Zur Identität des strafrechtlichen Zueignungsbegriffes: Eine am Rechtsgut orientierte Betrachtung nach dem 6. Strafrechtsreformgesetz [1 ed.] 9783428517930, 9783428117932

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Zur Identität des strafrechtlichen Zueignungsbegriffes: Eine am Rechtsgut orientierte Betrachtung nach dem 6. Strafrechtsreformgesetz [1 ed.]
 9783428517930, 9783428117932

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JULIA KAUFFMANN

Zur Identität des strafrechtlichen Zueignungsbegriffes

Schriften zum Strafrecht Heft 170

Zur Identität des strafrechtlichen Zueignungsbegriffes Eine am Rechtsgut orientierte Betrachtung nach dem 6. Strafrechtsreformgesetz

Von

Julia Kauffmann

Duncker & Humblot • Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 3-428-11793-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97060

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die Arbeit wurde im Wintersemester 2003 / 2004 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung sind bis zum Ende des Jahres 2004 berücksichtigt worden. Die Untersuchung von Dr. René Börner - „Die Zueignungsdogmatik der §§ 242, 246 StGB" (Berlin 2004) - erschien erst kurz vor Drucklegung und ist daher in die Endfassung des Manuskriptes nicht mehr eingearbeitet worden. Die Erstellung dieser Abhandlung hat sich - inklusive langer Pausen - über annähernd ein Jahrzehnt hingezogen. Das Thema hat sich mit der Zeit und besonders anlässlich des 6. Strafrechtsreformgesetzes im Jahr 1998 gewandelt und fortentwickelt. Wer so lange an einem Thema arbeitet, hat vielen zu danken. An erster Stelle gilt mein Dank meinem Doktorvater, Prof. Dr. Michael Köhler, der die Entwicklung dieser Arbeit mit großer Geduld gefördert und gefordert hat. In vielen Einzelgesprächen und im Rahmen des hilfreichen, monatlich stattfindenden Doktorandenseminars hat er inhaltlich erheblichen Einfluss auf sie genommen, und dies, obwohl oder gerade weil er mir seine Ansichten nie aufzudrängen versuchte, sondern mir stets seine Freude am fruchtbaren Streit vermittelte. Die Freiheit seines Denkens hat mich beeindruckt und geprägt. Herrn Prof. Dr. Hansen bin ich für die Übernahme und zügige Erstellung des Zweitgutachtens sehr verbunden. Für die freundliche und inspirierende Arbeitsatmosphäre am Lehrstuhl für Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzug danke ich Herrn Prof. Dr. Seßar, für den ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig sein durfte und der mich auf vielfältige Weise unterstützt hat. Für Gespräche und Anregungen danke ich Herrn Prof. Dr. Merkel, Herrn Martin Menshausen und Herrn Jan Kessemeier. Für die freundliche Unterstützung auf dem Postweg in einem frühen Stadium der Arbeit gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Kargl, dessen Ansichten für die Entstehung dieser Arbeit eine bedeutende Rolle gespielt haben. Meine Dankbarkeit und mein Andenken gelten im besonderen Maße Herrn Prof. Dr. Schmidhäuser (t). Er hat in eingehenden Gesprächen engagiert die Entwicklung meiner Dissertation begleitet, und seine wiederholt vorgebrachte Aufforderung: „Es gibt nichts, das nicht gedacht werden dürfte!" hat mein Verständnis von wissenschaftlicher Arbeit grundlegend geprägt und mich vielfach ermutigt, unbe-

6

Vorwort

queme Ansätze weiterzudenken. Ich bin traurig darüber, ihm kein Exemplar dieses Buches mehr überreichen zu können. Die Arbeit hätte nicht zustande kommen können ohne die Hilfe meiner Mutter, Inge Kauffmann, die mich sowohl finanziell als auch durch ihre geduldige Korrektur des Manuskriptes hingebungsvoll unterstützt hat. Auch mein Freund, Matthias Strzoda, hat durch seine gründliche und umfangreiche Schlussredaktion einen wichtigen Beitrag für die Fertigstellung geleistet. Und schließlich danke ich Lukas, meinem siebenjährigen Sohn, der wissbegierig und unbefangen fragte, woran Mama arbeitet und mich mit seinem nimmermüden Nachhaken zwang, nach einfachen Worten zu suchen, sprich: vor lauter Bäumen den Wald nicht aus den Augen zu verlieren. Hamburg, im Januar 2005

Julia Kauffmann

Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung

11

1. Kapitel Die geschichtliche Entwicklung des Zueignungsbegriffs

17

2. Kapitel Das Rechtsgut der Eigentumsdelikte

29

1. Der gesetzliche Eigentumsbegriff

35

2. Sachherrschaftsrecht oder normatives Ausschließungsrecht?

39

3. Folgerungen für die Struktur deliktischer Eigentumsverletzungen

48

3. Kapitel Das Handlungsobjekt der Eigentumsdelikte - die Sache

57

1. Die Entwicklung der Lehren zum Gegenstand der Zueignung

59

2. Kritik der Theorien zum Objekt der Zueignung

63

a) Kritik der Sachwertlehre

64

b) Kritik der Funktionenlehre

71

c) Kritik der Substanzlehre

73

aa) Die Entwertung von Sachen

77

bb) Der abnutzende Gebrauch

78

cc) Der andauernde Gebrauch

79

dd) Die Rückgabe der fremden Sache als eigene

80

ee) Die Verwendung von Legitimationspapieren oder -karten

81

ff) Die Drittzueignung

82

3. Das Objekt der Zueignung

83

8

Inhaltsverzeichnis 4. Kapitel Die Zueignungshandlung

84

1. Die beabsichtigte Zueignung beim Diebstahl, § 242 StGB

87

a) Die Enteignung

89

aa) Der Meinungsstand zur Enteignung

89

bb) Kritik und Stellungnahme

94

b) Die Aneignung

101

aa) Der Meinungsstand zur Aneignung

101

bb) Kritik und Stellungnahme

104

c) Der „Zweckzusammenhang" zwischen Ent- und Aneignung

111

d) „se ut dominum gerere"

114

e) Die Verletzungshandlung beim Diebstahl

117

2. Die vollzogene Zueignung bei der Unterschlagung, § 246 StGB

121

a) Einheitlichkeit der Zueignungsbegriffe aus §§ 242, 246 StGB?

123

b) Subjektive Ansätze

127

c) Objektive Ansätze

133

d) Kritik und Vorgriff auf eigene Konzeption

138

3. Zur Identität der Wendung „Zueignung" innerhalb der Eigentumsdelikte

151

4. Ergebnis

155

5. Vorschlag für den Gutachtenaufbau

160

5. Kapitel Sonderfragen des Zueignungsbegriffs 1. Zueignung durch Unterlassen

161 161

a) Diebstahl durch Unterlassen

164

b) Unterschlagung durch Unterlassen

171

c) Einschlägige Garantenstellungen

175

d) Die Abgrenzung zum furtum usus

183

Inhaltsverzeichnis 2. Die Drittzueignung a) Streitfälle nach alter Rechtslage aa) Das Verkaufen oder Verschenken einer Sache

185 186 187

bb) Auftragsdiebstähle: der sog. „Gänsebuchtfall"

195

cc) Die anonyme Weitergabe an Dritte

203

b) Streitfälle nach aktueller Rechtslage 3. Zur Frage der Wiederholbarkeit der Zueignung

205 214

a) Existenz und rechtliche Behandlung von „Zweitzueignungen"

214

b) Die Funktion der Subsidiaritätsklausel des § 246 StGB

221

4. Die Rechtswidrigkeit der Zueignung

222

a) Der Ausschluss der Rechtswidrigkeit der Zueignung

223

b) Der Irrtum über die Rechtswidrigkeit der Zueignung

230

Zusammenfassung der wichtigsten Thesen

232

1. Geschichtlicher Überblick

232

2. Das Rechtsgut der Eigentumsdelikte

232

3. Das Objekt der Zueignungsdelikte

233

4. Der Inhalt der Zueignung

234

5. Zueignung durch Unterlassen

235

6. Drittzueignung

235

7. Wiederholbarkeit der Zueignung

236

8. Rechtswidrigkeit der Zueignung

236

Literaturverzeichnis

237

Sachwortverzeichnis

251

Vorbemerkung „,Zueignung' ist seltsamerweise einer der alltäglichsten' und am wenigsten geklärten Straf rechtsbegriffe zugleich. " Nicolaos Androulakis,

1968 1

Kann eine Strafnorm, in der das strafbare Verhalten mit einem einzigen, der Alltagssprache ungeläufigen Begriff beschrieben wird, dem verfassungsrechtlichen Gebot der Bestimmtheit aller Strafgesetze genügen2? Ist der Begriff der Zueignung - als einziges die Unterschlagungshandlung skizzierendes Tatbestandsmerkmal und als immerhin zentrale Figur des Diebstahlstatbestands - mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar? Man wird diese Fragen nur bejahen können, falls es gelingt, ein wenigstens annäherndes Einvernehmen über den Zueignungsbegriff zu erzielen, einen Konsens, der den Zueignungstatbeständen die nötige Stabilität und die nötigen Konturen verleiht. Der Begriff der Zueignung hat durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) von 1998 neue Brisanz erlangt 3. Durch die Aufnahme der Drittzueignung bzw. Drittzueignungsabsicht in die Tatbestände des Diebstahls (§ 242 StGB) und der Unterschlagung (§ 246 StGB) sowie den Wegfall des Gewahrsamserfordernisses aus § 246 StGB sind die Tatbestände ganz erheblich erweitert worden - der § 246 StGB nach Ansicht mancher gar zum „umfassenden »Generaltatbestand' der Zueignungsdelikte"4, oder auch zur „grenzen- und konturenlosen Allzweckwaffe" 5, was „atemberaubende Ausdehnungen von Strafbarkeiten" erwarten lasse6. War schon zuvor die Gefahr einer ausufernden Anwendung des Zueig1 JuS 1968, S. 410. Zum Verlust an Typisierung des § 246 durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) und der damit „kaum noch gewährleistete(n) Bestimmtheit im Sinne von Art. 103 AbS. 2 GG", vgl. Noak, in: Schlüchter (Hrsg.), Bochumer Erläuterungen, § 246, Rn. 4; Jahn, in: Irrwege der Strafgesetzgebung (1999), S. 195 ff., insb. S. 214; Duttge/Fahnenschmidt, ZStW 110 (1998), S. 910 ff.; Rönnau, GA 2000, S. 423; Gropp, JuS 1999, S. 1045; Jäger, JuS 2000, S. 1169; Sinn, NStZ 2002, S. 64 ff. 3 Die Umgestaltung des Unterschlagungstatbestandes werten Sander/Hohmann, NStZ 1998, S. 276, als „den wohl tiefsten Eingriff 4 des 6. StrRG. 4 Küper, BT, S. 426. 5 Mitsch, ZStW 111 (1999), S. 86. 6 Degener, JZ 2001, S. 389. 2

12

Vorbemerkung

nungsmerkmals gegeben, so erhöht sie sich nunmehr zu einer Gefahr der uferlosen Anwendung. Dabei ist der Zueignungsbegriff selbst durch die Reformgesetzgebung scheinbar - d. h. dem Wortlaut nach - nicht berührt. Im Kontext der neu gestalteten Systematik der Eigentumsdelikte wird indessen rasch sichtbar, dass er eine andere Auslegung erfordert, als er sie bislang erfahren hat. Basak erläutert diesen Bedarf so: „Die Unterschlagung enthält aber in ihrer neuen Fassung keine über den Begriff der ,Zueignung' hinausgehende Handlungs- oder Erfolgsbeschreibung. Daraus folgt aber unmittelbar, dass eine den Anforderungen des Tatstrafrechts genügende Bestimmung des Begriffs Zueignung über ein subjektives Verständnis hinausgehen muss und einen objektiven, ein Unrechtsurteil tragenden, Gehalt aufweisen muss ( . . . )." 7 Das ist freilich nicht neu, gilt doch der Grundsatz „cogitationis poenam nemo partitur" (das Verbot des Gesinnungsstrafrechts) als einer der Eckpfeiler moderner Strafrechtswissenschaft 8. Doch was auf den ersten Blick so selbstverständlich erscheint, erweist sich bei einer kritischen Betrachtung der innerhalb der Unterschlagungsdogmatik gängigen Zueignungsdefinitionen als profundes Problem. War hier schon vor der Reform der Vorwurf gegenüber der herrschenden Rechtsprechung und Literatur zu vernehmen, sie lese den § 246 StGB als eine Norm, welche die reine Gedankensünde unter Strafe stelle9, so erhält dieser Vorwurf durch den Wegfall eines weiteren Tatbestandsmerkmals zusätzlichen Zündstoff und seine Berechtigung wird manifest. Die Begrenzung des Tatbestandes kann de lege lata nicht ohne Bruch mit der tradierten Dogmatik erreicht werden. Die Lösung liegt in einer neuen, restriktiveren Interpretation des Zueignungsbegriffs, denn die Zueignung ist - neben dem Tatobjekt - das einzige überhaupt verbliebene Tatbestandsmerkmal des § 246. Die Diskussion um den objektiven Gehalt des Zueignungsbegriffes im Unterschlagungstatbestand gewinnt insofern eine neue Dimension, als sie damit jetzt auch zur einzigen Frage nach der Reichweite des Strafschutzes durch diese Norm aufgewertet wird 1 0 - denn alle Handlungsweisen, die sich zumindest als versuchte Zueignungen beschreiben lassen, fallen in den Anwendungsbereich des nunmehr als 7 Basak, in: Irrwege der Strafgesetzgebung (1999), S. 176; vgl. auch denselben, GA 2003, S. 123. 8 Statt vieler Sch./Schr.-Lenckner, vor §§ 13 ff., Rn. 3, 105; Freund, AT, § 8, Rn. 22; Kühl, AT, § 14, Rn. 12; die Gesinnung des Täters darf auch für die Strafzumessung nur insoweit Berücksichtigung finden, als sie „aus der Tat spricht" (§ 46 Abs. 2 S. 2 StGB), vgl. hierzu Jescheck/Weigend, § 49 I I 2, § 83 II 4; grundsätzlich zur Unterscheidung von Tatund Täterstrafrecht Roxin, AT 1, § 6, Rn. 1 ff. 9 Kargl, ZStW 103 (1991), S. 176; weniger scharf, aber inhaltlich kongruent: Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 192; Tenckhoff, JuS 1984, S. 779; Bockelmann, ZStW 65 (1953), S. 588 f.; SK-Samson (4. Aufl.), § 246, Rn. 38; derselbe, JA 1990, S. 8. 10

Vgl. auch Degener, JZ 2001, S. 389: „Eine solche Entwicklung muss das Interesse am Tatbestand auf sein Verbum konzentrieren"; ähnlich Sinn, NStZ 2002, S. 69: „Der Zueignungsbegriff rückt ( . . . ) endlich wieder in den Vordergrund."

Vorbemerkung

Auffangtatbestand konstruierten § 246 11 und dies unabhängig von jeglichen anderen Tatumständen. Für die Auslegung des Zueignungsbegriffs ist daher mehr denn je von folgenden Prämissen auszugehen: Zunächst muss es bei einer als Zueignung verstandenen Handlung zu einer Beeinträchtigung des Rechtsgutes „Eigentum" kommen. Was dieses Rechtsgut „Eigentum" ausmacht, wurde durch die Strafrechtswissenschaft herkömmlich in selbst auferlegter Beschränkung dem Zivilrecht entlehnt. Doch dieser stereotype Verweis auf ein durch das Zivilrecht ausgeformtes Rechtsgut ist bedenklich für eine Norm, deren gesamte Handlungsbeschreibung sich ausschließlich auf die Verletzung dieses Rechtsgutes gründet. Und in der Tat genügt ein einziger Blick auf § 935 BGB, um sich darüber im Klaren zu sein, dass das zivilrechtliche Eigentum durch den Dieb oder Unterschlagenden zumeist gar nicht verletzt wird, weil es gar nicht verletzt werden kann; denn gemäß dieser Vorschrift ist das Eigentum an abhanden gekommenen Sachen unverbrüchlich. Die vorliegende Arbeit bemüht sich darum, das Rechtsgut der Eigentumsdelikte zu erschließen. Es wird dabei ein grundlegender Perspektivenwechsel vorgeschlagen und das Eigentum als strafrechtliches Schutzgut neu definiert. Die zweite Prämisse betrifft die strikte Trennung von Zueignungshandlung und Handlungsobjekt12. Der zumeist unter dem Titel „Inhalt der Zueignung" geführte Streit zwischen Sachsubstanz- und Sachwertlehren begründet seine Position aus der traditionellen Verklammerung der Substanzlehre mit dem formalen Erfordernis des „se ut dominum gerere" als Handlungsbeschreibung - in Wahrheit betrifft aber die Diskussion darüber, was sich der Täter zueignen muss, den Inhalt der Zueignung nicht; so wenig, wie im Rahmen der Prüfung eines Totschlags (§212 StGB) die Fixierung dessen, was bzw. wen ein Täter angegriffen hat (einen Menschen), etwas darüber aussagen kann, ob sein Verhalten eine taugliche Tötungshandlung darstellt. Der Streit zwischen der Substanz- und der Sachwertlehre sowie alternativer Theorien soll deshalb in dieser Untersuchung im Rahmen der Analyse des Handlungsobjektes ausgetragen werden; erst nachfolgend werden die Anforderungen an jenes Verhalten erarbeitet, das sich Zueignen nennt. Die vorliegende Schrift bemüht sich um den Nachweis der Notwendigkeit, diese beiden Bereiche vollständig losgelöst voneinander zu betrachten, um zu schlüssigen Ergebnissen gelangen zu können. Bei einer dritten Voraussetzung geht es um die Abgrenzung der Zueignung von anderen Formen der Eigentumsbeeinträchtigung13. Auch nach dem 6. StrRG muss 11

Basak, in: Irrwege der Strafgesetzgebung (1999), S. 174 f. Baumann, Die Absicht der Zueignung, S. 25: „Die Unbrauchbarkeit fast aller bisherigen Begriffsdefinitionen hat ihre Ursache in der Unklarheit der begrifflichen Trennung von Gegenstand und Inhalt der Zueignung". 13 Hierzu auch Kargl, ZStW 103 (1991), S. 141 ff.; vgl. auch Basak, in: Irrwege der Strafgesetzgebung (1999), S. 177; Rudolphi, GA 1965, S. 38,46. 12

14

Vorbemerkung

es möglich bleiben, Zueignung von Sachentziehung, Sachbeschädigung und Gebrauchsanmaßung zu unterscheiden. Gewiss ist andererseits auch: Wenngleich es das ausdrückliche Ziel des Reformgesetzgebers war, Strafbarkeitslücken zu schließen, so hat er es doch bei einem bewusst lückenhaften strafrechtlichen Eigentumsschutz belassen. Denn die Sachentziehung ist strafrechtlich nach wie vor dem 6. StrRG ebensowenig erfasst wie beinahe alle Fälle der Gebrauchsanmaßung14 - auf eine geschlossene strafrechtliche Verfolgbarkeit sämtlicher gegen fremdes Eigentum gerichteten Verhaltensweisen kam es der Legislative also offenbar überhaupt nicht an. Und es sei gleich zu Beginn die unbefangene Frage erlaubt: Warum auch?15 Die diskutierten Fallkonstellationen stehen in ihrem Unrechtsgehalt zumeist weit hinter dem zurück, was unter dem Blickwinkel unzureichender strafrechtlicher Eingriffskompetenz in Bevölkerung und Jurisprudenz diskutiert wird. Es existiert zudem ein komplexes Netzwerk zivilrechtlicher Regelungen für jedwede sachenrechtliche Konfliktsituation. Dem betroffenen Eigentümer wird also nicht etwa rechtlicher Beistand verwehrt. Allein die strafrechtliche Ahndung entsprechender Handlungen ist beschränkt, und sie bleibt es auch nach der Reform. Doch der fragmentarische strafrechtliche Eigentumsschutz entbindet nicht von dem Erfordernis, die verschiedenen Formen der Eigentumsverletzungen zu unterscheiden und zu benennen, um strafbares von straflosem Verhalten differenzieren zu können und innerhalb des vorhandenen Deliktsapparats nicht auf eine willkürliche Anwendung verschiedener Normen zu verfallen. Für die Zueignung bedeutet dies: Sie muss randscharf zu trennen sein von den straflosen Varianten der Angriffe auf fremdes Eigentum. Sie muss auch randscharf zu trennen sein von der Sachbeschädigung bzw. -Zerstörung und den strafrechtlich erfassten Fällen der Gebrauchsanmaßung. Vor allem aber muss sie zu trennen sein von Handlungen, die sich nicht gegen Sachen als eigentumstaugliche Gegenstände, sondern gegen das Vermögen einer anderen Person richten. Eine tragende Rolle für eine Neudeutung des Zueignungsbegriffs spielt zudem die nunmehr gesetzlich erfasste Drittzueignung. Durch dieses Merkmal erfährt die Aneignungskomponente der Zueignung eine gesteigerte Relevanz und bisherige Überzeugungen bezüglich des Zueignungsvorsatzes geraten ins Wanken. Zudem lässt die Aufnahme dieses Merkmals einige Schlüsse über die Richtigkeit bisheriger Interpretationsversuche zu. Noch bedeutsamer und zwingender als die genannten Prämissen ist eine Frage, mit der man in das Innerste der Zueignungsdogmatik vordringt: Die Frage, ob das Merkmal der Zueignung in den §§ 242 und 246 StGB als identisch zu interpretieren ist und welche Konsequenzen sich aus dieser Identität ergäben. Die Erschlie14

Ausnahmen bilden die durch § 248 b und § 290 erfassten Fälle. Es steht weitgehend im Ermessen des Gesetzgebers, ob er ein Rechtsgut strafrechtlich oder durch zivil- und öffentlichrechtliche Mittel schützen will, vgl. Roxin, AT I, § 2, Rn. 36; für eine strafrechtliche Erfassung der Sachentziehung de lege ferenda: Kargl, ZStW 103 (1991), S. 157 ff.; vgl. auch Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 126. 15

Vorbemerkung

ßung eines einheitlichen Zueignungsbegriffs, der theoretisch wie praktisch in der Lage ist, den gesamten Bereich der Eigentumsdelikte ohne inneren Bruch abzudecken, bildet den Kernpunkt dieser Arbeit. Die vorliegende Schrift bemüht sich um den Entwurf eines Zueignungsbegriffs, der - einheitlich verstanden und angewandt - die Zueignungsdelikte als verfassungsrechtlich hinreichend bestimmt rehabilitiert, ohne sich selbst von vornherein als überzogen restriktiv ins kriminalpolitische Aus zu katapultieren. Um die Grundstrukturen dieses Zueignungsbegriffs erarbeiten zu können, wurden bestimmte vereinfachende Entscheidungen getroffen, denn in der Vereinfachung liegt die Chance, Strukturen sichtbar werden zu lassen. So drehen sich z. B. alle Überlegungen um Gegenstände, die ohne weiteres als Sachen zu definieren sind. Geistiges Eigentum, Forderungsrechte, Anwartschaften und ähnliche Grenzposten des Vermögensstrafrechts sind von den Erörterungen ausgenommen. Auf diese Weise wird angestrebt, eine klare dogmatische Grundlage des Zueignungsbegriffs zu erarbeiten, auf der aufzubauen danach auch für zweifelhaftere sachenrechtliche Konstellationen erleichtert sein dürfte. Dass das Eigentum in der Kontinuität der in ihm verliehenen Befugnisse, dass es in seinem statischen, körperlichen Sachbezug in der Welt des 21. Jahrhunderts gegenüber den Forderungsrechten zunehmend an Bedeutung verliert, macht die Defizite eines am Sachenrecht orientierten strafrechtlichen Eigentumsschutzes offenkundig. Gleichwohl richten sich weiterhin die große Mehrzahl aller Straftaten, die in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) registriert sind, gegen das Eigentum anderer 16. Der Diebstahl insgesamt stellte mit 3.029.390 registrierten Fällen im Jahr 2003 46,1% aller polizeilich erfassten Straftaten 17. Die Zahl der Eigentumsdelikte sinkt zwar seit Ende der Neunziger Jahre kontinuierlich, doch das ist zuvorderst auf die sich ändernden Gelegenheitsstrukturen zurück zu führen (etwa auf elektronische Wegfahrsperren bei Kfz, veränderte Versicherungsbedingungen, bessere Vörbeugungsinvestitionen und Objektregistrierungen, die auch die Aufklärungsquote erhöhen) 18 ; nach wie vor ist die Wirtschaftskriminalität im Vergleich zu einfachen Eigentumsdelikten kein quantitatives, sondern ein qualitatives Problem 19. Dennoch ist vorstellbar, dass der Diebstahl und die Unterschlagung von Sachen immer weiter in den Schatten anderer Vermögensdelikte treten - oder gar neuartiger Deliktstypen im Rahmen eines neuartigen strafrechtlichen Eigentumsschutzes. Doch das ist Zukunftsmusik. Aufgabe der Lehre kann es nicht sein, vorhandene Mängel des Gesetzes durch immer extensivere Auslegungen einzelner Tatbestandsmerkmale unkenntlich zu machen und den Gesetzgeber dadurch von seiner Verantwortung zu entbinden. Aufgabe der Lehre ist die am Gesetzlichkeitsprinzip orientierte Auslegung der Tatbestände. Denn die Grenze des dogmatisch

16 BMI, Erster Periodischer Sicherheitsbericht (2001), S. 110. 17 PKS 2003, S. 36. 18 BMI, Erster Periodischer Sicherheitsbericht (2001), S. 110. 19 Ebenda, S. 131.

16

Vorbemerkung

Zulässigen wird „dort überschritten, wo eine Lösung aus - sei es auch anerkennenswerten - kriminalpolitischen Gründen gewählt wird, um eine als verfehlt erkannte gesetzgeberische Zielsetzung zu unterlaufen." 20

20 Roxin, AT I, § 7, Rn. 74.

1. Kapitel

Die geschichtliche Entwicklung des Zueignungsbegriffs „Diebstahl, Betrug und die anderen Delikte so, wie wir diese Delikte heute kennen , sind das vorläufige Ergebnis einer geschichtlichen Entwicklung. Betrachtet man diese Entwicklung , dann zeigt sich sehr schnell , dass die heutigen Tatbestände isoliert voneinander entstanden sind. Nichts rechtfertigt deshalb die Annahme, dass sie das System der Sachentziehungsdelikte bruch- und fugenlos darstellen. " Joachim Hruschka, 19941

Es „hat sich die über hundert Jahre alte Fassung der §§ 242 und 246 auch über die jüngsten Reformen hinweg erhalten," schrieb Schmidhäuser noch im Jahr 19782. „Nicht einmal die etwas bürokratische Redeweise (die anderswo zu stilistischen Verbesserungen herausgefordert hat) ist beseitigt worden". Doch nach 127 Jahren war Schluss mit dem traditionellen Wortlaut: Das 6. StrRG aus dem Jahre 1998 brachte grundlegende Neuerungen in die Tatbestände der Unterschlagung und des Diebstahls. Ihre Geschichte verläuft in sehr unterschiedlichen Phasen - auf die lange Phase der Entwicklung aus den alten germanischen und römischen Begriffen folgte die Phase der Interpretation seit Erlass des Reichsstrafgesetzbuches im Jahr 1871, an deren Ende manche Eckpfeiler als ausdiskutiert galten. Erst die jüngste Entwicklung bewirkt, dass selbst scheinbar solide Grundmomente des Zueignungsbegriffes neu überdacht werden müssen, da anderenfalls das gesamte System der Eigentumsdelikte in eine Schräglage geriete. Den Begriff der Zueignung nahm die deutsche Gesetzgebung erstmalig 1813 in das bayerische Strafgesetzbuch auf 3. Bis hierher war es ein Jahrhunderte langer Weg der wissenschaftlichen Bemühung, die „Entwendung" - die nach damaligem Verständnis sowohl den Diebstahl, als auch die Unterschlagung einschloss - deflatorisch zu erfassen. Es gibt wohl wenige Begriffe im Besonderen Teil des StGB, die von solcher Tragweite und gleichzeitig in einem solchen Maße ausfüllungs1 Hruschka, in: Jahrbuch für Recht und Ethik, Band II, S. 179. Schmidhäuser, Bruns-FS, S. 345. 3 Art. 209, 212, 229 Bayerisches StGB 1813.

2

2 Kauffmann

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1. Kap.: Die geschichtliche Entwicklung des Zueignungsbegriffs

bedürftig sind: Eine Verbrechenssystematik, die Diebstahl und Unterschlagung zu Eigentumsdelikten macht, lässt sich nicht nachvollziehen ohne Kenntnis der Genese der Zueignungslehre4. Große Bedeutung für die Entwicklung des heutigen Verständnisses von Diebstahl und Unterschlagung kommt neben dem germanischen auch dem römischen Recht zu: Da bis ins 18. Jahrhundert hinein keine deutschrechtliche gesetzliche Definition des Diebstahls, geschweige denn eine systematische Einordnung des Diebstahls als Deliktstyp existierte, war sowohl die Strafrechtswissenschaft, als auch die Praxis darauf angewiesen, den römischen Diebstahlsbegriff in ihre Definitionsversuche miteinzubeziehen5. Dem römischen Recht sollte dabei nur eine ergänzende Funktion zukommen; es lief den germanischen Konstruktionen jedoch oftmals zuwider, so dass eine schlichte Kombination beider Lehren nicht glücken konnte und der Versuch einer Synthese zu einem langen Kampf der Begriffe führte, dessen Spuren sich noch heute in manchen höchstrichterlichen Entscheidungen finden 6. Das römische Recht kannte ursprünglich weder den Diebstahl noch die Unterschlagung als selbstständige Rechtsbegriffe 7. Das „furtum" als „contrectatio rei fraudulosa lucri faciendi gratia, vel ipsius rei, vel etiam usus eius, possessionisve"8 umfasste jedoch beide, wie außerdem eine Reihe von Handlungen, die heute unter dem Gesichtspunkt des Betruges, der Untreue oder der Hehlerei strafbar wären 9. Gewöhnlich wurde das furtum - bei den Römern in erster Linie ein Privatdelikt 10 - in der Rechtslehre eingeteilt in „furtum rei ipsius" (Sachentwendung), „furtum usus" (Gebrauchsentwendung) und „furtum possessionis" (Besitzentwendung). Diese Einteilung geschah allerdings nicht entsprechend der Absicht, die der Täter bei der Entwendung hatte, sondern stets nur nach den Wirkungen der Tat auf den Eigentümer 11. Die Absicht des Täters musste in allen drei Fällen gewinnsüchtiger 4

Siehe insoweit auch die Darstellungen der Historie des Zueignungsbegriffs bei Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 17-38; Paulus, Der strafrechtliche Begriff der Sachzueignung, S. 135-147; Schmid-Hopmeier, Das Problem der Drittzueignung bei Diebstahl und Unterschlagung, S. 21 -41. 5 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 18. 6 Spuren hat vor allem das Erfordernis des „animus lucri faciendi" hinterlassen, dessen man sich der Form nach in der modernen Eigentumsdogmatik entledigt hatte, vgl. etwa BGH GA 1953, S. 83 f., BGHSt 4, S. 236 (238); 41, S. 187 (194); vgl. auch die Darstellung bei Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 62 ff. 7 Ebener, Untreue, S. 1; Derichsweiler, Diebstahl und Unterschlagung, S. 11; ausführlich zur Geschichte des römischen furtum: Rein, Kriminalrecht der Römer, S. 296-325. 8 Definition von Paulus, § 3, Digesten de furtis 47, Tit.2 (Übersetzt bedeutet dies: Die betrügerische Aneignung einer Sache, um daraus einen Gewinn zu ziehen, sei es aus der Sache selbst, sei es durch ihren Gebrauch oder sei es durch ihren Besitz.). 9 Disse, Die Privilegierung der Sachbeschädigung (§ 303 StGB) gegenüber Diebstahl (§ 242 StGB) und Unterschlagung (§ 246 StGB), S. 268. 10 Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 31. 11 Salchow, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, § 302, S. 290.

1. Kap.: Die geschichtliche Entwicklung des Zueignungsbegriffs

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Art sein („animus lucri faciendi"). Ausgeschlossen war demnach ein furtum an wertlosen Sachen; ebenso beging kein furtum, wer eine fremde Sache unter Zurücklassung ihres Wertes wegnahm oder sie entwendete, um sich aus ihr für seine gegen den Berechtigten bestehende Forderung zu befriedigen 12. „Contrectare" bedeutete, was sich insbesondere aus der Strafbarkeit auch des furtum usus ergibt, in einem weiten Sinne schlichtweg jedes Verfahren mit einer Sache13. Eine Wegnahme (wie sie das deutsche Recht von früh an verlangt) war für die römische contrectatio nicht von Bedeutung. Der ältesten germanischen Zeit war geschriebenes Recht fremd 14 . Das Strafrecht war - wie alles Recht - Gewohnheitsrecht der einzelnen Stämme15. Rückschlüsse auf die Behandlung von Delikten, die nach heutigem Verständnis Eigentumsdelikte darstellen, sind auch deshalb nur beschränkt möglich, da in den Handschriften des 15. und späterer Jahrhunderte das Geschichts- und Rechtsbild der Germanen idealisiert wird 1 6 . Wesentliche Bedeutung für die „Entwendung" kam offensichtlich von früh an dem Merkmal der Heimlichkeit zu 17 . Anders als der offen begangene Raub war der Diebstahl nicht sühnbar und wurde mit dem Tod durch Erhängen bestraft 18. Selbst schwere Körperverletzung und sogar Totschlag galten bei offener Begehungsweise als sühnbare Friedbrüche und ermöglichten bei entsprechender Sühneleistung eine Wiederaufnahme in die Gemeinschaft - anders die heimliche Entwendung, die von besonders niedriger Gesinnung zeugen sollte und eine Rückkehr in die Sippe ausschloss19. Die Berührung mit den Römern in der fränkischen Zeit führte dazu, dass ab dem 6. Jahrhundert lateinisch aufgezeichnete Volksrechte entstanden, die leges barbarorum 2 0 Sie enthielten allerdings keine abstrahierten Legaldefinitionen des Diebstahls oder der Unterschlagung, sondern setzen diese als im Volksbewusstsein bekannt voraus 21 und beschränkten sich auf die Bestimmung des Strafmaßes. 12

Derichsweiler, Diebstahl und Unterschlagung, S. 9. Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 20; Köstlin, Abhandlungen aus dem Strafrechte, S. 195. 14 Derichsweiler, Diebstahl und Unterschlagung, S. 11. 15 Jescheck/Weigend, AT, § 101; Baumann/Weber/Mitsch, AT, S. 62. 13

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Rüping, Grundriß der Strafrechtsgeschichte, S. 5. Disse, Die Privilegierung der Sachbeschädigung (§ 303 StGB) gegenüber Diebstahl (§ 242 StGB) und Unterschlagung (§ 246 StGB), S. 273. 18 Rüping, Grundriß der Strafrechtsgeschichte, S. 7 f.; Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 13. 19 Rüping, Grundriß der Strafrechtsgeschichte, S. 7. 20 Derichsweiler, Diebstahl und Unterschlagung, S. 11; Rüping, Grundriß der Strafrechtsgeschichte, S. 9; Eberhard Schmidt, Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 25. 21 Derichsweiler, Diebstahl und Unterschlagung, S. 11; die zahllosen, teilweise sehr detaillierten Regelungen zum Diebstahl weisen in ihren Tatbeständen bis ins einzelne gehende 17

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Die Stammesrechte gerieten nach dem Ende des 10. Jahrhunderts allmählich in Vergessenheit22; die fortschreitende Angleichung der Rechtsquellen führte im 13. Jahrhundert zur Entstehung des Sachsenspiegels (1220-1235) 23 . Dieser erfasste den Diebstahl als heimliche Wegnahme einer Sache aus fremder „Gewere" 24 , kannte jedoch auch schon Fälle des „diebischen Behaltens" (die ebenso wie der Diebstahl dem Gattungsbegriff der Entwendung unterfielen 25). Sie wurden in zwei Gruppen eingeteilt - je nachdem, ob der Eigentümer dem Besitzer die Sache übergeben hatte oder nicht: „ ( . . . ) lokint erz abir dirhim zu behalden gebin waz, odir lokint daz erz gefunden hatte" 26 .

Die Gewinnabsicht des römischen Rechts war dem germanischen Diebstahlsverständnis zunächst fremd, es erfasste jeden Eingriff in fremden Besitz oder Eigentum, ohne Rücksicht auf den Wert des entwendeten Objektes oder die Absicht des Täters 27. Furtum usus und furtum possesionis gehörten ihm dagegen nicht an 28 . Um das deutsche Recht im Allgemeinen war es jedoch im späteren Mittelalter schlecht bestellt: Unsicherheit, Willkür, Schwerfälligkeit der überkommenen Mittel kennzeichnen diese Periode 29. Nicht zuletzt um der wachsenden Kriminalität Herr zu werden, bediente sich die deutsche Rechtsanwendung zunehmend der italienischen Lehre 30 , die durch zahlreiche in Oberitalien ausgebildete Deutsche ins Land gebracht wurde. Mit der Rezeption gelangte auch das „furtum" des römischen Rechts in die deutsche Rechtswissenschaft und blieb fortan eine wichtige Größe für die Begriffsbildung bei allen Delikten gegen Eigentum und Vermögen bis in die Gegenwart. Ganz auf der Grundlage des fremden Rechts entstand 1532 das erste deutsche Reichsstrafgesetzbuch 31: die Constitutio Criminalis Carolina. Den deutschrechtSachverhaltsbeschreibungen auf, jedoch ohne definitorisch Boden zu gewinnen, vgl. Disse, Die Privilegierung der Sachbeschädigung (§ 303 StGB) gegenüber Diebstahl (§ 242 StGB) und Unterschlagung (§ 246 StGB), S. 272. 22 Hirschberg, Vom Vermögensbegriff im Strafrecht, S. 175. 23 Der Sachsenspiegel entstand - ebenso wie andere regionale Rechtsaufzeichnungen, z. B. der Schwabenspiegel (1275) - zwar aus privater Hand, übernahm durch seine weit gehende Anerkennung durch die Praxis aber die Aufgabe eines Gesetzes; siehe hierzu auch Jescheck/ Weigend, AT, § 10 III. 24 Sachsenspiegel, Buch II, Art. 28,39,48,54; siehe Köstlin, Abhandlungen aus dem Strafrechte, S. 221. 25 Ebener, Untreue, S, 2; Handschuch, Die Fundunterschlagung im deutschen und italienischen Strafrecht, S. 3; v. Kujawa, GA 51 (1904), S. 1; Binding, Lehrbuch BT, S. 254. 26 Sachsenspiegel, Buch II, Art. 37. 27 Derichsweiler, Diebstahl und Unterschlagung, S. 11. 28 Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 35. 29 Eberhard Schmidt, Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 106. 30 Rüping, Grundriß der Strafrechtsgeschichte, S. 32 ff. 31 Dazu siehe: Maurach /Zipf, AT I, § 4, Rn. 11.

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liehen Diebstahlsbegriff erhielt sie offensichtlich unbeirrt vom römischen Recht aufrecht (ohne allerdings eine klare Begriffsbestimmung zu bringen) 32 ; eine Gewinnabsicht für die Entwendung wurde nicht verlangt. Wie bei den Römern wurde dagegen der Raub nunmehr als crimen vis angesehen und nicht mehr dem Diebstahl im weiteren Sinne unterstellt 33. Der Art. 170 der Carolina erwähnte ausdrücklich nur einen Fall der heutigen Unterschlagung, nämlich den einer anvertrauten Sache: „Item welcher eyns andern güttern, die j m inn guttem glauben zu behalten vnd verwaren gegeben seyn, williger und geuerlicher weiß, dem glaubiger zu schaden handelt, solch missethat ist eynem diebstall gleich zu straffen."

Die nicht erwähnten Fälle „diebischen Behaltens" blieben allerdings durchaus nicht straflos, sie wurden bloß nicht dem Diebstahl gleichgestellt und infolgedessen milder bestraft 34 - denn der letztere wurde gem. Art. 160 CCC noch immer mit der Todesstrafe geahndet35. Von Theorie und Praxis wurde die Carolina jedoch anfänglich wenig beachtet. Aufgrund der salvatorischen Klausel galt sie lediglich subsidiär, das Landesrecht ging dem Reichsrecht vor 36 . In der Rechtsanwendung ergaben sich daher oftmals starke Abweichungen von den Regelungen der Carolina 37. Die Rechtslehre rezipierte den weiten Diebstahlsbegriff des italienischen Rechts38 und forderte zunehmend auch dessen „animus lucri faciendi" als echte Bereicherungsabsicht 39. Durch die Autorität Benedict Carpzovs (1595-1666) gelangte die Carolina jedoch allmählich zu einigem Ansehen, das noch bis ins 18. Jahrhundert stieg. Offiziell allerdings eher theoretisch - gegolten hat die Carolina bis zum Erlass eines neuen Reichsstrafgesetzbuches im Jahre 1871. Gemeinhin wird indes heute die Periode des „gemeinen Rechts" auf die Zeit bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts beschränkt 40. Dem Einfluss Carpzovs ist es zuzuschreiben, dass sich auch in der Praxis in vieler Hinsicht die deutschrechtlichen Überlieferungen durchsetzten. 32 Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 21. 33 Köstlin, Abhandlungen aus dem Strafrechte, S. 198; Landmesser, Der Raub von der Carolina bis zum Bayerischen StGB von 1813, S. 26. 34 Handschuch, Die Fundunterschlagung im deutschen und italienischen Strafrecht, S. 3; Feuerbach-Mittermaier, Lehrbuch, 14. Aufl., § 315 a, S. 513; Köstlin, Abhandlungen aus dem Strafrechte, S. 335; Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 4. 35 Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 92, auch zur Praxis der Verhängung. 36 Eberhard Schmidt, Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 142; Baumann/Weber/Mitsch, AT, S. 62. 37 Eberhard Schmidt, Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 146. 38 Rüping, Grundriß der Strafrechtsgeschichte, S. 45. 39 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 20, m. w. N. 40 Hirschberg, Vom Vermögensbegriff im Strafrecht, S. 217.

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Die Systematik des römischen und des älteren deutschen Rechts sind - wie schon deutlich wurde - gerade in Bezug auf die Delikte gegen das Eigentum und das Vermögen grundunterschiedlich, beide gelangen zu einer verschiedenartigen Verteilung der zu schützenden Interessen auf die einzelnen Deliktstatbestände41. Die Rezeption des italienischen Rechts durch die deutsche Rechtslehre im ausklingenden Mittelalter führte daher zu einem Aufeinanderprallen zweier verschiedenartiger Rechtsgebilde, das in einen Kampf um einzelne Merkmale bis in das 20. Jahrhundert hinein mündete. Denn obwohl der Erlass der Carolina einen Schlussstrich unter die „formelle" Rezeption gezogen42 und die unangefochtene Autorität Carpzovs fraglos zu einer Stärkung der deutschrechtlichen Begriffe geführt hatte 43 , regten sich immer wieder Anhänger der römischrechtlichen Auffassung 44. Propagiert wurde insbesondere die tatbestandliche Erfassung des animus lucri faciendi 4 5 , zu der es in einzelnen Partikulargesetzen des 18. Jahrhunderts dann schließlich tatsächlich kam. So bestimmt z. B. der Codex juris criminalis Bavarici von 1751, Teil I, Kap. 2, § 1: „Da man aus betrüglich und gewinnsüchtigem Gemüt fremd beweglich Gut was immer es sein mag, wider Willen des Eigentümers wegnimmt, vorenthaltet oder abnutzet.. . " 4 6

Im 18. Jahrhundert wurde noch eine weitere Tendenz deutlich: Die Unterschlagung geriet nun deutlich in eine Verschlingung mit der heutigen Untreue 47. Dem Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 fehlte zwar jede begriffliche Selbstständigkeit von sowohl Untreue, als auch Unterschlagung 48; es nennt jedoch eine Reihe von Fällen veruntreuender Sach- und Vermögensbehandlung, die sowohl an herkömmliche Diebstahls-, wie an Betrugstatbestände anlehnen49. Diese Verklammerung ist im Kontext der damaligen Lehre wenig verwunderlich - die heutige Unterscheidung zwischen Eigentums- und Vermögensdelikten war dem Strafrecht noch gänzlich fremd 50 . 41

Hirschberg, Vom Vermögensbegriff im Strafrecht, S. 216. Hirschberg, Vom Vermögensbegriff im Strafrecht, S. 216. 43 Derichsweiler, Diebstahl und Unterschlagung, S. 13, 14; Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 17. 44 Derichsweiler, Diebstahl und Unterschlagung, S. 14. 45 Disse, Die Privilegierung der Sachbeschädigung (§ 303 StGB) gegenüber Diebstahl (§ 242 StGB) und Unterschlagung (§ 246 StGB), S. 289. 4 6 Das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794, Teil II, Kap. 20, § 1108 definiert: „Wer um seines Gewinnes, Vorteils oder Genusses willen ...". 42

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Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 28; Mayer, Die Untreue im Zusammenhang der Vermögensverbrechen, S. 4 ff.; Derichsweiler, Diebstahl und Unterschlagung, S. 14; Ebener, Untreue, S. 2. 4 « Ebener, Untreue, S. 2; v. Kujawa, GA 51 (1904), S. 2. 4 9 II. Teil, 20. Kap., 15. Abschnitt, §§ 1329 ff., § 1256. Der Diebstahl ist normiert in § 1108; vgl. v. Kujawa, GA 51 (1904), S. 2; Köstlin, Abhandlungen aus dem Strafrechte, S. 336; Temme, Lehrbuch, S. 952. 50 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 28.

1. Kap.: Die geschichtliche Entwicklung des Zueignungsbegriffs

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte jedoch der Geist der Aufklärung auch im juristischen Bereich Einzug gehalten, und die Naturrechtslehre hatte ein „mathematisches" System des Rechts entwickelt 51 : Das Delikt erschien nunmehr als Kehrseite zu den dem Einzelnen zustehenden Rechten. Durch diese Sichtweise konnte es erstmalig gelingen, eine eigene Gattung der Eigentumsdelikte zu schaffen 52 . In der dogmatischen Bearbeitung findet diese Entwicklung bei Paul Johann Anselm v. Feuerbach (1775-1833) ihren Höhepunkt53, der erstmals eine systematische Begriffsbestimmung von Verletzungshandlungen einem Katalog subjektiver Rechte zuordnete 54. Innerhalb der Delikte gegen das „Recht auf Sachen"55 unterteilt er in Beschädigungs-56 und Entwendungsdelikte57. Noch als Unterfall des Diebstahls wurde nun auch ausdrücklich die Unterschlagung genannt - als Entwendung von Sachen, in deren „Naturalbesitz sich der Verbrecher selbst schon befindet" 58 . Bei der Unterschlagung müsse allerdings durch eine neue mit der Sache vorgenommene Tathandlung „äußerlich erklärt" werden, die Sache „nicht mehr für den anderen, sondern für sich selbst als Eigenthum besitzen zu wollen" 59 , damit die Unterschlagung vollendet sei. Eine solche vollendete Sachentwendung wird jetzt „Zueignung" genannt60. Damit war die Unterschlagung deutlich von der Untreue abgegrenzt und sollte mit ihr auch nicht mehr verschwimmen 61. Es waren nun der Diebstahl und die Unterschlagung als Grunddelikte gegen das Eigentum herausgebildet - doch kaum war dieser Schritt getan, galt es, die sich daran anschließende Frage zu bewältigen: Wie sollten die Verletzungshandlungen der Delikte aussehen62? Die Charakterisierung der Diebstahlshandlung als Wegnahme hatte alte deutschrechtliche Tradition und bereitete auch dogmatisch keinerlei Schwierigkeiten. Zweifelhaft schien lediglich, ob die Zueignung Teil der Tathandlung sein oder ins Subjektive übertragen werden sollte 63 . Denn weiterhin richtete sich auf der subjek51

Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 21. So erstmalig in dieser Deutlichkeit bei Kleinschrod, „Ueber den Begriff, das Wesen und die Bestrafung des Diebstahls", in: Abhandlungen aus dem peinlichen Rechte und peinlichen Processe II, S. 63 ff.: „Die Störung fremden Eigentums, die Entziehung des Besitzes fremder Sachen, mit Gewinnsucht verbunden, macht den Diebstahl aus." 53 Cramer, Vermögensbegriff und Vermögensschaden, S. 24; Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 23; Landmesser, Der Raub von der Carolina bis zum Bayerischen StGB von 1813, S. 89. 54 Feuerbach, Lehrbuch, 4. Aufl.; siehe außerdem: Revision der Grundsätze, S. 219 ff. 55 Feuerbach, Lehrbuch, 4. Aufl., §§ 310 ff. 56 A.a.O., §§310,311. 57 A.a.O., §§312ff. 52

58 A. a. O., § 315; ebenso: Klien, Neues Archiv des Criminalrechts, 1816, S. 219. 59 A.a.O., §317. 60 61 62

A. a. O., § 313; synonym wird teilweise der Begriff „Aneignung" gebraucht. Ebener, Untreue, S. 7. Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 28.

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tiven Seite der Entwendung das Hauptaugenmerk auf den animus lucri faciendi. Teilweise wurde deshalb, wie bei Feuerbach! 54 und Salchow 65, die Zueignung als „der eigentliche Akt der Übertretung" 66 unbekümmert im objektiven Tatbestand angesiedelt, während im subjektiven Bereich lediglich Vorsatz und - noch immer der animus lucri faciendi gefordert wurde 67 . Vermehrt war jedoch jetzt die Bemühung zu bemerken, im Rahmen der neuen Systematik die „Bereicherungssucht", die zu den Delikten gegen das Eigentum nicht mehr recht passen mochte, aus dem Tatbestand zu verdrängen 68. Bald wurde von der herrschenden Meinung 69 umdefiniert: Zu fordern sei lediglich der „animus rem sibi habendi", als Absicht, die Sache „um ihrer selbstwillen zu haben" 70 . So bildete sich der Begriff der Zueignungsabsicht als Ersatz für den zweifelhaft gewordenen animus lucri faciendi, dessen Funktion er übernehmen sollte 71 . In den Kodifikationen des 19. Jahrhunderts finden sich allerdings weiterhin Abwandlungen des animus lucri faciendi 72. Die uneinheitlichen Formulierungen zeigen auch, dass sich hinter dem Wortlaut des Gesetzes nicht unbedingt eine eindeutige Entscheidung verbarg 73: Vielfach wurde angenommen, Zueignungsabsicht ohne Gewinnsucht sei gar nicht möglich 74 . Die neue Diebstahlsdefinition, in der die Zueignungsabsicht die Gewinnsucht abgelöst hatte, setzte sich jedoch sowohl im Preußischen StGB (1851), wie im StGB des Norddeutschen Bundes (1870) schließlich durch. Letzteres wurde durch den Beitritt der süddeutschen Staaten ein Jahr später zum RStGB 75 , dessen Diebstahlstatbestand dem heutigen entspricht. Damit war die Tathandlung des Diebstahls bestimmt: Sie lag in der Wegnahme, im Gewahrsamsbruch, wohingegen die Zueignung nur beabsichtigt werden musste 63 Rotering (GS 36 (1884), S. 524) vermutet, dass die Zueignung schließlich im subjektiven Bereich angesiedelt wurde, weil man von der deutsch-rechtlichen Beschreibung des Gewere- / Gewahrsamsbruches als alleinige Tathandlung nicht abweichen wollte. w Lehrbuch, 4. Aufl., § 316. 65 Dass nach Salchow die Zueignung objektiv stattfinden muss, ergibt sich aus: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, § 304 („Rechtswidrigkeit der Zueignung") und §§ 306,308, die sich auf den subjektiven Tatbestand beziehen. 66 Feuerbach, a. a. O. 67 Besonders deutlich bei Salchow, a. a. O., §§ 306 und 308 (S. 295 und 297).

68 Siehe die Nachweise bei Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 58 ff. 69 Goltdammer, GA 15, 1867, S. 231 m. w. N.; weitere Nachweise bei Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 27, Fn. 63. 70

Klien, Revision der Grundsätze über das Verbrechen des Diebstahls I, S. 292 („Habsucht im eigentlichen Verstände des Wortes"). 71 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 178. 72 So im Braunschweigischen (1840), Badischen (1845), Thüringischen (1850) und Sächsischen StGB (1850). 73 Rheineck, Zueignungsdelikte und Eigentümerinteresse, S. 69,72. ™ Nachweise bei v. Lilienthal, ZStW 32, S. 9 f. 7 5 Rüping, Grundriß der Strafrechtsgeschichte, S. 80; Baumann/Weber/Mitsch, AT, S. 63.

1. Kap.: Die geschichtliche Entwicklung des Zueignungsbegriffs

und keine Rolle für den objektiven Tatbestand spielte. Diese Verlagerung hatte sich zwar weniger aus Zweckmäßigkeitserwägungen, geschweige denn aus dogmatischer Notwendigkeit ergeben, als vielmehr aus der bloßen Abgrenzung zum animus lucri faciendi 76. Es wird später noch darauf einzugehen sein, inwieweit bei der Ansiedelung der Zueignung im Subjektiven tatsächlich von einem konkreten gesetzgeberischen Willen auszugehen ist 77 . Vorerst ist aber festzuhalten: Durch die Formulierung „Zueignungsabsicht" hat der Gesetzgeber eine sprachlich klare Entscheidung für die Positionierung der Zueignung im subjektiven Tatbestand getroffen. Die Drittzueignungsabsicht fand demgegenüber keine Aufnahme in den Diebstahlstatbestand - wenngleich sie in den Entwürfen von 1833, 1836, 1843 und 1847 ausdrücklich enthalten war 78 . Für den Unterschlagungstatbestand gestaltete sich die Beschreibung der Tathandlung schwieriger. Die von Feuerbach geforderte „äusserliche Erklärung" 79 wurde zunächst allgemein in der römisch-rechtlichen „contrectatio fraudulosa" (betrügerische Sachbehandlung)80 erblickt 81 . Dieses Erfordernis sollte jedoch „kein absolutes" sein 82 . Die Zueignung werde zwar „meistens" durch eine contrectatio vollzogen, liege aber auch z. B. im Ableugnen des Besitzes oder Empfanges einer Sache83. In den Entwürfen für das preußische StGB wurde die Unterschlagung (ganz nach dem Vorbild des von Feuerbach entworfenen bayerischen StGB von 1813) bereits selbstverständlich als Delikt gegen das Eigentum behandelt 84 . Die Bezeichnung der Tathandlung allerdings wechselte: Nachdem zunächst beispielhaft („der größeren Bestimmtheit wegen" 85 ) Zueignungshandlungen aufgeführt wurden („verbrauchen, veräußern" 86), forderten spätere Entwürfe ganz allgemein eine „Zueignung" 87 . Die endgültige Fassung von 1851 enthält zwei Unterschlagungstatbestände: 76

Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 178, m. w. N. historischer Quellen. 77 Vgl. 4. Kap., 1., e). 78 Goltdammer, Materialien II, S. 467: „Dieser Zusatz wurde im Vereinigten Ständischen Ausschusse monirt, und ist nach den Motiven als überflüssig fortgelassen, weil Niemand einem Anderen die Sache zueignen könne, ohne sie vorher sich selbst zuzueignen." - zur Bedeutung dieser gesetzgeberischen Rechtsauffassung wird noch Stellung zu beziehen sein, vgl. Kap. 5, 2. 79 Lehrbuch, § 317. 80

Dazu: Rein, Das Kriminalrecht der Römer, S. 314 ff. Klien, Neues Archiv des Criminalrechts, 1816, S. 219. 82 Köstlin, GA 4 (1856), S. 56. 83 Ebenda. 84 Goltdammer, Materialien II, S. 499 ff.; Hälschner, GA 15, 1867, S. 4. S5 Hälschner, GA 15, 1867, S. 8. 86 87

So der ausdrücklich nicht abschließende Katalog im Entwurf von 1828. 1830, 1836; siehe Goltdammer, Materialien II, S. 501 f.

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1. Kap.: Die geschichtliche Entwicklung des Zueignungsbegriffs § 225: „Wer eine fremde bewegliche Sache, deren Besitz oder Gewahrsam er mit der Verpflichtung erlangt hat, sie zu verwahren, zu verwalten, zurückzugeben oder abzuliefern, zum Nachtheile des Eigenthümers, Besitzers oder Inhabers veräußert, verpfändet oder verbraucht oder bei Seite schafft, macht sich der Unterschlagung schuldig." § 226: „Einer Unterschlagung wird es gleichgeachtet, wenn derjenige, welcher eine fremde bewegliche Sache gefunden oder durch Zufall in seine Gewahrsam bekommen hat, dieselbe zum Nachtheile des Eigenthümers, Besitzers oder Inhabers veräußert, verpfändet, verbraucht oder bei Seite schafft, oder die Gewahrsam derselben der Obrigkeit wider besseres Wissen ableugnet."88

Die Aufnahme der Worte „Besitzer" und „Inhaber" in den Gesetzestext mag nun zwar Zweifel an der gesetzgeberischen Interpretation von der Unterschlagung als Eigentumsdelikt wecken. Sie resultierte jedoch offenbar aus einer allzu wörtlichen Übersetzung des Art. 408 des code penal 89 , der sich mit der deutschen Unterschlagung nur teilweise deckte. Und nach der Intention des Gesetzgebers sollte durchaus nicht der Charakter der Unterschlagung als Verletzung von Eigentumsrechten in Frage gestellt werden 90. Die unglückliche Formulierung war dann auch im Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes von 1870 verschwunden, das den Unterschlagungstatbestand bereits genau so kennt, wie er dann auch im Reichsstrafgesetzbuch 1871 und bis zum Erlass des 6. StrRG 1998 existierte. Ebenso wurde auf die Aufzählung der Tathandlungen verzichtet, über die in der Lehre ein Streit entbrannt war: Man war sich weder einig, ob die Aufzählung abschließend oder beispielhaft sei, noch ob „verpfänden" oder „beiseiteschaffen", insbesondere aber ob „Ableugnen" überhaupt eine Zueignungshandlung darstellen könne 91 . Der Oberbegriff „Zueignung" setzte sich durch und hatte damit endgültig Einzug gehalten in den Unterschlagungstatbestand. In der Lehre finden sich sehr früh in Grundzügen die heutigen Manifestationstheorien. So definiert z. B. Goltdammer 1867: Die Tathandlung der Unterschlagung sei die „contrectatio fraudulosa, welche durch den Unterschlagenden in der Weise manifestirt wird, dass er unberechtigt entweder Eigenthumshandlungen mit der Sache vornimmt, oder doch, dass er seinen Willen, die Sache als seine eigene zu behalten, in anderer Weise äußerlich zu erkennen giebt" 92 . 88 Zur historischen Entwicklung der Fundunterschlagung: Handschuch, Die Fundunterschlagung im deutschen und italienischen Strafrecht, S. 2 ff.; Goltdammer, GA 15, 1867, S. 233; Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 109 f. 89 „Au préjudice des propriétaires, possesseur on détenteurs", siehe auch: Beseler, Komm., S. 430. 90

Hälschner, GA 15,1867, S. 5, 8; Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 36; a.A.: Ebener, Untreue, S. 3. 91 Darstellung bei Blum, Komm., S. 345; ausführlich zur Diskussion um die Verpfändung: Rotering, GS 36 (1884). 9 2 Goltdammer, GA 15, 1867, S. 230; ebenso dann 1881 das RG (St 4, S. 404,405); siehe außerdem Rotering, GS 36 (1884), S. 526; bereits 1808 formuliert Feuerbach: „Wer die zu entwendende Sache selbst schon detiniert, vollendet erst dann die Entwendung, wenn er

1. Kap.: Die geschichtliche Entwicklung des Zueignungsbegriffs

Mehr als ein Jahrhundert blieb der Wortlaut der Zueignungsdelikte in der Folge unberührt - bis am 1. April 1998 eine Gesetzesnovelle in Kraft trat, durch welche die Drittzueignungskomponente in die Tatbestände des Diebstahls, der Unterschlagung und des Raubes aufgenommen wurde. Zugrunde lag dem das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) vom 26. Januar 199893, ein Gesetzeswerk, das im Besonderen Teil des StGB zu erheblichen Änderungen geführt hat. Es geht auf die gleichlautenden Entwürfe der Bundesregierung 94 und der CDU / CSU- und FDP-Fraktionen 95 aus der dreizehnten Legislaturperiode zurück. Mit einigen Änderungen, die sich durch Beratungen des Rechtsausschusses ergeben hatten, wurde das 6. StrRG am 14. November 1997 vom Bundestag verabschiedet. Inhaltlich brachte die Reform im Bereich der Eigentumsdelikte neben der Einführung der Drittzueignung(-sabsicht) einschneidende Veränderungen des Unterschlagungstatbestandes mit sich: Im Rahmen des § 246 Abs. 1 StGB wurde auf das Besitz- bzw. Gewahrsamserfordernis verzichtet und eine Subsidiaritätsklausel eingeführt, die besagt, dass wegen Unterschlagung nur zu strafen ist, sofern die Tat nicht an anderer Stelle mit schwererer Strafe bedroht ist 96 . Die zuvor in Abs. 1, Alt. 2 geregelte Qualifikation der Zueignung anvertrauter Sachen ist nunmehr in einem eigenen Abs. 2 unter Strafe gestellt und die Strafbarkeit des Versuchs der Unterschlagung von Abs. 2 in Abs. 3 verschoben worden. Wir treffen am Ende der historischen Entwicklung somit den Zueignungsbegriff in zwei Formen an: einmal als subjektives Moment im Diebstahl und zum zweiten als Beschreibung der Tathandlung in der Unterschlagung, sowie in zwei Varianten der Adressierung: entweder an den Täter selbst gerichtet oder an einen Dritten. Für eine spätere Auslegung des aktuellen Zueignungsbegriffs ist es nun wichtig, sich folgende Punkte noch einmal zu vergegenwärtigen: Die Schaffung einer eigenständigen Kategorie von Delikten gegen das Eigentum zu Beginn des 19. Jahrhunderts bewirkte die Verdrängung des animus lucri faciendi (der Gewinnsucht), der nunmehr als Fremdkörper innerhalb einer auf Eigentum und nicht auf Vermögen ausgerichteten Systematik von Zueignungsdelikten galt. An seine Stelle trat der animus rem sibi habendi als „Habsucht im eigentlichen Verstände des Wortes" 97 . Der Focus verlagerte sich damit von der Beliebigkeit einer Sache in ihrer Eigenschaft als Wertträger hin zu ihrer Individualität als körperlicher Gegenstand. durch eine neue, mit der Sache vorgenommene Thathandlung äußerlich erklärt hat, dieselbe nicht mehr für den anderen, sondern für sich selbst als Eigenthümer besitzen zu wollen", Lehrbuch, 4. Auflage, § 317. 93 BGBl. I, S. 164 ff. 94 BT-Drucksache 13/8587. 95 BT-Drucksache 13/7164. 96 Die Subsidiaritätsklausel bezieht sich auch auf die veruntreuende Unterschlagung des § 246 Abs. 2, vgl. etwa Lackner/Kühl, § 246, Rn. 14; Wessels /Hillenkamp, BT 2, Rn. 300. 97 Klien, Revision der Grundsätze über das Verbrechen des Diebstahls I, S. 292.

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1. Kap.: Die geschichtliche Entwicklung des Zueignungsbegriffs

Die Unterschlagung galt dem römischen wie dem germanischen Recht als eine Unterform des „furtum" (der „Entwendung"), der eine Reihe von heute unter den Aspekten des Diebstahls, der Untreue, des Betruges oder gar der Hehlerei strafbaren Verhaltensweise umfasste. Sobald allerdings die Kategorie der Eigentumsdelikte herausgebildet war, war die Unterschlagung nur noch in Abschichtung zum Diebstahl typisierbar. Bemerkensweiterweise entstand zeitgleich der Begriff der „Zueignung". Die Formulierung der Unterschlagung ist ab Mitte des 19. Jahrhunderts eine eigenständige, sie wird nun allgemein als „eigentümliches, ebensowohl vom Diebstahle wie vom Betrüge verschiedenes"98 Delikt betrachtet. Beachtlich ist zu guter Letzt auch, dass der Schlüsselbegriff „Zueignung", welcher der Schutzrichtung der Eigentumsdelikte Ausdruck verlieh, von vornherein in seiner Bedeutung vage erschien und umstritten war: Fast wird der Eindruck erweckt, dass dem Gesetzgeber „nicht klar war, was er überhaupt damit in Worte fassen wollte und auch - vom Standpunkt einer objektiven Auslegung aus - gar keine Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, was er,vernünftigerweise 4 gemeint haben könnte, so dass man schließlich nur einem Phantom nachjagt" 99 .

98 Hälschner, Preußisches Strafrecht, S. 496. 99 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 37; zum Streit um mögliche Zueignungshandlungen vgl. auch Goltdammer, Materialien II, S. 501 f.

2. Kapitel

Das Rechtsgut der Eigentumsdelikte „Die vergangene, nur noch in der Erinnerung existierende oder auch längst vergessene Handlung des Herstellens oder Erwerbens verknüpft den Gegenstand über den Raum und die verflossene Zeit hinweg mit der Person, die diese Handlung vollzog. Die rechtliche Verknüpfung ist nicht empirisch aufweisbar, sie zeigt sich nicht als bewegende Kraft im Bereich der Dinge und bleibt ohne Folgen für das physische Verhältnis der Körper untereinander: der Gegenstand strebt nicht durch eine ihm nach dem Erwerb innewohnende magische Kraft zu seinem Besitzer wie Dinge in orientalischen Märchen, oder wie ein Tier zu dem Menschen strebt, dem es durch Gewohnheit hörig ist. Die Verknüpfung ist ein nur gedachtes - und doch nicht einfach ausgedachtes - Band, es existiert nur in den Köpfen der Menschen, die ein rechtliches Mein und Dein anerkennen können oder wollen und sollen (...)." Reinhard Brandt, 1974 1 Es besteht heute Einigkeit darüber, dass nicht jedes sozial inadäquate menschliche Verhalten den Staat zur Strafe legitimiert 2 , sondern nur solches, das sich gegen ein Rechtsgut richtet3. Aufgabe und Zweck des Strafrechts ist der Schutz von Rechtsgütern 4 . Das Rechtsgut bezeichnet den hinter einem Delikt stehenden ideellen Wert 5 und wird damit zum Ausgangspunkt eines jeden Deliktstatbestandes. Der von Birnbaum 1834 eingeführte 6 und durch Binding 1872 weiterentwickelte 7 Rechtsgut-Ansatz verdrängte die Rechtsverletzungslehre Feuerbachs 8 und 1

Brandt, Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, S. 10. Das Bestehen eines staatlichen Bestrafungsrechts leitet sich aus der in Art. 74 Nr. 1 GG erfolgenden Zuweisung des Strafrechts zum Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung ab; vgl. auch Roxin, AT I, § 2, Rn. 1. 2

3 Rehr-Zimmermann, Die Struktur des Unrechts in der Gegenwart der Strafrechtsdogmatik, S. 3 ff.; AK-Hassemer, vor § 1, Rn. 255 ff., insb. Rn. 293; Roxin, AT I, § 2, Rn. 1; LKJescheck, vor § 1, Rn. 3 ff.; Sch. /Sch.-Lenckner, vor § 13, Rn. 8 ff.; Wessels/Beulke, AT, Rn. 6; Maurach/Zipf, AT I, S. 256; differenzierend Jakobs, AT, 2/7. 4 Otto, in: Strafrechtsdogmatik und Kriminalpolitik (1971), S. 1; Kienapfel, Strafrecht AT, S. 47. 5 Kienapfel, Strafrecht AT, S. 39. 6 Birnbaum, ArchdCrimR NF 1834, insb. S. 174-180.

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wurde in nur kurzer Zeit zu einer Zentralgestalt des strafrechtlichen Lehrgebäudes9. Man erblickte nun in der Straftat nicht mehr die Verletzung eines - oft schwer nachzuweisenden - subjektiven Rechts, sondern eines materiellen Gutes, das dem einzelnen oder der Gesamtheit zustehen konnte, und das als im natürlichen Sinne verletzbar betrachtet wurde 10 . Dadurch wurde die Erkünstelung eines subjektiven privaten Rechts für längst anerkannte Deliktstypen überflüssig 11, das Objekt der Verletzung oder Gefährdung verlagerte sich aus der Sphäre des Geistigen (Rechte) in die des Gegenständlichen (Güter) 12 . Diese naiv-körperliche Sichtweise13, mit der man meinte, konkrete körperliche Rechtsgüter bestimmen zu können, musste freilich schon bald aufgegeben werden. Bereits gegen Ende letzten Jahrhunderts setzte sich deshalb die Unterscheidung zwischen einerseits dem Schutzobjekt als eigentlichem Rechtsgut und auf der anderen Seite dem konkreten Handlungsobjekt durch 14 . Nachdem sich der Begriff des Rechtsguts in der dogmatischen Diskussion von der Belastung durch „jene unklare Assoziation des Konkret-Gegenständlichen" 15 gelöst hatte und seine gedankliche Trennung vom Handlungsobjekt vollzogen war 16 , hatte er seine Funktionen im System des Strafrechts eingenommen: der staatlichen Strafgewalt ihre Grenzen zuzuweisen17 und einen Maßstab für die Auslegung des jeweiligen Delikts und seiner Tatbestandsmerkmale zur Verfügung zu stellen18. Strafvorschriften ohne Rechtsgutsbeziehung sind nach einhelliger Auffassung unzulässig19. Im Zuge der Vergeistigung des Rechtsgutsbegriffes 20, seiner Loslösung von den greifbaren Gegenständen der Außenwelt, entstanden jedoch die dem Strafrecht ei-

7 Binding, Normen I, S. 188 ff. 8

Vgl. Sina, Die Dogmengeschichte des strafrechtlichen Begriffes „Rechtsgut", S. 24 ff.; Maurach/Zipf, AT I, S. 256; Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 82; Amelung, Rechtsgüterschutz und Schutz der Gesellschaft, S. 43 ff. 9 Bereits 1914 wurde der Begriff des Rechtsgutes durch K. Jacobs als „heute in der Strafrechtslehre herrschend" bezeichnet, a. a. O., S. 36. 10 Jescheck/Weigend, AT, § 2611. n Sina, Die Dogmengeschichte des strafrechtlichen Begriffes „Rechtsgut", S. 25. 12 Sina, a. a. O., S. 5. 13 Sina, a. a. O., S. 57. 14

Eingeführt durch Oppenheim, Die Objekte des Verbrechens, S. 155 ff.; vgl. auch K. Jacobs, Schutzobjekt und Tatobjekt, insb. S. 62. 15 Sina, Die Dogmengeschichte des strafrechtlichen Begriffes „Rechtsgut", S. 55. 16 Maurach/Zipf, AT I, S. 259. 17 Otto, in: Strafrechtsdogmatik und Kriminalpolitik (1971), S. 1; Roxin, AT I, § 2, Rn. 9; Kienapfel, Strafrecht AT, S. 46. i g Amelung, Rechtsgüterschutz und Schutz der Gesellschaft, S. 243; Kienapfel, Strafrecht AT, S. 46. 19 Vgl. statt vieler Sch. /Sch.-Lenckner, vor § 13, Rn. 10 m. w. N.; Roxin, AT I, § 2, Rn. 10 ff. 20 Vgl. Amelung, Rechtsgüterschutz und Schutz der Gesellschaft, S. 139 ff.

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gentümlichen Diskussionen: Meinungen darüber, was der Begriff „Rechtsgut" erfasst, gibt es mannigfaltig 21. Zum Teil werden unter dem Begriff Rechtsgut stark objekthaft geprägte Positionen verstanden, etwa „Gegenstände, die der Mensch zu seiner freien Selbstverwirklichung braucht" 22 , „rechtlich geschützte abstrakte Werte der Sozialordnung" 23 oder „werthafte soziale Funktionseinheiten"24. Andere betonen demgegenüber den Beziehungscharakter des Rechtsgutsbegriffes 25 und definieren es als „die tatsächliche Beziehung einer Person zu einem Objekt im weitesten Sinne, die durch eine Rechtsnorm geschützt wird" 2 6 oder als „Interessen ( . . . ) der Gesamtheit oder des Einzelnen" 27 . Pointiert vertrat diesen letzten Ansatz Schmidhäuser, der das Rechtsgut als „Achtungsanspruch" bezeichnete28. Die Konsequenz dieser Auffassung ist die Unmöglichkeit der Behauptung einer Rechtsgutsgefährdung: Wann immer einem solchen gesetzlich geschützten Achtungsanspruch zuwider gehandelt wird, ist das als Achtungsanspruch verstandene Rechtsgut bereits verletzt bloß gefährdet kann u.U. lediglich das Handlungsobjekt sein. Schmidhäuser verlangte deshalb eine Änderung des Sprachgebrauchs unter Vermeidung des Begriffs „Rechtsgutsgefährdung" 29. Der Ansicht Schmidhäusers wird vorgeworfen, sie verfehle die objekthafte Seinsseite des Rechtsgutsbegriffes 30 und erfasse mit ihren relationalen Begriffen lediglich eine Bezogenheit oder ein Verhältnis eines Subjekts zu einem Gegenstand31, nicht aber den Bezugspunkt selbst. Doch gerade weil dieser Bezugspunkt nie das konkrete Handlungsobjekt ist, sondern nur ein abstrakter, hinter dem Tatobjekt stehender und mit menschlicher Wertung belegter Sachverhalt, geht diese Argumentation fehl: Ein Wert kann nichts anderes als ein Achtungsanspruch sein einzig die weitende Beziehung des Menschen zu den abstrakten Gegenständen seiner Wahrnehmung macht diese wertvoll, einzig diese verleiht ihnen ihr normatives Profil 32 . Es ist deshalb richtig und sinnvoll, den wertvollen Sachverhalt mit dem 21 Vgl. die Darstellungen bei Otto, in: Strafrechtsdogmatik und Kriminalpolitik (1971), S. 2 ff.; AK-Hassemer, vor § 1, Rn. 255 und Sina, Die Dogmengeschichte des strafrechtlichen Begriffes „Rechtsgut", S. 19 ff. 22 Sina, Die Dogmengeschichte des strafrechtlichen Begriffes „Rechtsgut", S. 62. 23 Jescheck/Weigend, AT, § 2612. 2

* Rudolphi, Honig-FS, S. 166. So - allerdings ohne eine eigene Definition zu versuchen - Sina, Die Dogmengeschichte des strafrechtlichen Begriffes „Rechtsgut", insb. S. 101, m. w. N. 26 Otto, in: Strafrechtsdogmatik und Kriminalpolitik (1971), S. 6; ders., Struktur des strafrechtlichen Vermögensschutzes, S. 33. 27 Lüderssen, Zum Strafgrund der Teilnahme, S. 120, Fn. 2. 2 » Schmidhäuser, Engisch-FS, S. 446; ders., AT, S. 37. 29 Vgl. Schmidhäuser, Engisch-FS, S. 446. 25

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Sina, Die Dogmengeschichte des strafrechtlichen Begriffes „Rechtsgut", S. 20. Stöger, Versuch des untauglichen Täters, S. 39. Kargl, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts (1995), S. 57.

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von ihm ausgehenden Achtungsanspruch gleichzusetzen33, da das Sozialschädliche an einer Rechtsgutsverletzung nicht der Angriff auf den abstrakten Sachverhalt als solchen ist (etwa auf das Eigentum als einem Gefüge von zivilrechtlichen Befugnis-Regelungen), sondern die Verletzung des in dem Sachverhalt liegenden Tabus gegenüber nicht befugten Dritten (im Falle des Eigentums die Verletzung der begründeten Erwartung, andere möchten eine ausschließlich dem Einzelnen zugeordnete materielle Sphäre akzeptieren). Freilich ist es nicht die Verletzung eines Rechtsgutes allein, welche die Struktur des Unrechts ausmacht. Zumeist verlangt das StGB außerdem bestimmte, auf das Rechtsgut Bezug nehmende Verhaltensweisen, so dass aus der Spannweite möglicher Rechtsgutsverletzungen nur einzelne, ausgewählte Angriffe zu gesetzlich erfasstem Unrecht werden. Gerade in dem für diese Untersuchung interessierenden Bereich genügt nicht etwa jede beliebige Eigentumsverletzung, um strafrechtlich zu ahndendes Unrecht zu begründen. Nur eine Eigentumsverletzung durch Zueignung, bzw. in Zueignungsabsicht ist strafbar, Sachbeschädigungen und -Zerstörungen sind dagegen gesondert erfasst (§§ 303 ff. StGB) und die Eigentumsbeeinträchtigung durch Sachentziehung bleibt sogar stets straflos. Allerdings führt auch eine isolierte Betrachtung der Tathandlung notwendig zu einer lückenhaften Auslegung des fraglichen Tatbestandes; sie bedarf des Fundamentes in Form einer vorangestellten Beleuchtung des betroffenen Rechtsguts: Erst wenn die Struktur des Eigentums offenliegt, wird auch klar sein, wie man es verletzen kann. Dass das Eigentum - bzw. der von ihm ausgehende Achtungsanspruch Rechtsgut der in dieser Untersuchung interessierenden Delikte ist, die tatbestandlich eine Zueignung oder die Absicht der Zueignung verlangen 34, ist insoweit unbestritten 35. Inwiefern durch entsprechende Handlungen auch noch andere Rechtsgüter betroffen werden (man wird hier sofort an den Gewahrsam als mögliches zusätzliches Rechtsgut des Diebstahlstatbestandes denken36), kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben. 33 So auch Schmidhäuser, Engisch-FS, S. 445; Köhler, AT, S. 24; Kargl, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts (1995), S. 57 und 64. 34 Prototypen der Zueignungsdelikte sind die Unterschlagung (§ 246) und der Diebstahl (§ 242) nebst dem Raub (§ 249). Weitere Delikte, die den Zueignungsbegriff als Tatbestandsmerkmal enthalten - etwa §§ 248c, 292, 293 - wurden vom Gesetzgeber den klassischen Eigentumsdelikten nachgebildet (vgl. Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 16) und verlangen daher keine gesonderte Untersuchung. 3 5 Sch./Sch.-Eser, § 242, Rn. 1; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 57; Maurach/ Schroeder/Maiwald, BT 1, § 32, Rn. 1; Arzt/Weber, BT, § 13, Rn. 1 ff.; Schmidhäuser, BT, 8/1; Noak, Drittzueignung und 6. Strafrechtsreformgesetz, S. 25; Sax, Laufke-FS, S. 321; differenzierend Otto, in: Strafrechtsdogmatik und Kriminalpolitik (1971), S. 6 und Struktur des strafrechtlichen Vermögensschutzes, S. 142 ff., S. 274, der die Bezeichnung des Rechtsgutes als „Eigentum" wegen ihrer Anlehnung an das Zivilrecht für ungenau erachtet und die Bezeichnung „Sachherrschaftsbeziehung eines Rechtssubjektes über eine Sache" vorzieht. Im Ergebnis bleibt er mit dieser Umbenennung jedoch noch weit innerhalb des Kreises möglicher Eigentumsdefinitionen (wie noch nachzuweisen sein wird).

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Nun ist mit der Postulierung des Begriffs Eigentum noch nicht viel darüber gesagt, was die §§ 242, 246 und 249 StGB schützen sollen - das Eigentum ist eine Institution, deren Abstraktheit ihresgleichen sucht. Der übliche Verweis auf die privatrechtliche Eigentumsordnung 37 kann - soweit das Augenmerk auf das Schutzgut gerichtet ist - keine schärfere Eingrenzung unseres Untersuchungsgegenstandes bewirken. Auch Rheineck bemerkt zu dieser Frage: Solche Überlegungen zum Rechtsgut der Zueignungsdelikte sind „noch nicht erschöpfend, da sie nicht auf einer Untersuchung der Funktion des Eigentums beruhen, so daß die Definition des Schutzgutes, da nicht abgeleitet, frei im Raum schwebt."38 Das bürgerliche Recht vermag wohl dann zu helfen, wenn zu bestimmen ist, welche Handlungsobjekte für die Eigentumsdelikte in Frage kommen, welche Sachen also „fremd" i. S. d. zu untersuchenden Tatbestände sind 39 . Zur Struktur oder zum Wesen des Eigentums als Rechtsgut jedoch sagt es uns wenig - zu wenig jedenfalls, um sich mit einem formelhaften Verweis begnügen zu dürfen. Dass die ordnenden Regeln des Sachenrechts mit dieser Aufgabe überfordert wären, liegt auf der Hand und ergibt sich darüber hinaus bereits zwanglos daraus, dass das Eigentum in seiner zivilrechtlichen Ausgestaltung durch die meisten Zueignungsdelikte gar nicht tangiert wird: Dem Eigentümer einer gestohlenen Sache bleibt sein Eigentum erhalten; selbst Dritte können die entwendete Sache nicht gutgläubig erwerben (vgl. § 935 BGB). Der Eigentumsverlust ist - wunderlicherweise gerade durch das verübte Delikt - gleichsam blockiert. Ziel der Eigentumsschutztatbestände ist also gerade nicht die „Aufrechterhaltung des Eigentums als solchem" 40 ; die Schutzrichtung der Zueignungstatbestände geht vielmehr ganz offensichtlich über das Zivilrecht hinaus. Bockelmann unterliegt insofern einem Missverständnis, wenn er meint, der Gesetzgeber habe „denjenigen Bestimmungen, welche das Eigentumsverbrechen behandeln, das bürgerlich-rechtliche Eigentum als Schutzgut zugewiesen", und nur deshalb übernehme man die privatrechtlichen Definitionen, nicht etwa aber, weil 36 So die herrschende Lehre, BGHSt 10, S. 400 (401); BGH NStZ 2001, S. 316; LK-Ruß, vor § 242, Rn. 3; Sch./Schr.-Eser, § 242, Rn. 2; Lackner/Kühl, § 242, Rn. 1; SK-Hoyer, vor § 242, Rn. 11; Gössel, BT 2, § 7, Rn. 1; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 32, Rn. 5; Otto, Jura 1989, S. 138. A. A. Mitsch, BT 2, § 1, Rn. 6, Seelmann/Pfohl, JuS 1987, S. 199; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 57: Dass § 242 in der Angriffsform der Wegnahme auch den Gewahrsam schützt, erhebt diesen nicht in den Rang eines eigenständigen Schutzgutes; insbesondere in Hinblick auf die Systematik der sich gegenseitig ergänzenden Eigentumsdelikte ist daher die Aufwertung des Gewahrsams zum zweiten Schutzgut des Diebstahls abzulehnen. 37

So etwa Gropp, JuS 1999, S. 1042: „Hinsichtlich des Eigentumsbegriffs ist der Diebstahl als Zueignungsdelikt sachenrechtsakzessorisch". Vgl. auch BGHSt 24, S. 115 (129). 38 Rheineck, Zueignungsdelikte und Eigentümerinteresse, S. 130; er kommt allerdings zu dem Schluss, dass den nicht abgeleiteten Definitionen „freilich ( . . . ) dieselbe Auffassung zugrunde liegen (dürfte)", S. 131. 3 9 Vgl. hierzu unten Kap. 3. 40

So aber Backmann, Die Abgrenzung des Betruges von Diebstahl und Unterschlagung,

S. 38. 3 Kauffmann

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man „statt der eigenen Kraft zu vertrauen Anlehnung an das Zivilrecht gesucht hätte, ohne eigentlich dazu genötigt zu sein" 41 . Doch tatsächlich besteht nicht nur keine Notwendigkeit, die zivilrechtlichen Definitionen hinzunehmen, es besteht sogar die Pflicht, sie zu überprüfen, da sich aus dem StGB zwingend ergibt, dass es sich bei dem Rechtsgut der Eigentumsdelikte um mehr als die Regelung einiger zivilrechtlicher Befugnisse handeln muss. Selbst die oft zitierte Bemerkung Bindings, ein gegenüber dem Privatrecht selbstständiges strafrechtliches Eigentum sei ein „Ungedanke"42, bezieht sich lediglich auf die Voraussetzungen des Eigentums an einer konkreten Sache, nicht aber auf den Wesensgehalt des hinter den Eigentumsdelikten stehenden Schutzgutes43. Dies zeigt u. a. seine nur wenige Seiten später erfolgende Bemerkung: „Nicht sein Eigentumsrecht soll dem Eigner vom Täter entzogen werden, sondern nur die Sache ( . . . )' < 4 4 - womit Binding deutlich macht, dass sich der Täter eines Eigentumsdelikts eben gerade nicht gegen die zivilrechtlichen Regelungen wendet, sondern ein Schutzgut verletzt, das ganz offenbar weiter gefasst ist, als das Eigentum des BGB. Und doch ist unübersehbar, dass die Jurisprudenz die Erörterung des Eigentumsbegriffs zumeist den Zivilrechtlern und den Verfassungsrechtlern überlässt, während sich das Strafrecht deren Ergebnissen unreflektiert anschließt45. Die wenigen strafrechtlichen Diskussionen über die Struktur des Eigentums werden in der Regel über den „formalen" und den „funktionalen" Eigentumsbegriffs geführt 46 - in Wahrheit markieren die Fragen nach bestimmten Eigentumspositionen jedoch nur die Außen41 Bockelmann, ZStW 69 (1957), S. 286. 42 Binding, Lehrbuch BT, S. 256. 43 Ebenso eindeutig auf die „Fremdheit" einer Sache und nicht auf das Rechtsgut beziehen sich: Eser, JuS 1964, S. 480; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 68 f.; Krey, BT 2, Rn. 3; anders, aber freilich ohne Differenzierung: Rudolphi, GA 1965, S. 37; Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 24, einschränkend aber auf S. 38; Arzt/ Weber, BT, § 13, Rn. 30. 44 Binding, Lehrbuch BT, S. 264. 45 Bezeichnend in dieser Hinsicht der Kommentar von Sax, Laufke-FS, S. 333, Fn. 17: „Es fehlt hier der Raum, auch die Kompetenz des Strafrechtlers, auf die zivilrechtliche Kontroverse über Inhalt und ,Wesen4 des Eigentumsrechts näher einzugehen. ( . . . ) " ; kritisch Rheineck, Zueignungsdelikte und Eigentümerinteresse, S. 129; gegen die Übernahme zivilrechtlicher Eigentumsdogmatik in das Strafrecht nur Bruns, Befreiung des Strafrechts vom zivilistischen Denken, insb. S. 67; Otto, Struktur des strafrechtlichen Vermögensschutzes, S. 146 ff., insb. S. 157. 46 Vgl. Sch. / Sehr.-Eser, § 242, Rn. 4a f.: Geschützt sei grds. die formale Rechtsposition hat der Eigentümer aber nur Quantitätsinteressen oder sei das Tatobjekt wertlos, soll die Abwägung zugunsten des Interessenschutzes ausgehen; ähnlich Cramer, Vermögensbegriff und Vermögensschaden, S. 73, Fn. 38; hierzu auch Rheineck, Zueignungsdelikte und Eigentümerinteresse, S. 13 ff., insb. S. 129; zusammenfassend zu der erwähnten Diskussion: Sax, Laufke-FS, S. 321 ff. und de la Mata, in: Bausteine des europäischen Wirtschaftsstrafrechts, S. 227 ff. Eine Ausnahme bildet insoweit die umfängliche Diskussion des Rechtsguts der Eigentumsdelikte durch Schmid-Hopmeier, Das Problem der Drittzueignung bei Diebstahl und Unterschlagung, S. 134 ff.

1. Der gesetzliche Eigentumsbegriff

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grenzen des Eigentumsrechtes, ohne sich dessen Wesen zu erschließen: das also, was innerhalb dieser Außengrenzen angesiedelt ist. Dieser Mangel an gedanklichem Austausch ist umso verwunderlicher, als es sich zumindest beim rechtlichen Eigentum gerade nicht um eine feste Größe handelt, sondern Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ausdrücklich dem Gesetzgeber - und damit auch dem Strafgesetzgeber 47 - das Recht zur Inhaltsbestimmung des Eigentums zuerkennt. Man sollte meinen, dass es auch in den anderen rechtlichen Disziplinen ein Aufhorchen gäbe, wenn sich aus der Analyse des StGB bisher ignorierte Aspekte des Eigentumsbegriffes ergäben. Die Debatte um das Eigentum auch im Strafrecht auszutragen, birgt noch weitere Vorzüge: Es besteht hier eine weit gehende Freiheit von den organisatorischen Problemen des Verfassungsrechts, sämtliche grundlegende Rechte und Pflichten aller Staatsbürger voneinander abzuschichten und auch von den Zwängen des Zivilrechts, auf die ökonomischen Interessen einer Marktgesellschaft abzustellen. Das Strafrecht als ultima ratio des Rechtsgüterschutzes bietet die Chance, das Eigentum reduziert auf seine Grundgedanken zu betrachten. Das Abweichen von der gewohnten Adaption des zivilrechtlichen Eigentumsbegriffes impliziert nicht, dass auch die Begriffe „Sache" und „fremd" anders als durch das Privatrecht definiert werden müssten48: Sie bezeichnen das Handlungsobjekt der Eigentumsdelikte und damit die Frage, ob ein konkreter Gegenstand innerhalb unserer Privatrechtsordnung Objekt eines Diebstahls oder einer Unterschlagung werden kann 49 . Das Problem des Rechtsgutes aber berührt eine andere Ebene: Hier gilt es, Motiv und Ausgangspunkt eines Tatbestandes zu bestimmen, den ideellen Wert zu erfassen, der zu der Strafdrohung für den Fall seiner Missachtung geführt hat. Es gilt also zunächst, den rechtlichen (und das heißt sowohl den öffentlich-rechtlichen und zivilrechtlichen als eben auch den strafrechtlichen) Eigentumsbegriff zu untersuchen, um im Lichte der hierbei gewonnenen Erkenntnisse nach dem - möglicherweise vom Recht unabhängigen (vorrechtlichen oder apriorischen) - Wesen des Schutzgutes Eigentum zu forschen.

1. Der gesetzliche Eigentumsbegriff Weder das Grundgesetz oder das BGB, noch eine andere gesetzliche Quelle enthalten eine Legaldefinition des Eigentums50. Das GG bestimmt in Art. 14 Abs. 1 47 Für die Begriffsbestimmung des Eigentums auch durch das Strafrecht explizit AK(GG)Rittstieg, Artt. 14,15, Rn. 1. 48 Diese Konsequenz befürchtet Otto, Struktur des strafrechtlichen Vermögensschutzes, S. 141-158. 49 Anders Otto, JZ 1993, S. 559 f.; im Ergebnis läuft seine Kritik jedoch durchaus konform mit den im Folgenden zu vertretenden Ansätzen. 50 Vgl. auch Palandt-Bassenge, vor § 903, Rn. 1.

3*

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der Eigentumsdelikte

Satz 1 lediglich in „recht lapidarer Weise" 51 , das Eigentum sei gewährleistet. Hinsichtlich beider Begriffe - Eigentum und Gewährleistung - bestehen in Literatur und Rechtsprechung teilweise tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten und Unklarheiten 52. Das BGB seinerseits regelt in § 903 lediglich die Befugnisse des Eigentümers, ohne sich um eine Konturierung des Eigentumsbegriffes zu bemühen. Die Beschreibung der Befugnisse enthält keine Definition des Eigentums, sie setzt sie vielmehr voraus 53. Eine solche Definition des Eigentums wollte der Gesetzgeber mit § 903 BGB erklärtermaßen auch gar nicht vorgeben, sondern - wie aus den Materialien zum BGB hervorgeht - lediglich die Rechte des Eigentümers umschreiben 54. Doch auch die üblichen, dem § 903 BGB abgeleiteten Definitionen als „umfassendes Zuordnungsrecht" 55, „Dispositionsrecht" 56 oder „absolutes Herrschaftsrecht" 57 lassen mehr offen, als sie erklären können. Klar ist allein, dass es sich um ein elementares Grundrecht handelt, „das in einem inneren Zusammenhang mit der Garantie der persönlichen Freiheit steht. Ihm kommt im Gesamtgefüge der Grundrechte die Aufgabe zu, dem Träger des Grundrechts einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich sicherzustellen und ihm damit eine eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens zu ermöglichen." 58 Nach der älteren Rechtsprechung des BVerfG hatte man sich das Eigentum als Rechtsinstitut so vorzustellen, wie es „das Bürgerliche Recht und die gesellschaftlichen Anschauungen ausgeformt haben" 59 . In seiner neueren Rechtsprechung, wie sie insbesondere im Nassauskiesungsbeschluss60 zutage tritt, distanziert sich das BVerfG jedoch von dieser Auffassung und sieht den Inhalt des Eigentums nunmehr durch die Summe aller auf das Eigentum bezogenen und es konstituierenden Normen des privaten und des öffentlichen Rechts gebildet61. Die Befugnis zur inhaltlichen Eigentumsbestimmung wird damit vollständig dem experimentierenden, sozialgestaltenden Gesetzgeber überantwortet 62. Bildlich gesprochen darf das Eigentum nicht „wie ein schon fertiges Gemälde mit geschlossenem Rahmen vorgestellt werden ( . . . ) , innerhalb dessen nur noch Farbnuancen je nach Konjunkturlage, nicht aber die Konturen geändert werden dürfen": „Weder Rahmen noch Konturen der geltenden Eigentumsordnung sind Verfassungsgebot." 63 51

Böhmer, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 39. Vgl. dazu Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 78 ff.; Böhmer, a. a. O., S. 39, m. w. N. 53 Heuchert, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 126. 54 Vgl. Mugdan, Die gesamten Materialien zum BGB, S. 145; Olzen, JuS 1984, S. 329. 55 Wolf, Sachenrecht, Rn. 43. 56 Erdmann, „Eigentum, Partnerschaft, Mitbestimmung", S. 11. 57 Georgiades, Sontis-FS, S. 150; Schreiber, Sachenrecht, Rn. 122; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 2411. 58 BVerfGE 24, S. 367 (389); 30, S. 292 (334). 59 Zuletzt BVerfGE 28, S. 119 ff. 60 BVerfGE 58, S. 300 ff. 52

61 BVerfGE 58, S. 336. 62 Baur, Das Eigentum, S. 7.

1. Der gesetzliche Eigentumsbegriff

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Ist nun zumindest der Rahmen, wenn auch nicht für alle Zeiten zwingend, so doch nach geltendem Recht durch die Regelungen des Art. 14 GG und des § 903 BGB de facto abgesteckt, so sind wir noch nicht wesentlich fortgeschritten, was die Konturen, den Inhalt jener „unantastbaren Realsphäre" 64 anbelangt. Und nun gebührt die Aufmerksamkeit dem Strafrecht als einem Teil des öffentlichen Rechts. „Delikte gegen das Eigentum" - diese Formulierung ist deshalb irreführend, weil sie nahelegt, die entsprechenden Taten tangierten auch das rechtliche Dürfen in Bezug auf eine Sache65 - denn mehr ist Eigentum in einem rechtlichen Sinn auf den ersten Blick ja nicht: Gemäß § 903 BGB 6 6 ist der Eigentümer einer Sache befugt, mit dieser ganz nach Gutdünken zu verfahren und allen anderen Menschen den Zugriff auf sie zu versagen. Dieses Zuordnungsrecht an einer Sache bedeutet für den Eigentümer, dass ihm die Sache exklusiv und unmittelbar zugewiesen ist, er auf sie einwirken darf, ohne dass er irgendjemanden vorher um Erlaubnis fragen müsste67. Das in § 903 BGB beschriebene umfassende Recht hat eine positive und eine negative Seite 68 : Es schützt zunächst den Eigentümer in allen seinen Grundbefugnissen (Besitz, Gebrauch, Nutzung, Belastung, Veräußerung, Verbrauch oder Eigentumsaufgabe) 69, andererseits eröffnet es ihm das Recht, Dritte von Partizipation und Zugriff auf die Sache in jeder Hinsicht auszuschließen. Doch dieses Recht ist unabhängig vom tatsächlichen Können des Eigentümers, und es ist - von wenigen Sonderregelungen abgesehen70 - durch den Dieb oder Unterschlagungstäter nicht zerstörbar, denn gemäß § 935 Abs. 1 BGB können abhanden gekommene Sachen (also nicht nur verlorene, sondern auch deliktisch oder sonst unfreiwillig aus dem Besitz des unmittelbaren Besitzers verschwundene Sachen 71 ) nicht gutgläubig erworben werden. Das Eigentum ist dadurch in einem sehr weiten Bereich gegenüber deliktisch Handelnden immun - im Falle des Diebstahls oder der einfachen Unterschlagung ist es schlichtweg unverbrüchlich 72. Der 63 Rittstieg, JZ 1983, S. 166. 64

Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 89. Zur „Antinomie des Begriffs" vgl. auch Fulst, Tatbestandsmäßigkeit mehrfach vorgenommener Zueignungshandlungen, S. 2. 65

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§ 903 BGB: „Befugnisse des Eigentümers. Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Der Eigentümer eines Tieres hat bei der Ausübung seiner Befugnisse die besonderen Vorschriften zum Schutz der Tiere zu beachten." 67 Wolf, Sachenrecht, Rn. 2. 68 Palandt-Bassenge, § 903, Rn. 5 f.; Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rn. 306. 69 Vaubel, in: Walter-Raymond-Stiftung (Hrsg.), Eigentum und Eigentümer, S. 7; PalandtBassenge, vor § 903, Rn. 1 i.V.m. § 903, Rn. 5. 70 §§ 935 II, 950 BGB; im Falle der Unterschlagung einer anvertrauten Sache ist das Eigentum auch durch gutgläubigen Erwerb der Sache durch einen Dritten zerstörbar, § 932 BGB. Staudinger-Wiegand, § 935, Rn. 4. 72 Einzige Ausnahmen sind hier der mögliche Eigentumsverlust nach zehn Jahren durch Eigentumsersitzung eines gutgläubigen Erwerbers (§ 937 BGB), sowie die Fälle der §§ 946 ff.

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Eigentümer bleibt auch im Falle eines Diebstahls an der Sache im Vollbesitz seiner Rechte aus § 903 BGB; sein rechtliches Dürfen bleibt bestehen, wo sein tatsächliches Können restlos illusorisch gemacht wurde 73 . Sieht das BGB einen solchen noch als Eigentümer an, so zeigt dies, dass es das Eigentum zunächst ausschließlich als ein Dürfen, eine Befugnis ansieht. Die Existenz der Eigentumsdelikte im StGB bedeutet andererseits, dass der Wesensgehalt des Eigentums sich nicht im bloßen Dürfen erschöpfen kann: Diese Tatbestände schützen offenbar nicht eine rechtliche Legitimation zur Herrschaft über eine Sache (das Dürfen), sondern die tatsächlichen Verfügungsmöglichkeiten des Eigentümers (das Können). Die grundgesetzliche Eigentumsgarantie umfasst also mehr als die bloße Erlaubnis, Eigentum zu begründen, sie beinhaltet auch die Sorge des Staates um die Realisierung dieser besonderen Erlaubnis. Das Recht auf Eigentum zerfällt mithin zunächst in zwei große Bereiche: den formellen (das Dürfen) und den materiellen (das Können). Der erstere ist nicht ohne weiteres angreifbar, hier stellt § 935 BGB einen hartnäckigen Schutzschild. Der letztere ist zerbrechlicher: Ihm soll offenbar der strafrechtliche Schutz zugute kommen. Doch wie weit soll dieser Schutz reichen? Welcher Bereich aus den unzähligen vorstellbaren materiellen Eigentümerinteressen soll mit den Mitteln des Strafrechts verteidigt werden? Der Wortlaut des § 903 BGB legt nahe, bereits die kleinste Beeinträchtigung als Eigentumsverletzung anzusehen, denn der Eigentümer ist hiernach berechtigt, Dritte „von jeder Einwirkung auszuschließen". Eine so definierte Eigentumsverletzung könnte allerdings sicher nicht helfen, den Umfang des strafrechtlichen Schutzes zu bestimmen. Berührt ein Dritter eine Sache gegen den Willen des Eigentümers lediglich, ohne sie zu beschädigen oder den Eigentümer in anderer Weise maßgeblich zu beeinträchtigen, so sind zwar die Befugnisse des Eigentümers aus § 903 BGB streng genommen verletzt 74 - nur wird uns dies weder im Rahmen des Zivilrechts, noch - bzw. geschweige denn - im Rahmen des Strafrechts interessieren. Doch wie soll aus den gesetzlichen Vorgaben geschlossen werden, welcher Qualität der Zugriff auf eine Sache sein muss, um Eigentumsverletzung zu sein?

BGB. - Anders ist im Falle der Unterschlagung einer anvertrauten Sache (§ 246 Abs. 2) der gutgläubige Erwerb der Sache durch Dritte möglich, da sie nicht als „abhanden gekommen" i. S. d. § 935 BGB gilt. 73 Umgekehrt sind Fälle denkbar, in denen das Eigentum an einer Sache bereits zu einem Zeitpunkt an einen (möglicherweise sogar in deliktischer Absicht) Handelnden übergegangen ist, zu dem von objektivierter Zueignung jedenfalls noch keine Rede sein kann: Man denke an die Tankstellen-Fälle, in denen das aus der Zapfsäule entnommene Benzin bereits beim Einfließen in den Tank des Täters durch Vermischung i. S. d. § 948 BGB zu dessen zivilrechtlichen Eigentum wird; eine Zueignung wird indes zu diesem Zeitpunkt nicht einmal von den weiteren Manifestationslehren angenommen, da sich insoweit noch keine Anhaltspunkte für normgemäßes oder normwidriges Handeln ergeben. Auch hier klaffen also bürgerliches und Strafrecht auseinander - wenn auch in umgekehrter Hinsicht. 74 So auch Müller, Sachenrecht, Rn. 287.

2. Sachherrschaftsrecht oder normatives Ausschließungsrecht?

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Man sieht: Auch die Einbeziehung strafrechtlicher Fragestellungen in die Analyse der das Eigentum regelnden Normen lässt Fragen offen. Eine positivistische Betrachtung erklärt das Wesen des Eigentums nicht. Wir werden uns dem apriorischen Wesensgehalt des Eigentums nähern müssen, um die Beschaffenheit von Eigentumsverletzungen genauer konturieren zu können - und dies bedeutet, den gesetzlichen Rahmen zunächst zu verlassen 75.

2. Sachherrschaftsrecht oder normatives Ausschließungsrecht? Das Mein und Dein in seiner ganzen Abstraktheit hat Philosophen aller Zeitalter dazu veranlasst, über das Wesen des Eigentums mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen nachzudenken76 und nach einem für alle Zeiten gültigen, unwandelbaren Eigentumsbegriff zu forschen - doch einen nach Inhalt und Umfang denkgesetzlich feststehenden „reinen" Eigentumsbegriff gibt es nicht 77 . Auf eine klare Definition hat man sich in buchstäblich tausenden von Jahren nicht einigen können78. Die Frage, welcher ursprüngliche Wert dem Institut Eigentum zu Grunde liegt, ist aber gleichzeitig auch die Frage, ob es so etwas wie eine vorrechtliche Beziehung des Menschen zu einer Sache überhaupt gibt. Auf den ersten Blick scheint das einfach zu bejahen: Eigentum, so lehren uns kulturanthropologische Forschungen 79 , ist ein Urrecht und existiert in seinem Kern überall und seit jeher 80 . Ein Kind kann „mein" und „dein" sagen, bevor es „ich" sagen kann 81 - das Eigentum gehört zum Wesen des Menschen. Was zunächst also gewiss ein Urelement des menschlichen Zusammenlebens darstellt, muss sich dennoch daraufhin untersuchen lassen, inwieweit seine Existenz (ähnlich wie die anderer abstrakter Werte, etwa Glück, Ehre, Würde) unabhängig vom Recht denkbar ist. Möglicherweise ist vieles, was wir alltagssprachlich mit Worten wie „dein" und „mein" belegen, in Wahrheit nicht Bestandteil des 75

Die Diskussion darüber, ob der Inhalt des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffes (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) nur durch die Inhaltsbestimmungen des Gesetzgebers geformt wird, oder ob ein der einfachen Gesetzgebung vorgegebener apriorischer Wesensgehalt des Eigentums anzuerkennen ist, ist bis heute nicht abgeschlossen, vgl. hierzu Mayer-Maly, in: Ansprüche, Eigentum- und Verfügungsrechte (1984), S. 40. 76 Vgl. auch Brandt, Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, a. a. O.; Antweiler, Eigentum, S. 25 ff. 77 Rudolph, Bindungen des Eigentums, S. 1; Böhmer, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 62. 78 Heuchert, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 125; Antweiler, Eigentum, S. 6; Olzen, JuS 1984, S. 335. 79 Nachweise bei Lampe, in: Strafrechtsdogmatik und Kriminalpolitik (1971), S. 59 f., Fn.3.

so Lampe, in: Strafrechtsdogmatik und Kriminalpolitik (1971), S. 61, Fn. 10. 8i Antweiler, Eigentum, S. 25.

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Eigentums, sondern eher einer anderen rechtlichen Kategorie, wie der des Besitzes oder Gewahrsams, oder gar einer rechtlich nicht erfassten bzw. erfassbaren Kategorie der Zugehörigkeit (wie wir etwa „meine Familie", „meine Universität", „meine Schulzeit" sagen, ohne damit irgendeine Art von Herrschaftsanspruch ausdrücken zu wollen). Der Begriff „Eigentum" taucht erstmals 1230 in den Kölner Schreinskarten auf 82 ; er stellte eine neuartige Übersetzung des sonst bloß allgemein „Herrschaft" bezeichnenden römischen „dominum" dar 83 . In der Tat war „Herrschaft" nicht der treffendste, wenn auch bis dato übliche Begriff für das, was im germanischen Verständnis das Eigentum ausmachte: Sacheigentum an Gegenständen des persönlichen Gebrauchs (persönliches Eigentum) hatte es zwar immer und in allen Rechtsordnungen gegeben84; die Entwicklung eines ungeteilten Volleigentums an einer Sache85 war jedoch erst eine Errungenschaft der politischen und geistigen Freiheitsbestrebungen der deutschen Reformen des beginnenden 19. Jahrhunderts 86. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Befugnis, die Güter der Welt zu gebrauchen und wenn nötig auch zu verbrauchen, als von Gott gewährtes Recht verstanden worden, während das Eigentumsrecht im engeren Sinne als allein zwischenmenschliche Zuständigkeitsordnung begriffen wurde 87 . Vor diesem Hintergrund musste die Idee eines menschlichen Herrschaftsrechts über die Natur fremd anmuten: Nur der vernünftige und notwendige Gebrauch der Dinge konnte das Recht des Menschen sein; eine Zuordnung erfolgte nur in Hinblick auf die Abgrenzung der Sphären der einzelnen Personen untereinander. Um die Zeit der Wende des 18. zum 19. Jahrhunderts revolutionierte sich das Selbstverständnis der Menschen und mit ihm das Verständnis der Natur. Das religiös verankerte Bild des Menschen als Teil einer göttlich geschaffenen Naturordnung wich der Idee des Menschen als überlegenem Herrscher über die Natur 88 . Fichte proklamiert im Jahre 1800: „Ich will der Herr der Natur sein, und sie soll mein Diener sein; ich will einen meiner gemäßen Einfluss auf sie haben, sie soll aber keinen haben auf mich." 89 Die Natur als alles Äußerliche war nun ein „Un82 R.-P. Calliess, Eigentum als Institution, S. 58; hier auch zur Wurzel des Wortes „Eigentum" und seiner sprachgeschichtlichen Bedeutung. 83 Mayer-Maly, Eigentum als Verfügungsrecht, S. 35; Olzen, JuS 1984, S. 332. 84 AK(GG)-Rittstieg, Artt.14/15, Rn. 2; zur Geschichte des Eigentums äußerst ausführlich Hecker, Eigentum als Sachherrschaft, S. 27 ff. 85 Zu den Institutionen des Ober- und Untereigentums und ihrer Verdrängung durch Thibaut (1801) vgl. Baur, S. 8; AK(GG)-Rittstieg, Artt.14/15, Rn. 4; Hecker, Eigentum als Sachherrschaft, S. 204. 86 Hierzu Mayer-Maly, in: Ansprüche, Eigentum- und Verfügungsrechte (1984), S. 28 ff.; Walz, KritV 1990, insb. S. 381; Rudolph, Bindungen des Eigentums, S. 3. 87 Hecker, Böckenförde-FS, S. 385; ders., Eigentum als Sachherrschaft, S. 111 f. 88 Hecker, Böckenförde-FS, S. 386; Schwartländer, Das freie Eigentum, S. 89; Meier-Hayoz, Vom Wesen des Eigentums, Oftinger-FS, S. 178. 89 Fichte, Die Bestimmung des Menschen, S. 29.

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freies, Unpersönliches und Rechtloses"90, zu dessen Beherrschung der Mensch berufen war 91 . Das Recht auf Eigentum war damit Teil des Rechts auf Freiheit geworden, und beide werden seither in einem Atemzug genannt92. Dieses Verständnis drückt sich aus in dem positiven Element des § 903 BGB: Der Eigentümer einer Sache darf mit ihr nach Belieben verfahren. Hier hat die heute ganz allgemeine Auffassung gesetzliche Form gefunden, der Eigentümer dürfe die Sache auch verbrauchen oder zerstören, ohne an feste Grenzen der wirtschaftlichen Vernunft gebunden93 oder ethischen Verboten unterworfen zu sein 94 . Eigentum wird deshalb für mehr als nur einen funktionalen Annex zur Freiheit erachtet: „Eigentum ist Freiheit" 95 indem es ein eigenständiges, zielvolles Handeln 96 unabhängig von fremden Wertungen und Zwecksetzungen möglich macht 97 . Auch das Bundesverfassungsgericht sieht die Aufgabe des Eigentums darin, dem einzelnen eine eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens zu ermöglichen und damit die persönliche Freiheit zu sichern 98. Eigentum gilt nach ganz allgemeiner Ansicht als Vorbedingung und Mittel der freien Persönlichkeitsentfaltung 99 und wird damit zum „außerkörperlichen Ich" 1 0 0 : Der Körper „erweitert sich in der Rechtswelt in imaginärer Weise über die natürlichen Grenzen hinaus und belegt körperliche Dinge mit dem gleichen Tabu, das für seinen Leib gilt" 1 0 1 . Sichtbar wird diese 90 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 42; zur Hegeischen Eigentumsphilosophie vgl. u. a. Zeltner, Eigentum und Freiheit, S. 51 ff. 91 So bei F. C. v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Berlin 1840, Bd. 1, §56. 92 Wo Eigentum und Freiheit schon in vorangegangenen Jahrhunderten assoziiert wurden, lag dem ein grundlegend anderes Verständnis von Freiheit zu Grunde, vgl. Hecker, Eigentum als Sachherrschaft, S. 50 ff., 93: Freiheit besaß hier als abstrakter Begriff nur geringe Bedeutung und wurde als Eingefügt-Sein in eine gottgewollte, hierarchische Ordnung gesehen. Auch soweit schon in früheren Quellen ein „Herrschaftsrecht" beschrieben wurde, ist bei der Auslegung solcher Ansätze Vorsicht geboten. So erklärt zwar Christian Freiherr von Wolff bereits im Jahre 1754 das Eigentum als das „Recht, mit einer Sache vorzunehmen, was man will, oder nach seinem Gutdünken ( . . . ) " , jedoch nur wenige Sätze später: „Es soll der Eigentumsherr das Seinige nicht anders gebrauchen, als wie es seine Pflichten erfordern. Der Mißbrauch ist natürlich unerlaubt.", Grundsätze des Natur- und Völkerrechts, §§ 195 ff. 9

3 Schwab / Prütting, Sachenrecht, Rn. 307. Nachweise bei Hecker, Eigentum als Sachherrschaft, S. 216; vgl. auch Antweiler, Eigentum, S. 36: „Die Gewalt über eigenes ( . . . ) geht bis zum Recht der Vernichtung". 95 Kempen, Der Eingriff des Staates in das Eigentum, Rn. 12; ebenso: Wieling, Sachenrecht, § 8,1., a). 96 Schwartländer, Das freie Eigentum, S. 94. 97 Kempen, Der Eingriff des Staates in das Eigentum, Rn. 12. 98 BVerfGE 24, S. 367 (389); 50, S. 290 (339). 94

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Meier-Hayoz, Oftinger-FS, S. 171, m. w. N. Antweiler, Eigentum, S. 35. 101 Brandt, Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, S. 11. 100

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„Steigerung des eigenen Selbst" 102 besonders beim Eigentum an Land und Wohnraum: In einer größeren Eigensphäre scheint auch eine größere Individualität Platz zu haben, wie es zumindest alte Redensarten glauben machen wollen 103 . Um wirklich Person zu sein - dies ist die moderne philosophische Begründung des Eigentums seit Hegel - muss sich der Mensch eine äußere Sphäre seiner Freiheit schaffen: das Eigentum 104 . Nicht selten wird dieses Hand-in-Hand von Freiheit und Eigentum wortgewaltig beschworen: So ist der Mensch das „von Grund aus expansive Wesen" 105 , das sich „über den animalischen Raum erhebt", indem es sich „die Erde Untertan macht" 106 ; dessen „Geist über die Materie triumphiert", indem „er sie okkupiert und beherrscht" 107 und im „Hinauswachsen in die Welt sich selbst doch nicht verliert, sich vielmehr so erst in Wahrheit selbst ausgestaltet und verwirklicht" 108 . Bereits Kant, der die äußere Freiheit in das Zentrum seiner Rechtsphilosophie stellte, betrachtete die grundsätzliche apriorische Möglichkeit eines Eigentumsrechts als Postulat der praktischen Vernunft: Es könne in Ansehung eines Gegenstandes „kein absolutes Verbot seines Gebrauchs" existieren, weil „dieses ein Widerspruch der äußeren Freiheit mit sich selbst sein würde" 109 . Eine Regelung, die „brauchbare Gegenstände außer aller Möglichkeit des Gebrauchs setzte" wäre nach Kant „rechtswidrig" 110 . Auch der Ausgangspunkt Kants bei seinen Überlegungen zum Eigentum ist der natürliche Selbstbesitz des Menschen111: „Der Leib ist mein ( . . . ) " 1 1 2 - und diesem besitzanzeigenden „mein" verleiht Kant die volle rechtliche Bedeutung, indem er es in unmittelbare Verbindung zum Eigentum bringt 113 . Die Möglichkeit des Selbstbesitzes dient Kant als Fundament zur Begründung des Eigentumsrechts an den Gegenständen der Natur 114 , „insofern ich sie zwingen und sie nach meiner Willkür bewegen kann" 115 . Zwar begreift er das Eigentum nicht als Herrschaftsbeziehung des Eigentümers zum Eigentumsgegenstand selbst, son102

Zeltner, Eigentum und Freiheit, S. 17. „Ein Bauer, der viele Äcker besitzt, ist ein großer Bauer", vgl. Beispiele bei Zeltner, Eigentum und Freiheit, S. 17. 103

hw Vgl. statt vieler R.-P. Calliess, Eigentum als Institution, S. 145. Hartmann, Das Problem des geistigen Seins, S. 143. 106 Leisner, Jahrreiß-FS, S. 141 f. 105

i° 7 F. Bassenge, Zur Philosophie des Eigentums, S. 339. i° 8 Hartmann, Das Problem des geistigen Seins, S. 143. 109

Kant, Metaphysik der Sitten, Allgemeine Rechtslehre, 1. Teil, § 2. HO Ebenda. m

Brandt, Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, S. 168. Kant, Bemerkungen zu den Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen (Handschriftlicher Nachlass). 113 Kant, a. a. O. n 4 Brandt, Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, S. 169. 115 Kant, a. a. O. 112

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dem als interpersonales Rechtsverhältnis zwischen Menschen in Anbetracht der Sache 116 ; er setzt dem willkürlichen Gebrauch der Sache und somit der Herrschaft über sie jedoch keinerlei Schranken. Schon systematische Gründe hindern ihn daran, da er Eigentum als Recht gegenüber anderen denkt und es entsprechend seiner Philosophie auch nur als durch das Gesetz der Freiheit (anderer) eingeschränkt sehen kann, nicht aber durch „Rechte'4 der Sache. Ob freilich an dem Anspruch einer solchen totalen Herrschaft des Menschen über die Natur (denn die gesamte äußere, materielle Welt steht im Eigentum von Menschen oder kann doch zumindest durch sie in Eigentum genommen werden) festgehalten werden muss oder sollte, ist sicher nicht nur tatsächlichen117, sondern auch politischen und nicht zuletzt logischen Zweifeln unterworfen. Nach der neueren Auffassung von Hecker gehen „die Aussagen zum Inhalt und zur Begründung des Eigentums als Sachherrschaft über das hinaus, was Recht als Regelung der Beziehungen zwischen den Menschen begründen kann. Recht, verstanden als von den Menschen bestimmte Regelung ihrer Rechtsverhältnisse untereinander, kann nicht mehr begründen als ein Ausschließungsrecht" 118, nicht mehr also als das, was § 903 BGB als negative Komponente enthält. Ein Recht über die Natur kann nach Hecker „von der Rechtsordnung nicht gewährt werden" 119 , es gehe über den zwischenmenschlichen Rechtsbereich hinaus und setze eine außerrechtliche Begründung voraus 120 . Mit Blick auf die beschriebene Historie des Naturverständnisses, innerhalb derer die Herrschaft über Sachen eine Idee eher neueren Datums ist, verlangt Hecker „Vorsicht und Zurückhaltung" 121 bei der Entwicklung einer Eigentumsethik als Teil einer ökologischen Ethik 1 2 2 : „Das Eigentum ist auf das zu begrenzen, was rechtstheoretisch nur begründet werden kann: Ein Zuordnungsoder Ausschließungsrecht, das die Sphären und Zuständigkeiten des einzelnen gegenüber anderen in Bezug auf eine Sache abgrenzt und kein Recht zur beliebigen Herrschaft über die Dinge gewährt." 123 116

Metaphysik der Sitten, Allgemeine Rechtslehre, 1. Teil, § 11; vgl. Kühl, Eigentumsordnung als Freiheitsordnung, S. 188 f. 117 Zu Zweifeln an der Realitätsnähe des § 903 in Anbetracht wachsender öffentlich-rechtlicher Eigentumsbeschränkungen, vgl. Olzen, JuS 1984, S. 328 ff.; Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rn. 322. Iis Hecker, Böckenförde-FS, S. 388. 119

Hecker, Eigentum als Sachherrschaft, S. 248. 120 Hecker, Böckenförde-FS, S. 389. 121 Böckenförde-FS, S. 390. 122 Eigentum als Sachherrschaft, S. 258; Böckenförde-FS, S. 392; für eine „Überprüfung der modernen Vorstellungen von Natur" auch Schwartländer, Das freie Eigentum, S. 89. 123 Böckenförde-FS, S. 390; ebenso in: Eigentum als Sachherrschaft, S. 264 f.; Im Ergebnis ähnlich mit normlogischer Begründung Aicher, Eigentum als subjektives Recht, S. 67; Otto v. Gierke befand bereits 1889 in seiner Kritik zum 1. Entwurf des BGB: „Daß ein Stück unseres Planeten einem einzelnen Menschen in derselben Weise zu eigen sein soll, wie ein Regenschirm oder ein Guldenzettel, ist ein kulturfeindlicher Widersinn", Die soziale Aufgabe des Privatrechts, S. 16.

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der Eigentumsdelikte

Auch wenn dieser Ansatz de lege lata offenbar nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht (vgl. § 903 Alt. 1 BGB), ist in ihm eine Perspektive enthalten, die uns dem Wesen des Eigentums wesentlich näher bringen kann: Die Frage, ob eine unmittelbare Sachbeziehung des Eigentümers zu seinen Eigentumsgegenständen überhaupt denkbar und möglich ist. In der heutigen Zivilrechtsdogmatik wird beinahe allgemein von einem Recht des Eigentümers an seiner Sache 124 oder auf seine Sache 125 gesprochen. Dieses Recht wird teilweise sogar noch konkreter als „die Beziehung einer Person zu einer Sache im Sinne einer absoluten Beherrschung" 126 beschrieben, die Sache wird als „Bezugspunkt" der Freiheitsbetätigung wahrgenommen 127; das Eigentum soll gar „begrifflich unwandelbar und unveränderbar" die „unbeschränkte Herrschaft einer Person über eine Sache" sein 128 . Diese Sichtweisen basieren sämtlich auf der römischen Vorstellung der „actio in rem" 1 2 9 . Eine solche Beziehung des Eigentümers zur Sache, die sich „wie ein imaginäres Gewebe über den je eigenen Leib hinaus auf andere Gegenstände im Raum erstreckt und sie festhält" 130 wäre allerdings, wie Brandt zutreffend bemerkt, „völlig unbegreiflich" 131 . Bei genauer Betrachtung der Strukturen des Rechtsinstituts Eigentum sind diese Ansätze deshalb auch nicht haltbar. Diese Feststellung wird in der zivilrechtlich geprägten Eigentumsdogmatik auf Widerwillen stoßen. Um das Verständnis der These zu erleichtern und ihren strafrechtlichen Bezug im Blick zu behalten, soll deshalb zunächst das Ergebnis der in diesem Abschnitt zu treffenden Überlegungen vorweggenommen werden: Das Recht als zwischen und von Menschen vereinbarte Regelung ihrer Beziehungen untereinander gewährt keine über diesen Bereich hinausgehenden Rechte 132; es impliziert daher insbesondere keine empirisch darstellbare Beziehung des Eigentümers zu seiner Sache. Rechtliche Beziehungen - und bloß eine solche ist das Eigentum - können nur zwischen den Rechts Subjekten bestehen. Eigentum ist daher kein Recht zur Herrschaft über Dinge, sondern ein Rechtsverhältnis zwischen Menschen als Rechtssubjekten in Bezug auf Sachen. Eigentumsverletzendes Verhalten richtet sich in seiner rechtlichen Relevanz nicht gegen eine Beziehung des Eigentümers zu seiner Sache, sondern allein gegen die gesetzlich nor124 Schreiber, Sachenrecht, Rn. 120; Dilcher, Sachenrecht, S. 76; Wolf, Sachenrecht, Rn. 43; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 51 II 1; vgl. auch Creifeld, Rechtswörterbuch, Art. „Eigentum". 125 Müller, Sachenrecht, Rn. 10. 126 Baur/Stürner, Sachenrecht, § 241; ähnlich Mitsch, BT 2, TB 1, § 1, Rn. 101. 127 Sontis, Larenz-FS, S. 995. 128 Georgiades, Sontis-FS, S. 150. 129 Kühl, Eigentumsordnung als Freiheitsordnung, S. 189. 13° Brandt, Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, S. 10. 131 Brandt, a. a. O. 132 Hecker, Böckenförde-FS, S. 379.

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mierte Respektsbeziehung zwischen dem handelnden Subjekt und dem Eigentümer und gegen die zwischen ihnen verlaufenden Grenzen ihrer Habenssphären. Es verletzt den vom rein normativen Eigentum ausgehenden Achtungsanspruch. Wir versehen mit einer Bezeichnung nur das, was wir unterscheiden wollen: Das Eigentum erfährt durch die Menschen nur deshalb eine Benennung, weil wir Dinge in ihrer Zugehörigkeit zur eigenen Sphäre von den Sphären anderer abgrenzen wollen. Eigentum als Institut ist also nur dort notwendig, wo mehrere Menschen miteinander leben und ihre Lebensverhältnisse regeln wollen. Ein Robinson auf einer einsamen Insel wird die Gegenstände, die er benutzt, nicht sein „eigen" nennen, weil dazu kein Anlass besteht, er sich nicht abgrenzen muss 133 . Er wird die Dinge solange nicht sein eigen nennen, wie kein anderer die Insel betritt und dieselben Dinge ebenfalls nutzen will. Kant befand die Vorstellung, Eigentum als „ein unmittelbares Verhältnis zu einem körperlichen Dinge" zu sehen, für „nur auf dunkele Art" möglich 134 . Es korrespondiere schließlich immer mit dem Recht auf der einen Seite eine Pflicht auf der anderen, wodurch anzunehmen wäre, dass die Sache ihrem Eigentümer verpflichtet sei, und zwar auch dann noch, wenn sie abhanden gekommen ist, so dass die Sache sich jedem unrechtmäßigen Besitzer verweigern müsste. In der Tat ist nicht vorstellbar, wie Sachen Subjekte oder Adressaten von Rechtsnormen sein 135 oder an einem Rechtsverhältnis beteiligt sein sollten 136 . Das Recht regelt das Miteinander und die Beziehungen von Menschen. Auch das Eigentum besteht in der Regelung einer solchen interpersonalen Beziehung, nämlich der Pflicht eines jeden einzelnen gegenüber allen anderen, diese in ihren Verfügungen über die ihnen zugeordneten Sachen nicht zu beeinträchtigen. Das Reflexrecht auf der anderen Seite besteht in dem Ausschließungsrecht des Eigentümers gegenüber allen Dritten: Solange der Eigentümer keinen Zugriff auf die Sache gewährt, ist sie für jeden anderen nichts weiter als ein „imaginär gefülltes Raumstück mit der einzigen Qualität, eine Grenze seiner äußeren Bewegungsfreiheit" 137 zu sein. Der Unterschied des Sachenrechts gegenüber anderen interpersonalen Normen besteht darin, dass es sich auf die Verfügungsgewalt über körperliche Sachen bezieht 138 , dass es sich also um ein Recht in Anschauung einer Sache handelt und in den Köpfen der an diesem Rechtsverhältnis beteiligten Personen als Dreiecksstruktur 1 3 9 besteht, die sie mit dem Eigentumsgegenstand wie durch ein „unsichtbares 13

3 Zur Robinson-Metapher vgl. auch Bassenge, Zur Philosophie des Eigentums, S. 324 f.; ähnlich bereits Kant, Metaphysik der Sitten, Allgemeine Rechtslehre, 1. Teil, §11. 134 Hier und im Folgenden: Metaphysik der Sitten, Allgemeine Rechtslehre, 1. Teil, § 11. 135 136 137 138

Ebenso Aicher, Eigentum als subjektives Recht, S. 67. Ebenso Kühl, Eigentumsordnung als Freiheitsordnung, S. 190. Brandt, Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, S. 11.

Kühl, Eigentumsordnung als Freiheitsordnung, S. 190. Meyer-Hayoz, Vom Wesen des Eigentums, Oftinger-FS, S. 172; Hecker, Eigentum als Sachherrschaft, S. 255. 139

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Band" 1 4 0 verknüpft: Den Eigentümer, indem er seine ihm persönlich zustehende Sphäre auf die Sache erstreckt; den Dritten, indem er dieselbe Sache als physische Grenze seiner Zugriffsmöglichkeiten auf die Welt akzeptiert. Dieser Sachbezug, das tatsächliche Verfügen-Können, ist notwendiges Moment des Eigentumsverständnisses141. Das soll nicht geleugnet werden, denn es ist dies - das liegt auf der Hand - das Grundmoment und das ursprünglichste Motiv für die Schaffung des Rechtsinstituts Eigentum. Eigentum an einer Sache strebt der Mensch deshalb an, weil er die Sache verwerten, nutzen, auf sie unmittelbar Bezug nehmen will. Doch all das, was dieses ganz handfeste, wahrnehmbare Verhältnis des Eigentümers zur Sache ausmacht, ist jedenfalls nicht Gegenstand des Eigentumsrechts 142, sondern es stellt eine durch das Recht nicht berührte, sich auf einer davon verschiedenen Ebene befindliche persönliche Wertungsbeziehung dar, die dem Rechtsinstitut Besitz ähnlicher ist als dem Eigentum. Denn der Besitz ist Tatsache, kein Recht 143 . Eigentum dagegen ist reines Recht: Es setzt kein tatsächliches Macht-Haben des Eigentümers über die Sache voraus 144 ; auch ohne faktische Herrschaft und ohne physischen Besitz ist Eigentum an einer Sache möglich (vgl. §§ 930, 931, 935 BGB). Selbst ein Gegenstand, den der Eigentümer vor vielen Jahren verloren und längst vergessen hat, bleibt - so illusorisch dies im rein Tatsächlichen sein mag - rechtlich sein Eigentum. Das Eigentum gewährt damit eine schier unverbrüchliche Kontinuität, die es über die Diskontinuität des tatsächlichen, alltäglichen Sachbezugs hinaushebt; es steht dazu nicht im Widerspruch, ist aber doch etwas Wesensverschiedenes. Maiwald stellt fest ohne allerdings daraus weitergehende Schlüsse für die Struktur von Eigentumsverletzungen zu ziehen - : „Ein Eigentumsverhältnis ohne rechtliche Sanktion lässt sich nicht auf ein faktisches Herrschaftsverhältnis reduzieren, sondern es ist per definitionem nicht existent." 145 Es lässt sich daraus ohne weiteres der Umkehrschluss ziehen (der auch gezogen werden muss, um das Wesen des Eigentums zu begreifen): Eigentum ist als „reines Sollenssatzverhältnis" 146 von ausschließlich normativer Struktur. Empirische Elemente, die insbesondere im persönlichen Eigentum gewöhnlich enthalten sind, stellen kein notwendiges Element des Eigentums dar. Das Eigentum gewährt eine „reine Rechtsmacht"147, die einer 140

Brandt, Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, S. 10. Hecker, Eigentum als Sachherrschaft, S. 255. 142 An diesem „naturalistischen Fehlschluss" (Brocker, Arbeit und Eigentum, S. 386) setzt auch die heutige Kritik an den Arbeits- und Okkupationstheorien des Eigentums an: „ ( . . . ) aus bloß physischen Akten des Ergreifens, Formens und Veränderns von Gegenständen ( . . . ) können keine Normen, keine Rechte und Pflichten abgeleitet werden", Brocker, Arbeit und Eigentum, a. a. O.; ebenso Schild, Begründungen des Eigentums, S. 37. 141

143

Schapp/Schur, Sachenrecht, Rn. 44. 1 44 Zeltner, Eigentum und Freiheit, S. 10. 14 5 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 68. 146

Maiwald, a. a. O. w Maiwald, a. a. O., S. 69.

2. Sachherrschaftsrecht oder normatives Ausschließungsrecht?

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„anderen Seinssphäre" 148 zugehört und „keine Entsprechung im Tatsächlichen hat" 1 4 9 . Auch die „Herrschaft" über Sachen entpuppt sich unter diesem Blickwinkel in weiten Bereichen als Herrschaft nur insoweit, als sie Rechte gegenüber Menschen verleiht 150 . Aufgegriffen wird dieser Gedanke in der zivilrechtlichen Diskussion um die USamerikanische Theorie der „property rights"151, die ebenfalls Eigentum nicht als Rechtsherrschaft von Menschen über Sachen begreift, sondern als sanktionierte Verhaltensbeziehungen zwischen Menschen152. Von dieser Lehre abgesehen ist in der Zivilrechtsdogmatik jedoch die Ansicht herrschend, es handele sich beim Eigentum um eine unmittelbare Sachbeziehung (die - wie dargestellt - zumeist als Sachherrschaft verstanden wird) 1 5 3 . Das Strafrecht hat - soweit ersichtlich - dieser Frage kaum je Beachtung geschenkt und schließt sich diesen Begrifflichkeiten des Zivilrechts pauschal an 1 5 4 . Dabei wird zumeist bei der Bestimmung des Rechtsgutes der Eigentumsdelikte die Einschränkung vorgenommen, dass bereits die „Ausübung" des aus § 903 BGB resultierenden Rechts durch das Strafrecht geschützt sein soll 1 5 5 : Gemeint ist hier mithin die Ausübung des Herrschaftsrechts über eine Sache als Element einer so verstandenen unmittelbaren Sachbeziehung156. Schmid-Hopmeier dagegen streift immerhin den Impuls, das Ausschließungsrecht des Eigentümers in das Zentrum der Rechtsgutsdiskussion im Rahmen der Zueignungstatbestände zu stellen 157 ; sie lässt dieses jedoch aufgehen in einer als Rechtsgut ausgemachten „Zuteilungsrelation", die dann doch wiederum in einer „Subjekt-Objekt-Beziehung" zwischen Eigentümer und Sache bestehen soll 1 5 8 . 148 Androulakis, JuS 1968, S. 410. 149

Androulakis, a. a. O. 150 Rittstieg, JZ 1983, S. 164; ders. AK(GG), Artt. 14/15, Rn. 58. 151 Zur Lehre von den „property rights" vgl. verschiedene Beiträge in: Neumann (Hrsg.), Ansprüche, Eigentums- und Verfügungsrechte. 152 Vgl. Mayer-Maly, in: Ansprüche, Eigentum- und Verfügungsrechte (1984), S. 26. 153 Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 51 I I 1; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 24 I; Müller, Sachenrecht, Rn. 10. 154 Vgl. LK-Ruß, vor § 242, Rn. 3; Schmidhäuser, BT, S. 83; Krey, BT 2, § 1, Rn. 3; Maurach/Schroeder/Mai wald, BT 1, § 32, Rn. 2 ff.; Noak, Drittzueignung und 6. Strafrechtsreformgesetz, S. 25 f.; Sinn, NStZ 2002, S. 66 f. unter der (Unter-)Überschrift „Ausrichtung des Zueignungsbegriffs an der Herrschaftsmacht des Eigentümers"; vgl. auch Mitsch, BT 2, TB 1, § 1, Rn. 101: „Das Wort (Zueignung, d. Verf.) deutet an, daß es dabei um eine Beziehung zwischen Person und Sache geht, die etwas mit »Eigentum4 zu tun hat". Etwas gründlicher Rheineck, Zueignungsdelikte und Eigentümerinteresse, S. 129 ff. Anders, wenn auch im Ergebnis inkonsequent, einzig Schmid-Hopmeier, Das Problem der Drittzueignung bei Diebstahl und Unterschlagung, vgl. insb. S. 137 ff. 155 Vgl. statt vieler Sch. / Schr.-Eser, § 242, Rn. 1 m. w. N. 156 So explizit Otto, Struktur des strafrechtlichen Vermögensschutzes, S. 150. 157 Schmid-Hopmeier, Das Problem der Drittzueignung bei Diebstahl und Unterschlagung, S. 137.

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Einzig Sax erhebt (in einer Fußnote) „unter allem Vorbehalt" Zweifel, ob „die Auffassung des Eigentums als eines absoluten Rechts an einer Sache - was doch deren Stellung als Rechtssubjekt impliziert - nicht überhaupt nur gedanklich vollziehbar ist, wenn sie verkürzend für die Aussage steht, dass das Sacheigentum eine von der Rechtsordnung allen Menschen gegenüber gegebenes, daher ,absolutes' Recht in Bezug aufeine Sache ist." 1 5 9 Allein diese Sichtweise kann einer logischen Analyse standhalten, da Rechte und Pflichten nur zwischen Menschen möglich sind, wie Rittstieg zutreffend feststellt 160 : „Rechtlich ist das Eigentum entgegen der im Zivilrecht vorherrschenden Ansicht nicht durch die Sachherrschaft, sondern durch Rechte gegenüber Dritten charakterisiert. Die rechtliche Analyse muß auf das Verhältnis des Eigentümers zu anderen potentiellen Sachnutzern abstellen, weil Rechtsnormen als Sollensvorschriften nicht an die Sache selbst, sondern an andere Rechtssubjekte gerichtet sind." 161

3. Folgerungen für die Struktur deliktischer Eigentumsverletzungen Die Strukturanalyse des Eigentums hat ergeben, dass sich unser Augenmerk bei der Definition von Eigentum weniger auf eine empirische (tatsächlich wahrnehmbare) Verknüpfung zwischen Mensch und Sache richten darf, als vielmehr auf das normative Respektsverhältnis zwischen Menschen, die ein „rechtliches Mein und Dein anerkennen können" 162 und in deren Wahrnehmung diese Verknüpfung zwischen Mensch und Sache existiert. Das Gesetz, das das Eigentum lediglich in Umrissen definiert, gewährt zwar die Befugnis zur Sachherrschaft (§ 903 Alt. 1 BGB), kennt aber andererseits Eigentum ohne Sachherrschaft (vgl. §§ 930, 931, 935 BGB). Auch dieses Eigentum als reine Rechtsmacht wird durch das StGB geschützt. Die Herrschaft über eine Sache ist eben nur eine Befugnis, nicht ein notwendiges Element des Eigentums. Das Problem, nur schwerlich ausmachen zu können, worin eigentlich die Eigentumsverletzung bei so manchem Zueignungsdelikt besteht, zeigt sich zugespitzt in einer Fallkonstellation, die uns im Verlauf dieser Untersuchung noch häufig begegnen wird: eine gefundene, dem Eigentümer zuvor abhanden gekommene Sache, 158 Schmid-Hopmeier, Das Problem der Drittzueignung bei Diebstahl und Unterschlagung, S. 141 unter Bezugnahme auf Rosemarie Frank, Das Verbot der Zueignung fremder Sachen, S. 107, die die Zueignung als faktischen Austausch der Relationssubjekte innerhalb einer Zuteilungsrelation hinsichtlich eines Relationsobjektes beschreibt. 159 Sax, Eigentum als strafrechtliches Schutzgut, Laufke-FS, S. 333, Fn. 17. 160 Rittstieg, JZ 1983, S. 164; ähnlich Sax, Laufke-FS, S. 332.

161 AK(GG)-Rittstieg, Artt, 14/15, Rn. 65. 162 Brandt, Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, S. 10.

3. Folgerungen für die Struktur deliktischer Eigentumsverletzungen

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etwa eine verlorene Uhr, wird durch den Finder veräußert - nach allen Meinungen eine strafbare Zueignung 163 . Bei genauerem Hinsehen ist diese strafrechtliche Würdigung aber durchaus heikel: Seine Möglichkeit, auf die Uhr nach Belieben einzuwirken - und damit seine „tatsächliche Sachherrschaft" - hatte der Eigentümer hier bereits vorher verloren. Seine zivilrechtliche Eigentümerposition andererseits bleibt ihm dank § 935 BGB auch nach der „Zueignungshandlung" (dem Verkauf durch den Finder) erhalten, sie wird durch die Tat nicht tangiert. Welche Position also wird hier durch den - vermeintlichen - Unterschlagungstäter eigentlich verletzt? Inwiefern wird das Eigentum beeinträchtigt, was wird dem Eigentümer genommen? Im Falle der Unterschlagung ist die Sachherrschaft des Eigentümers in den meisten vorstellbaren Konstellationen schon vor der potentiellen Tathandlung weit gehend aufgelöst: Die Sache ist zumeist - freiwillig oder unfreiwillig (wie im obigen Beispielsfall) - nicht mehr im Gewahrsam des Eigentümers. Bis zum 6. StrRG von 1998 war dieser vorauseilende Gewahrsamsverlust sogar gesetzlich vorgeschrieben: Der Täter musste sich bereits in Besitz oder Gewahrsam der Sache befinden, bevor er sich die Sache zueignete. Wenn sich die Zueignungsdelikte aber gegen etwas richten sollen, was jedenfalls und immer im Zeitpunkt der Tat Gegenstand des fraglichen Eigentumsrechts ist - und das müssen sie, da es sich bei dem Tatbestandsmerkmal „Zueignung" um die abstrahierte deliktstypische Unrechtsbeschreibung handelt 164 - dann können sie sich nicht gegen etwas richten, was zwar mögliches, aber doch nicht notwendiges Merkmal des Eigentums ist. Es ist infolgedessen bereits aus systematischen Gründen ausgeschlossen, dass sie sich gegen die bloße Sachherrschaft richten. Entscheidend ist daher die Erkenntnis: Durch das Strafrecht geschützt werden kann nur die zweite Komponente des § 903 BGB (das Recht des Eigentümers, jeden Dritten von der Einwirkung auf die Sache auszuschließen), da durch sie die Abgrenzung der Habenssphären der verschiedenen Rechtssubjekte reguliert wird. Die erste Komponente (das Recht des Eigentümers, mit der Sache nach Belieben zu verfahren) betrifft dagegen ausschließlich die innere Gestaltung seiner Habenssphäre durch das einzelne Rechtssubjekt. Gegenstand der Eigentumsverletzung ist somit die negative Komponente des Eigentums, das Ausschließungsrecht. Zwar kann auch die Möglichkeit zur Ausschließung Dritter von der Einwirkung auf die Sache im Zeitpunkt der Tat erheblich beeinträchtigt sein. Das Opfer einer Unterschlagung ist, etwa bei dem obigen Beispiel des Falles der abhanden gekommenen Uhr, auch in der Ausübung seines Ausschließungsrechts zumeist deutlich eingeschränkt: Durch den Verlust des Gewahrsams hat es die tatsächliche Macht, darüber zu bestimmen, wer auf die Sache einwirken darf, de facto verloren. 163 Vgl. nur Tröndle/Fischer, § 246, Rn. 7; Sch./Schr.-Eser, § 246, Rn. 16; LK-Ruß § 246, Rn. 14, jeweils m. w. N. 164 Vgl. Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 107. 4 Kauffmann

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Dennoch verbleibt ein Element als notwendiger Bestandteil des Eigentums bei jeder gegen das Eigentum gerichteten Tat: das Ausschließungsrecht des Eigentümers gegenüber dem Täter. Der Täter überschreitet die Grenze der Habenssphäre des Eigentümers, indem er es diesem unmöglich macht, ihn, den Täter, vom Zugriff auf die Sache auszuschließen. Diese Komponente ist die einzige des Eigentums, die im Zeitpunkt der Tat notwendig unbeeinträchtigt existiert und für die der Täter im Rahmen der gesetzlich vorausgesetzten Respektsbeziehung zwischen Eigentümer und jedem Dritten notwendig die Verantwortung trägt. In unserem obigen Beispiel etwa gerät der Täter, der eine verlorene Uhr findet und aufnimmt, automatisch in eine Rechtsbeziehung zu dem Eigentümer der Uhr, der im Augenblick des Fundes einen Herausgabeanspruch gegen den Finder erwirbt. Diesen durchsetzbar zu machen liegt im Verantwortungsbereich des Finders, vgl. § 965 BGB: er ist zur Anzeige des Fundes verpflichtet. Tut er dies nicht, so macht er dem Eigentümer die Ausübung seines fortbestehenden Ausschließungsrechtes unmöglich, auch wenn jenem vorher jegliche sonstige Herrschaftsmacht über seinen Eigentumsgegenstand bereits verloren gegangen war 1 6 5 . Hierin liegt das Wesen der Verletzung des Schutzgutes „Eigentum". Der spezifische Unrechtsgehalt von Eigentumsverletzungen kann also nicht, wie im Strafrecht herkömmlich angenommen, in der Verletzung einer empirisch aufweisbaren Sachherrschaftsbeziehung zwischen Eigentümer und Sache liegen: Eigentümer Dritter

Sache sondern nur in der Vereitelung des Ausschließungsrechts des Eigentümers gegenüber Dritten und damit gegenüber dem Täter: Eigentümer Dritt

Sache 165 Ob diese Eigentumsverletzung zugleich eine „Enteignung" i. S. d. Zueignungsdogmatik darstellt, ist noch herauszufinden, vgl. dazu 4. Kap., 1., a), bb); Weiteres zu der beschriebenen Fallkonstellation wird unter Kap. 5,1. (Zueignung durch Unterlassen) darzustellen sein.

3. Folgerungen für die Struktur deliktischer Eigentumsverletzungen

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Aus dieser Erkenntnis 166 ergeben sich bereits weitreichende Konsequenzen für andere die Eigentumsdelikte betreffende Fragen. Zunächst wird nun ganz deutlich, was bereits Schmidhäuser - den Kern dieser Erkenntnis gleichwohl nur streifend - herausstellte: „Sind Diebstahl und Unterschlagung Eigentumsdelikte, so ist deren Unrechtstatbestand demnach dahin zu verstehen, er schildere ein Verhalten, das den vom Eigentum ausgehenden Achtungsanspruch verletzt" 167 . Andererseits kann Maiwalds Leitmotiv „Eigentumsverletzung ist Willenswidrigkeit" 168 nur einen eingeschränkten definitorischen Wert innehaben. Maiwald selbst will seine Aussage nicht auf einen etwaigen wirklich existierenden Einzel willen bezogen wissen 169 : Selbstverständlich ist das Eigentum auch dort geschützt, wo sich der Wille des Eigentümers in dem konkreten Augenblick nicht auf die Sache bezieht (sich vielleicht auch schon seit Jahren nicht darauf bezogen hatte und womöglich sogar nie mehr darauf bezogen hätte: die vergessene alte Kommode auf dem Dachboden)170. Es ist darüber hinaus m. E. sogar fraglich, ob die der modernen Eigentumsphilosophie zu Grunde liegende Annahme einer unbedingten Verknüpfung von Willen und Eigentum uneingeschränkt haltbar ist - besteht doch zumindest in der westlichen Wohlstandsgesellschaft auch eine moralische, teilweise gar rechtliche Verpflichtung zum Eigentum 111, die der Einzelne auch als seinen Willen einschränkend erleben mag. Es kann jedoch davon abgesehen der Wille des Eigentümers auch als abstrakte Größe nur insoweit Gegenstand der Verletzung sein, als er sich auf eine mögliche Ausschließung des Täters vom Zugriff auf die Sache bezieht. Alle weiteren Zwecksetzungen des Eigentümers sind Teil seiner positiven Befugnis, mit der Sache nach Belieben zu verfahren. Und diese kann, wie bereits gezeigt wurde, nicht Gegenstand der Eigentumsverletzung sein 172 . Ob der Eigentümer also an der Sache ein besonderes Affektions- oder Erinnerungsinteresse hatte, ob die Sache ihm nur für eine speziel-

!66 Das Abstellen auf das Ausschließungsrecht des Eigentümers ließe sich auch historisch begründen: Die Unterschlagung als altes Delikt existierte bereits vor der Idee des Menschen, er sei zur Herrschaft über die Natur und die Dinge befugt (vgl. o. 2., a)), weshalb bereits ursprüngliche Unterschlagungsformen unweigerlich auf die Beziehung zwischen den Rechtssubjekten fokussiert waren; nur so konnte auch die beschriebene Vermengung mit der Untreue im 18. Jahrhundert entstehen (vgl. 1. Kap.). 167 Schmidhäuser, Bruns-FS, S. 348. 168 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 91. 169 Maiwald, a. a. O., S. 93. 170

Vgl. auch Rheineck, Zueignungsdelikte und Eigentümerinteresse, S. 126: „Die Eigenschaft als Interessenträger kommt der Sache ( . . . ) nur typischer-, nicht aber notwendigerweise zu. Im Einzelfall kann die Sache nämlich für ihren Eigentümer völlig wertlos und unbrauchbar sein, so daß ihre Entziehung keine Schmälerung tatsächlicher Positionen nach sich zieht ( . . . ) . " 171 Wer sich etwa ohne Kleidung im Straßenverkehr bewegt, riskiert die strafrechtliche Verfolgung wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses (§ 183 a StGB); wer das 16. Lebensjahr vollendet hat, ist verpflichtet, einen Personalausweis zu besitzen (§ 1 Abs. 1 PAuswG). 1 72 A. A.: Otto, Die Struktur des strafrechtlichen Vermögensschutzes, S. 180.

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le, durch die Tat vereitelte Gelegenheit besonders wertvoll war oder ob die Sache gar in ihrem „objektiven" Marktwert ständig stieg oder sank - all diese durch Wertung verliehenen Funktionen sind Teil der durch § 903 BGB gewährten Befugnis, die Sache für das zu nehmen, was immer dem Eigentümer beliebt. Dem Strafrecht dagegen, das nur die Verletzung der interpersonalen Komponente des Eigentums ahnden kann, obliegt der reine Sachbestandsschutz, frei von Wertungen oder Fixierungen auf bestimmte Funktionen der jeweiligen Sache. Was allein dieses Ergebnis anbelangt, so wäre im Übrigen durchaus Konformität mit der herrschenden Auffassung zu erzielen, deren Verständnis des Eigentums immerhin auf der Totalität der Befugnisse beruht, die § 903 BGB gewährt - hieraus lässt sich eine formale Betrachtung des Rechtsgutes ableiten, die das Eigentum als einen „Teilbereich der körperlichen Außenwelt" begreift, die „unter gewissen Voraussetzungen ausschließlich der Sphäre eines einzelnen derart zugeordnet wird, daß die betreffenden Dinge jederzeit und allein ihm ( . . . ) zur Verfügung stehen ( . . . ) , gleichzeitig allerdings begrenzt durch die entsprechenden Freiheitssphären anderer". Auch aus dieser (hier von Rheineck vertretenen) Ansicht ließe sich schließen, dass „grundsätzlich ( . . . ) jeder Handlungsspielraum des Eigentümers garantiert und jedes Interesse an der Sache respektiert werden (muss)" 173 . Diese Auffassung wird auch von den Befürwortern eines streng verstandenen Formalschutzes des Eigentums vertreten 174. Das abstrakte Bekenntnis zum formalen Eigentumsbegriff wird zumeist jedoch modifiziert, sobald die Eigentümerinteressen nicht schutzwürdig erscheinen (so bei wertlosen oder solchen Dingen, an denen der Eigentümer nur Quantitätsinteressen hat) 175 . Unsere Rechtsgutsanalyse aber hat ergeben, dass der gesamte Streit um formale oder materielle Aspekte vor dem Hintergrund eines missverstandenen Schutzhorizontes der Eigentumsdelikte geführt wird: Es ist nicht die Totalität der Befugnisse des Eigentümers aus § 903 Alt. 1 BGB, an die die Zueignungstatbestände anknüpfen, es ist das Recht des Eigentümers, den Täter von jeglichem Zugriff auf die Sache auszuschließen, das der Täter der Eigentumsdelikte missachtet. Und diese Schutzrichtung der Eigentumsdelikte ist der Grund, aus dem heraus besondere Funktionen der Sache - ihr Wert, ihre Bedeutung für den Eigentümer - für die Feststellung einer Rechtsgutsverletzung nicht taugen. Sie können Einfluss auf die Strafzumessung haben, doch konstitutiv für die Feststellung einer Eigentumsverletzung können sie nicht sein, denn Gegenstand dessen, was der Täter verletzt, ist nur das interpersonale Rechtsverhältnis zwischen ihm selbst und dem Eigentümer.

173

Rheineck, Zueignungsdelikte und Eigentümerinteresse, S. 131. Rheineck, Zueignungsdelikte und Eigentümerinteresse, S. 132: („Garantie eines Sachbestandes"); der trotz seines restriktiven Rechtsgutverständnisses für eine „Materialisierung der Zueignungsdelikte" stimmt, vgl. insb. S. 161; etwas großzügiger SK-Samson (4. Aufl.), § 242, Rn. 104; Sax, Laufke-FS, S. 332 f. 17 5 Etwa Cramer, Vermögensbegriff und Vermögensschaden, S. 73, insb. Fn. 38; vgl. Kap. 5., 4. 174

3. Folgerungen für die Struktur deliktischer Eigentumsverletzungen

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Es sind drei grundsätzliche Schlussfolgerungen, die sich daraus für die Handhabung von Eigentumsdelikten ergeben: 1. Eine Eigentumsverletzung bedarf keines Sachkontaktes. 2. Es kommt für die eigentumsverletzende Qualität einer Handlung auch nicht darauf an, ob sie in dem Verhältnis zwischen Eigentümer und Sache eine Veränderung herbeiführt. 3. Eine Handlung, die den Eigentümer in die Lage versetzt, sein Ausschließungsrecht in Bezug auf seine Sache auszuüben, kann keine Eigentumsverletzung sein. Erstere These ergibt sich aus der Erkenntnis, dass das Ausschließungsrecht des Eigentümers aus § 903 BGB zwar in Anschauung einer Sache und auf sie Bezug nehmend besteht, seinem Wesen nach jedoch nur die Rechtsbeziehung zwischen Eigentümer und Dritten beschreibt. Eine Verletzung dieser Rechtsbeziehung muss daher in Anschauung einer Sache, braucht jedoch nicht notwendig als Sachbehandlung vorgenommen zu werden. Vorstellbar ist daher auch eine Eigentumsverletzung etwa durch den Verkauf einer fremden Sache, in deren Besitz der Täter nicht ist. Aus der Perspektive dieser Auffassung ist insofern an der Entfernung des Besitz» bzw. Gewahrsamserfordernisses aus § 246 StGB nichts auszusetzen - zumindest, was die Möglichkeit der Rechtsgutsverletzung ohne Sachkontakt anbelangt. Die zweite These folgt ebenfalls unmittelbar aus dem Verständnis des Rechtsguts der Eigentumsdelikte als einer Relation zwischen Eigentümer und Täter, die sich zwar auf eine Sache bezieht, nicht jedoch das empirische Verhältnis des Eigentümers zur Sache tangiert. Die Gestaltung seiner Habenssphäre durch den Eigentümer geschieht innerhalb jener und erlangt unmittelbare Außenwirkung nur an ihren äußeren Grenzen: dort, wo sie sich von Habens- und FreiheitsSphären anderer abgrenzen muss. Der Eigentümer ist jedoch grundsätzlich frei, die Sache für das zu nehmen, was ihm beliebt (§ 903 Alt. 1 BGB). So besteht das Eigentum etwa auch dann fort, wenn der Eigentümer jeden unmittelbaren Bezug zu der Sache verloren oder aufgegeben hat 1 7 6 ; unabhängig davon kann die Handlung eines Dritten das Eigentumsrecht verletzen, wenn durch sie dem Eigentümer das Recht abgesprochen wird, eben jenen Dritten vom Haben der Sache auszuschließen. So stellt beispielsweise der Verkauf einer fremden Sache, die vom Eigentümer verloren und durch den Dritten gefunden wurde, eine Eigentumsverletzung dar, obwohl sie in dem empirischen Verhältnis des Eigentümers zu seiner Sache keinerlei Veränderung bewirkt: seine Sache war und bleibt für ihn verloren. Die dritte These ist bedeutsam vor allem für die Fälle des „Rückveräußerns" einer dem Erwerber bereits gehörenden Sache 177 : Eine Eigentumsverletzung kann hierin nicht liegen (und mithin auch keine Zueignung). Dem Eigentümer wird die 176 Bis hin zur Grenze des § 959 BGB, der Dereliktion der Sache. 177 Berühmt in diesem Zusammenhang ist der sog. „Getreide-Fall", RGSt 40, S. 12 ff.: Der Täter entwendet einen Sack Getreide aus einer Mühle, um ihn dem nichtsahnenden Müller zu verkaufen; vgl. auch RGSt 40, S. 10 ff. („Biermarkenfall"); BGHSt 24, S. 115 (119).

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der Eigentumsdelikte

Ausübung seines Ausschließungsrechts nicht unmöglich gemacht, er wird vielmehr durch den als Tathandlung in Frage kommenden Akt gerade in die Lage (zurückversetzt, sein Ausschließungsrecht auszuüben. Das Strafrecht kann ihm, um mit Maiwald zu sprechen, nur darin schützen „überhaupt zu haben, nicht aber darin, dass die Sache in einer bestimmten Weise - als die mit der besessenen identische - in seinem Bewusstsein lebt. Wird er darin auch in seiner personalen Beziehung im geschilderten Sinne verletzt, so doch nicht in dem, was die Rechtsordnung ihm garantiert." 178 Letztere Aussage ist zwar auf Basis des herrschenden Eigentums Verständnisses nicht vollends nachvollziehbar, garantiert § 903 BGB dem Eigentümer doch durchaus, mit der Sache nach Belieben zu verfahren und damit namentlich auch, ihr eine eigene spezielle Zweckbestimmung zu verleihen. Auf Basis der hier entwickelten Auffassung jedoch trifft die zitierte Aussage den Kern der Problematik: Was die Sache dem Eigentümer ist, wozu sie ihm nützt und welche tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeiten der Eigentümer zur Zeit der Tat hatte, ist für die Frage der Eigentumsverletzung irrelevant - denn all dies ist lediglich Teil eines Dürfens, das vom Eigentümer zur Tatzeit nicht notwendig ausgeübt zu werden braucht und das vom Täter jedenfalls nicht zerstört werden kann. Wichtig allein ist die Störung des der rechtlichen Zuordnung zu Grunde liegenden Achtungsanspruches des Eigentümers, dem es der Täter unmöglich macht, von seinem Recht Gebrauch zu machen, ihn, den Täter, von jeglichem Zugriff auf die Sache auszuschließen. Und genau dies tut der Täter durch das Rückveräußern einer dem Eigentümer bereits gehörenden Sache nicht: Er versetzt ihn vielmehr überhaupt erst in die Lage, dieses Recht auszuüben179. Unter welchem Blickwinkel entsprechende Geschehen also auch immer strafbar sein mögen (und dies wird später genauer zu erörtern sein 180 ): die hier üblicherweise als Zueignung gesehene Handlung kann nicht erst deshalb keine Zueignung sein, weil in ihr einzelne Elemente des Zueignungsbegriffs nur schwerlich lokalisierbar sind, sondern bereits deshalb, weil in ihr keine Eigentumsverletzung erblickt werden kann. Ebenso verhält es sich, wenn eine Handlung zwar für jeden offensichtlich von der rechtsfeindlichen Gesinnung getragen wird, das Eigentum eines anderen angreifen zu wollen, das Ausschließungsrecht des Eigentümers durch die Handlung aber (noch) nicht vereitelt wird: so, wenn jemand eine fremde Sache zum Verkauf anbietet. Darin liegt eine Gefährdung der Ausübbarkeit des Ausschließungsrechts, aber noch nicht seine Vereitelung. Wenn gleichwohl die herrschende Meinung in dem Verkaufsangebot eine Zueignungshandlung erblickt 181 , so geschieht dies ohne 178

Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 114. Ausführlich zur Problematik der dabei untergehenden personalen Aspekte des Eigentums mit gleicher Lösung: Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 112 ff. 180 Kap. 3, 3., c), dd). 181 BGHSt 24, S. 115 (119); Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 158 f.; Lackner/Kühl, § 242, Rn. 26; Ranft, JA 1984, S. 277, 282; Wessels, NJW 1965, S. 1157; Rudolphi, GA 1965, S. 43. 179

3. Folgerungen für die Struktur deliktischer Eigentumsverletzungen

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Fixierung der Rechtsgutsverletzung. Noch weiter gehend ist zu fragen, ob nicht selbst der Abschluss eines Kaufvertrages noch im Vorfeld einer Eigentumsverletzung angesiedelt ist, hat er doch - zumal bei Diebesgut unwirksam - keinerlei faktische Verschlechterung der Eigentümerposition zur Folge; die Zugriffs-, Ausschließungs- und Einwirkungsmöglichkeiten des Eigentümers werden durch den Abschluss eines unwirksamen Vertrages über seine Sache nicht tangiert, die Habenssphären nicht verschoben. Die Klärung einzelner derartiger Fallkonstellationen soll jedoch in das Kapitel über die Zueignungshandlung verschoben werden 182 . Weiterhin ergibt sich bereits aus diesem Rechtsguts-Ansatz ein veränderter Blickwinkel auf die umstrittene Behandlung von Zueignungstaten nach bereits vorangegangenen Eigentumsverletzungen (etwa eines neuerlichen Diebstahls oder einer Unterschlagung einer bereits zuvor gestohlenen Sache). In der - einfacheren Konstellation des Eigentumsangriffes durch einen anderen als den Vortäter 183 ist man sich hier weit gehend einig, dass eine Strafbarkeit wegen dieser Folgetat nicht grundsätzlich ausgeschlossen sein kann, da es sich um eine „Verschärfung" 184, „Intensivierung" 185 und „Steigerung" 186 der Verlustwirkung und der durch die Tat herbeigeführten Eigentumsverletzung handele. Grundlage dieser Perspektive ist wiederum das Abstellen auf die unmittelbare Sachbeziehung des Eigentümers. Bei materieller Betrachtung ist diese Sichtweise auf Basis eines solchen Eigentumsverständnisses jedoch „alles andere als selbstverständlich", wie Roth richtig bemerkt 187 : „Ob das gestohlene Marzipanbrot vom Vörtäter aufgegessen oder von einem anderen im Wissen um die deliktische Herkunft verzehrt wird, mag Bedeutsamkeit für die Frage gewinnen, wessen Hunger nach der Nahrungsaufnahme gestillt wird, für die Frage der Eigentumsverletzung weist eine Personenverschiedenheit keinerlei Relevanz auf." 1 8 8 Begreift man die Eigentumsverletzung dagegen als Angriff auf das ungehindert gegen jedermann fortbestehende Ausschließungsrecht des Eigentümers, so kann dieser durch jeden neuen Täter erneut erfolgen; es ist dann auch nicht die Intensivierung der rechtswidrigen Besitzlage, die das Unrecht der Tat ausmacht, sondern das von dem vorangegangenen Eigentumsangriff vollständig verschiedene, erstmalige Zerstören des Achtungsanspruches des Eigentümers gegenüber dem Täter durch den Täter. 182 Vgl. Kap. 4, l.,a),bb). 183

Zum Streit vgl. Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, insb. S. 75 ff. 184 Oellers, GA 1967, S. 17. 185 Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 78. 186 Gallas, Eberhard-Schmidt-FS, S. 427, Fn. 73; ähnlich auch Maurach/Schroeder/Maiwald, BT, TB 1, § 34, Rn. 21. 187 Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 76. 188 Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, a. a. O.

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der Eigentumsdelikte

Für die Frage erneuter Eigentumsverletzungen durch denselben Täter ergibt sich freilich aus der Rechtsgutsbetrachtung nichts wesentlich Neues. Dieses Problemfeld wird im späteren Verlauf der Untersuchung geklärt werden müssen189. Anhand des Beispielsfalles von der verlorenen Uhr wird ein Weiteres sichtbar: Die als Zueignung bestimmbare Handlung könnte dabei wie in etlichen vergleichbaren Fallkonstellationen in einem Unterlassen liegen, hier in der Nicht-Anzeige des Fundes durch den Aufnehmenden. Im späteren Verlauf der Arbeit wird deshalb auch zu klären sein, ob Zueignungsdelikte überhaupt durch Unterlassen begehbar sind und wenn ja, welche Garantenstellungen hierfür einschlägig sein könnten 190 . Es ist bereits jetzt leicht zu erkennen, dass uns die Ergebnisse der Rechtsgutsanalyse während der Erörterung jedes Details des Zueignungsbegriffes begleiten werden müssen. Jede als Zueignung in Frage stehende Handlung wird an dem Maßstab der Struktur aller Eigentumsverletzungen zu messen sein. Es wird sich herausstellen, dass in weiten Bereichen die von verbreiteten Meinungen als Zueignungen verstandene Verhaltensweisen schon deshalb keine Zueignungen sein können, weil sie das strafrechtliche Schutzgut „Eigentum" nicht einmal berühren. Andere scheinbare Problemfälle werden sich unter Zuhilfenahme des entwickelten Eigentumsverständnisses zwanglos lösen lassen.

189 Vgl. Kap. 5, 3.

190 Vgl. u. Kap. 5, 1.

3. Kapitel

Das Handlungsobjekt der Eigentumsdelikte die Sache „Soweit Eigentum auf Eigen, also auf die persönliche Verbundenheit eines Menschen mit seiner Welt (...) begründet sein kann, lässt sich nur ein Eigentum an der Substanz der Sache, nicht an ihrem Wert verständlich machen. (...) Eigentum am Wert - das ist ja nur eine Umschreibung für die Möglichkeit, etwas als puren Vermögenswert zu behandeln. Eigen und Vermögen stehen aber in einem schlechthin unüberbrückbaren Gegensatz . Etwas als Vermögen behandeln heißt, es als ersetzlich behandeln. Etwas als Eigen behandeln heißt, es als unersetzlich behandeln. " Friedrich

Bassenge, 19381

Was Tatobjekt des Diebstahls und der Unterschlagung sein kann, scheint zunächst ganz offenkundig dem Wortlaut der Tatbestände entnommen werden zu können: die fremde bewegliche Sache. Und dieses ohnehin annähernd deskriptive Tatbestandsmerkmal wird zudem durch § 90 BGB legaldefiniert: „Sachen im Sinne des Gesetzes sind nur körperliche Gegenstände"2. Sie sind es, darüber ist man sich einig, unabhängig von ihrem jeweiligen Aggregatzustand. Selbst Tiere gelten als Sachen i. S. d. §§ 242, 246 StGB, denn gem. § 90a S. 3 BGB ist der Sachbegriff auf sie entsprechend anzuwenden, soweit eine spezielle Regelung fehlt. Auch im Übrigen ist man sich einig: „Fremd" ist eine Sache, wenn sie weder im Alleineigentum des Täters steht, noch herrenlos ist 3 ; „beweglich" sind alle Sachen, die tatsächlich fortgeschafft werden können - sei es, dass sie allein zum Zweck der Wegnahme abgetrennt wurden. Doch trotz dieser scheinbar transparenten gesetzlichen Aussage begegnen wir bei der Frage nach dem Handlungsobjekt der Eigentumsdelikte einem weit 1

Bassenge, Zur Philosophie des Eigentums, S. 345. 2 Nach Mitsch, BT 2, TB 1, § 1, Rn. 11, ist der strafrechtliche Sachbegriff als unabhängig von der Existenz dieser zivilrechtlichen Legaldefinition zu betrachten: Er „empfängt seine Konturen vor allem aus dem Zusammenhang mit dem Merkmal »Wegnahme': Wegnahme setzt Materie voraus, was weggenommen werden soll, muss »fassbar', »greifbar' sein, also einen ,Körper' haben." - Im Ergebnis deckt sich dieser „strafrechtliche" Sachbegriff jedoch mit der Legaldefinition des BGB. 3 Gössel, BT 2, § 7, Rn. 10; Gropp, JuS 1999, S. 1042.

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3. Kap.: Das Handlungsobjekt der Eigentumsdelikte - die Sache

verzweigten Streit. Denn was die Sache schließlich ausmacht, ob es ihr Wert, ihre Funktionen oder ihre körperliche Substanz ist, darum wird unverdrossen gerungen. Die Diskussion um den Gegenstand der Zueignung ist in Rechtsprechung und Literatur mit so unermüdlichem Eifer geführt worden, dass ein „Mikrokosmos mit einer Fülle von einzelnen Untermerkmalen und Definitionen" 4 entstanden ist, dessen Facettenreichtum innerhalb des anstehenden Kapitels nicht zu bewältigen ist. Tatsächlich ist der Streit um die Substanz- und die Sachwertlehre und die aus ihnen hervorgegangene Vereinigungslehre sowie daran anknüpfende neuere dogmatische Ansätze der mächtigste die Zueignungsdogmatik betreffende Konflikt. Bezeichnenderweise wird er zumeist unter der Überschrift „Inhalt der Zueignung"5 oder gar „Wesen der Zueignung"6 ausgetragen, obwohl diese Bezeichnungen doch bereits bei ganz oberflächlicher Betrachtung zumindest erheblich mehr erfassen als nur das Handlungsobjekt der Zueignungsdelikte. Doch dieser Streit darüber, was schließlich die Sache im Sinne der fraglichen Tatbestände ausmacht - ihre Substanz, ihr Sachwert oder noch eine andere Eigenschaft - erfährt eine solche Beachtung in Studium und Lehre und ist auch von solch praktischer Relevanz, dass bisweilen der Eindruck entsteht, es handele sich dabei um das Extrakt der Eigentumsdelikte. Wenigstens terminologisch sind allerdings von vornherein Zweifel anzumelden, ob der Standort „Inhalt der Zueignung" für Überlegungen zu Substanz und Wert der Sache geeignet ist 7 . Geht es doch dabei nicht um die Zueignung als Handlung, sondern ausschließlich um das Objekt dieser Handlung, um die Sache8. Entgegen mancher Formulierung in der einschlägigen Literatur 9 ist deshalb nicht die Frage, wie man sich die Sache zueignet (indem man - je nach Ansicht - ihre Substanz, 4 SK-Samson (4. Aufl.), § 242, Rn. 54. 5 Vgl. nur Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 40 ff.; Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 39 ff.; LK-Ruß, § 242, Rn. 46 ff.; anders dagegen Haft, BT, S. 148 f. unter der Überschrift „Gegenstand der Zueignung". 6 BGH, NJW 1967, S. 1921; BGH, Strafverteidiger 1983, S. 330 unter Bezug auf BGH, NJW 1977, S. 1460. 7 Vgl. auch Gössel, Pötz-FS, S. 43 und Strafrecht BT 2, § 6 Rn. 43, zu dem „Fehler, das Objekt der Zueignung mit deren Elementen zu vermengen"; ähnlich Baumann, Die Absicht der Zueignung, S. 25: „Die Unbrauchbarkeit fast aller bisherigen Begriffsdefinitionen hat ihre Ursache in der Unklarheit der begrifflichen Trennung von Gegenstand und Inhalt der Zueignung".

8 So auch Krey, BT 2, Rn. 51; Androulakis, JuS 1968, S. 411. 9 Z. B. Sch. / Schr.-Eser, § 242, Rn. 49; vgl. auch Otto, JZ 1993, S. 563: die Diskussion um das Objekt der Zueignung wird unter der Überschrift „Absicht, sich die Sache »zuzueignen geführt, statt diese Ausführungen mit „Absicht, sich die ,Sache4 zuzueignen" zu überschreiben. Bei Kudlich, JuS 2001, S. 771 werden Überlegungen zur Berechtigung der Substanztheorie unter der Überschrift „Die Anforderungen an die Manifestation des Zueignungswillens als Mittel der gebotenen Tatbestandsrestriktion" gebracht.

1. Die Entwicklung der Lehren zum Gegenstand der Zueignung

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ihren Wert oder ihre Funktionen entzieht), sondern die Frage, was man sich zueignet, ist hier der maßgebliche Ausgangspunkt. Ähnlich formuliert Baumann: „Sachwert oder Substanz sagen zwar etwas über das Objekt, jedoch nichts über das ,Prinzip4 der Zueignung aus." 10

1. Die Entwicklung der Lehren zum Gegenstand der Zueignung Schon früh nach Inkrafttreten des RStGB 1871 entstand Unsicherheit über den Begriff des Zueignungsobjektes. Anfänglich folgte auch das Reichsgericht noch ausschließlich der Substanzlehre11. Nach dieser konnte Objekt der Zueignung nur die Sache selbst in ihrer Körperlichkeit sein 12 . Insbesondere wurde auf den engen Zusammenhang der Begriffe „Sache" und „Besitz" abgestellt („Was nicht besessen werden kann, ist kriminell nie Sache"13), und auf die Unverträglichkeit der Absichten zu enteignen und wiederzugeben 14. Berühmt ist die Formel Bindings: „Nicht sein Eigentumsrecht soll dem Täter entzogen werden, sondern nur die Sache, diese aber mit dem gleichen tatsächlichen Erfolge, als sei ihm das Recht verloren. Das Eigentumsrecht soll illusorisch gemacht werden." 15 Eine eng verstandene Substanzlehre hätte etwa einen Täter, der eine fremde Zigarre raucht, deren Asche jedoch dem Eigentümer zurücksendet, freisprechen müssen16. Einer solchen Auffassung wurde deshalb schon früh entgegengehalten, sie führe zu unerträglichen Strafbarkeitslücken und dies insbesondere auch in jenen Fällen, in denen der Täter seinem Opfer eine Sache in bloßer Gebrauchsabsicht mit Rückgabewillen wegnimmt, diese aber, während sie in seinem Besitz ist, nahezu vollständig entwertet vorstellbar etwa bei Theaterkarten oder Batterien. Konsequent im Abstellen auf 10 Baumann, GA 1971, S. 307. 11 RGSt 4, S. 414 (415); 5, S. 218 (220); 11, S. 17 (18); 35, S. 355 (356 f.). Schon frühe Entscheidungen bergen indes Abweichungen von der Substanztheorie zugunsten eines formalistischen Standpunktes, der es ermöglichte, auch solche Fälle als Zueignungen einzustufen, in denen der Täter die Sache in ihrer Substanz an den Eigentümer zurückgeben wollte, vgl. RGSt 10, S. 369 (371): „Aber es setzt der Begriff der Zueignung keineswegs mit Notwendigkeit diese auf definitive Entziehung der Substanz der weggenommenen Sache gerichtete Absicht voraus, und es liegt vielmehr eine Zueignung der weggenommenen Sache schon dann vor, wenn der Wegnehmende beabsichtigt hatte, über die Sache auch nur eine einzelne Verfügung zu treffen, welche aber als zur ausschließlichen Zuständigkeit des Eigentümers gehörig betrachtet werden muß"; ähnlich RGSt 29, S. 415 (417). 12 Neben Binding (vgl. die folgenden Fußnoten) seien als Vertreter der reinen Substanztheorie beispielhaft genannt: Merkel, Holtzendorffs Handbuch III, S. 698 ff.; Rotering, GS 36, S. 521 ff.; Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht II, 1, S. 291 ff. 13 Binding, Lehrbuch BT, S. 257. 14 Binding, Lehrbuch BT, S. 264 .

15 Binding, Lehrbuch BT, S. 264. 16

Beispiel bei Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 41 und JA 1971, S. 580.

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3. Kap.: Das Handlungsobjekt der Eigentumsdelikte - die Sache

die Substanz der Sache war im Übrigen schon damals nicht einmal Binding, wenn er z. B. die Benutzung eines fremden Eisenbahnbillets in der Absicht, dieses anschließend durchlocht zurückzusenden, als Zueignung ansah17. Ohne Scheu stellte insbesondere das Reichsgericht häufig nicht streng auf die Körperlichkeit der Sache selbst, sondern auf das formale Element der Herrschaft des Eigentümers über die Sache ab, so dass bereits eine einzelne Verfügung über die Sache, die rechtlich nur dem Eigentümer zusteht, das Erfordernis des „se ut dominum gerere" erfüllen konnte und damit Zueignung war 18 . Auch zu Zeiten ihrer unangefochtenen Geltung wurde die Substanzlehre also derart wörtlich nicht genommen, sie diente lediglich als Basis einer streng formalen Betrachtung, die sich gegenüber wirtschaftlichen Standpunkten abgrenzte. So konnte das Reichsgericht zwar in einer frühen Sparkassenbuchentscheidung19 auf Zueignung erkennen, weil sich der Täter formal die Eigentümerposition angemaßt hatte, brauchte dazu aber nicht auf Wert-Gesichtspunkte abzustellen. Bemühungen dieser Art, ohne Einbeziehung wirtschaftlicher Aspekte den Unwertgehalt vor allem der Entwendung von Legitimationspapieren zu erfassen, erschienen zunehmend unbefriedigend und waren immer häufigerer Kritik ausgesetzt20: Nicht das formale, sondern das materielle Element des Eigentums nämlich sei es, das dessen Realität ausmache und dieses liege in der Möglichkeit des Eigentümers, in vollem Genuss der Sache zu bleiben 21 . Es sei deshalb auch in der bloßen Wertminderung der Sache für den Eigentümer eine Zueignung zu erblicken, wenn sie Folge einer Nutzung der Sache durch den Täter sei 22 . Vermehrt finden sich daraufhin auch in Reichsgerichts-Entscheidungen Formulierungen, die auf materielle und wirtschaftliche Aspekte des Eigentums abstellen 23 . Als „Durchbruch" des Sachwertansatzes in der Rechtsprechung gilt heute 24 der sog. zweite Biermarkenfall 25, bei dem das Reichsgericht die kuriose Wendung „Sachsubstanzwert" entwickelt, welchen der Täter seinem Vermögen unrechtmäßig 17 Binding, Lehrbuch BT, S. 264 f. 18 Vgl. etwa RGSt 10, S. 369 (371); vgl. hierzu auch Schmid-Hopmeier, Das Problem der Drittzueignung bei Diebstahl und Unterschlagung, insb. S. 52 ff. 19 RGSt 10, 369. 20 So bei Doerr, Über das Objekt bei den strafbaren Angriffen auf vermögensrechtliche Interessen (1897), insb. S. 152; Gleispach, Die Veruntreuung an vertretbaren Sachen I, S. 10; Sauer, GA 63(1917), S. 285. 21 Gleispach, Die Veruntreuung an vertretbaren Sachen I, S. 16 f. 22 Sauer, GA 63 (1917), S. 285. 23 Laut RGSt 22, S. 2 (3), richtet sich die Absicht des Täters bei Wegnahme eines Sparbuchs auf dessen „vermögensrechtliche Substanz"; RGSt 26, S. 151 (152 ff.) befindet nicht den Substanzwert des Papiers, sondern die Befugnis, über den verzeichneten Geldwert verfügen zu können, für den eigentlichen Verkehrswert des Sparbuchs; vgl. auch RGSt 39, S. 239 ff. Zunächst sollten die wirtschaftlichen Aspekte allerdings offenbar eine Einschränkung der Substanztheorie bringen, vgl. Seelmann, JuS 1985, S. 291. 24 Vgl. Miehe, Heidelberg-FS, S. 482. 2 5 RGSt 40, S. 10 ff. (anders noch RGSt 24, S. 22 ff., „erster Biermarkenfall").

1. Die Entwicklung der Lehren zum Gegenstand der Zueignung

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einverleibt haben müsse, um eine Zueignung annehmen zu können. Gemeint war freilich nicht der Wert der stofflichen Substanz der Biermarken, sondern ihr tatsächlicher wirtschaftlicher Wert. Allein auf Basis der Sachwertlehre ließen sich nun allerdings andere Fälle nicht lösen - eine Zueignung wertloser Gegenstände oder aber eine den wirtschaftlichen Wert unberührt lassende Sachbehandlung konnte nur mit Hilfe eines Substanzansatzes geahndet werden, so dass man sich schnell half, indem man die Sachwertlehre lediglich als Ergänzung des Substanzansatzes betrachtete: Seit RGSt 61, S. 228 ff. vereinigt die Rechtsprechung Substanz- und Sachwerttheorie in der dort entwickelten „Vereinigungsformer', wonach das Wesen der Zueignung darin zu erblicken sei, dass der Täter „entweder die Sache selbst oder den in ihr verkörperten Sachwert dem eigenen Vermögen einverleibt" 26 . Der BGH hat den Vereinigungsansatz des Reichsgerichtes im Wesentlichen unverändert in seine Rechtsprechung übernommen 27. Dabei bejaht diese Rechtsprechung eine Zueignung teilweise schon dann, wenn der rückgabewillige Täter irgendeinen wirtschaftlichen Vorteil aus der Verwendung der Sache zieht, selbst wenn diese den in ihr steckenden wirtschaftlichen Wert behält 28 . Es genüge, wenn der Täter von der Sache einen wirtschaftlichen Vorteil „im weitesten Sinne, wenn auch nur mittelbar" erlangte 29 oder durch Weitergabe der Sache einer Anstandspflicht entsprechen wollte 30 . Selbst in der Falschbuchung von ordnungsgemäß vereinnahmten Geldern zum Ausgleich von Kassenfehlbeträgen soll eine Zueignung zu erblicken sein 31 . Andere, neuere Entscheidungen lassen allerdings die Tendenz erkennen, einen solchen extrem weiten Sachwertbegriff einzuschränken, indem in Anlehnung an Bockelmanns 32 Differenzierung nur im Falle der Schmälerung des der Sache selbst innewohnenden Wertes (des „lucrum ex re" im Gegensatz zum „lucrum ex negotio cum re") Zueignung angenommen wird 3 3 . Zueignung des Sachwertes soll danach nur dann bejaht werden können, wenn die Sache nach dem als Zueignung in Rede stehenden Verhalten weniger wert oder wertlos geworden ist 34 .

26 RGSt 61, S. 228 (233); ebenso RGSt 64, S. 415; 67, S. 334. 27 BGHSt 4, S. 236 (238); 16, S. 190 (192); 24, 115 (119); 35, 152 (157 f.). 28 BGH GA 1959, S. 373 (Zuführung der Sache an eine Organisation, der der Täter angehört); GA 1969, S. 306 f. (Verwendung eines fremden Personalausweises zur Führung falscher Personalien); OLG Celle, NJW 1967, S. 1921 (1922)(Lesen eines zum Verkauf stehenden Buches aus einem Warenhaus unter Hinterlassung von Gebrauchsspuren). 29 BGHSt 4, S. 236 (238)(„Benzinmarken-Fall"); 17, S. 87 (92); 40, S. 8 (18); 41, S. 187 (194). 30 BGHSt 17, S. 87 (88). 31 BGHSt 24, S. 115(120). 32 Bockelmann, ZStW Bd. 65 (1953), S. 575. 33 BGHSt 19, S. 387 (388); 35, S. 152 (156 ff.); NJW 1985, S. 812; StV 1990, S. 407; der Funktionenlehre folgend: BGH (5. Senat) NStZ 1995, S. 133, 144. 34 Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 43.

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3. Kap.: Das Handlungsobjekt der Eigentumsdelikte - die Sache

Die Literatur ist der Vereinigungstheorie mit extensivem Sachwertbegriff von vornherein nicht gefolgt 35 , sondern vertritt bis heute überwiegend eine restriktivere, auf das „lucrum ex re" beschränkte Vereinigungslehre 36. Die neuere Lehre 37 folgt indessen verstärkt der von Rudolphi 3 8 entwickelten Funktionenlehre: Danach ist nicht die Substanz einer Sache und erst gar nicht ihr Wert Anknüpfungspunkt für die Feststellung von Zueignungsunrecht, sondern die in der Sache liegenden „typischen Gebrauchsmöglichkeiten" 39 bzw. „realen Verwendungsmöglichkeiten"40. Innerhalb dieses Ansatzes verbirgt sich allerdings eine erhebliche Bandbreite von Positionen. Sie reicht von der Meinung, das Ausüben einer Herrschaftsmöglichkeit über die Sache für die Zwecke des Täters reiche für die Zueignung aus 41 bis hin zu der Forderung, dem Eigentümer müssten „praktisch alle Sachfunktionen" genommen sein 42 . Von einer „modernen Fassung der Substanztheorie" 43 als Einschränkung der extensiven Sachwertansätze kann mithin so verkürzt nicht die Rede sein; innerhalb der Funktionenlehre existieren strenge wie auch extrem großzügige Anschauungen zum Handlungsobjekt „Sache" und sie unterscheidet sich in ihrem Ausgangspunkt von der Sachwertlehre lediglich darin, dass sie eine andere Eigenschaft der Sache als maßgeblich erachtet. Die jüngste Entwicklung, insbesondere seit Erlass des 6. StrRG, zeitigt allerdings eine gewisse Rückbesinnung in der Literatur auf die Positionen der Substanzlehre 44 - an den herrschenden Standpunkten hat diese Tendenz gleichwohl nichts geändert.

35 Ausnahme ist Kohlhaas, NJW 1962, S. 1880. 36 Sch./Schr.-Eser, § 242, Rn. 49; LK-Ruß, § 242, Rn. 49; Lackner/Kühl, § 242, Rn. 21; Blei, BT, S. 185; Schröder, JR 1965, S. 27; Noak, Drittzueignung und 6. Strafrechtsreformgesetz, S. 50 f.; Schmidhäuser, Bruns-FS, S. 353; Tenckhoff, JuS 1980, S. 725; Häuf, BT 1, S. 26; Küper, BT, S. 412; kritisch hierzu Otto, Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, § 40, II.,2.,a),cc). 37 Androulakis, JuS 1968, S. 412; Baumann, GA 1971, S. 309; Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 142; Seelmann, JuS 1985, S. 291; Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 45 ff.; i. S. dieser Ansätze auch der 5. Senat des BGH, NStZ 1995, S. 133 (144). 38 Rudolphi, GA 1965, S. 33 ff., der sich zunächst durchaus auf eine klassische formelle Argumentation stützt („Herrschaftsmacht des Eigentümers", S. 38), fast unmerklich jedoch dazu übergeht, auf die „Funktionsmöglichkeiten" abzustellen, insb. S. 47. 39 SK-Samson (4. Aufl.), § 242, Rn. 72. 40 Rudolphi, GA 1965, S. 38 und JR 1985, S. 254. 41 Rudolphi, GA 1965, S. 41; Seelmann, JuS 1985, S. 289. 42

Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 143, Fn. 101. 43 So aber SK-Samson (4. Aufl.), § 242, Rn. 72. 44 Kargl, ZStW 103 (1991), S. 148 ff.; Duttge/Fahnenschmidt, ZStW 110 (1998), S. 917 unter Rückgriff auf Ansätze bei Schlüchter, NStZ 1984, S. 300 f.; Gössel, BT 2, § 6, Rn. 47; NK-Kindhäuser, § 242, Rn. 94 ff.; SK-Hoyer, § 242, Rn. 81 ff.; vorsichtig: Mitsch, BT 2, TB 1, § 1, Rn. 141 f.; Kudlich, JuS 2001, S. 771.

2. Kritik der Theorien zum Objekt der Zueignung

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Die Wogen des Streits um das Zueignungsobjekt haben sich in den letzten Jahrzehnten indes soweit geglättet, dass letztlich nur noch wenige spezielle Grenzkonstellationen strittig sind und die früheren Abgründe zwischen den mittlerweile vielfach modifizierten Auffassungen in weiten Bereichen geschlossen werden konnten45. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine solche Schlichtung ihre Begründung nicht aus einer dogmatischen Annäherung der Auffassungen erfährt, die in ihren Grundmomenten zu verschieden sind, um unter dem Dach einer Theorie vereint werden zu können - eine Annäherung erfolgte bislang nur, soweit man die Ergebnisse betrachtete und von diesen aus argumentierte. Die Notwendigkeit eines tragfähigen dogmatischen Unterbaus hat deshalb nicht an Dringlichkeit verloren 46, und das nicht zuletzt deshalb, weil sich das Verständnis von Eigentum und eigentumsähnlichen Rechten in der heutigen Zeit unablässig wandelt.

2. Kritik der Theorien zum Objekt der Zueignung Als Erscheinung des Wirtschaftslebens ist das Eigentum heutzutage schwer zu umreißen. Es hat im Laufe des letzten Jahrhunderts seine Konturen nahezu verloren und entfernt sich in immer höherem Tempo von Hab und Gut im überlieferten Sinne. Aktien, Kreditkarten, Copyrights, Telefonbanking - Eigentum als Sachenrecht ist in vielen Lebensbereichen kaum noch auszumachen. Die „sich beschleunigende Abstraktheit fast aller Daseinsverhältnisse"47 führt zwangsläufig auch zu einer anderen Wahrnehmung und Bewertung von Eigentum als Recht. Bereits 1971 vertrat Lampe die Auffassung, der strafrechtliche Eigentumsbegriff in seiner Sachgebundenheit, dessen Aufgabe es früher einmal gewesen sei, „statische Vermögensmassen eindeutig voneinander abzugrenzen", gehöre der Vergangenheit an 48 . In einer Zeit industrieller Massenproduktion und schnellen Güterumschlags müsse es die Aufgabe der rechtlichen Eigentumsordnung mehr und mehr sein, sich der Dynamik des Wirtschaftslebens anzupassen. Wieviel eher noch muss eine solche Kritik uns dann heute treffen, am Anfang eines neuen Jahrtausends, einer Ära zunehmender Vergeistigung und Technologisierung der gesamten fassbaren Wirklichkeit. Doch ist andererseits der einfache Diebstahl an Sachen nach wie vor einsamer Spitzenreiter der alljährlich durch die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) erfassten Straftaten, und dies ist seit Jahrzehnten nahezu unverändert geblieben49. Mit 45 SK-Samson (4. Aufl.), § 242, Rn. 58. 46 Vgl. auch Lackner/Kühl, § 242, Rn. 22: Die Vereinigungstheorie „ist jedoch keineswegs ausdiskutiert". 47 Kaltenbrunner, Was gehört mir?, S. 17. 48 Hier und im Folgenden: Lampe, in: Strafrechtsdogmatik und Kriminalpolitik (1971), S. 64.

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3. Kap.: Das Handlungsobjekt der Eigentumsdelikte - die Sache

fast der Hälfte aller polizeilich erfassten Fälle bestimmt er die Gesamtkriminalität maßgeblich. Doch unabhängig von allen kriminalpolitischen Erwägungen muss sich unser Blick zunächst auf die Idealstruktur des Eigentums richten: Die rechtliche Zuordnung einer einfachen Sache unter die ausschließliche Verfügungshoheit eines Menschen. Diese Sichtweise ist nicht zuletzt deshalb geboten, weil das Strafgesetzbuch selbst sie einnimmt - und solange der Gesetzgeber sich der „neuen Dynamik" nicht annimmt, ist dies auch nicht Aufgabe der Lehre, denn Analogien praeter legem sind im Strafrecht fehl am Platz. Wir gehen also für die nun anzustellenden Überlegungen nicht von komplizierten forderungsrechtlichen Sachverhalten, sondern stets von der einfachen Grundstruktur aus, denn nur die so entwickelten Lösungen können einem System von Eigentumsdelikten gerecht werden.

a) Kritik der Sachwertlehre Die Sachwertlehre wird heute ausschließlich im Rahmen einer den Substanzansatz einbeziehenden Vereinigungslehre vertreten 50. Hier sollen beide vorerst losgelöst voneinander behandelt werden - obgleich das Verhältnis der Sachwertzueignung zur Substanzzueignung einen eigenen Streitgegenstand darstellt 51. Doch eine getrennte Betrachtung ist schon deshalb notwendig und auch statthaft, da keine gemeinsame dogmatische Grundlage beider Ansätze existiert 52 . Innerhalb der herrschenden Vereinigungslehre wird der Sachwertaspekt als „subsidiär" verstanden, so dass Sachwertzueignung immer nur dann in Betracht kommen soll, wenn Substanzzueignung ausgeschlossen ist 5 3 . Das gegenüber der Wertlehre Festzustellende 49 Der Diebstahl insgesamt stellte mit 3.029.390 registrierten Fällen im Jahr 2003 46,1% aller polizeilich erfassten Straftaten, vgl. PKS 2003, S. 36; vgl. auch LK-Ruß, vor § 242, Rn. 2; Arzt/Weber, BT, § 13, Rn. 1 ff. 50 BGHSt 4, 236 (238); 35, 152 (157); 41, 187 (194); Sch. / Schr.-Eser, § 242, Rn. 47; Krey, BT 2, Rn. 53; Haft, BT, S. 148; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 135; zur Entwicklung der Vereinigungslehre vgl. Wessels, NJW 1965, S. 1153 ff. 51 Vgl. Küper, BT, S. 418; Mitsch, BT 2, TB 1, § 1, Rn. 141. 52 Vgl. Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 79: „Wird behauptet, Zueignung sei Zuführung des wirtschaftlichen Wertes einer Sache oder Anmaßung des Eigentums an der Substanz, so befindet man sich in der Situation des Schuljungen, der Äpfel und Birnen addiert: Der Zueignungsbegriff, der damit zustande kommt, ist ein unverbundenes Nebeneinander zweier nicht vergleichbarer Größen"; vgl. außerdem Otto, Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, § 40, II.,2.,a),cc): Die „Mängel der Sachwerttheorie übernimmt die Vereinigungstheorie um den Preis einer geradezu anrüchig austauschbaren Argumentation, denn sie bedient sich willkürlich der Sachsubstanz- und der Sachwerttheorie, ohne einen Oberbegriff der Sachsubstanz- und Sachwertzueignung zu bilden. ( . . . ) Im dogmatischen Ausgangspunkt schließen sie einander jedoch aus." 53 Es herrscht Übereinstimmung insoweit, als die Zueignung der Sachsubstanz in jedem Falle einbegriffen sein soll.

2. Kritik der Theorien zum Objekt der Zueignung

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gilt deshalb immer unmittelbar auch für die Vereinigungslehre, deren eine, ohne Weiteres abtrennbare Seite die Sachwertlehre verkörpert. Der Vorzug des Wertansatzes lag seit jeher in seiner Praktikabilität, seiner Fähigkeit, scheinbar unakzeptablen Strafbarkeitslücken zu begegnen und auch solche Fälle einer Lösung zuzuführen, in denen unbestreitbar sozialschädliches Verhalten von einer eng am Gesetzeswortlaut orientierten Auslegung ungeahndet hätte bleiben müssen. Man meinte schlicht und einfach, nicht ohne Wertüberlegungen auskommen zu können 54 - über dogmatische Schwächen wurde und wird dafür hinweggesehen. Nicht von ungefähr ist es die Rechtsprechung, die Sachwertgedanken besonders extensiv für die Lösung von Zueignungsdelikten verwendet 55 - hier ist die Toleranz gegenüber Strafbarkeitslücken nachvollziehbarerweise am geringsten und die Versuchung am größten, das Gesetz den Bedürfnissen der Realität entsprechend zu lesen. In der Literatur dagegen sind durchweg kritischere Stimmen zu vernehmen 56, wenn gleichwohl die S ach Wertansätze - eingebettet in die Vereinigungslehre - auch hier ihre Anhänger haben57. Sachsubstanz und Sachwert werden dabei als zwei Teilaspekte der Sachqualität angesehen58, so dass die Einbeziehung wirtschaftlicher Aspekte als ein der Systematik von Eigentumsdelikten immanenter Vorgang begriffen wird 5 9 . Auch der Gesetzgeber, so wird argumentiert, habe den Wert der Sache im Blick gehabt, als er z. B. § 248 a StGB geschaffen habe60. 54 So z. B. Lampe, in: Strafrechtsdogmatik und Kriminalpolitik (1971), S. 75 ff., aus kriminalpolitischen Erwägungen unter Eingeständnis der Lücken füllenden (sie!) Funktion. Die Begründer der Sachwerttheorie hatten freilich weniger eine Umdeutung der Eigentumsdelikte in Bereicherungsdelikte vor Augen, sondern begriffen den vollen und ausschließlichen Genuss der Sache (Gleispach, Die Veruntreuung an vertretbaren Sachen I, S. 17) als materiellen Kern des Eigentums, so dass nicht nur der Geldwert der Sache, sondern auch Affektionswerte erfasst werden sollten (Sauer, GA 63 (1917), S. 286). 55 BGHSt 4, S. 236 (238); 40, S. 8 (18); 41 S. 187 (194); GA 1959, S. 373; OLG Celle, NJW 1967, S. 1921 f. 56 Zur Gefahr der Umdeutung der Eigentumsdelikte in Bereicherungsdelikte vgl. Otto, Struktur des strafrechtlichen Vermögensschutzes, S. 383; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 33, Rn. 46; SK-Samson (4. Aufl.), § 242, Rn. 75; Sch. / Schr.-Eser, § 242, Rn. 49; Bockelmann, ZStW 65 (1953), S. 575; Rudolphi, GA 1965, S. 34; Seelmann, JuS 1985, S. 291. Zur Schwammigkeit des Wertbegriffs vgl. Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 43 f.; Kargl, ZStW 103 (1991), S. 148; und sogar Wessels, NJW 1965, S. 1155, der allerdings davon ausgeht, dass „dem Kern strafrechtlichen Eigentumsschutzes ( . . . ) wohl nur eine Betrachtungsweise gerecht werden" dürfte, die das Eigentum als Bestandteil des „Vermögens im wirtschaftlichen Sinne" würdigt, a. a. O., S. 1154. 57 Jeweils im Rahmen eines Vereinigungsansatzes: LK-Ruß, § 242, Rn. 49; Blei, BT, S. 185; Schröder, JR 1965, S. 27; Schmidhäuser, Bruns-FS, S. 353; Tenckhoff, JuS 1980, S. 725; im Ergebnis auch Sch. /Schr.-Eser, § 242, Rn. 49. 58 Vgl. Otto, Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, § 40, II., 2., a), cc): Würde „als relevanter Sachwert allein der in der Sache verkörperte, von ihr vermittelte und von ihr nicht trennbare Wert angesehen", so wäre „die Einheit von Sache und Sachwert erhalten". 59 Wessels, NJW 1965, S. 1155: „Man kann nur schwer daran vorbeisehen, daß die Eigentumsdelikte im Gesetz den Straftaten gegen (spezialisierte) Vermögenswerte zugeordnet worden sind ( . . . ) " .

5 Kauffmann

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3. Kap.: Das Handlungsobjekt der Eigentumsdelikte - die Sache

Historisch betrachtet ist allerdings äußerst fragwürdig, ob der Gesetzgeber Wertüberlegungen im System der Eigentumsdelikte unterbringen wollte. Im Kapitel über die rechtsgeschichtlichen Hintergründe des Zueignungsbegriffs wurde die Verdrängung des animus lucri faciendi (der Gewinnsucht) als einem Fremdkörper einer auf Eigentum und nicht auf Vermögen ausgerichteten Systematik von Zueignungsdelikten beschrieben 61. Gerade die Entwicklung einer eigenen rechtlichen Kategorie von Eigentumsdelikten, die sich von den Vermögensdelikten im weiteren Sinne abhob, provozierte diese Diskussion um die Bereicherungsabsicht und deren letztliche Entfernung aus den Zueignungstatbeständen. Soweit es um Eigentumsschutz geht, dies war die Erkenntnis jener Systematisierung, kann es nicht um den Wert der Dinge, um wirtschaftliches Vermögen oder die Vermögensvorteilsabsicht eines Täters gehen. Der Gesetzgeber des preußischen Strafgesetzbuches ging davon aus, der Eigentümer werde durch die Zueignung körperlich auf Dauer von seiner Sache getrennt 62: Allein der „animus rem sibi habendi" als „Habsucht im eigentlichen Verstände des Wortes" 63 konnte die subjektive Seite der Zueignungstatbestände ausmachen. Wenigstens als Indiz müssen diese Überlegungen auch bei der Untersuchung des Zueignungsgegenstandes zu Rate gezogen werden - der historische Gesetzgeber distanzierte sich von der Gewinnsucht als einem wirtschaftlichen Element wegen seiner Ferne zum Rechtsinstitut Eigentum; es wäre sonderbar, wenn der darin zu Tage tretende Wille, Vermögen und Eigentum streng zu trennen, vor dem Objekt der Eigentumsdelikte Halt machen und hier Wertüberlegungen zulassen sollte 64 . Historisch betrachtet spricht also trotz der vorhandenen gesetzlichen Ausnahmevorschrift des § 248 a StGB einiges gegen eine Entscheidung des Gesetzgebers für einen Wertbezug beim Zueignungsobjekt. Selbst § 248 a StGB lässt sich insofern, obgleich er häufig als Argument für die Berechtigung wirtschaftlicher Ansätze dient 65 , bei systematischer Betrachtung konträr auslegen: Im gesamten Abschnitt zu Diebstahl und Unterschlagung nimmt das StGB nur dieses eine Mal Bezug auf den Wert der Sache, nicht einmal im Katalog der Regelbeispiele des § 243 StGB sind Werterwägungen anzutreffen die Konzeption des § 248 a StGB ist deshalb erkennbar die einer Ausnahme und deutet darauf hin, dass die Regel eine andere sein soll. Doch auch in Hinblick auf die Systematik der Eigentumsdelikte untereinander entstehen bei Anwendung der Sachwertlehre schwerwiegende Diskrepanzen. Miehe 60 Wessels, NJW 1965, S. 1155. 61 Insbesondere Goltdammer, GA 15 (1867), S. 231 m. w. N.; vgl. auch Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 58 ff.; Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 27, Fn. 63. 62 Vgl. Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 141. 63 Klien, Revision der Grundsätze über das Verbrechen des Diebstahls I, S. 292. 64 Maurach / Schroeder / Maiwald, BT 1, § 33, Rn. 46. 65 Siehe nur Wessels, NJW 1965, S. 1155.

2. Kritik der Theorien zum Objekt der Zueignung

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hat dies eindrucksvoll dargelegt 66: Da sich die Tatbestände, in denen der Angriff auf fremde Sachen pönalisiert wird, sinnvoll voneinander abgrenzen lassen müssen, prüft er, ob eine solche Abgrenzung auf dem Boden der Sachwerttheorie möglich und in sich schlüssig ist. Dafür müsste bei der Zueignung der Wert der Sache aus dem Vermögen des Berechtigten in das eigene Vermögen überführt werden, bei der strafrechtlich nicht erfassten Sachentziehung dem Berechtigten der Wert vorenthalten, bei der Beschädigung der Wert vermindert und bei der Zerstörung schließlich der Wert vernichtet oder aufgezehrt werden. Schon in Hinblick auf die §§ 303 ff. StGB ergeben sich hier Unstimmigkeiten67. Bei der Wertvernichtung einer Sache von geringem Wert wäre dies Sachzerstörung, bei der Wertminderung einer Sache von hohem Wert lediglich Sachbeschädigung. Schon diese Abstufung wäre irritierend, wenngleich noch hinzunehmen, da § 303 StGB zwischen Beschädigung und Zerstörung nicht abstuft. Betrachtet man aber § 305 StGB, so wird offensichtlich, dass das Gesetz eine solche Abstufung als selbstverständlich voraussetzt: Hier wird derjenige strenger bestraft, der die dort genannten Bauwerke „ganz oder teilweise" zerstört. Der Unterschied zwischen einer Teil- und einer Vollzerstörung wäre für eine Wertbetrachtung übrigens überhaupt unerklärlich, müsste doch die Vernichtung eines Teils des Sachwertes identisch sein mit der Beschädigung, bzw. der Sachwertminderung. Jedenfalls, so Miehe, ist auf der Grundlage einer am Wert orientierten Betrachtung nicht einzusehen, warum eine Beschädigung hoher Werte geringer bestraft werden sollte als eine Zerstörung geringer Werte. So wird ja auch bei den Sachbeschädigungsdelikten niemals mit Weitgesichtspunkten argumentiert, sondern mit Kriterien wie der „Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Brauchbarkeit" - eine Diskrepanz allerdings, die systematisch untragbar ist. Denn es ist unstrittig, dass sich Sachzerstörung und Sachentziehung zur Zueignung verhalten wie ein Weniger zum Mehr: Sie alle sind Enteignungen, denen nur noch ein Aneignungsmoment hinzugefügt werden müsste, um sie zu Zueignungen zu machen. Insoweit herrscht durchweg Einigkeit 68 . Darum kann, das ist Miehes Schluss, „der Inhalt der mit ihnen gemeinten Eigentumsverletzungen auch nur qualitativ einheitlich charakterisiert werden", und der „Sachwert kann das Kriterium dieser Charakterisierung nicht sein". Hinzu kommt, dass die Gebrauchsanmaßung (abgesehen von der Benutzung eines fremden Kfz (§ 248 b StGB) und des Gebrauchs von Pfandsachen durch den Pfandleiher (§ 290 StGB)) straflos bleiben soll, das ist offensichtlicher Wille des Gesetzgebers. Doch wie kann die Sachwertlehre auch nur annähernd präzise zwischen Zueignung und Gebrauchsanmaßung unterscheiden, wenn der Täter die Sache nur benutzt69? Nicht jede mit einer Nutzung der Sache zwangsläufig einher66 Miehe, Heidelberg-FS, S. 490 ff. 67 Hierzu ebenfalls Gössel, Pötz-FS, S. 45. 68 Statt vieler: Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 137; Sch. /Schr.-Eser, § 242, Rn. 55, jeweils m.v.w.N. 69 Zu dieser Frage u. a. Kargl, ZStW 103 (1991), S. 148 f. 5*

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3. Kap.: Das Handlungsobjekt der Eigentumsdelikte - die Sache

gehende Wertminderung 70 ist Zueignung, das beweist die Existenz der §§ 248 b, 290 StGB. Doch wie viel ihres Wertes muss eine Sache einbüßen, damit die Gebrauchsanmaßung zur Zueignung wird? Dies ist schon häufig gefragt, doch nie geklärt worden - reichen 5% 7 1 ? Müssen es 50% sein 72 oder genügen gar erst 90%? Jeder Maßstab für die Bestimmung des notwendigen Umfangs unterliegt freier Willkür. Ein und derselbe Gebrauch, ein und dieselbe Wertminderung würden je nach dem Wert der ganzen Sache bald zur Zueignung, bald zum straflosen furtum usus führen 73. In ihrer extensiven Fassung (die jedes „lucrum ex negotio cum re" ausreichen lässt) führt diese Ansicht so weit, wie es in einer Entscheidung des OLG Köln im Fall eines wochenlang nicht zurückgegebenen Mietwagens zum Ausdruck kommt 74 . Das OLG Köln erkennt auf Unterschlagung, denn die notwendige Weiteinbuße liege „beim Mietwagen in dem während des Entzuges bestehenden Verlust seiner Ausnützungsmöglichkeiten als Mietobjekt, ohne dass es dabei auf eine Wertminderung des Wagens infolge der gefahrenen Kilometer ankommt." Hier wird „gleichsam der Kernbereich der Gebrauchsanmaßung, der Genuss der bloßen Gebrauchsvorteile, zur Zueignung uminterpretiert" 75. Oben unter 1. wurde bereits kurz angesprochen, dass die Fragestellungen im Streit um Substanz und Sachwert zumeist so formuliert sind, dass scheinbar Modalitäten der Zueignungshandlung diskutiert werden. Bei den üblichen Eröffnungssätzen zur Darstellung der Diskussion erfährt man, dass fraglich sei, wie man sich die Sache zueignet - indem man ihre Substanz, ihren Wert oder andere Funktionen dem Eigentümer entzieht. Doch bei genauer Betrachtung geht es eben doch nicht um die Frage, wie man sich eine Sache zueignet, sondern was man sich zueignet. Ersterer Ansatz wäre nämlich nur dann schlüssig, wenn allen Ernstes behauptet werden sollte, bei Zueignung des Sachwertes bleibe dem Eigentümer die Sache als solche nicht erhalten 76. Schon bei Betrachtung des Vörzeigefalles des wirtschaftlichen Ansatzes, nämlich des Falles des zurückgegebenen, aber „entleerten" Sparkassenbuches, offenbart sich die Unhaltbarkeit dieser Perspektive: Selbstverständlich bleibt formal die Sache, hier also das Sparkassenbuch, bestehen; es existiert im Eigentum des Berechtigten nach wie vor der Tat dasselbe Büchlein mit denselben Seiten, in denselben Farben und denselben Maßen. Und dieser Widerspruch kann auch nicht aufgelöst werden, indem man zwischen Handlungsobjekt und Zu70 Gössel, Pötz-FS, S. 43. 71 Eine zw/prozentige Minderung soll nach Ansicht des OLG Hamm (JMB1. NRW 1962, S. 111) nicht ausreichen. 72 In diesem Sinne Fricke, MDR 1988, S. 540. 73 Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 44. 74 OLG Köln, JMB1. NRW 1962, S. 175; ähnlich OLG Hamm wistra 1999, S. 112 f., falls der Mietwagen „durch den unberechtigten Weitergebrauch erheblich an Wert verliert" oder „der Standort gegenüber dem Eigentümer verheimlicht wird". 75 Miehe, Heidelberg-FS, S. 494. 76 So allerdings Androulakis, JuS 1968, S. 411.

2. Kritik der Theorien zum Objekt der Zueignung

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eignungsobjekt unterscheidet (wie es etwa Seong11 versucht), heißt es doch in § 242 StGB ausdrücklich: „ . . . die Sache sich ( . . . ) rechtswidrig zuzueignen"; eine Unterscheidung zwischen Handlungs- und Zueignungsobjekt kann es danach nicht geben78. Die Diskussion um Substanz und Wert der Sache dürfte insofern nicht aus ihrem objekthaften Kontext hinaus in den Bereich des Verbs „Zueignen" verlagert werden: Es geht hier nicht um Modalitäten eines Verhaltens, sondern um den Gegenstand dieses Verhaltens 79. Und dass die Sache und ihr Wert nicht identisch, sondern der letztere lediglich eine Teilmenge der ersteren ist, müsste sich von selbst verstehen - ansonsten wäre es unmöglich, eine Sache nach dem Wertentzug in ihrer Körperlichkeit wieder zurückzugeben80. Teilweise wird dies auch mit erfrischender Offenheit eingestanden: „Nach der Substanztheorie sollte Gegenstand der Zueignung nur die Sache selbst sein können, nach der Sachwerttheorie auch der in der Sache verkörperte wirtschaftliche Wert ( . . . ) " , formuliert Es er* 1, und Tröndle verlangt: Es „genügt das Zueignen der Sache selbst oder auch ihres wirtschaftlichen Wertes" 82. Man sieht: Der Wert einer Sache ist nur eine ihrer Eigenschaften, wie es auch ihre Nutzbarkeit, ihre Form und ihre Farbe sind oder auch eine ihr etwa innewohnende religiöse, wissenschaftliche oder sonstige Funktion. Unter all diesen Eigenschaften mag im täglichen Leben der Wert die vorrangige und die schützensweiteste sein - er ist jedoch niemals die Sache selbst, dies gilt es festzuhalten. Und er ist auch nicht Bestandteil des Sachenrechts Eigentum83. Wenn also die Betitelung „Objekt der Zueignung" vermieden und die Diskussion um das Objekt durch augenscheinliche Erörterung der Komponenten der Zueignungshandlung getarnt wird, so vielleicht auch deshalb, weil auf diese Weise der allzu evidente Verstoß gegen das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG verschleiert werden kann. Es entstünde vermutlich einiges Unbehagen unter den Vertretern von Wertansätzen, müssten sie sich und anderen eingestehen, dass auch nach einem Wertentzug die Sache als solche sehr wohl zurückbleibt. Das, was der Täter sich „zugeeignet" hat - dies wäre die unweigerliche und notwendige Einsicht - ist eindeutig nicht identisch mit dem, was unter Einhaltung der Wortlautgrenze als „Sache" verstanden werden kann. Wir sind damit beim Ergebnis des letzten und wichtigsten Kritikpunktes. Die Sachwerttheorie ist nicht nur aus historischen und systematischen Gründen äußerst 77

Seong, Zueignung der Unterschlagung, S. 3 ff. ™ In diesem Sinne auch Kindhäuser, BT 2, Tb. 1, § 2, Rn. 83; Duttge/Fahnenschmidt, ZStW 110(1998), S. 917 79 Vgl. auch Gössel, Pötz-FS, S. 43, zu dem „Fehler, das Objekt der Zueignung mit deren Elementen zu vermengen"; ähnlich Paulus, Der strafrechtliche Begriff der Sachzueignung, S. 164, Fn. 95. 80 Arzt/Weber sprechen in diesem Zusammenhang von einem „allzu weit getriebenen Abstraktionsgrad der,Sache'", LH 3, Rn. 125. 81 Sch. / Schr.-Eser, § 242, Rn. 49 (Hervorhebung von mir). 82 Tröndle (48. Aufl.), § 242, Rn. 18 (Hervorhebung von mir). 83 Vgl. auch Gössel, Pötz-FS, S. 47; Kindhäuser, BT 2, Tb. 1, § 2, Rn. 83.

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3. Kap.: Das Handlungsobjekt der Eigentumsdelikte - die Sache

fragwürdig, sondern sie ist aus dem klarsten und einschlägigsten Grund unhaltbar, den das Strafrecht zu bieten hat, und er allein genügt, um sie ad acta zu legen: Die Sachwerttheorie verstößt gegen eines der Grundprinzipien des Strafrechts, das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG. Das Analogieverbot ist als Ausfluss des Gesetzlichkeitsprinzips allgemein anerkannt 84 und dieses stellt den „Elementargrundsatz unseres Strafrechts" 85 dar - es ist in § 1 StGB an die Spitze des Strafgesetzbuches gerückt und mit seiner gleichlautenden Fixierung im Grundgesetz als Art. 103 Abs. 2 GG auch zum Verfassungsrechtssatz erhoben worden. Ziel dieses Grundsatzes ist, den Normadressaten nicht nur durch das Strafrecht, sondern auch vor dem Strafrecht zu schützen: Ein Verhalten kann in noch so hohem Grade sozialschädlich und strafbedürftig sein, der Staat darf es nur dann zum Anlass strafrechtlicher Sanktionen nehmen, wenn er dies zuvor im Gesetz ausdrücklich angekündigt hat und das Verhalten durch den möglichen Wortsinn der Norm 86 , d. h. innerhalb ihres Regelungsrahmens, erfasst ist. Sind einzelne Fälle nicht mehr gedeckt von dem Wortlaut einer auf sie nur entsprechend, nicht unmittelbar passenden Vorschrift - mag auch das Verhalten in ähnlicher Weise strafwürdig erscheinen - , so ist der Täter nicht strafbar, wie auch das Bundesverfassungsgericht konstatiert: „Insoweit muss sich der Gesetzgeber beim Wort nehmen lassen."87 Die Praxis freilich macht von diesem Gebot wenig Gebrauch: Man sucht lange nach einem Fall, in dem eine Tat, obwohl sie strafwürdig erschien, mit Rücksicht auf das Analogieverbot unbestraft geblieben wäre 88 wie sich nicht zuletzt in der (durch das 6. StrRG überholten) Rechtsprechung zur „berichtigenden Auslegung" der Besitz- und Gewahrsamsfrage im Unterschlagungstatbestand a.F. zeigte89. Schmitt fragte zu Recht: „Wie kann man nur von einer berichtigenden Auslegung4 sprechen, wo doch diese Worte einander eindeutig widersprechen?" 90 Mit derselben Zielrichtung ist hier zu fragen: Wie kann man nur von einer Sachzueignung sprechen, wenn die Sache in ihrer Körperlichkeit dem Eigentümer zurückgegeben wird? Es ist an der Zeit, den Gesetzgeber beim Wort zu nehmen.

84 Statt vieler: BVerfGE 25, S. 284 ff.; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 84 ff.; Schmitt, in: Jescheck-FS, S. 233. 85 Schmitt, Jescheck-FS, S. 223. 86 Für den „möglichen Wortsinn als äußerste Grenze" der Auslegung: Jescheck/ Weigend, AT, § 17, IV, 5.; enger: Baumann, MDR 1958, S. 394 ff., demzufolge die Auslegung durch die allgemein verständliche, natürliche Wortbedeutung begrenzt wird. 87 BVerfGE 73, S. 206 (235 f.). 88 Grünwald, ZStW 76 (1964), S. 2 f.; Schmitt, Jescheck-FS, S. 232. 89 BGHSt 13, S. 43 (44); 4, S. 76 (77); OLG Nürnberg, MDR 1950, S. 627; OLG Bremen, JR 1950, S. 216; vgl. andererseits BGHSt 2, S. 317 (318 f.). 90 Schmitt, Jescheck-FS, S. 233; ähnlich Degener, JZ 2001, S. 390, Fn. 37: „ ( . . . ) verräterisch so genannte berichtigende Auslegungen".

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b) Kritik der Funktionenlehre Oben unter 2. ist bereits angeklungen, dass der Ruf der Funktionenlehre als „modifizierte Substanztheorie"91 den tatsächlichen Ansätzen dieser Lehre nicht gerecht wird. Die wachsende Beliebtheit eines an den Funktionsmöglichkeiten der Sache ansetzenden Denkens erklärt sich aus dem Bedürfnis, die beiden Komponenten Substanz und Wert zu einer Einheit zu verschmelzen, einen normativen Oberbegriff zu schöpfen, der gleichzeitig besser als beide Begriffe einzeln den sozialen Sinngehalt des Eigentums erfasst 92. Es wird von den Vertretern der Funktionenlehre eingeräumt, dass der Wert einer Sache nicht unbedingt ihrer Substanz anhaftet, sie habe ihn allerdings aus einem bestimmten Grunde und dieser Grund sei ihre „Zweckdienlichkeit" 93 oder ihr „Zwecknutzen" 94 . Die Funktionen einer Sache bestimmten ihre soziale Sachidentität; würden sie enteignet, sei die zurückgegebene Sache qualitativ eine „andere" 95 . Gegenstand der Zueignung sind hier also „die dem Eigentümer zustehenden realen Verwendungsmöglichkeiten" 96. Recht unumwunden werden allerdings auch von den Vertretern dieses Ansatzes kriminalpolitische Motive für ihre Theorie eingestanden97 - wir werden die Funktionenlehre daher eingehend daraufhin untersuchen müssen, ob sie der Ratio und dem Wortlaut der Eigentumsdelikte gerecht werden kann. Auch der Funktionsansatz erfordert wertende Überlegungen 98; ähnlich wie die Wertlehre, die in den Abnutzungsfällen eine bloße Wertminderung genügen lässt, gibt sie die Unterscheidung zwischen Voll- und Teilverschiebungen des Eigentumsinhalts auf 99 . Wann hinreichend viele Funktionen unter Ausschluss des Berechtigten entzogen worden sind, um die Sache als zugeeignet ansehen zu können, will beispielsweise Roth, der dem Funktionsansatz zustimmt, nach den „Anschauungen des Verkehrs" entscheiden100; „naturwissenschaftliches Vorgehen" sei hingegen nicht indiziert. Entscheidend sei allerdings, ob alle wesentlichen Funktionsmöglichkeiten durch das Täterverhalten entzogen würden 101 . Roth billigt insofern das Erfordernis wertender Überlegungen, geht mit seinem Anspruch an die Funk91

Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 45; SK-Samson (4. Aufl.), § 242, Rn. 72. 92 Paulus, Der strafrechtliche Begriff der Sachzueignung, S. 164. 9 3 Androulakis, JuS 1968, S. 412. 94

Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 142 ff.; Paulus, Der strafrechtliche Begriff der Sachzueignung, S. 166. 95 Paulus, Der strafrechtliche Begriff der Sachzueignung, S. 165. 9 6 Rudolphi, GA 1965, S. 38. 97 Vgl. nur Androulakis, JuS 1968, S. 414 oder Rudolphi, GA 1965, S. 39. 9

« Baumann, GA 1971, S. 309. Miehe, Heidelberg-FS, S. 498. 100 Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 47.

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101 Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 46; ebenso Kargl, ZStW 103 (1991), S. 183.

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tionenlehre jedoch vergleichsweise weit. Anders reicht es nach Ansicht von Rudolphi aus, wenn der Täter eine einzelne Herrschaftsmöglichkeit über die Sache ausnutzt 1 0 2 ; ähnlich muss nach Seelmann 103 und Androulakis 104 lediglich eine Funktion der Sache vom Eigentümer nicht mehr genutzt werden können. Maiwald 105 dagegen fordert, dass alle diejenigen Funktionen, die eine Sache unverwechselbar machen, vernichtet sein müssen. Es zeigt sich: das bloße Abstellen auf die Funktionen der Sache garantiert noch keine Einigkeit über das Zueignungsobjekt. Eben weil auch die Funktionen einer Sache nur Eigenschaften derselben sind, ebenso wie ihr Wert, kann auch anhand von ihnen keine klare Aussage über das Objekt der Eigentumsdelikte getroffen werden 106 . Parallelen zu den Missständen der S ach Werttheorie entstehen auch dann, wenn man anhand der Funktionenlehre versucht, verlässlich zu bestimmen, wann eine Sache enteignet ist. Reicht es, wenn die Sache bestimmte Zwecke nicht mehr erfüllen kann? Wenn sich z. B. ein Buch nicht mehr als neu verkaufen lässt 107 ? Oder müssen sich einzelne Seiten gelöst haben, so dass man es nicht mehr als Ganzes mit einer Hand zum Lesen halten kann? Oder darf man es gar nicht mehr lesen können? In keiner dieser Fragen unterscheiden sich die Lösungsvorschläge der Funktionenlehre markant von denen der Sachwertlehre - weder was das Vorgehen, noch was das Ergebnis anbelangt. Funktionsdenken löst die problematischen Fälle weder durchgängig restriktiver, noch durchgängig präziser als Wertdenken. Ein anderer Kritikpunkt, der unmittelbar an der Wurzel des an Funktionen einer Sache ausgerichteten Vorgehens ansetzt, ist die grundsätzliche Unrichtigkeit der Behauptung, Eigentum sei funktional. Dies wurde bereits im zweiten Kapitel kritisiert, das sich mit dem Wesen des Eigentums auseinandergesetzt hat. Eigentum ist ein Rechtsverhältnis zwischen Menschen in Bezug auf eine Sache; auch ohne faktische Herrschaft und ohne physischen Besitz ist Eigentum an einer Sache möglich (vgl. nur §§ 930, 931, 935 BGB). Das bedeutet, Eigentum als „reines Sollenssatzverhältnis" 108 ordnet die Sphären der Menschen in der dinglichen Welt, und dies zunächst, ohne diese Dinge als funktional wahrzunehmen oder sie gar auf bestimmte Funktionen festzulegen (insoweit auch § 903 BGB: „Der Eigentümer einer Sache kann ( . . . ) mit der Sache nach Belieben verfahren") 109 . So kann eine Uhr dem einen nichts weiter als ein Zeitmessgerät sein, einem nächsten dieselbe Uhr ein Erinnerungsstück an seinen verstorbenen Vater und einem Dritten schließlich bloß eine Wertanlage 110. Diese durch Wertung verliehenen Funktionen liegen 102 Rudolphi, GA 1965, S. 41. 103 Seelmann, JuS 1985, S. 291. 104 Androulakis, JuS 1968, S. 412. i° 5 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 143. 106 Zur Kritik vgl. auch Gössel, Strafrecht BT 2, § 6, Rn. 42 ff. 107 Vgl. OLG Celle, NJW 1967, S. 1921 f. los Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 68. 109 Vgl. auch Kindhäuser, BT 2, Tb. 1, § 2, Rn. 83.

2. Kritik der Theorien zum Objekt der Zueignung

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nicht in dem zivilrechtlichen Eigentumsrecht begründet, sie sind auf einer rein tatsächlichen Ebene angesiedelt. Wenn also den am Gesetzeswortlaut orientierten Ansätzen, insbesondere der Substanztheorie, immer wieder vorgeworfen wird, sie verlören die Funktion des Eigentums, seinen „Zwecknutzen", seine „realen Verwendungsmöglichkeiten" aus den Augen 111 , so geht diese Argumentation am Wesen des Eigentums vorbei und demonstriert eine mangelnde Auseinandersetzung mit dem Rechtsgut der diskutierten Vorschriften. Stichhaltig bezeichnet Schroeder es als den Grundgedanken des Eigentums und der Eigentumsschutzdelikte, „dem Menschen ein funktionsfreies Haben zu garantieren. Auch Gegenstände ohne jede Funktion für den Eigentümer genießen den Eigentumsschutz"112. Und deshalb ist auch der Funktionsverlust einer Sache, bzw. das Ausnutzen von Funktionen durch den Täter kein geeignetes Kriterium zur Feststellung einer Eigentumsverletzung. Schließlich folgt aus den genannten Gründen auch für die Funktionenlehre der Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG, bzw. § 1 StGB. Auch sie schießt über die Wortlautgrenze hinaus. Der Gesetzeswortlaut ist unmissverständlich: Zugeeignet werden muss die Sache als Ganze, nicht nur einzelne ihrer Funktionen. Es gilt hier also nichts anderes, als bereits gegen die Wertlehre vorgebracht wurde. Erhält in dem eben genannten Beispiel ein Eigentümer sein Buch zurück, so ist er nicht enteignet, auch wenn das Buch beschädigt ist. Er hat seine Sache zurück. Es wäre unlogisch und widersprüchlich, wenn man behaupten wollte, jemand anders habe sie sich zugeeignet, während doch der Eigentümer sie in seinen Händen hält 1 1 3 . Eine solche Auffassung träte das Gesetzlichkeitsprinzip mit Füßen. Auch die Funktionenlehre basiert auf verbotener Analogie.

c) Kritik der Substanzlehre Zu Beginn der Auseinandersetzungen um das Objekt der Zueignungsdelikte stritt man sich nicht aus der Warte einer Sachsubstanztheorie oder einer Sachwerttheorie, sondern man nahm formale oder wirtschaftliche Standpunkte ein: Substanz- und Wertlehre waren dann Zweige einer wirtschaftlichen Perspektive 114, und erst später wurde von manchen unzutreffend die Substanzlehre wegen der in ihr auch enthaltenen formalen Elemente mit diesen gleichgesetzt: Man betrachtete die Substanztheorie als synonym zur „se ut dominum gerere"-Formel 115. Die Ver110 Siehe außerdem die Beispiele bei Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 149. 111 In diesem Sinne Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 45; Paulus, Der strafrechtliche Begriff der Sachzueignung, S. 164. 112 Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 33, Rn. 49; ähnlich Gössel, Pötz-FS, S. 44. 113 Ob im Beispielsfall andere Delikte in Frage kommen (etwa eine Sachbeschädigung nach § 303) bleibt dabei offen. 114 Hierzu etwa Baumann, GA 1971, S. 306 f.; Baumann, Die Absicht der Zueignung, S. 2. Iis Vgl. statt vieler Welzel, Das deutsche Strafrecht, 11. Aufl., S. 340 f.

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3. Kap.: Das Handlungsobjekt der Eigentumsdelikte - die Sache

mischung dieser beiden Positionen hat zur Folge, dass es heute notwendig ist, sich auch mit dem formalen Ansatz des „se ut dominum gerere" auseinander zu setzen, wenn von der Substanzlehre die Rede ist, ohne beide zunächst randscharf voneinander trennen zu können, da auch Argumente für und gegen sie häufig miteinander verbunden auftreten 116. Wenngleich heute das Erfordernis des „se ut dominum gerere" weithin als von den Objekttheorien unabhängiges, eigenständiges Merkmal der Zueignungshandlung aufgefasst wird 1 1 7 , soll daher ein kurzer Abriss einer Kritik dieses formalen Ansatzes an dieser Stelle stattfinden. Eine vertiefte Auseinandersetzung wird in Kapitel 4 erfolgen. Der Täter - das war die Idee der „se ut dominum gerere"-Formel - müsse sich aufführen, als sei er der Eigentümer. Er müsse also ein faktisches Verhältnis zu der Sache herstellen, dem es nur an der rechtlichen Sanktion mangele, um Eigentumsverhältnis zu sein 118 . Was nun diesen Ansatz anbelangt, formuliert Maiwald: „Ein Eigentumsverhältnis ohne rechtliche Sanktion lässt sich nicht auf ein faktisches Herrschafts Verhältnis reduzieren, sondern es ist per definitionem nicht existent." 119 Mit anderen Worten: Das Eigentum als solches hat ohnehin keine empirische Komponente, sondern ist von rein normativer Struktur; es lässt sich deshalb nicht vorstellen, wie man sich wohl als Eigentümer aufführen sollte - wie man also eine rechtliche Legitimation imitieren wollte. Es gibt zwar auch die Möglichkeit, die Formel anders zu lesen und sie in nicht allzu wörtlicher Übersetzung zu verstehen als Forderung, dass der Täter mit der Sache verfahren müsse, wie nur ein Eigentümer mit ihr verfahren darf. Auf den ersten Blick scheint sich dadurch der Bereich möglicher Zueignungshandlungen auf Verfügungen zu verkürzen; auf den zweiten Blick aber ist auch diese Definition unbrauchbar: Es gibt keine Handlung, auch keine Verfügung über eine Sache, die der Eigentümer nicht durch einen Vertreter vornehmen lassen könnte, kein Verfahren mit der Sache, das ausschließlich dem Eigentümer möglich wäre, kein Verfahren mit der Sache, das er nicht an einen Vertreter delegieren könnte 120 . Selbst wenn man die Formel erweitern würde auf Verfügungen, „welche ihrer Art nach ( . . . ) zur ausschließlichen Zuständigkeit des Eigentümers (oder desjenigen, dem von letzterem das Recht dazu erteilt ist)" gehören, wie es das Reichsgericht später 116 So beispielsweise bei Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 192; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 131 ff.; Krey, BT 2, Rn. 74; Welzel, Das deutsche Strafrecht, 11. Aufl., S. 342; anders dagegen z. B. Kindhäuser, BT 2, Tb. 1, § 2, Rn. 83. Gropp, JuS 1999, S. 1043; Haft, BT, S. 144; Mitsch, BT 2, TB 1, § 1, Rn. 103; Kindhäuser, BT 2, § 2, Rn. 91; Eser, Strafrecht IV, S. 25. HS Binding, Lehrbuch BT, S. 267: „Der Dieb will tatsächlich an die Stelle des Eigentümers treten und für sich ein Verhältnis zur Sache schaffen, dem es nur an der rechtlichen Sanktion mangelt, um Eigentumsverhältnis zu sein." ii9 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 68; zustimmend: Baumann, GA 1971, S. 307.

12° Ähnlich Androulakis, JuS 1968, S. 410. Eine Ausnahme bildet allein die Ausschließung jeglicher Dritter vom Zugriff auf die Sache gem. § 903 S. 1 2. Alt BGB. Hierauf wird im Rahmen des 4. Kap. wiederholt zurückzukommen sein.

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tat 1 2 1 , blieben die Mängel bestehen: Auch unabhängig von durch den Eigentümer gewährten Vertretungsbefugnissen gibt es Umstände, unter denen das Gesetz den Nichteigentümer zu solchen Verfügungen befugt 122 - man denke nur an die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) oder an die Möglichkeit des Pfandgläubigers, unter den Voraussetzungen des § 1282 BGB Geldbeträge vom Sparbuch des Eigentümers abzuheben. Mit Hilfe der „se ut dominum gerere"-Formel ist es deshalb nicht möglich, zweifelsfrei Zueignungshandlungen zu erfassen. Ein Weiteres wird deutlich: Mit dem Objekt der Zueignungsdelikte hat dieser formale Standpunkt nicht nur wenig, sondern gar nichts mehr zu tun. Vielmehr hat die „se ut dominum gerere"-Formel es gar nicht nötig, das Zueignungsobjekt näher zu benennen - aus ihrer Warte lassen sich selbst die Sparkassenbuchfälle völlig ohne wirtschaftliche Erwägungen lösen. Aus diesem Grund konnte das Reichsgericht die Verwendung eines Sparbuchs zwecks Abhebung eines Geldbetrages als Zueignung erfassen, da der Täter sich bezüglich der Urkunde „als Berechtigter gerierte" 123 . Hier wird nicht der Gegenstand eines Verhaltens, sondern das Verhalten selbst definiert. Mit einer materiell verstandenen Substanzlehre haben diese Ansätze nichts gemeinsam. Schon deshalb muss die Substanzlehre von den rein formalen Standpunkten losgelöst betrachtet werden 124 . Richtig ist, dass sich die Substanzlehre weit strenger als die anderen wirtschaftlichen Theorien am Wortlaut des Gesetzes orientiert und deshalb als die formalste unter ihnen begriffen wird. Tatsächlich aber beschreibt sie nicht eine formal verstandene Zueignungshandlung, sondern sie definiert deren Objekt: dieses soll allein die Sache selbst in ihrer Substanz sein. In seinem begrifflichen Ursprung meint Substanz (vom lateinischen substare = „stillstehen, standhalten", und substantia = „das darunter Bestehende") das Bestandhabende oder Fürsichbestehende125. „Bei allem Wechsel der Erscheinung beharrt die Substanz und das Quantum derselben wird in der Natur weder vermehrt noch vermindert", schreibt Kant. Sie ist also das, „was als Substrat allen Wechsels immer dasselbe bleibt" 1 2 6 . Dieser „beharrende Träger dinglicher Momente" 127 muss deshalb nach der Substanzlehre zugeeignet sein und eben jener „Naturalismus" wird ihr vorgeworfen: Die „Abstraktion von jeder empirischen Verbesonderung und damit auch von jedem sozialen Bezug" 128 lasse sie zu absurden Fall121 RGSt 29, S. 417. 122 Ebenso: Paulus, Der strafrechtliche Begriff der Sachzueignung, S. 56, vgl. auch S. 102; Frank, Verbot der Zueignung fremder Sachen, S. 78. 123 RGSt 10, S. 369 (371). Binding, Lehrbuch BT, S. 265, Fn. 1, merkt kritisch an, dass dann „so viele Aneignungen desselben Büchleins anzunehmen (wären), als Verwendungen desselben zu Teilerhebungen stattgefunden haben". 124

Hierzu mit ähnlicher Kritik Baumann, GA 1971, S. 306. 125 Hoffmeister, Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Art. „Substanz". 126 Kant, Kritik der reinen Vernunft, Erste Analogie der Erfahrung. 127 Eisler, Wörterbuch der philosophischen Begriffe II, S. 450. 128 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 41.

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3. Kap.: Das Handlungsobjekt der Eigentumsdelikte - die Sache

lösungen gelangen, wie etwa dem Freispruch für einen Täter, der eine fremde Zigarre raucht und die Asche dem Eigentümer wieder zurücksendet 129. An diesem Punkt setzte deshalb auch die Kritik durch die frühen Vertreter der Sachwertlehre an, die nicht mehr auf die formale Rechtsposition als solche abstellen wollten, sondern auf den vollen und ausschließenden Genuss des Berechtigten an der Sache 130 . Und in der Tat kann eine Substanzlehre, die den Zigarrenfall in der beschriebenen Weise löst, nicht richtig sein. Zwar stimmt es, dass der Berechtigte auch Eigentümer der Asche geblieben ist (eine Verarbeitung gem. § 950 BGB stellt das Rauchen der Zigarre nicht dar, da hierin keine Arbeitsleistung liegt 1 3 1 ) - doch ebenso unzweifelhaft ist die Sache, deren Eigentümer er war, nämlich die Zigarre, untergegangen. Eine Zueignungsdogmatik, die auf die Substanz als ewiges, unwandelbares, mikrophysikalisches Grundelement der Dinge 1 3 2 abstellt, war vom Gesetzgeber sicher nicht gemeint, und sie kann auch nicht in den Gesetzestext hineingelesen werden. Denn eine Sache im strafrechtlichen Sinne ist nach einhelliger Auffassung ein körperlicher Gegenstand i. S. d. § 90 BGB. Sie ist Gegenstand der Zueignung also in ihrer Körperlichkeit - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Es ist deshalb nicht notwendig, auf das „darunter Bestehende" abzustellen; vollkommen ausreichend ist es, überhaupt das körperlich Bestehende zu erfassen. Eine Substanztheorie, die nur bei Enteignung des Substrats aller Körperlichkeit einer Sache die Zueignung bejaht, nimmt das Gesetz genauer, als der Wortlaut es verlangt. Es ist dies also eine Beschränkung, die jedenfalls vorzunehmen ist, wenn man der Substanzlehre folgen will: Sie ist quantitativ einzuengen und auf einen Körperlichkeitsansatz zu reduzieren, um im Rahmen des Gesetzeswortlautes zu sinnvollen Ergebnissen zu gelangen. Qualitativ ergeben sich dadurch jedoch keine Unterschiede; für und gegen diesen Ansatz sprechen ansonsten dieselben Argumente wie für und gegen die klassisch definierte Substanztheorie, da er im Übrigen mit ihr deckungsgleich ist. Es sollen deshalb im Folgenden die wesentlichen Bedenken gegen die insoweit zu erweiternde Substanzlehre untersucht werden. Die schwerwiegendsten Einwände gegen die Substanzlehre sind und bleiben kriminalpolitischer Natur. Von der Anwendung der Substanztheorie werden solch eklatante Strafbarkeitslücken befürchtet, dass schon aus diesem Grund lange Zeit kaum Stimmen für die Rückkehr zum Substanzansatz zu vernehmen waren. Dies hat sich in jüngerer Zeit merklich geändert, was nicht zuletzt den Aufsätzen von Gössel 133 und Miehe 134 zu verdanken ist, die beide mit der Angst vor vermeintlichen Strafbarkeitslücken aufgeräumt haben. 129

Beispiel bei Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 41 und JA 1971, S. 580. 130 Gleispach, Die Veruntreuung an vertretbaren Sachen I, S. 16; Frank, Komm., § 242, IX, 2. 131 Vgl. Palandt-Bassenge, § 950, Rn. 4 f. 132 Vgl. Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 113: „Identität der gehabten Moleküle". 133 Pötz-FS,S. 39-53. 134 Heidelberg-FS, S. 481-500.

2. Kritik der Theorien zum Objekt der Zueignung

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Im Einzelnen zeichnen sich die in Frage stehenden Fälle beinahe durchgängig dadurch aus, dass der Eigentümer die Sache entsprechend dem Täterplan zurückerhält. Grob lassen sie sich in sechs Fallgruppen 135 einteilen: - Die Entwertung aa)).

von Sachen136 (z. B. von Batterien oder Theaterkarten) (vgl.

- Der abnutzende Gebrauch von Sachen137 (z. B. eines Kraftfahrzeugs oder eines neuen Buches) (vgl. bb)). - Der lang andauernde Gebrauch einer Sache ohne nennenswerte Abnutzung (z. B. eines Campingzeltes für die Dauer eines Sommers) (vgl. cc)). - Die Rückgabe der fremden Sache an den Eigentümer unter Ausgabe als eigene 138 (z. B. in den Rückkaufs- und Abmusterungsfällen) (vgl. dd)). - Die Verwendung von Legitimationspapieren oder -karten zur Erlangung von Geldbeträgen 139 (z. B. einer ec-Codekarte oder eines Sparkassenbuches) (vgl. ee)). - Die Drittzueignung (vgl. ff)). Wir wollen herausfinden, welche Auswirkungen die Anwendung eines auf die Körperlichkeit der Sache reduzierten Substanzansatzes auf diese Fallgruppen hat. aa) Die Entwertung von Sachen Was die erste Fallgruppe anbelangt, so werden Fahrkarten, Konzertkarten und ähnliches wohl in den seltensten Fällen tatsächlich mit Rückgabewillen weggenommen, so dass die Zueignung der Substanz regelmäßig problemlos zu bejahen ist 1 4 0 . Man darf eine solche Finte höchstens bei einem mit den Details der Strafrechtsdogmatik vertrauten Juristen vermuten, doch auch dieser wird „der Strafbar135 Zu der Fallkonstellation der Warenauslieferung durch einen Pseudo-Boten vgl. 2. Kap, 3. und 5. Kap., 4.; die Fälle der Verschleierung eines Kassenfehlbetrages , die bisweilen als Sachwertzueignungen angesehen werden (BGHSt 9, S. 348 (350); 24, S. 115 (119 ff.); Tenckhoff, JuS 1984, S. 778), scheiden nach hier vertretener Auffassung von vornherein aus dem Bereich möglicher Sachzueignungen aus, da Tatobjekt hier erkenntlich keine Sache ist; der Fall der Preisgabe einer Sache nach ihrem Gebrauch wird unter 4. Kap., 1., b), bb) behandelt. 136 RGSt 50, S. 254 („Rabattmarkenfall"); RGSt 51, S. 97 („Lebensmittelkartenfall"). 137 BGHSt 5, S. 205 (206); 22, S. 45 (46); OLG Hamm, JMB1. NRW 1960, S. 230; JMB1. NRW 1962, S. 110 („Spritztourfälle"); OLG Celle, NJW 1967, S. 1921 („Taschenbuchfall").

138 RGSt 57, S. 199 („Rückveräußerungsfall", vgl. hierzu auch RGSt 40, S. 10 (12)); OLG Stuttgart, NJW 1970, S. 672 („Lottokartenfall"); BGHSt 19, S. 387 („Dienstmützenfall"); RGSt 55, S. 59 (60)(„Finderlohnfall"). Im weiteren Sinne gehören zu dieser Gruppe auch die Fälle der Deckung von Kassenfehlbeträgen mit Geldern des Eigentümers (vgl. etwa BGHSt 24, S. 115 (120)), da auch hier eine Sache des Eigentümers unter falscher Etikettierung diesem zugeführt wird. 139 RGSt 10, S. 369; 22, S. 2; 43, S. 17 („Sparbuchfälle"); BGHSt 35, S. 152 („ec-KartenFall"). 140 Ebenso Gössel, Pötz-FS, S. 52.

3. Kap.: Das Handlungsobjekt der Eigentumsdelikte - die Sache

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keit nicht entrinnen" 141 : Die Verwendung derartiger Legitimationspapiere (§ 807 BGB) dürfte in der Regel als Leistungserschieichung gem. § 265 a StGB erfassbar sein 142 ; dies gilt zwar nicht für Batterien 143 oder ähnliche Gegenstände, doch man darf hier auf die praktische Unwahrscheinlichkeit einer solchen Fallkonstellation verweisen, um die kriminalpolitische Diskussion zu entschärfen. Treten solcherlei Fälle auf, stehen dem Betroffenen zivilrechtliche Schadensersatzansprüche zu. Allein der fragmentarische strafrechtliche Eigentumsschutz erfasst solche Konstellationen nicht. bb) Der abnutzende Gebrauch Die Fallgruppe des abnutzenden Gebrauchs einer fremden Sache ist schwieriger zu lösen. Zu unterscheiden sind dabei einerseits Fälle, in denen der Täter die Sache dem Eigentümer zurückführen will, andererseits Fälle, in denen der Täter die Sache auf Dauer wie eine eigene nutzen will, ohne allerdings Verfügungen über sie vorzunehmen, die eindeutig als Enteignungen klassifizierbar wären (dazu unten cc)). Wendet man sich anfangs der ersten Konstellation zu, in der nach der Vorstellung des Täters der Eigentümer die Sache zurückerlangen soll, so gilt es, sich zunächst darauf zu besinnen, dass wir über Eigentumsdelikte nachdenken. Der Eigentümer erhält seine Sache entsprechend dem Täterplan zurück. Sie mag nicht mehr so ansehnlich sein wie zuvor und eventuell auch weniger wert, doch sie ist nach wie vor dieselbe Sache und der Berechtigte ist wieder in ihrem Besitz 144 . Es liegt bei einer solchen Konstellation gleich nah oder fern, ein Zueignungsdelikt für die strafrechtliche Erfassung zu bemühen, wie auch die Versuchung bestehen könnte, in der „Tathandlung" eine Sachbeschädigung zu erblicken: Das in § 303 StGB typisierte Unrecht (dem Eigentümer bleibt die Sache unbenommen, sie wird jedoch in ihrer Tauglichkeit beeinträchtigt) scheint doch hier viel eher verwirklicht. Zwar müsste dafür der Grundsatz aufgegeben werden, dass der bestimmungsgemäße Gebrauch der Sache keine Sachbeschädigung sein kann 145 , was niemand befürworten wird 1 4 6 - doch umso verwunderlicher erscheint es, dass für die Zueignungsdelikte 141

Gössel, a. a. O. Die Beförderung durch ein Verkehrsmittel oder der Zutritt zu einer Veranstaltung unter eigenmächtiger Vorlage des Berechtigungsausweises eines Dritten erfordert von dem Täter ein Verhalten, „als habe er das Entgelt entrichtet, das er für die von ihm in Anspruch genommene Leistung schuldet", wodurch der § 265 a StGB verwirklicht wird, vgl. BayObLG NJW 1969, S. 1042 (1043); Tröndle/Fischer, § 265 a, Rn. 2. W3 Beispielsfall bei Gropp, JuS 1999, S. 1043. 142

1 44 Kargl, ZStW 103 (1991), S. 146 f., merkt an, dass zu einem gewissen Maß an Abnutzung und damit auch Wertentziehung die meisten Arten des Gebrauchs einer Sache führen, auch die charakteristischsten Varianten des straflosen furtum usus. 145 Vgl. statt vieler Sch./Schr.-Stree, § 303, Rn. 10 (m. w. N.); abweichend Gössel, Strafrecht BT 2, § 4, Rn. 33. 146 Vgl. insb. Kargl, ZStW 103 (1991), S. 162: „Bezugs- und Schutzobjekt des § 303 ist die fremde Sache und nicht das von der Sache losgelöste Interesse der fremden Person.

2. Kritik der Theorien zum Objekt der Zueignung

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bereitwillig auf den Grundsatz verzichtet wird, dass die Sache in ihrer Körperlichkeit zugeeignet sein muss. Das Ergebnis zu Überlegungen in dieser Frage kann nur lauten: Weder die Zueignungstatbestände noch die Sachbeschädigungstatbestände erfassen den abnutzenden Gebrauch einer Sache, die der Eigentümer anschließend zurückerhält oder für den kein Enteignungsvorsatz nachweisbar ist, als strafbares Unrecht. Vielmehr ist hier die Funktion des Strafrechts als ultima ratio zu akzeptieren und die Störung des Eigentumsrechts zivilrechtlich zu ahnden. Der Schaden, der dem Eigentümer durch die Abnutzung entstanden ist, wird durch den Täter ersetzt werden müssen (§§ 992, 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz, 826, 249 ff. BGB) und hiermit muss das geschehene Unrecht angesichts der Tatsache, dass der Eigentümer seine Sache zurückerhalten hat, als ausgeglichen angesehen werden.

cc) Der andauernde Gebrauch Die zweite der beiden eben genannten Konstellationen, in der der Täter die Sache als eigene behalten will, führt häufig zu dem Vorwurf an die Adresse der Substanzlehre, dass sie nicht in der Lage sei, zu bestimmen, für welche Dauer die Sachsubstanz bei bloßem Gebrauch der Sache entzogen werden muss, um Zueignung der Sache annehmen zu können 147 , wieviel Zeit also verstreichen muss, um aus einem furtum usus objektiv eine Zueignung zu machen. Doch dieser Vorwurf ist unberechtigt, denn er vermengt Definitionsbemühungen um die Zueignungshandlung mit denen um das Zueignungsobjekt. Probleme, die sich in zeitlicher Hinsicht aus dem Entzug einer Sache ergeben, können schon aus logischen Gründen keinen Belang für die Frage haben, was entzogen werden muss. Die bei einer lang andauernden Sachentziehung bestehende Schwierigkeit, zu bestimmen, worin eine Zueignungshandlung erblickt werden könnte, hat keinerlei Auswirkungen auf die Bestimmung des ZueignungsObjektes 14*. Gleichgültig, was man als das Objekt der Zueignung begreift, sei es die Substanz der Sache, bestimmte Funktionen oder ihr Wert - der bloße Gebrauch der Sache unter stetiger, bestimmungsgemäßer Abnutzung bleibt für die Zueignungsdogmatik ein Problem 149 . Keine der hier diskutierten Theorien vermag in diesen Fällen Eindeutiges über das EnteignungsDamit ist klargestellt, daß die Sachbeschädigung nach Herkunft und Form kein Auffangtatbestand für Eigentumsverletzungen aller Art ist." 147 SK-Samson (4. Aufl.), § 242, Rn. 63; vgl. auch Paulus, Der strafrechtliche Begriff der Sachzueignung, S. 104 f. 1 48 Bezeichnend für die Unsicherheit, welches von beiden Elementen gerade diskutiert wird, ist ein Satz von Paulus, Der strafrechtliche Begriff der Sachzueignung, S. 107: „Folglich müssen nicht quantitative, sondern qualitative Kriterien über die Abgrenzung von Sachgebrauch und Zueignung entscheiden ( . . . ) . Um dieses Postulat vom Gegenstand oder Vorgang der Zueignung her zu begründen, hat die Substanzlehre bisher vergebens nach einem allen Zueignungssachverhalten gerechtwerdenden Kriterium gesucht." (Hervorhebungen von mir.) 149 Miehe, Heidelberg-FS, S. 493; Kargl, ZStW 103, S. 144 ff.

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3. Kap.: Das Handlungsobjekt der Eigentumsdelikte - die Sache

moment zu sagen, und das aus dem einfachen Grund, weil eine Theorie zum Objekt der Zueignung noch keine Antwort auf die Frage liefert, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Voraussetzungen sowohl Enteignung wie auch Aneignung vorliegen. Im Rahmen des Kapitels über die Anforderungen, die an die Zueignungshandlung zu stellen sind 150 , sowie in einem Abschnitt zur Zueignung durch Unterlassen 151 wird diese Frage von Bedeutung sein; an dieser Stelle jedoch wäre sie fehlplaziert. Es gibt insofern keine Strafbarkeitslücke, die bei Anwendung der Substanzlehre in den Fällen des lang andauernden Gebrauchs entsteht: Lücken entstehen womöglich bei der Bestimmung der Elemente Enteignung und Aneignung (was sich noch herausstellen muss); mit dem Objekt der Eigentumsdelikte hat diese Schwierigkeit nichts zu tun.

dd) Die Rückgabe der fremden Sache als eigene Einfacher zu lösen sind die Fälle der vierten genannten Gruppe, in denen sich der Täter dem wahren Eigentümer gegenüber als Eigentümer oder doch als Berechtigter ausgibt 152 : Dafür, dass sie jedenfalls keine gravierenden Verletzungen des Eigentums sind, wurde in der Literatur wiederholt Stellung bezogen 153 . Bei der Bestimmung des Rechtsguts der Eigentumsdelikte wurde schon erwähnt, dass solche Konstellationen bereits deshalb aus unseren Erwägungen ausscheiden müssen, weil es sich bei ihnen nicht um Eigentumsverletzungen handeln kann (vgl. 2. Kap., 3.). Strafbar ist ein solches Verhalten dennoch, da in allen diesen Fällen der Betrugstatbestand (§ 263 StGB) erfüllt ist. Eine Strafbarkeitslücke existiert nur dann, wenn der Täter dem Eigentümer seine Sache „schenkt", da ihm hieraus kein Vermögensvorteil resultieren kann. Doch mag man sich in einem solchen Fall der Frage stellen, ob es sich dabei wirklich um strafwürdiges, sozialschädliches Verhalten handelt. Jedenfalls wird man einräumen müssen, dass der Eigentümer in seinem Eigentumsrecht, wie wir es im 2. Kapitel definiert haben, nicht beeinträchtigt ist. Die strafrechtliche Erfassung als Zueignungsdelikt scheitert im Übrigen selbst dann, wenn der Täter durch Gewahrsamsbruch in den Besitz der Sache gekommen ist; da der Eigentümer die Sache zurückerhalten soll, fehlt es für die Bestrafung nach § 242 StGB an der erforderlichen Zueignungsabsicht (anders ist dies nur, wenn der Täter die Sache wahlweise dem Eigentümer oder einem Dritten verkaufen will 1 5 4 ). 150 Vgl. u. 4. Kap., l.,a). 151 Vgl. u. 5. Kap., 1. 152 Die herrschende Meinung erblickt in den Rückgabekonstellationen Zueignungen: BGHSt 24, S. 115 (119); Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 158 f.; Lackner/Kühl, § 242, Rn. 26; Sch. / Schr.-Eser, § 242, Rn. 50; Ranft, JA 1984, S. 277, 282; Wessels, NJW 1965, S. 1157; Rudolphi, GA 1965, S. 43; ausführlich zur philosophischen Problematik dieser Fälle: Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 111 ff. 153 Schröder, JR 1965, S. 27; Seelmann, JuS 1985, S. 290; Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 114; Miehe, Heidelberg-FS, S. 496 f. 154 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 115.

2. Kritik der Theorien zum Objekt der Zueignung ee) Die Verwendung von Legitimationspapieren

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oder -karten

Das Abheben von Geldbeträgen unter Vorlage fremder Sparbücher ist - anders als der Missbrauch fremder ec-Codekarten an Geldautomaten, der durch § 263 a StGB erfasst wird - de lege lata s t r a f l o s 1 5 5 , 1 5 6 . Das kriminalpolitische Unbehagen, das sich bei einem solchen Ergebnis einstellt, kann möglicherweise dadurch geschmälert werden, dass dies nicht nur bei Anwendung der Substanztheorie der Fall ist, sondern ebenso bei Anwendung der Sachwerttheorie 157 , soweit man sie mit der Literatur auf die Gewinnung des „lucrum ex re" beschränken w i l l 1 5 8 . Denn in den Sparbuchfällen muss der Täter gegenüber dem Schuldner (der Sparkasse oder Bank) das Geschäft des Forderungseinzuges vornehmen und zu dessen erfolgreicher Durchführung das Sparbuch vorlegen: Die LegitimationsWirkung des Sparbuches ist sein Vermögenswert, nicht die i m Sparbuch verbriefte Forderung; eine Änderung des Guthabensstandes ändert nichts an dem Legitimationswert 1 5 9 . Dies ergibt sich aus § 952 B G B sowie aus dem Umstand, dass das Sparbuch allein auch nicht verpfändet werden kann, da es i m Zivilrecht nicht als Vermögenswert anerkannt w i r d 1 6 0 . Gleiches gilt unter dem Aspekt der Zueignung für ec-Codekarten: 155 Der BGH erkannte vor Inkrafttreten des § 263 a StGB zudem auf Unterschlagung des erhaltenen Geldes im Moment der Besitzerlangung, vgl. BGHSt 4, S. 76 (77); 35, S. 152 ff. 156 A. A. für Sparbücher Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 167 ff.: Man könne davon ausgehen, dass der Bankangestellte die Berechtigung des Vorlegers zum Abheben des Geldes entweder positiv annimmt oder bei Zweifeln jedenfalls nicht gleichgültig ist, da sonst die Sparkasse wegen § 276 Abs. 2 BGB ohnehin nicht freiwerden könne - wodurch ein Irrtum gem. § 263 erregt sei, wenn der Abhebende nicht berechtigt ist. Maiwald belegt seine Ansicht mit Auszügen aus einem Handbuch für Sparkassenbedienstete, das eine Pflicht der Angestellten zu Überlegungen über die Berechtigung des Vorlegers konstituiert. Hiernach wäre durch entsprechende Handlungen § 263 verwirklicht. Miehe, Heidelberg-FS, S. 498, entgegnet hierauf, es überrasche, „daß eine Regelung, die im Interesse der Flüssigkeit des Verkehrs den Kassierer davon entlasten will, sich in jedem einzelnen Fall Gedanken über die materielle Berechtigung des Sparbuchinhabers zu machen, den Beweis dafür liefern soll, daß er sich solche Gedanken gemacht habe.(...) Eine realitätsnahe Würdigung muß davon ausgehen, daß sich der Bankkassierer dem Anschein, der von der Vorlage des Sparbuchs ausgeht, in aller Regel gar nicht entziehen kann, will er nicht die Kunden vor den Kopf stoßen ( . . . ) . " 157 Hier und im Folgenden: Gössel, Pötz-FS, S. 51. Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 167, bemerkt: „Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß Lehre und Rspr. das Abheben von fremdem Sparkassenbuch nur deswegen als strafbare Zueignung bezeichnen, weil anderenfalls im Gesetz eine Lücke entstünde. ( . . . ) Das erscheint unerträglich, und so wird der Versuch unternommen, die Lücke mit Hilfe der ,Sachwerttheorie* zu schließen. Man argumentiert also vom Ergebnis her ( . . . ) " , indem man die Sachwerttheorie so definiere, „daß sie den zu entscheidenden Fall umfaßt". iss Bockelmann, ZStW 65 (1953), S. 575; Sch./Schr.-Eser, § 242, Rn. 49; LK-Ruß, § 242, Rn. 49; Blei, BT S. 185; Schmidhäuser, Bruns-FS, S. 353; Otto, Struktur des strafrechtlichen Vermögensschutzes, S. 172 ff.; Tenckhoff, JuS 1980, S. 725. 159 Vgl. auch Otto, JZ 1993, S. 563; Kindhäuser, BT 2, Tb. 1, § 2, Rn. 83; vgl. außerdem die ausführliche Argumentation von Baumann, Die Absicht der Zueignung, S. 46 ff. 160 Palandt-Sprau, § 808, Rn. 6.

6 Kauffmann

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3. Kap.: Das Handlungsobjekt der Eigentumsdelikte - die Sache

Auch hier wird nur durch die Verwendung der Sache ein Gewinn erzielt und nicht der der Sache selbst innewohnende Wert geschmälert, die Karte ist danach so gut wie zuvor als „Schlüssel" zum Konto des Berechtigten verfügbar 161 . Ebensowenig wie die missbräuchliche Vorlage eines Personalausweises zur Erlangung materieller Vorteile eine Zueignungshandlung darstellen kann, weil es sich bei diesen Vorteilen lediglich um ein „lucrum ex negotio cum re" handelt, kann deshalb die Vorlage eines Sparbuches oder die Verwendung einer ec-Codekarte zur Erlangung von Geldbeträgen Zueignung sein 162 , und zwar weder bei Anwendung der Substanztheorie, noch nach Maßgabe einer restriktiven Sachwert- oder Vereinigungslehre, wie sie die herrschende Meinung in der Literatur vertritt 1 6 3 ' 1 6 4 .

ff) Die Drittzueignung Die prekärste aller diskutierten Strafbarkeitslücken indessen ist durch den Gesetzgeber selbst jüngst geschlossen worden: Das 6. StrRG von 1998 hat die Drittzueignung in die Zueignungstatbestände aufgenommen. Einer gewaltsamen Einordnung unter den Begriff des Sich-Zueignens bedarf es nicht mehr 165 . Die Konstellation der Weitergabe der Sache an einen Dritten unterschied sich auch vor dieser Neuerung von den dargelegten Konstellationen insofern, als hier der Eigentümer die Sache nicht zurückerhalten soll; sie stellt deswegen ein für die Argumentationslinie der Sachwertlehre untypisches Moment dar - wenn sie auch quantitativ durchaus bedeutsamer als die vorgenannten Fallgruppen ist, weshalb ihre gesetzliche Nichterfassung bislang als einer der Eckpfeiler der Beweisführung diente. So formulierte beispielsweise Samson: Solange das Gesetz voraussetze, „dass der Täter die Sache sich zueignet, wird man im Aneignungsbereich die Berücksichtigung von Sachwertgesichtspunkten nicht vermeiden können" 166 . Im Umkehrschluss müsste dies bedeuten, dass eine de lege lata strafbare Drittzueignung 161 A. A. die h. M.: Sch./Schr.-Eser, § 242, Rn. 50; LK-Ruß, § 242, Rn. 47 f.; zusammenfassend: Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 129 ff., insbesondere Rn. 134. 162 Gössel, Pötz-FS, S. 52. 163 LK-Ruß, § 242, Rn. 48 f.; Sch./Schr.-Eser, § 242, Rn. 49; Schröder, JR 1965, S. 27; Tenckhoff, JuS 1980, S. 725. 164 Im Übrigen entstünden bei wirklich konsequenter Anwendung einer auf das „lucrum ex re" beschränkten Sachwertlehre weitere bizarre durch deren Vertreter verschwiegene Missstände: So wären sämtliche Diebstähle von Geld(scheinen) dem § 248 a StGB wegen des geringen Wertes der Sache unterzuordnen, wenn man wirklich auf den Sachwert, hier also den Papierwert abstellen wollte - dieser wird auch bei hohen Summen nicht mehr als wenige Pfennige betragen. Ähnlich liegt es bei Telefonkarten, Eintrittskarten, etc. - All diese Probleme lassen sich vermeiden, indem man nicht auf den Wert, sondern auf die Körperlichkeit einer Sache abstellt. 165 Zu einer vertieften Auseinandersetzung mit der Drittzueignung auch in Hinblick auf Sachwertgesichtspunkte vgl. Kap. 5, 2. 166 SK-Samson (4. Aufl.), § 242, Rn. 77.

3. Das Objekt der Zueignung

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dem Verzicht auf Sachwertgedanken auch seine kriminalpolitische Brisanz nehmen müsste. Doch darüber hinaus offenbart die Einführung der Drittzueignungskomponente durch das 6. StrRG, dass der Gesetzgeber eben gerade nicht von der bisherigen tatbestandlichen Erfassung der Drittzueignung ausgegangen sein kann. Denn wären Drittzueignungen schon vom Wortlaut der §§ 242, 246 StGB a.F. gedeckt gewesen, so hätte es einer Neuformulierung nicht bedurft 167 . Eine ausführliche Erörterung der Frage, inwieweit Fälle der Drittzueignung gar vor dem 6. StrRG bereits auf dem Boden der Substanztheorie lösbar waren, bleibt dem 5. Kapitel vorbehalten, um sie im Kontext sämtlicher die Drittzueignung betreffender Aspekte zu beantworten 168 .

3. Das Objekt der Zueignung Es zeigt sich, dass die bei Anwendung der Substanzlehre befürchteten Strafbarkeitslücken regelmäßig entweder gar nicht bzw. nicht mehr bestehen, oder auch bei folgerichtiger Anwendung der Sachwert- oder Funktionenlehre nicht geschlossen werden könnten. Kriminalpolitische Einwände gegen eine Substanzlehre dürften damit weit gehend entkräftet sein - vorausgesetzt, der Substanzansatz wird auf einen „Körperlichkeitsansatz" reduziert. Das Gesetz bezeichnet im Gegensatz zur Zueignungshandlung deren Objekt mit erfreulicher Klarheit, nämlich die Sache als körperlichen Gegenstand, der allein in seiner Körperlichkeit eigentumstauglich ist und deshalb auch nur in seiner Körperlichkeit geschützt werden kann. Da der insoweit modifizierte Substanzansatz aus den Eigentumsdelikten schlüssig zu deduzieren ist, gilt es, die verbliebenen Strafbarkeitslücken hinzunehmen - sie zu schließen ist allein Auftrag der Legislative. Es kann nicht die Aufgabe der Lehre sein, vorhandene Mängel durch Auslegungen praeter legem unkenntlich zu machen und damit den Gesetzgeber von seiner in Art. 103 Abs. 2 GG verankerten Verantwortung zu entbinden.

167 Küper, BT, S. 420 f.; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 154; vgl. im Übrigen u. Kap. 5,2. 168 Vgl. u. Kap. 5.,2. 6*

4. Kapitel

Die Zueignungshandlung „ Soll es etwa für die Zueignung ausreichen, wenn sich der Finder nach dem Einstecken der Geldtasche noch einmal ängstlich nach allen Seiten umschaut und dann seitwärts in die Büsche verschwindet? Oder soll man warten, bis der Tater die dem Fundbüro entgegengesetzte Richtung einschlägt, oder gar, bis einige Tage vergangen sind oder schließlich bis zum Verstecken der Geldtasche ? Genügt es, wenn der Finder das Behaltenwollen der Sache vernehmlich äußert? Muss man danach differenzieren, wem gegenüber diese Äußerung fällt und ob die Äußerung geglaubt wird? Oder ist das Ableugnen des Besitzes gegenüber dem Eigentümer jener entscheidende Schritt, der die Zueignung vollzieht? Muss der Eigentümer zusätzlich davon überzeugt sein, der Tater habe die Sache nicht? Es werden alle denkbaren Auffassungen vertreten. Die Verwirrung über Art und Zeitpunkt jenes Verhaltens, das als Manifestation der Zueignung gelten kann, ist also ziemlich perfekt. " Walter Kargl, 19911

Mit der Bestimmung des Handlungsobjektes der Eigentumsdelikte ist ein erster Aspekt eines materiellen Zueignungsbegriffs erschlossen: Jede Handlung, die Zueignung sein soll, das ist nun klar, kann sich nur auf eine Sache in ihrer Körperlichkeit beziehen, ohne Ansicht ihres Wertes oder ihrer Funktionen. Ob die Sache nach dem Vorgang, der als Zueignung in Betracht kommt, weniger wert ist als zuvor, spielt ebenfalls keine Rolle; auch ob der Täter durch sie Vorteile erlangt hat, bleibt ohne jede Relevanz - jedenfalls so lange wir uns innerhalb der Eigentumsdelikte bewegen. Ganz besonders aber wurde durch die im dritten Kapitel getroffene Entscheidung für einen erweiterten Substanzansatz eine klare Grenzziehung zwischen Zueignungsobjekt und Zueignungshandlung ermöglicht. Die Frage, was bei einem Eigentumsdelikt entzogen wird, kann uns nun nicht mehr den Blick trüben bei der Klärung der Frage, wie und auf welche Weise eine Sache zugeeignet wird. Eine Vermengung dieser beiden Fragestellungen, die sich beinahe in der gesamten Literatur zum Zueignungsbegriff findet 2, führt zwangsläufig zu falschen Ergebnissen 1 Kargl, ZStW 103 (1991), S. 164 f. 2 Statt vieler z. B. Sch./Schr.-Eser, § 242, Rn. 49; vgl. auch Otto, JZ 1993, S. 563: die Diskussion um das Objekt der Zueignung wird unter der Überschrift „Absicht, sich die Sache

4. Kap.: Die Zueignungshandlung

bei der Untersuchung der Zueignungshandlung3 oder lässt die entscheidenden Fragen schließlich offen, da mit der Entscheidung für Substanz-, Funktionen- oder Sachwertlehre der Inhalt der Zueignung irrtümlich für erfasst gehalten wird. Beispielhaft sei die Kommentierung Samsons im Systematischen Kommentar dargestellt4: Hier wird zwar zunächst eine Darstellung des Streits um den Inhalt der Zueignung angekündigt und sofort die Notwendigkeit des Vorliegens der Elemente Aneignung und Enteignung erwähnt - deren Definition „unmittelbar über die Reichweite des strafrechtlichen Eigentumsschutzes" entscheiden soll - 5 , um sodann jedoch zu erklären, die zutreffende Definition des Zueignungsbegriffs werde durch Substanz-, Sachwert- und Vereinigungstheorie umstritten 6. Es folgen im Weiteren ein kurzer Abriss der Grenzkonstellationen von Zueignung und Sachentziehung sowie Gebrauchsanmaßung7 und darauf eine breite Darstellung der verschiedenen Objektlehren und ihrer Konsequenzen8. In seiner anschließenden Stellungnahme befürwortet Samson die Berücksichtigung von Sachwertgesichtspunkten9, hernach werden nur noch die Vorsatzform 10 und die Rechtswidrigkeit der Zueignung11 angesprochen - und damit ist die Diskussion um den Zueignungsbegriff beendet. Über den Inhalt ZueignungsHandlung haben wir wenig erfahren. Es soll im Weiteren für die Bestimmung der Zueignungshandlung an die Ergebnisse des vorangegangenen Kapitels lediglich insoweit angeknüpft werden, als zur Diskussion überhaupt nur Handlungen stehen, die sich auf Sachen in ihrer Körperlichkeit beziehen. Ausscheiden müssen mangels tauglichen Handlungsobjekts Verhaltensweisen, die sich um den wirtschaftlichen Wert der Sache ranken, ohne dem Eigentümer die Sache als solche zu nehmen. Die Bestimmung der Zueignungshandlung wird dadurch erleichtert: Denn nicht selten produzieren Sachwert- bzw. Vereinigungslehre als unliebsame Folge hochgradig abstrakte Lesarten zum Inhalt der Zueignung, weil sie der unübersehbaren Tatsache Herr werden müssen, dass der Eigentümer seine Sache „eigentlich" zurückerhält. »zuzueignen'" geführt, statt diese Ausführungen mit „Absicht, sich die ,Sache4 zuzueignen" zu überschreiben. Bei Kudlich, JuS 2001, S. 771 werden Überlegungen zur Berechtigung der Substanztheorie unter der Überschrift „Die Anforderungen an die Manifestation des Zueignungswillens als Mittel der gebotenen Tatbestandsrestriktion" gebracht. 3 Baumann, Die Absicht der Zueignung, S. 25; Krey, BT 2, Rn. 51; Androulakis, JuS 1968, S. 411. 4 SK-Samson (4. Aufl.), § 242, Rn. 54-78. 5 SK-Samson (4. Aufl.), ebenda, Rn. 55 f. 6 SK-Samson (4. Aufl.), ebenda, Rn. 57 f. 7 SK-Samson (4. Aufl.), ebenda, Rn. 60-64. 8 SK-Samson (4. Aufl.), ebenda, Rn. 64-73. 9 SK-Samson (4. Aufl.), ebenda, Rn. 74 ff., wobei es zu einer weiteren interessanten Vermischung kommt: der nämlich von Funktionen- und Drittzueignungslehre, die inhaltlich keinen zwingenden Zusammenhang aufweisen, außer dem einen, von Rudolphi in seinem bemerkenswerten Aufsatz im GA 1965, S. 33 ff. vertreten worden zu sein. 10 SK-Samson (4. Aufl.), ebenda, Rn. 79. 11 SK-Samson (4. Aufl.), ebenda, Rn. 80-90.

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4. Kap.: Die Zueignungshandlung

In diesem Kapitel soll es nun um das Verhalten, die Handlung, den Vorgang gehen, den wir „Zueignen" nennen. Die Frage ist also, wie sich ein Täter verhalten muss, um sich eine Sache in ihrer Körperlichkeit zuzueignen. Wo verläuft die Grenze zu weniger intensiven Formen der Eigentumsverletzung (wie etwa der Gebrauchsanmaßung) oder qualitativ anderen Beeinträchtigungen (wie der Sachbeschädigung oder der - strafrechtlich nicht normierten - Sachentziehung)? Wir finden den Begriff „Zueignen" in mehreren Tatbeständen. Prototypen der Zueignungsdelikte sind die Unterschlagung (§ 246 StGB) und der Diebstahl (§ 242 StGB) nebst dem Raub (§ 249 StGB). Weitere Delikte, die den Zueignungsbegriff als Tatbestandsmerkmal enthalten - etwa §§ 248 c, 292, 293 StGB - , wurden vom Gesetzgeber den klassischen Eigentumsdelikten nachgebildet12. Der Begriff der Zueignung existiert seinem Wortlaut nach also in zwei Grundformen: als Absicht in § 242 StGB und als positives Verhalten in § 246 StGB 13 . Die Zueignungsabsicht der Raubtatbestände §§ 249 ff. StGB unterscheidet sich dagegen nicht von der des Diebstahls, denn der Diebstahl ist neben der Nötigung komplett im Raub enthalten. Dass der Zueignungsbegriff in § 242 und § 246 StGB notwendig derselbe sein muss, wird gemeinhin als selbstverständlich vorausgesetzt und wurde - soweit ersichtlich - niemals angezweifelt 14. Man möchte meinen, dies ergebe sich aus dem Verhältnis jener beiden Tatbestände zueinander, die sich im Rahmen des Eigentumsschutzes gegenseitig ergänzen 15. Dabei müsste die Zueignungsabsicht des § 242 StGB die ins Subjektive übertragene Zueignung aus § 246 StGB sein, so dass beim Diebstahl im subjektiven Tatbestand das zu prüfen wäre, was bei der Unterschlagung im objektiven Tatbestand verwirklicht sein muss. Eine solche in sich schlüssige Zueignungsdogmatik existiert jedoch nicht und es scheint, als werde sie nicht einmal angestrebt. Die Anforderungen der herrschenden Meinung an das, was der Täter beim Diebstahl bezwecken müsse und das, was er bei der Unterschlagung zu verwirklichen habe, unterscheiden sich ungemein. Keinesfalls lässt sich für eine Untersuchung von der scheinbar nächstliegenden Möglichkeit ausgehen, die wäre, zunächst zu prüfen, was die objektive Zueignungshandlung des § 246 StGB ausmacht, um dann für § 242 StGB die Ergebnisse nur noch ins Subjektive zu tragen 16. Im Gegenteil wird die Diskussion um die inhaltlichen Elemente des Zueignens beinahe ausschließlich im Rahmen der Diebstahlsdogmatik geführt, wohingegen für die Verletzungshandlung der Unterschlagung nur noch Fragen der äußeren Form von Bedeutung zu sein scheinen. 12

Vgl. Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 16. Zur Frage, ob § 242 einen eigenständigen, in der Wegnahme mitverwirklichten oder dieser nachfolgenden Zueignungsakt verlangt, vgl. Gössel, ZStW 85 (1973), S. 591 ff., insb. S. 595 ff. Ausführlicher s. u. 1. e). 14 Vgl. u. 2., a); repräsentativ etwa SK-Samson (4. Aufl.), § 246, Rn. 25; einschränkend allein Maiwald, z. B. S. 229. 15 Paulus, Der strafrechtliche Begriff der Sachzueignung, S. 30. 16 Vgl. dagegen z. B. Tenckhoff, JuS 1980, S. 726. 13

1. Die beabsichtigte Zueignung beim Diebstahl, § 242 StGB

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Im Folgenden sollen deshalb jeweils getrennt voneinander erst der Meinungsstand zur (beabsichtigten) Zueignung des § 242 StGB und erst im Anschluss zur (vollbrachten) Zueignung des § 246 StGB erörtert werden, womit gleichzeitig illustriert und bewiesen wird, dass diese sich nicht entsprechen. Es wird anschließend die Frage gestellt, ob die Zueignungsbegriffe dieser beiden Tatbestände notwendig einheitlich ausgelegt werden müssen. Im Zuge der Beantwortung dieser Frage wird ein eigener Ansatz für eine Zueignungsdogmatik entwickelt.

1. Die beabsichtigte Zueignung beim Diebstahl, §242 StGB Nach allgemeiner Auffassung setzt sich die von einem Dieb beabsichtigte Zueignung inhaltlich aus den Elementen Enteignung und Aneignung zusammen17. Dabei betrifft die Enteignung das Interesse, das der Täter auf der Seite des Eigentümers verletzt, die Aneignung dagegen das Interesse, das der Täter selbst verfolgt 18 . Die Bezeichnung dieser beiden Elemente stammt von Binding 19, der darunter die Verneinung des Eigentümerwillens einerseits und die Unterwerfung der Sache unter den Herrscherwillen des Täters andererseits verstand 20. Dass tatsächlich beide Elemente zur Zueignung gehören, lässt sich aus verschiedenen Perspektiven begründen. Da wäre zunächst ein linguistischer, auf den Wortsinn Bezug nehmender Ansatz. In der linguistischen Morphologie ist insoweit unbestritten, dass Verbalpräfixe, wie sie die Vorsilben Ent-, An-, und Zu- darstellen, syntaktische Wirkungen haben21 und namentlich auch Inhaltsmerkmale bestimmter Art hinzubringen können. Aneignung beschreibt, morphologisch gesehen, einen Kontakt oder eine Annäherung, während Ent-eignung ein Entfernen signalisiert. Zu-eignen, das ebenfalls Kontakt bedeutet, steht dabei in Konkurrenz mit dem Vorgang der An-eignung, zu dem aber gleichzeitig die Ent-eignung ein notwendiges Gegenstück im Rahmen der beschriebenen Bewegung bildet 22 . Wenn die Zu-eignung also eine Dynamik auf et17 LK-Ruß, § 242, Rn. 50; Krey, BT 2, Rn. 55 ff.; SK-Samson (4. Aufl.), § 242, Rn. 56; Sch./Schr.-Eser, § 242, Rn. 47; Mäurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 33, Rn. 39; Duttge/ Fahnenschmidt, ZStW 110 (1998), S. 895; Rönnau, GA 2000, S. 411; Schmidhäuser, BrunsFS, S. 348; Haft, BT, S. 146; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 136 ff.; Eser, Strafrecht IV, S. 26; BGH, NStZ 1981, S. 63; JR 1985, S. 251 (252), m. Anm. Rudolphi; a.A. lediglich Arzt/Weber, BT, § 13, Rn. 86 ff. 18

Schmidhäuser, Bruns-FS, S. 348; dagegen wird die Bezeichnung „Aneignung" auch teilweise synonym für „Zueignung" verwendet; dies mag damit zusammenhängen, dass der juristischen „Zueignung" das alltagssprachliche „aneignen" am ehesten entspricht, vgl. Haft, BT, S. 145. 19 Binding, Lehrbuch BT, S. 264, Fn. 2. 20 Binding, Lehrbuch BT, S. 268. 21 Kühnhold/Wellmann, Das Verb, Band I, S. 142.

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4. Kap.: Die Zueignungshandlung

was hin beschreibt 23, dann enthält dies zwingend zwei Aspekte: Die Bewegung von etwas weg oder aus etwas heraus (als Ent-eignung) und die Bewegung auf etwas zu oder an etwas heran (als An-eignung). Eine Bewegung auf etwas zu ist ohne das Entfernen von etwas anderem nicht denkbar. Auch die Einbeziehung der im zweiten Kapitel angestellten Überlegungen zur Struktur von Eigentumsverletzungen steht diesem Ergebnis nicht entgegen: Für die Frage der Rechtsgutsverletzung gilt es zwar, sich vom herkömmlichen Eigentumsverständnis zu lösen und nicht mehr die Sachherrschaft, sondern das Rechtsverhältnis zwischen Täter und Eigentümer zu fokussieren. Für die Frage der Bestimmung des Zueignungsvorganges, der sich immer und unmittelbar auf eine Sache selbst bezieht, muss sich der Blick jedoch über das in der Enteignung liegende Element der Eigentumsverletzung hinwegheben und den Gesichtspunkt des faktischen Umgangs mit einer Sache einbeziehen. Auch logische Erwägungen bestätigen daher die notwendige Zweiseitigkeit des ZueignungsVorganges: Die Einverleibung eines Objekts in den eigenen Güterbestand nimmt dieses Objekt zwingend aus der Sphäre des eigentlich Berechtigten heraus. Weiß man nun immerhin, dass sich im Vorgang der Zueignung zweierlei finden muss, nämlich die Enteignung und die Aneignung, so ist doch der materielle Gehalt jedes dieser beiden Elemente bis heute umstritten. Freilich beschränkt sich der Konflikt zumeist auf unterschiedlich lautende Definitionen, die ohne intensivere Auseinandersetzung formuliert werden. Doch es hängt viel ab von diesen Formulierungen, denn häufig geht es dabei nicht um semantische Spitzfindigkeiten, sondern um die Grenzmarkierung zwischen strafbarem und straffreiem Verhalten: Ist eine Aneignung, nicht jedoch eine Enteignung gegeben, so liegt ein bloßer - im Normalfall strafloser - furtum usus vor 2 4 ; hat ein Täter dagegen den Eigentümer 22

In 74,4% des Gesamtbestandes aller Präfixverben mit „an-" stellt dieses Verbalpräfix einen Kontakt bzw. eine Annäherung dar (vgl. Kühnhold/Wellmann, S. 144); Leitformen sind „anhaften", „etwas anheften" oder „angeboren" (a. a. O., S. 177). In 21% signalisiert „an-" einen Beginn, so z. B. bei „anfahren" oder „etwas anbeißen" (a. a. O., S. 281). In 3,2% der Fälle bedeutet das Präfix „an-" das Überführen in einen Zielzustand, so bei „anfertigen", in 1,4% eine Intensivierung („ansteigen") (a. a. O., S. 144 f.). „Ent-" signalisiert dagegen nahezu immer (95%) ein Entfernen, meist mit dem Nebensinn einer Bewegung aus etwas heraus (a. a. O., S. 218), mit der adjektivischen Basis, die einen Zustand bezeichnet, der aufgehoben wird (a. a. O., S. 220), (hier das "-eignen"). In 3% aller vorkommenden Fälle zeigt „ent-" einen Beginn an („entbrennen", „etwas entzünden") (a. a. O., S. 148), in 2% einen Zielzustand („etwas entfernen", „entleeren") (a. a. O., S. 295). „Zu-" bezeichnet in 69,8% seines Gesamtbestandes die Richtung auf eine Person oder Sache hin im Sinne eines angestrebten Kontaktes (a. a. O., S. 188), so bei „zuordnen", „zufügen", „zuleiten". In 29,4% signalisiert „zu-" ein Schließen, wobei „zu-" in Opposition zu „auf-" steht: „zuschließen", „zubinden", „zudecken" (a. a. O., S. 346), und in lediglich 0,8% bedeutet „zu-" eine Intensivierung („etwas zulassen") (a. a. O., S. 154). Als Beispiel für Konkurrenzen zwischen „an-" und „zu-" nennen die Autoren ausdrücklich das Wortpaar „sich etwas aneignen" und „jemandem etwas zueignen" (a. a. O., S. 208). 23 Ähnlich Gössel, Strafrecht BT 2, § 6, Rn. 54; Otto, Struktur des strafrechtlichen Vermögensschutzes, S. 113.

1. Die beabsichtigte Zueignung beim Diebstahl, § 242 StGB

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enteignet, ohne sich die Sache angeeignet zu haben, so hat er hier eventuell ebenfalls exakt in die Kerbe einer Strafbarkeitslücke geschlagen und eine Sachentziehung begangen, die unter keines der Eigentumsdelikte subsumierbar ist 25 . Da der Diebstahl in seinen Qualifikationen über einen Strafrahmen von bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verfügt, ist es von entscheidender Bedeutung, die Grenzgebiete genau abzustecken. Dies ist im Übrigen nichts Neues und wurde bereits von verschiedenen Autoren verlangt - dennoch steht eine befriedigende Abgrenzung bis heute aus.

a) Die Enteignung Die Enteignung stellt das „neminem laede" der Eigentumsdelikte dar, diejenige Seite der Zueignung, durch die dem Eigentümer nach herkömmlicher Auffassung etwas genommen wird. aa) Der Meinungsstand zur Enteignung Diese negative Komponente der Zueignung besteht den Stimmen der Literatur zufolge in der „Entziehung der Sache"26 bzw. „Sachherrschaft" 27, der „Entsetzung des Eigentümers aus seiner Verfügungsgewalt" 28, dem „dauernden Ausschluss des Berechtigten" 29 oder der „Verdrängung des Eigentümers aus seiner bisherigen Position" 30 bzw. seiner „Rechtsmacht"31 oder „wirtschaftlichen Position" 32 . Da das Merkmal der Enteignung u. a. dazu dienen soll, die Zueignung von der Gebrauchsanmaßung unterscheidbar zu machen, wird zumeist verlangt, die Enteignung müsse eine dauernde sein 33 , wenigstens aber auf Dauer angelegt sein 34 . Dies sei etwa der Fall, wenn die Sache verbraucht, vermischt, verarbeitet oder verkauft werde 35 oder nach Gebrauch weggeworfen oder vernichtet werde 36 , da in all die24 Ausnahmen sind hier §§ 248 b, 290. 25 Je nach Fallkonstellation könnte er auch eine strafbare Sachzerstörung (§ 303) begangen haben. 26 LK-Ruß, § 242, Rn. 50; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 343. 27 Otto, JZ 1993, S. 563. 28 LK-Ruß, § 242, Rn. 51. 29 BGHSt 1, S. 262 (264); 16, S. 190 (192); Lackner/Kühl, § 242, Rn. 21; Tröndle/Fischer, § 242, Rn. 18. 30 Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 136. 31 Gössel, Strafrecht BT 2, § 6, Rn. 57. 32 Krey, BT 2, Rn. 56; Sch. / Schr.-Eser, § 242, Rn. 47. 33 Lackner/Kühl, § 242, Rn. 21; Kargl, ZStW 103 (1991), S. 152; Sch./Schr.-Eser, § 242, Rn. 51. 34 Tenckhoff, JuS 1980, S. 724. 35 Kargl, ZStW 103 (1991), S. 184. 36 Sch./Schr.-Eser, § 242, Rn. 52.

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4. Kap.: Die Zueignungshandlung

sen Fällen der Eigentümer seine Sache endgültig verliere. Otto bemerkt indessen, das Erfordernis der Dauerhaftigkeit begründe „Missverständnisse, denn in der Praxis kommt ihm keinerlei Bedeutung zu" 3 7 . Im Ergebnis wird die Enteignung nämlich auch dann als dauernd und damit als vollendet erachtet, wenn die Sache nach Gebrauch derart entäußert wird, dass sie dem Zugriff Dritter preisgegeben ist und es dem Zufall überlassen bleibt, ob der Eigentümer sie zurückerlangt 38 - und zwar selbst dann, wenn am Ende der Eigentümer dank eines Zufalls oder dank eines unwahrscheinlichen, aber doch möglichen Verlaufs der Dinge die Sache tatsächlich zurückerhalten sollte 39 . Weil hier die begriffliche Logik in eine Schieflage gerät, wird teilweise zugestanden, dass es ausreiche, wenn die Enteignung „als dauernd gewollt" 40 sei. Sie müsse deshalb nicht tatsächlich „für immer" währen oder „unbedingt endgültig" bleiben 41 . Grund für diese Restriktion sei die mangelnde Fähigkeit des Täters, auf die tatsächliche Dauer Einfluss zu nehmen; sie stehe „so wenig in der Macht des Täters wie die Dauer des Heilprozesses einer Wunde" 42 . Der vollständigen Verlagerung des Dauer-Erfordernisses auf die innere Tatseite tritt eine Erweiterung der Vorsatzform zur Seite: Insbesondere bei den praktisch besonders relevanten Fällen der Entwendung eines Kfz, das nach kurzer Fahrt irgendwo unverschlossen stehen gelassen wird 4 3 , kann jedenfalls von der Absicht dauernder Enteignung keine Rede mehr sein 44 . Die herrschende Meinung verlangt entsprechend lediglich dolus eventualis bezüglich der Enteignung45. Teilweise wird eine Haltung des Täters als genügend erachtet, die - streng genommen - nicht einmal mehr dolus eventualis bezüglich der Enteignung erkennen lässt, sondern vielmehr bewusste Fahrlässigkeit. So etwa, wenn Maiwald äußert: „Geht die Täterabsicht dahin, den Wagen an einem Ort abzustellen, wo die Gefahr des Verlustes besteht, und kennt der Täter die Umstände, die diese Gefahr begründen, so kann 37 Otto, JZ 1993, S. 563; ders., Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, § 40, Rn. 57: „Nicht die Dauer des Gebrauchs ist ein brauchbares Abgrenzungskriterium zur straflosen Gebrauchsanmaßung, sondern allein die Art und Weise des Gebrauchs." 38 Sch. / Schr.-Eser, § 242, Rn. 54; BGHSt 22, S. 45. 39 BGHSt 13, S. 43. 40 Maurach/Schroeder/Maiwald, BT1, § 33, Rn. 39. 41 Tenckhoff, JuS 1980, S. 724. 42 Binding, Lehrbuch BT, S. 264. 43 BGHSt 22, 45 (46 f.); VRS 51, S. 210 (211); NJW 1987, S. 266=JR 1987, S. 342 m. Anm. Keller (S. 343). 44 Vgl. zu diesen Fällen auch Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 174 f. 45 Gehrig, Absichtsbegriff, S. 59; Ranft, JA 1984, S. 279; Gropp, JuS 1999, S. 1043; Mäurach/Schroeder/Mai wald, BT 1, § 33, Rn. 55; Mitsch, BT 2, TB 1, § 1, Rn. 107; LK-Ruß, § 242, Rn. 51, 55; Sch./Schr.-Eser, § 242, Rn. 64; Krey, BT 2, Rn. 56; Tröndle/Fischer, § 242, Rn. 41; Androulakis, JuS 1968, S. 413, Fn. 39; BGH, VRS 51, S. 210. A. A.: Gössel, Strafrecht BT 2, § 7, Rn. 110: Entsprechend dem Wortlaut des § 242 sei dolus directus 1. Grades auch für die Enteignung zu verlangen; widersprüchlich demgegenüber die Auffassung zu den Fällen der Preisgabe eines Kfz, a. a. O. § 6, Rn. 60.

1. Die beabsichtigte Zueignung beim Diebstahl, § 242 StGB

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ihm sinnvollerweise auch der fromme Wunsch nicht helfen, der Eigentümer möge sein Fahrzeug trotzdem wiedererhalten. Schon dass der Täter bewusst die Eigentümerinteressen zur Erreichung eigener Zwecke gefährdet, muss für die Diebstahlsstrafe ( . . . ) ausreichen." 46 Vom Erfordernis der Absicht der „dauernden Enteignung" bleibt so in der praktischen Handhabung einschlägiger Fälle nicht viel übrig. Große Probleme bereitet - wiederum in Hinblick auf das Merkmal der Dauer die Bestimmung des als Enteignung geltenden Vorgangs, wenn der Täter die Sache schlicht über lange Zeit zu benutzen beabsichtigt, ohne dass es zu einem einmaligen, intensiveren Einschnitt kommen soll, der den Eigentümer eindeutig enteignet. Gemeint sind Fälle wie etwa die „Wegnahme eines offenen Sportzweisitzers für die Dauer der schönen Jahreszeit" 47 oder der unberechtigte Gebrauch eines „Kahns für die Dauer der Saison"48. Soll im letzteren Fall Zueignung zu bejahen sein, wohingegen die Wegnahme desselben Kahns „für eine Mondscheinfahrt" bloß furtum usus wäre 49 ? An welchem geheimnisvollen Zeitpunkt träte dann die Verwandlung der Gebrauchsanmaßung in eine Zueignung ein? Rudolphi weist darauf hin, dass der Unterschied zwischen furtum usus und Zueignung nur noch quantitativer, nicht mehr qualitativer Art wäre, wenn man sich auf einen Zeitpunkt festlegte 50. Entgegen Welzel liege deshalb in der Entwendung eines Kahns für die Dauer eines Sommers keine Zueignung, weil der Kahn auch nach seiner Rückgabe dem Eigentümer die gleichen Verwendungsmöglichkeiten biete wie zuvor 51 . Die klare gesetzgeberische Entscheidung für die Straflosigkeit des unbefugten Gebrauchs fremder Sachen52 mache hier allerdings eine präzise Grenzziehung zwischen strafbarer Zueignung und strafbarem Gebrauch unumgänglich53. Zu bedenken sei auch, dass weder § 248 b noch § 290 StGB in irgendeiner Weise auf die zeitliche Dauer des In-Gebrauch-Nehmens abstellten54. Soweit ersichtlich besteht angesichts dieser Schwierigkeiten einvernehmliche Hilflosigkeit vor dem Problem des Langzeit-Gebrauchs. Die Dauer der Besitzentziehung müsse der dauernden Enteignung praktisch gleichkommen; das ist die vage Forderung von Schweder 55, und Maiwald klagt: „Natürlich ist es schwierig, 46 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 181; an anderer Stelle fordert Maiwald ausdrücklich jedoch dolus directus 2. Grades, a. a. O., S. 176 f. 47 Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 33, Rn. 40. 48 Welzel, Das deutsche Strafrecht, 11. Aufl., S. 342. 49 So Welzel, Das deutsche Strafrecht, 11. Aufl., S. 342. so Rudolphi, GA 1965, S. 48.

51 Rudolphi, GA 1965, S. 47. 52 Der Charakter der §§ 248 b, 290 als Ausnahmetatbestände ist insoweit eindeutig: Lediglich der unbefugte Gebrauch von Kraftfahrzeugen, Fahrrädern und Pfandsachen ist strafbar. Alle anderen Fälle des In-Gebrauch-Nehmens dagegen bleiben straflos. 53 So auch Kargl, ZStW 103 (1991), S. 144. 54 Rudolphi, GA 1965, S. 48. 55 Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 33, Rn. 40; ähnlich Sch./Schr.-Eser, § 242, Rn. 53; Binding, Lehrbuch BT, S. 264.

4. Kap.: Die Zueignungshandlung

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eine genaue Grenzlinie in Jahren anzugeben"56, bewegt sich jedoch in Beispielsfällen auf eine zeitliche Trennmarke von 50 Jahren zu 57 . Der Konsequenz dieser Auffassung - der faktischen Straflosigkeit zeitlich knapper gelagerter Geschehen entgeht Maiwald, indem er es zur Annahme einer vollendeten Enteignung genügen lässt, wenn der Täter die Gefahr der Enteignung bewirkt 58 . Blei 59 und Wessels dagegen wollen schon dann vollendete Enteignung bejahen, wenn die Sache so lange benutzt wird, dass der Eigentümer den Sachverlust für endgültig halten bzw. sich Ersatz für die Sache beschaffen muss. Ähnlich verlangt Tenckhojf, der Gebrauch müsse eine solche Dauer erreicht haben, dass der Eigentümer seine Sache getrost „ä fonds perdu" setzen könne 61 . Wie indes ein solcher Maßstab zu objektivieren sein sollte, bleibt dahingestellt. Schließlich ist man sich uneins, ob Fälle der Wegnahme einer fremden Sache in Verpfändungsabsicht (§§ 1205, 1207, 932 BGB) neben der Aneignungs- auch die Enteignungskomponente aufweisen und damit als beabsichtigte Zueignung angesehen werden können. Man erinnere sich, dass das Verpfänden einer Sache in den §§ 225, 226 prStGB von 1851 ausdrücklich als Zueignungshandlung angefühlt wurde, dass jedoch auch damals bereits darüber diskutiert wurde, ob hierin per se ein Enteignungsakt liegen kann 62 . Dies muss, nach Ansicht von Maiwald, im Zeitpunkt der Wegnahme von zwei Voraussetzungen abhängig gemacht werden: davon, ob der Täter die Sache wieder einlösen will und davon, ob er es innerhalb der möglichen Einlösefrist auch können wird 6 3 . Fehle nur eine der beiden Voraussetzungen definitiv, dann liege bereits bei Verpfändung (nicht erst bei Pfandreife) Zueignung vor. Der gute Wille, die Sache wieder einzulösen, helfe nicht, wenn bei Verpfändung bereits feststehe, dass eine Einlösung faktisch nicht möglich sein wird 6 4 . Ein späterer Sinneswandel, sei es in Richtung Verfallenlassen, sei es in Richtung Einlösen, soll unabhängig von der tatsächlichen Vermögenslage nicht von Bedeutung sein; Maiwald nennt dies „Punktualisierung der Absicht im Diebstahlstatbestand"65. Ähnlich konstruiert Paulus die Behandlung der Verpfändung, 56

Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 150. Ebenda; Gössel spricht ähnlich von einem Entzug über „mehrere Jahre", der den Eigentümer auf unabsehbare Zeit von seinen Rechten ausschließe, vgl. Strafrecht BT 2, § 6, Rn. 57, Fn. 135. 58 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 176; ähnlich Basak, in: Irrwege der Strafgesetzgebung (1999), S. 188 f., der auf die „Gefahr des Rechtsverlustes seitens des Geschädigten" abstellt - die freilich, was Basak vorzuhalten ist, wegen § 935 BGB nur selten bestehen wird. 59 Blei, BT, § 52, II, 4,a). 60 Wessels, NJW 1965, S. 1158. 57

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Tenckhoff, JuS 1980, S. 724. Vgl. o. Kap. 1; zur damaligen Diskussion vor allem Rotering, GS 36 (1884), S. 561 ff. Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 181. A. a. O., Fn. 40.

65 A.a.O.,S. 182.

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1. Die beabsichtigte Zueignung beim Diebstahl, § 242 StGB

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mit dem einzigen Unterschied zu Maiwald, dass Paulus der Vermögenslage des Täters lediglich „indizielle Bedeutung" beimessen will. Entscheidend sei letztendlich allein der Wille des Verpfändenden 66. Schroeder spricht demgegenüber von „bedingter Zueignung", die beispielsweise ausgeschlossen sein soll, wenn der Täter davon ausgeht, der Eigentümer werde die Schuld begleichen67. In der Rechtsprechung wird der Schwerpunkt der Ermittlungen auf die Frage gelegt, wie „ernstlich" oder „nichternstlich" der Einlösewille der Verpfändenden ist 6 8 und ob insbesondere der Täter in der Lage sein wird, im Falle des Rückgabeverlangens durch den Eigentümer die Sache jederzeit wieder einzulösen69. Demgegenüber ist nach Kargl die Verpfändung selbst grundsätzlich kein geeigneter Zueignungsakt, da die faktische Möglichkeit der Rückgabe solange erhalten bleibe, wie die Sache wiedereingelöst werden könne. Erst bei objektiver Unmöglichkeit der Wiedereinlösung käme vollendete Ent- und damit Zueignung in Betracht 70. Anders soll die Sicherungsübereignung von fremden Sachen nach herrschender Meinung stets als Zueignung zu betrachten sein 71 , sofern sie der Übereignende als wirksam ansieht72. Auf den Willen und die Möglichkeit zur Wiedereinlösung komme es hier nicht an, da der Entzug des Eigentums durch die Übereignung über einen bloßen Gebrauch der Sache definitiv hinausgehe: zivilrechtliche Enteignung des Eigentümers sei immer und wesensmäßig mehr als furtum usus73. Die wertende Gegenüberstellung von Sicherungsübereignung und Verpfändung hingegen weckt bei Vertretern der herrschenden Meinung Beklommenheit: „Ist wirklich die Vornahme einer auflösend bedingten Übereignung eines Gegenstandes zur Sicherheit für eine geringfügige Forderung von vielleicht wenigen Pfennigen ein stärkerer Eingriff in die Rechtstellung des Eigentümers als die Verpfändung desselben Gegenstandes für eine sehr hohe Forderung?" 74 Man tröstet sich mit der Antwort: „Formell ist die Sicherungsübereignung der stärkere Eingriff." 75 Zweifelhaft erscheint Gegnern dieser Ansicht allerdings insbesondere, dass es eine Rolle spielen 66

67 68 69 70

Paulus, Der strafrechtliche Begriff der Sachzueignung, S. 207 f. Maurach/Schroeder/Mai wald, BT 1, § 33, Rn. 40. RGSt 66, S. 155 (156 f.). BGHSt 12, S. 299 (302). Kargl, ZStW 103 (1991), S. 183; ähnlich SK-Hoyer, § 246, Rn. 29.

71 Baumann, Der strafrechtliche Schutz bei den Sicherungsrechten des modernen Wirtschaftsverkehrs, S. 48 ff.; Otto, Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, § 42,1., 2., c), aa), 3. Alt. ; Sch. /Schr.-Eser, § 246, Rn. 17 m. w. N.; a. A. Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 182 f.; Rudophi, GA 1965, S. 38 f. 72 BGHSt 1, S. 262 (264). 73 Die Sicherungsübereignung weggenommener Sachen erlangt allerdings keine zivilrechtliche Wirksamkeit, da dem Eigentümer von Diebesgut § 935 BGB zur Seite steht. Sie wird hier gleichwohl mit angesprochen, um später im Rahmen einer einheitlichen Konzeption des Zueignungsbegriffes auf die Ergebnisse zurückgreifen zu können. 74 Baumann, Der strafrechtliche Schutz bei den Sicherungsrechten des modernen Wirtschaftsverkehrs, S. 49. 75 Ebenda.

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soll, ob der Täter die Sicherungsübereignung für wirksam hielt - im Falle des Diebstahls sei eine wirksame Sicherungsübereignung wegen § 935 BGB ohnehin nicht vorstellbar, und argumentativ könne das formale Moment der zivilrechtlichen Übereignung durch eine irrige Annahme der Wirksamkeit nur schwerlich substituiert werden 76. Nach der Gegenansicht ist deshalb bei der Sicherungsübereignung ebenso wie bei der Verpfändung auf die tatsächliche Gefahr des Sachverlustes77, auf die objektive Unmöglichkeit der Wiedereinlösung 78 bzw. auf die Vorstellung des Täters von der Wiedereinlösung 79 abzustellen. Der formale Eigentumserwerb sei dagegen ohne Bedeutung, da in ihrem wirtschaftlichen Ergebnis die Sicherungsübereignung der Verpfändung so nahe stehe, dass eine unterschiedliche Behandlung beider nicht gerechtfertigt sei 80 . Auch der Verkauf einer unter Eigentumsvorbehalt erworbenen Sache soll als Enteignung einzuordnen sein 81 , abhängig jedoch davon, ob der Vorbehalt aufschiebend oder auflösend vereinbart wurde 82 , bzw. ob der Täter die weitere Ratenzahlung übernimmt 83. Und auch hier wird kritisiert, dass der Strafrechtsschutz nicht allein von der zivilrechtlichen Konstruktion abhängen dürfe 84 . bb) Kritik und Stellungnahme Wenn von der „Verdrängung" des Eigentümers die Rede ist, so fragt sich, woraus denn eigentlich ein Berechtigter durch eine Zueignungshandlung verdrängt werden kann 85 . Gewiss nicht aus seiner „faktischen" oder „tatsächlichen" Position - das wäre Gewahrsamsbruch, nicht Zueignung86. Gewiss auch nicht aus seiner „wirtschaftlichen" Position, denn es geht um Eigentum, nicht um Vermögen 87. Und gewiss ebenso wenig aus seiner „rechtlichen" Position, die durch § 935 BGB geschützt und im Falle des Diebstahls nahezu unverbrüchlich ist 88 . Was bleibt übrig? Was wird dem Berechtigten genommen? 7

6 77 78 79 so

Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 182. Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 183. Kargl, ZStW 103 (1991), S. 183 f. SK-Samson (4. Aufl.), § 246, Rn. 27. Rudolphi, GA 1965, S. 38 f.

81 BGHSt 13, S. 280 (281); einschränkend und sehr instruktiv Baumann, ZStW 68 (1956), S. 526 ff.; Lackner/Kühl, § 246, Rn. 5. - Auch diese Konstellation ist im Rahmen der Diebstahlsthematik irrelevant und wird hier ob der Vollständigkeit möglicher Enteignungsvariationen und damit der späteren Nutzbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse erörtert. 82 Vgl. Baumann, ZStW 68 (1956), S. 533 ff. 83 Vgl. Lackner/Kühl, § 246, Rn. 5. 84 Baumann, ZStW 68 (1956), S. 525. 85 Vgl. o. Kap. 2, 2., c). 86 Zur Frage der Identität von Wegnahme und Zueignung im objektiven Tatbestand des Diebstahls vgl. u. e). 87 Vgl. o. Kap. 3, 3.

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Zur Klärung dieser Frage müssen wir an die Ergebnisse des zweiten Kapitels, der Untersuchung des Rechtsguts der Eigentumsdelikte, anknüpfen. Dort war festgestellt worden, dass sich das rechtsgutschädigende Verhalten des Täters bei einem Diebstahl oder einer Unterschlagung nicht gegen die Beziehung zwischen dem Eigentümer und seiner Sache richtet, sondern den vom Eigentum ausgehenden Achtungsanspruch als ein interpersonales Recht verletzt. Die interpersonale Komponente des Eigentums wird durch § 903 Alt. 2 BGB als das Recht beschrieben, jeden Dritten von der Einwirkung auf die Sache auszuschließen. Gegenstand der Eigentumsverletzung ist dieses Ausschließungsrecht, und da der Täter nur verantwortlich zu machen ist für die Realisierungsmöglichkeiten des Ausschließungsrechtes ihm selbst gegenüber, liegt die Eigentumsverletzung in der Vereitelung der Ausübung des Ausschließungsrechtes des Eigentümers gegenüber dem Täter 89 . Hieraus wird der Eigentümer, wenn man es so nennen will, „verdrängt": aus seiner Möglichkeit, den Täter vom Zugriff auf die Sache gemäß seinem Recht aus § 903 Alt. 2 BGB auszuschließen. Damit ist freilich noch nicht gesagt, dass Eigentumsverletzung und Enteignung deckungsgleich, d. h. lediglich verschiedene Begriffe für den inhaltlich identischen Vorgang sind. Wollte man dies so definieren, so würde es nicht nur bedeuten, dass jede Eigentumsverletzung zwingend eine Enteignung wäre (also bei Hinzutreten eines Aneignungsmoments zur Zueignung würde), sondern es wären auch Gebrauchsanmaßungen praktisch nicht mehr vorstellbar, da jedes unbefugte In-Gebrauch-nehmen einer Sache nicht nur deren Aneignung birgt 90 , sondern zumindest vorübergehend die Ausschließungsmöglichkeiten des Eigentümers in Gänze vereitelt und somit fraglos eine auch Eigentumsverletzung darstellt. Schon allein diese Erkenntnis genügt, um die These von der Deckungsgleichheit von Eigentumsverletzung und Enteignung91 zu verwerfen; denn damit wären Gebrauchsanmaßungen immer zugleich Zueignungen. Diese Wertung widerspricht dem Gesetz, das sonst in den §§ 248 b, 290 StGB Überflüssiges normiert hätte. Die Enteignung, soviel ist damit geklärt, muss gegenüber der Eigentumsverletzung qualifiziert sein; sie muss inhaltlich mehr enthalten. Der Vergleich mit der Gebrauchsanmaßung bringt nun einen wichtigen Gesichtspunkt der Enteignung ans Licht: den zeitlichen Aspekt. Lediglich vorübergehende Ausschließungen des Eigentümers, das ist offensichtlicher Wille des Gesetzgebers, sollen als bloße Gebrauchsanmaßungen straflos bleiben. Es muss also für die Feststellung einer Enteignung die Dauer der Ausschließungsvereitelung berücksichtigt werden, und wir haben oben 92 bereits gesehen, welche Probleme sich hieraus ergeben. 88

Ausnahmen bilden die §§ 946 ff. BGB (Verbindung, Vermischung, Verarbeitung). 9 Ausführlich o. Kap. 2, 2., c). 90 So die herrschende Meinung: Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 142; Krey, BT 2, Rn. 57 f.; Gössel, § 6, Rn. 59; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 33, Rn. 39; dazu u. 4. 91 So offenbar Rudolphi, GA 1965, S. 37. 92 Vgl. o. aa). 8

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Bevor jedoch die Dauer abstrakt erörtert werden kann, sind die Fallkonstellationen einzukreisen, um die es dabei eigentlich geht. Zu unterscheiden sind grundsätzlich Fälle, in denen der Täter die Sache über einen unabsehbaren Zeitraum mit Eigenbesitzerwillen nutzt, von Fällen, in denen der Täter von Beginn an mit Rückführungswillen handelt. In letzteren könnten allein die Sachwert- und die Funktionenlehre zu dem Ergebnis kommen, die Sache sei zugeeignet, da sowohl objektiv als auch nach Täterplan der Eigentümer die Sache zurückerhält 93. Mit der in Kapitel 3 gefällten Entscheidung für eine erweiterte Substanzlehre in Gestalt eines „Körperlichkeitsansatzes" scheiden jene Konstellationen aus der hier zu erörternden Problematik aus; sie können bereits mangels tauglichen Zueignungsobjekts keine Zueignungen sein; eine Begutachtung der Handlungsqualitäten wird gegenstandslos. Problematisch in Bezug auf die Dauer der Enteignung sind also jene Fälle des anhaltenden Besitzes ohne definitives Enteignungsmoment, die ohne Rückführungswillen bzw. Vorstellungen über eine etwaige Rückführung geschehen. Kann man in derartigen Fällen das Fehlen einer evidenten Enteignung ersetzen, indem man die reine Dauer des Entzuges als Enteignung konstruiert? Man wäre damit dem Vorwurf Rudolphis 94 ausgesetzt, den Unterschied zwischen Zueignung und Gebrauchsanmaßung bloß noch quantitativ, nicht mehr qualitativ zu bestimmen95. Es ist deshalb aufmerksam zu prüfen, ob nicht jede Festlegung auf einen Zeitpunkt, an dem die Gebrauchsanmaßung in eine Zueignung überginge, willkürlich wäre und den Impuls des Bestimmtheitsgebotes (Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB) konterkarierte. Denn es ist dessen Konsequenz, dass der einzelne Bürger die Chance haben muss, die Deutung des Gesetzes anhand seines Wortlautes nachzuvollziehen, so dass er sein Verhalten danach einrichten kann 96 und andererseits dem Rechtsanwender die nötige „Klarheit der Handlungsanweisungen" verschafft wird 9 7 . Ein Zeitpunkt aber, an dem ein strafloses Verhalten durch den bloßen Ablauf von Zeit in ein mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe bewehrtes Delikt mutiert, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Andererseits ist objektive Dauerhaftigkeit der Enteignung, wie sie sich Kargl wünscht98, überhaupt nur vorstellbar, wenn die Sache als solche nicht bestehen bleibt 99 . Der Verbrauch, die Vermischung oder die Verarbeitung der Sache enteignen den Eigentümer tatsächlich unzweifelhaft dauernd - aber eben auch bloß deshalb, weil sie die Sache in ihrer ursprünglichen Form vernichten 100 . Demgegen93 94 95 96

Vgl. o. Kap. 3, 3., c). Rudolphi, GA 1965, S. 48 (vgl. o. 3. Kap., 3., a)). Ausdrücklich für eine quantitative Abgrenzung: Arzt/Weber, BT, § 13, Rn. 84. BVerfGE 28, S. 175 (183); 87, S. 209 (224); Roxin, AT I, § 5, Rn. 30.

97 AK-Hassemer, § 1, Rn. 14. 98 Kargl, ZStW 103 (1991), S. 163. 99 Zu diesem Phänomen Mylonopolous, Roxin-FS, S. 920 ff. 100

Die Entwertung der Sache indem „dem Opfer nicht mehr dieselbe Sache zurückgegeben wird, also z. B. (die) Rückgabe einer Eintrittskarte nach dem Zeitpunkt der Veranstal-

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über sind selbst im Falle der Veräußerung Konstellationen denkbar, die eine Rückführung an den Eigentümer durch die Veräußerung sogar wahrscheinlicher werden lassen: wenn etwa der Dieb die Sache an ein Familienmitglied des Eigentümers verkauft. Sowohl rechtlich (§ 935 BGB) als auch tatsächlich ist die Realisierung des Eigentumsrechts durch diese Handlung nicht vereitelt, sondern ihr wird ganz im Gegenteil gerade der Weg bereitet. Solange die Sache in ihrer Substanz unbeeinträchtigt weiterexistiert und der Eigentümer am Leben ist, lässt sich auch nicht ausschließen, dass er sie zurückerhält - eine anhaltende, „ewige" Dauerhaftigkeit wird man nicht bejahen können. Dass indessen der strafrechtliche Eigentumsschutz auch jenen Konstellationen gilt, in denen die Sache als solche fortexistiert, wird niemand abstreiten. Andererseits ist es unnötig, aus dieser Einsicht den Schluss zu ziehen, es komme dem Unterschlagungstatbestand die Struktur eines (häufig womöglich untauglichen oder gar mangels Völlendungsmöglichkeit straflosen) Versuchsdeliktes zu, und die Tathandlung im Sinne Roths als „unmittelbares Ansetzen zur dauernden Enteignung" zu konstruieren 101. Anders als üblicherweise beim Versuch, bei dem etwas nicht zum Abschluss gebracht wird, das aber unmittelbar oder doch absehbar darauf abgeschlossen hätte werden können 102 , könnte die gesicherte Aussage, eine dauernde Enteignung vollbracht zu haben, in nicht wenigen Fallkonstellationen streng genommen erst beim Tod der beteiligten Personen getroffen werden 103 . Auch das von Mylonopoulos vorgeschlagene Verfahren des „Zuschreibens einer Disposition", mit dem die Enteignung auf Basis einer Prognoseentscheidung (als „Produkt unserer akkumulierten Erfahrung") festgestellt wird 1 0 4 , ist ohne Einbeziehung von Erfahrungswerten über subjektive Sachverhalte außerstande, das Kriterium der Dauerhaftigkeit oder Endgültigkeit der Enteignung zu bejahen. Die Dauerhaftigkeit der Enteignung entpuppt sich damit als wenig taugliches objektives Kriterium. Sinnvoll ist darum allein, sie ganz aus dem objektiven Bereich zu verbannen. Dieses Ergebnis lässt sich auch aus einer anderen Perspektive herleiten: Linguistisch beschreibt das Wort Enteignung in seiner Vorsilbe „Ent-" eine Verschiebung, einen Vorgang der Bewegung aus etwas heraus 105 . Das Element der Dauerhaftigkeit als etwas Statisches ist mit diesem dynamischen Vorgang nicht in Einklang zu bringen, es sei denn als Zielvorgabe: Die Enteignung kann auf Dauer angelegt sein. Die Dauer kann jedoch nicht Element des objektiven dynamischen Prozesses der Enteignung selbst sein. tung", die Kargl ebenfalls als Enteignung begreift, scheidet aus anderen Gründen aus der Enteignungsdiskussion aus: Die Sache ist hier trotz FunktionsVereitelung nicht in ihrer Körperlichkeit zugeeignet worden, vgl. Kap. 3, 3., c). 101 Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 55. 102 Abgesehen von der Fall-Konstellation des untauglichen Versuchs. 103 Dies würde im Übrigen zur faktischen Unverjährbarkeit bestimmter Zueignungstaten führen. 104 Mylonopoulos, Roxin-FS, S. 922 f. 105 Kühnhold/Wellmann, Das Verb, Band I, S. 218; vgl. o. 1. 7 Kauffmann

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Auch zur Struktur deliktischer Eigentumsverletzungen als Vereitelung des Ausschließungsrechts des Eigentümers passt es nicht, die Enteignung als einen „Vorgang in der Zeit" 1 0 6 insofern zu begreifen, als ihr „Zwischenstufen in temporaler Hinsicht" zugestanden werden 107 - denn eine solche Vereitelung ist nur als ein singuläres Ereignis vorstellbar. Ist sie vollbracht, so ist sie abgeschlossen. Richtig kann somit nur die Lösung der inzwischen wohl herrschenden Meinung 108 sein, die das Element der Dauer für die Enteignung (über den Diebstahlstatbestand hinaus) in den Bereich des Subjektiven verlegt: Die Enteignung muss als dauernde oder doch als zeitlich unbegrenzte gewollt sein. Zwar ist die Enteignung als Teil der Zueignung im Rahmen des § 242 StGB ohnehin Bestandteil des subjektiven Tatbestands - es muss jedoch, das ist der Unterschied zu der Forderung nach einer realiter dauernden Enteignung, durch den Dieb kein Zustand angestrebt werden, in welchem dem Berechtigten die Ausübung seines Ausschließungsrechtes endgültig unmöglich wird; er muss lediglich einen Zustand anstreben, in welchem dem Eigentümer punktuell das Ausschließungsrecht vereitelt ist und diesen Zustand subjektiv auf immer anlegen. Der Kontrast zwischen beiden Konstellationen ist beträchtlich. Im ersten Fall dürfte der Dieb eigentlich nur etwas vorhaben, was die Sache als solche zerstört (Verbrauch, Verzehr, Verarbeitung) oder zumindest ihm selbst wieder nimmt (rechtswirksame Veräußerung - die allerdings im Falle des Diebstahls aufgrund des § 935 BGB ohnehin nicht realisierbar ist), da in allen anderen Varianten die Chance des Eigentümers, die Sache zurückzuerlangen, zumindest nicht ausgeschlossen ist. Im zweiten Fall dagegen reicht es aus, dass der Täter die Sache für den Eigentümer unauffindbar machen will - indem er sie beispielsweise verstecken oder ihren Besitz ableugnen will, wodurch die Ausschließungsmöglichkeiten des Eigentümers wenigstens punktuell vereitelt wären - , solange er diese Vereitelung für immer plant. Was nun andererseits die durch diese Einsicht noch nicht gelösten Fälle betrifft, in denen der Täter bei Wegnahme die Absicht hat, die Sache z. B. erst in 20 Jahren oder gar erst „im Rentenalter" zurückzugeben, ohne dass es zu einer sonstigen, den Eigentümer zweifelsfrei enteignenden Verfügung kommen soll, so könnte man hier erwägen, eine derart unabsehbare Rückgabe dem Behaltenwollen gleichzusetzen. Dagegen spricht, dass man sich damit auf ein zwar äußerst weit gespanntes, aber doch zeitliches Unterscheidungskriterium von Zueignung und furtum usus einließe. Man hätte entsprechend der oben bereits angebrachten Kritik zu besorgen, dass der Unterschied auf „ein rein quantitatives Moment schrumpfe(n), das dem Nullumcrimen-Satz widerspräche und richterliche Willkür provozieren müsste" 109 . Und doch kann das beabsichtigte „auf ewig" nicht mehr sein als ein Annäherungswert, 106 Samson, JA 1990, S. 9. 107 Basak, in: Irrwege der Strafgesetzgebung (1999), S. 188. 108 Vgl. o. aa). 109 Kargl, ZStW 103 (1991), S. 147.

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eine Größe, die am Dasein der Person gemessen wird 1 1 0 . Eine angestrebte extrem lange Entziehung kann deshalb dann der ewigen Entziehung gleichstehen, wenn sie eine solche Dauer erreichen soll, dass sie in „Hinblick auf den Zweck der Sache, für den Menschen da zu sein,,Ewigkeitscharakter' hat" 1 1 1 . Maßstab der Beurteilung muss sein, ob sich der Unterschied zur Gebrauchsanmaßung bloß zeitlich und damit quantitativ erklären lässt, oder seine Natur in eine qualitative und damit inhaltliche umschlägt, weil die Entziehung in Hinblick auf die Länge eines Menschenlebens dem „für immer" entspricht. Die Enteignung ist also nicht synonym zur Eigentumsverletzung, sondern mehr als diese: Sie ist zwar objektiv mit ihr deckungsgleich, subjektiv aber ist sie um die Absicht der Dauer erweitert. Sie ist mithin eine durch eine überschießende Innentendenz qualifizierte Eigentumsverletzung. Was nun die Vorsatzform bezüglich der Enteignung anbelangt, so hat Bestand, was Maiwald hierzu ausgeführt hat 1 1 2 : Der Diebstahl ist „seinem kriminologischen Typus nach ein egoistisches' Verbrechen, das einen Täter im Auge hat, der sich seiner Interessen wegen über die Belange anderer hinwegsetzt. ( . . . ) Es hätte keinen Sinn, neben dem egoistischen Motiv beim Diebstahl noch zu fordern, es müsse dem Täter auch auf den Verlust der Sache für den Eigentümer noch ankommen. Eine Bestrafung wegen Diebstahls könnte dann nur noch in den seltensten Fällen erfolgen, denn welchem Dieb kommt es gerade darauf an, durch den Diebstahl dem Eigentümer einen Verlust zuzufügen?" Hinsichtlich der Enteignung genügt (im Gegensatz zur Aneignungsabsicht113) daher dolus directus 2. Grades: Der Täter muss wissen oder als sicher voraussetzen, dass das von ihm angestrebte Verhalten dem Eigentümer die Ausübung seines Ausschließungsrechts vereiteln wird - objektiv punktuell und subjektiv für immer 114 . Wenden wir uns nun einzelnen Fallkonstellationen zu, die als Enteignungen diskutiert werden. Die Verpfändung i. S. d. §§ 1205, 1207, 932 BGB macht dem Eigentümer die Ausübung seines Ausschließungsrechts solange nicht objektiv unmöglich, wie die Wiedereinlösung faktisch in Betracht kommt, d. h. bis zur Pfandreife 115. Das Verhalten des Täters vor diesem Zeitpunkt kann deshalb nur unter dem Gesichtspunkt der Versuchsstrafbarkeit relevant sein. Der Versuch ist allerdings nicht bereits dann zu bejahen, wenn der Täter sich nicht sicher ist, ob er die Sache wieder auslösen no Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 150. 111 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 151. 112 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 176. 113 Vgl. u. b), bb). 114 Die h. M., die dolus eventualis genügen lässt, diesen aber auf eine objektiv dauerhafte Enteignung bezieht, ist der hier vertretenen Auffassung daher in Bezug auf die Vorsatzform durchaus nah. 115 So auch Kargl, ZStW 103 (1991), S. 183. 7*

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können wird 1 1 6 , sondern erst dann 117 , wenn der Täter sich sicher ist, die Sache nicht wieder auslösen zu können, da anderenfalls noch kein unmittelbares Ansetzen zur Enteignung vorliegt. Unnötig indessen ist das Abstellen auf die Möglichkeit rechtzeitiger Einlösung der verpfändeten Sache in dem von der Rechtsprechung verstandenen Sinne, dass der Verpfänder, falls der Eigentümer die Herausgabe verlangt, die Einlösung jederzeit vornehmen können muss 118 . Es ist vollends ausreichend, wenn der Verpfänder davon ausgeht, die Sache in absehbarer Zeit wieder auslösen zu können und willens ist, sie sodann dem Eigentümer wieder zukommen zu lassen. Denn im gegenüberliegenden Fall des bloßen Behaltens einer Sache auf Dauer ändert sich die Beurteilung der Tat als straflose Gebrauchsanmaßung auch dann nicht, wenn etwa der Besitzer die Sache nach Aufforderung des Eigentümers noch einen Monat behält 1 1 9 . Es wäre deshalb inkonsequent, aus den Besonderheiten der Verpfändungskonstellation strengere Maßstäbe für die Qualität des Enteignungsmoments zu schmieden. Überzeugen kann die herrschende Meinung in der Diskussion um die Sicherungsübereignung 120. Sofern es sich bei der Sicherungsübereignung um eine zivilrechtlich wirksame Verfügung handelt, so kann die Möglichkeit zur Wiedereinlösung strafrechtlich nur unbedeutend sein, denn es lässt sich kaum ein stärkerer Angriff auf das Eigentum als rechtliches Normgefüge denken, als der, dem Eigentümer seine Rechtsstellung zu nehmen. In Anbetracht dieser totalen Enteignung kann die Absicht, die Sache wiedereinzulösen keine Rolle mehr spielen; wie eine reuevolle Rückgabe von Diebesgut am Tag nach einem Wohnungseinbruch wäre dies bloß der Rücktritt vom vollendeten Delikt. Geht der Täter irrig von der Unwirksamkeit der Übereignung aus, so kommt bei fehlgeschlagener Parallelwertung in der Laiensphäre 121 ein Tatumstandsirrtum 122 i. S. d. § 16 StGB in Betracht. Anders verhält es sich hingegen bei der rechtlich unwirksamen Sicherungsübereignung. Ob der Berechtigte durch sie enteignet wird, hängt nun wieder entscheidend an der Absicht des Täters und es gilt insofern nichts anderes, als bereits für die Verpfändung gesagt wurde. Wird die Rechtswirksamkeit der Übereignung irrig für gegeben gehalten, so liegt ein beendeter Versuch vor, selbst wenn der Täter die Sache wieder einlösen und zurückgeben will. 116

So aber Kargl, ebenda. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Täter auch die Aneignungskomponente verwirklicht; dies wird jedoch bei wirtschaftlicher Nutzung der Sache zu bejahen sein, vgl. u. 1., b), bb). ns So aber BGHSt 12, 299 (302); ähnlich Baumann, Der strafrechtliche Schutz bei den Sicherungsrechten des modernen Wirtschaftsverkehrs, S. 51 f. 119 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 182, Fn. 42. 120 Vgl. 0. 1., a), aa). 117

121 Vgl. hierzu Roxin, AT I, § 12, Rn. 85 ff. 122 Zum Terminus „Tatwmstandsirrtum" vgl. Kühl, AT, § 13, Rn. 2; ebenso Herzberg/ Hardtung, JuS 1999, S. 1073.

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Vergleichbares gilt für Sachen, die unter Eigentums vorbehält erworben wurden: Steht die Sache im zivilrechtlichen Eigentum eines anderen, wurde der Eigentumsvorbehalt also auflösend vereinbart, so richtet sich die Veräußerung gegen die zivilrechtliche Eigentumsgarantie aus § 903 BGB, jeden Dritten vom Zugriff auf die Sache ausschließen zu können. Ist der Vorbehalt dagegen aufschiebend vereinbart, kommt es entscheidend auf die Umstände des Einzelfalls an, so z. B., ob der Täter die vertraglich vereinbarte weitere Ratenzahlung und damit den Eintritt der Bedingung anstrebt, so dass das Ausschließungsrecht des ursprünglichen Eigentümers nicht neu entstehen und entsprechend auch nicht vereitelt werden kann. Eine solche Sicht mag formal anmuten, aber sie entspricht in ihrer Formalität der Konzeption des Gesetzes.

b) Die Aneignung Im folgenden Abschnitt sollen die Stimmen zur Aneignung zunächst nur insoweit angehört werden, als es sich um Stellungnahmen zur Variante des Sich-Zueignens handelt. Die Aneignungsform der Drittzueignung, die seit dem 6. StrRG von 1998 in das StGB aufgenommen ist, bedarf einer besonderen Betrachtung. Die dazu weithin erst neu formulierten Ansichten in der Literatur und die eigene Einordnung werden zu diesem Zweck in einem separaten Abschnitt vorgelegt 123 .

aa) Der Meinungsstand zur Aneignung Die positive Zueignungsseite, die Aneignung, wird als das bezeichnet, was der Täter für sich gewinnt: die „Einverleibung der Sache ( . . . ) in das Vermögen des Täters" 124 , die „Begründung des Eigenbesitzes"125, die „Schaffung einer tatsächlichen Herrschaftsstellung zur Sache", die dem Eigenbesitz i. S. d. § 872 BGB vergleichbar sei 1 2 6 , das „Verbringen der Sachsubstanz in die eigentumsgleiche Herrschaftsgewalt des Täters" 127 , die „Anmaßung der aus dem Eigentum fließenden Herrschaftsmacht durch wirtschaftlich sinnvolle Nutzung der Sache" 128 , die „Ausübung der der Sache innewohnenden Verwendungsmöglichkeiten" 129 oder auch „jedes unbefugte Nutzen und (oder) Haben einer fremden beweglichen Sache" 130 .

123 Kap. 5, 2. 124 Krey, BT 2, Rn. 57. 125 126 127 128 129 130

BGHSt 14, S. 38 (43); Noak, Drittzueignung und 6. Strafrechtsreformgesetz, S. 29. LK-Ruß, § 242, Rn. 50. Paulus, Der strafrechtliche Begriff der Sachzueignung, S. 113. SK-Samson (4. Aufl.), § 242, Rn. 77. Rudolphi, GA 1965, S. 41. Androulakis, JuS 1968, S. 410.

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4. Kap.: Die Zueignungshandlung

Das Merkmal der Aneignung grenzt Zueignungen von bloßen Sachentziehungen ab 1 3 1 , die strafrechtlich nicht normiert sind; darüber hinaus von Sachbeschädigungen /-Zerstörungen und Verfügungen zugunsten des Eigentümers 132. Die bekannten Lehrbuchfälle von dem Tierfreund, der die zahme Amsel einer Bekannten entfliegen lässt 133 , oder vom Pressefotografen, der einem Konkurrenten für die Dauer entscheidender Minuten in bloßer Vorenthaltungsabsicht die Kamera wegnimmt 134 , verdeutlichen die Funktion der Aneignung: Die Sache soll in diesen Fällen nicht nutzbar gemacht werden, der Täter will sie in keiner Weise für sich verwenden - er kann deshalb wegen des fehlenden Aneignungsmoments nicht aus einer Zueignungsnorm bestraft werden. Es ist jedoch nicht zu übersehen, dass das Augenmerk bei Zueignungsdelikten regelmäßig vor allem auf die Enteignung fällt. Es wird in diesem Zusammenhang auch von der „Farblosigkeit der Aneignung" gesprochen 135. Schmidhäuser geht davon aus, dass die Aneignung in den Tatbeständen des Diebstahls und der Unterschlagung überhaupt bloß deswegen erfasst ist, weil sie einem kriminologischen Häufigkeitstypus entspricht, der bei der Abfassung der Tatbestände Pate gestanden hat 1 3 6 . Der Gesetzgeber habe ein bestimmtes, durch die regelmäßige Begehungsweise begründetes Bild der Tat vor Augen gehabt, als er den Diebstahlsparagraphen schuf, nämlich das der Entziehung einer Sache ohne Gewalt gegen eine Person, um sie für eigene Interessen zu verwenden 137. Dem Unwert nach ginge es im Diebstahl allerdings um die auf Dauer gerichtete Enteignung 138 . So sei es zu erklären, dass sich das Moment der Aneignung in der Wahrnehmung durch die Rechtsanwendung immer weiter verflüchtige, so dass schließlich auf die Zueignung im ursprünglichen Sinne verzichtet und streng genommen nur die Enteignung des Eigentümers als Voraussetzung der Strafe bejaht werde 139 . Dies sei der Fall, wenn das ursprünglich gemeinte „Für-sich-behalten" heute vielfach mit einem ganz vorübergehenden Eigeninteresse gleichgesetzt würde 140 , wie z. B. einem „Nutzen oder Vorteil im weitesten Sinne, wenn auch nur mittelbar" 141 , der nicht Geldwert zu haben braucht 142 . 131 OLG Köln, NJW 1997, S. 2611; gemeint sind Fälle, in denen der Täter etwa die Sache nur verstecken oder den Eigentümer ärgern will, vgl. BGH bei Holtz, MDR 1982, S. 810; BayObLG, NJW 1992, S. 2040. 132 Haft, BT, S. 147; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 137. 133 Abgewandelt etwa bei Haft, BT, S. 147; Krey, BT 2, § 1, Rn. 55 ff. 134 Wessels, NJW 1965, S. 1155. 135 Androulakis, JuS 1968, S. 411. 136 Schmidhäuser, Bruns-FS, S. 349; ebenso Degener, JZ 2001, S. 398. 137 Schmidhäuser, MschrKrim 1973, S. 346. 138 Schmidhäuser, MschrKrim 1973, S. 348 f. 139 Schmidhäuser, MschrKrim 1973, S. 347. 140 Schmidhäuser, Bruns-FS, S. 349. 141 BGHSt 4, S. 236 (238); 17, S. 87 (92); 40, S. 8 (18); 41 S. 187 (194). 142 NJW 1954, S. 1295; 1970, S. 1753 (mit Anm. Schröder); BGHSt 17, S. 87 (88); BGH, NStZ 1995, S. 442 (444); anders nunmehr BGHSt 41, S. 187 (197).

1. Die beabsichtigte Zueignung beim Diebstahl, § 242 StGB

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Dass allerdings der Aneignungskomponente angesichts der Aufnahme der Drittzueignung in die Eigentumsdelikte durch das 6. StrRG eine weit gesteigerte Relevanz zukommt, wurde bislang durch die Lehre nur peripher registriert 143 ; es wird darauf später noch einzugehen sein 144 . Ein zentraler Begriff in den Definitionsversuchen rund um die Aneignung ist die „Nutzung" der Sache 145 . Die inhaltliche Bedeutung, die Definition von „Nutzung", wird freilich nur vage umrissen. Ist die „Zuführung der Sache in das eigene Vermögen" weniger als eine Nutzung? Liegt in der Veräußerung einer Sache die Nutzung ihrer selbst oder bloß ihres wirtschaftlichen Wertes? Diese Fragen haben eine erhöhte Bedeutung nicht zuletzt für eine sinnvolle Abschichtung der Selbst- von der Drittzueignung. In der juristischen Literatur findet man gleichwohl kaum Antworten. Gesichelt scheint allein, dass das bloße Ergreifen der Sache, wenn es nichts weiter als ein Durchgangsstadium für die darauf folgende Zerstörung darstellt, nicht genügen kann. Deshalb wird verlangt, das Haben der Sache müsse für sich genommen irgendeine selbständige Bedeutung haben 146 . Eingehendere Betrachtungen - wenn auch eher grundsätzlicher Struktur - findet man in Schriften, die fremde Fachrichtungen einbeziehen. Behrendt, der sich dem Vorgang der Zueignung aus psychoanalytischer Sicht nähert, sieht einen engen Zusammenhang von Aneignungshandlung und oralem Verhaltensmodus 147. Schon das häufig in juristischen Definitionen verwendete Merkmal des „Einverleibens" sei ein Indiz für die orale Struktur des Vorgangs. Ähnlich malt Brandt, aus philosophischer Perspektive, das Bild der Erweiterung des eigenen Körpers über die natürlichen Grenzen hinaus: eine angeeignete Sache werde mit dem gleichen Tabu belegt, das für den eigenen Leib gelte 148 . Weit gehende Einigkeit besteht insoweit, als für die positive Seite der angestrebten Zueignung eine vorübergehende Aneignung ausreiche 149, die auch im einmaligen Gebrauch 150 oder selbst im Verkauf, Tausch oder der völligen Entwertung der Sache (wodurch die Sache zeitgleich genutzt und aufgegeben wird) liegen könne 1 5 1 . Das Merkmal der Dauer wird insofern nur mit der Enteignung, nicht aber 143 Vgl. aber Duttge/Fahnenschmidt, ZStW 110 (1998), S. 917; Rönnau, GA 2000, S. 424. 144 Vgl. u. Kap. 5, 2. 145 Vgl. nur Wessels /Beulke, BT 2, Rn. 141; Krey, BT 2, § 1, Rn. 59. 146 Androulakis, JuS 1968, S. 411. 147 Behrendt, Der Begriff der Zueignung in den Tatbeständen des Diebstahls und der Unterschlagung, S. 25. 148 Brandt, Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, S. 11.

149 BGHSt 13, S. 43; NStZ 1981, S. 63; LK-Ruß, § 242, Rn. 50; Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 48; Noak, Drittzueignung und 6. Strafrechtsreformgesetz, S. 32; Tröndle/Fischer, § 242, Rn. 33 m. w. N.; a. A. nur Kargl, ZStW 103 (1991), S. 152; Bedenken gegen die Möglichkeit der Diskrepanz in der Dauer von Anund Enteignung äußern Gallas, Niederschriften, Bd. 6, S. 101 und Rudolphi, GA 1965, S. 50 f. 150 Baumann, Die Absicht der Zueignung, S. 27. 151 Kargl, ZStW 103 (1991), S. 182 f.

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4. Kap.: Die Zueignungshandlung

mit der Aneignung in Verbindung gebracht. Maiwald demgegenüber muss sich die Frage nach der Dauer der Aneignung nicht stellen. Da für ihn die positive Zueignungsseite im Motiv des Täters liegt, der ihre negative Seite verwirkliche 152 , in dem Zweck nämlich, den der Täter mit der Wegnahme verfolge, und der über die Gefahr des Sachverlusts für den Eigentümer hinaus darin bestehen müsse, einen Nutzen aus der Sache zu ziehen 153 , ist seiner Auffassung zufolge die Aneignung in den Bereich des Subjektiven verlagert - in Abgrenzung zu Wessels aber nicht als Willenselement in Bezug auf eine später vorzunehmende Sachbehandlung154, sondern als punktuelles, rein subjektives Moment.

bb) Kritik

und Stellungnahme

Die Aneignungskomponente verleiht dem Diebstahl seine Eigenart. Diebstahl ist selbstsüchtiger Entzug einer fremden Sache, auf das eigene Haben oder Verwenden der Sache muss es dem Täter ankommen. Dies ist auch der Grund für die kraftvolle Formulierung von der Zueignungsafo/c/tf, denn hierin unterscheidet sich der besondere Charakter des Diebstahls von dem anderer Eigentumsdelikte. Es ist andererseits wenig zweckmäßig, die Substanz der Aneignung allein auf der inneren Tatseite zu suchen. Ob Maiwalds Konstruktion der Aneignung als Motiv für die Enteignung 155 eine klare Abgrenzung zu Sachentziehungen zu leisten vermag, ist daher zu Recht bezweifelt worden 156 : Auch derjenige handelt aus „eigensüchtigen Motiven" und im „Einsatz für die eigene Lebensführung" 157, der aus destruktiver Freude eine Sache zerstört oder Produkte eines Konkurrenten entzieht 1 5 8 - beides jedoch sind zweifellos Fälle bloßer Enteignung ohne aneignenden Handlungsaspekt. Die Verlagerung des Aneignungsmoments in das Subjektive ist deshalb nicht geeignet, Aneignungen von Sachentziehungen und -Zerstörungen zu trennen; in irgendeiner Form wird hierfür doch die Sachgewinnung eine Rolle spielen müssen, wie Baumann feststellt 159 , der außerdem bemängelt, dass Maiwalds 152

Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 230. 153 Maiwald, ZStW 102 (1990), S. 331; ähnlich Baumann, Die Absicht der Zueignung, S. 25; ähnlich auch BGHSt 41, S. 187 (196). 154 So aber Wessels, NJW 1965, S. 1156; zur Kritik von Wessels' Konstruktion der Aneignung als Willensmoment vgl. Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 228 f. 155 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 230 ff.; ebenso: SK-Hoyer, § 28, Rn. 26. 156

Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 49; Baumann, GA 1971, S. 311; SK-Samson (4. Aufl.), § 242, Rn. 76. 157 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 237 f. 158 Beispiele bei Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 49 und SK-Samson (4. Aufl.), § 242, Rn. 76. 159 Baumann, GA 1971, S. 311.

1. Die beabsichtigte Zueignung beim Diebstahl, § 242 StGB

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Konstruktion mit dessen Bemühen, die Vollendung der Zueignung zurückzudrängen, im Widerspruch stehe. Man wird sich also zunächst dazu durchringen müssen, in der Aneignung einen äußeren Sachumgang zu sehen. Während sich die Enteignung spiegelbildlich zur negativen Komponente des § 903 BGB verhält, also die Ausschließungsmöglichkeiten des Eigentümers vereitelt, kann die Aneignung nur die positive Seite des § 903 BGB reflektieren: sie ist die Anmaßung, die Sache als eigene zu nutzen, mit ihr nach Belieben zu verfahren. Basis für die Nutzung der Sache „als eigene" ist damit die Begründung von Eigenbesitz i. S. d. § 872 BGB an der Sache. Eigenbesitzer ist, wer die tatsächliche Gewalt über eine Sache ausübt mit dem Willen, sie wie eine ihm gehörende Sache zu beherrschen 160. Die Kenntnis fremden Eigentums ist dabei unschädlich161. Dieser Ausgangspunkt ist ein subjektiver, denn der Eigenbesitz lässt sich rein äußerlich von Fremdbesitz nicht unterscheiden. Die Herstellung von Eigenbesitz reicht daher für eine objektive Fixierung der Aneignung schwerlich aus. Man wäre außerstande, auch nur Anhaltspunkte zu finden für eine äußere Unterscheidung von Eigenbesitz (und damit Aneignung) und Fremdbesitz oder gar einer Dereliktionsabsicht ohne jeden Besitzwillen. Eine derartige Subjektivierung wäre Gesinnungsstrafrecht. Aus demselben Grund kann auch das bloße Haben der Sache nicht ausreichend sein. Zu verlangen ist daher eine über die Eigenbesitznahme und über das alleinige Haben hinausgehende Nutzung der Sache. Da andererseits auch legal erworbene Sachen häufig „gehabt" werden, ohne dass sie zwangsläufig „bestimmungsgemäß" genutzt werden, bedeutet dies zugleich, dass ein Abstellen auf den „bestimmungsgemäßen Gebrauch" die Grenzen des Nutzungsbegriffes unsachgemäß verengen würde. Die Sachbehandlung (als objektives Moment der Nutzung) liegt vielmehr dann vor, wenn die Sache in der Weise dem eigenen Güterbestand einverleibt wird, dass sie wie eine eigene für selbstbezogene Zwecke verwendet wird. Deshalb erfüllt dieses Kriterium bereits, wer die Sache zu einem gestaltenden Faktor der eigenen Habenssphäre macht; so z. B. derjenige, der ein entliehenes Buch in sein Bücherregal einreiht 162 . Demgegenüber ist die gebräuchliche Wendung „Zuführung in das eigene Vermögen" wenn nicht falsch, so doch wenigstens missverständlich, da sie einen wirtschaftlichen Bezug aufweist, der sich in die Dogmatik zu den Eigentumsdelikten nicht einfügt, weil „Vermögen" nur geldwerte Güter umfasst 163 . Sie sollte deshalb ersetzt werden durch die Formulierung „Überführung in den eigenen Güterbestand". Jeden willens widrigen Sachumgang als Aneignung zu definieren, taugt dagegen für eine leistungsfähige Abschichtung nicht, denn dies hieße, vor willenswidrigen 160 BGH NJW 1996, S. 1890 (1893). 161 Vgl. Baur/Stürner, Sachenrecht, § 7, Rn. 89 f. 162 Wohlgemerkt ist dies allein nicht ausreichend, um von „Zueignung" zu sprechen, da in einem solchen Verhalten zwar eine Aneignung, aber keine Enteignung zu erblicken ist. 163 Gössel, BT 2, S. 178.

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4. Kap.: Die Zueignungshandlung

Enteignungen schlechthin zu schützen, weil auch negative Sachbehandlungen, also rein destruktive Sachentziehungen und -Zerstörungen eingeschlossen wären 164 . Zu verlangen ist deshalb neben der Herstellung von Eigenbesitz eine positive, d. h. egoistisch motivierte Nutzung der Sache, ohne dass dadurch vorgegeben wäre, ob sich diese Nutzung als beispielsweise wirtschaftliche, wissenschaftliche, religiöse oder rein affektive darstellen muss. Dass freilich mit dem Postulat objektiver Attribute bei weitem noch nicht alle Probleme gelöst sind, verdeutlicht das Beispiel vom Verbrennen eines fremden Holzstuhls: Soll über das Vorliegen des Aneignungsmoments etwa danach entschieden werden, ob das Verbrennen des Stuhls dem Heizen dienen sollte oder der Täter keine über die Zerstörung hinausgehenden Motive verfolgte, ob also - überspitzt gesagt - dem Täter kalt war oder nicht? Die zunächst erstaunliche Antwort auf diese Frage lautet: Ja 1 6 5 . Auch hier sind subjektive Momente unabdingbar, um zu tauglichen Resultaten zu gelangen. Ein augenscheinlich rein destruktiver Akt kann mit Blick auf den Vorsatz des Handelnden einen Aspekt positiver Nutzung aufweisen und deshalb je nach Willensrichtung auch als Aneignung zu beurteilen sein 166 . Zu verlangen ist die Nutzung einer Sache aus einem über die Destruktion hinausgehenden Motiv - in dem Begriff der Nutzung sind damit notwendig zwei Elemente enthalten: Die Sachbehandlung (die nicht vorliegt, wenn der Täter die Sache lediglich entzieht) und der positive Zweck im Sinne einer egoistischen Motivation (der dann nicht gegeben ist, wenn um des Zerstörens selbst willen gehandelt wird). Man kommt hiermit zwar durchaus in die Nähe der Maiwaldschen Konstruktion von der Aneignung als hinter einem Verhalten stehenden Zweck - doch richtet sich bei der hier vertretenen Anschauung die Erforschung des Zwecks auf die Motivation einer objektiven Sachbehandlung, die zusätzlich vorliegen muss. Die Definition der Aneignung ist entsprechend enger gefasst. Ausgeschieden sind damit Fälle der eigennützig motivierten Enteignung ohne unmittelbaren äußeren Sachbezug, die Maiwald zur Annahme einer kompletten Zueignung gereichen, so etwa das Ableugnen des Besitzes an einer Sache, das nach hier vertretener Ansicht zwar die Enteignung, nicht aber die Aneignung bergen kann. Eine Differenzierung von „positiven" und „negativen" Sachbehandlungen jedoch nach ausschließlich äußeren Kriterien, das zeigt sich an dem Beispiel des verbrannten Stuhles hinreichend, ist nicht durchführbar: Je nach Zielrichtung können identische Verhaltensweisen reine 164

Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 51. So auch Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 254 f.; offenbar auch Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 139; OLG Köln NJW 1986, S. 392. 166 Auch diese Fragen haben letztendlich ihren Schwerpunkt nicht im dogmatischen Bereich; problematisch ist die Beweisebene betreffend den Vorsatz. Für die Praxis ist dies bedeutend, für die Lehre zunächst nur sekundär. Es ist im Übrigen kein seltenes Problem und nicht allein den Zueignungsdelikten immanent - der Vorsatz als psychisches Konstrukt ist nie dem Beweis zugänglich, sondern grundsätzlich nur indiziell wahrnehmbar. Eine Lösung für ein Strafrecht, das auf der Idee persönlicher Schuld fußt, kann es dafür außerhalb von Geständnissen nicht geben. 165

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Destruktion oder auch Sachnutzung, „Zerstören" oder „Verwerten" sein 167 . Man steht vor der Problematik subjektiver Unrechtselemente - sie ist hier wie an anderer Stelle des Strafrechts unbefriedigend, aber hinzunehmen. Es ist dies dasselbe Dilemma, das auch die Unterscheidung von strafbarem Diebstahl und strafloser Gebrauchsanmaßung beherrscht - die Rekonstruierung der inneren Tatseite anhand von Indizien bleibt dabei nicht erspart. Und als Indiz für egoistische Motive ist eine „zweckentsprechende", d. h. ohne weiteres nachvollziehbare Verwendung der Sache allemal geeignet 168 . Was aber sind die Grenzen und was ist das Wesen einer „positiven Sachbehandlung"? Worin liegt (noch) die Nutzung einer Sache? Liegt etwa in der Veräußerung einer Sache die Nutzung ihrer selbst oder bloß ihres wirtschaftlichen Wertes? Auf Basis der Substanztheorie, wird man einwenden, müssen Fragen der wirtschaftlichen Nutzung für die Annahme von Zueignung ausgeklammert bleiben. Aneignung der Sache selbst durch ihren Verkauf: Finden damit Sachwertgedanken durch ein Hintertürchen Einlass in die Zueignungsdogmatik - wenn nicht bei Überlegungen zum Objekt der Eigentumsdelikte, so nun doch bei der Definition des Zueignungsvorganges? Die Antwort lautet: nein, denn Aneignung durch (auch entgeltliche) Veräußerung lässt sich durchaus auch auf dem Boden der Substanzlehre bejahen 1 6 9 ; Verwirrung entsteht an dieser Stelle vor allem, insoweit die Problemkreise „Zueignungsobjekt" und „Zueignungshandlung" nicht akkurat getrennt werden. In den hier fraglichen Fällen besteht kein Anlass, an der Enteignung des Eigentümers zu zweifeln. Der Berechtigte wird um die Sache selbst und nicht bloß um ihren Wert gebracht wie etwa bei der zurückgegebenen entleerten Batterie oder dem zurückgegebeneri, aber abgenutzten Zelt. Dass das Objekt der Tat die Sache als solche in ihrer Körperlichkeit ist, ist im Falle der Veräußerung unstrittig, denn wenigstens eine der beiden Zueignungskomponenten - und zwar diejenige von beiden, in welcher der maßgebliche Anteil der Rechtsgutsverletzung enthalten ist - , nämlich die Enteignung, erstreckt sich hier auf die Sache in ihrer Substanz. Der 167 Ähnlich Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 254 f., der indes diese Unterscheidung innerhalb seiner Konstruktion der Aneignung als der eines rein inneren Vorgangs vornimmt: Da sich der Unweit eines Diebstahls oder einer Unterschlagung entscheidend aus dem Vorhandensein eines Relationsunwertes beziehe, also daraus, dass jemand einem anderen eine Sache entziehe aus Motiven, die sich als egoistisch darstellten, müsse es gleichgültig sein, ob die Sache ihrem Zweck entsprechend verwendet würde. Entscheidendes Abgrenzungskriterium gegenüber der reinen Sachentziehung oder -Zerstörung bilde allein das Motiv des Täters. Maiwalds Befürchtung, diese Sicht möge „als übertrieben subjektivistisch" bezeichnet werden, ist nicht unberechtigt - ist doch auf diese Weise in manchem Fall dasselbe äußere Handeln je nach den Motiven des Täters entweder Zueignung oder Sachbeschädigung. Maiwald hält dagegen: „Doch sollte man bedenken, dass die Delikte des Diebstahls und der Unterschlagung historisch einen ganz bestimmten Typus menschlichen Handelns im Auge haben, der nur aus der bezeichneten Verwerflichkeitsrelation sein Gepräge bekommt, somit seinen Unwert entscheidend aus dem Motiv des Täters bezieht." 168

Ebenso Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 255. 169 Vgl. u. 5. Kap., 2.

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problematische Punkt liegt nicht auf der Ebene der Bestimmung des Handlungsobjektes, sondern der Aneignungskomponente170. Genügt es zur Aneignung, wenn der Täter die Sache wirtschaftlich nutzt, indem er sie verkauft? Oder sie gar nur persönlich nutzt, indem er sie verschenkt, ohne dadurch auch nur mittelbare Vorteile zu erwerben? Allen diesen Beispielen ist eines gemeinsam: Die Nutzung der Sache liegt in ihrer Weitergabe an einen Dritten. Die Fragen betreffen also die Abgrenzung der eigenen Nutzung einer Sache von der Ermöglichung der Nutzung der Sache durch einen Dritten. Damit eröffnet sich ein Problemkreis, der einen solchen Umfang hat, dass er hier nur gestreift werden kann: das Thema Drittzueignung. Wir wollen es an dieser Stelle dabei belassen, diese Fragen aufgeworfen und ein Bewusstsein für ihr Vorhandensein entwickelt zu haben. Ihre detaillierte Erörterung und Beantwortung soll verschoben werden auf einen gesonderten Abschnitt 171 . Was die Dauer der Aneignung anbelangt, so kann es keinen ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit der herrschenden Auffassung geben, die eine vorübergehende Nutzung der Sache ausreichen lässt. Denn gerade in Fällen mit besonders ausgeprägter Enteignungskomponente (solche, in denen die Sache veräußert, vermischt oder verbraucht werden soll) wird der Nutzung der Sache notwendigerweise durch den Vorgang der Enteignung ein Ende bereitet: Die Sache wird zerstört oder entäußert und geht damit dem Täter verloren. Solange indessen der Täter zuvor (oder durch den Akt der Enteignung) die Sache für sich genutzt hat, so ist der Unterschied zur bloßen Sachentziehung evident und eine Aneignung liegt vor. Fragwürdig bleibt in diesem Zusammenhang die Auffassung von Kargl 172, der die Dauerhaftigkeit der Aneignung 173 für notwendig hält, um sinnvoll vom furtum usus abgrenzen zu können. Dabei ist es doch Aufgabe des Merkmals der Enteignung, die Grenze zwischen Gebrauchsanmaßung und Zueignung zu markieren 174 . Zudem hätte die Realisierung dieser Forderung Kargls unerträgliche Folgen für die Rechtswirklichkeit: Es entstünden nicht einfach nur große Strafbarkeitslücken wie sie durch eine verfassungskonforme Auslegung der Gesetze bisweilen entstehen können und die hinzunehmen wären, soweit das Gesetz eine andere Interpretation nicht zulässt - , es würde viel weiter gehend nahezu der gesamte Bereich der Eigentumsdelikte ad absurdum geführt, wenn man auf immerwährende Nutzung der Sache bestehen wollte. Denn es fällt schwer, sich auch nur einen einzigen Fall vorzustellen, in dem die Aneignung dauerhaft ist oder auch nur auf Dauer angelegt 170

Bezeichnend diesbezüglich SK-Samson (4. Aufl.), § 242, Rn. 77, der den Streit um die Drittzueignung ausdrücklich im Aneignungsbereich ansiedelt und die Problematik dennoch nicht von den Objekttheorien zu trennen vermag. 171 Kap. 5, 2. 172 ZStW 103 (1991), S. 152. 173 „ ( . . . ) als Spiegelbild der Enteignung", a. a. O., Fn. 50. 174 So die herrschende Meinung: Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 142; Krey, BT 2, Rn. 57 f.; Gössel, § 6, Rn. 59; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 33, Rn. 39; Kritik hieran unter 4.

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ist - sowohl der Verbrauch, als auch der Verkauf oder die Entwertung einer Sache sind singuläre Ereignisse und keine auf Dauer angelegten Handlungsweisen; die von Kargl selbst als Zueignungen deklarierten Fallgruppen 175 weisen damit jedenfalls das Merkmal dauerhafter Aneignung erkennbar nicht auf. Es dürfte seine Forderung daher eher das unglückliche Resultat des Versuchs einer konsequenten Durchführung einer anderen Idee gewesen sein: Der Meinung nämlich, zwischen Ent- und Aneignung müsse ein innerer Zweckzusammenhang bestehen, die Verdrängung des Eigentümers müsse durch die „positive Ausübung der Eigentümerbefugnisse bewirkt sein" 176 . Dem wäre freilich schon Genüge getan, wenn durch den Beginn der Aneignung die Enteignung ausgelöst würde, weshalb auch Kargls Krit i k 1 7 7 an Samsons Konzeption 178 von der Zueignung als Beginn einer sinnvollen wirtschaftlichen Nutzung insoweit fehlgeht 179 . Eine weitere vordringliche Frage betrifft die Rolle der Aneignung für den Rechtsgutsangriff. Der eigentumsverletzende Gehalt der Zueignung liegt, wie gezeigt wurde, in der Enteignung. Lässt sich deshalb nun die Aneignung gewissermaßen ohne Bezug auf die Eigentumsverletzung diskutieren? Augenfällig ist: Der Umgang mit einer Sache, ihre Nutzung kann aus sich heraus nicht eigentumsverletzend, d. h. nicht rechtsgutsverletzend i. S. der fraglichen Tatbestände sein 180 . All das, was den objektiven Gehalt der Aneignung ausmacht, ist rechtlich neutral, so wie es das positive Nutzen einer Sache innerhalb eines rechtmäßigen Miet-, Leih- oder verwandten Verhältnisses ist - der Eigentümer wird hier nicht in strafrechtlich relevanter Weise tangiert. Und rechtmäßige Nutzungen lassen sich, soweit man den Blick allein auf ihre äußere Gestalt richtet, nicht von rechtswidrigen Nutzungen unterscheiden. Dass die objektive Seite der Aneignung keinen rechtsgutsverletzenden Charakter hat, ist damit offenkundig. Die Funktion der Aneignung scheint daher vor allem eine ergänzende zu sein: Sie muss hinzukommen, um aus einer Eigentumsverletzung eine qualifizierte Eigentumsverletzung, nämlich eine Zueignung zu machen. Sie ist konstitutives Merkmal der Zueignung insofern, als sie den Unterschied zu anderen Eigentumsverletzungen - Sachentziehungen, Sachbeschädigungen - ausmacht. Doch betrachtet man die Thematik genauer, dann ist es trotzdem nicht möglich, Überlegungen zur Beschaffenheit der Aneignung anzustellen, die keinerlei Auswirkungen auf den Tatbestand der Eigentumsverletzung hätten. Was den Dieb von demjenigen unterscheidet, der die Sache legi175 ZStW 103 (1991), S. 184: „ . . . der Verbrauch, die Entwertung der Sache im Sinne vollständiger Funktionsaufhebung sowie die Veräußerung und die gesetzlichen Eigentumsübergänge der §§ 946-948, 950 BGB"; diese Fallgruppen haben endgültig enteignende Wirkung, gerade weil der Täter sie nicht dauerhaft für sich nutzt, sondern an Dritte weitergibt oder in ihrer bisherigen körperlichen Identität zerstört. 176 Kargl, ZStW 103 (1991), S. 151. 177 ZStW 103 (1991), S. 152, Fn. 50 und S. 180. 178 Samson, JA 1990, S. 9; SK (4. Aufl.), § 246, Rn. 40 f. 179 Vgl. hierzu weiterhin u. c). 180 So auch Herzberg, ZStW 88 (1976), S. 98 ff.; SK-Hoyer, § 28, Rn. 26.

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4. Kap.: Die Zueignungshandlung

tim nutzt, ist die Form des Besitzes. Während derjenige, der eine Sache im Rahmen der durch den Eigentümer verliehenen Befugnisse benutzt, Fremdbesitzer ist, begründet der Dieb Eigenbesitz: Er besitzt die Sache als eigene. Der Eigenbesitz i. S. d. § 872 BGB unterscheidet sich vom sonstigen Besitz nicht in seinem tatsächlichen Aspekt, im Besitzcorpus, sondern im Besitzwillen 1* 1. Der Eigenbesitzerwille ist nicht die Überzeugung, Eigentümer zu sein (opinio domini), sondern der Wille, die Sache selbstständig und andere ausschließend zu besitzen (animus domini): die Eigentumsbehauptung 182. Der Eigenbesitz ist begründet, sobald der Besitz mit nach außen erkennbarem Eigenbesitzerwillen ausgeübt wird 1 8 3 . Einen äußeren Ausdruck findet der Eigenbesitzerwillen schon im Erwerbsakt, wenn der Besitz erkennbar als Eigenbesitz erworben wird. Es kann aber auch bereits erworbener Fremdbesitz in Eigenbesitz umgewandelt werden 184 . Auch dieser Wille zur Umwandlung von Fremdbesitz in Eigenbesitz muss durch ein äußeres Verhalten zum Ausdruck kommen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Fremdbesitzer eindeutig die Grenzen seines Besitzmittlungsverhältnisses überschreitet und äußere Akte vollzieht, die unzweifelhaft auf Eigenbesitzerwillen schließen lassen - wie es z. B. der ungetreue Entleiher eines Buches durch Hineinschreiben seines Namens tut 1 8 5 . So kommt dem formalen Gesichtspunkt des „se ut dominum gerere" 186 eine gewisse indizielle Bedeutung als Unterscheidungsmerkmal für die Arten des Besitzes zu: Geriert sich der Täter, als sei es an ihm, die in § 903 BGB beschriebenen Rechte auszuüben, so ist auf Eigenbesitz zu schließen. Anknüpfungspunkt für eine solche Vermutung können entsprechend nur Verfügungen sein, die rechtlich ausschließlich dem Eigentümer gestattet sind. Da sich dieser in praktisch allen Verfügungen über seine Sache durch einen Dritten vertreten lassen kann, bleibt übrig nur die Anmaßung der Ausschließung des Eigentümers vom Zugriff auf die Sache187. Allein dies steht erkennbar nicht in der Macht eines Stellvertreters. Inhaltlich wäre das „se ut dominum gerere" damit das Spiegelbild der Enteignung als vereitelter Ausschließung des Täters durch den Eigentümer. Und insofern weist die Aneignung auch (anders als die erlaubte Nutzung einer Sache) einen inneren Bezug Wieling, Sachenrecht, § 4,1., 3. Staudinger-Bund, § 872, Rn. 2; teils wird der Eigenbesitz auch als die „Herrschaft über die Bindung der Sache an den Eigentümer" beschrieben, vgl. Martens, NJW 1962, S. 1850. 183 Müller, Sachenrecht, Rn. 267. 184 Staudinger-Bund, § 872, Rn. 9. 185 Staudinger-Bund, § 872, Rn. 9. 186 Dazu s. u. d). 187 Stellvertretung i. S. d. §§ 164 ff. BGB ist lediglich bei höchstpersönlichen Rechtsgeschäften ausgeschlossen, so etwa bei der Eheschließung (§ 1311 BGB), der Testamentserrichtung (§ 2064 BGB), dem Erbvertrag (§ 2274 BGB) und einigen anderen Geschäften des Familien- und Erbrechts (vgl. Palandt-Heinrichs, vor § 164, Rn. 4) - doch richten sich diese Rechtsgeschäfte i. d. R. nicht auf Sachen. In Betracht kommen zwar Verfügungen von Todes wegen als sachbezogene höchstpersönliche Rechtsgeschäfte - doch käme hier das Strafrecht zu spät, da bei Eintritt der an die Verfügungen geknüpften Bedingung der Täter bereits verstorben wäre. Mangels Vollendungsmöglichkeit entfiele somit auch die Versuchsstrafbarkeit. 182

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zur Enteignung auf - wenn auch das subjektive Moment der Dauer, das der Enteignung die entscheidende Prägung verleiht, für die Aneignung unwesentlich ist. Vorerst ist festzuhalten: Die Aneignung besteht in der auf Eigenbesitz fußenden positiven (d. h. egoistisch motivierten, nicht ausschließlich destruktiven) Sachbehandlung. Es bleibt, die Vorsatzform zu benennen, mit der die Aneignung bei der Begehung eines Diebstahls angestrebt werden muss. Dass hier die vom Gesetz geforderte Absicht gegeben sein muss, ist oben (unter 1., bb)) bereits angeklungen und kann auch im Übrigen nicht zweifelhaft sein: Der Diebstahl ist seinem kriminologischen Typus nach eine egoistisch motivierte Tat, deren gesetzlicher Tatbestand einen Täter im Auge hat, der sich seiner Interessen wegen rücksichtslos über die Belange anderer hinwegsetzt188. Wenn schon die Enteignung nur mit direktem Vorsatz angestrebt werden muss, so muss doch die Aneignung, wie es der Wortlaut des § 242 StGB verlangt, beabsichtigt werden. Kommt es dem Täter bei Wegnahme einer Sache auf die Aneignung nicht an, so ist er nicht strafbar wegen Diebstahls (realisiert er allerdings später eine - zunächst also nicht intendierte - Zueignung, begeht er eine Unterschlagung. Mangels Diebstahlsstrafbarkeit ist die Anwendung der Subsidiaritätsklausel des § 246 Abs. 1 StGB ausgeschlossen).

c) Der „Zweckzusammenhang" zwischen Ent- und Aneignung Umstritten ist, ob und inwiefern ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen Enteignung und Aneignung bestehen muss 189 . Beträchtliche Konsequenzen hat diese Auseinandersetzung für die in der Praxis recht bedeutende Fallgruppe der Entwendung von Kraftfahrzeugen, die nach kurzer Nutzung irgendwo unverschlossen stehengelassen werden. In dem Gebrauch des Fahrzeugs liegt eine Aneignung - soweit ist man sich einig 1 9 0 . Ob in der Preisgabe des Wagens an einem beliebigen Ort, die Dritten den Zugriff ermöglicht, eine Enteignung zu sehen ist, wird nicht einheitlich beurteilt 191 . Für die hier interessie188 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 176. 189

Von dieser Thematik zu unterscheiden ist das Erfordernis der Stoffgleichheit von Entund Aneignungsobjekt, vgl. hierzu Mitsch, BT 2, TB 1, § 1, Rn. 137; Deubner, NJW 1967, S. 1921 f. 190 Vgl. selbst Kargl, ZStW 103 (1991), S. 150 f., m. w. N. 191 Vgl. o. 1., a), aa). Es wird insbesondere eingewandt, dass eine Rückführung des stehengelassenen Wagens an den Berechtigten durch die Polizei nach heutigen Verhältnissen selbstverständlich sei, vgl. Rudolphi, GA 1965, S. 51, Fn. 78; Die Rechtsprechung verneint das Merkmal der Enteignung demgegenüber nur bei besonders auffälligen Fahrzeugen wie einem Hochdruckspül wagen (BGH, VRS 51, S. 210 [211]); selbst einem Feuerwehrauto wurde eine solche Auffälligkeit allerdings abgesprochen (Koblenz OLGSt 7, zu § 248 b), so dass in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle und gerade bei serienmäßig hergestellten Pkws die Enteignungskomponente mühelos bejaht wird (BGHSt 22, S. 45 [47]).

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rende Frage nach einem funktionalen Korrespondenzverhältnis beider Elemente soll jedoch einstweilen im Anschluss an die herrschende Meinung die enteignende Wirkung einer Preisgabe unterstellt werden, da nur auf Basis dieser Annahme über einen Zweckzusammenhang diskutiert werden kann 192 . Nach herrschender Ansicht genügt es, wenn der Täter bei der Wegnahme beabsichtigt, sich die Sache zunächst anzueignen und sie sodann dem Berechtigten auf Dauer zu entziehen193. Danach sind Aneignung und Enteignung (jedenfalls, soweit sie durch einen beide umfassenden Vorsatz verklammert werden) zwei nebeneinander stehende Elemente, die sich gegenseitig nicht bedingen und jeweils auch ohne das andere vorliegen können 194 . Liegen sie jedoch beide vor, und sei es die Enteignung (durch Preisgabe) erst nach der Aneignung (durch Nutzung), so sei eine Zueignung zu bejahen 195 . Als Gründe ins Feld geführt werden wiederum kriminalpolitische Erwägungen: die weit gehende Durchlöcherung des Eigentumsschutzes, wenn die Preisgabe einer Sache strafrechtlich bedeutungslos wäre 196 . Vertreten wird andererseits die Auffassung, die Enteignung müsse durch Aneignung erfolgen bzw. dem Zweck der Aneignung dienen 197 ; der Ausschluss des Berechtigten müsse also gerade durch die Ausübung der Eigentümerbefugnisse bewirkt werden. Verzichte man auf dieses Korrespondenzverhältnis zwischen Entund Aneignung, denaturiere man die Zueignung zu einer durch Sachentziehung qualifizierten Gebrauchsanmaßung (oder umgekehrt) 198 . Die Trennung der inhaltlichen Elemente (und ihre anschließende bloß summarische Zusammenfügung) bedeute eine bedenkliche strafausweitende Wirkung zu Lasten der straflosen Gebrauchsanmaßung199 2 0 °. Die Enteignung müsse daher einen Zwischenschritt zur Aneignung darstellen 201 und dürfe nicht erst nach abgeschlossener Nutzung erfolgen 202 . 192

Wenigstens bei der Preisgabe von Kraftfahrzeugen an versteckten Orten (Wälder, verlassene Gelände, Schrottplätze) wird man zu Recht von enteignendem Handeln ausgehen können; unzweifelhaft enteignend ist der Verkauf oder die Zerstörung des Wagens nach der Nutzung, so dass zumindest bei derartigen Konstellationen der Streit über das Korrespondenzverhältnis geführt werden muss. 193 Wessels, NJW 1965, S. 1156; Sch./Schr.-Eser, § 242, Rn. 47; LK-Ruß, § 242, Rn. 57; Schaffstein, GA 1964, S. 110; Ranft, JA 1984, S. 280; BGH, VRS 24, S. 213. 194 LK-Ruß, § 242, Rn. 51. 195 Ranft, JA 1984, S. 280. 196 Tenckhoff, JuS 1980, S. 724 f. 197 Kargl, ZStW 103 (1991), S. 151; Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 38; SK-Samson (4. Aufl.), § 242, Rn. 78; Seelmann, JuS 1985, S. 455; Androulakis, JuS 1968, S. 413; Rudolphi, GA 1965, S. 50 f. 198 Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 38; Gallas, Niederschriften, Bd. 6, S. 101. 199 Abgesehen von ihren bereits mehrfach genannten Ausnahmenfällen (§§ 248 b und 290). 2 00 I. d. S. Seelmann, JuS 1985 S. 454. 201 Seelmann, JuS 1985, S. 455. 202 Rudolphi, GA 1965, S. 51.

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Nun dürfen wir von Folgendem sicher ausgehen: Die Zueignung erschöpft sich nicht in einer einfachen Addition von Sachentziehung und Gebrauchsanmaßung so wenig, wie ein Diebstahl und eine Nötigung addiert einen Raub ergeben, wenn sie lediglich nebeneinander stehen und nicht inhaltlich verknüpft sind. Es stellt sich also nicht so sehr die Frage nach einem inhaltlichen Zusammenhang zwischen Ent- und Aneignung überhaupt, als vielmehr nach der Art dieses Zusammenhangs 203 . Was der Wahrnehmung von der Aneignung „als Spiegelbild der Enteignung" 204 empfindlich entgegensteht, ist die Einsicht, dass beide sich wenigstens inhaltlich gar nicht entsprechen können: die Eigenbesitznahme durch den Täter und die positive Nutzung der Sache zu selbstbezogenen Zwecken spiegeln nicht das, was dem Berechtigten durch das deliktische Handeln genommen wird, denn der muss weder Besitzer der Sache gewesen sein, noch sie genutzt haben. Die Enteignung ist die Vereitelung der negativen Komponente des § 903 BGB: des Ausschließungsrechtes gegenüber dem Täter 205 . Die Aneignung demgegenüber ist die Ausübung dessen, was die positive Komponente des § 903 BGB dem Eigentümer zubilligt: Der Umgang mit der Sache nach Gutdünken. Allerdings ist zu bedenken, dass in der Begründung von Eigenbesitz bereits die Anmaßung der Ausschließung des Eigentümers vom Zugriff auf die Sache liegt hierin liegt eine Art subjektiver Spiegelung der beiden inhaltlichen Komponenten 2 0 6 - , doch enthält die Aneignung auch subjektiv kein Dauer-Erfordernis, sie ist ohne Bezug auf die Zukunft. Zu spiegelverkehrten Ebenbildern (und diese Fiktion steht offenbar hinter der Annahme vom Erfordernis einer direkten inhaltlichen Verknüpfung) lassen sich die beiden Komponenten schon daher nicht formen. Und doch existiert der unter 1. herausgearbeitete dynamische Charakter beider Elemente: Vergegenwärtigt man sich, dass die Ent-eignung ein Entfernen darstellt, eine Bewegung aus etwas heraus, das Entstehen einer Distanz 207 , und dass die Aneignung eine Annäherung bzw. einen Kontakt bedeutet 208 , so liegt die Synchronie der beiden dynamischen Vorgänge nahe, und jedes strikte Separieren kann nur künstlich anmuten. Worin liegt nun aber ihr Zusammenhang? Die zu fordernde Verknüpfung von Ent- und Aneignung - dies ergibt sich aus den obigen Überlegungen - kann nicht im äußeren Bereich angesiedelt sein. Sie ist deshalb notwendig eine subjektive: Die beiden Komponenten müssen durch den Vorsatz des Täters verklammert sein, und zwar auf die Weise, dass zum Zeitpunkt 203

Dass kriminalpolitische Aspekte der funktionalen Verknüpfung von Ent- und Aneignung entgegenstehen, kann dagegen keine Argumentationsbasis sein; vgl. auch Kargl, ZStW 103 (1991), S. 151, Fn. 48; anders Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 146. 204 Kargl, ZStW 103 (1991), S. 152, Fn. 50. 205 Vgl.o. Kap. 2, 3. 206 Vgl. o. b), bb). 207 Kühnhold/Wellmann, Das Verb, S. 218 f. 208 Kühnhold/Wellmann, Das Verb, S. 144. 8 Kauffmann

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der Aneignung auch die Enteignung bereits avisiert ist. Wird ein Fahrzeug nach abgeschlossener Nutzung an einsamer Stelle preisgegeben und war diese Preisgabe zuvor nicht ins Auge gefasst, so liegen zwar isoliert voneinander Aneignung und Enteignung vor - sie ergeben jedoch keine Einheit; die Ausschließung des Eigentümers fällt zusammen mit der Aufgabe des Eigenbesitzes durch den Täter. Der vor der Preisgabe gezogene Nutzen, der vor der Preisgabe bestehende Eigenbesitz müssen deshalb außer Betracht bleiben 209 . Umgekehrt kann die Enteignung als singuläres Ereignis der Aneignung durchaus vorangehen: Hat der Täter einem Unbekannten in einer Menschenmenge dessen Tasche weggenommen und ihn damit auf Dauer enteignet, so knüpft er ohne weiteres an diese Enteignung an, wenn er sich erst später entschließt, die Tasche selbst zu behalten und sie für sich nutzt, statt, wie ursprünglich geplant, nach Plünderung des Inhalts wegzuwerfen. Obzwar hier wegen Fehlens der punktualisierten Zueignungsabsicht im Zeitpunkt der Wegnahme kein Diebstahl i. S. d. § 242 StGB bezüglich der Tasche als Behältnis in Betracht kommt 2 1 0 , kann ohne Mühe Unterschlagung i. S. d. § 246 StGB bejaht werden. Eine weiter gehende funktionale oder zeitliche Verknüpfung ist dagegen nicht zu fordern. Sie würde die signifikante Unterschiedlichkeit der beiden Komponenten verleugnen. d) „se ut dominum gerere" Zur Formel von der Eigentumsanmaßung ist an anderer Stelle schon einiges gesagt 211 , ohne freilich das Spektrum der Ansichten in der Lehre eingehender zu beleuchten. Dass es kein „faktisches Verhältnis zu einer Sache" geben kann, das dem Eigentum gleicht, ohne allerdings als Eigentum sanktioniert zu sein, wurde bereits belegt: Eigentum ist (anders als der Besitz, der tatsächliche Macht über eine Sache bedeutet) überhaupt kein faktisches Verhältnis zu einer Sache, sondern verleiht dem Berechtigten nichts weiter als reine Rechtsmacht. Nichts ist dieser ähnlich und es fällt schwer, sich vorzustellen, wie man sich wohl gelieren sollte, als sei man Inhaber dieser Rechtsmacht, wie man sich eine Position verschaffen sollte, die „rein äußerlich, faktisch gesehen, der des Eigentümers gleicht" 212 . Was immer nach außen darstellbar ist, benötigt eine empirische Gestalt, die nicht dem Eigentum, sondern dem Besitz angehört. Eigentum ist rein äußerlich, faktisch weder aufweisbar noch wahrnehmbar. Auf Basis der herrschenden Definition von Eigentum als Sachherrschaft 213 gelangt die herrschende Meinung jedoch zu anderen Ergebnissen 214 , die im Folgenden aufgezeigt werden sollen. 209 Ebenso: Ranft, JA 1984, S. 281; BayObLG, NJW 1961, S. 280 f.; BGH GA 1960, S. 182; BGH GA 1961, S. 172 f. 210 Sch. /Schr.-Eser, § 242, Rn. 63; BGH GA 1962, S. 145. 211 Vgl. o. Kap. 3, 3., c). 212 Noak, Drittzueignung und 6. Strafrechtsreformgesetz, S. 26. 213 Vgl. o. 2. Kap., 2.

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Teilweise wird die „Anmaßung einer eigentümerähnlichen Stellung" als Grunderfordernis der Zueignung angesehen, das durch die inhaltlichen Elemente Entund Aneignung dann nur konkretisiert und gegenüber z. B. der Sachbeschädigung abgegrenzt werde 215 . Teils wird in ihr ein weiteres, die Ent- und die Aneignung ergänzendes Kriterium gesehen216. Wegen des Fehlens des „se ut dominum gerere" will man beispielsweise im Finderlohn-Fall 217 oder im Dienstmützen-Fall218 die Zueignung verneinen und das „se ut dominum gerere"-Erfordernis soll weiterhin helfen, Selbst- von Drittzueignungen zu unterscheiden 219. Inhaltlich wird das „se ut dominum gerere" häufig als Teil der Aneignung begriffen 220 Das ist insoweit erklärbar, als sich in der Verwendung einer Sache meist ganz selbstverständlich ein Schein des Rechtes aus § 903 BGB spiegelt. Bei strengerer Betrachtung ist es jedoch inkorrekt 221 : Die Forderung, der Täter müsse sich als Quasi-Eigentümer aufführen, ist Teil einer formalen Betrachtungsweise, die materiell nicht in der Lage ist, an inhaltliche Elemente, bzw. Vorgänge wie die der Ent- und der Aneignung anzuknüpfen 222 oder gar gegenüber anderen Eigentumsdelikten abzugrenzen 223 und daher höchstens als zusätzliches Merkmal zu den beiden hinzutreten kann. So will sich beispielsweise durchaus auch derjenige als Eigentümer aufführen, der eine ungefährdet beim Berechtigten verwahrte Sache in eigenem Namen zu verkaufen versucht, auch wenn Zugriffsmöglichkeiten auf die Sache nie bestanden haben 224 - von Enteignung kann hier keine Rede sein, und auch die Aneignung ist höchstens versucht. Dennoch hat sich der Täter unmissverständlich als Berechtigter ausgegeben. Und es lässt sich kaum ein stärkerer Ausdruck von Anmaßung der Eigentümerstellung vorstellen, als das eigenmächtige Zerstören einer Sache; doch ist dies, sofern die Destruktion dabei Selbstzweck ist, bar jedes Aneignungsmoments und allein unter § 303 StGB subsumierbar. 214 Das „se ut dominum gerere"-Erfordernis befürwortend etwa: BGHSt 24, S. 115 (123); Tröndle/Fischer, § 242, Rn. 18; Krey, BT 2, Rn. 53; Kindhäuser, BT 2, Tb. 1, § 2, Rn. 78; Häuf, BT 1, S. 18; Wessels, NJW 1965, S. 1154 ff.; Rudolphi, GA 1965, S. 33 f.; Tenckhoff, JuS 1980, S. 723. Es ablehnend: Androulakis, JuS 1968, S. 410 f. 2 15 Tenckhoff, JuS 1980, S. 723. 216 Gropp, JuS 1999, S. 1043. 217 Tenckhoff, JuS 1980, S. 723. 2 is BGHSt 19, S. 387 ff. 219 Wolfslast, NStZ 1994, S. 544; vgl. auch Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 341. 220 Vgl. etwa Rudolphi, GA 1965, S. 39 im Kontext seiner Ausführungen zum Moment der Aneignung. 22 1 Ähnlich Samson, JA 1990, S. 5. 222 Vgl. a u c h Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 53. 223 Zur Abgrenzung von der straflosen Sachentziehung vgl. etwa OLG Köln, NJW 1997, S. 2611 m. Anm. Martin, JuS 1997, S. 1140 f. 224 Beispielsfall in Anlehnung an Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 52 f.

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4. Kap.: Die Zueignungshandlung

Besonders eingehend kritisiert Androulakis die Formel von der „Eigentümerähnlichkeit" 225 : Es gebe keine Verfügung über eine Sache, die der Eigentümer nicht einem anderen überlassen könne und folglich auch keine, die seiner ausschließlichen Zuständigkeit zugehöre. Darüber hinaus bedeute „Anmaßung der Totalität der realen Eigentümerbefugnisse" oder der „vollen Eigentumsmacht" entweder zu viel oder zu wenig - gleichzeitige Ausschöpfung aller nur denkbarer Befugnisse des Eigentümers sei oft gar nicht möglich; die „volle Macht" i. S. einer totalen Machtvollkommenheit habe dagegen auch der Besitzer einer entliehenen Sache. Grundsätzlicher Art ist auch die Kritik von Maiwald 126. Eigentum, so Maiwalds Gedankenführung, setze eins sicher nicht voraus: ein tatsächliches Macht-Haben des Eigentümers über seine Sache. Dies zeige bereits die Existenz von Vorschriften, die den Erwerb von Eigentum ohne Besitz ermöglichen (§§ 930, 931 BGB). Subtrahiere man also vom Eigentumsverhältnis die dieses regelnden Normen, so bleibe nicht etwa ein „faktisches Herrschaftsverhältnis" des Eigentümers übrig, sondern gar nichts: es „ist per definitionem nicht existent" 227 . Die Formulierung, dem Herrschaftsverhältnis eines Diebes mangelte es lediglich an der rechtlichen Sanktion, um Eigentumsverhältnis zu sein, lasse also gerade die fundamental verschiedenen Dimensionen des faktischen Herrschaftsverhältnisses und des Eigentumsverhältnisses außer Betracht. Der einzig richtige Gesichtspunkt der Formel liege im Negativen: Der Zueignungstäter stehe deshalb wie ein „faktischer Eigentümer" da, weil er das Eigentum des in Wahrheit Berechtigten praktisch ausgeschaltet habe 228 . Großzügiger sieht Roth in dem formalen Element des „ut dominum se gerere" eher eine „grobe und plakative Umschreibung" des Verhaltens, das eine Zueignung darstellt, denn ein taugliches Abschichtungskriterium zwischen den verschiedenen Eigentumsdelikten229. Es sei jedoch „im Kern zutreffend" 230 . Einziger Anknüpfungspunkt für ein „Sich als Eigentümer aufführen" könnte, soviel muss nach dem Gesagten deutlich sein, eine Verfügung sein, die rechtlich ausschließlich dem Eigentümer gestattet ist. Da sich dieser in praktisch allen Verfügungen über seine Sache durch einen Dritten vertreten lassen kann, bleibt übrig nur die Anmaßung der Ausschließung des Eigentümers vom Zugriff auf die Sache. Allein dies steht erkennbar nicht in der Macht eines Stellvertreters. Inhaltlich wäre das „se ut dominum gerere" damit eine Art Spiegelbild der Enteignung als vereitel22 5 Androulakis, JuS 1968, S. 410, auch in Auseinandersetzung mit der durch v. Hippel vorgeschlagenen (an die zivilrechtliche Figur des Eigenbesitzes, § 872 BGB, angelehnten) Kombination von eigentümerähnlichem Verhalten und Herrscherwillen (Ist Diebstahl an fließendem Wasser möglich?, S. 28 ff.). 226 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 67 ff. 227 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 68. 228 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 69. 229 Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 40. 230 Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 39.

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ter Ausschließung des Täters durch den Eigentümer. Von indizieller Bedeutung kann die Feststellung eines solchen Verhaltens durchaus sein - lässt sich doch aus ihm auf den für die Aneignungskomponente konstitutiven Eigenbesitzerwillen schließen231. Die materielle (d. h. über die Rolle eines Indizes hinausgehende) Bedeutung dieser Formel als eigenständiger Prüfungspunkt neben An- und Enteignung erscheint jedoch für den Bereich der Selbstzueignungen zumindest übertrieben, da hier das Wesen der Zueignung ausreichend durch Feststellung der inhaltlichen Elemente An- und Enteignung erfasst werden kann. Überdies kann die Ausschließung des Eigentümers auch in der Sachzerstörung oder -entziehung liegen und bildet daher kein Charakteristikum der Zueignung. Einen anderen Nutzen erfährt die „se ut dominum gerere"-Formel dagegen für die Unterscheidung von Selbstzueignungen und Drittzueignungen - allerdings im Grunde im Umkehrschluss: Wer sich eindeutig nicht als Berechtigter, nicht als aus eigener Machtvollkommenheit Verfügender ausgibt, wer erkennbar den Interessen eines anderen dienlich sein will, ohne dabei eigene Interessen zu verfolgen, der handelt „ut servum domini" nicht in Selbstzueignungsabsicht. Dies ist der einzige Bereich, in dem die Unterscheidung nach äußeren statt inhaltlichen Kriterien zweckmäßig ist, da es dabei nicht um das Vorliegen der Aneignungskomponente überhaupt, sondern um ihr Bezugsobjekt geht 232 .

e) Die Verletzungshandlung beim Diebstahl Die herrschende Ansicht geht dahin, den äußeren Tatbestand des Diebstahls allein in der Wegnahme zu sehen und eine etwaige Zueignung völlig aus ihm zu verweisen 233 . Die Absicht rechtswidriger Zueignung betreffe nur den inneren Tatbestand, so dass § 242 StGB den Prototypen des Delikts mit überschießender Innentendenz darstelle 234 . Die Zueignung brauche gar im späteren Verlauf nicht wirklich einzutreten, der Diebstahl sei insofern ein „erfolgskupiertes Delikt" 2 3 5 . Nach anderer Auffassung ist der Diebstahl der spezielle Fall von Zueignung durch Wegnahme236, so dass die Zueignungshandlung in der Wegnahme aufgehe. 231 Vgl. o. b), bb). 232 Vgl. im einzelnen unten, Kap. 5, 2. 233 LK-Ruß, § 242, Rn. 32; Gössel, ZStW 85 (1973), S. 603 f.; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 33, Rn. 36; Sch. / Schr.-Eser, § 242, Rn. 46; Mitsch, BT 2, TB 1, § 1, Rn. 97; Noak, Drittzueignung und 6. Strafrechtsreformgesetz, S. 60; ebenso bereits RGSt 14, S. 121 (123). 234 Zuerst Hegler, ZStW 36, S. 31 (der aber später seine Auffassung änderte, vgl. Frank-FS I, S. 310). 235 Eser, Strafrecht IV, S. 24. 236 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 177, vgl. auch S. 190; derselbe in: Maurach/Schroeder/Maiwald, BT, TB 1, § 34, Rn. 5; Paulus, Der strafrechtliche Begriff der Sachzueignung, S. 188; Otto, Struktur des strafrechtlichen Vermögensschutzes, S. 128 f., S. 267; Behrendt, Der Begriff der Zueignung in den Tatbeständen des

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4. Kap.: Die Zueignungshandlung

„Die Meinung, Wegnahme und Aneignung deckten sich nicht", so Nagler, führe „zu einer künstlichen, lebenswidrigen Verrenkung der Rechtslage"237. Im Begriff der „Absicht" sei kein Hinweis auf etwas Zukünftiges, sondern auf die gegenwärtige Diebstahlshandlung zu erblicken, er bezeichne lediglich das Erfordernis des direkten Aneignungsvorsatzes 238, bzw. kennzeichne nur eine besonders hohe Intensität des Einverleibungswunsches 239. Der Diebstahl sei kein zweiaktiges Delikt, bei dem der Täter zunächst eine Sache wegnehme, um sie sich anschließend durch einen bestimmten Gebrauch zuzueignen; die Eigentumsanmaßung liege vielmehr in der Inbesitznahme der Sache mit dem Anspruch, sie nunmehr als eigene zu besitzen 240 Androulakis lässt im Ergebnis offen, ob Wegnahme und Zueignung zusammenfallen, stellt aber fest, dass zumindest die Absicht definitiver Enteignung über den äußeren Tatbestand hinausschieße, so dass wenigstens ein rein subjektives Moment im Diebstahlstatbestand verbleibt 241 . Lampe zufolge verlangt der objektive Tatbestand des Diebstahls ein von der Wegnahme verschiedenes Enteignungselement242, das mit dieser also nicht identisch ist und ihr auch nachfolgen können muss 243 . Demnach ließen sich furtum usus und Diebstahl bereits im objektiven Tatbestand unterscheiden. Maiwald wendet gegen Lampe ein, die in der Wegnahme liegende Zueignung sei nur durch Feststellung der eigensüchtigen Motivation feststellbar, wodurch die These, die Entziehungsseite sei objektiv zu erfassen, hinfällig würde 244 . Ähnlich kritisiert Gössel, Lampe übersehe, dass es keine Kriterien für die objektive Unterscheidung von Gebrauchsanmaßung und Enteignung gebe 245 . Wenn man der heute herrschenden Meinung zur Frage der Gewahrsamserlangung folgen will, die bezüglich der Begründung neuen Gewahrsams der Apprehensionstheorie anhängt 246 , so ist vollendete Wegnahme beispielsweise schon gegeDiebstahls und der Unterschlagung, S. 33; Kindhäuser, BT 2, Tb. 1, § 2, Rn. 78 ff.; Sinn, NStZ 2002, S. 66 f.; Binding, Lehrbuch BT, S. 292. 237 Nagler in LK, 6. /7. Auflage, § 242, Anm. I, III 2. 238 Frank, Das Verbot der Zueignung fremder Sachen, S. 263; Paulus, Der strafrechtliche Begriff der Sachzueignung, S. 188: Bei der Formulierung „er reist in der Absicht, sich zu erholen" werde auch nicht an eine Erholung erst nach der Reise gedacht. 239 Behrendt, Der Begriff der Zueignung in den Tatbeständen des Diebstahls und der Unterschlagung, S. 33. 240 Kindhäuser, BT 2, Tb. 1, § 2, Rn. 88. 241 Androulakis, JuS 1968, S. 414. 242 Lampe, GA 1966, S. 239. 243 Dass dieser Schluss der Konstruktion Lampes immanent ist, weist Gössel nach (ZStW 85 [1973], S. 600). 244 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 179. 245 Gössel, ZStW 85 (1973), S. 600. 246 Sch. / Schr.-Eser, § 242, Rn. 37 (mit der Möglichkeit der Ablation [Wegbringen der Sache]); Maurach /Schroeder/Maiwald, Strafrecht, BT 1, § 33, Rn. 26; Eser, Strafrecht IV,

1. Die beabsichtigte Zueignung beim Diebstahl, § 242 StGB

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ben, wenn der Täter in einem Warenhaus oder Selbstbedienungsladen Gegenstände in seiner Kleidung verschwinden lässt, selbst wenn er dabei von Angestellten des Warenhauses beobachtet worden ist 2 4 7 . Dass in dieser Situation die Ausübung des Ausschließungsrechtes des Berechtigten bereits vereitelt ist, wird niemand behaupten können 248 . Schon objektiv könnte in einem solchen Verhalten deshalb höchstens ein unmittelbares Ansetzen zur Enteignung oder gar nur ihre Vorbereitung erblickt werden. Der Enteignungserfolg ist jedenfalls noch nicht eingetreten. Gänzlich unhaltbar wird die Annahme der notwendigen Identität von Wegnahme und Zueignung aber mit Blick auf die möglichen inneren Vorstellungen des Täters. Gerade weil allein die subjektive Einstellung des Täters darüber entscheidet, ob die Wegnahme nun der Zueignung oder der Gebrauchsanmaßung oder sogar der Zerstörung dienen soll, kann die Wegnahme eben nicht schon objektiv als Zueignung aufgefasst werden 249 . Auch das Argument, in der Wegnahmehandlung liege eine eindeutige Manifestation des Zueignungswillens250, ist nicht stichhaltig: Wäre dies eindeutig, so gäbe es keine Gebrauchsanmaßungen251. Da die Wegnahme aber auch der Auftakt zu einem unbefugten In-Gebrauch-nehmen sein kann, ist sie jedenfalls nicht immer, nicht ausnahmslos Zueignung. Insofern ist auch das Argument 252 , die historische Konstruktion des Diebstahlstatbestandes habe die Verlagerung der Zueignung in den Bereich des Subjektiven nur als Gegenentwurf zum überlieferten „animus lucri faciendi" des römischen Rechts betrieben, durch das Verhältnis der Tatbestände und ihrer Merkmale entmachtet. Denn wie jede Rechtsfrage kann auch diese nur „auf der Grundlage des im Gesetz objektivierten Willens des Gesetzgebers beantwortet werden. Die Gesetzesmaterialien können als ,Argumentationshilfe 4 unterstützend, zur Behebung von Zweifeln und unter der Voraussetzung herangezogen werden, dass die Vorstellungen der an der Gesetzgebung beteiligten Organe im Gesetz selbst einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden haben. Eine AusS. 24; LK-Ruß, § 242, Rn. 34; BGH, NStZ 1988, S. 270; einschränkend Gössel, ZStW 85 (1973), S. 604 ff. 247 LK Ruß, § 242, Rn. 43a; NK-Kindhäuser, § 242, Rn. 47; SK-Samson (4. Aufl.), § 242, Rn. 24; Hillenkamp, JuS 1997, S. 221 ff.; Gössel, ZStW 85 (1973), S. 641, 649; RGSt 52, S. 75; BGHSt 16, S. 271; 17, S. 205 (208 f.); OLG Düsseldorf, JZ 1990, S. 100; einschränkend Kargl, JuS 1996, S. 971 ff.; dagegen Sch./Schr.-Eser, § 242, Rn. 40; OLG Hamburg, NJW 1960, S. 1920. 248 Vgl. aber Kindhäuser, BT 2, Tb. 1, § 2, Rn. 92, der den Zueignungserfolg mit der Begründung von Eigenbesitz gleichsetzt und damit offenbar gänzlich im subjektiven Tatbestand ansiedelt. 249 Gössel, ZStW 85 (1973), S. 601. 250 Selbst nach Kargl, ZStW 103 (1991), S. 181, der im Übrigen darum bemüht ist, die Vollendung der Zueignung zurückzudrängen, erlaubt die Wegnahme „Rückschlüsse auf die Innenseite des Täters". 251 Vgl. auch Maurach/Schroeder/Maiwald, BT, TB 1, § 34, Rn. 4. 252 Dessen Anklang bei Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 178; vgl. o. Kap. 1.

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4. Kap.: Die Zueignungshandlung

legung, die diese Grenzen verkennt, läuft Gefahr, sich mit dem Gebot der Bestimmtheit des Strafgesetzes (Art. 103 Abs. 2 GG; § 1 StGB) in Widerspruch zu setzen" 253 . Im Gesetz aber, das wurde gezeigt, hat sich das Verständnis der Zueignung als Bestandteil des objektiven Diebstahlstatbestands gerade nicht objektiviert - im Gegenteil: In Abgrenzung zu anderen Tatbeständen kann die Zueignung gar nicht steter Begleiter der Wegnahme sein. Es mögen allerdings Einzelfälle denkbar sein, in denen Wegnahme und Zueignung dennoch zusammenfallen; so wenn beispielsweise der Täter einen auf dem Wochenmarkt zur Ansicht gereichten Apfel unmittelbar verspeist. Der (Mit-)Gewahrsamsbruch liegt hier erst im Essen des Apfels, durch das der Täter gleichzeitig An- wie Enteignung verwirklicht: Er nutzt die Sache und vereitelt ein für allemal die Ausschließungsmöglichkeiten des Eigentümers. Häufiger noch mögen Fälle denkbar sein, in denen die Wegnahme zwar die Enteignung, nicht aber die Aneignung realisiert, da der Eigentümer im Augenblick des Gewahrsamsbruches vom Zugriff auf die Sache ausgeschlossen wird, ohne dass aber mit der Nutzung der Sache im selben Moment bereits begonnen würde - zumeist wird der Dieb den neu begründeten Gewahrsam an der Sache sichern, bevor er ihre Nutzung angeht. Wie auch immer man jedoch Einzelfälle entscheiden möchte, sollte an dieser Stelle die Feststellung ausreichen, dass es Wegnahmeakte gibt, die keine Zueignung darstellen, um die Einheitstheorie zu verwerfen. Darüber hinaus sieht auch der Gesetzgeber Wegnahme und Zueignung nicht als identisch an. Dies zeigt sich mittelbar in der Begründung des Gesetzesentwurfes zum neuen § 246 StGB: „Der Entwurf sieht die Unterschlagung jedoch nicht als Grundtatbestand aller Zueignungsdelikte an, zu dem Diebstahl, Raub und ähnliche Straftaten im Verhältnis der Spezialität stehen" 254 . Wäre nun aber im Sinne der Einheitstheorie in jeder Wegnahme eine Zueignung mitverwirklicht, so wäre auch in jedem Diebstahl notwendig eine Unterschlagung enthalten. Dies liefe jedoch dem bekundeten Gestaltungswillen des Gesetzgebers zuwider, zumal sich die offiziellen Begründungen auch auf den E 62 (den Entwurf eines Strafgesetzbuches aus dem Jahr 1962) beziehen 255 , in dem es heißt: „Die Fassung des Gesetzes bringt ( . . . ) zum Ausdruck, dass die bloße Wegnahme noch keine Zueignung zu sein braucht" 256 . Die neue Formulierung des § 246 StGB verstellt insoweit auch die Weichen für die Interpretation des § 242 StGB. Ein weiterer Anhaltspunkt für diese Auffassung ist die Aufnahme der Drittzueignung in die Eigentumsdelikte: Es ist nur schwer vorstellbar, wie sich in einer Wegnahme eindeutig die Drittzueignung manifestieren sollte bzw. wie die Aneignungskomponente der Drittzueignung bereits verwirklicht sein sollte; der Wegnah253 BGHSt 26, S. 156 (159 f.); vgl. auch BVerfGE 1, S. 299 (312); 11, S. 126 (130); 20, S. 238 (253); BGHSt 1, S. 74 (75 f.); 8, S. 294 (298); 11, S. 52 (53); RGSt 37, S. 333 (334). 254 BT-Drucksache 13/8587 (25. 9. 1997), S. 43. 255 Ebenda. 256 E 62, S. 401.

2. Die vollzogene Zueignung bei der Unterschlagung, § 246 StGB

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meakt selbst wird zumeist keinerlei Bezug auf einen Dritten aufweisen. Drittzueignungen folgen dem Gewahrsamsbruch regelmäßig zeitlich nach. Wenigstens diese müssten also losgelöst vom Wegnahmeakt festgestellt werden. Es lässt sich also festhalten: In der Wegnahme selbst finden sich zumeist weder das Element der Enteignung, noch der Aneignung (erst gar nicht in der Variante der Drittzueignung). Einzelne vorstellbare Konstellationen, in denen beide Komponenten im Augenblick der Wegnahme vorliegen, erlauben keinen Schluss auf die generelle Identität von Wegnahme und Zueignung. Spätestens das 6. StrRG hat deshalb die Argumente der Einheitslehre entmáchtet: die Wegnahme ist nicht identisch mit der Zueignung; sie kann es nach der Konzeption des Gesetzes nicht sein. Da, wie festgestellt, an die Annahme der Zueignung eigene Verhaltensanforderungen geknüpft sind, ist der Diebstahl auch kein kupiertes Erfolgsdelikt, sondern ein unvollkommen zweiaktiges Delikt 2 5 7 . Folge dieser Auffassung ist, dass für den objektiven Tatbestand gänzlich auf den Eintritt einer Rechtsgutsverletzung verzichtet und diese zum Gegenstand einer überschießenden Innentendenz degradiert wird. Dadurch wird die Zueignung zu einem „verkappten Element des äußeren Tatgeschehens"258 - der Gesetzgeber hat die Deliktsvollendung vorverlegt und die objektive Tathandlung der Zueignung in deren bloße Absicht umgewandelt. Ist das Wesen der Zueignung insofern auch im Tatbestand des § 242 StGB an sich funktionell sachlicher Natur, d. h. seinem Wesen nach das eines objektiven Tatbestandsmerkmals, so folgt daraus allerdings nicht, dass der Teilnehmer eines Diebstahls selbst Zueignungsabsicht aufweisen müsste. Vielmehr genügt es, wenn der Teilnehmer will, dass die Zueignungsabsicht durch den Täter verwirklicht werde 259 . Doch damit ist geklärt, dass es sich bei der Zueignungsabsicht nicht um ein täterbezogenes Merkmal i. S. d. § 28 StGB, sondern um ein an der Stelle eines entsprechenden äußeren Merkmals stehendes tatbezogenes Merkmal handelt 260 .

2. Die vollzogene Zueignung bei der Unterschlagung, § 246 StGB Alle bislang erwirkten Begriffsbestimmungen und Definitionen erlangen, soweit sie § 242 StGB betreffen, vorerst nur Bedeutung für den subjektiven Tatbestand. Sie basieren jedoch auf einer Dogmatik, die zumindest pro forma von einem das Strafgesetzbuch durchziehenden einheitlichen Zueignungsbegriff ausgeht. Ober257

Zur Differenzierung dieser Begriffe als Untergruppen der Delikte mit überschießender Innentendenz vgl. Roxin, AT I, § 10, Rn. 84. 258 LK-Roxin, § 28, Rn. 38. 259 LK-Roxin, § 28, Rn. 70; ebenso SK-Hoyer, § 28, Rn. 25 für die Enteignung, die allein er als materielle Tatvollendung begreift. 260 BGHSt 22, S. 375 (380).

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4. Kap.: Die Zueignungshandlung

flächlich betrachtet hat es also den Anschein, als wüssten wir über die Zueignung bereits genug, um ohne größere dogmatische Probleme die Tathandlung der Unterschlagung zu bestimmen: Sie müsste in der Enteignung des Berechtigten und der Aneignung der Sache durch den Täter bestehen. Davon wäre jedenfalls auszugehen, wenn es richtig wäre, dass es sich bei der Konzeption des § 242 StGB um eine „Verlagerung ins Subjektive" handelt 261 . Die Zueignung des § 246 StGB wäre dann (wenigstens genuin) der dogmatische, auch der inhaltliche Ausgangspunkt. Die Zueignungsabsicht des § 242 StGB bezöge ihre Gestalt - da hier lediglich avisiert - aus § 246 StGB. Zwischen beiden Paragraphen bestünde eine unbedingte qualitative Abhängigkeit. An dieser Stelle der Arbeit, unter der Überschrift „die vollzogene Zueignung bei der Unterschlagung", dürfte dann nicht mehr vieles darzustellen sein; man würde sich fortwährend auf die bereits für § 242 StGB entwickelte Dogmatik zu den inhaltlichen Elementen beziehen, die folglich für die Erfüllung des § 246 StGB schlicht in objektiver, tatsächlich bewirkter Form vorliegen müssten. Dem unvoreingenommenen Leser müsste dieses Vorgehen nahe liegend erscheinen - und doch ist es angesichts der herrschenden Unterschlagungsdogmatik völlig undurchführbar. Zwar herrscht tatsächlich Einigkeit, solange die Frage der Einheitlichkeit des Zueignungsbegriffs abstrakt (d. h. losgelöst von Fallgestaltungen und Tatbestandskontext) Gegenstand der Erörterung ist: Die Zueignung der §§ 242 und 246 StGB soll nach einhelliger Auffassung als derselbe Begriff auch einheitlich auszulegen sein - für den Diebstahl als ins Subjektive verlagertes Element, für die Unterschlagung als objektives Element. Die Kommentierungen zu § 246 StGB verweisen durchweg auf die Erläuterungen zu § 242 StGB 2 6 2 , die Lehrbücher erörtern den Zueignungsbegriff großenteils vor der Darstellung einzelner Eigentumsdelikte263. Manche der hier unter 1. debattierten Fragestellungen und Fallkonstellationen finden sich bei dem einen Autor unter dem Kapitel Diebstahl, bei einem anderen unter dem Kapitel Unterschlagung 264. Laut Haft liegt die strukturelle Besonderheit des § 242 StGB gegenüber dem § 246 StGB allein darin, dass „hier objektiv vollzogen sein muss, was dort nur subjektiv beabsichtigt zu sein braucht" 265 ; Häuf meint gar, in der Auslegung des Zueignungsbegriffs bestehe „volle Übereinstimmung" zwischen § 242 und § 246 StGB 2 6 6 ; auch Mitsch konstatiert, es habe „der 261 Tenckhoff, JuS 1980, S. 726. 262 Vgl. etwaLK-Ruß, § 246, Rn. 12; Lackner/Kühl, § 246, Rn. 4; Sch. /Schr.-Eser, § 242, Rn. 9. 263 Vgl. etwa Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 32; Gössel, BT 2, § 6, C.; Wessels/ Hillenkamp, BT 2, Rn. 57; vgl. auch Arzt/Weber, BT, § 15, Rn. 14. 264 Vgl. beispielhaft die Position der Diskussion um die Verpfändung und die Sicherungsübereignung: Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, behandelt diese Problematiken innerhalb der Diebstahlsdiskussion (S. 172 ff., S. 181 f.), Samson dagegen innerhalb der Kommentierung der Unterschlagung (SK (4. Aufl.), § 246, Rn. 26 f.). 265 Haft, BT, S. 156. 266 Häuf, BT 1, S. 46.

2. Die vollzogene Zueignung bei der Unterschlagung, § 246 StGB

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Zueignungsbegriff der Unterschlagung denselben Inhalt wie der Zueignungsbegriff des Diebstahls" 267 ; Paulus erklärt, dies ergebe sich schon „aus dem Verhältnis dieser beiden Tatbestände zueinander" und sei auch „noch niemals bezweifelt" worden 2 6 8 . Mit der gleichen Selbstverständlichkeit findet sich in der Rechtsprechung die Formulierung vom „Zueignungsbegriff, der in gleicher Weise für die Tatbestände des Diebstahls und der Unterschlagung gilt" 2 6 9 . Wirft man aber einen Blick auf die herrschenden Umschreibungen der Tathandlung der Unterschlagung, so wird schnell deutlich, dass über die Zueignungsbegriffe in § 242 und § 246 StGB diskutiert wird, als ginge es um grundlegend Verschiedenes. Während in der Erörterung der beabsichtigten Zueignung des § 242 StGB inhaltliche und damit qualitative Merkmale im Vordergrund der Auseinandersetzung stehen, geht es bei § 246 StGB fast ausschließlich um die formale, äußere Beschaffenheit der „Zueignungs"-handlung, deren Definition durch Vertreter der herrschenden Ansichten oftmals keinen Raum für eine Verwirklichung der Inhaltsmomente Enteignung und Aneignung lässt 270 . Wir wollen im Folgenden zunächst herausfinden, wie diese Diskrepanz in der Literatur und in der Rechtsprechung bewältigt wird - sofern sie überhaupt bemerkt wird.

a) Einheitlichkeit der Zueignungsbegriffe aus §§ 242,246 StGB? Samson erklärt zunächst, der Zueignungsbegriff der beiden Tatbestände sei identisch, ebenso wie der Diebstahl setze auch die Unterschlagung eine wenigstens vorübergehende Aneignung und eine dauernde Enteignung voraus 271 . Nur wenige Absätze später jedoch führt er aus, der objektive Tatbestand setze die vollendete Zueignung nicht voraus 272 : Auch solche Fälle seien als vollendete Unterschlagung zu bewerten, in denen die dauernde Enteignung noch nicht eingetreten sei 2 7 3 . Dieser Widerspruch bleibt in Samsons weiteren Ausführungen ohne nähere Erläuterung. Schroeder betont ausdrücklich, für § 246 StGB genüge nicht wie für § 242 StGB die Zueignungsabsicht, sondern es sei eine objektive Zueignung zu verlan267 Mitsch, BT 2, TB 1, § 2, Rn. 31. 268 Paulus, Der strafrechtliche Begriff der Sachzueignung, S. 30. - Eine Ausnahme vom Gleichklang der Stimmen in Lehre und Rechtsprechung stellt insofern Maiwald dar, der davon ausgeht, dass die Zueignung des § 246 nicht objektiv bezeichnet, was das Merkmal der Zueignungsabsicht in subjektiver Form fordert. Vielmehr sei eine Analyse, die streng zwischen objektiver Zueignung bei der Unterschlagung und ins Subjektive verlagerter Zueignung beim Diebstahl unterscheide, so gar nicht durchzuführen (Zueignungsbegriff, S. 227 ff.). 269 Etwa BGHSt 24, S. 115 (119). 270 Dazu u. b)-d). 271 SK (4. Aufl.), § 246, Rn. 25. 272 SK (4. Aufl.), § 246, Rn. 34. 273 SK (4. Aufl.), § 246, Rn. 35.

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4. Kap.: Die Zueignungshandlung

gen 2 7 4 . Für den Begriff der objektiven Zueignung wird auf den Diebstahl verwiesen und dort ist zu lesen, dass sich die Zueignung als „zweiaktiger Vorgang" darstellt, der aus der „Enteignung des Berechtigten und der Aneignung des unberechtigten Diebes besteht" 275 . Dass hieraus nach den Regeln der Logik für § 246 StGB folgen sollte, dass die Zueignung der Unterschlagung durch einen zweiaktigen Vorgang bewirkt werden muss, konkludiert Schweder nicht. Im Gegenteil reicht ihm zur Annahme einer vollendeten Unterschlagung „jeder äußere erkennbare Akt von indizieller Bedeutung" für den Zueignungswillen276. Ruß definiert im Rahmen der Kommentierung zu § 246 StGB das Wesen der Zueignung als die Anmaßung der eigentümerähnlichen Stellung, deren Herstellung durch Aneignen und Enteignen bewirkt werde 277 . Als Tathandlung der Unterschlagung fordert er aber dennoch lediglich die Äußerung des Zueignungswillens, die im Rahmen einer Würdigung aller Umstände das Zueignungsvorhaben offenbare und betätige 278 . Dabei soll nun der Zueignungswille weniger sein als die in § 242 StGB geforderte Absicht, da dolus eventualis genüge 279 . Die Elemente An- und Enteignung werden in der Folge nur noch als Wü//enselemente angeführt 280, also in ihrer Bedeutung für die innere Tatseite, nicht dagegen in ihrer Rolle als objektive Tatbestandsmerkmale, als welche Ruß selbst sie zuvor bezeichnet hatte. Offensichtlich wird die Diebstahlsdogmatik hier so weit gehend übernommen, dass die Übertragung subjektiver Elemente in das Objektive nicht mehr gelingen mag. Die Konzeption von Paulus ist formal schlüssiger: Inhaltlich sei der Vorgang der Sachzueignung eine (potenziell) dauernde Entziehung des Sachzwecknutzens aus dem Vermögen des Eigentümers und seine (ebenfalls potenziell) endgültige Überführung in das eines anderen 281. Von einer vollendeten Sachzueignung i. S. d. § 246 StGB könne sonach erst dann gesprochen werden, wenn außer der formalen Objektivation des Eigentümerwillens auch die materielle Überführung des Sachzwecknutzens in das Tätervermögen vorliege 282 . Reine Mitteilungen des Täters über seinen Aneignungswillen sollen deshalb nicht ausreichen: „Er muss dies nicht erklären, sondern tun, seinen ,Eigentümerwillen 4 nicht mitteilen, sondern verwirklichen" 283 . Was hier auf den ersten Blick folgerichtig erscheint, relativiert sich schon bei den unmittelbar anschließenden Beispielsfällen: Inwiefern „sicherlich" 284 der (d. h. 274 275 276 277 278 279 280 281

Schroeder, in: Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, 8. Aufl., § 34, Rn. 24. Maurach/Schroeder/Mai wald, BT 1, § 33, Rn. 39. A. a. O. (8. Aufl.), § 34, Rn. 28. LK, § 246, Rn. 12. LK, § 246, Rn. 13. LK, § 246, Rn. 22. LK, § 246, Rn. 15 ff. Paulus, Der strafrechtliche Begriff der Sachzueignung, S. 166 f.

282 Paulus, a. a. O., S. 178. 283 Paulus, a. a. O., S. 181. 284 Paulus, a. a. O.

2. Die vollzogene Zueignung bei der Unterschlagung, § 246 StGB

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jeder) Abschluss eines Kaufvertrages, die (jede) Zuwendung „brevi manu" an einen anderen oder das (jedes) Ableugnen des Besitzes gegenüber dem Berechtigten dem Eigentümer den Sachzwecknutzen entziehen und die Sache in das Vermögen eines anderen überführen soll, bleibt im Unklaren. Denn „sicherlich" bedeutet der Abschluss eines Kaufvertrages als reines Verpflichtungsgeschäft noch keinen endgültigen Verlust des „Sachzwecknutzens" bei dem Berechtigten, sondern höchstens den Versuch, diesen herbeizuführen. „Sicherlich" ist auch das Ableugnen des Besitzes noch keine Überführung der Sache in das eigene Vermögen, da es z. B. auch der nachfolgenden Sachzerstörung dienen könnte 285 . Alle von Paulus genannten Konstellationen sind bezüglich der Realisierung von An- und Enteignung höchstens Versuchshandlungen. Die Theorie lässt sich in praktische Falllösungen offenbar nicht umsetzen. Das hängt schließlich wohl auch damit zusammen, dass es Paulus aus „rechtspolitischen Überlegungen" nicht genügt, bloß eindeutige Verhaltensweisen als Zueignungen zu erfassen, da „andernfalls der Kreis möglicher Aneignungshandlungen unvertretbar eingeengt würde" 286 . Ganz ähnlich verlangt Gössel für die Zueignung des § 246 StGB vollendete Entund Aneignung, diese sollen allerdings „durch" eine objektiv für Außenstehende erkennbare Aneignungshandlung bewirkt werden 287 . Und dies wiederum will Gössel z. B. beim Anbieten einer fremden Sache zum Verkauf oder sogar beim Einstecken eines Tatobjekts („sofortige Verbringung in die eigene Schutzsphäre" 288) bejahen - dass diese Handlungen weit entfernt sind von seiner eigenen vorangegangenen Enteignungsdefinition („Verdrängung" des Eigentümers „aus der Rechtsmacht" 289 ), ist augenfällig; kann doch ersterer Fall auch ein untauglicher Versuch sein und zweiterer auch zum Zwecke der Gebrauchsanmaßung geschehen. Dass auch Roth der Auffassung ist, Enteignung und Aneignung gehörten zum Tatbestand der Unterschlagung, verdeutlicht er bei seiner Kritik der „se ut dominum gerere"-Formel 290; diese sei unbrauchbar, da mit ihr weder die Verwirklichung der Enteignungskomponente, noch notwendigerweise die Verwirklichung der Aneignungskomponente belegt werden könne. Eine Ausgestaltung des Unterschlagungstatbestandes, die von der Notwendigkeit einer dauernden Enteignung ausginge291, hält Roth dennoch für dem Eigentumsschutz „gänzlich unangemessen"292. Diesen Beispielen ließen sich unbegrenzt weitere hinzufügen. Die Einigkeit ist groß, sowohl was die Identität der Begriffe als auch was hernach den Versuch an285 286 287 288 289 290

Vgl. auch Maurach/Schroeder/Maiwald, BT, TB 1, § 34, Rn. 11. Paulus, Der strafrechtliche Begriff der Sachzueignung, S. 97. Gössel, BT 2, § l l , R n . 4 . Gössel, BT 2, § 11, Rn. 6. Gössel, BT 2, § 6, Rn. 57. Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 40 f., 53.

291 Dass die Enteignung dauernd zu sein hat, setzt Roth als selbstverständlich voraus; Eigentumsschutz, S. 38. 292 Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 52.

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4. Kap.: Die Zueignungshandlung

belangt, die praktische Umsetzung dieser Auffassung zu umgehen. Die ganz herrschende Meinung ist in der Frage des Zueignungsbegriffes den eigenen Definitionen nicht treu. Über die daraus resultierenden Brüche in der eigenen Lehre herrscht indes Schweigen293. Der fiktive Versuch eines Richtungswechsels - das Experiment, die genannten Formulierungen entgegen der gewohnten Perspektive von der Unterschlagungsdogmatik her auf den Diebstahlstatbestand zu übertragen (also Ernst zu machen mit der Aussage, dass in § 242 StGB beabsichtigt werden muss, was in § 246 StGB vollendet wird) ergäbe folgendes bizarres Bild: Da die Zueignungsabsicht des § 242 StGB die ins Subjektive übertragene Zueignung des § 246 StGB und da die Zueignung aus § 246 StGB lediglich die objektiv erkennbare Kundgabe des Zueignungswillens sein soll, so müsste die Zueignungsabsicht des § 242 StGB die Absicht sein, seinen Zueignungswillen kundzutun. Samson zufolge, welcher die Aneignungstheorie vertritt 294 , müsste der Dieb neben dem Beginn der Aneignung auch beabsichtigen, den Enteignungsvorsatz zu fassen. Übertrüge Schroeder seine für die Unterschlagung geforderte Tathandlung ins Subjektive, so müsste der Dieb beabsichtigen, Indizien für seine Absicht zu schaffen, und nach Ruß sollte der Dieb anstreben, seinen Zueignungswillen zu offenbaren. Dass diese Dogmatik keinen Schritt weiter führt, sich vielmehr selbst ad absurdum führt, ist erkennbar. So sind auch diese Konsequenzen von den genannten Autoren selbstredend nicht gemeint; sie lassen sich jedoch - und dies ist den vertretenen Ansichten vorzuwerfen - ohne inneren Bruch aus den von ihnen geäußerten Meinungen herleiten. Vorläufig lässt sich festhalten: Die Formulierung von der Übertragbarkeit des Inhalts der Zueignungsabsicht des Diebes in den objektiven Tatbestand der Unterschlagung ist ein Lippenbekenntnis; eine Leerformel, die anhand der herrschenden Unterschlagungsdogmatik nicht durchführbar ist. Richtig resümiert Roth 195'. „Die These, das Delikt nach § 246 StGB sei erst dann vollendet, wenn der Täter objektiv die dauernde Enteignung vollständig bewirkt habe, wird von niemandem vertreten." - Von einem einheitlichen Zueignungsbegriff kann keine Rede sein! Im Gegenteil: Die Tathandlung der Unterschlagung scheint gemäß den herrschenden Auffassungen ein substanziell anderes Unternehmen zu sein, als alles, was bislang zum Wesen der Zueignung zu hören war. Wie kommt es zu einer solchen Auslegung des gesetzlich als „Zueignung" bezeichneten Merkmals? Welche Vorstellungen von den tatbestandlichen Erfordernissen des § 246 StGB stehen hin293

Ein einzelnes Eingeständnis dieser Diskrepanzen findet sich bei Mylonopoulos, RoxinFS, S. 917 ff.: „Dieser Zueignungsbegriff kann jedoch nicht reibungslos vom Diebstahl auf die Unterschlagung übertragen werden" (S. 918) - eine solche Übertragung wird jedoch zuvor als „konsequent, natürlich und logisch" (S. 917) hingestellt. 294 Samson, JA 1990, S. 9: Der objektive Tatbestand des § 246 setze den Beginn der Aneignung und den Vorsatz dauernder Enteignung voraus. 295 Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 52; a.A. lediglich Kargl, ZStW 103 (1991), S. 163 und SK-Hoyer, § 246, Rn. 22; vgl. auch den Überblick über den Meinungsstand bei Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 279.

2. Die vollzogene Zueignung bei der Unterschlagung, § 246 StGB

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ter dieser Diskrepanz? Zur Beantwortung dieser Fragen sollen die Theorien zur Unterschlagungshandlung im Folgenden eingehend dargestellt werden. Vorauszuschicken ist dabei, dass sich in den letzten Jahren eine Trendwende innerhalb der Lehre verzeichnen lässt, die sich angesichts der Auswirkungen des 6. StrRG zunehmend von den überkommenen, stark subjektiv ausgerichteten Ansätzen hin zu restriktiveren Modellen entwickelt - doch bei einer Gesamtschau führt dies nicht eben zu einer Vereinheitlichung der Begriffe. Welche Anforderungen heute an die Tathandlung der Unterschlagung gestellt werden, lässt sich am treffendsten mit der lakonischen Bemerkung Maiwalds zusammenfassen: „Im einzelnen ist dies zur Zeit ungeklärt." 296

b) Subjektive Ansätze Der nach wie vor überwiegende Anteil der in Rechtsprechung und Lehre vertretenen Auffassungen verlangt als tatbestandsmäßige Handlung i. S. d. § 246 StGB nichts weiter als eine Manifestation des Zueignungsentschlusses. Eine Urform der heutigen weiten Manifestationstheorien stellt die bis in die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein vertretene „Theorie der geistigen Depossedierung" dar: Das Fassen der Absicht, die Sache als eigene zu behalten, ein rein innerer psychologischer Vorgang also, sollte bereits Zueignung sein 297 . Allen äußeren Akten der Willenskundgabe sollte hingegen bloße Beweisfunktion für die Umwandlung des Fremdbesitzerwillens in den animus dominandi zukommen 298 . Diese Ansicht ist als „reine Form (von) Gesinnungsstrafrecht" in der „gesamten strafrechtlichen Argumentation ein Fremdkörper" 299 und wird deshalb inzwischen von niemandem mehr vertreten. Dass die Bildung des Zueignungswillens allein deshalb den Akt der Zueignung nicht ausmachen kann, dass vielmehr irgendein äußeres Verhalten hinzutreten muss, darüber besteht heute Einigkeit 300 . Die herrschende Meinung in Lehre und Rechtsprechung vertritt Manifestationstheorien in unterschiedlichen Varianten, die sämtlich über den Entschluss der Zueignung hinaus einen eigenständigen Akt fordern, in dem sich die Zueignung manifestiere. Welchen objektiven Gehalt die entsprechende Handlung aber aufzuweisen hat, das ist selbst unter den Vertretern der Manifestationslehren stark umstritten. 296 Maurach/Schroeder/Maiwald, BT, TB 1, § 34, Rn. 27. 297 Eckstein, GS 80 (1913), S. 293; Hosse, Zur Abgrenzung der Beihilfe zur Unterschlagung zur Sachhehlerei, S. 52. 298 Krebs, Über den Begriff der Zueignung bei Diebstahl und Unterschlagung, S. 43; Kohlrust, Zueignung und Zueignungshandlung in § 246, S. 77. 299 Kargl, ZStW 103 (1991), S. 166 f. 300 Degener (JZ 2001, S. 389) fragt: „Warum wird diese Selbstverständlichkeit von der herrschenden Rechtsprechung und Lehre so regelmäßig und so vielstimmig betont?" und antwortet sogleich selbst: „Wer minimalisiert, wer nur wenig anzubieten hat, der neigt dazu, auch das Selbstverständliche als Errungenschaft herauszustreichen".

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4. Kap.: Die Zueignungshandlung

Sowohl in der Rechtsprechung als auch in dem bis heute wohl überwiegenden Teil der Literatur wird davon ausgegangen, der objektive Tatbestand der Unterschlagung werde durch jede beliebige Handlung erfüllt, durch die der Täter seinen Zueignungsvorsatz betätige 301 . Selbst äußerlich völlig unverfängliche, mindestens aber zweideutige Handlungen wie das Einstecken einer gefundenen Sache oder das Beiseitelegen einer Sache an einen an sich ordnungsgemäßen Platz erfüllen damit den Unterschlagungstatbestand302. Jede „Äußerung und kleinste Teilumsetzung des Zueignungswillens"303 genügt. Der Große Senat des BGH führt aus: „Auf die Eindeutigkeit dieser (Zueignungs-)handlung in dem Sinne, dass schon bei bloßer isolierter Betrachtung der nach außen in Erscheinung getretenen Handlung jeder andere Beweggrund, wie etwa Gefälligkeit oder Geltungsbedürfnis, ausgeschlossen sein müsste, kommt es nicht an. Rechtlich genügt jede Willensäußerung, die im Rahmen einer Würdigung aller Tatumstände eine Zueignungsabsicht offenbart und betätigt." 304 Ein körperliches Einwirken auf die Sache sei nicht erforderlich 305 , sogar die bloße Kundgabe des Zueignungsentschlusses wurde bisweilen als ausreichend angesehen306, ja schon allein im Gebrauch einer Sache soll bei einem entsprechenden dahinter stehenden Willen eine Zueignung liegen können 307 . Ein Zueignungserfolg in dem Sinne, dass es tatsächlich zu einer auf Dauer angelegten Enteignung des Berechtigten oder einer Aneignung der Sache durch den Täter gekommen sei, wird ausdrücklich nicht verlangt. Maßgeblich sei allein, dass die Beanspruchung der eigentümerähnlichen Stellung irgendwie zum Ausdruck komme 308 , so dass der Zueignungsvorsatz nicht nur indiziert, sondern manifestiert werde 309 . Schon aus prozessualen Gründen waren allerdings auch die Vertreter der geistigen Depossedierungslehre darauf angewiesen, den Zueignungswillen anhand eines 301 Tröndle/Fischer, § 246, Rn. 6; Schroeder, in: Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, 8. Aufl., § 34, Rn. 26; LK-Ruß, § 246, Rn. 13 ff.; Sch. / Schr.-Eser, § 246, Rn. 10 ff. (nach dortiger entgegenstehender Einschätzung allerdings den sog. engen Manifestationsansätzen zugehörig); Paulus, Der strafrechtliche Begriff der Sachzueignung, S. 95 ff.; Duttge/Fahnenschmidt, ZStW 110 (1998), insb. S. 891 u. 908; Bockelmann, JZ 1960, S. 622; Schmidhäuser, Bruns-FS, insb. S. 358; Haberkorn, MDR 1962, S. 706 (der seinen Formulierungen nach im Grunde noch der Theorie von der geistigen Depossedierung zuzurechnen ist); Otto, JZ 1993, S. 566; RGSt 55, S. 145 (146); 65, S. 145 (147); 67, S. 70 (78); BGHSt 14, S. 38 (41); 24, S. 115 (119); 34, S. 309 (312). 302 Krey, BT 2, Rn. 162; Bockelmann, JZ 1960, S. 622; Sch. / Schr.-Eser, § 246, Rn. 20; RGSt 63, S. 376 (378). Weitere Beispiele bei SK-Hoyer, § 246, Rn. 12 und Degener, JZ 2001, S. 390. 303 Degener, JZ 2001, S. 390. 304 BGHSt 14, S. 38 (41). 305 Haberkorn, MDR 1962, S. 706; LK-Ruß, § 246, Rn. 13. 306 OLG Braunschweig, NJW 1947, S. 109 f.; RG JW 1928, S. 410; RGSt 73, S. 253 (254); RG LZ 1933, S. 382. 307 Haberkorn, MDR 1962, S. 706. 308 Schroeder, in: Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, 8. Aufl., § 34, Rn. 26. 309 Bockelmann, JZ 1960, S. 622.

2. Die vollzogene Zueignung bei der Unterschlagung, § 246 StGB

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äußeren Aktes nachzuweisen310. Die weiten Manifestationslehren sind deshalb dieser schier subjektiven Theorie näher, als es gemeinhin eingestanden wird, wie insbesondere Kargl nachweist 311 : Da eine Gesinnung logischerweise zumindest geäußert und gehört werden müsse, wenn sie Anknüpfungspunkt für Zurechnungsakte sein soll, bedeute dies, dass mit dem Begriff des Gesinnungsstrafrechts niemals die Bestrafung einer ausschließlichen Gedankensünde gemeint gewesen sein könne, sondern automatisch Handlungen bestraft werden müssten - seien es auch nur konkludente Verhaltensweisen oder Sprechakte. Das mit „Gesinnungsstrafrecht" Gemeinte umfasse deshalb selbstverständlich auch Handlungen, es verlaufe die Grenze zwischen Gesinnungsstrafrecht und Tatstrafrecht nicht zwischen Gedanken und Handlungen, sondern innerhalb des Handlungsbereiches. Wo also jede noch so unverfängliche Handlung, die von der Beanspruchung der eigentümerähnlichen Stellung kündet, ausreichen soll, um die Zueignung zu manifestieren, da werde die Grenze zum Gesinnungsstrafrecht überschritten. Im Unterschied zur Theorie von der geistigen Depossedierung fordern allerdings selbst die weiten Manifestationsansätze einen Zueignungsakt, der nicht bloß deklaratorische, sondern konstitutive Bedeutung hat 3 1 2 , also nicht bloß Beweismittel für eine innerlich vollzogene Zueignung, sondern selbst die Zueignung ist 3 1 3 . Hierin liegt eine unterschiedliche Bewertung des sachlichen Gehalts des fraglichen Akts, die in Kargls Kritik zu kurz kommt 3 1 4 - wenngleich die Tendenz dieser Lehren zum Gesinnungsstrafrecht unwiderlegbar ist. Samson weist darauf hin, dass sich diese Tendenz auch in dem Umstand offenbart, dass die weiten Manifestationslehren nicht in der Lage sind, die Verbotsnorm klar zu konturieren, die einigen ihrer Entscheidungen zugrunde liegt, was dann evident wird, wenn die den Zueignungsvorsatz manifestierende Handlung des Täters vom Recht gestattet oder gar geboten ist 3 1 5 . 310 Vgl. Eckstein, GS 80 (1913), S. 293 f., 299. 311 Kargl, ZStW 103 (1991), S. 167 ff.; vgl. aber auch: Basak, in: Irrwege der Strafgesetzgebung (1999), S. 180. 312 Bockelmann, ZStW 65 (1953), S. 588 f. 313 Gelegentliche Formulierungen verschiedener Autoren lassen indessen daran zweifeln, vgl. z. B. Otto, Jura 1996, S. 384: „ ( . . . ) vielmehr bedarf es einer Manifestation des im inneren vollzogenen Zueignungsaktes"; Schroeder, in: Mäurach /Schroeder/ Maiwald, BT 1, 8. Aufl., § 34, Rn. 24: „ ( . . . ) die „Manifestation des gleichzeitig im Innern vollzogenen Zueignungsaktes ( . . . ) " , und Rn. 28: „Daher genügt darüber hinaus jeder äußerlich erkennbare Akt von indizieller Bedeutung"; vgl. auch Tenckhoff, JuS 1984, S. 780: „Beim Kauf verwendet F das Geld zu eigenen Zwecken und eignet es sich damit zu, doch wird, da er sich insoweit noch im Rahmen seiner Beauftragung hält, der Zueignungswille nicht ausreichend manifestiert" (Hervorhebungen von mir) - der Zueignungsakt, wir sehen es, wird demnach im Inneren vollzogen; was im Äußeren geschieht, muss etwas Wesens verschiedenes sein: die Manifestation, nicht die Zueignung selbst. 314 Vgl. insofern auch Degener, JZ 2001, S. 396, Fn. 103. 315 Wenn etwa ein Finder eine verlorene Sache aufnimmt und mit dieser in der Hand den Weg in diejenige Richtung einschlägt, in der auch das Fundbüro liegt; hierzu auch SK-Samson (4. Aufl.), § 246, Rn. 38. 9 Kauffmann

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4. Kap.: Die Zueignungshandlung

Die engeren Manifestationsansätze sehen eine Zueignung in jedem Verhalten, das sich für einen gedachten Beobachter, der in voller Kenntnis der Sachlage ist, als verlässliche, bzw. unzweideutige Verwirklichung des Zueignungsentschlusses darstellt 316 . Ausgeschlossen ist die Bewertung als Zueignung damit bei solchen Verhaltensweisen, die der Täter auch ohne Zueignungswillen hätte vornehmen können, namentlich wenn er gemäß eines durch den Berechtigten erteilten Auftrages handelt oder völlig unverfängliche Sachbehandlungen vornimmt. Freilich wird diese Verkürzung nicht konsequent durchgehalten, wenn z. B. im Ableugnen des Besitzes gegenüber dem Eigentümer eine eindeutige Manifestation zu erblicken sein soll 3 1 7 - dabei bleibt hierin doch durchaus unkenntlich, ob der Täter die Sache nicht vielleicht entweder bloß vorübergehend benutzen oder nur entziehen w i l l 3 1 8 . Typische Zueignungsakte sollen nach den strengeren Manifestationslehren etwa der Verbrauch, der Verzehr, die Verarbeitung und die Veräußerung fremder Sachen sein 319 - sie sind es aus der Perspektive der Manifestationslehre jedoch nicht etwa deshalb, weil sich in ihnen die Elemente der Ent- oder Aneignung verwirklichten, sondern allein, weil man in ihnen eine Manifestation des Willens zur Zueignung erblickt. Können nun die enger gefassten Manifestationslehren in ihrem Bemühen um eine Objektivierung dem Vorwurf des Gesinnungsstrafrechts entkommen? Nach Auffassung Kargls haben sie sich nur unwesentlich weniger als ihre weiten Varianten von der Theorie der geistigen Depossedierung emanzipieren können 320 : Die Erkennbarkeit des Vorsatzes sei beispielsweise zweifelsfrei gegeben, wenn der Entleiher eines Buches nach Ablauf der Leihfrist gegenüber einem Dritten äußert: „Ich behalte das Buch für immer." Der von der herrschenden Meinung bemühte objektive Beobachter erfährt hier alles, was er nach den Maßstäben der Manifestationslehren wissen muss. Im Gegensatz zu mancherlei angeblich eindeutigen Akten ist dies ein tatsächlich unmissverständliches Bekenntnis. Doch wollte man den „Täter" wegen Unterschlagung bestrafen - oder noch weiter gehend: wollte man hierin eine „Tat" erblicken so bestrafte man Gedanken, die zu rechtlich neutraler Auswirkung führen. Fazit Kargls ist, dass es auf die Erkennbarkeit des dolus nicht ankommen kann, und zwar nicht zuletzt auch deshalb, weil die Erkennbarkeit einer Gesinnung häufig zeitlich lange vor dem strafrechtlich relevanten Geschehen gegeben ist. 316 Sch./Schr.-Eser, § 246, Rn. 11; Seelmann, JuS 1985, S. 701; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 279 f.; Lackner/Kühl, § 246, Anm. 4; RGSt 67, S. 71 (78); BGHSt 1, S. 262 (264). 317 Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 279. 318 Vgl. Kargl, ZStW 103 (1991), S. 175, Fn. 130 und S. 174: „Weder dem Verheimlichen noch dem Beiseiteschaffen und nicht einmal dem Ableugnen des Besitzes - der herkömmlicherweise klassischen Manifestationshandlung - steht die Zueignungshandlung auf die Stirn geschrieben."; ablehnend auch SK-Hoyer, § 246, Rn. 27; einschränkend Lackner/Kühl, § 246, Rn. 5. 319 Lackner/Kühl, § 246, Rn. 5. 3 Kargl, ZStW 103 (1991), S. 1 7 .

2. Die vollzogene Zueignung bei der Unterschlagung, § 246 StGB

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Man mag Kargl entgegenhalten, in seiner Kritik den behaupteten Charakter der Zueignungsmanifestation als ein über ein bloßes Beweismittel hinausgehendes, nämlich konstitutives Element verkannt, bzw. sich nicht mit dieser Behauptung auseinandergesetzt zu haben. Es sei jedoch die Frage aufgeworfen, ob diese Unterscheidung nicht eher theoretischer Natur ist - wo wollte man denn die Grenze ziehen? Welche Handlung wäre noch als bloß indizierende Kundgabe, welche bereits als konstitutive, den Zueignungsvorsatz verwirklichende Betätigung der Absicht anzusehen? Seelmann versucht den Unterschied zu fassen, indem er erklärt, der Täter müsse durch seine Handlung dem Zueignungserfolg wenigstens näher kommen, er müsse die Sachbeherrschungsposition des Eigentümers unter Nutzung der Funktion der Sache für sich lockern 321 . Doch im selben Atemzug will er darunter das Ableugnen des Besitzes verstehen und zwar unabhängig davon, ob der Eigentümer dem Täter glaubt oder nicht. Inwiefern in letzterem Fall der Täter dem Enteignungserfolg näher gekommen ist, bleibt unerklärt. Weshalb sollen denn überhaupt das bloße Ableugnen des Besitzes oder das Verkaufsangebot gegenüber einem Dritten die Verwirklichung der Zueignungsabsicht und nicht allein ein Indiz für sie sein 322 ? Als Begründung dient regelmäßig nicht etwa der inhaltliche Beleg von An- und Enteignung, sondern einzig der Verweis auf die Erkennbarkeit des dolus 323 . Mit einer derartigen Argumentation ist die Unterscheidung von Kundgabe und Betätigung lediglich intuitiv, beliebig und willkürlich, und Kargls Vorwürfe bleiben unwiderlegt. Doch selbst wenn man von einer grundsätzlichen Berechtigung der Unterscheidung von deklaratorischen und konstitutiven Manifestationsakten ausginge, bleibt als Makel auch der engen Manifestationslehre bestehen, dass ein Kriterium für die Unterscheidung von bloßer Ankündigung und der für Zueignungsunrecht konstitutiven Betätigung nicht genannt wird 3 2 4 , wodurch ein Unterschlagungsversuch i. S. d. § 246 Abs. 3 StGB faktisch nicht mehr vorstellbar ist, ja selbst Vorbereitungshandlungen ohne weiteres der Bestrafung aus dem vollendeten Delikt preisgegeben würden. So müssten auch das Entwerfen einer unwahren Diebstahlsanzeige, die dem Eigentümer den Verlust der verwahrten Sache vorspiegeln soll oder die zur Schlachtung eines fremden Rindes erfolgende Anschaffung eines Bolzenschussgerätes den engen Manifestationstheorien zufolge als unzweideutige Betätigungen des Zueignungswillens und damit als vollendete Unterschlagung anzusehen sein 325 - damit wäre der straffreie Raum für Vorbereitungshandlungen praktisch auf Null reduziert. Diese Problematik verschärft sich noch durch die Streichung des Gewahrsamserfordernisses aus dem Unterschlagungstatbestand326: Da 321 Seelmann, JuS 1985, S. 701. 322 in diesem Sinne Tenckhoff, JuS 1980, S. 726. 323 Vgl. Lackner, § 246, Rn. 5; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 280. 324 Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 53. 325 Beispiele von Samson, SK (4. Aufl.), § 246, Rn. 39. 326 Durch das 6. StrRG (1998); § 246 a.F.: „Wer eine fremde bewegliche Sache, die er in Besitz oder Gewahrsam hat ( . . . ) " . Vgl. aber für eine verfassungskonforme Auslegung des 9*

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4. Kap.: Die Zueignungshandlung

Unterschlagung nunmehr auch an Sachen möglich ist, auf die der Täter zu keinem Zeitpunkt unmittelbaren Zugriff hat, kommt es zu einer noch weiteren Vorverlagerung der Strafbarkeit, wenn man jede Manifestation des Zueignungswillens genügen lässt 327 ; selbst Absprachen oder VeräußerungsVerträge im Vorfelde einer Sachverschaffung müsste die Manifestationslehre angesichts des weggefallenen Gewahrsamserfordernisses nunmehr als vollendete Zueignungen bestrafen, so etwa, wenn der Tater ein Auto zum Verkauf anbietet, dass er erst am nächsten Tag von einem Freund leihen wird 3 2 8 . Damit wäre die Grenze zum Gesinnungsstrafrecht allerdings endgültig eingerissen, da selbst zur Annahme eines Versuchs i. S. d. § 22 StGB die „konkrete, unmittelbare Gefährdung des geschützten Rechtsguts"329 notwendig ist - nicht einmal davon wird man hier sprechen können, erst recht nicht aber von einer Rechtsgutsverletzung, die zur Annahme einer vollendeten Tat gereicht 330 . Entsprechend warnt Degener, ein solches Verständnis von Zueignung reiche tief „in das Vorfeld effektiver Betroffenheit hinein" 331 . So darf man sich auch der Ermahnung Hoyers anschließen: Die eindeutige Betätigung des Zueignungsvorsatzes „kann aber für eine vollendete Unterschlagung ebenso wenig ausreichen, wie eine eindeutige Betätigung des Tötungsvorsatzes für einen vollendeten Totschlag ausreichen würde." 332 Gemeinsam ist den bis hierher vorgestellten Lehren die Schwerpunktsetzung auf den inneren Vorgang der Fassung eines Zueignungsentschlusses333. Äußere Merkmale, die hier als Voraussetzung für die Strafbarkeit genannt werden, stellen danach nicht etwa aus sich heraus einen strafwürdigen, sozialschädlichen Akt dar, sondern nur deshalb, weil sie den inneren Willen zur Zueignung manifestieren. Die Manifestationslehren sind mithin in ihrem Ansatz subjektive Lehren, sie alle benötigen die Erwähnung eines subjektiven Moments für die Feststellung des objektiven Tatbestands334. neuen § 246 unter Beibehaltung des Gewahrsamserfordernisses: Jahn, in: Irrwege der Strafgesetzgebung (1999), S. 214. 327 Duttge/Fahnenschmidt, ZStW 110 (1998), S. 907. 328 Vgl. den Beispielsfall bei Duttge/Fahnenschmidt, a. a. O., S. 907 f.; Gropp, JuS 1999, S. 1045. 329 BGH, NJW 1997, S. 3453. 330 Ebenso Basak, in: Irrwege der Strafgesetzgebung (1999), S. 180 f. 331 Degener, JZ 2001, S. 390; vgl. auch S. 391: „Dieses Unterfüttern von speziellem strafbarem Versuchen und Sichbereiterklären mit einem allgemeinen Völlendungstatbestand hat die Sorge laut werden lassen, die Rücktrittsvorschriften der §§ 24 Abs. 1, 31 Abs. 1 Ziff.2 (StGB, die Verf.) liefen nunmehr beim speziellen Vermögensdelikt de facto leer" - wobei der Versuch eines speziellen Vermögensdeliktes indes regelmäßig mit einem höheren Strafrahmen bedroht sei als der Straftatbestand der Unterschlagung und damit die Rechtsfolgenanordnung der §§ 24, 31 StGB unberührt lasse. Vgl. jedoch auch S. 396. 332 SK-Hoyer, § 246, Rn. 19. 333 Unverständlich bleibt deshalb die Fragestellung Murmanns, NStZ 1999, S. 15, Fn. 6, ob nicht der Anwendungsbereich des § 246 ausgerechnet durch erhöhte Anforderungen im subjektiven Bereich eingeschränkt werden solle. 334 Vgl. nur Samson, JA 1990, S. 9.

2. Die vollzogene Zueignung bei der Unterschlagung, § 246 StGB

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c) Objektive Ansätze Demgegenüber bemühen sich Vertreter objektiverer Ansätze in den letzten Jahren vermehrt, zumindest eine Anlehnung an inhaltliche Elemente des Zueignungsbegriffs für den objektiven Unterschlagungstatbestand zu gewährleisten. Tenckhojf stellt diesen Bezug her, indem er verlangt, die Aneignungskomponente der Zueignung müsse für die Annahme vollendeter Unterschlagung in Erscheinung treten 335 . Ob damit jedoch viel gewonnen ist, erscheint zweifelhaft, denn selbst diese zurückhaltende Anleihe bei inhaltsbezogenen Begriffen der Zueignungsdogmatik des § 242 StGB wird unmittelbar weiter eingeschränkt: Lediglich der Wille zur rechtswidrigen Aneignung müsse unzweideutig offenbar werden, heißt es kurz darauf - und das bedeutet im Ergebnis, dass weder die Aneignung selbst vollbracht sein muss, noch muss die Enteignung in irgendeiner Weise verwirklicht werden, und damit steht Tenckhojf ganz auf der Linie der Manifestationslehren 336, mit dem einzig terminologischen Unterschied, dass eines der beiden inhaltlichen Elemente wenigstens erwähnt wird, wenn auch im Grunde nur als Worthülse 337 . Etwas weiter gehend sieht Samson in der Unterschlagung ein Delikt mit überschießender Innentendenz, dessen objektiver Tatbestand als Tathandlung den Beginn der Aneignung der Sache, nicht aber die Enteignung des Berechtigten verlangt 338 . Der subjektive Tatbestand enthalte dann neben dem Aneignungsvorsatz die Absicht dauernder Enteignung. Eine vollendete Zueignung setze § 246 StGB nicht voraus 339 . Aneignung bedeutet für Samson die wirtschaftlich sinnvolle Nutzung der Sache - dies hat gegenüber den Manifestationsansätzen den Vorzug, dass der Tatbestand klarere Konturen erhält 340 : Notwendig für die Bejahung des vollendeten Deliktes ist jedes Mal die Verwendung der Sache und damit ein über den reinen erkennbaren Willen hinausgehendes äußeres Verhalten. Auch ist dieser Ansatz in der Lage, sinnvoll ein Versuchsstadium zu benennen: das unmittelbare Ansetzen zur Nutzung der Sache 341 . Eine Abgrenzung von der Gebrauchsanmaßung ist indessen, wie auch bei Tenckhoff, nur über die Berücksichtigung subjektiver Momente möglich. Gibt jemand einen Mietwagen nicht zum vertraglich vereinbarten Termin zurück, sondern fährt ihn über diesen Zeitpunkt hinaus weiter, so ist 335 Tenckhoff, JuS 1984, S. 780; ebenso Lackner/Kühl, § 246, Rn. 4. 336 Dass die engen Manifestationsansätze sogar restriktiver sein können als dieser Ansatz, erwähnt Tenckhoff selbst, a. a. O., S. 780. 337 Ohne jede Reflexion inhaltlicher Konsequenzen verwendet die Begriffe Ent- und Aneignung für seine Unterschlagungsdefinition auch Bockelmann, JZ 1960, S. 624 (der die weite Manifestationslehre vertritt). 338 SK-Samson (4. Aufl.), § 246, Rn. 40; JA 1990, S. 9; ähnlich: Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 58; Noak, Drittzueignung und 6. Strafrechtsreformgesetz, S. 132 f. 339 SK-Samson (4. Aufl.), § 246, Rn. 34. 340 Kargl, ZStW 103 (1991), S. 180. 341 SK-Samson (4. Aufl.), § 246, Rn. 40.

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4. Kap.: Die Zueignungshandlung

nach Samson objektiv Zueignung gegeben. Die bloße Nachlässigkeit von der vorsätzlichen Gebrauchsanmaßung und erst recht von der vorsätzlichen Zueignung zu unterscheiden, wäre dann allein Sache des subjektiven Tatbestandes. Ob dies schlechthin einen Mangel darstellt, lässt sich noch diskutieren 342 (schließlich ist der Diebstahl per definitionem legem nur über die Berücksichtigung des dolus von einer beginnenden Gebrauchsanmaßung zu unterscheiden) - dass es im Rahmen des § 246 StGB einen Mangel darstellt, ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, denn § 246 StGB verlangt entgegen der Auffassung Samsons eine vollendete Zueignung und damit nicht nur eine Aneignung, sondern auch eine Enteignung; der Gesetzestext ist hierin absolut eindeutig. Darüber hinaus gerät diese ohne Hinblick auf Drittzueignungskonstellationen entwickelte Lehre in Schwierigkeiten, wenn nicht der Täter selbst, sondern ein anderer Adressat der Zueignung ist: Der Vollendungszeitpunkt wird nun endgültig diffus. Soll von vollendeter Zueignung ausgegangen werden, sobald der Täter die Sache für einen Dritten in Besitz nimmt bzw. die Nutzung der Sache für einen Dritten ausübt 343 ? Oder ist erforderlich, dass der Dritte - womöglich gar in deliktischem Einverständnis mit dem Täter - Eigenbesitz herstellt und die Sache selbst nutzt 344 ? Auch wenn zugestanden werden muss, dass diese Fragen weniger auf immanente Schwächen dieser Lehre hinzuweisen vermögen, als vielmehr ganz allgemein Probleme der Neukonturierung der Aneignung betreffen, so bleibt die grundsätzliche Kritik doch bestehen. Denn die Aneignung (an wen auch immer und in welcher dafür vorausgesetzten Form auch immer) ist nicht diejenige Komponente der Zueignung, die den Kern der Rechtsgutsverletzung ausmacht - der Angriff auf das strafrechtliche Rechtsgut „Eigentum" liegt in der Vereitelung des Ausschließungsrechts des Eigentümers und damit in der Enteignung. Will man auf sie im Rahmen des objektiven Tatbestands verzichten, so geriete objektiv neutrales Verhalten in den Mittelpunkt strafrechtlichen Verfolgungsinteresses. Das ist mit dem Gesetzlichkeitsprinzip unvereinbar. Wenn also die Unterschlagung schon als bloß verkümmert zweiaktiges Delikt aufzufassen wäre, so läge es näher, das Gefälle nicht von der Aneignung zur Enteignung, sondern umgekehrt verlaufen zu lassen 345 . Dieser Erkenntnis trägt Maiwald Rechnung. Er vertritt ebenso wie Samson eine „halbierte objektive Theorie"346 - nur vertritt er die andere Hälfte: Maiwald begnügt sich für den objektiven Tatbestand mit dem tatsächlich bewirkten Enteignungserfolg, siedelt die Aneignung als hinter der Sachentziehung stehenden Zweck dagegen im subjektiven Tatbestand an 3 4 7 . Der Täter müsse den „aller Wahrscheinlichkeit nach eintretenden 342 Vgl. hierzu 4. 343 So Dencker / Struensee / Nelles / Stein, 1. Teil, III., Rn. 41 f. 344 So Kudlich, JuS 2001, S. 771. 345 Ebenso Degener, JZ 2001, S. 398. 346 Kargl, ZStW 103 (1991), S. 177. 347 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 196; ebenso (jeweils unter Anschluss an Maiwald) Degener, JZ 2001, S. 398 f.; Dencker/Struensee/Nelles/ Stein, 1. Teil, III., Rn. 56.

2. Die vollzogene Zueignung bei der Unterschlagung, § 246 StGB

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Sachverlust" verursachen 348, also eine Situation schaffen, aus der heraus die dauernde Enteignung des Opfers sich selbstständig und ohne weiteres Zutun des Täters vollziehe 349 . Ähnlich verlangt Degener eine „Veränderung der äußeren Situation", die eine „dauernde Verdrängung des Eigentümers befürchten lässt" bzw. zu einer „spürbaren Verschlechterung der Zugriffsmöglichkeiten" des Eigentümers führt 350 . Anders als für die Aneignungstheorie ergeben sich für diesen Ansatz aus der Einführung der Drittzueignung durch die Neufassung des § 246 StGB wenig Probleme, denn das Moment der Enteignung muss bei Selbst- wie Drittzueignung gleichermaßen vorliegen, so dass sich Unterschiede allein auf Seiten der für die Annahme der Vollendung unwesentlichen Aneignung ergeben 351. Maiwald selbst bezeichnet seine Zueignungslehre als eine objektive, da sie einen Zueignungserfolg fordere und als solchen lediglich die Schaffung einer eigentumsverletzenden Lage von gewisser Endgültigkeit ansehe. In dieser Selbsteinschätzung liegen bereits erste Schwächen der Lehre: Eine „gewisse" Endgültigkeit und ein „aller Wahrscheinlichkeit nach" eintretender Sachverlust lassen schon der Formulierung nach nur schwerlich die Fixierung eines klar umrissenen Zueignungserfolges zu. Seiner Konzeption nach steht Maiwald deshalb - entgegen der selbst vorgenommenen Positionierung - der Konstruktion eines Eigentumsgefährdungsdeliktes näher als der eines Verletzungsdeliktes 352. Veranschaulichen kann dies auch ein von Seong entworfener Beispielsfall 353 : Wirft jemand ein fremdes Brikett in seinen Ofen, um sein Zimmer zu heizen, dann wird dieses, ohne dass es eines weiteren Zutuns des Täters bedürfte, ausbrennen. Das von Maiwald geforderte Stadium, in dem der Täter „etwas außerhalb seiner selbst Liegendes gestaltet" hat 3 5 4 , ist damit erreicht. Dass der Zueignungserfolg hier noch nicht eingetreten ist, sieht man an der Möglichkeit, dass der Täter das Brikett noch vor dem Beginn des Brennens aus dem Ofen wieder herausnehmen kann. Doch die Konsequenz von Maiwalds Auffassung müsste hier trotz des Rücktritts eine Bestrafung aus dem vollendeten Delikt sein. Auf andere Weise deutlich wird die Problematik bei der von Maiwald selbst vorgebrachten Lösung der Fallkonstellation des Besitzableugnens gegenüber dem Berechtigten: Der Eintritt des Zueignungserfolges soll hier davon abhängen, ob der Eigentümer dem Täter glaubt; tut er es nicht, ist er auch nicht enteignet, tut er es hingegen, so tritt die Enteignung selbst dann ein, wenn der Eigentümer schon nach nur kurzer Zeit Misstrauen schöpft und erneut - diesmal erfolgreiche - Nachforschungen anstellt. Natürlich ist es nur konsequent, dass Maiwald sogar dann, wenn der Täter selbst reuevoll die Tatsachen richtig stellt, an dem bereits eingetretenen Zueignungserfolg festhält. Ein strafbefreiender Rücktritt sei hier wie bei anderen 348 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, a. a. O. 349 Vgl. SK-Samson (4. Aufl.), § 246, Rn. 33. 350 Degener, JZ 2001, S. 398. 351 352 353 354

Dencker/ Struensee/Nelles/ Stein, 1. Teil, III., Rn. 41. Vgl. Kargl, ZStW 103 (1991), S. 177. Seong, Zueignung der Unterschlagung, S. 159. Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 196.

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4. Kap.: Die Zueignungshandlung

Delikten wegen der Vollendung der Tat nicht mehr zuzulassen, die Rückgabe der Sache also bloße Wiedergutmachung eines doch schon angerichteten Schadens355. Es drängt sich jedoch die Frage auf, worin denn innerhalb der Maiwaldschen Konzeption hier der Schaden liegen soll 3 5 6 , denn Maiwald bestimmt den Unrechtsgehalt der Eigentumsdelikte ja durchaus mit Blick auf die Beziehung des Eigentümers zur Sache 357 und definiert die Enteignung mit einem konkreten Bezug zu ihrer zeitlichen Dauer. Von einem „Sachverlust" von „gewisser Endgültigkeit" kann sicher keine Rede sein, wenn der bußfertige Täter etwa nach wenigen Minuten dem niedergeschlagenen Eigentümer seine Sache zurückgibt - jedenfalls nicht im Sinne eines „Außenwelterfolges", wie er herkömmlich für die Annahme eines Erfolgsdeliktes verlangt wird 3 5 8 . Was das Fehlen eines objektiven Aneignungsmoments betrifft, so ist Maiwald indes nicht vorzuwerfen, dass er ohne Ansehung der für § 242 StGB entwickelten Begriffe manövriere, da er hier wie dort die Aneignung als ausschließlich subjektives Moment, nämlich als einen hinter der Enteignung stehenden Zweck auffasst 359. Was jedoch die Ausgliederung der Aneignung aus dem objektiven Tatbestand anbelangt, so ist dazu bereits oben einiges gesagt worden 360 : Da sie als solche unhaltbar ist, kann diesem Ansatz auch hier nicht gefolgt werden. Dass also Maiwald sich mit dem Enteignungserfolg begnügt, statt einen vollständigen Zueignungserfolg zu verlangen, ist innerhalb seiner Konzeption des Zueignungsbegriffes konsequent, aber dennoch abzulehnen, weil eine Abgrenzung der Zueignung von Sachentziehung oder Sachbeschädigung ansonsten allein im subjektiven Tatbestand durchgefühlt werden könnte; vor allem aber deshalb, weil die Zueignung hier als ein objektiv anderes, sich aus den Elementen Ent- und Aneignung konstituierendes Verhalten begriffen wird. So ist Maiwald zugute zu halten, dass er im Gegensatz zu den Manifestationslehren einen objektiven Anknüpfungspunkt für ein Unrechtsurteil anbietet 361 ; es ist ihm indes vorzuwerfen, dass er eine Abgrenzung der Zueignungshandlung von anderen Eigentumsbeeinträchtigungen im objektiven Tatbestand nicht zu leisten vermag und sich damit von den gesetzlichen Vorgaben, die nach dem 6. StrRG um so dringlicher an die Notwendigkeit der Restriktion gemahnen, entfernt. Sind die genannten Autoren in ihrer Annäherung an eine objektive Auslegung des § 246 StGB bereits Ausnahmeerscheinungen vor dem breiten Hintergrund der 355 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 194, Fn. 18. 356 Kargl, ZStW 103 (1991), S. 178, Fn. 139; an anderer Stelle begreift Kargl selbst allerdings „Schaden" als „Verletzung eines Anspruchs, dass dieser Zustand unter den gegebenen Umständen nicht eintrete" (in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 57) - dieser Schaden ist in der obigen Fallkonstellation freilich eingetreten. 357 Zur Kritik an diesem Topos vgl. o. Kap. 2, 2., 3. 358 Vgl. etwa Wessels/Beulke, AT, Rn. 23. 359 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 230. 360 Vgl. o. l.,b),bb). 361 Basak, in: Irrwege der Strafgesetzgebung (1999), S. 183.

2. Die vollzogene Zueignung bei der Unterschlagung, § 246 StGB

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Manifestationslehren, so sind es schließlich allein Kargl und Hoyer, die den § 246 StGB so interpretieren, wie es sein Wortlaut nahe legt: als Erfolgsdelikt, dessen Vollendung voraussetzt, dass sich der Täter die Sache tatsächlich zugeeignet hat, also objektiv die dauernde Enteignung bewirkt hat und sich die Sache angeeignet hat 3 6 2 . Kargl definiert überdies Enteignung und Aneignung so eng, dass seine objektive Zueignungslehre große Strafbarkeitslücken nach sich zieht, die Kargl zwingen, mit der Bemerkung zu schließen, es gelte „sich zu erinnern, dass Strafbarkeitslücken es sind, die das Ethos des Strafrechts ausmachen"363. Im Anschluss an Kargl verlangt auch Basale das Vorliegen von Ent- und Aneignung zur Bejahung vollendeter Zueignung, fasst jedoch insbesondere das Element der Enteignung weiter und begreift § 246 StGB im Ergebnis als Eigentumsgefährdungsdelikt 364. Hoyer zufolge liegt eine dauernde Enteignung bereits dann vor, wenn dem Eigentümer auch nur eine von ihm gewünschte Nutzungsmöglichkeit endgültig nicht mehr zur Verfügung steht 365 (diese Definition lehnt sich an die in § 903 BGB beschriebenen positiven Eigentümerbefugnisse an, die es dem Eigentümer erlauben, mit der Sache nach Belieben zu verfahren). Weder das Ableugnen des Besitzes, noch das Angebot oder der Abschluss eines Kaufvertrages sollen diesen Anforderungen genügen, erst recht aber nicht das unverfängliche Einstecken einer Fundsache. Die Dauerhaftigkeit der Enteignung ist nach Hoyer dann gewährleistet, wenn es zu einer Sachabnutzung kommt, wobei entsprechend der Wertung des § 93 BGB nur der Verlust „wesentlicher Bestandteile" eine ausreichende Abnutzung darstelle. Kargl lässt als Zueignungshandlungen allein den Verbrauch, die Entwertung der Sache im Sinne völliger Funktionsaufhebung sowie die Veräußerung und die gesetzlichen Eigentumsübergänge der §§ 946-948, 950 BGB zu 3 6 6 . Alle anderen eigentumsverletzenden Verhaltensweisen unterlägen den Fallgruppen der Beschädigung, der Gebrauchsanmaßung oder der Entziehung, eine Kollision mit ihnen widerspräche der gesetzlichen Wertung. Versuchte man andererseits, diese Schwierigkeiten über eine Subjektivierung des Zueignungsbegriffes zu lösen, geriete man auf die Schiene des Gesinnungsstrafrechts 367. Doch nicht allein diese Gefahr, sondern auch die der Ausuferung des Tatbestandes in das Vörbereitungsstadium und der damit zusammenhängenden Aufhebung 362 Kargl, ZStW 103 (1991), S. 163 ff.; SK-Hoyer, § 246, Rn. 22; zustimmend allerdings auch Joecks, Studienkommentar, § 246, Rn. 18 f., 25; Hohmann/Sander, BT 1, § 3, Rn. 7 ff. (insb. Rn. 13), mit eingehender Kritik an der herrschenden Meinung. 363 Kargl, ZStW 103 (1991), S. 185. 364 ßasak, in: Irrwege der Strafgesetzgebung (1999), S. 188 ff.; in GA 2003, S. 120 wird der eigene Ansatz mit „Aneignung und Enteignungsgefahr" umschrieben. 365 SK-Hoyer, § 246, Rn. 25. 366 Kargl, ZStW 103 (1991), S. 182 ff.; im Rahmen der Drittzueignung müssten dann Fälle des Verbrauchen-Lassens durch einen anderen oder der Vermischung mit Sachen eines Dritten, wohl auch die Veräußerung einer anvertrauten Sache an einen gutgläubigen Dritten ausreichen, vgl. auch Basak, in: Irrwege der Strafgesetzgebung (1999), S. 186. 367 Kargl, ZStW 103 (1991), S. 182.

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4. Kap.: Die Zueignungshandlung

der Grenze zwischen Versuch und Vollendung prangern sowohl Kargl als auch Hoyer an 3 6 8 . Spielraum für den unbeendeten Versuch sei nicht mehr gegeben, wenn praktisch jede Manifestation des Zueignungswillens bereits vollendete Unterschlagung darstellen solle 369 - dies werde schließlich auch von Vertretern der Manifestationslehre eingeräumt 370. Maiwald sei insofern wenigstens anzurechnen, dass seine Enteignungstheorie die weite Ausdehnung des Tatbestandes in das Vorbereitungsstadium verhindere und ein Versuch der Unterschlagung wieder möglich erscheine 371. Kargl wirft ihm - wie allen anderen Autoren - jedoch vor, überhaupt Handlungen, die rein äußerlich nicht von strafrechtlich unbedenklichen Verhaltensweisen zu unterscheiden sind, allein wegen des dahinter stehenden Willens als Zueignungen erfassen zu wollen 372 . Er will demgegenüber im Anschluss an die Lehren der praesumtio-doli-Theoretiker 373 die Annahme des Vorsatzes nur zulassen, wenn dieser aus der Sache (ex re) gefolgert werden kann 374 . Im Verhältnis des Täters zur Sache müsse eine Veränderung eintreten 375 . Kargls Vorwurf gegen alle zuvor geäußerten Auffassungen zur Unterschlagungshandlung ist also einheitlich der, zu einem rechtsstaatlich nicht hinnehmbaren Anteil die reine Gedankensünde zu bestrafen: Die Manifestationslehren als reines Gesinnungsstrafrecht („Wie sonst soll man es nennen, wenn eine Handlung, die nicht bloß unverdächtig, sondern darüber hinaus sogar geboten ist und die in ihrem sachlichen Gehalt überdies die Zueignung gar nicht verwirklicht', nur deshalb tatbestandsmäßig sein soll, weil sie von einem bösen Willen getragen ist?" 3 7 6 ), aber auch die „halbierten objektiven Theorien" als Gesinnungsstrafrecht insofern, als sie Indizien für den hinter einem Verhalten stehenden Willen in den Rang eines Tatbestandsmerkmals erheben, obwohl sie doch nicht mehr als ein prozessuales Beweismoment darstellen dürften.

d) Kritik und Vorgriff auf eigene Konzeption Wie Basak treffend formuliert, ist es bei einer „prima facie als Erfolgsdelikt formulierten Norm" doch „ungewöhnlich", dass es „fraglich zu sein scheint, inwie368 Kargl, a. a. O., S. 173; SK-Hoyer, § 246, Rn. 22. 369 Kargl, a. a. O., S. 173, Fn. 123. 370 Schroeder, in: Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, 8. Aufl., § 34, Rn. 36: „ ( . . . ) der Spielraum für den unbeendeten Versuch zugunsten der Vollendung sehr eng bemessen ist: sogar erfolgloses Anbieten einer Sache zum Kauf, erfolgloses Ableugnen des Besitzes genügen ja schon als Manifestation ( . . . ) " . 371 372 373 374

Kargl, ZStW 103 (1991), S. 177. Kargl, a. a. O., S. 180. Vgl. Henkel, Eberhard-Schmidt-FS, S. 578 ff.; Grobe, ZStW 78 (1966), S. 59 ff. Kargl, ZStW 103 (1991), S. 181.

375 Kargl, a. a .0., S. 171. 376 Kargl, ZStW 103 (1991), S. 172.

2. Die vollzogene Zueignung bei der Unterschlagung, § 246 StGB

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weit ein objektives Tatbestandsmerkmal auch objektiv vorliegen muss" 377 . In der Tat liefe der Versuch, von den Auffassungen zum Gehalt der Zueignung auf den Wortlaut der Norm zu schließen, auf sicherlich vielfältige Fassungen, zweifellos aber nicht auf die legislative Formulierung hinaus. Wollte man aus den weiten Manifestationstheorien den Gesetzestext herleiten, so wäre zu vermuten, dieser laute: „Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignen will und dies auch kundtut, wird ( . . . ) bestraft." Der Tatbestand wäre damit erkennbar deutlich weiter gefasst, als er es tatsächlich ist. Nicht wesentlich anders hätte man sich einen Gesetzestext vorzustellen, der auf den engeren Manifestationsansätzen beruht: „Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignen will und diesen Willen in einer äußeren Handlung manifestiert, wird ( . . . ) bestraft" - auch dies stellte eine Ausweitung der Strafbarkeit dar. Beide Fassungen wären, stünden sie so im Gesetz, fraglos dem Vorwurf der Normierung von Gesinnungsstrafrecht ausgesetzt und verfassungsrechtlich nicht haltbar. Die so gelesenen, vornehmlich subjektiv konstruierten Zueignungstatbestände laufen aber nicht bloß dem Grundsatz „cogitationis poenam nemo partitur" zuwider, sondern bewirken auch eine bedenkliche Vorverlagerung des Vollendungszeitpunktes der Unterschlagung in das Vorbereitungsstadium und sind dadurch verantwortlich für die offenkundige Schwierigkeit der Grenzziehung zwischen Versuch und Vollendung des § 246 StGB 3 7 8 . Dies gilt umso mehr, als die zuvor gesetzesimmanente Beschränkung des Tatbestands durch das Gewahrsamserfordernis des § 246 StGB a.F. im Rahmen des 6. StrRG entfallen ist. Da nunmehr auch eine Unterschlagung an Sachen möglich ist, auf die der Täter zu keinem Zeitpunkt unmittelbar Zugriff hat, ergibt sich, soweit man jede Manifestation des Zueignungswillens genügen lassen will, eine noch weitergehende Vorverlagerung der Strafbarkeit 3 7 9 . Eindrucksvoll malt Degener die Folgen der Anwendung des weiten Zueignungsbegriffs nach der Gesetzesreform aus: „Alle bisher straflosen Vörbereitungshandlungen zu Diebstahl und Raub, zu Erpressung und Betrug, die unmittelbar oder letztendlich auf einen dauerhaften Sachbesitzwechsel gerichtet sind, alle Vorbereitungen einer auf Vermögensverschiebung zielenden Sachuntreue sowie eines hehlerischen Ankaufens oder Sichverschaffens werden in § 246 strafrechtlich aufgefangen. ( . . . ) Der neue § 246 erklärt all diese Akte des Vorbereitens und Sichbereiterklärens - bei Zugrundelegung des herrschenden Zueignungsverständnisses - zu vollendeten Unterschlagungen. Kurz: Die Gleichstellung von Vollendung, Versuch und Vorbereitung, die sich bisher auf den Fall der Zueignung von im Besitz befindlichen Sachen beschränkte, wird nunmehr dem gesamten Strafrecht der Sachverschiebungsdelikte vermittelt." 380 Und da auch die Variante der Drittzueig377

Basak, in: Irrwege der Strafgesetzgebung (1999), S. 175. ™ Ebenso Kargl, ZStW 103 (1991), S. 162. 37 9 Vgl. auch Duttge/Fahnenschmidt, ZStW 110 (1998), S. 907; Basak, GA 2003, S. 111 f. Zur Unbestimmtheit des so verstandenen Paragrafen vgl. Noak, Drittzueignung und 6. Strafrechtsreformgesetz, S. 131 ff.; Jahn, in: Irrwege der Strafgesetzgebung (1999), S. 202 ff., 214.

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4. Kap.: Die Zueignungshandlung

nung tatbestandlich erfasst ist, wäre den Manifestationslehren zufolge auch „jede fremdnützige Anstiftung oder Beihilfe zu Diebstahl, Raub, Sacherpressung, Sachbetrug ( . . . ) zugleich täterschaftliche vollendete Unterschlagung." 381 Überdies gerät man bei Anwendung der formalen Manifestationsansätze in eine weitere Verlegenheit, die den Verbrechensaufbau betrifft. Verlangt man für den objektiven Tatbestand der Unterschlagung die Manifestation eines inneren Willens, so ist man genötigt, bereits im objektiven Tatbestand einen Zueignungsvorsatz zu prüfen 382 . Samson erkennt treffend, dass der Verfasser eines strafrechtlichen Gutachtens sonst in die missliche Lage gerät, „die Betätigung eines Zueignungsvorsatzes zu prüfen, dessen Vorhandensein er noch gar nicht festgestellt hat" 3 8 3 . Rengier empfiehlt gar, den Zueignungswillen (der aber doch das zentrale Element für die Anhänger der Manifestationslehren ist!) für die Prüfung der Manifestation „stillschweigend zugrunde" zu legen 384 . Angesichts solch heikler Verschwimmungen von objektivem und subjektivem Tatbestand darf es nicht erstaunen, wenn die Bestimmung der inhaltlichen Momente häufig allzu vage gerät. Dass die Überprüfung des qualitativen Gehalts einer Handlung bei Anwendung der Manifestationstheorien fortwährend unterbleibt, degradiert diese zu formalen Theorien und von dem Erfordernis der Manifestation der Zueignung her eröffnet sich der Zugang zum „formalen Zueignungsbegriff' 385 : Die Manifestationslehren sind insofern eine Variation des Erfordernisses des „se ut dominum gerere" 386 , eine Manifestation des Zueignungswillens ist zwangsläufig das, was gemeinhin als Anmaßung von Eigentümerrechten verstanden wird. Doch ebenso wenig wie die Formel von der Eigentümerähnlichkeit nehmen die Manifestationslehren auf die inhaltlichen, qualitativen Elemente der Zueignung, die Ent- und die Aneignung, in irgendeiner Weise Bezug. Dass es einer äußerlich wahrnehmbaren Handlungsweise 380 Degener, JZ 2001, S. 392 (mit Fallbeispielen) hängt im Ergebnis einer „halbierten objektiven Theorie" nach dem Vorbild Maiwalds an. 381 Degener, a. a .0., S. 393. Der Vorschlag Kreys (BT 2, Rn. 152), die aus diesem Umstand herrührende notwendige Begrenzung des Zueignungsbegriffs dadurch zu erreichen, dass eine Herrschaftsbeziehung des Täters zur Sache zu fordern sei, unterliegt derselben Kritik, wie sie sogleich gegen den Sachherrschaftsbezug in der Lehre Kargls vorzubringen sein wird (vgl. ausführlich dort). 382 Siehe etwa Samson, JA 1990, S. 9, der als alternierende Aufbauten für den Unterschlagungstatbestand die Möglichkeiten der Aufnahme des Zueignungsvorsatzes in den objektiven Tatbestand oder die Prüfung des subjektiven Tatbestandes vor dem objektiven Tatbestand vorschlägt; ders., SK (4. Aufl.), § 246, Rn. 28: „Während § 242 im objektiven Tatbestand die Wegnahme verlangt und lediglich die Absicht der Zueignung voraussetzt, verlangt die Unterschlagung eine Zueignungshandlung. Als objektiv-subjektive Sinneinheit setzt die Zueignungshandlung zunächst (!) den Zueignungsvorsatz (!) ( . . . ) voraus"; ähnlich Otto, Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, § 42,1., 2., b). 383 384 385 386

Samson, JA 1990, S. 9. Rengier, BT 1, § 5, Rn. 4a. Arzt/Weber, LH 3, Rn. 123. Vgl. auch Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 192 f.

2. Die vollzogene Zueignung bei der Unterschlagung, § 246 StGB

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bedarf, um strafrechtlich intervenieren zu können, ist allen Delikten des StGB immanent - es ist ein Allgemeinplatz und noch kein konkretisiertes Erfordernis. Zueignung zu deuten als „Betätigung des Zueignungswillens" ist eine Zirkeldefinition, die das definiendum erst durch das definiens definiert 387 . Was inhaltlich Zueignung ist, wird damit noch nicht gesagt. Entsprechend rügt Mitsch: „Wenn ich nicht weiß, was eine ,Zueignung' ist, weiß ich auch - erst recht - nicht, was »Zueignungswille4 ist. Der »Zueignungswille4 vermag deshalb das Definitionsbedürfnis bezüglich der,Zueignung 4 nicht zu befriedigen." 388 . Dies zeigt sich zuvorderst bei solchen „Manifestationen", die weder Ent- noch Aneignung verwirklichen, wie es bei der Kundgabe des Zueignungsentschlusses gegenüber Dritten der Fall ist. Auch auf der inneren Tatseite ist es daher lediglich ein Fragment des Vorsatzbegriffes unter Aussparung notwendiger kognitiver Momente, mit dem die Manifestationslehren arbeiten: Sie begnügen sich mit subjektiven Daten, die nicht einmal ansatzweise die Täterprognose dauernder Enteignung auf der einen Seite und vorübergehender Aneignung auf der anderen Seite substantiieren 389. Doch die Fixierung des spezifischen Zueignungsinhalts wird ebenso wenig gelingen bei Handlungen, die zwar eines, nicht aber beide Elemente beinhalten 390 . So wird man davon ausgehen können, dass Handlungen mit enteignender Wirkung regelmäßig den Ansprüchen der Befürworter der Manifestationsansätze genügen und von daher als Zueignungen verstanden würden, und es ist sogar insoweit zuzustimmen, als jeder Enteignung auch eine Eigentumsverletzung innewohnt; doch bedarf es für die Annahme von Zueignung mehr als der Feststellung einer Schutzgutsverletzung, sie ist eine qualifizierte Eigentumsverletzung, nämlich die Enteignung des Eigentümers und die Aneignung der Sache durch den Täter. Auch an den Lehren von Samson und Maiwald, die sich immerhin um objektiv fassbare Merkmale bemühen, bleibt deshalb rätselhaft, wie angesichts eines - was dies anbelangt - unmissverständlich eindeutigen Gesetzestext („Wer eine ( . . . ) Sache sich oder einem Dritten zueignet...") davon ausgegangen werden kann, der objektive Unterschlagungstatbestand verlange keine vollendete Zueignung 391 . Der Unterschlagungstatbestand verlangt im Gegenteil als Tathandlung nichts weiter als eine vollendete Zueignung - und der Wortlaut des § 246 StGB lässt hier wenig Raum für Gegenmeinungen. Wer sich eine fremde Sache zueignet, wird bestraft. Er braucht nicht mehr und nicht weniger zu tun, als genau das: eine Zueignung zu bewirken und zwar vollständig. Man mag über den sachlichen Gehalt dieses unpräzisen Begriffes streiten - evident müsste dagegen sein, dass die Zueignung, wie immer man sie auch definiert, vollendet sein muss.

387 Mylonopoulos, Roxin-FS, S. 920. 388 Mitsch, BT 2, TB 1, § 2, Rn. 36. 389 Degener, JZ 2001, S. 395. 390 Denn dann liegt materiell entweder eine bloße Gebrauchsanmaßung oder eine bloße Sachentziehung, bzw. Sachzerstörung vor. 391 So ausdrücklich SK-Samson (4. Aufl.), § 246, Rn. 34.

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4. Kap.: Die Zueignungshandlung

Allein die Entwürfe Kargls und Hoyers respektieren den Wortlaut des § 246 StGB insofern, als sie den Täter nicht für Verhaltensweisen bestrafen wollen, die dem vom Gesetz geforderten Verhalten deutlich vorgelagert sind. Die Lesarten Kargls und Hoyers sind deshalb auch die einzigen, die einer verfassungsrechtlichen Kritik standhalten. Im Folgenden soll untersucht werden, inwieweit sie auch einer inhaltlichen, schließlich auch einer kriminalpolitischen Kritik standhalten. Um als erstes auf die ausgedehnter entwickelte Argumentation Kargls einzugehen: Problematisch ist zunächst der weite Versuchszeitraum, der sich für die Feststellung einer objektiv dauerhaften Enteignung im Extremfall vom Beginn der Nutzung der Sache durch den bösgläubigen Täter bis zu deren Verbrauch bei entsprechender Haltbarkeit der Sache über mehrere Jahre hinziehen kann. Handelt es sich gar um Sachen, die nicht verbraucht werden können oder sollen (wie etwa Bücher, Bilder oder ähnliches), ist die Möglichkeit der Völlendung gänzlich ausgeschlossen, so dass mangels Bezugspunkt des Vollendungsvorsatzes hier sogar auch die Versuchsstrafbarkeit entfiele 392 . Es ist oben bereits angesprochen worden, dass objektive Dauerhaftigkeit der Enteignung selbst in den von Kargl befürworteten Zueignungskonstellationen überhaupt nicht durchweg garantiert ist 3 9 3 . Dass Handlungen, die die Sache vernichten oder ihre Substanz verletzen (der Verbrauch, die Vermischung, die Verarbeitung) eine endgültige Enteignung des Berechtigten bewirken, ist gewiss - doch ebenso gewiss ist, dass Sinn der Zueignungsdelikte auch der Schutz vor solchen Verhaltensweisen ist, die die Sache in ihrer Substanz nicht tangieren. Und es erscheint mindestens seltsam, dass eine Vollendung der Unterschlagung ausnahmslos erst dann in Betracht kommen soll, wenn der Täter sich der Sache wieder entäußert 394 - der Erfolgssachverhalt läge damit gerade in der Beendigung der Nutzung. Dies ist in seiner Ausschließlichkeit widersinnig und kaum zu vereinbaren mit der Überzeugung Kargls, dass die Aneignung in der dauerhaften positiven Ausübung der Herrschaftsmacht bestehen müsse. Im Übrigen kann selbst der Verkauf einer Sache und damit eine durch Kargl klar als Zueignung klassifizierte Handlung in Hinblick auf die objektive Dauer der Enteignung (als Verdrängung des Eigentümers aus seiner Herrschaftsposition, wie es die herrschende Meinung und insoweit auch Kargl definieren) Zweifel aufwerfen: Der Verkauf einer durch den Berechtigten verlorenen und vom Täter gefundenen Uhr an ein Familienmitglied des Eigentümers tangiert das Eigentum weder in rechtlicher (§ 935 BGB) noch in tatsächlicher Hinsicht, im Gegenteil wird der Zugriff des Eigentümers auf die Sache durch den Akt der „Veräußerung" überhaupt erst wieder in den Bereich des Möglichen gerückt. Von dauerhaftem Sachverlust kann mithin keine Rede sein. Kargl bleibt die Antwort schuldig, weshalb ausgerechnet hierin die geforderte endgültige Enteignung liegen sollte.

392 Seelmann, JuS 1985, S. 700. 393 Vgl. l., a), bb) sowie im Weiteren. 394 Basak, in: Irrwege der Strafgesetzgebung (1999), S. 187; hierzu auch Mylonopoulos, Roxin-FS, S. 920 ff.

2. Die vollzogene Zueignung bei der Unterschlagung, § 246 StGB

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Doch die Veräußerungsfälle sind durchaus lösbar, auch ohne das Enteignungsmoment preiszugeben: Die Dauer der Enteignung ist kein Element des objektiven Tatbestands, sondern als auf einen weiter gehenden Erfolg gerichtete Innentendenz dem subjektiven Tatbestand zuzuordnen 395. Es ist Kargls Einwand gegen diese wie jede Argumentation, die überhaupt von äußeren Tatsachen ungedeckte Innentendenzen berücksichtigt, dass hiermit gegen den Grundsatz „cogitationis poenam nemo partitur" verstoßen werde: „ ( . . . ) wenn eine subjektive Haltung pönalisiert wird, der äußerlich nichts Strafwürdiges korrespondiert" 396 . Allerdings kann das so nicht zutreffen, es sei denn, man wollte den Gesetzgeber beschuldigen, eine nahezu verschwenderische Anzahl gesinnungsstrafrechtlicher Normen im StGB untergebracht zu haben. Da ist § 146 StGB (Geldfälschung), der das Nachmachen von Geld nur dann - aber eben auch bereits dann unter Strafe stellt, wenn dies in der Absicht geschieht, es als echt in Verkehr zu bringen. Da ist die Urkundenfälschung (§ 267 StGB), die nur dann strafbar ist, wenn sie zur Täuschung im Rechtsverkehr geschieht. Und wer Bestandteile seines Vermögens veräußert oder beiseite schafft, während ihm die Zwangsvollstreckung droht, ist nur dann wegen ihrer Vereitelung strafbar, wenn er dies tut, um die Befriedigung des Gläubigers zu verhindern (§ 288 StGB). Für die Feststellung der Verleumdung (§ 187 StGB) ist die Behauptung notwendig, der Täter habe wider besseres Wissen gehandelt. Die §§ 253,263 StGB (Erpressung, Betrug) verlangen den Nachweis der Bereicherungs- bzw. Vermögensvorteilsabsicht. Und § 22 StGB schließlich stellt zur Unterscheidung von Versuch und Vorbereitungshandlung ganz ausdrücklich darauf ab, dass der Täter nach „seiner Vorstellung von der Tat" zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. All diesen Normen ist gemein, dass sie Verhaltensweisen, die aus sich heraus noch nicht strafbar wären, wegen des hinter ihnen stehenden Willens als Straftaten einordnen. In diesem Sinne erklärt auch Degener: „Der Begriff (der Gesinnung) verschlingt alles Subjektive. Schuldstrafrecht ist Gesinnungsstrafrecht." 397 Die Problematik liegt also in der generellen Frage nach der Berechtigung subjektiver Unrechtselemente 398. Kargl erkennt dies bei § 242 StGB, hält diese Regelung jedoch aus zweifelhaften Gründen für gerechtfertigt: Mit der Tathandlung der „Wegnahme" werde ein „friedensstörendes" Verhalten beschrieben, das von alters her als strafwürdig gelte und das überdies - anders als die bloße Sachverwendung - Rückschlüsse auf die Innenseite des Täters erlaube 399 . Dieser 395 Vgl. o. l.,a),bb). 396 Kargl, ZStW 103 (1991), S. 181; dagegen Degener, JZ 2001, S. 393: „Dieser Umgang mit dem Sprengwort »Gesinnungsstrafrecht' bleibt undifferenziert und spekulativ." 397 Degener, a. a .O., S. 394, der sich eingehend mit dem Begriff der „Gesinnung" auseinandersetzt. Zuvor heißt es: „So betrachtet steht auch der Vorsatz, stehen auch Fahrlässigkeit, Unrechtsbewusstsein etc. für,Gesinnung'." 398 Vgl. hierzu auch Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 189. 399 Kargl, ZStW 103 (1991), S. 181, insb. auch Fn. 151; zur Kargls Interpretation der Wegnahmehandlung vgl. auch JuS 1996, S. 976.

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4. Kap.: Die Zueignungshandlung

Argumentation kann aus zweierlei Gründen nicht beigetreten werden. Zunächst dürfte es nicht Kargls Ansinnen sein, Normen, die er im Kontext seiner Ansichten materiell für Gesinnungsstrafrecht und daher verfassungswidrig halten müsste, per historischer Auslegung zu legitimieren. Und überdies gilt auch das „diebische Behalten" einer Sache - das nicht notwendig mit endgültigen Verfügungen über sie verbunden sein muss - bereits seit dem 13. Jahrhundert als strafwürdig 400 , womit das geschichtliche Unterscheidungskriterium vollends hinfällig wird. Der andere gewichtigere - Einwand, der zu erheben ist, gilt jedoch der Behauptung, die Wegnahme lasse Rückschlüsse auf die Innenseite des Täters zu. Tatsächlich ist bei Wegnahme einer Sache völlig undurchsichtig, ob der Täter die Sache nur gebrauchen und anschließend zurückgeben, ob er die Sache dem Eigentümer dauernd entziehen will, ohne sie selbst zu nutzen (beides wäre kein Diebstahl) - oder ob er wirklich die erforderliche Zueignungsabsicht hat. Eine ausreichende Objektivation der Absicht, eine Sache endgültig zu entziehen, kann die Wegnahme nicht leisten 401 . So heftig Kargl selbst diesen Hinweis bei anderen äußerlich neutralen Verhaltensweisen in die Diskussion bringt, so einspruchslos nimmt er die Konzeption des Diebstahlstatbestandes hin - dieser Widerspruch muss angesichts der sonstigen Bauweise von Kargls Gedankengerüst Erstaunen hervorrufen. Was aber den Unterschied zwischen der Wegnahme einerseits und dem Behalten trotz Rückgabepflicht andererseits anbelangt, so liegt dieser darin, dass § 242 StGB tatbestandlich eben nur den Vorsatz fordert, während § 246 StGB vollendete Zueignung verlangt. Dies ist der entscheidende Grund, aus dem heraus bei der Wegnahme einer Sache die Zueignung gänzlich aus dem objektiven Tatbestand ausgegliedert werden darf, während im einfachen Behalten einer Sache objektiv die Merkmale der Ent- und Aneignung zu suchen sind, anderenfalls es als Unterschlagung nicht bestraft werden kann. Und soweit man diese rechtspositivistischen Überlegungen als Grundlage gelten lässt, bleibt die Berechtigung der Kritik Kargls völlig erhalten: Wo das Gesetz ein Verhalten als äußeres beschreibt, dort ist dieses Verhalten auch als äußeres zu fordern nicht bloß die Indizierung des Entschlusses zu diesem Verhalten. Es steht auch außer Zweifel, dass dieser Fingerzeig bei der Unterschlagung besonders angebracht ist, weil hier das Merkmal der „Zueignung" die alleinige Umschreibung der Tathandlung darstellt. Es ist gleichwohl unnötig, das Kind mit dem Bade auszuschütten und sämtliche Tatbestände des StGB, die überschießende Innentendenzen enthalten, wegen Normierung von Gesinnungsstrafrecht für verfassungswidrig zu erklären (ein Schluss freilich, den auch Kargl nicht zieht). Auch die Annahme von zusätzlichen, über den objektiven Tatbestand hinausgehenden subjektiven Merkmalen läuft der grundsätzlichen Forderung nach inhaltlich abgesicherten äußeren Tathandlungen nicht zuwider. Die Tathandlung der Unterschlagung, die Zueignung, besteht aus den inhaltlichen Momenten der Ent- und der Aneignung - wer auf diese zugunsten der „Manifestation" des Zueignungswillens verzichtet, die doch faktisch immer nur seine Indizierung ist, der pönalisiert eine Gesinnung und unterwirft dem § 246 StGB 400 Sachsenspiegel, Buch II, Art. 37; vgl. o. Kap. 1. 401

Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 189.

2. Die vollzogene Zueignung bei der Unterschlagung, § 246 StGB

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damit Verhaltensweisen, die von seinem Wortlaut erkennbar nicht gedeckt sind. Wird dagegen auf die Verwirklichung der inhaltlichen Merkmale der Zueignung geachtet, so schadet dem auch nicht eine Auslegung dieser Merkmale, die ihnen auch subjektive Elemente zuschreibt. Dass die Verlegung des Dauer-Erfordernisses in den subjektiven Tatbestand der Zueignungsdelikte unumgänglich ist, wurde bereits nachgewiesen402 und ergibt sich zwanglos bereits aus der faktischen Unabsehbarkeit der Dauer eines Entzuges, solange die Sache als solche körperlich erhalten bleibt. Ein Weiteres ist Kargl entgegenzuhalten: Seine Überlegungen zur deliktischen Struktur des § 246 StGB basieren auf der Deutung des Rechtsguts Eigentum im Sinne der dominierenden Meinung als absolutes Herrschaftsrecht. Eine „Veränderung im Verhältnis des Täters zur Sache müsse eintreten", sonst verbleibe die Tat im straflosen Gesinnungsbereich 403. Es wurde bereits im zweiten Kapitel gezeigt, dass das Abstellen auf ein Herrschaftsrecht „an der Sache" oder „über die Sache" dem Charakter der Eigentumsdelikte nicht gerecht wird 4 0 4 . Eigentum ist ein Rechtsverhältnis zwischen Menschen als Rechtssubjekten in Bezug auf Sachen. Die Verletzung des Rechtsgutes Eigentum betrifft das Rechtsverhältnis zwischen dem Täter und dem Eigentümer, nicht das Verhältnis beider zu der fraglichen Sache. Dies wird umso deutlicher anhand des von Kargl verwendeten Beispielsfalls der Fundsache: Tatsächliche Herrschaft über die verlorene Sache hatte der Eigentümer auch vor dem Auftritt des Täters nicht mehr. Sein Eigentum als Recht dagegen bleibt ihm dank § 935 BGB allemal erhalten. Will man auf das Verhältnis zur Sache abstellen, so ist kein Verhalten des Täters vorstellbar, das das so verstandene Rechtsgut „Eigentum" verletzt. Keine Handlung des Täters könnte den Eigentümer in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht weiter einschränken, als ihn der reale Verlust der Sache bereits vorher eingeschränkt hat. Das Beispiel macht deutlich, dass der Blick auf das Verhältnis zwischen Täter und Sache nicht weiterhilft. Gegenstand der Rechtsgutsverletzung ist das Verhältnis zwischen Täter und Eigentümer und in diesem ist die Veränderung zu suchen. Dies gilt um so mehr, seit das 6. StrRG die große berichtigende Auslegung des § 246 StGB zum Gesetz erhoben hat und nunmehr ein körperliches Verhältnis des Täters zur Sache auch nicht mehr verlangt ist 4 0 5 , so dass sich schon aus diesem Grund das Abstellen auf diesen Aspekt verbietet. Aufgrund seines Verständnisses von Richtung und Verlauf des Rechtsgutsangriffs unterlaufen Kargl Beurteilungsfehler insbesondere in der Kritik der Ansichten Maiwalds: Dass der Eigentümer, dem gegenüber der Täter den Besitz abgeleugnet hat, wieder misstrauisch werden und erneut nachfragen könnte, zeigt laut 402 Vgl. o. 1., a), bb) und 1., b), bb). 403 Kargl, ZStW 103 (1991), S. 171; ebenso: Sinn, NStZ 2002, S. 68. 404 Zur Kritik vgl. o. 2. Kap. 405 Fallkonstellationen etwa bei Degener, JZ 2001, S. 390 ff.; a.A.: Jahn, in: Irrwege der Strafgesetzgebung (1999), S. 214; kritisch zum Ganzen: Sinn, NStZ 2002, B1.64 ff. 10 Kauffmann

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Kargl, dass das Ableugnen gar keine Enteignung bewirkt haben kann, sondern nur die Gefahr der Enteignung. Solange man Enteignung als sachbezogene „Verdrängung" des Eigentümers ansieht, ist diese Folgerung richtig. Versteht man sie allerdings im Sinne der hier vertretenen Ansicht als Vereitelung des Ausschließungsrechts des Eigentümers, so liegt im Ableugnen des Besitzes durchaus eine Eigentumsverletzung: Schenkt der Eigentümer dem Täter Glauben, so macht es ihm dieser Irrtum unmöglich, sein Ausschließungsrecht gegenüber dem Täter sinnvoll geltend zu machen - und soll der Eigentümer für immer daran gehindert werden, ist die Enteignung komplett, unabhängig von der tatsächlichen Dauer dieses Zustands. Wie soll dann aber noch die Abgrenzung vom furtum usus erfolgen können? Sie ist nur per Feststellung subjektiver Elemente durchführbar - wie beim Diebstahl auch. Man wird hierdurch mit schwierigen beweisrechtlichen Fragen konfrontiert, denn die Vorstellung des Täters darüber, was er in Zukunft mit der Sache anfangen wird, lässt sich unter Umständen nur schwerlich aus seinem Handeln deduzieren. Doch dogmatisch ist man einen Schritt weiter: Zur Feststellung der Zueignung ist man gezwungen, zunächst einen äußeren Sachverhalt festzustellen, um erst dann (und dies ist der entscheidende Unterschied zur Manifestationslehre) nach Indizien für darüber hinaus erforderlich subjektive Elemente zu fahnden. Die Konzeption Hoyers ist weniger unerbittlich als die Kargls: Obwohl auch er die Verwirklichung von Enteignung sowie Aneignung und damit den Eintritt eines Erfolges für die Annahme des objektiven Unterschlagungstatbestandes verlangt, ist seine Definition der Enteignung großzügiger, der Anwendungsbereich des Merkmals der Enteignung dadurch wesentlich weiter und die Strafbarkeitslücken sind entsprechend gelichtet. An einer erweiterten Auslegung der Enteignung als solcher ist nichts auszusetzen - doch gelingt Hoyer diese Auslegung nur deshalb, weil er dafür auf Aspekte des Eigentums abstellt, die aber für das Strafrecht keine Bedeutung haben können. Zur Veranschaulichung seien in Kürze noch einmal wesentliche Ergebnisse des zweiten Kapitels wiederholt: § 903 BGB gewährt dem Eigentümer den unbegrenzten Umgang mit seiner Sache; dies ist die positive Komponente des § 903 Alt. 1 BGB. Daneben gewährt § 903 Alt. 2 BGB die Befugnis, jeden Dritten von dem Zugriff auf die Sache auszuschließen, und dies ist die negative, interpersonale Komponente des § 903 BGB. Aus der ersten der genannten Komponenten rekrutieren sich sämtliche Nutzungsbefugnisse des Eigentümers, und sie betreffen ausschließlich die innere Beschaffenheit der Habenssphäre des Eigentümers. Sie befinden sich innerhalb einer Tabusphäre, die ohne Bezug zu Dritten besteht, die diese Tabusphäre nur wahrnehmen können als „imaginär gefülltes Raumstück mit der einzigen Qualität, eine Grenze (ihrer) äußeren Bewegungsfreiheit" 406 zu sein. Strafrechtsnormen aber als Sollensvorschriften, die das Miteinander von Normadressaten regeln, müssen auf die zweite, die interpersonale Komponente des Eigentums abstellen: Der Täter eines Eigentumsdeliktes attackiert das Ausschließungsrecht des Eigentümers aus § 903 Alt. 2 BGB. Ob dem Eigentü406

Brandt, Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, S. 11.

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mer dadurch etwa auch Nutzungsmöglichkeiten verloren gehen, ist für den Rechtsgutsangriff ohne Belang - zumal die Weise, in der jemand eine ihm gehörende Sache benutzt und entsprechend die Bedeutung bestimmter Sachaspekte und Funktionen dem Recht nicht zugänglich und daher auch nicht rechtlich disponibel sind. Bestimmt nun Hoyer die Enteignung als Zerstörung von Nutzungsmöglichkeiten und konzentriert sich damit auf die positiven Befugnisse des § 903 Alt. 1 BGB, die das Strafrecht aber gar nicht verwalten kann, so verfehlt sein Blick die eigentlichen Erfordernisse und er kommt zu Ergebnissen, die so nicht haltbar sind. So soll eine dauernde Enteignung bereits dann vorliegen, wenn der Eigentümer eine einzelne von ihm gewünschte Nutzungsmöglichkeit endgültig nicht mehr zur Verfügung hat 4 0 7 . Zusammen mit der Funktionsbestimmung werden an sie anknüpfende strafrechtliche Folgen damit völlig dem Belieben des Eigentümers unterstellt - jede Sachbeschädigung (selbst bei Bagatellschäden) wird damit automatisch zur Enteignung, sofern der Schaden eine Funktion der Sache zunichte macht, die dem Eigentümer seiner subjektiven Wertung nach zunutze war. Andererseits erkennt Hoyer bestimmten Verhaltensweisen ihre enteignende Wirkung ab, die mit Blick auf das Ausschließungsrecht durchaus als Enteignungen klassifizierbar sind, beispielsweise das Ableugnen des Besitzes und die Behauptung des Täters gegenüber dem Eigentümer, selbst Eigentümer der Sache zu sein 408 . Zu Recht allerdings lehnt er es ab, in der Unterbreitung eines Verkaufsangebotes und sogar in dem Abschluss eines Kaufvertrages Enteignungen zu erblicken. Man sieht: Die Auffassung Hoyers von der Beschaffenheit der Tathandlung des § 246 StGB kommt der hier vertretenen Meinung nahe - er begreift die Unterschlagung als Erfolgsdelikt, er orientiert sich an inhaltlichen Erfordernissen und setzt den Schwerpunkt auf den Wortlaut der Norm und die systematische Einheitlichkeit der Begriffe. Sein Herangehen unterscheidet sich jedoch elementar in der Interpretation der Schutzrichtung der Eigentumsdelikte. Die Positionen Hoyers und Basaks signalisieren einen Wandel in der Unterschlagungsdogmatik, der seine Wurzeln in der durch das 6. StrRG offenkundig gewordenen Notwendigkeit zur Restriktion des Zueignungsbegriffs hat. Es ist jedoch das große Verdienst Kargls, als erster und isoliert zwischen buchstäblich unzähligen Autoren, die sich mit dem Zueignungsbegriff auseinandergesetzt haben, rigoros für die Verwirklichung der inhaltlichen Merkmale der Zueignung im Unterschlagungstatbestand plädiert zu haben. Er weist den Weg zurück in eine verfassungskonforme, wortlautgetreue Auslegung des § 246 StGB, der kraft einer allzu mächtigen, an kriminalpolitischen Bedürfnissen orientierten herrschenden Meinung schon nicht mehr gangbar schien. Seine Ansicht bildet daher die Basis und den Boden für ein am Wortlaut orientiertes Verständnis des Zueignungsbegriffs 409. Leider defi407 SK-Hoyer, § 246, Rn. 25. 408 SK-Hoyer, a. a .0., Rn. 27. Beide Verhaltensweisen vereiteln das Ausschließungsrecht des Eigentümers, sofern dieser dem Täter Glauben schenkt. 409 Ebenso Basak, in: Irrwege der Strafgesetzgebung (1999), S. 187. 10*

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niert er andererseits die inhaltlichen Merkmale, auf deren Verwirklichung er dringt, so eng, dass Strafbarkeitslücken in einem Ausmaß entstehen, das für die Praxis wie für die Lehre kaum zu bewältigen ist - zumal sie keine strafrechtsdogmatische Notwendigkeit darstellen: Indem er Enteignung allein als endgültige Verdrängung des Eigentümers begreift und Aneignung allein als dauerhafte Ausübung der Eigentümerbefugnisse und darüber hinaus einen inneren Zweckzusammenhang zwischen beiden verlangt, fallen diverse Fallkonstellationen aus der strafrechtlichen Relevanz heraus, wie etwa das Ableugnen des Besitzes oder die Preisgabe von Kraftfahrzeugen nach dem Gebrauch 410. Und es sind eben diese Überlegungen, die - so wird es vielerorts unumwunden zugegeben - zu der beschriebenen erheblich großzügigeren Interpretation des Zueignungsbegriffes durch die herrschende Lehre und Rechtsprechung geführt haben: Weil man die entstehenden Strafbarkeitslücken scheut und sie hinter der Forderung nach den inhaltlichen Komponenten vermutet, vermeidet man die materielle Beurteilung des Zueignungsvorganges und weicht statt dessen aus auf formale Betrachtungsmuster 411. So anerkennt z. B. Gropp 412, dass die neue Weite des Unterschlagungstatbestands nach dem 6. StrRG dazu zwingt, den § 246 StGB in Hinblick auf das Bestimmtheitserfordernis einzuschränken und erörtert sogleich eine mögliche Beschränkung durch Restriktion des Begriffs der Zueignung, die darin liegen könne, von Zueignung erst dann auszugehen, wenn dies mit einer Nutzung oder Verwertung als einer typischen Eigentümerbefugnis verbunden sei. Doch nein: „Dies wäre jedoch eine Auslegung, welche die Interessen des Berechtigten unvertretbar einschränkt. Denn dessen Schaden entsteht nicht erst durch die Verwertung oder Nutzung der Sache, sondern schon dann, wenn sie ihm nicht mehr zu Verfügung steht. Es erscheint deshalb Vorzugs würdig ( . . . ) , an einer Stelle anzusetzen, an der die Interessen des Berechtigten objektiv gefährdet sind. Dies ist der Fall, wenn der Täter der Unterschlagung alles Erforderliche getan hat, um die Eigentümerbefugnisse des Berechtigten zu beeinträchtigen oder sie ihm zu entziehen" - obgleich zu diesem Zeitpunkt der Umgang des Täters mit der Sache noch auf ganz verschiedene Resultate zielen kann: auf ihre Verwertung ebenso wohl wie auf ihre Zerstörung oder ihre bloße Entziehung, aber sogar auch auf eine nur kurze Nutzung und anschließende Rückgabe. Man sieht: Eine Auslegung der Tatbestände entlang kriminalpolitischer Bedürfnisse verwischt die verbindliche Zuordnung der Verhaltensweisen an die dafür geschaffenen Tatbestände. Dabei ist durchaus eine wortlautgetreue Auslegung möglich, die Strafbarkeitslücken des beschriebenen Umfangs umgeht: Auf die Verwirklichung von Ent- und Aneignung zu bestehen, bedeutet a priori keine Pflicht zu einem bestimmten inhaltlichen Verständnis dieser Elemente. Eine Auslegung, wie sie unter 1. entwickelt wurde, erlaubt die Erfas410 Kritisch daher auch Degener, JZ 2001, S. 397: „Dieser Ansatz beantwortet den ausufernden Kurs der Manifestationslehren mit dem entgegengesetzten Extrem". 411 Vgl. statt vieler Sch. / Schr.-Eser, § 246, Rn. 11. 412 Gropp, JuS 1999, S. 1045.

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sung der meisten realitätsrelevanten Verhalten als Zueignungen, ohne sich dabei an formalen Momenten orientieren zu müssen. Mit der hier vorgeschlagenen Auslegung eröffnet sich zugleich ein sinnvolles Anwendungsfeld für § 246 Abs. 3 StGB 4 1 3 : Setzt der Täter dazu an, das Ausschließungsrecht des Eigentümers zu vereiteln, so ist er - sofern er die Sache nutzt und mit Zueignungsvorsatz handelt - der versuchten Unterschlagung schuldig. Anders als bei Anwendung der Manifestationstheorien sind mannigfaltige Verhaltensweisen denkbar, die zwar den Versuch einer Enteignung beinhalten, jene jedoch nicht zur Vollendung gelangen lassen. Dies ist etwa der Fall, wenn jemand gegenüber dem Eigentümer den Besitz an der Sache ableugnet, der Eigentümer sich jedoch nicht hinters Licht führen lässt, oder wenn der Täter eine fremde Sache jemandem zum Kauf anbietet. In beiden Fällen ist die Ausschließungsgewalt des Eigentümers - noch - nicht angetastet, der Täter hat jedoch alle für das Bewirken der Enteignung erforderlichen Schritte unternommen, und die Gefahr für das Rechtsgut ist in greifbarer Nähe 414 . Auch Fälle des unbeendeten Versuchs sind vorstellbar: So, wenn der Täter die fremde Sache auf dem Flohmarkt zu anderen ihm gehörenden Verkaufsobjekten stellt - dies wäre als invitatio ad offerendum zwar noch nicht der letzte Schritt, der zu unternehmen wäre, um den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen (ein beendeter Versuch läge in der Annahme eines Kaufangebotes oder der selbstständigen Unterbreitung eines Verkaufsangebotes), aber auch dieses mit der möglichen Tathandlung unmittelbar räumlich und zeitlich verknüpfte Vorgehen würde bei ungestörtem Fortgang zur Verwirklichung des Unterschlagungstatbestandes führen. Maiwald schlägt vor, den Beginn der Versuchsstrafbarkeit dort zu markieren, wo ein gedachter objektiver Beobachter in einem bestimmten Täterverhalten eine Eigentumsanmaßung erkennt 415 . Dies mag, wenngleich sehr formalistisch und in Einzelfällen ungenügend, durchaus einen Anhaltspunkt für die Unterscheidung von Vorbereitung und Versuch gewähren. Ein scheinbar unstrittiges Feld des Unterschlagungstatbestandes betrifft die für seine Realisierung erforderliche Vorsatzform. Während zwar neuerdings vereinzelt verlangt wird, für die Aneignung als „Gesinnungselement" habe man auch im subjektiven Tatbeststand des § 246 StGB nicht jede Vorsatzform zu akzeptieren, sondern dolus directus 1. Grades zu fordern 416 , vertritt die bei weitem überwiegende Lehre, dass im Gegensatz zum Diebstahl bei der Unterschlagung Eventualvorsatz 413 Grundsätzliches zum Versuch der Unterschlagung bei Degener, JZ 2001, S. 394 (f.): „Zueignungswille ( . . . ) ist kein Vorsatz!", und wenn der Zueignungswille „keinen Vorsatz ausmacht, dann ist er nicht imstande, den Versuch, geschweige denn die strafrechtliche Völlendung zu fundieren." Seine Folgerung: „Die Bereinigung des Diskussionsfeldes hat bereits bei der subjektiven Seite anzusetzen." 414 Zum Eintritt in das Versuchsstadium nach Maßgabe des Gefährdungsgedankens: Sch. / Schr.-Eser, § 22, Rn. 42; BGHSt 30, S. 363 (364); 43, 177 (180); kritisch Kühl, AT, § 15, Rn. 81 ff. 415 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 197. 4 16 Dencker/ Struensee / Nelles / Stein, 1. Teil, III., Rn. 42.

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genüge 417 . Nun wird man aber bemerken müssen, dass das 6. StrRG auch hier die Weichen verstellt hat. Zur Illustration der neuen Problematik soll ein von Duttge/ Fahnenschmidt verwendeter Beispielsfall dienen 418 : Student S hat ein Lehrbuch ordnungsgemäß aus der Universitätsbibliothek entliehen. Als ihn sein Kommilitone K bittet, ihm das Buch vorübergehend zur Vorbereitung auf eine Klausur zu überlassen, stimmt der hilfsbereite S zu, obwohl er ernsthaft damit rechnet, dass der wegen diverser Rückstände nicht mehr selbst zur Ausleihe berechtigte K auch ihm das Buch möglicherweise nicht mehr zurückgeben, sondern es gänzlich für sich behalten wird. - Der S hat also mit Eventualvorsatz dem K die Möglichkeit zur Aneignung des Buches verschafft und in Kauf genommen, dass die Universität um ihre Rechte gebracht wird; nach herkömmlichen Ansprüchen an den Unterschlagungsvorsatz müsste dies für die Bejahung des subjektiven Tatbestandes ausreichen. Ebenso müsste es ausreichen, wenn ein Täter eine fremde Sache, mit der er selbst nichts anzufangen weiß, die er aber dem Eigentümer nicht zurückgeben will, schlicht fortwürfe und sich dabei vorstellte, dass ein Dritter die Sache finden und für sich behalten könnte. Bis 1998 wäre dies als klassischer Fall der straflosen Sachentziehung zu werten gewesen - durch Aufnahme der Drittzueignung steht man hier vor einer Neukriminalisierung eines weiten Bereichs teilweise wenig verwerflicher Handlungen. Duttge/Fahnenschmidt halten es zu Recht für einen eklatanten Wertungswiderspruch, wenn Student S im geschilderten Fall wegen Unterschlagung bestraft würde, nicht dagegen, wenn er das Buch nach Ablauf der Leihfrist für sich behielte, da darin keine hinreichende Manifestation des Zueignungswillens zu erblicken sei. In der Mehrzahl bloßer Sachentziehungen wird der Täter mit Eventualvorsatz hinsichtlich einer möglichen Aneignung durch Dritte handeln: Die weggenommene, ausgeplünderte Handtasche, die achtlos ins Gebüsch geworfen wird, unterfiele der Unterschlagung ebenso wie das aus Ärger aus dem Fenster geworfene fremde Buch. Und diese Erkenntnisse lassen nur einen Schluss zu: Ist die Drittzueignung als selbstständige Variante der Selbstzueignung gleichgestellt, so ist bezüglich der Aneignungskomponente direkter Vorsatz zu fordern 419 . Der Täter muss als sicher voraussetzen, dass es zu einer Aneignung kommt. Nur dann kann sinnvollerweise von Unterschlagungsvorsatz gesprochen werden.

417 SK-Samson (4. Aufl.), § 246, Rn. 46; Lackner/Kühl, § 246, Rn. 9; LK-Ruß, § 246, Rn. 22; SK-Hoyer, § 246, Rn. 40. 418 Duttge/Fahnenschmidt, ZStW 110 (1998), S. 901. 419 So offenbar auch Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 280.

3. Zur Identität der Wendung „Zueignung" innerhalb der Eigentumsdelikte

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3. Zur Identität der Wendung „Zueignung" innerhalb der Eigentumsdelikte „Dass Ein Wort zwei verschiedene Bedeutungen hat, ist ein Uebelzustand, dem man stets entgegenarbeiten soll: sie [die Sprachverhunze r] befördern ihn!" Arthur Schopenhauer, 1S2T 20

Das Ergebnis dieses Kapitels ist so simpel wie zwingend: Die Zueignung, die der Dieb beabsichtigt, enthält die Elemente der Ent- und der Aneignung. Das ist unbestritten. Der Zueignungsbegriff der §§ 246 und 242 StGB ist derselbe. Auch dies ist unbestritten. Nach den Gesetzen der Logik folgt daraus, dass die Zueignung der Unterschlagung eine Enteignung und eine Aneignung einbegreifen muss. Der Wortlaut des § 246 StGB, die Verwendung des Verbs „zueignen" als einzige objektive Handlungsbeschreibung, als (neben dem Tatobjekt) einziges objektives Tatbestandsmerkmal schlechthin, gebietet es, für die Unterschlagung ein objektives Vorhandensein der beiden inhaltlichen Elemente des Zueignungsbegriffs zu verlangen. Die dargestellten Beispiele aus der Literatur zeigen, dass die Argumentation von der Diebstahlsdogmatik aus geführt werden müsste: Die Zueignung aus § 246 StGB ist (wenigstens dogmatisch, wenn auch nicht genuin) das ins Objektive übertragene Beabsichtigte aus § 242 StGB, denn schließlich wird an dieser Stelle die detaillierte Inhaltsanalyse der Elemente der Zueignung betrieben. Und dieser durch mehr als ein Jahrhundert hindurch gepflegten Inhaltsanalyse verdanken wir die unangetastete Gewissheit darüber, dass zur Zueignung sowohl die Enteignung als auch die Aneignung gehören. Beim Diebstahl muss sich die Absicht des Täters auf diese beiden Elemente richten, bei der Unterschlagung müssen sie verwirklicht werden. Dieses und nichts anderes ist eine einheitliche Zueignungsdogmatik. Und eine solche einheitliche Zueignungsdogmatik ist zwingend - nicht allein aus prinzipiellen, eigentlich kosmetischen, effektiv aber müßigen Gründen: Auch für die Abgrenzung der Zueignung von anderen Formen der Eigentumsbeeinträchtigung nach objektiven Kriterien ist ein materielles Vorgehen, wie aufgezeigt wurde, unverzichtbar. Und schließlich ist es unverzichtbar, sofern man dem Gesetzgeber unterstellen möchte, dass er bei der Neuformulierung des § 246 StGB nach der Maßgabe des Bestimmtheitsgebots vorgegangen ist. Die Frage, ob der neue Unterschlagungstatbestand nach der „rigorosen Beseitigung von Strafbarkeitsvoraussetzungen" 421 noch bestimmt genug ist, wird seitens Teilen der Literatur allemal bezweifelt 422 . Jahn fragt: „Wenn von nur drei Merkmalen im objektiven Tat420 Schopenhauer, Handschriftlicher Nachlaß, Band 4, II, S. 40. 421 Duttge, JZ 1998, S. 559. 422 Vgl. vor allem Jahn, in: Irrwege der Strafgesetzgebung (1999), S. 202 ff., 214; Duttge/ Fahnenschmidt, ZStW 110 (1998), S. 887; Sinn, NStZ 2002, S. 64 ff.

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4. Kap.: Die Zueignungshandlung

bestand (,Sache', ,Gewahrsam' und ,sich zueignen') eines wegfällt und damit das taugliche Tatobjekt keine weiteren Qualifikationen erfüllen muss, als beweglich zu sein und nicht im Eigentum des Täters zu stehen, führt diese Reform an Haupt und Gliedern nicht irgendwann dazu, dass ihr Produkt bis zu Unkenntlichkeit - eben Unbestimmtheit - verstümmelt ist?" 4 2 3 Will man dies verneinen und also eine Antwort geben, die dem Gesetzgeber Verfassungstreue zubilligt, so kann das nur über eine restriktive, einheitliche Interpretation des Zueignungsbegriffes geschehen. Angesichts hochgradig normativer Tatbestandsmerkmale wie dem der „Zueignung" könnte man zwar in weit allgemeinerer Weise Zweifel erheben, ob das Grundmotiv des aus Art. 103 Abs. 2 GG resultierenden Bestimmtheitsgebots überhaupt einen Bezug zur Rechtswirklichkeit aufweist. Geht es doch darum, dem einzelnen Normadressaten die Möglichkeit einzuräumen, dem Wortlaut des Gesetzes unmittelbar zu entnehmen, welches Verhalten unter Strafe gestellt ist und sein Handeln daran ausrichten zu können 424 . Ist dies angesichts derart interpretationsbedürftiger Nomenklatur gewährleistet? Normenklarheit und Tatbestandsbestimmtheit gelten als Konkretisierungen des Rechtsstaatsprinzips (Artt. 20 Abs. 3, 28 Abs. 1 GG). Daraus folgt zwar nach allgemeiner Ansicht nicht der allumfassende Ausschluss der Verwendung auslegungsbedürftiger Begriffe in Strafnormen und deren richterlicher Konkretisierung, denn - so das Bundesverfassungsgericht 425 - es stehe der Gesetzgeber auch im Strafrecht „vor der Notwendigkeit, der Vielgestalt des Lebens Rechung zu tragen ( . . . ) ; davon abgesehen ist es auch schon wegen der Allgemeinheit und Abstraktheit von Strafnormen unvermeidlich, dass in Grenzfällen zweifelhaft werden kann, ob ein Verhalten noch unter den gesetzlichen Tatbestand fällt oder nicht." In jenen Grenzfällen ginge dann aber der Normadressat zumindest „für ihn erkennbar das Risiko der Bestrafung ein" 4 2 6 das Bundesverfassungsgericht setzt insoweit „Bestimmtheit" im Grunde mit bloßer „Bestimmbarkeit" gleich 427 . Die Formulierungen des Diebstahls- und des Unterschlagungstatbestandes entstammen zudem einer Zeit, „in der man Gesetzgebung noch als eine Kunst verstand und eine kurze prägnante Formulierung schuf, die ( . . . ) genügend elastisch war, um die sich mit der Gesellschaft verändernden An423 Jahn, a. a. O., S. 202. 424 BVerfGE 81, S. 298 (309) betont, dass der Gesetzgeber die Voraussetzungen von Strafandrohungen so konkret umschreiben muss, dass Tragweite und Anwendungsbereich erkennbar sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Gefestigte Rechtsprechung reiche für die Annahme hinreichender Bestimmtheit nicht aus. Vgl. hierzu auch BGHSt 37, S. 226 (230 f.). Außerdem solle gewährleistet sein, dass die Entscheidung über strafwürdiges Verhalten im Voraus vom Gesetzgeber und nicht erst nachträglich von der vollziehenden Gewalt gefällt werde (BVerfGE 92, S. 1 (12). 425 BVerfGE 47, S. 109 (120 f.); ähnlich BVerfGE 71, S. 108 (115); 87, S. 209 (224 f.); 92, S. 1 (12). 426 Vgl. jedoch das BVerfG selbst (E 92, S. 1 (18) zu der „Fragwürdigkeit" dieses Arguments, „demzufolge das Risiko der Bestrafung um so höher ist, je vager ein Straftatbestand formuliert wird". 427 Jahn, in: Irrwege der Strafgesetzgebung (1999), S. 203.

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forderungen zu erfüllen" 428 . Als Mindestmaßstab hinreichender Gesetzesbestimmtheit jedoch gilt und muss gelten, dass dem, der sich zutreffend über die Auslegung eines Tatbestandsmerkmals informiert, nicht zum Nachteil gereichen darf, wenn er darauf vertraut, dass dasselbe Tatbestandsmerkmal in anderen Tatbeständen derselben Deliktsgruppe gleichermaßen definiert wird 4 2 9 . Eine dieser Kontroverse vergleichbare Kluft ergab sich zwischen den Gewaltbegriffen der §§ 240 und 177 StGB, die sich in ihrer Interpretation durch die Judikatur erheblich auseinander entwickelt hatten - eine Entwicklung, der das Bundesverfassungsgericht mit ausdrücklichem Hinweis auf die Unzulässigkeit dieser Begriffsabweichungen den Riegel vorgeschoben hat 4 3 0 . Es mag unbefriedigend sein, die aus dieser Einsicht resultierenden Strafbarkeitslücken hinzunehmen. Doch nicht minder unbefriedigend und ebenso bindend ist die Straflosigkeit etwa der bloßen Sachentziehung431 - eine feststehende Tatsache, die seit Jahrzehnten erduldet wird und durch den Gesetzgeber auch im Rahmen der jüngsten Reformgesetze nicht beseitigt wurde. Beschwichtigend könnte man hinzufügen, dass diese Strafbarkeitslücken nur eine untergeordnete kriminalpolitische Brisanz aufweisen. Wie Basak nachweist, ist ein konsequent objektiver Zueignungsbegriff durchaus praktikabel 432 : Auch die gängigen, im Bereich des § 246 StGB immer wieder diskutierten Fälle lassen sich unter Berücksichtigung der inhaltlichen Erfordernisse der Zueignung lösen. Dies gilt für die hier vorgeschlagene Lösung umso mehr, als sie nicht auf eine Verletzung bzw. Gefährdung der Eigentümer-Sach-Beziehung als Voraussetzung für die Annahme von Zueignungsunrecht angewiesen ist, sondern für die Enteignung auf die Verletzung der in § 903 Alt. 2 BGB fundierten Rechtsbeziehung zwischen Eigentümer und Täter abstellt 433 . Es liegt auf der Hand, dass sich hierdurch der Bereich des als Zueignung für strafbar erachteten Verhaltens gegenüber den Manifestationsansätzen nicht per se verkleinert - es wird dieser Bereich lediglich anders erschlossen.

428 Gropp, JuS 1999, S. 1041, der die Tatbestände gleichwohl als „hinreichend bestimmt" bezeichnet. 429 Dass derselbe Begriff einen wechselnden Bedeutungsgehalt aufwiese, erscheint nur dann vertretbar, wenn er durch das Gesetz in gänzlich verschiedenen Zusammenhängen verwendet wird; nicht zu beanstanden daher BGHSt 10, S. 355 (357) zur gesetzlichen Formulierung von der „mit Strafe bedrohten Handlung". Ähnlich verneint Demko (Zur „Relativität der Rechtsbegriffe" in strafrechtlichen Tatbeständen, S. 321 ff.) zwar grundsätzlich, dass ein und dasselbe Rechtswort des StGB unabhängig von seinen Kontextelementen gleich gelesen werden müsse; sie stellt jedoch klar: „Sind jene sinnprägenden Kontextelemente in den verschiedenen Rechtsnormen gleich oder ähnlich, so hat dies zur Folge, dass auch das Rechtswort eine gleiche oder ähnliche Bedeutung besitzt" (S. 322). 4 30 BVerfGE 92, S. 1 ff., insb. S. 18; gegen das Postulat einer einheitlichen Terminologie Knodel, Der Begriff der Gewalt im Strafrecht, S. 1,4 f. 4 31 Vgl. auch Schmidhäuser, Bruns-FS, S. 351. 4 2 3 Basak, in: Irrwege der Strafgesetzgebung (1999), S. 191 ff. 4 33 Vgl. o. Kap. 4, 1., a), bb).

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4. Kap.: Die Zueignungshandlung

Die meisten Konstellationen, in denen die herrschende Lehre Manifestationen der Zueignung erblickt, werden auch die Elemente der Enteignung und Aneignung aufweisen. Andere werden sich als Versuchs- oder Vorbereitungshandlungen entpuppen. Die Unterschiede sollen an einem Fall gezeigt werden: Angenommen, der E leiht dem T ein Buch; entschließt sich der T bei der Lektüre, das Buch für sich zu behalten, so kommen die Anhänger der Manifestationsansätze zur Strafbarkeit wegen Unterschlagung, wenn der T eine der folgenden Handlungen vornimmt: Wenn er dem T gegenüber, der die Sache zurückverlangt, leugnet, überhaupt noch im Besitz der Sache zu sein (unabhängig davon, ob der E ihm glaubt und sein Ansinnen aufgibt) 434 , wenn er seinen Namen in das Buch schreibt 435 , ebenso wie wenn er seinem Freund D gegenüber ankündigt, das Buch behalten zu wollen und bzw. oder es zwischen seine Bücher in sein Bücherregal stellt 436 . Erstere Variante ist, falls der T den E überzeugt, mühelos auch über die Benennung inhaltlicher Kriterien zu erfassen: Das glaubhafte Ableugnen des Besitzes vereitelt die Möglichkeiten des Eigentümers, den Täter vom Haben der Sache auszuschließen; im Lesen des Buches und auch im Einreihen des Buches in den eigenen Bücherbestand liegt die Aneignung. In den beiden letzteren Varianten ist indes eine Enteignung nicht vollzogen: Die Ankündigung gegenüber Dritten hat keinerlei rechtsgestaltende Wirkung - der Eigentümer weiß, in wessen Gewahrsam sein Buch ist und das ändert auch die Platzierung im Regal nicht. Auch das unbefugte Hineinschreiben des Namens macht es dem Eigentümer nicht unmöglich, sein Ausschließungsrecht auszuüben - es liegt darin zwar eine Sachbeschädigung (die Substanz der Sache wird versehrt), aber keine Enteignung. Bis dato ist im Verhalten des T nur die Vorbereitung einer Enteignung zu erblicken. Demgegenüber liegt im Ableugnen des Besitzes, sofern der Eigentümer dem keinen Glauben schenkt, bloß der Versuch der Enteignung (und damit, bei vollbrachter Aneignung, der Versuch der Unterschlagung). Denn so ambitioniert und inständig der T leugnen mag - solange der Eigentümer dies durchschaut, weiß er, wem gegenüber er sein Ausschließungsrecht geltend machen kann, selbst wenn dies nur gerichtlich geschehen kann. Man wird also ebenso wohl auf Fälle stoßen, in denen auf unterschiedlichen Wegen dasselbe Ergebnis erreicht wird, wie auf Fälle, in denen durch Anwendung der inhaltlichen Kriterien auch andere Ergebnisse erzielt werden - doch ist dies vor allem dem Bemühen dienlich, die Unterscheidbarkeit zwischen Versuch und Vollendung zu gewährleisten. Und da Vorbereitungshandlungen bei der Unterschlagung wie bei allen anderen Delikten in Tathandlungen münden können, ist auch in den zuletzt geschilderten Varianten eine spätere Bestrafung wegen Unter434 So etwa BayObLG JR 1955, S. 271; Schroeder, in: Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, 8. Aufl., § 34, II., Rn. 28; Schmidhäuser, BT, 8/43. 435 So selbst die Vertreter der engen Manifestationstheorien, vgl. etwa Sch. / Schr.-Eser, § 246, Rn. 11; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 279 f.; Lackner/Kühl, § 246, Anm. 4; RGSt 67, S. 71 (78); BGHSt 1, S. 262 (264). 436 Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 280; Schmidhäuser, Bruns-FS, S. 358: das Verschieben in die hintere Reihe des Bücherregals bei entsprechendem Vorsatz.

4. Ergebnis

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schlagung nicht ausgeschlossen, aber eben auch noch nicht beschlossen: Überlegt der T es sich anders und gibt dem E das Buch nach Ablauf der Leihfrist vertragsgemäß zurück, so bleibt seine zwischenzeitliche böse Gesinnung rechtsfolgenfrei (bzw. nur als Sachbeschädigung strafbar) - verwirklicht er dagegen seine Überlegungen insofern, als dass er durch glaubhaftes Ableugnen des Besitzes oder eine andere Handlung, die das Ausschließungsrecht des Eigentümers vereitelt (z. B. Verbrauch oder Veräußerung der Sache), die Gesinnung in die Tat umsetzt, so kommt man auch hier noch dazu, den Tatbestand der Unterschlagung zu bejahen. Nur eben erst später. Und angesichts des objektiven Unrechtsgehalts der beschriebenen Handlungen sind derartige Unterscheidungen auch sinnvoll und billig.

4. Ergebnis Die Zueignung besteht aus den Elementen der Enteignung und der Aneignung. Enteignung liegt vor, wenn der Täter vereitelt, dass der Eigentümer sein ihm aus § 903 BGB zustehendes Recht ausüben kann, den Täter vom Zugriff auf die Sache auszuschließen. Die Vereitelung des Ausschließungsrechts muss subjektiv auf Dauer angelegt sein. Aneignung ist Nutzung der Sache auf der Basis von Eigenbesitz. Nutzung bedeutet - objektiv - das Verwenden der Sache für - subjektiv - selbstbezogene Zwecke. Zueignung ist die Vereitelung des Ausschließungsrechts, das dem Eigentümer gegenüber dem Tater zusteht, an einer Sache, die der Tater als Eigenbesitzer für sich nutzt. Während die Enteignung als qualifizierte Eigentumsverletzung sich auf die Rechtsbeziehung zwischen Täter und Eigentümer bezieht, bezieht sich die Aneignung unmittelbar auf die Sache. Für die Annahme einer Unterschlagung muss eine vollendete Zueignung vorliegen; die Verwirklichung von Enteignung und Aneignung ist zwingend erforderlich. Für die Annahme von Diebstahl reicht die zukünftig angestrebte Zueignung aus. Die Enteignung mit konstitutiven subjektiven Elementen zu versehen und damit auch die Unterschlagung des § 246 StGB zu einem Delikt mit überschießender Innentendenz zu modellieren, bedeutet aber nicht, dass in ihr kein Verletzungsdelikt mehr gesehen werden könnte 437 . Denn die Eigentumsverletzung liegt in der Vereitelung des Ausschließungsrechts, und sei es auch nur für eine kurze Zeit, also auf der objektiven Tatseite. Dass hiermit der Erfolgssachverhalt in der strafrechtlichen Würdigung auch eine Gebrauchsanmaßung sein kann, dass also nicht jede Eigentumsverletzung oberhalb der Schwelle der Strafbarkeit liegt, bedeutet nicht, 437

Ähnlich Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 196 in Verbindung mit S. 230; Degener, JZ 2001, S. 398; dagegen Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 53.

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4. Kap.: Die Zueignungshandlung

dass sie nicht trotzdem final ausgerichtet und damit ein Verletzungserfolg im strafrechtlichen Sinne sein könnte 438 . Denn es kann nicht richtig sein, die Unterschlagung als Gefährdungsdelikt zu bezeichnen, wie es etwa Schroeder tut 4 3 9 , der gleichzeitig betont: „Die Zueignungsdelikte Diebstahl, Raub und räuberischer Diebstahl können dem Täter nicht die Rechtsstellung eines Eigentümers verschaffen; sie sind daher bei Zugrundelegung des bürgerlichrechtlichen Eigentumsbegriffes untaugliche Versuchshandlungen" 440 - aber was das Eigentum nicht zerstören kann, das bewirkt auch nicht die Gefahr der Zerstörung. In Wahrheit ist das Eigentum als zivilrechtlicher Sollenssatz bei abhanden gekommenen Sachen nie gefährdet. Was jedoch als Erfolg i. S. einer Verletzung und nicht nur als Gefahr bewirkt wird, ist die Vereitelung des vollen Ausschließungsrechtes des Berechtigten. Gegenüber dem Täter, der den Zugriff auf die Sache unternimmt, kann der Eigentümer sein Ausschließungsrecht nicht mehr durchsetzen - dies ist der Außenweltserfolg der Zueignungshandlung. Entgegen der herrschenden Meinung, die in den Zueignungsdelikten reine Tätigkeitsdelikte sieht 441 , begeht somit nach der hier vertretenen Auffassung der Zueignungstäter durch Bewirkung der Enteignung ein Erfolgsdelikt 442 . Der Verzicht auf das Erfordernis objektiver Dauerhaftigkeit der Enteignung hat ein weiteres zur Folge: Entsprechend der Wegnahme beim Diebstahl bedeutet es auch für die Unterschlagung, dass es zur Strafbarkeit aus vollendetem Delikt kommt, sobald eine Sache - sei es auch nur für einen kurzen Moment - objektiv zugeeignet ist: selbst wenn die rechtliche Eigentumsordnung beinahe unmittelbar wiederhergestellt wird und auch dann, wenn der Täter selbst die Wiederherstellung besorgt 443 . Denn auch der Dieb, der in Zueignungsabsicht weggenommen hat, wird nicht straffrei, wenn er nach wenigen Minuten in tätiger Reue die Sache zurückbringt. Ebenso wenig kann der Unterschlagende, der etwa die soeben verkaufte Sache reuig und unter Aufklärung des Sachverhalts zurück erwirbt, um sie dem Eigentümer wieder zu bringen, sein vorangegangenes Handeln ungeschehen machen. Dies ist in beiden Fällen als Rücktritt vom vollendeten Delikt für den Schuldspruch bedeutungslos und kann nur für die Strafzumessung Berücksichtigung finden. Die Enteignung ist immer vollendet, wenn die Sache zerstört oder so wesentlich verändert wird, dass sie ihre körperliche Identität verliert (Verbrauch, Ver438 Gegen die Interpretation der Zueignung als Erfolg: Schmidhäuser, Bruns-FS, S. 346; dafür: Arzt/Weber, BT, § 15, Rn. 21. 439 Maurach/Schroeder/Mai wald, BT 1, § 32, Rn. 2. 440 Ebenda. 441 Schmidhäuser, Bruns-FS, S. 345 f.; als abstraktes Gefährdungsdelikt (und damit ohne die Notwendigkeit eines Erfolges) konstruiert den § 246 Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 54 f.; hingegen Mitsch, BT 2, TB 1, § 2, Rn. 36, entwirft die Unterschlagung als „konkretes Eigentumsgefährdungsdelikt". 442 Näher u. 4. 443 Ebenso Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 194, Fn. 18.

4. Ergebnis

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mischung, Verarbeitung), sowie in Fällen rechtswirksamer Veräußerung. In allen übrigen Fällen ist selbst bei eindeutiger Manifestation eines vorhandenen Zueignungswillens darauf zu blicken, ob dem Eigentümer die Ausübung seines Ausschließungsrechts tatsächlich nicht mehr möglich ist. Dies kann selbst bei (rechtlich unwirksamen) Veräußerungshandlungen zu verneinen sein. Es liegt dann jedoch in der Regel eine versuchte Unterschlagung vor. Die Aneignung, die zwar die Begründung von Eigenbesitz voraussetzt und daher nicht völlig ohne Bezug auf die Eigentumsverletzung und dementsprechend den Rechtsgutsangriff erfassbar ist, leistet doch für den Unrechtsgehalt der Zueignungsdelikte nur einen untergeordneten Beitrag. Dies zeigt sich schon daran, dass das Merkmal der Enteignung nahezu allen Eigentumsangriffen immanent ist - es findet sich in der Zueignung ebenso wie in der Sachentziehung und Sachzerstörung und hat damit gleichsam Modell gestanden als Urtypus sozialschädlichen Handelns für die Gattung strafrechtlicher Eigentumsdelikte. Die Aneignung demgegenüber diente vor allem der Fixierung eines bestimmten kriminologischen Häufigkeitstypus 444 : der egoistisch motivierten Tat, deren gesetzlicher Tatbestand einen Täter im Auge hat, der sich seiner Interessen wegen rücksichtslos über die Belange anderer hinwegsetzt445. Entgegen herrschenden Ansichten ist die Gebrauchsanmaßung nicht „Aneignung ohne Enteignung" 446 . Vielmehr beherbergt sie Teile beider Elemente: Wie die Enteignung vereitelt auch jedes unbefugte In-Gebrauch-nehmen einer Sache zumindest vorübergehend die Ausschließungsmöglichkeiten des Eigentümers in Gänze; es stellt somit fraglos eine Eigentumsverletzung dar. Gegenüber dem Dieb oder Unterschlagenden fehlt dem Täter einer Gebrauchsanmaßung aber der Wille, die Eigentumsverletzung „für immer" andauern zu lassen. Und wie die Aneignung bedeutet auch die Gebrauchsanmaßung das Ausüben positiver Eigentümerbefugnisse - doch geschieht dies beim furtum usus nicht im Rahmen von Eigenbesitz. Der Gebrauchsdieb bleibt Fremdbesitzer, denn er anerkennt das fremde Eigentum und will die Sache dem Berechtigten nach der Nutzung zurückgeben. Die Gebrauchsanmaßung enthält folglich jeweils die objektiven Elemente von Ent- wie Aneignung - und entbehrt ihrer subjektiven Elemente. Eine andere Frage ist es, ob offene Selbstzueignung - beispielsweise durch eine gegenüber dem Eigentümer betriebene Verweigerung der Herausgabe einer Sache, die der Täter für sich nutzt - begrifflich denkbar ist. Inwieweit ist die Täuschung der Außenwelt dem Zueignungsbegriff immanent 447 ? In der alten Idee von der Ei444 Schmidhäuser, Bruns-FS, S. 349. 445 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 176. 446 Wessels /Hillenkamp, BT 2, Rn. 142; Krey, BT 2, Rn. 57 f.; Gössel, § 6, Rn. 59; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 33, Rn. 39; anders Kindhäuser, BT II, § 2, Rn. 75: bereits in der Aneignung ist das Element der Enteignung notwendig enthalten. 447 So offenbar Sch. / Schr.-Eser, § 242, Rn. 47, der die Zueignungsabsicht verneinen will, „wenn der Täter die Sache für eigene Zwecke gebraucht, ohne dabei das fremde Eigentum zu leugnen"; dagegen: Noak, Drittzueignung und 6. Strafrechtsreformgesetz, S. 27.

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4. Kap.: Die Zueignungshandlung

gentümerähnlichkeit, die in der Formel vom „se ut dominum gerere" anklingt, ist die Täuschung offenbar enthalten: Was der Täter für sich will, ist „der Schein statt des Rechts" 448 , so dass er jeden Dritten über seine fehlenden Eigentümerrechte irreführt. In die gleiche Richtung ging die herrschende Meinung in Fällen der Weitergabe von Sachen an einen Dritten, bevor die Reform der Zueignungsdelikte im Jahre 1998 auch hier die Weichen neu stellte. Es sollte derjenige wegen einer Selbstzueignung bestraft werden, der sich eigene Eigentumsmacht anmaßte, sich also als Berechtigter ausgab; straffrei oder höchstens als Gehilfe sollte der ausgehen, der die Sache schlicht weitergab, ohne dabei als Schenkender aufzutreten 4 4 9 . Zu Recht befand Roxin eine solche Dogmatik für „seltsam" 450 : Die Kenntnis der Außenwelt vom wahren Sachverhalt würde strafbegründend oder strafhindernd wirken, „obwohl die Tathandlung ebenso wie seine (des Täters) Vorstellungen und Motive haargenau dieselben sind". Dem muss beigepflichtet werden: allein die Kenntnis der Außenwelt kann kein Strafbarkeitskriterium stellen 451 . Der Ansatz, der die Täuschung der Außenwelt als strafbarkeitsbegründende Komponente in den Zueignungsbegriff miteinbezieht, geht aber nicht nur aus den bereits mehrfach gegen die „se ut dominum gerere"-Formel vorgebrachten Argumenten fehl 4 5 2 , sondern auch aus historischen: Der Diebstahlstatbestand des RStGB von 1871 hatte sich durch den Einfluss der Naturrechtslehre und vor allem Feuerbachs endgültig gelöst vom alten deutschrechtlichen „Gewerebruch", dem die Heimlichkeit des Handelns Voraussetzung für eine - gegenüber dem offen begangenen Raub erhöhte - Strafbarkeit war 4 5 3 . Dieser Bruch mit der Tradition birgt eine Entscheidung: Heimlichkeit sollte kein Charakteristikum des Diebstahls mehr sein. Überdies ist auch in der heutigen Wirklichkeit die Täuschung der Außenwelt nur dort notwendig, wo der Täter von der wahrscheinlichen Rechtstreue seiner Umgebung ausgehen muss, um die bezweckte Vereitelung der Rechte des Eigentümers realisieren zu können. Soweit eine mit dem Täter solidarische Umwelt vorstellbar wäre (z. B. die Diebesbande), die keine Aufdeckung der Tat befürchten ließe, entfiele auch die Notwendigkeit zur Täuschung. Was also die Form der Verwendung der Sache und damit die (Selbst-)Aneignungskomponente anbelangt, so ist eine offene Begehungsweise durchaus denkbar. Was offene Zueignungen anbelangt, so wird man differenzieren müssen: Wer dem Berechtigten den Zugriff auf 448 Rotering, GS 36 (1884), S. 520. 449 Vgl. die Darstellung der Meinungen bei Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 338 ff.; vgl. auch Lackner/Kühl, § 242, Rn. 26 f. 450 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 341. 451 Warum der von Roxin begründeten Drittzueignungslehre im Ergebnis dennoch nicht beigetreten werden kann, wird unter 5. Kap., 2. dargelegt. 452 Eigentum als ausschließlich normatives „Sollenssatzverhältnis" (Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 68) bar jeder empirischen Komponente lässt sich nicht reproduzieren, vgl. oben 3. Kap., 3., c) sowie 4. Kap., d). 453 Etwa Sachsenspiegel, Buch II, Art. 28, 39, 48, 54; vgl. hierzu o. Kap. 1 sowie Janßen, Der Diebstahl in seiner Entwicklung von der Carolina bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 13.

4. Ergebnis

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die Sache verweigert, der behindert ohne Frage die Ausübung dessen Ausschließungsrechts und versagt dem Eigentümer den Respekt vor dem aus dem Eigentum fließenden Achtungsanspruch. Er baut, sinnbildlich gesprochen, eine Mauer zwischen sich und den Eigentümer, nicht anders, als wenn er sich körperlich dem Eigentümer in den Weg stellte, um ihn so an der Ergreifung seiner Sache zu hindern. Gleichwohl sind dem Eigentümer seine Möglichkeiten unbenommen, gegen den Täter beispielsweise gerichtlich vorzugehen, er kann sein Ausschließungsrecht geltend machen und durchsetzen. Der Erfolgssachverhalt „Enteignung" tritt damit bei der Verweigerung der Herausgabe nicht ein. Der Täter hat jedoch zur Enteignung unmittelbar angesetzt, indem er dem Eigentümer den Zugriff auf die Sache verweigert hat, so dass jener sein Ausschließungsrecht nicht ungehindert, sondern nur durch besondere Anstrengungen durchzusetzen vermag. Verwirklicht ist also der Versuch der Enteignung und damit bei Vorliegen der Aneignungskomponente und der notwendigen subjektiven Unrechtselemente eine versuchte Unterschlagung. Vörstellbar sind aber auch Formen der vollendeten offenen Zueignung, wie z. B. das Verzehren von Speisen vor den Augen des Eigentümers. Herausgebildet ist damit ein unwahrscheinlich komplexes Tatbestandsmerkmal, dessen Vorliegen von verschiedenen objektiven und subjektiven Erfordernissen abhängt. Es mag aber dieser Eindruck von Komplexität des Zueignungsbegriffs auch darin seine Wurzeln haben, dass es dem Strafrechtler nicht vertraut ist, mit einem Rechtsgut „Eigentum" zu hantieren, das nicht aus dem Zivilrecht abgeleitet, sondern den strafrechtlichen Normen in ihrem Zusammenspiel mit der Gesamtrechtsordnung entnommen wird. Der Eindruck wäre dann nur ein scheinbarer, ein vorläufiger, der sich mit zunehmend vertrautem Umgang mit einem so verstandenen Eigentumsbegriff verflüchtigen dürfte. Verlangt man eine Zueignungshandlung, die beide inhaltlichen Momente verwirklicht, so bedarf es keiner separaten „Manifestations"-Prüfung mehr 454 : Die vollzogene Vereitelung des Ausschließungsrechts und die vollzogene positive Nutzung sind regelmäßig äußerlich erkennbare Akte - eine zusätzliche Begutachtung der äußeren Beschaffenheit der Handlung hätte nur noch tautologische Funktion. So kann noch einmal bekräftigt werden: Das hier vorgeschlagene Vorgehen bedeutet keineswegs eine notwendig rigidere Handhabung des Unterschlagungstatbestandes und wird auch den Bereich des strafrechtlich erfassbaren Verhaltens nicht durchweg einengen. Der Vorteil einer an den inhaltlichen Erfordernissen orientierten Lesart des Unterschlagungstatbestandes liegt darin, dass sie in der Lage ist, einen mit dem Diebstahlstatbestand übereinstimmenden Zueignungsbegriff zugrunde zu legen und dem Gesetzlichkeitsprinzip Genüge zu leisten. Es ist dies die Restriktion, die nach Inkrafttreten des 6. StrRG so unverzichtbar ist: Dem Tatbestand des § 246 StGB, der außer der Bezifferung des Tatobjektes nur noch ein einziges Erfordernis benennt - nämlich das der Tathandlung: der Zueignung einen Inhalt zuzuweisen. Einen Inhalt, der über formale Indizien für eine unerwünschte Gesinnung hinausgeht. 454 A. A. Haft, BT, S. 156 f.

4. Kap.: Die Zueignungshandlung

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5. Vorschlag für den Gutachtenaufbau DIEBSTAHL, § 242 StGB I. Objektiver Tatbestand 1. Fremde bewegliche Sache 2. Wegnahme II. Subjektiver Tatbestand 1. Vorsatz bezüglich aller objektiver Tatbestandsmerkmale 2. Zueignungsabsicht a) Enteignungsabsicht: Direkter Vorsatz, das Ausschließungsrecht, das dem Eigentümer gegenüber dem Täter gem. § 903 Alt. 2 BGB zusteht, zu vereiteln; Intention der Dauerhaftigkeit b) Aneignungsabsicht: Absicht (dolus directus 1. Grades), die Sache als eigene für selbstbezogene Zwecke zu verwenden (Selbstaneignungsabsicht) oder die Eigenbesitznahme und Nutzung durch (irgend-)einen Dritten zu erwirken (Drittaneignungsabsicht) c) Vorsatz bezüglich der Rechtswidrigkeit der Zueignung 455 III. Rechtswidrigkeit IV. Schuld UNTERSCHLAGUNG, § 246 StGB I. Objektiver Tatbestand 1. Fremde bewegliche Sache 2. Objektive Zueignungselemente a) Objektives Enteignungselement = Vereitelung des Rechtes des Eigentümers, den Täter vom Zugriff auf die Sache auszuschließen b) Objektives Aneignungselement = Sachbehandlung (durch den Täter selbst oder einen Dritten) c) Objektive Rechtswidrigkeit der Zueignung 456 II. Subjektiver Tatbestand 1. Vorsatz (dolus directus 2. Grades) bezüglich aller objektiver Tatbestandsmerkmale, also auch der objektiven Zueignungselemente 2. Subjektive Zueignungselemente a) Subjektives Enteignungselement = Dauerhaftigkeit der Vereitelung des Ausschließungsrechts b) Subjektive Aneignungselemente = Begründung von Eigenbesitz an der Sache (durch den Täter selbst oder einen Dritten) sowie positiver (d. h. über die Zerstörung der Sache hinausgehender) Zweck der Sachbehandlung III. Rechtswidrigkeit IV. Schuld 455 Vgl. u. 5. Kap., 4. 456 Vgl. u. 5. Kap., 4.

5. Kapitel

Sonderfragen des Zueignungsbegriffs „Die eigentliche Gefahr droht dem Grundsatz nulla poena sine lege nicht von der Analogie , sondern von unbestimmten Strafgesetzen! " Hans Welzel, 1954 1

Es bleibt, verschiedene Fragestellungen zu klären, die sich um den Zueignungsbegriff ranken und im Zusammenhang mit ihm diskutiert werden. Da die Zueignung eine der Zentralfiguren der Eigentumsdelikte, jedenfalls aber die Zentralfigur des Unterschlagungstatbestandes ist - sein einziges die strafbare Handlung betreffendes Tatbestandsmerkmal - und da er zugleich weder alltagssprachlich noch in der fachlichen Diskussion als hinreichend fixiert gelten kann, erklärt sich von selbst, dass auch seine Peripherie umkämpft und nur an wenigen Punkten klar markiert ist. Beinahe noch Neuland ist das gesamte die Drittzueignung betreffende Gefilde. Der Kontrahent im Gefecht ist jedoch jeweils weniger der Vertreter der anderen Meinung, als stets zuvorderst die Unbestimmtheit des Begriffs der Zueignung selbst, der zu viel offen lässt, als dass bislang ein Konsens hätte erzielt werden können. Die folgenden Überlegungen basieren auf der in dieser Arbeit entworfenen Version vom Wesen der Zueignung. Sie mögen dort, wo der Inhalt der Zueignung abweichend aufgefasst wird, nicht ohne weiteres in der Lage sein, das erhoffte Einvernehmen zu stiften. Sie sind indes Teil des Versuchs, einem unscharfen Begriff Konturen zu verleihen und daher gleich bleibend darum bemüht, in sich geschlossene Ergebnisse zu liefern, die auch ohne Nachvollziehen der vorangegangenen Kapitel weiter helfen können.

1. Zueignung durch Unterlassen Die Hamburgerin A ist zu Besuch in Berlin und verliert in einem Park ihre Armbanduhr. Der Spaziergänger B findet die Uhr und beschließt sofort, sie zu verkaufen. Als er sie am folgenden Wochenende auf einem Berliner Flohmarkt feilbietet, will es der Zufall, dass der Hamburger C die Uhr erwirbt. C ist der Lebensgefährte i Das deutsche Strafrecht, 3. Aufl., S. 21. 11 Kauffmann

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5. Kap.: Sonderfragen des Zueignungsbegriffs

von A und kauft die Uhr, weil er zu Recht davon ausgeht, sie würde dem Geschmack der A entsprechen. Alle in der Literatur vertretenen Meinungen würden in der Handlung des B ohne die Spur eines Zweifels eine Unterschlagung an der verlorenen Uhr verorten. Sei es - so die weiten Manifestationslehren - durch das Aufheben der Sache in Zueignungsabsicht2, sei es - so die herrschenden, etwas restriktiveren Manifestationslehren - durch das Feilbieten der Uhr zum Verkauf oder sei es - so die verschiedenen Varianten „objektiver" Zueignungstheorien - durch den Verkauf selbst3. Umso größere Verwunderung muss hervorrufen, welche Mühe bei näherem Hinsehen jeder Versuch bereitet, hier ausfindig zu machen, worin denn eigentlich die Rechtsgutsverletzung liegt. Welche Rechte aus dem Eigentum werden hier beeinträchtigt und durch welche Handlung? - Das zivilrechtliche Eigentum der A an der Uhr ist nicht untergegangen, weder durch den Verlust im Park, noch durch den Verkauf auf dem Flohmarkt; die rechtliche Zuordnung der Sache ist unzerstörbar dank der Regelung des § 935 BGB, die den Eigentumserwerb durch Dritte an gestohlenen, verloren gegangenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen verhindert. - Der Gewahrsam der A an der Uhr war dagegen schon verloren, bevor B die Uhr überhaupt entdeckt hatte: nämlich durch den Verlust im Park. Der Entschluss des B, die Uhr zu verkaufen, beeinträchtigte den ohnehin erfolgten Gewahrsamsverlust nicht mehr. - Wirtschaftlich gesehen stellt der Verkauf der Uhr durch den B die A nicht schlechter, als sie nach dem Verlust der Uhr ohnehin stand4. - Die Herrschaftsposition der A erlangt durch den Verkauf gar eine Stärkung, denn er erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass A die Uhr zurück erlangt. Und damit ist auch schon der Fundus dessen erschöpft, was durch Rechtsprechung und Lehre herkömmlich als Angriffsfläche der Eigentumsdelikte klassifiziert wird. Entsprechend scheitern hier die herrschenden Zueignungsdefinitionen; keine der Formulierungen, mit denen gängig ein enteignendes Verhalten beschrieben wird, findet ihre Spiegelung in unserem Beispielsfall: Die Sache wird der Eigentümerin nicht entzogen5, die Eigentümerin wird nicht aus ihrer bisherigen Position verdrängt 6, nicht aus ihrer Rechtsmacht7, nicht aus ihrer wirtschaftlichen Posi2

Einer „berichtigenden" Auslegung des Unterschlagungstatbestandes bei Fundunterschlagungen bedarf es nach dem Wegfall des Gewahrsamserfordernisses durch das 6. StrRG nicht mehr. 3 Vgl. Kap. 4, 2. 4

Nach der hier vertretenen Ansicht ist der wirtschaftliche Aspekt ohne Bedeutung für die Eigentumsdelikte; er sei jedoch zur Komplettierung der Argumentation gegenüber Vertretern wirtschaftlicher Ansätze genannt. 5 Def. von LK-Ruß, § 242, Rn. 50; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 343. 6 Def. von Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 136. 7 Def. von Gössel, BT 2, § 6, Rn. 57.

1. Zueignung durch Unterlassen

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tion 8 ; die so verstandene Enteignung ist nicht dauernd 9. Subsumierte man den Fall unter die Zueignungsdefinitionen der herrschenden Meinung, so müsste man die Zueignung der Uhr durch B ablehnen. Grundlage dieses Scheiterns ist einmal mehr das in Kapitel 2 ausführlich diskutierte Abstellen auf das Verhältnis zwischen Eigentümer und Sache bzw. zwischen Täter und Sache für die Feststellung der Rechtsgutsverletzung. Will man auf dieses Verhältnis abstellen, so ist kein Verhalten des B benennbar, das das so verstandene Rechtsgut „Eigentum" verletzt: Keine Handlung könnte die Eigentümerin gegenüber ihrer Sache in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht weiter einschränken, als sie der Verlust der Uhr bereits vorher eingeschränkt hat. Doch die Struktur deliktischer Eigentumsverletzungen ist eine andere und hierfür muss an die Ergebnisse des 2. Kapitels angeknüpft werden, die Untersuchung des Rechtsguts der Eigentumsdelikte: Dort war festgestellt worden, dass sich das rechtsgutschädigende Verhalten des Täters eines Diebstahl oder einer Unterschlagung nicht gegen die Beziehung zwischen dem Eigentümer und seiner Sache richtet, sondern den vom Eigentum ausgehenden Achtungsanspruch als ein interpersonales Recht verletzt. Die interpersonale Komponente des Eigentums wird durch § 903 Alt. 2 BGB beschrieben: Sie ist das Recht, jeden Dritten von der Einwirkung auf die Sache auszuschließen. Gegenstand der Eigentumsverletzung ist dieses Ausschließungsrecht, und da der Täter nur verantwortlich zu machen ist für die Realisierungsmöglichkeiten des Ausschließungsrechtes ihm selbst gegenüber, liegt die Eigentumsverletzung in der Vereitelung der Ausübung des Ausschließungsrechtes des Eigentümers gegenüber dem Täter 10. Hieraus wird der Eigentümer „verdrängt" (um den geläufigen Terminus zu verwenden): Aus seiner Möglichkeit, den Täter vom Zugriff auf die Sache gemäß seinem Recht aus § 903 Alt. 2 BGB auszuschließen. Hierauf also hat sich der Blick zu heften und auf diesen Aspekt ist das als Zueignung in Frage stehende Verhalten zu untersuchen. Vereitelt der B im Ausgangsfall das Ausschließungsrecht der A ihm (dem B) selbst gegenüber? Wenn ja, durch welches Verhalten? Intuitiv wird ein jeder an die oben vorgenommene Analyse der verschiedenen fraglichen Beeinträchtigungen ein gedankliches „es sei denn" angefügt haben: Die „Herrschaftsposition" der A wird durch die Handlungen des B nicht geschwächt, es sei denn, man erwartete von B, dass er sie wiederherzustellen habe; wirtschaftlich wird der A nicht geschadet, es sei denn, man nähme den B in Verantwortung dafür, dass er die ursprüngliche wirtschaftliche Lage nicht wiederhergestellt hat. Die These, die hier aufgestellt werden soll, ist folgende: Der Schwerpunkt des Unrechts im Beispielsfall wie in vielen anderen Unterschlagungsfällen liegt in einem Unterlassen. Das Unrecht besteht im Unterlassen der Wiederherstellung der Möglichkeit des Berechtigten, sein ihm aus § 903 BGB gebührendes Recht auszuüben, den Täter vom Zugriff auf die Sache auszuschließen. 8 Def. von Krey, BT 2, Rn. 56; Sch. / Schr.-Eser, § 242, Rn. 47. 9 Def. von Kargl, ZStW 103 (1991), S. 152). 10 Ausführlich o. Kap. 2, 3.

Ii*

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5. Kap.: Sonderfragen des Zueignungsbegriffs

In keiner der positiven Handlungen des B bezüglich der Uhr figuriert sich jene Vereitelung des Ausschließungsrechtes, die als Eigentumsverletzung, als Enteignung anzusehen wäre. Ihnen entbehrt sämtlich jede wirklichkeitsverändernde Kraft, auch in Bezug auf das der A zustehende Ausschließungsrecht. Was dem B vorzuwerfen ist, liegt auf einer anderen Ebene: Er kommt einem Gebot des Gesetzes nicht nach, dessen Befolgung seine Pflicht gewesen wäre - B unterlässt es, den Fund der verlorenen Uhr anzuzeigen; er unterlässt, wozu er nach § 965 BGB verpflichtet gewesen wäre 11 . In einer breiten Zahl von Unterschlagungsfällen entdecken wir dasjenige Element, welches das Verhältnis zwischen Eigentümer und Unterschlagungstäter tangiert, in dem Unterlassen einer Obliegenheit: In dem Unterlassen der Fundanzeige, in dem Unterlassen der Rückgabe einer geliehenen oder verwahrten Sache, an deren Verbleib sich der Eigentümer nicht mehr erinnert, in dem Unterlassen von Maßnahmen zum Schutz von zur Sicherung übereigneten oder unter Eigentumsvorbehalt übergebenen Sachen, dem Unterlassen der Aufklärung eines Irrtums über die Eigentumsverhältnisse an einer Sache und verwandten Konstellationen. Ihnen allen ist zu eigen, dass der Eigentümer um die Möglichkeit zur Ausübung seines Ausschließungsrecht bereits gebracht ist, dass der Täter faktisch in der Lage wäre, diese Möglichkeit wiederherzustellen und hierzu aus unterschiedlichen Rechtsgründen auch verpflichtet ist. Bevor allerdings daraus der Schluss zu ziehen wäre, dass diese Konstellationen als unechte Unterlassungsdelikte aus §§ 246, 13 StGB zu bestrafen seien, müssen einige grundsätzliche Fragen geklärt werden. Zunächst ist fraglich, ob die Begehung einer Unterschlagung und auch eines Diebstahls durch Unterlassen strukturell möglich ist. Dabei muss differenziert werden, welche der Komponenten des Zueignungsaktes durch Unterlassen verwirklicht werden können, und bei Verwirklichung welcher Komponenten wir von einem Unterlassungs-, bei Verwirklichung welcher anderer wir von einem Begehungsdelikt sprechen könnten. Sodann ergibt sich die Frage nach den für diese Art von Delikten qualifizierten Garantenstellungen. Bedeutung kommt schließlich auch der Abgrenzung vom furtum usus zu.

a) Diebstahl durch Unterlassen Auch wenn dem objektiven Tatbestand des Diebstahls kein Zueignungserfordernis innewohnt, die Zueignung hier vielmehr ins Subjektive projiziert ist, soll der Vollständigkeit halber auch die Möglichkeit der Begehung eines Diebstahls durch 11 § 965 BGB: „(1) Wer eine verlorene Sache findet und an sich nimmt, hat dem Verlierer oder dem Eigentümer oder einem sonstigen Empfangsberechtigten unverzüglich Anzeige zu machen. (2) Kennt der Finder die Empfangsberechtigten nicht oder ist ihm ihr Aufenthalt unbekannt, so hat er den Fund und die Umstände, welche für die Ermittelung der Empfangsberechtigten erheblich sein können, unverzüglich der zuständigen Behörde anzuzeigen. Ist die Sache nicht mehr als 10 Euro wert, so bedarf es der Anzeige nicht."

1. Zueignung durch Unterlassen

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Unterlassen erwogen werden und dies vor allem deshalb, weil der Diebstahl der beherrschende Typus der Eigentumsdelikte ist und von einer nicht unerheblichen Anzahl von Autoren als regelrechtes Zueignungsdelikt betrachtet wird 1 2 . Dass Diebstahl durch Unterlassen nicht begehbar sein soll, wurde kaum je gezielt erörtert, galt jedoch in der bisherigen Diskussion offenbar als ausgemacht. Dieses Ergebnis wurde freilich zumeist auf Basis nunmehr überholter Argumente erzielt: Es wurde für unmöglich erachtet, sich durch bloßes Untätigbleiben eine Sache zuzueignen13. Dieser Gedanke sollte insofern für alle Zueignungstatbestände gelten, aus denen sich generell - so Roxin - keine selbstständigen Unterlassungstatbestände entwickeln ließen. Das hänge mit dem Wesen der Zueignung zusammen: Sie bedeute mehr als eine Entziehung, die man einem pflichtwidrig untätigen Garanten ebenso zurechnen könnte wie einem Begehungstäter. Das Plus, das eine Wegnahme zu einem Sich-Zueignen mache, liege darin, dass der Täter zum Zwecke wirtschaftlicher Verwertung die selbstständige Verfügungsmacht über eine Sache erlange. Dieses die Deliktsqualität konstruierende Element sei dem Unterlassenden nicht zugänglich, weil ihm die Verfügungsmacht gerade fehle 14 . Zueignung sei „herrschaftsgebunden" und dies bedeute: keine Zueignung ohne Tatherrschaft 15. Ein Unterlassender aber habe niemals Tatherrschaft 16. Da man sich durch Untätigbleiben nicht Sachen zueignen könne, komme im Falle des Geschehenlassens der Wegnahme durch einen anderen nur Beihilfe durch Unterlassen in Betracht 17. Doch ganz abgesehen davon, dass das „Erlangen der selbstständigen Verfügungsmacht" den hier für richtig erachteten Zueignungsdefinitionen nicht entspricht 18 , ist diese Argumentation de lege lata veraltet 19. Es kommt nach der Aufnahme der Drittzueignungsabsicht durch das 6. StrRG im Jahr 1998 für den Diebstahlstatbestand nicht mehr darauf an, dass der Täter die Verfügungsgewalt über eine Sache selbst erlangen will. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der 12

Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 177, vgl. auch S. 190; Paulus, Der strafrechtliche Begriff der Sachzueignung, S. 188; Otto, Struktur des strafrechtlichen Vermögensschutzes, S. 128 f., S. 267; Behrendt, Der Begriff der Zueignung in den Tatbeständen des Diebstahls und der Unterschlagung, S. 33; Binding, Lehrbuch BT, S. 292; Kindhäuser, BT 2, Tb. 1, § 2, Rn. 88; vgl. zu dieser Auffassung Kap. 4, 1., e). 13 Vgl. LK-Roxin, § 25, Rn. 209; Grünwald, GA 1959, S. 118 f.; Paulus, Der strafrechtliche Begriff der Sachzueignung, S. 181 f. 14 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 481 f. 15 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 482. 16 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 501. 17 LK-Roxin, § 25, Rn. 209, der Teilnahme durch Unterlassen nur dann für möglich hält, wenn ein Tatbestand auch bei Bestehen einer Erfolgsabwendungspflicht durch Unterlassen nicht verwirklicht werden kann. Zur Konstruktion der „Pflichtdelikte", die zur regelmäßigen Täterschaft bei den unechten Unterlassungsdelikten führt, vgl. die folgenden Seiten. 18 Vgl. auch Ranft, ZStW 94 (1982), S. 816, Fn. 9, der zu dieser Argumentation vermerkt, sie führe im Grunde am Problem vorbei. 19 Dazu auch Mitsch, ZStW 111 (1999), S. 87.

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objektive Tatbestand des § 242 StGB gerade keine vollzogene Zueignung verlangt 20 - das tatsächliche Erlangen von Verfügungsmacht ist für die Vollendung des Diebstahlstatbestandes also ohnehin nicht erforderlich. Anders verhält es sich mit einer Argumentation, die den Diebstahlstatbestand aufgrund seiner besonders gearteten Handlungsbeschreibung aus dem Milieu tauglicher Unterlassungsdelikte ausschließt. Grünwald ist der Ansicht, der Diebstahl zähle zu jenem Kreis von Delikten, die schon begrifflich nicht „durch Unterlassen begangen" werden könnten21 , bleibt allerdings eine Herleitung dieser Ansicht schuldig, so dass man vermuten darf, er erblickt hier eine Problematik der Entsprechungsklausel des § 13 StGB. Bevor dieser Standpunkt kritisiert wird, ist unter Beibehalt derselben Perspektive noch ein Schritt rückwärts zu tun und die Frage zu beantworten, ob es beim Diebstahl überhaupt zur Realisierung eines „Erfolges" i. S. d. § 13 StGB kommt 22 . Zweifel daran resultieren einerseits aus dem Zuschnitt des Diebstahls auf die in die Zukunft projizierte Zueignung, die zur Erfüllung des Tatbestandes nicht verwirklicht zu werden braucht und andererseits aus einer für Erfolgsdelikte ungewöhnlich genauen Handlungsbeschreibung, der Wegnahme, auf der das Schwergewicht des Diebstahlstatbestandes liegt. Doch bei genauer Betrachtung kommt es auch bei dem Vorgang der Wegnahme zu einer Veränderung der Außenwelt: Der Täter bricht fremden Gewahrsam und begründet neuen. Diese Gewahrsamsverschiebung ist etwas anderes als bloße Tätigkeit des Handelnden, denn danach sind die tatsächlichen Herrschaftsverhältnisse gegenüber der Sache nicht mehr dieselben wie vorher. Insofern kommt es durch die Wegnahme zu einem echten Außenweltserfolg, so dass sich der Diebstahl als Erfolgsdelikt und nicht bloß als „erfolgskupiertes" Delikt begreifen lässt23. Die Gewahrsams Verschiebung als Erfolg im Sinne des § 13 StGB: sie also müsste der Unterlassungstäter bewirken. Nun ist dies noch recht einfach vorstellbar. Man wird die objektive Zurechenbarkeit der Gewahrsamsverschiebung nicht bezweifeln, wenn die in einem Supermarkt angestellte Kassiererin K untätig bleibt, während sie aus den Augenwinkeln beobachtet, wie ihre Bekannte B der offenen Kasse mehrere Scheine entnimmt. Dass der Gewahrsam des Supermarkt-Betreibers gebrochen ist, dass die B neuen Gewahrsam an 20 Vgl. O. Kap. 4, 1., e). 21 Grünwald, GA 1959, S. 118 f. 22 „Erfolg" wird dabei im Sinne der althergebrachten Definition von E. Wolf als jede von einem Handelnden in der Außenwelt bewirkte Veränderung angesehen (Die Typen der Tatbestandsmäßigkeit, S. 34). Auch die weitergehende Auffassung (Sch./Schr.-Stree, § 13, Rn. 13 m. w. N.), die selbst in Tätigkeitsdelikte Erfolgssachverhalte hineinliest, verlangt, dass der Erfolg i. S. d. § 13 eine Einwirkung auf ein Handlungsobjekt darstellt, die als Erfolg von der Handlung getrennt werden kann. Mit anderen Worten: Erfolg ist alles, was abgewendet werden kann (Jakobs, AT, 29/2). 23 Aufrechterhalten bleibt allerdings die Einordnung des Diebstahls als unvollkommen zweiaktiges Delikt, da die Zueignung als zusätzlicher Erfolg durch eine weitere Handlung herbeigeführt werden soll (zur Terminologie vgl. o. Kap. 4, 1., e) sowie Roxin, AT I, § 10, Rn. 84).

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den Geldscheinen begründen konnte, hat K gewiss verursacht - aber hat sie es auf eine Weise getan, die der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht? Diese Frage birgt Hindernisse auf unterschiedlichen Ebenen. Zunächst handelt es sich bei dem Verhalten der K nicht um die unterbliebene Neutralisierung eines naturkausalen Verletzungsgeschehens, sondern um das pflichtwidrige Unterlassen der Hinderung einer aktiven Begehungstäterin, so dass - wenn überhaupt - sowohl K als auch B als (Neben-)Täterinnen zu behandeln wären. Ob der Unterlassende der Tat eines Menschen oder einem naturkausalen Geschehen gegenüber steht, wird teilweise für bedeutsam für den Inhalt des Unterlassungsdeliktes erachtet 24. Eine weit verbreitete Literaturansicht geht dahin, den gegen einen vorsätzlich handelnden Begehungstäter nicht einschreitenden Garanten grundsätzlich immer nur als Gehilfen , niemals als Täter zu betrachten 25. Gallas begründet dies damit, das Untätigbleiben stelle in derartigen Fällen lediglich eine negative Förderung und damit eine Beihilfe zur Aktivität dar 26 . Zudem stelle der unmittelbar rettende Zugriff geringere Anforderungen an den Garanten, als die Überwindung eines entgegenstehenden Handlungswillens27. Der Begehungstäter „verstelle" dem Garanten den Zugang zum Erfolg gleichsam28, so dass Letzterer als Randfigur des Geschehens mangels Tatherrschaft eben nur als Gehilfe betrachtet werden könne. Die Tatherrschaft und damit die Täterschaft ginge höchstens dann auf den Unterlassenden über, wenn der Handelnde den Tatablauf nicht mehr beherrsche 29. Gegen diese Argumente wird eingewandt, auch das Untätigbleiben gegenüber naturkausalen Ereignissen stelle ein bloßes Nicht-Hemmen eines von Naturkräften getriebenen und zu einer Rechtsgutsverletzung hinstrebenden Kausalgeschehens dar 30 . Durch die Annahme von „Einheitsbeihilfe" 31 würde der untätige Garant bei von Menschenhand bewirkten Angriffen besser gestellt als bei durch Naturkausalverläufe verursachten Gefährdungen 32. Im Übrigen sei die Tatherrschaft bei den Unterlas24 Vgl. die Darstellungen bei Sowada, Jura 1986, S. 402 ff. und Ranft, ZStW 94 (1982), S. 815 ff.; Überblick über die - uneinheitliche - Rechtsprechung bei LK-Roxin, § 25, Rn. 202; zur Bedeutung dieser Frage für den Komplex der Zueignungsdelikte vgl. Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 246 f. 25 Ranft, ZStW 94 (1982), S. 828 ff.; Kielwein, GA 1955, S. 227; LK-Jescheck, § 13, Rn. 57; Schmidhäuser, AT, 17/12. 26 Gallas, JZ 1960, S. 687. 27 Ebenda. Roxin bildet das Gegenbeispiel, nach dem es für den obhutspflichtigen Bademeister einfacher sei, herumtobende Jugendliche davon abzuhalten, einen Nichtschwimmer ins Becken zu stoßen, als diesen anschließend aus dem Wasser zu holen (Täterschaft und Tatherrschaft, S. 497 f.). 28 Vgl. Sowada, Jura 1986, S. 403. 29 Jescheck/Weigend, AT, § 64 III. 5. 30 Rudolphi, Die Gleichstellungsproblematik der unechten Unterlassungsdelikte, S. 145. 31 Begriff bei Sowada, Jura 1986, S. 402. 32 Kielwein, GA 1955, S. 227; Armin Kaufmann, Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte, S. 269, 302.

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sungstaten kein geeignetes Kriterium zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme, da ein Unterlassender niemals Tatherrschaft habe33. Die Kritik beschränkt sich indes nicht auf bloße Einwendungen - weit darüber hinausgehend existiert in der Literatur auch die diametrale und offenbar erstarkende Ansicht, die zur Annahme regelmäßiger Täterschaft bei den unechten Unterlassungsdelikten gelangt34. Diese seien der Gruppe der strukturell selbstständigen sog. Pflichtdelikte zuzuordnen, für die zur Lösung des Täterschaftsproblems nicht das Tatherrschaftsprinzip, sondern das Garantenprinzip heranzuziehen sei 35 . Bereits die Gegebenheit der Eingriffsmöglichkeit mache einen Handlungspflichtigen zum (Unterlassungs-)Täter und schließe eine Gehilfenrolle aus 36 . Laut Roxin sind prinzipielle Wertunterschiede zwischen den verschiedenen Formen der Unterlassung nicht aufweisbar; der pflichtwidrig untätig bleibende Garant sei daher grundsätzlich als Täter eines Unterlassungsdeliktes zu bestrafen, sofern ein Unterlassungstatbestand existiere. Entstehende Schräglagen in Nebentäterschaftskonstellationen seien über eine Strafmilderung gegenüber dem Unterlassenden zu bewältigen37. Keine dieser Auffassungen vermag die andere logisch zwingend zu widerlegen; Sowada spricht daher in Zusammenhang mit diesem Streitstand von einem „dogmatischen Patt" 38 . Unumgänglich ist sicher die Erkenntnis, dass zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bei unechten Unterlassungsdelikten weder subjektive noch Tatherrschaftsmomente zu helfen vermögen 39. Für die Annahme eines Täter- oder Teilnahmewillens kann es im äußerlich wahrnehmbaren Geschehen keinerlei verlässliche Handhabe geben, da doch das Handeln des Unerlassenden gerade darin besteht, etwas nicht zu tun und somit auch gerade nicht seinen Willen greifbar zu offenbaren 40. Ebenso wenig ist ein Untätiger jemals Gestaltender eines Geschehensablaufes. Seine gestaltende Kraft beschränkt sich darauf, Vorgefundenem seinen Lauf zu lassen, obgleich er fähig und berufen wäre, einzuschreiten 41. Diese Herrschaft ist eine hypothetische bzw. eine negative. Wo nun die gängigen 33 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 501; LK-Roxin, § 25, Rn. 205: Tatherrschaft „setzt eine Gestaltung des Geschehensablaufs voraus, an der es bei völligem Nichtstun notwendig fehlt." 34 LK-Roxin, § 25, Rn. 206 m. w. N.; Kaufmann, Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte, S. 294; Stratenwerth, AT, Rn. 1079. 35 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 352 ff.; ders., in: LK-Roxin, § 25, Rn. 37,205 ff. 36 Stratenwerth, AT, Rn. 1078; ähnlich Herzberg, allerdings nur für „Beschützergaranten", JuS 1975, S. 174 und Sch./Schr.-Cramer/Heine, vor § 25, Rn. 104. 37 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 502 f. 38 Sowada, Jura 1986, S. 403. 39 Womit allerdings noch keine abschließende Stellungnahme zu den Kriterien der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme geleistet ist; vgl. zu alternativen Modellen Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 546 ff. 40 Ebenso LK-Roxin, § 25, Rn. 204. 41 Wollte man dieses Kriterium indes mit Tatherrschaft gleichsetzen, so müssten Unterlassen und Tatherrschaft identisch sein - denn die Möglichkeit, den Erfolg abzuwenden, ist eine Voraussetzung jeder Unterlassung, vgl. LK-Roxin, § 25, Rn. 205.

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Abgrenzungsmodelle versagen, liegt die Einsicht nahe, dass die Begriffe Täterschaft und Teilnahme für die Beteiligung mehrerer aktiv Handelnder entwickelt wurden, um die jeweils reale Einflussnahme des einen von der jeweils realen Einflussnahme des anderen abzugrenzen42. Eine Qualifizierung der Unterlassungsdelikte als Pflichtdelikte im Anschluss an Roxin scheint ein gangbarer Weg, die lediglich potentielle Beziehung des Unterlassenden zum Geschehen dogmatisch zu erfassen. Danach ist - sofern ein Tatbestand überhaupt durch Unterlassen verwirklicht werden kann - Täter jeder, der die außerstrafrechtliche Sonderpflicht verletzt, deren Innehabung Voraussetzung der Tatbestandserfüllung ist 4 3 . Doch bevor man dieses Prinzip der täterschaftlichen Verantwortung auf § 242 StGB anwendet, ist weiteres zu bedenken und damit kehren wir zurück zur Argumentation Grünwalds 44: Es handelt sich beim Diebstahl um ein sogenanntes aktgebundenes Delikt; es scheint, dass der in ihm vertypte Geschehensablauf und insbesondere die mit dem Begriff der Wegnahme gemeinte Sachverschiebung sich gar nicht durch ein Naturereignis vollziehen kann 45. Unabhängig vom Vorhandensein einer Garantenstellung ist dies also letztlich ein Problem der Modalitätenäquivalenz. Entspricht das Unterlassen der Kassiererin K in dem oben gebildeten Beispielsfall einer Verwirklichung des Diebstahlstatbestandes durch den Akt der Wegnahme? Die durch Gallas initiierte Entsprechungsklausel46 dient diesem zufolge dem Anliegen, der „Nichthinderung des Erfolges das gleiche Gewicht und die gleiche Färbung zu geben, wie dem im Tatbestand beschriebenen Verhalten" 47. Das Handlungsunrecht besteht bei verhaltensgebundenen Delikten nicht nur in der Verursachung des tatbestandsmäßigen Erfolges, sondern auch in der Art und Weise seiner Herbeiführung 48. Andere Beispiele für verhaltensgebundene Delikte sind etwa der Mord (§211 StGB), wenigstens in den Fällen der zweiten Gruppe der Mordmerkmale, da hier eine spezifische Begehungsweise hinzutreten muss, die Nötigung (§ 240 StGB), deren Erfolg mittels Gewalt oder Drohung herbeigeführt werden muss, oder der Betrug (§ 263 StGB), weil dabei der Vermögensschaden eine Täuschung und Irrtumserregung voraussetzt. Berücksichtigung muss jedoch finden, dass es keine spezifische Problematik der akt- bzw. verhaltensgebundenen Delikte darstellt, wenn im Unterlassen nicht mehr 42 Grünwald, GA 1959, S. 111 f. 43 LK-Roxin, § 25, Rn. 206. 44 Grünwald, GA 1959, S. 118 f. 45 Ranft, ZStW 94 (1982), S. 816; zur Unrichtigkeit dieser Annahme hinsichtlich § 242 vgl. aber die folgenden Seiten. 46 Zur Entstehungsgeschichte der Entsprechungsklausel vgl. Nitze, Die Bedeutung der Entsprechungsklausel, S. 23 ff. 47 Gallas, Niederschriften, Bd. 12, S. 479. Vgl. auch Jakobs, AT, 29/Fn. 14: „Klausel für die Transformation von Handlungsmodalitäten". 48 LK-Jescheck, § 13, Rn. 5.

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viel von der Handlungsbeschreibung des für positives Tun konzipierten Tatbestandes zu finden ist: Auch der Vater, der seinen vierjährigen Sohn nicht aus einem See rettet, „tötet" diesen nicht im Sinne der in § 212 StGB beschriebenen Aktivität. Er vollzieht keine Handlung, die naturwissenschaftlich kausal für den Tod des Kindes ist. Jede Gleichstellung des Untätigbleibens ist eine normative, sei es bei aktgebundenen oder bei scheinbar schlichten Erfolgsdelikten 49. „Das gleiche Gewicht und die gleiche Färbung" oder „derselbe soziale Sinngehalt"50 - das bedeutet zwar eine zusätzliche Gleichwertigkeitsprüfung in Hinblick auf die Art und Weise der Erfolgsverursachung, es bedeutet aber auch, dass es hierbei um soziale Wertungen geht, nicht um die Suche nach einem Spiegelbild der Begehungsmodalitäten. Wenn also der Erfolg des Diebstahlstatbestandes in der Gewahrsamsverschiebung besteht, dann geht es im Rahmen der Entsprechungsklausel darum, dass dieser Gewahrsamswechsel laut Tatbestandsbeschreibung auf bestimmte Weise geschehen muss, nämlich durch die Wegnahme, das heißt: durch den Bruch fremden Gewahrsams und die Begründung neuen Gewahrsams51. Dass sich die Begründung neuen Gewahrsams bzw. das darin liegende Handlungsunrecht auch durch Untätigsein realisieren lässt, liegt auf der Hand: Lässt ein Kunde K in einer Drogerie sehenden Auges zu, dass ein Angestellter A der Drogerie irrtümlich einzelne Waren, die K tatsächlich nicht bezahlt hat, in dessen Einkaufstüten packt, so begründet K eigenen Gewahrsam. Fraglich allein bleibt, ob sein mangelndes Einschreiten einem Bruch fremden Gewahrsams gleichzusetzen ist. In der allgemein anerkannten Formulierung vom „Brechen" des Gewahrsams scheint sich die Vorstellung eines aggressiven Akts zu manifestieren, der zum Unterlassen nicht recht passen mag. Tatsächlich aber gilt selbst für die Erfüllung des Diebstahlstatbestandes durch positives Tun, dass die Art und Weise der Aufhebung der tatsächlichen Herrschaftsmacht des Berechtigten unerheblich sein soll 52 : sie kann durch den Täter selbst, aber auch durch die Vermittlung eines Dritten oder gar eines Tieres bewirkt werden 53 . Dieses Ergebnis wird evident, wenn man sich eine andere Fallkonstellation vergegenwärtigt - die gleichzeitig geeignet ist, zu beweisen, dass sich - entgegen Ranft 54 - auch ein Diebstahl durch ein naturkausales Geschehen vollziehen kann: Kunde K beobachtet in einem Kaufhaus, wie sein Hund ein Stofftier aus einem niedrig gelegenen Regal schnappt und sich anschickt, dieses in seinem Maul aus dem Kaufhaus zu schleppen. Da K seinem Hund schon seit längerem ein neues Spielzeug kaufen wollte, erscheint ihm die Gelegenheit günstig, und er lässt den Hund gewähren. Gemeinsam mit seinem Hund, der das Stofftier zwischen den Zähnen trägt, verlässt K das Kaufhaus. Eine (Überwacher-)Garantenpflicht unter49 Für eine über diese Frage hinausgehende Erweiterung der Entsprechungsklausel auf reine Erfolgsdelikte: Arzt, JA 1980, S. 716 f.; Lackner/Kühl, § 13, Rn. 16. so Lackner/Kühl, § 13, Rn. 16. 51 Vgl. statt vieler Sch./Schr.-Eser, § 242, Rn. 22. 52 Sch./Schr.-Eser, § 242, Rn. 35. 53 LK-Ruß, § 242, Rn. 34. 54 Ranft, ZStW 94 (1982), S. 816.

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stellt, bereitet die Modalitätenäquivalenz nunmehr keinerlei Probleme. Dass der K - übrigens als alleiniger Täter - hier mangels gebotener Intervention eine Gewahrsamsverschiebung verursacht hat, die dem aktiven Bruch fremden Gewahrsams und der aktiven Neubegründung eigenen Gewahrsams in nichts, auch nicht in „Färbung" oder „sozialem Sinngehalt", nachsteht, dürfte unbezweifelbar sein. Sein Handeln entspricht der tatbestandlichen Modalität der Wegnahme vollkommen. Ob dies auch bei Beteiligung eines weiteren (Neben-)Täters so zu bewerten ist, wird von Fall zu Fall entschieden werden müssen55. Grundlegend ist an dieser Stelle allein die Erkenntnis, dass die täterschaftliche Begehung eines Diebstahls durch Unterlassen nicht prinzipiell ausgeschlossen ist - Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass der Täter selbst (Dritt-)Zueignungsabsicht hat 56 .

b) Unterschlagung durch Unterlassen Auch die Unterschlagung durch Unterlassen ist, wenigstens für die Vertreter der Manifestationsansätze, schwerlich vorstellbar 57 - ist nach ihnen doch die Zueignung eine schlüssige Erklärung im Sinne einer eigentumsanmaßenden Tätigkeit, so dass ein Nicht-Tätigwerden, ein Nicht-Erklären dessen, der eine fremde Sache besitzt, kaum eine Verwirklichung des Unterschlagungstatbestandes sein kann 58 . Allein das „beredte Schweigen" soll in Einzelfällen als schlüssige Kundgabe des Eigentümerwillens bedeutsam sein 59 . Wir sind hier wiederum konfrontiert mit der Problematik der aktgebundenen Delikte. Der Unterschied zum objektiven Diebstahlstatbestand besteht darin, dass - gegenüber den relativ konturenreich erarbeiteten Vorstellungen vom Akt der Wegnahme - von der Zueignungshandlung als Tätigkeitsbeschreibung des Unterschlagungstatbestandes nur wenig übereinstimmende Anschauungen existieren. Die herrschende Meinung hätte, entsprechend ihrer Auffassung der Unterschlagungshandlung, nach Manifestationen des Zueignungswillens durch bloßes Untätigsein zu fahnden - es liegt auf der Hand, um welch schwieriges Unterfangen es sich bei diesem Ansatz handeln würde und um wie viel einfacher es sich gestaltet, wartet man auf die beinahe unweigerlich folgenden positiven Manifestationshandlungen. Da es den Vertretern der Manifestati55 Insbesondere wären hier außerdem sensible Abschichtungen zwischen Diebstahl durch Unterlassen und Diebstahl in mittelbarer Täterschaft vorzunehmen. 56 Sch./Schr.-Cramer/Heine, Vorbem. §§ 25 ff., Rn. 105; § 25, Rn. 83. 57 Z. B. Ranft, ZStW 94 (1982), S. 817, Fn. 10; Paulus, Der strafrechtliche Begriff der Sachzueignung, S. 181 f., S. 208, insb. Fn. 332; vgl. auch die eher unfruchtbare Kontroverse zwischen Schmid (MDR 1981, S. 806 ff.) und Schürmann (MDR 1982, S. 374, Erwiderung durch Schmid MDR 1982, S. 374 f.). 58 Vgl. Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 200; Schmid, MDR 1981, S. 807: „Aus einem Unterlassen ist der Rückschluß auf einen bestimmten Willen besonders schwierig zu ziehen, weil ein Unterlassen auf den verschiedensten Gründen beruhen kann, die nicht den Schluß auf einen Zueignungswillen ermöglichen." 59 Paulus, Der strafrechtliche Begriff der Sachzueignung, S. 181 f.

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onslehren nicht auf die inhaltlichen Elemente einer Zueignung, sondern nur auf deren Kundgabe ankommt, sind sie nicht darauf festgelegt, den einen, einzigen Moment der „eigentlichen" Zueignung abzupassen - sie können beliebige positive Demonstrationen des Zueignungswillens gleichsam zur Unterschlagung durch positives Tun erklären. In diesem Sinne argumentiert Charalambakis 60. Er hält es für „evident", dass eine uneingeschränkte Bejahung der Möglichkeit der Begehung einer Unterschlagung durch Unterlassen zu einer unzulässigen Ausuferung des Zueignungsbegriffs führen würde 61 , bejaht im Weiteren dennoch diese Möglichkeit für „ein Minimum von Fallkonstellationen": Im Unterlassen - etwa der Anzeige eines Fundes oder der Herausgabe einer geliehenen Sache - könne „eine Manifestation der Zueignung erblickt werden, wenn auch die sonstigen Umstände des konkreten Falles darauf hindeuten"62. Es werde allerdings sehr schwer sein, diese Manifestation nachzuweisen, so dass diese Fälle in Hinblick auf den in-dubio-pro-reo-Grundsatz von geringer praktischer Relevanz seien. In der Regel werde dem Verhalten des Täters eine Manifestierung der Zueignung durch positives Tun zu entnehmen sein. Auch Ruß ist der Ansicht, die Zueignung könne in einem Unterlassen bestehen, sofern den Täter eine Garantenpflicht zum Handeln treffe 63. Es müsse besonders sorgfältig geprüft werden, ob aus dem Verhalten des Täters der Schluss auf einen Zueignungswillen gezogen werden könne, da das Erfordernis der Manifestation auch beim Unterlassen bestehen bliebe. Nehme beispielsweise ein Mieter die Pfändung einer dem Vermieter gehörenden Sache widerspruchslos hin, ohne den Vermieter zu verständigen, um auf diese Weise die Verringerung seiner eigenen Schulden zu erreichen, so liege hierin eine Manifestation der Zueignung durch Unterlassen. Biete er hingegen die Sache dem Gerichtsvollzieher ausdrücklich als eigene an, so sei das eine Betätigung des Zueignungswillens durch positives Tun. Desgleichen bejaht Hillenkamp die grundsätzliche Möglichkeit der Begehung einer Unterschlagung durch Unterlassen 64, will dies aber ebenfalls auf den Einzelfall beschränkt wissen, da zumeist das bloße Unterlassen etwa einer geschuldeten Rückgabe nicht den sicheren Schluss darauf zulasse, dass der Unterlassende den Gegenstand seinem Vermögen einverleiben wolle. Auch Paulus schließt aus dem Umstand, dass reines Behalten einer Sache als solches für einen dritten Beobachter den Zueignungswillen noch nicht schlüssig zum Ausdruck bringe, dass zu diesem Unterlassen im Einzelfall stets noch weitere Umstände hinzutreten müssten65. 60 Charalambakis, Der Unterschlagungstatbestand de lege lata und de lege ferenda, S. 151 ff. 61 Charalambakis, a. a. O., S. 152. 62 Charalambakis, a. a. O., S. 153.

63 LK-Ruß, § 246, Rn. 17. 64 Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 298.

1. Zueignung durch Unterlassen

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Anders verhält es sich, wenn man den Blick von formellen Konzeptionen löst und den inhaltlichen Elementen der Zueignung zuwendet. Zunächst wird damit sofort offenbar, dass es nicht legitim sein kann, aus einer Fülle äußerer Handlungen jene als Tathandlung zu erwählen und zu etikettieren, die am wenigsten Mühe bereitet, und sich über eine solche im Grunde utilitaristische Herangehensweise auch der Auseinandersetzung mit ungelegenen Fragen, wie der nach der Begehbarkeit einer Unterschlagung durch Unterlassen, zu entziehen. Den Inhalt der Zueignungshandlung betreffend existiert ein breites dogmatisches Fundament, das im Rahmen der Diskussion um den Diebstahlstatbestand entwickelt wurde. Diese Erkenntnisse auf den Unterschlagungstatbestand zu übertragen, ist notwendig. Unter Hinweis auf die Ergebnisse des 4. Kapitels bedeutet das den Abschied von den Manifestationslehren und die Hinwendung zur materiellen Prüfung des Zueignungserfordernisses im Rahmen des Unterschlagungstatbestandes. Es gilt, den Akt zu erkennen und zu benennen, der den Berechtigten enteignet und durch den sich der Täter die Sache aneignet. Wenn dieser Akt in einem Unterlassen besteht, dann kommt die Strafbarkeit wegen positiven Tuns aufgrund etwaiger späterer Kundgabe-Akte nicht mehr in Frage. Für die Prüfung der Modalitätenäquivalenz ist somit Folgendes zu bedenken: Wenn man die Unterschlagung verstehen will als aktgebundenes Delikt , dann bedeutet „Aktgebundenheit" hier Gebundenheit an den Akt der Zueignung, der aus Enteignung und Aneignung besteht. Ein Unterlassen, das einen Zueignungserfolg bewirkt 66 , muss denselben sozialen Sinngehalt aufweisen, wie ihn enteignendes und aneignendes positives Tun aufweisen. Anders als die „Wegnahme" des Diebstahltatbestandes, die in ihrer Begrifflichkeit unmittelbar die Assoziation von aktivem Tun heraufbeschwört, ist die Zueignung des Unterschlagungstatbestands ein hochgradig normativer Terminus, ohne deckungsgleiches Äquivalent in der Alltagssprache und jedenfalls nicht notwendig assoziiert mit der aktiven Vornahme einer bestimmten außenweltlichen Handlung. In Kenntnis der Zweigliedrigkeit der Zueignung sind die beiden sie konstituierenden Akte auf ihre Begehbarkeit durch Unterlassen hin zu untersuchen. Für die folgenden Überlegungen ist (ebenso wie zuvor beim Diebstahl) zunächst hypothetisch eine Garantenstellung des potentiellen Täters anzunehmen. Rechtliche Einstandspflicht und Modalitätenäquivalenz greifen ineinander. Für die Analyse bloß eines der beiden Elemente muss diese Verschlingung künstlich aufgehoben werden. Praktisch ist das nicht durchführbar und deshalb mutet jede isolierte Betrachtung dissonant an. Dennoch ist es zweckmäßig, die allgemeine 65

Paulus, Der strafrechtliche Begriff der Sachzueignung, S. 208. Schon zuvor (S. 181 f.) schließt Paulus die Möglichkeit der Zueignung durch Unterlassen aus, mit allerdings noch zweifelhafterer Begründung: Da der „Eigentümerwille" begriffswesentliches Zueignungskriterium sei, könne sie der Täter nur durch positives Tun herbeiführen. Hierbei handelt es sich erkenntlich um eine unschlüssige Vermengung subjektiver mit objektiven Erfordernissen. 66 Zur Erfassung der Unterschlagung als Erfolgsdelikt vgl. o. Kap. 4, 4.

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Frage der grundsätzlichen Begehbarkeit einer Unterschlagung durch Unterlassen zu klären, bevor nach möglichen Entstehungsgründen für Garantenpflichten geforscht wird. Dass die Enteignung des Berechtigten - die Vereitelung des Ausschließungsrechtes, das der Eigentümer dem Täter gegenüber innehat - auch durch ein Unterlassen vollbracht werden kann, ist ohne weiteres vorstellbar. Bleiben wir bei dem Ausgangsfall der Nichtanzeige eines Fundes: Eine Garantenstellung angenommen (wodurch diese begründet sein könnte, wird sogleich zu klären sein), liegt in der Nichtanzeige des Fundes eben jene Vereitelung des Ausschließungsrechts aus § 903 S. 1,2. Alt. BGB, die sich geradeso in einem positiven Tun fände: Gesetzt den Fall, der Täter ist für die Wiederherstellung der Ausübungsmöglichkeiten des Eigentumsrechtes verantwortlich, ist die Nichterfüllung der Pflicht aus § 965 BGB ein Akt, der es dem Eigentümer unmöglich macht, den Täter vom Zugriff auf die Sache auszuschließen, obwohl er nach den Verhaltenserwartungen der Rechtsordnung (nämlich im Falle der erfolgten Anzeige des Fundes) dazu (wieder) in der Lage sein sollte. Hier findet sich also - die Garantenpflicht immer vorausgesetzt ein unproblematisches Korrelat für die bestimmte Art und Weise des Vollzugs durch Begehen. Bei der Aneignung bestehen größere Bedenken67. Zwar ist die Herstellung von Eigenbesitz möglicherweise noch durch bloßes Nichtstun realisierbar - etwa durch das widerspruchslose Akzeptieren einer irrtumsbedingten Besitzzuordnung durch Dritte oder den Eigentümer selbst doch in dem Erfordernis des positiven Nutzens des Sache liegt ein Problem. Ebenso wie bei der Wegnahme des Diebstahls ist der Begriff der Nutzung assoziativ besetzt und scheint nicht außerhalb des aktiven Begehens denkbar. Und doch sind auch hier Unterlassungsmodalitäten konstruierbar, in denen das Merkmal der Nutzung unzweifelhaft gegeben ist, so dass die Möglichkeit einer Aneignung durch Unterlassen jedenfalls nicht kategorisch ausgeschlossen werden kann: Wer fremde Kohle in seiner Wohnung verwahrt und zulässt, dass ein Gast diese zum Heizen in den Ofen wirft und sich anschließend an der Hitze des Ofens wärmt, der nutzt die Kohle, ohne dass sich dies als Begehen klassifizieren ließe. In vielen Fällen wird jedoch selbst dann, wenn die Enteignung durch Unterlassen erfolgt ist, die Aneignung in einem Begehen zu erblicken sein. So auch in dem eingangs gebildeten Beispielsfall: Die Nichtanzeige des Fundes ist hier das enteignende Moment, die Herstellung von Eigenbesitz liegt dagegen in der (aktiven) Aufnahme der Uhr in der Absicht, diese zu verkaufen, und das Nutzen der Uhr liegt in dem Verkauf selbst. Der Fall stellt sich dementsprechend als eine Mischform aus Begehen und Unterlassen dar. Wie ist mit solchen Mischformen zu verfahren? Ob ein Verhalten, das sowohl Begehens- wie Unterlassenselemente enthält, als Tun oder Unterlassen eingeord67

Zur Definition der Aneignung vgl. o. Kap. 4, 1., b).

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net werden kann, wird in Rechtsprechung und Lehre unterschiedlich beurteilt 68 . Sinnvollerweise ist in Anwendung des Kausalitätskriteriums zu entscheiden69: Wurde der tatbestandsmäßige Erfolg durch ein Tun oder Unterlassen verursacht? Da der tatbestandsmäßige Erfolg der Unterschlagung in ihrem enteignenden Anteil liegt - denn die Enteignung ist die eigentlich rechtsgutsverletzende Seite der Zueignung, wohingegen die Aneignung vornehmlich der Typisierung des Tatbestandes dient - und da dieser Enteignungserfolg durch Unterlassen bewirkt wurde, steht das Ergebnis insoweit fest: Sollte sich bei der Untersuchung einschlägiger Garantenstellungen ergeben, dass der Finder B rechtlich für die Ausübung der Eigentumsrechte der A einzustehen hat, dann hat er, indem er seinen Fund nicht angezeigt, sondern die Uhr stattdessen verkauft hat, eine Unterschlagung durch Unterlassen begangen. Dieses Ergebnis ist auf die gesamte Kasuistik zu übertragen: Wo die Enteignung des Berechtigten durch ein Unterlassen bewirkt wird, kommt eine Strafbarkeit aus §§ 246, 13 StGB in Betracht und zwar unabhängig davon, ob die Aneignung in einem positiven Tun oder einem Unterlassen zu sehen ist. Es ist nunmehr deutlich geworden, dass der Verwirklichung des Unterschlagungs- und auch des Diebstahltatbestandes durch Unterlassen prinzipiell nichts im Wege steht. Weder die regelmäßige - wenn auch nicht notwendige - Existenz eines Nebentäters beim Diebstahl, noch die ausdrücklichen Handlungsbeschreibungen beider Tatbestände und ihre dementsprechende Qualifizierung als aktgebundene Delikte verhindern generell ihre Begehbarkeit durch bloßes Untätigbleiben. Für unsere Ausgangsfragestellung, nämlich der Suche nach dem Wesen bzw. dem Unrechtsgehalt einer Fundunterschlagung, fehlt jedoch ein weiteres ausschlaggebendes Antwortsfragment: Hat der Finder rechtlich dafür einzustehen , dass der Berechtigte nicht enteignet wird? c) Einschlägige Garantenstellungen Während bei den Begehungsdelikten die objektive Zurechnung auf der Verursachung des tatbestandsmäßigen Erfolgs beruht, reicht bei den unechten Unterlassungsdelikten die Tatsache, dass eine mögliche Handlung den Erfolg verhindert hätte, nicht aus, um die Beeinträchtigung des Rechtsguts jedem Handlungsfähigen als von ihm zu verantwortendes Unrecht zur Last legen zu können. Vielmehr muss ein besonderer Rechtsgrund nachgewiesen werden, wenn jemand ausnahmsweise dafür verantwortlich gemacht werden soll, dass er es unterlassen hat, zum Schutz fremder Rechtsgüter positiv tätig zu werden. Die Gleichstellung des Unterlassens 68 Überwiegend wird auf den „Schwerpunkt des Täterverhaltens" bzw. der „Vorwerfbarkeit" abgestellt: BGHSt 6, S. 46 (59); Sch. / Schr.-Stree, vor § 13, Rn. 158; Wessels/Beulke, AT, Rn. 700; vgl. auch Köhler, AT, S. 215. Jakobs (AT 28/5 ff.) will Unterlassen annehmen, wenn eine Pflicht zum Handeln bestand. 69 LK-Jescheck, vor § 13, Rn. 90.

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mit dem aktiven Tun setzt deshalb voraus, dass der Täter als „Garant" für die Abwendung des Erfolgs einzustehen h a t 7 0 . A l l e Erfolgsabwendungspflichten beruhen auf dem Grundgedanken, dass eine bestimmte Person in besonderer Weise zum Schutz des gefährdeten Rechtsguts aufgerufen ist und dass sich alle übrigen Beteiligten auf das helfende Eingreifen dieser Person verlassen und verlassen dürfen 7 1 . Die Frage, wann und auf welche Weise eine solche strafrechtlich relevante Garantenstellung entsteht (wann jemand „rechtlich (!) dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt" (§ 13 StGB)), ist noch nicht abschließend geklärt 7 2 . Eine Garantenstellung kann nach der älteren Lehre (der formellen Rechtspflichtenlehre bzw. Rechtsquellenlehre), der die Rechtsprechung noch weit gehend f o l g t 7 3 , vor allem auf Gesetz, Vertrag, Ingerenz und auf enger Lebensgemeinschaft beruhen 7 4 . Diese genetische Betrachtung der Garantenpositionen gibt, da sie nur auf den Entstehungsgrund abstellt, die sachlichen Kriterien einer strafrechtlich relevanten Garantenstellung nicht an. Deshalb ordnet eine neuere Funktionenlehre die Garantenpflichten nach ihrem Inhalt. Sie unterscheidet zwischen zwei Grund70 Das Erfordernis einer Garantenpflicht für die Begehung eines unechten Unterlassungsdelikts ist seit dem Aufsatz Naglers im GS 111 (1938), S. 1 ff. in der Theorie anerkannt, setzte sich sodann in der Fassung des Entwurfs 1960 für § 13 de lege ferenda durch und nahm mit dem Beschluss BGHSt 16, S. 155 des Großen Senats für Strafsachen vom 29.05.1961 auch in der Rechtsprechung seinen festen Platz ein. BGH, Urt. vom 25. 07. 2000-1 StR 162/00; Jescheck/Weigend, AT, § 59, IV, 1.; interessanterweise hält Hillenkamp (Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 298) eine Garantenstellung bei der Verwirklichung des § 246 durch Unterlassen nur dort für erforderlich, wo der Täter die Zueignung durch Dritte nicht hindere, nicht aber, wo er die Sache behalte. Hinter dieser Auffassung scheint die Annahme zu stehen, im Behalten einer fremden Sache liege mehr positives Tun als Unterlassen, so dass die ausdrücklichen Erfordernisse des § 13 nicht zu berücksichtigen seien - hierin läge dann allerdings eine schwammige Fixierung der Tathandlung ohne Markierung des Rechtsgutsangriffs. Denn wenn die Tathandlung und der Rechtsgutsangriff in einem Unterlassen bestehen, dann sind die Vorgaben des § 13 einzuhalten und eine Garantenstellung zu verlangen. 72 Jakobs (AT 29/4) hält die hochgradige Unbestimmtheit der Garantenpflicht für verfassungsrechtlich bedenklich. 73 Etwa BGHSt 2, S. 151 (153); 4, S. 20 (22); 11, S. 353 (355); 19, S. 167 (168 f.); auf materielle Erwägungen abstellend andererseits BGHSt 27, S. 10 (12 f.); BGHSt 30 S. 391 (396); vgl. auch den Überblick bei Schulte, Garantenstellung und Solidarpflicht, S. 38 ff. 74 BGHSt 19, S. 168; vgl. auch Jakobs, AT 29/26, m. w. N. Als Entstehungsgründe für Garantenpflichten sind - teilweise darüber hinaus gehend - der Sache nach inzwischen anerkannt: Rechtssatz (als solcher gilt u.U. auch Gewohnheitsrecht, nicht aber Handlungspflichten, die alle gleichermaßen treffen, da sie keine Sonderstellung begründen), tatsächliche Gewährübernahme (z. B. durch Vertrag, auf dessen zivilrechtliche Gültigkeit es allerdings nicht ankommen soll [Tröndle/Fischer, § 13, Rn. 8.; kritisch hierzu Köhler, AT, S. 217 f.]), vorangegangenes Tun (sog. Ingerenz; strittig ist insoweit, ob das Vorverhalten rechtswidrig bzw. pflichtwidrig gewesen sein muss), Zustandshaftung und Verkehrssicherungspflichten (bezüglich der Abwehr von Schäden durch im eigenen Haftungsbereich liegenden Gefahrenquellen, z. B. durch Kraftfahrzeuge, Kampfhunde oder gefährliche Anlagen; dazu gehört auch die Aufsicht über Kinder) und schließlich die enge Gemeinschaftsbeziehung (insbesondere der engere Familienkreis), zu der auch die Vertrauensgemeinschaft und die bewusst eingegangene Gefahrengemeinschaft gehören.

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Positionen: Einerseits der Beschützer- bzw. Obhutsgarantenpflicht, die der Verteidigung eines bestimmten Rechtsguts gegen bestandsgefährdende Vorgänge dient, andererseits der Sicherungs- bzw. Überwachergarantenpflicht, durch die die Überwachung einer bestimmten Gefahrenquelle zugunsten aller potentiell betroffenen Güter gewährleistet wird 7 5 . Diese Ordnung ersetzt nicht die Herleitung aus einem Rechtsgrund, sondern setzt diese voraus, präzisiert sie jedoch um die Klarheit der Ausrichtung 76. Kümmern wir uns in den hier zu klärenden Fällen um mögliche Haftungsgründe, so bewegen wir uns vorwiegend im Bereich der privatautonomen Übernahme , als, wenn auch nicht deckungsgleiches, Unterfeld der Garantenposition aus Vertrag 77. Anders als in Konstellationen, in denen seine Pflicht zum Handeln gewissermaßen „von außen" an den Garanten herangetragen worden ist, geht es bei Fallgestaltungen, die sich auf das Eigentum als Rechtsgut beziehen, zumeist um Pflichten, die der mögliche Garant bewusst und unmittelbar übernommen hat 78 . Es stellen sich als erwägenswert vor allem zivilrechtliche Pflichten heraus: Für die Fundunterschlagung muss die Anzeigepflicht des Finders aus § 965 BGB als Garantenpflicht erwogen werden, für die Leihe (§ 604 ff. BGB) muss über die Rückgabepflicht aus § 604 Abs. 1 BGB bzw. eine vertragliche Nebenpflicht aus § 241 Abs. 2 BGB zur Anzeige über den Verbleib der geliehenen Sache als Garantenpflicht nachgedacht werden, wenn der Verleiher sich an den Verbleib der Sache nicht mehr erinnert und sich danach erkundigt 79 ; ähnliche Regelungen existieren für Miete, Pacht und Verwahrung. All diese Pflichten stellen im Rahmen einer groben Ordnung entweder vertragliche oder Pflichten kraft Übernahme dar. Doch auch nach der formellen Rechtspflichtenlehre begründen zivilrechtliche Vorschriften nicht automatisch eine Garantenstellung im Sinne des § 13 StGB 80 . Zwar schrieb der auf Feuerbach 81 zurückgehende Rechtspflichtengedanke dem Zivilrecht für die strafrechtliche Pflichtbegründung eine tragende Rolle zu. Man war sich jedoch alsbald einig, dass es zu einer inakzeptablen Ausuferung der Handlungspflichten führen würde, wenn man das gesamte Zivilrecht sowie das öffentli75 Kaufmann, Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte, S. 283 ff.; Sch. / Schr.-Stree, § 13, Rn. 9; Schmidhäuser, AT, 16/39 f.; SK-Rudolphi, § 13, Rn. 24 f. 76 Jakobs, AT, 29/27. Vgl. auch dessen ausführliche Zusammenschau der Lösungsvorschläge zum Haftungsgrund, a. a. O., Fn. 53. 77 Vgl. dazu Köhler, AT, S. 217 f. 78 Vgl. hierzu Schulte, Garantenstellung und Solidarpflicht, S. 103. 7 9 In diesem Sinne BayObLG, GA 1956, S. 265-266; grundsätzlich ebenso KG, GA 1972, S. 277 (278). 80

Kienapfel, Strafrecht AT, S. 509. Eine ausführliche Darstellung dieses Themenbereichs bei Grünewald, Zivilrechtlich begründete Garantenpflichten, insb. S. 124 ff. 81 Feuerbach, Lehrbuch, § 24: „Weil aber die ursprüngliche Verbindlichkeit des Bürgers nur auf Unterlassungen geht; so setzt ein Unterlassungsverbrechen immer einen besonderen Rechtsgrund (Gesetz oder Vertrag) voraus, durch welchen die Verbindlichkeit zur Begehung begründet wird. Ohne diesen wird man durch Unterlassung kein Verbrecher." 12 Kauffmann

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che Recht als Quellen strafrechtlicher Garantenpflichten ansähe. Mezger verlangte Pflichten, deren erweislicher Sinn es sei, eine strafrechtliche Haftung für den Erfolg zu begründen 82. Der maßgebliche Gesichtspunkt liege im Falle vertraglicher Pflichten darin, dass der Vertragsgegner sich auf die zugesagte Hilfe verlasse und im Vertrauen auf diese von anderen Sicherungsmaßnahmen absehe. Die ab Mitte des vorigen Jahrhunderts entwickelten Konzepte83 stellten in unterschiedlicher Gewichtung auf die Kriterien der Gefahrschaffung 84, des Herrschaftsbereichs 85, des Vertrauens bzw. der Verhaltenserwartung 86 ab, orientieren sich jedoch sämtlich an materialen Erwägungen. Diese in der heutigen Dogmatik herrschenden Ansätze gehen allerdings vielfach konform mit jenen Prinzipien, die im Zivilrecht zur Herleitung von Handlungspflichten herangezogen werden 87. Wenn auch eine pauschale Übernahme des zivilrechtlichen Zurechnungsmodells und damit Pflichtbegriffs mit einem herkömmlichen Verständnis von Strafrecht nicht zu vereinen ist 8 8 , so wird man doch einzelne zivilrechtliche Pflichten auf ihre Übertragbarkeit in die Zurechnungszusammenhänge des § 13 StGB hin überprüfen müssen. Welcher Aspekt muss aber hinzukommen, um die strafrechtliche Haftung zu begründen? Nach der überwiegenden Meinung kommt es im Falle vertraglicher oder quasivertraglicher Pflichten allein darauf an, ob jemand tatsächlich den Schutz eines Rechtsgutes oder die Überwachung einer Gefahrenquelle übernommen hat 89 . Laut Stree lässt sich die unterbliebene Schadensverhinderung der Verletzung eines Rechtsgutes nur gleichstellen, wenn der Täter gegenüber dem betroffenen Rechtsgut eine Schutzfunktion eingenommen hat, mit der das Schutzobjekt in Abhängigkeit von ihm geraten ist. Eine derartige Abhängigkeit liege nur dann vor, wenn mit der Übernahme eines Tätigkeitskreises ein Rechtsgut der Gefährdung ausgesetzt ist. Erst dann sei ein Rechtsgut tatsächlich dem Täter ausgeliefert 90. Die Übernahme ähnele insofern dem vorangegangenen gefahrbegründenden Tun 91 . Blei 92 stellt demgegenüber auf das Vertrauen des Vertragsgegners auf die Übernahme ab 93 ; generalisiert dieses Erfordernis allerdings insoweit, als es dafür nicht notwen82 Mezger, Strafrecht, S. 140 ff. 83 Vgl. den Überblick bei Grünewald, Zivilrechtlich begründete Garantenpflichten, S. 18-29. 84 Arzt, JA 1980, S. 560. 85 Schünemann, Grund und Grenzen der unechten Unterlassungsdelikte, S. 229 ff. 86 Brammsen, Die Entstehungsvoraussetzungen der Garantenpflichten, S. 182; Köhler, AT, S. 210 ff. 87 Grünewald, Zivilrechtlich begründete Garantenpflichten, S. 46. 88 BGH, Urt. vom 25. 07. 2000 (1 Str 162/00); BGHSt 39, S. 392 (399); Grünewald, a. a. 0.,S. 127. 89 Statt vieler Stree, Mayer-FS, S. 149 m. w. N., S. 151. 90 Stree, Mayer-FS, S. 164. 91 Stree, Mayer-FS, S. 155; ebenso OLG Celle, NJW 1961, S. 1940. 92 Blei, Mayer-FS, S. 122. 93 Ähnlich, wenngleich subjektiver orientiert: Maiwald, JuS 1981, S. 481.

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dig auf einen des Beweises bedürftigen psychischen Vorgang beim Vertragspartner ankommen soll, es vielmehr genüge, dass sich an ein bestimmtes Vorverhalten die objektiv begründete Erwartung bestimmten Folgeverhaltens knüpfe 94 . An objektive Verhaltenserwartungen und nicht an subjektives Vertrauen will auch Brammsen die Garantenpflicht kraft Übernahme knüpfen: „Warum darf man darauf vertrauen, dass sich jemand nicht widersprüchlich verhält? Warum soll ein solches Verhalten strafrechtliche Folgen haben? ( . . . ) Nicht irgendwelche Erwartungen oder »Vertrauensverhältnisse 4 sind entscheidend! Bedeutsam und einzig und allein maßgebend ist die reale Existenz einer in einer bestimmten sozialen Position verfestigten und allgemein anerkannten tatsächlichen und gegenseitigen Erwartungsbeziehung, an der sich die einzelnen Mitglieder einer Sozietät in ihrem Verhalten gegenüber anderen orientieren und deren Beachtung und Befolgung sie als sicheren und determinierten Faktor bei der Ausgestaltung des sozialen Alltagslebens berücksichtigen." 95 Gallas gibt zu bedenken, dass im Gegensatz zu den Fällen der Rechtspflicht aus vorangegangenem gefährlichen Tun die Vorhandlung des eine Schutzfunktion Übernehmenden die Gefahr, in die der andere sich begibt, nicht herbeiführe; sie habe vielmehr gerade den Sinn, diese Gefahr zu bannen, erscheine also selbst erst unter der Voraussetzung gefährlich, dass der Garant in der übernommenen Schutzfunktion versage 96. Voraussetzung ist daher auch nach Kienapfel , dass die Pflicht freiwillig übernommen und tatsächlich angetreten wurde 97 . Nach Brammsen 98 gilt es, vor allem zwei Fragen zu bejahen, wenn eine Garantenpflicht kraft Übernahme einer Beschützelfunktion angenommen werden soll: Hatte der Täter eine tatsächliche, das heißt individuelle und konkrete Einflussbefugnis hinsichtlich des Rechtsgutobjektes? Und bestand eine feststellbare Gefahrerhöhung wegen unterbliebener anderweitiger Schutzmaßnahmen, bzw. eines besonderen Vertrauens auf Erfüllung der übernommenen Aufgabe? Was die Fund-Fälle anbelangt, so besteht zwischen Finder und Eigentümer gewiss keine vertragliche Bindung, wohl aber ein gesetzliches Schuldverhältnis, auf das die Regeln der §§ 677 ff. BGB ergänzend Anwendung finden 99 . Der Eigentümer weiß zwar weder von der Existenz, noch von der Identität des Finders: von Vertrauen auf die Übernahme der Schutzfunktion oder gar dem Unterbleiben anderweitiger Schutzmaßnahmen kann daher mangels Gelegenheit hierzu keine Rede sein. Dahingegen gibt es durchaus die objektiv an das Vorverhalten der Aufnahme einer Fundsache geknüpfte, begründete Erwartung bestimmten Folge Verhaltens: nämlich die gesetzlich manifestierte Erwartung, der Finder einer Sache werde den Fund anzeigen (§ 965 BGB). Rotering bemerkt schon im Jahre 1884 - lange vor 94 Blei, a. a. O., S. 140; ähnlich Grünewald, Zivilrechtlich begründete Garantenpflichten, S. 140. 95 Brammsen, Die Entstehungsvoraussetzungen der Garantenpflichten, S. 189. 96 Gallas, Studien zum Unterlassungsdelikt, S. 87. 97 Kienapfel, Strafrecht AT, S. 509. 98 Brammsen, Die Entstehungsvoraussetzungen der Garantenpflichten, S. 182. 99 Palandt-Bassenge, Vorb. vor § 965, Rn. 3. 12*

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der Entwicklung einer in sich geschlossenen Dogmatik der unechten Unterlassungsdelikte oder gar der Lehre zu den Garantenpflichten - zur Fundunterschlagung: „Das An- oder Aufnehmen der Sache ist der erste Schritt zur Enteignung. Ueberdies verknüpft sich aber mit der Aufnahme fremder Vermögensgegenstände allsofort eine gewisse Verpflichtung in der Richtung, dass man nun auch für dieselben sorgen muss. ( . . . ) Er [der Aufnehmende] hat eingegriffen in die fremde Rechtssphäre und muss sich nun aus dieser wieder zurückziehen. Hiernach erfüllt sich leicht der Zueignungsact, sobald ein solcher Gewahrsamshaber animo furandi sich nicht meldet, wenn der Eigenthümer die Sache sucht." 100 Oder, aus noch weiterer Vergangenheit, mit den Worten von Schütze: „Wer findet, mag liegen lassen; wer das Gefundene auf- und mitnimmt, entfernt es dadurch vom Sucher, Verlierer." 101 Gleiches gilt noch heute. Die bloße Nichtanzeige stellt isoliert betrachtet keine Zueignung dar, denn sie kann, welche Motivation sich auch immer hinter ihr verbirgt, allein ein Aspekt der Zueignung sein: der objektive Anteil der Enteignung durch Unterlassen. Hinzukommen muss einiges: Da wäre zunächst der objektive Anteil des Aktes der Aneignung (die Sachbehandlung) und es wären außerdem die subjektiven Komponenten: der Zueignungsvorsatz, das Anlegen der Enteignung auf Dauer, die Herstellung von Eigenbesitz und die über eine bloße Destruktion hinausgehende Konzeption der Sachbehandlung. Dass der Nachweis der subjektiven Komponenten bei einem Unterlassen durchweg mühsamer zu erbringen sein wird, als bei positiven Enteignungsakten, ist kein Spezifikum der Zueignungsdelikte, sondern ein allgemeines Dilemma der strafrechtlichen Ahndung unechten Unterlassens. Wichtig ist indes zu fixieren, dass der Finder die Wahl hat: Er kann die Sache liegen lassen; es gibt nichts, das ihn zwänge, die Sache aufzuheben. Lässt er sie liegen, so entstehen ihm keinerlei rechtliche Pflichten. Entschließt er sich aber, sie aufzuheben, so übernimmt er es, der Sorge des Gesetzgebers um die Ordnung der rechtlichen Habenssphären Genüge zu leisten, d. h. seiner Pflicht aus § 965 BGB zu entsprechen und den Fund anzuzeigen. Es bestehen, angesichts der Freiwilligkeit des Übernahmeaktes und der klaren gesetzlichen Vorgaben aus § 965 BGB, keinerlei erdenkliche Vorbehalte, hierin die Geburt einer Garantenstellung kraft freiwilliger Übernahme zu erblicken. Wir wollen die Haltbarkeit dieser These anhand einer Variation des Falles überprüfen: Nähme der Finder eine verderbliche Sache auf, so wäre er gemäß §§ 303, 13 StGB kraft seiner Garantenstellung aus § 965 BGB einer Sachbeschädigung schuldig, wenn er seiner Anzeigepflicht nicht entspräche und die Sache verkäme. Es bedürfte hier, anders als bei der Unterschlagung, zu deren Völlendung weitere Schritte notwendig wären, keinerlei weiterer Eingriffsakte, um den tatbestandlichen Erfolg eintreten zu lassen. Auch hier wäre man gezwungen, die Nichthin100 Einschränkend allerdings sodann: „Hingegen kann die bloße Nichtanzeige eines Fundes, auch wenn die Anzeige gesetzlich vorgeschrieben ist, die Erfordernisse eines Aneignungsactes an sich nicht erfüllen.", GS 36 (1884), S. 569. 101 Schütze, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts (1874), S. 443.

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derung naturkausaler Geschehensabläufe strafrechtlich zu würdigen - doch wir haben gesehen, dass ihrer Einstufung als strafrechtlich relevantes Verhalten grundsätzlich nichts im Wege steht 102 . So dass man unter der Prämisse der oben entwickelten Resultate eine Sachbeschädigung durch Unterlassen anzunehmen hätte. Kann das sein? Mit aller Vorsicht wird man diese Frage bejahen können: Voraussetzung ist zwar die Vornahme einer hypothetischen Kausalitätsprüfung, die Feststellung also, ob auch bei vorgestellter Vornahme der gebotenen Handlung (der Anzeige des Fundes) der tatbestandliche Erfolg (das Verderben der Sache) eingetreten wäre. Handelt es sich um eine Sache, die ihrem Wesen entsprechend und selbst bei pflichtgemäßem Verhalten des Finders verderben würde (etwa Schnittblumen), so ist der objektive Tatbestand zu verneinen. Korrespondiert das Verderben jedoch der Nichtanzeige des Fundes (etwa bei Topfpflanzen, die durch den Finder nicht bewässert werden), so mutet eine Einordnung als Sachbeschädigung bei Vorliegen eines entsprechenden Vorsatzes nicht unverhältnismäßig an; das äußere Verhalten des Finders, der die Sache aufnimmt und doch verkommen lässt, steht dem äußeren Verhalten desjenigen, der sie unmittelbar beschädigt, nicht nach. Unterschiede zwischen beiden Tatbegehungstypen mögen häufig darin zu finden sein, dass letzterer auch einen unmittelbaren Vorsatz erfordert, während ersterer oft auf Nachlässigkeit beruhen wird. Doch dies sind Fragen des subjektiven Tatbestandes, ihre Problematik ist eine beweisrechtliche, mit der die Konstruktion des objektiven Tatbestandes in keinem direkten Zusammenhang steht. Auch auf andere Sachverhalte und Tatbestände im Bereich der Eigentumsdelikte übertragen bewährt sich damit die Einordnung der Anzeigepflicht aus § 965 BGB als Garantenstellung kraft Übernahme einer Schutzfunktion. Noch ein weiterer Gedanke ist dem hinzuzufügen. Eingangs wurde erläutert, dass in Fällen der Fundunterschlagung wie in allerhand anderen Konstellationen ein Rechtsgutsangriff in positivem Tun nicht auszumachen ist. Zwar ist die Frage des Rechtsgutsangriffes losgelöst von der Bestimmung etwaiger Garantenstellungen zu betrachten - und doch mag in die Abwägung einfließen: Würde man im Bereich der Eigentumsdelikte überspannte Anforderungen an zivilrechtlich begründete Garantenpflichten stellen, so ginge dies einher mit einer weit gehenden Preisgabe des strafrechtlichen Eigentumsschutzes - jedenfalls sofern man den hier beschrittenen Weg einer am Inhalt des Zueignungsbegriffes orientierten Auslegung der Tathandlungen beibehalten möchte. Um- und Vorsicht bei der Übertragung zivilrechtlicher Pflichten in die strafrechtliche Unterlassensdogmatik ist auch im Bereich der Eigentumsdelikte angesagt - doch die Kriterien für die Bejahung einer Obhutsgarantenpflicht kraft Übernahme einer Schutzfunktion sind weicher. Konkret bedeutet dies: Der Finder hat zwar mit der Aufnahme der Fundsache keinen Vertrag unterschrieben, der ihn zum Schutz des Eigentums des Berechtigten verpflichtet; er hat sich diesem gegenüber auch nicht entsprechend eingelassen, so dass ihm aus der Nichtanzeige ein Vertrauensschaden entstünde. Doch der Finder 102 Vgl. o. a).

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hat seine Obhutsstellung konkludent eingenommen, da das Aufnehmen der Sache einhergeht mit der gesetzlichen Verpflichtung, dies zur Anzeige zu bringen. Im Gegensatz zu manch anderer zivilrechtlicher Pflicht enthält die Aufnahme einer Fundsache damit ein Moment der bewusst-willentlichen Übernahme einer Beschützerrolle, die der Übernehmende vermeiden könnte, indem er die Sache liegen ließe 103 . Dies muss im Bereich der Eigentumsdelikte für die Begründung einer strafrechtlichen Garantenstellung genügen. Es ist nun vieles auch für analoge Sachverhalte gesagt. Das Festgestellte gilt ohne wesentliche Abwandlungen etwa auch für die Verletzung von Rückgabepflichten aus Leih- oder Verwahrungsverträgen nach §§ 604, 695 BGB - dass der Entleiher oder Verwahrer hier eine Schutzfunktion freiwillig übernommen hat, wird man noch weniger bezweifeln können als im Falle des Fundes, denn die unbeschadete Rückgabe der Sache ist bei der Leihe und der Verwahrung ausdrücklich Vertragsbestandteil (§§ 604 Abs. 1, 688, 695 BGB). Es wird insofern hier auch zumeist nicht nötig sein, eine entsprechende Garantenstellung den zivilrechtlichen Normen abzuringen, sondern man wird sie häufig dem Vertrag selbst entnehmen können 104 . Schließlich können für (quasi-)vertragliche Verhältnisse grundsätzlich auch Aufklärungspflichten aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) hergeleitet werden 105 - z. B. im Fall des Nichteinschreitens bei Pfändungen an schuldnerfremden Sachen oder im Fall des Untätigbleibens, wenn sich der vergessliche Eigentümer nach dem Verbleib einer Sache im Kreis mehrerer als Entleiher in Frage kommender Personen erkundigt. Im Rahmen vertraglicher Beziehun103

Bei Irrtum des Finders über seine Pflichten kommt der Ausschluss des subjektiven Tatbestandes gemäß § 16 in Betracht. 104 So etwa in dem Fall, über den das OLG Oldenburg im Jahr 1952 zu entscheiden hatte (NJW 1952, S. 1267): Der Mieter einer Schreibmaschine hatte es - um seine eigenen Schulden zu verringern - zugelassen, dass die gemietete Schreibmaschine bei ihm gepfändet und zur Verwertung abgeholt wurde, ohne hiervon den Vermieter in Kenntnis zu setzen. Zu Recht nimmt das OLG Zueignung an - allerdings ohne jede Prüfung der notwendigen Garantenstellung (die sich hier aus den mietvertragsimmanenten Treuepflichten ergibt), da es offenbar in der Manifestation des Zueignungswillens (hier: das Zulassen der Verwertung) per se eine positive Handlung erblickt. 105 Hierzu BGHSt 39, S. 392 (399); in der Begründung derartiger Aufklärungspflichten ist die Rechtsprechung zunächst verhältnismäßig weit gegangen (vgl. RGSt 66, S. 58; 69, S. 284; 70, S. 151 [155] und S. 225 [227]; BGHSt 6, S. 198). Inzwischen ist der Bundesgerichtshof (wistra 1988, S. 262 [263]) hiervon indessen weit gehend abgerückt. Vorausgesetzt wird auch hier als Grundlage ein besonderes Vertrauensverhältnis (BGH a. a. O., m. w. N.). So ist eine Garantenpflicht verneint worden bei dem Empfänger einer Überzahlung nach Scheckvorlage (OLG Düsseldorf NJW 1969, S. 623 m. Anm. Deubner) sowie dem Empfänger von Rentenbezügen nach dem Tode des Rentenberechtigten (OLG Köln NJW 1979, S. 278). Gefordert werden von der Rechtsprechung „besondere Umstände im zwischenmenschlichen Bereich" (OLG Düsseldorf NJW 1987, S. 853 (854); OLG Frankfurt NJW 1971, S. 527 m. Anm. Böhm S. 1143 ; OLG Köln NJW 1980, S. 2366 (2367); 1984, S. 1979 (1980); JZ 1988, S. 101 (102) m. Anm. Joerden); vgl. auch Kamberger, Treu und Glauben (§ 242 BGB) als Garantenstellung im Strafrecht?, insb. S. 263 ff.

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gen setzt eine strafrechtlich relevante Aufklärungspflicht voraus, dass besondere Umstände vorliegen, wie etwa ein besonderes Vertrauensverhältnis oder eine ständige Geschäftsverbindung - Situationen, in denen der eine darauf angewiesen ist, dass ihm der andere die für seine Entschließung maßgebenden Umstände offenbart 106 . Ein solches besonderes Vertrauensverhältnis und damit die Begründung einer Garantenstellung wird man immer annehmen können, wenn dem Unterlassenden die Sache „anvertraut" ist i. S. d. § 246 Abs. 2 StGB 1 0 7 . Anvertraut ist eine Sache nach der herkömmlichen Definition, wenn der Gewahrsam mit der Verpflichtung erlangt wurde, die Sache zurückzugeben oder zu bestimmten Zwecken zu verwenden, also jedenfalls im Falle der Leihe, Miete oder Hinterlegung 108 . Auch beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt vertraut der Verkäufer dem Käufer die Sache an, und ebenso ist es bei der Sicherungsübereignung 109. Nach der Reformgesetzgebung von 1998 wird man angesichts des Fortfalls des Gewahrsamserfordernisses in § 246 StGB im Anschluss an Friedl in der Definition des Anvertrautseins noch weiter gehen müssen und nun auch das Einräumen der Verfügungsgewalt über die Sache in dem Vertrauen, der Täter werde mit der Sache nur im Sinne des Anvertrauenden verfahren, als ein Anvertrauen i. S. d. § 246 Abs. 2 StGB auffassen müssen und zwar ohne dass dabei notwendig Gewahrsam eingeräumt werden müsste 110 . In allen diesen Fällen ist eine Garantenpflicht begründet, die sich je nach Übereinkommen wenigstens auf die Aufklärung über alle die Sache betreffenden erheblichen Umstände bezieht 111 .

d) Die Abgrenzung zum furtum usus Wie kann aber die Unterschlagung nach all dem noch äußerlich vom furtum usus abgegrenzt werden? Die Antwort ist schlicht: gar nicht. In diesem wie in jenem 106 BGH, Urt. vom 25. 07. 2000 (1 Str 162/00); BGH GA 1967, S. 94 f.; wistra 1988, S. 262 f.; ebenso LK-Lackner, 10. Aufl. § 263, Rn. 63 sowie Sch. / Schr.-Cramer, § 263, Rn. 22, 23; zur Gefahrerhöhung durch Verschweigen anderweitiger Unfallversicherungen vgl. BGH NJW 1985, S. 1563 f. 107

Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 202, Fn. 41. los Vgl. Sch. / Schr.-Eser, § 246, Rn. 29. 109 Ebenda. ho Friedl, wistra 1999, S. 208; vgl. aber Jahn, in: Irrwege der Strafgesetzgebung (1999), S. 214, der eine verfassungskonforme Auslegung des § 246 unter Beibehaltung des Gewahrsamserfordernisses fordert. in Die scheinbar divergente Regelung des Zivilrechts aus § 935 BGB, die dem Eigentümer den Eigentumsverlust gerade dann zumutet, wenn er das Auseinanderklaffen von Eigentum und Besitz selbst veranlasst und damit die Grundlage des Rechtsscheins geschaffen hat (Staudinger-Wiegand, Vorb. zu § 932, Rn. 22), knüpft an deutschrechtliche Grundsätze an, die vor allem in den Partikularrechten des 19. Jahrhunderts Niederschlag gefunden hatten (Staudinger-Wiegand, § 935, Rn. 2). Sie fanden sich ebenso in germanisch-deutschen Sprichwörtern wie: „Hand wahre Hand" oder „Wo du deinen Glauben gelassen hast, da sollst du ihn suchen" (a. a. O.).

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5. Kap.: Sonderfragen des Zueignungsbegriffs

Fall erkennen wir äußerlich nicht mehr als die Nichtvornahme eines gebotenen Tuns und das Nutzen der Sache für eigene Zwecke. Die Unterscheidungen liegen im subjektiven Bereich. Diese Einsicht ist geeignet, Bedenken hervorzurufen. Maiwald erklärt sein „Unbehagen" in dieser Frage nicht zuletzt mit der beweisrechtlichen Erwägung, die Überschreitung der Anzeigefrist im Falle eines Fundes könne „ja auch auf Nachlässigkeit beruhen" 112 . Doch ausgerechnet hier ist dem Unbehagen etwas entgegenzuhalten: Das Behalten einer gefundenen Sache aus Nachlässigkeit stellt auch unabhängig von subjektiven Elementen keine Zueignung dar. Denn zur Zueignung gehört die oft zurückgesetzte Aneignung. Und diese besteht in der Begründung von Eigenbesitz und im positiven Nutzen der Sache für eigene Zwecke. Fehlt dies, so entsteht die Problematik der Abgrenzung vom furtum usus gar nicht erst, denn es liegen nicht einmal für jenen Indizien vor. Bloße Nachlässigkeit, so die beschwichtigende Erkenntnis, wird man auch unter Anerkenntnis einer UnterschlagungsVariante durch Unterlassen nicht mit Zueignung verwechseln - jedenfalls sofern man die Prüfung der inhaltlichen Elemente der Zueignung ernst nimmt 1 1 3 . Des ungeachtet ist eine namhafte Anzahl von Fällen vorstellbar, in denen der potentielle Täter beginnt, die Sache für sich zu nutzen - und eine Abgrenzung vom furtum usus damit unvermeidlich wird. Die Annahme von Zueignung davon abhängig zu machen, dass „der Täter auch objektiv eine Lage schafft, die die Rückkehr der Sache zum Eigentümer als zufällig erscheinen lässt", wie Maiwald es vorschlägt 114 , erscheint wenigstens für die Fund- und Irrtumsfälle ungereimt: Angesichts der Tatsache, dass die Sache in jenen Fällen an einem dem Berechtigten unbekannten Ort ist, bleibt undurchsichtig, wie die objektive Lage für den Eigentümer noch irgendeine Verschlechterung erfahren sollte. Auch bevor es zu einem Einschreiten des Täters kommt, ist die Sache für den Eigentümer unauffindbar und ihr Rückerhalt dem Zufall überlassen. Die Rückkehr wird nicht „zufälliger" und die Sache nicht „unauffindbarer", wenn der Täter sie in seinem Keller versteckt. Auch die Suche nach einer Handlung, die in irgendeiner Weise die Endgültigkeit des Sachverlustes „verobjektiviert" 1 1 5 wäre nach den hier entwickelten Maßstäben wenig hilfreich: denn das Erfordernis von Endgültigkeit der Enteignung ist keine Angelegenheit des objektiven Tatbestands der Unterschlagung, sondern des subjektiven 116 . 112 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 200, Fn. 34; ebenso RG 4, S. 404 (406). 113 OLG Hamm, JR 1952, S. 204: „In der bloßen Nichtanzeige (§ 965 Abs. 2 BGB), also einer reinen Unterlassung, kann eine solche Aneignungshandlung in der Regel nicht gefunden werden. Anders, wenn der Finder die Sache gebraucht, versteckt verändert, über sie verfügt, oder wenn er bei dem Berechtigten den Besitz ableugnet oder er sich diesem gegenüber selbst als Eigentümer ausgibt. Mit dieser Maßgabe gilt noch die alte Regel: ,Fund verhohlen ist so gut wie gestohlen'." - Gleichwohl wäre nach Maßgabe der herrschenden Meinung bei Vorliegen derartiger Handlungen Zueignung durch positives Tun anzunehmen. 114 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 199.

115 Maiwald, a. a. O., S. 200. 116 Vgl. zu dieser Frage Kap. 4, 1., a), bb).

2. Die Drittzueignung

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Doch um die Besorgnis zu relativieren, muss man sich nur eines vergegenwärtigen: § 242 StGB ist per se und eben auch im Falle positiven Tuns objektiv nicht vom furtum usus abzugrenzen. Die Wegnahme als Handlung ist nur durch den hinter ihr stehenden Willen strafbar, durch die Absicht des Täters, sich die Sache zuzueignen. Ohne diese subjektive Komponente stellt auch die Diebstahls-Handlung nur das Ansetzen zur Gebrauchsanmaßung dar. Beruft sich der Täter darauf, er habe die Sache nur kurz nutzen und sodann zurückgeben wollen, gerät man auch für die Bejahung des Diebstahltatbestandes in beweisrechtliche Schwierigkeiten. Was nun im Rahmen der Prüfung des § 242 StGB ein ständiger und gewohnter Begleiter ist - nämlich das Gebot der Differenzierung von strafbarem und straflosem Tun nach subjektiven Kriterien - , das wird auch innerhalb der Prüfung des Unterschlagungstatbestandes zu bewältigen sein. Dies mag das empfundene „Unbehagen" nicht ausräumen, es jedoch dogmatisch legitimieren und daher mildern.

2. Die Drittzueignung Die Aufnahme der Drittzueignung bzw. der Drittzueignungsabsicht in die Eigentumsdelikte durch das 6. StrRG vom 1. April 1998 ist die elementarste Änderung dieser Tatbestände seit Bestehen des StGB. Ziel der Novelle war vornehmlich die Schließung von Strafbarkeitslücken 117. Unabhängig vom Gelingen dieses Strebens stellt sie jedenfalls unumstößlich klar, dass auch die Weitergabe von fremden Sachen an Dritte grundsätzlich dem strafrechtlichen Eigentumsschutz unterfällt. Für die Unterschlagung, deren Tatbestand zugleich das Gewahrsamserfordernis eingebüßt hat, bedeutet dies, dass über den damit gesetzlich verankerten Verzicht auf die Nähe des Täters zum Tatobjekt hinaus auch auf die Nähe des Täters zum Nutzen der Tat verzichtet wird: „Akteur, Besitzer der Sache und Nutznießer der Tat können personenverschieden sein" 1 1 8 ! Um die Bedeutung der Aufnahme der Drittzueignung in die Zueignungstatbestände zu überblicken, ist es sinnvoll, sich zunächst das Spektrum der Meinungen zu diesem Gegenstand vor der Gesetzesnovelle zu vergegenwärtigen. Unter dem Stichwort der Drittzueignung wurde dabei praktisch ausschließlich ein Abgrenzungsproblem diskutiert 119 : Je nach Auslegung des Begriffs der Selbstzueignung bestanden nach alter Rechtslage entweder eklatante Strafbarkeitslücken oder auch gar keine. Und je nach früher vertretener Ansicht wird heute die Drittzueignung interpretiert - ob sie eine Lücke schließt, wie groß diese Lücke war und welcher Gestalt: all dies zeichnet sich bereits in den Diskussionsständen aus der Zeit vor dem 6. StrRG ab.

Vgl. BT-Drucksache 13/8587, S. 43. Iis Degener, JZ 2001, S. 390. ii9 Rönnau,GA 2000, S. 411.

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5. Kap.: Sonderfragen des Zueignungsbegriffs

a) Streitfälle nach alter Rechtslage Der Entleiher eines Buches verschenkt dieses an einen Freund oder verkauft es auf einem Flohmarkt oder spendet es anonym der Bibliothek einer Strafvollzugsanstalt - er missachtet damit das Eigentumsrecht des Verleihers, aber eignet er damit sich das Buch zu? Die Problematik der Weitergabe fremder Sachen an Dritte betrifft inhaltlich nicht den Streit um das Handlungsobjekt der Eigentumsdelikte, also die Frage, ob die Sache in ihrer Substanz oder ihrem Wert zugeeignet werden muss, sondern lediglich die Auslegung einer der beiden Zueignungskomponenten, nämlich die der Aneignung 120 . Das Thema der Debatte ist, ob durch die Weitergabe der Sache an einen Dritten der Aneignungsadressat wechselt, sprich: ob der Täter eigentlich noch der ist, dem die Sache angeeignet wird, oder ob und mit welchen Konsequenzen durch die Weitergabe der Dritte zum Aneignungsempfänger wird. Im Gegensatz dazu ist die Enteignung in den diskutierten Fällen regelmäßig zweifelsfrei gegeben, denn unabhängig vom Aneignungsadressaten wird das Ausschließungsrecht des Eigentümers fraglos vereitelt; der Eigentümer erhält hier seine Sache nicht zurück; er wird um die Substanz der Sache gebracht und nicht bloß um ihren Wert (wie etwa bei der zurückgegebenen entleerten Batterie oder dem zurückgegebenen aber abgenutzten Zelt). Dass also das Objekt der Tat, soweit es den um sein Ausschlussrecht gebrachten Eigentümer betrifft, die Sache als solche in ihrer Körperlichkeit ist, das ist in den Zuwendungsfällen unbestritten und unterscheidet sie elementar von allen anderen unter Sachwertgesichtspunkten diskutierten Bereichen 121 . Denn die Sachwerttheorie wird sonst regelmäßig dann bemüht, wenn der Eigentümer seine Sache zurückerhält - die einzige Ausnahme bildet die Drittzuwendung. Sie bildet daher eine echte Sonderkonstellation unter den Anwendungsfeldern der Wertansätze 122. Die Schwierigkeit, vor der die Lehre nach alter Rechtslage stand, war damit diese: Die Zuwendung der Sache an Dritte erfüllte den Tatbestand der Zueignung nur 120 Vgl. hierzu auch Rönnau, GA 2000, S. 412; Dencker/Struensee/Nelles/Stein, 1. Teil, III., Rn. 41; Krey, BT 2, Rn. 86. 121 Vgl. hierzu Küper, BT, S. 415. - Der problematische Punkt bei den Fällen der Drittzueignung liegt damit nicht auf der Ebene der Bestimmung des Handlungsobjektes, sondern der Aneignungskomponente. Es zeigt sich hier erneut ein Ergebnis der fatalen Vermengung von Zueignungsobjekt und Zueignungsinhalt und der daraus resultierenden Konfusion. Bezeichnend diesbezüglich SK-Samson (4. Aufl.), § 242, Rn. 77, der den Streit um die Drittzueignung ausdrücklich im Aneignungsbereich ansiedelt und die Problematik dennoch nicht von den Objekttheorien zu trennen vermag. 122 Wolfslast, NStZ 1994, S. 544, geht davon aus, die SachWerttheorie dürfe im Rahmen der herrschenden Vereinigungslehre für Zuwendungsfälle nicht in Betracht gezogen werden, da sie lediglich subsidiär zum Zuge käme, wenn die Substanztheorie versage, weil die Sache dem Eigentümer als leere Hülse zurückgegeben werde; vgl. auch Küper, BT, S. 419: „Für die Begründung der Aneignungskomponente benötigt man an sich keinerlei ,Sachwerttheorie'". Warum allerdings die Subsidiarität von Sachwertgesichtspunkten auf jene Fallkonstellationen der problematischen Zfofeignungsebene beschränkt sein soll, bleibt freilich bei beiden unerklärt.

2. Die Drittzueignung

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dann, wenn in ihr, abgesehen von der Enteignung des Berechtigten, eine Selbstaneignung durch den Täter gesehen werden konnte 123 . Vertreten wurden auch nach altem Recht Auffassungen, die durchweg alle Formen der Zuwendung einer zuvor weggenommenen oder sonst fremden Sache an Dritte für Selbstzueignungen erachteten. Je weniger allerdings der weitergebende Vordermann der Tat das Geschehen beeinflusste, je weniger egoistisch seine Motive waren, je aktiver der Dritte beteiligt war, desto weniger Stimmen vernahm man, die für die Annahme von Selbstzueignung des Vordermannes plädierten.

aa) Das Verkaufen

oder Verschenken einer Sache

Ohne mühevollen Konstruktionsaufwand lösbar erschienen der ganz herrschenden Meinung Fallkonstellationen, in denen der Täter eine fremde Sache in der Absicht wegnimmt, diese Sache einem Anderen zu verkaufen oder zu schenken (dies betraf die Diebstahlskonstellationen) bzw. eine fremde Sache, die er in Besitz oder Gewahrsam hatte, an einen Anderen verkaufte oder verschenkte (dies betraf die Unterschlagungskonstellationen). Völlige Einigkeit herrschte, soweit ersichtlich, allein bezüglich des Verkaufs weggenommener oder sonst fremder Sachen. Wer eine Sache wegnahm, um sie im unmittelbaren Anschluss zu verkaufen und an den Verkaufserlös zu gelangen, der eignete sich nach ganz herrschender Lehre die Sache selbst in ihrer Substanz zu 1 2 4 . Die Aneignung beziehe sich auf die Sache selbst, nicht bloß auf den in ihr verkörperten Sachwert; denn der Verkauf manifestiere, dass der Tater die Sache als Bestandteil seines Vermögens behandele125. Die Rechtsprechung kam zu demselben Ergebnis, stellte indes auf den Sachwertgesichtspunkt ab, indem der Gewinn des Entgeltes als Überführung des wirtschaftlichen Wertes der Sache in das eigene Vermögen angesehen wurde 126 . Doch auch wer als Schenkender auftrat, brachte nach herrschender Lehre zum Ausdruck, dass er aus eigenem Vermögen leistete 127 . Schroeder formuliert: „Der 123 LK-Ruß, § 242, Rn. 65. 124 Statt vieler Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 154 f.; Kindhäuser, BT 2, Tb. 1, § 2, Rn. 107; im Ergebnis ebenso die Vertreter der Drittzueignungslehre (auf die noch einzugehen sein wird): Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 341; Tröndle (48 Aufl.), § 246, Rn. 13a; Tenckhoff, JuS 1980, S. 726; Rudolphi, GA 1965, S. 52. 125 Krey, BT 2, Rn. 74, 86. 126 BGHSt 4, S. 236 (238); 41, S. 187 (194) (GSSt). 127 LK-Ruß, § 242, Rn. 65; Gössel, BT 2, § 6, Rn. 70; Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 236 ff.; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 155; Kindhäuser, BT 2, Tb. 1, § 2, Rn. 107.

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5. Kap.: Sonderfragen des Zueignungsbegriffs

Luxus, schenken zu können, ist das Vorrecht des Besitzenden"128. Verschenken, so Maiwald, sei eine Sachverwendung, durch die der Täter positiv eine Rolle im sozialen Leben spiele; dies sei eine sinnvolle Art, eine Sache einzusetzen129. Ruß schränkt dies insoweit ein, als die Aneignungskomponente bei der Schenkung nur dann zu bejahen sei, wenn der Täter aus dem Schenken einen Nutzen oder Vorteil wirtschaftlicher Art erlange und dieser Vorteil mit der Nutzung der Sache wenigstens mittelbar zusammenhänge130. Ähnlicher Auffassung ist Gössel 131: Ein wirtschaftlicher Nutzen oder Vorteil müsse dabei deshalb angestrebt werden, weil ohne diesen der Wille zur Anmaßung der Eigentümerbefugnisse regelmäßig fehlen dürfte und damit das subjektive Aneignungsmoment. Dem wirtschaftlichen Nutzen kommt damit für Gössel die Funktion eines Indizes für den dahinter stehenden Aneignungswillen zu. Auch die Rechtsprechung greift für die Fälle des Verschenkens auf die S ach Werttheorie zurück: Dem Schenker müsse nach seiner Erwartung durch die Zuwendung ein wirtschaftlicher Nutzen oder Vorteil wenigstens mittelbarer Art entstehen132. Der BGH hat seine teils sehr weit gehende Auffassung, die annähernd jeden Nutzen oder Vorteil (wie etwa die Sicherung der beruflichen Existenz 133 oder die Erfüllung einer Anstandspflicht 134) zur Aneignung genügen ließ, inzwischen eingeschränkt und wieder auf die Notwendigkeit der wirtschaftlichen Komponente des Vorteils hingewiesen135. Andererseits beschneiden auch neuere Entscheidungen die Anforderungen, die an die Wirtschaftlichkeit des erstrebten bzw. erlangten Vorteils zu stellen sind, bis zur Unkenntlichkeit: So sollen auch moralische Verpflichtungen und selbst die Aufrechterhaltung einer Freundschaft, von der sich der Täter auch finanzielle Vorteile verspricht, genügen136.

128 Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 33, Rn. 41. 129 Mai wald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 237. 130 LK-Ruß, § 242, Rn. 65. 131 Gössel, BT 2, § 6, Rn. 69 ff. 132 BGHSt 4, S. 236 (239); 17, S. 87 (92); 41, S. 187 (194); Beschluss vom 07. 10. 1998-IStR 445/98. 133 Sogar noch nach BGH NStZ 1995, S. 131 (133: „ ( . . . ) kann bereits das mit der Zuwendung verbundene Anliegen, der ,Idee' des Sozialismus und damit den Zielen des Staates, dem die entzogenen Wertgegenstände zugewendet wurden, zu dienen, als für eine Selbstzueignung ausreichendes Erstreben eines wirtschaftlichen Nutzens im weitesten Sinne angesehen werden" ( . . . ) „damit seine hervorgehobene berufliche und gesellschaftliche Stellung, für welche er entlohnt wurde, zu sichern. Er handelte damit auch in wirtschaftlichem Eigeninteresse. Seine berufliche Tätigkeit mag subjektiv in erster Linie durch ideologische Gründe motiviert gewesen sein. Diese mögliche ideelle Komponente ändert jedoch nichts an dem sicheren Wissen des Angeklagten, dass er für die von der Staatsführung gewollten und von ihm (mit) zu verantwortenden Eingriffe in fremdes Eigentum bezahlt wurde."); vgl. auch BGH NStZ 1995, S. 442 (444). 134 BGHSt 17, S. 87 (88 u. 92: ,,(...)im eigenen Namen als freigiebig erscheinen will, ohne eigene Mittel aufzuwenden"). 135 BGHSt 41, S. 187 (194,197 mit ausdrücklicher Verneinung des Motivs der Arbeitsplatzsicherung als Aneignung); in diesem Sinne auch die noch ältere Rspr.: RGSt 61, S. 228 (232 f.); 62, S. 15 (17 f.); 64, S. 406 (408 f.); 67, S. 266 f.; auch noch BGH GA 1953, S. 83 (84).

2. Die Drittzueignung

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I m Ergebnis gleich, doch in der Argumentationslinie verschieden begründet die Drittzueignungslehre das Vorliegen der Aneignungskomponente in den Fällen des Verkaufens und Verschenkens 137 : Ihr zufolge setzt jede Drittzueignung notwendig eine Selbstzueignung als Durchgangsstadium voraus. Werde einem Dritten eine Sache zur Verfügung gestellt, so impliziere dies nicht lediglich die Entrechtung des Eigentümers, sondern zugleich einen wenn auch vorübergehenden Gebrauch der Sache: und mehr werde j a für das Merkmal der Aneignung gemeinhin gar nicht gefordert 1 3 8 . Auch bei der altruistischen Tat, also dem „Verschenken" einer fremden Sache, sei es unzweifelhaft der Täter und nicht der Dritte, der die den Eigentümer verdrängende Verfügung vornehme und sich dadurch die Eigentumsherrschaft anmaße 1 3 9 . Durch die Übertragung der Sache nehme er eine eigenmächtige Neuzuordnung fremder Sachen v o r 1 4 0 . Jede dieser Lehren weist Schwächen auf. Das gilt an erster Stelle für die Deutungen der Sachwerttheorie, die für die hier fraglichen Konstellationen insbesondere von der Rechtsprechung bemüht wird. Dass der in dieser Arbeit vertretene Standpunkt den wertorientierten Argumenten befangen gegenübertritt, liegt in An136 BGH, Beschluss vom 07. 10. 1998-1 StR 445/98; die gegen diese Entscheidung eingereichte Verfassungsbeschwerde wurde verworfen (BVerfG 2 BvR 1957/98). - Vgl. auch die durch den Großen Senat nach Anfrage des 5. Senats (hierzu u.) aufrechterhaltenen Maßstäbe aus dem Beschluss BGHSt 41, S. 187 (194 ff.) = BGH JZ 1996, S. 580 ff., insb. S. 582 mit Anm. Otto (S. 582 ff.). 137 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 341; Tröndle (48 Aufl.), § 246, Rn. 13a; Tenckhoff, JuS 1980, S. 726; Rudolphi, GA 1965, S. 52; Schmid-Hopmeier, Das Problem der Drittzueignung bei Diebstahl und Unterschlagung, S. 168 ff. Ähnlich - und damit entgegen der ständigen Rechtsprechung - der 5. Senat des BGH (NJW 1995, S. 152): „ ( . . . )vorzugswürdig könnte eine grundlegend abweichende Betrachtungsweise sein, wonach jede eigenmächtige Verfügung über fremdes Eigentum, die nicht in der Vernichtung, Preisgabe oder Beschädigung der Sache - fehlende Aneignung - bzw. in ihrem bloßen vorübergehenden Gebrauch - fehlende Enteignung - besteht, grundsätzlich als Selbst-Zueignung anzusehen ist. Denn bereits durch eine Verfügung zugunsten eines Dritten maßt sich der Täter eine Eigentümerstellung an und verleibt den Sachwert unter Leugnung der Befugnisse des Berechtigten seinem Vermögen ein. Eine Bereicherung des Täters setzen die Zueignungsdelikte nicht voraus. Deshalb ist zum einen das Kriterium des eigenen wirtschaftlichen Vorteils oder Nutzens, den der Täter aus der Weitergabe der Sache ziehen muß, dogmatisch zweifelhaft. Zum anderen läßt sich aus dem Hinweis auf die abweichende Fassung der die Drittbegünstigung ausdrücklich enthaltenen Bereicherungsdelikte der §§ 253, 263 StGB gegenüber den Zueignungsdelikten der §§ 242, 246 StGB aufgrund des andersartigen Schutzgutes kein tragfähiges Argument ableiten, wonach ein unterschiedlicher Wortlaut zu sachlich kaum verständlichen Strafbarkeitslücken zwänge." - Nachdem der 4. Strafsenat auf Anfrage erklärt hatte, er halte an seiner Auslegung des Zueignungsbegriffes fest, wurde dem Großen Senat die Frage zur Entscheidung vorgelegt; dieser beharrte auf dem Erfordernis eines - sei es auch nur mittelbaren - eigenen wirtschaftlichen Vorteils für die Annahme einer Selbst-Zueignung (BGHSt 41, S. 187 [194 ff.]). 138 Tenckhoff, JuS 1980, S. 726. 139 Rudolphi, GA 1965, S. 42 f. 1 40 Schmid-Hopmeier, Das Problem der Drittzueignung bei Diebstahl und Unterschlagung, S. 186.

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5. Kap.: Sonderfragen des Zueignungsbegriffs

betracht der Ergebnisse des 3. Kapitels auf der Hand. Dort war nach kritischer Abhandlung der Theorien zum Handlungsobjekt der Eigentumsdelikte eine Stellung nahe der strengen Substanztheorie bezogen worden. Wertansätze, so das Ergebnis jenes Abschnitts, verfehlen das Wesen der Eigentumsdelikte, sind historisch und systematisch unhaltbar sowie kriminalpolitisch unnötig und verstoßen darüber hinaus gegen das strafrechtliche Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG. Doch man mag dieses Urteil außer Betracht lassen und die Sachwerttheorie in ihrer Bedeutung für die Drittzueignungsproblematik einzig an sich selbst, an den von ihr hervorgebrachten Maßstäben messen. Denn auch insoweit ist das Verkaufen oder Verschenken nicht schlüssig als Wertaneignung zu erklären, sofern man nicht mit unerträglichen Überdehnungen der eigenen Grundsätze arbeiten will: Zueignung des Sachwertes bedeutet nach herrschender Lehre, die Sache ihrem wirtschaftlichen Wert nach unter Ausschluss des Berechtigten dem eigenen Vermögen einzuverleiben 141. Das heißt jedoch auch, dass die Sache durch das als Zueignung in Betracht kommende Verhalten weniger wert oder wertlos werden muss: denn rechtlich bedeutsam soll nur der in der Sache selbst steckende Wert sein (lucrum ex re), nicht die Möglichkeit, die Sache zur Erlangung anderer Werte einzusetzen oder aus ihr sonst Gewinn zu schlagen (lucrum ex negotio cum re) 1 4 2 . Die Voraussetzungen der Zueignung liegen danach z. B. nicht vor, wenn die Sache unverändert ihrem Eigentümer zurückgegeben wird und in der Zwischenzeit nur zu einer anderweitigen Bereicherung des Täters benutzt wurde 143 . Doch so nachdrücklich diese Meinung vertreten wird, solange die Enteignungskomponente zur Diskussion steht 144 , so wenig vernimmt man von ihr, sofern es um die Aneignung geht. Hier soll es nicht darauf ankommen, ob der Vorteil, den der Täter erlangt, aus der Sache selbst stammt - das enge Verständnis der Wertlehre wird auf der Aneignungsseite aufgeweicht 145. Ein mittelbarer Vorteil aus dem Verschenken einer Sache soll genügen - dabei ist jener doch eben gerade nicht der ihr selbst innewohnende Wert 1 4 6 ; der Dritte erhält die Sache unverändert und in ihrem Wert ungeschmälert 147. Beim Verkauf ist es nicht anders: Der Kaufpreis, den der Täter erhält, Statt vieler Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 131. 142

So die heute herrschende restriktive Fassung: zuerst bei Bockelmann, ZStW 65 (1953), S. 575. 143 LK-Ruß, § 242, Rn. 49. 144 Vgl. etwa Wessels /Hillenkamp, BT 2, Rn. 162. 145 Rengier, Lenckner-FS, S. 802. 146 Rudolphi, GA 1965, S. 52. 147 Zu welch undurchsichtigen Fallkonstellationen diese Ansicht führt, zeigt ein Beispielsfall bei Mitsch, BT 2, TB 1, § 1, Rn. 130: O schuldet dem D 1.000,- Euro. T hat gegenüber D für O gebürgt. Eines Tages dringen D und T gemeinsam in die Wohnung des O ein; D entnimmt einer Zigarrenschachtel des O 1.000,- Euro und erklärt gegenüber dem T, die Bürgschaft sei damit erledigt. Nach Ansicht der Rechtsprechung, so Mitsch, sei der T als Mittäter eines Einbruchsdiebstahls mit eigennütziger Zueignungsabsicht anzusehen, weil ihm die Zueignung des D selbst einen Vorteil eingebracht habe: D würde ihn nun nicht mehr als Bürge in Anspruch nehmen. - Dieser Vorteil soll implizieren, dass T sich die Geldscheine, die er

2. Die Drittzueignung

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wirkt sich auf den Wert der Sache nicht aus; sie bleibt dieselbe und ebenso wertvoll wie zuvor. Was der Täter erhält ist nichts anderes als das „lucrum ex negotio cum re"! Zusätzliche Brisanz erhalten diese Überlegungen im Rahmen der Unterschlagung inzwischen durch den Fortfall des tatbestandlichen Gewahrsamserfordernisses: Der Täter muss nun nicht einmal je in räumlicher Nähe zu der Sache gewesen sein; er kann die fremde Sache ungesehen aus der Ferne verkaufen. Aneignung sodann in der Erlangung des Kaufpreises zu sehen, bedeutet, auf jeden Sachbezug endgültig zu verzichten und die Unterschlagung als schieres Bereicherungsdelikt zu interpretieren. Wenn die Rechtsprechung als Gewinn auf Seiten des Täters dann noch immaterielle Vorteile zulässt oder solche, die gar nicht aus der Veräußerung selbst erwachsen sind 1 4 8 , dann ist selbst der Boden der Sachwerttheorie ein für allemal verlassen und die äußerste Grenze, die den Bezugsrahmen der Sachwerttheorie zum Zueignungsbegriff darstellt, überschritten 149. Was andererseits die Lösung der Veräußerungsfälle als Substanzaneignungen anbelangt, so muss die Frage gestellt und diskutiert werden, ob nicht unter dem Deckmantel einer inhaltlichen Argumentation hier die Vorstellung vom Verschenken als einer Form der Sachnutzung letztlich nichts weiter als die formale „se ut dominum gerere"-Perspektive bedient 150 : Wer sich als Eigentümer aufführt, wer über die Sache irgendwie verfügt, der soll sie damit nutzen. Der Nutzen, so muss man das zunächst verstehen, liegt in dem Schein einer Berechtigung, in der Attitüde des Eigentümer-Seins. Nur besteht diese hier gerade nicht in der Zuführung der Sache in den eigenen Güterbestand, sondern in ihrer Weggabe. Und das allein hat wenig Sachbezug: den gleichen Nutzen hätte auch derjenige, der die Sache zerstört. Und den gleichen Nutzen hätte auch etwa ein Hochstapler, der von sich behauptet, Inhaber beachtlicher Statussymbole oder großer Werte zu sein, die in Wahrheit nicht existieren. Wird ihm das geglaubt und erlangt er aus der Täuschung Vorteile, so hat er nicht etwa die gar nicht existenten Sachen als solche genutzt, sondern seine eigene Gabe, einen Irrtum zu erwecken, einen Schein aufrechtzuerhalten. Beim Verschenken einer fremden Sache finden sich Parallelen: Die Sache als solche in ihrer Beschaffenheit und mit ihren Funktionen und Möglichkeiten ist dem Täter in der Regel vollkommen gleichgültig; was er nutzt, ist die Geste des Schenkens, die anhand jeder beliebigen bzw. für seine Zwecke brauchbaren Sache hätte vollbracht werden können. Die Sache wird insofern zwar für den Vollzug einer Geste nutzbar gemacht, sie wird aber nicht als Sache genutzt. Gleiches gilt selbst dann zu bedenken, wenn die Sache allein aufgrund spezieller Eigenschaften nicht einmal berührt hat und die er nicht für sich will, zugeeignet hat - dies ist im Rahmen eines sachenrechtlich (d. h. an körperlichen Gegenständen) ausgerichteten Eigentumsschutzes nicht begreiflich zu machen. 148 Dies ist im Rahmen einer extensiven Sachwerttheorie, wie sie die Rechtsprechung vertritt, natürlich nur konsequent - wenngleich dogmatisch nicht begründbar. 149 Ebenso Miehe, Heidelberg-FS, S. 484; Wolfslast, NStZ 1994, S. 543 f.; Krey, BT 2, Rn. 86; Rudolphi, GA 1965, S. 42; Noak, Drittzueignung und 6. Strafrechtsreformgesetz, S. 78. 150 Vgl. etwa Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 341.

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5. Kap.: Sonderfragen des Zueignungsbegriffs

für den Dritten interessant ist, so dass einzig diese und keine andere Sache als Gegenstand des Schenkens für den Täter in Betracht kam: Auch hier nutzt er nicht die Sache selbst, sondern eine Geste; die Sache selbst in ihrer Besonderheit wird sodann von dem Dritten wahrgenommen und genutzt, nicht aber vom Täter. Gestützt wird solche Kritik auch durch die linguistische Bedeutung des Verbalpräfixes „an-". Morphologisch betrachtet drückt das Präfixverb „aneignen" einen Kontakt oder eine Annäherung aus 151 . Es wäre nun diesem Wortsinne nach zumindest merkwürdig, wenn sich die Annäherung, die doch für die Selbstzueignung nur eine Annäherung an den Täter bedeuten kann, gerade in der Weggabe ausdrücken sollte. Angenähert wird die Sache einem Anderen: dem Dritten. Als vorläufiges wenn auch sogleich in Frage zu stellendes - Ergebnis soll deshalb festgehalten werden: In der Zuwendung selbst als isoliertem Akt kann keine Selbst-, sondern nur eine Drittzueignung liegen 152 . Schroeders plakativer Satz „Der Luxus, schenken zu können, ist Vorrecht des Besitzenden" ist also in mancher Hinsicht richtig, nicht aber in der, die er eigentlich ausdrücken soll: Schenken kann der Dieb zunächst einmal gar nicht, jedenfalls nicht rechtswirksam, da an abhanden gekommenen Sachen gem. § 935 BGB kein Eigentum durch Dritte erworben werden kann. Was das Verschenken anvertrauter fremder Sachen anbelangt, so ist der Eigentumserwerb durch Dritte dabei möglich, und es kann auch nicht bestritten werden, dass der Schenkende Besitzer im zivilrechtlichen Sinne war: Doch eine Selbstaneignung ist dies dennoch nicht. Besitz ist nicht gleich Aneignung, und es erfordert die Herstellung von Eigenbesitz i. S. d. § 872 BGB 1 5 3 , um von Aneignung sprechen zu können; erst im Rahmen des Eigenbesitzes dann ist eine Aneignung denkbar, als Nutzung der Sache, als positive Sachbehandlung. Doch eben in dem letzten Gedanken liegt der Ansatz für eine Lösung der Veräußerungsfälle: Während der Akt der Veräußerung selbst, isoliert betrachtet, zwar keine Aneignung sein kann, ist durchaus diskutabel, dass dem Veräußern eine Aneignung vorangegangen sein muss 154 , bzw. das Veräußern auf Basis eines vorab hergestellten Eigenbesitzes zur Aneignung wird. Im Schenken oder Verkaufen liegt eine Selbstherrlichkeit, die zwar aus sich heraus der Aneignung nicht gleichgesetzt werden kann, die sie aber indiziert. Der Täter, das lässt seine Geber-Geste schließen, muss die Sache in seine dingliche Sphäre hineingenommen haben, um sie hernach unter der Fassade eines Verfügungsgeschäftes wieder aus ihr herausgeben zu 151

Kühnhold/ Wellmann, Das Verb, S. 144 f.; vgl. ausführlicher hierzu o. Kap. 4,1., b), bb). Und wenn also weder die Substanz der Sache, noch ihr Sachwert durch das Veräußern zugeeignet werden, dann erst recht nicht eine vage Mischung aus beiden, wie es nach Meinung mancher Autoren der Fall zu sein scheint - die das Sicht-Zueignen bejahen, falls der Veräußernde Ausgaben erspart oder über die Sache irgendwie verfügt, vgl. etwa Fahl, JA 1995, S. 847. 153 Vgl. Palandt-Bassenge, § 872, Rn. 1: „Dieb kann Eigenbesitzer sein." 154 So auch Rengier, BT 1, § 2, Rn. 51. 152

2. Die Drittzueignung

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können. Ein ähnlicher Blickwinkel findet sich in der Beweisführung Maiwalds zu diesem Komplex: Verschenken, so Maiwald, „ist nicht nur gegenüber dem Eigentümer ein Entziehen der Sache, sondern eine Sachverwendung, durch die der Täter positiv eine Rolle im sozialen Leben spielt, weil es eine sinnvolle Art ist, die Sache einzusetzen."155 Selbst wo er dem Dritten kein Eigentum an der Sache verschaffen könne, sei er „doch wenigstens ,Geber' in dem Sinne, dass er jenem dem Vorteil des Besitzes und tatsächlichen Genusses der Sache überlässt" 156 . Diese Ansicht nährt sich nun zwei Aspekten des Handelns durch den Täter: Auf der einen Seite die Selbstherrlichkeit der Verfügung, auf der anderen Seite seine Rolle als „Gebender" 1 5 7 . Was ersteren Aspekt anbelangt, die Selbstherrlichkeit, das bloße eigenmächtige Verfügen über die Sache, so kann damit der qualitative Unterschied zur Sachentziehung oder Sachzerstörung gerade nicht erklärt werden; Vernichtung und Dereliktion einer Sache stehen auch und gerade im Belieben des Eigentümers 158; Selbstherrlichkeit ist kein Beweis, sondern höchstens ein vages und unzuverlässiges Indiz für Zueignung. Und was das „Geber-Sein" betrifft, so ist auch dieses gerade nicht Charakteristikum der Selbstzueignung, sondern der Drittzueignung so dass es zunächst prekär anmuten mag, dass die bloße Addition eines schlechten Indizes und eines noch schlechteren Indizes konstitutiv für die Annahme einer vorhandenen Aneignungskomponente sein sollten. Doch liegt in der Kombination beider Elemente mehr: Der Täter hat die Sache nicht nur in Eigenbesitz genommen und aus dieser Position heraus über sie verfügt, so dass von der altruistischen Drittzueignung unterschieden werden kann, sondern dieselbe Sache auch positiv verwendet, nämlich als einen Nutzfaktor des sozialen Lebens eingesetzt, womit auch die Abgrenzung von der Sachentziehung gewährleistet ist - die nötigen Abschichtungen sind also getan. Maiwald freilich sieht den Gebeakt des Zuwendenden als einen „Akt der Verwirklichung seiner Person" und damit diesen als „,genügend4 egoistisch" an 1 5 9 - der Schwerpunkt seines Interesses liegt also auf den Motiven des Täters. Dagegen ist schon an anderer Stelle Einspruch erhoben worden 160 : Dass die Konstruktion der Aneignung als Motiv der Enteignung und damit ihre Verlagerung in den subjektiven Tatbestand kein taugliches Instrument ist, um Zueignungen von Sachentziehungen oder Sachzerstörungen abzugrenzen, ist evident und wurde gegen Maiwald bereits von mehreren Autoren geäußert 161. Wesentlich dagegen ist die Erkenntnis, dass nicht allein die Weitergabe an einen Dritten zur Feststellung der Aneignung gereicht; hinzukommen muss die „logische Sekun155 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 237. 156 Ebenda, S. 238. 157 Hierzu weiteres unter dem nächsten Gliederungspunkt cc). 158 Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 33, Rn. 41; RGSt 64, S. 250; so freilich auch Maiwald, a. a. O., S. 237. 159 Ebenda, S. 238. 160 Vgl. o. Kap. 4, 1., b), bb). 161 Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 49; Baumann, GA 1971, S. 311; SK-Samson (4. Aufl.), § 242, Rn. 76. 13 Kauffmann

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5. Kap.: Sonderfragen des Zueignungsbegriffs

de" 1 6 2 einer vorangehenden Eigenbesitznahme; erst die Synthese von beiden birgt alle Momente der Aneignung. So wird aus dem formalen Gesichtspunkt des „se ut dominum gerere" ein Unterscheidungsmerkmal für die Art des Besitzes und damit für Selbst- und Drittzueignungen 163 - auf diesen Aspekt hat zu Recht Mitsch hingewiesen164: Handelt der Täter selbstherrlich, verhält er sich so, dass ein Außenstehender Eigentum unterstellen würde, oder verschafft er lediglich einem Hintermann Besitz „ut servum domini"? Im ersteren Fall wäre auf Eigenbesitz und damit auf Selbstaneignung zu schließen, im zweiteren auf Fremdbesitz und damit auf Drittaneignung. Der Gestus des Gebens als eines formalen Moments und die soziale Rolle, die durch das Schenken erfüllt wird - in diesen Faktoren ist der materielle Gehalt der Aneignung zwar nicht enthalten, aber doch ein Indiz für ihr Vorliegen. Diese Konstruktion ist den Ansätzen der Drittzueignungslehre verwandt - sie ist jedoch nicht mit ihnen identisch. Die Kritik an der Drittzueignungslehre soll indes noch um wenige Absätze verschoben werden auf einen nächsten Abschnitt, in dem ihre Position bildhafter und zugespitzter zutage tritt: Es handelt sich um eine der umstrittensten Fallgruppen des gesamten Strafrechts, für deren Lösung vor der Strafrechtsreform eine Reihe obskurer strafrechtlicher Figuren entwickelt worden war: den „Gänsebuchtfall" als Beispielsfall für die Kategorie der Auftragsdiebstähle. An dieser Stelle soll festgehalten werden, dass im bloßen eigenmächtigen Verfügen über eine Sache in Form des Verkaufens oder Verschenkens (oder, soweit unwirksam, wenigstens des Scheins beider Figuren) keine Selbst-Aneignung der Substanz der Sache liegt, sofern der Täter nicht zuvor Eigenbesitz an der Sache begründet hat. Die Sache in ihrer Körperlichkeit wird allein durch die Weitergabe gerade nicht dem Täter angeeignet, sondern einem Dritten. Der Unterschied zwischen der Weitergabe als bloßer Drittzueignung und der (pseudo-)verfügungsgeschäftlichen Veräußerung liegt damit wesentlich im äußeren Anschein, den sich der Täter verleiht, und dies mit Recht, denn durch den Bezug auf einen Dritten kommen soziale Faktoren ins Spiel: Geriert sich der Täter im Zeitpunkt der Weitergabe als Eigentümer, so dass auf Eigenbesitz zu schließen ist (dann Selbstzueignung) oder dient er einem anderen, für den er (fremd-)besitzt und der sich seinerseits zum angemaßten Eigentümer aufwirft (dann Drittzueignung)? Die Unterscheidung zwischen diesen Konstellationen von „se ut dominum gerere" und „ut servum domini" wird noch genauer zu vollziehen sein - doch ist auch dies sinnfälliger zu leisten im nachfolgenden Abschnitt zu den Auftragsdiebstählen.

162 Gössel, BT 2, § 6, Rn. 69 ff. 163 Ähnlich, jedoch in der Konsequenz anders, Wolfslast, NStZ 1994, S. 544. 164 Mitsch, ZStW 111 (1999), S. 67; vgl. auch BT 2, § 1, Rn. 134.

2. Die Drittzueignung

bb) Auftragsdiebstähle:

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der sog. „Gänsebuchtfall"

Dem Streit liegt folgender Ausgangsfall zugrunde 165 : Bauer B will die Gänse seines Nachbarn N für sich haben. Er beauftragt deshalb seinen Knecht K, die Gänse des N in seine eigene Gänsebucht zu treiben. Knecht K tut, wie ihm geheißen wurde. Er hat selbst keine Zueignungsabsicht, weiß aber, dass die Gänse dem N und nicht dem B gehören. Die Problematik liegt auf der Hand: Hätte K die Gänse für sich behalten wollen, so hätte er einen Diebstahl begangen. Er brach fremden Gewahrsam (des N) und begründete neuen (entweder eigenen durch das Forttreiben oder zumindest fremden: seines Herrn B) und handelte während all dessen vorsätzlich. Alle Merkmale des objektiven Tatbestandes des Diebstahls sind also erfüllt und auch der Vorsatz ist gegeben - doch wegen Fehlens der Zueignungsabsicht musste der subjektive Tatbestand dennoch verneint werden. Denn K handelte weder unter Vorgabe eigener Verfügungsmacht, noch erwartete er mittelbare Vorteile aus der Weitergabe - er hatte somit weder unter Substanz-, noch unter Sachwertgesichtspunkten Aneignungsabsicht. Er handelte dolos, aber absichtslos und war deshalb nicht wegen Diebstahls an den Gänsen strafbar. Und dies hatte nun zur Folge, dass auch B nicht wegen Anstiftung i. S. d. § 26 StGB belangbar war: Denn die setzt nach dem Akzessorietätsprinzip eine rechtswidrige Haupttat voraus, deren objektiver wie subjektiver Tatbestand komplett erfüllt sein müssen. Und Mittäterschaft gem. § 25 Abs. 2 StGB kam nicht in Betracht, da jeder als Mittäter zu Bestrafende alle subjektiven Tatbestandsmerkmale aufweisen muss 166 nach alter Rechtslage also auch die Absicht, sich die Sache zuzueignen. So gerät man in die missliche Lage, zwei „Tatbeteiligte" vor sich zu haben, die zusammengenommen alle Merkmale des Diebstahls erfüllen 167 : K hat weggenommen und B die nötige Zueignungsabsicht - es hat der eine jeweils, was dem anderen fehlt, doch erfüllt keiner für sich den Tatbestand des Diebstahls. Um dieses kriminalpolitisch unerwünschte Ergebnis zu umgehen, entwickelte man die Rechtsfigur des „absichtslos dolosen Werkzeuges", ein Konstrukt, das von der herrschenden Meinung in der Lehre und zunächst auch der Rechtsprechung akzeptiert wurde 168 : B wird zum mittelbaren Täter, der kraft überlegenen Wol165 Schmidhäuser, AT, 10/98; Stratenwerth, AT, Rn. 807 (leicht abgewandelt); Welzel, Das deutsche Strafrecht, 11. Aufl., S. 104 (leicht abgewandelt); Arzt/Weber, BT, § 13, Rn. 121; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 339; Otto, Jura 1998, S. 550; der Fall stellt eine Abwandlung einer Reichsgerichtsentscheidung aus dem Jahr 1913 dar (RGSt 48, S. 58), in der allerdings der Vordermann gutgläubig (undolos) war. Moderne Varianten dieses Falles sind die sog. Stasi-Postplünderungen, vgl. etwa BGHSt 40, S. 8 (18); 41, S. 187 (194). 166 Vgl. Mitsch, BT 2, TB 1, § 1, Rn. 127 m. w. N. 167 Fahl, JA 1995, S. 846. 168 Jescheck/Weigend, AT, § 62, II., 7.; Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 29, Rn. 129; Wessels/Beulke, AT, Rn. 537; Kühl, AT, § 20, Rn. 55; Sch./Schr.-Cramer, vor § 25, Rn. 81; Tröndle (48 Aufl.), § 25, Rn. 3; Lackner/Kühl, § 25, Rn. 4; RGSt 39, S. 37 (38 f.); 64, S. 422 (425); BGH bei Dallinger, MDR 1974, S. 724 f.; in späteren Entscheidungen verlagerte sich jedoch das Augenmerk auf etwaige „Vorteile wirtschaftlicher Art" des Vordermannes, dem 1*

5. Kap.: Sonderfragen des Zueignungsbegriffs

196

lens 169 bzw. „normativ" 170 oder „sozial" 171 die Tat beherrscht. K gilt als Tatmittler, als verlängerter Arm des B, obwohl auf seiner Seite weder Zwang, noch Irrtum oder Schuldunfähigkeit vorliegen (die normalerweise das Wesen des Werkzeuges ausmachen172) - weswegen er auch gleichzeitig als Gehilfe betrachtet wird 1 7 3 . B begeht den Diebstahl also durch K, weil er die Zueignungsabsicht hat, die dem K fehlt 1 7 4 . Diese Kreation war (und ist: denn auch nach Reformierung der Zueignungstatbestände bestehen Konstellationen, in denen diese Rechtsfigur zum Einsatz kommen soll 1 7 5 ) aus verschiedenen Perspektiven äußerst umstritten 176 . Dabei ging es nicht nur um die Problematik, was noch Sich-Zueignen, was dagegen schon Fremd-Zueignen ist, sondern auch um Fragestellungen des Allgemeinen Teils des StGB; denn anhand der Kasuistik zum absichtslos dolosen Werkzeug konnte besonders plastisch der Abgrenzungsstreit um Täterschaft und Teilnahme geführt werden. Das Tatgeschehen wird faktisch vom unmittelbar Handelnden allein be1 TT

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herrscht - nach Maßgabe der Tatherrschaftslehre dürfte es keine Zweifel an der bloßen Teilnehmer-Qualität des Veranlassers geben; denn er ist zweifelsfrei nicht derjenige, der das Geschehen als „Zentralgestalt" in den Händen hält. Anders könnte eine subjektive Theorie 179 dem Auftraggeber wegen seines Interesses sodann Zueignungsabsicht zugeschrieben wurde, z. B. BGHSt 4, S. 236 (238); BGHSt (Großer Senat) 41, S. 187(194). 169 Vgl. Fahl, JA 1995, S. 847. 170 Jescheck/Weigend, AT, § 62 II. 7. 171 Welzel, Das deutsche Strafrecht, 11. Aufl., S. 104. 172 Vgl. etwa Sch./Schr.-Cramer/Heine, vor § 25, Rn. 76 ff.; Lackner/ Kühl, § 25, Rn. 2 f f 173 Vgl. Otto, Jura 1998, S. 550. 174 Diese Figur kam nur dann nicht zur Anwendung, wenn der Vordermann durch die Übergabe einen wirtschaftlichen Vorteil z. B. in Form einer Belohnung erlangte - sein Handeln wurde dann dem Verkaufen der fremden Sache gleichgestellt, so dass ein Sich-Zueignen bejaht werden konnte, vgl. z. B. BGH GA 1969, S. 306 f. 175 Da der Dieb auch bei der Drittzueignung Vorsatz 1. Grades bezüglich der Aneignungskomponente braucht, das Reformgesetz also nichts am Erfordernis eines Absichtselements ändert, sondern lediglich einen neuen Bezugsgegenstand für dieses Element einführt (vgl. Dencker/Struensee/Nelles/Stein, 1. Teil, III., Rn. 38), bleiben Strafbarkeitslücken bestehen: Fehlt dem Wegnehmenden diese Absicht, kommt es ihm auf die Aneignung durch den Dritten nicht apodiktisch an, bleibt auch die Grundkonstellation erhalten, in der die Rechtsfigur des „absichtslos dolosen Werkzeuges" einschlägig sein soll. 176 Dagegen: Köhler, AT, S. 515; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 341 ff.; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 34 f.; Schmidhäuser, AT, 14/52; Stratenwerth, AT, Rn. 799 ff.; vgl. ausführlich Schmid-Hopmeier, Das Problem der Drittzueignung bei Diebstahl und Unterschlagung, S. 188 ff. 177 Kühl, AT, § 20, Rn. 54. 178 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 25 ff.; Jescheck/ Weigend, AT, § 61, V.; Lackner/Kühl, vor § 25, Rn. 6; einschränkend: Wessels / Beulke, AT, Rn. 518; Überblick bei Otto, Jura 1987, S. 248.

2. Die Drittzueignung

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am Taterfolg Täterwillen (animus auctoris) zusprechen und darin seine Täterschaft begründet sehen - doch widerspricht eine derart subjektivierte Täterlehre nach heute einhelliger Ansicht dem Wortlaut des § 25 StGB 1 8 0 . Und da auch die Rechtsprechung ihre - nach wie vor subjektiv ausgerichtete - Lehre um Tatherrschaftskriterien ergänzt hat 1 8 1 , so dass sich beide Theorien weit gehend angenähert haben, dürfte nach allen Meinungen eigentlich nicht zweifelhaft sein, dass die Figur des absichtslos dolosen Werkzeug bei einheitlicher Argumentation nicht haltbar ist: Das Fehlen einer im Gesetz geforderten Absicht beim unmittelbar Handelnden begründet als solche keine Herrschaftsposition des Hintermannes - wenn jenem nicht aus anderen Gründen Tatherrschaft zukommt, kann er nicht als Täter haften 182 . Doch unumwunden werden die Motive für die Konstruktion des absichtslos dolosen Werkzeuges zugegeben: „Wenn man in diesen Fällen nicht ganz auf eine Bestrafung verzichten will - was freilich zu erheblichen Ungerechtigkeiten führen würde - muss man", so Jescheck 183, „den rechtlich notwendigen Einfluss des Hintermanns als Tatherrschaft genügen lassen" - der Wunsch nach kriminalpolitisch nachvollziehbaren Ergebnissen ist also hier Vater des Gedankens, nicht eine irgendwie geartete dogmatische Logik 1 8 4 . Der rechtliche Einfluss des Hintermannes ist freilich eine zweifelhafte Grundlage für die Annahme von Tatherrschaft, da die rechtliche Wertung doch keine Macht über situative Verhältnisse einer Tat entwickeln kann: Welchen Einfluss der Hintermann auf den Ablauf der Tat hat, welche realen Möglichkeiten der Steuerung ihm bleiben, das bestimmt sich unabhängig von der juristischen Einordnung der Handlungen185. „Rechtliche Tatherrschaft" ist daher ein denkbar antinomisches Wortpaar. Auch von anderer Seite wird der herrschenden Meinung vorgeworfen, sie verkenne, dass die bloße Zueignungsabsicht als rein inneres Faktum dem Hintermann noch keine äußere Macht über den Vordermann und dessen Tat verleihe 186 . 179 Die von Köstlin (System des deutschen Strafrechts, Band I, S. 275 ff.) und v. Buri (GA 1869, S. 233 ff.; 305 ff.) begründete Lehre fußte auf dem Äquivalenzprinzip: Werden alle Beiträge zur Verursachung einer Tat für objektiv gleichwertig erachtet, so kann eine Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme nur nach subjektiven Kriterien erfolgen. Von der Rechtsprechung wurde dieser Ansatz zunächst akzeptiert: RGSt 74, S. 84 ff. („Badewannenfall"); BGHSt 18, S. 87 ff. („Staschinskiyfall") - diese Entscheidungen ergingen jedoch vor der Fassung des § 25 Abs. 1 1. Alt., der den streng subjektiven Theorien die Grundlage entzieht, vgl. auch BGHSt 38, S. 315 (317): „ ( . . . ) wer den Tatbestand mit eigener Hand erfüllt, (ist) grundsätzlich auch dann Täter, wenn er es unter dem Einfluß und in Gegenwart eines anderen nur in dessen Interesse tut"; vgl. zum Ganzen Otto, Jura 1987, S. 247. 180 Vgl. nur LK-Roxin, § 25, Rn. 30; Kühl, AT, § 20, Rn. 21; Rönnau, GA 2000, S. 413; BGH NStZ 1991, S. 91. 181 Vgl. etwa BGHSt 9, S. 370 (380); 35, S. 347 (353 f.);40, S. 218 (235 f., 267). 182 Otto, Jura 1987, S. 256. 183 Jescheck/Weigend, AT, § 62, II., 7. 184 Hierzu auch Kudlich, JuS 2001, S. 769, insb. Fn. 30. und JuS 1998, S. 472. iss Ähnlich Rönnau, GA 2000, S. 414.

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5. Kap.: Sonderfragen des Zueignungsbegriffs

Jescheck erwidert darauf, dass als äußere Einwirkung eine psychologische Einflussnahme vom Gewicht einer Anstiftungshandlung notwendig, aber auch ausreichend sei 187 . Doch damit ist nicht beantwortet, worin die äußere Macht des B über den K liegen soll. K kann nach seinem Belieben die Gänse laufen lassen, sie selbst behalten oder dem B geben: „der Fall liegt also strukturell nicht anders, als wenn (K) auf Bitten des (B) für ihn eine Fensterscheibe eingeworfen hätte - eine Sachgestaltung, bei der ( . . . ) (K) ohne Zweifel als Täter und (B) ohne Zweifel als Anstifter zu betrachten wäre" 188 . Aufgrund ihrer offensichtlich durch das gewünschte Ergebnis motivierten und von ihm her entwickelten Begründung vermochte die Konstruktion des „absichtslos dolosen Werkzeuges" daher auch zu Zeiten ihrer Hochkonjunktur, d. h. vor Aufnahme der Drittzueignung in die Tatbestände der Eigentumsdelikte, nicht zu überzeugen. Einen anderen dogmatischen Weg wählt die Drittzueignungslehre (und hier soll ihr nun endlich die angezeigte Aufmerksamkeit zuteil werden): Sie geht davon aus, dass niemand einem anderen eine Sache zueignen kann, die er nicht zuvor sich selbst zugeeignet hat - und das soll selbst dann der Fall sein, wenn der Wegnehmende keinerlei egoistische Motive verfolgt 189 . Die Drittzueignung setze notwendig eine Selbstzueignung als Durchgangsstadium voraus 190 . Roxin, als herausragender Vertreter dieser Ansicht, lässt grundsätzlich jede „Verfügung aus eigener Machtvollkommenheit" für die Begründung von (Selbst-)Zueignungsunrecht genügen; die Differenzierung zwischen Schenkendem und schlicht Weitergebendem sei, so Roxin, nicht plausibel zu machen 191 . Sich die Eigentumsmacht anmaßen, sich also wie ein verfügungsberechtigter Eigentümer verhalten, das täten schließlich beide; entscheidend könne deshalb allein sein, dass der Vordermann der Tat ungenötigt und selbstständig darüber bestimme, ob er dem Eigentümer die Sache dauernd entziehen, ob er sie weitergeben und wer sie erhalten solle: dies tue sowohl der Schenkende als auch der schlicht Weitergebende. Alle anderen Unterscheidungen führten zu willkürlichen Ergebnissen, da sie mit keiner psychischen Realität mehr korrespondierten 192: So, wenn dem Auftragsdieb (K) vor oder nach der Wegnahme der Gedanke durch den Kopf schieße, ob er die Sache nicht lieber selbst behalten solle, er sich aber dann doch entschließe, sie dem Dritten weiterzugeben 193 - es sei wenig sinnvoll, das Zustandekommen der 186 LK-Roxin, § 25, Rn. 94. 187 A. a. O., § 62, II., 7. 188 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 339; ein analoges Beispiel zur Variante der Unterschlagung durch Sachverwertung bei Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 244. 189 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 341; Tröndle (48 Aufl.), § 246, Rn. 13a; Tenckhoff, JuS 1980, S. 726; Rudolphi, GA 1965, S. 52. 190 Tröndle (48. Aufl.), § 246, Rn. 13a; verworfen durch Tröndle/Fischer, 51. Auflage, §246, Rn. 11. 191 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 341. 192 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 342.

2. Die Drittzueignung

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Zueignungsabsicht hier aufgrund einer bloßen Reflexion des K (über eine ihm ohnehin bekannte Entscheidungsfreiheit) zu bejahen. Richtig könne dagegen nur sein, dass beide, Schenkender und bloß Weitergebender, Täter eines Diebstahls seien. So sei beim Diebstahl wie bei allen anderen Delikten, die ein außenweltliches Geschehen erfassen, nach den allgemeinen Grundsätzen der Täterlehre zu entscheiden und die Frage der Täterschaft dem Tatherrschaftsprinzip zu unterstellen 194. Anhaltspunkte für eine andersartige Abgrenzung biete § 242 StGB nicht. Doch dieser Argumentation liegt ein fundamentaler Fehler zugrunde: Sie setzt Tatherrschaft bezüglich der Wegnahme bzw. der Enteignung gleich mit dem Vorgang der Selbstzueignung. Aber der außen weltliche und damit beherrschbare Anteil des Geschehens bei einem Diebstahl beschränkt sich auf die Wegnahme. Die Zueignungsabsicht hingegen ist eine überschießende Innentendenz. Auf sie kann sich keine Tatherrschaft erstrecken. Man hat sie, oder man hat sie nicht - unabhängig von allen sonstigen Tatbeiträgen. Für die Fälle der Unterschlagung, in denen die Zueignung als objektives Tatbestandsmerkmal doch Teil des außerweltlichen Geschehens ist, gilt nichts grundsätzlich anderes: Denn selbst wenn die Enteignungskomponente mit all ihren subjektiven Aspekten vorliegt (der Option des Täters auf Dauerhaftigkeit der Entziehung) - auch die Täterschaft hinsichtlich der Enteignung für sich allein begründet noch nicht die Strafbarkeit als Täter eines Zueignungsdelikts195. Die Aneignung ist unabhängig von der Enteignung zu beurteilen; und das bedeutet, dass selbst dort, wo fraglos Tatherrschaft bezüglich der Enteignung besteht, noch keine komplette Selbst-Zueignung gegeben ist, solange der Täter nicht sich die Sache aneignet, d. h. selbst die als eigene besessene Sache positiv nutzt. Denn Tatherrschaft ist für die Annahme von Täterschaft zwar notwendig, aber nicht hinreichend und somit nicht strafbegründend, solange nicht alle konstitutiven Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Es zeigt sich also, dass die Drittzueignungslehre das Vorliegen eines Elements allein mit dem Vorliegen anderer Elemente nachweisen will - das ist kein schlüssiges Vorgehen. Der Vordermann eines Auftragsdiebstahls agiert als Diener des Auftraggebers, „ut servum domini". Er nutzt die Sache im weitesten Sinne im Rahmen sozialer Strukturen, aber er nutzt sie nicht als eigene. Die Machtvollkommenheit im Zeitpunkt der Besitzherstellung ist eine theoretische: sie gleicht der Machtvollkommenheit desjenigen, der im Auftrag des tatsächlich Berechtigten dessen Sache für ihn holt. Auch in diesem Fall könnte der Holende sich während der Momente, in denen er die Sache in seinen Händen hält, überlegen, ob er diese nicht für sich behält, einem anderen übergibt oder gar zerstört; doch niemand wird auf den Gedanken verfallen, diese fiktive Macht mit Eigenbesitz gleichzusetzen. Die zur 193 Dies wäre nach Sachwertgesichtspunkten zwar keinesfalls Zueignungsabsicht, falls kein wirtschaftlicher Vorteil, der mit der Weitergabe verbunden ist, in Aussicht steht - doch es wird mit der herrschenden Lehre von Substanzzueignung bei Schenkungen ausgegangen, s. o. aa). 194 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 342 f.

195 Ebenso Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 240.

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5. Kap.: Sonderfragen des Zueignungsbegriffs

fremden Sache hergestellte Eigenrelation 196 ist mithin eine minimale; sie ist nicht das, was zur Annahme eines Sich-Zueignens mit positiver Aneignungs-Komponente notwendig ist. Auch hier kommt man also nur weiter, wenn man überprüft, ob der Vordermann vor der Weitergabe der Sache Eigenbesitz an ihr begründet hat - dies wird im Falle auftragsgemäßen Handelns bei bloßem „Durchreichen" von Sachen selten der Fall sein. Der Eigenbesitz i. S. d. § 872 BGB unterscheidet sich in seinem tatsächlichen Aspekt, im Besitzcorpus, nicht vom sonstigen Besitz; anders ist lediglich der Besitzwille 197. Der Eigenbesitzerwille ist nicht die Überzeugung, Eigentümer zu sein (opinio domini), sondern der Wille, die Sache selbstständig und andere ausschließend zu besitzen (animus domini): die Eigentumsbehauptung198. Der Eigenbesitz ist begründet, sobald der Besitz mit nach außen erkennbarem Eigenbesitzerwillen ausgeübt wird 1 9 9 . Einen äußeren Ausdruck findet der Eigenbesitzerwillen schon im Erwerbsakt, wenn der Besitz erkennbar als Eigenbesitz erworben wird. Es kann aber auch bereits erworbener Fremdbesitz in Eigenbesitz umgewandelt werden 200 . Auch dieser Wille zur Umwandlung von Fremdbesitz in Eigenbesitz muss durch ein äußeres Verhalten zum Ausdruck kommen. Dies ist etwa der Fall, wenn der Fremdbesitzer eindeutig die Grenzen seines Besitzmittlungsverhältnisses überschreitet. Nimmt jemand eine fremde, besitzlose Sache an sich, von der er zweifelt, ob sie verloren oder derelinquiert ist, ist er solange Fremdbesitzer, bis er sich von der Dereliktion überzeugt oder als unredlicher Finder entschlossen hat, die Sache zu behalten 201 und noch keine äußeren Akte vollzogen hat, die unzweifelhaft auf Eigenbesitzerwillen schließen lassen - wie es z. B. der ungetreue Entleiher eines Buches durch Hineinschreiben seines Namens tut 2 0 2 . Wir sehen nun deutlicher, welche Rolle dem „ut dominum se gerere" im Rahmen der Feststellung des Aneignungsempfängers zukommt: Ein Handeln „ut servum domini" ist gerade nicht der Ausdruck, die Sache als eigene besitzen zu wollen. Durch die auftragsgemäße Übergabe einer weggenommenen Sache an einen Dritten ordnet sich der Täter dem Willen dieses Dritten in Bezug auf die Sache unter. Ein Indiz für Eigenbesitzerwillen findet man in keinem der typischen Akte eines Auftragdiebstahls. Erst recht aber kann eine kurze Reflexion darüber, ob man die Sache nicht doch selbst behalten solle, die sich unsichtbar nach außen allein innerhalb des Geistes des unmittelbar Handelnden vollzieht, nichts von der Ausübung eines Eigenbesitzerwillens an sich haben; Eigenbesitz wird damit nicht begründet. 196

So aber Schmid-Hopmeier, Das Problem der Drittzueignung bei Diebstahl und Unterschlagung, S. 190. 197 Wieling, Sachenrecht, § 4,1., 3. 198 Staudinger-Bund, § 872, Rn. 2; teils wird der Eigenbesitz auch als die „Herrschaft über die Bindung der Sache an den Eigentümer" beschrieben, vgl. Martens, NJW 1962, S. 1850. 199 Müller, Sachenrecht, Rn. 267. 200 Staudinger-Bund, § 872, Rn. 9. 201 Staudinger-Bund, § 872, Rn. 10. 202 Staudinger-Bund, § 872, Rn. 9.

2. Die Drittzueignung

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Auch das durch Vertreter der Drittzueignungslehre verschiedentlich vorgebrachte Argument 203 , es ergebe sich bereits aus den Motiven zum preußischen StGB 2 0 4 , dass jede Drittzueignung der Selbstzueignung unterfalle, ist nicht tragfähig. Zwar ist dort tatsächlich davon die Rede, dass es unmöglich sei, eine fremde Sache überhaupt an einen anderen weiterzugeben, ohne sie zuvor sich selbst zuzueignen - doch diese Auffassung hat im Gesetz erkennbar gerade keine Artikulation gefunden. Es besteht zwar kein Zweifel, dass ein Strafbedürfnis für diese Fälle vorhanden war und ist; dieses hat das 6. StrRG erneut deutlich gemacht und nunmehr befriedigt. Doch wird man nicht umhin kommen einzuräumen, dass gerade die Reformgesetzgebung andererseits auch unmissverständlich gezeigt hat, dass hier ein Lücke zu schließen war: dass also etwas unter Strafe zu stellen war, was zuvor eben nicht unter Strafe stand. Die Auffassung, die Weitergabe einer Sache sei generell Selbstzueignung, mag insofern den Motiven des historischen Gesetzgebers entsprochen haben, kam jedoch im Gesetz, das von „sich" zueignen sprach, nicht zum Ausdruck 205 . Dies gilt besonders in Hinblick auf die §§ 253, 263 StGB, in denen die Drittbereicherungsabsicht ausdrücklich normiert wurde - dies wäre ein schwer erklärbarer systematischer Widerspruch 206. Dies ist auch der Grund, aus dem die Drittzueignungslehre spätestens seit Erlass des Reformgesetzes kaum mehr vertretbar ist 2 0 7 - und das ist gerade bereits angeklungen: eine Gesetzgebung, die dem „Sich-Zueignen" die Drittzueignung als selbstständiges Merkmal gegenüberstellt, dürfte einer Interpretation, die jede Drittzueignung als Selbstzueignung versteht, zuwiderlaufen 208 - der Gesetzgeber hätte sich dann für eine Tautologie entschieden209. 203 Rudophi, GA 1965, S. 43; Tenckhoff, JuS 1976, S. 527; Roxin Täterschaft und Tatherrschaft, S. 344; Haberkorn, MDR 1962, S. 705; Wolfslast, NStZ 1994, S. 544; nur in Bezug auf „echte" Schenkungsfälle: Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 238. 204 Goltdammer, Materialien II, S. 467: Wegnahme in Schenkungsabsicht sei strafbar, da der Dieb den „Vorteil der Disposition" über die Sache genieße; des Weiteren war die Drittzueignungsabsicht in den Entwürfen von 1833, 1836, 1843 und 1847 ausdrücklich enthalten. Goltdammer dazu: „Dieser Zusatz wurde im Vereinigten Ständischen Ausschusse monirt, und ist nach den Motiven als überflüssig fortgelassen, weil Niemand einem Anderen die Sache zueignen könne, ohne sie vorher sich selbst zuzueignen." 205 Ebenso LK-Ruß, § 242, Rn. 64; Fahl, JA 1995, S. 847. Wie der historische Gesetzgeber den auslegungsbedürftigen Begriff ursprünglich verstanden hat, ist auch für eine historische Auslegung nicht entscheidend, verbindlich ist allein der objektivierte Wille des Gesetzes, vgl. BGHSt 26, S. 156 (159 f.). 206 Ebenso Rengier, Lenckner-FS, S. 804; Fahl, JA 1995, S. 847; BGHSt 41, S. 187 (194 ff.); selbst Wolfslast, NStZ 1994, S. 744, die ansonsten Roxin folgt, räumt diesen systematischen Bruch ein; dagegen Tenckhoff, JuS 1976, S. 527. 207

Gleichwohl wird sie weiterhin vertreten: Vgl. etwa Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 683 f.; Schmid-Hopmeier, Das Problem der Drittzueignung bei Diebstahl und Unterschlagung, insb. S. 231. 208 Küper, BT, S. 420 f. 209 Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 154.

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5. Kap.: Sonderfragen des Zueignungsbegriffs

Der hier vertretene Ansatz verträgt sich übrigens durchaus mit der neuen gesetzlichen Vorgabe bez. des § 246 StGB, der die Zueignung als etwas voraussetzt, das auch ohne Gewahrsam an einer Sache vollzogen werden kann: Besitz jeder Art kann Eigenbesitz sein, auch Mitbesitz, auch fehlerhafter Besitz und vor allem auch mittelbarer Besitz 210 . Eines wird nun deutlich und mag zunächst auf einen inneren Widerspruch deuten: Was bei der Fixierung der Selbstzueignung anhand der Feststellung von Eigenbesitz Einzug hält, ist nicht nur eine (in ihrem Bezugsobjekt verschobene) Neueinführung des „se ut dominum gerere"-Erfordernisses, sondern es klingen darin sogar Kriterien der Manifestationstheorien an. Doch haben sie an dieser Stelle, zur Unterscheidung der zwei gesetzlichen Aneignungsformen, eine andere Daseinsberechtigung, als für die konstitutive Feststellung, ob überhaupt eine Zueignung vorliegt oder nicht. Die Feststellung der Manifestation des Eigenbesitzerwillens dient nun nur noch der Wahlfeststellung zwischen zwei gleichrangigen Varianten eines ansonsten zuverlässig vorliegenden Tatbestandsmerkmals211. Um also die Auftragsdiebstähle nach alter Rechtslage zu beurteilen, müssen wir von der Erkenntnis ausgehen, dass wir zweierlei benötigen, um bei der Weitergabe einer Sache eine Selbstaneignung bejahen zu können, nämlich die dem Transfer vorangegangene Eigenbesitzbegründung einerseits und die positive Nutzung andererseits, die freilich auch in einer Veräußerung liegen kann. Was das letztere der beiden Elemente anbelangt, so wird bei einem Auftragsdiebstahl regelmäßig eine finanzielle oder soziale Motivation den Vordermann dazu veranlassen, seine Rolle auszuüben, so dass die Nutzung der Sache - als Mittel zum Zweck oder als sozialer Faktor - ebenso evident ist wie bei den Schenkungsfällen. Eigenbesitz an der Sache hat der Vordermann in den fraglichen Fällen jedoch schon mangels Eigenbesitzerwillen nicht begründet. Dabei spielt keine Rolle, dass er die Fehlerhaftigkeit des eigenen (Fremd-)Besitzes kennt - von Belang ist dagegen, dass er die Sache vom Augenblick der Wegnahme an für einen anderen, nämlich für den Dritten besitzt. Knecht K aus dem Gänsebuchtfall will zu keinem Zeitpunkt der Tat die Gänse des Nachbarn N für sich als seine eigenen haben. Er entwendet sie in der Absicht, diese in die Gänsebucht des Bauern B zu treiben. Er nutzt die Gänse (zur Erlangung vermeintlicher oder tatsächlicher Vorteile in seinem Arbeitsverhältnis), aber er nutzt sie nicht selbstherrlich als eigene. Unter den Voraussetzungen der alten Rechtslage muss Knecht K als straflos i. S. d. § 242 StGB a. F. angesehen werden. Und Bauer B hat jedenfalls nicht zum Diebstahl angestiftet. Unbenommen blieb indes auch vor dem 6. StrRG die Möglichkeit, Bauer B bei entsprechender positiver Nutzung der Gänse wegen Unterschlagung i. S. d. § 246 StGB zu bestrafen 210 Staudinger-Bund, § 872, Rn. 4. 211 Auch der Unwert beider Varianten ist wesentlich gleich, denn die Eigentumsverletzung liegt maßgeblich in der Enteignung. Es besteht deshalb auch keine Notwendigkeit, grundsätzlich das Vorliegen einer Selbstzueignung vor dem Vorliegen einer Drittzueignung zu prüfen, um einem etwaigen schwereren Unrechtsgehalt auf die Spur zu kommen.

2. Die Drittzueignung

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und Knecht K als seinen Gehilfen. Von einer wirklichen Strafbarkeitslücke kann insofern nicht die Rede sein. Diese Lösung wurde zwar als „unbefriedigend" empfunden 212 , da dabei der „Unrechtsgehalt des Wegnahmeaktes außer Betracht bliebe" 2 1 3 und es doch „klar zu Tage (liege), dass hier eine Zueignung mittels Gewahrsamsbruches vorliegt, die der Gesetzgeber als Diebstahl bestraft wissen w i l l " 2 1 4 doch hat der Gesetzgeber diesen Willen eben erst mit der jüngsten Reform klar zum Ausdruck gebracht. Bis dato hatte die Anwendung des § 242 StGB auf nur ähnlich gelagerte und sinngemäß gemeinte Fälle gemäß den Grundsätzen des Art. 103 Abs. 2 GG nachgerade zu unterbleiben.

cc) Die anonyme Weitergabe an Dritte Wie aber war der Spender zu beurteilen, der - freilich fremde - Sachen großherzig verschenkte, ohne sich zu erkennen zu geben? Was war zu tun, wenn der unmittelbar Handelnde anonym eine Sache direkt an einen Dritten weitergab, der jedoch weder die Weitergabe, noch eine vorangegangene Wegnahme veranlasst hatte? Diese Fälle ohne Auftraggeber und ohne auch nur mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil des Weitergebenden stellten die ganz herrschende Meinung nach alter Rechtslage vor eine Strafbarkeitslücke. Lediglich die Drittzueignungslehre konnte hier zur Annahme von täterschaftlichem Handeln i. S. d. §§ 242 oder 246 StGB kommen, indem sie sich auf ihre transparente Position berief, die Selbstzueignung sei unweigerliches Durchgangsstadium zur Drittzueignung 215 . Alle anderen Auffassungen stimmten insoweit überein: Einzig eine Gesetzesänderung, so hieß es vor dem Reformgesetz, könne hier Abhilfe schaffen 216. Die Straflosigkeit solchen Vorgehens stieß wohl auch deshalb nicht auf den gleichen kriminalpolitischen Widerstand und die im Gefolge zu argwöhnenden kriminalpolitischen Behelfskonstruktionen wie bei den Auftragsdiebstählen, weil in ihm ein nur unerheblich höherer Handlungsunwert als in der einfachen Sachentziehung gesehen wurde 217 : der Täter verwirkliche dabei eben nicht „jene auf Egoismus basierende Rücksichtslosigkeits-Relation, die gerade dem Diebstahl und der Unterschlagung ihren Stempel aufdrückt" 218 - Wohltätigkeit wurde als weniger verwerf212 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 340. 213 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 243, insb. Fn. 53. 214 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 340; beide mit Hinweis auf die Verschärfung der Problematik bei Verwirklichung eines Regelbeispieles des § 243 durch den Vordermann. 215 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 343 ff. 216 Statt vieler Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 244. In Frage kam u.U. allerdings eine Bestrafung wegen Beihilfe an der Unterschlagung des Empfängers, falls dieser bösgläubig war, vgl. Kudlich, JuS 2001, S. 769; zur Straflosigkeit im Falle der Gutgläubigkeit des Empfängers: Duttge / Fahnenschmidt, ZStW 110 (1998), S. 906. 217

Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 245. 218 Maiwald, ebenda.

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5. Kap.: Sonderfragen des Zueignungsbegriffs

lieh angesehen als egoistisch motiviertes Handeln; wenngleich der Eingriff des Handelnden in das Ausschließungsrecht des Eigentümers auf nicht weniger intensive Weise geschieht. Ohne Frage ist auch hier der Täter verantwortlich für die Eigentumsverletzung in Form der Enteignung des Eigentümers, die durch das Verschenken einer weggenommenen oder ursprünglich als Fremdbesitzer besessenen Sache erfolgt; er hat somit die Enteignung verwirklicht. Außerdem ist davon auszugehen, dass er Fremd- in Eigenbesitz umgewandelt hat, um wie ein Eigentümer über die Sache zu verfügen, so dass ein wesentliches Merkmal der Aneignung ebenfalls vorliegt. Doch ebenso gewiss fehlt hier der letzte Anknüpfungspunkt für die Vermutung von Selbstaneignung(-sabsicht) - denn der Täter hat außer potentieller innerer Genugtuung keinerlei Nutzen aus seinem Verhalten, geschweige denn aus der Sache selbst. Die Sache bleibt für ihn eine leere Hülse zu von ihr losgelösten Zwecken. Er nutzt sie weder in ihrer Körperlichkeit, noch als sozialen Faktor, denn die Spende bleibt aufgrund ihrer Anonymität ohne Bezug zu seiner Person. Ein Selbstzueignung kann man darin nicht finden - wohl aber eine Drittzueignung, nur war die nach alter Rechtslage nicht strafbegründend. Aus anderen Gründen scheiterte bereits nach alter Rechtslage die der anonymen Spende verwandte Konstellation der Weitergabe einer Sache in fremden Namen unter Respektierung des fremden Eigentums. Bekannt ist der so genannte „PseudoBoten"-Fall, in dem der Täter T dem Kaufmann O ein für den Kunden K zur Auslieferung bereitgestelltes Warenpaket entwendet, sich mit jenem Paket zu dem K begibt, sich dort als Bote des O ausgibt und gegen Übergabe des Pakets den Kaufpreis kassiert 219 . Die herrschende Meinung verneint in derartigen Fällen die Zueignung(-sabsicht), da in dem Auftreten als Bote kein „se ut dominum gerere" liege 2 2 0 . Dies ist im Ergebnis richtig, jedoch aus den falschen, weil formalen Gründen: Nicht erst das Gerieren als Eigentümer ist es, was für das Vorliegen rechtswidriger Zueignungsabsicht notwendig wäre, sondern zuvorderst der materielle Widerspruch zur Eigentumsordnung. Der Eigentümer kann der Verbringung der Sache zum Käufer nicht widersprechen, denn unabhängig von dem Vorliegen von Ent- und Aneignung ist der eigenmächtige Akt des Täters jedenfalls kein rechtswidriger Eingriff in die Eigentumsordnung 221: Die Sache gebührt dem Käufer. Es ist dies keine Frage, die nach der Reform neu betrachtet werden müsste, da sie das Merkmal der Rechtswidrigkeit der Zueignung, nicht das Merkmal des Empfängers der zugeeigneten Sache betrifft. Was die altruistische Weitergabe ohne Herausstellung der eigenen Person anbelangt, stimmt die hier vertretene Position mit der herrschenden Meinung überein: die anonyme Spende einer fremden Sache stellte nach altem Recht - ebenso wie 219 Nach BayObLG, JR 1965, S. 26. 220 Gössel, BT 2, § 6. Rn. 27; Sch. / Schr.-Eser, § 242, Rn. 50; Arzt/Weber, LH 3, Rn. 148; a.A.: Mitsch, BT 2, TB 1, § 1, Rn. 123; LK-Ruß, § 242, Rn. 61; Wessels, NJW 1965, S. 1157. 221 Vgl. U. 4.,a).

2. Die Drittzueignung

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die bloße Sachentziehung - eine Strafbarkeitslücke dar, da in ihr keine Selbstaneignung lag. b) Streitfälle nach aktueller Rechtslage Die nach alter Rechtslage bestehenden Strafbarkeitslücken waren also selbst nach der hier vertretenen Auffassung nicht sonderlich weitreichend 222 - wenn auch unbefriedigend. Straflos blieben, wenigstens was das Diebstahlsunrecht anbelangte, Veranlasser und Ausführender eines Auftragsdiebstahls sowie der altruistisch Weitergebende/Schenkende einer zuvor weggenommenen Sache. Erstere Fallgruppe war allein auf Basis der höchst umstrittenen und hier für falsch befundenen Konstruktion des absichtslos-dolosen Werkzeuges zu lösen oder aber im Sinne der Drittzueignungslehre, die schlicht im Vorfeld einer jeden Drittzueignung eine Selbstzueignung ansiedelte - sie allein konnte deshalb sogar die zweite Fallgruppe als Zueignungsunrecht begreifen. Auch dieser Theorie kann aus den oben dargelegten Gründen nicht gefolgt werden. Es bestanden somit tatsächlich Strafbarkeitslücken, die als kriminalpolitisch unerwünscht angesehen wurden - der Ruf nach dem Eingreifen des Gesetzgeber durch „kaum mehr als drei berichtigende Worte" 223 war deshalb schon lange zu vernehmen 224. Das 6. StrRG hat diese drei berichtigenden Worte in das StGB aufgenommen. Selbstzueignung und Drittzueignung stellen fortan gleichwertige Alternativen innerhalb der Eigentumsdelikte dar. Inwieweit sich daraus tatsächlich erhebliche sachliche Änderungen in der Behandlung der Zuwendungsfälle ergeben, ist allerdings zweifelhaft 225 bzw. erst bei genauerem Hinsehen erschließbar. Die Fälle des Verschenkens und Verkaufens werden auch weiterhin als Selbstzueignungen erfasst. Inwieweit sie überdies auch Drittzueignungen sein können, wird sogleich noch zu klären sein. In den Auftragsdiebstahls-Fällen jedenfalls wird künftig die Figur der mittelbaren Täterschaft mit einem absichtslos dolosen Werkzeug kaum mehr bemüht werden müssen, um Vorder- sowie Hintermann aus § 242 StGB bestrafen zu können 2 2 6 : den Vordermann als Täter und den Hintermann als Anstifter i. S. d. § 26 StGB mit eigener Zueignungsabsicht227 - wodurch hier auch der Streit um die An222 Vgl. auch Duttge/Fahnenschmidt, ZStW 110 (1998), S. 897; genaueres zur praktischen (Ir-)relevanz dieser Fallgestaltungen bei Dencker / Struensee / Nelles / Stein, 1. Teil, III., Rn. 39. 223 Wolfslast, NStZ 1994, S. 544. 224 Etwa bei Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 244; die Drittzueignung war aus diesem Grunde auch schon Bestandteil des Entwurfs eines neuen Strafgesetzbuches von 1962 (E 1962). 225 Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 127. 226 Hier wie im Folgenden: Mitsch, ZStW 111 (1999), S. 68. 227 Eine Bestrafung als Mittäter kommt nach strittiger Ansicht nicht in Betracht, wenn keine wesentliche Mitwirkung im Ausführungsstadium vorliegt, vgl. LK-Roxin, § 25, Rn. 181 ff.; Rudolphi, Bockelmann-FS, S. 369; dagegen: Wessels / Beulke, AT, Rn. 529; BGHSt 33, S. 50 (53).

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5. Kap.: Sonderfragen des Zueignungsbegriffs

wendbarkeit des § 28 Abs. 1 StGB obsolet wird 2 2 8 . Dass der Hintermann nunmehr wegen Anstiftung zu einer fremden Tat statt als Täter einer eigenen belangt wird, bedeutet für ihn keine, nicht einmal eine fakultative Strafmilderung, sondern gem. § 26 StGB eine Strafe „gleich einem Täter 4 ' 229 . Und auch der anonyme Spender wird nunmehr als Täter eines Eigentumsdeliktes erfasst werden können: je nachdem, ob er die Sache weggenommen hat oder nicht, als Täter eines Diebstahls oder einer Unterschlagung 230. Die Gesetzesreform schließt also durchaus Strafbarkeitslücken, wenngleich keine von augenfälligen Ausmaßen - allerdings um den Preis eines in ihrem Gefolge entstehenden Bedarfs an dogmatischer Neukonstruktion, der durchaus von augenfälligem Ausmaß ist 2 3 1 : Die Aufnahme der Drittzueignung(-sabsicht) in die Eigentumsdelikte stellt zunächst ein weiteres gewichtiges Argument gegen die subjektive Täterlehre und für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme nach objektiven Kriterien dar, denn fehlendes Eigeninteresse ist nunmehr kein Kriterium für die klare Zuschreibung der Gehilfen-Rolle 232 . Die Trennung von Täterschaft und Teilnahme bei den Eigentumsdelikten wird denn auch eine der schwierigeren Aufgaben nach den neuen Gesetzesvorgaben sein 233 , denn die Frage ist ja keineswegs beantwortet, ob im Einzelfall der Handelnde eine Sache einem Anderen zugeeignet hat, oder ob er dem anderen lediglich geholfen hat, sich die Sache zuzueignen234. Offensichtlich ist lediglich, dass fehlende Selbstzueignungsabsicht die Täterschaft nicht mehr ausschließt. Es sind damit Mittäterschaftsvarianten vorstellbar, die bislang wegen des Fehlens egoistischer Momente auf Seiten einzelner Tatbeteiligter ausgeschlossen waren 235 . Bei § 242 StGB muss Anknüpfungspunkt für die Annahme von Täterschaft der Wegnahmeakt sein: Wer die Wegnahmehandlung eigenhändig zumindest mitdurchführt, hat Tatherrschaft 236. Die bloße Ermöglichung der Wegnahme durch 228 Siehe dazu Kap. 4, l.,e). 229 Vorteile für den Veranlasser ergeben sich höchstens in Versuchskonstellationen: Während der mittelbare Täter eines Diebstahls Versuches nach § 242 Abs. 2 StGB strafbar wäre, ist die versuchte Anstiftung zum Diebstahl gem. §§ 30 Abs. 1, 12 Abs. 1, Abs. 2 StGB nicht strafbewehrt (vgl. auch Mitsch, a. a. O.). 230 Zur Kasuistik vgl. Noak, Drittzueignung und 6. Strafrechtsreformgesetz, S. 77. 231 Vgl. auch Degener, JZ 2001, S. 392: „Die Ausdehnungseffekte potenzieren sich"; Jäger, JuS 2000, S. 1167: Es „ist nämlich eine Norm entstanden, die so viel von ihren ehemaligen Konturen eingebüßt hat, dass dadurch mehr Probleme geschaffen als gelöst wurden." 232 Mitsch, ZStW 111 (1999), S. 86. 233 Instruktiv Jäger, JuS 2000, S. 1169 f.; vgl. außerdem Kudlich, JuS 2001, insb. S. 770. 234 So für die analoge Regelung des E 1962 Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 245. 235 Hierzu ausführlich Noak, Drittzueignung und 6. Strafrechtsreformgesetz, S. 71. 236 Es darf jedoch nicht aus den Augen verloren werden, dass Tatherrschaft notwendiges, aber nicht hinreichendes Merkmal von Täterschaft bei § 242 ist: hinzukommen muss die Zueignungsabsieht, auch wenn es um Drittzueignung geht.

2. Die Drittzueignung

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Dritte - z. B. durch Diebe, denen das Eindringen in einen Laden erleichtert wird 2 3 7 - kann nicht ausreichen. Für § 246 StGB dagegen ist Anknüpfungspunkt für die Annahme von Tatherrschaft die reale Ermöglichung der (Eigen-)Besitzverschaffung des Dritten, bzw. der Befähigung zur Hinderung des Dritten 238 , in den (Eigen-)Besitz der Sache zu gelangen. Ist dies durch den Vordermann nicht beeinflussbar, so kommt lediglich Teilnahme in Betracht 239 . Von besonderer Bedeutung ist allerdings auch in diesem Zusammenhang der ebenfalls durch das 6. StrRG erfolgte Wegfall des Gewahrsamserfordernisses 240 - der Täter des § 246 StGB muss nun nicht einmal mehr vorübergehend die tatsächliche Herrschaft über das Tatobjekt erlangt haben 241 . An eigenem Gewahrsam des Vordermannes wird man deshalb keine Tatherrschaftskriterien mehr festmachen können, da schließlich Tatherrschaft immer nur in Bezug zum fraglichen Tatbestand und der in ihm beschriebenen Tat gedacht werden kann. Die Handlung des Dritten ihrerseits wird im Falle seiner Bösgläubigkeit nun auch als entweder Täterschaft oder Teilnahme beurteilt werden müssen. Bei Drittzueignung des Vordermanns ist fraglich, ob das Handeln des Hintermannes als mittäterschaftlicher Diebstahl i. S. d. §§ 242 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB, als Hehlerei i. S. d. § 259 Abs. 1 StGB 2 4 2 , als Beihilfe zum Diebstahl des Vordermannes i. S. d. §§ 242 Abs. 1, 27 StGB oder als eigene Unterschlagung i. S. d. § 246 Abs. 1 StGB zu ahnden ist. Mittelbare Diebstahls-Täterschaft wird jedenfalls nur dann in Betracht kommen, wenn der Vordermann keinen Enteignungsvorsatz hat, bzw. unter Zwang handelt oder schuldunfähig ist - also klassische Werkzeug-Qualitäten aufweist. Soweit die herrschende Meinung darüber hinaus fortfährt, die Figur des absichtslos-dolosen Werkzeuges zu bemühen, wenn dem Vordermann die Absicht der Drittzueignung (als stärkste Vorsatzform) fehlt - so z. B. wenn er nicht sicher weiß, ob der Dritte die weggenommene Sache überhaupt annehmen wird und es ihm darauf auch nicht eigentlich ankommt 243 - , so ist diese Vorgehensweise ebenso fragwürdig, wie sie es vor der Reform war - denn wenn der Vordermann verantwortlich und dolos und irrtumsfrei handelt, dann fehlt dem Hintermann die Tatherrschaft und dieses Fehlen ist nicht durch überragende subjektive Elemente kompensierbar. Einschlägig für den Hintermann wäre in solchen Fällen auch künftig § 246 237 Lackner/Kühl, § 242, Rn. 26a. 238 Zur Problematik der Drittzueignung durch Unterlassen Mitsch, ZStW 111 (1999), S. 87; Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 246 ff.; vgl. auch o. 1., a) und b). 239 Ähnlich Otto, Jura 1998, S. 551. 240 Duttge/Fahnenschmidt, ZStW 110 (1998), S. 899; Degener, JZ 2001, S. 390 ff. 241 Zu welch bizarren Fallkonstellationen man hier bei herkömmlicher Auslegung des Zueignungsbegriffs gelangt, zeigt eindrucksvoll Basak, GA 2003, S. 111 ff. Ebenso überzeugend seine Kritik an dem Versuch, „die vom Gesetzgeber entfernte Gewahrsamsklausel in den Unterschlagungstatbestand doch wieder hineinzulesen", a. a. O. 242 Zum veränderten Verhältnis der Unterschlagung zur Hehlerei vgl. vor allem Mitsch, ZStW 111 (1999), S. 87 f.; Duttge/Fahnenschmidt, ZStW 110 (1998), S. 902. 243 Vgl. hierzu den folgenden Absatz.

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5. Kap.: Sonderfragen des Zueignungsbegriffs

StGB. Dass auch der Vordermann seinerseits das Enteignungselement der Zueignung verwirklicht hatte und der Berechtigte seines Zugriffs auf die Sache bereits entledigt war, steht dem nicht entgegen. Man halte sich in diesem Zusammenhang nur noch einmal die Struktur deliktischer Eigentumsverletzungen vor Augen: Die Enteignung als eigentumsverletzende Seite der Zueignung richtet sich nicht gegen die Sache selbst oder die Verbindung des Eigentümers mit seiner Sache, sondern gegen die Rechtsbeziehung des Täters zu dem Eigentümer 244 . Unabhängig davon, ob auch der Vordermann in seine eigene Rechtsbeziehung zu dem Eigentümer der Sache eingegriffen hat, vereitelt der Hintermann durch das Vorenthalten der Sache die Realisierung der Eigentümerbefugnisse durch den Berechtigten; er enteignet damit - nicht erneut, sondern erstmalig. Ein weiterer notwendiger Schritt in der Auslegung des neuen § 246 StGB betrifft die Frage des Erfordernisses eines Zusammenwirkens zwischen dem unmittelbar Handelnden und dem Empfänger der Zuwendung 245 : Soll der Tatbestand des § 246 StGB schon erfüllt sein, wenn einem Dritten die Aneignungsmöglichkeit verschafft wird, ohne dass der Vordermann von dessen Aneignungswillen ausgehen kann? Wer sich einer fremden Sache entledigen würde, indem er sie schlicht fortwürfe und dabei die Aneignung durch einen Dritten in Kauf nähme, erfüllte damit den Tatbestand der Unterschlagung, sofern ein beliebiger (auch unbekannter) Dritter sich die Sache tatsächlich aneignete. Die Vollendung der Unterschlagung wäre damit wesentlich vom Zufall abhängig. Eine solche Zufallskomponente ist zwar für viele Erfolgsdelikte charakteristisch - erlangt jedoch in der hier fraglichen Konstellation ein anderes Gewicht, weil sie eine erhebliche Ausweitung der Unterschlagungsunrechts in Richtung eines allgemeinen Sachentziehungsdelikts bedeuten würde, da dolus eventualis bzgl. einer Drittaneignung bei einem großen Anteil der Sachentziehungen anzunehmen sein dürfte 246 . Doch kann dieses Ergebnis nicht richtig sein, denn auch die Fremdaneignung einer Sache erfordert schließlich mehr als das Schaffen der bloßen Möglichkeit einer spekulativen Eigenbesitznahme durch irgendjemanden 247 - die Drittzueignung setzt als positives Element notwendig die vollzogene Eigenbesitznahme und die Nutzung der Sache durch den Dritten, also eine komplette Aneignung voraus und damit ein entsprechendes Einverständnis des (gut- oder bösgläubigen) Dritten - eine „aufgedrängte" oder „heimli244

Vgl. hierzu die Ergebnisse des 2. Kap. 5 Hierzu auch Kudlich, JuS 2001, S. 769; Jäger, JuS 2000, S. 1168; Schenkewitz, NStZ 2003, S. 18 ff. 24

246 Maiwald bildet das Beispiel (Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 238, Fn. 37): „A wirft vor Wut über B des letzteren Hut aus dem Fenster, wobei es ihm gleichgültig ist, ob der vor dem Fenster stehende X ihn aufhebt und mitnimmt, oder ob ihn der Wind in den Fluß weht. Tatsächlich hebt ihn X sofort auf und eilt mit ihm davon" ( wobei unklar bleibt, inwiefern dieses Beispiel den von Maiwald gemeinten Komplex der Schenkungsabsicht illustrieren sollte). 247 Jäger, JuS 2000, S. 1167, 1169 Fn. 21, sieht dies weniger als unterschlagungsspezifische, sondern vielmehr als allgemeine Abgrenzungsproblematik von Täterschaft und Teilnahme an; zustimmend Schenkewitz, NStZ 2003, S. 19.

2. Die Drittzueignung

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che" Zueignung ist dagegen nicht vorstellbar 248 . Irrt sich der Täter über das Vorhandensein des Einverständnisses und des Eigenbesitzerwillens des Dritten, kommt lediglich versuchte Unterschlagung in Betracht - so, wenn der Täter meint, der Dritte wolle die ihm „geschenkte" Sache nutzen, dieser jene jedoch unmittelbar fortwirft. Doch auch mit dieser Einschränkung käme man nicht umhin, versuchte Unterschlagung i. S. d. §§ 246 Abs. 3, 22 StGB anzunehmen, wenn der Täter sich vorstellt, (irgend-)ein Dritter könnte die fortgeworfene Sache für sich in Besitz nehmen, auch wenn dies tatsächlich nicht geschieht - es sei denn, und die Unerlässlichkeit dieser weiteren Restriktion 249 offenbart sich hier endgültig, man fordert für die objektive Aneignung des § 246 StGB dolus directus zweiten Grades. Diese Beschränkungen helfen, die gröbsten Unbilligkeiten des neuen § 246 StGB zu mildern; sie können jedoch nicht verhindern, dass die nach früherem Recht als bloße Gehilfenhandlungen zu wertenden Tathandlungen sich jetzt zu täterschaftlichen Tathandlungen „hochgezont" finden 250 , so dass auch weitest gehende altruistische Motivationen nunmehr kein Indiz für den Tatbeteiligungstyp der Beihilfe sein müssen. Andere Überlegungen gelten für § 242 StGB: Objektives Zusammenwirken zwischen Täter und Drittem zu verlangen wäre hier sinnwidrig, da in das subjektive Tatbestandsmerkmal der Zueignungsabsicht schwerlich ein außenweltliches Erfordernis hineininterpretiert werden kann. Was sich ändert, ist lediglich das Bezugsobjekt der erstrebten Aneignung. Zu beharren ist dagegen auch bei der Drittzueignungsabsicht auf der Vorsatzform des dolus directus ersten Grades - es genügt also wie bei der Selbstzueignung auf der voluntativen Ebene nicht die bloße Inkaufnahme der Aneignung durch irgendeinen Dritten 251 . Vielmehr muss es dem Täter gerade darauf ankommen, dass die Sache durch einen Anderen in Eigenbesitz genommen und genutzt wird 2 5 2 , da sonst auch hier eine Abgrenzung der Zueignungsabsicht von dem Willen zur Sachentziehung oder zur Sachbeschädigung nicht mehr durchführbar wäre 253 . Eine Präzisierung der Person des Dritten ist dafür zwar entbehrlich, wird aber in der Regel schon deshalb erfolgen, weil es dem Täter anderenfalls wohl eher auf die Enteignung des Berechtigten denn auf den Nutzen eines Beliebigen ankommen würde. Auf der kognitiven Ebene muss der Täter zum Zeitpunkt der Wegnahme nicht sicher davon ausgehen, dass der Dritte sich das Tatobjekt wirklich aneignen will - es genügt, wenn der Täter dieses als Ziel klar inten248

Rengier, Lenckner-FS, S. 805; Noack, Drittzueignung und 6. Strafrechtsreformgesetz, S. 133; Mitsch, ZStW 111 (1999), S. 86; Kudlich, JuS 2001, S. 771; dagegen Schenkewitz, NStZ 2003, S. 18; einschränkend Jäger, JuS 2000, S. 1168. 249 Vgl. Kap. 4, 2., d). 2

50 Duttge/Fahnenschmidt, ZStW 110 (1998), S. 904. 251 Dagegen auch Rönnau, GA 2000, S. 418 f. 252 Ebenso Küper, BT, S. 440; a.A. NK-Kindhäuser, § 242, Rn. 134, der es für unmöglich hält, die Absicht des Täters auf das Wollen eines anderen zu beziehen; dazu Rönnau, a. a. O., S. 419 f. 253

Vgl. zum Ganzen Noak, Drittzueignung und 6. Strafrechtsreformgesetz, S. 84 ff.

14 Kauffmann

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5. Kap.: Sonderfragen des Zueignungsbegriffs

diert. Dann kommt auch bei fehlendem Aneignungswillen, ja selbst bei entgegenstehendem Willen des Dritten vollendeter Diebstahl in Betracht. Weiter gehend verlangt Rönnau 254, der Täter müsse auch bezüglich der Drittzueignung beabsichtigen, selbst die Aneignungshandlung vorzunehmen. Dies ergebe sich aus dem Wortlauts des § 242 StGB: Es handele sich der Formulierung nach um einen Finalsatz in der Form einer Um-zu-Konstruktion, wodurch das Subjekt der Handlung, die durch den Um-zu-Satz beschrieben werde, stets auch das Subjekt des Hauptsatzes sei. Dies kann aber nur insoweit richtig sein, als der Täter selbst eine Handlung anstreben muss, die als Zueignung klassifizierbar ist, d. h. er muss die Enteignung und diejenigen Teile der Aneignung zu vollziehen beabsichtigen, die unter Berücksichtigung der gesetzlich vorausgesetzten Existenz eines Dritten nur vollziehbar sind. Was er nicht selbst vollbringen kann, ist die Begründung von Eigenbesitz durch den Dritten, denn hierbei handelt es sich um einen inneren Sachverhalt, der nicht für einen anderen, sondern nur durch den anderen selbst zustande gebracht werden kann. So ist die Auffassung Rönnaus letztlich eine grammatische Kritik der gesetzlichen Formulierung, weniger eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem vorgefundenen Tatbestand. Eine weitere Notwendigkeit besteht in der Klärung des Verhältnisses von Selbstund Drittzueignung 255 . Schließen sie sich gegenseitig aus? Sind sie nacheinander oder gar nebeneinander realisierbar? Das gesamte Spektrum der Meinungen wird vertreten. Kindhäuser ist der Auffassung, die Drittzueignung sei gegenüber der Selbstzueignung ein aliud, so wie Fremd- und Eigenbesitz nicht nebeneinander möglich seien 256 . Das „oder" der Tatbestandsformulierung schließe die beiden Zueignungsvarianten wechselseitig aus. Anders hält die wohl herrschende Meinung es für zulässig, in den bisher als Selbstzueignungen deklarierten Fällen der Weitergabe „jetzt zusätzlich noch einen klaren Fall der Drittzueignung anzunehmen"257. Murmann empfiehlt eine teleologische Reduktion des § 246 StGB auf Fälle ohne vorangegangene deliktische oder deliktisch ermöglichte Selbstzueignung258; Perpetuierungsunrecht ahnde exklusiv der § 259 StGB, und selbst dieser sehe einen Tatbestandsausschluss für Vortäter vor. Zweckdienlich erscheint eine Regelung in Annäherung an Murmann, die auf einer tatbestandlichen Reduktion der Eigentumsdelikte beruht, sich allerdings auch bereits zwingend aus einer ontischen Interpretation des Zueignungsbegriffes ergibt: Es lässt sich zwar schon mit Blick auf andere Normen des StGB folgern, dass das Wort „oder" in der Formulierung der §§ 242, 246 StGB kein Ausschließungsverhältnis bedeuten muss - niemand käme beispielsweise auf den Einfall, die Mordmerkmale des § 211 StGB als einander ausschließend zu interpretieren. Eine si254 255 256 257 258

Rönnau, GA 2000, S. 416 f., 424. Lesenswert hierzu Otto, Jura 1998, S. 550 ff. Kindhäuser, BT 2, Tb. 1, § 2, Rn. 133. Rengier, BT 1, § 2, Rn. 51; vgl. auch Mitsch, ZStW 11 (1999), S. 88. Murmann, NStZ 1999, S. 15.

2. Die Drittzueignung

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multane Realisierung von Selbst- und Drittzueignung ist dennoch ausgeschlossen und dies bereits aufgrund des bereits mehrfach aufgewiesenen Charakters der Aneignung als dem einer Bewegung, die nur in die eine oder in die andere Richtung geschehen kann. Mühelos hingegen und ohne jeden inneren Widerspruch ist ein auch unmittelbares - Aufeinanderfolgen von Selbst- und Drittaneignung vorstellbar. (Dies wird gewöhnlich so sein, wenn der Täter eine Sache entwendet, um sie nach eigenem Gebrauch zu verkaufen oder zu verschenken.) Zwingend ist andererseits hier die Sichtweise, dass jede auf eine Selbstaneignung folgende Drittaneignung nur noch eine Perpetuierung der bereits vollbrachten Eigentumsverletzung darstellt - der Täter vollzieht hier zwar zwei Aneignungen, jedoch keine zweite Enteignung. Und ohne Enteignung ist die Aneignung keine Zueignung. Mangels Zueignungsqualität ist die auf eine Selbstaneignung folgende Drittaneignung daher tatbestandslos259. Dieses Ergebnis befriedigt auch insofern, als ein eigenständiger Unwert der im Gefolge der Selbstzueignung vollzogenen Drittzueignung kaum aufzeigbar ist. In der Prüfungsreihenfolge gebührt der Selbstzueignung Priorität, da sich in ihr das unter Schuldaspekten regelmäßig verwerflichere und für die Zueignungsdelikte so typische egoistische Element verwirklicht 260 und der Drittzueignung deshalb auch durch die Legislative die Funktion der Lückenschließung zugedacht ist 2 6 1 . Eine andere Frage ist die, wer überhaupt „Dritter" im Sinne der §§ 242, 246 StGB sein kann 262 . Erkennbar ist von vornherein, dass der Eigentümer der Sache als Dritter nicht in Betracht kommt, denn schließlich ist die Zueignung gerade ein Angriff auf das Eigentum. Ist hingegen der Gewahrsamsinhaber nicht gleichzeitig Eigentümer, so ist selbst er potenzieller Drittzueignungsbegünstigter, jedenfalls soweit man den Schutzbereich der Eigentumsdelikte auf das Eigentum beschränkt und den Gewahrsam nicht als Schutzgut des Diebstahlstatbestandes begreift 263 . Eine vorstellbare Variante wäre ein verschwörerisches Zusammenwirken von Wegnehmendem und - beispielsweise - Entleiher als Gewahrsamsinhaber zum Zwecke einer zukünftigen Unterschlagung durch den Entleiher. Potenzielle Dritte im Sinne dieser Paragrafen sind aber auch Personenverbände und juristische Personen, soweit sie im zivilrechtlichen Sinne Eigentümerbefähigung besitzen. 25

9 Vgl. im Einzelnen u., 3., a). 260 Hierzu Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 245. 261 Vgl. BT-Dnicksache 13/7164, S. 43; ebenso Jäger, JuS 2000, S. 1167. 262 Vgl. hierzu Mitsch, ZStW 111 (1999), S. 69. 263 Anders deshalb die herrschende Meinung: BGHSt 10, S. 400 (401); BGH NStZ 2001, S. 316; LK-Ruß, vor § 242, Rn. 3; Sch./Schr.-Eser, § 242, Rn. 2; Lackner/Kühl, § 242, Rn. 1; SK-Hoyer, vor § 242, Rn. 11; Gössel, BT 2, § 7, Rn. 1; Mäurach /Schroeder/ Maiwald, BT 1, § 32, Rn. 5; Otto, Jura 1989, S. 138. A. A. Mitsch, BT 2, § 1, Rn. 6, Seelmann/Pfohl, JuS 1987, S. 199; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 57: Dass § 242 in der Angriffsform der Wegnahme auch den Gewahrsam schützt, erhebt diesen nicht in den Rang eines eigenständigen Schutzgutes; insbesondere in Hinblick auf die sich gegenseitig ergänzenden Eigentumsdelikte ist daher Aufwertung des Gewahrsams als zweites Schutzgut des Diebstahls abzulehnen. 14*

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5. Kap.: Sonderfragen des Zueignungsbegriffs

Es wird aufschlussreich sein zu beobachten, in welchen der bislang als Selbstzueignungen deklarierten Fällen die herrschende Meinung auf Basis der neuen Gesetzeslage dazu übergehen wird, diese unter die Tatbestandsmodalität der Drittzueignung zu subsumieren 264. Was damit eingestanden werden wird, ist die Unrichtigkeit der mühsamen, veralteten Konstruktionen 265. Denn wären sie überzeugend und wären sie richtig, so müssten diese Fälle weiter Selbst-Zueignungen bleiben und nur zuvor eingestandene Strafbarkeitslücken dürften durch die neue Zueignungsform erfasst werden. Auch die Behauptung, eine Einordnung als SichZueignung sei ebenso richtig wie als Drittzueignung, nur passe letztere eben besser, kann so nicht stimmen: Als Bezugsobjekt für die Aneignung kommt nur entweder der Täter oder der Dritte in Betracht (vgl.o.). Es mögen Selbst- und Drittaneignung zwar chronologisch hintereinander, auch unmittelbar hintereinander denkbar sein, nicht aber im selben Zeitpunkt und durch dieselbe in Frage stehende Handlung. Wesenseigen kommt hier nur das eine oder das andere in Betracht; wenn das eine stimmt, ist das andere falsch. Hat nun die Reform der Eigentumsdelikte ihre Intentionen verwirklichen können? Resümierend lässt sich feststellen, dass die Mängel die Gewinne überwiegen 266 . Ziel der „im Eilverfahren auf den Weg gebracht(en)" Änderungen 267 war eine rechtsvereinfachende Schließung von Strafbarkeitslücken, die nach alter Rechtslage in den Augen der herrschenden Meinung nur mit erheblichem Konstruktionsaufwand oder aber überhaupt nicht überbrückt werden konnten 268 . Strafbarkeitslücken sind fraglos geschlossen worden, bzw. es können nunmehr solche Ergebnisse, die bislang nur durch zweifelhafte Extensionen der Selbstzueignung begründet werden konnten, auf eine unzweifelhafte Grundlage gestützt werden 269 . Und man mag auch in Rechnung stellen, dass Wertungswidersprüche, etwa zu den §§ 255, 263 StGB, beseitigt wurden - aber um den Preis eines erheblichen Verlustes an Typisierung der Tatbestände270 und der Gefahr einer weiter ausufernden Anwendung des Zueignungsmerkmals 271. Dazu kommt, wie beschrieben, dass die Beseitigung alter Probleme einhergeht mit der Schöpfung neuer und dass die Verbesserung, die die Lückenschließung bringt, einige der umstrittenen Probleme im 264 So bereits Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 154; Rengier, BT 1, § 2, Rn. 53; Otto, Jura 1998, S. 551. 265 in diesem Sinne ausdrücklich bei Tröndle / Fischer, 51. Auflage, § 246, Rn. 11 in Bezug auf Tröndle (48. Aufl.), § 246, Rn. 13a. 266 Vgl. auch Rönnau, GA 2000, S. 424 ff. 267 Wagner, Grünwald-FS, S. 797; Dencker/Struensee/Nelles/Stein, 1. Teil, Rn. 1 ff. 268 Nachweise bei Duttge/Fahnenschmidt, ZStW 110 (1998), S. 886. 269 Kudlich, JuS 2001, S. 768; Mitsch, ZStW 111 (1999), S. 65, bezweifelt, dass die Gesetzesnovelle die erhofften einschneidenden Veränderungen im Bereich der Vermögensdelikte bewirkt hat; instruktiv zum 6. StrRG und seinen Auswirkungen auf die Zueignungsdelikte: Noak, Drittzueignung und 6. Strafrechtsreformgesetz, S. 21 ff. 270 Duttge/Fahnenschmidt, ebenda, S. 887. 271 Mitsch, ZStW 111 (1999), S. 87.

2. Die Drittzueignung

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Grunde nicht löst 2 7 2 . Zu fragen ist deshalb schließlich, ob in den neuen Zueignungstatbeständen „nicht letztlich ein gravierender Verlust an Rechtssicherheit und damit einhergehend - und in eklatantem Widerspruch zu den Intentionen des Gesetzgebers - eine Erschwerung der Rechtsanwendung liegt, die in Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbar ist 4 ' 2 7 3 . Nicht zu beanstanden ist aus hier eingenommener Sicht, dass die Neufassung der Tatbestände die Drittzueignung der Selbstzueignung gleichstellt und damit beide Begehungsvarianten in ihrem Unrechtsgehalt für ebenbürtig erachtet 274. Anders sah Maiwald die vergleichbaren Regelungen des E 62 zur Drittzueignung 275 : Wer fremden Egoismus unterstütze, handele nicht so verwerflich wie der, dessen Motiv selbst egoistisch ist. Dieses Argument ist in Hinblick auf einen Vergleich der unterschiedlichen Strafdrohungen bei den verschiedenen Eigentumsdelikten zwar schlagkräftig 276, in Hinblick auf das Rechtsgut der Eigentumsdelikte allerdings zweifelhaft. Denn den eigentumsverletzenden Gehalt der Zueignung birgt vornehmlich die Enteignung. Das Hinzukommen der Aneignung innerhalb der Zueignungsdelikte dient vor allem der Typisierung der Tatbestände der Eigentumsdelikte und ihrer Abschichtung untereinander 277. In welcher ihrer Varianten die Aneignung auftritt - der Selbst- oder der Drittaneignung - bedeutet für die Rechtsgutsverletzung und damit für den Unrechtsgehalt keinen Unterschied. Doch wie man die legislatorischen Vorgaben auch einschätzen mag - da sie nun in der Welt sind, werden sie verfassungskonform ausgelegt werden müssen, und eine solche verfassungskonforme Auslegung kann allein über das einzige (neben Tatsubjekt und -objekt) verbliebene Tatbestandsmerkmal erreicht werden: durch eine rigorose Kürzung des ausgeuferten Zueignungsbegriffs.

272 Mitsch, ZStW 111 (1999), S. 65; für den E 62, der die Aufnahme der Drittzueignung(-sabsicht) vorsah: Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 246, derselbe zur aktuellen Gesetzeslage in Maurach/Schroeder/Maiwald, BT, TB 1, § 34, Rn. 2 ff. 273 Duttge/Fahnenschmidt, ZStW 110 (1998), S. 887, vgl. auch S. 897 f.; Rönnau, GA 2000, S. 415, hält die Aufnahme der Drittzueignungsabsicht für eine „Überreaktion des Gesetzgebers". 274 Ebenso Kudlich, JuS 2001, S. 769. 275 Mai wald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 245; ebenso: Noak, Drittzueignung und 6. Strafrechtsreformgesetz, S. 79; ähnlich Lampe, GA 1966, S. 240. 276 Zur Ratio der verschiedenen Strafdrohungen innerhalb der Eigentumsdelikte (allerdings nach alter Gesetzeslage) vgl. ausführlich Disse, Die Privilegierung der Sachbeschädigung (§ 303 StGB) gegenüber Diebstahl (§ 242 StGB) und Unterschlagung (§ 246 StGB), insb. S. 302 ff. 277 Vgl. den Abschnitt zur Aneignung, o. 4. Kap., 1., b); demgegenüber erblickt Rönnau, GA 2000, S. 427 f., einen Strafgrund der Zueignungstatbestände darin, dass der Täter die „in unserer Gesellschaft tief verwurzelte Grundidee des Leistungsprinzips" korrumpiere.

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5. Kap.: Sonderfragen des Zueignungsbegriffs

3. Zur Frage der Wiederholbarkeit der Zueignung Ein Täter manifestiert seinen Zueignungswillen in Bezug auf eine deliktisch erworbene fremde Sache in der Regel mehrfach: Nachdem er sie seinem Güterbestand einverleibt hat, nutzt er sie gewöhnlich, dies möglicherweise durch verschiedene Handlungen, und später veräußert er sie eventuell - diese Beobachtung stellt Rechtsprechung und Lehre, namentlich Anhänger der Manifestationstheorien, vor die Frage: Kann der Täter einer Unterschlagung sich dieselbe Sache erneut zueignen? Sind Teilnehmer späterer Verwertungsakte strafbar nach §§ 246, 27 StGB? Interessanter als die Beantwortung dieser Fragen 278 ist zunächst ein Blick auf ihren dogmatischen Vorbau:

a) Existenz und rechtliche Behandlung von „Zweitzueignungen" Beim Studium der bekannten Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des BGH aus dem Jahr 1959 (St 14, 38 ff.) zur Frage der Wiederholbarkeit von Zueignungen begegnen dem aufmerksamen Leser alsbald Ungereimtheiten, die allesamt eine Prämisse betreffen: Diskutiert wird eine Sachlage nach Verwirklichung von Zueignungsunrecht: „Jeder Dieb, Räuber, Erpresser und Betrüger nimmt regelmäßig mit seiner Beute Handlungen vor, die sich nach bereits vollzogener Zueignung als weitere Äußerung seines Herrschaftswillens darstellen." 279 Unterstellt wird also, dass bei der Begehung eines Diebstahls oder Raubes oder gar eines Betruges oder einer Erpressung unvermeidlich bereits eine Zueignung stattfindet 280 . Der Gesetzeswortlaut dieser Tatbestände bietet für eine solche Annahme keine Anhaltspunkte. §§ 242 und 249 StGB verlangen lediglich die Absicht, sich eine Sache zuzueignen; §§ 253 und 263 StGB nicht einmal dies, denn die Bereicherungsabsicht letzterer Tatbestände muss sich nicht auf Sachen beziehen. Keines der Vermögensdelikte - außer der Unterschlagung - erfordert die Zueignung einer Sache für die Tatbestands Verwirklichung. Warum sollte also nach der Verwirklichung eines Deliktes, das keine Zueignung beinhaltet, keine Zueignung mehr möglich sein? Es ist für die Diskussion der Wiederholbarkeit von Zueignungen unabdingbar, diese beiden miteinander vermengten Fragen auseinander zu dividieren: die Frage, 278 Die praktische Bedeutung des Theorienstreits steht nach der Abschaffung des mit schärferer Strafe bedrohten § 352 a.F. (Amtsunterschlagung) in keinem Verhältnis zu dem Aufwand, mit dem er in der akademischen Ausbildung ausgetragen wird, vgl. Tenckhoff, JuS 1984, S. 779; Samson, JA 1990, S. 9. 279 BGHSt 14, S. 38 (43). 280 in diesem Sinne auch Degener, JZ 2001, S. 391.

3. Zur Frage der Wiederholbarkeit der Zueignung

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welchen materiellen Gehalt eine Handlung aufweisen muss, um Zueignung genannt zu werden (und ob in der Verwirklichung der §§ 242, 249, 253 oder 263 StGB regelmäßig ein solches Verhalten erblickt werden kann) und die Frage, ob nach einer tatsächlich erfolgten Zueignung weitere Zueignungshandlungen den Tatbestand der Unterschlagung erfüllen können. Was den ersten Fragenkreis anbelangt, so ist zur Klarstellung einstweilen zu fixieren, dass solche Taten gegen fremdes Vermögen von vorneherein aus der Diskussion ausscheiden, deren Gegenstand keine Sache i. S. d. § 90 BGB ist - sämtliche Taten also, bei denen es um die Verschiebung unkörperlicher Vermögensmasse geht. Selbst Geld allerdings bleibt damit, soweit es sich in Scheinen und Münzen verkörpert, taugliches Handlungsobjekt. Weiterhin ist herauszustellen, dass sämtliche erwähnte Delikte - außer die Unterschlagung - in der Regel vollendet werden, ohne dass oder bevor der Eigentümer enteignet wird und ohne dass oder bevor der Täter sich selbst oder einem Dritten die Sache aneignet 281 . Lediglich zur Vollendung einer Unterschlagung ist die vollzogene Zueignung der Sache erforderlich. Ein Dieb braucht seine zum Zeitpunkt der Wegnahme bestehende Absicht, die Sache einem Dritten zu schenken, nicht zu realisieren; er kann die Sache auch fortwerfen: Eine Zueignung hat dann nicht stattgefunden. Für das Vorliegen des Diebstahlstatbestandes ist diese Entwicklung nicht mehr maßgebend. Der Betrüger könnte die durch Täuschung erschlichene Sache nach ihrer Entwertung (Veranstaltungstickets, Batterien) an den Eigentümer zurückgeben: Auch dann ist keine Zueignungshandlung gegeben 2 8 2 . Auch wer eine Sache findet, sie für herrenlos hält und darum behält, eignet sie sich nicht strafrechtlich relevant zu, da er niemandes Ausschließungsrecht zu vereiteln glaubt und somit nicht vorsätzlich hinsichtlich der Enteignung handelt. Doch auch realisierte Zueignungsabsichten folgen dem verwirklichten Eigentumsdelikt zeitlich häufig so weit nach, dass jedenfalls nicht mehr von einer bereits erfolgten Zueignung durch dessen Verwirklichung gesprochen werden kann. Bei den sodann als Zweitzueignungen in Frage stehenden Vorgängen handelt es sich de facto um Erstzueignungen. Dass diese zumindest tatbestandlich möglich sein müssen und als Verwirklichung eines Eigentumsdelikts nach vorangegangenem Vermögensdelikt lediglich Konkurrenzprobleme aufwerfen können, 281

Vgl. insoweit die in Kap. 4 gefundenen Erkenntnisse, insb. 1., e). Insoweit auch BGHSt 16, S. 280 (281 f.): Der Täter hatte betrügerisch Möbel unter Eigentumsvorbehalt des Möbelhauses erworben und sich später zu dem Weiterverkauf der Möbel entschlossen - der Senat erkennt auf Unterschlagung: „Diese Verfügung über das fremde Eigentum war die erste Zueignungshandlung des Angeklagten; denn durch den Betrug hatte er nur den Fremdbesitz an den Möbeln, aber keine eigentümerähnliche Herrschaft daran erlangt. Durch die Zueignung fügte er dem durch den Betrug verursachten Schaden der Verkäuferin eine weitere Beeinträchtigung durch die Verletzung ihres bisher nicht angegriffenen Eigentums zu." Weit blickend erkennt der Senat: „Der Beschluß des Großen Senats für Strafsachen ( . . . ) (BGHSt 14,38) steht dieser Auffassung nicht entgegen; er befaßt sich nämlich damit, inwieweit weitere Betätigungen des Herrschaftswillens nach einer bereits erfolgten Zueignung als selbständige Unterschlagung angesehen werden können". 282

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5. Kap.: Sonderfragen des Zueignungsbegriffs

liegt auf der Hand 283 . Solche Erstzueignungen im Gefolge von Vermögensdelikten sind als deren typische Nachtaten zu betrachten und daher straflos zu stellen - hier kommt es dementsprechend zu einer echten Konkurrenzlösung durch Kon284

sumtion . Wir wollen die Erörterung der Wiederholbarkeit der Zueignung nun aber auf jene zweite Konstellation beziehen, die in der Diskussion tatsächlich gemeint ist: Die Frage, ob nach der Verwirklichung einer Unterschlagung eine weitere Unterschlagung bezüglich desselben Gegenstandes tatbestandlich möglich ist. Der Große Senat des BGH hält es für nicht angängig, dem „eigentlichen und rechtlich wesentlichen Zueignungsakt" spätere Herrschaftsbetätigungen im Gefolge der Zueignung gleichzustellen: „Schon dem Wortsinn nach ist Zueignung Herstellung der Herrschaft über die Sache oder erstmalige Verfügung über sie, nicht bloße Ausnutzung dieser Herrschaftsstellung; Zueignung ist mit anderen Worten (schuldhafte und strafbare) Begründung des Eigenbesitzes unter Ausschluss des Berechtigten." 285 Für eine Gleichstellung gebe es weder dogmatische noch rechtspolitische (sie!) Gründe: „Der Gesetzgeber hatte keinen hinreichenden Anlass, dem Tatbestand der Unterschlagung neben seiner eigenständigen Aufgabe noch die weitere zuzuweisen, alle Akte der Herrschaftsausübung im Gefolge von Diebstahl, Raub, Erpressung und Betrug strafrechtlich noch besonders zu erfassen. Zwar hat in unserer Eigentumsordnung die Zueignung fast nie die völlige Verdrängung des Berechtigten zur Folge; seine Lage kann also durch wiederholte Betätigung des Herrschaftswillens noch verschlechtert werden. Auf solche Umstände, die zudem im Einzelfall oft schwer zu beurteilen wären, ist das Gesetz aber nicht abgestellt. Nachträgliche Äußerungen des Herrschaftswillens nach der Zueignung sind also in der Regel tatbestandlich bedeutungslos; sie sind nicht, wie vielfach gesagt wird, (straflose) Verwertungsdelikte, sondern nur noch Ausnutzung der zuvor deliktisch herbeigeführten eigentümerähnlichen Herrschaft. Alles dies gilt auch für die Unterschlagung selbst: wer sich eine fremde bewegliche Sache, die er in Gewahrsam hat, rechtswidrig zugeeignet hat, begeht durch weitere Herrschaftsbetätigung nicht nochmals Unterschlagung." 286 Dabei ist bei strenger Betrachtung die Auffassung von der Unwiederholbarkeit der Zueignung mit den Manifestationslehren, denen auch der BGH anhängt 287 , kaum zu vereinen. Denn wenn es ohnehin nicht um einen inhaltlich einmaligen Akt der Zueignung, sondern bloß um die Manifestation eines Willens zur Zueignung geht, dann ist die Singularität dieses Vorgangs kaum plausibel zu machen. Die Manifestationsansätze durchforschen das Verhalten des Täters nicht auf Akte der Enteignung und der Aneignung, sondern sie markieren Indizien für den Willen 283 Vgl. auch LK-Ruß, § 246, Rn. 28. 284 Vgl. Fahl, Zur Bedeutung des Regeltatbildes bei der Bemessung der Strafe, S. 287. 285 BGH a. a. O., S. 43. 286 BGH a. a. O., S. 44. 287 Vgl. o. 4. Kap., 2., a).

3. Zur Frage der Wiederholbarkeit der Zueignung

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des Täters 288 . Und Indizien gibt es gewöhnlich diverse. Es wird durch die Vertreter der Manifestationsansätze regelmäßig dasjenige Verhalten des Täters als tatbestandlich relevant etikettiert, das das stärkste Indiz für einen dahinter stehenden Willen zur Zueignung darstellt. Es braucht nicht das erste oder gar einzige indiziell einschlägige Verhalten in Bezug auf die Sache zu sein. Es reicht, dass es irgendeines ad libitum ist, das Beweis genug für den Zueignungswillen des Täters liefert 2 8 9 . Diesem Ansetzen wohnt notwenig die Vorstellung inne, jedes den Zueignungswillen indizierende Verhalten sei grundsätzlich als Zueignungshandlung bezifferbar. Wie könnte man sich sonst in solcher Sicherheit wiegen, dass dem als Manifestation eingestuften Verhalten die eine, einmalige Zueignung nicht bereits vorangegangen ist, so dass auch dieses als Zweitzueignung tatbestandslos bleiben müsste? Konsequenterweise wären die Vertreter der Manifestationstheorien daher gehalten, der Konkurrenzlösung anzuhängen. Das freilich ist nicht durchgängig der Fall: Wie die Rechtsprechung 290 und mit deren Argumenten verneinen weite Teile der Literatur die Möglichkeit einer zweiten Zueignung 291 . Dies wird teilweise nicht über eine ontische Interpretation des Zueignungsbegriffes, sondern im Rahmen einer teleologischen Reduktion erreicht, so etwa wenn Schünemann von „vorläufiger" Zueignung im Zustand der Schuldunfähigkeit und „endgültiger" Zueignung nach Widererlangung der Schuldfähigkeit spricht 292 . Demgegenüber wollen Vertreter der weit verbreiteten sog. Konkurrenzlösung weitere „Herrschaftsbetätigungen" gegenüber der Sache tatbestandlich als Unterschlagungsunrecht erfassen 293. Weitere „chancenverringernde Handlungen" des

288 V g l . o. 4. Kap., 2., c). 289 Ähnlich Gleispach, Die Veruntreuung an vertretbaren Sachen I, S. 49, Fn. 2, der es als willkürlich ansieht, zu beurteilen, bei der wievielten Handlung des Täters eigentlich die Zueignung erfolge. 290 BGH a. a. O. (St 14, S. 38 ff.); OLG Celle, NJW 1974, S. 2326 (2328); OLG Saarbrücken, NJW 1976, S. 65 (66 f.). 291 Otto, Struktur des strafrechtlichen Vermögensschutzes, S. 106 ff. (112); Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 261 ff. (265); LK-Ruß, § 242, Rn. 67; NK-Kindhäuser, § 246, Rn. 46; Lackner/Kühl, § 246, Rn. 7; Haß, SchlHA 1972, S. 176; Gössel, BT 2, § 11, Rn. 11; Frank, Das Verbot der Zueignung fremder Sachen, S. 162. 292 Schünemann, JuS 1968, S. 118. Diese Konstellation beherbergt tatsächlich ein Dilemma der Eigentumsdelikte und eine echte Strafbarkeitslücke für bestimmte Fälle. Einschränkend ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Begründung von Eigenbesitz und damit die Zueignung zwar keine Geschäftsfähigkeit voraussetzt, wohl aber, dass der Besitzwille des Geschäftsunfähigen reif genug ist, um sich auf die Sachherrschaft richten zu können (Palandt-Bassenge, § 872 Rn. 2 i.V.m. § 854 Rn. 5); dies wird in Fällen des § 20 StGB mitunter zu verneinen sein. 293 Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 89; Fulst, Zur Tatbestandsmäßigkeit mehrfach vorgenommener Zueignungshandlungen, S. 47 f.; SKSamson (4. Aufl.), § 246, Rn. 52; LK-Ruß, § 246, Rn. 28; Sch. / Schr.-Eser, § 246, Rn. 19; Tenckhoff, JuS 1984, S. 779; Baumann, NJW 1961, S. 1143; Bockelmann, JZ 1960, S. 621; Seelmann, JuS 1985, S. 702; Jäger, JuS 2000, S. 1171; Mitsch, BT 2, TB 1, § 2, Rn. 54; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 301.

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5. Kap.: Sonderfragen des Zueignungsbegriffs

Täters, durch die die Aussicht des Eigentümers auf Rückgewinnung der Sache weiter geschmälert würden, bewirkten eine Intensivierung der rechtswidrigen Herrschaft über die Sache und stellten Zueignungen dar 2 9 4 , seien allerdings als „mitbestrafte Nachtaten" auf der Konkurrenzebene aus der Strafbarkeit auszuscheiden 2 9 5 . Mit diesem Vorgehen mache man sichtbar, dass das fortbestehende Eigentum des Betroffenen auch nach dem Entzug der Sache schutzwürdig bleibe 296 . Die Folge dieser Ansicht wäre die Möglichkeit der strafrechtlichen Ahndung etwaiger Teilnahmehandlungen. Und dies wird bisweilen auch arglos als - überdenkt man es: - bestürzend utilitaristische Begründung für die Vorzugswürdigkeit der Konkurrenzlösung angebracht 297. Überlässt man die Kriminalpolitik dem Gesetzgeber und kümmert sich um eine Auslegung des Gesetzes, die sich an dessen Begrifflichkeiten orientiert, so ergibt sich ein anderes Bild: Der objektiv rechtsgutsverletzende Anteil der Zueignung liegt in der Enteignung - wenigstens diese also müsste wiederholbar sein, um zu einer Konkurrenzlösung zu gelangen. In den Kapiteln über das Rechtsgut und den Inhalt der Zueignungshandlung wurde erschlossen, dass die Eigentumsverletzung in der Vereitelung der Ausübung des Ausschließungsrechtes des Eigentümers (als interpersonaler Komponente des Eigentums gem. § 903 Alt. 2 BGB) gegenüber dem Täter liegt 2 9 8 . Hieraus wird der Eigentümer „verdrängt": aus seiner Möglichkeit, den Täter vom Zugriff auf die Sache gemäß seinem Recht aus § 903 Alt. 2 BGB auszuschließen. Diese Eigentumsverletzung muss, um Enteignung zu sein, als dauernde oder doch als zeitlich unbegrenzte gewollt sein. Die Enteignung ist also eine um eine überschießende Innentendenz qualifizierte Eigentumsverletzung 299 . Doch dieser Begriff hat nichts Statisches an sich: Linguistisch beschreibt das Wort Enteignung mit der Vorsilbe „Ent-" eine Verschiebung, einen Vorgang der Bewegung aus etwas heraus 300. Man mag sich dies vorstellen wie den Bau einer Mauer: Wenn auch der Zweck der Erbauung in der späteren Verhinderung des Durchgangs liegt, so ist doch die Erschaffung ein singulärer Akt. Ebenso ist es mit der Zueignung: Sie zu vollziehen, soll der dauernden Vereitelung des Ausschließungsrechts des Eigentümers dienen. Doch ist sie vollzogen, ist der Vorgang 294 Bockelmann, JZ 1960, S. 624; in diesem Sinn auch SK-Hoyer, § 246, Rn. 32. 295 Einschränkend Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 110, der von einer Sperrwirkung der Perpetuierungstatbestände der § 252,259,260 ausgeht. 296 Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 303, die immerhin einräumen, die sonst zu befürchtenden Strafbarkeitslücken seien zwar „für sich genommen kein Argument", blieben „hier aber ohne begründbaren Sinn". 297 Vgl. etwa Tenckhoff, JuS 1984, S. 779: „Da hierfür (die Bestrafung des an der Nachtat Beteiligten, die Verf.) im Einzelfall ein Bedürfnis bestehen und, wo nicht, das Verfahren nach §§ 153 ff. StPO eingestellt werden kann, sollte ihr (der Konkurrenzlösung, die Verf.) der Vorzug gegeben werden." Inhaltlich hierzu: Maurach/Schroeder/Maiwald, BT, TB 1, § 34, Rn. 21. 298 Ausführlich o. Kap. 2, 3. 299 Ausführlich o. Kap. 4, 1., a), bb). 300 Kühnhold/Wellmann, Das Verb, Band I, S. 218; vgl. o. 1.

3. Zur Frage der Wiederholbarkeit der Zueignung

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der Zueignung abgeschlossen. Jedenfalls, dies zeigt das Gesagte, ist die Unterschlagung kein Dauerdelikt mit theoretisch unendlicher Kette von Verwertungshandlungen - eine Sichtweise, die im Übrigen zur faktischen Unverjährbarkeit der Unterschlagung führen würde 301 . Insofern ist die Annahme Mitschs unzutreffend, durch die Einbeziehung der Drittzueignung durch das 6. StrRG sei „die Möglichkeit einer wiederholten Zueignung mit anderem Zueignungsempfänger klargestellt ( . . . ) . Möglich ist also, dass der Täter eine Sache zuerst sich selbst und später einem Dritten zueignet." 302 . Dies kann schon deshalb nicht richtig sein, weil die Frage des Zueignungsempfängers lediglich die Aneignungsseite der Zueignung betrifft, nicht aber die Enteignung. Diese wird durch die auf eine Selbstzueignung folgende Weitergabe der Sache nicht wiederholt; der Täter hatte dem Eigentümer sein Recht, ihn, den Täter, vom Zugriff auf die Sache auszuschließen, längst abgesprochen. Durch die Weitergabe der Sache ändert sich daran nichts. Auch die An-eignung beschreibt eine Bewegung, nämlich eine Annäherung 303. Und anders als bei der Enteignung, die das interpersonale Rechtsverhältnis zwischen Täter und Berechtigtem anbelangt, betrifft die Aneignung das Besitzverhältnis zwischen Täter und Sache: Der Täter muss die Sache in Eigenbesitz nehmen bzw. einem Dritten Eigenbesitz an ihr verschaffen (was nur möglich ist, sofern der Dritte Eigenbesitzerwillen hat), er muss eine neue Besitzlage herstellen, begründen - auch dies also ein Vorgang, der den Beginn von etwas markiert, der, einmal vollzogen, nicht wiederholbar ist. Hier nun greifen aber die geschilderten Überlegungen Mitschs durch: Der Täter kann, nachdem er die Sache zunächst in Eigenbesitz genommen hat, sodann einem Dritten Eigenbesitz an ihr verschaffen, so dass zunächst eine Selbst- und dann eine Drittaneignung stattfindet. Insofern eröffnet die Gesetzesreform tatsächlich eine neuartige Variante der Wiederholbarkeit der Aneignung - nicht aber deshalb des gesamten Aktes der Zueignung, denn es bleibt dabei, dass die Enteignung nicht wiederholbar ist. Anders zu beurteilen ist die Möglichkeit einer erneuten Zueignung derselben Sache, wenn die Realisierung der Rechte des Eigentümers aus § 903 BGB zwischenzeitlich wieder völlig hergestellt war, so z. B., wenn der Eigentümer die Sache wiedererlangt hatte 304 . Konsequenz der hier für richtig befundenen Tatbestandslösung ist - wie schon Roth zutreffend erkannt, indes nicht zuletzt deshalb abgelehnt hat 3 0 5 - , dass auch 301

Hierzu auch Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 62. 502 Mitsch, BT 2, TB 1, § 2, Rn. 52; ebenso ZStW 111, S. 92. 3 3 0 Vgl. o. Kap. 4, 1., b), bb). 3 04 Im Ansatz ähnlich LK-Ruß, § 242, Rn. 67 und Kindhäuser, BT 2, Tb. 1, § 2, Rn. 102, die allerdings auf die hier für unerheblich gehaltene Komponente des Machtverhältnisses des Täters gegenüber der Sache abstellen. 305

Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 77: „ ( . . . ) mangels weiterer Enteignungsfähigkeit scheiterte hier eine Bestrafung des die Sachlage voll überschauenden Täters(...)."

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5. Kap.: Sonderfragen des Zueignungsbegriffs

Teilnehmer an allen Nachtathandlungen in den Genuss des Tatbestandsauschlusses gelangen. Dies folgt jedoch entgegen Roth nicht aus der Behauptung der Einmaligkeit einer Enteignung hinsichtlich einer Sache durch gleichermaßen alle in Frage kommenden Nichtberechtigten, sondern ganz schlicht aus dem in §§ 26, 27 StGB festgehaltenen Akzessorietätsprinzip. Handelt ein anderer als der Vortäter dagegen täterschaftlich, so ist seine Tat nicht bloß eine „Verschärfung" 306, „Intensivie307 rung" und „Steigerung" 308 der Verlustwirkung und der durch die erste Tat herbeigeführten Eigentumsverletzung. Die falsche Grundlage einer solchen Perspektive ist wiederum das in Kap. 2 3 0 9 bereits angeprangerte Abstellen auf die unmittelbare Sachbeziehung des Eigentümers. Begreift man die Eigentumsverletzung dagegen als Angriff auf das ungehindert gegen jedermann fortbestehende Ausschließungsrecht des Eigentümers, so kann dieser durch jeden neuen Täter erneut erfolgen; es ist dann auch nicht die Intensivierung der rechtswidrigen Besitzlage, die das Unrecht der Tat ausmacht, sondern das von dem vorangegangenen Eigentumsangriff vollständig verschiedene, erstmalige Zerstören des Achtungsanspruches des Eigentümers gegenüber dem Täter durch diesen selbst. Durch die Aufnahme der Drittzueignung in den Tatbestand des § 246 StGB ist der Raum für täterschaftliches Verhalten eines Dritten im Gefolge eines vorangegangenen Eigentumsdeliktes allerdings erheblich erweitert worden: Die Abgrenzung von straflosen Teilnahmehandlungen an der tatbestandslosen „Nachtat" gegenüber strafbaren Unterschlagungen in Form der Drittzueignung stellt angesichts der neuen Tatbestandsfassung die Jurisdiktion vor schwierige Einzelfallfragen 310. Anknüpfungspunkt für die Annahme von Tatherrschaft und damit Täterschaft des Dritten bei der „Nachtat" wird die reale Ermöglichung der (Eigen-)Besitzverschaffung des Aneignungsempfängers sein, bzw. die Befähigung zur Hinderung des Aneignungsempfängers 311, in den (Eigen-)Besitz der Sache zu gelangen. Ist diese durch den Vordermann nicht beeinflussbar, so wird in der Regel lediglich Teilnahme in Betracht kommen. Gewiss ist allein, dass eine Handlung des Dritten, durch die der Eigenbesitz des Vörtäters gestützt wird, wegen des tatbestandlichen Ausschlusses wiederholter Aneignung (vgl. o.) keine täterschaftliche Unterschlagung darstellen kann.

306 Oellers, GA 1967, S. 17. 307 Roth, Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht, S. 78. 308 Gallas, Eberhard-Schmidt-FS, S. 427, Fn. 73; ähnlich auch Maurach/Schroeder/Maiwald, BT, TB 1, § 34, Rn. 21. 309 Vgl. Kap. 2, 3. 310 Vgl. o., 2., b). 311 Zur Problematik der Drittzueignung durch Unterlassen Mitsch, ZStW 111 (1999), S. 87; Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 246 ff.; vgl. auch o. 1.

3. Zur Frage der Wiederholbarkeit der Zueignung

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b) Die Funktion der Subsidiaritätsklausel des § 246 StGB Durch die neugeschaffene Subsidiaritätsklausel des § 246 Abs. 1 StGB erübrigt sich der Streit um die Wiederholbarkeit der Zueignung bedauerlicherweise nicht, da von ihr nur solche Konstellationen erfasst werden, in denen „die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist" - und der Begriff der Tat kann hier nur i m materiellrechtlichen Sinne zu verstehen s e i n 3 1 2 . Der Anwendungsbereich der Klausel erfasst also nur Fälle, in denen es vor Beendigung eines anderen verwirklichten Vermögensdeliktes zu einer Zueignung kommt, also Fälle gleichzeitiger Zueignung 3 1 3 . Für die Beurteilung mehrfach vollzogener Zueignungen hingegen ergibt sich aus der Neufassung des § 246 StGB nichts Neues, da sich der Begriff der „Tat" i m StGB nicht auf Nachtaten bezieht 3 1 4 . Des Weiteren greift die Subsidiaritätsklausel nicht unmittelbar ein, wenn das Problem nicht in der Anwendung einer „anderen", sondern derselben Vorschrift - nämlich des § 246 Abs. 1 StGB-besteht315. Die Subsidiaritätsklausel bezieht sich grundsätzlich auf alle Vermögensdelikte i m weiteren Sinne, sofern sie auf Sachen gerichtet s i n d 3 1 6 . I m Einzelnen gilt Folgendes: Für das Verhältnis von § 242 und § 246 Abs. 1 S t G B 3 1 7 ergibt sich, dass eine neuartige Konkurrenzsituation nur zwischen Vollendung und Beendigung der Tat 312

Ebenso Noak, Drittzueignung und 6. Strafrechtsreformgesetz, S. 109. 1 Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 300. 3 14 I. S. d. prozessualen Tatbegriffs für § 265 abweichend BGH StV 2000, S. 133 (134); zweifelnd auch Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 301. 315 Mitsch, ZStW 111, S. 92, der seine Verwunderung darüber äußert, dass durch das 6. StrRG „nicht gleich noch - ,in einem Aufwaschen' - das umstrittene Problem der Wiederholbarkeit oder Einmaligkeit der Zueignung miterledigt worden ist. Dieses Problem dürfte infolge der Einführung der Drittzueignungsvariante sogar noch etwas komplizierter geworden sein". 316 Neben Tatbeständen mit anderer Schutzrichtung hingegen soll § 246 seine selbstständige Bedeutung behalten: Otto, Jura 1998, S. 551; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 300; divergierend und weitergehend nunmehr ausdrücklich BGH NJW 2002, S. 2188; zuvor bereits (in Bezug auf § 125) zur allgemeinen Geltung von Subsidiaritätsklauseln mit beachtlicher Begründung BGH, JZ 1998, S. 470 ff. (mit Anm. Rudolphi) - danach ist § 246 auch dann subsidiär, wenn die Tat wegen irgendeiner anderen, auch einer gegen fremdartige Rechtsgüter gerichteten Tatbestandsverwirklichung strafbar wäre. Anders dagegen die Entwurfsbegründung (BT-Drucksache 13/8587, S. 44), in der es heißt: „Vielmehr wird die Unterschlagung als ein Auffangtatbestand behandelt, der alle Formen rechtswidriger Zueignung fremder beweglicher Sachen umfasst, die nicht einen mit schwererer Strafe bedrohten eigenständigen Straftatbestand - vor allem Diebstahl und Raub, aber auch Betrug, Erpressung, Untreue oder Hehlerei - verwirklichen." Ähnlich die Fassung des E 1962: „Wer eine fremde Sache sich oder einem anderen widerrechtlich zueignet, wird mit ... bestraft, wenn die Tat nicht als Diebstahl, Raub, Betrug, Erpressung, Untreue oder Hehlerei mit Strafe bedroht ist." Sehr instruktiv zum Ganzen: Wagner, Grünwald-FS, S. 797 ff.; Noak, Drittzueignung und 6. Strafrechtsreformgesetz, S. 109 ff. sowie Duttge/ Sotelsek, NJW 2002, S. 3756 ff. 3 3

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5. Kap.: Sonderfragen des Zueignungsbegriffs

entstehen kann; wenn also zwischen Wegnahme und Sicherung des Gewahrsams die beabsichtigte Zueignung vollzogen wird, ist § 246 StGB i. S. d. neuen Klausel subsidiär 318. Wird die Zueignung erst nach der Gewahrsamssicherung verwirklicht, handelt es sich um eine Erstzueignung, die nicht mehr als „die Tat" i. S. d. Gesetzes anzusehen ist, aber dennoch als straflose Nachtat - wie bisher auch - hinter § 242 StGB zurücktritt. Ebenso verhält es sich mit der Zueignung nach einem Sachbetrug: Eignet der Täter sich die Sache nach Eintritt des Vermögensschadens, jedoch vor Erlangung des Vermögensvorteils, also zwischen Vollendung und Beendigung des § 263 StGB zu, so ist § 246 Abs. 1 StGB subsidiär. Eine spätere Zueignung ist nicht anders als bei bisheriger Gesetzeslage bloß eine straflose Nachtat und wird konsumiert. Für die Hehlerei nach § 259 StGB ergeben sich je nach Begehungsform drei Varianten: Das Sich-Verschaffen wird analog der Wegnahme in der Regel keine Zueignung darstellen. Da die Hehlerei bei Vollendung der Tat auch beendet ist, sind darauf folgende (Erst-)Zueignungen - außerhalb der Subsidiaritätsklausel straflose Nachtaten. Dagegen wird man im Absetzen i. d. R. eine realisierte Drittzueignung sehen können, so dass die Hehlerei in dieser Variante zum spezielleren Tatbestand gegenüber § 246 StGB wird. Realkonkurrenz zu § 246 StGB kommt demgegenüber bei der letzten Begehungsmodalität des § 259 StGB, der Absatzhilfe, in Betracht, denn diese Handlung wird im Regelfall nicht als Zueignungsunrecht erfassbar sein. Im Verhältnis zur Untreue (§ 266 StGB) anhand von Sachen ist die einfache Unterschlagung subsidiär im Stadium zwischen Vollendung (mit Eintritt des Schadens, für den eine Vermögensgefährdung genügen kann) und Beendigung (bei effektivem Sachverlust). Zeitlich nachfolgende Zueignungen werden nach wie vor konsumiert. Bei Untreue in der Form des Missbrauchstatbestandes (1. Alternative) allerdings wird im Verfügen des Täters in der Regel auch eine Drittzueignung zu erblicken sein. Weitere als Zueignungen in Frage stehende Verhaltensweisen sind sodann tatbestandslos.

4. Die Rechtswidrigkeit der Zueignung Der Wortlaut der §§ 246, 242 StGB verlangt eine „rechtswidrige" Zueignung bzw. Zueignungsabsicht. Was diese Rechtswidrigkeit ausmacht, ist in zweierlei Hinsicht umstritten: Zum einen herrscht Uneinigkeit über den Inhalt des Merkmals „rechtswidrig", zum anderen über seine Stellung im deliktischen Gesamtgefüge von Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld. 317 Die Unterschlagung anvertrauter Sachen i. S. d. § 246 Abs. 2 tritt gegenüber den meisten Vermögensdelikten nur im Falle der Gesetzeskonkurrenz zurück, da hier der Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe den Anwendungsbereich der Subsidiaritätsklausel sprengt, vgl. Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 300. 318 Mitsch, BT 2, TB 1, § 2, Rn. 51; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 296.

4. Die Rechtswidrigkeit der Zueignung

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a) Der Ausschluss der Rechtswidrigkeit der Zueignung Inhaltlich wird überwiegend davon ausgegangen, dass eine (beabsichtigte) Zueignung dann nicht rechtswidrig ist, wenn ein fälliger und einredefreier Anspruch auf Übereignung derjenigen Sache besteht, auf die sich Wegnahme und Zueignung richten319; wenn also der Täter eigenmächtig einen Zustand herstellen will, der „im Ergebnis mit der Rechtsordnung im Einklang steht" 320 bzw. „der Eigentumsordnung entspricht" 321 . Der zur Übereignung schuldrechtlich verpflichtete Eigentümer verdiene dann nicht mehr den Schutz seiner formalen Rechtsposition. Die Eigenmächtigkeit des Täters möge zwar rechtlich missbilligenswert sein, doch der Vorwurf, der ihm zu machen sei, liege nicht darin, rechtswidrig in die Eigentumsordnung eingegriffen zu haben, sondern lediglich darin, einen von der Rechtsordnung erwünschten Zustand auf einem von der Rechtsordnung nicht gebilligtem Weg herbeigeführt zu haben, was in Fällen gravierender Verletzungen zu einer Strafbarkeit nach §§ 123, 240, 223 u. a. StGB führen könne 322 . Mitsch stimmt dieser Auffassung in ihrem Ansatz zu, verlangt jedoch weiteres, um der Zueignung die Rechtsmäßigkeit zuzubilligen: Der Täter müsse den „überschießenden" Willen haben, die reale Besitzlage unverzüglich mit der Eigentumsordnung in Einklang zu bringen, indem er den Erwerb von Eigentum an der zugeeigneten Sache anstrebe und den Schuldner damit in den „Genuss der Erfüllungswirkung des § 362 Abs. 1 BGB" bringe 323 . Der schuldrechtliche Anspruch des Täters fungiere mithin als „unvollkommen zweiaktiger" Rechtfertigungsgrund und sei darin dem Festnahmerecht des § 127 Abs. 1 StPO vergleichbar 324. Gemeinsam mit dem Eigentümer, so offenbar die Vorstellung, müsse nach der Tat das Procedere der rechtsgeschäftlichen Übereignung i. S. d. § 929 S. 2 BGB (bzw. § 931 BGB, das wäre hinzuzufügen) vollzogen werden - dahingestellt bleibt, ob diese Vision von einem Miteinander von Eigentümer und Anspruchsinhaber nach einem friedensstörenden Akt wie dem der Wegnahme oder doch immerhin der eigenmächtigen Zueignung lebensnah ist - und gar, ob gerade solch ein Täter subjektiv darauf bauen wird, der die Chancen auf eine rechtsgeschäftliche Übereignung als so weit reduziert ansieht, dass er zu den Mitteln der Eigenmacht greift. Demgegenüber will eine Mindermeinung dem schuldrechtlichen Speziesanspruch die tatbestandsausschließende bzw. rechtfertigende Wirkung - welche Funktion der Rechtswidrigkeit der Zueignung insoweit zukommt, wird sogleich zu 319 BGHSt 17, 87 (89); BGH StV 1991, S. 515; Gropp, JuS 1999, S. 1044; LK-Ruß, § 242, Rn. 68; SK-Hoyer, § 246, Rn. 33; Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 151 ff.; Schmidhäuser, Bruns-FS, S. 360; Sch. /Schr.-Eser, § 242, Rn. 50; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 187, jeweils m. w. N. 320 Gropp, JuS 1999, S. 1044. 321 322 323 324

LK-Ruß, § 242, Rn. 68. Heubel, JuS 1984, S. 450, auch zu Problematik der Gattungsschuld. Ausführlich: Mitsch, BT 2, § 1, Rn. 152. Mitsch, ebenda, Fn. 426.

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5. Kap.: Sonderfragen des Zueignungsbegriffs

klären sein - kategorisch versagen 325. Der Wortlaut der §§ 242 und 246 StGB hätte dieser Ansicht zufolge allein die - redundante - Funktion, die Rechtswidrigkeit der Tat als allgemeines Verbrechensmerkmal zu postulieren 326 und dem eventuellen Vorliegen von Rechtfertigungsgründen besondere Aufmerksamkeit zu verschaffen. Diese Auffassung geht interessanterweise zumeist (wenn auch nicht zwingend) einher mit der Annahme von einer Identität von Wegnahme und Zueignung im Diebstahlstatbestand: So wenig wie die Wegnahme als Besitzstörung, als verbotene Eigenmacht i. S. d. § 858 BGB durch die Existenz eines schuldrechtlichen Anspruchs gerechtfertigt sein könne, so wenig werde auch die mit der Wegnahme zusammenfallende Zueignung durch einen entsprechenden Anspruch gerechtfertigt. Zu dieser Konstruktion des Diebstahlstatbestandes ist an anderer Stelle schon einiges gesagt 327 ; ihr ist in Hinblick auf das regelmäßig fehlende Aneignungsmoment im Augenblick der Wegnahme entgegenzutreten. Doch unabhängig von der Auffassung zum Wesen der Wegnahme sind andererseits die Argumente dieses Ansatzes zur Bedeutung des Merkmals „rechtswidrig" durchaus schlagkräftig: „Der von der Eigentumsordnung gewollte Zustand ist doch, dass der Gläubiger nach den dafür geltenden sachenrechtlichen Übereignungsvorschriften die Eigentümerstellung erlangt. Die eigenmächtige Zueignung ignoriert die §§ 929 ff. BGB und verschafft dem Gläubiger kein Eigentum!" 328 Dass unter petitorischen Gesichtspunkten an der hernach eingetretenen Besitzlage nichts mehr geändert werden sollte, lasse das Vorliegen eines rechtswidrigen Verstoßes gegen die Eigentumsordnung unberührt 329 . Dafür spreche letztlich auch, dass die eigenmächtig zugeeignete Sache abhandengekommen i. S. d. § 935 Abs. 1 BGB ist ( - man möchte hinzufügen: bisweilen; denn im Falle der eigenmächtigen Zueignung anvertrauter Sachen [§ 246 Abs. 2 StGB] ist § 935 Abs. 1 BGB nicht einschlägig), so dass der eigenmächtige Gläubiger nicht einmal einem gutgläubigen Dritten das Eigentum verschaffen könne 330 . Jede gegenteilige Auffassung verkürze in unzulässiger Weise den Anwendungsbereich des Selbsthilferechts aus § 229 BGB 3 3 1 , wofür sich weder dem Wortlaut noch der Auslegung des § 229 BGB durch das zivilrechtliche Schrifttum das Geringste entnehmen ließe 332 .

325 Welzel, Das deutsche Strafrecht, 11. Aufl., S. 346; Hirsch, JZ 1963, S. 150, Fn. 8. 326 32

Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 105 f. 7 Vgl. Kap. 4, 1., e).

32

« Hirsch, JZ 1963, S. 150 f. 9 Hirsch, a. a. O., S. 151. 33 0 Hirsch, a. a. O., Fn. 20. 33 1 § 229 BGB: „Wer zum Zwecke der Selbsthilfe eine Sache wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder wer zum Zwecke der Selbsthilfe einen Verpflichteten, welcher der Flucht verdächtig ist, festnimmt oder den Widerstand des Verpflichteten gegen eine Handlung, die dieser zu dulden verpflichtet ist, beseitigt, handelt nicht widerrechtlich, wenn obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, daß die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werde." 32

332

Hirsch, a. a. O., S. 152.

4. Die Rechtswidrigkeit der Zueignung

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Dies ist soweit nicht zu bestreiten: Wer nach den sachenrechtlichen Vorschriften des BGB Eigentümer ist, der muss auch in strafrechtlicher Hinsicht Eigentümer sein. Und an dieser Eigentümerposition ändert die Existenz eines schuldrechlichen Anspruches auf Übertragung des Eigentums gar nichts. Doch wird dies ja auch durch die herrschende Meinung gar nicht behauptet333. Es wird dem Eigentümer allein der Schutz durch das Instrumentarium des Strafrechts abgesprochen. Es wird dem fälligen, durchsetzbaren Übereignungsanspruch an einer bestimmten Sache eine wertende Kraft zugesprochen, welche die Machtstellung des Eigentums in strafrechtlicher Hinsicht tangiert 334 : Der Eigentümer als Übereignungsschuldner ist verpflichtet, die von ihm eingenommene Eigentümerstellung hinsichtlich der konkreten Sache dem Anspruchsinhaber zu übertragen; Fälligkeit und Einredefreiheit bedeuten überdies, dass der Eigentümer die Übertragung bereits hätte bewirken sollen, eigentlich also schon gar nicht mehr Eigentümer sein sollte. Sein Eigentumsrecht ist daher bloß noch ein formales (wobei „formal" nicht das Gegenstück zu den herrschenden Definitionen von Eigentum als absolutem Herrschaftsrecht beschreibt, die im zweiten Kapitel dieser Untersuchung kritisiert wurden, sondern hier allein als Gegenüber zu einer materiellen Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der zukünftigen - sodann gleichfalls rein normativen - und schuldrechtlich erwünschten Rechtslage verstanden werden will). Es ist daher möglich, dass die Wegnahme einer Sache rechtswidrig ist, die Zueignung der Sache jedoch nicht 3 3 5 . Die Sache ist (im Falle der Wegnahme bzw. der Zueignung einer nicht anvertrauten Sache) trotzdem abhandengekommen i. S. d. § 935 B G B 3 3 6 - das steht jedoch der Rechtmäßigkeit des (durch das Strafrecht definierten!) Aktes der Zueignung nicht entgegen. Ein Verhalten nicht unter Strafe zu stellen bedeutet nicht notwendig, es als im Einklang mit der Gesamtrechtsordnung stehend anzusehen. Eigentum hat der Zueignungstäter durch sein eigenmächtiges Vorgehen noch nicht erworben - um sich mit der Gesamtrechtsordnung in Einklang zu stellen, würde es weiterer Akte bedürfen; sei es, wie von Mitsch vorgeschlagen, durch eine entsprechende Einigung mit dem Eigentümer nach § 929 S. 2 BGB, sei es durch eine Fiktion der Einigung per gerichtlichen Urteils gem. § 894 Abs. 1 ZPO. Selbst wenn dies nicht geschieht, selbst wenn der Täter gar nicht beabsichtigt, Besitz- und Eigentumslage wieder in Einklang zu bringen: ein Strafbedürfnis besteht nicht 3 3 7 .

333 Vgl. etwa Otto, Struktur des strafrechtlichen Vermögensschutzes, S. 145, 157. 334 Kösch, Der Status der Merkmals „rechtswidrig" in Zueignungsabsicht und Bereicherungsabsicht, S. 180. 335 Mitsch, BT 2, TB 1, § 1, Rn. 146. 336 Denn das Abhandenkommen einer Sache ist unabhängig von schuldrechtlichen Ansprüchen zu beurteilen; es ist immer dann zu bejahen, wenn der Berechtigte seinen unmittelbaren Besitz ohne (nicht notwendig gegen) seinen Willen verliert (Palandt-Bassenge, § 935, Rn. 1). 337 Irrelevant ist daher, ob der Anspruch später, zum Zeitpunkt der zivilrechtlichen Geltendmachung, einredebehaftet sein wird. So aber Mitsch, BT 2, TB 1, § 1, Rn. 158. 15 Kauffmann

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5. Kap.: Sonderfragen des Zueignungsbegriffs

Eine solche Auslegung ist mit dem Wortlaut der Tatbestände vereinbar und teleologisch vernünftig. Es ist nahe liegend, wenn nicht offensichtlich, dass der Gesetzgeber bestimmte Verstöße gegen die formale Eigentumsordnung durch Einfügen des Wortes „rechtswidrig" aus dem strafrechtlichen Unrechtstatbestand ausgliedern wollte. Hierdurch wird keine Neuordnung sachenrechtlicher Zusammenhänge angeordnet und kein Widerspruch zu §§ 929 ff. BGB produziert. Es bedeutet nicht, dass Eigenmacht dem Willen des Gesetzgebers entspräche und der eigenmächtig Handelnde in der Lage wäre, die Vorschriften des Sachenrechts auszuhebein. Er wird nicht Eigentümer der zugeeigneten Sache, und er kann Dritten aufgrund der Regelung des § 935 BGB kein Eigentum an ihr verschaffen. Bei dem Erfordernis der Rechtswidrigkeit in den Zueignungsnormen des StGB handelt es sich um eine legislative Wertung, die die Reichweite der Tatbestände der Eigentumsdelikte in kriminalpolitisch sinnvoller Weise verengt auf solche Taten, die der materiellen Eigentumsordnung, nicht schon der Zivilrechtsordnung insgesamt widersprechen 338 - mehr nicht. Dass dabei die gesetzgeberische Formulierung insoweit unklar geraten, ergo: missglückt ist, als die Zueignung zumindest in formaler Hinsicht dennoch den Buchstaben des Gesetzes widerspricht, darf nicht zu Lasten des Täters gehen. Gleiches gilt im Falle des Ausschlusses der Rechtswidrigkeit der Zueignung durch allgemeine Rechtfertigungsgründe. Liegen sie vor, sind §§ 242 und 246 StGB tatbestandlich nicht anwendbar. Es entfällt in diesem Fall im Übrigen nicht nur die Rechtswidrigkeit der Zueignung, sondern auch die der Wegnahme: Die Tat stellt dann auch keine verbotene Eigenmacht i. S. d. § 858 BGB dar 3 3 9 . Grundsätzlich anders zu beurteilen ist hingegen die Fallkonstellation, in der sich der Täter an allein ihrer Gattung nach geschuldeten (vgl. § 243 BGB) fremden Sachen bedient 340 . Hier korrespondiert dem Anspruch keine Stückschuld des Eigentümers. Es gilt nun, sich an das Wesen des Eigentums und seine grundsätzliche Unabhängigkeit von Wert und Funktionen der Sache zu erinnern. Für die Zuordnung an die dingliche Habenssphäre eines Rechtssubjektes ist allein die individuelle körperliche Identität der Sache von Bedeutung. Ist der Gegenstand eines schuldrechtlichen Anspruchs lediglich seiner Gattung nach spezifiziert, so fehlt es für den Ausschluss der Rechtswidrigkeit der Zueignung (und damit den Ausschluss des Tatbestandes der Zueignungsdelikte) gerade an der erforderlichen Identität zwischen geschuldeter und zugeeigneter Sache, denn es wird nicht eine konkretisierte Sache geschuldet, sondern eine durch den Eigentümer noch auszuwählende, allein ihrer Funktion und vage ihrem Wert nach bestimmte Sache. Irreführend, 338 So auch OLG Schleswig, StV 1986, S. 64. 339 Ebenso Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 188; SK-Hoyer, § 246, Rn. 34 ff. 340 Ebenso die h. M.: BGHSt 17, S. 87 (89); Wessels/Hillenkamp BT 2, Rn. 189; Heubel, JuS 1984, S. 450; einschränkend: Mitsch, BT 2, TB 1, Rn. 155; a.A.: Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, S. 159 f., insb. S. 161; Otto, Jura 1989, S. 145; Gribbohm, NJW 1968, S. 241; einschränkend: Rheineck, Zueignungsdelikte und Eigentümerinteresse, S. 156 ff.

4. Die Rechtswidrigkeit der Zueignung

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wenngleich korrekt, ist daher das Abstellen von Rechtsprechung und Lehre 341 auf den von wirtschaftlichen Wertungsgesichtspunkten geprägten Wortlaut des § 243 Abs. 1 BGB, der dem Schuldner eine Auswahlbefugnis hinsichtlich solcher Sachen von „mittlerer Art und Güte" aus der geschuldeten Gattung einräumt: Denn für die Rechtswidrigkeit der Zueignung ist unerheblich, ob sich der Gläubiger eine Sache höherer oder niederer Art und Güte zueignet; wesentlich ist allein, dass noch keine von der Eigentumsordnung gewollte Verknüpfung zwischen ihm und einer bestimmten Sache existiert. Dabei geht es nicht um den Wert der Sache, sondern um ihre substanzielle Zuordnung an die Habenssphäre des Eigentümers, die bei Gattungsschulden noch nicht einmal schuldrechtlich aufgebrochen ist. Umstritten ist, ob Geldschulden wie Gattungsschulden zu behandeln sind 3 4 2 oder eine Sonderstellung als Weitsummenverbindlichkeiten einnehmen343. Roxin vertritt in seinem grundlegenden Aufsatz zu diesem Thema aus dem Jahr 1966 die Auffassung, Geldforderungen seien trotz ihrer fehlenden Konkretisierung auf einzelne, sachenrechtlich bezifferbare Gegenstände entsprechend den Individualansprüchen zu behandeln344. Ob der Schuldner sich eine individuell geschuldete Sache oder geschuldetes Geld eigenmächtig zugeeignet habe, sei für die Beurteilung seines Verhaltens gleich: In beiden Fällen habe er dem Schuldner nichts genommen, was als individuellen Gegenstand zu behalten er unter dem Gesichtspunkt des Eigentumsschutzes hätte befugt oder interessiert sein können. Grundlage dieser Lehre ist die Bezugnahme auf die im Zivilrecht herrschende Auffassung von der Geldschuld als „Wertsummenschuld" statt als Sachschuld345: Danach hat der Geldschuldner dem Gläubiger nicht Sachen mittlerer Art und Güte gem. § 243 Abs. 1 BGB zu leisten, sondern eine bestimmte Geldsumme - einen unkörperlichen Vermögensbetrag 346. Für diese Ansicht spricht, dass Geldschulden nie substanzbezogen, sondern stets wertbezogen sind: Gläubiger und Schuldner ist es gemeinhin gleichgültig, mit welchen Münzen und Scheinen eine Geldschuld beglichen wird 3 4 7 . Denn Geld ist seiner wirtschaftlichen Funktion gemäß allgemeines Tauschmittel bzw. reiner Wertmesser. Kant befand: „Geld ist eine Sache, deren Gebrauch nur dadurch möglich ist, daß man sie veräußert" 348 . Objekt der Geldschuld ist nicht ein körperlicher 341 BGHSt 17, S. 87 (89); Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 189 m. w. N. 342 So die Rspr.: BGHSt 17, S. 87 (89); BGH StV 1994, S. 128 auch bzgl. der Behandlung von Irrtumsfällen; in der Literatur ebenso Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 33, Rn. 53; Rheineck, Zueignungsdelikte und Eigentümerinteresse, S. 150 f. 343 Roxin, Mayer-FS, S. 467; SK-Hoyer, § 242, Rn. 103; Krey, BT 2, Rn. 48; einschränkend Sch. / Schr.-Eser, § 242, Rn. 6; eingehende Kritik bei Sax, Laufke-FS, S. 328 ff. 344 Roxin, a. a. O., S. 480. 345 346 347 348 15*

So bereits RGZ 101, S. 313; vgl. statt vieler Palandt-Heinrichs, § 245, Rn. 12, m. w. N. Roxin, a. a. O., S. 469. Mitsch, BT 2, TB 1, § 1, Rn. 157. Kant, Metaphysik der Sitten, 1. Teil, § 31, C., I.

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5. Kap.: Sonderfragen des Zueignungsbegriffs

Gegenstand, sondern ein Quantum Kaufmacht 349 . Die Funktion der Stücke oder Scheine als Wertträger 350 und nicht als Objekte des Sachenrechts dominiert den Rechtsverkehr so sehr, dass die Abstraktheit des Anspruches in Bezug auf die Körperlichkeit der geschuldeten Sache Geld auch für die strafrechtliche Einordnung als „rechtswidrig" nicht maßgeblich sein kann. Für den Fall des eigenmächtigen Geldwechseins ergibt sich aus diesen Erwägungen: Ersetzt der Täter den entwendeten Betrag durch Scheine oder Münzen in Höhe derselben Summe, so ist sein Vorgehen eigenmächtig, aber nicht rechtswidrig i. S. d. Zueignungsdelikte351. Das Institut der mutmaßlichen Einwilligung muss zur Rechtfertigung einer solchen Tat dagegen nicht bemüht werden. Auch dies lässt, wie schon Roxin anmerkt 352 , die Bindung des Fremdheitsbegriffes an die zivilrechtliche Eigentumsordnung unberührt. Denn es geht dabei nicht um die Auslegung des Begriffes „fremd", sondern um die des Begriffes „rechtswidrig"; das ist eine „spezifisch strafrechtliche, vom Zivilrecht unabhängige Frage" 3 5 3 . Geldstücke und -scheine bleiben auch nach dieser Ansicht Sachen. Sie bleiben auch fremde Sachen. Allein unter welchen weiteren Voraussetzungen die Verschaffung dieser fremden Sachen die Tatbestände der Zueignungsdelikte erfüllt, wird hier durch teleologische Auslegung bestimmt. Man wird einwenden können, dass dem StGB nicht zu entnehmen sei, dass Münzen und Scheine - ihrer Gestalt nach körperliche Gegenstände - anders zu behandeln seien als alle übrigen Sachen354. Und in der Tat wäre ein Hinweis des Strafgesetzgebers auf die Sonderrolle, die Geldforderungen im Rahmen der Eigentumsdelikte einnehmen, angezeigt und klärend. Die teleologische Reduktion des Tatbestandsmerkmals der rechtswidrigen Zueignung in der hier dargelegten Weise ist gleichwohl gestattet. Denn auch ohne den fälligen legislatorischen Hinweis ergibt sich die Notwendigkeit der Differenzierung unabweislich aus den genannten Gründen. Und sie weitet den Rahmen der Strafbarkeit nicht aus, sondern schränkt ihn im Gegenteil ein. Ein Verstoß gegen grundlegende Prinzipien des Strafrechts liegt darin insofern nicht. 349 Palandt-Heinrichs, § 245, Rn. 2. 350 Roxin, a. a. O., S. 483. 351 Ebenso Roxin, a. a. O., S. 470 ff. mit Einschränkungen für solche Geldstücke, die durch ihren Eigentümer „individualisiert" wurden. 352 A. a. O., S. 484. 353 Ebenda. 354 in diesem Sinne moniert Sax, Laufke-FS, S. 329: „Es mag die in der Zivilistik wohl herrschende Meinung sein, daß die Geldschuld nicht eine Sachschuld, sondern eine ,Wertsummenschuld' ist. Aber aus dieser schuldrechtlichen Besonderheit des Geldes ist, soweit ersichtlich, noch nie und nirgends gefolgert worden, daß das Geldeigentum nicht an den einzelnen Geldscheinen und Münzen, sondern an der in ihnen verkörperten Wertsumme bestehe, daß das Geld also geradezu als ,Wertsummeneigentum', losgelöst vom sachlichen Substrat existieren ( . . . ) könne." Unerwähnt bleibt bei Sax indes die Funktion des § 935 Abs. 2 BGB, der dem Eigentum an Geld auch sachenrechtlich eine Sonderstellung zuweist.

4. Die Rechtswidrigkeit der Zueignung

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Die Rechtswidrigkeit der Drittzueignung kann wie die der Selbstzueignung durch einen fälligen und einredefreien Anspruch des Täters auf Übereignung der Sache ausgeschlossen sein. Und auch, wenn der Anspruch dem Dritten zusteht, ist die Rechtswidrigkeit der Tat beseitigt 355 - jedenfalls dann, wenn der Täter von dem Anspruch weiß. Handelt der Dieb, der die weggenommene Sache einem Dritten zuzueignen beabsichtigt, in Unkenntnis des Anspruchs des Dritten, so liegt vollendeter Diebstahl vor. Bei dem Unterschlagungstäter ist ein untauglicher Versuch der Unterschlagung gegeben356. Mit den im Rahmen der Diskussion des Handlungsobjektes der Zueignung 357 und in diesem Abschnitt getanen Entscheidungen ist außerdem die Frage beantwortet, ob die Zueignung wertloser Gegenstände rechtswidrig sei: Sie ist es fraglos 3 5 8 . Denn mit der Körperlichkeit (vgl. § 90 BGB) ist der Sachbegriff des Gesetzes im Kern naturwissenschaftlich geprägt; dass die Sache wertvoll sein muss, fordert das Gesetz nicht 3 5 9 . Da Eigentum an wertvollen wie an völlig wertlosen Sachen möglich ist, da der Schutz der sachen- und strafrechtlichen Vorschriften ohne jeden Bezug auf die Funktionen des Eigentums und daher wertungsfrei ist, da es diverse, durch das Recht unberührte Affektionsinteressen dafür geben mag, das Eigentum an einer vermeintlich wertlosen Sache nicht aufzugeben, wird auch dieses durch das StGB geschützt. Keine der entgegengesetzten Auffassungen macht begreiflich, welches verbrechenskonstitutive Element denn in den Fällen des Fehlens wirtschaftlicher Interessenverletzung nicht verwirklicht sein sollte 360 . Allein die als fehlend empfundene Strafwürdigkeit (die doch nur Maßprinzip für den Gesetzgeber und keine materiell-rechtliche Auslegungshilfe sein kann) ist eine solche StrafbarkeitsVoraussetzung nicht - und echte Bagatellfälle werden in zufrieden stellender Weise verfahrensrechtlich über § 153 StPO ausgeschieden werden können 361 . Das wiederholt vorgebrachte Argument 362 , durch eine solche Sicht entstünde ein Wertungswiderspruch zu den Vermögensdelikten, weil z. B. das betrügerische Sich-Geben-Lassen von wertlosen Gegenständen im Gegensatz zu deren 355 Mitsch, ZStW 111, S. 69 f. 356 Zu Irrtumskonstellationen vgl. im Übrigen unten b). 357 Vgl. o. 3. Kap. 3., c): Danach wird ein auf die Körperlichkeit der Sache reduzierter Substanzansatz für richtig befunden. 358 Ebenso: RGSt 10, S. 120; BGH JR 1978, S. 171; OLG Köln, NJW 1988, S. 1102; SKSamson (4. Aufl.), § 242, Rn. 7; LK-Ruß, § 242, Rn. 7; Wessels / Hillenkamp, BT 2, Rn. 16; Mitsch, BT 2, TB 1, § 1, Rn. 33; anders: OLG Hamburg, NJW 1964, S. 736 für den Fall der Wegnahme eines polizeilichen Verwarnungszettels vom beanstandeten Kfz und Anbringung desselben an das eigene Fahrzeug: Es sei „selbst bei weitester Ausdehnung der Sachwerttheorie ( . . . ) kein wirtschaftlicher Wert zu erblicken, den der Täter seinem Vermögen einzuverleiben hätte beabsichtigen können". Sax, Laufke-FS, S. 326, bezeichnet dies als „Musterbeispiel begriffsjuristischer Fehlargumentation". 359 Vgl. auch Schapp / Schur, Sachenrecht, Rn. 22. 360 Sax, Laufke-FS, S. 327. 361 Ebenso Sax, Laufke-FS, S. 327. 362 Vgl. nur Lampe, in: Strafrechtsdogmatik und Kriminalpolitik (1971), S. 77.

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5. Kap.: Sonderfragen des Zueignungsbegriffs

Zueignung straflos bliebe, da § 263 StGB einen Vermögensschaden verlange, ist zu kurz entwickelt. Das Bewirken einer irrtumsbedingten Verfügung über einen wertlosen Gegenstand bleibt zwar straflos - eine sich daran anschließende Zueignung dieses Gegenstandes durch den Empfänger indes nicht, so dass zumindest im sachenrechtlichen Bereich die Strafbarkeit nicht widersprüchlich geregelt ist, sondern bloß in der Unterschlagung des § 246 StGB kumuliert.

b) Der Irrtum über die Rechtswidrigkeit der Zueignung Ist der Begriff der Rechtswidrigkeit in den Zueignungstatbeständen damit hinreichend skizziert, ergeben sich hinsichtlich etwaiger Irrtumskonstellationen folgende Konsequenzen: Wenn bei Bestehen eines auf Übereignung einer individuellen Sache gerichteten fälligen und einredefreien Anspruchs ein für den Tatbestand der Zueignungstaten erforderlicher Verstoß gegen die Eigentumsordnung fehlt - dann kann ein Irrtum über das Vorliegen eines solchen Anspruchs keinen Erlaubnistatumstandsirrtum darstellen, denn die Möglichkeit einer Rechtfertigung wird erst dann erheblich, wenn ein tatbestandsmäßiger Verstoß gegen die Eigentumsordnung vorliegt 363 . Damit erlangt die Rechtswidrigkeit der Zueignung den Status eines vollwertigen normativen Tatbestandsmerkmals, das bei der Unterschlagung Teil des objektiven und beim Diebstahl Teil des subjektiven Tatbestandes ist 3 6 4 . Ein Irrtum über das Vorliegen eines solchen Anspruches führt danach bei Diebstahl und Unterschlagung zu unterschiedlichen Konsequenzen: Im Rahmen des § 242 StGB entfällt die Zueignungsabsicht als Teil des subjektiven Tatbestandes; die Vorschriften über den Tatumstandsirrtum in § 16 StGB sind dagegen unanwendbar, weil der den Gegenstand des Tatumstandsirrtums bildende objektive Tatbestand nicht betroffen ist 3 6 5 . Demgegenüber ist die Zueignung bei der Unterschlagung im objektiven Tatbestand angesiedelt. Deshalb muss die irrige Annahme eines Anspruchs auf Übereignung der zugeeigneten Sache bei der Prüfung des § 246 StGB als Tatumstandsirrtum i. S. d. § 16 StGB betrachtet werden. Hält der „Unterschlagungs"-Täter irrig eine Sachlage für gegeben, bei der die Zueignung einer Sache durch allgemeine Rechtfertigungsgründe legitimiert wäre, 363 Ähnlich Hirsch, JZ 1963, S. 149. 364 BGH 4 StR 550/92; 2 StR 197/95; NStZ 1982, S. 380; StV 1994, S. 128; Sch./Schr.Eser, § 242, Rn. 65; SK-Hoyer, § 242, Rn. 110; LK-Ruß, § 242, Rn. 73; Mitsch, BT 2, § 1, Rn. 160. Zur Frage, ob im Rahmen des § 242 die Rechtswidrigkeit der subjektiv erstrebten Zueignung Merkmal des objektiven Tatbestandes sein kann, vgl. Kösch, Der Status der Merkmals „rechtswidrig" in Zueignungsabsicht und Bereicherungsabsicht, in toto; Gössel, ZipfGS, S. 218 ff.; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 33, Rn. 56. 365 Gössel, Zipf-GS, S. 220, 224 f.; zum objektiven Tatbestand als Bezugspunkt des Tatumstandsirrtums: Jakobs, AT, 8/43; Jescheck/Weigend, AT § 29 II. 3.; Roxin, AT I, § 10, Rn. 62.

4. Die Rechtswidrigkeit der Zueignung

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unterliegt er ebenfalls einem Tatumstandsirrtum. Desgleichen, wenn er von dem Einverständnis des Eigentümers mit der Zueignung ausgeht. Da Eigentumsdelikte nicht durch Fahrlässigkeit begehbar sind, kommt § 16 Abs. 1 S. 2 StGB keine praktische Bedeutung für die hier interessierenden Fragen zu. Bloß zu einem Verbotsirrtum i. S. d. § 17 StGB wird in der Regel die irrige Annahme führen, auch bei nicht konkretisierten Gattungsschulden entfalle die Rechtswidrigkeit der Zueignung 3 6 6 . Denn dabei geht es nicht um einen Irrtum über den Sachverhalt, sondern um einen Irrtum über die Reichweite der Norm. Sofern dem Täter wenigstens laienhaft klar ist, was das Merkmal der rechtswidrigen Zueignung bedeutet, sofern er es in seinem sozialen Bedeutungsgehalt erfasst, so hält er nur den Raum des rechtlich Erlaubten für weiter, als er tatsächlich ist. Dies führt dazu, dass er nur dann vor Strafe geschützt ist, wenn der Irrtum unvermeidbar war (§ 17 S. 2 StGB). I m umgekehrten Fall - dem Täter steht, während er sich die Sache zueignet, ein fälliger und einredefreier Anspruch auf Übereignung der zugeeigneten Sache zu, er weiß indes davon nichts - liegt ein untauglicher Versuch eines Zueignungsdeliktes v o r 3 6 7 .

366 Ähnlich Sch. / Schr.-Eser, § 242, Rn. 65; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 190; Die Rspr., welche die nicht konkretisierte Geldschuld als Gattungsschuld begreift, baut jedoch dem sich bei Geldschulden irrenden Täter „goldene Brücken" (so auch Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 190): „Der Glaube an das Recht zur gewaltsamen Herbeiführung des Eigentumswechsels umfaßt regelmäßig auch den Glauben an das Bestehen des Anspruchs, dessen eigenmächtiger - Befriedigung die Wegnahme zur eigenen Verfügung dienen soll. ( . . . ) Der Irrtum eines Täters, Gattungssachen zur Befriedigung des auf Übereignung einer bestimmten Sache gerichteten Anspruchs wegnehmen zu dürfen, ist allerdings grundsätzlich ein den Vorsatz nicht ausschließender Verbotsirrtum, weil der Täter regelmäßig weiß, daß sein Anspruch auf eine bestimmte Sache und nicht auf irgendwelche Sachen gleicher Art und Güte gerichtet ist. Diesen Unterschied wird aber der nicht rechtskundige Täter häufig gerade bei Geld als der schlechthin gleichartigen und vertretbaren Gattungssache nicht machen. Hier glaubt er möglicherweise, als Gläubiger einer Geldforderung jeweils die gerade im Besitz des Schuldners befindlichen Geldmittel als die ihm unmittelbar und nicht nur vertretungsweise geschuldeten beanspruchen zu dürfen. ( . . . ) Wenn er zu dieser Meinung auch infolge eines falschen rechtlichen Schlusses gekommen wäre, so entspräche der Inhalt seiner Vorstellung dennoch im Ergebnis der Vorstellung des Gläubigers, der eine Forderung auf Übereignung einer ihm als bestimmte Leistung geschuldeten Sache zu haben glaubt und sich etwa nur über die Nämlichkeit der von ihm weggenommenen Sache geirrt hat (vgl. dazu Schröder, DRiZ 1956, 72). Er müßte deshalb rechtlich genau so wie dieser behandelt werden. Dieser Gläubiger würde aber bei eigenmächtiger Wegnahme einer irrigerweise für die geschuldete gehaltenen Sache infolge Annahme der Merkmale eines vermeintlichen Rechtfertigungsgrundes im Tatbestandsirrtum handeln und deshalb gemäß § 59 StGB (a.F., die Verf.) straffrei bleiben. Dabei geht der Senat davon aus, daß bei einem solchen Irrtum über die Rechtswidrigkeit ein für den Tatbestand der Zueignungstaten erforderlicher Verstoß gegen die Eigentumsordnung nach der Vorstellung des Täters fehlen würde." (BGHSt 17, S. 87 (90 f.) 367 Dies gilt entgegen Gössel (Zipf-GS, S. 228) auch für den Diebstahl, da die erstrebte Zueignung objektiv rechtswidrig sein muss.

Zusammenfassung der wichtigsten Thesen „ Das Straf recht ist die unübersteigbare p0litl L

"

Schranke der KriminalFranz v. Liszt, 18931

1. Geschichtlicher Überblick Folge der Rezeption des italienischen Rechts im späten Mittelalter war eine lang anhaltende Färbung deutscher Strafgesetze durch das römische Merkmal des „animus lucri faciendi" (der Gewinnsucht bzw. Bereicherungsabsicht), das bis heute auf die Gesetzesauslegung und -anwendung einwirkt. Formal sowie inhaltlich wurde der „animus lucri faciendi" jedoch durch Schaffung einer eigenen Kategorie von Eigentumsdelikten zu Beginn des 19. Jahrhunderts verdrängt und ersetzt durch das Erfordernis des „animus rem sibi habendi": die Absicht, die Sache um ihrer selbst willen zu haben.

2. Das Rechtsgut der Eigentumsdelikte Das Rechtsgut der Eigentumsdelikte ist das Eigentum. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG erkennt allgemein dem Gesetzgeber das Recht zur Inhaltsbestimmung des Eigentums zu. Dem Strafrecht steht daher eine dem Bürgerlichen Recht ebenbürtige Rolle bei der Konturierung des Rechtsinstituts Eigentum zu. Das Rechtsgut der Eigentumsdelikte ist nicht das bürgerlich-rechtliche Eigentum als formaler Sollenssatz. Dieses ist durch § 935 BGB geschützt und wird durch Zueignungstaten i. d. R. nicht einmal gefährdet. Bedeutung für die Bestimmung des Rechtsguts Eigentum kommt aber der Regelung des § 903 BGB und der in ihm gewährten Befugnisse zu. § 903 BGB enthält eine positive Komponente: die Befugnis, mit der Sache ganz nach Gutdünken zu verfahren, und eine negative Komponente: das Recht, alle anderen Rechtssubjekte vom Zugriff auf die Sache auszuschließen. Diese Rechte existieren unabhängig von der Möglichkeit ihrer tatsächlichen Realisierung. i In: Strafrechtliche Vorträge und Aufsätze, Bd. 2, S. 80.

3. Das Objekt der Zueignungsdelikte

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Durch das Strafrecht geschützt werden kann nur die zweite Komponente des § 903 BGB, da durch sie die Abgrenzung der Habenssphären der verschiedenen Rechtssubjekte reguliert wird. Die erste Komponente betrifft dagegen ausschließlich die innere Gestaltung seiner Habenssphäre durch das einzelne Rechtssubjekt. Strafrechtlich geschütztes Eigentum ist danach entgegen herrschenden Definitionen nicht eine Herrschaftsbeziehung des Eigentümers zum Eigentumsgegenstand selbst, sondern ein interpersonales Rechtsverhältnis zwischen Menschen in Bezug auf eine Sache. Eine Eigentumsverletzung liegt in der Vereitelung des aus der zweiten Komponente des § 903 BGB herrührenden Ausschließungsrechtes des Eigentümers. Da der Täter nur für die Grenzen zwischen seiner eigenen Habenssphäre und der des Eigentümers Verantwortung trägt, liegt die strafrechtlich relevante Eigentumsverletzung in der Vereitelung der Möglichkeit des Eigentümers, den Täter vom Zugriff auf die Sache auszuschließen. Eine Eigentumsverletzung bedarf daher keiner Sachbehandlung. Es kommt für die eigentumsverletzende Qualität einer Handlung auch nicht darauf an, ob sie in dem Verhältnis zwischen Eigentümer und Sache eine Veränderung herbeiführt. Eine Handlung, die den Eigentümer in die Lage versetzt, sein Ausschließungsrecht in Bezug auf seine Sache auszuüben, kann keine Eigentumsverletzung sein.

3. Das Objekt der Zueignungsdelikte Die Frage, was die „Sache" i. S. d. §§ 242, 246 StGB ausmacht - ob es ihr Wert, ihre Funktionen oder ihre körperliche Substanz ist - , betrifft ausschließlich die Bestimmung des Objektes, nicht die des Vorgangs der Zueignung: die Erfassung dessen, „was" zugeeignet wird, nicht „wie" es zugeeignet wird. Wird eine Sache dem Eigentümer zurückgegeben, nachdem ihr bestimmte Funktionen (z. B. ihr wirtschaftlicher Wert) entzogen worden sind, so bleibt sie doch in ihrer körperlichen Identität dem Berechtigten erhalten. Allein die körperliche Identität aber markiert den Sachbegriff. Die (verschleißende) Nutzung bestimmter Funktionen ist für die Tatbestände der Zueignungsdelikte deshalb ohne Relevanz. Theorien zum Objekt der Zueignung, die bestimmte Funktionen (also auch den wirtschaftlichen Wert) von Sachen in den Status des Handlungsobjektes erheben, sind aus historischen und systematischen, vor allem aber aus grammatikalischen Gründen unhaltbar: Sie verstoßen gegen das in Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 StGB verankerte Analogieverbot. Der Substanzansatz ist auf einen „Körperlichkeitsansatz" zu reduzieren: Entscheidend ist, ob die Sache in ihrer Körperlichkeit zugeeignet ist.

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Zusammenfassung der wichtigsten Thesen

4. Der Inhalt der Zueignung Die Zueignung besteht aus den Elementen der Enteignung und der Aneignung. Sowohl die Enteignung als auch die Aneignung bergen objektive wie auch subjektive Momente. Enteignung liegt vor, wenn der Täter vereitelt, dass der Eigentümer sein ihm aus § 903 BGB zustehendes Recht ausüben kann, den Täter vom Zugriff auf die Sache auszuschließen. Die Vereitelung des Ausschließungsrechts muss subjektiv auf Dauer angelegt sein. Aneignung ist Nutzung der Sache auf der Basis von Eigenbesitz. Nutzung bedeutet - objektiv - das Verwenden der Sache für - subjektiv - selbstbezogene Zwecke. Zueignung ist somit die auf Dauer angelegte Vereitelung des Ausschließungsrechts, das dem Eigentümer gegenüber dem Täter zusteht, an einer Sache, die der Täter als Eigenbesitzer für sich nutzt. Während die Enteignung als qualifizierte Eigentumsverletzung sich auf die Rechtsbeziehung zwischen Täter und Eigentümer bezieht, bezieht sich die Aneignung unmittelbar auf die Sache. Enteignung und Aneignung müssen durch den Vorsatz des Täters verklammert sein: Zum Zeitpunkt der Aneignung muss die Enteignung mindestens avisiert sein. Eine weitergehende funktionale oder zeitliche Verknüpfung ist dagegen wegen der signifikanten inhaltlichen Unterschiede der beiden Komponenten nicht zu fordern. In der Wegnahmehandlung des Diebes liegt in aller Regel keine Zueignung. Für die Annahme von Diebstahl reicht die zukünftig angestrebte Zueignung aus. Die herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung handhabt die Zueignungsbegriffe der §§ 242 und 246 StGB als zwei inhaltlich unterschiedliche Materien. Der herkömmliche Verweis auf die Identität der Zueignung in Diebstahl und Unterschlagung ist ein Lippenbekenntnis. Die Manifestationstheorien zum Gehalt der Zueignungshandlung des § 246 StGB normieren Gesinnungsstrafrecht. Für die Annahme einer Unterschlagung muss eine vollendete Zueignung vorliegen; die Verwirklichung von Enteignung und Aneignung ist zwingend erforderlich. Die Unterschlagung ist dementsprechend Verletzungs- und damit Erfolgsdelikt. Bezüglich der Aneignung muss der Unterschlagungstäter mit direktem Vorsatz handeln. Bezüglich der Enteignung reicht dolus eventualis aus. Der Begriff der Zueignung in den Tatbeständen des Diebstahls gem. § 242 StGB und der Unterschlagung gem. § 246 StGB ist identisch.

6. Drittzueignung

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5. Zueignung durch Unterlassen Sowohl Diebstahl als auch Unterschlagung sind durch Unterlassen begehbar. Wird die Zsnfeignung des Berechtigten durch ein Unterlassen bewirkt, kommt eine Strafbarkeit aus §§ 246, 13 StGB in Betracht und zwar unabhängig davon, ob die Aneignung in einem positiven Tun oder einem Unterlassen zu sehen ist. Einschlägige Garantenstellungen ergeben sich vor allem aus Vertrag bzw. der Übernahme einer Schutzfunktion. Im Falle der Fundunterschlagung kommt die Anzeigepflicht des Finders aus § 965 BGB als eine die Garantenstellung begründende Pflicht in Betracht.

6. Drittzueignung Das Verschenken oder Verkaufen einer Sache ist Selbstzueignung, da es eine positive Nutzung der Sache auf der Basis von Eigenbesitz (und damit eine Aneignung) beinhaltet. Erfolgt die Weitergabe an einen Dritten allerdings ohne die vorangegangene Begründung von Eigenbesitz, so kommt lediglich Drittzueignung in Betracht. Für die Unterscheidung von Selbst- und Drittzueignung gewinnt daher das formale Erfordernis des „se ut dominum gerere" aktuelle Bedeutung: Wer selbstherrlich „wie ein Eigentümer" über die Sache verfügt, eignet sie sich selbst zu; wer „ut servum domini" sich dem Willen oder Auftrag eines Dritten unterordnet ohne Eigenbesitzerwillen bezüglich der Sache kundzutun, eignet die Sache dem Dritten zu. Die auf der Idee von Tatherrschaft fußende Drittzueignungslehre, die in jeder eigenmächtigen Weitergabe einer Sache an einen Dritten eine Selbstzueignung erblickt, verkennt, dass bezüglich der Zueignungsabsicht bzw. der Begründung von Eigenbesitz nicht Tatherrschaft, sondern das Vorliegen davon unabhängiger subjektiver Elemente notwendig ist. Die Drittzueignungsabsicht des § 242 StGB muss sich nicht auf eine bestimmte Person als Aneignungsempfänger beziehen; der Dieb muss allerdings die Aneignung durch den bzw. irgendeinen Dritten klar intendieren. Die Drittzueignung des § 246 StGB setzt eine vollzogene Aneignung durch den Dritten voraus. Selbst- und Drittaneignung sind nicht gleichzeitig, aber nacheinander realisierbar. Die Drittaneignung stellt dann jedoch nur noch die Perpetuierung der vorangegangenen Eigentumsverletzung dar und ist selbst keine Zueignung.

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Zusammenfassung der wichtigsten Thesen

7. Wiederholbarkeit der Zueignung Viele der als „Zweitzueignungen'4 debattierten Fallkonstellationen stellen tatsächlich Erstzueignungen dar. Nach vorangegangenem Vermögensdelikt bezüglich derselben Sache werden diese Taten aber als typisches Perpetuierungsunrecht konsumiert. Echte Zweitzueignungen sind demgegenüber wegen der Unwiederholbarkeit der Enteignung als singulärem Erfolg nicht tatbestandsmäßig i. S. d. § 246 StGB.

8. Rechtswidrigkeit der Zueignung Die Rechtswidrigkeit der Zueignung wird ausgeschlossen durch Bestehen eines fälligen, einredefreien Anspruchs auf Übereignung einer konkretisierten Sache. Geldforderungen sind im Rahmen der Eigentumsdelikte den Individualansprüchen gleichzustellen. Die Rechtswidrigkeit der Zueignung ist ein Tatbestandsmerkmal. Ihr Bestehen wird durch objektive Kriterien bestimmt. Im Rahmen des § 242 StGB ist sie Teil des subjektiven Tatbestandes, im Rahmen des § 246 StGB Teil des objektiven Tatbestandes. Ein Irrtum über das Bestehen eines fälligen, einredefreien Anspruches auf Übereignung der Sache führt im Falle der Wegnahme zum Wegfall des subjektiven Tatbestandes des § 242 StGB mangels Vorliegens der rechtswidrigen Zueignungsabsicht; im Falle der Zueignung ohne Gewahrsamsbruch zu einem Ausschluss des subjektiven Tatbestandes des § 246 StGB gemäß den Vorschriften des § 16 StGB. Irrige Vorstellungen über einen weitergehenden Ausschluss der Rechtswidrigkeit der Zueignung (z. B. wegen Bestehens eines Gattungsanspruches gem. § 243 BGB) führen zur Anwendung des § 17 StGB.

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arverzeichnis 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts 11, 27, 82, 83, 103, 120, 145, 147, 165, 185, 205 abhanden gekommene Sachen 13, 37, 45, 48, 156,162,192, 224, 225 Ableugnen des Besitzes 130, 131, 147, 148, 154 abnutzender Gebrauch 77, 78 absichtslos-doloses Werkzeug 195, 205, 207 aktgebundene Delikte 173 Akzessorietätsprinzip 195, 220 Analogieverbot 69 ff., 73, 190 andauernder Gebrauch 77, 79, 91, 96, 98 Aneignung 87, 88, 101, 102 ff., 157 - als Sachnutzung 103 - Aneignungsadressat 186 - Dauerhaftigkeit der Aneignung 103, 108 - durch Unterlassen 174 - objektiver Tatbestand der Aneignung 104, 105 - subjektiver Tatbestand der Aneignung 106 animus - domini 110 - lucri faciendi 19, 20, 21, 66, 119 - rem sibi habendi 24, 66 Apprehensionstheorie 118 Auftragsdiebstähle 195, 205

Drittzueignung 14, 77, 82, 108, 120, 140, 150, 185 ff. Drittzueignungslehre 189, 198 ff.

Constitutio Criminalis Carolina 20

E 62 120 Eigenbesitz 105, 110, 200, 202 Eigentum - als Ausschließungsrecht 43, 50, 95, 146, 163 - als interpersonales Rechtsverhältnis 43, 95, 163, 220 - als Sachherrschaftsrecht 43,44, 116, 145 - als Willens Widrigkeit 51,147 - bürgerlich-rechtlicher Eigentumsbegriff 33 - Eigentum und Freiheit 41 - Eigentumsverletzung 38 - formaler Eigentumsbegriff 34, 74, 75 - funktionaler Eigentumsbegriff 34, 72 - Inhaltsbestimmung 36 - strafrechtlicher Eigentumsbegriff 34 - Struktur des Eigentums 33 - verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff 34, 36 Eigentums vorbehält 94, 101 Einheitsbeihilfe 167 Einheitstheorie 120 Enteignung 87, 88, 89 ff., 95, 156 - Dauerhaftigkeit der Enteignung 79, 89, 91,95,96, 97 - durch Unterlassen 174 - Fallkonstellationen 99 - objektiver Tatbestand der Enteignung 97 - subjektiver Tatbestand der Enteignung 99 Entwertung von Sachen 77

Diebstahl 87 ff., 117, 160 - als aktgebundenes Delikt 169 - als Erfolgsdelikt 166 - durch Unterlassen 164

Fremdheit von Sachen 33, 228 Fundanzeige 50, 164, 174, 180, 235 Fundunterschlagung 142, 145, 174, 179, 181 Funktionen des Eigentums 52

Besitz 40,46, 59, 110,114 Bestimmtheitsgebot 11, 96, 120, 151, 152, 203,213

252

arverzeichnis

Funktionenlehre 62, 71, 72, 83 furtum - possesionis 18, 20 - rei ipsius 18 - usus 18,20, 89,91, 146, 157, 183

Rechtswidrigkeit der Zueignung 204, 222, 223, 225, 227, 229, 231 - Irrtum 230 Rezeption 20 Rückveräußerungsfälle 53, 77, 80, 96, 107

Gänsebuchtfall 195, 202 Garantenstellungen 175 ff. - formelle Rechtspflichtenlehre 176 - Funktionenlehre 176 - Ingerenz 179 - kraft Übernahme 177, 180 Gebrauchsanmaßung 67, 95, 107, 113, 119, 146, 157 Geld als Zueignungsobjekt 227 ff. Geldautomat 81 Gesetzlichkeitsprinzip 134 Gesinnungsstrafrecht 12, 127, 129, 137, 139, 144 Gewahrsamsbruch 94, 170 Gewahrsamserfordernis 11, 27, 53, 70, 131, 139,207 Gutachtenaufbau 160, 211

Sachbeschädigung 102, 154 Sache 57 ff. - fremd 57 - körperlicher Gegenstand 76 Sachentziehung 102, 104, 113, 150, 153 Sachherrschaft 40,43, 49 Sachnutzung 105, 108 Sachsubstanz - Begriff der Sachsubstanz 75 - Substanzlehre 13, 59, 73,75, 76, 83, 107 Sachwert 57, 64 ff. Sachwertlehre 13, 60, 64, 65, 66, 69, 83,

Handlungsobjekt 13, 57, 186 Körperlichkeitsansatz 83 Legitimationspapiere 77, 81 hierum ex negotio cum re 61, 68, 82, 190 hierum ex re 61, 81, 190 Manifestationstheorien 26, 127, 171, 214, 216 - enge 130 ff. - Theorie der geistigen Depossedierung 127 - weite 127 ff. mittelbare Täterschaft 195, 207 Modalitätenäquivalenz 166, 169, 170, 173

186, 188 Sachzerstörung 102, 103, 104 Schenkung fremder Sachen 187, 203, 205 se ut dominum gerere 13, 60, 73, 75, 110, 114, 125, 158, 191,200 Sicherungsübereignung 93,94, 100 Sparkassenbuchfälle 60, 68, 75, 81 Strafbarkeitslücken 76, 83, 148, 153, 205,

206, 212 subjektive Unrechtselemente 107, 143 Subsidiaritätsklausel des § 246 111, 221 ff. Tatherrschaft 165, 206 Tatumstandsirrtum 100, 182, 230, 236

Pflichtdelikte 168 Preisgabe von Sachen 111, 148

überschießende Innentendenz 99, 133, 155, 218 Unterschlagung 121 ff., 160 - als aktgebundenes Delikt 171 - als Erfolgsdelikt 138 - als Gefährdungsdelikt 156 - als Tätigkeitsdelikt 156 - als Verletzungsdelikt 155 - an vertrauter Sachen 183 - durch Unterlassen 171 ff. ut servum domini 117, 194, 200

Rechtsgut 29 ff. - Eigentum 13, 33 - Gewahrsam 32, 211

Verbalpräfixe 87, 97, 113, 192 Vereinigungslehre 61, 64, 65 Verkauf fremder Sachen 187, 205

naturkausale Verletzungsgeschehen 167,170 objektive Zueignungslehren 133

Sachwortverzeichnis Verpfändung 92, 93, 99 Versuch der Unterschlagung 138, 139, 149, 154, 209, 229 Vorsatzform 90, 99, 111, 149, 209 Wegnahme als Zueignung 117 ff. wertlose Gegenstände 229 Wiederholbarkeit der Zueignung 214 ff. - Konkurrenzlösung 216, 217 - Tatbestandslösung 217 Wirtschaftskriminalität 15 Wortlautgrenze 69, 73, 141, 210, 226

253

zivilrechtlicher Eigentumsschutz 14, 33, 78, 79, 226 Zueignung durch Unterlassen 56, 161 ff. Zueignungsabsicht 87 ff., 104 - als täterbezogenes Merkmal 121 Zueignungsbegriff 151 ff. - einheitlicher 15, 121, 123, 126, 151 - formaler 60 Zueignungshandlung 84, 85 ff. Zueignungsobjekt 69, 83 Zweckzusammenhang 111 Zweitzueignung 56, 214, 215