wurde siehe Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 249 EGV, Rn. 17; zur bisherigen Rolle des europäischen Gesetzesbegriffes siehe Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, 2006, § 8, Rn. 35. 39 Constantinesco, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften I, 1977, S. 601. 40 Siehe hierzu Trüe, Das System der Rechtsetzungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union, 2002, S. 102; zu den Ausnahme vgl. auch Constan­tinesco, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften I, 1977, S. 601; siehe hierzu auch Grabitz, Quellen des Gemeinschaftsrechts: Rechtshandlungen der Gemeinschaftsorgane, in: Kommission (Hrsg.), Dreißig Jahre Gemeinschaftsrecht, 1983, S. 93. 41 Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 249 EGV, Rn. 40.

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Teil 1: Grundlagen

allen ihren Teilen verbindlich“. Dies bedeutet, dass jede einzelne Regelung42 der Verordnung als geltendes Recht zu beachten ist. In dieser Verbindlichkeit liegt ein erster Unterschied zur Richtlinie, die nur hinsichtlich ihrer Zielbestimmung verbindlich ist, den Mitgliedstaaten aber einen eigenen Umsetzungsspielraum lässt. 5. Unmittelbare Geltung Gemäß Art. 288 Abs. 2 S. 2 AEUV gilt die Verordnung „unmittelbar in jedem Mitgliedstaat“. Hierbei bedeutet Geltung in jedem Mitgliedstaat jedoch nicht, dass Verordnungen nur dann erlassen werden können, wenn eine Regelung aktuell alle Mitgliedstaaten betrifft. Falls sich der Tatbestand der Verordnung nur in einzelnen Ländern verwirklicht, so kann möglicherweise dennoch die Verordnung das geeignete Regelungsinstrument sein43, wenn die Verordnungskompetenz gegeben und die Regelung nicht diskriminierend ist. Ausnahmen von einer Regelungswirkung in jedem Mitgliedstaat können etwa deshalb zu machen sein, weil die Verordnung Regelungen für einen bestimmten Produktionszweig enthält, der in manchen Mitgliedstaaten nicht vorhanden ist.44 Unmittelbare Geltung45 heißt nun, dass Verordnungen nicht nur für die Mitgliedstaaten gelten, wie beispielsweise völkerrechtliche Verträge, sondern nach ihrem Inkrafttreten innerstaatlich direkt zugunsten oder zulasten der einzelnen Rechtssubjekte Anwendung finden46, ohne dass die Verordnung umgesetzt werden muss. Diese Durchgriffswirkung findet unmittelbar aufgrund der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU statt.47 Eine Umsetzung in nationales Recht ist also nicht 42 Hierzu gehören auch Anmerkungen und Fußnoten; siehe hierzu EuGH, RS. 80/72, „Konin­ klijke Lassiefabrieken/Hoofdproduktschap voor Akkerbrouwprodukten“, Slg.  1973, I-00635, LS 2, hiernach stellt eine in die Form einer Anmerkung zu Tarifnummern unter dem Anhang zu einer Verordnung gekleidete Bestimmung als Willensausdruck des Normgebers einen integrierenden Bestandteil dieser Verordnung dar und nimmt an deren Rechtsverbindlichkeit teil. 43 Nach Trüe schließt die potentiell umfassende einheitliche Geltung von Verordnungen nicht aus, dass Verordnungen angewendet werden, um geringere Wirkungen zu erzielen und damit beispielsweise nur in einem Mitgliedstaat Maßnahmen zur Vermeidung von Störungen in diesem Mitgliedstaat bei der Anwendung einer Marktregelung erlassen werden vgl. hierzu Das System der Rechtsetzungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union, 2002, S. 102; Constantinesco geht jedoch davon aus, dass in einem solchen Fall die Bezeichnung „Verordnung“ unzutreffend ist, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften I, 1977, S. 601. 44 Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 249 EGV, Rn. 21. 45 Nicolaysen bezeichnet die unmittelbare Geltung als „Durchgriffswirkung der Verordnung“, siehe hierzu Europarecht I, Die Europäische Integrationsverfassung, 2.  Aufl. 2005, S. 328; ebenso Herdegen, Europarecht, 13. Aufl. 2011, § 8, Rn. 35. 46 Zur Wirkung einer Verordnung zwischen Personen siehe EuGH, RS. C-253/00, „Antonio Muñoz y Cia SA und Superior Fruiticola SA/Frumar Ltd und Redbridge Produce Marketing Ltd.“, Slg. 2002, I-07289, Rn. 30. 47 Bei fehlender Veröffentlichung im Amtsblatt der EU entfalten Verordnungen keine Bindungswirkung soweit mit ihr dem Einzelnen Pflichten auferlegt werden sollen, hierzu EuGH, RS. C-345/06, „Gottfried Heinrich“, Slg. 2009, Rn. 63.

A. Sekundärrechtsakte

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nur entbehrlich bzw. unnötig48, sondern sogar unzulässig49, falls sie den Unions­ charakter der Norm gefährdet. Die Regelungswirkung der Verordnung tritt also, ohne dass es eines weiteren Legislativaktes bedarf, von selbst ein, d. h. dass direkt mit ihrem Inkrafttreten durch sie Rechte verliehen oder Pflichten auferlegt werden. 6. Begründungspflicht Verordnungen sind wie Richtlinien gemäß Art. 296 Abs. 2 AEUV (ex-Art. 253 EGV) zu begründen und gemäß Art.  297 Abs.  1 UAbs.  3 AEUV (ex-Art.  254 Abs.  1 und Abs.  2 EGV) im Amtsblatt der Europäischen Union zu veröffent­ lichen. Diese Begründungspflicht50, die auch für Richtlinien und Entscheidungen gilt, gibt den Adressaten und dem Gerichtshof die Möglichkeit einer umfassenden Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Unionsorgane.51 Außerdem soll sie den Unionsgesetzgeber vor unüberlegten Rechtsetzungsschritten schützen. Die Pflicht im europäischen Recht, auch normative Akte zu begründen, geht damit weiter als im deutschen Recht. Der Umfang der Begründungspflicht hängt jedoch von der Rechtsnatur der in Betracht kommenden Maßnahme ab. Bei einer Verordnung kann sich die Begründung auch nur darauf beschränken, dass die Gesamtlage angegeben wird, die zum Erlass dieses Rechtsakts geführt hat, und die allgemeinen Ziele bezeichnet werden, die mit dieser Verordnung erreicht werden sollen.52



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EuGH, RS. 20/72, „Rechtbank van Koophandel Antwerpen/Belgien“, Slg. 1972, I-01055, Rn. 22. 49 Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 249 EGV, Rn. 42; Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV, Rn. 58. 50 Zur Begründungspflicht der Rechtsakte siehe auch Grabitz, Quellen des Gemeinschaftsrechts: Rechtshandlungen der Gemeinschaftsorgane, in: Kommission (Hrsg.), Dreißig Jahre Gemeinschaftsrecht, 1983, S. 99 ff. 51 Siehe hierzu EuGH, RS. 18/57, „Nold“, Slg. 1958–59, I-00091, LS  3, wonach die Begründungspflicht nicht nur dem Schutz der der Gerichtsbarkeit unterworfenen Personen zu­ gutekommt, sie hat überdies den Zweck, dem Gerichtshof die richterliche Nachprüfung der Entscheidungen in vollem Umfang zu ermöglichen. Zur Begründungspflicht von verbindlichen Rechtsakten der Gemeinschaft siehe auch Wagner, VR 1984, S. 327. 52 Siehe hierzu EuGH, RS.  C-5/67, „W. Beus GmbH & Co./Hauptzollamt München“, Slg. 1968, I-0128, LS 4, aus diesen Gründen kann auch nicht verlangt werden, dass die Begründung die mitunter sehr zahlreichen und weitverzweigten tatsächlichen Umstände im einzelnen anführt, auf deren Grundlage die Verordnung ergangen ist, und noch weniger, dass sie diese Umstände mehr oder weniger würdigt; siehe hierzu auch EuGH, RS. 80/72, „Konin­klijke Las­ siefabrieken/Hoofdproduktschap voor Akkerbrouwprodukten“, Slg. 1973, I-0635, LS 1; nach dieser Entscheidung bedarf die Begründung nicht auch aller Einzelheiten einer Maßnahme, wenn sich diese im Rahmen der Gesamtregelung halten.

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Teil 1: Grundlagen

7. Durchführungsverordnungen Teilweise enthalten Verordnungen für die Unionsorgane eine Ermächtigung zum Erlass von weiteren Rechtshandlungen – dies sind insbesondere Durchführungsverordnungen. Nach Art. 290 Abs. 1 und Art. 291 Abs. 2 AEUV (ex-Art. 202, 3. Spiegelstrich iVm. Art. 211 4. Spiegelstrich EGV) hat der Rat die Möglichkeit, der Kommission die Befugnis zur Durchführung von auf der Grundlage einer anderen Ermächtigungsnorm erlassenen Basisrechtsakten zu übertragen. Durchführungsverordnungen konkretisieren die Regelungsinhalte der Ausgangsverordnungen, wobei sie nicht von den Bestimmungen der Grundverordnung abweichen dürfen, ansonsten führt dies zur Rechtswidrigkeit.53 Eine Durchführungsverordnung kann im formellen Sinn als Verwaltungsmaßnahme definiert werden, da sie „von einer von der Exekutiven abhängigen Behörde oder von der Exekutive selbst erlassen wurde“, im materiellen Sinne ist sie jedoch eine „Vorschrift mit norma­ tiven Charakter“.54 Die Grundverordnung muss den wesentlichen Rahmen der zu regelnden Materie festgelegt haben.55 Im so genannten Komitologie-Beschluss hat der Rat die Modalitäten für die Ausübung der auf die Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse festgelegt.56 8. Unmittelbare Wirkungsweisen der Rechtsform „Verordnung“ Die Verordnung ist der „eigentliche“ Gesetzgebungsakt57 der Union. Sie dient der Gewährleistung einer einheitlichen Anwendung des Unionsrechts in allen Mitgliedstaaten und ist die „stringenteste Form der Rechtsetzung“58. Das Handlungsinstrument „Verordnung“ sichert auf der einen Seite durch seine allgemeine und unmittelbare Anwendbarkeit die einheitliche Geltung des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten. Auf der anderen Seite begrenzt der Rechtsetzungsakt der Verordnung jedoch die Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten. Für den Adressaten der Verordnung löst diese unmittelbar Rechte und Verpflichtungen aus. Die Verordnung dient damit primär der Rechtsvereinheitlichung und nur teilweise der Rechtsangleichung59. Durch eine Verordnung können Teile des natio

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EuGH, RS. C-179/97, „Spanien/Kommission“, Slg. 1999, I-1251, Rn. 20. So Generalanwalt Lagrange EuGH, RS. 16, 17/62, „Conféderation National“, Slg. 1962, I-0961. 55 EuGH, RS. 25/70, „Köster“, Slg. 1970, I-1161, Rn. 6. 56 Beschluss des Rates vom 28.06.1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse, ABl. 1999, Nr. L 184, S. 23. 57 So Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl. 1997, § 7, Rn. 413. Wägenbaur nennt die Verordnung das „eigentliche Gemeinschaftsgesetz“, siehe hierzu DVBl. 1972, S. 244. 58 Rabe, NJW 1993, S. 3. 59 Bezüglich Art. 40, Art. 95 und auch Art. 308 EGV erfüllte die Verordnung auch die Funktion der Rechtsangleichung. Zum zweckwidrigen Einsatz von Handlungsformen, insbeson-

A. Sekundärrechtsakte

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nalen Rechts komplett oder teilweise ersetzt werden, es können mitgliedstaat­ liche Regelungen von der Anwendbarkeit ausgeschlossen werden, die inhaltlich mit dem Regelungsgegenstand der Verordnungen unvereinbar sind. Das Ergebnis der Rechtsetzung durch Verordnung ist also ein einheitliches europäisches Recht.60 a) Unmittelbare Wirkungsweise der Rechtsform „Verordnung“ für die Union Für die Union bzw. den Unionsgesetzgeber stellt die Rechtsaktform der Verordnung als eigentlicher europäischer Gesetzgebungsakt die Möglichkeit zu einheitlicher Rechtsetzung dar. Als verbindlicher Rechtsakt kann eine Verordnung auch ihren Urheber verpflichten, da die Unionsorgane diesen Rechtsakt, solange er in Kraft ist, respektieren und dem Bürger eventuell eine Möglichkeit des Rechtsschutzes gewähren müssen.61 Für die Union ist die Verordnung jedoch aufgrund der starken Regelungswirkung durch ihre unmittelbare Geltung und die mangelnde Möglichkeit der Mitgliedstaaten, eine Umsetzung zu „verschleppen“, die ideale Handlungsform, um den europäischen Integrationsprozess durch eine einheitliche Gesetzgebung effektiv und schnell zu verwirklichen.62 b) Unmittelbare Wirkungsweise der Rechtsform „Verordnung“ für die Mitgliedstaaten Den Mitgliedstaaten kommt bei der Rechtsetzung mittels Verordnungen die Aufgabe zu, durch „geeignete Maßnahmen“ zu gewährleisten, dass der Befolgung der Regelungen der Verordnung keine Hindernisse im Wege stehen und diese somit „uneingeschränkt anwendbar“ ist.63 Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten sind insofern nur zulässig, wenn diese in der Verordnung so vorgesehen oder sonst zu ihrer wirksamen Durchführung erforderlich sind. In Anlehnung an Art. 4 Abs. 3 AEUV, der den Mitgliedstaaten vorschreibt, alle Maßnahmen, welche die Verwirklichung der Ziele des Vertrags gefährden könnten, dere des Einsatzes der Verordnung zur Rechtsangleichung siehe Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen im Gemeinschaftsrecht, 1999, S. 134 ff. 60 Trüe, Das System der Rechtsetzungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union, 2002, S. 103. 61 Siehe hierzu auch Schmidt, in: von der Groeben/Thiesing (Hrsg.), EU-/EG-Vertrag Kommentar, Band 2, 6. Aufl. 2004, Art. 249 EGV, Rn. 27. 62 Hilf, EuR 1993, S. 6 ging bereits 1993 davon aus, dass die Kommission bei Ausübung ihres Initiativrechts, sofern sie die Wahl hat, das Instrument der Verordnung vorziehen wird. 63 EuGH, RS. 72/85, „Kommission/Vereinigtes Königreich“, Slg. 1986, I-1219, LS 2.

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Teil 1: Grundlagen

zu unterlassen, dürfen Durchführungsvorschriften der Mitgliedstaaten die Reichweite und Wirksamkeit einer Verordnung nicht ergänzen oder verändern. Die Mitwirkung der Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Verordnungen beschränkt sich zumeist jedoch auf die bloße Anwendung der Verordnungen im innerstaatlichen Bereich.64 Verordnungen kommt bezüglich entgegenstehender nationaler Vorschriften zwar Anwendungsvorrang65 zu – im Unterschied zum Geltungsvorrang bedeutet dies, dass mit der Verordnung kollidierendes nationales Recht nicht angewendet werden darf, dieses aber nicht seine Gültigkeit verliert –, im Konfliktfall können sich für die Normadressaten in solchen Situationen jedoch „Unklarheiten tatsächlicher Art“ ergeben, da sie bezüglich der „Möglichkeiten, sich auf das Unions­ recht zu berufen, in einem Zustand der Ungewissheit gelassen werden“.66 Die nationale Norm findet nämlich immer noch auf Sachverhalte ohne Unionsbezug Anwendung.67 Die Umsetzung einer Verordnung durch die Mitgliedstaaten ist grundsätzlich nicht zulässig, da diese bestenfalls zu „Parallelrechtsordnungen“68, wie sie durch Richtlinien ausdrücklich geschaffen werden sollen, nicht aber zu einheitlichem europäischem Recht führen und die Rechtsetzungsintensität des Regelungsinstruments „Verordnung“ nicht erreicht werden würde. Auch dürfen die Mitgliedstaaten den Inhalt oder die Geltung der Verordnung nicht in Frage stellen.69 Damit geht

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Nach Constantinesco, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften I, 1977, S.  606 kommt den Mitgliedstaaten dabei sowohl eine Duldungspflicht bezüglich der substituierenden Wirkung der Verordnungen, als auch eine Unterlassungspflicht bezüglich des möglichen Erlasses höherrangigen nationalem der Verordnung entgegenstehendem Recht zu. 65 Zu den Zusammenhängen zwischen Vorrang, den Instituten der innerstaatlichen Beachtlichkeit und der Durchführung des Gemeinschaftsrechts siehe Beljin, EuR 2002, S. 351 ff.; zur Bedeutung von Vorrang und Durchführung des EG-Rechts für die nationale Rechtsetzung und Rechtsanwendung Jarass/Beljin, NVwZ 2004, S. 1 ff. 66 EuGH, RS.  74/86, „Kommission/Deutschland“, Slg.  1988, I-02139, Rn.  10, hierin entschied der EuGH, dass ein solches Vorgehen von Seiten des Mitgliedstaates eine Verletzung der Verpflichtung des Mitgliedstaates aus Art. 5 und 189 EWG-Vertrag darstellt; zum Vorrang des Europarechts bei umsetzungsgebundenen Rechtsakten Masing, NJW 2006, S. 264 ff. 67 Auch Schwarze/Becker/Pollak gehen davon aus, dass die „nur teilweise Neuregelung von bereits durch nationale Gesetze geregelten Bereichen durch EG-Verordnungen“ zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen kann, siehe hierzu, Die Implementation von Gemeinschaftsrecht, 1993, S. 68. Siehe hierzu und zum Anwendungsvorrang allgemein Jarass/Beljin, NVwZ 2004, S. 4. 68 So auch Trüe, Das System der Rechtsetzungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union, 2002, S. 103, die davon ausgeht, dass falls eine Umsetzung von Verordnungen durch die Mitgliedstaaten zulässig wäre, ihre Eignung zur einheitlichen Regelung der Gemeinschaft übertragener Sachbereiche auf Gemeinschaftsebene beeinträchtigt würde. 69 Siehe hierzu auch Sensburg, JA 2007, S. 612, dieser geht auch davon aus, dass durch eine wiederholende Umsetzung der Verordnung in nationales Recht über den Charakter des Gemeinschaftsrechts getäuscht werden würde; so bereits Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/ EGV, 2003, Art. 249 EGV, Rn. 58.

A. Sekundärrechtsakte

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einher, dass sie auch keine eigenständige geltungsreduzierende oder erweiternde Auslegung der Verordnung vornehmen dürfen. Als Ausnahme hiervon kann das Institut der so genannten „hinkenden Verordnung“70 gesehen werden. Eine solche hat grundsätzlich die Wirkungsweise der in Art.  288 Abs.  2 AEUV normierten Handlungsform Verordnung, daneben enthält sie insofern jedoch noch Elemente der in Art. 288 Abs. 3 AEUV normierten Richtlinie, als sie entweder explizit oder implizit die Mitgliedstaaten dazu veranlasst, Durchführungsmaßnahmen bzw. Anpassungsmaßnahmen zu erlassen. Dabei bleibt den Mitgliedstaaten also ein zwar eingegrenzter, aber doch noch vorhandener Spielraum, die Vorschriften der Verordnung auszuführen bzw. zu konkretisieren.71 Die hinkende Verordnung gilt also unmittelbar, kann jedoch zum Teil nicht unmittelbar angewendet werden.72 Es kann auch vorkommen, dass Verordnungen nur teilweise Neuregelungen für die Mitgliedstaaten mit sich bringen. Weil in diesen Fällen oftmals in den durch Verordnung geregelten Gebieten in den Mitgliedstaaten bereits eigene Rege­lungen bestehen und diese dann zum Teil  auch übereinstimmen, bedarf es nur partiell Neuregelungen. Da die Mitgliedstaaten die Verordnung nicht umsetzen dürfen, müssen sie die erforderlichen Anpassungen dadurch durchführen, dass sie das kollidierende nationale Recht aufheben oder abändern.73 Damit diesbezüglich für den Rechtsanwender keine unübersichtliche Situation hinsichtlich der Rechtsanwendung entsteht, ist oftmals doch noch eine neuerliche gesetzgeberische Maßnahme auf nationaler Ebene erforderlich.74 Durch das Handlungsinstrument der Verordnung verbleibt den Mitglied­staaten also im Grundsatz kein eigener Handlungsspielraum mehr, sie sind aus der Umsetzungspflicht befreit, verlieren damit jedoch auch die Möglichkeit, durch eigene Umsetzung den individuellen nationalen Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Außerdem gehen Verordnungen auch nicht auf die Besonderheiten der einzelnen mitgliedstaatlichen Rechtsetzungstraditionen ein. Den Mitgliedstaaten wird damit die „staatenureigene“ Rechtsetzungshoheit genommen. Sie können sich jedoch auch aus ihrer Verantwortung dem Bürger gegenüber befreien, da sie sich darauf berufen können, „sie hätten das Gesetz ja nicht gemacht, das komme nämlich aus Brüssel“.



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Hierzu ausführlich Teil 2 A. II. 4. c cc) (1). Vgl. hierzu auch Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, 2006, S. 175. 72 Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 249 EGV, Rn. 57 ff. 73 Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV, Rn. 62 ff. 74 Schwarze/Becker/Pollack, Die Implementation von Gemeinschaftsrecht, 1993, S.  69; siehe hierzu auch Krimphove, EuR 2007, S. 616 f.

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Teil 1: Grundlagen

c) Unmittelbare Wirkungsweise der Rechtsform „Verordnung“ für den Einzelnen Eine „bürgeradressierte“ Verordnung75 entfaltet für den Bürger unmittelbare Rechtswirkungen, d. h. durch sie wird unmittelbar verbindliches Recht gesetzt. Somit ist es dem Einzelnen möglich, sich ohne weitere von Seiten der Mitgliedstaaten erforderliche Umsetzung unmittelbar auf die Verordnungsbestimmungen zu berufen und eventuell aus ihnen Rechte herzuleiten. Aufgrund des Anwendungsvorrangs können sich jedoch Unklarheiten für den Bürger ergeben, da das durch die Verordnung überlagerte nationale Recht immer noch auf Sachverhalte ohne Unionsbezug anwendbar ist. Ansonsten gilt die Verordnung, wobei der Bürger teilweise, insbesondere auch bezüglich des Rechtsschutzes, der nationalen Normenzuständigkeit entzogen ist.76 9. Mittelbare Wirkungsweisen der Rechtsform „Verordnung“: Rechtsschutz Privater gegenüber Verordnungen Weiter ist zu untersuchen, wie sich der Rechtsschutz gegenüber Verordnungen oder gegenüber aufgrund einer Verordnung erlassenen Vollzugsakten gestaltet. Nachdem bis zum Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon Klagen Einzelner gegenüber normativen Rechtsakten der damaligen Gemeinschaft unzulässig77 waren, hat sich die Rechtslage diesbezüglich nunmehr geändert. Trotzdem sieht die Möglichkeit des Einzelnen, bezüglich der Regelungen einer Verordnung Rechtsschutz zu erhalten, im Gegensatz zum Rechtsschutz bezüglich Richtlinien anders und weitaus komplizierter aus.78 Man muss hier zwischen Rechtsschutz auf europäischer und Rechtsschutz auf mitgliedstaatlicher Ebene sowie den Rechtsschutzmöglichkeiten vor und nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon unterscheiden.



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Zur integrativen Wirkung der Verordnung, die den Staatsangehörigen eines Mitglied­ staates zu einem Gemeinschaftsangehörigen macht vgl. Constantinesco Das Recht der Euro­ päischen Gemeinschaften I, 1977, S. 609. 76 Constantinesco, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften I, 1977, S. 609. 77 Siehe hierzu m. w. N. Drewes, Entstehen und Entwicklung des Rechtsschutzes vor den Gerichten der Europäischen Gemeinschaften, 2000, S. 118; zur Unanfechtbarkeit von Normativ­ akten siehe auch von Danwitz, NJW 1993, S. 1111 f. 78 Allgemein zum Rechtsschutz gegen EG-Verordnungen Lenz/Staeglich, NVwZ  2004, S. 1421 ff.

A. Sekundärrechtsakte

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a) Rechtsschutz auf europäischer Ebene vor dem Vertrag von Lissabon Auf europäischer Ebene kann ein Einzelner grundsätzlich unterschiedlich von einer Verordnung betroffen sein. Es müssen zwei verschiedene Konstellationen unterschieden werden. Zum einen kann die Verordnung über einen Vollzugsakt auf europäischer Ebene dem Einzelnen gegenüber gelten, zum anderen kann die Verordnung den Bürger ohne weiteren Vollzugsakt unmittelbar betreffen. Bei der Begutachtung der Rechtsschutzmöglichkeiten des Einzelnen muss also nach diesen Konstellationen differenziert werden. aa) Verordnungen mit weiterem Vollzugsakt Bedurfte die Verordnung eines weiteren Vollzugsaktes, so war die Rechtsschutzmöglichkeit des Einzelnen über die Nichtigkeitsklage nach Art. 230 Abs. 4 EGV79 gegeben, mit welcher gegen den Vollzugsakt, der eine Entscheidung nach Art. 249 Abs. 4 EGV darstellte, direkt vorgegangen werden konnte. Es sollte dabei nicht auf den Rechtsakt der Verordnung in seiner Gesamtheit, sondern speziell auf die Qualifizierung des materiellen Gehalts als Einzelfallregelung in der jeweiligen Bestimmung abgestellt werden.80 Somit konnten bestimmte Regelungen einer Verordnung, wenn sie Entscheidungscharakter hatten, zum Gegenstand einer Nichtigkeitsklage nach Art.  230 EGV werden.81 Hierbei kam jedoch das schwierige Problem der Abgrenzung des Rechtscharakters einer Regelung zum Vorschein. Falls ein europäisches Organ einen Vollzugsakt unterließ, so konnte der Bürger dagegen mit der Untätigkeitsklage nach Art. 232 Abs. 3 EGV82 vorgehen. bb) Verordnungen ohne weiteren Vollzugsakt Erging aufgrund der Verordnung kein eigener Vollzugsakt, so stellte sich die Rechtsschutzmöglichkeit ungleich schwieriger dar, da somit keine Entscheidung vorhanden war, gegen die direkt vorgegangen werden konnte. Verordnungen waren zwar ein tauglicher Klagegegenstand i. S. d. Art. 230 EGV, der EG-Vertrag sah

79 Zur Nichtigkeitsklage siehe Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 5. Aufl. 2009, § 13, Rn. 41 ff.; siehe hierzu außerdem Drewes, Entstehen und Entwicklung des Rechtsschutzes vor den Gerichten der Europäischen Gemeinschaft, 2000, S. 74. 80 Streinz, Europarecht, 7. Aufl. 2005, Rn. 591; siehe hierzu auch Schulte, Individualrechtsschutz gegen Normen im Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 89 ff. 81 Siehe hierzu auch von Danwitz, NJW 1993, S. 1109 f. 82 Zur sich an die Untätigkeitsklage anschließenden Stellungnahme siehe Lenz/Staeglich, NVwZ 2004, S. 1422.

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Teil 1: Grundlagen

jedoch keinen direkten Rechtsschutz des Bürgers gegen Verordnungen83 ohne weiteren Vollzugsakt vor. Man konnte in diesem Rahmen daran denken, dass sich der Einzelne, wie beim Rechtsschutzersuchen gegen auf Verordnungen beruhende nationale Durchführungsakte, bei Klagen direkt gegen Verordnungen auf die Nichtigkeitsklage84 berufen können musste. Problematisch war hierbei jedoch, dass die Verordnung allgemeine Gültigkeit beansprucht und der EG-Vertrag nur Rechtsschutz gegen Verordnungen vorsah, die den Bürger unmittelbar und individuell betrafen und somit ausnahmsweise entscheidungsgleich wirkten. Art. 230 EGV enthielt drei Arten von Klägern und ging dabei von einem vielseitigeren Betroffenheitsbegriff aus, als dieser in der Klagebefugnis des § 42 Abs. 2 VwGO85 vorausgesetzt wird. Es gab die nach Art. 230 Abs. 2 EGV vollprivilegierten Kläger, die kein besonderes Rechtsschutzinteresse brauchen86, wie die Mitgliedstaaten, den Rat, die Kommission und das Europäische Parlament. Weiter sah die Nichtigkeitsklage gemäß Art. 230 Abs. 3 EGV die teilprivilegierten Kläger vor, die die Verletzung eines sie schützenden Rechts darlegen mussten, wie etwa der Rechnungshof und die Europäische Zentralbank. Alle übrigen natürlichen und juristischen Personen gehörten gemäß Art.  230 Abs. 4 EGV87 zum Kreis der nichtprivilegierten Kläger88. Diese nichtprivilegierte Klägergruppe konnte sich zum einen gegen „die an sie ergangenen Entscheidungen“ richten, zum anderen konnte sie „gegen diejenigen Entscheidungen Klage erheben, die, obwohl sie als Verordnung oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen“. Hierbei bedeutete unmittelbare Betroffenheit89, dass kein weiterer Durchführungsakt erforderlich sein darf, was unter anderem erklärt, warum die Richtlinie nicht

83 Zu den Ausnahmegruppen siehe Cremer, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EUVertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 230 EGV, Rn. 31. 84 Zu den Nichtigkeitsklagen einzelner gegen Rechtsakte der Gemeinschaft vgl. auch Cremer, EWS 1999, S. 48 ff. 85 Siehe hierzu Lenz/Staeglich, NVwZ 2004, S. 1422; zu diesem Problemkreis hinsichtlich Adressatenklagen Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), Verwaltungs­ gerichtsordnung, Band 1, Stand Oktober 2008, § 42 Abs. 2 VwGO, Rn. 48. 86 Zur Klagebefugnis der vollprivilegierten Kläger siehe Cremer, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 230 EGV, Rn. 21. 87 Zur Klagebefugnis des Art.  230 Abs.  4 EGV siehe auch Cremer, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 230 EGV, Rn. 44 ff. 88 Zum Problemkreis der nichtprivilegierten Kläger siehe Lindner, NVwZ 2003, S. 569 ff.; siehe hierzu auch Schwarze, DVBl. 2002, S. 1297 ff.; zur erweiterten Klageberechtigung bei Individualnichtigkeitsklagen gegen EG-Verordnungen Köngeter, NJW 2002, S. 2216 ff. 89 Allkemper geht davon aus, dass sich Verordnungen, die unmittelbar betreffen, nicht als solche bezeichnet werden sollten, da es sich hierbei bereits per definitionem um Entscheidungen handelt, womit sich die Begriffe „Verordnung“ und „unmittelbare Betroffenheit“ ausschließen, siehe hierzu m. w. N. Der Rechtsschutz des einzelnen nach dem EG-Vertrag, 1995, S. 62.

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in Art. 230 Abs. 4 EGV erwähnt war. Nach der „Plaumann-Formel“ des EuGH90 kann jemand, der „nicht Adressat einer Entscheidung ist, nur dann geltend machen, von ihr individuell betroffen zu sein, wenn die Entscheidung ihn wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten“. Weiter wurde vom EuGH festgestellt, dass es für die individuelle Betroffenheit nicht ausreicht, dass sich die Personen, für die eine Vorschrift gilt, der Zahl nach oder sogar namentlich bestimmen lassen, sofern nur feststeht, dass sie nach ihrer Zweckbestimmung aufgrund eines durch sie festgelegten objektiven Tatbestands rechtlicher oder tatsächlicher Art anwendbar ist. Der EuGH hat also die individuelle Betroffenheit91 durch Verordnungen in drei Fallgruppen bejaht: Zunächst war die individuelle Betroffenheit durch eine Ver­ ordnung gegeben, wenn diese in Wirklichkeit ein Bündel von Einzelfallentscheidungen darstellte, beispielsweise, wenn mit einer Verordnung praktisch über einzelne Anträge entschieden wurde. Weiter sollte individuelle Betroffenheit bestehen, wenn das Verfahren zum Erlass der Verordnung den Betroffenen bestimmte Mitwirkungs-, Informations- oder Anhörungsrechte92 einräumte. Von individueller Betroffenheit war außerdem auszugehen, wenn die Verordnung in besonders geschützte Rechtspositionen eingegriffen hat, etwa in ein Markenzeichen oder in bestehende Verträge93.94 Problematisch hieran war jedoch, dass die Zugangsmöglichkeiten zum EuGH im Wege einer Nichtigkeitsklage nach dem EGV nach dieser Rechtsprechung für den Kläger nur schwer durchschaubar waren und insbesondere im Hinblick auf das Gebot des effektiven Rechtsschutzes bedenklich erschienen.95 Es konnte also der Fall eintreten, dass ein Kläger nach Unzulässigkeit der Nichtigkeitsklage mangels



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EuGH, RS. 25/62, „Plaumann/Kommission“, Slg. 1963, I-00211, S. 238. Zur individuellen Betroffenheit siehe auch, Nicolaysen, Europarecht I, Die Europäische Integrationsverfassung, 2. Aufl. 2002, S.  366 ff.; Cremer, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art.  230 EGV, Rn.  45 ff.; Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art.  288 AEUV, Rn.  45; Schwarze, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2.  Aufl. 2009, Art. 230 EGV, Rn. 36 ff. 92 Siehe hierzu Wölker, DÖV 2003, S. 572. 93 EuGH, RS. 152/88, „Sofrimport“, Slg. 1990, I-02477, LS 1. 94 Neben diesen Ausnahmen hielt der EuGH an seiner restriktiven Interpretation des Merkmals der individuellen Betroffenheit fest, siehe hierzu EuGH, RS. 279/95, „Kik“, Slg. 1996, I-01987, LS 1, hiernach war gegen eine Vorschrift erhobene Nichtigkeitsklage einer natürlichen Person, die nicht dargelegt hatte, dass ihre tatsächliche Situation sie von jeder anderen Person unterscheidet, die für sich selbst oder für eine dritte Person eine Gemeinschaftsmarke erwerben möchte, unzulässig; ähnlich auch EuGH, RS. 321/95, „Greenpeace International“, Slg. 1998, I-01651, LS 1 ff. 95 Lenz/Staeglich gehen davon aus, dass diese Unsicherheit auch dem Schutz vor Überlastung der Rechtsprechung widerspricht, NVwZ 2004, S. 1423.

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Teil 1: Grundlagen

individueller Betroffenheit über keine weiteren Rechtsbehelfe mehr verfügte, um die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Vorschriften zu überprüfen. Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes, welches den Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten entspringt und als Konkretisierung rechtsstaatlicher Prinzipien, welchen die EU gemäß Art. 6 EUV (ex-Art. 6 EUV) verpflichtet ist, angesehen wird, war im Gemeinschaftsrecht positivrechtlich wie im deutschen Recht in Art. 19 Abs. 4 GG nicht verankert. Es war jedoch als allgemeiner Rechtsgrundsatz im Gemeinschaftsrecht anerkannt und lässt sich auch in Art.  6 und Art.  13 EMRK96 finden. Das Prinzip des effektiven Rechtsschutzes verlangt jedenfalls, dass gegen adres­ satenbezogene Rechtsakte ein lückenloser Rechtsschutz zur Verfügung stehen soll.97 Ob sich dies auch auf Verordnungen erstrecken sollte, war allerdings fraglich, da nach Auslegung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Art. 6 und Art. 13 EMRK98 keinen Rechtsschutz gegen Normativakte erfordern.99 Auf der anderen Seite konnten die Rechte des Einzelnen sowohl durch Entscheidungen als auch durch Verordnungen verletzt werden, womit die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung gegeben sein musste. Auch Art. 47 Abs. 1 der Grundrechtecharta bietet dem Wortlaut nach Rechtsschutz gegen Normativakte.100 Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes musste jedoch nicht unbedingt auf europäischer Ebene gewährleistet sein, falls diesem Gebot auf nationaler Ebene hinreichend Rechnung getragen wurde.101 Somit musste die Möglichkeit des na 96 Zum Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts siehe EuGH, RS. 222/84, „Johnston“, Slg. 1986, S. 1682, wonach der in einer speziellen gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift vorgesehene gerichtliche Rechtsschutz „Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, der den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten zugrunde liegt“ sei. Darüber hinaus sei „dieser Grundsatz auch in den Artikeln 6 und 13 EMRK verankert“, wobei „die leitenden Grundsätze dieser Konvention im Rahmen des Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen sind“; näheres hierzu vgl. nur Pache, Tatbestand­ liche Abwägung und Beurteilungsspielraum, 2001, S. 335 ff.; zum „bevorstehenden“ Beitritt der Europäischen Union zur EMRK siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 4. Aufl. 2009, § 4, Rn. 18. 97 Zur effektiven Rechtsschutzgewährleistung im arbeitsteiligen System europäischen Rechtsschutzes vgl. Nettesheim, JZ 2002, S. 928 ff. 98 Meyer-Ladewig, EMRK Handkommentar, 2. Aufl. 2006, Art. 13 EMRK, Rn. 16. 99 Der EGMR hat zum Rechtsschutz gegenüber Normativakten als allgemeines Prinzip festgestellt: „Article 13 (art. 13) does not guarantee a remedy allowing a Contracting State’s law as such to be challenged before a national authority on the ground of being contrary to the Convention or equivalent domestic norms“, siehe hierzu EGMR Urteil vom 26.03.1987, Serie A, Bd. 116, S. 26 Nr. 77 d. 100 Zur Verbindlichkeit der Grundrechtecharta nach dem Vertrag von Lissabon vgl. Pache/ Rösch, EWS 2009, S. 393 ff. 101 Zur Subsidiarität zentralen Individualrechtsschutzes im Falle von Verordnungen siehe Nowak, Zentraler und dezentraler Individualrechtsschutz in der EG im Lichte des gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundsatzes effektiven Rechtsschutzes, in: Nowak/Cremer (Hrsg.), Individualrechtsschutz in der EG und der WTO, 2002, S. 55 ff.

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tionalen Rechtsschutzes mit in die Überlegungen einbezogen werden102, womit in Fällen, in denen ansonsten kein Rechtsschutz auf nationaler Ebene gewährt gewesen wäre, die Klagebefugnis nach Art. 230 Abs. 4 EGV gegeben sein musste.103 b) Rechtsschutz auf nationaler deutscher Ebene Effektiver Rechtsschutz muss für den Einzelnen also immer gewährleistet sein. War Rechtsschutz nicht auf europäischer Ebene zu erlangen, so musste dieser zumindest in Arbeitsteilung vor den mitgliedstaatlichen Gerichten garantiert sein. Die Gewährung effektiven Rechtsschutzes gegen normative Gemeinschaftsrechtsakte war vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon in gewisser Weise sogar den Mitgliedstaaten und deren nationalen Gerichten zugewiesen.104 Auch nach Art. 240 EGV (jetziger Art. 274 AEUV) oblag und obliegt es den mitgliedstaatlichen Gerichten bei Streitigkeiten, bei denen die Gemeinschaft (Union) Partei ist und für die weder dem EuGH noch dem EuG vertraglich eine Zuständigkeit eingeräumt wurde, dem Einzelnen Rechtsschutz zu gewähren.105 Somit wird nun weiter der nationale Rechtsschutz gegen Verordnungen überprüft, wie er jedenfalls vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon bestehen musste, um das Gebot des effektiven Rechtsschutzes zu gewährleisten. aa) Verordnungen mit weiterem Vollzugsakt Ebenso wie auf Gemeinschaftsebene gab es keine Rechtsschutzprobleme, falls aufgrund der Verordnung ein Vollzugsakt gegenüber dem Bürger ergangen ist, denn dann konnte sich der Bürger vor den nationalen Gerichten gegen diesen Voll 102 Siehe hierzu EuGH, RS. 123/77, „UNICME/Rat“, Slg. 1978, I-00845, Rn. 8, 13, hiernach steht es Klägern frei, sich ggf. vor dem zuständigen innerstaatlichen Gericht im Rahmen einer Klage auf die Bedenken bezüglich der Gültigkeit einer Verordnung zu berufen, wobei das Gericht dann eventuell die mit der Gültigkeit verbundenen Fragen im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens vorlegen kann. 103 In einem solchen Fall hat das EuG die Klagebefugnis des Einzelnen erweitert, siehe hierzu EuG, RS. T-177/01, „Jégo-Quéré&Ciesa“, Slg. 2002, I-02365, LS 1 f.; was jedoch vom EuGH nicht akzeptiert wurde, siehe hierzu EuGH, RS. C-50/500, „Unión de Pequenos Agricultores/ Rat der EU“, Slg. 2002, I-06677, Rn. 41, wonach es somit Sache der Mitgliedstaaten ist, ein System von Rechtsbehelfen und Verfahren vorzusehen, mit dem die Einhaltung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz gewährleistet werden kann. Zu den Möglichkeiten der Verbesserung des individuellen Rechtsschutzes im Europäischen Gemeinschaftsrecht vgl. von Winterfeld, NJW 1988, S. 1409 ff. 104 So Pache, Rechtsschutzdefizite im europäischen Grundrechtsschutz?, in: Bruha/Nowak/ Petzold (Hrsg.), Grundrechtsschutz für Unternehmen im europäischen Binnenmarkt, 2004, S. 205. 105 Vgl. hierzu Pechstein, EU-Prozessrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 37.

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zugsakt wehren.106 Erging dieser beispielsweise in Form eines Verwaltungsaktes, so konnte der Einzelne gegebenenfalls Widerspruch nach § 68 VwGO einlegen oder direkt Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO erheben. bb) Verordnungen ohne weiteren Vollzugsakt Problematisch stellte sich die Rechtsschutzsituation wiederum dar, wenn die EG-Verordnung keinen Vollzugsakt nach sich zog. Eine Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage schied in einem solchen Fall mangels Vollzugsaktes aus. Ein Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO schied aus107, da bei einem solchen nicht die Überprüfung von Gemeinschaftsrecht stattfinden konnte. Jedoch erwies sich die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO als das adäquate, dabei wiederum nicht unproblematische Rechtsschutzmittel108, da es als Instrument zur Kontrolle des Normgebers die Möglichkeit des Zugangs zum Vorlageverfahren vor dem EuGH nach Art. 234 EGV (jetziger Art. 267 AEUV) eröffnete.109 Die Zuständigkeit deutscher Gerichte für eine EG-Verordnung war und ist in einer solchen Konstellation gegeben, wenn sich die Klage gegen den Rechtsträger der Behörde richtet, die mit der Überwachung der Verordnung betraut ist.110 Die Gemeinschaft verfügte nur in wenigen Fällen über einen gemeinschaftsunmittel­ baren direkten Vollzug.111 Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs.  1 S.  1 VwGO eröffnet, wenn eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art vorliegt. Unmittelbar wirkende Verordnungen sind regelmäßig dann als öffentlich-rechtlich einzuordnen, wenn sie „imperativ Ge- und Verbote statuieren, zu deren Überwachung und Sanktionierung hoheitliche Befugnisse nationaler Stellen vorausgesetzt oder begründet werden“112. Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis gemäß § 43 Abs.  1 VwGO konnte auf Gemeinschaftsrecht beruhen, sofern das Gemeinschaftsrecht unmittelbar wirkte und sich die streiti-

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Siehe ein Beispiel hierzu bei Lenz/Staeglich, NVwZ 2004, S. 1424. Zur Statthaftigkeit der Normenkontrolle nach § 47 VwGO bzw. ihrem Prüfungsgegenstand siehe Gerhardt/Bier, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, Band 1, Stand März 2008, § 47 VwGO, Rn. 15 ff. 108 Zur Feststellungsklage als adäquates Rechtsschutzmittel gegenüber EG-Verordnungen Lenz/Staeglich, NVwZ 2004, S. 1425 ff. 109 Zur Problematik der eng begrenzten Möglichkeiten des Einzelnen auf die Entscheidung des Gerichts nach Art. 234 EGV vorzulegen Einfluss zu nehmen vgl. nur Rengeling, Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft, 1993, § 26, S. 160. 110 Insoweit steht auch Art. 240 EGV nicht entgegen, siehe hierzu und zur Frage der Immunität der Europäischen Gemeinschaften, Lenz/Staeglich, NVwZ 2004, S. 1425. 111 Zum gemeinschaftsunmittelbaren direkten Vollzug siehe Pache, Verantwortung und Effizienz in der Mehrebenenverwaltung, VVDStRL 66, S.  118 ff., der davon ausgeht, dass die Gemeinschaftsverträge jedoch eine weitergehende Gemeinschaftsverwaltung auch nicht ausschließen. 112 So Lenz/Staeglich, NVwZ 2004, S. 1426.­ 107

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gen Rechtsbeziehungen zu einer derart festen Form verdichtet hatten, dass die Anwendung einer bestimmten Norm auf einen bereits überschaubaren konkretisierten Sachverhalt in Frage stand.113 Begründet war eine solche Feststellungsklage, wenn ein derartiges Rechtsverhältnis bestand bzw. nicht bestand, weil die zugrunde liegende EG-Verordnung wegen Verstoßes gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht nichtig war. In entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO musste der Kläger dabei auch geltend machen, in seinen Rechten verletzt zu sein. Solche Rechte konnten bei einer Feststellungsklage gegen eine EG-Verordnung nur Rechte aus höherrangigem Gemeinschaftsrecht sein. Das erforderliche Feststellungsinteresse114 war und ist jedes schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art, es muss sich jedoch in diesem Fall aus Gemeinschaftsrecht ableiten. Falls die Feststellungsklage nach diesen Voraussetzungen zulässig war, befasste sich das Verwaltungsgericht mit der Frage der Gültigkeit der in Streit stehenden EG-Verordnung. Wenn es insofern Zweifel an der Gültigkeit hatte, so musste es mangels eigener Verwerfungskompetenz das Verfahren gemäß § 94 VwGO analog aussetzen115 und ein Vorabentscheidungsersuchen116 gemäß Art. 234 Abs. 1 lit. b EGV (jetziger Art. 274 Abs. 1 lit. b AEUV) an den EuGH117 richten. Da die Vorlage an den EuGH jedoch alleine aufgrund der eventuell langen Verfahrensdauer118 keinen effektiven Rechtsschutz gewährleistete, bestand für das angerufene Gericht nach der Rechtsprechung des EuGH die Pflicht, einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO zu gewähren119 und selbst die Aussetzung anzuordnen. Mit dieser Verbindung aus Vorlagepflicht und der Möglichkeit, einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren, war ein effektiver, wenn auch komplizierter Rechtsschutz des Bürgers gegen EG-Verordnungen gegeben. Die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO war vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon in Deutschland das geeignete Instrument, um Verordnungen einer Überprüfung durch den EuGH 113 Zur Einwirkung des europäischen Gemeinschaftsrechts auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit hinsichtlich des Rechtsverhältnisses Stern, JuS 1998, S.  771; hinsichtlich des unmittel­ baren Eingriffs durch eine EG-Verordnung auch Cremer, Die Verwaltung 2004, S. 182. 114 Zum Feststellungsinteresse im Sinne der Feststellungsklage nach § 43 Abs.  1 VwGO siehe, Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 43, Rn. 23 ff.; siehe hierzu auch Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, Band 1, Stand Oktober 2008, § 43 VwGO, Rn. 32 ff. 115 Zur Aussetzung des Verfahrens nach § 94 VwGO Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 94,Rn. 1 ff. 116 Zum Vorabentscheidungsersuchen, Wölker, EuGRZ 1988, S. 97. 117 Zum Vorabentscheidungsverfahren allgemein siehe Nicolaysen, Europarecht I, Die Europäische Integrationsverfassung, 2. Aufl. 2002, S. 394 ff. 118 Siehe hierzu Dauses, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftrechts, Band 2, Stand März 2009, P V Nr.  5, hiernach dauerte ein Vorabentscheidungsersuchen im Jahre 2004 23,5 Monate. Zur Reichweite der gemeinschaftsrechtlichen Vorlagepflicht, Christoph, EuZW 2006, S. 231 ff. 119 Siehe hierzu Koch, NJW 1995, S. 2331 f.

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zuzuführen. Auch die anderen Mitgliedstaaten mussten solche Klagemöglichkeiten vorsehen, um die Einhaltung des Gebots des effektiven Rechtsschutzes zu gewährleisten. c) Rechtsschutz nach dem AEUV Durch den Vertrag von Lissabon wurde der Individualrechtsschutz, der im EGV nach Art.  230 Abs.  4 noch zwingend eine eng verstandene individuelle Betroffenheit nichtprivilegierter Kläger vorausgesetzt hat, nunmehr erweitert.120 Nach Art. 263 Abs. 4 AEUV kann nun jede natürliche oder juristische Person unter den Bedingungen der Art. 263 Abs. 1 und 2 AEUV gegen an sie gerichtete oder sie unmittelbar und individuell betreffende Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage erheben.121 Mit der Streichung des Erfordernisses einer individuellen Betroffenheit beim Rechtsschutz gegen EG-Verordnungen wird die bisherige Plaumann-Rechtsprechung des EuGH,122 die private Klagen zumeist an einer sehr engen Auslegung des Begriffs der individuellen Betroffenheit scheitern ließ, überwunden.123 Hierdurch wird der Rechtsschutz des Einzelnen gegen EG-Rechtsakte mit unmittelbarer Wirkung124 erheblich vereinfacht und verbessert. Auf die ausreichende Gewährleistung nationalen Rechtsschutzes zur Erfüllung des Gebots effektiven Rechtsschutzes  – so wie er in Deutschland nach wie vor gewährt ist – kommt es nunmehr in den meisten Fällen nicht mehr an. Trotzdem stellt sich der Rechtsschutz gegen Verordnungen auch bei unmittelbarer Betroffenheit insofern kompliziert dar, als der betroffene Bürger in erster Linie seinem Rechtsschutzbegehren nicht vor dem ihm nächsten nationalen Gericht nachsuchen kann, sondern über Art.  263 AEUV vor dem EuGH Klage er­ heben muss.

120 Vgl. zusammenfassend zu der Erweiterung des Rechtsschutzes durch den Vertrag von Lissabon Everling, EuR 2009, Beiheft 1, S. 71 ff., Thiele, EuR 2010, S. 37 ff., Frenz/Distelrath, NVwZ 2010, S. 162 ff. 121 Vgl. hierzu Schwarze, EuR 2009, Beiheft 1, S. 15; kritisch zu den Neuerungen im Rechtsschutz nach dem Vertrag von Lissabon Wegener, EuR 2008, Beiheft 3, S. 52 f. 122 EuGH, RS.  25/62, „Plaumann/Kommission“, Slg.  1963, I-00211, S.  238; Kottmann, ­ZaöRV 2010, S. 547 ff. 123 Vgl. hierzu m. w. N. Pache, Rechtsschutzdefizite im europäischen Grundrechtsschutz?, in: Bruha/Nowak/Petzold (Hrsg.), Grundrechtsschutz für Unternehmen im europäischen Binnenmarkt, 2004, S. 193 ff. 124 Streinz/Ohler/Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl. 2010, § 13 gehen davon aus, dass im Ergebnis damit eine Art Normenkontrollklage für untergesetz­ liche Rechtsnormen ähnlich § 47 VwGO eingeführt wurde.

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d) Zusammenfassung Es gibt Rechtsschutzmöglichkeiten des Einzelnen gegen Verordnungen, welche mittlerweile nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon nicht mehr nur in Ausnahmefällen auf europäischer Ebene vorhanden sind. Für den deutschen Bürger war jedenfalls auch vor Geltung des AEUV durch den Rechtschutz auf europäischer in Verbindung mit dem Rechtsschutz auf nationaler Ebene Rechtsschutz gegen Verordnungen effektiv gewährleistet. Diese Möglichkeiten, Rechtsschutz zu erlangen, waren und sind jedoch aufwändig und für einen Laien durchaus kom­ pliziert, wodurch sich Nachteile bezüglich der Verordnung gegenüber der Richt­ linie erkennen lassen, sich jedoch keine Rechtsschutzlücken für den Einzelnen aufgetan haben. Aufgrund dieser Rechtsschutzproblematik waren und sind die Art der Gesetz­ gebung des Unionsgesetzgebers für die Rechtsschutzmöglichkeit und den Aufwand, der mit dieser Art des Rechtsschutzes betrieben werden muss, für den Einzelnen von entscheidender Bedeutung. Gerade aus den Gründen des effektiven Rechtsschutzes darf die Tendenz, die Art der Rechtsetzung von der Richtlinie auf die Verordnung zu verschieben, nicht völlig unbeachtet bleiben, sondern muss kritisch hinterfragt und auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden.

III. Die Rechtsform der Richtlinie 1. Allgemeines Gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV (ex-Art. 249 Abs. 3 EGV) ist eine Richtlinie125 für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl und die Form der Mittel. Im Gegensatz zu Verordnungen dienen Richtlinien damit nicht der Rechtsvereinheitlichung, sondern der Rechtsangleichung126, da sie es den Mitgliedstaaten bzw. deren Gesetzgebern überlassen, nach ihrer Wahl für die an­ gemessene Umsetzung zu sorgen.127

125 Siehe zu dieser Rechtsetzungsform des Europäischen Gesetzgebers, Fuß, DVBl. 1965, S. 378 ff.; Götz, NJW 1992, S. 1847 ff.; Hilf, EuR 1993, S. 1 ff.; Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 288 AEUV, Rn. 23 ff.; zur Rechtsform der Richtlinie und deren Besonderheiten nach dem AEUV vgl. Husmann, NZS 2010, S. 655 ff. 126 Allgemein zur Rechtsangleichung vgl. nur von Danwitz, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Band 1, Stand März 2009, B II, Rn. 71 ff. 127 Nach Hilf, EuR 1993, S. 2 entspricht die Richtlinie damit den modernen Vorstellungen von Subsidiarität.

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2. Einordnung bezüglich des nationalen Rechts Richtlinien werden teilweise mit den im nationalen deutschen Recht bis zur Föderalismusreform 2006128 vorgekommenen Rahmengesetzen129 gemäß Art.  75 GG130 a. F. verglichen131, da sie ausfüllungsbedürftige Vorschriften sind und im Normalfall keine Detailregelungen enthalten und auch, wie die Rahmengesetze gegenüber den Bundesländern, gegenüber den Mitgliedstaaten als „Instrumente der Rechtsharmonisierung bzw. der Rechtsangleichung“ dienen. Sie enthalten Zielvorgaben, die innerhalb der Mitgliedstaaten von deren Gesetzgeber umzusetzen sind. 3. Adressaten Allein die Mitgliedstaaten132 können Adressaten133 von Richtlinien sein. Hierbei wird der Begriff des Mitgliedstaats funktional verstanden, was bedeutet, dass hiervon alle Einrichtungen erfasst sein sollen, die dem Staat oder seiner Aufsicht unterstehen bzw. Einrichtungen, die mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über diejenigen hinausgehen, die sich aus den für die Beziehung zwischen Privat­ 128 Die bisherige Rahmengesetzgebung wurde nicht zuletzt als Hindernis für die Europatauglichkeit der föderalen Union bzw. als ineffektives Mittel bei der Umsetzung europäischen Rechts gesehen, siehe hierzu die Gesetzesbegründung BT-Dr. 16/813, S. 13; siehe hierzu auch Degenhart, NVwZ 2006, S. 1209. 129 Biervert meint auch, dass die Richtlinie Ähnlichkeiten zur nationalen Rahmengesetz­ gebung hat, da für diese kennzeichnend ist, dass die „erlassenen Vorschriften ausfüllungsbedürftig sind und auf einer unteren Ebene konkretisiert werden müssen“, nachzulesen m. w. N. Der Missbrauch von Handlungsformen im Gemeinschaftsrecht, 1999, S. 76; Fuß ist der Meinung, dass die Richtlinie ein spezielles Instrument zur Erreichung der Vertragsziele darstellt und sich insofern grundlegend von der zum Vergleich herangezogenen Institution der Rahmengesetzgebung unterscheidet, DVBl. 1965, S. 380. 130 Art.  75 a. F. GG bzw. die Rahmengesetzgebung wurde mittlerweile durch die Föderalismusreform 2006 aufgehoben, um eine Entflechtung und klarere Zuordnung der Gesetz­ gebungszuständigkeiten zu erreichen; zur Neuordnung der Gesetzgebungskompetenzen durch die Föderalismusreform siehe Degenhart, NVwZ 2006, S. 1209 ff.; nach dem Verfassungsvertrag, siehe hierzu Art. I-33 VV, sollte die Bezeichnung „Richtlinie“ in „Europäisches Rahmengesetz“ geändert werden, was aber im Vertrag von Lissabon nicht übernommen wurde; näheres zum Europäischen Rahmengesetz siehe bei Vedder, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäischer Verfassungsvertrag, 2007, Art. I-33 VV, Rn. 9 ff.; zu den Handlungsformen nach dem Vertrag von Lissabon siehe auch Rösch, VR 2008, S. 361 ff. 131 Nach Vedder, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäischer Verfassungsvertrag, 2007, Art. I-33 VV, Rn. 9, schließt sich die Bezeichnung „Europäisches Rahmengesetz“ begrifflich und modellhaft an das deutsche Rahmengesetz an. 132 Allein die Datenschutzrichtlinie nach Art.  286 Abs.  1 EGV gilt, nachdem auch sie zunächst ausschließlich für die Mitgliedstaaten galt, durch eine primärrechtlich angeordnete Verweisung dann auch für die Gemeinschaftsorgane, siehe hierzu Kingreen, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 286 EGV, Rn. 2 ff. 133 Zu den Adressaten einer Richtlinie siehe auch Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 5. Aufl. 2009, § 9, Rn. 82 ff.; Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl., 2012, Art. 288 AEUV, Rn. 72.

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personen herrschenden Normen ergeben.134 Nach dem sich aus Art.  288 Abs.  3 AEUV iVm. Art. 4 Abs. 3 EUV (ex-Art. 249 Abs. 3 iVm. ex-Art. 10 EGV) ergebenden Prinzip des „effet utile“ sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Richt­ linienbestimmungen in effektiver Weise, das heißt so, dass die Geltung des Richtlinieninhalts für den Einzelnen und nationale Organe gesichert sein muss, in nationales Recht umzusetzen.135 4. Verbindlichkeit Verbindlichkeit der Richtlinie bedeutet, dass die Mitgliedstaaten diese vollständig und genau, das heißt zur Erreichung des von ihr gesetzten Ziels geeignet und fristgerecht durchzuführen haben, da die Beibehaltung unterschiedlicher Regelungen zu Diskriminierungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten führen kann und dies verhindert werden soll. Im Punkt der Verbindlichkeit ist ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zur Verordnung gegeben, da diese nicht nur in allen ihren Teilen verbindlich ist, sondern auch „unmittelbar“ in jedem Mitgliedstaat gilt. Verbindlichkeit hinsichtlich eines bestimmten Ziels bedeutet, dass die Richtlinie bezüglich der von ihr vorgesehenen Ergebnisse verbindlich ist. Dies heißt vor allem auch, dass die Mitgliedstaaten eine Verpflichtung zur Umsetzung bzw. zur Durchführung der Richtlinie haben. Somit obliegt es den Mitgliedstaaten, den von der Richtlinie erwünschten Rechtszustand herbeizuführen.136 Das Handlungsinstrument der Richtlinie ist Ausdruck des unionsrechtlichen Subsidiaritätsprinzips.137 Genügt eine mitgliedstaatliche Regelung bereits den Anforderungen des Unionsrechts, die in der Richtlinie zum Ausdruck kommen, so ist eine Anpassung an das Unionsrecht nicht mehr erforderlich, außer die Richtlinie fordert explizit „einen Hinweis auf die unionsrechtliche Determinierung der Rechtslage“138.

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Siehe hierzu EuGH, RS. C-188/89, „Foster“, Slg. 1990, I-3313, Rn. 9. So auch Sensburg, JA 2007, S. 613. 136 Siehe hierzu Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV, Rn.  77; Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4.  Aufl. 2011, Art.  288 AEUV, Rn. 23. 137 So auch Nicolaysen, Europarecht I, Die Europäische Integrationsverfassung, 2. Aufl. 2005, S. 331; Pieper, DVBl. 1993, S. 708. 138 Vgl. hierzu mit weiteren Hinweisen Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 249 EGV, Rn. 92. 135

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5. Umsetzung Die Richtlinie kann als ein „spezifisches indirektes Rechtsetzungsinstrument“139 bezeichnet werden, da die Rechtsetzung mittels einer Richtlinie in einem zweistufigen Rechtsetzungsverfahren140 geschieht. Sie zeichnet sich durch eine gestufte Verbindlichkeit aus und hat nur „mittelbare Wirkung“. Die Richtlinie wird zunächst vom jeweils zuständigen Unionsorgan gegenüber dem Mitgliedstaat141 erlassen und ist nur für diesen verbindlich, jedoch nur hinsichtlich ihres Ziels, nicht aber im Bezug auf die Umsetzungsform durch den jeweiligen Mitgliedstaat. Damit die Richtlinie gegenüber einem einzelnen Bürger wirksam werden kann, bedarf es der dem Mitgliedstaat überlassenen Um­ setzung.142 Hierbei sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, innerhalb der ihnen nach Art. 288 AEUV (ex-Art. 249 EGV) überlassenen Entscheidungsfreiheit die Form und die Mittel zu wählen, die sich zur Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit, also des „effet utile“ der Richtlinien unter Berücksichtigung des mit ihnen verfolgten Zwecks bzw. Ziels143 am besten eignen. Die Umsetzung erfolgt durch innerstaatliche Stellen, also alle Organe, die die Befähigung haben, Richtlinien umzusetzen. Diese innerstaatlichen Stellen haben hierbei die Verpflichtung, solche geeignete Umsetzungsmaßnahmen144 zu treffen, mit denen das Ziel der Richtlinie erreicht werden kann. Insofern hat das Richtlinienziel „determinierende Funktion für die Form und Qualität der nationalen Umsetzungsmaßnahmen“145. Die Umsetzung der Richtlinie146 erfolgt in nationales Recht, wobei die durchzuführenden Vorschriften rangmäßig denen entsprechen müssen, die die betreffende 139

Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV, Rn. 77. Siehe hierzu auch Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 249 EGV, Rn. 43; Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 249 EGV, Rn. 22. 141 Zur Bedeutung der EG-Richtlinie für das deutsche Recht siehe Haslach, Die Umsetzung von EG-Richtlinien durch die Länder, 2001, S. 39 ff. 142 Zur Umsetzung von Richtlinien siehe auch Jarass/Beljin, NVwZ 2004, S. 6 ff. 143 Zur Abgrenzung von „Ziel“ einerseits und „Form“ und „Mittel“ andererseits Oldekop, JöR 1972, S. 83 ff. 144 Zur Frage, ob die nationalen Vorschriften strenger als die in der Richtlinie vorgegebenen sein dürfen vgl. EuGH, RS. C-491/06, „Danske Svineproducenter/Justitsministeriet u. a.“, Slg. 2008, I-0000, LS 1 f.; zur Feststellung, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass „eine bereits bestehende nationalrechtliche Regelung die Umsetzung einer Richtlinie in das nationale Recht gewährleistet, wenn die Richtlinie die Mitgliedstaaten ausdrücklich verpflichtet, Vorschriften zu erlassen, in denen auf sie Bezug genommen wird oder bei deren amtlicher Veröffentlichung ein Hinweis erfolgt, der auf sie Bezug nimmt“, vgl. EuGH, RS. C-137/96, „Kom­ mission/Bundesrepublik Deutschland“, Slg. 1997, I-6749, LS 1. 145 So Wölk, Die Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft, 2002, S. 78. 146 Zur Umsetzung von Richtlinien insbesondere durch die Länder und die damit verbundenen Herausforderungen siehe Haslach, Die Umsetzung von EG-Richtlinien durch die Länder, 2001, S. 1 ff.; zur nicht ordnungsgem.en Umsetzung von Richtlinien und den damit verbundenen Problemen von der unmittelbaren Wirkung bis zum Schadensersatzanspruch siehe Claßen, Nichtumsetzung von Richtlinien, 1999, S. 1 ff. 140

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Materie bis dahin geregelt haben. Die Rechtswirkungen für den Bürger treten also erst mit der Umsetzung in nationales, geltendes Recht ein. Jedoch können sich für den Bürger auch bereits vor Ablauf der Umsetzung aus der den mitgliedstaatlichen Organen obliegenden Verpflichtung, bei Kenntnis einer umzusetzenden Richtlinie das betroffene nationale Recht richtlinienkonform147 auszulegen, Wirkungen für den Einzelnen ergeben. 6. Unmittelbare Wirkung Eine Richtlinie kann in bestimmten Ausnahmefällen unmittelbar wirken.148 Dies ist dann der Fall, wenn (1) die Richtlinie nicht fristgemäß oder inhaltlich nicht ordnungsgemäß umgesetzt149 wurde. Außerdem muss die nicht rechtmäßig umgesetzte Richtlinie (2) inhaltlich unbedingt und (3) hinreichend bestimmt sein.150 Dies bedeutet, dass für die Mitgliedstaaten keinerlei Umsetzungsspielraum mehr vorhanden sein darf.151 In einem solchen Fall kann eine Richtlinie auch unmittelbare Wirkung152 für einen einzelnen Betroffenen entfalten. Dies gilt jedoch nur, 147 Zur richtlinienkonformen Auslegung siehe auch Wölk, Die Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft, 2002, S. 67 ff.; vgl. hierzu auch Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 103 ff.; vgl. hierzu auch Ehricke, EuZW 1999, S. 553 ff. 148 EuGH, RS. 148/78, „Ratti“, Slg. 1979, I-1629, Rn. 18 ff.; EuGH, RS. 41/74, „van Duyn“, Slg. 1974, I-1337, Rn. 12; EuGH, Rs 9/70, „Leberpfennig“, Slg. 1970, I-00825, S. 837 ff., zu diesem Urteil siehe insbesondere Seidel, NJW 1985, S. 517 f.; BVerfGE 75, S. 223/235 ff.; zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien siehe auch von Danwitz, JZ 2007, S. 699 f.; zur Direktoder Drittwirkung von Richtlinien des Gemeinschaftsrechts Seidel, NJW 1985, S. 517 ff.; speziell zur unmittelbaren Wirkung der EG-Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung und ihrer Umsetzung im deutschen Immissionsschutzrecht, Calliess, NVwZ 1996, S. 339 ff.; zur unmittelbaren Anwendbarkeit und objektiven Wirkung von Richtlinien anhand EuGH, RS. 431/92, „Großkotzenburg“; vgl. Epiney, DVBl. 1996, S. 409 ff.; Heim, Unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im deutschen und französischen Recht am Beispiel des Umweltrechts, 1999, S. 25 ff.; Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 126 ff.; zur Missverständlichkeit des Ausdrucks „unmittelbare Wirkung“ vgl. nur Oldekop, JöR 1972, S. 101; zum Beispiel der unmittelbaren Wirkung der EG-Richt­ linie über die Umweltverträglichkeitsprüfung vgl. Calliess, NVwZ 1996, S. 339 ff. 149 von Danwitz spricht sich, trotz der unbestreitbaren Anfälligkeiten der Richtlinie und der „objektiven Überforderung“ der „innerstaatlichen Verwaltungskapazitäten und Gesetzgebungsverfahren mit den Erfordernissen fristgerechter, vollständiger und inhaltlich zutreffender Umsetzung“ für den guten Sinn der indirekten Rechtsetzung durch Richtlinien aus, JZ 2007, S. 698. 150 Diese Dogmatik der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien ist jedoch nur auf materielle Richtlinienbestimmungen und nicht auf verfahrensrechtliche anwendbar. Zu dieser Abgrenzung vgl. Sydow, JZ 2009, S. 373 ff. Siehe hierzu auch unten unter Teil 2 A. II. 7. 151 Siehe hierzu Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 249 EGV, Rn. 29. 152 Zu den Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung des EG-Rechts Jarass, NJW 1990, S.  2420 ff.; zu den Folgen innerstaatlicher Wirkung von EG-Richtlinien Jarass, NJW  1991, S. 2665 ff.; zu den Instrumenten des EuGH zur Durchsetzung der Direktwirkung im nationalen Recht siehe Heim, Unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im deutschen und franzö­

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wenn die Richtlinie diesem Einzelnen Rechte gegenüber dem Staat verleiht, mithin so genannte vertikale Wirkung entfaltet, und diese Rechte nicht zulasten eines Dritten wahrgenommen werden müssen. Der Einzelne soll seine Rechte allerdings nicht erst geltend machen müssen, vielmehr sollen die Behörden und Gerichte des die Richtlinie nicht rechtmäßig umsetzenden Mitgliedstaates die Regelungen der Richtlinie als vorrangiges Unionsrecht von selbst anwenden und beachten.153 Diese Wirkung soll jedoch nicht im Fall einer umgekehrt-vertikalen Konstellation, also von Behörden gegenüber Privatpersonen, eintreten, da der Staat den Nichteintritt der Rechtswirkung der Richtlinie durch sein eigenes Verhalten der Nichtumsetzung zu verschulden hat. Die unmittelbare Wirkung einer Richtlinie tritt außerdem nicht horizontal, also zwischen Bürgern ein154. Mit einer solchen Wirkung würde die Grenze zur Verordnung verschwimmen155, wobei faktische negative Auswirkungen, also keine Rechtswirkungen, auch auf horizontaler Ebene möglich sind. 7. Arten von Richtlinieninhalten Richtlinien lassen sich hinsichtlich ihres Regelungsinhalts unterteilen. Zum einen gibt es Richtlinien mit klassischen Regelungsinhalten, nämlich materiellen Richtlinienbestimmungen, die konkrete Rechte und Pflichten des Einzelnen beinhalten. Daneben gibt es jedoch auch verfahrensrechtliche Richtlinienbestimmungen, die insbesondere Kooperations- und Verfahrensregelungen für den europäischen Verwaltungsverbund normieren.156 Die Unterscheidung dieser beiden Arten von Richtlinienbestimmungen ist insbesondere bei einer Abgrenzung der Wirkungsweise von Richtlinien gegenüber Verordnungen und bei der Überlegung, welches Instrument im konkreten Einzelfall hinsichtlich der Erforderlichkeit der Maßnahme heranzuziehen ist, von großer Bedeutung.

sischen Recht am Beispiel des Umweltrechts, 1999, S. 45 ff. Hiernach hat der EuGH vor allem die Möglichkeit, das nationale Recht so auszulegen, dass der unmittelbaren Wirkung mehr Raum verschafft wird und so das Gemeinschaftsrecht auf dem Umweg über die nationalen Gerichte durchgesetzt werden kann. 153 Siehe hierzu auch Streinz, Europarecht, 8. Aufl. 2008, Rn.  446 f.; nach Baldus/Becker, EuR 1999, S. 391, arbeiten die jeweiligen Interessengruppen teilweise sogar selbst auf Verzögerungen und Abschwächungen der Umsetzung hin, damit die vom Gemeinschaftsgesetzgeber durchaus gesehenen Belastungen vermieden werden. Wieland, NJW 2009, S. 1842 bezeichnet die Möglichkeit der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien als „Meilenstein auf dem Weg zu einer Stärkung des Gemeinschaftsrechts auf Kosten der Einschränkung der Befugnisse der Mitgliedstaaten“. 154 Siehe hierzu EuGH, RS. 152/84, „Marshall/Health Authority“, Slg. 1986, I-0723, Rn. 47 f. 155 So Ruffert, in: Calliess/Ruffert(Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 249 EGV, Rn. 87. 156 Zu dieser Unterscheidung vgl. insbesondere Sydow, JZ 2009, S. 373 ff.

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a) Materielle Richtlinienbestimmungen Der herkömmlichen Richtliniendogmatik entsprechend sind materielle Richt­ linienbestimmungen solche, die im Grundsatz Rechte und Pflichten des Einzelnen normieren und den Mitgliedstaaten noch einen hinreichenden Umsetzungsspielraum belassen. Auf diese Art der Richtlinienbestimmungen ist auch die Dogmatik der „unmittelbaren Wirkung von Richtlinien“, wie eben beschrieben, anwendbar. Enthält eine Richtlinie dieser klassischen Vorstellung von einer Richtlinie entsprechend materielle Richtlinienbestimmungen, so ist sie das typische Instrument der Rechtsangleichung. b) Verwaltungsverfahrensrechtliche Richtlinienbestimmungen Verwaltungsverfahrensrechtliche Richtlinienbestimmungen enthalten – im Gegensatz zu materiellen – überwiegend verdichtete Vorgaben zur Normierung von Verfahrensregelungen des europäischen Verwaltungsverbundes. In dieser Art von Richtlinien sind schon qua natura Detailregelungen enthalten. Für diese Detail­ regelungen gibt es meist keinen Umsetzungsspielraum und keinen Umsetzungsbedarf mehr. Solche verwaltungsverfahrensrechtliche Bestimmungen ergehen deshalb in Form einer Richtlinie, da sie sich so besser in die bereits bestehenden Regelungsgefüge der Mitgliedstaaten einpassen können und dienen mithin in diesem Fall nicht vorwiegend der „Kompetenzschonung“, sondern vielmehr der „Strukturschonung“.157 Solche Richtlinien besitzen keinen rahmenartigen Charakter, sondern formulieren präzise Verfahrensvorgaben.158 Für diese Richtlinien­ bestimmungen kann die Dogmatik der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien jedoch nicht daraus resultieren, dass ein materiell Begünstigter dem säumigen Mitgliedstaat das Verbot des „venire contra factum proprium“ entgegenhalten könnte, da es insofern keinen materiell Begünstigten gibt. Vielmehr muss bei dieser Art von Richtlinienbestimmungen für die unmittelbare Wirkung der EffetUtile-Grundsatz159 herangezogen werden. Hiernach darf die tatsächliche Wirksamkeit von durch die in Frage stehende Richtlinie einheitlichen Verfahrensregelungen 157 Sydow, JZ 2009, S. 374. Dieser geht davon aus, dass jede Verordnung, die verwaltungsverfahrensrechtliche Einzelbestimmungen für die Mitgliedstaaten enthält, ein Fremdkörper im bereits vorhandenen mitgliedstaatlichen Verwaltungssystem bleiben muss, ebd., S. 377. Dagegen ging man zu Beginn der Bestrebungen der Rechtsangleichung davon aus, dass alle gemein­ samen rechtsangleichenden Regeln, die in Vorschriften, die Teil eines geschlossenen Rechtssystems sind, aus welchem sie nicht ohne weiteres gelöst werden können, eingreifen, wie Fremdkörper wirken müssen, Everling, Möglichkeiten und Grenzen der Rechtsangleichung in der Europäischen Gemeinschaft, in: Reichert-Facilides/Rittner/Sasse (Hrsg.), Festschrift Reimer Schmidt, 1976, S. 169. 158 Zu solchen Richtlinien am Beispiel der Richtlinie 91/414/EWG vgl. Sydow, Verwaltungskooperation in der Europäischen Union, 2004, S. 203 ff. 159 Zum Effet-Utile-Grundsatz vgl. Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 288 AEUV, Rn. 26.

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Teil 1: Grundlagen

nicht durch die einzelnen Mitgliedstaaten, die umsetzungsunfähig oder unwillig sind, gefährdet werden.160 8. Unmittelbare Wirkungsweise von Richtlinien mit materiellen Richtlinieninhalten Aufgrund des Spezifikums eines indirekten Rechtsetzungsinstruments bzw. der originären Zweistufigkeit der Richtlinie als Rechtsetzungsinstrument ist die Richtlinie mit materiellen Richtlinieninhalten im Grundsatz nicht als Instrument der Rechtsvereinheitlichung brauchbar. Die Verwendung von Richtlinien als Regelungsinstrument in bestimmten Sachbereichen führt eher zu parallelen Rechtsordnungen in den Mitgliedstaaten, wobei nur dort Angleichung mittels Richt­linien stattfinden soll, wo auch ein Bedürfnis für diese Angleichung zu finden ist.161 Idealis­tisch kann man von einer Rechtsangleichung sprechen, die allen Mitgliedstaaten noch so großen eigenen Handlungsspielraum wie möglich überlässt, realistisch betrachtet kann man jedoch davon ausgehen, dass durch die Richtliniengesetzgebung oftmals nur ein „kleinster gemeinsamer Nenner“162 aller momentan 27 Mitgliedstaaten gefunden wurde.163 Die Handlungsform „Richtlinie“ ist aufgrund der Abhängigkeit vom erfolgreichen Zusammenspiel des europäischen Rechtsetzungsaktes und der erforderlichen Umsetzung in den nationalen Gesetzgebungsakt auf ein Gleichgewicht dieser beiden Ebenen angewiesen. Rund um dieses fragile Gleichgewicht können sich jedoch verschiedene diffizile Herausforderungen für die Union, die Mitgliedstaaten und den Einzelnen stellen. a) Für die Union Der europäische Gesetzgeber, der die Richtlinie erlassen hat, dürfte grds. aufgrund der den Mitgliedstaaten obliegenden Umsetzungspflicht durch Art.  288 Abs. 3 AEUV iVm. Art. 4 Abs. 3 EUV (ex-Art. 249 Abs. 3 iVm. Art. 10 EGV) davon ausgehen, dass diese die umsetzungsbedürftigen Regelungen der Richtlinie fristgemäß und rechtmäßig in ihr nationales Recht umsetzen. Somit ist dieser be 160

Sydow, JZ 2009, S. 379. Trüe, Das System der Rechtsetzungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union, 2002, S. 107. 162 Götz sieht diese Entwicklung in der hochgradigen Technizität, kleinteiligen Segmentie­ rung, umständlichen Weitläufigkeit und schweren Verständlichkeit vieler Richtlinien, NJW 1992, S. 1850. 163 Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Auf. 2007, Art. 249 EGV, Rn. 47 geht davon aus, dass dieser rahmenartige Charakter oft nur poli­ tischer Natur ist. 161

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züglich des durch die Richtlinie geregelten Sachgebiets davon befreit, selbst vollzugsfähige Regelungswerke zu schaffen.164 Insbesondere bei der Angleichung von Verfahrensvorschriften kann der Gebrauch von Richtlinien mit verfahrensrechtlichem Gehalt, auch wenn diese detailliert ausgestaltet sind, dazu führen, dass sich diese Verfahrensvorgaben besser in mitgliedstaatlich bereits vorhandene Regelungsstrukturen einfügen und mithin den Unionsgesetzgeber entlasten.165 Aufgrund der unterschiedlichen in den Mitgliedstaaten vorhandenen Rechtsordnungen und der Vielzahl an abzuändernden Vorschriften wäre es dem Unionsgesetzgeber möglicherweise unmöglich, diese Abänderung durch eine Verordnung zu bewirken166, außer wenn eine komplette Vereinheitlichung angestrebt wird. Durch die mit der Handlungsform der Richtlinie gewählte Rechtsetzung ist es den Unionsorganen möglich, im Grunde durch verbindliche Ziele paralleles ähnliches europäisches Recht zu schaffen und dabei den mitgliedstaatlichen Eigenheiten und nationalen Besonderheiten bei der Rechtsetzung Rechnung zu tragen. Dies kann sich insbesondere aus den Abweichungen der Rechtsordnungen der verschiedenen Mitgliedstaaten ergeben, da manche Mitgliedstaaten dem Rechtskreis des Common Law, andere dem System des Civil Law angehören. Manche Mitgliedstaaten sind föderalistisch167, andere zentralistisch aufgebaut. Aufgrund dieser unterschiedlichen Wurzeln der Rechtskreise der Mitgliedstaaten kann sich eine Rechtsangleichung durchaus mühsam gestalten.168 Die Umsetzung durch die Mitgliedstaaten gestaltet sich jedoch vielfach pro­ blematisch, so dauert die Umsetzung einzelner Richtlinien durch die Mitgliedstaaten in Einzelfällen bis zu zehn Jahren.169 Oft werden die Richtlinien auch nicht rechtzeitig oder nicht ausreichend umgesetzt.170 Dies geschieht möglicherweise nicht aus mangelndem Integrationswillen, sondern aufgrund entgegenstehender innenpolitscher Faktoren171, die eventuell keinen Bezug zum Unionsrecht haben. Dann muss von Seiten des Unionsgesetzgebers verstärkt kontrolliert werden, even 164 So auch Götz, NJW 1992, S. 1850, der davon ausgeht, dass der europäische Richtliniengeber erwarten darf, dass die Richtlinie in vollzugsfähiger Form in die nationale Rechtsetzung eingearbeitet wird. 165 Siehe hierzu Sydow, JZ 2009, S. 377. 166 So auch von Danwitz, JZ 2007, S. 698. 167 Zur Zuständigkeitsverteilung im Bundesstaat für die Umsetzung von EG-Richtlinien vgl. Haslach, Die Umsetzung von EG-Richtlinien durch die Länder, 2001, S. 45 ff. 168 Siehe zu dieser Problematik Everling, Rechtsangleichung zur Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes, in: Baur/Steindorff (Hrsg.), Festschrift Ernst Steindorff, 1990, S. 1164. 169 Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 4. Aufl. 2009, § 10, Rn. 95 ff. 170 Zur fehlerhaften und verspäteten Umsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien im Umweltbereich vgl. Pache, Normstrukturen im europäischen und deutschen Umweltrecht, in: Koch/ Schürmann (Hrsg.), Das EG-Umweltrecht und seine Umsetzung in Deutschland und Polen, 2005, S. 159 ff. 171 So auch Everling, Möglichkeiten und Grenzen der Rechtsangleichung in der Euro­päischen Gemeinschaft, in: Reichert-Facilides/Rittner/Sasse (Hrsg.), Festschrift Reimer Schmidt, 1976, S. 176.

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tuell sogar ein Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 258 f. AEUV (ex-Art. 226 EGV)172 angestrebt werden. Die Kommission muss für die Anwendung des Vertrags sowie der von den Organen aufgrund des Vertrags getroffenen Bestimmungen Sorge tragen.173 Grundsätzlich kann sie gemäß Art. 377 AEUV (ex-Art. 284 EGV) zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben die erforderlichen Auskünfte einholen und die erforderlichen Nachprüfungen vornehmen.174 In zahlreichen Richtlinien175 zur Rechts­angleichung ist sogar die Pflicht der Mitgliedstaaten verankert, die Kommission über den Sachstand der Umsetzung der jeweiligen Richtlinie zu informieren.176 Dies erleichtert der Kommission insofern die Überwachungsarbeit, als sie schon bei einer NichtMitteilung von einer Nicht-Umsetzung ausgehen kann.177 Auch bei einer an sich „ordnungsgemäßen“ Umsetzung kann es passieren, dass die Mitgliedstaaten die Ziele der Richtlinie bei ihrer Umsetzung so unterschiedlich interpretieren, dass eine effektive Umsetzung des Unionsrechts dadurch gefährdet sein kann.178 Somit ist der Erfolg der Rechtsetzung mittels einer Richtlinie von deren rechtmäßiger und fristgemäßer Umsetzung in jedem einzelnen Mitgliedstaat abhängig. Da der Umsetzungsspielraum durch die Mitgliedstaaten durchaus ausgedehnt bzw. überbelastet werden kann, bestehen viele Ungewissheiten für den Unionsgesetz­ geber bei der Nutzung dieser Rechtsaktform und somit richtlinienspezifische Nachteile gegenüber der Rechtsform „Verordnung“.

172 Zum stetigen Anstieg von Vertragsverletzungsverfahren vgl. nur Schmitt von Sydow, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), EU-/EG-Vertrag Kommentar, 6. Aufl. 2004, Band 4, Art. 211 EGV, Rn. 23. 173 Allgemein zu Kontrolle und Durchsetzung von Sekundärrecht siehe Magiera, JURA 1989, S. 605. 174 Siehe hierzu auch Schwarze, Grenzen für die Ermittlungstätigkeit der Kommission als Wettbewerbsbehörde der EG, in: Schwarze (Hrsg.), Der Gemeinsame Markt, Bestand und Zukunft in wirtschaftsrechtlicher Perspektive, 1987, S. 159 ff. 175 Besondere Informationspflichten finden sich etwa in der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften, ABl. 1998, Nr. L 204, S. 37. 176 Näheres zu finden bei Schmitt von Sydow, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), EU-/ EG-Vertrag Kommentar, 6. Aufl. 2004, Band 4, Art. 211 EGV, Rn. 16. 177 Zur Durchsetzungsmöglichkeit der unmittelbaren Wirkung durch den EuGH vgl. Heim, Unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im deutschen und französischen Recht am Beispiel des Umweltrechts, 1999, S. 45 ff. 178 Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen im Gemeinschaftsrecht, 1999, S.  135; Siehe hierzu auch Everling, Rechtsangleichung zur Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes, in: Baur/Steindorff (Hrsg.), Festschrift Ernst Steindorff, 1990, S. 1166.

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b) Für die Mitgliedstaaten Die Rechtsetzung durch die Handlungsform einer Richtlinie erbringt gegenüber der Rechtsetzung mittels einer Verordnung eine „Schonung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen“179. Die Richtlinienrechtsetzung enthält für den umsetzungspflichtigen Mitgliedstaat180 jedoch auch vielerlei Aufgaben und mithin können sich bei der Erfüllung der Aufgaben zahlreiche Probleme ergeben.181 Der nationale Gesetzgeber muss die umsetzungsbedürftigen Regelungen der Richt­ linie nach dem Prinzip des „effet utile“ gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV iVm. Art. 4 Abs. 3 EUV in seine bereits vorhandene Kodifikation des Sachbereiches einarbeiten und diese gegebenenfalls anpassen.182 Hierbei gilt es für den nationalen Gesetzgeber, die Distanz zu überwinden, die sich aus der europäischen Rechtsetzungsebene und der nationalen Rechtsanwendungsebene ergibt.183 Auf eventuell vorhandene innerstaatliche Umstände, beispielsweise fehlende Mehrheiten im Parlament, das unmittelbar bevorstehende Ende einer Legislaturperiode und damit verbundene Neuwahlen oder auch einfach die objektive Überforderung innerstaatlicher Verwaltungsstellen, darf sich der Gesetzgeber des umsetzungspflichtigen Mitgliedstaates hierbei nicht berufen.184 Bei der Wahl der Form und Mittel, „der innerstaatlichen Transformation“, muss gewährleistet sein, dass dem Richtlinieninhalt qualitativ Rechnung getragen wird.185 Als mögliche Mittel der Umsetzung kommen formelle Gesetze, Rechtsverordnungen, aber auch Verwaltungsvorschriften186 oder bloße Verwaltungspraxis in Frage. Den Mitgliedstaat können gegenüber 179 Trüe, Das System der Rechtsetzungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union, 2002, S.  105. Hierbei geht es jedoch vorwiegend oft nicht mehr um eine Kompetenz  – sondern vielfach eher um eine Strukturschonung, vgl. hierzu Sydow, JZ 2009, S. 374. 180 Zum Verfahren der Umsetzung der EG-Richtlinien in der Bundesrepublik Deutschland, Winkel, ZG 1997, S. 115 ff. 181 Zu den verschiedenen Mitteln, die für eine Umsetzung eingesetzt werden können vgl. Wölk, Die Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft, 2002, S. 79; laut EuGH lässt die den Mitgliedstaaten in Art. 249 [ex-Art. 189] EGV belassene Freiheit bezüglich der Formen und Mittel bei der Durchführung von Richtlinien ihre Verpflichtung unberührt, die­ jenigen Formen und Mittel, die für die Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit der Richtlinien am besten geeignet sind, vgl. hierzu EuGH, RS. 48/75, „Jean Noeel Royer – Aufenthalts­ recht und öffentliche Ordnung“, Slg. 1976, I-0497, LS 6. 182 Everling, Rechtsangleichung zur Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes, in: Baur/Steindorff (Hrsg.), Festschrift Ernst Steindorff, 1990, S.  1166, meint, dass Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Richtlinien auch daher rühren, dass die nationalen Parlamente sich der Rolle als „Umsetzungsautomat“ ohne nennenswerten Entscheidungsspielraum wider­ setzen. 183 Siehe hierzu Götz, NJW 1992, S. 1850; zu den psychologischen Problemen der Rechts­ angleichung siehe von der Groeben, NJW 1970, S. 363. 184 Siehe hierzu Schwarze, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art.  249 EGV, Rn. 26. 185 Wölk, Die Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft, 2002, S. 79. 186 Zur Frage der Verwaltungsvorschriften als zureichender Umsetzungsaufwand vgl. Geller­ mann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 57 ff.

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der Kommission durch die Richtlinien gesonderte Auskunftspflichten bezüglich des Standes der Umsetzung treffen, die er einzuhalten hat.187 Bei einer nicht ausreichenden Umsetzung von Seiten des Mitgliedstaates besteht außerdem die Möglichkeit der unmittelbaren Wirkung der Richtlinie. Hierbei dürfen jedoch sowohl keine objektiven Verpflichtungen Privater als auch keine individualbelastenden Ansprüche bzw. belastende Eingriffe in die Rechtspositionen Privater von Seiten des Staates erfolgen.188 Konsequent darf es dann keine horizontale unmittelbare Wirkung von Richtlinien zwischen den Bürgern geben. Bei nicht ausreichender oder unzureichender Umsetzung kann dem Bürger jedoch ein Staatshaftungsanspruch zustehen.189 Als weitere Verpflichtung der zur Umsetzung verpflichteten Mitgliedstaaten ergibt sich teilweise bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist die der richtlinien­ konformen Auslegung.190 Diese Verpflichtung wird aus dem in Art.  288 Abs.  3 AEUV in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 EUV verankerten Grundsatz der Gemeinschaftstreue hergeleitet und soll immer dann bestehen, wenn die nationale Rechtsvorschrift in irgendeiner Weise auslegungsfähig ist.191 Die nationalen Gerichte und auch die Behörden müssen hiernach das auf einen Rechtsstreit angewandte nationale Recht stets auch unter Bezugnahme der noch umzusetzenden Richtlinie auslegen, wenn sich dadurch das Ziel der Richtlinie erreichen lässt. Das nationale Gericht hat bei der Auslegung unter den in seinem Rechtssystem üblichen Auslegungsmethoden derjenigen den Vorrang einräumen, die es in die Lage versetzt, der betreffenden nationalen Rechtsvorschrift eine Bedeutung zu geben, die mit der Richtlinie in Einklang steht.192 Ansonsten muss die entgegenstehende nationale Vorschrift unangewendet bleiben.193 Die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung birgt weitere Aufgaben für die Mitgliedstaaten und damit erneut auch Möglichkeiten, Verstöße zu be­ gehen.

187 Zu den spezifischen Informationspflichten der Mitgliedstaaten siehe Schmitt von Sydow, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), EU-/EG-Vertrag Kommentar, 6. Aufl. 2004, Band 4, Art. 211 EGV, Rn. 16. 188 Siehe hierzu Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Kommentar zur Euro­ päischen Union, Stand April 2009, Art. 249 EGV, Rn. 173 ff. 189 Zur Staatshaftung bei fehlerhafter Umsetzung umweltrechtlicher Richtlinie vgl. Geller­ mann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 203 ff. 190 Zur Vorwirkung von Richtlinien siehe auch Busse-Muskala, Normenkontrolle in der Europäischen Union, 2007, S. 208 ff. 191 Siehe hierzu EuGH, RS.  C-106/89, „Marleasing“, Schlussanträge Generalanwalt van Gerven, Slg. 1990, I-4135, Rn. 7. 192 EuGH, RS. C-106/89, „Marleasing“, Schlussanträge Generalanwalt van Gerven, Slg. 1990, I-4135, Rn. 7. 193 Siehe hierzu Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art.  288 AEUV, Rn. 26 ff.

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Insgesamt lässt sich also feststellen, dass die Rechtsform der Richtlinie für die Mitgliedstaaten nicht nur ein „mildes bzw. das mildeste Mittel“ der europäischen Gesetzgebungsformen bedeuten muss, sondern mit ihren vielen Anforderungen an die mitgliedstaatliche Umsetzung auch eine „Anfälligkeit für alle denkbaren Formen mitgliedstaatlicher Obstruktion und Nachlässigkeit“194 beinhaltet, wodurch die genannten Probleme und ihre Folgen entstehen können. c) Für den Einzelnen Für den einzelnen Bürger ist die Rechtsetzung mittels Richtlinie in den meisten Fällen nicht offensichtlich erkennbar, da Richtlinien in nationales Recht umgesetzt werden müssen und im Regelfall erst nach erfolgter Umsetzung Wirkung für den Bürger entfalten. Somit ist das durch Richtlinien gesetzte Recht für den Bürger nationales Recht, welches die innerstaatlichen Stellen bindet.195 Vor ihrer Umsetzung kann eine Richtlinie bereits durch die durch sie begründete Verpflichtung der richtlinienkonformen Auslegung nationalen Rechts Rechts­ wirkungen für den Einzelnen entfalten. Ist eine Richtlinie nicht rechtzeitig in nationales Recht umgesetzt worden, so kann sie unter den bereits beschriebenen Voraussetzungen für den Einzelnen unmittelbar wirken. Diese Wirkung ist jedoch nur auf vertikaler Ebene und einseitig vom Bürger gegenüber dem Staat gegeben. Eine horizontale Wirkung zwischen den Bürgern ist nicht zulässig. Der Einzelne kann also Rechte gegenüber dem Staat geltend machen, wird jedoch keinen Verpflichtungen ausgesetzt. Trotz der durch eine unmittelbare Wirkung einer Richtlinie dem Einzelnen gegenüber begründeten Rechtsunsicherheit kann die unmittelbare Wirkung also auch enorme Vorteile bergen, so dass wohl teilweise von bestimmten Gruppen im Rahmen von Lobbyarbeit auf eine Verschleppung der Umsetzung hingearbeitet wird.196 9. Unmittelbare Wirkungsweise von Richtlinien mit verfahrensrechtlichen Bestimmungen Die Wirkungsweise von materiellen Richtlinienbestimmungen ist von der von verfahrensrechtlichen Richtlinienbestimmungen abzugrenzen.197 194 So von Danwitz, JZ  2007, S.  698, der trotz dieser Probleme, die mit der Richtlinien­ umsetzung verbunden sind, dazu aufruft, dass der gute Sinn der Richtlinie, welcher sich mit Blick auf die spezifische Aufgabenstellung der Richtlinie als Instrument der Rechtsangleichung erschließt, nicht außer Acht gelassen werden soll. 195 Vgl. Oldekop, JöR 1972, S. 99. 196 Siehe hierzu Baldus/Becker, EuR 1999, S. 391. 197 Eine solche ausdrückliche Abgrenzung ist erstmals ausführlich zu finden bei Sydow, JZ 2009, S. 377 ff.

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a) Für die Union Grundsätzlich besteht auch bei verfahrensrechtlichen Richtlinien die Umsetzungsproblematik im Hinblick auf die Zweistufigkeit dieses Rechtsinstruments und die damit verbundene Beteiligung der Mitgliedstaaten. Insofern könnte angedacht werden, dass bei derart detaillierten Regelungen verfahrensrechtlicher Art die Rechtsform der Verordnung als das sinnvollere Mittel herangezogen werden sollte, da mit dieser Art von Richtlinien auch keine Kompetenzschonung der Mitgliedstaaten einhergeht. Der Erlass von verfahrensrechtlichen Richtlinienbestimmungen bewirkt jedoch eine Entlastung des Unionsgesetzgebers in der Weise, dass durch diese Rechtsform den Mitgliedstaaten zwar kein tatsächlicher Umsetzungsspielraum mehr zur Verfügung steht, wohl aber eine rechtssystematische Gestaltung198 in der Form, dass sich die vorgegebenen Verfahrensregelungen in bereits bestehende mitgliedstaat­liche Rechtsgefüge einfügen können.199 Sinnvoll ist also in diesem Bereich der Erlass einer Verordnung nur dann, wenn das Verfahrensrecht europaweit vereinheitlicht und bestehende mitgliedstaatliche Regelungsstrukturen in diesem Bereichen komplett ersetzt werden. Sollen sich die erlassenen Regelungen jedoch in die verschiedenen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen einpassen, wäre dies durch eine Verordnung möglicherweise nicht möglich, da der europäische Gesetzgeber ansonsten alle abzuändernden Vorschriften mit in die Rechtsetzungsüberlegungen mit einbeziehen müsste, was in bestimmten Regelungsbereichen nicht durchführbar wäre.200 b) Für die Mitgliedstaaten Zwar belassen solche verfahrensrechtlichen Richtlinienbestimmungen den Mitgliedstaaten an sich keinerlei Handlungsspielraum mehr, da sie naturgemäß sehr detailliert ausgestaltet sind, jedoch haben die Mitgliedstaaten, wenn diese Bestimmungen in der Rechtsform der Verordnung ergangen sind, die Möglichkeit rechtssystematisch gestaltend tätig zu werden und den Richtlinieninhalt in bereits bestehende mitgliedstaatliche Regelungsgefüge systemgerecht zu integrieren.201 Hierbei geht es also nicht um einen inhaltlichen Gestaltungsspielraum, sondern vielmehr um die Aufgabe, die vorgegebenen Inhalte in der mitgliedstaatlich sinnvollsten Rechtsform umzusetzen.202 198

Eine solche Aufgabenzuweisung sieht auch von Danwitz, JZ 2007, S. 698. So auch Sydow, JZ 2009, S. 377. 200 Hierzu auch von Danwitz, JZ 2007, S. 698. 201 Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten besteht insofern, als sie die inhaltlichen Rechtswirkungen der Richtlinie innerstaatlich herzustellen haben, Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, in: Hallstein/Schlocher (Hrsg.), Zur Integration Europas, Festschrift für Carl Friedrich Ophüls, 1965, S. 77; von Danwitz, JZ 2007, S. 698. 202 Hierzu auch Sydow, JZ 2009, S. 378. 199

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10. Mittelbare Wirkungsweise der Rechtsform „Richtlinie“ Der Rechtsschutz Privater gegenüber Richtlinien bzw. aufgrund von Richt­linien erlassener Regelungen gestaltet sich weit weniger kompliziert als der Rechtsschutz gegenüber Verordnungen. Trotzdem gilt es in diesem Fall, die der Richt­linie innewohnenden Besonderheiten zu beachten. a) Rechtsschutz auf europäischer Ebene Grundsätzlich können juristische und private Personen im Rahmen des nationalen Rechtswegs gegenüber den nationalen Normen, die aufgrund von Richtlinien erlassen wurden, Rechtsschutz ersuchen. Der Rechtsschutz gegen Richtlinien soll Sache der nationalen Gerichte sein.203 Falls sich aber im Rahmen dieses Gerichtsverfahrens Fragen bezüglich der Gültigkeit bzw. der Wirksamkeit der Richtlinie ergeben, so soll das nationale Gericht diese Frage im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art.  267 AEUV (ex-Art. 234 EGV)204 dem EuGH vorlegen. Eine direkte Klagemöglichkeit des Einzelnen auf europäischer Ebene nach Art. 263 Abs. 4 AEUV gegenüber „echten“ Richtlinien205 wird zwar nicht am untauglichen Klagegegenstand206, jedoch wohl am Kriterium der „unmittelbaren Betroffenheit“ bzw. „unmittelbaren Richtung“ scheitern.207 So kann die Richtlinie auch deshalb nur schwerlich eine unmittelbare Betroffenheit bewirken, da sich aus einer Richtlinie alleine aufgrund der zunächst vor Wirksamkeit durchzu­ führenden Umsetzung keine unmittelbaren Rechtspflichten für den Einzelnen ergeben.208 Denn auch wenn die Richtlinie in den Ausnahmenfällen der nicht fristgemäßen Umsetzung und den weiteren für eine unmittelbare Wirksamkeit einer 203

EuG, RS. T-99/94, „Asocarne/Rat“, Slg. 1994, II-871, LS 1. Zu den strukturellen Schwächen des Vorabentscheidungsverfahrens siehe Cremer, EuZW 2001, S.  456; zum Vorabentscheidungsverfahren allgemein Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 5. Aufl. 2011, § 13, Rn. 68 ff.; Pache/Knauff, NVwZ 2004, S. 14 ff.; zum Vorabentscheidungsverfahren und der Vorlagepflicht im europäischen Markenrecht siehe Streinz/ Herrmann, GRURInt. 2004, S. 459 ff.; zur Beschränkung der zeitlichen Wirkung von Urteilen des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren vgl. nur Wiedmann, EuZW 2007, S. 692 ff.; zur Reichweite der gemeinschaftsrechtlichen Vorlagepflicht, Hermann, EuZW 2006, S. 231 ff. 205 Zur Nichtigkeitsklage gegenüber einer Richtlinie, wenn sie als Entscheidung an einen Mitgliedstaat ergangen ist siehe von Burchard, EuR 1991, S. 160 ff.; zur Anfechtbarkeit von Richtlinien durch nicht-privilegierte Kläger vgl. Klüpfel, EuZW 1996, S. 393 ff. 206 Siehe zur Problematik, ob Richtlinien ein zulässiger Klagegegenstand iSv. Art. 230 EGV waren, Gaitanides, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), EU-/EG-Vertrag Kommentar, Band 2, 6. Aufl. 2004, Art. 249 EGV, Rn. 95 ff. 207 Cremer, EuZW 2001, S. 458. 208 Zur Problematik der Grundrechtsverletzungen durch den Erlass von Richtlinien und die damit eventuell für den Einzelnen mögliche missliche Lage vgl. nur Rengeling, Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft, 1993, § 26, S. 160. 204

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Richtlinie nötigen Voraussetzungen der Unbedingtheit, Vollständigkeit und hinreichenden Bestimmtheit unmittelbare Wirksamkeit entfaltet, so begründet sie doch nur für den nicht fristgemäß umsetzenden Mitgliedstaat und nicht für den Einzelnen Rechtspflichten, durch die dieser unmittelbar betroffen i. S. d. Art. 263 Abs. 4 AEUV sein könnte. Das Problem der mangelnden unmittelbaren Betroffenheit stellt sich jedoch eventuell bei Scheinrichtlinien bzw. Richtlinien, die eigentlich eine Entscheidung darstellen.209 In diesem Fall hat der EuGH die Anfechtungsmöglichkeit von Richtlinien bzw. so genannten Scheinrichtlinien jedenfalls nicht ausdrücklich verneint.210 b) Rechtsschutz auf nationaler Ebene Da Richtlinien in nationales Recht umgesetzt werden müssen, kann der Einzelne, der von einer solchen durch Umsetzung auf einer europäischen Richtlinie beruhenden nationalen Norm211 betroffen ist, über den nationalen entsprechenden Rechtsweg, Zivilrechtsweg, Verwaltungsrechtsweg, etc. Rechtsschutz ersuchen. Auf welche Art und Weise genau der Rechtsschutz zu ersuchen ist, hängt von der den Mitgliedstaaten nach Art. 288 Abs. 3 AEUV möglichen Wahl der Form und Mittel bei der Umsetzung der Richtlinie ab. c) Zusammenfassung Der Rechtsschutz des Einzelnen gegenüber einer Richtlinie ist, da grundsätzlich Richtlinienrecht in nationales Recht umgesetzt werden muss, bevor es Rechtswirkungen einem Einzelnen gegenüber entfaltet, nach nationalem Recht zu bemessen. Ergeben sich vor dem nationalen Gericht erhebliche Zweifel an der Gültigkeit der im nationalen Recht in Zweifel stehenden und auf der Richtlinie beruhenden Norm und ist die Vorlagefrage entscheidungserheblich, so muss das nationale Gericht im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens diese Frage dem EuGH vorlegen. Direkter Rechtsschutz auf europäischer Ebene gegen eine Richtlinie ist allenfalls bei „Scheinrichtlinien“ möglich. 209

Siehe allgemein zum Individualrechtsschutz gegen Richtlinien, Cremer, EuZW  2001, S. 453 ff. 210 Dieser Schluss kann aus EuGH, RS.  C-298/89, „Gibraltar/Rat“, Slg.  1993, I-3605, Rn.  15, 23 gezogen werden; siehe hierzu auch Gaitanides, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), EU-/EG-Vertrag Kommentar, Band 2, 6. Aufl. 2004, Art. 249 EGV, Rn. 95 ff. 211 Zum Rechtsschutz des Einzelnen gegenüber Richtlinien siehe Cremer, EuZW  2001, S.  453 ff.; allgemein zum Rechtsschutz Privater im Gemeinschaftsrecht und zu den Grundlagen, Entwicklungen und Perspektiven des Individualrechtsschutzes im Gemeinschaftsrecht siehe Schwarze, DVBl. 2002, S. 1297 ff.

A. Sekundärrechtsakte

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Im Rahmen des Rechtsschutzes gegenüber Richtlinien lässt sich festhalten, dass im Grunde keine Zweifel an einem ausreichenden Rechtsschutz bestehen und dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes Genüge getan ist.

IV. Zusammenfassung zu A. Verordnung und Richtlinie unterscheiden sich zunächst in ihrer unmittel­baren Wirkungsweise gegenüber der Union, den Mitgliedstaaten und dem Einzelnen. Insbesondere entfaltet die Verordnung unmittelbar mit ihrem Inkrafttreten ihre Wirkungsweise. Die Richtlinie richtet sich im Gegensatz zur Verordnung nur an die Mitgliedstaaten und muss für eine Wirkung gegenüber Privaten – ab­gesehen von Durchbrechungen der unmittelbaren Wirkung  – erst in mitgliedstaatliches Recht umgesetzt werden. Hierbei ist sie nur bezüglich des umzusetzenden Ziels, nicht jedoch im Hinblick auf die Art und Weise der Umsetzung verbindlich. Bei bestehenden mitgliedstaatlichen Regelungsgefügen kann sie sich daher besser in vorhandenes mitgliedstaatliches Recht einfügen. Mit der Richtliniengesetzgebung sind jedoch auch die daraus resultierenden Umsetzungsprobleme verbunden, die bei der Rechtsetzung mittels einer Verordnung durch deren unmittelbare Geltung zumeist entfallen. Auch im Hinblick auf die Rechtsschutzmöglichkeiten des Einzelnen unterscheiden sich die beiden in Frage stehenden Rechtsformen erheblich. Während sich der Bürger gegenüber auf Richtlinien basierendem nationalem Recht vor den jeweils offenstehenden Rechtswegen der deutschen Gerichte gegen diese Regelungen wehren kann, ist es ihm nicht möglich, gegen eine Verordnung unmittelbar vor einem deutschen Gericht Rechtsschutz zu ersuchen. Diese Möglichkeit bietet sich nur ausnahmsweise im Rahmen einer Inzidentkontrolle bei einer Feststellungsklage. Ansonsten muss der Einzelne über die Nichtigkeitsklage nach Art.  263 AEUV vor dem EuGH Rechtsschutz ersuchen, bei welcher allerdings die Klagemöglichkeit für Privatpersonen eingeschränkt war und auch nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon zumindest jedoch noch mit Komplika­ tionen verbunden ist. Festzuhalten bleibt, dass sich Richtlinie und Verordnung in ihrer unmittel­baren Wirkung deutlich unterscheiden und auch im Hinblick auf die mit ihrer Wirkungsweise verbundenen Rechtsschutzmöglichkeiten verschieden sind. Diese Unterschiede müssen vom Unionsgesetzgeber bei der Auswahl der entsprechenden Rechtsaktform genau einkalkuliert und gegeneinander abgewogen werden, um den unterschiedlichen Bedürfnissen von Union, Mitgliedstaaten und dem Einzelnen ausreichend gerecht zu werden.

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Teil 1: Grundlagen

B. Tendenzen in der Rechtsetzungspolitik der Europäischen Union Zunächst sind bei der Überprüfung der Wahl der Handlungsform bei mehreren Handlungsalternativen in einer Ermächtigungsgrundlage, seien es ausdrücklich vorgesehene oder nicht, die in verschiedenen Leitlinien, Mitteilungen, Berichten, Überlegungen, interinstitutionellen Vereinbarungen, etc. enthaltenen Tendenzen in der Rechtsetzungspolitik der Europäischen Union zu berücksichtigen. Nach ihrer Rechtsnatur streben diese „atypischen Handlungsformen“ keine unmittelbaren Rechtswirkungen an, auch kann man nur von einem geringen politischen Bindungswert ausgehen.212 Typischerweise entfalten diese Formen „atypischer Rechtsakte“ nur zwischen den Unionsorganen eine Wirkung.213 Vorliegend sollen diese dem Grunde nach unverbindlichen Handlungsformen deshalb vor dem geltenden Primär- und Sekundärrecht geprüft werden, da diese Rechtsaktformen214 durch die Auslegung bestimmter Vertragsvorschriften einheitliche Rechtsanwendungsregeln215, Grundlagen und allgemeine Zielvorgaben bestimmter Politikbereiche festlegen. Sie geben in den umfassten Rechtsgebieten eine Richtung vor und dienen in diesen Bereichen den anderen Unionsorganen zur Orientierung. Sie sind daher in vielen Bereichen sehr speziell und geben nähere Auskunft über die Intention des europäischen Gesetzgebers und mögliche Vorgaben bei der Unionsgesetzgebung als dies durch allgemeine primärrechtliche Vorschriften möglich ist. Zumeist werden diese Arten der Rechtsformen mit Ausnahme der interinstitutionellen Vereinbarungen216 von der Kommission erlassen und bieten insbesondere eine Richtschnur für die Verwaltungstätigkeit der Kommission. Sie sind mit den im deutschen Verwaltungsrecht vorkommenden Verwaltungsvorschriften217

212 Allgemein zu den neben Art. 288 AEUV bestehenden „sonstigen Rechtsakten“ der EU und insbesondere zu den neben Beschlüssen und Entschließungen bestehenden Rechtsakten sui generis Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 5. Aufl. 2011, § 9, Rn. 130 ff. 213 Schmidt, in: von der Groeben/Thiesing (Hrsg.), EU-/EG-Vertrag Kommentar, Band 2, 6. Aufl. 2004, Art. 249 EGV, Rn. 17; Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 249 EGV, Rn. 4; zur Wirkung im Bezug auf die Mitgliedstaaten, welche nur durch Zustimmung derselben erfolgen kann, siehe Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV, Rn. 33. 214 Zum Begriff der Leitlinie vgl. etwa Schmidt, in: von der Groeben/Thiesing (Hrsg.), EU-/ EG-Vertrag Kommentar, Band 2, 6. Aufl. 2004, Art. 249 EGV, Rn. 18. 215 Vgl. hierzu auch Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV, Rn. 33. 216 Zum Begriff der interinstitutionellen Vereinbarungen vgl. Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV, Rn. 30. 217 Zu den Verwaltungsvorschriften als Rechtssätze der Verwaltung und insbesondere die Auslegung und Selbstbindung von Verwaltungsvorschriften siehe Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht, 12. Aufl. 2007, § 24, Rn. 18 ff., 26; vgl. hierzu Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 24, Rn. 1 ff.

B. Tendenzen in der Rechtsetzungspolitik der Europäischen Union

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vergleichbar218, die auch keine unmittelbare Außenwirkung entfalten, jedoch bei der Ermessensausübung der Verwaltung zu einer Selbstbindung führen können und dadurch mittelbar geeignet sind, im Außenverhältnis Rechtswirkungen zu erzeugen.

I. Auswertung der wichtigsten im Bereich der Rechtsetzung ergangenen Mitteilungen und Berichte Durch die Auswertung der wichtigsten im Bereich der Rechtsetzung ergangenen Mitteilungen, Berichte, etc. können der Wille und die Intention des jeweils „mit­ teilenden“ Organs im Hinblick auf die Wahl der Rechtsaktform und die Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit interpretiert werden. Die genaue Analyse ermöglicht außerdem auch, etwaige auftretende Änderungen in der Tendenz der Vorgaben für die Rechtsetzung festzustellen. Nachfolgend wird aus diesen Gründen eine Auswertung der wichtigsten im Bereich der Rechtsetzung ergangenen Mitteilungen, Berichte, etc., insbesondere unter Berücksichtigung der über die Wahl der Rechtsform getroffenen Aussagen, vorgenommen. 1. Allgemeine Leitlinien der Kommission für die Legislativpolitik 1996219 In den Leitlinien für Legislativpolitik von 1996 werden Anforderungen aufgestellt, denen Rechtsakte genügen müssen:220 –– Darstellung der verfolgten Ziele. –– Die – möglichst einzige – Rechtsgrundlage ist klar anzugeben und muss mit den Erwägungsgründen und dem verfügenden Teil übereinstimmen. –– Möglichst große Einfachheit und Klarheit im Ausdruck. Bezüglich der Einhaltung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit soll zunächst die Frage gestellt werden:221 –– Welche Ziele werden mit der geplanten Aktion im Hinblick auf die der Kommission obliegenden Verpflichtungen verfolgt? –– Handelt die Gemeinschaft aufgrund einer ausschließlichen Kompetenz der Gemeinschaft oder aufgrund einer mit den Mitgliedstaaten geteilten Zuständigkeit? 218

Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV, Rn. 33. SEK (1995) 2255/7, Allgemeine Leitlinien der Kommission für die Legislativpolitik vom 18.01.1996. 220 SEK (1995) 2255/7, S. 6. 221 SEK (1995) 2255/7, S. 7. 219

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Teil 1: Grundlagen

–– Im Falle von konkurrierender Zuständigkeit soll der Subsidiaritätstest stattfinden: –– Welches ist die Gemeinschaftsdimension des Problems? –– Prüfung des Handlungsbedarfs. –– Prüfung der Wirksamkeit. –– Prüfung der Verhältnismäßigkeit: –– Sind die Mittel der Handlung der Gemeinschaft den Zielen angemessen? –– Welches ist das geeignete Instrument zur Verwirklichung der Ziele? –– Im Falle einer Regelung: Geht deren Tragweite, Dauer und Intensität nicht über das unbedingt Notwendige hinaus? In den allgemeinen Leitlinien der Kommission für Legislativpolitik werden im Hinblick auf die Wahl der Rechtsakte Aussagen bezüglich der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gemacht. Insbesondere im Hinblick auf die im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung notwendige Erforderlichkeitsprüfung wird konkretisiert, dass in diesem Prüfungspunkt im Falle einer Regelung zu untersuchen sein muss, ob diese Regelung in ihrer Tragweite, Dauer und Intensität nicht über das unbedingt Notwendige hinaus geht. 2. Bericht der Kommission: Bessere Rechtsetzung 1996222 In dem Bericht über „Bessere Rechtsetzung“ aus dem Jahr 1996 wird fest­ gestellt, dass bezüglich der den Zielvorgaben angemessenen Vorschläge das Verhältnismäßigkeitsprinzip eine Richtschnur darstellt. So wird aufgeführt, dass verstärkt auf Rahmenrichtlinien zurückgegriffen wird und außerdem gemeinsame Mindestvorschriften festgelegt werden.223 Zur Vereinfachung im Bereich des Binnenmarktes soll nach einer neuartigen Methode verfahren werden (SLIM224).225 Die bevorzugte Rechtsetzungspolitik vor allem auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips soll hiernach also im Erlass von Rahmenricht­ linien bestehen. Auf Verordnungen bzw. die Unterschiede bei der Anwendung von Verordnungen und Richtlinien wird nicht eingegangen.

222

CSE (1996) 7 endg. vom 27.11.1996. CSE (1996) 7 endg., S. 4. 224 KOM (1996) 204 endg. am 13.05.1996 übermittelt. 225 CSE (1996) 7 endg., S. 8.

223

B. Tendenzen in der Rechtsetzungspolitik der Europäischen Union

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3. Bericht der Kommission: Bessere Rechtsetzung 1997226 In dem Bericht über „Bessere Rechtsetzung“ aus dem Jahr 1997 zeigt die Kommission unter anderem an einigen Beispielen, wie sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht wird.227 Sie gibt an, genau darauf zu achten, welcher Art der von ihr vorgeschlagene Rechtsakt ist. Grundsätzlich entschließt sie sich häufiger für Richtlinien, in denen lediglich allgemeine Grundsätze228 oder Mindestnormen229 aufgestellt werden, wobei bei solchen Richtlinien über einen Dialog mit den nationalen Stellen dafür zu sorgen ist, dass die Mitgliedstaaten nicht allzu unterschiedliche Um­ setzungsvorschriften erlassen. Trotz dieser Problematik geht die Kommission davon aus, dass diese Art der Rechtsetzung das Verhältnismäßigkeitsprinzip an­ gemessen umsetzt.230 Außerdem kann durch eine Analyse der Auswirkungen der Rechtsakte fest­ gestellt werden, inwieweit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wird, wobei sich hierbei eine unterschiedliche Beachtung des Grundsatzes innerhalb der Mitgliedstaaten durch die unterschiedlichen Schlussfolgerungen und Verfahrensweisen der Mitgliedstaaten ergeben kann.231 Wiederum ist erkennbar, dass die bevorzugte Rechtsetzungspolitik im Erlass von Rahmenrichtlinien bestehen soll, wobei auf Seiten der Kommission bereits ein Bewusstsein für die grundsätzlich mit der Umsetzung von Rahmenrichtlinien verbundene Problematik der unterschiedlichen bzw. zu unterschiedlichen Umsetzung in den Mitgliedstaaten vorhanden ist. 4. Mitteilung der Kommission: Weniger Gesetzgebung für besseres Handeln 1998232 In dem Bericht „Weniger Gesetzgebung für besseres Handeln“ aus dem Jahr 1998 wird von dem Ziel der Kommission berichtet, durch weniger Gesetzgebung ein besseres Handeln zu ermöglichen. Um den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit gerecht zu werden, soll unter anderem auf alle Alterna­ 226

KOM (1997) 626 endg. vom 26.11.1997. KOM (1997) 626 endg., S. 4 f. 228 Als Beispiele werden hierbei die Richtlinie für Wasserpolitik KOM (1997) 49 endg. vom 26.02.1997, die Richtlinie über die Anwendung der Mehrwertsteuer auf Telekommunikationsdienste KOM (1997) 4 vom 27.01.1997, sowie die Richtlinie für die Beförderung gefährlicher Güter auf Binnenstraßen KOM (1997) 367 endg. vom 25.07.2007 aufgeführt. 229 Beispielsweise in den Bereichen der Besteuerung von Energieerzeugnissen KOM (1997) 30 endg. vom 06.05.1997 und bei Flughafengebühren KOM (1997) 154 endg. vom 22.08.1997. 230 KOM (1997) 626 endg., S. 4. 231 KOM (1997) 626 endg., S. 4. 232 KOM (1998) 345 endg. vom 27.05.1998. 227

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Teil 1: Grundlagen

tiven der Rechtsetzung, beispielsweise Vereinbarungen mit der Industrie und freiwillige Selbstkontrolle, zurückgegriffen werden. Außerdem soll von Rahmenrichtlinien anstelle von Einzelrichtlinien Gebrauch gemacht werden.233 Auch hiernach ist die Rechtsetzung mittels Rahmenrichtlinien, vor allem vor dem Hintergrund der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, gegenüber der Rechtsetzung mittels Einzelrichtlinien zu bevorzugen. 5. Bericht der Kommission: Bessere Rechtsetzung 1998234 Der Bericht „Bessere Rechtsetzung“ von 1998 stellt zunächst fest, dass die Kommission bereits nach dem Amsterdamer Vertrag handelt und diesbezüglich jeden Rechtsakt im Bezug auf seine Verhältnismäßigkeit hin begründet. Grundsätzlich möchte die Kommission den Rückgriff auf Alternativen zur Rechtsetzung235, die einen zufriedenstellenden Ersatz für gemeinschaftliche Normen darstellen, fördern. Sie beklagt jedoch, dass sie seitens der anderen Institutionen einem „Gesetzgebungsdruck“ unterliege. Probleme zeigen sich außerdem nach Ansicht der Kommission bei der Um­ setzung von Richtlinien in mitgliedstaatliches Recht.236 Hiernach zeigt sich, dass die einzelstaatlichen Vorschriften oft diejenigen der Gemeinschaft nicht nur zahlenmäßig übertreffen, sondern weitaus komplizierter sind und zudem oftmals gegen den EG-Vertrag verstoßen.237 Die Kommission hält fest, dass alle Anstrengungen zur Verbesserung der Gesetzgebung wirkungslos bleiben, wenn die Umsetzung der Rechtsvorschriften in innerstaatliches Recht nicht Schritt halten kann.238 Aus diesem Grund bemüht sich die Kommission, die Mitgliedstaaten besser zu kontrollieren und bei fehlender Mitteilung nationaler Umsetzung Vertragsverletzungsverfahren gegen solche Mitgliedstaaten einzuleiten. Dank dieser Kon­ trollanstrengungen hat sich laut Kommission die Umsetzungsrate erhöht.239 In diesem Bericht über „Bessere Rechtsetzung“ wird zwar keine klare Recht­ setzungstendenz der Kommission deutlich. Es zeigt sich jedoch, dass bei der Rechtsetzung mittels Richtlinien, insbesondere bei der ordnungsgemäßen Umsetzung dieser Richtlinien in mitgliedstaatliches Recht, große Probleme zutage treten, derer die Kommission „Herr“ zu werden versucht. In dieser Erkenntnis der Problematik der Rechtsetzung mittels der Handlungsform „Richtlinie“ kann eventuell 233

KOM (1998) 345 endg., S. 2. KOM (1998) 715 endg. vom 01.12.1998. 235 KOM (1998) 715 endg., S. 7. 236 KOM (1998) 715 endg., S. 13. 237 Die Kommission verdeutlicht diese Tendenz am Beispiel der Richtlinie 98/34, ABl. 1998, Nr. L 204 vom 21.07.1998. 238 KOM (1998) 715 endg., S. 14 f. 239 Laut diesem Bericht lag die Umsetzungsrate am 31.12.1997 bei 94 %. 234

B. Tendenzen in der Rechtsetzungspolitik der Europäischen Union

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die Grundlage zunächst eines Bewusstseinswandels bei der Kommission, welcher dann in einen Rechtsetzungstendenzwandel mündet, gesehen werden. 6. Bericht der Kommission: Bessere Rechtsetzung 1999240 Die Kommission gibt in dem Bericht „Bessere Rechtsetzung“ von 1999 an, dass sie, um verhältnismäßig zu handeln, Maßnahmen vorschlägt, bei denen gemäß dem Protokoll von Amsterdam ein möglichst großer Raum für nationale Entscheidungen bleibt.241 Außerdem führt die Kommission, bevor sie Maßnahmen vorschlägt, Risikoanalysen und Nutzenanalysen durch. Weiter soll die Praxis der Konsultationen, bei denen Aussprachen über die Zweckmäßigkeit von Maß­nahmen erfolgen, vermehrt gebraucht werden.242 Die Präferenz für Maßnahmen, bei denen ein großer Raum für nationale Entscheidungen bei den Mitgliedstaaten verbleibt, deutet auf eine grundsätzliche Präferenz der Handlungsform „Richtlinie“ hin. Diese darf, um den großen Raum für nationale Entscheidungen nicht zu umgehen, auch nicht zu detailliert ausgestaltet sein. 7. Jahresbericht der Kommission: Bessere Rechtsetzung 2000243 In dem Bericht244 über „Bessere Rechtsetzung“ aus dem Jahr 2000 wird unter der Überschrift „Verhältnismäßigkeit“ auf die Frage der Effizienz von Rechtsvorschriften eingegangen.245 Hiernach legen Rechtsvorschriften, die zu detailliert geregelt sind oder deren Bestimmungen zu schnell von der Entwicklung überholt werden und deshalb nicht wirksam ihr Ziel erreichen, der Gesellschaft unnötige Zwänge auf. Die Kommission soll bei Vorschlägen für Maßnahmen zur Erreichung von in den Verträgen festgelegten Zielen ihre Reflexion über die Verhältnismäßigkeit und Wirksamkeit der Rechtsvorschriften vertiefen. Hierbei soll sie sich zum einen daran orientieren, ob die nationalen und re­ gionalen Behörden und die Zivilgesellschaft die in einer Gemeinschaftsvorschrift festgelegten Ziele durch eigenes Handeln erreichen können und ob die nationale und sektorale Praxis mit diesen Zielen vereinbar ist. Zum anderen ist das Vorsorgeprinzip anzuwenden, das den Gesetzgeber verpflichtet, eine Abwägung zwischen den Freiheiten und Rechten von Personen, Wirtschaftssektoren und 240

KOM (1999) 562 endg. vom 03.11.1999. KOM (1999) 562 endg., S. 4. 242 KOM (1999) 562 endg., S. 5. 243 KOM (2000) 772 endg. vom 30.11.2000. 244 Vgl. zu diesem Bericht auch von Borries, ZG 2001, S. 79 ff. 245 KOM (2000) 772 endg., S. 8.

241

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Teil 1: Grundlagen

Organisationen und der Notwendigkeit, die Gefahr negativer Folgen für die Umwelt und die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen zu verringern, zu treffen. Es geht hierbei um eine Folgenabschätzung der Rechtsetzung bzw. der Maßnahmenpolitik. Dem Bericht der Kommission ist außerdem neben einigen konkreten Recht­ setzungsbeispielen ein Anhang beigefügt, der sich mit der Frage der Begründung von EG-Rechtsakten beschäftigt. Hiernach soll jeder Vorschlag für gemeinschaftliche Rechtsakte begründet werden, um zu rechtfertigen, dass dabei die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit gewahrt wurden. Dabei muss die Feststellung, dass ein Gemeinschaftsziel besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden kann, auf qualitativen oder – soweit möglich – auf quantitativen Kriterien beruhen. In diesem Bericht wird nicht ausdrücklich einem bestimmten Rechtsetzungs­ instrument der Vorzug eingeräumt. Es wird jedoch klar festgestellt, dass Rechtsvorschriften oft zu detailliert sind und damit bestimmte Probleme aufkommen können. Aus diesen Aussagen ist zu schlussfolgern, dass, wenn Rechtsetzung nötig ist, diese nicht zu detailliert sein und im Zweifel auf Rahmenrichtlinien anstelle von Einzelrichtlinien zurückgegriffen werden soll. Außerdem werden noch Aussagen darüber getroffen, an welchen Punkten sich die Kommission bezüglich der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Wahl der Rechtsakte bzw. Maßnahmen zu orientieren hat. Hierbei geht es dann insbesondere um eine Folgenabschätzung der in Frage kommenden Rechtsetzung. 8. Zwischenbericht der Kommission an den Europäischen Rat: Verbesserung und Vereinfachung der Rahmenbedingungen für die Rechtsetzung 2001246 Zunächst werden in dem Bericht zur „Verbesserung und Vereinfachung der Rahmenbedingungen für die Rechtsetzung“ aus 2001 einige Kritikpunkte der Kommission an der europäischen Rechtsetzungstätigkeit festgehalten, unter anderen die Komplexität der Rechtsvorschriften, die sich aus der Tendenz zu übermäßig detaillierten Rechtsakten ergeben kann.247 Es werden dann die wichtigsten Grundsätze einer Regelungsstrategie auf­ geführt; bezüglich der Rechtsakte wird festgehalten, dass Rechtsakte nur dann erlassen werden sollen, wenn sie unerlässlich sind, wobei damit die Wahl des an­ gemessenen Instruments verbunden ist.248

246

KOM (2001) 130 endg. vom 07.03.2001. KOM (2001) 130 endg., S. 4. 248 KOM (2001) 130 endg., S. 6.

247

B. Tendenzen in der Rechtsetzungspolitik der Europäischen Union

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Es muss also zunächst gefragt werden, ob Rechtsakte gebraucht werden, oder ob es Alternativen zur Rechtsetzung gibt. In diesem Zusammenhang sollen die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werden.249 Wird hiernach die „Angemessenheit“250 einer Maßnahme bejaht, so soll sich unmittelbar die Frage nach den Modalitäten und den geeigneten Instrumenten anschließen.251 Im Zwischenbericht der Kommission an den Europäischen Rat werden sodann Alternativen und ergänzende Möglichkeiten in Form der Selbstregulierung und der Koregulierung aufgezeigt. Hierbei soll über die Auswahl und die mögliche Kombination im Einzelfall entschieden werden, wobei auf Flexibilität zu achten ist. Vor der Auswahl soll jedoch analysiert werden, wie das angestrebte Ziel am besten zu erreichen ist, ohne dass die demokratische Kontrolle des Rechtsetzungsprozesses bzw. der Vertrag in Frage gestellt wird. Auf Alternativregelungsmöglichkeiten darf nur zurückgegriffen werden, wenn diese für den jeweiligen Bereich geeignet sind.252 Bezüglich der Wahl zwischen Verordnung und Richtlinie wird konkret festgestellt, dass die Kommission künftig eingehender und systematischer sowie in Übereinstimmung mit dem Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit prüfen wird, welche Art der Rechtsvorschrift für die Erreichung der angestrebten Ziele am besten geeignet ist.253 Insbesondere soll vorzugsweise für detaillierte Normen, die in den Mitgliedstaaten einheitlich angewandt werden müssen, auf die unmittelbar und einheitlich anwendbare Verordnung statt die Richtlinie zurückgegriffen werden, da für deren Umsetzung so viele nationale Rechtsakte erforderlich sind, wie es Mitgliedstaaten gibt (zum Zeitpunkt des Berichts fünfzehn). In diesem Bericht wird erstmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Verordnung vor der Richtlinie der Vorzug gegeben werden soll, wenn es sich um Normen handelt, die detailliert sind und in den Mitgliedstaaten einheitlich angewendet werden sollen. In diesen Fällen sollen also keine detaillierten Einzelrichtlinien erlassen werden, da deren Umsetzung aufgrund der Umsetzungsproblematik auch wegen der gestiegenen Anzahl an Mitgliedstaaten ungewiss sein kann. Grundsätzlich kann in dieser Aussage jedoch keine Neuerung gesehen werden, da sie in gewisser Weise nur eine Klarstellung des in Art. 288 Abs. 2 AEUV (ex-Art. 249 Abs. 2 EGV) bereits beschriebenen Anwendungsfeldes der Verordnung ist. Trotzdem macht die Stellungnahme der Kommission bezüglich der Wahl des Rechtsetzungsinstrumentes deutlich, dass ein Problembewusstsein bezüglich der 249

KOM (2001) 130 endg., S. 7. Der Ausdruck der Angemessenheit kann in diesem Zusammenhang bei der Frage des „Ob“ des Tätigwerdens missverständlich wirken. 251 KOM (2001) 130 endg., S. 7. 252 KOM (2001) 130 endg., S. 8. 253 KOM (2001) 130 endg., S. 9. 250

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Teil 1: Grundlagen

Wahl zwischen Verordnung und Richtlinie im Hinblick auf die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips, insbesondere bezüglich der zur Erreichung des an­ gestrebten Ziels am besten geeigneten Rechtsvorschrift, vorhanden ist. 9. Weißbuch der Kommission: Europäisches Regieren 2001254 Im Weißbuch der Kommission „Europäisches Regieren“ aus dem Jahr 2001 bekräftigt die Kommission ihren Willen, darauf hinzuwirken, dass verstärkt unterschiedliche Politikinstrumente (Verordnungen, Rahmenrichtlinien, Koregulierungsmechanismen) eingesetzt werden.255 Es wird kritisch angemerkt, dass die große Detaildichte der EU-Gesetzgebung zur Folge hat, dass ihre Anpassung an den technischen Fortschritt oder an neue Marktbedingungen unter Umständen schwierig und zeitraubend ist.256 Die Kommission weist darauf hin, dass es gilt, sich für das richtige Instrument zu entscheiden, wenn zur Erreichung der Unionsziele ein Rechtsakt erforderlich ist:257 –– Auf Verordnungen sollte in den Fällen zurückgegriffen werden, in denen unions­ weit einheitliche Rechtsanwendung und Rechtssicherheit erforderlich sind. Ein solcher Rückgriff auf Verordnungen kann insbesondere für die Verwirklichung des Binnenmarktes wichtig sein und bringt den Vorteil mit sich, dass der für die Umsetzung in innerstaatliches Recht erforderliche Zeitaufwand vermieden wird. –– Die Kommission empfiehlt jedoch, verstärkt auf so genannte Rahmenricht­linien zurückzugreifen. Diese haben den Vorteil, weniger schwerfällig zu sein. Sie lassen sich flexibler umsetzen und werden auch zügiger von Rat und Europäischem Parlament verabschiedet. –– Unabhängig von der Art der gewählten Rechtsaktform sollte laut Kommission mehr auf „primäre“ Rechtsvorschriften zurückgegriffen werden, die sich auf das Wesentliche beschränken und es weiter der Exekutive überlassen, technische Einzelheiten durch „sekundäre“ Durchführungsbestimmungen auszufüllen. Die Kommission empfiehlt in diesem Weißbuch daher bevorzugt, nicht-detaillierte Richtlinien, also Rahmenrichtlinien und nur in Ausnahmefällen bei der Not-

254

KOM (2001) 428 endg. vom 25.07.2001. Vgl. hierzu KOM (2001) 428 endg., S. 4, 16. 256 Es wird angemerkt, dass auf einen langsamen Gesetzgebungsprozess eine schleppende Durchführung folgt. Als Beispiel wird aufgezeigt, dass von 83 Binnenmarktrichtlinien, die im Jahr 2000 umzusetzen waren, nur fünf tatsächlich in allen Mitgliedstaaten umgesetzt wurden. 257 KOM (2001) 428 endg., S. 27. 255

B. Tendenzen in der Rechtsetzungspolitik der Europäischen Union

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wendigkeit zur unionsweiten einheitlichen Rechtsanwendung und Rechtsicherheit Verordnungen, zu erlassen. Es ist weiterhin eine Tendenz der präferierten Rechtsetzungspolitik, nämlich der Setzung von Rahmenrichtlinien, zu erkennen. 10. Bericht der Kommission: Bessere Rechtsetzung 2001258 In dem Bericht „Bessere Rechtsetzung“ aus dem Jahr 2001 wird anhand einiger konkreter Beispiele erläutert, wie die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit in der Praxis angewandt werden.259 Beispielhaft für einen etwaigen Rechtsetzungswandel ist der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Düngemittel genannt.260 In diesem Verordnungsvorschlag sind 18 ältere Richtlinien zusammen­ gefasst. Diese Zusammenfassung wurde als verhältnismäßig angesehen, da auf dem Gebiet der Düngemittel ein „großes Maß an Harmonisierung bei der Durchführung, Überwachung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts erforderlich war.“261 Es geht hierbei somit um die systematische Neufassung von Rechtsvorschriften. Diese soll ermöglichen, einen einzigen Rechtsakt zu erlassen, in dem zum einen gewünschte Änderungen an einer älteren Rechtsvorschrift eingearbeitet werden und mit dem zum anderen die älteren Rechtsvorschriften aufgehoben und ihre unverändert gebliebenen Bestimmungen konsolidiert werden. Es wird ferner berichtet, dass auf dem Gebiet des Agrarsektors neun Neufassungs­ vorschläge (alle Verordnungen) vorgelegt wurden, mit denen 29 Rechtsakte geändert werden sollten.262 Es ist in diesem Bericht erkennbar, dass bei der Zusammenfassung von Rechtsakten verstärkt auf Verordnungen zurückgegriffen wird, dieses Verhalten aber in den Fällen als verhältnismäßig angesehen wird, in denen in den Rechtsgebieten ein „großes Maß an Harmonisierung bei der Durchführung, Überwachung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts erforderlich ist“.263

258

KOM (2001) 728 endg. vom 07.12.2001. Vgl. zu diesem Bericht Jung, ZG 2002, S. 181 ff. 260 KOM (2001) 728 endg., S. 8. 261 KOM (2001) 728 endg., S. 8. 262 KOM (2001) 728 endg., S. 13. 263 KOM (2001) 728 endg., S. 8. 259

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11. Mitteilung der Kommission: Aktionsplan „Vereinfachung und Verbesserung des Regelungsumfeldes“ 2002264 Zunächst wird in dieser Mitteilung aus dem Jahr 2002 über die „Vereinfachung und Verbesserung des Regelungsumfeldes“ festgelegt, dass die Kommission vor Ende 2002 ein „integriertes und angepasstes Analyseinstrument für ihre legisla­ tiven und politischen Initiativen schaffen soll, das alle Dimensionen der Folgenabschätzung von Rechtsakten sowie der dauerhaften Entwicklung abdecken und die bestehenden Instrumente und Methoden einbeziehen wird.“265 Die Begründung von Legislativvorschlägen soll fünf Elemente enthalten:266 Konsultationen und Ergebnisse, Folgenabschätzungen, Rechtfertigung der vorgeschlagenen Wahl des Instruments, insbesondere im Hinblick auf die Grundsätze von Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit, und schließlich Auswirkungen des Vorschlags auf den Haushalt. Weiter schlägt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat zunächst als Maßnahme eine angemessene Nutzung der Instrumente vor. Diesbezüglich weist die Kommission darauf hin, dass der Einsatz von Verordnungen und Richtlinien sich an „Geist und Buchstaben der Verträge“ orientieren muss;267 insbesondere soll das Instrument der Verordnung nur eingesetzt werden dürfen, wenn eine einheitliche Anwendung in den Mitgliedstaaten erforderlich ist; die Richtlinie muss wieder – in allen anderen Fällen – das Instrument werden, um einen recht­ lichen Rahmen und entsprechende Ziele vorzugeben. Außerdem sollen Alterna­ tiven zur Rechtsetzung, wie die Selbstregulierung, genutzt werden.268 Unter der Überschrift „Aktion: Begrenzung der Richtlinien auf die wesentlichen Aspekte der Rechtsetzung“ möchte die Kommission „zur ursprünglichen Definition der Richtlinie zurückkehren, so wie sie im Vertrag festgeschrieben ist“.269 Damit soll der Einsatz von Richtlinien so weit wie möglich auf den allgemeinen Rahmen begrenzt werden, also auf die Bereiche Ziele, Fristen und die wesentlichen Elemente der Rechtsetzung. Es sei nur Sache des Gesetzgebers, sich zu diesen wesentlichen Elementen zu äußern, die einer politischen Entscheidung unterliegen, technische Modalitäten und Detailfragen sollten auf Durchführungsmaßnahmen übertragen werden.270

264



KOM (2002) 278 endg. vom 05.06.2002. KOM (2002) 278 endg., S. 7. 266 KOM (2002) 278 endg., S. 8. 267 KOM (2002) 278 endg., S. 12. 268 KOM (2002) 278 endg., S. 12. 269 KOM (2002) 278 endg., S. 12. 270 KOM (2002) 278 endg., S. 13.

265

B. Tendenzen in der Rechtsetzungspolitik der Europäischen Union

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In dieser Mitteilung wird nochmals grundsätzlich auf die unterschiedlichen Funktionsweisen und Regelungsbereiche von Richtlinien und Verordnungen hingewiesen. Verordnungen sollen nur eingesetzt werden, wenn eine einheitliche Rechtsanwendung in den Mitgliedstaaten gefordert ist. Die Richtliniengesetz­gebung soll sich wieder auf ihr ursprüngliches Konzept der Richtlinie als Instrument der „Rahmenrechtsetzung“ zurückbesinnen. Es wird also hiermit eindeutig von zu detaillierten Richtlinien Abstand genommen. Eine klare Präferenz bezüglich der Wahl zwischen Richtlinie und Verordnung ist jedoch weiterhin nicht zu erkennen. 12. Mitteilung der Kommission: Europäisches Regieren: Bessere Rechtsetzung 2002271 In dieser Mitteilung über „Europäisches Regieren: Bessere Rechtsetzung“ aus dem Jahr 2002 verpflichtet sich die Kommission zunächst zu einer nachvollziehbaren Ausübung ihres Initiativrechts und einer klaren Begründung ihres Recht­ setzungsvorschlags. Außerdem will sie darauf achten, den Text ihrer Legislativvorschläge auf das unbedingt Notwendige zu beschränken.272 Da der Rat und das Europäische Parlament letztlich für die Verhältnismäßigkeit der Instrumente verantwortlich sind, werden beide von der Kommission aufgefordert, sich dazu zu verpflichten, sich auf das im Vertrag vorgesehene Richtlinienkonzept zurückzubesinnen.273 Auch aus dieser Mitteilung geht hervor, dass die Gesetzgebung durch Richt­ linien, die einen Rahmen setzen und nicht zu detailliert sind, die bevorzugte Rechtsetzung mittels Richtlinien sein soll. 13. Bericht der Kommission: Bessere Rechtsetzung 2002274 In dem Bericht über „Bessere Rechtsetzung“ aus dem Jahr 2002 wird unter anderem, nach einer Darstellung unterschiedlicher Problematiken in der Recht­ setzung, auf das Instrument der Folgenabschätzung eingegangen. Auf dieses Instrument soll zurückgegriffen werden, um die Notwendigkeit und die Sachdienlichkeit einer Gemeinschaftsmaßnahme gemäß den Grundsätzen der Subsidiarität besser einschätzen zu können. Bezüglich der Wahl des Rechtsetzungsinstruments soll eine Folgenabschätzung durchgeführt werden, auch um dem Verhältnismäßigkeitsprinzip am besten zu entsprechen. 271

KOM (2002) 275 endg. vom 06.06.2002. KOM (2002) 275 endg., S. 3. 273 KOM (2002) 275 endg. S. 3. 274 KOM (2002) 715 endg. vom 11.12.2002.

272

80

Teil 1: Grundlagen

14. Mitteilung der Kommission: Aktualisierung des „Acquis communautaire“ 2003275 Der Aktionsrahmen zur „Aktualisierung des ‚Acquis communautaire‘“ von 2003 enthält sechs Ziele, wobei jedem Ziel eine Reihe von Schlüsselaktionen zugeordnet sind, mit denen Rechtsvorschriften genauer, benutzerfreundlicher und aktueller ausgestaltet werden sollen. Ziel 1 ist die Vereinfachung des „Acquis communautaire“, der drei Schlüsselaktionen zugeordnet sind. Aktion A soll Indikatoren für die Prioritätensetzung bezüglich der zukünftigen Vereinfachung bestimmter Politik­bereiche festlegen. Es werden in diesem Rahmen Fälle aufgelistet, in denen neue politische Initiativen und in der Entwicklung befindliche Regelungsverfahren eine Aktualisierung von Rechtsvorschriften und somit eine Möglichkeit der Vereinfachung des „­Acquis“ rechtfertigen können:276 –– Fälle, in denen die Durchführung bereichsübergreifender Initiativen (nach­ haltige Entwicklung; ökologische Anliegen; Sicherheit; Grundrechte usw.) eine Aktualisierung und Änderung hinsichtlich eines bestimmten Sektors erfordert. –– Fälle, in denen der Rechtsetzungsansatz möglicherweise nicht mehr angemessen ist und durch wirksamere, flexiblere und angemessenere Instrumente ersetzt werden könnte (z. B. Rahmenrichtlinien, Richtlinien nach dem neuen Konzept oder „Soft-law“-Alternativen); darüber hinaus sollten Gemeinschaftspolitiken systematischer daraufhin evaluiert werden, ob möglicherweise ein Vereinfachungsbedarf besteht. –– Fälle, in denen neue Verpflichtungen (die sich z. B. aus neuen internationalen Übereinkommen ergeben) aktualisierte Rechtsvorschriften oder Änderungen der gewählten Rechtsform erfordern, um potentielle Synergien sich überschneidender Regelungssysteme effektiver zu nutzen oder in denen europäische Rechtsvorschriften sich auf internationale Übereinkommen beziehen und diese in Rechtsakte der Gemeinschaft hinzufügen. In dieser Mitteilung werden nur Aussagen zur Aktualisierung von Rechts­ vorschriften gemacht. Diesbezüglich wird jedoch auch genannt, dass möglicherweise Rechtsvorschriften, die unflexibel sind, durch flexiblere, etwa Rahmenrichtlinien, ersetzt werden können.

275

KOM (2003) 71 endg. vom 11.02.2003. KOM (2003) 71 endg., S. 8 f.

276

B. Tendenzen in der Rechtsetzungspolitik der Europäischen Union

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15. Bericht der Kommission: Bessere Rechtsetzung 2003277 In dem Bericht über „Bessere Rechtsetzung“ aus dem Jahr 2003 werden nochmals die wichtigsten Maßnahmen zur besseren Vorbereitung der Gemeinschaftsvorschriften genannt.278 Hierunter fällt auch die stärkere Beachtung der Wahl der Instrumente. Diesbezüglich wird auf den Aktionsplan von 2002279 verwiesen, in dem festgelegt wurde, dass die Richtlinie wieder ihrer ursprünglichen Definition angenähert werden sollte, wobei ihr Einsatz sich auf die wesentlichen Aspekte der Festlegung eines rechtlichen Rahmens und der verfolgten Ziele begrenzen und die Verwirklichung dieser Ziele stärker der Exekutive der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten überlassen bleiben soll. Außerdem wird im Rahmen der Interinstitutionellen Vereinbarung „Bessere Rechtsetzung“280 darauf hingewiesen, dass im gemeinschaftlichen Entscheidungsprozess verstärkt der Einsatz von Folgenabschätzungen geschehen soll. Weiter soll hiernach eine bindende Frist für die Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht erfolgen. In einem gesonderten Teil über die Anwendung der Grundsätze der Subsidia­ rität und der Verhältnismäßigkeit wird festgestellt, dass die Verhältnismäßigkeit der Maßstab ist, an dem zu messen ist, wie die Union ihre Befugnisse auszuüben hat, sobald feststeht, dass sie überhaupt tätig werden sollte. Es soll die Frage beantwortet werden, in welcher Form die EU mit welchen Mitteln und in welchem Umfang tätig werden sollte.281 Hiernach ist dann eine Maßnahme mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar, wenn feststeht, dass –– die eingesetzten Mittel zur Erreichung der verfolgten Ziele geeignet sind (Eignungsprüfung); und –– diese Mittel nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele er­ forderlich ist (Erforderlichkeitsprüfung). Weiter wird, unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des EuGH282, fest­ gestellt, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dem Unionsgesetzgeber grundsätzlich einen weiten Entscheidungsspielraum lässt.283 Außerdem gestalte sich die Beurteilung der Geeignetheit und der Erforderlichkeit des Mittels oft schwierig. Dies bedeute, dass es in den meisten Fällen eine Reihe von Möglichkeiten gebe, 277

KOM (2003) 770 endg. vom 12.12.2003. KOM (2003) 770 endg., S. 6. 279 KOM (2002) 278 endg. 280 KOM (2003) 770 endg. 281 KOM (2003) 770 endg., S. 20. 282 EuGH, RS. C-84/94, „Vereinigtes Königreich/Rat der EU“, Slg. 1996, I-5755. 283 KOM (2003) 770 endg., S. 20.

278

82

Teil 1: Grundlagen

die dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen. Aus diesem Grund würden die am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe somit immer eine politische Entscheidung zugunsten einer bestimmten politischen Option treffen. Im Rahmen der Ausführungen zur Anwendung der beiden Grundsätze wird auch auf den Punkt der Wahl der möglichst einfachen Handlungsform einge­ gangen. Hierbei wird der am 29. Oktober 2003 vorgelegte Vorschlag für eine Verordnung über Chemikalien (REACH) als ein Fall genannt, in dem sich nach Auffassung der Kommission keine andere Möglichkeit als die Regulierung durch Verordnung geboten hat, d. h., dass das Ziel nicht mit einem ebenso wirksamen, aber weniger verbindlichen Instrument erreicht werden konnte.284 Nach Ansicht der Kommission war die Wahl des stärksten Mittels aus der Palette der Rechtsinstrumente, die der Union zur Verfügung stehen, aus mehreren Gründen gerechtfertigt:285 –– Eine Verordnung bietet den besten Schutz vor Wettbewerbsverzerrungen; diesem Aspekt kam wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen der geplanten Maßnahme entscheidende Bedeutung zu. –– Außerdem ist es bei einer Verordnung im Gegensatz zu einer Richtlinie für die Mitgliedstaaten leichter, die legislativen Folgemaßnahmen zu treffen. –– Für die Kommission ist es dann leichter, diese Folgemaßnahmen zu über­wachen, dies insbesondere im Hinblick auf die Anzahl der Mitgliedstaaten. –– Schließlich ist der Gebrauch von Rechtsvorschriften in diesem Bereich durch die technische Komplexität gerechtfertigt, insbesondere da es sich um poten­tiell gefährliche Stoffe handelt. Dieser Bericht gibt zunächst Hinweise auf die Art und den Umfang der Prüfung der Verhältnismäßigkeit bei der Wahl eines Rechtsaktes, jedoch auch auf die Schwierigkeiten, die mit der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips einhergehen. Sodann werden konkrete Hinweise dazu gegeben, wann eine Verordnung, also das „stärkste Mittel aus der Palette der Rechtsinstrumente, die der Union zur Verfügung stehen“,286 zu wählen ist. Die Verordnung schützt besser vor Wettbewerbsverzerrungen, es ist mit ihr für die Mitgliedstaaten auch leichter, die legislativen Folgemaßnahmen zu treffen, und für die Kommission leichter, diese zu überwachen. Außerdem kann der Gebrauch einer Verordnung in bestimmten Bereichen technischer Komplexität gerechtfertigt sein, falls es sich um gefährliche Stoffe handelt. In diesen Fällen soll die Ver­ ordnung das vor der Richtlinie zu bevorzugende Rechtsetzungsinstrument sein. 284

KOM (2003) 770 endg., S. 27. KOM (2003) 770 endg., S. 27 f. 286 KOM (2003) 770 endg., S. 27. 285

B. Tendenzen in der Rechtsetzungspolitik der Europäischen Union

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16. EP, Rat, Kommission: Interinstitutionelle Vereinbarung „Bessere Rechtsetzung“ 2003287 In dieser interinstitutionellen Vereinbarung über „Bessere Rechtsetzung“ aus dem Jahr 2003 erklärt die Kommission, dass sie sicherstellt, dass die Form der von ihr vorgeschlagenen Maßnahme möglichst einfach ist, wobei darauf zu achten ist, dass das Ziel der Maßnahme in zufriedenstellender Weise erreicht wird und die Maßnahme tatsächlich zur Anwendung kommt.288 Es wird auf die Definition der Richtlinie aus Art. 288 Abs. 3 AEUV (ex-Art. 249 Abs. 3 EGV) und das Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsi­ diarität und der Verhältnismäßigkeit289 verwiesen. Die Kommission hat vor, bei ihren Richtlinienvorschlägen auf eine ange­ messene Ausgewogenheit zwischen den allgemeinen Grundsätzen und den detaillierten Bestimmungen zu achten, um einen übermäßigen Rückgriff auf gemeinschaftliche Durchführungsmaßnahmen zu vermeiden.290 In ihrer Begründung für Rechtsaktvorschläge soll die Kommission nach der Vereinbarung darlegen, welche Rechtsvorschriften auf Gemeinschaftsebene in dem betreffenden Bereich entstehen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen müssen, auch im Hinblick auf die Einhaltung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, gerechtfertigt werden.291 Das Vorhaben, bei ihren Richtlinienvorschlägen auf eine angemessene Ausgewogenheit zwischen den allgemeinen Grundsätzen und den detaillierten Bestimmungen zu achten, um einen übermäßigen Rückgriff auf gemeinschaftliche Durchführungsmaßnahmen zu vermeiden, widerspricht in gewisser Hinsicht dem Weißbuch der Kommission „Europäisches Regieren“292. Nach diesem sollte un­ abhängig von der Art der gewählten Rechtsaktform mehr auf „primäre“ Rechts­ vorschriften zurückgegriffen werden, die sich auf das Wesentliche beschränken und es der Exekutive überlassen, technische Einzelheiten durch „sekundäre“ Durchführungsbestimmungen auszufüllen. Allgemein ist mit dieser Aussage erkennbar, dass sich die Tendenz zugunsten der Rahmenrichtlinie langsam verläuft und doch wieder detaillierte Regelungen auch in Richtlinien festgelegt werden sollen. 287

Interinstitutionelle Vereinbarung „Bessere Rechtsetzung“ 2003/C 321/01 vom 31.12.2003. Interinstitutionelle Vereinbarung „Bessere Rechtsetzung“ 2003/C 321/01, S. 2. 289 Protokoll Nr. 30 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, aus dem Vertrag von Amsterdam zur Gründung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, ABl. 1997, Nr. C 340 vom 10.11.1997. 290 Interinstitutionelle Vereinbarung „Bessere Rechtsetzung“ 2003/C 321/01, S. 2. 291 Interinstitutionelle Vereinbarung „Bessere Rechtsetzung“ 2003/C 321/01, S. 2. 292 KOM (2001) 428 endg. 288

284

Teil 2: Referenzgebiete

EWG327 des Rates über das Verbot des Inverkehrbringens und der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, die bestimmte Wirkstoffe enthalten, aufgehoben werden. Als Rechtsgrundlagen für die Verordnung sollten zunächst die Art. 37 Abs. 2 und Art. 152 Abs. 4 b EGV dienen. Dieser erste Verordnungsvorschlag bestand aus folgenden Elementen:328 –– Erstellung – auf EU-Ebene – einer Positivliste von Wirkstoffen, Safenern und Synergisten sowie einer Negativliste von Beistoffen; –– Zulassung von Pflanzenschutzmitteln auf Ebene der Mitgliedstaaten; –– obligatorische Anerkennung von Zulassungen in den Mitgliedstaaten derselben Zulassungszone; –– vergleichende Bewertung und Ersetzung von Produkten, die Stoffe enthalten, die als zu ersetzende Stoffe identifiziert wurden; –– spezifische Bestimmungen für Grundstoffe und Produkte, die wenig bedenk­ liche Stoffe enthalten; –– detaillierte Regeln zu Datenschutz und Transparenz; –– Vorschriften für Verpackung, Kennzeichnung und Werbung; –– Verpflichtung zur Führung von Aufzeichnungen und zur Durchführung von Kontrollen; –– Festlegung von Kriterien für die Genehmigung von Wirkstoffen, Safenern oder Synergisten. Die Kommission legte den Vorschlag vor, damit unter anderem folgende Ziele329 verwirklicht werden können: Das hohe Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sollte gestärkt werden. Die Funktion des Binnenmarktes sollte verbessert und die Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie sollte gewahrt und gestärkt werden. Weiter sollte die Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln für Landwirte in den verschiedenen Mitgliedstaaten harmonisiert werden. Das Verfahren sollte aktualisiert werden, insbesondere angesichts der Einrichtung einer Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit.330

327 Richtlinie 79/117/EWG des Rates vom 21.12.1978 über das Verbot des Inverkehrbringens und der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, die bestimmte Wirkstoffe enthalten, ABl. 1979, Nr. L 33, S. 36. 328 Siehe hierzu auch KOM (2006) 388 endg., S. 9. 329 Siehe hierzu auch KOM (2006) 388 endg., S. 2. 330 Weitere Ziele sind mehr Transparenz, die Vermeidung von Wiederholungen bei Tierversuchen und die Definition der Aufgaben der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit.

B. Tendenzen in der Rechtsetzungspolitik der Europäischen Union

85

dass erstmalig eine Folgenabschätzung vor der Verabschiedung wesentlicher Änderungen eines Rechtsaktes betrieben wurde. Unter dem Punkt „Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Ver­ hältnismäßigkeit“299 wird angemerkt, dass die Tatsache, dass die Anzahl der Verordnungen und Richtlinien im Vergleich zu der Anzahl der Beschlüsse/Entscheidungen und Empfehlungen – sowohl absolut als auch relativ gesehen – zurückgegangen ist, als ein Anzeichen dafür gesehen wird, wie sorgfältig die Kommission jeweils das am wenigsten verbindliche Rechtsinstrument gewählt hat. Es wird weiter darauf eingegangen, dass eine genaue Voraussage aller denk­ baren Folgen im Rahmen einer Folgenabschätzung eventuell zu einer Lähmung der Rechtsetzung führen könnte. Somit soll im Bereich der Folgenabschätzung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Analyse gelten.300 Bei den Debatten zu Abänderungen von Rechtsakten lässt sich laut Kommission ein Trend beobachten: –– Zumeist soll das Parlament in seinen Abänderungen umfassendere Maßnahmen der EU gefordert und angeführt haben, dass verbindlichere Rechtsakte erforderlich seien, um den Erfolg zu gewährleisten. –– In den Abänderungen des Rates soll laut Kommission dagegen gefordert worden sein, den Anwendungsbereich der in Aussicht genommenen Maßnahme zu beschränken oder eine weniger verbindliche Maßnahme zu wählen. Schlussendlich sind nach der Kommission alle drei Organe in den meisten Fällen letzten Endes zu einer gemeinsamen Auslegung von Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit gelangt. Bezüglich des Ausschusses der Regionen wird in diesem Bericht angemerkt, dass dieser in zwei Fällen die Kommission aufgefordert hat, die Wahl ihrer Rechtsinstrumente zu überdenken, um dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht zu werden. Allgemein kann man hiernach die Tendenz erkennen, dass die Rechtsetzungsform so einfach wie möglich sein soll. Bei der Änderung von Rechtsakten soll nach Einschätzung der Kommission das Parlament die Meinung vertreten, verbindliche Rechtsakte seien erforderlich, um den Erfolg zu gewährleisten, wohingegen die Kommission es eher bevorzugt, weniger verbindliche Maßnahmen zu nutzen.

299

KOM (2005) 98 endg., S. 6. KOM (2005) 98 endg., S. 7.

300

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Teil 1: Grundlagen

19. Mitteilung der Kommission: Umsetzung des Lissabon-Programms der Gemeinschaft 2005301 Nach der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen302 zur „Umsetzung des Lissabon-Programms der Gemeinschaft“ muss die „Wahl des geeigneten rechtlichen Konzepts auf einer sorgfältigen Prüfung be­ ruhen“. Hierbei wird mitgeteilt, dass unter bestimmten Umständen das Ersetzen von Richtlinien durch Verordnungen zur Vereinfachung führen kann, da Verordnungen die unmittelbare Anwendung ermöglichen. Außerdem kann dieser „Rechtsformenwandel“ sicherstellen, dass „alle Akteure zur gleichen Zeit den gleichen Vorschriften unterliegen und der Schwerpunkt auf der konkreteren Umsetzung der EU-Vorschriften liegt“. Weiter kündigt die Kommission in dieser Mitteilung an, dass das Vereinfachungspotential, das durch den Ersatz von Richtlinien mit Verordnungen entsteht, entsprechend den Bestimmungen des Vertrags und unter Berücksichtigung des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit auf Einzelfallbasis weiter genutzt werden soll. Hiernach lässt sich nun erneut303 feststellen, dass die Kommission insbesondere bei der Abänderung von Rechtsakten das Instrument der Verordnung bevorzugt nutzen will, wenn auch auf „Einzelfallbasis“. Es sollen bestehende Richtlinien durch Verordnungen ersetzt werden. Langsam lässt sich eine Tendenz im Wandel der Rechtsetzung, jedenfalls bei der Änderung der Rechtsakte, erkennen. 20. Bericht der Kommission: Bessere Rechtsetzung 2005304 In dem Bericht über „Bessere Rechtsetzung“ aus dem Jahr 2005 wird nochmals auf den Aktionsplan 2005305 hingewiesen und betont, dass der Wahl der Instrumente zur Verfolgung der Vertragsziele und zur Umsetzung der EU-Politik größere Aufmerksamkeit geschenkt werden solle.306 Politische Entscheidungsträger sollen sich laut Kommission stets darum bemühen, eine Reihe legislativer und nichtlegislativer Optionen zu prüfen, mit denen diese Ziele erreicht werden können. Es wird von der Kommission bei ihrem Vorgehen zwar das Potential an Regelungs­ alternativen berücksichtigt, jedoch wird festgestellt, dass die Rechtsetzung in vielen Fällen die einfachste Möglichkeit zur Erreichung von EU-Zielen ist.307 301

KOM (2005) 535 endg. vom 25.10.2005. KOM (2005) 535 endg., S. 1, 9. 303 Vgl. hierzu bereits KOM (2003) 770 endg. 304 KOM (2006) 289 endg. vom 13.06.2006. 305 Bessere Rechtsetzung für Wachstum und Arbeitsplätze in der Europäischen Union KOM (2005) 97 endg. vom 16.03.2005. 306 KOM (2006) 289 endg., S. 5. 307 KOM (2006) 289 endg., S. 5. 302

B. Tendenzen in der Rechtsetzungspolitik der Europäischen Union

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Bezüglich der Einhaltung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit wird wiederum auf Meinungsverschiedenheiten zwischen den drei Organen hingewiesen, die jedoch immer zu einer einheitlichen Lösung führten. In diesem Bericht wird keine Aussage bezüglich der Wahl des Rechtsetzungs­ instruments gemacht, sondern grundsätzlich über das „wann“ der Rechtsetzung gesprochen. Rechtsetzung kann hiernach in vielen Fällen das einfachste Mittel zur Erreichung von EU-Zielen sein. 21. Strategische Überlegung zur Verbesserung der Rechtsetzung in der Europäischen Union 2006308 Zunächst sollen nach dieser Mitteilung zur „Verbesserung der Rechtsetzung“ aus dem Jahr 2006 die an der Rechtsetzung Beteiligten bestimmte Prioritäten setzen:309 Die Kommission soll sich um eine bessere Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts kümmern. Der Rat und das Europäische Parlament sollen der Behandlung anhängiger Vereinfachungsvorschläge, Kodifizierung und Aufhebung von überholten Rechtvorschriften höhere Priorität einräumen, und die Mitgliedstaaten sollen das Gemeinschaftsrecht besser anwenden und eine systematischere Folgen­ abschätzung310 betreiben. Weiter ist eine wichtige Voraussetzung für eine bessere Rechtsetzung, ein genaues Bild der wirtschaftlichen, sozialen und umweltpolitischen Folgen zu bekommen, die mit den jeweiligen Rechtsvorschriften einhergehen. Es soll also eine genaue Folgenabschätzung des jeweiligen Rechtsakts vorgenommen werden.311 Hierfür werden die vom Rechtsakt Betroffenen befragt und die Kommission hat darüber hinaus ein integriertes Verfahren zur Folgenabschätzung geschaffen sowie Leitlinien aufgestellt und angewandt. Jedoch wird auch festgestellt, dass die Bemühungen der Kommission um eine Vereinfachung und Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen nur dann zu den gewünschten Ergebnissen führen können, wenn die EU-Vorschriften von den Mitgliedstaaten ordnungsgemäß und effizient angewandt werden. Probleme ergeben sich diesbezüglich insbesondere aus der nicht ordnungsgemäßen oder nicht fristgemäßen Umsetzung von Richtlinien.312

308

KOM (2006) 689 endg. vom 14.11.2006. KOM (2006) 689 endg., S. 3. 310 Vgl. zur Folgenabschätzung in diesem Sinne Ahrens/Leier, ZG 2007, S. 390 ff.; zur Gesetzesfolgenabschätzung im Allgemeinen und zur Folgenabschätzung auf der Ebene der Euro­ päischen Union vgl. Lange, ZG 2001, S. 268 ff. 311 KOM (2006) 689 endg., S. 9. 312 KOM (2006) 689 endg., S. 11. 309

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Teil 1: Grundlagen

Aus diesem Grund will die Kommission die Mitgliedstaaten für eine verbesserte Kontrollmöglichkeit dafür gewinnen, Entsprechungstabellen zu erstellen, aus denen hervorgeht, welche innerstaatlichen Vorschriften jeweils welchen Vorschriften der Richtlinie entsprechen.313 Auch in dieser Überlegung wird keine konkrete Aussage zum bevorzugten Rechtsetzungsinstrument gemacht. Die Ausführungen zur Richtlinie deuten jedoch auf ein verschärftes Problembewusstsein bezüglich der mitgliedstaatlichen Umsetzungsproblematik hin. Dieses Problembewusstsein kann diesbezüglich unter Umständen bei der Kommission dazu beitragen, vermehrt auf die Handlungsform der Verordnung zurückzugreifen, obgleich laut Bericht Hilfsmechanismen zur besseren Umsetzung von Richtlinien angedacht sind. 22. Bericht der Kommission: Bessere Rechtsetzung 2006314 Es wird in diesem Bericht über „Bessere Rechtsetzung“ von 2006 wieder auf die Folgenabschätzung eingegangen und auf die Anstrengungen der Kommission, durch diese Maßnahme und die der Begründung, den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit zu entsprechen. Die Kommission berichtet beispielhaft von einem Urteil des EuGH315, in welchem eine Verordnung aufgrund Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aufgehoben wurde, da in der Begründung des Rechtsakts von den Gemeinschaftsorganen die Grunddaten, die zur Begründung der im Rechtsstreit angefochtenen Maßnahme zu berücksichtigen waren und von denen die Ausübung ihres Ermessens abhing, nicht klar und eindeutig dargelegt waren.316 Nach diesem Bericht soll bei der Wahl der Rechtsakte verschärft im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auf die Folgenabschätzung eingegangen werden. Außerdem werden stärkere Vorgaben für die Begründung der Rechtsakte bezüglich der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips angedacht. 23. Mitteilung der Kommission: Ein Europa der Ergebnisse – Anwendung des Gemeinschaftsrechts 2007317 In dieser Mitteilung zur „Anwendung des Gemeinschaftsrechts“ von 2007 wird unter anderem festgestellt, dass bei der Folgenabschätzung die Umsetzungsoptionen und deren Wirkungen sowie die Wahl des Rechtsinstruments geprüft werden, 313

KOM (2006) 689 endg., S. 11. KOM (2007) 286 endg. vom 06.06.2007. 315 EuGH, RS. C-310/40, „Königreich Spanien/Rat“, Slg. 2006, I-7285, Rn. 123. 316 KOM (2007) 286 endg., S. 10. 317 KOM (2007) 502 endg. vom 05.09.2007.

314

B. Tendenzen in der Rechtsetzungspolitik der Europäischen Union

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das die Effizienz der Maßnahme am besten gewährleistet. Hierbei sollten Durchführungsmaßnahmen soweit wie möglich in Form von Verordnungen erfolgen.318 In einer Fußnote wird erläutert, dass Richtlinien in nationales Recht umgesetzt und in den nationalen Rechtskorpus eingefügt werden, wohingegen Verordnungen in jedem Mitgliedstaat unmittelbar anwendbar sind. Falls also Richtlinien durch Verordnungen ersetzt werden, wo dies rechtlich möglich und politisch akzeptabel ist, stellt diese Rechtsetzungspolitik eine Vereinfachung dar, da sie unverzüglich zur Anwendung gelangen und sich interessierte Parteien vor Gericht unmittelbar darauf berufen können. In diesen Aussagen wird allein mit der grundsätzlichen Wirkungsweise der verschiedenen Handlungsformen und mit keinen weitreichenderen Gründen argumentiert. Die Mitteilung der Kommission wurde aufgrund der geplanten verstärkten Nutzung von Verordnungen anstelle von Richtlinien auch vom Bundesrat kritisiert.319 Der Bundesrat räumte zwar ein, dass eine Verordnung im Einzelfall das geeignetere Regelungsinstrument sein kann. Grundsätzlich solle jedoch aus Gründen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit einer Richtlinie, die den Mitgliedstaaten Gestaltungsräume bei der Umsetzung zur Berücksichtigung ihrer spezifischen Gegebenheiten belässt, bevorzugt eingesetzt werden. Auf diesen Beschluss des Bundesrats erfolgte sodann eine Unterrichtung durch die Kommission320, in der diese feststellte, dass nach ihrer Ansicht Verordnungen gerechtfertigt sind, wenn die Rechtsvorschriften genaue technische Vorgaben enthalten, die dem Mitgliedstaat nur geringe oder keine Abweichungsmöglichkeiten oder Ermessensspielräume lassen. Zusammenfassend lässt sich dieser Mitteilung der Kommission entnehmen, dass jedenfalls bei solchen technischen Vorgaben verstärkt auf Verordnungen zurückgegriffen werden soll. 24. Mitteilung der Kommission: Zweite strategische Überlegung zur Verbesserung der Rechtsetzung in der Europäischen Union 2008321 In dieser strategischen Überlegung zur „Verbesserung der Rechtsetzung in der Europäischen Union“ aus dem Jahr 2008 geht es vor allem um die Einbeziehung der Folgenabschätzung in den politischen Prozess.322 Ein integriertes Folgen­ 318

KOM (2007) 502, S. 26. Vgl. hierzu Beschluss des Bundesrates vom 09.11.2007, DrS. 680/07, S. 4. 320 Unterrichtung durch die Europäische Kommission zu Drs. 680/07, vom 19.02.2008. 321 KOM (2008) 32 endg. vom 30.01.2008. 322 KOM (2008) 32 endg., S. 5 ff.

319

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abschätzungssystem soll der Kommission helfen, bessere Strategien und Regelungen zu entwerfen, da eine solche zu sachkundigen Entscheidungen im gesamten Rechtsetzungsprozess und einer besseren Qualität der Vorschläge führt.323 Außerdem werden so die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit besser gewahrt. Als Beispiel für eine funktionierende Folgenabschätzung wird genannt, dass die Kommission 2007 drei Initiativen stoppte, da die Folgenabschätzung ergeben hatte, dass mit einem Tätigwerden der EU in diesen Fällen kein zeitlicher Nutzen verbunden wäre.324 Erneut wird auf die Bedeutung der Folgenabschätzung abgestellt, die mittlerweile einen wichtigen Teil im Rahmen der Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Wahl eines Rechtsaktes einnimmt. 25. Mitteilung der Kommission: Dritte strategische Überlegung zur Verbesserung der Rechtsetzung in der Europäischen Union 2009325 Diese Überlegung zur „Verbesserung der Rechtsetzung“ von 2009 macht keine Angaben zur Verhältnismäßigkeit der Rechtsetzung bzw. zur Wahl der Rechtsform. Die einzige Angabe bezüglich besserer Rechtsetzung in dieser Hinsicht wird im Fazit gemacht. Hiernach soll „Regelung“ nur da geschehen, wo dies notwendig ist und dabei „so einfach wie möglich“.326 Darüberhinaus wird in dieser Mitteilung erneut auf die Wichtigkeit der Folgenabschätzung eingegangen.327

II. Schlussfolgerungen Nach Auswertung der unterschiedlichen Stellungnahmen, Mitteilungen und Berichte können verschiedene Schlüsse gezogen werden: Die vielen verschiedenen aufgezeigten Dokumente sprechen für ein verstärktes bzw. sich immer weiter verstärkendes Problembewusstsein bei der Kommission und auch bei den übrigen Unionsorganen bezüglich unterschiedlicher Problem­ bereiche der Europäischen Rechtsetzung. Dieses Problembewusstsein zeigt sich insbesondere im Hinblick auf die Vermeidung zu detaillierter Richtlinien und da 323

KOM (2008) 32 endg., S. 5. KOM (2008) 32 endg., S. 6. 325 KOM (2009) 15 endg. vom 28.01.2009. 326 KOM (2009) 15 endg., S. 12. 327 KOM (2009) 15 endg. S. 7 ff.

324

B. Tendenzen in der Rechtsetzungspolitik der Europäischen Union

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mit verbunden in einer Tendenz zum Wandel in der europäischen Gesetzgebung. Weiter sollen Hilfestellungen durch Hinweise auf die Verhältnismäßigkeit der europäischen Rechtsetzung gegeben werden. Hierfür soll auch das Mittel der Folgenabschätzung vermehrt eingesetzt werden. 1. Möglichst keine detaillierten Richtlinien Die Rechtsetzung mittels so genannter detaillierter Richtlinien328 wird im Grundsatz abgelehnt329 oder jedenfalls nicht angestrebt. Vermehrt wird in den verschiedenen, vor allem in den älteren Beiträgen der Kommission deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Rahmenrichtlinien den Einzelrichtlinien, die eventuell zu detailliert sind, vorzuziehen sind.330 Sollen jedoch detaillierte Regelungen getroffen werden, weil beispielsweise das Rechtsgebiet technisch klare Regeln verlangt, so sollen diese Regelungen dann bevorzugt gleich in Form der Verordnung ergehen. 2. Wandel in der Tendenz der bevorzugten Rechtsetzungspolitik Weiter ist ein gewisser Wandel in der Tendenz der bevorzugten Rechtsetzungspolitik deutlich erkennbar: In den Fällen, in denen in den ersten ausgewerteten Jahren noch bevorzugt die Rahmenrichtlinie vor der Einzelrichtlinie anzuwenden war und die Verordnung in diesem Zusammenhang bei den verschiedenen Berichten nicht berücksichtigt bzw. mit in die Überlegungen einbezogen wurde, ändert sich dies deutlich. Es kann beobachtet und festgestellt werden, dass zu Beginn des Auswertungszeitraums eine klare Trennung zwischen Verordnung und Richtlinie bestand und nicht augenscheinlich in Betracht gezogen wurde, durch Richtlinien geregelte Rechtsgebiete durch Verordnungen zu regeln. Die Problematik vor allem im Bezug auf die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips bestand eher darin, dass vermehrt detaillierte Einzelrichtlinien erlassen wurden und sich die Frage stellte, ob diese Art der Rechtsetzung noch dem gängigen Richtlinienkonzept331, welches in Art. 288 Abs. 3 AEUV (ex-Art. 249 Abs. 3 EGV) verankert ist, entsprach.

328

Zu den detaillierten Richtlinien vgl. unten unter VI. 3. f) dd) (2). Vgl. hierzu KOM (2002) 278 endg. 330 CSE  (1996) 7 endg., „Eine bessere Rechtsetzung“ vom 27.11.1996; KOM  (1998) 345, „Weniger Gesetzgebung für besseres Handeln: die Fakten“ vom 02.06.1998. 331 Aus diesem Grund sollte die Richtlinie wieder auf die wesentlichen Aspekte der Rechtsetzung begrenzt werden, siehe dazu KOM (2002) 278 endg.; auch aus KOM (2002) 275 endg. geht hervor, dass Rat und Europäisches Parlament sich wieder auf das im Vertrag vorgesehene Richtlinienkonzept zurückbesinnen sollen. 329

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Teil 1: Grundlagen

Gerade in der letzten Zeit wird jedoch insbesondere bei der Abänderung oder Zusammenfassung bereits bestehender Rechtsakte332 der vermehrte Gebrauch von Verordnungen bzw. der Ersatz von Richtlinien durch Verordnungen propagiert. Klare Begründungen für den verstärkten Einsatz der Verordnung unterbleiben jedoch im Wesentlichen. So sind die Gründe, die die Kommission angibt, meist nur eine abstrakte Auflistung der der Verordnung innewohnenden ureigenen Wirkungsweise, nämlich, dass diese rechtsvereinheitlichend wirkt und in den Mitgliedstaaten nicht zu Umsetzungsproblemen führt bzw. kein zusätzlicher Zeit­ aufwand333 für eine Umsetzung erforderlich ist. Es ist anzunehmen und kommt teilweise auch bei den Begründungen zum Ausdruck334, dass der vermehrte Gebrauch von Verordnungen vor allem auch auf einer zunehmenden Umsetzungsproblematik beruht, die mitunter aus der steigenden Anzahl der Mitgliedstaaten resultiert. Aufgrund dieser wachsenden Mitgliederzahl ist eine einheitliche fristgerechte und ordnungsgemäße Umsetzung von Richt­ linien immer mehr in Gefahr und nur schwer zu verwirklichen. Außerdem kommen dadurch zusätzliche Erschwernisse bei der Überwachung der Umsetzung durch die Kommission hinzu. Es scheint jedoch auch, als wäre dieser Wandel von der Rahmenrichtlinie bzw. der Einzelrichtlinie zur Verordnung in bestimmten Rechtsgebieten nunmehr er­ forderlich, da diese Rechtsgebiete aufgrund ihrer Komplexität durch eine einheitliche Regelung umfassender strukturiert werden sollen. 3. Hinweise auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung und die Folgenabschätzung Neben dieser erkennbar veränderten Tendenz in der Rechtsetzungspolitik bezüglich der Wahl zwischen den Rechtsinstrumenten „Verordnung“ und „Richtlinie“ können den verschiedenen Stellungnahmen, Mit­teilungen und Berichten jedoch auch allgemeine Hinweise und Leitlinien bezüglich der Prüfung der Verhältnismäßigkeit entnommen werden. Insbesondere gewinnt das Instrument der Folgenabschätzung an Bedeutung.

332

Vgl. hierzu KOM (2001) 728 endg. Vgl. hierzu KOM (2001), 428 endg.; KOM (2001) 130 endg. 334 So z. B. in KOM (2001) 130 endg., in welchem der Hinweis zu finden ist, dass vorzugsweise für detaillierte Normen, die in den Mitgliedstaaten einheitlich angewandt werde müssen, auf die unmittelbar und einheitlich anwendbare Verordnung statt der Richtlinie zurückgegriffen werden soll, da für deren Umsetzung so viele nationale Rechtsakte erforderlich sind, wie es Mitgliedstaaten gibt. Zum Zeitpunkt dieses Zwischenberichts der Kommission waren es 15 Mitgliedstaaten. 333

B. Tendenzen in der Rechtsetzungspolitik der Europäischen Union

93

a) Verhältnismäßigkeit der Wahl der Mittel Bei der Wahl der Mittel soll innerhalb der Verhältnismäßigkeit geprüft werden, ob die ausgewählten Maßnahmen der Gemeinschaft bzw. Union hinsichtlich der zu erreichenden Ziele angemessen sind.335 Hierbei soll jedoch nicht die gängige, nach der deutschen Verhältnismäßigkeitsprüfung stattfindende Angemessenheits- oder Proportionalitätsprüfung vorgenommen werden. Vielmehr ist damit gemeint, dass zunächst zu fragen ist, ob überhaupt in Form von Rechtsakten gehandelt werden muss oder ob es Alternativen hierzu gibt.336 Wird die Frage nach dem Regelungsbedarf bejaht, so ist die Verhältnismäßigkeit der in Frage kommenden Regelung festzustellen.337 b) Geeignetheit Zunächst ist zu prüfen, welches das geeignete Instrument zur Verwirklichung der Ziele ist (Eignungsprüfung).338 Es soll im Einzelfall über das geeignete Instrument entschieden werden und hierbei auf Flexibilität zu achten sein. Vor der Auswahl soll jedoch analysiert werden, wie das angestrebte Ziel am besten zu erreichen ist, ohne dass die demokratische Kontrolle des Rechtsetzungsprozesses bzw. der Vertrag in Frage gestellt werden. Auf Alternativregelungsmöglich­keiten darf nur zurückgegriffen werden, wenn diese für den jeweiligen Bereich geeignet sind.339 Für detaillierte Normen, die in den Mitgliedstaaten einheitlich angewendet werden sollen, soll vorzugsweise die Verordnung das geeignete Handlungsinstrument sein.340 Verordnungen sollen vor allem auch dann geeignet sein, wenn dies der unions­weit einheitlichen Rechtsanwendung und der Rechtssicherheit dient.341 c) Erforderlichkeit Falls eine Regelung das geeignete Instrument ist, so ist zu fragen, ob die Tragweite, Dauer und Intensität dieser Reglung auch nicht über das unbedingt Notwendige hinausgeht.342 Das eingesetzte Mittel darf also nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist.343 335

Sek (1995) 2255/7. KOM (2001) 130 endg. 337 KOM (2003) 770. 338 Sek (1995) 2255/7; KOM (2003) 770. 339 KOM (2001) 130 endg. 340 KOM (2001) 130 endg. 341 Vgl. hierzu KOM (2001), 428. 342 Sek (1995) 2255/7. 343 KOM (2003) 770.

336

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Teil 1: Grundlagen

d) Zwischenanmerkung Es ist jedoch auch festzuhalten, dass festgestellt wird, dass dem europäischen Gesetzgeber durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ein weiter Ermessenspielraum eingeräumt wird, wodurch sich eine Beurteilung der Geeignetheit und der Erforderlichkeit als schwierig erweisen kann. Da aufgrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips oft mehrere Handlungsalternativen in Betracht kommen, ist davon auszugehen, dass die am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe somit immer eine politische Entscheidung zugunsten einer bestimmten politischen Option treffen.344 Der europäische Gesetzgeber kann im Grundsatz davon ausgehen, dass bei nicht augenscheinlich völliger Ungeeignetheit oder erkennbar fehlender Erforderlichkeit des gewählten Regelungsinstruments immer von der Verhältnismäßigkeit der ausgesuchten Maßnahme und somit von der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme auszugehen ist. e) Angemessenheit Zwar wird in den unterschiedlichen Berichten der Kommission teilweise explizit das Wort Angemessenheit345 gebraucht, dies ist jedoch eher auf eine uneinheitliche Terminologie zu stützen. Bezüglich eines Prüfungspunkts der Angemessenheit, wie er aus dem deutschen Prüfprogramm des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bekannt ist, sind in den Protokollen jedoch keine Angaben zu finden. 4. Folgenabschätzung Die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit346 einer unionalen bzw. gemeinschaftlichen Maßnahme soll sich zunächst an der Beantwortung der Frage orientieren, ob die nationalen und regionalen Behörden und die Zivilgesellschaft die in einer Gemeinschaftsvorschrift festgelegten Ziele durch eigenes Handeln erreichen können und ob die nationale und sektorale Praxis mit diesen Zielen vereinbar ist. Daneben ist das Vorsorgeprinzip anzuwenden, das den Gesetzgeber verpflichtet, eine Abwägung zu treffen zwischen den Freiheiten und Rechten von Personen, Wirtschaftssektoren und Organisationen und der Notwendigkeit, die Gefahr negativer Folgen für die Umwelt und die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen zu ver­ringern. Es geht hierbei bereits um eine Art Folgenabschätzung, wobei das 344

Vgl. hierzu KOM (2003) 770. Beispielsweise Sek (1995) 2255/7. Bei der Wahl der Mittel soll innerhalb der Verhältnismäßigkeit geprüft werden, ob „die Mittel der Handlung der Gemeinschaft den Zielen angemessen sind“. 346 KOM (2000) 772. 345

B. Tendenzen in der Rechtsetzungspolitik der Europäischen Union

95

genaue Verhältnis bzw. die Einordnung zum Verhältnismäßigkeitsprinzip schwierig anmuten. Nach Auswertung der verschiedenen Berichte, Leitlinien und Mitteilungen der Kommission kann allerdings festgestellt werden, dass das Instrument der Folgenabschätzung347 im Rahmen der Europäischen Rechtsetzung vermehrt gebraucht werden soll.348 Dabei soll dennoch nicht die Rechtsetzung unnötig behindert werden, da eine genaue Voraussage aller denkbaren Folgen im Rahmen einer Folgenabschätzung eventuell zu einer Lähmung der Rechtsetzung führen könnte.349 Insofern soll auch im Bereich der Folgenabschätzung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Analyse gelten.350 Die Begriffe „Folgenabschätzung“ und „Gesetzesfolgenabschätzung“ sind grundsätzlich nicht synonym zu gebrauchen. Gesetzesfolgenabschätzung ist in der nationalen Gesetzgebung der gebräuchliche Ausdruck, während auf EU-Ebene neben der Gesetzgebung alle Maßnahmen einer Folgenabschätzung unterworfen sind.351 Im Grundsatz werden hingegen ähnliche Prüfkriterien bei beiden Arten der Abschätzung benutzt, womit die grundsätzlichen Aussagen als kongruent an­ wendbar zu beurteilen sind. Es geht bei der Folgenabschätzung grds. in gewisser Weise um die Frage der Effizienz bzw. Wirksamkeit352 von Rechtsvorschriften, die eng mit der Frage der Verhältnismäßigkeit verknüpft ist. Ein Gesetz bzw. eine Norm kann dann als wirksam 347 Zur Entwicklung der Folgenabschätzung in der europäischen Rechtspraxis vgl. nur Lange, ZG 2001, S. 271 ff.; Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, 2006, § 17, Rn. 30 ff.; allgemein zur Folgenabschätzung Hofmann, ZG 1999, S. 44 ff.; Wagner, ZRP 1999, S. 480 ff.; Karpen,  ZRP 2002, S.  443 ff.; Redeker, NJW  2002, S.  2756 ff.; Hofmann/Meyer-Teschen­ dorf, ZG 1998, S. 362 ff.; Redeker, ZRP 2004, S. 160 ff.; Böhret, Gesetzesfolgenabschätzung (GFA): Modisch oder hilfreich?, in: Schreckenberger/Merten (Hrsg.), Grundfragen der Gesetzgebungslehre, 2000, S.  159 ff.; Blum, Wege zu besserer Gesetzgebung, 2004, S.  51 ff.; Böh­ ret, Gesetzesfolgenabschätzung, Speyerer Arbeitshefte 110, 1997; zur Folgenabschätzung in Deutschland vgl. den Leitfaden zur Gesetzesfolgenabschätzung, Stand Juli 2000; zur Folgenabschätzung in der Europäischen Union siehe Leitfaden zur Folgenabschätzung in der Euro­ päischen Union, Stand Mai 2006; insbesondere zu den rechtlichen Anforderungen an die Qualität der Gesetzesfolgenabschätzung in der Schweiz, Bussmann, ZG 1998, S. 127 ff.; zur Rolle der Parlamente im Prozess der Gesetzesfolgenabschätzung Grimm/Brocker, ZG 1999, S. 58 ff., Grimm, ZRP 2000, S. 87 ff. 348 Siehe bereits Sek (1995) 2255/7, in diesen Leitlinien wird darauf eingegangen, dass die Kommission immer mehr dazu übergegangen ist, ihre Legislativinitiativen durch dem Gegenstand angemessene Bewertung zu ergänzen. 349 Laut Bussmann kann insbesondere die hohe Komplexität der prospektiven Gesetzesevalua­ tion in methodischer Hinsicht zu vielen Schwierigkeiten führen, ZG 1998, S. 128. 350 Vgl. hierzu KOM (2005) 98. 351 Ausnahme hiervon sind Rechtsakte, die unter die alleinige Durchführungsbefugnis der Kommission fallen. 352 Nach Bussmann, ZG 1998, S. 127 ist die Wirksamkeit „im Laufe der vergangenen Jahre neben der Rechtmäßigkeit immer mehr zu einem zentralen Kriterium für die Legitimität von Erlassen geworden“.

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Teil 1: Grundlagen

bezeichnet werden, wenn die Befolgung und Durchsetzung sicher ist, also wenn sichergestellt ist, dass das „geplante und dann in Kraft getretene Gesetz den vom Gesetzgeber anvisierten Zweck überhaupt oder doch zu einem erheblichen Grade erreichen kann“353. Es geht entsprechend bei der Normwirksamkeit um die Frage nach dem Umfang der faktischen Rechtsgeltung.354 Die Folgenabschätzung ist jedoch keine Rechtmäßigkeitsprüfung355, da die tatsächlichen Folgen von Gesetzgebung und mithin deren Zweckmäßigkeit ab­ geschätzt werden und nicht die rechtlichen Folgen, wobei unzweckmäßiges Handeln grundsätzlich auch zur Rechtswidrigkeit einer Maßnahme führen kann. Die in der Folgenabschätzung notwendige sorgfältige Analyse kann jedoch dazu beitragen, das Kriterium der Rechtsmäßigkeit um weitere Aspekte zu erweitern.356 Bei einer Folgenabschätzung werden „die Notwendigkeit einer Regelung, ihre Wirksamkeit und die Folgen, die über die Wirksamkeit im engeren Sinne hinausgehen, mit Hilfe eines interdisziplinären Forschungsansatzes multidimensional erfasst und bewertet“357. Es geht zunächst um die Frage, „ob überhaupt“ Handlungsbedarf besteht, und wenn dies bejaht wird, welche Handlungsmöglichkeiten mit ihren spezifischen Auswirkungen vorliegen. Man unterscheidet drei Arten von Folgenabschätzungen, die nach dem Zeitpunkt der Bewertung der Wirksamkeit des zu beurteilenden Gesetzes unterschieden werden: die prospektive, die begleitende und die retrospektive Gesetzes­ folgenabschätzung.358 Bei einer Folgenabschätzung sollen die Folgen auf die unterschiedlichsten Güter ermittelt und dann im Hinblick auf das Finden der möglichst wirksamsten Regelung abgewogen werden. Zu berücksichtigen sind zunächst die durch das Gesetz entstehenden Kosten, es wird also eine Kosten-Nutzen-Analyse359 durchgeführt. Hierbei geht es sowohl um Kosten für den öffentlichen Haushalt und vor allem um eine Kostenanalyse der zu erwartenden Vollzugskosten als auch um Kosten für die Privatwirtschaft und Einzelne, da auch die gesamtgesellschaftlichen Lasten mit­

353

Vgl. hierzu Karpen, ZRP 2002, S. 444. Freibert, Das ideale Gesetz, in: Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (Hrsg.), Praxis der Gesetzgebung, 1984, S. 34. 355 So auch Lange, ZG 2001, S. 269 f. 356 Bussmann, ZG 1998, S. 128. 357 Grün/Morsey, Prospektive Gesetzesfolgenabschätzung zum Problembereich somatische Gentherapie, Speyerer Forschungsberichte Nr. 176, 1997, S. 30 ff. und S. 154 ff.; vgl. hierzu auch Wagner, ZRP 1999, S. 480. 358 Näher und mit einem ausführlichen Bewertungskatalog hierzu Lange, ZG 2001, S. 275 ff.; hierzu auch Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, 2006, § 17, Rn. 15 ff. 359 Nach Karpen, ZRP 2002, S. 444, ist eine Maßnahme innerhalb der Prüfung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses wirtschaftlich, wenn „ein gegebenes Ziel mit möglichst geringem Aufwand erreicht wird oder das Ziel mit vorgegebenem Aufwand möglichst gut erreicht wird“. 354

B. Tendenzen in der Rechtsetzungspolitik der Europäischen Union

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berücksichtigt werden müssen.360 Weiter ist auch eine Abwägung der „allgemeingesellschaftspolitischen Folgen“ eines geplanten Gesetzes erforderlich.361 Außerdem kann auch die Notwendigkeit einer Risikoanalyse362 bestehen. Im Bezug auf die Unionsgesetzgebung und insbesondere auch im Hinblick auf die Wahl der Handlungsform bedeutet die Notwendigkeit einer Folgenabschätzung, dass die Möglichkeit und die Verpflichtung des Unionsgesetzgebers bestehen, schon bei der Planung von Maßnahmen anhand tatsächlicher Gegebenheiten zu überlegen, ob überhaupt Handlungsbedarf besteht, und wenn diese Frage bejaht wird, welches die passende Rechtsform ist und was darüber hinaus die ideale inhaltliche Ausfüllung dieser Rechtsform ist. Insbesondere können hierbei auch Erfahrungen berücksichtigt werden, die bereits in vergleichbaren Fällen bei der Umsetzung bzw. der Implementation in nationales Recht und der Anwendung dieses Rechts gemacht wurden. Vor allem bei der Rechtsetzung mittels Richtlinien kann das Instrument der Folgenabschätzung weiterführend und äußerst hilfreich für den Unionsgesetzgeber sein, da die Zweckmäßigkeit von Richtlinien oftmals aufgrund der mittlerweile gängigen Regelungstechnik von vermehrter Einzelregelung und der damit verknüpften Komplexität des Regelungsgefüges gefährdet sein kann. Mit einer zielführenden Folgenabschätzung können gefährdende Mechanismen der Rechtsetzung frühzeitig erkannt und dann gebannt werden. Eventuell auf­getretene Schwierigkeiten bezüglich der Rechtsetzung können, beispielsweise durch Analyse der Vertragsverletzungsverfahren, berücksichtigt werden. Nach dem Leitfaden zur Folgenabschätzung in der Europäischen Union363 ist das Ziel einer Folgenabschätzung die Verbesserung neuer Vorhaben und die Vereinfachung des Regelungsumfeldes. Hierdurch sollen die wesentlichen wirtschaftlichen, sozialen und umweltbezogenen Auswirkungen eines Vorschlags systematisch abgeschätzt werden können und damit eine verbesserte Informationsgrundlage für politische Entscheidungen in Kommission, Rat und Europäischem Parlament geschaffen werden. Das Verfahren der Folgenabschätzung soll in sechs Prüfschritten ablaufen: –– Identifikation des zu lösenden Problems; –– Benennung der Ziele des Regelungsvorhabens; –– Entwicklung alternativer Optionen; –– Ermittlung der voraussichtlichen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen; 360 Vgl. hierzu Hofmann, ZG  1999, S.  46; Ebenso Härtel, Handbuch Europäische Recht­ setzung, 2006, § 17, Rn. 14. 361 Hofmann, ZG 1999, S. 46 spricht hier davon, die so genannten „kontraproduktiven Gestaltungseffekte“ einer Gesetzgebung frühzeitig zu kennen. 362 KOM (1999) 562 endg. 363 Leitfaden zur Folgenabschätzung in der Europäischen Union, Stand Mai 2006, S. 10.

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Teil 1: Grundlagen

–– Vergleich und Gegenüberstellung der Regelungsoptionen; –– Bewertung der einzelnen Optionen, –– Darstellung der optimalen Politik- und Regelungsoption; –– Monitoring und Evaluation nach Inkrafttreten der Regelung. Bei der Folgenabschätzung zeigen sich große Parallelen364, wenn nicht gar einige Überschneidungen mit einer Verhältnismäßigkeitsprüfung der in Frage stehenden Regelung: –– Zunächst geht es bei der Folgenabschätzung darum, die „Zielgenauigkeit und die Zweckerreichung“ gesetzgeberischen Handelns zu verbessern.365 Mit der genauen Zielbestimmung ist es möglich, eventuell auftretende Nebenwirkungen abzuschätzen und Zielfestlegungen, die konterkarierend wirken, zu ver­ meiden.366 –– Weiter ist mit einer Folgenabschätzung auch die Frage der Geeignetheit der in Frage stehenden Regelung mit umfasst, und zwar insofern, als es um ein wirtschaftlich geeignetes und wirksames Mittel geht, also ein solches Mittel, das wirksam ist und der Wirtschaftlichkeit entspricht und deshalb geeignet ist und nicht wegen Unwirksamkeit ungeeignet ist.367 –– Bezüglich der Erforderlichkeit eines Mittels bzw. einer Regelung sei gesagt, dass ein zu einschneidendes Mittel nicht erforderlich sein kann. Ein zu einschneidendes und demnach nicht mehr erforderliches Mittel verliert nämlich gegebenenfalls seine Wirksamkeit, da das mildere Mittel die Schonung von mitgliedstaatlicher Souveränität mit sich bringt. Bezüglich des Prüfungspunkts der Erforderlichkeit kann auch festgehalten werden, dass anstelle gesetzlicher Regulierung „regulierte Selbststeuerung“ treten kann368, wenn diese ebenso wirksam zur Zielerreichung ist. Alternativen zur Rechtsetzung sollen ausdrücklich geprüft werden.369 Im Punkt der Erforderlichkeit ist neben der Regelungsart ebenso der Umfang der Regelungsdichte anzusiedeln. Es ist nämlich davon auszugehen, dass bei höherer Regelungsdichte auch die Kosten für die Implementation dieser Regelung höher sind als bei geringerer Regelungsdichte.370 Hierbei sind im Zweifelsfall nicht 364

So Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, 2006, § 17, Rn. 18. Wagner, ZRP 1999, S. 482. 366 Siehe hierzu auch Freibert, Das ideale Gesetz, in: Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (Hrsg.), Praxis der Gesetzgebung, 1984, S. 34. 367 Jedoch ist die Aussage ein unwirksames Gesetz sei nicht geeignet das gesetzgeberische Ziel voranzutreiben nicht wirklich weiterführend, so aber Lange, ZG 2001, S. 274. 368 Wagner, ZRP 1999, S. 481. 369 Vgl. beispielhaft KOM (1998) 715 endg. 370 Wagner, ZRP 1999, S. 481. 365

B. Tendenzen in der Rechtsetzungspolitik der Europäischen Union

99

nur die Kosten für den Gesetzgeber, sondern auch die Kosten für die Verwaltung und den Normadressaten, also den Einzelnen oder die Privatwirtschaft, gemeint. Diese Verknüpfung zwischen Folgenabschätzung und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kommt auch im Subsidiaritätsprotokoll371 zum EGV zum Ausdruck, nach welchem finanzielle Belastung und Verwaltungsaufwand so gering wie möglich sein sollen. Weiter ist auch ein angemessenes Verhältnis zwischen dem öffentlichen Ziel und der Kosten-Nutzen-Analyse anzustreben. Nach dem Subsidiaritätsprotokoll372 zum EGV sollen finanzielle Belastung und Verwaltungsaufwand in einem an­ gemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen. Fraglich ist, ob der Unterschied der beiden Institute Folgenabschätzung und Verhältnismäßigkeit darin liegen kann, dass das Verhältnismäßigkeitsprinzip den Bürger vor hoheitlichen Eingriffen schützt und die Folgenabschätzung im Sinne einer Wirtschaftlichkeitsprüfung anstrebt, unnötige bzw. nicht gerechtfertigte Kosten zu vermeiden.373 Diese Art der Abgrenzung berücksichtigt jedoch nicht die spezifisch dem Unionsrecht innewohnende Verhältnismäßigkeitsprüfung, die nicht nur verlangt, dass das Handeln der Europäischen Union dem Bürger gegenüber verhältnismäßig ist, sondern auch gegenüber den Mitgliedstaaten. Gerade bei der Kostenverteilung kann ein Handeln der Union, welches die Mitgliedstaaten und meist insbesondere deren Verwaltungen und auch die Bürger bzw. die Privatwirtschaft anbetrifft, unverhältnismäßig sein. Somit kann insbesondere auch, wenn es um die Vermeidung unnötiger Kosten und Lasten im Sinne von vorausschauender Folgenabschätzung geht, von verhältnismäßigem Gemeinschafts- bzw. Unionshandeln gesprochen werden. Dennoch sind Verhältnismäßigkeit und Folgenabschätzung nicht synonym. Die Folgenabschätzung wird vielmehr von der Verhältnismäßigkeitsprüfung in dem Sinne umfasst, dass bei einer auf ihre Verhältnismäßigkeit hin untersuchten Maßnahme eine Folgenabschätzung nicht fehlen darf. Jeder Prüfungspunkt innerhalb der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist anteilig innerhalb der Folgenabschätzung mitberücksichtigt. 371 Protokoll Nr. 30 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, aus dem Vertrag von Amsterdam zur Gründung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Nr. C 340 vom 10.11.1997, Nr. 9. 372 Protokoll Nr. 30 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, aus dem Vertrag von Amsterdam zur Gründung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Nr. C 340, Nr. 9. 373 So jedenfalls Bussmann, ZG  1998, S.  131, der auch davon ausgeht, das Verhältnismäßigkeit und Wirtschaftlichkeit an sich kongruent sind, sich jedoch bezüglich der dargestellten Schwerpunkte unterscheiden; so undifferenziert auch Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, 2006, § 17, Rn. 18.

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Teil 1: Grundlagen

Eine Folgenabschätzung hat im Bezug auf die Verhältnismäßigkeit, insbesondere bezüglich des Kriteriums der Erforderlichkeit, Bedeutung. Dies deshalb, weil innerhalb der Erforderlichkeit einer Maßnahme überprüft werden soll, ob das zu erreichende Ziel nicht auch mit einer milderen Maßnahme erreicht werden kann. Ob es jedoch ein milderes Mittel zur Zielerreichung gibt, kann erst mit einer umfassenden Folgenabschätzung des geplanten Mittels eingeschätzt und abschließend bewertet werden. Innerhalb dieser Folgenabschätzung werden dann auch geeignete andere Mittel zur Zielerreichung geprüft und mit dem geplanten Mittel verglichen, um herauszufinden, ob auch weniger einschneidende Mittel zum Ziel führen könnten bzw. wirksam wären. Somit muss die Folgenabschätzung als eng mit der Verhältnismäßigkeits­prüfung verbunden angesehen werden. Im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung ist vor allem innerhalb der Erforderlichkeit auf die Folgenabschätzung einzugehen, da mit diesem Verfahren herausgefunden werden kann, ob das ausgewählte Mittel bei gleicher Wirksamkeit am wenigsten einschneidend, also wie verlangt am mildesten ist.

C. Die Europäische Rechtsetzung im Lichte des Art. 5 EUV Nach der Darstellung der grundsätzlichen Unterschiede der Rechtsformen „Verordnung“ und „Richtlinie“ und der Auswertung der wichtigsten im Bereich der Rechtsetzung ergangenen Mitteilungen und Berichte ist nun zu prüfen, nach welchen Kriterien der Gemeinschaftsgesetzgeber bzw. nunmehr der Unionsgesetzgeber eine bestimmte Handlungsform auswählen darf und an welche Grundsätze er sich bei der Auswahl halten muss. Es soll also untersucht werden, welcher Ordnungsrahmen dem europäischen Gesetzgeber bei der Rechtsetzung vorgegeben ist.

I. Allgemeines Die normativen Vorgaben des Primärrechts für die Wahl der Rechtsform er­ geben sich nicht unmittelbar aus der allgemeinen Bestimmung des Art. 288 AEUV (ex-Art. 249 EGV), sondern zunächst und in erster Linie aus den konkreten Formulierungen der im AEUV enthaltenen Ermächtigungsgrundlagen.374 Die Benennung von Verordnungen und Richtlinien als mögliche Handlungs­ formen der Rechtsetzung der Union in Art.  288 AEUV zeigt, dass der Union aufgrund der verschiedenen Kompetenzbestimmungen des Primärrechts eigene Rechtsetzungsgewalt zustehen kann. Art. 288 AEUV listet jedoch nur bestimmte 374 Siehe hierzu Magiera, JURA 1989, S. 598; in zweiter Linie, d. h. soweit nicht bereits die im Vertrag enthaltenen Ermächtigungsgrundlagen Vorgaben für die Rechtsformwahl aufstellen, folgen solche aus den allgemeinen Vertragsbestimmungen und -grundsätzen.

C. Die Europäische Rechtsetzung im Lichte des Art. 5 EUV

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unterschiedliche Handlungsformen der Unionsorgane auf. Er stellt aber nicht selbst eine eigenständige Ermächtigungsgrundlage zum Einsatz dieser Handlungsformen dar, sondern setzt eine solche konkrete Ermächtigungsgrundlage voraus. Diese Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Verordnung bzw. einer Richtlinie muss im Primärrecht, also im AEUV, zu finden sein. Diese Erforderlichkeit einer anderweitigen Ermächtigung zum Einsatz der in Art. 288 AEUV vorgesehenen Handlungsoptionen fand ihren Ausdruck auch im Wortlaut des Art. 249 EGV dadurch, dass dieser den Gemeinschaftsorganen auferlegte, Rechtshandlungen „nach Maßgabe dieses Vertrags“ auszuwählen.375 Insoweit nahm Art. 249 EGV auf das in Art. 5 Abs. 1 EGV (mittlerweile Art. 5 Abs. 2 EUV) normierte Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung Bezug.376 Nunmehr ist in Art. 288 Abs. 1 AEUV normiert, dass die Organe Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse, Empfehlungen und Stellungnahmen für die Ausübung der Zuständigkeiten annehmen. Allgemeine Voraussetzungen für die Kompetenz der Union zum Erlass von Maßnahmen, also auch rechtsetzenden Maßnahmen, ergeben sich über die An­ forderungen des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung hinaus auch aus dem in Art. 5 Abs. 3 EUV (ex-Art. 5 Abs. 2 EGV) enthaltenen Subsidiaritätsprinzip. Inwieweit sich hieraus, aus dem in Art. 5 Abs. 4 EUV (ex-Art. 5 Abs. 3 EGV) normierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und eventuell aus anderen Rechtsgrund­ sätzen auch Vorgaben bezüglich der Wahl einer bestimmten Rechtsaktform ergeben, ist im Verlauf der Arbeit zu untersuchen.

II. Der Inhalt des Art. 5 EUV (ex-Art. 5 EGV) als Maßstab der Rechtsetzung Art. 5 EUV (ex-Art. 5 EGV)377 stellt insgesamt eine umfassende Kompetenz­ verteilungs- und Kompetenzausübungsregelung mit drei getrennten, einander ergänzenden Elementen dar.378 Diese getrennten Elemente sind in vier Absätzen enthalten, die in engem Zusammenhang stehen. Art. 5 EUV (ex-Art. 5 EGV) ist also eine umfassende Kompetenzschrankentrias, die der Union aufgibt, bei der Ausübung von Hoheitsgewalt auf die eigenen unionalen Kompetenzen, auf die Belange der Mitgliedstaaten und gegebenenfalls auf deren föderale Strukturen zu achten.379 375

Der damalige Art. 189 EWGV (ex-Art. 249 EGV) und heutige Art. 288 AEUV sei deshalb keine Kompetenznorm so Kraushaar, weil die Vorschrift nicht nur auf den Zweck der Erfüllung der Aufgaben durch die Organe Bezug nimmt, sondern ferner fordert, dass nach Maßgabe der Verträge verfahren werde, siehe hierzu DÖV 1959, S. 727. 376 So auch Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 249 EGV, Rn. 9. 377 Die dem Art. 5 EUV entsprechende Regelung des ex-Art. 5 EGV bzw. ex-Art. 3b EGV wurde erst im Vertrag von Maastricht ausdrücklich im EGV normiert. 378 Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl., 2012, Art. 5 EUV, Rn. 2. 379 Epiney, EuR 1994, S. 323.

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Teil 1: Grundlagen

Nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 EUV gilt für die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung380, wobei nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 EUV für die Ausübung der Zuständigkeiten der Union die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit gelten. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung ist nach dem Vertrag von Lissabon die Kompetenzverteilungsregel, während Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip die Kompetenzausübungsregeln darstellen. In Art. 5 Abs. 2 EUV (ex-Art. 5 Abs. 1 EGV) ist zunächst das so genannte „Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung“ detailliert normiert, welches festschreibt, dass die Union nur innerhalb der Grenzen der Zuständigkeiten tätig wird, die die Mitgliedstaaten ihr in den Verträgen zur Verwirklichung der darin niedergelegten Ziele übertragen haben. Dieses Prinzip gibt also Auskunft über die Herleitung und den Umfang der Kompetenzen der Union und fordert als grundlegende Bedingung für jedes Tätigwerden der Union381 das Vorhandensein einer primärrecht­lichen Handlungsermächtigung. Weiter wird in Art. 5 Abs. 2 S. 2 EUV noch klargestellt, dass alle der Union nicht in den Verträgen übertragenen Zuständigkeiten bei den Mitgliedstaaten verbleiben. Diesem Satz kommt jedoch über einen rein deklaratorischen Charakter keine weitere regelnde Bedeutung zu. Art.  5 Abs.  2 EUV ist damit eine Kompetenzverteilungs- bzw. Kompetenz­ zuweisungsregel und regelt die Grundanforderung für das „Ob“ eines Tätigwerdens der Union, also ob diese überhaupt tätig werden „darf oder kann“. Art. 5 Abs. 3 EUV (ex-Art. 5 Abs. 2 EGV) regelt im Unterschied zu Abs. 2, der jegliches Tätigwerden umfasst, lediglich die Fälle der nicht-ausschließ­lichen Kompetenz. Für diese Konstellation ist der Grundsatz der Subsidiarität ausdrücklich normiert und definiert. Hiernach darf die Union im Bereich der nicht-ausschließlichen Kompetenz nur tätig werden, sofern und soweit die Ziele der in Betracht kommenden Maßnahmen weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirk­lichen sind. Der Subsidiaritätsgrundsatz regelt also die Frage, „ob“ die Union tätig werden „darf“ und ist damit in gewisser Weise sowohl Kompetenzverteilungs- als auch Kompetenzausübungsschranke, da das Tätigwerden der Union inzident im Rahmen der Subsidiaritätsprüfung einer Effizienz- und Mehrwertprüfung genügen muss. Art. 5 Abs. 4 EUV (ex-Art. 5 Abs. 3 EGV) beinhaltet schließlich den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, nach welchem die Maßnahmen der Union inhaltlich wie formal nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hin 380

Vgl. hierzu auch Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 5 EUV, Rn. 6 ff. 381 Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, 2. Aufl. 1999, S. 70.

C. Die Europäische Rechtsetzung im Lichte des Art. 5 EUV

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ausgehen. Bei dieser Art der Prüfung geht es also um die Art und Weise der Kompetenzausübung und in der Folge somit um das so genannte „Wie“ der Kompetenz­ ausübung.382 1. Abgrenzung Art. 5 Abs. 3 EUV (ex-Art. 5 Abs. 2 EGV) und Art. 5 Abs. 4 EUV (ex-Art. 5 Abs. 3 EGV) Vor einer genaueren Betrachtung der Bedeutung der verschiedenen in Art.  5 EUV (ex-Art.  5 EGV) normierten Prinzipien für die Entscheidung des Unionsgesetzgebers zwischen Richtlinie und Verordnung bzw. über die Wahl der Handlungsform soll zunächst die Beziehung von Abs. 3 zu Abs. 4 betrachtet werden, damit das Verhältnis dieser beiden Absätze im Bezug auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer unionalen Maßnahme eingeordnet werden kann. Das Verhältnis zwischen Art. 5 Abs. 3 und Abs. 4 EUV (ex-Art. 5 Abs. 2 und Abs. 3 EGV) ist nicht unproblematisch, und die Abgrenzung der beiden Prinzipien bereitet einige Schwierigkeiten. Es geht hierbei zunächst um die Frage, ob Art. 5 Abs. 3 EUV, also das Subsidiaritätsprinzip im engeren Sinne, sowohl Kompetenz­ ausübungs- als auch Kompetenzverteilungsregel ist, ob also Art.  5 Abs.  3 EUV (ex-Art. 5 Abs. 2 EGV) sowohl das „Ob“ eines unionalen Tätigwerdens bei nichtausschließlicher Kompetenz als auch das „Wie“, die Art und Weise der unionalen Kompetenzausübung, regelt. Enthält das Subsidiaritätsprinzip im engeren Sinne nämlich keine Kompetenzausübungsschranke, die das Tätigwerden der Union beschränkt, so muss für eine Überprüfung einer unionalen Maßnahme, die in den Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 3 EUV fällt, Art. 5 Abs. 4 EUV gesondert als Überprüfungsmaßstab herangezogen werden. Aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit muss eine Tätigkeit der Union auf ihre Erforderlichkeit bzw. ihre Verhältnismäßigkeit hin überprüft werden können, ob nun inzident in Art. 5 Abs. 3 EUV oder zusätzlich in Art. 5 Abs. 4 EUV.383 Für die vorliegende Untersuchung bedeutet dies konkret, dass bezüglich der Rechtsetzung der Union zu prüfen sein muss, ob die Union, wenn sie eine ent­ weder ausschließliche oder nicht-ausschließliche Kompetenz zur Rechtsetzung hat, diese Kompetenz in einer rechtmäßigen Art und Weise ausübt. Dies heißt insbesondere, dass die Wahl der Rechtsform bei der Rechtsetzung nicht über das erforderliche Maß hinausgehen bzw. nicht unverhältnismäßig sein darf. 382 Zu der Terminologie „kann“, „ob“, und „wie“ vgl. auch Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 5 EUV, Rn. 5; Ritzer/Rutloff, EuR 2006, S. 118 f. 383 Lienbacher, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 5 EGV, Rn. 39 f. spricht von einer allgemeinen Handlungsmaxime, die in Art. 5 Abs. 3 EGV verankert ist und in der sich das vor dem Maastrichter Vertrag angenommene „Gebot auf Einhaltung eines allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzips bei der Kompetenzausübung der Gemeinschaft“ mani­ festiert.

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Teil 1: Grundlagen

Eine Begrenzung bei der Wahl der Rechtsform im Sinne einer Erforderlichkeitsprüfung kann bei einer nicht-ausschließlichen Kompetenz also möglicherweise bereits in Art. 5 Abs. 3 EUV erfolgen oder, wenn dieser eine alleinige Kompetenzverteilungsregel ist, so muss hierfür Art. 5 Abs. 4 EUV mit der darin enthaltenen Verhältnismäßigkeitsprüfung herangezogen werden können. Wobei vorab noch die Frage zu beantworten ist, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz überhaupt im Verhältnis der Union zu den Mitgliedstaaten Wirkung entfaltet. a) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und seine Wirkungsweise bezüglich der Mitgliedstaaten vor dem Vertrag von Lissabon Teilweise wurde im Zusammenhang mit Art. 5 Abs. 3 EGV, der im Unterschied zu Art. 5 Abs. 3 EUV nur die Erforderlichkeit der Maßnahmen und nicht explizit den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz normiert hat, ohne weitere Erläuterung undifferenziert vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gesprochen. Hierbei traten jedoch Probleme auf, die einer Klärung bedürfen: –– Problematisch war zum einen die spezifische und ursprüngliche Wirkungsweise des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der grundsätzlich nur im Verhältnis von Hoheitsträger zu Bürger als Schutz vor unverhältnismäßigen Eingriffen der Hoheitsträger in die Grundrechte der Bürger Wirkung entfalten sollte. –– Zum anderen war dieser Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bereits immanent als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips im Gemeinschaftsrecht zu finden und auch in Art. 6 Abs. 1 EUV a. F. normiert, womit sich die Frage stellte, warum nochmals gesondert in Art. 5 Abs. 3 EGV darauf eingegangen werden musste. –– Wenn Art. 5 Abs. 3 EGV eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrund­satzes darstellte und dieser auch für die Gemeinschaft Wirkung entfalten sollte, so stellte sich dann die Frage, ob dieser sich nur auf Art. 5 Abs. 1 EGV, also ein Tätigwerden der Gemeinschaft im Bereich des Art. 5 Abs. 1 EGV beschränkte, oder ob er auch auf den spezielleren Art. 5 Abs. 2 EGV und folglich auf die Bereiche der nicht-ausschließlichen Zuständigkeit anwendbar sein sollte. aa) Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten Im Gemeinschaftsrecht, wie ursprünglich auch im nationalen deutschen Recht, war das Verhältnismäßigkeitsprinzip zunächst nur im Verhältnis der Mitgliedstaaten bzw. der Gemeinschaft zu den Bürgern bei der Ausführung von Gemeinschaftsrecht zu beachten. Auf dieser Grundlage liegt zunächst die Überlegung nahe, dass Art. 5 Abs. 3 EGV nur das Verhältnis zwischen der Gemeinschaft und den Bürgern regeln und sich somit nicht auf Art. 5 Abs. 2 EGV, also das Verhältnis

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zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten, beziehen sollte. Der Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 3 EGV bezöge sich dann allein auf den Bereich der ausschließlichen Kompetenz384, welcher in Art. 5 Abs. 1 EGV normiert war, und nicht auf die Bereiche der nicht-ausschließlichen Kompetenz, die in Art. 5 Abs. 2 EGV normiert waren. Inzwischen wurde die Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nach ständiger Rechtsprechung als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten anerkannt385, womit sich die Rechtsetzung der Gemeinschaft bezüglich der Mitgliedstaaten an diesem Maßstab messen lassen musste. Der EuGH gebraucht dabei die im deutschen Recht entwickelten Prüfungsmerkmale „Geeignetheit“, „Erforderlichkeit“ und „Angemessenheit“ jedoch nicht einheitlich. Der Gedanke, dass die Mitgliedstaaten bezüglich des Verhältnismäßigkeits­ prinzips wie Einzelne behandelt werden, dieses Prinzip also auch im Verhältnis der Gemeinschaft und heute der Union zu den Mitgliedstaaten Anwendung findet, entspringt dem Grundsatz der Subsidiarität.386 bb) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips Das Verhältnismäßigkeitsprinzip in der ursprünglichen Bedeutung ist als eine Ausprägung des der Unionsrechtsordnung immanenten Rechtsstaatsprinzips anzusehen.387 Dieses war bereits in Art. 6 Abs. 1 EUV a. F. normiert. Die ausdrückliche Normierung des artverwandten Erforderlichkeitsgrundsatzes in Art. 5 Abs. 3 EGV sprach dafür, dass damit explizit normiert sein sollte, dass auch bei einem Tätig­werden der Gemeinschaft gegenüber den Mitgliedstaaten in Gestalt von Rechtsetzung der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der besonderen Ausprägung des Erforderlichkeitsgrundsatzes anwendbar sein musste. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfüllte also den Tatbestand einer eigenständigen Rechtmäßigkeits­ 384

Jarass, EuGRZ 1994, S. 214. Siehe hierzu EuGH, RS. 138/78, „Stölting“, Slg. 1979, I-0713; zum Geltungsgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vgl. nur Pache, NVwZ 1999, S. 1034; zu den Begründungsmöglichkeiten des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in der Gemeinschaftsrechtsordnung vgl. nur Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2000, S. 107 ff.; Zuleeg, in: von der Groeben/Thiesing (Hrsg.), EU-/EG-Vertrag Kommentar, Band 1, 6. Aufl. 2003, Art. 5 EGV, Rn. 37; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 2005, S. 841; Zuleeg, DVBl. 1992, S. 1334; von Danwitz, EWS 2003, S. 394. 386 So auch Zuleeg, in: von der Groeben/Thiesing (Hrsg.), EU-/EG-Vertrag Kommentar, Band 1, 6. Aufl. 2003, Art. 5 EGV, Rn. 37. 387 Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2000, S.  111 f. geht davon aus, dass das Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechend der verbreiteten Auffassung im deutschen Recht überwiegend in der deutschen Literatur als ein dem Rechtsstaatsprinzip immanentes Prinzip angesehen wird. 385

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Teil 1: Grundlagen

voraussetzung allen Gemeinschaftshandelns388, wobei im Rahmen des Art.  5 Abs. 2 EGV dann nicht auf diesen zurückgegriffen werden musste, wenn das Subsidiaritätsprinzip bereits inzident eine Verhältnismäßigkeitsprüfung enthielte. cc) Prüfungsumfang des Verhältnismäßigkeitsprinzips Jedenfalls ist aber festzuhalten, dass die Gemeinschaft bei der Ausübung ihrer Kompetenzen, waren es ausschließliche oder nicht-ausschließliche389, ihre Maßnahmen nicht über das erforderliche Maß hinaus ausüben durfte und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz somit auch auf das Verhältnis der Gemeinschaft zu den Mitgliedstaaten Anwendung fand.390 Aufgrund der aufgezeigten Problemstellung erschien es also zunächst sogar sinnvoller und schlüssiger, bei dem in Art.  5 Abs.  3 EGV verankerten Prinzip, welches nur von der Erforderlichkeit der Maßnahmen sprach, nicht vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu sprechen, da diese Terminologie bereits anderweitig, im Bereich von Eingriffen des Staates gegenüber dem Bürger, besetzt war, sondern eher den Terminus des Erforderlichkeitsgrundsatzes391 bzw. der Erforderlichkeit vorzuziehen. Die in Art. 5 Abs. 3 EGV normierte Verhältnismäßigkeitsprüfung beschränkte sich jedoch nicht, wie der Wortlaut des Art. 5 Abs. 3 EGV vermuten lassen könnte, auf die alleinige Überprüfung der Erforderlichkeit392, sondern erstreckte sich durchaus auf das bekannte gesamte Prüfprogramm des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes: legitimes Ziel, Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne).393 In den Anfängen der Verhältnismäßigkeitsüberprüfung durch den EuGH nahm dieser eine gesonderte 388

So auch Pache, NVwZ 1999, S. 1036. So auch Pieper, DVBl. 1993, S. 709, der davon ausgeht, dass sich Abs. 3 auf alle Maßnahmen der Gemeinschaft bezieht, auch die der ausschließlichen Zuständigkeit. 390 So auch schon der Europäische Rat, in: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hrsg.), Bulletin 1992, S. 1282. 391 Calliess spricht beim in Art. 5 Abs. 3 EGV verankerten Prinzip vom Grundsatz der „größtmöglichen Schonung von dezentralen Zuständigkeiten“, siehe hierzu Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, 2. Aufl. 1999, S. 276; Jarass empfiehlt Abs. 2 und Abs. 3 auch terminologisch unter ein Dach zu bringen und sie als zwei Ausprägungen des Subsidiaritätsprinzips anzusehen, EuGRZ 1994, S. 214. 392 Zur Frage, ob das Merkmal der Erforderlichkeit als immanente Kompetenzbegrenzung oder als Ausdruck der Verhältnismäßigkeit verstanden werden kann siehe Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2000, S. 276. 393 So auch Pache, NVwZ 1999, S. 1035, der davon ausgeht, dass Art. 3b Abs. 3 EGV a. F. die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Gemeinschaftsrecht nicht auf die Prüfung der Wahl des mildesten zur Verfügung stehenden Mittels beschränken soll, ohne dass eine unangemessene Belastung der beeinträchtigten Rechtspositionen verboten wird; Schmidhuber/Hitzler, NVwZ 1992, S. 722 gehen demgegenüber unbegründet davon aus, dass in Art. 5 Abs. 3 EGV das volle Prüfprogramm des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes normiert ist; auch Pieper, DVBl. 1993, S. 709 ist der Meinung, dass das Moment der Erforderlichkeit allein noch nicht das Verhältnismäßigkeitsprinzip ausmacht; siehe hierzu auch Epiney, EuR 1994, S. 320 f. 389

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Prüfung der Angemessenheit noch nicht vor394, mittlerweile ist jedoch auch auf europäischer Ebene eine vollumfängliche Prüfung mit den im deutschen Recht vorkommenden Verhältnismäßigkeitsprüfkriterien vorherrschend.395 Somit erschien es bereits während der Geltung des EG-Vertrags sinnvoller, eine eventuell etwas undifferenzierte Begrifflichkeit der Verhältnismäßigkeit in diesem Zusammenhang der uneinheitlichen Anwendung der Begrifflichkeit vorzuziehen.396 Es soll also weiterhin vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gesprochen werden, obwohl mit dieser Bezeichnung nicht das ursprüngliche in Art. 6 EUV a. F. normierte Verhältnismäßigkeitsprinzip, welches allein die Beziehung Hoheitsträger – Bürger schützen soll, gemeint ist. Diese Terminologie war auch im Rahmen des Gemeinschaftsrechts vorherrschend, wie beispielsweise das gemeinsame Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit397 zeigte. Nach dem Vertrag von Lissabon ist die sprachliche Differenzierung nunmehr auch ausdrücklich im Primärrecht verankert. In Art. 5 Abs. 1 S. 2 EUV n. F. wird ausdrücklich vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gesprochen, so dass sich diese Problematik jedenfalls hinsichtlich der uneinheitlichen Terminologie aufgelöst hat.

394 Vgl. hierzu EuGH, RS. 11/70, „Internationale Handelsgesellschaft“, Slg. 1970, I-1125, S.  1125 ff.; EuGH, RS.  25/70, „Köster“, Slg. 1970, I-1161, Rn.  28; siehe hierzu ausführlich Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2000, S. 196 f.; auch im Fall EuGH, RS. C-84/94, „Vereinigtes Königreich/Rat“, Slg. 1996, I-5811, nennt der EuGH nur die Geeignetheit und die Erforderlichkeit. 395 EuGH, RS. 5/88, „Wachauf/Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft“, Slg. 1989, I-2609, Rn. 21; EuGH, RS. C-177/90, „Kühn/Landwirtschaftskammer Weser-Ems“, Slg. 1992, I-0035, Rn.  16; EuGH, RS.  265/87, „Schräder/Hauptzollamt/Gronau“, Slg.  1989, I-2237, Rn.  21; zum Begriff der Angemessenheit im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes siehe auch Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2000, S. 305 f. Zuleeg, in: von der Groeben/Thiesing (Hrsg.), EU-/EG-Vertrag Kommentar, Band 1, 6. Aufl. 2003, Art. 5 EGV, Rn. 40 geht davon aus, dass es sich dabei um eine „ungeschriebene Art der Verhältnismäßigkeit“ handelt, die im deutschen Recht auch als Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne bekannt ist. 396 In der Literatur wurde weitgehend von einem in Art. 5 Abs. 3 EGV normierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgegangen; so z. B. Lienbacher, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 5 EGV, Rn. 39 ff.; Langguth, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU- und EG-Vertrag, 4. Aufl. 2006, Art. 5 EGV, Rn. 36 f.; Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, 2. Aufl. 1999, S. 116 ff.; für die Einheitlichkeit der Terminologie spricht auch das Protokoll Nr. 30 zum Amsterdamer Vertrag über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit; Jarass, EuGRZ 1994, S. 214 befürwortete jedoch Art. 5 Abs.  2 und Abs.  3 EGV unter dem Begriff Subsidiaritätsprinzip im weiten Sinne zusammenzufassen; Zuleeg, in: von der Groeben/Thiesing (Hrsg.), EU-/EG-Vertrag Kommentar, Band 1, 6. Aufl. 2003, Art. 5 EGV, Rn. 37 spricht von der Erforderlichkeit, die in Art. 5 Abs. 3 EGV als Erscheinungsform des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vertraglich festgelegt ist. 397 Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, ABl. 1997, Nr. C 340, Nr. 1.

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b) Verhältnis von Art. 5 Abs. 3 zu Abs. 4 EUV (ex-Art. 5 Abs. 2 zu Abs. 3 EGV) Zu prüfen bleibt also nur, ob der in Art. 5 Abs. 4 EUV (ex-Art. 5 Abs. 3 EGV) normierte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch auf die von Art.  5 Abs.  3 EUV (­ex-Art. 5 Abs. 2 EGV) erfasste Kompetenzausübung der Union anzuwenden ist, oder ob Art. 5 Abs. 3 EUV eine eigene Erforderlichkeits- bzw. Verhältnismäßigkeitsprüfung umfasst und deshalb in diesen Bereichen bei der Erforderlichkeit einer Maßnahme nicht auf Art. 5 Abs. 4 EUV zurückgegriffen werden muss. aa) Grammatische Auslegung Aus dem Wortlaut von Art.  5 Abs.  3 EUV (ex-Art.  5 Abs.  2 EGV), dass die Union nach dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig wird, „sofern und soweit“ die Ziele der in Betracht kommenden Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler noch auf lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, könnte geschlussfolgert werden, dass hier bereits eine Aussage zu der Frage getroffen wird, wie weit und wie intensiv eine Unionsmaßnahme ausfallen darf.398 In der italienischen Übersetzung des Art. 5 Abs. 3 EUV (ex-Art. 5 Abs. 2 EGV) wird von „nella misura in cui“ gesprochen, also in welchem Maße bzw. in welchem Ausmaß die Ziele nicht ausreichend erreicht werden können. Auch in der französischen Übersetzung darf die Union „que si“, also nur dann bzw. soweit tätig werden, in welchem Maße bzw. innerhalb der Maßgabe „dans la mesure“, inwieweit die Ziele nicht ausreichend erreicht werden. Es ist also durchaus eine abwägende Tendenz erkennbar. Aus dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 3 EUV könnte also möglicherweise geschlossen werden, dass die Erforderlichkeit einer in diesem Kompetenzbereich erlassenen Maßnahme bereits inzident in dieser Vorschrift zu finden ist, und somit nicht auf den in Art. 5 Abs. 4 EUV (ex-Art. 5 Abs. 3 EGV) normierten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingegangen werden muss bzw. kann. Diese Verhältnismäßigkeitsprüfung wird im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips jedoch inzident im Rahmen einer Effizienz- und Mehrwertprüfung für ein Tätigwerden der Union vorgenommen. Diese Effizienz- und Mehrwertprüfung umfasst, nach Beantwortung der Notwendigkeit eines Tätigwerdens der Union im Bereich der nicht-ausschließ­ lichen Kompetenz, allerdings nicht die Überprüfung der Art und Weise der Kom-

398

Siehe hierzu Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, 1993, S. 36, dieser geht davon aus, dass das im Umweltrecht normierte Subsidiaritätsprinzip in Art. 130 r Abs. 4 S. 1 EWGV als materielle Subsidiarität im weiten Sinne gesehen werden kann, welches auch eine Erforderlichkeitsprüfung vorsieht.

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petenzausübung, womit eine gesonderte Verhältnismäßigkeitsprüfung diesbezüglich noch gefordert ist. bb) Systematische Auslegung Allein schon die Stellung des Absatz 4 als letzter Absatz, nach den Regeln in den Absätzen 1 und 2 über die Unionstätigkeit allgemein und in Absatz 3 über die nicht-ausschließliche Kompetenz im Speziellen, deutet darauf hin, dass Absatz 4 auf beide vorhergehenden Absätze anwendbar sein muss und nicht nur auf Absatz 2, da sein Regelungsgehalt dann direkt im Anschluss an Absatz 2 zu finden sein müsste. Da demnach die ausschließliche Kompetenz im Rahmen des Tätigwerdens der Union über Art. 5 Abs. 4 EUV begrenzt wird, muss davon auszugehen sein, dass dies auch für die nicht-ausschließliche der Fall sein muss. Um Absatz 4 einen eigenständigen Gehalt bzw. Regelungsgehalt bezüglich Absatz 3 zu geben, sollte Absatz 3 im Bereich der nicht-ausschließlichen Kompetenz das „Ob“ eines Tätigwerdens und Absatz 4 die „Art und Intensität“ des Tätigwerdens regeln.399 Hierfür spricht auch Art. 5 Abs. 1 EUV. So gilt nach Satz 1 für die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Union der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung und nach Satz 2 gelten für die Ausübung der Zuständigkeiten – es wird also keine weitere Abgrenzung vorgenommen – die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit. cc) Das gemeinsame Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit Nach dem Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit400 soll jedes Organ stets für die Einhaltung der in Art. 5 EUV niedergelegten Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit Sorge tragen. Im Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit nach dem EGV401 war noch normiert, dass die Gemeinschafts­ organe bei der Ausübung ihrer Befugnisse die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips gewährleisten sollten. Ferner sollte jedes Organ die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gewährleisten, demzufolge die Maßnahmen der Gemeinschaft nicht über das für die Erreichung der Ziele des Vertrags erforderliche 399

Siehe hierzu auch Jarass, EuGRZ 1994, S. 214. Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, ABl. 2007, Nr. C. 306 vom 17.12.2007, S. 150 ff. 401 Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, ABl. 1997, Nr. C 340, Nr. 1. 400

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Maß hinausgehen dürfen. Diese beiden Sätze und die darin enthaltenen Formulierungen deuten auch darauf hin, dass dem Subsidiaritätsprinzip vorrangig die Bedeutung einer Kompetenzausübungsregel beigemessen wurde und heute wohl immer noch wird. Das heißt, dass die Organe darauf zu achten haben, dass sie ihre Kompetenzen überhaupt nur im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips wahrnehmen. Bei ihrer Kompetenzausübung müssen sie dann den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz anwenden. Dies würde auch für eine Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bezüglich der Überprüfung der Wahl eines bestimmten Rechtsakts im Bereich der nicht-ausschließlichen Kompetenzen sprechen. Schon allein das Vorhandensein eines gemeinsamen Protokolls über die An­ wendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit zeigt den gesetzgeberischen Willen, beide Prinzipien auf Ebene der Unionsrechtsetzung einzusetzen. dd) Abgrenzung im Bezug auf die rechtliche Durchsetzbarkeit Die rechtliche Durchsetzbarkeit des Subsidiaritätsgrundsatzes und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist grundsätzlich unterschiedlich zu behandeln. Während der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz rechtlich durchsetzbar und vollumfänglich gerichtlich überprüfbar402 ist, ist die Justitiabilität des Subsidiaritätsgrundsatzes problematisch.403 Wäre eine Art Verhältnismäßigkeitsprüfung bereits inzident in Art.  5 Abs.  3 EUV, also im Subsidiaritätsprinzip, zu finden, so könnte dies möglicherweise aufgrund der eventuell mangelhaften Justitiabilität des Subsidiaritätsgrundsatzes dazu führen, dass im Hinblick auf unverhältnismäßige Maßnahmen im Bereich der konkurrierenden Zuständigkeiten ein Defizit bezüglich der rechtlichen Überprüf­ barkeit entstünde. Problematisch an der gerichtlichen Überprüfbarkeit der Einhaltung des Sub­ sidiaritätsprinzips ist, dass dieses aufgrund des Effizienz- und Mehrwertkriteriums 402 Vgl. hierzu exemplarisch Zuleeg, in: von der Groeben/Thiesing (Hrsg.), EU-/EG-Vertrag Kommentar, Band 1, 6. Aufl. 2003, Art. 5 EGV, Rn. 38. 403 Zur Justiziabilität des Subsidiaritätsgrundsatzes siehe auch Zuleeg: Justiziabilität des Subsidiaritätsprinzips, in: Nörr/Oppermann (Hrsg.), Subsidiarität, 1997, S. 185 ff.; Zuleeg, in: von der Groeben/Thiesing (Hrsg.), EU-/EG-Vertrag Kommentar, Band 1, 6. Aufl. 2003, Art. 5 EGV, Rn. 35; für eine ausführliche Darstellung zum Meinungsstand im Hinblick auf die Justiziabilität des Art. 5 EGV vgl. nur Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, 2. Aufl. 1999, S.  298 ff.; zur eingeschränkten Justiziabilität des Subsidiaritätsgrundsatzes in der Praxis vgl. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2000, S. 295 ff.; vgl. hierzu auch Glaser, ZG 2007, S. 376; Hirsch, Die Auswirkungen des Subsidiaritätsprinzips auf die Rechtsetzungsbefugnis der Europäischen Gemeinschaften, 1995, S. 15 f.; Grimm geht sogar davon aus, dass „es sich beim Subsidiaritätsprinzip um eine nicht justiziable Norm handelt, KritV 1994, S. 6 ff.

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den Unionsorganen einen weiten Ermessensspielraum einräumt, der nur schwer gerichtlich überprüfbar erscheint. Dementsprechend würde der EuGH eine Verletzung des Subsidiaritätsprinzips nur bei augenscheinlich völligen Fehleinschätzungen feststellen404, wobei auch die mangelnde Erwähnung des Prinzips in der Begründungspflicht nicht zu einer Verletzung desselbigen führt.405 Festzuhalten bleibt aber, dass das Subsidiaritätsprinzip im Hinblick auf eine Beschränkung der nicht-ausschließlichen Kompetenz der Union jedenfalls bei offensichtlichen Verletzungen des Mehrwert- und Effizienzkriteriums überprüfbar sein muss. Für die gerichtliche Überprüfbarkeit einer unionalen Maßnahme im Bereich der konkurrierenden Zuständigkeiten erscheint es jedoch sinnvoller, die diesbezügliche Verhältnismäßigkeitsprüfung aus Art. 5 Abs. 4 EUV (ex-Art. 5 Abs. 3 EGV) herzuleiten, da diese Norm überprüfbar ist und mehr Rechtsschutz bietet. ee) Der Subsidiaritätskontrollmechanismus nach dem Vertrag von Lissabon Besonderes Augenmerk hinsichtlich der Justitiabilität des Subsidiaritätsprinzips muss nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon dem neuen SubsidiaritätsKontrollmechanismus406, wie er im Ansatz bereits in Art. 5 Abs. 3 UAbs. 2 S. 2 EUV vorgesehen ist, beigemessen werden. Danach sollen die nationalen Parlamente nach Maßgabe des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit auf die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips achten.407 Entwürfe von Gesetzgebungsakten der Union müssen den nationalen Parlamenten vorgelegt werden.408 Innerhalb von acht Wochen – der Verfassungsvertrag sah noch sechs Wochen vor – können die nationalen Parlamente mit einer begründeten Stellungnahme die Verletzung des Subsidiaritätsprinzips durch die beabsichtigten Rechtsakte rügen. Sie können also die „gelbe Karte“ zeigen. Setzen die Unionsorgane sich über einen solchen Einspruch der nationalen Parlamente hinweg

404 EuGH, RS. C-233/94, „Deutschland/EP und Rat“, Slg. 1997, I-2405, Rn. 22 ff.; zu diesem Urteil siehe auch Ritzer/Rutloff, EuR 2006, S. 124. 405 Eine Übersicht über die zum Subsidiaritätsprinzip ergangene Rechtsprechung ist zu finden bei Ritzer/Rutloff, EuR 2006, S. 122 ff. 406 Siehe zu diesem „Frühwarnmechanismus“ auch Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/ AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 5 EUV, Rn. 65. 407 Diesen Mechanismus sehen als Instrument zur Abwehr der Gefahr der übermäßigen Ausübung der geteilten Kompetenzen und ihrer Abwendung insbesondere Brosinger/Fischer/Früh/ Jaeger/Postl, GRUR Int. 2008, S. 178. 408 Diese Verpflichtung ergibt sich zum einen aus dem Protokoll über die Rolle der nationalen Parlamente, ABl. Nr. C. 306 vom 17.12.2007, S. 148 f. und zum anderen aus dem Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, ABl. Nr. C. 306 vom 17.12.2007, S. 150 ff.

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und verabschieden den Gesetzgebungsakt,409 erkennt das Protokoll den nationalen Parlamenten ein Klagerecht gegen den erlassenen Unionsrechtsakt zu, das nach Art. 230 AEUV durch die Mitgliedstaaten wahrzunehmen ist. Insofern ist eine Verbesserung hinsichtlich der Überprüfbarkeit der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips zu erwarten. Eine Vergleichbarkeit mit der Möglichkeit der Überprüfung von Verstößen gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzips wird sich jedoch erst erweisen müssen und erscheint weiterhin mit Schwierigkeiten verbunden. 2. Ergebnis und Konsequenz für die weitere Prüfung Bis auf den Wortlaut des Art. 5 Abs. 3 EUV (ex-Art. 5 Abs. 2 EGV), welcher weit oder eng ausgelegt werden kann, spricht nichts dafür, eine inzidente umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung im Bereich der nicht-ausschließlichen Kompetenz bereits in Art. 5 Abs. 3 EUV (ex-Art. 5 Abs. 2 EGV) verankert zu sehen und folglich nicht mehr auf Art. 5 Abs. 4 EUV (ex-Art. 5 Abs. 3 EGV) zurückzugreifen. Dies gilt, obwohl durchaus festzuhalten ist, dass auch bereits das Subsidiaritätsprinzip aus Art. 5 Abs. 3 EUV (ex-Art. 5 Abs. 2 EGV) ein Erforderlichkeitskriterium enthält410, nämlich das der größtmöglichen Schonung von nationaler Souveränität bei der Rechtsetzung. Der grundsätzliche Schutz der Mitgliedstaaten durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspringt jedoch dem Subsidiaritätsgrundsatz.411 Aus Gründen der Einheitlichkeit der Begrifflichkeit wird auf die genauere und unmissverständlichere Terminologie des „Erforderlichkeitsprinzips“ verzichtet und in der folgenden Untersuchung bezüglich der Rechtsetzung der Union vom Verhältnismäßigkeits­ prinzip gesprochen, was nach der eindeutigen begrifflichen Zuordnung des EUV gegenüber der des EGV nur folgerichtig ist. Dieses in Art. 5 Abs. 4 EUV (ex-Art. 5 Abs. 3 EGV) verortete Prinzip ist damit sowohl auf Art. 5 Abs. 2 EUV (ex-Art. 5 Abs. 1 EGV) als auch auf Art. 5 Abs. 3 EUV (ex-Art. 5 Abs. 2 EGV) anwendbar. Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Unionsgesetzgebung bedeutet dies demnach einen dreiteiligen Prüfungsaufbau.

409 Welche Anforderungen hierfür gelten, hängt von der Anzahl der nationalen Parlamente ab, die eine Rüge erheben, vgl. hierzu Art. 7 des Protokolls. 410 Siehe hierzu auch Pieper, DVBl. 1993, S. 709. 411 Zuleeg, in: von der Groeben/Thiesing (Hrsg.), EU-/EG-Vertrag Kommentar, Band 1, 6. Aufl. 2003, Art. 5 EGV, Rn. 37; Jarass, EUGRZ 1994, S. 214 geht sogar davon aus, dass Art.  5 Abs.  2 und Abs.  3 EGV terminologisch unter ein Dach zu bringen sein sollen und vom Subsidiaritätsprinzip im weiten Sinne gesprochen werden soll; Calliess spricht von einer engen Verwandtschaft, welche zwischen Verhältnismäßigkeitsprinzip und Subsidiaritätsprinzip besteht, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, 2. Aufl. 1999, S. 117.

C. Die Europäische Rechtsetzung im Lichte des Art. 5 EUV

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Zunächst muss geprüft werden, ob die Union überhaupt tätig werden darf, Art. 5 Abs. 2 S. 1 EUV (ex-Art. 5 Abs. 1 EGV), ob also nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung eine Handlungsmöglichkeit für den Erlass verbindlicher Rechtsetzungsakte für die Union besteht. Art.  5 Abs.  3 EUV (ex-Art.  5 Abs.  2 EGV) ist hierbei eine Kompetenzverteilungsregel. Besteht eine ausschließliche Kompetenz, so ist nach dem Bejahen des „Ob“ nach Art. 5 Abs. 4 EUV (ex-Art. 5 Abs. 3 EGV) die Art und Intensität des Tätigwerdens zu überprüfen. Bei nicht-ausschließlicher Kompetenz, die Kompetenz ist nach Art.  5 Abs.  2 EUV (ex-Art.  5 Abs.  1 EGV) mithin bereits verteilt, ist zunächst zu prüfen, ob überhaupt Bedarf für ein Handeln der Union besteht, die Union somit handeln „soll“ und ein solches Handeln nicht bereits am im Art. 5 Abs. 3 EUV (ex-Art. 5 Abs. 2 EGV) normierten Subsidiaritätsgrundsatz scheitert. Besteht dieser Bedarf und ist ein Tätigwerden der Union nach dem Effizienz- und Mehrwertkriterium erforderlich, so ist die Art und Weise des Tätigwerdens wiederum an dem in Art. 5 Abs.  4 EUV (ex-Art.  5 Abs.  3 EGV) normierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Verhältnismäßigkeitsprinzips sind folglich in einer Stufenprüfung zu untersuchen und ergänzen einander.412 Sowohl bei ausschließlicher als auch bei konkurrierender Zuständigkeit ist im Rahmen des „Wie“ nicht nur die Erforderlichkeit zu prüfen, sondern eine um­ fassende Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen.

III. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, Art. 5 Abs. 2 EUV (ex-Art. 5 Abs. 1 EGV) 1. Allgemeines Zunächst ist bezüglich der Frage nach dem Ordnungsrahmen für die Unionsrechtsetzung die Einhaltung des in Art. 5 Abs. 2 EUV (ex-Art. 5 Abs. 1 EGV) normierten Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung zu überprüfen. Ins­besondere ist bei dieser Überprüfung darauf einzugehen, ob das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung nur die Frage des „Ob“ des Tätigwerdens der Union regelt oder ob es nicht sogar weitergehend Einfluss auf die Wahl der Handlungsform haben kann. Dies ist insofern möglich, als das Prinzip der begrenzten Einzel­ermächtigung möglicherweise den europäischen Gesetzgeber bei der Auswahl der Handlungsform auf die in der Ermächtigungsgrundlage vorgegebenen Formen beschränkt. Diese Beschränkung und eventuelle Durchbrechungsmöglichkeiten sind im folgenden Teil der Arbeit zu untersuchen, wobei hierfür eine Unterscheidung nach der Art der Ermächtigungsgrundlagen  – unterschieden wird in Ermächtigungs 412 Vgl. hierzu und zur Abgrenzung der beiden Grundsätze in einer ausführlichen Darstellung Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2000, S. 255 ff.

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grundlagen mit einer oder mehreren ausdrücklich vorgegebenen Handlungsformen und solche ohne ausdrücklich vorgegebene Handlungsformen – notwendig ist. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung stellt für die Abgrenzung der Rechtsetzungsbefugnisse der Union und der Mitgliedstaaten in Respektierung der fortbestehenden Souveränität der Mitgliedstaaten den Leitsatz auf, dass die Europäische Union nur dann tätig werden darf, wenn im AEUV eine entsprechende Ermächtigung zu finden ist, denn die Union erfüllt die „ihr zugewiesenen Aufgaben“ nach Maßgabe des Vertrags. In konkreten einzelnen Ermächtigungen werden dann der zu regelnde Gegenstand, das zuständige Organ, die zu verwendende Rechtsform und das einzuhaltende Verfahren festgelegt.413 Nach Art. 5 Abs. 2 S. 1 EUV (ex-Art. 5 Abs. 1 EGV)414 wird die Union also nur innerhalb der Grenzen der Zuständigkeiten tätig, die die Mitgliedstaaten ihr in den Verträgen zur Verwirklichung der darin niedergelegten Ziele übertragen haben. Diese Befugnisse umfassen sowohl die ausschließlichen als auch die konkurrierenden Zuständigkeiten. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung ent­faltet insbesondere im Bereich der Rechtsetzung, also der Gesetzgebung, Wirkung415, so dass festzustellen ist, dass die Union über keine allgemeine originäre Recht­setzungskompetenz, sondern nur über übertragene bzw. abgeleitete Rechtsetzungs­befugnisse verfügt.416 Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung soll primär die Kompetenz­ verteilung zwischen den Mitgliedstaaten und der Union, also die Verbandskompetenz regeln.417 Grundsätzlich soll nach Art. 5 Abs. 2 EUV (ex-Art. 5 Abs. 1 EGV) die Allzuständigkeit bei den Mitgliedstaaten verbleiben und sollen nur einzelne Kompetenzbereiche auf die Union übertragen werden.418 Dies wird auch in Art. 5 Abs. 2 S. 2 EUV nochmals klargestellt, der normiert, dass alle der Union nicht in den Verträgen übertragenen Zuständigkeiten bei den Mitgliedstaaten verbleiben. Für den Bereich des Erlasses verbindlicher Rechtsakte419 wie etwa Verordnungen 413

Siehe hierzu Triantafyllou, Vom Vertrags- zum Gesetzesvorbehalt, 1996, S. 45. Art. 5 Abs. 1 EGV normierte nach dem Maastrichter Vertrag erstmals ausdrücklich, was vorher bereits durch Auslegung der Art. 3, 7 Abs. 1, 202, 211 Abs. 2 und 249 Abs. 1 EGV als Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung bezeichnet wurde, siehe hierzu auch Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, 2. Aufl. 1999, S. 69. 415 So auch Jarass, EuGRZ 1994, S. 209. 416 Siehe hierzu Lienbacher, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2.  Aufl. 2009, Art.  5 EGV, Rn. 9; a. A. Scholz, NVwZ 1993, S. 818, dieser geht davon aus, dass die Europäische Union faktisch in die Struktur einer Generalermächtigung hineinwachse. 417 Hierzu Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 88; Triantafyllou, Vom Vertrags- zum Gesetzesvorbehalt, 1996, S. 45 ff. 418 Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 5 EUV, Rn. 8; nationale Kompetenzen sollten also die Regel, EG-Kompetenzen die Ausnahme sein, siehe hierzu auch Cal­ liess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, 2. Aufl. 1999, S. 71. 419 Zur Problematik, ob sich das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung auf alle oder nur auf die verbindlichen Handlungsformen bezieht siehe Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 89. 414

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und Richtlinien, die den Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten im Rahmen der konkurrierenden Zuständigkeit und die Rechte Einzelner betreffen können, muss aus Gründen der Kompetenzabgrenzung gegenüber den Mitgliedstaaten und aus Rechtsschutzgesichtspunkten das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung uneingeschränkt420 gelten.421 a) Kompetenzkatalog Ein generelles Problem zeigte sich insbesondere bei Geltung des EGV noch darin, dass der Gemeinschaft in den jeweiligen Ermächtigungsgrundlagen keine einzelnen Sachbereiche zur Regelung überlassen waren. Die Kompetenznormen des Gemeinschaftsgesetzgebers enthielten vielmehr bestimmte Aufgabenbereiche bzw. Funktionsbeschreibungen422 und die dazugehörigen Befugnisse, womit die Kompetenzabgrenzung und -findung sich im Einzelfall als schwierig erweisen konnten. Die Kompetenzgrundlagen waren nicht mit den Art. 73 ff. GG im deutschen Recht zu vergleichen, die eindeutig die zu regelnden Aufgabenbereiche in einem Kompetenzkatalog umschreiben.423 Die Kompetenzen der Gemeinschaft mussten im EGV gesucht werden. Hierfür gab es jedoch keinen Kompetenzkatalog und keine gesonderte Auflistung von Kompetenztypen. Somit waren Kompetenzkonflikte zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten vorherbestimmt. Diese Kompetenzkonflikte sollen nun durch den Vertrag von Lissabon, der nun – im Unterschied zum EGV – in Art. 2 AEUV einen Katalog der Kompetenzkategorien424 enthält, vermindert werden. Die Kompetenzen der EU werden jetzt 420 Siehe hierzu Kraußer, Das Prinzip begrenzter Ermächtigung im Gemeinschaftsrecht als Strukturprinzip des EWG-Vertrages, 1991, S.  87; nach einer weit verbreiteten Ansicht gilt das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung nur für verbindliche Rechtsakte, siehe hierzu Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl. 1997, Rn. 382 und Kraußer, Das Prinzip begrenzter Ermächtigung im Gemeinschaftsrecht als Strukturprinzip des EWG-Vertrages, 1991, S. 94; zur teilweise vertretenen Meinung bezüglich des zusätzlichen Zwecks vom Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, nämlich der Ablösung vom Grundsatz „in dubio pro communitate“ vgl. nur darstellend Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, 2. Aufl. 1999, S. 71. 421 Zur Frage, ob das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung auch für die unverbind­ lichen Handlungsformen wie etwa Stellungnahmen oder Empfehlungen gilt, vgl. dies ver­ neinend Kraußer, Das Prinzip begrenzter Ermächtigung im Gemeinschaftsrecht als Strukturprinzip des EWG-Vertrages, 1991, S. 88 ff.; Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 89; bejahend hingegen Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, 2006, § 8, Rn. 36 und Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 288 AEUV, Rn. 97. 422 Jarass, EuGRZ 1994, S. 209. 423 Siehe zu dieser Problematik Goll/Kenntner, EuZW 2002, S. 104. 424 Ein solcher Kompetenzkatalog findet sich nach dem Vertrag von Lissabon in Art. 2 AEUV, welcher in ausschließliche und konkurrierende Zuständigkeit und Maßnahmen zur Unterstützung, Koordinierung oder Ergänzung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten unterscheidet; siehe hierzu Pache/Rösch, NVwZ 2008, S. 478.

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ähnlich dem deutschen Recht ausdrücklich in drei Kompetenzkategorien unterteilt: Bereiche, in denen die EU eine ausschließliche Zuständigkeit hat, Bereiche mit geteilter Zuständigkeit und Bereiche mit Unterstützungs-, Koordinierungs-. und Ergänzungsmaßnahmen.425 Teilweise sind zwar bestimmte Ermächtigungsgrundlagen im Rahmen der ausschließlichen bzw. geteilten Zuständigkeit mit bestimmten Handlungsformen verknüpft. Im geltenden Primärrecht ist jedoch kein ausdrückliches System vorhanden, dass bestimmte Handlungsformen mit bestimmten Kompetenztypen verknüpft sind, was gegebenenfalls zu mehr Transparenz führen würde.426 Gäbe es eine Verknüpfung der Kompetenzkategorien mit bestimmten Handlungsformen, so wäre anzudenken, dass aus Gründen der Subsidiarität im Bereich der geteilten Zuständigkeit vermehrt die milderen Handlungsformen einzusetzen sein müssten, wobei hierbei zunächst die Frage zu beantworten wäre, welche Handlungsformen als „milder“ einzustufen wären. Eine Verknüpfung der Kom­ petenzkategorien mit bestimmten Handlungsformen ist mithin auch nach dem Vertrag von Lissabon nicht vorgesehen. b) Kompetenzabgrenzung bezüglich Art. 114 AEUV (ex-Art. 95 EGV) Insbesondere problematisch zeigt sich bezüglich der Kompetenzverteilung zwischen der Union und den Mitgliedstaaten Art. 114 AEUV (ex-Art. 95 EGV), der das Europäische Parlament und den Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses ermächtigt, die Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zu erlassen, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben. Mit Art. 114 AEUV (ex-Art. 95 EGV) erfolgt zwar keine Durchbrechung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung, diese Norm ist jedoch so weit bzw. so wenig präzise formuliert, dass eine Abgrenzung der Kompetenzen der Union von denen der Mitgliedstaaten mit Schwierigkeiten verbunden sein kann. Im Gegensatz zu Art. 115 AEUV (ex-Art. 94 EGV) ermächtigt Art. 114 AEUV (ex-Art. 95 EGV) nicht nur zum Erlass von Richtlinien, sondern umfasst alle in 425

Siehe hierzu auch Richter, EuZW 2007, S. 632. Siehe hierzu und zur Verbindung zwischen Handlungsformen und Zuständigkeitsarten der Europäischen Union Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, 2006, § 8, Rn.  41 ff., die davon ausgeht, dass eine „mechanische Verknüpfung“ der der Kompetenzkategorien und der Handlungsformen die Flexibilität des Kompetenzsystems und also die Handlungsfähigkeit der Union und die Dynamik des Integrationsprozesses gefährden würde; siehe hierzu auch Hable, Handlungsformen und Kompetenzen in der Europäischen Verfassungsdebatte, IEF Working Paper Nr. 53, 2003, S. 24 f. 426

C. Die Europäische Rechtsetzung im Lichte des Art. 5 EUV

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Art. 288 AEUV (ex-Art. 249 EGV) aufgelisteten Rechtsakte427, mithin auch Verordnungen, wobei bei der Wahl der Rechtsform „Verordnung“ diese Entscheidung gesondert zu begründen ist und grundsätzlich der Richtlinie der Vorzug zu geben sein soll.428 Solche rechtsangleichenden Maßnahmen können insbesondere zur Verwirklichung eines gemeinsamen Binnenmarktes getroffen werden. Sie werden vom Europäischen Parlament und dem Rat gemäß Art. 114 Abs. 1 S. 2 AEUV (ex-Art. 95 Abs. 1 S. 2 EGV) im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens nach Art.  289 AEUV und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses erlassen. Tauglicher Harmonisierungsgegenstand nach Art. 114 AEUV (ex-Art. 95 EGV) sind Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die im Sinne von Art. 26 AEUV (ex-Art. 14 EGV) den Binnenmarkt und demnach insbesondere die Freiheit des Warenverkehrs, betreffen.429 Art. 114 AEUV (ex-Art. 95 EGV) enthält im Einzelfall jedoch auch die Möglichkeit der Beibehaltung oder Einführung etwaiger nationaler entgegenstehender Regelungen, vgl. etwa Art. 114 Abs. 4 und Abs. 5 AEUV (ex-Art. 95 Abs. 4 und Abs. 5 EGV).430 Eine generelle Kompetenz zum Erlass von Regelungen bezüglich des Binnenmarktes enthält Art. 114 AEUV (ex-Art. 95 EGV) nicht. Für die Inanspruchnahme von Art. 114 AEUV (ex-Art. 95 EGV) muss vielmehr ein bestimmtes Bedürfnis vorliegen, die Verwirklichung des Binnenmarktes zu verbessern; Wettbewerbs­ verzerrungen müssen bereits spürbar sein. Solche Wettbewerbsverzerrungen können sich aus den unterschiedlichen nationalen Vorschriften, die bei ihrer Anwendung der Errichtung und dem Funktionieren eines gemeinsamen Binnenmarktes abträglich sind, ergeben, eine abstrakte Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen ist jedoch nicht ausreichend.431 Eine Maßnahme darf also nur dann auf Art. 114 AEUV (ex-Art. 95 EGV) gestützt werden, wenn sie die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes verbessern kann, wobei Art. 114 AEUV (ex-Art. 95 EGV) nicht als allgemeine Kompetenz des Unionsgesetzgebers zur Regelung des Binnenmarktes gesehen werden darf, da dies ansonsten gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung verstieße.432 Beim Erlass von Maßnahmen i. S. d. Art. 114 Abs. 1 AEUV (ex-Art. 95 Abs. 1 EGV) muss nach Art. 114 Abs. 3 AEUV (ex-Art. 95 Abs. 3 EGV) in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz und Verbraucherschutz von einem hohen 427

Siehe hierzu Khan, in: Geiger (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2010, Art. 114 AEUV, Rn. 17. So Streinz, Europarecht, 8. Aufl. 2008, Rn. 924; so auch Herrnfeld, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 95 EGV, Rn. 35 ff., der davon ausgeht, dass auch von der Verordnung rechtsangleichende Wirkung ausgehen kann. 429 Siehe hierzu Khan, in: Geiger (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2010, Art. 114 AEUV, Rn. 7. 430 Zu den mitgliedstaatlichen Abweichmöglichkeiten vgl. insbesondere Herrnfeld, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 95 EGV, Rn. 49 ff. 431 EuGH, RS. C-350/92, „Spanien/Rat“, Slg. 1995, I-1985, Rn. 32 f.; EuGH, Rs.C-300/89, „Kommission/Rat“, Slg. 1991, I-2867, Rn. 15. 432 EuGH, RS. C-376/98, „Tabakwerbeverbotsrichtlinie“, Slg. 2000, I-8419, Rn. 83 f. 428

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Schutzniveau ausgegangen werden und dabei müssen insbesondere alle auf wissenschaftliche Ergebnisse gestützten neuen Entwicklungen berücksichtigt werden. Falls es speziellere Kompetenznormen gibt, so tritt Art. 114 AEUV (ex-Art. 95 EGV) hinter die rechtsangleichende Spezialnorm zurück433, gegenüber Art.  352 AEUV (ex-Art. 308 EGV) ist Art. 114 AEUV (ex-Art. 95 EGV) lex specialis434. Im Bereich des Binnenmarktes bietet Art.  114 AEUV (ex-Art.  95 EGV) der Union mithin die Möglichkeit, auch ohne konkrete Einzelermächtigung Maß­ nahmen im Rahmen der Rechtsetzung, also Richtlinien und eventuell sogar Verordnungen, zu erlassen. Wird die Union aufgrund dieser Norm tätig, so muss sie ihr Tätigwerden wieder entsprechend Art. 5 Abs. 4 EUV (ex-Art. 5 Abs. 3 EGV) verhältnismäßig ausüben, dies gilt insbesondere auch für die Wahl der Handlungsform der auf Art. 114 AEUV (ex-Art. 95 EGV) gestützten Maßnahme. c) Kompetenzabgrenzung bezüglich Art. 352 AEUV (ex-Art. 308 EGV) Diese Problematik der Kompetenzabgrenzung im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung wird außerdem in verschärfter Form deutlich, wenn man die so genannte Vertragsabrundungskompetenz bzw. die Ermächtigung zur Vertragslückenschließung betrachtet, die in Art. 352 AEUV (ex-Art. 308 EGV) normiert ist. Hiernach erlässt der Rat die geeigneten Vorschriften, wenn ein Tätigwerden der Union erforderlich erscheint, um eines der Ziele der Verträge zu verwirklichen, und in den Verträgen die hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen sind.435 Bezüglich der europäischen Gesetzgebung bedeutet dies, dass der Unions­ gesetzgeber nach Art. 352 AEUV, auch wenn in diesem Bereich keine ausdrück­ liche Rechtsetzungskompetenz für die Union vorgesehen ist, rechtsetzend tätig werden darf, wenn dies nach den Zielen der Verträge erforderlich ist. Die mit der auf Art. 352 AEUV gestützten Rechtsetzung verfolgten Ziele müssen jedoch von den Zielen des Vertrags umfasst sein.436 Diese Möglichkeit des uniona­ len Tätigwerdens aufgrund einer Erforderlichkeit desselben erinnert im Hinblick 433 Zum Verhältnis von Art. 95 EGV (Art. 114 AEUV) zu anderen Kompetenznormen, so genannten konkurrierenden Normen, und insbesondere Art.  308 EGV (Art.  352 AEUV) siehe ­Fischer, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU- und EG-Vertrag, 4. Aufl. 2006, Art. 95 EGV, Rn. 53 ff. 434 Streinz, Europarecht, 8. Aufl. 2008, Rn. 922. 435 Zum Streit bezüglich einer Abschaffung oder Neuformulierung der Art. 308, 94, 95 EGV vgl. Jennert, NVwZ 2003, S. 939; dieser geht auch davon aus, dass Art. 308 EGV (Art. 352 AEUV) im Gegensatz zu Art. 95 EGV (Art. 114 AEUV) eine Durchbrechung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung darstellt. 436 Vgl. hierzu EuGH Gutachten 2/94, Slg. 1996, I-1788, Rn.  30 zum Beitritt der EG zur EMRK; siehe hierzu auch Schreiber, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 308 EGV, Rn. 5.

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auf das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit unionalen Tätigwerdens an das im Bereich der nicht-ausschließlichen Zuständigkeit bestehende Subsidiaritätsprinzip, mit seinem Effizienz- und Mehrwertkriterium. Im Unterschied dazu ist Art. 352 AEUV eine subsidiäre Handlungsermächtigung und damit eine Ermächtigungsgrundlage mit der inzidenten Pflicht zur Beachtung der Subsidiarität und keine Kompetenzausübungsschranke wie das in Art.  5 Abs.  3 EUV (ex-Art.  5 Abs. 2 EGV) verankerte Subsidiaritätsprinzip und deswegen hiervon deutlich zu unterscheiden.437 Die Gemeinschaft hat bereits weitreichende Regelungen wie beispielsweise zu Regionalfonds, zur nichtnuklearen Forschung und zum Umweltschutz auf Art. 308 EGV (jetziger Art. 352 AEUV) gestützt.438 Art. 352 AEUV soll jedoch nur in Ausnahmefällen herangezogen werden und keine Kompetenz-Kompetenz darstellen.439 Es drängt sich hierbei die Frage auf, wie und durch wen die Erforderlichkeit eines Tätigwerdens nach Art. 352 AEUV festgestellt wird. Diese Möglichkeit kann und darf nur der Union überlassen bleiben. Der Union kommt hierbei, wie auch durch das Wort „erscheint“ deutlich wird, ein sehr weiter Beurteilungsspielraum440 zu. Man könnte vermuten, dass dem EuGH eine Überprüfung der Erforderlichkeit eines Tätigwerdens der Union nicht zustünde, da dies eventuell seine Kompetenz überschritte.441 Zumindest muss jedoch eine Nachprüfung durch den EuGH hinsichtlich der Ermessensgrenzen möglich sein.442 Trotz Nachprüfungsmöglichkeit durch den EuGH verbleibt die Entscheidung über ein Tätigwerden der Union nach Art. 352 AEUV grundsätzlich bei der Union im Vertrauen darauf, dass diese Kompetenzgrundlage sinnvoll, verantwortungsbewusst und restriktiv angewendet wird. Es besteht zwar die Möglichkeit des Missbrauchs des Art.  352 AEUV durch übermäßigen Gebrauch dieser Norm als Ermächtigungsgrundlage für ein Tätig 437

Vgl. hierzu auch Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 352 AEUV, Rn. 12. 438 Zu Bedeutung und Anwendungsbereich des Art.  308 EGV vgl. auch Schreiber, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 308 EGV, Rn. 6 ff.; Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 352 AEUV, Rn. 25 ff. 439 Zu den Defiziten der bisherigen Praxis und insbesondere das Problem der exzessiven Handhabung des Art. 308 EGV und der damit verbundenen fortschreitenden Kompetenzverlagerung auf die Europäische Union, Goll/Kenntner, EuZW 2002, S. 102. 440 Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 352 AEUV, Rn. 34 spricht diesbezüglich von einem „politischen Gestaltungsermessen“. 441 Vgl. hierzu Schwartz, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), EU-/EG-Vertrag Kommentar, Band 4, 6. Aufl. 2004, Art. 308 EGV, Rn. 178, Fn. 205. 442 So beispielsweise Schreiber, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 308 EGV, Rn. 16; Rossi, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 352 AEUV, Rn. 48; Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 352 AEUV, Rn. 35; Häde/ Puttler, EuZW 1997, S. 15.

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werden der Union außerhalb ihres originären Tätigkeitsfelds und damit den sukzessiven Kompetenzverlust bzw. Eingriff in den Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten. Bezüglich dieser dargestellten Problematik muss jedoch berücksichtigt werden, dass das aufgrund von Art. 352 AEUV zum Handeln ermächtigte Unionsorgan, also der Rat, aus den Regierungschefs der Mitgliedstaaten besteht und nur einstimmig in Betracht kommende Maßnahmen erlassen kann.443 Insofern ist das in Art.  352 AEUV angelegte Kompetenzmissbrauchsproblem eher theoretischer Natur, da tatsächlich die Regierungen der Mitgliedstaaten über eine Anwendung des Art. 352 AEUV entscheiden und durch das Einstimmigkeitserfordernis die Gefahr einer zu weitgehenden, den Interessen der Mitgliedstaaten zuwiderlaufenden Kompetenzausübung der Union aufgrund von Art. 352 AEUV gebannt scheint. d) Zwischenergebnis Trotz der Lockerung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung, insbesondere durch Art. 114 AEUV (ex-Art. 95 EGV) und Art. 352 AEUV (ex-Art. 308 EGV), verbleibt die grundsätzliche Allzuständigkeit bei den Mitgliedstaaten.444 Die Problemstellungen, die sich durch die insgesamt eher unsystematischen Regelungen zu einer Unionskompetenz ergeben, müssen allerdings gerade aufgrund des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung, welches grundsätzlich eine Gesetzgebungskompetenz der Union voraussetzt, und aufgrund des Subsidia­ ritätsprinzips, welches eine geteilte Kompetenz voraussetzt, durch Einordnung in Kompetenztypen gelöst werden.445 Die Kompetenzen der EU werden in drei Kompetenzkategorien unterteilt: Bereiche, in denen die EU eine ausschließliche Zuständigkeit hat, Bereiche mit geteilter Zuständigkeit und Bereiche mit Unter­ stützungs-, Koordinierungs-. und Ergänzungsmaßnahmen.446 Aufgrund der wenig trennscharfen Kompetenzgrundlagen ergibt sich jedoch oftmals nicht die Frage, ob die Union überhaupt tätig werden darf, sondern wie weitreichend und tiefgehend sie ihre Regelungsbefugnisse ausüben darf und inwiefern Beschränkungen bezüglich der Unionsgesetzgebung vorhanden sind. Es soll bei unionalem Handeln sichergestellt werden, dass die Union verbindliche Rechtsakte in den einzelnen Vertragsbereichen jeweils nur in denjenigen Rechtsformen erlassen darf, die bei der betreffenden Einzelkompetenz zugelassen sind.447 Durch die in der konkreten Ermächtigungsgrundlage festgelegten Handlungsvarianten kann eine Einschränkung bezüglich der Wahl der Handlungsform

443

Vgl. hierzu auch Lambers, EuR 1993, S. 229. Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 5 EUV, Rn. 5. 445 Vgl. hierzu auch Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 5 EUV, Rn. 12. 446 Siehe zu den Kompetenztypen nach dem EGV auch Richter, EuZW 2007, S. 632. 447 Siehe hierzu auch Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 5 EGV, Rn. 7.

444

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gegeben sein.448 Räumt die konkrete Ermächtigungsgrundlage dem Gesetzgeber eine Wahlmöglichkeit bezüglich verschiedener Handlungsformen ein, so kann die Entscheidung für einen bestimmten Rechtsakttyp jedoch durch die Kompetenz­ ausübungsschranken vorgegeben sein. Solche Beschränkungen der Handlungsformwahl sind möglicherweise in Art. 5 Abs. 3 EUV (ex-Art. 5 Abs. 2 EGV), also dem Subsidiaritätsprinzip, und Art. 5 Abs. 4 EUV (ex-Art. 5 Abs. 3 EGV), dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, vorgesehen. 2. Bedeutung für die vorliegende Untersuchung Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung nimmt Einfluss auf die Wahl der Handlungsform, da der Unionsgesetzgeber nur eine in der Ermächtigungsgrundlage aufgeführte Art der Handlungsform wählen darf bzw. sich bei mehreren Möglichkeiten dabei auch nur der in Art.  288 AEUV (ex-Art.  249 EGV) aufgelisteten Handlungsformen bedienen kann, da die Unionsorgane über kein „Typenerfindungsrecht“449 verfügen. Diesbezüglich kann man drei verschiedene in Frage kommende Typen von Ermächtigungsgrundlagen unterscheiden. a) Ermächtigungsgrundlagen mit einer ausdrücklich vorgegebenen Handlungsform aa) Grundlegendes Teilweise wird in der Ermächtigungsgrundlage ausdrücklich nur eine einzige zulässige Handlungsform bestimmt, wie beispielsweise in Art. 53 Abs. 1 AEUV (ex-Art. 47 Abs. 1 und Abs. 2 EGV), wo der Rat ausdrücklich nur dazu ermächtigt wird, im zu regelnden Bereich Richtlinien450 zu erlassen, oder Art. 109 AEUV (ex-Art. 89 EGV), der den Rat ermächtigt, alle zweckdienlichen Durchführungsverordnungen451 zu den Art. 107 und 108 AEUV (ex-Art. 87 und 88 EGV) zu erlassen. In diesen Fällen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass in Einhaltung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung auch nur diese Art der Rechtsetzungsform gewählt werden darf.452 448 Biervert geht dabei davon aus, dass das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung damit die unterschiedliche Regelungsdichte ausdrückt, die der europäische Integrationsprozess bewirkt, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 88. 449 Siehe hierzu Oppermann, Europarecht, 3. Aufl. 2005, § 6, Rn. 73. 450 Weitere ausschließlich zum Richtlinienerlass ermächtigende Kompetenzen finden sich bspw. in Art. 50, 52 Abs. 2, 59 Abs. 1 AEUV. 451 Weitere ausschließlich zum Verordnungserlass ermächtigende Kompetenzen finden sich in Art. 45 Abs. 3 d AEUV, aus Art. 261 AEUV erfolgt ein Verordnungsvorbehalt. 452 Zu Ausnahmen hiervon bzw. dazu, ob etwa bei einer alleinigen Verordnungsermächtigung auch das mildere Mittel der Richtlinie als Gesetzgebungsform gewählt werden darf, Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 91.

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bb) Abweichungen In bestimmten Fällen, wenn sich die spezifische Befugnis, die der AEUV dem Unionsgesetzgeber verliehen hat, um eine Materie zu regeln, als nicht ausreichend dazu erweist, das vorgesehene Unionsziel zu erreichen, besteht jedoch die Möglichkeit für den Unionsgesetzgeber, im Rahmen der ergänzenden Rechtsetzungsbefugnis, die Art. 352 AEUV (ex-Art. 308 EGV) ermöglicht, eine andere als die vorgesehene Rechtsetzungsform anzuwenden. Art. 352 AEUV ist somit nicht nur bei fehlender Befugnis der Union, sondern auch bei unzureichender Befugnis, unter Berücksichtigung der anderen in Art. 352 AEUV normierten Voraussetzungen, anzuwenden.453 Art. 352 AEUV kann eine Kompetenzerweiterung im Hinblick auf die Handlungsform darstellen.454 Art.  352 AEUV stellt jedoch keine Kompetenz-Kompetenz dar, sondern ist nur in speziellen Ausnahmefällen anwendbar und generell spezielleren Ermächtigungsgrundlagen gegenüber subsidiär.455 In den Fällen, in denen Unions­organe eine andere als die in der Kompetenzgrundlage vorgegebene verbindliche Handlungsform wählen möchten, kommt es darauf an, ob diese von der Kompetenz abweichende Wahl in ihrem Ermessen liegt, ob also die Notwendigkeit für eine solche Abweichung besteht. In solchen Fällen kann angedacht werden, dass das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung insofern durchbrochen werden kann. Es gibt zwei Möglichkeiten des Handlungsformentausches bei verbindlichen Rechtsformen. Im ersten Fall kann in der Kompetenzgrundlage allein zum Erlass einer Verordnung ermächtigt worden sein und der Unionsgesetzgeber möchte in diesem Regelungsbereich aus Gründen der Rechtsangleichung bevorzugt eine Richtlinie erlassen. Im zweiten Fall kann als einzige Rechtsform die der Richtlinie vorgesehen sein, der Unionsgesetzgeber sieht jedoch aus Gründen der Rechts­ vereinheitlichung Bedarf, eine Verordnung zu erlassen. (1) Handlungsformentausch von der Verordnung zur Richtlinie Nun könnte man daran denken, im ersten Fall zu sagen, dass die rechtsangleichende Richtlinie als milderes Mittel im Bezug auf die vereinheitlichende Ver­ 453

Vgl. hierzu EuGH, RS. 8/73, „Massey/Ferguson“, Slg. 1973, I-0907, Rn. 3; siehe hierzu auch Kraußer, Das Prinzip begrenzter Ermächtigung im Gemeinschaftsrecht als Strukturprinzip des EWG-Vertrages, 1991, S.  25, der als Beispiel die Vereinheitlichung des Zollrechts durch Verordnung anstelle von Richtlinien aufführt; zu dieser Problematik auch Constanti­ nesco, Das Recht der Europäischen Gemeinschaft I, 1977, S. 276 f., S. 600; Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 94. 454 So auch Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, 2006, § 8, Rn. 35. 455 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Stand April 2009, Art. 249 EGV, Rn. 60.

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ordnung456 gesehen werden kann und diese Rechtsformwahländerung des Unionsgesetzgebers somit möglich sein muss. Die Richtlinie könnte hierbei als „Minus“ zur Verordnung gesehen werden. Es muss hierbei jedoch beachtet werden, dass die verbindlichen Handlungs­ formen gerade nicht in einem Stufenverhältnis stehen457, da sie in ihrer Wirkungsweise unterschiedlich sind und deshalb eher als „Aliud“ zueinander und nicht als „Plus“ oder „Minus“ zu verstehen sind, womit nicht undifferenziert davon aus­ gegangen werden kann, dass die Richtlinie gegenüber der Verordnung als milderes Mittel angesehen werden kann.458 Es könnte jedoch der Grundsatz des Interventionsminimums gelten. Der völkerrechtliche Grundsatz des Interventionsminimums besagt, dass grundsätzlich die größtmögliche Schonung der nationalen Kompetenzen angestrebt werden muss.459 Dieser Grundsatz fand beispielsweise in der Montanunion ausdrücklich Anwendung.460 Dieses völkerrechtliche Prinzip wurde aber nicht in den EGV bzw. den AEUV aufgenommen, womit nicht darauf zurückgegriffen werden kann461 und es in diesem Falle keine Anwendung findet. Aufgrund der bereits dargestellten Unterschiede hinsichtlich der Wirkungsweise zwischen Richtlinie und Verordnung ist zwar grundsätzlich, wie auch bereits ausdrücklich in Nr.  6 des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit462 zum EGV festgelegt war, die Richtlinie als milderes Mittel der Verordnung vorzuziehen, jedoch können sich im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände Ausnahmen hiervon ergeben. Eine solche Ausnahme kann sich dann ergeben, wenn der Zweck der in Frage stehenden Vertragsvorschrift nur durch eine Verordnung und nicht durch eine

456 Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, 2006, § 8, Rn.  38, geht davon aus, dass wenn eine Rechtsgrundlage nur eine Verordnung vorsieht, prinzipiell auch eine Richtlinie als milderes Mittel erlaubt ist, jedoch nur, wenn der Zweck der jeweiligen Vertragsvorschrift nicht einzig mit einer Verordnung erreicht werden kann. 457 Zum Handlungsformentausch von der Verordnung zur Entscheidung vgl. Zuleeg, in: von der Groeben/Thiesing (Hrsg.), EU-/EG-Vertrag Kommentar, Band 1, 6. Aufl. 2003, Art. 5 EGV, Rn. 20. 458 Siehe hierzu auch Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, 2006, § 8, Rn. 38. 459 Zum Grundsatz des Interventionsminimums vgl. nur Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 79 ff.; Trüe, Das System der Rechtsetzungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union, 2002, S.  113 f.; vgl. hierzu auch Bast, Grundbegriffe der Handlungsformen der EU, 2006, S. 36 f. 460 Art. 14 Abs. 5 EGKS besagte, dass wenn die Kommission befugt ist eine Entscheidung zu erlassen, sie sich darauf beschränken kann, eine Empfehlung auszusprechen. 461 Siehe hierzu auch Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 249 EGV, Rn. 12. 462 Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, ABl. 1997, Nr. C 340, Nr. 1.

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Richtlinie erreicht werden kann.463 Besteht eine solche Konstellation, so ist die Richtlinie auch nicht das geeignete Instrument, um den Zweck zu verwirklichen, es darf also nicht von der in der Ermächtigungsgrundlage genannten Handlungsform abgewichen werden. (2) Handlungsformentausch von der Richtlinie zur Verordnung Im zuvor beschriebenen zweiten Fall, dass nur zum Erlass einer Richtlinie ermächtigt wird, muss zunächst überlegt werden, ob die ermächtigende Norm sich tatsächlich nur auf die Rechtsform der Richtlinie beschränken sollte oder ob mit dieser genauen Umgrenzung der Ermächtigungsgrundlage nicht sogar explizit die Gesetzgebung mittels Verordnung ausgeschlossen werden sollte.464 Ein Tausch vom grundsätzlich milderen Mittel der angleichenden Richtlinie zur vereinheitlichenden Verordnung kann nur dann möglich sein465, wenn das Ziel der Ermächtigungsgrundlage mit der Richtlinie nicht erreicht werden kann und in­ sofern nur die Möglichkeit zum Verordnungserlass besteht. Ein solcher Wandel von der vorgegebenen Rechtsform der Richtlinie zur Verordnung ist beispielsweise im Zollrecht geschehen, da hier die Rechts­ angleichung mittels Richtlinie als unzulänglich zur Erreichung des Ziels erachtet wurde.466 Bei einer engen bzw. strengen Auslegung des Prinzips der begrenzten Einzel­ ermächtigung könnte daran gedacht werden, dass in dieser Konstellation nicht auf die Rechtsaktform der Verordnung zurückgegriffen werden darf, da dies die vertraglichen Kompetenzen der Union überschreite und das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung damit verletzt sei. Besteht jedoch tatsächlicher Bedarf für eine Rechtsvereinheitlichung und ist in der Kompetenznorm nur die Möglichkeit der Rechtsharmonisierung durch Richtlinien vorgesehen, so muss dem Unions­ gesetzgeber die Handhabe möglich sein, von der vorgesehenen Rechtsetzungs 463

So auch Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, 2006, § 8, Rn. 38. Siehe hierzu auch Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, 2006, § 8, Rn. 39. 465 Trüe, Das System der Rechtsetzungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union, 2002, S. 113 geht jedoch davon aus, dass grundsätzlich ein Verstoß gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung vorliegt, wenn eine Verordnung anstelle einer Richtlinie gewählt wird, „weil mit der Setzung einheitlichen Rechts anstelle von noch umzusetzenden punktuellen Regelungen die den Organen durch den Vertrag zugewiesenen Befugnisse überschritten würden“. 466 Vgl. hierzu EuGH, RS. 8/73, „Massey/Ferguson“, Slg. 1973, I-0907, Rn. 3; hier stellte der EuGH fest, dass Art. 308 (ex-Art. 235) EGV eine einschlägige Ermächtigungsgrundlage für den Verordnungserlass sein kann, wenn der Vertrag eine bestimmte Befugnis vorsieht, um eine Materie zu regeln, diese Befugnis, im vorliegenden Fall die Befugnis zum Richtlinien­erlass, aber nicht ausreicht, da die Richtlinie keine ausreichende Handhabe darstellt. 464

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form abzuweichen. In diesem Fall, ebenso wie bei der ersten Konstellation, muss Art.  352 AEUV als Korrektiv467 bei der Wahl der Rechtsetzungsform herhalten können. Die Anwendung des Art. 352 AEUV darf jedoch nur ausnahmsweise geschehen und nicht zum Regelfall werden. Vorab muss die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, eine detailliertere Richtlinie mit einer ähnlichen Wirkung wie eine Verordnung zu erlassen, da mit dieser Maßnahme immer noch eher der Ermächtigungsgrundlage und damit dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung entsprochen wird. Ansonsten müssen bestimmte schlüssige Gründe für die Änderung der vorgegebenen Rechtsaktform gegeben sein, für die dann in der Begründung eine Rechtfertigung verlangt wird, zudem muss Art. 352 AEUV verhältnismäßig angewandt werden. cc) Zwischenergebnis Bei Ermächtigungsgrundlagen mit der ausdrücklichen Vorgabe von nur einer Handlungsform soll der Unionsgesetzgeber nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung grundsätzlich auch nur von dieser einen Handlungsform Gebrauch machen dürfen. Abweichungen hiervon sind jedoch über eine Anwendung des Art.  352 AEUV grundsätzlich möglich. Für solche Abweichungen muss allerdings ein bestimmtes Bedürfnis vorhanden sein, bzw. mit dieser Abweichung muss ein ansonsten vorhandenes Rechtsetzungsdefizit ausgeglichen werden können. Abweichungen von der Verordnung zur Richtlinie werden leichter möglich sein als von der Richtlinie zu einer Verordnung. b) Ermächtigungsgrundlagen ohne ausdrücklich vorgegebene Handlungsformen Manchmal nennt die Ermächtigungsgrundlage nicht explizit eine bestimmte Rechtsetzungsform, wie etwa in Art. 114 Abs. 1 S. 2 AEUV (ex-Art. 95 Abs. 1 EGV), der es dem Rat überlässt, Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zu erlassen oder etwa Art. 91 Abs. 1 lit.  c AEUV, der es dem Rat überlässt, „Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit“ zu erlassen. Der Begriff der Maßnahmen kann in diesem Fall alle in Art. 288 AEUV aufgezählten Handlungsformen und alle sonstigen Rechtshandlungen468 umfassen, falls nicht etwas anderes geregelt ist. 467 Constantinesco geht davon aus, dass Art.  235 (ex-Art.  308  EGV und jetziger Art.  352 AEUV) gerade aufgrund der Unzulänglichkeit des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung einen komplexen und fortschreitenden Integrationsprozess wahrzunehmen von den Urhebern des Vertrages vorgesehen wurde, siehe hierzu Das Recht der Europäischen Gemeinschaft I, 1977, S. 277. 468 Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 249 EGV, Rn. 9.

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Neben dem Begriff der Maßnahmen wird im AEUV noch von Regelungen, Regeln, Vorschriften, Bestimmungen oder Aktionen gesprochen. Die Auflistung dieser unbestimmten Handlungsformen soll dem Unionsgesetzgeber ein flexibles Handeln ermöglichen469, welches jedoch seine Grenzen wiederum im Verhältnismäßigkeitsprinzip finden muss. Die Ermessensgrenzen des Unionsgesetzgebers können sich hierbei teilweise bereits aus der Vorschrift an sich ergeben; wenn es zum Beispiel heißt, es sollen „zweckdienliche Maßnahmen“ erlassen werden, so ist in dieser Beschreibung bereits eine Ermessensausübungsrichtung zu sehen. Außerdem bestehen grundsätzlich auch die vertraglichen Ermessensgrenzen, da die Union nach Art. 5 Abs. 2 EUV nur innerhalb der Grenzen der ihr im Vertrag gesetzten Ziele tätig wird. Wie dann genau die Grenzen des Handelns zu bestimmen sind, muss durch Auslegung im konkreten Fall ermittelt werden.470 Teilweise können bestimmte Kriterien zur Bestimmung der einschlägigen Handlungsform herangezogen werden. Als solche Kriterien kommen der Wortlaut der vertraglichen Bestimmung, der historische Wille der vertragsschließenden Parteien, die systematische Interpretation der Norm und die teleologische Auslegung der Norm in Betracht.471 Es kann jedoch nicht von der Ermächtigungsgrundlage auf die Handlungsform geschlossen werden. Ebenso wenig ist es sinnvoll, außer zu Zwecken einer Sta­ tistik, bestimmten Begriffen bestimmte Handlungsformen zuzuordnen, da dies wiederum nur dazu führen kann, die durch die handlungsformoffenen Begriffe begründete Flexibilität des Unionsgesetzgebers durch eine Vorauswahl einzuschränken.472 Außerdem können aus solchen Darstellungen keine Schlüsse auf weitere auf dieser Ermächtigungsgrundlage beruhende Rechtsakte gezogen werden, da diese weitestgehend der politischen Gestaltungsfreiheit unterworfen sind.473

469

So auch Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 90. 470 Siehe hierzu auch Bockey, Die Entscheidung der Europäischen Gemeinschaft, 1998, S. 83. 471 Siehe hierzu ausführlich Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 96 ff., welcher zu dem Schluss kommt, dass beispielsweise in den meisten Fällen, in denen im Vertrag von Regelungen oder Regeln gesprochen wird, Verordnungen erlassen wurden. 472 So aber Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 96 ff. welcher zu dem Schluss kommt, dass beispielsweise in den meisten Fällen, in denen im Vertrag von Regelungen oder Regeln gesprochen wird, Verordnungen erlassen wurden; vgl. hierzu auch Bieber/Epiney/Haag, Die Europäische Union, 8. Aufl. 2009, § 6, Rn. 24; zur Verbindung von Handlungsformen und Zuständigkeitsarten vgl. hierzu Härtel, Handbuch Euro­ päische Rechtsetzung, 2006, § 8, Rn. 40 ff. 473 Vgl. hierzu Bast, Grundbegriffe der Handlungsformen der EU, 2006, S. 40, der der Meinung ist, dass die Wahl der angemessenen Handlungsform ebenso wenig aus einer vertrag­ lichen Rechtsgrundlage abzuleiten ist wie der Inhalt des Rechtsakts im Übrigen.

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c) Ermächtigungsgrundlagen mit verschiedenen ausdrücklich vorgegebenen Handlungsformen In manchen Fällen zählt die Ermächtigungsgrundlage verschiedene Handlungsformen474 auf, beispielsweise in Art. 103 Abs. 1 AEUV (ex-Art. 83 Abs. 1 EGV), der den Rat dazu ermächtigt, Richtlinien oder Verordnungen zu erlassen, womit im Hinblick auf die zu wählende Rechtsaktform hinsichtlich der ordnungsgemäßen Ermessensausübung Probleme entstehen können. Bei diesen Rechtsgrundlagen kann der Unionsgesetzgeber nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung nur innerhalb der vorgegebenen Handlungsformen wählen. Auch hier muss das Formenwahlermessen jedoch bestimmten Grundsätzen unterliegen, da die Rechtsakte unterschiedliche Wirkungsweisen haben, die der Unions­gesetzgeber bei der Wahl der Rechtsform zu berücksichtigen hat. d) Konsequenzen Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung führt also dazu, dass die Unionsorgane nur dann eine Wahlfreiheit bezüglich der ihnen zur Verfügung stehenden Handlungsformen i. S. d. Art. 288 AEUV (ex-Art. 249 EGV) haben, wenn ihnen durch die Ermächtigungsgrundlage nicht ausdrücklich die Handlungsform bzw. die verschiedenen Handlungsformen vorgeschrieben sind oder aufgrund des restriktiv anzuwendenden Art. 352 AEUV eine Ausnahme von dieser Vorgabe zu machen ist. In diesen Fällen begrenzt das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung die Wahlfreiheit des Unionsgesetzgebers auf die vorgeschriebenen Formen.475 Somit besteht zugunsten des Unionsgesetzgebers nur in den Fällen, in denen der AEUV ausdrücklich mehrere Handlungsformen zulässt bzw. es in allgemeiner Weise sogar dem Unionsgesetzgeber überlässt, die „Maßnahmen“ zu ergreifen, die Wahlfreiheit bezüglich der unterschiedlichen Handlungsformen. Durch das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung wird demnach nicht nur eine Begrenzung der Kompetenz des Unionsgesetzgebers bewirkt, sondern auch eine Beschränkung auf bestimmte in der Ermächtigungsnorm aufgelistete Handlungsformen.476 Das

474

Bsp. konnte der Rat. gem. Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV im Bereich der Agrarpolitik „Verordnungen, Richtlinien oder Entscheidungen“; gem. Art. 86 Abs. 3 EGV die Kommission erforderlichenfalls geeignete Richtlinien oder Entscheidungen erlassen. 475 So auch Kraußer, Das Prinzip begrenzter Ermächtigung im Gemeinschaftsrecht als Strukturprinzip des EWG-Vertrages, 1991, S. 24. 476 So auch Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art.  249 EGV, Rn.  11; Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S.  88; Kraußer, Das Prinzip begrenzter Ermächtigung im Gemeinschaftsrecht als Strukturprinzip des EWG-Vertrages, 1991, S. 24.

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Teil 1: Grundlagen

Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung weist also den EU-Organen im Rahmen ihrer Kompetenzen die spezifischen Handlungsformen zu.477

IV. Das Subsidiaritätsprinzip 1. Allgemeines Staatsrechtsunabhängig findet das Subsidiaritätsprinzip seinen Ursprung in der katholischen Soziallehre.478 Das Subsidiaritätsprinzip hat als rechtliches Prinzip für die Zuweisung von Verantwortlichkeiten in Zwei- oder Mehrebenensystemen seinen Ursprung in der Tätigkeitspraxis der föderal gegliederten Mitgliedstaaten, die diese Handlungs­ maxime als eines ihrer wichtigsten Strukturprinzipien kennen.479 Allgemein besagt dieses Prinzip, dass in einem Mehrebenensystem jeweils vorrangig der untergeordneten Einheit, abhängig von ihrer Leistungsfähigkeit, das Handeln möglich gemacht werden soll.480 In der Beziehung der Union zu den Mitgliedstaaten bedeutet der Grundsatz der Subsidiarität481, dass im Rahmen der nicht-ausschließlichen bzw. geteilten Zustän 477

Kraußer, Das Prinzip begrenzter Ermächtigung im Gemeinschaftsrecht als Strukturprinzip des EWG-Vertrages, 1991, S. 26. 478 Dieses Prinzip wurde bereits in der Sozialenzyklika „Quadragesimo anno“ von Papst Pius XI vom 15. Mai 1931 erwähnt. Hiernach heißt es: „wie dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zu gutem Ende führen können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen; zugleich ist es überaus nachteilig und verwirrt die ganze Gesellschaftsordnung“, zitiert nach Schöpsdan, in Heun (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon, 2006, Spalte 2423; hierzu auch Molsberger, Das Subsi­ diaritätsprinzip im Prozess europäischer Konstitutionalisierung, 2009, S. 15. Vgl. hierzu ausführlich m. w. N. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 2. Aufl. 2001, S. 18 ff.; Pieper, Subsidiarität, 1994, S. 33 ff. 479 Langguth, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU- und EG-Vertrag, 4. Aufl. 2006, Art. 5 EGV, Rn. 15. Allgemein zum Subsidiaritätsprinzip Lecheler, Das Subsidiaritätsprinzip, Strukturprinzip einer europäischen Union, 1993. 480 Siehe hierzu auch Schwarze/Becker/Pollack, Die Implementation von Gemeinschaftsrecht, 1993, S. 96 f. 481 Zur Subsidiarität im Sinne des Vertrages über die Europäische Union vgl. Bieber: Sub­ sidiarität im Sinne des Vertrages über die Europäische Union, in: Nörr/Oppermann (Hrsg.), Subsidiarität, 1997, S. 165 ff.; allgemein zum Subsidiaritätsprinzip siehe auch Lambers, EuR 1993, S. 229 ff.; von Borries, EuR 1994, S. 263 ff.; Schelter, EuZW 1990, S. 217 ff.; Constanti­ nesco, EuZW 1991, S. 561 ff.; Stewing, DVBl. 1992, S. 1516 ff.; Konow, DÖV 1993, S. 406 ff.; zum Grundsatz der Subsidiarität und gemeinsamer Agrarpolitik vgl. Gilsdorf, Der Grundsatz der Subsidiarität und die gemeinsame Agrarpolitik, in: Randelzhofer/Scholz/Wilke (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Eberhard Grabitz, 1995, S. 77 ff.

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digkeit grundsätzlich, abhängig vom Leistungsvermögen der Mitgliedstaaten, diesen vorrangig vor der Union die Handlungsmöglichkeiten zustehen sollen und nur dann, wenn Ziele auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, der Union das Handeln erlaubt sein soll. Dies soll insbesondere geschehen, damit in bestimmten Bereichen durch die größere Sachnähe der Mitgliedstaaten eine bestmögliche Aufgabenerledigung gewährleistet werden kann. Art. 5 Abs. 3 EUV (ex-Art. 5 Abs. 2 EGV) ist die ausdrückliche Verankerung des Subsidiaritätsgrundsatzes im EUV. Der EUV sieht das in Art.  5 Abs. 3 verankerte Subsidiaritätsprinzip (im engeren Sinne) als erste Kompetenzausübungsschranke vor. Gemäß Art.  5 Abs.  3 EUV wird die Union in den Bereichen, die nicht ausschließlich in ihre Zuständigkeit fallen, nach dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und soweit die Ziele482 der in Betracht kommenden Maß­ nahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Unionsebene zu verwirklichen sind. Die Ermächtigungsgrundlage, aufgrund derer die Union nach Art. 5 Abs. 2 EUV tätig werden kann, muss also, damit das Subsidiaritätsprinzip zum Tragen kommen kann, eine nicht-ausschließliche Kompetenz verleihen, also eine konkurrierende oder parallele bzw. nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon eine geteilte Kompetenz­ ausübung nach Art. 4 AEUV vorsehen.483 Seinem Wortlaut nach gilt das Subsidiaritätsprinzip nur zwischen der Union und den Mitgliedstaaten. Adressaten des Subsidiaritätsprinzips sind die Union bzw. ihre Organe, „Begünstigte“ des Subsidiaritätsprinzips sind die Mitgliedstaaten.484 Das Subsidiaritätsprinzip485 ist unmittelbar mit dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung verbunden. Das Subsidiaritätsprinzip soll sicherstellen, dass die Union, selbst in den Bereichen, in denen der AEUV ihr Kompetenzen zur Rechtsetzung einräumt, von dieser Rechtsetzungskompetenz nur dann Gebrauch machen darf, wenn die dargestellten Voraussetzungen gegeben sind, um die Befugnis der Union zur Rechtsetzung zusätzlich zum Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung zu begrenzen.486

482 Mit Ziele sind hierbei nicht die Ziele des Vertrages gemeint, sondern die konkreten Einzelziele der Maßnahme, siehe hierzu auch Pieper, DVBl. 1993, S. 709. 483 Siehe hierzu auch Albin, NVwZ 2006, S. 630. 484 Vgl. Zuleeg, in: von der Groeben/Thiesing (Hrsg.), EU-/EG-Vertrag Kommentar, Band 1, 6. Aufl. 2003, Art. 5 EGV, Rn. 34. 485 Zum Subsidiaritätsprinzip siehe auch Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 5. Aufl. 2011, § 11, Rn. 23 ff.; Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 5 EUV, Rn. 20 ff.; Lienbacher, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 5 EGV, Rn. 15 ff. 486 Lienbacher, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 5 EGV, Rn. 15 geht davon aus, dass das Subsidiaritätsprinzip die Funktion hat, das sehr weitläufige Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung zu „flankieren“ und „dessen Durchsetzung“ zu erleichtern.

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Teil 1: Grundlagen

2. Prüfungsmaßstab des Art. 5 Abs. 3 EUV Inhaltlich ist das Subsidiaritätsprinzip als eine Kompetenzausübungsregel bzw. eine Kompetenzausübungsschranke anzusehen, die den Unionsorganen eine Recht­ fertigungslast bezüglich ihres Tätigwerdens auferlegt. Den Unionsorganen soll es nach Art. 5 Abs. 3 EUV obliegen, die Erforderlichkeit einer gemeinschaftsweiten Regelung durch den Unionsgesetzgeber zu belegen. Das Subsidiaritätsprinzip legt ein formales Regel-Ausnahmeverhältnis zugunsten der Mitgliedstaaten fest, das deswegen formal ist, weil es ein Tätigwerden der Union nicht grundsätzlich und sachlich problematisiert, sondern einzig eine Begründung für ein Tätigwerden verlangt.487 Die Begründung eines unionalen Rechtsakts im Bereich der nicht-ausschließlichen bzw. geteilten Zuständigkeit muss also Ausführungen zur Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips enthalten. Konkret bedeutet dies, dass die Abweichung von der grundsätzlichen Regel der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten in dem vor­ genommenen Rechtsakt ausführlich gerechtfertigt werden muss.488 a) Erforderlichkeits- und Effizienz- bzw. Mehrwertkriterium Maßnahmen der Union im Bereich der nicht-ausschließlichen Zuständigkeit sind in Konkretisierung des Art. 5 Abs. 3 EUV489 nur gerechtfertigt, wenn beide Bedingungen des Subsidiaritätsprinzips kumulativ erfüllt sind: –– zum einen, wenn die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen nicht aus­ reichend durch Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Verfassungsordnung erreicht werden können und –– sie zum anderen daher besser durch Maßnahmen der Union erreicht werden können. An das Tätigwerden der Union wird also ein Erforderlichkeits-490 und ein Effizienz bzw.- Mehrwertkriterium491 geknüpft. Man kann auch von einer sowohl posi 487

Jarass, EuGRZ 1994, S. 213. Vgl. zum Begründungszwang auch Pieper, DVBl. 1993, S. 711, der davon ausgeht, dass mit diesem Begründungszwang eine umgekehrte Beweislast eingeführt wird, bei der nicht die Mitgliedstaaten eine Kompetenzüberschreitung durch die Gemeinschaft nachweisen müssen, sondern die Gemeinschaft ihr Handeln „verifizieren“ muss; in ähnlicher Weise auch Schmid­ huber/Hitzler, NVwZ 1992, S. 725, die jedoch zusätzlich davon ausgehen, dass bei vom Rat einstimmig erlassenen Rechtsakte immer vermutet werden kann, dass dem Subsidiaritätsgrundsatz Rechnung getragen wird. 489 Siehe hierzu auch das frühere Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, ABl. 1997, Nr. C 340, Nr. 5. 490 Merten, Die Subsidiarität Europas, 1993, S. 29 spricht insofern von einer „Notwendigkeits­ klausel“. 491 Lienbacher, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art.  5 EGV, Rn.  26; siehe zu diesen zwei Voraussetzungen auch Pieper, DVBl. 1993, S. 709. 488

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tiven als auch negativen Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche sprechen492, die aber als eine Art „doppelte Bedingung“493 miteinander verknüpft sind. Die Union darf also nur dann tätig werden, wenn dieses Handeln erforderlich ist, da ein Handeln auf Ebene der Mitgliedstaaten zur Erreichung der geforderten Ziele nicht ausreichend ist, und sie dabei effizient bzw. effizienter als die Mitgliedstaaten dies vermögen, ihre Maßnahmen einsetzen kann. Hierbei soll effizienter jedoch nicht bedeuten, dass eine Zuständigkeit der Union über Art. 5 Abs. 3 EUV auch dann begründet wird, wenn die Mitgliedstaaten das geforderte Ziel zwar auch, aber nicht in gleicher Weise effizient wie die Union dies vermag, erfüllen können. Auch wenn die Union in diesem Fall die Ziele besser verwirklichen könnte, muss die Zuständigkeit für zielerreichende Maßnahmen bei den Mitgliedstaaten verbleiben, da die Grundvoraussetzung eines Tätigwerdens nach Art.  5 Abs. 3 EUV die „nicht ausreichende Zielverwirklichung“ und nicht die „weniger effiziente Zielverwirklichung“ ist. Es muss also geprüft werden, ob das objektive Leistungspotential der Mitgliedstaaten, die finanziellen und tatsächlichen Mittel, ausreichend sind, um die Ziele zu verwirklichen.494 Damit nach dem Subsidiaritätsprinzip unionales Handeln möglich ist, muss das objektive Leistungspotential der Mitgliedstaaten bezüglich des zu erreichenden Ziels un­genügend sein.495 In diesem Fall muss dann das Handeln auf EU-Ebene einen Mehrwert besitzen. Wenn die Mitgliedstaaten die Ziele durch ihre Maßnahmen nicht ausreichend verwirklichen können, kann die Union tätig werden, wenn die Ziele wegen ihres Umfangs oder ihrer Auswirkungen besser auf Unionsebene erreicht werden. Es muss somit neben dem Erforderlichkeits- bzw. Negativkriterium auch das so genannte Effizienz- oder Mehrwertkriterium, das teilweise auch als Positiv­kriterium bezeichnet wird, erfüllt sein, wobei die Grenzen zwischen den beiden Kriterien bei dem Versuch der Abgrenzung in der Literatur oftmals ver­schwimmen.496 b) Leitlinien zur Subsidiarität zum EGV Ob die Voraussetzungen für ein Tätigwerden der Gemeinschaft nach dem Subsidiaritätsprinzip gegeben waren, richtete sich vor dem Inkrafttreten des Vertrags

492

Langguth, in: Lenz/Borchardt, EU- und EG-Vertrag, 4. Aufl. 2006, Art. 5 EGV, Rn. 15. Schmidhuber/Hitzler, NVwZ 1992, S. 722. 494 Glaser, ZG 2007, S. 376 f. 495 Vgl. hierzu beispielsweise Calliess in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4.  Aufl. 2011, Art. 5 EUV, Rn. 38; zur Problematik der Überforderung einzelner Mitgliedstaaten oder der, dass einzelne Mitgliedstaaten sich trotz vorhandenen Leistungspotenzials weigern Maßnahmen zu ergreifen vgl. Glaser, ZG 2007, S. 376 f. 496 Vgl. hierzu den Sachstand ausführlich darstellend Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, 2. Aufl. 1999, S. 104 ff.; Calliess in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 5 EUV, Rn. 31 ff. 493

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Teil 1: Grundlagen

von Lissabon nach bestimmten Leitlinien aus dem Subsidiaritätsprotokoll497 zum EGV. Das Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit gehörte als Protokoll zum EGV zum primären Unionsrecht und stellte eine geschriebene Rechtsquelle498 mit gleichem Rang wie die Verträge für das Unionsrecht dar. Hiernach war zu prüfen, ob der betreffende Bereich transnationale Aspekte aufweist, die durch Maßnahmen der Mitgliedstaaten nicht ausreichend geregelt werden können. Weiter musste untersucht werden, ob eine alleinige Maßnahme der Mitgliedstaaten oder das Fehlen von Gemeinschaftsmaßnahmen gegen die Anforderungen des Vertrags verstoßen499 oder auf sonstige Weise die Interessen der Mitglied­ staaten erheblich beeinträchtigen würde. Außerdem musste beachtet werden, dass Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen im Vergleich zu Maßnahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten deutliche Vorteile mit sich bringen würden. Insofern war fraglich, ob sich aus diesen Leitlinien für die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips ergab, dass sich dieses allein auf das „Ob“ des Tätigwerdens der Gemeinschaft beziehen sollte, oder ob sich eine weitergehende Anwendung des Subsidiaritätsprinzips auch bezüglich der Wahl der spezifischen Handlungs­ maßnahme ergeben sollte, also bezüglich des „Wie“ des Tätigwerdens. c) Leitlinien zur Subsidiarität zum EUV500 Die Leitlinien zur Subsidiarität nach dem Vertrag von Lissabon legen nunmehr rein prozedurale Anforderungen hinsichtlich der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips fest501 und etablieren insofern zusammen mit dem Protokoll über die Rolle der nationalen Parlamente502 einen neuen Subsidiaritätskontrollmechanismus. Art.  5 Abs. 3 UAbs. 2 S. 2 EUV verweist ausdrücklich auf das Subsidiaritätsprotokoll. 497

Siehe hierzu das Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, ABl. 1997, Nr. C 340, Nr. 5. 498 Zum Umfang des Primärrechts vgl. Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 249 EGV, Rn. 14; Streinz, Europarecht, 8. Aufl. 2008, Rn. 406; Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union, 3. Aufl. 2006, § 3, Rn. 98 ff. 499 Als Beispiele werden das Erfordernis der Korrektur von Wettbewerbsverzerrungen, die Vermeidung verschleierter Handelsbeschränkungen oder die Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts aufgelistet. 500 Siehe hierzu das Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, ABl. 2007, Nr. C 306/150. 501 Insofern führt die mangelnde Präzisierung von Anforderungen auch nicht zu einer Verbesserung der Jusititiabilität und letztendlich zu weiteren Ungewissheiten hinsichtlich der Praktikabilität dieses Grundsatzes. Vgl. hierzu auch Calliess in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/ AEUV, 4. Aufl. 2011, Art.  5 EUV, Rn.  26, der die „Entmaterialisierung der Subsidiaritäts­ prüfung“ als „Verschlechterung“ ansieht. 502 Protokoll über die Rolle der nationalen Parlamente, ABl. 2007, Nr. C 308/148.

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d) Der Begriff der Maßnahmen in Art. 5 Abs. 3 EUV Im Bezug auf den letzten Punkt der Leitlinien zum EGV, welcher im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips die Überprüfung verlangte, ob Maßnahmen auf Gemeinschafts- bzw. Unionsebene wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen deutliche Vorteile mit sich bringen, könnte vermutet werden, dass das Subsidiaritätsprinzip auch Auswirkungen auf die Wahl der Rechtsform des Unionsgesetzgebers haben könnte.503 Es könnte jedoch ebenso vermutet werden, dass sich diese Aussage allein auf die der Union grundsätzlich zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten beziehen und nur allgemein eine Ausführung dazu gemacht werden sollte, dass Maßnahmen auf Unionsebene Vorteile, beispielsweise bezüglich der Einheitlichkeit der Rechtsetzung, in sich bergen. Unter dem Begriff der Maßnahmen i. S. d. Art. 5 Abs. 3 EUV sind zunächst Verordnungen und Richtlinien zu sehen, weil diese aufgrund ihrer Verbindlichkeit als „Akte der Kompetenzausübung in das Kompetenzgefüge zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten eingreifen“, da durch sie „Vorrang und Sperrwirkung“ des Unionsrechts gegenüber dem nationalen Recht ausgelöst werden.504 Jedoch müssen unter diesem Begriff gerade auch in Beachtung des Gedankens der Subsidia­ rität die unverbindlichen Handlungsformen mit umfasst sein.505 Die Einhaltung des Subsidiaritätsgrundsatzes könnte nach der ersten Vermutung dazu führen, dass der Unionsgesetzgeber bei einem Tätigwerden im Bereich der nicht-ausschließlichen bzw. geteilten Zuständigkeit und wenn nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung die Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Handlungsformen vorhanden ist, bezüglich der zu wählenden Handlungsform die am wenigsten einschneidende Handlungsform auszusuchen hat.506 503 Zwar finden die Leitlinien zum EGV nicht mehr direkte Anwendung auf die heutige Rechtslage, sie können jedoch zur Etablierung von Grundsätzen durchaus noch als „Richtschnur“ herangezogen werden. 504 So Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, 2. Aufl. 1999, S. 101. Zum Begriff der Maßnahme vgl. auch Calliess in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/ AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 5 EUV, Rn. 29 ff. 505 Vgl. zum Begriff der „in Betracht gezogenen Maßnahme“ und zu einer diesbezüglichen Darstellung des Meinungsstandes ausführlich Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, 2. Aufl. 1999, S. 101 ff. 506 So beispielsweise Pieper, DVBl. 1993, S. 710, dieser geht davon aus, dass in diesem Fall lediglich die Form der Richtlinie dem Subsidiaritätsprinzip entspricht, da diese die Umsetzung in die nationalen Rechtsordnungen den Mitgliedstaaten überlässt und also „Ausdruck eines föderalen Subsidiaritätsprinzips“ ist; auch Nicolaysen, Europarecht I, Die Europäische Integra­ tionsverfassung, 2. Aufl. 2002, S. 331, 340 sieht in der Kompetenz zum Erlass von Richtlinien den Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips; vgl. hierzu auch Pieper, Subsidiarität, 1994, S. 190 f., 268 f.; vgl. hierzu auch Trüe, Das System der Rechtsetzungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union, 2002, S. 116, ihrer Ansicht nach gebiete das Sub­ sidiaritätsprinzip bei einer Wahlmöglichkeit die Wahl der weniger in die mitgliedstaatliche Souveränität eingreifenden Rechtsaktform.

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Teil 1: Grundlagen

Da möglicherweise der Erlass von Verordnungen aufgrund der spezifischen Wirkungsweise der Verordnung im Regelfall mehr in die originären Regelungsbereiche der Mitgliedstaaten eingreift als der Richtlinienerlass, könnte in Fällen der Wahlfreiheit zwischen diesen Instrumenten möglicherweise ein Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip vorliegen, falls die Ziele der Union bezüglich der zu regelnden Materie auch durch Richtlinien verwirklicht werden könnten.507 Wobei ein solches Prinzip der umgekehrten Hierarchisierung, also eine Abstufung von unten nach oben, der in Art. 288 AEUV (ex-Art. 249 EGV) aufgelisteten Handlungs­ formen für alle – also für verbindliche und unverbindliche Handlungsformen gleichermaßen – gälte. Diesbezüglich wäre das Subsidiaritätsprinzip nicht nur Kompetenzausübungs­ regel für das „Ob“, sondern auch für das „Was“ und das „Wie“ einer Maßnahme.508 Zunächst ist jedoch festzuhalten, dass die Handlungsformen in Art. 288 AEUV (ex-Art. 249 EGV) in keinem Stufenverhältnis stehen509, so dass keine Hierarchisierung, weder in absteigender noch in aufsteigender Form, vorgenommen werden kann. Außerdem ist, wie bereits an anderer Stelle erläutert wurde, das Subsidiaritätsprinzip ein Prinzip, mit dem bei geteilter Zuständigkeit die Kompetenz zum Tätig­ werden bei Erfüllung des Erforderlichkeits- und Mehrwertkriteriums der Union zugewiesen wird. Art. 5 Abs. 3 EUV kann daher nur etwas über die Notwendigkeit eines Handelns der Union aussagen und allein eine Kompetenzausübungsregel bzw. eine Ausübungsschranke der bestehenden Kompetenz der Union darstellen. Jede andere Sichtweise würde zu einer unübersichtlichen Vermischung zwischen Subsi­ diaritätsgrundsatz und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz führen.510

507

Siehe hierzu auch Roßnagel, NVwZ 1997, S. 125; Jarass, EuGRZ 1994, S. 214; Trüe, Das System der Rechtsetzungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union, 2002, S. 116. 508 So eindeutig Hirsch, Die Auswirkungen des Subsidiaritätsprinzips auf die Rechtsetzungsbefugnis der Europäischen Gemeinschaften, 1995, S. 13 f., der davon ausgeht, dass das Subsidiaritätsprinzip nicht nur das für und wider einer EG-Maßnahme regelt, sondern gerade auch sogar schwerpunktmäßig die Wahl der Mittel, also die Instrumente mit umfasst. Er geht sogar noch weiter und meint, dass das Subsidiaritätsprinzip gerade auch für die Entscheidung der Reglungsdichte einer Maßnahme gilt. 509 So bereits oben unter IV 2. A) bb) (1.); vgl. hierzu Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, 2006, § 8, Rn. 38. 510 So jedoch beispielsweise Trüe, Das System der Rechtsetzungskompetenzen der Euro­ päischen Gemeinschaft und der Europäischen Union, 2002, S. 116, die davon ausgeht, dass mit dem Subsidiaritätsgrundsatz nach dem Vertrag von Maastricht ein Grundsatz eingeführt wurde, „der sich über die unterschiedlichen Wirkungsweisen der Gemeinschaftsrechtsakte hinwegsetzt und die Rechtsaktformen wieder nur danach betrachtet, wie intensiv sie in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten eingreifen“; außerdem kann nach Trüe das Verhältnismäßigkeits­

C. Die Europäische Rechtsetzung im Lichte des Art. 5 EUV

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Denn wie sollte, wenn man davon ausgeht, dass das Verhältnismäßigkeits­ prinzip nicht von Art. 5 Abs. 3 EUV mit umfasst ist und daher eine eigenständige, sich an die Kompetenzausübungszuweisung nach dem Subsidiaritätsprinzip anschließende Prüfung darstellt, bereits eine Überprüfung der Erforderlichkeit einzelner Maßnahmen im Rahmen der Subsidiaritätsprüfung aussehen? Eine solche Prüfungsreihenfolge würde nicht nur die Grenzen verwischen, die genau genommen bei einer solchen Betrachtungsweise ohnehin nicht mehr bestünden, sie wäre auch dogmatisch nicht zu rechtfertigen und würde die Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips als Kompetenzausübungsregel verkennen. Kann also im Bereich der geteilten bzw. nicht-ausschließlichen Kompetenz die Union nach den Regeln des Subsidiaritätsprinzips tätig werden, so ist die Überprüfung der Art und Weise des Tätigwerdens nicht von der Subsidiaritätsprüfung umfasst, sondern es wird im Anschluss an das Feststellen der Rechtmäßigkeit des „Ob“ des Tätigwerdens innerhalb des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch die Rechtmäßigkeit des „Wie“, also der „Art und Weise“ bzw. der konkreten Handlungsformenwahl, überprüft. 3. Bedeutung für die vorliegende Untersuchung Durch das Subsidiaritätsprinzip obliegt dem Unionsgesetzgeber eine Recht­ fertigungslast bezüglich des Grundes seines Tätigwerdens. Es stellt eine umfassende Kompetenzausübungsregel dar. Im Rahmen der Überprüfung des Subsidiaritätsprinzips wird allein geprüft, „ob“ die Union bei nicht-ausschließlicher Zuständigkeit tätig werden soll. Dies ist nur dann der Fall, wenn die beiden Kriterien, Erforderlichkeits- und Effizienz­ kriterium, erfüllt sind. Im Rahmen des Effizienzkriteriums ist hierbei jedoch nicht die Wahl der Handlungsform auf ihre Effizienz bzw. Erforderlichkeit hin zu überprüfen. Es wird allein geprüft, ob ein Tätigwerden der Union, gleich welcher Art dieses Tätigwerden aussieht, wenn erforderlich, effizienter ist.

prinzip, wenn man es im Zusammenhang mit dem Subsidiaritätsprinzip betrachtet, bei sonst gleichen Umständen dazu führen, dass eine Richtlinie einer Verordnung vorzuziehen ist. Bezüglich dieser, die beiden Prinzipien vermischenden Ansicht muss dann die Frage gestellt werden, wann denn das Verhältnismäßigkeitsprinzip im Zusammenhang mit dem Subsidiaritätsprinzip betrachtet werden soll; so auch Schmidhuber/Hitzler, NVwZ  1992, S.  722, die der Meinung sind, dass aufgrund des Subsidiaritätsprinzips des Art. 5 Abs. 2 (ex-Art. 3 b Abs. 2) EGV iVm. mit dem Übermaßverbot des Absatzes 3 zu einer doppelten Prüfung verpflichtet; nämlich, ob die Gemeinschaft überhaupt tätig werden soll und falls dies der Fall ist, wie sie tätig werden soll; ähnlich auch Schima, Das Subsidiaritätsprinzip im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 1994, S. 110, der davon ausgeht, dass der Umfang einer Maßnahme, also konkret, ob die Maßnahme gemeinschaftsweit sein soll, vorab, also vor Prüfung der Subsidiarität, im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung gestellt werden soll.

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Teil 1: Grundlagen

Bei Bejahung eines unionalen Tätigwerdens aufgrund des Subsidiaritätsprinzips ergibt sich also noch keinerlei Vorgabe für die Wahl der Handlungsform. Bei den in Betracht kommenden Maßnahmen sind folglich noch alle umfasst.511 Ob die Art der ausgewählten Handlungsform rechtmäßig ist, ergibt sich dann im Weiteren in einer nach Art. 5 Abs. 4 EUV erfolgenden Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der konkreten Maßnahme. Das in Art. 5 Abs. 3 EUV verankerte Subsidiaritätsprinzip hat also keinen Einfluss auf die vom Unionsgesetzgeber zu wählende Handlungsform einer Maßnahme.

V. Formenwahlermessen bzw. insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Kann der Unionsgesetzgeber nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und nach dem Subsidiaritätsprinzip rechtsetzend tätig werden, so stellt sich bei Ermächtigungsnormen mit mehreren Handlungsformwahlmöglichkeiten die Frage, nach welchen Maßgaben die einzelnen Handlungsformen ausgewählt werden und welchen Grundsätzen bzw. Kriterien die Wahl der Handlungsform unterliegt. Durch die Entscheidung für eine bestimmte Rechtsaktform entscheidet der Unionsgesetzgeber über die Wirkungsweise, die Formvorschriften und die Möglichkeiten des Rechtsschutzes.512 Aus diesem Grund muss er das ihm eingeräumte Ermessen ordnungsgemäß ausüben.513 1. Besonderheiten der Ermessensausübung bezüglich der zwei zu prüfenden Ermächtigungsgrundlagentypen Bei der Prüfung der in Frage kommenden Grundsätze soll zunächst zwischen Ermächtigungsgrundlagen ohne ausdrücklich vorgegebene Handlungsformen und Ermächtigungsgrundlagen mit verschiedenen ausdrücklich vorgegebenen Handlungsformen unterschieden werden, um eventuellen Unterschieden diesbezüglich 511

Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, 2. Aufl. 1999, S. 101 ff. 512 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Netteseheim (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Stand April 2009, Art. 249 EGV, Rn. 78; Grabitz, Quellen des Gemeinschaftsrechts: Rechtshandlungen der Gemeinschaftsorgane, in: Kommission (Hrsg.), Dreißig Jahre Gemeinschaftsrecht, 1983, S. 97. 513 Zu den Möglichkeiten und den Folgen bei einem Verstoß gegen das eingeräumte Ermessen vgl. Schmidt, in: von der Groeben/Thiesing (Hrsg.), EU-/EG-Vertrag Kommentar, Band 2, 6. Aufl. 2004, Art. 249 EGV, Rn. 21.

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gerecht zu werden. Erst im Anschluss an eine solche zweigeteilte Prüfung soll dann auf die Grundsätze eingegangen werden, die in gleicher Weise auf beide Ermächtigungsgrundlagentypen anwendbar sind. a) Ermächtigungsgrundlagen ohne ausdrücklich vorgegebene Handlungsform Zunächst ist zu prüfen, nach welchen Grundsätzen der Unionsgesetzgeber bei Ermächtigungsgrundlagen ohne ausdrücklich vorgegebene Handlungsform eine bestimmte in Art. 288 AEUV (ex-Art. 249 EGV) aufgelistete Handlungsform auswählen darf. Solche Ermächtigungsgrundlagen ermächtigen den Unionsgesetz­ geber dazu, Regeln514, Regelungen515, Maßnahmen516, Vorschriften517, Bestimmungen518 zu erlassen oder Aktionen519 durchzuführen. Art. 296 AEUV normiert nunmehr, dass falls die Art des zu erlassenden Rechtsakts von den Verträgen nicht vorgegeben wird, die Organe darüber von Fall zu Fall unter Einhaltung der geltenden Verfahren und des Grundsatzes der Verhältnis­ mäßigkeit zu entscheiden haben. Dieser Norm kann jedoch allenfalls deklarato­ rischer Charakter zukommen, da ihr Inhalt nicht über die bereits bestehenden Prinzipien hinaus geht. Die Auflistung der unbestimmten Handlungsformen soll dem Unionsgesetz­ geber grundsätzlich ein „flexibles Handeln“ gestatten.520 Die verschiedenen Begriffe beziehen sich jedoch nicht direkt auf die einzusetzende Handlungsform, sondern auf deren Inhalt, womit zunächst nicht von diesen Begriffen auf eine bestimmte Handlungsform geschlossen werden kann. Es ist davon auszugehen, dass bei diesen unbestimmten Ermächtigungsgrundlagen grundsätzlich alle in Art. 288 AEUV aufgelisteten Handlungsformen in Betracht kommen können. Neben den in Art. 288 AEUV gelisteten sind auch noch die gängigen anderen Handlungsformen in Betracht zu ziehen. Da die verschiedenen Handlungsformen jedoch, wie bereits dargestellt, in ihrer Wirkungsweise unterschiedlich im Hinblick auf die verschiedenen Adressatengruppen sind, muss der Unionsgesetzgeber in seiner Wahlfreiheit durch Ermessensgrenzen eingeschränkt sein. Dem Unionsgesetzgeber steht damit ein weiter 514

So z. B. in Art.  91 Abs. 1 a AEUV (ex-Art. 71 Abs. 1 a EGV). So z. B. in Art. 95 Abs. 3 AEUV (ex-Art. 75 Abs. 3 EGV). 516 So z. B. in Art. 40 Abs. 2 AEUV (ex-Art. 34 Abs. 2 EGV) und Art. 91 Abs. 1 c AEUV (ex-Art. 71 Abs. 1 c EGV). 517 So z. B. in Art. 91 Abs. 1 d (ex-Art. 71 Abs. 1 d EGV). 518 So z. B. in Art. 113 AEUV (ex-Art. 93 EGV). 519 Siehe hierzu Art. 171 Abs. 1 S. 1 2. Spiegelstrich AEUV (ex-Art. 155 Abs. 1 EGV). 520 So auch Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 90. 515

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Teil 1: Grundlagen

und flexibler Handlungsspielraum zur Erreichung der in den Verträgen vorgesehenen Ziele521 zu, der jedoch durchaus eingegrenzt werden können muss. Im Hinblick auf die Wahlfreiheit, das eingeräumte Ermessen und die Grenzen dieses Ermessens verhält es sich ebenso mit Ermächtigungsgrundlagen mit ausdrücklich vorgegebener Handlungsform, wobei bei diesen natürlich nicht alle in Art. 288 AEUV aufgelisteten und weitere, sondern im Regelfall, abgesehen von den Möglichkeiten, die über Art.  352 AEUV gegeben sind, nur die in der Er­ mächtigungsgrundlage aufgeführten Handlungsformen ausgewählt werden können sollen. Im Folgenden soll nun weiter untersucht werden, welche Ermessensgrenzen die Wahl der Handlungsform des Unionsgesetzgebers beeinflussen. Insbesondere sollen hierbei zunächst die eventuellen Besonderheiten bezüglich der Ermächtigungsgrundlagen ohne ausdrücklich vorgegebene Handlungsform betrachtet werden. aa) Ermächtigungsgrundlagenimmanente Ermessensgrenzen Teilweise haben die Ermächtigungsgrundlagen bereits inzident eine Begrenzung der Ermessensausübung vorgeben, und zwar durch bestimmte „Ermessensadjektive“. Hiernach sollen die gewählten Handlungsformen „zweckdienlich“, Art. 91 Abs. 1 d und 103 Abs. 1 AEUV, „erforderlich“, Art. 177 Abs. 1 S. 2 AEUV, „unbedingt erforderlich“, Art. 66 AEUV oder „notwendig“, Art. 48 Abs. 1 AEUV, sein.522 Fraglich ist, ob diesen Adjektiven eine eigenständige Bedeutung zukommt oder ob sie nur deklaratorischer Natur sind. Käme solchen Ausdrücken eine eigen­ ständige Bedeutung zu, so wären hierin bereits die ersten Ermessensgrenzen zu sehen. Die Bedeutung der „Ermessensadjektive“ soll zunächst im Zusammenhang mit der konkreten Ermächtigungsgrundlage und dem damit verbundenen Ziel betrachtet werden. Mit der äußerst weiten Formulierung „zweckdienlich“ in Art.  91 Abs.  1  d AEUV ist einfach „alles, was den Zielen der gemeinsamen Verkehrspolitik dient“, gemeint.523 Es ist also nur eine Klarstellung, die unter Berücksichtigung der Betrachtung des Art. 91 Abs. 1 d AEUV (ex-Art. 71 EGV) in Verbindung mit der restlichen Norm nicht überraschend, sondern vielmehr vorhersehbar ist. Ebenso wie mit Art. 91 Abs. 1 d AEUV sind auch bei den anderen in Frage stehenden Ermächtigungsgrundlagen die Ermessensadjektive deklaratorischer Natur. 521

Siehe hierzu Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 249 EGV, Rn. 13. 522 Vgl. hierzu auch Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 91 f. 523 Stadler, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 71 EGV, Rn. 17.

C. Die Europäische Rechtsetzung im Lichte des Art. 5 EUV

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In Art. 66 AEUV (ex-Art. 59 EGV) geht es um „unbedingt erforderliche“ Schutzmaßnahmen zur Abwehr schwerwiegender oder drohender Störungen.524 Auch mit diesen Formulierungen wird im Grunde nur festgestellt, dass die getroffenen bzw. zu treffenden Maßnahmen verhältnismäßig sein und die besonderen Formulierungen nur Hinweise auf eine anzustellende Verhältnismäßigkeitsprüfung geben sollen. Auch in Art. 40 Abs. 2 AEUV (ex-Art. 34 EGV) ist festgelegt, dass alle „erforderlichen“ Maßnahmen getroffen werden können. Hierbei hängt die Wahl der Organisationsform ebenso wie die Wahl der Maßnahme vom jeweiligen Regelungsbedürfnis525 auf den Agrarmärkten ab, aus welchem sich dann auch Beschränkungen ergeben können. Grundsätzlich bleibt bezüglich der „Ermessensadjektive“ festzuhalten, dass die Inhalte der verschiedenen Begrifflichkeiten auf eine Aussage zu reduzieren sind: nämlich darauf, dass das Handeln der Union auf rechtmäßiges, insbesondere verhältnismäßiges Handeln beschränkt sein soll. Die Union darf Rechtsakte nur nach Maßgabe der Verträge erlassen, d. h. nur innerhalb der Grenzen der ihr im AEUV bzw. EUV zugewiesenen Befugnisse und gesetzten Ziele, wobei die Maßnahmen insbesondere nicht über das für das Erreichen der Ziele erforderliche Maß hinausgehen dürfen. Eine über diese in Art. 5 EUV verankerte Bedeutung hinausgehende Aussage ist mit den in manchen Ermächtigungsgrundlagen teilweise vorhandenen „Ermessensadjektiven“ nicht zu verbinden. Für diese Ansicht spricht auch, dass nicht in allen Ermächtigungsgrundlagen ein solches „Ermessensadjektiv“ hinzugefügt ist, wobei in diesen Fällen der Unions­ gesetzgeber sein Ermessen dennoch verhältnismäßig ausüben muss. Dies deutet auch daraufhin, dass diese Adjektive eher nochmals Ausdruck eines dem Unionsgesetzgeber eingeräumten Ermessens, also bloß deklaratorischer Natur, sind. Es kann festgehalten werden, dass sich grundsätzlich aus jeder Ermächtigungsgrundlage insoweit eine Begrenzung des Ermessens ergibt, als diejenige Rechtsform zu wählen ist, die am besten geeignet ist, das angestrebte Ziel der Vorschrift zu verwirklichen.526

524 Vgl. hierzu näher Bröhmer, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4.  Aufl. 2011, Art. 66 AEUV. 525 Siehe hierzu auch Priebe, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Kommentar zur Euro­ päischen Union, Stand März 2011, Art. 40 AEUV, Rn. 1. 526 So auch Grabitz, Quellen des Gemeinschaftsrechts: Rechtshandlungen der Gemeinschafts­ organe, in: Kommission (Hrsg.), Dreißig Jahre Gemeinschaftsrecht, 1983, S. 97.

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Teil 1: Grundlagen

bb) Auslegung der einzelnen Bezeichnungen Weiter könnte auch unabhängig vom Vorhandensein der vorstehend unter­ suchten ermessenslenkenden Adjektive die Auslegung527 der jeweiligen Ermächtigungsgrundlage dazu führen, sonstige Anhaltspunkte für die zu wählende Handlungsform zu finden. Auch im EU-Recht findet eine Auslegung von Vorschriften ähnlich der bekannten nationalen Auslegung statt. Die Auslegungsmethoden haben sich zunächst an den völkerrechtlichen Auslegungsregeln orientiert.528 Mittlerweile ist jedoch in der Praxis der Unionsorgane ein eigenes System der Auslegung entwickelt worden, welches sich an den „Eigenarten des Integrationsverbands und seinen besonderen Zielen“529 orientiert. (1) Wortlaut Zunächst könnte man versuchen, anhand der grammatikalischen Auslegung530, also nach dem Wortsinn, zu ermitteln, welche Handlungsform vorgesehen ist. Diese Art der Interpretation einer Norm ist auch im EU-Recht gängige Aus­ legungsmethode.531 Hierfür muss der normative und natürliche Sinn des zu interpretierenden Wortes in seinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Satz festgestellt werden.532 Den Begriffen „Regeln, Regelungen, Maßnahmen, Vorschriften, Bestimmungen oder Aktionen“ könnten dann jeweils spezifischen Handlungsformen zugewiesen sein. Bei Regelungen könnte insofern beispielsweise ein strikteres Handlungs­ regime folgen als bei bloßen Maßnahmen. Regelungen könnten dann aufgrund des Wortes eher Verordnungen zuzuordnen sein, während Bestimmungen oder Vorschriften eher zu Richtlinien passen würden.533 Zwar ist nicht völlig ersichtlich, aus welchem Grund verschiedene Termino­ logien verwendet werden, es gibt jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass bestimmten unspezifischen Begriffen eine bestimmte Handlungsform im Sinn des Art. 288 AEUV zugeordnet sein sollte. 527 Siehe hierzu genauer Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 97 f, an dessen Auslegungsaufbau sich die in der Arbeit vorgenommene Aus­ legung weitgehend orientiert. 528 Hierbei war insbesondere Art. 31 der Wiener Vertragsrechtskonvention von Bedeutung. 529 Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 5. Aufl. 2011, § 9, Rn. 165; zur Auslegung auch Wieland, NJW 2009, S. 1843. 530 Vgl. hierzu ausführlich Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 97. 531 Hierzu Schroeder, JuS  2004, S.  182, hierzu auch EuGH, RS.  C-281/98, „Angonese“, Slg. 2000, I-4139, Rn. 30. 532 Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 5. Aufl. 2011, § 9, Rn. 170. 533 Zu diesem Ansatz der Unterscheidung Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 97.

C. Die Europäische Rechtsetzung im Lichte des Art. 5 EUV

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Hierfür spricht auch, dass in den Vertragsversionen anderer Mitgliedstaaten teilweise Überschneidungen in der Wortwahl vorhanden sind, die im deutschen Vertragstext durch unterschiedliche Bezeichnungen ausgedrückt werden.534 Gegen eine Zuordnung spezifischer Handlungsformen zu den einzelnen Oberbegriffen spricht auch, dass wenn spezielle Handlungsformen vorgesehen sein sollten, diese auch ausdrücklich in der Ermächtigungsgrundlage normiert hätten sein können, wie dies bei einzelnen Ermächtigungsgrundlagen geschehen ist.535 Somit ist davon auszugehen, dass die Begriffe grundsätzlich synonym zu verwenden sind, und damit dem Unionsgesetzgeber die ganze Bandbreite an möglichen Handlungsformen zur Verfügung stehen soll. Aus der umschreibenden Bezeichnung der „Handlungsform“ kann daher nicht auf eine spezifische Handlungsform bzw. auf eine bezüglich einer einzelnen Ermächtigungsgrundlage bestehende konkrete Vorgabe für die zu wählende Rechtsaktsform geschlossen werden. (2) Historischer Wille Die Auslegung nach dem historischen Willen berücksichtigt die Motive beim Erlass eines Gesetzes bzw. einer Regelung. Nach dieser Art der Auslegung sollte nachzuvollziehen sein, was die Mitgliedstaaten als „Herren der Verträge“ bei Vertragsschluss bezüglich der Wahl der Handlungsform in den einzelnen Ermäch­ tigungsgrundlagen regeln wollten. Aufgrund mangelnder Dokumente über den Werdegang der unterschiedlichen in Frage stehenden Vorschriften kann der historische Wille in diesem Falle allerdings nicht ausreichend und weiterführend ermittelt werden. Es kann jedoch aufgrund der unterschiedlichen Bezeichnungen geschlossen werden, dass dem Unions­gesetzgeber ein weiter Ermessensspielraum zustehen sollte und er weitgehend von allen ihm zur Verfügung stehenden Handlungsformen Gebrauch machen können sollte.

534

In der englischen Version wird sowohl in Art.  91 Abs.  1  a und Art.  95 Abs.  2 AEUV von „rules“ gesprochen, im deutschen abweichend hiervon von „Regeln“ und „Regelungen“. Ebenso verhält es sich mit Art. 91 Abs. 1 d und Art. 113 AEUV, im deutschen Vertragstext wird hier einmal von „Vorschriften“ und einmal von „Bestimmungen“ gesprochen, wohin­gegen im englischen (provisions), im französischen (dispositions) und im italienischen (disposizione) bei beiden Ermächtigungsgrundlagen dieselbe Begrifflichkeit verwendet wird. Vgl. hierzu auch Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 97, der bereits eine ebensolche Untersuchung vorgenommen hat. 535 Ausschließlich zum Richtlinienerlass ermächtigende Kompetenzen finden sich bspw. in Art. 50, 52 Abs. 2, 53, 115 AEUV; ausschließlich zum Verordnungserlass ermächtigende Kompetenzen finden sich in Art. 45 Abs. 3 d AEUV, aus Art. 261 AEUV erfolgt ein Verordnungsvorbehalt.

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Teil 1: Grundlagen

Somit deutet auch eine historische Auslegung der Ermächtigungsgrundlagen nicht auf eine Begrenzung der Wahlfreiheit der Unionsorgane bei der Recht­ setzung hin. (3) Systematische Interpretation Nach dieser Auslegungsmethode werden der Sinnzusammenhang und der systematische Standort der Bestimmung bei der Auslegung berücksichtigt. Bei dieser Art der Auslegung kann es Berührungspunkte mit der Wortlautinterpretation geben, wenn innerhalb des Textzusammenhangs einer Rechtsnorm die Stellung einzelner Rechtsbegriffe ermittelt wird.536 Dies könnte insoweit weiterführend sein, als bestimmte Ermächtigungsgrundlagen ohne ausdrückliche Handlungsform auf Verfahrensvorschriften verweisen, die in ihrer Stellung nahe an Art. 288 AEUV liegen und möglicherweise allein auf diejenigen Handlungsformen verweisen, die in Art. 288 AEUV aufgeführt sind.537 Dies wäre jedoch, selbst wenn die Nähe zu Art. 288 AEUV auf die dort aufgelisteten Handlungsformen verwiese, worauf nichts deutet, nicht wirklich für die Fragestellung nach dem Formenwahlermessen bezüglich der Handlungsformen weiterführend, da trotzdem noch die Wahl zwischen fünf verschiedenen Handlungsformen möglich wäre und bezüglich der Wahl zwischen diesen keine Aussage getroffen wäre. Eine systematische Interpretation wie gerade dargestellt ist mithin nicht weiterführend. (4) Teleologische Auslegung Hiernach wird der Sinn und Zweck einer Gesetzesbestimmung, also die „ratio legis“, ermittelt.538 Diese Art der Auslegung ist im Unionsrecht von großer Be­ deutung.539 Auch mit dieser Auslegungsmethode wird vorliegend davon auszugehen sein, dass bei den unterschiedlichen Bezeichnungen die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten umfassend ausgeschöpft werden können und keine Einschränkungen vorzunehmen sind. Andernfalls wären genauere Angaben über die Art der zu wäh-

536

Schroeder, JuS 2004, S. 182. So jedenfalls Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 98. 538 Hierzu Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 5.  Aufl. 2011, § 9, Rn.  176 ff.; Schroeder, JuS 2004, S. 183. 539 EuGH, RS. 26/62, „van Gend & Loos“, Slg. 1963, I-0003, S. 24. 537

C. Die Europäische Rechtsetzung im Lichte des Art. 5 EUV

143

lenden Rechtsaktform im Primärrecht getroffen worden. Die teleologische Auslegung ist insofern auch nicht zielführend. (5) Ergebnis zur Auslegung Nach Untersuchung der Möglichkeiten der Auslegung zur Findung einer spezifischen Handlungsform bei den einzelnen Ermächtigungsgrundlagen ohne ausdrücklich vorgegebene Handlungsformen kann also festgehalten werden, dass eine Auslegung der einzelnen Bezeichnungen nicht weiterführend ist und keinen Beitrag dazu leisten kann, Hinweise auf die Art des Formenwahlermessens bei Ermächtigungsgrundlagen ohne ausdrücklich vorgegebene Handlungsformen zu geben. Dieses Ergebnis entspricht auch dem grundsätzlich üblicherweise erreichten Resultat einer Auslegung, welches zumeist nicht nur eine zwingende Entscheidung nach sich zieht.540 Vielmehr wird sich regelmäßig ergeben, dass mehrere vertretbare Möglichkeiten bestehen. cc) Tendenzen bei den einzelnen Ermächtigungsgrundlagen bezüglich der Rechtsetzungspraxis Weiter kann daran gedacht werden, die Tendenzen der Rechtsetzung im Hinblick auf einzelne Ermächtigungsgrundlagen zu analysieren. Bei Feststellung einer solchen Rechtsetzungspraxis könnte geschlussfolgert werden, dass eine Art „Ermessensreduktion“ zur Wahl einer bestimmten Handlungsform durch Rechtsetzungspraxis vorläge, die bei erneuter auf die in Frage stehende Ermächtigungsgrundlage gestützter Rechtsetzung zu berücksichtigen wäre. Aus dieser Art der Auswertung können jedoch keine allgemeinverbindlichen Grundsätze hergeleitet werden, an welche sich der Unionsgesetzgeber bei der Rechtsetzung zu halten hätte. Vielmehr handelt es sich um eine Analyse der tatsächlichen Rechtsetzungspraxis, die nicht zu einer damit verbundenen bzw. darauf gestützten verbindlichen Rechtsanwendungspraxis führen kann, da der Unions­ gesetzgeber nicht durch sein vorheriges auf dieselbe Ermächtigungsgrundlage gestütztes Rechtsetzungsverhalten gebunden wird. Da in den in Frage stehenden Ermächtigungsgrundlagen der Unionsgesetzgeber ausdrücklich eine Wahl hat, kann er diese Wahlmöglichkeit auch in vollem Umfang, unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, ausschöpfen. Eine Selbstbindung durch Rechtsetzungspraxis, wie sie aus der Verwaltungspraxis bezüglich der Ermessensausübung bei Verwaltungsvorschriften bekannt ist, wäre hier fehl am Platz.

540 Zu diesem Punkt siehe Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 5. Aufl. 2011, § 9, Rn. 182.

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Teil 1: Grundlagen

Aus den gleichen Gründen, aus denen keine allgemeinverbindlichen Aussagen aus der Heranziehung der verschiedenen Bezeichnungen der ungekennzeichneten Handlungsformen geschlossen werden können, kann aus der gängigen Recht­ setzungspraxis des Unionsgesetzgebers bezüglich einzelner Ermächtigungsgrundlagen eine solche Möglichkeit nicht abgeleitet werden.541 Somit ist eine genaue Untersuchung der Rechtsetzungstendenz bei den unterschiedlichen Bezeichnungen der ungekennzeichneten Handlungsformen hinsichtlich der Beantwortung der Frage nach dem Ordnungsrahmen für die Ermessensausübung bei der Rechtsetzungstätigkeit der Gemeinschaft nicht zielführend. dd) Zwischenergebnis zu den Ermächtigungsgrundlagen ohne ausdrücklich vorgesehene Handlungsformen Nach eingehender Untersuchung der spezifischen Besonderheiten der Ermächtigungsgrundlagen ohne ausdrücklich vorgegebene Handlungsformen bleibt festzuhalten, dass aus den in diesen Ermächtigungsgrundlagen teilweise festgeschriebenen Ermessensadjektiven keine für den Unionsgesetzgeber einzuhaltende Ermessenslenkung herzuleiten ist, die über das allgemeine Verhältnismäßigkeitsprinzip hinausgeht. Weiter kann man auch durch Auslegung der einzelnen Ermächtigungsgrundlagen und durch Überlegungen zur Rechtsetzungstendenz bei einzelnen Ermächtigungsgrundlagen keine allgemeingültige Aussage über die durch die Bezeichnungen eventuell intendierten Handlungsformen treffen. Dies muss auch schon daraus folgen, dass dem Unionsgesetzgeber durch Bereitstellung von Ermächtigungsgrundlagen ohne ausdrücklich vorgegebene Handlungsformen ein großer Handlungsspielraum zur grundsätzlichen Wahlfreiheit zwischen allen in Betracht kommenden Handlungsformen zur Verfügung stehen soll. Es kann also nicht auf spezifische, den Ermächtigungsgrundlagen ohne ausdrücklich vorgegebene Handlungsformen immanente Ermessensbegrenzungen zurückgegriffen werden. Somit sind allgemeine Grundsätze zur Bestimmung des Formenwahlermessens heranzuziehen. b) Ermächtigungsgrundlagen mit ausdrücklich vorgesehenen Handlungsformen Die Schlussfolgerungen zur Untersuchung der spezifischen Voraussetzungen der Ermessensausübung bei der für den Unionsgesetzgeber bestehenden Möglichkeit zur Wahl der Handlungsform bei Ermächtigungsgrundlagen mit ausdrücklich vorgesehenen Handlungsformen weichen nicht wesentlich von den soeben 541 Der Versuch einer solchen ist allerdings zu finden bei Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 99 ff.

C. Die Europäische Rechtsetzung im Lichte des Art. 5 EUV

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beschriebenen der Ermächtigungsgrundlagen ohne ausdrücklich vorgegebene Hand­ lungsformen ab. Der einzige Unterschied besteht hier darin, dass der Unionsgesetzgeber bei Ermächtigungsgrundlagen mit ausdrücklich vorgegebenen Handlungsformen ausschließlich aus den in der Ermächtigungsgrundlage festgeschriebenen Handlungsformen auswählen kann, eventuelle Ausnahmen hiervon kommen jedoch aufgrund von Art. 352 AEUV in Betracht. Das zu den Ermessensadjektiven und zu der Rechtsetzungspraxis Geschriebene kann hier herangezogen werden. Somit kann bezüglich der Ermächtigungsgrundlagen mit ausdrücklich vor­ gesehenen Handlungsformen festgestellt werden, dass diesen keine ihnen innewohnende spezielle Ermessenslenkungsmethode eigen ist. c) Ergebnis Bei der Untersuchung der beiden evaluierten Ermächtigungsgrundlagentypen bleibt festzustellen, dass nach Auslegung, Überprüfung der Rechtsetzungspraxis und Betrachtung der teilweise vorhandenen Ermessensadjektive keine ermächtigungsgrundlagenspezifischen Vorgaben zu finden sind. Die beiden Ermäch­ tigungsgrundlagentypen unterscheiden sich jedoch nur insofern, als bei den Ermächtigungsgrundlagen mit ausdrücklich vorgegebenen Handlungsformen der Unionsgesetzgeber bei der Stützung eines Rechtsakts auf diese Ermächtigungsgrundlage nur zwischen den genannten Rechtsaktformen wählen kann. Da es im Bereich der Handlungsformen nach Art. 288 AEUV keine Hierarchie der Rechtsaktformen gibt, kann auch nicht anstelle eines ausdrücklich genannten Rechtsakts ein „Minus“ hierzu erlassen werden. Ermächtigungsgrundlagen ohne ausdrücklich vorgegebene Handlungsformen ermächtigen den Unionsgesetzgeber grundsätzlich dazu, frei bzw. im Rahmen der Rechtmäßigkeitskriterien aus allen möglichen Handlungsformen innerhalb seines Ermessens zu wählen. Bei beiden Ermächtigungsgrundlagentypen steht dem Unionsgesetzgeber mithin Ermessen bezüglich der Auswahl der Rechtsaktform zu. Somit kann im Folgenden die Zweiteilung der Prüfung aufgehoben werden, um nach allgemeingültigen Vorgaben für die Ermessensausübung zu suchen.

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Teil 1: Grundlagen

2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit a) Allgemeines Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist allgemeiner Rechtmäßigkeitsmaßstab für jegliches unionsrechtliches Handeln, hierbei stellt es einen umfassend einzuhaltenden, generellen Gerechtigkeits- und Billigkeitsmaßstab auf.542 Als wichtigstes vom Unionsgesetzgeber zu beachtendes Prinzip bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Wahl einer Handlungsform bei eingeräumtem Ermessen bezüglich der Handlungsformwahl ist damit das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu nennen.543 Das Verhältnismäßigkeitsprinzip stellt als Ergänzung des Subsidiaritätsprinzips eine weitere Kompetenzausübungsschranke dar544, außerdem kann es als „Handlungsanleitung und Richtschnur“545 für ein Tätigwerden der EU angesehen werden. Somit ist nun genauer zu betrachten, wie sich das Verhältnismäßigkeitsprinzip auf die Rechtsformwahl auswirkt. Es ist zu prüfen, ob das in Art. 5 Abs. 4 EUV verankerte Verhältnismäßigkeitsprinzip eventuell zu einer Mittelhierarchie führt, „nach der ein Vorrang von gegenseitiger Anerkennung vor Harmonisierung, von Unterstützungsmaßnahmen vor einer Reglementierung, von Rahmenregelungen vor detaillierten Regelungen, von unverbindlichen Maßnahmen vor Richtlinien und von Richtlinien vor Verordnungen besteht“.546 Grundsätzlich ist nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip die Handlungsform zu wählen, die den Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten nur insoweit einschränkt, wie dies für das Regelungsziel erforderlich ist547, wobei zu fragen ist, ob 542 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Stand April 2009, Art. 249 EGV, Rn. 100. 543 Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist insofern nicht weiterführend, wenn es darum geht, den Ordnungsrahmen für die Unionsrechtsetzung zu bestimmen; es darf zwar nicht offensichtlich gegen ihn verstoßen werden, eine genauere Bestimmung des Ermessens des Unions­ gesetzgebers wird durch ihn jedoch nicht vorgegeben. Zum Geltungsgrund des allgemeinen Gleichheitssatzes vgl. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S.  593; eng mit dem Gleichheitsgrundsatz verbunden aber doch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zuzuordnen, ist das so genannte „Prinzip der Sachgerechtigkeit des Rechtsakttyps“, welches dazu führen kann, dass „ein Unionsorgan statt einer Verordnung oder Entscheidung eine Richtlinie erlassen muss“, da es ansonsten unverhältnismäßig handeln würde und also eine rechtswidrige Maßnahme vorläge, vgl. hierzu Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Netteseheim (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Stand April 2009, Art. 249 EGV, Rn. 133; vom Gebot eines „sachgerechten Formengebrauchs“ spricht auch Fuß, NJW  1964, S.  330; vgl. hierzu auch Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 92. 544 Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 5 EUV, Rn. 46. 545 So Lienbacher, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 5 EGV, Rn. 40. 546 So Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, 2. Aufl. 1999, S. 296. 547 Siehe hierzu Jarass, EuGRZ 1994, S. 214.

C. Die Europäische Rechtsetzung im Lichte des Art. 5 EUV

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bei dieser Prüfung alleine die Belange der Mitgliedstaaten zählen und ob diesen immer mit der „mildesten“ Handlungsvariante Rechnung getragen werden muss, oder ob auch die Belange der Bürger und die des Gesetzgebers in eine verhältnismäßige Handlungsformenwahl mit hineinspielen. b) Der Prüfungsumfang des Verhältnismäßigkeitsprinzips auf europäischer Ebene durch den EuGH Nach der Rechtsprechung des EuGH548 entspricht ein Rechtsakt dann dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wenn die vom Unionsgesetzgeber gewählte Handlungsform geeignet ist, das in der Ermächtigungsgrundlage angestrebte Ziel zu verwirklichen. Weiter muss die gewählte Rechtsform auch erforderlich sein, das heißt, dass es kein milderes Mittel geben darf, das verfolgte Ziel zu erreichen. Der EuGH benutzt in seiner Sprache die Begriffe „erforderlich“, „geeignet“ und „notwendig“ jedoch uneinheitlich unter wechselnder Wortwahl549, womit keine vollständige Übereinstimmung mit der deutschen Systematik der Prüfung der Verhältnismäßigkeit vorhanden ist. Trotzdem kann bezüglich des Prüfungsumfangs des Verhältnismäßigkeitsprinzips auf europäischer Ebene an den deutschen Prüfungsaufbau – Erfüllung eines legitimen Zwecks (1), Geeignetheit (2), Erforderlichkeit (3) und Angemessenheit (4) – angeknüpft werden. Zunächst geht es also wie in der deutschen Systematik um eine zur Erreichung eines legitimen Ziels geeignete Maßnahme. Insbesondere beim Prüfungspunkt der Erforderlichkeit kommt bei den Handlungsvarianten das Problem der unterschiedlichen Wirkweise der verschiedenen Handlungsformen ins Spiel, so dass nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass die Richtlinie immer das mildeste Mittel ist. Letztendlich muss die gewählte Handlungsform auch, der deutschen Verhältnismäßigkeitsprüfung nachgeahmt550, angemessen zum angestrebten Ziel, also verhältnismäßig im engeren Sinne sein. Die gerichtliche Überprüfung der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Wahl der Rechtsform durch den EuGH erfüllt nur eine nachträgliche Kontrollfunktion. Bezüglich der Wahlmöglichkeit bei Rechtsetzungsakten hat der EuGH verneint, die Beurteilung des Gemeinschafts- bzw. Unionsgesetz 548 EuGH, verb. RS.  279/84, 280/84, 285/84 und 286/84, „Rau/Kommission“, Slg.  1987, I-1069, Rn. 34; RS. C-426/93, „Deutschland/Rat“, Slg. 1995, I-3723, Rn. 42. 549 Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2000, S. 195 ff.; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht II, 2. Aufl. 2005, S. 831 ff. 550 Bast, Grundbegriffe der Handlungsformen der EU, 2006, S. 369, Fn. 1139.

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Teil 1: Grundlagen

gebers durch seine eigene zu ersetzen.551 Eine Entscheidung bezüglich der Wahl der Handlungsform könne insofern nur beanstandet werden, wenn diese Entscheidung offensichtlich fehlerhaft sei oder wenn die Nachteile, die sich aus ihr für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer ergeben, zu den im Übrigen mit ihr verbundenen Vorteilen völlig außer Verhältnis stünden. Der Prüfungsumfang des Verhältnismäßigkeitsprinzips auf europäischer Ebene lehnt sich also an den deutschen an. Grundsätzlich räumt der EuGH dem Unionsgesetzgeber bezüglich der Wahl der Rechtsform ein weites Ermessen ein. Dem Unionsgesetzgeber kommt also bezüglich der Wahl der Handlungsform ein sehr weiter Beurteilungsspielraum zu. Dies begründet der EuGH auch damit, dass der Gesetzgeber oftmals „sozialpolitische Entscheidungen“ zu treffen und daher „komplexe Abwägungen“ zu tätigen hat.552 Insofern können hiernach durchaus Maßnahmen unterschiedlicher Art mit verschiedener Wirkungsweise gleicher­ maßen verhältnismäßig in diesem Sinne sein. c) Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit553 nach dem EGV Weiter soll nun zunächst die Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes anhand des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidia­ rität und der Verhältnismäßigkeit zum EGV betrachtet werden, welches zwar nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon nicht mehr den Rang von Primärrecht genießt und von einem neuen Subsidiaritätsprotokoll abgelöst wurde, welches jedoch für die Interpretation und Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes weiterhin als „Richtschnur“ heranzuziehen ist554, da das neue Protokoll insofern ohne „materiellen Kerngehalt“ nur prozedurale Anforderungen bestimmt. –– Nr. 6 des Protokolls: Nach Nr.  6 des Subsidiaritätsprotokolls sollte für Maßnahmen der Gemeinschaft/Union eine möglichst einfache Form gewählt werden, wobei darauf geach 551

EuGH, RS. C-233/94, „Deutschland/EP und Rat“, Slg. 1997, I-2405, Rn. 56. EuGH, RS. C-84/94, „Vereinigtes Königreich/Rat“, Slg. 1996, I-5755, Rn. 55 ff.; EuGH, RS. C-233/94, „Deutschland/EP und Rat“, Slg. 1997, I-2405, Rn. 54 ff. 553 Protokoll Nr. 30 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, aus dem Vertrag von Amsterdam zur Gründung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, ABl. Nr. C 340 vom 10.11.1997. 554 Das derzeit nach Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon gültige Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, ABl. 2007, Nr. C 306/150, ist insofern sparsam mit Angaben zur Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und macht eher Ausführungen über die Anwendung und die Überprüfbarkeit der Einhaltung des Subsidiaritätsgrundsatzes. 552

C. Die Europäische Rechtsetzung im Lichte des Art. 5 EUV

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tet werden musste, dass das Ziel der Maßnahme in zufriedenstellender Weise erreicht werden und die Maßnahme tatsächlich zur Anwendung gelangen sollte. Weiter sollte die Rechtsetzungstätigkeit der Gemeinschaft nicht über das erforderliche Maß hinausgehen. Unter sonst gleichen Voraussetzungen wären laut Protokoll dementsprechend eine Richtlinie einer Verordnung und eine Rahmenrichtlinie einer detaillierten Maßnahme vorzuziehen. Nach diesen Aussagen sollten die Unionsmaßnahmen also so einfach wie möglich sein. Es wurde der Vorrang einer dezentralen Regelung vor einer zentralen festgelegt. –– Nr. 7 des Protokolls: Hiernach sollte bezüglich der Art und des Umfangs gemeinschaftlichen Handelns so viel Raum für nationale Entscheidungen bleiben, wie dies im Einklang mit dem Ziel der Maßnahme und den Anforderungen des Vertrags möglich ist. Bewährte nationale Regelungen sowie Struktur und Funktionsweise der Mitgliedstaaten sollten unter Einhaltung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften ge­achtet werden. Sofern dies für eine ordnungsgemäße Durchführung der Maßnahmen angemessen und erforderlich ist, sollten den Mitgliedstaaten in den Gemeinschaftsmaßnahmen Alternativen zur Erreichung der Ziele der Maßnahmen angeboten werden. Nach den im Subsidiaritätsprotokoll zum EGV getroffenen Aussagen war ein Vorrang der Rechtsetzung mittels Richtlinie vor der Rechtsetzung mittels der Verordnung zu vermuten. Dies wohl deshalb, weil ohne weitere differenzierte Betrachtung der spezifischen Wirkungsweise von Verordnung und Richtlinie pauschal davon ausgegangen wurde, dass die Richtlinie im Zweifelsfall bei gleicher Geeignetheit immer das mildere Mittel und demnach das einzig erforderliche ist. d) Legitimität des Ziels Zunächst muss mit der vom Unionsgesetzgeber gewählten Rechtsaktform das in der Kompetenznorm enthaltene Ziel555 angestrebt werden. Im Idealfall sind die in der Ermächtigungsgrundlage enthaltenen Ziele mit den Zielvorstellungen des Gesetzgebers identisch.556 Wird eine in Bezug auf die Zielverwirklichung un­geeignete Handlungsform ausgewählt, so führt dies zur Rechtswidrigkeit der Maßnahme.557

555 Zur Abgrenzung der Begriffe Ziel und Zweck vgl. Krems, Grundfragen der Gesetzgebungs­ lehre, 1979, S. 118 f. 556 Zur Ziel- und Maßnahmenfindung Hugger, Ziel und Maßnahmenfindung, in: Bundes­ akademie für öffentliche Verwaltung (Hrsg.), Praxis der Gesetzgebung, 1984, S. 239 ff. 557 Vgl. hierzu Bast, Grundbegriffe der Handlungsformen der EU, 2006, S. 369.

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Teil 1: Grundlagen

aa) Arten von Zielen Als legitime Ziele im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kommen zunächst alle Ziele der Verträge558, die vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon in Art. 2 und Art. 3 EGV normiert waren und mittlerweile in den Zuständigkeitsregelungen der Art. 2 ff. AEUV normiert sind, in Betracht, jedoch müssen sie in der Ermächtigungsgrundlage konkretisiert sein. Die in diesen Normen festgeschriebenen Ziele sind ebenso wenig wie Art.  288 AEUV kompetenzbegründend559, sie sind nur insofern grundlegend, als sie den Rahmen einer stets nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung notwendigen Ermächtigungsgrundlage auszufüllen vermögen. (1) Ziele nach dem EGV Art. 2 EGV normierte zehn Aufgaben560, die durch bestimmte Mittel561 erreicht werden sollten.562 Sowohl die Aufgaben als auch die Mittel waren dabei Ziele.563 Man konnte im Rahmen des Art. 3 EGV zwischen Zustandszielen, Richtungszielen und Bereichszielen unterscheiden564, die jedoch ebenso wie die Ziele in Art. 2 EGV allesamt rechtlich verbindliche Ziele darstellten565. Zustandsziele waren solche, die auf einen von der Politik der Gemeinschaft näher bestimmten Endzustand abzielten, dessen Erfüllung genau auszumachen war, beispielsweise die in Art. 3 a EGV normierte Abschaffung der Zölle und mengenmäßiger Beschränkungen bei der Ein- und Ausfuhr von Waren. 558

Siehe hierzu auch Lienbacher, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 5 EGV, Rn. 39 ff. 559 Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 2 EGV, Rn. 13, Art. 3 EGV, Rn. 5 ff.; von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Stand April 2009, Art. 2 EGV, Rn. 18; Ruffert, in Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EUVertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 5 EGV, Rn. 52. 560 Beispielhaft: „in der ganzen Gemeinschaft eine harmonische und nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftslebens […] zu fördern“. 561 Als solches Mittel kommt beispielsweise die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion in Betracht. 562 Basedow, Zielkonflikte und Zielhierarchien im Vertrag, in: Due/Everling (Hrsg.), Festschrift Ulrich Everling, Band I, 1995, S. 57 spricht insofern bei Aufgaben von Fernzielen und bei den dazugehörigen Mitteln von Nahzielen. 563 Hierfür spricht auch, dass bestimmte Normen, wie beispielsweise Art. 98 S. 1, 105 Abs. 1 S. 2, Art. 125 EGV ausdrücklich auf die Ziele des Art. 2 EGV verweisen; Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 2 EGV, Rn. 6. 564 Vgl. zu ebendieser Abgrenzung ausführlich Basedow, Zielkonflikte und Zielhierarchien im Vertrag, in: Due/Everling (Hrsg.), Festschrift Ulrich Everling, Band I, 1995, S. 59 f.; Trüe, Das System der Rechtsetzungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft und der Euro­ päischen Union, 2002, S. 118 f. 565 Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 3 EGV, Rn. 3.

C. Die Europäische Rechtsetzung im Lichte des Art. 5 EUV

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Bei Richtungszielen hingegen war ein solcher Endzustand nicht vorhanden, erkennbar war jedoch die Richtung bzw. Tendenz des Ziels, beispielsweise566 die Stärkung des wirtschaftlichen Zusammenhalts in Art. 3 k EGV. Bereichsziele waren noch weniger konkret als die Richtungsziele und legten nur fest, dass die Gemeinschaft in bestimmten Bereichen tätig werden sollte, beispielsweise auf dem Gebiet des Außenhandels nach Art. 3 b EGV. (2) Ziele nach dem EUV Die Rechtslage nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon gestaltet sich ähnlich. Der AEUV enthält neue Kompetenzabgrenzungskriterien zwischen der Union und den Mitgliedstaaten, die Einfluss auf die Unterteilung der verschiedenen Ziele haben. Die Kompetenzen der EU werden jetzt ähnlich dem deutschen Recht ausdrücklich in drei Kompetenzkategorien unterteilt: Bereiche, in denen die EU eine ausschließliche Zuständigkeit hat, Bereiche mit geteilter Zuständigkeit und Bereiche mit Unterstützungs-, Koordinierungs- und Ergänzungsmaßnahmen.567 In die ausschließliche Zuständigkeit der Union fallen nach Art. 2 Abs. 1 und Art.  3 AEUV bspw. die Zollunion und die Festlegung der für das Funktionieren des Binnenmarktes erforderlichen Wettbewerbsregeln. Zur geteilten Zuständigkeit nach Art. 2 Abs. 2 und 4 AEUV gehören bspw. der Binnenmarkt und die Sozialpolitik. Zu den weiteren Maßnahmen zählen nach Art.  2 Abs.  3 und Abs. 5 und Art. 5 und 6 AEUV der Schutz und die Verbesserung der menschlichen Gesundheit und die Kultur. Die jeweils den unterschiedlichen Kompetenzen zugeordneten Bereiche stellen legitime Ziele der Verträge dar. Dabei kann man grob die Gebiete der ausschließ­ lichen Kompetenz als Zustandsziele, die der geteilten Zuständigkeit als Richtungsziele und die übrigen als Bereichsziele einordnen. Da diese drei Arten bezüglich ihrer Rechtsfolge unterschiedlich präzise bestimmend sind, kann eine Zielhierarchie festgestellt werden, die auch bei eventuellen Zielkonflikten hilfreich war und ist. Zustandsziele haben Vorrang vor Richtungszielen und diese wiederum haben Vorrang vor Bereichszielen.568

566 Weitere Beispiele für Richtungsziele im EGV waren die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie der Gemeinschaft Art. 3 l, die Förderung der technologischen Entwicklung Art.  3 m, und der transeuropäischen Netze Art.  3  n, Beiträge zu einem hohen Gesundheitsschutz und Bildungsniveau Art.  3  o und p sowie die Verbesserung des Verbraucherschutzes Art. 3 s. 567 Siehe hierzu auch Richter, EuZW 2007, S. 632. 568 So Basedow, Zielkonflikte und Zielhierarchien im Vertrag, in: Due/Everling (Hrsg.), Festschrift Ulrich Everling, Band I, 1995, S. 60.

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bb) Rechtsakte mit mehreren Ermächtigungsgrundlagen Bei Rechtsakten, die auf mehrere Ermächtigungsgrundlagen unterschiedlicher Zielrichtungen gestützt sind, muss der darauf gestützte Rechtsakt die in den jeweiligen Ermächtigungsgrundlagen genannten Ziele kumulativ erfüllen. Auch diesbezüglich kann auf die genannte Zielhierarchie verwiesen werden. cc) Zwischenergebnis Somit bleibt festzuhalten, dass unter Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips mit der vom Unionsgesetzgeber ausgewählten Maßnahme legitime Ziele verfolgt werden müssen. Als solche kommen die in der Ermächtigungsgrundlage genannten Ziele in Betracht, die typischerweise eine Konkretisierung in Art. 2 EUV bzw. in Art. 2 ff. AEUV erfahren. Strebt die vom Unionsgesetzgeber ausgewählte Maßnahme ein solches Vertragsziel an, so ist diese erste Voraussetzung der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegeben. e) Die Geeignetheit der gewählten Handlungsform zur Erreichung des in der Vorschrift angestrebten Ziels Weiter muss die gewählte Rechtsaktform auch geeignet sein, dass angestrebte Ziel zu verwirklichen. Je nachdem, um welchen Regelungsbereich es geht, können nur eine einzige oder auch verschiedene Rechtsaktformen geeignet sein, das in der Kompetenzgrundlage angegebene Ziel zu verwirklichen. Allgemein lässt sich feststellen, dass der Prüfungspunkt der Geeignetheit nach der Rechtsprechung des EuGH keine wichtige Funktion im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung inne hat. Insofern wird eine Maßnahme nur bei offensichtlicher Ungeeignetheit zur Verfolgung des Ziels als ungeeignet beanstandet werden.569 Der EuGH prüft hierbei nicht die Geeignetheit einer Maßnahme, da er dazu nicht befugt wäre, er prüft vielmehr die eventuelle Ungeeignetheit. Trotzdessen ergibt sich für die handelnden Unionsorgane die Verpflichtung, geeignete und nicht nur „nicht ungeeignete“ Maßnahmen zu erlassen.570 Konkret wird sich am Prüfungspunkt der Geeignetheit die Frage stellen, ob die vom Unionsgesetzgeber gewählte Handlungsform, im Rahmen der Prüfung dieser Arbeit also Richtlinie oder Verordnung, eine zur Verwirklichung des in der Ermächtigungsgrundlage angestrebten Ziels geeignete darstellt. 569

EuGH, RS. 40/72, „Schroeder/Deutschland“, Slg. 1973, I-125, Rn. 14. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2000, S. 208 f.

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Geht es um Bereiche, in denen maßgeblich Recht gesetzt werden soll, so werden sowohl Verordnung als auch Richtlinie grundsätzlich gleichermaßen geeignet sein. Bei Ermächtigungsgrundlagen, die Rechtsvereinheitlichung anstreben, könnte erwogen werden, dass tendenziell eher Verordnungen geeignete Maßnahmen und Richtlinien eher ungeeignete darstellen. Ebenso würde bei Ermächtigungsgrundlagen zur Rechtsangleichung tendenziell eher die Richtlinie die geeignete und die Verordnung die ungeeignete Handlungsform sein. Diese Unterscheidung vermag jedoch allenfalls eine Tendenz zur geeigneteren Handlungsform darstellen, zur Ungeeignetheit wird ein gegenteilig begründetes Gesetzgebungsverhalten im Zweifelsfall jedoch kaum führen. Problematisch an dieser Unterscheidung ist weiter auch, dass eine klare Unterteilung der Ermächtigungsgrundlage mit mehreren Handlungsformen in solche, die eindeutig zur Rechtsangleichung und solche, die eindeutig zur Rechtsvereinheitlichung ermächtigen, kaum möglich ist und mittlerweile außerdem – wie beispielsweise Art. 114 AEUV (ex-Art. 95 EGV) – Ermächtigungsgrundlagen vorhanden sind, bei denen auch zur Rechtsangleichung Verordnungen erlassen werden können. Bei anderen Ermächtigungsgrundlagen, die keine dieser beiden Arten der Rechtsetzung ausdrücklich voraussetzen, muss jedoch unter Berücksichtigung des durch den EuGH eingeräumten weiten Ermessensspielraums zugunsten des Unions­ gesetzgebers bezüglich der Geeignetheit grundsätzlich immer von der generellen Geeignetheit sowohl der Richtlinie als auch der Verordnung ausgegangen werden. Die Richtlinie kann gegebenenfalls dann nicht das geeignete Mittel sein, wenn aufgrund der zu erwartenden unterschiedlichen nationalen Umsetzungen oder eventuell sogar der nicht ausreichenden oder fehlerhaften Umsetzungen in nationales Recht die Erfüllung der Ziele der Ermächtigungsgrundlage und damit die Erfüllung der Unionsziele in Gefahr wäre.571 In solchen Fällen kann allein die Verordnung das geeignete Mittel sein. Grundsätzlich geht es bei der Geeignetheit der Handlungsform in gewisser Weise um ein „Gebot sachgerechten Formengebrauchs“572. Bei der Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer gewählten Rechtsaktform spielt der Prüfungspunkt der Geeignetheit also eine eher untergeordnete Rolle.

571

Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 94. Vgl. hierzu Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Stand April 2009, Art. 249 EGV, Rn. 133; vom Gebot eines „sachgerechten Formen­ gebrauchs“ spricht auch Fuß, NJW 1964, S. 330; vgl. hierzu auch Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 92. 572

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f) Die Erforderlichkeit der gewählten Handlungsform/ Kein milderes Mittel Ähnlich wie im deutschen Recht sieht auch die Erforderlichkeitsprüfung im Unionsrecht aus. Es geht darum, dass geprüft werden muss, ob das zu erreichende Ziel nicht auch durch ein gleich geeignetes milderes Mittel, im Kontext dieser Arbeit also durch eine weniger „einschneidende“ Handlungsform, erreicht werden kann.573 aa) Allgemeines und Fragestellung Nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip574 sollen alle Belastungen, gleich welcher Art, so gering wie möglich zu halten sein. Daraus ergibt sich eine Verpflichtung bezüglich der Inanspruchnahme von Rechtsetzungsformen.575 Bei mehreren geeigneten Maßnahmen muss die am wenigsten belastende Form gewählt werden. Dieser Grundsatz kann als das „Prinzip des schonendsten Ausgleichs“576 bezeichnet werden, durch welches teilweise bezüglich der Prüfung des mildesten Mittels eine eindeutige Mittelhierarchie zu konstruieren versucht wird577, was jedoch der Feststellung widerspricht, dass die Rechtsakte in Art.  288 AEUV (­ex-Art. 249 EGV) in keinem Stufenverhältnis578 zueinander stehen.579 An diesem Punkt innerhalb der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist folglich zu prüfen, wie sich das mildere Mittel bei Rechtsformen ermitteln lässt, auf was bei den zu vermeidenden Belastungen zu achten ist und ob konkret hierbei grundsätzlich davon ausgegangen werden muss, dass die Richtlinie der Verordnung als milderes Mittel vorzuziehen ist.

573 Vgl. hierzu Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2000, S. 208 f.; EuGH, RS. 261/81, „Rau/De Smedt“, Slg. 1982, I-3961, Rn. 17. 574 Vgl. hierzu die Präzisierung durch den Europäischen Rat von Edinburgh, Bulletin BReg. v. 28.12.1992, S. 1277 ff. 575 Vgl. hierzu Lienbacher, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 5 EGV, Rn. 40. 576 Vgl. hierzu Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 5 EUV, Rn. 55. 577 So etwa Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 5 EUV, Rn. 46. 578 Vgl. hierzu Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, 2006, § 8, Rn. 38. 579 Pescatore, Mit der Subsidiarität leben, in: Due/Everling (Hrsg.), Festschrift Ulrich Everling, Band I, 1995, S. 1079 wendet sich deutlich gegen eine solche Mittelhierarchie, welche er als „Zug zur zentrifugalen Desintegration“ ansieht.

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bb) Das mildeste Mittel nach dem Subsidiaritätsprotokoll580 zum EGV Hinweise auf das mildeste Mittel gibt wiederum das Subsidiaritätsprotokoll zum EGV, welches zwar nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon nicht mehr den Rang von Primärrecht genießt und von einem neuen Subsidiaritätsprotokoll abgelöst wurde, welches jedoch für die Interpretation und Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes weiterhin als „Richtschnur“ heranzuziehen ist581. Hiernach sollen unter sonst gleichen Gegebenheiten eine Richtlinie einer Verordnung582 und eine Rahmenrichtlinie einer detaillierten Maßnahme vorzuziehen sein. Hierbei wird auf die spezifische Wirkungsweise der Richtlinie hingewiesen. Bei gemeinschaftlichem bzw. unionalem Handeln soll nämlich so viel Raum für nationale Entscheidungen bleiben, wie dies im Einklang mit dem Ziel der Maßnahme und den Anforderungen des Vertrags möglich ist. Weiter sollen unter Einhaltung der gemeinschaftlichen bzw. unionalen Rechtsvorschriften bewährte nationale Regelungen sowie Struktur und Funktionsweise der Rechtssysteme der Mitgliedstaaten geachtet werden. Jedoch hat der EuGH583 auch herausgestellt, dass nicht alle in den Mitgliedstaaten bewährten Systeme zu berücksichtigen sind. Nach diesen Ausführungen könnte davon ausgegangen werden, dass die Richt­ linie prinzipiell als das mildere Mittel und deshalb im Regelfall als das einzig erforderliche anzusehen ist. Die Richtlinie mit materiellen Bestimmungen überlässt es jedenfalls gerade den innerstaatlichen Stellen der Mitgliedstaaten, Form und Mittel für die Umsetzung zu wählen, während die Verordnung den Mitgliedstaaten nur wenig Handlungsspielraum eröffnet, da diese in all ihren Teilen verbindlich ist. Wenn man aus diesen Gründen davon ausgeht, dass der Richtlinie als milderes Mittel der Vorzug gegeben werden muss, so missachtet man dabei jedoch, dass die verbindlichen Rechtsaktformen in keinem hierarchischen Verhältnis zuein­ander stehen. Sie unterscheiden sich in ihrer spezifischen Wirkungsweise, und diese muss ganz genau in die Prüfung des mildesten Mittels mit einbezogen werden. 580 Protokoll Nr. 30 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, aus dem Vertrag von Amsterdam zur Gründung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, ABl. Nr. C 340 vom 10.11.1997, S. 140. 581 Das derzeit nach Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon gültige Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, ABl. 2007, Nr. C 306/150, ist insofern sparsam mit materiellen Angabenbspw. Zur Abgrenzung von Richtlinie und Verordnung. 582 Auf eine solche Bevorzugung der Richtlinie deutet auch die Schlussakte zur Einheitlichen Europäischen Akte in der Erklärung zu Art. 100a des EWG-Vertrages hin, hiernach wird die Kommission bei ihren Vorschlägen nach Art. 100a Abs. 1 der Rechtsform der Richtlinie den Vorzug geben, wenn die Angleichung in einem oder mehreren Mitgliedstaaten eine Änderung gesetzlicher Vorschriften erfordert. 583 Vgl. hierzu EuGH Tätigkeitsbericht 14/97, Deutschland/Europäisches Parlament, Rat, S. 1, 5.

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Im Subsidiaritätsprotokoll zum EGV wird auch nur darauf hingewiesen, „unter sonst gleichen Gegebenheiten“ der Richtlinie den Vorzug zu geben. Somit sind zunächst Überlegungen dazu zu treffen, was „sonst gleiche Gegebenheiten“ sind und ob dies überhaupt den Regelfall der Rechtsetzung betrifft, so dass von einem „Prinzip der bevorzugten Richtlinienanwendung“ ausgegangen werden kann. Die Richtlinie kann nur dann der Verordnung als rechtlich gleichwertig ange­ sehen werden, wenn bei gleichen Umständen mit der der Richtlinie innewohnenden Regelungstechnik das Gleiche erreicht werden kann.584 Neben den rechtlichen Wirkungen der gewählten Handlungsform sind jedoch auch die Regelungsdichte und der jeweilige Regelungsinhalt des spezifisch in Frage stehenden Rechtsakts in die Überprüfung des mildesten Mittels mit einzubeziehen. cc) Rechtliche Wirkungen im Zusammenhang mit der gewählten Handlungsform Wie bereits an anderer Stelle erläutert, bergen die unterschiedlichen Handlungsformen „Verordnung“ und „Richtlinie“ bei ihrem Einsatz unterschiedliche rechtliche Wirkungen in sich, die bei der Ermittlung des mildesten Mittels zu beachten sind. Bezüglich dieser rechtlichen Wirkungen ist auch auf unterschiedliche Adres­ saten bzw. Schutzrichtungen der verschiedenen Handlungsformen abzustellen. Fraglich ist hierbei, auf wen hinsichtlich der Schutzrichtung abzustellen ist, da diesbezüglich große Unterschiede im Hinblick auf die Wirkungsweise und deshalb auch im Hinblick auf die Sichtweise und Einordnung des mildesten Mittels vorhanden sein können. Zum einen kann bei der Schutzrichtung auf die Mitglied­ staaten und zum anderen auf die Bürger bzw. Unternehmen einzugehen sein. (1) Rechtliche Wirkungen der Verordnung Zusammenfassend lässt sich bezüglich der rechtlichen Wirkungen der Verordnung sagen, dass diese unmittelbar in den Mitgliedstaaten gilt und daher rechts­ vereinheitlichend wirkt. Die Mitgliedstaaten haben keinen eigenen Handlungsspielraum. Eine Umsetzung ist nicht erlaubt. Für den Einzelnen können Verordnungen eine erhöhte Rechtssicherheit bedeuten, jedoch nur dann, wenn nicht entgegenstehendes nationales Recht neben dem Verordnungsrecht für nationale Sachverhalte anwendbar bleibt und folglich eine Anwendungsunsicherheit entsteht. 584 Siehe hierzu auch Möschel, NJW 1993, S. 3026 f.; dieser geht auch davon aus, dass unter sonst gleichen Umständen eine Richtlinie den Vorzug vor einer Verordnung haben soll.

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Für grenzüberschreitend tätige Unternehmen und Dienstleister bedeuten Verordnungen im Regelfall erhöhte Rechtssicherheit und Vereinfachung der Anwendung des Rechts. Da in allen Mitgliedstaaten das gleiche Recht in gleicher Ausgestaltung gilt, ist es für diese grenzüberschreitend Tätigen einfacher, sich in diesen Bereichen rechtlich zu bewegen. Dies bedeutet zusätzlich auch einen finanziellen Vorteil gegenüber uneinheitlichem Recht mittels Richtliniengesetzgebung. Verordnungen sind also bevorzugt in einheitlich zu regelnden, eher technisch umfangreich detaillierten Regelungsbereichen anzuwenden. (2) Rechtliche Wirkungen der Richtlinie Gegenüber der Verordnung soll die Richtlinie zur Rechtsangleichung eingesetzt werden. Sie soll dem Wortlaut des Art. 288 Abs. 3 AEUV (ex-Art. 249 Abs. 3 EGV) nach im Idealfall allein das mit der Regelung verfolgte Ziel festlegen und den Mitgliedstaaten bei der Verwirklichung dieses Ziels die Wahl der Form und Mittel überlassen. Diese Art der Richtlinien enthalten zumeist materielle Inhalte. Bei solchen Inhalten überlässt die Richtlinie gegenüber der Verordnung den Mitgliedstaaten den größeren Handlungsspielraum. Sie schont dabei die Kom­ petenzen der Mitgliedstaaten. Richtlinien mit verfahrensrechtlichem Inhalt sind in ihrer Wirkungsweise dann das mildeste und in der Folge das erforderliche Mittel, wenn die Umsetzung in bestimmten Rechtsgebieten unter besonderer Berücksichtigung nationaler Gegeben­ heiten erfolgen soll.585 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn in den Mitglied­ staaten bereits umfangreiche Regelungswerke im zu regelnden Rechtsgebiet vorhanden sind, in die sich die Richtlinienvorschriften möglichst gut einfügen sollen. Dieser durch Richtlinien gegebene Handlungsspielraum – bei materiellen Richtlinienbestimmungen inhaltlicher und bei verfahrensrechtlichen Richtlinienbestimmungen zumindest rechtssystematischer Art – kann für Mitgliedstaaten aber auch zu einer Belastung werden, wenn sie die Möglichkeit für eine ordnungsgemäße oder rechtzeitige Umsetzung aus politischen oder aus finanziellen Gründen nicht haben. Oft führt auch die Richtlinienflut dazu, dass die Mitgliedstaaten der Richtlinienumsetzung nicht hinterherkommen. Unionsgesetzgebung durch Richtlinien kann somit nicht nur Wohltat für die Mitgliedstaaten bedeuten. Dies ist auch der Fall unter Berücksichtigung der Verpflichtung der mitgliedstaatlichen europarechtsausführenden Stellen zur richtlinienkonformen Auslegung. Vielmehr ist es möglich, dass die mit der Richtlinie verbundenen Umsetzungsvorgaben zu einer zusätzlichen Belastung der Mitgliedstaaten führen, welcher 585 Vgl. hierzu Schwarze/Becker/Pollack, Die Implementation von Gemeinschaftsrecht, 1993, S. 67.

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diese nicht oder kaum noch gerecht werden können. In solchen Fällen ist ernsthaft zu fragen, ob diese Handlungsform im Regelfall tatsächlich und nicht nur ideal­ typisch das mildere Mittel darstellt. Rechtsetzung mittels Richtlinien bedeutet für einen Bürger im Ergebnis nichts anderes als nationale Gesetzgebung, da Richtlinien in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Rechtsschutz muss im nationalen Recht nachgesucht werden. Im Gegensatz dazu zeigt sich der Rechtsschutz gegenüber Verordnungen, wie bereits erläutert, komplizierter. Die den Richtlinien innewohnende Umsetzungsproblematik kann jedoch auch den Einzelnen treffen. Ist eine Richtlinie nicht rechtzeitig oder nicht ordnungs­ gemäß umgesetzt, so gibt es zwar das Institut der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien und vorher sogar dasjenige der richtlinienkonformen Auslegung. Diese Wirkungsweisen sind aber zunächst typischerweise von Bürgerseite her einzu­ fordern, was zu weiteren Problemen und Zeitverzögerungen führen kann. Für den Bürger können also je nach Problemstellung bezüglich der Umsetzung der Richt­ linie oder aufgrund entgegenstehender nationaler Gesetze zu Rechtsverwirrung führender Verordnungsgesetzgebung sowohl Richtlinie als auch Verordnung das mildere Mittel sein. Für Unternehmen oder Dienstleister, die innerhalb der Union grenzüberschreitend tätig sind, bedeuten Richtlinien und ihre Umsetzungsbedürftigkeit eine rechtliche Ungewissheit, wenn nicht sogar ein rechtliches Risiko. Ist in dem einen Mitgliedstaat die Regelung bereits umgesetzt, so lässt sich der andere Mitgliedstaat dabei noch Zeit oder macht Fehler bei der Umsetzung, was zu negativen Folgen für das grenzüberschreitend tätige Unternehmen führen kann. Auch wenn alle Mitgliedstaaten die Richtlinienvorgaben umgesetzt haben, können hieraus mitunter so unterschiedliche Vorschriften resultieren, als wäre Unionsrecht nicht die Grundlage dieser Vorschrift. Für grenzüberschreitend tätige Unternehmen oder Dienstleister ist also im Regelfall die Unionsgesetzgebung mittels Verordnungen das geeignetere und folglich das mildere Mittel. Neben der Berücksichtigung der unterschiedlichen Wirkungsweise der Richt­ linie bezüglich der verschiedenen Schutzrichtungen ist jedoch grundsätzlich festzuhalten, dass die Richtlinie dann nicht das mildeste Mittel und daher nicht erforderlich sein kann, wenn durch sie aufgrund der durch die Umsetzung mög­ licherweise erfolgenden unterschiedlichen oder ungenügenden bzw. nicht vorhandenen Regelungen in den Mitgliedstaaten erhebliche Nachteile für die Erfüllung des Unionsziels gegenüber der Gesetzgebung mittels Verordnungen begründet werden können. In solchen Fällen kann und muss allein die Verordnung das mildeste Mittel und das einzig erforderliche sein. Vor Erlass einer Richtlinie muss der Unionsgesetzgeber prüfen und bei Auswahl der Rechtsaktform berücksichtigen, ob eine möglicherweise nicht ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie zu erheblichen Nachteilen für die einzelnen

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von der Wirkung Betroffenen und somit zur Nichterreichung des verfolgten Unionsziels führen kann. (3) Versuch eines Ergebnisses Der Versuch einer generellen Abgrenzung bezüglich der Erforderlichkeit bzw. des milderen Mittels zwischen Richtlinie und Verordnung in Bezug auf ihre je­ weilige rechtliche Wirkungsweise kann nur darstellend sein und muss im Hinblick auf ein konkretes Ergebnis unscharf bleiben. Dies deshalb, weil auch unter sonst gleichen Umständen unterschiedliche Schutzrichtungen zu berücksichtigen sind. Die Gewichtung der Wirkungsweisen kann nicht pauschal vorab getroffen werden. Vielmehr muss am konkreten Beispiel der Wahl einer in Frage stehenden Handlungsform in einem bestimmten Rechtsgebiet zur Erreichung eines präzise definierten Regelungsziels eine genaue Abwägung im Einzelfall getroffen werden. Bei dieser Abwägung müssen alle typischen Wirkungsweisen unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Schutzrichtungen in die Waagschale geworfen werden. Danach können eine Aufstellung sowie eine Gegenüberstellung dieser unterschied­lichen Tatsachen erfolgen, die dann zu einer spezifischen Gewichtung führen müssen. Zusätzlich zu der Gewichtung der spezifischen Wirkungsweisen der beiden Handlungsformen muss jedoch auch die konkrete Regelungsdichte der jeweiligen Handlungsform mit abgewogen werden. dd) Konkrete Regelungsmethode und -dichte (1) Allgemeines Für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer ausgewählten Handlungsform kann wie bereits erwähnt nicht nur die Handlungsform mit der ihr innewohnenden spezifischen Wirkungsweise herangezogen werden. Ebenso kommt es darauf an, wie dicht diese Handlungsform konkret bezüglich ihrer Regelungsmethode ausgestaltet ist, wie groß also ihre Regelungsdichte ist. Unter Regelungsdichte wird das innerhalb einer Regelung bestehende Verhältnis zwischen Konkretisierung dieser Regelung und Abstraktion verstanden.586 Grundsätzlich ist bezüglich einer regelungsdichten bzw. stark detaillierten Norm zu sagen, dass das Vorhandensein einer solchen dazu führen kann, dass im Zweifelsfall nur Spezialisten diese handhaben können.587 Es besteht die Gefahr, 586

Grams, Zur Gesetzgebung der Europäischen Union, 1998, S. 222. Vgl. zum Themenfeld der „überfrachteten Norm“, Bülow, Typische Mängel von Rechtsnormen, in: Praxis der Gesetzgebung, Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (Hrsg.), 1984, S. 18 ff. 587

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dass ein Zurechtfinden in der Detailmasse aufgrund der hohen Komplexität nicht mehr möglich ist. Als denkbarer Vorteil von detaillierten Normen könnte in Betracht kommen, dass mit detaillierten Regelungen alle möglicherweise auftretenden Konstellationen geregelt werden können, somit keine Regelungslücken auftreten können. Weiter ist die Vorstellung nahe liegend, dass mit einer großen Regelungsdichte der Einzelfallgerechtigkeit von Normen in größtmöglichem Umfang genüge getan wird. Jedoch kann keine Norm, gleich wie detailliert sie ist, dazu führen, dass alle denkbaren möglichen Fälle ausnahmslos mit umfasst werden und dadurch Einzelfallgerechtigkeit bewirkt wird. Es ist auch nicht Aufgabe einer Norm, alle möglichen Sachverhalte genau zu regeln. Vielmehr kann bei einer zu detailliert geregelten Norm, die den Anspruch hat, alle denkbaren Fälle zu umfassen, die Konstellation eintreten, dass ein eigentlich von der Regelung betroffener Fall nicht explizit aufgeführt ist. Bei zu detaillierter Regelung käme hierbei gerade keine Einzelfallgerechtigkeit zum Zuge, wohingegen bei einer Rahmenregelung ein weiterer Ermessens- und Handlungsspielraum des Normanwenders und gegebenenfalls eine Strukturschonung der mitgliedstaatlichen Rechtsgefüge gegeben wären. Konkret finden diese Überlegungen modifiziert auch im Unionsrecht Anwendung: Bei einer Richtlinie gibt es beispielsweise die Möglichkeit, diese als Rahmenrichtlinie588 zu erlassen, bei der nur allgemeine Grundsätze über bestimmte wesentliche Anforderungen festgelegt sind. Konträr dazu können auch extrem detaillierte Richtlinien, wie etwa bei technischen Spezifikationen, erlassen werden.589 Große Detailliertheit ist gerade auch bei verfahrensrechtlichen Richtlinien die Regel. Ebenso gibt es sehr detaillierte Verordnungen und auch solche, die wie Richtlinien rechtsangleichend wirken sollen590 oder Elemente enthalten, die von den Mitgliedstaaten noch umzusetzen sind. Mittlerweile ist also die strenge, wie Art. 115 AEUV (ex-Art. 94 EGV) zeigt ursprünglich im Vertrag angelegte, Unterscheidung zwischen der Verordnung als Instrument der Rechtsvereinheitlichung591 und der Richtlinie als Instrument der 588 Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 288 AEUV, Rn. 25 geht davon aus, dass die Kategorie der „Rahmenrichtlinie“ mit einem größeren Umsetzungsspielraum nur eine politische ist; hierzu auch Lenaerts/Desomer, ELJ 11 2005, S. 747. 589 Grams, Zur Gesetzgebung der Europäischen Union, 1998, S. 224 stellt die These auf, dass im Gemeinschaftsrecht die Tendenz besteht, entweder stark detaillierte Einzelregelungen zu erlassen oder Generalklauseln; Normen auf mittlerem Abstraktionsniveau fänden sich eher selten. 590 Vgl. hierzu Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 134. 591 Everling, Rechtsangleichung zur Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes, in: Baur/Steindorff (Hrsg.), Festschrift Ernst Steindorff, 1990, S.  1166 bezeichnet die zur Vollendung des Binnenmarktes in Art. 95 EGV geschaffene Möglichkeit der Rechtsangleichung durch Verordnungen als „Systembruch“, ebenso von Danwitz, JZ 2007, S. 698.

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Rechtsangleichung592 teilweise nicht mehr klar erkennbar593, da immer mehr Richtlinien sehr detailliert ergehen594 und damit teilweise in ihrer Wirkung einer Verordnung ähneln.595 Diese zunehmend erkennbare „Vermischung“596 – womit keine tatsächliche Vermischung in Form einer neuartigen Handlungsform gemeint ist – der zwei Rechtsetzungsformen des EU-Rechts muss sich auch auf die Voraussetzungen für die europäische Gesetzgebung auswirken. (2) Detaillierte Richtlinie Vermehrt wird im Rahmen der Unionsgesetzgebung auf Richtlinien zurückgegriffen, die ein hohes Maß an Detailliertheit aufweisen.597 Regelung mittels detaillierter Richtlinien kann sogar so weit gehen, dass durch eine „perfektionistische Ausformung der Ziele“598 explizit die Wahl der Form und Mittel im Detail, anders als in Art. 288 AEUV (ex-Art. 249 EGV) vorgesehen, vorgegeben wird.599 Es ist insofern daran zu denken, dass mit diesem Grad der Ausgestaltung das differenzierte Regelungssystem der Handlungsformen zumindest zwischen Richtlinie und Verordnungen eingeebnet600 worden ist.

592 Siedentopf geht davon aus, dass Richtlinien oft nicht mehr als der gemeinsame Nenner, auf den sich die Vertreter der Fachverwaltungen der Mitgliedstaaten geeinigt haben, siehe hierzu DÖV 1988, S. 985. 593 Sydow geht davon aus, dass sich Richtlinie und Verordnung als Instrumente zur Normierung des Verwaltungsverbundes im Ergebnis weitgehend annähern und beliebig austauschbar erscheinen, JZ 2009, S. 376. 594 So Rossnagel, NVwZ 1992, S. 125; Breuer, Entwicklungen des europäischen Umweltrechts – Ziele, Wege und Irrwege, 1993, S. 5 ff. 595 Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 249 EGV, Rn. 69; auch der EuGH scheint diese Tendenz zu detaillierten Regelungen in Richtlinien zu billigen, siehe hierzu RS. 14/83, „v. Colson und Kamann“, Slg. 1984, I-1891, Rn. 28; Fuß warnte bereits 1965 davor, dass eine sehr in die Einzelheiten gehende Richtliniengesetzgebung der Gemeinschafts­organe, zu einer „Degradierung der staatlichen Verfassungsorgane zu reinen Befehlsempfängern“ führt, DVBl. 1965, S. 380 f. 596 Sydow, JZ  2009, S.  376 spricht davon, dass sich Richtlinie und Verordnung als Instrumente zur Normierung des Verwaltungsverbundes weitgehend annähern und anscheinend beliebig gegeneinander austauschbar sind. 597 Zur Zulässigkeit solcher detaillierter Richtlinien vgl. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S.  182 ff.; Hilf propagiert das Festhalten an der Funktion der Richtlinie, einen Rahmen zu setzen, EuR 1993, S. 21; Geiger nannte die detaillierten Richtlinien noch „Einbruchstelle zu Lasten mitgliedstaatlicher Rechtsetzungskompetenzen“, EGV, 1993, Art. 189, Rn. 10. 598 So auch Oppermann, Europarecht, 3. Aufl. 2005, § 6, Rn. 84. 599 Nach Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 140 wären detaillierte Bestimmungen ausgeschlossen, falls man das Ziel als „Gesamtkonzeption einer Regelung“ auffasst. 600 Vgl. hierzu Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 4. Aufl. 2009, § 10, Rn. 95 ff.

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Während bei verfahrensrechtlichen Richtlinieninhalten Detailregelungen der Regelfall sein müssen601, ist dies jedoch keinesfalls zwingend bei Richtlinien mit materiellen Inhalten der Fall. Die Rechtsetzung durch stark detaillierte Richtlinien602 mit materiellen Inhalten entspringt keinesfalls dem grundsätzlichen Vereinheitlichungsbedürfnis der Unions­gesetzgebungsorgane, sondern liegt eher an praktischen mit der Rechtsform der Richtlinie verbundenen Schwierigkeiten, insbesondere bei deren Umsetzung. Diese mit der Umsetzung verbundenen Probleme nehmen aufgrund der wachsenden Anzahl von umzusetzenden Richtlinien und der kontinuierlich gestiegenen Anzahl an Mitgliedstaaten stetig zu. Der Vorteil präzise detaillierter Richtlinien liegt darin, dass bei der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten die Einheitlichkeit dieser Umsetzung am besten gewährleistet wird. Eine zeitlich verzögerte Umsetzung603 kann durch detaillierte Richtlinien jedoch nicht umgangen werden604, wohl aber die nicht ordnungsgemäße Umsetzung. Bei der Rechtsetzung mittels detaillierter Richtlinien – ob mit materiellem oder verfahrensrechtlichem Inhalt – geht es damit grundsätzlich um effi­ zientere Rechtsetzung.605 Der vermehrte Gebrauch von stark detaillierten Richtlinien606 hat unter anderem also auch seinen Grund darin, dass eine effiziente Rechtsetzung mit Richtlinien in bestimmten zu regelnden Sachbereichen der Europäischen Union nur durch solche Richtlinien mit einem hohen Grad an Detailliertheit möglich war.607 Als „detail­regelungsfreundlich“ zeigen sich vor allem technische, umweltrechtliche und lebens- und arzneimittelrechtliche Bereiche, da diese oft einzelne Grenzwerte oder eine bestimmte Zeitdauer regeln müssen. Detaillierte Einzelfallregelungen sind wohl auch in gefahrspezifischen Regelungsbereichen, beispielsweise im Stoffrecht zur Festlegung von Grenzwerten und in Bereichen, in denen nur wenige, abgrenzbare Fallgruppen existieren608, von Vorteil. Bestimmte Rechtsgebiete 601

Hierzu Sydow, JZ 2009, S. 374. Zu den ungeschriebenen Grenzen bei Richtlinien, die den Mitgliedstaaten einen weiten Spielraum belassen siehe Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 249 EGV, Rn. 90. 603 Zur mangelnden Umsetzungsmoral mancher Mitgliedstaaten vgl. nur Grams, Zur Gesetzgebung der Europäischen Union, 1998, S. 174 ff. 604 Der Überlegung von von Danwitz, dass durch detaillierte Richtlinien die möglicherweise zu nutzenden unmittelbare Wirkung dieser Richtlinien besser zu erreichen sei, ist nicht zuzustimmen, JZ 2005, S. 5. 605 Hierzu auch Trüe, Das System der Rechtsetzungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union, 2002, S. 105. 606 Sehr ausführlich zu Bindungswirkung und Regelungsintensität von Richtlinien Oldekop, JöR 1972, S. 74 ff. 607 Trüe, Das System der Rechtsetzungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union, 2002, S. 105. 608 Beispiele zu den unterschiedlichen Gruppen sind zu finden bei Grams, Zur Gesetzgebung der Europäischen Union, 1998, S. 224 f. 602

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verlangen dabei nach einem hohen Maß an Detailliertheit609, ebenso bestimmte Regelungsinhalte610. In diesen Bereichen ist somit ein „Bedürfnis“ für eine detailgenaue Regelungsdichte vorhanden. Problematisch an der detaillierten Richtlinie zeigt sich zunächst, dass für die nationalen Parlamente kaum noch Umsetzungsspielraum vorhanden ist und sie eventuell zu bloßen „Umsetzungsautomaten“611 herabgewürdigt werden. Diese in einer zu detailliert ausgestalteten Richtlinie nicht mehr zu findende, mit der Definition des Art. 288 Abs. 3 AEUV (ex-Art. 249 Abs. 3 EGV) nicht mehr konform gehende Regelungsart widerspricht im ersten Moment auch in gewisser Hinsicht der parlamentarischen Demokratie612 der Mitgliedstaaten, da diesen ein eigener Handlungs- bzw. Gestaltungsspielraum eigentlich genommen ist.613 Außerdem wird durch detaillierte Richtlinien eventuell die Grenze zur Entscheidung verwischt. Weiter kann auch die Umsetzung der Richtlinie an sich durch mangelnden Umsetzungsspielraum gefährdet sein. Nämlich dann, wenn die so detailliert geregelte Materie sich nicht in die mitgliedstaatlich bereits vorhandenen Regelungssysteme einpassen kann. Für den Mitgliedstaat kann diese Einengung dazu führen, dass er Schwierigkeiten dabei hat, die „Richtlinienbestimmung sowohl wortgetreu als auch systematisch korrekt in das bestehende Regelungsgefüge einzubauen“614. Eine systemgerechte Umsetzung in nationales Recht ist also durch den Gebrauch detaillierter Richtlinien eventuell gefährdet.

609

Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 142 f. Sydow, JZ 2009, S. 374. 611 So auch Fuß, DVBl. 1965, S. 381 dieser spricht auch von der „Degradierung der staat­ lichen Verfassungsorgane zu reinen Befehlsempfängern“; Everling, Rechtsangleichung zur Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes, in: Baur/Steindorff (Hrsg.), Festschrift Ernst Steindorff, 1990, S. 1166; Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2000, S. 303; vgl. hierzu auch Oldekop, JöR 1972, S. 78 f.; Kritik an dieser Praxis wurde auch von der französischen Regierung geübt, hiernach wird bei bis in alle Einzelheiten geregelten Richtlinien den Staaten allein „die Möglichkeit gelassen, die innerstaatliche Form, in die der Inhalt gekleidet wird, zu wählen und die Inkraftsetzung erforderlichen innerstaatlichen Maßnahmen zu ergreifen“; eine „derartige Praxis seitens der Kommission“ stelle „deutlich einen Versuch dar, die Materie, die derartige Richtlinien zum Gegenstand hatten, von der einzelstaatlichen zur gemeinschaftlichen Kompetenz hinübergleiten zu lassen“, vgl. hierzu Aide-mémoire der französischen Regierung (Luxemburg, 17. und 18. Januar 1966), Nr. 4; nach Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S.  141 verlöre die Richt­linie ihre Daseinsberechtigung, wenn den Mitgliedstaaten nicht auch ein inhaltlicher Spielraum verbliebe. 612 Nach Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl. 1997, S. 166, Rn. 426 setzt parlamentarische Demokratie einen gewissen Entscheidungsspielraum voraus, der durch zu detaillierte Richtlinien gefährdet sein kann. 613 von Danwitz, JZ  2007, S.  697 meint, dass „die Neigung zur Ausgestaltung der Richt­ linien als vollständige Regelungsprogramme den Gegensatz zwischen Normsetzungsauftrag der Richtlinie und dem Bestand des innerstaatlichen Rechts besonders deutlich hervortreten lässt“. 614 Schwarze/Becker/Pollack, Die Implementation von Gemeinschaftsrecht, 1993, S. 68. 610

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Richtlinien mit Detailcharakter sind jedoch mittlerweile von Rechtsprechung615 und Lehre weitgehend anerkannt.616 Es wird nicht mehr als dem Wesen der Richtlinie fremd angesehen, bestimmte Bereiche bis zur Detailliertheit zu regeln. Insofern ist gebräuchlich, dass „nicht mehr zwischen den bereits vorhandenen Regelungen das Mittel gebildet, sondern die „sachlich beste Lösung gewählt werden kann“, was auch bedeuten kann, dass Regelungen erlassen werden können, die auf keine Vorbilder in den Mitgliedstaaten treffen.617 Es ist jedoch dennoch fraglich, welch ein wie hoher Grad an Detailliertheit einer Richtlinie noch zulässig ist oder ob eventuell sogar eine unbegrenzt hohe Re­ gelungsdichte zugelassen618 ist.619 Grundsätzlich ist nämlich der Unterschied zwischen Verordnung und Richtlinie genau darin zu sehen, dass die Richtlinie nur 615 Die Anerkennung in der Rechtsprechung von detaillierten Richtlinien erfolgte nicht ex­ plizit, vgl. hierzu EuGH, RS. 14/83, „v. Colson und Kamann“, Slg. 1984, I-1891, Rn. 28; siehe auch EuGH, RS.  278/85, „Kommission/Dänemark (Gefährliche Stoffe)“, Slg.  1987, I-4069, Rn. 17, wonach bei einer abschließenden gemeinschaftlichen Regelung innerhalb einer Richtlinie, die Mitgliedstaaten keine Möglichkeit haben, von dieser Regelung abzuweichen; eine Anerkennung von detaillierten Richtlinien kann auch aus der Anerkennung der unmittelbaren Wirkung von Richtlinienbestimmungen durch den EuGH ergehen, da es eine solche nur geben kann, wenn die Richtlinien hinreichend bestimmt, also detailliert sind, EuGH, RS. 148/78, „Ratti“, Slg. 1979, 1629, Rn. 18 ff.; EuGH, RS. 41/74, „van Duyn“, Slg. 1974, 1337, Rn. 12; EuGH, Rs 9/70, „Grad/Finanzamt Traunstein („Leberpfennig“)“, Slg.  1970, 825/837 ff.; zu diesem Urteil siehe insbesondere Seidel, NJW 1985, S. 517 f.; BVerfGE 75, 223/235 ff.; EuGH, RS.  8/81, „Becker/Finanzamt Münster“, Slg. 1982, I-53, LS  1; EuGH, RS.  38/77, „Zoll­ wert“, Slg. 1977, I-2203, LS 1; EuGH, RS. 33/70, „S. P. A. Sace/Finanzministerium Italiens“, Slg. 1970, I-1213, LS 2; vgl. zur Rechtsprechung auch Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 143. 616 Zu den in der Praxis vertretenen Ansichten vgl. exemplarisch Schwarze/Becker/Pollack, Die Implementation von Gemeinschaftsrecht, 1993, S. 33; Everling, Möglichkeiten und Grenzen der Rechtsangleichung in der Europäischen Gemeinschaft, in: Reichert-Facilides/Rittner/ Sasse (Hrsg.), Festschrift Reimer Schmidt, 1976, S. 176 ff.; Fuß, DVBl. 1965, S. 380 ff.; Hilf, EuR 1993, S. 21; Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2000, S. 303; Oldekop, JöR  1972, S.  78 f.; Trüe, Das System der Rechtsetzungskompetenzen der Euro­ päischen Gemeinschaft und der Europäischen Union, 2002, S. 105; eine sehr ausführliche Darstellung zum Streitgegenstand ist auch zu finden bei Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 138 ff. 617 Everling, Möglichkeiten und Grenzen der Rechtsangleichung in der Europäischen Gemeinschaft, in: Reichert-Facilides/Rittner/Sasse (Hrsg.), Festschrift Reimer Schmidt, 1976, S. 175. 618 Vgl. hierzu Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2000, S.  302; so auch Schmidt, in: von der Groeben/Thiesing (Hrsg.), EU-/EG-Vertrag Kommentar, Band 2, 6. Aufl. 2004, Art. 249 EGV, Rn. 38. 619 So geht Hilf davon aus, dass aufgrund der systematischen Stellung der Richtlinie im Vertrag an der Seite der Verordnung, die grundsätzlich Vollregelungen enthält, den Mitgliedstaaten ein Mindestmaß an Gestaltungsspielraum bleiben muss, EuR 1993, S. 7; hierzu auch d’Atena, Zur Problematik der EG-Richtlinien, in: Ress/Will (Hrsg.), Vorträge, Reden und Berichte aus dem Europa-Institut der Universität des Saarlandes, Nr. 79, 1986, S. 6; Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, §§ 21, 29.

C. Die Europäische Rechtsetzung im Lichte des Art. 5 EUV

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partiell hinsichtlich des Ziels verbindlich ist und die Verordnung demgegenüber umfassend, also auch bezüglich ihres Wortlauts und der Formen und Mittel, verbindlich ist.620 Detaillierung ist abhängig vom Grad der Abstraktion der vorgegebenen Ziele. Je abstrakter das Ziel formuliert ist desto größer ist der verbleibende Umsetzungsspielraum.621 Es muss hiernach sowohl als mit der Rechtsform der Richtlinie konform gehend anerkannt werden, wenn in der Richtlinie exakt bestimmt wird, wie der als Ziel angegebene Rechtszustand auszusehen hat, als auch wenn bestimmt wird, wie die Qualität des zu erreichenden Zustands auszusehen hat.622 Demgegenüber kann es nicht mehr mit dem Handlungsinstrument „Richt­linie“ vereinbar sein, wenn innerhalb der Richtlinie vorgegeben ist, welches Instrument der nationale Gesetzgeber bei mehreren qualitativ gleichwertigen Möglichkeiten auszuwählen hat.623 Auch darf nicht der genaue Zeitpunkt der Umsetzung festgelegt sein, was nicht bedeutet, dass die Umsetzung nicht innerhalb der von der Richtlinie festgelegten Frist geschehen muss.624 Weiter ist auch nicht mit Art. 288 Abs.  3 AEUV (ex-Art.  249 Abs.  3 EGV) vereinbar, dass in der Richtlinie fest­ gelegt wird, welches nationale Rechtsetzungsorgan die Umsetzung übernehmen soll. Bezüglich der Zulässigkeit der Regelungsintensität muss wohl außerdem immer auf den Regelungsgegenstand abgestellt werden. Ihrem Inhalt nach kann die Richtlinie dergestalt detailliert sein, dass den Mitgliedstaaten kein eigener Handlungsspielraum mehr bleibt.625 Dabei darf jedoch nicht verlangt werden, dass jede einzelne Richtlinienbestimmung wortwörtlich in das nationale Umsetzungsrecht übernommen wird.626 Es muss davon ausgegangen werden, dass je spezieller die zu regelnde Rechtsmaterie ist, desto weniger Anforderungen an den verbleibenden Handlungsspielraum zu stellen sind.627 Abschließend bleibt festzuhalten, dass bezüglich des Grades der inhaltlichen Detailliertheit dem Unionsgesetzgeber keine festen Grenzen gesetzt sind. Geht es jedoch um Regelungen bezüglich der mitgliedstaatsspezifischen Regelungs­technik 620

Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 249 EGV, Rn. 86. Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 140. 622 Vgl. hierzu Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Stand April 2009, Art. 249 EGV, Rn. 133. 623 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Stand April 2009, Art. 249 EGV, Rn. 133 spricht insofern vom Grundsatz der instrumentellen Freiheit; Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 249 EGV, Rn. 87. 624 Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 249 EGV, Rn. 88. 625 Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 249 EGV, Rn. 89; anders Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 141. 626 Vgl. hierzu EuGH, RS. C-190/90, „Kommission/Niederlande“, Slg. 1992, I-3265, Rn. 17. 627 Vgl. Oldekop, Die Richtlinien der EWG, 1968, S. 151. 621

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Teil 1: Grundlagen

bzw. dem mitgliedstaatlichen Umsetzungsverfahren, so dürfen bei der Rechtsetzung mittels Richtlinien hier keine detaillierten Vorgaben gemacht ­werden. (3) Konsequenz und Lösungsansätze Formal gibt es also keine Mischformen aus Verordnungen und Richtlinien. Auch Bestrebungen hin zu einem dementsprechend angepassten System sind abzulehnen. Bezüglich der Wirkungsweise der beiden in Frage stehenden Rechtsformen kann jedoch festgestellt werden, dass sich in den letzten Jahren teilweise eine starke Annäherung der beiden Handlungsinstrumente vollzogen hat, es aber dabei bleibt, dass es keine Mischformen gibt. Die Anwendung rahmensetzender Verordnungen steht nicht im Gegensatz zu der detaillierter Richtlinien, da jene weiter in ihrer Wirkungsweise allein Ver­ ordnungen sind und nur zur Rechtsangleichung benutzt werden.628 Bei derart detaillierten Richtlinien, dass sie in ihrer Wirkungsweise Verord­ nungen gleichen und den nationalen Gesetzgebern keinerlei Umsetzungsspielraum mehr bieten, ist jedoch bezüglich der Intensität der inhaltlichen Bindung der Mitgliedstaaten eine Art Mischform der beiden Rechtsformen entstanden: die sich an die Regelungsintensität der Verordnung annähernde Richtlinie, die vom EuGH grundsätzlich als rechtmäßig anerkannt ist.629 Ist eine Richtlinie dermaßen mit Details „überfrachtet“, dass sie von der Wirkung nur noch der Wirkungsweise einer Verordnung gleichkommt und der nationale Gesetzgeber einzig exakt und detailgetreu den Wortlaut dieser Richtlinie ohne verbliebenen Umsetzungsspielraum umsetzen kann, so ist fraglich, ob die Richt­ linie in einem derartigen Fall erforderlich ist bzw. das mildere Mittel bei der Wahl zwischen den Rechtsaktformen Richtlinie und Verordnung darzustellen vermag. Diese Frage stellt sich insbesondere unter Berücksichtigung des mit der Richtlinie verbundenen Umsetzungsaufwands für die Mitgliedstaaten und des ebenfalls mit der Rechtsform der Richtlinie verbundenen Kontrollaufwands für die 628 Zum Phänomen der „rahmensetzenden bzw. rechtsangleichenden Verordnungen“, vgl. hierzu beispielsweise Verordnung (EG) Nr. 743/2002 über eine „allgemeine Rahmenregelung der Gemeinschaft für Aktivitäten zur Erleichterung der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen“, ABl. Nr. L 115 vom 01.05.2002; vgl. hierzu auch Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 134 ff.; Everling, Rechtsangleichung zur Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes, in: Baur/Steindorff (Hrsg.), Festschrift Ernst Steindorff, 1990, S. 1166 der die zur Vollendung des Binnenmarktes in Art. 95 EGV geschaffene Möglichkeit der Rechtsangleichung durch Verordnungen als „Systembruch“ bezeichnet, ebenso von Danwitz, JZ 2007, S. 698. 629 EuGH, RS. 14/83, „v. Colson und Kamann“, Slg. 1984, I-1891, Rn. 28; siehe auch EuGH, RS. 278/85, „Kommission/Dänemark (Gefährliche Stoffe)“, Slg. 1987, I-4069, Rn. 17.

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Kommission. Mit der Richtlinie ist immer mehr „Arbeit“ in Form von nationaler Umsetzung in den Parlamenten verbunden als durch die Rechtsetzung mittels Verordnungen. Diese „Arbeit“ erscheint jedoch mit dem verbleibenden Umsetzungsspielraum und aus Gründen der Subsidiarität gerechtfertigt. Fällt nun jeg­ licher nationalstaatliche Umsetzungsspielraum durch detaillierte Richtlinienregelung weg, so rechtfertigt dies nicht mehr unbedingt den mit der Umsetzung von Richtlinien verbundenen Umsetzungsaufwand der Mitgliedstaaten, der bei diesen trotzdem verbleibt, und auch nicht die Probleme bei der Kontrolle der Umsetzung, vor denen die Kommission regelmäßig steht. Grenzt die Richtlinie also in ihrer Wirkungsweise aufgrund der der ursprünglichen Definition der Richt­linie nicht mehr entsprechenden Regelungsdichte an die Wirkung einer Verordnung, so ist die Richtlinie aufgrund ihres Umsetzungsaufwands für die Mitgliedstaaten, des Kontrollaufwands für die Kommission und aus Gründen der Rechts­ sicherheit im Gegensatz zur Verordnung nicht mehr unbedingt als mildestes Mittel anzusehen. Richtlinien mit überdetaillierter Regelungsdichte können in diesen Fällen nicht erforderlich und nicht mehr verhältnismäßig sein. Möchte der Unionsgesetz­ geber stark detaillierte Regelungen erlassen, bei denen jeglicher Umsetzungsspielraum für die Mitgliedstaaten entfällt, so ist in diesen Fällen einzig die Verordnung als das mildere Mittel zur Zielerreichung vorstellbar. Regelung mittels Richtlinien wäre also in einem solchen Falle möglicherweise unverhältnismäßig. Bei der Rechtsetzung mittels detaillierter Richtlinien geht es jedoch zumeist nicht allein um Kompetenzschonung, wie dies dem Grundsatze nach bei der Rechtsetzung mittels Richtlinien der Fall sein sollte. Vielmehr wählt der europäische Gesetzgeber das Instrument der Richtlinie in diesen Fällen möglicherweise auch aus, um die vorhandenen Regelungsgefüge der Mitgliedstaaten zu schonen630 und mithin eine mitgliedstaatliche Strukturschonung zu erreichen, welche daneben auch zu einer Entlastung bei der europäischen Gesetzgebung631 führt. Ist davon auszugehen, dass der europäische Gesetzgeber von der detaillierten Richtlinie – insbesondere mit verfahrensrechtlichem Inhalt – Gebrauch macht, um die Regelungen so schonend wie möglich in bestehende Regelungsgefüge der Mitgliedstaaten zu integrieren, so kann jedoch auch der erforderliche Umsetzungsaufwand, der mög­ licherweise mit der großen Detailliertheit der Regelung in Konflikt steht, durch eine solche Strukturschonung gerechtfertigt sein. Im Einzelfall muss wohl darauf abgestellt werden, ob der Unionsgesetzgeber eine komplette Vereinheitlichung eines bestimmten Verfahrens anstrebt oder nur partiell rechtsangleichend hinsichtlich der Verfahrensanforderungen tätig werden will.

630 von der Groeben geht trotzdem davon aus, dass auch Rechtsangleichung, wenn sie tragende Bestandteile der nationalen Rechtsordnungen erfasst, unter Umständen zu einer Unterbrechung von Rechtstraditionen und zu störenden Veränderungen systematischer zusammenhänge führen kann, NJW 1970, S. 363. 631 von Danwitz, JZ 2007, S. 698.

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Es ist im Hinblick auf das soeben Festgehaltene festzustellen, dass für die Erforderlichkeit einer Maßnahme die konkrete Regelungsmethode und -dichte der getroffenen Regelung im Einzelfall wichtiger sein kann als die tatsächlich aus­ gewählte Handlungsform.632 Bezüglich der Regelungsdichte muss sich der Unionsgesetzgeber vor der konkreten Regelung verschiedene Prüffragen633 stellen: –– Ist die konkrete Regelungsmaterie so beschaffen, dass sie, beispielsweise aus Gründen der Gefahrabwendung oder des Gesundheitsschutzes, detailliert ge­ regelt werden sollte? –– Sollen verfahrensrechtliche Vorschriften vereinheitlicht werden und bestehen bereits Regelungsgefüge in diesem Bereich in den verschiedenen Mitgliedstaaten, in welche sich diese Verfahrensanforderungen eingliedern sollen? –– Ist es eventuell zur Herbeiführung eines Konsenses der Mitgliedstaaten erforderlich, detaillierte Regelungen zu erlassen? –– Ist die Regelungsdichte erforderlich, um potentiellen Entscheidungsfehlern der mitgliedstaatlichen Verwaltung vorzubeugen? –– Ist die Regelungsdichte erforderlich, um die Norm für den betroffenen Bürger voraussehbarer zu machen – also erforderlich, um Rechtssicherheit zu be­ wirken? –– Ist die Regelungsdichte erforderlich, um potentiellen von den Mitgliedstaaten verursachten Umsetzungsfehlern vorzubeugen? –– Und eng mit der letzten Frage verknüpft: Ist die Regelungsdichte erforderlich, um der Kommission und dem EuGH die Kontrolle zu vereinfachen? Aufgrund der Ergebnisse zu diesen Prüffragen kann dann der Umfang der erforderlichen Regelungsdichte festgelegt werden. Festzuhalten bleibt also, dass im Falle detaillierter Richtliniengesetzgebung durch den Unionsgesetzgeber, bei der den Mitgliedstaaten keinerlei Umsetzungsspielraum mehr verbleibt, die Verordnung das mildere Mittel für die Mitgliedstaaten darstellen kann, wenn es um materielle Regelungsinhalte geht. Bei verfahrensrechtlichen Inhalten kann in solchen Fällen die detaillierte Richtlinie das erforderliche Mittel sein, wenn die bereits vorhandene Regelungsstruktur der Mitgliedstaaten in diesem Bereich geschont und keine Totalvereinheitlichung an­ gestrebt werden soll.

632

Siehe hierzu auch Bast, Grundbegriffe der Handlungsformen der EU, 2006, S. 370. Zu den ähnlich strukturierten Prüffragen bezüglich des nationalen Rechts vgl. Jacob, Das Unbehagen des Bürgers, in: Praxis der Gesetzgebung, Bundesakademie für öffentliche Ver­ waltung (Hrsg.), 1984, S. 43 ff. 633

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ee) Konkreter Regelungsinhalt Neben der spezifischen Wirkungsweise der gewählten Rechtsform und der Regelungsdichte ist für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer Maßnahme, eng mit der Regelungsdichte verknüpft, der genaue Regelungsinhalt der Regelung entscheidend. Art. 288 AEUV (ex-Art. 249 EGV) schränkt weder den inhaltlichen Regelungsgegenstand der Verordnung noch den der Richtlinie ein. Eine Beschränkung ist allenfalls hinsichtlich des Ausmaßes der Verbindlichkeit des Regelungsinhaltes der Richtlinie erkennbar.634 Abstrakte Aussagen zur Auswirkung des konkreten Regelungsinhalts auf die Erforderlichkeit einer Maßnahme können jedoch nur schwerlich getroffen werden. Vielmehr ist der konkrete Regelungsinhalt der in Frage stehenden zu überprüfenden Maßnahme zu untersuchen. Eine Untersuchung muss hierbei insbesondere insofern erfolgen, als überprüft werden muss, ob der vom Unionsgesetzgeber festgelegte Regelungsinhalt noch mit der Regelungsermächtigung der Ermächtigungsgrundlage übereinstimmt und ob der Regelungsinhalt mit der gewählten Rechtsaktform kompatibel ist, beispielsweise ob der Regelungsinhalt zur optimierten Zielerreichung nicht anstelle einer Richtlinie besser in Form einer Ver­ ordnung ergangen wäre. Hinsichtlich des Einflusses des Regelungsinhaltes auf die Erforderlichkeit der Handlungsform „Verordnung“ oder „Richtlinie“ ist, wie bereits im Hinblick auf die detaillierte Richtlinie angesprochen, bezüglich der Richtlinien zwischen solchen mit materiellem Inhalt und solchen mit verfahrensrechtlichem Inhalt zu unterscheiden. Rechtsetzung mit überwiegend materiellem Inhalt wird, wenn ein Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten verbleiben soll, am ehesten in der Rechtsform der Richtlinie zu regeln sein. Enthält der Rechtsakt hauptsächlich verfahrensrechtliche Bestimmungen, so kann sowohl die Rechtsform der Richtlinie als auch die der Verordnung in Frage kommen. Entscheidend hierbei soll nicht das Maß der Detailliertheit, sondern vielmehr die Intention des Gesetzgebers sein. Möchte dieser das komplette Verfahrensrecht im Regelungsgebiet vereinheit­ lichen, so wird in diesen Fällen die Verordnung das mildere Mittel sein. Sollen sich die im Rechtsakt vorgegebenen Verfahrensvorschriften in die bereits in den Mitgliedstaaten vorhandenen Regelungssysteme einfügen, so muss die Rechtsform der Richtlinie als das mildere Mittel angesehen werden. Daneben müssen in inhaltlicher Hinsicht die Adressaten des Rechtsakts mit in die Überlegung einbezogen werden, welcher Rechtsakt als das mildeste Mittel in Frage kommt. Adressaten von Richtlinien können allein die Mitgliedstaaten

634 Vgl. hierzu Oldekop, Die Richtlinien der EWG, 1968, S. 99; Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 141.

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sein.635 Richtet sich ein Rechtsakt jedoch neben den Mitgliedstaaten auch an Unions­organe oder beispielsweise Agenturen als Ableger der Kommission, so kommt die Rechtsform der Richtlinie nicht in Betracht. Gerade auch bei Rechtsakten, die teilweise Richtliniengehalt und teilweise Verordnungsgehalt haben und sich sowohl an die Mitgliedstaaten als auch an die Unionsorgane wenden, kann allein die Rechtsform der Verordnung in Frage kommen. ff) Ergebnis zur Erforderlichkeit Bezüglich der Frage, ob die Richtlinie oder die Verordnung bei gleicher Ge­ eignetheit das mildere Mittel darstellt und somit erforderlich im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung der Handlungsform ist, kann pauschal keine präzise Antwort gegeben werden. Vielmehr ist auf verschiedene Kriterien abzustellen, und diese sind miteinander sinnvoll abzuwägen, damit auch tatsächlich die bezüglich der Erforderlichkeit richtige Maßnahme zum Einsatz kommt. Zunächst müssen die rechtlichen Wirkungen im Zusammenhang mit der gewählten Rechtsform abgewogen werden. Dabei zeigt sich, dass es einige Schwierigkeiten bereitet, eine Hierarchie im Hinblick auf die unterschiedliche Wirkungsweise der Verordnung und der Richtlinie aufzustellen. Aus diesem Grund kann nicht verallgemeinernd, wie oftmals jedoch in der Literatur geschehen, davon ausgegangen werden, dass die Richtlinie grundsätzlich das mildere Mittel darstellt. Vielmehr müssen im Einzelfall die Vor- und Nachteile der jeweiligen Rechtsform abgewogen und zusammen mit Überlegungen zur bestmöglichen Implementation bewertet werden. Alleine die Betrachtung der rechtlichen Wirkungen der einzelnen Maßnahmen ist jedoch nicht ausreichend, um festzustellen, welche Maßnahme die erforder­ liche ist. Zu dieser Überprüfung muss noch die Untersuchung der tatsächlichen Re­gelungsdichte erfolgen, denn diese kann insbesondere bei einer detaillierten Richtlinie dazu führen, dass diese Richtlinie in ihrer Wirkungsweise einer Verordnung gleicht und den nationalen Gesetzgebern keinerlei Umsetzungsspielraum mehr bietet. In einem solchen Fall sagt die konkrete Regelungsdichte mehr über die Wirkungsweise der Richtlinie aus als die abstrakt in Art. 288 Abs. 3 AEUV (ex-Art. 249 Abs. 3 EGV) normierten Voraussetzungen. Somit spielt bei der Frage der Erforderlichkeit einer Handlungsform nicht nur deren spezifische rechtliche Wirkungsweise, sondern auch deren konkret ausgestaltete Regelungsdichte eine große Rolle. Eine bezüglich der Erforderlichkeit eher untergeordnete Rolle spielt der tatsächliche Regelungsinhalt der Maßnahme, da dieser bereits von der Regelungsdichte 635 Zu den Adressaten einer Richtlinie siehe auch Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 249 EGV, Rn. 23.

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in gewisser Weise mit umfasst sein kann und deshalb eine gesonderte Prüfung dieses Punktes oftmals aufgrund der fehlenden Trennschärfe der beiden Begriffe nicht durchgeführt werden kann. Zusammenfassend lässt sich bezüglich der Erforderlichkeit einer unionalen Maßnahme festhalten, dass drei verschiedene Aspekte mit in die Untersuchung und die sich anschließende Bewertung der Erforderlichkeit einfließen müssen: –– die spezifische rechtliche Wirkungsweise der ausgewählten Handlungsform, hierbei insbesondere: –– die unmittelbare Wirkung, –– die mittelbare Wirkung, –– Auswirkungen auf die Implementation; –– die konkrete Regelungsdichte (insb. bei detaillierten Richtlinien); –– der tatsächliche Regelungsinhalt (oft bereits bei der Prüfung der Regelungsdichte mit umfasst). Im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit einer Maßnahme müssen also diese drei Aspekte herangezogen und miteinander in Bezug gesetzt und abge­ wogen werden, um zu einem Ergebnis zu gelangen. Das Ergebnis des Abwägungsprozesses muss jedoch nicht immer eindeutig ausfallen. Im Einzelfall kann sich aufgrund unterschiedlicher Gewichtung der verschiedenen Aspekte bzw. unterschiedlicher Gewichtung innerhalb der Aspekte eine unterschiedliche Sichtweise ergeben, die grundsätzlich auch nicht ungerechtfertigt erscheinen mag. Die Überprüfung der Erforderlichkeit ist damit im Ergebnis stark einzelfall­ abhängig. g) Angemessenheit/Proportionalität Weiter muss der gewählte Rechtsakt auch angemessen, also verhältnismäßig im engeren Sinne sein. Hierbei geht es um eine Proportionalitätsprüfung im Rahmen einer Zweck-Mittel-Relation. Konkret ist zu prüfen, ob das vom Unionsgesetzgeber ausgewählte Mittel der Rechtsetzung bezüglich des angestrebten Zwecks bzw. Ziels auch angemessen ist. Hinsichtlich des Prüfungspunkts der Angemessenheit muss im Regelfall, wenn die übrigen Kriterien der Verhältnismäßigkeitsprüfung eingehalten sind, auch von dessen Einhaltung ausgegangen werden. Es gilt dabei eine Art „Regelvermutung“, wenn keine gegenteiligen Anhaltspunkte ersichtlich sind.

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h) Ergebnis zur Verhältnismäßigkeit Nach der Rechtsprechung des EuGH ist dem Unionsgesetzgeber ein sehr weites Ermessen636 bezüglich der Wahl der Handlungsform bei Ermächtigungsgrundlagen mit mehreren Handlungsformalternativen eingeräumt. Entscheidungen des EuGH, in denen die vom Unionsgesetzgeber ausgewählte Maßnahme als unverhältnismäßig und folglich als rechtswidrig eingestuft worden ist, gibt es nicht.637 Insbesondere in Gebieten, in denen der Gesetzgeber sozialpolitische Entscheidungen zu treffen und komplexe Abwägungen zu tätigen hat, ist ein weiter Ermessensspielraum des Rates gegeben. Die ordnungsgemäße Ausübung dieses Ermessenspielraums kann laut EuGH nur daraufhin überprüft werden, ob ein offensichtlicher Irrtum, ein Ermessensmissbrauch oder eine Ermessensüberschreitung vorliegen.638 Trotz des weiten Ermessensspielraums, der dem Unionsgesetzgeber bezüglich der Wahl der Handlungsform bei eingeräumtem Handlungsformermessen zuzugestehen ist, muss dieses Ermessen unter Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ausgeübt werden. Zunächst muss sich die vom Unionsgesetzgeber ausgewählte Maßnahme nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung auf eine Ermächtigungsgrundlage stützen. Nach Auswahl der Ermächtigungsgrundlage können nur die in diesen vorgesehenen Handlungsformen in Betracht kommen. Bei solchen Ermächtigungsgrundlagen ohne ausdrücklich vorgegebene Handlungsform kommen grundsätzlich alle Handlungsformen in Betracht. Die danach vom Unionsgesetzgeber ausgewählte Maßnahme muss weiter ein legitimes Ziel verfolgen. Als legitimes Ziel kommt das in der Ermächtigungsgrundlage angestrebte Ziel in Betracht. Die Maßnahme muss desweiteren dafür geeignet sein, das Ziel zu erreichen. Jedoch lassen sich kaum Fälle vorstellen, in denen die vom Unionsgesetzgeber ausgewählte Maßnahme grundsätzlich ungeeignet ist. Die verwendete Rechtsaktform muss außerdem erforderlich sein, um das Ziel zu erreichen. Dies ist dann der Fall, wenn die Maßnahme das mildeste Mittel darstellt. Hier kann jedoch nicht, wie vielfach geschrieben, grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Richtlinie als Rechtsform der „Subsidiarität“ das mildere Mittel gegenüber der Verordnung darzustellen vermag. Vielmehr haben die

636

EuGH, RS. C-84/94, „Vereinigtes Königreich/Rat“, Slg. 1996, I-5755, Rn. 55 ff.; EuGH, RS. C-233/94, „Deutschland/EP und Rat“, Slg. 1997, I-2405, Rn. 54 ff. 637 Teilweise blieben Rügen bezüglich der Handlungsform unbeachtet, EuGH, RS.  70/88, „Parlament/Rat“, Slg. 1991, I-4529, Rn. 19, in diesem Fall beanstandete das Parlament, dass der Rat eine Verordnung erlassen habe, obwohl nach der Ermächtigungsgrundlage nur der Erlass einer Richtlinie erlaubt war; bei EuGH, RS.  C-359/92, „Deutschland/Rat“, Slg.  1994, I-3681, Rn. 13, 17, 37 wurde die Rüge Deutschlands, dass bei der Durchführung einer Richt­ linie keine Einzelfallentscheidung ergehen könne, verworfen. 638 EuGH, RS. C-84/94, „Vereinigtes Königreich/Rat“, Slg. 1996, I-5755, Rn. 58.

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beiden in Frage stehenden Rechtsaktformen grundsätzlich unterschiedliche Wirkungsweisen, die diesbezüglich zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Der Prüfungspunkt der Erforderlichkeit muss insofern eine auf den konkreten Einzelfall bezogene ausgewogene Analyse der verschiedenen Kriterien, die mitberücksichtigt werden müssen, umfassen. Hierbei müssen drei Aspekte abgewogen werden: die spezifische rechtliche Wirkungsweise der ausgewählten Handlungsform – hierbei insb. die unmittelbare und mittelbare Wirkung der Handlungsform und die Auswirkungen auf die Implementation –, die konkrete Regelungsdichte (insb. bei detaillierten Richtlinien) und schließlich der tatsächliche Regelungsinhalt, der zumeist jedoch bereits bei der Prüfung der Regelungsdichte Relevanz entfalten wird. Nach der Ermittlung der Aspekte muss dann eine spezifische Gewichtung vorgenommen werden, die im Einzelfall zu dem Ergebnis des mildesten Mittels führt. Durch unterschiedliche Gewichtung der einzelnen Aspekte bzw. innerhalb der einzelnen Aspekte kann es allerdings zu unterschied­ lichen, im Zweifelsfall aber durchaus vertretbaren gleichwertigen Ergebnissen kommen. Im Anschluss an die Prüfung der Erforderlichkeit muss auch die Angemessenheit der Maßnahme, also die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, im Wege einer Zweck-Mittel-Relationsprüfung geprüft werden. Einzig wenn alle Prüfkriterien der Verhältnismäßigkeitsprüfung eingehalten werden, ist die vom Unionsgesetzgeber gewählte Maßnahme auch als verhältnismäßig und als hiernach rechtmäßig anzusehen. Festzuhalten bleibt, dass das Hauptaugenmerk innerhalb der Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer vom Unionsgesetzgeber ausgewählten Handlungsform auf der Erforderlichkeit liegen muss. Auch wenn dem Unionsgesetzgeber, wie bereits festgestellt, ein weiter Ermessensspielraum bei Ermächtigungsgrundlagen mit mehreren Handlungsalternativen zukommt, so zeigt sich nach den obigen Ausführungen doch, dass dieses Ermessen nicht schrankenlos ist und dass die Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit überprüf- und daher beanstandbar sind. i) Verbesserungsmöglichkeiten Nach Aufstellung der obigen Kriterien zeigt sich, dass das Ermessen des Unionsgesetzgebers bei der Wahl der Handlungsform zwar weit ist, jedoch seine Schranke im Verhältnismäßigkeitsprinzip findet. Insbesondere der Prüfungspunkt der Erforderlichkeit verlangt eine genaue Auseinandersetzung des Unionsgesetzgebers mit den abzuwägenden Aspekten: die spezifische rechtliche Wirkungsweise der ausgewählten Handlungsform, hierbei insbesondere die unmittelbare und mittelbare Wirkung der Handlungsform und die Auswirkungen auf die Implementation, die konkrete Regelungsdichte (insb. bei detaillierten Richtlinien) und schließlich der tatsächliche Regelungsinhalt.

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Eine solche Auseinandersetzung ist vom Unionsgesetzgeber zu verlangen. Da sich bei unterschiedlicher Gewichtung der einzelnen Aspekte durchaus legitim unterschiedliche Ergebnisse im Hinblick auf die verhältnismäßige Maßnahme er­ geben können, ist diese Auseinandersetzung jedoch für einen außenstehenden Betroffenen und insbesondere auch für den zur Kontrolle befugten EuGH kaum eindeutig nachvollziehbar. Somit ist eine Kontrolle der Anwendung des Ermessens in verhältnismäßiger Art und Weise bei der Wahl der Handlungsform durch den Unionsgesetzgeber nicht gewährleistet. Zwar besteht grundsätzlich für diesen eine Begründungspflicht auch im Hinblick auf die Einhaltung des Verhältnis­ mäßigkeitsgrundsatzes, diese Begründung ist im Regelfall jedoch insofern nur unzureichend, dass der Unionsgesetzgeber allenfalls schematisch wiederholt, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch eingehalten wurde. Um eine bessere Überprüfung der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Hinblick auf die Wahl der Rechtsform zu ermöglichen, wäre es denkbar, die Begründungspflicht des Unionsgesetzgebers auszubauen. Dies insofern, als eine genauere Begründung von diesem verlangt wird, in der die genauen Umstände, die zur Entscheidung genau für die speziell ausgewählte Rechtsform geführt haben, näher erläutert werden. Dies sollte im Idealfall so umfassend ge­ schehen, dass genau nachvollzogen werden kann, warum das ausgewählte Mittel in diesem Regelungsfeld mit diesem Regelungsinhalt das mildeste und folglich das erforderliche ist. Hierbei können eine rein formelhafte Wiederholung der verschiedenen Prüfungspunkte des Verhältnismäßigkeitsprinzips und eine knappe Bestätigung seiner Einhaltung nicht als ausreichend angesehen werden. Auch kann nicht genügen, dass Allgemeingründe wie beispielsweise die Gewährleistung des Binnenmarktes ohne weitere Erläuterung für die Auswahl einer speziellen Handlungsform herangezogen werden. Werden solche Gründe herangezogen, so muss verlangt werden, dass der Unionsgesetzgeber ganz genau begründet, warum genau die ausgewählte Handlungsform verhältnismäßig ist und welche Auswirkungen im Zweifelsfall die Anwendung einer anderen Handlungsform hätte. 3. Rechtsformenwandel a) Grundlegendes Bisher wurde nur genauer betrachtet, nach welchen Maßgaben der Unions­ gesetzgeber Sekundärrechtsakte bei mehreren Handlungsvarianten erlassen kann. Nun soll der auch unter diese Konstellation fallende Spezialfall, dass eine in einem bestimmten Kompetenzbereich erlassene Richtlinie bzw. mehrere Richtlinien durch eine Verordnung ersetzt werden sollen, genauer beleuchtet werden. Zusätzlich hierzu soll die grundsätzliche Tendenz des Unionsgesetzgebers zu vermehrter Gesetzgebung mittels Verordnung überprüft werden.

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b) Tendenz zum Ersetzen von Richtlinien durch Verordnungen aa) Allgemeines Wie bereits angesprochen kann gerade in der letzten Zeit festgestellt werden, dass insbesondere bei der Abänderung bzw. Zusammenfassung bereits bestehender Rechtsakte639 der vermehrte Gebrauch von Verordnungen bzw. der Ersatz von Richtlinien durch Verordnungen von der Kommission propagiert wird.640 Hierbei unterbleiben im Wesentlichen jedoch klare Begründungen für den verstärkten Einsatz der Verordnung. Die Gründe, die die Kommission angibt, sind meist nur eine abstrakte Auf­ listung der der Verordnung innewohnenden ureigenen Wirkungsweise, nämlich, dass diese rechtsvereinheitlichend wirkt und in den Mitgliedstaaten nicht zu Umsetzungsproblemen führen wird bzw. kein zusätzlicher Zeitaufwand641 für eine Umsetzung erforderlich ist. Fraglich ist nun jedoch, aus welchem Grund die Kommission tatsächlich dazu neigt, vermehrt Richtlinien durch Verordnungen zu ersetzen. Dies kann kaum allein aus einer grundsätzlichen Neigung zu möglichst detaillierter Regulierung resultieren. bb) Gründe für den Rechtsformenwandel Teilweise scheint bei den Begründungen der verschiedenen Berichte, Leit­ linien und Mitteilungen der Kommission durch642, dass der vermehrte Gebrauch von Verordnungen vor allem auch aufgrund einer zunehmenden Umsetzungsproblematik erfolgt. Viele Richtlinien werden von den Mitgliedstaaten nicht ordnungsgemäß oder nicht fristgemäß umgesetzt.643 Diese Problematik resultiert nicht allein aus einer mangelnden Umsetzungsmoral644 der Mitgliedstaa 639

Vgl. hierzu KOM (2001) 728. So auch Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 5. Aufl. 2011, § 9, Rn. 86; auch Hilf geht davon aus, dass die Kommission, sofern sie die Wahl hat, das Instrument der Verordnung vorziehen dürfte, EuR 1993, S. 6. 641 Vgl. hierzu KOM (2001), 428; KOM (2001) 130 endg. 642 So z. B. in KOM (2001) 130 endg., in welchem der Hinweis zu finden ist, dass vorzugsweise für detaillierte Normen, die in den Mitgliedstaaten einheitlich angewandt werde müssen, auf die unmittelbar und einheitlich anwendbare Verordnung statt der Richtlinie zurückgegriffen werden soll, da für deren Umsetzung so viel nationale Rechtsakte erforderlich sind, wie es Mitgliedstaaten gibt; Zum Zeitpunkt dieses Zwischenberichts der Kommission waren es 15 Mitgliedstaaten. 643 Annähernd 90 % der Richtlinien werden jedenfalls irgendwann umgesetzt, vgl. hierzu auch Oppermann, Europarecht, 3. Aufl. 2005, § 6, Rn. 85. 644 Zu den den Mitgliedstaaten bekannten „Möglichkeiten“, wie das durch Richtlinien vereinheitlichte Recht unterlaufen werden kann, Pescatore, Mit der Subsidiarität leben, in: Due/Everling (Hrsg.), Festschrift Ulrich Everling, Band I, 1995, S. 1079. 640

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Teil 1: Grundlagen

ten645. Vielmehr kann eine dauerhafte Überforderung der Mitgliedstaaten646 mit den vielen umzusetzenden Richtlinien gegeben sein. Gründe liegen nicht nur in der aufgrund entgegenstehender nationaler Interessen mitgliedstaatlichen Unwilligkeit, sondern oftmals auch in der tatsächlichen Unfähigkeit der Mitgliedstaaten. Eine solche Unfähigkeit kann verschiedene Ursachen haben:647 Die Ursache kann zunächst in der kurz vor dem Ende stehenden Legislaturperiode oder im vorzeitigen Ende der Legislaturperiode eines Mitgliedstaates648 liegen. Hierbei kann eine kurze Umsetzungsfrist649 noch zu zusätzlichen Schwierigkeiten führen. Auch eine Regierungskrise650, z. B. bei der Bildung der Regierung oder in einem Vielparteiensystem bei der Koalitionsbildung oder Trennung, kann dazu führen, dass ein Mitgliedstaat nicht dazu in der Lage ist, ordnungsgemäß umzusetzen. Weiter können Umsetzungsprobleme auch aufgrund der föderalen Struktur651 mancher Mit 645 Vgl. hierzu Grams, Zur Gesetzgebung der Europäischen Union, 1998, S. 174 ff.; zur Rolle der nationalen Gesetzgeber als bloße „Umsetzungsautomaten vgl. Fuß, DVBl. 1965, S. 381; Everling, Rechtsangleichung zur Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes, in: Baur/ Steindorff (Hrsg.), Festschrift Ernst Steindorff, 1990, S. 1166; Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2000, S. 303; vgl. hierzu auch Oldekop, JöR 1972, S. 78 f. 646 Hierzu auch Hilf, EuR 1993, S. 16 ff. 647 Zu den innenpolitischen Faktoren einer mangelnden Umsetzung vgl. auch Everling, in: Reichert-Facilides/Rittner/Sasse (Hrsg.), Festschrift Reimer Schmidt, 1976, S.  176; Winkel, ZG 1997, S. 115; zu den verschiedenen vom EuGH verworfenen Einwänden siehe Grams, Zur Gesetzgebung der Europäischen Union, 1998, S. 174 f.; Hilf spricht davon, dass die Mitgliedstaaten kaum jemals „so phantasiereich vor dem EuGH“ argumentieren „wie in den Fällen, in denen es darum geht, sich gegenüber Vertragsverletzungsklagen seitens der Kommission zu rechtfertigen“, EuR 1993, S. 16; zur Verwehrung der Berufung der Mitgliedstaaten auf rechtfertigende Argumente durch den EuGH vgl. auch Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/ AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 288 AEUV, Rn. 28. 648 Der EuGH verneinte diesen Einwand, vgl. hierzu EuGH, RS. 79/72, „Forstliches Vermeh­ rungsgut“, Slg. 1973, I-0667, Rn. 3 ff.; EuGH, RS. C-147/94, „Kommission/Königreich Spa­ nien“, Slg. 1995, I-1015, Rn. 4; bezüglich eines Regierungswechsels vgl. EuGH, RS. C-205/96, „Kommission/Französische Republik“, Slg. 2000, I-10439, Rn. 5. 649 Auch diese Rechtfertigung der Nichtumsetzung wurde vom EuGH abgelehnt, EuGH, RS. 52/75, „Kommission/Italienische Republik“, Slg. 1976, Rn. 7/9. 650 Wiederum verworfen vom EuGH in RS.  52/75, „Kommission/Italienische Republik“, Slg. 1976, I-277, Rn. 7, 9. 651 Zum Beispiel Deutschlands vgl. Hilf, EuR 1993, S. 16; allgemein zu den föderalen Aspekten bei der Umsetzung von Richtlinien in mitgliedstaatliches Recht Schwarze/Becker/Pollack, Die Implementation von Gemeinschaftsrecht, 1993, S.  59; zur eingeschränkten Möglichkeit der Umsetzung von Richtlinien durch Rechtsverordnungen in Deutschland vgl. Winkel, ZG  1997, S.  116; zum Beispiel Belgiens Defalque, Belgique: synthèse nationale, in Ciavarini Azzi (Hrsg), L’Application du Droit Communautaire par les Etats Membres, Maastricht 1985, S. 20 f.; Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 288 AEUV, Rn. 28; zu den Auswirkungen der Bundesstaatlichkeit Deutschlands auf die Umsetzung von EG-Richtlinien und ihren Vollzug vgl. Trüe, EuR 1996, S. 179 ff.; zu den Rechtsetzungsproblemen Spaniens insbesondere bei der Umsetzung von Richtlinien vgl. Chiner, Rechtsetzungs­ probleme eines gegliederten Staates beim Beitritt zu den Europäischen Gemeinschaften  – Das Beispiel Spanien, in: Schäffer (Hrsg.), Europäische Integration und Gesetzgebung, 1992, S. 93 ff.

C. Die Europäische Rechtsetzung im Lichte des Art. 5 EUV

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gliedstaaten entstehen oder sich auch aus der in einem Mitgliedstaat bestehenden Verwaltungsstruktur652 ergeben.653 Eine Unfähigkeit der Mitgliedstaaten, ordnungsgemäß Richtlinien umzusetzen, kann also vielfältige Ursachen haben. Diese Ursachen sind oft nur schwer von den Mitgliedstaaten entgegenwirkend zu beeinflussen. Es kann dabei passieren, dass ein Mitgliedstaat nur in begrenztem Maße Einwirkungsmöglichkeiten auf die Umsetzung haben kann. Aufgrund der steigenden Anzahl der Mitgliedstaaten und teilweise auch aufgrund der Anzahl von umzusetzenden Richtlinien654 verschärft sich diese Pro­ blematik sichtlich. Eine einheitliche fristgerechte und ordnungsgemäße Umsetzung von Richtlinien in allen momentan 27 Mitgliedstaaten ist also immer mehr in Gefahr und nur schwer zu verwirklichen. cc) Schwierigkeiten bei der Kontrolle der Umsetzung bzw. des laufenden Vollzugs Die Kommission soll gemäß Art. 17 Abs. 1 S. 3 EUV (ex-Art. 211 UAbs. 1 EGV) für die Anwendung des Vertrags sowie der von den Organen aufgrund des Vertrags getroffenen Bestimmungen Sorge tragen.655 Sie kann gemäß Art. 337 AEUV (ex-Art. 284 EGV) zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben die erforder­lichen Auskünfte einholen und die erforderlichen Nachprüfungen vornehmen.656 Als wichtigste Sanktionsmöglichkeit, trotz mangelnder Vollstreckungsmöglichkeit, sieht der AEUV in Art. 258 f. (ex.-Art. 226 f. EGV) das Vertragsverletzungsverfahren vor. Weitere Probleme bei der Rechtsetzung durch Richtlinien können sich nun auf Seiten der Kommission ergeben, nämlich dann, wenn es darum geht, dass die ordnungsgemäße Richtlinienumsetzung in den Mitgliedstaaten kontrolliert und überwacht werden soll. 652

Jedoch kann sich ein Mitgliedstaat laut EuGH nicht auf Bestimmungen, Übungen und Umstände innerstaatlichen Rechts berufen vgl. hierzu EuGH, RS.  52/75, „Kommission/Ita­ lienische Republik“, Slg. 1976, I-277, LS 2; EuGH, RS. C-205/96, „Kommission/Königreich Belgien“, Slg. 1997, I-795, Ls. 653 Als weitere mit der Nichtumsetzung einer Richtlinie zusammenhängende Gründe, die nicht vom EuGH anerkannt sind kommen in Betracht: aus Gründen der Verfahrensökonomie mit der Umsetzung der Richtlinie zu warten bis eine weitere mit umgesetzt werden kann, EUGH, RS. C-74/02, „Kommission/Bundesrepublik Deutschland“, Slg. 2003, I-9877, Rn. 10; die unmittelbare Wirkung einzelner Richtlinienbestimmungen, EuGH, RS. 102/79, „Kommis­ sion/Königreich Belgien“, Slg. 1980, I-1473, Rn. 6, 12. 654 Vgl. hierzu Winkel, ZG 1997, S. 115. 655 Allgemein zu Kontrolle und Durchsetzung von Sekundärrecht siehe Magiera, JURA 1989, S. 605. 656 Siehe hierzu auch Schwarze, Grenzen für die Ermittlungstätigkeit der Kommission als Wettbewerbsbehörde der EG, in: Schwarze (Hrsg.), Der Gemeinsame Markt, Bestand und Zukunft in wirtschaftsrechtlicher Perspektive, 1987, S. 159 ff.

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Teil 1: Grundlagen

Die Überwachung der Umsetzung von Richtlinien obliegt der Kommission. Diese zeigt sich vermehrt überfordert damit, laufend die Umsetzung der großen Flut von Richtlinien in allen Mitgliedstaaten zu überwachen.657 Zudem können die den Mitgliedstaaten immanenten Regelungssysteme dazu führen, dass die Kommission große Schwierigkeiten bei der Kontrolle der Umsetzung hat, da sie nicht über ausreichend Kenntnisse des nationalen Rechts­gefüges verfügt. Aufgrund der Richtlinienfülle, der auf 27 Staaten angestiegenen Mitgliederzahl und aufgrund der unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Rechtssysteme658 kann die Kommission in vielen Fällen nur noch die von den Mitgliedstaaten abzugebenden Umsetzungsberichte zur Kenntnis659 nehmen und nach Ablauf der Umsetzungsfrist gegebenenfalls Sanktionen in Form von Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Im Jahre 2007 bspw. waren von 221 beim EuGH eingereichten Klagen 212 (also 95,93 %) Vertragsverletzungsverfahren.660 dd) Im zu regelnden Rechtsgebiet liegende Gründe Es scheint jedoch auch, als wäre der Wandel von der Rahmenrichtlinie bzw. der Einzelrichtlinie zur Verordnung in bestimmten Rechtsgebieten nunmehr die bessere Wahl, da diese Rechtsgebiete durch eine einheitliche Regelung umfassender strukturiert werden können. Bei bestimmten Regelungsgebieten ist ein so starkes Maß an Detaillierung erforderlich, dass diese nur noch durch Verordnungen ge­ regelt werden können.661 Beispiele hierzu finden sich im Gefahrstoffrecht, insbesondere in der REACHVerordnung662, mit der verschiedene im Chemikalienbereich erlassene Richtlinien und auch Verordnungen zusammengefasst worden sind.663

657

Hierzu auch Hilf, EuR 1993, S. 3 der bemerkt, dass die Kommission beginnt, „bei der Aufgabe einer umfassenden Umsetzungskontrolle zu resignieren“. 658 Zum Beispiel Deutschlands als föderaler Staat, der bezüglich der Umsetzung der Grundwasser-Richtlinie 16 verschiedene landesrechtliche Vorschriften zu übermitteln hatte, vgl. Hilf, EuR 1993, S. 16. 659 So auch Hilf, EuR 1993, S. 16. 660 Vgl. hierzu die Statistik des Rechtsetzungsberichts des EuGH 2007. 661 Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 142 f. 662 Verordnung (EG) Nr.  1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.12.2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer europäischen Agentur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission, ABl. Nr. L 396 vom 30.12.2006, S. 1; Berichtigung in ABl. Nr. L 136 vom 29.05.2007. 663 Siehe hierzu auch Pache/Rucireto, DLR 2009 S. 308.

C. Die Europäische Rechtsetzung im Lichte des Art. 5 EUV

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Ein grundsätzlicher Änderungsbedarf ergab sich in diesem Bereich unter anderem deshalb, weil „die geltenden Rechtsvorschriften nicht mehr geeignet waren, die Bedenken der Öffentlichkeit hinsichtlich der möglichen Gefahren von Chemikalien für die Gesundheit und die Umwelt zu zerstreuen“.664 Nach Auffassung der Kommission gab es keine andere Möglichkeit als die Rege­lung der Verordnung. Unter anderem war der Gebrauch einer Verordnung in diesem Bereich nach Ansicht der Kommission auch durch die technische Kom­ plexität gerechtfertigt, da es um potentiell gefährliche Stoffe geht. Weiter wurde angeführt, dass eine Verordnung den besten Schutz vor Wett­ bewerbsverzerrungen bietet; diesem Aspekt kam wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen der geplanten Maßnahme entscheidende Bedeutung zu. Am Beispiel der REACH-Verordnung lässt sich aufzeigen, dass nach Ansicht der Kommission in bestimmten Rechtsgebieten die Regelung durch Verordnungen der durch Richtlinien vorzuziehen ist. Diese Rechtsgebiete zeichnen sich insbesondere durch bestimmte stoffspezifische Gefahren bzw. hohe technische Komplexität aus. Verordnungen können also auch erforderlich sein, um eine erhöhte Detailpräzision zu erreichen, mit welcher technische Handelshemmnisse abgebaut werden können.665 Fraglich bleibt aber, ob alle Richtlinien in eine Verordnung übertragen werden mussten, oder ob nicht auch noch Raum für eine zusammenfassende Richtlinie neben der Verordnung geblieben wäre, wie dies möglicherweise bei der Lebens­ mittel-Basis-Verordnung666 der Fall gewesen wäre. Diese Überlegung liegt nahe, da möglicherweise kein rechtliches Bedürfnis dafür bestanden hat, alle bisher bestehenden Richtlinienregelungen nunmehr in einer Verordnung unterzubringen. ee) Schlussfolgerung Die in bestimmten Bereichen zu beobachtende Tendenz zum Wandel der Rechtsetzungsform von der Richtlinie zur Verordnung ergibt sich wohl aus der zunehmenden mit dem Richtlinienerlass verbundenen Umsetzungsproblematik. Die Umsetzungsproblematik, die in nicht-ordnungsgemäßer oder nicht-fristgerechter Umsetzung liegt, ist innerhalb der Union aber kein neuartiges Problem, sondern mit der Rechtsetzung mittels Richtlinien ureigen verbunden. Die man-

664

Hierzu und zu weiteren Gründen KOM (2003) 770 endg. Vgl. hierzu auch Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 4. Aufl. 2009, § 10, Rn. 95. 666 Verordnung (EG) Nr.  178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Fest­ legung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit vom 28.01.2002, ABl. Nr. L 31, S. 1 ff. 665

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Teil 1: Grundlagen

gelnde Umsetzung ist jedoch ein sich zuspitzendes Problem, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass die Anzahl der Mitglieder der Union und somit die Anzahl der Staaten, die Rechtsakte umsetzen müssen und eventuell Probleme dabei haben, ständig zunimmt. Die Anzahl der umzusetzenden Richtlinien und deren Detailfülle tragen noch zu dieser Problemstellung bei. Mittlerweile sind von der Kommission 27 Staaten auf die ordnungsgemäße Umsetzung hin zu überwachen und zu kontrollieren. Dies ist in bestimmten Bereichen für die Kommission auch aufgrund der unterschiedlichen Rechtssysteme der verschiedenen Mitgliedstaaten nicht mehr ausreichend handhabbar. In diesem soeben dargestellten Sachverhalt zeigen sich daher die Heraus­ forderungen, die mit der EU-Rechtsetzung, die im Großen und Ganzen über zwei Hauptrechtsetzungsinstrumente verfügt – Richtlinie und Verordnung – ein­ hergehen. Richtlinienrechtsetzung in einer Union mit mittlerweile 27 Mitgliedstaaten kann kompliziert, langwierig und eventuell sogar nicht zielführend sein. Da der Kommission aufgrund schlechter Erfahrung diese Problematik wohlweislich bekannt sein dürfte, ist davon auszugehen, dass die fragliche Tendenz, innerhalb der Unionsrechtsetzung Richtlinien durch Verordnungen auszutauschen, hauptsächlich mit der zunehmenden Mitgliederzahl der Union zusammenhängt.

c) Ermächtigungsgrundlage Zwar völlig selbstverständlich, aber leicht zu vergessen ist nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung die Notwendigkeit einer Ermächtigungsgrundlage, die den Unionsgesetzgeber neben dem Richtlinienerlass auch dazu ermächtigt, im fraglichen Regelungsgebiet Verordnungen zu erlassen. Ist eine solche Ermächtigungsgrundlage nicht gegeben und auch Art. 352 AEUV (ex-Art. 308 EGV) im Grundsatz nicht anwendbar, so scheitert die Rechtmäßigkeit des Rechtsformenwandels bereits an einer fehlenden Ermächtigungsgrundlage. Die Ermächtigungsgrundlage, auf die sich nach dem Rechtsformwandel die Verordnung stützt, muss eine solche Maßnahme von Seiten des Unionsgesetzgebers mithin auch zulassen. Hierfür kommen Ermächtigungsgrundlagen mit ausdrücklich vorgesehenen Handlungsformen – insbesondere Richtlinie und Verordnung – und solche ohne ausdrücklich vorgegebene Handlungsformen in Betracht.

d) Verhältnismäßigkeitsprinzip Fraglich ist nun weiter, ob diese vom Unionsgesetzgeber ausgeübte Praxis des vermehrten Ersetzens von Richtlinien durch Verordnungen auch verhältnismäßig ist. Diese Frage kann jedoch nicht generell beantwortet werden, sondern muss unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände erfolgen.

C. Die Europäische Rechtsetzung im Lichte des Art. 5 EUV

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Für die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit des Austausches von Handlungsformen, insbesondere von der Richtlinie zur Verordnung, können die oben bereits allgemein untersuchten Prüfungsgrundsätze herangezogen werden. Hierbei wird insbesondere die Überprüfung der Erforderlichkeit den wichtigsten Teil der Verhältnismäßigkeit eines solchen Rechtsformenwandels ausmachen. Bei der Erforderlichkeit ist insbesondere zu prüfen, ob die neu gewählte Handlungsform – im Falle der Arbeit also die Verordnung – das erforderliche, mithin das mildeste Mittel ist. Hierbei sei grundsätzlich auf die drei Prüfungsaspekte der Erforderlichkeit der Handlungsform  – spezifische rechtliche Wirkungsweise der Handlungsform, konkrete Regelungsdichte und tatsächlicher Regelungsinhalt  – verwiesen. Zusätzlich zu der allgemeinen Erforderlichkeitsprüfung muss allerdings speziell geprüft werden, ob der Wandel der Rechtsetzungsform gerechtfertigt ist. Hierfür kommen verschiedene Gründe in Betracht, die wiederum mit dem Wechsel der Wirkungsweise und den daraus resultierenden Nachteilen abgewogen werden müssen, um die Erforderlichkeit des neuen Mittels festzustellen. Ein Bedürfnis für einen Rechtsformwandel von einer Richtlinie hin zu einer Verordnung kann verschiedene Gründe haben, die, da sie einzelfallbezogen sind, hier nur exemplarisch am Beispiel der REACH-Verordnung aufgelistet werden können:667 „Eine Verordnung bietet den besten Schutz vor Wettbewerbsverzerrungen; diesem Aspekt kann wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen der geplanten Maßnahme entscheidende Bedeutung zukommen. Außerdem ist es bei einer Verordnung im Gegensatz zu einer Richtlinie für die Mitgliedstaaten leichter, die legislativen Folgemaßnahmen zu treffen. Für die Kommission ist es dann leichter, diese Folgemaßnahmen zu überwachen, dies insbesondere im Hinblick auf die Anzahl der Mitgliedstaaten. Schließlich ist der Gebrauch von Rechtsvorschriften in bestimmten Bereichen durch die technische Komplexität gerechtfertigt, insbesondere wenn es um potentiell gefährliche Stoffe geht.“

Weiter müssen in die Überlegungen zur Erforderlichkeit eines Wechsels der Rechtsform auch eventuell aus der ursprünglich angewandten Rechtsform resultierende Nachteile mit eingestellt werden. Nach Sammlung von allen in Betracht kommenden rechtlichen Vor- und Nachteilen kann eine individuelle Abwägung vorgenommen werden, die zu einem jeweils für den Einzelfall spezifischen Ergebnis führt. 667 Vgl. hierzu die Ausführungen der Kommission zur REACH-Verordnung in KOM (2003) 770 endg.

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Teil 1: Grundlagen

e) Ergebnis zum Rechtsformenwandel Für die Rechtmäßigkeit eines Rechtsformenwandels im Sinne dieser Arbeit, also von der Richtlinie zur Verordnung, ist es nicht allein aufgrund des auch vom EuGH bestätigten weiten Ermessensspielraums des Unionsgesetzgebers aus­ reichend, dass für dessen Handeln eine Ermächtigungsgrundlage vorliegt, die entweder ausdrücklich oder ohne ausdrücklich vorgegebene Handlungsform dazu ermächtigt, sowohl Richtlinien als auch Verordnungen zu erlassen. Wie bei der erstmaligen Rechtsetzungstätigkeit in einem bestimmten Re­ gelungsgebiet muss die ausgewählte Handlungsform auch beim Rechtsetzungswandel verhältnismäßig sein. Bei der der Untersuchung zugrundeliegenden Konstellation des Wandels von der Richtlinie zur Verordnung muss zusätzlich innerhalb der Verhältnismäßigkeitsprüfung ein gesondertes Bedürfnis für einen solchen Wandel bestehen. Dieses kann insbesondere dann gegeben sein, wenn die Rechtsetzung mittels Richtlinie in diesem Bereich nicht zielführend oder in anderer Weise ungenügend war, so dass ein Wandel der Rechtsetzungsform zur Erreichung des Ziels erforderlich ist.668 Da sich durch einen Rechtsetzungswandel für alle von der Rechtsetzung Betroffenen – die Mitgliedstaaten, die Einzelnen und die Unternehmen669 – durchaus auch Änderungen ergeben, die möglicherweise einschneidende Auswirkungen haben können, muss auf Seiten des Unionsgesetzgebers eine besondere Sensibilität für die tatsächliche Erforderlichkeit des Wandels vorhanden sein. Wie bereits festgehalten, zeigt der Wandel der Rechtsform von der Richtlinie zur Verordnung insbesondere für die Souveränität bzw. den Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten Auswirkungen. Diese nötige Sensibilität, der durch eine umfassende Auseinandersetzung des Unionsgesetzgebers mit den Auswirkungen des Rechtsetzungswandels Rechnung getragen werden kann, muss insbesondere in der Begründung des neuen Rechtsakts kenntlich gemacht werden. Die bei vergleichbarem Rechtsetzungsverhalten bisher vorhandenen Begründungen sind, soweit sie allein die grundsätzliche Wirkungsweise der Verordnung – insbesondere die rechtsvereinheitlichende Wirkung – anführen, nicht ausreichend, um diesem Erfordernis gerecht zu werden.670

668 Vgl. hierzu auch Kraußer, Das Prinzip begrenzter Ermächtigung im Gemeinschaftsrecht als Strukturprinzip des EWG-Vertrages, 1991, S. 25. 669 Die unterschiedlichen unmittelbaren und mittelbaren Wirkungen der Rechtsformen „Richt­ linie“ und „Verordnung“ sind bereits oben ausführlich untersucht worden. 670 Vgl. hierzu beispielsweise Nr. 5 der Begründung zum Verordnungsvorschlag KOM (2006) 388 endg. vom 12.07.2006.

C. Die Europäische Rechtsetzung im Lichte des Art. 5 EUV

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VI. Ergebnis zum Ordnungsrahmen bezüglich der Wahl der Rechtsaktform im Unionsrecht Als Ergebnis hinsichtlich des Ordnungsrahmens bezüglich der Wahl der Rechtsaktform zwischen Richtlinie und Verordnung kann nunmehr folgendes festgehalten werden. Richtlinie und Verordnung unterscheiden sich im Hinblick auf die unmittelbare und die mittelbare Wirkungsweise erheblich voneinander. Ein klares Hierarchieverhältnis dieser beiden Rechtsaktformen hinsichtlich dieser Wirkungsweise ist jedoch nicht festzustellen und auch nicht so intendiert. Bei der Frage der Wahl zwischen diesen beiden Handlungsformen muss zunächst einmal eine solche Wahlmöglichkeit überhaupt bestehen. Dies gebietet der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung, nach welchem der europäische Gesetzgeber nur tätig werden darf, wenn er dazu ermächtigt ist. Ist eine Ermächtigungsgrundlage vorhanden, die entweder explizit oder inzident die Wahlmöglichkeit zwischen diesen Handlungsformen eröffnet, so stellt sich die Frage, nach welchen Grundsätzen sich der europäische Gesetzgeber bei dieser Wahl zu richten hat. Hier kommt insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zum Zuge, der auch im „Verhältnis Union – Mitgliedstaaten“ Anwendung findet. Hiernach muss zunächst geprüft werden, ob mit dem in Frage stehenden Rechtsakt ein legitimes Ziel verfolgt wird. Anschließend muss die ausgewählte Rechtsaktform auch zur Erreichung dieses Ziels geeignet sein. Schwierigkeiten zeigen sich indes beim Prüfungspunkt der Erforderlichkeit der Maßnahme. Hier stellt sich die Frage nach einem möglicherweise vorhandenen gleich geeigneten milderen Mittel. Ob die Richtlinie oder die Verordnung das mildere Mittel darstellt und somit erforderlich im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung der Handlungsform ist, kann nicht ohne genaue Betrachtung des in Frage stehenden Rechtsakts beant­ wortet werden. Bei Beantwortung dieser Frage ist auf verschiedene Kriterien abzustellen und diese sind miteinander sinnvoll abzuwägen. Erstes Kriterium ist die Betrachtung der rechtlichen Wirkungen im Zusammenhang mit der gewählten Rechtsform. Dabei zeigt sich, dass es einige Schwierig­ keiten bereitet, eine Hierarchie im Hinblick auf die unterschiedliche Wirkungsweise der Verordnung und der Richtlinie aufzustellen. Aus diesem Grund kann nicht verallgemeinernd davon ausgegangen werden, dass die Richtlinie grundsätzlich das mildere Mittel darstellt. Vielmehr müssen im Einzelfall die Vor- und Nachteile der jeweiligen Rechtsform abgewogen und zusammen mit Überlegungen zur bestmöglichen Implementation bewertet werden. Alleine die Betrachtung der rechtlichen Wirkungen der einzelnen Maßnahmen ist jedoch nicht ausreichend, um festzustellen, welche Maßnahme die erforderliche ist. Zu dieser Überprüfung muss die Untersuchung der tatsächlichen Regelungsdichte erfolgen. Bei der Erscheinung in Form einer detaillierten Richtlinie kann

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Teil 1: Grundlagen

dies dazu führen, dass Richtlinien in ihrer Wirkungsweise Verordnungen gleichen und den nationalen Gesetzgebern keinerlei Umsetzungsspielraum mehr bieten. Hierbei muss insbesondere auch berücksichtigt werden, dass Richtlinien zum Teil in solche mit überwiegend verfahrensrechtlichen Inhalten und solche mit materiellen Inhalten unterteilt werden können und unterschiedlich hinsichtlich des Maßes der Detailliertheit im Hinblick auf ihre Erforderlichkeit behandelt werden müssen. Während Richtlinien mit materiellem Inhalt, die so detailliert ausgestaltet worden sind, dass den Mitgliedstaaten keinerlei Handlungsspielraum mehr er­öffnet ist, aufgrund des trotzdem bestehenden Umsetzungsaufwandes der Mitgliedstaaten wohl besser in der Rechtsform der Verordnung ergangen wären, da diese in diesem Fall hinsichtlich Wirkung, Umsetzungsaufwand und Kontroll­möglichkeit der Kommission wohl das mildere Mittel wäre, kann von dieser einfachen Unterscheidung bei Richtlinien mit verfahrensrechtlichem Gehalt nicht ausgegangen werden. Diese sind der Natur der Sache nach detailliert ausgestaltet. Dass solche Regelungsinhalte vom Europäischen Gesetzgeber trotzdem möglicherweise in Form der Richtlinie ergehen, obwohl sie den Mitgliedstaaten keinerlei Umsetzungsspielraum mehr überlassen, liegt nicht am Ziel der Kompetenzschonung, sondern am Ziel der Strukturschonung der Mitgliedstaaten. Der Europäische Gesetzgeber möchte sich durch eine solche Art der Rechtsetzung entlasten und schont die mitgliedstaatlich bereits vorhandenen Regelungsgefüge in diesem Bereich. Strebt der Europäische Gesetzgeber jedoch eine Vereinheitlichung eines ganzen Verfahrensrechts eines Regelungsgebiets an, so stellt sich die Rechtsform der Verordnung in einem solchen Fall als die erforderliche dar. Teilweise kann also die konkrete Regelungsdichte mehr über die Wirkungsweise des Rechtsakts und hierbei insbesondere der Richtlinie aussagen als die abstrakt in Art.  288 Abs.  3 AEUV (ex-Art.  249 Abs.  3 EGV) normierten Voraus­ setzungen der Handlungsform. Somit spielt bei der Frage der Erforderlichkeit einer Handlungsform nicht nur deren spezifische rechtliche Wirkungsweise, sondern auch deren konkret ausgestaltete Regelungsdichte eine große Rolle. Eine bezüglich der Erforderlichkeit eher untergeordnete Rolle spielt der tatsächliche Regelungsinhalt der Maßnahme, da dieser bereits von der Regelungsdichte in gewisser Weise mit umfasst ist. Zusammenfassend lässt sich bezüglich der Erforderlichkeit einer unionalen Maßnahme festhalten, dass drei verschiedene Aspekte mit in die Untersuchung und die sich anschließende Bewertung der Erforderlichkeit einfließen müssen: –– die spezifische rechtliche Wirkungsweise der ausgewählten Handlungsform, hierbei insbesondere: –– die unmittelbare Wirkung, –– die mittelbare Wirkung, –– Auswirkungen auf die Implementation;

C. Die Europäische Rechtsetzung im Lichte des Art. 5 EUV

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–– die konkrete Regelungsdichte (insb. bei detaillierten Richtlinien); –– der tatsächliche Regelungsinhalt. Im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit einer Maßnahme müssen also diese drei Aspekte herangezogen werden und miteinander in Bezug gesetzt und abgewogen werden, um zu einem Ergebnis zu gelangen. Die Überprüfung der Erforderlichkeit ist stark einzelfallabhängig. Bezüglich des letzten Prüfungspunkts des Verhältnismäßigkeitsprinzips, der Angemessenheit, muss im Regelfall, wenn die übrigen Kriterien der Verhältnis­ mäßigkeitsprüfung eingehalten sind, auch von dessen Einhaltung ausgegangen werden. Diese Prüfungsfolge gilt dem Grundsatz nach nicht nur beim erstmaligen Erlass eines Rechtsakts, sondern ebenfalls beim Wandel einer Rechtsaktform in eine andere  – hierbei insbesondere für den untersuchten Wandel von der Richtlinie zur Verordnung. Bei dieser Konstellation des Wandels von der Richtlinie zur Ver­ ordnung muss zusätzlich innerhalb der Verhältnismäßigkeitsprüfung ein gesondertes Bedürfnis für einen solchen Wandel bestehen. Dieses kann insbesondere dann gegeben sein, wenn die Rechtsetzung mittels Richtlinie in diesem Bereich nicht zielführend oder in anderer Weise ungenügend war, so dass ein Wandel der Rechtsetzungsform zur Erreichung des Ziels erforderlich ist.671 Ein Bedürfnis für den Wandel der Rechtsform kann sich jedoch auch aus einer geänderten Adressatenstellung des in Frage stehenden Rechtsakts ergeben. So kann sich die Rechtsform der Richtlinie nicht an Unionsorgane oder -einrichtungen richten. Weiter kann sich möglicherweise das Bedürfnis für einen Wandel der Rechtsform insbesondere bei einer Richtlinie mit verfahrensrechtlichem Inhalt dadurch ergeben, dass sich die Intention des europäischen Gesetzgebers diesbezüglich insofern geändert hat, als er nicht mehr die Strukturschonung und mithin die bestmögliche Einpassung in bereits vorhandene Regelungsstrukturen der Mitgliedstaaten zum Ziel hat, sondern vielmehr eine komplette Vereinheitlichung des Verfahrenssystems innerhalb der Mitgliedstaaten bezweckt. Diese nötige Sensibilität, der durch eine umfassende Auseinandersetzung des Unionsgesetzgebers mit den Auswirkungen des Rechtsetzungswandels Rechnung getragen werden kann, muss insbesondere in der Begründung des neuen Rechtsakts kenntlich gemacht werden. Hinsichtlich bisher vorhandener Begründungen bei vergleichbarem Rechtsetzungsverhalten sind diese, soweit sie allein die grundsätzliche Wirkungsweise der Verordnung  – insbesondere die rechtsvereinheit­ lichende Wirkung – anführen, nicht als ausreichend anzusehen, den unionsrecht­ lichen Begründungsanforderungen gerecht zu werden.672 671

Vgl. hierzu auch Kraußer, Das Prinzip begrenzter Ermächtigung im Gemeinschaftsrecht als Strukturprinzip des EWG-Vertrages, 1991, S. 25. 672 Vgl. hierzu beispielsweise Nr. 5 der Begründung zum Verordnungsvorschlag KOM (2006) 388 endg.

Teil 2

Referenzgebiete A. Lebensmittelrecht Erstes Referenzgebiet, um den Wandel der Unionsgesetzgebung von der Richt­ linie zur Verordnung zu untersuchen, soll nun das Lebensmittelrecht sein, in dem der Unionsgesetzgeber im Jahr 2002 die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit1, die so genannte lebensmittelrechtliche Basis-Verordnung (BasisVO), erlassen hat. Diese BasisVO soll auf ihre Rechtmäßigkeit im Hinblick auf die Rechtsformwahl und hierbei insbesondere auf ihre Übereinstimmung mit den Vorgaben des Art. 5 EUV (ex-Art. 5 EGV) hin überprüft werden.

I. Einführung in den Bereich des Lebensmittelrechts Die unionalen Regelungen zum Lebensmittelrecht2 sind und waren sehr umfangreich und regelungsintensiv.3 In den letzten Jahren haben sich in diesem Bereich jedoch zahlreiche neue Regelungen ergeben. Angestoßen wurden diese Neuerungen durch die Umsetzung des Grünbuchs „Allgemeine Grundsätze des Lebensmittelrechts in der Euro­ päischen Union“4 und des „Weißbuchs zur Lebensmittelsicherheit“5. In Umsetzung dieser Bücher wurden zahlreiche Verordnungen – teilweise in Ersetzung von bereits bestehenden Richtlinien – und Richtlinien erlassen.6 1 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.01. 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit, ABl. Nr. L 31 vom 01.02.2002. 2 Zu den Europäischen Entwicklungen im Lebensmittelrecht von Engelbrechten, ZLR 2000, S.  428 ff.; zu den „Kraftquellen des Umbruchs des Lebensmittelrechts Hufen, ZLR  2004, S. 121 f.; zum Lebensmittelrecht im Wandel siehe auch Eckert, ZLR 1999, S. 579 ff. 3 Vgl. hierzu den Überblick bei Streinz, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/BasisVO Kommentar, 2007, § 1, Rn. 36 ff. 4 KOM (1997) 183 endg. vom 30.04.1997. 5 KOM (1999) 719 endg. vom 12.01.2000. 6 Vgl. hierzu den Überblick bei Streinz, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/BasisVO Kommentar, 2007, § 1, Rn. 40.

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Als wichtigste Verordnung bzw. als Kernstück der Neuerungen im Bereich des Lebensmittelrechts gilt hierbei die, die allgemeinen Grundsätze des Lebensmittelrechts regelnde so genannte BasisVO. Daneben kann als weiterer wichtiger Rechtsakt, der in Verordnungsform ergangen ist, die Health-Claims-Verordnung7 genannt werden.8

II. BasisVO Zunächst soll im Bereich des Lebensmittelrechts die BasisVO betrachtet und genauer auf ihre Rechtmäßigkeit insbesondere bezüglich der Wahl der Rechtsform der Verordnung hin untersucht werden. Die BasisVO soll die allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts sowie Verfahren zur Lebensmittelsicherheit festlegen und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit errichten.9 Die BasisVO bildet hierbei gleichwohl kein Beispiel der kompletten Ersetzung einer zunächst vorhandenen Richtlinie durch eine Verordnung. Vielmehr wurden durch die Verordnung zum einen neue Regelungen eingeführt und zum anderen teilweise bestehende Regelungen aus Richtlinien zusammengefasst. 1. Entwicklung der BasisVO Im Bereich des Lebensmittelrechts wurde aufgrund der Vielzahl unterschied­ licher Regelungen schon früh eine einheitliche Rahmenregelung vermisst, in welcher einheitliche Begriffsbestimmungen und einheitliche Schutzkonzepte normiert

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Verordnung EG Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel. 8 Zu Kritik an der bezüglich der diesbezüglich gewählten Rechtsform siehe Meierernst, ZLR 2002, S. 573 f., der anmerkt, dass in den Erwägungsgründen und der Begründung dieses Rechtsakts keine Ausführungen darüber enthalten sind, warum die Rechtsform der Verordnung gewählt wurde und dieses Vorgehen mithin nicht mit der Erklärung Nr. 8 zur EEA vereinbar sei, außerdem erscheint es ihm verwunderlich, dass sich die Mitgliedstaaten diese Gesetz­ gebungstechnik gefallen lassen, da diese letztlich ihre gesetzgeberische Kompetenz einschränkt; hierzu auch Sosnitza, WRO 2003, S. 674. Auch Gorny, ZLR 2003, S. 254 geht davon aus, dass die Gesetzgebungswahl ein eindeutiger Verstoß gegen die von den Mitgliedstaaten getroffene Wertungsentscheidung in Art. 94 EGV ist. Sosnitza kritisiert, dass die in der Health-ClaimsVerordnung in Bezug genommenen Richtlinien mithin unmittelbar geltendes Recht werden und somit lieber die Verordnung in eine bereits vorhandene Richtlinie aufgenommen worden wäre vgl. hierzu ZLR 2004, S. 17. Ebenso zweifelt von Danwitz, ZLR 2005, S. 202 aufgrund der Wahl der Rechtsform der Verordnung anstelle der Richtlinie an der Rechtmäßigkeit der vorgeschlagenen Regelungen. Hüttebräuker kritisiert die Wahl der Rechtsform ebenso und geht davon aus, dass ein grundsätzlicher Vorrang der Richtlinie vor der Verordnung vorhanden ist und mithin die umsetzungsimmanenten Probleme zu akzeptieren seien, WRP 2004, S. 193. Allgemein zur Health-Claims-Verordnung vgl. Holle, Health Claims – kompakt, Die europäischen Regeln für die Lebensmittelwerbung, 2007; Meyer, Health-Claims in Europa und den USA, 2007. 9 Vgl. hierzu Art. 1 BasisVO.

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werden sollten.10 Bis zur BasisVO war es dennoch ein weiter Weg. Die Entwicklungen im Bereich des Lebensmittelrechts sollen diesbezüglich insbesondere auf Aussagen bezüglich der Wahl einer spezifischen Rechtsform hin untersucht werden. a) Das Grünbuch der Kommission11 Einen ersten entscheidenden Anhaltspunkt für die Entwicklung einer BasisVO im Bereich des Lebensmittelrechts bildet das von der Kommission 1997 herausgegebene Grünbuch über „Allgemeine Grundsätze des Lebensmittelrechts in der Europäischen Union“.12 aa) Allgemeines Der Zweck des Grünbuchs der Kommission über allgemeine Grundsätze des Lebensmittelrechts in der Europäischen Union war zunächst, zu prüfen, inwieweit die bestehenden Rechtsvorschriften den Erfordernissen und Erwartungen der Verbraucher, Produzenten, Verarbeiter oder Händler genügen (Nr. 1). Daneben sollten auch die Maßnahmen zur Stärkung der Unabhängigkeit der amtlichen Überwachungs- und Inspektionssysteme überprüft, die Versorgung mit unbedenklichen und genusstauglichen Lebensmitteln gesichert und der Schutz der sonstigen Interessen der Verbraucher gewährleistet werden (Nr. 2). Weiter sollte eine öffent­liche Debatte zum Stand des Lebensmittelrechts eingeleitet werden (Nr. 3). Diese öffentliche Debatte sollte die Kommission in die Lage versetzen, soweit not­wendig, geeignete Maßnahmen für die zukünftige Weiterentwicklung des Lebensmittelrechts in der Gemeinschaft vorzuschlagen (Nr. 4). Im Grünbuch wurden sechs Hauptziele des gemeinschaftlichen Lebensmittelrechts herausgestellt: –– Ein hohes Maß an Schutz der allgemeinen Gesundheit sowie der Sicherheit und der Interessen der Verbraucher zu gewährleisten. –– Den freien Warenverkehr innerhalb des Binnenmarkts zu sichern. –– Zu gewährleisten, dass die Rechtsvorschriften in erster Linie auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und Risikobewertungen beruhen.

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Streinz, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/BasisVO Kommentar, 2007, § 1, Rn. 29. Grünbuch der Kommission, „Allgemeine Grundsätze des Lebensmittelrechts in der Europäischen Union“, KOM (1997) 176 endg. vom 30.04.1997. 12 Zur Entstehungsgeschichte des Grünbuchs und insbesondere auch zum ersten Entwurf einer allgemeinen Richtlinie über das gemeinschaftliche Lebensmittelrecht sowie zu den Trends und Perspektiven des Europäischen Lebensmittelrechts im Zeichen des Grünbuchs vgl. auch Streinz, ZLR 1998, S. 145 ff.

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–– Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu sichern und ihre Exportchancen zu verbessern. –– Die Primärverantwortung für die Lebensmittelsicherheit den Erzeugern, Ver­ arbeitern und Lieferanten zuzuweisen. –– Für Kohärenz, Rationalität und Anwenderfreundlichkeit der Gesetzgebung zu sorgen. Aus diesen Gründen sollten das gemeinschaftliche Lebensmittelrecht vereinfacht und rationalisiert sowie die bestehenden Rechtsvorschriften überprüft werden. Das Grünbuch der Kommission über die allgemeinen Grundsätze des Lebensmittelrechts in der Europäischen Union ist also der erste Ansatzpunkt für eine zu schaffende Rahmenregelung über die allgemeinen Grundsätze des Lebensmittelrechts, die dann in Form der BasisVO ergangen ist.13 bb) Aussagen über die Wahl der Rechtsform Im Grünbuch der Kommission werden in Teil III über die Überprüfung der bestehenden Gemeinschaftsvorschriften unter der Überschrift „Verordnungen anstelle von Richtlinien“ explizit Aussagen über die Wahl der Rechtsform im Bereich des Lebensmittelrechts getroffen. Insbesondere wird hier darauf hingewiesen, dass in Fällen, in denen die Bestimmungen von Einzelrichtlinien so stark detailliert sind, dass den Mitgliedstaaten kaum ein Ermessenspielraum verbleibt, die Verwendung von Verordnungen anstelle von Richtlinien mehrere Vorteile bieten könnte:14 –– Die Verwendung von Verordnungen erleichtert die einheitliche Anwendung der Rechtsvorschriften im gesamten Binnenmarkt. –– Die Verwendung von Verordnungen erhöht die Transparenz des Gemeinschaftsrechts. –– Da die einzelstaatlichen Umsetzungsbestimmungen entfallen, erleichtert die Verwendung von Verordnungen die schnelle Aktualisierung des Gemeinschaftsrechts und seine Anpassung an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt. Aus den oben genannten Gründen wird im Grünbuch vorgeschlagen, zu überprüfen, ob in primären wie in sekundären gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften in geeigneten Fällen Verordnungen vermehrt einzusetzen sind.15

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Streinz, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/BasisVO Kommentar, 2007, § 1, Rn. 29. Vgl. hierzu KOM (1997) 176 endg., S. 25; hierzu auch Streinz, ZLR 1998, S. 156. 15 KOM (1997) 176 endg., S. 26.

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Jedoch sollen Rechtsakte, bei denen es allein um die Harmonisierung allgemeiner Grundsätze und Kriterien geht, beispielsweise Vorschriften über die amtliche Lebensmittelüberwachung, auch weiterhin in der Rechtsform der Richtlinie verabschiedet werden. Diese im Grünbuch zum Ausdruck gebrachte Tendenz weg von detaillierten Richtlinien war daneben auch allgemein als Rechtsetzungstendenz der Gemeinschaft erkennbar, bei der die Rechtsetzung mittels so genannter detaillierter Richtlinien im Grundsatz abgelehnt16 oder jedenfalls nicht angestrebt wird. Vermehrt wird in den verschiedenen – vor allem den älteren – Beiträgen der Kommission deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Rahmenrichtlinien Einzelrichtlinien, die eventuell zu detailliert sind, vorzuziehen17 sind. Falls jedoch detaillierte Regelungen getroffen werden sollen, weil beispielsweise das Rechtsgebiet technisch klare Regeln verlangt, so sollen diese Regelungen dann bevorzugt gleich in Form der Verordnung ergehen. Somit kann auch aus dem Grünbuch, wie aus den verschiedenen Mitteilungen und Leitlinien zur Europäischen Rechtsetzung, eine Tendenz weg von der detaillierten Richtlinie hin zur Verordnung in bestimmten versuchsweise definierten Bereichen beobachtet werden. Allerdings wird auch ein Bereich abgegrenzt, in dem Richtlinien weiterhin die Grundrechtsetzungsform bleiben sollen, nämlich wenn es um die Harmonisierung allgemeiner Grundsätze und Kriterien geht. Wie später noch genauer zu erläutern sein wird, beschäftigen sich wesentliche Teile der BasisVO mit der Harmonisierung allgemeiner Grundsätze und Kriterien des Lebensmittelrechts, womit diese nach den Vorgaben des Grünbuchs in der Rechtsform der Richtlinie hätten ergehen müssen, falls nicht andere Gründe für die Rechtsform der Verordnung gesprochen hätten. An anderer Stelle wird zu untersuchen sein, wie zu beurteilen ist, dass die BasisVO möglicherweise sowohl aus Teilen mit Richtliniencharakter als auch aus Teilen mit Verordnungscharakter besteht. b) Das Weißbuch der Kommission18 Nachfolgend zum Grünbuch sollte mit dem Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit von der Kommission ein neuer rechtlicher Rahmen für das Lebensmittelrecht vorgeschlagen werden.19



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Vgl. hierzu KOM (2002) 278 endg. CSE (1996) 7 endg., KOM (1998) 345. 18 Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit, KOM (1999) 719 endg. 19 Zu den „essential ideas of the White Paper“ vgl. Hagenmeyer, ZLR 2002, S. 444 ff.

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Mit dem Weißbuch wurde erstmals das Ziel verfolgt, die gesamte Kette des Lebensmittelrechts bzw. der Herstellung der Lebensmittel vom Futtermittel bis zur Abgabe der Lebensmittel an den Verbraucher einheitlich zu regeln.20 aa) Allgemeines Das Weißbuch listet in neun Kapiteln 80 einzelne geplante Aktionen zur Verbesserung der Lebensmittelsicherheit auf. Kapitel  I beschäftigt sich nur mit einer Einführung in die Thematik des Lebensmittelrechts. In dieser Einführung wird auch klargestellt, dass die geltenden Rechtsvorschriften überprüft und bei Bedarf geändert werden müssen, damit sie kohärenter, umfassend und aktuell sind.21 Außerdem soll ihre Durchsetzung auf allen Ebenen gefördert werden. Kapitel II befasst sich mit den Grundsätzen der Lebensmittelsicherheit. Kapitel  III beinhaltet Aktionen über grundlegende Elemente einer Politik der Lebensmittelsicherheit, insbesondere die Informationserhebung und -analyse. Kapitel IV befasst sich mit der Einrichtung einer Europäischen Lebensmittelbehörde. Kapitel V enthält die rechtlichen Aspekte. Kapitel VI beinhaltet Ausführungen über die Kontrollen. Das sich anschließende Kapitel VII beschäftigt sich mit der Verbraucheraufklärung. Kapitel VIII umfasst die internationale Dimension der Lebensmittelsicherheit und Kapitel IX enthält die Schlussfolgerungen. Im Kapitel V über die rechtlichen Aspekte wird festgestellt, dass die Kommission beabsichtigt, „Vorschläge für einen neuen Rechtsrahmen vorzulegen, der die Grundsätze für die Sicherstellung eines kohärenten Vorgehens und die Prinzipien, Verpflichtungen und Definitionen, die in diesem Bereich gelten, festlegt“22. Es wird also bestimmt, dass ein neuer Rechtsrahmen für die Lebensmittelsicherheit geschaffen werden muss. Weiter wird klargestellt, dass, da die Sicherheit von Lebensmitteln tierischen Ursprungs mit sicheren Futtermitteln für Tiere beginnt, ein neuer Rechtsrahmen für Futtermittel geschaffen werden müsse. bb) Aussagen über die Wahl der Rechtsform Das Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit sah noch keine den kompletten Regelungsbereich der jetzigen BasisVO umfassende einheitliche Regelung für Lebensmittel vor. Vielmehr wurden im Aktionsplan „Lebensmittelsicherheit“23 mehrere

20 Vgl. hierzu auch Eckert, ZLR 2000, S. 129; zur Entwicklung des Verordnungsvorschlages auf Basis des Weißbuches vgl. Streinz, ZLR 2000, S. 804. 21 KOM (1999) 719 endg., S. 6. 22 KOM (1999) 719 endg., S. 28. 23 Vgl. hierzu den Anhang I des Weißbuchs zur Lebensmittelsicherheit, KOM (1999) 719 endg.

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Einzelmaßnahmen vorgeschlagen, die dann erst entgegen den Vorgaben des Anhangs in der BasisVO zusammengefasst wurden: –– Nr. 1: Vorschlag für die Einrichtung einer Europäischen Lebensmittelbehörde: mit diesem Vorschlag sollte eine unabhängige Europäische Lebensmittelbehörde eingerichtet werden. Dieser Teil wurde in der BasisVO in Kapitel III geregelt und hierbei insbesondere der Auftrag und die Aufgaben der Behörde (Abschnitt  1), ihre Organisation (Abschnitt 2), ihre Arbeitsweise (Abschnitt 3), Unabhängigkeit, Transparenz, Vertraulichkeit und Information (Abschnitt  4), Finanzbestimmungen (Abschnitt 5) und allgemeine Bestimmungen (Abschnitt 6). –– Nr. 2: Vorschlag für die Festlegung von Vorgehensweisen im Bereich der Lebensmittelsicherheit: Solche Vorschriften sind in Kapitel  IV der BasisVO ge­ regelt, insbesondere das Schnellwarnsystem (Abschnitt  1), Maßnahmen bei Notfällen (Abschnitt 2), Krisenmanagement (Abschnitt 3). –– Nr.  3: Vorschlag für eine allgemeine Richtlinie zum Lebensmittelrecht: Fest­ legung der allgemeinen Grundsätze des Lebensmittelrechts. Diese Bereiche sind vor allem in Kapitel II der BasisVO geregelt. –– Nr. 4: Vorschlag für eine Verordnung über die amtliche Überwachung der Lebens- und Futtermittelsicherheit: Solche Vorschriften finden sich in Art. 9 und 10 und vor allem in Kapitel IV der BasisVO. –– Nr. 5: Vorschlag für eine Futtermittelverordnung: Die Vorschriften über Futtermittel wurden in die BasisVO integriert, sowohl innerhalb der Ziele und Anwendungsbereiche (Kapitel I), als auch in den allgemeinen Bestimmungen (Kapitel II). Zunächst war nach Nr. 3 des Anhangs bezüglich der Grundsätze des Lebens­ mittelrechts mithin eine eigene, nur diese Grundsätze umfassende Richtlinie vorgesehen.24 Auch bestimmte thematisch abgrenzbare Bereiche der jetzigen BasisVO sollten zunächst in eigenen Rechtsakten geregelt werden. Diese Bereiche beinhalten zum Teil Regelungsmaterien mit Richtliniencharakter und zum Teil auch solche mit Verordnungscharakter.

24 Streinz mutmaßt diesbezüglich, dass der Begriff der Richtlinie im Weißbuch nur „untechnisch“ und nicht im Sinne von Art. 249 Abs. 3 EGV (also Art. 288 Abs. 3 AEUV) gebraucht wurde, ZLR 2000, S. 804; vgl. hierzu auch von Danwitz, ZLR 2001, S. 219 f.

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2. Rechtmäßigkeit der BasisVO Nach den obigen Ausführungen kann festgehalten werden, dass Teile der ­ asisVO zunächst in einer Art Basis-Richtlinie ergehen sollten. Mithin ist also B die Frage zu beantworten, ob die Regelungsinhalte der BasisVO rechtmäßig in der Rechtsform der Verordnung erlassen wurden. Die Rechtmäßigkeit der Wahl der Rechtsform bestimmt sich nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung aus Art. 5 Abs. 2 S. 1 EUV (ex-Art. 5 Abs. 1 EGV) und vor allem nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, gemäß Art.  5 Abs. 4 EUV (ex-Art. 5 Abs. 3 EGV). Somit ist nun nachfolgend zu prüfen, ob bei Erlass der BasisVO diese Grundsätze eingehalten wurden. 3. Die Ermächtigungsgrundlagen der BasisVO Zunächst ist zu prüfen, auf welchen rechtlichen Grundlagen die BasisVO erlassen wurde. Gemäß dem in Art. 5 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 EUV verankerten Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung darf die Union nur innerhalb der Grenzen der ihr in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse tätig werden. Hierbei stellt sich insbesondere die Frage nach den Rechtsformen, die aufgrund der für die ­BasisVO gewählten Ermächtigungsgrundlagen vorliegend in Betracht kommen. Die ­BasisVO wurde auf mehrere Ermächtigungsgrundlagen gestützt: „… gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf die Artikel 37, 95, 133 und 152 Abs. 4 Buchstabe b, …“25

Hierbei fällt auf, dass die BasisVO nicht nur, wie bei Rechtsakten üblich und aus Rechtmäßigkeitsgründen durchaus wünschenswert, auf einer, sondern sogar auf vier Ermächtigungsgrundlagen beruht. Zunächst muss also geprüft werden, ob die Heranziehung mehrerer Ermächtigungsgrundlagen grundsätzlich rechtmäßig ist, und, wenn dies zu bejahen ist, unter welchen Voraussetzungen. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Stützung der BasisVO auf die verschiedenen Ermächtigungsgrundlagen hat insofern Bedeutung für die der Arbeit zugrunde liegende Untersuchung, als bei der rechtswidrigen Stützung des Rechtsakts auf eine Ermächtigungsgrundlage diese dann entfallen würde bzw. bei nicht ausreichenden Rechtsgrundlagen für den Inhalt der Verordnung eventuell eine andere herangezogen werden müsste, die dann gegebenenfalls zu anderen Handlungsformen ermächtigen würde. Somit muss nachfolgend festgestellt werden, ob grundsätzlich ein Rechtsakt bzw. die BasisVO auf mehreren Ermächtigungsgrund-



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lagen und ob die BasisVO konkret auf den gewählten Ermächtigungsgrundlagen rechtmäßig erlassen werden konnte. a) Grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Heranziehung mehrerer Ermächtigungsgrundlagen aa) Allgemeines Zunächst fällt auf, dass die BasisVO nicht nur auf eine Ermächtigungsgrundlage gestützt ist, sondern vielmehr auf vier verschiedene. Die Heranziehung mehrerer Ermächtigungsgrundlagen ist insbesondere im Hinblick auf mögliche unterschiedliche Verfahrensanforderungen der jeweiligen Ermächtigungsgrundlagen problembehaftet, durchaus jedoch nicht unüblich und oftmals sogar erforderlich, wenn sich der Rechtsakt auf mehrere Regelungsbereiche bezieht.26 Grundsätzlich ist die Rechtmäßigkeit der Heranziehung mehrerer Ermächtigungsgrundlagen, sofern erforderlich, mithin nicht bestritten, trotzdem gibt es besondere Prüfungs­ kriterien, die auch teilweise für die Heranziehung nur einer Ermächtigungsgrundlage gelten. Beim Erlass eines Rechtsakts wird verlangt, dass eine objektive und nach­ prüfbare Entscheidung über die Auswahl der Ermächtigungsgrundlagen des handelnden Organs getroffen wurde.27 Bei der Wahl der passenden Rechtsgrundlage müssen das Ziel und der Inhalt der Maßnahme betrachtet28 werden, die sich ins­ besondere auch in den Erwägungsgründen des Rechtsakts wiederfinden. Wenn mehrere Sachgebiete vom Regelungsbereich des Rechtsakts umfasst sind, so müssen alle Voraussetzungen der in Betracht kommenden Ermächtigungsgrundlagen erfüllt sein.29 Werden mehrere sich sachlich überschneidende Rechtsgrundlagen für einen Rechtsakt in Betracht gezogen, so muss zunächst – vor allen anderen möglich einschlägigen – diejenige Rechtsgrundlage, die den Schwerpunkt des Rechtsakts betrifft, herangezogen und vollumfänglich ausgeschöpft werden, damit grundsätzlich eine Abstützung einer Maßnahme auf mehrere Rechtsgrundlagen vermieden 26 Vgl. zu diesem Problembereich Zuleeg, in: von der Groeben/Thiesing (Hrsg.), EU-/EGVertrag Kommentar, Band I, 6. Aufl. 2003, Art. 5 EGV, Rn. 13; Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 5 EUV, Rn. 11; von Bogdandy/Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Stand April 2009, Art.  5 EGV, Rn.  12; Seemann, Behördliche Produktinformation im europäischen und deutschen Lebensmittelrecht, 2006, S.  49; zur Abgrenzung der Umweltkompetenz der Gemeinschaften von anderen Sachkompetenzen unter Berücksichtigung von Doppelabstützungen vgl. auch Heselhaus, NVwZ 1999, S. 1190 ff. 27 EuGH, RS. 45/86, „Zollpräferenzen“, Slg. 1987, I-1493, Rn. 11. 28 EuGH, RS. 300/89, „Titandioxid“, Slg. 1991, I-2867, Rn. 10. 29 EuGH, RS. 165/87, „Harmonisiertes System“, Slg. 1988, 5545, Rn. 11.

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wird.30 Sind jedoch von der zu treffenden Maßnahme mehrere Ziele umfasst und damit auch mehrere Kompetenzgrundlagen betroffen, ist das Rechtsetzungsorgan nicht nur dazu berechtigt, den Rechtsakt auf die in Frage stehenden verschiedenen Ermächtigungsgrundlagen zu stützen, sondern hierzu sogar aus dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung resultierend verpflichtet.31 Eine Mehrfachabstützung kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn unterschiedliche untrennbar miteinander verbundene Ziele verfolgt werden, die sich gleichrangig gegenüberstehen.32 Werden mehrere Zielsetzungen verfolgt und eine davon ist die wesentliche oder überwiegende, so soll nur diese eine Ermächtigungsgrundlage, die die wesentliche oder überwiegende Zielsetzung oder Kom­ ponente erfordert, herangezogen werden.33 Weitere Probleme im Hinblick auf die Mehrfachabstützung eines Rechtsakts können sich insofern ergeben, als die herangezogenen Ermächtigungsgrundlagen inhaltlich nicht kompatibel sind. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn eine Ermächtigungsgrundlage Harmonisierungsmaßnahmen ausschließt und die andere diese erlaubt und sich innerhalb des Rechtsakts nicht an diese Vorgaben gehalten wurde.34 Auch können die herangezogenen Rechtsgrundlagen unterschiedliche mitgliedstaatliche Abweichungen vom Sekundärrechtsakt erlauben, so dass sie insofern für den gemeinsamen Erlass eines Rechtsakts inkompatibel sind.35 Es kommt bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Stützung eines Rechtsakts auf mehrere Ermächtigungsgrundlagen mithin zu einem mehrstufigen Prüfungs­ aufbau:36 –– Zunächst müssen die Ziele des Rechtsakts unter Berücksichtigung der Erwägungsgründe herausgearbeitet werden. –– Weiter müssen die ausgewählten Rechtsgrundlagen diesen Zielen entsprechen und anschließend mit den vorliegenden Ermächtigungsgrundlagen abgeglichen werden. –– Außerdem muss gewährleistet sein, dass tatsächlich alle Rechtsgrundlagen voll ausgeschöpft werden. Dies bedeutet, dass keine der Ermächtigungsgrundlagen einer anderen gegenüber als die hauptsächliche anzusehen ist. 30 EuGH, RS.  300/89, „Titandioxid“, Slg.  1991, I-2867, Rn.  17 ff.; EuGH, RS.  211/01, „Kommission/Rat“, Slg. 2003, I-8913, Rn. 39 f. 31 EuGH, RS. 165/87, „Harmonisiertes System“, Slg. 1988, 5545, Rn. 11. 32 Vgl. hierzu Epiney, NVwZ 2006, S. 408. 33 EuGH, RS. C-2/00, „Lebende veränderte Organismen“, Slg. I-09713, LS 5. 34 Epiney, NVwZ 2006, S. 408. 35 Epiney nennt hier als Beispiel für die diesbezüglich Unvereinbarkeit Art. 95 und Art. 175 EGV, NVwZ 2006, S. 408; vgl. zum Bereich der sektorenübergreifenden Umweltpolitik auf doppelter Kompetenzgrundlage auch Höhler/Lafuente, ZUR 2007, S. 71 ff. 36 Vgl. hierzu auch Seemann, Behördliche Produktinformation im europäischen und deutschen Lebensmittelrecht, 2006, S. 49, der von einem zweistufigen Prüfungsaufbau ausgeht.

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Teil 2: Referenzgebiete

–– Sodann ist die Übereinstimmung des tatsächlichen Inhalts des Rechtsakts mit den Regelungsbereichen der Ermächtigungsgrundlagen abzugleichen. –– Außerdem muss abgeklärt werden, ob alle Rechtsaktinhalte mit den Kompetenzen der Ermächtigungsgrundlagen übereinstimmen, oder ob zusätzliche Rechtsgrundlagen erforderlich gewesen wären. bb) Verfahren des „größten gemeinsamen Nenners“ Neben diesem Prüfungsaufbau muss jedoch auch berücksichtigt werden, dass die Stützung des Rechtsakts auf mehrere Rechtsgrundlagen nicht dafür missbraucht werden darf, eventuell strengere Verfahrensanforderungen einzelner Ermächtigungsgrundlagen zu umgehen.37 So ist eine Mehrfachabstützung eines Rechtsakts immer dann ausgeschlossen, wenn die jeweils vorgesehenen Rechtsetzungsverfahren nicht kompatibel sind.38 Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn in den herangezogenen Ermächtigungsnormen unterschiedliche Beteiligungsformen des Europäischen Parlaments gefordert werden, da diese sich nicht hierarchisch gegenüberstehen und mithin nicht ohne Probleme das strengste Verfahren, wie dies bei unterschiedlichen Ratsmehrheiten möglich ist, ausgewählt werden kann. Daneben muss es, bei Vorliegen der anderen Voraussetzungen, als legitim angesehen werden, wenn ein „Mehr“ an Verfahrensbeteiligung, beispielsweise durch die Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses, vorgesehen ist.39 cc) Weitere Vorgehensweise Somit ist nun weiter zu überprüfen, ob sich der Inhalt der BasisVO auch mit den Regelungsbereichen der verschiedenen Ermächtigungsgrundlagen deckt, ob also die aufgestellten Rechtmäßigkeitskriterien bei der Stützung eines Rechtsakts auf mehrere Ermächtigungsgrundlagen, im vorliegenden Fall der BasisVO, ein­ gehalten sind.



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EuGH, RS.  300/89, „Titandioxid“, Slg.  1991, I-2867, Rn.  18–21; EuGH, RS.  211/01, „Kommission/Rat“, Slg. 2003, I-8913, Rn. 39 f. 38 EuGH, RS. C-491/01, „British American Tobacco“, Slg. 2002, I-11453, Rn. 108 f. 39 Vgl. hierzu auch Epiney, NVwZ 2006, S. 408.

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b) Rechtmäßigkeit im Falle der BasisVO Nach der Feststellung der grundsätzlichen rechtlichen Möglichkeit der Stützung eines Rechtsakts auf mehrere Ermächtigungsgrundlagen muss nun die Rechtmäßigkeit der Stützung der BasisVO auf die verschiedenen Art. 37, 95, 133 und 152 Abs. 4 b EGV insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Diskrepanz bezüglich der Rechtsformenwahl überprüft werden. Hierfür müssen zunächst die Ziele der Verordnung insbesondere unter Berücksichtigung der Erwägungsgründe und des Art.  1 BasisVO herausgearbeitet werden. Sodann müssen die Voraussetzungen der einzelnen Ermächtigungsgrundlagen und die Übereinstimmung mit den festgestellten Zielen überprüft werden. Weiter muss ein eventuell vorhandenes Rangverhältnis der Ermächtigungsgrundlagen oder ein Zielschwerpunkt berücksichtigt werden. Anschließend muss untersucht werden, ob einzelne Inhalte der Verordnung nicht mit den Kompetenzen der vorhandenen Ermächtigungsgrundlagen übereinstimmen und mithin ggf. andere oder weitere Ermächtigungsgrundlagen hätten herangezogen werden müssen, was in einem solchen Falle zur Rechtswidrigkeit des betroffenen Rechtsakts führen würde. c) Ziele der Verordnung und Erwägungsgründe aa) Ziele in den Erwägungsgründen Zunächst muss überprüft werden, welche Zielsetzung und welcher Inhalt mit der BasisVO vom Gemeinschaftsgesetzgeber durchgesetzt werden sollten, um festzustellen, welche Kompetenzgrundlagen für den Erlass der Verordnung in Betracht kommen konnten. Hierbei soll insbesondere auf die Erwägungsgründe der BasisVO eingegangen werden. Außerdem ist Art. 1 der BasisVO zu untersuchen. In dem der Verordnung vorhergehenden Verordnungsvorschlag der Kommission wurden bereits mehrere Ziele erwähnt40: „Hauptziele des in diesem Vorschlag festgelegten Lebensmittelrechts sind das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts und im Hinblick darauf die Schaffung eines hohen Schutzniveaus der menschlichen Gesundheit und Sicherheit und der Verbraucherinteressen. Das Lebensmittelrecht gründet sich auf ein einheitliches Konzept vom Erzeuger zum Endverbraucher, einschließlich der für den Bauernhof geltenden Maßnahmen. Außerdem werden Anforderungen an Futtermittelunternehmen aufgestellt, soweit sie mittelbar oder unmittelbar für die Lebensmittelsicherheit relevant sind. Das Konzept ‚vom Erzeuger zum

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Vorschlag für einen Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Fest­ legung der allgemeinen Grundsätze und Erfordernisse des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Lebensmittelbehörde und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit vom 08.11.2000, KOM (2000) 716 endg., S. 8.

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Verbraucher‘ wurde bereits im Vorschlag der Kommission zur Neufassung der Hygiene­ vorschriften der Gemeinschaft berücksichtigt.41 Es soll künftig auch in anderen Bereichen als Grundprinzip gelten. Allgemeine Ziele des Lebensmittelrechts sollen auch der Schutz von Gesundheit und Leben von Tieren und Pflanzen und der Umweltschutz sein, soweit dies mit der Art der jeweiligen Maßnahme vereinbar ist.“

Nach Erwägungsgrund 1 der BasisVO ist der „freie Verkehr mit sicheren und bekömmlichen Lebensmitteln“ „ein wichtiger Aspekt des Binnenmarktes und trägt wesentlich zur Gesundheit und zum Wohlergehen der Bürger und zu ihren sozialen und wirtschaftlichen Interessen bei“. Schon aus dem ersten Erwägungsgrund lassen sich zwei unterschiedliche Ziele herauslesen: die Errichtung und das Funktionieren eines Binnenmarktes und der Schutz der Gesundheit der Unionsbürger. Weiter wird in Erwägungsgrund 3 festgestellt, dass „der freie Verkehr mit Lebensmitteln und Futtermitteln in der Gemeinschaft“ nur dann möglich ist, „wenn die Anforderungen an die Lebens- und Futtermittelsicherheit in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht wesentlich voneinander abweichen“. Hier erfolgt eine Begründung, weshalb einheitliche Vorschriften im Bereich der Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit notwendig sind – nämlich um den freien Verkehr in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Im Vordergrund stehen also wiederum der Binnenmarkt42 und die Handelspolitik. Erwägungsgrund 4 konkretisiert die Gefahr, die von abweichenden Kon­zepten und Grundsätzen in den verschiedenen Mitgliedstaaten ausgehen kann. Solche Unterschiede können „den freien Verkehr mit Lebensmitteln behindern, ungleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen und dadurch das Funktionieren des Binnenmarktes unmittelbar beeinträchtigen“. Für eine Angleichung in diesem Bereich soll eine gemeinsame Grundlage für Maßnahmen des Lebens- und Futtermittelsektors geschaffen werden. Um solche gleichen Bedingungen zu schaffen, sollen nach Erwägungsgrund 7 auch Anforderungen an Futtermittel, „beispielsweise

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Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Lebensmittelhygiene Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates mit Verfahrensvorschriften für die amtliche Überwachung von Lebensmitteln tierischen Ursprungs, Vorschlag für eine Verordnung des Rates mit tierseuchenrechtlichen Vorschriften für das Herstellen und Inverkehrbringen von Lebensmitteln tierischen Ursprungs und ihre Einfuhr aus Drittländern, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Aufhebung bestimmter Richtlinien über Lebensmittelhygiene und mit Hygienevorschriften für Herstellen und Inverkehrbringen von bestimmten Lebensmitteln tierischen Ursprungs und zur Änderung der Richtlinien 89/662/EWG und 91/67/EWG. Die vorliegenden Vorschläge sind das Ergebnis einer Neufassung der Gemeinschaftsvorschriften KOM (2000) 438 endg. vom 14.07.2000. 42 Exemplarisch für den Bereich des Binnenmarktes seien auch, jedoch nicht abschließend, genannt, Erwägungsgründe 26, 27, 28, 30.

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an die Herstellung und Verwendung von Futtermitteln, die für die Lebensmittel­ gewinnung dienende Tiere bestimmt sind“, in die BasisVO aufgenommen werden. Somit ist ein weiteres Ziel der BasisVO, angleichende Maßnahmen im Agrar­ bereich43 zu erlassen. Die Erwägungsgründe 8, 9 und 10 erklären den Gesundheitsschutz der Unionsangehörigen als ein weiteres Ziel der BasisVO.44 Die Erwägungsgründe 22 und 23 beschäftigen sich mit den Verbraucherinteressen und mithin mit dem Verbraucher­ schutz. Erwägungsgrund 25 sieht es als notwendig an, „die allgemeinen Grundsätze für den Handel mit Lebensmitteln und Futtermitteln und die Ziele und Grundsätze für den Beitrag der Gemeinschaft zur Ausarbeitung internationaler Normen und Handels­abkommen festzulegen“. Somit ist wieder die Handelspolitik als Ziel der BasisVO genannt. Die festgestellten fünf Ziele werden auch in weiteren Erwägungsgründen der BasisVO aufgegriffen. Die Ziele der BasisVO sind demnach: –– die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes; –– der Gesundheitsschutz; –– der Verbraucherschutz; –– die Agrarpolitik; –– die Handelspolitik. bb) Ziele in Art. 1 BasisVO Weitere Anknüpfungspunkte für die Überprüfung der Ziele sind im Falle der BasisVO Art. 1 Abs. 1 und 2, welche die Ziele der BasisVO näher konkreti­sieren.45 Hiernach soll die Verordnung die Grundlage für ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit des Menschen und die Verbraucherinteressen bei Lebensmitteln unter besonderer Berücksichtigung der Vielfalt des Nahrungsmittelangebots einschließlich traditioneller Erzeugnisse schaffen, wobei ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes gewährleistet wird. Abs. 1 S. 2 normiert, dass in der Verordnung die einheitlichen Grundsätze und Zuständigkeiten, die Voraussetzungen für 43 Exemplarisch für den Bereich Agrarpolitik seien auch die Erwägungsgründe 11, 12, 13 und 14 genannt. 44 Exemplarisch für den Bereich des Gesundheitsschutzes seien weiter, jedoch nicht abschließend, die Erwägungsgründe 20, 21 und 32 genannt. 45 Vgl. hierzu auch Gorny, Grundlagen des europäischen Lebensmittelrechts, 2004, Kapitel I, Rn. 23 ff.

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die Schaffung eines tragfähigen wissenschaftlichen Fundaments und effiziente organisatorische Strukturen und Verfahren zur Untermauerung der Entscheidungsfindung in Fragen der Lebens- und Futtermittelsicherheit festgelegt werden. Art. 1 Abs. 2 UAbs. 1 erläutert, dass für die Zwecke des Abs. 1 in der Verordnung die all­ gemeinen Grundsätze für Lebensmittel und Futtermittel im Allgemeinen und für Lebens- und Futtermittelsicherheit im Besonderen auf gemeinschaftlicher und einzelstaatlicher Ebene festgelegt werden. Aus Art. 1 BasisVO lassen sich also folgende Ziele herauslesen: –– Die Verwirklichung eines hohen Maßes an Gesundheitsschutz; –– die Verwirklichung eines hohen Maßes an Verbraucherschutz; –– das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes; –– Festlegung einheitlicher Grundsätze und Zuständigkeiten, die Voraussetzungen für die Schaffung eines tragfähigen wissenschaftlichen Fundaments und effiziente organisatorische Strukturen und Verfahren zur Untermauerung der Entscheidungsfindung in Fragen der Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit. Agrar- und Handelspolitik sind den in Art. 1 BasisVO festgelegten Zielen zwar nicht explizit, unter Berücksichtigung der Erwägungsgründe jedoch implizit zu entnehmen. Somit ist nun weiter zu überprüfen, ob die vier gewählten Ermächtigungsgrundlagen geeignet sind, diese Ziele zu verwirklichen und sodann weiter, ob die Einzelregelungen in der Verordnung den ermächtigungsgrundlagenimmanenten Kom­ petenzen entsprechen. Außerdem muss überprüft werden, in welchem Verhältnis die verschiedenen Ermächtigungsgrundlagen zueinander stehen. d) Rangverhältnis der Ziele aa) Allgemeines Fraglich ist weiter, ob ein bestimmtes Rangverhältnis bzw. eine eindeutige Hierarchie der Ziele bereits aus den Erwägungsgründen und Art. 1 BasisVO auszumachen ist. Wäre dies der Fall, so könnte man hieraus eventuell bestimmte Schlussfolgerungen bezüglich der Hierarchie der in Frage kommenden Ermächtigungsgrundlagen treffen. Würde ein bestimmtes Ziel von der BasisVO erkennbar nur nebenbei verfolgt, so dürfte allein die für die Hauptmaterie einschlägige Rechtsgrundlage heranzuziehen sein.46 Diese wäre dann als die schwerpunkt­mäßig

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EuGH, RS. C-70/88, „Parlament/Rat“, Slg. 1991, I-4529, Rn. 17 f.; in diesem Fall wurde vom EuGH festgestellt, dass, wenn das Ziel der Harmonisierung des Binnenmarktes nur nebenbei, neben dem Hauptzweck des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung, als Ziel verfolgt wird, eine Harmonisierungsmaßnahme nach Art. 95 EGV ausgeschlossen sein soll; vgl. hierzu

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betroffene Rechtsgrundlage zunächst voll auszuschöpfen, um Mehrfachabstützungen zu vermeiden.47 Es ist demnach zu untersuchen, ob eines oder mehrere der durch die BasisVO verfolgten Ziele den Schwerpunkt des Verordnungsinhalts ausmachen. In einem solchen Fall wäre auf diese Ermächtigungsgrundlagen alleine zurückzugreifen. Nach Lektüre der Erwägungsgründe scheint keines der genannten Ziele das herausragende oder wichtigste der BasisVO zu sein, welches sodann die anderen verdrängen und mithin Einfluss auf die Hierarchie der Ermächtigungsgrundlagen nehmen könnte. Im Verordnungsvorschlag der Kommission werden jedoch drei Ziele als die Hauptziele des Vorschlags genannt48: „Hauptziele des in diesem Vorschlag festgelegten Lebensmittelrechts sind das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts und im Hinblick darauf die Schaffung eines hohen Schutzniveaus der menschlichen Gesundheit und Sicherheit und der Verbraucherinteressen.“

Weiter scheint auch augenfällig, dass in Erwägungsgrund 1 das Ziel des Binnenmarktes als erstes Ziel normiert ist und in Art. 1 Abs. 1 BasisVO das Ziel des Gesundheitsschutzes als erstes genannt wird. Hieraus lässt sich jedoch gerade keine Hierarchie der Ziele entnehmen. Durch den „Wechsel des erstgenannten Ziels“ wird deutlich, dass diese Ziele sich gleichrangig gegenüberstehen sollen.49 Eventuell könnte aus der Nichtnennung der Handelspolitik in Art. 1 BasisVO herausgelesen werden, dass diesem Ziel keine große Bedeutung im Rahmen der BasisVO beigemessen wird. Einzelne auch der Handelspolitik immanente Ziele sind jedoch in gewisser Weise immanent in der Binnenmarktharmonisierung zu erkennen, da nicht die Harmonisierung nationaler Vorschriften gegenüber Drittstaaten im Vordergrund steht; mithin tritt das Ziel der Gemeinsamen Handels­politik nicht hinter die Binnenmarktharmonisierung zurück.50 Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass bezüglich des Verhältnisses von Binnenmarktharmonisierung und Handelspolitik im Rahmen der BasisVO das Ziel der Binnenmarktharmonisie-

auch Zuleeg, in: von der Groeben/Thiesing (Hrsg.), EU-/EG-Vertrag Kommentar, Band  I, 6. Aufl. 2004, Art. 5 EGV, Rn. 13; Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2000, Art. 5 EGV, Rn. 9. 47 EuGH, RS.  300/89, „Titandioxid“, Slg.  1991, I-2867, Rn.  17 ff.; EuGH, RS.  211/01, „Kommission/Rat“, Slg. 2003, I-8913, Rn. 39 f.; von Bogdandy/Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Stand April 2009, Art. 5 EGV, Rn. 12. 48 KOM (2000) 716 endg. vom 08.11.2000, S. 8. 49 Gorny, Grundlagen des europäischen Lebensmittelrechts, 2004, Kapitel I, Rn. 22 geht davon aus, dass das Ziel der BasisVO „mindestens gleichgewichtig neben der Sicherung des gesundheitlichen Verbraucherschutzes auch die Gewährleistung der Funktion des Binnenmarktes“ ist. 50 Zum Verhältnis der Kompetenznormen Art. 95 EGV und Art. 133 EGV zueinander vgl. auch Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 95 EGV, Rn. 83.

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rung vorrangig ist, so ist dennoch in diesem speziellen Verhältnis der beiden Kompetenznormen ein Nebeneinander unschädlich, falls die entsprechenden Verfahrensvorschriften eingehalten wurden.51 bb) Hauptziele und „Nebenziele“ Durch die vorangegangenen Ausführungen bleibt festzuhalten, dass kein klares Hierarchieverhältnis der bereits festgestellten Ziele zu erkennen ist, welches Auswirkungen auf das Rangverhältnis der herangezogenen Ermächtigungsgrundlagen hätte. Zwar sind die Ziele der Verwirklichung des Binnenmarktes und der Schaffung eines hohen Gesundheitsniveaus die Hauptziele der Verordnung und die anderen genannten Ziele nur weitere untergeordnete, die beiden Hauptziele können jedoch in kein Rangverhältnis eingeordnet werden. Fraglich ist weiter, wie sich die Tatsache, dass bestimmte Hauptziele klar ersichtlich sind, auf das Verhältnis zu den Nebenzielen Handelspolitik und Agrarpolitik auswirkt. Bildeten die Hauptziele den Schwerpunkt der Verordnung, so wären die Ermächtigungsgrundlagen für die Hauptziele für den Erlass der Verordnung ausreichend und es müsste bzw. dürfte eventuell sogar nicht auf die Ermächtigungsgrundlagen für die Nebenziele zurückgegriffen werden. Es ist allerdings nicht ersichtlich, dass ein Ziel in solch besonderer Weise hervorsticht, dass es die anderen dadurch völlig verdrängt, so dass aus der bloßen Betrachtung und dem Versuch der Rangeinordnung der Ziele kein Erkenntnis­gewinn zu erreichen ist. Schließlich müssen zur Lösung des Konflikts im Einzelnen die verschiedenen Kompetenznormen, deren Einschlägigkeit und das Verhältnis der Kompetenzen im Rahmen der Normenkonkurrenz analysiert und untersucht werden. cc) Konsequenzen Somit sind nun die einzelnen Ermächtigungsgrundlagen mit den Zielen der ­ asisVO und dem Inhalt derselben zu vergleichen. Anschließend hieran wird das B Rangverhältnis dieser Ermächtigungsgrundlagen zueinander zu untersuchen sein.



51 Vgl. hierzu EuGH, RS.  C-491/01, „British American Tobacco“, Slg.  2002, I-11453, Rn. 98; Fischer, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU- und EG-Vertrag, 4. Aufl. 2006, Art. 95 EGV, Rn. 59.

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e) Art. 37 EGV: Agrarpolitik Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV war zum Zeitpunkt des Erlasses der BasisVO die zentrale Kompetenznorm im Bereich der Landwirtschaft bzw. der Agrarpolitik und wurde mittlerweile durch Art. 43 AEUV abgelöst. aa) Inhalt der Kompetenznorm Nach Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV konnte der Rat mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments Verordnungen, Richtlinien oder Entscheidungen, unbeschadet seiner etwaigen Empfehlungen, erlassen. Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV war also eine Ermächtigungsgrundlage mit ausdrücklich genannten Rechtsetzungsformen. Nach den obigen Ausführungen bestand bei Einschlägigkeit dieser Ermächtigungsgrundlage somit grundsätzlich ein Ermessen des Gemeinschaftsgesetzgebers bezüglich der zu wählenden Handlungsform. Mithin konnte auch, wie bei der BasisVO geschehen, die Handlungsform der Verordnung ausgewählt werden. Die Auswahl musste dabei jedoch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit wird erst an späterer Stelle im Zusammenhang mit der tatsächlichen inhaltlichen Ausgestaltung der Verordnung zu prüfen sein. bb) Übereinstimmung der Verordnung mit den Vorgaben des Art. 37 EGV Weiter ist daher zu prüfen, ob die BasisVO mit den inhaltlichen Vorgaben des Art.  37 Abs.  2 UAbs.  3 EGV übereinstimmt. Art.  37 EGV sollte vor allem die Grundlinien der Gemeinsamen Agrarpolitik bestimmen. Art. 37 Abs. 2 EGV war dann die geeignete Rechtsgrundlage, wenn Regelungen über die Produktion und die Vermarktung der im Anhang I des Vertrags aufgeführten landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die zur Verwirklichung eines oder mehrerer der in Art. 33 EGV genannten Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik beiträgt52, erlassen werden sollten. Laut EuGH können solche Regelungen die Harmonisierung der innerstaatlichen Bestimmungen auf diesem Gebiet einschließen, ohne dass es des Rückgriffs auf Art. 100 EWG-Vertrag [Art. 95 EGV] bedarf. 52 EuGH, RS. 131/87, „Kommission/Rat“, Slg. 1989, 3743, Rn. 10 f.; vgl. hierzu auch EuGH, RS. 68/86, „Vereinigtes Königreich/Rat“, Slg. 1988, 0855, Rn. 14; RS. C-180/96, „Vereinigtes Königreich/Kommission“, Slg. 1998, I-2265, Rn. 133.

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(1) Produktion oder Vermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen Zunächst ist also zu untersuchen, ob die BasisVO die Produktion oder Vermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen des Anhangs I zum Gegenstand hat. Es kann sich hierbei auch um Maßnahmen bezüglich der Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse handeln, wenn eine enge Verknüpfung zur Produktionsstufe besteht.53 Laut Erwägungsgrund  5 der BasisVO ist eine Angleichung der Konzepte, Grundsätze und Verfahren des Lebensmittelrechts der Mitgliedstaaten notwendig, um eine gemeinsame Grundlage für Maßnahmen des Lebens- und Futtermittel­ sektors zu schaffen. Außerdem sollten gemäß Erwägungsgrund 7 auch Anforderungen an Futtermittel, beispielsweise an die Herstellung und Verwendung von Futtermitteln, die für der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere bestimmt sind, in das Lebensmittelrecht aufgenommen werden. Solche die Futtermittel betreffenden Vorschriften sind neben anderen beispielsweise in Art. 11, 12, 15 und 20 BasisVO zu finden. Allgemein die Herstellung von Lebensmitteln betreffende Vorschriften, die die Produktion und Vermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen anbelangen, finden sich beispielsweise in Abschnitt 23 des Kapitels II der BasisVO über „Allgemeine Verpflichtungen für den Lebensmittelhandel“ und Abschnitt 4 dieses Kapitels über „Allgemeine Anforderungen des Lebensmittelrechts“. (2) Der Verwirklichung der Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik dienende Maßnahme Weiter muss die auf Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV gestützte Maßnahme der Verwirklichung der Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik dienen. Somit sind weiter die Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik aus Art. 33 EGV54 zu betrachten. „Artikel 33: (1) Ziel der gemeinsamen Agrarpolitik ist es: a) die Produktivität der Landwirtschaft durch Förderung des technischen Fortschritts, Rationalisierung der landwirtschaftlichen Erzeugung und den bestmöglichen Einsatz der Produktionsfaktoren, insbesondere der Arbeitskräfte, zu steigern; b) auf diese Weise der landwirtschaftlichen Bevölkerung, insbesondere durch Erhöhung des Pro-Kopf- Einkommens der in der Landwirtschaft tätigen Personen, eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten;

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54

Bittner, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 37 EGV, Rn. 5. Art. 39 AEUV.

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c) die Märkte zu stabilisieren; d) die Versorgung sicherzustellen; e) für die Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen Sorge zu tragen. (2) Bei der Gestaltung der gemeinsamen Agrarpolitik und der hierfür anzuwendenden besonderen Methoden ist Folgendes zu berücksichtigen: a) die besondere Eigenart der landwirtschaftlichen Tätigkeit, die sich aus dem sozialen Aufbau der Landwirtschaft und den strukturellen und naturbedingten Unterschieden der verschiedenen landwirtschaftlichen Gebiete ergibt; b) die Notwendigkeit, die geeigneten Anpassungen stufenweise durchzuführen; c) die Tatsache, dass die Landwirtschaft in den Mitgliedstaaten einen mit der gesamten Volkswirtschaft eng verflochtenen Wirtschaftsbereich darstellt.“

Nach Erwägungsgrund 11 muss für ein hinreichend umfassendes einheitliches Konzept der Lebensmittelsicherheit die Definition des Lebensmittelrechts so weit gefasst werden, dass sie ein großes Spektrum an Bestimmungen abdeckt, die sich unmittelbar oder mittelbar auf die Sicherheit von Lebensmitteln und Futtermitteln auswirken, darunter auch Vorschriften zu Materialien und Gegenständen, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, zu Futtermitteln und anderen landwirtschaftlichen Produktionsmitteln auf der Ebene der Primärproduktion. Außerdem müssen nach Erwägungsgrund  12, um Lebensmittelsicherheit gewährleisten zu können, alle Aspekte der Lebensmittelherstellungskette als „Kon­ tinuum“ betrachtet werden, von der Primärproduktion und der Futtermittelproduktion bis hin zum Verkauf bzw. zur Abgabe der Lebensmittel an den Verbraucher, da jedes Glied dieser Kette eine potentielle Auswirkung auf die Lebensmittel­ sicherheit haben kann. Insoweit ist es nach Erwägungsgrund 13 notwendig, auch die Erzeugung, Herstellung, den Transport und den Vertrieb von Futtermitteln, die an der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere verfüttert werden, zu berücksichtigen, da die absichtliche oder unabsichtliche Kontamination von Futtermitteln, die Verfälschung oder betrügerische oder andere unzulässige Praktiken im Zusammenhang damit eine mittelbare oder unmittelbare Auswirkung auf die Lebensmittelsicherheit haben können. Deshalb ist es nach Erwägungsgrund 14 auch erforderlich, andere Verfahren und landwirtschaftliche Produktionsmittel auf der Ebene der Primärproduktion und ihre potentiellen Auswirkungen auf die Lebensmittel­ sicherheit insgesamt zu berücksichtigen. Nach Art.  1 Abs.  2 BasisVO sollen für die Zwecke des Absatzes  155 in der ­BasisVO die allgemeinen Grundsätze für Lebens- und Futtermittel im Allgemeinen 55 Art. 1 Abs. 1: Diese Verordnung schafft die Grundlage für ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit des Menschen und die Verbraucherinteressen bei Lebensmitteln unter besonderer Berücksichtigung der Vielfalt des Nahrungsmittelangebots, einschließlich traditioneller Erzeugnisse, wobei ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts gewährleistet wird. In ihr werden einheitliche Grundsätze und Zuständigkeiten, die Voraussetzungen für die Schaffung

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und für die Lebens- und Futtermittelsicherheit im Besonderen auf gemeinschaftlicher und einzelstaatlicher Ebene festgelegt werden. Art. 1 Abs. 3 S. 1 BasisVO nennt als Anwendungsbereich der Verordnung alle Produktions-, Ver­arbeitungsund Vertriebsstufen von Lebens- und Futtermitteln. (3) Zusammenfassung Die den Agrarbereich betreffenden Bereiche der BasisVO konnten also inhaltlich auf Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV gestützt werden. Die erlassenen Maßnahmen im Agrarbereich bilden zwar nicht den Schwerpunkt der BasisVO, sind aber nicht weg zu denkende Grundlagen für die Erreichung der Hauptziele des Funktionierens und Errichtens des Binnenmarktes und des Gesundheits- und Verbraucherschutzes. cc) Konkurrenz und Verhältnis des Art. 37 EGV zu anderen Ermächtigungsgrundlagen Bei einer Maßnahme, deren Kern die agrarpolitischen Ziele des Art. 33 EGV waren, war diese Maßnahme allein auf Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV zu stützen, auch wenn mit der Maßnahme nebenbei andere Ziele verfolgt wurden.56 Waren jedoch neben dem Schwerpunkt der Gemeinsamen Agrarpolitik gleichwertig auch andere Ziele mit umfasst, so konnte57 der Rechtsakt neben Art. 37 EGV auf den entsprechenden Rechtsgrundlagen basieren58, da kein genereller Vorrang des Art. 37 EGV gegenüber anderen Ermächtigungsgrundlagen vorlag59. Da der Hauptgehalt der BasisVO wie bereits erläutert nicht bzw. nicht allein in den agrarpolitischen Zielen des Art. 33 EGV liegt, konnte und musste Art. 37 Abs.  2 UAbs.  3 EGV nicht als einzige Ermächtigungsgrundlage herangezogen werden. Nach der Feststellung, dass neben der Stützung eines Rechtsakts auf eines tragfähigen wissenschaftlichen Fundaments und effiziente organisatorische Strukturen und Verfahren zur Untermauerung der Entscheidungsfindung in Fragen der Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit festgelegt. 56 Thiele, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 37 EGV, Rn. 5. 57 Nach Rechtsprechung des EuGH muss der Rechtsakt bei Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV auch bei der gleichwertigen Verfolgung anderer Ziele nicht auf entsprechende Rechtsgrundlagen gestützt werden, vgl. hierzu EuGH, RS. 68/86, „Vereinigtes Königreich/Rat“, Slg. 1988, 855, Rn. 12; EuGH, RS. C-180/96, „Vereinigtes Königreich/Kom­ mission“, Slg. 1998, I-2265, Rn. 120; vgl. hierzu auch m. w. N. Bittner, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 37 EGV, Rn. 7. 58 Thiele, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 37 EGV, Rn. 7. 59 Bittner, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 37 EGV, Rn. 7.

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Art.  37 Abs.  2 UAbs.  3 EGV noch weitere Ermächtigungsgrundlagen in Frage kommen konnten, ist also weiter fraglich, in welchem Verhältnis Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV zu den anderen im Falle der BasisVO als Ermächtigungsgrundlagen herangezogenen Normen steht. (1) Verhältnis von Art. 37 Abs. 2 zu Art. 95 EGV Das Verhältnis von Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV zu Art. 95 EGV stellt sich wie folgt dar: Bei Harmonisierungsregelungen, die allein den Agrarbereich betrafen, wurde Art. 95 EGV bislang nicht zusätzlich zu Art. 37 EGV als Ermächtigungsgrundlage eingesetzt. Jedoch wurde eine Tendenz erkennbar, dass Art. 95 EGV neben Art.  37 EGV bei Harmonisierungsregelungen herangezogen wurde. Art.  37 EGV war aber grundsätzlich spezieller als Art. 95 EGV und ging mithin diesem vor.60 Im Fall der BasisVO geht es inhaltlich nicht allein um Harmonisierungsregelungen, die den Agrarbereich betreffen, womit also ein Rückgriff auf Art. 95 EGV neben Art. 37 EGV grundsätzlich möglich war.61 (2) Verhältnis von Art. 37 Abs. 2 zu Art. 133 EGV Auch das Verhältnis von Art. 37 EGV zu Art. 133 EGV stellt sich als durchaus nicht unproblematisch dar. Ging es vor allem um die Ein- und Ausfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, so konnte die Maßnahme allein auf Art. 37 EGV gestützt werden, ohne dass ein weiterer Rückgriff auf Art.  133 EGV erforderlich gewesen wäre.62 Ein solcher war jedoch möglich. Vorliegend geht es in der ­BasisVO bezüglich der landwirtschaftlichen Erzeugnisse nicht allein um Ein- und Ausfuhr, womit ein Rückgriff auf Art. 133 EGV nicht ausbleiben musste, sondern sogar rechtmäßig war.63



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Vgl. hierzu Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 95 EGV, Rn. 83. 61 Vgl. hierzu auch Bittner, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art 37 EGV, Rn. 10; Kopp, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 37 EGV, Rn. 8; Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 95 EGV, Rn. 83. 62 Kopp, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 37 EGV, Rn. 16. 63 Vgl. hierzu auch Bittner, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art 37 EGV, Rn. 12.

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(3) Verhältnis von Art. 37 Abs. 2 zu Art. 152 Abs. 4 b EGV Auch das Verhältnis von Art. 37 EGV zu Art. 152 Abs. 4 b EGV war nicht unkompliziert.64 Hier musste unmittelbar auf den Zweck der Maßnahme bezüglich der Einschlägigkeit der beiden Kompetenzen abgestellt werden.65 Da die BasisVO neben den agrarpolitischen Maßnahmen nach Art. 37 EGV durchaus dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung eigene Daseinsberechtigung einräumt und hierbei nicht Maßnahmen im Veterinärwesen oder im Pflanzenschutz im Vordergrund stehen, ist Art. 152 Abs. 4 b EGV nicht als vorrangig einzustufen.66 Art. 37 EGV und Art. 152 Abs. 4 b EGV stehen also rechtmäßig nebeneinander. Da jedoch bei dem Verfahren nach Art. 152 Abs. 4 b EGV das Europäische Parlament deutlich weitergehende Mitwirkungsmöglichkeiten hat, musste eine auf beide Kompetenznormen gestützte Maßnahme das insofern strengere Verfahren beachten. Somit bleibt festzuhalten, dass jedenfalls Art. 37 EGV mit den übrigen für die BasisVO genutzten Ermächtigungsgrundlagen in einem Verhältnis echter Normenkonkurrenz steht. Das Verhältnis der übrigen Ermächtigungsgrundlagen untereinander ist dann an anderer Stelle zu thematisieren. f) Art. 95 EGV: Rechtsangleichung bezüglich des Binnenmarktes Als weitere Ermächtigungsgrundlage für die BasisVO wird Art. 95 EGV67 genannt. Art. 95 EGV galt als die wichtigste Rechtsgrundlage für die Rechtsangleichung im Bereich des Lebensmittelrechts.68 aa) Inhalt der Kompetenznorm Nach Art. 95 EGV konnte der Rat gemäß dem Verfahren nach Art. 251 EGV und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses die Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten er­lassen, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes nach Art.  14 EGV zum Gegenstand haben. Auf Art. 95 EGV konnten mithin Maßnahmen zur Rechtsangleichung bezüglich des Binnenmarktes gestützt werden. Nach Art. 95 EGV waren tauglicher Harmonisierungsgegenstand Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die im Sinne von Art. 14 EGV den 64 Hierzu auch Thiele, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EGVertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 37 EGV, Rn. 8. 65 Larger, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 152 EGV, Rn. 26. 66 Kopp, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 37 EGV, Rn. 10; a. A. jedoch Fischer, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU- und EG-Vertrag, 4. Aufl. 2006, Art. 152 EGV, Rn. 22. 67 Entspricht Art. 114 AEUV. 68 Streinz, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/BasisVO Kommentar, 2007, § 1, Rn. 21.

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Binnenmarkt und mithin insbesondere die Freiheit des Warenverkehrs betrafen.69 Im Einzelfall enthielt Art. 95 EGV jedoch auch die Möglichkeit der Beibehaltung oder Einführung etwaiger nationaler entgegenstehender Regelungen, vgl. etwa Art. 95 Abs. 4 und Abs. 5 EGV.70 Eine generelle Kompetenz zum Erlass von Regelungen bezüglich des Binnenmarktes enthielt Art.  95 EGV allerdings nicht.71 Für die Inanspruchnahme von Art. 95 EGV musste vielmehr ein bestimmtes Bedürfnis vorliegen, die Verwirklichung des Binnenmarktes zu verbessern; Wettbewerbsverzerrungen mussten bereits spürbar sein. Solche Wettbewerbsverzerrungen konnten sich aus den unterschiedlichen nationalen Vorschriften, die bei ihrer Anwendung der Errichtung und dem Funktionieren eines gemeinsamen Binnenmarktes abträglich sind, er­ geben, eine abstrakte Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen war jedoch nicht ausreichend.72 Eine Maßnahme durfte somit nur dann auf Art. 95 EGV gestützt werden, wenn sie die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes verbessern konnte, wobei Art. 308 (ex-Art. 100 a) EGV nicht als allgemeine Kompetenz des Gemeinschaftsgesetzgebers zur Regelung des Binnenmarktes gesehen werden durfte, da dies ansonsten gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung verstoßen hätte.73 Anders als bei Art. 94 EGV waren die Maßnahmen des Art. 95 EGV nicht auf Richtlinien begrenzt. Als mögliche Handlungsformen kamen also alle in Art. 249 EGV genannten Maßnahmen in Betracht und mithin auch Verordnungen. Im Bereich des Art.  95 EGV erfüllte die Verordnung auch eine Funktion der Rechts­ angleichung.74 Bezüglich des Binnenmarktes bot Art. 95 EGV der Gemeinschaft die Möglichkeit, auch ohne konkrete Einzelermächtigung Maßnahmen im Rahmen der Rechtsetzung, also Richtlinien und eventuell sogar Verordnungen, zu erlassen. Wurde die Gemeinschaft aufgrund dieser Norm tätig, so musste sie ihr Tätigwerden wieder entsprechend Art. 5 Abs. 3 EGV verhältnismäßig ausüben, dies galt ins­ besondere auch für die Wahl der Handlungsform der auf Art. 95 EGV gestützten Maßnahme.



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70

Siehe hierzu Geiger, EUV/EGV, 4. Aufl. 2004, Art. 95 EGV, Rn. 3. Zu den mitgliedstaatlichen Abweichmöglichkeiten vgl. insbesondere Herrnfeld, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 95 EGV, Rn. 49 ff. 71 Vgl. zum Problemfeld, ob Art.  95 EGV eine allgemeine Kompetenz zur Regelung des Binnenmarktes oder eine „begrenzte Einzelermächtigung“ ist Ludwigs, EuZW 2006, S. 417. 72 EuGH, RS. C-350/92, „Spanien/Rat“, Slg. 1995, I-1985, Rn. 32 f.; EuGH, RS. C-300/89, „Kommission/Rat“, Slg. 1991, I-2867, Rn. 15. 73 EuGH, RS. C-376/98, „Tabakwerbeverbotsrichtlinie“, Slg. 2000, I-8419, Rn. 83 f. 74 Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 249 EGV, Rn. 17.

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Teil 2: Referenzgebiete

bb) Besonderer Rechtfertigungszwang des Art. 95 EGV Art. 95 EGV legte dem Gemeinschaftsgesetzgeber bei auf diese Norm gestützten Verordnungen in besonderer Weise einen Rechtfertigungszwang auf.75 Bei der Wahl der Rechtsform „Verordnung“ aus dem Rechtsaktkatalog des Art. 249 EGV war diese Entscheidung gesondert zu begründen, und grundsätzlich sollte der Richtlinie der Vorzug zu geben sein76, wobei dem Gemeinschaftsgesetzgeber im Rahmen der Verhältnismäßigkeit wiederum ein weiter Ermessensspielraum zustehen sollte77. Eine solche erforderliche Rechtfertigung bezüglich der Wahl der Rechtsform der Verordnung ist jedoch bei der BasisVO weder in den Erwägungsgründen noch in den Erläuterungen ausdrücklich vorhanden.78 Einzig dem Erwägungsgrund 66 könnte man den Ansatz einer Rechtfertigung entnehmen: „Zur Erreichung der grundlegenden Ziele dieser Verordnung ist es erforderlich und an­ gemessen, eine Angleichung der Konzepte, Grundsätze und Verfahren, die eine gemeinsame Grundlage für das Lebensmittelrecht in der Gemeinschaft bilden, vorzusehen und eine Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit zu errichten. Entsprechend dem in Artikel 5 des Vertrags verankerten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das zur Erreichung der Ziele erforderliche Maß hinaus.“

Somit findet sich doch eine Art Rechtfertigung insofern, als der Gemeinschaftsgesetzgeber mitteilt, dass die getroffene Maßnahme verhältnismäßig ist. Diese Art der Begründung stellt jedoch im Zusammenhang mit dem ursprünglichen Zweck einer solchen Begründung, nämlich der Nachvollziehbarkeit der Gründe für die Wahl der Rechtsaktform, eine juristische Posse dar. Bei der Rechtslage nach dem EGV sind derartige Begründungen bedauerlicherweise durchaus als ausreichend anzusehen. Grundsätzlich war eine Kontrolle der durch den Gemeinschaftsgesetzgeber nach Art. 95 EGV erlassenen Maßnahme zwar möglich, eine solche beschränkte sich jedoch auf evidente Missbrauchsfälle. 75 Dieser Begründungszwang resultiert aus einer Selbstverpflichtung der Kommission vgl. hierzu Erklärung Nr. 8 zur Einheitlichen Europäischen Akte, ABl. 1987 Nr. L 169, S. 24; vgl. hierzu insbesondere auch im Hinblick auf die BasisVO Streinz, ZLR 2000, S. 807, der bereits die mangelnde Begründung bezüglich der Wahl der Rechtsform „Verordnung“ bei dem der ­BasisVO vorangehenden Verordnungsvorschlag KOM (2000) 716 kritisiert. 76 So Streinz, Europarecht, 8. Aufl. 2008, Rn. 924; so auch Herrnfeld, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 95 EGV, Rn. 35 ff., der davon ausgeht, dass auch von der Verordnung rechtsangleichende Wirkung ausgehen kann; eine solche Verpflichtung die Wahl der Rechtsform „Verordnung“ „stets sachlich zu begründen“ sieht auch Leible, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 95 EGV, Rn. 33. 77 Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 95 EGV, Rn. 20. 78 Vgl. hierzu auch Streinz, ZLR 2000, S. 807.

A. Lebensmittelrecht

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Vorliegend muss die aus Erwägungsgrund  66 resultierende Begründung nach der Rechtslage nach dem EGV bezüglich der Begründungen als ausreichend erachtet werden. Es stellt sich jedoch die Frage, ob bei der zu beobachtenden wachsenden Tendenz zu einer bestimmten Rechtsetzungsart  – insbesondere von der Richtlinie zur Verordnung  – dem Gemeinschaftsgesetzgeber nicht eine weiter­ gehende Begründungspflicht auferlegt hätte werden müsste, bei deren Missachtung tatsächliche Konsequenzen bezüglich der Gültigkeit bzw. der Rechtmäßigkeit des in Frage stehenden Rechtsakts gedroht hätten und so auch vom EuGH ausgesprochen worden wären. cc) Übereinstimmung der Verordnung mit diesen Vorgaben Weiter ist zu untersuchen, ob die BasisVO Regelungen der Rechtsangleichung enthält, die die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben. Dies ist unproblematisch gegeben. Schon in den ersten Erwägungsgründen der BasisVO wird auf die Notwendigkeit der Rechtsangleichung im Bereich des Lebens- und Futtermittelrechts eingegangen. Erwg. 3: „Der freie Verkehr mit Lebensmitteln und Futtermitteln in der Gemeinschaft ist nur dann möglich, wenn die Anforderungen an die Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht wesentlich voneinander abweichen.“ Erwg. 4: „Die Konzepte, Grundsätze und Verfahren des Lebensmittelrechts der Mitgliedstaaten weisen große Unterschiede auf. Wenn die Mitgliedstaaten Maßnahmen betreffend Lebensmittel erlassen, können diese Unterschiede den freien Verkehr mit Lebensmitteln behindern, ungleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen und dadurch das Funktionieren des Binnenmarktes unmittelbar beein­trächtigen.“ Erwg.  5: „Eine Angleichung dieser Konzepte, Grundsätze und Verfahren ist daher not­ wendig, um eine gemeinsame Grundlage für Maßnahmen des Lebens­mittel- und Futtermittelsektors zu schaffen, die in den Mitgliedstaaten und auf Gemeinschaftsebene erlassen werden.“

Eine Vielzahl von Regelungen der BasisVO stellt sodann auch auf diese Angleichung im Sinne des Art. 95 EGV ab.

212

Teil 2: Referenzgebiete

dd) Konkurrenz und Verhältnis des Art. 95 EGV zu anderen Ermächtigungsgrundlagen Falls speziellere Kompetenznormen vorhanden waren, trat Art.  95 EGV hinter die rechtsangleichende Spezialnorm zurück79, gegenüber Art.  308 EGV war Art. 95 EGV lex specialis80. Andere Kompetenznormen waren grundsätzlich neben Art. 95 EGV anzuführen, wenn der Inhalt des in Frage stehenden Rechtsakts nicht nur die Ziele der Rechtsangleichung bezweckt hat, sondern nach Ziel und Inhalt auch andere Sachbereiche verfolgt werden sollten.81 (1) Verhältnis von Art. 95 zu Art. 133 EGV Im Verhältnis von Art. 95 zu Art. 133 EGV kam es auf den Regelungsschwerpunkt der getroffenen Maßnahme an. War Hauptzweck der Maßnahme die Verbesserung der Bedingungen für das Funktionieren des Binnenmarktes, so dass die Realisierung der Gemeinsamen Handelspolitik nur von untergeordneter Bedeutung war, so schied Art. 133 EGV als Rechtsgrundlage aus. War die Maßnahme trotzdem neben Art. 95 auch auf Art. 133 EGV gestützt, so war dies jedoch bei Einhaltung der entsprechenden Verfahrensvorschriften unschädlich.82 (2) Verhältnis von Art. 95 zu Art. 152 Abs. 4 b EGV Ebenso stellt es sich beim Verhältnis zwischen Art. 95 und Art. 152 Abs. 4 b EGV dar. Geht man nicht davon aus, dass Art. 152 Abs. 4 b EGV grundsätzlich als speziellere Kompetenznorm Art. 95 EGV vorging, sondern stellt auf den Regelungsschwerpunkt der Maßnahme ab, so war bei Verfolgung der Maßnahme von unterschiedlichen Zielen ein Nebeneinander dieser beiden Kompetenznormen denkbar83. Selbst wenn man von der Vorrangigkeit von Art. 152 Abs. 4 b EGV ausginge, wäre eine Stützung eines Rechtsakts auf die beiden in Frage stehenden Normen bei entsprechender Einhaltung der strengsten Verfahrensvorschriften mithin nicht zu beanstanden.84 79 Zum Verhältnis von Art. 95 EGV zu anderen Kompetenznormen, so genannten konkurrierenden Normen, und insbesondere Art. 308 EGV siehe Fischer, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU- und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2003, Art. 95 EGV, Rn. 53 ff. 80 Streinz, Europarecht, 8. Aufl. 2008, Rn. 922. 81 Fischer, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU- und EG-Vertrag, 4. Aufl. 2006, Art. 95 EGV, Rn. 53. 82 Vgl. hierzu EuGH, RS. C-491/01, „British American Tobacco“, Slg. 2002, I-11453, Rn. 98; Fischer, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU- und EG-Vertrag, 4. Aufl. 2006, Art. 95 EGV, Rn. 59. 83 So auch Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art.  95 EGV, Rn.  54; anderer Ansicht hingegen Fischer, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU- und EG-Vertrag, 4. Aufl. 2006, Art.  95 EGV, Rn.  57, der davon ausgeht, dass Art. 152 Abs. b EGV Art. 95 EGV ausschließt. 84 EuGH, RS. C-491/01, „British American Tobacco“, Slg. 2002, I-11453, Rn. 98.

A. Lebensmittelrecht

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(3) Zusammenfassung Bezüglich der Abgrenzung von Art. 95 EGV zu Art. 37, Art. 133 und Art. 152 Abs. 4 b EGV ist, falls kein eindeutiger Regelungsschwerpunkt in der Maßnahme zu finden ist, von einem möglichen Nebeneinander auszugehen.85 Weder Art. 37 und Art. 133 noch Art. 152 Abs. 4 b EGV waren im Vergleich zu Art. 95 EGV speziellere rechtsangleichende Kompetenznormen, die den Schwerpunkt der BasisVO betreffen. g) Art. 133 EGV: Gemeinsame Handelspolitik Als weitere Ermächtigungsgrundlage auf die die BasisVO gestützt ist, findet sich Art.  133 EGV, die zentrale Kompetenznorm für die Gemeinsame Handelspolitik. aa) Inhalt der Kompetenznorm Nach Art.  133 Abs.  1 EGV wurde die Gemeinsame Handelspolitik nach einheitlichen Grundsätzen gestaltet. Dies sollte nach dem 2.  Halbsatz des Abs.  1 insbesondere für die Änderung von Zollsätzen, den Abschluss von Zoll- und Handelsabkommen, die Vereinheitlichung der Liberalisierungsmaßnahmen, die Ausfuhrpolitik und die handelspolitischen Schutzmaßnahmen zum Beispiel im Fall von Dumping und Subventionen gelten. Art.  133 EGV berechtigte die Gemeinschaft zur Regelung der wesentlichen Rahmenbedingungen für den Import und Export von Gütern, Dienstleistungen und Kapital aus dem und in den Gemeinsamen Markt.86 Hierbei war der Zweck des Art.  133 EGV, die „kompetenziellen und prozeduralen Voraussetzungen für das Funktionieren der unionsrechtlichen Außenhandelspolitik bereitzustellen“87. Als Instrumente der Gemeinsamen Handelspolitik kamen neben Verträgen mit Drittstaaten oder sonstigen Handelspartnern auch autonome Maßnahmen, wie beispielsweise Verordnungen, in Betracht.88 85 Vgl. hierzu mit weiteren Erläuterungen Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 95 EGV, Rn. 83, der bei diesen Normen von Fällen echter Normenkonkurrenz ausgeht; zum Verhältnis von Art. 95 EGV zu anderen Kompetenzgrundlagen vgl. auch Herrnfeld, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 95 EGV, Rn. 9 ff. 86 Osteneck, in Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 133 EGV, Rn. 1. 87 Siehe zum Zweck der Norm auch Nettesheim/Duvigneau, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 133 EGV, Rn. 3. 88 Osteneck, in Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art.  133 EGV, Rn.  23; Nettes­heim/Duvigneau, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 133 EGV, Rn. 29, 55 f.

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Teil 2: Referenzgebiete

bb) Übereinstimmung der Verordnung mit diesen Vorgaben Bezüglich der Gemeinsamen Handelspolitik sind die Erwägungsgründe  23 ff. der BasisVO einschlägig: Erwg.  23: „Sicherheit und Vertrauen der Verbraucher in der Gemeinschaft und in Dritt­ ländern sind von größter Bedeutung. Die Gemeinschaft ist ein wichtiger globaler Handelspartner im Lebensmittel- und Futtermittelsektor und ist als solcher internationalen Handelsabkommen beigetreten, an der Entwicklung internationaler Normen zum Lebensmittelrecht beteiligt und unterstützt die Grundsätze des freien Handels mit sicheren Futtermitteln und sicheren, bekömmlichen Lebensmitteln, ohne Diskriminierung, nach lauteren und ethisch einwandfreien Handelsgepflogenheiten.“ Erwg.  24: „Es muss sichergestellt werden, dass aus der Gemeinschaft ausgeführte oder wieder ausgeführte Lebensmittel und Futtermittel dem Gemeinschaftsrecht oder den vom Einfuhrland gestellten Anforderungen entsprechen. Andernfalls können Lebensmittel und Futtermittel nur dann ausgeführt oder wieder ausgeführt werden, wenn das Einfuhrland ausdrücklich zugestimmt hat. Auch bei Zustimmung des Einfuhrlandes muss aber sichergestellt sein, dass keine gesundheitsschädlichen Lebensmittel oder nicht sicheren Futtermittel ausgeführt oder wieder ausgeführt werden.“ Erwg. 25: „Es ist notwendig, die allgemeinen Grundsätze für den Handel mit Lebensmitteln und Futtermitteln und die Ziele und Grundsätze für den Beitrag der Gemeinschaft zur Ausarbeitung internationaler Normen und Handelsabkommen festzulegen.“

Auch andere Erwägungsgründe der BasisVO zielen auf die Gemeinsame Handels­politik ab. Innerhalb der BasisVO sind insbesondere die Art. 11 ff. auf die Handelspolitik ausgerichtet. Somit enthält die BasisVO auch Regelungen zum Bereich der Gemeinsamen Handelspolitik, womit die Stützung der Verordnung auf Art.  133 EGV gerecht­ fertigt erscheint. cc) Konkurrenz und Verhältnis des Art. 133 EGV zu anderen Ermächtigungsgrundlagen Weiter ist die Konkurrenz der Kompetenznorm des Art. 133 EGV zu Art. 152 Abs. 4 b EGV zu überprüfen. Da die beiden Kompetenznormen jedoch völlig unterschiedliche Zielrichtungen haben, ist eine echte Normenkonkurrenz der beiden gegeben. h) Art. 152 Abs. 4 b EGV Gesundheitsschutz Als letzte der vier Kompetenznormen, auf die die BasisVO gestützt wurde, muss noch Art. 152 Abs. 4 b EGV überprüft werden.

A. Lebensmittelrecht

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aa) Inhalt der Kompetenznorm Art. 152 Abs. 4 b EGV normierte, dass der Rat Maßnahmen erlassen konnte, die abweichend von Art. 37 EGV in den Bereichen Veterinärwesen und Pflanzenschutz unmittelbar den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zum Ziel hatten. Bezüglich der Kompetenznorm des Art. 152 Abs. 4 b EGV eröffnete der Begriff der Maßnahmen das gesamte Instrumentarium des Art. 249 EGV89, mithin konnte also auch die Verordnung als Rechtsform gewählt werden. bb) Übereinstimmung der Verordnung mit diesen Vorgaben Der mit der BasisVO bezweckte Gesundheitsschutz wird gleich in den ersten beiden Erwägungsgründen erwähnt. Erwg. 1: „Der freie Verkehr mit sicheren und bekömmlichen Lebensmitteln ist ein wichtiger Aspekt des Binnenmarktes und trägt wesentlich zur Gesundheit und zum Wohlergehen der Bürger und zu ihren sozialen und wirtschaftlichen Inte­ressen bei.“ Erwg. 2: „Bei der Durchführung der Politiken der Gemeinschaft muss ein hohes Maß an Schutz für Leben und Gesundheit des Menschen gewährleistet werden.“

Exemplarisch für die Intention des Gemeinschaftsgesetzgebers bei der ­BasisVO bezüglich des Gesundheitsschutzes kann noch Erwägungsgrund 10 herausgegriffen werden. Erwg. 10: „Die Erfahrung hat gezeigt, dass es zum Schutz der menschlichen Gesundheit und für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes notwendig ist, Maßnahmen zu treffen, die gewährleisten, dass nicht sichere Lebensmittel nicht in den Verkehr gelangen und dass Systeme vorhanden sind, mit deren Hilfe Probleme der Lebensmittelsicherheit erkannt werden können. Auch im Zusammenhang mit der Sicherheit von Futtermitteln müssen diese Fragen angegangen werden.“

Auch in Art. 1 Abs. 1 S. 1 BasisVO ist normiert, dass „die BasisVO die Grundlage für ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit des Menschen […] schafft“. Art. 5 Abs. 1 BasisVO legt weiter als ein allgemeines Ziel des Lebensmittelrechts ein hohes Maß an Schutz für das Leben und die Gesundheit der Menschen fest. Viele Vorschriften, beispielsweise die über die allgemeinen Verpflichtungen für den Lebensmittelhandel und die über die allgemeinen Anforderungen des Lebensmittelrechts etc., dienen dem in Art. 152 Abs. 4 b EGV normierten Ziel des Gesundheitsschutzes.



89

Vgl. hierzu Lurger, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 152 EGV, Rn. 37 ff.; Berg, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 152 EGV, Rn. 22, der auch grundsätzlich davon ausgeht, dass hierbei Richtlinien die am besten geeignetsten sind, da sie den Mitgliedstaaten am meisten Handlungsspielraum ermöglichen.

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Teil 2: Referenzgebiete

cc) Konkurrenz und Verhältnis des Art. 152 Abs. 4 b EGV zu anderen Ermächtigungsgrundlagen Die Konkurrenzen des Art.  152 Abs.  4  b EGV zu den anderen Kompetenz­ normen sind bereits diskutiert worden. Festzuhalten bleibt, dass alle Kompetenznormen, auf die die BasisVO gestützt wurde, grundsätzlich nebeneinander stehen konnten, wenn die in Frage stehende Maßnahme die Regelungsbereiche der Kompetenznormen in gleichem Maße umfasst hat. dd) Konkurrenz und Verhältnis zu Art. 153 EGV Fraglich ist weiter, wie zu beurteilen ist, dass die BasisVO auch verbraucherschützende Elemente beinhaltet, jedoch nicht auf eine spezielle verbraucher­ schützende Kompetenznorm gestützt ist. Diese Elemente sind wiederum zum Teil bereits in den Erwägungsgründen zu finden, vgl. hierzu beispielsweise: Erwg. 9: „Es muss dafür gesorgt werden, dass Verbraucher, andere Akteure und Handelspartner dem dem Lebensmittelrecht zugrunde liegenden Entscheidungsfindungsprozess, seiner wissenschaftlichen Grundlage und den Strukturen und der Unabhängigkeit der Institutionen, die für den Schutz der Gesundheit und anderer Belange zuständig sind, Vertrauen entgegenbringen.“ Erwg. 28: „Die Erfahrung hat gezeigt, dass das Funktionieren des Binnen­marktes im Lebensmittel- oder Futtermittelsektor gefährdet sein kann, wenn Lebensmittel und Futtermittel nicht rückverfolgt werden können. Es ist daher notwendig, ein umfassendes System der Rückverfolgbarkeit bei Lebensmittel- und Futtermittelunternehmen festzulegen, damit gezielte und präzise Rücknahmen vorgenommen bzw. die Verbraucher oder die Kontrollbediensteten entsprechend informiert und damit womöglich unnötige weiter gehende Eingriffe bei Problemen der Lebensmittelsicherheit vermieden werden können.“

Weiter betreffen auch viele Regelungen innerhalb der BasisVO den Verbraucher­ schutz, vgl. beispielsweise Art. 1 Abs. 1 S. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 8 BasisVO. Ging es in einer Maßnahme hingegen um Regelungsmaterien bezüglich tie­ rischer und pflanzlicher Produkte, die neben dem Gesundheitsschutz auch dem Verbraucherschutz dienen, so war Art. 152 Abs. 4 b EGV die speziellere Norm zu Art. 153 EGV.90 Im Falle der BasisVO, in der es nachweislich sowohl um Gesundheitsschutz als auch um Verbraucherschutz geht, trat Art. 153 EGV mithin hinter die speziellere Norm von Art.  152 Abs.  4  b EGV zurück. Ein Rückgriff auf Art. 153 EGV war nicht erforderlich.

90 Siehe hierzu Berg, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 152 EGV, Rn. 16; Lurger, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 152 EGV, Rn. 30.

A. Lebensmittelrecht

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i) Verfahrensanforderungen Neben der Überprüfung der Einschlägigkeit der verschiedenen Rechtsgrund­ lagen muss weiter berücksichtigt werden, dass die Stützung des Rechtsakts auf mehrere Rechtsgrundlagen nicht dafür missbraucht werden darf, eventuell strengere Verfahrensanforderungen einzelner Kompetenznormen zu umgehen.91 Somit muss in einem solchen Fall immer das strengste Verfahrenserfordernis eingehalten werden92. Dies bedeutet insbesondere, dass die Beteiligungsrechte des Euro­ päischen Parlaments nicht geschmälert werden dürfen93. Vorliegend wurde die BasisVO vom Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf die Art. 37, 95, 133 und 152 Abs. 4 b EGV, auf Vorschlag der Kommission, nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozial­ ausschusses, nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen und gemäß dem Verfahren des Art. 251 EGV erlassen. Somit wurde bei Erlass der BasisVO das strengste Verfahren eingehalten. Bezüglich der Heranziehung mehrerer Ermächtigungsgrundlagen, auf welche ein Rechtsakt gestützt werden soll, zeigen sich mithin bei der BasisVO bezüglich des eingehaltenen Verfahrens keine Probleme. j) Zusammenfassung bezüglich der Ermächtigungsgrundlagen Zunächst kann festgestellt werden, dass die BasisVO rechtmäßig auf die verschiedenen Ermächtigungsgrundlagen gestützt worden ist. Wie untersucht, ist die Stützung auf mehrere Ermächtigungsgrundlagen rechtmäßig. Der Inhalt der BasisVO entspricht den der Gemeinschaft in den Ermächtigungsgrundlagen übertragenen Kompetenzen. Somit ist hinsichtlich der BasisVO das in Art. 5 Abs. 1 EGV enthaltene Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung gewahrt. Es kann also wie oben festgestellt festgehalten werden, dass der Inhalt der Ver­ordnung grundsätzlich mit den der Gemeinschaft in den Ermächtigungsgrundlagen eingeräumten Gemeinschaftsgesetzgebungskompetenzen übereinstimmt. Nach allen vier Ermächtigungsgrundlagen, auf die die BasisVO gestützt wurde, konnte grundsätzlich die Rechtsform der Verordnung herangezogen werden. Damit ist indes noch nichts darüber gesagt, ob im Fall der BasisVO auch die gewählte Rechtsform der Verordnung die rechtmäßige, insbesondere die verhältnismäßige war.

91

EuGH, RS.  300/89, „Titandioxid“, Slg.  1991, I-2867, Rn.  18 ff.; EuGH, RS.  211/01, „Kommission/Rat“, Slg. 2003, I-8913, Rn. 39 f. 92 EuGH, RS. 165/87, „Harmonisiertes System“, Slg. 1988, 5545, Rn. 11. 93 EuGH, RS. 300/89, „Titandioxid“, Slg. 1991, I-2867, Rn. 13 ff., 20.

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Teil 2: Referenzgebiete

4. Die Verhältnismäßigkeit der BasisVO bezüglich der Wahl der Rechtsform Weiter muss nun überprüft werden, ob die vom Gemeinschaftsgesetzgeber bezüglich der BasisVO gewählte Rechtsform der Verordnung auch verhältnis­mäßig ist.94 Grundsätzlich unterliegt der Einsatz der Handlungsformen wie jedes gemeinschaftliche Handeln auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.95 Dies bedeutet insbesondere, dass durch das gemeinschaftliche Tätigwerden kein intensiverer „Eingriff“ vollzogen werden darf als unbedingt zur Erreichung des angestrebten legitimen Ziels erforderlich ist. Somit soll nun die bezüglich der BasisVO gewählte Rechtsform der Verordnung auf ihre Verhältnismäßigkeit hin überprüft werden. Auch das gemeinschaftsrechtliche Verständnis des Verhältnismäßigkeitsprinzips setzt grundsätzlich ein legitimes Ziel, und die Kriterien der Erforderlichkeit und der Angemessenheit voraus96, wobei der EuGH keine einheitlichen Begriffsbestimmungen hierfür verwendet.97 a) Ziele der BasisVO Zunächst muss mit der BasisVO bzw. mit der Wahl der Rechtsform „Verordnung“ ein legitimes Ziel verfolgt werden. Die BasisVO muss also im Dienst der Verwirklichung der Vertragsziele stehen.98 Es darf hierbei außerdem kein Rechtsakt, der ausschließlich oder zumindest überwiegend zu anderen als den ange­ gebenen Zielen oder mit dem Ziel ein Verfahren zu umgehen, das der EGV speziell vorsieht, um die konkrete Sachlage zu bewältigen, von den Gemeinschaftsorganen erlassen werden. Eine solche Art der Gemeinschaftsrechtsetzung wäre als rechtmissbräuchlich einzustufen.99 94 Laut EuGH kommt es für die Frage, ob eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht darauf an, ob die gewählten Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet sind und das Maß des hierzu Erforderlichen nicht übersteigen siehe hierzu RS. C-426/93, „Nichtigkeit der Verordnung (EWG) Nr. 2186/93“, Slg. 1995, I-03723, LS 3; vgl. hierzu auch EuGH, RS. C-84/94, „Großbritannien/Rat“, Slg. 1994, I-5755, Rn. 50 ff. 95 Hierzu Schmidt, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), EU-/EG-Vertrag Kommentar, Band IV, 6. Aufl. 2004, Art. 249 EGV, Rn. 21; Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 249 EGV, Rn. 12; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Stand April 2009, Art. 249 EGV, Rn. 78 spricht hierbei auch vom Grundsatz der Sachgerechtigkeit des Rechtsakttyps. 96 EuGH, verb. RS.  279/84, 280/84, 285/84 und 286/84, „Rau/Kommission“, Slg.  1987, 1069, Rn.  34; RS.  C-426/93, „Deutschland/Rat“, Slg.  1995, I-3723, Rn.  42; RS.  C-491/01 (Anm. 1102), Rn. 122. 97 Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2000, S. 195 ff.; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 2005, S. 831 ff. 98 von der Groeben, NJW 1970, S. 362. 99 EuGH, RS. C-84/94, „Vereinigtes Königreich/Rat“, Slg. 1996, I-5755, LS 5.

A. Lebensmittelrecht

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Die Ziele der BasisVO wurden bereits im Rahmen der Überprüfung der Einhaltung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung aufgelistet, da im Fall der BasisVO mehrere Ermächtigungsgrundlagen herangezogen wurden und deshalb bei der Rechtmäßigkeitsüberprüfung der verschiedenen Ermächtigungsgrund­ lagen bzw. deren Zusammenspiel bereits das Ziel des in Frage stehenden Rechtsakts überprüft werden musste. Festgehalten werden kann also nach Überprüfung der Erwägungsgründe und der zielkonkretisierenden Normen der BasisVO, dass die Ziele der BasisVO die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes, der Gesundheitsschutz, der Verbraucherschutz, die Agrarpolitik und die Handelspolitik sind. Insbesondere sind hierbei die Erwägungsgründe 3 bis 5 der BasisVO zu erwähnen, in denen ausdrücklich vom Ziel der Angleichung der Konzepte der Mitgliedstaaten bezüglich des Lebensmittelrechts die Rede ist. Erwg. 3: „Der freie Verkehr mit Lebensmitteln und Futtermitteln in der Gemeinschaft ist nur dann möglich, wenn die Anforderungen an die Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht wesentlich voneinander abweichen.“ Erwg. 4: „Die Konzepte, Grundsätze und Verfahren des Lebensmittelrechts der Mitgliedstaaten weisen große Unterschiede auf. Wenn die Mitgliedstaaten Maßnahmen betreffend Lebensmittel erlassen, können diese Unterschiede den freien Verkehr mit Lebensmitteln behindern, ungleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen und dadurch das Funktionieren des Binnenmarktes unmittelbar beeinträchtigen.“ Erwg.  5: „Eine Angleichung dieser Konzepte, Grundsätze und Verfahren ist daher notwendig, um eine gemeinsame Grundlage für Maßnahmen des Lebensmittel- und Futter­ mittelsektors zu schaffen, die in den Mitgliedstaaten und auf Gemeinschaftsebene erlassen werden. Jedoch muss für die Anpassung miteinander kollidierender Bestimmungen im geltenden Recht sowohl auf nationaler als auch auf gemeinschaftlicher Ebene genügend Zeit eingeräumt und vorgesehen werden, dass bis zum Abschluss der Anpassung die geltenden Vorschriften unter Berücksichtigung der in dieser Verordnung dargelegten Grundsätze angewandt werden.“

In diesen Erwägungsgründen werden die Ziele der BasisVO insbesondere im Hinblick auf die Verwirklichung des gemeinsamen Binnenmarktes aufgezeigt. Außerdem wird deutlich gemacht, aus welchen Gründen eine Angleichung der unterschiedlichen rechtlichen Regelungen in den Mitgliedstaaten gerade im Bereich des Lebensmittelrechts von großer Bedeutung ist. Somit kann festgehalten werden, dass mit der Rechtsform der Verordnung im Falle der BasisVO ein legitimes Ziel bzw. mehrere legitime Ziele verfolgt werden.

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Teil 2: Referenzgebiete

b) Die Geeignetheit der gewählten Rechtsform der Verordnung zur Erreichung des angestrebten Ziels Nachdem festgestellt werden kann, dass die BasisVO grundsätzlich ein legitimes bzw. mehrere legitime Ziele verfolgt, muss im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nun weiter überprüft werden, ob die vom Gemeinschaftsgesetzgeber zur Erreichung dieser Ziele ausgewählte Rechtsform „Verordnung“ hierfür auch geeignet100 ist. Bei der Überprüfung der Geeignetheit geht es bezüglich der Rechtsformenwahl prinzipiell um die Einhaltung des „Gebotes des sachgerechten Formen­ gebrauchs“101, wobei nur die völlig augenscheinliche Ungeeignetheit der Rechtsform zur Unverhältnismäßigkeit an diesem Prüfungspunkt führen würde102. Jedoch darf die Geeignetheitsprüfung nicht zu einem Missbrauch der Rechtsformenwahl im Hinblick auf eine wachsende Verdrängung des mitgliedstaatlichen Rechts durch unmittelbar anwendbares Gemeinschaftrecht führen.103 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Richtlinie generell bezüglich der Rechtsangleichung und die Verordnung bezüglich der Rechtsvereinheit­ lichung die zu bevorzugende Rechtsform sein soll. Im Bezug auf Art. 40, Art. 95 und auch Art. 308 EGV erfüllte die Verordnung jedoch auch die Funktion der Rechts­ angleichung.104 Wurde eine Verordnung auf diese Ermächtigungsgrundlagen gestützt, so konnte diese Verordnung auch primär rechtsangleichende Wirkung haben. Wie in Erwägungsgrund  4 und 5 beschrieben, ist das Ziel der BasisVO zunächst die Angleichung der unterschiedlichen Konzepte, Grundsätze und Verfahren im Lebensmittelrecht der Mitgliedstaaten; dies zuvorderst zur Verwirklichung des Binnenmarktes, danach jedoch auch, um die anderen Ziele wie Gesundheitsschutz etc. zu verwirklichen. Erwägungsgrund 5 macht Vorgaben für die Anpassung des nationalen Rechts bezüglich der Einräumung von ausreichend Zeit der mitein­ander kollidierenden Bestimmungen im geltenden Recht auf nationaler und gemeinschaftlicher Ebene. Außerdem sollen bis zum Abschluss dieser Anpassung die geltenden Vorschriften unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze 100

von der Groeben, NJW 1970, S. 362. Vgl. hierzu Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Stand April 2009, Art. 249 EGV, Rn. 133; vom Gebot eines „sachgerechten Formengebrauchs“ spricht auch Fuß, NJW  1964, S.  330; vgl. hierzu auch Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 92. 102 EuGH, RS. 40/72, „Schroeder/Deutschland“, Slg. 1973, I-125, Rn. 14. 103 So auch von der Groeben, NJW 1970, S. 362, dieser geht davon aus, dass es in der Mehrzahl der Fälle aus Sicht der Gemeinschaft nicht zweckmäßig ist, „Normkomplexe aus ihrer Einbettung in den Zusammenhang des nationalen Rechts herauszulösen und auf die Ebene der Gemeinschaft zu transponieren“. 104 Zum zweckwidrigen Einsatz von Handlungsformen, insbesondere des Einsatzes der Verordnung zur Rechtsangleichung siehe Biervert, Der Missbrauch von Handlungsformen im Gemeinschaftsrecht, 1999, S. 134 ff. 101

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angewandt werden. Diese Anpassungsvorgaben deuten zunächst dem Charakter nach eher auf die Wahl der Rechtsform der Richtlinie mit ihrem Umsetzungs­ bedürfnis als auf die der Verordnung mit ihrer unmittelbaren Geltung hin. Gerade die Stützung der BasisVO auf Art. 95 EGV gibt jedoch die Möglichkeit, auch im Bereich der Rechtsangleichung durch Verordnungen rechtsetzend tätig zu werden.105 Wie bereits oben erläutert, ergab sich in diesen Fällen jedoch ein besonderes Rechtfertigungsbedürfnis des Gemeinschaftsgesetzgebers.106 Folglich kann festgehalten werden, dass auch Rechtsangleichung grundsätzlich mittels Verordnungen möglich ist.107 Im konkreten Fall der BasisVO scheint daher die Rechtsform der Verordnung zunächst nicht grundsätzlich ungeeignet, die Ziele der BasisVO zu verwirklichen. Dementsprechend ist die gewählte Rechtsform der Verordnung bezüglich der BasisVO als geeignetes Mittel zur Erreichung der festgelegten Ziele anzusehen. c) Erforderlichkeit einer BasisVO Weiter ist nun zu überprüfen, ob die Regelung der BasisVO in Form einer Verordnung auch erforderlich war. Bei der Frage nach der Erforderlichkeit einer Maßnahme und hierbei insbesondere im Hinblick auf die Wahl der Rechtsform muss ermittelt werden, ob die durch die gewählte Rechtsform ausgeübte Belastung so gering wie nur möglich ist. Es soll vom Gemeinschaftsgesetzgeber grundsätzlich unter mehreren gleich geeigneten Mitteln das mildeste Mittel gewählt werden. Bei der umfassend ausgestalteten Überprüfung des mildesten Mittels bezüglich der Wahl der Rechtsaktform des Gemeinschaftsgesetzgebers sind unterschied­liche Prüfkriterien zu kontrollieren, zu analysieren und anschließend miteinander abzuwägen. Bei der Kontrolle der Erforderlichkeit der Rechtsaktform der Verordnung bezüglich der Regelungsinhalte der BasisVO soll zunächst unter dem Punkt „konkrete Regelungsmethode und -dichte“ auf den Inhalt der BasisVO und deren konkrete Ausgestaltung eingegangen werden. Hierbei soll insbesondere überprüft werden, ob eventuell bestimmte Inhalte der BasisVO zwingend die Rechtsform der Verordnung erfordern und somit bezüglich des gesamten Regelungsinhalts der 105 Hierzu auch Leible, in: Streinz (Hrsg), EUV/EGV, 2003, Art. 95 EGV, Rn. 32; Fischer, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU- und EG-Vertrag, 4. Aufl. 2006, Art. 95 EGV, Rn. 37; Herrnfeld, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 95 EGV, Rn. 36 f. 106 Vgl. hierzu Erklärung Nr. 8 zur Einheitlichen Europäischen Akte, ABl. 1987 Nr. L 169, S. 24; vgl. hierzu insbesondere auch im Hinblick auf die BasisVO Streinz, ZLR 2000, S. 807, der bereits diesbezüglich die mangelnde Begründung bei dem der BasisVO vorangehenden Verordnungsvorschlag KOM (2000) 716 kritisiert. 107 Zur Frage, inwiefern die Verordnung dann tatsächlich rechtsangleichende Elemente enthalten muss EuGH, RS. C-217/04, „Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland/ Europäisches Parlament“, Slg. 2006, I-03771, LS 2.

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Teil 2: Referenzgebiete

BasisVO nur die Rechtsform der Verordnung als „kleinster gemeinsamer Nenner“ vom Gemeinschaftsgesetzgeber eingesetzt werden konnte. Sodann werden nochmals allgemein die rechtlichen Wirkungen von Verordnungen und insbesondere auch die Auswirkungen der BasisVO beispielsweise auf die Mitgliedstaaten mit Hinblick auf etwaige Unterschiede, die sich bei einer anderen Rechtsaktformwahl des Gemeinschaftsgesetzgebers ergeben hätten, untersucht. Hieran anschließen wird sich der Versuch der Beantwortung der Frage, ob im Falle der BasisVO tatsächlich eine einheitliche Verordnung das mildeste Mittel war oder ob nicht eine mögliche Aufspaltung der Verordnung nach rechtsaktformabhängigen Charaktereigenschaften – sofern überhaupt rechtlich möglich – die erforderliche Rechtsetzungsmethode gewesen wäre. Wäre eine solche Aufspaltung rechtlich möglich gewesen, so muss entschieden werden, ob dieses Vorgehen eventuell weniger belastend und mithin verhältnismäßiger gewesen wäre. aa) Konkrete Regelungsmethode und -dichte Nachdem festgehalten werden kann, dass grundsätzlich der Inhalt der Verordnung durch die in den Ermächtigungsgrundlagen normierten Kompetenzen gedeckt ist, muss weiter geprüft werden, ob auch der konkrete Regelungsinhalt der Basis-Verordnung in Form einer Verordnung ergehen durfte und wie regelungsdicht dieser ausgestaltet wurde. Dies ist insbesondere deshalb interessant, weil ursprünglich geplant war, die allgemeinen Grundsätze des Lebensmittelrechts in Form einer Richtlinie und die anderen in der Verordnung geregelten Teile teilweise in separaten Rechtsakten zu erlassen.108 Demgegenüber steht, dass die Errichtung einer neuen Europäischen Behörde nur in der Rechtsform der Verordnung bzw. in einer Rechtsform, der unmittelbare Wirkung zukommt, ergehen darf.109 Insofern konnte ein einheitlicher Rechtsakt, der die allgemeinen Grundsätze des Lebensmittelrechts, die Errichtung der EBLS und der Ausgestaltung eines Schnellwarnsystems enthalten sollte, nur in der Rechtsform der Verordnung als „kleinstem gemeinsamen Nenner“ ergehen. 108 Vgl. hierzu Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit, KOM (1999) 719 endg., Anhang, Nr. 3; vgl. hierzu auch Horst/Mrohs, ZLR  2000, S.  135; Eckert, ZLR  1999, S.  596; von Danwitz, ZLR 2001, S. 218. 109 Aufgrund mangelnder Erwähnung im Primärrecht beruhen Agenturen im Allgemeinen auf Sekundärrecht insbesondere in der Form der Verordnung, vgl. hierzu auch Kilb, EuZW 2006, S. 269; zu den Agenturen allgemein siehe auch Koch, EuZW 2005, S. 455 ff.; zur Erforderlichkeit der Regelung durch eine Verordnung im Hinblick auf einzelne Regelungsinhalte der BasisVO vgl. Seemann, Behördliche Produktinformation im europäischen und deutschen Lebensmittelrecht, 2008, S. 58; zu diesem Themenkreis auch Gelbert, Die Risikobewältigung im Lebensmittelrecht auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene, 2001, S. 129.

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Die Verbindung der für die Schaffung einer Europäischen Lebensmittelbehörde erforderlichen Regelungen mit den Grundregeln des europäischen Lebensmittelrechts ist teilweise kritisiert worden. Insbesondere die Rechtmäßigkeit der Ein­ fügung von lebensmittelrechtlichen Grundregelungen in die Rechtsform der Verordnung wurde oftmals angezweifelt.110 Um die einzelnen Gehalte der verschiedenen Bestimmungen auf ihren Ver­ ordnungscharakter hin zu überprüfen, müssen die verschiedenen Kapitel der Verordnung auf ihren Rechtsformcharakter hin untersucht werden.111 Hieran anschließend muss, wenn sich bei der Untersuchung herausstellt, dass innerhalb der BasisVO Kapitel mit unterschiedlichen Rechtsformcharakteren vorhanden sind, ermittelt werden, ob eine Notwendigkeit der Zusammenfassung dieser Kapitel in einer einheitlichen Verordnung vorhanden war oder ob vielmehr eine Aufspaltung in mehrere Rechtsakte mit daraus resultierendem unterschiedlichem Rechtsaktcharakter nicht auch zielführend und insofern die erforderliche Möglichkeit der Rechtsetzung gewesen wäre. Die BasisVO beinhaltet fünf Kapitel: –– Kapitel I: Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen; –– Kapitel II: Allgemeines Lebensmittelrecht; –– Kapitel III: Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit; –– Kapitel IV: Schnellwarnsystem, Krisenmanagement und Notfälle; –– Kapitel V: Verfahren und Schlussbestimmungen. (1) Kapitel I: Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen Das erste Kapitel der BasisVO enthält in den Art.  1 bis 3 den Anwendungs­ bereich und die Begriffsbestimmungen der BasisVO.

110 Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Loseblatt-Sammlung, Band  II, C  101, Stand November 2008, Art.  2 BasisVO, Rn.  2; Streinz, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/BasisVO Kommentar, 2007, Einführung, Rn. 40; Streinz, ZLR 2000, S. 807 geht auch davon aus, dass für die Rahmenregelung besser die Rechtsform der Richtlinie vorzuziehen gewesen wäre. Gorny, Grundlagen des europäischen Lebensmittelrechts, 2003, Einführung, Rn. 3 meint, dass mit der Verordnung Dinge in einen Topf geworfen wurden, „die nicht notwendigerweise in einer einheitlichen Verordnung hätten geregelt werden müssen“, sondern besser in der Form einer Richtlinie aufgehoben wären. 111 Kritik an dieser BasisVO, mit „der man nun leben muss“ übt Rabe, ZLR 2003, S. 152, der insbesondere die neue Gesetzestechnik und Gesetzessprache, die neue Terminologie und überflüssige Vorschriften kritisiert.

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Teil 2: Referenzgebiete

(a) Inhalt des Kapitels I Art.  1 Abs.  1 BasisVO legt hierbei das Ziel und den Anwendungsbereich der Verordnung fest. Hiernach soll die Verordnung die Grundlage für ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit des Menschen und die Verbraucherinteressen bei Lebensmitteln unter besonderer Berücksichtigung der Vielfalt des Nah­ rungsmittelangebots, einschließlich traditioneller Erzeugnisse, schaffen, wobei ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes gewährleistet wird. Abs.  1 S.  2 normiert, dass in der Verordnung die einheitlichen Grundsätze und Zuständigkeiten, die Voraussetzungen für die Schaffung eines tragfähigen wissenschaft­lichen Fundaments und effiziente organisatorische Strukturen und Verfahren zur Untermauerung der Entscheidungsfindung in Fragen der Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit festgelegt werden. Art. 1 Abs. 2 UAbs. 1 erläutert, dass für die Zwecke des Abs.  1 in der Verordnung die allgemeinen Grundsätze für Lebensmittel und Futtermittel im Allgemeinen und für Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit im Besonderen auf gemeinschaftlicher und einzelstaatlicher Ebene festgelegt werden. In Art. 1 Abs. 2 UAbs. 2 BasisVO ist normiert, dass mit dieser Verordnung die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit errichtet wird. Art. 1 BasisVO enthält keine eigenständigen Rechtsetzungsinhalte, sondern soll vielmehr als Inhaltverzeichnis der BasisVO angesehen werden.112 Die in Art.  1 ­BasisVO beschriebenen Ziele sollen mit der Festlegung der allgemeinen Grundsätze des Lebensmittelrechts zu einem Gesamtrahmen des gemeinschaftlichen Lebensmittelrechts führen.113 Insbesondere Art.  1 Abs.  1 BasisVO ist nicht unmittelbar anwendbar, da dieser programmatischen Charakter hat und die hierin festgeschriebenen Ziele in anderen Vorschriften konkretisiert sind.114 Art.  2 BasisVO enthält die Definition des Begriffes „Lebensmittel im Sinne dieser Verordnung“.115 Zunächst werden Lebensmittel als „alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder un 112 Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Loseblatt-Sammlung, Band II, C 101, Stand November 2008, Art. 1 BasisVO, Rn. 1. 113 Vgl. hierzu auch Gorny, Grundlagen des europäischen Lebensmittelrechts, 2003, Kapitel I, Rn. 26. 114 Hierzu auch Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Loseblatt-Sammlung, Band  II, C  101, Stand November 2008, Vorbem., Rn. 5; Art. 1 BasisVO, Rn. 2, die auch davon ausgehen, dass Art. 1 Abs. 1 BasisVO „kaum über eine politische Floskel hinausgeht“, ebenso wie Abs. 3 S. 2, vgl. hierzu Rn. 4. 115 Siehe zu diesem Zentralbegriff auch Gorny, Grundlagen des europäischen Lebensmittel­ rechts, 2003, Kapitel  I, Rn.  39 ff.; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Loseblatt-Sammlung, Band II, C 101, Stand November 2008, Art. 2 BasisVO, Rn. 1 ff.; vgl. zu den lebensmittelrechtlichen Grundbegriffen auch Gorny, ZLR 2001, S. 501 ff., Köhler, GRUR 2002, S. 844 ff. spricht von einer lange erwarteten Definition dieses Begriffs.

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verarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden“ bezeichnet.116 Weiter erfolgt eine Auflistung der zu den Lebensmitteln gehörenden Stoffe und anschließend findet insofern eine Negativabgrenzung statt, als normiert ist, was nicht zu den ­Lebensmitteln gehört. Art. 2 BasisVO definiert jedoch nicht nur den Begriff des Lebensmittels im Sinne der BasisVO, sondern auch im gesamten gemeinschaftlichen Lebensmittelrecht – also für alle Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen, die den Begriff Lebensmittel verwenden.117 Die im deutschen Recht in § 1 LMBG normierte Definition des Lebensmittelbegriffs war gleichwohl nicht mit diesem von der BasisVO definierten Lebensmittelbegriff identisch. Mittlerweile ist im neuen LFGB in § 2 Abs. 2 darauf hingewiesen, dass Lebensmittel Lebensmittel im Sinne des Art. 2 der Verordnung EG Nr. 178/202, also im Sinne der BasisVO, sind. Der in Art. 2 BasisVO definierte Lebensmittelbegriff findet mithin aufgrund der unmittelbaren Geltung der BasisVO auf alle nationalen lebensmittelrechtlichen Regelungen Anwendung. Art. 3 BasisVO enthält die sonstigen Definitionen, beispielsweise der Begriffe Lebensmittelrecht, Lebensmittelunternehmen und Lebensmittelunternehmer.118 Auch hier ist davon auszugehen, dass diese Begriffsbestimmungen und Definitionen nicht nur für die BasisVO gelten sollen, sondern dass, da die BasisVO die allgemeinen Grundsätze und Anforderungen an das europäische Lebensmittelrecht regeln soll, diese für das gesamte europäische Lebensmittelrecht Geltung beanspruchen119. (b) Verordnungscharakter des Kapitels I Kapitel I enthält mit der Umgrenzung des Anwendungsbereichs und den Definitionen bzw. Begriffsbestimmungen eher allgemeine Rahmenvorgaben.120

116

Zum gemeinschaftsrechtlichen Lebensmittelbegriff, dessen Entwicklungsgeschichte, seiner unmittelbaren Geltung und Inhalt und Umfang siehe ausführlich Klaus, Der gemeinschaftsrechtliche Lebensmittelbegriff, 2005, S. 29 ff. 117 Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Loseblatt-Sammlung, Band II, C 101, Stand November 2008, Art. 2 BasisVO, Rn. 5 ff., hiernach wird auch davon ausgegangen, dass der Lebensmittelbegriff i. S. d. BasisVO auch auf für beim Inkrafttreten der BasisVO bereits bestehende Rechtsakte maßgebend ist. 118 Bei den 18 Definitionen fehlt beispielsweise die Definition über Zusatzstoffe, die sich in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 89/107/EWG befindet; weiter bleibt auch der Begriff des „Verbrauchers“ undefiniert. 119 Meyer, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/BasisVO Kommentar, 2007, Art.  3 BasisVO, Rn. 1; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Loseblatt-Sammlung, Band II, C 101, Stand November 2008, Art. 3 BasisVO, Rn. 1. 120 Vgl. hierzu von Danwitz, ZLR 2001, S. 218.

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Teil 2: Referenzgebiete

Teilweise haben bestimmte Vorschriften nur deklaratorischen bzw. politischen Charakter.121 Eine unmittelbare Wirkung von solchen Vorgaben ist praktisch nicht vorhanden. Es wäre grundsätzlich möglich gewesen, die in Kapitel I normierten Vorschriften auch in der Form einer Richtlinie zu erlassen. Hierfür sprechen auch die Erläuterungen zum Verordnungsvorschlag122: „Mit diesem Vorschlag wird allerdings nicht nur die Harmonisierung der nationalen Anforderungen angestrebt, sondern es soll auch der grundlegende Rahmen für Grundsätze und Definitionen eines künftigen europäischen Lebensmittelrechts geschaffen werden. Soweit künftig Maßnahmen überarbeitet oder Vorschläge zu neuen Sachgebieten entwickelt werden sollen, will diese Verordnung die Grundprinzipien, Definitionen und Orientierungs­ linien hierzu anbieten. Zwar werden einige spezifische Anforderungen vorgeschlagen, doch werden in der Regel allgemein umsetzbare Erfordernisse als Grundlage für speziellere Bestimmungen angeführt.“

Festzuhalten bleibt also, dass Kapitel I allgemeine Rahmenvorgaben über das Europäische Lebensmittelrecht enthält, die auch in der Rechtsform der Richtlinie gut aufgehoben gewesen wären bzw. eher Richtliniencharakter aufweisen.123 Die Wirkung der in Kapitel I normierten Vorschriften wäre durch eine Regelung in der Form der Richtlinie nicht geschmälert worden. Insbesondere die Definitionen hätten sich in die mitgliedstaatlich bestehenden Rechtssysteme gut durch Umsetzung integrieren lassen. Vor allem hinsichtlich des deutschen Rechts lässt sich feststellen, dass, da der in § 1 LMBG124 normierte Lebensmittelbegriff nicht mit dem der BasisVO identisch war, eine Regelung der Grundbegriffe des Lebensmittelrechts in Form einer Richtlinie von Vorteil gewesen wäre. Mit einer solchen hätte der deutsche Gesetzgeber das geltende lebensmittelrechtlich vorhandene Regelungssystem unter An 121 Rabe, ZLR 2003, S. 152 meint, dass etwa Art. 1 und 3 der BasisVO überflüssige Vorschriften darstellen, die nur mit gutem Willen als Zielbestimmungen verstanden werden können. 122 Vorschlag für einen Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Fest­ legung der allgemeinen Grundsätze und Erfordernisse des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Lebensmittelbehörde und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit vom 08.11.2000, KOM (2000) 716 endg., S. 4 f. 123 So beispielsweise auch Streinz, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/BasisVO Kommentar, 2007, Einführung, Rn.  40; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Loseblatt-Sammlung, Band II, C 101, Stand November 2008, Art. 2 BasisVO, Rn. 2; Streinz, ZLR 2000, S. 807 geht auch davon aus, dass für die Rahmenregelung besser die Rechtsform der Richtlinie vorzuziehen ge­wesen wäre; Gorny, Grundlagen des europäischen Lebensmittelrechts, 2003, Einführung, Rn. 3. 124 Dieser besagt in Absatz 1, dass Lebensmittel im Sinne des LMBG Stoffe sind, die dazu bestimmt sind, in unverändertem, zubereitetem oder verarbeitetem Zustand von Menschen verzehrt zu werden; ausgenommen sind Stoffe, die überwiegend dazu bestimmt sind, zu anderen Zwecken als zur Ernährung oder zum Genuss verzehrt zu werden. § 1 Abs. 2 LMBG besagt, dass den Lebensmitteln ihre Umhüllungen, Überzüge oder sonstigen Umschließungen, die dazu bestimmt sind, mitverzehrt zu werden, oder bei denen der Mitverzehr vorauszusehen ist, gleich stehen.

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passung allein der Definition eventuell aufrechterhalten können. Mit Inkrafttreten der BasisVO am 21. Februar 2002 wurde jedoch der bis dahin noch im LMBG bestehende Lebensmittelbegriff durch den des Art. 2 BasisVO verdrängt.125 Zur Überprüfung des Verordnungscharakters des Kapitels  I bleibt festzuhalten, dass wenn diese Rahmenvorgaben allein Inhalt eines Rechtsakts wären, keine Zweifel über das mildere Mittel bzw. mithin die Erforderlichkeit einer Richtlinie mit selbigem Inhalt bestünden. Hierfür spricht auch, dass im Weißbuch für diesen Teil und Kapitel II über die Grundsätze des Lebensmittelrechts der BasisVO die Rechtsform der Richtlinie vorgesehen war. Die Frage der Rechtmäßigkeit von Richtlinieninhalten in Verordnungen und folglich, ob die eigentliche Erforderlichkeit einer Richtlinie für einzelne Bereiche der Verordnung einer Einheitlichkeit des Rechtsaktes unterzuordnen ist, ist an späterer Stelle zu überprüfen. Hierbei wird insbesondere der Frage nachzugehen sein, ob es grundsätzlich rechtlich möglich gewesen wäre, diese Kapitel mit Richtliniencharakter in einer Basis-Richtlinie, die neben einer BasisVO bestünde, zu erlassen. Ist dies der Fall, so muss, um zu überprüfen, ob eine solche Aufspaltung des Rechtsakts auch das verhältnismäßigere Mittel gewesen wäre, weiter die Effektivität einer solchen geteilten Regelung kontrolliert werden. 125 Zum Streit, ob tatsächlich eine Verdrängung des § 1 LMBG durch Art. 2 BasisVO stattfand oder ob noch eine weitere Anwendung des nationalen Lebensmittelbegriffs für nationale lebensmittelrechtliche Regelungen möglich war, solange keine gänzliche Anpassung wie es durch das LFGB geschehen ist, vorgenommen wurde, Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Lose­ blatt-Sammlung, Band II, C 101, Stand November 2008, Art. 2 BasisVO, Rn. 100 ff., dieser geht davon aus, dass solange das LMBG in Kraft war sich bezüglich des nationalen deutschen Rechts, wenn kein EG-Recht betroffen ist, zeigt, dass auch – nicht allein – aus der Einschränkung in Abs. 1 „im Sinne dieser Verordnung“ keine Anwendung des durch die BasisVO definierten Lebensmittelbegriffes auf Sachverhalte, die durch nationales Lebensmittelrecht, welchem der nationale von der BasisVO abweichende Lebensmittelbegriff als Grundlage dient, geregelt sind, stattfinden solle. Dies würde zu sehr in die bestehenden mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen im Bereich des Lebensmittelrechts eingreifen. Für eine, auch nach Inkrafttreten der BasisVO, bestehende Anwendung und Nutzung des nationalen Lebensmittelbegriffes auf bereits bestehende national geregelte Lebensmittelsachverhalte und mithin in diesem Bereich eine Anwendung des gemeinschaftsrechtlichen Lebensmittelbegriffs nur auf künftige Normierungen im nationalen Recht spreche auch der zweite Satz des Erwägungsgrundes 5 der BasisVO. Dieser setzt fest, dass für die Anpassung miteinander kollidierender Bestimmungen im geltenden Recht sowohl auf nationaler, als auch auf gemeinschaftlicher Ebene genügend Zeit eingeräumt und vorgesehen werden soll, dass bis zum Abschluss der Anpassung die geltenden Vorschriften unter Berücksichtigung der in dieser Verordnung dargelegten Grundsätze angewandt werden; anders und folgerichtig Meyer, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/BasisVO Kommentar, 2007, Art. 2 BasisVO, Rn. 3, der m. w. N. davon ausgeht, dass mit dem Inkrafttreten der BasisVO der gemeinschaftsrechtliche Lebensmittelbegriff den deutschen Lebens­mittelbegriff verdrängte, da für die Anwendung dieser Begriffsbestimmung keine Übergangsbestimmungen vorhanden sind. Mittlerweile wird diese Meinung, nach vorhergehenden anderen Entscheidungen auch vom BGH geteilt, vgl. hierzu BGH, Urteil vom 30. März 2006 – I ZR 24/03, in: ZLR 2006, S. 411, LS 3.

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Teil 2: Referenzgebiete

(2) Kapitel II: Allgemeines Lebensmittelrecht (a) Inhalt des Kapitels II In Kapitel II ist das gesamte, also das horizontal anwendbare Lebensmittelrecht der Gemeinschaft bzw. sind dessen übergeordnete Grundsätze enthalten.126 Zunächst wird in Art. 4 BasisVO der Anwendungsbereich des Kapitels fest­gelegt. Dieses soll sich nach Art. 4 Abs. 1 BasisVO auf alle Produktions-, Verarbeitungsund Vertriebsstufen von Lebensmitteln wie auch Futtermitteln, die für der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere hergestellt oder an sie verfüttert werden, beziehen. Nach Art. 4 Abs. 2 BasisVO sollen die in Art. 5 bis 10 BasisVO festgelegten allgemeinen Grundsätze einen horizontalen Gesamtrahmen bilden, der einzuhalten ist, wenn Maßnahmen getroffen werden. Hiermit ist gemeint, dass diese Grundsätze bei der Änderung bestehender Vorschriften im Rang unter der ­BasisVO sowie beim Erlass neuer Vorschriften beachtet werden sollen.127 Es fällt auf, dass Art. 4 Abs. 2 BasisVO nicht die unmittelbare Anwendung der in Art. 5 bis 10 BasisVO niedergelegten Grundsätze verlangt, sondern die Erstellung eines auf diese Grundsätze gestützten Gesamtrahmens. Art. 4 Abs. 2 BasisVO enthält eine Verpflichtung für alle, die im Bereich des Lebensmittelrechts Maßnahmen ergreifen, die Grundsätze der Art. 5 bis 10 BasisVO zu beachten.128 Art. 4 Abs. 3 BasisVO fordert in einem „Gebot der Anpassung“, dass die bestehenden lebensmittelrechtlichen Grundsätze und Verfahren so bald wie möglich, spätestens jedoch bis zum 1. Januar 2007 so angepasst werden, dass diese mit den Art.  5 bis 10 BasisVO in Einklang stehen. Eine solche Anpassung wird sowohl auf Gemeinschaftsebene als auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten verlangt. Dadurch, dass in Art. 4 Abs. 3 BasisVO ausdrücklich die Angleichung der bestehenden Vorschriften mit Art. 5 bis 10 BasisVO verlangt ist, kann geschlossen werden, dass keine weitere Verpflichtung zur Angleichung anderer Vorschriften besteht.129 126 Vgl. hierzu auch Vorschlag für einen Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Erfordernisse des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Lebensmittelbehörde und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit vom 08.11.2000, KOM (2000) 716 endg., S. 8; Gorny, Grundlagen des europäischen Lebensmittelrechts, 2003, Kapitel II, Rn. 168; zu diesen allgemeinen Grundsätzen vgl. auch Holland/Pope, EU Food Law and Policy, 2004, S. 22 ff. 127 Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Loseblatt-Sammlung, Band II, C 101, Stand November 2008, Art. 4 BasisVO, Rn. 8; zu den Adressaten des Art. 4 Abs. 2 BasisVO vgl. Gorny, Grundlagen des europäischen Lebensmittelrechts, 2003, Kapitel II, Rn. 172. 128 Vgl. hierzu auch Gorny, Grundlagen des europäischen Lebensmittelrechts, 2003, Kapitel II, Rn. 173. 129 Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Loseblatt-Sammlung, Band II, C 101, Stand November 2008, Art. 4 BasisVO, Rn. 10; Rabe, ZLR 2003, S. 151 geht demgemäß davon aus, dass die vorrangige Bedeutung dieser Vorschrift ist, die Mitgliedstaaten bis zum 01.02.2007 von der Gefahr der Vertragsverletzungsverfahren zu befreien.

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Die Art und Weise der Anpassung vor allem auf mitgliedstaatlicher Ebene bleibt jedoch durch Art. 4 Abs. 3 BasisVO offen. Die Mitgliedstaaten können neue Vorschriften erlassen, alte anpassen, etc. Art. 4 Abs. 3 BasisVO enthält mithin einen Harmonisierungsauftrag an die Mitgliedstaaten.130 In gewisser Weise ist damit ein Ziel, nämlich die Anpassung, mithin eine typischerweise richtlinieninnewohnende Funktion in Art. 4 Abs. 3 BasisVO zu finden. Art. 4 Abs. 4 BasisVO bezieht sich demgegenüber wieder auf alle bestehenden Rechtsvorschriften und verlangt, dass bis zur Umsetzungsfrist die bestehenden Rechtsvorschriften unter Berücksichtigung der in den Art. 5 bis 10 ­BasisVO festgelegten Grundsätze durchgeführt werden. Während es in Art. 4 Abs. 3 B ­ asisVO um die Anpassung der nationalen Vorschriften geht, normiert Art. 4 Abs. 4 ­BasisVO eine Regelung zur Anwendung der Rechtsvorschriften. Die Absätze 2 bis 4 des Art. 4 BasisVO sind unmittelbar mit Art. 65 ­­BasisVO verknüpft, der das Inkrafttreten der ­BasisVO mit einigen Ausnahmen auf den 21.  Februar 2002 festlegt. Diese Ausnahmen galten für die Art.  11, 12 und 14 bis 20 der ­BasisVO, die erst ab dem 1.  Januar 2005 in Kraft getreten sind und für die Art. 25, 56, 57, 60 und 62 Abs. 1 ­BasisVO, die erst vom Tag der Ernennung der Mitglieder des Wissenschaftlichen Ausschusses und der Wissenschaftlichen Gremien an Geltung entfalten sollten. Grundsätzlich ist der unterschied­ liche Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung unter Einhaltung der in Art. 254 EGV normierten Zwanzig-Tagesfrist und der anderen Geltungszeitpunkte unter Vertrauens­gesichtspunkten nicht zu beanstanden.131 Jedoch konnten solche, erst später Geltung beanspruchenden Vorschriften, bereits aus der mitgliedstaatlichen Treuepflicht gemäß Art.  10 EGV Vorwirkung entfalten und die Mitgliedstaaten dazu verpflichten, keine diesen Vorschriften entgegenstehenden Maßnahmen auch in Form von Rechtsetzung zu ergreifen.132

130 Gorny, Grundlagen des europäischen Lebensmittelrechts, 2003, Kapitel II, Rn. 174 geht davon aus, dass aus diesem Grund auch die Wahl der Richtlinie als Rechtsaktform besser an­ gezeigt gewesen wäre. 131 So auch Seemann, Behördliche Produktinformation im europäischen und deutschen Lebensmittelrecht, 2008, S. 59; gem. Art. 254 Abs. 1 oder Abs. 2 EGV treten veröffentlichungspflichtige Rechtsakte, wie Verordnungen entweder mit dem im Rechtsakt festgelegten Datum oder bei Fehlen eines solchen Datums mit dem zwanzigsten Tag nach der Veröffentlichung in Kraft, vgl. hierzu Krajewski/Rösslein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Stand April 2009, Art. 254 EGV, Rn. 33; hierzu auch Schmidt, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), EU-/EG-Vertrag Kommentar, Band IV, 6. Aufl. 2004, Art. 254 EGV, Rn. 11 ff. 132 Dies kann aus einem „Erst-Recht-Schluss“ geschlussfolgert werden, da sich eine solche Verpflichtung auch innerhalb der Umsetzungsfrist von Richtlinien für die Mitgliedstaaten ergibt, muss eine solche Verpflichtung auch bei Verordnungen bestehen, so auch Seemann, Behördliche Produktinformation im europäischen und deutschen Lebensmittelrecht, 2008, S. 59; zur Vorwirkung von Richtlinien auch von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Stand April 2009, Art. 10 EGV, Rn. 40.

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Teil 2: Referenzgebiete

Abschnitt 1 des Kapitels II normiert in den Art. 5 bis 8 ­BasisVO die allgemeinen Grundsätze des Lebensmittelrechts. Art. 5 ­BasisVO legt hierbei nun die allgemeinen Ziele des Lebensmittelrechts, nämlich nach Abs.  1 ein hohes Maß an Schutz für das Leben und die Gesundheit der Menschen, des Schutzes der Verbraucherinteressen, einschließlich lauterer Handelsgepflogenheiten im Lebensmittelhandel, ggf. unter Berücksichtigung des Schutzes der Tiergesundheit, des Tierschutzes, des Pflanzenschutzes und der Umwelt, fest. Abs. 2 des Art. 5 ­BasisVO bezieht sich auf den Binnenmarkt und legt fest, dass das Lebensmittelrecht in der Gemeinschaft den freien Verkehr mit Lebensmitteln und Futtermitteln, die nach den allgemeinen Grundsätzen und Anforderungen des Kapitels II hergestellt oder in den Verkehr gebracht werden, herbeiführen soll. Abs.  3 normiert, dass der nationale Gesetzgeber bezüglich des Lebensmittelrechts unter Umständen verpflichtet sein kann, internationale Normen zu berücksichtigen.133 Durch die in Art. 5 Abs. 1 und 2 ­BasisVO festgelegten Ziele werden der nationale und der gemeinschaftliche Gesetzgeber gebunden, und gleichsam sind auch bei der Anwendung der einzelnen lebensmittelrechtlichen Vorschriften diese Ziele zu beachten.134 Art. 6 ­BasisVO legt die Grundlagen bzw. den Grundsatz der Risikoanalyse als allgemeinen Grundsatz des Lebensmittelrechts fest.135 Nach Abs. 1 stützt sich das Lebensmittelrecht auf Risikoanalysen, um das allgemeine Ziel eines hohen Maßes an Schutz für Leben und Gesundheit der Menschen zu erreichen, außer wenn dies nach den Umständen oder der Art der Maßnahme unangebracht wäre. Die Absätze 2 und 3 beschreiben sodann die Risikobewertung und das Risikomanagement. In Art. 6 ­BasisVO ist mithin der Grundsatz der Risikoanalyse normiert, der nicht nur den Gesetzgeber der Gemeinschaft und die Verordnungs- und Gesetzgeber der Mitgliedstaaten zu dessen Beachtung verpflichtet. Durch die Anwendbarkeit als allgemeiner lebensmittelrechtlicher Grundsatz ist Art. 6 ­BasisVO gemäß Art. 4 Abs. 2 und 4 ­BasisVO auch für Lebensmittelunternehmen und Behörden anwendbar.136 In Art. 7 ­BasisVO wird das Vorsorgeprinzip137 als allgemeiner Grundsatz festgelegt, welcher auch für das deutsche Lebensmittelrecht und für das Gemeinschafts 133

Vgl. zur Berücksichtigung internationaler Normen Gorny, Grundlagen des europäischen Lebensmittelrechts, 2003, Kapitel II, Rn. 184 ff. 134 Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Loseblatt-Sammlung, Band II, C 101, Stand November 2008, Art. 5 B ­ asisVO, Rn. 1. 135 Zu den einzelnen Schritten der Risikoanalyse vgl. ausführlich Meyer, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/­BasisVO Kommentar, 2007, Art. 6 ­BasisVO, Rn. 6 ff. 136 Vgl. hierzu Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Loseblatt-Sammlung, Band II, C 101, Stand November 2008, Art. 6 ­BasisVO, Rn. 1. 137 Hierzu auch von Danwitz, ZLR 2001, S. 219 ff.

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recht nicht neu ist.138 Die Kommission legte das Vorsorgeprinzip bereits in einer eigenen Mitteilung über dessen Anwendbarkeit vor,139 außerdem wurde es bereits im Grünbuch140 erwähnt. Das Vorsorgeprinzip ist eng mit dem Prinzip der Risikoanalyse verbunden und dann heranzuziehen, wenn durch Risikoanalyse mangels des Vorliegens aller notwendigen Informationen ein hinreichend hohes Gesundheitsschutzniveau nicht gewährleistet sein kann. Nach Abs. 1 können in bestimmten Fällen, in denen nach einer Auswertung der verfügbaren Informationen die Möglichkeit gesundheitsschädlicher Auswirkungen festgestellt wird, wissenschaftlich aber noch Unsicherheit besteht, vorläufig Risikomanagementmaßnahmen zur Sicherstellung des in der Gemeinschaft gewählten hohen Gesundheitsschutzniveaus getroffen werden, bis weitere wissenschaftliche Informationen für eine umfassendere Risikobewertung vorliegen. Nach Abs. 2 müssen solche Maßnahmen verhältnismäßig sein und dürfen „den Handel nicht stärker beeinträchtigen, als dies zur Erreichung des in der Gemeinschaft gewählten hohen Schutzniveaus […] notwendig ist.“ Fraglich ist nun weiter, ob das in Art. 7 ­BasisVO normierte Vorsorgeprinzip als eine Rahmenvorschrift einzuschätzen ist, die von der Gesetzgebung der Gemeinschaft und der der Mitgliedstaaten zu beachten ist141, oder ob Art. 7 unmittelbar anwendbares Recht bestimmt142. Dies ist daran zu messen, ob Art. 7 tatsächlich nur einen Grundsatz des allgemeinen Lebensmittelrechts darstellt. Für die Annahme, dass das in Art. 7 ­BasisVO normierte Vorsorgeprinzip jedoch nur einen Grundsatz aufstellt, spricht die Vorschrift des Art. 4 Abs. 2 ­BasisVO, die festlegt, dass in Art. 5 bis 10 ­BasisVO allgemeine Grundsätze des Lebensmittelrechts normiert sind und diese einen horizontalen Gesamtrahmen bilden. Dieser Annahme widerspricht auch nicht, dass das Vorsorgeprinzip143 vom EuGH grundsätzlich als geltendes Gemeinschaftsrecht anerkannt ist.144 Das Vorsorgeprinzip in Art. 7 ­BasisVO ist relativ abstrakt normiert. Es geht nur allgemein um Maßnahmen, die in bestimmten Fällen getroffen werden können, auch wenn wissenschaftlich noch Unsicherheit besteht. Aufgrund eines Fehlens von größerer Konkretheit 138 Primärrechtlich war es nur bezüglich des Umweltrechts in Art. 174 Abs. 2 S. 2 EGV normiert. 139 Mitteilung der Kommission die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips vom 02.02.2000, KOM (2000) 001 endg., S. 10; zu dieser Mitteilung siehe auch Gorny, Grundlagen des euro­ päischen Lebensmittelrechts, 2003, Kapitel II, Rn. 217. 140 KOM (1997) 176 endg. 141 So beispielsweise Köhler, ZLR 2001, S. 197. 142 So Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Loseblatt-Sammlung, Band II, C 101, Stand November 2008, Art. 7 ­BasisVO, Rn. 2. 143 Einen Überblick zur Existenz des Vorsorgeprinzips im Gemeinschaftsrecht im Bereich des Lebensmittelrechts ist zu finden bei Meyer, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/­BasisVO Kommentar, 2007, Art. 7 ­BasisVO, Rn. 4. 144 Hierzu auch Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Loseblatt-Sammlung, Band II, C 101, Stand November 2008, Art.  7 ­BasisVO, Rn.  2 m. w. N.; Meyer, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/ ­BasisVO Kommentar, 2007, Art. 7 ­BasisVO, Rn. 12.

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muss davon ausgegangen werden, dass auch Art. 7 ­BasisVO nur einen allgemeinen Grundsatz für das restliche Lebensmittelrecht darstellt. Jedenfalls stünde für den Fall, dass Art. 7 ­BasisVO in einer Basis-Richtlinie ergangen wäre, einer mitgliedstaatlichen Umsetzung und Konkretisierung nichts im Wege. Art. 8 ­BasisVO normiert schließlich, dass das Lebensmittelrecht den Schutz der Verbraucherinteressen zum Ziel hat und den Verbrauchern die Möglichkeit bieten muss, in Bezug auf die Lebensmittel, die sie verzehren, eine sachkundige Wahl zu treffen. Art. 8 ­BasisVO ist also eine Konkretisierung des in Art. 5 ­BasisVO genannten Ziels des Verbraucherschutzes dahingehend, dass dem Verbraucher eine Möglichkeit zur sachkundigen Wahl in Bezug auf zu verzehrende Lebensmittel geboten werden soll. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen die in Art. 8 ­BasisVO aufgelisteten Praktiken – Betrug oder Täuschung, die Verfälschung von Lebensmitteln und alle sonstigen den Verbraucher irreführenden Praktiken – verhindert werden. In dem aus Art. 9 und Art. 10 ­BasisVO bestehenden Abschnitt 2 des Kapitels II werden die Grundsätze der Transparenz abgehandelt. Art. 9 ­BasisVO beinhaltet die Konsultation der Öffentlichkeit. Hiernach ist bei der Erarbeitung, Bewertung und Überprüfung des Lebensmittelrechts unmittelbar oder über Vertretungsgremien in offener und transparenter Weise eine Konsultation der Öffentlichkeit durchzuführen, es sei denn, dies ist aus Gründen der Dringlichkeit nicht möglich. Art. 10 ­BasisVO beinhaltet die Information der Öffentlichkeit und stellt den lebensmittelrechtlichen Grundsatz auf, dass die zuständigen Behörden in bestimmten Situationen die Öffentlichkeit über Risiken, die von den Lebensmitteln oder Futtermitteln ausgehen, informieren. Dieser Grundsatz stellt eine Verpflichtung zur Information der Öffentlichkeit bei Vorliegen der in Art. 10 ­BasisVO normierten Voraussetzungen auf und bildet nicht lediglich einen unverbindlichen Programmsatz.145 Dies widerspricht jedoch nicht dem grundsätzlichen Charakter eines Grundsatzes, da durchaus eine gleichartige Regelung in Richtlinienform hätte ergehen können, in der als Ziel die Verpflichtung der Behörde zur Information der Öffentlichkeit unter den festgesetzten Voraussetzungen normiert wäre. Die genaue Ausgestaltung der Art und Weise der Information der Öffentlichkeit, also die Wahl der Mittel, bleibt nämlich komplett den Mitgliedstaaten überlassen. Eben diese Offenheit für eine mitgliedstaatliche Konkretisierung spricht auch für einen bloßen Grundsatz mit Konkretisierungsbedarf, der auch in einer Richtlinie gut aufge­ hoben gewesen wäre. Abschnitt 3 des Kapitels II legt in den Art. 11 bis 13 ­BasisVO die allgemeinen Verpflichtungen für den Lebensmittelhandel fest. Hierbei werden vor allem Ver 145 Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Loseblatt-Sammlung, Band II, C 101, Stand November 2008, Art. 10 ­BasisVO, Rn. 1; vgl. zu Art. 10 ­BasisVO sehr ausführlich auch Pache, in: Meyer/ Streinz (Hrsg.), LFGB/­BasisVO Kommentar, 2007, Art. 10 ­BasisVO, Rn. 1 ff.

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pflichtungen für den Import und Export von Lebensmitteln und die Verhaltens­ regeln für die Gemeinschaft gegenüber internationalen Normen normiert. Die Bedeutung der Sicherheit von in die Gemeinschaft eingeführten und aus der Gemeinschaft ausgeführten Lebensmitteln und Futtermitteln wird auch in den Erwägungsgründen 23 bis 25 der B ­ asisVO festgestellt. Hierbei bestimmt Art. 11 ­BasisVO, dass in die Gemeinschaft eingeführte Lebens- und Futtermittel die entsprechenden Anforderungen des gemeinschaftlichen Lebensmittelrechts oder gleichwertige Anforderungen erfüllen müssen. Ebenso sollen nach Art.  12 ­BasisVO auch aus der Gemeinschaft in ein Drittland aus­ geführte Lebens- und Futtermittel die entsprechenden Anforderungen erfüllen, falls das Recht des Drittlandes nichts anderes verlangt. Jedoch muss auch bei Zustimmung des Drittlandes verhindert werden, dass eine „Krise ausgeführt“ wird.146 In Art. 13 ­BasisVO sind verschiedene Programmsätze für das Handeln der Gemeinschaft im Bezug auf internationale Normen aufgestellt. Nach Erwägungsgrund  25 der ­BasisVO war es notwendig, „die allgemeinen Grundsätze für den Handel mit Lebensmitteln und Futtermitteln und die Ziele und Grundsätze für den Beitrag der Gemeinschaft zur Ausarbeitung internationaler Normen und Handelsabkommen festzulegen“. Der darauffolgende Abschnitt 4 des Kapitels II beschäftigt sich in den Art. 14 bis 21 nun mit den allgemeinen Anforderungen des Lebensmittelrechts. Nach Erwägungsgrund  26 sollten solche horizontalen Rechtsvorschriften zur Lebensmittelsicherheit erlassen werden, da „die Mitgliedstaaten bei der Entscheidung, ob ein Lebensmittel sicher ist, unterschiedliche Basiskriterien“ anwenden und deshalb in anderen Mitgliedstaaten „Hemmnisse für den Handel“ zu erwarten sind. Das gleiche gilt für den Handel mit Futtermitteln. Ziel war also die Angleichung dieser unterschiedlichen Basiskriterien. Aus diesem Missstand heraus erkannte die Kommission insofern Handlungs­ bedarf, als sie die Notwendigkeit sah, allgemeine Anforderungen nicht nur an die Sicherheit von Lebensmitteln147, sondern auch an das Inverkehrbringen sicherer Lebensmittel aufzustellen. Art. 14 ­BasisVO stellt in diesem Zusammenhang die wichtigste Vorschrift zum Verbraucherschutz hinsichtlich der Lebensmittel dar.148 Art.  14 Abs.  1 ­BasisVO bestimmt, dass Lebensmittel, die nicht sicher sind, nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen. Das Leitmotiv allen lebensmittelrechtlichen Handelns stellt mithin 146

Siehe hierzu Europäische Kommission, Leitlinien vom 20.12.2004, S. 34. Zum Problemkreis der Definition von Grenzwerten im Lebensmittelrecht vgl. Streinz, ZLR 2002, S. 689 ff. 148 Zu den Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit und insbesondere Art. 14 ­BasisVO vgl. auch Dannecker, ZLR 2002, S. 25 ff. 147

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die Herstellung sicherer Lebensmittel dar.149 In den einzelnen Absätzen des Art. 14 ­BasisVO wird unter anderem weiter festgelegt, wann Lebensmittel als nicht sicher gelten und was bei der Entscheidung über die Sicherheit, der Gesundheitsschädlichkeit und der Ungeeignetheit von Lebensmitteln zu berücksichtigen ist. Weiter ist in Abs. 9 ­BasisVO geregelt, dass, falls spezifische gemeinschaftsrechtliche Regelungen fehlen, Lebensmittel bei Übereinstimmung mit nationalen Vorschriften als sicher gelten, sofern nicht Gemeinschaftsrecht entgegensteht. In Art. 15 ­BasisVO werden nun die Anforderungen an die Futtermittelsicherheit normiert. Insbesondere wird in Abs. 1 klargestellt, dass Futtermittel, die nicht sicher sind, nicht in den Verkehr gebracht oder an der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere verfüttert werden dürfen. Insofern entspricht Art.  15 ­BasisVO weitestgehend Art. 14 ­BasisVO, bezieht sich jedoch im Gegensatz dazu auf Futter­ mittel. Art. 16 ­BasisVO enthält als eine Art Generalklausel150 Angaben über irreführende Kennzeichnung, Werbung und Aufmachung von Lebens- oder Futtermitteln jedoch nur in Bezug auf ihre Form, ihr Aussehen oder ihre Verpackung. Art. 17 ­BasisVO trägt der Forderung des Weißbuchs Rechnung, eine Darstellung der verschiedenen Aufgaben bzw. Anforderungen der Mitgliedstaaten einerseits und der Lebens- und Futtermittelhersteller andererseits vorzunehmen. Abs. 1 bestimmt, dass die Lebens- und Futtermittelhersteller bei der Erfüllung ihrer Tätigkeiten die Anforderungen des Lebensmittelrechts erfüllen, die für diese Tätigkeiten gelten. Außerdem sollen sie die Einhaltung dieser Anforderungen in den ihrer Kontrolle unterstehenden Unternehmen kontrollieren. Den Mitgliedstaaten kommt nach Abs. 2 die Aufgabe zu, das Lebensmittelrecht durchzusetzen, zu überwachen und zu überprüfen. Für diese Aufgaben stellt Abs. 2 verschiedene Handlungsmechanismen zur Verfügung. Art. 18 ­BasisVO normiert, dass grundsätzlich alle Lebens- und Futtermittel in allen Produktions-, Verarbeitungs-, und Vertriebsstufen rückverfolgbar sein müssen und bestimmt die die Rückverfolgbarkeit sicherstellenden Maßnahmen. Art. 19 ­BasisVO enthält Ausführungen zum Verantwortungsbereich der Lebensmittelunternehmen für Lebensmittel. Art. 20 ­BasisVO enthält die Entsprechung zu Art. 19 ­BasisVO für Futtermittelunternehmen. Art. 21 ­BasisVO bestimmt, dass die Bestimmungen des Kapitels II unbeschadet der Richtlinie 85/374/EWG151 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte gelten. Die Festsetzung dieser allgemeinen Anforderungen in Kapitel  II Abschnitt  3 der ­BasisVO kann insofern verstanden werden, dass der Gemeinschaftsgesetz­ 149

Gorny, Grundlagen des europäischen Lebensmittelrechts, 2003, Kapitel II, Rn. 282. Meyer, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/­BasisVO Kommentar, 2007, Art. 16 ­BasisVO. 151 Richtlinie 85/374/EWG des Rates, ABl. 1985, Nr. L 210.

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geber in allen Mitgliedstaaten einheitliche Basiskriterien schaffen wollte. Solche Basiskriterien bzw. allgemeine Anforderungen hätten jedoch wiederum auch in der Rechtsform der Richtlinie ergehen können, womit die Mitgliedstaaten eigene Regelungen unter Einhaltung der aufgestellten Ziele erlassen oder – falls bereits vorhanden – bestehende Rechtsvorschriften abändern hätten können. (b) Verordnungscharakter des Kapitels II Art. 4 Abs. 2 ­BasisVO bestimmt, dass die in den Art. 5 bis 10 ­BasisVO festgelegten allgemeinen Grundsätze einen horizontalen Rahmen bilden, wenn eine Maßnahme getroffen wird. Schon die Wortwahl „allgemeine Grundsätze“ und „horizontaler Rahmen“ deuten auf einen rechtsangleichenden Charakter der in Frage stehenden Vorschriften hin. Weiter sind die Normen auch ihrem Regelungsgehalt nach nicht in der Weise ausgestaltet, dass sie unmittelbar in den Mitgliedstaaten Wirkung entfalten könnten. Die lebensmittelrechtlichen Grundsätze gelten bzw. können im nationalen Recht insofern nämlich nicht unmittelbar gelten, als diese entweder durch den EU-Gesetzgeber152 oder die mitgliedstaatlichen Stellen konkretisiert werden müssen.153 Abschnitt 2 des Kapitels II der ­BasisVO enthält also die allgemeinen Lebensmittelgrundsätze, die, ebenso wie die Vorschriften des Kapitels I, den Charakter einer Rahmenregelung haben, da sie rechtsangleichend wirken. Weiter wurden in Abschnitt  3 des Kapitels  II Vorschriften über die allgemeinen Anforderungen an das Inverkehrbringen von Lebensmitteln und Futtermitteln normiert. Für die Schaffung von solchen allgemeinen Anforderungen in Form von Basis­kriterien spricht auch Erwägungsgrund 26 der ­BasisVO, der vom Problem der unterschiedlichen Basiskriterien innerhalb der Mitgliedstaaten spricht, die zu Handelshemmnissen mit Lebens- und Futtermitteln führen können. Nach Erwägungsgrund  27 sei es deshalb nötig, „allgemeine Anforderungen dahin gehend einzuführen, dass nur sichere Lebensmittel und Futtermittel in den Verkehr gebracht werden, damit der Binnenmarkt für solche Erzeugnisse reibungslos funktionieren“ kann. Solche allgemeinen Anforderungen, wie sie insbesondere in Abschnitt 3 des Kapitels II normiert sind, haben jedoch keine unmittelbare Wirkung, da auch diese Vorschriften aufgrund ihres abstrakten Regelungsgehalts, der vielfach nur Ziele benennt, noch eine weitere Konkretisierung durch den mitgliedstaatlichen Gesetzgeber erfordern.

152 Vgl. hierzu beispielsweise die Verordnung (EG) Nr.  882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz, ABl. 2004, Nr. L, S. 1. 153 So auch Schroeder/Kraus, EuZW 2005, S. 424.

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Grundsätzlich sollte Rechtsangleichung bevorzugt in der Rechtsform der Richtlinie geschehen.154 Jedoch ist bei Kapitel  II wie bei Kapitel  I anzumerken, dass eventuell die Erforderlichkeit der Einheitlichkeit einer lebensmittelrechtlichen Rahmenregelung dazu geführt hat, sowohl grundsätzlich Materien mit Richtliniencharakter als auch Materien mit Verordnungscharakter in einem einheitlichen Rechtsakt zu verankern. Als kleinster gemeinsamer Nenner käme bei einer solchen Erforderlichkeit dann allein die Rechtsform der Verordnung als so genannte „hinkende Verordnung“ in Betracht. (3) Anwendbarkeit der Kapitel I und II auf den Gemeinschaftsgesetzgeber und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit155 Zwar werden in den ersten beiden Kapiteln der ­BasisVO überwiegend konkre­ tisierungsbedürftige allgemeine Vorgaben gemacht, die auf einen möglichen Richtliniencharakter hindeuten, eine solche Deutung kann jedoch allein bezüglich der Auswirkungen auf die Mitgliedstaaten eindeutig festgelegt werden. Finden diese Kapitel auch Anwendung auf den Gemeinschaftsgesetzgeber und die EBLS, hätten diese ohne weitere Verweisung innerhalb einer die Errichtung der EBLS und das Schnellwarnsystem umfassenden Verordnung nicht als Richtlinie ergehen können, da Adressaten von Richtlinien nur Mitgliedstaaten156 sein können. Grundsätzlich können Richtlinien bezüglich ihres Ziels auch in entsprechender Anwendung der Vorschriften für die Union und deren Organe Wirkung entfalten.157 Dies galt innerhalb des EGV jedoch nur für Richtlinien über eine Verweisung im Bereich des Datenschutzrechts, für welche Art. 286 EGV anzuwenden ist.158 Eine Entfaltung der Wirkung der allgemeinen Grundsätze nicht nur auf die Mitgliedstaaten, sondern auch auf die Gemeinschaftsorgane und die EBLS kann schon den Erwägungsgründern der B ­ asisVO entnommen werden.

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Vgl. hierzu auch von Danwitz, ZLR 2001, S. 219. Im Folgenden EBLS genannt. 156 Zu den Adressaten von Richtlinien vgl. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Stand April 2009, Art. 249 EGV, Rn. 130 ff. 157 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Stand April 2009, Art. 249 EGV, Rn. 132, der auch den Sonderfall einer an die Union gerichteten Richtlinie nach Art. 286 Abs. 1 EGV also der Datenschutzrichtlinien beschreibt; zur Verweisungstechnik mittels derer die Datenschutzrichtlinien ins geltende Recht inkorporiert werden vgl. Sobotta, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Stand April 2009, Art. 286 EGV, Rn. 13. 158 Zu der Verweisungstechnik von primärrechtlichen Vorschriften auf sekundärrechtliche und insbesondere Art. 286 EGV vgl. auch Haratsch, EuR 2000, S. 42 ff. 155

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So ist nach Erwägungsgrund  5 der ­BasisVO eine Anpassung der Konzepte, Grundsätze und Verfahren notwendig, um eine gemeinsame Grundlage für Maßnahmen des Lebensmittel- und Futtermittelsektors zu schaffen, die in den Mitgliedstaaten und auf Gemeinschaftsebene erlassen werden. Weiter ist in Er­ wägungsgrund 25 der ­BasisVO beschrieben, dass es notwendig ist, die allgemeinen Grundsätze für den Handel mit Lebens- und Futtermitteln und die Ziele und Grundsätze für den Beitrag der Gemeinschaft zur Ausarbeitung internationaler Normen und Handelsabkommen festzulegen. Auch dieser Erwägungsgrund deutet darauf hin, dass die in der ­BasisVO festgelegten Ziele und Grundsätze grundsätzlich auch für Gemeinschaftsorgane gelten, wenn diese sich mit der Lebensmittelsicherheit beschäftigen und Maßnahmen in diesem Bereich treffen. Hierbei ist jedoch zweifelhaft, inwiefern sich der Gemeinschaftsgesetzgeber aus einem eigenen Sekundärrechtsakt für seine weitere Rechtsetzung mittels Sekundärrecht verpflichten konnte. Dies erscheint insofern fraglich, als die Vorgaben für die Setzung von Sekundärrecht aufgrund des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung des Art. 5 Abs. 1 EGV bzw. Art. 5 Abs. 1 EUV n. F. allein aus dem geltenden Primärrecht resultieren können. Allein Durchführungsverordnungen können auf Grundlage einer bestehenden Verordnung erlassen werden. Somit stellt sich also die Frage, ob der Gemeinschaftsgesetzgeber hierbei eine Art Selbstverpflichtung eingegangen ist. Erwägungsgrund 34 der ­BasisVO legt fest, dass die EBLS bei der Risikobewertung im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Lebensmittelrechts fungieren soll. Diese allgemeinen Grundsätze sind, wie die Untersuchung des Kapitels III zeigen wird, zwar bezüglich der EBLS zumeist noch einer Konkretisierung unterzogen worden159, dennoch entfalten die allgemeinen Grundsätze des Kapitels II auch Wirkungen für die Behörde. Festzuhalten bleibt, dass sowohl die in Kapitel I der ­BasisVO normierten Begriffsbestimmungen als auch die in Kapitel  II geregelten allgemeinen lebensmittelrechtlichen Grundsätze auch auf die EBLS bzw. die Gemeinschafts- bzw. Unionsorgane zumindest mittelbar Wirkung entfalten. Somit ist eine alleinige Regelung dieser Inhalte in einer Richtlinie insofern nicht möglich gewesen, als Richtlinien allein an Mitgliedstaaten adressiert werden können. Trotzdem steht außer Frage, dass die in den Kapiteln I und II normierten Regelungen insofern Richtliniencharakter besitzen, als diese nicht ausreichend konkretisiert sind und nur allgemeine Leitlinien der Lebensmittelsicherheit umfassen. Für die Mitgliedstaaten sind diese Regelungsinhalte mithin auch und insbesondere aufgrund ihres umsetzungsverpflichtungsähnlichen Anpassungsbedürfnisses vergleichbar mit den typischen Richtlinieninhalten, die zwar ein Ziel vorgeben, bei 159

Solche Konkretisierungen lassen sich beispielsweise in den Art.  22 Abs.  4, Abs.  8, Art.  23  b und j, Art.  34 ­BasisVO über die Identifizierung neu auftretender Risiken, Art.  38 ­BasisVO über Transparenz, etc. finden.

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der Erreichung des Ziels jedoch den Mitgliedstaaten die Wahl der Form und Mittel überlassen. Somit beinhalten die Kapitel  I und II bezüglich der Mitgliedstaaten Richt­ liniencharakter und bezüglich der Gemeinschafts- bzw. Unionsorgane und der EBLS Verordnungscharakter. Mithin ist die Regelungsart der ­BasisVO, auch wenn sie innerhalb einer Verordnung Richtlinieninhalte mit umfasst, nach dem vorliegenden Sachverhalt als durchaus sinnvoll anzusehen. Auf andere Arten der Regelung als mögliches milderes Mittel beispielsweise mittels einer separaten Richtlinie für die Mitgliedstaaten und der daneben bestehenden ­BasisVO oder mittels einer Richtlinie, auf die in der ohne die Kapitel I und II bestehenden ­BasisVO verwiesen wird, soll jedoch erst an späterer Stelle ein­ gegangen werden. (4) Kapitel III: Errichtung einer Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit160 Kapitel III der ­BasisVO enthält in den Art. 22 bis 49 ­BasisVO Bestimmungen zur Errichtung einer Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit. (a) Inhalt des Kapitels III Abschnitt 1 des Kapitels III befasst sich zunächst mit dem Auftrag und den Aufgaben der EBLS. Art. 22 Abs. 1 ­BasisVO stellt zunächst fest, dass eine Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit errichtet wird. Abs.  2 setzt als Aufgabe der Behörde die wissenschaftliche Beratung sowie die wissenschaftliche und technische Unter­ stützung für die Rechtsetzung und Politik der Gemeinschaft in allen Bereichen, die sich unmittelbar oder mittelbar auf die Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit auswirken, fest. Nach Abs. 3 soll die Behörde zu einem hohen Maß an Schutz für Leben und Gesundheit der Menschen beitragen und dabei im Rahmen des Funktionierens des Binnenmarktes die Tiergesundheit und den Tierschutz, die Pflanzengesundheit und die Umwelt berücksichtigen. Auch die weiteren Absätze des Art. 22 ­BasisVO befassen sich mit dem Auftrag der EBLS. In den Abs. 7 und 8 wird sodann bestimmt, dass die Behörde sowohl mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, die ähnliche Aufgaben wahrnehmen wie die Behörde selbst, als auch mit der Kommission und den Mitgliedstaaten zusammenarbeitet.161 160

Zur Struktur der Lebensmittelverwaltung vor der ­BasisVO vgl. auch Mögele, ZLR 1998, S. 177 ff. 161 Zu Fragen der Kooperation zwischen europäischen Agenturen und nationalen Behörden siehe auch Groß, EuR 2005, S. 54 ff.

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Art. 23 ­BasisVO bestimmt weiter die Aufgaben der Behörde.162 Der Aufgabenbereich der Behörde im Bereich ihrer Tätigkeit umfasst folgende Maßnahmen: a) Die Erstellung von wissenschaftlichen Gutachten. b) Die Förderung und Koordinierung der Erarbeitung von einheitlichen Risiko­ bewertungsverfahren.163 c) Die Gewährung von wissenschaftlicher und technischer Unterstützung der Kommission in den Bereichen ihres Auftrags sowie  – auf Wunsch  – bei der Aus­ legung und Prüfung von Gutachten zur Risikobewertung. d) Die Auftragserteilung von wissenschaftliche Gutachten. e) Sie kann wissenschaftliche und technische Daten ausfindig machen und diese sammeln, zusammenstellen, analysieren und zusammenfassen. f) Durchführung von Maßnahmen zur Identifizierung und Beschreibung neu auftretender Risiken. g) Die Vernetzung von Organisationen, die in den Bereichen ihres Auftrags tätig sind. h) Auf Anforderung die Gewährung von wissenschaftlicher und technischer Unterstützung der Kommission bei den von der Kommission durchgeführten Verfahren für das Krisenmanagement im Bereich des Lebensmittelrechts. i) Auf Anforderung die Gewährung von wissenschaftlicher und technischer Unterstützung der Kommission mit dem Ziel, die Zusammenarbeit zwischen der Gemeinschaft, beitrittswilligen Ländern, internationalen Organisationen und Drittländern zu verbessern. j) Die Sicherstellung, dass die Öffentlichkeit und die Beteiligten rasch zuverlässige, objektive und verständliche Informationen erhalten. k) Die Erstellung von Fragen. l) Ausführung aller sonstigen Aufgaben, die ihr von der Kommission zugewiesen sind. Die Art. 24 bis 28 ­BasisVO des zweiten Abschnitts des Kapitels III beschäftigen sich weiter mit der Organisation der EBLS.164 Anschließend hieran befinden sich 162 Vgl. zum Auftrag und den Aufgaben der EBLS auch Fuchs, Lebensmittelsicherheit in der Mehrebenenverwaltung der Europäischen Gemeinschaft, 2004, S. 98 f.; Holland/Pope, EU Food Law and Policy, 2004, S. 24 ff. 163 Zu den Widersprüchlichkeiten in der ­BasisVO bezüglich des Begriffs Risiko vgl. Unter­ mann/Hartig, ZLR 2004, S. 116 ff. 164 Zur Organisationsstruktur der EBLS vgl. auch Hansmann, Organisation und Zuständigkeiten beim Verwaltungsvollzug im europäischen Stoffrecht, 2007, S.  105 ff.; allgemein zur Organisationsstruktur von Agenturen vgl. Weller, Regulierungsagenturen der Europäischen Union: Rechtliche und integrationspolitische Gesichtspunkte, Speyerer Arbeitsheft Nr.  144, 2002, S.  20 ff.; Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, 1999, S.  220 ff.; zum Verwaltungsaufbau von Agenturen vgl. auch Koch, EuZW 2005, S. 455.

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in den Art. 29 bis 36 ­BasisVO Vorschriften über die Arbeitsweise der EBLS. Diese befassen sich insbesondere mit wissenschaftlichen Gutachten, divergierenden wissenschaftlichen Gutachten, wissenschaftlicher und technischer Unterstützung, wissenschaftlichen Studien, Datenerhebung, Identifizierung neu auftretender Risiken, mit dem Schnellwarnsystem und mit der Vernetzung von Organisationen, die in den Bereichen, auf die sich der Auftrag der Behörde erstreckt, tätig sind, und konkretisieren mithin die in Art. 22 ­BasisVO normierten Aufgaben der Behörde. In Abschnitt 4 des Kapitels III sind speziell bezüglich der Arbeitsweise der Behörde Bestimmungen über die Unabhängigkeit, Transparenz, Vertraulichkeit und Information normiert. Gerade auch die Normierung eines Transparenzgebots für die Arbeitsweise der Behörde, wie es in Art. 38 ­BasisVO normiert ist, zeigt, dass die Behörde sich nicht auf die in den Art. 5 bis 10 ­BasisVO normierten Grundsätze beziehen muss und kann, sondern dass grundsätzlich für das Handeln der Behörde eigene Grundsätze aufgestellt und konkretisiert wurden. Abschnitt 5 befasst sich mit den Finanzbestimmungen der EBLS und der letzte Abschnitt des dritten Kapitels der ­BasisVO enthält allgemeine Bestimmungen wie beispielsweise solche zur Haftung, zu Personal oder zur Rechtspersönlichkeit. Die Verleihung von Rechtspersönlichkeit in Art. 46 ­BasisVO ist ein typisches Kennzeichen von allen gemeinschaftsmittelbaren bzw. unionsmittelbaren Einrichtungen.165 (b) Verordnungscharakter des Kapitels III In Kapitel  III der ­BasisVO befinden sich die Bestimmungen zur Errichtung einer Europäischen Lebensmittelbehörde166, also einer so genannten gemeinschaftsrechtlichen Agentur167, und deren Aufgabenbereich und Grundsätze. Fraglich ist nun weiter, welcher Rechtsaktcharakter solchen Regelungen über die Errichtung von Agenturen innewohnt bzw. sogar innewohnen muss. 165

Hierzu auch Uerpmann, AöR 2000, S. 556. Zur Frage, ob die Kompetenzgrundlagen der ­BasisVO und hierbei insbesondere Art. 95 EGV für die Errichtung einer Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit ausreichend sind vgl. nur Fuchs, Lebensmittelsicherheit in der Mehrebenenverwaltung der Europäischen Gemeinschaft, 2004, S. 90 ff. 167 Zur Bezeichnung der Agenturen auch als Behörde, Amt, Zentrum etc. vgl. Kilb, EuZW 2006, S. 269; zu diesem Begriff auch Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, 1999, S. 38 ff.; zur mittelbaren Gemeinschaftsverwaltung durch gemeinschaftsgeschaffene juristische Personen des öffentlichen Rechts Uerpmann, AöR  2000, S.  552 ff.; allgemein zu Kompetenzverteilung und Legitimation in der Europäischen Mehrebenenverwaltung Pache, Verantwortung und Effizienz in der Mehrebenenverwaltung, VVDStRL 66, S. 120 ff., Winter, EuR  2005, S.  255 ff., zur mittelbaren Gemeinschaftsverwaltung in der Praxis Koch, EuZW 2005, S. 455 ff.; zu den Kompetenzen der Gemeinschaft zur Gründung von unabhängigen europäischen Agenturen Vetter, DÖV  2005, S.  721; hierzu auch Remmert, EuR  2003, S. 134 ff. 166

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Agenturen werden typischerweise mangels konkreter Normierung im Primärrecht durch Sekundärrecht in Form von Verordnungen, Entscheidungen, Übereinkommen oder Beschlüssen errichtet. Regulierungsagenturen beruhen auf Sekundärrecht in Form von Verordnungen.168 Die Errichtung einer Agentur mittels einer Richtlinie ist aufgrund des Status von Agenturen völlig unmöglich, da damit der Auftrag der Errichtung an die Mitgliedstaaten übergehen würde und diese damit in der ihnen nicht ausführbaren Verpflichtung stünden, eine dezentrale europäische Einrichtung zu schaffen. Aufgrund der mangelnden unmittelbaren Wirkung von Richtlinien können Agenturen mithin nicht auf diese gestützt, sondern nur auf Grundlage von förmlichen Rechtsakten typischerweise in Form von Verordnungen als unmittelbar wirkendem Gemeinschafts- bzw. Unionsrecht errichtet werden.169 Für die Errichtung einer Europäischen Lebensmittelbehörde als EU-Institution bietet sich also bei der Wahl zwischen Richtlinie und Verordnung allein die Verordnung als mögliche Rechtsaktform an.170 Auch bezüglich der Stützung der Errichtung einer Agentur auf Art. 95 EGV171 zeigen sich nach neuerer Rechtsprechung des EuGH keine Probleme mehr. Voraussetzung hierfür ist einzig das Bedürfnis nach einer solchen Einrichtung für die Verwirklichung des gemeinsamen Binnenmarktes, wobei bezüglich der Feststellung eines solchen Bedürfnisses ein weiter Einschätzungsspielraum des Gemeinschaftsgesetzgebers besteht.172

168 Kilb, EuZW 2006, S. 269; zur Errichtung von Agenturen durch EG-Verordnungen Uerp­ mann, AöR 2000, S. 554, 556, 583. 169 Hierzu auch Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, 1999, S.  185; Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, 1998, S. 77 f.; zu der Frage der Schaffung von Agenturen im Verkehrsbereich durch EG-Verordnungen und nicht durch völkerrechtliche Verträge Stadler, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 71 EGV, Rn. 27; Ohler, EuZW 2006, S. 373. 170 Vgl. hierzu auch Streinz, ZLR 2000, S. 807; Streinz, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/­ BasisVO Kommentar, 2007, Einführung, Rn. 40. 171 Zur Stützung von Agenturen auf Art. 95 EGV vgl. auch Wittinger, EuR 2008, S. 612; Vet­ ter, DÖV 2005, S. 728 f. 172 Vgl. hierzu EuGH, RS.  C-217/04, „Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nord­ irland/Europäisches Parlament“, Slg. 2006, I-03771, LS 1, hiernach kann der „Gemeinschaftsgesetzgeber […] aufgrund seiner Sachwürdigung die Schaffung einer Gemeinschaftseinrichtung für notwendig erachten, deren Aufgabe es ist, in Situationen, in denen der Erlass von nicht zwingenden Begleit- und Rahmenmaßnahmen zur Erleichterung der einheitlichen Durchführung und Anwendung von aus Art. 95 EGV gestützten Rechtsakten geeignet erscheint, zur Verwirklichung des Harmonisierungsprozesses beizutragen“; vgl. zu diesem Problemkreis auch Pache, Verantwortung und Effizienz in der Mehrebenenverwaltung, VVDStRL 66, S. 120 ff.; zur konkreten Frage, ob Art. 95 EGV für die Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit ausreicht vgl. Fuchs, Lebensmittelsicherheit in der Mehrebenenverwaltung der Europäischen Gemeinschaft, 2004, S. 90 ff.

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Teil 2: Referenzgebiete

Die EBLS nimmt im Bereich der Agenturen die Stellung einer Regulierungsagentur ein.173 Nicht nur für die Errichtung der Behörde besteht das Bedürfnis der Regelung durch eine Verordnung, vielmehr müssen alle Vorschriften, die die Behörde insbesondere bezüglich ihres Aufgabenumfangs organisieren und andere Vorschriften, die mit der Aufgabenerfüllung der Behörde verbunden sind, in der Form der Verordnung ergehen oder auf andere Weise – beispielsweise durch Verweis innerhalb der Verordnung auf einen anderen Rechtsakt174 – verbindlich gemacht werden. Festzuhalten bleibt, dass die Regelungsinhalte des Kapitels III der ­BasisVO allein in der Rechtsform der Verordnung ergehen konnten. Eine Regelung mit demselben Inhalt in der Rechtsform der Richtlinie war rechtlich unmöglich. Kapitel III beinhaltet im Gegensatz zu den Kapiteln  I und II Inhalte mit eindeutigem Verordnungscharakter. Im Folgenden – nach der Analyse des Rechtsaktcharakters der verbleibenden Kapitel – wird nun zu untersuchen sein, wie sich ein derartig unterschiedlicher Rechtsformcharakter einzelner Kapitel eines Rechtsakts auf den gesamten Rechtsakt auswirkt bzw. auswirken müsste. (5) Kapitel IV: Zusammenarbeit Gemeinschaft und Mitgliedstaaten Kapitel IV der ­BasisVO enthält in den Art. 50 bis 57 Bestimmungen über das Schnellwarnsystem, das Krisenmanagement und Notfälle. (a) Inhalt des Kapitels IV Art. 50 ­BasisVO ist die zentrale Bestimmung über das durch die ­BasisVO eingeführte Schnellwarnsystem. An diesem System sind nach Art.  50 Abs.  1 S.  2 ­BasisVO die Mitgliedstaaten, die Kommission und die EBLS beteiligt.175 Das 173 Zum Begriff und zu den Unterscheidungsformen der Agenturen vgl. Groß, EuR  2005, S. 56 f. 174 So geschehen auch innerhalb der ­BasisVO in Art. 22 Abs. 5 c, welcher normiert, dass der Auftrag der Behörde ferner wissenschaftliche Gutachten zu anderen Erzeugnissen als Lebensmitteln und Futtermitteln, die sich auf genetisch veränderte Organismen im Sinne der Richtlinie 2001/18/EG beziehen, unbeschadet der dort festgelegten Verfahren umfasst; vgl. hierzu auch Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 460/2004 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 10.03.2004 zur Errichtung der Europäischen Agentur für Netz- und Informationssicherheit, der auf die festgelegten Ziele durch die Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechts­ rahmen für elektronische Kommunikationsnetze- und dienste verweist. 175 Zu den grundsätzlichen bereits vorhandenen Abstimmungsproblemen zwischen EG-Behörden und Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der Lebensmittelsicherheit vgl. Streinz/ Fuchs, ZLR 2002, S. 174 ff.; Streinz, EuR 2005, Beiheft 2, S. 16 f.

A. Lebensmittelrecht

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Schnellwarnsystem für die Meldung eines von Lebensmitteln ausgehenden unmittelbaren oder mittelbaren Risikos für die menschliche Gesundheit soll als Netz eingerichtet werden, für dessen Verwaltung die Kommission zuständig ist.176 Auch ist die Kommission nach Art. 51 ­BasisVO dafür zuständig, in Absprache mit der EBLS Durchführungsmaßnahmen zu erlassen. Art.  52 ­BasisVO enthält Vertraulichkeitsregeln für das Schnellwarnsystem. Im folgenden Abschnitt gehen die Art.  53 und 54 auf Notfälle ein. Art.  53 ­ asisVO regelt hierbei insbesondere Sofortmaßnahmen in Bezug auf Lebensmittel B und Futtermittel mit Ursprung in der Gemeinschaft oder auf aus Drittländern eingeführte Lebens- und Futtermittel. Dabei werden bei Vorliegen eines Sachverhaltes, der Sofortmaßnahmen erfordert, die einzelnen nach dem Verfahren des Art. 58 Abs. 2 ­BasisVO von der Kommission zu ergreifenden Maßnahmen wie beispielsweise Aussetzung des Inverkehrbringens oder Verwendens des fraglichen Lebensoder Futtermittels etc. aufgelistet. Nach Art. 53 Abs. 2 ­BasisVO kann die Kommission die Maßnahmen in dringenden Fällen auch vorläufig erlassen. Art.  54 ­BasisVO enthält die Befugnis der Mitgliedstaaten bei Vorliegen eines Sachverhalts bei dem Sofortmaßnahmen zu ergreifen sind, selbst vorläufige Schutzmaßnahmen zu ergreifen, wenn die Kommission nach offizieller Inkenntnissetzung des Sachverhalts durch die Mitgliedstaaten nicht handelt. Nach Art. 55 Abs. 1 ­BasisVO erstellt die Kommission in enger Zusammen­arbeit mit der EBLS und den Mitgliedstaaten einen allgemeinen Plan für das Krisen­ management im Bereich der Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit. Weiter kann die Kommission nach Art. 56 Abs. 2 ­BasisVO in bestimmten vordefinierten Fällen einen Krisenstab einrichten. Art. 57 ­BasisVO beinhaltet die Aufgaben dieses Krisenstabs. (b) Verordnungscharakter des Kapitels IV Die Vorschriften über das Schnellwarnsystem beinhalten neben Aufgaben für die Mitgliedstaaten auch solche für die EBLS und die Kommission. Auch übernimmt die Kommission die Verwaltung des Netzes und legt nach Art. 51 ­BasisVO in Absprache mit der EBLS Durchführungsmaßnahmen fest. Diese Regelungsinhalte der ­BasisVO können aufgrund der mangelnden Adressatenstellung der Kommission bzw. einer gemeinschafts- bzw. unionsunmittelbaren Einrichtung nicht sinnvoll bzw. nicht rechtmäßig in der Rechtform einer Richtlinie ergehen.177 Allein bei einer Verordnung können auch Unionsorgane 176

Zur Verwaltungskooperation in der EG vor Erlass der ­BasisVO vgl. nur Hufen, ZLR 1999, S. 755 ff. 177 Zur Adressatenstellung bei Richtlinien vgl. den Wortlaut des Art. 249 Abs. 3 EGV: „Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet ist …“

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Teil 2: Referenzgebiete

Adressaten von Rechtsakten sein.178 Ebenso verhält es sich auch mit den anderen Abschnitten des Kapitels IV. Kapitel IV enthält mit den Vorschriften über das Schnellwarnsystem, die Sofortmaßnahmen und den Krisenstab überwiegend Bestimmungen über Aufgaben und Befugnisse der Kommission in Krisenfällen. Genau wie das vorangehende Kapitel III der ­BasisVO enthält auch Kapitel IV überwiegend Inhalte, die aufgrund der Adressaten, an die sich die Regelungsinhalte richten, in Verordnungsform ergehen mussten. Dies insbesondere deshalb, weil beim geregelten Schnellwarnsystem aufgrund der ausschlaggebenden Rolle der Kommission als Vollzugsbehörde die Rechtsform der Richtlinie mit den allein möglichen Adressaten Mitgliedstaaten unpassend und nicht weiterführend ge­ wesen wäre.179 Mithin bleibt festzuhalten, dass auch Kapitel IV überwiegend Inhalte mit Verordnungscharakter enthält und somit für die dort normierten Regelungen zwingend die Rechtsform der Verordnung vorgegeben ist. (6) Kapitel V Kapitel V enthält wie die meisten in Form von Verordnungen oder Richtlinien erlassenen Rechtsakte Bestimmungen über das einzuhaltende Verfahren und andere Schlussbestimmungen. (a) Inhalt des Kapitels V: Verfahren und Schlussbestimmungen Abschnitt 1 befasst sich zunächst mit dem Ausschuss- und Vermittlungsverfahren. Hierbei wird festgelegt, dass die Kommission von einem Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit unterstützt wird. Weiter werden Zusammensetzung und Funktionen dieses Ausschusses normiert. Die Schlussbestimmungen umfassen im zweiten Abschnitt des Kapitels  V Vorschriften über eine Überprüfungsklausel (Art.  61), Bezugnahmen auf die EBLS und auf den Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und die Tiergesundheit (Art. 62), die Zuständigkeit der Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (Art. 63), den Beginn der Tätigkeit der Behörde (Art. 64) und das Inkrafttreten der Verordnung (Art. 65).

178

Zur Adressatenstellung bei Verordnungen siehe auch Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Stand April 2009, Art. 249 EGV, Rn. 118. 179 Vgl. hierzu auch Streinz, ZLR 2000, S. 807; Streinz, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/­ BasisVO Kommentar, 2007, Einführung, Rn. 40.

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(b) Verordnungscharakter des Kapitels V Sowohl in Richtlinien als auch in Verordnungen befindet sich typischerweise ein Kapitel oder ein Abschnitt über Verfahrens- und Schlussbestimmungen. Somit können solche allgemeinen Bestimmungen abstrakt keiner der beiden Rechtsaktformen zugeordnet werden. Vorliegend betreffen die Normierungen des Kapitels V jedoch teilweise Bereiche der EBLS und bestimmen sogar deren Zuständigkeit bezüglich der Beurteilung von Arzneimitteln. Diese Regelungen gehören also unmittelbar zu den Vorschriften über die Errichtung und die Aufgaben der EBLS, welche wie bereits dargestellt sinnvollerweise in Verordnungsform erlassen wurden. Kapitel V ist mithin auch dem Bereich der Vorschriften mit überwiegendem Verordnungscharakter einzuordnen. (7) Zusammenfassung und Zwischenergebnis Nach der obigen Untersuchung bleibt festzustellen, dass die fünf Kapitel der ­ asisVO bezüglich ihres Regelungsinhaltes in zwei verschiedene Teile unterteilt B werden können. Kapitel I und II haben eher Richtliniencharakter – jedenfalls bezüglich der Mitgliedstaaten –, während Kapitel III bis Kapitel V aufgrund ihrer Bezugnahmen zur EBLS in Verordnungsform ergehen mussten.180 Somit bietet sich die Rechtsform der Verordnung für die Regelungsbereiche der Kapitel III, IV und V an, zunächst jedoch nicht für die Kapitel I und II,181 da diese aufgrund ihrer „geringen Direktionskraft und hohen Konkretisierungsbedürftigkeit“182 eher nur allgemeine Rahmenvorgaben setzen. Bezüglich der in diesen Kapiteln normierten Vorschriften besteht zwar, da die ­BasisVO grundsätzlich als Verordnung gemäß Art. 249 Abs. 1 EGV unmittelbar geltendes Recht ist, kein wirklicher Um­ setzungszwang. Jedoch kann innerhalb der deutschen Rechtsordnung durchaus von einem Anpassungsbedarf der in Frage stehenden Vorschriften gesprochen werden.183 Hierbei muss aber berücksichtigt werden, dass die Kapitel I und II auch Wirkung für die Gemeinschafts- bzw. Unionsorgane und die EBLS entfalten. Für diese können jedoch keine verbindlichen Regelungen in der Form der Richtlinie ergehen. Möglicherweise hätte jedoch mittels einer Verweisung innerhalb einer ­BasisVO auf eine daneben bestehende Basis-Richtlinie mit entsprechendem Inhalt verwiesen werden können. 180 Hierzu auch Seemann, Behördliche Produktinformation im europäischen und deutschen Lebensmittelrecht, 2008, S. 58; Gelbert, Die Risikobewältigung im Lebensmittelrecht auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene, 2001, S. 129. 181 So auch Streinz, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/­BasisVO Kommentar, 2007, ­Einführung, Rn. 40; von Danwitz, ZLR 2001, S. 218; Streinz, ZLR 2000, S. 807. 182 von Danwitz, ZLR 2001, S. 218. 183 So auch Streinz, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/­BasisVO Kommentar, 2007, ­Einführung, Rn. 76.

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Teil 2: Referenzgebiete

Grundlegend kann trotzdem festgehalten werden, dass in der ­BasisVO „Dinge in einen Topf geworfen wurden“, „die nicht notwendigerweise in einer einheit­ lichen Verordnung hätten ergehen müssen“, sondern möglicherweise nach den Inhalten aufgeteilt in einer eigenen Richtlinie bzw. eigenen Verordnung hätten ge­ regelt werden können.184 Fraglich ist hierbei insbesondere, ob es ein Bedürfnis für eine Normierung aller fünf Kapitel der ­BasisVO in einem Rechtsakt gibt, der über die Wirkung der Kapitel I und II auch auf die Gemeinschaftsorgane und die EBLS hinausgeht. Um die Sinnhaftigkeit einer Aufspaltung der ­BasisVO nach Richtlinien- und Verordnungsinhalten insbesondere unter Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen, muss weiter geprüft werden, welche Auswirkungen die Rechtsetzung in diesem Bereich mittels Verordnung hat und welche Vorteile diese vor allem im Hinblick auf die Erforderlichkeit mit sich bringt. Hieran anschließend müssen die tatsächliche rechtliche Möglichkeit einer Aufspaltung und die damit verbundenen Vor- und Nachteile unter Berücksichtigung eventuell bestehender politischer Erwägungen überprüft und analysiert werden. bb) Grundsätzliche rechtliche Wirkung der Verordnung und Konkretisierung bezüglich der B ­ asisVO (1) Die Vorteile der Verordnung im Bereich des Lebensmittelrechts nach dem Grünbuch Im Grünbuch wurden verschiedene Vorteile der Verwendung von Verordnungen anstelle von Richtlinien im Bereich des Lebensmittelrechts aufgelistet:185 –– Die Verwendung von Verordnungen erleichtert die einheitliche Anwendung der Rechtsvorschriften im gesamten Binnenmarkt. –– Die Verwendung von Verordnungen erhöht die Transparenz des Gemeinschaftsrechts. –– Da die einzelstaatlichen Umsetzungsbestimmungen entfallen, erleichtert die Verwendung von Verordnungen die schnelle Aktualisierung des Gemeinschaftsrechts und seine Anpassung an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt. Nach dem Grünbuch sollte überprüft werden, inwieweit in primären wie in sekundären gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften in geeigneten Fällen Verordnungen vermehrt einzusetzen seien.186 184

Gorny, Grundlagen des europäischen Lebensmittelrechts, 2003, Einführung, Rn. 3. Vgl. hierzu KOM (1997) 176 endg., S. 25. 186 KOM (1997) 176 endg., S. 26.

185

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Jedoch sollten hiernach Rechtsakte, bei denen es allein um die Harmonisierung allgemeiner Grundsätze und Kriterien geht, beispielsweise Vorschriften über die amtliche Lebensmittelüberwachung, auch weiterhin in der Rechtsform der Richtlinie verabschiedet werden. Es findet sich allerdings keine Aussage darüber, wie zu verfahren sein sollte, wenn die Möglichkeit bestand, sowohl Richtlinieninhalte als auch Verordnungsinhalte in einem einzigen Rechtsakt – hier notwendigerweise dann in Form einer Verordnung – zusammenzufassen. Jedoch kann aufgrund einer Auslegung des im Grünbuch bezüglich der Wahl der Rechtsform Gesagten geschlossen werden, dass, falls sich keine Notwendigkeit ergibt, aufgrund derer das Bedürfnis für eine einheitliche Regelung gegeben ist, im Bereich der Regelung der Harmonisierung allgemeiner Grundsätze und Kriterien, wie sie in den ersten beiden Teilen der ­BasisVO getroffen wurden, die Rechtsform der Richtlinie grundsätzlich der der Verordnung vorzuziehen gewesen wäre. Dies mitunter nur, wenn sich kein zwingendes oder praktisches Bedürfnis für eine einheitliche Regelung ergeben hat. Nach dem Grünbuch hätte die vorliegende ­BasisVO nach dem oben Ausgeführten dementsprechend in verschiedene Teile mit unterschiedlichen Rechtsakt­ formen aufgeteilt sein müssen, wie es auch ausdrücklich im Weißbuch vorgesehen war. Diese Vorgehensweise müsste grundsätzlich rechtmäßig gewesen sein. An anderer Stelle ist mithin zu überprüfen, ob im Falle der ­BasisVO ein rechtliches Bedürfnis – eventuell aufgrund der Geltung der allgemeinen Grundsätze auch für die EBLS, welche aber nur in der Form einer Verordnung errichtet werden konnte – bestand, womit eine Aufspaltung in separate Teile nicht zulässig und zweckmäßig gewesen wäre. Festzuhalten bleibt, dass nach dem Grünbuch – allerdings vorbehaltlich eines anderweitigen Regelungsbedürfnisses – von einer grundsätzlichen Vorrangigkeit der Richtlinie jedenfalls bezüglich Regelungen über die Harmonisierung von allgemeinen Grundsätzen auszugehen ist. (2) Die Mitgliedstaaten und deren Gesetzgeber (a) Allgemeines Grundsätzlich wirkt die Rechtsform der Verordnung gemäß Art.  249 Abs.  2 EGV bzw. Art. 288 Abs. 2 S. 2 AEUV unmittelbar in den Mitgliedstaaten. Dies bedeutet, dass eine Umsetzung der Verordnungsvorschriften in nationales Recht wie bei der Richtlinie unnötig und gegebenenfalls sogar unzulässig ist.187 Weiter darf die Zweckmäßigkeit von Regelungen der Verordnung nicht von den Mitglied 187

Hierzu auch Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 249 EGV, Rn. 58.

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Teil 2: Referenzgebiete

staaten in Frage gestellt werden.188 Der Verordnung entgegenstehende Regelungen dürfen auf keinen Fall erlassen werden. Aufgrund der grundsätzlichen Wirkungsweise der Rechtsform „Verordnung“ könnte man meinen, dass die Implementation unionsrechtlicher Regelungen durch diese Rechtsform erleichtert würde und mithin diese Art der Gesetzgebung in vielerlei Hinsicht – insbesondere im Hinblick auf die den Richtlinien innewohnende Umsetzungsproblematik – die effizienteste wäre. Diese These ist inzwischen durchaus als überholt anzusehen, da sich aufgrund des Vorhandenseins der Regelungsinstrumente der detaillierten Richtlinien und der Verordnungen, die für die Anwendung bestimmter Vorschriften noch weiterer Durchführungsmaßnahmen bedürfen, eine Annäherung dieser beiden Regelungsinstrumente vollzogen zu haben scheint.189 Mittlerweile ist es also durchaus zulässig und üblich, dass der Gemeinschaftsbzw. Unionsgesetzgeber die Mitgliedstaaten in einer Verordnung zum Erlass von Durchführungsvorschriften ermächtigt.190 Diese Verordnungen, die explizit oder implizit – neben den Mitgliedstaaten auch durchaus Unionsorgane – zum Erlass von Durchführungsvorschriften ermächtigen, werden hinkende Verordnungen genannt.191 Soweit dies erforderlich ist, sind die Mitgliedstaaten trotz der unmittelbaren Geltung der Verordnung dazu verpflichtet, die geeigneten innerstaatlichen Maßnahmen zu erlassen, um die uneingeschränkte Anwendung der Rechtsvorschriften zu gewährleisten.192 Dies bedeutet, dass die Mitgliedstaaten, auch wenn in der 188 EuGH, RS.  C-54/91, „Deutschland/Kommission“, Slg.  1993, I-3399, Rn.  38, hiernach wird bezüglich des Vorbringens von Deutschland welches die Zweckmäßigkeit des durch die fragliche gemeinschaftsrechtliche Regelung geschaffenen Kontrollsystems angeht, vor­ gebracht, dass die Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung durch eine Verordnung vorgesehene besondere Kontrollmaßnahmen anwenden müssen und dass sich eine Prüfung ihrer Ansicht, ein anderes Kontrollsystem sei wirksamer, erübrigt. 189 Vgl. hierzu Schwarze/Becker/Pollack, Die Implementation von Gemeinschaftsrecht, 1993, S. 56, für die in gewisser Weise eine Auswechselbarkeit der beiden Instrumente erkennbar ist. 190 Vgl. hierzu EuGH, RS. C-251/91, „Roland Teulie“, Slg. 1992, I-5599, Rn. 13, vorliegend hielt es der Rat angesichts der unterschiedlichen Weinbaustrukturen in der Gemeinschaft für angezeigt, dass von den Mitgliedstaaten eine etwaige Regelung über Ausgleichszahlungen erlassen wird. 191 Geprägt wurde dieser Begriff von Constantinesco, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften I, 1977, S. 562, hierzu auch Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EUVertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 249 EGV, Rn. 43; Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 249 EGV, Rn. 61. 192 EuGH, RS. C-72/85, „Kommission/Niederlande“, Slg. 1986, 1219, LS 2, dies gelte insbesondere deshalb, weil die Möglichkeit für die Rechtsbürger sich auf unmittelbar geltende Vorschriften zu berufen, nur eine Mindestgarantie darstellt und nicht ausreicht, um für sich allein die uneingeschränkte Anwendung bestimmter Bestimmungen zu gewährleisten vgl. hierzu Rn.  20; vgl. zu diesem Problemkreis auch EuGH, RS.  C-52/95, „Kommission/Frankreich“, Slg. 1995, I-4442, Rn. 28, hiernach kann sich ein Mitgliedstaat nach ständiger Rechtsprechung nicht auf praktische Schwierigkeiten berufen, um ein Versäumnis bei der Einführung eines wirkungsvollen Kontrollmechanismus zu rechtfertigen. Vielmehr obliegt es den im Rahmen der gemeinschaftlichen Marktorganisation für Fischereierzeugnisse mit der Durchführung von

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fraglichen Verordnung keine Ermächtigungen zum Erlass von Durchführungsvorschriften vorhanden sind, solche erlassen dürfen, falls sich ergibt, dass im Unionsrecht eine diesbezügliche Lücke gegeben ist und die Verordnung nicht durch die nationale Vorschrift inhaltlich abgeändert wird.193 Die Verordnung kann jedoch von den Mitgliedstaaten neben dem Erlass von Durchführungsmaßnahmen auch die Anpassung von nationalem Recht erfordern.194 Solche Angleichungen von Seiten der Mitgliedstaaten können durch die Anpassung und Abänderung der bestehenden Gesetze im durch die Verordnung geregelten Bereich erfolgen. Hierbei können auch dynamische Verweisungen195 in bestehende Gesetze normiert werden, dies bedeutet, dass innerhalb des nationalen Normtextes Verweisungen auf einzelne Vorschriften der Verordnung eingegliedert werden. In all diesen Anpassungsfällen und insbesondere beim Gebrauch von dynamischen Verweisen besteht insofern jedoch die Gefahr der „Zersplitterung“ des anwendbaren Rechts, als zum Teil  noch nationale, zum Teil  gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche und zum Teil regionale Vorschriften gelten.196 In solchen Fällen kann es erforderlich sein, dass der nationale Gesetzgeber ein einheitliches neues zusammenhängendes Gesetzeswerk mit dem Inhalt der Verordnung und den übriggebliebenen ursprünglich auch nationalen Regelungen erlässt.197 Wird ein solches zusammenhängendes neues Gesetzeswerk geschaffen, so ist auf den zum Teil EG- bzw. EU-rechtlichen Ursprung der Vorschriften im Gesetz hinzuweisen.198 Gemeinschaftsregelungen betrauten Mitgliedstaaten, diese Schwierigkeiten durch den Erlass geeigneter Maßnahmen zu überwinden. 193 Vgl. hierzu EuGH, RS. 39/70, „Fleischkontor/Hamburg“, Slg. 1971, LS 1, bei dieser Entscheidung wurde außerdem festgestellt, dass es mit dem System der Gemeinschaftsregelung unvereinbar ist, die Anwendbarkeit einer Sonderregelung von einer Voraussetzung abhängig zu machen, die auf eine subjektive Beurteilung durch die staatliche Verwaltung abstellt. 194 Vgl. hierzu auch von Danwitz, ZLR 2001, S. 219. 195 Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 249 EGV, Rn. 64; vgl. hierzu beispielsweise § 40 Abs. 1 S. 1 LFGB: „Die zuständige Behörde soll die Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels und des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt wurde oder in den Verkehr gelangt ist, und, wenn dies zur Gefahrenabwehr geeigneter ist, auch unter Nennung des Inverkehrbringers, nach Maßgabe des Artikels 10 der B ­ asisVO informieren.“ 196 Zu diesem Problemkreis bereits vor Erlass der ­BasisVO insbesondere im Hinblick auf Überwachungsmaßnahmen vgl. auch Lohs, ZLR 2001, S. 494 f. 197 EuGH, RS.  C-160/99, „Kommission/Italien“, Slg.  1985, I-1057, Rn.  27; hierzu auch Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 249 EGV, Rn. 65. 198 So geschehen in Art.  1 Abs.  2 LFGB: „Dieses Gesetz dient ferner der Umsetzung und Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft, die Sachbereiche dieses Gesetzes betreffen, wie durch ergänzende Regelungen zur Verordnung (EG) Nr.  178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.01.2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. 2002, Nr. L 31, S. 1), geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1642/2003 des Euro­ päischen Parlaments und des Rates vom 22.07.2003 (ABl. 2003, Nr. L 245, S. 4).“

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Teil 2: Referenzgebiete

Trotz des grundsätzlichen Anwendungsvorrangs des Unionsrechts können sich jedoch mithin im Zweifelsfall Unklarheiten zulasten der Normadressaten er­ geben.199 Diese können insbesondere aus der „Zersplitterung“ der Rechtsregeln eines bestimmten Gebiets resultieren. Neben den Anwendern des Rechts auf Behördenseite200 werden hiervon auch die eventuell betroffenen Bürger und die Wirtschaft berührt. Trotz der grundsätzlich höheren Harmonisierungswirkung der Rechtsform „Verordnung“ kann es bei der Rechtsanwendung zu Auslegungsschwierigkeiten auf Seiten der Behörden zulasten der Normadressaten und zu anderen immanenten Anwendungsschwierigkeiten kommen.201 Weiter bleibt festzuhalten, dass sich, sobald der unionsrechtliche Rechtsakt vom nationalen Gesetzgeber ein weiteres Vorgehen erfordert, Unsicherheiten und zeit­liche Verzögerungen ergeben können. Insofern steht die Wirkung einer Ver­ ordnung hinsichtlich möglicher „Umsetzungsprobleme“ der einer Richtlinie in nichts nach. Dies gilt noch verschärft, berücksichtigt man die mittlerweile auf 27 Mitgliedstaaten angestiegene Zahl der Anpassungspflichtigen mit ihren unterschiedlichen Rechtssystemen und bedenkt man die möglichen mit einer Anpassung verbundenen Schwierigkeiten. Mithin kann in Fällen, in denen die Verordnung weitere Anpassungsvorgänge seitens der Mitgliedstaaten erfordert, nicht mehr unbedingt von einem Effizienzvorrang dieses Regelungsinstruments gegenüber der Richtlinie ausgegangen werden.202 Wie bereits dargelegt, beinhaltet die ­BasisVO nicht nur unmittelbar geltende Regelungen, sondern mit ihren Regelungen über die allgemeinen Grundsätze durchaus auch anpassungsbedürftige Vorschriften. Dies bedeutet für die nationalen Gesetzgeber der Mitgliedstaaten einen zusätzlichen Gesetzgebungsaufwand. Insbesondere auch deshalb, weil in den meisten Mitgliedstaaten bereits ein um­ fassendes Regelwerk203 im Bereich des Lebensmittelrechts vorhanden war und dieses dann entsprechend den Vorgaben der ­BasisVO angepasst werden musste oder sogar komplett neue Regelwerke erlassen werden mussten.204 Zunächst musste durch das Inkrafttreten der ­BasisVO  – trotz deren grund­ sätzlich vorhandener unmittelbarer Wirkung  – das national bereits vorhandene 199

EuGH, RS. 74/86, „Kommission/Deutschland“, Slg. 1988, 2139, Rn. 10. von Danwitz wirft die Frage auf, ob der Gemeinschaftsgesetzgeber mit einer derartigen „normativen Roßkur“ nicht auch die Absorptions- und Adaptionsfähigkeit der mitgliedstaat­ lichen Verwaltungen allzu optimistisch einschätzt, ZLR 2001, S. 213. 201 So auch Horst, ZLR 2000, S. 479. 202 So auch hierzu Schwarze/Becker/Pollack, Die Implementation von Gemeinschaftsrecht, 1993, S. 68. 203 Doepner/Hüttebräuker, ZLR 2001, S. 515 sprechen davon, dass „vorhandene, bewährte nationale und internationale Begriffsbestimmungen – über die „Schulweisheit“ der Kommission hinaus – angemessen berücksichtigt werden sollen. 204 Aufgrund von Unzweckmäßigkeit im Regelfall gegen eine solche Herauslösung von in nationales Regelungsgefüge eingebettetes nationales Recht und eine Transponierung auf die Ebene Gemeinschaft von der Groeben, NJW 1970, S. 362. 200

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Lebens­mittelrecht angepasst werden. Dies geschah in Deutschland mit dem LFGB, in Österreich mit dem LMSVG. Diese beiden Gesetze sollten ausschließlich dazu dienen, Rechtsakte der Gemeinschaft umzusetzen und durchzuführen, die Sachbereiche dieses Gesetzes betreffen. Außerdem enthalten sie ergänzende Regelungen zur B ­ asisVO. Teilweise finden sich in der ­BasisVO auch ausgestaltungsbedürftige Vorgaben und Vorschriften mit Ergänzungsbedarf.205 Als ausgestaltungsbedürftige Vorschrift ist beispielsweise Art. 10 ­BasisVO zu nennen, der in einer dynamischen Verweisung in seiner Entsprechung in § 40 LFGB genannt ist. Art. 10 ­BasisVO lässt den Mitgliedstaaten bzw. deren Verwaltungen einen Gestaltungsspielraum bezüglich der Art und Weise der Information der Öffentlichkeit.206 Ergänzungsbedarf besteht dabei hinsichtlich der Sanktionierung von Verstößen gegen das Lebensmittelrecht der Gemeinschaft mit Straf- und Bußgeldtatbeständen.207 Soweit solch ein Anpassungsbedarf, wie vorliegend bei der ­BasisVO, auf Seiten der Mitgliedstaaten vorhanden ist, kann mithin nicht mehr generell von einem Effizienzvorsprung der Rechtsform „Verordnung“ ausgegangen werden. Vielmehr muss konkret überprüft werden, ob nicht die partielle Regelung – jedenfalls der Vorschriften, die auch in der Rechtsform der Richtlinie hätten ergehen können – durch eine Richtlinie, falls dies rechtlich möglich gewesen wäre, aufgrund der besseren Anpassungsmöglichkeiten in bereits vorhandenes nationales Lebensmittelrecht mithin die effizientere Maßnahme gewesen wäre.208 Außerdem können sich durch Verordnungen, die weitere Anpassungen erfordern, auch Unsicherheiten bei der Rechtsanwendung und bei den erforder­ lichen Anpassungen ergeben.209 Hierbei können insbesondere Unklarheiten darüber enstehen, ob bereits ausreichend Vorschriften auf nationaler Ebene vorhanden sind.

205

Vgl. hierzu Streinz, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/­BasisVO Kommentar, 2007, Ein­ führung, Rn. 78. 206 Außerdem geht § 40 LFGB insoweit über Art. 10 ­BasisVO hinaus, als dieser auch Informationsrechte der Verwaltung in verschiedenen Fallgruppen vorsieht, die nicht von Art.  10 ­BasisVO erfasst werden; außerdem präzisiert dieser die rechtsstaatlichen, insbesondere aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip folgenden Voraussetzungen und Maßgaben für die Information der Öffentlichkeit, Pache, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/­BasisVO Kommentar, 2007, § 40 LFGB, Rn. 1. 207 Solche Tatbestände sind in Deutschland in den §§ 58 bis 62 LFGB und in Österreich in den §§ 82 bis 94 LMSVG normiert. 208 So jedenfalls Streinz, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/­BasisVO Kommentar, 2007, Einführung, Rn. 35. 209 Hierzu auch Rabe, ZLR 2003, S. 152.

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Teil 2: Referenzgebiete

(b) Auswirkungen der Rechtsform der ­BasisVO speziell auf das deutsche Lebensmittelrecht bzw. den deutschen Gesetzgeber Weiter stellt sich die Frage, wie die Rechtsform der Verordnung im Hinblick auf den Regelungsgehalt von allgemeinen Grundsätzen speziell das deutsche Lebensmittelrecht beeinflusst hat. Dies ist insbesondere bedeutsam für die Frage der Effektivität der Regelung und der Verhältnismäßigkeit der gewählten Rechtsaktform. Bezüglich der Schaffung von europarechtskonformen Durchführungsregelungen zu Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft gilt die Bekanntmachung des Handbuchs der Rechtsförmlichkeit des Bundesanzeigers210. So ist in dieser Bekanntmachung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Durchführungsmaßnahmen, da sie die unmittelbare Wirkung der Verordnung nicht beeinflussen dürfen, so ausgestaltet sein müssen, dass sie den Zweck oder die Wirkung der Verordnung nicht verändern.211 Weiter dürfen in innerstaatlichen Vorschriften die unmittelbar geltenden Ver­ ordnungsbestimmungen nicht wiedergegeben werden, da ansonsten Unklarheiten bezüglich der Urheberschaft der in Frage stehenden Norm und deren Geltungs­ ranges entstehen können.212 Vor Erlass der ­BasisVO und der damit verbundenen Schaffung des Lebens­ mittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB)213 waren in Deutschland die Regelungen zum Lebensmittelrecht weitgehend im Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMBG) geregelt.214 Anstelle einer Überlagerung bzw. Beseitigung des nationalen Rechts und der mit einer solchen „Zersplitterung“ verbundenen Rechtsunsicherheit hat sich der deutsche Gesetzgeber dafür entschieden, in Anpassung des nationalen Lebensmittelrechts an die ­BasisVO ein gänzlich neues Regelungswerk zu schaffen.215

210 Bundesanzeiger, Nummer 160a, ausgegeben am 22.10.2008, Jahrgang  60, „Bekannt­ machung des Handbuchs der Rechtsförmlichkeit“. 211 Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 288. 212 Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 28; einzelne Aspekte der Verordnung dürfen jedoch aus Gründen der Verständlichkeit für den Adressaten in nationalen Bestimmungen wiederholt werden vgl. hierzu Streinz, in: Meyer/ Streinz (Hrsg.), LFGB/­BasisVO Kommentar, 2007, Einführung, Rn. 73. 213 Zu den Regelungsgegenständen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches vgl. auch Schomburg, NVwZ 2007, S. 1373 ff.; hierzu auch Meyer, NJW 2005, S. 3321 ff. 214 Ein Überblick über das Lebensmittelrecht ist zu finden bei Hufen, ZLR 2003, S. 129 ff.; zum rapiden „Wandlungsprozess“ in dem sich das deutsche Lebensmittelrecht bereits 1998 befunden hat vgl. Hufen, ZLR 1998, S. 1 ff. zur früheren Rechtslage vgl. Ringel, Das deutsche und gemeinschaftliche Lebensmittelrecht als Sicherheitsrecht, 1996. 215 Zur Entstehungsgeschichte des LFGB vgl. Meyer, NJW 2005, S. 3320 f.

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Die Befürchtung, dass durch die ­BasisVO ein Torso des LMBG übrigblieb216, hat sich mithin nicht bewahrheitet, da der deutsche Gesetzgeber mit dem LFGB von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, ein komplett neues Gesetz zu erlassen.217 Alternativ hätte er auch das LMBG in Abstimmung mit der ­BasisVO abändern, eine Neukodifikation im Sinne einer Minimal-218 oder Maximallösung – letztere hätte alle Bestimmungen der ­BasisVO in ein einheitliches nationales Regelwerk integriert – schaffen können oder die kollidierenden Vorschriften des bisherigen LMBG streichen und weitgehend auf die B ­ asisVO verweisen können.219 Aufgrund der in Deutschland bereits vorhandenen Regelungen und daraus folgend mit der mit dem Inkrafttreten der ­BasisVO aufgetretenen zersplitterten Rechtslage im Lebensmittelrecht war es dem deutschen Gesetzgeber möglich, das nationale Lebensmittelrecht vollkommen neu zu kodifizieren220, auch wenn dadurch nötig wurde, punktuell Normwiederholungen in Kauf zu nehmen.221 Der deutsche Gesetzgeber hat also hinsichtlich der Anpassungsmöglichkeiten, die ihm die ­BasisVO bot, einen Mittelweg gewählt.222 Neben dem LFGB galten jedoch temporär Übergangsvorschriften für die Fortgeltung bestimmter LMBGVorschriften. Gerade die in den Kapiteln I und II normierten allgemeinen Regelungen zum Lebensmittelrecht betrafen auch in Deutschland die allgemeinen Teile des LFGB (bzw. LMBG §§ 1 bis 7 und §§ 8 bis 19). Diese mussten in der Tragweite des Regelungsumfanges der ­BasisVO weichen bzw. mithilfe komplizierter Regelungs­ technik unter Bezugnahme der B ­ asisVO abgeändert werden.223 216 Vgl. hierzu Streinz, ZLR 2000, S. 807, der fragt, „Was bleibt vom LMBG?“ und noch an die am Rechtsetzungsprozessbeteiligten appellierte, an der ursprünglichen Wahl der Rechtsform „Richtlinie“ bezüglich der Rahmenregelung festzuhalten, da er andernfalls – was ja dann auch geschah – eine Zerstörung des LMBG befürchtete. 217 Zu den Möglichkeiten Minimallösung und Maximallösung vgl. auch Schroeder/Kraus, EuZW 2005, S. 427; zu dieser Möglichkeit als Anpassung der nationalen Regelungen an eine Verordnung siehe auch EuGH, RS. C-160/99, „Kommission/Italien“, Slg. 1985, 1057, Rn. 27; hierzu auch Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 249 EGV, Rn. 65. 218 Zu den zwingend notwendigen Neuregelungen, die durch die ­BasisVO im deutschen Recht erlassen werden mussten und zu deren Art und Umfang hinsichtlich einer Minimal­lösung vgl. auch Eckert, ZLR 2003, S. 671 f. 219 Vgl. zu diesen Möglichkeiten Streinz, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/­BasisVO Kommentar, 2007, Einführung, Rn. 81. 220 Neben dem LMBG und dem Futtermittelgesetz FMG wurden noch neun weitere Gesetze und die Verfütterungs-Verbotsverordnung aufgehoben siehe hierzu Streinz, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/­BasisVO Kommentar, 2007, Einführung, Rn. 79. 221 Hierzu auch Schroeder/Kraus, EuZW 2005, S. 427; zur legislativen Ergänzung von Verordnungen und insbesondere der ­BasisVO vgl. auch Streinz, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/­ BasisVO Kommentar, 2007, Einführung, Rn. 73 f. 222 Eine solche Neukodifikation im Sinne des LFGB zu anderen möglichen Handlungsalternativen des deutschen Gesetzgebers abgrenzend Schomburg, NVwZ 2007, S. 1373; hierzu auch Streinz, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/­BasisVO Kommentar, 2007, Einführung, Rn. 81. 223 Solche Auswirkungen auf Grundlage des damaligen Art. 64 des Verordnungsvorschlags nicht vermutend Köhler, ZLR  2001, S.  199, der davon ausgeht, dass die Art.  1 bis 20 nicht

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Teil 2: Referenzgebiete

So wurde bei verschiedenen allgemeinen Begriffen bzw. Definitionen224  – so beispielsweise in § 3 LFGB beim Begriff des Inverkehrbringens, des Verbrauchers, des Lebensmittelunternehmens, des Lebensmittelunternehmers – auf die ­BasisVO verwiesen. Zwar besteht grundsätzlich ein Wiederholungsverbot von abschließenden gemeinschaftlichen Regelungen im nationalen Recht225, von der Zulässigkeit solcher wie im deutschen Recht eingebauten dynamischen Verweisungen ist jedoch auszugehen, sofern diese nicht zu pauschal226 sind. Trotzdem fördern sie nicht gerade die Lesbarkeit des Gesetzes227 und stellen mithin gerade auch für juristische Laien, die im Lebensmittelsektor arbeiten, in­ sofern eine Herausforderung dar, als diese um den Inhalt einer solchen verweisenden nationalen Norm vollständig erfassen zu können auf die dem nationalen Gesetz zugrundeliegende Verordnung, hier die ­BasisVO, parallel zurückgreifen müssen. Dieses Problem betrifft jedoch auch die zuständigen Behörden, die sich außerdem noch der neuen B ­ asisVO in ihrer Struktur anpassen mussten.228 Weiter mussten auch bestimmte Vorgaben der ­BasisVO ausgestaltet werden. Dies geschah beispielsweise mit der auf Art. 10 ­BasisVO beruhenden Vorschrift des § 40 LFGB, welche sogar umfassendere Informationsrechte vorsieht als diese in Art.  10 ­BasisVO vorgesehen sind.229 Weiter wurden die Straf- und Bußgeld­ tatbestände der §§ 58 bis 62 LFGB ergänzend erlassen, die zum einen innerhalb des LFGB und zum anderen auch in die ­BasisVO verweisen. Auch hieraus er­geben sich Probleme der Lesbarkeit des LFGB für die Rechtsanwender und hier ins­ besondere für die zuständigen Behörden der Lebensmittelüberwachung.230 Die Rechtsetzungstechnik innerhalb des nationalen Lebensmittelrechts wurde also durch die Wahl der Rechtsform der Verordnung insbesondere im Hinblick auf die allgemeinen Teile vor große Herausforderungen gestellt.231 Einige Vorschriften mussten gestrichen oder ausgedünnt werden.232 nur das bestehende europäische, sondern auch das bestehende nationale Lebensmittelrecht unan­getastet lassen. 224 Zum gemeinschaftsrechtlichen Lebensmittelbegriff im Vergleich zur früheren Legaldefini­ tion des § 1 LMBG siehe Klaus, Der gemeinschaftsrechtliche Lebensmittelbegriff, 2005, S. 45 ff. 225 EuGH, RS. 34/73, „Variola“, Slg. 1973, I-0981, LS 3 ff. 226 EuGH, RS. 272/83, „Kommission/Italien“, Slg. 1985, I-1057, Rn. 27; hierzu auch Schroe­ der, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 249 EGV, Rn. 65; Meyer, NJW 2005, S. 3321. 227 So auch Schroeder/Kraus, EuZW 2005, S. 427. 228 Hierzu Streinz, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/­BasisVO Kommentar, 2007, Einführung, Rn. 95 f. 229 Zu § 40 LFGB vgl. auch Pache, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/­BasisVO Kommentar, 2007, § 40 LFGB. 230 Hierzu auch Zellner, ZLR 2007, S. 302. 231 Insgesamt zu diesem Problembereich vgl. Streinz, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/­ BasisVO Kommentar, 2007, Einführung, Rn. 76. 232 Vgl. mit Beispielen Streinz, ZLR 2000, S. 807; zu den problematischen eigenständigen Regelungen des LFGB vgl. auch Streinz, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/­BasisVO Kommentar, 2007, Einführung, Rn. 91 ff.

A. Lebensmittelrecht

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Eine Richtlinie hätte demgegenüber allein eine Angleichung der bestehenden nationalen Vorschriften des LMBG an die Richtlinienvorschriften verlangt. Hierdurch hätte sich auch eine Ersparnis der Kosten für aufgrund der Neuregelungen resultierende Fortbildungsmaßnahmen ergeben.233 Eine Einfügung des Gemeinschaftsrechts in den vorhandenen nationalen Regelungsrahmen mittels einer Richtlinie, die die allgemeinen Grundsätze des Lebensmittelrechts umfasst hätte, wäre mithin auf „sanfte Art“ möglich gewesen, Zwar wäre mittels Richtlinienrechtsetzung die typischerweise mit dieser Art der Rechtsetzung verbundene Umsetzungsproblematik zutage getreten, jedoch sind auch grundsätzlich die von einer Verordnung verlangten Anpassungen des nationalen Rechts nicht vor Fehlern und die Verordnungsinhalte nicht vor Anwendungsfehlern durch die nationalen Behörden gefeit. Somit ist der Effizienzvorsprung der Rechtsform der Verordnung in vielen Fällen anzuzweifeln. Es bleibt also festzuhalten, dass die allgemeinen Teile der ­BasisVO  – also Kapitel I und II – auch bezüglich des deutschen Rechts vorteilhafter in der Rechtsetzungsform der Richtlinie ergangen wären.234 Dies naturgemäß nur, wenn die ­BasisVO nicht die Richtlinieninhalte der Kapitel I und II notwendigerweise beinhalten musste. Ob dies der Fall ist, wird an anderer Stelle zu überprüfen sein. (c) Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass auch Verordnungen und insbesondere auch die ­BasisVO aufgrund ihres teilweise richtliniencharakter­ lichen Inhalts Mitwirkung von Seiten der Mitgliedstaaten erfordern können. Auch bei diesen Anpassungsakten können den Mitgliedstaaten durchaus – wie bei der Richtlinienumsetzung regelmäßig durch fehlerhafte oder nicht fristgemäße Um­ setzung – Fehler unterlaufen, die dazu führen, dass mit dieser Rechtsetzungsform trotz der unmittelbaren Geltung ähnliche Probleme wie bei der Rechtsetzung mittels Richtlinien zutage treten.235 Außerdem kann sich auch bei Verordnungsvorschriften aufgrund von mangelhafter Konzeption und Formulierung der Regelungen das Problem ergeben, dass diese von den nationalen Rechtsanwendern unterschiedlich ausgelegt werden. Somit kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche Regelung zur Harmonisierung des Binnenmarktes in Form einer 233

Zellner, ZLR 2007, S. 303. So Horst, ZLR 2000, S. 479 f.; Gorny, Grundlagen des europäischen Lebensmittelrechts, 2003, Einführung, Rn.  3; insbesondere im Hinblick auf das Fortbestehen des LMBG auch ­Streinz, ZLR 2000, S. 807. 235 Zu dieser Problematik insbesondere im Bezug auf die ­BasisVO auch Streinz, ZLR 2000, S. 807. 234

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Teil 2: Referenzgebiete

Verordnung automatisch einen Effizienzvorsprung vor der Gesetzgebung mittels einer Richtlinie bewirkt.236 Im Rahmen der Anpassungsbedürfnisse, die durch die ­BasisVO hervorgerufen wurden, kann gerade im Bezug auf die allgemeinen Grundsätze, die ursprünglich geplant in der Rechtsform der Richtlinie ergehen sollten, sogar festgestellt werden, dass diese zu erheblichen Anpassungsschwierigkeiten im Zuständigkeits­bereich der Mitgliedstaaten zu führen imstande sind.237 Es kann also im Bezug auf die Mitgliedstaaten und deren Anpassungsbedarf des nationalen Rechts aufgrund der ­BasisVO nicht grundsätzlich von der Erforderlichkeit der Rechtsform der Verordnung ausgegangen werden, da gerade kein Effi­ zienzvorsprung238 mit der Wahl dieser Rechtsform einhergegangen ist. (3) Die anderen Rechtsanwender Weiter stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die Rechtsform der Ver­ ordnung auf die anderen Rechtsanwender hat, in diesem Fall also typischerweise die Betroffenen aus dem Bereich des Lebensmittelsektors. Grundsätzlich hängt die Befolgung von unionsrechtlichen Normen davon ab, wie diese konkret ausgestaltet sind. Verordnungen haben den Vorteil der unmittelbaren Wirkung und gelten mithin auch für den Rechtsanwender ohne zeitliche Verzögerung mit Inkrafttreten des Rechtsakts. Dies kann vorteilhaft bei mit dem Rechtsakt verbundenen Vergünstigungen sein. Es gereicht jedoch insofern zum Nachteil des Rechtsanwenders, wenn mit dem Rechtsakt zusätzliche Verpflichtungen verbunden sind. Dann kann die schnelle Wirkung einer Verordnung dazu führen, dass der Rechtsanwender noch keine ausreichende Kenntnis der gängigen Rechtslage besitzt oder auf Seiten der handelnden Behörden eine solche Kenntnis vermisst wird und mithin ein Zustand der Rechtsunsicherheit eintreten kann. Ein solcher Zustand kann bei einer ordnungsgemäßen Richtlinienumsetzung durch die ausreichende Frist möglicherweise verhindert werden. Hiervon kann jedoch aufgrund der oftmals mit der Richtlinienumsetzung verbundenen Probleme nicht generell ausgegangen werden. Rechtsetzung mittels Richtlinien ent 236

Hierzu auch von Danwitz, ZLR 2001, S. 219. Kritik an der Wahl der Rechtsform der Verordnung im Hinblick auf die allgemeinen Re­ gelungen üben Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Loseblatt-Sammlung, Band II, C 101, Stand November 2008, Art.  2 ­BasisVO, Rn.  2; Streinz, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/­BasisVO Kommentar, 2007, Einführung, Rn. 40; Streinz, ZLR 2000, S. 807 geht auch davon aus, dass für die Rahmenregelung besser die Rechtsform der Richtlinie vorzuziehen gewesen wäre; Gorny, Grundlagen des europäischen Lebensmittelrechts, 2003, Einführung, Rn. 3. 238 So auch von Danwitz, ZLR 2001, S. 219. 237

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faltet aber auch abgesehen von den typischen Vorwirkungen der Richtlinie239 keine unmittelbare Wirkung, solange die Umsetzungsfrist nicht verstrichen ist und die Richtlinie entweder ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt ist oder unmittelbar wirkt. Aus diesem Grund können sich auch aus der Richtlinienrechtsetzung Unsicherheiten für den Rechtsanwender ergeben. Somit kann nicht grundsätzlich von Vorteilen der Rechtsetzung mittels Verordnungen im Gegensatz zu der mittels Richtlinien für den einzelnen Rechtsanwender ausgegangen werden. (4) Rechtliche Vorteile der Verordnung, insbesondere hinsichtlich des zu regelnden Rechtsgebietes Durch die unmittelbare Wirkung der Rechtsform „Verordnung“ sind zunächst bezüglich der ­BasisVO klare Vorteile im Hinblick auf die Anwendung des Gemeinschafts- bzw. Unionsrechts gegenüber einer solchen Regelung mittels einer Richtlinie zu vermuten. Aufgrund der oftmals mit der Umsetzung von Richtlinien verbundenen Probleme erscheint mithin die Regelung mittels einer Verordnung die effizientere Möglichkeit der Rechtsetzung zu sein. Insbesondere auch im Hinblick auf das Lebensmittelrecht wurden mit dem Gebrauch von Verordnungen bestimmte Vorteile verbunden.240 Durch die Verwendung von Verordnungen solle die einheitliche Anwendung der Rechtsvorschriften im gesamten Binnenmarkt erleichtert werden. Weiter sollte die Verwendung von Verordnungen im Bereich des Lebensmittelrechts die Transparenz des Gemeinschaftsrechts erhöhen. Außerdem sollte, da die einzelstaatlichen Umsetzungsbestimmungen entfallen, die Verwendung von Verordnungen die schnelle Aktualisierung des Gemeinschafts- bzw. Unionsrechts und seine Anpassung an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt er­ leichtern. Im Hinblick auf diese mit einer Verordnung verbundenen Vorteile können sich insbesondere Vorteile bezüglich des mit diesem Rechtsakt zu regelnden Rechts­ gebietes ergeben. Zunächst könnte sich ein Bedürfnis nach einer einheitlichen Basisregelung wie der ­BasisVO durch die in Frage stehende Regelung im Rechtsgebiet des Lebensmittelrechts ergeben. Manche Rechtsgebiete erfordern ein so starkes Maß an Detaillierung, dass diese nur durch Verordnungen geregelt werden können.241 Wenn sich also das national bestehende Recht als zu eng erweist, kann sich ein Erfor 239

Weiß, DVBl. 1998, S. 568; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Stand April 2009, Art. 249 EGV, Rn. 138. 240 Vgl. hierzu KOM (1997) 176 endg., S. 25. 241 Biervert, Der Missbrauch der Handlungsformen in der Gemeinschaft, 1999, S. 142 f.

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Teil 2: Referenzgebiete

dernis der Abkehr von der Rechtsangleichung des nationalen Rechts hin zu einer Ersetzung dieses Rechts durch unmittelbar anwendbares Unionsrecht ergeben.242 Ein solches Bedürfnis kann insbesondere dann gegeben sein, wenn eine ent­ sprechende Richtlinie in diesem Regelungsgebiet nicht geeignet wäre, die Bedenken der Öffentlichkeit hinsichtlich möglicher Gefahren für die Gesundheit zu zerstreuen.243 Gerade dieser gesundheitliche Aspekt könnte auch im Bereich des Lebensmittelrechts zum Tragen kommen. Ein Hauptziel der ­BasisVO ist die Gewährleistung eines hohen Maßes an Schutz für Leben und Gesundheit der Menschen. Durch die Einfügung von Richtlinienbestimmungen in das nationale Recht hätte sich jedoch ein vergleichbarer Gesundheitsschutz auch einstellen können. Das Lebensmittelrecht stellt grundsätzlich ein Rechtsgebiet dar, in welchem die Regelungsmöglichkeiten durch eine Verordnung sinnvoll eingesetzt werden können. Im Falle der ­BasisVO beinhaltet die Verordnung jedoch auch wie dargestellt Regelungen, die lediglich Grundsätze des Lebensmittelrechts enthalten und mithin noch einer Konkretisierung entweder durch den europäischen oder den nationalen Gesetzgeber bedürfen und somit nur einen geringen Effektivitätsgewinn be­inhalten.244 Es handelt sich bei der ­BasisVO um eine so genannte „hinkende“ Verordnung. Gerade im Bereich des Lebensmittelrechts war in den meisten Mitgliedstaaten vor der ­BasisVO bereits ein umfangreicher Katalog an Rechtsvorschriften vorhanden.245 Mithin hätten Regelungen, die in der Rechtsform der Richtlinie erlassen 242

Hierzu und zu Beispielen für solche Regelungsgebiete von der Groeben, NJW 1970, S. 362. Eine entsprechende Begründung findet sich in KOM  (2003) 770 endg. bezüglich der REACH-Verordnung (Verordnung (EG) Nr.1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer europäischen Agentur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr.793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr.1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission, ABl. 2006, Nr. L 396, S. 1; Berichtigung in ABl. 2007, Nr. L 136, hier heißt es, dass sich die Änderung der bis dahin bestehenden Richtlinie durch eine Verordnung unter anderem deshalb ergab, weil, „die geltenden Rechtsvorschriften nicht mehr geeignet waren, die Bedenken der Öffentlichkeit hinsichtlich der möglichen Gefahren von Chemikalien für die Gesundheit und die Umwelt zu zerstreuen“. 244 Schroeder/Kraus, EuZW 2005, S. 424. 245 In Deutschland wurde das LMBG durch das LFGB abgelöst, in Österreich wurde das österreichische Lebensmittelgesetz (LMG) von 1975, welches in 30 Jahren bis auf einige kleine Novellen beinahe unverändert geblieben ist, 2006 durch das neue Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG) abgelöst. In Frankreich bestand der Code de Consommation zum Verbraucherschutz und der Code Rural, welcher bereits 1999 feststellte, dass die Lebensmittelsicherheit auf dem Acker oder in der Viehwirtschaft beginnt und Schritt für Schritt in der Verarbeitungskette des Lebensmittels bis hin zum Teller des Verbrauchers aufgebaut wird. Weiter gilt in den Mitgliedstaaten im Rahmen des WTO-Rechts auch der Codex Alimentarius, welcher eine Reihe von internationalen Lebensmittelstandards enthält, hierzu auch Streinz, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/­BasisVO Kommentar, 2007, Einführung, Rn. 56. 243

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worden wären, sich gerade in das vorhandene mitgliedstaatliche detaillierte Regelungssystem gut einfügen können.246 Eine solche Eingliederung in bereits bestehende nationale Regelungssysteme erleichtert außerdem den Vollzug durch die staatlichen Behörden und die Befolgung durch die Wirtschaft.247 Ein einheitliches Konzept in Form einer Verordnung könnte sich weiter auch aus dem Ziel der Harmonisierung des Binnenmarktes248 ergeben. Zunächst geht aus Erwägungsgrund 26 hervor, dass es Mitgliedstaaten gibt, die horizontale Rechtsvorschriften zur Lebensmittelsicherheit erlassen haben, jedoch bei der Entscheidung, ob Lebensmittel sicher sind, unterschiedliche Basiskriterien anwenden und mithin diese unterschiedlichen Konzepte zu Hemmnissen für den Handel mit Lebensmitteln führen können. Aus diesem Grund sollen nach Erwägungsgrund  27 allgemeine Anforderungen eingeführt werden. Hieraus kann sich durchaus ein Bedürfnis ergeben, die Bereiche des Lebens­ mittelrechts, bei denen es insbesondere um den Abbau von Handelshemmnissen durch unterschiedliche Anforderungen geht, bezüglich der Sicherheit oder Verfahren zu vereinheitlichen. Eine solche Vereinheitlichung hätte jedoch auch in Form von in den zu vereinheitlichenden Bereichen zu erlassenden detaillierten Richtlinien­bestimmungen erreicht werden können. In einem solchen Fall hätten sich andere Regelungsbereiche, die nicht unbedingt einer Vereinheitlichung bedurft hätten, weiter in das bestehende mitgliedstaatliche Regelungsgefüge einfügen können. Somit kann festgehalten werden, dass zwar ein Vereinheitlichungsbedarf im Bereich der Lebensmittelsicherheit bestand, um negative Auswirkungen auf das gemeinschaftliche Lebensmittelrecht im Hinblick auf den Binnenmarkt abzubauen, eine solche Vereinheitlichung jedoch auch – die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit der Aufspaltung der ­BasisVO immer vorausgesetzt  – durch in diesen Bereichen zu erlassende detaillierte Richtlinienbestimmungen unter Aufrecht­ erhaltung bestehender bewährter Regelungsgefüge der Mitgliedstaaten erreicht worden wäre. Durch die mit der ­BasisVO geregelten Rechtsgebiete ergab sich mithin kein zwingendes Bedürfnis des Gemeinschaftsgesetzgebers, auch die allgemeinen Grundsätze in der Form der Verordnung zu erlassen. Ein Effizienzvorsprung der Regelung mittels einer Verordnung in einem Rechtsakt, der auch anpassungsbedürftige Vorschriften in Bereichen enthält, die bereits in

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Zu diesen Vorteilen Sydow, JZ 2009, S. 374. Hierzu Schwarze/Becker/Pollack, Die Implementation von Gemeinschaftsrecht, 1993, S. 67. 248 Zur Prägung des Handelns der Gemeinschaftsorgane durch den Abbau von Handelshemmnissen zur Verwirklichung des Binnenmarktes bei der Gesetzgebung im Bereich des Lebensmittelrechts siehe auch Holle, Verfassungsrechtliche Anforderungen an Normierungskonzepte im Lebensmittelrecht, 2000, S. 53. 247

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Teil 2: Referenzgebiete

den Mitgliedstaaten umfassend normiert sind, lässt sich jedenfalls in Hinsicht auf diese Regelungsinhalte nicht feststellen. Es kann festgehalten werden, dass kein grundsätzliches Bedürfnis für eine einheitliche Verordnung auf Seiten des Gemeinschaftsgesetzgebers hinsichtlich des zu regelnden Rechtsgebiets und eines etwaigen Effizienzvorsprungs bestanden hat. (5) Einfluss des Einschätzungsspielraums des Gemeinschaftsgesetzgebers auf die Erforderlichkeit Daneben ist zu prüfen, ob es sich zugunsten des Gemeinschaftsgesetzgebers ausgewirkt hat, dass diesem bezüglich der Wahl der Handlungsform grundsätzlich ein weiter Einschätzungsspielraum249 zusteht und mithin die Rechtsformenwahl nach pflichtgemäßem Ermessen auszuüben ist.250 Schranke für dieses Ermessen bildet generell der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der bereits hinsichtlich der Wahl der Rechtsform der Verordnung bezüglich der ­BasisVO überprüft wurde.251 Die Kontrolle des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Hinblick auf die Wahl der Handlungsform durch den EuGH soll weder eine Einschränkung des Ermessens des Gemeinschaftsgesetzgebers noch eine Ersetzung des dem Gemeinschaftsgesetzgeber zustehenden Ermessens durch das Gericht252 bewirken. Außerdem kann es durchaus auch politische Motive des Gemeinschaftsgesetzgebers geben, die ein entsprechendes Gesetzgebungsverhalten in die eine oder andere Richtung rechtfertigen können, selbst wenn objektiv eine bestimmte andere als die gewählte Maßnahme als die mildere anzusehen ist. Dies soll insbesondere deshalb gelten, weil der Gemeinschaftsgesetzgeber oftmals „sozialpolitische Entscheidungen“ zu treffen und daher „komplexe Abwägungen“ zu tätigen hat.253 Der EuGH kann mithin bezüglich der Wahl der Handlungsform und deren Recht­ mäßigkeit bzw. insbesondere Verhältnismäßigkeit einzig überprüfen, ob der Gemeinschaft- bzw. Unionsgesetzgeber offensichtlich fehlerhaft gehandelt hat. Insbesondere bei wirtschaftlich komplexen Sachverhalten, bei denen der europäische Gesetzgeber die künftigen und ungewissen Wirkungen seines Tätigwerdens zu be 249

Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2000, S. 300. Zu dem den Gemeinschaftsorganen eingeräumten Ermessen vgl. Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 249 EGV, Rn. 12. 251 Neben der Schranke des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit können jedoch noch andere Gesichtspunkte wie beispielsweise die Gleichbehandlung gleicher Sachverhalte in die Ermessensausübung mit einfließen, hierzu Schmidt, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), EU-/EGVertrag Kommentar, Band IV, 6. Aufl. 2004, Art. 249 EGV, Rn. 21. 252 EuGH RS. C-233/94, „Deutschland/EP und Rat“, Slg. 1997, I-2405, Rn. 56, abgedruckt in: EuZW 1997, S. 436 ff. 253 EuGH, RS. C-84/94, „Vereinigtes Königreich/Rat“, Slg. 1996, I-5755, Rn. 55 ff.; EuGH, RS. C-233/94, „Deutschland/EP und Rat“, Slg. 1997, I-2405, Rn. 54 ff., abgedruckt in: EuZW 1997, S. 436 ff. 250

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urteilen hat, kann der EuGH eine gesetzgeberische Entscheidung nur dann beanstanden, wenn sich diese Entscheidung als fehlerhaft erwiesen hat oder wenn die Nachteile, die sich aus ihr für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer ergeben, zu den übrigen mit ihr verbundenen Vorteilen völlig außer Verhältnis stünden.254 Ein Ermessensfehler kann also nur insofern festgestellt werden, wenn ein offensicht­ licher Irrtum oder ein Ermessensmissbrauch des Gesetzgebers vorliegt oder wenn die Grenzen des Ermessens offenkundig überschritten wurden. Das dem europäischen Gesetzgeber zustehende Ermessen bei der Wahl der Handlungsform kann mithin insbesondere auch von politischen Erwägungen wie beispielsweise Dringlichkeitsgründen, Gefahrenpotenzial etc. maßgeblich mit beeinflusst werden. Somit ist nun weiter zu überprüfen, ob im Falle der ­BasisVO solche politischen Erwägungen in die Ermessensentscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers bezüglich der ausgewählten Rechtsform der Verordnung mit eingeflossen sind. Ist dies der Fall, so sind diese Erwägungen in die Beurteilung der Erforderlichkeit mit einzustellen. Nach dem Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit sollten zunächst eine BasisRichtlinie und daneben eine separate Verordnung, die die Errichtung der EBLS regelt, erlassen werden.255 Diese Ansicht hatte sich jedoch gewandelt, somit bleibt nun zu prüfen, aus welchen Gründen dieser Wandel vom Gemeinschaftsgesetzgeber vollzogen wurde. Hierbei soll insbesondere untersucht werden, ob die Motive des Gemeinschaftsgesetzgebers entgegen der ursprünglichen Planung eine einheitliche ­BasisVO mit Richtlinieninhalten zu erlassen, noch vom Einschätzungsspielraum bzw. dem zustehenden Ermessen gedeckt waren. Es bereitet jedoch Schwierigkeiten, die genauen Motive des Gemeinschaftsgesetzgebers für den Wandel in der Absicht der Gesetzgebung hinsichtlich der ­BasisVO zu ermitteln. Die Erwägungsgründe der ­BasisVO können insofern nur am Rande herangezogen werden, als diese nur allgemein und nur an sehr wenigen Stellen überhaupt Gründe für die Wahl der Verordnung angeben. Ein Grund für die schnelle und eventuell sogar überstürzte Handlungsweise des Gemeinschaftsgesetzgebers ist in dem starken politischen Druck, der aufgrund zahlreicher Lebensmittelskandale aufgetreten ist, zu sehen.256 Auf Seiten des Ge 254 EuGH, RS.  C-233/94, „Deutschland/EP und Rat“, Slg.  1997, I-2405, Rn.  55 f., abgedruckt in: EuZW 1997, S. 436 ff. 255 Vgl. hierzu den Anhang I des Weißbuchs zur Lebensmittelsicherheit, KOM (1999) 719 endg. 256 Schroeder/Kraus, EuZW 2005, S. 423 gehen davon aus, dass spätestens der BSE-Skandal die EU von der Notwendigkeit einer Neuausrichtung des Lebensmittelrechts überzeugt hat. eine Liste wichtiger Lebensmittelskandale seit 1971 findet sich im Internet unter http://www. khd-research.net/Food/LM_Skandale_1.html; Lebensmittelskandale seit 1981 in IFAV Jahres bericht 1999/2000, S. 17.

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Teil 2: Referenzgebiete

meinschaftsgesetzgebers und auch der Mitgliedstaaten bestand aufgrund der drängenden Öffentlichkeit Handlungsbedarf, dem auch schnell nachgekommen wurde.257 In solche überstürzten Gesetzgebungsverfahren schleichen sich jedoch meist Fehler ein, die bei einer genaueren Überprüfung oder mehr Zeit nicht passiert wären. Die große Eile des Gemeinschaftsgesetzgebers hat jedoch zu teilweise nicht unerheblichen Unklarheiten innerhalb der Vorschriften der ­BasisVO geführt.258 Trotzdem wurde die Schnelligkeit der Handlungsweise bzw. der Zusammen­ arbeit der Mitgliedstaaten, des Rates und aller politscher Gruppierungen im Europäischen Parlament bezüglich des Erlasses der ­BasisVO nicht nur kritisiert259, sondern durchaus auch gelobt.260 Eine einheitliche Verordnung im Sinne der ­BasisVO kann jedoch auch insofern sinnvoll sein, als dass der Gemeinschaftsgesetzgeber damit ein einheitliches Basisregelwerk im Bereich des Lebensmittel- und Futtermittelrechts und der diesbezüglich erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen und keine zusätzliche Aufspaltung in verschiedene Rechtsakte erschaffen wollte. Dies insbesondere auch aus Öffentlichkeitszwecken und um den Bürgern ein einheitliches Werk anpreisen zu können. Ein solches besonderes Interesse an der Einheitlichkeit eines Regelwerks im Bereich des Lebensmittelrechts ist jedoch nicht ersichtlich. Auch die Aufspaltung in eine Basis-Richtlinie und eine Basis-Verordnung hätte nicht zu einer zu großen Unübersichtlichkeit des Lebensmittelrechts geführt. Im Gegenteil hätte eine Regelung über eine umzusetzende Basis-Richtlinie die teilweise anstrengend nachzuverfolgenden Verweisungen, die beispielsweise im deutschen LFGB zu finden sind, verhindert und zu einer übersichtlicheren Regelung geführt. Es lassen sich auch keine einschlägigen gewichtigen Gründe auf Seiten des Einschätzungsspielraums des Gemeinschaftsgesetzgebers für die Wahl einer einheit 257 Rabe, ZLR  2003, S.  152 spricht davon, dass „wirkliche und vermeintliche Krisen und politische Umstände und Zeitdruck“ wesentlich dazu beigetragen haben, dass die Verordnung alles andere als eine Meisterleistung ist. 258 Insbesondere haben sich auch Ungenauigkeiten bezüglich Begriffsverwendungen wie beispielsweise der des Risikos und der Gefahr ergeben. 259 So beispielsweise Gorny, Grundlagen des europäischen Lebensmittelrechts, 2003, Einführung, Rn. 1 f. spricht von Eiltempo und meint jedoch aus, dass unter dieser Eile, die an den Tag gelegt wurde, die Klarheit der gesetzlichen Bestimmungen gelitten habe und dass wohl keine sorgfältige juristische Auseinandersetzung stattgefunden habe; weitere Kritik an der zu raschen Gesetzgebung im Hinblick auf den Verordnungsvorschlag ist zu finden bei Streinz, ZLR 2000, S. 803, der noch an die deutschen Vertreter der Regierung appellierte, „sich bald, aktiv und intensiv in das Rechtsetzungsverfahren einzuschalten“; Horst, ZLR  2000, S.  475; von Danwitz, ZLR 2001, S. 209; Doepner/Hüttebräuker, ZLR 2001, S. 515; Gorny, ZLR 2001, S. 501; Köhler, ZLR 2001, S. 191. 260 Holland/Pope, EU Food Law and Policy, 2004, S.  3, die davon ausgehen, dass „the adoption of this key piece of legislation was only possible due to political agreement reached in record time … This is a clear demonstration of the sheer political determination to achieve a major overhaul of the EU Food Safety system and the way scientific advice feeds into policy making.“

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lichen Basis-Verordnung finden, die die nicht durchgeführte rechtlich mögliche Aufspaltung dieses Rechtsakts in eine Richtlinie und eine Verordnung rechtfer­ tigen könnte. cc) Schlussfolgerung Schließlich stellt sich die Frage, ob diese Zusammenfassung unterschiedlich zu charakterisierender Handlungsforminhalte rechtmäßig ist, oder ob nicht eine Aufspaltung der beiden Teile in eine die grundlegenden Definitionen, Begriffsbestimmungen und Grundsätze festlegende Richtlinie und eine Verordnung mit dem Inhalt der Errichtung der Europäischen Lebensmittelbehörde und der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und der EG im Bereich des Lebensmittelrechts die Lösung gewesen wäre, die dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz am ehesten entsprochen hätte. Grundsätzlich, wie bereits oben erläutert, kann nicht immer davon ausgegangen werden, dass die durch die Verordnung zu erlangende stärkere Harmonisierungswirkung unterschiedliche Auslegungen und immanente Anwendungsschwierigkeiten innerhalb der Mitgliedstaaten auszuschließen imstande ist.261 Die Tendenz, vermehrt auch insbesondere im Bereich des Lebensmittelrechts Verordnungen anstelle von Richtlinien zu erlassen262, lässt sich schon aus dem Grünbuch ableiten.263 Wie bereits erwähnt, war im Weißbuch zum Lebensmittelrecht noch von einer Unterteilung des Regelungsinhalts der ­BasisVO in verschiedene Vorschläge ausgegangen worden.264 Somit ist nun weiter konkret die Verhältnismäßigkeit der ­BasisVO im Hinblick auf die Vereinheitlichung von unterschiedlichen Rechtsformcharakteren in einem Rechtsakt der Verordnung zu untersuchen. (1) Wahl der Rechtsform der so genannten „hinkenden Verordnung“ für die B ­ asisVO Zusammenfassend lässt sich in Bezug auf die ­BasisVO feststellen, dass diese in einer Mischform als so genannte „hinkende Verordnung“265 ergangen ist. Mit solchen Verordnungen soll auch Rechtsangleichung, die eigentlich seit jeher eine 261

Vgl. hierzu Streinz, ZLR 2000, S. 806 f.; Horst, ZLR 2000, S. 479. So auch Streinz, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/­BasisVO Kommentar, 2007, Einführung, Rn. 40. 263 KOM (1997) 176 endg., S. 25 f. 264 Vgl. hierzu den Anhang I des Weißbuchs zur Lebensmittelsicherheit, KOM (1999) 719 endg. 265 Zu dem Begriff der hinkenden Verordnung Constantinesco, Recht der Europäischen Gemeinschaften I, 1977, S. 562; Härtel spricht von so genannten richtlinienähnlichen Verordnungen, Handbuch Europäische Rechtsetzung, 2006, S. 174. 262

264

Teil 2: Referenzgebiete

Domäne der Richtlinie ist266, betrieben werden. Typischerweise kamen nach dem EGV für solche der Rechtsangleichung dienenden Verordnungen die Art. 40, 95 und 308 EGV als Ermächtigungsgrundlagen in Betracht.267 Hinkende Verordnungen haben grundsätzlich die Wirkungsweise der in Art. 288 Abs.  2 AEUV (ex-Art.  249 Abs.  2 EGV) normierten Handlungsform „Verordnung“, daneben enthalten sie insofern jedoch noch Elemente der in Art. 288 Abs. 3 AEUV (ex-Art. 249 Abs. 3 EGV) normierten Richtlinie, als sie entweder ex­plizit oder implizit die Mitgliedstaaten dazu veranlassen, Durchführungsmaßnahmen bzw. Anpassungsmaßnahmen zu erlassen. Den Mitgliedstaaten bleibt also ein zwar eingegrenzter, aber doch noch vorhandener Spielraum, die Vorschriften der Verordnung auszuführen bzw. zu konkretisieren.268 Im Gegensatz zu den Verordnungen im ursprünglichen Sinne, die aufgrund ihrer unmittelbaren Geltung und ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit weder einer Mitwirkung des Mitgliedstaates noch eines Transformationsaktes bedürfen, bei denen ein solcher sogar unzulässig ist, bedarf es bei hinkenden Verordnungen ent­weder exekutiver oder legislativer Umsetzungsakte von Seiten der Mitgliedstaaten269. Die hinkenden Verordnungen gelten also unmittelbar, können jedoch nicht unmittelbar angewendet werden.270 Bei der Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit geht es im Gegensatz zur Frage der unmittelbaren Geltung – eine Eigenschaft, die jeder Verordnung, ob „hinkend“ oder nicht, innenwohnt – darum, ob die in Frage stehende Norm, sei es die einer Richtlinie oder die einer Verordnung, insofern rechtlich vollkommen ist, als sie subsumtionsfähig ist und deshalb von den mitgliedstaatlichen Gerichten und Behörden unmittelbar und ohne weiteres angewendet werden kann.271 Bedarf es jedoch einer Konkretisierung durch die Mitgliedstaaten, so ist die Norm zunächst nicht unmittelbar anwendbar. Bei Verordnungen, die in dieser Weise nicht unmittelbar anwendbar sind, wird typischerweise den Mitgliedstaaten eingeräumt, Durchführungsvorschriften zu erlassen. Die Einräumung eines solchen Rechts der Mitgliedstaaten durch die Ver­ordnung führt jedoch auch dazu, dass sich der Einzelne, der sich normalerweise direkt auf die Verordnungsbestimmung berufen kann, nicht direkt auf die in Frage stehende Bestimmung stützen kann, da für deren Wirksamkeit erst eine Konkretisierung durch eine Durchführungsvorschrift vorzunehmen ist bzw. eventuell den mitgliedstaatlichen Vollzugsbehörden ein sonstiger Ermessensspielraum eingeräumt ist.272 266

Vgl. hierzu auch von Danwitz, ZLR 2001, S. 218. Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 249 EGV, Rn. 17. 268 Vgl. hierzu auch Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, 2006, S. 175. 269 Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, 2006, S. 175. 270 Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 249 EGV, Rn. 57 ff. 271 Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 249 EGV, Rn. 48. 272 Vgl. hierzu EuGH, RS. C-403/98, „Azienda Agricola Monte Arcosu“, Slg. 2001, I-103, Rn. 26 f.; Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 249 EGV, Rn. 20; hierzu auch Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 249 EGV, Rn. 61. 267

A. Lebensmittelrecht

265

Die Rechtmäßigkeit von Verordnungen, die die Mitgliedstaaten zum Erlass von Durchführungsmaßnahmen ermächtigen, wurde auch vom EuGH bestätigt.273 Somit ist grundsätzlich festzuhalten, dass die in gewisser Weise „gemischte Handlungsform“ der „hinkenden Verordnung“ ebenso wie die „detaillierte Richtlinie“ rechtmäßig vom europäischen Gesetzgeber ausgewählte Handlungsformen darstellen, die nur in besonderer Weise ausgestaltet sind. (2) Pro einheitliche Verordnung Nach der Feststellung der grundsätzlich rechtmäßigen Heranziehung der Rechtsform der hinkenden Verordnung durch den Gemeinschaftsgesetzgeber ist nun im Konkreten zu überprüfen, ob bezüglich der ­BasisVO diese Rechtsform auch erforderlich war oder ob sich in diesem Zusammenhang nicht die Aufteilung des Rechtsakts als milderes Mittel angeboten hätte. (a) Bedürfnis aufgrund der Anwendung der Grundsätze durch die Gemeinschaftsorgane Für eine umfassende einheitliche Verordnung könnte sprechen, dass die mit einer Verordnung zu errichtende Lebensmittelbehörde und die Gemeinschaftsorgane die Grundsätze und Definitionen anzuwenden hätten, die bei einer Aufspaltung in einer Richtlinie festgelegt wären und eine solche Richtlinie keine rechtlichen Wirkungen gegenüber der Lebensmittelbehörde und den Gemeinschaftsorganen aufgrund deren mangelnden Adressatenstellung hätte. Wie bereits an anderer Stelle untersucht, entfalten die Kapitel I und II zwar durchaus Wirkungen bezüglich der Gemeinschaftsorgane, womit eine einfache Richtlinie mit diesen Basisregelungen nicht zielführend gewesen wäre. Jedoch hätten sich durchaus alternative Regelungsmöglichkeiten zugunsten der Aufrechterhaltung bestehender mitgliedstaatlicher Regelungssysteme ergeben. Es hätte die Möglichkeit einer Verweisung auf eine Basis-Richtlinie innerhalb der Verordnung bestanden oder mittels einer Doppelung der Regelungsinhalte der allgemeinen Grundsätze sowohl in einer für die Mitgliedstaaten geltenden Richtlinie als auch in einer die EBLS errichtenden Verordnung eine Schonung der mitgliedstaatlichen Regelungsgefüge erreicht werden können. Ob diese Regelungsmöglichkeiten tatsächlich auch rechtlich möglich gewesen wären, soll im Verlaufe der Arbeit innerhalb der grundsätzlichen Möglichkeit der Aufspaltung untersucht werden.

273

EuGH, RS. C-251/91, „Roland Teulie“, Slg. 1992, I-5599, Rn. 13.

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Teil 2: Referenzgebiete

(b) Effizienzgewinn durch die Regelung mit einer Verordnung Außerdem ist möglicherweise durch eine einheitliche Verordnung ein Effektivitätsgewinn bei der Rechtsanwendung des Lebensmittelrechts gegeben.274 Wie bereits dargelegt, kann jedoch bei anpassungsbedürftigen Verordnungen wie vorliegend bei der ­BasisVO nicht grundsätzlich von einer Effizienzstei­ gerung der Wahl der Rechtsform „Verordnung“ gegenüber der Richtlinie ausgegangen werden. Insbesondere durch den Anpassungsbedarf, das Vorhandensein von Durchführungsvorschriften und Vorgaben, die auslegungsbedürftig oder ergänzungsbedürftig sind, werden an die Mitgliedstaaten ähnliche Anforderungen gestellt wie wenn der Rechtsakt in Form einer Richtlinie ergangen wäre. Neben diesen die Mitgliedstaaten betreffenden Verpflichtungen muss jedoch darüber hinaus berücksichtigt werden, ob in der durch die Verordnung geregelten Rechtsmaterie auf Seiten der Mitgliedstaaten in ein bereits vorhandenes detailliertes homogenes Rechtsgefüge eingegriffen wird. Ist dies der Fall, so kann gerade in Kumulation dieser beiden Kriterien nicht mehr davon ausgegangen werden, dass durch die Wahl der Rechtsform „Verordnung“ die Implementation tatsächlich erleichtert wird.275 Vielmehr muss der Aufwand auf Seiten der Mitgliedstaaten, der durch die Verordnung und die daraus resultierenden Anpassungen verursacht wird, der durch die Gesetzgebung dieses Regelungsbereiches mittels einer Richtlinie und den damit verbundenen mitgliedstaatlichen Umsetzungspflichten entsteht, miteinander abgewogen werden. Besteht demgegenüber auf Seiten der Mitgliedstaaten kein homogenes Re­ gelungswerk, sondern vielmehr eine Gemengelage von verschiedenen verstreuten nationalen und internationalen Vorschriften, so kann durch den Erlass einer Verordnung durchaus eine Effizienzsteigerung zu beobachten sein.276 Im Bereich des Lebensmittelrechts bestand auf Seiten einiger Mitgliedstaaten wie bereits dargestellt schon vor Erlass der ­BasisVO ein homogenes Regelungsgefüge. Gerade im Bereich der allgemeinen Grundsätze wurde dieses Rechts­ gefüge durch den Erlass von Verordnungsvorschriften nicht unerheblich gestört, da diese  – unabhängig von der Sinnhaftigkeit und Bewährtheit bereits vorhan­ dener Vorschriften – erforderlich machten, das komplette mitgliedstaatliche Rege 274 Einen solchen Effektivitätsgewinn gerade nicht sehend Schroeder/Kraus, EuZW  2005, S. 424. 275 Hierzu auch Schwarze/Becker/Pollack, Die Implementation von Gemeinschaftsrecht, 1993, S. 68. 276 Schwarze/Becker/Pollack, Die Implementation von Gemeinschaftsrecht, 1993, S. 69 führen als Beispiel hierfür das Luftverkehrsrecht der Mitgliedstaaten an, dass durch eine Flut verschiedener nationaler Vorschriften und internationaler Verträge gekennzeichnet ist.

A. Lebensmittelrecht

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lungsgefüge umzuändern und anzupassen. Die daraus resultierenden Unsicherheiten lassen sich mithin nicht durch einen Effizienzgewinn rechtfertigen. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass gerade im Bereich der allgemeinen Grundsätze eine Regelung in der Rechtsform der Richtlinie eine effizientere Maßnahme gewesen wäre. Somit kann nicht grundsätzlich angenommen werden, dass die ­BasisVO effizienzsteigernde Wirkung bezüglich des gemeinschaftlichen und mitgliedstaatlichen Lebensmittelrechts entfaltet hat. Aus bereits genannten Gründen der Unmöglichkeit der Errichtung einer EBLS gestützt auf eine Richtlinie hätte jedoch die ­BasisVO mit dem derzeit vorhandenen Regelungsinhalt nicht in der Form der Richtlinie ergehen können. Hätte mithin aber die Möglichkeit zum Erlass einer Rahmenrichtlinie mit Inhalt der allgemeinen lebensmittelrechtlichen Grundsätze und Definitionen neben einer Verordnung mit den übrigen ­BasisVO-Inhalten bestanden, so hätte bezüglich der Gelegenheit der Einfügung solcher Richtlinienbestimmungen in das bereits vorhandene mitgliedstaatliche homogene Regelungsgefüge durchaus von einem Effizienzvorsprung einer solchen Möglichkeit gegenüber der vom Gemeinschafts­ gesetzgeber gewählten Handhabe des Erlasses der ­BasisVO bestanden. (3) Möglichkeit der Aufspaltung der B ­ asisVO als milderes Mittel Da die ­BasisVO, wie bereits dargelegt, Teile enthält, die nicht in der Rechtsform der Richtlinie, sondern ausschließlich in der Form der Verordnung ergehen konnten, muss und kann an dieser Stelle nicht diskutiert werden, ob eine einheit­liche Basis-Richtlinie mit dem Inhalt der ­BasisVO als milderes Mittel hätte er­gehen können und welche deren Vorteile gewesen wären.277 Da die ­BasisVO jedoch sowohl große Teile mit Richtliniencharakter als auch Teile mit Verordnungscharakter enthält, muss weiter überlegt werden, ob nicht eine Aufspaltung der ­BasisVO nach Inhalten in eine Verordnung und eine Rahmenrichtlinie effektiver und mithin als möglicherweise milderes Mittel auch verhältnismäßiger gewesen wäre.278 Die Kapitel mit Verordnungscharakter benötigen keine weitere Anpassung in den Mitgliedstaaten. Die allgemeinen Rahmenregelungen des Kapitels I und II erfordern jedoch teilweise eine Ergänzung bzw. Anpassung nationaler Vorschriften; 277 Seemann, Behördliche Produktinformation im europäischen und deutschen Lebensmittelrecht, 2008, S. 57 diskutiert in diesem Fall jedoch die Möglichkeit der Aufteilung der ­BasisVO in mehrere Richtlinien. 278 Ohne weitere Diskussion bejahend Seemann, Behördliche Produktinformation im euro­ päischen und deutschen Lebensmittelrecht, 2008, S. 58.

268

Teil 2: Referenzgebiete

somit wäre eine Aufspaltung in eine rahmensetzende, die lebensmittelrechtlichen Grundsätze aufstellende Richtlinie und in eine Verordnung möglicherweise für die Mitgliedstaaten sinnvoller gewesen.279 Dies insbesondere aus dem Grund, dass die Mitgliedstaaten die lebensmittelrechtlichen Grundsätze nicht tatsächlich direkt anwenden können, sondern diese entweder durch den EU-Gesetzgeber280 oder die mitgliedstaatlichen Stellen konkretisiert werden müssen.281 Somit ist bezüglich der Kapitel mit Richtliniencharakter der tatsächliche Effektivitätsgewinn, der grundsätzlich aufgrund der mit einer Richtlinie verbundenen Umsetzungsprobleme aus Rechtsetzung mittels Verordnungen resultiert, nur gering.282 Weiter soll überprüft werden, ob eine solche Aufspaltung durch den Gemeinschaftsgesetzgeber grundsätzlich den Inhalten der ­BasisVO nach möglich ge­ wesen wäre, wie ein solches Nebeneinander einer Basis-Richtlinie neben der Ver­ ordnung tatsächlich umsetzbar gewesen wäre und ob ein solches Vorgehen auch effektiv und mithin faktisch als milderes Mittel gegenüber der jetzigen Regelung der ­BasisVO zu klassifizieren gewesen wäre. (a) Grundsätzliche Möglichkeit und Probleme Fraglich ist also zunächst, ob eine Aufspaltung der ­BasisVO in eine Verordnung zur Errichtung der Lebensmittelbehörde und eine allgemeine Rahmenrichtlinie überhaupt rechtlich möglich ist. Konkret geht es darum, ob die Aufteilung in eine Verordnung, die die Kapitel III und IV der ­BasisVO umfasst, welche wie oben dargestellt primär Verordnungs­ charakter besitzen, und eine Richtlinie, die die Kapitel I und II beinhaltet, welche vorwiegend aus Richtlinieninhalten bestehen, rechtlich möglich und tatsächlich effizienzsteigernd wäre. Die rechtliche Möglichkeit kann grundsätzlich insofern zweifelhaft sein, als die in der ­BasisVO mit geregelten lebensmittelrechtlichen Grundsätze auch von der EBLS und von den Mitgliedstaaten bei der Verwaltungskooperation mit der EBLS anzuwenden sind. Wären also die Kapitel I und II der ­BasisVO auf die Bestimmungen der Kapitel III und IV anzuwenden, so könnten sich insoweit bei der in Frage stehenden Aufspaltung Anwendungsprobleme ergeben, als die in einer Ver­ ordnung geregelten Vorschriften zur EBLS und zur Verwaltungskooperation der 279

Streinz, in: Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/­BasisVO Kommentar, 2007, Einführung, Rn. 35. Vgl. hierzu beispielsweise die Verordnung (EG) Nr.  882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz, ABl. 2004, Nr. L, S. 1. 281 So auch Schroeder/Kraus, EuZW 2005, S. 424. 282 Schroeder/Kraus, EuZW 2005, S. 424. 280

A. Lebensmittelrecht

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Mitgliedstaaten mit der EBLS im Bereich des Lebensmittelrechts Grundsätzen unterlägen, die in einer separaten Richtlinie normiert wären. Richtlinien richten sich jedoch grundsätzlich gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV (ex-Art. 249 Abs. 3 EGV) alleine an die Mitgliedstaaten, gemeinschaftseigene Behörden zählen nicht zu deren Adressaten. Somit hätten sich bei einer Aufspaltung in eine separate Richtlinie und eine Verordnung insofern Anwendungsprobleme über die Wirkung der Richtlinie bezüglich der EBLS ergeben. Es ist also zunächst zu untersuchen, ob die EBLS auch an die lebensmittelrechtlichen Grundsätze bzw. die Regelungen der Kapitel I und II der ­BasisVO gebunden ist. Wie bereits an anderer Stelle der Arbeit untersucht, sind die Kapitel I und II der ­ asisVO sowohl auf die EBLS als auch auf die Unionsorgane anwendbar. Dies B führt dazu, dass jedenfalls keine Richtlinie mit den Inhalten der Kapitel I und II separat neben der ohne die Kapitel I und II bestehenden ­BasisVO existieren könnte, da in einem solchen Fall die Richtlinieninhalte keine Wirkung auf die Unions­ organe und die EBLS entfalten würden. Aufgrund dieser Problematik bleibt zum einen die Möglichkeit denkbar, dass zusätzlich zur ­BasisVO, die dann die Grundsätze nur bezüglich der Unionsorgane, der EBLS und der Kooperation der Mitgliedstaaten mit derselben regeln würde, noch eine Basisrichtlinie mit den allgemeinen Grundsätzen des Lebensmittelrechts für die Mitgliedstaaten bestehen würde, so wie dies ursprünglich auch im Weißbuch geplant war. Diese Vorgehensweise scheint zwar kompliziert, jedoch hätte sie die bereits dargelegten Vorteile der Einpassung der Richtlinienvorschriften über die allgemeinen Grundsätze in die mitgliedstaatlich bereits vorhandenen Regelungsgefüge. Neben diesem zugegebenermaßen nicht ganz praxisfreundlichen, da sehr komplizierten Regelungsansatz, hätte jedoch durchaus erwogen werden können, die ­BasisVO selbst dann in eine Basisrichtlinie und eine ­BasisVO aufzuspalten, wenn die allgemeinen Grundsätze auch Regelungswirkung bezüglich der Unionsorgane, der EBLS und der Kooperation der Mitgliedstaaten entfalten würden. Grundsätzlich wäre eine Aufspaltung der ­BasisVO  – ohne das Auftreten weiterer Hindernisse – möglich gewesen, da sich weiterhin die Möglichkeit der Bezugnahme auf die Richtlinie innerhalb der Verordnung ergibt.283 Hierfür hätte sich möglicherweise die Handhabe angeboten, nur die zwingend in der Rechtsform der Verordnung zu regelnden Inhalte in der ­BasisVO zu regeln und die restlichen Richt­ linieninhalte zugunsten einer besseren Einfügung in das mitgliedstaatlich bereits vorhandene Rechtsgefüge wie ursprünglich geplant in der Rechtsform der Richt 283

Vgl. hierzu beispielhaft die Inbezugnahme innerhalb der Verordnung (EG) Nr. 460/2004 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 10.03.2004 zur Errichtung der Europäischen Agentur für Netz- und Informationssicherheit in Art.  1 Abs.  2, welche sogar auf künftige Rechtsvorschriften der Gemeinschaft verweist.

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Teil 2: Referenzgebiete

linie zu erlassen. Sollten sich Regelungsüberschneidungen bezüglich der EBLS bzw. des EU-Gesetzgebers ergeben, so hätten diese möglicherweise durch Inbezugnahme der Richtlinie in der Verordnung überbrückt bzw. aus dem Weg geräumt werden können. Die tatsächliche Möglichkeit einer solchen Vorgehensweise soll im nächsten Abschnitt dieser Arbeit überprüft werden. Es bleibt festzuhalten, dass auch wenn die Teile der ­BasisVO, die aufgrund ihres Regelungsgehaltes grundsätzlich in der Form der Richtlinie hätten ergehen können, Auswirkungen auf die anderen Kapitel – also Kapitel III und Kapitel IV – haben, diese allgemeinen Teile nicht unbedingt auch in der Form der Verordnung hätten ergehen müssen. Es hätten sich mithin gegenüber dieser in der ­BasisVO verwendeten Regelungstechnik durchaus Regelungsalternativen ergeben. (b) Die Möglichkeit der Aufspaltung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zur ENISA Somit ist nun weiter die Möglichkeit der Aufspaltung der ­BasisVO in eine ­Basis-Verordnung und eine Basis-Richtlinie zu überprüfen. Hierfür soll das Beispiel der Errichtung der Europäischen Agentur für Netz- und Informationssicherheit (ENISA) herangezogen werden. Die ENISA wurde durch die Verordnung (EG) Nr.  460/2004284 errichtet. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland beantragten die Nichtig­ erklärung dieser Verordnung mit der Begründung, dass Art. 95 EGV keine geeignete Ermächtigungsgrundlage für den Erlass dieser Verordnung sei, da mit dem Inhalt der Verordnung keine Harmonisierung des Binnenmarktes und mithin keine Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen geschehe.285 Nach Ansicht der Antragsteller beinhaltete jedoch keine der Vorschriften der Verordnung auch nur indirekt eine Angleichung nationaler Maßnahmen, da allein die Errichtung der Agentur und deren Befugnisse Inhalt der Verordnung gewesen seien. Der EuGH bestätigte diese Auffassung nicht. Vielmehr stellte er fest, dass mit dem Ausdruck „Maßnahmen zur Angleichung“ in Art.  95 EGV „die Verfasser des EGV dem Gemeinschaftsgesetzgeber nach Maßgabe des allgemeinen Kontextes und der speziellen Umstände der zur Erreichung eines angestrebten Ergebnisses am besten geeigneten Angleichungstechnik insbesondere in den Be 284 Verordnung (EG) Nr. 460/2004 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 10.03.2004 zur Errichtung der Europäischen Agentur für Netz- und Informationssicherheit. 285 Hierzu EuGH, RS.  C-217/04, „Errichtung der ENISA“, Slg.  I-03771; zu diesem Urteil siehe auch, Ohler, EuZW  2006, S.  372 ff.; Ludwigs, EuZW  2006, S.  417; Hansmann, DVBl.  2006, S.  838 ff.; zur Rechtsgrundlage des Art.  95 EGV zur Errichtung von Gemeinschaftsagenturen und der zunehmenden Gefahr einer Verschiebung der vorgesehenen Kompetenzverteilung zwischen Mitgliedstaaten und Gemeinschaft beim Vollzug vgl. auch Wittinger, EuR 2008, S. 612.

A. Lebensmittelrecht

271

reichen ein­räumen, die durch komplexe technische Eigenheiten gekennzeichnet sind“.286 Somit sei die Stützung der Verordnung (EG) Nr.  460/2004 auf Art.  95 EGV insofern rechtmäßig.287 Außerdem könne der Gemeinschaftsgesetzgeber „aufgrund seiner Sachwürdigung die Schaffung einer Gemeinschaftseinrichtung für notwendig erachten, deren Aufgabe es ist, in Situationen, in denen der Erlass von nicht zwingenden Begleit- und Rahmenmaßnahmen zur Erleichterung der einheitlichen Durchführung und Anwendung von auf Art.  95 EGV gestützten Rechtsakten geeignet erscheint, zur Verwirklichung des Harmonisierungsprozesses beizutragen“.288 Nach Ansicht des EuGH müssen solche der Einrichtung übertragene Aufgaben „jedoch in einem engen Zusammenhang mit den Bereichen stehen, auf die sich Rechtsakte zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften beziehen“.289 Ein solcher enger Zusammenhang ergibt sich für die Verordnung (EG) Nr.  460/2004290 bezüglich der in Art.  2 festgelegten Ziele durch die Richt­ linie 2002/21 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste291. Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt, dass mit ihr ein harmonisierter Rahmen für die Regulierung elektronischer Kommunikationsdienste und Kommunikationsnetze sowie zugehöriger Einrichtungen und Dienste vorgegeben ist. Außerdem legt sie die Aufgaben der nationalen Regulierungsbehörden sowie eine Reihe von Verfahren fest, die die gemeinschaftsweit harmonisierte Anwendung des Rechtsrahmens gewährleisten. Weiter stellt die Verordnung (EG) Nr. 460/2004 im Bereich der Netz- und Informationssicherheit, was die Durchführung der Gemeinschaftsvorschriften in diesem Bereich betrifft, insofern keine isolierte Maßnahme dar, als in Art. 1 Abs. 2, der den Zuständigkeitsbereich der ENISA beschreibt, normiert ist, dass die ENISA die Kommission und die Mitgliedstaaten unterstützt und folglich mit der Wirtschaft zusammen arbeitet, um diesen dabei zu helfen, die Anforderungen an die Netz- und Informationssicherheit – einschließlich der in geltenden und künftigen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft wie beispielsweise in der Richtlinie 2002/21 EG niedergelegten Anforderungen – zu erfüllen und damit das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten. Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr.  460/2004 normiert also eine ausdrückliche Verweisung auf eine Richtlinie. 286

EuGH, RS. C-217/04, „Errichtung der ENISA“, Slg. I-03771, LS 1. Anderer Auffassung Ohler, EuZW 2006, S. 374, der dem EuGH in seiner Entscheidung nur folgen kann, wenn er diese auf Grundlage einer ungeschriebenen Annexkompetenz stützt; hierzu auch Vetter, DÖV 2005, S. 729. 288 EuGH, RS. C-217/04, „Errichtung der ENISA“, Slg. I-03771, LS 1. 289 EuGH, RS. C-217/04, „Errichtung der ENISA“, Slg. I-03771, LS 1. 290 Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2004 zur Errichtung der Europäischen Agentur für Netz- und Informationssicherheit, ABl. 2004, Nr. L 77, S. 1. 291 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, ABl. 2002, Nr. L 108, S. 33. 287

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Teil 2: Referenzgebiete

Inhalt­lich wird mit dieser Verweisung festgelegt, dass die ENISA unterstützen und helfen soll, die Anforderungen von anderen Rechtsvorschriften, die teilweise zum damaligen Zeitpunkt nicht erlassen und mithin noch unbestimmt waren, zu erfüllen. Mit der vorliegenden Konstruktion der Verweisung innerhalb einer Verordnung auf bestehende bzw. künftige Rechtsvorschriften, die auch Richtlinien sein können, wird in gewisser Weise eine neben den gängig bekannten Regelungs­ mechanismen neuartige Regelungsform geschaffen, deren Vorteil es ist, unmittelbar geltendes Recht flexibel zu handhaben und mithin effizienter zu gestalten. Mit dem vorliegenden Urteil zur Schaffung der Gemeinschaftsagentur ENISA lassen sich für die Untersuchung der ­BasisVO und die mögliche Aufspaltung dieser in eine Verordnung und eine Basis-Richtlinie zwei Schlussfolgerungen ziehen: –– Zum einen kann festgestellt werden, dass grundsätzlich auch die Errichtung einer Gemeinschaftsagentur durch Verordnung geschehen und diese wiederum auf Art. 95 EGV bzw. Art. 114 AEUV gestützt werden kann, auch wenn sich keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Mitgliedstaaten in Form von Harmonisierungen ergeben. Dies jedoch nur dann, wenn die dieser Einrichtung übertragenen Aufgaben in engem Zusammenhang zu Angleichungsrechtsakten bestehen, die sich auf Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten beziehen. –– Zum anderen bleibt festzuhalten, dass um eine, aufgrund der herangezogenen Ermächtigungsgrundlage des Art. 95 EGV erforderliche, Harmonisierungswirkung trotz fehlender direkter Harmonisierungswirkung aufgrund der Errichtung der ENISA als alleiniger Regelungsinhalt der Verordnung herzustellen, auch die Verweisungstechnik, von der in Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 460/2004 Gebrauch gemacht wurde, ausreichen kann. Eine solche Verweisung innerhalb einer Verordnung auf andere Rechtsvorschriften und insbesondere Richtlinien kann sich hiernach auch auf in diesen Rechtsvorschriften festgelegte Anforderungen beziehen. Mithin besteht durchaus die Möglichkeit innerhalb von Verordnungen auch auf Anforderungen wie beispielsweise auf allgemeine Grundsätze zu verweisen und diesen damit für den Regelungsbereich der Verordnung Geltung zu verschaffen. Diese zweite aus dem ENISA-Urteil gezogene Schlussfolgerung kann der vorliegenden Untersuchung bezüglich einer möglichen Aufspaltung der ­BasisVO in eine Verordnung mit dem Inhalt der Kapitel III und IV und eine Basis-Richtlinie bestehend aus den die allgemeinen Grundsätze des Lebensmittelrechts regelnden Kapiteln I und II der B ­ asisVO von großem Nutzen sein. So kann daraus der Schluss gezogen werden, dass für die vorliegende Problemstellung dem Gemeinschaftsgesetzgeber die Handhabe zur Verfügung gestanden hätte, eine solche Aufspaltung vorzunehmen, selbst wenn die Grundsätze der Kapitel I und II auf die Kapitel III und IV der ­BasisVO Anwendung finden. Es hätte

A. Lebensmittelrecht

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die Möglichkeit bestanden, eine separate Verordnung mit dem Inhalt der Errichtung der EBLS und der Vorschriften über die mitgliedstaatliche Kooperation mit der EBLS zu erlassen. In dieser Verordnung hätte dann auf eine ebenfalls zu erlassende Basis-Richtlinie, die die allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts umfasst, verwiesen werden können. Eine solche Verweisung hätte möglicherweise wie folgt aussehen können: „Die Agentur soll bei ihrer Arbeit und die Mitgliedstaaten sollen bei ihrer Kooperation mit der Agentur die lebensmittelrechtlichen Grundsätze und Anforderungen – wie sie in geltenden und künftigen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft wie vor allem der ‚Basis-Richtlinie über die lebensmittelrechtlichen Grundsätze‘ normiert sind – berücksichtigen.“

Mit einer solchen Verweisung innerhalb der Verordnung und dem Bestehen einer Basis-Richtlinie hätte der Richtliniencharakter der Kapitel I und II der ­BasisVO vollkommen erhalten bleiben können. Die Rechtmäßigkeit einer Aufspaltung bzw. einer Trennung der ­BasisVO nach Inhalten in eine Verordnung und eine Richtlinie wäre mithin rechtlich möglich und tatsächlich durchführbar gewesen.292 (c) Überprüfung der Vorteile einer Aufspaltung der Verordnung in Bezug auf die Regelungsinhalte der B ­ asisVO mit Richtliniencharakter Somit zeigt sich, dass eine Aufspaltung der ­BasisVO in einen allgemeinen Teil in der Form einer Richtlinie und einen zwingend in der Rechtsform der Verordnung zu regelnden Teil möglich gewesen wäre. Fraglich ist jedoch, ob eine solche Aufspaltung auch tatsächliche Vorteile gebracht oder nicht zu mehr Anwendungsschwierigkeiten geführt hätte. Daneben bleibt noch zu überprüfen, ob die Verwendung einer Verordnung anstelle einer Richtlinie auch nach den im Grünbuch aufgestellten Grundsätzen zu rechtfertigen war. Als Vorteile der Aufspaltung der ­BasisVO in eine Richtlinie und eine Ver­ ordnung kommt vor allem die bessere Einfügung der allgemeinen Grundsätze, die trotz allgemeiner Geltung der ­BasisVO zu Anpassungsbedürfnissen und den damit verbundenen Komplikationen im mitgliedstaatlichen Rechtsgefüge geführt haben, in das mitgliedstaatliche Recht in Betracht. Diesem Vorteil kommt enormes Gewicht zu, da vom Gemeinschaftsgesetzgeber im Rahmen der Verhältnis­ mäßigkeit der Wahl der Rechtsform immer das mildeste Mittel unter gleich effektiven auszuwählen ist. Eine Richtlinie, die über die mögliche Verweisungstechnik, wie bei der Verordnung (EG) Nr. 460/2004 geschehen, auch über die in engem Zusammenhang mit ihr stehenden Verordnung Gültigkeit entfalten würde, hätte den Mitgliedstaaten die nötige Freiheit und Flexibilität bei der Umsetzung der lebens 292

Eine solche Aufspaltung auch befürwortend Streinz, ZLR 2000, S. 807.

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Teil 2: Referenzgebiete

mittelrechtlichen Grundsätze überlassen. Diese Regelungsmethode hätte der mitgliedstaatlichen Rechtsetzungssouveränität Rechnung getragen und gleichzeitig zu keinem großen Verlust der Effektivität bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts geführt. Eine Verkomplizierung durch die Verweisungstechnik scheint zwar zunächst denkbar, verglichen mit dem Aufwand, der für die Mitgliedstaaten durch die Einfügung der allgemeinen Grundsätze und der damit verbundenen Anpassung des mitgliedstaatlich bereits vorhandenen Regelungsgefüges hervorgerufen wird, sind jedoch keine zusätzlichen Nachteile zu finden. Nachteile, die sich grundsätzlich aus der Rechtsetzung mittels Richtlinien und den damit verbundenen Umsetzungsproblemen ergeben, können sich wie bereits dargelegt, auch aus so genannten „hinkenden“, also anpassungsbedürftigen Verordnungen ergeben. Dies insbesondere wie vorliegend im Lebensmittelrecht dann, wenn in den Mitgliedstaaten bereits ein umfassendes Regelungssystem vorhanden ist und dieses unter großer Mühe – wie im deutschen Recht mittels Neuschaffung eines Gesetzes und komplizierter Verweisungstechnik – angepasst werden muss. Diese Anpassungen können ebensolchen Schwierigkeiten unterworfen sein wie die aus der Richtliniengesetzgebung resultierende Umsetzungspflicht. In solchen Konstellationen scheint es zielführender und effektiver, EU-Gesetzgebung mittels Richtlinien zu vollziehen. Insofern wäre die Möglichkeit der Aufspaltung der ­BasisVO in eine BasisRichtlinie und eine Verordnung, wie ursprünglich auch vorgesehen, das mildere Mittel gewesen. Eine einheitliche ­BasisVO wäre somit nicht erforderlich gewesen. Weiter sollen die etwaigen Vorteile des Einsatzes von Verordnungen anstelle von Richtlinien an den im Grünbuch aufgestellten Grundsätzen überprüft werden. Im Grünbuch wurden verschiedene Vorteile der Verwendung von Verordnungen anstelle von Richtlinien im Bereich des Lebensmittelrechts aufgelistet:293 –– Die Verwendung von Verordnungen erleichtert die einheitliche Anwendung der Rechtsvorschriften im gesamten Binnenmarkt. –– Die Verwendung von Verordnungen erhöht die Transparenz des Gemeinschaftsrechts. –– Da die einzelstaatlichen Umsetzungsbestimmungen entfallen, erleichtert die Verwendung von Verordnungen die schnelle Aktualisierung des Gemeinschaftsrechts und seine Anpassung an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt. Zunächst ist also zu beleuchten, ob die Verwendung einer Verordnung hinsichtlich der allgemeinen Grundsätze die einheitliche Anwendung der Rechtsvorschrif 293

Vgl. hierzu KOM (1997) 176 endg., S. 25.

A. Lebensmittelrecht

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ten im gesamten Binnenmarkt bezüglich des Lebensmittelrechts bewirkt. Wie bereits analysiert, wird durch die Anpassungsbedürftigkeit des im Bereich des Lebensmittelrechts schon vorhandenen mitgliedstaatlichen Regelungsgefüges an die Kapitel I und II der ­BasisVO keineswegs die einheitliche Anwendung des Lebensmittelrechts im gesamten Binnenmarkt bewirkt. Weiter ist auch die Erhöhung der Transparenz durch die in Frage stehende ­ asisVO bedenklich. Fraglich ist hierbei zunächst, was mit dem Begriff der TransB parenz in diesem Zusammenhang überhaupt gemeint sein soll.294 Bei der Frage transparenter Gesetzgebung geht es vor allem um die Sichtweise des Bürgers bezüglich des Unionsrechts. Insbesondere soll für den Bürger bei der Rechtsanwendung klar werden, welche Normen unionsrechtliche und welche mitgliedstaatliche sind. Dies geschieht bei Verordnungen dadurch, dass die innerstaatlichen Vorschriften die unmittelbar geltenden Verordnungsbestimmungen nicht wiedergeben dürfen, da ansonsten Unklarheiten bezüglich der Urheberschaft der in Frage stehenden Norm und deren Geltungsrang entstehen können.295 Sie dürfen bzw. müssen jedoch auf Verordnungsnormen verweisen, was zu großer Unübersichtlichkeit des Gesetzestextes führen kann. Weiter müssen die innerstaatlich an die Verordnung anzupassenden Normen die in Frage stehende Verordnung erwähnen und einen Bezug zu ihr herstellen, was beispielsweise in § 1 Abs.  2 LFGB geschehen ist. Bei nationalen Regelungen, die auf Richtlinien beruhen, ist der gemeinschaftsrechtliche Ursprung dieser Norm nicht zu erkennen, da die Richtlinie nach ihrer ureigenen Wirkungsweise erst in mitgliedstaatliches Recht umgesetzt werden muss. Mithin ist bezüglich des Ursprungs eines Rechtsakts die Verordnung der transparentere Rechtsakt. Dies ist jedoch immer der Fall, so dass sich ein ganz besonderes Bedürfnis für Transparenz ergeben muss, damit dieses Argument zur Wahl der Rechtsform „Verordnung“ führen kann. Solch ein besonderes Bedürfnis ist jedoch bei der ­BasisVO nicht ersichtlich, womit kein gesondertes Argument für die Wahl dieser Rechtsform aus Gründen der besseren Transparenz ersichtlich ist. Gesetzgebung mittels Verordnungen hat immer den Vorteil, eine schnellere Wirkung zu erzielen als diese mittels der Gesetzgebung durch Richtlinien aufgrund deren Umsetzungsbedürfnisses erreicht werden kann. Somit kann durchaus dem Argument zugestimmt werden, dass grundsätzlich die Verwendung von Verordnungen die schnelle Aktualisierung des Gemeinschaftsrechts und seine Anpassung an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt erleichtert. In Rechtsgebieten, in denen also mit ständigen technischen und wissenschaftlichen Neuerungen gerechnet werden kann, ist durchaus anzudenken, ob die bezüglich dieser Fort 294 Zum Begriff der Transparenz in Abgrenzung zur Klarheit und Verständlichkeit der Gesetzessprache vgl. auch Grams, Zur Gesetzgebung der Europäischen Union, 1998, S. 233 ff. 295 Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 28; einzelne Aspekte der Verordnung dürfen jedoch aus Gründen der Verständlichkeit für den Adressaten in nationalen Bestimmungen wiederholt werden vgl. hierzu Streinz, in: Meyer/ Streinz (Hrsg.), LFGB/­BasisVO Kommentar, 2007, Einführung, Rn. 73.

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Teil 2: Referenzgebiete

schritte notwendige Anpassung die Rechtsform der Verordnung rechtfertigt. Vorliegend handelt es sich bei der ­BasisVO um eine Regelung, die die allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts festlegen und die EBLS errichten und das Verfahren zur Lebensmittelsicherheit bestimmen soll. Mit dieser Aufgabenstellung kommt der ­BasisVO zum Teil die Stellung einer Rahmenregelung zu. Es werden in diesem Regelwerk keine genauen technischen Daten oder wissenschaftliche Normierungen, die durch eventuelle Weiterentwicklungen Veränderungen unterworfen sind, festgelegt. Somit besteht aufgrund des in der Verordnung festgelegten Regelungsinhalts kein Bedürfnis für die Aktualisierung dieser Änderungen. Das überprüfte Argument der Kommission für die Bevorzugung der Rechtsform der Verordnung läuft in diesem Fall ins Leere. Bezüglich der Harmonisierung der Grundsätze im Lebensmittelrecht wäre mithin die Richtlinie zwar das eventuell aus Gemeinschaftssicht schwierigere, bezüglich der Rechtsanwendung jedoch nicht offensichtlich das weniger effizientere Mittel gewesen,296 da die Vorgaben der Kommission bezüglich der Vorteile von Verordnungen in der vorliegenden Konstellation nicht eindeutig gegeben wären, jedenfalls nicht die klargestellten Vorteile der Rechtsform der Verordnung zum Tragen kommen. Zusammenfassend kann somit festgestellt werden, dass auch nach den konkreten im Lebensmittelrecht durch das Grünbuch vorhandenen Vorgaben über die Rechtsformwahl zwischen Verordnung und Richtlinie vorliegend eindeutig der Regelungstechnik der Aufspaltung der ­BasisVO in eine Basis-Richtlinie und eine Verordnung vor einer einheitlichen B ­ asisVO vorzuziehen gewesen wäre. dd) Ergebnis zur Prüfung der Erforderlichkeit Nach der vorstehend angestellten Untersuchung zur Verhältnismäßigkeit der Wahl der Rechtsform der Verordnung für den Regelungsinhalt der ­BasisVO bleibt festzuhalten, dass davon auszugehen ist, dass die Aufteilung dieses Rechtsakts in eine Basis-Richtlinie und eine separate Verordnung, so wie dies ursprünglich auch geplant war, das mildere Mittel gewesen wäre und die ­BasisVO insofern nicht erforderlich und nicht verhältnismäßig ist. Es haben sich auch nicht andere Gründe seitens des Gemeinschaftsgesetzgebers finden lassen, die diese Wahl der Rechtsform geboten hätten. Nachdem nun im vorherigen Prüfungspunkt der Verhältnismäßigkeit der Rechtsformwahl festgestellt wurde, dass eine einheitliche ­BasisVO mit dem gegebenen Regelungsinhalt nicht erforderlich war, da die Aufspaltung der ­BasisVO in eine Richtlinie und eine Verordnung ebenso wirksam und mithin das mildere Mittel gewesen wäre, ist die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Rechtsformwahl an dieser 296

Eckert, ZLR 1999, S. 587; so auch Streinz, ZLR 2000, S. 806.

A. Lebensmittelrecht

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Stelle abzubrechen. Mithin kommt es nicht mehr zur Überprüfung der Angemessenheit der Wahl der Rechtsform „Verordnung“ im Falle der vorliegend zu über­ prüfenden B ­ asisVO.

d) Ergebnis zur Verhältnismäßigkeit Es bleibt festzuhalten, dass die ­BasisVO aufgrund ihrer mangelnden Erforderlichkeit nicht verhältnismäßig ist. Vielmehr wäre eine Aufspaltung der ­BasisVO nach Regelungsinhalten in eine Richtlinie und eine Verordnung das für die Mitgliedstaaten mildere Mittel gewesen, da sich insofern die Richtlinieninhalte in das bestehende Regelungsgefüge der Mitgliedstaaten besser eingepasst hätten.

5. Untersuchungsergebnis zur Wahl der Verordnungsform bezüglich der ­BasisVO Die bezüglich der ­BasisVO ausgewählte Rechtsform der Verordnung ist nicht verhältnismäßig und mithin nicht rechtmäßig. Zwar stützt sich die Verordnung auf die einschlägigen Ermächtigungsgrundlagen und hält mithin den in Art.  5 Abs. 1 EGV (Art. 5 Abs. 1 EUV n. F.) normierten Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung ein. Bei der Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Wahl der Rechtsform der Verordnung ergibt die vorliegende Untersuchung jedoch, dass sich Schwierigkeiten im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung ergeben. Die ­BasisVO verfolgt grundsätzlich ein legitimes Ziel und ist zur Zielerreichung auch geeignet, jedoch zeigt sich bei der Erforderlichkeitsprüfung, dass die ­BasisVO sowohl Normen mit Richtlinien- als auch solche mit Verordnungscharakter beinhaltet. So enthalten die Kapitel I und II mit den Vorgaben für die allgemeinen Grundsätze des Lebensmittelrechts eher rahmensetzenden Charakter und die Kapitel III und IV über die Errichtung der EBLS und die mitgliedstaatliche Kooperation mit der EBLS eher Verordnungscharakter. Aus der Normierung von Richtlinieninhalten in einer Verordnung resultieren jedoch insofern Probleme, als diese umsetzungs­ bedürftig sind und sich durch den Verordnungscharakter nicht in der Weise in mitgliedstaatlich bereits vorhandene Regelungsgefüge eingliedern lassen wie dies mittels einer Richtlinie möglich gewesen wäre. Anschließend an diese Feststellung stellte sich die Frage, ob mithin die Aufspaltung der ­BasisVO in eine Basis-Richtlinie und eine ­BasisVO ein mögliches milderes Mittel zu einer einheitlichen Verordnung dargestellt hätte. Nach der Untersuchung der grundsätzlichen rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit einer solchen Aufspaltung, musste noch weiter überprüft werden, ob eine solche im Falle der ­BasisVO auch Vorteile mit sich gebracht hätte und inwiefern ein vorhandener Ermessenspielraum des Gemeinschaftsgesetzgebers bei der Entscheidung für die einheitliche Verordnung eine Rolle gespielt hat.

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Teil 2: Referenzgebiete

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Aufspaltung der ­BasisVO durch die grundsätzlich rechtlich und tatsächlich mögliche Verweisung innerhalb einer die Errichtung der EBLS und Vorschriften über die Kooperation der Mitgliedstaaten mit der EBLS umfassenden ­BasisVO auf die allgemeinen lebensmittelrechtlichen Grundsätze in einer separaten Basis-Richtlinie insofern ein milderes Mittel gegenüber der ­BasisVO dargestellt hätte, als sich damit die lebensmittelrechtlichen Grundsätze in die bereits im Bereich des Lebensmittelrechts in den Mitgliedstaaten vorhandenen Regelungsgefüge besser eingepasst hätten. Von einem Effizienzvorsprung durch die Wahl der Rechtsform der Verordnung kann insofern bezüglich der ­BasisVO nicht ausgegangen werden, da diese bezüglich der Kapitel I und II als so genannte „hinkende“ Verordnung umsetzungsbedürftige Vorschriften enthält, bei denen es auch zu der aus der Richtliniengesetzgebung bekannten Um­ setzungsproblematik kommen kann.

B. Pflanzenschutzmittelrecht I. Einführung in den Bereich „Pflanzenschutzmittelrecht“ Durch den Gebrauch von Pflanzenschutzmitteln werden die Produktion von und somit die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichend Lebensmitteln297 sichergestellt, da die landwirtschaftliche Produktion vor Schadorganismen geschützt wird.298 Außerdem kann die Produktion von Lebensmitteln durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gesteigert werden, was wiederum auch der Sicherung der Lebensgrundlage der Landwirte dient.299 Herstellung, Einsatz und Inverkehr­ bringen von Pflanzenschutzmitteln bringen jedoch nicht nur Vorteile hinsichtlich der Lebensmittelproduktion mit sich. Vielmehr kann der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auch erhebliche Risiken und Gefahren für die menschliche Gesundheit, die Tiere und die Umwelt hervorrufen – dies insbesondere dann, wenn die

297 Zur Problematik der Verursachung von Hungersnöten durch Pflanzenkrankheiten und Schadinsekten siehe Redlhammer, Pflanzenkrankheiten und Schadinsekten haben viele Hungersnöte verursacht, in: Industrieverband Pflanzenschutz e. V. Frankfurt (Hrsg.), Die Pflanzen schützen – den Menschen nützen, 1987, S. 7 ff. 298 Durch den Pflanzenschutz können optimale Lebensbedingungen für die Pflanze geschaffen werden, wie beispielsweise durch die richtige Standortwahl, die zweckmäßige Fruchtfolge, womit dann wiederum robuste und wüchsige Pflanzenbestände gedeihen können, die dann Begrenzungsfaktoren gegen den Angriff von Krankheitserregern und Schädlinge darstellen können, vgl. hierzu Maier-Bode, Pflanzenschutzmittel-Rückstände, 1965, S. 1. Zur Bedeutung des Pflanzenschutzes bei der Erhöhung der Nahrungsmittelproduktion vgl. Börner, Pflanzenkrankheiten und Pflanzenschutz, 7. Aufl. 1997, S. 77. Zur welt- und volkswirtschaftlichen Bedeutung des Pflanzenschutzes Heitefuss, Pflanzenschutz, 3. Aufl. 2000, S. 1 ff. 299 Zu den Vorteilen der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, die der Zielsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik nach Art. 33 EGV entsprechen Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62, Rn. 2.

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Wirkung des Pflanzenschutzmittels nicht hinreichend auf das gewünschte Ziel eingegrenzt werden kann.300 Um dieses Spannungsfeld zwischen der Anwendung von und der Gewährleistung von ausreichend Schutz vor Pflanzenschutzmitteln in den Griff zu bekommen, ist es unvermeidbar, die Herstellung und das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln ausführlich rechtlich zu regeln.

II. Alte Rechtslage Europarechtliche Grundlage für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln301 war zunächst allein die Richtlinie 79/117/EWG des Rates über das Verbot des Inverkehrbringens und der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, die bestimmte Wirkstoffe enthalten, vom 21.12.1978302, welche diesen Bereich jedoch nur ansatzweise regelte303. Danach wurden das Inverkehrbringen und die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zentral und umfassend geregelt durch die Richtlinie 91/414/EWG vom 15.07.1991304. Weiter relevant ist die Richtlinie 98/8/EG305 vom 16.02.1998 über das Inverkehrbringen von Biozidprodukten306 und die Verordnung (EG) Nr.  396/2005307 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebensund Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs. 300

Zu den negativen Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf die Umwelt vgl. Pache, in: Fluck/Fischer/Hahn (Hrsg.), REACH und Stoffrecht Kommentar, Einführung Pflanzenschutzrecht, 2008, Rn. 2 ff. 301 Siehe hierzu auch Rengeling, NuR 2000, S. 549 ff. 302 ABl. 1979, Nr. L 33, S. 36. 303 Die Richtlinie 79/117/EWG über das Verbot des Inverkehrbringens und der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, die bestimmte Wirkstoffe enthalten, verpflichtet die Mitgliedstaaten, dafür Sorge zu tragen, dass Pflanzenschutzmittel, die mindestens einen der im Anhang aufgeführten Wirkstoffe enthalten (beispielsweise Quecksilberverbindungen, etc.), weder in den Verkehr gebracht, noch angewandt werden, siehe hierzu ausführlich Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62, Rn. 34. 304 ABl. 1991, Nr. L 230, S. 1. 305 ABl. 2002, Nr. L 150, S. 71. 306 Gem. Art. 2 Abs. 1 a der Biozidrichtlinie sind Biozide Wirkstoffe und Zubereitungen, die einen oder mehrere Wirkstoffe enthalten, in der Form, in welcher sie zum Verwender gelangen, und die dazu bestimmt sind, auf chemischem oder biologischem Wege Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, Schädigungen durch sie zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen, siehe hierzu auch Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62, Rn. 47 ff.; Dreher, in: Dietrich/Au/Dreher (Hrsg.), Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaften, 2003, S. 356 ff. 307 Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Februar 2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs und zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates, ABl. 2005, Nr. L 70, S. 1.

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Teil 2: Referenzgebiete

Zentrale Vorschrift bezüglich der Pflanzenschutzmittel auf europäischer Ebene war also die Pflanzenschutzmittel-Richtlinie 91/414/EWG308. Diese beinhaltete harmonisierte Rahmenvorschriften für die Zulassung309, Verwendung und Überwachung von Pflanzenschutzmitteln. Sie schrieb erstmals eine amtliche Zulassungs­ pflicht für das Inverkehrbringen und Anwenden von Pflanzenschutzmitteln vor und regelte außerdem die Kontrolle von Wirkstoffen310 für Pflanzenschutzzwecke311. Die Richtlinie enthielt sechs Anhänge: –– Anhang I: Für die Verwendung in Pflanzenschutzmitteln zulässige Stoffe (die so genannte Positivliste). –– Anhang II: Anforderungen an die Unterlagen zum Antrag auf Aufnahme eines Wirkstoffs in Anhang I. –– Anhang III: Anforderungen an die dem Antrag auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels beizufügenden Unterlagen. –– Anhang IV: Standardsätze – besondere Gefahren. –– Anhang V: Standardsätze – Sicherheitshinweise. –– Anhang  VI: Einheitliche Grundsätze für die Bewertung von Pflanzenschutz­ mitteln. Grundsätzlich durfte ein Pflanzenschutzmittel nach Art. 3 Abs. 1 der PflSchRL nur in Verkehr gebracht und angewendet werden, wenn es auf der Ebene der Mitgliedstaaten amtlich zugelassen wurde. Gemäß Art.  5 der PflSchRL erfolgte die Zulassung eines Wirkstoffs auf Gemeinschaftsebene, wobei eine Wirkstoff­ zulassung für höchstens 10 Jahre erfolgt. Nach der gemeinschaftlichen Wirkstoffzulassung konnte die Zulassung der Anwendung des Wirkstoffs gemäß Art. 4 der PflSchRL auf nationaler Ebene nach gemeinschaftlichen Zulassungs- und Bewertungsbedingungen erfolgen. Außerdem sah die PflSchRL gemäß Art. 10 vor, dass ein Pflanzenschutzmittel in jedem Mitgliedstaat einzeln zugelassen werden muss, wobei dieses Kriterium im Hinblick auf die Verwirklichung eines gemeinsamen Binnenmarktes und ins-

308

Im Folgenden PflSchRL genannt. Zur Zulassung von Pflanzenschutzmitteln vgl. Schwarz, Die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, 2001. 310 Wirkstoffe i. S. d. Richtlinie sind gem. Art. 2 Nr. 4.1. und 4.2. „Stoffe oder Mikroorganismen, einschließlich Viren mit allgemeiner oder spezifischer Wirkung, gegen Schadorganismen oder auf Pflanzen, Pflanzenteile oder Pflanzenerzeugnisse“. 311 Von der Richtlinie werden Pflanzenschutzmittel, die in einem Betrieb selbst hergestellt und verwendet werden, beispielsweise zum bäuerlichen Gebrauch, nicht erfasst. Siehe hierzu Pache, in: Koch (Hrsg.), Umweltrecht, 2007, § 12, Rn. 83. Ebenso nicht erfasst werden nichtlandwirtschaftlich genutzte Schädlingsbekämpfungsmittel, die den Regelungen der Biozidrichtlinie unterliegen. 309

B. Pflanzenschutzmittelrecht

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besondere der Warenverkehrsfreiheit zunächst bedenklich erschien.312 Ihre Rechtfertigung findet die Erforderlichkeit jeweils einzelner nationaler Pflanzenschutzmittelzulassungen allerdings in den unterschiedlichen Anwendungsbedingungen der verschiedenen Mitgliedstaaten, die sich insbesondere hinsichtlich der Anwendungsbedingungen im Bezug auf den Boden, das Grund- und Oberflächenwasser und das Klima unterscheiden. Die PflSchRL erkannte deshalb gemäß Art. 10 Abs. 1 UAbs. 2 den nationalen Pflanzenschutzmittelzulassungen eine begrenzte gemeinschaftsweite Wirkung zu, sofern die für die Anwendung des Pflanzenschutzmittels relevanten Bedingungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten vergleichbar waren. In einem solchen Fall verpflichtete sie zur gegenseitigen Anerkennung. Die Richtlinie 91/414/EWG sah also generell unabhängig davon, ob in einem anderen Mitgliedstaat bereits eine Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel vorliegt, das Erstinverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels in jedem Mitgliedstaat als zulassungsbedürftig an. Weiter musste nach der Richtlinie 91/414/EWG eine Positivliste (Anhang I) von Wirkstoffen geführt werden, die die Umwelt und die Gesundheit von Mensch und Tier nicht in unannehmbarem Maße belasten. Solche in Anhang I aufgenommenen Wirkstoffe durften in Pflanzenschutzmitteln verwendet werden.

III. Von der Richtlinie zur Verordnung 1. Entwicklung Grundsätzlich sieht die Richtlinie ein Zwölf-Jahres-Programm für die Beurteilung der 843 Wirkstoffe vor, die bei Inkrafttreten der Richtlinie bereits auf dem Markt waren. Diese Wirkstoffe sollen daraufhin überprüft werden, ob sie in Anhang I aufgenommen werden können. Es entstand mithin durch die Richtlinie eine Unterteilung in „bereits vorhandene“ und „neue“ Wirkstoffe. Nach Art. 8 Abs. 2 UAbs. 3 der Richtlinie ist festgelegt, dass die Kommission zehn Jahre nach dem Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Richtlinie dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht über den Stand der Durchführung des Programms vorlegt. In diesem auf Art.  8 Abs.  2 der PflSchRL gestützten Fortschrittsbericht313 312 Pernice hält deshalb zur Umgehung eines Infragestellens des Binnenmarktes spezifische regional begrenzte Verwendungsverbote, wie sie § 7 PflSchG vorsieht, für geeigneter, um Umweltschutzinteressen gezielter Rechnung zu tragen, siehe hierzu Pernice, NVwZ 1990, S. 419. 313 Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die „Beurteilung der Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln (vorgelegt gem. Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie des Rates 91/414/EWG über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln)“, KOM (2001) 444 endg. vom 25.07.2001.

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Teil 2: Referenzgebiete

sah die Europäische Kommission jedoch trotz der relativ strengen Verfahrens­ anforderungen der PflSchRL Verbesserungsbedarf bezüglich des Inverkehrbringens von Pflanzenschutzmitteln. Dieser Bericht sollte das Europäische Parlament über verbesserungsbedürftige Punkte informieren und somit als wesentliche In­formationsquelle über die Pläne der Kommission für das Europäische Parlament und den Rat dienen.314 Unter Nr. 5 des Fortschrittsberichts wird die Planung des Arbeitsprogramms für die folgenden Jahre vorgestellt. Hierbei wurde von der Kommission grundsätzlich bemängelt, dass die Entscheidungsprozesse über die Zu­lassung von Wirkstoffen noch zu langsam ablaufen.315 Außerdem wurde festgestellt, dass die Kommission nach Wegen sucht, die Beteiligung von weiteren Interessengruppen innerhalb der Begutachtungs- und Entscheidungsverfahren zu verbessern.316 Weiter sollten auch harmonisierte fortschrittliche Methoden der Risiko­bewertung zur besseren Identifizierung kritischer Sicherheitsbereiche mit dem Schwerpunkt der bestmöglichen Risikominderung entwickelt werden.317 Die mögliche Fristverlängerung nach Art. 8 Abs. 2 PflSchRL soll auf Vorschlag der Kommission nach einem Plan beschlossen werden, der die Wirkstoffe, die noch nicht in Anhang I aufgenommen wurden bzw. für welche die Beurteilung diesbezüglich noch fehlt, in vier Listen unterteilt.318 Die Kommission sah durchaus Verbesserungsbedarf hinsichtlich der Anwendung der Grundsätze und Verfahrensvorschriften der PflSchRL, wollte jedoch, bevor sie konkrete Vorschläge für die nötigen Änderungen dieser Richtlinie erlässt, noch die Reaktionen des Europäischen Parlaments und des Rates auf den Fortschrittsbericht abwarten.319 Das Europäische Parlament fasste in seiner Entschließung zu diesem Fortschritts­bericht320 unter anderem die wichtigsten von der Kommission kritisierten Mängel der derzeitigen Rechtslage und insbesondere der PflSchRL zusammen und forderte, dass diese Aspekte bei der Überprüfung der Richtlinie berücksichtigt werden. Ins­ besondere wurde hervorgehoben, dass ein Mangel an Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen zur Überprüfung der ordnungsgemäßen Anwendung der Richtlinie und an Kontrollen der weiteren Verwendung nicht zugelassener Stoffe und der Durchführung der vorgeschriebenen Maßnahmen zur Risikobegrenzung, die als Voraussetzung für die Aufnahme in Anhang I beschlossen wurden, vorliegt.321 Weiter wurde die Beschränkung der Beurteilung auf die Wirkstoffe und daraus resultierend die fehlende systematische Beurteilung der anderen in Produktformeln 314

KOM (2001) 444, Nr. 4. KOM (2001) 444, Nr. 33. 316 KOM (2001) 444, Nr. 34. 317 KOM (2001) 444, Nr. 34. 318 KOM (2001) 444, Nr. 40 ff. 319 KOM (2001) 444, Nr. 49. 320 Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die „Beurteilung der Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln (vorgelegt gem. Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie des Rates 91/414/EWG über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln)“, KOM (2001) 444, ABl. 2003, Nr. C 187 E, S. 173 ff. 321 Entschließung des Europäischen Parlaments ABl. 2003, Nr. C 187 E, S. 176. 315

B. Pflanzenschutzmittelrecht

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enthaltenen inerten Stoffe bemängelt. Außerdem unterstützt das Europäische Parlament die Vorschläge zur Änderung der PflSchRL, die die Kommission in dem technischen Anhang zu ihrem Bericht unterbreitet hat. Hierbei soll insbesondere die Einbeziehung der vergleichenden Beurteilung und des Substitutionsprinzips gefördert werden. Diese beiden Elemente sollen im Rahmen des künftigen Zulassungssystems in strukturierter Weise umgesetzt werden, so dass die am wenigsten giftigen Wirkstoffe ausgewählt werden und ein Wirkstoff nicht zugelassen wird, wenn andere, weniger schädliche landwirtschaftliche Techniken, Methoden und Praktiken zur Verfügung stehen.322 Diese Änderungen und Vorschläge wurden neben zahlreichen weiteren Auf­ forderungen vom Europäischen Parlament an die Kommission herangetragen. Es war mithin offensichtlich, dass ein Änderungsbedarf der Richtlinie 91/414/EWG vorhanden war. Hinsichtlich einer vorhandenen Problematik bezüglich der Rechtsform „Richtlinie“ war jedoch keine ausdrückliche Kritik laut geworden. a) Erster Verordnungsvorschlag aa) Allgemeines Am 26. Juli 2006 legte die Kommission aufgrund der Aufforderung des Europäische Parlaments und des Rates durch den Fortschrittbericht323 einen ersten Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln324 vor. Neben diesem Vorschlag für eine Verordnung sollte auch eine Rahmenricht­ linie325, in der die gemeinsamen Ziele und Voraussetzungen für einen nachhaltigen Einsatz für Pflanzenschutzmittel dargelegt werden, erlassen werden.326 Beide Vorschläge zusammen bildeten das so genannte „Pestizid-Paket“. Mit der vorgeschlagenen Verordnung sollte die Richtlinie 91/414/EWG über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln ersetzt und die Richtlinie 79/117/

322

Entschließung des Europäischen Parlaments ABl. 2003, Nr. C 187 E, S. 176. KOM (2001) 444 endg. 324 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vom 12.07.2006, KOM (2006) 388 endg. 325 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für den nachhaltigen Einsatz von Pestiziden vom 12.07.2006, KOM (2006) 373 endg. 326 Zu dieser Richtlinie vgl. auch Pache, in: Fluck/Fischer (Hrsg.), REACH und Stoffrecht Kommentar, Einführung Pflanzenschutzrecht, 2008, Rn. 9; Kaus, StoffR 2009, S. 191 ff.; Standpunkt von COPA und COGECA zum Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für den nachhaltigen Einsatz von Pestiziden vom 18.12.2006. 323

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Teil 2: Referenzgebiete

EWG327 des Rates über das Verbot des Inverkehrbringens und der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, die bestimmte Wirkstoffe enthalten, aufgehoben werden. Als Rechtsgrundlagen für die Verordnung sollten zunächst die Art. 37 Abs. 2 und Art. 152 Abs. 4 b EGV dienen. Dieser erste Verordnungsvorschlag bestand aus folgenden Elementen:328 –– Erstellung – auf EU-Ebene – einer Positivliste von Wirkstoffen, Safenern und Synergisten sowie einer Negativliste von Beistoffen; –– Zulassung von Pflanzenschutzmitteln auf Ebene der Mitgliedstaaten; –– obligatorische Anerkennung von Zulassungen in den Mitgliedstaaten derselben Zulassungszone; –– vergleichende Bewertung und Ersetzung von Produkten, die Stoffe enthalten, die als zu ersetzende Stoffe identifiziert wurden; –– spezifische Bestimmungen für Grundstoffe und Produkte, die wenig bedenk­ liche Stoffe enthalten –– detaillierte Regeln zu Datenschutz und Transparenz; –– Vorschriften für Verpackung, Kennzeichnung und Werbung; –– Verpflichtung zur Führung von Aufzeichnungen und zur Durchführung von Kontrollen; –– Festlegung von Kriterien für die Genehmigung von Wirkstoffen, Safenern oder Synergisten. Die Kommission legte den Vorschlag vor, damit unter anderem folgende Ziele329 verwirklicht werden können: Das hohe Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sollte gestärkt werden. Die Funktion des Binnenmarktes sollte verbessert und die Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie sollte gewahrt und gestärkt werden. Weiter sollte die Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln für Landwirte in den verschiedenen Mitgliedstaaten harmonisiert werden. Das Verfahren sollte aktualisiert werden, insbesondere angesichts der Einrichtung einer Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit.330

327 Richtlinie 79/117/EWG des Rates vom 21.12.1978 über das Verbot des Inverkehrbringens und der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, die bestimmte Wirkstoffe enthalten, ABl. 1979, Nr. L 33, S. 36. 328 Siehe hierzu auch KOM (2006) 388 endg., S. 9. 329 Siehe hierzu auch KOM (2006) 388 endg., S. 2. 330 Weitere Ziele sind mehr Transparenz, die Vermeidung von Wiederholungen bei Tierversuchen und die Definition der Aufgaben der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit.

B. Pflanzenschutzmittelrecht

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bb) Begründung des Vorschlags hinsichtlich des Subsidiaritätsprinzips331 Da der Vorschlag nicht in die ausschließliche Kompetenz der Gemeinschaft fiel, musste das Subsidiaritätsprinzip eingehalten werden.332 Nach Ansicht der Kommission können die genannten Ziele des Vorschlags nicht ausreichend auf Ebene der Mitgliedstaaten – auch nicht durch Empfehlungen oder Selbstregulierung – verwirklicht werden, da Maßnahmen der Mitgliedstaaten nur dazu führen würden, dass innerhalb der Gemeinschaft unterschiedliche Schutz­ niveaus für die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt gegeben wären. Außerdem könnten auch im Hinblick auf einheitliche Wettbewerbsbedingungen der Industrie und der Landwirte unterschiedliche Anforderungen zu Missverhältnissen führen. Das Erforderlichkeitskriterium soll also gegeben sein.333 Die Ziele des Vorschlags können mithin besser auf Gemeinschaftsebene verwirklicht werden, da nur eine solche gemeinschaftliche Maßnahme die Vollendung des Binnenmarktes im Bereich der Pflanzenschutzmittel herbeizuführen ge­ eignet ist. Außerdem können ohne weitere Harmonisierung durch die großen Unterschiede hinsichtlich der Zulassung bestehender Wirkstoffe nur unterschiedliche Schutzniveaus in den Mitgliedstaaten gewährleistet werden. Weiter wird die gemeinschaftliche Maßnahme insofern für erforderlich gehalten, als die erstellte Positiv­liste in Anhang I der Verwaltung bedarf und somit ein harmonisierter und zentralisierter Ansatz notwendig ist. Mithin soll auch das für das Subsidiaritätsprinzip maßgebliche Effizienzkriterium vorhanden sein.334 cc) Begründung des Vorschlags hinsichtlich des Verhältnismäßigkeitsprinzips335 Nach Ansicht der Kommission entspricht der Vorschlag insofern dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, als er die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln umfassend harmonisiert, den Mitgliedstaaten hierbei aber die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln unter Berücksichtigung einheitlicher Kriterien und nationaler Besonderheiten überlässt. Außerdem werde durch ihn die administrative und finanzielle Belastung durch feste Entscheidungsfristen auf allen Ebenen und die verstärkte Arbeitsteilung zwischen den Mitgliedstaaten bei der Bewertung von Zulassungsanträgen reduziert. 331

KOM (2006) 388 endg., Begründung Nr. 3 c. Hierzu m. w. N. Lienbacher, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 5 EGV, Rn. 15 ff. 333 Lienbacher, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 5 EGV, Rn. 21 ff. 334 Lienbacher, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 5 EGV, Rn. 26. 335 KOM (2006) 388 endg., Begründung Nr. 3 d. 332

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Teil 2: Referenzgebiete

dd) Begründung des Vorschlags im Hinblick auf die gewandelte Rechtsform Die Begründung hinsichtlich des Wandels der Rechtsform von der Richtlinie zur Verordnung erfolgt sehr kurz.336 Nach Meinung der Kommission sind andere Instrumente als die Verordnung insofern für den Regelungsinhalt nicht angemessen, als das Instrument der Verordnung sicherstellt, dass die Vorschriften zur gleichen Zeit und in gleicher Weise in allen Mitgliedstaaten angewandt werden, wodurch sich sowohl der Verwaltungsaufwand verringert als auch Klarheit für die Wirtschaftsakteure gewährleistet wird. Weiter wird darauf hingewiesen, dass die Neufassung und der Ersatz der Richtlinie 91/414/EWG durch eine Verordnung bereits im fortlaufenden Vereinfachungsprogramm337 der Kommission vorgesehen waren.338 Nach diesem Vereinfachungsprogramm muss die Wahl des geeigneten rechtlichen Konzepts auf einer sorgfältigen Prüfung beruhen. „Das Ersetzen von Richtlinien durch Verordnungen kann unter bestimmten Umständen zur Vereinfachung führen, weil Verordnungen die unmittelbare Anwendung ermöglichen, und es kann sicherstellen, dass alle Akteure zur gleichen Zeit den gleichen Vorschriften unter­ liegen und der Schwerpunkt auf der konkreten Umsetzung der EU-Vorschriften liegt. Dieser Beitrag zur Vereinfachung wurde in den Konsultationen weitgehend anerkannt und außerdem wurde darauf hingewiesen, dass sie abweichende nationale Umsetzungsmaßnahmen verhindern würde. Entsprechend den Bestimmungen des Vertrages und unter Berücksichtigung dessen Protokolls über die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit beabsichtigt die Kommission, das Vereinfachungspotenzial, das durch den Ersatz von Richtlinien mit Verordnungen entsteht, auf Einzelfallbasis weiter zu nutzen.“339

Im Hinblick auf die Vereinfachung der Richtlinie 91/414/EWG war außerdem ausdrücklich vorgesehen, diese neuzufassen und durch eine Verordnung zu er­ setzen. Weiter wurden auch die Ziele dieser Überarbeitung genannt.340 Als weiterer Vorteil der Ersetzung der Richtlinie 91/414/EWG durch eine Verordnung wird in der Begründung des Verordnungsvorschlags erwähnt, dass eine solche den Mitgliedstaaten klare Vorteile brächte, da sie die Zulassung von Wirk 336

KOM (2006) 388 endg., Begründung Nr. 3 e. KOM (2005) 535. 338 KOM (2006) 388 endg., Begründung Nr. 5 a. 339 KOM (2005) 535, S. 9. 340 Nach KOM  (2005) 535, S.  26 sind die Ziele der Überarbeitung „die weitere Harmo­ nisierung des Zulassungsverfahrens für Pflanzenschutzmittel, die Festlegung der Aufgaben der EBLS bei der Bewertung von Wirkstoffen und die Überarbeitung der Datenschutzvorschriften, um einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Forschung und der Hersteller von Generika zu wahren. Effizientere Bewertungs- und Zulassungsverfahren werden dazu beitragen, Doppelarbeit zu vermeiden, den Entscheidungsprozess zu beschleunigen und die Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln in der EU stärker zu harmonisieren. In der neuen Verordnung wird auch vorgesehen werden, dass der Entzug von Genehmigungen und der Ablauf von Gnadenfristen nicht gegen den normalen Nutzungszeitraum des Pflanzenschutzmittels verstoßen wird.“ 337

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stoffen nicht länger in nationales Recht umsetzen müssten. Außerdem würden auch Interessengruppen davon profitieren, dass die Verordnung den Zeitaufwand für die Zulassung von Wirkstoffen dadurch deutlich verkürzt, dass strikte Fristen festgeschrieben werden, innerhalb derer das Verfahren abgeschlossen werden muss. ee) Stellungnahmen und Kritik bezüglich des ersten Verordnungsvorschlags hinsichtlich der Wahl der Rechtsform „Verordnung“ Zu diesem ersten Verordnungsvorschlag gingen zahlreiche Stellungnahmen ein, die sich mit dessen Inhalt kritisch auseinandergesetzt haben.341 Im Hinblick auf die Wahl der Rechtsform „Verordnung“ gab es jedoch nur wenige Auseinandersetzungen. Als eine Sorge hinsichtlich der Wahl der Rechtsform der Verordnung wurde laut, dass durch deren unmittelbare Geltung den verantwortlichen Institutionen in den einzelnen Mitgliedstaaten die Möglichkeit entzogen würde, durch weitergehende Schutzmaßnahmen ein geeignetes Risikomanagement zum Schutz der Umwelt und der Bevölkerung zu ergreifen.342 Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass die Rechtsgrundlage für die Verordnung auf den die Umwelt betreffenden Art. 175 EGV erweitert werden solle.343 Ansonsten wurde der Wandel der Rechtsform entweder nicht kommentiert344 oder begrüßt. Letzteres insbesondere hinsichtlich der durch die Rechtsform „Ver 341 Nicht direkt befasst sich der Bundesrat mit dem Wandel der Rechtsform. Er kritisiert jedoch einige Normierungen, deren einheitliche Festlegung seiner Ansicht nach nicht praktikabel ist und nimmt insofern inzident bezüglich der Rechtsformwahl hinsichtlich einiger Regelungsinhalte der geplanten Verordnung Stellung. Hierzu Beschluss des Bundesrates zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, BR-DrS. 528/06, Nr. 9 f. 342 So beispielsweise Stellungnahme des Pestizid Aktions-Netzwerk e. V. (PAN Germany) zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (DOK 11755/06), September 2006, S. 2. 343 Stellungnahme des Ausschusses der Regionen „Hin zu einer thematischen Strategie zur nachhaltigen Nutzung von Pestiziden“, ABl. 2007, Nr. C 146, Nr. 2.5. 344 Eine kurze Auswahl der den Wandel der Rechtsform nicht kommentierenden Stellung­ nahmen: Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln“, ABl. 2007, Nr. C 175/44; Stellungnahme des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie für den Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vom 07.05.2007; Be­ratungen des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 18.10.2007; Stellungnahme des Verbraucherzentrale Bundesverbandes zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vom 30.08.2006.

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Teil 2: Referenzgebiete

ordnung“ gewährleisteten einheitlichen und harmonisierten Anwendung über die gesamte EU hinweg.345 Weiter wurde der Rechtsformwechsel im Hinblick auf das Ziel der künftigen Verordnung, „dass schnellstmöglich alle Zulassungen harmo­ nisiert werden und eine gegenseitige Anerkennung der Zulassung zur Routine und nicht zur Ausnahme wird“, wovon eine Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen für die deutsche Landwirtschaft sowie die vor- und nachgelagerten Unternehmen erwartet wird, befürwortet.346 Neben diesen Stellungnahmen wurde jedoch der Wandel in der Rechtsform hinsichtlich dessen Rechtmäßigkeit nicht diskutiert. b) Zweiter Verordnungsvorschlag Am 11. März 2008 legte die Kommission einen weiteren geänderten Vorschlag347 für eine Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutz­mitteln vor. Dieser zweite Vorschlag beinhaltet die Änderung des ersten Vorschlags unter Berücksichtigung der von der Kommission akzeptierten Abänderungen des Euro­ päischen Parlaments348, die auf dessen Stellungnahme349 beruhten. Für diesen Verordnungsvorschlag wurden jedoch trotz des Vorschlags des Parlaments, die doppelte Rechtsgrundlage des ersten Vorschlags abzulehnen und stattdessen Art. 152 Abs. 4 b und Art. 175 Abs. 1 EGV350 als Ermächtigungsgrundlage heranzuziehen, die Art. 37 Abs. 2 und Art. 152 Abs. 4 b EGV als Ermächtigungsgrundlage beibehalten.

345 Position von COPA und COGECA in Bezug auf den Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln – Revision der Richtlinie 91/414 [KOM (2006) 388] vom 18.12.2006, S. 2. 346 So Stellungnahme des Deutschen Raiffeisenverbandes zu einem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, S. 1. 347 Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vom 11.03.2008, KOM (2008) 93 endg. 348 Zu den vorgeschlagenen Änderungen vgl. Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 23.10.2007 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EG) Nr. …/ 2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, ABl. 2008, Nr. C 263; zu den einzelnen angenommenen Änderungen im Detail vgl. KOM (2008) 93 endg., Begründung, Nr. 3. 349 Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 23.10.2007 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EG) Nr. …/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln. 350 So auch gefordert in der Stellungnahme des Ausschusses der Regionen „Hin zu einer thematischen Strategie zur nachhaltigen Nutzung von Pestiziden“, ABl. 2007, Nr. C 146, Nr. 2.5.

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c) Endgültige Verordnung (PflSchVO) Unter Berücksichtigung351 der sich an den zweiten Verordnungsvorschlag anschließenden Stellungnahmen des Europäischen Parlaments352, nach welchen Art. 95 EGV als weitere Ermächtigungsgrundlage hinzugefügt wurde, legte die Kommission schließlich die endgültige Fassung der Verordnung353 (PflSchVO) vor. 2. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung Im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der endgültigen Fassung der PflSchVO ist zunächst die Einhaltung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung zu überprüfen. Es ist dabei zu untersuchen, ob die angegebenen Ziele der Verordnung mit den in Betracht gezogenen Ermächtigungsgrundlagen bzw. einer darauf gestützten Verordnung verwirklicht werden können. a) Ziele der PflSchVO und Erwägungsgründe Die in den Erwägungsgründen genannten Ziele der PflSchVO entsprechen in großen Teilen denen des ersten Verordnungsvorschlags, sind jedoch der endgültigen Version unter Berücksichtigung kleiner, vom Europäischen Parlament ge­ forderter Abweichungen nochmals ausdrücklich aufgezeigt. Mit der PflSchVO sollen die Richtlinien 91/414/EWG und 79/117/EWG aufgehoben werden. Hauptziele sind insbesondere, dass das hohe Schutzniveau für Menschen, Tiere und Umwelt beibehalten, der mit den derzeitigen Zulassungsverfahren verbundene Verwaltungsaufwand verringert und eine stärkere Harmonisierung des Binnenmarktes erreicht wird.354 Neben der Aufrechterhaltung eines solchen Schutzniveaus soll zugleich jedoch auch die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft sichergestellt werden.355

351 Stellungnahme der Kommission gem. Art. 251 Abs. 2 UAbs. 3 c EGV zu den Abänderungen des Europäischen Parlaments am gemeinsamen Standpunkt des Rates betreffend den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, KOM (2009) 145 endg. vom 30.03.2009. 352 Interinstitutionelles Dossier 2006/0136 (COD). 353 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates vom 21.10.2009, ABl. 2009, Nr. L 309, S. 1 ff. 354 KOM (2008) 93 endg., Begründung Nr. 2 b. 355 Dieses Ziel sieht erst KOM (2008) 93 endg., Erwgr. 8 vor, wohingegen in KOM (2006) 388 endg., Erwgr. 8 dieses Ziel nicht erwähnt war.

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Teil 2: Referenzgebiete

Die Rechtsform der Verordnung sollte gewählt werden, damit die Anwendung der neuen Vorschriften vereinfacht und eine einheitliche Anwendung in allen Mitgliedstaaten gewährleistet werden kann.356 Da Pflanzenschutzmittel nicht nur nützliche Auswirkungen haben, sondern auch Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt bergen können, sollen harmonisierte Regeln für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln erlassen werden.357 Hierbei soll insbesondere auch das Vorsorgeprinzip gelten.358 Um ein solch gefordertes einheitliches Schutzniveau in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten, soll die Entscheidung über die Zulässigkeit oder Nichtzulässigkeit von Wirkstoffen auf Gemeinschaftsebene getroffen werden.359 In den weiteren Erwägungsgründen werden vornehmlich die besonderen Verfahrensabläufe, die ein solches Schutzniveau gewährleisten und mithin sinnvoll in diesem Sinne sind, dargestellt. Auch in Art. 1 Abs. 3 der PflSchVO werden Ziele genannt. So ist in Art. 1 Abs. 3 wiederum die Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die genannten Schutzgüter erwähnt und außerdem niedergelegt, dass diese Verordnung die Rechtsvorschriften über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln harmonisieren soll, um die Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln für die Landwirte in den einzelnen Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen. Als ein Hauptziel der PflSchVO ist somit die Aufrechterhaltung eines Schutzniveaus für Mensch, Tier und Umwelt festzuhalten. Aus diesem Grund sollen harmonisierte Regeln für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln erlassen werden. Die Vorteile von einheitlichen Verfahren für die Industrie sollen nur eine subsidiäre Folge davon sein. Neben der Gewährleistung eines hohen Schutz­ niveaus ist Ziel der Verordnung mithin auch die Harmonisierung von Regelungen im Bereich des Agrarrechts und dies insbesondere hinsichtlich der Vereinheit­ lichung der Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln für die Landwirte in den einzelnen Mitgliedstaaten. Zunächst waren für den ersten Verordnungsvorschlag, wie bereits erwähnt, die Art. 37 Abs. 2 und Art. 152 Abs. 4 b EGV als Rechtsgrundlage vorgesehen. Art. 37 Abs. 2 EGV sollte jedoch auf Vorschlag des Europäischen Parlaments im zweiten Verordnungsvorschlag durch Art.  175 EGV ersetzt werden360, was die Kommis 356 KOM (2006) 388 endg., Erwgr. 5; KOM (2008) 93 endg., Erwgr. 5. KOM (2009) 1107 endg. Erwgr. 5. 357 KOM (2006) 388 endg., Erwgr. 7; KOM (2008) 93 endg., Erwgr. 7. KOM (2009) 1107 endg. Erwgr. 7. 358 KOM (2006) 388 endg., Erwgr. 8; KOM (2008) 93 endg., Erwgr. 8. KOM (2009) 1107 endg. Erwgr. 8. 359 Diese gemeinschaftliche Wirkstoffzulassung war jedoch bereits in der PflSchRL so vorhanden. 360 Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 23.10.2007 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EG) Nr. …/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln.

B. Pflanzenschutzmittelrecht

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sion jedoch ablehnte361 und was dazu führte, dass sie bei ihrem ersten Vorschlag blieb. In der endgültigen Fassung der PflSchVO wurde zusätzlich Art. 95 EGV zu den Ermächtigungsgrundlagen hinzugefügt. b) Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV Trotz der vom Europäischen Parlament an dieser Rechtsgrundlage in Re­aktion auf den ersten Verordnungsvorschlag geäußerten Bedenken ist Art.  37 Abs.  2 UAbs. 3 EGV auch in der endgültigen Version der PflSchVO neben Art. 95 und 152 Abs. 4 b EGV als dessen Rechtsgrundlage übernommen worden. aa) Inhalt der Kompetenznorm Nach Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV konnte der Rat im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments Verordnungen, Richtlinien oder Entscheidungen, unbeachtet seiner etwaigen Empfehlungen, erlassen. Art. 37 Abs.  2 UAbs.  3 EGV war die wesentliche Rechtsgrundlage für Rechtsakte im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik. Eine Maßnahme des Rates konnte auf der Grundlage von Art.  37 Abs.  2 UAbs.  3 EGV nur erlassen werden, wenn sie im Schwerpunktbereich agrarpolitische Ziele im Sinne von Art. 33 EGV verfolgte362 und die Produktion oder Vermarktung von in Anhang I des EGV genannten landwirtschaftlichen Erzeugnissen zum Gegenstand hatte363. Der Zielkatalog der Gemeinsamen Agrarpolitik des Art.  33 EGV364 war abschließend und listete als Ziele auf, dass die Produktivität der Landwirtschaft zur Förderung des technischen Fortschritts, Rationalisierung der landwirtschaftlichen Erzeugung und dem bestmöglichen Einsatz der Produktionsfaktoren, insbesondere der Arbeitskräfte, gesteigert werden sollen und auf diese Weise der landwirtschaftlichen Bevölkerung, insbesondere durch Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens der in der Landwirtschaft tätigen Personen, eine angemessene Lebenshaltung gewährleistet werden soll. Weiter sollten die Märkte stabilisiert, die Versorgung sicher­ gestellt und für die Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen Sorge getragen werden.

361

KOM (2008) 93 endg. Gereon Thiele, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 37 EGV, Rn. 5. 363 Hix, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 37 EGV, Rn. 4. 364 Entspricht Art. 39 AEUV. 362

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Teil 2: Referenzgebiete

Nach Art.  37 Abs.  2 UAbs.  3 EGV hatte der Rat die Wahl zwischen allen in Art. 249 EGV genannten Rechtsinstrumenten365, also auch die der Verordnung. bb) Übereinstimmung der PflSchVO mit diesen Vorgaben Weiter ist nun die Übereinstimmung der PflSchVO mit diesen Vorgaben zu überprüfen. Die Verordnung soll das Inverkehrbringen und die Anwendung von für die Landwirtschaft nutzbaren Pflanzenschutzmitteln regeln. Pflanzenschutzmittel dienen dem Schutz der landwirtschaftlichen Produktion, außerdem sollen sie deren Produktivität erhöhen und die Einkommenssituation der Landwirte sichern366. Mithin verfolgt die in Frage stehende Verordnung die in den Art. 33 EGV genannten Ziele und konnte auf Basis des Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV erlassen werden. Falls jedoch neben dem Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik noch andere Politikbereiche in gleicher Intensität in dem Rechtsakt mit umfasst waren, so konnte der Rechtsakt neben Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV auf die betreffende Rechtsgrundlage gestützt werden.367 cc) Konkurrenz und Verhältnis des Art. 37 EGV zu anderen Ermächtigungsgrundlagen Weiter ist das Verhältnis des Art. 37 EG zu den anderen Ermächtigungsgrundlagen zu prüfen. (1) Verhältnis von Art. 37 EGV zu Art. 95 EGV Das Verhältnis von Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV zu Art. 95 EGV stellt sich wie folgt dar: Bei Harmonisierungsregelungen, die allein den Agrarbereich betrafen, wurde Art. 95 EGV bislang nicht zusätzlich zu Art. 37 EGV als Ermächtigungsgrundlage herangezogen. Jedoch ist eine Tendenz erkennbar, dass Art. 95 EGV ne-

365 Gereon Thiele, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 37 EGV, Rn. 16. 366 Zu diesen drei Zielen Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62, Rn. 2. 367 Nach der Rechtsprechung des EuGH muss der Rechtsakt bei Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV auch bei der gleichwertigen Verfolgung anderer Ziele nicht auf entsprechende Rechtsgrundlagen gestützt werden, vgl. hierzu EuGH, RS. 68/86, „Ver­ einigtes Königreich/Rat“, Slg. 1988, 855, Rn. 12; EuGH, RS. C-180/96, „Vereinigtes König­ reich/Kommission“, Slg. 1998, I-2265, Rn. 120; vgl. hierzu auch m. w. N. Bittner, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 37 EGV, Rn. 7.

B. Pflanzenschutzmittelrecht

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ben Art.  37 EGV vermehrt bei andere Bereiche betreffenden Harmonisierungs­ regelungen herangezogen wurde. Art. 37 EGV war aber grundsätzlich spezieller als Art. 95 EGV und ging diesem mithin vor.368 Im Fall der PflSchVO geht es inhaltlich jedoch nicht allein um Harmonisierungsregelungen, die den Agrar­bereich betreffen, womit folglich ein Rückgriff auf Art.  95 EGV neben Art.  37 EGV grundsätzlich möglich war.369 (2) Verhältnis von Art. 37 Abs. 2 zu Art. 152 Abs. 4 b EGV Grundsätzlich kam Art. 37 EGV aufgrund der Sonderstellung der Agrar­politik im Vertrag, Art. 32 Abs. 2 UAbs. 3 EGV, als lex specialis auch dann Vorrang zu, wenn die Regelung gleichzeitig auch andere im Vertrag genannte Ziele verfolgte.370 Hiervon waren jedoch Rechtsakte ausgeschlossen, die neben der Agrarpolitik gleichrangig ein anderes Ziel verfolgten. In einem solchen Fall konnte der Rechtsakt also auch auf der entsprechenden anderen Rechtsgrundlage beruhen.371 Für den Fall, dass neben dem Pflanzenschutz auch noch die Gesundheit als gleichrangiges Ziel mit umfasst war, wurde durch den Amsterdamer Vertrag aufgrund der BSE-Krise Art.  152 Abs.  4  b EGV speziell für die Fallkonstellation, dass Maßnahmen zum Gesundheitsschutz im Bereich des Pflanzenschutzes erlassen werden können, eingeführt.372 So war Art. 152 Abs. 4 b EGV eigentlich lex ­specialis zu Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV und hätte diese Ermächtigungsgrundlage eventuell verdrängt, obwohl Schwerpunkt der Maßnahme neben dem Gesundheitsschutz auch die Gemeinsame Agrarpolitik war.373 Dies konnte insbesondere auch aus dem Wortlaut „abweichend von Artikel 37“ in Art. 152 Abs. 4 b EGV her 368 Vgl. hierzu Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 95 EGV, Rn. 83. 369 Vgl. hierzu auch Bittner, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art 37 EGV, Rn. 10; Kopp, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 37 EGV, Rn. 8; Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 95 EGV, Rn. 83. 370 Van Rijn, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum EUV und EGV, 6. Aufl. 2003, Art. 37 EGV, Rn. 3. 371 Nach Rechtsprechung des EuGH muss der Rechtsakt bei Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV auch bei der gleichwertigen Verfolgung anderer Ziele nicht auf entsprechende Rechtsgrundlagen gestützt werden, vgl. hierzu EuGH, RS. 68/86, „Vereinigtes Königreich/Rat“, Slg. 1988, 855, Rn. 12; EuGH, RS. C-180/96, „Vereinigtes Königreich/Kom­ mission“, Slg. 1998, I-2265, Rn. 120; vgl. hierzu auch m. w. N. Bittner, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 37 EGV, Rn. 7. Thiele, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 37 EGV, Rn. 7. 372 Gereon Thiele, in: Calliess/Ruffert, Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 37 EGV, Rn. 7. 373 Zu der Agrarkompetenz und dem Verhältnis von Art. 37 EGV zu Art. 152 Abs. 4 b EGV Mögele, ZEuS 2000, S. 79 ff.

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Teil 2: Referenzgebiete

geleitet werden, welcher indiziert, dass diese Norm ihrem Wesen nach einen Bestandteil der Agrarkompetenz darstellt.374 Mittlerweile ist es jedoch durchaus üblich, Rechtsakte, die sowohl die Gemeinsame Agrarpolitik als auch den Gesundheitsschutz betreffen, auf beide Ermächtigungsgrundlagen zu stützen.375 Werden also mit einem Rechtsakt diese beiden Ziele gleichrangig verfolgt, so kann dieser auf beide Rechtsgrundlagen gestützt werden. Wurde mit dem Rechtsakt der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung im Bereich der Agrarpolitik jedoch nur mittelbar verfolgt, so sollte allein Art. 37 EGV die einschlägige Rechtsgrundlage sein.376 Wie bereits dargestellt, werden mit der PflSchVO sowohl Ziele der Agrar­ politik als auch das Ziel des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung in gleichran­ giger Weise verfolgt, womit einem Rückgriff auf die beiden Ermächtigungsgrundlagen Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV und Art. 152 Abs. 4 b EGV nichts im Wege stand. c) Art. 95 EGV Art. 95 EGV wurde erst mit der zweiten Lesung des Verordnungsvorschlages am 13. Januar 2009 zu den beiden Ermächtigungsgrundlagen Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV und Art. 152 Abs. 4 b EGV hinzugefügt. aa) Inhalt der Kompetenznorm Nach Art. 95 EGV konnte der Rat gemäß dem Verfahren nach Art. 251 EGV und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses die Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten er­lassen, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes nach Art.  14 EGV zum Gegenstand hatten. Auf Art.  95 EGV konnten also Maßnahmen zur Rechtsangleichung bezüglich des Binnenmarktes gestützt werden. Art. 95 EGV umfasste als mögliche Maßnahmen in Abweichung zu Art.  94 EGV auch den Erlass von Verordnungen zur Rechtsangleichung.

374

Mögele, ZEuS 2000, S. 86. Vgl. hierzu die Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 über die Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und die Etikettierung von Rindfleisch, ABl. 2000, Nr. L 204, S. 1. 376 Bittner, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 37 EGV, Rn. 14. 375

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bb) Übereinstimmung der PflSchVO mit diesen Vorgaben Neben der Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus ist Ziel der PflSchVO auch die Harmonisierung von Regelungen im Bereich des Agrarrechts und dies ins­ besondere hinsichtlich der Vereinheitlichung der Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln für die Landwirte in den einzelnen Mitgliedstaaten. Hierdurch soll die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft der Gemeinschaft sichergestellt werden.377 Um die aufgrund des unterschiedlichen Schutzniveaus in den Mitgliedstaaten möglicherweise bestehenden Hindernisse für den Handel mit Pflanzenschutzmitteln soweit wie möglich zu beseitigen, sollten in dieser Verordnung ferner harmonisierte Regeln für die Genehmigung von Wirkstoffen und für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, einschließlich der Regeln über die gegenseitige Anerkennung der Zulassungen sowie über den Parallelhandel, festgelegt werden. Zweck dieser Verordnung ist es somit, den freien Verkehr der entsprechenden Produkte und die Verfügbarkeit dieser Produkte in den Mitgliedstaaten zu verbessern.378 Dies ist auch aus dem in Art. 1 Nr. 3 der PflSchVO niedergelegten Ziel ersichtlich, dass mit dieser Verordnung das bessere Funktionieren des Binnenmarktes durch die Harmonisierung der Vorschriften für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln sowie für deren Wirkstoffe und die Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion erreicht werden sollen. Mithin enthält die Verordnung hinsichtlich der Harmonisierung von Vorschriften im Bereich der Landwirtschaft Maßnahmen zur Rechtsangleichung bezüglich des Binnenmarktes. Somit konnte die vorliegende Verordnung auch auf diese Ermächtigungsgrundlage gestützt werden. cc) Verhältnis von Art. 95 zu Art. 152 Abs. 4 b EGV Art. 152 Abs.  4  b EGV ging grundsätzlich als speziellere Kompetenznorm Art. 95 EGV vor. Stellt man jedoch auf den Regelungsschwerpunkt der Maßnahme ab, so ist bei Verfolgung der Maßnahme von unterschiedlichen Zielen ein Nebeneinander dieser beiden Kompetenznormen denkbar379. Selbst wenn man von der Vorrangigkeit von Art. 152 Abs. 4 b EGV ausginge, so wäre eine Stützung eines Rechtsakts auf die beiden in Frage stehenden Normen bei entsprechender Einhaltung der strengsten Verfahrensvorschriften mithin nicht zu beanstanden.380 377

Erwgr. 8. Erwgr. 9. 379 So auch Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art.  95 EGV, Rn.  54; anderer Ansicht hingegen Fischer, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU- und EG-Vertrag, 4. Aufl. 2006, Art.  95 EGV, Rn.  57, der davon ausgeht, dass Art. 142 Abs. 4 b EGV Art. 95 EGV ausschließt. 380 EuGH, RS. C-491/01, „British American Tobacco“, Slg. 2002, I-11453, Rn. 98. 378

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Teil 2: Referenzgebiete

d) Art. 152 Abs. 4 b EGV Alle Verordnungsvorschläge und schließlich auch die PflSchVO haben Art. 152 Abs. 4 b EGV als Ermächtigungsgrundlage herangezogen. aa) Inhalt der Kompetenznorm Nach Art.  152 Abs.  4  b EGV konnte der Rat Maßnahmen erlassen, die ab­ weichend von Art. 37 EGV in den Bereichen Veterinärwesen und Pflanzenschutz unmittelbar den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zum Ziel haben. Bezüglich der Kompetenznorm des Art. 152 Abs. 4 b EGV eröffnete der Begriff der Maßnahmen das gesamte Instrumentarium des Art. 249 EGV381, mithin also auch das der Verordnung. bb) Übereinstimmung der PflSchVO mit diesen Vorgaben Der Bereich des Pflanzenschutzes nach Art.  152 Abs.  4  b EGV bezieht sich mit dem Begriff „Pflanzenschutz“ zunächst auf die Vorschriften zum Schutz der Pflanzengesundheit, daneben aber auch auf Vorschriften über das Inverkehrbringen von Pflanzen und Pflanzenschutzmitteln.382 Die PflSchVO umfasst also diesen in Art. 152 Abs. 4 b EGV enthaltenen Bereich. Weiter verlangte Art. 152 Abs. 4 b EGV, dass die in Frage stehende Maßnahme unmittelbar den Gesundheitsschutz zum Ziel hat. Hierfür sollte, insbesondere in Abgrenzung zur Ermächtigungsgrundlage des Art.  37 EGV, maßgeblich ent­ scheidend sein, ob neben dem Pflanzenschutz Hauptzweck der Maßnahme auch der Gesundheitsschutz war. Nur dann konnte die Maßnahme auf Art. 152 Abs. 4 b EGV gestützt werden. War der Schutz der Gesundheit jedoch nur ein „Reflex des Pflanzenschutzes“, so musste Art. 37 EGV allein als Ermächtigungsgrundlage herangezogen werden.383 Die PflSchVO bezweckt nach den Erwägungsgründen vor allem den Schutz der Gesundheit von Menschen bzw. die Aufrechterhaltung eines hohen Schutzniveaus für Mensch, Tier und Umwelt und ist mithin nicht allein auf den Pflanzenschutz gerichtet. Sowohl in der Begründung des Verordnungsvorschlags als auch in den 381 Vgl. hierzu Lurger, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 152 EGV, Rn. 37 ff.; Berg, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 152 EGV, Rn. 22, der auch grundsätzlich davon ausgeht, dass hierbei Richtlinien die am besten geeignetsten sind, da sie den Mitgliedstaaten am meisten Handlungsspielraum ermöglichen. 382 Berg, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 152 EGV, Rn. 28. Bittner, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 32 EGV, Rn. 45 f. 383 Hierzu Berg, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 152 EGV, Rn. 29.

B. Pflanzenschutzmittelrecht

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Erwägungsgründen 7 bis 9 der PflSchVO und inzident auch aus den Gründen, die sich mit den effizienteren Verfahrensabläufen beschäftigen, kann geschlossen werden, dass ein Hauptziel der PflSchVO ist, dass die Gesundheit der Bevölkerung geschützt werden soll. Somit kam Art. 152 Abs. 4 b EGV insbesondere auch in Abgrenzung von Art. 37 EGV als taugliche Ermächtigungsgrundlage für die Verordnung in Betracht. e) Vorschlag des Art. 175 Abs. 1 EGV als Rechtsgrundlage neben Art. 152 Abs. 4 b EGV Anstelle der noch im ersten Verordnungsvorschlag normierten Ermächtigungsgrundlage des Art.  37 EGV sollte im zweiten Verordnungsvorschlag an dessen Stelle auf Art. 175 Abs. 1 EGV zurückgegriffen werden. Dies wurde vor allem mit der Problematik der divergierenden Verfahrensanforderungen – Art. 37 EGV stellt eine „klassische Rechtsgrundlage“ dar, wohingegen Art. 152 Abs. 4 b EGV das Mitentscheidungsverfahren bedingt – begründet. Somit ist nun zu überprüfen, ob Art. 175 Abs. 1 EGV neben Art. 152 Abs. 4 b EGV die tauglichere Rechtsgrundlage für den Verordnungsvorschlag gewesen wäre. aa) Inhalt der Kompetenznorm Nach Art. 175 Abs. 1 EGV konnte der Rat gemäß dem Verfahren nach Art. 251 EGV und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses sowie des Ausschusses der Regionen über das Tätigwerden der Gemeinschaft zur Erreichung der in Art. 174 EGV genannten Ziele beschließen. Gemäß Art. 174 Abs. 1 EGV trägt die Umweltpolitik der Gemeinschaft zur Verfolgung verschiedener Ziele bei. Als solche wurden genannt: die Erhaltung und der Schutz der Umwelt sowie die Verbesserung ihrer Qualität, der Schutz der menschlichen Gesundheit, die umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen und die Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme. In Art. 174 Abs. 2 EGV war weiter festgelegt, dass die Umweltpolitik unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen der Gemeinschaft auf ein hohes Schutzniveau abzielt und sie auf verschiedenen Prinzipien wie dem Verursacherprinzip und dem Vorsorgeprinzip beruht. Ein Tätigwerden der Gemeinschaft nach Art. 175 EGV umfasste alle möglichen Maßnahmen und mithin auch den Erlass von Verordnungen und Richtlinien.

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Teil 2: Referenzgebiete

bb) Übereinstimmung des Vorschlags mit diesen Vorgaben Art. 175 Abs. 1 EGV diente also grundsätzlich als taugliche Rechtsgrundlage, wenn der Rechtsakt überwiegend und schwerpunktmäßig den Schutz der Umwelt bezweckt.384 Laut Erwägungsgrund 8 der PflSchVO soll unter anderem deren Hauptziel sein, das hohe Schutzniveau für Menschen, Tiere und die Umwelt beizubehalten. Dies entspricht dem in Art. 174 Abs. 2 S. 2 EGV normierten Ziel, ein hohes Umweltschutzniveau zu erreichen. Somit hätte ein Rechtsakt, der auf die Aufrechterhaltung eines hohen Umweltschutzniveaus abzielt, durchaus auch auf Art.  175 Abs.  1 EGV gestützt werden können, wenn dieses Ziel gleichrangig zu den anderen in dem Rechtsakt verfolgten Zielen ist. cc) Konkurrenz und Verhältnis des Art. 175 Abs. 1 EGV zu Art. 37 EGV Fraglich ist jedoch, welche Rechtsgrundlage im vorliegenden Fall der PflSchVO nunmehr die tauglichere, also die speziellere war und ob auf Art. 37 EGV oder Art. 175 EGV neben Art. 152 Abs. 4 b und Art. 95 EGV zurückgegriffen werden sollte. Es ist offensichtlich, dass zwischen der Landwirtschaftspolitik und der Umwelt bzw. dem Umweltschutz nicht außerachtzulassende Wechselwirkungen bestehen, welche oft in einen Konflikt münden können385. Hatten Rechtsakte neben einem agrarpolitischen Bezug auch einen umweltschützenden, so konnte dieser Rechtsakt trotz des umweltschützenden Bezugs auf Art. 37 EGV gestützt werden.386 Somit war nicht ausreichend, dass der in Frage stehende Rechtsakt neben den Zielen der Gemeinsamen Agrarpolitik auch den Umweltschutz verfolgt, damit dieser Rechtsakt auch auf Art.  175 EGV gestützt werden musste.387 Vielmehr mussten die Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik und des Umweltschutzes gleich­rangig nebeneinander stehen.

384

Käller, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 175 EGV, Rn. 6. Rehbinder, NuR  1983, S.  249 geht davon aus, dass zwischen dem Schutz von Kultur­ pflanzen und Erntevorgängen etc. und dem Schutz von Mensch, Tier und Umwelt ein Konflikt besteht. 386 Hierzu auch Van Rijn, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum EUV und EGV, 6. Aufl. 2003, Art. 37 EGV, Rn. 14; EuGH, RS. C-164/97 und 165/97, „Parlament/Rat“, Slg. 1999, I-1139, I-1163. 387 Hierzu auch Bittner, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 37 EGV, Rn. 17. 385

B. Pflanzenschutzmittelrecht

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Betrachtet man das Hauptziel der Verordnung, so soll mit dieser auch ihrem Titel nach das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln geregelt werden. Diese dienen vor allem dem Schutz der landwirtschaftlichen Produktion, außerdem sollen sie deren Produktivität erhöhen und die Einkommenssituation der Landwirte sichern388. Mithin verfolgt die PflSchVO vor allem die in den Art.  33 EGV genannten agrarpolitische Ziele. Daneben wird gleichrangig auch der Gesundheitsschutz als Ziel verfolgt, womit Art. 152 Abs. 4 b EGV einschlägig neben Art. 37 EGV heranzuziehen war, da Art. 152 Abs. 4 b EGV alle Pflanzen- und Tierschutzmaßnahmen abdeckte, welche als „unmittelbares“ Ziel389 den Schutz der menschlichen Gesundheit vorsehen. Allein die Gegebenheit, dass eine Maßnahme im Agrar­bereich auch Aspekte des Umweltbereichs390 beinhaltet, lässt sie nicht in den Anwendungsbereich der Umweltschutzbestimmungen des EGV fallen, womit der Rechtsakt in einem solchen Fall seinen agrarpolitischen Charakter behält, auch wenn er Auswirkungen auf die Umwelt hat.391 Diese Differenzierung lässt sich auch im Hinblick auf die vorgeschlagene Rahmenrichtlinie zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln392 verdeutlichen. Diese sollte nämlich auf Art. 175 EGV393 gestützt werden, da mit ihr vorrangig der Schutz der Umwelt durch fachgerechte nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln verfolgt wird. Insbesondere sollten mit dieser Richt­linie die mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verbundenen Risiken und Auswirkungen für die menschliche Gesundheit und Umwelt in einer Weise verringert werden, die mit dem Pflanzenschutz vereinbar ist.394 In Abgrenzung hierzu soll die PflSchVO vorrangig das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln regeln, womit primär eher agrarpolitische Ziele als die des Umweltschutzes verfolgt werden. Mithin war Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV vorliegend die sachgerechtere Rechtsgrundlage für eine PflSchVO zum Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln. Es wäre jedoch grundsätzlich möglich gewesen, die Verordnung auch auf Art. 175 EGV zu stützen; das Unterbleiben einer solchen Stützung ist jedoch rechtmäßig. 388 Zu diesen drei Zielen Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62, Rn. 2. 389 Zu dem Kriterium der Unmittelbarkeit des Art.  152 Abs.  4  b EGV auch Mögele, ZEuS 2000, S. 90. 390 Nach Schröder kommt dem Umweltrecht neben der Aufgabe, die Landwirtschaft vor Umweltbelastungen zu schützen auch die Aufgabe zu, der agrarischen Produktion im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf Umweltgüter Grenzen zu setzen, NuR 1995, S. 117. 391 KOM (2008) 93 endg., Begründung, Nr. 3 b. 392 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Aktions­rahmen der Gemeinschaft für den nachhaltigen Einsatz von Pestiziden vom 12.07.2006, KOM (2006) 373 endg. 393 KOM (2006) 373 endg., S. 9. 394 Vgl. hierzu auch Pache, in: Fluck/Fischer/Hahn (Hrsg.), REACH und Stoffrecht Kommentar, Einführung Pflanzenschutzrecht, 2008, Rn.  9; Kaus, StoffR  2009, S.  191 ff.; Standpunkt von COPA und COGECA zum Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für den nachhaltigen Einsatz von Pestiziden vom 18.12.2006.

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Teil 2: Referenzgebiete

f) Einhaltung der Verfahrensanforderungen Die Mehrfachabstützung eines Rechtsakts auf zwei oder mehr Rechtsgrundlagen ist allerdings nur zulässig, wenn innerhalb der Rechtsgrundlagen weitgehend übereinstimmende Verfahrensregelungen vorausgesetzt werden und mithin die Rechte der beteiligten Organe gewahrt bleiben.395 Hinsichtlich der Wahl der Rechtsgrundlagen der Kommission  – also Art.  37 Abs. 2 UAbs. 3, Art. 95 und Art. 152 Abs. 4 b EGV – bestehen durchaus Bedenken hinsichtlich der unterschiedlichen Verfahrensanforderungen.396 Dies insofern, als Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV nur das Beschlussverfahren verlangte397, wohin­gegen Art. 95 und Art. 152 Abs. 4 b EGV beide das Mitentscheidungsverfahren voraussetzten. Diese beiden Verfahren sind an sich nicht miteinander vereinbar. Insofern hat die Kommission auch das Mitentscheidungsverfahren als gemeinsames Verfahren vorgeschlagen. Ein solcher Ansatz wurde bereits bei anderen Rechtsakten, die auf die beiden in Frage stehenden Rechtsgrundlagen gestützt wurden, gewählt.398 Falls also Art.  37 Abs.  2 UAbs.  3 EGV, Art.  95 EGV und Art.  152 Abs.  4  b EGV als Ermächtigungsgrundlagen für einen Rechtsakt gewählt worden sind, so musste dem Parlament ein Mitentscheidungsrecht nach Art. 251 EGV eingeräumt werden.399 Die Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln wurde unter Einhaltung des Verfahrenserfordernisses der Mitentscheidung erlassen. g) Die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der Richtlinie 91/414/EWG – Art. 43 EWG Die Richtlinie 91/414/EWG war im Gegensatz zum Verordnungsvorschlag nur auf eine Ermächtigungsgrundlage – nämlich Art. 43 EWG – gestützt. 395

Käller, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 175 EGV, Rn. 12. Bezüglich der vom Europäischen Parlament geforderten Doppelabstützung der Verordnung auf Art. Art. 152 Abs. 4 b und Art. 175 Abs. 1 EGV hätten insofern keine Bedenken bestanden. Sowohl in Art. 152 Abs. 4 b, als auch in Art. 175 Abs. 1 EGV wird der Rat ermächtigt, gem. dem Verfahren nach Art. 251 und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialaus­schusses sowie des Ausschusses der Regionen Maßnahmen zu erlassen. Mithin haben beide Kompetenznormen die gleichen Verfahrensvoraussetzungen und stünden also einer Doppelabstützung nicht im Wege. 397 In der Mitteilung zum Anwendungsbereich des Mitentscheidungsverfahrens an die Regierungskonferenz hatte die Kommission ausdrücklich auch die Einführung des Mitentscheidungsverfahrens für den Bereich der Agrarpolitik vorgeschlagen, Dok. SEC (96) 1225 endg.; hierzu auch Mögele, ZEuS 2000, S. 84. 398 Hierzu auch KOM (2008) 93 endg., Begründung, Nr. 3 b. 399 Vgl. hierzu auch Weiß, Die rechtliche Gewährleistung der Produktsicherheit, 2008, S. 85, dieser geht davon aus, dass der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Kompetenz­ normen verfahrensrechtlicher Natur ist. 396

B. Pflanzenschutzmittelrecht

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Dieser entspricht dem Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV. Zur Zeit des Inkraft­tretens der Richtlinie 91/414/EWG war Art.  43 EWG die umfassende Rechtsgrundlage zur Regelung agrarbezogener Sachverhalte.400 Dies sollte unabhängig von der Verfolgung weiterer legitimer Politikziele gelten.401 Art. 43 EWG war insbesondere vor Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags und mithin der Einführung des Art.  152 Abs.  4  b EGV die einschlägige Ermächtigungsgrundlage für landwirtschaftliche Erzeugnisse betreffende Maßnahmen, die auch dem Gesundheitsschutz der Verbraucher dieser Erzeugnisse dienten.402 Dies insbesondere aus dem Grund, dass der Gesundheitsschutz insofern zur Verwirklichung der agrarpolitischen Ziele beiträgt, als die Landwirtschaft vom Absatz nicht gesundheitsgefährdender Produkte abhängig ist.403 Somit war Art.  43 EWG, obwohl die Richtlinie 91/414/EWG neben agrar­ politischen Zielen auch ein hohes Schutzniveau für Mensch, Tier und Umwelt aufrechterhalten wollte, die allein einschlägige Rechtsgrundlage. Dies insbesondere auch deshalb, weil eine Art. 152 Abs. 4 b EGV entsprechende Rechtsgrundlage nicht vorhanden war. Die Mehrfachabstützung der PflSchVO neben Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV auf Art. 152 Abs. 4 b EGV und Art. 95 EGV war mithin insbesondere auch in Abgrenzung zur Richtlinie 91/414/EWG rechtmäßig. h) Zusammenfassung bezüglich der Ermächtigungsgrundlagen Somit kann zunächst festgestellt werden, dass die Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln rechtmäßig auf die verschiedenen Er­ mächtigungsgrundlagen Art.  37, Art.  95 und Art.  152 Abs.  4  b EGV gestützt wurde. Wie untersucht, ist die Stützung auf mehrere Ermächtigungsgrundlagen auch rechtmäßig. Der Inhalt der PflSchVO entspricht auch den der Gemeinschaft in den Ermächtigungsgrundlagen übertragenen Kompetenzen. Somit wurde Art. 5 Abs. 1 EGV gewahrt. Es kann mithin festgehalten werden, dass der Inhalt der PflSchVO grundsätzlich mit den in den Ermächtigungsgrundlagen eingeräumten Gemeinschafts­ gesetzgebungskompetenzen übereinstimmt. Nach allen Ermächtigungsgrundlagen, auf die die PflSchVO gestützt wurde, kann grundsätzlich die Rechtsform der Verordnung herangezogen werden. 400 Ehlermann bezeichnet diese Wirkungsweise als „Alleinherrschaftsanspruch des Art.  43 EWG“ vgl. hierzu Europäisches Agrarrecht als Instrument der Gemeinschaftspolitik, Stand, Bedarf und Grenzen, AgrarR 1989, Beilage II, S. 5 f. 401 Mögele, ZEuS 2000, S. 82. 402 Bittner, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 37 EGV, Rn. 14. 403 EuGH, RS. C-180/96, „BSE“, Slg. 1998, I-2265, Rn. 121.

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Teil 2: Referenzgebiete

Damit ist jedoch noch nichts darüber gesagt, ob im Fall der PflSchVO auch die gewählte Rechtsform der Verordnung die rechtmäßige, also insbesondere die verhältnismäßige ist. 3. Die Verhältnismäßigkeit der PflSchVO bezüglich der Wahl der Rechtsform Nach der Feststellung der Einhaltung des Prinzips der begrenzten Einzel­ ermächtigung mit Stützung der PflSchVO auf Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3, Art. 95 und Art. 152 Abs. 4 b EGV und der Rechtmäßigkeit des in Frage stehenden Rechtsakts diesbezüglich stellt sich nun die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der vom Gemeinschaftsgesetzgeber dementsprechend getroffenen Wahl der Handlungsform. Diese Fragestellung ist vorliegend vor allem deshalb interessant, da im geregelten Bereich des Inverkehrbringens von Pflanzenschutzmitteln bereits eine Regelung in Form der PflSchRL404 bestand und diese nun durch eine Verordnung ersetzt wurde. Für die Ersetzung der Richtlinie durch eine Verordnung sind dabei die Hinweise des Subsidiaritätsprotokolls405 des EGV im Hinblick auf die Wahl der Rechtsaktform heranzuziehen. Nach Nr.  6 des Subsidiaritätsprotokolls soll für Maßnahmen der Gemeinschaft eine möglichst einfache Form gewählt werden, wobei darauf geachtet werden muss, dass das Ziel der Maßnahme in zufriedenstellender Weise erreicht wird und die Maßnahme tatsächlich zur Anwendung gelangt. Weiter sollte die Recht­ setzungstätigkeit der Gemeinschaft nicht über das erforderliche Maß hinausgehen. Unter sonst gleichen Voraussetzungen wären laut Protokoll dementsprechend eine Richtlinie einer Verordnung und eine Rahmenrichtlinie einer detaillierten Maßnahme vorzuziehen. Nach diesen Aussagen sollen die Gemeinschaftsmaßnahmen also so einfach wie möglich sein. Es wird der Vorrang einer dezentralen Regelung vor einer zentralen festgelegt. Somit ist hinsichtlich der geplanten Verordnung genau zu überprüfen, ob tatsächlich ein Bedürfnis für einen derartigen Wandel in der Rechtsform von der Richtlinie zur Verordnung bestand. Nach Nr. 7 des Protokolls sollte bezüglich der Art und des Umfangs gemeinschaftlichen Handelns so viel Raum für nationale Entscheidungen bleiben, wie 404 Richtlinie 91/414/EWG über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, ABl. 1991, Nr. L 230, S. 1. 405 Protokoll Nr. 30 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, aus dem Vertrag von Amsterdam zur Gründung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, ABl. 1997, Nr. C 340.

B. Pflanzenschutzmittelrecht

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dies im Einklang mit dem Ziel der Maßnahme und den Anforderungen des Vertrages möglich ist. Bewährte nationale Regelungen sowie Strukturen und Funktionsweisen der Mitgliedstaaten sollten unter Einhaltung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften geachtet werden. Sofern dies für eine ordnungsgemäße Durchführung der Maßnahmen angemessen und erforderlich ist, sollten den Mitgliedstaaten in den Gemeinschaftsmaßnahmen Alternativen zur Erreichung der Ziele der Maßnahmen angeboten werden. Somit muss untersucht werden, inwieweit die vorliegende Verordnung in be­ stehende Regelungsstrukturen auf nationaler Ebene eingreift und ob den Mitgliedstaaten noch der Handlungsspielraum406 bleibt, der unter den gegebenen erforderlichen Gemeinschaftsmaßnahmen möglich ist.407 Weiter ist zu überprüfen, ob sich durch die Anwendung der Richtlinie gezeigt hat, dass die Rechtsetzung mittels einer Verordnung in diesem Bereich zielführender gewesen wäre, ob sich also insbesondere hinsichtlich der Umsetzung der Richtlinie 91/414/EWG Schwierigkeiten ergeben haben und daraus der Wandel der Rechtsetzungsform resultiert. Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass durch die Verordnung auch neue Regelungen aufgenommen wurden, für welche möglicherweise allein die Rechtsform der Verordnung die rechtmäßige ist. In Betracht kommt schließlich, dass die bestehende PflSchRL als Richtlinie mit überwiegend verfahrensrechtlichem Inhalt nur wenig rahmensetzenden Charakter408 hat und mithin entsprechende Normierungen mit Verordnungscharakter beinhaltet und aufgrund dessen bereits für die PflSchRL die Verordnung die mögliche Rechtsform hätte sein können. Somit erfolgt nun weiter die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit409 der Wahl der Rechtsform der Verordnung für die PflSchVO. Hierfür muss die Verordnung einem legitimen Ziel dienen und geeignet, erforderlich und angemessen sein, dieses Ziel zu erreichen.410

406 Zu dieser Sorge insbesondere hinsichtlich möglicher weitergehender Schutzmaßnahmen auf Gemeinschaftsebene vgl. Stellungnahme des Pestizid Aktions-Netzwerk e. V. (PAN Germany) zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (DOK 11755/06), September 2006, S. 2. 407 Zum Ineinandergreifen von gemeinschaftlichen und mitgliedstaatlichen Wirkstoff- und Produktzulassungsregeln am Beispiel des Pflanzenschutzrechts der PflSchRL Sydow, Verwaltungskooperation in der Europäischen Union, 2004, S. 203 ff. 408 Zu Richtlinien mit rein verfahrensrechtlichem Gehalt, die insofern keinen rahmensetzenden Charakter haben Sydow, JZ 2009, S. 376 ff. 409 Nach dem EuGH entspricht eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn die gewählten Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet sind und das Maß des hierzu Erforderlichen nicht übersteigen. Siehe hierzu RS. C-426/93, „Nichtigkeit der Verordnung (EWG) Nr. 2186/93“, Slg. 1995, I-03723, LS 3; vgl. hierzu auch EuGH, RS. C-84/94, „Großbritannien/Rat“, Slg. 1994, I-5755, Rn. 50 ff. 410 Zur Thematik, dass der EuGH keine einheitliche Begrifflichkeit hinsichtlich der verschiedenen Prüfungsschritte der Verhältnismäßigkeitsprüfung verwendet Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2000, S. 195 ff.; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 2005, S. 831 ff.

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Teil 2: Referenzgebiete

a) Ziele der PflSchVO Zunächst muss mit der PflSchVO bzw. mit der Wahl der Rechtsform „Verordnung“ ein legitimes Ziel verfolgt werden. Diese muss also im Dienst der Verwirklichung der Vertragsziele stehen.411 Die Ziele der PflSchVO wurden bereits im Rahmen des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung überprüft, da mehrere Ermächtigungsgrundlagen herangezogen wurden und deshalb bei der Rechtmäßigkeitsüberprüfung der verschiedenen Ermächtigungsgrundlagen bzw. deren Zusammenspiel bereits das Ziel des in Frage stehenden Rechtsakts überprüft werden musste. Festgehalten werden kann also nach Überprüfung der Erwägungsgründe und der zielkonkretisierenden Normen der PflSchVO, dass die Ziele der PflSchVO die Gemeinsamen Agrarpolitik, der Gesundheitsschutz und die Vollendung des gemeinsamen Binnenmarktes sind, welche alle legitime Ziele im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darstellen. Insbesondere soll das hohe Schutzniveau für Menschen, Tiere und die Umwelt beibehalten, der mit dem derzeitigen Zu­ lassungsverfahren verbundene Verwaltungsaufwand verringert und eine stärkere Harmonisierung erreicht werden412. Diese Ziele werden mit verschiedenen Regelungen über das Verfahren und über die Zulassung und das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln innerhalb der PflSchVO verwirklicht. Mit der vorliegenden Verordnung werden legitime Ziele verfolgt. b) Die Geeignetheit der gewählten Rechtsform der Verordnung zur Erreichung des angestrebten Ziels Weiter muss die Rechtsform der Verordnung auch geeignet sein, diese Ziele zu verfolgen.413 Nach der PflSchVO soll die Form einer Verordnung deshalb gewählt werden, damit eine vereinfachte und einheitliche Anwendung der neuen Vorschriften in allen Mitgliedstaaten gewährleistet werden kann.414 Durch diese Vereinfachung und Vereinheitlichung der Anwendung soll insbesondere den mit der Verordnung

411

von der Groeben, NJW 1970, S. 362. KOM (2008) 93 endg., Begründung, Nr. 2 b. 413 Der EuGH prüft hierbei nicht die Geeignetheit einer Maßnahme, da er dazu nicht befugt wäre, er prüft vielmehr die eventuelle Ungeeignetheit. Trotzdessen ergibt sich für die handelnden Gemeinschaftsorgane die Verpflichtung, geeignete und nicht nur „nicht ungeeignete“ Maßnahmen zu erlassen vgl. EuGH, RS. 40/72, „Schroeder/Deutschland“, Slg. 1973, I-125, Rn. 14; hierzu auch Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2000, S. 208 f. 414 KOM (2009) 1107 endg., Erwgr. 5. 412

B. Pflanzenschutzmittelrecht

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insgesamt verfolgten Zielen des Gesundheitsschutzes und den Zielen der Gemeinsamen Agrarpolitik Rechnung getragen werden. Durch die Verordnung soll nach deren Erwägungsgrund Nr.  2 angesichts der Erfahrungen aus der Anwendung der Richtlinie 91/414/EWG und der neuesten wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen die Richtlinie 91/414/EWG ersetzt werden. Hieraus ist jedoch nicht erkennbar, ob die Richtlinie aufgrund etwaiger mit der Rechtsform „Richtlinie“ verbundener Anwendungsschwierig­keiten durch einen Rechtsakt in der Form der Verordnung ausgetauscht werden soll. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass durch die Rechtsform der Verordnung und insbesondere ihrer Eigenschaft der unmittelbaren Geltung eine einheitliche Anwendung der Verfahrensvorschriften und mithin eine einheitliche Anwendung der Regelungen der Verordnung gewährleistet werden kann. c) Erforderlichkeit der gewandelten Rechtsform „Verordnung“ Nach der Feststellung der Verfolgung von legitimen Zielen und der grundsätzlichen Geeignetheit der Rechtsform der Verordnung zur Erreichung dieser Ziele muss nun anschließend überprüft werden, ob die Rechtsform der Verordnung auch zur Erreichung der legitimen Ziele erforderlich war. Insbesondere muss der Frage nachgegangen werden, ob die Verordnung hinsichtlich des Regelungsgehaltes der PflSchVO das mildeste Mittel war und mithin kein milderes gleich effizientes Mittel für den Gemeinschaftsgesetzgeber zur Verfügung stand.415 Da die verschiedenen Rechtsakttypen in keinem Hierarchieverhältnis416 zueinander stehen, kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass grundsätzlich die Richtlinie das mildere Mittel ist. Vielmehr müssen die konkreten Gegebenheiten und Regelungs­ inhalte des in Frage stehenden Rechtsaktes auf seine Erforderlichkeit hin untersucht werden. Bei der Kontrolle der Erforderlichkeit der Rechtsaktform der Verordnung bezüglich der Regelungsinhalte der Verordnung soll nun zunächst unter dem Punkt „konkrete Regelungsmethode und -dichte“417 auf den Inhalt der Verordnung und deren konkrete Ausgestaltung hinsichtlich der Regelungsdichte eingegangen werden. Hierbei soll insbesondere überprüft werden, ob bestimmte Inhalte der Verordnung zwingend die Rechtsform der Verordnung erfordern und somit bezüglich des gesamten Regelungsinhalts der Verordnung nur die Rechtsform der Verordnung als „gemeinsamer Nenner“ vom Gemeinschaftsgesetzgeber angedacht werden konnte. Diese Überprüfung soll insbesondere durch einen Vergleich 415 Vgl. hierzu Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 2000, S. 208 f.; EuGH, RS. 261/81, „Rau/De Smedt“, Slg. 1982, I-3961, Rn. 17. 416 Vgl. hierzu Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, 2006, § 8, Rn. 38. 417 Zum Begriff der Regelungsdichte Grams, Zur Gesetzgebung der Europäischen Union, 1998, S. 222 f.

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Teil 2: Referenzgebiete

der Regelungsinhalte der Verordnung mit den Regelungsinhalten der bestehenden Richtlinie 91/414/EWG vorgenommen werden, um zu überprüfen, ob sich eventuell aus geänderten Regelungsmaterien ein Bedürfnis für den Wandel der Rechtsform ergeben hat.418 Weiter muss überlegt werden, ob sich eventuell insofern ein Erfordernis für den Wandel der Rechtsaktform von der Richtlinie zur Verordnung daraus ergibt, dass bei der Umsetzung bzw. bei der Kontrolle der Umsetzung der Richtlinie 91/414/ EWG Probleme entstanden sind, deren Lösung mit der Änderung der Rechtsaktform erreicht werden soll.419 Sodann werden nochmals allgemein die rechtlichen Wirkungen von Verordnungen und insbesondere auch die Auswirkungen der PflSchVO beispielsweise auf die Mitgliedstaaten mit Hinblick auf etwaige Unterschiede, die sich bei der Bei­ behaltung der Rechtsform der Richtlinie ergeben hätten, untersucht. Hieran anschließen wird sich der Versuch der Beantwortung der Frage, ob im Falle der PflSchVO tatsächlich eine Verordnung das mildeste Mittel war oder ob nicht die Beibehaltung der Richtlinie die erforderliche Rechtsetzungsmethode gewesen wäre. aa) Konkrete Regelungsmethode und -dichte Zunächst ist somit der Regelungsinhalt der Verordnung auf deren konkrete Regelungsmethode bzw. -dichte hin zu überprüfen. Es ist zu untersuchen, wie „regelungs­dicht“ die geplante Verordnung konkret bezüglich ihrer Regelungs­ methode ausgestaltet ist. Hierfür sollen zunächst die einzelnen Kapitel der Verordnung dargestellt, auf ihren Rechtsaktcharakter überprüft und anschließend mit eventuell parallel in der Richtlinie enthaltenen Regelungen verglichen werden. Diese Überprüfung soll insbesondere erfolgen, um herauszufinden, ob aufgrund des geänderten Regelungsgehaltes der die Richtlinie ersetzenden Verordnung ein geänderter Rechtsaktcharakter der Regelung das Bedürfnis nach der Rechtsform der Verordnung hervorgerufen hat. Sind also viele kasuistische und detaillierte Einzelvorschriften im Gegensatz zu generalklauselartigen Anweisungen in der geplanten Verordnung vorhanden420, so bedeutet dies, dass der Normtext eine starke Regelungsdichte aufweist. Eine starke Regelungsdichte bedeutet im Hinblick auf die Einordnung und Unterscheidung von Richtlinie und Verordnung, dass in 418 So soll durch die PflSchVO das Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel vereinheitlicht und die Aufgaben der Behörde für Lebensmittelsicherheit definiert werden vgl. hierzu auch Gärtner/Dressler, StoffR 2008, S. 192. 419 Anhaltspunkte hierfür finden sich in KOM (2008) 93 endg., Erwgr. 3, in welchem erwähnt wird, dass die Richtlinie 91/414/EWG angesichts der Erfahrungen bei deren Anwendung ersetzt werden sollte. 420 Hill, Einführung in die Gesetzgebungslehre, 1982, S. 108.

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d­ iesem Fall der Rechtsform der Verordnung der Vorzug gegeben werden sollte.421 Sind jedoch vermehrt generalklauselartige Verpflichtungen der Mitgliedstaaten in der Regelung enthalten, so spricht das eher für eine geringe Regelungsdichte und für die Bevorzugung einer Richtlinie.422 Stellt sich nachfolgend heraus, dass in der PflSchVO – insbesondere auch im Unterschied zur PflSchRL – viele detaillierte Einzelvorschriften und somit eine hohe Regelungsdichte vorhanden ist, so spräche das dafür, eventuell diese Vorschriften in einer anderen Rechtsaktform, nämlich der der Verordnung unterzubringen. Eine höhere Regelungsdichte der PflSchVO gegenüber der PflSchRL allein reicht jedoch nicht für den Wandel der Rechtsaktform aus. Vielmehr muss die konkrete Regelungsdichte so hoch sein, dass sich der Wandel als „erforderlich“ erweist. (1) Kapitel I: Allgemeine Bestimmungen Kapitel I der Verordnung enthält in seinen Art. 1 bis 3 die allgemeinen Bestimmungen der Verordnung. (a) Inhalt des Kapitels I Art. 1 der PflSchVO bestimmt zunächst Gegenstand und Ziel der Verordnung. Nach Art. 1 Abs. 1 legt die Verordnung die Regeln für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in kommerzieller Form423 und für ihr Inverkehrbringen, ihre Verwendung und ihre Kontrolle innerhalb der Gemeinschaft fest. Hierbei soll sie nach Art. 1 Abs. 2 Regeln für die Zulassung von Wirkstoffen, Safenern und Synergisten, die in Pflanzenschutzmitteln enthalten sind oder aus denen diese bestehen, und Regeln für Hilfsstoffe und Botenstoffe festsetzen. Weiter ist in Art. 1 das Ziel der Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus normiert und das Vorsorgeprinzip ver­ankert. Außerdem wird klargestellt, dass mit der Verordnung die Rechtsvorschriften über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln harmonisiert werden, um die Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln für die Landwirte in den einzelnen Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen. Art.  2 legt weiter den Anwendungsbereich der Verordnung fest.424 In Art.  2 Abs. 1 wird der Begriff der Pflanzenschutzmittel definiert und der Anwendungs 421

Hierzu insbesondere bezüglich detaillierter Richtlinien KOM (2002) 278 endg. Hierzu auch Grams, Zur Gesetzgebung der Europäischen Union, 1998, S. 223. 423 Teilweise wurde die Ungenauigkeit des Begriffes „kommerzielle Form“ bemängelt, vgl. hierzu Stellungnahme des Deutschen Raiffeisenverbandes zu einem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, S. 2. 424 Der Anwendungsbereich wird durch eine so genannte „positive Definition“ gestaltet, welche immer in Abgrenzung zur „negativen“ vorzuziehen ist, vgl. hierzu Grams, Zur Gesetz­ gebung der Europäischen Union, 1998, S. 225. 422

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Teil 2: Referenzgebiete

bereich der Verordnung auf diese eröffnet. In Art. 2 Abs. 2 und 3 werden weitere Stoffe, für die die Verordnung gilt, aufgelistet. Art. 3 enthält die Begriffsbestimmungen der Verordnung, beispielsweise „Rückstände“, „Stoffe“, „Zubereitungen“ etc. (b) Verordnungscharakter des Kapitels I/ Übereinstimmung mit der Richtlinie Art. 1 Abs.  1 und 2 PflSchVO, welche den Gegenstand der Verordnung festlegen, finden ihre Entsprechung in Art. 1 Abs. 1 der PflSchRL425. Die Ziele der Richtlinie sind außer in den Erwägungsgründen nicht normiert, wie dies bei der Verordnung der Fall ist.426 Bei dieser hat die Erwähnung der Ziele jedoch in gewisser Weise nur klarstellende Funktion und keinen eigenen Regelungsgehalt. Außerdem wurden die Ziele der Verordnung erst durch die angenommenen Änderungsvorschläge des Europäischen Parlaments hinzugefügt.427 Der in Art. 2 der PflSchVO verankerte Anwendungsbereich findet seine jedoch weniger detaillierte Entsprechung in Art. 1 Abs. 2 und 3 der Richtlinie. Art. 2 der PflSchRL enthält wie Art.  3 PflSchVO für den Rechtsakt wichtige Begriffsbestimmungen. Während jedoch die Richtlinie nur 13 Begriffe definiert, werden in der Verordnung 33 Begriffe bestimmt. Die Definition des Begriffs „Pflanzenschutzmittel“ nimmt bei der Verordnung einen ganzen Artikel ein (Art. 2), während die PflSchRL diese Begriffsbestimmung in die Begriffsbestimmungen des Art. 2428 mit aufgenommen hat.

425

Zum Geltungsbereich der PflSchRL Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62, Rn. 15. 426 Zur Zielsetzung der Richtlinie vgl. Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62 Rn. 14. 427 Vgl. hierzu Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 23.  Oktober 2007 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EG) Nr.  …/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, ABl.  2008, Nr.  C 263; jedoch erneut abgeändert durch Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in zweiter Lesung am 13. Januar 2009 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und Aufhebung der Richtlinien des Rates 79/117/EWG und 91/414/EWG. 428 Nach Art. 2 Nr. 1 PflSchRL sind Pflanzenschutzmittel Wirkstoffe und Zubereitungen, die einen oder mehrere Wirkstoffe enthalten, in der Form, in welcher sie an den Anwender geliefert werden, und die dazu bestimmt sind, 1.1. Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse vor Schadorganismen zu schützen oder ihrer Einwirkung vorzubeugen, insoweit diese Stoffe oder Zubereitungen im folgenden nicht anders definiert werden; 1.2. in einer anderen Weise als ein Nährstoff die Lebensvorgänge von Pflanzen zu beeinflussen (z. B. Wachstumsregler); 1.3. Pflanzenerzeugnisse zu konservieren, soweit solche Stoffe oder Zubereitungen nicht besonderen Vorschriften des Rates oder der Kommission über konservierende Stoffe unterliegen; 1.4. unerwünschte Pflanzen zu vernichten oder 1.5. Pflanzenteile zu vernichten oder ein unerwünschtes Wachstum von Pflanzen zu hemmen bzw. einem solchen Wachstum vorzubeugen.

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Festzuhalten bleibt, dass das erste Kapitel der Verordnung und die Art. 1 und 2 der Richtlinie in etwa inhaltsgleich sind und jedenfalls keine spezifischen Charakteristika eines bestimmten Rechtsakts aufweisen. Solche in Kapitel I der Verordnung enthaltenen allgemeinen Bestimmungen sind grundsätzlich in vielen Rechtsakten, sowohl in Verordnungen als auch in Richtlinien, zu finden und haben mithin keinen eindeutig zuzuweisenden Rechtsaktcharakter. (2) Kapitel II: Wirkstoffe, Safener, Synergisten und Beistoffe Weiter ist Kapitel II über Wirkstoffe, Safener, Synergisten und Beistoffe, das aus den Art. 4 bis 27 besteht, auf seinen Inhalt und seinen Rechtsaktcharakter hin zu überprüfen. Konkretisiert wird Kapitel II noch durch Anhang II hinsichtlich der Verfahren und Kriterien für die Genehmigung von Wirkstoffen, Safenern und Synergisten. (a) Inhalt des Kapitel II Kapitel II unterteilt sich in drei Abschnitte jeweils zu Wirkstoffen, Safenern und Synergisten und unzulässigen Beistoffen. Hierbei nimmt der erste Abschnitt über Wirkstoffe den größten Teil ein. (aa) Abschnitt 1: Wirkstoffe Der Abschnitt 1 des Kapitels II unterteilt sich wiederum in vier Unterabschnitte: Unterabschnitt 1 Unterabschnitt 1, der aus den Art.  4 bis 6 besteht, bestimmt die Anforderungen und Bedingungen für die Zulassung von Wirkstoffen. Art. 4 beinhaltet die Zu­ lassungskriterien für Wirkstoffe.429 Danach sollen Wirkstoffe in Übereinstimmung mit Anhang I nur genehmigt werden, wenn die Rückstände der Pflanzenschutzmittel, nach der Verwendung in Übereinstimmung mit der guten Pflanzenschutz­

429

Zu Art. 4 PflSchVO vgl. auch Gärtner/Dressler, StoffR 2008, S. 193; Kritik an dieser verschärften Wirkstoffzulassung, bei welcher allein die stofflichen Eigenschaften einer Substanz betrachtet werden und nicht wie bisher das Risiko bei deren praktischen Anwendung, übt Kaus, StoffR 2008, S. 259.

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Teil 2: Referenzgebiete

praxis, keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen, Tieren oder auf das Grundwasser haben.430 Daneben muss nach Art. 4 Abs. 3 der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln hinreichend wirksam sein, es dürfen keine unmittelbaren oder mittelbaren Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen und Tieren und keine unannehmbaren Auswirkungen auf Pflanzen oder Pflanzen­erzeugnisse erfolgen. Weiter darf das Pflanzenschutzmittel bei den zu bekämpfenden Wirbeltieren keine unnötigen Leiden oder Schmerzen verursachen, außerdem darf es keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben. Die Einhaltung dieser Anforderungen soll nach Art. 4 Abs. 4 unter Berücksichtigung der einheitlichen Grundsätze nach Art. 29 Abs. 6 bewertet werden. Art.  5 bestimmt, dass die Erstzulassung eines Wirkstoffs höchstens für die Dauer von zehn Jahren gilt. Art. 6 legt fest, dass die Zulassung eines Wirkstoffs auch Bedingungen oder Beschränkungen unterworfen werden kann. Unterabschnitt 2 Unterabschnitt 2 normiert in seinen Art. 7 bis 13 das Zulassungsverfahren von Wirkstoffen. Art. 7 legt hier zunächst die Verfahrensabläufe hinsichtlich der Antragsstellung eines Wirkstofferzeugers mittels eines Dossiers über den Wirkstoff im Mitgliedstaat (berichterstattender Mitgliedstaat) fest. Art. 8 beschreibt den inhaltlichen Umfang des Dossiers. Art. 9 enthält Bestimmungen über die Zulässigkeit des Antrags. In Art. 10 ist festgeschrieben, dass das kurz gefasste Dossier des beantragenden Wirkstofferzeugers der Öffentlichkeit unverzüglich zugänglich gemacht werden soll. Nach Art.  11 soll der berichterstattende Mitgliedstaat einen Bewertungsbericht für den Wirkstoff erstellen, in welchem er feststellen soll, ob der Wirkstoff die Anforderungen des Art.  4 erfüllt. Diesen Bericht muss er der Behörde431 (EBLS432) übermitteln. Diese leitet den Bericht nach Art.  12 an den Antragsteller, die übrigen Mitgliedstaaten und die Kommission weiter und zieht ihre Schlussfolgerungen, welche an die Kommission weitergeleitet werden müssen. Abschließend muss die Kommission nach Art. 13 innerhalb von sechs Monaten nach Eingang dieser Schlussfolgerungen einen Überprüfungsbericht vorlegen, aufgrund dessen eine Verordnung erlassen wird, mit der der Wirkstoff entweder nach Art. 13 Nr. 2 a vorbehaltlich der in Art. 6 genannten Bedingungen und Einschränkungen zugelassen oder der Wirkstoff nicht zugelassen wird oder die Bedingungen für die Zulassung geändert werden.

430 Kritik an dieser Abkehr vom „wissenschaftlichen Ansatz der Risikobetrachtung“ übt Kaus, StoffR 2009, S. 186. 431 Vgl. hierzu KOM (2009) 1107 endg., Erwgr. 12. 432 Zum Auftrag und den Aufgaben der EBLS auch Fuchs, Lebensmittelsicherheit in der Mehrebenenverwaltung der Europäischen Gemeinschaft, 2004, S.  98 f.; Holland/Pope, EU Food Law and Policy, 2004, S. 24 ff.

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Unterabschnitt 3 Unterabschnitt 3 enthält in den Art. 14 bis 21 Vorgaben über die Erneuerung und Überprüfung der Zulassung eines Wirkstoffs. Art. 13 normiert die grundsätzliche Möglichkeit der Erneuerung der Genehmigung eines Wirkstoffs auf Antrag hin und bestimmt die mögliche Geltungsdauer einer solchen Genehmigung. Art.  14 normiert die Voraussetzungen für die Erneuerung der Genehmigung. Art.  15 enthält die genauen Vorgaben für eine solche Antragstellung. Art.  16 ist wiederum die Vorschrift, die diesen Antrag insofern transparent macht, als die nach Art. 15 vorzulegenden Informationen umgehend durch die Behörde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen. Art.  17 beinhaltet Regelungen über eine etwaige Ausweitung des Genehmigungszeitraums um die Dauer des Verfahrens. Nach Art.  18 kann die Kommission ein Arbeitsprogramm erstellen, in dem sie ähnliche Wirkstoffe zusammenfasst; außerdem sind in dieser Norm die genauen Vorgaben für ein solches Arbeitsprogramm aufgelistet. Art. 19 bestimmt, dass eine Durchführungsverordnung für das Erneuerungsverfahren erlassen werden kann. Art. 20 enthält Regelungen über eine so genannte Erneuerungsverordnung. Art. 21 normiert ein jederzeitiges Überprüfungsrecht der Kommission hinsichtlich der Genehmigung eines Wirkstoffs. Unterabschnitt 4 Unterabschnitt 4 des Kapitels II umfasst die Art. 22 bis 24 und beinhaltet die Ausnahmen vom Genehmigungsverfahren.433 Nach Art. 22 gelten für Wirkstoffe mit geringem Risiko Ausnahmen. Gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 2 werden Grundstoffe zeitlich unbegrenzt genehmigt. Außerdem sind in Art. 23 die Begriffsbestimmungen von Grundstoffen434 und das genaue Verfahren normiert. Art. 24 enthält Regelungen über Substitutionskandidaten.435

433

Kaus, StoffR 2009, S. 189 bezweifelt, ob es der Schaffung der verschiedenen Zulassungskriterien bedarf, da er davon ausgeht, dass Wirkstoffe und Pflanzenschutzmittel, die zugelassen sind, auch schon nach den heutigen Zulassungsregelungen bei bestimmungsgemäßer Anwendung sicher sind. 434 Nach Art. 23 Abs. 1 UAbs. 2 PflSchVO ist ein Grundstoff ein Wirkstoff, der a) kein bedenklicher Stoff ist und b)  keine Störungen des Hormonsystems und keine neurotoxischen oder immuntoxischen Wirkungen auslösen kann und c) nicht in erster Linie für den Pflanzenschutz verwendet wird, aber dennoch für den Pflanzenschutz von Nutzen ist, entweder direkt oder in einem Produkt, das aus dem Stoff und einem einfachen Verdünnungsmittel besteht, und d)  nicht als Pflanzenschutzmittel vermarktet wird. Für die Zwecke dieser Verordnung gilt ein Wirkstoff, der die Kriterien eines Lebensmittels im Sinne von Art. 2 ­BasisVO erfüllt, als Grundstoff. 435 Vgl. hierzu Kaus, StoffR 2009, S. 188 f., der die Möglichkeit der Substitution durchaus kritisch betrachtet.

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Teil 2: Referenzgebiete

(bb) Abschnitt 2: Safener und Synergisten Abschnitt 2 des Kapitels II widmet sich den Safenern und Synergisten und besteht nur aus Art.  25 und Art.  26. Art.  25 normiert hierbei, dass ein Safener436 oder Synergist437 nur genehmigt wird, wenn er die Anforderungen des Art. 4 erfüllt. Außerdem finden die Art. 5 bis 21 Anwendung auf Safener und Synergisten. Art. 26 normiert Regelungen bezüglich sich bereits auf dem Markt befindlicher Safener und Synergisten. (cc) Abschnitt 3: Unzulässige Beistoffe Abschnitt 3 des Kapitels II besteht nur aus Art. 27. Dieser normiert in Abs. 1 die Voraussetzungen, unter denen ein Beistoff nicht zur Verwendung in einem Pflanzenschutzmittel zugelassen wird. Solche nicht zuzulassenden Beistoffe werden nach Art. 27 Abs. 2 in Anhang III aufgenommen. Art. 27 Abs. 3 normiert ein Überprüfungsrecht der Kommission. (b) Verordnungscharakter des Kapitels II/ Übereinstimmung mit der Richtlinie Weiter sind nun der Verordnungscharakter des Kapitels II und dessen Überschneidungen mit der PflSchRL zu überprüfen. (aa) Abschnitt 1: Wirkstoffe Unterabschnitt 1 Zunächst sollen der Verordnungscharakter der Regelungen der PflSchVO und ihre Entsprechungen innerhalb der PflSchRL im ersten Unterabschnitt überprüft werden. Art.  4 bis 6 der PflSchVO über die Zulassungskriterien für Wirkstoffe sind die nunmehr detaillierter ausgestalteten Regelungen des bisherigen Art.  5 der 436 Safener schützen selektiv die Kulturpflanzen gegen eine schädigende Wirkung des applizierten Herbizids, ohne dadurch die gewünschte herbizide Wirkungsweise gegen Schadunkräuter zu vermindern, hierzu und zur Wirkung und den Arten von Safenern Seitz/Hoffmann/Kräh­ mer, Herbizide für die Landwirtschaft, Chem. Unserer Zeit, 2003, 37, S. 124. 437 Synergisten sind Stoffe, die selbst keine insektizide Wirkung besitzen, die aber in Verbindung mit anderen Insektiziden deren Aktivität verstärken bzw. ihre Wirkungsdauer verlängern, vgl. hierzu Hörath, Giftige Pflanzenschutzmittel, 3. Aufl. 1976, S. 45; hierzu auch Fröhlich, Phytopathologie und Pflanzenschutz, 1979, Synergismus.

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PflSchRL.438 Bezüglich der Erstzulassung entspricht Art. 5 Abs. 1 der PflSchRL439 Art.  5 der PflSchVO auch inhaltlich, bei welchem eine Dauer von höchstens zehn Jahren festgelegt ist. Bezüglich der Zulassungskriterien für einen Wirkstoff entsprechen dem ausführlichen Art. 4 der PflSchVO die insofern „gröberen“ Art.  5 Abs.  1 und Abs.  2 der PflSchRL. Art.  4 PflSchVO enthält jedoch strengere Vorgaben für die Wirkstoffzulassung als die PflSchRL440. Eventuelle Bedingungen über die Zulassung eines Wirkstoffs sind entsprechend zu Art. 6 der PflSchVO aber wiederum weniger detailliert in Art. 5 Abs. 4 der PflSchRL zu finden. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Regelungen innerhalb der PflSchVO über die Zulassung eines Wirkstoffs auf Gemeinschaftsebene detaillierter ausgestaltet sind als dies noch bei der PflSchRL der Fall war. Dies kann auf ein geändertes Bedürfnis hinsichtlich der Rechtsform hindeuten, ist jedoch nicht zwingend Schlussfolgerung dieser Detaillierung. Hierfür müssten sich nämlich noch weitere Regelungen als eindeutig detaillierter und regelungsdichter erweisen als in der PflSchRL und noch andere Gründe für ein Bedürfnis des Wandels der Rechtsform von der Richtlinie zur Verordnung vorhanden sein. Unterabschnitt 2 Art. 7 der PflSchVO, der die Antragspflicht bei einem Mitgliedstaat eines Wirkstoffherstellers auf Genehmigung des Wirkstoffs normiert, findet keine direkte Entsprechung in der Richtlinie, jedoch normiert Art.  6 Abs.  2 der PflSchRL441, dass ein entsprechender Antrag bei einem Mitgliedstaat eingehen muss. Eine Entsprechung zu Art. 8 der PflSchVO, der den inhaltlichen Umfang des bei Antragstellung vom Hersteller mit einzureichenden Dossiers umfasst, lässt sich so in der PflSchRL nicht finden. Jedoch soll der Antragsteller nach Art. 6 Abs. 2 der PflSchRL den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission Unterlagen übermitteln, von denen anzunehmen ist, dass sie den Anforderungen der Anhänge II 438

Zum Regelungsumfang der pflanzenschutzrechtlichen Zulassungsbestimmungen nach der PflSchRL Schwarz, Die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, 2001, S. 114 ff. 439 Zu Art. 5 der PflSchRL vgl. auch Pache, in: Koch (Hrsg.), Umweltrecht, 2. Aufl. 2007, § 12, Rn. 125; Pache, in: Fluck/Fischer/Hahn (Hrsg.), REACH und Stoffrecht Kommentar, Einführung Pflanzenschutzrecht, 2008, Rn.  16; Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62, Rn. 17. 440 Nach der PflSchRL war Zulassungsvoraussetzung für einen Wirkstoff auf Gemeinschaftsebene, „dass seine Anwendung und die bei ordnungsgem.er Anwendung entstehenden Rückstände keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen und Tieren – bei Rückständen auch auf das Grundwasser  – und keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben“ vgl. hierzu Pache, in: Fluck/Fischer/Hahn (Hrsg.), REACH und Stoffrecht Kommentar, Einführung Pflanzenschutzrecht, 2008, Rn. 16. 441 Zu Art. 6 PflSchRL Pache, in: Fluck/Fischer/Hahn (Hrsg.), REACH und Stoffrecht Kommentar, Einführung Pflanzenschutzrecht, 2008, Rn. 18 ff.

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und  III442 genügen. Teilweise finden sich in der Richtlinie auch entsprechende Vorschriften zu Art. 9 der PflSchVO. Art. 9 der PflSchVO bringt jedoch insofern Änderungen mit sich, als nach der Neuregelung des Art. 9 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 der Mitgliedstaat nun bereits innerhalb von 45 Tagen überprüft, ob die eingereichten Dossiers den Anforderungen des Art. 8 entsprechen und die Vorlage fehlender Elemente innerhalb einer Frist von drei Monaten (Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 PflSchVO) festlegen kann. Nach Art.  6 Abs.  3 der PflSchRL wird erst nach Befassung des Ausschusses für Pflanzenschutz mit dem Antrag vom Mitgliedstaat auf Antrag hin überprüft, ob die eingereichten Unterlagen den Anforderungen der Anhänge II und III entsprechen. Die Mitgliedstaaten tragen nur Sorge dafür, dass die Unterlagen übermittelt werden, von denen anzunehmen ist, dass sie den Anforderungen entsprechen. Dies geschieht frühestens drei und spätestens sechs Monate nach Befassung des Ausschusses mit dem Antrag. Nach Art. 9 Abs. 1 S. 2 der PflSchVO prüft der berichterstattende Mitgliedstaat die Anträge, die nach Art. 7 Abs. 3 der PflSchVO vom Antragsteller gestellt wurden, auf vertrauliche Behandlung. Entsprechend hierzu normiert Art. 14 Abs. 1 der PflSchRL, dass die Mitgliedstaaten und die Kommission dafür Sorge tragen, dass von den Antragstellern vorgelegte Informationen, die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse beinhalten, vertraulich behandelt werden, sofern der Antragsteller dies beantragt und die Begründung des Antrags die Kommission und den Mitgliedstaat überzeugt.443 Nach Art.  6 Abs.  2 der PflSchRL mussten die Mitgliedstaaten nach Eingang des Antrags auf Aufnahme eines Wirkstoffs unverzüglich444 dafür Sorge tragen, dass der Antragsteller die erforderlichen Unterlagen an die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten übermittelt, wohingegen nach Art. 9 Abs. 3 UAbs. 2 der PflSchVO der Antragsteller erst nach Erhalt der Mitteilung über die Zulässigkeit des Antrags vom berichterstattenden Mitgliedstaat die Dossiers übermittelt. Mithin informiert der berichterstattende Mitgliedstaat gemäß Art. 9 Abs. 3 UAbs. 1 PflSchVO, wenn das Dossier alle erforderlichen Angaben enthält, den Antragsteller, die Kommission, die anderen Mitgliedstaaten und die Behörde hiervon. Insgesamt lässt sich hinsichtlich des Art. 9 der PflSchVO klar erkennen, dass das Genehmigungsverfahren für Wirkstoffe sehr viel detaillierter in der Verordnung geregelt ist als dies in der PflSchRL noch der Fall war. Die einzelnen Verfahrensschritte werden den Mitgliedstaaten genau vorgeschrieben, während diese innerhalb der Richtlinie beispielsweise nur dafür „Sorge tragen“ müssen, dass etwas geschieht. Die Art und Weise war dabei ihnen überlassen. Diese detaillierte Rege-

442 Die Anhänge II und III legen detailliert fest, welche Untersuchungen, Tests und Versuche für die Zulassung eines Wirkstoffes oder eines Pflanzenschutzmittels in der EG durchzuführen sind. Hierzu auch Pache, in: Fluck/Fischer/Hahn (Hrsg.), REACH und Stoffrecht Kommentar, Einführung Pflanzenschutzrecht, 2008, Rn. 21. 443 Zu Art. 14 PflSchRL vgl. Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62, Rn. 23. 444 Für die PflSchRL typisch sind die ungenauen Fristvoraussetzungen.

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lung enthält mithin Elemente445, die möglicherweise auf einen Verordnungscharakter hindeuten können. Festzuhalten bleibt jedoch auch, dass bereits die PflSchRL in diesem Bereich über ein gewisses Maß an Detaillierung verfügt, welches für den grundsätzlich rahmensetzenden Gehalt von Richtlinien eher unüblich ist. Eine mit Art.  10 der PflSchVO vergleichbare Regelung, die den Zugang der Öffentlichkeit zur Kurzfassung des Dossiers enthält und mithin bereits im Zu­ lassungsverfahren für Transparenz sorgt, ist nicht in der Richtlinie enthalten. Allenfalls kann Art. 14 der PflSchRL insofern herangezogen werden, als in dieser Norm aufgelistet ist, was nicht der Vertraulichkeit unterfällt. Diese Regelung enthält jedoch die Verpflichtung der Behörde, die Informationen des kurz gefassten Dossiers der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, und normiert aufgrund der hinsichtlich einer Richtlinie fehlenden Adressatenstellung der Behörde als Ableger eines Gemeinschaftsorgans446 eine Norm mit Verordnungscharakter. Art.  11 der PflSchVO, der Regelungen über den Bewertungsbericht, der vom berichterstattenden Mitgliedstaat erstellt wird und an die Kommission und die Behörde weitergeleitet werden muss, enthält, ist nicht entsprechend in der Richtlinie vorhanden, da ein Bewertungsbericht erst durch die Verordnung eingeführt wurde. Gemäß Art. 11 Abs. 3 der PflSchVO kann ein Mitgliedstaat zusätzliche Informationen innerhalb einer zu bestimmenden Frist vom Antragsteller anfordern. Solche Informationen kann nach Art. 6 Abs. 4 der PflSchRL die Kommission anfordern. Auch Art. 11 PflSchVO ist eine sehr detaillierte Bestimmung, die den Mitgliedstaaten genau vorgibt, wie und innerhalb welcher Fristen sie vorgehen müssen. Art.  12 der PflSchVO normiert die Schlussfolgerungen der Behörde hinsichtlich des Bewertungsberichts und dessen Weiterleitung an den Antragsteller und die anderen Mitgliedstaaten. Auch diese Norm findet keine Entsprechung in der Richtlinie. In Art. 12 der PflSchVO sind mithin sehr detaillierte Vorgaben für die EBLS hinsichtlich ihres Vorgehens normiert. Solche Vorgaben können nicht in einer Richtlinie erlassen werden, da Adressaten von Richtlinien nur Mitgliedstaaten sein können. Mithin haben diese Regelungen Verordnungscharakter. Auch Art. 13 der PflSchVO, der Vorschriften über die Genehmigungsverordnung enthält, findet in der Richtlinie kein genaues Gegenstück. Jedoch kann nach Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 S. 2 PflSchRL der Antragsteller von der Kommission aufgefordert werden, eine Stellungnahme abzugeben, während er nach Art. 13 Abs. 1 UAbs. 2 PflSchVO die Gelegenheit zur Stellungnahme erhält. Nach Art.  13 Abs.  4 PflSchVO führt die Kommission eine Liste über die genehmigten Wirkstoffe, die der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird. Eine genaue Entsprechung hierzu findet sich nicht in der PflSchRL. Es wird aber in Art. 14 PflSchRL auf die Richtlinie 90/313/EWG über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt447 verwiesen. Art. 13 445

Zu diesen Eigenschaften Hill, Einführung in die Gesetzgebungslehre, 1982, S. 108. Hierzu auch Oppermann, Europarecht, 3. Aufl. 2005, § 6, Rn. 87 ff.; Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 249 EGV, Rn. 72. 447 Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt ABl. 1990, Nr. L 158. 446

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der PflSchVO normiert jedoch Vorgaben für die Kommission hinsichtlich der Vorlage eines Verordnungsentwurfs zur Genehmigung eines Wirkstoffs. Mithin enthält diese Norm wiederum teilweise Verordnungscharakter, da die Kommission auch nicht Adressat einer Richtlinie sein könnte. Art. 13 PflSchVO bringt gegenüber den in der Richtlinie diesbezüglich enthaltenen Regelungen mehr Trans­ parenz und eine detailliertere Verfahrensregelung. Insgesamt lässt sich festhalten, dass Unterabschnitt 2 des Kapitels II der PflSchVO viele sehr detaillierte Regelungen hinsichtlich des Verfahrens der Wirkstoffzulassung enthält. Insbesondere ist erkennbar, dass den Mitgliedstaaten im Gegensatz zur Richtlinie nur wenig eigener Handlungsspielraum hinsichtlich der einzuhaltenden Verfahren übrigbleibt.448 Dies wird auch an den genau angegebenen Fristen deutlich. Außerdem sind in diesem Unterabschnitt auch detaillierte Verfahrensvorgaben für die EBLS zu finden. Intention des Gemeinschaftsgesetzgebers hinsichtlich der Einsetzung der EBLS war nämlich insbesondere auch die Gewährleistung der Einheitlichkeit bei der Bewertung durch die Durchführung einer unabhängigen wissenschaftlichen Überprüfung.449 Solche Vorgaben können – im Gegensatz zu Hinweisen über einzelne Verfahrensabschnitte, an denen Gemeinschaftsorgane beteiligt sind450  – nicht in Form einer Richtlinie ergehen, da die Behörde als Agentur ein Ableger des Gemeinschaftsorgans Kommission451 ist und mithin nicht als Adressat für eine Richt­ linie in Frage kommt.452 Adressaten von Verordnungen können im Unterschied zur Richtlinie neben den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaftsbürgern auch die Gemeinschaftsorgane sein.453 Unterabschnitt 3 Die in Art. 14 PflSchVO normierte Möglichkeit der Erneuerung einer Genehmigung findet ihre Entsprechung in Art. 5 Abs. 5 der PflSchRL454. Während in der 448

Grams, Zur Gesetzgebung der Europäischen Union, 1998, S. 223. KOM (2009) 1107 endg., Erwgr. 12. 450 Beispielsweise zu finden in Art. 6 Abs. 2 PflSchRL. 451 Allgemein zur Organisationsstruktur von Agenturen vgl. Weller, Regulierungsagenturen der Europäischen Union: Rechtliche und integrationspolitische Gesichtspunkte, Speyerer Arbeitsheft Nr. 144, 2002, S. 20 ff.; Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, 1999, S. 220 ff.; zum Verwaltungsaufbau von Agenturen vgl. auch Koch, EuZW 2005, S. 455. 452 Zu den Adressaten einer Richtlinie siehe auch Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art.  249 EGV, Rn.  23; Oppermann, Europarecht, 3. Aufl. 2005, § 6, Rn. 87 ff.; Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 249 EGV, Rn. 72. 453 Vgl. Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 249 EGV, Rn. 19. 454 Zu Art. 5 der PflSchRL vgl. auch Pache, in: Koch (Hrsg.), Umweltrecht, 2. Aufl. 2007, § 12, Rn. 125; Pache, in: Fluck/Fischer/Hahn (Hrsg.), REACH und Stoffrecht Kommentar, Einführung Pflanzenschutzrecht, 2008, Rn.  16; Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62, Rn. 17. 449

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PflSchRL nur die Möglichkeit bestand, die Genehmigung jeweils für zehn Jahre zu verlängern, ist dieser Zeitraum mit der PflSchVO auf fünfzehn Jahre ausgedehnt worden.455 Die in Art. 15 PflSchVO normierte Drei-Jahres-Frist für den Antrag auf Verlängerung ist entsprechend bereits in Art. 5 Abs. 5 S. 2 der PflSchRL normiert. In dieser Vorschrift ist jedoch nur eine Zwei-Jahres-Frist vorgegeben, die auch nicht verpflichtend ist. Nach Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 PflSchRL gelten die Verfahrensregeln bezüglich der erstmaligen Aufnahme auch für die erneute Aufnahme des Wirkstoffs. Eine Art. 16 PflSchVO vergleichbare Regelung über den Zugang zu Informa­ tionen für die Erneuerung ist in der PflSchRL nicht zu finden. Diese Norm richtet sich jedoch wieder an die EBLS und enthält mithin Verordnungscharakter. Eine Art. 17 Abs. 1 PflSchVO, welcher das Hinausschieben des Ablaufes des Genehmigungszeitraumes um den Zeitraum, der für die Überprüfung erforderlich ist, regelt, entsprechende Vorschrift findet sich in Art. 5 Abs. 5 S. 2 PflSchRL. Dieser normiert, dass die Aufnahme des Wirkstoffs für den Zeitraum, der für die Überprüfung bzw. die Vorlage der Informationen benötigt wird, erneuert wird. Art. 18 und Art. 19 PflSchVO sind so nicht in der PflSchRL verankert. In beiden Normen geht es um ein von der Kommission zu erlassendes Arbeitsprogramm bzw. um Durchführungsmaßnahmen. Mithin enthalten diese Normen, da sie an die Kommission adressiert sind, Verordnungscharakter. Eine Art. 20 PflSchVO vergleichbare Vorschrift findet sich in Art. 6 Abs. 1 S. 2 PflSchRL456, der normiert, dass nach dem Verfahren des Art.  19 PflSchRL auch über die Änderungen und die Streichung eines Wirkstoffs entschieden wird. Im Gegensatz zu Art. 20 Abs. 1 PflSchVO, bei welchem der Erlass einer Verordnung über die Erneuerung bzw. Nicht-Erneuerung nach dem Verfahren des Art. 79 Abs. 3 PflSchVO zwingend vorgeschrieben ist, ist ein Verordnungserlass in der PflSchRL nicht zwingend vorgeschrieben. Eine entsprechend Art. 21 PflSchVO vorhandene Vorschrift über die Überprüfung der Genehmigung ist in Art. 5 Abs. 5 S. 1 2. Hs. PflSchRL zu sehen. Art. 21 PflSchVO regelt diesbezüglich jedoch viel detaillierter die Vorgehensweise der Kommission, was auch in einem direkten Vergleich von Art.  21 Abs.  2 PflSchVO und Art.  6 Abs. 4 UAbs. 2 PflSchRL zu erkennen ist. Insgesamt lässt sich auch zu diesem Unterabschnitt feststellen, dass die Verfahrensregelungen in der PflSchVO sehr viel detaillierter sind, als dies noch in der PflSchRL der Fall war. Die einzelnen Aufgaben werden den Mitgliedstaaten, der EBLS und der Kommission ganz genau zugewiesen. Aufgrund der häufigen Adressatenstellung der Lebensmittelbehörde und der Kommission können viele Vorschriften nicht in Form einer Richtlinie ergehen. Abweichungen von den vorgesehenen Verfahrensvorschriften sind kaum möglich. In der Richtlinie bestand demgegenüber viel größeres Ermessen auf Seiten der Mitgliedstaaten, viel 455

Im zweiten Verordnungsvorschlag war sogar von einem unbegrenzten Zeitraum die Rede. Hierzu auch Pache, in: Fluck/Fischer/Hahn (Hrsg.), REACH und Stoffrecht Kommentar, Einführung Pflanzenschutzrecht, 2008, Rn. 16. 456

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mals hatten sie nur „Sorge“ für die Einhaltung bestimmter Vorgänge „zu tragen“. Es lässt sich festhalten, dass Unterabschnitt 3 des Kapitels II überwiegend Verordnungscharakter besitzt. Unterabschnitt 4 Den Art. 22 und 23 PflSchVO entsprechende Ausnahmevorschriften sind so in der PflSchRL nicht vorhanden. Einzig Art. 8 Abs. 4 PflSchRL457 erlaubt Abweichungen von Art. 4 PflSchRL458 hinsichtlich des Inverkehrbringens eines Pflanzenschutzmittels für einen begrenzten Zeitraum bei Gefahr. Art. 23 PflSchVO enthält wiederum sehr detaillierte Vorgaben hinsichtlich des Verfahrensablaufs bei der Genehmigung von Grundstoffen, die teilweise an die EBLS und die Kommission gerichtet sind. Mithin enthalten auch diese Vorgaben Verordnungscharakter. (bb) Abschnitt 2: Safener und Synergisten Ein dem Abschnitt 2 des Kapitels II der Verordnung entsprechendes spezielles Kapitel über Safener und Synergisten ist in der Richtlinie nicht vorhanden. Für die Safener oder Synergisten normiert Art. 25 jedoch, dass solche nur genehmigt werden, wenn sie die Anforderungen des Art. 4 erfüllen. Außerdem finden die Art. 5 bis 21 Anwendung. Somit kann auf das hinsichtlich der Vorschriften des Abschnitt 1 des Kapitels II Gesagte verwiesen werden. Die diesbezüglichen Bestimmungen beinhalten größtenteils Regelungen mit Verordnungscharakter. Somit sind Vorschriften, die auf solche Regelungen verweisen, auch diesem Rechtsaktcharakter zuzuordnen. (cc) Abschnitt 3: Unzulässige Beistoffe Auch eine Art. 27 entsprechende Vorschrift ist in der Richtlinie nicht zu finden. (3) Kapitel III: Pflanzenschutzmittel Kapitel III enthält in seinen Art. 28 bis 57 allgemein Regelungen zu den Pflanzenschutzmitteln. 457 Insgesamt zu Art.  8 PflSchRL Pache, in: Fluck/Fischer/Hahn (Hrsg.), REACH und Stoffrecht Kommentar, Einführung Pflanzenschutzrecht, 2008, Rn. 25; Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62, Rn. 17 f. 458 Zu Art.  4 PflSchRL Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62, Rn. 17 f.; Kaus, DVBl. 2000, S. 528.

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(a) Inhalt des Kapitels III (aa) Abschnitt 1 Abschnitt 1 des Kapitels III enthält sechs Unterabschnitte unter dem Oberpunkt „Zulassung“: Unterabschnitt 1: Art. 28 bis 32 Unterabschnitt 1 enthält unter der Überschrift „Anforderungen und Inhalte“ die Art. 28 bis 32 der PflSchVO. Art. 28 ist die Regelung über die Zulassung zum Inverkehrbringen und zur Verwendung von Pflanzenschutzmitteln. Art.  28 Abs.  1 normiert, dass ein Pflanzenschutzmittel nur dann in Verkehr gebracht oder verwendet werden darf, wenn es in dem betreffenden Mitgliedstaat gemäß der vorliegenden Verordnung zugelassen wurde. Art. 28 Abs. 2 beinhaltet die Ausnahmen von dieser Zulassungspflicht. In Art.  29 werden die Anforderungen für die Zulassung zum Inverkehrbringen geregelt. Unter anderem wird ein Pflanzenschutzmittel hiernach nur zugelassen, wenn seine Wirkstoffe, Safener und Syner­gisten genehmigt sind (Abs.  1 a), bzw. gemäß Abs.  1  b wenn Äquivalenz zu bereits genehmigten Wirkstoffen, Safenern oder Synergisten besteht. Insgesamt müssen neun Anforderungen erfüllt sein, deren Erfüllung der Antragsteller nach Art. 29 Abs. 2 nachweisen muss. Nach Art. 29 Abs. 6 enthalten die Anforderungen des Anhangs VI der PflSchRL einheitliche Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, welche auch in Verordnungen festgelegt werden. Art. 30 normiert die Möglichkeit der vorläufigen Zulassung für einen Übergangszeitraum von höchstens drei Jahren, in welchem die Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, die einen noch nicht genehmigten Wirkstoff enthalten, zulassen können. Hierfür müssen die in Art. 30 Abs. 1 aufgelisteten Voraussetzungen erfüllt sein. Macht der Mitgliedstaat von einer solchen vorläufigen Zulassungsmöglichkeit Gebrauch, so hat er die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission hiervon gemäß Art. 30 Abs. 2 zu unterrichten. Art. 31 bestimmt den Inhalt der Zulassungen. Nach Abs. 1 wird in der Zulassung festgelegt, bei welchen Pflanzen oder Pflanzenerzeugnissen, in welchen nicht-landwirtschaftlichen Bereichen und für welche Zwecke das Pflanzenschutzmittel verwendet werden darf. Außerdem werden gemäß Art. 31 Abs. 2 in der Zulassung die Anforderungen für das Inverkehrbringen und die Verwendung des Pflanzenschutzmittels festgelegt. Art.  31 Abs.  3 normiert detailliert, was aus diesen Anforderungen hervorgehen muss: die Höchstdosis pro Hektar bei jeder Anwendung, der Zeitraum zwischen der letzten Anwendung und der Ernte und die Höchstzahl der Anwendungen pro Jahr. In Abs. 4 sind die Möglichkeiten der Einschränkungen etc. hinsichtlich der Anforderungen normiert. Art. 32 normiert, dass in der Zulassung die Zulassungsdauer festgelegt wird. Hiernach wird die Geltungsdauer der Zulassung für einen Zeitraum von höchstens einem Jahr nach Ablauf der Zulassung der in dem Pflan-

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zenschutzmittel enthaltenen Wirkstoffe, Safener und Synergisten festgelegt und danach für so lange, wie die in dem Pflanzenschutzmittel enthaltenen Wirkstoffe, Safener und Synergisten genehmigt sind. Unterabschnitt 2: Art. 33 bis 39 Unterabschnitt 3 normiert in den Art. 33 bis 39 Vorschriften über das Verfahren der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Art. 33 normiert die Anforderungen eines Antrags auf Zulassung oder Änderung einer Zulassung. Grundsätzlich muss ein Antragsteller, der ein Pflanzenschutzmittel in Verkehr bringen möchte, nach Art. 33 Abs. 1 selbst oder durch einen Vertreter eine Zulassung oder eine Änderung einer Zulassung in jedem einzelnen Mitgliedstaat, in dem das Pflanzenschutzmittel in Verkehr gebracht werden soll, beantragen. Abs. 2 enthält die inhaltlichen Anforderungen dieses Antrags.459 In Abs. 3 ist normiert, was dem Antrag beizufügen ist.460 Weiter kann der Antragsteller beantragen, dass gewisse Informationen vertraulich behandelt werden, Art. 33 Abs. 4. Außerdem muss er auf Ersuchen des Mitgliedstaates diesem eine Probe des Pflanzenschutzmittels zur Verfügung stellen, Art. 33 Abs. 6. Gemäß Art. 34 kann ein Antragsteller von der in Art. 33 Abs. 3 normierten Verpflichtung zur Vorlage von Versuchs- und Studienberichten befreit werden. Hierfür müssen sie jedoch die in Abs.  2 aufgelisteten Unterlagen vor­ legen. Nach Art. 35 Abs. 1 wird der Antrag von dem Mitgliedstaat geprüft, den 459

Nach Art. 33 Abs. 2 PflSchVO muss der Antrag umfassen: a) eine Liste der beabsichtigten Verwendungszwecke in den Zonen gem. Anhang I und den Mitgliedstaaten, in denen der Antragsteller einen Antrag gestellt hat oder zu stellen beabsichtigt; b) einen Vorschlag hinsichtlich des Mitgliedstaates, der nach Ansicht des Antragstellers den Antrag in der betreffenden Zone bewerten sollte. Im Fall eines Antrags auf Verwendung in Gewächshäusern oder die Behandlung nach der Ernte, die Behandlung leerer Lagerraume und die Behandlung von Saatgut wird nur ein Mitgliedstaat vorgeschlagen, der den Antrag unter Berücksichtigung aller Zonen bewertet. In diesem Fall übermittelt der Antragsteller die Kurzfassung des Dossiers oder das vollständige Dossier gem. Art. 8 PflSchVO auf Anfrage anderen Mitgliedstaaten; c) gegebenenfalls eine Kopie eventuell bereits erteilter Zulassungen für das Pflanzenschutzmittel in einem Mitgliedstaat; d) gegebenenfalls eine Kopie der Schlussfolgerung des Mitgliedstaates, der die Äquivalenz bewertet, gem. Art. 38 Abs. 2 PflSchVO. 460 Dem Antrag ist nach Art. 33 Abs. 4 PflSchVO Folgendes beizufügen: a) für das betreffende Pflanzenschutzmittel ein vollständiges Dossiers und eine Kurzfassung davon, die jeden Punkt der Datenanforderungen für das Pflanzenschutzmittel abdecken; b) für jeden Wirkstoff, Safener und Synergisten im Pflanzenschutzmittel ein vollständiges Dossier sowie eine Kurzfassung davon, die jeden Punkt der Datenanforderungen für den Wirkstoff, Safener und Synergisten abdecken; c) für jeden Versuch oder jede Studie, die Wirbeltiere betreffen, ein Nachweis der Maßnahmen zur Vermeidung von Tierversuchen und Doppelversuchen an Wirbeltieren; d) eine Begründung, warum die vorgelegten Versuchs- und Studienberichte für die Erstzulassung oder für Änderungen der Zulassungsbedingungen notwendig sind; e) gegebenenfalls eine Kopie des Rückstandshöchstgehalts-Antrags gem. Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 bzw. eine Begründung für die Nichtvorlage diesbezüglicher Informationen; f) falls für die Änderung einer Zulassung erforderlich ist, eine Bewertung aller nach Art. 8 Abs. 1 h vorgelegten Informationen; g) ein Etikettentwurf.

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der Antragsteller vorgeschlagen hat, außer wenn ein anderer Mitgliedstaat in derselben Zone461 sich bereit erklärt, die Prüfung vorzunehmen.462 Der prüfende Mitgliedstaat muss den Antragsteller hiervon unterrichten. Es gibt auch die Möglichkeit der Beteiligung der anderen Mitgliedstaaten derselben Zone, Art. 35 Abs. 3. Nach Art. 36 Abs. 1 UAbs. 1 nimmt der prüfende Mitgliedstaat eine unabhängige, objektive und transparente Bewertung vor. Alle Mitgliedstaaten der gleichen Zone sollen eine Stellungnahme abgeben können.463 Weiter muss er die in Art. 29 Abs. 6 genannten, einheitlichen Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln anwenden und seine Bewertung den anderen Mitgliedstaaten derselben Zone zur Verfügung stellen. Anschließend hieran gewähren oder verweigern die betreffenden Mitgliedstaaten die Zulassung auf der Grundlage dieser Bewertung, Art. 36 Abs. 2. Nach Abs. 3 können auch Bedingungen für die Zulassung festgelegt werden. Gemäß Art. 37 Abs. 1 UAbs. 1 muss der prüfende Mitgliedstaat innerhalb von zwölf Monaten nach Erhalt des Antrags über die Erfüllung der Voraussetzungen der Zulassung entscheiden. Eventuell kann er zusätzliche Informationen innerhalb einer bestimmten Frist anfordern. Die Frist wird nach Art. 37 Abs. 2 ausgesetzt, solange das Verfahren gemäß Art. 38 läuft. Wird die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels mit einem noch nicht zugelassenen Wirkstoff begehrt, so beginnt der prüfende Mitgliedstaat nach Art. 37 Abs. 3 mit der Bewertung, sobald er den Entwurf des Bewertungsberichts erhalten hat. Art. 38 enthält in fünf Absätzen detaillierte Vorgaben über die Bewertung der Äquivalenz nach Art. 29 Abs. 1 b für die Mitgliedstaaten. In Art. 39 sind Festlegungen über die Bericht­ erstattung und den Austausch von Informationen über Zulassungsanträge normiert. Es ist bestimmt, dass die Mitgliedstaaten zu jedem Antrag eine Akte anlegen müssen, und außerdem ist genau aufgelistet, was diese Akte enthalten soll. Unterabschnitt 3: Art. 40 bis 42 Unterabschnitt 3 des Kapitels III enthält Vorgaben zur gegenseitigen Anerkennung von Zulassungen.464 Art.  40 Abs.  1 listet hierbei die drei Fälle der gegenseitigen Anerkennung auf, in denen der Inhaber einer nach Art.  29 gewährten Zulassung, eine Zulassung für dasselbe Pflanzenschutzmittel, für dieselben Verwendungen und unter vergleichbaren landwirtschaftlichen Bedingungen in einem 461 Unter „Zone“ ist gem. der Begriffsdefinition in Art. 3 Nr. 17 PflSchVO eine Gruppe von Mitgliedstaaten gem. der Verwendung in Anhang I zu verstehen. Anhang I legt drei Zonen für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln fest. 462 Zu den Vor- und Nachteilen hinsichtlich einer zonalen Zulassung Rösch, Parallelimporte im Pflanzenschutzmittelrecht, 2007, S. 80 f.; hierzu auch BT-DrS. 16/9239, Nr. 3. Zur Kritik hinsichtlich der zonalen Einteilung Gärtner/Dressler, StoffR 2008, S. 194. 463 Einen Versuch einer Bewertung der zonalen Zulassung unternimmt Kaus, StoffR 2009, S. 185. 464 Zu den Neuerungen bei der gegenseitigen Anerkennung von Zulassungen Gärtner/Dress­ ler, StoffR 2008, S. 193 f.

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anderen Mitgliedstaat beantragen kann.465 Dies ist zum einen dann der Fall, wenn die Zulassung von einem Mitgliedstaat (Referenzmitgliedstaat) erteilt wird, der zur selben Zone466 gehört. Außerdem dann, wenn die Zulassung von einem Mitgliedstaat (Referenzmitgliedstaat) erteilt wird, der zu einer anderen Zone gehört, sofern die Zulassung, für die der Antrag gestellt wurde, nicht zum Zwecke der gegenseitigen Anerkennung in einem anderen Mitgliedstaat innerhalb der gleichen Zone verwendet wird. Schließlich kann gegenseitige Anerkennung beantragt werden, wenn die Zulassung von einem anderen Mitgliedstaat für die Verwendung in Gewächshäusern oder für die Behandlung nach der Ernte etc. – also in Ausnahmefällen – gewährt wurde. In Art. 41 Abs. 1 ist normiert, dass der Mitgliedstaat, bei dem ein solcher Antrag auf gegenseitige Anerkennung eingereicht wurde, nach Prüfung des Antrags für das betreffende Pflanzenschutzmittel eine Zulassung unter den gleichen Bedingungen erteilt wie der den Antrag prüfende Mitgliedstaat. Die möglichen Abweichungen hiervon sind in Abs. 2 geregelt. Art. 42 Abs. 1 listet auf, was dem Antrag hinzuzufügen ist. Außerdem gibt Art. 42 Abs. 2 dem prüfenden Mitgliedstaat eine Entscheidungsfrist von 120 Tagen vor.467 Unterabschnitt 4: Art. 43 bis 46 Unterabschnitt 4 enthält Regelungen über die Erneuerung, den Entzug und die Änderung von Zulassungen. Nach Art. 43 Abs. 1 wird die Zulassung auf Antrag erneuert, sofern die Anforderungen nach Art. 29 nach wie vor erfüllt sind. Den Umfang der Vorlagepflicht für eine solche Erneuerung regelt Art. 43 Abs. 2. In den folgenden Absätzen sind weitere Aufgaben der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Erneuerung der Zulassung normiert. Art.  44 enthält Vorgaben über den Entzug oder die Änderung einer Zulassung durch die Mitgliedstaaten. Die genauen Voraussetzungen für einen Entzug oder eine Änderung der Zulassung sind in Abs. 3 geregelt. Nach Art.  45 Abs.  1 kann eine Zulassung auch auf Antrag des Zulassungsinhabers entzogen oder geändert werden. Art.  46 enthält die Möglichkeit, dass eine Aufbrauchfrist für Beseitigung, Lagerung, Inverkehrbringen und Verbrauch der bereits bestehenden Lagerbestände eingeräumt werden kann, wenn ein Mitgliedstaat eine Zulassung aufhebt, ändert oder nicht verlängert. Abs. 2 enthält entsprechende Vorgaben für die Dauer der Aufbrauchfrist.

465

Hierzu auch Kaus, StoffR 2009, S. 18 f. Die Zoneneinteilung ist in Anhang I zu finden. 467 Kaus, StoffR 2009, S. 186 geht davon aus, dass diese neuen Regelungen die Antrag­steller nur dann für dieses Verfahren motivieren können, wenn in der Praxis diese Verfahrensdauer auch eingehalten wird. 466

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Unterabschnitt 5: Art. 47 bis 52 Unterabschnitt 5 des Kapitels III normiert in den Art. 47 bis 52 die Sonderfälle der Zulassungen. Art. 47 enthält genaue Vorgaben für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln mit geringem Risiko. Die Anforderungen an ein solches Pflanzenschutzmittel sind in Art. 47 Abs. 1 S. 2 aufgelistet. Die Einhaltung dieser Anforderungen muss der Antragsteller gemäß Abs. 2 S. 1 nachweisen. Für den Mitgliedstaat ist wiederum eine Entscheidungsfrist von 120 Tagen vorgegeben. Art. 48 normiert eine Regelung über das Inverkehrbringen und die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, die einen genetisch veränderten Organismus enthalten. Art. 49 enthält Vorgaben über das Inverkehrbringen von behandeltem Saatgut. Gemäß Art. 50 Abs. 1 S. 1 ist von den Mitgliedstaaten eine vergleichende Bewertung durchzuführen, wenn sie einen Antrag auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels prüfen, das einen Wirkstoff enthält, der als Substitutionskandidat zugelassen ist. Abs. 1 S. 2 listet auf, in welchen Fällen keine Zulassung für solche Pflanzenschutzmittel erteilt wird. Die weiteren Absätze normieren weitere Verpflichtungen der Mitgliedstaaten diesbezüglich. Art.  52 normiert detailliert in zehn Absätzen die mögliche Ausweitung des Geltungsbereichs von Zulassungen auf geringfügige Verwendungen. Art. 52 enthält nun die lange geforderte468 Regelung über den Parallelhandel.469 Nach Abs. 1 kann ein Pflanzenschutzmittel, das in einem Mitgliedstaat (Ursprungsmitgliedstaat) zugelassen ist, sofern eine Genehmigung für den Parallelhandel erteilt wurde, in einem anderen Mitgliedstaat eingeführt, in den Verkehr gebracht oder verwendet werden (Einfuhrmitgliedstaat), wenn dieser Mitgliedstaat feststellt, dass das Pflanzenschutzmittel in seiner Zusammensetzung mit einem Pflanzenschutzmittel identisch ist, das in seinem Gebiet bereits zugelassen ist (Referenzmittel).470 Abs. 2 beinhaltet die genauen Fristen, die die Mitgliedstaaten bei einer solchen Genehmigung einzuhalten haben. Abs. 3 erläutert, wann ein Pflanzenschutzmittel als identisch mit einem Referenzmittel gilt. Abs.  4 enthält den Umfang des Antrags auf Genehmigung für den Parallelhandel. Die weiteren Absätze enthalten spezifische Vorgaben für den Parallelhandel. Unterabschnitt 6: Art. 53 bis 54 Unterabschnitt 6 enthält Ausnahmeregelungen für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Art.  53 normiert hierbei Notfallsituationen beim Pflanzenschutz, wohingegen Art. 54 Ausnahmen für die Forschung und Entwicklung enthält. 468 Zur europarechtlichen Rechtslage hinsichtlich der Parallelimporte von Pflanzenschutzmitteln und deren Problematik Rösch, Parallelimporte im Pflanzenschutzmittelrecht, 2007, S. 8 ff. 469 Zum Parallelimport von Pflanzenschutzmitteln allgemein vgl. Rösch, Parallelimporte im Pflanzenschutzmittelrecht, 2007, S. 1 ff.; Siegel, NVwZ 2007, S. 906 ff. 470 Zum umstrittenen Merkmal der „Herstelleridentität“ vgl. Koof, Agrar- und Umweltrecht 2007, S. 395; Koof, Agrar- und Umweltrecht 2008, S. 54; Kaus, StoffR 2009, S. 190.

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Teil 2: Referenzgebiete

(bb) Abschnitt 2 Abschnitt 2 enthält in seinen Art. 55 bis 57 Regelungen über die Verwendung von und die Information über Pflanzenschutzmittel. Art.  55 normiert den Grundsatz, dass Pflanzenschutzmittel sachgemäß ver­ wendet werden müssen. In dieser Norm wird auf die Befolgung der Grundsätze der guten Pflanzenschutzpraxis und die Einhaltung der gemäß Art. 31 festgelegten und auf dem Etikett angegebenen Bedingungen hingewiesen. Außerdem wird auf die Richtlinie zur Schaffung eines Aktionsrahmens der Gemeinschaft für den nachhaltigen Einsatz von Pestiziden471 verwiesen, mit welcher die vorliegende Verordnung das „Pestizid-Paket“ bildet. In Art. 56 sind Vorgaben über die Angaben über potenziell schädliche oder unannehmbare Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln enthalten, die vom Zu­ lassungsinhaber an den zulassungserteilenden Mitgliedstaat übermittelt werden müssen. Diesbezüglich sind auch konkrete Bewertungs- und Mitteilungspflichten des Mitgliedstaates in diesem Artikel festgelegt. Art. 57 legt fest, dass die Mitgliedstaaten der Öffentlichkeit Informationen über die gemäß dieser Verordnung zugelassenen Pflanzenschutzmittel und aufgehobenen Zulassungen in elektro­ nischer Form zur Verfügung stellen. Die genauen Angaben dieser Informationen sind in Abs. 1 S. 2 aufgelistet. (b) Verordnungscharakter des Kapitels III/ Übereinstimmung mit der Richtlinie (aa) Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Art. 28 Abs. 1 PflSchVO entspricht in etwa Art. 3 Abs. 1 PflSchRL472, welcher auch ein grundsätzliches Zulassungserfordernis auf mitgliedstaatlicher Ebene normiert. Eine Art. 28 Abs. 2 PflSchVO entsprechende Vorschrift über die Entbehrlichkeit einer solchen Zulassung lässt sich in Art.  3 Abs.  1 PflSchRL473 finden.

471

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für den nachhaltigen Einsatz von Pestiziden, KOM (2006) 373 endg. 472 Zu Art. 3 PflSchRL vgl. Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62, Rn. 16; Siegel, Der Parallelimport von Pflanzenschutzmitteln im Lichte des Gemeinschaftsrechts – Aktuelle Entwicklungstendenzen in Rechtsprechung und Gesetzgebung, NVwZ 2007, S. 906. 473 Nach Art. 3 Abs. 1 der PflSchRL ist eine Zulassung dann entbehrlich, wenn der Anwendungszweck unter Art. 22 PflSchRL fällt.

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Die beiden zu vergleichenden Vorschriften sind ähnlich detailliert, womit Art. 28 PflSchVO kein abweichender Rechtsaktcharakter zugewiesen werden kann. Art. 29 Abs. 1 der PflSchVO entspricht insofern Art. 4 Abs. 1 PflSchRL474, als Pflanzenschutzmittel nur unter der Einhaltung bestimmter Anforderungen zugelassen werden dürfen. Art. 29 Abs. 1 a bis c PflSchVO entsprechen Art. 4 Abs. 1 a PflSchRL, wobei in der PflSchRL lediglich Bestimmungen über die den Pflanzenschutzmitteln zugrundeliegenden Wirkstoffe zu finden sind. Art. 29 Abs. 1 d PflSchVO findet keine Entsprechung in der PflSchRL. Art. 29 Abs. 1 e PflSchVO verweist auf die Anforderungen des Art. 4 Abs. 3 PflSchVO, die wiederum weitestgehend den Anforderungen des Art. 4 Abs. 1 b PflSchRL entsprechen. Die Anforderungen in Art.  4 PflSchVO sind jedoch strenger als die der PflSchRL und nehmen Bezug auf von der Behörde anerkannte wissenschaftliche Bewertungsmethoden. Somit werden der Behörde indirekt Aufgaben zugewiesen. Aufgrund dessen ist sie mitunter Adressatin dieser Norm, womit der Norm Verordnungscharakter zukommt. Art. 29 Abs. 1 f bis h PflSchVO entsprechen Art. 4 Abs. 1 c bis e PflSchRL. Eine vergleichbare Vorschrift zu Art. 29 Abs. 1 i PflSchVO über Rückstandshöchstgehalte, für deren Festsetzung auf die Verordnung (EG) Nr. 396/2005 verwiesen wird, findet sich in Art. 4 Abs. 1 f PflSchRL, welcher jedoch normiert, dass die vorläufigen Höchstwerte von den Mitgliedstaaten festgelegt werden. Art.  29 Abs.  2 PflSchVO, nach welchem der Antragsteller nachweisen muss, dass die Voraussetzungen für die Zulassung erfüllt sind, ist so in der PflSchRL nicht enthalten. Gemäß Art.  13 Abs.  1  a PflSchRL sind dem Antrag jedoch die Unterlagen beizufügen, die die Anforderungen des Anhangs III erfüllen. Art. 29 Abs. 3 PflSchVO entspricht Art. 4 Abs. 3 PflSchRL. Art. 29 Abs. 4 PflSchVO findet in etwa seine Entsprechung in Art. 4 Abs. 1 c PflSchRL, welcher jedoch neben der Harmonisierung auch die Anerkennung der Feststellungsmethode durch die für die Zulassung zuständige Behörde ausreichen lässt. Art. 29 Abs. 6 PflSchVO nimmt auf Anhang VI der PflSchRL Bezug. Im Hinblick auf Art.  29 PflSchVO, der die Anforderungen für die Zulassung zum Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels normiert, lässt sich fest­stellen, dass die meisten in dieser Norm enthaltenen Regelungen eine Entsprechung in der PflSchRL finden. Teilweise sind die Regelungsinhalte strenger ausgestaltet als in der PflSchRL. Ein eindeutiger Rechtsaktcharakter lässt sich der Norm jedoch nicht entnehmen. Art. 30 Abs. 1 PflSchVO findet sein Gegenstück in Art. 8 Abs. 1 PflSchRL475, nach welchem jedoch eine vorläufige Zulassung nur zur Erreichung des dort bestimmten Ziels möglich ist. Die in Art. 30 Abs. 1 a und d PflSchVO normierten 474

Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62, Rn. 18. 475 Hierzu Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62, Rn. 18.

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Teil 2: Referenzgebiete

Voraussetzungen sind so nicht in der PflSchRL vorhanden. Art. 30 Abs. 1 b und c PflSchVO sind so in Art. 8 Abs. 1 UAbs. 1 a und b PflSchRL normiert. Art. 30 Abs. 2 PflSchVO, der die Pflicht des berichterstattenden Mitgliedstaats zur Unterrichtung der anderen Mitgliedstaaten und der Kommission regelt, stimmt mit Art. 8 Abs. 1 UAbs. 2 PflSchRL überein. Die in Art. 30 Abs. 3 PflSchVO enthaltene Übergangsregelung findet keine Entsprechung in der PflSchRL. Lediglich Art. 8 Abs. 2 PflSchRL enthält eine Übergangsregelung – jedoch nur bezüglich der Zulassung von sich bereits im Handel befindlichen Pflanzenschutzmitteln. Die PflSchVO differenziert im Gegensatz zur PflSchRL nicht mehr zwischen Pflanzenschutzmitteln, die sich bereits im Handel befinden, und solchen, die noch nicht im Handel sind. Auch Art. 30 PflSchVO enthält insofern keine wesentlichen Abweichungen gegenüber der PflSchRL, die den Wechsel der Rechtsform rechtfertigen würden. Art. 31 PflSchVO enthält sehr detaillierte Angaben hinsichtlich des Inhalts der Zulassungen und der Anforderungen für das Inverkehrbringen. Solche Regelungen lassen sich in der PflSchRL nicht finden. Allenfalls ist Art. 4 Abs. 2 PflSchRL heran­zuziehen, der jedoch lediglich eine Präzisierung der Auflagen hinsichtlich des Inverkehrbringens und der Anwendung des Mittels verlangt. Somit lässt sich feststellen, dass Art.  31 PflSchVO deutlich detailliertere Regelungen enthält als dies in der PflSchRL zu dieser Thematik der Fall war. Daraus alleine rechtfertigt sich jedoch noch nicht ein geänderter Rechtsaktcharakter. Art. 32 PflSchVO findet seine Entsprechung in Art. 4 Abs. 4 Hs. 1 PflSchRL. Insgesamt kann aus der Untersuchung des Unterabschnitts 1 des Kapitels III geschlussfolgert werden, dass der Regelungsinhalt dieser Normen weitgehend bereits in der PflSchRL enthalten war und sich mithin aus diesem Kapitel kein Bedürfnis für die Änderung des Rechtsaktcharakters ergeben haben dürfte. Die Regelungen der PflSchRL sind insofern ebenso detailliert ausgestaltet wie die der PflSchVO. Es kann mithin festgehalten werden, dass bereits die PflSchRL im Hinblick auf die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln durchaus detaillierte Regelungen enthält und in diesem Bereich keinen Rahmencharakter besitzt, sondern vielmehr viele Verfahrensvorschriften bzw. prozedurale Bestimmungen den Richtlinieninhalt darstellen.476 Unterabschnitt 2 Art. 33 Abs. 1 PflSchVO über die Antragstellung für die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels entspricht Art.  9 Abs.  1 UAbs.  1 PflSchRL477. Genaue Vorgaben über den Inhalt des Antrags, wie sie in Art.  33 Abs.  2 PflSchVO enthalten 476

Vgl. hierzu Sydow, JZ 2009, 376 ff. Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62, Rn. 19. 477

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sind, sind in der PflSchRL nicht normiert. Eine Art. 33 Abs. 3 PflSchVO entsprechende Vorschrift über die dem Antrag beizufügenden Unterlagen findet sich in Art. 13 Abs. 1 PflSchRL. Hierbei entsprechen die Art. 33 Abs. 4 a und b PflSchVO dem Art. 13 Abs. 1 a und b PflSchRL. Die Vorgaben aus Art. 33 Abs. 1 c bis g  PflSchVO sind so nicht in der PflSchRL normiert. Auch eine Art.  33 Abs.  4 PflSchVO entsprechende Vorschrift über die Entscheidung über einen Antrag auf Vertraulichkeit existiert so nicht in der PflSchRL. Entsprechend hierzu kann allenfalls Art. 14 PflSchRL478 herangezogen werden, der eine Auflistung darüber enthält, was von der Vertraulichkeit ausgeschlossen ist. Die Abs. 5 und 6 des Art. 33 PflSchVO entsprechen Art. 9 Abs. 3 S. 1 und 2 PflSchRL. Auch Art. 33 PflSchVO enthält mithin ähnliche aber durchaus detailliertere Regelungen als die PflSchRL. Gemäß Art. 34 PflSchVO entfällt die Verpflichtung zur Vorlage von Studien, wenn dem Mitgliedstaat bereits die betreffenden Versuchs- und Studienberichte vor­ liegen. Demgegenüber normieren Art. 13 Abs. 1 und 2 PflSchRL nur, wann die Mitgliedstaaten zugunsten anderer Antragsteller nicht auf die Angaben nach Anhang II und III zurückgreifen können. Art. 34 PflSchVO ist mithin eine Art Neuregelung, die aber durch die Auflistung des Umfangs der vorzulegenden Informationen in Abs. 2 durchaus detailliert ist. Nach Art. 35 UAbs. 1 PflSchVO wird der Antrag von dem Mitgliedstaat geprüft, den der Antragsteller vorgeschlagen hat. Demgegenüber nimmt nach Art. 9 Abs. 4 PflSchRL jeder Mitgliedstaat alle Zulassungsanträge zur Bearbeitung entgegen und entscheidet soweit möglich auch darüber. Nach Art. 35 UAbs. 3 PflSchVO setzen die anderen Mitgliedstaaten derselben Zone, denen ein Antrag vorgelegt wurde, die Prüfung aus. Demgegenüber ist die Zulassung nach Art. 9 Abs. 1 PflSchRL479 bei jedem Mitgliedstaat zu beantragen, in dem das Mittel in Verkehr gebracht wird. Somit ist grundsätzlich jeder Mitgliedstaat zur Prüfung verpflichtet. Die Regelung des Art. 35 PflSchVO ist gegenüber der Regelung des Art. 9 PflSchRL nicht detaillierter, jedoch inhaltlich umgestaltet. Mithin kann nicht auf ein Bedürfnis der Änderung der Rechtsaktform aus dieser Norm geschlossen werden. Art. 36 Abs.  1 PflSchVO enthält teilweise Übereinstimmungen mit Art.  4 Abs. 1 a und b PflSchRL. In der PflSchRL sind jedoch nicht die Stellungnahmemöglichkeit der anderen Mitgliedstaaten und der Bewertungsbericht des prüfenden Mitgliedstaats normiert. Die PflSchRL enthält keine Art. 36 Abs. 2 PflSchVO entsprechende Regelung. Eine Art. 36 Abs. 3 UAbs. 1 PflSchVO ähnliche Vorschrift, nach welcher die anderen Mitgliedstaaten weitere Bedingungen festlegen können, ist in Art. 10 Abs. 1 UAbs. 2 und 3 PflSchRL480 zu finden, welche normiert, dass die Mitgliedstaaten bereits erteilte Zulassungen gegenseitig anerkennen müssen, 478 Vgl. hierzu Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62, Rn. 23. 479 Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62, Rn. 21. 480 Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62, Rn. 20.

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diese jedoch mit Auflagen und Anwendungsbeschränkungen versehen können. Nach Art. 36 Abs. 3 UAbs. 2 und 3 PflSchVO können die Mitgliedstaaten die Zulassung ganz verweigern; hierfür müssen sie die Kommission und den Antragsteller aber umgehend unterrichten. Auch die PflSchRL enthält in Art. 10 Abs. 2 und 3 die Möglichkeit der Verweigerung der Zulassung eines bereits zugelassenen Pflanzenschutzmittels. Eine Art. 36 Abs. 3 UAbs. 4 PflSchVO entsprechende Vorschrift ist in der PflSchRL nicht normiert. Art. 37 PflSchVO gibt den Mitgliedstaaten die genauen Fristen für die Prüfung des Antrags (12 Monate) und für das Nachfordern von Informationen (höchstens 6 Monate) vor. Nach Art. 9 Abs. 4 PflSchRL haben die Mitgliedstaaten über die Zulassung nur innerhalb einer angemessenen Frist zu entscheiden. Ihnen verbleibt also in der Richtlinie ein größerer Handlungsspielraum. Ein dem Art. 38 PflSchVO vergleichbares Verfahren über die Bewertung der Äquivalenz gemäß Art. 29 Abs. 1 b ist in der PflSchRL nicht normiert. Dieses Verfahren schreibt den Mitgliedstaaten in detaillierter Weise das Vorgehen in einem solchen Fall vor, insbesondere, wer welche Prüfung durchzuführen hat und wie die Rechtsfolgen auszusehen haben. Art. 39 PflSchVO entspricht in etwa Art. 9 Abs. 5 der PflSchRL. Lediglich für Art. 39 Abs. 1 d und Abs. 4 finden sich jeweils keine Entsprechungen. Unterabschnitt 2 des Kapitels III der PflSchVO enthält im Wesentlichen Regelungen, die so oder in abgeänderter Form bereits in der PflSchRL vorhanden waren. Diese Regelungen sind jedoch teilweise detaillierter ausgestaltet. Soweit dieser Unterabschnitt neue Regelungen gegenüber der PflSchRL enthält, so sind auch diese sehr detailliert und lassen den Mitgliedstaaten kaum Handlungsspielraum. Der Grad dieser Detaillierung rechtfertigt jedoch nicht automatisch die Änderung der Rechtsaktform. Vielmehr muss die Untersuchung dieses Unterabschnitts zusammen mit den anderen Regelungsabschnitten der PflSchVO und unter Berücksichtigung ihres Regelungscharakters betrachtet werden, um dann zu entscheiden, welche Rechtsaktform die erforderliche ist. Unterabschnitt 3 Für den, die Art. 40 bis 42 PflSchVO umfassenden Unterabschnitt 3 über die „Gegenseitige Anerkennung von Zulassungen“ finden sich in den Art. 10 und 11 PflSchRL481 unter demselben Titel entsprechende Regelungen. Art.  40 PflSchVO findet seine Entsprechung teilweise in Art.  10 PflSchRL. Art. 40 Abs. 1 PflSchVO, nach welchem der Zulassungsinhaber die Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat beantragen muss, ist in etwa in Art. 10 Abs. 1 S. 1 PflSchRL normiert, wobei in diesem keine genauere Qualifizierung der bereits erteilten Zulassung geregelt ist. In Art. 40 Abs. 1 a bis c PflSchVO wird festgelegt, 481 Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62, Rn. 20.

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wann ein solcher Antrag gestellt werden kann, mithin also was Voraussetzung für die Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat ist. Die Möglichkeit der Antrag­ stellung durch amtliche oder wissenschaftliche Stellen oder landwirtschaftliche Berufsorganisationen, wie sie in Art. 40 Abs. 2 PflSchVO vorgesehen ist, ist so nicht in der PflSchRL vorgesehen. Nach Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 PflSchRL können solche Stellen nur die Ausdehnung des Anwendungsbereichs eines bereits in dem betreffenden Mitgliedstaat zugelassenen Pflanzenschutzmittels beantragen. Voraussetzung für die Zulassung desselben Pflanzenschutzmittels in einem anderen Mitgliedstaat – also die gegenseitige Anerkennung – ist nach der PflSchVO nunmehr also, dass eine Zulassung in einer der in Art. 40 Abs. 1 a bis c genannten Formen bereits besteht, wohingegen nach der PflSchRL das Bestehen einer Zulassung und die Vergleichbarkeit der relevanten Bedingungen in den betreffenden Gebieten verlangt wird. Die in Art. 41 PflSchVO normierte Erteilung der Zulassung findet sich auch in Art. 10 PflSchRL. Sowohl nach Art. 41 Abs. 1 PflSchVO als auch nach Art. 10 Abs. 1 UAbs. 1 PflSchRL muss der Mitgliedstaat bei Vorliegen der Voraussetzungen die Zulassung erteilen. Nach Art. 41 Abs. 1 PflSchVO ist die Zulassung unter den gleichen Bedingungen zu erteilen, wie sie der den Antrag prüfende Mitgliedstaat festgelegt hat. Art. 10 Abs. 1 UAbs. 2 bis 3 PflSchRL sehen demgegenüber vor, dass die Zulassung mit Auflagen, Anwendungsbeschränkungen und/oder mit Einverständnis des Antragstellers mit Änderungen der Anwendungsbedingungen versehen werden kann. Voraussetzungen, unter denen ein Mitgliedstaat abweichend von Art. 41 Abs. 1 PflSchVO ein Pflanzenschutzmittel zulassen kann, wie sie in Art. 41 Abs. 2 PflSchVO normiert sind, sieht die PflSchRL nicht vor. Art. 42 Abs. 1 PflSchVO, der die Unterlagen, die dem Antrag beizufügen sind, bestimmt, findet sein Gegenstück in etwa in Art.  10 Abs.  1 UAbs.  1 S.  1 PflSchRL, nach welchem der Antragsteller die vergleichbaren Elemente nachweisen muss, wobei nicht genau geregelt ist, wie dies geschehen soll. Eine Art. 42 Abs. 2 PflSchVO entsprechende Frist ist in der PflSchRL nicht vorgesehen. Hier ist allein die Frist des Art. 9 Abs. 4 PflSchRL für Zulassungsanträge im Allgemeinen zu beachten. Art. 42 Abs. 3 PflSchVO entspricht Art. 9 Abs. 3 PflSchRL. Insgesamt lässt sich bezüglich der Regelungen über die gegenseitige Anerkennung feststellen, dass auch hier die Regelungen der PflSchVO etwas detaillierter ausgestaltet sind. Ansonsten sind keine Neuerungen ersichtlich.

Unterabschnitt 4 Nach Art. 43 Abs.  1 PflSchVO ist für die Erneuerung der Zulassung ein Antrag des Zulassungsinhabers erforderlich. Wenn die Anforderungen weiterhin erfüllt sind, wird die Zulassung erneuert. Die detaillierten Verfahrensvorschriften, die insbesondere auch die Mitgliedstaaten verpflichten, sind in den Absätzen  2 bis 5 normiert. Nach Art. 4 Abs. 4 S. 1 2. Hs. PflSchRL können die Zulassungen erneuert werden; genaue Vorgaben für eine solche Erneuerung sind jedoch nicht

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normiert. Ausdrücklich ist hierbei nur die Erforderlichkeit eines Antrags bezüglich einer Erneuerung um den Prüfungszeitraum erwähnt. Die PflSchVO normiert im Bereich der Erneuerung der Zulassung wiederum im Unterschied zur PflSchRL sehr detaillierte Verfahrensvorschriften, die die Mitgliedstaaten zu beachten haben und ihnen insofern jeglichen eigenen Handlungsspielraum, der noch bei der PflSchRL vorhanden war, nehmen. Art. 44 PflSchVO regelt den Entzug oder die Änderung einer Zulassung. Hiermit vergleichbar sind die Regelungen der Art. 4 Abs. 5 und Abs. 6 PflSchRL. Gemäß Art.  44 Abs.  1 PflSchVO kann eine Zulassung geändert und gemäß Art.  4 Abs. 5 S. 1 PflSchRL überprüft werden, wenn Anzeichen darauf hindeuten, dass die Zulassungsanforderungen nicht mehr erfüllt werden. Nach der PflSchVO muss der Mitgliedstaat nunmehr eine Überprüfung durchführen, wenn er zu dem Schluss gelangt, dass das Erreichen der Ziele nach Art. 4 Abs. 1 a und b sowie Art. 7 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2000/60/EG482 gefährdet sein könnte. Falls die Zulassungen überprüft werden, so regeln sowohl die PflSchVO in Art. 44 Abs. 2 als auch die PflSchRL in Art. 4 Abs. 5 S. 2 die Möglichkeit, zusätzliche Informa­ tionen vom Zulassungsinhaber zu verlangen. Die PflSchVO schreibt darüber hinaus den Mitgliedstaaten vor, dass sie bei einer geplanten Änderung oder Entziehung den Zulassungsinhaber unterrichten müssen und diesem die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt werden muss. Die in Art.  44 Abs.  3 PflSchVO normierten Regelungen, wann eine Zulassung entzogen oder geändert werden muss, entsprechen in etwa Art. 4 Abs. 6 S. 1 PflSchRL. Neu geregelt sind nun die Fälle, dass dies zu geschehen hat, wenn eine in der Zulassung enthaltene Bedingung nicht erfüllt wurde (lit. c)  oder der Zulassungsinhaber seine Verpflichtungen aufgrund dieser Verordnung nicht erfüllt (lit. e). Das Verfahren bei einer Änderung oder Entziehung ist wiederum in der PflSchVO in Art. 44 Abs. 4 ausführlicher geregelt als in der PflSchRL. So müssen die Mitgliedstaaten den Zulassungsinhaber, die anderen Mitgliedstaaten, die Kommission und die EBLS unverzüglich unterrichten. Ebenso müssen – mit Ausnahmen – die anderen Mitgliedstaaten derselben Zone die Zulassung auch entziehen oder ändern. Nach Art. 4 Abs. 6 UAbs. 3 PflSchRL muss nur bei der Rücknahme der Zulassung der Zulassungsinhaber unverzüglich unterrichtet werden. Eine Unterrichtungspflicht der übrigen Beteiligten besteht nur am Ende eines Quartals nach Art. 12 Abs. 1 PflSchRL. Art. 45 PflSchVO über den Entzug oder die Änderung einer Zulassung auf Antrag eines Zulassungsinhabers entspricht Art. 4 Abs. 6 UAbs. 2 PflSchRL. Regelungen über die Aufbrauchfrist finden sich in Art. 46 PflSchVO und Art. 4 Abs. 6 UAbs. 3 S. 3 PflSchRL. Sie unterscheiden sich insofern, als die PflSchVO eine genaue Obergrenze für die Frist festlegt. 482 Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik ABl. 2000, Nr. L 327, S. 1–73.

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Auch in diesem Unterabschnitt wird deutlich, dass sich die Vorschriften der PflSchVO und der PflSchRL grundsätzlich ähneln, die Ausgestaltung der PflSchVO jedoch an vielen Stellen, insbesondere hinsichtlich der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten, wesentlich detaillierter ist. Unterabschnitt 5 Für Unterabschnitt 5, der in den Art.  47 bis 52 PflSchVO Regelungen über Sonder­fälle enthält, finden sich nur wenige Entsprechungen in der PflSchRL. Weder ist dort das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln mit geringem Risiko (Art. 47) noch von Pflanzenschutzmitteln, die einen genetisch veränderten Organismus (Art.  48), noch von behandeltem Saatgut (Art.  49) enthalten. Auch eine Vorschrift über die vergleichende Bewertung von Pflanzenschutzmitteln, die Substitutionskandidaten enthalten, ist nicht zu finden. Die PflSchVO regelt insofern umfassender und genauer als dies noch bei der PflSchRL der Fall war und enthält insbesondere weitere Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten. Art.  51 PflSchVO über die Ausweitung des Geltungsbereichs von Zulassungen auf geringfügige Verwendungen findet jedoch in etwa eine Entsprechung in Art. 9 PflSchRL. So nennen sowohl Art. 51 Abs. 1 PflSchVO als auch Art. 9 Abs. 4 UAbs.  2 PflSchRL483 den Personenkreis, der eine solche Ausweitung beantragen darf. In der PflSchRL ist der Zulassungsinhaber jedoch nicht mit aufgeführt. Art. 51 Abs. 2 PflSchVO über die Voraussetzungen für die Ausweitung des Geltungsbereichs entspricht Art. 9 Abs. 1 UAbs. 3 PflSchRL, wobei dieser hinsichtlich der vorzulegenden Unterlagen nicht so präzise wie die entsprechende Norm der PflSchVO ist. Die Abs. 3 und 4 des Art. 51 PflSchVO finden in der PflSchRL keine Entsprechung. Sie normieren die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten, Maßnahmen bezüglich der Einreichung von Anträgen auf Ausweitung des Geltungsbereichs zu treffen und überlassen diesen auch die Form dieser Ausweitung entsprechend ihres Verwaltungsverfahrens. Diese beiden Absätze konkretisieren also, was bereits bei Anwendung der PflSchRL möglich war. Dies geschieht jedoch nur mittels einfacher Vorgaben, die entsprechend von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden können und ihnen somit einen Handlungsspielraum eröffnen. Diese beiden Normierungen sind mithin untypisch für die PflSchVO, da sie eher Richt­ liniencharakter haben. Art. 51 Abs. 5 PflSchVO findet seine weniger detaillierte Entsprechung in Art.  9 Abs.  1 UAbs.  3 4.  Spiegelstrich, wobei die Aufnahme eines Haftungshinweises, wie in Art. 51 Abs. 5 UAbs. 3 PflSchVO normiert, in der PflSchRL nicht vorgesehen ist. Ebenso ist die gesonderte Hinweis- und Kennzeichnungspflicht, die Art.  51 Abs.  6 PflSchVO regelt, nicht in der PflSchRL vorgesehen. Die in Art. 51 Abs. 7 PflSchVO vorgesehene Möglichkeit, Ausdeh 483 Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62, Rn. 19.

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nungen des Anwendungsbereichs auch im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung zuzulassen, sieht die PflSchRL nicht vor. Art. 51 Abs. 8 PflSchVO enthält die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Listen über geringfügige Verwendungen aufzustellen, wohingegen die PflSchRL in Art.  12 Abs.  2 nur vorsieht, dass die Mitgliedstaaten allgemein jährlich eine Liste über in ihrem Gebiet zugelassene Pflanzenschutzmittel erstellen sollen. Eine dem Art. 52 PflSchVO entsprechende Vorschrift über den Parallelhandel mit Pflanzenschutzmitteln ist demgegenüber in der PflSchRL nicht zu finden.484 Unterabschnitt 5 über Sonderfälle enthält mithin viele Regelungen, die in dieser Weise nicht in der PflSchRL enthalten waren. Da diese Fälle jedoch auch zur Zeit der Anwendung der PflSchRL vorhanden waren, haben bei Vorliegen solcher Konstellationen die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Handlungsmöglichkeit ihre eigene Vorgehensweise bestimmen können. Dieser Handlungsspielraum hat zu unterschiedlichen Behandlungen gleicher Sachverhalte in den verschiedenen Mitgliedstaaten geführt. Um diesen Missständen zu begegnen, sind nunmehr in der PflSchVO die Sonderfälle einheitlich geregelt worden und ist den Mitgliedstaaten nur in bestimmten Bereichen noch ein eigener Handlungsspielraum überlassen. Somit ist auch hier davon auszugehen, dass Unterabschnitt 5 weitestgehend Verordnungscharakter besitzt. Unterabschnitt 6 Für Art. 53 PflSchVO über Notfallsituationen beim Pflanzenschutz finden sich entsprechende Regelungen in Art. 8 PflSchRL. Art. 53 Abs. 1 UAbs. 1 PflSchVO entspricht dabei Art. 8 Abs. 4 PflSchRL. Die in Art. 53 Abs. 1 UAbs. 2 PflSchVO normierte Unterrichtungspflicht findet sich so auch in Art. 8 Abs. 4 S. 2 PflSchRL geht jedoch darüber hinaus und normiert eine Pflicht zur Vorlage detaillierter Informationen. Eine Beteiligung der EBLS, wie sie Art. 53 Abs. 2 PflSchVO normiert, ist in der PflSchRL nicht vorgesehen. Nach Art. 53 Abs. 3 PflSchVO wird einen Entscheidung über die Maßnahme nur gegebenenfalls erlassen, wohingegen nach Art. 8 Abs. 4 S. 3 PflSchRL eine solche Entscheidung unverzüglich ergehen muss. Die PflSchRL enthält jedoch nicht wie Art. 53 Abs. 4 PflSchVO eine Regelung über genetisch veränderte Organismen. Art. 54 PflSchVO entspricht  – mit einzelnen geringfügigen Abweichungen  – weitgehend Art. 22 PflSchRL485. Der Unterabschnitt 6 des Kapitels III enthält mithin keine Vorgaben mit ein­ deutig zuzuweisendem Rechtsaktcharakter. 484

Zu dem Bedarf einer solchen Regelung siehe Rösch, Parallelimporte im Pflanzenschutzmittelrecht, 2007, S. 11 ff. 485 Zu Art. 22 PflSchRL Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62, Rn. 29.

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(bb) Abschnitt 2 Nach Art.  55 PflSchVO müssen Pflanzenschutzmittel sachgemäß verwendet werden, wohingegen in der PflSchRL in Art. 3 Abs. 3 noch vorgesehen war, dass die Mitgliedstaaten vorschreiben sollten, dass Pflanzenschutzmittel sachgemäß angewendet werden müssen. Eine in der PflSchRL noch umzusetzende Vorgabe wird nun in der PflSchVO in einen Grundsatz der Pflanzenschutzmittelpraxis umgewandelt. Eine in Art. 56 Abs. 1 PflSchVO normierte Verpflichtung des Zulassungsinhabers, Angaben über potentiell schädliche oder unannehmbare Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln zu machen, findet sich auch in deutlich weniger detaillierter Form in Art. 7 PflSchRL. Die Vorgaben der Abs. 2 bis 4 des Art. 56 PflSchVO über den Umfang der Meldepflicht, die Bewertungs- und Unterrichtungspflicht des Mitgliedstaats und die jährliche Berichterstattungspflicht finden in der PflSchRL keine Entsprechung. Die in Art. 57 PflSchVO vorgesehene Verpflichtung zur Aufbewahrung von Informationen, nach der die Mitgliedstaaten der Öffentlichkeit alle Informationen über die Zulassungen zur Verfügung stellen, ist so nicht in der PflSchRL enthalten. In Art. 12 PflSchRL ist nur ein Informationsaustausch zwischen den Mitglied­ staaten und der Kommission vorgesehen. Auch Abschnitt 2 des Kapitels III der PflSchVO enthält mithin gegenüber der PflSchRL detailliertere Vorgaben und Regelungen, die so noch nicht vorhanden waren. (4) Kapitel IV: Hilfsstoffe (a) Inhalt des Kapitels IV Kapitel IV besteht nur aus Art. 58, der eine Regelung über das Inverkehr­bringen und die Verwendung von Hilfsstoffen enthält, welche hiernach nur in Verkehr gebracht oder verwendet werden, wenn sie in dem betreffenden Mitgliedstaat in Übereinstimmung mit der Verordnung gemäß Abs. 2 zugelassen wurden. (b) Verordnungscharakter des Kapitels IV/ Übereinstimmung mit der Richtlinie Die PflSchRL enthält keine besondere Regelung über Hilfsstoffe. Auch insofern ist die PflSchVO mithin detailgetreuer, wobei nichts über den Rechtsaktcharakter dieser Vorschrift festzustellen ist. Diese hätte sowohl in einer Richtlinie als auch in einer Verordnung ergehen können.

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(5) Kapitel V: Datenschutz und gemeinsame Datennutzung (a) Inhalt des Kapitels V Kapitel V besteht aus den Art. 59 bis 62 und enthält Regelungen über den „Datenschutz und die gemeinsame Datennutzung“.486 Art.  59 Abs.  1 S.  1 beinhaltet hierbei den Grundsatz, dass Versuchs- und Studienberichte dem Datenschutz nach Maßgabe dieses Artikels unterliegen. Weiter ist genau aufgelistet, für welche Versuchs- und Studienberichte dieser Schutz gilt (Abs. 1) und für welche er entfällt (Abs. 2). Art. 59 Abs. 3 PflSchVO regelt, was der Erstantragsteller zur Erreichung dieses Schutzes unternehmen muss. Art. 60 Abs. 1 PflSchVO gibt vor, dass der berichterstattende Mitgliedstaat für jeden Wirkstoff, Safener und Synergisten sowie Hilfsstoff eine Liste für die Erstzulassung erstellt und diese den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission zur Verfügung stellt. Abs. 2 normiert die Arten von Listen, die die Mitgliedstaaten für jedes zugelassene Pflanzenschutzmittel führen müssen. Art.  61 umfasst Regelungen zur Vermeidung von Doppelversuchen. In Art. 62 sind sehr detaillierte Vorgaben hinsichtlich der Weitergabe von Versuchen und Studien mit Wirbeltieren normiert. (b) Verordnungscharakter des Kapitels V/ Übereinstimmung mit der Richtlinie Eine Art.  59 PflSchVO über den Datenschutz entsprechende ähnlich detaillierte Vorschrift ist in Art.  13 Abs.  3 und 4 PflSchRL zu sehen, die aber nicht den Begriff des Datenschutzes verwendet. Nach der PflSchRL war jedoch noch nicht  – wie in Art.  60 PflSchVO  – vorgesehen, dass der berichterstattende Mitgliedstaat eine Liste der Versuchs- und Studienberichte erstellen und führen muss. Mit einigen geringfügigen Abweichungen sind die in Art. 61 PflSchVO normierten allgemeinen Regeln zur Vermeidung von Doppelversuchen in Art. 13 Abs. 7 PflSchRL auch normiert. Die vorrangig dem Tierschutz dienende Regelung des Art.  62 PflSchVO über die Weitergabe von Versuchen und Studien mit Wirbeltieren ist so in der Richtlinie nicht zu finden. In dieser wird in Art. 13 Abs. 7 nur davon gesprochen, dass Mehrfachtests an Wirbeltieren vermieden werden sollen. Genauere Bestimmungen, wann solche Versuche ein erstes Mal in zulässiger Weise durchgeführt und von den Mitgliedstaaten akzeptiert werden dürfen, sind jedoch nicht zu finden. Nach Art. 62 Abs. 1 PflSchVO sind solche Versuche letztes Mittel und ihre Wiederholung soll vermieden werden. Auch die anderen Absätze dienen der Vermeidung von wiederholten Versuchen und mithin dem Tierschutz. Abs. 5 enthält die Verpflichtung der Kommission, einen Bericht über die

486

Zum Verwertungs- und Datenschutz vgl. auch Kaus, StoffR 2009, S. 189 f.

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Auswirkungen der PflSchVO im Zusammenhang mit dem Datenschutz bei Versuchen und Studien mit Wirbeltieren vorzulegen. Hinsichtlich des Rechtsschutzes sind die Mitgliedstaaten in der Pflicht, entsprechende Möglichkeiten zu schaffen, Art. 62 Abs. 6. Kapitel V enthält mithin wiederum teilweise detailliertere Vorschriften als dies noch in der PflSchRL der Fall war. Außerdem werden Verpflichtungen der Mitgliedstaaten und der Kommission normiert. Ein eindeutiger Rechtsaktcharakter ist jedoch nicht feststellbar. Die Vorschriften tendieren aufgrund ihrer Detail­reiche und den in ihnen geregelten Verpflichtungen eher zu solchen mit Verordnungs­ charakter beziehungsweise zu solchen von Richtlinien mit verfahrensrechtlichem Inhalt. (6) Kapitel VI: Öffentlicher Zugang zu Informationen (a) Inhalt des Kapitels VI Kapitel VI, welches den Zugang zu öffentlichen Informationen regelt, besteht nur aus Art. 63, welcher den Titel „Vertraulichkeit“ trägt. Nach Abs. 1 legt eine Person, die beantragt, „dass […] Informationen vertraulich behandelt werden sollen“, einen nachprüfbaren Beweis vor, aus welchem hervorgeht, dass die Offenlegung dieser Informationen ihre kommerziellen Interessen oder den Schutz ihrer Privatsphäre beeinträchtigen könnte. Abs. 2 normiert Regelfälle, in denen von einer solchen Beeinträchtigung ausgegangen werden kann. (b) Verordnungscharakter des Kapitels VI/ Übereinstimmung mit der Richtlinie Eine Art. 63 PflSchVO entsprechende Vorschrift über die Vertraulichkeit von Informationen findet sich in Art. 14 PflSchRL487. Während die PflSchRL hinsichtlich der Informationen, auf die sich die Vertraulichkeit bezieht, insoweit negative Formulierungen beinhaltet, stellt Abs. 2 des Art. 63 PflSchVO einen Katalog mit Regelbeispielen auf. Hinweise auf einen bestimmten Rechtsaktcharakter bzw. auf ein Bedürfnis der Änderung desselben ergeben sich aus dieser Vorschrift und mithin aus diesem Kapitel nicht.

487 Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62, Rn. 23.

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(7) Kapitel VII: Verpackung und Kennzeichnung von Pflanzenschutzmitteln und Hilfsstoffen und Werbung dafür (a) Inhalt des Kapitels VII Kapitel VII enthält in seinen Art.  64 bis 66 Vorgaben über die Verpackung und Kennzeichnung von Pflanzenschutzmitteln und Hilfsstoffen und die Werbung diesbezüglich. Art.  64 Abs.  1 normiert hierbei, dass Pflanzenschutzmittel und Hilfsstoffe, die mit Lebensmitteln, Getränken oder Futtermitteln verwechselt werden können, so zu verpacken sind, dass das Risiko einer solchen Verwechslung möglichst gering ist. Nach Abs. 2 müssen solche Pflanzenschutzmittel und Hilfsstoffe, falls sie der Öffentlichkeit zugänglich sind, mit Bestandteilen versehen werden, die vom Verzehr abschrecken bzw. diesen verhindern können. Nach Art. 65 Abs. 1 UAbs. 1 muss die Kennzeichnung von Pflanzenschutzmitteln die Anforderungen in Bezug auf Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung gemäß der Richtlinie 1999/45/EG488 und den Anforderungen einer nach Art.  79 Abs.  4 PflSchVO erlassenen Verordnung entsprechen. Diese Verordnung soll nach Art. 65 Abs. 1 UAbs. 2 ergänzend hierzu Standardformulierungen für bestimmte Hinweise und den Wortlaut des Art. 16 sowie der Anhänge IV und V der PflSchRL enthalten. Falls ein Mitgliedstaat von der Notwendigkeit zusätzlicher Hinweise überzeugt ist, beinhaltet Art. 65 Abs. 3 UAbs. 1 eine Unterrichtungspflicht gegenüber den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission. Art. 66 normiert detaillierte Regelungen hinsichtlich der Werbung für Pflanzenschutzmittel. So darf nach Abs. 1 S. 1 für nicht zugelassene Pflanzenschutzmittel nicht geworben werden. Außerdem muss bei jeder Werbung ein Warnhinweis erfolgen, dessen Wortlaut in Abs. 2 S. 2 steht. (b) Verordnungscharakter des Kapitels VII/ Übereinstimmung mit der Richtlinie Ein Art. 64 PflSchVO entsprechender Artikel ist in der PflSchRL so nicht zu finden. Hinsichtlich der Verpackung von Pflanzenschutzmitteln finden sich jedoch Hinweise in Art. 16 PflSchRL. Art. 65 PflSchVO geht weit über den Art. 16 PflSchRL489, der bisher die Kennzeichnung von Pflanzenschutzmitteln normiert hat, hinaus. So soll die auf Grundlage dieser Norm ergehende Verordnung ausdrücklich Art. 16 PflSchRL und deren Anhänge IV und V umfassen. Außerdem werden Standardformulierungen für bestimmte Warnhinweise vorgegeben und 488 Richtlinie 1999/45/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. Mai 1999 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen. 489 Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62, Rn. 24.

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die Richtlinie 1999/45/EG490 herangezogen. Die Kennzeichnungspflicht nach der PflSchVO ist gegenüber der der PflSchRL mithin deutlich strenger und genauer geregelt. Eine Art. 66 PflSchVO entsprechende Norm über Werbung und insbesondere die Möglichkeit des Verbots von Werbung – unter bestimmten Voraussetzungen – durch die Mitgliedstaaten ist in der PflSchRL nicht zu finden. Verpackung, Kennzeichnung und Werbung sind in der PflSchVO mithin deutlich detaillierter und strenger geregelt. Hinweise darauf, ob damit ein Bedürfnis für den Wandel der Rechtsetzungsform vorliegt, zeigen sich jedoch aus diesem Kapitel nicht. (8) Kapitel VIII: Kontrollen (a) Inhalt des Kapitels VIII Kapitel VIII umfasst in den Art. 67 und 68 Vorgaben über die Kontrollen von Pflanzenschutzmitteln. Art. 67 Abs. 1 S. 1 normiert hierbei die Verpflichtung der Hersteller, Lieferanten, Händler, Einführer und Ausführer von Pflanzenschutzmitteln, über fünf Jahre Aufzeichnungen über die Pflanzenschutzmittel, die sie herstellen, einführen, ausführen, lagern, verwenden und in Verkehr bringen, herzustellen. Die weiteren Absätze regeln den genauen Umfang dieser Aufzeichnungspflicht. Nach Art. 68 Abs. 1 S. 1 sind die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, amtliche Kontrollen über die Einhaltung der Bestimmungen der PflSchVO durchzuführen und die Kommission hierüber innerhalb einer bestimmten Frist zu informieren, Abs. 1 S. 2. Diese Kontrollen werden nach Abs.  2 von Experten der Kommission überprüft. Außerdem soll nach Abs.  3 eine Verordnung nach dem Verfahren des Art. 79 Abs. 4491 erlassen werden, die die Details der vorgeschriebenen Kontrollen genau regelt. (b) Verordnungscharakter des Kapitels VIII/ Übereinstimmung mit der Richtlinie Aufzeichnungspflichten, wie sie in Art. 67 PflSchVO normiert sind, finden sich in der PflSchRL nicht. Nach dieser besteht gemäß Art.  7 nur eine Mitteilungs­ pflicht in Bezug auf neue Aufgaben über potentiell gefährliche Auswirkungen.

490 Richtlinie 95/45/EG der Kommission vom 26. Juli 1995 zur Festlegung spezifischer Reinheitskriterien für Lebensmittelfarbstoffe ABl. 1995, Nr. L 226, S. 1–45. 491 Diese Verordnung soll sich insbesondere beziehen auf Produktion, Verpackung, Kennzeichnung, Lagerung, Transport, Vermarktung, Formulierung, Parallelhandel und Verwendung der Pflanzenschutzmittel. Außerdem soll sie Bestimmungen über die Erhebung von Daten sowie die Meldung möglicher Vergiftungsfälle enthalten.

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Teil 2: Referenzgebiete

Art. 68 UAbs. 1 PflSchVO entspricht zum Teil Art. 17 PflSchRL492, nach welchem die Mitgliedstaaten die notwendigen Vorkehrungen treffen sollen, dass amtlich überprüft wird, ob die Anforderungen der Richtlinie eingehalten werden. Hierbei besteht jedoch nur eine Mitteilungspflicht an die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten bezüglich der Ergebnisse der Inspektionen. Die in der PflSchVO normierte Verpflichtung zur Überwachung und Kontrolle ist mithin strenger und gibt den Mitgliedstaaten genauere Vorgaben. Die UAbs. 2 und 3 des Art. 68 PflSchVO finden keine Entsprechung in der PflSchRL. Das Kapitel VIII der PflSchVO beinhaltet mithin Regelungen, die so nicht in der PflSchRL vorzufinden sind. Diese Regelungen umfassen auch Verpflichtungen der Kommission und präzise Handlungsvorgaben für die Mitgliedstaaten. Somit ist in der Tendenz in diesem Kapitel eher Verordnungscharakter vorhanden. (9) Kapitel IX: Notfälle (a) Inhalt des Kapitels IX Kapitel IX beinhaltet in den Art. 69 bis 71 Vorschriften über etwaige Notfälle. Nach Art. 69 ist die Kommission ermächtigt, nach dem in Art. 79 Abs. 3 genannten Verfahren Maßnahmen zur Einschränkung oder zum Verbot der Verwendung und/ oder des Verkaufs eines Stoffes oder Produkts zu erlassen, wenn davon auszu­gehen ist, dass dieser Stoff oder dieses Produkt wahrscheinlich ein schwerwiegendes Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt. Darüber hinaus ist Voraussetzung für solche Maßnahmen, dass mit Maßnahmen der Mitgliedstaaten nicht zufriedenstellend gegen diese Gefahren vorgegangen werden kann. Art. 69 PflSchVO richtet sich also nach dem Grundsatz der Subsidiarität.493 Art. 70 PflSchVO ermächtigt die Kommission abweichend von Art. 69, in extremen Notfällen provisorische Notfallmaßnahmen zu treffen. Sie muss jedoch vorher die betroffenen Mitgliedstaaten konsultieren und die anderen Mitgliedstaaten informieren. Art. 71 gibt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, selbst Maßnahmen zu treffen, wenn die Kommission vorher offiziell über die Notwendigkeit der Maßnahmen unterrichtet worden und trotzdem untätig geblieben ist. Für diesen Mitgliedstaat besteht wiederum eine Mitteilungspflicht gegenüber der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten.

492 Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62, Rn. 27. 493 Zum Subsidiaritätsgrundsatz vgl. Teil 1 C. IV.

B. Pflanzenschutzmittelrecht

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(b) Verordnungscharakter des Kapitels IX/ Übereinstimmung mit der Richtlinie In der PflSchRL findet sich als Bestimmung über Notfälle Art. 11. Dieser ermächtigt die Mitgliedstaaten, selbst das Verbot des Einsatzes oder des Verkaufs seines evtl. gefährlichen Pflanzenschutzmittels zu veranlassen. Hierüber müssen sie jedoch unverzüglich die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten unterrichten. Insofern ist also die Entscheidung über zu treffende Maßnahmen alleine den Mitgliedstaaten überlassen. Dies ändert sich in der PflSchVO, da Maßnahmen bei der Kommission zentralisiert werden. Eine Art. 70 PflSchVO entsprechende Vorschrift über Maßnahmen in extremen Notfällen sieht die PflSchRL nicht vor. Allein Art. 11 PflSchRL enthält eine Regelung über Notfallmaßnahmen und ist daher auch als Entsprechung zu Art. 71 PflSchVO heranzuziehen. Diese beiden Artikel stimmen weitgehend überein. Somit bleibt im Ergebnis zu Kapitel IX der PflSchVO festzuhalten, dass dieses gegenüber der PflSchRL genauere Vorgaben über zu treffende Notfallmaßnahmen macht. Außerdem wird geändert, dass im Regelfall die Kommission solche Maßnahmen zu treffen hat und nicht mehr wie bisher in der PflSchRL die Mitgliedstaaten. Da dieses Kapitel auch Verpflichtungen der Kommission enthält, erscheint die Rechtsform der Verordnung insofern als die folgerichtigere. (10) Kapitel X: Verwaltungs- und Finanzbestimmungen (a) Inhalt des Kapitels X Art.  72 PflSchVO gibt den Mitgliedstaaten auf, bei einem Verstoß gegen die PflSchVO geeignete Sanktionen zu erlassen. Art. 73 legt fest, dass die Erteilung der Zulassung und die anderen Maßnahmen der PflSchVO in den Mitglied­staaten keine Auswirkung auf die allgemeine zivilrechtliche Haftung und strafrechtliche Verantwortung des Erzeugers haben sollen. In Art. 74 PflSchVO werden die Mitgliedstaaten ermächtigt, Gebühren und Abgaben zu erheben, die die im Rahmen der Verordnung durchgeführten Arbeiten abdecken. Art. 75 Abs. 1 bestimmt, dass jeder Mitgliedstaat die in Bezug auf die Verpflichtungen gemäß der Verordnung zuständige(n) Behörde(n) benennt. Die weiteren Absätze konkretisieren diese Aufgabe. Art. 76 PflSchVO beinhaltet eine Auflistung der Maßnahmen der Kommission, für deren Durchführung der Kommission Ausgaben entstehen können. In Art. 77 PflSchVO wird die Kommission dazu ermächtigt, nach dem in Art. 79 Abs.  2 genannten Beratungsverfahren technische oder andere Leitlinien für die Durchführung der PflSchVO494 zu erlassen. Hierfür kann die Kommission die 494 Als Beispiele werden genannt: Erläuterungen oder Leitlinien zum Inhalt der Anwendung in Bezug auf Mikroorganismen, Pheromone und biologische Erzeugnisse.

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Teil 2: Referenzgebiete

EBLS auffordern, solche Leitlinien auszuarbeiten oder dazu beizutragen. Art. 78 enthält Bestimmungen über Änderungen und Durchführungsmaßnahmen, die nach dem Regelungsverfahren mit Kontrollen nach Art. 79 Abs. 4 erlassen werden sollen. In Art. 79 Abs. 1 wird festgelegt, dass die Kommission von dem mit Art. 58 ­BasisVO eingesetzten Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tier­ gesundheit unterstützt wird. Die weiteren Absätze enthalten Regelungen über dieses Ausschussverfahren. Hierbei ist insbesondere Art. 79 Abs. 4 zu erwähnen, auf den in zahlreichen anderen Vorschriften der PflSchVO Bezug genommen wird und der festlegt, dass, wenn auf diesen Absatz Bezug genommen wird, die Art. 5 a Abs. 1 bis 4 und Art. 7 des Beschlusses 1999/468/EG495 unter Beachtung von dessen Art. 5496 gelten sollen. (b) Verordnungscharakter des Kapitels X/ Übereinstimmung mit der Richtlinie Für die Art. 72 bis 74 PflSchVO gibt es so in der PflSchRL keine Entsprechung. Allein Art.  23 PflSchRL bestimmt, dass die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie treffen müssen, was jedoch nur dem aus Art. 4 Abs. 3 EUV (ex-Art. 10 EGV) resultierenden Prinzip der Gemeinschaftstreue entspricht. Eine Art. 75 PflSchVO entsprechende Vorschrift, die genau die einzelnen zu bestimmenden Behörden der Mitgliedstaaten benennt, ist in der PflSchRL nicht enthalten. Diese spricht an verschiedenen Stellen497 von den „zuständigen Behörden“ der Mitgliedstaaten, enthält jedoch keine Bestimmungen über deren Ernennung bzw. über eine koordinierende Behörde. Somit hat die PflSchRL bezüglich der 495 Beschluss des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse, 1999/468/EG. 496 Art. 5: Regelungsverfahren (1) Die Kommission wird von einem Regelungsausschussunterstützt, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt und in dem der Ver­treter der Kommission den Vorsitz führt. (2) Der Vertreter der Kommission unterbreitet dem Ausschuss einen Entwurf der zu treffenden Maßnahmen. Der Ausschuss gibt seine Stellungnahme zu diesem Entwurf innerhalbseiner Frist ab, die der Vorsitzende unter Berücksichtigung der Dringlichkeit der betreffenden Frage festsetzen kann. Die Stellungnahme wird mit der Mehrheit abgegeben, die in Artikel 205 Absatz 2 des Vertrags für die Annahme der vom Rat auf Vorschlag der Kommission zu fassenden Beschlüsse vorgesehen ist. Bei der Abstimmung im Ausschuss werden die Stimmen der Vertreter der Mitgliedstaaten gem. dem vorgenannten Artikel gewogen. Der Vorsitzende nimmt an der Abstimmung nicht teil. (3) Die Kommission erlässt unbeschadet des Artikels 8 die beabsichtigten Maßnahmen, wenn sie mit der Stellungnahme des Ausschusses übereinstimmen. (4) Stimmen die beabsichtigten Maßnahmen mit der Stellungnahme des Ausschusses nicht überein oder liegt keine Stellungnahme vor, so unterbreitet die Kommission dem Rat unverzüglich einen Vorschlag für die zu treffenden Maßnahmen und unterrichtet das Europäische Parlament. 497 Art. 2 Nr. 11, 4 Abs. 1 c, Abs. 4, Art. 7, Art. 9 Abs. 1, Art. 13, Art. 14, Art. 22 Abs. 1 PflSchRL.

B. Pflanzenschutzmittelrecht

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Art und Einsetzung von nationalen Behörden den Mitgliedstaaten mehr Handlungsspielraum überlassen als dies die PflSchVO nunmehr macht. Eine Ermächtigung der Kommission, Leitlinien zur Durchführung des Rechtsakts zu erlassen, findet sich in der Richtlinie nicht. Diese Vorschrift enthält, da sie sich ausschließlich an die Kommission als Adressatin wendet, Verordnungscharakter. Änderungsund Durchführungsmaßnahmen sind in der Richtlinie an verschiedenen Stellen vorhanden. So ist eine wie in Art. 78 Abs. 1 a PflSchVO vorgesehene Änderung der Anhänge in Art. 6 Abs. 1 PflSchRL hinsichtlich des Anhangs I und in Art. 18 Abs.  1 hinsichtlich der Anhänge II bis VI vorgesehen. Art.  78 Abs.  1  b ist vergleichbar mit Art. 6 Abs. 5 PflSchRL, nach welchem Einzelheiten für die Einreichung von Anträgen nach dem Verfahren des Art. 21 festgelegt werden. Änderungen der Verordnung über die „einheitlichen Grundsätze“, wie sie Art. 78 Abs. 1 c PflSchVO enthält, erfolgen nach der PflSchRL durch eine Änderung des Anhangs VI gemäß Art. 18 Abs. 2 nach dem Verfahren des Art. 19. Die Möglichkeit des Erlasses einer Verordnung, wie sie Art. 78 Abs. 1 d PflSchVO vorsieht, war so in der PflSchRL nicht vorhanden. Auch Art. 78 Abs. 1 e, f, h, j, l finden keine Entsprechung in der Richtlinie. Die übrigen Buchstaben finden Entsprechungen in der PflSchRL, wobei die Richtlinie keine Verordnungsermächtigung über Kennzeichnungsanforderungen, wie sie Art.  78 Abs.  1 m PflSchVO vorsieht, enthält. Ein Art.  79 PflSchVO entsprechende Normierung über das Ausschussverfahren mit Abweichungen enthalten die Art. 19 und 20 PflSchRL. Kapitel X der PflSchVO enthält mithin teilweise ähnliche Regelungen wie die PflSchRL, für manche Vorschriften dieses Kapitels ist jedoch aufgrund deren Adressaten eine solche Regelung nur in Verordnungsform möglich. (11) Kapitel XI: Übergangs- und Schlussbestimmungen (a) Inhalt des Kapitels XI Die Art. 80 bis 84 enthalten Übergangs- und Schlussbestimmungen. (b) Verordnungscharakter des Kapitels XI/ Übereinstimmung mit der Richtlinie Übergangs- und Schlussvorschriften sind in nahezu jedem Rechtsakt enthalten und speziell auf diesen zugeschnitten.498 Somit ist ein Vergleich dieser Vor­schriften der PflSchVO mit denen der PflSchRL nicht angebracht und nicht zielführend.

498

In der PflSchRL etwa zu finden in Art. 8 Abs. 1 bis 3.

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Teil 2: Referenzgebiete

(12) Anhänge der Verordnung Weiter sind nun die Anhänge der PflSchVO auf mögliche Entsprechungen in der PflSchRL zu untersuchen. (a) Anhang I: Über die Festlegung von Zonen für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln gemäß Art. 3 Abs. 15 Eine solche in Anhang I festgelegte Zoneneinteilung499 war in der PflSchRL noch nicht vorgesehen. Die zonale Zulassung wurde auch vielfach kritisiert.500 In der PflSchRL gibt es in Art. 10 erste Ansätze für eine solche Art der Zulassung, da für die gegenseitige Anerkennung maßgeblich sein soll, ob die Bedingungen in den betreffenden Gebieten vergleichbar sind. (b) Anhang II: Verfahren und Kriterien für die Genehmigung von Wirkstoffen, Safenern und Synergisten gemäß Kapitel II Gemäß Art.  6 Abs.  5 PflSchVO werden die Einzelheiten für die Einreichung und Prüfung der Anträge auf Aufnahme eines Wirkstoffs in Anhang I sowie für die Festlegung oder Änderung der Bedingungen für eine solche Aufnahme nach dem Verfahren des Art. 21 PflSchRL festgelegt. Somit finden sich hinsichtlich des Anhangs II Entsprechungen in der PflSchRL (c) Anhang III: Liste der Beistoffe, deren Verwendung in Pflanzenschutzmitteln gemäß Art. 27 nicht zulässig ist Da in der PflSchRL Beistoffe noch nicht erwähnt wurden, ist eine Entsprechung zu diesem Anhang nicht vorhanden. 499 Hiernach sollen 3 Zonen festgelegt werden. Zone A – Norden: Dänemark, Estland, Finnland, Lettland, Litauen und Schweden; Zone B – Mitte: Belgien, Deutschland, Irland, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien, Slowakei, Tschechische Republik, Ungarn, Vereinigtes Königreich; Zone C – Süden: Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Italien, Malta, Portugal, Spanien, Zypern. 500 Zur zonalen Zulassung Rösch, Parallelimporte im Pflanzenschutzmittelrecht, 2007, S. 80 f.; ablehnend gegenüber einer zonalen Zulassung in drei riesige Zonen, da nicht von vergleichbaren ökologischen und klimatischen Bedingungen ausgegangen werden kann, Stellungnahme des Pestizid Aktions-Netzwerk e. V. (PAN Germany) zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (DOK 11755/06), September 2006, S. 2.

B. Pflanzenschutzmittelrecht

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(d) Anhang IV: Vergleichende Bewertung gemäß Art. 50 Da in der PflSchRL keine Bestimmungen über Substitutionskandidaten zu finden sind, gibt es für diesen Anhang keine Entsprechung. (e) Anhang V: Aufgehobene Richtlinien und ihre Änderungen gemäß Art. 83 Auch hierfür findet sich kein Gegenstück in der PflSchRL. (13) Anhänge der PflSchRL Die Anhänge der PflSchRL sind nunmehr ohne wesentliche Änderungen in den Verordnungstext übernommen worden. Entsprechende Regelungen zu Anhang I, der eine Liste über die für die Ver­ wendung in Pflanzenschutzmitteln zulässigen Stoffe enthält, finden sich in Art. 78 und Art. 13 PflSchVO. Nach Art. 78 Abs. 3 PflSchVO muss eine Verordnung erlassen werden, mit der die Liste der Wirkstoffe in Anhang I501 der PflSchRL übernommen wird. Gemäß Art. 13 Abs. 4 S. 1 PflSchRL werden die neu genehmigten Wirkstoffe in diese Verordnung aufgenommen. Gemäß Art.  13 Abs.  4 S.  2 PflSchVO muss die Kommission ferner eine Liste mit den genehmigten Wirk­ stoffen führen, die sie der Öffentlichkeit in elektronischer Form zur Verfügung stellen muss. Auch finden sich in der PflSchVO entsprechende Angaben über die An­ forderungen an die Unterlagen zum Antrag auf Aufnahme eines Wirkstoffs in die Liste, wie sie Anhang II der PflSchRL vorsieht. In Art. 8 Abs. 1 und 2 bestimmt die PflSchVO die Datenanforderungen für einen Zulassungsantrag. Gemäß Art. 8 Abs.  4 PflSchVO enthalten diese Datenanforderungen die Anforderungen für Wirkstoffe und Pflanzenschutzmittel nach den Anhängen II und III der PflSchRL und werden ohne wesentliche Änderungen in Verordnungen festgelegt. Einzelne Vorschriften der PflSchVO nehmen also ausdrücklich auch regelnden Bezug zur PflSchRL. In der PflSchVO finden sich auch Regelungen entsprechend Anhang II der PflSchRL über die Anforderungen an die dem Antrag auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels beizufügenden Unterlagen. In der PflSchVO wird in Art. 33 bestimmt, was der Antrag auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels umfassen muss 501 Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62, Rn. 30.

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Teil 2: Referenzgebiete

(Abs. 2) und was diesem Antrag beizufügen ist (Abs. 3). Auch diese Anforderungen werden gemäß Art. 8 Abs. 4 in einer Verordnung festgelegt. Entsprechende Regelungen über Standardsätze, wie sie in Anhang IV und V der PflSchRL normiert sind, enthält Art. 65 Abs. 1 UAbs. 2 PflSchVO, nach welchem diese Anhänge mit den jeweils erforderlichen Änderungen in eine gemäß Art. 65 Abs. 1 UAbs. 1 noch zu erlassende Verordnung übernommen werden sollen. Schließlich enthalten nach Art. 29 Abs. 6 PflSchVO die einheitlichen Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln die Anforderungen des Anhangs VI der PflSchRL502 und werden in Verordnungen festgelegt. (14) Zusammenfassung und Ergebnis Nach der Darstellung des Verordnungsinhalts und der Gegenüberstellung dieses Regelungsumfanges mit dem der PflSchRL soll nun eine Bewertung der Ergebnisse erfolgen. (a) Detaillierung der Vorschriften der PflSchVO Zusammenfassend lässt sich hinsichtlich der Regelungsdichte der vorliegenden Verordnung im Vergleich zur PflSchRL feststellen, dass die PflSchVO an vielen Stellen deutlich detaillierter ausgestaltet ist als dies noch in der PflSchRL der Fall war. Die PflSchVO enthält an vielen Stellen genauere Verfahrensvorgaben und überlässt den Mitgliedstaaten insbesondere hinsichtlich des Zulassungsverfahrens nur noch sehr wenig Handlungsspielraum. Diese erhöhte Regelungsdichte in bestimmten Bereichen lässt sich auf Erfahrungswerte hinsichtlich der Um­setzung der PflSchRL zurückführen.503 Bei der Umsetzung dieser Richtlinie gab es in vielen Mitgliedstaaten Probleme, die nach Ansicht des Gemeinschaftsgesetzgebers nur durch stärkere Detaillierung gelöst werden konnten. Diese mit der stärkeren Detaillierung der normativen Vorgaben einhergehende höhere Regelungsdichte führt nun dazu, dass  – wie gefordert  – der mit dem derzeitigen Zu­lassungsverfahren verbundene Verwaltungsaufwand verringert und eine stärkere Harmonisierung erreicht werden504. Bei der Detaillierung der Regelungen ist jedoch kein Muster vorhanden, so dass die detaillierten Regelungen nicht isoliert von den weniger detaillierten betrach 502 Hierzu Böttcher, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 2. Aufl. 2003, § 62, Rn. 31. 503 Die Rechtsform der Verordnung in dieser Hinsicht befürwortend, Stellungnahme des Deutschen Raiffeisenverbandes zu einem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, S. 1. 504 KOM (2008) 93 endg., Begründung, Nr. 2 b.

B. Pflanzenschutzmittelrecht

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tet werden können und eine inhaltliche Aufspaltung der Verordnung – anders als bei der ­BasisVO, die eigene abtrennbare Teile über Grundsätze, die auch in Richtlinienform hätten ergehen können, enthält – nicht sinnvoll erreicht werden kann. Viele Regelungen entsprechen mithin ohne einen stärkeren Grad der Detail­ lierung denen der PflSchRL, womit grundsätzlich für diese kein Bedarf der Änderung der Rechtsaktform ersichtlich ist. (b) Detaillierung der PflSchRL Auffallend bei einem Vergleich der Vorschriften der PflSchRL mit denen der PflSchVO ist grundsätzlich, dass bereits viele Vorschriften der PflSchRL über ein hohes Maß an Detaillierung verfügten. Dieses Maß der Detaillierung ist für die Rechtsform der Richtlinie insofern eigentlich unüblich, als grundsätzlich mit dieser Rechtsaktform eher ein rahmensetzender Charakter verbunden ist. Ein solcher rahmensetzender Charakter einzelner Vorschriften war bei der ­BasisVO beispielsweise bei den Grundsätzen des Lebensmittelrechts zu finden. Die PflSchRL entbehrt jedoch an den meisten Stellen solcher rahmensetzender Vorschriften und beinhaltet insbesondere hinsichtlich der Vorgaben des Zulassungsverfahrens kaum Handlungsspielraum für die Mitgliedstaaten und regelt diese detailliert.505 In­sofern ist die PflSchVO an manchen Stellen zwar detaillierter in ihrer Ausgestaltung und gibt beispielsweise genaue Fristen vor, bereits die PflSchRL macht den Mitgliedstaaten jedoch in vielen Bereichen auch sehr dicht Vorgaben, die einzuhalten sind und bei denen nur in wenigen Bereichen geringe Handlungsspielräume vor­handen sind. Bei der PflSchRL handelt es sich mithin bereits um eine sehr detaillierte Richtlinie. Grundsätzlich sollen Verordnungen detaillierten Richtlinien506 vorgezogen werden.507 Hierbei ist jedoch fraglich, ob bereits hinsichtlich der PflSchRL aufgrund der Regelungsdichte dieses Rechtsakts und der wenigen rahmensetzenden Wirkung die Rechtsform der Verordnung der der Richtlinie vorzuziehen gewesen wäre. (c) Regelungsinhalt der PflSchRL Bei der Analyse der Auswirkungen des Detailreichtums der PflSchRL muss weiter untersucht werden, ob aufgrund des konkreten Richtlinieninhalts die starke 505 Zum Referenzentscheidungsmodell anhand der PflSchRL vgl. Sydow, Verwaltungskooperation in der Europäischen Union, 2004, S. 203 ff. 506 Zur Zulässigkeit solcher detaillierter Richtlinien vgl. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 182 ff.; insgesamt zu den detaillierten Richtlinien vgl. Teil 1 V 2. f) dd) (2.). 507 Vgl. hierzu KOM (2002) 278 endg.

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Teil 2: Referenzgebiete

Detaillierung selbst für die Rechtsform der Richtlinie zu rechtfertigen ist. Hiervon kann insbesondere dann ausgegangen werden, wenn die PflSchRL weitestgehend verfahrensrechtliche Regelungen enthält und mithin die generellen Aussagen über den „Normalfall“ der rahmensetzenden Richtlinie mit materiellem Regelungs­ inhalt hinfällig sind.508 Hierfür muss zunächst genauer betrachtet werden, was inhaltlich abgesehen von Regelungen über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln eigentlich in der PflSchRL normiert ist. Die PflSchRL normiert insbesondere das zwei­stufige Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln.509 Hiernach erfolgt die Zulassung eines Wirkstoffs auf Gemeinschaftsebene. Nach der gemeinschaftlichen Wirkstoffzulassung kann die Zulassung der Anwendung des Wirkstoffs auf nationaler Ebene nach gemeinschaftlichen Zulassungs- und Bewertungsbedingungen erfolgen. Außerdem ist vorgesehen, dass ein Pflanzenschutzmittel in jedem Mit­ gliedstaat einzeln zugelassen werden muss. Mithin kann hinsichtlich des generellen Regelungsgehalts der PflSchRL festgehalten werden, dass diese das Verfahren der europäischen Verwaltungskooperation hinsichtlich des Inverkehrbringens von Pflanzenschutzmitteln verbindlich vorgibt. Durch diese Regeln wird der Verwaltungsverbund diesbezüglich rechtlich strukturiert. Aus diesem Grund können diese Regelungen keinen großen Handlungsspielraum und mithin keinen rahmensetzenden Charakter beinhalten. Aufgabe dieser Normen muss es sein, rechtlich verbindliche präzise Verfahrens­vorgaben zu machen, die von den Mitgliedstaaten eingehalten werden müssen. Aufgrund der starken Detaillierung stellt sich jedoch die Frage, ob insofern nicht die Rechtsform der Verordnung das mildere Mittel gewesen wäre, da bei der Wahl dieser Rechtsform wenigstens kein Umsetzungsaufwand der Mitglied­ staaten aufgekommen wäre. Zur Beantwortung dieser Frage muss zunächst überlegt werden, ob solche überwiegend verfahrensrechtlichen Vorschriften überhaupt in der Rechtsform der Richtlinie ergehen sollten und welche Vorteile das – neben all den Nachteilen510  – mit sich bringt. Die mit dem Erlass von Richtlinien ins­ besondere hinsichtlich der ordnungs- und fristgemäßen Umsetzung verbundenen Nachteile sind hinreichend bekannt.511 Wenn man also davon ausgeht, dass solche verfahrensrechtlichen Richtlinien ohne rahmensetzenden Charakter wie vorliegend die PflSchRL nicht die Überlassung von Handlungsspielräumen für die Mitgliedstaaten und mithin den Schutz von mitgliedstaatlichen Kompetenzen mit sich 508

Zu dieser Aufteilung der Rechtsform der Richtlinie Sydow, JZ 2009, S. 373 ff. Zu diesem Zulassungsverfahren vgl. Schwarz, Die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, 2001, S. 114 ff. 510 Zu den Nachteilen von detaillierten Richtlinien hinsichtlich der Mitgliedstaaten vgl. Teil 1 C. V. 2. f) dd) (2). 511 Generell zu der mit der Umsetzung von Richtlinien verbundenen Problematik vgl. Teil 1 C. V. 3. b) bb). 509

B. Pflanzenschutzmittelrecht

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bringen, stellt sich die Frage, welche Funktion dieser Art von Richtlinien dann zukommen soll. Als Funktion kann einer verfahrensrechtliche Richtlinie insofern nur zukommen, dass mit ihr eine Entlastung des europäischen Gesetzgebers bezweckt wird.512 Ein weiterer Vorteil, der mit dieser Art der Rechtsetzung verbunden ist, zeigt sich in der Einpassung der vorgegebenen Verfahrensvorschriften in das bestehende verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungsgefüge der Mitgliedstaaten. Diesbezüglich ist der Einsatz von Verordnungen nur in einem begrenzten Umfang von Nutzen und zwar insofern, als eine komplette Harmonisierung von Verfahrensvorschriften mit einem Rechtsakt bezweckt werden soll. Sollen jedoch mit dem Rechtsakt nur einzelne Pflichten zur Kooperation normiert werden, so kann die Ausgestaltung der Art und Weise dieser Kooperation den Mitglied­staaten überlassen werden, da diese im Zweifelsfall bereits auf ihre vorhandenen Verwaltungsstrukturen zurückgreifen können.513 Somit bleibt festzuhalten, dass allein hinsichtlich des Regelungsgehalts der PflSchRL jedenfalls noch kein Bedürfnis für die Rechtsform der Verordnung vorhanden war, da die Rechtsform der Richtlinie für die Normierung von Verfahrensrecht hinsichtlich des Inverkehrbringens von Pflanzenschutzmitteln das adäquate Mittel der Rechtsetzung war. Daraus wiederum lässt sich entnehmen, dass allein aufgrund des stärkeren Maßes an Detaillierung der Vorschriften der PflSchVO auch kein Erfordernis für eine geänderte Rechtsform resultiert, da dieses Maß der Detailliertheit auch in der Rechtsform der Richtlinie  – als verfahrensrechtliche Richtlinie in diesem Sinne – hätte ergehen können. (d) Adressaten Behörde/Kommission Die Rechtsform der Verordnung ist somit nicht aufgrund der stärkeren Detaillierung des Regelungsgehalts, sondern aufgrund der veränderten Adressaten der PflSchVO im Gegensatz zur PflSchRL erforderlich. Die PflSchRL war noch weitestgehend allein an die Mitgliedstaaten gerichtet und hat diesen bei der Um­ setzung teilweise einen weiten Handlungsspielraum eröffnet. Demgegenüber richtet sich die PflSchVO nicht nur an die Mitgliedstaaten. Vielmehr enthält sie die Zuweisung von Aufgaben an die EBLS und die Kommission, welche beide nicht als Adressaten einer Richtlinie in Frage kommen.514 512

So auch Sydow, JZ 2009, S. 377, dieser geht davon aus, dass solche verfahrensrechtlichen Richtlinien den Mitgliedstaaten insofern zwar keine inhaltliche, wohl aber eine rechtssystematische Gestaltung ermöglichen. 513 Sydow, JZ  2009, S.  377 meint sogar, dass jede Verordnung, die verwaltungsrechtliche Einzelvorschriften für die mitgliedstaatlichen Verwaltungen normiert, in diesen mitgliedstaat­ lichen Systemen ein „Fremdkörper“ sein muss. 514 Zu den Adressaten einer Richtlinie siehe auch Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art.  249 EGV, Rn.  23; Oppermann, Europarecht, 5. Aufl. 2011, § 9, Rn. 89 ff.; Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 249 EGV, Rn. 72.

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Teil 2: Referenzgebiete

Zwar enthalten auch viele Richtlinien Normen über Aufgaben insbesondere der Kommission oder Verfahren mit der Kommission als Verfahrensbeteiligte, diese sind diesbezüglich jedoch vielmals nur deklaratorischer Natur. Im Falle der PflSchVO werden der Kommission und der EBLS an vielen Stellen konkrete Aufgaben übertragen, die auch noch in einer Weise detailliert sind, dass nur die Rechtsform der Verordnung in Betracht kommen kann. (e) Keine Möglichkeit der Aufspaltung wie bei der B ­ asisVO Man könnte andenken, ob anstelle der Beibehaltung der Rechtsform der Richtlinie mangels Möglichkeit aufgrund des geänderten Regelungsgehalts die Aufspaltung des Rechtsakts in eine Richtlinie und eine Verordnung möglich gewesen wäre – womit also nicht eine einheitliche Verordnung das mildeste Mittel ge­wesen wäre.515 Zunächst ist jedoch kein klar abgrenzbarer Teil, der sich an Kommission und die EBLS richtet, erkennbar, den man von einem Teil nur für die Mitgliedstaaten unterscheiden und in sinnvoller Weise abtrennen könnte, da das zweistufige Zu­ lassungsverfahren bleibt. Wie bereits dargelegt, gibt es bei der PflSchVO anders als bei der ­BasisVO aufgrund der starken Detaillierung und des insgesamt vorhandenen höheren Anteils an Regelungen mit Verordnungscharakter und der Untrennbarkeit dieser von den anderen keine Möglichkeit zur Aufspaltung dieses Rechtsakts als mögliches milderes Mittel. Bei der PflSchVO handelt es sich nicht um eine hinkende Verordnung516, da nicht erkennbar ein Teil vorhanden ist, der klar abgrenzbar nur Richtlinieninhalte enthält. bb) Überprüfung der Erforderlichkeit anhand der Begründung der Kommission in KOM (2006) 388 endg., Begründung Nr. 3 Nach Ansicht der Kommission entspricht die Verordnung inhaltlich dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da sie die Zulassung von Wirkstoffen umfassend harmonisiert, den Mitgliedstaaten aber die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln unter Berücksichtigung einheitlicher Kriterien und nationaler Besonderheiten überlässt. 515

Vgl. hierzu auch EuGH, RS. C-217/04, „Errichtung der ENISA“, Slg. I-03771, LS 1. Zu diesem Begriff, den Constantinesco, Recht der Europäischen Gemeinschaften, 1977, S. 562 prägte bereits unter Teil 2 A. II. 4. c) cc) (1). 516

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Außerdem wird mit ihr die administrative und finanzielle Belastung reduziert, da auf allen Ebenen feste Entscheidungsfristen eingeführt werden und dadurch Be­ rechenbarkeit und besserer Marktzugang erfolgen. Weiter gibt es eine verstärkte Arbeitsteilung zwischen den Mitgliedstaaten bei der Bewertung von Zulassungsanträgen. Hinsichtlich der Wahl des Instruments der Verordnung wird festgestellt, dass andere Instrumente nicht angemessen wären. Das Instrument einer Verordnung ist gerechtfertigt, da so sichergestellt wird, dass die Vorschriften zur gleichen Zeit und in gleicher Weise in allen 25 (mittlerweile 27) Mitgliedstaaten angewandt werden, wodurch sich sowohl der Verwaltungsaufwand verringert als auch Klarheit für die Wirtschaftsakteure gewährleistet wird. Auf den geschehenen Wandel der Rechtsform wird nicht explizit eingegangen. Bezüglich der Verhältnismäßigkeit der gewählten Rechtsform geht dieser Verordnungsvorschlag mithin von anderen Gründen als unmittelbar im Regelungsinhalt der PflSchVO liegenden aus. Primärer Grund soll die Sicherstellung der Einheitlichkeit der anzuwenden Normen sein, um eine Verringerung des Verwaltungsaufwands und Klarheit für die Wirtschaftsakteure zu gewährleisten. Hieraus kann geschlussfolgert werden, dass der Verwaltungsaufwand bei der PflSchRL noch deutlich höher ist und bestimmte Mängel hinsichtlich der Transparenz des Verfahrens für die privaten Wirtschaftsteilnehmer vorlagen. Diese Begründung für die Wahl der Rechtsform der Verordnung geht jedoch nicht viel weiter als bereits der Wortlaut des Art. 249 Abs. 2 EGV (Art. 288 Abs. 2 AEUV) die Wirkungsweise dieses Rechtsakts beschreibt. Hiernach hat die Verordnung allgemeine Geltung, ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Somit geht die Begründung des Verordnungsvorschlags nicht wirklich weiter als die Definition der Verordnung, konkretisiert hierbei allenfalls, was direkt verbessert wird. Es wäre zu wünschen gewesen, dass im Rahmen des Hinweises der Verhältnismäßigkeit der Wahl der Rechtsaktform auf den Wandel von der Richtlinie zur Verordnung eingegangen und ein Beleg für die Notwendigkeit dieses Wandels erbracht worden wäre. d) Ergebnis zur Erforderlichkeit Es kann also festgestellt werden, dass die Änderung der Rechtsaktform von der Richtlinie zur Verordnung im vorliegenden Fall der PflSchVO das erforderliche Mittel war. Die PflSchVO enthält eine stärkere Detaillierung der Regelung und richtet sich neben den Mitgliedstaaten auch an die Kommission und die EBLS als Adressaten. Da sie nicht in der Form der hinkenden Verordnung ergangen ist, bietet sich auch nicht – wie bei der ­BasisVO – die Möglichkeit der Aufspaltung des Rechtsakts in eine Richtlinie und eine Verordnung an.

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Teil 2: Referenzgebiete

Auch unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprotokolls517 und der anderen in Frage kommenden Überprüfungskriterien ergibt sich, dass die PflSchVO in der erforderlichen Rechtsaktform der Verordnung ergangen ist. e) Angemessenheit Von der Angemessenheit der gewählten Rechtsaktform518 ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auszugehen. f) Ergebnis zur Verhältnismäßigkeit Der hinsichtlich der Art des Rechtsakts im Pflanzenschutzrecht vollzogene Wandel von der Richtlinie zur Verordnung ist im Ergebnis also verhältnismäßig. Die Rechtsform der Verordnung ist hierbei insbesondere auch die erforderliche Rechtsaktform. Sie ist deshalb das erforderliche Mittel, weil die PflSchVO im Gegensatz zur PflSchRL zum einen einen deutlich stärkeren Grad an Detaillierung aufweist. Dies alleine ist zwar noch nicht ausreichend für einen Rechtsformwechsel, die Detaillierung ist jedoch an vielen Stellen so stark ausgeprägt, dass den Mitgliedstaaten nur wenig eigener Handlungsspielraum überlassen bleibt. In solchen Fällen soll die Rechtsform der Verordnung der der detaillierten Richtlinie vorgezogen werden.519 Festzuhalten ist diesbezüglich jedoch auch, dass bereits die PflSchRL als Richt­ linie mit überwiegend verfahrensrechtlichen Regelungen im Grundsatz nur über wenig rahmensetzenden Charakter und an vielen Stellen bereits über ein so starkes Maß an Detailliertheit verfügt, dass den Mitgliedstaaten insofern kaum Handlungsspielraum verblieben ist. Mithin kann allein aus der nunmehr teilweise verstärkten Detaillierung der Vorschriften in der PflSchVO kein Bedürfnis für die Änderung der Rechtsaktform entnommen werden, wenn man von der Rechtmäßigkeit solcher stark detaillierter zumeist verfahrensrechtlich geprägter Richtlinien520 ausgeht. Zum anderen besteht nunmehr insofern ein Bedürfnis für eine Regelung mit einer Verordnung, dass sich viele der Vorschriften der PflSchVO nicht an die Mitgliedstaaten, sondern an die Kommission oder die EBLS wenden. Diese Institutionen können jedoch nicht Adressaten einer Richtlinie nach Art. 249 Abs. 3 EGV sein.521 517 Protokoll Nr. 30 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, aus dem Vertrag von Amsterdam zur Gründung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, ABl. 1997, Nr. C 340, S. 140. 518 Siehe zu diesem Prüfungspunkt Teil 1 C. V. 3. g). 519 Vgl. hierzu KOM (2002) 278 endg. 520 So z. B. auch Sydow, JZ 2009, S. 374. 521 Zu den Adressaten einer Richtlinie siehe auch Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 249 EGV, Rn. 23; Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 5. Aufl. 2011, § 9, Rn. 89 ff.; Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 249 EGV, Rn. 72.

B. Pflanzenschutzmittelrecht

351

Die Möglichkeit einer Aufspaltung der PflSchVO in eine separate Richtlinie und eine Verordnung ist insofern nicht möglich, als sich – anders als dies bei der ­BasisVO der Fall ist – keine Normenreihen finden lassen, deren separate Zusammenfassung in einer Richtlinie sinnvoll wäre. Mithin gab es im Fall der PflSchVO keine andere Regelungsmöglichkeit für den Gemeinschaftsgesetzgeber als die der Verordnung, die angesichts ihres konkreten Regelungsgehaltes allen Anforderungen des Primärrechts und insbesondere des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entspricht.

Teil 3

Ergebnis, Konsequenzen und Perspektiven A. Ergebnis Das Ermessen des europäischen Gesetzgebers hinsichtlich der Wahl der Rechtsaktform ist bei Ermächtigungsgrundlagen mit mehreren Handlungsformalterna­ tiven weit. Insbesondere in Rechtsgebieten, in denen der Gesetzgeber sozialpoli­ tische Entscheidungen zu treffen und komplexe Abwägungen zu tätigen hat, ist ein sehr weiter Ermessensspielraum gegeben. Dabei kann die ordnungsgemäße Ausübung dieses Ermessensspielraumes vom EuGH nur daraufhin überprüft werden, ob ein offensichtlicher Irrtum, ein Ermessensmissbrauch oder eine Ermessensüberschreitung vorliegen. Die vorliegende Untersuchung hat ergeben, dass trotz des weiten Ermessens des Gesetzgebers durchaus primärrechtliche Vorgaben für die Rechtsetzung und hierbei insbesondere für die Wahl der Rechtsaktform bestehen. Dabei spielt vor allem der in Art. 5 Abs. 4 EUV (ex-Art. 5 Abs. 3 EGV) normierte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Schranke des Unionsgesetzgebers eine große Rolle. Dieser greift gerade auch bei der Abgrenzung zwischen Richtlinie und Verordnung, da die beiden Rechtsaktformen jeweils unterschiedliche Wirkungsweisen haben und diese bei der Rechtsetzung berücksichtigt werden müssen. Richtlinie und Verordnung unterscheiden sich im Hinblick auf die unmittelbare und die mittelbare Wirkungsweise erheblich voneinander. Die Richtlinie richtet sich im Gegensatz zur Verordnung nur an die Mitgliedstaaten und muss für eine Wirkung gegenüber Privaten – abgesehen von Durchbrechungen des Prinzips der unmittelbaren Wirkung – erst in mitgliedstaatliches Recht umgesetzt werden. Hierbei ist sie nur bezüglich des umzusetzenden Ziels, nicht jedoch im Hinblick auf die Art und Weise der Umsetzung verbindlich. Bei bestehenden mitgliedstaatlichen Regelungsgefügen kann sie sich daher besser in vorhandenes mitgliedstaatliches Recht einfügen. Mit der Richtliniengesetzgebung sind jedoch auch die daraus resultierenden Umsetzungsprobleme verbunden, die bei Rechtsetzung mittels einer Verordnung durch deren unmittelbare Geltung zumeist entfallen. Auch im Hinblick auf die Rechtsschutzmöglichkeiten des Einzelnen unterscheiden sich auch nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon die beiden in Frage stehenden Rechtsformen. Zwar gibt es keine Mischformen aus Verordnungen und Richtlinien, bezüglich der Wirkungsweise der beiden in Frage stehenden Rechtsformen kann jedoch fest-

A. Ergebnis

353

gestellt werden, dass sich in den letzten Jahren teilweise eine starke Annäherung der beiden Handlungsinstrumente vollzogen hat. So gibt es – vom EuGH grundsätzlich als rechtmäßig anerkannte – ausgesprochen stark detaillierte Richtlinien, die in ihrer Wirkungsweise Verordnungen gleichen und den Mitgliedstaaten kaum mehr Umsetzungsspielraum belassen, und daneben auch so genannte „hinkende“ Verordnungen, welche unter anderem auch umsetzungsbedürftige Inhalte haben. Beide Typen stellen dabei jedoch allenfalls Abweichungen von den ursprünglich spezifischen Handlungsformen und keinesfalls Mischformen aus Richtlinie und Verordnung dar. Nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung muss zwischen den beiden Handlungsformen zunächst überhaupt eine Wahlmöglichkeit bestehen, da der Unionsgesetzgeber nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 EUV (ex-Art. 5 Abs. 1 EGV) nur tätig werden darf, wenn er dazu ermächtigt ist. Ist eine Ermächtigungsgrundlage vorhanden, die entweder explizit oder inzident die Wahlmöglichkeit zwischen diesen Handlungsformen eröffnet, so muss die Entscheidung, welche Rechtsform ausgewählt wird, nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, welcher auch im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten und der Union Anwendung findet, erfolgen. Dabei wird zunächst geprüft, ob mit dem in Frage stehenden Rechtsakt überhaupt ein legitimes Ziel verfolgt wird. Weiter muss die ausgewählte Rechtsaktform für die Erreichung dieses Ziels geeignet sein. Sodann stellt sich die Frage nach der Erforderlichkeit der gewählten Maßnahme, im Rahmen derer analysiert werden muss, ob nicht ein gleich geeignetes milderes Mittel gegeben sein könnte. Bei der Überprüfung der Erforderlichkeit der Wahl der Rechtsaktform muss danach insbesondere eine genaue Auseinandersetzung des Unionsgesetzgebers mit den abzuwägenden Aspekten stattfinden. Hierbei müssen zunächst die recht­ lichen Wirkungen der gewählten Rechtsaktform in die Abwägung eingestellt werden. Dabei kann festgehalten werden, dass sich keine eindeutige Hierarchie hinsichtlich der unterschiedlichen Wirkungsweise der Richtlinie und der Verordnung festlegen lässt. Insbesondere kann nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass die Richtlinie grundsätzlich das gegenüber der Verordnung mildere Mittel darstellt. Es müssen vielmehr im Einzelfall die Vor- und Nachteile der jeweils in Betracht zu ziehenden Rechtsaktform abgewogen und zusammen mit Überlegungen zur bestmöglichen Implementation bewertet werden. Trotz der grundsätzlichen Wirkungsweise der Rechtsform „Verordnung“ kann man nicht generell davon ausgehen, dass die Implementation unionsrechtlicher Regelungen durch diese Rechtsform erleichtert würde und mithin diese Art der Unionsgesetzgebung in vielerlei Hinsicht – insbesondere im Hinblick auf die den Richtlinien innewohnende Umsetzungsproblematik  – die effizienteste wäre. Diese These ist inzwischen als überholt anzusehen, da sich aufgrund des Vorhandenseins der Regelungsinstrumente der detaillierten Richtlinien und der Verordnungen, die für

354

Teil 3: Ergebnis, Konsequenzen und Perspektiven

die Anwendung bestimmter Vorschriften noch weiterer Durchführungsmaßnahmen bedürfen, eine Annäherung dieser beiden Regelungsinstrumente vollzogen zu haben scheint. Neben der Betrachtung der rechtlichen Wirkungen der einzelnen Maßnahmen muss auch eine Untersuchung der tatsächlichen Regelungsdichte erfolgen. Wird eine sehr detaillierte Richtlinie erlassen, so kann dies dazu führen, dass die Richtlinie in ihrer Wirkungsweise einer Verordnung so sehr gleicht, dass dem nationalen Gesetzgeber keinerlei Umsetzungsspielraum mehr verbleibt. Dabei muss jedoch bei der Frage der Erforderlichkeit einer solchen detaillierten Richtlinie die Unterteilung in Richtlinien mit überwiegend verfahrensrechtlichen Inhalten und solche mit materiellen Inhalten Berücksichtigung finden. Während Richtlinien mit materiellem Inhalt, die so detailliert ausgestaltet worden sind, dass den Mitgliedstaaten keinerlei Handlungsspielraum mehr gegeben ist, aufgrund des trotzdem mit der Umsetzung einhergehenden Aufwands effektiver in der Rechtsform der Verordnung ergehen sollten, da diese hinsichtlich der spezifischen Wirkungsweise, des Umsetzungsaufwands der Mitgliedstaaten und der Kontrollmöglichkeit der Kommission das mildere Mittel wäre, kann von dieser einfachen Unterscheidung bei Richtlinien mit überwiegend verfahrensrechtlichem Gehalt nicht ausgegangen werden. Solche Richtlinien erfordern naturgemäß eine detaillierte Ausgestaltung, da sie einheitlich in allen Mitgliedstaaten angewendet werden sollen. Dass solche Regelungsinhalte vom europäischen Gesetzgeber trotzdem in der Form der Richtlinie ergehen, obwohl sie den Mitgliedstaaten praktisch keinerlei Umsetzungsspielraum mehr überlassen, liegt nicht am Ziel der Kompetenzschonung, sondern am Ziel der „Strukturschonung“ der Mitgliedstaaten. Dabei möchte sich der europäische Gesetzgeber entlasten und schont daneben die mitgliedstaatlich bereits vorhandenen Regelungsgefüge in diesem Bereich. Falls der europäische Gesetzgeber jedoch eine Vereinheitlichung eines ganzen Verfahrensrechts in einem Rechtsgebiet anstrebt, so ist in diesem Fall die Rechtsform der Verordnung als die „er­ forderliche“ anzusehen. Die tatsächliche Regelungsdichte kann dabei oftmals mehr über die Wirkungsweise der Rechtsaktform aussagen als die abstrakt normierten Voraussetzungen der einzelnen Handlungsformen. Damit lässt sich feststellen, dass hinsichtlich der Erforderlichkeit einer Maßnahme nicht nur deren spezifische rechtliche Wirkungsweisen, sondern auch deren konkret ausgestalteter Regelungsinhalt sowie die Regelungsdichte eine große Rolle spielen. Hierbei spielt der tatsächliche Regelungsinhalt der Maßnahme allerdings regelmäßig nur eine untergeordnete Rolle, da dieser bereits unter dem Gesichtspunkt der konkreten Regelungsdichte mit umfasst ist. Zusammenfassend sind in die vom Unionsgesetzgeber bei der Wahl der Handlungsform durchzuführenden Abwägungen also mit einzustellen: die spezifische rechtliche Wirkungsweise der ausgewählten Handlungsform, hierbei insbesondere die unmittelbare und mittelbare Wirkungsweise und die Auswirkungen auf

A. Ergebnis

355

die Implementation, die konkrete Regelungsdichte – vor allem auch bei detaillierten Richtlinien – und schließlich der tatsächliche Regelungsgehalt des Rechtsakts. Bei der Überprüfung der Erforderlichkeit einer bestimmten Rechtsaktform im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes müssen diese drei Kriterien herangezogen, miteinander in Bezug gesetzt und abgewogen werden, um zu einem Ergebnis zu gelangen. Dabei ist die Überprüfung der Erforderlichkeit stark einzelfallabhängig. Diese Prüfungsreihenfolge gilt dem Grundsatz nach nicht nur beim erstmaligen Erlass eines Rechtsakts, sondern ebenfalls beim Wandel einer Rechtsaktform in eine andere. Bei der Konstellation vom Wandel von einer Richtlinie zu einer Verordnung muss zusätzlich innerhalb des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein gesondertes Bedürfnis für einen solchen Wandel bestehen. Ein solches Bedürfnis kann insbesondere dann gegeben sein, wenn die Rechtsetzung mittels Richtlinie in diesem Bereich nicht zielführend oder in anderer Weise ungenügend war, so dass ein Wandel von der Richtlinie zur Verordnung insofern erforderlich war. Eine solche Auseinandersetzung hinsichtlich der drei herausgearbeiteten Kriterien muss vom Unionsgesetzgeber verlangt werden, können sich doch bei der unterschiedlichen Gewichtung der einzelnen Aspekte durchaus legitim unterschied­ liche Ergebnisse im Hinblick auf die verhältnismäßige Maßnahme ergeben. Im Hinblick auf die Einhaltung der Rechtmäßigkeitskriterien und insbesondere des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes können bei der Untersuchung der beiden Referenzgebiete unterschiedliche Ergebnisse festgehalten werden, wobei jeweils keinerlei ausreichende Begründung für den jeweiligen Rechtsakt vom europäischen Gesetzgeber erfolgt ist. Die bezüglich der lebensmittelrechtlichen ­BasisVO ausgewählte Rechtsform der Verordnung ist nach der Überprüfung anhand der aufgestellten Kriterien nicht verhältnismäßig und mithin als nicht rechtmäßig anzusehen. Dabei wird die ­BasisVO auf die jeweils einschlägigen Ermächtigungsgrundlagen gestützt, die alle die Wahl der Rechtsform der Verordnung erlauben, und hält mithin insofern den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung ein. Bei der Überprüfung der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ergibt sich jedoch, dass im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Maßnahme große Zweifel bestehen. Zwar verfolgt die ­BasisVO grundsätzlich legitime Ziele und ist für die Zielerreichung auch ge­eignet, im Rahmen der Überprüfung der Erforderlichkeit zeigt sich jedoch, dass der untersuchte Rechtsakt sowohl Normen mit Richtlinien- als auch solche mit Verordnungscharakter enthält. Die Kapitel I und II enthalten mit den Vorgaben für die allgemeinen Grundsätze des Lebensmittelrechts eher einen rahmensetzenden Charakter, während den Kapiteln III und IV über die Errichtung der EBLS und die mitgliedstaatliche Kooperation mit der EBLS eher Verordnungscharakter zukommt. Aus der Normierung von Richtlinieninhalten in einer Verordnung resultieren jedoch insofern Probleme, als diese umsetzungsbedürftig sind und sich durch den

356

Teil 3: Ergebnis, Konsequenzen und Perspektiven

Verordnungscharakter nicht in der Weise in mitgliedstaatlich bereits vorhandene Regelungsgefüge eingliedern lassen, wie dies mittels einer Richtlinie möglich gewesen wäre. Die vorliegende Untersuchung ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Aufspaltung der ­BasisVO in eine Basis-Richtlinie und eine ­BasisVO ein mög­ liches milderes Mittel als eine einheitliche Verordnung dargestellt hätte. Dies insofern, als die Aufspaltung der ­BasisVO durch die grundsätzlich rechtlich und tatsächlich mögliche Verweisung innerhalb einer die Errichtung der EBLS und Vorschriften über die Kooperation der Mitgliedstaaten mit der EBLS umfassende ­BasisVO auf die allgemeinen lebensmittelrechtlichen Grundsätze in einer separaten Basis-Richtlinie insofern ein milderes Mittel gegenüber der ­BasisVO dargestellt hätte, als sich damit die lebensmittelrechtlichen Grundsätze in die bereits im Bereich des Lebensmittelrechts in den Mitgliedstaaten vorhandenen Regelungsgefüge besser eingepasst hätten. Dabei kann von einem Effizienz­vorsprung durch die Wahl der Rechtsform der Verordnung bezüglich der ­BasisVO nicht ausgegangen werden, da diese bezüglich der Kapitel I und II als so genannte „hinkende“ Verordnung umsetzungsbedürftige Vorschriften enthält, bei denen es auch zu der aus der Richtliniengesetzgebung bekannten Umsetzungsproblematik kommen kann. Hinsichtlich der überprüften PflSchVO kann als Ergebnis nach der umfassenden Untersuchung festgehalten werden, dass für den europäischen Gesetzgeber keine andere Regelungsmöglichkeit als die der Verordnung gegeben war. Der vom europäischen Gesetzgeber vollzogene Wandel von der Richtlinie zur Verordnung war insofern rechtmäßig. Die Rechtsform der Verordnung ist hierbei insofern die erforderliche Rechtsaktform, als die PflSchVO im Gegensatz zur PflSchRL zum einen einen deutlich stärkeren Grad an Detaillierung aufweist. Diese Detail­lierung ist an vielen Stellen so stark ausgeprägt, dass den Mitgliedstaaten nur wenig eigener Handlungsspielraum überlassen bleibt. In solchen Fällen soll die Rechtsform der Verordnung der der detaillierten Richtlinie vorgezogen werden. Festzu­ halten bleibt diesbezüglich jedoch auch, dass bereits die PflSchRL als Richtlinie mit überwiegend verfahrensrechtlichen Regelungen im Grundsatz nur über wenig rahmensetzenden Charakter und an vielen Stellen bereits über ein so starkes Maß an Detailliertheit verfügt hat, dass den Mitgliedstaaten insofern kaum Handlungsspielraum verblieben ist. Mithin kann allein aus der nunmehr teilweise verstärkten Detaillierung der Vorschriften in der PflSchVO kein Bedürfnis für die Änderung der Rechtsaktform entnommen werden, wenn man von der Rechtmäßigkeit solcher stark detaillierter zumeist verfahrensrechtlich geprägter Richtlinien ausgeht. Es bestand daneben jedoch insofern ein Bedürfnis für eine Regelung mittels einer Verordnung, da sich viele der Vorschriften der PflSchVO nicht an die Mitgliedstaaten, sondern an die Kommission oder die EBLS wenden. Diese Institutio­ nen können jedoch nicht Adressaten einer Richtlinie nach Art. 288 Abs. 3 AEUV (ex-Art.  249 Abs.  3 EGV) sein. Daneben bestand keine Möglichkeit einer Auf­ spaltung der PflSchVO in eine separate Richtlinie und eine Verordnung, da sich –

B. Begründungspflichten nach EGV und AEUV

357

anders als dies bei der ­BasisVO der Fall ist – keine Normenreihen finden lassen, deren separate Zusammenfassung in einer Richtlinie sinnvoll wäre. Hinsichtlich beider untersuchter Rechtsakte waren keinerlei ausreichende Begründungsansätze für die Wahl der Rechtsaktform in den Erwägungsgründen der Rechtsakte zu finden. Eine Kontrolle der Rechtsaktformenwahl durch den EuGH wird damit hinsichtlich der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Grunde unmöglich gemacht. Zwar besteht grundsätzlich eine Begründungspflicht des europäischen Gesetzgebers auch bezüglich der Einhaltung des Verhältnis­ mäßigkeitsgrundsatzes, diese Begründung ist im Regelfall – wie vorliegend auch in den beiden überprüften Rechtsakten – jedoch unzureichend, da der Gesetzgeber allenfalls schematisch wiederholt, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingehalten wurde. Diese formelhafte Aussage kann aber letztlich nicht mehr bewirken als zu zeigen, dass überhaupt an das Erfordernis von irgendwie gearteten Ausführungen zur Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gedacht wurde. Eine sachgerechte oder überhaupt auch nur eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den konkreten Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes oder die Berücksichtigung der relevanten Aspekte des geregelten Sachbereichs und der gewählten Regelungsform wird jedoch durch eine derartige floskelhafte und inhaltsleere Formulierung nicht belegt. Eine nachvollziehbare Begründung für die Wahl der Rechtsaktform wird nicht gegeben.

B. Begründungspflichten nach EGV und AEUV Somit ist nun weiter zu prüfen, welche Konsequenzen sich aus diesem Unter­ suchungsergebnis ergeben und wie die Begründungspflichten im europäischen Recht ausgestaltet sind. Grundsätzlich ist der europäische Gesetzgeber verpflichtet, hinsichtlich der für die Verhältnismäßigkeit der Wahl der Rechtsaktsform als relevant herausgearbeiteten Kriterien eine umfassende Abwägung vorzunehmen. In diesem Kontext ist zunächst zu prüfen, wie sich die Rechtslage hinsichtlich der Begründungen1 allgemein und dann bezüglich der Maßnahmen der Gemeinschaft nach dem EGV dargestellt hat, welchem Zweck die Begründungen dienten und wie konkret die Begründungspflicht hinsichtlich des Verhältnismäßigkeitsprinzips ausgesehen hat. Sodann werden die Begründungspflichten nach dem AEUV untersucht.

1 Allgemein zu Nutzen und Notwendigkeit von Gesetzesbegründungen Redeker/Karpen­ stein, NJW 2001, S. 2825 ff.

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Teil 3: Ergebnis, Konsequenzen und Perspektiven

I. Ziele und Umfang der Begründungspflichten 1. Ziele der Begründung Die Begründung von Rechtsakten hat verschiedene Ziele.2 Zunächst soll die Begründung von Rechtsakten den Gesetzgeber vor unüberlegten Rechtsetzungsschritten schützen. Sie dient dabei dem Gesetzgeber dazu, sich ausreichend mit der in Frage stehenden Maßnahme auseinanderzusetzen und seine Motivation selbst anhand dieser Auseinandersetzung zu kontrollieren.3 Der Begründungspflicht wohnt mithin eine Art „Selbstkontrollmechanismus“ inne.4 Die Begründungspflicht dient weiter den Interessen der Adressaten des Rechtsakts im Hinblick auf Überprüfungsmöglichkeiten. Diese sollen die Gründe für die erlassene Maßnahme kennen, um gegebenenfalls ihre Rechte ausüben zu können.5 Außerdem gibt eine ausreichende Begründung dem Europäischen Gerichtshof die Möglichkeit einer umfassenden Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Gemeinschaftsorgane.6 Die Begründungspflicht erleichtert dabei dem EuGH die Tatsachenermittlung7 und stellt zudem eine „maßgebliche Erkenntnisquelle zur Überprüfung der materiellen Rechtmäßigkeit der Maßnahme dar“8.9 Weiter kann eine ausführliche Begründung dazu führen, dass die nationalen Gerichte das anzuwendende Recht besser verstehen und dass dieses Verständnis möglicherweise zu weniger Vorlageverfahren nach Art. 234 EGV bzw. Art. 267 AEUV führt, was wiederum in einer Entlastung des EuGH mündet.10 2 Zu den Zielen Gellermann, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 253 EGV, Rn. 1 ff.; Redeker/Karpenstein, NJW 2001, S. 2830 f. 3 Hetmeier, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU- und EG-Vertrag, 4. Aufl. 2006, Art. 253 EGV, Rn. 2. 4 Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 253 EGV, Rn. 2; hierzu auch Redeker/Karpenstein, NJW 2001, S. 2830. 5 EuGH, RS. 22/94, „Irish Farmers Association e.a.“, Slg. 1997, I-1809, LS 4. Hetmeier, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU- und EG-Vertrag, 4. Aufl. 2006, Art. 253 EGV, Rn. 2. 6 Siehe hierzu EuGH, RS. 18/57, „Nold“, Slg. 1959, I-00091, LS 3, wonach die Begründungspflicht nicht nur dem Schutz der der Gerichtsbarkeit unterworfenen Personen zugutekommt, sie hat überdies den Zweck, dem Gerichtshof die richterliche Nachprüfung der Entscheidungen in vollem Umfang zu ermöglichen. Zur Begründungspflicht von verbindlichen Rechtsakten der Gemeinschaft siehe auch Wagner, VR 1984, S. 327. 7 Müller-Ibold, Die Begründungspflicht im europäischen Gemeinschaftsrecht und im deutschen Recht, 1990, S. 20 geht davon aus, dass die konkrete Entlastung des Gerichts darin liegt, dass eine Aufklärung der Umstände, die zu einer konkreten Gesetzgebung geführt haben durch eine ausführliche Begründung nicht mehr notwendig sein wird. 8 Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht II, 2. Aufl. 2005, S. 1351. 9 Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 253 EGV, Rn. 6. 10 Hierzu auch Müller-Ibold, Die Begründungspflicht im europäischen Gemeinschaftsrecht und im deutschen Recht, 1990, S. 20, Fn. 61.

B. Begründungspflichten nach EGV und AEUV

359

2. Inhalt und Umfang der Begründungspflicht Zunächst sind Inhalt und Umfang der Begründungspflicht zu untersuchen. a) Inhalt der Begründungspflicht Die Rechtsprechung zu den Begründungspflichten und insbesondere deren Inhalt11 ist umfangreich, jedoch lassen sich keine allgemeingültigen Anforderungen an die Begründungspflicht daraus ableiten. Inhaltlich soll eine Begründung die wesentlichen rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen wiedergeben, auf die der betreffende Rechtsakt gestützt wird.12 Es müssen aber nicht alle tatsächlich oder rechtlich erheblichen Gesichtspunkte enthalten sein. Für die Feststellung, ob eine Begründung insofern als ausreichend anzusehen ist, muss nicht nur der Wortlaut der Begründung herangezogen werden, vielmehr muss dies auch anhand des Kontextes, in welchem der Rechtsakt steht, sowie sämtlicher Rechtsvorschriften, die das betreffende Rechtsgebiet regeln, beurteilt werden.13 b) Umfang der Begründungspflicht Der Umfang der Begründungspflicht hängt von der Rechtsnatur der in Betracht kommenden Maßnahme ab. Bei einer Verordnung bzw. einer Richtlinie kann sich die Begründung auch nur darauf beschränken, dass die Gesamtlage angegeben wird, die zum Erlass dieses Rechtsakts geführt hat, und die allgemeinen Ziele bezeichnet werden, die mit dieser Verordnung erreicht werden sollen.14 Dies soll insbesondere deshalb gelten, weil bei Normativakten zu berücksichtigen ist, dass eine allgemeine Situation abstrakt zu regeln ist, so dass nicht auf alle Einzelheiten eingegangen zu werden braucht.15

11

Zum Inhalt von Begründungen Schoo, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 253 EGV, Rn. 6 ff.; Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 253 EGV, Rn. 8 ff. 12 EuGH, RS. T-244/95, „Tremblay/Kommission“, Slg. 1997, II-2215, Rn. 9, 39. 13 EuGH, RS. C-122/94, „Kommission/Rat“, Slg. 1996, I-881, LS 3. 14 Siehe hierzu EuGH, RS. 5/67, „W. Beus GmbH & Co./Hauptzollamt München“, Slg. 1968, I-0128, LS 4, aus diesen Gründen kann auch nicht verlangt werden, dass die Begründung die mitunter sehr zahlreichen und weitverzweigten tatsächlichen Umstände im einzelnen anführt, auf deren Grundlage die Verordnung ergangen ist, und noch weniger, dass sie diese Umstände mehr oder weniger würdigt; siehe hierzu auch EuGH, RS. 80/72, „Koninklijke Lassiefabrieken/ Hoofdproduktschap voor Akkerbrouwprodukten“, Slg. 1973, I-0635, LS  1; nach dieser Entscheidung bedarf die Begründung nicht auch aller Einzelheiten einer Maßnahme, wenn sich dies im Rahmen der Gesamtregelung halten. 15 Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 4. Aufl. 2009, § 12, Rn. 79.

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Teil 3: Ergebnis, Konsequenzen und Perspektiven

Hiervon abzugrenzen sind die Begründungspflichten für Einzelentscheidungen. Bei diesen sind in der Begründung alle Tatsachen anzugeben, von denen die Rechtmäßigkeit der Maßnahme abhängt, sowie die Erwägungen, die zum Erlass der Entscheidung veranlasst haben.16 Diese Unterscheidung im Begründungsumfang hinsichtlich der unterschied­ lichen Rechtsakte ist insofern gerechtfertigt, als an Begründungen von Entscheidungen ein strengerer Maßstab angelegt wird, da diese unmittelbar in Rechtspositionen von Bürgern und Unternehmen eingreifen können.17 Weiter ist der Umfang der Begründungspflicht vom Gesamtzusammenhang der Maßnahme und dem Kenntnisstand der Rechtsbetroffenen abhängig.18

II. Rechtslage nach dem EGV Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen waren gemäß Art.  253 EGV zu begründen19 und gemäß Art.  254 Abs.  1 und Abs.  2 EGV im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Teil L zu veröffentlichen. Dieses Begründungs­ erfordernis resultierte zentral aus dem in Art. 6 EUV a. F. normierten Rechtsstaatsprinzip.20 Die Pflicht im europäischen Recht, auch normative Akte zu begründen, ging und geht damit weiter als im deutschen Recht.21 1. Verstoß gegen die Begründungspflicht Ein Verstoß gegen die in Art. 253 EGV normierte Begründungspflicht22 stellte eine Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift23 dar. Sie führte nicht auto­ matisch zur Nichtigkeit der Maßnahme, sondern nur zu deren Anfechtbarkeit im

16



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EuGH, RS. 41/69, „Chemiefarma/Kommission“, Slg. 1970, I-693, LS 7. Hetmeier, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU- und EG-Vertrag, 4. Aufl. 2006, Art. 253 EGV, Rn. 6. 18 Vgl. hierzu Schoo, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 253 EGV, Rn. 10 f. 19 Zur Begründungspflicht der Rechtsakte siehe auch Grabitz, Quellen des Gemeinschaftsrechts: Rechtshandlungen der Gemeinschaftsorgane, in: Kommission (Hrsg.), Dreißig Jahre Gemeinschaftsrecht, 1983, S. 99 ff. 20 Calliess, in: Calliess/Ruffert, Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 253 EGV, Rn. 2. 21 Zur Begründungspflicht im deutschen Recht auch Kischel, Die Begründung, 2003, S. 260 ff.; Kroitzsch, NJW 1994, S. 1032 ff.; Redeker/Karpenstein, NJW 2001, S. 2825 ff. 22 Zum Verstoß gegen die Begründungspflicht vgl. Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2007, Art. 253 EGV, Rn. 25 f.; Schoo, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 253 EGV, Rn. 13. 23 Hierzu auch Hetmeier, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU- und EG-Vertrag, 4. Aufl. 2006, Art. 253 EGV, Rn. 1.

B. Begründungspflichten nach EGV und AEUV

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Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach Art. 230 EGV.24 Die tatsächliche Nichtigkeit der Maßnahme aufgrund eines Verstoßes gegen die Begründungspflicht konnte allein vom EuGH festgestellt werden. 2. Begründungspflicht hinsichtlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – Vorgaben Weiter ist nun im Speziellen auf die Begründungspflicht hinsichtlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einzugehen: Gemäß Nr. 4 des Subsidiaritätsprotokolls zum EGV sollte jeder Vorschlag für gemeinschaftliche Rechtsvorschriften begründet werden, um zu rechtfertigen, dass dabei die Grundsätze der Subsidiarität25 und der Verhältnismäßigkeit ein­ gehalten wurden.26 Auch nach der interinstitutionellen Vereinbarung „Bessere Rechtsetzung“ sollte die Kommission in ihrer Begründung für Rechtsaktvorschläge darlegen, welche Rechtsvorschriften auf Gemeinschaftsebene in dem betreffenden Bereich be­stehen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen mussten, auch im Hinblick auf die Einhaltung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, gerechtfertigt werden.27 In dem Bericht „Bessere Rechtsetzung 2007“ wird auf die Folgenabschätzung eingegangen und auf die Anstrengungen der Kommission durch diese Maßnahme und die der Begründung den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnis­ mäßigkeit zu entsprechen. Die Kommission berichtet beispielhaft von einem Urteil des EuGH28, in welchem eine Verordnung aufgrund eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aufgehoben wurde, da in der Begründung des Rechtsakts von den Gemeinschaftsorganen die Grunddaten, die zur Begründung der im Rechtsstreit angefochtenen Maßnahme zu berücksichtigen waren und von denen die Ausübung ihres Ermessens abhing, nicht klar und eindeutig dargelegt worden waren.29

24 EuGH, RS.  T-230/94, „Farrugia/Kommission“, Slg.  1996, II-196; Hetmeier, in: Lenz/ Borchardt (Hrsg.), EU- und EG-Vertrag, 4. Aufl. 2006, Art. 253 EGV, Rn. 1. 25 Zur Begründungspflicht hinsichtlich der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips vgl. Schoo, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 253 EGV, Rn. 12. 26 Protokoll Nr. 30 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, aus dem Vertrag von Amsterdam zur Gründung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, ABl. Nr. C 340 vom 10.11.1997. 27 Interinstitutionelle Vereinbarung „Bessere Rechtsetzung“ 2003/C 321/01, S. 2. 28 EuGH, RS. C-310/04, „Königreich Spanien/Rat“, Slg. 2006, I-7285, Rn. 123. 29 KOM (2007) 286 endg., S. 10.

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Teil 3: Ergebnis, Konsequenzen und Perspektiven

Somit waren durchaus Hinweise auf eine Begründungspflicht hinsichtlich der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Primärrecht und in anderen Vorschriften zu finden. Aspekte hinsichtlich der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips lassen sich derzeit jedoch trotzdem kaum in den Begründungen der Rechtsakte finden.

III. Die Rechtslage nach dem Vertrag von Lissabon Nach der Feststellung, dass bereits nach der Rechtslage des EGV durchaus Verpflichtungen zur Begründung von Normativakten hinsichtlich der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips vorhanden waren, diese aber zumeist nicht eingehalten wurden, soll nun die Rechtslage diesbezüglich nach dem Vertrag von Lissabon untersucht werden. Art. 296 AEUV enthält nun ausdrücklich die Verknüpfung der Wahl des Rechtsakts mit der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Hiernach entscheiden die Organe, wenn die Art des zu erlassenden Rechtsakts von den Verträgen nicht vorgegeben ist, von Fall zu Fall unter Einhaltung der geltenden Verfahren und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.30 Nach diesem dürfen die Maßnahmen der Union gemäß Art. 5 Abs. 4 S. 1 EUV inhaltlich wie formal nicht über das für die Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hinausgehen. Nach dem Subsidiaritätsprotokoll des Vertrags von Lissabon31 werden die Entwürfe von Gesetzgebungsakten32 im Hinblick auf die Einhaltung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit begründet. Weiter sollte jeder Entwurf eines Gesetzgebungsakts einen Vermerk mit detaillierten Angaben enthalten, die es ermöglichen zu beurteilen, ob die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit eingehalten wurden.33



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Vgl. hierzu Vedder, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäischer Verfassungsvertrag, 2007, Art. I-38 VVE, Rn. 4 geht davon aus, dass der Verweis auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip dazu führt, dass die Rechtsaktform zu wählen ist, die das Regelungsziel für die Mitgliedstaaten möglichst souveränitätsschonend erreicht; in der Regel ein Europäisches Rahmengesetz (nach dem Vertrag von Lissabon bleibt die Bezeichnung „Richtlinie“ vgl. Art. 288 UAbs. 3 AEUV) vor einem Europäischen Gesetz (nach dem Vertrag von Lissabon bleibt die Bezeichnung „Verordnung“ vgl. Art. 288 UAbs. 2 AEUV). Vgl. hierzu auch Geller­ mann, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl., 2012, Art. 296 AEUV, Rn. 4 ff. 31 Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, ABl. Nr. C. 306 vom 17.12.2007. 32 Nach Art.  3 Subsidiaritätsprotokoll VvL sind „Entwürfe von Gesetzgebungsakten“ die Vorschläge der Kommission, die Initiativen einer Gruppe von Mitgliedstaaten, die Initiativen des Europäischen Parlaments, die Anträge des Gerichtshofs, die Empfehlungen der Europäischen Zentralbank und die Anträge der Investitionsbank, die den Erlass eines Gesetzgebungsakt zum Ziel haben. Zum Begriff des Gesetzgebungsaktes vgl. Rösch, VR 2008, S. 361 ff. 33 Art. 5 S. 1 und 2 Subsidiaritätsprotokoll VvL.

B. Begründungspflichten nach EGV und AEUV

363

Weitere ausführlichere Angaben explizit zum Verhältnismäßigkeitsprinzip sind im Subsidiaritätsprotokoll VvL nicht enthalten.34 Somit enthält es weniger An­ gaben bzw. kaum mögliche Angaben hinsichtlich eines Prüfkriterienkatalogs, der heranzuziehen ist, wenn der Unionsgesetzgeber die Einhaltung des Verhältnis­ mäßigkeitsprinzips sicherstellen möchte. Allenfalls kann Art. 5 S. 5 Subsidiaritätsprotokoll VvL herangezogen werden, der festlegt, das die Entwürfe von Gesetzgebungsakten berücksichtigen sollen, dass die finanzielle Belastung und der Verwaltungsaufwand der Union, der nationalen Regierungen, der regionalen und lokalen Behörden, der Wirtschaftsteilnehmer und der Bürgerinnen und Bürger so gering wie möglich gehalten werden und in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Ziel stehen müssen. Dieser Satz bezieht sich jedoch auf die vorhergehenden Sätze, welche sich  – zwar nicht explizit, wohl aber aus dem Kontext erkennbar – mit dem Subsidiaritätsprinzip und mit dessen Einhaltung beschäftigen. Art. 5 S. 5 war bereits im vorhergehenden Subsidiaritätsprotokoll in Nr. 9 im Hinblick auf die Begründung bezüglich der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips vorhanden. Weitere Angaben zum Verhältnismäßigkeitsprinzip bzw. einer diesbezüglichen Begründungspflicht lassen sich nicht finden. Einzige neue Vorgabe ist nach dem Vertrag von Lissabon mithin, dass auch hinsichtlich der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Vermerk mit detaillierten Angaben im Entwurf eines Gesetzgebungsakts zu finden sein muss. Da nun ausdrücklich in Art. 296 AEUV auf die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips auch hinsichtlich der Wahl der Rechtsaktform eingegangen wird und daneben Art. 5 Abs. 4 EUV explizit festlegt, dass die Maßnahmen der Union auch „formal“ nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hinausgehen, ist nun zu hoffen, dass ein solcher Vermerk mit detaillierten Angaben auch ausführliche Angaben hinsichtlich der Motivation des Gesetzgebers in Bezug auf die Wahl der Rechtsaktform enthalten wird. Zu bemängeln ist allerdings, dass ein ausführlicher Prüfkriterienkatalog, der dem Gesetzgeber Anhaltspunkte für die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips liefern könnte, im neuen Subsidiaritätsprotokoll nicht zu finden ist. Insofern werden sogar weniger Angaben gemacht, als dies noch im Subsidiaritätsprotokoll nach Amsterdam der Fall war. Wie in der Arbeit bereits ausführlich dargestellt, beinhaltet die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips hinsichtlich der Wahl der Rechtsaktform komplizierte Überlegungen und Abwägungen. Die Entscheidung für einen bestimmten Rechtsakttypus erfolgt hierbei nach pflichtgemäßem Ermessen des Gesetzgebers. Genauere Anhaltspunkte für die rechtmäßige Ausübung dieses Ermessens wären in jedem Falle hilfreich, da es keine Normenhierarchie

34 Hierzu auch Streinz/Ohler/Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 2. Aufl. 2008, S. 87.

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Teil 3: Ergebnis, Konsequenzen und Perspektiven

zwischen Verordnung und Richtlinie im Hinblick auf deren Eingriffs- oder Belastungsintensität gibt und nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Richtlinie im Zweifelsfall immer das mildere Mittel vor einer Verordnung35 ist.

IV. Problematik Begründungspflicht nach EGV und AEUV Der europäische Gesetzgeber ist verpflichtet, hinsichtlich der für die Verhältnismäßigkeit der Wahl der Rechtsaktsform als relevant herausgearbeiteten Kriterien eine umfassende Abwägung vorzunehmen. Bislang ist eine Abwägung und sind entsprechende Erwägungen des europäischen Gesetzgebers jedoch für Außenstehende nicht nachvollziehbar und damit für den EuGH auch nicht ausführlich kontrollierbar gewesen. Selbst wenn der EuGH seine Kontrolle bei eingeräumtem weitem Ermessen darauf beschränkt zu überprüfen, ob ein offensichtlicher Irrtum, ein Ermessensmissbrauch oder eine Ermessensüberschreitung vorliegen, so kann nach den heutigen Maßstäben eine solche Überprüfung nicht effektiv stattfinden, da die vorgenommene Abwägung des Unionsgesetzgebers, so sie denn überhaupt stattgefunden hat, jedenfalls nicht erkennbar oder nachvollziehbar ist. Dem europäischen Gesetzgeber ist grundsätzlich bei wirtschaftlich komplexen Sachverhalten ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt. Bezüglich der Verhältnismäßigkeit der Wahl der Rechtsaktform stellt sich hinsichtlich der Normativakte insofern nur die Wahl zwischen Richtlinie und Verordnung. In Fällen, in denen dem Gesetzgeber ein weites Ermessen zusteht, beschränkt sich die Kontrolle des EuGH auf eine Evidenzkontrolle.36 Gerade aus diesem Grund ist für eine bessere gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit eine umfassende substantiierte Begründung unerlässlich. Es besteht mithin ein direkt proportionaler Zusammenhang zwischen „der Weite dieses Ermessensspielraums und dem Umfang der Begründungspflicht“37, dem insofern Rechnung getragen werden sollte, als gerade in diesen Fällen eine ausreichende Begründung des Gesetzgebers geliefert wird. Dies folgt schon aus dem Wesen der Begründungspflicht, welche insbesondere verlangt, dass der Entscheider rational nachvollziehbar vorgeht und diese Entscheidung auch überprüfbar sein muss. Jedoch kann auch ein Zusammenhang dahingehend beobachtet werden,

35 So jedoch bspw. Vedder, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäischer Verfassungsvertrag, 2007, Art. I-38 VVE, Rn. 4. 36 Vgl. hierzu EuGH, RS. C-491/01, „British American Tobacco“, Slg. 2002, I-11453; weiterführend auch König, in: Schulze/Zuleeg (Hrsg.), Europarecht, Handbuch für die deutsche Rechtspraxis, 2006, § 2, Rn. 24. 37 Vgl. hierzu m. w. N. Müller-Ibold, Die Begründungspflicht im europäischen Gemeinschaftsrecht und im deutschen Recht, 1990. S. 21.

B. Begründungspflichten nach EGV und AEUV

365

dass die Begründungen von Rechtsakten umso geringer ausfallen, je größer der dem Gesetzgeber eingeräumte Ermessenspielraum ist. Hinsichtlich der Einhaltung der Verhältnismäßigkeit der Wahl der Rechtsform muss der Gesetzgeber bezüglich der Begründung an sich nur die unmittelbare und mittelbare Wirkungsweise des auszuwählenden Rechtsakts im Gegensatz zu der jeweils anderen in Betracht kommenden Rechtsaktsform analysieren und sich auf der Grundlage dieser Analyse für die erforderliche Maßnahme entscheiden. Diese getätigten Überlegungen, insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung hinsichtlich der Wahl zwischen Verordnung und Richtlinie, sollten sich sodann in der Begründung des Rechtsakts wiederfinden. Für eine solche Begründung wäre ein Katalog der Prüfkriterien zur Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips hilfreich, um die Evidenzkontrolle des EuGH zu erleichtern. Ein solcher existiert jedoch bislang nicht. Insbesondere aufgrund des mangelnden Begründungserfordernisses hinsichtlich der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Hinblick auf die Wahl der Rechtsaktform kann eine effiziente Kontrolle eben dieser Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch den EuGH nicht ausreichend erfolgen. Genau diese mangelnde Kontrollierbarkeit und Nachvollziehbarkeit relativieren die Bedeutung der existierenden primärrechtlichen Begrenzung des gesetzgeberischen Ermessens durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und stellen aufgrund dessen große Defizite der rechtsstaatlichen Bindung des Normsetzungsprozesses auf Unions­ebene dar. Eine umfassendere Begründungspflicht würde dabei zunächst bewirken, dass sich der europäische Gesetzgeber überhaupt ausführlich und ernsthaft mit den mit der Wahl der Rechtsaktform verbundenen Fragen auseinandersetzt. Zugleich würde eine solche Begründungspflicht die nachträgliche Überprüfung dieser Auseinandersetzung des europäischen Gesetzgebers mit den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch den Europäischen Gerichtshof ermöglichen. Damit käme einer Begründungspflicht des Gesetzgebers für seine Entscheidung für eine bestimmte Handlungsform, mit der er einen bestimmten Bereich regelt, eine doppelte Bedeutung zu: Einerseits würde sie den europäischen Gesetzgeber zu einer tatsächlichen Auseinandersetzung mit den relevanten primärrechtlichen Vorgaben insbesondere des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Rechtsformwahl und zur Dokumentation der wesentlichen Elemente und tragenden Gründe dieser Auseinandersetzung zwingen, andererseits gleichzeitig eine nachträgliche gerichtliche Überprüfung und Kontrolle dieser Auseinandersetzung ermöglichen. Vor diesem Hintergrund erscheint es naheliegend, die Begründungspflichten des europäischen Gesetzgebers im Hinblick auf die Beachtung der primärrechtlichen Vorgaben und insbesondere des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Handlungsformenwahl grundsätzlich auszubauen und zu intensivieren, um eine verstärkte Beachtung und bessere Überprüfung der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erreichen.

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Teil 3: Ergebnis, Konsequenzen und Perspektiven

C. Verbesserungsmöglichkeiten Nach der Feststellung des Ergebnisses und den allgemeinen Ausführungen zu den Begründungspflichten, insbesondere auch nach dem EGV, sollen nunmehr die Perspektiven bzw. Verbesserungsmöglichkeiten näher beleuchtet werden. Nach dem EGV und auch nach veränderter Rechtslage durch das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon ist eine Kontrolle durch den EuGH der Anwendung des Ermessens in verhältnismäßiger Art und Weise bei der Wahl der Handlungsform durch den Unionsgesetzgeber nicht gewährleistet. Zwar besteht grundsätzlich für diesen eine Begründungspflicht auch im Hinblick auf die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, diese Begründung ist im Regelfall jedoch in­sofern nur unzureichend, als der Unionsgesetzgeber allenfalls schematisch wiederholt, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch eingehalten wurde. Um eine bessere Überprüfung der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Hinblick auf die Wahl der Rechtsform zu ermöglichen, wäre es denkbar, die Begründungspflicht des Unionsgesetzgebers diesbezüglich auszubauen. Dies insofern, dass eine genauere Begründung von diesem verlangt wird, in der die genauen Umstände, die zur Entscheidung genau für die speziell ausgewählte Rechtsform geführt haben, näher erläutert werden. Anhaltspunkt hierfür könnte das Subsidiaritätsprotokoll VvL sein, welches in Art. 5 verlangt, dass der Entwurf eines Gesetzgebungsakts einen Vermerk mit detaillierten Angaben enthalten soll, die es ermöglichen zu beurteilen, ob die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit eingehalten wurden. Im Idealfall fiele ein solcher Vermerk so umfassend aus, dass genau nachvollzogen werden kann, warum das ausgewählte Mittel in diesem Regelungsfeld mit diesem Regelungsinhalt das mildeste und somit das erforderliche ist. Hierbei können eine rein formelhafte Wiederholung der verschiedenen Prüfungspunkte des Verhältnismäßigkeitsprinzips und eine knappe Bestätigung ihrer Einhaltung nicht als ausreichend angesehen werden und müssten mithin zur Anfechtbarkeit und gegebenenfalls zur Nichtigkeit des in Frage stehenden Rechtsakts führen. Auch kann nicht genügen, dass allgemeine Gründe wie bspw. die Gewährleistung des Binnenmarktes ohne weitere Erläuterung für die Auswahl einer speziellen Handlungsform herangezogen werden. Werden solche Gründe herangezogen, so muss verlangt werden, dass der Unionsgesetzgeber ganz genau darlegt, warum die ausgewählte Handlungsform verhältnismäßig ist und welche Auswirkungen im Zweifelsfall die Anwendung einer anderen Handlungsform hätte. Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Wahl der Rechtsaktform stellt sich bei Normativakten die Wahl zwischen Richtlinie und Verordnung. Insofern steht dem Gesetzgeber ein weites Ermessen zu, welches er ausüben kann und soll. Hinsichtlich der Einhaltung der Verhältnismäßigkeit bei der Wahl der Rechtsform muss der Gesetzgeber bezüglich der Begründung an sich nur die unmittelbare und mittelbare Wirkungsweise des auszuwählenden Rechtsakts im Gegensatz zu dem

C. Verbesserungsmöglichkeiten

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anderen in Frage kommenden analysieren und sich dann für die erforderliche Maßnahme entscheiden. Diese getätigten Überlegungen sollten sich sodann in der Begründung des Rechtsakts wiederfinden. Für eine solche Begründung wäre ein Katalog der Prüfkriterien zur Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips hilfreich. Ein solcher existiert bislang nicht. Richtig verortet wären solche Prüfkriterien in einem Subsidiaritätsprotokoll. Diese müssten sich grundsätzlich am Prüfungsschema des Verhältnismäßigkeitsprinzips orientieren. Somit müsste zunächst die Geeignetheit der in Frage stehenden Maßnahme zur Erreichung eines legitimen Ziels überprüft werden. Bei der Wahl zwischen Richtlinie und Verordnung wird dieser Prüfungspunkt zumeist hinsichtlich beider Handlungsformen gegeben sein. Als mögliche Anhaltspunkte im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit einer EU-Maßnahme lässt sich festhalten, dass drei verschiedene Aspekte mit in die Untersuchung und die sich anschließende Bewertung der Erforderlichkeit einfließen müssen: –– die spezifische rechtliche Wirkungsweise der ausgewählten Handlungsform, hierbei insbesondere: –– die unmittelbare Wirkung auf Mitgliedstaaten, Union und Einzelne, –– die mittelbare Wirkung auf Mitgliedstaaten, Union und Einzelne, –– Auswirkungen auf die Implementation; –– die konkrete Regelungsdichte (insb. bei detaillierten Richtlinien): –– Ist die konkrete Regelungsmaterie so beschaffen, dass sie bspw. aus Gründen der Gefahrabwendung oder des Gesundheitsschutzes detailliert geregelt werden sollte? –– Sollen verfahrensrechtliche Vorschriften vereinheitlicht werden und bestehen bereits Regelungsgefüge in diesem Bereich in den verschiedenen Mitgliedstaaten, in welche sich diese Verfahrensanforderungen eingliedern sollen? –– Ist es eventuell zur Herbeiführung eines Konsenses der Mitgliedstaaten erforderlich, detaillierte Regelungen zu erlassen? –– Ist die Regelungsdichte erforderlich, um potenziellen Entscheidungsfehlern der mitgliedstaatlichen Verwaltung vorzubeugen? –– Ist die Regelungsdichte erforderlich, um die Norm für den betroffenen Bürger voraussehbarer zu machen – also erforderlich, um Rechtssicherheit zu bewirken? –– Ist die Regelungsdichte erforderlich, um potenziellen von den Mitgliedstaaten verursachten Umsetzungsfehlern vorzubeugen? –– Und eng mit der letzten Frage verknüpft: Ist die Regelungsdichte erforderlich, um der Kommission und dem EuGH die Kontrolle zu vereinfachen? –– der tatsächliche Regelungsinhalt.

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Teil 3: Ergebnis, Konsequenzen und Perspektiven

Diese Kriterien sollte der Gesetzgeber in seine Überlegungen hinsichtlich der Wahl des Rechtsakts einstellen und dann auch in der entsprechenden Begründung zum Ausdruck bringen. Eine solche Analyse ist eng verknüpft mit einer Folgenabschätzung, die mittlerweile bei allen Rechtsakten durchzuführen ist, und dürfte den Gesetzgeber mithin nur bezüglich der konkreten Ausformulierung der Begründung und nicht im Hinblick auf die tatsächliche Abwägung zusätzlich belasten. Auf diese Weise sollte in Zukunft eine ausführlichere, durch einen Prüfkriterienkatalog konkretisierte Begründungspflicht des Unionsgesetzgebers für seine Entscheidung zur Rechtsetzung entweder durch eine Verordnung oder durch eine Richtlinie einen signifikanten Beitrag zur realen Beachtung und Durchsetzung der existierenden primärrechtlichen Vorgaben des Unionsrechts für diese Entscheidung leisten können.

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Sachverzeichnis Agrarpolitik, Gemeinsame  199, 202, 203, 204, 206, 291, 292, 293, 294, 304 Aktionen  137, 140 Amsterdamer Vertrag  72 Anfechtungsklage  48 Angemessenheit  105, 106, 147, 171, 185 Anhörung  32 Anpassungspflichtige  250 Anwendungsvorrang  40 Art. 5 EUV  101–113 Auslegungsmethoden  140 Ausschuss der Regionen  85, 86 Basis-Richtlinie  277, 356 BasisVO  186, 187–278 –– Aufspaltung  267, 269, 277, 356 –– Erforderlichkeit  221 –– Ermächtigungsgrundlagen  193 –– Erwägungsgründe  197, 219 –– hinkende Verordnung  263–265 –– Kapitel I  223 –– Kapitel II  228 –– Kapitel III  238 –– Kapitel IV  242 –– Richtliniencharakter  273 –– Ziele  218 –– zielkonkretisierende Normen  219 Begrenzte Einzelermächtigung, Prinzip der  101, 102, 113, 118, 120, 124, 129, 172, 180, 183, 193, 195, 353 Begründungspflichten –– AEUV  357 –– EGV  357 –– Inhalt  359 –– Umfang  359 –– Unionsgesetzgeber  174 –– Verstoß  360 Beistoffe, unzulässige  312 Bereichsziele  150, 151 Berichte  68, 69 Beschlüsse  29, 30, 32, 85

Beschlussverfahren  300 Bestimmungen  137, 140 Betroffenheit –– individuelle  29, 45 –– unmittelbare  29, 44 Betroffenheitsbegriff  44 Binnenmarkt  70, 117, 118, 198, 199, 200, 201, 206, 208, 209, 211, 294, 304 Civil Law  59 Common Law  59 Datennutzung  334 Datenschutz  334 detaillierte Regelungen  146 Durchführungsmaßnahmen  78, 83, 249 Durchführungsrechtsakte  32, 44 –– delegierte  33 Durchführungsvorschriften  33, 40 dynamische Verweisungen  249 EBLS (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) 238–242, 269, 278 effet utile  53, 54, 57, 61 Effizienz von Rechtsvorschriften  73 Effizienzgewinn  266 Effizienzkriterium  110, 111, 113, 119, 130, 135 Effizienzprüfung  108 EGV, Ziele  150 Eignungsprüfung  81 Einzelermächtigung  118 Einzelfallgerechtigkeit  160 Einzelrichtlinien  72, 74, 91, 190 Empfehlungen  30, 85 Entscheidungen  85 Erforderlichkeit  94, 98, 100, 104, 105, 106, 119, 147, 154–170, 183, 184 Erforderlichkeitskriterium  112, 130, 131, 135 Erforderlichkeitsprüfung  108 Ergänzungsmaßnahmen  116, 120, 151

Sachverzeichnis Ermächtigungsgrundlagen 100, 125–128, 147, 194, 217 –– Handlungsformalternativen  352 ermächtigungsgrundlagenimmanente Ermessensgrenzen  138 Ermächtigungsgrundlagentypen  136, 145 –– mit ausdrücklich vorgesehenen Handlungsformen  136, 144–145 –– ohne ausdrücklich vorgegebene Handlungsform  136, 137–144 Ermessensadjektive  138, 139, 144, 145 Ermessensausübung  136 Ermessensreduktion  143 Ermessensspielraum  210, 364 Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit (ENISA) 270 Europäische Behörde für Lebensmittelsicher­ heit (EBLS) 186, 238–242, 269, 278 Europäische Rechtsetzung  90 Europäischer Integrationsprozess  39 Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss  86 Europäisches Gesetz  33 Europäisches Lebensmittelrecht, Rahmenvor­ gaben  226 Europäisches Rahmengesetz  33 EUV, Ziele  151 Feststellungsinteresse  49 Feststellungsklage  48, 67 Folgenabschätzung  81, 84, 85, 87, 88, 89, 90, 92, 94–100 Formenwahlermessen  136 Futtermittelsicherheit  198, 200, 234 Geeignetheit  94, 98, 105, 106, 147, 152–153 Gefahrstoffrecht  178 Geltungsvorrang  40 gemeinschaftsrechtliche Agentur  240 Gemeinschaftsrechtsakt  31 Gemeinschaftstreue  62, 340 Gesetzesfolgenabschätzung  95 –– begleitende  96 –– prospektive  96 –– retrospektive  96 Gesetzgebung, transparente  275 Gesetzgebungsakte  30, 31 Gesetzgebungsverfahren, ordentliches  31

389

Gesundheitsschutz  199, 200, 201, 206, 214– 216, 304 grammatische Auslegung  108 Grünbuch der Kommission  188 Grünbuch des Lebensmittelrechts  246 Grundverordnung  38 Handelspolitik, Gemeinsame  198, 199, 201, 202, 213–214 Handlungsformen  28–30, 159, 127, 209 –– atypische  68 –– Wahl  209, 260 Handlungspielraum  155 Harmonisierung  146, 190 –– Grundsätze im Lebensmittelrecht  276 Harmonisierungsauftrag  229 Harmonisierungsregelungen  207 Hauptziele  202 Health-Claims-Verordnung  187 historischer Wille  141 Implementation  173, 183, 266, 353, 355 Initiativrecht  79 Interventionsminimum  123 Inzidentkontrolle  67 Kläger, nichtprivilegierter  44 Komitologie-Beschluss  38 Kommission –– Aktionsplan „Vereinfachung und Verbesserung des Regelungsumfeldes“ 2002  78–79 –– Aktualisierung des „Acquis communautaire“ 2003  80 –– Allgemeine Leitlinien 1996  69–70 –– Anwendung des Gemeinschaftsrechts 2007  88–89 –– Bessere Rechtsetzung 1996  70 –– Bessere Rechtsetzung 1997  71 –– Bessere Rechtsetzung 1998  72–73 –– Bessere Rechtsetzung 1999  73 –– Bessere Rechtsetzung 2000 73–74 –– Bessere Rechtsetzung 2001  77 –– Bessere Rechtsetzung 2002  79 –– Bessere Rechtsetzung 2003  81–82 –– Bessere Rechtsetzung 2004  84–85 –– Bessere Rechtsetzung 2005  86–87 –– Bessere Rechtsetzung 2006  88

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Sachverzeichnis

–– Bessere Rechtsetzung für Wachstum und Arbeitsplätze 2005  84 –– Dritte strategische Überlegung zur Verbesserung der Rechtsetzung 2009  90 –– Interinstitutionelle Vereinbarung Bessere Rechtsetzung 2003  83 –– Strategische Überlegungen zur Verbesserung der Rechtsetzung 2006  87–88 –– Umsetzung des Lissabon-Programms 2005  86 –– Verbesserung und Vereinfachung der Rahmenbedingungen für die Rechtsetzung 2001  74–76 –– Weißbuch 2001  76–77 –– Weniger Gesetzgebung für besseres Handeln 1998  71–72 –– Zweite strategische Überlegung zur Verbesserung der Rechtsetzung 2008  89–90 Kompetenz –– ausschließliche  105, 106, 109 –– geteilte  129 –– nicht-ausschließliche  105, 106, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 135 Kompetenz-Kompetenz  119, 122 Kompetenzabgrenzung  115, 116, 118 Kompetenzausübungsregelung  101, 102, 103, 110, 130, 134, 135 Kompetenzausübungsschranke  130, 146 Kompetenzkatalog  115–116 –– Vertrag von Lissabon  115 Kompetenznormen  212 Kompetenzschonung  64, 167, 184 Kompetenzverteilungsregelung  101, 102, 103, 104, 113, 114 Koordinierungsmaßnahmen  116, 120, 151 Koregulierung  75, 84 landwirtschaftliche Erzeugnisse  207 Lebensmittel  224 Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMBG)  252 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB)  251, 252 Lebensmittelbegriff  225 Lebensmittelgewinnung  204 Lebensmittelrecht  186 –– allgemeines  228 lebensmittelrechtliche Grundsätze  269

Lebensmittelsicherheit  191, 198, 200 –– Konzept  205 Legislativvorschläge  78, 79 Leitlinien  68 LFGB (Lebensmittel- und Futtermittelgesetz­ buch) 251, 252 LMBG (Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz) 252 LMSVG  251 Maßnahmen  125, 137, 140, 146, 149 Mehrebenensystem  128 Mehrfachabstützung  195, 201 Mehrwertkriterium  110, 111, 113, 119, 130 Mehrwertprüfung  108 Mindestnormen  71 Mindestvorschriften  70 Mitentscheidungsverfahren  31, 300 Mitteilungen  68, 69 Nebenziele  202 Negativkriterium  131 Nichtigkeitsklage  43, 67 Normativakte  359 Normenhierarchie  33 Normwirksamkeit  96 Ordnungsrahmen  183 Parallelrechtsordnung  40 Pestizid-Paket  283, 324 Pflanzenschutzmittel –– Anwendung  279 –– Inverkehrbringen  279 Pflanzenschutzmittel-Richtlinie (PflSchRL) 280 –– Fortschrittsbericht  281 –– Regelungsgehalt  347 Pflanzenschutzmittelrecht  278–351 Pflanzenschutzverordnung (PflSchVO)  289, 356 –– Hauptziel  290 –– Kapitel I  307 –– Kapitel II  309 –– Kapitel III  318 –– Kapitel IV  333 –– Kapitel V  334 –– Kapitel VI  335

Sachverzeichnis –– Kapitel VII  336 –– Kapitel VIII  337 –– Kapitel IX  338 –– Kapitel X  339 –– Kapitel XI  341 –– Regelungsdichte  344 –– Regelungsinhalt  345 –– Wahl der Rechtsform  302 –– Ziele  289 –– zielkonkretisierende Normen  304 Plaumann-Formel  45 Positivkriterium  131 Positivliste  281 Primärrecht, normative Vorgaben  100 Proportionalität  171 Rahmengesetze  52 Rahmenrechtsetzung  79 Rahmenregelungen  146 Rahmenrichtlinien  70, 71, 72, 74, 80, 91, 155, 160, 190, 268 rahmensetzender Charakter  346 ratio legis  142 REACH-Verordnung  178, 179, 181 rechtliche Durchsetzbarkeit  110 Rechtmäßigkeitsprüfung  96 Rechtsakte  30–33 –– atypische  68 –– Mehrfachabstützung  195, 201 –– ohne Gesetzescharakter  30, 32, 33 Rechtsaktformen  69, 136, 349 –– Hierarchie  145 –– Wandel  307 –– Wahl  189, 363 Rechtsaktkatalog  210 Rechtsangleichung  38, 51, 57, 59, 157, 208, 211, 220, 221 Rechtsanwendung, einheitliche  76, 77 Rechtsanwendungsebene, nationale  61 Rechtsanwendungspraxis  143 Rechtsetzung  69, 100 –– delegierte  32 –– einheitliche  39 Rechtsetzungsakte  29 Rechtsetzungsformen  203 Rechtsetzungspolitik  68, 91–92 Rechtsformwandel  174–182 Rechtsquellenlehre  28

391

Rechtsschutz –– auf europäischer Ebene  43, 65 –– auf nationaler deutscher Ebene  47 –– Gebot des effektiven  45, 46, 50, 51, 67 –– Individual- 50 –– nach dem AEUV  50 Rechtssicherheit  157 Rechtsstaatsprinzip  105 Rechtssysteme, mitgliedsstaatliche  178 Rechtsvereinheitlichung  38, 51, 58, 153, 220 Referenzgebiete –– Lebensmittelrecht  186 –– Pflanzenschutzmittelrecht  278 Regeln  137, 140 Regelungen  137, 140 Regelungsdichte, konkrete  159, 160, 163, 164, 168, 170, 171, 173, 181, 222, 306, 307, 354, 355 –– Umfang  98 Regelungsinhalt  169, 171, 173, 181, 354 Regelungsmethode, konkrete  159, 168, 222, 306 regulierte Selbststeuerung  98 Regulierungsagenturen  241–242 Richtlinie  29, 30, 32, 51–67, 146, 149, 153, 154, 158, 159, 177, 182, 352 –– Adressaten  52 –– detaillierte  90, 91, 125, 161–166, 167, 345, 353, 354, 355 –– indirektes Rechtsetzungsinstrument  58 –– mit materiellen Inhalten  58, 169, 184, 354 –– mit verfahrensrechtlichen Inhalten  63, 169, 184, 185, 303, 354 –– mittelbare Wirkung  65 –– rahmensetzender Charakter  303 –– rechtliche Wirkung  157–159 –– Rechtsschutz auf europäischer Ebene  65 –– Rechtsschutz auf nationaler Ebene  66 –– richtlinienkonforme Auslegung  158 –– Umsetzung  54 –– Umsetzungsbedüfrtigkeit  158 –– unmittelbare Wirkung  55, 58, 62, 63, 158 –– Verbindlichkeit  53 –– vertikale Wirkung  56, 63 Richtlinienbestimmung, verfahrensrechtliche  64

392

Sachverzeichnis

Richtliniencharakter  227 Richtlinieninhalte  56, 247 richtlinienkonforme Auslegung  62 Richtlinienrechtsetzung  61 Richtungsziele  150, 151 Risikoanalyse  230, 231 Risikobewertung  188, 230, 282 Risikomanagement  230, 287 Risikominderung  282 sachgerechter Formengebrauch  153 Safener  312 Scheinrichtlinien  66 Schnellwarnsystem  222, 242, 243, 244 schonendster Ausgleich  154 Schutzniveau  118 307 –– Aufrechterhaltung  290 –– einheitliches  290 –– Gesundheit  224 –– Gewährleistung  295 Schutzrichtungen  158 Sekundärrechtsakte  28–67 Selbstbindung  143 Selbstregulierung  75, 78, 84 SLIM  70 Soft-law-Alternativen  80 Sozialpolitik  151 Stellungnahme  30 Strukturschonung  167, 184, 354 Subsidiarität  69, 71, 74, 75, 77, 109 –– Leitlinien zur Subsidiarität nach dem Vertrag von Lissabon  132 –– Leitlinien zur Subsidiarität zum EGV  131 Subsidiaritätskontrollmechanismus nach dem Vertrag von Lissabon  111–112, 132 Subsidiaritätsprinzip  105, 110, 112, 113, 120, 128–136 –– unionsrechtliches  53 Subsidiaritätsprotokoll  99, 132, 148, 155, 156, 302, 350, 361 Substitutionsprinzip  283 Synergisten  312 systematische Interpretation  142 teleologische Auslegung  142 Transparenz  274, 275 Überlegungen  68

Umsetzungsakte –– exekutive  264 –– legislative  264 Umsetzungsbedürfnisse  275 Umsetzungsmaßnahmen  54 Umsetzungsproblematik  92, 175, 179 Umsetzungsspielraum  60, 64 Umweltpolitik  297 Unionsgesetzgeber  68, 81, 168, 363 Unionsrecht, sekundäres  28 unmittelbare Betroffenheit  65 unmittelbare Wirksamkeit  66 unmittelbare Wirkungsweise  67 Untätigkeitsklage  43 Unterstützungsmaßnahmen  116, 120, 151 Verbraucherinteressen  224 Verbraucherschutz  199, 200, 206, 216, 233 Vereinbarungen, interinstitutionelle  68 Verfahrensanforderungen  217, 300 Verhältnismäßigkeit  69, 71, 73, 74, 75, 77, 106, 109, 210 Verhältnismäßigkeitsprinzip  70, 71, 72, 105, 110, 126, 144, 146–174, 180, 183, 193, 203, 352 –– Prüfkriterien  107 –– Prüfungsumfang  106 Verhältnismäßigkeitsprüfung 92, 98, 104, 108, 112, 170 Verordnung  29, 30, 32, 33–51, 146, 149, 153, 154, 159, 183¸352 –– Adressaten  34 –– allgemeine Geltung  34 –– Angemessenheit  93 –– Begründungspflicht  37 –– bürgeradressierte  42 –– detaillierte  160 –– Durchführungsverordnung  38 –– Erforderlichkeit  93 –– Geeignetheit  93, 220 –– hinkende  33, 41, 236, 248, 258, 274, 278, 353, 356 –– mit weiterem Vollzugsakt  43, 47 –– ohne weiteren Vollzugsakt  43, 48 –– rahmensetzende  166 –– rechtliche Wirkung  156–157 –– Rechtsschutz auf europäischer Ebene  43 –– Tatbestandlich normative Bedeutung  34

Sachverzeichnis –– unmittelbare Geltung  36 –– unmittelbare Wirkungsweisen  38, 42 –– Verbindlichkeit  35 Verordnungsinhalte  247 Verpflichtungsklage  48 Vertrag von Lissabon  30, 33, 47, 50, 67, 102, 148, 362–364 –– Subsidiaritätsprotokoll  362, 363 Vertragsabrundungskompetenz  118 Verwaltungsrecht, deutsches  68 Verwaltungsrechtsweg  48 Verwaltungsvorschriften  68 Vorabentscheidungsersuchen  49 Vorabentscheidungsverfahren  65 Vorlagepflicht  49 Vorlageverfahren  48 Vorschriften  137, 140

393

Vorsorgeprinzip  73, 94, 230, 231, 290, 307 Warenverkehr  117 Weißbuch der Kommission  190–192 Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit  186, 261 Wirkstoffzulassung  280 Wirkung –– mittelbare  171, 173, 352 –– unmittelbare  171, 173, 352 Zielhierarchie  152 Zuständigkeit –– ausschließliche  116, 120 –– geteilte  116, 128, 133 Zustandsziele  150, 151 Zustimmung  32