Zur Anerkennung und Vollstreckbarerklärung englischer Schiedssprüche in Deutschland [1 ed.] 9783428482641, 9783428082643

Der zentrale Nachteil jeder alternativen Streitbeilegung ist das Fehlen der sofortigen Durchsetzbarkeit von Entscheidung

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Zur Anerkennung und Vollstreckbarerklärung englischer Schiedssprüche in Deutschland [1 ed.]
 9783428482641, 9783428082643

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Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht Band 32

Zur Anerkennung und Vollstreckbarerklärung englischer Schiedssprüche in Deutschland

Von

Stefan Kilgus

Duncker & Humblot · Berlin

STEFAN

KILGUS

Zur Anerkennung und Vollstreckbarerklärung englischer Schiedssprüche in Deutschland

Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht Herausgegeben von Thomas Oppermann in Gemeinschaft mit Heinz-Dieter Assmann, Hans v. M a n g o l d t W e r n h a r d Möschel, Wolfgang G r a f V i t z t h u m sämtlich in Tübingen

Band 32

Zur Anerkennung und Vollstreckbarerklärung englischer Schiedssprüche in Deutschland

Von Dr. Stefan Kilgus

Duncker & Humblot - Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Kilgus, Stefan: Zur Anerkennung und Vollstreckbarerklärung englischer Schiedssprüche in Deutschland / von Stefan Kilgus. - Berlin : Duncker und Humblot, 1995 (Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht ; Bd. 32) Zugl.: Tübingen, Univ., Diss., 1994 ISBN 3-428-08264-8 NE: GT

D 21 Alle Rechte vorbehalten © 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: W. März, Tübingen Druck: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7654 ISBN 3-428-08264-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der ANSI-Norm für Bibliotheken

Meinen Eltern in Liebe und Dankbarkeit

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde 1994 von der Juristischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Meinem Doktorvater, Herrn Rechtsanwalt Professor Dr. Rolf A. Schütze, Stuttgart/Tübingen, möchte ich für die Anregung zu dieser Arbeit, das stets gezeigte Interesse und die aufmerksame Betreuung danken. Lange und sehr hilfreiche Gespräche konnte ich mit Herrn Professor J.E. Adams, Queen Mary and Westfield College, London, führen. Für diese Betreuung von englischer Seite und die Gelegenheit zur Teilnahme an der von ihm und Herrn Dr. Julian D.M. Lew im Rahmen des LL.M.-Programms des Centre for Commercial Law Studies am Queen Mary and Westfield College, London durchgeführten Veranstaltung "International Commercial Arbitration" bin ich äußerst dankbar. Die Arbeit wäre sicher nicht in dieser Form möglich gewesen ohne die umsichtige und vielseitige Unterstützung von Herrn George Little, Barrister of Inner Temple, LL.M. (Tübingen), Düsseldorf/Köln. Einen Einblick in die Praxis konnte ich v.a. durch die Vermittlung und Unterstützung von Herrn Roderick Wood, QC of Middle Temple, London, sowie bei Herrn James M. Turner, Barrister of Inner Temple, LL.M. (Tübingen), London, und Frau Rechtsanwältin Esther Mallach, London, gewinnen. Für die zügige Fertigung des Zweitgutachtens ist Herrn Professor Dr. Egbert Peters, Tübingen, zu danken. Weiteren Dank schulde ich der Deutsch-Britischen Juristenvereinigung, insb. Herrn Rechtsanwalt Dr. Knut Suhr, LL.M., Hamburg, und der Reinhold-und-Maria-Teufel-Stiftung, Tuttlingen, für die Förderung der Arbeit und ihrer Drucklegung sowie Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Thomas Oppermann, Tübingen, für die bereitwillige Aufnahme dieser Arbeit in die von ihm herausgegebene Tübinger Schriftenreihe.

Stuttgart, im August 1994

Stefan Kilgus

Acknowledgements This dissertation was accepted as a doctoral thesis by the Department of Law of the Eberhard-Karls-Universität Tübingen in 1994. I wish to thank my supervisor, Rechtsanwalt Professor Dr. Rolf A. Schütze , Stuttgart/Tübingen, for the initiation of the thesis. He accompanied the progress of the work with never-failing curiosity and subtle criticism. Professor J.E. Adams of Queen Mary and Westfield College, University of London enabled long and very instructive conversations. I am truly grateful for his assistance and the opportunity to participate in his and Dr. Julian D.M. Lew's LL.M.-class on "International Commercial Arbitration" at the Centre for Commercial Law Studies, Queen Mary and Westfield College. My efforts alone would not nearly have sufficed to achieve the product beforehand, had there not been the invaluable and thorough and circumspect assistance of George Little , barrister of Inner Temple, LL.M. (Tübingen), Düsseldorf/ Cologne. Roderick Wood , QC of Middle Temple, London, offered introductions and tremendous opportunities enabling the practical outlook I sought. That perspective was very much assisted by the insights offered by James M. Turner , barrister of Inner Temple, LL.M. (Tübingen), London, and Frau Rechtsanwältin Esther Mallach , London. Professor Dr. Egbert Peters , Tübingen, is to be thanked for his swift co-correction. I further wish to thank the British-German Jurists' Association, especially Rechtsanwalt Dr. Knut Suhr , LL.M., Hamburg, and the Reinhold-and-Maria-Teufel-foundation, Tuttlingen, for their assistance with the preparation and publication of the thesis and Prof. Dr. Dr. h.c. Thomas Oppermann , Tübingen, for his readiness to accept it as part of the Tübinger Schriftenreihe edited by him. Stuttgart, Summer 1994

Stefan Kilgus

Inhaltsverzeichnis 1. Teil

Allgemeines § 1 Einflihrung § 2 Die englische Praxis I. Allgemeines zum englischen Schiedsverfahrensrecht II. Die Schiedsordnungen und Standardklauseln

21 21 25 25 26

1. Allgemeine, internationale Schiedsordnungen

26

2. Allgemeine, nationale Schiedsordnungen

29

3. Schiedsordnungen und Standardklauseln im Seehandelsbereich

29

4. Schiedsordnungen und Standardklauseln im Bau- und Anlagenbaurecht

31

5. Schiedsordnungen im Warenhandel

32

6. Schiedsklauseln zur Pacht-, Miet- und Grundevaluation

34

7. Schiedsordnungen im Verbraucherverkehr

35

III. Entwicklung und Ausblick

36

§ 3 Die Rechtsquellen

36

I. Bilaterale Staatsverträge II. Multilaterale schiedsrechtliche Staatsverträge

37 37

1. Die Genfer Abkommen

37

2. Das New Yorker UN-Übereinkommen

37

a) Inhaltliche Übersicht

38

b) Die Anerkennungs- und Vollstreckungsversagungsgründe in Art. V UN-Ü

39

aa) Allgemeines zur Systematik

39

bb) Die Versagungsgründe im einzelnen

40

3. Nicht im deutsch-britischen Verkehr geltende Übereinkommen

43

10

Inhaltsverzeichnis

III. SpezialÜbereinkommen mit bedeutenden schiedsrechtlichen Regelungen 1. Das Londoner Auslandsschuldenabkommen 2. Das Washingtoner Übereinkommen für Investitionsstreitigkeiten

44 44

....

IV. Verkehrsrechtliche Übereinkommen

46 50

1. Luftverkehrsbezogene Abkommen

51

2. Seeschiffahrsrechtliche Übereinkommen

51

3. Eisenbahrechtliche Übereinkommen

52

4. Straßenverkehrsrechtliche Übereinkommen

53

V. Umweltrechtliche Übereinkommen

54

VI. Das autonome Recht

54

1. System der Versagungsgründe des § 1044 Abs. 2 ZPO

55

2. Die Versagungsgründe im Überblick

55

a) Rechtsunwirksamkeit nach ausländischem Recht, § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO

55

b) Verstoß gegen den ordre public, § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO

56

c) Versagung rechtlichen Gehörs, § 1044 Abs. 2 Nr. 4 ZPO

56

d) Mangelnde Vertretung, § 1044 Abs. 2 Nr. 3 ZPO

56

VII. Das Recht der Europäischen Union, des Europarats und die Staatsverträge unter den Mitgliedsstaaten 1. Der EG-Vertrag

57 57

a) Art. 181 und 182 EGV

57

b) Vorlage nach Art. 177 EGV durch ein Schiedsgericht?

58

2. Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen 3. Die Europäische Menschenrechtskonvention - EuMRK VIII. Bestimmung der Grundlagen der weiteren Arbeit

....

61 62 63

2. Teil

Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

64

§ 4 Die englischen Schiedssprüche selbst I. Allgemeines . . . 1. Rein obligatorische Wirkung des Schiedsspruchs? a) Der lodo irrituale italienischen Rechts :

64 64 65 66

Inhaltsverzeichnis

11

b) Zur rein obligatorischen Wirkung aller englischen Schiedssprüche

67

c) Anerkennungs- und Vollstreckungsfähigkeit von rein obligatorisch wirkenden Schiedssprüchen

68

d) Ergebnis 2. Bindungswirkung der Schiedsvereinbarung

72 72

II. Schiedsgutachten

74

1. Typenbildung

74

a) Die rechtsgestaltenden Schiedsgutachten

74

b) Die beweisvertraglichen Schiedsgutachten

75

2. Abgrenzungskriterien a) Abgrenzung nach deutschem Recht

76 76

aa) Rechtsbegründende Schiedsgutachten

76

bb) Beweis vertragliche Schiedsgutachten

78

cc) Rechtsabändernde Schiedsgutachten

84

dd) Zusammenfassung

85

ee) Überprüfung an der Meinung Wengers

86

b) Abgrenzung nach englischem Recht

87

c) Abgrenzung nach dem UN-Übereinkommen

89

3. Einordnung englischer Drittentscheidungen

92

a) Rechtsvergleichung

92

b) Qualitätsarbitrage im Warenhandel

93

c) Evaluations verfahren im Zusammenhang mit Grundstücken

94

d) Die flip-flop-arbitration

95

III. Statutory Arbitration

97

1. Abgrenzung der Schiedssprüche nach §§ 1025 ff., 1048 ZPO

97

2. Abgrenzung der Schiedssprüche nach dem UN-Ü

99

3. Einordnung der statutory arbitral awards unter besonderer Berücksichtigung der Entscheidungen des Lands Tribunal

100

IV. Judicial Arbitration

102

1. Judge-Arbitrator

103

a) Rechtslage

103

b) Qualifikation

104

2. Official Referee-Arbitrator

105

3. County Court Arbitration

105

12

Inhaltsverzeichnis

V. Das special case-Verfahren nach s. 21 Arbitration Act 1950 (repealed) und ähnliche Verfahren VI. Wann ist ein Schiedsspruch ein englischer?

106 108

1. Darstellung des Meinungsstreits

108

2. Eigene Stellungnahme

115

3. Zusammenfassung

117

§ 5 Das englische Exequatururteil

117

I. Problemstellung

117

II. Vorliegen der Exequaturvoraussetzungen bei einem erststaatlichen Exequatururteil zu einem Schiedsspruch

118

1. Der Schiedsspruch selbst ist kein Urteil

119

2. Sind „Exequaturbeschlüsse" keine Urteile?

119

3. Eigenschaft eines Sachurteils

120

4. Teleologische Reduktion wegen Umgehungstatbeständen

120

5. Zivil- oder Handelssache i.S.d. EuGVÜ

121

III. Inhalt des englischen Exequatururteils

121

1. Die doctrine of merger im englischen Recht

122

a) Res judicata

122

b) Doctrine of merger - Allgemeines

123

aa) Dogmatische Begründung bei Urteilen

123

bb) Reichweite der doctrine of merger

124

cc) doctrine of merger bei Schiedssprüchen

125

dd) Extraterritoriale Wirkung der doctrine of merger bei englischen Urteilen?

127

2. Confirmation Recht

and transformation

in judgment im amerikanischen

3. Auswirkungen im deutschen Recht

129 131

a) Kollisionsrecht

131

b) Auswirkungen auf das Exequatur von englischen Schiedsspruchexequaturen

132

aa) Merger in award bb) Merger in judgment 4. Zusammenfassung IV. Überprüfung der entwickelten These

132 132 133 133

Inhaltsverzeichnis 1. Praktikabilitätsargumente

13 133

a) Zinsfestsetzung erst im englischen Exequatururteil

133

b) Entfallen der Übersetzungsobliegenheit

135

c) Vorteile im Bereich des EuGVÜ

135

d) Größere Sicherheit des Richters und Konkursverwalters

136

2. Zum Exequatur des Exequatur ausländischer Urteile

136

a) Vorliegen der Exequaturvoraussetzungen

137

b) Umgehung zwingender Anerkennungsvorschriften

138

c) Widersprüchliche zweitstaatliche Exequatururteile

139

d) Staatsvertragsbezogene Einzelargumentation

139

e) Bloß territoriale Wirkung des zweitstaatlichen Exequatur

140

f) Zusammenfassung

141

3. Rechtsvergleichende Argumentation

142

a) Frankreich

142

b) Brasilien

145

c) Italien

146

d) Zusammenfassung

146

4. Ergebnis

146

V. Exkurs: Zulässigkeit des Optionsrechts nach der BGH-Rechtsprechung 1. Vorwurf der Inkonsequenz

147 147

2. Schuldnerschutz vor Doppel Vollstreckung

148

3. Abschneiden von schiedsbezogenen Einwendungen

148

4. Ergebnis

151

VI. Thesenartige Zusammenfassung

151

1. Eigene Auffassung

151

2. Auffassung des BGH

152

3. Teil

Versagungstatbestände § 6 Allgemeiner Teil

153 153

I. Zur Gliederung

153

II. Der ordre public

153

14

Inhaltsverzeichnis 1. Der internationalprivatrechtliche ordre public 2. Bedeutung des ordre public bei der Wirkungserstreckung

154 157

a) §§ 328 Abs. 1 Nr. 4, 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO

157

b) Der ordre public bei Art. V Abs. 2 lit. b UN-Ü

161

3. Funktion einzelner, für die Wirkungserstreckung von Schiedssprüchen bedeutsamer Begriffe

161

a) Ordre public interne und ordre public international b) Ordre public transnational

161 163

c) Materiellrechtlicher und verfahrensrechtlicher ordre public

166

III. Versäumen eines befristeten, erststaatlichen Rechtsbehelfs 1. Allgemeine Diskussion

166 167

a) Wortlautargumentation der Rechtsprechung

167

b) Gegenthese Bülows

169

c) Argumentation der Ungleichbehandlung

170

d) „Heimvorteil"-Argument

171

e) Fehlende Anerkennungsfähigkeit des erststaatlichen Urteils

172

0 Zwischenergebnis

172

2. Exkurs zur Diskussion bei schiedsvereinbarungsbezogenen Präklusivfristen

172

a) Verfassungsrechtliche Argumentation

172

b) Zur These Bülows

173

c) Rechtsvergleichung

173

d) Extremfall-Argumentation

174

e) Eigene These

174

3. Ergebnis

176

§ 7 Schiedsspruch

176

I. Unwirksamkeit nach englischem Recht 1. Nichtigkeit

176 176

a) Schwerwiegende formale und inhaltliche Mängel

177

b) Fehlen oder Überschreiten der Entscheidungsbefugnis

179

2. „Verjährung" / limitation von Ansprüchen aus Schiedssprüchen

181

a) Nach s. 7 Limitation Act 1980

181

b) In der Schiedsvereinbarung verkürzte limitation period

183

c) Zur Geltendmachung der limitation in England

185

Inhalts verzeichni s 3. Befristete Anfechtbarkeit

15 185

a) Misconduct

185

b) Appeal

192

c) Weitere Gründe für eine remission

197

4. Rechtsmittel zu Oberschiedsgerichten

198

a) Rechtsmittel in Schiedsverfahren im Warenhandel (Gafta, FOSFA, LRBA, CTF und CAL)

198

b) Lloyd's Open Form 1990

199

II. Fehlende Begründung

200

III. Ablauf der zur Entscheidung gesetzten Frist

202

IV. Objektive Schiedsfähigkeit aus Sicht des deutschen Rechts

202

§ 8 Die Schiedsvereinbarung

203

I. Kollisionsrecht zur Schiedsvereinbarung

203

1. UN-Ü

203

2. Deutsches autonomes Recht

204

3. Zusammenfassung

206

II. Die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung

206

1. Unwirksamkeit der Schiedsklausel wegen Unwirksamkeit des Hauptvertrags

206

2. Bestimmtheit der Schiedsvereinbarung

210

a) Verweis auf eine Schiedsordnung

210

b) Einander widersprechende Regelungen

210

c) Abgekürzte Verweisungen, z.B. „Arbitration London"

210

3. Form der Schiedsvereinbarung

211

a) Allgemeines

211

b) Englisches Recht

213

4. Subjektive Schiedsfähigkeit

215

a) Kollisionsrecht

215

b) Materielles Recht

216

5. Objektive Schiedsfähigkeit

221

6. Aufhebung einer Schiedsklausel bei Behauptung von fraud

222

7. Einseitige Schiedsvereinbarungen

223

8. Schiedsklauseln in Verbraucherverträgen

224

16

Inhaltsverzeichnis

III. Reichweite der Schiedsvereinbarung

225

1. Gegenstandsbezogene Betrachtung

225

2. Formelbezogene Betrachtung

229

IV. Schiedsabrede (compromis)

233

V. Persönliche Reichweite einer Schiedsvereinbarung § 9 Das Schiedsgericht

und die am Verfahren

234 Beteiligten

I. Die Konstituierung des Schiedsgerichts 1. Einzelschiedsrichter

234 234 235

a) Übersicht

235

b) Ernennung des bereits von einer Partei ernannten Schiedsrichters zum Einzelschiedsrichter bei Ernennungssäumnis des Schiedsgegners

236

2. Schiedsgericht aus zwei Schiedsrichtern und einem umpire

244

a) Allgemeines

244

b) Der arbitrator advocate

246

3. Dreiköpfiges Schiedsgericht

249

4. Die Schiedsordnungen und Standardklauseln

249

a) Allgemeine, internationale Schiedsordnungen

249

b) Allgemeine, nationale Schiedsordnungen

251

c) Schiedsordnungen und Standardklauseln im Seehandel

251

d) Schiedsordnungen und Standardklauseln im Bau- und Anlagenbaubereich

252

e) Schiedsordnungen im Warenhandel

252

f) Schiedsklauseln zur Pacht- und Grundevaluation

254

g) Schiedsordnungen im Verbraucherverkehr

255

II. Disqualifikation des Schiedsrichters

255

1. Geschäftsfähigkeit

255

2. Vereinbarte Eigenschaften

256

3. Befangenheit

257

a) Vergleich des Standards mit dem bei staatlichen Richtern

257

b) Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit

259

c) Gewißheit oder Besorgnis der Befangenheit

261

Inhaltsverzeichnis

17

d) Einzelfälle

262

e) Wirkungserstreckung

266

4. Verzicht auf Disqualifikationsgrund

267

III. Der juristische Berater oder legal assessor

268

IV. Postulationsfähigkeit und sonstige prozessuale Vertretung

271

§10

Das schiedsgerichtliche

Verfahren

275

I. Fundamentalgrundsätze des englischen Schiedsverfahrens

276

1. Mündlichkeitsgrundsatz

276

2. Rechtliches Gehör

277

a) Verfahren ohne mündliche Verhandlung

277

b) Mündliches Verfahren

278

3. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör

282

II. Die Beweisaufnahme

287

1. Discovery

287

a) Deutsches Recht im Überblick

287

b) Darstellung der englischen Rechtslage

288

c) Probleme bei der Wirkungserstreckung

295

aa) Verbot des Zwangs zur strafrechtlichen Selbstbelastung

296

bb) Schutz von vertraulichen documents

301

cc) Eingriff in den Gewerbebetrieb durch das Ausmaß des Auskunftsbegehrens

304

dd) Anfechtbarkeit des Schiedsspruchs nach englischem Recht

306

. . .

2. Weitere Beweismittel

307

3. Evidence

311

III. Besondere Verfahrensarten

312

1. Verfahren bei Säumnis

312

2. Arbitration by documents only

314

3. Qualitätsarbitrage

316

4. Mehrparteienschiedsverfahren

316

2 Kilgus

a) String arbitration / Kettenschiedsverfahren

317

b) Lloyd's Open Form 1990

318

18

Inhaltsverzeichnis 4. Teil

Das deutsche Verfahren §11

Das Verfahren

321

der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

I. Kurzübersicht zum deutschen Recht

321 321

II. Schiedsrelevante Einwendungen gegen die Zulässigkeit

324

1. Rechtskraft anderer Entscheidungen zum selben Streitgegenstand . . . .

325

2. Souveränität

329

III. Besonderheiten bei englischen Schiedssprüchen

331

1. Qualitätsarbitrage und Evaluationsverfahren

331

2. Statutory Arbitration

331

3. Judicial Arbitration

331

4. String Arbitration

332

5. Englisches Exequatururteil

332

Part 5

Summary § 12 Recognition and Enforcement

333

of English Awards in Germany

333

I. Conventions and Statutes Applicable ( § 3 )

333

II. The Object of Recognition and Enforcement

334

1. The Award ( § 4 )

334

2. The English Judgment enforcing an Award ( § 5 )

335

III. Reasons Preventing Recognition and Enforcement

336

1. In General ( § 6 )

336

2. Defects with the Award Itself ( § 7 )

336

3. Defects in the Arbitration Agreement ( § 8 )

337

4. Defects with the Tribunal ( § 9 )

338

5. Defects in the Proceedings ( § 1 0 )

339

IV. The German Procedure for Recognition and Enforcement ( § 1 1 )

Literaturverzeichnis

339

340

Hinweise. 1. Die verwendeten Abkürzungen entsprechen den in Deutschland, in England und in den jeweils anderen betroffenen Staaten üblichen. Auf folgende Werke wird Bezug genommen: -

Donald Raistrick, Index to Legal Citations and Abbreviations, Abington (Oxon) 1981 Hildebert Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 4. Aufl. Berlin/ New York 1992

2. Es sei auf zwei häufig verwendete Abkürzungen hingewiesen, die etwas ungewöhnlicher sind: -

IHK-SchO Uncitral-SchVfRg

= Schiedsordnung der Internationalen Handelskammer = Schiedsverfahrensregeln der UNCITRAL

3. Die maskulinen Berufsbezeichnungen und Tätigkeitsbeschreibungen umfassen die weiblichen Formen. Wird der Begriff „Schiedsrichter" im Singular gebraucht, so soll er im Zweifel auch den Plural umfassen. Recht häufig werden Begriffe nicht übersetzt, sondern zur Klarstellung im Englischen oder Französischen belassen. In diesem Fall werden die Begriffe weitestgehend als fremdsprachige Begriffe behandelt. Insbesondere wird das genetivische „s" nicht angehängt, auch um eine Verwechselung mit dem Plural zu verhindern (z.B. der Inhalt des document/der documents; nicht: des documents /der documents).

1. T e i l

Allgemeines § 1 Einführung Der internationale Handelsverkehr n i m m t ständig zu. Diese Entwicklung w i r d sich bei Abschluß der nächsten GATT-Vereinbarung (Uruguay-Runde) 1 sowie aufgrund der anhaltenden Liberalisierungen i m ehemaligen Ostblock noch verstärken. Weiter zunehmen werden aber auch die Streitigkeiten, die sich aus einzelnen Vertragsbeziehungen immer entwickeln können.

Viele

Handels- und Gewerbetreibende scheuen aber den stets offenen W e g zum staatlichen Richter. D i e staatlichen Verfahren werden v.a. wegen des befürchteten hohen finanziellen 2 und zeitlichen 3 Aufwands der Parteien und wegen der vergleichsweise geringen Fach- 4 und Marktkenntnis der Richter angegrif-

1 Nach einer OECD-Studie sind bis ins Jahr 2002 globale Wohlfahrtssteigerungen von etwa 270 Mrd. US $ zu erwarten, vgl. NZZ v. 11.11.1993, S. 17. 2 Im deutschen Prozeßrecht errechnen sich die Prozeßkosten typischerweise nach dem Streitwert. Die Kosten vervielfachen sich natürlich, wenn von den üblicherweise bestehenden drei Instanzen Gebrauch gemacht wird. Werden in einem Schiedsverfahren die Kosten auf Stundenbasis errechnet, so mag dies bei einem hohen Streitwert den Parteien günstiger sein. Englische Schiedsverfahren rechnen sich besonders dann, wenn keine Anwälte einbezogen werden, wie insbesondere bei den documents-only Verfahren oder wenn die besonders kostenintensive discovery eingeschränkt wird. Allerdings hat Lionnet, (1987) vol. 4 no. 1 JIA 69/70 behauptet, daß die Kosten eines Schiedsverfahrens in etwa den für zwei Gerichtsinstanzen entsprechen. Dem kann in der Allgemeinheit nicht zugestimmt werden. Kerr, (1980) JBL 164/165 hat darauf hingewiesen, daß die Kosten bei komplizierten Sachverhalten, wo üblicherweise drei Schiedsrichter und anwaltliche Prozeßbevollmächtigte bestellt werden erheblich über den gerichtlichen liegen können. 3

Die Länge staatlicher Verfahren liegt weniger an der Überlastung staatlicher Richter, denn auch viele Schiedsrichter sind sehr stark beschäftigt. Vielmehr sind dafür die zahlreichen Instanzen verantwortlich. In allen deutschen Verfahren bestehen zwei Tatsacheninstanzen. Häufig besteht dann auch noch die Möglichkeit zur Revision. Allerdings muß man sich vor Augen führen, daß auch Schiedssprüche der Vollstreckbarerklärung bedürfen, wenn der Spruchschuldner nicht freiwillig leistet. Diese kann sich ebenfalls über drei Instanzen hinziehen. Doch ist der Gegenstand der Überprüfung stärker eingeschränkt. Der zeitliche Gewinn sollte jedenfalls nicht überschätzt werden, so auch Lionnet, (1987) vol. 4 no. 1 JIA 70; Kerr, (1980) JBL 165. 4 Das zeigt sich besonders bei solchen Verfahren, bei denen nur oder doch überwiegend Tatfragen zur Entscheidung anstehen. Dann wird ein staatliches Urteil häufig

22

1. Teil: Allgemeines

fen. Hinzu kommt ein psychologisches und ethisches Moment: Nach einem gerichtlichen Verfahren wird man ungern miteinander Handel treiben wollen 5 . Außerdem zieht man die nicht-öffentliche Sitzung des Schiedsgerichts aus Geheimhaltungsgründen vor 6 . Die Abneigung gegenüber staatlichen Verfahren nimmt bei internationalen Sachverhalten noch zu. Zuständig ist stets das Gericht am Sitz oder Wohnsitz des Beklagten. Hier besteht ein - berechtigter oder unberechtigter - Argwohn gegenüber der Neutralität des Richters, der mit dem Beklagten doch die Nationalität teilt. Die Bedenken verstärken sich, wenn der Vertragspartner der ausländische Staat selbst oder ein Staatsunternehmen ist. Dann wird befürchtet, daß er auf den einzelnen Richter direkt Einfluß nehmen kann. Jedenfalls aber kann er die bestehenden Vorschriften zu seinen Gunsten abändern. Andererseits wird sich der ausländische Staat ungern der Rechtsprechungsgewalt eines anderen Staates unterwerfen 7. Staatliche Richter werden aber auch sonst in internationalen Verfahren mit Mißfallen gesehen. Sie sind zwar in der Anwendung ihres eigenen Rechts geschult. Doch kommt bei internationalen Fällen häufig ein ausländisches Recht zur Anwendung, das dem Richter regelmäßig unbekannt sein wird. Auch sind vor staatlichen Gerichten nur die dort zugelassenen Rechtsanwälte auf einem Sachverständigengutachten beruhen. Die Parteien werden sich dann fragen, weshalb sie für die Leistungen des Richters gesondert bezahlen sollten. 5

Ähnlich auch Kerr, (1980) JBL 164.

6

Doch wird in engen Märkten auch ein Schiedsverfahren bekannt werden, während in weiten ein Gerichtsverfahren unbekannt bleiben wird, Kerr y (1980) JBL 165. Die Geheimhaltung spielt also nur eine Rolle, wenn bestimmte Daten nicht aus dem Verhandlungssaal dringen sollen. 7 Die Bereitschaft, sich einem Schiedsrichter zu unterwerfen, ist gerade in kapitalimportierenden Staaten (dazu § 3, Fn. 54) nur wenig entwickelt. Das hat Sornarajah, (1991) vol. 8 no. 2 JIA 47 in seiner beeindruckenden und umfangreichen Studie belegt. Seiner Analyse wird man insoweit zustimmen müssen, als die Anwendbarkeit von Völkerrecht auf InvestitionsVerträge zwischen Privaten und ausländischen Staaten jeder Grundlage entbehrt. Man wird ihm auch insoweit zustimmen können, als er die Anwendbarkeit des Rechts des Investitionsortes für das im Zweifel anwendbare Recht hält. Doch stellt sich die Frage, ob nicht wegen der Wahl eines bestimmten Schiedsortes das dortige Recht auch den Hauptvertrag regiert. Die Thesen bedürfen aber einer eingehenden Auseinandersetzung. Jedenfalls ist - gerade aufgrund sehr unvorsichtiger Äußerungen in der frühen postkolonialen Periode, etwa Lord McNair, The General Principles of Law Recognised by Civilised Nations, (1957) 33 BYIL 1 at 4: „governed by some system of law which had not yet been developed to deal with this particular type of transactions", sowie dem von Sornarajah aufgezeigten, z.T. nicht ganz unberechtigten Verdacht der einseitigen Bevorzugung des Investors in der schiedsrechtlichen Literatur und Praxis - deutlich abzuwägen zwischen den Interessen der Investoren und der Staaten, was etwa auch in der Aminoil-Arbitration, (1982) 21 I L M 976 geschehen ist.

§ 1 Einführung

23

postulationsfähig. Der gewohnte und vertraute Hausanwalt, der womöglich den sehr komplizierten und umfangreichen Vertrag ausgearbeitet hat8, muß also einen Korrespondenzanwalt einschalten, dem man weniger Vertrauen entgegenbringen wird. Obwohl nicht alle Befürchtungen zutreffen 9, hat all dies zu einer Zunahme alternativer Streitbeilegungsmechanismen und besonders der Schiedsverfahren geführt. In internationalen Verfahren werden dabei gerne neutrale Schiedsorte gewählt. Besonders beliebt ist seit langem und nun, nach der letzten Reform 1979 wieder der Schiedsort London. Doch wird London nicht nur der Neutralität wegen gewählt. Hinzu kommt, daß an den verschiedenen Börsen der Londoner City eine weltweit einmalige Konzentration von spezialisierten Kaufleuten niedergelassen sind. Sie haben nicht nur Schiedsordnungen und Standardverträge mit Schiedsklauseln entworfen, die üblicherweise den Schiedsort London vorsehen. Aus ihren Reihen rekrutieren sich auch, gerade in den für die Schiedspraxis so wichtigen Rechtsgebieten des Warenhandels und des Seehandelsrechts, wie des Versicherungssektors, die Schiedsrichter. Sie sind typischerweise gerade keine Juristen. Doch selbst, wo in englischen Schiedsverfahren auf Juristen zurückgegriffen wird, bietet London eine einmalige Konzentration: Nahezu alle großen englischen solicitor-Kanzleien mit internationalen Verbindungen sind in der City niedergelassen. Viele ausländische Großkanzleien haben Dependencen. Praktisch alle barristers haben ihre Räume nur wenige Fußminuten westlich der City in den vier Inns. Auch im internen englischen Recht sind Schiedsverfahren sehr viel beliebter als in Deutschland. Viele Standardverträge, aber auch zahlreiche der umfangreicheren Verträge etwa des Bauvertrags- und Pachtrechts enthalten Schiedsklauseln. Selbst die typischerweise nur kleine Streitsummen betreffenden Verbraucherverträge enthalten häufig Schiedsklauseln, die meist einseitig den Verbraucher begünstigen. Hinzu kommt, daß die englischen Schiedssprüche eine sehr hohe Qualität aufweisen. Das liegt nicht zuletzt daran, daß die Mehrheit der inländischen und auch ein Teil der internationalen Schiedsverfahren, der rechtlichen Überprüfung offenstehen. Danach werden Schiedssprüche auch rechtlich am Maßstab des englischen Rechts überprüft. Aufgrund dieses Verfahrens und seines Vorläufers, des case-stated, sind einige Rechtsgebiete, v.a. das ganz wesentlich in Schiedsverfahren entschiedene Seehandelsrecht entwickelt worden. Wieviele Schiedsverfahren insgesamt in England stattfinden, läßt sich schwer abschätzen. Vorhandene Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen. Vertrauen kann man den Angaben der Schiedsorganisationen. Doch erfassen sie 8

Kern (1980) JBL 166.

9

Sehr instruktiv sind zwei von Kerr, (1980) JBL, 172-175 geschilderte Fälle.

24

1. Teil: Allgemeines

nur die Schiedsverfahren, die unter ihrem direkten Einfluß liegen. Nicht erfaßt sind insb. die Verfahren, bei denen Parteien, ohne je auf die Schiedsorganisation Rekurs zu nehmen, von einer Schiedsordnung Gebrauch machen. Völlig unklar ist die Zahl der ad-hoc Schiedsverfahren. Neuere Quellen gehen von etwa 10.000 Schiedssprüchen im Jahr aus10. Der große Nachteil aller Schiedssprüche ist, daß sie zur zwangweisen Durchsetzung der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung bedürfen. Doch bedarf es des Zwangs nur selten. Wie ein früherer Präsident der Vereinigung der im Seehandel tätigen Schiedsrichter, London Maritime Arbitrators' Association (LMAA), mit einer extensiven eigenen Schiedspraxis berichtet hat, werden etwa 85% der Schiedssprüche gegen Vorlage sofort oder doch wenigstens schnell beglichen11. Auch die übrigen Schiedssprüche werden überwiegend für sachlich richtig gehalten12. Häufiger wird der Spruchschuldner zahlungsunfähig sein. Das mag daran liegen, daß er seine Zahlungen generell eingestellt hat. Öfter wird dafür aber eine restriktive Devisenpolitik in seinem Heimatstaat verantwortlich sein. Hier kann es sehr schwer fallen, den geschuldeten Betrag in der geschuldeten oder doch in irgendeiner frei konvertiblen Währung zu beschaffen 13. Dieses Problem sollte nicht zu gering geschätzt werden. Es sollen schon Schiedsverfahren inszeniert worden sein, bei denen es den kollusiv handelnden Parteien einzig darum ging, die Fremdwährungsbestimmungen im Gläubigerstaat zu umgehen14. Gelegentlich wird die Leistung auf einen sachlich für unangreifbar gehaltenen Schiedsspruch auch aus handfesten wirtschaftlichen Erwägungen verweigert. So können Zinsen aus anglo-amerikanischen Schiedssprüchen nur durch eine richterliche Entscheidung festgesetzt werden 15. Staatliche Verfahren sind aber teuer und langwierig. Daher werden sich Gläubiger bereitfinden, dem Schuldner schon dann Nachlaß zu gewähren, wenn er sich zahlungsunwillig zeigt. Erfahrungen in anderen Dienstleistungsbranchen mit starkem Auslandsbezug zeigen, daß in solchen Fällen ein zehnprozentiger Abschlag nicht

10

Bernstein, (1993) 59 Arbitration 162, i.e. erläuternd und daher glaubwürdig; dieselbe Zahl nennen auch Lebedev, (1992) 8 Arblnt, 326; Kerr, (1980) JBL, 178, allerdings ohne eigens zu erläutern. An den Werten Bernsteins hatte Kaplan, (1993) 59 Arbitration 160 gezweifelt. Diese Zweifel dürften aber durch die zit. Erwiderung ausgeräumt sein. n

Barclay, (1984) vol. 1 no. 1 JIA, 53.

12

Nach Bernstein, (1993) 59 Arbitration 162 werden nur 1,5% der Schiedssprüche mit dem appeal angegriffen. 13

Barclay, (1984) vol. 1 no. 1 JIA, 54.

14

Barclay, (1984) vol. 1 no. 1 JIA, 54.

15

Statt vieler Barclay, (1984) vol. 1 no. 1 JIA, 54.

§ 2 Die englische Praxis

25

unüblich ist. Derartige Praktiken werden bei Hafengebühren und bei Schiffsreparaturen berichtet 16. Wegen der Inflation hat die hinausgezögerte Zahlung wirtschaftlich auch die Wirkung eines versteckten und aufgezwungenen Kredits. Das dürfte inzwischen einer der Hauptgründe für die laxe Zahlungsmoral vor allem im Dollar- und Sterlingverkehr, zunehmend auch im Deutschmarkverkehr darstellen. Der Anteil der aus rechtlich relevanten Motiven angefochtenen Schiedssprüchen an der Gesamtzahl aller Schiedssprüche ist mithin äußerst gering. Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung spielt aber dennoch eine erhebliche Rolle. Die Parteien haben ein sehr starkes Interesse daran, daß der Schiedsspruch durchgesetzt werden kann. Deshalb wird der Schiedsrichter darauf achten müssen, daß der Schiedsspruch nach dem Recht des wahrscheinlichen Vollstreckungsstaates durchsetzbar ist.

§ 2 Die englische Praxis I. Allgemeines zum englischen Schiedsverfahrensrecht Auf allgemeine Aspekte zum englischen Recht wird hier nicht eingegangen. Es sollen nur in groben Zügen die im englischen Schiedsverfahrensrecht verwendeten Begriffe vorgestellt werden. Untersuchungsgegenstand ist lediglich das Recht von England und Wales. Das Recht Nordirlands weicht deutlich, das von Schottland völlig ab. Rechtsquelle sind in erster Linie drei Arbitration Acts aus den Jahren 1950, 1975 und 19791 sowie ergänzend andere Gesetze und die Rechtsprechung. Die Systematik unterscheidet zweierlei Schiedsverfahren: die aufgrund formellen Gesetzes eingesetzte statutory arbitration, s. 31 Arbitration Act 1950 und die aufgrund Schiedsvereinbarung eingesetzte. Auf erstere finden die Arbitration Acts 1950 (Part I) und 1979 nur entsprechende Anwendung, s. 31 bzw. s. 7 (2)(d); auf letztere nur, wenn die Schiedsvereinbarung schriftlich abgeschlossen wurde, s. 32 Act 1950, s. 7 (1) Act 1975, s. 7 (2)(e) Act 1979. Das englische Recht unterscheidet nur selten zwischen Schiedsklauseln, d.h. Schiedsvereinbarungen, die künftige Streitigkeiten betreffen, und

16 1

Barclay, (1984) vol. 1 no. 1 JIA, 55.

Abgedruckt etwa bei Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, pp. 654-720; der Arbitration Act 1979 ist in deutscher Übersetzung abgedruckt in Anschluß an Benkö, KTS 1981, 115.

26

1. Teil: Allgemeines

Schiedsabreden, also Schiedsvereinbarungen über gegenwärtige Streitigkeiten2, vgl. s. 32 Act 1950. Nach dem Grad der Internationalst werden vier Typen von Schiedssprüchen unterschieden: die domestic arbitration awards, die non-domestic arbitration awards, die foreign awards und die Convention awards. Eine domestic arbitration ist ein Schiedsverfahren, das innerhalb des Vereinigten Königreichs 3 stattfinden soll und bei dem alle Schiedsparteien britische Staatsangehörige sind und hier ihren ständigen Wohnsitz haben bzw. im Vereinigten Königreich inkorporiert sind und von dort aus verwaltet werden, s. 1 (4) Act 1975, s. 3 (7) Act 1979. Alle anderen Schiedsverfahren sind non-domestic. Ein Schiedsspruch ist ausländisch, wenn er außerhalb Englands ergeht 4, und ein ausländischer Schiedsspruch ist ein Convention award, wenn er in einem ausländischen Staat ergangen ist, der dem New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 (UN-Ü) beigetreten ist, s. 7 (1) Arbitration Act 1975.

II. Die Schiedsordnungen und Standardklauseln Im folgenden sollen die Schiedsordnungen und Standardklauseln vorgestellt werden, die in dieser Arbeit untersucht werden. Die Liste ist keinesfalls umfassend. Gerade im Warenhandelssektor bestehen zahlreiche weitere Schiedsordnungen, die hier nicht untersucht wurden.

1. Allgemeine, internationale Schiedsordnungen a) Die wahrscheinlich weltweit populärste Schiedsordnung5 ist die der Internationalen Handelskammer zu Paris. Die Behörde stellt einen Schiedsgerichtshof zur Verfügung, der viele der normalerweise einem staatlichen Gericht zukommenden, das Schiedsverfahren begleitenden Maßnahmen übernimmt. Er ernennt Schiedsrichter, überprüft deren Unabhängigkeit und kon2 Der Begriff des Schiedsvertrags wird uneinheitlich verwendet. Teils wird er synonym mit Schiedsvereinbarungen, teils mit Schiedsabreden gebraucht. Hier wird auf seine Verwendung verzichtet. 3

So der Gesetzeswortlaut, den man aber möglicherweise eng, d.h. auf England beschränkt, lesen muß. 4 5

Hiscox v. Outhwaite (No. 1) [1991] 3 A11ER 641 (HL).

Abgedruckt etwa bei Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, S. 599 (deutsch und englisch); erhältlich von ICC Publishing SA, 38 cours Albert 1 er , F-75008 Paris; ausführlich hierzu Craig, Park & Paulsson, ICC-Arbitration; die Kritik faßt Kerr, (1980) JBL 169/170 zusammen.

§ 2 Die englische Praxis

27

trolliert sogar die Formrichtigkeit des Schiedsspruchs. Diese Kontrolle bedeutet eine Beschränkung der Flexibilität der Schiedsverfahren, aber auch eine größere Sicherheit bei der Entscheidung. Die Schiedsordnung zeichnet sich durch eine wahre Internationalität aus. Dennoch finden knapp 90% der Schiedsverfahren in Europa und ein Drittel aller Schiedsverfahren in Frankreich statt. Das Vereinigte Königreich liegt mit ca. 10% an dritter Stelle hinter der Schweiz (etwa 27,5%) aber vor den USA (ca. 5%) und Belgien, Deutschland und Österreich (je ca. 3%) 6 . Darüber, wieviele IHK-Schiedsverfahren in absoluten Zahlen jährlich stattfinden, liegen widersprüchliche Angaben vor 7 . Die Schiedssprüche sind von hoher Qualität. Die Anfechtungsquote liegt nur bei 6%. Nur 0,5% der Sprüche werden tatsächlich aufgehoben8. Außerdem ernennt die I H K regelmäßig Schiedsrichter, etwa bei Vereinbarung der Uncitral-Regeln (dazu unter b) und der International Air Transport Association (IATA) Arbitration Rules. b) Auch die am 15.12.1976 von der Vollversammlung der Vereinigten Nationen in einer Resolution verabschiedeten Schiedsverfahrensregeln der United Nations Commission on International Trade Law (Uncitralf sind wahrhaft international. Auch sie versuchen den Einfluß staatlicher Gerichte möglichst gering zu halten, erreichen dieses Ziel aber ohne Errichtung einer Schiedsinstitution, allein durch Stärkung der Privatautonomie. Besonders deutlich wird dies beim Ernennungsverfahren, wo letztlich auf den Generalsekretär des IGH zurückgegriffen werden kann. Diese Regeln bieten sich gerade auch für ad-hoc Verfahren an. Die Zahl der Schiedssprüche läßt sich daher nur erraten, doch haben die Regeln global beträchtliche Bedeutung10, v.a. nachdem das Iran-U.S. Claims Tribunal im Haag nach diesen Regeln verfährt.

6

Craig, Park & Paulsson, ICC-Arbitration, App. I, Table 7 (1981 - 8 9 ) .

7

Jarvin, (1984) vol. 1 no. 1 JIA 60 geht für die Jahre 1980-1982 jeweils knapp 20 Schiedssprüche im ganzen Vereinigten Königreich aus. Hunter, (1987) 53 Arbitration, 219 nimmt hingegen weltweit ca. 6.000 Fällen im Jahr an; was etwa 600 britische Verfahren bedeuten würde. 8

Bellet, in: Preface to Craig, Park & Paulsson, ICC-Arbitration, p. xvi.

9

Official Records of the General Assembly, 31st Session, Supplement No 17 ( A / 31/17), chap. V, sect.C (Resolution 31/98; abgedruckt in deutsch und englisch bei Schütze/T scheming /Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, S. 575; im einzelnen dazu aus Sicht der Praxis des Iran-U.S. Claims Tribunals im Haag: J.J. van Hof\ Commentary on the UNCITRAL-Arbitration Rules (Deventer/Boston 1991); vgl. auch die Literatur zum ähnlich strukturierten Modellgesetz, etwa Howard M. Holtzmann & Joseph E. Neuhaus, A Guide to the UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration (Boston/The Hague 1989); Gabriele Hußlein-Stich, Das UNCITRAL Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, Diss. Regensburg (Köln u.a. 1990). 10

Kerr, (1980) JBL 168: „greatest world-wide significance".

28

1. Teil: Allgemeines

c) Grundsätzlich international gedacht sind auch die Rules des London Court of International Arbitration (LCIA) n. Doch finden hier im Zweifel alle Schiedsverfahren in London statt. Der LCIA ist wahrscheinlich die älteste, noch bestehende Schiedsinstitution seiner Größe. Er wurde unter dem Namen London Chamber of Arbitration 1892 gegründet. Er wird von der Corporation of the City of London, also der Stadtteilverwaltung der City, der London Chamber of Commerce und dem Chartered Institute of Arbitrators getragen, doch im wesentlichen vom Court selbst gesteuert. Dieser Gerichtshof übernimmt ähnlich seinem Pariser Gegenstück viele der das Schiedsverfahren begleitenden Maßnahmen. Er kontrolliert ebenfalls alle Schiedsrichter auf ihre Unbefangenheit und sogar auf ihre Geeignetheit. Bei der Entwicklung der Schiedsordnung wurden in besonderem Maß die Erfahrungen aufgrund der Uncitral-Regeln berücksichtigt 12. Es werden - mit steigender Tendenz jährlich etwa 70 Verfahren direkt bei der LCIA abgehalten13. d) Auch die International Bar Association (IBA) 14, ein Zusammenschluß verschiedener Anwaltsvereinigungen und individueller Rechtsanwälte rund um die Welt, hat Schiedsregeln herausgegeben, allerdings sollen diese nur andere Schiedsordnungen ergänzen. Hier wird - bei der Befangenheit - auf den Code of Ethics 15 und - beim Beweisrecht - auf die Supplementary Rules of Evidence eingegangen16. Letztere sollten für die gerade im Beweisrecht entgegengesetzten angloamerikanischen und kontinentaleuropäischen Vorstellungen Raum lassen, ohne die Tatsachenermittlung zu sehr zu behindern. Im Ergebnis hat man unter Beibehaltung der angloamerikanischen Terminologie viele Instrumente des kontinentaleuropäischen Rechts übernommen 17.

11 Anschrift: 30 St Mary Axe, London EC3A 8DE; Regeln abgedruckt bei Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 791; Schulze/T scheming / Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, S. 660 (nur englisch). 12

Lebedev, (1992) 8 Arblnt 324; Hunter & Paulsson, YCA X (1985), 168.

13

Lebedev, (1992) 8 Arblnt 327.

14

Anschrift: 2 Harewood Place, Hanover Square, London W I R 9HB.

15

Abgedruckt etwa bei Appendix 14 zu Redfern cial Arbitration.

& Hunter, International Commer-

16

Durch eine Resolution des Council am 28.5.1983 angenommen und zum Gebrauch empfohlen, abgedruckt bei Tackaberry, in: Bernstein & Wood, Handbook of Arbitration Practice, para. 38; dazu in Kürze Shenton, in: Lew, Contemporary Problems, p. 188. 17 Vgl. Shenton, in: Lew, Contemporary Problems, p. 193: Die discovery ist auf die beweisbedürftigen Tatsachen beschränkt, das Kreuzverhör nur auf Antrag hin zulässig.

§ 2 Die englische Praxis

29

2. Allgemeine, nationale Schiedsordnungen Das Chartered Institute of Arbitrators (CIArb) ls ist eine berufsständische Organisation der britischen Schiedsrichter. Es fördert das Schiedswesen insgesamt und hat bei der Schaffung zahlreicher Schiedsordnungen mitgewirkt. In vielen Bereichen stellt das Institut seine Kräfte als Schiedsinstitution zur Verfügung. Auch hat es zwei allgemeine, im wesentlichen für den innerenglischen Schieds verkehr gedachte Schiedsordnungen geschaffen: die Arbitration Rules 19 und die Short Form Arbitration (künftig: SFA) Rules 20 . Beide Regelungen sind sehr effektiv. Dennoch wird die Autonomie der Parteien nicht sehr stark beschränkt. Die Short Form Arbitration Rules sollen das Verfahren noch beschleunigen. Unter diesen Regeln finden nach Auskunft der Institution jährlich etwa 200-250 Ernennungen statt. Die Institution ernennt aber jährlich insgesamt für etwa 3.000 Verfahren die Schiedsrichter.

3. Schiedsordnungen und Standardklauseln im Seehandelsbereich Weltweit ist der Seehandel eines der wichtigsten Themenkreise im internationalen Schiedsverkehr. Als Schiedsort dürfte hier London deutlich führend sein. Eine Einführung in das Seehandelsrecht kann an dieser Stelle nicht erfolgen. Es soll aber anhand eines Falles dargestellt werden, wo in seehandelsrechtlichen Konstellationen Probleme auftreten können: Eignerin der unter panamaischer Flagge segelnden MS „Centro Vargas" ist eine Gesellschaft, die einer griechischen Gesellschaft gehört und auf den Cayman Islands eingetragen ist. Sie verchartert das Schiff an eine auf den Bahamas registrierte Gesellschaft, die von New York aus gesteuert wird, für zwei Jahre. Diese verchartert das Schiff weiter an eine deutsche Handelsgesellschaft für eine Reise von Port Harcourt, Nigeria, nach einem während des Transports zu bezeichnenden sicheren Hafen zwischen Bayonne und Hamburg. Die Subcharterin möchte eine Ladung eines als Düngemittel verwertbaren Naturprodukts transportieren. Ihr wird von der Eignerin ein entsprechendes Konnossement ausgestellt, das den Schiedsort London vorsieht. Während der Reise schließt die Subcharterin mit verschiedenen französischen Käufern Verträge ab, die eine Übergabe in Antwerpen zu einem bestimmten Datum vorsehen. Als das Schiff in Las Palmas bunkert, weist die Schiffseignerin den Kapitän an, ein weiteres ihrer Schiffe, die MS „Simple Vargas", anzusteuern, die im 18 Anschrift: International Arbitration Centre, 24 Angel Gate, City Road, London EC1V 2RS. 19 Vom 1.1.1988, abgedruckt bei Merkin, Arbitration Law, D.14; die Schiedsklausel wird unten (§ 8 III 2 h) z.T. zitiert. 20

Von 1991; soweit gesehen, noch nicht veröffentlicht.

30

1. Teil: Allgemeines

Atlantik, etwa 1.000 sm südwestlich der Azoren, manövrierunfähig mit Motorschaden treibt. Als die „Centro" bei der „Simple" eintrifft, haben deren Bordmechaniker den Motorschaden gerade behoben. Dennoch verharrt die „Centro" noch einen Tag bei der „Simple", um bei einem erneuten Motordefekt beistehen zu können. Als sie schließlich wieder in Richtung Antwerpen steuert, haben die Mehrzahl der französischen Käufer den Kaufvertrag mit der Subcharterin wegen der abzusehenden Verzögerung gekündigt. Ihr gelingt es, die Ladung an einen englischen Interessenten in Dover zu veräußern. Vor dem Schiedsgericht macht sie Verluste durch den ungünstigen Verkauf geltend. Die Eignerin hält dem entgegen, die Subcharterin möge sich an ihre Vertragspartnerin, die Charterin, halten. Im übrigen solle sie ihr Eigentum an der Ladung darlegen. Schließlich sei der Umweg gerechtfertigt gewesen. Die rechtlichen Schwierigkeiten mag man sich ausmalen. Nun aber zu den einzelnen Schiedsordnungen und Schiedsklauseln: a) Die London Maritime Arbitrators' Association (LMAA) 21 hat Regeln (Terms) für den gesamten Seehandelsbereichs einschließlich des sehr eng verwandten Bereichs des Erdölhandels aufgestellt. Der Organisation selbst gehören etwa 42 Vollmitglieder, hauptberufliche Schiedsrichter, überwiegend juristische Laien, und 550 weitere Mitglieder an 22 . Die Organisation greift nur wenig in das Schiedsverfahren ein. Die Terms regeln das Ernennungsverfahren nicht. Insoweit treffen die verschiedenen Schiedsklauseln Regelungen, u.a. auch die LMAA arbitration clause 23. Es werden jährlich etwa 3.000 Ernennungen von der L M A A vorgenommen und etwa 700 Schiedssprüche nach ihren Regeln erlassen24. b) Ein Standardvertrag, der eine ausführliche Schiedsklausel enthält, ist die Lloyd's Standard Form of Salvage Agreement 1990 (LÖF'90) 25. Es geht ganz wesentlich um die Seenotrettung. In cl. 1 - 5 werden die vertraglichen Pflichten des Bergers und des Schiffseigners bestimmt. Insbesondere wird festgelegt, daß der Berger grundsätzlich nur einen Anspruch auf den Bergelohn hat, wenn er Schiff und Ladung gerettet hat: no eure — no pay 26 . Als Schiedsinstitution füngiert das Council of Lloyd's, das alle Ernennungen vornimmt, ansonsten aber kaum in das Verfahren eingreift.

21

Abgedruckt bei Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 780.

22

Summerskill

23

Harris, (1987) 53 Arbitration 104.

24

Harris, (1987) 53 Arbitration 104.

in: Bernstein & Wood, Handbook of Arbitration Practice, para. 72.2.

25

Abgedruckt bei Darling & Smith, LOF 90 and the New Salvage Convention, London u.a. 1991, p. 181. 26

Die no cure-no pay-Regel gilt übrigens auch nach § 741 Abs. 1 HGB für das deutsche Recht.

§ 2 Die englische Praxis

31

c) Zahlreiche Charterpartien enthalten Schiedsklauseln. Die meisten sind nur sehr knapp und befassen sich selten mit mehr als dem Ernennungsverfahren und dem anwendbaren (meist englischen) Recht. Dazu rechnen etwa cl. 23 der Baltime 1939 charterparty und die Shelltime 3 Form clause 21. Häufig enthalten Schiedsklauseln eine knappe, etwa dreimonatige Ernennungsfrist für Schiedsrichter. Besonders wichtig sind insoweit die Centrocon arbitration clause 28 und die ähnliche Atlantic Shipping Clause 29. d) Beim Kauf von Seeschiffen wird häufig die Norwegian Shipbrokers' Association's Memorandum of Agreement for sale and purchase of ships (Norwegian Saleform 1983)30 vereinbart. Ihre Schiedsklausel regelt zwar nur die Ernennung, doch ernennt im Zweifel der Präsident der L M A A den dritten Schiedsrichter. Deshalb wird man sich häufig auf die Geltung der L M A A Terms einigen.

4. Schiedsordnungen und Standardklauseln im Bau- und Anlagenbaurecht a) Die Institution of Civil Engineers (ICE) 31 ist eine Standesorganisation der britischen Hoch- und Tiefbauingenieure. Sie übernimmt in der Schiedsordnung (Arbitration Procedure; künftig: ICE-A.P.) die Aufgaben einer recht zurückhaltende Schiedsinstitution. So ernennt sie etwa bei Uneinigkeit der Parteien Schiedsrichter. b) Eine Schiedsklausel enthalten die vom Joint Contracts Tribunal (JCT) herausgegebenen Standardverträge im Bauvertragsrecht in art. 5, der wiederum auf cl. 41 verweist 32. Darin werden u.a. der Umfang der Schiedsklausel, das Ernennungsverfahren, das Verfahren an sich und das anwendbare (englische) Recht bestimmt.

27 Abgedruckt bei Lee, Encyclopaedia of International Commercial Arbitration, para. 2219. 28 Abgedruckt etwa bei SummerskilU tion Practice, p. 374.

in: Bernstein & Wood, Handbook of Arbitra-

29

Benannt nach der Klausel in Atlantic Shipping and Trading Dreyfus & Co [1922] 2 AC 250 (HL) at 261; zit. unten § 7, Fn. 46. 30

Dazu Summerskill, p. 371.

in: Bernstein

& Wood,

Co Ltd v. Louis

Handbook of Arbitration Practice,

31

Anschrift: 1 St George Street, London SW1P. Das Arbitration Procedure ist abgedruckt bei Mustill & Boyd y Commercial Arbitration, p. 802; ausführlich dazu: Hawker, Uff & Timms, The ICE Arbitration Practice. 32

Abgedruckt bei Pleasance, in: Bernstein & Wood, Handbook of Arbitration Practice, p. 313.

32

1. Teil: Allgemeines

5. Schiedsordnungen im Warenhandel Schiedsordnungen im Warenhandel 33 stehen prinzipiell zwei Verfahrensarten offen: die quality und die technical arbitration 34. Bei der quality arbitration geht es um die Frage der Mangelhaftigkeit einer Ware. Dabei wird meist geprüft, ob auf der Grundlage einer Geruchs-, Sicht-, Tast- oder Geschmacksprüfung ein Abzug vom Kaufpreis vorgenommen werden kann und in welcher Höhe. Die technical arbitration ist ein formaleres Schiedsverfahren, bei dem es auch um komplizierte rechtliche Fragen gehen kann. Alle Schiedsordnungen enthalten strikte Befristungen. Der Mitwirkung von praktizierenden Juristen, es sei denn als juristische Berater des Schiedsrichters (legal assessor), stehen sie meist skeptisch bis feindselig gegenüber 35. Gerade in diesem Sektor vertraut man neben den juristischen auch auf wirtschaftliche Sanktionen. Die Nichtleistung auf den Schiedsspruch kann die Eintragung in einer an die Mitgliedsfirmen versandten schwarzen Liste zu Folge haben (power to post defaulters) 36. a) Die wohl wichtigste Handels Vereinigung ist die 1971 aus der Fusion der 1906 gegründeten Cattle Food Trade Association ((L)CFTA) und der 1878 gegründeten London Com Trade Association (LCTA) hervorgegangene Grain and Feed Trade Association Ltd (Gafta) 31. Hier sind weltweit etwa 650, im Handel von Getreide, Hülsenfrüchten und Tierfutter tätige Firmen 38 zusammengeschlossen. Neben einer Schiedsordnung stellt die Vereinigung auch über 70 Standardverträge zur Verfügung, die Grundlage für einen sehr hohen Anteil des Welthandels in ihrem Handelssektor bieten39. Bei der quality arbitration von Korn und Weizen werden den Schiedsrichtern, denen die Augen verbunden worden sind, zwei Warenproben vorgesetzt, wobei die eine die monatlich festgelegte fair average qualitity (f.a.q.) des Herkunfsstaates dar33 Hier ist darauf hinzuweisen, das für diesem Bereich ein wichtiges Handels- und Schiedszentrum außerhalb Londons besteht, nämlich Liverpool für den Baumwollhandel. 34

Zur Unterscheidung Mackie, (1991) 57 Arbitration 158/159; D.K. Johnson, in: Bernstein & Wood, Handbook of Arbitration Practice, 42.2. 35 Allgemein zur Schiedspraxis im Warenhandel Mackie, (1991) 57 Arbitration 157; D.K Johnson, in: Bernstein & Wood, Handbook of Arbitration Practice, 42. 36 Z.B. Gafta No. 125, r. 15; vgl. D.K. Johnson, in, Bernstein & Wood, Handbook of Arbitration Practice, 42.2. 37 Anschrift: 1 9 - 2 1 Bury Street, London EC3A 5AU; Arbitration Rules No. 125. v.l.6.1991 abgedruckt bei D.K Johnson, International Commodity Arbitration, p. 237. 38

P.K. Johnson, in: Sanders, New trends, p. 109 geht für 1982 von 664 Mitgliedern aus; etwa die Hälfte kamen aus dem Vereinigten Königreich, ein weiteres starkes Drittel aus acht mitteleuropäischen Staaten. 39

P.K Johnson, in: Sanders, New trends, p. 110.

§ 2 Die englische Praxis

33

stellt und die andere eine Warenprobe 40. Die Schiedsordnung läßt eine zweite Schiedsinstanz zu und kennt Mehrparteienverfahren für Kettengeschäfte (string arbitration). Auf das neue Short Form Arbitration Scheme Gafta No. 126 vom 1.1.1994 wird nicht eingegangen. Jährlich finden etwa 300 Schiedsverfahren statt. Im Anschluß an das Handelsembargos der USA vom 27.6.-30.9.1973, das mit der Überschwemmungskatastrophe am Mississippi 1972 begründet wurde, vervielfachten sich die Aktivitäten 41 . b) 70% der englischen Warenhandelsverfahren werden nach den Regeln der Gafta und der Federation of Oil Seeds and Fats Association Ltd (FOSFA f 2 abgehalten43. Bei der FOSFA handelt es sich um eine 1971 aus dem Zusammenschluß der 1863 gegründeten International Oils and Seeds Association (IOSA), der 1910 gegründeten London Oils, Tallows Trade Association (LOTTA) und anderer Verbände entstandene Vereinigung der am Speiseöl-, Ölsamen- und Speisefettehandel beteiligten Unternehmen 44. 85% des Welthandels in diesem Bereich werden über die 40 Standardverträge der Federation abgewickelt45. Mit verwandten Vereinigungen, insb. mit der niederländischen NOFOTA bestehen enge Beziehungen. Die Schiedsordnung stellt ein zweiinstanzliches Verfahren zur Verfügung. c) Die Cocoa Association of London Ltd (CAL)* 6 wurde 1929 als ein Zusammenschluß der Londoner Kakaohändler gegründet. 1989 fanden 78 quality arbitrations, 49 technical arbitrations und 4 appeals statt47. Bei quality arbitrations werden Kakaobohnen zerteilt und auf Schiefrigkeit, Schimmel und andere Defekte hin untersucht 48. d) Es bestehen zwei Vereinigungen im Zuckerhandel, die Sugar Association of London Ltd (SAOL) für den Rohzuckerhandel und die Refined Sugar Association (RSA) für den Handel mit raffiniertem Zucker. Sie teilen sich „

40 D.K. Johnson, in: Bernstein & Wood, Handbook of Arbitration Practice, para. 47.3. 41

D.K Johnson, International Commodity Arbitration, p. 16: über 1.500 Verfahren in den Jahrgängen 1973/74 und 1974/75. 42

Anschrift: 20 St Dunstan's Hill, London EC3R 8HL; Rules v. 1.10.1990, abgedruckt bei D.K. Johnson, International Commodity Arbitration, p. 253. 43

Covo , (1993) vol. 9 no. 1 JIA 58.

44

D.K Johnson, International Commodity Arbitration, p. 16.

45

D.K Johnson, International Commodity Arbitration, p. 17.

46

Anschrift: 1 Commodity Quay, St. Katherine Docks, London E l 9AX; Rules v. 1.8.1979, abgedruckt bei D.K. Johnson, International Commodity Arbitration, p. 263. 47

D.K Johnson, International Commodity Arbitration, p. 19.

48

D.K para. 47.1. 3 Kilgus

Johnson, in: Bernstein & Wood , Handbook of Arbitration Practice,

34

1. Teil: Allgemeines

allerdings denselben Mitarbeiterstab, dieselben Räume49 und im wesentlichen auch dieselben Mitglieder. Ihre Schiedsordnungen weichen inhaltlich kaum voneinander ab 50 . Sie sehen nur eine Schiedsinstanz vor. e) Die Coffee Trade Federation Ltd (CTF) 51 ist 1970 aus dem Zusammenschluß verschiedener Vereinigungen im Kaffeehandel hervorgegangen. Ihre Schiedsordnung läßt neben einem zweiinstanzlichen Verfahren auch ein besonderes, auf eine Instanz beschränktes Verfahren zu. f) Die London Rice Brokers 9 Association (LRBA) 52 ist heute nur mehr eine Vereinigung von zwei britischen, einem Antwerpener und einem französischen Reismakler; ihr gehören keine Händler an. Sie hat eine Reihe populärer Standardverträge herausgegeben, und es finden im Jahr etwa zwei Schiedsverfahren mit Berufungsmöglichkeit statt53. Bei den quality arbitrations wird der Anteil der gebrochenen, kalkigen, farbigen und sonst fehlerhaften Körner bestimmt und mit der vertraglich zulässigen Zahl verglichen 54.

6. Schiedsklauseln zur Pacht-, Miet- und Grundevaluation Viele Streitigkeiten bei der Pacht-, Miet- und Grundbewertung werden von durch formelles Gesetz eingesetzten sog. statutory arbitration tribunals erledigt 55 , wie etwa dem Lands Tribunal, das im wesentlichen die Entschädigung bei Enteignung festsetzt (dazu unten § 4, HI, insb. 3). Daneben besteht aber ein weites Feld der freiwilligen, auf Schiedsvereinbarung beruhenden Schiedsgerichtsbarkeit, die bei der Pacht- und Mietbewertung v.a. nach Zeitablauf eine Anpassung des Pacht- und Mietzinses betreffen 56. Manchmal geht es auch um die Festsetzung des Pacht- oder Mietzinses oder des Grundwerts, wenn der Hauptvertrag unbestimmt ist, etwa eine Erwerbsoption zum Markt49

Anschrift: Plantation House, Mincing Lane, London EC3M 3HT.

50

D.K. Johnson, International Commodity Arbitration, pp. 19/20, Rules a.a.O., abgedruckt p. 279 (SAOL v. Feb. 1991) bzw. p. 283 (RSA v. Jul. 1989). 51 Anschrift: 146a High Street, Tonbridge, Kent TN9 IBB; Rules v. 1.5.1989, abgedruckt bei D.K. Johnson, International Commodity Arbitration, p. 288. 52 Anschrift: c / o Jackson Son & Co, Prince Rupert House, 9 / 1 0 College Hill, London EC4R IAS; Rules v. 1.8.1985, abgedruckt bei D.K Johnson, International Commodity Arbitration, p. 308. 53

D.K. Johnson, International Commodity Arbitration, p. 22.

54

D.K. Johnson, in: Bernstein & Wood, Handbook of Arbitration Practice, para. 47.2. 55 56

Nut ley, in: Bernstein & Wood, Handbook of Arbitration Practice, para. 80.1.

Der Zins muß bestimmt sein. Vertragliche Anpassungsklauseln sind daher oft nicht haltbar, vgl. East Coast Amusements v. British Transport Board [1965] AC 58.

§ 2 Die englische Praxis

35

wert eines künftigen Datums vorsieht 57. Feststehende Standardverträge bestehen, soweit gesehen, nicht 58 . Üblicherweise bestellen beide Parteien einen Experten, den valuer, meist einen Vermessungsingenieur (surveyor). Ist eine vorprozessuale Einigung nicht möglich, so bestellen sie (oder hilfsweise ernennt ein Dritter, meist der Präsident des Royal Institute of Chartered Surveyors (RICS) 59 ) einen Einzelschiedsrichter, vor dem sie mindestens als Sachverständige (expert witnesses), oft auch als Advokaten auftreten 60. Das Beweismaterial umfaßt regelmäßig neben den Gutachten der valuers auch die Besichtigung des streitbefangenen Grundstücks. Die Streitfragen erfassen oft genug komplizierte rechtliche Fragen der Auslegung des Hauptvertrages, meist aber nicht minder schwierige tatsächliche Probleme 61.

7. Schiedsordnungen im Verbraucherverkehr Der englische Gesetzgeber hat für Schiedsverfahren im Verbraucherverkehr den Consumer Arbitration Act 1988 erlassen. Aufgrund dieser Gesetzgebung wurden im wesentlichen vom CIArb etwa 40 Schiedsordnungen für verschiedenste Bereiche des Verbraucherverkehrs erstellt und die Kooperation der Geschäftspartner von Verbrauchern, die häufig als Monopolisten (British Rail, British Telecom, Post Office) oder doch als Zusammenschluß nahezu aller Gewerbetreibender (z.B. Association of British Travel Agents Ltd) übermächtig sind, gewonnen. Meist findet keine mündliche Verhandlung statt, vielmehr beruht die Entscheidung allein auf documents, auf Schriftstücken u.ä. Die Kosten sind sehr niedrig. Als Schiedsinstitution fungiert meist das CIArb 62 . Obwohl auch im Grundsätzlichen durchaus große Unterschiede bestehen63, soll hier nur das Arbitration Scheme for the Association of British Travel Agents Ltd (ABTA) 64 untersucht werden. 57 58

Nutley, in: Bernstein & Wood, Handbook of Arbitration Practice, para. 80.2.

Nutley, in: Bernstein nennt jedenfalls keine. 59

& Wood, Handbook of Arbitration Practice, paras. 8 0 - 8 9

Nutley, in: Bernstein & Wood, Handbook of Arbitration Practice, para. 82.1.

60

Nutley, in: Bernstein & Wood, Handbook of Arbitration Practice, paras. 81.1,6, 80.7; die Ernennung eines Zweierschiedsgerichts mit umpire (dazu unten § 9, 1.2) ist z.Z. nicht üblich, dazu para. 89.2. 61 Nutley , in: Bernstein & Wood , Handbook of Arbitration Practice, para. 87.3; „valuation is an art and not a science" (op. cit., para. 80.6). 62 Allgemein dazu Rutherford , in: Bernstein Practice, para. 50.

& Wood , Handbook of Arbitration

63

Die Entscheidungen in den Post Office- und British Telecom-Arbitrations sind bloß Empfehlungen, also gar keine Schiedssprüche, Rutherford , in: Bernstein & Wood, Handbook of Arbitration Practice, para. 53.2. 64

3*

Anschrift: 55 Newman Street, London W1P 3PG; abgedruckt bei Bernstein

&

36

1. Teil: Allgemeines

III. Entwicklung und Ausblick Ein neuer Arbitration Act ist derzeit in Vorbereitung 65. Dieser wird das Uncitral-Modellgesetz mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht übernehmen. Dagegen hatte sich das vom Handels- und Industrieminister eingesetzte MustillCommittee deutlich ausgesprochen66. Es hat vielmehr die Kodifikation und Konsolidierung des Schiedsrechts vorgeschlagen 67. Allerdings gilt das Modellgesetz in Schottland mit gewissen Abweichungen für die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit aufgrund des Law Reform (Miscellaneous Provisions) (Scotland) Act 1990, s. 66, Schedule 7 6 8 .

§ 3 Die Rechtsquellen Im folgenden sollen die Normen vorgestellt werden, die die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung englischer Schiedssprüche in Deutschland regeln. Dabei werden zunächst die bilateralen Staatverträge untersucht, dann die multilateralen. Bei diesen wird zunächst auf die im eigentlichen Sinne schiedsrechtlichen Übereinkommen eingegangen, dann auf die Übereinkommen mit umfangreichen schiedsrechtlichen Regelungen, und schließlich auf SpezialÜbereinkommen zum Verkehrs- und Umweltsektors. Anschließend soll das autonome deutsche Recht vorgestellt werden. Dann soll auf Bestimmungen des Rechts der Europäischen Union, des Europarats und in Staatsverträgen zwischen den Mitgliedsstaaten eingegangen werden, soweit sie schiedsrechtlich virulent sind, bevor die Grundlagen der weiteren Arbeit vorgestellt werden.

Wood, Handbook of Arbitration Practice, p. 643; im folgenden als ABTA-Rules bezeichnet. 65

Vgl. dazu MustilU Domestic Arbitration Law, (1990) 56 Arbitration, 82; F. Miller, Some Reflections on a Proposed New Arbitration Act, (1991) 57 Arbitration, 242. 66

Mustill-Committee , Report on the UNCITRAL Model Law, para. 100.

67

Mustill-Committeey

68

Zur Kommisionsarbeit vgl. Sembley (1990) 56 Arbitration, 95.

Report on the UNCITRAL Model Law, paras. 108/109.

§ 3 Die Rechtsquellen

37

I. Bilaterale Staatsverträge 1. Das Deutsch-britische Abkommen über den Rechtsverkehr vom 20.3. 19281 betrifft nur die Zustellung (Art. 2 - 7 ) und Beweisaufnahme (Art. 8 - 1 4 ) , nicht aber direkt schiedsrechtliche Fragen. 2. Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 14.7.i960 2 betrifft - wie sich aus Art. I Abs. 2, I I Abs. 1 ergibt - nur Entscheidungen staatlicher Gerichte, nicht solche von Schiedsgerichten3. In der Praxis hat es neben dem EuGVÜ (unten VII.2) keine große Bedeutung.

II. Multilaterale schiedsrechtliche Staatsverträge 1. Die Genfer Abkommen Das Genfer Protokoll über die Schiedsklauseln im Handelsverkehr vom 24.9.19234 und das Genfer Abkommen zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 26.9.19275 sind wegen Art. V I I Abs. 2 UN-Ü mit dem Beitritt des Vereinigten Königreichs zum UN-Ü außer Kraft getreten.

2. Das New Yorker UN-Übereinkommen Das New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.19586 (künftig: UN-Ü) ist durch den Beitritt des Vereinigten Königreichs mit Wirkung zum 23.12.19757

1 RGBl. 1928 II 623, in Kraft seit dem 16.3.1929 (RGBl. 1929 II 133) und nach dem Zweiten Weltkrieg wieder anwendbar, BGBl. 1953 II 116. 2

BGBl. 1961 II 301, in Kraft seit dem 15.7.1961, BGBl. 1961 II 1025.

3

Dazu Schütze, in: Geimer/Schütze,

4

RGBl. 1925 II 47, Jayme/Hausmann, Nr. 122.

Internationale Urteilsanerkennung II, S. 362.

5

RGBl. 1930 II 1068, Jayme /Hausmann, Nr. 123.

6

BGBl. 1961 II 122, Jayme/Hausmann, Nr. 124.

7

BGBl. 1975 II 1782; in England ist das Vertragsgesetz der Arbitration Act 1975; vorher galt es für im Vereinigten Königreich erlassene Schiedssprüche in der Bundesrepublik wegen des von der Bundesrepublik erklärten Vorbehalts in Art. I Abs. 3 S. 1 nicht.

38

1. Teil: Allgemeines

zur in der deutsch-britischen, wie schon zuvor 8 in der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit dominierenden Regelungswerk geworden 9.

a) Inhaltliche Übersicht Das UN-Ü regelt die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von ausländischen10 Schiedssprüchen (foreign arbitral awards) sowie die Anerkennung von Schiedsvereinbarungen. In Art. I definiert es Elemente des Zentralbegriffs des ausländischen Schiedsspruchs. Art. I Abs. 3 enthält zwei Vorbehalte, von denen die Bundesrepublik, wie übrigens auch das Vereinigte Königreich, den ersten (S. 1) erklärt hat, wonach das UN-Ü nur gegenüber Schiedssprüchen aus Vertragsstaaten angewandt wird. Art. I I regelt die Anerkennung von Schiedsvereinbarungen. In Abs. 1 und 2 wird die Schriftform verlangt und erläutert. Abs. 3 verpflichtet zur Abweisung von Klagen auf die Einrede der Schiedsvereinbarung hin, vgl. § 1027a ZPO, s. 1 (1) Arbitration Act 1975. Art. I I I verpflichtet grundsätzlich zur Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von ausländischen Schiedssprüchen. Die Ausnahmen hiervon sind in Art. V normiert, dem eigentlichen Kernstück des Übereinkommens 11, der anschließend ausführlicher besprochen werden soll. Art. I V und - in einer Sonderkonstellation Art. V I - regeln das Anerkennung- und Vollstreckbarerklärungsverfahren. Art. V I I Abs. 1 enthält das Günstigkeitsprinzip, wonach solches staatsvertragliches oder autonomes Recht anwendbar bleibt, das für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche günstiger ist 12 . In Betracht kommen hier insbesondere die Bestimmungen des § 1044 ZPO. Art. V I I

8 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1044, Rn. 2. Zu den beigetretenen Staaten siehe Jayme/Hausmann, Nr. 124, Fn. 1; inzwischen hat auch die Zurückhaltung der lateinamerikanischen Staaten abgenommen, so daß fast schon von einem Weltabkommen gesprochen werden kann, so schon früher Bülow, JB1. 1961, 305. 9 Zur Entstehungsgeschichte knapp: Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1044, Rn. 3; van den Berg, The New York Arbitration Convention, pp. 6 - 8 ; sehr aufschlußreich auch die Arbeiten des deutschen Delegationsleiters A.Bülow, KTS 1959, 1; ders., JB1. 1961, 305, dort m. zahlr. w.N. aus der älteren Literatur in Fn. 7 f. 10 Dieser Begriff umfaßt auch internationale, also private a-nationale Schiedssprüche nicht; vgl. zur Problematik die Ausführungen von Schwab, Fs. Luther, S. 175 f. m.w.N. 11 So Bülow, KTS 1959, 9; ähnlich Sanders, I V - V I seien „le coeur de la Convention". 12

Stein/Jonas/Schlosser,

Anh. § 1044, Rn. 88.

in: A I C / I C A , p. 312/3, die Art.

§ 3 Die Rechtsquellen

39

Abs. 2 läßt die Genfer Abkommen (oben 1) zwischen den Vertragsstaaten des UN-Ü außer Kraft treten. Die übrigen Bestimmungen des UN-Ü (Art. V I I I - X V I ) enthalten überwiegend völkerrechtliche Bestimmungen, die hier nicht interessieren.

b) Die Anerkennungs- und Vollstreckungsversagungsgründe in Art. V UN-Ü aa) Allgemeines zur Systematik Art. V enthält in Abs. 2 von Amts wegen zu beachtende und vom Antragssteller zu widerlegende 13, und in Abs. 1 auf Antrag des Antragsgegners zu beachtende und von diesem auch zu beweisende Versagungsgründe 14. Art. V Abs. 2 enthält im wesentlichen den ordre public-Vorbehalt in lit. b. Art. V Abs. 1 enthält verschiedene Versagungsgründe, die im Einzelfall auch für den ordre public relevant sein können. Es stellt sich deshalb die Frage nach dem Verhältnis der beiden Absätze. Schlosser vertritt - jedenfalls für Art. V Abs. 1 lit. b und d - die Auffassung, daß insoweit keine Berücksichtigung von Amts wegen erforderlich sei, weil die Verfahrensverletzungen nur Interessen des Antragsgegners verletzten15. Dem kann nicht gefolgt werden, wenn damit eine ausschließliche Geltung der verschiedenen Bestimmungen gemeint sein sollte. Vielmehr bleibt der ordre public neben den anderen Versagungsgründen anwendbar. Nur so kann den zentralen Wertvorstellungen des Gerichtsstaats Rechnung getragen werden 16.

13

Ebenso Bülow, KTS 1959, 9; a.A. Stein/Jonas/Schlosser, Anh. § 1044, Rn. 56, der sogar eine Amtsermittlung verlangt. Das läßt sich aus der Konzeption des Zivilprozeßes nicht herleiten, so im Ergebnis wohl auch Bertheau, Das New Yorker Abkommen, S. 59 f. 14

Vgl. statt aller Bülow, KTS 1959, 9.

15

Stein/Jonas/Schlosser, Anh. § 1044, Rn. 86, a.E.; unklar Bertheau, Das New Yorker Abkommen, der S. 63 f. nur noch diskutiert, ob Art. V Abs. 1 lit. b abschließend ist oder ob andere Verfahrensverstöße noch unter Art. V Abs. 2 lit. b fallen können; andererseits meint er S. 75 f., daß sich die gesonderte Nennung des Art. V Abs. 1 lit. b trotz regelmäßiger Übereinstimmung mit Art. V Abs. 2 lit. b daraus ergebe, daß dieser Tatbestand ein besonders wichtiger Grundsatz sei, der in fast allen wichtigen Abkommen enthalten sei, und es daher üblich sei, ihn zu erwähnen. 16

So wohl auch Bredin, Clunet 87 (1960), 1022/3, sub b.

40

1. Teil: Allgemeines

bb) Die Versagungsgründe

im einzelnen

(1) Art. V Abs. 1 lit. a fordert die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung. Die 1. Alt. stellt ausdrücklich auf die subjektive Schiedsfähigkeit der Schiedsparteien nach deren Personalstatut17 ab. Daneben ist wegen des Bezugs zu Art. I I auch die dort in Abs. 2 definierte Schriftlichkeit erforderlich 18 . Ansonsten bietet die Vorschrift ein einheitliches Kollisionsrecht für die Schiedsvereinbarung. Dabei gilt bei Vorrang der Parteiautonomie hilfsweise das Recht des Staates, in dem der Schiedsspruch ergangen ist 19 . Der Antragsteller ist nur insoweit darlegungspflichtig, als er die Schiedsvereinbarung selbst oder eine beglaubigte Abschrift vorlegen muß, Art. IV Abs. 1 lit. b 2 0 . Auf die Unwirksamkeit englischer Schiedsvereinbarungen wird unter § 8 I I gesondert eingegangen werden. (2) Während Art. V Abs. 1 lit. a die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung betrifft, regelt lit. c das Überschreiten des Inhalts der Schiedsvereinbarung. Dabei wird im einzelnen ein Überschreiten hinsichtlich des Streitgegenstands (1. Hs. 1. Alt.) und hinsichtlich der Entscheidungen (1. Hs. 2. Alt.) angesprochen. Im ersten Fall liegt stets auch ein Verstoß gegen Art. V Abs. 1 lit. a vor 21 . Im zweiten Fall geht es darum, daß in bestimmten Rechtsordnungen und gerade auch in der englischen, der Schiedsrichter nur bestimmte Rechtsfolgen aussprechen darf 22 . Hieraus ergibt sich auch der Sinn des 2. Hs., der den Fall der teilweisen Versagung regelt. Diese ist insb. dann sinnvoll, wenn der Schiedsrichter auch über die Kosten und Zinsen entscheidet, obwohl ihm hierzu die schiedsvertragliche Kompetenz fehlt 23 . Auf das Überschreiten englischer Schiedsvereinbarungen wird unter § 8 I I I gesondert eingegangen. (3) Fehler bei der Konstituierung des Schiedsgerichts und des schiedsgerichtlichen Verfahrens führen nach Art. V Abs. 1 lit. d zur Versagung des Anerkennung und Vollstreckbarerklärung. Die Bestimmung stellt auch hier ein einheitliches Kollisionsrecht zur Verfügung. Es gilt bei Vorrang der Par17

Das wird üblicherweise auch das nach dem IPR des Vollstreckungsstaates anwendbare Recht sein, Bredin, Clunet 87 (1960), 1020/1. 18 I.e. etwa OLG Düsseldorf AWD 1972, 478; Areios Pagos, YCA IV (1979), 269; Stein/Jonas/Schlosser, Anh. § 1044, Rn. 58; van den Berg, The New York Arbitration Convention, p. 284. Die in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidungen des BGH RIW 1976, 449 (450); und des Corte di Cassazione YCA X (1985), 480 (482) betreffen andere Konstellationen; die Schriftform des Art. I I UN-Ü konnte jeweils unproblematisch bejaht werden. 19

Schwab, Fs. Luther, S. 164.

20

Dazu Bertheau, Das New Yorker Abkommen, S. 74.

21

Stein/Jonas/Schlosser,

Anh. § 1044, Rn. 67.

22

Stein/Jonas/Schlosser,

Anh. § 1044, Rn. 66.

23

Bülow, KTS 1959, 11; Sanders in: A I C / I C A , pp. 3 1 4 / 5 - 3 1 6 / 7 .

§ 3 Die Rechtsquellen

41

teiautonomie das Recht des Landes, in dem das Schiedsverfahren stattfand 24. Auf das Schiedsverfahren wird unter § 10, auf die Konstituierung des Schiedsgerichts unter § 9 I und auf die Schiedsrichterqualifikationen unter § 9 I I eingegangen werden. (4) Von besonderer Bedeutung ist ein verfahrensrechtlicher Grundsatz, dem der Versagungsgrund des Art. V Abs. 1 lit. b dient, nämlich das rechtliche Gehör 25 . Während es bei Art. V Abs. 1 lit. d darum geht, daß dem Willen der Parteien entsprochen wird, soll - nach der hier vertretenen Meinung bei lit. b den universellen Vorstellungen vom fairen Verfahren zur Geltung verholfen werden. Auch insoweit ist das UN-Ü autonom auszulegen26. Auf das rechtliche Gehör wird gesondert in § 10 I 2, 3 eingegangen. (5) Art. V Abs. 1 lit. e setzt nun weder an der Schiedsvereinbarung noch an der Konstituierung des Schiedsgerichts noch am Verfahren desselben an, sondern am Schiedsspruch selbst. Auf den hier betroffenen Bereich wird unter § 7 eingegangen werden. Lit. e unterscheidet zwei Fälle. Ein Versagungsgrund liegt zum einen vor, wenn der Antragsgegner nachweist, daß der Schiedsspruch nicht verbindlich ist, und zum anderen dann, wenn er von einer kompetenten Stelle des Herkunftslandes 27 für unwirksam erklärt oder in seinen Wirkungen einstweilen gehemmt wurde. Der erste Fall sollte dazu dienen, die unter dem Genfer Protokoll 28 streitige Frage zu entscheiden, ob eine Vollstreckungbarerklärung sowohl im Herkunfts- als auch im Vollstrekkungsstaat (sog. Doppelexequatur 29) erforderlich ist. Sie wurde - was unter dem UN-Ü unstreitig ist - verneint 30. 24 Die lex arbitri gilt subsidiär und ergänzend, van den Berg, The New York Arbitration Convention, p. 325. Eine Schiedsverfahrensvereinbarung ist daher nach der Konvention nur im Rahmen des jeweiligen Verfahrensrechts zulässig. Alle Rechtsordnungen lassen aber die Wahl einer Schiedsordnung zu; a.A. Schwab, Fs. Luther, S. 168 f. 25

Bertheau, Das New Yorker Abkommen, S. 75; Bülow, KTS 1959, 10; Schütze, in: Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, Rn. 619. 26

So auch Stein/Jonas/Schlosser,

Anh. § 1044, Rn. 62.

27

Das UN-Ü will mit dem Hinweis sowohl auf den Staat, in dem Spruch ergangen ist, und den, nach dessen Recht sich das Verfahren richtete, die kollisionsrechtliche Anknüpfung an den Schiedsspruch offenhalten, Deshpande, (1991) vol. 8 no. 3 JIA 90. 28

Dazu van den Berg, The New York Arbitration Convention, pp. 3 3 3 - 7 ; Greminger, Die Genfer Abkommen, S. 57. 29 Der Begriff des Doppelexequatur wird zum Teil auch für das Exequatur des Exequatur verwendet, dazu § 5 Fn. 1. 30 Corte di Cassazione Foro It. 1980 I 2164 (2168); Högsta Domstolen (schwed. OGH) YCA V I (1981) 237 (240); Tribunal de Grande Instance de Strassbourg RevArb 1970, 166; van den Berg, The New York Arbitration Convention, pp. 337/8

42

1. Teil: Allgemeines

Der Begriff der Verbindlichkeit (engl.: binding, frz.: obligatoire, span.: obligatoria) ist nach einer Meinung nach dem Schiedsspruchstatut 31 , richtigerweise aber autonom auszulegen 32 . Das Anliegen des U N - Ü war es vor allem, das Erfordernis des Doppelexequatur auszuschalten. W i r d nun aber auf das Schiedsspruchstatut abgestellt, so kann dieses zur Verbindlichkeit das unerwünschte Doppelexequatur verlangen 3 3 . I n der Sache weichen die beiden Thesen aber nur selten ab 3 4 . Nicht verbindlich sind solche Schiedssprüche, die noch einem Tat- und Rechtsfragen einschließenden Berufungsverfahren sei es vor einem Oberschiedsgericht, sei es aufgrund der Schiedsvereinbarung vor einem staatlichen Gericht - offen stehen 35 . Verbindlich sind dementspre-

m.w.N. aus der internationalen Judikatur und Literatur; Bertheau, Das New Yorker Abkommen, S. 94; Bülow, KTS 1959, 11; ders., JB1. 1961, 309; Pechota, in: World Arbitration Reporter, p. 28; Sanders, Nederl. T.I.R. 1959, 44; Comment, 124 UPaLRev 226, n. 16 (1975). 31

Corte di Cassazione Foro It. 1980 I 2164 (der Schiedsspruch aus Ohio sei nach dem amerikanischen Recht verbindlich geworden); Tribunal de Grande Instance de Strassbourg RevArb 1970, 166 (die Verbindlichkeit eines deutschen Schiedsspruchs sei erst mit Niederlegung erreicht, § 1039 ZPO; man wird richtigerweise wegen § 1040 auf das Erfordernis der Niederlegung verzichten können); w.N. bei Stein/ Jonas/Schlosser, Anh. § 1044, Rn. 78, Fn. 295-297. 32

BGH RIW 1984, 644 (New Yorker Schiedsspruch); van den Berg, The New York Arbitration Convention, p. 346; w.N. bei Stein/Jonas/Schlosser, Anh. § 1044, Rn. 78, Fn. 299; in diese Richtung auch Högsta Domstolen (schwed. OGH) YCA V I (1981), 237 (Götaverken) zu einem - nach Auffassung des OGH - französischen Schiedsspruch (der Cour d'appel de Paris nahm in derselben Sache einen a-nationalen Schiedsspruch an). Hier wurde der Begriff der Verbindlichkeit dem schwedischen Umsetzungsgesetz zum UN-Ü entnommen. 33 Zur Diskussion ausführlicher: Stein/Jonas/Schlosser, Anh. § 1044, Rn. 79; van den Berg, The New York Arbitration Convention, pp. 338-346. 34 Etwa bei Exequatur eines deutschen Schiedsspruchs im Ausland; die Autonomisten lassen wegen § 1040 ZPO den Erlaß des Schiedsspruchs genügen, die Lokalisten verlangen wegen § 1037 Abs. 3 ZPO zusätzlich die Niederlegung; dazu Tribunal de Grande Instance de Strassbourg RevArb 1970, 166, insoweit im YCA I I (1979) 244 nicht abgedruckt. 35

van den Berg, The New York Arbitration Convention, p. 346; Sanders, in: A I C / ICA, p. 318/9. Bertheau, Das New Yorker Abkommen, S. 94 f. will auch solche Rechtsmittel nach staatlichem Verfahrensrecht berücksichtigen, bei denen zwar kein Suspensiveffekt eintrete, bei denen aber eine kurz bemessene Anfechtungsfrist, die er mit maximal 60 Tagen angibt, besteht. Darunter fielen etwa auch die befristeten englischen Rechtsbehelfe bei misconduct und Rechtsirrtum (dazu unten § 7, 1.2). Dieser Meinung kann aber nicht gefolgt werden. Schon für die Differenzierung zwischen kurzen und langen Fristen ist kein Grund ersichtlich. Dann ist auch nicht einzusehen, weshalb anfechtbare, aber wirksame Schiedssprüche i.S. d. UN-Ü nicht verbindlich sein sollen. Gerade Art. V I UN-Ü deutet darauf hin, daß erst mit Aufhebung eines Schiedsspruchs Art. V Abs. 1 lit. e eine Wirkung entfalten soll. Insgesamt wie hier auch Sanders, in: A I C / I C A , p. 320/21.

§ 3 Die Rechtsquellen

43

chend solche Schiedssprüche, die zwischen den Schiedsparteien rechtskräftig sind 36 . Der zweite Fall des Art. V Abs. 1 lit. e betrifft den nachträglichen Wegfall der Verbindlichkeit durch die Entscheidung einer kompetenten Stelle. Dafür ist - entgegen dem Wortlaut und einer Literaturmeinung 37 - allein das Herkunftsrecht maßgeblich38. Das ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte. Die Änderung war nämlich erst in letzter Minute durch die Anregung der sowjetischen Delegation aufgenommen worden, ohne daß noch Gelegenheit zur Aussprache bestanden hätte39. Auch spricht die Parallele zu Art. I Abs. 1 für die hier gewählte Auslegung. Die von Bülow angebotene Lösung, wonach primär die Parteiautonomie und sekundär das Herkunftsrecht entscheide40, findet sich zwar in Art. V Abs. 1 lit. a und d, doch läßt sie sich dem Wortlaut des lit. e nicht entnehmen. Auch geht es bei lit. e um Schiedssprüche und nicht um das Schiedsverfahren. Nur beim Schiedsverfahren kann die Parteiautonomie Vorrang vor zwingendem Kollisionsrecht haben. Bei einstweiliger Aufhebung der Verbindlichkeit ist das Verfahren nach Art. V I anzuwenden. (6) Art. V Abs. 2 lit. a enthält einen Vorbehalt zugunsten der objektiven Schiedsfähigkeit im Gerichtsstaat. Darauf wird knapp unter § 7 IV eingegangen werden. Ausführlicher wird auf die ordre public-Bestimmung des Art. V Abs. 2 lit. b eingegangen (siehe dazu § 6 II).

3. Nicht im deutsch-britischen Verhältnis geltende Übereinkommen Das Genfer Europäische Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 (EuÜ) 41 und die Pariser Vereinbarung über die Anwendung des Europäischen Übereinkommens über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 17.12.196242, die v.a. für den OstWest-Handel konzipiert waren, sind zwar für die Bundesrepublik, nicht aber für das Vereinigte Königreich in Kraft getreten.

36

Bredin, Clunet 87 (1960), 1024/5 verwendet den Ausdruck der res judicata.

37

So Bredin, Clunet 87 (1960), 1024/5; sowie nach Bülow, JB1. 1961, 310: Robert, RevArb 1958, 79. 38

In diese Richtung wohl auch Deshpande, (1991) vol. 8 no. 3 JIA, 89, der das Recht des Staates angewandt wissen will, in dem nach dem Willen der Parteien das Verfahren stattfinden soll. 39

Bülow, JB1. 1961, 310.

40

Bülow, JB1. 1961, 310.

41

BGBl. 1964 II 426, Jayme/Hausmann, Nr. 125.

42

BGBl. 1964 II 449, Jayme /Hausmann, Nr. 126.

44

1. Teil: Allgemeines

Das Straßburger Europäische Übereinkommen zur Einführung eines Einheitlichen Gesetzes über die Schiedsgerichtsbarkeit vom 20.1.196643 ist weder von der Bundesrepublik noch vom Vereinigten Königreich gezeichnet, geschweige denn ratifiziert worden. Es ist noch nicht in Kraft getreten 44.

III. SpezialÜbereinkommen mit bedeutenden schiedsrechtlichen Regelungen 1. Das Londoner Auslandsschuldenabkommen Das Londoner Auslandsschuldenabkommen vom 27.2.195345 sollte die Forderungen ausländischer Gläubiger gegen private und öffentliche Schuldner in Westdeutschland ordnen, um so den deutschen Kredit wiederherzustellen und der Bundesrepublik den Weg zur wirtschaftlichen Gleichberechtigung in der marktwirtschaftlich ausgerichteten Staatengemeinschaft zu ebnen46. Der rechtliche Schwerpunkt liegt außerhalb des eigentlichen Abkommens in den Anlagen I - I V . Hier sind vier verschiedene Gruppen von Gläubigern und Schuldnern unter Mitwirkung der Regierungen zu Regelungen gekommen, die die Vertragsstaaten akzeptiert haben; das Regierungsabkommen stellt im wesentlichen das gouvernementale Plazet zu diesen Absprachen dar 47 . Im einzelnen betrifft die Anlage I die Anleihen, welche auf den internationalen Finanzmärkten von den Regierungen des Reiches und anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts begeben waren, insb. die Dawes- und Young-Anleihen. Die Anlage I I regelt langfristige private Anleihen im Aus43

European Treaties Series, No. 56.

44

Jayme/Hausmann,

Nr. 122, Fn. 2.

45

BGBl. 1953 II 333; die vorhandene Literatur stammt überwiegend aus der Zeit des Vertragsabschlusses und beschreibt mehr die materiellrechtlichen Bestimmungen, Leverkuehn, MDR 1953, 521, 705; Boettger, Instanzenweg bei Streitfällen nach dem Londoner Schuldenabkommen, NJW 1956, 699; Henn, Das Londoner Schuldenabkommen, RabelsZ 20 (1955), 270; Kroog/Luther, Die Regelung der privaten Auslandsschulden nach dem Londoner Auslandsschuldenabkommen, NJW 1953, 1652, 1692; B. Woljf, Grundsätze der internationalen Regelung der deutschen äußeren Vorkriegsschulden, NJW 1953, 1409; E. Woljf, Das Londoner Auslandsschuldenabkommen, JZ 1954, 105; etwas ausführlicher zur Streitschlichtung, soweit gesehen, nur Leverkuehn, MDR 1953, 521; aus wirtschaftlicher Perspektive sehr interessant und zu empfehlen die Memoiren des deutschen Delegationsleiters, Hermann J. Abs, Entscheidungen 1949-1953 — Die Entstehung des Londoner Schuldenabkommens, 2. Aufl. Mainz 1991. 46

Leverkuehn, MDR 1953, 521.

47

Leverkuehn, MDR 1953, 521.

§ 3 Die Rechtsquellen

45

land. Die Anlage I I I enthält ein Stillhalteabkommen und die Anlage I V die Regelung der Handels- und allgemeinen Schulden. Zur Streitschlichtung werden - je nach Art des Streits - eine Vielzahl von Gerichten, Schiedsgerichten und sonstigen Schiedsinstanzen eingeschaltet. Für die Vollstreckbarkeit der Schiedsentscheidungen einer Schiedsinstanz ist gem. Art. 17 Abs. 1 und 3 des Abkommens entscheidend, ob sie konkrete Schulden betreffen. Ist dies nicht der Fall, so geht es um die Auslegung des Abkommens und seiner Anlagen. Unter diese Kategorie fallen, soweit sie zur Auslegung des Abkommens berufen sind, der Schiedsgerichtshof nach Art. 28 (Abs. 2) des Abkommens und die Schiedsinstanz nach Nr. 20 der Anlage I I I sowie die Gemischte Kommission nach Art. 16 der Anlage IV, soweit sie bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Gläubigern und Schuldnern über die Auslegung der Anlage entscheiden soll, Art. 31 Abs. 2 lit. a des Abkommens. Diese Schiedsinstanzen haben einen supranationalen Charakter. Deshalb hat die Vollstreckung ihrer Entscheidungen ebenfalls auf völkerrechtlichem Weg zu erfolgen. Eine Vollstreckbarerklärung ist nicht möglich. Eine Vollstreckbarerklärung scheidet auch bei dem lediglich zu Feststellungsschiedssprüchen ermächtigten Schiedsgericht nach Art. 29 des Abkommens und Nr. 7, Abs. 1, lit. g der Anlage I aus. Es entscheidet darüber, ob der streitige Vertrag unverändert geblieben ist oder ob eine Konversion stattgefunden hat. Hier ist aber eine (formlose) Anerkennung möglich. Im übrigen ist im Grundsatz auch eine Vollstreckbarerklärung möglich. Insoweit ist zunächst zu fragen, ob der jeweils betroffene Schiedsspruch vor (Typ A) oder nach (Typen B und C) Inkrafttreten des Abkommens ergangen ist, Art. 17 Abs. 3 lit. a (i) und (ii) des Abkommens. Ist der Schiedsspruch nach Inkrafttreten ergangen, so ist weiter zu fragen, ob das entscheidende Schiedsgericht vom Abkommen selbst mit ausschließlicher Zuständigkeit ausgestattet wurde, Art. 17 Abs. 4 des Abkommens, (Typ B) oder nicht (Typ C). Das AusfG vom 24.8.195348 geht - wie sich aus der Differenzierung zwischen in Gläubigerstaaten und im Inland ergangenen Entscheidungen, §§13 ff. bzw. §§27 ff. AusfG ergibt - hier davon aus, daß es sich um nationale Schiedssprüche handelt, sodaß noch insgesamt zwischen deutschen und ausländischen Schiedssprüchen zu differenzieren ist. Schiedssprüche des Typs A können nur für vollstreckbar erklärt werden, wenn sich der Schuldner damit einverstanden erklärt, Art. 17 Abs. 3 lit. a (ii) des Abkommens, §§ 26 S. 1, 25 Abs. 2 AusfG.

48

BGBl. 1953 I 1003.

46

1. Teil: Allgemeines

Bei den Schiedsgerichten der Kategorie C handelt es sich um das Schiedsgericht nach Art. 11 und 17 der Anlage IV und - soweit sie als weitere oder ergänzende Instanz zum genannten Schiedsgericht handelt - die Gemischte Kommission nach Art. 31 des Abkommens, Art. 16 der Anlage I V sowie soweit, wie ausdrücklich bei Art. 15 der Anlage IV, keine ausschließliche Zuständigkeit besteht - das aufgrund Vereinbarung tätig werdende Schiedsgericht. Schiedsgericht der Kategorie C ist jedenfalls der Schieds- und Vermittlungsausschuß nach Art. IX der Anlage II, daneben noch andere ständige Schiedsgerichte nach dem Abkommen. Für die VollstreckbarerkläQing von Schiedssprüchen der Kategorie B und C gilt die Sonderbestimmung des Art. 17 Abs. 3 und 4 des Abkommens, §§23 Abs. 1 S. 1, 18 AusfG. Danach ist eine Anerkennung und Vollstreckbarerklärung der Schiedssprüche des Typs B stets vorzunehmen 49. Bei Schiedssprüchen des Typs C gelten die Versagungsgründe des Art. 17 Abs. 4, der als lex specialis §§ 1041 Abs. 1, 1044 Abs. 2 ZPO, Art. V UN-Ü derogiert 50. Die drei Vollstreckungsversagungsgründe betreffen das Fehlen einer Schiedsvereinbarung (Art. 17 Abs. 4 lit. a), das Nichtgewähren des rechtlichen Gehörs (Art. 17 Abs. 4 lit. b) und den ordre public der Bundesrepublik (Art. 17 Abs. 4 lit. c).

2. Das Washingtoner Übereinkommen für Investitionsstreitigkeiten Das Washingtoner Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten vom 18.3.196551, kurz auch nach der englischen Bezeichnung ICSID oder wegen der Beteiligung an der Entstehung52 und wegen der räumlichen und organisatorischen Nähe des Sekretariats des Zentrums zur Weltbank (IBRD) Weltbankübereinkommen (WTBÜ, so im folgenden) genannt, schafft im wesentlichen ein Fo-

49

Hier wird man wohl dennoch einen ordre public-Maßstab anwenden müssen, vgl. Meessen, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 16 (1975), 84; vgl. zum Problemkreis unten Fn. 56, 58. 50 Insoweit mißverständlich Schütze, in: Schütze/Tscherning/Wais, Schiedsverfahrens, Rn. 622.

Handbuch des

51 BGBl. 1969 II 369, in Kraft getreten am 18.5.1969 auch mit Wirkung gegenüber dem Vereinigten Königreich. Das Zustimmungsgesetz zum Übereinkommen ist verfassungsmäßig, dazu ausführlich Pirrung t Schiedsgerichtsbarkeit nach dem Weltbankübereinkommen, S. 29 ff., denn der Investor verzichtet in der Schiedsvereinbarung auf weitergehende Rechte, außerdem besteht ein öffentliches Interesse an Investitionen in kapitalimportierenden Staaten. 52

Zur Entstehungsgeschichte siehe Broches, Ree. 136 (1972 II), 342; Pirrung, Schiedsgerichtsbarkeit nach dem Weltbankübereinkommen, S. 21 ff.

§ 3 Die Rechtsquellen

47

rum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten 53. Dabei ging es den Vertragsstaaten um zweierlei: Zum einen sollten bei Privatunternehmen Investitionshemmnisse in den kapitalimportierenden Staaten54 abgebaut werden, indem ihnen vor Eingriffen durch die Rechtsprechung, die Gesetzgebung und die Exekutive des Anlagelandes Schutz gewährt wurde. Zum anderen sollte die Gefahr einer übermächtigen Stellung des Investors im Anlageland vorgebeugt werden. Mittelbar sollte damit ein insgesamt gebessertes Investitionsklima geschaffen werden und so zum Wirtschaftswachstum am Anlageort beigetragen werden 55. Dieses Ziel sollte durch Schaffung eines Schiedssystems erreicht werden, bei dem eine innerstaatliche Kontrolle des Schiedsspruchs - etwa im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung - selbst am Maßstab des ordre public 56 , unzulässig ist, Art. 54. Die Kontrollmöglichkeit müßte sonst allen Vertragsstaaten eingeräumt werden, also auch den im Schiedsverfahren unterlegenen. Damit würde sich aber - gerade beim ordre public - eine dem Sinn des Übereinkommens widersprechende Mißbrauchsmöglichkeit eröffnen 57. Die Übertragung der Hoheitsbefugnis, Schiedssprüche insb. auf ihre ordre public-Verträglichkeit hin zu überprüfen, an die Schiedsgerichte unter dem Übereinkommen wird man in Deutschland wegen Art. 24 Abs. 1 GG für zulässig erachten müssen58. Gegen den Schiedsspruch kann sich eine Partei nur 53 Zum Begriff der Investitionsstreitigkeit Pirrung, Weltbankübereinkommen, S. 56 ff.

Schiedsgerichtsbarkeit nach dem

54 Der Begriff „Entwicklungsländer" wird für abwertend gehalten und sollte deshalb abgelöst werden. 55 Detailliert zum Zweck des Übereinkommens Pirrung, Schiedsgerichtsbarkeit nach dem Weltbankübereinkommen, S. 11 ff. 56

Eine Ausnahme gilt nur bei der nicht unter Art. 54 fallenden Vollstreckbarerklärung von nicht auf Geldzahlung gerichteten Schiedssprüchen; hier sollen die allgemeinen Regeln gelten, allerdings wird wegen des Beitritts zum Weltbankübereinkommen die Berufung auf den ordre public auf die Immunität beschränkt bleiben, Pirrung, Schiedsgerichtsbarkeit nach dem Weltbankübereinkommen, S. 180 f., zustimmend auch Broches, Ree. 136 (1972 II), 402; Delaume, Clunet 109 (1982), 838; Giardina, RevCrit 1982, 275/276; ders., in: Sarcevic, Essays, p. 219; Shifinan, in: World Arbitration Reporter, p. 73, und - wenn auch etwas zurückhaltender - wohl auch P. Fischer, V R Ü 1 (1968), 297 („könnten höchstens eine Verletzung des ordre public geltend machen, doch erscheint auch dies im Hinblick auf den Inhalt der Entscheidung ... als wenig wahrscheinlich"). Die abweichenden Entscheidungen französischer Gerichte bei der Vollstreckbarerklärung der Schiedssache Benvenuti und Bonfant g. Die Volksrepublik Kongo - Cour d'appel de Paris, RevCrit 1982, 379 (obiter) - wurden allgemein abgelehnt, s. nur Giardina, in: Sarcevic, Essays ..., p. 220, n. 27 m.w.N.; a.A. hinsichtlich des ordre public ist auch Schütze, in: Schütze/Tscherning/Wais y Handbuch des Schiedsverfahrens, Rn. 623; dazu Fn. 58. 57 58

Broches, Ree. 136 (1972 II), 403 m.w.N.; Giardina, RevCrit 1982, 275/276. Man wird zwar generell der Meinung von Schütze (in: Schütze/Tscherning/

48

1. Teil: Allgemeines

m i t den i m Übereinkommen selbst vorgesehenen Rechtsbehelfen wehren, die Auslegung nach Art. 50, die Wiederaufnahme nach Art. 51 und die Aufhebung nach Art. 52 5 9 . B e i den Verhandlungen waren die kapitalimportierenden Staaten maßgeblich beteiligt. D i e Konvention wurde und w i r d aus ihrer Sicht als der ernsthafte und aufrichtige Versuch der Schaffung eines neutralen Streitbeilegungssystems gesehen 60 . Dennoch w i r k t sich auch hier die Zurückhaltung der kapitalimportierenden Staaten gegenüber der Schiedsgerichtsbarkeit aus 6 1 . N u r so läßt sich erklären, daß bislang nur gut zwei Dutzend Schiedsverfahren stattgefunden haben 6 2 . Das Übereinkommen hat, wenn auch seine Hauptanwendung i m NordSüd-Verkehr liegt, auch zwischen kapitalexportienden Staaten praktische Bedeutung. A u c h wenn das Übereinkommen nämlich die Vollstreckung in Entwicklungsländern erleichtert, so sind damit nicht alle praktischen Probleme

Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, Rn. 623) für das WBÜ und (ders., NJW 1963, 2205) für Art. 187, 192 E(W)GV zustimmen können: Ein Staat könne nicht mit offenen Augen hinnehmen, daß Entscheidungen, deren Vollstreckung gegen den inländischen ordre public verstoßen, im Inland vollstreckt werden. Wo der Staat aber sehenden Auges auf seine Souveränitätsrechte verzichtet - und das wird man beim Washingtoner Übereinkommen und beim EGV über Art. 24 Abs. 1 GG annehmen müssen - , wird man den Maßstab des ordre public als solchen nicht mehr an die hereinkommende Entscheidung anlegen dürfen. Allerdings wird man eine letzte Grenze dort ziehen müssen, wo die Übertragungsbefugnis endet; das ist spätestens dann der Fall, wenn der Bereich der Ewigkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG betroffen ist, BVerfGE 73, 339 (374 ff.) (Solange II). 59

Vgl. dazu etwa Broches, The Convention on the Settlement of Investment Disputes between States and Citizens of Other States. Applicable Law and Default Procedura, in: Liber Amicorum for Martin Domke, p. 12; de Berranger, L'art. 52 ... et les Premiers enseignement de sa pratique, RevArb 1988, 95, und knapp Sutherland, The World Bank Convention on the Settlement of Investment Disputes, (1979) 28 ICLQ, 394/395. 60

Sornarajah, (1991) vol. 8 no. 2 JIA, 82.

61

Dazu Sornarajah, (1991) vol. 8 no. 2 JIA, 4 7 - 8 6 .

62

Nach Angaben des ICSID gab es bis Mitte 1992 26 Verfahren; zur Entwicklung der gegenwärtigen Verfahren vgl. Gaillard, CIRDI — Chronique des sentences arbitrales, Clunet 120 (1993), 205. Die Gegenmeinung sieht in der geringen Zahl der Verfahren ein Zeichen ihres Erfolgs, statt vieler Stein /Jonas/Schlosser, vor § 1044, Rn. 50: Es würden sehr viele WBÜ-Schiedsklauseln vereinbart. Wegen des Vollstrekkungsmechanismus schreckten aber die Parteien vor einer Verurteilung zurück und würden sofort leisten. Dann müßten die typischerweise verklagten kapitalimportierenden Staaten regelmäßig den Prozeß verloren geben, bevor er überhaupt begonnen hat. Das ist aber unwahrscheinlich. Selbst wenn dem so wäre, müßten die kapitalimportierenden Staaten inzwischen von den (dann für aussichtlos anzusehenden) Klauseln ablassen, ähnlich auch Sornarajah, (1991) vol. 8 rio. 2 JIA, 48, n. 7.

§ 3 Die Rechtsquellen

49

ausgeräumt 63 . Häufig w i r d der Gläubiger deshalb versuchen, i n einem Industriestaat zu vollstrecken, in dem die schuldende und zahlungsunwillige staatliche Schiedspartei über Anlagevermögen verfügt. So hatten i n der Sache Benvenuti und Bonfant g. Die Volksrepublik Kongo die italienische Investoren einen günstigen Schiedsspruch erwirkt. Diesen versuchten sie nun in Frankreich durchzusetzen 64 . Dennoch spielt das Übereinkommen i m Rahmen dieser Arbeit keine Rolle. Das liegt daran, daß es unter dem Übereinkommen keine nationalen, also insbesondere keine englischen Schiedssprüche gibt, sondern nur a-nationale. Es ist zwar streitig, ob die Schiedssprüche nach dem Übereinkommen völkerrechtlicher oder als internationale privat- oder verwaltungsrechtliche 6 5 Schiedssprüche zu verstehen sind 6 6 . Hier w i r d man m i t Pirrung 6 7 - trotz der starken Berührungspunkte zum Völkerrecht 6 8 - wegen des außerhalb des V ö l kerrechts liegenden Streitgegenstands, der eben typischerweise i m Bereich

63 So kann es Kommunikationsprobleme geben; Die Suche nach einem Anwalt vor Ort ist erschwert, weil oft keine Korrespondenzanwälte im Gläubigerstaat vorhanden sind; die Vollstreckungsbehörden können wegen verbreiteter Korruption oder wegen undurchsichtiger politischer Verhältnisse schwieriger handhabbar sein; usw. 64

Cour d'appel de Paris RevCrit 1982, 379.

65

Schütze, in: Schütze/Tschening/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, S. 293, Fn. 6 spricht von einer ,,öffentlichrechtliche[n] Schiedsgerichtsbarkeit". Wenn damit die Streitgegenstände gemeint sind, so ist das insoweit richtig, als die Schiedsgerichte durchaus auch über verwaltungsrechtliche Fragen zu entscheiden haben. Überwiegend sind WBÜ-Klauseln aber in privatrechtlichen Verträgen enthalten. 66

Dazu mit zahlreichen weiteren Hinweisen und ausführlicher Diskussion Pirrung, Schiedsgerichtsbarkeit nach dem Weltbankübereinkommen, S. 183 ff.; im übrigen folgen z.B. P. Fischer, VRÜ 1 (1968), 295, und Regli, Contrats d'Etat, p. 32 der völkerrechtlichen Lehre; Giardina, RevCrit 1982, 273; ders., in Sarcevic, Essays ..., p. 215 geht von einem Schiedsspruch eigener Art aus; während Broches, Ree. 136 (1972 II), 400 inzwischen der hier sogenannten internationalen Lehre zu folgen scheint; so auch Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1044, Rn. 49. 67

Pirrung,

68

Schiedsgerichtsbarkeit nach dem Weltbankübereinkommen, S. 190 ff.

Meist ist mindestens die eine Partei ein Staat und damit Völkerrechtssubjekt. Das heißt aber nicht notwendig, daß sie auch völkerrechtlich handelt. Dies gilt in verstärktem Maße für die private Gegenpartei. Die Kompetenz des Schiedsgerichts ergibt sich aus dem Übereinkommen, das sicher völkerrechtlich zu qualifizieren ist, aber auch aus der Schiedsvereinbarung, deren Rechtsnatur zweifelhaft ist. Das anwendbare Verfahrensrecht ergibt sich in weiten Teilen aus dem völkerrechtlichen Übereinkommen selbst. Das ist aber kein Unterscheidungskriterium zum internationalen Schiedsverfahren, da auch hier völkerrechtlich vereinbarte Sachnormen gelten können. Völkerrechtliche Konsequenzen eines Schiedsverfahrens, wie der Ausschluß diplomatischen Schutzes sind für den Schiedsspruch nur von sekundärer Bedeutung und jedenfalls nicht für die Rechtsnatur prägend. Anderer Auffassung Böckstiegel y Der Staat als Vertragspartner, S. 161: „unzweifelhaft völkerrechtlich". 4 Kilgus

50

1. Teil: Allgemeines

des Privat- und Verwaltungsrechts liegt, der zweiten Auffassung folgen müssen. Darauf kommt es aber letzthin nicht an. Nach beiden Auffassungen liegt nämlich - jedenfalls im Verkehr zwischen Vertragsstaaten - keine nationale Entscheidung vor, sondern ein Schiedsspruch eines veritablen internationalen Schiedsgerichts, das keine eigene Nationalität hat 69 . Die vor allem von F.A. Mann gestellte70 und von ihm verneinte Frage, ob Private eine von jeder Rechtsordnung losgelöste, sog. internationale, in Wahrheit aber a-nationale Schiedsgerichtsbarkeit schaffen können 71 , wird damit nicht angeschnitten. Hier wird nämlich nicht das a-nationale Schiedsgericht von Privaten geschaffen, sondern der Weg zum Schiedsgericht von den jeweils beteiligten Rechtsordnungen in den Zustimmungsgesetzen zugelassen.

IV. Verkehrsrechtliche Übereinkommen Sehr viele der Verkehrsübereinkommen enthalten knappe schiedsrechtlich relevante Regelungen. Oft wird die Schiedsklausel für unzulässig erklärt, gelegentlich auch die Schiedsabrede. Die Bundesrepublik ist nur wenigen der Staatsverträge beigetreten 72.

69

Regli, Contrats d'Etat, pp. 31/32; F.A. Mann, (1967) 42 BYIL, 13/14; ähnlich auch Boyd, in: Lew, Contemporary Problems, p. 152. 70

FA. Mann, ZHR 130 (1968), 97; ders., Fs. Flume I, 593, jeweils m.w.N. zur Gegenmeinung, die durch die französische und belgische Gesetzgebung neuen Auftrieb erhalten hat; siehe dazu etwa auch Haas, Anerkennung und Vollstreckung, sowie grundlegend Paulsson, Arbitration Unbound. Award detached from the Law of its Country of Origin, (1981) 30 ICLQ, 358 (368) als Vertreter der a.A. 71 An dieser Frage hängen eine Reihe von Folgeproblemen. So stellt sich die Frage, welches materielle Recht anwendbar ist, wie ein „internationaler" Schiedsspruch anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden soll, ob das UN-Ü auf sie angewandt werden kann usw. 72

Einen knappen Überblick über die weltweit geltenden Verkehrsübereinkommen mit schiedsrechtlich relevanten Regelungen gibt Lebedev, in: Sanders, New trends, p. 47. Nicht beigetreten ist die Bundesrepublik etwa dem Römischen Abkommen über von ausländischen Flugzeugen dritten Personen auf der Erdoberfläche zugefügten Schaden vom 7.10.1952 (siehe Hofmann/Grabherr, Luftverkehrsgesetz, Lbl. 2. Aufl. 1992 ff., § 33 Rn. 3); den Brüsseler Übereinkommen über die Passagierbeförderung auf See vom 29.5.1961 und über die Passagiergepäckbeförderung auf See vom 27.5.1967, sowie dem sie ablösenden Athener Übereinkommen vom 13.12.1974, dem Genfer Übereinkommen über die Internationale Beförderung von Passagieren und Gepäck auf Binnenwasserstraßen vom 1.5.1976.

§ 3 Die Rechtsquellen

51

1. Luftverkehrsbezogene Abkommen a) Das Warschauer Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr 73 läßt alle Schiedsabreden (Art. 32, S. 1) zu, aber nur in beschränktem Maß auch Schiedsklauseln. Zulässig sind sie nur, wenn sie die Beförderung von Gütern betreffen und das Verfahren im Bezirk eines Gerichts am Wohnsitz oder am Ort der Hauptbetriebsleitung oder am Ort derjenigen Geschäftsstelle des Luftfrachtführers, durch die der Beförderungsvertrag abgeschlossen wurde oder des Gerichts des Bestimmungsortes stattfinden soll, Art. 32 S. 2, 28 Abs. 1. b) Das Chicagoer Abkommen vom 7.12.1944 über die Internationale Zivilluftfahrt 74 , das - auch gegenüber dem Vereinigten Königreich - am 8.4.1956 in Kraft getreten ist, sieht in Art. 85 nur ein völkerrechtliches Schiedsverfahren vor, das auf völkerrechtliche Art durchzusetzen ist, Art. 88 75 .

2. Seeschiffahrtsrechtliche Übereinkommen a) Das Brüsseler Internationale Übereinkommen zur Vereinheitlichung der Regeln über die zivilgerichtliche Zuständigkeit bei Schiffszusammenstößen vom 10.5.195276 enthält in Art. 2 ein Verbot von Schiedsklauseln. b) Das Brüsseler Internationale Übereinkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über den Arrest in Seeschiffen vom 10.5.195277 hindert, wie sich aus Art. 7 Abs. 3 ergibt, Schiedsvereinbarungen nicht.

73 Im Deutschen Reich mit Wirkung gegenüber dem Vereinigten Königreich am 29.12.1933 in Kraft getreten, RGBl. 1933 II 1039; die Fortgeltung wurde in einem Notenwechsel festgestellt, BGBL 1951 II 176; gegenüber dem Vereinigten Königreich gilt das Warschauer Abkommen i.d.F. des Protokolls vom 28.9.1955, BGBl. 1958 II 291, 1968 II 779, und des Zusatzabkommens von Gualdaljara, BGBl. 1964 II 1317. 74

BGBl. 1956 II 411; am 8.4.1956 auch gegenüber dem Vereinigten Königreich in Kraft getreten, BGBl. 1956 II 441. 75

Zum ganzen Atherton & Atherton, The Resolution of International Civil Aviation Disputes, (1992) vol. 9 no. 2 JIA 105, 111-115, auch zum IATA-Schiedsverfahren. 76 77

BGBl. 1972 II 653, 663.

BGBl. 1972 II 653, 655, auch gegenüber dem Vereinigten Königreich in Kraft seit dem 6.4.1973, BGBl. 1973 II 172. 4*

52

1. Teil: Allgemeines

3. Eisenbahnrechtliche Übereinkommen COTIF — Das Berner Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr vom 9.5.198078, hat die beiden Berner Internationalen Eisenbahnübereinkommen vom 7.2.197079, kurz CIM und CIV, im Rahmen seines Geltungsbereichs abgelöst80. Das gilt im besonderen für die schiedsrechtlichen Regelungen. Die COTIF enthält in Titel I I I (Art. 12-16) nämlich umfassende schiedsrechtliche Regelungen. Der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung in einem innerstaatlichen Verfahren sind aber nur die Schiedssprüche gem. Art. 12 § 2 zugänglich (Art. 16 § 2) und nicht die völkerrechtlichen, v.a. die Auslegung des Übereinkommens betreffenden Schiedssprüche gem. Art. 12 § 1. Die Schiedsverfahren nach Art. 12 § 2 betreffen Streitigkeiten zwischen Beförderungsunternehmen, zwischen Beförderungsunternehmen und Benutzern sowie zwischen Benutzern bei der Anwendung der CIM und der CIV. Die COTIF enthält dabei detaillierte Regelungen über das schiedsgerichtliche Verfahren, insbesondere über die Konstituierung des Schiedsgerichts (Art. 14). Dennoch handelt es sich nicht um ein internationales Schiedsgericht. Das ergibt sich daraus, daß der Schiedsspruch dem zwingenden Recht des Sitzes des Schiedsgerichts unterworfen bleibt, Art. 15 § 1 lit. d. Der Schiedsspruch hat deshalb die Nationalität des Sitzes des Schiedsgerichts 81. Ein Schiedsspruch gem. Art. 12 § 2 ist gem. Art. 16 § 2 schon vollstreckbar, wenn die im Vollstreckungsstaat vorgeschriebenen Förmlichkeiten erfüllt sind. Eine sachliche Nachprüfung ist - so Art. 16 § 2 S. 2 ausdrücklich nicht zulässig. Es stellt sich deshalb die Frage, ob die Anerkennung und Vollstreckung nicht unter dem Vorbehalt des ordre public steht. Das hat in anderem Zusammenhang Fleischmann schon 1926 mit der Begründung vertreten, kein Staat könne dazu die Hand reichen, daß bei der Rechtsanwen-

78

BGBl. 1985 II 130 ist im Verhältnis zum Vereinigten Königreich wirksam, BGBl. 1985 II 1001. 79 CIM — Internationales Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr vom 7.2.1970, BGBl. 1974 II 357, 381 (dieses Übereinkommen enthielt in Art. 44, 52, 61 sowie im Annex V I I schiedsrechtliche Bestimmungen); CIV — Internationales Übereinkommen über den Eisenbahn-, Personen- und Gepäckverkehr vom 7.2.1970, BGBl. 1974 II 493 (dieses Übereinkommen enthielt in Art. 57 schiedsrechtliche Regelungen); s.a. das Zusatzprotokoll zu CIM und CIV vom 7.2.1970, BGBl. 1974 I I 357, 381,488, 493, 552. 80

Schütze, in: Schütze/Tscherning/Wais, Rn. 555; s. im übrigen auch Rn. 621. 81

Handbuch des Schiedsverfahrens, S. 293,

Insoweit gilt also auch in Deutschland die Sitztheorie; zur abweichenden Rechtslage bei § 1044 ZPO siehe unten § 4, VI.

§ 3 Die Rechtsquellen

53

dung durch seine Organe seine obersten Rechtsgrundsätze und sittlichen Vorstellungen außer acht gesetzt werden 82. In diese Richtung gehen auch einige Voten beim Vormundschaftsfall des IGH 8 3 . Eine derart pauschale Vermutung für oder auch gegen einen ergänzenden Vertragswillen der Hohen Vertragschließenden Parteien wird man heute nicht-mehr annehmen können. Vielmehr wird eine am Inhalt und Zweck des jeweiligen Staatsvertrags ausgerichtete Auslegung zur richtigen Entscheidung führen 84. Dabei sind die Langfristigkeit der vertraglichen Bindung und die daraus resultierende Unvorhersehbarkeit der Rechtsentwicklung sowie der Wille zur Harmonisierung der Rechtsordnungen Indizien für eine stillschweigende Einbeziehung des ordre public 85 , die dann maßgebend sind, wenn nicht weitere Aspekte eine gegenteilige Entscheidung erfordern, wie beim WTBÜ. Die COTIF läßt neben der Erleichterung der Anerkennung und Vollstreckbarkeit keine Kriterien erkennen, die gegen eine stillschweigende Einbeziehung des ordre public stehen könnten. Dagegen ist das Übereinkommen auf Dauer angelegt und es enthält - wenn man die erforderliche Gesamtschau mit C I M und CIV vornimmt - Regelungen die das Recht des internationalen Eisenbahnverkehrs harmonisieren wollen. Daher ist von einer Geltung des ordre public auszugehen.

4. Straßenverkehrsrechtliche Übereinkommen CMR — das Genfer Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr vom 19.5.195686 i.d.F. des Protokolls vom 5.7.197887 läßt Schiedsklauseln ausdrücklich zu, Art. 33 88 , wenn sie die Bindung an das Recht des Übereinkommens vorsehen.

82

Fleischmann, in: Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 7 (1926), 76 (Diskussionsbemerkung); Schütze, NJW 1963, 2205 (zu Art. 187, 192 EGV, s.o. Fn. 58); tendenziell auch Meessen, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 16 (1975), 84; a.A. Lewald, in: Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 7 (1926), 68; wohl auch Jayme, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 16 (1975), 23 f.; vgl. zum Meinungsstreit auch die angeregte Diskussion a.a.O., 96 ff. 83 ICJ-Reports 1958, 55 (Niederlande gegen Schweden) at 60; sep. op. of Sir Percy Spender at 122, and diss. op. per Judge Winiarski at 137. 84

Meessen, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 16 (1975), 83.

85

Meessen, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 16 (1975), 84.

86

BGBl. 1961 II 1119.

87

BGBl. 1980 II 733.

88

So auch Lebedev, in: Sanders, New trends, pp. 59/60.

54

1. Teil: Allgemeines

V. Umweltrechtliche Übereinkommen Umweltrechtliche Übereinkommen 89 enthalten fast nie ausdrücklich Bestimmungen über das Schiedsrecht. Die Staatenpraxis ist in diesem für die Allgemeinheit so sensiblen Gebiet selten bereit, Schiedsverfahren zuzulassen. So läßt das Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden vom 29.11.196990 gem. Art. I X nur staatliche Gerichte entscheiden. Gelegentlich wird nur die ausschließliche internationale Zuständigkeit eines oder mehrerer Staaten bestimmt. Darin ist dann, da die Bestimmung einer ausschließlichen internationalen Zuständigkeit regelmäßig auch eine Zuweisung an die staatliche Gerichtsbarkeit des angewiesenen Staates beinhalten wird, ebenfalls die Unzulässigkeit aller Schiedsvereinbarungen zu sehen. Das ist etwa im Übereinkommen vom 29.7.1960 über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiete der Kernenergie 91 geschehen.

VI. Das autonome Recht Die Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche wird nach deuschem autonomem Recht von § 1044 ZPO geregelt. Für die Anerkennung besteht keine ausdrückliche Regelung. Sie erfolgt formlos, wenn die Voraussetzungen des § 1044 ZPO gegeben sind. Die Regelung des § 1044 ZPO wurde nach der Ratifizierung des Genfer Abkommens von 1927 durch die Novelle 193092 in die ZPO eingefügt 93.

89 Dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung bei der Beförderung von Kernmaterialien auf See vom 17.12.1971 (BGBl. 1975 II 957, 1026) ist das Vereinigte Königreich nicht beigetreten. 90

BGBl. 1975 II 301, 305, 1106, 1980 II 721, 724, 1981 I I 122, in Kraft getreten auch gegenüber dem Vereinigten Königreich - am 18.8.1975, BGBl. 1975 II 1106, 1978 II 1211, das seit dem 18.1.1989 (BGBl. 1989 I I 144) auch gegenüber dem zum 7.10.1988 beigetretenen Vereinigten Königreich i.d.F. der Pariser Atomhaftungsprotokolle vom 16.11.1982 (BGBl. 1985 II 690) gilt. 91 BGBl. 1975 II 957, das in der Fassung des Zusatzübereinkommens vom 31.1. 1963 und des Zusatzprotokolls vom 28.1.1964 seit 1.1.1976 mit Wirkung auch gegenüber dem Vereinigten Königreich gilt, BGBl. 1976 II 310. 92 G. v. 25.7.1930, RGBl. 1930 I 361, zuletzt geändert durch IPRG v. 25.7.1986, BGBl. 1986 I 1142. 93

Schwab/Walter,

Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 30, Rn. 1 zur Vorgeschichte.

§ 3 Die Rechtsquellen

55

1. System der Versagungsgründe des § 1044 Abs. 2 ZPO Anders als im UN-Ü sind im autonomen Recht alle Versagungsgründe zu berücksichtigen, wenn nur Tatsachen bekannt werden, die einer Versagung entgegenstehen. Der z.T. anderen Auffassung von Schwab/Walter kann nicht gefolgt werden. Sie verlangen die einredeweise Berufung des Spruchschuldners auf die Versagungsgründe der § 1044 Abs. 2 Nr. 1, 3, 4 ZPO. Für die Versagungsgründe der § 1044 Abs. 2 Nr. 3, 4 ZPO gelte dies, weil sie verzichtbar sind, für den der Nr. 1, weil die Berufung auf Unwirksamkeitsgründe nach ausländischem Recht dem Antragsgegner 94 überlassen bleiben könnten 95 . Grundsätzlich ist die Schaffung von Einreden die Ausnahme. Deshalb kann nicht ohne weiteres die einredeweise Geltendmachung von Versagungsgründen gefordert werden. Hinzu kommt, daß der Verzicht auf das rechtliche Gehör und die ordnungsgemäße Vertretung während des Schiedsverfahrens nicht ohne weiteres daraus geschlossen werden kann, daß der Antragsgegner sich nicht insoweit zum Antrag äußert. Dies gilt in besonderen Maß im amtsgerichtlichen Verfahren. Die Ermittlung ausländischen Rechts ist - wie stets - nach Untersuchungsgrundsatz und Freibeweis dem Gericht überlassen, § 293 ZPO 96 , ohne daß es auf die Beweislast ankommt 97 . Selbst wenn man hinsichtlich der Beweislast ein anderes verträte, wäre nicht einzusehen, weshalb das Gericht solche ausländischen Unwirksamkeitsgründe unbeachtet lassen dürfte, die ihm bekannt sind (§ 293 ZPO) oder sich aus dem Vortrag des Antragstellers ergeben.

2. Die Versagungsgründe im Überblick a) Rechtsunwirksamkeit nach ausländischem Recht, § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO Ein Schiedsspruch kann höchstens in dem Umfang für vollstreckbar erklärt werden, indem er nach dem maßgeblichen ausländischen Recht vollstreckt werden kann. Rechtsunwirksam ist er dann, wenn er nach dem Heimatrecht aufhebbar ist 98 . Die Rechtsunwirksamkeit des Schiedsspruchs kann sich aus einer Vielzahl von Gründen ergeben, die wiederum auch zur Anwendung anderer Versagungsgründe führen können. Doch genügt nach der hier unterstützten Rechtsprechung das Versäumen eines ausländischen befristeten 94 In Schwab /Walter, klagter bezeichnet.

Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 30, Rn. 15 fälschlich als Be-

95

Schwab/Walter,

96

BGHZ 77, 32 (38); BGH NJW 1966, 296 (298); Thomas/Putzo,

97

BGH NJW 1966, 296 (298); Thomas/Putzo,

98

Stein/Jonas/Schlosser,

Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 30, Rn. 15.

§ 1044, Rn. 12.

§ 293, Anm. 2a.

§ 293, Anm. 2a.

56

1. Teil: Allgemeines

Rechtsbehelfs zur Wirksamkeit des Schiedsspruchs i.S.d. § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (dazu unter § 6 III).

b) Verstoß gegen den ordre public, § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO Auf den ordre public wird gesondert unter § 6 I I eingegangen. Die Bestimmung wurde durch das IPRG vom 25.7.1986 geändert" und v.a. sprachlich modernisiert, ohne daß sich am Inhalt etwas geändert hätte 100 .

c) Versagung rechtlichen Gehörs, § 1044 Abs. 2 Nr. 4 ZPO Anzuwenden ist deutsches Recht 101 , wobei allerdings keinesfalls erforderlich ist, daß das Verfahren bis in alle Einzelheiten dem deutschen Zivilverfahrensrecht nachgebildet ist. Zu beachten ist insbesondere, daß auf das rechtliche Gehör in weitem Umfang verzichtet werden kann 102 . Auf das rechtliche Gehör wird unter § 10 I I 2, 3 eingegangen werden.

d) Mangelnde Vertretung, § 1044 Abs. 2 Nr. 3 ZPO Die Vertretung ist nach dem nach deutschem Kollisionsrecht anwendbaren Recht zu prüfen 103 . Ist sie ordnungsgemäß, so bleibt kein Raum für eine Versagung der Wirkungserstreckung. Verstößt die ausländische Vertretungsnonn so sehr gegen die deutschen Vorstellungen, daß aus diesem Aspekt die Vollstreckung nicht zugelassen werden darf, so ist aber Raum für eine Versagung wegen des ordre public oder wegen des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Auf die ordnungsgemäße Vertretung, insbesondere die Postulationsfähigkeit wird unter § 9 I V eingegangen werden.

99

BGBl. 1986 I 1142.

100

Schwab/Walter,

101

LG Bremen IPRspr 1966/1967, 860 (862).

102

Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 30, Rn. 18.

LG Bremen IPRspr 1966/1967, 860 (862); vgl. auch LG Zweibrücken (1979) 262, 263, sub 4. 103

YCA IV

Wieczorek/Schütze, § 1044, Anm. E III; a.A. Zöller/Geimer, § 1044, Rn. 24: allein das Schiedsverfahrensrecht. Für die Gegenmeinung ist kein Anhalt im Wortlaut oder auch im Sinn der Norm erkennbar.

§ 3 Die Rechtsquellen

57

VII. Das Recht der Europäischen Union, des Europarats und die Staatsverträge unter den Mitgliedsstaaten 1. Der EG-Vertrag Im Zusammenhang mit dem EG-Vertrag 104 sind im wesentlichen drei Fragen schiedsrechtlich relevant: zum einen die schiedsgerichtliche Funktion des EuGH nach Art. 181, 182, dann die Zulässigkeit der Vorlage nach Art. 177 durch ein Schiedsgericht, und schließlich die Bedeutung der kartellrechtlichen Bestimmungen des Vertrages in Art. 8 5 - 9 0 für den mitgliedsstaatlichen ordre public und die objektive Schiedsfähigkeit. Die letzte Frage soll in dieser Arbeit nicht diskutiert werden 105 .

a) Art. 181 und 182 EGV Der EuGH nimmt in Art. 181 und in den entsprechenden Vorschriften in Art. 153 EAGV und Art. 42 EGKSV sowie in Art. 182, Art. 154 EAGV und Art. 89 Abs. 2 EGKSV weiterhin rechtsprechende Funktionen wahr und wird entgegen dem Wortlaut nicht als privates Schiedsgericht tätig. Die Parteien sind nämlich nicht frei in der Bestimmung der Aufgabe, der Besetzung und dem Verfahren des EuGH, wie dies für ein privates Schiedsgericht wesensmäßig ist 106 . Die Vollstreckung der Entscheidung des EuGH nach einem Verfahren gem. Art. 181 oder 182 EGV richtet sich daher auch nach Art. 189, 192 EGV 1 0 7 . Anwendbar ist also das Vollstreckungsverfahren für alle Entscheidungen des EuGH und nicht das nationale Verfahren zur Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen. Die Bedeutung der Schiedsklausel, die in den genannten Artikel angesprochen wird, ist danach lediglich die, ausdrücklich ein an sich unzuständiges Gericht kraft Vereinbarung für zuständig zu erklären. Das ist der Progation des § 38 ZPO vergleichbar 108.

104

1.d.F. des Maastrichter EU-Vertrags.

105

Vgl. dazu etwa Belke, Gerichtliche Nachprüfung von Schiedssprüchen auf Verstöße gegen EWG-Kartellrecht, AWD 1969, 214. 106

Grabitz, in: Grabitz, Art. 181 EGV, Rn. 3; Art. 182 EGV, Rn. 2.

107

Grabitz, in: Grabitz, Art. 181 EGV, Rn. 17; Art. 182 EGV, Rn. 16.

108

Grabitz, in: Grabitz, Art. 181 EGV, Rn. 3.

58

1. Teil: Allgemeines

b) Vorlage nach Art. 177 EGV durch ein Schiedsgericht? Die heftig umstrittene Frage, ob ein Schiedsgericht ein Gericht eines Mitgliedsstaates i.S.d. Art. 177 Abs. 2 EGV ist 109 , kann für die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nur dann eine Rolle spielen, wenn man mit einem Teil der Literatur eine Vorlageverpflichtung des letztinstanzlichen Schiedsgerichts nach Art. 177 Abs. 3 EGV annimmt. Dann läge nämlich nach englischem Schiedsverfahrensrecht ein misconduct des Schiedsrichters vor, wenn er die gebotene Vorlage nicht vornimmt. Sein Schiedsspruch wäre in England angreifbar. Nach Aufhebung des Schiedsspruchs wäre die Wirkungserstreckung in Deutschland gem. Art. V Abs. 1 lit. e UN-Ü und § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu versagen. Bevor entschieden werden kann, ob eine Verpflichtung eines Schiedsgerichts zur Vorlage an den EuGH gem. Art. 177 Abs. 3 EGV besteht, ist zunächst zu entscheiden, ob der Schiedsrichter überhaupt zur Vorlage berechtigt ist. Der EuGH hat in zwei Entscheidungen seine Position dargelegt 110. Er setzt beim Wortlaut des Art. 177 Abs. 2 EGV an und fragt, ob eine solch enge Beziehung zwischen dem konkret vorliegenden Schiedsgerichtsverfahren und dem allgemeinen staatlichen Rechtsschutzsystem des betroffenen Mitgliedsstaates besteht, daß das Schiedsgericht als Gericht des Mitgliedsstaates erscheint 111. Das wurde im ersten Fall 1 1 2 bejaht. Hier hatte der zuständige (niederländische) Minister die Verfahrensordnung des Schiedsgerichts, die weitgehend dem staatlichen Gerichtsverfahren entsprach, erlassen und die Schiedsrichter ernannt. Das Schiedsgericht war an Gesetz gebunden und konnte nicht nach Billigkeit entscheiden. Im zweiten Fall 1 1 3 wurde die Zulässigkeit der Vorlage verneint. Bei Abschluß der Schiedsvereinbarung habe es den Parteien freigestanden anstelle des Schiedsgerichts das staatliche (deutsche) ordentliche Verfahren zu wählen 114 . Die staatliche öffentliche Gewalt habe keinerlei Einfluß auf die Bil-

109

Differenzierend EuGH Rspr. 1982, 1095 (Nordsee); Rspr. 1966, 583 (VaassenGoebbels); W. Brown, (1985) vol. 2 no. 1 JIA, 21; verneinend unter Berufung auf EuGH Rspr. 1982, 1095: Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 74; Wohlfahrt, in: Grabitz, Art. 177 EGV, Rn. 43; generell verneinend: die Nachweise bei Cohn, AWD 1965, 267, Fn. 1 und dieser selbst; bejahend: Mok/Johannes, AWD 1966, 125; Hepting, EuR 1982, 315 und öfter; Kornblum, JPS 1988, 109 f. 110

EuGH Rspr. 1982, 1095 (Nordsee) als Leitentscheidung, sowie EuGH Rspr. 1966, 583 (Vaassen-Goebbels). 111

EuGH Rspr. 1982, 1095, Nr. 13.

112

EuGH Rspr. 1966, 583.

1,3

EuGH Rspr. 1982, 1095.

114

EuGH Rspr. 1982, 1095, Nr. 11.

§ 3 Die Rechtsquellen

59

dung des Schiedsgerichts und auf deren Entscheidungsweise gehabt115. Insgesamt kann man daraus folgern, daß der EuGH einen relativ starken Einfluß des Staates auf die Bildung und Besetzung des Schiedsgerichts sowie auf das Schiedsverfahren und das angewandte Recht fordert, bevor er eine Vorlage gem. Art. 177 Abs. 2 EGV als zulässig ansieht. Dagegen werden im wesentlichen folgende Bedenken vorgebracht: Es läge im Interesse einer einheitlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts, wenn alle Schiedsgerichte vorlageberechtigt wären; Parteien und Schiedsgerichte könnten Gemeinschaftsrecht umgehen und Mitgliedsstaaten, die gemeinschaftswidrige Schiedssprüche tolerieren, könnten sich Völkerrechts- und vertragswidrig verhalten 116. Die auf den Wortlaut gestützte Begründung des EuGH wird abgelehnt. Der Wortlaut umfasse vielmehr auch private, nicht hoheitliche Schiedsgerichte 117. In der Tat eröffnet der Wortlaut zwei mögliche Deutungen: Zum einen kann „des Mitgliedsstaates" auf die Nationalität des Gerichts weisen, zum anderen kann dies aber auch auf eine Integration in die hoheitliche Staatstätigkeit hindeuten. Auch die Verwendung des Begriffs „Gericht" führt nicht zu größerer Klarheit 118 , denn die ebenfalls authentische französische Version gebraucht den Begriff ,jurisprudence", der im französischen und belgischen Recht auch für die Schiedsgerichtsbarkeit verwendet wird 1 1 9 . Auch die englische Version („any court or tribunal") ist hier nicht eindeutig. Die Auslegung muß sich daher am Sinn und Zweck des Art. 177 EGV orientieren 120 . Das primäre Ziel der Norm liegt in der Wahrung der Einheitlichkeit der Auslegung des Gemeinschaftsrechts 121. Die Wahrung der Einheitlichkeit erfordert aber nicht, daß jede gemeinschaftsrechtlich relevante Frage vorgelegt wird 1 2 2 . Das ergibt sich zum ersten daraus, daß eine Vorlagepflicht nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des Art. 177 Abs. 3 gegeben ist 123 . Zum zweiten liegt die Vorlageberechtigung ganz im Ermessen des vorlegenden Gerichts 124 . Zum dritten dürfen Verwaltungsbehörden, die sehr viel häufiger als Gerichte Gemeinschaftsrecht anwenden müssen, keine Frage vor1,5

EuGH Rspr. 1982, 1095, Nr. 12.

116

Kornblum, JPS 1988, 105 sub II 2.

117

Kornblum, JPS 1988, 105 sub III 1.2; Hepting, EuR 1982, 318.

118

So aber die bei Mok/Johannes, AWD 1966, 125 sub I 1 genannten.

119

Cohn, AWD 1965, 267 f. m.w.N. in Fn. 6 - 1 2 .

120

Cohn, AWD 1965, 268; Mok/Johannes, AWD 1966, 129.

121

Cohn, AWD 1965, 268.

122

Cohn, AWD 1965, 268.

123

Cohn, AWD 1965, 268.

124

Cohn, AWD 1965, 268.

60

1. Teil: Allgemeines

legen 125 . Und schließlich wäre der EuGH völlig überlastet, wenn ihm jede gemeinschaftsrechtlich relevante Frage vorgelegt würde 126 . Zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung genügt es vielmehr, daß die zu diesem Zweck in den Mitgliedsstaaten und für deren Gebiet berufenen letztinstanzlichen Gerichte vorlagepflichtig sind. Schiedssprüche tragen mangels hoheitlicher Autorität, auch wenn sie ausnahmsweise publiziert werden, nicht nennenswert zur Einheitlichkeit der Rechtsprechung bei 127 . Hingegen besteht unter den Voraussetzungen des jeweils betroffenen nationalen Rechts in den Aufhebungs- und durch Einwendungen auch im Vollstreckbarerklärungsverfahren die Möglichkeit staatliche Gerichte einzubeziehen128. In England ist hier eine sehr weitgehende Kontrollmöglichkeit eröffnet, wenn der appeal nach s. 1 Arbitration Act 1979 zulässig ist (dazu im einzelnen § 7 I 3 b). Die befürchtete Umgehung von Gemeinschaftsrecht wird hier also weitgehend vermieden. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß auch die fehlerhafte Anwendung nationalen Rechts durch Schiedsrichter nur in dem Umfang korrigiert werden kann, wie es das jeweils betroffene staatliche Prozeßrecht zuläßt. Wird etwa in einem - inländischen oder ausländischen - Schiedsverfahren deutsches Recht fehlerhaft angewandt, so kann im deutschen Wirkungserstreckungsverfahren im wesentlichen nur mit dem ordre public Abhilfe geschaffen werden. Daß bei Gemeinschaftsrecht etwas anderes gelten soll, ist nicht einsichtig 129 . Im übrigen ist es im EGV ohnehin die Ausnahme, daß Private - und als solche müssen auch die Schiedsrichter angesehen werden, wenn sie nicht als Beliehene i.S.d. deutschen Verwaltungsrechts anzusehen sind - unmittelbar mit Rechten ausgestattet werden. Daher ist der Auffassung des EuGH zu folgen. Ein Vorlagerecht besteht nur dann, wenn das konkret betroffene Schiedsgericht, so sehr in den staatlichen Hoheitsapparat eingegliedert ist,

125 So für den Streit zwischen abstrakter und konkreter Theorie bei Art. 177 Abs. 3 Bleckmann, Europarecht, Rn. 616; Wohlfahrt, in: Grabitz, Art. 177, Rn. 49 m.w.N. 126

Cohn, AWD 1965, 268.

127

Cohn, AWD 1965, 268. Die Darlegung von Mok/Johannes, AWD 1966, 127, daß eine Bindung desselben (institutionellen) Schiedsgerichts Folge eines ersten Präjudiz sei, führt nicht weiter. Dadurch wird faktisch, nicht rechtlich nur das eine Schiedsgericht gebunden, während etwa eine deutsche obergerichtliche Entscheidung nicht nur dessen Untergerichte, sondern oft auch andere Obergerichte faktisch binden kann. Beachtlich ist hingegen die Argumentation von Hepting, EuR 1982, 320, der darauf hinweist, daß in manchen Bereichen fast ausschließlich Schiedsgerichte tätig sind. In diesen Bereichen wird die Rechtsentwicklung dann aber dann aber nicht durch die Schiedsgerichte vorangetrieben, sondern mittelbar durch die sie - etwa gem. § 1041 ZPO - kontrollierende Justiz. 128

Cohn, AWD 1965, 269.

129

Cohn, AWD 1965, 269; a.A. Mok/Johannes, AWD 1966, 128.

§ 3 Die Rechtsquellen

61

daß sein Handeln dem Mitgliedsstaat zurechenbar wird. Davon wird man nie ausgehen können, wenn das Schiedsgericht aufgrund einer Schiedsvereinbarung tätig wird; doch stets dann, wenn eine ausschließliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts aufgrund formellen Gesetzes besteht. Eine Vorlagepflicht gem. Art. 177 Abs. 3 EGV kann danach bestenfalls bei der staatlich eingebundenen Schiedsgerichtsbarkeit bestehen. Nach bestrittener 130 , aber richtiger Meinung ist der Begriff des letztinstanzlichen Gerichts in Abs. 3 abstrakt i.S. der obersten Gerichte des Mitgliedsstaates - das sind für die Bundesrepublik nur die in Art. 95 Abs. 1 GG genannten obersten Bundesgerichte, in England nur das House of Lords - zu verstehen 131. Das genügt, um die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zum Gemeinschaftsrecht zu sichern 132 . Danach besteht eine Vorlagepflicht für Schiedsgerichte ohnehin nie.

2. Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen Das Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 - EuGVÜ - 1 3 3 gilt in der Fassung des 2. Beitrittsüberkommens 134 seit dem 1.10.1989 auch im Verhältnis zum Vereinigten Königreich 135 . Es dominiert im deutsch-britischen Rechtsverkehr das Recht der Anerkennung und Vollstreckung der Urteile und anderen gerichtlichen Entscheidungen des jeweils anderen Staates. Auf Schiedssprüche ist es ausdrücklich nicht anwendbar, Art. 1 Abs. 2 Nr. 4. Gelegentlich wird aber die Anwendbarkeit auf erststaatliche Exequaturentscheidungen zu Schiedssprüchen behauptet. Darauf wird unter § 5 I I 5 eingegangen. An dieser Stelle soll die vertretene, ablehnende Meinung nur damit begründet werden, daß es sich beim Exequatururteil nicht um eine Zivil- oder Handelssache handelt, sondern um eine hoheitliche Maßnahme. Für das Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen 130

Etwa von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 177 EGV, Rn. 64; wohl auch - obiter - EuGH Rspr. 1964, 1253 (1268) (Costa/ENEL). Ob dieses Urteil nach der inzwischen ergangenen Entscheidung EuGH Rspr. 1982, 1095 (Nordsee) noch haltbar ist, erscheint zweifelhaft. 131

Bleckmann, Europarecht, Rn. 616 m.w.N.

132

Bleckmann, Europarecht, Rn. 616.

133

BGBl. 1972 II 774, Jayme/Hausmann, Nr. 72.

134

BGBl. 1988 II 453.

135

BGBl. 1989 I I 752.

62

1. Teil: Allgemeines

vom 16.9.1988136, das das EuGVÜ auf das Gebiet der EFTA-Staaten erweitern soll, werden, sobald beide Staaten beigetreten sind, dieselben Bestimmungen gelten; Art. 1 stimmt mit Art. 1 EuGVÜ überein 137 .

3. Die Europäische Menschenrechtskonvention — EuMRK Die Verfahrensgarantien des Art. 6 Abs. 1 der Konvention spielen auch für Schiedsverfahren eine gewisse Rolle. Im einzelnen muß der Verzicht auf staatlichen Rechtsschutz freiwillig erfolgt sein 138 ; auch das Schiedsverfahren muß den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 genügen139, insbesondere muß es unabhängig und unparteilich geführt werden und es darf nicht überlange dauern 140 . Auch muß die Schiedsvereinbarung wirksam sein 141 , Allerdings nicht deshalb, weil der Partei der gesetzliche Richter entzogen wird, wie Matscher meint 142 . Gesetzlicher Richter ist nur der gesetzlich berufene 143. Sinn der Garantie des gesetzlichen Richters ist es, staatliche Einflußnahme auf die Entscheidung eines Spruchkörpers über seine Besetzung zu verhindern 144. Anders läßt sich auch kaum verstehen, wie das englische System, das ohne gesetzlichen Richter auskommt 145 , vor der EuMRK Bestand hat. Nicht unter die EuMRK fällt - wegen des Verzichts in der Schiedsvereinbarung - die fehlende Öffentlichkeit der Schiedsverhandlung und die fehlende Publikation des Schiedsspruchs 146. Auf den unter Art. 6 Abs. 1 besonders wichtigen Aspekt des rechtlichen Gehörs wird unter § 10 I 2, 3 eingegangen. 136

Jayme/Hausmann, Nr. 77.

137

Das Übereinkommen ist zum 1.1.1992 durch Niederlande und der Schweiz in Kraft getreten. Es zeichnet worden, vom Vereinigten Königreich noch Staaten in Kraft treten, wenn der Ratifikationsprozeß sein wird, Jayme/Hausmann, Nr. 77, Fn. 1. 138

die Ratifikation Frankreichs, der ist von der Bundesrepublik genicht. Es wird zwischen diesen in beiden Staaten abgeschlossen

EuMR-Kommission Coli. 8, 68 (73); dies. EuGRZ 1983, 428 Nr. 91.

139

EuMR-Kommission Coli. 8, 68 (73).

140

Matscher, Fs. Nagel, S. 236.

141

Matscher, Fs. Nagel, S. 236.

142

Matscher, Fs. Nagel, S. 236.

143

So für Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG von Münch/Kunig, Art. 101, Rn. 16; Bettermann in: GRe I I I / 2 , S. 562. 144 So für Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG: BVerfGE 4, 412 (416 f.); 17, 294 (299); Sonnauer, Die Kontrolle der Schiedsgerichte, S. 22; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 101, Rn. 1; BK/Achterberg, Art. 92, Rn. 180; von Münch/Kunig, Art. 101, Rn. 21. 145

Vgl. etwa J. Henkel, England — Rechtsstaat ohne „gesetzlichen Richter", Frankfurt a.M./Berlin 1971, S. 68. 146

Ebenso auch Matscher, Fs. Nagel, S. 236.

§ 3 Die Rechtsquellen

63

VIII. Bestimmung der Grundlagen der weiteren Arbeit Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung englischer Schiedssprüche in Deutschland wird von einer Vielzahl von Staatsverträgen und vom autonomen Recht geregelt. Im folgenden werden der Betrachtung die praktisch wichtigsten Normen, nämlich die des UN-Ü und des deutschen autonomen Rechts zugrundegelegt. Der Versagungsgrund des ordre public wird stets gesondert dargestellt, um zu überprüfen, ob der Versagungstatbestand nur auf Einrede des Antragsgegners hin zu berücksichtigen ist. Insoweit kann die Darstellung auch bei COTIF-Schiedssprüchen und bei Schiedssprüchen unter dem Londoner Auslandsschuldenabkommen berücksichtigt werden, die von Schiedsgerichten mit ausschließlicher Zuständigkeit entschieden werden. Bei den übrigen Schiedssprüchen unter dem Londoner Auslandsschuldenabkommen bestehen Parallelversagungsgründe unter dem UN-Ü. Der Versagungsgrund des Art. 17 Abs. 4 lit. a Auslandsschuldenabkommen entspricht Art. V Abs. 1 lit. a UN-Ü, der des Art. 17 Abs. 4 lit. b dem des Art. V Abs. 1 lit. b und der des Art. 17 Abs. 4 lit. c dem des Art. V Abs. 2 lit. b. Auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen. Das Warschauer Luftverkehrsabkommen, die Brüsseler Internationale Übereinkommen zur Vereinheitlichung der Regeln über die zivilgerichtliche Zuständigkeit bei Schiffzusammenstößen und zur Vereinheitlichung von Regeln über den Arrest in Seeschiffe, die CMR sowie die Übereinkommen über die die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie und über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden enthalten nur allgemeine Regeln darüber, ob Schiedssprüche zulässig sind oder nicht. Sie bedürfen daher keiner vertieften Betrachtung. Die weiteren vorgestellten Staatsverträge, insbesondere das Weltbankübereinkommen, fallen nicht in den Bereich dieser Arbeit.

2. T e i l

Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung § 4 Die englischen Schiedssprüche selbst I . Allgemeines Gegenstand der Wirkungserstreckung sowohl nach § 1044 ZPO als auch nach Art. E I U N - Ü ist der ausländische Schiedsspruch. Problematisch sind beide Bestandteile dieses Begriffs: die Nationalität des Schiedsspruchs (dazu unter § 4 VI) und die Qualifikation als Schiedsspruch (dazu unter § 4 I - V ) . Dabei ist gleich von zwei Schiedsspruchbegriffen auszugehen, dem autonom auszulegenden des U N - Ü und dem des deutschen Rechts. I m einzelnen stellt sich dabei die Frage, ob Schiedssprüche i.S.d. englischen Rechts aus Sicht des deutschen und des Konventionsrechts überhaupt Schiedssprüche sind (im folgenden unter § 4 I 1 - 2 ) . Nach deren Bejahung sollen einige englische Entscheidungsformen im Grenzbereich zu dem, was im deutschen und Konventionsrecht Schiedssprüche sind, untersucht werden (unter § 4 I I - V ) . A l lerdings kann eine umfassende Definition nicht erfolgen. Zu schillernd und vielfältig sind die Facetten, zu zahlreich die Spielarten. Vielmehr soll anhand von im anglo-deutschen Verkehr besonders virulenten Problembereichen eine Teildefinition und Abgrenzung des Begriffs erfolgen, die lediglich Beitrag zu einer umfassenden Definition sein kann und will. Einer detaillierten Untersuchung nicht zugeführt werden sollen auch zwei in der deutschen Literatur diskutierte Fragestellungen, nämlich die Frage nach der Qualifikation von Teil- und Zwischenschiedssprüchen sowie von einstweiligen Maßnahmen des Schiedsrichters. Teilschiedssprüche sind nach englischem Recht als interim awards nach s. 14 Arbitration Act 1950 zulässig, wenn nur der Schiedsrichter deutlich macht, daß es sich nicht um einen endgültigen Schiedsspruch handeln soll 1 . Ihre Wirkungserstreckung bereitet auch

1 Versäumt er dies, so wird das Gericht die Vollständigkeit des Schiedsspruchs annehmen, im Zweifel aber den Schiedsspruch .wegen Unvollständigkeit (want of finality) für nichtig erklären, Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 387.

§ 4 Die englischen Schiedssprüche selbst

65

weder nach deutschem Recht, noch nach dem U N - Ü Probleme 2. Zwischenschiedssprüche sind in ihrer Qualifikation nur dann problematisch, wenn sie prozessuale Fragen betreffen, etwa die Befangenheit eines Schiedsrichters oder die Zulässigkeit eines Beweisantrags oder auch die vorläufige Entscheidung über die Entscheidungsbefugnis des Schiedsgerichts 3. Hier wird aber wegen der Vorrangigkeit der endgültigen Entscheidung im Schiedsspruch regelmäßig kein schutzwürdiges Interesse an einer Wirkungserstreckung bestehen4. Betrifft der Zwischenschiedsspruch hingegen materiellrechtliche Fragen, etwa das Bestehen des Hauptvertrages oder den Anspruchsgrund, so liegt selbstverständlich ein anerkennungsfähiger 5 und nach s. 14 zulässiger 6 Schiedsspruch vor. Entscheidungen des Schiedsrichters im einstweiligen Rechtsschutz können, selbst wenn sie der Wirkungserstreckung zugänglich sind, regelmäßig schon deshalb nicht anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden, weil dem Interessenten hierfür das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Ihm steht nämlich ein einfacheres und v.a. schnelleres Verfahren zur Erreichung seines Ziels in den staatlichen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zur Verfügung 7 . Auf die Abgrenzung von Schiedssprüchen zu Schiedsvergleichen wird knapp in anderem Zusammenhang eingegangen (unter § 9 I I 3 a).

1. Rein obligatorische Wirkung des Schiedsspruchs? Der englische Schiedsspruch ist - anders als der deutsche - nicht selbst Vollstreckungstitel. Vielmehr klagt der Spruchgläubiger - so die dogmatische Konstruktion - aus der stillschweigend in jeder Schiedsvereinbarung enthalte2

Stein/Jonas/Schlosser,

§ 1044, Rn. 4.

3

Henn, Schiedsverfahrensrecht, S. 152; vgl. zum Zwischenschiedsspruch über die Entscheidungsbefugnis aus deutscher Perspektive etwa LAG Baden Württemberg BB 1960, 1021, Nr. 1859; Laschet, Zur Anerkennung ausländischer Zwischenschiedssprüche, IPRax 1984, 75. Im anglo-deutschen Verkehr ist zu berücksichtigen, daß eine Kompetenzkompetenz in England nicht bejaht wird. Die Entscheidung des Schiedsrichters über seine eigene Zuständigkeit hat also notwendig bloß einen vorläufigen Charakter. 4

LG Köln IPRax 1984, 90 (91); zu einem Ausnahmefall Stein/Jonas/Schlosser, § 1044, Rn. 8. 5

Stein/Jonas/Schlosser,

§ 1044, Rn. 7 f.; Henn, Schiedsverfahrensrecht, S. 153

für den Zwischenschiedsspruch über den Grund. 6

Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 387, s.o. Fn. 1.

7

Zur Diskussion um den vorläufigen Rechtsschutz in der deutschen Literatur etwa W. Kühn, Vorläufiger Rechtsschutz und Schiedsgerichtsbarkeit, JPS 1987, 47; Sandrock/Nocke r, Einstweilige Maßnahmen internationaler Schiedsgerichte: bloße Papiertiger?, JPS 1987, 74. 5 Kilgus

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2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

nen Verpflichtung, den Spruch zu befolgen, action on the award 8. Auch das Verfahren nach s. 26 Arbitration Act 1950 enthält insoweit keine Abweichung. Es wird nur als ein beschleunigtes Verfahren der action on the award verstanden9. Nun hat der BGH im Jahre 1982 für einen italienischen lodo irrituale entschieden10, daß rein obligatorisch wirkende Erkenntnisse keine Schiedssprüche i.S.d. UN-Ü und des § 1044 ZPO seien. Der lodo irrituale ist ebenfalls nur mit der Judikatsklage durchsetzbar und daher den englischen Schiedssprüchen vergleichbar. Die logische Konsequenz wäre, daß auch Schiedssprüche nach englischem Recht gar keine Schiedssprüche wären. Es soll zunächst (unter a) das italienische Recht vorgestellt werden, dann (unter b) das englische und schließlich soll (unter c) geprüft werden, ob rein obligatorisch wirkende Schiedssprüche tatsächlich nach dem UN-Ü und nach § 1044 ZPO nicht anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden können.

a) Der lodo irrituale italienischen Rechts Der lodo irrituale des italienischen Rechts11 sollte die mit der Vollstreckbarerklärung des regulären Schiedsspruchs in Italien verbundene Probleme umgehen12. So bleiben dem Spruchschuldner die beim formalen Schiedsspruch vielfältigen Anfechtungsmöglichkeiten verwehrt. Auch das Erfordernis der Hinterlegung beim Pretore gem. art. 829 n. 6, 825 (1) cpc entfällt. Schließlich gilt nicht das (auch Kaufleute betreffende) Schriftformerfordernis der art. 807, 808 cpc 13 . Der lodo irrituale wird als ein Vergleich verstanden, zu dessen Formulierung die Parteien den irregulären Schiedsrichter beauftragen 14. Zur Vollstreckbarkeit genügt eine einfache Vollstreckbarerklärung,

8

Mustill

& Boydy Commercial Arbitration, p. 417 m.w.N.; i.e. zur Konstruktion

auch Bremer Oeltransport

GmbH v. Drewry

[1933] 1 KB 753 (CA) at 758-765 per

Slesser LJ. 9 Mustill & Boydy Commercial Arbitration, p. 419; besonders nachdrücklich auch Sir John Donaldson MR (as he then was), in: Legumbres SACI-FIA v. Central de Cooperativas

de Productores

do Rio Grande do Sul Ltda [1986] 1 Lloyd's Rep 401,

wo s. 26 mit RSC Ord. 14 verglichen wird: Der Antragsteller muß nachweisen, daß der Schiedsspruch wirksam ist (bei Ord. 14: der Klaganspruch nicht mit erheblichen Gründen bestritten wird), und muß entgegengesetzte Behauptungen widerlegen. 10 BGH NJW 1982, 1224. 11 Dazu ausführlich W. Wenger, Zum obligationenrechtlichen Schiedsverfahren, S. 16 ff. 12 Dazu und zur Geschichte knapp Moschel, KTS 1959, 161; anfänglich scheint auch die Vermeidung von Registriergebühren ein für die irreguläre Verfahren sprechendes Argument gewesen zu sein, W. Wenger, IPRax 1982, 135. 13 Dazu Walter, RIW 1982, 695. 14

Moschel, KTS 1959, 161 f.

§ 4 Die englischen Schiedssprüche selbst

67

anders als beim regulären Schiedsspruch gem. art. 825 (3) cpc nicht; vielmehr muß der Spruch vor einem staatlichen Gericht klageweise geltend gemacht werden 15. Das daraus resultierende Urteil ist dann ebenso vollstreckbar, wie jedes andere staatliche Urteil auch. Zur Abgrenzung des lodo irrituale vom lodo rituale wird in der italienischen Literatur und Rechtsprechung 16 ganz wesentlich auf die Bezeichnung in der Schiedsvereinbarung abgestellt (rituale oder irrituale). Zum Teil ist dies sogar das einzige Unterscheidungskriterium 17. Weitere Abgrenzungsmerkmale ergeben sich aus einer Entscheidung des Corte di Cassazione, in der er einen nach den Regeln der inzwischen in die Gafta aufgegangenen LCTA ergangenen Schiedsspruch als irregulär angesehen hat 18 : Die Zahl (zwei) der Schiedsrichter sei gerade gewesen. Sie hätten eine den Parteien selbst vergleichbare berufliche Eignung gehabt. Der Schiedsspruch bedürfe nicht notwendig des erststaatlichen Exequatur. Er ergehe auf vorgefertigten Formularen der LCTA. Außerdem werde er nicht bei einer staatlichen Stelle, sondern beim Sekretariat des LCTA hinterlegt. Schließlich sei er vor einem Oberschiedsgericht anfechtbar 19.

b) Zur rein obligatorischen Wirkung aller englischen Schiedssprüche Englische Schiedssprüche wirken im Gegensatz zu den italienischen alle obligatorisch. Es gibt, wie bereits dargestellt, keinen englischen Schiedsspruch, der selbst Vollstreckungstitel ist. Dazu ist stets die eine oder andere Form der Judikatsklage (action on the award) erforderlich.

15

Moschel, KTS 1959, 164.

16

Dazu Walter, RIW 1982, 698. Indiz für die Schwierigkeiten der italienischen Rechtsprechung ist die Qualifizierung von LCTA- und den Gafta-Schiedssprüchen. Zunächst sahen der Corte di Appello di Bari und der Corte di Appello di Firenze

(jeweils zit. nach Walter, RIW 1982, 696) in einem LCTA- bzw. einem GaftaSchiedsspruch einen lodo rituale, dann der Corte di Cassazione YCA IV (1979), 296 in einem LCTA-Schiedsspruch einen lodo irrituale. 17 W. Wenger, IPRax 1982, 136 weist darauf hin, daß die von der Associazione Italiana per P Arbitrato empfohlene Schiedsklauseln für die unterschiedlichen Verfahren nur an einer Stelle durch Verwendung des jeweiligen Begriffs abweichen. 18 Corte di Cassazione YCA IV (1979), 296 (298), dazu Mirabelli, Application of the New York Convention by Italian Courts, YCA IV (1979), 362. 19

5*

Corte di Cassazione YCA IV (1979), 296 (298).

68

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

c) Anerkennungs- und Vollstreckungsfahigkeit von rein obligatorisch wirkenden Schiedssprüchen aa) Rein obligatorisch wirkende Schiedssprüche sind nach Auffassung des B G H 2 0 keine Schiedssprüche i.S.d. UN-Ü 21. Nun ist das UN-Ü als internationales Übereinkommen aus sich heraus eigenständig auszulegen22. Der BGH entnimmt dabei schon dem Wortlaut, daß Verfahren mit nur obligatorischer Wirkung ausgenommen seien. Authentisch sind allein die chinesische, englische, französische, russische und spanische Fassung des Übereinkommens, Art. X V I Abs. 1 UN-Ü. Jedenfalls aus dem englischen und französischen Wortlaut ergebe sich, daß nur solche Entscheidungen gemeint seien, die einen Rechtsstreit anstelle des staatlichen Gerichts entschieden. Das lege es nahe, das Übereinkommen nicht auf Verfahren mit nur obligatorischer Wirkung anzuwenden23. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Sie enthält eine Überbewertung des Vollstreckungselements 24. Schiedsgerichtsbarkeit liegt nicht erst vor, wenn der Schiedsspruch als solcher vollstreckbar ist. Vielmehr ergibt der Vergleich gerade mit der englischen und indischen aber - wie W. Wenger gezeigt hat 25 - auch mit der früheren dänischen, der dargestellten italienischen und der ihr vergleichbaren niederländischen und spanischen Rechtsordnung, daß auch andere Verfahren die Bezeichnung „arbitration" verdienen. In diesen Rechtsordnungen entfalten - mindestens bestimmte - Schiedssprüche nur schuldrechtliche Wirkungen. Zu ihrer Durchsetzung ist daher nur die Judikatsklage zulässig, die Vollstreckbarerklärung ist ausgeschlossen. Gerade der englische Begriff „arbitration" setzt keine unmittelbare Titulierbarkeit voraus. Die Auffassung des BGH würde alle englischen und indischen 20

BGH NJW 1982, 1224 (1225).

21

Zustimmend: Moschel, KTS 1959, 165 (für Genfer Abkommen); Walter, RIW 1982, 698; ders., ZZP 103 (1990), 147; G. Luther, ZHR 127 (1965), 172, Fn. 79; Raeschke-Kessler,

NJW 1988, 3050; Schütze, in: Schütze/Tscherning

/ Wais,

Hand-

buch des Schiedsverfahrens, Rn. 619 a.A.: Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 766; ders., Entwicklungstendenzen, S. 22; Broggini, AWD 1969, 97; Haas, Anerkennung und Vollstreckung, S. 138; W. Wenger, IPRax 1982, 137 unter Aufgabe seiner früheren vermittelnden Rechtsauffassung in ders., Zum obligationenrechtlichen Schiedsverfahren, S. 183 f. 22 BGH NJW 1982, 1224 (1225), Stein/Jonas/Schlosser, Anh. § 1044, Rn. 7; Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 766; Walter, RIW 1982, 696. 23

BGH NJW 1982, 1224 (1225); Raeschke-Kessler, NJW 1988, 3050.

24

W. Wenger, IPRax 1982, 136.

25

W. Wenger, IPRax 1982, 136 (mit Verweisung auf BGE 72 I 274; 76 I 121 zum dänischen Recht), 137; s.a. Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 28 m.w. Bsp.

§ 4 Die englischen Schiedssprüche selbst

69

Schiedssprüche sowie wohl auch Schiedssprüche aus anderen Staaten des angloamerikanischen Rechtskreises ausschließen. Das war mit Sicherheit nicht bei der Verwendung des Begriffs der „arbitration" gemeint. M i t dem BGH ist allerdings die von Broggini vertretene Meinung 26 abzulehnen. Broggini mißversteht Art. V Abs. 1 lit. e UN-Ü, wenn er aus der dortigen Formulierung (verbindlich, engl.: binding, frz.: obligatoire) schließen will, daß bereits eine schuldrechtliche Bindung ausreicht. Der Begriff dient vielmehr der Abgrenzung von der mehrdeutigen Bezeichnung „endgültig" (engl.: final, frz.: définitif) im Genfer Protokoll. Verbindlich sind nur solche Schiedssprüche, die keiner weiteren, in der Schiedsvereinbarung vorgesehenen Instanz zugeführt werden können 27 . Der BGH sieht den Sinn und Zweck des Übereinkommens in einer Gleichbehandlung des Schiedsspruchs im Heimat- und Vollstreckungsstaat 28. Dann ist es konsequent dem italienischen lodo irrituale in Deutschland das Exequatur zu versagen. Dieser Schiedsspruch kann eben auch nicht in Italien exequiert werden. Ein deutsches Exequatur würde eine bessere Lage wie die heimatstaatliche bewirken. Gegen diese teleologische Auslegung spricht aber Art. I I I UN-Ü. Ein ausländischer Schiedsspruch soll in gleicher Weise der Vollstreckung zugänglich gemacht werden, wie ein inländischer 29 . Dann ist es auch zulässig, wenn ein Schiedsspruch im Vollstreckungsstaat leichter durchgesetzt wird, als im Ursprungsstaat. Nicht Rechtsangleichung war das primäre Ziel des UN-Ü, sondern eine weltweit erleichterte Durchsetzbarkeit von Schiedssprüchen mit internationalem Bezug. Zum Teil anderer Auffassung ist Schlosser. Er will den lodo irrituale dem U N - Ü unterstellen, weil er praktische Bedeutung im internationalen Bereich habe. Es sei Sinn des Übereinkommens sämtliche für den internationalen Handel relevante Entscheidungen außerhalb der staatlichen Justiz, die verbindlich über wechselseitige Ansprüche befänden, des erleichterten Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahrens zugänglich zu machen 30 . Allerdings sei 26

Broggini, AWD 1969, 95: Im Gegensatz zum Genfer Protokoll sei nunmehr ein Doppelexequatur nicht mehr erforderlich. Ein Erstexequatur habe nur bei regulären Schiedsverfahren ergehen können. Mit der Aufgabe des Doppelexequaturerfordernisses sei auch das Exequatur von irregulären Schiedssprüchen möglich geworden, ebenso das OLG Hamburg IPRax 1982, 146 als Vorinstanz zu BGH NJW 1982, 1224. 27

BGH NJW 1982, 1224 (1225 f.) m.w.N.; van den Berg, The New York Convention, p. 46; Walter, RIW 1982, 697; W. Wenger, Zum obligationenrechtlichen Schiedsverfahren, S. 183; ders., IPRax 1982, 136; s.a. oben § 3, II.2.b.bb.(5). 28 BGH NJW 1982, 1224 (1225); Raeschke-Kessler, NJW 1988, 3050; in diese Richtung auch van den Berg, The New York Convention, p. 48. 29 30

Ebenso W. Wengen IPRax 1982, 136. Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 766;

70

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

der lodo irrituale unter dem U N - Ü nur anerkennungsfähig, nicht auch vollstreckbar. Er könne nämlich nicht dem deutschen vollsteckungsfähigen Schiedsspruch gleichgestellt werden 31 . Für die Differenzierung zwischen der Anerkennung und der Vollstreckung findet sich im Übereinkommen kein Anhalt 3 2 ; vielmehr stehen die Begriffe gleichwertig nebeneinander 33. Auch die Anknüpfung an die praktische Relevanz einer Verfahrensart ist abzulehnen. Sie hängt von rein tatsächlichen Gegebenheiten ab, die sich sehr schnell ändern können, und führt deshalb zu erheblicher Rechtsunsicherheit 34. Sie läßt sich letztlich nur dann halten, wenn man schon Schiedsgutachten weitgehend oder gar vollständig den Schiedssprüchen zuordnet, wie dies offenbar Schlosser w i l l 3 5 . Diese Auffassung wird an anderer Stelle abgelehnt werden 36 . Bei der Entstehungsgeschichte scheint auf den lodo irrituale nicht eingegangen worden zu sein 37 . Daraus muß aber nicht zwingend geschlossen werden, daß die nur obligatorisch wirkenden Schiedsverfahren nicht in das U N - Ü aufzunehmen sind 38 . Für den sonach zu verwendenden weiten Schiedsspruchbegriff spricht auch die (oben unter a) dargestellte Entscheidung des Corte di Cassazione. Er hatte den als irregulär verstandenen Schiedsspruch nämlich durchaus als Schiedsspruch i.S.d. U N - Ü verstanden 39. Ein Exequatur hat er nur deshalb abgelehnt,

ders., Entwicklungstendenzen, S. 22 f.; Stein/Jonas/Schlosser, Anh. § 1044, Rn. 7; ähnlich auch Haas, Anerkennung und Vollstreckung, S. 138. Schlosser argumentiert weiter (a.a.O., Rn. 767), auch deutsche gestaltende und feststellende Schiedssprüche könnten für „vollstreckbar" erklärt werden. Sinn dieses zugegebenermaßen fragwürdigen Verfahrens ist es, die nicht vollstreckungsfähigen Schiedssprüche in ihrem Bestand zu schützen, BGH NJW 1982, 1224 (1226). Hier ist aber keinesfalls zweifelhaft, daß die Entscheidungen Schiedssprüche sind, ganz im Gegensatz zur Erscheinung des italienischen Rechts, abl. auch Walter, RIW 1982, 698. 31

Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 766.

32

BGH NJW 1982, 1224 (1226).

33

W. Wenger, IPRax 1982, 136.

34

BGH NJW 1982, 1224 (1226); so auch ausführlich Walter,

35

Schlosser, Entwicklungstendenzen, S. 22 f.

36

S.u. II.2.a.bb.

37

RIW 1982, 697 f.

BGH NJW 1982, 1224 (1225); insoweit zustimmend auch W. Wenger, 1982, 136 f.

IPRax

38 W. Wenger, IPRax 1982, 137. Dies gilt im besonderen für die englischen und früheren dänischen Schiedssprüche (W. Wenger, Zum obligationenrechtlichen Schiedsverfahren, S. 184) sowie für die indischen Schiedssprüche, die alle obligatorisch wirken. 39

Corte di Cassazione YCA IV (1979), 296 (298/299); es scheint im italienischen Recht auch nicht ganz klar zu sein, ob Schiedssprüche der genannten Art nicht regu-

§ 4 Die englischen Schiedssprüche selbst

71

weil er, aufgrund einer etwas formalen Begründung, die Schriftform des Art. I I U N - Ü verneinte 40 . Also sind sowohl der lodo irrituale italienischen Rechts wie die Gesamtheit der englischen Schiedssprüche dem U N - Ü zu unterstellen. Der BGH hat sich denn auch trotz zahlreicher Entscheidungen zu englischen Schiedssprüchen nie veranlaßt gesehen, die Rechtsprechung zum italienischen lodo irrituale, was nur konsequent wäre, auf englische Entscheidungen auszudehnen. Eine solche Entwicklung ist wohl auch nicht zu erwarten. bb) Die einhellige deutsche Meinung schließt rein obligatorische Schiedssprüche - in Übereinstimmung mit BGH in der lodo-irrituale-Entscheidung vom Schiedsspruchbegriff des deutschen autonomen Rechts aus. Darunter seien nur solche Entscheidungen zu verstehen, die einem deutschen Schiedsspruch gleichwertig, äquivalent seien 41 . Das sei bei rein obligatorisch wirkenden Schiedssprüchen nicht der Fall 4 2 . Konsequenz dieser Argumentation ist, daß solche Schiedssprüche, die nicht unter das UN-Ü fallen, also etwa solche, die nicht auf Schiedsvereinbarungen, sondern auf Rechtsgeschäften i.S.d. § 1048 ZPO beruhen, nur mit der Judikatsklage, so man diese überhaupt für zulässig hält 43 , möglicherweise auch im Urkundenverfahren 44, durchsetzbar sind. Solche Schiedssprüche sind in England nicht üblich. Dennoch soll in einem kurzen Exkurs der h.M. widersprochen werden. Der Begriff des Schiedsspruchs bestimmt sich nicht dadurch, wie er durchgesetzt werden kann. Entscheidend ist der Inhalt des Schiedsspruchs. Er muß einem Urteil insoweit vergleichbar sein, als er einen Rechtsstreit zwischen läre sind, vgl. van den Berg, The New York Convention, p. 49 m.N. aus der obergerichtlichen Rechtsprechung. 40

Corte di Cassazione YCA IV (1979), 296 (299/300).

41

BGH NJW 1982, 1224 (1226); Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 769; Ernemann, Anerkennung und Vollstreckung, S. 6 f., 38; Raeschke-Kessler, NJW 1988, 3050; Schwab/Walter, Kap. 30, Rn. 10; Zöller/ Geimer, § 1044, Rn. 7. 42

BGH NJW 1982, 1224 (1226); Ernemann, Anerkennung und Vollstreckung, S. 37 f.; Raeschke-Kessler, NJW 1988, 3050. 43

Bejahend etwa: OLG Hamburg HRR 1933, 1711 (für den Regelfall); sowie für die vorreformatorische Rechtslage: ROHG 10, 391 (398); 17, 425 (427); RGZ 30, 368; 117, 386; HRR 1928, 2057, und die st. Rspr.; a.A.: HJ. Maier, Handbuch der Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 472; die Argumentation von Wieczorek/Schütze, § 1044, Anm. C IIc, die Zulassung der Judikatsklage liefe auf eine Umgehung des § 1044 ZPO hinaus, könnte hier nicht greifen, da die Norm eben nicht anwendbar ist. Zu folgen ist MüKo-ZPO///./. Maier, § 1044, Rn. 6, wonach das Rechtschutzbedürfnis für eine Judikatsklage fehlt, wenn dasselbe Ziel mit § 1044 ZPO erreicht werden kann. 44

So Moschel, KTS 1959, 165 für den lodo irrituale italienischen Rechts.

72

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

den Parteien endgültig und verbindlich entscheidet, § 1040 ZPO. Das ist auch bei rein obligatorisch wirkenden Schiedssprüchen der Fall 4 5 . Für einen weiten Schiedsspruchbegriff spricht zudem das historische Argument: Das deutsche Recht basiert nämlich auf dem gemeinen Recht, das bei Schiedssprüchen bestenfalls die Judikatsklage (actio judicata) bzw. die actio ex compromisso kannte. Zum Teil konnte sich der Spruchschuldner schon durch Leistung der vereinbarten Vertragsstrafe befreien 46 . Eine Änderung erfolgte erst 1877 mit der Schaffung des § 1042 ZPO 4 7 . Auch bei diesen deutschen obligatorisch wirkenden Schiedssprüchen stand deren Einordnung als Schiedsspruch nicht zur Debatte 48 .

d) Ergebnis Für die Beurteilung eines Schiedsspruchs ist es unerheblich, ob er selbst für vollstreckbar erklärt werden kann oder ob erst eine Klage aus der Schiedsvereinbarung oder dem Schiedsspruch erforderlich ist. Sowohl der lodo irrituale des italienischen Rechts als auch die Gesamtheit der englischen Schiedssprüche sind Schiedssprüche i.S.d. U N - Ü und des § 1044 ZPO. Sie sind entsprechend anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären.

2. Bindungswirkung der Schiedsvereinbarung Das englische Recht kennt für inländische Schiedsvereinbarungen (domestic arbitration agreements) keine dem § 1027a ZPO entsprechende Norm. Der High Court muß also nicht eine Klage abweisen, wenn sich der Beklagte auf eine Schiedsvereinbarung beruft. Vielmehr ist dem Richter ein Ermessen eingeräumt, s. 4 (1) Arbitration Act 1950 49 . Er wird die Klage dann nicht abweisen, wenn der die Schiedsvereinbarung einwendende Beklagte nach Eindruck des Gerichts nicht willens ist, sich auf das Schiedsverfahren ein-

45 Für das englische Recht folgt dies schon aus der Definition des Schiedsspruchs, Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, pp. 384-387. 46

W. Wenger, Zum obligationenrechtlichen Schiedsverfahren, S. 135 f. m.w.N.

47

Die Judikatsklage war auch bis zur Schaffung des § 1044 ZPO praktisch der einzige Weg, einen ausländischen Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären, ROHG 10, 391 (399); 17, 425 (428); RGZ 30, 368; JW 1901, 424; RGZ 116, 76; 117, 386; HRR 1928, 2057; OLG Hamburg HRZ 1925, 63. 48 49

Ebenso W. Wenger, Zum obligationenrechtlichen Schiedsverfahren, S. 136.

Bei mündlichen Schiedsvereinbarungen besteht ein dem s. 4 (1) vergleichbares ermessensgebundenes Verweisungsrecht des Richters aus inherent jurisdiction, Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, pp. 461/462.

§ 4 Die englischen Schiedssprüche selbst

73

zulassen oder es voranzutreiben 50, wenn vernünftige Gründe vorliegen, die gegen eine Abweisung sprechen 51 oder wenn dem Schiedsgericht keine Streitigkeit (no dispute) bleibt, über die es entscheiden könnte 52 . Letzteres ist anzunehmen, wenn der Beklagte keine Einwendungen oder nur unerhebliche Einwendungen gegen den geltend gemachten Anspruch vorbringt. Dann kann ein Urteil im beschleunigten Verfahren nach den RSC Ord. 14 r. 1 ergehen. Allerdings sind die Anforderungen an den insoweit darlegungspflichtigen Kläger sehr hoch 53 . Fehlt es an einer Streitigkeit, so ist übrigens auch eine in Widerspruch zu einem non-domestic arbitration agreement eingereichte Klage zulässig; auch s. 1 (1) Arbitration Act 1975 verlangt nämlich einen dispute. Anders als bei s. 4 (1) 1950 Act besteht hier aber im übrigen kein Ermessen. Der weite Ermessensraum des Richters kann durch Verwendung einer sogenannten Scott v. Avery clause 54 reduziert werden, wonach der vertragliche Anspruch nur nach Erlaß eines Schiedsspruchs eingeklagt werden kann. Doch sind diese Klauseln nicht in jeder Schiedsvereinbarung, wenn auch in allen gängigen Schiedsordnungen enthalten. Dennoch ist die Schiedsvereinbarung verbindlich. Der Beklagte kann einen meist nur nominellen Schadensersatz wegen Verletzung der Schiedsvereinbarung durch Anrufung des staatlichen Gerichts verlangen 55 . Im deutschen Recht, hingegen, hat die Schiedsvereinbarung zur Folge, daß der Richter die Klage abweisen muß, § 1027a ZPO. Der dargestellte Unterschied führt aber nicht dazu, daß alle englischen Schiedssprüche oder doch die aufgrund einer domestic arbitration agreement ergangenen, keine Schiedssprüche i.S.d. deutschen oder des Konventionsrechts sind. Wo es nämlich zur Entscheidung des Schiedsrichters kommt, dort haben entweder die Parteien sich an die Schiedsvereinbarung gehalten oder 50

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 467.

51

Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 467: Das gilt insbesondere, wenn über fraud, was in etwa der arglistigen Täuschung entspricht, zu entscheiden ist, dazu Derry v. Peek (1889) 14 AppCas 337 (HL) at 350, Mustill & Boyd , op. cit., pp. 478/

479; vgl. auch s. 24 (2) 1950 Act. 52

Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, pp. 123/124.

53

In der Praxis ist davon die Rede, daß der Beklagte nur genügend Staub aufwirbeln muß, um den Eindruck eines Streites entstehen zu lassen. 54

Zu den nach Scott v. Avery (1856) HLCas 811 benannten Klauseln siehe im einzelnen Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, pp. 161 -166, 481 /482. 55

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 461 mit interessanter Fallkonstruktion in n. 14: Der Beklagte beweist, daß der Kläger nur deshalb vor dem - in Widerspruch zur Schiedsvereinbarung angerufenen - ausländischen Gericht gewonnen hat, weil er nicht das englische Schiedsgericht angerufen hat, etwa weil das ausländische Gericht das englische Recht falsch angewandt hat. Hier neigen Mustill & Boyd dazu, einen Schadensersatzanspruch zuzusprechen.

74

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

der Richter hat die Schiedsvereinbarung genügen lassen, um das Verfahren auszusetzen und die Parteien auf das Schiedsgericht zu verweisen. Auch der englische Schiedsspruch beruht also auf einer effektiven Schiedsvereinbarung.

II. Das Schiedsgutachten Besondere Probleme bestehen bei der Abgrenzung des Schiedsspruchs zum Schiedsgutachten. Diese Frage ist gerade im anglo-deutschen Verkehr von großem Interesse, da Erscheinungen im Grenzbereich, etwa die Qualitätsarbitrage und Evaluationsverfahren in England sehr populär sind. Zur Vorbereitung der Abgrenzung werden zunächst (unter 1) verschiedene Erscheinungsformen des Schiedsgutachtens typisiert. Anhand dieser Typen wird dann (unter 2 a) auf der Grundlage des deutschen Rechts eine Abgrenzung zu Schiedssprüchen vorgenommen. Darauf folgt (unter 2 b bzw. c) eine Abgrenzung nach englischem und Konventionsrecht. Schließlich wird (unter 3) auf die Wirkungserstreckung englischer Entscheidungen im Grenzbereich zwischen Schiedsspruch und Schiedsgutachten eingegangen, wobei besonders auf Qualitätsarbitragen im Warenhandel, insb. nach Gafta No. 125 und auf Evaluationsverfahren und flip-flop-Verfahren hingewiesen wird.

1. Typenbildung I m Anschluß an Habscheid ist von zwei Arten von Schiedsgutachten auszugehen56 , den von ihm sog. echten Schiedsgutachten, die hier beweisvertragliche Schiedsgutachten genannt werden einerseits und die Rechtsgestaltung durch einen Dritten andererseits.

a) Die rechtsgestaltenden Schiedsgutachten Bei den rechtsgestaltenden Schiedsgutachten unterscheidet Habscheid die rechtsbegründenden und die rechtsabändernden Schiedsgutachten57. Beim rechtsbegründenden Schiedsgutachten wird durch den Dritten ein bisher im

56

Habscheid, Fs. Lehmann II, S. 810 f. sub V 2. Die übliche Drei- bzw. Vierteilung nach Habscheid (vgl. z.B. Ernemann, Zur Anerkennung und Vollstreckung, 23 ff.; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 2, Rn. 5) zergliedert nur weiter. Eine ähnliche Einteilung nahm schon Jonas, JW 1937, 532 vor. Von den Schiedsgutachten (die den hier so bezeichneten beweisvertraglichen entsprachen) schied er die Abrede auf Ersatz einer Vereinbarung. 7

Habscheid, Fs. Lehmann II, S. 7 9 .

§ 4 Die englischen Schiedssprüche selbst

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Hauptvertrag fehlendes essentiale negotii ergänzt. Erst durch dieses Gutachten wird die Obligation begründet; erst hierdurch kommt der Hauptvertrag zustande. Nur in diesem Fall sind §§ 317 ff. BGB direkt anwendbar. Das ist etwa der Fall, wenn sich die Parteien zwar über das Kaufobjekt, nicht aber über den Kaufpreis geeinigt haben und zu dessen Bestimmung einen Dritten benennen. Damit das Gutachten rechtsbegründend wirkt, muß die Einigung unvollständig sein. Es muß den Parteien klar sein, daß der Vertrag erst durch die Mitwirkung des Dritten zustandekommt. Einigen sich die Parteien im obigen Beispiel darauf, daß der Kaufpreis angemessen sein soll, so ist - auch wenn die Parteien unterschiedliche Vorstellungen über die Angemessenheit haben und hierüber einen Dritten entscheiden lassen wollen - der Vertrag komplett und für eine Rechtsgestaltung kein Raum mehr 58 . Beim rechtsabändernden Gutachten ist typischerweise ursprünglich ein Hauptvertrag zustandegekommen, der aber gutachterlich den veränderten Umständen anzupassen ist 59 . Dazu rechnen insb. die sog. Vertragsanpassungsklauseln, etwa der Fall des wegen veränderter Umstände neufestzusetzenden Milchpreises 60. Man wird hier im Einzelfall ergründen müssen, ob der Hauptvertrag nach dem Willen der Parteien fortgelten 61 soll, wenn das Gutachten endgültig ausbleibt, oder ob der Hauptvertrag zu bestehen aufhören soll 62 . Im ersten Fall liegt ein erneuerndes, im zweiten ein neubegründendes, abänderndes Schiedsgutachten vor.

b) Die beweisvertraglichen Schiedsgutachten Habscheid diskutiert hier zwei Bereiche, die rechtsklärenden und die Tatbestandselemente feststellenden Gutachten63, wobei er aber letztere den rechtsklärenden zuordnen möchte64. Im ersten Bereich werden mehr ausfüllungsbedürftige Vertragsbegriffe (angemessener Preis, bankmäßige Zinsen 58

Habscheid, Fs. Lehmann II, S. 794. Habscheid, Fs. Lehmann II, S. 794 f. 60 RGZ 152, 201; weitere Beispiele bei Habscheid, Fs. Lehmann II, S. 790. 61 Nach Habscheid, Fs. Lehmann II, S. 795 gilt der Hauptvertrag stets weiter wie bis dahin. Eine solche Auslegung aller Verträge erscheint aber kaum begründbar. 62 Davon wird man im Milchpreisfall, RGZ 152, 201 ausgehen müssen, da die Dritten dann tätig werden sollten, wenn sich die Verwertungsverhältnisse der Molkerei durch außergewöhnliche Umstände erheblich geändert haben und der Milchpreis deshalb für eine Partei untragbar geworden ist. Gerade in der Untragbarkeit kommt der Wille zum Ausdruck, die Partei nicht mehr zu den alten Konditionen an den Vertrag zu binden. 63 Habscheid, Fs. Lehmann II, S. 798 ff., 807 ff. 59

64

Habscheid, Fs. Lehmann II, S. 809.

76

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

usw.) diskutiert, während es bei den Tatbestandselementen mehr um die Kausalität (etwa § 64 VVG), die Invalidität (etwa § 184 VVG) und die Schadenshöhe geht.

2. Abgrenzungskriterien a) Abgrenzung nach deutschem Recht Zur Abgrenzung vom Schiedsspruch ist vorab festzustellen, daß Schiedssprüche unter den Parteien die Wirkung rechtskräftiger Urteile haben, § 1040 ZPO. Schiedssprüche sind deshalb dann anzunehmen, wenn die dem Dritten zugewiesene Entscheidung auch in einem der Rechtskraft zugänglichen Urteil gefällt werden könnte 65 . In diesem Sinne stellt die Schiedsgerichtsbarkeit Rechtsprechung im materiellen Sinne dar 66 . Der Schiedsrichter wird anstelle des staatlichen Richters tätig 67 . Umgekehrt ist ein Schiedsgutachten dann anzunehmen, wenn die Entscheidung in einem Urteil nicht hätte ergehen können 68 . Dabei ist es für die Unterscheidung nach allgemeiner Meinung ohne Bedeutung wie die Tätigkeit des Dritten bezeichnet wird 6 9 .

aa) Rechtsbegründende Schiedsgutachten Beim rechtsbegründenden Schiedsgutachten besteht der Hauptvertrag noch nicht. Seine Vervollständigung ist nach der Vereinbarung der Parteien einem Dritten überlassen. Über diese Abrede kann sich das Gericht nicht hinwegsetzen 70 . Eine vor Begutachtung erfolgte Klage aus dem Hauptvertrag (etwa auf

65

Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 2, Rn. 1; Staudinger/May §317, Rn. 30; Zöller/Geimer, § 1025, Rn. 61.

er-Maly,

66

So v.a. auch Walter, ZZP 103 (1990), 146 f., wobei er Rechtsprechung im materiellen Sinn annimmt, wenn eine Streitentscheidung durch einen unbeteiligten Dritten begehrt wird. 67 Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 2, Rn. 1. 68

Schwab/Walter,

Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 2, Rn. 1.

69

BGH BB 1969, 463 mit Berufung auf § 133 BGB; ebenso Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 2, Rn. 1; Glossner, Schiedsgericht in der Praxis, Kap. VII, Rn. 2, sowie ders., in: Sanders, New trends, p. 103; Walter, ZZP 103 (1990), 148; BGH NJW 1975, 1556 (1557) kommt wegen der offenbaren Sachkunde der Parteien zu einer widerleglichen Vermutung der richtigen Verwendung des Begriffs des Schiedsgutachtens. 70

So im Ergebnis auch Habscheid, Fs. Lehmann II, S. 797.

§ 4 Die englischen Schiedssprüche selbst

77

Zahlung des Kaufjpreises) ist als zur Zeit unbegründet abzuweisen71. Für diesen Fall wurden die §§ 317 ff. BGB geschaffen 72. Das RG 7 3 hat indes anders entschieden74. Hier hatten die Parteien eines Pachtvertrags einem Dritten die Festsetzung des Zinses überlassen. Die Vereinbarung stellt bis dahin geradezu ein klassischer Fall der Schiedsgutachtervereinbarung dar. So hat das auch das RG gesehen. Es hat nun aber argumentiert, daß nach Auslegung des Vertrags eine Billigkeitsüberprüfung (§ 319 Abs. 1 S. 2 BGB) nicht stattfinden sollte. Daher sei dem entscheidenden Dritten von vornherein nicht die Aufgabe zugefallen, den Vertrag zu vervollständigen. Er habe vielmehr sofort und endgültig anstelle eines überprüfenden staatlichen Gerichts die Leistung durch urteilsgleichen Schiedsspruch bestimmen sollen. Die Entscheidung gibt dem Dritten also Aufgaben, die der staatliche Richter erst hat, wenn das Schiedsgutachten offenbar unbillig ist, § 319 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Schiedsrichter kann aber nicht weiterreichende Entscheidungsbefugnisse haben als der staatliche Richter. Vielmehr ist dem B G H 7 5 darin zu folgen, daß der Dritte auch Aufgaben des Schiedsgutachters wahrnimmt. Man wird sogar noch weiter gehen müssen. Es handelt sich nur um ein Schiedsgutachten. Die Parteien können nämlich § 319 Abs. 1 S. 2 BGB abbedingen, § 319 Abs. 2 BGB 7 6 . Wenn aber eine Billigkeitskontrolle des staatlichen Gerichts ausgeschlossen ist, so bleibt auch kein Raum für eine schiedsrichterliche Entscheidung. Wollten sich die Parteien nicht der Willkür des Schiedsgutachters ausliefern, so bleibt § 319 Abs. 1 S. 2 BGB wirksam. Dann ist eine Überprüfung des Schiedsgutachens möglich. Eine Überprüfung kann aber begriffs- und zwecknotwendig nicht in der Entscheidung ergehen, die es zu kontrollieren gilt.

71

Thomas/PutzOy

vor § 1025, Anm.2b.

72

Habscheid, Fs. Lehmann II, S. 791; Stein/Jonas/Schlosser,

73

RGZ 153, 193 m. abl. Anm. Jonas, JW 1937, 532.

vor § 1025, Rn. 25.

74

Der Fall wurde leicht abgewandelt: Die Pachtzinsfestsetzung sollte erst nach gescheitertem Einigungsversuch und nach Ablauf von fünf Vertragsjahren stattfinden. Die hier gewählte Darstellung geht also von einem rechtsbegründenden statt von einem neubegründenden Gutachten aus. Das erscheint insofern gerechtfertigt, als zwischen den beiden Typen bei der Rechtsfolge nicht unterschieden wird. Fraglich ist allerdings, ob hier ein neubegründendes Gutachten vorliegt, wie die h.M. unterstellt, oder nicht vielmehr ein bloß erneuerndes. 75

BGHZ 6, 335 (339). Jonas, JW 1937, 533, der zu RGZ 153, 193 aber nicht annehmen will, die Parteien hätten § 319 Abs. 1 S. 2 BGB abbedungen, sondern die Zuweisung an das staatliche Gericht (und nicht an ein Schiedsgericht) in § 319 Abs. 1 S. 2 BGB für zwingend hält. 76

78

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

Wieder anders w i l l Kessler argumentieren 77 . Der Dritte handele als Schiedsrichter. Schiedsrichtern könne nämlich in der Schiedsvereinbarung eine Ermessensentscheidung eingeräumt werden. Dann stehe er nicht besser als ein Richter dem, etwa gem. § 242 BGB, §§ 13 S. 2, 30 S. 1 UmwG, §§ 1 ff. HausratsVO, §§43 Abs. 2, 45 Abs. 4 WEG, eine Ermessensentscheidung eingeräumt werde. Auch die Einräumung von Ermessen kann aber den Abschluß eines Vertrages nicht ersetzen. Dieses Recht steht dem Richter auch unter den genannten Vorschriften nie zu. Bei §§ 13 S. 2, 30 S. 1 UmwG geht es letzlich um Spezialfälle zu §§ 317 ff. BGB. Bei § 13 S. 2 UmwG soll die Hauptversammlung der in eine oHG umzuwandelnden A G den ausscheidenden Aktionären ein angemessenes Angebot unterbreiten. Dieses Angebot kann der Richter auf seine Angemessenheit hin überprüfen. Der Richter darf aber nicht - was dem Vertragsabschluß beim Pachtzinsfall am ehesten entspricht - über die Umwandlung entscheiden. Bei der Hausrats V O geht es um die Auseinandersetzung der Wohnung und des Hausrats nach der Scheidung. Hier geht es nicht um die Schaffung neuer Rechtsverhältnisse, sondern um die Auflösung bestehender. § 242 BGB wird nicht dazu verwandt, den rechtsgeschäftlichen Willen der Parteien zu ersetzen 78. Bei §§43 Abs. 2, 45 Abs. 4 WEG geht es um die Ausgestaltung, nicht um die Entstehung des Rechtsverhältnisses des Gemeinschaftseigentums in den Fällen des § 43 Abs. 1 WEG. Für diesen Typ des Schiedsgutachtens läßt sich die Abgrenzung also auf die gemeinrechtliche 79 Formel verkürzen, daß ein Schiedsrichter nicht tätig sein kann, wo der Hauptvertrag noch durch einen Dritten ergänzt werden muß 80 , um überhaupt wirksam zu werden.

bb) Beweisvertragliche

Schiedsgutachten

Bei den beweisvertraglichen Schiedsgutachten beruht die Unterscheidung auf folgender Erwägung: Zivilrichter und damit auch Schiedsrichter können 77

Kessler, Die Bindung des Schiedsgerichts an das materielle Recht, S. 72-74 (m.w.N. zur Argumentationsgrundlage). 78

Zu einer in der Literatur vertretenen Ausnahme knapp Gernhuber, Bürgerliches Recht, S. 168 sub ld m.w.N. 79

Vgl. etwa ROHG 3, 167 (171) (endgültige und definitive Entscheidung des Streits); 16, 427 und 18, 337 (343); w.N. bei Habscheid, Fs. Lehmann II, S. 793, Fn. 21. Die Gemeinrechtler wiesen dem Schiedsrichter (arbiter) die Streitentscheidung und dem Schiedsgutachter (arbitrator) die Vervollständigung unvollständiger Verträge zu, Habscheid, a.a.O., S. 793. 80

Habscheid, Fs. Lehmann II, S. 793 f.; Schwab/Walter,

Kap. 2, Rn. 5; Jonas, JW 1937, 532 f.

Schiedsgerichtsbarkeit,

§ 4 Die englischen Schiedssprüche selbst

79

nur über solche Tatsachen entscheiden, die ihnen vorgetragen werden. Ein Schiedsgutachten bewirkt demnach, daß bestimmte Tatsachen durch die Entscheidung des Dritten einvernehmlich unstreitig gestellt werden 81. Solche Beweisverträge sind - entgegen einer früheren Rechtsprechung - zulässig82. Beim Schiedsgutachtenvertrag wird ein bestimmter Tatsachenvortrag als für die Parteien und den Richter 83 verbindlich festgelegt. Es ist auch nach der Verhandlungsmaxime und in deren Rahmen84 Sache der Parteien, darüber zu bestimmen, welche Tatsachen auf ihre Wahrheit hin geprüft werden sollen. Er erlaubt ihnen aber nicht, dem Richter vorzuschreiben, wie er ein bestimmtes Beweisergebnis zu würdigen habe85. Das geschieht hier auch nicht. Nicht die Beweiswürdigung wird festgelegt 86, sondern die Tatsache selbst. Es kommt gar nicht mehr zum Beweis. Es ist auch nicht so, daß - wie bei einem unwiderleglichen Geständnisvertrag (in der Terminologie Baumgärtels) 87 - die Entschlußfreiheit der Parteien auf einen späteren Prozeß hin unüberschaubar eingeschränkt wird. Vielmehr besteht in der Überprüfbarkeit analog §§ 317 ff. BGB eine ausreichende Sicherung. Schiedsgutachten sind also zulässige Beweisverträge 88. 81 Habscheid, Fs. Lehmann II, S. 803 ff., 809 f.; Ernemann, Zur Anerkennung und Vollstreckung, S. 26 m.w.N. in Fn. 26; Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025, Rn. 26. 82 Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozeßhandlung, S. 251; Habscheid, Fs. Lehmann II, S. 803 ff. hat überzeugend dargestellt, daß die Entscheidung RGZ 96, 57 (59, 61) zwar formal am Beweisvertragsverbot festhält, in der Sache aber Schiedsgutachtervereinbarungen als zulässige Beweisverträge behandelt; im Ergebnis ebenso BGHZ 6, 335 (338); Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025, Rn. 26; interessant W. Wenger, Zum obligationenrechtlichen Schiedsverfahren, S. 152: Nach der a.A. seien die Erklärungen der Parteien als für den Richter verbindliche Geständnisse zu behandeln. 83 Verletzt eine Partei die Vereinbarung, in dem sie doch eine andere Tatsache behauptet, so ist dieser Vortrag für den Richter deshalb unbeachtlich, weil die Gegenpartei einen Schadensersatzanspruch hat. Die Gegenpartei ist danach so zu stellen, wie wenn die abrede widrig handelnde Partei, abredegemäß die vom Gutachter festgestellte Tatsache behauptet hätte; Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozeßhandlung, S. 257 f. argumentiert dagegen mit einer prozessualen Einrede. 84 Darauf hat Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozeßhandlung, S. 254 hingewiesen; Grenzen bestehen, wo ein Scheinprozeß durchgeführt werden soll und wo das Gericht selbst Beweis erheben kann. 85

Thomas/Putzo, vor § 284, Anm.8; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 284, Rn. 33, Anh. § 286, Rn. 5; Zöller/Stephan, vor § 284, Rn. 23; Stein/Jonas/

Schlosser, vor § 1025, Rn. 26; Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozeßhandlung, S. 254. 86 So aber Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025, Rn. 26 (zugleich Beweiserhebungsund -Würdigungsvertrag). 87

Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozeßhandlung, S. 258 f. Darauf, ob das Schiedsgutachten ein gewohnheitsrechtlich zulässiger Beweisvertrag ist, wie etwa Wieczorek, § 282, Anm. C III a 3 meint, kommt es also nicht an. 88

80

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

Für die Abgrenzung bei beweisvertraglichen Schiedsgutachten ist noch ein weiterer Aspekt von zentraler Bedeutung: Ein Richter kann grundsätzlich über alle Rechtsfragen entscheiden. Eine rechtliche Beurteilung kann ihm nicht von den Parteien aufgezwungen werden. Deshalb sind Schiedsgutachten dann anzunehmen, wenn es allein um die Feststellung von Tatsachen geht, Schiedssprüche dann, wenn es (auch) um ihre rechtliche Einordnung geht 89 . Richter und Schiedsrichter können nur inzident über tatsächliche Fragen entscheiden90. Die Unterscheidung von Rechtsfragen und Tatsachen ist zwar im Einzelfall schwierig 91 , aber nicht auf das Schiedsverfahrensrecht beschränkt 92 und streng durchzuführen 93. A u f die besonders schwierige Frage der Einordnung von ausländischen Rechtsfragen kann hier nicht eingegangen werden. Gegen jede Abgrenzung im Bereich der „beweisvertraglichen Schiedsgutachten" wendet sich Schlosser 94. Es könnten auch solche Entscheidungsinhalte vor ein Schiedsgericht gebracht werden, die nicht Streitgegenstand vor einem staatlichen Gericht sein können. Jeder beliebige, auch rein tatsächliche,

89

Nachdrücklich ebenso Knuth, NJW 1990, 2039 f.; Wieczorek, § 282, Anm. C III a 2; ähnlich auch Schwab /Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 2, Rn. 1. 90

Knuth, NJW 1990, 2039.

91

Ein sehr problematischer Begriff ist die Kausalität. Entgegen Habscheid, Fs. Lehmann II, S. 808 handelt es sich hierbei nicht um eine quaestio mixta und schon gar nicht um eine Rechtsfrage. Die Kausalität i.S.d. Äquivalenztheorie ist vielmehr eine Tatfrage, über die Beweis erhoben werden kann. Zur Rechtsfrage wird die Kausalität erst, wenn es um die Zurechnung der gesetzten Ursache nach der Adäquanztheorie (so für das selbständige Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auch MüKo-ZPO / Schreiber, § 485 ZPO, Rn. 15) und nach Schutzzweckriterien geht. Zur Veranschaulichung mag die Entscheidung Gorris v. Scott [1874] LR 9 Ex 125 dienen. Hier begehrte der Kläger Schadensersatz, weil seine Schafe nicht auf umzäuntem Gebiet gehalten wurden. Die dahingehende Gebotsnorm wollte die Ausbreitung von Tierseuchen verhindern, und nicht, wie hier geschehen, Schafe davor bewahren, über Bord eines Schiffes gespült zu werden. Hier mag eine Kausalität gegeben gewesen sein. Zurechenbar war sie aber nicht. Es fehlte am Schutzzweck des Gesetzes. Nur für die erste Frage kann ein Schiedsgutachter bestellt werden. Die zweite betrifft auch Rechtsfragen und ist dem Richter oder an seiner Stelle dem Schiedsrichter vorbehalten. 92 Ein fast identisches Problem stellt sich bei der Frage der Zulässigkeit eines selbständigen Beweisverfahrens nach §§ 485 ff. ZPO. 93

Die von Habscheid, Fs. Lehmann II, S. 808 behauptete quaestio mixta besteht nicht. Es ist an der althergebrachten Unterscheidung festzuhalten, daß Tatsache ist, was sich beweisen läßt. Ein anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß - jedenfalls im deutschen Strafrecht - die Abweichung von Naturgesetzen zur Revisibilität führt, vgl. KK-StPO / Pikart, § 337, Rn. 3 f. m.w.N. Revisibel ist das Urteil dann, weil ein Verstoß gegen Denkgesetze vorliegt oder eine hinreichende Begründung fehlt. 94

Stein/Jonas/Schlosser, nung und Vollstreckung, S. 29.

vor § 1025, Rn. 27,' kritisch Ernemann, Zur Anerken-

§ 4 Die englischen Schiedssprüche selbst

81

Vorgang kann danach Gegenstand eines Schiedsverfahrens sein. Immer wenn ein Dritter im Hinblick auf einen bereits entstandenen oder künftigen Rechtsstreit eingeschaltet werde, sei - unabhängig davon, ob der gesamte Streit geklärt werde oder nur ein Teilaspekt - der Dritte funktional Schiedsrichter 95. Für Schiedsgutachten läßt Schlosser bestenfalls Raum, wo das Handeln des Dritten von vornherein nur der Ergänzung der Rechtsbeziehungen dienen solle 96 , wenn dabei nicht - wenn auch nur versteckt - ein Streit ausgetragen wird 97 . Damit nimmt Schlosser die gemeinrechtliche Abgrenzung 98 wieder auf, wonach ein Schiedsrichter einen Streit entscheide, ein Schiedsgutachter hingegen einen bis dahin unvollständigen Vertrag vervollständige. Diese Lehre hat Habscheid aber überzeugend widerlegt 99 . Ein Schiedsspruch muß wegen § 1040 ZPO die Wirkung der Rechtskraft entfalten können. Davon kann nicht ausgegangen werden, wenn lediglich eine Tatfrage geklärt wird. Habscheid selbst schlägt vor, nach dem Willen der Parteien abzugrenzen. Wollten die Parteien eine Frage dem staatlichen Richter nicht endgültig entziehen, sondern ihm im Rahmen der offenbaren Unrichtigkeit ein Kontrollinstrumentarium belassen, so läge ein Schiedsgutachten vor, auch wenn die zu entscheidende Frage eine rechtliche sei 100 . Dem folgt auch die Rechtsprechung 101 . Das erscheint auf den ersten Blick praktikabler, da im Einzelfall schwer zwischen rechtlichen und tatsächlichen Fragen abzugrenzen ist. Allerdings einigen sich die Parteien selten darüber, wie weit der Überprüfiingsmaßstab des Richters reichen soll 102 . Im übrigen bestehen auch dogmatische 95

Stein/Jonas/Schlosser,

vor § 1025, Rn. 27.

96

Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025, Rn. 27, allerdings mißverständlich, da er andererseits auch rechtsergänzende und rechtsändernde Schiedsgutachten ausdrücklich der Schiedsgerichtsbarkeit zuweist. 97 Schlosser, Entwicklungstendenzen, S. 22 f. 98 S.o. Fn. 79; Weismann, AcP 72 (1888), 326. 99 Habscheid, Fs. Lehmann II, S. 798. 100 Habscheid, Fs. Lehmann II, S. 800; ders., KTS 1957, 135 (sogar ausschließlich auf Rechtsfrage begrenztes Gutachten, das nach der hier vertretenen Auffassung am ehesten Schiedsspruch ist); ebenso auch Ernemann, Zur Anerkennung und Vollstrekkung, S. 33 ff., der (S. 26) konkret die Feststellung des Verschuldens nennt. 101 BGHZ 6, 335 (338); 48, 25 (30 f.); NJW 1975, 1556; ähnlich auch Schwab/ Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 2, Rn. 1; Baumbach/Lauterbach/Albers, Grundz. § 1025, Rn. 15; RGRK/Ballhaus, § 317, Rn. 10; Soergel/M. Wolf, § 317,

Rn. 23; Wieczorek/Schütze, § 1025, Anm. C IIb; wohl auch Zöller/Geimer, § 1025, Rn. 61; ohne auf den Partei willen abzustellen auch: Staudinger/May er-Maly, § 317, Rn. 30 f. 102 Nicht näher bezeichnete praktische Probleme sieht auch Knuth, NJW 1990, 2040. 6 Kilgus

82

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

Probleme. Die Abgrenzungsmethode definiert nämlich über die Rechtsfolge. Das führt zu einem Zirkelschluß. Die Konturen zwischen den Rechtsinstituten verblassen 103 . Besonders deutlich wird dies, wenn man mißverständlich von Tatbestandselemente feststellenden Gutachten 104 spricht. Wenn jeweils verschiedene Gutachter verschiedene Tatbestandselemente für einen Anspruch feststellen könnten, dann wäre es, wie Wenger herausgearbeitet hat, unsinnig, einen einzelnen Schiedsgutachter nicht auch über den gesamten Anspruch befinden zu lassen 105 . Indes ist die Prämisse falsch. Gutachten dürfen nicht Tatbestandselemente feststellen (also etwa Verschulden, adäquate und zurechenbare Kausalität, Rechtswidrigkeit, usw.), sondern nur Tatsachen (also etwa die Geschwindigkeit des Fahrzeugs zum Unfallzeitpunkt, der prä- und postoperative Zustand eines Körperteils, die äquivalente Kausalität usw.). Tatbestandselemente enthalten bereits rechtliche Wertungen. Diese sind dem Richter bzw. dem Schiedsrichter vorbehalten. Für die Abgrenzungsmethode wird argumentiert, die Parteien seien frei, auch einen Mittelweg zwischen Gericht und Schiedsgericht zu gehen 106 . Offenbar wird dabei davon ausgegangen, daß die gerichtliche Überprüfung des Schiedsgutachters weiter reiche als beim Schiedsrichter, mithin einer vollständigen Klärung der streitbefangenen Frage durch das Gericht näher stehe. Diese Argumentation ist aber nicht tauglich. Die einem Gericht und Schiedsgericht einerseits und einem Schiedsgutachter durch Beweisvertrag vorlegbaren Fragen sind eben nicht dieselben. Besteht ein Beweisvertrag, so kann über die Tatsache eben kein Beweis erhoben werden, weder vor dem staatlichen, noch vor dem Schiedsgericht. Lediglich wenn und nur insoweit der Beweisvertrag selbst dem Gericht (bzw. dem Schiedsgericht) ein Kontrollspielraum einräumt, erhält diese Instanz das Recht, selbst Tatsachen zu ermitteln, etwa also das Schiedsgutachten auf offenbare Unrichtigkeit hin zu überprüfen. Keinesfalls kann übrigens davon ausgegangen werden, daß Beweisverträge generell auf offensichtliche Unrichtigkeit überprüfbar sind, wie dies Hab-

103

Knuth, NJW 1990, 2040 (völlige Verwischung der Konturen); Schütze, in: Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, Rn. 35. 104

Statt vieler Glossner, Schiedsgericht in der Praxis, Kap. VII, Rn. 1; RGRK/ Ballhaus, § 317, Rn. 11; der Begriff beruht wohl letztlich auf Habscheid, Fs. Lehmann II, S. 789, und Jonas, JW 1937, 532. 105 jy Wenger, Zum obligationenrechtlichen Schiedsverfahren, S. 148 ff.; ähnlich auch Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025, Rn. 27. 106

Habscheid, Fs. Lehmann II, S. 800; ablehnend Schlosser, Recht der privaten internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 29.

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scheid bei beweisvertraglichen Schiedsgutachten vorschlägt 107. Zwar enthalten §§ 64 Abs. 1, 184 Abs. 1 V V G eine gem. §§ 64 Abs. 4, 184 Abs. 3 V V G dahingehende zwingende Auslegungsregel, wonach das Gutachten des Sachverständigen auf offensichtliche Unrichtigkeit hin überprüfbar ist 108 . Doch läßt andererseits ein Beweisvertrag, der eine zufällige und damit willkürliche Klärung einer tatsächlichen Frage vorsieht, etwa durch Münzwurf, typischerweise keinen Raum für eine gerichtliche Überprüfung der festgestellten Tatsache109. Auch eine ausdrückliche Vereinbarung, wonach die gerichtliche Überprüfung ausgeschlossen wird, ist analog § 319 Abs. 2 BGB zulässig. Deshalb ist neben der offensichtlichen Unrichtigkeit auch ein anderer - strengerer oder milderer - Überprüfungsmaßstab zulässig. Erscheint das Schiedsgutachten wegen dieses Maßstabs unangreifbar, so kann eine sich benachteiligt fühlende Partei die Bindungswirkung des Gutachtens nur verhindern, wenn sie dazu nach den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Regeln befugt ist. In Betracht kommt insbesondere eine Anfechtung wegen Irrtums über die Fachkompetenz des Schiedsgutachters, §§119 Abs. 2, 123 BGB. Eine Anwendung der Regeln bei Prozeßerklärungen kommt nicht in Betracht. Ein Beweisvertrag entsteht nicht aufgrund von Prozeßerklärungen, sondern im Bereich des materiellen Rechts. Nur seine Wirkung erstreckt sich ins Prozeßrecht 110 .

107

Habscheid,, Fs. Lehmann II, S. 801. Dazu Habscheid, Fs. Lehmann II, S. 808. 109 Freilich wird hier die Verbindlichkeit einer derartigen Beweisvereinbarung wegen § 762 Abs. 1 BGB fraglich sein. 110 Die Frage, ob Schiedsgutachten materiellrechtlicher oder prozessualer Natur sind, wird in allen einschlägigen Arbeiten untersucht, vgl. statt aller die Bespr. zu einem Spruch der Hamburger Freundlichen Arbitrage von Timmermann, The ineffectiveness of quality arbitration, in: Sanders , New trends, p. 135. Die Antwort soll für die Frage Bedeutung haben, welche Verfahrensregeln den Schiedsrichter binden, etwa ob er rechtliches Gehör gewähren muß. Das hängt aber nicht von der Qualifizierung des Schiedsgutachtens ab, sondern von der Ausgestaltung der zugrundeliegenden Parteivereinbarung, §§ 133, 157 BGB. Bei Kfz-Sachverständigengutachten etwa wird typischerweise nicht erwartet, daß der Experte Ausführungen der Parteien abwägt oder auch nur zur Kenntnis nimmt. Bei bestimmten ärztlichen Gutachten mag hingegen eine Auseinandersetzung mit der Ansicht verschiedener behandelnder Ärzte gewünscht sein. 108

6*

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cc) Rechtsabändernde Schiedsgutachten Bei neubegründenden rechtsabändernden Gutachten111, zu denen auch der oben aa diskutierte Pachtzinsfall 112 gehört, ist der Unterschied zum rechtsbegründenden Gutachten letztlich unerheblich. Bei ersteren besteht der Hauptvertrag bereits. Wegen der vereinbarten Hinfälligkeit dieses Vertrages kann der Vertrag aber nur fortgelten, wenn eine Rechtsgestaltung hinzutritt. Bei rechtsbegründenden Gutachten ist zur Begründung des Hauptvertrages die Rechtsgestaltung des Dritten erforderlich. Das Gericht kann die vertragliche Rechtsgestaltung nicht vornehmen. Daher ist hier nur Raum für Schiedsgutachten, nicht für Schiedssprüche. Bei erneuernden Gutachten geht es typischerweise um Hauptverträge, bei denen der staatliche Richter den Hauptvertrag - läge die Abrede nicht vor unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anpassen113 oder unter anderen rechtlichen Aspekten (z.B. Minderung) abändern könnte 114 . Zur Abgrenzung vom Schiedsspruch ist festzustellen, wann die Abrede dem staatlichen Richter und damit auch dem Schiedsrichter die Entscheidungsbefugnis nehmen würde. Dabei wird man die Zuordnung sehr vom Einzelfall abhängig machen müssen. Allerdings wird man auch hier die Argumentation zu den Beweis Verträgen verwenden können. So ist ein Beweis vertrag anzunehmen, wenn ein mängelbehaftetes Grundstück veräußert worden ist und sich die Parteien 115 darauf geeinigt haben, einen Dritten zur Bestimmung des Minderwerts zu berufen. Durch die Abrede soll nämlich dem Gericht die Befugnis entzogen werden, über die Tatsache des geringeren Werts zu entscheiden. Dem Gericht kann aber nicht die Befugnis entzogen werden, über Rechtsfragen zu entscheiden. Ist also im skizzierten Fall auch streitig, ob der Mangel zu einer Minderung berechtigt, so kann hierüber nur der Richter bzw. an seiner Stelle der Schiedsrichter entscheiden. Bei Verträgen, die ohne die Abrede vor dem staatlichen Richter als Wegfall der Geschäftsgrundlage abgeändert worden wären, kommt es darauf an, welche Befugnis dem Dritten eingeräumt werden soll. Erhält er eine ausfüllungsbedürftige Vorgabe, etwa den Kaufpreis an die veränderte Marktlage 111

Zur Differenzierung siehe oben la.

112

RGZ 153, 193.

113

Habscheid, Fs. Lehmann II, S. 797. Zu einem solchen Fall RGZ 150, 7. Hier hatte sich erst nach dem Kauf herausgestellt, daß das Grundstück mit einer gefährlichen Giftpflanze bewachsen war. Zur Ermittlung der Minderungssumme wurde eine Kommission eingesetzt. 114

115

So etwa in RGZ 150, 7.

§ 4 Die englischen Schiedssprüche selbst

85

anzugleichen, so besteht kein wesentlicher Unterschied zu den von Habscheid sogenannten rechtsklärenden Gutachten. Die dortigen Abgrenzungskriterien greifen Platz. Erhält er keine Vorgabe, so hat er den gleichen Freiraum wie ein Richter; er entscheidet als Schiedsrichter. Ein Schiedsgutachter darf nicht über Rechtsfragen befinden. Er hat also insbesondere keine Kompetenz-Kompetenz. 'Er darf nicht über seine eigene Zuständigkeit befinden. Er darf nicht selbst überprüfen, ob die Voraussetzungen der Abänderung des Hauptvertrages gegeben sind. Selbst wenn die erforderlichen Feststellungen rein tatsächlicher Art wären, würde der Dritte damit auch die Rechtsfolge der Zulässigkeit seiner Entscheidung feststellen; er würde mindestens insoweit als Schiedsrichter handeln. Auch hier will Habscheid für die Unterscheidung zur Schiedsklausel darauf abstellen, ob die Parteien eine Bestimmung des Dritten mit der Wirkung eines rechtskräftigen Erkenntnisses wollten 116 . Dazu wurde bereits oben Stellung genommen.

dd) Zusammenfassung Die hier vertretene These läßt sich also wie folgt zusammenfassen: Für die Abgrenzung ist entscheidend, ob die von den Parteien gewünschte Entscheidung auch durch Urteil ergehen könnte. Läßt sich die Frage bejahen, so liegt ein Schiedsspruch vor. Die Frage ist insbesondere zu verneinen, wenn der (Haupt-)Vertrag erst durch das Dritthandeln zustandekommt oder nur durch ihn abgeändert werden kann und wenn der Dritte keine Rechtsfragen, sondern nur über Tatsachen entscheiden soll 117 . Zur Veranschaulichung folgendes Beispiel: Die Parteien vereinbaren, die Veräußerung einer Picasso-Skulptur zu dem Preis, den der namentlich genannte Experte eines Auktionshauses für auf dem freien Markt erreichbar hält. Der Experte ist Schiedsgutachter. Er muß zwar nicht mehr den Vertragswillen der Parteien in wesentlicher Hinsicht ergänzen. Die Parteien sind sich nämlich einig. Der Verkauspreis steht zwar nicht in Zahlen fest. Das ist aber auch nicht erforderlich. Es reicht aus, daß sie sich auf den Marktwert geeinigt haben. Der Experte ist aber deshalb Schiedsgutachter, weil er nur die Tatsache des Marktwerts ermitteln muß und keine Rechtsfragen.

116

Habscheid, Fs. Lehmann II, S. 796 f.; zustimmend Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 2, Rn. 5; ablehnend auch Schlosser, Recht der privaten internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 29. 117

Ausdrücklich ebenso wohl nur Knuth, NJW 1990, 2038.

86

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ee) Überprüfung

an der Meinung Wengers

Für das schweizerische Recht hat Werner Wenger die These herausgearbeitet, daß es keinen inhaltlichen Unterschied zwischen Schiedsgutachten und Schiedssprüchen gibt, daß freie Schiedsvereinbarungen nichts anderes als mit einer Schiedsgutachterklausel verbundene Feststellungsgeschäfte seien. Der Unterschied zwischen freien und formalisierten Schiedsverfahren sieht er, ähnlich wie das hier für den lodo irrituale des italienischen Rechts vertreten wird (siehe oben § 4 I 1 a), in der strengeren Form und in der anderen Vollstreckbarkeit. Ursache für die Unterschiede sei im wesentlichen die geschichtlich gewachsene Dualität der beider Verfahren 118 . Unter Feststellungsgeschäften versteht er solche Vereinbarungen, die bei bestehender Ungewißheit über die Durchsetzung materiellrechtlicher Ansprüche eine einverständliche Lösung für die Zukunft vorsehen 119. Erfolgt dies unter Zugeständnissen auf beiden Seiten, so liege ein Vergleich vor; einige man sich auf die Forderungen der einen oder anderen Seite, so sei dies ein Feststellungsgeschäft im eigentlichen Sinn 120 . Die Parteien könnten bei Abschluß eines Feststellungsgeschäfts (i.w.S.) auch vereinbaren, daß dessen Bestimmungen nur von einem Dritten als Schiedsgutachter oder freien Schiedsrichter festgestellt werden 121 . Zur Überprüfung dieser These ist zunächst zu untersuchen, was eigentlich Inhalt eines ,»Feststellungsvertrags mit Schiedsgutachterklausel" ist. Das hängt davon ab, worauf sich die Parteien geeinigt haben. Denkbar ist zunächst, daß sie wollen, daß der Dritte rechtsgestaltend tätig wird. Voraussetzung hierfür ist, daß die Parteien sich darüber einig sind, daß der Dritte das Zustandekommen des neuen (Feststellungs-)Vertrags in seinen Händen hält. Dann darf auch der Ausgangsvertrag nur im Rahmen einer Billigkeitskontrolle noch eine Rolle spielen. In diesem Fall ist der Dritte rechtsgestaltend als Schiedsgutachter tätig. Wenger geht aber offenbar von einem anderen Fall aus. Hier einigen sich die Parteien darauf, daß - wegen der Ungewißheit des Ausgangsvertrags dessen Inhalt von dem Dritten überprüft wird. Seine Entscheidung soll dann - durch den davon bestimmten Feststellungsvertrag - bindend werden. Die Entscheidung des Dritten stellt sich dann inhaltlich als Auslegung des Ausgangsvertrages dar und somit als eine Entscheidung über Rechtsfragen. Der einzige Unterschied zum typischen Schiedsverfahren liegt somit darin, daß der Schiedsspruch durch den auszufüllenden Feststellungsvertrag ersetzt wird.

118 119 120 121

W. W. W. W.

Wenger, Wenger, Wenger, Wenger,

Zum obligationenrechtlichen Zum obligationenrechtlichen Zum obligationenrechtlichen Zum obligationenrechtlichen

Schiedsverfahren, Schiedsverfahren, Schiedsverfahren, Schiedsverfahren,

S. 172 f. S. 164 ff. S. 168. S. 169 ff.

§ 4 Die englischen Schiedssprüche selbst

87

Das erscheint nicht als erheblich, wenn man annimmt, daß jede Schiedsvereinbarung die Bestimmung enthält, daß sich die Parteien zur Befolgung des Schiedsspruchs verpflichten. Damit wird das eine Hauptargument Wengers hinfällig, wonach sich Schiedsspruch und Schiedsgutachten nicht trennen ließen. Im übrigen erscheint es nicht bloß historisch und formal bedingt, daß zwischen Schiedssprüchen und Schiedsgutachten geschieden wird. Vielmehr ergibt sich die Notwendigkeit der Scheidung zwischen den Rechtsinstituten schon daraus, daß nur Schiedssprüche wie Urteile wirken können, § 1040 ZPO.

b) Abgrenzung nach englischem Recht Im englischen Recht hat in jüngerer Zeit die Abgrenzung zwischen Schiedssprüchen einerseits sowie certifications und valuations andererseits eine Rolle gespielt, als es um die Haftung des Dritten für eine fehlerhafte Entscheidung ging. Dabei revidierte das House of Lords in den Jahren 1974 und 1975 eine frühere Rechtsprechung 122 durch die Entscheidungen Sutcliffe v. Thackrah 123 und Arenson v. Casson Beckman 124. Bei Sutcliffe schuldete der Architekt, wie dies bei englischen Bauverträgen üblich ist 1 2 5 , die neutrale und faire Bewertung der vorgenommenen Teilleistungen in Form von Belegscheinen (certificates). Es stellte sich heraus, daß bestimmte als angemessen bewertete und daraufhin entlohnte Teilleistungen mangelhaft waren. Der Bauherr forderte nun - der Bauunternehmer war inzwischen insolvent geworden - vom eigenen Architekten Schadensersatz. Bei Arenson war der Kläger in das Geschäft seines Onkels aufgenommen worden. Er hatte Anteilsscheine erhalten. Diese sollte er zu einem angemessenen Preis (fair value) zurückveräußern, wenn er das Geschäft wieder verlassen wollte. Die Wertbestimmung sollten die Buchprüfer der Firma vornehmen. Der von den Rechnungsprüfern festgestellte Preis lag um ein Sechsfaches niedriger als der, den sie wenige Monate später in einem Verkaufsprospekt der Firma nannten.

122

Etwa Chambers v. Goldwell [1901] 1 KB 624 (CA) 634, 640 per Sir A.L. Smith MR, Romer LJ dissenting at 642; w.N. bei Sutcliffe v. Thackrah [1974] 1 A11ER 859 (HL); Arenson v. Casson Beckmcm [1975] 3 AUER 901 (HL). 123

Sutcliffe

124

Arenson v. Casson Beckman [1975] 3 AUER 901 (HL).

125

v. Thackrah [1974] 1 A11ER 859 (HL).

Hier nach dem Vertragsformular des Royal Institute of British Architects, 1963 ed., cl. 30; ähnlich auch die Rolle des Architekten nach cl. 11, 22, 23, 24, 34 sowie nach den FIDIC-Conditions of Contract, dazu Nicklisch, Der Ingenieur als Schiedsgutachter und Quasischiedsrichter bei internationalen Bau- und Anlageprojekten, Fs. Habscheid 1989, S. 217 ff. rechtsvergleichend zur VOB.

88

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

In beiden Fällen ging es im wesentlichen um die Frage, ob den zur Klärung herangezogenen Dritten das Richterprivileg zukam, sie also nicht für Fahrlässigkeit haften 126 . Die Mehrheit im House of Lords entschied jeweils, daß das Richterprivileg auch Schiedsrichtern (arbitrators) zukommt 127 . Die Frage war sodann, ob das Privileg daneben auch der Gruppe der Quasischiedsrichter (quasi-arbitrators) zukommt, wie diese Gruppe zu bestimmen sei und ob die jeweiligen Beklagten der Gruppe angehören. Man ist und war sich einig, daß das Richterprivileg bestenfalls solchen Privaten zukommen darf, die selbst eine rechtsprechende Funktion einnehmen. Die frühere Rechtsprechung hatte dies auch dann angenommen, wenn der Private unparteiisch entscheiden sollte (required to act fairly). Diese Abgrenzung wurde in den genannten Entscheidungen einhellig verworfen 128 . Auf diese Weise würden, so die Mehrheit der Richter, auch alle valuer und certifier, sobald sie für zwei Parteien tätig würden, zu Quasischiedsrichtern 129. Valuers und certifiers übernähmen aber typischerweise keine rechtsprechende Aufgaben. Es mache auch keinen Unterschied, ob eine oder zwei Parteien, womöglich mit unterschiedlichen Interessen, sie beauftragten. Typischerweise fehle es nämlich an einem Streit, der zu entscheiden sei. In dem Merkmal der Streitentscheidung wird denn auch das wesentliche Kriterium für die Bejahung einer rechtsprechenden Funktion gesehen130. 126

So auch schon in Chambers v. Goldwell [1901] 1 KB 624. Sutcliffe v. Thackrah [1974] 1 AUER 859 (HL) at 862 per Lord Reid, Lord Hodson concurring at 877, at 869 per Lord Morris, at 878 per Viscount Dilhorne, at 881 per Lord Salmon; Arenson v. Casson Beckman [1975] 3 A11ER 901 (HL) at 922 per Lord Salmon, contrast Lord Kilbrandon at 918 and see Lord Fraser at 927; gegen eine Privilegierung mit interessanter wirtschaftlicher Erwägung nunmehr auch Mustill, (1992) vol. 9 no. 2 JIA 27; für sie noch Hoyle, Law of International Trade, p. 347. 128 Sutcliffe v. Thackrah [1974] 1 AUER 859 (HL) at 864 per Lord Reid: it is a „completely illogical argument [that ...] all persons carrying out judicial functions must act fairly, therefore all persons who must act fairly are carrying out judicial functions", Lord Hodson concurring at 877, at 870 per Lord Morris, at 880 per Viscount Dilhorne, at 881/882 per Lord Salmon: „heresy"; Arenson v. Casson Beckman [1975] 3 AUER 901 (HL) at 906 per Lord Simon. 129 So schon In re Carus-Wilson and Greene (1886) 18 QBD 7. 130 Sutcliffe v. Thackrah and others [1974] 1 AUER 859 (HL) at 864 per Lord Reid, Lord Hodson concurring at 877, at 870-873 per Lord Morris at 878 per Viscount Dilhorne, at 876 per Lord Salmon; Arenson v. Casson Beckman [1975] 3 AUER 901 (HL) at 911 per Lord Simon, at 915/916 per Lord Wheatley, contrast Lord Kilbrandon at 917/918: „I find it impossible to put weight on such considerations as that in the case of an arbitrator (a) there is a dispute between the parties." Lord Kilbrandon will deshalb auch Schiedsrichtern das Richterprivileg nicht einräumen. Er lehnt damit aber nicht grundsätzlich die genannte Differenzierung ab. Diese Differenzierung hatte obiter auch schon Lindley LJ In re Carus-Wilson and Greene (1886) 18 QBD 7 (CA) at 10 vorgenommen (dispute-resolution or avoidance of dispute). 127

§ 4 Die englischen Schiedssprüche selbst

89

Indiz für die Abgrenzung ist auch, ob es dem Entscheidenden oder den Parteien obliege, Tatsachen zu ermitteln 131 . Auch der Wille sich durch die Entscheidung zu binden, soll Indiz für ein Schiedsverfahren sein 132 . Werde zur Überprüfung der Entscheidung der Weg zu einem weiteren Dritten eröffnet und dieser im Gegensatz zum Erstentscheider als arbitrator bezeichnet, so spreche das dagegen, daß auch schon der Erstentscheider richterliche Funktionen ausüben solle 133 . Die vorgestellte Rechtsprechung ist für die Zwecke dieser Arbeit wie folgt zusammenzufassen: Sie betrifft bislang lediglich die Frage, welche von den Parteien zur Entscheidung berufene Dritte von der Haftung für Fahrlässigkeit freizustellen sind. Verbindliche Abgrenzungen zwischen Schiedsrichtern im weiten Sinne, d.h. über die Arbitration Acts hinaus, einerseits und bloßen valuers und certifiers andererseits kann aus den vorgestellten Entscheidungen nicht gezogen werden. Die Differenzierung wird aber, wo sie überhaupt erfolgt, mit der Begründung vorgenommen, das Richterprivileg könne nur solchen Privaten eingeräumt werden, die selbst eine rechtsprechende Funktion wahrnehmen. Daher liegt es nahe, die hierfür zugrundegelegten Abgrenzungskriterien auch insgesamt an die Unterscheidung zwischen Schiedsrichter einerseits und valuer, certifier und ähnlichem Entscheider andererseits anzulegen. Danach ist ein zur Entscheidung berufener Dritter dann ein Schiedsrichter, wenn er zur Entscheidung eines Streits berufen ist. Es ist aber zu betonen, daß diese Meinung noch nicht von der englischen Rechtsprechung übernommen worden ist.

c) Abgrenzung nach dem UN-Übereinkommen Der Begriff des Schiedsspruchs ist unter dem UN-Ü autonom auszulegen 134 . Eine Anknüpfung an die lex fori wäre sicher für den zur Entscheidung

131

Sutcliffe v. Thackrah and others [1974] 1 AUER 859 (HL) at 864 per Lord Reid, Lord Hodson concurring at 877; Arenson v. Casson Beckman [1975] 3 AUER 901 (HL) at 912 per Lord Simon (er hält daneben auch die Begründung des Entscheids für ein Indiz), at 915/916 per Lord Wheatley, at 924 per Lord Salmon, contrast Lord Kilbrandon at 917/918, der sich aber auf die s.E. unzulässige Differenzierung beim Richterprivileg bezieht. 132 Arenson v. Casson Beckman [1975] 3 AUER 901 (HL) at 924 per Lord Salmon. 133 In re Carus-Wilson and Greene (1886) 18 QBD 7 (CA) at 10 per Lopes LJ; vgl. auch die obiter dicta per Lord Morris and Viscount Dilhorne in Sutcliffe v. Thackrah and others [1974] 1 AUER 859 (HL) at 869, 873, 878; nunmehr auch Channel Tunnel Group Ltd v. Balfour Beatty Construction

Ltd [1993] 1 AUER 664 (HL) at 679 per

Lord Mustill für ein dem IHK-Verfahren vorgeschaltetes Expertengremium. 134

van den Berg, The New York Convention, p. 44.

90

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

berufenen Richter einfacher. Allerdings sollte es das Ziel des U N - Ü sein, eine weltweit vorhersehbare Anerkennung und Vollstreckung zu erreichen. Das spricht für einen einheitlichen Schiedsspruchbegriff. Zu seiner Bestimmung ist der wesentliche Inhalt der beteiligten Rechtsordnungen zu untersuchen 135 . Danach betreffen Schiedsverfahren justiziable Fragen 136 . Sie schließen die staatliche Gerichtsbarkeit aus 137 . Es scheint deshalb Einigkeit darüber zu bestehen, daß Fragen, die der staatlichen Gerichtsbarkeit nicht zugänglich sind, auch nicht Gegenstand eines Schiedsverfahrens sein können. Dazu rechnen insbesondere die rechtsbegründenden Gutachten 138 , weil Richter wie Schiedsrichter nicht an die Stelle der den Vertrag abschließenden Parteien treten können. Problematischer wird die Abgrenzung bei beweisvertraglichen Schiedsgutachten. Eine einheitliche dogmatische Linie läßt sich in den Rechtsordnungen nicht ausmachen 139 . Aber man ist sich einig, daß bestimmte, auf der Feststellung von Tatsachen beruhende Tätigkeiten Dritter keine Schiedssprüche sind. Wie ein einheitlicher Schiedsspruchbegriff für das U N - Ü gestaltet sein soll, ist - soweit gesehen - bislang noch nicht untersucht worden. Selbst van den Berg hat sich in seiner vorzüglichen Arbeit zu einer solchen Analyse nicht bereit gefunden 140 . Ein solcher Vorschlag kann auch hier nicht erfolgen. Er würde das Volumen der Arbeit sprengen. Hierzu wäre eine Analyse der nationalen Schiedsverfahrensrechte der Staaten erforderlich, die am U N - Ü beteiligt sind. Zur Methodologie empfiehlt sich eine Ausrichtung an der Entscheidung des EuGH in Sachen L T U gegen Eurocontrol 141 bei der Definition des Begriffs der Zivil- und Handelssache i.S.d. EuGVÜ. Anders als dort ist bei der Bestimmung des Schiedsspruchsbegriffs in Abgrenzung von nicht der Rechtsprechung vergleichbaren Drittentscheidungen für das U N - Ü allerdings zu beachten, daß in England eine verbindliche höchstrichterliche Rechtsprechung fehlt, in Deutschland ein Meinungsstreit besteht und in vielen Rechtsordnungen die Rechtsfrage noch nicht gründlich analysiert worden ist. Deshalb kann hier nur ein vorsichtiger Teilvorschlag unterbreitet werden, der lediglich die deutsche, englische und - in begrenztem Umfang - die französische Rechtsordnung berücksichtigen wird. Er mag bei einer gründlichen rechtsvergleichenden Analyse herangezogen werden. 135

van den Berg, The New York Convention, p. 44.

136

van den Berg, The New York Convention, p. 44.

137

van den Berg, The New York Convention, p. 45.

138

Sanders, Ree. 145 (1975 II), 227.

139

van den Berg, The New York Convention, p. 45 m.w.N.

140

van den Berg, The New York Convention, p: 45.

141

EuGH Rspr 1976, 1541.

§ 4 Die englischen Schiedssprüche selbst

91

Ausgangspunkt eines solchen Ansatzes ist die Feststellung, daß sowohl das deutsche Recht wie das englische davon ausgehen, daß der Schiedsrichter an die Stelle des staatlichen Richters tritt. Unterschiedlich sind nur die Kriterien, die dafür angelegt werden, daß eine richterliche Aufgabe wahrgenommen wird. Im deutschen Recht gibt es nach der hier vertretenen Auffassung zwei Kriterien: die Frage, ob eine Norm (insb. ein Vertrag) kreiert wird, und die, ob dem Entscheider auch die Beantwortung von Rechtsfragen zukommt. Die zugrundezulegende Rechtsprechung weicht insoweit ab, als sie in begrenztem Maß auch Nichtschiedsrichter über Rechtsfragen entscheiden lassen will, wenn die Parteien eine Überprüfung als Schiedsgutachten wünschen. Das englische Recht stellt - bislang - nur auf das Kriterium der Streitentscheidung ab. Auch das französische Recht stellt - soweit gesehen - auf dieses Kriterium ab 142 . In der Sache gilt der Grundsatz auch im deutschen Verfahrensrecht 143. Er erklärt sich aus der Dispositionsmaxime. Weil die Parteien über den Streitstoff verfügen können, können sie dem Richter auch die Entscheidung insgesamt abnehmen. Die Dispositionsmaxime gilt im Bereich der Handelsschiedsgerichtsbarkeit weltweit. Das ergibt sich schon daraus, daß die Unterwerfung unter einen nichtstaatlichen Spruchkörper für zulässig erachtet wird. Deshalb kann dieses Kriterium zur Abgrenzung des Schiedsspruchsbegriffs der Konvention herangezogen werden. Das hier behauptete, weitere Merkmal von Schiedssprüchen, wonach nur in ihnen über Rechtsfragen entschieden werden darf, ergibt sich aus dem Verhandlungsgrundsatz. Die Parteien bestimmen über den Tatsachenstoff, das Gericht bzw. das Schiedsgericht über die rechtliche Bewertung. Dem Gericht bzw. Schiedsgericht kann deshalb nur der Tatsachenstoff entzogen werden. Das ist im Prinzip auch international anerkannt. In England - und wohl auch in Frankreich - wird darauf aber nicht abgestellt. Es soll nur auf das Vorliegen einer Streitigkeit abgestellt werden. Auf den Inhalt der Überprüfung kommt es nicht an. Ganz im Gegenteil wurde in Nikko Hotels v. MEPC auch eine von der Gutachtervereinbarung erfaßte Entscheidung eines valuers über Rechtsfragen, insbesondere über die Auslegung des Hauptvertrages für verbindlich und unanfechtbar angesehen; es darf nur keine Streitigkeit vorliegen 144 . In Frankreich wird wohl dasselbe gelten, da auch hier nur auf das Vorliegen einer Streitigkeit abgestellt wird 1 4 5 . 142

Robert, L'arbitrage, 1:1-6. Im deutschen Prozeßrecht liegt etwa keine Streitigkeit vor, wenn der Beklagte anerkennt (§ 307 ZPO). Dem Richter ist es hier verwehrt, in der Sache zu entscheiden. 143

144

100. 145

Nikko Hotels (UK) Ltd v. MEPC Ltd (1992) 28 EG 86 (ChD) per Knox J at Robert, L'arbitrage, 1:1-6.

92

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

Entscheidungen über Rechtsfragen sind auch nach der deutschen Rechtsprechung zulässig 146 . Doch wird hier nicht primär auf den Begriff der Streitigkeit abgestellt, sondern auf den Parteiwillen. Die Parteien sollen selbst bestimmen können, ob der für Gutachten oder für Schiedssprüche geltende Kontrollmaßstab gilt. Letztlich soll aber wohl eine gewisse Vermutung für das eine oder andere Verfahren gelten, je nachdem, ob nur Tatfragen oder auch Rechtsfragen zu entscheiden sind. Dafür spricht der Verhandlungsgrundsatz. Da dieser - wie dargestellt - international anerkannt ist, nur nicht in dem Umfang, der hier für das deutsche Recht angenommen wird, wird man eine solche Vermutung auch unter dem Übereinkommen annehmen können. Ein Abstellen auf den Parteiwillen, wie ihn die deutsche h.M. vornehmen will, ist aber international unbekannt. Insoweit wird man für die Konvention vorrangig auf den Begriff der Streitigkeit abstellen müssen, der international abgesichert ist. Bei Zweifeln sollte man auf den Schiedsspruchbegriff des Herkunftsstaates abstellen. So wird man dem Interesse der Parteien an Rechtssicherheit am ehesten gerecht werden können. Nach dem UN-Ü liegt also ein Schiedsspruch vor, wenn der Dritte zum einen kein Recht hat einen Vertrag zu vervollständigen oder sonst normkreierend tätig zu sein und wenn er zum anderen eine Streitigkeit zu entscheiden hat und nicht bloß eine Frage, die beide Parteien übereinstimmend vorlegen. Dabei wird die Natur des vorgelegten Sachverhalts (nur Tatfragen oder auch Rechtsfragen) eine gewisse, aber letztlich nicht verbindliche Vermutung darstellen. Nur wenn dann noch Unklarheit besteht, sollte das spruchstaatliche Recht zu Rate gezogen werden.

3. Einordnung englischer Drittentscheidungen a) Rechtsvergleichung Danach unterscheiden sich der hier zum deutschen Recht zugrundegelegte Schiedsspruchbegriff und der für das UN-Ü angenommene insoweit, als es hier entscheidend darauf ankommt, ob eine Rechtsfrage zugrundeliegt, dort nur im Rahmen einer Vermutung. Die von der Habscheid'sehen Lehre angenommene Abgrenzung führt gegenüber der für die Konvention gebildeten insoweit zu Abweichungen, als die erstere entscheidend auf die von den Parteien gewünschten Rechtsfolgen abstellt und letztere darauf, ob eine Streitigkeit vorliegt. Der englische Schiedsspruchbegriff fragt anders als der Konventionsbegriff nicht einmal im Rahmen einer Vermutung, ob Rechtsfragen zugrundeliegen. Entscheidend ist nur, ob eine Streitigkeit vorliegt. Nach ihm

146

Etwa BGHZ 48, 25 (30 f.).

§ 4 Die englischen Schiedssprüche selbst

93

kommt es auch nicht darauf an, ob eine Rechtsgestaltung in die Hände von Schiedsrichtern gelegt wird. Die Wirkungserstreckung erfolgt nach getrennten Systemen. Nur wenn ein Schiedsspruch nach dem U N - Ü vorliegt, ist eine Anerkennung und Vollstreckbarerklärung nach Art. I E möglich. Daneben kommt über Art. V I I Abs. 1 U N - Ü - je nachdem, ob nach deutschem Recht ein Schiedsspruch vorliegt oder nicht - auch die Anwendung des § 1044 ZPO oder des Schiedsgutachtenrechts in Betracht. Liegt nach U N - Ü kein Schiedsspruch vor, so ist eine Durchsetzung der Entscheidung nur nach autonomem Recht möglich. Ein englisches Schiedsgutachten hat im deutschen Prozeß dieselbe Wirkungen, wie ein deutsches, insb. ist der Richter an die im beweisvertraglichen Schiedsgutachten festgestellten Tatsachen grundsätzlich gebunden.

b) Qualitätsarbitrage im Warenhandel In der umfangreichen Rechtsprechung englischer Gerichte 147 wurde nie bezweifelt, daß Qualitätsarbitragen (dazu auch § 2 I I 5) Schiedsverfahren sind und nicht bloß valuations, also Schiedsgutachten. Dagegen geht die deutsche Literatur bei Qualitätsarbitragen von Schiedsgutachten aus 148 . In der Sache geht es bei der Qualitätsarbitrage im Warenhandel darum, daß der zur Entscheidung berufene Dritte zum einen die Qualität der gelieferten Ware mit einer dem Vertrag zugrundeliegenden Warenprobe vergleicht und zum anderen einen evtl. Minderwert festsetzt 149 . Bei Feststellung einer Qualitätsabweichung wird zwar nicht immer ausdrücklich über die Rechtsfolge mitentschieden. Es ist aber anzunehmen, daß diese Entscheidung stillschweigend erfolgt, da nach den betroffenen Standardverträgen der Abzug vom Kaufpreis in Höhe der minderen Qualität besteht 150 und eine Entscheidung über die Höhe der Minderung bzw. des Schadensersatzes stets zulässig ist. Nach dem hier zum deutschen Recht verwendeten Schiedsspruchbegriff sind Qualitätsarbitragen (dazu i.e. unter § 2 I I 5) Schiedsverfahren. Es wird nämlich über die Rechtsfrage der Rechtsfolge der festgestellten Qualität entschieden. Dem ist der BGH jedenfalls bislang für englische Qualitätsarbitra147 Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 280; vgl. etwa Naumann v. Edward Nathan & Co Ltd (1930) 37 LILRep 249 (CA) at 260 per Scrutton LJ. 148

Siehe nur Glossner, in: Sanders, New trends, p. 107; Stein/Jonas/Schlosser,

vor § 1025, Rn. 21 (häufigste Art des Schiedsgutachtens); wohl auch Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 20. 149 So auch für deutsche Qualitätsarbitragen Stein/Jonas/Schlosser, Rn. 21 (häufigste Art des Schiedsgutachtens). 150

P.K Johnson, in: Sanders, New trends, p. 112 für Gafta No. 125.

vor § 1025,

94

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

gen nicht entgegengetreten 151. Schlosser führt hingegen aus, die Qualitätsarbiiragevereinbarung sei regelmäßig so zu verstehen, daß ein Qualitätsabfall nur durch Schiedsgutachten festgestellt werden könne, insoweit solle nämlich der Rechtsweg ausgeschlossen sein 152 . Doch wird auch die durch Schiedsspruch festgestellte Qualität nicht mehr richterlich überprüft, vgl. §§ 1041 Abs. 1, 1044 Abs. 2 ZPO. Hier ist noch nicht einmal die offenbare Unrichtigkeitskontrolle zulässig. Die ebenfalls auf die Rechtsfolge abstellende Habscheid'sche Lehre müßte dem eigentlich folgen. Auch nach dem für das U N - Ü versuchten Schiedsspruchbegriff liegt ein Schiedsspruch vor. Es liegt nämlich eine Streitigkeit über die Qualität der Ware und die Höhe des Kaufpreises bzw. des Abzugs hiervon vor. Eine Wirkungserstreckung kommt sonach nach dem U N - Ü sowie über Art. V I I Abs. 1 U N - Ü nach § 1044 ZPO in Betracht.

c) Evaluationsverfahren im Zusammenhang mit Grundstücken Eine weitere Verfahrensgruppe im Grenzbereich zwischen Schiedsspruch und Schiedsgutachten sind Evaluationsverfahren (dazu auch § 2 I I 6). Englische Evaluationsklauseln sind meist von Praktikern verfaßt und stellen regelmäßig ausdrücklich klar, ob der Dritte als Schiedsrichter oder als valuer, also als Schiedsgutachter entscheiden soll. I m Grundsatz kann man davon ausgehen, daß die hier gewählten Klarstellungen im Bewußtsein der unterschiedlichen Rechtsinstitute erfolgen 153 . In der Sache geht es meist um den jährlichen Miet- oder Pachtzins oder - seltener - um den Verkaufswert eines Grundstücks. Soweit es um eine Ergänzung des Vertragswillens geht, was etwa bei der Bestimmung des Verkaufswerts von Grundstücken der Fall sein kann, handelt es sich bei der Entscheidung nach einhelliger deutscher Meinung und nach dem hier angenommenen Konventionsbegriff nicht um einen Schiedsspruch. Eine Wirkungserstreckung nach Art. I I I U N - Ü und nach § 1044 ZPO scheidet aus. Die Entscheidung kann als Schiedsgutachten - ohne weiteres - in einen deutschen Prozeß eingeführt werden. Meistens wird aber die Evaluation nicht den Vertragswillen ergänzen, sondern von bestimmten, im Vertrag festgelegten Kriterien abhängen, regelmäßig 151 Vgl. etwa BGHZ 110, 105 zu einem zweitinstanzlichen Gafta-Schiedsspruch, bei dem es aber offenbar, da ein juristischer Berater eingeschaltet wurde, um komplexere rechtliche Fragen ging. 152

153

Stein/Jonas/Schlosser,

Vgl. Nutley, ra. 80.5.

vor § 1025, Rn. 21.

in: Bernstein

& Wood,

Handbook of Arbitration Practice, pa-

§ 4 Die englischen Schiedssprüche selbst

95

vom Marktwert. Nach der hier zum deutschen Recht vertretenen Meinung handelt es sich dabei um reine Tatfragen. Ob der Dritte als Schiedsgutachter bezeichnet wird oder als Schiedsrichter, spielt keine Rolle. Er ist Schiedsgutachter. Seine Entscheidung kann als Gutachten ohne weiteres in ein deutsches Verfahren eingeführt werden. Nach der für das deutsche Recht h.M. hingegen ist entscheidend, welche Rechtsfolgen die Parteien in der Vereinbarung erreichen wollen. Da die Bezeichnung in diesem Bereich im Bewußtsein der Bedeutung gewählt wird, wird von ihr abhängen, welche Entscheidungsform anzunehmen ist. Ist ein Schiedsspruch anzunehmen, so bleibt für eine auf Rechts- und Tatfragen beruhende Vermutung kein Raum. Die Entscheidung kann gem. § 1044 ZPO in Deutschland anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden. Nach dem U N - Ü ist entscheidend, ob eine Streitigkeit vorliegt. Dabei läßt sich letztlich sowohl ein Schiedsspruch als auch ein Schiedsgutachten sehr gut vertreten. Für das erstere spricht, daß eine Streitigkeit vorliegt. Das ist jedenfalls anzunehmen, wenn man die englische Rechtsprechung bei Sutcliffe und bei Arenson zugrundelegt. Dagegen spricht aber, daß auch eine einzelne Person eine Grundbewertung oder eine Miet- oder Pachtzinsschätzung in Auftrag geben könnte. Auch geht es nur um Tatfragen. Deshalb spricht auch viel für ein Schiedsgutachten. Da Zweifel bleiben, ist nach englischem Recht zu entscheiden. Es liegt sonach in Evaluationsverfahren ein Schiedsspruch nach dem U N - Ü vor. Eine Wirkungserstreckung ist gem. Art. I I I U N - Ü möglich. Nach der h.M. kommt im Rahmen des Art. V I I Abs. 1 daneben eine Berücksichtigung des § 1044 ZPO in Betracht, nach der hier vertretenen Meinung dagegen nur eine Einbeziehung der Drittentscheidung als Schiedsgutachten.

d) Die flip-flop-arbitration Eine im Zusammenhang mit Miet- und Pachtzinsevaluationsverfahren in England gelegentlich und zunehmend vorkommende 154 Verfahrensform ist die ursprünglich in den USA entwickelte flip-flop-arbitration 155 , die dort auch baseball-arbitration heißt. Dabei darf der „Schiedsrichter" nur so entscheiden, wie eine der Parteien beantragt hat. Sinn einer solchen, den Entscheidungsspielraum des Schiedsrichters auf zwei Entscheidungen reduzierenden Vereinbarung ist es, die Parteien zu realistischen Anträgen zu zwingen. Besonders bei professionellen Baseballspielern wurden offenbar überzogene Lohnforderungen gestellt. Diese Praxis konnte durch die baseball-Klauseln abgestellt 154

Nutley, in: Bernstein & Wood, Handbook of Arbitration Practice, para. 89.1.

155

Bernstein & Wood, in: dies., Handbook of Arbitration Practice, para. 7.7.

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2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

werden. Außerdem wird dadurch, daß beide Parteien sich an realistischen Werten ausrichten müssen, auch erreicht, daß zahlreiche Verfahren vermieden werden, weil schon im Vorfeld ein Vergleich erleichtert wird 1 5 6 . Bei der Miet- und Pachtevaluation wird die flip-flop-Klausel zur Einschaltung von Sachverständigen bereits im Vorfeld führen. Auch hierdurch wird die Vergleichsbereitschaft erhöht werden. Bei Zinsevaluationen wird eine flip-flop-Klausel typischerweise dazu dienen, den bestehenden Dauervertrag an neue wirtschaftliche Gegebenheiten anzupassen. Nach der hier zum deutschen Recht vertretenen Meinung liegt, wie schon oben (unter c) für die Evaluationsverfahren dargestellt, stets ein Schiedsgutachten vor. Die zum deutschen Recht h.M. wird dem wohl folgen. Auch sie wird einer - direkten oder indirekten Anwendung - der §§ 317 ff BGB das Wort reden. Nach § 319 Abs. 1 BGB ist nämlich die willkürliche Festsetzung des Zinses möglich. Dabei kann auch die gerichtliche Entscheidung endgültig ausgeschlossen werden. Das wird nämlich dem Willen der Parteien entsprechen, wenn sich der Entscheidende nur an eine der zwei in der Vereinbarung festgesetzten Entscheidungsoptionen hält. Zwar liegt es auf ersten Blick näher anzunehmen, der Dritte solle entscheiden, was der übliche Zinssatz sei und welcher Antrag diesem Zinssatz näher komme. Dafür spricht, daß eine wahrhaft willkürliche Losentscheidung billiger und schneller herbeizuführen wäre, als die Berufung eines hochdotierten Experten. Außerdem werden die Parteien in der Tat davon ausgehen, daß der Entscheidende dem Antrag entsprechen wird, der dem üblichen Zinssatz am nächsten kommt. Doch würde eine rechtliche Bindung des Dritten dazu führen, daß erhebliche Schwierigkeiten bei der Entscheidung aufträten, wenn er zum Ergebnis käme, daß der übliche Zinssatz dem Mittelwert entspricht. Das wird aufgrund der ausgleichenden Funktion des Dritten nicht selten der Fall sein. Wenn, wie wohl stets, keine ausdrückliche Regelung über die Entscheidungsmechanismen in der Vereinbarung enthalten sind, wird dem Dritten nichts als eine willkürliche Entscheidung offen bleiben. Das ist mit dem justizförmigen Charakter des Schiedsverfahrens nicht zu vereinbaren. Die Eröffnung einer dritten Entscheidungsoption für den Fall, daß der Dritte den Mittelwert für den üblichen Zins hält, würde dem Zweck der flipflop-Klausel widersprechen. Weiß eine Partei nämlich um die Möglichkeit einer Mittelwertentscheidung, so wird sie viel weniger bereit sein, keine überzogene Forderungen zu stellen. Auch die Vergleichsbereitschaft wird

156

Zum ganzen: Bernstein & Wood, in: dies., Handbook of Arbitration Practice, para. 7.7.

§ 4 Die englischen Schiedssprüche selbst

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geringer, weil auch im Schiedsspruch selbst noch der Mittelwert festgestellt werden kann. Nach dem UN-Ü wird man wie bei den üblichen Evaluationsverfahren (oben c), wo nicht ein neubegründendes Gutachten vorliegt, abwägen müssen. Dabei spricht für die Annahme einer Streitigkeit zusätzlich, daß zwei Anträge eben nur von zwei Parteien gestellt werden können. Gegen eine Streitigkeit spricht hingegen die fehlende Justizförmigkeit der Willkürentscheidung beim Mittelwert zwischen den Anträgen. Letztlich bestehen also auch hier Zweifel an der Einordnung, so daß das englische Recht entscheidet: Es liegen Schiedssprüche vor. Zur Durchsetzung der Erkenntnis des Dritten ist auf die Ausführungen zu den Evaluationsverfahren (oben c) zu verweisen.

III. Statutory Arbitration In England gibt es einen weiten Bereich, in dem kraft formellen Gesetzes (Statute) sog. Schiedsgerichten eine Entscheidungsbefugnis eingeräumt wird 1 5 7 . Fraglich ist, ob die von diesen Spruchkörpern erlassenen Entscheidungen Schiedssprüche i.S.d. UN-Ü und des § 1044 ZPO sind. Dazu soll zunächst die Abgrenzung nach deutschem autonomem Recht und nach dem UN-Ü vorgenommen werden. Danach soll untersucht werden, zu welcher Kategorie die statutory arbitral awards gehören, wobei als Beispiel das Lands Tribunal herangezogen wird.

1. Abgrenzung der Schiedssprüche nach §§ 1025 ff., 1048 ZPO Dabei ist für das deutsche autonome Recht zwischen solchen Schiedsgerichten, deren Entscheidungsbefugnis ausschließlich auf der Einrichtung durch Gesetz beruht und solchen bei denen zur Entscheidungsbefugnis noch ein konstitutiver Privatrechtsakt erforderlich ist, zu unterscheiden 158. Nur letz157

Etwa die Verfahren nach dem Agriculture Act 1947 und dem Agriculture Holdings Act 1948 sowie viele der Verfahren vor dem Lands Tribunal, dazu unten. Nach Racecourse Betting Control Board v. Secretary

of State for Air [1944] 1 AUER 60

(CA) ist das General Claims Tribunal, das durch den Compensation (Defence) Act 1939 errichtet wurde, ein Sondergericht eigener Art; zu den Verfahren im Evaluationsbereich auch knapp Nutley in: Bernstein & Wood, Handbook of Arbitration Practice, para. 80.1. 158

So ausdrücklich auch Stein/Jonas/Schlosser, § 1048, Rn. 2; ebenso wohl: Wieczorek/Schütze, § 1048, Anm. A I a; aus der Rechtsprechung etwa RGZ 16, 370 (zusätzliche Unterwerfung erfolgte im Feuerversicherungsvertrag); 42, 305; 107, 352; 108, 194 (198 f.) (die Zuständigkeit ergab sich allein aufgrund eines ministeriellen Statuts bzw. allein aus einer Verordnung bzw. allein aufgrund eines Gesetzes); 157, 7 Kilgus

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2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

tere sind Schiedsgerichte i.S.d. §§ 1025 ff., 1048 ZPO. Bei den anderen Spruchkörpern handelt es sich um besondere Gerichte 159 . Das ergibt sich daraus, daß hier keine Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit besteht, sondern die staatliche Gerichtsbarkeit endgültig ausgeschlossen wird. In dem allein konstituierenden Gesetz ist deshalb eine Delegation der staatlichen Rechtsprechungsfunktion zu sehen. Solche beliehene besondere Gerichte, deren Errichtung in Deutschland aus verfassungsrechtlichen Erwägungen problematisch erscheint 160, sind demnach keine Schiedsgerichte i.S.d. §§ 1025 ff., 1048 ZPO. Entscheidungen solcher „Schiedsgerichte" in England sind also auch keine Schiedssprüche, sondern - jedenfalls aus Sicht des autonomen deutschen Rechts - Urteile i.S.d. §§ 328, 722 f. ZPO, Art. 25 EuGVÜ 1 6 1 . Sie sind nicht nach § 1044 ZPO für vollstreckbar zu erklären. Die übrigen Schiedsgerichte haben keine ausschließliche Entscheidungsbefugnis, da sie nur entscheiden dürfen, wenn dies durch einen Privatrechtsakt, also durch eine konstitutive Vereinbarung (§§ 1025 ff. ZPO) oder - das ist in England aber praktisch unbekannt - durch eine letztwillige Verfügung 114 (Marktschiedsgericht des Mi Ich wirtschafts Verbands Schleswig-Holstein); JW 1928, 1223 (aufgrund staatlicher Anordnung entscheidungsbefugtes Schiedsgericht der Wiener Börse für landwirtschaftliche Produkte); BGHZ 48, 35 (43) (das aufgrund ihrer Satzung eingerichtete Schiedsgericht der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, einer Anstalt oder Körperschaft des öffentlichen Rechts, wird nur aufgrund der Vereinbarung im individuellen Versicherungsvertrag zuständig und ist deshalb Schiedsgericht i.S.d. § 1025 ZPO und kein Sondergericht); vgl. auch die umfangreiche Literatur und Rechtsprechung zu den Parteischiedsgerichten gem. § 14 PartG, etwa Vollkommer, Sind die „Schiedsgerichte" der politischen Parteien nach dem Parteiengesetz echte Schiedsgerichte im Sinne der Zivilprozeßordnung?, Fs. Nagel, S. 474. 159 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025, Rn. 8; sind sog. Schiedsgerichte bloß besondere Behörden, üben sie also noch nicht einmal materiell Rechtsprechung aus, dann können sie keine Schiedsgerichte sein. 160 Verfassungsrechtliche Bedenken ergeben sich zum einen aus dem Verbot von Ausnahmegerichten in Art. 101 Abs. 1 S. 1, dem Gesetzesvorbehalt für die Errichtung von Gerichten für besondere Sachgebiete, Art. 101 Abs. 2 und der damit zusammenhängenden Garantie des gesetzlichen Richters durch Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, und zum anderen aus der Rechtswegegarantie in Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG und der Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, Art. 20 Abs. 3 GG. Üben die „Schiedsgerichte" nämlich als Beliehene Rechtsprechungsfunktionen aus, so handeln sie hoheitlich. Daher fragt sich, ob gegen ihre Entscheidung ein Rechtsweg offen stehen muß, Art. 19 Abs. 4 GG. In Art. 20 Abs. 3 GG und in der innerstaatlichen Souveränität kommt der Gedanke zum Ausdruck, daß Private, die mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse beliehen sind, weiter einer gewissen Kontrolle durch staatliche Instanzen unterliegen müssen. 161

Vgl. zu Art. 177 E(W)GV ebenso EuGH Rspr. 1966, 583 (Vaasen-Goebbels), Rspr. 1982, 1095 (Nordsee), siehe dazu oben § 3, VILl.b; das statutory Schiedsgericht darf also gem. Art. 177 Abs. 2 EGV vorlegen.

§ 4 Die englischen Schiedssprüche selbst

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oder eine andere rechtsgeschäftliche Anweisung 162 (§ 1048 ZPO) angeordnet wird. Die gesetzliche Regelung außerhalb der ZPO hat nicht die Aufgabe, die staatliche Justiz ganz von bestimmten Entscheidungen auszuschließen. Das Schiedsverfahren bleibt eine Alternative zum staatlichen Gerichtsverfahren. Die Entscheidungen solcher englischen „Schiedsgerichte" beruhen also (auch) auf einer Schiedsvereinbarung (bzw. auf einfem anderen Privatrechtsakt) und sind daher nach § 1044 ZPO (bzw. §§ 1048, 1044 ZPO) für vollstreckbar zu erklären.

2. Abgrenzung der Schiedssprüche nach dem UN-Ü Für die Frage, ob das UN-Ü auf die statutory arbitral awards Anwendung findet, ist das Übereinkommen autonom auszulegen. Dabei ist insb. auf den Wortlaut, den Sinn und Zweck und die Entstehungsgeschichte des Staatsvertrags einzugehen163. Der Wortlaut deutet auf eine Beschränkung auf Schiedssprüche, die auf der Grundlage einer Schiedsvereinbarung ergangen sind. Deutlich ergibt sich dies etwa aus der französischen und der spanischen Fassung des Art. V Abs. 1 lit. c. Hier ist eben nur von le compromis und la clause compromissoire bzw. el compromiso und la cláusula compromisoria die Rede, also von den zwei Formen der Schiedsvereinbarung: der Schiedsklausel und der Schiedsabrede. Auch der in der englischen Fassung gebrauchte Begriff der Submission weist eher auf eine Vereinbarung hin. Weiterer Hinweis ist Art. I I und der darauf Bezug nehmende Art. V Abs. 1 lit. a sowie Art. V Abs. 1 lit. c. Hier geht es ausschließlich um die Anerkennung und die Defekte von Schiedsvereinbarungen. Andere Grundlagen von Schiedssprüchen werden nicht diskutiert. In Art. I Abs. 2 findet sich ein verstecktes Indiz. Hier werden zwar nur ad-hoc- und permanente Schiedsgerichte ausdrücklich in den Geltungsbereich des Übereinkommens einbezogen. Doch stellen die englische, die französische und die spanische Fassung klar, daß permanente Schiedsgerichte solche sind, denen sich die Parteien unterworfen haben („to which the parties have submitted" bzw. „auxquelles les parties se sont soumises" bzw. „a los que las partes se hayan sometido"). Bei statutory arbitrations werden sie hingegen der Gerichtsbarkeit des Spruchkörpers hoheitlich unterworfen. Am deutlichsten ist der Hinweis in Art. I V Abs. 1 lit. b, wonach zur Anerkennung und Vollstreckbarerklärung u.a. die Schiedsvereinbarung vorzulegen ist (engl, „the agreement referred to

162

Diese Bezeichnung wird nach allgemeiner Auffassung auf Privatrechtsakte beschränkt, BGHZ 48, 35 (43); Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025, Rn. 8, § 1048, Rn. 2; Thomas/Putzo, 163

7*

§ 1048, Anm. 1.

So auch BGH NJW 1982, 1224 (1225).

100

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

in article H", frz. „la convention visée en article II", span. „del acuerdo a quel se refiere el articulo H"). Wenn die Anerkennung und Vollstreckung nur bei Vorlage einer Schiedsvereinbarung möglich ist, so kann bei anderer Grundlage eines Schiedsspruchs eine Anerkennung und Vollstreckung nicht erfolgen. Da eine autonome Wortlautinterpretation bereits zu einer eindeutigen Auslegung führt, muß nicht mehr untersucht werden, welche Bedeutung die Begriffe in den Rechtsordnungen haben, die die authentischen Sprachen verwenden. Aus dem Sinn und Zweck des Übereinkommens ergibt sich keine abweichende, aber auch keine verstärkende Auslegung. Sinn des Übereinkommens war es in erster Linie die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen mit internationalem Bezug zu erleichtern. Nun basieren solche Schiedssprüche zwar regelmäßig auf einer Schiedsvereinbarung. Das ist aber nicht zwingend. Eine verstärkende Auslegung ergibt sich aber aus der historischen Auslegung. Bei den Verhandlungen scheint man zwar die Frage der Schiedsverfahren ausschließlich auf gesetzlicher Grundlage nicht diskutiert zu haben. Doch sollte das UN-Ü die Genfer Abkommen ablösen, wie nicht zuletzt in Art. V I I Abs. 2 zum Ausdruck kommt. Diese betrafen aber lediglich auf Schiedsvereinbarungen basierende Schiedssprüche, wie aus der Beschränkung auf Schiedsabreden und Schiedsklauseln in Art. 1 Abs. 1 des Genfer Protokolls vom 24.9.1923 und aus der Formulierung „Schiedsspruch auf Grund einer Schiedsabrede oder einer Schiedsklausel" in Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a des Genfer Abkommens vom 26.9.1927 ergibt. Die Auslegung des UN-Ü führt im wesentlichen zum selben Ergebnis wie die des deutschen autonomen Rechts. Entscheidungen, die ausschließlich auf gesetzlicher Begründung der Zuständigkeit eines Spruchkörpers basieren, sind keine Schiedssprüche i.S.d. Konvention und folglich nicht nach Art. I I I UN-Ü anzuerkennen oder für vollstreckbar zu erklären. Dagegen sind solche Entscheidungen, die ein Schiedsgericht erläßt, das erst entscheiden darf, wenn über ein Gesetz hinaus noch eine privatrechtliche Vereinbarung dies bestimmt hat, Konventionsschiedssprüche. Einziger Unterschied ist, daß Schiedssprüche i.S.d. UN-Ü nur auf Schiedsvereinbarungen beruhen, Schiedssprüche i.S.d. deutschen Rechts, dagegen, auch auf anderen Rechtsgeschäften beruhen können.

3. Einordnung der statutory arbitral awards unter besonderer Berücksichtigung der Entscheidungen des Lands Tribunal Für eine Einordnung der statutory arbitral awards als Schiedssprüche scheint zunächst zu sprechen, daß es keine die Entscheidungsbefugnis des High Court ausschließende Zuständigkeit geben kann. Denn nach s. 4 (1)

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Arbitration Act 1950, der gem. s. 31 desselben Gesetzes auch auf statutory arbitrations anwendbar ist, wird dem klageweise angerufenen High Court ein weitreichendes Ermessen (dazu oben I 2) darüber eingeräumt, ob es die Sache zugunsten eines Schiedsverfahrens aussetzen will. Die sich daraus ergebende konkurrierende Zuständigkeit des High Court wird für das Lands Tribunal 164 ausdrücklich für seine Zuständigkeit nach dem Land of Property Act 1925, s. 84 (1) bestätigt. Allerdings wird die Frage, ob das Verfahren an dem „Schiedsgericht" stattfindet (bzw. dorthin transferiert werden darf), nicht von einem Rechtsgeschäft beeinflußt. Die Zuständigkeit wird ausschließlich durch das Gesetz begründet. Deshalb sind statutory arbitral awards aus deutscher Sicht und aus Sicht des UN-Ü nicht als Schiedssprüche zu behandeln. Eine Ausnahme ist aber bei Verfahren zu machen, bei denen ein aufgrund Gesetzes eingerichtetes „Schiedsgericht" aufgrund einer Schiedsvereinbarung tätig wird, wie dies für das Lands Tribunal in s. 1 (5) Lands Tribunal Act 1949 ausdrücklich zugelassen wird. Hier liegt eine Schiedsvereinbarung zugrunde. Eine Anerkennung und Vollstreckbarerklärung kann demnach nach § 1044 ZPO bzw. nach Art. IV UN-Ü erfolgen. Die allein auf Gesetz beruhenden Entscheidungen solcher Spruchkörper können, da sie keine Schiedssprüche i.S.d. UN-Ü sind, nicht nach diesem Übereinkommen anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden. Nach dem deutschen autonomen Recht kommt aber eine Anerkennung und Exequierung als ausländisches Urteil in Betracht. Es kennt nämlich im hier relevanten Bereich der Rechtsprechung im materiellen Sinne nur zwei Anerkennungsobjekte: Schiedssprüche und Urteile. Üblicherweise wird aber bei Urteilen eine beamtenähnliche, dauernde und vertrauensvolle Stellung des Entscheidenden

164 Dieser Spruchkörper wurde aufgrund des Lands Tribunal Act 1949 geschaffen (s.l (1)). Seine Zusammensetzung bestimmt nach s. 2 (1), (2) im wesentlichen der Lord Chancellor. Ihm steht ein president vor, der ein judicial office innehaben muß oder eine siebenjährige Berufserfahrung als barrister. Weitere Mitglieder müssen entweder ähnlich qualifizierte Juristen (auch solicitors) oder mit Grundevaluation erfahrene Sachverständige sein. Die Zuständigkeit umfaßt im wesentlichen Angelegenheiten, bei denen es um Grundevaluation geht, insb. nach rechtmäßiger Enteignung. Eine Enumeration der Zuständigkeitsbereiche befindet sich in ss. 1, 4 Land Tribunals Act 1949. I.e. besteht die Zuständigkeit nach s. 1 (3) (a) (i) i.V.m. s. 1 Land Compensation Act 1961 (Entschädigung für Grundenteignungen); nach dem Atomic Energy Act 1946, s. 6 (8), Sch. 1, para. 9 (Schadensersatz infolge der Suche nach Mineralien zur friedlichen Nutzung der Kernenergie); nach dem Hill Farming Act 1946 zur Bestimmung der Zwangsmiete bei hoheitlicher Anmietung von Weideflächen aus agrar-, verteidigungs- und bahnverkehrspolitischen Gründen; nach s. 84 (1) Land of Property Act 1925 zur Bestimmung von Landentwicklungskosten bei Anordnung von Nutzungsänderungen, sowie nach der Land Tribunals (War Damage Appeals Jurisdiction) Order 1950 und nach der Land Tribunals (Statutory Undertakers Compensation Jurisdiction) Order 1952.

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2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

erwartet, die hier fehlen kann. Ob dies Voraussetzung der Qualifizierung als Urteil ist, mag dahinstehen. Die Unterschiede zwischen den Versagungsgründen nach § 328 Abs. 1 und § 1044 Abs. 2 ZPO beruhen wesentlich darauf, daß es sich hier um Akte eines ausländischen Hoheitsträgers handelt und dort um die eines aufgrund der Privatautonomie der Parteien zur Entscheidung berufenen Privaten. Dies zeigt sich besonders an § 328 Abs. 1 Nr. 1 (umgekehrte Anwendung der internationalen Zuständigkeitsregeln) und Nr. 5 (Gegenseitigkeitserfordernis) ZPO. Eine privatautonome Unterwerfung beider Parteien unter den Schiedsrichter fehlt sowohl beim staatlichen Richter, als auch bei der statutory arbitration. Diese Parallelität rechtfertigt die analoge Anwendung der Vorschriften zur Wirkungserstreckung ausländischer Urteile, Art. 25 EuGVÜ 1 6 5 , §§ 328, 722 f. ZPO 1 6 6 .

IV. Judicial Arbitration Richter und Gerichtspersonen können unter gewissen Einschränkungen ebenfalls zu Schiedsrichtern ernannt werden. Dabei werden ihnen weitreichende Kompetenzen eingeräumt, die sich aus ihrer Doppelfunktion während eines solchen Verfahrens ergeben. Hier soll die Frage untersucht werden, ob ihre Entscheidungen dann noch als Schiedssprüche gewertet werden können oder ob sie bereits als Urteile oder andere staatliche Akte zu werten sind. Dabei ist nach der urteilenden Person zwischen drei Formen der judicial arbitration zu unterscheiden: Der judge-arbitrator ist Richter am Commercial Court, einem Teil der Queen's Bench Division am High Court; der official referee-arbitrator ist einer von sieben richterähnlichen Angestellten des High Court mit vom Richter delegierten rechtsprechenden Funktionen besonders im privaten Baurecht 167 und die County Court arbitration ist ein Schiedsverfahren aufgrund der Anordnung eines Richters am County Court.

165 Für eine Anerkennung nach dem EuGVÜ bleibt beim Lands Tribunal wohl selten Raum, da es sich bei seinem Zuständigkeitsbereich ganz wesentlich um öffentlichrechtliche Fragen handelt. 166

Ähnlich wohl auch AK-ZPO ! Koch, § 328, Rn. 22, der eine direkte Anwendung der §§ 328, 722 f. ZPO für die Entscheidungen staatlich anerkannter und gebilligter Rabbinats-, Schariats- und Konsistorialgerichte fordert. 167

ness.

Newey, (1991) Arbitration, 151; ausführlich auch Fay, Officiai Referee's Busi-

§ 4 Die englischen Schiedssprüche selbst

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1. Judge-Arbitrator a) Rechtslage Für die Ernennung eines Richters am Commercial Court zum Schiedsrichter ist Voraussetzung, daß er in einer Schiedsvereinbarung nach s. 32 Arbitration Act 1950 (Schriftform) zum Einzelschiedsrichter (sole arbitrator or umpire) 1 6 8 über eine Sache bestellt wurde, die einen handelsrechtlichen Bezug hat (commercial character 169 ), s. 4 (1) Administration of Justice Act 1970. Die Ernennung darf der Richter nach s. 4 (2) nur annehmen, wenn ihn der Lord Chief Justice 170 über seine Verfügbarkeit informiert hat. Vorallem, weil die letzte Anforderung praktisch kaum erfüllt wird, sind Verfahren vor judgearbitrators außerordentlich selten. Gegenüber dem einfachen Schiedsverfahren stehen dem judge-arbitrator viele der schiedsverfahrensbegleitenden und -abschließenden Aufgaben zu, die üblicherweise vom High Court ausgeübt werden. Im übrigen obliegen die gerichtlichen Aufgaben, insbesondere der appeal in Rechtsfragen gem. s. 1 Arbitration Act 1950, s. 4 (5) Administration of Justice Act 1979, direkt dem Court of Appeal 1 7 1 , so daß eine Instanz gespart wird 1 7 2 . Der judge-arbitrator selbst kann insbesondere das Erscheinen von Zeugen, Aussagen an Eides Statt unter Androhung von Zwangsmitteln anordnen, einstweilige Anordnungen treffen, Sch. 3, para. 5 (1) Administration of Justice Act 1970, s. 12 (4), (5), (6) Arbitration Act 1950 und seinen eigenen Schiedsspruch nach s. 26 Arbitration Act 1950 für vollstreckbar erklären, Sch. 3, para. 12 Administration of Justice Act 1970. Die Einrichtung des judge-arbitrators verbindet pragmatisch die Vorzüge des Schiedsverfahrens (die Flexibilität des Verfahrens, der Sachverstand des Schiedsrichters und die beschränkte Überprüfbarkeit des Verfahrens) mit denen des staatlichen Verfahrens (hohe Wahrscheinlichkeit für die Unabhängig-

168

Nicht etwa zu einem unter mehreren Schiedsrichtern.

169

Vgl. dazu Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 265, n. 4.

170

Der Lord Chief Justice of England steht der Queen's Bench Division des High Court vor und gehört ex officio dem Court of Appeal an. 171 Remission und setting aside gem. ss. 22, 23 Arbitration Act 1950 sowie die Common Law Möglichkeiten zur injunction und zum declaratory relief erfolgen gem. Sch. 3, para. 9 (1) bzw. s. 4 (5) Administration of Justice Act 1970 durch den Court of Appeal. 172

Für weitere Hinweise s. die sehr übersichtliche Tabelle bei Mustill Commercial Arbitration, pp. 268-270.

& Boyd,

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2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

keit und juristische Kompetenz des Richters, Konzentration aller prozeßleitenden Maßnahmen beim Spruchkörper und sofortige Titulierung) 173 .

b) Qualifikation Das aus englischer Sicht rein dogmatische Problem der Einordnung eines solchen Verfahrens als staatlich oder als privat stellt sich für die Frage der Vollstreckbarerklärung. Sollen §§ 722 f., 328 ZPO bzw. Art. 25 EuGVÜ oder § 1044 ZPO bzw. Art. I I I UN-Ü angewandt werden? Gegen eine Qualifikation als rein hoheitlich spricht, daß der judge-arbitrator die Entscheidungsbefugnis als solche nicht kraft der hoheitlichen Ernennung erhalten hat, sondern aufgrund der rechtsgeschäftlichen Unterwerfung der Parteien. Soweit ihm aber weitergehende Rechte zustehen als dem einfachen Schiedsrichter, handelt er als Hoheitsträger kraft der Delegation von Rechten über den Administration of Justice Act 1970. Entgegen Schlosser 174 kann der judge-arbitrator deshalb auch nicht als bloßer Privatmann angesehen werden. Vielmehr nimmt er eine Doppelfunktion wahr: Soweit er Aufgaben wahrnimmt, die auch dem „einfachen" Schiedsrichter zustehen, handelt er privatrechtlich, im übrigen hoheitlich. Die hoheitlichen Funktionen des judge-arbitrators betreffen aber nicht die Qualität des Schiedsspruchs. Auch wenn der staatliche Richter am High Court in das „einfache" Schiedsverfahren eingreift, indem er etwa einen Zeugen lädt oder sonstige verfahrensbegleitende Maßnahmen anordnet, bleibt die Entscheidung des privaten Schiedsrichters ein Schiedsspruch. Selbst das Exequatur des Schiedsspruchs ändert an seiner Rechtsnatur nichts. Das Exequatur erfolgt nämlich nicht in demselben Akt wie der Schiedsspruch. Bei Erlaß des Schiedsspruchs handelt der judge-arbitrator mit unbedecktem Haupt. Bei dem Exequatur zieht er sich gewissermaßen die Richterperücke über, handelt er, wenn nicht als Richter, so doch hoheitlich. Dann ist der privatrechtlich entstandene Schiedsspruch aber schon im Raum. Er kann folglich als Schiedsspruch anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden, sowohl nach Art. I I I UN-Ü, als auch nach § 1044 ZPO. 173 174

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 267.

Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 18, 768, im wesentlichen mit dem Argument, die Parteien könnten sich den Richter auswählen. Das spricht jedenfalls nicht gegen die Annahme einer Zwitterstellung. In Stein/Jonas, Anh. § 1044, Rn. 9 argumentiert Schlosser damit, daß der Schiedsspruch des judicial arbitrators mit den üblichen Rechtsbehelfen anfechtbar sei, wenn hierfür auch ausnahmsweise der Court of Appeal zuständig sei. Auch dieses Argument betrifft lediglich die schiedsrichterliche und nicht die richterliche Funktion des judgearbitrators.

§ 4 Die englischen Schiedssprüche selbst

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2. Official Referee-Arbitrator Für die official referee-arbitrators ist vorab darauf hinzuweisen, daß sich die Rechtslage u.a. auf einen Vorschlag des Mustill-Committee zum UncitralModellgesetz hin 1 7 5 zum 1.4.1991 erheblich geändert hat, ss. 99, 100 Courts and Legal Services Act 1990 176 . Sie wurde der Rechtslage bei den judge-arbitrators angepaßt. Daher ist auch hier mangels Genehmigung des Lord Chief Justice, die hier nach s. 99 Courts and Legal Services Act erforderlich ist, nicht von besonders vielen Fällen auszugehen177. Die Einordnung ist hier wie bei den judge-arbitrators vorzunehmen. Auch wenn den official referees hier sehr weitgehende hoheitliche Befugnisse übertragen werden, ändert dies nichts an der Qualifikation ihrer Entscheidungen als Schiedssprüche. Schlosser möchte dagegen aufgrund der fehlenden Auswahlmöglichkeit der Parteien - die official referees werden aufgrund der Geschäftsverteilung nach Rotation tätig - ein staatliches Sonderverfahren annehmen 178 . Diesem Argument ist entgegenzutreten. Bestimmen die Parteien, daß ein Dritter die Ernennung vornehmen soll oder daß der Schiedsrichter aus einer Liste durch Losentscheid ausgewählt werden soll, so begeben sie sich ebenso des Rechts der Wahl eines bestimmten Schiedsrichters. Daß ihnen bei official referee-arbitrators kein Einfluß mehr auf die konkrete Bestimmung eines Schiedsrichters bleibt, ändert an der Qualifikation der Entscheidung nichts.

3. County Court Arbitration County Court Arbitrations sind Schiedsverfahren, die auf Anordnung eines Richters am County Court (und nicht aufgrund einer Schiedsvereinbarung) einem nicht mit dem Richter identischen Schiedsrichter übertragen werden 179 . Sie beruhen daher nicht auf einem Rechtsgeschäft, sondern auf einem Hoheitsakt. Da aber das U N - Ü nur solche Schiedssprüche betrifft, denen eine 175

Fay , Official Referee's Business, p. 131.

176

Ord. 36 r. 5 der RSC ist aufgehoben worden; veraltet daher u.a. Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, pp. 271-274; Fay , Official Referee's Business; zur neuen Rechtslage Newey, (1991) Arbitration, 151. 177 Nach der alten Rechtslage war die Zahl der Fälle bis 1984 recht gering, Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 274. 178 179

Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 18.

County Courts Act 1984, s. 64; County Court Rules, Ord. 19; vgl. dazu Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, pp. 274/275; eine County Court Arbitration betrifft Meyer v. Leanse [1958] 3 A11ER 213 (CA), wo festgestellt wurde, daß die Schiedssprüche eines solchen Spruchkörpers in gleicher Weise binden wie die eines privaten Schiedsrichters.

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2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

Schiedsvereinbarung zugrundeliegt und § 1044 ZPO nur solche, die auf einem Rechtsgeschäft (§§ 1025, 1048 ZPO) beruhen (siehe oben III), scheidet eine Wirkungserstreckung nach diesen Normen aus. Der County Court arbitrator handelt aber als Beliehener. Deshalb kommt eine Anerkennung und Vollstreckbarerklärung analog §§ 328, 722 f. ZPO, Art. 25 EuGVÜ in Betracht (siehe oben HI).

V. Das special case-Verfahren nach s. 21 Arbitration Act 1950 (repealed) und ähnliche Verfahren Ein Hauptgrund der Reform des englischen Schiedsverfahrensrechts im Jahre 1979 war die als zu weitreichend angesehene Rechtskontrolle von Schiedssprüchen. Jede in der Spruchurkunde selbst erkennbare fehlerhafte Anwendung englischen Rechts (error of law on the face of the award) berechtigte nämlich zur Aufhebung des Schiedsspruchs 180. Schiedssprüche wurden deshalb oft entweder überhaupt nicht oder doch außerhalb der eigentlichen Spruchurkunde begründet. Diese Praxis wird auch heute noch, wenn auch in geringerem Maße fortgeführt 181 . U m einer Aufhebung zuvorzukommen, wurde dem Schiedsrichter die Möglichkeit gegeben, dem High Court eine Rechtsfrage zur Beantwortung vorzulegen. Er konnte auch seinen Schiedsspruch alternativ formulieren und von dem Ausgang einer Rechtsprüfung des High Court abhängig machen. Zu diesen Verfahrens- und Spruchgestaltungen konnte er auch auf Anordnung des High Court gezwungen werden, s. 21 Arbitration Act 1950 (repealed) 182 . Diese Rechtslage wurde gründlich geändert und spielt heute keine Rolle mehr 183 . Der Arbitration Act 1979 hat (wie unter § 7 I 3b gezeigt werden wird) die Voraussetzungen für eine inhaltliche Rechtsprüfüng erheblich erschwert. M i t der Behauptung eines Rechtsfehlers kann ein Schiedsspruch mit dem appeal angegriffen werden, s. 1 Arbitration Act 1979. Während des Verfahrens kann mit Zustimmung des Schiedsrichters oder aller Parteien eine rechtliche Vorfrage abgeklärt werden (determination of preliminary point of law by court, s. 2 Arbitration Act 1979). Voraussetzung für beide Verfahrensarten ist insbesondere, daß nicht eine zulässige Ausschlußvereinbarung (exclusion agreement) nach s. 3 Arbitration Act 1979 abgeschlossen wurde. 180

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 448.

181

Vgl. z.B. LMAA-Terms, para. 21.

182

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 448.

183

Das alte Recht bleibt für die Schiedsverfahren, die vor dem 1.8.1979 begannen, maßgeblich, s. 2 Arbitration Act 1979 (Commencement) Order 1979, wenn es nicht gem. s. 3 Arbitration Act 1979 (Commencement) Order 1979 schriftlich zugunsten des neuen Rechts abbedungen wurde.

§ 4 Die englischen Schiedssprüche selbst

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Hinter der alten wie der neuen Rechtslage steht der Grundsatz, daß Schiedsgerichte an das englische materielle Recht gebunden sind. Die lex mercatoria ist erst für ein ausländisches Schiedsverfahren zugelassen worden 184 ; die Figur eines amiable compositeur, der nur nach Treu und Glauben entscheidet, ist bislang nicht zugelassen worden 185 . Aus Sicht des deutschen Rechts und des UN-Ü stellt sich die Frage, ob durch die grundlegende Einflußnahme des Gerichts in einem appeal, einem case stated oder einer determination of preliminary point of law noch ein Schiedsspruch anzunehmen ist. Schlosser möchte dies jedenfalls für § 1044 ZPO verneinen 186. Die vollinhaltliche Verantwortung des Judikats gehe durch die Intervention auf das staatliche Gericht über. Dem kann nicht zugestimmt werden. Die vollinhaltliche Verantwortung für den Schiedsspruch liegt schon deshalb nicht beim High Court, weil dieser den Schiedsspruch nur in Rechts-, nicht in Tatfragen überprüfen darf. Die Fälle des case stated nach dem alten und der determination nach neuem Recht führen lediglich zu einem für das Schiedsgericht verbindlichen Gutachten. Das Judikat bleibt ein solches des Schiedsgerichts, das der action on the award bzw. dem Verfahren nach s. 26 Arbitration Act 1950 offensteht. Ebenso wie nach einem konkreten Normenkontrollverfahren gem. Art. 100 Abs. 1 GG das Urteil ein solches des vorlegenden Fachgerichts bleibt und nicht eines des BVerfG wird, ebenso wie nach einer Vorlage nach Art. 177 Abs. 2, 3 EGV das Urteil ein solches des einzelstaatlichen Gerichts bleibt und nicht eines des EuGH wird, verhält es sich auch hier. Der appeal ist ein Rechtsbehelf. Bei Rechtsbehelfen sind zwei Aspekte zu unterscheiden: zum einen die neue Entscheidung der Rechtsbehelfsinstanz; sie ist stets dieser zuzurechnen. Zum anderen aber die Ausgangsentscheidung; sie kann als Entscheidung der Ausgangsinstanz in der Gestalt, die sie durch die Rechtsbehelfsentscheidung erhalten hat, fortbestehen. Das wird bei § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO deutlich. Neben dem Widerspruchsbescheid, der Rechtsbehelfsentscheidung, bleibt auch der (möglicherweise umgestaltete) Verwaltungsakt als Ausgangsentscheidung bestehen. Beim appeal kann der High Court den Schiedsspruch aufrechterhalten, aufheben (sei es unter Zurückverweisung an das Schiedsgericht, sei es gänzlich) und abändern. Der erste und zweite Fall sind unproblematisch. Hier bleibt der Schiedsspruch als solcher erhalten. Dort bleibt nichts von ihm erhalten. Eine Zurechnungsfrage stellt sich jedenfalls nicht. Problematisch ist

184

Deutsche Schachtbau- und Tiefbohr-GmbH

v. Ras al Khaimah National Oil Co

[1988] 2 AUER 833 (CA). 185 Dazu Mustill & Boyd y Commercial Arbitration, pp. 74-86. 186 Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 769.

108

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

allerdings die Abänderung. Davon wird der High Court nur Gebrauch machen, wenn es bei Zugrundelegung des Schiedsspruchs nur eine rechtmäßige Alternative gibt. Dann nimmt der High Court nur die Entscheidung vorweg, die das Schiedsgericht treffen müßte, wenn das Gericht an es zurückverweisen würde. Das rechtfertigt es auch hier noch von einem Schiedsspruch, in der Gestalt, die er durch die Entscheidung des High Court erhalten hat, auszugehen. Dafür spricht auch, daß eine Vollstreckung nach erfolgloser Einlegung eines appeal noch nicht möglich ist. Dazu ist noch immer die Durchführung eines Verfahrens nach s. 26 Arbitration Act 1950 bzw. die action on the award erforderlich.

VI. Wann ist ein Schiedsspruch ein englischer? 1. Darstellung des Meinungsstreits Die Bestimmung der Nationalität von Schiedssprüchen bereitet spätestens seit der Grundsatzentscheidung des 5. Zivilsenats 187 erhebliche Schwierigkeiten. An Vorschlägen zur Lösung des Problemkreises hat es in der Vergangenheit nicht gefehlt 188 . Heute werden im wesentlichen zwei, in sich zerstrittene Theorien angeboten. Der BGH hat in der Grundsatzentscheidung die heute in Deutschland h.M. begründet, die für die Bestimmung der Nationalität von Schiedssprüchen auf das angewandte Verfahrensrecht anknüpft 189 . Dabei ist streitig, ob es auf das tatsächlich vom Schiedsrichter zugrundegelegte 1 9 0 oder auf das von den Parteien bestimmte Verfahrensrecht ankommen soll 1 9 1 . Der B G H hat diese Frage bislang - entgegen der zuweilen erfolgten

187

BGHZ 21, 365.

188

Dazu im einzelnen etwa v. Beringe, NJW 1959, 78; Wieczorek/Schütze, Anm. F l a . 189

§ 1025,

BGHZ 21, 365 (367); 96, 40 = NJW 1986, 1436; W M 1988, 1178; OLG Köln

KTS 1971, 222 (224); OLG Frankfurta.M. Rn. 4; Baumbach/Lauterbach,

NJW 1984, 2768; Zöller/Gelmer,

§ 1044,

§ 1044, Anm. 1 B; A. Bülow, RiW 1956, 38; Hab-

scheid, ZZP 70 (1957), 36 f.; Baumbach, Das privatrechtliche Schiedsgerichtsverfahren, S. 201; Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, Rn. 616; Triebel/Petzold, RIW 1988, 249; Glossner, Schiedsgericht in der Praxis, S. 109, Rn. 27; Roth, Der Vorbehalt des ordre public, S. 132; Wieczorek/Schütze, § 1025, Anm. F I a 1; AK-ZPO/Röhl, § 1044, Rn. 2; Sandrock, JZ 1986, 372 (allerdings mit Bezugnahme auf das Hauptvertragsrecht für die Wirksamkeit der Schiedsverfahrensvereinbarung); Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozeßrecht, S. 218. 190

191

Baumbach/Lauterbach,

§ 1044, Anm. 1 B.

So etwa Habscheid, ZZP 70 (1957), 36 f.; Zöller/Geimer, § 1044, Rn. 5 f.; A. Bülow, RiW 1956, 38; ähnlich auch Ernemann, Anerkennung und Vollstreckung, S. 52 ff.; in die Richtung wohl auch Roth, Vorbehalt des ordre public, S. 132 f.

§ 4 Die englischen Schiedssprüche selbst

109

Darstellungen in der Literatur - nicht entschieden 192 , auch wenn die verwendeten Begriffe eher eine Neigung zugunsten des tatsächlich angewandten Rechts erkennen lassen 193 . Dieser sog. „prozessualen" Theorie steht die „territoriale" gegenüber 194 . Sie w i l l auf den Sitz des Schiedsgerichts abstellen. Diese in Deutschland nur von einer Minderheit, insb. von F.A. Mann vertretene Lehre 195 ist die weltweit dominierende 196 . Dabei ist streitig, wie der Sitz zu bestimmen ist. Einig ist man sich, was zuweilen verkannt wird, daß es auf den oder die Tagungsorte des Schiedsgerichts nur bedingt ankommen kann 197 . In Deutschland dominiert heute eine Anknüpfung an den Ort, von dem aus das Verfahren im wesentlichen gesteuert wird 1 9 8 . Dabei wird letztlich eine ähnliche Anknüpfung wie die für den Sitzbegriff im deutschen Internationalen Gesellschaftsrecht vorgenommen 199 . Eine andere, aufgrund der Entscheidung des House of Lords in Hiscox v. Outhwaite in England geltende Theorie will auf den Ort der Zeichnung des Schiedsspruchs abstellen 200 . Für ein Scheinproblem hält den gesamten Meinungsstreit Ernemann 201 . Es sei nämlich unstreitig das den Schiedsspruch und das das Schiedsverfahren regierende Recht stets dasselbe. Deshalb könne man auch bei der Sitztheorie von einer Bestimmung der Nationalität der Schiedssprüche über das Schiedsverfahrensrecht sprechen. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Argumentation führt nur zu einer Verlagerung des Problems zur Frage, welches Verfah192

So blieb die Frage in BGHZ 21, 365 (368) dahingestellt, weil der Schiedsrichter sich an die Parteivereinbarung gehalten hatte. 193

Bei BGH WM 1988, 1178 (1179) wurde auf das vom Schiedsgericht zugrundegelegte Verfahrensrecht abgestellt; auf den Meinungsstreit ging das Gericht dabei aber nicht ein. Deshalb kommt insoweit auch eine großzügige Auslegung in Betracht, zumal in BGH NJW 1986, 1436 auf eine stillschweigende Vereinbarung des Schiedsverfahrens abgestellt wurde. 194

Zu weiteren Meinungen Baumbach /Schwab, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 231.

195

FA. Mann, Fs. Oppenhoff, S. 218 f.; ders., Fs. Flume I, S. 598; ders., Liber amicorum for Domke, p. 161; Henn, JPS 1989, 37; ders., Schiedsverfahrensrecht, S. 230 f.; v. Beringe, NJW 1959, 80 f. 196

W.N. etwa bei F.A. Mann, Fs. Opperhoff, S. 220 f.; Sandrock, JZ 1986, 372, Fn. 12. 197 Henn, JPS 1989, 37; F.A. Mann, Fs. Oppenhoff, S. 218; ders., Liber amicorum for Domke, p. 163; das verkennt u.a. v. Beringe, NJW 1959, 81. 198

Henn, JPS 1989, 37; F.A. Mann, Fs. Oppenhoff, S. 218.

199

Henn, JPS 1989, 37; FA. Mann, Fs. Oppenhoff, S. 219.

200

Hiscox v. Outhwaite [1991] 3 AUER 641 (HL) at 643, 646-650 per Lord Oliver; dazu in seiner wohl letzten Publikation abl. FA. Mann, [1992] 108 LQR 6; wie die engl. Rspr. aber schon v. Beringe, NJW 1959, 81. 201

Ernemann, Anerkennung und Vollstreckung, S. 47.

110

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

rensrecht maßgeblich ist 202 . Außerdem ist der Gleichlauf von Schiedsspruchund -verfahrensrecht keineswegs unbestritten 203. So wurde in Hiscox v. Outhwaite ein englisches Schiedsverfahren und ein französischer Spruch angenommen 204 . Allerdings ist die praktische Relevanz der Frage gering. Selten werden das Verfahrensrecht und das Sitzrecht voneinander abweichen. In den zahlreichen Entscheidungen des BGH, des RG und verschiedener OLGe kam es auf den Meinungsstreit bislang nicht an, da das angewandte Verfahrensrecht dem des Schiedsgerichtsorts entsprach 205. Dazu trägt nicht zuletzt bei, daß eine ausdrückliche Verfahrenswahl nur selten vorgenommen wird und die territoriale Theorie für eine konkludente und mutmaßliche Rechtswahl ganz entscheidend auf den Sitz des Schiedsgerichts abstellt 206 . Die vorgebrachten Argumente beider Theorien vermögen nicht zu überzeugen. In der Grundsatzentscheidung wurde die Rechtsprechung damit begrün-

202

So denn auch Ernemann, Anerkennung und Vollstreckung, S. 48 ff. Ernemann, Anerkennung und Vollstreckung, S. 47, Fn. 34 weist selbst auf Schwab, ZZP 89 (1976), 372 hin. 204 Hiscox v. Outhwaite [1991] 3 AUER 641 (HL). 205 In BGHZ 21, 365 wandte der in Stockholm entscheidende Einzelschiedsrichter schwedisches Verfahrensrecht an; in BGH NJW 1986, 1436 tagte das nach deutschem Recht verfahrende Schiedsgericht bei Frankfurt; in BGH WM 1988, 1178 hat der Schiedsrichter in Brüssel belgisches Recht zugrundegelegt; in RGZ 30, 369 hatte das Londoner Schiedsgericht englisches Verfahrensrecht angewandt; das Straßburger Schiedsgericht hatte in RGZ 116, 193 französisches Verfahrensrecht angewandt und das Wiener Schiedsgericht in RG JW 1928, 1223 hatte sein Verfahren nach österreichischem Recht bestimmt; das OLG Köln KTS 1971, 222 nahm bei einem in Belgien nach belgischem Recht verfahrenden und dazu auch verpflichteten Schiedsgericht einen belgischen, das OLG Frankfurt a.M. NJW 1982, 302; NJW 1984, 2768 für ein in Darmstadt und ein in Frankfurt sitzendes IHK-Schiedsgericht, die beide deutsches Rechts angewandt hatten, jeweils einen inländischen Schiedsspruch an. 203

206

Bei institutionellen Schiedsgerichten sei im Grundsatz das Recht am Sitz der Institution maßgeblich, siehe statt aller Lorenz, AcP 157 (1958/59), 271; es sei denn, es erfolge, wie gem. Art. 11 der IHK-SchO, ausdrücklich eine andere Bestimmung; Zöller/Geimer,

§ 1044, Rn. 5; Baumbach/Lauterbach,

§ 1044, Anm. 1 B a; Baum-

bach/Schwab, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 232. Dabei kann nicht oft genug betont werden, daß die IHK-SchO im Zweifel kein a-nationales Verfahrensrecht ist, sondern ein Statut, daß in ein bestimmtes nationales Verfahrensrecht eingegliedert ist, OLG Frankfurt a.M. KTS 1982, 302 (304); NJW 1984, 2768. Bei ad-hoc-Schiedsgerichten wird auf den objektiven Schwerpunkt des Schiedsverfahrens abgestellt, der typischerweise mit dem Sitz (i.S.d. Steuerungsorts) übereinstimmen wird, so auch Zöller/Geimer, § 1044, Rn. 6; v. Hoffmann, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, S. 97 f., 105; differenzierter Baumbach/Lauterbach, § 1044, Anm. 1 B b, und wenn auch im einzelnen nicht immer nachvollziehbar - Baumbach/Schwab, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 233.

§ 4 Die englischen Schiedssprüche selbst

111

det, daß ein Schiedsgericht, das ein bestimmtes Verfahrensrecht anwende, genauso verfahre, wie ein diesem Recht unterstehendes staatliches Gericht 207 . Dem hat Ernemann mit Recht entgegengehalten, daß ein ausländisches Urteil nicht deshalb ausländisch ist, weil es in einem anderen Staat oder aufgrund ausländischen Verfahrensrechts ergeht, sondern deshalb, weil der Spruchkörper seine Entscheidungsbefugnis aus der Hoheitsgewalt eines ausländischen Staates ableitet 208 . Die Entscheidungsbefugnis eines Schiedsgerichts ergibt sich hingegen - im Rahmen des vom jeweils betroffenen Hoheitsträger Zugelassenen - aus der Schiedsvereinbarung 209. Auch aus der Literaturmeinung 210 , wonach die Entscheidungsbefugnis aus der Delegation der hoheitlichen Rechtsprechungsfunktion begründet wird, ergibt sich keine Entscheidung für die eine oder andere Theorie. Selbst wenn Hoheitsbefugnisse verliehen werden, steht damit nur fest, daß ein Hoheitsträger handelt. Hingegen bleibt offen, welcher Hoheitsträger gehandelt hat und wie dieser Hoheitsträger zu bestimmen ist. Soweit der BGH ausführt, ein bei einem französischen Gericht niedergelegter Schiedsspruch könne nicht als deutscher behandelt werden 211 , so kann dem nicht einmal auf der Grundlage der prozessualen Theorie gefolgt werden. Es ist Aufgabe der deutschen Gerichte deutsches Recht anzuwenden. Sie sind nicht an eine - aus Sicht des deutschen Rechts - fehlerhafte Einschätzung der Nationalität des Schiedsspruchs durch die Schiedsparteien und auch nicht an die Beurteilung der französischen Gerichte auf der Grundlage französischen Rechts gebunden. Außerdem hilft dieses Kriterium nicht weiter, wo das betroffene ausländische Recht kein Niederlegungserfordernis kennt, wie dies etwa in England der Fall ist 212 . In der Literatur wird im wesentlichen argumentiert, die territoriale Theorie führe zu einer zufälligen Bestimmung des Schiedsspruchrechts. Es stehe nämlich den Parteien bzw. dem Schiedsgericht frei, einen Schiedsort zu bestimmen 213 . Das gilt aber in gleichem Maße auch für die prozessuale Theorie. Auch nach ihr kommt es nämlich für die Bestimmung des Verfahrensrechts

207

BGHZ 21, 365 (367). Ernemann, Anerkennung und Vollstreckung, S. 50 f. 209 So auch Ernemann, Anerkennung und Vollstreckung, S. 51; w.N. bei Lew, Applicable Law, paras. 69-73. 210 Dazu etwa Lew, Applicable Law, paras. 65-68 m.w.N.; die Rechtsprechung folgt dem nicht, so auch Ernemann, Anerkennung und Vollstreckung, S. 51. 211 BGHZ 21, 365 (367); Baumbach/Schwab, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 231. 212 Abi. zu diesem Kriterium auch v. Beringe, NJW 1959, 81. 213 So etwa Baumbach/Schwab, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 231. 208

112

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

auf die Willkür der Parteien bzw. des Schiedsrichters an 2 1 4 . Es ist deshalb nicht überraschend, daß auch Vertreter der territorialen Theorie der prozessualen den Vorwurf machen, sie sei willkürlich 2 1 5 . Für die territoriale Theorie wird vorgebracht, daß nur der Sitz dem Schiedsgericht eine Beziehung zu einer bestimmten Rechtsordnung vermittele 216 . Das Schiedsgericht bedürfe aber zur Durchführung des Schiedsverfahrens der Verbindung zu einem bestimmten Hoheitsträger. Ihm fehlten nämlich wichtige, zur Durchführung eines rechtsstaatlichen Verfahrens erforderliche Mittel, insb. die Aushilfe durch das staatliche Gericht 217 . Außerdem könne es die Niederlegung nicht vornehmen, und somit fehle die staatliche Formalisierung 218 . Zunächst ist festzuhalten, daß es hier ausschließlich um die Bestimmung der Nationalität des Schiedsspruchs geht. Diese kann sich in der Tat nur nach dem Recht eines Staates ergeben. Daß dieses Recht aber das Recht des Sitzstaates sein muß, ist nicht zwingend. Soweit es um die prozessuale Unterstützung des Schiedsgerichts geht, ist schon nicht zwingend, daß diese in allen Bereichen nur von den Gerichten eines Staates erwirkt werden kann. Man stelle sich vor, ein auf die Errichtung eines Industriekomplexes in Subic Bay gerichteter Vertrag eines amerikanisch-philippinischen joint ventures mit einem schwedischen Bauunternehmen enthalte eine Schiedsklausel, die ein Schiedsgericht mit Sitz in Singapore vorsehe. Wollten die Schiedsrichter das inzwischen an ein belgisches Unternehmen veräußerte Baugelände besichtigen, so wäre es praktikabler, sich an die philippinischen Gerichte zu wenden, wollten sie den Bauleiter des schweizerischen Subunternehmers der Schweden in Bern vernehmen, wäre es einfacher die schweizerischen Gerichte einzuschalten, statt den umständlichen Weg über die singapurianische Justiz einzuschlagen. Ob dies im angesprochenen Fall zulässig ist, werden die philippinischen und schweizerischen Gesetze ergeben. Ein von einer Schiedspartei eines ausländischen Schiedsverfahrens angerufenes deutsches Gericht kann immerhin selbst die Vernehmung des Zeugen bzw. den Augenschein vornehmen, § 1036 ZPO. Ein anderes gilt sicher dann, wenn es um die Ernennung und Ersetzung von Schiedsrichtern geht. Hier kann nur ein Gericht 214 BGH NJW 1986, 1436: Die Parteien hatten nach Übersendung der §§ 1025 ff. ZPO durch das Schiedsgericht der Anwendung deutschen Verfahrensrechts nicht widersprochen. Der BGH nahm eine konkludente Vereinbarung deutschen Verfahrensrechts an. 2,5

Henn, JPS 1989, 37.

216

Herrn, JPS 1989, 37.

217

FA. Mann, Fs. Oppenhoff, S. 219 (unter Hervorhebung der Ernennung, Abberufung und Entscheidung über die Unzulässigkeit des Verfahrens); Henn, JPS 1989, 37. 218

Henn, JPS 1989, 37.

§ 4 Die englischen Schiedssprüche selbst

113

entscheiden. So sprechen denn auch §§ 1029 Abs. 2, 1031 S. 3 ZPO von dem zuständigen Gericht. Die Unterstützung des staatlichen Richters während des Schiedsverfahrens ist aber zur Bestimmung der Nationalität von Schiedssprüchen ungeeignet. Auf die rhetorisch gemeinte Frage F.A.Manns, welches andere Gericht als das am Sitz für die Ausübung justizhoheitlicher Akte in Betracht käme 219 , ist aus Sicht der prozessualen Theorie zu antworten: das nach dem das Schiedsverfahren beherrschende Recht zu bestimmende Gericht, etwa das nach § 1045 ZPO. Die Niederlegung nach einem fremden Recht kann, wie bereits dargestellt, nicht über die Nationalität des Schiedsspruchs nach deutschem Recht bestimmen. Zuweilen wird behauptet, der BGH habe in der Grundsatzentscheidung die „deutlich und betont" der Sitztheorie folgende Rechtsprechung des RG aufgegeben 220 . Daraus kann schon deshalb nichts gewonnen werden, weil die Aufgabe einer obiter-Rechtsprechung durch eine weitere obiter-Entscheidung ohne weiteres zulässig ist. Im übrigen kann aber der Darstellung der reichsgerichtlichen Rechtsprechung nicht gefolgt werden. In der Entscheidung des 1. Zivilsenats aus dem Jahre 1892 221 zu einem Schiedsspruch nach den Regeln der Londoner Kornbörse (wohl LCTA) stellte das RG nicht nur auf den Sitz des Schiedsgerichts, sondern auch darauf ab, daß eine der Schiedsparteien hier ihren Sitz hatte, daß hier der Hauptvertrag zu erfüllen war, daß die Schiedsrichter Engländer waren. Daraus schloß es, daß die Parteien sich in Bezug auf das Schiedsverfahrensrecht dem Recht des Schiedsortes unterwerfen wollten. Deshalb, also wegen der angenommenen Verfahrensrechts wähl, nahm es einen englischen Schiedsspruch an. In einer Entscheidung des 6. Zivilsenats aus 1927 222 wurde für einen Schiedsspruch nach den Regeln der Straßburger Warenbörse die französische Nationalität angenommen. Hier wurde neben des Tagungsortes und des Sitzes der Schiedsinstitution auch auf das am Sitz geltende französische Verfahrensrecht und das anwendbare französische materielle Recht abgestellt. Man mag die Formulierung, daß das Verfahrensrecht sich nach dem Recht des Sitzes bestimme, als den Territorialisten zuneigend ansehen. Doch aus der Sicht der Prozessualisten ergibt sich das Verfahrensrecht bei institutionellen Schiedsgerichten im Zweifel aus dem Sitz der Institution 223 .

219 220 221 222 223

8 Kilgus

F.A. Mann, Fs. Oppenhoff, S. 219. Herrn, JPS 1989, 34; ähnlich auch v. Beringe, NJW 1959, 80. RGZ 30, 369 (371). RGZ 116, 193 (194). Baumbach/Schwab, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 231.

114

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

Der 7. Zivilsenat 224 führte ein Jahr später zu einem Schiedsspruch des Wiener Handelsvereins aus, der Schiedsspruch sei österreichisch, weil das Schiedsgericht eine österreichische Einrichtung sei und weil es sein Verfahren nach dem an seinem Sitz geltenden Recht bestimmt habe. Nicht besonders hilfreich ist auch das gelegentlich vorgebrachte, rechtsvergleichende Argument 225 . Wie bereits angeschnitten, folgen fast alle außerdeutschen Rechtsordnungen, auch die schweizerische und österreichische, der territorialen Theorie 226 . Doch hat die Rechtsvergleichung ein ausgesprochen geringes Gewicht bei der Auslegung von Vorschriften. Nie kann allein wegen der Rechtsvergleichung eine Vorschrift in einer bestimmten Weise ausgelegt werden. Damit soll keinesfalls der Wert der Rechtsvergleichung und der Rechtsvereinheitlichung angezweifelt werden. Es sollen nur deren Grenzen aufgezeigt werden. F.A. Mann hat aber darauf hingewiesen, daß gerade deshalb, weil nur Deutschland der prozessualen Theorie folgt, erhebliche praktische Probleme entstehen. Finde etwa ein Schiedsverfahren in Deutschland nach kanadischem Recht statt, so sei das Schiedsverfahren weder nach deutschem noch nach kanadischem Recht inländisch. Deshalb seien die Parteien weitgehend rechtlos gestellt 227 . Auch sei unklar, welche zwingenden Regeln gälten. So sei etwa zweifelhaft, ob der Schiedsrichter Zeugen beeiden dürfe, was nach kanadischem Recht zulässig ist, nicht aber nach deutschem 228 . Beim Schiedsspruch selbst könnten auch unterschiedliche zwingende Regeln gelte 229 . Auch dieses Argument kann aber bestenfalls unterstützende Bedeutung haben. Gewichtiger ist ein anderes, von F.A. Mann angeführtes Argument. Die Maßgeblichkeit des Sitzes ergäbe sich aus dem hypothetischen Parteiwillen oder - wenn man eine objektive Formel vorziehe - daraus, daß der Sitz der Ort sei, mit dem das Schiedsgericht enger verbunden sei als mit allen anderen 2 3 0 . Allerdings widersprechen sich die Thesen. Folgt man dem subjektiven Ansatz, so kommt es auf den Parteiwillen an, also gerade nicht mehr entscheidend auf den Sitz. Nach dem objektiven Maßstab hingegen kommt es ausschließlich auf den Sitz an. In einer früheren Arbeit hat F.A. Mann denn auch argumentiert, ein Staat verzichte nicht auf seine hoheitlichen Überwa224

RG JW 1928, 1223.

225

v. Beringe, NJW 1959, 80: Die Rspr. des BGH finde im internationalen Vergleich keine Parallele. 226

W.N. etwa bei F.A. Mann, Fs. Opperhoff, S. 220 f.

227

F.A. Mann, Fs. Oppenhoff, S. 216.

228

F.A. Mann, Fs. Oppenhoff, S. 217.

229

F.A. Mann, Fs. Oppenhoff, S. 217.

230

F.A. Mann, Fs. Oppenhoff, S. 219.

§ 4 Die englischen Schiedssprüche selbst

115

chungsrechte über solche Schiedsverfahren, die ihren Sitz auf seinem Territorium haben 231 . Richtig ist daran, daß der Souverän hinsichtlich solcher Schiedssprüche keinen Verzicht übt, die er für seiner Souveränität unterworfen hält. Wie dieser Bezug festzustellen ist, ist aber gerade streitig. Daß das Territorialitätsprinzip nicht unbedingt und stets durchgehalten werden braucht, zeigt der Vergleich mit der Diskussion im Bereich des Internationalen Deliktsrechts 232 .

2. Eigene Stellungnahme Zur Entscheidung des Meinungsstreits ist zunächst festzustellen, daß es zur Bestimmung der Nationalität des Schiedsspruchs ausschließlich auf die lex fori ankommt 233 . Das ergibt sich aus der im Kollisionsrecht dominierenden lex fori-Lehre bei der Qualifikation. Ein Schiedsspruch wird also keinesfalls staatenlos, wenn er aufgrund verschiedener Anknüpfungskriterien in allen relevanten Staaten als ausländisch angesehen wird 2 3 4 . In F.A. Manns deutschkanadischem Fall ist der Schiedsspruch aus Sicht des deutschen Exequaturrichters ein kanadischer. Ob das kanadische Recht dies ebenso sieht, hat den Exequaturrichter nur zu interessieren, wenn nach deutschem Recht der renvoi statthaft wäre. In dem Falle wäre der Schiedsspruch deutsch. Jedenfalls ist der Schiedsspruch aber nicht delokalisiert. Sonach kommt es für die Beurteilung der Nationalität von Schiedssprüchen durch deutsche Richter nur auf deutsches Recht an. Dabei ist folgendes entscheidend: Der Gesetzeswortlaut weist an mehreren Stellen auf die Nationalität von Schiedssprüchen hin, etwa bei § 1044 Abs. 2 Nr. 1, 2. Hs. ZPO 2 3 5 . Danach bestimmt sich die Rechtswirksamkeit von Schiedssprüchen grundsätzlich nach dem Recht, daß für das Schiedsverfahren gilt. Besonders deutlich ist Art. 2 ZustG-UN-Ü 2 3 6 . Danach sind in anderen Konventionsstaaten erlassene Schiedssprüche i.S.d. UN-Ü, die nach deutschem Verfahrensrecht ergingen, aufhebbar im Verfahren nach §§ 1041, 1043, 1045 Abs. 1, 1046 ZPO sind. Da ausländische Schiedssprüche nicht aufhebbar sind, sieht der deutsche Gesetzgeber in ihnen inländische Schiedssprüche. Dabei kommt 231

F.A. Mann, Liber amicorum for Domke, p. 161.

232

Dazu demnächst ausführlich Rohe, Zu den Geltungsgründen des Deliktsstatuts, Diss. (Tübingen) (im Erscheinen). 233

Habscheid, ZZP 70 (1957), 36; Zöller/Geimer, 1956, 38. 234

*

§ 1044, Rn. 4; A. Bülow, RiW

So aber v. Beringe, NJW 1959, 79; Triebet/Petzold,

RIW 1988, 249.

235

A.A., ohne Begründung, v. Beringe, NJW 1959, 79.

236

BGBl. 1961 II 121, abgedruckt in Fn. 4 und 7 zu Jayme/Hausmann, Nr. 124.

116

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

es für die deutsche Anerkennung und Vollstreckbarerklärung nicht darauf an, ob dies völkerrechtskonform ist. Daran kann man angesichts des in Art. I Abs. 1 S. 1 und V Abs. 1 lit. d U N - Ü deutlich bevorzugten territorialen Prinzips zweifeln 237 . Andererseits lassen Art. I Abs. 1 S. 2 und V Abs. 1 lit. e U N - Ü beide Theorien zu. Dem wird man auch mehr Gewicht beimessen müssen 238 . Für die Wirkungserstreckung ist aber nicht das U N - Ü als solches entscheidend, sondern seine innerstaatliche Umsetzung. Ein Völkerrechtsverstoß wäre völkerrechtlich zu sanktionieren. Wegen des Wortlauts ist sonach der prozessualen Theorie zu folgen. Die anderen Argumente vermögen - wie bereits dargestellt - nicht zu überzeugen. Daher bleibt für die Übernahme der Sitztheorie derzeit kein Raum 239 . Dies gilt angesichts des Art. 2 ZustG-UN-Ü aus deutscher Sicht auch für das UN-Ü. Innerhalb der prozessualen Theorie ist nicht auf das tatsächlich angewandte, sondern auf das von den Parteien gewählte Verfahrensrecht oder doch auf das Verfahrensrecht, das die Parteien mutmaßlich gewählt hätten 240 , abzuheben. Allerdings ergibt sich dies nicht aus dem Wortlaut. § 1044 Abs. 2 Nr. 1 2. Hs. ZPO spricht nur von dem „für das Schiedsverfahren geltende[n] Recht", nimmt also im Meinungsstreit eine neutrale Position ein. Für die Gegenmeinung scheint Art. 2 Abs. 1 UN-Ü-ZustG zu stehen, wenn dort von Schiedssprüchen die Rede ist, die „nach deutschem Verfahrensrecht ergangen" sind. Denn das scheint das vom Schiedsrichter angewendete Recht zu sein. Doch beruht die hier vertretene Auffassung gerade darauf, daß der Schiedsspruch nach dem von Parteien gewählten Schiedsverfahrensrecht ergeht, auch wenn der Schiedsrichter ein anderes Recht anwenden sollte. Das ergibt sich einfach daraus, daß das Schiedsgericht seine Entscheidungsbefugnis erst der Vereinbarung der Parteien verdankt. Sie bestimmen daher auch das anwendbare Verfahrensrecht 241. Diesem Gedanken verpflichtet ist auch Art. V Abs. 1 lit. d 2. Hs. UN-Ü, wonach sich das schiedsgerichtliche Verfahren primär aus der Parteivereinbarung ergibt. Ein weiteres Argument ergibt sich aus dem Vergleich mit der staatlichen Gerichtsbarkeit. Hier verleiht der Staat die Entscheidungsbefugnis. Er entscheidet auch über das anwendbare, eigene Prozeßrecht 242. Dem Argument Ernemanns hingegen wonach bei bewußter Abweichung der Schiedsrichter vom Parteiwillen absur-

237

So etwa FA. Mann, Fs. Flume I, 604.

238

A. Bülow, KTS 1959, 5, Fn. 42.

239

Zu Reformüberlegungen Berger, RIW 1993, 8 mit begrüßenswertem Vorschlag, auf den Ort des Schiedsverfahrens abzuheben (a.a.O., 11). 240

Ernemann, Anerkennung und Vollstreckung, S. 54.

241

Ernemann, Anerkennung und Vollstreckung, S. 52.

242

Ernemann, Anerkennung und Vollstreckung, S. 52 f.

§ 5 Das englische Exequatururteil

117

de Ergebnisse erreicht würden 243 , muß die Unterstützung versagt bleiben. Nach der Gegenmeinung ist hier ein klares Ergebnis zu erreichen. Das anwendbare Recht ist nur das von den Schiedsrichtern angewandte. Die Anhänger der Sitztheorie sind abschließend noch auf ein Problem hinzuweisen, das bislang - soweit gesehen - nicKt diskutiert worden ist: Da eine rein objektive Anknüpfung vorgeschlagen wird, ist nicht von vornherein ein renvoi auszuschließen, vgl. Art. 4 Abs. 2 EGBGB. Die Rück- oder Weiterverweisung wird sich nur vermeiden lassen, wenn die indirekte Parteiautonomie durch die Bestimmung des Sitzes des Schiedsgerichts durch die Parteien oder ein sonstiges Kriterium dem Sinn einer Gesamtverweisung entgegenstünde. Aus Sicht der prozessualen Lehre kommt es hierauf nicht an, da die Parteien autonom über das anwendbare Schiedsverfahrensrecht entscheiden können, vgl. Art. 4 Abs. 2 EGBGB.

3. Zusammenfassung Ein Schiedsspruch ist also aus der allein maßgeblichen Sicht des deutschen Rechts ein englischer, wenn das vereinbarte Schiedsverfahrensrecht englisch ist. Dies gilt selbst dann, wenn der Schiedsspruch aus Sicht des englischen Rechts kein englischer ist, weil er nicht in England und Wales ergangen ist. In einem solchen Fall kommt eine Versagung der Wirkungserstreckung aus Gründen englischen Rechts, gem. Art. V Abs. 1 lit. e UN-Ü und § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO also nur in Betracht, wenn eine Wirkungserstreckung als ausländischer Schiedsspruch in England ausscheidet. Dabei sind im wesentlichen die Versagungsgründe der s. 7 des Arbitration Act 1975, der das UN-Ü umsetzt, zu beachten. Hierauf wird im folgenden nicht eingegangen, sondern nur auf solche Schiedssprüche, die sowohl aus Sicht des deutschen als auch aus Sicht des englischen Rechts englische sind.

§ 5 Das englische Exequatururteil I . Problemstellung Ist ein englischer Schiedsspruch bereits in England für vollstreckbar erklärt worden, so stellt sich die Frage, ob die Vollstreckung in Deutschland ein Exequatur des Schiedsspruchs etwa nach § 1044 ZPO oder nach dem UN-Ü voraussetzt oder eine Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des eng-

243

Ernemann, Anerkennung und Vollstreckung, S. 53.

118

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

lischen Exequatururteils 1 etwa gem. §§ 328, 722 ff. ZPO oder gem. Art. 25 ff., 31 ff. EuGVÜ voraussetzt. Der BGH hat 1984 in zwei Entscheidungen zu New Yorker Schiedssprüchen zur Frage Stellung genommen2. Er räumt jedenfalls für das New Yorker Recht dem Gläubiger ein Wahlrecht ein, ob er den ausländischen Schiedsspruch oder das erststaatliche (hier: New Yorker) Exequatururteil für vollstreckbar erklären lassen will. Dies begründet er mit der New Yorker doctrine of merger, wonach der Schiedsspruch seine eigenständige Bedeutung verliere und in das New Yorker Bestätigungsurteil aufgehe. Auch in England gilt die doctrine of merger. Daher ist davon auszugehen, daß der BGH ebenso auch für englische Schiedssprüche entscheiden würde 3. Diese Rechtsprechung ist heftig angegriffen worden und soll im folgenden kritisch hinterfragt werden. Dabei soll zunächst untersucht werden, ob die Voraussetzungen einer Urteilsanerkennung und -vollstreckbarerklärung im Fall der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung englischer Schiedsspruchexequaturen vorliegen (unter II). Dann soll - unter Analyse der englischen doctrine of merger - (unter HI) ermittelt werden, was Inhalt des englischen Exequatururteils ist und was sich daraus für das deutsche Recht ergibt. Die dabei entwickelte These soll anhand einer Reihe von Gegenargumenten (unter IV) überprüft werden. Und schließlich soll (unter V) die Diskussion zur Zulässigkeit des Optionsrechts nach der BGH-Rechtsprechung dargestellt werden.

II. Vorliegen der Exequaturvoraussetzungen bei einem erststaatlichen Exequatururteil zu einem Schiedsspruch Ein Exequatur des Exequatur wäre unzulässig, wenn das erststaatliche (hier: englische) Exequatururteil kein für die zweitstaatliche (hier: deutsche) Vollstreckbarerklärung geeigneter Titel wäre. Anwendbar ist die deutsche lex fori. Danach ist Voraussetzung für die Anerkennung in erster Linie, daß ein Urteil i.S.d. § 328 ZPO, eine Entscheidung i.S.d. Art. 25 EuGVÜ usw. vorliegt.

1

Der gelegentlich hierfür gebrauchte Ausdruck der Doppelexequierung bezeichnet v.a. das Erfordernis des erststaatlichen Exequatur eines Schiedsspruchs für die Vollstreckbarerklärung im Zweitstaat. Er sollte in diesem Zusammenhang vermieden werden und durch den Terminus Exequatur des Exequatur oder entsprechendes ersetzt werden; ebenso auch Matscher, ZZP 86 (1973), 437. 2 BGH RIW 1984, 557 m. Anm. Dielmann; Schütze, 734; Schlosser, IPRax 1985, 141; BGH RIW 1984, 644 m. Anm. Mezger; Schlosser, a.a.O.; zustimmend OLG Hamburg NJW-RR 1992, 568. 3

So auch OLG Hamburg NJW-RR 1992, 568.

§ 5 Das englische Exequatururteil

119

1. Der Schiedsspruch selbst ist kein Urteil Allerdings ist vorab darauf hinzuweisen, daß die Rechtsprechung des RG, wonach der Schiedsspruch kein Urteil und auch nicht durch die erststaatliche Exequierung zu einem solchen wird 4 , mit der hier untersuchten Frage - entgegen der Ansicht des BGH 5 - nichts zu tun hat. Zwar ist der Rechtsprechung, die letztlich auf Überlegungen des ROHG 6 zurückgeht, zuzustimmen. Daß das ausländische Urteil der Anerkennung bedürfe, ist in der Tat Ausdruck der Souveränität des anerkennenden Staates7. Es mag auch richtig sein, daß diese nicht betroffen ist, wenn Private ihre zivilrechtlichen Streitigkeiten unter Ausschluß der ordentlichen Gerichte gewählten Schiedsrichtern zur Entscheidung anvertrauen 8. Es geht aber gar nicht um die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs, sondern um die des erststaatlichen Exequatururteils.

2. Sind „Exequaturbeschlüsse" keine Urteile? Sehr häufig erfolgen Exequaturentscheidungen nicht in einem Ausspruch der dem deutschen Urteil, sondern eher dem Beschluß entspricht. Daher hat Mezger überlegt, ob einem solchen erststaatlichen Beschluß noch die Urteilseigenschaft zukommt9. Das ist jedoch in dem im deutsch-britischen Verkehr dominierenden EuGVÜ ausdrücklich in Art. 25 bejaht worden. Und auch bei § 328 ZPO ist mit Urteil jede Entscheidung eines ausländischen staatlichen Gerichts gemeint, die der materiellen Rechtskraft zugänglich ist 10 . Das ist regelmäßig auch bei Exequaturbeschlüssen der Fall 11 . Auch hierin ist also kein Hindernis gegen ein Exequatur des Exequatur zu sehen.

4

RGZ 5, 397 (399 f.); 30, 368 (369 f.); Stein/Jonas/Münzberg,

§ 722, Rn. 10;

ähnlich die in der französischen Rechtsprechung singuläre Entscheidung des Cour d'appel de Caen Clunet 88 (1961), 144. Das zuweilen ebenfalls zitierte Urteil RG JW 1938, 468 f. betraf hingegen lediglich einen nicht im Erststaat exequierten jugoslawischen Schiedsspruch, bei dem untersucht worden war, ob er nicht ein Zwischengebilde zum Urteil darstelle. 5 BGH RIW 1984, 557. 6 ROHG 10, 391 (396); 17, 425 (427). 7 ROHG 10, 391 (396); 17, 425 (427); bestätigt in RGZ 5, 397 (399). 8 ROHG 10, 391 (396); 17, 425 (427). 9

Mezger, RIW 1984, 647, Fn. la.

10

Schlosser, IPRax 1985, 142; Stein/Jonas /Schumann, § 328, Rn. 103.

11

Schlosser, IPRax 1985, 142; Stein/Jonas/Schumann,

§ 328, Rn. 103.

120

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

3. Eigenschaft eines Sachurteils Vor allem im Bereich Exequatur des Exequatur zu ausländischen Urteilen 12 , vereinzelt auch von Schiedssprüchen 13 wird behauptet, daß Anerkennungsregeln nur für Sachentscheidungen gelten, nicht aber für Prozeßentscheidungen und damit auch nicht für Entscheidungen, die ausländische Entscheidungen anerkennen oder auch nicht anerkennen. Da insoweit keine Unterschiede bestehen, müßte die urteilsbezogene Literatur die These konsequenterweise auch bei Schiedssprüchen anwenden. Doch begegnet die These durchgreifenden Bedenken 14 . Weder ist einzusehen, warum eine Anerkennung nur von Sachentscheidungen statthaft sein soll. Zwar wird bei Prozeßentscheidungen regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Das ist aber noch kein Grund die Statthaftigkeit des Exequatur zu verneinen. Noch ist verständlich, warum Exequatururteile keine Sachurteile sein sollen.

4. Teleologische Reduktion wegen Umgehungstatbeständen Schließlich fragt sich, soweit das EuGVÜ anwendbar ist, ob nicht die Anwendung auf erststaatliche Exequatururteile eine unzulässige Umgehung des Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 EuGVÜ darstellt. Hier schließt das Regelungswerk ausdrücklich eine Anwendbarkeit auf Schiedssprüche aus. Werden nun - wie etwa jüngst in einem Beschluß des OLG Hamburg 15 - erststaatliche Exequatururteile mit der Wirkung anerkannt, daß der Inhalt der Schiedssprüche im Inland vollstreckbar wird, so hat man nicht nur eine „indirekte Möglichkeit" eröffnet, das EuGVÜ der internationalen Vollstreckung von Schiedssprüchen dienstbar zu machen 16 , sondern den Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 EuGVÜ umgangen 17 . 12

Morelli, Diretto processuale civile internazionale, p. 307; Pau, in: Nov. Dig. It. V, p. 372; Szäszy, International Civil Procedure, p. 557; A. Bülow, RabelsZ 38 (1974), 271 (für EuGVÜ); Martiny, in: Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts III 1, Rn. 1-371; MüKo-ZPO/Gottwald, § 328, Rn. 38. 13

Etwa Tribunal de Grande Instance de Meaux RevCrit 1959, 148, die (auch insoweit) vom Cour d'appel de Paris Clunet 87 (1960), 456 aufgehobene erstinstanzliche Entscheidung. 14 Ablehnend auch Bredin, Clunet 87 (1960), 462, der schon an der Definierbarkeit des Sachurteils zweifelt, dann auch daran, daß Exequatururteile keine Sachurteile sein sollen. 15

OLG Hamburg NJW-RR 1992, 568; die Problematik wurde in dem Verfahren nicht gesehen. 16

So Schlosser, IPRax 1985, 142.

17

Daher auch gegen ein Exequatur von Exequaturen in diesem Bereich der Schlos-

§ 5 Das englische Exequatururteil

121

5. Zivil- oder Handelssache i.S.d. EuGVÜ Das EuGVÜ ist aber nicht nur wegen Umgehung des Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 unanwendbar, sondern schon deshalb, weil es sich bei Exequaturen nicht um Zivil- oder Handelssachen handelt, auf die das Übereinkommen nach seiner Bezeichnung sowie nach Art. 1 Abs. 1 S. 1 begrenzt ist. Der Zivilrechtsbegriff ist autonom auszulegen18. Dabei sind, wie sich aus der Art der Einbeziehung („einschließlich") der Kostenfestsetzungsbeschlüsse in Art. 25 ergibt, eigentlich prozessual zu qualifizierende Entscheidungen dann vom EuGVÜ miterfaßt, wenn die Hauptsache eine Zivil- oder Handelssache ist. Nun ist bei dem Exequatur die Hauptsache nicht die ausländische Entscheidung oder der Schiedsspruch, sondern das Exequatur selbst. Diese Entscheidung ist die einzige, die dem inländischen staatlichen Gericht aufgetragen wird. Sie verleiht aber lediglich die Vollstreckbarkeit, enthält also nur hoheitliche Wirkungen.

III. Inhalt des englischen Exequatururteils Für die Frage, ob ein englisches Exequatururteil als solches in der Bundesrepublik für vollstreckbar erklärt werden darf, ist zunächst sein Inhalt entscheidend. Nach seinem Tenor verleiht das Exequatur dem Schiedsspruch nur im Exequaturstaat die Vollstreckbarkeit 19. Das Exequatur dieses Schiedsspruchexequatur hat dann nur die Wirkung für vollstreckbar zu erklären, daß der Schiedsspruch im Erststaat vollstreckbar ist. Ähnlich argumentierte schon das RG zu einem englischen Schiedsspruch: Durch das erststaatliche Exequatur werde der Schiedsspruch nicht diesem Urteil gleichzustellen sein20 .

ser-Bericht (abgedruckt im Anhang V A 3 bei Zöller), Rn. 65; Merkin, Arbitration Law, para. 6.75. 18 EuGH Rspr. 1976, 1541 = NJW 1977, 489 (Eurocontrol/LTU). 19 Insoweit zustimmend auch Schütze, RIW 1984, 734; ähnlich Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 908: Der Inhalt des erststaatlichen Exequatur sei lediglich die Bestätigung seiner Korrektheit nach der lex fori; die dort als Beleg zitierte Sache BGE 93 I 49 enthält die Aussage nicht. 20

RGZ 30, 368 (370).

122

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

Dieser These ist der BGH für das New Yorker Recht 21 und das OLG Hamburg für das englische22 entgegengetreten mit der Begründung, hier gelte die doctrine of merger. Danach gehe der Schiedsspruch in das erststaatliche Exequatururteil auf und verliere seine selbständige Wirkung. Das zeige sich auch daran, daß nach angloamerikanischem Recht nur noch das Gerichtsurteil und nicht mehr der Schiedsspruch zu vollstrecken sei 23 . Dabei stützte man sich auf eine v.a. von Schlosser vertretene Literaturmeinung 24. Diese Auslegung angloamerikanischen Rechts durch den BGH gilt es im folgenden einer Überprüfung zu unterziehen. Dabei soll der besseren Übersichtlichkeit wegen, erst das englische Recht untersucht werden (unter 1 zur doctrine of merger und unter 2 zur - allerdings amerikanischen - Lehre von der confirmation und transformation), bevor (unter 3) die Ergebnisse aus Sicht des deutschen Rechts untersucht werden, in kollisionsrechtlicher Hinsicht (3.a), wie für die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von englischen Exequatururteilen zu englischen Schiedssprüchen (3.b).

1. Die doctrine of merger im englischen Recht a) Res judicata Die doctrine of merger ist die zweite Folge der res judicata neben dem estoppel per rem judicatam 25 . Res judicata ist die abschließende rechtliche Entscheidung eines Spruchkörpers, der für die streitige Angelegenheit und die beteiligten Parteien entscheidungsbefugt war und der ein für allemal die streitige Angelegenheit klärt, sodaß diese nicht nachträglich nochmals zwischen den Parteien und ihren Rechtsnachfolgern aufgeworfen werden kann 26 . Nä21

BGH RIW 1984, 557: Der Versuch des Gerichts auf S. 558 die Aufgabe der Rechtsprechung des RG zu verschleiern, erscheint fragwürdig. Die Prämisse des RG, wonach ein Schiedsspruch kein Urteil sei, sei bei Anwendung der doctrine of merger nicht erfüllt, da der Schiedsspruch im Urteil aufgehe. Zum einen betraf RGZ 30, 368 einen englischen Schiedsspruch, und in England galt schon damals die doctrine of merger. Zum zweiten wird hier auch deutlich die These aufgestellt, daß ein englischer Schiedsspruch nicht mit dem Exequatur gleichzustellen sei. 22 OLG Hamburg NJW-RR 1992, 1468, anders noch YCA IV (1979), 266. 23 Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 908, 915 f.; Mezger, RIW 1984, 647. 24

BGH RIW 1984, 557 (558); Schlosser, IPRax 1985, 141; die gelegentlich in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung des OLG Hamburg YCA IV (1979), 266 ist gegenteiliger Ansicht. 25 Blair v. Curran (1939) 62 CLR 464 (High Court of Australia) at 531/532 per Dixon J; Spencer-Bower & Turner, Res Judicata, paras. 1-3. 26

Spencer-Bower & Turner, Res Judicata, para. 1.

§ 5 Das englische Exequatururteil

123

herungsweise entspricht dem vielleicht der Begriff der rechtskräftigen Entscheidung im deutschen Recht 27 . Nun sollte 28 sehr deutlich zwischen beiden Folgen einer solchen Entscheidung differenziert werden: Zum einen sind die Parteien mit solchen Behauptungen und Einwendungen ausgeschlossen, die Rechts- und Sachfragen widersprechen, die bereits als notwendiger Bestandteil der res judicata festgestellt waren (estoppel per rem judicatam) 29 . Zum anderen wird aber gesagt, daß der materiellrechtliche Anspruch in die res judicata aufgeht und seine selbständige Bedeutung verliert (doctrine of merger in judgment) 30 . Die praktische Folge ist, daß gegen jeden weiteren englischen Prozeß über einen Gegenstand, über den eine englische res judicata besteht, eine prozessuale Einrede besteht (bar or plea of res judicata bzw. im Strafrecht: autrefois convict or acquit) 31 .

b) Doctrine of merger — Allgemeines aa) Dogmatische Begründung bei Urteilen Für die doctrine of merger gibt es drei, nebeneinander angewandte Erklärungsansätze 32. Zum einen wird mit der public policy argumentiert. Es läge im Gemeinwohlinteresse, daß schnell und abschließend über Streitigkeiten entschieden werde (interest reipublicae ut sit finis litium) 3 3 . Neben der friedensstiftenden Funktion des Urteils soll so auch das Ansehen der Rechtspflege geschützt werden, die gefährdet wäre, wenn immer wieder über dieselbe Sache entschieden werden müßte, womöglich mit abweichenden Ergebnis-

27 So auch OLG Hamburg YCA IV (1979), 266; Haas, Anerkennung und Vollstreckung, 141. 28

Spencer-Bower & Turner, Res Judicata, para. 5, nn. 2, 3 weisen indes eine Reihe von Verstößen gegen die klaren Begrifflichkeiten nach. 29

Spencer-Bower & Turner, zu und im Anschluß an para. 9. 30

Spencer-Bower Blair v. Curran J; Spencer-Bower & 32 Spencer-Bower 31

Res Judicata, paras. 2, 9 mit zahlreichen Nachweisen

& Turner, Res Judicata, paras. 3, 423. (1939) 62 CLR 464 (High Court of Australia) at 532 per Dixon Turner, Res Judicata, para. 3. & Turner, Res Judicata, paras. 425-427 m.v.w.N.

33 Green v. Weatherill [1929] 2 Ch 213 at 221 per Maugham J: „On the other hand the plea of res judicata is not a technical doctrine , but a fundamental doctrine based on the view that there must be an end to litigation." So auch zum amerikanischen Recht Comment, UPaLRev 234 (1975). 34

Brinsmead v. Harrison (1872) LR 7 CP 547 (ExCh) at 551 /552 per Kelly CB.

124

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

Zweitens wird mit der individuellen Gerechtigkeit (private justice) argumentiert. Der einzelne Kläger soll nicht zwei Titel erhalten, wo er nur einen Anspruch behauptet (nemo debet bis vexari pro una et eadem causa)35. Und schließlich stellt man sich vor, daß der materiellrechtliche Anspruch seine individuelle Gestalt verliert, sobald über ihn ein Urteil gesprochen wird (transit in rem judicatam) 36 . Grund hierfür ist die Vorstellung, daß jeder englische gerichtliche Spruch einer höheren Stufe angehört oder doch eine höhere Sicherheit bietet 37 als ein bloß materiellrechtlicher Anspruch 38. SpencerBower & Turner weisen denn auch auf den starken Einfluß der scholastischen Metaphysik hin 39 . Dennoch ist der Ansatz auch heute sehr populär, weil er anschaulich ist und sich mit ihm alle Fallvarianten erklären lassen, die einheitlich gelöst werden 40. bb) Reichweite der doctrine of merger Das betrifft in besonderem Maße die Frage nach der Anwendbarkeit der Doktrin auf ausländische Urteile. Sie wird nämlich - was sich nur aus der dritten Begründung ergeben kann - verneint 41. Die besondere Dignität kommt nämlich nur englischen Urteilen zu 42 . Daher kann auch nachdem ein ausländisches Urteil ergangen ist, ja selbst ein Urteil einer Ihrer Majestät Richter in den verbliebenen Kolonien 43 der materiellrechtliche Anspruch weiterhin in 35

Workington

Harbour & Dock Board v. Trade Indemnity

Co Ltd (No 2) [1938] 2

AUER 101 at 106 per Atkin LJ (as he then was); im Strafrecht ähnlich: Wemyss v. Hopkins (1875) LR 10 QB 378 at 381/382 per Blackburn J, at 382 per Lush J and at 382 per Field J. 36 Kendall v. Hamilton (1879) 4 AppCas 504 at 526 per Penzance LJ, und im Strafrecht Wemyss v. Hopkins (1875) LR 10 QB 378 at 381/382 per Blackburn J, and at 382 per Lush and Field JJ. 37

HE Daniels Ltd v. Carmel Exporters

and Importers Ltd [1953] 2 QB 242 at 255

per Pilcher J. 38 S.o. Fn. 36. 39 Spencer-Bower & Turner, Res Judicata, para. 427. 40 Spencer-Bower & Turner, Res Judicata, paras. 427, 436-438, 464/465. 41

In re Henderson, Nouvion v. Freeman (1887) 37 ChD 244 (CA) at 250 per Cotton LJ; Carl-Zeiss-Stiftung v. Rayner and Keeler Ltd (No 2) [1967] AC 853 at 855. 42

Spencer-Bower & Turner , Res Judicata, para. 436: „A foreign judgment is not deemed of a higher nature than the original cause of action, as is an English judgment: therefore no such judgment operates as a merger ..." 43 Spencer-Bower & Turner , Res Judicata, para. 437; für Schottland und Nordirland würde wohl dasselbe gelten, bestünde nicht eine gesetzliche Regelung, die bewirkt, daß solche Urteile anerkannt sind und zur Vollstreckbarkeit nur einer Registrierung bedürfen.

§ 5 Das englische Exequaturteil

125

England eingeklagt werden 44. Ein Anspruchsverbrauch tritt - soweit die doctrine of merger gilt - nur im Gerichtsstaat selbst ein 45 . Im übrigen behält der Anspruch seine Wirkung.

cc) doctrine of merger bei Schiedssprüchen Einen weitergehenden Respekt finden ausländische Schiedssprüche. Zwar erhält der Gläubiger mit dem Schiedsspruch einen neuen klagbaren Anspruch, der den im Schiedsverfahren eingeforderten ersetzt. Dabei liegt der Grund des Anspruchs darin, daß jeder Schiedsvertrag das stillschweigende Versprechen enthält, daß die Parteien den Schiedsspruch befolgen werden 46. Er verliert auch das Recht, den im Schiedsverfahren eingeforderten Anspruch nochmals - sei es vor einem anderen Schiedsgericht, sei es vor einem staatlichen Gericht - geltend zu machen. Die theoretische Grundlage für diese Folge ist aber wohl eine andere. Die doctrine of merger mit dem Ansatz, daß die Entscheidung eine höhere Sicherheit bietet und größere Dignität besitze, paßt für Schiedssprüche gerade nicht 47 , weil bestimmte formale Verträge sicherer sind als ein formloser Schiedsspruch. Der heute vorherrschende Begründungsansatz48 sieht deshalb im Schiedsspruch aufgrund vertraglicher Unterwerfung 49 eine Form des accord and satisfaction 50, also eine Form nachträglicher vertraglicher An44

Spencer-Bower & Turner, Res Judicata, para. 436 m.w.N. in n. 5; eine Ausnahme gilt allerdings dann, wenn aus dem ausländischen Urteil bereits vollstreckt wurde, Taylor v. Hollard [1902] 1 KB 676 at 681 per Jelf J (Urteil aus dem Transvaal). Aus Sicht des deutschen Rechts wäre dies die Einwendung der (zwangsweisen) Erfüllung. 45 Spencer-Bower & Turner, Res Judicata, para. 438 m.w.N. in n. 1; Dicey & Morris, Conflict of Laws, p. 1077; OLG Hamburg YCA IV (1979), 268 unter Berufung auf das Gutachten von Antony Walton, dem Mitverfasser von Russell on Arbitration. 46

Bremer Oeltransport

GmbH v. Drewry

[1933] 1 KB 753 (CA) at 759 per Slesser

LJ. 47

Zweifelnd auch HE Daniels Ltd v. Carmel Exporters

and Importers Ltd [1953] 2

QB 242 at 255 per Pilcher J (as he then was). Allerdings ist man sich über die Anwendung der doctrine of merger bei Urteilen, die Schiedssprüche für vollstreckbar erklären, einig, vgl. Gabela v. Aris (Owners) (1927) 29 LILRep 289 at 291 per Sherman J („this award has passed away in the judgment"). 48 HE Daniels Ltd v. Carmel Exporters and Importers Ltd [1953] 2 QB 242 at 244 per Lord Goddard CJ; FJ Bloemen Pty Ltd v. Council of the City of Gold Coast

[1973] AC 115 (PC, Queensland) at 126 per Lord Pearson. 49

Moakes v. Blackwell

Colliery

Co Ltd [1917] 1 KB 565 (CA) zu Workmen's

Compensation Rules, r. 82. 50 Insg. m.w.N. Jowitt y vol. 1, pp. 22/23. Zweifelhaft ist nun, worin beim Schiedsspruch die consideration liegt. Dazu im Text.

126

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

spruchsgestaltung, die meist der deutschen Leistung erfüllungshalber entspricht. Hat die eine Partei einen Anspruch (right of action) gegen die andere, so können sich beide darauf einigen (accord), daß der Anspruchsberechtigte eine bestimmte Leistung erhält. Die consideration liegt dann in der Erbringung (satisfaction) dieser Leistung. Accord and satisfaction stellen ein Hindernis für den ursprünglichen Anspruch dar. Zwar paßt das Institut nicht exakt auf den Schiedsspruch. Die Abweichungen werden aber letztlich hingenommen51. Damit hat mindestens ein inländischer Schiedsspruch dieselbe Wirkung wie eine res judicata 52 . Über den Ausgangsanspruch darf wegen der - mit der doctrine of merger vergleichbaren - Theorie des accord and satisfaction nicht nochmals entschieden werden 53. Beide Schiedsparteien verlieren das Recht, Aspekte des Streitstoffs, über die der Schiedsrichter entschieden hat 54 oder entscheiden durfte 55 , die Parteien es aber versäumten, sie vorzulegen 56, nochmals aufzubringen 57. Tat- und Rechtsfragen, über die der Schiedsrichter notwendigerweise entscheiden mußte, um zu seinem Spruch zu kommen, können zwischen den Parteien nicht mehr streitig gestellt werden 58. Da nun auch ausländische Schiedssprüche in der Schiedsvereinbarung stillschweigend die Bestimmung (implied contention) enthalten, der Schieds-

51 Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 410 mit Hinweis auf Purslow v. Baily (1705) 2 LdRaym 1039 für die Frage, wo beim Schiedsspruch die consideration liegt, wo doch der Schiedsspruch noch nicht erfüllt ist. 52 So im Ergebnis auch Ayscough v. Sheed Thomson and Co Ltd (1923) 129 LT

429 (CA); HE Daniels Ltd v. Carmel Exporters

and Importers

Ltd [1953] 2 QB 242

at 255 per Pilcher J (as he then was); Gueret v. Audouy (1893) 62 LJ QB 633 at 635 per Lopes LJ and at 637 per AL Smith LJ (as he then was). 53 Das geschieht besonders dann gem, wenn der eingeforderte Schaden größer ist, als im ersten Verfahren angenommen, Conquer v. Boot [1928] 2 KB 336. 54 So ist über eine action in personam nicht entschieden, wenn der Schiedsrichter über die action in rem, also die schiffsbezogene Klage im englischen Seehandelsrecht, entschieden hatte, The Rena K [1978] 1 Lloyd's Rep 545 at 560 per Brandon J (as he then was). 55 Gueret v. Audouy (1893) 62 LJQB 633. 56

Fidelitas

57

Ayscough v. Sheed Thomson and Co Ltd (1924) 129 LTR 429 (CA) at 430 per

Shipping Co Ltd v. V/O Exportchleb

[1965] 1 Lloyd's Rep 223.

Banks J. 58

Gueret v. Audouy (1893) 62 LJQB 633; Fidelitas

Shipping Co Ltd v. V/O

Ex-

portchleb [1965] 1 Lloyd's Rep 223 at 231 per Diplock LJ (as he then was). Hier findet dann auch der feststellende Schiedsspruch seine praktische Auswirkung: Über die festgestellte Sachlage kann nicht mehr gestritten werden, FJ Bioemen Pty Ltd v. Council of the City of Gold Coast [1973] AC 115 (PC, Queensland) at 126 per Lord

Pearson.

§ 5 Das englische Exequatururteil

127

spruch sei zu befolgen 59 , gelten bei ihnen dieselben Grundsätze wie bei englischen Schiedssprüchen 60.

dd) Extraterritoriale Wirkung der doctrine of merger bei englischen Urteilen? Die Frage ist aber, ob englische Urteile auch für sich beanspruchen, außerhalb Englands den Hauptanspruch zu verbrauchen. Das wird - soweit ersichtlich - nirgends ausdrücklich gesagt. Allerdings wurde in Bayley v. Edwards 1792 englischen Urteilen auch die Dignität zugesprochen, in den Kolonien Ansprüche zu verbrauchen 61. Es wurde aber schon 1969 bezweifelt, daß englische Urteile diese Wirkung in den Dominions 62 haben würden 63 . Wenn schon in diesen noch verhältnismäßig eng an England haftenden Gebieten die merger-Wirkung ausgeschlossen wird, um wieviel eher muß dies dann im Ausland gelten. Auch wäre eine extraterritoriale Wirkung kaum verständlich, wenn man umgekehrt ausländischen Urteilen in England die res judicata Wirkung versagt 64. Hinzu kommt, daß in common law Staaten, in denen die doctrine of merger befolgt wird, der im - gleichfalls der merger-Lehre unterworfenen - Heimatstaat anerkannte Schiedsspruch einer nochmaligen Exequierung für zu-

59

Dicta in Bremer Oeltransport GmbH v. Drewry [1933] 1 KB 753 (CA) at 761 per Slesser LJ; FJ Bioemen Pty Ltd v. Council of the City of Gold Coast [1973] AC

115 (PC, Queensland) at 126 per Lord Pearson. 60

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 415.

61

Bayley v. Edwards

(1792) 3 Swan. 703 zit. nach Spencer-Bower & Turner,

Res

Judicta, para. 438, n.2. 62 Das waren 1926 Kanada, Australien, Neuseeland, Südafrika, das 1961 aus dem Commonwealth ausschied, der Irische Freistaat, der 1949 als Republik Irland aus dem Commonwealth ausschied, und Neufundland, das sich nach dem finanziellen Zusammenbruch 1933 1949 als zehnte Provinz Kanada anschloß. Nach dem Balfour Report 1926 (Report of the Inter-Imperial Relations Committee, Cmnd. 2768, p. 14, zit. nach de Smith, s. a.E. der Fn.) waren die Dominions und das Vereinigte Königreich „equal in status, in no way subordinate one to another in any aspect of their domestic or external affairs, though united by a common allegiance to the Crown". Doch wurde Kanada erst 1982 völlig unabhängig; Australien ist noch immer nicht völlig frei von gewissen britischen Rechten; vgl. de Smith, Constitutional and Administrative Law, pp. 661 -665. 63 64

Spencer-Bower & Turner, Res Judicata, para. 438.

In re Henderson, Nouvion v. Freeman (1887) 37 ChD 244 (CA) at 250 per Cotton LJ; Carl-Zeiss-Stiftung v. Rayner and Keeler Ltd (No 2) [1967] AC 853 (HL) at

855.

128

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

gänglich erachtet wird. So haben der Supreme Court New York County 65 und der High Court of Dehli 6 6 jeweils einen in England exequierten englischen Schiedsspruch nochmals für vollstreckbar erklärt. Gelegentlich wird aber die New Yorker Entscheidung in Spring Cotton v. Buster Boy 67 als Indiz für eine Gegenmeinung zitiert. Hier ging es um die Bedeutung eines New Yorker Exequatur über einen New Yorker Schiedsspruch 68 für die Zulässigkeit eines Schiedsverfahrens zum selben Streitgegenstand. Die „Rechtskraftwirkung" stand der erneuten Entscheidung entgegen. Es ging hier also nicht um einen ausländischen Schiedsspruch. Das Urteil trägt zum hier relevanten Meinungsstreit nichts bei. Schließlich ist die doctrine of merger j a nicht auf Exequatururteile zu Schiedssprüchen beschränkt. Sie greift ebenso, wo über einfache bürgerlichrechtliche Ansprüche entschieden wird und auch wo ausländische Urteile exequiert werden 69 . Behauptet man eine Geltung über den Exequaturstaat hinaus, so erhält man ganz unsinnige Ergebnisse. Ein im Erststaat ergangenes und in England für vollstreckbar erklärtes Urteil, könnte nicht einmal mehr im Erststaat vollstreckt werden, wenn es mit extraterritorialer Wirkung in das englische Exequatururteil aufgegangen wäre. Es könnte nur noch das englische Exequatururteil vollstreckt werden. Und das wäre natürlich erst möglich, nachdem dieses - im Erststaat - für vollstreckbar erklärt worden war 70 . A l l dies sind aber lediglich Indizien. Die Antwort auf die Frage nach der extraterritorialen Wirkung englischer Schiedssprüche liegt im Völkerrecht, und zwar bei der Souveränität des Vollstreckungsstaates. Es gehört zu den Souveränitätsrechten eines Staates, durch seine Organe feststellen zu lassen, ob ein materiellrechtlicher Anspruch, der im Inland vollstreckt werden soll,

65

Oilcakes and Oilseeds Trading

Co. Ltd. v. Sinason Teicher Inter American Grain

Corp. 170 NYS 2d 378, 379/380 (NY SupiCt, 1958). 66

COSID v. Steel Authority

of India Ltd. YCA X I (1986), 502 at 505 (HC Dehli)

m.w.N. 67

Spring Cotton Mills v. Buster Boy Suit Co. 88 NYS 2d 295 aff d 300 NY 586

(NY SuprCt, 1949); so auch Domke & miner , Commercial Arbitration, § 39.02. 68

Die Nationalität des Spruchs wird nicht bezeichnet, daher ist von einer inländischen Entscheidung auszugehen. 69 Spencer-Bower & Turner, Res Judicata, para. 92: Das ausländische Urteil geht im Anerkennungsurteil auf. In diesem Sinne sind übrigens auch Entscheidungen aus Nordirland und Schottland ausländisch. Hier ist allerdings keine Klage aus dem ausländischen Urteil erforderlich, vielmehr genügt nach dem Judgments Extension Act 1868 die Registrierung des Urteils. 70

Weitere Konstellationen aus dem amerikanischen Recht in Comment, 124 UPaLRev 239-248 (1975).

§ 5 Das englische Exequatururteil

129

besteht oder nicht 71 . Würde über die Frage des Bestehens eines derartigen Anspruchs ein ausländisches Gericht abschließend entscheiden, so läge es in der Hand des Auslands, ob die inländischen Vollstreckungsorgane tätig werden können. Es liegt in der Macht eines Staates, die Vollstreckung aus ausländischen Urteilen insgesamt zu verbieten. Der Wille eine international abschließende Entscheidung zu fällen, verstieße also gegen die völkerrechtliche Souveränität des Vollstreckungsstaates 72. Deshalb ist nicht davon auszugehen, daß das englische Recht eine derartige Regelung enthält 73 .

2. Confirmation and transformation in judgment im amerikanischen Recht Nun weisen aber der B G H 7 4 und Schlosser 75 auf die amerikanische Praxis hin, wonach nur noch das Exequatururteil und nicht mehr der Schiedsspruch zu vollstrecken ist 76 . Das ist folgendermaßen zu verstehen. In den USA gibt es neben der action on the award 77 auf Bundesebene und in bestimmten Einzelstaaten, u.a. in New York, formellgesetzliche Verfahren, durch die der Schiedsspruch bestätigt und in ein Urteil umgewandelt wird (confirmation and transformation in judgment) 78 . Nach der Umwandlung ist nach amerikanischer Sicht der Dinge der Schiedsspruch ein Urteil geworden, § 13 Federal Arbitration Act 7 9 . Ein ähnliches Verfahren besteht im zweiten Fall der s. 26 (1) Arbitration Act 1950 im englischen Recht. Danach kann der Gläubiger neben der bloßen Vollstreckbarerklärung (order giving leave to enforce the award in the same manner as a judgment) auch ein Urteil mit dem Inhalt des Schiedspruchs (judgment in terms of the award) wählen. Bestenfalls das letztere entspricht

71

So schon ROHG 10, 391 (396); 17, 425 (427); RGZ 5, 397 (399).

72

Bei Schiedssprüchen ist dies anders. Hier wird nicht der ausländische Souverän, sondern die Schiedsparteien, also Private, tätig. Ein Eingriff in Souveränitätsrechte ist daher weniger drastisch. Das ROHG 10, 391 (396); 17, 425 (427) sah die Souveränität überhaupt nicht als betroffen an. 73 Im Ergebnis ebenso auch van den Berg, YCA XII (1987) 409; OLG Hamburg YCA IV (1979), 268. 74

BGH RIW 1984, 557 (558), s.o. vor 1.

75

Schlosser, IPRax 1985, 141.

76

Dazu Domke on Commercial Arbitration, § 37:00.

77

Dazu Domke on Commercial Arbitration, § 37:01; Harnik, Schiedsgerichtsbarkeit in den USA, ZRvgl 1964, 136. 78

Domke on Commercial Arbitration, § 37:02, p. 497.

79

Holtzmann, YCA II (1977), 136.

9 Kilgus

130

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

den Vorstellungen des BGH. Es darf aber nur verwendet werden, wo ein Urteil erforderlich ist. Mustill & Boyd 8 0 nennen zwei Fälle: zum einen, um eine Forderung gegen den Gemeinschuldner im Konkurs notieren zu können 81 und zum anderen, um - wo das betreffende ausländische Recht ein Urteil fordert - eine Anerkennung des Schiedsspruchs im Ausland zu erreichen. Da nach deutschem Recht eine Vollstreckbarerklärung gem. U N - Ü und gem. § 1044 in Betracht kommt, wird im anglo-deutschen Rechtsverkehr praktisch nur die erste Alternative des s. 26 (1) vorkommen 82 . Darauf kommt es aber letztlich nicht an. Die souveränitätsbezogene Argumentation führt zu einer Beschränkung der Wirkung der Vollstreckbarerklärung auf das Territorium des Erststaats, ganz gleich in welcher Form sie ergeht, ob als einfache Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs selbst oder als Umwandlung in ein Urteil. Es sei allerdings darauf hingewiesen, daß Florida ausdrücklich eine Exequatur des erststaatlichen Schiedsspruch-Exequatur zugelassen hat, vgl. Fla. Stats. Ann. § 682.18 (2) 83 . Doch wird in der amerikanischen Literatur bezweifelt, daß eine einzelstaatliche Kompetenz zur Regelung des Exequatur von Schiedsspruchexequaturen besteht84. Hier wird auch keinesfalls einhellig die Auffassung vertreten, daß ein Exequatur des Exequatur zulässig ist 8 5 . Dagegen wird insbesondere vorgebracht, daß ein nicht vollstreckbarer Schiedsspruch nicht über ein vollstreckbares Exequatururteil doch zur Vollstreckbarkeit gebracht werden kann 86 . Hervorzuheben ist zu dieser Problematik noch, daß sie von der doctrine of merger im englischen Sinne unabhängig ist. Es geht hier nicht um die Frage, ob und inwieweit ein Exequaturentscheid den Anspruch aus dem Schiedsvertrag auf Befolgung des Schiedsspruchs rechtskräftig werden läßt, sondern um

80

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, pp. 418/419.

81

Vgl. dazu Re A Bancruptcy Notice [1907] 1 KB 478 (CA) at 481 per Vaughan Williams LJ zu s. 12 Arbitration Act 1889, s. 4 (l)(g) Bancruptcy Act 1883. 82 Diese Überlegungen gelten gleichermaßen für das summarische Verfahren nach s. 26 Arbitration Act 1950 wie für das common law-Verfahren der action on the award, denn ersteres ist in der Sache nur eine abgekürzte action on the award, Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 419. 83 Darauf hat Borris , Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit in den USA, Rn. 371 f. hingewiesen. 84

Abi. etwa Comment, 124 UPaLRev 236 (1975).

85

Abi. etwa Comment, 124 UPaLRev 236 (1975).

86

Comment, 124 UPaLRev 240 - 247 (1975).

§ 5 Das englische Exequatururteil

131

die Umwandlung des Schiedsspruchs in ein Urteil, um die transformation, das „entering judgment on the award" 87 .

3. Auswirkungen im deutschen Recht a) Kollisionsrecht Nun aber zur Frage, welche Auswirkung das englische Recht für die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von englischen Schiedsspruchexequaturen hat. Dazu ist vorab zu klären, welches Recht die Wirkungen eines englischen Schiedsspruchs und eines dazu ergangenen englischen Exequatururteils nach deutschem Kollisionsrecht regiert. Dabei geht es um die Frage, ob der Hauptanspruch durch Erlaß des Schiedsspruchs erlischt und um die, ob der Schiedsspruch durch das erststaatliche Exequatur erlischt. Erlöschensgründe sind selbständig zu qualifizieren, nicht ebenso wie der Hauptanspruch 88. Beim Hauptanspruch liegt der Erlöschensgrund im Schiedsspruch; beim Schiedsspruch im erststaatlichen Urteil 89 . Daher ist im Rahmen dieser Arbeit auf die Erlöschensgründe englisches Recht anwendbar. Haas will dieses Ergebnis aber nicht gelten lassen. Zwar entscheide jeder Staat selbst, welche Folgen er an ein den Schiedsspruch bestätigendes Exequatururteil knüpfe. Diese Folgen könnten aber nur insoweit anerkannt werden, als sie im Zweitstaat bekannt seien. Die doctrine of merger ist in Deutschland und generell außerhalb des common law-Bereichs nicht bekannt. Sie könne daher hier auch keine Wirkung entfalten 90 . Er übersieht allerdings, daß die doctrine of merger nicht die Folge des Exequatururteils ist, sondern nur die Begründung hierfür. Folge des Exequatururteils ist nämlich die Wirkungslosigkeit des Schiedsspruchs mindestens im Erststaat. Daß ein Schiedsspruch wirkungslos werden kann, daß nicht mehr aus ihm vollstreckt werden kann, ist nun aber durchaus eine Folge, die dem deutschen Recht bekannt ist.

87 Holtzmann, YCA II (1977) 135/136; mißverständlich insoweit Borris, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit in den USA, Rn. 327. 88 Besonders gründlich geregelt ist im deutschen IPR allein das „Vertragsverhältnis" der Ehe; der Aufhebungsgrund der Scheidung erfährt hier eine selbständige Regelung. 89

Ebenso Schütze, in: Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, Rn. 637, und insoweit auch Haas, Anerkennung und Vollstreckung, S. 141. 90

9*

Haas, Anerkennung und Vollstreckung, S. 141.

132

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

b) Auswirkungen auf das Exequatur von englischen Schiedsspruchexequaturen aa) Merger in award Nach englischem Schiedsspruchstatut geht aufgrund der doctrine of merger bzw. dem accord and satisfaction zunächst der eingeforderte materiellrechtliche Anspruch im wirksamen Schiedsspruch auf. Es darf also nunmehr keine erneute Klage aus diesem Anspruch erhoben werden und zwar weder vor einem staatlichen noch vor einem Schiedsgericht. Übrig bleibt nun nur noch der Anspruch aus der Schiedsvereinbarung sowie aus dem Schiedsspruch selbst auf Leistung des durch den Schiedsspruch zugewiesenen. Hinsichtlich des Schiedsspruchs beansprucht die doctrine of merger auch Geltung außerhalb Englands; eine territoriale Begrenzung der Wirkung findet nicht statt. Der Hauptanspruch geht mithin in den wirksamen englischen Schiedsspruch ein. bb) Merger in judgment Das erststaatlich englische Exequatururteil wird von der lex fori, also dem englischen Recht regiert. Die doctrine of merger darf aber - wie oben dargelegt - bei völkerrechtskonformer Auslegung keine Geltung im Ausland beanspruchen 91. Aus ihr selbst ergibt sich also für das deutsche Recht nichts 92 . Auch aus der confirmation und aus der transformation im amerikanischen Recht kann sich - soweit sie Anwendung findet - nichts anderes ergeben. In Deutschland ist der englische Schiedsspruch demnach weiterhin wirksam. Eine Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nach U N - Ü bzw. nach § 1044 ZPO ist statthaft. Eine Anerkennung des englischen Exequatururteils hätte demnach nur die Wirkung, die Vollstreckbarkeit des englischen Schiedsspruchs in England anzuerkennen. Eine Vollstreckbarerklärung des englischen Exequatururteils 91

Sehr deutlich etwa: Russell on Arbitration, p. 367: „This proposition is only another way of stating the well-known rule as to res iudicata and is of course an illustration of the rule of public policy which holds that interest reipublicae ut sit finis litium. Indeed if the proposition were not a sound one there could never be an end to any litigation." Daß diese Ausführungen nur bei dem Abschnitt zur action on the award stehen, darf nicht zu dem Schluß führen, sie gälten nicht bei der summary enforcement. Vielmehr stellt das summarische Verfahren nur eine abgekürzte Form der action on the award dar. Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 419: „This section [i.e. s. 26 Arbitration Act 1950] does not affect any question of substance; it merely provides a quicker and cheaper remedy than an action on the award." Wie hier auch Haas, Anerkennung und Vollstreckung, S. 141. 92

So auch Schlosser, IPRax 1985, 142 (unter 3).

§ 5 Das englische Exequatururteil

133

erklärt, soweit dies möglich ist - diese Wirkungen in Deutschland für vollstreckbar 93. Gegenstand deutscher Anerkennungen und Vollstreckbarerklärungen ist danach, was naheliegt, nur der Tenor des englischen Exequatur.

4. Zusammenfassung Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von englischen Schiedsspruchexequaturen ist statthaft. Damit wird der Tenor des englischen Exequatururteils im Inland anerkannt bzw. für vollstreckbar erklärt. Der Tenor besagt regelmäßig nur, daß der Schiedsspruch in England für vollstreckbar erklärt ist. Das allein ist aber keine vollstreckungsfähige Frage, sodaß eine doppelte Vollstreckbarerklärung nur zulässig ist, wenn das englische Exequatururteil eine über die Vollstreckbarerklärung hinausgehende vollstreckbare Aussage enthält. An der Anerkennung der englischen Vollstreckbarerklärung wird der Gläubiger regelmäßig kein Interesse nachweisen können, sodaß dann das Rechtsschutzbedürfnis abzulehnen sein wird und ein entsprechender Antrag als unzulässig abzuweisen sein wird.

IV. Überprüfung der entwickelten These 1. Praktikabilitätsargumente Die aufgestellte These von der generellen Unzulässigkeit des Exequatur des Schiedsspruchexequatur soll nun anhand der Gegenauffassungen überprüft werden. Schlosser begründet seine Ansicht, das Exequatur des Schiedsspruchexequatur sei generell zulässig, mit praktischen Erwägungen. Dies seien „Gebiete, an die der Dogmatiker häufig nicht denkt" 94 . Dabei denkt er im wesentlichen an drei Aspekte: an die Zinsfestsetzung im englischen Exequatururteil, das Entfallen der Übersetzungsobliegenheit und an die Verwendbarkeit des EuGVÜ.

a) Zinsfestsetzung erst im englischen Exequatururteil Zwischen der Fällung des Schiedsspruchs und der des Exequaturentscheids aufgelaufene und erst im Exequatururteil festgestellten Zinsen können im englischen Recht, wie sich nunmehr aus dem Umkehrschluß zu s. 19A Arbi93

Ähnlich für das Exequatur von Urteils- und Vergleichsexequaturen Kallmann, Anerkennung und Vollstreckung, S. 38, Fn. 42. 94

Schlosser, IPRax 1985, 143.

134

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

tration Act 1950 ergibt, nur vom staatlichen Richter festgestellt werden 95 . Für eine Vollstreckung dieser Zinsen im Ausland ist daher die Vollstreckbarerklärung des englischen Schiedsspruchexequatur erforderlich 96 , die das englische Exequatururteil für vollstreckbar erklärt 97 . Soweit damit die Zinsfestsetzung exequiert wurde, widerspricht das der hier vertretenen These aber nicht. Die Vollstreckbarerklärung englischer Exequatururteile ist nur statthaft, wenn und soweit sie einen vollstreckbaren Inhalt hat. Die Zinsfestsetzung, der einen Zahlungsbefehl an den Schuldner enthält, ist vollstreckbar. Die Vollstreckbarerklärung erfolgt nach Art. 31 EuGVÜ, wenn man das Exequatur für eine zivil- oder handelsrechtliche Entscheidung hält, ansonsten nach dem deutsch-britischen Urteilsanerkennungsabkommen und nach §§ 722 f. ZPO. Soweit aber das englische Exequatur bloß eine territoriale Vollstreckbarkeit erklärt, ist dies in Deutschland nicht vollstreckbar. Insoweit ist ein Antrag auf Vollstreckbarerklärung unzulässig; dem Gläubiger bleibt nur der Weg der Vollstreckbarerklärung nach U N - Ü bzw. § 1044 ZPO 9 8 . Doch ein solches Verfahren ist nicht erforderlich. Der Zinsanspruch kann zwar in England erst nach Feststellung durch ein staatliches Gericht vollstreckt werden, er entsteht aber schon mit dem Schiedsspruch, s. 20 Arbitration Act 1950. Diesen - materiellrechtlichen Anspruch - kann der Gläubiger auch durch Klage vor einem deutschen Gericht erreichen, wenn nur die internationale Zuständigkeit gegeben ist, was wohl stets der Fall sein wird, wenn gem. §§ 1046, 1045 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. §§ 12 ff. ZPO für das Verfahren nach § 1044 ZPO eine internationale Zuständigkeit besteht. Dann kommt sogar eine objektive Klagehäufung gem. § 260 ZPO in Betracht. Anstatt also ein teures englisches Verfahren zu riskieren, kann der Gläubiger nach der hier vertretenen Auffassung direkt nach Deutschland gehen. Sauberer und regelmäßig praktikabler erscheint danach weiterhin die generelle Unzulässigkeit der Exequierung des Exequatur.

95

Rechtsvergleichend zur Zinsfestsetzung in Schiedssprüchen im deutschen und englischen Recht Hunter & Triepel, Awarding Interest in International Arbitration, (1989) vol. 6 no. 1 JIA 7. 96 Darauf hat Schlosser, IPRax 1985, 143; ders., Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 908 hingewiesen. 97

OLG Hamburg NJW-RR 1992, 568.

98

Im Ergebnis ebenso Kegel, Fs. Müller-Freienfels, 387.

§ 5 Das englische Exequatururteil

135

b) Entfallen der Übersetzungsobliegenheit Ein weiterer praktischer Vorteil wird darin gesehen, daß die Obliegenheit entfallen könne, den Schiedsspruch zu übersetzen". Zwar mag der Schiedsspruch häufig langatmig begründet sein, wenn auch in England eher das Gegenteil der Fall sein wird. Es mag daher auch zu zeitlichen und finanziellen Nachteilen kommen, wenn man nicht das (regelmäßig kürzere) erststaatliche Exequatururteil, sondern den Schiedsspruch übersetzen soll. Doch erspart sich der Spruchgläubiger in Wahrheit nicht viel. Für die Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen fordert zwar Art. I V Abs. 1 lit. b, Abs. 2 U N - Ü eine volle Übersetzung des Schiedsspruchs. Allerdings ist Art. I V im Lichte des Art. H I zu lesen, wonach keine wesentlich strengeren Verfahrensvorschriften die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen beherrschen dürfen als nach autonomem Recht. Aber auch nach deutschem Recht besteht eine Übersetzungsobliegenheit des Antragstellers. Den Beweis, daß ein vollstreckbarer Schiedsspruch vorliegt, obliegt dem Antragsteller. Da die Gerichtssprache nach § 184 GVG deutsch ist 1 0 0 , wird ihm der Beweis nur durch Übersetzung der Urkunde des Schiedsspruchs insoweit gelingen, als dies für das Exequatur relevant ist. Nun w i l l Schlosser das Exequatur des Exequatur zulassen, aber zum Schutz des Spruchschuldners vor dem Abschneiden seiner schiedsrechtlichen Einwendungen diese Einwendungen in die ordre public-Vorschrift der Urteilsexequaturnorm einfließen lassen 101 . Dann wird aber der Spruchgläubiger in gleicher Weise den Schiedsspruch übersetzen müssen, um dem Gericht die Überprüfung der Einwendungen zu ermöglichen, wie dies für das Schiedsspruchexequaturverfahren notwendig sein wird.

c) Vorteile im Bereich des EuGVÜ I m EuGVÜ-Bereich, schließlich, sieht Schlosser den Vorteil, daß das einfachere Vollstreckungsverfahren herangezogen werden könne 102 . Das OLG Hamburg hat denn auch bei Exequatur eines Schiedsspruchexequatur das

99 Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 908; Schlosser, IPRax 1985, 143; wie hier kritisch auch Kegel, Fs. Müller-Freienfels, 387. 100

In Heimatkreisen der Sorben auch sorbisch, Anlage I, Abschnitt III Nr. 1 lit. r EinigV. 101 102

Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 908.

Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 908 sowie Schlosser, IPRax 1985, 142, der sich insb. auf den damals bevorstehenden Beitritt des Vereinigten Königreichs zum EuGVÜ bezog.

136

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

EuGVÜ angewandt103. Dem kann nicht zugestimmt werden, wie bereits oben ausführlich dargestellt wurde 104 . d) Größere Sicherheit des Richters und Konkursverwalters Die Argumente von Schlosser führen also nicht zu größerer Praktikabilität. Aus der Praxis wird ein Interesse an Vollstreckbarerklärungen der erststaatlichen Bestätigungsurteile u.a. damit begründet, daß bestimmte deutsche Richter sich leichter bereit fänden, ein englisches Urteil über das EuGVÜ zu registrieren, als einen Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären. Dies gelte verstärkt in Konkursverfahren. Hier werde bei Schiedssprüchen eher als bei ausländischen Exequatururteilen eine Eintragung in die Konkurstabelle verweigert, sodaß die Feststellungsklage nach § 146 KO erhoben werden müsse 105 . Aus der Perspektive des Spruchgläubigers ist dieser Argumentation sicher zuzustimmen. Ganz abgesehen von den dogmatischen Problemen, hat sich der Spruchgläubiger auf ein Schiedsverfahren eingelassen. Er stützt sich auf den Schiedsspruch. Deshalb kann von ihm auch verlangt werden, die Unannehmlichkeiten auf sich zu nehmen, die möglicherweise mit der Durchsetzung des Schiedsspruchs in Deutschland verbunden sind. Auch diese Argumentation vermag also nicht zu überzeugen.

2. Zum Exequatur des Exequatur ausländischer Urteile Ein weiteres Gegenargument ergibt sich aus folgendem: Schütze hat die Gavalda'sche Formel „exequátur sur exequátur ne vaut" 106 für das Exequatur des Exequatur ausländischer Urteile schon 1964 abgelehnt107. Für ihn ist es daher nur konsequent, auch das Exequatur des Exequatur von Schiedssprüchen zu bejahen108. 103 104 105 106

OLG Hamburg NJW-RR 1992, 568. § 5, II.4 und 5. So Rechtsanwalt J. W. Schulze, ACIArb, London, im Gespräch. Gavalda als le Substitut, in: Tribunal

civil de la Seine Clunet 62 (1935), 106,

113. 107

Schütze, ZZP 77 (1964), 288 ff.; ebenso: Baumbach/Lauterbach, § 328, Anm. 1 B a (weil die Entscheidung von einer mit staatlicher Autorität bekleideter Stelle erlassen wurde, die nach den ausländischen Gesetzen aufgrund eines prozessualen Verfahrens zur Entscheidung von privatrechtlichen Streitigkeiten berufen ist); ohne Begründung auch Stein/Jonas/Schumann, § 328, Rn. 103; IPG 1976 Nr. 8, S. 80 a.E. (zum norwegischen Exequatur über die Skandinavische Konvention vom 16.3.1932 eines dänischen Exequatur über die Königliche Anordnung vom 13.4.1938 eines deutschen Zivilurteils). 108

Schütze, RIW 1984, 734.

§ 5 Das englische Exequatururteil

137

Dem kann insoweit gefolgt werden, als in der Tat kein wesentlicher Unterschied zwischen dem Exequatur des Exequatur eines Schiedsspruchs und dem eines Urteils besteht109. Soweit Schlosser auf den Unterschied hinweist, daß das ausländische Urteil im Gegensatz zum Schiedsspruch bei der Erstexequatur nicht bloß für vollstreckbar erklärt, sondern auch formell anerkannt werden kann 110 , wird damit lediglich auf einen Grund hingewiesen, warum nur erststaatlich exequierte Schiedssprüche dem Exequatur des Exequatur zugänglich sein könnten 111 . Der Satz, daß wenn ausländische Urteile dem Exequatur des Exequatur zugänglich sind, dies auch für Schiedssprüche gilt, wird dadurch nicht tangiert. Allerdings ist die Kernthese, wonach das Exequatur des Exequatur ausländischer Urteile zulässig sein soll, erst einer kritischen Hinterfragung zuzuführen. Die Frage war bei Gesetzgebungsverfahren und auch bei Staatsvertragsabschlüssen meist unbeachtet geblieben112.

a) Vorliegen der Exequaturvoraussetzungen Ebenso wie auch bei dem Exequatur des Exequatur ausländischer Schiedssprüche wird auch bei dem ausländischer Urteile angezweifelt, ob ein „Exequaturbeschluß" ein Urteil i.S.d. § 328 ZPO ist 1 1 3 ; hierher kommt die Behauptung, Exequatururteile seien keine Sachurteile und daher seien sie nicht exequaturfähig 114. Insoweit kann auf die Diskussion oben (II 2, 3) verwiesen werden.

109

Schütze, RIW 1984, 734.

110

Schlosser, IPRax 1985, 143. So dann auch Schlosser, IPRax 1985, 143. 112 Kegel, Fs. Müller-Freienfels, S. 377, Fn. 1 m.w.N. Sehr selten wurde das Problem in der älteren Literatur besprochen und dort i.S.d. Gavaldaschen Formel beantwortet, etwa bei Wach, Handbuch des deutschen Civilprozeßrechts I, S. 228; beim Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973 wurde allerdings im offiziellen Begleittext klargestellt, daß ein Exequatur des Exequatur unzulässig sei, Verwilghen, Rapport explicatif, Actes et documents de la Douzième Session IV, no. 40, p. 400. 1,1

113

114

Mezger, RIW 1984, 647, Fn. la.

Morelli, Diretto processuale civile internazionale, p. 307; Pau, in: Nov. Dig. It. V, p. 372; Szâszy , International Civil Procédure, p. 557, n. 13; Bülow, RabelsZ 38 (1974), 271 (für EuGVÜ); Martiny, in: Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts III 1, Rn. 1-371; MüKo-ZPO ! Gottwald, § 328, Rn. 38.

138

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

b) Umgehung zwingender Anerkennungsvorschriften Eines der am weitesten verbreiteten Argumente für den Satz „l'exequatur sur l'exequatur ne vaut", ist das Umgehungsargument. Durch das Exequatur des Exequatur ausländischer Urteile würden die Anerkennungsregeln des internationalen Verfahrensrechts, insb. das Gegenseitigkeitserfordernis etwa des § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, umgangen 115 . Besonders problematisch erscheine dies, wenn dadurch die Regeln zweiseitiger Staatsverträge ausgehebelt würden 116 . Das sei deshalb besonders schwerwiegend, weil bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Urteile die Souveränität betroffen sei. Wäre der Drittstaat gezwungen, ausländische Entscheidungen des Erststaates, die nicht anerkennungsfähig seien, wegen der Anerkennungsfähigkeit eines zweitstaatlichen Exequatururteils anzuerkennen, so würde er zugunsten des Zweitstaates auf einen Teil seiner Souveränität verzichten 117 . Schütze geht es vornehmlich um die Vermeidung unliebsamer Ergebnisse infolge des § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO 1 1 8 . Dies darf aber nicht dazu führen, daß die Norm de lege lata unterminiert wird, indem der Tenor des nicht anerkennungsfähigen Urteils doch in Deutschland vollstreckbar wird. Das gewiß bedauerliche Ergebnis mag Anlaß sein, die rechtspolitisch mindestens fragwürdige Vorschrift aufzuheben.

115 Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 908; Geimer, in: Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung II, 61 f. (für deutschösterreichisches Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen vom 6.6.1959); Bellet, Clunet 101 (1974), 28 (für das Haager Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973); Hartley, in: Lipstein, Harmonization of P.I.L. by the EEC, p. 111 (für EuGVÜ); Zöller/Geimer, § 328, Rn. 66; Kropholler, Europäisches ZPR, Art. 25 EuGVÜ, Rn. 12 (für EuGVÜ wegen des möglicherweise unterschiedlichen ordre public-Maßstabes, Art. 27 Nr. 1); Martiny, in: Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 2, Rn. II 64, sowie Waehler, ebd., Bd. III 2, Rn. III 82 (für zehn bilaterale Staatsverträge unter deutscher Beteiligung); Kegel, Fs. Müller-Freienfels, 391 (mit einer souveränitätsbezogenen Argumentation); Linke, in: Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr I, B I 1 e 606 Art. 25 IV 3 (für EuGVÜ); Droz, Compétence judiciaire, p. 437 (für EuGVÜ). 116 Linke, in: Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, B I 1 e 606 Art. 25 IV 3 (für EuGVÜ).

Internationaler Rechtsverkehr I,

117 Kegel, Fs. Müller-Freienfels, 383 kommt ohne Verwendung des Begriffs der Souveränität durch einen Vergleich mit dem Institut des renvoi im Bereich des IPR zu diesem Ergebnis. 118

Vgl. Schütze, ZZP 11 (1964), 287.

§ 5 Das englische Exequatururteil

139

c) Widersprüchliche zweitstaatliche Exequatururteile Die Richtigkeit der Gavalda'sehen Formel wird besonders nachdrücklich in folgenden Fallkonstellationen bestätigt: Das erststaatliche Urteil wurde in zwei Staaten einem Exequaturverfahren unterzogen; das eine verlief antragsgemäß, das andere wurde als unbegründet abgewiesen. Welches Urteil kann nun der Gläubiger im Drittstaat vollstrecken? Das erststaatliche Urteil wird regelmäßig nicht anerkennungsfähig sein. Stützt er sich auf das erste zweitstaatliche Urteil, so wird der Schuldner das zweite anerkennen lassen und es dem Gläubiger entgegenhalten. Der Richter des Drittstaats wird, da keine Vorrangigkeit eines der beiden Urteile erkennbar ist, keine Entscheidung fällen können 119 .

d) Staatsvertragsbezogene Einzelargumentation aa) I m Bereich des EuGVÜ folgt die Unzulässigkeit des Exequatur von Urteilsexequaturen 120 aus Art. 31 Abs. 1. Das Verfahren nach Art. 31 setzt nämlich voraus, daß die in einem Vertragsstaat vollstreckbaren Entscheidungen dort auch ergangen sind 121 . Neben dieser Begründung wird meist auf das Umgehungsargument verwiesen 122 . Im übrigen dürfte auch hier keine Ziviloder Handelssache i.S.d. Art. 1 Abs. 1 S. 1 EuGVÜ vorliegen 123 . bb) Auch beim Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973 wird ein Exequatur

119

S.a. Kegel FS Müller-Freienfels, 387.

120

Die Unzulässigkeit des Exequatur von Urteilsexequaturen wird - soweit gesehen - einhellig vertreten, s. etwa: Hartley, in: Lipstein, Harmonization of P.I.L. by the EEC, p. 111; Kropholler, Europäisches ZPR, Art. 25 EuGVÜ, Rn. 12; Martiny, in: HdbIZVR III 2, Rn. II 64; Droz, Compétence judiciaire, p. 437; Schlosser, IPRax 1985, 143; ähnlich auch: Linke, in: Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr I, B I 1 e 606 Art. 25 IV 3; Geimer, JZ 1977, 148 f.; ders., in: Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I 1, S. 985; Nagel, Internationales Zivilprozeßrecht, Rn. 739. 121 Schlosser, IPRax 1985, 143; ähnlich auch Linke, in: Bülow /Böckstiegel /Geimer /Schütze, Internationaler Rechtsverkehr I, B I 1 e 606 Art. 25 IV 3. 122

Besonders interessant dabei Kropholler, Europäisches ZPR, Art. 25 EuGVÜ, Rn. 12, der auf die einzelstaatlich unterschiedlichen o.p.-Maßstäbe verweist, die wegen Art. 27 Nr. 1 zu beachten sind. 123

Siehe § 5, II.4, 5.

140

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

des Urteilsexequatur für unzulässig gehalten124. Hier ist dies sogar im offiziellen Begleittext klargestellt 125 . cc) Das Exequatur von Urteilsexequaturen bei bilateralen Staatsverträgen zwischen dem Zweit- und Drittstaat lehnt v.a. W. Jellinek mit der Begründung ab, das erststaatliche Urteil werde nicht in das zweitstaatliche „naturalisiert" 126 . Auch hier wird generell das Exequatur des Exequatur nicht für zulässig erachtet 127. dd) Aus diesen staatsvertraglichen Ansätzen kann aber keine allgemeine Regel abgeleitet werden.

e) Bloß territoriale Wirkung des zweitstaatlichen Exequatur Entscheidend ist nämlich auch hier folgendes: Die zweitstaatliche Exequaturentscheidung hat nur den Inhalt, daß der Tenor der erststaatlichen Entscheidung im Zweitstaat anerkannt oder für vollstreckbar erklärt wird 1 2 8 . Eine

124

Bellet, Clunet 101 (1974), 28; Martiny, in: Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts III 2, Rn. II 340. 125 Verwilghen, Rapport explicatif, Actes et documents de la Douzième Session IV, no. 40, p. 400. 126

W. Jellinek , Die zweiseitigen Staats Verträge, 175, der auch auf Corte di Appello

di Perugia Foro It. 1934 I 1204 (1206) (Anerkennung eines lettischen Scheidungsurteils über einen tschechoslowakischen Gerichtsentscheid) hinweist, aber - entgegen mancher Stellen - nicht auf die Frage der Doppelexequierung ausländischer Schiedssprüche eingeht, vgl. a.a.O. S. 35 f. 127

Cour de justice civil de Genève Clunet 41 (1914), 1383 (Vollstreckbarerklärung

eines argentinischen Urteils, das in Frankreich für vollstreckbar erklärt worden war, ist nicht, auch nicht über das schweizerisch-französische Abkommens vom 15.6.1869 möglich); Kallmann, Anerkennung und Vollstreckung, S. 38, Fn. 42; W. Jellinek, Die zweiseitigen Staatsverträge; Gelmer, in: Gelmer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung II, 61 f. (für deutsch-österreichisches Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen vom 6.6.1959); Waehler, in: Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts III 2, Rn. III 82 (für zehn bilaterale Staatsverträge unter deutscher Beteiligung); Matscher, ZZP 86 (1973), 437 (für deutsch-belgischen Vertrag). 128

Cour de justice civil de Genève Clunet 41 (1914), 1383; Kallmann, Anerken-

nung und Vollstreckung, S. 38, Fn. 42; W. Jellinek, Die zweiseitigen Staatsverträge, S. 175 (für zweiseitige Staatsverträge); Matscher, ZZP 86 (1973), 437 (allgemein formuliert, aber bezogen auf den deutsch-belgischen Vertrag); Geimer, JZ 1977, 148 f. (für EuGVÜ); Geimer, in: Gelmer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I 1, S. 985 (für EuGVÜ); I 2, S. 1386, 1456; Heller, ZRvgl 1982, 163; Martiny, in: Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, Rn. I 371 f., und Bd. III 2, Rn. II 64 (für EuGVÜ), Rn. II 340 (für Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973), sowie Wäh-

§ 5 Das englische Exequatururteil

141

Anerkennung des zweitstaatlichen Urteils hätte also nur die Wirkung, daß für den Drittstaat verbindlich festgestellt wird, daß der erststaatliche Titel im Zweitstaat anerkannt oder für vollstreckbar erklärt ist 1 2 9 . Eine Vollstreckbarerklärung bezieht sich nur auf diese Wirkung des erststaatlichen Urteils. Diese Wirkungen sind nun nicht einer Anerkennung in einem Drittstaat unzugänglich 130 . Zwar wird der im Drittstaat Klagende im Regelfall kein Interesse an einer derartigen Entscheidung haben. Andererseits kann es aber gerade auf besondere Wirkungen des zweitstaatlichen Bestätigungsurteils ankommen oder auf die Frage, ob eine Bestätigung im Zweitstaat stattgefunden hat. Letzteres ist etwa denkbar, wenn streitig ist, ob der Zweitstaat, dessen Recht nach deutschem Internationalem Privatrecht das Scheidungsstatut regiert, eine Scheidung nach erststaatlichem Recht anerkennt und es nicht ausreicht, das zweitstaatliche Anerkennungsurteil als bloßes Beweismittel in den drittstaatlichen Prozeß einzuführen. Das wird etwa der Fall sein, wenn das zweitstaatliche Judikat nach herrschendem zweitstaatlichem Verständnis ein Fehlurteil ist. Richtiger wird es daher sein, das Exequatur des Exequatur nicht wegen fehlender Statthaftigkeit, sondern regelmäßig wegen fehlendem Rechtsschutzbedürfnis als unzulässig abzuweisen. Allerdings wird es auch hier stets dann an einem vollstreckungsfähigen Inhalt fehlen, wenn das zweitstaatliche Exequatur nicht eine weitere, über die bloße Anerkennung und Vollstreckbarerklärung hinausgehende Bedeutung hat, die ihrerseits vollstreckbar ist. Wird eine Vollstreckbarerklärung vorgenommen, so werden damit nicht die Wirkungen des erststaatlichen Urteils in den Drittstaat übertragen, sondern nur die selbständigen Teile der zweitstaatlichen Entscheidung.

f) Zusammenfassung Für das Exequatur des Exequatur bei ausländischen Urteilen fehlt es regelmäßig am Rechtsschutzbedürfnis. Bei ausländischen Schiedssprüchen läßt seine Zulässigkeit sich daher nicht schon aus einem a maiore ad minusler, ebd., Bd. III 2, Rn. III 82 (für zehn bilaterale Staatsverträge der Bundesrepublik Deutschland); vgl. im übrigen auch Corte di Appello di Perugia Foro It. 1934 I 1204 (1206). Die von Kegel, Fs. Müller-Freienfels, S. 378, Fn. 2 zitierte Entscheidung des VerwGH ZRvgl 1982, 202 (207) trifft den Kern der Problematik nicht; hier wurde nur die Belanglosigkeit einer schweizerischen Nichtanerkennung für die österreichische Anerkennung einer polnischen Scheidung erklärt. Damit wird aber keine Aussage darüber gemacht, ob das Exequatur ausländischer Urteilsexequaturen zulässig sein soll oder nicht. 129

So auch Kallmann, Anerkennung und Vollstreckung, S. 38, Fn. 42.

130

So auch Kallmann, Anerkennung und Vollstreckung, S. 38, Fn. 42.

142

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

Schluß begründen. Die Richtigkeit der hier vertretenen These wird dadurch weiter bestätigt, daß dieselbe Lösung auch bei ausländischen Urteilen anzuwenden ist.

3. Rechtsvergleichende Argumentation Ein Gegenargument könnte sich aber daraus ergeben, daß in gewissen romanischen Rechtsordnungen, erststaatliche Schiedsspruchexequaturen für vollstreckbar erklärt werden.

a) Frankreich In Frankreich fehlten bis zur Reform im Jahre 1981 Regelungen für das Verfahren der Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche 131. Es stellte sich daher die Frage, ob das Verfahren dem der Vollstreckbarerklärung inländischer Schiedssprüche oder dem für ausländische Urteile angewandt werden sollte. Hier hat man sich schnell wegen der grundsätzlich vertraglichen und nichtstaatlichen Struktur der Schiedssprüche auf das erstere Verfallren geeinigt . Das Problem stellte sich jedoch erneut, wo bereits eine erststaatliche Exequierung vorlag. Es lag nahe, das erststaatliche Urteil dem Verfahren über die Vollstreckbarerklärung ausländischer Urteile zu unterwerfen. Hierfür war aber ausschließlich das Tribunal de Grande Instance in voller Kammerbesetzung zuständig. Die Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen oblag dagegen allein dem Président du Tribunal de Grande Instance. Wer sollte aber zuständig sein, wenn der Gläubiger sowohl den Schiedsspruch als auch die erststaatliche Exequierung für vollstreckbar erklärt haben wollte? Mit dieser Frage mußte sich die Cour d'appel de Nancy 133 befassen. Sie kam zu dem Ergebnis, daß allein das Tribunal de Grande Instance in Kammerbesetzung zuständig sei. Die mehr beiläufig erfolgte Begründung, der (im Fall englische) Schiedsspruch gehe durch die erststaatliche Exequierung in diesen auf und verliere seine eigene Existenz 134 , sollte nicht überbewertet werden 135 .

131

Vgl. dazu in Kürze Mezger, RIW 1984, 647. Cour de cassation GazPal 1937 II, 618; Robert, Clunet 86 (1959), 136. 133 Cour d'appel de Nancy Clunet 86 (1959), 128 — note Robert; note Mezger, RevCrit 1958, 148. 134 Cour d'appel de Nancy Clunet 86 (1959), 132. 135 So auch die note von Robert, Clunet 86 (1959), 138, die vor allem auf die verfahrensrechtliche Seite dieser Begründung abstellt. 132

§ 5 Das englische Exequatururteil

143

Hätte das Gericht diese These selbst ernst genommen, so hätte es nicht auch den Schiedsspruch für vollstreckbar erklären dürfen 136 . Aus dieser Entscheidung geht mindestens hervor, daß das Gericht eine Vollstreckbarerklärung des erststaatlichen Exequatururteils für möglich hielt. Diese Auffassung wurde auch von der Cour d'appel de Paris 137 vertreten, bei der nur beantragt worden war, die Exequaturentscheidung des englischen High Court für vollstreckbar zu erklären 138 . Die entgegenstehende Auffassung wurde nur von der Cour d'appel de Caen 139 vertreten. Dort wurde dem Gläubiger recht gegeben, als dieser die Vollstreckbarerklärung des erststaatlich niederländisch exequierten Schiedsspruchs beim Président begehrte 140 . Die erststaatliche Exequierung habe nur die formale Wirkung, dem Schiedsspruch die nach dem Genfer Protokoll erforderliche Wirksamkeit zu verleihen. Er verändere die Rechtsnatur des Schiedsspruchs nicht in die eines Urteils 141 . Die französische Literatur hat sich einhellig gegen ein Verbot der Vollstreckbarerklärung des ausländischen Schiedsspruchs nach erststaatlichem Exequatur ausgesprochen 142. Hierbei wird im wesentlichen mit praktischen Erwägungen argumentiert. Es sei regelmäßig einfacher die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs zu erlangen. Dieser Weg solle dem Gläubiger nicht verwehrt werden 143 . Dabei hat Bredin auch einer Differenzierung zwischen solchen Schiedssprüchen, die nach dem sie regierenden Recht in die Exequaturentscheidungen aufgehen, und den übrigen, wie sie gelegentlich auch 144 in Frankreich 145 anklingen, für Frankreich deutlich eine Absage erteilt 146 . Eine solche Differenzierung könne dem französischen Richter nicht zugemutet werden 147 .

136

Cour d'appel de Nancy Clunet 86 (1959), 136.

137

Cour d'appel de Paris Clunet 87 (1960), 456 — note Bredin; RevCrit 1959, 718. 138 Cour d'appel de Paris Clunet 87 (1960), 458. 139

note Mezger,

Cour d'appel de Caen Clunet 88 (1961), 142 — note Bredin.

140

Cour d'appel de Caen Clunet 88 (1961), 144.

141

Cour d'appel de Caen Clunet 88 (1961), 144.

142

Bredin, Clunet 87 (1960), 462; ders., Clunet 88 (1961), 146; Mezger, RevCrit 1958, 153/154; ders., RevCrit 1959, 718; Robert, Clunet 86 (1959), 138; ders., L'Arbitrage, no. 365, pp. 315-317. 143

Bredin, Clunet 88 (1961), 146.

144

In Deutschland BGH RIW 1984, 557, 644; OLG Hamburg NJW-RR 1992, 568.

145

Cour d'appel de Nancy Clunet 87 (1959), 134.

146

Bredin, Clunet 88 (1961), 146, 148.

147

Bredin, Clunet 88 (1961), 148.

144

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerkläng

Doch auch die andere, in Caen vertretene Extremposition hat kaum Anhänger in der Literatur gefunden 148 . Vielmehr hat sich eine Meinung durchgesetzt, die dem Gläubiger die Wahl zwischen dem Exequatur des Schiedsspruchs und dem des erststaatlichen Exequatur gibt 1 4 9 . Dabei wird der Vorteil des Exequatur vom Exequatur vor allem darin gesehen, daß keine vollständige Überprüfung des erststaatlichen Schiedsspruchs mehr nötig ist, vielmehr lediglich die Urteilsvollstreckungsvoraussetzungen an dem erststaatlichen Exequatur zu messen sind 150 . Die hierbei regelmäßig zitierte Entscheidung der Cour de Cassation151 beschränkt die Nachprüfungspflicht aber lediglich hinsichtlich der nach französischem Kollisionsrecht beachtlichen erststaatlichen Versagungsgründe für die Anerkennung von Schiedssprüchen 152. Die im deutschen Recht vor allem von Schütze vorgebrachten Bedenken im Interesse des Schuldnerschutzes 153 finden in Frankreich - soweit gesehen - keinen literarischen Niederschlag. Die Gesetzesänderung des Jahres 1981 hat im wesentlichen eine einheitliche Zuständigkeit für alle ausländische Schiedssprüche und - so die einhellige Auslegung 154 - für diesbezügliche erststaatliche Exequturentscheidungen gebracht 155 . Damit ist der Ausgangsstreit, der zu der Entscheidung von Nancy geführt hat, geklärt. Soweit ersichtlich, hat der Gesetzgeber aber zu der Rechtsprechung über die Zulässigkeit des Exequatur vom Exequatur nicht Stellung genommen. I m Hintergrund der Diskussion spielte noch eine zweite Frage eine Rolle. Es war nämlich nicht klar, ob das Genfer Abkommen vom 26. September 1927, das zur Zeit der Entscheidungen der Cours d'appel von Nancy, Paris und Caen die Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen im Verhältnis zwischen Frankreich und England regelte, eine Doppelexequierung 156 erfordert. Über diese Frage gab es in Frankreich einen Meinungsstreit. Während die eine Seite Art. 1 Abs. 2 lit. d Genfer Abkommen (engl.: defintive, frz.: defin148

So etwa noch Robert, Clunet 86 (1959), 136/138.

149

So insb. Bredin, Clunet 88 (1961), 148.

150

Bredin, Clunet 88 (1961), 148.

151

Cour de cassation Clunet 99 (1972), 621 — note Oppetit; note Mezger, RevArb 1972, 53. 152

Cour de cassation Clunet 99 (1972), 622; Oppetit, Clunet 99 (1972), 625; Robert, L'Arbitrage, no. 365, p. 317. 153 S. etwa Schütze, in: Schütze/Tscherning/Wais, rens, Rn. 637. 154 155

Handbuch des Schiedsverfah-

Robert, L'Arbitrage, no. 365, p. 317.

Robert, L'Arbitrage, no. 365, p. 317. 156 Zum Begriff der Doppelexequierung siehe oben Fn. 1 und z.B. Matscher, ZZP 86 (1973), 437, sowie oben § 3, II.2.b.bb.(5).

§ 5 Das englische Exequatururteil

145

tive) als ein Verbindlichkeitserfordernis verstand, so daß - ähnlich Art. V Abs. 1 lit. e UN-Ü - keine Doppelexequierung erforderlich war 157 , begriff die Gegenseite das Erfordernis i.S.v. Vollstreckbarkeit und forderte daher die Doppelexequierung 158. Diese Frage wurde weltweit nicht einheitlich beantwortet und stellte eines der größten Problembereiche des Genfer Abkommens dar 159 . Sicher ist jedenfalls, daß im UN-Ü diese Frage verbindlich in Art. V Abs. 2 lit. e geklärt wurde 160 . Im Verhältnis zwischen Frankreich und England ist diese Frage nunmehr durch die Anwendbarkeit des UN-Ü geklärt. Eine Doppelexequierung ist nicht mehr erforderlich. Das wird in der Praxis den Wunsch zum Exequatur des Exequatur minimieren. Theoretisch wird die Frage der Zulässigkeit dieses Verfahrens aber weiter offenbleiben. b) Brasilien In Brasilien kann ein ausländischer Schiedsspruch nur exequiert werden, wenn er bereits im Erststaat für vollstreckbar erklärt wurde 161 . Ob auch in Brasilien ein Exequatur des Exequatur zugelassen wird, wie Schlosser behauptet 162 , geht mindestens aus der von ihm zitierten Entscheidung des brasilianischen Obersten Bundesgerichts vom 2. März 1983 163 nicht hervor 164 . Selbst wenn ein Exequatur des Exequatur zugelassen wird, verlöre dieses Instrument durch das in einem Reformvorschlag 1987 angeregte Verfahren ausländische Schiedssprüche als nichtgerichtliche vollstreckbare Urkunden zu behandeln165, stark an praktischer Bedeutung. 157

Bredin, Clunet 87 (1960), 460 m.w.N. So implizit Cour d'appel de Caen Clunet 88 (1961), 144: Die einzige Bedeutung der erststaatlichen Exequierung des Schiedsspruchs sei es, die für die Exequierung in Frankreich erforderliche Vollstreckbarkeit („... force exécutoire nécessaire pour emporter exécution en France") herzustellen. 159 Bülow, KTS 1959, 11 m.w.N. in Fn. 88; im einzelnen Greminger , Die Genfer Abkommen, 56 ff., s.a. oben § 3, II.2.b.bb.(5). 158

m

161 162 163

Bülow, KTS 1959, 11.

Pestalozzi, (1987) vol. 4 no. 3 JIA, 133. Schlosser, IPRax 1985, 143. Supremo Tribunal Federal YCA IX (1984), 164.

164

Supremo Tribunal Federal YCA IX (1984), 164, 166 wird die erststaatliche Exequatur anerkannt (nicht für vollstreckbar erklärt!), nach S. 164 (im Tatbestand) ist Streitgegenstand aber nur die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs. Von einem Exequatur des Exequatur ist nie die Rede. 165

Pestalozzi (1987) vol. 4 no. 3 JIA, 138/139.

10 Kilgus

146

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

c) Italien In Italien wird - wenn der Schiedsspruch in das erststaatliche Exequatururteil aufgeht - dem Kläger ein Optionsrecht eröffnet. Wird aber das Exequatur vom Exequatur gewählt, so verliert der Schiedsspruch in Italien seine selbständige Bedeutung 166 . Eine Überprüfung des Schiedsspruchs wird dann nur unter eingeschränkten Voraussetzungen, die art. 798 i.V.m. art. 395 n. 1 - 4 , 6 cpc entnommen werden, vorgenommen 167. Ein Exequatur des Exequatur wird aber nur zugelassen, wo ein „Urteil" (judgment) etwa i.S.d. Art. 1 Abs. 2 der bilateralen britisch-italienischen Urteilsanerkennungsübereinkunft vorliegt. Welche Anforderungen hieran gestellt werden, ist unklar. Jedenfalls aber soll die merger-Doktrin des anglo-amerikanischen Rechts genügen 168 .

d) Zusammenfassung Was Inhalt der Theorie ist, ist in Frankreich streitig. Andere Argumente als in Deutschland werden aber nicht verwendet. In Italien spielt die Besonderheit des italienisch-britischen Vertrages eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die Theorie bietet aber auch hier keine Überraschungen. Die Theorie in Brasilien konnte hier nicht ermittelt werden. Alles in allem bringt das rechtsvergleichende Argument die Diskussion nicht weiter. Im übrigen ist das Exequatur vom Exequatur mindestens in Italien und in Frankreich eine sehr seltene Ausnahmeerscheinung 169. Die praktische Bedeutung wird - (so sie dort überhaupt Anwendung findet) durch bevorstehende Gesetzesänderungen in Brasilien und wegen des 1975 erfolgten Beitritts des Vereinigten Königreichs zum UN-Ü - weiter abnehmen.

4. Ergebnis Die untersuchten Argumente erweisen sich damit allesamt als untauglich, die hier vertretene These zu erschüttern.

166

Corte di Cassazione YCA VII (1982), 333; Giardini,

(1990) vol. 7 no. 2 JIA,

77. 167 168 169

647.

Giardini, (1990) vol. 7 no. 2 JIA, 77. Recchia, YCA VII (1982), 337. Für Italien: Recchia, YCA VII (1982), 336; für Frankreich: Mezger, RIW 1984,

§ 5 Das englische Exequatururteil

147

V. Exkurs: Zulässigkeit des Optionsrechts nach der BGH-Rechtsprechung Danach erscheint die hier vertretene These umfassend begründet. Allerdings wird an der Rechtsprechung des BGH auch noch Kritik geübt, weil er ein Wahlrecht zwischen der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs gem. U N - Ü bzw. § 1044 ZPO und der des erststaatlichen Exequatururteils gem. §§ 722 ff. ZPO bzw. Art. 31 EuGVÜ behauptet 170 . Nach der hier vertretenen Auffassung, wonach das Exequatur vom Exequatur einen anderen Inhalt hat als der Schiedsspruch, spielt die Diskussion keine Rolle. Sollte das Exequatur vom Exequatur ausnahmsweise zulässig sein, so wird neben ihm (und nicht an seiner Stelle) auch die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs zulässig sein. Der Vollständigkeit halber soll jedoch auch auf diesen Streit eingegangen werden. Die Kritikpunkte sind dreierlei: Zum einen wird der Rechtsprechung ein logischer Widerspruch vorgeworfen (unter 1), dann wird die Gefahr der Doppelvollstreckung gesehen (unter 2) und drittens wird befürchtet, daß Einwendungen des Schuldners gegen das Schiedsverfahren verloren gehen (unter 3), wenn der Gläubiger ein Exequatur vom Exequatur beantrage.

1. Vorwurf der Inkonsequenz Ein logischer Widerspruch ergäbe sich, wenn der B G H einerseits dem Schiedsspruch jede eigene Wirkung versagt, weil er über die doctrine of merger in dem Exequatururteil aufgegangen sei, ihn aber andererseits doch noch zur Vollstreckung freigibt 171 . Daraus werden zwei Konsequenzen abgeleitet: Schlosser glaubt, daß es gar nicht auf die Anwendung der doctrine of merger ankommt, und empfiehlt generell ein Wahlrecht zwischen den Verfahrensarten einzuführen 172 . Dazu müßte er indes erst begründen, weshalb er generell von dem Satz, daß Exequatururteile einen anderen Inhalt haben als die exequierte Sache, abweichen will.

170

BGH RIW 1984, 644 (LS. a); zustimmend auch Schlosser, IPRax 1985, 141; a.A. aber OLG Hamburg YCA IV (1979), 266 (267); van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 347. 171

Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 909; Schütze, in: Schütze/T scheming /Wais> Handbuch des Schiedsverfahrens, Rn. 637. 172

Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 908; Schlosser, IPRax 1985, 142; a.A. aber Kegel, Fs. Müller-Freienfels, 387. 10*

148

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

Schütze, auf der anderen Seite, lehnt das Wahlrecht insgesamt ab und will es dem englischen Recht überlassen, darüber zu befinden, ob noch ein Schiedsspruch vorliegt oder nicht 173 .

2. Schuldnerschutz vor Doppelvollstreckung Eine zweite Kritik richtet sich dagegen, daß dem Gläubiger plötzlich zwei Titel zustünden, wo er nur einen Anspruch behaupte 174 . Der Streitgegenstand sei nicht derselbe. Daher scheide die Einwendung der Rechtshängigkeit und Rechtskraft aus 175 . A u f diese Einwendungen kann sich der Schuldner in der Tat nicht berufen. Allerdings wird gesagt, daß für das eine Verfahren zur Titelbeschaffung das Rechtsschutzbedürfnis fehle, sobald das andere eingeschlagen ist 1 7 6 . Werden beide Verfahren zugleich angestrengt, ohne daß ein Eventualverhältnis geschaffen wird, so fehle für beide das Rechtsschutzbedürfnis 177, richtiger wohl: der bestimmte Antrag. Würden tatsächlich einmal zwei Titel erwirkt, so stehe nach Vollstreckung aus einem Titel gegen den anderen die Vollstreckungsgegenklage (§ 767 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 362 BGB) zur Verfügung 178 . Es ergäben sich also insoweit keine Bedenken gegen die Schaffung eines Optionsrechts.

3. Abschneiden von schiedsbezogenen Einwendungen Das dritte Argument gegen das Optionsrecht basiert ebenfalls auf Schuldnerschutzüberlegungen: Die Überprüfung des Schiedsverfahrens und des Schiedsspruchs etwa durch § 1044 werde ausgeschlossen, wenn man das Exequatururteil für vollstreckbar erkläre. Wegen des Verbots der révision au fond in § 723 Abs. 1 ZPO könne sich der Schuldner nur mehr auf Mängel des Exequaturverfahrens berufen, nicht mehr auf solche des Schiedsverfahrens. Über diese Fragen habe eben der ausländische Exequaturrichter schon

173 Schütze, in: Schütze/Tscherning Rn. 637.

/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens,

174

Schütze, in: Schütze /Tscherning /Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, Rn. 637; Schütze, RIW 1984, 735; Schütze, JPS 1989, 121; kritisch auch Kegel, Fs. Müller-Freienfels, 387. 175

Insoweit auch zustimmend Schlosser, IPRax 1985, 141.

176

Haas, Anerkennung und Vollstreckung, S. 140; Schlosser, IPRax 1985, 141.

177

Schlosser, IPRax 1985, 141.

178

Schlosser, IPRax 1985, 141.

§ 5 Das englische Exequatururteil

149

entschieden 179 . I m einzelnen etwa werde ihm die Berufung auf Mangel rechtlichen Gehörs im Schiedsverfahren, auf Parteilichkeit des Schiedsrichters und auf Mangel der Schiedsvereinbarung abgeschnitten. Dabei komme dem letzten Aspekt sogar verfassungsrechtliche Bedeutung zu: M i t ihrer Schiedsvereinbarung hätten die Parteien auf den gesetzlichen Richter verzichtet (Art. 20 Abs. 2, 101 Abs. 1 S. 2 GG) 1 8 0 . Eine Überprüfung der Wirksamkeit des Verzichts stehe aber nur dem gesetzlichen Richter zu 1 8 1 . Diese verfassungsrechtliche Untermauerung der These erscheint indes zweifelhaft. Sinn des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG ist es, die Beeinflußung staatlicher Stellen auf die Zusammensetzung des Gerichts zu verhindern 182 . Eine solche Einflußnahme ist aber nur beim staatlichen Richter zu besorgen 183 . Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG stellt mithin ein Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat dar. Der Staat nimmt aber keinen Einfluß auf den Abschluß und Inhalt der Schiedsvereinbarung 184. Außerdem kommt ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG nur in Betracht, wenn der deutsche 185 Richter überhaupt zuständig war. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG meint nämlich nur den gesetzlich zuständigen Richter 186 . Die Vorschrift w i l l nur die durch deutsche Normen geschaffene Zuständigkeitsordnung garantieren. Besteht nach deutschem Internationalem Zivilprozeßrecht eine ausländische Zuständigkeit, so weisen die deutschen Gesetze den Parteien keinen konkret zuständigen Richter zu. Das dürfen sie auch nicht, wollen 179 Schütze, in: Schütze/Tscherning/Wais, Rn. 637; Schätze, RIW 1984, 735. 180

Handbuch des Schiedsverfahrens,

So auch Habscheid, KTS 1970, 9.

181

Schütze, in: Schütze/Tscherning/Wais, Rn. 637; Schütze, RIW 1984, 735.

Handbuch des Schiedsverfahrens,

182 So insbesondere und ausdrücklich BVerfGE 17, 294 (299), ähnlich schon früher BVerfGE 4, 412 (416 f.); deutlich auch Sonnauer, Die Kontrolle der Schiedsgerichte, 22; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 101, Rn. 1; BK/Achterberg, Art. 92, Rn. 180; von Münch/Kunig, Art. 101, Rn. 21. 183

Sonnauer, Die Kontrolle der Schiedsgerichte, 22.

184

Sonnauer, Die Kontrolle der Schiedsgerichte, 22; von Münch/Kunig, Art. 101, Rn. 13; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 101, Rn. 22; BK/Achterberg, Art. 92, Rn. 180. 185

Auf dieses Merkmal verzichtet das BVerfG nur dann zugunsten des EuGH, wenn hier der Sinn des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, eine einfachgesetzliche Zuständigkeit (hier etwa aus VertragsG zu Art. 177 EGV) verfassungsrechtlich abzusichern, betroffen ist, von Münch/Kunig, Art. 101, Rn. 14; vgl. BVerfGE 45, 142 (181). Offensichtlich fehlt es aber an diesem Erfordernis, soweit nach Deutschem Internationalem Zivilprozeßrecht eine ausländische Gerichtsbarkeit zuständig ist. In diesem Fall weist nämlich das deutsche Recht den Parteien keinen konkreten Richter zu. 186

von Münch/Kunig,

Art. 101, Rn. 16; Bettermann, in: GRe III/2, S. 562.

150

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

sie nicht gegen die völkerrechtliche Souveränität des Gerichtsstaates verstoßen. Soweit also der englische Richter - bei umgekehrter Anwendung der deutschen Regeln über die internationale Zuständigkeit und Außerachtlassung der Schiedsvereinbarung - im Erkenntnisverfahren zuständig gewesen wäre, ist Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG überhaupt nicht einschlägig187. Schon das wird nicht selten anzunehmen sein. Wenn auch eine Verletzung der Vorschrift über den gesetzlichen Richter sonach ausscheidet, so können einzelne Versagungsgründe bei Art. V UN-Ü und § 1044 Abs. 2 ZPO durchaus verfassungsrechtliche Bedeutung haben. Das gilt, wie später zu zeigen sein wird, im besonderen für Art. V Abs. 1 lit. a, b, c, Abs. 2 lit. b UN-Ü und § 1044 Abs. 2 Nr. 2, 4 ZPO. Dennoch wird die These der Umgehung der Normen zum Exequatur von Schiedssprüchen auch im ganzen angegriffen, insbesondere von Schlosser. Selbst wenn formell die ausländische Exequaturentscheidung und nicht der Schiedsspruch Gegenstand der deutschen Exequaturentscheidung sei, werde die Kontrolle nach § 1044 ZPO bzw. Art. V UN-Ü nicht präkludiert. Vielmehr sei sie in die ordre public-Bestimmung der §§ 328 Abs. 1 Nr. 4, 723 Abs. 2 ZPO; Art. 27 Nr. 1, 34 Abs. 2 EuGVÜ zu integrieren 188. Ob sich der BGH bereit finden würde, dem zu folgen, ist noch unklar. Zwar hat er in seinem Urteil vom 27.3.1984 bei Prüfung des § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO den Maßstab nur an das New Yorker Exequaturverfahren angelegt und eben nicht an den Schiedsspruch 189, und dies, obwohl behauptet worden war, der Schiedsspruch sei durch Betrug erschlichen. Gerügt und geprüft wurde aber nicht die Ordnungsmäßigkeit des Schiedsspruchs nach § 328 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, sondern nur, ob die New Yorker staatlichen Beweis- und Verfahrensregeln gegen den deutschen ordre public verstoßen (§ 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Ein Verstoß gegen § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO konnte nämlich schon deshalb nach der Rechtsprechung nicht mehr geprüft werden, weil hierfür eine Unwirksamkeit des Schiedsspruchs das New Yorker Recht maßgeblich war und das New Yorker Gericht gerade die Wirksamkeit festgestellt hatte 190 .

187 Übrigens würde auch die Anwendung englischer Prozeßnormen nicht weiterhelfen, da das englische Recht keine dem Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG entsprechende Regel kennt, vgl. J. Henkel, England — Rechtsstaat ohne „gesetzlichen Richter" (Frankfurt a.M./Berlin 1971), S. 68. 188 Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 908; a.A. implizit Mezger, RIW 1984, 648. 189 BGH RIW 1984, 557 (558). 190

Dazu unten § 6, III.

§ 5 Das englische Exequatururteil

151

Indes spricht ein gewichtiges Argument gegen die These Schlossers. Wie er nämlich selbst vorträgt, fallen unter die ordre public-Vorschrift nur gravierende Verstöße gegen die Grundsätze des deutschen Rechts. So kann etwa der Verstoß gegen eine Verfahrensvereinbarung der Parteien von untergeordneter Bedeutung nach dem UN-Ü ein Anerkennungsversagungsgrund darstellen. Werde das Verfahren des Exequatur vom Exequatur gewählt, so sei Prüfungsmaßstab der deutsche ordre public, der in diesen Fällen regelmäßig keine Anerkennungsversagung fordere 191 . Unterstellt die Darstellung des Schiedsspruchexequaturrechts sei richtig 192 , so werden mit einer solchen Argumentation eben doch nicht alle im Vollstreckbarerklärungsverfahren für Schiedssprüche mögliche Versagungsgründe voll in die ordre public-Klausel des Urteilsexequaturverfahrens integriert.

4. Ergebnis Der erste und der dritte Kritikpunkt erscheinen vom Standpunkt der Gegenauffassung nicht unberechtigt. Auch insoweit erscheint also die BGHRechtsprechung kritikwürdig.

VI. Thesenartige Zusammenfassung 1. Eigene Auffassung 1. Die doctrine of merger bewirkt in Urteilen, daß der zugrundeliegende materiellrechtliche Anspruch (auch aus dem Schiedsspruch) nicht erneut Gegenstand eines Verfahrens bilden darf. 2. Diese Wirkung ist bei Urteilen auf den Urteilsstaat territorial beschränkt, bei Schiedssprüchen hingegen nicht. 3. Daraus ergibt sich für das deutsche Recht, daß eine Anerkennung einer englischen Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs nur die Wirkung hat, daß für Deutschland verbindlich festgestellt wird, daß der Schiedsspruch in England vollstreckbar ist. Keinesfalls wird der Tenor des Schiedsspruchs durch Exequatur der erststaatlichen Schiedsspruchexequierung nach Deutschland transponiert. Dafür ist allein die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs das richtige Verfahren. 191

Schlosser, IPRax 1985, 143 (191). Dagegen spricht hier Art. VII Abs. 1 UN-Ü i.V.m. § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO als der im Verhältnis zu Art. V Abs. 1 lit. d UN-Ü für den Spruchgläubiger günstigeren Regelung. Der von Schlosser skizzierte Fall führt also nicht zur Versagung der Wirkungserstreckung des Schiedsspruchs. 192

152

2. Teil: Gegenstand der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

4. Ein englisches Exequatururteil ist nur dann und insoweit in Deutschland vollstreckungsfähig, als es einen über die Vollstreckbarerklärung in England hinausgehende Bedeutung hat. Das kommt insbesondere bei bestimmten Zinsfestsetzungen in Betracht.

2. Auffassung des BGH 1. Die doctrine of merger besagt mindestens, daß der Schiedsspruch in das ausländische Urteil aufgeht und seine eigenständige Bedeutung verliert. 2. Daher ist das Exequatur vom Exequatur jedenfalls bei Schiedssprüchen aus Staaten, die der doctrine of merger folgen, statthaft. Sie hat die Wirkung, daß der Tenor des Schiedsspruchs unmittelbar in Deutschland vollstreckt werden kann. 3. Ob diese Prüfung eine Kontrolle schiedsrechtlicher Versagungsnormen über die ordre public-Klausel der zum Exequatur des Schiedsspruchexequatur angewandten Norm, z.B. §§ 328 Abs. 1 Nr. 4, 723 Abs. 2 ZPO, einschließt, ist noch nicht geklärt. 4. Die Anwendung des EuGVÜ auf das Exequatur des Schiedsspruchexequatur ist nach Auffassung des OLG Hamburg zulässig. 5. Die Vollstreckbarerklärung von englischen Schiedssprüchen bleibt wahlweise neben dem Exequatur des englischen Schiedsspruchexequatur möglich.

3. T e i l

Versagungstatbestände § 6 Allgemeiner Teil I. Zur Gliederung Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung kann aus einer Vielzahl von Gründen versagt werden. Die hier untersuchten Gründe des Art. V UN-Ü und des § 1044 Abs. 2 ZPO überschneiden sich zum Teil. Der Versagungsgrund des ordre public ist sehr vielschichtig. Er betrifft sowohl materielle als auch die unterschiedlichsten verfahrensrechtlichen Fragen. Ähnliches gilt für § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Deshalb werden nicht die einzelnen Versagungsgründe analysiert, sondern versagungsrelevante Fallgestaltungen. Materiellrechtliche Fragestellungen werden nicht untersucht. Hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Seite bietet sich die Gliederung nach Verfahrensstufen an. Vorangestellt werden allerdings zwei normspezifische, von der Verfahrensstufe losgelöste Fragestellungen (§ 6 II: ordre public; III: Befristete Rechtsbehelfe). Im übrigen wird im wesentlichen chronologisch aufgebaut: Am Anfang jedes Schiedsverfahrens steht die Unterwerfung der Parteien in der Schiedsvereinbarung (§ 8). Dann wird das Schiedsgericht gebildet (§ 9 I). In dem Zusammenhang bot es sich an, auch auf die am Schiedsverfahren beteiligten Personen einzugehen, die Schiedsrichter, die Prozeßvertreter und die juristischen Berater (§ 9 I I - I V ) . Das eigentliche Schiedsverfahren wird in § 10 untersucht. Abgeschlossen wird das Schiedsverfahren mit dem Schiedsspruch selbst. Da insoweit aber aus Sicht der Wirkungserstreckung Probleme bestehen, die auch andere Verfahrensstufen betreffen können, wird der Schiedsspruch vorab in § 7 untersucht.

II. Der ordre public Der in Art. V Abs. 2 lit. b UN-Ü und § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO normierte ordre public ist der in den veröffentlichten Entscheidungen am häufigsten diskutierte Versagungsgrund. Der Begriff des ordre public 1 begegnet dem 1

Auf die verschiedenen Schulen, die romanische, anglo-amerikanische und deut-

154

3. Teil: Versagungstatbestände

deutschen Juristen an verschiedenster Stelle (neben den genannten Vorschriften etwa Art. 6 EGBGB, §§ 328 Abs. 1 Nr. 4, 1041 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Ob der ordre public überall dieselbe Bedeutung hat, ist streitig 2. Daher sollen zunächst die Formen getrennt untersucht werden.

1. Der internationalprivatrechtliche ordre public Ausgegangen wird vom internationalprivatrechtlichen ordre public (z.B. in Art. 6 EGBGB). Zu seiner Wirkung wird typischerweise gesagt, er solle die für die jeweilige Rechtsgemeinschaft unverzichtbaren Grundlagen dadurch wahren, daß das kollisionsrechtlich berufene Recht nicht angewandt werde. Diese These geht in Deutschland auf die Lehre Savignys von den Prohibitivgesetzen zurück 3. Gegen diese These hatte sich schon 1898 Franz Kahn gewandt4. Er hat sich im wesentlichen gegen zwei Ideen gewandt: zum einen gegen die Behauptung der absoluten Geltung deutscher Gesetze. „Keines unserer Gesetze, mag es noch so fundamental sein, verlangt exklusive, absolute Anwendung, kein fremdes Rechtsinstitut, mögen wir dagegen noch so sehr reprobieren, können wir einfach »unbeachtet4 lassen."5 „Man denkt z.B. an die oft zitierten Schulfälle der Sklaverei und Polygamie. Unsere Gerichte haben ohne Frage die Vindikation des Sklaven abzuweisen, die eheherrliche Gewalt eines Türken gegenüber einem zweiten oder dritten Weibe bei uns nicht zu gestatten. Sie würden aber keinen Anstand nehmen, das Eigentum des Sklavenhalters, das derselbe anderswo durch Vermittlung des Sklaven nach Sklavenrecht erworben hat, anzuerkennen; sie würden keinen Anstand nehmen, die Legitimität und das Erbrecht des aus polygamischer Ehe entsprossenen Türkensohnes gelten zu lassen."6 Nun sehen die Vertreter der h.M. dieses Problem auch. Sie versuchen es dadurch zu lösen, daß sie einer bloß relativen, ergebnisorientierten Anwen-

sche, zur Lehre vom ordre public wird nicht eingegangen, dazu knapp v. Heymann, Der ordre public, S. 22 ff. Die Unterschiede sind weitgehend nivelliert, v. Heymann, a.a.O., S. 23 f. 2 Bejahend statt vieler Stein/Jonas/Schumann, § 328, Rn. 221 für § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO und Art. 6 EGBGB; a.A. v. Heymann, Der ordre public, S. 174. 3 v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. 8, 1848, S. 32 ff. 4 F. Kahn, Abhandlungen I, S. 161 ff. 5 F. Kahn, Abhandlungen I, S. 183. 6 F. Kahn, Abhandlungen I, S. 180 f.

§ 6 Allgemeiner Teil

155

dung des ordre public das Wort reden 7. Gelegentlich wird gefragt, ob der Sachverhalt über ausreichend Inlandsbezug verfügt 8 . Auch hiergegen hat sich Kahn gewandt. Es werde nur eine „platte Selbstverständlichkeit in einer möglichst komplizierten und prätenziösen Form" gesagt9. Und es ist in der Tat selbstverständlich, daß Richter fremdes Recht nicht anzuwenden haben, wenn ihnen das eigene Recht die Anwendung verbietet 10 . Nichts anderes aber besagt die h.M. Der zweite Punkt, der Kahn mißfiel, war die Formel von den „unverzichtbaren Grundlagen eines Gemeinwesens". Er stellte mit seltener Akribie Fälle aus der Praxis und Theorie seiner Zeit zusammen und konnte so belegen, daß nahezu bei jeder Abweichung von der lex fori eine Gefährdung der „Grundlagen des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens" angenommen werden konnte und angenommen wurde 11 . Und so verwundert es auch nicht weiter, daß ein erheblicher Teil der Literatur im ordre public auch heute noch einen sehr weiten, z.T. gar die guten Sitten 12 umfassenden Bereich sieht. Weshalb soll man dann auf die großen Worte von den „ethischen Prinzipien unserer Rechtsordnung", von den Gesetzen von ganz besonders strengem oder auch absolut-zwingendem, exklusivem Charakter oder von der Fundamentalität der Normen hören 13 ? Auch der neue Wortlaut des Art. 6 EGBGB 1 4 zwingt dazu nicht. Denn die ganze Lehre vom ordre public läßt sich auf die zentrale Formel des Internationalen Privatrechts verkürzen: 7 So grundlegend RGZ 60, 296 (300) (fehlende Entsprechung zu § 25 HGB im englischen Recht): Gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes i.S.d. Art. 30 EGBGB a.F. werde verstoßen, „wenn der Unterschied zwischen den staatspolitischen oder sozialen Anschauungen, auf welchen dieses [das nach der Vorschrift des internationalen Privatrechts an sich maßgebliche Recht des Auslands] und auf welchen das konkurrierende deutsche Recht beruht, so erheblich ist, daß die Anwendung des ausländischen Rechts direkt die Grundlagen des deutschen staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens angreifen würde"; st. Rspr., s. etwa RGZ 138, 214 (216) (common law-Ehe nach dem Recht von New York), und BGHZ 22, 162 (167) (Erfolgshonorar eines Anwalts aus Washington, D.C.), der allerdings (was er für enger hält) prüfen will, „ob das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelung und der in ihnen liegenden Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, daß es von uns für untragbar gehalten wird". 8

So etwa Simitis, Gute Sitten und ordre public, S. 204; zur älteren Literatur vgl. F. Kahn, Abhandlungen I, S. 174 ff. 9

F. Kahn, Abhandlungen I, S. 177.

10

F. Kahn, Abhandlungen I, S. 177.

11

F. Kahn, Abhandlungen I, S. 168 ff., 214 ff.

12

So etwa Stein/Jonas /Schumann, § 328, Rn. 224.

13

F. Kahn, Abhandlungen I, S. 178.

14

IPRG v. 25.7.1986, BGBl. 1986 I 1142.

156

3. Teil: Versagungstatbestände

„Fremdes Recht ist anzuwenden, wenn dies dem Geist und Sinn unserer Rechtsordnung entspricht; es ist nicht anzuwenden, wenn seine Anwendung dem Sinn und Geist unserer Rechtsordnung widerstreitet" 15 . Man braucht nicht vom ordre public zu reden, wenn man sich nur diesen allgemeingültigen Grundsatz in Erinnerung rufen will 1 6 . Wie aber kommt man zu dem Ergebnis, das die h.M. über den ordre public zu erreichen sucht? Das Kollisionsrecht ist unvollständig. Man kann nicht erwarten, daß mit den knapp vierzig Artikel des EGBGB, die den Bereich des Internationalen Privatrechts abdecken sollen, Kollisionsregeln für den Bereich des gesamten Privatrechts bieten. Vielmehr bestehen überall zahlreiche Lücken, die es auszufüllen gilt. Diese Ergänzungsfunktion wird durch den ordre public wahrgenommen 17 . Dies wird schon dadurch indiziert, daß ,jede Ausnahme von einer sonst geltenden Regel, jede speziellere, neu sich bildende Kollisionsnorm, jede Abänderung, Umformung einer bestehenden ... eingeführt zu werden [pflegt] ... mit jenem passe-partout des ordre public" 1 8 . Ein Beispiel ist der in Folge der Spanierentscheidung des BVerfG 1 9 eingeführte Art. 13 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB 2 0 . Es geht beim „ordre public" also gerade nicht um die Sachnormen, für wie fundamental sie auch immer gehalten werden. Keine noch so wichtige inländische Sachnorm verlangt weltweit Gültigkeit, wie insbesondere das Kahn'sehe Polygamiebeispiel zeigt. Es geht vielmehr darum festzustellen, ob das Kollisionssystem bezüglich einer bestimmten Sachnorm vollständig ist. Wird eine Lücke festgestellt, so ist das Kollisionssystem zu ergänzen. Die Sachnorm (und sei sie noch so wichtig) ist nur anzuwenden, wenn festgestellt wird, daß eine kollisionsrechtliche Lücke besteht und ihre Ausfüllung die Anwendung der Sachnorm zuläßt 21 . Dort ist anhand der üblichen Ergänzungsinstrumente (Analogie und Gegenschluß, Rechtsfortbildung durch Gesetzesanalyse) unter besonderer Würdigung der Besonderheiten des Internationalen Privatrechts, insb. den allgemeinen Kriterien für die Anknüpfung (Staatsangehörigkeit, Wohnsitz, domicile, Belegenheit einer Sache oder eines Geschehens, Ort einer Handlung oder Sitz einer Behörde oder einer Vereinigung)

15

F. Kahn, Abhandlungen I, S. 178.

16

F. Kahn, Abhandlungen I, S. 178.

17

F. Kahn, Abhandlungen I, S. 251.

18

F. Kahn, Abhandlungen I, S. 251; in diese Richtung auch Art. 15 schweizIPRG.

19

BVerfGE

20

Dazu Kegel, Internationales Privatrecht, S. 506 f.

21

31, 58.

Im Ansatz wohl ähnlich v. Heymann, Der ordre public, S. 164; Roth, Der Vorbehalt des ordre public, S. 179 f: Die Fundamentalnormen würden nur kraft kollisionsrechtlicher Anknüpfung gelten.

§ 6 Allgemeiner Teil

157

und unter Abwägung mit dem Respekt vor der jeweils betroffenen fremden Rechtsordnung 22 eine angemessene Kollisionsnorm zu entwickeln 23 . Das hat mit Methodenunehrlichkeit und juristischem Chauvinismus nichts zu tun 24 . Vielmehr vermag die hier vertretene Lehre die Ergebnisse, die wohl stets mit denen der h.M. übereinstimmen, zu begründen. Sie werden deshalb nachvollziehbar und haben einen höheren Geltungsanspruch. Ohne an Einzelfallgerechtigkeit zu verlieren, schafft sie also höhere Rechtssicherheit. Im Bereich des IPR kommt es zudem auf die Fundamentalnormen gar nicht mehr an. Der ausländische Souverän kann also - indem der Begriff des ordre public fallengelassen wird - noch mehr geschont werden, als dies die h.M. erreichen kann. Aus dieser Perspektive beantwortet sich der Meinungsstreit zur Frage, ob der ordre public eine „negative" oder „positive" Funktion hat 25 , ob also durch den ordre public nur die Sachnormen der lex fori angewiesen werden (positive Funktion) oder auch Sachnormen anderer Rechtsordnungen (negative Funktion), freilich auf den kollisionsrechtlichen ordre public beschränkt, recht einfach: Da der ordre public nur Teil der Fortentwicklung des Kollisionssystems ist, kann nie, wie es die Positivisten für möglich halten, nur ein Recht anwendbar sein.

2. Bedeutung des ordre public bei der Wirkungserstreckung a) §§ 328 Abs. 1 Nr. 4, 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO I m Gegensatz zu Art. 6 EGBGB haben §§ 328 Abs. 1 Nr. 4, 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und auch (der hier nicht näher untersuchte, aber ähnlich gelagerte) § 16a Nr. 4 FGG nicht primär eine kollisionsrechtliche Funktion, sondern in erster Linie die Aufgabe zu klären, ob der Gerichtsstaat einer Entscheidung, die nicht seinem Souveränitätsbereich entstammt, sein hoheitliches Placet gewähren soll, ob er insb. seinen Vollstreckungsapparat zu ihrer Durchsetzung bereitstellen soll. Hier spielt der Begriff des ordre public durchaus eine 22

v. Heymann, der ordre public, S. 165.

23

Bei Sonnauer, Die Kontrolle der Schiedsgerichte, S. 9 ff. findet sich eine vollständige Auflistung aller zu berücksichtigender Interessen im Bereich der Wirkungserstreckung von Schiedssprüchen. 24 So aber MüKo/Sonnenberger, Art. 6 EGBGB, Rn. 9. 25

Für rein negative Funktion etwa Kornblum, KTS 1968, 148; a.A. etwa MüKo/ Sonnenberger, Art. 6, Rn. 2 ff., der der positiven Funktion noch einen gewissen Einfluß in extremen Situationen belassen möchte, und wohl auch Kegel, Internationales Privatrecht, S. 335, der durch elastisch gestaltete Sachnormausbildung im deutschen Recht das ausländische Recht möglichst wenig kränken will.

158

3. Teil: Versagungstatbestände

Rolle. Anders als beim ordre public muß der Begriff eng ausgelegt werden, um die grundsätzlich gewünschte Wirkungserstreckung zu ermöglichen. Zu fragen ist also nach einem abgrenzbaren Bereich solcher Sachnormen, die geeignet sind, die Wirkungserstreckung zu verhindern. Bevor diese Bestimmung erfolgt, soll aber klargestellt werden, daß auch bei der Wirkungserstreckung keine Norm absolute und weltweite Geltung beanspruchen kann. Das wird deutlich bei den bei §§ 328 Abs. 1 Nr. 4 und 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO besonders hervorgehobenen Grundrechten: Man wird schwerlich die nur auf Deutsche anwendbare Grundrechte, etwa, um die im Wirtschaftssektor interessantesten hervorzuheben, Art. 9 Abs. 1 (Vereinigungsfreiheit), 11 Abs. 1 (Freizügigkeit) und 12 Abs. 1 (Berufsfreiheiten) GG, im Auslandsverkehr als solche anwenden können. Es ist also in jedem Einzelfall zu untersuchen, ob eine vom ordre public erfaßte Sachnorm örtlich, d.h. kollisionsrechtlich anwendbar ist. Die von der h.M. auch in diesem Zusammenhang verwendete Formel vom Inlandsbezug zeigt, daß auch insoweit keine Abweichung von der h.M. besteht. Der Meinungsstreit zwischen der positiven und der negativen Funktion des ordre public ist hier eindeutig im Sinne der Positivisten zu lösen 26 . Die Wirkungserstreckung soll nur versagt werden, wenn eine deutsche Bestimmung dies fordert. Das ergibt sich aus dem Wortlaut und dem Sinn der betroffenen Bestimmungen. Wie soll nun aber das von Kahn - für den Bereich des Internationalen Privatrechts - ad absurdum geführte Problem gelöst werden, was eigentlich Inhalt der Sachnormen ist, die vom ordre public erfaßt sind? Zum Teil wird ein sehr weiter Bereich vorgeschlagen. Es sollen in Übereinstimmung mit den Worten der alten Fassung v.a. des § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO auch bloße Sittenverstöße i.S.d. §§ 138 und 826 BGB und Verstöße gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes beachtlich sein 27 . Das ist mit dem neuen Wortlaut nicht zu vereinbaren. Wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts sind verletzt, wenn nicht bloß eine sittliche Regel, sondern das Recht gebrochen wird, und zwar nicht nur der Zweck irgendeines deutschen Gesetzes, sondern eines wesentlichen und grundsätzlichen. Einen sehr viel engeren Bereich möchte Roth erfaßt sehen. Er hat vorgeschlagen, nur „rechtliche Grundwerte ..., die aus der Gerechtigkeitsidee im

26 27

v. Heymann, Der ordre public, S. 166; Kornblum, KTS 1968, 154.

Stein /Jonas/Schumann, § 328, Rn. 224; schon unter altem Recht für eine einschränkende Auslegung des Begriffs der guten Sitten, Simitis, Gute Sitten und ordre public, S. 166 ff.; ähnlich auch Kegel, Internationales Privatrecht, S. 325; dagegen aber v. Heymann, Der ordre public, S. 29.

§ 6 Allgemeiner Teil

159

Zusammenhalt mit material-ethischen Werten abzuleiten und ... wenigstens annäherungsweise der menschlichen Erkenntnis gegeben sind" unter den Begriff zu subsumieren 28. Damit meint er jedenfalls einen recht 29 engen Normenkatalog. Wie er den Normenkatalog im einzelnen bestimmen will, ist aber nicht klar. Die Enge wird allerdings letztlich auch damit gerechtfertigt, daß für Schiedssprüche spezielle und positive Anerkennungsversagungsgründe „kraft Natur der Sache" 30 geschaffen werden. Der Staat gewährleiste stillschweigend, wenn er eine private Streitentscheidung zulasse, nur für solche Schiedssprüche die Durchsetzung, die gewisse Voraussetzungen erfüllten, insb. das eines justizförmigen Verfahrens 31. Dagegen hat sich mit Recht Kornblum gewandt. Der Hinweis allein auf „die Natur der Sache" vermag nicht recht zu überzeugen 32. Von Hey mann will wieder einen weiteren Bereich zugrundelegen. Er möchte das gesamte zwingende Recht erfaßt sehen33. Es stehe den Parteien nicht frei, die zwingenden Rechtssätze des Vollstreckungsstaates zu umgehen. Das gilt - nach dem oben zur Notwendigkeit der kollisionsrechtlichen Ergänzung des ordre public Gesagten - nur, wenn das zwingende Recht überhaupt anwendbar ist. Der Bereich des zwingenden Rechts ist verhältnismäßig leicht zu bestimmen. Es läßt sich auch vertreten, daß alle zwingenden Rechtsnormen wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts enthalten. Diese Bestimmungen sind nämlich deshalb unabdingbar, weil der Gesetzgeber aus erheblichen sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Gründen keine andere Lösung zulassen wollte. Dennoch wird man mit Habscheid auch dieser Auffassung die Gefolgschaft verweigern müssen. Zum einen gibt es Sätze des zwingenden Rechts, die nicht unter den ordre public fallen. Dazu gehören insb. Fragen der Formbedürftigkeit bestimmter Rechtsgeschäfte. Zum anderen sind 28

Roth, Der Vorbehalt des ordre public, S. 180.

29

So auch v. Heymann, Der ordre public, S. 170.

30

Roth, Der Vorbehalt des ordre public, S. 157 ff. (S. 40 ff. für Urteile).

31

Roth, Der Vorbehalt des ordre public, S. 157.

32

Kornblum, KTS 1968, 151. Sein auf die enumerativ aufgezählten Versagungsgründe des Art. V UN-Ü, Art. VI Abs. 2 Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29.10.1954, BGBl. 1956 II 488 (abgedruckt bei Jayme/Hausmann, Nr. 127) gestütztes Argument, die eben den Versagungsgrund der „Natur der Sache" nicht enthielten, vermag indes nicht zu überzeugen. Es geht nicht um einen weiteren Versagungsgrund, sondern um die Bestimmung des Inhalts des Versagungsgrundes ordre public, Art. V Abs. 2 lit. b UN-Ü, Art. VI Abs. 2 S. 3 Dt.-am. Freundschaftsvertrag. 33 v. Heymann, Der ordre public, S. 167; Mezger, NJW 1970, 369; Stein/Jonas/ Schlosser, Anh. § 1044, Rn. 86; ähnlich nach Brentano-Funck, JPS 1989, 249 auch der Cour de Cassation am 15.3.1988.

160

3. Teil: Versagungstatbestände

bestimmte dispositive Rechtssätze des Prozeßrechts Gegenstand des ordre public, etwa die Garantie des rechtlichen Gehörs 34. Die h.M. versteht unter den Fundamentalnormen solche Bestimmungen, die in einer die Grundlage des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens berührende Frage aus bestimmten staatspolitischen, sozialen oder wirtschaftlichen Anschauungen erlassen wurden 35 . Dem ist zuzustimmen. Allerdings ist die These zu präzisieren. Was Fundamentalnormen sind, ergibt sich ganz wesentlich aus dem Wortlaut der §§ 328 Abs. 1 Nr. 4, 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dabei werden Grundrechte als Vergleichsmaßstab herangezogen. Grundrechte sind Verfassungsnormen. Die Verfassung im materiellen Sinne ist die Gesamtheit der Normen, die für die Ordnung und die Gestalt eines Gemeinwesens zentral und bestimmend sind, mögen sie in einer Verfassungsurkunde (der Verfassung im formellen Sinne) enthalten sein oder auch nicht. Dieser von der Verfassungsrechtswissenschaft geprägte Begriff hat Bedeutung etwa für Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG. Erfaßt sind also gerade auch einfach-gesetzliche Bestimmungen mit hoher Bedeutung gerade im Wirtschaftssektor, etwa im Währungs- und Kartellbereich. Gegen eine Gleichstellung der Fundamentalnormen mit der Verfassung im materiellen Sinn scheint zunächst zu sprechen, daß die Grundrechte gegenüber den anderen Fundamentalnormen herausgehoben werden, wie sich sowohl aus der Verwendung des Begriffs „insbesondere" ergibt, als auch daraus, daß bei den „wesentlichen Grundsätzen" eine offensichtliche Unvereinbarkeit gefordert wird, während bei den Grundrechten eine Unvereinbarkeit genügen soll. Daraus muß aber nicht notwendig folgen, daß die Verfassung im materiellen Sinn enger ist als der Bereich der Fundamentalnormen. Die Grundrechte sind auch innerhalb der Verfassung hervorgehoben. Zwar stehen sie nicht unmittelbar unter der Unendlichkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG. Doch erfolgt ein mittelbarer Schutz über Art. 1 und - allerdings mehr im politischen Bereich - 20 GG. Der Offensichtlichkeit der Unvereinbarkeit kann keine besondere Bedeutung beigemessen werden. Entweder die ausländische Entscheidung verstößt gegen einen wesentlichen Grundsatz oder eben nicht. Es sind keine Kriterien erkennbar, mit dem die Offensichtlichkeit eines Verstoßes gemessen werden könnte.

34

Habscheid, Fs. Keller, S. 575. Statt vieler Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 30, Rn. 19, Kap. 57, Rn. 33; Engelhardt, in: Böckstiegel, Schiedsgerichtsbarkeit im Umfeld, S. 46; s.a. RGZ 60, 296 (300) mit Zitat oben (Fn. 7) und die st. Rspr.; ähnlich auch Lew, Applicable Law, para. 403. 35

§ 6 Allgemeiner Teil

161

Zusammenfassend ist also für §§ 328 Abs. 1 Nr. 4, 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO festzuhalten, daß man zur Versagung der Wirkungserstreckung kommt, wenn zwei Voraussetzungen gegeben sind: Erstens muß eine Fundamentalnorm, also eine Verfassungsnorm im materiellen Sinne betroffen sein; zweitens muß diese Norm auch kollisionsrechtlich anwendbar sein. h) Der ordre public bei Art. V Abs. 2 lit b UN-Ü Der Begriff des ordre public ist bei Art. V Abs. 2 lit. b U N - Ü zwar, wie das ganze Übereinkommen, autonom auszulegen. Doch ist für seinen Gehalt das Recht des Vollstreckungsstaates maßgeblich 36 . Es ergeben sich also in der Sache keine Unterschiede zur Auslegung des § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. A u f die dortigen Ausführungen kann verwiesen werden.

3. Funktion einzelner, für die Wirkungserstreckung von Schiedssprüchen bedeutsamer Begriffe a) Ordre public interne und ordre public international Ein in der Rechtsprechung des BGH 3 7 , wie schon zuvor v.a. in der romanischen Rechtsprechung 38 und Literatur 39 auftauchendes Begriffspaar ist das 36

Statt aller van den Berg, The New York Arbitration Convention, p. 376; Bertheau, Das New Yorker Abkommen, S. 61 f. 37

BGHZ 98, 70 (engl. Spruch; Bestellung des vom Schiedskläger bestellten Schiedsrichters zum Einzelschiedsrichter nach Säumnis des Schiedsbeklagten) m. zust. Anm. Walten JZ 1987, 156; m. abl. Anm. Kornblum, NJW 1987, 1105, und dazu v. Winterfeld, NJW 1987, 3059. 38

Cour de Cassation Juris Classeur 1966, 173 (fehlende Begründung des Schiedsspruchs; c'est „n'est pas en lui-meme contraire à l'ordre public français au sense du droit international privé"); undeutlich aber in RevCrit 1967, 553 (fehlende Genehmigung zur Beteiligung der französischen staatlichen Einrichtung zur Teilnahme am Schiedsverfahren; Galakis), wo lediglich dargestellt wird, daß die Verletzung der im Inland geltenden Regel im Außenhandelsverkehr unbeachtet bleiben müsse; nun auch im frz.Dekret, art. 1502 no. 5 ncpc („contraire à l'ordre public international") verankert; seither geht es in der Sache mehr darum, die beiden Instrumente zu unterscheiden, wobei ein Meinungsstreit zwischen den Cours d'appel de Paris und Versailles mit einer engeren Definition für den ordre public international und dem Cour de Cassation besteht, vgl. dazu F unck-Brentano, JPS 1989, 248 ff.; w.N. aus der frz. und belg. Rspr. bei Haas, Anerkennung und Vollstreckung, S. 220, Fn. 293 f., und aus der internationalen Rspr. bei Domke, Fs. Bülow, S. 50 ff. — Anderswo wird sehr häufig allein daraus, daß bestimmte inländische Rechtsregeln nicht im Auslandsverkehr angewandt werden, geschlossen, daß der ordre public international akzeptiert worden sei, so etwa für Corte di Appello di Firenze YCA III (1978) 279, der aber im wesentlichen ausführt, daß das UN-Ü nicht die Begründung des Spruchs verlange. 11 Kilgus

162

3. Teil: Versagungstatbestände

des ordre public interne und des ordre public international 40 . Dabei sollen für inländische Schiedssprüche andere, regelmäßig höhere Maßstäbe gelten als für ausländische. Konkret wird dies damit begründet, daß man sich im Ausland den anderen Rechtsvorstellungen zu beugen habe, daß hier Parteivereinbarungen in weiterem Maß zu beachten seien 41 . Besondere Bedeutung hat die Differenzierung bei der Vollstreckbarerklärung von inländischen und ausländischen Schiedssprüchen. § 1041 Abs. 1 Nr. 2 soll eine andere Bedeutung haben als § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Diese Differenzierung erklärt sich schon aus der Perspektive der h.M. damit, daß am Gerichtsort ein höherer Inlandsbezug besteht als im Ausland. Die Unterscheidung zwischen dem ordre public interne und international vermag allenfalls Erscheinungen zu illustrieren 42 , nicht eine dogmatisch verwertbare Methodik anzuregen 43.

Aus der mexik. Rspr. wird auf eine Entscheidung eines als Tribunal Superior de Justicia bezeichneten Gerichts, wobei vermutlich der Suprema Corte de Justicia de la Nation gemeint ist, in YCA IV (1979) 302 verwiesen; allerdings wird die Verletzung der inländischen Benachrichtungsform (Zustellung statt Brief) hier nicht als Verstoß gegen den ordre public geprüft wird, sondern als Verstoß gegen Art. V Abs. 1 litt, b, d UN-Ü. Ähnliches gilt für Scherk v. Alberto Culver Co 417 US 506, 515/516 (SC) (1974), wo nur von Anwendungsunterschieden für den Security Act 1933 die Rede ist, nicht von der international public policy. 39 Der Begriff stammt nach Kahn, Abhandlungen I, S. 200 von Brocher, Nouveau traité, p. 20 et s.; aus der modernen französischen Literatur statt aller Matray, Liber amicorum for Sanders, pp. 241/242. 40

Für die Unterscheidung etwa: Bartos, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, S. 40, 48 und öfter; Haas, Anerkennung und Vollstreckung, S. 222 f.; Stein/ Jonas/Schlosser, § 1044, Rn. 18 f., Anh. § 1044, Rn. 86; Mezger, NJW 1970, 369 f.; Sanders, Ree. 145 (1975 II), 225, 287 m.w.N.; Goldman, Ree. 109 (1962 II), 430,

433; wohl auch Domke, Fs. Bülow, S. 58; Raeschke-Kessler, NJW 1988, 3050, aber mehrdeutig, s.u. Fn. 43; a.A. v. Heymann, Der ordre public, S. 167 (aber Position nicht ganz klar, vgl. S. 165); Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 30, Rn. 19; Kap. 57, Rn. 33; Kornblum, NJW 1987, 1106; ders., Fs. Nagel, S. 146 f.: Es

könnten nicht weitere Abstriche vom rechtsstaatlichen Minimum gemacht werden, im übrigen spreche schon der übereinstimmende Wortlaut für die Identität der Begriffe. Die völlige Identität der Begriffe behauptet Wieczorek/Schütze, § 1044, Anm. E 2; den Begriff des ordre public interne ablehnend: Roth, Der Vorbehalt des ordre public, S. 178 ff.; keine Differenzierung kann der Entscheidung des IGH in Sachen Niederlande gegen Schweden, ICJ-Rep. 1958, 55 entnommen werden. Hier ist sowohl im eigentlichen judgment, p. 60, als auch bei der sep. op. von Sir Percy Spender, p. 122, nur von dem Ermessen der jeweiligen Hohen Vertragsschließenden Partei die Rede, ihre fundamentalen Rechtsgrundsätze durch den ordre public zu schützen. 41 42

Bartos, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, S. 55.

So etwa Roth, Der Vorbehalt des ordre public, S. 178; v. Winterfeld, 3060; in diese Richtung auch v. Heymann, Der ordre public, S. 167, 171. 43

NJW 1987,

Für die Notwendigkeit einer unterschiedlichen Behandlung des ordre public al-

§ 6 Allgemeiner Teil

163

Dasselbe gilt nach dem hier vertretenen kollisionsrechtlichen Ansatz. Die Bedeutung des § 1041 Abs. 1 Nr. 2 ZPO liegt darin, solchen inländischen Schiedssprüchen die Anerkennung zu versagen, die gegen die inländische Fundamentalnormen verstoßen. Eine kollisionsrechtliche Untersuchung ist regelmäßig nicht erforderlich. Meist ist nämlich schon aufgrund der allgemeinen Grundsätze deutsches Recht anwendbar/ Sollte allerdings im Einzelfall ausländisches Recht zur Anwendung kommen, etwa weil das anwendbare materielle Recht ausländisch ist, so stellt sich die Frage der kollisionsrechtlichen Einordnung der relevanten Fundamentalnormen doch. Wenn es also faktisch Unterschiede gibt, so liegt dies nicht am Inhalt der zur Anwendung kommenden Fundamentalnormen, sondern an deren kollisionsrechtlicher Anwendbarkeit.

b) Ordre public transnational Zuweilen wird für einen ordre public transnational (auch: ordre public vraiment international) plädiert. Darunter wird zum einen der Maßstab der „gemeinsamen Überzeugungen der Kulturstaaten" 44 verstanden, zum anderen die Anerkennung gerade solcher ausländischer Vorschriften, die der lex fori fremd sind oder gar ihren zentralsten Bestimmungen zuwiderlaufen, die aber andererseits für das Funktionieren des fremden Systems erforderlich sind. aa) Eines besonderen ordre public transnational i.S. eines international anerkannten Sachnormkatalogs 45, wie etwa der UN-Menschenrechtserklälerdings Bartos, Internationale Handelsgerichtsbarkeit, S. 55 mit der Argumentation, das werde schon durch die Verwendung von zwei Normen, § 1041 Abs. 1 Nr. 2 und § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO impliziert. Die Normen wurden nicht zur Trennung zweier ihrer Nummern geschaffen. Bartos, a.a.O., S. 56 ist denn auch selbst zurückhaltend. Für entscheidend will er letztlich (a.a.O., S. 59) den Respekt vor den an sich anwendbaren ausländischen Normen sehen. Nach der hier vertretenen Auffassung muß die völkerrechtliche comitas bei der Rechtsfortbildung als ein Wertungsaspekt berücksichtigt werden. Nach der h.M. dürfte sie umso weniger zu berücksichtigen sein, je mehr Inlandsbezug besteht. 44 So Bleckmann, ZaöRV 34 (1974), 118. Der Begriff des „Kulturstaats" und der verwandte der „zivilisierten Welt" setzt voraus, daß es verschiedene Kulturstufen gibt; das ist unter keinem Gesichtpunkt vertretbar. Die Begriffe sollten nicht mehr verwendet werden. 45 So etwa Matray, Liber amicorum Sanders, p. 244, der den Vergleich mit der nicht weniger fragwürdigen lex mercatoria wagt. Raeschke-Kessler, NJW 1988, 3050 scheint in die gleiche Richtung zu streben: „Was mit dem internationalen Standard übereinstimmt, verstößt nicht gegen den deutschen ordre public." Er sieht den deutschen ordre public andererseits aber als verletzt an, „wenn das schiedsgerichtliche Verfahren an einen schwerwiegenden, die Grundlagen des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens berührenden Mangel leiden." Wie aber, wenn der internationale Stan11*

164

3. Teil: Versagungstatbestände

rung 46 , bedarf es nicht 47 . Verstößt eine Entscheidung gegen eine solche Norm, so wird sie zugleich auch gegen eine entsprechende Sachnorm der lex fori verstoßen. Das ist etwa für die von Matray angeführten Kartellbestimmungen der Art. 85 f. EGV 4 8 , aber auch für andere staatsvertragliche Regelungen der Fall. Sie sind in Deutschland durch das Vertragsgesetz umgesetzt worden und so Bestandteil des nationalen Rechts und der nationalen Fundamentalbestimmungen geworden. Es gibt keinen ordre public communautaire européen 49, sondern nur nationale Fundamentalbestimmungen. Nur auf sie kommt es an. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der betroffenen Bestimmungen: Bei § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist von den „wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts" die Rede, nicht von solchen eines internationalen Normenkatalogs und bei Art. V Abs. 2 lit. b UN-Ü geht es konkret um den ordre public des Vollstreckungsstaats 50. Einen ordre public transnational in diesem Sinn gibt es also - jedenfalls bei diesem Wortlaut der Vollstreckungsbestimmungen nicht. Neben der dogmatischen Unzulässigkeit kann aber auch der praktische Zweck nicht gesehen werden. Zum einen erscheint es nahezu unmöglich, ein System international anerkannter Fundamentalnormen festzulegen. Zum anderen stellt sich die Frage, wie man den Inhalt der Normen bestimmen soll. Wahrscheinlich dürfte das Verbot der entschädigungslosen Enteignung nunmehr weltweit Beachtung finden. Was aber ist eine Enteignung? Schon im deutschen Recht bestehen, wie der Naßauskiesungsbeschluß des BVerfG 51 dard aus deutscher Sicht unerträglich ist? Die Entscheidung des Cour de Cassation RevCrit 1949, 89 (91) kann nicht im Sinne eines solchen ordre public transnational verstanden werden; sie beschreibt nur den ordre public international als die Interventionsnorm zugunsten der „principes de justice universelles considérés dans l'opinion français comme doués de valeur internationale absolue". Mit der Annahme von „Wertmaßstäben von einer universalistischen Perspektive" will Stein/Jonas/ Schlosser, § 1044, Rn. 20 wohl nur den ordre public international besonders hervorheben. 46 So Goldman , Ree. 109 (1963 II), 431 unter Berufung auf Le rebours-Pige onnière, La déclaration universelle des droits de Y homme et le droit international privé français, in: Le droit privé français au milieu du XX e siècle. Etudes offertes à Georges Ribert, Paris 1950,1, p. 255 et s., sowie Matray , Liber amicorum Sanders, p. 248, der auch weitere UN-, GATT-, OECD- und Unesco-Bestimmungen nennt, pp. 248-50. 47 Ein anderes will Goldman, Ree. 109 (1963 II), 432 für a-nationale Schiedssprüche annehmen. Diese sind aber jedenfalls derzeit in Deutschland nicht anerkennungsfähig; noch schärfer Kornblum, Fs. Nagel, S. 141: Es gäbe keine a-nationalen Schiedssprüche. 48 Matray, Liber amicorum Sanders, pp. 244/245. 49 So aber Matray, Liber amicorum Sanders, p. 244. 50 So nachdrücklich auch Kornblum, Fs. Nagel, S. 141 f. 51

BVerfJSE

58, 300 (328 ff.).

§ 6 Allgemeiner Teil

165

zeigt, erhebliche Schwierigkeiten. Es dürfte auch schwerfallen, die deutsche Abgrenzungen zwischen Enteignung, Aufopferung, enteignendem und enteignungsgleichem Eingriff ausländischen Juristen verständlich zu machen. Zweifelhaft bleibt, wie die auf Grundlage des sowjetischen Besatzungsrechts vorgenommenen Enteignungen der Jahre 1945-1949 zu behandeln sind 52 . bb) Dogmatisch läßt sich auch nicht vertreten, daß ausländische Fundamentalnormen zum Bereich des ordre public rechnen 53. Der ordre public ist nämlich im Bereich der Wirkungserstreckung ausländischer Entscheidungen nach der lex fori definiert. Doch kann eine deutsche Norm, z.B. die qua Art. 25 GG geltende völkerrechtliche comitas gegenüber ausländischen Staaten auch die Beachtung ausländischer Normen verlangen. In der englischen Sache Regazzoni v. KC Sethia (1944) Ltd wird dies sehr schön illustriert 54 . Hier wurde das Exportverbot Indiens gegenüber Südafrika durchgesetzt. Viscount Simonds führte aus, daß die public policy (hier i.S.d. illegality) auch die völkerrechtliche comitas enthalte. Das Exportverbot des befreundeten Staates wurde also aus außenpolitischen Interessen des Gerichtsstaates berücksichtigt, nicht weil die indischen Normen von sich aus Geltung beanspruchen würden. Bei den deutschen Entscheidungen in diesem Bereich, ging es oft um die Durchsetzung von Normen, die in Deutschland noch nicht formell in Kraft getreten waren, die aber bereits über § 138 BGB Beachtung verlangten, die aber andererseits in einem betroffenen ausländischen Staat umgesetzt worden waren. So war die Seeversicherung für einen Export aus den Vereinigten Staaten in den Ostblock nicht wegen der amerikanischen Normen 55 , die Seefrachtversicherung für die Ausfuhr von Kulturgütern aus Nigeria nicht wegen der nigerianischen Bestimmungen sittenwidrig 56 , sondern wegen deutscher Normen. Es widersprach nämlich auch der deutschen Verteidigungs- und Außenpolitik, wenn militärisch verwertbare Erzeugnisse der westlichen Hochtechnologie in den Ostblock exportiert wurden. Deshalb trat die Bundesrepublik wenig später dem Cocom (Coordinating Committee for Multilateral Export Controls) bei. Der internationale Kulturgüterschutz war zur Zeit der zweiten Entscheidung bereits Bestandteil des deutschen Sittenge-

52

Dazu BVerfGE 84, 90 ff. So aber Bleckmann, ZaöRV 34 (1974), 119. 54 Regazzoni v. KC Sethia (1944) Ltd [1958] AC 301 (HL) per Viscount Simonds at 318/319; vgl. auch aus der am. Rspr. Linn v. Ula Uranium Co DC Utah 169, F supp 245 (äff d CA 265 F 2d 916). 55 BGH NJW 1962, 1436; der Frachtvertrag in BGHZ 34, 169 war schon wegen der beabsichtigten Täuschung amerikanischer Dienststellen sittenwidrig und wahrscheinlich wegen §§ 263 Abs. 2, 22 f. StGB auch gesetzeswidrig. 53

6

BGHZ 5 , 82.

166

3. Teil: Versagungstatbestände

setzes geworden. Die entsprechende Unesco-Konvention wurde wenig später auch von der Bundesrepublik gezeichnet, ratifiziert und umgesetzt57.

c) Materiellrechtlicher und verfahrensrechtlicher ordre public Nach dem Gegenstand der tangierten Fundamentalnorm wird zwischen materiellrechtlichem und verfahrensrechtlichem ordre public unterschieden. Praktische Unterschiede hat die Unterscheidung nicht zur Folge 58 . Sie mag der Übersichtlichkeit wegen beibehalten werden.

I I I . Versäumen eines befristeten, erststaatlichen Rechtsbehelfs Einer der am heftigsten ausgetragenen Meinungsstreitigkeiten im Bereich des deutschen internationalen Schiedsverfahrensrechts betrifft die Frage, wie § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu verstehen ist. Nach § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist ein ausländischer Schiedsspruch nicht für vollstreckbar zu erklären, wenn er nach dem Schiedsverfahrensrecht unwirksam ist. Klar ist die Rechtslage dann, wenn das angewiesene Recht einen unbefristeten Rechtsbehelf zur Verfügung stellt. In diesem Fall kann der Gegner eines Antrags auf Vollstreckbarerklärung sich auf die Aufhebungsgründe des ausländischen Schiedsverfahrensrechts berufen. Ein anderes soll nach der Rechtsprechung aber dann gelten, wenn der Rechtsbehelf befristet ist. Wird der Rechtsbehelf im Heimatstaat des Schiedsspruchs versäumt, so sollen die damit im Heimatstaat ausgeschlossenen Aufhebungsgründe auch in Deutschland nicht mehr unter § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO als Versagungsgründe berücksichtigt werden 59 . 57 Anders Bleckmann, ZaöRV 34 (1974), 113, der, was nach dem Wortlaut der Entscheidung durchaus verständlich ist, annimmt, der BGH habe den Schutz eines ausländischen ordre public durch das deutschen Recht verankert wollen. Die hier vertretene Meinung scheint für den Bereich der Wirkungserstreckung hilfreicher und dogmatisch sauberer. 58

Zur früher a.A. des BG, BGE 57 I 424 (425) und 62 I 143 vgl. Bartos, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, S. 33; die Frage ist heute praktisch unstreitig, vgl. statt aller Haas, Anerkennung und Vollstreckung, S. 223. 59

BGHZ 52, 184 mit im wesentl. zust. Anm. R. Münzberg, ZZP 83 (1970), 330; darst. Anm. Rietschel, LM Nr. 7 zu § 1044 ZPO; m. abl. Bespr. A. Bülow, NJW 1971, 486; m. abl. Bespr. Pfaff, AWD 1970, 55, und der Erwiderung hierauf von Mezger, AWD 1970, 258. Die Bespr. Mezger, NJW 1970, 368 beschränkt sich auf Fragen des ordre public. BGHZ 55, 162 m. temperamentvoll abl. Anm. Pf äff, AWD 1971, 235, und dazu Mezger, Beschränkung des Geltungsbereichs des § 1044 ZPO durch internationale Übereinkommen?, AWD 1971, 322; m. nur im Erg. zust. Bespr. A. Bülow, NJW 1972, 415, die sich im wesentlichen auf die Vorschriften des EuÜ, insb. Art. V Abs. 1 und 2 bezieht, m. darst. Anm. Rietschel, LM Nr. 8 zu § 1044

§ 6 Allgemeiner Teil

167

Diese in der Literatur 60 heftig angegriffene Rechtsprechung ist für den anglo-deutschen Schiedsverkehr deshalb von Bedeutung, weil der ganze Komplex der active remedies gem. RSC Ord. 73 r. 5 befristet ist. Das betrifft in der Sache v.a. den appeal gem. s. 1 Arbitration Act 1979 (dazu § 7 I 3 b) und die Rechtsbehelfe wegen misconduct (dazu § 7 I 3 a). Die bisherigen Entscheidungen des B G H betrafen aber alle die Frage, ob sich der Spruchschuldner bei Versäumen eines Rechtsbehelfs wegen Überschreiten oder Fehlen einer Schiedsvereinbarung in Deutschland mit § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gegen die Vollstreckbarerklärung wehren kann. Das spielt indes im anglodeutschen Schiedsverkehr keine Rolle, da insoweit unbefristete passive remedies bestehen (dazu § 7 I 1 b). Auch die Kritik an der Rechtsprechung konzentriert sich auf diese Fragestellung. Es ist also für den anglo-deutschen Bereich zu abstrahieren zwischen der Frage, ob § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO generell bei versäumten erststaatlichen Rechtsbehelfen anwendbar bleibt, und der Frage, was bei Rechtsbehelfen wegen Fehlens oder Überschreitens der Schiedsvereinbarung gilt.

1. Allgemeine Diskussion a) Wortlautargumentation der Rechtsprechung Die Rechtsprechung argumentiert im wesentlichen mit dem Wortlaut des § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Bei den beiden Leitentscheidungen61 ging es um

ZPO. Die Rechtsprechung wurde bestätigt in BGH RIW 1984, 644 (645) und NJWRR 1988, 572; sie wurde auf Art. VI Abs. 2 des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrags vom 29.10.1954 (BGBl. 1956 II 488, Jayme/Hausmann, Nr. 127) in BGHZ 57, 153 m. darst. Anm. Rietschel, LM Nr. 9 zu § 1044 ZPO, m. zust. Anm. Schlosser, ZZP 86 (1973), 49 ff., und auf Art. 13 des deutsch-belgischen Abkommens über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 30.6.1958 (BGBl. 1959 II 766) in BGHZ 71, 131 (135 f.) erweitert. Die Rechtsprechung folgt der erstmals von Mezger, NJW 1962, 278 veröffentlichten These. Diese basiert wiederum auf einer im wesentlichen unveröffentlichten Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. (U.v. 19.5.1959, 4 U 217/ 58; AWD 1960, 217). Neben Mezger, a.a.O., folgt der Lehre auch Schlosser, ZZP 86 (1973), 49 ff.; ders., NJW 1978, 457. R. Münzberg hat dagegen (in: Zeitgenössische Fragen, S. 197) seine frühere Meinung (a.a.O.) aufgegeben. 60

Abi. etwa: A. Bülow, NJW 1971, 486; ders., NJW 1972, 415; R. Münzberg, in: Zeitgenössische Fragen, S. 197; Ernemann, Anerkennung und Vollstreckung, S. 125; Habscheid, KTS 1970, 9 f.; ders., KTS 1972, 214 f.; Schütze, W M 1981, 1292; Pf äff,

AWD 1970, 55; ders., Kap. 30, Rn. 17. 61

AWD 1971, 235; Schwab/Walter,

Schiedsgerichtsbarkeit,

BGHZ 52, 184; 55, 162; krit. dazu v.a. A. Bülow, der in seinen beiden Bespre-

168

3. Teil: Versagungstatbestände

die Frage, ob das Versäumen der 30-tägigen Frist des erststaatlichen, jugoslawischem Rechts zur Einlegung der Nichtigkeitsklage (§§ 450, 451 Nr. 1, 452 jugosl. ZPO) die Rüge der Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung vor dem deutschen Gericht ausschloß. Der BGH bejahte dies. Entscheidend sei nicht, ob eine wirksame Schiedsvereinbarung geschlossen worden sei, sondern ob der Schiedsspruch rechtswirksam sei (§ 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) 62 . Sei eine erststaatliche Nichtigkeitsklage nicht fristgerecht eingelegt worden, so sei der Schiedsspruch insoweit als rechtswirksam anzusehen. Aber schon gegen die grammatische Auslegung findet sich erhebliche Kritik. Der Begriff der Unwirksamkeit werde auch vom BGH nicht wörtlich verstanden. Er umfasse nach allgemeinem Verständnis vielmehr auch die Vernichtbarkeit 63. Diese Argumentation überzeugt nicht. Die hier vorgenommene weite Auslegung vermag nicht an anderer Stelle eine enge zu begründen. Weiter wird vorgebracht, der Wortsinn könne im Sinne beider Auffassungen verstanden werden. Über die Frage der Rechtsunwirksamkeit lasse § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO das für das Schiedsverfahren maßgebliche Recht bestimmen. Darunter könne sowohl das Schiedsverfahren in einem engen Sinne verstanden werden, also das Verfahren von der Schiedsvereinbarung (wohl richtiger: von der Zusendung der Schiedsklage o.ä. 64 ) an bis zum Erlaß des Schiedsspruchs. Es könnten aber selbst noch die Rechtsbehelfe des ausländischen Prozeßrechts gemeint sein65. Auch dem kann nicht zugestimmt werden. Zwar ist der Begriff des Schiedsverfahrens durchaus auf das private Verfahren zu beschränken. Staatliche Rechtsbehelfe sind kein Bestandteil des Schiedsverfahrens. Doch darauf kommt es nicht an. Die Bezugnahme auf das Schiedsverfahren in § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist rein kollisionsrechtlich zu verstehen. Anwendbar ist das Recht, das (auch) für das Schiedsverfahren maßgeblich ist. Der Wortlaut spricht also für die Rechtsprechung. chungen gezeigt hat, daß bestimmte - im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter interessierende - Fragestellungen nicht gesehen wurden, etwa in BGHZ 55, 162 Art. I Abs. 2, V Abs. 1 und 2 EuÜ, NJW 1972, 416 f. 62 So nachdrücklich BGHZ 52, 184 (189); Mezger, NJW 1962, 279. 63 Ernemann, Anerkennung und Vollstreckung, S. 115. 64 Wann das Schiedsverfahren beginnt, weicht nach den einzelnen Schiedsordnungen und -rechten stark voneinander ab. Allerdings beginnt es nie mit der Schiedsvereinbarung, sondern z.B. mit Hinterlegung der Schiedsklage beim Schiedsgerichtshof, Art. 3 Abs. 1 IHK-SchO; Mitteilung des Schiedsrichtervorschlags, s. 10 Arbitration Act 1950; Mitteilung des Generalsekretärs, daß alle Schiedsrichter ihre Ernennung angenommen haben, Art. 6 Abs. 1 WBÜ; Mitteilung an Schiedsbeklagten und an die Schiedsorganisation, art. 1 (3), 2 (2) AAA-Int. Arb. Rules; Mitteilung der Ernennung und Aufforderung ein gleiches zu tun, § 1029 ZPO. 65

Ernemann, Anerkennung und Vollstreckung, S. 115 f.

§ 6 Allgemeiner Teil

169

b) Gegenthese Bülows Allerdings ist die grammatische Auslegung nicht die allein maßgebliche66 . Besonders Arthur Bülow hat die These vertreten, die Versagungsnormen des § 1044 Abs. 2 ZPO seien nicht unter den prozessualen Voraussetzungen der heimatstaatlichen Aufhebungs- und Nichtigkeitsklagen zu sehen; vielmehr sei allein deren sachlicher Gehalt gemeint 67 . Hierfür beruft er sich im wesentlichen auf die historische Auslegung 68 . Die heutige Fassung des § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO verdanken wir der Reform des Jahres 1930. Dabei sei, so Bülow, versucht worden, die Unterschiede zum gleichzeitig ratifizierten Genfer Abkommen von 1927 gering zu halten 69 . Im Genfer Abkommen habe man die Versagungsgründe durch die rechtsvergleichende Analyse der Aufhebungsgründe gewonnen, sie dabei aber des rein prozessualen Elements entkleidet. Daher sei in Art. I Abs. 2 lit. a lediglich auf die materielle Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung verwiesen worden und eben nicht auf Präklusivfristen 70 . Diese Bedeutung habe auch § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, soweit es um die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen gehe. Die unterschiedliche Formulierung beruhe auf gesetzestechnischen Unterschieden. Deshalb habe das Genfer Abkommen generalklauselartig formuliert werden müssen, während sich im autonomen Recht eine Generalklausel anbot 71 . Die drei Schritte dieser Argumentation bedürfen der Nachprüfung, wobei das gesetzestechnische Argument hier außer acht bleiben soll und das auf Schiedsvereinbarungen bezogene Argument an anderer Stelle untersucht werden soll. Die These von der Parallelität des Genfer Abkommens und der Neufassung des § 1044 ZPO wird nicht ausdrücklich in den Gesetzesmaterialien zur Reform bestätigt. Allerdings wird der Entwurf „ i m Hinblick auf die bevorstehende Ratifizierung" auf das Vollstreckbarerklärungsverfahren beschränkt 72 . Der eigentliche Zweck der Reform sollte es sein, gewisse Unstimmigkeiten und Zweifel, deren Behandlung bei ausländischen Schiedssprüchen

66

Allerdings darf man keinesfalls soweit gehen, wie Pfäff\ AWD 1971, 235, der den Wortlaut stets einer „lebensgerechten Interpretation" unterordnen möchte. Das Monopol über die Frage zu entscheiden, was lebensgerecht sein soll, liegt noch immer beim Gesetzgeber. Sein Wille ist über die anerkannten Auslegungsmethoden zu ermitteln. 67

A. Bülow, NJW 1971, 490.

68

Grundlegend A. Bülow, NJW 1971, 486 ff.

69

A. Bülow, NJW 1971, 488; Ernemann, Anerkennung und Vollstreckung, S. 117; R. Münzberg, in: Zeitgenössische Fragen, S. 197; Habscheid, KTS 1972, 214. 70

A. Bülow, NJW 1971, 487 und die oben Fn. 69 Genannten.

71

A. Bülow, NJW 1971, 489; Habscheid, KTS 1972, 214.

72

RT-Drs. (IV. Wahlperiode 1928), Nr. 2298, S. 3.

170

3. Teil: Versagungstatbestände

als besonders störend und deren Beseitigung als besonders dringlich empfunden wurden, zu beseitigen73. Es ging also um Fragestellungen, die zu einer Zeit problematisiert worden waren, als es mangels Ratifizierung überhaupt nicht um das Genfer Abkommen gehen konnte. Gegen eine Parallelität konkret bei § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO spricht weiter, daß hier die Begründung nicht, wie bei § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, auf eine Übereinstimmung mit dem Genfer Abkommen hinweist 74 . Auch der Hinweis auf zeitgenössische und mit den Vertragsverhandlungen und der Gesetzesreform maßgeblich befaßten Autoren führt letztlich nicht weiter 75 . Denn auch diese Autoren räumen ein, daß es Unterschiede gibt, wenn diese auch andere Bereiche betreffen 76 . Außerdem bestätigen sie nicht die These Bülows, daß die Reform eine Gleichbehandlung aller ausländischen Schiedssprüche angestrebt habe. Allerdings soll nicht verkannt werden, daß die Reform gerade im Hinblick auf die Ratifizierung des Genfer Abkommens erfolgte und daß deshalb die bei den Vertragsverhandlungen diskutierten Fragen auch im nationalen Recht berücksichtigt wurden. Da aber nicht ausdrücklich eine Parallele hergestellt wurde, erscheint das Argument weniger zwingend. Es findet sich aber auch kein Anhaltspunkt für eine bewußte Abweichung des deutschen Gesetzgebers vom Genfer Abkommen 77 . Hinzu kommt, daß die historische Auslegung vor allem bei älteren Gesetzen nicht überbewertet werden darf. Auch rechtsvergleichende Argumente helfen nicht weiter. Die These Bülows vermag die Rechtsprechung also nicht im Grundsätzlichen zu erschüttern.

c) Argumentation der Ungleichbehandlung Es wird weiter damit argumentiert, daß die Auslegung des B G H zu verschiedenen Ungleichbehandlungen führe. Zum einen würden Schiedssprüche aus Staaten mit Präklusivfristen bevorzugt 78 . Zum anderen werde die in einem Schiedsspruch aus einem Staat mit Präklusivfristen verurteilte Partei in Deutschland schlechter behandelt als eine in Deutschland unterlegene 73

RT-Drs. (IV. Wahlperiode 1928), Nr. 2298, S. 3.

74

RT-Drs. (IV. Wahlperiode 1928), Nr. 2298, S. 6.

75

A. Bülow, NJW 1971, 488 m.N. auf Jonas, Die Novelle zum schiedsgerichtlichen Verfahren, § 1044, Anm. VIII C 3 c; Volkmar, JW 1930, 2749. 76

Etwa Jonas, Die Novelle zum schiedsgerichtlichen Verfahren, § 1044, Anm. VIII A, a.E. 77

So aber Mezger, AWD 1970, 258. Dafür ist aber in den Materialien nichts ersichtlich. 78

A. Bülow, NJW 1971, 490; ders.

y

NJW 1972, 416; Habscheid, KTS 1972, 213 f.

§ 6 Allgemeiner Teil

171

Schiedspartei, wenn ihr Gegner den Schiedsspruch in einem Staat mit Präklusivfrist für vollstreckbar erklären lassen wolle 7 9 . Zur zweiten These ist vorab hervorzuheben, daß die Wirkungserstreckung ausländischer Schiedssprüche - anders als die ausländischer Urteile, vgl. §§ 328 Abs. 1 Nr. 5, 722 f. ZPO - kein Gegenseitigkeitserfordernis kennt 80 . I m übrigen ist nicht ersichtlich, warum der deutsche Gesetzgeber nicht frei sein sollte, eine günstige inländische Rechtslage zu schaffen. Es gibt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung zwischen verschiedenen Normgebern. I m Gegenteil: Es ist zentraler Ausdruck der Autonomie des einzelnen Souveräns, daß er eigene und damit abweichende Normen schaffen kann 81 . Eine Bevorzugung von bestimmten ausländischen Schiedssprüchen wäre nur unzulässig, wenn die Ungleichbehandlung willkürlich wäre. Nach der Rechtsprechung des B G H werden aber alle ausländische Schiedssprüche gleichermaßen danach überprüft, ob gegen sie im Herkunftsland noch Rechtsbehelfe erfolgversprechend sind. Die Ungleichbehandlung resultiert nur aus den unterschiedlichen Rechtsordnungen. A u f sie können deutsche Stellen keinen Einfluß nehmen. Außerdem beruht die Auswahl des Spruchstaats maßgeblich auf dem Willen des Spruchschuldners. Auch die Ungleichheiten zwingen nicht zur Aufgabe der Rechtsprechung.

d) „Heimvorteil"-Argument Eine anderes Argument führt Ernemann ein. Sinn des Schiedswesens sei es, staatliche Prozesse zu vermeiden. Von dieser Situation solle man nur abweichen, wenn auf einen Schiedsspruch nicht freiwillig geleistet werde. Dann solle aber zum Vorteil des Spruchschuldners dessen „Heimvorteil" gelten 82 . Diese Argumentation vermag aber nicht zu begründen, weshalb Präklusivfristen des Spruchstaats nicht berücksichtigt werden sollen. Natürlich wird ein Exequaturverfahren im Vollstreckungsstaat stattfinden, weil es gerade um die

79

Pfaff,i AWD 1970, 58; ders. Vollstreckung, S. 121.

t

AWD 1971, 236; Ernemannn, Anerkennung und

80

BGHZ 55, 162 (171); so auch Habscheid, KTS 1972, 213 f.; dies gilt auch schon für das Genfer Abkommen, wie Greminger, Die Genfer Abkommen, S. 46 herausgearbeitet hat; unklar insoweit A. Bülow, NJW 1971, 489 f. 81 So auch BGHZ 55, 162 (172): Im unterschiedlichen Prüfungsmaßstab in- und ausländischer Verfahren zur Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche liege keine willkürliche Ungleichbehandlung, da bei ausländischen Verfahren das dortige Recht maßgeblich sei. 82

Ernemann, Anerkennung und Vollstreckung, S. 122.

172

3. Teil: Versagungstatbestände

Einschaltung des dortigen Vollstreckungsapparats geht. Daraus ergibt sich aber nicht, welche Versagungsgründe im Exequaturverfahren gelten sollen. e) Fehlende Anerkennungsfähigkeit des erststaatlichen Urteils Dann wird noch gesagt, es sei unsinnig, zunächst eine Entscheidung des Gerichts des Spruchstaats im Aufhebungs- oder Nichtigkeitsverfahren anzustreben, wenn dieses Urteil ohnehin nicht anerkannt werden könne, etwa weil das Gegenseitigkeitserfordernis fehle 83 . Indes ist es nach der Wortlautargumentation und besonders wegen § 1044 Abs. 4 ZPO nur konsequent, auch ein solches aufhebendes Urteil des Spruchstaats zu beachten, das sonst nicht anerkennungsfähig wäre 84 . f) Zwischenergebnis Nach alledem ist der Rechtsprechung grundsätzlich zuzustimmen. Nun soll aber noch auf die im anglo-deutschen Verkehr nicht, aber in den bisherigen Entscheidungen stets betroffenen Präklusivfristen bei Fehlen oder Überschreiten der Schiedsvereinbarung eingegangen werden.

2. Exkurs zur Diskussion bei schiedsvereinbarungsbezogenen Präklusivfristen a) Verfassungsrechtliche Argumentation Habscheid hat behauptet, mit der Schiedsvereinbarung verzichteten die Schiedsparteien auf ihren gesetzlichen Richter und somit auf ihre in Art. 20 Abs. 2, 103 Abs. 1 GG verankerten Rechte. Deshalb bedürfe es stets der Überprüfung der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung durch den deutschen Richter 85 . Bereits an anderer Stelle wurde dargestellt, daß die Bedeutung des gesetzlichen Richters in Art. 103 Abs. 1 GG eine andere ist als die von Habscheid angenommene86. Selbst wenn man Habscheid folgen will, wird man

83

Pfqff,

A W D 1970, 55.

84

BGHZ 55, 162 (172); R. Münzberg, ZZP 83 (1970), 333; Mezger, AWD 1970, 260; ähnlich schon Jonas, JW 1927, 1300. Die andere Frage, wie eine Abweisung der Aufhebungs- oder Nichtigkeitsklage im spruchstaatlichen Gericht wirkt (dazu BGHZ 55, 162 [170 f.]; R. Münzberg, ZZP 83 [1970], 333 m.w.N.), kann dahinstehen. 85

Habscheid, KTS 1970, 9; zustimmend Schütze, WM 1981, 1292; freundlich darstellend Ernemann, Anerkennung und Vollstreckung, S. 124 f. 86

S.o. § 5, V.3.

§ 6 Allgemeiner Teil

173

nicht jeden Schiedsspruch des internationalen Handelsverkehrs einem deutschen Richter vorlegen können, wenn Zweifel an der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung bestehen87. Andererseits leitet sich die Entscheidungsbefugnis des Schiedsrichters allein aus der Schiedsvereinbarung ab; nur aufgrund der freiwilligen und privatautonomen Unterwerfung der Parteien unter das Urteil des Dritten ist der deutsche Staat bereit, seine Entscheidung zu vollstrecken. Insoweit kommt der Schiedsvereinbarung durchaus eine verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Sie leitet sich aber aus Art. 2 Abs. 1 GG (Privatautonomie) ab. b) Zur These Bülows Bülow geht bei seiner These von der Parallelität des § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO und des Art. 1 Abs. 2 lit. a Genfer Abkommen aus und führt aus, die Norm des Genfer Abkommens enthalte nur einen um die prozessuale Elemente entkleideten Versagungsgrund. Dem ist insoweit zuzustimmen, als es bei Art. 1 Abs. 2 lit. a nicht auf Präklusivfristen ankommt. Das ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut dieser Vorschrift als auch aus Art. 3 des Genfer Abkommens. Hier wird dem Richter im Vollstreckungsstaat Ermessen zur Aussetzung unter Fristsetzung zur Erhebung der Aufhebungs- oder Nichtigkeitsklage im Spruchstaat eingeräumt, wenn einredeweise Aufhebungsgründe geltend gemacht werden, die gemäß den auf das Schiedsverfahren anwendbaren Vorschriften, zu denen die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung nicht rechnet, noch anfechtbar sind. Dennoch hat das Argument nur eingeschränkte Bedeutung. Zum einen wurde die These von der Parallelität bereits oben (unter lb) erheblich abgeschwächt, zum anderen hat die historische Auslegung ohnehin nur untergeordnete Bedeutung. c) Rechtsvergleichung Für eine Außerachtlassung erststaatlicher Präklusivfristen spricht indes der Vergleich mit Art. 1 Abs. 2 lit. a des Genfer Abkommens und einer dazu ergangenen englischen Entscheidung88, mit Art. V Abs. 1 lit. a, c UN-Ü und Art. V EuÜ. Andererseits wird auf Art. 52 Abs. 1 Nr. 3 des deutsch-tunesischen Vertrags über Rechtsschutz und Rechtshilfe, die Anerkennung und

87

Abi. auch Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 810. 88 Kianta Osakeyhtiö v. British & Overseas Trading Co Ltd 2 [1953] Lloyd's R 569 at 576/577 per Devlin J (as he then was); 1 [1954] Lloyd's Rep 247 (CA) at 251/252 per Somervell LJ: Eine Präklusionsfrist des finnischen Rechts sei nicht erheblich.

174

3. Teil: Versagungstatbestände

Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 19.7.196689 hingewiesen90. Danach ist eine Wirkungserstreckung zu versagen, wenn eine gültige Schiedsvereinbarung nicht vorliegt, es sei denn der Spruchschuldner hat sich in Kenntnis der Unwirksamkeit rügelos auf das Verfahren eingelassen oder das erststaatliche Gericht hat eine auf diesen Grund gestützte Aufhebungsklage abgewiesen. Das Versäumen einer Präklusivfrist ist also auch nach dem deutsch-tunesischen Vertrag nicht relevant. Zwar ist ein abweisendes Urteil zu beachten, aber nicht ein versäumtes Urteil. d) Extremfall-Argumentation Eine ganze Bandbreite von Argumenten beruht auf Extremfällen. Schiedsverfahren könnten ohne Beteiligung der unterlegenen Partei inszeniert werden 91 . Das Schiedsgericht könne seine Entscheidungsbefugnis willkürlich annehmen. Die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung könne, ohne daß vernünftige Gründe dafür erkennbar seien, angenommen worden sein. Dem Spruchschuldner könne es, aus welchen Gründen auch immer, nicht zuzumuten sein, im Spruchstaat Rechtsbehelfe einzulegen92. Allerdings hat der BGH deutlich gemacht, daß er in Extremfällen die Vollstreckung nicht zulassen will 9 3 . Dogmatisch läßt sich dies damit erklären, daß neben dem ausgeschöpften § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch weitere Versagungsgründe, insb. der ordre public, § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, offenstehen 94. Man wird deshalb in jedem Einzelfall untersuchen müssen, ob der konkrete Schiedsspruch gegen eine deutsche Fundamentalnorm verstößt. e) Eigene These Doch wird man noch weiter gehen müssen. Die Entscheidungsbefugnis des Schiedsrichters leitet sich aus der privatautonomen Unterwerfung der Parteien ab. Fehlt es an einer wirksamen oder umfassenden Schiedsvereinbarung, so hat auch der Schiedsspruch keinen Geltungsanspruch. Insoweit ist von einer Fundamentalnorm auszugehen, wonach Schiedssprüche nur aufgrund von Schiedsvereinbarungen wirksam sind, § 1041 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, Art. 2 89

BGBl. 1969 II 890, 1970 II 125.

90

Mezger, A W D 1970, 261.

91

Pfaff,;

92

Gedacht wird an BGH NJW-RR 1988, 572 und ähnliche Fallgestaltungen. BGHZ 52, 184 (190); 55, 162 (170 f.); 71, 131 (136).

93 94

AWD 1970, 57 sub 4b; ders., AWD 1971, 236 sub 13.

Mezger, AWD 1970, 260; Ernemann, Anerkennung und Vollstreckung, S. 123; in die Richtung auch BGHZ 71, 131 (135) für den deutsch-belgischen Vertrag.

§ 6 Allgemeiner Teil

175

Abs. 1 GG. Allerdings ist nicht jedem aufgrund einer unwirksamen Schiedsvereinbarung ergangene ausländische Schiedsspruch die Wirkungserstreckung zu versagen. So ist schon aufgrund der Rechtskraft die die Aufhebung des Schiedsspruchs ablehnende Entscheidung des erststaatlichen Gerichts im Rahmen der Anerkennungsregeln zu beachten, vgl. Art. 52 Abs. 1 Nr. 3, a.E. des deutsch-tunesischen Vertrags. Dann ist auch die rügelose Einlassung auf ein Schiedsverfahren hinnehmbar und zwar auch dann, wenn das Schiedsvereinbarungsrecht die Schriftform fordert, vgl. Art. V Abs. 1 EuÜ, Art. 52 Abs. 1 Nr. 3, 2. Hs. des deutsch-tunesischen Vertrags. Schon aus diesem Grund ist der zweiten Grundsatzentscheidung des B G H 9 5 im Ergebnis zuzustimmen. Entgegen der Rechtsprechung ist aber nicht grundsätzlich das bloße Versäumen einer Präklusivfrist ausreichend, um einen Verstoß gegen den ordre public zu verneinen. Vielmehr wird man hierbei abwägen müssen, ob der Spruchschuldner die Annahme einer Entscheidungsbefugnis durch das Schiedsgericht in erheblichem Maße mitveranlaßt hat. Die Beurteilung dieser Frage mag im Einzelfall große Schwierigkeiten bereiten, wie v.a. die erste Grundsatzentscheidung des B G H 9 6 zeigen mag. Hier hatte sich die Schiedsbeklagte weder rügelos zur Sache eingelassen noch auch nur einen Schiedsrichter ernannt 97 . Allerdings hatte er eine Schiedsklausel unterzeichnet. Sie war aber in einem - nur für die deutschen Zollbehörden bestimmten - Vertragstext enthalten 98 und deshalb nach jugoslawischem Recht unwirksam 99 . Hier ist abzuwägen zwischen dem Vertrauen, das der Schiedsbeklagte in das materielle jugoslawische Recht setzen durfte und der Tatsache, daß er den Scheinvertrag unterschrieb. Die Entscheidung wird sehr von den Umständen des Einzelfalles abhängen und sollte letztlich in das Ermessen des Tatrichters gestellt werden. Als Richtschnur wird der Vergleich mit dem Verlust des Rügerechts nach Art. V EuÜ bei rügelosem Verhandeln hilfreich sein. Einer weiteren Entscheidung des B G H 1 0 0 ist im Ergebnis zuzustimmen. Hier war behauptet worden, der anwaltliche Prozeßvertreter habe seine Vollmacht überschritten, als er die Widerklage erhob. Diese Rüge wäre auch nach deutschem staatlichem Prozeßrecht nicht zu hören, wie sich aus § 83 Abs. 2 ZPO ergibt.

95 BGHZ 55, 162 (163); s.a. A. Bülow, NJW 1972, 415, der das Fehlen dieser Argumentation, zumal das EuÜ anwendbar war, bemängelt. 96

BGHZ 52, 184.

97

BGHZ 52, 184 (186).

98

BGHZ 52, 184 (186): Diese Frage war unstreitig.

99

So jedenfalls nach BGHZ 52, 184 (187) das Berufungsgericht.

100

BGHZ 57, 153.

176

3. Teil: Versagungstatbestände

3. Ergebnis Für den anglo-deutschen Verkehr ist festzuhalten, daß § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO mit der Rechtsprechung als eine Norm zu verstehen ist, die erststaatliche Wirksamkeitsvorstellungen zugrundelegt, also für den deutschen Richter festlegt, daß nur solche Schiedssprüche wirksam sind, welche auch nach ihrem Heimatrecht wirksam sind. Dabei sind auch solche Schiedssprüche wirksam, gegen die ein Rechtsbehelf versäumt wurde. Es ist also insb. nicht Aufgabe deutscher Richter zu überprüfen, ob ein Verstoß gegen englische Normen vorliegt, wenn ein appeal gem. s. 1 Arbitration Act 1979 versäumt wurde. Allerdings bleibt neben § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO Raum für weitere Versagungsgründe, insb. für den ordre public und für den Verstoß gegen das rechtliche Gehör, § 1044 Abs. 2 Nr. 2, 4 ZPO. Hierbei kommt es auf eine Verfristung erststaatlicher Rechtsbehelfe nicht an.

§ 7 Schiedsspruch I . Unwirksamkeit nach englischem Recht Ein englischer Schiedsspruch entfaltet schon in England keine Wirkung, wenn er - etwa wegen Fehlen oder Überschreiten der Entscheidungsbefugnis - nichtig ist (dazu unter 1), wenn der sich aus dem Schiedsspruch ergebende Anspruch „verjährt" ist (unter 2) sowie, wenn er erfolgreich mit der Aufhebungsklage vor dem High Court (unter 3) oder mit einem Rechtsmittel vor einem Oberschiedsgericht (unter 4) angefochten worden ist.

1. Nichtigkeit Nach englischem Recht sind Schiedssprüche in zwei Fällen nichtig: zum einen, wenn ein schwerwiegender formaler oder inhaltlicher Fehler vorliegt (unter a), und zum anderen, wenn die Entscheidung des Schiedsrichters außerhalb seiner Entscheidungsbefugnis liegt (unter b, i.e. unter §§8, 9). Nur dies ist eine Einwendung (defence) gegen die actions on the award, insb. nach s. 26 Arbitration Act 1950. Unerheblich ist insoweit, ob dem Schiedsrichter Rechts- oder Tatfehler unterlaufen sind, ob das Verfahren fair war 1 ,

1

Thorburn v. Barnes (1867) LR 2 CP 384; L Oppenheim & Co. v. Mohamed Haneef [1922] 1 AC 482 (PC, Madras); Scrimaglio v. Thornett and Fehr (1924) 131 LTR 174 (CA); Birtley District Co-Operative Society Ltd v. Windy Nook and District Industrial Co-Operative Society [1959] 1 WLR 142.

§ 7 Schiedsspruch

177

ob der Schiedsrichter sich korrekt verhalten hat oder ein misconduct vorlag 2 . Insoweit wird auch nicht die Entscheidungsbefugnis des Schiedsrichters bestritten 3 . In diesen Fällen sollte der Spruchschuldner sich nicht scheuen, fristgerecht eine Aufhebungsklage einzulegen, und zwar möglichst bevor der Spruchgläubiger die Vollstreckbarkeit zu erreichen sucht4.

a) Schwerwiegende formale und inhaltliche Mängel aa) Es gibt an sich keine zwingenden Formerfordernisse im englischen Schiedsverfahrensrecht. Sogar ein mündlicher Schiedsspruch ist zulässig5, wenn er nur den Parteien mitgeteilt wird 6 . Im übrigen ergeben sich die Formerfordernisse aus der Schiedsvereinbarung. Ein schwerwiegender Formverstoß stellt immer auch ein Grund für eine Aufhebung des Schiedsspruchs unter Verweisung an den Schiedsrichter (remission gem. s. 22 (1) Arbitration Act 1950) dar 7 . Deshalb wird sehr häufig auch von diesem, weniger schweren Eingriff Gebrauch gemacht8. (1) Die Schriftform ist üblich und vom U N - Ü sogar vorgesehen, vgl. Art. I V Abs. 1 lit. a, im übrigen aber - etwa wegen der auch nach deutschem autonomem Recht möglicherweise erforderlichen Übersetzung - praktisch. Die üblichen Schiedsordnungen sehen überwiegend die Schriftform vor 9 . Es ist üblich, daß die Unterschrift des Schiedsrichters von Zeugen beglaubigt wird. Sind drei Schiedsrichter bestellt, so ist im Zweifel auch der Schiedsspruch zweier Schiedsrichter wirksam, s. 9 Arbitration Act 1950; die

2

Bache v. Billingham [1894] 1 QB 107.

3

Scrimaglio

v. Thornett

Rederiaktiebolaget ta J.

cmd Fehr (1924) 131 LTR 174 (CA); Termarea

SRL v.

Sally (The „Dalny") [1979] 2 Lloyd's Rep 439 at 442 per Mocat-

4

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 547.

5

Roberts v. Watkins (1863) 32 LJCP 291.

6

Thompson v. Miller (1867) 15 WR 353.

7

Dazu unten § 7,1.3.c.aa.

8

In Montrose Canned Foods Ltd v. Eric Wells ( Merchants ) Ltd [1965] 1 Lloyd's

Rep 597 war zur Zahlung „for all losses arising from non-payment of documents on presentation" verurteilt worden. Der Schiedsspruch wurde an den Schiedsrichter verwiesen, um ihm Gelegenheit zu geben, zu einer bestimmten Geldsumme zu verurteilen und so die praktische Vollstreckbarkeit zu erreichen (at 603 per Megaw J, as he then was). 9 IHK-SchO, Art. 23 Abs. 1 („text"); LCIA-Rules, art. 16.1; Gafta No. 125 r. 7:1; Uncitral-SchVfRg Art. 32 Abs. 2; wohl auch ICE-A.P., vgl. r. 18.1 (separate Begründung zulässig); LMAA-Terms, para. 21 (separate Begründung).

12 Kilgus

178

3. Teil: Versagungstatbestände

Schiedsordnungen verhindern die Obstruktion einzelner, v.a. parteiernannter Schiedsrichter ebenfalls 10. (2) Weitere formale Erfordernisse sind etwa, daß die Parteien bestimmt und nicht bloß ihrer Funktion nach (z.B. „Käufer") beschrieben werden 11, wenn hierbei auch nicht die strengen Anforderungen des staatlichen Urteils gelten (vgl. etwa § 313 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, für die Klage RSC Ord. 81). Nur so wird der Schiedsspruch zu vollstrecken sein. Eine Veröffentlichung des Schiedsspruchs ist außerordentlich unüblich und von der Zustimmung der Schiedsparteien abhängig. Eine staatliche12 Registrierung ist nicht vorgesehen 13 . Häufig wird hingegen der Schiedsspruch schon mit der Mitteilung wirksam, daß er gegen Erstattung der Schiedsrichtergebühr und der übrigen Auslagen ausgehändigt werde 14. Die Bezahlung einer Stempelsteuer ist entgegen einer früheren Rechtslage unter dem Stamp Act 1851 nunmehr gemäß s. 35, Sch. 8 Finance Act 1949 nicht mehr erforderlich 15. bb) Schwerwiegende inhaltliche Mängel bestehen etwa, wenn dem Rechtsstreit nicht eine Entscheidung folgt (not cogentsondern bloß ein Rat erteilt, eine Meinung kundgetan oder eine Hoffnung zum Ausdruck gebracht wird 16 . Ist der Schiedsspruch unvollständig (incomplete), wird also nicht deutlich gemacht17, daß nur ein Teilschiedsspruch oder ein Zwischenschiedsspruch zu

10 Die IHK-SchO läßt bei Uneinigkeit im Schiedsgericht den Vorsitzenden allein den Schiedsspruch fällen, Art. 19. Ähnliches gilt auch für den LCIA in art. 16.3; hier genügt im Zweifel auch die Unterschrift der Mehrheit der Schiedsrichter. Die Uncitral-SchVfRg vermeidet die effektive Unterschriftsverweigerung dadurch, daß nach Art. 32 Abs. 4 eine Begründung für das Fehlen einer der drei Unterschriften ausreicht. Von einem Einzelschiedsrichter gehen das ICE-A.P. und die LOF'90 grundsätzlich aus. Bei den letztinstanzlichen Verfahren im Warenhandel, bei den Kleinbetrags verfahren und bei der LOF'90 wird das Schiedsgericht von der Schiedsinstitution selbst ernannt, vgl. etwa r. 30 der Rules and Régulations of the Gafta; r. 2 (a) der CTF-Rules; LOF90, cl. 6, 11 (d); r. 7 (iv) ABTA-Rules. 11

Vgl. Gabela v. Aris (Owners) (1927) 29 LILRep 289, hierbei war der Schiedsspruch allerdings gegen den Vertreter (agent) einer Partei ergangen. 12 Dagegen sehen die IHK-SchO in Art. 25 und Gafta No. 125 in r. 7:4 eine Registrierung in ihrem (privaten) Verzeichnis vor. 13 Mustill & Boyd y Commercial Arbitration, p. 338. 14 Mustill & Boydy Commercial Arbitration, p. 338, so auch ICE-A.P., r. 17 und praktisch immer in seehandelsrechtlichen Verfahren, auch wenn die LMAA-Terms eine Voschußleistung vorsehen; s.a. Art. 23, Anh. III Art. 2 lit. a IHK-SchO. 15 Inkorrekt Benlcöy Schiedsverfahren und Vollstreckung von Schiedssprüchen in England, S. 89. 16

Mustill & Boydy Commercial Arbitration, p. 384 mit Hinweis auf Lock v. Vullia-

my (1833) 5 B & Ad 600. 17

Heaven & Kesterton v. Ets François Albiac & Cie [1956] 2 Lloyd's Rep 316.

§ 7 Schiedsspruch

179

materiellen Gesichtspunkten (etwa über den Grund) (interim award nach s. 14 Arbitration Act 1950) ergeht, aber dennoch klar ist, daß nur über einen Teil der Streitfragen entschieden wurde 18 , so ist der Schiedsspruch nichtig. Der Schiedsrichter bleibt verpflichtet, einen vollständigen Schiedsspruch abzufassen. Bei Zweifeln wird allerdings die Vollständigkeit angenommen19, auch wenn dies eine rechtskräftige Entscheidung über nicht diskutierte Teilansprüche bedeutet. Auch ein unbestimmter (uncertain) Schiedsspruch ist unwirksam 20 , wobei es auf die Sicht eines verständigen Dritten ankommt 21 . Wegen uncertainty ist auch ein in sich widersprüchlicher Schiedsspruch nichtig 22 . Auch solche Sprüche, die den Rechtsstreit nicht abschließen (finality), sind nichtig. Insbesondere darf der Schiedsrichter keine Frage der Klärung Dritter überlassen 23 oder sich - ohne dies zu offenbaren - eine Entscheidung noch vorbehalten 24 . Nicht erforderlich ist hingegen, daß der Schiedsspruch vollstreckungsfähig ist. Dies gilt in besonderem Maße für feststellende Schiedssprüche, die im Rahmen der Schiedsvereinbarung zulässig sind 25 .

h) Fehlen oder Überschreiten der Entscheidungsbefugnis Ein Schiedsspruch ist auch dann nichtig, wenn dem Schiedsrichter eine Entscheidungsbefugnis fehlt oder er sie überschreitet. Die Entscheidungsbefugnis wird von der Schiedsvereinbarung bestimmt und soll in dem Zusammenhang (unter § 8) untersucht werden. Aus diesem Grund ist die Unwirksamkeit des Schiedsspruchs auf Einwendung gem. Art. V Abs. 1 lit. a, c, e 18 Wakefield v. Llanelly Rly & Dock Co. (1863) 13 WR 823 per Turner LJ (void); In re O'Conor and Whitelaw's Arbitration (1919) 88 LJKB 1242 (CA) (set aside). 19

Whitworth

Financière

v. Hülse (1866) LR 1 Exch 251 (mehrere Zahlungsansprüche); Cie

pour le Commerce Extérieur

SA v. Oy Vehna AB [1963] 2 Lloyd's Rep

178 (Schiedsklage und Widerschiedsklage). 20

Simpson v. The Commissioners of Inland Revenue [1914] 2 KB 842; Mar guiles Bros Ltd v. Dafnis Thomaides & Co (UK) Ltd [1958] 1 Lloyd's Rep 250 at 253; River Plate Products Netherlands BV v. Etablissement Coargrain [1982] 1 Lloyd's Rep

628. 21 Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 386 m.w.N. in n.12 etwa auf Gordon v. Whitehouse (1856) 18 CB 747 at 755/756 per Cresswell, Williams JJ. 22

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 386 m.w.N. in n. 13.

23

Johnson v. Latham (1850) 19 LJQB 329; Goddard v. Mansfield

(1850) 19 U Q B

305, die allerdings beide nur zur Teilnichtigkeit der Schiedssprüche führten. 24

Die Abgrenzung von der incompleteness ist hier fast nicht möglich, so auch Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 342, n. 1. 25

Oricon Waren-Handels-GmbH

v. Inter groan NV [1967] 2 Lloyd's Rep 82 at 98

per Roskill J (as he then was), der sich aber kritisch zum Gebrauch von feststellenden Schiedssprüchen ohne Feststellungsinteresse äußert. 12*

180

3. Teil: Versagungstatbestände

U N - Ü und § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu beachten. Außerdem kommt eine Anwendung des ordre public, Art. V Abs. 2 lit. b U N - Ü und § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, in Betracht. Zu den Fundamentalnormen des deutschen Rechts gehört es - wie bereits in anderem Zusammenhang unter § 6 I I I 2 dargestellt daß niemand von einem Schiedsgericht verurteilt werden darf, dem er sich nicht freiwillig unterworfen hat, Art. 2 Abs. 1 GG, § 1041 Abs. 1 Nr. 1 ZPO 2 6 . Ein Schiedsrichter hat auch dann keine Entscheidungsbefugnis, wenn er nicht wirksam ernannt worden ist (dazu unten § 9 I, II). Hier kommen die Versagungsgründe des Art. V Abs. 1 lit. d, e, Abs. 2 lit. b U N - Ü und des § 1044 Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO in Betracht 27 . Zur Absicherung seiner Position in Deutschland mag es sinnvoll sein, daß ein Spruchschuldner, der die Unwirksamkeit des Spruchs behauptet, dies durch Erhebung einer entsprechenden Feststellungsklage in England (declaration of invalidity) vom High Court bestätigen läßt. Hier gilt eine sechsjährige Frist vom Datum des Schiedsspruchs ab 28 . Das Urteil in dieser Sache kann er dann gem. § 328 ZPO anerkennen lassen und wird so eine Vollstreckbarerklärung jedenfalls gem. Art. V Abs. 1 lit. e U N - Ü und § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO besonders leicht abwehren können. Notwendig ist das englische Verfahren hier aber nicht. Wegen Art. V I U N - Ü kann aber das deutsche Vollstrekkungs- oder Anerkennungsgericht das Verfahren wegen des englischen Verfahrens aussetzen. Zu diesem Zweck mag der deutsche Spruchschuldner auch auf die auf Unterlassung der Vollstreckung (injunction to restrain enforcement) gerichtete Klage 29 zurückgreifen 30 , und zwar auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

26 Für Art. 13 Abs. 1 des deutsch-belgischen Abkommens über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 30.6.1958, BGBl. 1959 II 765, 766; BGHZ 71, 131 (135), obiter auch für UN-Ü und andere Bestimmungen; für Art. 6 Abs. 1 EuMRK Matscher, Fs. Nagel, S. 236. 27

Zum ordre public s.a. hierzu die Ausführungen von Matscher, Fs. Nagel, S. 236 zu Art. 6 Abs. 1 EuMRK. 28

Dazu m.w.N. Mustill & Boyd y Commercial Arbitration, pp. 568/569.

29

Dazu m.w.N. Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 569.

30

Ebenso für UN-Ü-Bereich Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 569.

§ 7 Schiedsspruch

181

2. „Verjährung"/ limitation von Ansprüchen aus Schiedssprüchen a) Nach s. 7 Limitation Act 1980 Nach s. 7 Limitation Act 1980 soll eine „action to enforce an award", also die action on the award und das Verfahren nach s. 26 Arbitration Act 1950 31 grundsätzlich nicht mehr eingelegt werden, wenn sechs Jahre seit der Fälligkeit des Anspruchs aus dem Schiedsspruch verstrichen sind 32 . Eine Frist von zwölf Jahren gilt bei solchen Schiedssprüchen, die auf Schiedsvereinbarungen beruhen, die unter Siegel (speciality; submission under seal) 33 abgeschlossen wurden, s. 8 Limitation Act 1980. Es stellt sich somit die Frage, welche Wirkung die Wirkungserstreckung hat. Die - soweit gesehen, zunächst und bisher ausschließlich von Lebedev 34 aufgeworfene - Frage kann ohne Untersuchung des Meinungsstreits im deutschen Internationalen Privatrecht über die Qualifikation der limitation 35 beantwortet werden. Für das deutsche autonome Recht wird die Wirkungserstreckung an § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO scheitern. Nach der lex arbitri ist ein der limitation unterliegender Schiedsspruch nämlich rechtsunwirksam i.S. dieser Norm. Un-

31

McGee, Limitation Periods, p. 269.

32

Ss. 7, 34 (2), (6) Limitation Act 1980, sowie Agromet Motoimport Ltd v Maul-

den Engineering Co (Beds) Ltd [1985] 2 AUER 436 per Otton J at 442j-444a. 33 Die Form einen vertraglichen Bindungswillen durch Anbringen eines Siegels zum Ausdruck zu bringen, stammt aus der Zeit, als wenige ihren eigenen Namen schreiben konnten. Heute wird sie v.a. als besonders förmliches Verfahren gebraucht. Der Vertrag wird ein „deed", wenn der Bindungswille tatsächlich besteht. Zum Beweis dieses Willens wird auch ein förmliches Erklärungsverfahren gewählt; Jowitt's Dictionary of English Law, vol. 2, p. 1617 „seal". 34 Lebedev, Liber amicorum for Sanders, p. 213 mit zahlreichen Beispielen aus dem niederländischen, nigerianischen, Sowjet., bulg., poln., tschechosl., DDR- und USRecht, das Moskauer Übereinkommen von 1972. 35 Dazu RGZ 7, 21, wo die Verjährungseinrede gegen einen Wechsel nach dem Recht des Staates Tennessee nicht zugelassen wurde, weil die amerikanische limitation prozeßrechtlich und die deutsche Verjährung materiellrechtlich qualifiziert wurden und deutsches Prozeß- sowie amerikanisches Sachrecht galt. Dagegen obiter mit der Begründung, die limitation sei materiell zu bewerten, RGZ 145, 121 (128 f.) für einen englischen Wechsel unter Ablehnung auch der Rspr. des Deutsch-Englischen Gemeinsamen Schiedsgerichtshofs (E2263 — bspr. bei Lewald, JW 1926, 2815); BGH NJW 1960, 1720 (1721) obiter, da für eine Kaufpreisforderung nach dem Recht des Staates Louisiana, das der Verjährung einen materiellrechtlichen Gehalt gibt. Für England ist das Problem inzwischen durch s. 1 Foreign Limitations Period Act 1984 nicht mehr existent: Hier wird eine materielle Qualifikation der limitation zugrundegelegt.

182

3. Teil: Versagungstatbestände

ter dem UN-Ü wird die Verjährung nicht ausdrücklich als Versagungsgrund genannt36. Die zwei gefundenen Entscheidungen zum Themenkomplex nehmen entgegengesetzte Positionen ein. In der nigerianischen Sache Murmansk State Steamship Line v. Kano Oil Millers Ltd 37 wurden ohne weiteres die limitation-Regeln des lex fori angewandt. Das war richtig, weil die limitation nach nigerianischem Recht prozessual qualifiziert wird und somit nach Art. I I I S. 2 UN-Ü zu beachten war. Für das deutsche Wirkungserstreckungsverfahren hilft diese Rechtsprechung aber nicht weiter. Die Rechtsbank Amsterdam 38 vertrat die Auffassung, daß zeitliche Beschränkungen der Durchsetzbarkeit nicht im Übereinkommen enthalten seien. Wendet man diese These konsequent an, so sind auch solche Schiedssprüche, die in ihrem Herkunftsstaat längst nicht mehr durchgesetzt werden können, bis in alle Ewigkeit für vollstreckbar zu erklären. Dagegen könnte auch der ordre public nur begrenzt helfen, da der Schuldner insoweit grundsätzlich keinen Schutz verdient. Eine Wirkungserstreckung scheitert aber an Art. V Abs. 1 lit. e UN-Ü. Dem scheint zwar der eindeutige und als abschließend gedachte Wortlaut der Norm entgegenzustehen. Der nach englischem Recht „verjährte" Schiedsspruch ist verbindlich geworden und nicht durch die zuständige Behörde des Spruchstaates aufgehoben worden. Des Einschreitens des High Court bedurfte es aber deshalb nicht, weil die Wirkungen des Schiedsspruchs schon kraft Gesetzes weggefallen waren. Wenn nun das Handeln einer Behörde aufgrund einer Norm des Spruchstaates beachtlich ist, um wie viel mehr muß dann eine direkt durch die Norm angeordnete Wirkung beachtlich sein. Das spricht für eine analoge Anwendung des Art. V Abs. 1 lit. e UN-Ü. Auch kann man den Begriff der zuständigen Behörde (competent authority) weit auslegen und darunter neben Instanzen der Exekutive und der Judikative auch die Legislative subsumieren. Dann ist eine Wirkungserstreckung auch unter direkter Anwendung des lit. e zu versagen. Jedenfalls ist die limitation eines Anspruchs aus englischen Schiedssprüchen zu beachten. Ein anderes gilt für die limitation des mit der Schiedsklage geltend gemachten Anspruchs (ss. 32, 5 Limitation Act 1980). Erhebt der Schiedsbeklagte diese Einrede, was auch nach englischem Recht erforderlich ist 39 , so ist die Schiedsklage nach englischem Recht abzuweisen. Das führt aber weder dazu, daß der Schiedsspruch unwirksam ist, noch dazu, daß der Schieds36

So auch Lebedev, Liber amicorum for Sanders, p. 214.

37

Murmansk State Steamship Line v. Kano Oil Millers Ltd Gaja V 94.1 = African

Law Reports 1 (1976), 3 (Nigerian SC) per Elias CJ. 38 Rechtsbank Amsterdam YCA IV (1979), 307 (308 sub 8). 39

LeifHoegh & Co A/S v. Petrolsea Inc (The „ World Era") [1992] 1 Lloyd's Rep

45 per Hobhouse J.

§ 7 Schiedsspruch

183

richter seine Entscheidungsbefugnis verliert 40 . Ein stattgebender Schiedsspruch ist allenfalls mit dem eingeschränkten Rechtsschutz wegen Rechtsirrtums durch den appeal (dazu unter 3b) angreifbar. b) In der Schiedsvereinbarung verkürzte limitation period Eine Reihe von Schiedsklauseln sehen vor, daß die zugrundliegenden Ansprüche innerhalb einer oft sehr kurzen Frist 41 mit der Schiedsklage geltend zu machen sind. So sieht etwa die bei Charterpartien sowie bei Konnossementen gebräuchliche 42 und in Gafta No. 125 und den FOSFA-Rules übernommene 43 Centrocon arbitration clause vor, daß innerhalb von drei Monaten nach Entladen der Anspruch schriftlich und durch Ernennung eines Schiedsrichters durch den Schiedskläger geltend gemacht sein muß; widrigenfalls sei der Anspruch als aufgegeben anzusehen („the claim shall be deemed to be waived and absolutely barred"). Versäumt der Schiedskläger diese Frist, so kann er unter sehr beschränkten Voraussetzungen noch ihre Verlängerung nach s. 27 Arbitration Act 1950 beantragen. Für die Wirkungserstreckung ist entscheidend, wie die einem Schiedsspruch zugrundeliegende, verkürzende Klausel zu verstehen ist. Entweder hat sie eine materiellrechtliche Wirkung. Dann darf der Schiedsrichter über die Schiedsklage entscheiden, er muß sie aber abweisen. Oder die Klausel hat eine prozessuale Wirkung. Dann darf der Schiedsrichter nicht zur Sache entscheiden. Ihm fehlt die Entscheidungsbefugnis. Entscheidet er trotzdem, so ist sein Schiedsspruch nichtig. Über den materiellrechtlichen Anspruch kann nun aber das staatliche Gericht entscheiden44. Bei der Centrocom-Klausel 45 , der 40

LeifHoegh & Co A/S v. Petrolsea Ine (The „ World Era") [1992] 1 Lloyd's Rep

45 per Hobhouse J. 41

Eine nur dreitägige Frist hat Ayscough v. Sheed, Thomson & Co Ltd (1924) 19 LILRep 104 (HL) at 107 für eine amerikan. Eierlieferung, die sofort bei Ankunft in England zu überprüfen war, akzeptiert. 42

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 201.

43

R. 3 der FOSFA-Rules und r. 2:9 der Gafta No. 125; Merkin, Arbitration Law, para. 11.15. 44 Zur Unterscheidung etwa Ayscough v. Sheed, Thomson & Co Ltd (1924) 19 LILRep 104 (HL); AB Legis v. V Berg & Sons Ltd [1964] 1 Lloyd's Rep 203 at 213 per Roskill J (as he then was) für materiellrechtliche Auslegung, und Hardwick Game

Farm v. Suffolk

Agricultural

and Poultry

Producers'

Association

Ltd [1964] 2

Lloyd's Rep 227 ät 273/274 für prozessuale Auslegung. 45

Dazu etwa Agro Co of Canada Ltd v. Richmond Shipping Ltd ( The „Simon-

burn") [1973] 1 Lloyd's Rep 392 (CA) at 394 per Lord Denning MR; Sparta Navigation Co v. Transocean America Inc (The „Stephanos ") [1989] 1 Lloyd's Rep 506 at

509 per Saville J.

184

3. Teil: Versagungstatbestände

ähnlich formulierten Atlantic Shipping Clause46 und der Gencom Clause („the claim shall be extinguished and cease to exist") 47 wird eine materiellrechtliche Bedeutung der Klausel angenommen. Davon ist im Zweifel auch auszugehen. Eine prozessuale Auslegung macht nämlich regelmäßig keinen wirtschaftlichen Sinn 48 . Dagegen spricht für eine materielle Auslegung das Interesse der Parteien die Kosten und Risiken eines schiedsgerichtlichen Verfahrens möglichst gering zu halten, Beweismaterial möglichst dann zu verwerten, wenn die zu beweisenden Umstände erst kurz zurückliegen, und Klarheit über die Bilanzierung eines konkreten Rechtsgeschäfts zu haben49. Daher ist eine verfahrensrechtliche Auslegung nur bei besonders klaren Bestimmungen anzunehmen50. Eine Wirkungserstreckung scheidet bei einem nach Fristablauf ergangenen Schiedsspruch aus, wenn die zugrundeliegende Schiedsvereinbarung eine als prozessual auszulegende Frist enthält. Dann fehlt dem Schiedsrichter die Entscheidungsbefugnis. Der Schiedsspruch ist nach englischem Recht und damit auch nach § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO unwirksam. Nach dem UN-Ü scheitert eine Wirkungserstreckung an der fehlerhaften, weil verspäteten Ernennung (Art. V Abs. 1 lit. d) und am Überschreiten der von der Schiedsvereinbarung vorgesehenen Entscheidungsbefugnis (Art. V Abs. 1 lit. c). Ist hingegen eine materielle Auslegung vorzunehmen, so ist der abweisende Schiedsspruch grundsätzlich anzuerkennen. Allerdings mag im Einzelfall die Kürze der Frist einseitig zum Nachteil einer wirtschaftlich erheblich schwächeren Partei, insb. eines Verbrauchers gereichen. Dann kann einer Anerkennung die über den ordre public beachtliche Fundamentalvorschrift des Verbraucherschutzes und ähnlich gewichtiger Bestimmungen entgegenstehen. 46

Nach Atlantic Shipping and Trading

Co Ltd v. Louis Dreyfus

& Co [1922] 2 AC

250 (HL) so genannt: „Any claims must be made in writing and claimant's arbitrator appointed within three months of final discharge and where this provision is not complied with the claim shall be deemed to be waived and absolutely barred"; ähnlich auch die 12-Monats-Frist bei Alma Shipping Corpn v. Union of India (The „Astraea")

[1971] 2 Lloyd's Rep 494. 47

Unitramp

SA v. Jenson & Nicholson

(S) Pte Ltd (The „Baiona") [1991] 2

Lloyd's Rep 121 per Webster J. 48

Intermare

kratis") 49

Transport

GmbH v. Naces Transoceánicos Armadora SA (The „Aristo-

[1976] 1 Lloyd's Rep 552.

Det Danske-Franske

Transatlantiques catta J.

Dampskibsselskap AS v. Cie Financière

SA (The „Himmerland")

50

d'Investissements

[1965] 2 Lloyd's Rep 353 at 360 per Mo-

Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 203; etwa bei Hardwick Game Farm v. Suffolk Agricultural and Poultry Producers' Association Ltd [1964] 2 Lloyd's Rep

227 at 274 per Havers J.

§ 7 Schiedsspruch

185

c) Zur Geltendmachung der limitation in England I m Bereich der limitation ist unklar, ob in England eine auf Feststellung der „Limitierung" des Schiedsspruchs gerichtete oder auf Unterlassung der Vollstreckung gerichtete Klage statthaft ist. Im Normalfall dürfte aufgrund des Ablaufs einer nicht unbeträchtlichen oder vereinbarten Zeitspanne nicht ohne weiteres zu erwarten sein, daß der Spruchgläubiger noch die Vollstreckbarerklärung zu erreichen versuchen wird. Das spricht gegen die Zulassung. Es spricht aber vieles dafür, daß eine Klage zugelassen werden wird, wenn ein Vollstreckbarerklärungsverfahren in Deutschland anhängig ist 51 .

3. Befristete Anfechtbarkeit Ein englischer Schiedsspruch kann im englischen Recht im wesentlichen aus zwei Gründen angefochten werden, wegen misconduct (unter a) und wegen eines in der Begründung des Schiedsspruchs enthaltenen Rechtsirrtums (unter b). Weitere Gründe für eine auf eine Zurückverweisung gerichtete Aufhebungsklage werden (unter c) dargestellt. In allen Fällen sind die Rechtsbehelfe befristet. a) Misconduct aa) (1) Die Definition dessen, was misconduct ausmacht, bereitet große Schwierigkeiten 52 . Sicher ist, daß es auf ein vorwerfbares Fehlverhalten des Schiedsrichters nicht ankommt 53 . In diesem Sinne dürfte die Übersetzung mit „prozessualem Fehlverhalten des Schiedsrichters" am ehesten dem englischen Begriff gerecht werden. Der Maßstab dessen, was dem Schiedsrichter erlaubt ist, ergibt sich zunächst aus der Schiedsvereinbarung. Allerdings können die Parteien im Laufe des Schiedsverfahrens auch stillschweigend auf die Ein51

Vgl. die Ausführungen von Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 569 zur Zulässigkeit der Unterlassungklage, wenn dem Schiedsrichter die Entscheidungsbefugnis fehlt oder er sie überschreitet. 52 Zu den nützlichsten zählt nach Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 550, n. 4 die Definition in: William v. Wallis and Cox [1914] 2 KB 478 at 485 per Atkin J (as he then was): Misconduct is „such a mishandling of the arbitration as is likely to amount to some substantial miscarriage of justice". 53 Der Wortlaut „Where an arbitrator or umpire has misconducted himself or the proceedings" in s. 23 (1) Arbitration Act 1950 wurde bereits im Arbitration Act 1934 eingeführt, weil man glaubte, mit der Verwendung des Begriffs „misconduct" dem Schiedsrichter einen Vorwurf zu machen, was man vermeiden wollte. Mit der Unterscheidung ist aber keine rechtliche Konsequenz verbunden, ebensowenig mit der Schaffung der Kategorie eines technical misconduct; insgesamt Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, pp. 551/552.

186

3. Teil: Versagungstatbestände

haltung von Verfahrensnormen verzichten. Ein solcher Wille kann sich auch aus der Wahl einer Schiedsordnung ergeben, bei deren Anwendung typischerweise bestimmte Verfahrensregeln unbeachtet bleiben 54 . Folgende Fallgruppen mögen zur Skizzierung der Rechtslage genügen: a) Wo der Schiedsrichter gegen eine ausdrücklich oder stillschweigend in der Schiedsvereinbarung enthaltene Verfahrensvorschrift verstößt, liegt stets ein misconduct vor, doch zwingt dieser Verfahrensverstoß nicht immer zur Aufhebung des Schiedsspruchs 55. Das ist nur der Fall, wenn der Verfahrensverstoß für den Schiedsspruch kausal war. Steht fest, daß er nicht kausal war, so wird der High Court üblicherweise nicht einschreiten 56. Im Zweifelsfall wird das Gericht den Schiedsspruch aufheben. Dann wird das Gericht nicht darüber spekulieren, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein zulässiges Verfahren zum selben Ergebnis wie das unzulässige Verfahren geführt hätte 57 . b) Wo der Schiedsrichter Besorgnis zur Befangenheit gibt, liegt ein misconduct vor 5 8 , wenn sein Verhalten nicht in der Schiedsvereinbarung oder durch Zustimmung der benachteiligten Partei zugelassen ist 5 9 (dazu unter § 9 II). Allgemein ist aber zu berücksichtigen, daß der Schiedsrichter nicht an die strengen Regeln des staatlichen Verfahrensrechts gebunden sein braucht 60 . Andererseits sind bestimmte Regeln des staatlichen Verfahrensrechts absolut verbindlich. Hierunter fällt insbesondere der Grundsatz des audiatur et altera pars 61 . Hierauf und auf den anderen so zentralen Grundsatz des englischen 54

London Export Corporation

v. Jubilee Coffee

Roasting Co Ltd [1958] 1 Lloyd's

Rep 197 per Diplock J (as he then was) at 201: Es war vor der Incorporated Oil Seed Association üblich, daß der umpire des erstinstanzlichen Verfahrens zur Beratung des Board of Appeal hinzugezogen wurde, nicht aber, daß er - wie hier geschehen - bei der Entscheidung mitwirken durfte. 55

Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 551. Das gilt natürlich in verstärktem Maße, wenn ein Verstoß gegen den englischen verfahrensrechtlichen ordre public vorliegt. 56

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 553. Der dort genannte Ausnahmefall, daß ein Prinzip Beachtung verlangt, dürfte kaum ausreichen, um einen in der Sache korrekten Schiedsspruch, der die betroffene Partei nicht benachteiligt, aufzuheben. 57

Interbulk

Ltd v. Aiden Shipping Ltd (The „Vimeira")

[1984] 2 Lloyd's Rep 66

dicta per Ackner LJ (as he then was) at 76. 58

Faure, Fairclouth

Ltd v. Premier Oil and Cake Mills Ltd [1968] 1 Lloyd's Rep

237 at 240 per Donaldson J (as he then was); vgl. auch London Export Corpn Ltd v. Jubilee Coffee Roasting Co Ltd [1958] 1 Lloyd's Rep 197 per Diplock LJ (as he then was). 59

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 551.

60

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 551.

61

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 551.

§ 7 Schiedsspruch

187

Verfahrensrechts, die Mündlichkeit, wird unter § 10 I ausführlicher eingegangen werden. c) Der Schiedsrichter ist im Grundsatz an Gesetz und Recht gebunden. Der amiable compositeur, also der nach Billigkeit entscheidende Schiedsrichter wird deshalb leicht einem Rechtsirrtum unterliegen, der mit dem appeal angreifbar sein kann, wenn nicht eine Ausschlußvereinbarung nach s. 3 Arbitration Act 1979 geschlossen wurde. Ein misconduct liegt daneben wohl nicht vor 6 2 . Eine vollständige Darstellung der Tatbestände des misconduct beim formellen Verfahren kann hier nicht erfolgen. Zu breit gefächert sind die Gründe für einen misconduct. Sie sollen im Zusammenhang mit den jeweils betroffenen Regelungen, etwa unter §§ 9 II, 10 I, II, untersucht werden. (2) Liegt ein misconduct vor, auf dem der Schiedsspruch beruht oder der sonst beachtlich ist, so ist der Rechtsbehelf wegen misconduct begründet. Zulässig ist ein solcher Rechtsbehelf, wenn er statthaft ist und frist- und formgerecht (dazu RSC Ord. 73, rr. 2, 5) eingelegt wurde. Der Antrag muß nach s. 22 bzw. s. 23 (2) Arbitration Act 1950 63 auf remission, also auf Aufhebung unter Verweisung an das Schiedsgericht, oder auf setting aside, also auf endgültige Aufhebung gerichtet sein. Üblicherweise werden die Anträge alternativ verknüpft und die Entscheidung zwischen ihnen in das Ermessen des Gerichts gestellt 64 . Nach den RSC Ord. 73 r. 5 (1) besteht eine 21-Tage-Frist nach Bekanntgabe (publication) des Schiedsspruchs. Für die Bekanntgabe genügt die Mitteilung an die Parteien, daß der Schiedsspruch ergangen ist und daß er zur Abholung (üblicherweise gegen Bezahlung des Schiedsrichters) bereitliegt 65 . Die Frist kann nach Ermessen des Gerichts verlängert werden, wobei es sich von folgenden Erwägungen leiten lassen wird: dem Wunsch sich an die RSC zu halten, der Gefahr der Vorverurteilung des Antragsgegners, der Dauer der Verzögerung, der Frage, ob die Verzögerung auf Verschulden des Antragstellers beruht, und der Frage, ob der Vortrag des Antragstellers schlüssig erscheint (good arguable case on the merits) 66 . 62 In diese Richtung auch Mustill anders Gottwald, Fs. Nagel, S. 61.

& Boyd , Commercial Arbitration, pp. 77/78;

63

Zum Wahlrecht des Richters Odium v. City of Vancouver City (1915) 85 LJPC 95 (PC, British Columbia) at 98 per Lord Dunedin. 64

Bei nicht auf schriftlichen Schiedsvereinbarungen beruhenden Schiedssprüchen gelten die Arbitration Acts nicht. Es dürften aber insoweit keine Unterschiede bestehen. 65

Bulk Transport

Corpn v. Sissy SS Co Ltd (The „Archipelagos ") [1979] 2 Lloyd's

Rep 289 per Parker J (as he then was) at 291 -293. 66

Sokratis

Rokopoulos v Esperia

SpA (The „Aros" and the „Delfi") [1978] 1

188

3. Teil: Versagungstatbestände

(3) Ob der Richter am High Court nach einem erfolgreichen Rechtsbehelf sein Ermessen dahin ausübt, daß er den Schiedsspruch unter Verweisung an den Schiedsrichter oder gänzlich aufhebt, läßt sich nicht eindeutig festlegen 67. Das spielt hier auch keine Rolle. Jedenfalls wird der Schiedsspruch aufgehoben. bb) Bei einem misconduct i.S.d. englischen Rechts kommt im deutschen Verfahren zur Wirkungserstreckung die Anwendung des Art. V Abs. 1 lit. b, d, e, Abs. 2 lit. b U N - Ü sowie aller Nummern des § 1044 Abs. 2 ZPO in Betracht. Sie sollen im folgenden untersucht werden. (1) Ein erfolgreicher Rechtsbehelf wegen misconduct führt zur Versagung der Wirkungserstreckung gem. Art. V Abs. 1 lit. e U N - Ü und § 1044 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 ZPO. Nach Ablauf der 21-Tage-Frist scheiden nach der hier unterstützten Rechtsprechung des BGH zum deutschen autonomen Recht 68 beide Versagungsnormen aus. Während des Laufs der 21-Tage-Frist findet Art. V Abs. 1 lit. e U N - Ü keine Anwendung. Der Schiedsspruch ist nicht aufgehoben und nicht durch einen in der Schiedsvereinbarung vorgesehenen Rechtsbehelf angreifbar. Ein anderes gälte für § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Danach wäre die Anfechtbarkeit vor Ablauf der Frist als Unwirksamkeit zu berücksichtigen. Diese Regelung ist aber für den Spruchgläubiger weniger günstig und deshalb nach Art. V I I Abs. 1 U N - Ü nicht anzuwenden69. Deshalb ist einem einen misconduct behauptenden Spruchschuldner zu empfehlen, innerhalb der 21-Tage-Frist beim High Court das setting aside oder die remission des Schiedsspruchs zu beantragen. In einem deutschen Verfahren zur Vollstreckbarerklärung kann er dann die Aussetzung gem. Art. V I U N - Ü anregen. (2) währt, und § UN-Ü macht

Wurde dem Spruchschuldner nicht ausreichend rechtliches Gehör geso scheitert die Wirkungserstreckung an Art. V Abs. 1 lit. b U N - Ü 1044 Abs. 2 Nr. 4 ZPO. Die Voraussetzungen des Art. V Abs. 1 lit. b werden im Wortlaut nicht von einem bestimmten Recht abhängig geund sind autonom auszulegen70. Das ist aber bestritten. Zum Teil wird

Lloyd's Rep 456 at 461/462 per Brandon J (as he then was); Industria de Oleos Pacaembu SA v. NV Bunge [1982] 1 Lloyd's Rep 490 per Parker J (as he then was) at 492. 67

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 563.

68

S.o. § 6, III.

69

Ein anderes gilt freilich, wenn das UN-Ü nicht anwendbar ist, was etwa bei nicht auf Schiedsvereinbarungen beruhenden Schiedssprüchen, die eine andere rechtsgeschäftliche Grundlage haben (vgl. § 1048 ZPO), in Betracht kommt. Solche Schiedssprüche sind in England aber praktisch nicht bekannt. 70

So ausdrücklich Fouchard,

L'arbitrage commercial international, no. 526: „ce

§ 7 Schiedsspruch

189

auch vertreten, daß der Maßstab des Rechts des Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsgerichts entscheiden soll 71 . So neigen die Gerichte eher der Anwendung örtlicher Maßstäbe zu 72 . Dagegen spricht nicht nur der Wortlaut. Es erscheint auch wenig sinnvoll einen Maßstab anzuwenden, der davon abhängt, wo der Spruchgläubiger den Schiedsspruch vollstrecken will 7 3 . Auch würde es kaum Sinn machen, das regelmäßig bereits über den ordre public in Art. V Abs. 2 lit. b U N - Ü geschützte rechtliche Gehör des Forums nochmals und mit einer schlechteren Beweislage in Art. V Abs. 1 lit. b zu schützen74. Problematisch wird der Meinungsstreit dann, wenn die nationalen Vorschriften für das rechtliche Gehör vom internationalen Standard abweichen. Dann wird der höhere internationale Standard nur dann von Art. V Abs. 1 lit. b U N - Ü durchgesetzt, wenn man diese Norm autonom auslegt. Man wird aber davon ausgehen können, daß die deutschen Vorschriften dem internationalen Standard entsprechen.

texte pose une règle matérielle internationale ... Ni la loi applicable à la procédure, loi d'autonomie ou loi du siège, puisqu'elle n'interviendra qu'à titre supplementif ni la loi du juge saisi n'auront directement compétence pour l'appréciation du respect des droits de la défense"; van den Berg , The New York Arbitration Convention, p. 298; Stein/Jonas /Schlosser, Anh. § 1044, Rn. 62. 71 Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 57, Rn. 9; Quingley, 58 ABAJ 825, (1972); in diese Richtung auch Bertheau, Das New Yorker Abkommen, S. 75 f., der keinen großen Unterschied zwischen dem Gehalt des Art. V Abs. 1 lit. b und Abs. 2 lit. b sieht. 72 So ausdrücklich und - jedenfalls im Bericht ausschließlich - OLG Hamburg YCA IV (1979), 266 (267 sub 3) für einen englischen London Metal ExchangeSchiedsspruch: Der Begriff des rechtlichen Gehörs sei nach deutschem Vollstreckbarerklärungsrecht festzustellen. Unklarer OLG Hamburg RIW/AWD 1975, 432 unter Annahme eines dem ordre public international vergleichbaren engeren Begriff des rechtlichen Gehörs für Art. IV Abs. 2 S. 3 des deutsch-amerikanischen Freundschafts-

vertrags (BGBl. 1956 I I 488, Jayme/Hausmann,

Nr. 127). Das OberG Basel YCA IV

(1979), 309 konnte die Entscheidung ganz dahinstehen lassen, da ein Verstoß nicht vorlag. Ein amerikanisches Bundesgericht hat in Parsons & Whittemore Overseas Co Inc v. Société Générale de l'Industrie

du Papier (RAKTA)

508 F 2d 969 (1974) dar-

gelegt: „due process rights under American law, ... [are] entitled to full force under the Convention", und Art. V Abs. 1 lit. b UN-Ü „essentially sanctions the applicability of the forum state's standards of due process"; übernehmend Biotronik Mess- und Therapiegeräte

GmbH & Co v. Medford

Medical Instrument

Co. 415 FSupp 133

(1976). 73

74

Stein/Jonas /Schlosser, Anh. § 1044, Rn. 62.

Bertheau, Das New Yorker Abkommen, S. 75 möchte die scheinbar doppelte Relevanz des rechtlichen Gehörs mit historischen und traditionellen Argumenten begründen.

190

3. Teil: Versagungstatbestände

Noch anders argumentiert Aden. Für den Begriff des rechtlichen Gehörs sei stets auf das Schiedsverfahrensrecht zu rekurrieren 75 . Dafür spricht zwar, daß die Parteien sich mit der Wahl eines solchen Schiedsverfahrens häufig auch mit den in dieser Rechtsordnung bestehenden Beschränkungen des rechtlichen Gehörs einverstanden erklären. Das kann aber nicht grundsätzlich angenommen werden. Auch entspricht die Auffassung Adens nicht dem Wortlaut des Übereinkommens. Und schließlich besteht kein Grund für einen gesonderten Versagungsgrund wegen Nichtgewähren rechtlichen Gehörs in Art. V Abs. 1 lit. b, wo doch bereits Art. V Abs. 1 lit. d U N - Ü Verfahrensverstöße nach spruchstaatlichem Recht betrifft. Kommt es sonach im Übereinkommen nicht auf den spruchstaatlichen Begriff des rechtlichen Gehörs an, kann auch nach Ablauf der 21-Tage-Frist der RSC eine Versagung der Wirkungserstreckung in Betracht. Anders hat der B G H aber bei Vollstreckbarerklärung eines belgischen Schiedsspruchs nach dem deutsch-belgische Abkommen entschieden76. Dieses Vertragswerk setzt aber die Doppelexequatur voraus: Bevor ein belgischer Schiedsspruch in Deutschland anerkannt werden kann, muß er in Belgien für vollstreckbar erklärt worden sein 77 . Das rechtfertigt es, die Einwendungen, die bereits vor dem belgischen Gericht vorgebracht werden können, nicht nochmals vor dem deutschen Gericht zuzulassen. Auch unter dem U N - Ü wird nicht jeder Verstoß gegen das rechtliche Gehör zu einer Versagung führen. Allerdings genügen Zweifel an der Kausalität des Verstoßes für die Versagung der Wirkungserstreckung 78. Auch bei § 1044 Abs. 2 Nr. 4 ZPO beeinflußt die Überschreitung der Frist die Versagung der Wirkungserstreckung nicht 79 . Auch hier ist jeder Verstoß gegen das rechtliche Gehör beachtlich, der zur Entscheidung beigetragen haben kann 80 . 75

Aden, NJW 1993, 1964.

76

BGHZ 71, 131 (135 f.) (Einwendung der unwirksamen Schiedsvereinbarung); inzwischen aber für § 1044 Abs. 2 Nr. 4 ZPO klar für eine Unbeachtlichkeit der Fristen BGH NJW 1992, 2299 m.w.N.. Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen und öffentlichen Urkunden in Zivil und Handelssachen vom 30.4.1958 ist unter BGBl. 1959 II 766 publiziert. 77

BGHZ 71, 131 (134 f.).

78

OLG Hamburg RIW/AWD 1975, 432 (433); van den Berg, The New York Arbitration Convention, pp. 301/302. 79 BGH NJW 1992, 2299 m.w.N.; allerdings hat der BGH es hier zu Unrecht versäumt, auf das wegen Art. VII Abs. 1 vorrangige UN-Ü und das ebenfalls vorrangige EuÜ einzugehen, Aden, NJW 1993, 1694. 80

BGH NJW 1992, 2299 m.w.N., st. Rspr.

§ 7 Schiedsspruch

191

(3) Eine Verletzung des schiedsgerichtlichen Verfahrens ist gem. Art. V Abs. 1 lit. d U N - Ü zu beachten. Die Frage ist nun aber, ob der Verfahrensverstoß fortwirken soll, auch wenn nach dem Schiedsverfahrensstatut der Mangel wegen Ablaufs der Frist nach den RSC nicht mehr angreifbar ist. Für eine Berücksichtigung des Verfahrensverstoßes spricht der Wortlaut des Übereinkommens, der eben auf die Zulässigkeit der Anfechtung im Spruchstaat nicht eingeht. Andererseits gilt die lex arbitri in Art. V Abs. 1 lit. d U N - Ü nicht nur subsidiär, sondern auch ergänzend 81. Deshalb könnte man auf den Gedanken kommen, daß die lex arbitri die Frage der staatlichen Gerichtsfristen regelt. Doch ist die lex arbitri nicht auch insoweit von Art. V Abs. 1 lit. d angewiesen. Schiedsvereinbarungen dürfen nämlich nicht über die Anfechtungsfristen vor Gericht befinden. Das staatliche Recht hat hier also gar keine Ergänzungsfunktion, sondern betrifft einen anderen Regelungskomplex. Deshalb kann auch nach Ablauf der 21-Tage-Frist eine Berufung auf Art. V Abs. 1 lit. d U N - Ü erfolgen. Doch ist nach deutschem autonomem Recht im wesentlichen § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO anwendbar. Nach der hier unterstützten Rechtsprechung 82 kommt es bei dieser Vorschrift auf die Frist der RSC an. Der Schiedsspruch wird mit Ablauf der Frist wirksam. Insoweit ist das autonome Recht für den Spruchgläubiger günstiger und gem. Art. V I I Abs. 1 UN-Ü anzuwenden. Ein anderes gilt aber im Anwendungsbereich der anderen Versagungsgründe des § 1044 Abs. 2 ZPO. Hier kommt es auf erststaatliche Präklusivfristen nicht an. Eine Berücksichtigung des Ermessensspielraums des englischen Richters in den RSC Ord. 73 kommt nicht in Betracht. Zu ungewiß ist, ob der Richter von seinen Rechten Gebrauch machen wird. Sinnvoller scheint es hier, von den Möglichkeiten des Art. V I U N - Ü und des § 1044 Abs. 4 ZPO Gebrauch zu machen. (4) A u f die gleichzeitige Anwendbarkeit des verfahrensrechtlichen ordre public kommt es deshalb an, weil der Spruchschuldner sich im Rahmen des U N - Ü nicht auf diesen Versagungsgrund berufen braucht sowie weil es im Anwendungsbereich des COTIF und nach bestimmten Verfahren unter dem Londoner Auslandsschuldenabkommen der einzige Versagungsgrund ist. Wann der ordre public anwendbar ist, ist im Einzelfall festzustellen. Darauf wird in den folgenden Kapiteln eingegangen werden. Auch hier kommt es auf die Verfristung nach englischem Recht nicht an.

81

van den Berg, The New York Arbitration Convention, p. 325.

82

S. dazu oben § 6, III.

192

3. Teil: Versagungstatbestände

b) Appeal aa) M i t dem Arbitration Act 1979 wurde die seit langem heftig angegriffene 83 Kontrolle des Schiedsrichters auch hinsichtlich einfacher Rechtsfehler stark abgemindert. Die Bindung des englischen Schiedsrichters an das Gesetz ist jedoch auch nach der Reform im Grundsatz beigehalten worden. Eine Kontrolle findet aber nun nur mehr über den appeal 84 statt. Danach kann unter erheblichen Zulässigkeitsschranken die materiellrechtliche Richtigkeit des Schiedsspruchs überprüft werden 85 . Der appeal ist begründet, wenn der Schiedsspruch auf einem Rechtsintum beruht. I m folgenden wird im einzelnen auf die Zulässigkeit und die Folgen eines erfolgreichen appeals eingegangen. (1) Zulässigkeit. Ein appeal muß formal zugelassen werden. Voraussetzung hierfür ist neben den allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen, insb. die Statthaftigkeit (a), die Fristgerechtigkeit (c) und eine an der Bedeutung der Rechtsfrage und an der voraussichtlichen Richtigkeit der schiedsrichterlichen Entscheidung orientierte Ermessensausübung (b). Der appeal ist statthaft, wenn er auf einem dem appeal zugänglichen Schiedsspruch beruht und wenn er aus Gründen des englischen Rechts angegriffen wird 8 6 . (a) Ein Schiedsspruch ist dem appeal zugänglich, wenn er auf einer schriftlichen Schiedsvereinbarung beruht, s. 32 Arbitration Act 1950, begründet ist (dazu unten II) und keine schriftliche Ausschlußvereinbarung gem. s. 3 Arbitration Act 1979 besteht. Die Voraussetzungen für ein solches exclusion agreement hängen davon ab, ob dem Schiedsspruch ein domestic arbitration agreement (s. 3 (7) Arbitration Act 1979) zugrundeliegt oder nicht. Ist dies nicht der Fall, sind also nicht alle Schiedsparteien Briten oder im

83

Vgl. u.a. BenJcö, Der Einfluß des Richters auf das Schiedsverfahren in England, KTS 1981, 115 ff.; Kerr, The Arbitration Act 1979, (1980) 43 MLR 45; F.A. Mann, Das neue englische Schiedsgesetz und die internationale Schiedsgerichtsbarkeit, NJW 1979, 1745; zu Reform und Geschichte auch MustilU (1990) 56 Arbitration 82; ähnliche Regelungen enthält heute noch der indische Arbitration Act 1940, s. 16 (l)(c). 84

Die hier üblicherweise gebrauchte Übersetzung „Berufung" (etwa bei Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 769) trifft nicht den Punkt. Zum einen setzt eine Berufung nach deutschem Verständnis ein staatliches Erstverfahren voraus und dann auch eine Überprüfung des Erstverfahrens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Beides ist im englischen Recht nicht vorgesehen, wie noch zu zeigen sein wird. Allerdings wird in dem hier geschilderten Sinne der Begriff des appeal auch im englischen Recht gebraucht, etwa in RSC Ord. 55, r. 1 (1). 85 Der High Court kann auch schon während des Schiedsverfahrens angerufen werden, s. 2 (1) Arbitration Act 1979. 86

Dazu m.w.N. Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, pp. 591 -594.

§ 7 Schiedsspruch

193

Vereinigten Königreich ansässig87, so kann im Grundsatz schon vor Beginn des Schiedsverfahrens 88 eine Ausschlußvereinbarung getroffen werden. Die wesentlichen internationalen Schiedsordnungen enthalten solche Schiedsklauseln 89 . Ein anderes gilt hingegen, wenn der Streit in die Zuständigkeit des Admirality Court am High Court gehört (das sind im wesentlichen alle seeund lufthandelsrechtlichen Streitigkeiten) 90 oder wenn der Streit aus einem Versicherungsvertrag 91 oder aus einem Warenhandel 92 resultiert und englisches materielles Recht anwendbar ist. Dann und bei domestic arbitration agreements ist eine Ausschlußvereinbarung erst nach Beginn des Schiedsverfahrens zulässig, ss. 4 (l)(i), 3 (6) Arbitration Act 1979. (b) Die Zulassung hängt im wesentlichen vom Ermessen des Gerichts ab (s. 1 (3)(b), (4) Arbitration Act 1979), wenn die gegnerische Partei nicht zustimmt, s. 1 (3)(a). Das Ermesen wird nur ausgeübt, wenn die Rechtsfrage

87

Die andere in s. 3 (7) des 1979 Act genannte Voraussetzung für ein domestic arbitration agreement: der Sitz des Schiedsgerichts dürfe nicht außerhalb des Vereinigten Königreichs liegen, spielt hier praktisch keine Rolle. Fast alle außerhalb des Vereinigten Königreichs residierende Verfahren sind nicht englisch. 88

Wann ein Schiedsverfahren beginnt, hängt sehr vom Einzelfall ab. Die Schiedsordnungen enthalten üblicherweise ausdrückliche Bestimmungen. Vgl. statt vieler s. 10 Arbitration Act 1950: Benachrichtigung des Gegners vom vorgeschlagenen Schiedsrichter; Art. 3 Abs. 1 IHK-SchO: Einreichung der Schiedsklage beim Sekretariat des Schiedsgerichtshofs; vgl. § 6, Fn. 64. 89

Für IHK-SchO, Art. 24 Abs. 1 („award to be final") (ähnliches gilt wohl für die

LCIA-Rules): Arab African

Energy Corp Ltd v. Olieprodukten

Nederland

2 Lloyd's Rep 419 at 423 per Legatt J (as he then was); Marine Contractors Shell Petroleum Development Co of Nigeria

BV [1983]

Inc v.

Ltd [1984] 2 Lloyd's Rep 77 (CA) at

82/83 per Ackner LJ (as he then was); anders für die Aufhebungsklage nach § 1041 ZPO: OLG Frankfurt a.M. NJW 1984, 2768 m. diff. Anm. Gelmer m.w.N. 90

Dazu i.e. ss. 20 - 24 Supreme Court Act 1981; White Book, vol. 2, para. 1352; c.i.f.-Verträge fallen z.B. nicht unter die Admirality-Zuständigkeit des High Court — exclusion agreement-Klauseln in solchen Verträgen sind daher wirksam, vgl. Petrofina SA v. Aot Ltd (The „Maersk Nimrod")

[1991] 1 Lloyd's Rep 269 at 276 per

Phillips J. 91 Was Versicherungsverträge i.S.d. Arbitration Act 1979 sind, ist nicht ganz klar. Insbesondere ist zweifelhaft, ob Rückversicherungsverträge dazu rechnen. Butler & Merkin, Reinsurance Law, ch. A.3.2-07 wollen danach unterscheiden, ob eine automatische Haftungsübernahme des Rückversicherers besteht oder ob dazu erst noch eine Annahme des Versicherers erforderlich sei, was bei open covers und surplus treaties anzunehmen sei. Nur im ersten Fall liege ein Versicherungsvertrag vor. 92 Welche Verträge im einzelnen gemeint sind, ergibt sich aus der Arbitration (Commodity Contracts) Order 1979, die die betroffenen Märkte, die Londoner Warenmärkte für Kakao, Kaffee, Weizen, Metall, Gummi, Sojamehl, Zucker, Pflanzenöl und Wolle unfaßt, sowie die Verträge bestimmter Handelsorganisationen, u.a. aller der hier untersuchten, z.B. Gafta.

13 Kilgus

194

3. Teil: Versagungstatbestände

für die Entscheidung relevant ist, wenn von ihr abhängt, ob einer der Streitparteien ein Recht zukommt oder nicht, s. 1 (4) Arbitration Act 1979. Seit der Leitentscheidung in The „Nema" wird deshalb eine allgemeine Bedeutung der entscheidungsrelevanten Rechtsfrage gefordert. Obwohl die Frage lediglich in einem obiter dictum 93 behandelt wurde, befaßt sich die leading speech von Lord Diplock, nahezu ausschließlich mit der Frage und die Entscheidung wird - trotz gewissen Differenzierungen v.a. durch Lord Denning 94 - als geltendes Recht angesehen95. Die allgemeine Bedeutung der Rechtsfrage 96 bestimmt sich, wenn es, wie meist, um die Auslegung des Hauptvertrages geht, danach, ob der Hauptvertrag ein „one-off case" oder ein „Standard form contract" ist. Letzteres ist der Fall, wenn der Vertrag vorformuliert ist oder wenn die verwendeten Begriffe handelstypisch sind, wenn also davon auszugehen ist, daß der Vertrag keine singuläre Erscheinung bleibt 97 . Liegt ein one-off case vor, also ein Vertrag, den es so aller Voraussicht nach nicht noch einmal geben wird, so hat der Richter den appeal zuzulassen, wenn sich bereits aus der Lektüre des Schiedsspruchs und ohne anwaltliche Vorträge ergibt, daß der Schiedsrichter die Rechtsfrage fehlerhaft entschieden hat. Eine Zulassung scheitert aber bereits dann, wenn der Richter zwar glaubt, daß dem Schiedsrichter ein Rechtsirrtum unterlaufen ist, er sich aber nicht sicher ist, daß die Anwälte ihn nicht doch noch umstimmen werden 98 . Eine Ausnahme gilt im Miet- und Pachtevaluationsbereich, weil Standardverträge hier ausgesprochen selten sind 99 . Liegt hingegen ein Standard form contract vor, so hat der Richter den appeal zuzulassen, wenn sich zeigt, daß die Beantwortung der Rechtsfrage für die 93

Pioneer Shipping Ltd v. BTP Tioxide

Ltd (The „Nema") [1981] 2 AUER 1030

(HL) at 1033 per Lord Diplock; nachdem der appeal bereits zugelassen worden war, war nur noch in der Sache selbst zu entscheiden. 94

Lord Denning MR in Italmare Shipping Co v. Ocean Tanker Co Inc (The „Rio

Sun") [1981] 2 Lloyd's Rep 489 (CA) at 495: the Court must follow the guidelines, but „they are only guidelines ... Ultimately the question is one for the discretion of the judge in the Commercial Court." 95

Bestätigt und erläutert per Lord Diplock in Antaios Compania Naviera

SA v.

Sälen Rederierna AB (The „Antaios") (No. 2) [1984] 2 Lloyd's Rep 235 (HL) at 240

and per Sir John Donaldson MR and Mustill LJ (as they then were) in Aden Refinery Co Ltd v. Ugland Management Co Ltd [1986] 2 Lloyd's Rep 336 (CA) 341 at 344. 96

Ausführlich Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, pp. 604-608.

97

Pioneer Shipping Ltd v. BTP Tioxide

Ltd (The „Nema") [1981] 2 AUER 1030

(HL) at 1034 per Lord Diplock („a one-off case"). 98

Pioneer Shipping Ltd v. BTP Tioxide

Ltd (The „Nema") [1981] 2 AUER 1030

(HL) at 1039/1040 per Lord Diplock. 99

Lucas Industries

pic v. Sun International

Ltd (No. I) [1986] Ch 500 per Sir Ni-

cholas Browne-Wilkinson VC (as he then was) at 504.

§ 7 Schiedsspruch

195

Rechtsklarheit und Rechtssicherheit im englischen Handelsrecht erheblich ist und der Antragsteller gezeigt hat, daß prima facie viel dafür spricht, daß der Schiedsrichter rechtsfehlerhaft entschieden hat 100 . Ein anderes gilt dann, wenn zwar die Vertragsbestimmung Standard form ist, nicht aber das zugrundeliegende Ereignis. Ist dieses one-off, also einmalig, so sind die Grundsätze für das one-off Verfahren anzuwenden101. Der Grund für die Differenzierung liegt darin, daß es Sinn der Reform war, die Möglichkeiten der Rechtskontrolle einzuengen zugunsten größerer Rechtsbeständigkeit der Schiedssprüche und der Schnelligkeit des Verfahrens. Andererseits sollte die Fortentwicklung des englischen Handelsrechts, die in den vergangenen Jahrhunderten weitgehend durch die in s. 1 (1) Arbitration Act 1979 abgeschafften Verfahren erfolgt war 102 , gewährleistet bleiben 103 . Die Rechtsentwicklung wird aber nur dort vorangetrieben, wo der Rechtsstreit auch weiterhin praktische Relevanz hat. Daran feht es bei one-off cases. Das Ermessen des Gerichts wird aber auch noch von anderen Faktoren bestimmt, etwa von der Frage, ob die Parteien ein besonders zügiges Verfahren gewünscht hatten. In diesem Fall wird das Gericht den Abschluß des Schiedsverfahrens als wichtiger ansehen, als die Kontrolle des Schiedsrichters, wenn nicht ganz erhebliche rechtliche Bedenken bestehen104. Auch kann erheblich werden, wenn die angegriffenen Rechtsfrage nicht schon im Schiedsverfahren aufgeworfen wurde 105 .

100

Pioneer Shipping Ltd v. BTP Tioxide

Ltd (The „Nema") [1981] 2 AUER 1030

(HL) at 1040 per Lord Diplock; das wurde per Sir John Donaldson MR, Mustill LJ (as they then were) in Aden Refinery Co Ltd v. Ugland Management Co Ltd [1986] 2 Lloyd's Rep 336 (CA) 341 at 341, 346 für eine abweichende Judikatur erfahrener Schiedsrichter bejaht. 101

Pioneer Shipping Ltd v. BTP Tioxide

Ltd (The „Nema") [1981] 2 AUER 1030

(HL) at 1040 per Lord Diplock. In The Nema selbst hatte ein Streik beim kanadischen Lieferanten das Beladen des Schiffes verhindert und so die geschuldete siebenfache Fahrt über den Atlantik vor Ende des Jahres möglicherweise frustriert. Der Chartervertrag war zwar standard form, nicht aber die zugrundeliegenden Ereignisse (Lord Diplock at 1041). Als sich die streikbedingten Probleme zeigten, war eine Zusatzvereinbarung abgeschlossen worden. Diese war one-off (at 1040). Weitere Beispiele bei Russell on Arbitration, p. 290. 102 Triepel/Lange, RIW/AWD 1980, 618. 103

Pioneer Shipping Ltd v. BTP Tioxide

Ltd (The „Nema") [1981] 2 AUER 1030

(HL) at 1037-1039 per Lord Diplock mit sehr detaillierten Argumenten und sehr knapp at 1042 per Lord Roskill. 104

National Rumour Compania SA v. Lloyd-Libra

Navegacao SA [1982] 1 Lloyd's

Rep 472 per Parker J (as he then was) at 474. 105

Dazu im einzelnen Petraco (Bermuda) Ltd v. Petromed International

2 Lloyd's Rep 357 (CA) at 360 per Staughton LJ. 13*

SA [1988]

196

3. Teil: Versagungstatbestände

Die gerichtliche Intervention in Schiedsverfahren wird auch sonst nur mehr sehr bedingt zugelassen, wenn sich aus der Art des Verfahrens und aus dem fehlenden Inlandsbezug ein entsprechender Parteiwille ableiten läßt. Das soll nach der kürzlich ergangenen Entscheidung des House of Lords in Coppee-Lavalin SA v. Ken-Ren Chemicals and Fertilizers Ltd (in Liquidation) 106 insb. bei IHK-Verfahren gelten, wenn außer dem Schiedsort kein Inlandsbezug besteht. Zwar kam hier das Gericht dem Verlangen der Schiedsbeklagten nach, das Schiedsverfahren bis zur Zahlung einer Prozeßkostensicherheit auszusetzen (stay of proceedings), doch lagen hier sehr besondere Faktoren vor, die zudem nur von einer knappen Mehrheit für beachtlich angesehen wurden. (c) Der Antrag zur Zulassung zum appeal (leave for appeal) sowie die Einlegung des appeal sind fristgerecht y wenn sie 21 Tage nach der Bekanntgabe des begründeten Schiedsspruchs oder 21 Tage nach Begründung infolge der gerichtlichen Begründungsanordnung eingelegt werden RSC Ord. 73 r. 5 (2). Der appeal kann bereits mit dem Zulassungsantrag eingelegt werden, RSC Ord. 73 r. 2 (2). (2) Folgen eines erfolgreichen appeals. Ist der appeal zulässig und beruht der Schiedsspruch auf einem Rechtsirrtum des Schiedsrichters, so hat das Gericht nach s. 1 (2)(a), (b) Arbitration Act 1979 Ermessen zwischen drei Entscheidungen zu wählen: Zunächst kann es den Schiedsspruch endgültig und ersatzlos aufheben (setting aside), s. 1 (2)(a), dann kann es den Schiedsspruch aufheben und an das Schiedsgericht zur erneuten Entscheidung verweisen (remission), s. 1 (2)(b), und schließlich kann es den Schiedsspruch verändern (Variation), s. 1 (2)(a), ohne die Rechtsnatur als Schiedsspruch anzutasten, s. 1 (8) Arbitration Act 1979. Es wird aber empfohlen, um der Unklarheit in einem deutschen Exequaturverfahren auszuweichen, auf einer remission zu bestehen107. Dann ist eindeutig, daß ein Schiedsspruch vorliegt. Eine Variation kommt aber ohnehin nur in Betracht, wenn der unterlaufene Rechtsfehler nur zu einem einzigen anderen Schiedsspruch führen kann 108 . bb) Ist ein Schiedsspruch durch appeal aufgehoben und nicht nur variiert worden, so stehen der Wirkungserstreckung in Deutschland Art. V Abs. 1 106

Coppee-Lavalin SA v. Ken-Ren Chemicals and Fertilizers

Ltd (in liquidation )

Lloyd's List, June 24th 1994, p. 10 (HL). Es ging um ein englisches IHK-Schiedsverfahren, bei dem Prozeßkostensicherheit vom kenianischen insolventen - als „Prozeßstandschafter" handelnden - Schiedskläger, hinter dem die kenianische Regierung stand, begehrt wurde. Dem Begehren wurde insoweit Rechnung getragen, als ein stay of proceedings angeordnet wurde, s. 12 (6)(a) Arbitration Act 1950 bzw. inherent jurisdiction jeweils mit Art. 8 Abs. 5 IHK-SchO. 107 8

Auch Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 618 empfehlen dies. Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p.

1.

§ 7 Schiedsspruch

197

lit. e UN-Ü sowie § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO entgegen. Besteht nur die Möglichkeit einer Aufhebung, so steht der Wirkungserstreckung § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht entgegen, da diese Vorschrift nach Art. V I I Abs. 1 UN-Ü nicht anwendbar ist. Die Anwendung des ordre public (Art. V Abs. 2 lit. b UN-Ü, § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) scheidet hier völlig aus, da das deutsche Recht gerade keine Rechtskontrolle eines Schiedsspruchs vorsieht.

c) Weitere Gründe für eine remission Der High Court kann auch aus anderen Gründen als wegen Rechtsintums und wegen misconduct einen Schiedsspruch aufheben und an den Schiedsrichter zurückweisen. Seine dahingehende Befugnis aus s. 22 Arbitration Act 1950 ist nämlich unbegrenzt. Allerdings lassen sich einige Fallgruppen ausmachen, in denen das Gericht gewillt ist eine remission vorzunehmen. aa) Die wichtigste Fallgruppe sind die Fälle der Nichtigkeit des Schiedsspruchs (siehe dazu unter 1). Überschreitet der Schiedsrichter seine Entscheidungsbefugnis oder ist der Schiedsspruch formal fehlerhaft, so kann anstelle einer feststellenden Nichtigkeitsklage 109 oder der Einwendung in einer action on the award oder einem Verfahren nach s. 26 Arbitration Act 1950 auch die Anfechtungsklage nach s. 22 1950 Act erhoben werden 110 . Auf die hierfür bestehende 21-Tage-Frist der RSC Ord. 73 r. 5 kommt es in der Sache aber für das deutsche Verfahren zur Wirkungserstreckung nicht an. Zwar wird es sinnvoll sein, das Verfahren bis zur Entscheidung des englischen Gerichts gem. Art. V I UN-Ü auszusetzen, wenn eine fristgerechte Aufhebungsklage erhoben wurde. Doch kann das deutsche Gericht davon unabhängig und auch nach Ablauf der Frist von sich aus die Wirkungserstreckung wegen Art. V Abs. 1 lit. a, c oder d UN-Ü und § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO versagen. bb) Eine weitere Fallgruppe betrifft neue Beweismittel. Wegen ihnen kann ein Schiedsspruch an den Schiedsrichter zurückgewiesen werden, wenn sie zur Zeit des Schiedsverfahrens nicht zur Verfügung standen und auch selbst bei Beantragung einer Neuterminierung 111 - nicht zur Verfügung hätten stehen können 112 , es aber eine hohe Wahrscheinlichkeit gibt, daß sie die Entscheidung des Schiedsrichters hätten beeinflußen können 113 . Selbst wenn die 109 110

Zu deren Zulässigkeit Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 569. Dazu Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, pp. 554-557.

111

Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 562 unter Verweisung auf Sheddon v. Patrick (1869) LR 1 Sc & Div 470. 112

Whitehall

Shipping Co Ltd v. Kompass Schiffahrtskontor

GmbH (The „Stainless

Patriot") [1979] 1 Lloyd's Rep 589. 113 Interessant hierzu v.a. NV Arnold Otto Meyer v. Arne (1939) 64 LILRep 121,

198

3. Teil: Versagungstatbestände

se Voraussetzungen erfüllt sind, hat der High Court Ermessen abzuwägen, ob eine Aufhebung des rechtskräftigen Schiedsspruchs wirklich geboten ist 1 1 4 . Wird ein Schiedsspruch wegen neuer Beweismittel aufgehoben, so ist dies gem. Art. V Abs. 1 lit. e U N - Ü und § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu berücksichtigen. Vorher sollte aber ein deutscher Richter allenfalls von der Aussetzungsmöglichkeit Gebrauch machen, im übrigen aber eine Wirkungserstrekkung zulassen, da sich hier der Ausgang eines englischen Verfahrens kaum abschätzen läßt. cc) Letztlich gilt dasselbe auch für aus anderen Gründen anfechtbaren Schiedssprüchen. Zu vielfältig sind Gründe und Anforderungen, um sie vollständig darzustellen. In King v. McKenna wurde sogar die unzureichende Kostenentscheidung als ausreichend angesehen, den (gesamten) Schiedsspruch aufzuheben und zurückzuweisen 115 .

4. Rechtsmittel zu Oberschiedsgerichten Nach verschiedenen Schiedsordnungen besteht die Möglichkeit einen Schiedsspruch eines erstinstanzlichen Schiedsgerichts vor einem Oberschiedsgericht anzufechten. Ist ein Schiedsspruch noch anfechtbar, so hindert Art. V Abs. 1 lit. e U N - Ü und § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung. Im folgenden sollen die Zulässigkeitsvoraussetzungen bestimmter Schiedsrechtsmittel vorgestellt und ihr Inhalt zusammengefaßt werden.

a) Rechtsmittel in Schiedsverfahren im Warenhandel (Gafta, FOSFA, LRBA, CTF und CAL) aa) Bei den Rechtsmitteln in Warenhandelsverfahren wählt ein aus Vertretern der Mitgliedsfirmen der jeweiligen Handelsorganisation bestelltes Wahlgremium 116 aus seiner Mitte in der Regel fünf, mindestens aber drei (CTF) Oberschiedsrichter zu einem Spruchkörper, dem Board of Appeal (bei

wo vereinbart worden war, daß das Konossement als Beweis für den Einschiffungstermin hinreichen sollte, wo kein voller Gegenbeweis vorgelegt werden könne; das Schiffsmanifest genügte hierfür nicht. 114

Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 562.

115

MF King (Holdings)

plc v. Thomas McKenna Ltd [1991] 2 QB 480 (CA) per

Lord Donaldson MR at 489-491. 116

Bei der LRBA bestellt der Chairman der Vereinigung die Schiedsrichter aus dem Kreis eines ebenso zusammengesetzten Gremiums, Appeal Rule I.

§ 7 Schiedsspruch

199

der LRBA Council of Appeal), die verschiedenen Firmen angehören sollen 117 . Der erstinstanzliche Schiedsspruch wird auf Rechts- und Tatfragen überprüft. Neue Tatsachen dürfen vorgebracht werden 118 . Besondere Bestimmungen bestehen, wo erstinstanzlich Kettenschiedsverfahren (string arbitrations) durchgeführt wurden, was nach Gafta No. 125 und nach CAL-Rules zulässig ist 1 1 9 , siehe dazu unten § 10 HI 4a. Das CTF-Verfahren stellt ein besonderes Verfahren vor einem Board of Arbitration zur Verfügung, wenn auf den appeal von vornherein verzichtet wird 1 2 0 . bb) Besondere Statthaftigkeitsvorschriften kennen nur das Gafta-Verfahren, das bei Verfahren, die eine condition in einem Hauptvertrag der Art „Guaranteed sound on arrival" oder „Rye Terms" betreffen, die Schiedsberufung ausschließt 121 , sowie das LRBA-Verfahren, das eine Rechtsfragenberufung ausschließt 122 . Überall bestehen strenge und knappe Schiedsberufungsfristen 123, die nach Ermessen des Verbands oder des Oberschiedsgerichts verlängert werden können. Zur Wahrung der Form ist regelmäßig die Schiedsberufungsschrift (notice of appeal) der Handelsorganisation und dem Gegner zuzusenden. Dem Verband ist anzuzeigen, daß der Gegner benachrichtigt wurde. Zum Teil wird auch noch auf Kostenvorschüsse hingewiesen. Diese sind aber regelmäßig nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit des appeals und können nachgeholt werden.

b) Lloyd's Open Form 1990 aa) Bei den Bergelohnverfahren nach der LÖF'90 bestellt der Council of Lloyd's einen oder mehrere Schiedsrichter, den/die Arbitrator(s) of Appeal, cl. 11 (d). Bereits in der ersten Instanz vorgebrachte Tatfragen können überprüft werden, cl. 12. Es ist ausdrücklich zulässig, Teil-, Zwischen- und Vorschiedssprüche (interim awards) mit dem appeal anzufechten, cl. 11 (a). 117 Gafta: paras. 25-32 Rules and Regulations of the Association; FOSFA: r. 8 (a), hier auch andere Firmenzugehörigkeit wie erstinstanzlicher Schiedsrichter und umpire und solcher Unternehmen, die auch nur ein indirektes Interesse am Hauptvertrag haben; LRBA: Appeal Rules, r. I; CAL: r. 12. 118 Gafta: r. 10:2; FOSFA: unklar, wohl wie Gafta; LRBA: r. II Appeal Rules; CTF: r. 40 (a); CAL: r. 14.8. 119 Gafta: r. 12; CAL: r. 16. 120 CTF: r. 51 (a). 121 R. 8:1. 122 LRBA, r. 8 Arbitration Rules. 123 Gafta/FOSFA/CAL: 30 bzw. 42 und 20 Tage nach publication, vor 12 Uhr mittag; r. 8:2 (b), r. 7 (a); r. 11.1; LRBA/CTF: 30 Tage nach publication, r. II Appeal Rules; r. 30 (a).

200

3. Teil: Versagungstatbestände

bb) Zum appeal berechtigt sind alle erstinstanzlich parteifähigen Personen und Personengruppen (siehe dazu § 10 I V 4 b), insb. Schiffseigner, Ladungseigner (Cargo Owners), Charterer und Subcharterer sowie der Berger, gleich ob sie sich am erstinstanzlichen Schiedsverfahren aktiv beteiligt haben oder nicht, vgl. cl. 9 (c), 11 (a). Ein schriftlicher, telegraphischer oder telefaximilierter notice of appeal ist innerhalb von 14 Tagen nach Bekanntgabe (publication) des Schiedsspruchs durch das Council of Lloyd's bei diesem einzulegen, cl. 11 (a). Ein Anschlußappeal (cross-appeal) kann innerhalb von 14 Tagen nach Eingang des notice of appeal eingelegt werden.

II. Fehlende Begründung Oft wird in englischen Schiedsvereinbarungen - gerade im Seehandelsbereich - auf eine Begründung verzichtet. Auch verschiedene Schiedsordnungen lassen eine Neigung zum Verzicht auf Begründungen erkennen 124. Im Zweifel trifft den Schiedsrichter nach englischem Recht keine Pflicht seinen Spruch zu begründen 125. Allerdings muß der Schiedsrichter einen - aufgrund schriftlicher Schiedsvereinbarung ergangenen (s. 7 (l)(e) Arbitration Act 1979, s. 32 Act 1950) - Schiedsspruch begründen, wenn dies die Schiedsvereinbarung oder vor Erlaß des Schiedsspruchs eine Schiedspartei verlangt, s. 1 (6)(b) Arbitration Act 1979. Fehlt eine Begründung unter solchen Umständen ganz, so kann der im Rahmen eines leave for appeal angerufene High Court den Schiedsspruch unter Rückverweisung zur Begründung an den Schiedsrichter aufheben, s. 1 (6) Arbitration Act 1979. Das gleiche Ermessen steht dem Gericht zu, wenn der Schiedsrichter dazu angesetzt hat, einen Schiedsspruch zu begründen (reasoned award, s. 1 (6) (a)), die Begründung aber unvollständig geblieben ist, s. 1 (5) Arbitration Act 1979. Nicht jede Begründung reicht aber aus, um einen reasoned award anzunehmen. Keine Begrün124 Die LMAA-Terms lassen in para. 21, überall, wo nur möglich, Begründungen nicht zu. Das ICE-A.P. stellt die Begründung in das Ermessen des Schiedsrichters, r. 18.1. Eine volle Begründung sehen aber die LCIA Rules in art. 16.1; die ABTARules in r. 7 (vi) (verzichtbar); die Gafta No. 125, r. 7:2 (erstinstanzlich auf Formblatt (r.7:l)), r. 10:3 (Board of Appeal) vor. Unter den Uncitral-SchVfRg besteht im Grundsatz die gleiche Lage. Hier können die Parteien aber auf Gründe verzichten, Art. 32 Abs. 3. Wie sich aus Nr. 17 des Anh.II zur IHK-SchO ergibt, kann je nach anwendbarem Verfahrensrecht auf Gründe verzichtet werden (unklar dagegen Art. 21). 125

Trave Schiffahrtsgesellschaft

mbH v. Ninemia Maritime

Corp (The „Niedersach-

sen") [1986] 1 Lloyd's Rep 393 (CA) at 396/397 per Sir John Donaldson MR (as he then was): „... the policy of the [Arbitration] Act[s 1950-1979], which is that an arbitrator is generally under no obligation to give a reasoned award, unless asked to do so, and that, in the absense of such a request, arbitrators should not be expected to give reasons".

§ 7 Schiedsspruch

201

dung ist zunächst jede außerhalb der eigentlichen Spruchurkunde abgegebene Erklärung 126 . Diese externe Begründung war vor der Reform 1979 sehr häufig anzutreffen; ihre Popularität hat inzwischen leicht abgenommen 127 . Auch eine innerhalb der Spruchurkunde erfolgte Erklärung wird, wenn keine Begründungspflicht besteht, eher nicht als Begründung angesehen. In diesem Fall wird das Gericht die für den appeal erforderliche Begründung nur annehmen, wenn es davon überzeugt ist, daß der Schiedsrichter den Schiedsspruch zum appeal freigeben wollte 1 2 8 . Zwei Gründe könnten einer Wirkungserstreckung wegen fehlender oder unzureichender Begründung des Schiedsspruchs entgegenstehen: Zum einen könnte die völlig fehlende Begründung im Hinblick auf § 1041 Abs. 1 Nr. 5 ZPO gegen den deutschen ordre public verstoßen. Die deutsche Wissenschaft ist sich aber einig, daß das Begründungsgebot in § 1041 Abs. 1 Nr. 5 ZPO nicht zum deutschen ordre public gehört 129 . Auf eine Begründung kann auch nach deutschem Recht verzichtet werden, § 1041 Abs. 2 ZPO und selbst das deutsche staatliche Verfahrensrecht kennt zahlreiche Urteile ohne Begründung, §§ 313a Abs. 1, 313b Abs. 1 ZPO 1 3 0 . Zum anderen steht einer Wirkungserstreckung eines wegen fehlender oder unzureichender Begründung aufgehobenen Schiedsspruchs Art. V Abs. 1 lit. e U N - Ü und § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO entgegen. Wird gegen den Schiedsspruch nicht innerhalb der 21-Tage-Frist der RSC Ord. 73 r. 5 (1) beim High Court leave to appeal beantragt und somit auch eine Aufhebung wegen Begründungsdefekten unzulässig, so kann sich der Spruchschuldner nicht auf § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO stützen 131 , da diese schuldnerfreundlichere Vorschrift nach Art. V I I Abs. 1 U N - Ü nicht anwendbar ist. 126

Mustill & Boydy Commercial Arbitration, p. 381.

127

Mustill & Boydy Commercial Arbitration, p. 381 empfehlen die externe Begründung; sehr deutlich ebenso die LMAA-Terms in para. 21; das ICE-A.P. stellt eine externe Begründung in das Ermessen des Schiedsrichters, r. 18.3, 4; andere Schiedsordnungen (s.o. Fn. 124) enthalten keine Regelung. 128

Trave Schiffahrtsgesellschaft

mbH v. Ninemia Maritime

Corp (The „Niedersach-

sen") [1986] 1 Lloyd's Rep 393 (CA) at 396/397 per Sir John Donaldson MR (as he then was). 129 OLG Hamburg YCA IV (1979), 266; Engelhardt, in: Böckstiegel, Schiedsgerichtsbarkeit im Umfeld, S. 46; Bartos, Handelsschiedsgerichtsbarkeit, S. 289; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 30, Rn. 21; Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 852; Haas, Anerkennung und Vollstreckung, S. 224; vgl. auch BGE 101 Ia 521 (Gafta-Schiedsspruch; kein Verstoß gegen schweizerischen ordre public, da freie Unterwerfung unter das englische Verfahren); 103 Ia 199 (deutsches Versäumnisurteil ohne Gründe verstößt nicht gegen schweizerischen ordre public). 130

Vgl. dazu auch BGE 103 Ia 199 oben (Fn. 129).

131

Jedenfalls nach der Rspr., der zu folgen ist, s.o. § 6, III.

202

3. Teil: Versagungstatbestände

III. Ablauf der zur Entscheidung gesetzten Frist Wird dem Schiedsrichter in der Schiedsvereinbarung eine Frist gesetzt, bis wann er die Entscheidung zu fällen hat, so kann eine solche Bestimmung zwei Bedeutungen haben. Zum einen kann der Schiedsrichter, der eine Frist versäumt, die Entscheidungsbefugnis verlieren. Zum anderen aber kann die Klausel auch nur eine Abrede unter den Parteien sein, die sich auf das zivilrechtliche Verhältnis zum Schiedsrichter bezieht. Nur unter außerordentlichen Umständen wird man einen Wegfall der Schiedsvereinbarung annehmen können 132 . Für die Sechsmonatsfrist in Art. 18 Abs. 1 der IHK-SchO wird man eine solche Folge nicht annehmen können, wie der BGH für einen belgischen Schiedsspruch entschieden hat, weil abzuwarten ist, wie der Schiedsgerichtshof entscheidet, Art. 18 Abs. 3. Dieser kann den Schiedsrichter notfalls ablösen, Art. 2 Abs. 8. Erst hierdurch und nicht schon durch Fristablauf wird der säumige Schiedsrichter abgelöst133. Ist ausnahmsweise aber der Wegfall der Schiedsvereinbarung oder der Schiedsrichterernennung anzunehmen, so hat der Defekt allerdings die Konsequenz, daß ein englischer Schiedsspruch wegen Art. V Abs. 1 lit. d, 1. Hs. UN-Ü, § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht anerkannt werden kann. Im übrigen aber ist der (verspätete) Schiedsspruch vollstreckbar.

IV. Objektive Schiedsfähigkeit aus Sicht des deutschen Rechts Nach Art. V Abs. 2 lit. a UN-Ü sind englische Schiedssprüche nicht für vollstreckbar zu erklären, die einen Gegenstand betreffen, der nach deutschem Recht nicht schiedsfähig ist. Dabei handelt es sich durchaus und entgegen einer gewichtigen Literaturmeinung 134 um einen eigenständigen Versagungsgrund. Bei der objektiven Schiedsfähigkeit geht es um die abstrakte Entscheidungsbefugnis von Schiedsgerichten, beim ordre public um den Schutz nationaler Fundamentalnormen, zu denen die Regeln über die abstrakte Entscheidungsbefugnis rechnen können, aber nicht müssen. Das mag an § 1025a ZPO illustriert werden. Danach sind Wohnraummietstreitigkeiten nicht schiedsfähig. Wird diese Norm auch auf internationale Schiedsverfahren angewandt135, so fehlt es zwar an der Schiedsfähigkeit gem. Art. V Abs. 2 132

BGHZ 104, 178 (182) m.w.N. BGHZ 104, 178 (182) m.w.N.; ebenso AppG Basel-Stadt IPRax 1985, 44; vgl. auch Raeschke-Kessler/Bühler, Aufsicht über den Schiedsrichter durch den ICCSchiedsgerichtshof (Paris), ZIP 1987, 1161 f. 133

134

Stein/Jonas/Schlosser,

Anh. § 1044, Rn. 82; Bertheau, Das New Yorker Ab-

kommen, S. 60; A. Bülow, KTS 1959, 10; Sanders, in: AIC/ICA, p. 322. 135 Dagegen Stein /Jonas /Schlosser, § 1025a, Rn. 1: Bei der Norm gehe es um die Erhaltung des ausschließlichen Gerichtsstands des Amtsgerichts gem. § 29a ZPO.

§ 8 Die Schiedsvereinbarung

203

lit. a UN-Ü, ein ordre public-Verstoß wird aber nicht notwendig vorliegen, insb. wenn aufgrund einer Schiedsabrede über ausländischen Wohnraum befunden wurde. A u f den Meinungsstreit kommt es aber aus deutscher Sicht letztlich nicht an. Auch Schiedssprüche, die nach Art. V Abs. 2 lit. a U N - Ü objektiv schiedsunfähige Materien betreffen, können anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden, wenn sie nur nicht gegen den ordre public verstoßen. Nach dem insoweit gläubigerfreundlicheren deutschen autonomen Recht ist nämlich die objektive Schiedsfähigkeit kein Versagungsgrund. Gemäß Art. V n Abs. 1 U N - Ü i.V.m. § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist deshalb allein auf den ordre public abzustellen 136 . Eine nähere Untersuchung der nach deutschem Recht nicht Vergleichs- und damit gem. § 1027 Abs. 1 ZPO nicht schiedsfähigen Materien soll unterbleiben 137 . Das im prozessualen Bereich zentrale Problem bei der Schiedsfähigkeit, nämlich die Zulässigkeit der verbindlichen und abschließenden Entscheidung des Schiedsgerichts über seine eigene Zuständigkeit (Kompetenz-Kompetenz) bedarf hier keiner näheren Untersuchung. Das englische Recht hat eine Kompetenz-Kompetenz im Sinne einer endgültigen Entscheidung des Schiedsrichters über seine eigene Entscheidungsbefugnis 138 , bislang verneint 139 .

§ 8 Die Schiedsvereinbarung I. Kollisionsrecht zur Schiedsvereinbarung 1. UN-Ü Nach dem U N - Ü kommen zwei Versagungsgründe konkret wegen der Schiedsvereinbarung in Betracht: Art. V Abs. 1 lit. a und lit. c. Die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung, die einem englischen Schiedsspruch zugrundeliegt, unterliegt, das ergibt sich aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Art. V Abs. 1 lit. a UN-Ü, primär nach dem ausdrücklichen oder still-

136

Ähnlich Gottwald, sich auf Nr. 1 der Norm.

Fs. Nagel, S. 60: Statt § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bezieht er

137 Dazu Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 208 ff., insb. Rn. 231-237; Wais, in: Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, Rn. 43 ff., sowie grundlegend Reinhard Bork, Zum Begriff der objektiven Schiedsfähigkeit, ZZP 100 (1987), 249. 138 Zu den unterschiedlichen Kompetenz-Kompetenz-Begriffen im internationalen Vergleich s. den sehr lesenswerten Beitrag von Schlosser, (1992) 8 Arblnt 199. 139

Dazu statt aller Rokinson, in: Lew, Conteporary Problems, p. 90.

204

3. Teil: Versagungstatbestände

schweigenden Willen der Parteien und, falls sich ein solches Recht nicht feststellen läßt, nach dem Recht des Staates, in dem der Schiedsspruch ergangen ist 1 . Das ist im Bereich des Untersuchungsgegenstands (vgl. § 4 V I 3) englisches Recht. Unklar ist, ob diese Norm nur eine Verweisung auf das materielle Recht enthält oder auch eine Anweisung des Kollisionsrechts der lex loci arbitri. M i t van den Berg 2 ist ein renvoi nicht zuzulassen. Sinn der Kollisionsregel in Art. V Abs. 1 lit. a U N - Ü ist es, Rechtssicherheit zu schaffen sowie eine einheitliche Kollisionsregel, die den Vorstellungen aller Vertragsstaaten möglichst weit entgegenkommt. Das ist insoweit geschehen, als es für die Anknüpfung primär auf den wirklichen (ausdrücklichen oder stillschweigenden) Willen der Parteien ankommt. Diese autonome Kollisionsregel des Art. V Abs. 1 lit. a U N - Ü findet bei lit. c und Art. I I analoge Anwendung. Zwar geht es bei Art. V Abs. 1 lit. a U N - Ü lediglich um die Wirksamkeit von Schiedssprüchen, doch wäre es nicht verständlich, wenn die Kollisionsregel des lit. a sich auf einen solch engen Bereich des Schiedsvereinbarungsrechts beschränkte. Deshalb gilt sie analog auch für lit. c und für Art. I I UN-Ü.

2. Deutsches autonomes Recht Nach deutschem Recht kommt speziell zur Schiedsvereinbarung nur § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO als Versagungsgrund in Betracht, der aber nur die Wirksamkeit von Schiedssprüchen betrifft. Ob ein englischer Schiedsspruch wirksam ist, bestimmt sich nach englischem Recht, § 1044 Abs. 2 Nr. 1 2. Hs. ZPO. Kommt eine Unwirksamkeit des Schiedsspruchs wegen Unwirksamkeit oder Überschreitens der Schiedsvereinbarung in Betracht, so bestimmt sich das auf die Schiedsvereinbarung anwendbare Recht nach englischem Kollisionsrecht. Danach kommt es also weder nach dem U N - Ü noch nach deutschem autonomem Recht auf das deutsche Kollisionsrecht hinsichtlich Schiedsvereinbarungen an3. Nach englischem Kollisionsrecht genießt die Parteiautonomie Vorrang. Fehlt eine ausdrückliche oder auch klare stillschweigende Rechtswahl, so wird ein proper law zu ermitteln sein. Dabei wird eine Schiedsklausel praktisch immer dem Recht des Hauptvertrages folgen 4 . Fehlt für den Hauptvertrag eine ausdrückliche Rechtswahl, so ist grund1

Bertheau, Das New Yorker Abkommen, S. 72; Bredin, Clunet 87 (1960), 1021; A. Bülow, KTS 1959, 10; Sanders, NederlTIR 1959, 52/53; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 57, Rn. 1; Stein/Jonas /Schlosser, Anh. § 1044, Rn. 59 ff. 2

van den Berg, New York Arbitration Convention, p. 294 m.w.N.

3

Ebenso Hausmann, Fs. Lorenz, S. 378; vgl. zum deutschen Recht etwa die Untersuchung, ob die Art. 27 ff EGBGB direkt angewendet werden können, bei Basedow, Vertragsstatut und Arbitrage nach neuem IPR, JPS 1987, 3 ff., dessen bejahender Lösung man im Ergebnis folgen können wird. 4

Hamlyn & Co v. Talisker

Distillery

[1894] AC 202 (HL (Sc)) at 208 per Lord

§ 8 Die Schiedsvereinbarung

205

sätzlich für ihn und damit auch für die Schiedsklausel das Recht des Schiedsorts maßgeblich5. Allerdings können im Einzelfall andere Umstände überwiegen und zur Anwendbarkeit eines dritten Rechts führen 6. Der Schiedsort wird dann keinen Einfluß auf das Hauptvertrags- und Schiedsvereinbarungsrecht haben, wenn die Parteien sich nicht auf den Schiedsort geeinigt haben, sondern die Wahl, wie etwa nach Art. 12 IHK-SchO und nach Art. 16 Abs. 1 Uncitral-SchVfRg zulässig, einem Dritten überlassen haben. Es wird dann nach den allgemeinen Grundsätzen das für den Hauptvertrag anwendbare Recht bestimmt7. Bei Schiedsabreden wird selbständig angeknüpft. In The „Amazonia u% wurde eine nach dem australischen Hauptvertragsrecht nichtige, ein Schiedsverfahren in London vorsehende Schiedsklausel stillschweigend durch Ernennung eines Einzelschiedsrichters in London ersetzt. Auf diese Schiedsabrede wandte der Court of Appeal englisches Recht an. Danach war die Abrede wirksam. Gegen diese Beurteilung stand zwar das Hauptvertragsrecht. Es überwog im konkreten Fall aber das Recht des Vereinbarungsortes und des Sitzes des Schiedsgerichts9. Es wird wohl aber meist auch bei Schiedsabreden auf das Hauptvertragsrecht abzustellen sein. Die Kollisionsregel bestimmt Wirksamkeit, Wirkung und Auslegung der Schiedsvereinbarung 10, ihre Reichweite11 und die Frage, inwieweit die Wirk-

Hershell LC; National Gypsum Co Inc v. Northern

Sales Ltd [1963] 2 Lloyd's Rep

499 (HL) per Lord Hodson at 273; Dicey & Morris on the Conflict of Laws, pp. 536/7; ähnlich für das deutsche Recht auch BGH NJW 1976, 1591 (rumän. Schweinespecklieferung; Schiedsort in Rumänien). 5

Hamlyn & Co v. Talisker

Distillery

[1894] AC 202 (HL (Sc)) at 211 per Lord

Watson; Tzortzis v. Monark Line A/B [1968] 1 WLR 406 (CA) per Lord Denning MR at 411 and Salmon LJ (as he then was) at 413/414; Astro Venturosa Cia Naviera v. Hellenic Shipyards SA (The „Mariannina") [1983] 1 Lloyd's Rep 12 (CA) at

15 per Ackner LJ, as he then was. 6

So bei Cie d'Armement

Maritime

SA v. Cie Tunisienne de Navigation

SA [1971]

AC 572 (HL), wo im zugrundegelegten Vertragsformular das Recht der Flagge des (nicht benannten) Schiffes zum maßgeblichen erklärt worden war. Der französischen Flagge wurde Vorrang gegenüber dem Londoner Schiedsort gegeben. 7 Dicey & Morris on the Conflict of Laws, p. 537. 8

Furness Withy

(Australia)

Pty Ltd v. Metal Distributors

(UK) Ltd (The „Amazo-

nia") [1990] 1 Lloyd's Rep 236 (CA). 9

Furness Withy

(Australia)

Pty Ltd v. Metal Distributors

(UK) Ltd (The „Amazo-

nia") [1990] 1 Lloyd's Rep 236 (CA) per Staughton LJ at 244/245 and Dillon LJ at 249. 10 Dicey & Morris on the Conflict of Laws, p. 537. 11

Nova (Jersey)

Knit Ltd v. Kammgarn Spinnerei GmbH [1977] 1 WLR 713 (HL)

per Lord Wilberforce at 718.

206

3. Teil: Versagungstatbestände

samkeit der Schiedsvereinbarung von der des Hauptvertrags beeinflußt wird (seperability) 12.

3. Zusammenfassung Das UN-Ü und § 1044 ZPO werden demnach meist zu übereinstimmenden Ergebnissen kommen. Im Einzelfall mag es aber zu Abweichungen kommen, etwa wenn ein Dritter den Schiedsort bestimmt hat. § 1044 ZPO kommt aber selbst dann nur zur Anwendung, wenn nicht nach dem vom UN-Ü, sondern nur nach dem vom englischen Recht angewiesenen Schiedsvereinbarungsrecht die Schiedsvereinbarung wirksam ist, Art. V I I Abs. 1 UN-Ü. Im folgenden wird, soweit es darauf ankommt, englisches Schiedsvereinbarungsrecht zugrundegelegt.

IL Die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung Ist die Schiedsvereinbarung unwirksam, so ist der Schiedsspruch nach englischem Recht nichtig. Er kann gem. Art. V Abs. 1 lit. a UN-Ü und nach § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in Deutschland nicht anerkannt oder für vollstreckbar erklärt werden. Auch die Anwendung des ordre public kommt - wie oben unter § 6 HI 2 gezeigt - in Betracht.

1. Unwirksamkeit der Schiedsklausel wegen Unwirksamkeit des Hauptvertrags Schiedsklauseln stehen in engem Zusammenhang mit einem regelmäßig zugrundeliegenden Hauptvertrag. Ist dieser Hauptvertrag unwirksam, so stellt sich die Frage, wie sich seine Unwirksamkeit auf die Schiedsklausel auswirkt. In der Leitentscheidung Heyman v. Darwins 13 hatten die Parteien wirksam einen Exklusivhandelsvertretervertrag für den Vertrieb des von der Beklagten hergestellten Werkzeugstahls in der gesamten westlichen Welt (außer den USA und Argentinien), Australien, Neuseeland und Indien abgeschlossen. Im Laufe des Weltkriegs kam es zu Meinungsverschiedenheiten und schließlich zur einverständlichen Aufhebung des Vertrages. Der Kläger erhob nun vor dem High Court Klage. Der Beklagte berief sich auf die im Handelsvertretervertrag enthaltene Schiedsklausel. Der Kläger war der Meinung, die 12

Black Clawson International

Ltd v. Papierwerke

Waldhof-Aschaffenburg

[1981] 2 Lloyd's Rep 455/456 per Mustill J (as he then was). 13 Heyman v. Darwins Ltd [1942] AC 356 (HL): Hier wurde die seperability doctrine begründet; das zu Schlosser, AktG 1979, 242.

AG

§ 8 Die Schiedsvereinbarung

207

Schiedsklausel sei mit dem Hauptvertrag untergegangen. Sein Rechtsmittel wurde vor dem House of Lords einstimmig abgewiesen. Grundlage der Entscheidung scheint das Verbot der Entscheidung des Schiedsrichters über seine Kompetenz zu sein 14 . Wird nun die typische Schiedsklausel („disputes under the contract" oder „disputes arising out of the contract" oder „disputes in relation to the contract") ausgelegt15, so ergibt sich, daß der Schiedsrichter nur dann entscheiden darf, wenn tatsächlich ein Vertrag zustandegekommen ist. Natürlich kann im Einzelfall eine weitergehende Schiedsklausel vereinbart werden, wie etwa in Woodall v. Pearl Insurance 16, wo der Streit über die Nichtigkeit einer Versicherungspolice von der Schiedsklausel erfaßt war, in Art. 8 Abs. 4 IHK-SchO 1 7 , in art. 14.1 LCIA-Rules und in Art. 21 Abs. 2 der Uncitral-SchVfRg 18 . Nunmehr kann sogar die anfängliche Unwirksamkeit des Hauptvertrages wegen Gesetzesverstoßes zum Gegenstand eines Schiedsverfahrens gemacht werden 19 .

14 Das Prinzip wird in Heyman v. Darwins Ltd [1942] AC 356 (HL) nur am Rande per Lord Porter at 393 erwähnt. Allerdings wird häufig erklärt, daß der Schiedsrichter nicht verbindlich über die Wirksamkeit des Hauptvertrages entscheiden könne, daß diese Entscheidung stets dem Gericht verbleibe, in Heyman v. Darwins Ltd ibid at 366 per Viscount Simon LC, 384 per Lord Wright, 398 per Lord Porter; Toller v.

Law Accident Insurance Society Ltd (1936) 55 LILRep 258 (CA); Produce Brokers

Co Ltd v. Olympia Oil and Cake Co Ltd [1916] 1 AC 314 (HL) at 327 per Lord Parker of Waddington; Produce Brokers Co Ltd v. Olympia Oil and Cake Co Ltd [1916]

1 AC 314 (HL) at 327 per Lord Parker of Waddington; Anisminic Ltd v. Foreign Compensation Commission [1969] 2 AC 147 (HL) per Lord Reid at 170; Smith v. Martin [1925] 1 KB 745 (CA) per Bankes LJ at 750 (Fertigstellung eines Gebäudes als Zulässigkeitsvoraussetzung für ein Schiedsverfahren). Das läßt sich wohl nur im angedeuteten Sinn verstehen. Hierzu auch Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 110. 15 Dazu Heyman v. Darwins Ltd [1942] AC 356 (HL) at 366 per Viscount Simon LC: nach dem Wortlaut und im Lichte der Umstände. 16

Woodall v. Pearl Insurance Co Ltd [ 1919] 1 KB 593 (CA) per Bankes LJ at 604

für eine Schiedsklausel: „in any case arbitration"; bestätigt in Heyman v. Darwins Ltd [1942] AC 356 (HL) at 384 per Lord Wright; auch Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, pp. 109/110 m.w.N. 17

Dazu Deutsche Schachtbau- und Tiefbohr

GmbH v. Ras al Khaimah National Oil

Co [1987] 2 Lloyd's Rep 246 (CA) at 250 per Sir John Donaldson MR (as he then was); Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 110, n.12. 18

Dazu jeweils Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 110, n.12; beide Regeln sehen auch die Möglichkeit einer Kompetenzentscheidung vor. Eine solche Entscheidung bindet aber nicht das staatliche englische Gericht. 19

Harbour Assurance Co (UK) Ltd v. Kansa General Insurance Co Ltd [1993] 1

Lloyd's Rep 455 (CA) at 461, 470 per Ralph Gibson, Hoffmann LJJ; anders noch die

208

3. Teil: Versagungstatbestände

a) Wo aber die übliche Form einer Schiedsklausel besteht, ist ihr Wirksamwerden davon abhängig, ob der Hauptvertrag zustande gekommen ist. Haben sich die Parteien nicht geeinigt, fehlt die consideration 20 , besteht ein mistake 21 , ist die Einigung wegen Unbestimmtheit (uncertainty) unwirksam 22 oder ist der Vertrag wegen Gesetzesverstoßes (illegality), fraud 23 oder durch einvernehmliche Vertragsaufhebung 24 mit Wirkung ex tunc vernichtet worden, so besteht und bestand nie ein Hauptvertrag und somit auch keine Schiedsklausel. Ist wegen anfänglicher Unwirksamkeit des Hauptvertrags eine Schiedsklausel unwirksam, so kann sie nachträglich zur Geltung gebracht werden, indem die Parteien entweder den Hauptvertrag oder die Schiedsklausel bestätigen 25 . b) Anders ist zu entscheiden, wenn der Hauptvertrag zustandegekommen ist, er aber nachträglich unwirksam geworden ist. Wie besonders Lord Macmillan in seiner Begründung zu Heyman v. Darwins ausgeführt hat, sind Schiedsklausel und die anderen Klauseln des Hauptvertrages als getrennt anzusehen (seperability). Die Schiedsklausel mag in ihrer Entstehung von der Wirksamkeit eines Hauptvertrages abhängen. Die nachträgliche Unwirksamkeit des Hauptvertrages bewirkt hingegen die Aufhebung bzw. Änderung der gegenseitigen Verpflichtungen. Dazu rechnet aber nicht die Schiedsklausel. Sie ist nicht Teil des Pflichtenprogramms eines Vertrages 26 . Ganz gleich aus

Vorinstanz in [1992] 1 Lloyd's Rep 81 at 95 per Steyn J (as he then was) aufgrund entgegenstehender Präjudizien. 20

Goldsack v. Shore [1950] 1 KB 708.

21

Heyman v. Darwins Ltd [1942] AC 356 at 384 per Lord Wright.

22

Payne and Routh v. Hugh Baird & Sons (1921) 9 LILRep 167 (CA) at 170 per

Bankes LJ. 23 Heyman v. Darwins Ltd [1942] AC 356 at 378, 384 per Lord Wright, at 392 per Lord Porter, auch für duress at 371 per Lord Macmillan, für illegality at 366 per Viscount Simon LC. 24

Heyman v. Darwins Ltd [1942] AC 356 at 371 per Lord Macmillan.

25

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, pp. 107/108.

26

Heyman v. Darwins Ltd [1942] AC 356 at 373/374 per Lord Macmillan: „... an arbitration clause in a contract ... is quite distinct from the other clauses. The other clauses set out the obligations which the parties undertake towards each other ... but the arbitration clause does not impose on one of the parties an obligation in favour of the other. It embodies the agreement of both parties that, if any dispute arises with regard to the obligations which the one party has undertaken to the other, such dispute shall be settled by a tribunal of their own constitution ... The purposes of the contract have failed, but the arbitration clause is not one of the purposes of the contract."

§ 8 Die Schiedsvereinbarung

209

welchem Grund der Hauptvertrag nachträglich unwirksam wird - sei es wegen einer accepted repudiation 27 , sei es wegen fundamental breach 28 , sei es wegen frustration 29 , sei es wegen Bedingungen und anderen vertragsimmanenten Beendigungsgründen 30 oder sei es wegen misrepresentation 31 - die Schiedsklausel ist wirksam geworden und erfaßt auch den Rechtsstreit über die nachträgliche Unwirksamkeit. c) I m einzelnen ist nicht immer ganz einfach festzustellen, ob ein Defekt nach dem Vertragsstatut 32 zur anfänglichen oder zur nachträglichen Nichtigkeit gehört, etwa im englischen Recht bei mistake and duress 33.

27 Heyman v. Darwins Ltd [1942] AC 356 (HL) at 362 per Viscount Simon LC, 374 per Lord Macmillan, 379 per Lord Wright, 399 per Lord Porter, wobei nicht ganz klar wird, was der Begriff eigentlich meint. 28

Photo Production

Ltd v. Securior Transport

Ltd [1980] 1 A11ER 556 at 567 per

Lord Diplock; Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 111. 29

Kruse v. Questier & Co Ltd [1953] 1 Lloyd's Rep 310 per Pilcher J (as he then was) folgte den obiter dicta in Heyman v. Darwins Ltd [1942] AC 356 (HL), e.g. per Lord Wright at 382/383, die der älteren Präzendenzentscheidung in Hilji Mulji v. Cheong Yue SS Co Ltd [1926] AC 497 (PC, HK) at 509 per Lord Sumner widersprechen, doch dürfte diese Regel nicht mehr lange Bestand haben, Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 112. 30

Kruse v. Questier & Co Ltd [1953] 1 Lloyd's Rep 310 per Pilcher J (as he then was) (Hauptvertrag sah Beendigung bei Ausfuhrverbot vor); Heyman v. Darwins Ltd [1942] AC 356 (HL) at 371 per Lord Macmillan; Foresta Romana SA v. The „Georges Mabro" (Owners) (1940) 66 LILRep 139 per Langton J. 31

Golding v. London and Edinburgh Insurance Co Ltd (1932) 43 LILRep 487; wo

auf die insoweit entgegenstehenden dicta in Heyman v. Darwins Ltd [1942] AC 356 at 371, 384 per Lords Macmillan and Wright nicht eingegangen wurde. Sie lassen sich mit der übrigen Begründung kaum in Einklang bringen, Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 112, n. 5 m.w.N. und p. 113, n. 6 unter Hinweis auf s. 2 (2) Misrepresentation Act 1967 und sich auch materiellrechtlich vor dem Hintergrund von Mackender v. Feidia AG [1966] 2 Lloyd's Rep 449 (CA) at 458 per Diplock LJ (as he then was) nicht halten, wo zwar in den Vorträgen, nicht aber in der Begründung auf Heyman v. Darwins Ltd ibid eingegangen wurde. 32

Mackender v. Feidia AG [1966] 2 Lloyd's Rep 449 at 456/457 per Diplock LJ (as he then was), opposing dictum by Lord Denning MR at 455; Prodexport State Co for Foreign Trade v. ED and F Man Ltd [1972] 2 Lloyd's Rep 375 at 383 per Mocatta J. 33 Dazu Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, pp. 113/114: generelle Wirkung ex nunc für duress; opposing dicta in Heyman v. Darwins Ltd [1942] AC 356 (HL) at 371, 384 per Viscount Simon LC and Lord Wright widersprechen den dort formulierten Prinzipien, Mustill & Boyd , ibid, p. 114, n.12. 14 Kilgus

210

3. Teil: Versagungstatbestände

2. Bestimmtheit der Schiedsvereinbarung a) Verweis auf eine Schiedsordnung Die Schiedsklausel braucht nicht ausdrücklich im Hauptvertrag enthalten zu sein; es genügt der Gebrauch einer handelsüblichen Formulierung oder auch der Verweis auf einen Standardvertrag 34. Wird eine bestimmte Schiedsordnung vereinbart, so gilt sie im Zweifel in der zur Zeit des Schiedsverfahrens geltenden Fassung35.

b) Einander widersprechende Regelungen Die Schiedsvereinbarung muß so bestimmt sein, daß sie vollzogen werden kann. Das ist nicht der Fall, wenn die Vertragsdokumente in sich widersprüchliche Klauseln hinsichtlich der Unterwerfung unter die Schiedsgerichtsbarkeit enthalten36. Doch wird das Gericht hier versuchen, durch Auslegung doch noch zu einer schiedsvertraglichen Unterwerfung zu kommen 37 .

c) Abgekürzte Verweisungen, z.B. „Arbitration London" Die Kürze der Vertragsklausel ist belanglos, solange sie nur eindeutig ist. So reicht „Arbitration to be settled in London" 38 und sogar das Wort „Arbi34

Häufig werden von Handelsvereinigungen erstellte Standardverträge verwendet;

s. für weitere abgekürzte Schiedsklauseln Wyndham

Rather Ltd v. Eagle Star and

British Dominions Insurance Co Ltd (1925) 21 LILRep 214 (CA) at 215 per Sargant LJ (usual conditions of insurance company's policy) Beattie v. E and F Beattie Ltd [1938] 1 Ch 708 (CA); London Sack & Bag Co Ltd v. Dixon & Lugton Ltd [1943] 2

AUER 763 (CA) (keine Schiedsvereinbarung aus bloßen Umständen, and. für das deutsche Recht BGH WM 1993, 1307 m. Anm. Schütze, WuB VII A § 1027 ZPO); Hickman v. Kent and Romney Sheep Breeders' Association [1915] 1 Ch 881 (CA);

sowie zur fehlenden Beweisbedürftigkeit der Kenntnis von der Schiedsklausel: Golodetz v. Schrier (1947) 80 LILRep 647 at 652 per Lord Goddard CJ („RSA-Contract"). 35

Mustill & Boyd y Commercial Arbitration, p. 106. Lovelock Ltd v. Exportles [1968] 1 Lloyd's Rep 163 (CA) at 166 per Lord Denning MR. Hier war eine zweiteilige Schiedsklausel vereinbart worden, deren erster Teil die englische bzw. schottische Parcif-Klausel für „any dispute" vorsah, deren zweiter Teil für „any other disputes" aber die Zuständigkeit der AußenhandelsSchiedskommission der sowj. Handelskammer in Moskau vorsah. Diese Klausel sei in sich widersprüchlich und nicht haltbar; die Klage wurde zugelassen. 36

37 38

Central Meat Products Co Ltd v. JV McDaniel Ltd [1952] 1 Lloyd's Rep 562.

Tritonia Shipping Inc v. South Nelson Forest Products Corpn [1966] 1 Lloyd's Rep 114 (CA); vgl. Transamerican Ocean Contractors Inc v. Transchemical Rotter-

§ 8 Die Schiedsvereinbarung

211

tration" 39 . Üblichkeitsklauseln („in the usual way") sind zulässig 40 und bedeuten eine Verweisung auf die Konstitutierungs- und Verfahrensregeln 41, die branchenüblich 42 , hilfsweise gesetzlich vorgesehen sind 43 .

3. Form der Schiedsvereinbarung a) Allgemeines Nach englischem Recht ist auch eine formlos vereinbarte Schiedsvereinbarung wirksam 44 . Das Schriftformerfordernis nach Art. I I Abs. 2 U N - Ü 4 5 , auf das in Art. V Abs. 1 lit. a U N - Ü Bezug genommen wird, stellt daher für die Wirkungserstreckung kein Hindernis dar. Dabei kann - wie stets - der Meinungsstreit, ob Art. I I Abs. 2 U N - Ü nur Maximalanforderungen an die Form der Schiedsvereinbarung stellt oder auch Mindestvorraussetzungen, dahinstehen46. Die erstgenannte Meinung 47 läßt nämlich nur niedrigere Andam BV [1978] 1 Lloyd's Rep 238 („general average and arbitration to be settled according to the York-Antwerp Rules 1950 in London"). 39

Hobbs Padgett & Co ( Reinsurance ) Ltd v. JC Kirkland

Ltd [1969] 2 Lloyd's Rep

547 at 549 per Salmon LJ (as he then was) „Suitable Arbitration Clause". 40

Naumann v. Edward Nathan Co Ltd (1930) 36 LILRep 268 on appeal (1930) 37 LILRep 249; für die gleichbedeutende Klausel „suitable arbitration clause" Hobbs Padgett & Co ( Reinsurance ) Ltd v. JC Kirkland

Ltd [1969] 2 Lloyd's Rep 547 (CA)

at 549 per Salmon LJ (as he then was). 41

Naumann v. Edward Nathan Co Ltd (1930) 36 LILRep 268 on appeal (1930) 37 LILRep 249;. 42 Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 107. Das brancenübliche Verfahren wird durch Berücksichtigung von Schiedsregeln sowie durch Zeugenaussagen ermittelt, Laertis Shipping Corpn v. Exportadora

Española de Cementos Portland SA ( The

„Laerits") [1982] 1 Lloyd's Rep 613: Verweisung an zwei Schiedsrichter und einen umpire; Naumann v. Edward Nathan Co Ltd (1930) 37 LILRep 249 (CA) per Scrutton LJ at 251: Der umpire darf Kasteröl durch Geruch und hilfsweise chemische Analyse selbst prüfen; 2 Schiedsrichter und ein umpire. 43

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 107, n. 19 wegen des Erhaltungsinteresses des Gerichts an SchiedsVereinbarungen, vgl. Hobbs Padgett & Co (Reinsurance) Ltd v. JC Kirkland Ltd [1969] 2 Lloyd's Rep 547 (CA): s. 7 (b) Arbitration Act 1950; Einzelschiedsrichter bei Ernennungssäumnis. 44

Statt aller Russell on Arbitration, p. 44.

45

Vgl. dazu etwa Wackenhuth, Die Schriftform für Schiedsvereinbarungen nach dem UN-Übereinkommen und Allgemeine Geschäftsbedingungen, ZZP 99 (1986), 445 ff. 46

Zum Meinungsstreit van den Berg, The New York Arbitration Convention, pp. 178-180 m.w.N. 47

14*

So Bertheau, Das New Yorker Abkommen, S. 30 f.

212

3. Teil: Versagungstatbestände

forderungen zu, wenn diese nach dem Formstatut des Vollstreckungsgerichts zulässig sind. Das ist für die Wirkungserstreckung in Deutschland die über § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO angewiesene niedrigere englische Form 48 . Diese Voraussetzungen sind aber auch nach der scheinbar strengeren Auffassung 49 gem. Art. V I I Abs. 1 U N - Ü i.V.m. § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO beachtlich 50 . Diese Auffassung wird im folgenden zugrundegelegt. Für sie spricht besonders der französische und spanische Wortlaut in Art. I I Abs. 2 U N - Ü und die allgemeine Tendenz des Übereinkommens zur Verwendung autonomer Begriffe 51 . Im anglo-deutschen Verkehr spielt auch die - zwischen der italienischen Rechtsprechung einerseits und der österreichischen, schweizerischen und deutschen Rechtsprechung andererseits - streitige Frage keine Rolle, ob das Schriftformerfordernis in Art. I I Abs. 2 U N - Ü autonom auszulegen ist 52 .

48

So van den Berg, The New York Arbitration Convention, pp. 178-180.

49

OLG Düsseldorf AWD 1972, 478 für einen formlos vereinbarten ndl. Schiedsspruch. Der Argumentation des OLG Köln RIW 1993, 499 (500), wo zur Bestimmung der Formgültigkeit der Schiedsvereinbarung bei einem dän. IHK-Schiedsspruch über Art. VII Abs. 1 UN-Ü und Art. I Abs. 2 lit. a EuÜ auf § 1027 Abs. 2 ZPO abstellte, kann nicht beigepflichtet werden. Die Konventionen verweisen auf das für den Spruchgläubiger günstigere Recht. Sie meinen mithin das Recht zur Wirkungserstrekkung ausländischer, nicht inländischer Schiedssprüche. Richtig wäre ein Verweis auf § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO und das dänische Formrecht gewesen. 50

van den Berg, The New York Arbitration Convention, p. 180.

51

Der eher für die a.M. sprechende engl. Wortlaut („include") ist als „mean" zu lesen, wie sich aus dem frz. („entend") und dem span. („denotä") Wortlaut ergibt; van den Berg, The New York Arbitration Convention, p. 179. 52

Die ital. Rspr. stellt zur Formwirksamkeit auf das zweitstaatliche, hier also italienische Formstatut ab, Corte di Cassazione RDIPP 1980, 425; zur z.T. abw. obergerichtl. Rspr. van den Berg, The New York Arbitration Convention, p. 176, n. 161; jedenfalls soweit es um die Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen geht und nicht um die Anerkennung von Schiedsvereinbarungen, Corte di Cassazione Foro It. 1980, 2164. Dem kann nicht gefolgt werden, ebenso auch BGH RIW 1976, 449 (für Schiedsgericht der rumän. Handelskammer); Tribunal du canton de Genève SchwJZ 1968, 56; ObGH JB1. 1974, 629 (unter Anwendung des UN-Ü auf einen inländischen Schiedsspruch mit der zweifelhaften Begründung, eine Vollstreckung in der Schweiz sei möglich); van den Berg, ibid., pp. 173/174. Dem widerspricht nämlich der Wortlaut, van den Berg, ibid., p. 176, und die Entstehungsgeschichte, dazu van den Berg, ibid., pp. 171-173. Auch ist, weil die an Art. II Abs. 2 UN-Ü angelehnte Bestimmung des Art. I Abs. 2 lit. a EuÜ klar autonom auszulegen ist, davon auszugehen, daß die Hohen Vertragsschließenden Parteien auch beim UN-Ü (dem sie alle angehören) von einer autonomen Auslegung ausgehen, s.a. van den Berg, ibid., pp. 176/177.

§ 8 Die Schiedsvereinbarung

213

b) Englisches Recht Wenn hier dennoch auf einige Aspekte der englischen Formerfordernisse nach s. 32 Arbitration Act 1950 und s. 7 (1) Act 1975 eingegangen wird, so liegt dies daran, daß zur Anwendung der gesetzlichen Vorschriften diese Form erforderlich ist 53 . So kann sich der beschleunigten Judikatsklage gem. s. 26 Arbitration Act 1950 sowie der Aufhebungsklagen wegen misconduct, Rechtsirrtum und fehlender Begründung nur bedienen, wer eine schriftliche Schiedsvereinbarung nachweist. Zwischen den beiden Formvorschriften besteht nach englischer Auffassung kein Unterschied 54 . Soweit das vom Arbitration Act 1975 umgesetzte U N - Ü höhere Anforderungen stellt, etwa gem. Art. I I Abs. 2, 1. Alt. 5 5 anders als s. 7 (1) Arbitration Act 1975 56 ein Unterschriftserfordernis verlangt, geht das innerstaatliche Recht vor, zumal eine derartige Erleichterung der Wirkungserstreckung vom Völkerrecht in Art. V I I Abs. 1 U N - Ü gebilligt wird. aa) Die Schriftform ist zunächst problematisch, wenn eine bestehende schriftliche Schiedsvereinbarung stillschweigend erweitert wird 5 7 . bb) Häufig werden Hauptverträge in der Weise abgeschlossen, daß auf zahlreiche andere Schriftstücke Bezug genommen wird. Dadurch wird das Volumen des Hauptvertragsdokuments begrenzt. Gerne wird auf Standardverträge oder auf frühere Verträge Bezug genommen 58 . Fehlt nun im eigentlichen Hauptvertragsdokument ein Hinweis auf eine Schiedsklausel, so kann sie einbezogen sein 59 , wenn vier Voraussetzungen erfüllt sind: Es muß (1) eine ausdrückliche oder stillschweigende Verweisung auf das Schriftstück bestehen, das eine Schiedsklausel enthält, (2) die Verweisung so gefaßt sein, daß sie die Schiedsklausel umfaßt, (3) die Schiedsklausel geeignet sein, Strei-

53 Dieses Schriftformerfordernis wurde bereits im ersten Arbitration Act 1698 stipuliert, Merkin, Arbitration Law, para. 2.5. 54

Merkin, Arbitration Law, para. 2.4.

55

Dazu van den Berg, The New York Arbitration Convention, pp. 192/193.

56

Dazu Excomm Ltd v. Ahmed Abdul-Qawi Bamaodah (The „St Raphael") [1985] 1 Lloyd's Rep 403 (CA) at 409 per Lloyd LJ; anders nach Art. 9 Uncitral-Modellgesetz, u.a. deshalb einer Übernahme für England gegenüber abl. Mustill-Committee, Report on the UNCITRAL Model Law, p. 23: Eine Unterschrift ist unüblich, wenn nur auf eine Schiedsklausel Bezug genommen wird. 57

Dazu in Kürze Merkin, Arbitration Law, para. 3.6.

58

Merkin, Arbitration Law, para. 4.18; vgl. etwa Ethiopian Oilseeds & Pulses Export Corpn v. Rio del Mar Foods Inc [1990] 1 Lloyd's Rep 86 für Gafta No. 30/86, wo nur in cl. 31 auf Gafta No. 125 verwiesen wird. 59

Vgl. aus Sicht des UN-Ü dazu van den Berg, The New York Arbitration Convention, pp. 208-211, 215-222.

214

3. Teil: Versagungstatbestände

tigkeiten unter dem Hauptvertrag zu umfassen und (4) der Hauptvertrag nicht der Schiedsklausel widersprechen 60. (1) Eine stillschweigende Bezugnahme auf die Schiedsregeln einer Handelsorganisation, der beide Parteien angehören, wird man im englischen Recht 61 nicht grundsätzlich annehmen können62. Doch kann ein Austausch von vorvertraglicher Korrespondenz hinreichen 63 und sogar eine mündliche Annahme einer schriftlichen Schiedsklausel wird zur Annahme einer schriftlichen Schiedsvereinbarung ausreichen 64. Besondere Probleme bestehen, wenn ein Vertrag den anderen ablöst65 und wenn, etwa bei mehreren hintereinander geschalteten Charterpartien oder Rückversicherungen, unklar ist, auf welchen Vertrag Bezug genommen wird 66 . (2) Die Frage, ob eine Schiedsklausel von der Verweisung erfaßt ist, spielt gerade im Seehandelsrecht eine Rolle. So verweist nicht selten das Konnossement auf die Charterpartie. Enthält die Charterpartie nun eine Schiedsklausel, so ist sie nach englischem Recht nur dann Teil des Konnossements, wenn sie dort ausdrücklich genannt wird. Sonst hat die das Orderpapier erwerbende Person keine realistische Möglichkeit sich auf die Schiedsklausel einzustellen 67 . Nach der deutschen Rechtsprechung sind solche Verweisungen wegen 60

Merkin, Arbitration Law, para. 4.18. Anders für das deutsche Recht mit einer zweifelhaften Bezugnahme auf Handelsbrauch BGH WM 1993, 1307 m. Anm. Schütze, WuB VII A § 1027 ZPO. Obwohl hier der Handelsbrauch nicht nur zur Auslegung von Handlungen und Unterlassungen der Kaufleute verwandt wurde, so § 346 HGB, sondern zur Schaffung der Willenserklärung, wird man dennoch der Entscheidung im Ergebnis folgen können, weil in dem Unterlassen der Reaktion auf eine ausdrücklichen Bezugnahme auf eine branchenübliche Schiedsklausel nach Handelsbrauch eine Zustimmung zu deren Einbeziehung zu sehen ist. 61

62

London Sack & Bag Co Ltd v. Dixon & Lugton Ltd [1943] 2 AUER 763 (CA) at

765/766 per Scott LJ: nicht aus dem Gesellschaftsvertrag der UK Jute Goods Association Ltd, der beide Parteien angehörten. 63 Merkin, Arbitration Law, para. 4.19. 64

Zambia Steel & Building

Supplies Ltd v. James Clark & Eaton Ltd [1986] 2

Lloyd's Rep 225 (CA) per O'Connor LJ at 229. 65 Dazu Wade-Gery v. Morrison (1877) 37 L T 270 (ChD) at 271; Omental Maritime (Pte) Ltd v. Ministry of Food, Govt of Bangladesh (1989) Financial Times, 9 Au-

gust per Steyn J (as he then was). 66

Für Charterpartie: Navigazione Alta Italia SpA v. Svenska Petroleum AB ( The

„Nai Matteini") [1988] 1 Lloyd's Rep 452 per Gatehouse J at 459: Das Konnosement hatte auf die Schiedsklausel in der Charterpartie verweisen; es war aber nicht klar, ob die Haupt- oder die Subcharterpartie gemeint war; unwirksame Schiedsklausel; ähnlicher Fall bei Rückrückversicherung, Pine Top Insurance Co Ltd v. Unione Italiana Anglo Saxon Reinsurance Co Ltd [1987] 1 Lloyd's Rep 476 at 481. 67

Federal Bulk Carriers

Inc v. C.Itoh & Co Ltd (The „Federal Bulker") [1989] 1

§ 8 Die Schiedsvereinbarung

215

der Üblichkeit und der Möglichkeit zur Einsichtnahme gem. § 656 Abs. 1 HGB zulässig68. (3) Eine Schiedsklausel ist etwa nicht geeignet, Streitigkeiten unter dem Hauptvertrag zu umfassen 69, wenn die zwischen Börsenmakler und Kunden zusätzlich vereinbarten Börsenregeln nur Schiedsverfahren zwischen Börsenangehörigen vorsehen 70 oder wenn die von einem Konnossement angewiesene Charterpartie ein Schiedsverfahren an dem Hafen vorsah, in dem der Streit entstand71. (4) Gelegentlich kommt es vor, daß auf mehrere Schriftstücke Bezug genommen wird, die eine Schiedsklausel enthalten. Hier wird zunächst versucht, die verschiedenen Schiedsklauseln miteinander in Einklang zu bringen 72 . Ist das nicht möglich, so werden die Schiedsklauseln als nichtig behandelt73.

4. Subjektive Schiedsfähigkeit a) Kollisionsrecht Nach Art. V Abs. 1 lit. a UN-Ü regiert die Fähigkeit einer Schiedspartei eine Schiedsvereinbarung abzuschließen ihr Personalstatut. Da die Bestimmung aber keine autonome Regelung zur Feststellung des Personalstatuts enthält, bleiben hierfür die Regelungen des Exequaturstaats entscheidend74. Nach dem sonach anwendbaren deutschen Kollisionsrecht kommt es auf die

Lloyd's Rep 103 (CA) at 107 per Bingham LJ (as he then was); TW Thomas & Co Ltd v. Portsea Steamship Co Ltd [1912] AC 1 (HL) at 9 per Lord Gorell. 68

BGHZ 29, 120 (123 f.).

69

Weitere Beispiele bei Merkin, Arbitration Law, para. 4.27 - 30. Altco Ltd v. Sutherland [1971] 2 Lloyd's Rep 515 per Donaldson J (as he then was) at 519. 71 Hamilton and Co v. Mackie and Sons (1889) 5 TLR 677 (CA) per Lord Esher MR. 72 The „Merak" [1964] 2 Lloyd's Rep 527 (CA) at 532 per Seilers LJ; vgl. Paul Smith v. H&S International Holding Inc [1991] 2 Lloyd's Rep 127. Hier enthielt cl. 13 eine IHK-Schiedsklausel und cl. 14 eine englische Gerichtsstandsklausel: Steyn J (as he then was) nahm at 129/130 an, daß cl. 14 eine Wahl der lex arbitri enthielt, und rettete so die Schiedsklausel. 70

73 Merkin, Arbitration Law, para. 4.31; vgl. Lovelock Ltd v. Exportles Lloyd's Rep 163 (in sich widersprüchliche, zweiteilige Schiedsklausel: nichtig). 74

van den Berg, New York Arbitration Convention, p. 276.

[1968] 1

216

3. Teil: Versagungstatbestände

Staatsangehörigkeit einer natürlichen Person, Art. 7 Abs. 1 EGBGB 7 5 , und den tatsächlichen Sitz einer juristischen Person an 76 . Die fehlende subjektive Schiedsfähigkeit ist im autonomen deutschen Recht zu berücksichtigen, wenn sie zur Unwirksamkeit des Schiedsspruchs führt, § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das ist bei englischen Schiedssprüchen dann der Fall, wenn aus Sicht des englischen Rechts wegen der fehlenden Schiedsfähigkeit eine Schiedsvereinbarung nicht wirksam werden konnte. Insoweit kommt es also auf die englische Anknüpfung an. Auch nach englischem Kollisionsrecht entscheidet das Personalstatut über die Schiedsfähigkeit einer Partei, doch bestimmt sich das Personalstatut bei natürlichen Personen nach ihrem domicile 77 und bei juristischen Personen nach ihrem Gründungsort 78 . § 1044 ZPO kommt aber nur zur Anwendung, wenn sich die Schiedsfähigkeit nach dem vom deutschen autonomen Recht angewiesenen Recht ergibt, nicht aber nach dem vom U N - Ü angewiesenen, Art. V I I Abs. 1 UN-Ü.

b) Materielles Recht Eine englische Schiedsvereinbarung ist wirksam, wenn beide Schiedsparteien schiedsfähig sind. Da die Schiedsvereinbarung als materiellrechtlicher Vertrag verstanden wird, ist grundsätzlich schiedsfähig, wer nach seinem Personalstatut zum Abschluß eines Vertrags 79 fähig ist 80 . I m folgenden sollen einige aus Sicht des internationalen und des englischen Schiedsverfahrensrechts problematische Fälle dargestellt werden 81 . aa) Ein trotz der Schaffung des W B Ü praktisch außerordentlich wichtiger Bereich des internationalen Schiedspraxis stellt die Auseinandersetzung Privater mit ausländischen Staaten dar. Bei der subjektiven Schiedsfähigkeit wirkt sich dieses Problem in zweierlei Hinsicht aus: Der Staat kann zum einen vortragen, er sei souverän und brauche sich deshalb nicht der Entscheidung eines Privaten, nämlich des Schiedsrichters, zu unterwerfen. M i t dieser 75

Kritisch dazu neuerdings mit gewichtigen Argumenten Rohe, Staatsangehörigkeit oder Lebensmittelpunkt? — Anknüpfungsgerechtigkeit im Lichte neuerer Entwicklungen, in: Fs. Rothoeft, München 1994. 76

BGHZ 78, 318 (334); Kegel, Internationales Privatrecht, S. 363 ff. m.w.N. insb. auf S. 365. 77

Dicey & Morris on the Conflict of Laws, vol. 1, p. 116.

78

Dicey & Morris on the Conflict of Laws, vol. 2, p. 1130.

79

Für das engl. Recht vgl. dazu Chitty on Contracts, vol. 1, para. 551.

80

Mustill á Boyd, Commercial Arbitration, p. 151.

81

I.e. zur Schiedsfähigkeit von Gesellschaften bzw. von Minderjährigen Merkin, Arbitration Law, paras. 2.9, 2.10.

§ 8 Die Schiedsvereinbarung

217

Begründung hatte die staatliche Ölgesellschaft in Deutsche Schachtbau- und Tieflohr-GmbH v. Ras al Khaimah National Oil Co82 die Zuständigkeit der heimatlichen Gerichte behauptet und sich ihrer bedient, statt sich auf das vereinbarte schweizerische Schiedsverfahren einzulassen. Zum anderen sehen die innerstaatlichen Bestimmungen nicht selten Regeln über die Vertretung des Staates, seiner Organe und Bestandteile beim Abschluß von Schiedsvereinbarungen vor. Werden diese nicht eingehalten, so wird der Staat häufig versuchen, hieraus die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung abzuleiten. Das hatte etwa der französische Staat im Fall Galakis 83 versucht. Für die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung ist aber unerheblich, ob das Vollstreckbarerklärungsverfahren als solches und die konkrete Vollstreckungsmaßnahme zulässig sind. Sie sollen später angesprochen werden 84. (1) Zunächst soll auf die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung wegen der Souveränität eingegangen werden. Dem wird meist entgegengehalten, daß ein Staat auf seine Souveränitätsrechte verzichtet habe, wenn er eine Schiedsvereinbarung abgeschlossen hat 85 . Auf Souveränitätsrechte kann ein Staat aber nur verzichten, wo sie ihm zustehen. Deshalb hat ein amerikanisches Bundesgericht in Victory Transport 6 zurecht darauf abgehoben, daß im konkreten Fall nur nichthoheitliche Handlungen des spanischen Staates betroffen waren. Es konnte dahinstehen lassen, ob ein Verzicht auf Souveränitätsrechte vorlag 87 . Wie das BVerfG in der Leitentscheidung, die eine Heizungsreparatur in der philippinischen Botschaft betraf, festgestellt hat, verhindert keine 82

Deutsche Schachtbau- und Tieflohr-GmbH

v. Ras al Khaimah National Oil Co

[1987] 2 Lloyd's Rep 246 (CA). 83 Cour de Cassation, Clunet 93 (1966), 648 (649). 84 S.u. § 11,11.2. 85

Deutsche Schachtbau- und Tieflohr-GmbH

v. Ras al Khaimah National Oil Co

[1987] 2 Lloyd's Rep 246 (CA) at 251 per Sir John Donaldson MR (as he then was); Ipitrade

International

SA v. Nigeria 465 FSupp 824, 826 (DDC 1978) für einen

schweizerischen IHK-Schiedsspruch; Svea horvätt (Appellationshof in Stockholm) 20 ILM 893 (1981) für den Liamco-Award, der selbst ebenso argumentiert, 20 ILM 1, 40/41 (1981); Tribunal

de grande instance de Paris Clunet 98 (1971), 131, 132; die

gelegentlich in diesem Zusammenhang ebenfalls zit. Entscheidung des Tribunal de première instance de Tunis RevArb 1988, 733 hat sich dazu nicht geäußert, sondern nur die Bindung des tunes. Staates an eine ein tunes. Schiedsverfahren vorsehende Schiedsvereinbarung festgestellt, in der er sich natürlich nicht auf Immunität berufen konnte. 86

Victory

Transports

Inc v. Comisaria general de Abastecimientos y Transportes

336 F 2d 354, 361 (2d Cir 1964), cert.den. 381 US 934 unter Berufung auf den US Foreign Sovereign Immunities Act, s. 1605 (a)(l). 87

Victory

Transports

Inc v. Comisaria general de Abastecimientos y Transportes

336 F 2d 354, 361 (2d Cir 1964), certden. 381 US 934 unter Berufung auf den US Foreign Sovereign Immunities Act, s. 1605 (a)(l).

218

3. Teil: Versagungstatbestände

Allgemeine Regel des Völkerrechts, daß nicht-hoheitliche Handlungen im Erkenntnisverfahren vor deutschen Gerichten geltend gemacht werden 88 . Dann kann die Souveränität einer Unterwerfung unter Schiedsgerichte erst recht nicht entgegenstehen89. Für das Argument, es werde auf Souveränitätsrechte verzichtet, bleibt mithin nur Raum, wo tatsächlich ein hoheitliches Handeln Gegenstand des Schiedsverfahrens ist 90 . Das wird z.T. bei Auseinandersetzungen über Erdölkonzessionen vertreten; Bodenschätze seien unverzichtbarer Bestandteil der Souveränitätsrechte 91. (2) Es soll nunmehr auf die Beschränkung der Schiedsfähigkeit nach innerstaatlichem Recht eingegangen werden. Dies hat gerade in Bezug auf England eine besondere Relevanz. Die Krone darf sich nämlich nach s. 30 Arbitration Act 1950 as amended, s. 7 (l)(c) Arbitration Act 1979 nur in domestic arbitration agreements binden. Nur insoweit ist sie schiedsfähig. Ein aufgrund einer solchen Schiedsvereinbarung ergangener Schiedsspruch kann nach s. 25 des Crown Proceedings Act 1947 in England für vollstreckbar erklärt werden. Da hier die Schiedsvereinbarung wirksam ist, steht der Wirkungserstreckung weder Art. V Abs. 1 lit. a UN-Ü noch gar § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO entgegen. Besteht aber ausreichender Auslandsbezug, um nach s. 1 (4) Arbitration Act 1975 ein non-domestic arbitration agreement anzunehmen, ist die Krone nach englischem Recht nicht schiedsfähig. Eine Schiedsvereinbarung ist dann nach autonomem englischem Recht unwirksam. Die einzige Möglichkeit zu einer Schiedsfähigkeit zu gelangen, ist der Erlaß eines Einzelfallgesetzes.

88 BVerfGE 16, 27 (33) mit einer eindrucksvollen Darstellung der ausländischen Rechtsprechung. Die Theorie absoluter Immunität im Erkenntnis verfahren kann nun, nach der Aufgabe der Rechtsprechung durch die USA (s.o. Fn. 84) und durch Eng-

land, Trendtex

Trading

Corp Ltd v. Central Bank of Nigeria [1977] 2 WLR 356 (CA)

sowie State Immunity Act 1978, ss. 13, 14, noch weniger eine allgemeine Regel des Völkerrechts sein. 89 Ebenso auch die schweizerische Rechtsprechung, dazu m.w.N. Blessing/Burckhardt y in: Reymond/Bucher, Receuil de travaux suisses, pp. 108-110. 90 Ähnlich auch Böckstiegel, NJW 1975, 1582, der allerdings die Unterscheidung zwischen acta iure imperii und gestionis für unerheblich hält, weil selbst bei ersteren stets ein Verzicht vorliege. Dem kann in der Allgemeinheit nicht gefolgt werden; angesichts der Bedeutung von Souveränitätsrechten können die Anforderungen an einen Verzicht höher sein als die Voraussetzungen für eine Unterwerfung unter ein Schiedsgericht in einer nichthoheitlichen Beziehung. 91 So etwa Sornarajah, (1991) vol. 8 no. 2 JIA 71 unter Berufung auf die Resolution der UN-Vollversammlung 1803 (XVII) 1962.

§ 8 Die Schiedsvereinbarung

219

Geschieht dies nicht, so scheint einer Wirkungserstreckung in Deutschland Art. V Abs. 1 lit. a U N - Ü und § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO entgegenzustehen92. Dem steht aber ein globaler Trend entgegen, der dem Staat in internationalen Schiedsverfahren die Berufung auf innerstaatliche Vorschriften zur Schiedsfähigkeit absprechen will. Ausgangspunkt dieser Entwicklung ist die bereits erwähnte Entscheidung des Cour de Cassation im Galakis-FaW 3. Hier hatte eine Agentur des französischen Marineministeriums einen Chartervertrag, die ein Schiedsverfahren in London vorsah, abgeschlossen, ohne daß die gesetzlich an sich vorgeschriebene Bewilligung durch ein Dekret erfolgt wäre. Der Cour de Cassation hielt diese Bestimmung aber nur bei Schiedsverfahren ohne Auslandsbezug für anwendbar. Dieser Lösungsvorschlag wird auch in sehr vielen Fällen zur Bindungswirkung von Schiedsvereinbarungen mit staatseigenen Unternehmen führen. Doch ist mit dieser These eine Bindung der britischen Krone nicht möglich. Die Gesetzeslage ist eindeutig. V. Mehren & Kourides haben auf die völkerrechtliche Verantwortlichkeit abgestellt 94 . Jeder Staat ist für das Handeln aller seiner Organe verantwortlich. Doch kann die völkerrechtliche Verantwortlichkeit nicht über die Fähigkeit, eine Schiedsvereinbarung abzuschließen, entscheiden. Auch im Zivilrecht entscheidet die Deliktsfähigkeit nicht über die Geschäftsfähigkeit. Doch enthält das Völkerrecht auch Regeln über die Geschäftsfähigkeit von Staaten, wobei das Völkergewohnheitsrecht in Art. 46 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge ( W V R K ) 9 5 verankert ist. Danach kann sich ein Staat dann auf die nach internem Recht fehlende Vertretungsbefugnis eines Organs berufen, wenn das Organ offensichtlich seine Rechte überschreitet. Diese Regel betrifft aber nur die Fähigkeit völkerrechtliche Verträge abzuschließen, nicht die zum Abschluß privatrechtlicher Schiedsvereinbarungen. Zum Teil wird behauptet, es sei widersprüchlich, wenn ein Staat sich einerseits freiwillig auf eine Schiedsvereinbarung einlasse, andererseits aber ihre Unwirksamkeit behaupte96. Das trifft dann aber nicht mehr zu, wenn 92

Eine gläubigerfreundlichere Lösung enthält Art. II Abs. 1 EuÜ.

93

Cour de Cassation Clunet 93 (1966), 648 (649) („Galakis"); ebenso auch Tribunal de première instance de Tunis Clunet 106 (1979), 661; der bei Paulsson, (1986) 2 Arbint 90 zitierte Benteler-Award für den belgischen Staat; die bei Domke, Hommage à F. Eisemann, p. 46 zit. IHK-Schiedssprüche. 94 v. Mehren & Kourides, 75 AJIL 476, 503 (1981) unter Bezugnahme auf den Texaco-Award on Merits , 53 ILR 389, 415/416 (1978), bei dem es aber an der angegeben Stelle um die Vertretungsmacht des Ölministeriums für die Arabische Republik Libyen ging. 95 96

Sartorius II, Nr. 320.

Paulsson, (1986) 2 Arblnt 90; ähnlich auch Mbaye, in: International Arbitration — 60 years of ICC arbitration, p. 296: „question of pure good faith".

220

3. Teil: Versagungstatbestände

- wie etwa bei Handeln eines Ministers für die britische Krone - nach englischem Recht keine Vertretungsmacht besteht. Dann hat sich die Krone eben nicht gebunden. I m Benteler-Award 97 wurde für staatseigene Unternehmen vorgeschlagen, daß ihre Schiedsfähigkeit nach Vertrags- und nicht nach Personalstatut bestimmen solle. Das erscheint auf ersten Blick verlockend, hilft aber schon dann nicht mehr weiter, wenn - wie bei Verträgen mit Hoheitsträgern nicht gerade selten - das Vertragsstatut das Recht dieses Staates ist. Der Gedanke kann aber weitergeführt werden, wenn man sich auf das allgemeine kollisionsrechtliche Handwerkszeug besinnt. Der Vorschlag bedeutet in der Sache nichts anderes, als daß von einer kollisionsrechtlichen Regel abgewichen werden soll. Das ist zulässig, wenn es der (kollisionsrechtliche, z.B. Art. 6 EGBGB, nicht schiedsrechtliche, z.B. § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) ordre public zuläßt 98 . Daraus ergibt sich folgendes: Die Schiedsfähigkeit allgemein bestimmt sich weiterhin nach dem Personalstatut. Das gilt im Grundsatz auch für die Schiedsfähigkeit von Staaten und deren Unternehmen. Nur genügt das Personalstatut unter bestimmten Voraussetzungen nicht mehr. Der Private, der sich auf eine Schiedsvereinbarung mit einem Staat einläßt, bedarf nämlich des Vertrauensschutzes. Er kann sich, wenn die auf Abschluß einer Schiedsvereinbarung gerichtete Erklärung von nicht ohne weiteres als Nichtberechtigte erkennbaren Vertretern des Staates abgegeben wird, auf deren Erklärung verlassen. Sie bringen nämlich namens des Staates mit ihrer Erklärung zum Ausdruck, daß der Staat nach seinem eigenen Recht schiedsfähig ist. Einer solchen Erklärung kann der Vertragspartner mehr Gewicht beimessen als der eines privaten Geschäftspartners, da der Staat die Normen selbst erläßt. Aus diesem Grund ist seinem Vertrauen Vorrang vor dem Respekt gegenüber dem fremden Souverän zu gewähren. An die Stelle des Personalstatuts tritt ein anderes Recht. Nun enthalten aber alle Rechtsordnungen keine Bestimmungen für die Schiedsfähigkeit ausländischer Staaten. Es bietet sich insoweit aber - auf nationaler Ebene - eine analoge Anwendung der bewährten Regeln des Art. 46 W V R K an 99 . Es ist derzeit nicht ersichtlich, daß diese wegen ihres völkerrechtlichen Charakters für die hier in Frage stehende Materie einer Korrektur bedürfen. Die britische Krone wird sonach durch Abschluß einer Schiedsvereinbarung auch dann gebunden, wenn dies nach englischem Recht unzulässig ist, wenn auch nur in den Grenzen des Art. 46 W V R K analog. 97

Zit. bei Paulsson, (1986) 2 Arblnt 90.

98

Zum Begriff des ordre public im Internationalen Privatrechts F. Kahn, Abhandlungen I, S. 161 ff., und oben § 6, II.l. 99

Vgl. dazu etwa Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, 2. Aufl. 1975, Bd. I, S. 466 ff.; Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, 6. Aufl. 1987, Rn. 246 ff.

§ 8 Die Schiedsvereinbarung

221

Aus Sicht des englischen Rechts bestehen keine Hindernisse gegen die Beteiligung eines ausländischen Souveräns oder eines Teils des Commonwealths an einem englischen Schiedsverfahren, s. 9 State Immunity Act. Doch ist, wie dargestellt, englisches Recht insoweit nicht primär anwendbar. bb) Der Tod einer englischen Schiedspartei beendet weder die Schiedsvereinbarung, s. 2 (1), noch auch nur das Amt des vom Verstorbenen ernannten Schiedsrichters, s. 2 (2) Arbitration Act 1950. Berechtigt und verpflichtet ist aber von nun an der personal representative oder trustee 100 des Verstorbenen, s. 2 (1) Arbitration Act 1950. Diese sind auch hinsichtlich des repräsentierten Vermögens schiedsfähig, s. 15 (f) Trustee Act 1925. cc) Der Konkurs führt dazu, daß der in England ansässige Gemeinschuldner seine Schiedsfähigkeit hinsichtlich der Konkursmasse verliert. Ein laufendes Schiedsverfahren wird grundsätzlich nicht unterbrochen, s. 285 (1) Insolvency Act 1986, der vom Gemeinschuldner ernannte Schiedsrichter bleibt im A m t und die Schiedsvereinbarung bleibt wirksam 1 0 1 . Doch bindet die Schiedsvereinbarung den trustee nicht, es sei denn er übernimmt den Hauptvertrag, s. 3 (1), oder das Konkursgericht (bankcruptcy court) verweist auf Antrag des trustees mit Zustimmung des Gläubigerausschußes (creditors' committee) oder der gegnerischen Schiedspartei an das Schiedsgericht, s. 3 (2) Arbitration Act 1950. Der trustee selbst ist nur schiedsfähig, wenn der Gläubigerausschuß oder das Gericht zustimmt, Insolvency Act 1986, s. 314 (1), Sch. 5, Part 1 (6) 1 0 2 . dd) Besondere Bestimmungen gelten bei administration und administrative receivership nach dem Insolvency Act 1986 sowie bei der Liquidation einer Kapitalgesellschaft nach dem Conpanies Act 1985 103 . Das assignment von Schiedsklauseln ist im Grundsatz zulässig 104 .

5. Objektive Schiedsfähigkeit Nicht alle Streitgegenstände können der Schiedsgerichtsbarkeit zugewiesen werden. Eine solche Streitgegenstände betreffende Schiedsvereinbarung ist im englischen Recht nichtig 1 0 5 ; ein auf ihr beruhender Schiedsspruch ist die Wir100

Die Unterscheidung hängt davon ab, ob ein Testament vorliegt.

101

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 152 unter Hinweis auf Hemsworth v. Brian (1845) 1 CB 131. 102

Dazu Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 152.

103

Vgl. dazu Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 153.

104 Zu dieser außerordentlich komplexen Rechtfrage ausführlich Merkin, Arbitration Law, para. 2.25-34 m.w.N. 1

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 1 .

222

3. Teil: Versagungstatbestände

kungserstreckung gem.Art. V Abs. 1 lit. a UN-Ü, § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu versagen 106 . Dem Schiedsrichter sind im englischen Recht zwar im Grundsatz keine Streitigkeiten entzogen. Aber es gibt weite Ausnahmen 107 . Sie ergeben sich im wesentlichen daraus, daß er als von Privaten ernannte richterliche Instanz keine hoheitlichen, Dritte oder die Allgemeinheit bindende Entscheidungen fällen kann 108 . Er kann sonach keinen Freiheitsentzug anordnen, keine Ordnungsstrafe verhängen 109 , nicht über eine (häufig drittbelastende) action in rem gegen ein Schiff entscheiden, wegen der Allgemeinwirkung keine Scheidung vornehmen oder die Auflösung einer Gesellschaft anordnen und er darf wegen der sich aus Art. 9 V O 17/1962 (EWG) 1 1 0 ergebenden ausschließlichen Zuständigkeit der Kommission nicht über Wettbewerbsverstöße nach Art. 85, 86 EGV entscheiden 111 . Allerdings wird ein Schiedsbeklagter keinesfalls gehindert, Art. 85, 86 EGV als Verteidigung vorzubringen. Damit wird nämlich die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung nicht zweifelhaft 112 .

6. Aufhebung einer Schiedsklausel bei Behauptung von fraud Wird von einer Partei einer Schiedsklausel (also nicht einer Schiedsabrede) behauptet, die gegnerische Partei habe einen fraud begangen, so kann die andere 113 Partei den High Court anrufen und dessen Entscheidung verlangen. 106 A.A. Hausmann, Fs. Lorenz, S. 371: Anzuknüpfen sei im Rahmen des UN-Ü wegen Art. V Abs. 2 lit. a UN-Ü nur an die lex fori. Dem kann nicht gefolgt werden. Die objektive Schiedsfähigkeit muß sowohl nach Schiedsvereinbarungsrecht als auch nach lex fori bestehen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung ausgerechnet und nur dann nicht nach dem Schiedsvereinbarungsrecht beachtlich sein soll, wenn es um den relativ wichtigen Grund der objektiven Schiedsfähigkeit geht; wie hier etwa Schwab /Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 57, Rn. 29. 107

Dazu insg. Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, pp. 149/150.

108

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 149.

109

Kursell

v. Timber Operators and Constractors

Ltd [1923] KB 202 at 206 per

Salter J: keine Befugnis, wegen contempt of court zu verurteilen; kein Recht, eine habeas corpus ad testificandum anzuordnen; ausschließliche Zuständigkeit der staatlichen Gerichte. Eine strafrechtliche Entscheidung ist dem Schiedsrichter generell entzogen, doch bleiben eine Reihe von Fällen mit strafrechtlichem Bezug objektiv schiedsfähig; vgl die Hinweise bei Russell on Arbitration, 19th ed., pp. 28-31. 110

Sartorius II, Nr. 165; ABl. 1962, S. 204 m. zahlr. Änd.

111

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 149.

112

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 150.

113

Russell v. Russell (1880) 14 ChD 471 (CA) at 476 per Sir George Jessel MR; Camilla Cotton Oil Co v. Grandex SA [1976] 2 Lloyd's Rep 10 (HL) at 16 per Lord

§ 8 Die Schiedsvereinbarung

223

Im Rahmen dieses Verfahrens kann der High Court, wenn sich dies als notwendig erweist, auch die Schiedsklausel aufheben, s. 24 (1) Arbitration Act 1950 114 . Fraud entspricht etwa der arglistigen Täuschung des deutschen Rechts 115 .

7. Einseitige Schiedsvereinbarungen Seit Pittalis v. Sherefettin 116 steht fest, daß auch einseitige Schiedsvereinbarungen, also solche, die nur einer Partei das Recht geben, zum Schiedsverfahren zu schreiten, zulässig sind. Soweit hierin nicht die wirtschaftliche oder sonstige Überlegenheit der ernennungsberechtigten Partei zum Ausdruck kommt, ist dies im Wirkungserstreckungsverfahren ebenfalls zu billigen. Ansonsten kommt aber ein Schutz der schwächeren Partei durch Versagung der Wirkungserstreckung wegen eines Verstoßes gegen den ordre public in Betracht, Art. V Abs. 2 lit. b UN-Ü, § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dabei wird aber zu berücksichtigen sein, daß Schiedsklauseln in Verbraucherverträgen eine eigene gesetzliche Regelung erfahren haben, auf die im folgenden eingegangen wird.

Wilberforce; zurückhaltender Cunningham-Reid v. Buchanan-Jardine [1988] 2 AUER 438 (CA) at 444/445 per Woolf LJ (as he then was). 114 Dies gilt nicht bei judge- und official referee-arbitrations, s. 4 Administration of Justice Act 1970, Schedule 3 para. 10; s. 11 (3) Arbitration Act 1950. 115 S. dazu unten § 8, III. 1 .f; sowie grundlegend Derry v. Peek (1889) 14 AppCas 337 (HL). 116 Pittalis v. Sherefettin [1986] 2 AUER 227 (CA) at 231 per Fox LJ, wo die früh.Rspr. des Gerichts in Baron v. Sunderland Corp [1966] 1 A11ER 349 (CA) per Davies LJ at 351 im Ergebnis gebilligt wurde, weil dort der Lehrer, dessen Klage zugelassen wurde, selbst kein Schiedsverfahren anstrengen konnte, sondern nur sein Verband; wo aber andererseits die Zulässigkeit von einseitigen Schiedsvereinbarungen aufgrund noch älterer Entscheidungen, etwa Woolf v. Collis Removal Service [1948] 1 KB 11 (CA) at 17 per Asquith LJ, akzeptiert wurde. Der Verpächter konnte in einem Verfahren nach s. 27 Arbitration Act 1950 feststellen lassen, daß die Schiedsklausel wirksam war. Die entgegenstehende untergerichtliche Rechtsprechung, etwa in Tote Bookmakers Ltd v. Development and Property

Holding

Co Ltd [1985] 2 A11ER 555

(ChD), hat sonach keine Bindungswirkung mehr. Nach ind. Recht gilt aber weiterhin das Verbot einseitiger Schiedsvereinbarungen, Union of India v. Bharat Engineering

Corp (1977) 2 ILR (Dehli) 57.

224

3. Teil: Versagungstatbestände

8. Schiedsklauseln in Verbraucherverträgen Der deutsche Gesetzgeber bringt in § 1025 Abs. 2 ZPO seine Skepsis gegenüber der Beteiligung von wirtschaftlich Schwächeren an Schiedsverfahren zum Ausdruck. Der englische Gesetzgeber hat für Verbraucherverträge gesondert den Consumer Arbitration Act 1988 erlassen. Darin wird für domestic arbitrations (s.2 (a)) die Durchsetzbarkeit von Schiedsklauseln davon abhängig gemacht, daß der Verbraucher einem Schiedsverfahren nach Entstehen des Streits schriftlich zustimmt oder selbst Schiedsklage erhebt oder es der High Court oder ein county court im Rahmen seines eingeschränkten Ermessens anordnet, s. 1 (l)(a)-(c). Soweit der 1988 Act nicht anwendbar ist, weil nach s. 2 (b) sich der Verbrauchervertragsbegriff nach dem Unfair Contract Terms Act 1977 bestimmt, kommt ein Schutz des Verbrauchers über s. 4 (1) Arbitration Act 1950, der es in das freie Ermessen des Gerichts stellt, ob eine Schiedsvereinbarung wirksam ist 117 . Diese Möglichkeit besteht aber nicht mehr, wo eine non-domestic arbitration vorliegt. Hier hat der High Court kein Ermessen. Gem. s. 1 (1) Arbitration Act 1979 muß es eine Klage auf den Schiedseinwand hin abweisen. Eine Korrektur mag bei EG-Verbrauchern über die Berufung auf Art. 7 Abs. 1 EGV möglich sein, wenn in der Nichteinräumung des Schutzes für Verbraucher eine willkürliche Diskriminierung i.S. dieser Vorschrift gesehen werden kann. Im übrigen erscheint ein Schutz von (im Ausland wohnenden und ausländischen) Verbrauchern erst im Wirkungserstreckungsverfahren möglich. Die Schiedsvereinbarung wird regelmäßig englischem Recht unterstehen und nach diesem erststaatlichen Recht wirksam sein. Eine Versagung kommt also nicht nach Art. V Abs. 1 lit. a UN-Ü oder § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in Betracht, sondern nur wegen des ordre public, Art. V Abs. 2 lit. b UN-Ü 1 1 8 , § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Als Fundamentalnorm kommt der in § 1025 Abs. 2 ZPO zum Ausdruck gebrachte Verbraucherschutz in Betracht. Danach ist zu fragen, ob die konkrete Schiedsvereinbarung dem Gegner des Verbrauchers ein Übergewicht im Schiedsverfahren, insb. bei der Ernennung und Ablösung von Schiedsrichtern, einräumt und ob diese Regelung auf der Ausnutzung der wirtschaftlichen oder sozialen Überlegenheit des Gegners beruht. Das wird man bei den von der CIArb entwickelten Schiedsvereinbarungen nicht annehmen können. Sie sind sehr auf Ausgleich, zum Teil sogar auf Bevorzugung des Verbrauchers bedacht. Bei den ABTA-Rules, etwa, wird der Schiedsrichter vom CIArb ernannt, r. 7 (iv), und kann auch nur vom CIArb, r. 14, oder vom staatlichen Richter ersetzt werden. Schiedsklagen kann nur der Verbraucher, der Reisende erheben, nicht der Reiseveranstalter, r. 2. 117

Merkin, Arbitration Law, para. 1.26.1. Zu Art. V Abs. 2 lit. a UN-Ü (objektive Schiedsfähigkeit), s.o. § 8, 1.5: sie ist wegen Art. VII Abs. 1 UN-Ü i.V.m. § 1044 Abs. 2 ZPO unbeachtlich. 118

§ 8 Die Schiedsvereinbarung

225

Auch wenn im Einzelfall ein Übergewicht des wirtschaftlich und sozial überlegenen Gegners des Verbrauchers im Schiedsverfahren angenommen werden kann, muß daraus nicht notwendig die Versagung der Wirkungserstreckung folgen. Vielmehr ist in Analogie zu Art. 29 Abs. 1 EGBGB unter bestimmten Voraussetzungen zu fragen, ob dem Verbraucher der durch das Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts gewährte Schutz entzogen wird. Wenn dieses Recht ein Schiedsverfahren unter Ausbeutung der Machtstellung des Gegners des Verbrauchers zuläßt, so ist dies aus deutscher Sicht hinzunehmen. Im übrigen kommt es darauf an, ob der Vertragspartner in der Weise im Aufenthaltsstaat gehandelt hat, daß es auf dessen Recht nach Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 - 3 EGBGB ankommt. Hier kommt es also für die räumliche Anwendung der Fundamentalnorm des Verbraucherschutzes im Schiedsverfahren auf das Aufenthaltsrecht des Verbrauchers an. Die angewandte Fundamentalnorm bleibt aber eine deutsche. Ist sie kollisionsrechtlich anwendbar, so ist eine Wirkungserstreckung zu versagen.

III. Reichweite der Schiedsvereinbarung Entscheidet der Schiedsrichter über eine Streitigkeit, die von der Schiedsvereinbarung nicht erfaßt ist, so ist sein Spruch nach englischem Recht unwirksam. Dem Schiedsspruch ist gem. Art. V Abs. 1 lit. c UN-Ü und § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Wirkungserstreckung zu versagen. Daneben kommt - wie unter § 7 I 1 b gezeigt - eine Anwendung des ordre public in Betracht, Art. V Abs. 2 lit. b UN-Ü, § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

1. Gegenstandsbezogene Betrachtung a) Gegenstand einer Schiedsvereinbarung darf es, wie bereits oben I I 1 dargestellt, nie sein, einen Streit über die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung auszutragen. So weit reicht sonach keine englische Schiedsvereinbarung. In diesem Sinne steht englischen Schiedsrichtern eine Kompetenz-Kompetenz nicht zu. b) Bei mit der Schieds-(wider-)klage geltend gemachten Gegenansprüchen ist zunächst zu berücksichtigen, daß das englische Recht eine Aufrechnung nicht grundsätzlich zuläßt 119 . Macht der Gläubiger einen Anspruch geltend, der nicht unter die Schiedsvereinbarung fällt, so kann er diesen vor dem High Court einklagen. Das Gericht wird dann üblicherweise die Vollstreckung seines Urteils bis zur Entscheidung des Schiedsrichters über den Gegenanspruch

119

Dazu knapp Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 130.

15 Kilgus

226

3. Teil: Versagungstatbestände

aussetzen. Sinnvollerweise werden die Parteien aber versuchen, sich auf eine beide Streitigkeiten umfassende Instanz einigen 120 . Fehlt dem Schiedsrichter für den Hauptanspruch die Entscheidungsbefugnis, weil er unbestritten ist, s. 4 (1) Arbitration Act 1950, s. 1 (1) Arbitration Act 1975, so darf er über beide Ansprüche dann entscheiden, wenn sich die Parteien sinnvollerweise darauf verständigen können, daß der Schiedsspruch bei Unterliegen des Hauptschuldners dem Antrag des Hauptgläubigers für den Hauptanspruch entspricht und wenn die Gegenforderung sich als eine Einwendung zum Hauptanspruch darstellt. In diesem Fall ist nämlich der Hauptanspruch nicht mehr unbestritten 121 . Wird hingegen umgekehrt einer Schiedsklage ein nicht der Schiedsvereinbarung unterliegender Gegenanspruch entgegengehalten, so darf der Schiedsrichter über ihn nur entscheiden, wenn entweder beide Parteien zustimmen oder der Gegenanspruch zugleich eine Einwendung darstellt 122 . Wird schließlich ein der Schiedsvereinbarung unterliegender Gegenanspruch geltend gemacht, so hat sich der Schiedsrichter zunächst zu fragen, ob er streitgegenständlich ist. Das hat durchaus eine erhebliche Bedeutung, da Schiedsrichter z.T. gerade zur Entscheidung eines bestimmten Streitpunkts nominiert werden. Ist er entscheidungsbefugt, so darf er entscheiden; sonst darf er nur entscheiden, wenn die Parteien zustimmen oder wenn der Gegenanspruch eine Einwendung gegen den Hauptanspruch darstellt 123 . c) Die rectification ist ein auf Korrektur oder Klarstellung gerichteter Anspruch, der sicherstellen soll, daß ein Schriftstück, meist ein Vertrag, dem wirklichen rechtsgeschäftlichen Willen entspricht. Bei einem Vertrag muß bewiesen werden, daß die Urkunde auf einem „beiderseitigen Irrtum" (mutual mistake) 124 beruht 125 . Sie darf zwar Gegenstand eines Schiedsverfahrens sein 126 ; doch erstrecken sich viele Schiedsklauseln nicht auf sie 127 . 120

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 130.

121

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, pp. 130/131.

122

Mustill & Boyd y Commercial Arbitration, p. 131.

123

European Grain & Shipping Ltd v. Johnston [1982] 1 Lloyd's Rep 414 per Par-

ker J (as he then was) at 417. 124

Vgl. dazu Rothoeft , System der Irrtumslehre (Habil. Tübingen), Tübingen 1968, S. 147 ff. 125

Jowitt's

Dictionary of English Law, vol. 2, p. 1512.

126

Ashville

Investments

Ltd v. Elmer Contractors

Ltd [1988] 2 Lloyd's Rep 73

(CA) at 87/88 per Bingham LJ (as he then was) für JCT-Standardvertrag („in connection with"); Overseas Union Insurance Ltd v. AA Mutual International

Insurance

Co Ltd [1988] 2 Lloyd's Rep 63 at 67/68 per Evans J; Ethiopian Oilseeds & Pulses Export Corpn v. Rio del Mar Foods Inc [1990] 1 Lloyd's Rep 86 at 90 per Hirst J (as he then was) für Gafta No. 30/86 und No. 125 („arising out of or under this contract"). 127

Siehe etwa für „touching the construction of the agreement and the rights, duties

§ 8 Die Schiedsvereinbarung

227

d) Bevor das eigentliche Schiedsverfahren eingeleitet wird, einigen sich die Schiedsparteien gelegentlich in terms of reference über den Streitgegenstand, etwa gem. Art. 13 der IHK-SchO. Im übrigen bestimmt die Schiedsklage den Gegenstand des Verfahrens. Steht nun fest, daß ein Streitpunkt von der Schiedsklausel erfaßt ist, ist aber streitig, ob er im konkreten Verfahren streitgegenständlich ist, so darf der Schiedsrichter bei entsprechender Formulierung der Schiedsklausel über die Reichweite des Streitgegenstands entscheiden 128 . Doch reichen viele Schiedsklauseln nicht so weit 1 2 9 . e) Ist streitig, welchen Umfang die prozessualen 130 Rechte des Schiedsrichters haben, ob er z.B. eine Unterlassung (injunction) anordnen, Feststellungen (declarations) treffen, über Zinsen und Kosten mitentscheiden oder Beweisanträge ablehnen darf, so darf der Schiedsrichter hierüber wirksam entscheiden. Allerdings kann der High Court bei appeal seine rechtliche Einordnung überprüfen 131 .

and liabilities of the parties thereunder" hat Sir Wilfred Greene MR in Crane v. Hegeman-Harris Co Inc [1939] 4 AUER 68 (CA) at 72 klargestellt, daß die rectification gerade nicht ein Anspruch aus dem schriftlichen Vertrag sei, sondern diesen Vertrag gerade abzuändern suche. Eine interessante Unterscheidung hat Evans J in Overseas Union Insurance Ltd v. AA Mutual International

Insurance Co Ltd [1988] 2 Lloyd's

Rep 63 at 68 vorgenommen: The „disputed claim for rectification was arising ,in connection with4 the contract, but ... did not arise »thereunder4". Von der Formel „arising under these Heads Of Agreement" ist die rectification sicher nicht erfaßt, Fillite (Runcorn) Ltd v. Aqua-Lift (1989) 45 BLR 27 (CA). 128

Willesford v. Watson (1873) 8 ChApp 473 (HL) at 480 per Lord Selbourne; distinguished by Sir George Jessel MR in Piercy v. Young (1879) 14 ChD 200 (CA) at 208; bei den als entgegenstehend gesehenen obiter dicta von Devlin J (as he then was) in Christopher

Brown Ltd v. Genossenschaft

Holzwirtschaftsbetriebe

Österreichischer

Waldbesitzer,

reg. Gen.m.b.H. [1953] 2 Lloyd's Rep 373 at 376/377 und in

Kianta Osakeyhtio v. Britain

& Overseas Trading

Co Ltd [1953] 2 Lloyd's Rep 569

at 573 sowie von Lord Parmoor in A-G for Manitoba v. Kelly [1922] 1 AC 268 (PC, Manitoba) at 276 ging es entweder um die Entscheidungsbefugnis als ganze oder um die Auslegung eines für die Frage zu enge Schiedsvereinbarung, Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 115, n. 1. 129

Food Corpn of India v. Achilles Halcoussis

(The „Petros

Hadjikyriakos")

[1988] 2 Lloyd's Rep 56 at 61 per Steyn J (as he then was). 130

Hierdurch wird vom Begriff des Umfangs der Entscheidungsbefugnis unterschieden, Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 116 unter Hinweis auf Bank Mellat v. GAA Development and Construction Co [1988] 2 Lloyd's Rep 44 per Steyn J (as he then was) at 53. Anders als im deutschen Recht werden im englischen die Kosten und Zinsen zu den prozessualen Rechten gerechnet. 131

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 116, n. 6; vgl. zum früh. Recht FF

Hookway & Co Ltd v. Alfred 15*

Isaacs & Sons [1954] 1 Lloyd's Rep 491.

228

3. Teil: Versagungstatbestände

f) Fraud ist in etwa der arglistigen Täuschung vergleichbar 132 . Sie steht dem Schiedsrichter im Rahmen der Schiedsvereinbarung zur Untersuchung offen, wie sich insb. aus s. 24 (2) Arbitration Act 1950 ergibt 133 . Der High Court kann aber - auf Antrag - die Schiedsvereinbarung aufheben und die Revozierung der Ernennung des Schiedsrichters freistellen, wenn und soweit dies für seine eigene Entscheidung der Frage notwendig ist. Der High Court wird besonders bei Vorwurf eines fraud seine Zuständigkeit entgegen einer Schiedsvereinbarung annehmen, s. 24 (3), aber nicht bei non-domestic arbitration agreements, s. 1 (1) Arbitration Act 1975 oder bei wirksamen exclusion agreements, s. 3 (3)(b) Arbitration Act 1979. g) Deliktische Ansprüche (Claims in Tort) stehen grundsätzlich der schiedsrichterlichen Untersuchung und Entscheidung offen 134 ; von den gebräuchlichen Schiedsklauseln werden sie umfaßt, solange sie irgendwie mit dem Hauptvertrag zu tun haben 135 . Dabei sollte der deutsche Jurist bedenken, daß in Deutschland gemeinhin als vertraglich bewertete Ansprüche, insb. c.i.c. und p.V.V., in England regelmäßig zur deliktischen negligence gerechnet werden 136 . Die Klausel „Disputes under this contract" ist daher auf vertragliche Ansprüche und auf Ansprüche aus contractual negligence beschränkt. Selbst die negligent misrepresentation, die Funktionen wahrnimmt, die in Deutschland teils von § 119 Abs. 2 BGB, teils von c.i.c., teils von Unmöglichkeitsnormen wahrgenommen werden, und die in der Sache Anfechtungsgrund ist, ist von einer solchen Klausel nicht umfaßt 137 . 132

Derry v. Peek (1889) 14 AppCas 337 (HL) at 350 per Lord Bramwell: „,... where a man makes a statement to be acted on by others which is false, or is made by him recklessly, or without care whether it be true or false he is liable to an action for deceit ... [and] commits a fraud. He is a rogue." 133

Heymann v. Darwins Ltd [1942] AC 356 (HL) at 378, 392 per Lords Wright and Porter, Lord Macmillan disagrees on 371; ihm können Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 116 nicht folgen, da sein Urteil nicht mit dem Gesamtbild der Entscheidung in Einklang stehe. 134

Astro Vencedor Compañía Naviera SA v. Mabanaft GmbH [1971] 1 Lloyd's Rep

502 (CA) per Lord Denning MR at 504. 135

Astro Vencedor Compañía Naviera SA v. Mabanaft GmbH [1971] 1 Lloyd's Rep

502 (CA) per Lord Denning MR at 504: Anspruch wegen unzulässigem Arrest eines Seeschiffes (wrongful arrest, vgl. für das dt. Recht § 482 HGB i.V.m. § 945 ZPO, vgl. ferner Internationales Übereinkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über den Arrest von Seeschiffen v. 10.5.1952, BGBl. 1972 II 653, Art. 1 Abs. 2, Art. 6) war ein „dispute arising during the execution of this charterparty"; Woolf v. Collis Removal Service [1948] 1 KB 11 („any claims"). 136

Das erscheint verständlich, wenn vergegenwärtigt wird, daß der Grund für die Entwicklung der genannten Rechtsinstitute im wesentlichen die als zu eng empfundene Regelung des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB war. Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 1 .

§ 8 Die Schiedsvereinbarung

229

h) Bei mehreren, einander ablösenden oder verändernden Verträgen, von denen nicht alle eine Schiedsklausel enthalten, darf der Schiedsrichter durch Auslegung bestimmen, welche der Hauptverträge von den Schiedsklauseln erfaßt sind 138 . Diese Rechtsfragen betreffende Entscheidung kann auf einen appeal hin überprüft werden.

2. Formelbezogene Betrachtung Bestimmte Formulierungen tauchen in englischen Schiedsklauseln immer wieder auf. Man muß sich zwar davor hüten, ihnen stets die gleiche Bedeutung beizumessen. Vielmehr sind sie stets im Kontext der gesamten Klausel auszulegen 139 . Dennoch ist im Zweifel anzunehmen, daß die Parteien bestimmte Begriffe so verwenden wollen, wie sie die Rechtsprechung in der Vergangenheit ausgelegt hat. a) aa) Schiedsklauseln enthalten meist einen Hinweis auf „ d i s p u t e s „ d i f ferences" oder „claims" 14 °. Ein dispute oder eine difference, also eine Streitigkeit wird verneint, wenn der Schuldner seine Verpflichtung einräumt oder gezeigt werden kann, daß seine Einwendungen rechtlich oder tatsächlich unfundiert sind. Dann kann der Gläubiger vor dem High Court in dem beschleunigten Verfahren nach RSC Ord. 14 ein Urteil in der Form des summary judgment erwirken. Einer solchen Klage kann der Schuldner auch nicht die Schiedsvereinbarung entgegenhalten. Für domestic arbitration agreements gilt dies schon wegen s. 4 (1) Arbitration Act. Dasselbe wird aber auch bei Beteiligung von ausländischen und im Ausland niedergelassenen Parteien, also bei non-domestic arbitration agreements, angenommen. S. 1 (1) Arbitration Act 1975, der Art. I I Abs. 1 U N - Ü umsetzt, fordert nämlich, daß eine Streitigkeit besteht. Doch sind hier, besonders dann, wenn wirksame exchi-

138

Wade-Gery

Harrison Warden Kingdom hirzadeh 639, 642.

v. Morrison

(1877) 37 LT 270 (ChD) at 271; Morgan v. William

Ltd [1907] 2 Ch 137 (CA) per Sir Herbert Cozen-Hardy MR; Taylor v. Insurance Co Ltd (1933) 45 LILRep 218 (CA) at 219 per Lawrence LJ; of Italy v. Suzuki (1923) 17 LILRep 251 (CA) per Bankes LJ at 253; Fagv. Rudolf Woolf SA (Pty) Ltd [1977] 1 Lloyd's Rep 630 per Mocatta J at

139

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, pp. 117/118.

140

Vgl. etwa Woolf v. Collis Removal Service [1948] 1 KB 11 („any claims"); Re

An Arbitration between Hohenzollern AG für Locomotivba[h]n and the City of London Contract Corpn (1886) 54 L T 596 („all disputes"); F & G Sykes (Wessex) v.

Fine Fare Ltd [1967] 1 Lloyd's Rep 53 („any difference"); die IHK-SchKl („all disputes"); Uncitral-SchKl („any dispute, controversy or claim"); LMAA-SchKl („any dispute"); LCIA-SchKl („any dispute"); Gafta-SchKl („any dispute"); ähnlich auch die anderen gebräuchlichen Klauseln.

230

3. Teil: Versagungstatbestände

sion agreements geschlossen worden sind, höhere Anforderungen an die Ablehnung der Schiedseinrede zu stellen 141 . Der Begriff des „claim", also des Anspruchs, ist weniger einfach verständlich. Zum Teil wird er synonym zu „dispute" und „difference" verwendet. Zum Teil wird ihm aber eine weitere Bedeutung gegeben 142 . Gemeint seien alle Ansprüche, gleich ob sie ernsthaft bestritten werden oder nicht. Zwar könne ein Verfahren nicht gem. s. 1 (1) Arbitration Act 1975 und RSC Ord. 14 ausgesetzt werden, doch könne die Aussetzung - wegen der inherent Jurisdiction of the High Court - erfolgen 143 . Ein Schiedsrichter darf hiernach also über den Anspruch entscheiden. Für die entgegengesetzte Auslegung wird vorgebracht, ein Schiedsverfahren sei generell nur zulässig, wenn eine Streitigkeit bestehe. Gerade dies ist aber nicht gesichertes Recht. bb) Inhaltlich sind alle drei Begriffe dahin einzuschränken, daß sie üblicherweise nur die im Zusammenhang mit dem Hauptvertrag stehende Streitigkeiten meinen 144 , gleich ob sie sich aus Vertrag oder aus Delikt, etwa auch aus negligent misrepresentation ergeben 145 . Nicht erfaßt sind hingegen Streitigkeiten, die mit dem Hauptvertrag nichts zu tun haben. So sind Streitigkeiten über ein Pferderennen nicht von einer in einer Partnerschaftsvereinbarung enthaltenen Klausel erfaßt 146 . b) Die meisten Klauseln machen dies schon dadurch deutlich, daß sie mit Konjunktionen den Bezug zum Hauptvertrag herstellen. Populär sind etwa 1 4 7 „in connection with'\ „in relation to" m. Diese Klauseln haben nach der neueren Rechtsprechung keine darüber hinausgehende einschränkende Bedeutung, was auch dem laienhaften Wortverständnis entspricht 149 . Die ältere 141

Dazu Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, pp. 122-128, 492-496 m.w.N.

142

So Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 129.

143

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 129, n. 20.

144

Re An Arbitration

between Hohenzollern AG für Locomotivba[h]n

and the City

of London Contract Corpn (1886) 54 LT 596 (CA) at 597 per Lord Esher MR für „all disputes". 145

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 119.

146

Piercy v. Young (1879) 14 ChD 200 (CA) at 205 per Sir George Jessel MR (as he then was) („differences and disputes"). 147 Ähnlich auch „relating thereto" und „relative to", Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 119 dazu mit einer weiten Auslegung. 148

IHK-SchKl („arising in connection with"); Uncitral-SchKl („arising out of or relating to this contract or the breach, termination or invalidity thereof); LCIASchiKl („arising or in connection with this contract, including any question regarding its existence, validity or termination"); LMAA-SchiKl („arising out of or in connection with"); Gafta-SchKl („arising out of or under this contract"). 149

A &Bv.

C &D [1982] 1 Lloyd's Rep 166 per Mustill J (as he then was): Die

§ 8 Die Schiedsvereinbarung

231

Rechtsprechung hatte aber vertragsfernere, insb. deliktische Ansprüche von den Klauseln nicht als umfaßt angesehen150, sodaß hier derzeit eine erheblich Unsicherheit besteht. Man wird im Zweifel eher eine weite Bedeutung zugrundelegen müssen 151 . c) Eine weite Bedeutung haben jedenfalls die Konjunktionen „in respect of" und „with regard to". In Heyman v. Darwins wurden jedenfalls vertragliche Ansprüche als erfaßt angesehen152. Doch wurden zwischenzeitlich auch Ansprüche auf rectification und aus Nebenverträgen (collateral contracts) eingeschlossen153. d) Auch die Konjunktion „arising out of' 154 umfaßt alle, vertraglichen und deliktischen, Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem wirksam zustandegekommenen Hauptvertrag 155 . Das Zustandekommen des Hauptvertrages selbst

in der IHK-SchO enthaltene Formel „in connection with" erfasse auch Ansprüche aus Nebenverträgen; für die Formel „ relating thereto" hat De la Garde v. Worsnop & Co [1928] Ch 17 eine condition als erfaßt angesehen; vgl. insg. Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 119. 150 Als nicht erfaßt angesehen wurden in Monro v. Bognor UDC [1915] 3 KB 167 (CA) at 170/171 per Pickford LJ Schadensersatzansprüche wegen fraudulent misrepresentation, in Lawson v. Wallasey

Local Board (1883) 11 QBD 229: Schadenser-

satzansprüche wegen Verletzung (breach) eines konkludent abgeschlossenen Nebenvertrags, die hauptvertraglich geschuldeten Baggerarbeiten nicht zu behindern, und in Printing

Machinery Co Ltd v. Linotype and Machinery Ltd [1912] 1 Ch 566 ein An-

spruch auf rectification. 151

Mustill & Boyd y Commercial Arbitration, p. 119.

152

Heymann v. Darwins Ltd [1942] AC 356 at 366 per Viscount Simon LC.

153

Overseas Union Insurance Ltd v. AA Mutual International

Insurance Co Ltd

[1988] 2 Lloyd's Rep 63 („in respect of*). 154 So etwa cl. 1 (c) LOF'90 („disputes arising out of the Lloyd's form of salvage agreement or the operations therunder"); dazu The „Eschersheim" [1974] 2 Lloyd's Rep 188 at 196-198; affd [1976] 1 Lloyd's Rep 81 (CA) at 88; Centrocon clause („arising out o f ) ; ähnlich auch FOSFA-SchKl („arising out of a contract subject to FOSFA Rules, including any question of law arising in connection therewith"). 155 Der allgemeine Grundsatz wurde von Viscount Simon LC in Heyman v. Darwins Ltd [1942] AC 356 (HL) at 366 dargelegt. Es gibt hier reichlich Rspr. (dazu Mustill & Boyd y Commercial Arbitration, p. 120); so wurden als umfaßt angesehen: in

HE Daniel Ltd v. Carrnel Exporters

& Importers

Ltd [1953] 2 Lloyd's Rep 103 per

Pilcher J, as he then was, ob eine res judicata einem Anspruch entgegenstand; die unterlassene Offenbarung (non-disclosure) in einem Versicherungsvertrag, Stebbing v. Liverpool and London and Globe Insurance Co Ltd [1917] 2 KB 433; die Frage, ob

der Hauptvertrag durch einen neuen Vertrag ersetzt oder verändert wurde, in Faghirzadeh v. Rudolf Woolf SA (Pty) Ltd [1977] 1 Lloyd's Rep 630; ein Anspruch wegen Großer Havarei (general average), jedenfalls soweit er sich aus der Charterpartie selbst und nicht aus common law ergibt, EB Aaby's Rederi A/S v. Union of India (The „Evje") [1974] 2 Lloyd's Rep 57 (HL) at 62 per Lord Morris; der Anspruch auf

232

3. Teil: Versagungstatbestände

ist hingegen nicht umfaßt 156 und auch nicht solche Streitigkeiten, die sich nicht aus dem Vertrag, sondern aus einem erstinstanzlichen Schiedsspruch (Zulässigkeit des appeals) ergeben 157. e) Enger ist hingegen die Formulierung „under the contract" zu verstehen. Sie setzt voraus, daß der Vertrag fortbesteht 158. Dann sind Streitigkeiten über die Vernichtung des Vertrages nicht von der Schiedsklausel umfaßt. Doch werden auch hier deliktische und gesetzliche Ansprüche typischerweise mitumfaßt sein, wenn sie mit dem Vertrag zusammenhängen159. f) „Düring the execution of" beschränkt sich auf die Ausführungsseite des Hauptvertrages. Dabei sind aber auch deliktische und andere nichtvertragliche Ansprüche eingeschlossen, wenn sie nur genügend eng mit der Ausführung zusammenhängen160. g) Es gibt eine Reihe von die Entscheidungsbefugnis klar beschränkenden Klauseln. So soll bei Klauseln, die auf „meaning and intention of the contract" verweisen, eine Entscheidung nur über den Anspruchsgrund erfolgen 161 . Klauseln, die „disputes as to condition and quality of goods" betreffen, meinen nur Streitigkeiten über die Mangelhaftigkeit der Ware 162 . Im Baubereich

rectification, Ethiopian

Oilseeds & Pulses Export

Corpn v. Rio del Mar Foods Inc

[1990] 1 Lloyd's Rep 86 at 90 per Hirst J (as he then was). 156 Heyman v. Darwins Ltd [1942] AC 356 (HL) at 366 per Viscount Simon LC. 157

Getreide-Import-GmbH

v. Contimar SA Compagnia Industrial

Comercial y Ma-

ritima [1953] 1 WLR 793 (CA) at 801 per Singleton LJ: für ein zweites Schiedsverfahren nach LCTA, bei dem die Zulässigkeit der zweiten Schiedsinstanz des ersten Verfahrens überprüft werden sollte. 158 Dazu allgemein: Government of Gibraltar v. Kenney [1956] 2 QB 410 at 421/ 422 per Sellers J (as he then was); Heymann v. Darwins Ltd [1942] AC 356 (HL) at 399 per Lord Porter. 159 Mackender v. Feidia AG [1966] 2 Lloyd's Rep 449 (CA) at 455 per Lord Denning MR für non-disclosure und eine internationalen Gerichtsstandsvereinbarung; für Ansprüche wegen Großer Havarei (general average) Alma Shipping Corpn v. Union of India (The „Aestraea") [1971] 2 Lloyd's Rep 494 per Roskill J (as he then was) at 501; anders aber für die Klausel „arising under these Heads of Agreement": nur vertragliche Ansprüche, nicht wegen misrepresentation gem. s. 2 (1) Misrepresentation Act 1967, Fillite 160

(Runcorn) Ltd v. Aqua-Lift (1989) 45 BLR 27 (CA).

Für unzulässigen Arrest eines Seeschiffes (wrongful arrest) Astro

Vencedor

Compania Naviera SA v. Mabanaft GmbH [1971] 1 Lloyd's Rep 502 (CA) at 504 per

Lord Denning MR. 161

Richards v. John Payne & Co. (1917) 86 LJKB 937.

162

Ronassen & Son v. Metsanomistajain

Metsakeskus O/Y (1931) 40 LILRep 267

at 270 per Swift J: Die Abweisung der gelieferten Ware wegen behaupteter Falschlieferung ist von der Schiedsklausel der Timber Trade Federation of the U.K. nicht umfaßt.

§ 8 Die Schiedsvereinbarung

233

werden häufig technische und rechtliche Fragen verschiedenen Schiedsrichtern zugewiesen 163 . h) Die meisten gängigen Schiedsklauseln versuchen aber klarzustellen, daß alle Streitigkeiten, die nur irgendwie mit Bezug zu den wirtschaftlichen Verbindungen der Parteien entstehen können, von der Schiedsklausel umfaßt sein sollen. Besonders eindrucksvoll erscheint die Schiedsklausel des CIArb: „Any dispute or difference of any kind whatsoever, which arises or occurs between the parties in relation to any thing or matter arising under, out of, or in connection with this agreement shall be referred to arbitration under the Arbitration Rules of the Chartered Institute of Arbitrators."

IV. Schiedsabrede (compromis) Schiedsabreden werden im wesentlichen wie Schiedsklauseln behandelt 164 . Sie werden meist ausdrücklich und schriftlich abgeschlossen, was sich auch empfiehlt, da nur dann die Arbitration Acts 1950-1979 anwendbar sind. Sie sind aber auch stillschweigend zulässig 165 . Bei bestehender Schiedsklausel kann eine Schiedsabrede notwendig werden, wenn weitere Parteien 166 oder

163

Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 121, n. 8.

164

Nach Merkin, Arbitration Law, para. 3.1 bestehen fünf Unterschiede: (1) eine Ablösung des Schiedsrichters und die Aufhebung des Schiedsverfahrens wegen Besorgnis der Befangenheit gem. s. 24 (1) Act 1950 und (2) wegen des Vorwurfs des fraud gem. s. 24 (2) Act 1950 ist nur bei Schiedsklauseln möglich. Hier liegt aber notfalls eine Korrektur mit common law nahe. (3) Aus praktischen Gründen scheidet bei Schiedsabreden eine Verlängerung der Schiedsklagefrist gem. s. 27 aus. Andererseits sind (4) Verbraucherschiedsvereinbarungen gem. Consumer Arbitration Agreements Act 1988 und (5) Ausschluß Vereinbarungen bei Schiedsabreden gem. s. 3 1979 Act leichter möglich als bei Schiedsklauseln. 165

Westminster

Chemicals & Produce Ltd v. Eichholz & Loeser [1954] 1 Lloyd's

Rep 99 at 104/105 per Devlin J (as he then was). 166

Dazu sei auf die Konstellation bei Hoesch Export AG v. Hansa Projekt

Trans-

port GmbH (The „ World Umpire") [1990] 1 Lloyd's Rep 374 per Potter J hingewiesen. Die kl. Schifferin hatten die Charterin der der Bekl. gehörenden „World Umpire" für einen Stahltransport (Hamburg-Osaka) beauftragt. Nach Beladen des Schiffs stellte sich heraus, daß der Export gegen EWG-Recht verstieß. Bei den darauf eingeleiteten Verhandlungen der drei Parteien stimmten schließlich die Charterin und die Eignerin einer Entladung des Schiffes zu, und die Schifferin verpflichtete sich, die Kosten der Entladung und den Ausfall an Fracht zu übernehmen, abzüglich alternativer Fracht. Der Eignerin gelang es, das Schiff für einen Roggentransport (Antwerpen-Jiddah) zu verwenden. Diese Einnahmen machte nun die kl. Schifferin geltend. Sie rief das in der Charterpartie (Eignerin-Charterin) vorgesehene Schiedsgericht an. Dessen Entscheidungsbefugnis lehnten Schiedsgericht und - im Rahmen einer Feststellungsklage - der High Court ab. Weder habe sich die Charterpartie durch die Ver-

234

3. Teil: Versagungstatbestände

Streitgegenstände einbezogen werden sollen. Dagegen ist eine Schiedsabrede nicht erforderlich, wenn die Parteien die Entscheidungsbefugnis des Schiedsrichters innerhalb einer Schiedsklausel definiert haben. Hier können sie ohne weiteres, auch stillschweigend seine Entscheidungsbefugnis ausweiten 167 . Eine stillschweigende Schiedsabrede ist v.a. dann anzunehmen, wenn ein außerhalb der Schiedsklausel liegender Anspruch im Schiedsverfahren geltend gemacht wird und der Gegner die fehlende Kompetenz des Schiedsrichters nicht rügt. A u f einen Rechtsirrtum kann er sich hierbei nicht berufen 168 .

V. Persönliche Reichweite einer Schiedsvereinbarung Von der Schiedsvereinbarung berechtigt und verpflichtet werden grundsätzlich nur die Schiedsparteien 169. Das sind aber nicht notwendig die in den Schiedsvereinbarungen genannten Personen. A n ihre Stelle können Rechtsnachfolger getreten sein. Der in eigenem Namen für einen Prinzipal handelnde Agent berechtigt und verpflichtet nur den Prinzipal mit der Schiedsvereinbarung 170 . Besondere Probleme ergeben sich gerade bei den Rechtsfiguren der novation und des assignment 171 .

§ 9 Das Schiedsgericht und die am Verfahren Beteiligten I. Die Konstituierung des Schiedsgerichts Die Konstituierung des Schiedsgerichts folgt nach Art. V Abs. 1 lit. d U N - Ü subsidiär und ergänzend zur Schiedsvereinbarung dem Recht des Sitzes des Schiedsgerichts 1 und nach § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO dem Schiedsverfahrensrecht 2 . Während das Schiedsverfahrensrecht bei englischen handlungen in einen dreiseitigen Vertrag verwandelt, noch habe die Schifferin namens der Charterin verhandelt und deren Rechte erworben. Vielmehr sei zwischen Schiffer und Eigner ein weiterer Vertrag zustandegekommen, dem keine Schiedsklausel zugrundelag, at 381/382. 167

Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 133.

168

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 134 verweisen auf Thames Iron Works and Shipbuilding Co Ltd v. R (1869) 10 B&S 33. 169

Ausführlich dazu Merkin, Arbitration Law, para. 2.25 - 34.

170

Dazu Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, pp. 136/137, 139/140.

171

Dazu Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, pp. 137-139.

1

van den Berg , The New York Arbitration Convention, p. 325.

2

Vgl. BGH NJW 1976, 1591.

§ 9 Das Schiedsgericht und die am Verfahren Beteiligten

235

Schiedssprüchen stets englisches Recht sein wird, kann aus Sicht der deutschen Dogmatik ein englischer Schiedsspruch auch dann anzunehmen sein, wenn das Schiedsgericht seinen Sitz außerhalb Englands und Wales hatte (siehe oben § 4 VI). Auf diese außerordentlich seltenen Fälle wird nicht eingegangen. Das englische Konstituierungsrecht räumt den Parteien weitgehende Autonomie ein. Die gesetzlich vorgesehene Gestalt des Schiedsgerichts ist die des Einzelschiedsrichters (dazu unter 1). Häufiger 3 dürften aber das dreiköpfige Schiedsgericht (dazu unter 3) und das zweiköpfige Schiedsgericht mit einem Ersetzungsschiedsrichter, dem umpire, (dazu unter 2) sein. Gelegentlich, v.a. bei Oberschiedsgerichten im Warenhandel, gibt es auch größere, regelmäßig fünfköpfige Schiedsgerichte (unter 4 e). Die Schiedsordnungen stellen meist recht komplizierte Konstitutionsregeln zur Verfügung. A u f sie soll deshalb (unter 4) gesondert eingegangen werden. Aus Sicht der Wirkungserstreckung sind drei Erscheinungsformen problematisch: der Einzelschiedsrichter bei Ernennungssäumnis (unter 1 b), das zweiköpfige Schiedsgericht mit umpire, wenn die Schiedsrichter nach dem Uneinigkeitsbeschluß die Funktion von Parteivertretern übernehmen, das arbitrator-advocate Verfahren (unter 2 b) und Schiedsgerichte von Handelsorganisationen, wenn nur eine Partei dem Verband angehört und das Schiedsgericht ganz wesentlich vom Verband bestellt wird (unter 4 e).

1. Einzelschiedsrichter a) Übersicht Ein aus einem Schiedsrichter bestehendes Schiedsgericht gilt als gewählt, wenn die Parteien sich ausdrücklich oder stillschweigend 4 darauf geeinigt haben und wenn die Schiedsvereinbarung insoweit schweigt, s. 6 Arbitration Act 1950. Dann kann der Schiedsrichter auf sieben Arten ernannt werden: (a) die Parteien können sich selbst, sei es in der Schiedsvereinbarung, sei es vor dem Schiedsverfahren auf einen willigen Einzelschiedsrichter einigen; (b) die Parteien können sich auf die Ernennung durch einen Dritten oder den High Court geeinigt haben, s. 10 (2) Arbitration Act 19505; der High Court kann 3

Mustill & Boydy Commercial Arbitration, p. 171, n.l.

4

Aus der sehr knappen Schiedsformel in Naumann v. Edward Nathan Co Ltd (1930) 37 LILRep 249 (CA) at 250 per Scrutton LJ wurde geschlossen, daß das branchenübliche zweiköpfige Schiedsgericht mit umpire vereinbart war, siehe hierzu auch oben § 8, II.2c. 5

So etwa nach der LOF'90, cl. 6 & 11 (d) durch das Council of Lloyd's und nach den ABTA-Rules, r. 7 (iv) durch das CIArb. Die Einigung auf den High Court ist wegen der damit verbundenen hohen Kosten sehr selten, Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 177. Zu beachten ist, daß eine Ernennung nur wirksam ist, wenn der

236

3. Teil: Versagungstatbestände

die Ernennung auch auf Antrag einer Partei vornehmen: (c) wenn die Parteien sich nicht auf einen Schiedsrichter einigen können, s. 10 (l)(a) 1950 Act 6 , (d) wenn der Schiedsrichter unwillig oder unfähig ist zu handeln und die Parteien sich nicht auf eine Ergänzung einigen können, s. 10 (l)(b) 1950 Act 7 , (e) wenn das Schiedsgericht, gleich welcher Größe, seine Entscheidungsbefugnis vom High Court entzogen bekommen hat, s. 25 (2) 1950 Act 8 , und (f) durch Ernennung des umpire zum Einzelschiedsrichter, s. 8 (3) 1950 Act 9 ; (g) schließlich kann der Schiedskläger den von ihm ernannten Schiedsrichter bei Ernennungssäumnis des Schiedsbeklagten zum Einzelschiedsrichter ernennen, ss.7 (b), 10 (3), (3B) 1950 Act 1 0 .

b) Ernennung des bereits von einer Partei ernannten Schiedsrichters zum Einzelschiedsrichter bei Ernennungssäumnis des Schiedsgegners aa) Dabei geht es um folgendes Problem: Haben die Parteien vereinbart, daß jede einen Schiedsrichter ernennen werde (sei es bei einem zweiköpfigen Schiedsgericht mit oder ohne umpire nach s. 7 (b), sei es bei einem dreiköpfigen Schiedsgericht nach der neuen Regelung des s. 10 (3), (3B)), so kann der unwillige Schiedsbeklagte das Verfahren dadurch hinauszögern, daß er keine Ernennung vornimmt. Das deutsche Schiedsverfahrensrecht will bei

Ernannte sie angenommen hat. Vorher kann also der High Court nicht gem. s. 10 (l)(b) 1950 Act einschreiten, Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 177, n. 8. Vielmehr muß dann der Dritte erneut einen Schiedsrichter ernennen, In re an Arbitration between

Wilson

& Son and Eastern

Counties Navigation

and Transport

[1892] 1 QB 81 at 84 per Megaw J. 6 Voraussetzung hierfür ist, daß eine Streitigkeit, ein dispute vorliegt. Fehlt es hieran, weil der Schiedsbeklagte anerkennt oder keine ernsthafte Verteidigung vorbringt, so wird der High Court die Ernennung nicht vornehmen, sondern auf den Klageweg etwa im beschleunigten Verfahren nach RSC Ord. 14 - verweisen. Weiter muß dem Gegner eine siebentägige Frist zur Zustimmung zu einem ErnennungsVorschlag gesetzt worden sein, die verstrichen ist. 7 Hier wird die gerichtliche Entscheidung v.a. dann gesucht, wenn die Parteien sich nicht einig sind, ob ein Ausfall des Schiedsrichters vorliegt. Es besteht eine SiebenTages-Frist. 8

Bedeutung hat diese Bestimmung, wenn in einem mehrköpfigen Schiedsgericht alle Schiedsrichter vom High Court abgelöst wurden und das Gericht auf weiteren Antrag statt das schwere Geschütz der Aufhebung des Schiedsverfahrens aufzufahren und statt die allzu langwierige Ersetzung des gesamten Schiedsgerichts zu verursachen, selbst einen Einzelschiedsrichter ernennt, Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 184. 9

Zu diesem seltenen Verfahren Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 184.

10

S. 10 (3)-(3D) wurden eingefügt durch den Courts and Legal Services Act 1990 und gelten im wesentlichen für Schiedsvereinbarungen nach dem 1.4.1991.

Co

§ 9 Das Schiedsgericht und die am Verfahren Beteiligten

237

Ernennungssäumnis einer Schiedspartei der nichtsäumigen Partei, meist dem Schiedskläger damit helfen, daß das Gericht auf seinen Antrag hin den von der säumigen Partei zu ernennenden Schiedsrichter an ihrer Stelle ernennt, § 1029 ZPO. Dieses kostspielige und zeitraubende Verfahren kennt auch das englische Recht, s. 10 (l)(a), (3), (3C) Arbitration Act 1950, oben a. Häufiger wird aber von einem einfacheren, schnelleren und billigeren Verfahren Gebrauch gemacht: Der Gegner der säumigen Schiedspartei darf den von ihm ernannten Schiedsrichter nach Fristsetzung zum Einzelschiedsrichter ernennen, ss.7 (b), 10 (3B) Arbitration Act 1950. Die Parteien sparen nicht nur die Gerichtskosten, sondern auch die Kosten eines zweiten und womöglich dritten Schiedsrichters. Wird dieses Recht nicht abbedungen11, so ist Voraussetzung für die Ernennung zum Einzelschiedsrichter zunächst, daß die Schiedsvereinbarung 12 die Ernennung eines Schiedsrichters durch jede Partei vorsieht 13 . Außerdem muß die nichtsäumige Partei ihren eigenen Schiedsrichter ernannt haben. Das setzt das Einverständis des Schiedsrichters und die Mitteilung der Ernennung an den Gegner voraus 14 . Ferner muß er der säumigen Partei eine Erklärung übermitteln, in der er ihr eine mindestens siebentägige Frist unter der Androhung setzt, er werde „seinen" Schiedsrichter nach fruchtlosem Verstreichen der Frist zum Einzelschiedsrichter ernennen 15. Diese Frist muß tatsächlich verstrichen sein. Und schließlich muß die Partei den Einzelschiedsrichter ernannt haben, was wiederum sein Einverständnis 16 und die Mitteilung an die säumige Partei voraussetzt 17. Unklar ist bei Zweierschiedgerichten, wann Säumnis vorliegen muß. Der Wortlaut von s. 7 (b) spricht eher dafür, daß die Partei schon zu der Zeit, zu der die Fristsetzung erfolgt, säumig sein muß. Mustill & Boyd vertreten hin-

11 Was nach s. 7 1950 Act zulässig und nicht gerade selten ist: Art. 2 Abs. 6 UAbs. 4 IHK-SchO; Art. 7 Abs. 2 Uncitral-SchVfRg; art. 3.4 LCIA-Rules; r. 3:7 Gafta No. 125; r. 1 (d) FOSFA-Rules; unklar ist bislang die Zulässigkeit eines Ausschlußes nach s. 10 (3B) 1950 Act. 12 Und sei es auch stillschweigend, wie in Laertis Shipping Corpn v. Exportadora Espanola de Cementos Portland SA (The „Laertis") [1982] 1 Lloyd's Rep 613.

13

Mustill

& Boyd , Commercial Arbitration, p. 181; vgl. dazu etwa Marinos &

Frangos Ltd v. Dulien Steel Products Inc of Washington [1961] 2 Lloyd's Rep 192. 14

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 181.

15

Vigers Bros Ltd v. Montague L Meyer Ltd (1938) 62 LILRep 35 at 39.

16

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 182.

17

Die Ernennung muß erfolgen, wenn alle anderen Voraussetzungen erfüllt sind, Rubin v. W Smith & Co (Grimsby) Ltd (1939) 64 LILRep 7 (Ernennung vor Fristablauf); Drummond v. Hamer [1942] 1 KB 352 (unzulässige, mit der fehlenden Ernennung durch die Gegenseite innerhalb der 7-Tage-Frist bedingte Ernennung).

238

3. Teil: Versagungstatbestände

gegen die Meinung, daß die Säumnis auch schon durch die Fristsetzung erzeugt werden kann 18 . Bei einem guten Schiedsrichter wird das Problem nicht eintreten. Er wird seine Zustimmung zur Ernennung zum Einzelschiedsrichter nur erteilen, wenn er sich vergewissert hat, daß die Gegenpartei tatsächlich säumig ist. Beim Dreierschiedsgericht muß die Säumnis, wie sich aus s. 10 (3)(b) ergibt, bereits vor der Setzung der Sieben-Tages-Frist nach s. 10 (3B) bestehen. Das Verfahren nach s. 7 (b) - und wohl auch nach s. 10 (3B) - greift auch, wenn eine Partei mit der Ersetzung „ihres" ausgefallenen Schiedsrichters in Verzug geraten ist 19 . Zu betonen ist schließlich, daß die Ernennung zum Einzelschiedsrichter nicht notwendig endgültig ist. Vielmehr kann sie der High Court auf Antrag gem. ss.7, 10 (3C) aufheben. Davon wird das Gericht vor allem dann Gebrauch machen, wenn es den Eindruck gewinnt, daß der Einzelschiedsrichter befangen sein könnte oder daß das Ernennungsverfahren überhastet durchgeführt wurde 20 . Auch wenn sich erst im nachhinein ergibt, daß bei dem nach ss.7 (b), 10 (3B) ernannten Schiedsrichter eine Besorgnis der Befangenheit besteht, kann er aus diesem Grunde von der säumigen Partei abgelehnt werden, s. 24 (1) Arbitration Act 1950. Dann kann sein Schiedsspruch gem. s. 22 (2) Arbitration Act 1950 angegriffen werden. bb) Das Ernennungsverfahren nach s. 7 (b) wurde wiederholt bei Exequaturverfahren als gegen den verfahrensrechtlichen ordre public des Vollstrekkungsstaates verstoßend angegriffen, doch nie mit Erfolg 21 . Angriffe wegen Verfahren nach s. 10 (3B) sind bislang nicht bekannt geworden. Auch ihnen dürfte kein größerer Erfolg beschieden sein. Allerdings hat der damals zuständige VII. Zivilsenat des BGH einem deutschen Schiedsspruch die Vollstreckbarerklärung versagt, bei dem der Einzelschiedsrichter nach der London Form Tanker Voyage Charter Party auf eine im wesentlichen dem englischen gesetzlichen Verfahren entsprechenden Weise ernannt worden war 22 . Zur Begründung führte er aus, eine Schiedsvereinbarung, die die Ernennung sämtli-

18

Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 183.

19

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 183.

20

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 183.

21

BGHZ 98, 70; OLG Hamburg RIW 1985, 490 (491); Corte di appello di Genova

RDIPP 16 (1981) 166; Corte di appello di Venezia YCA III (1978), 277 (278) (= RDIPP 1976, 851), und wohl auch Appellationshof Tokio RevArb 1964, 102; vgl. für einen inländ. Schiedsspruch OLG Hamburg MDR 1969, 491 (492); die amerikanische Sache Al Haddad Bros Enterprises

Inc v. M/S Agapi 635 FSupp 205, 210

(DDel 1986) untersuchte lediglich unter der Perspektive des Versagungsgrundes Art. V Abs. 1 lit. d UN-Ü und stellte insoweit zurecht keinen Verstoß fest; ein verwandtes Problem zeigt sich bei Verbandsschiedsgerichten, dazu unten 4e.bb. 22

BGH KTS 1971, 104 = BGHZ 54, 392.

§ 9 Das Schiedsgericht und die am Verfahren Beteiligten

239

eher Schiedsrichter einer Partei überlasse, wenn auch nur subsidiär für den Fall, daß die andere Partei von ihrem Recht, selbst einen Schiedsrichter zu wählen, keinen Gebrauch mache, sei gem. § 134 BGB nichtig. Sie verstoße nämlich gegen das auch für Schiedsgerichte geltende Gebot überparteilicher Rechtspflege 23. Die Überparteilichkeit gebiete nicht nur, daß Richter oder Schiedsrichter tatsächlich unvoreingenommen sind. Sie komme schon dann zur Anwendung, wenn ein unbefangener Betrachter diesen Eindruck gewinnen könne 24 . Bei Schiedsgerichten komme hinzu, daß Parteien geneigt seien, Schiedsrichter zu bestellen, von denen sie annähmen, sie würden den Rechtsstreit zu ihren Gunsten entscheiden. Jedenfalls entstehe schon mit der Bestellung eine besondere persönliche Beziehung zwischen dem Schiedsrichter und der ihn ernennenden Partei, die geeignet sein könne, seine Überparteilichkeit in Frage zu stellen. Werde nämlich ein entsprechendes Gegengewicht durch die Bestellung des anderen Schiedsrichters durch die Gegenpartei oder durch den staatlichen Richter geschaffen, so biete das Schiedsgericht insgesamt das Bild der Überparteilichkeit. Fehle dieses Korrektiv aber, so entstehe der Eindruck der Benachteiligung der Gegenpartei 25. Einen solchen Besetzungmangel, der auf einem Verstoß gegen das Gebot der überparteilichen Rechtspflege beruhe, könne nicht deshalb hingenommen werden, weil die Gegenpartei Gelegenheit hatte, ihn abzuwenden; er hafte dem Schiedsgericht vielmehr schlechthin an 26 . Dem Hinweis des Berufungsgerichts auf eine Ablehnungsmöglichkeit bei Befangenheit gem. § 1032 ZPO, ist der BGH entgegengetreten. Von einer Ablehnung könne nur bei in der Person des Schiedsrichters liegenden Gründen Gebrauch gemacht werden. Hier ergebe sich die Besorgnis der Befangenheit aber allein daraus, daß nur eine Partei bei der Bestellung des Schiedsgerichts beigetragen habe27. Der fehlenden Mitwirkungspflicht einer Partei sei nicht durch eine Straffung des Schiedsverfahrens abzuhelfen, sondern durch Ernennung des fehlenden Schiedsrichters durch einen Dritten oder durch das staatliche Gericht 28 . Das RG hatte hingegen argumentiert, daß sich eine mit der Ernennung säumige Partei die Schiedsrichterbenennung durch ihren Gegner selbst zuzuschreiben habe29. Einen Verstoß gegen den ordre public hat es deshalb ab-

23 24 25 26 27

28 29

BGH BGH BGH BGH

KTS 1971, 104 (105). KTS 1971, 104 (106). KTS 1971, 104(106). KTS 1971, 104 (107). BGH KTS 1971, 104 (107 f.). BGH KTS 1971, 104(107). RG JW 1919, 109; 1934, 362.

240

3. Teil: Versagungstatbestände

gelehnt 30 . Die ältere obergerichtliche Rechtsprechung wollte hingegen überwiegend den dispositiven Charakter der §§ 1025 ff. ZPO nicht so weit reichen lassen, daß die Unparteilichkeit des Schiedsgerichts verloren gehe 31 . Der nunmehr zuständige III. Zivilsenat des BGH hat in einer neueren, einen englischen Schiedsspruch 32 betreffenden Entscheidung ausdrücklich offengelassen, ob er der Rechtsprechung des VII. Senats folgen wolle. Die Rechtsprechung des VII. Senats hatte sich wesentlich auf die Habilitationsschrift von Kornblum gestützt33 und fand bei ihm und auch sonst in der Literatur weitgehend Zustimmung 34 . Sie stützt ihre Ablehnung von inländischen Verfahren, die ss.7 (b), 10 (3B) entsprechen, aber auch auf das Fehlen der in § 1025 Abs. 2 ZPO verankerten Waffengleichheit der Parteien 35. Dem kann nicht gefolgt werden. Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz, wenn beiden Parteien die gleichen Rechte zustehen, sie von diesen aber unterschiedlich Gebrauch machen36.

30

RG JW 1934, 362. OLG Neustadt/W. NJW 1955, 635 (636); OLG Karlsruhe NJW 1957, 1036; anders aber: OLG Hamburg MDR 1969, 491 (492); einen anderen Fall betraf KG JW 1931, 77 (78); hier wurde die Ernennung auch des Vorsitzenden und dritten Schiedsrichters durch eine Schiedspartei abgelehnt. 31

32 BGHZ 98, 70 (73); ebenso schon OLG Hamburg RIW 1985, 490 (491); Raeschke-Kessler, NJW 1988, 3046 interpretiert BGHZ 98, 70 schon als Aufgabe der Rspr. in KTS 1971, 104. 33 Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 204 ff., 230 ff., 243, 256. 34 Kornblum, ZZP 84 (1971), 384; ders., NJW 1987, 1107 zust. auch Rosenberg/ Schwab, Zivilprozeßrecht, 14. Aufl. 1986, § 175 II 3, S. 1166; Habscheid, NJW 1962, 8; ders., KTS 1970, 4; ders., JZ 1971, 233; Bärmann, Fs. Weber, 19; Stein/ Jonas/Schlosser, § 1032, Rn. 17 (Verstoß gegen ordre public i.S.d. § 1041 Abs. 1 Nr. 2 ZPO); Thomas/Putzo, § 1028, Anm.3; Baumbach/Lauterbach, § 1028, Anm. 1 B; Wais, in: Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, Rn. 158; im Ergebnis auch Bartos, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, S. 98, der die beim inländischen Verfahren unsinnige Differenzierung vornehmen will, ob eine dem s. 7 (b) (und wohl s. 10 (3B)) vergleichbare, gesetzliche Bestimmung vorliegt oder eine privatautonome Vereinbarung. In inländischen Verfahren ist ausländisches Verfahrensrecht nie anwendbar; auch im übrigen ist die Grundlage der Differenzierung nicht erkennbar; zur a.A. s.u. Fn. 37. 35 Stein/Jonas/Schlosser, § 1032, Rn. 17 (Rechtsgedanke des § 1025 Abs. 2 ZPO); Kornblum, ZZP 84 (1971), 342, allerdings unter Klarstellung, daß kein Verstoß gegen § 1025 Abs. 2 ZPO selbst vorliege (S. 345). 36 G.H. Roth, Der Vorbehalt des ordre public, S. 162; Rolle, MDR 1956, 262; Bartos, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, S: 96 f.

§ 9 Das Schiedsgericht und die am Verfahren Beteiligten

241

Mit einer wachsenden Literaturmeinung 37 ist auch im übrigen der Kornblumschen Meinung nicht zuzustimmen. Entscheidend ist nämlich, daß die Besorgnis der Befangenheit die Person des Schiedsrichters betrifft und nicht die von einer Partei vorgenommene Ernennung 38. Sicher mag sich eine Partei bei der Ernennung „ihres" Schiedsrichters von eigennützigen Interessen leiten lassen. Doch ist schon das nicht selbstverständlich. Vernünftigerweise wird der (typischerweise zunächst ernennende) Schiedskläger ein Interesse an einem zügigen Verfahren haben. Er wird deshalb versuchen, ein Ablehnungsverfahren gegen seinen Schiedsrichter weitestgehend zu verhindern. Darauf kommt es aber letztlich nicht entscheidend an. Befangenheit betrifft nicht die Frage, ob eine Partei einen parteiischen Schiedsrichter wünscht. Das mag zwar ein Indiz sein. Entscheidend ist aber, ob die Person des Schiedsrichters selbst Besorgnis zur Befangenheit gibt. Das wird man bei einem Ernennungsübergewicht einer Partei nicht notwendig annehmen können39. Der Schiedsrichter kann und wird häufig eine völlig respektable Persönlichkeit sein - ein Hochschullehrer, ein Richter, ein angesehener Anwalt oder ein renommierter Fachmann - , die mit der Partei außer durch die Ernennung nicht verbunden ist. Soll eine solche Person wirklich die in der generellen Behauptung der Befangenheit liegende Herabwürdigung über sich ergehen lassen, nur weil möglicherweise die ihn ernennende Partei bei der Ernennung eigensüchtig war? Kornblum selbst stützt sich denn auch nicht primär auf die Befangenheit der Schiedsrichter, sondern auf die Behauptung, das Gebot überparteilicher Rechtspflege umfasse konkrete wie abstrakte Gefährdungsverbote 40. Das ergebe sich schon aus § 42 ZPO. Eine konkrete Gefährdung der Überparteilichkeit bestehe etwa, wenn der Richter bzw. Schiedsrichter aus sachfremden Erwägungen die Interessen einer Partei fördere. Es genüge aber, wenn der Entscheidende - abstrakt - eine nähere Beziehung zu einer Partei oder zu einem Prozeßbevollmächtigten habe, wenn er ein besonderes Interesse am Prozeßausgang habe oder wenn er sich bereits früher mit der Sache befaßt habe41. Dem ist insoweit zuzustimmen, als es in der Tat nicht des Beweises

37

Schwab /Walter,

Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 9 Rn. 10; Wieczorek/Schütze,

§ 1028, Anm. A I b 1; Rolle, MDR 1956, 261; G.H. Roth, Der Vorbehalt des ordre public, S. 162; Walter, JZ 1987, 156; v. Winterfeld, NJW 1987, 3059; Haas, Anerkennung und Vollstreckung, S. 230; Raeschke-Kessler, NJW 1988, 3046; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 15. Aufl. 1993, § 173 II 3, S. 1089. 38

So auch Bartos, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, S. 97. Insoweit auch BGH KTS 1971, 104 (107); Corte di appello di Genova RDIPP 16 (1981), 166. 39

40

Kornblum, NJW 1987, 1107.

41

Kornblum, NJW 1987, 1107.

16 Kilgus

242

3. Teil: Versagungstatbestände

der Befangenheit bedarf 42. Auch genügen alle insoweit als Beispiele zitierten Fälle, um eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit zu bejahen. Doch darf bei Tatbeständen, bei denen nur eine Möglichkeit besteht, daß der Schiedsrichter befangen ist, nicht stets auf eine Besorgnis der Befangenheit geschlossen werden. Besonders deutlich wird dies an folgendem Beispiel: Ein Schiedsrichter kann ein Interesse am Ausgang eines Schiedsverfahrens haben, wenn er Anteilseigner einer der Parteien ist. Wegen Besorgnis der Befangenheit ist er abzulehnen, wenn sein Anteil erheblich ist. Sehr viel weniger klar ist dies, wenn er über ein kleineres Aktienpaket eines Großunternehmens verfügt. Ähnliches gilt auch, wenn er infolge Säumnis der Gegenpartei zum Einzelschiedsrichter ernannt wird. Es kommt auf die konkreten Umstände der (abstrakten) Gefährdung seiner Überparteilichkeit an. Ist er nur durch die Ernennung mit einer Schiedspartei verbunden, so wird dies für sich nicht ausreichen, ihn abzulehnen. Ist er ihr aber auch sonst verbunden, was gerade in dem engen Kreis des See- und Warenhandels geschehen kann, so kann das seine Ablehnung rechtfertigen. Außerdem ist darauf hinzuweisen, daß das mögliche Übergewicht der an erster Stelle ernennenden Partei nicht dadurch beseitigt wird, daß für die säumige Gegenpartei der staatliche Richter oder ein unabhängiger Dritter einen Schiedsrichter ernennt 43. Dann wird nämlich eine ausgewogene Person ausgewählt und gerade nicht eine der säumigen Partei gewogene. Ist der zuerst ernannte Schiedsrichter „seiner" Partei gegenüber parteiisch, so führt die Ernennung eines neutralen Schiedsrichters dazu, daß die Justitia des Schiedsgerichts nicht mit beiden Augen nach den Interessen des Ernennenden schielt, sondern nur mit einem 44 . Insoweit zusammenfassend ist klarzustellen, daß jeder Schiedsrichter abgelehnt werden darf, sobald sich aus konkreten Anhaltspunkten Gründe ergeben, die seine Befangenheit besorgen lassen. Es ist auch eine genauere Kontrolle dieser Anhaltspunkte vorzunehmen, wenn der Schiedsrichter nur von einer Partei ernannt wurde. Doch darf keinesfalls ein Schiedsrichter ohne weiteres abgelehnt werden, nur weil er lediglich von einer Partei ernannt wurde. cc) Nach der hier vertretenen Meinung kommt bei inländischen Verfahren also weder eine Versagung der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung unter dem Gesichtspunkt des § 1041 Abs. 1 Nr. 1 ZPO noch unter dem der 42 Das meint Kornblum, NJW 1987, 1107 wohl mit seiner Unterscheidung, sonst macht die Bezugnahme auf § 336 StGB keinen Sinn. 43 So etwa auch Kornblum, ZZP 84 (1971), 344. 44 So im Ergebnis auch Bartos, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, S. 97.

§ 9 Das Schiedsgericht und die am Verfahren Beteiligten

243

Nr. 2 dieser Vorschrift in Betracht. Die Schiedsvereinbarung ist nicht sittenwidrig. Eine inländische Fundamentalnorm ist nicht verletzt. Schon deshalb kommt auch bei ausländischen Verfahren eine Anwendung des ordre public, etwa gem. Art. V Abs. 2 lit. b U N - Ü und § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht in Betracht. Dem stimmen nicht nur die Anhänger der Meinung zu, die eine Wirkungserstreckung auch bei inländischen Schiedsverfahren im Grundsatz zulassen will 4 5 , sondern auch der BGH in der erwähnten Entscheidung des III. Senats46 und - soweit gesehen - alle in- 4 7 und ausländische48 Entscheidungen, sowie die Mehrheit der Literatur 49 . Der BGH stützt seine Entscheidung im wesentlichen auf Erwägungen zum ordre public international. Ein Verstoß gegen diesen Normenkomplex könne nur angenommen werden, wenn im konkreten Fall durchgreifende Bedenken gegen die Person des Schiedsrichters bestehen50. Er hat auch bei kenntnisreicher und sorgfältiger Darstellung der englischen Rechtslage ausdrücklich klargestellt, daß die Regelung des s. 7 (b) für sich keinen Anlaß für ein Einschreiten der deutschen Gerichte gebe 51 . Dasselbe dürfte nunmehr für s. 10 (3B) gelten. Dem ist Kornblum entgegengetreten 52. Das im öffentlichen Interesse liegende Gebot strikt überparteilicher Rechtspflege gebiete auch bei ausländischen Schiedsverfahren eine Versagung der Wirkungserstreckung wegen des deutschen ordre public. Doch ist dieser Auffassung schon für inländische Verfahren die Zustimmung versagt worden. Wenn man der Auffassung Kornblums für deutsche Schiedssprüche folgt, so stellt das Gebot überparteilicher Rechtspflege eine Fundamentalnorm dar, die nach deutschem Recht und für deutsche Schiedssprüche zur Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung führt. Bei englischen Schiedssprüchen würde man allerdings abwägen müssen, ob nicht

45

Siehe dazu oben Fn. 29 zur Rechtsprechung und Fn. 37 zur Literatur.

46

BGHZ 98, 70.

47

OLG Hamburg RIW 1985, 490 (491).

48

Corte di appello di Genova RDIPP 16 (1981) 166; wohl auch Appellationshof Tokio RevArb 1964, 102. 49 Bartos, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, S. 101 ff.; MüKo-ZPO/HJ. Maier, § 1044, Rn. 11; Robert, L'arbitrage, 4C 6d. 1967, no. 305. 50 BGHZ 98, 70 (75); soweit das Gericht außerdem fordert, es müsse feststehen, daß der Schiedsrichter ungeeignet oder voreingenommen sei und sich hiervon bei der Entscheidung habe leiten lassen, kann ihm nicht gefolgt werden. Wie stets genügt die Besorgnis der Befangenheit, die sich allerdings auch konkreten Anhaltspunkten ergeben muß; ebenso Bartos, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, S. 101. 51

52

BGHZ 98, 70 (75 f.).

Kornblum, NJW 1987, 1105; Thomas/Putzo, ser, ZZP 93 (1980), 133. 16*

§ 1044, Anm.3 sub Nr. 2; Schlos-

244

3. Teil: Versagungstatbestände

die im englischen Recht selbst enthaltenen Rechtsbehelfe aus ss. 7, 10 (3C), 24 (1) Arbitration Act 1950 53 ausreichen, um sowohl dem behaupteten deutschen Interesse an einem Gleichgewicht bei der Ernennung als auch der Achtung vor dem britischen Souverän Rechnung zu tragen.

2. Schiedsgericht aus zwei Schiedsrichtern und einem umpire a) Allgemeines Ein zweiköpfiges Schiedsgericht wird meist durch Ernennung je eines Schiedsrichters durch die Parteien gebildet 54 . Zur Ernennung ist die Ermächtigung an den Schiedsrichter, seine Zustimmung und die Mitteilung an den Gegner erforderlich 55 . Doch kommen auch hier Ernennungen durch Dritte und das Gericht sowie Ergänzungen durch Parteien oder das Gericht in Betracht 56 . Vereinbaren die Parteien ein zweiköpfiges Schiedsgericht, so wird gem. s. 8 (1) Arbitration Act 1950 angenommen, sie hätten darüber hinaus einen umpire ernannt. Das ist ein Schiedsrichter, der anstelle der ursprünglichen Schiedsrichter über den gesamten Streitgegenstand entscheidet, wenn sich die Ausgangsschiedsrichter nicht einigen können 57 . Er wird nahezu immer von den Schiedsrichtern bestellt und meist erst, wenn sie ihre Uneinigkeit festgestellt haben 58 . Können sich die Schiedsrichter nicht auf einen umpire einigen, kann die Ernennung durch den High Court beantragt werden, s. 10 (l)(c) Arbitration Act 1950.

53

Darauf hat Engelhardt, hingewiesen.

in: Böckstiegel, Schiedsgerichtsbarkeit im Umfeld, S. 46

54

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 173.

55

Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 184; einen Ausnahmefall betraf Leg-

umbres Sacifla v. Central de Cooperatives de Productores

do Rio Grande do Sul Ltda

[1986] 1 Lloyd's Rep 401 (CA) at 403 per Sir John Donaldson MR (as he then was): Hier hatte der Schiedsbeklagte sich auf die Androhung des Schiedsklägers, man werde die FOSFA auffordern, den zweiten Schiedsrichter zu ernennen, wenn er nicht rechtzeitig ernenne, erklärt, er habe bereits einen Schiedsrichter ernannt; als dieser Schiedsrichter um Bestätigung des Auftrags nachsuchte und um Aktenvorlage bat, schwieg der Schiedsbeklagte; der Schiedsspruch der zwei Schiedsrichter war wirksam; der Antrag nach s. 26 Arbitration Act 1950 erfolgreich. 56 Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 173; Ergänzung durch Partei gem. s. 7 (a), durch Gericht gem. s. 10 (b), 25 (1), 6 (2) Arbitration Act 1950. 57

Cerrito

v. North Eastern Timber Importers Ltd [1952] 1 Lloyd's Rep 330; anders

aber Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 173. 8

Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 1 9 .

§ 9 Das Schiedsgericht und die am Verfahren Beteiligten

245

Gelegentlich nimmt der umpire bereits am Ausgangsverfahren teil. Dann kann sein Schiedsspruch schneller ergehen, wenn die Schiedsrichter sich tatsächlich nicht einigen. Noch seltener wird einem umpire, v.a. wenn er der einzige Jurist im Verfahren ist, auch die Sitzungsleitung übertragen. Das hat den Vorzug, daß die Ausgangsschiedsrichter ihre fachliche Kompetenz einbringen können und nicht die Gefahr besteht, daß sie das Verfahren bereits dann an den umpire abgeben müssen, wenn sie sich über eine rein prozessuale Frage uneinig sind 59 . Schließlich wird zuweilen bei längeren Verfahren vereinbart, daß der umpire nur die konkret zur Uneinigkeit führende Frage entscheiden möge, daß alle anderen Fragen aber bei den Ausgangsschiedsrichtern verbleiben sollen. Dann können sie ihre Fachkompetenz länger einbringen 60 . Damit der umpire zur Entscheidung befugt wird, muß eine Uneinigkeit zwischen den Schiedsrichtern vorliegen. Das wird angenommen, wenn die Frage, in der sie keine Einigung erzielen können, so gewichtig ist, daß sie mit dem Verfahren nicht fortfahren können 61 . Das kann aber schon bei einer prozessualen Frage der Fall sein und sogar schon vor der mündlichen Verhandlung 62 . Die Uneinigkeit muß nicht ausdrücklich und förmlich erklärt werden; das offensichtliche Fehlen einer Übereinstimmung reicht aus 63 . M i t der Uneinigkeit verlieren die Ausgangsschiedsrichter ihre Entscheidungsbefugnis; sie sind „functus officio" 6 4 . Vor der Uneinigkeit wird von den Ausgangsschiedsrichtern erwartet, daß sie ebenso neutral sind wie ein Einzelschiedsrichter 65. Insbesondere darf er nicht die Interessen der ihn ernennenden Partei vertreten, er darf sie nicht beraten oder als Prozeßbevollmächtigter auftreten 66. Grundsätzlich darf er 59

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 190.

60

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 261; wo keine dahingehende Vereinbarung besteht, gilt aber eine strikte Trennung, Cerrito v. North Eastern Timher Importers Ltd [1952] 1 Lloyd's Rep 330 at 332/333 per Seilers J (as he then was). 61

Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 262.

62

Vgl. i.e. Iossifoglu

v. Coumantaros [1941] 1 KB 396 (CA) at 401; Winteringham

v. Robertson (1858) 27 LJEx 301 at 304. 63 Winteringham v. Robertson (1858) 27 LJEx 301 at 304. 64

Tracomin SA v. Gibbs Nathaniel (Canada) Ltd [1985] 1 Lloyd's Rep 586 at 589.

65

Veritas

Shipping Corp v. Anglo-Canadian Cement Ltd [1966] 1 Lloyd's Rep 76

at 77 per McNair J (ausdrücklich, wenn hier die Lage auch recht klar war: Der eine Schiedsrichter war der Direktor der Schiedsbekl., vgl. aber Tracomin SA v. Gibbs Nathaniel (Canada) Ltd [1985] 1 Lloyd's Rep 586 at 594: Die Erklärung des Schiedsrichters, er sei Agent einer Partei, genüge noch nicht. 66

The „Myron " (Owners)

v. Tradax

Export SA [1969] 1 Lloyd's Rep 411 at 415

per Donaldson J (as he then was); vgl. Ritchie v. W Jacks & Co (1922) 10 LILRep 519 (CA) at 520/521.

246

3. Teil: Versagungstatbestände

auch nichts von dem verschweigen, was ihm die ihn ernennende Partei mitteilt. Davon wird jedoch aus Praktikabilitätsgründen z.T. abgewichen. Der Schiedsrichter ist dann der Ansprechpartner der ihn ernennenden Partei. Er darf sie nicht beraten. Er darf ihr aber in ähnlicher Weise Hinweise geben, wie dies auch ein deutscher Richter gem. § 139 ZPO darf 67 . Er vertritt die ihn ernennende Partei nicht. Seine Stellung ist eher der eines Berichterstatters im deutschen Zivilprozeß vergleichbar, wobei er es übernimmt es, den Vortrag „seiner" Partei darzustellen und zu koordinieren 68 . Die Sorge um die Neutralität der Schiedsrichter ist regelmäßig nicht gerechtfertigt. Die Befangenheit ist nämlich am gesamten Spruchkörper zu messen69. Dieser ist aber ausgewogen70.

b) Der arbitrator advocate Nach der Uneinigkeit werden in Seehandels- und Warenhandels verfahren 71 recht häufig die Ausgangsschiedsrichter nicht jeden Bezug zum Verfahren verlieren. Vielmehr werden sie als arbitrator-advocates tätig 72 . Sie werden also zu Prozeßbevollmächtigten der sie ernennenden Partei. Der praktische Grund hierfür liegt wiederum in der Zeit- und in der Kostenersparnis. Die Partei muß nicht zum Verfahren anreisen. Es müssen nicht mit der Sache bislang nicht befaßte Personen erst instruiert werden. Vielmehr

67 Alpine Shipping Co v. Vinbee (Manchester) Ltd [1980] 1 Lloyd's Rep 400 at 403/404; Tracomin SA v. Gibbs Nathaniel (Canada) Ltd [1985] 1 Lloyd's Rep 586 at

594: Schiedsrichter weisen bei FOSFA „ihre" Parteien auf die Verfahrensregeln hin. 68

Vgl. Alpine Shipping Co v. Vinbee (Manchester) Ltd [1980] 1 Lloyd's Rep 400.

69

BGH KTS 1971, 104 (106).

70

Kritisch zum gesamten umpire-Verfahren Schlosser, AktG 1979, 242, doch unsubstantiiert und daher nicht nachvollziehbar. 71 Aber auch praktisch nur in diesem Bereich, Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 258, n. 1; im Baubereich sind die Verfahren so komplex, daß sie praktisch nur in Anlehnung an ein staatliches Verfahren funktionieren können, Alexander & Pleasance in Bernstein & Wood, Handbook of Arbitration Practice, para. 62.1; in Grund- und Pachtevaluationsverfahren sind sie historisch unüblich, Nutley in Bernstein & Wood, op. cit., para. 82.1, vgl. aber para. 89.2; in den Kleinbetragsverfahren schließlich wird der Einzelschiedsrichter praktisch stets ernannt, Rutherford, in: Bernstein & Wood, op. cit., para. 52.1, vgl. r. 7 (iv) ABTA-Rules. 72

Letzter Widerstand gegen die Rechtsfigur haben Swinfen-Eady MR in Roff v.

British and French Chemical Manufacturing Co [1918] 2 KB 677 at 680 und Lush J in French Government v. Tsurushima Maru (1921) 7 LILRep 244 at 246 zum Aus-

druck gebracht. Seitdem ist sie anerkannt, wie die zahlreiche Rspr. belegt, so ausdrücklich Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 259, n. 6 m.w.N.

§ 9 Das Schiedsgericht und die am Verfahren Beteiligten

247

erfährt der umpire aus erster Hand, worüber die Ausgangsschiedsrichter uneinig sind 73 . Ob ein arbitrator advocate-Verfahren gewünscht wird, ergibt sich meist nicht ausdrücklich aus der Schiedsordnung. Doch kann eine stillschweigende Billigung eines solchen Verfahrens angenommen werden, wenn die Parteien in einem Schiedsverfahren im See- oder Warenhandelssektor als Ausgangsschiedsrichter „commercial men" vorsehen oder wenn sie solche bestellen. Werden hingegen Juristen bestellt, so ist von einem förmlichen Verfahren auszugehen74. Nach der Uneinigkeit hat der arbitrator advocate als Prozeßvertreter der ihn ernennenden Partei, die nunmehr seine Mandantin ist, aufzutreten. Insbesondere hat er seine Partei zu beraten, ihre Interessen zu vertreten und das Recht sie prozessual zu binden 75 , v.a. einen umpire zu ernennen 76. Er kann aber nicht einer Erweiterung der Entscheidungsbefugnis des umpire zustimmen 77 . Ein infolge einer solchen Vereinbarung ergangener Schiedsspruch ist, soweit er auf der Vereinbarung beruht, wegen Überschreiten der Zuständigkeit nichtig mit der Folge, daß er in Deutschland nicht in der Wirkung erstreckt werden kann, Art. V Abs. 1 lit. c UN-Ü; § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Gegen die Tätigkeit der arbitrator advocates als Anwälte bestehen aus Sicht des deutschen Wirkungserstreckungsrechts keine Bedenken; ein Schiedsspruch eines umpire ist grundsätzlich anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären. Auch das deutsche staatliche Zivilprozeßrecht hat in dem in etwa vergleichbaren Fall der Tätigkeit eines in unterer Instanz tätigen Richters als Anwalt einer Partei in höherer Instanz keine Bedenken 78 . Auch Schiedssprüche der Ausgangsschiedsrichter sind im Grundsatz in der Wirkung zu erstrecken. Das Schiedsgericht muß nämlich nur insgesamt den

73

Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 258.

74

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 259.

75

Vgl. etwa Hill Court Shipping Co SA v. Cie Continentale

„Yperagia") 76

(France)

SA (The

[1977] 1 Lloyd's Rep 29 at 36.

Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 263.

77

Es sei denn er hat die Ermächtigung seiner Partei, Westminster Chemical & Produce Ltd v. Eichholz & Loeser [1954] 1 Lloyd's Rep 99 at 106 per Devlin J (as he then was). 78 Zwar liegt ein Verstoß gegen § 45 Abs. 1 Nr. 3 BRAO vor, der zur Nichtigkeit (§ 134 BGB) des Geschäftsbesorgungsvertrags mit dem Anwalt führt (Feuerich, BRAO, § 45, Rn. 54 m.w.N. zum Meinungsstand), nicht aber zur Vernichtung der Prozeßvollmacht (Feuerich, ebd., § 45, Rn. 56 m.w.N.), unstr.; vgl. für das frz. Recht auch Cour d'appel de Reims RevArb 1982, 303, wo gebilligt wurde, daß ein erstinstanzliche Schiedsrichter in einem Gafta-Verfahren, wo es keine umpires gibt, in zweiter Instanz als Advokat auftritt.

248

3. Teil: Versagungstatbestände

Eindruck der Ausgewogenheit geben79. Das ist hier der Fall. Zwar ist jeder der Ausgangsschiedsrichter „seiner" Partei gewogen. Seine Unbefangenheit wird weiter dadurch beschränkt, daß er um seine mögliche Bestellung als Advokat weiß. Er wird sich deshalb schwerer tun, eine Position einzunehmen, von der er befürchten muß, daß er sie später zurücknehmen muß. Andererseits zeigt aber die hohe Rate der bereits im Ausgangsverfahren beschiedenen Streitigkeiten 80, daß die Ausgangsschiedsrichter sich in der Praxis von ihrer Professionalität und nicht von ihrer Beziehung zur ernennenden Partei beeinflußen lassen. Im Einzelfall mag aber der eine oder andere Schiedsrichter über die Grenze des auch im arbitrator advocate-Verfahren Zulässigen befangen sein. Dann kann er selbstverständlich abgelehnt werden; der unter seiner Mitwirkung entstandene Schiedsspruch ist angreifbar. Aus einem anderen Grund bedenklich erscheint es, wenn beide Ausgangsschiedsrichter von Anfang an oder doch während des Verfahrens als Vertreter „ihrer" Partei auftreten. Das wird man annehmen können, wenn sie sich völlig oder doch weitgehend mit dem Vorbringen „ihrer" Partei identifizieren. Dann stellt nämlich ihre Entscheidung nicht mehr ein Schiedsspruch dar, sondern ein Schiedsvergleich 81. Dieser kann zwar auch für vollstreckbar erklärt werden, aber nicht nach den nur auf Schiedssprüche anwendbaren Vorschriften des UN-Ü und des § 1044 ZPO, sondern - weil internationale Übereinkommen fehlen - nur nach den Vorschriften der §§ 1044a, b ZPO 82 . Dafür wird aber meist die für § 1044a ZPO erforderliche Niederlegung, die für § 1044b ZPO geforderten Unterschriften der Parteien und die Anwaltseigenschaft der Advokaten sowie die für beide Vorschriften gebotene Unterwerfung unter die sofortige Vollstreckung fehlen. Zulässig ist aber eine Klage aus dem Schiedsvergleich als einem ausländischen materiellen 83 Vergleich 84 .

19

BGH KTS 1971, 104(106). Mustill & Boydy Commercial Arbitration, p. 260, n. 12. 81 Mustill & Boydy Commercial Arbitration, pp. 261/262; bedenklich aber Naumann v. Edward Nathan & Co Ltd (1930) 37 LILRep 249 (CA) at 250 per Scrutton LJ. 82 Baur t Der schiedsrichterliche Vergleich, Rn. 168; Stein/Jonas/Schlosser, § 1044a, Rn. 33; nur, wenn das ausländische Recht Schiedsvergleiche überhaupt kennt: Habscheid, NJW 1972, 1409; Schwab, ZZP 86 (1973), 78. 83 Zur Doppelnatur des Schiedsvergleichs siehe Baur t Der schiedsrichterliche Vergleich, Rn. 45; Schwaby ZZP 86 (1973), 77 sowie zu gerichtlichen Vergleichen BGH NJW 1982, 2072, st. Rspr. 84 Baur t Der schiedsrichterliche Vergleich, Rn. 168; Stein/Jonas/Schlosser, § 1044a, Rn. 33; unklar, da Klage aus dem Vergleich nicht erwähnend, aber erklärend, daß Vollstreckbarerklärung (was die Klage nicht wäre) nur unter den Voraussetzungen des § 1044a erfüllt sind: Habscheid y NJW 1972, 1410; Schwab, ZZP 86 (1973), 78. 80

§ 9 Das Schiedsgericht und die am Verfahren Beteiligten

249

Erfüllt der Schiedsvergleich hierfür die Form, so kann er auch im Urkundenverfahren gem. §§ 592 ff. ZPO durchgesetzt werden. Der auf diese Weise bewirkten Wirkungserstreckung kann aber aus Gründen des ordre public gem. § 1044a Abs. 2 ZPO entgegengetreten werden 85 . Für die Annahme eines solchen Schiedsvergleichs kann im Einzelfall auch ein Schiedsverfahren ausreichen, bei dem die Ausgangsschiedsrichter abwechselnd als unabhängige Schiedsrichter und als Advokaten tätig waren und der anwesende umpire nur Zwischenentscheidungen beschieden hat.

3. Dreiköpfiges Schiedsgericht Wird ein dreiköpfiges Schiedsgericht vereinbart, so ist damit heute tatsächlich ein solches gemeint. Vor der Novelle von 1979 waren zweiköpfige Schiedsgerichte mit umpire gemeint, s. 9 (1) Arbitration Act 1950 in its unamended form. I m Zweifel genügt die Stimmenmehrheit, ja sogar die übereinstimmende Entscheidung von zwei Schiedsrichtern für eine verbindliche Entscheidung, s. 6 (2) Arbitration Act 1979. Doch muß das Schiedsgericht vorher insgesamt bestellt worden sein 86 . Üblich sind im wesentlichen vier Formen: Fast immer ernennen die Parteien je einen Schiedsrichter; dann wird der dritte Schiedsrichter meist von den anderen Schiedsrichtern ernannt, gelegentlich von den Parteien und öfter von einem Dritten. Manchmal wird auch das ganze Schiedsgericht von einem Dritten bestellt 87 .

4. Die Schiedsordnungen und Standardklauseln a) Allgemeine, internationale Schiedsordnungen (1) Die IHK-Schiedsordnung sieht wahlweise ein ein- oder dreiköpfiges Schiedsgericht vor, Art. 2 Abs. 2 S. 1. Bei Entscheidung für den Einzelschiedsrichter müssen sie dreißig Tagen nach Zugang der Schiedsklage beim Schiedsbeklagten diesen gemeinsam zur Bestätigung durch den Gerichtshof nominieren. Widrigenfalls ernennt dieser den Schiedsrichter, Art. 2 Abs. 3. 85

Baur, Der schiedsrichterliche Vergleich, Rn. 196; unklar Stein/Jonas/Schlosser, § 1044a, Rn. 33. 86 PoliaJcoffv. Brown Products Corp Ltd (1921) 8 LILRep 501 (CA): Hier hatten die beiden Ausgangsschiedsrichter den dritten gar nicht ernannt, sondern zu zweit eine Entscheidung gefaßt. 87

Bei Ernennungsverzögerungen ernennt im Zweifel der High Court nach den Voraussetzungen des s. 10 (l)(c) bzw. (2) bzw. (3) Arbitration Act 1950, i.e. Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 188; bei Ausfall eines Schiedsrichters ergeben sich seine Kompetenzen aus ss. 10 (l)(d), 25 (1) und (2)(a) Arbitration Act 1950.

250

3. Teil: Versagungstatbestände

Wählen die Parteien ein Dreierschiedsgericht, so nominieren die Parteien in der Schiedsklageschrift bzw. in der Erwiderung je einen Schiedsrichter zur Bestätigung. Versäumen sie dies, so ernennt der Gerichtshof den Schiedsrichter. Er ernennt auch den dritten und Vorsitzenden Schiedsrichter, es sei denn die Parteien hätten vereinbart, daß den beiden Schiedsrichtern ein befristetes Nominierungsrecht zukommt. Dann ernennt der Gerichtshof den dritten Schiedsrichter nur, wenn die Frist ergebnislos verstrichen ist, Art. 2 Abs. 4. Haben die Parteien sich nicht auf eine bestimmte Größe des Schiedsgerichts festgelegt, so entscheidet über die Größe der Gerichtshof. Er wird nur ein Dreierschiedsgericht anordnen, wenn der Fall dies erfordert. Dann hat jede Partei innerhalb einer 30-Tage-Frist ihren Schiedsrichter zu ernennen, Art. 2 Abs. 5. Ordnet er eine Entscheidung durch einen Einzelschiedsrichter an, so ernennt er diesen Schiedsrichter selbst, i.e. Art. 2 Abs. 6. (2) Die Uncitral-Schiedsverfahrensregeln sehen, ähnlich wie die IHKSchO, nur ein- und dreiköpfige Schiedsgerichte vor, Art. 5. Entscheiden sich die Parteien nicht ausdrücklich, so können sie sich binnen 15 Tagen nach Zugang der Schiedsklage beim Schiedsbeklagten auf einen Einzelschiedsrichter einigen. Scheitert dies, so wird ein dreiköpfiges Schiedsgericht gebildet, Art. 5. Haben sich die Parteien auf einen Einzelschiedsrichter geeinigt, so haben sie sich binnen 30 Tagen nach Zugang eines Vorschlags über den Schiedsrichter und/oder die ernennende Behörde zu einigen. Schlägt dies fehl, weil die Parteien sich nicht einigen können oder die Behörde, auf die sie sich geeinigt hatten, es unterläßt, eine Ernennung vorzunehmen, so kann beim Generalsekretär des IGH Antrag auf Bestimmung einer ernennenden Behörde gestellt werden, Art. 6 Abs. 2. Das Ernennungsverfahren der Behörde wird in Art. 6 Abs. 3, 4 geregelt. Ein Dreierschiedsgericht wird dadurch gebildet, daß jede Partei einen Schiedsrichter ernennt und diese Schiedsrichter einen dritten und Vorsitzenden Schiedsrichter bestimmen, Art. 7 Abs. 1. Versäumt es eine Partei 30 Tage nach Zugang der Ernennungsmitteilung des Gegners einen eigenen Schiedsrichter zu ernennen, so kann der Gegner die Ernennung durch die ernennende Behörde beantragen, hilfsweise kann er diese Behörde vom Generalsekretär des IGH festlegen lassen, Art. 7 Abs. 2. Können sich die Schiedsrichter nicht binnen 30 Tagen nach Ernennung des zweiten Schiedsrichters auf den dritten einigen, so kann die Ernennung durch die ernennende Behörde beantragt werden, Art. 7 Abs. 3 i.V.m. Art. 6 Abs. 2 - 4 . (3) Nach art. 3.2 der LCIA-Rules ernennt grundsätzlich und ausschließlich der Court die Schiedsrichter. Die Parteien können die Größe frei bestimmen. Im Zweifel wird der Schiedsgerichtshof einen Einzelschiedsrichter ernennen

§ 9 Das Schiedsgericht und die am Verfahren Beteiligten

251

oder - wenn der Fall dies erfordert - ein dreiköpfiges Schiedsgericht, art. 3.2. Sieht die Schiedsvereinbarung ein Vorschlagsrecht der Partien vor, so ernennt der Court die Schiedsrichter, wenn die Parteien von ihrem Vorschlagsrecht nicht in der Schiedsklageschrift bzw. 30 Tage nach deren Zugang erfolgt ist, art. 3.4. Einen Vorschlag einer Partei kann der Court ablehnen, wenn der Kandidat ungeeignet, nicht unabhängig oder nicht unvoreingenommen ist, art. 3.5. Sonderregeln bestehen für den Ausfall eines Schiedsrichters, art. 3.6, und für seine Ablehnung, art. 3.7 und 3.8.

b) Allgemeine, nationale Schiedsordnungen (1) Nach den CIArb Arbitration Rules wird das Schiedsgericht durch Ernennung bestellt, im Zweifel durch den Chairman oder einen Vice-Chairman des CIArb, art. 2.1. Die Parteien können eine ungerade Zahl von Schiedsrichtern bestimmen. Im Zweifel wird ein Einzelschiedsgericht gebildet, art. 3. (2) Nach den CIArb-SFA-Rules ernennt das CIArb einen Einzelschiedsrichter, art. 2.

c) Schiedsordnungen und Standardklauseln in Seehandel (1) Die LMAA-Terms enthalten keine besonderen Ernennungsvorschriften. Die Ernennungsregeln ergeben sich aus den jeweils verwendeten Schiedsklauseln. Die L M A A arbitration clause sieht grundsätzlich einen Einzelschiedsrichter und hilfsweise ein zweiköpfiges Schiedsgericht mit umpire vor. Bei Ernennungssäumnis kann die Ernennung auf Antrag der nichtsäumigen Partei auch vom Präsidenten der L M A A vorgenommen werden, wenn eine 14-tägige Frist verstrichen ist. (2) Bei der LÖF'90 wird der Schiedsrichter stets vom Council of Lloyd's ernannt. Im erstinstanzlichen Verfahren handelt stets ein Schiedsrichter, cl. 6; im appeal-Verfahren können es auch mehr sein, cl. 11 (d). (3) Die Baltime 1939 charterparty enthält in cl. 23 eine Schiedsklausel, wonach von Schiffseigner und Charterer jeweils ein Schiedsrichter bestellt wird und diese notfalls einen umpire ernennen. (4) Die Centrocon arbitration clause sieht im Grundsatz ein von den Parteien bestelltes zweiköpfiges Schiedsgericht mit einem von den Schiedsrichtern ernannten umpire vor. Die Parteien können sich aber auch auf einen Einzelschiedsrichter einigen. (5) Die Norwegian Saleform 1983 sieht ein dreiköpfiges Schiedsgericht vor, dessen Schiedsrichter jeweils vom Schiffsverkäufer, vom Schiffskäufer

252

3. Teil: Versagungstatbestände

und durch Einigung dieser Schiedsrichter, im Zweifel vom Präsidenten der L M A A zu ernennen sind 88 . (6) Wird in der Shelltime 3 Form clause statt des englischen gerichtlichen Verfahrens durch einseitige Erklärung die Schiedsklausel in Gang gesetzt, so ist ein Einzelschiedsrichter zu berufen.

d) Schiedsordnungen und Standardklauseln im Bau- und Anlagebaubereich (1) Das ICE-Arbitration Procedure sieht stets Einzelschiedsrichter vor, die entweder übereinstimmend von den Parteien, r. 2, oder nach Ablauf eines Monats nach Zugang des ersten Ernennungsvorschlags (Notice to Concur) auf Antrag einer Partei durch Ernennung des President of the ICE, r. 3. (2) Nach dem JCT-Contract, para. 41.4 entscheidet über die Streitigkeiten zwischen Bauunternehmer und Bauherr ein Einzelschiedsrichter, der entweder im Einvernehmen zwischen den Parteien oder - 14 Tage nach Zugang der Schiedsklage auf Antrag einer der Parteien - die vereinbarte ernennende Person. Das sind entweder der Präsident oder ein Vizepräsident des RIBA, des RICS oder des CIArb, im Zweifel des RIBA.

e) Schiedsordnungen im Warenhandel aa) Schiedsordnungen im Warenhandel folgen im wesentlichen zwei Modellen. Es gibt ein- und zweiinstanzliche Verfahren. Ein eininstanzliches Verfahren sehen die Zuckervereinigungen, SAOL und RSA vor. Die CTF läßt ein solches Verfahren alternativ zu. Eine zweite Schiedsinstanz sehen die Regeln der Gafta, FOSFA und LRBA vor. In erster Instanz lassen sie eine Einigung der Parteien auf den vom Schiedskläger benannten Schiedsrichter als Einzelschiedsrichter zu 89 . Ansonsten sehen die Regeln vor, daß jede Partei einen Schiedsrichter ernennt. Bei Gafta ernennen die Schiedsrichter einen dritten und Vorsitzenden Schiedsrichter 90, bei LRBA und FOSFA auf die Uneinigkeit hin einen umpire 91 . Bei Ernennungssäumnis ernennt die Handels Vereinigung den Schiedsrichter 92 In der zweiten Instanz, wie in eininstanzlichen 88

Dazu Summerskilly in: Bernstein & Woody Handbook of Arbitration Practice, p. 371. 89 Gafta No. 125, r. 3:1; LRBA Arb. Rules, r. 5; nach FOSFA Rules ist eine Einigung auch auf einen anderen Schiedsrichter möglich, r. 1 (a). 90 R. 3:2. 91 FOSFA Rules, r. 1 (b); LRBA Arb. Rules, r. 9. 92 Gafta No. 125, r. 3:7; FOSFA Rules, r. 1 (d); LRBA Arb. Rules, r. 5.

§ 9 Das Schiedsgericht und die am Verfahren Beteiligten

253

Verfahren wird das Schiedsgericht von der Handelsvereinigung bestellt. Es besteht regelmäßig aus fünf Schiedsrichtern 93. bb) Problematisch ist hierbei, daß in bestimmten Schiedsordnungen, etwa in der zweiten Instanz bei Gafta und FOSFA, über Streitigkeiten zwischen Mitgliedern der Handelsvereinigung und Außenseitern von Schiedsrichtern entschieden werden, die ihrerseits Mitglieder oder Angestellte von Mitgliedern der Handelsvereinigung sind. Der VII. Senat des BGH hat nämlich 1968 für einen inländischen Schiedsspruch erklärt, daß eine solche Schiedsvereinbarung grundsätzlich unwirksam sei 94 . Der BGH hat seine Entscheidung allerdings im wesentlichen damit begründet, daß die hier italienische Verkäuferin bei allen möglichen Schiedsrichtern 95 nicht ohne Grund befürchten müsse, sie würden den für sie ungünstigen Standpunkt deutscher Importeure einnehmen 96 . Ob dem angesichts der Mitgliedschaft einer geringen Zahl von Maklern und Agenten in dem hier betroffenen Hamburger Warenverein tatsächlich zugestimmt werden kann 97 , mag für die Zwecke dieser Arbeit dahinstehen. Jedenfalls sind die hier untersuchten Handelsvereinigungen keinesfalls Interessenvertretungen einer bestimmten Seite des Geschäfts. Die Londoner Handelsvereinigungen sind - mit Ausnahme der L R B A 9 8 - Vereinigungen der Produzenten, Schiffer, Makler, Händler und der verarbeitenden Industrie 99 . Die Rechtsprechung des VII. Senats beruht ganz wesentlich auf der Habilitationsschrift von Kornblum 1 0 0 . Nach ihm genügt schon der Eindruck, daß das Schiedsgericht eine Partei bevorzugt, zur Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung gem. § 134 BGB i.V.m. dem Gebot der überparteilichen Rechtspflege 101 . Auch das OLG Karlsruhe hat diese Folge angenommen, wenn der 93 Etwa Gafta para. 25 Rules and Regulations of the Association, FOSFA Rules, r. 8 (a), LRBA App. Rules, r. I, RSA Rules, r. 4; Ausnahme: drei Schiedsrichter: CTF Rules, r. 40 (a), 51 (a). 94

BGHZ 51, 255 (258 f.).

95

BGHZ 51, 255 (261).

96

BGHZ 51, 255 (259).

97

Mit guten Gründen verneinend A. Bülow, NJW 1970, 585.

98

Ihr gehören nur Makler an. Gegenstand der Schiedsverfahren sind aber nur Kaufverträge, sodaß Makler nie direkt am Verfahren beteiligt sein können. 99

D.K Johnson, in: Bernstein pp. 257/258.

& Wood,

Handbook of Arbitration Practice,

100

Kornblum, Problem der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 191 ff., 203 f., 206 ff., 215 ff., 218 f., 219 ff., 246 ff.; s. zur verwandten Problematik bei Bestellung des von einer Schiedspartei ernannten Schiedsrichters bei Ernennungssäumnis der anderen zum Einzelschiedsrichter oben 1 .b.bb. 101 Kornblum, ZZP 84 (1971), 346; ähnlich auch Baumbach/Lauterbach, § 1028, Anm. 1 B; Habscheid, NJW 1962, 10; für listengebundene Außenhandelsschiedsge-

254

3. Teil: Versagungstatbestände

im Schiedsverfahren geltende Grundsatz der Parität bei der Ernennung mißachtet werde 102 . Dieser Meinung kann nicht zugestimmt werden. Wie bereits oben 1 b bb dargestellt, nimmt sie zu wenig auf die Person des Schiedsrichters Rücksicht, auf die es bei der Befangenheit zunächst ankommt. Deshalb ist in Anlehnung an die Rechtsprechung des schweizerischen B G 1 0 3 zu differenzieren, ob das Ernennungsübergewicht so weit reicht, daß alle möglichen Schiedsrichter befangen sind. Das ist etwa anzunehmen, wenn ein Schiedsgericht zur Befolgung der Bestimmungen eines Verbandskartells auch über Nichtmitglieder entscheiden soll 1 0 4 . Das ergibt sich aber noch nicht daraus, daß alle Schiedsrichter die Staatsangehörigkeit der verbandsangehörigen Schiedspartei haben sollen 105 oder einer Schiedsrichterliste angehören müssen 106 . Entscheidend ist vielmehr, ob der Verband eine bestimmte Interessengruppe vertritt, die den Interessen einer Partei entgegenstehen107, sowie ob der Ernennende selbst in dieser Hinsicht unabhängig ist 1 0 8 . Nach diesen Kriterien genügen die Schiedsgerichte im Warenhandel den Anforderungen. Die Handelsvereinigungen sind mitgliedschaftlich so strukturiert, daß die Interessenvertretung den Handelssektor insgesamt betriffen muß, ohne daß es beabsichtigt oder auch nur möglich wäre, bestimmte Kreise auszuschließen. Eine Parallele mit den schweizerischen Verbandskartellen besteht nicht.

f) Schiedsklauseln zur Pacht- und Grundevaluation Bei der Pacht- und Grundevaluation sind Standardklauseln noch nicht sehr verbreitet. Üblich sind Einzelschiedsrichter 109 .

richte in den Staatshandelssystemen für ordre public-Verstoß Kornblum, S. 154 f. 102

Fs. Nagel,

OLG Karlsruhe NJW 1957, 1036 (1037).

103

BGE 57 I 200 (203); 67 I 210 (214 f.); 76 I 121 (128); 80 I 336 (341); 81 I 321 (327 f.); 84 I 39 (44 ff.); 84 I 56 (59 ff.); zustimmend etwa A. Bülow, NJW 1970, 586 f.; Schlosser, ZZP 93 (1980), 135. 104

BGE 80 I 336 (341); 81 I 321 (327 f.); obiter auch BGE 84 I 39 (48).

105

BGE 16 1 121 (128).

106

BGE 84 I 39 (50); 84 I 56 (60).

107

In BGE 84 I 39 (48) verneint für das SchG der tschechoslowakischen Handelskammer; in 84 I 56 (59 f.) für die Pariser Chambre Arbitrale. 108

Bejaht in BGE 81 I 321 (329 f.) für ein von unabhängigen Kollegien, z.T. von Gerichten, bestelltes VerbandsSchiG. 109

Shilston, (1987) vol. 4 no. 2 JIA 47.

§ 9 Das Schiedsgericht und die am Verfahren Beteiligten

255

g) Schiedsordnungen im Verbraucherverkehr Nach den A B T A Rules wird der Einzelschiedsrichter stets vom Chairman, einem Vice-Chairman oder dem Registrar des CIArb ernannt, r. 7 (iv).

II. Disqualifikation des Schiedsrichters Ist ein Schiedsgericht bestellt, so stellt sich die Frage, ob ein einzelner Schiedsrichter mitwirken darf oder ob er disqualifiziert ist. Dabei lassen sich in Anschluß an Mustill & Boyd 1 1 0 drei Anforderungen unterschieden: Der Schiedsrichter muß (1) geschäftsfähig sein, was aber selten problematisch wird 1 1 1 , (2) die vereinbarten Eigenschaften erfüllen, wozu insbesondere rechnen kann, daß er einer Schiedsrichterliste angehört und eine bestimmte Staatsangehörigkeit hat oder nicht hat, (3) von solchen Beziehungen zu den Parteien und zum Streitfall frei sein, die eine unabhängige, unvoreingenommene und neutrale Entscheidung beschränken werden oder bei denen dies zu besorgen ist. Diese Gründe gilt es im folgenden zu untersuchen, wobei hier die Untersuchung vom internationalen Standard ausgehen kann und nur bei Besonderheiten auf das englische und deutsche Recht eingegangen wird.

1. Geschäftsfähigkeit Nur natürliche Personen sind zum Schiedsrichteramt befähigt 112 . Im englischen wie im deutschen Recht sind grundsätzlich alle natürlichen Personen zur Ausübung des Schiedsrichteramtes fähig. Selbst extreme Jugend oder psychische und physische Schwächen hindern nicht die Ernennung, sondern stellen in England Grund für eine Ersetzung bzw. Entlassung des Schiedsrichters nach ss. 1, 10, 23 (1) Arbitration Act 1950 sowie für die Belassung einer Klage beim High Court dar 1 1 3 . In Deutschland kann ein solcher Schiedsrichter gem. § 1032 Abs. 3 ZPO abgelehnt werden. Doch kann der Spruchschuldner in England anscheinend auf sein Ablehnungsrecht verzichten 1 1 4 , während dies in Deutschland nicht möglich ist 1 1 5 . Der deutsche

110 Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 247; ähnlich auch Tupman, (1989) 38 ICLQ 26-52 mit fünf Anforderungen. 111

Tupman, (1989) 38 ICLQ 27.

112

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 247; Stein/Jonas/Schlosser, § 1032, Rn. 2. 113

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, pp. 247/248.

114

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 247.

256

3. Teil: Versagungstatbestände

Schiedsspruch eines Nicht-Geschäftsfähigen ist gem. § 1041 Abs. 1 Nr. 1 ZPO angreifbar. Dieser Unterschied rechtfertigt aber für sich noch keine Versagung der Wirkungserstreckung, wenn etwa ein Minderjähriger entschieden hat. Der Schiedsspruch kann wohl nicht aufgehoben werden. Die fehlende Geschäftsfähigkeit dürfte nämlich kein misconduct sein. Eine rémission liegt zwar im Ermessen des High Court. Doch besteht gerade kein Interesse daran, die Sache an den Schiedsrichter zurückzuverweisen. Juristische Personen und Personenvereinigungen sind nicht schiedsrichterfähig. Werden sie dennoch angewiesen, ist zu fragen, ob die Bestellung eines Ernennungsorgans gemeint ist, was im englischen Recht die Regel zu sein scheint 116 , oder die Bestellung eines bestimmten Funktionsträgers der angewiesenen Organisation, wovon man in Deutschland auszugehen scheint 117 .

2. Vereinbarte Eigenschaften Im Prinzip kann jede Eigenschaft vereinbart werden. Sehr häufig wird bei internationalen Verfahren eine neutrale Nationalität des Schiedsrichters vereinbart 118 . Nicht nur, aber vorallem auch für Warenhandelsverfahren wird die Zugehörigkeit zu einer Schiedsrichterliste vereinbart 119 . Oft wird auch die Tätigkeit an einem bestimmten Markt verlangt 120 . Gelegentlich wird ausdrücklich eine andere Firmenzugehörigkeit als die der Parteien vereinbart 121 .

115

Stein /Jonas/Schlosser, § 1032, Rn. 3; noch strenger für das amerikanische Recht: Tupman, (1989) 38 ICLQ 27 und für das frz.: art. 1451 n.c.p.c. 116

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 247.

117

Stein/Jonas/Schlosser,

§ 1032, Rn. 2.

118

IHK-SchO, Art. 2 Abs. 6 und LCIA-Rules, art. 3.3, wenn der jeweilige Schiedsgerichtshof ernennt; kein Erfordernis stipulieren die Uncitral SchVfRg in Art. 6 Abs. 4, wo die ernennende Einrichtung die Staatsangehörigkeit nur berücksichtigen soll, Baker & Davis, (1989) vol. 23 no. 1 The Int'l Lawyer 117; s.a. Art. 38 WBÜ. 119 Vor allem im appeal-Verfahren; Gafta: paras. 25-32 Rules and Regulations of the Association; FOSFA-Rules r. 8 (a); LRBA Appeal Rules r. I; dann auch für den Board of Arbitration des CTF (r. 51); vgl. auch Art. 40 Abs. 1 WBÜ. 120

Gafta No. 125 r. 3:4; Centrocon arbitration clause „members of the Baltic [Exchange, d.h. die Seehandelsbörse] and engaged in the shipping and/or Grain Trades"; dazu auch Oakland Metal Co Ltd v. D Benaim & Co Ltd [1953] 2 Lloyd's Rep 192; The „Myron" (Owners)

v. Tradax

Export

SA [1969] 1 Lloyd's Rep 411. Hier hat

Donaldson J (as he then was) einen hauptberuflich in maritimen Schiedsverfahren tätigen Schiedsrichter als „engaged in the shipping trade" angesehen, at 415. In Harbour Assurance Co (UK) Ltd v. Kansa General Insurance Co Ltd [1992] 1 Lloyd's

Rep 81 sah die SchKl vor, daß die Schiedsrichter Vorstandsmitglieder einer Versicheruung oder Rückversicherung oder Lloyd's Underwriters sein sollten. 121

Gafta No. 125 r. 3:4; FOSFA-Rules r. 1 (c), in r. 8 (a) wird auch eine andere

§ 9 Das Schiedsgericht und die am Verfahren Beteiligten

257

Es finden sich aber auch abstrakte Beschreibungen 122 , deren Analyse im Einzelfall große Schwierigkeiten bereiten können, etwa „merchant" 123 , „commercial man" 1 2 4 oder „indifferent person" 125 . Gelegentlich wird negativ die Entscheidung durch Juristen ausgeschlossen126. Dabei wird aber bezweifelt, ob das Verbot auch nicht als Juristen praktizierende betrifft 127 . Folge eines Verstoßes gegen eine solche Bestimmung einer Schiedsvereinbarung ist der Wegfall der Entscheidungsbefugnis des Schiedsrichters. Ein englischer Schiedsspruch ist nichtig 128 . Er kann wegen Art. V Abs. 1 lit. d, e U N - Ü und § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht in seiner Wirkung erstreckt werden. 3. Befangenheit a) Vergleich des Standards mit dem bei staatlichen Richtern Schiedsrichter treffen grundsätzlich die gleiche Befangenheitsregelungen wie staatliche Richter, vgl. § 1032 Abs. 1 ZPO 1 2 9 . Allerdings ist stets und besonders hier zu beachten, daß auf die Einhaltung von Befangenheitsregeln verzichtet werden darf. Eine völlige Neutralität von Schiedsrichtern kann, worauf v.a. Bedjaoui hingewiesen hat 130 , gerade wenn die Schiedsrichter von Parteien ernannt werden, nicht in demselben Maß verlangt werden wie bei staatlichen Richtern. Das in der Ernennung gezeigte Vertrauen in den Firmenzugehörigkeit der Oberschiedsrichter als die der Unterschiedsrichter verlangt; vgl. auch Cook International

Inc v. BV Handelmaatschappij

Jean Delvaux [1985] 2

Lloyd's Rep 225 (Gafta). 122

Vgl. auch Art. 14 Abs. 1 WBÜ: „recognised competence in the fields of law, commerce, industry or finance". 123

D.i. der hauptberuflich kaufmännisch Tätige.

124

Dazu rechnet nach Pando Compania Naviera SA v. Filmo SAS [1975] 1 Lloyd's Rep 560, auch ein ehemaliger solicitor, der nun hauptberuflich maritimer Schiedsrichter ist und generell sind darunter Personen gemeint, die ein „Gefühl" für wirtschaftliche Vorgänge haben und nicht hauptberufliche Juristen, Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 248, n. 7. 125

Dazu Ewart & Son Ltd v. Sun Insurance Office

126

Raheassi Shipping Co SA v. Blue Star Line Ltd (The „Bede") [1967] 2 Lloyd's

(1925) 21 LILRep 282.

Rep 261: Ein barrister war wegen der Klausel „commercial men and not lawyers" unzulässigerweise zum umpire ernannt worden. 127 128 129

Mustill & Boyd, , Commercial Arbitration, p. 249, n. 10. Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 249. Für das engl. Recht Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 250.

130

Bedjaoui , (1988) vol. 5 no. 1 JIA 14; vgl. auch Stein/Jonas /Schlosser, Rn. 20. 17 Kilgus

§ 1032,

258

3. Teil: Versagungstatbestände

Schiedsrichter und die Erwartung, der „eigene" Schiedsrichter werde die Interessen der ernennenden Partei schützen, sowie die Hoffnung des Schiedsrichters, auch künftig von der Partei ernannt zu werden, können zu einem Interessenkonflikt führen, den ein hoheitlich bestellter und bestallter Richter nicht kennt. Eine gewisse Neigung des Schiedsrichters zugunsten „seiner" Partei kann regelmäßig und insoweit abweichend von staatlichen Richtern hingenommen werden. Die Parteien gehen auch von dieser Sympathie aus, sowohl beim „eigenen" wie auch beim „gegnerischen" Schiedsrichter. Diese Sympathie darf freilich nicht in den Bereich der Befangenheit reichen 131 . Eine völlige Neutralität läßt sich hier schon wegen des Interessenkonflikts praktisch nicht erreichen und entspricht nicht dem mutmaßlichen Willen der Parteien 132 . Einen weiten Schritt zur Gewährleistung der Neutralität haben die IHK-SchO und die LCIA-Rules gemacht, freilich auf Kosten der Privatautonomie. Bei ihnen hängt die Ernennung durch eine Partei von der Zustimmung des jeweiligen Gerichtshofs ab 1 3 3 . Die in amerikanischen Schiedsordnungen 134 zu findende Vorstellung, nur der dritte oder der einzige Schiedsrichter müßten wahrhaft neutral sein, nicht aber der von einer Partei ernannte Schiedsrichter (non-neutral, party-appoin131

The „Myron" (Owners) v. Tradax Export SA [1969] 1 Lloyd's Rep 411 at 415 per Donaldson J (as he then was), wo auch bei arbitrator-advocates völlige Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit gegenüber beiden Parteien gefordert wird; insg. Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 255; aus internationaler Perspektive Bedjaoui y (1988) vol. 5 no. 1 JIA 14/15; wohl auch Redfern & Hunter, International Commercial Arbitration, p. 219; Wetter, International Arbitral Process II, p. 368; konkret zur IHK-SchO Craig, Park & Pauls son, ICC-Arbitration, para. 12.04, pp. 209, 212, und zu den Uncitral-SchVfRg Baker & Davis, (1989) vol. 23 no. 1 The I n f i Lawyer 123, der darstellt, daß bei den Verfahren des Iran-US Claims Tribunal noch nie ein parteiernannter Schiedsrichter wegen Befangenheit abgelehnt wurde; vgl. für das Recht von Quebec Rolland v. Cassidy (1888) 13 AppCas 770 (PC, Quebec); zum neuen schweizerischen Recht Blessing , The New International Arbitration Law in Switzerland, (1988) vol. 5 no. 2 JIA 39. 132 Deshalb ist der Ansatz von M.L. Smith, (1992) 58 Arbitration 42 zu eng; allerdings ist Baur, Neuere Probleme, S. 12 zu folgen, wenn er einer Auflockerung der Unbefangenheit entgegentritt: Dies führt zu Rechtsunsicherheit und so zu unnötigen Ablehnungsverfahren. 133 Zu art. 3.3 LCIA-Rules vgl. Hunter & Paulsson, YCA X (1985), 169; zu Art. 2 Abs. 4 IHK-SchO vgl. Hunter, (1987) 53 Arbitration 219. 134

AAA Commercial Arbitration Rules, r. 15 with r. 14; ABA & AAA Code of Ethics for Arbitrators in Commercial Disputes, Canon VII (A)(1); das ABA House of Delegates hat sich allerdings bei internationalen Verfahren für eine Änderung des Code dahingehend ausgesprochen, daß alle Schiedsrichter neutral sein sollen, (1990) 1 World Arbitration and Mediation Report 4; für die Differenzierung nach Art der Ernennung aber der Präsident der AAA Coulson, (1987) vol. 4 no. 2 JIA 107; vgl. insg. zur am.Rspr Annotation, Setting Aside Arbitration Award on Grounds of Interest or Bias of Arbitrators, 56 ALR 3d 697-808 (1974) and supplement (Aug. 1992).

§ 9 Das Schiedsgericht und die am Verfahren Beteiligten

259

ted arbitrator), kann allerdings nicht generell unterstellt werden 135 . Schon die amerikanischen Bundesgerichte haben sich hierzu ablehnend geäußert 136 , und die entgegengesetzte, aber knappe Entscheidung eines New Yorker Gerichts 137 wird heftig angegriffen 138 . Allerdings hat sich ein Schiedsgericht nach dem W B Ü obiter ebenfalls für eine Differenzierung ausgesprochen 139. Doch wird man unter der Voraussetzung der Ausgeglichenheit des Schiedsgerichts einen Verzicht auf die Rechte wegen Befangenheit annehmen können 140 . Deshalb kann keiner der beiden zu Schiedsrichtern ernannten Rechtsanwälten der Parteien wegen Befangenheit abgelehnt werden 141 . Freilich wird man im Zweifel annehmen müssen, daß die Anwälte einen Schiedsvergleich oder einen Anwaltsvergleich i.S.d. §§ 1044a, 1044b ZPO schließen und keinen Schiedsspruch fällen sollen 142 . Das gilt stets dann, wenn der Spruchkörper sich nicht mehr aus Neutralen, allen Parteien gleichermaßen verpflichteten Personen zusammensetzt, sondern nur aus Interessenvertretern der verschiedenen Parteien. b) Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit Eine in der internationalen Literatur diskutierte Frage betrifft die Unterscheidbarkeit von independence (Unabhängigkeit) und impartiality (Unvoreingenommenheit). Die Frage spielt eine Rolle für die Auslegung der I H K SchO, die zwar ausdrücklich die Unabhängigkeit der Schiedsrichter fordert, nicht aber deren Unvoreingenommenheit. Einige Autoren behaupten die Syn135

The „Myron" (Owners) v. Tradax

Export SA [1969] 1 Lloyd's Rep 411 at 415

per Donaldson J (as he then was): sogar für arbitrator advocates; Stein/Jonas/ Schlosser, § 1032, Rn. 20. 136

Standard Tankers (Bahamas) Co Ltd v. Motor Tank Vessel Akti 438 FSupp 153,

159 (EDNC 1977) per Larkins CJ; zust. M.L. Smith, (1992) 58 Arbitration 40; bei Auslegung des Federal Arbitration Act. 137

Vantage SS Corp v. Commerce Tankers

Corp 342 NYS 281 (1973): Hier hatte

die eine Schiedspartei ihren Anwalt und Börsenmakler, der zudem mit ihrem Präsidenten verwandt war und den streitigen Vertrag ausgehandelt hatte, zum Schiedsrichter ernannt; im internationalen Vergleich stellt dies geradezu den klassischen Fall der Befangenheit dar. 138 139

M.L. Smith, (1992) 58 Arbitration 40: „not good precedent". Amco Asia Corp. v. Indonesia

ICSID-Case A R B / 8 1 / 1 , zit. nach Tupman,

(1989) 38 ICLQ 44. 140

Ähnlich auch Stein/Jonas/Schlosser, § 1032, Rn. 20: Nur die Neutralität des Schiedsgerichts insgesamt, nicht die jedes Schiedsrichters sei unverzichtbar. 141

142

Stein/Jonas/Schlosser,

§ 1032, Rn. 20.

Gegen Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs auch OLG Hamburg JZ 1956, 226, wobei die Begründung aber nicht deutlich wird. 17*

260

3. Teil: Versagungstatbestände

onymität der Begriffe 143 . Andere hingegen sehen im Fehlen der Unabhängigkeit einen eher objektiven Aspekt der Befangenheit, der etwa nach den früheren und jetzigen Beziehungen des Schiedsrichters zu den Parteien und ihren Vertretern fragt; während der Schiedsrichter unvoreingenommen sein soll, wenn er sich nicht schon vor dem eigentlichen Verfahren eine feste und vorgefaßte Meinung zu den Parteien oder zum Streitgegenstand gebildet hat. Hier gehe es demnach eher um subjektive Fragen 144 . Dem ist zu folgen. Schon vom Wortsinn her haben die Begriffe eine andere Bedeutung. Ihnen ist in der juristischen Diskussion Rechnung zu tragen. Allerdings werden sich die Begriffe in der Praxis häufig überschneiden. Es ist deshalb stets durch Auslegung zu ermitteln, was die Parteien gemeint haben. Häufig wird bei Verwendung eines der Begriffe die Unbefangenheit des Schiedsrichters insgesamt gemeint sein. Nun hat aber die in Art. 2 Abs. 7 UAbs. 1 der IHK-SchO 1 4 5 verlangte Unabhängigkeit des Schiedsrichters nach den maßgeblichen Kommentatoren mindestens auch die Bedeutung, daß auch der von einer Partei ernannte Schiedsrichter nicht als deren Agent oder Vertreter auftreten darf. Andererseits soll er erkennbar sympathisch eingstellt sein dürfen 146 . Der Generalsekretär des Schiedsgerichtshofs der I H K hat ausgeführt, daß die fehlende Aufführung der Unparteilichkeit in der Schiedsordnung daran liege, daß eine klare und objektive Definition für den Begriff fehle. Keinesfalls könne daraus geschlossen werden, daß die Schiedsordnung Befangenheit toleriere 147 . Selbstverständlich ist, wo eine Schiedsordnung nicht ausdrücklich die Unvoreingenommenheit nennt nicht davon auszugehen, daß voreingenommene Schiedsrichter gebilligt werden. Die Frage ist aber, woraus sich dies ergibt. I m Zweifel ergibt es sich aus dem jeweils betroffenen Schiedsverfahrensrecht. Ob es sich auch stillschweigend aus der Schiedsordnung selbst ergibt, ist eine andere Frage. Sie hat im englischen Recht durchaus praktische Konsequenzen. Ergibt sich das Gebot der UnVoreingenommenheit aus der Schiedsordnung selbst, so ist ein Schiedsspruch eines voreingenommen Schiedsrichters nichtig. Ergibt es sich erst aus dem Gesetz, so ist der Schiedsspruch nur wegen misconduct anfechtbar. Für die IHK-Schiedsord143

Tupman, (1989) 38 ICLQ 29; auch neutrality wegen der neutralen Nationalität von impartiality differenzierend P. Lalive, in: Reymond/Bucher, Recueil de Travaux Suisses, p. 24. 144 So etwa Hunter, (1987) 53 Arbitration 222; M.L. Smith, (1992) 58 Arbitration, 31; Redfern & Hunter, International Commercial Arbitration, pp. 220/221; die Unterscheidung nimmt auch die IBA Ethics for International Arbitrators (s. 3) vor. 145

Kontrastiere etwa Art. 9, 10 Abs. 1 Uncitral-SchVfRg.

146

Craig, Park & Paulsson, ICC-Arbitration, para. 12.04.

147

Bond , (1988) 4 Arblnt 304.

§ 9 Das Schiedsgericht und die am Verfahren Beteiligten

261

nung kann aus den insoweit übereinstimmenden obengenannten Beiträgen geschlossen werden, daß die Verfasser sich durchaus der unterschiedlichen Bedeutung der Begriffe bewußt waren. Hier enthält also die Schiedsordnung eine Lücke, die vom zugrundeliegenden Schiedsverfahrensrecht geschlossen wird. Natürlich können die Parteien aber zusätzlich die Unvoreingenommenheit des Schiedsrichters vereinbaren. Das wird aber sehr selten der Fall sein. Wo dies nicht angenommen werden kann, wird ein englischer IHK-Schiedsspruch nur dann nichtig sein, wenn zu besorgen ist, daß der Schiedsrichter aus dem Gesichtspunkt fehlender Unabhängigkeit befangen ist. Im übrigen wird er nur anfechtbar sein 148 .

c) Gewißheit oder Besorgnis der Befangenheit Sehr selten wird die Befangenheit eines Schiedsrichters offensichtlich sein. Das kann man etwa unterstellen, wenn er sich während oder vor dem Schiedsverfahren sehr deutlich über den Verfahrensausgang äußert 149 . Deshalb wird die Gewißheit der Befangenheit des Schiedsrichters nirgends verlangt 150 . Im englischen Recht genügt, daß Tatsachen bewiesen sind, die bei einem unabhängigen Dritten aus der Perspektive und mit den Kenntnissen des Spruchschuldners 151 den Eindruck einer hohen Wahrscheinlichkeit (likelihood) der Befangenheit des Schiedsrichters hervorrufen 152 . Das entspricht der im deutschen Recht ausreichenden Besorgnis der Befangenheit, §§ 1032 Abs. 1, 42 Abs. 1, 2 ZPO. 148

S. im übrigen unten e.

149

Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 250 unter Hinweis auf Parker v. Borroughs (1702) Colles 257 (HL), wo der Schiedsrichter, weil er nicht bei der Beerdigung predigen durfte, das Testament für nichtig erklärte. 150 Etwa nach WBÜ: Amco Asia Corp v. Indonesia ICSID-Case ARB/81/1 zit. nach Tupman, (1989) 38 ICLQ 45: lack is manifest or highly probable; für das ameri-

kanische Recht Transmarine

Seaways Corp of Monrovia v. Marc Rieh & Co AG 480

F Supp 352, 358 (SDNY 1979): „appearance of bias". 151

Bremer Handels-GmbH v. Ets Soules et Cie [1985] 2 Lloyd's Rep 199 (CA) at

201 per Ackner LJ (as he then was); für das amerikanische Recht Transmarine

Sea-

ways Corp of Monrovia v. Marc Rieh & Co AG 480 F Supp 352, 358 (SDNY 1979). 152

Metropolitan

Properties

Co (FGS) v. Lannon [1969] 1 QB 577 at 599 and 606

per Lord Denning MR and Edmund Davies LJ (as he then was); Tracomin SA v. Gibbs Nathaniel (Canada) Ltd [1985] 1 Lloyd's Rep 586 at 595 per Staughton J (as he then was); Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 250; der Meinungsstreit, ob eine „real likelihood" oder eine „reasonable suspicion" der Befangenheit besteht, führt nach der neueren Rspr. nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen, Bremer Handels-GmbH v. Ets Soules et Cie [1985] 2 Lloyd's Rep 199 (CA) at 210 per Ackner LJ (as he then was).

262

3. Teil: Versagungstatbestände

d) Einzelfälle aa) Unproblematisch führen die Fälle, in denen gem. § 41 ZPO der staatliche Richter von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen ist, auch bei Schiedsrichtern zur Disqualifikation 153 . Wegen Besorgnis zur Befangenheit disqualifiziert ist der Schiedsrichter auch, wenn er Mitarbeiter einer Partei oder eines konzernzugehörigen Unternehmens ist 1 5 4 , war oder während des Verfahrens wird 1 5 5 . Schwieriger zu entscheiden sind die Fälle, in denen der Schiedsrichter eine geschäftliche 156 oder soziale Beziehung zu einer Schieds153

Turnbul

v. Rural Municipality

of Pipestone (1915) 24 DLR 281: Bruder als

Schiedsrichter; im deutschen Recht §§ 1032 Abs. 1, 42 Abs. 1, 41 ZPO; i.e. dazu Stein/Jonas/Schlosser, § 1032, Rn. 6, aber auch Rn. 15. 154

Veritas

Shipping Corpn v. Anglo-Canadian Cement Ltd [1966] 1 Lloyd's Rep 76

at 77 per McNair J (managing director) Für das deutsche Recht detailliert Stein/ Jonas/Schlosser, § 1032, Rn. 7 - 9 für Organe juristischer Personen und deren Mitglieder; Rn. 11 für Gesellschafter von Personengesellschaften; Rn. 20, 22 für eigene und konzernangehörige Mitarbeiter, jeweils m.w.N. Die Regel gilt, wie stets, nicht bei internen Streitigkeiten (Schlosser, a.a.O.). Größere Rücksicht muß bei Staatshandelsländern geübt werden. Hier kann nicht schon aus der Mitarbeit bei einem anderen Staatsunternehmen geschlossen werden, daß der Schiedsrichter befangen sein wird, Redfern & Hunter, International Commercial Arbitration, p. 223 besonders für IHK-Schiedsverfahren; BGE 93 I 265 (SchiG der Außenhandelskammer der DDR). 155

Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 251; Stein/Jonas/Schlosser,

§ 1032, Rn. 23-26 m.w.N.; vgl. auch aus der Rechtsprechung des US Supreme Court Commonwealth Coatings Corp v. Continental Casualty Co 393 US 145 (1968); eine

nach dem Schiedsverfahren begonnene Mitarbeit bei einer Schiedspartei ist für den Schiedsspruch nur dann relevant, wenn die Verhandlungen während des Verfahrens stattfanden, Schlosser, a.a.O., Rn. 26. 156

Bright v. River Plate Construction

Co Ltd [1900] 2 Ch 855: barrister als

Schiedsrichter in einer Schiedsvereinbarung ausdrücklich benannt; solicitor einer Seite war sein „active and lucrative client"; gebilligt. Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 255 weist darauf hin, daß sich gerade im Warenhandel geschäftliche Kontakte zwischen Partei und Schiedsrichter oft nicht vermeiden lassen. Hier ist in besonderem Maße auf die Aufklärungspflicht hinzuweisen. Eine Beteiligung an einer Partei kann ein finanzielles Interesse am Ausgang des Schiedsverfahrens bedeuten, statt vieler Redfern & Hunter, International Commercial Arbitration, p. 222. OLG München BB 1971, 886: Bewirtung; Verstoß abgelehnt. Aus dem internationalen Bereich Amco Asia Corp v. Indonesia ICSID-Case ARB 81/1 zit. nach Tupman, (1989) 38 ICLQ 44/45: Der Schiedsrichter gehörte einer Anwaltssozietät an, die mit der des Klägervertreters Räume und bis kurz vor Verfahrensbeginn die Einnahmen teilte; außerdem hatte er 6 Jahre vor Verfahren den Inhaber der Klägerin steuerrechtlich beraten; gebilligt: reine Praktikabi Ii tätserwägungen für Kooperation, Steuerberatung zu lange her; zweifelhaft. Aus der amerikanischen Rechtsprechung Imperial Ethiopian Government v. Baruch F oster Corp 535 F 2d 334 (5th Circ 1976): Mitwirkung des Schiedsrichters René David an der Schaffung des äthiopischen ZGB; keine Voreingenommenheit zugunsten Äthiopiens. Sicher befangen sind der Anwalt und Steuerberater einer Firma und ihre Sozii, Tupmann, (1989) 38 ICLQ 50. Die schweizer Rechtsprechung, wo-

§ 9 Das Schiedsgericht und die am Verfahren Beteiligten

263

partei unterhält. Hier hängt sehr viel vom Einzelfall ab. Vielleicht kann man eine Faustformel dahin aufstellen, daß je lockerer die Beziehungen zur Schiedspartei sind, desto mehr auf sein Handeln während des Schiedsverfahrens eingegangen werden muß 1 5 7 . Eine in England häufig anzutreffende Situation ist die, daß in einem Schiedsverfahren zwei barristers aus demselben set of Chambers beteiligt sind, der eine als Schiedsrichter, der andere als Advokat. Diese Tatsache reicht nicht zur Ablehnung des Schiedsrichters aus 158 . Die sets sind Gebäude, in denen mehrere barristers ihre Arbeitsräume haben. Sie teilen sich bestimmte Verwaltungsausgaben und stellen gemeinsames Verwaltungspersonal (die Clerks) an. Allerdings sind sie rechtlich völlig selbständig. Einnahmen werden unter keinen Umständen geteilt. Häufig treten barristers desselben set auch in staatlichen Prozessen gegeneinander an 1 5 9 . bb) Besorgnis zur Befangenheit kann auch bestehen, wenn der Schiedsrichter aufgrund einer Beziehung zum Streitgegenstand nicht neutral zu sein scheint 160 . Sehr deutlich wird dies dann, wenn er am Ausgang des Schiedsverfahrens unmittelbar interessiert ist, v.a. wenn er wirtschaftlich zu profitieren hofft oder Verluste zu erleiden droht. Das wird aber recht selten der Fall sein. Gelegentlich wird der Schiedsrichter unbewußt seine Fähigkeit zur neutralen und fairen Entscheidung verlieren. Das kann etwa der Fall sein, wenn er sich bereits vor der Verhandlung zu streitgegenständlichen Fragen eindeutig geäußert hat 1 6 1 , insb. wenn er den Hauptvertrag, um dessen Wirksamkeit es geht selbst entworfen hat 162 . Bei vorangegangen eindeutigen Äußerungen

nach die Mitarbeit der Ehefrau des Schieds- und Berufsrichters in der Anwaltsfirma einer Partei zu dessen Befangenheit führt, BGE 92 I 271, dürfte an der Grenze liegen. 157

In diese Richtung geht jedenfalls Morgan v. Morgan (1832) LJEx 56, wo der Schiedsrichter Schuldner einer der Parteien war. 158

Kendali, (1992) 8 Arbint, 289-291 m.N. auf unveröffentlichte Entscheidungen.

159

Kendali, (1992) 8 Arbint, 288.

160

S. statt aller Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 250.

161

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 252; etwa als expert witness in einem anderen, ebenfalls auf Landbewertung gerichteten Schiedsverfahren, bei dem das Land nur 3 Meilen entfernt lag, Re an Arbitration

between Haigh and the London

and North Western Rly Co [1896] 1 QB 649; ähnlich aus der amerikanischen Rechtsprechung Transmarine

Seaway Corp of Monrovia v. Marc Rieh & Co AG 480 FSupp

352 (SDNY 1979), (affd, cert. den.): in ähnlichem Schiedsverfahren Partei. 162 Watson v. Prayer [1991] 3 AUER 487 (ChD): Der kl. Profiboxer wandte sich dagegen, daß sein Manager zugleich auch als sein Promoter fungieren sollte, weil es dadurch zu Interessenkonflikten kam. Der vom Boxing Board of Control erstellte Vertrag sah dessen Schiedsentscheidung vor. Die Schiedseinrede (s. 4 (1) Act 1950) wurde nicht zugelassen (509/510 per Scott J, as he then was); möglicherweise ist die Schiedsklausel insoweit nichtig, als sie die Entscheidung über die Wirksamkeit des Hauptvertrags vorsieht.

264

3. Teil: Versagungstatbestände

zu Rechtsfragen ist zu differenzieren 163 . Hat der Schiedsrichter seine Rechtsmeinung in einem wissenschaftlichen Beitrag zum Ausdruck gebracht, so begründet dies für sich noch keine Voreingenommenheit. Vielmehr sucht er gerade die Öffentlichkeit, er stößt neue Argumente an, vor deren Hintergrund er seine Rechtsmeinung überdenken und möglicherweise auch revidieren kann 164 . Hingegen ist bei konkret zum Streitgegenstand erteiltem Rechtsrat anders zu entscheiden. Hier besteht die Besorgnis, daß sich der Schiedsrichter von der Rechtsmeinung nur schwer lösen wird können 165 . Dies gilt umso mehr, wenn sein Gutachten gerade zur Unterstützung der umstrittenen Rechtsmeinung einer Partei verfaßt wird. Unter besonderen Umständen wird man auch den Rechtsrat in parallel gelagerten Fällen für eine Ablehnung ausreichen lassen müssen 166 . Gelegentlich hat der Schiedsrichter schon in einem anderen Verfahren zum gleichen Lebenssachverhalt, aber zwischen anderen Parteien entschieden. Hier spricht nichts gegen seine Unvoreingenommenheit, solange er nicht das Wissen, das er aus dem anderen Verfahren erlangt hat, ohne dies den Parteien zu offenbaren, in das neue Verfahren einführt 167 . In einem solchen Fall kann es sogar dem Willen der Parteien entsprechen, daß er seine anderweitig erworbene Sachkenntnis einbringt und so zur Beschleunigung und zur Preisgünstigkeit des Verfahrens beiträgt. Allerdings ist darauf zu achten, daß der Schiedsrichter sich dem Vortrag der Parteien aufgrund seiner Vorkenntnisse nicht verschließt. Solange das nicht der Fall ist, spricht gegen seine Entscheidung nichts 168 . cc) Bei Verfahrensverstößen des Schiedsrichters kann ein misconduct vorliegen, der mit den insoweit bestehenden Rechtsbehelfen bekämpft werden kann. Nun können sich Verfahrensverstöße zum Nachteil einer Partei häufen. Aber auch deshalb muß noch nicht unbedingt die Befangenheit zu besorgen sein 169 . Konzentrieren sich aber fehlerhafte Entscheidungen eines Schiedsrichters zum Nachteil einer Partei so sehr, daß seine Neutralität berechtigterweise angezweifelt werden darf, so kann dies, wie noch unter e) zu zeigen 163

Wie hier auch Hunter, (1987) 53 Arbitration, 222.

164

BSG NJW 1993, 2261 (2262); Schwab/Walter,

Rn. 8; a.A. Stein/Jonas /Schlosser,

Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 14

§ 1032, Rn. 27 m.w.N. in Fn. 115.

165

KG ZZP 55 (1930), 333 (Auftreten als Terminsvertreter einer Partei vor Nomination); Stein/Jonas/Schlosser, § 1032, Rn. 20; OLG Dresden JW 1938, 3055 (Sozius eines als Gutachter abgelehnten Anwalts). 166 So der Fall Söllner, in: BVerfG NJW 1993, 2231. Söllner hatte in einem Gutachten für die GdED ein Gutachten zur Streikarbeit von Beamten verfaßt. Auf seine Selbstablehnung hin wurde er von der Verfassungsbeschwerdeverfahren der DPG zu diesem Themenkomplex ausgeschlossen. 167

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 252.

168

Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 253.

169

I.e. allgemeingültig Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, pp. 253-255.

§ 9 Das Schiedsgericht und die am Verfahren Beteiligten

265

sein wird, zur Nichtigkeit des Schiedsspruchs führen, wenn die Schiedsvereinbarung seine Neutralität verlangt. dd) Entdeckt der Schiedsrichter bei sich selbst Gründe, die eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen könnten, so trifft ihn die Pflicht, entweder die Ernennung abzulehnen oder die Parteien über die bedenklichen Tatsachen zu unterrichten 170 . Versäumt er, dieser Offenbarungspflicht nachzukommen, so sind die Rechtsfolgen für den englischen Schiedsspruch seine Anfechtbarkeit wegen misconduct 171 . Dies gilt auch, wenn die Auskunft in der Schiedsvereinbarung verlangt wird 1 7 2 . Die Frist der RSC Ord. 73 r. 5 spielt hier aber generell keine Rolle. Versäumt der Schiedsrichter nämlich seiner Belehrungspflicht nachzukommen, so ist das rechtliche Gehör verletzt. Die Gewährung rechtlichen Gehörs dient ganz wesentlich dazu, Überraschungen der Schiedsparteien im Schiedsspruch zu vermeiden. Sie werden insbesondere von Entscheidungen überrascht werden, wenn ihnen nicht bekannt ist, daß die Gefahr einer Fehlentscheidung wegen Beziehungen des Schiedsrichters zu einer Schiedspartei oder zum Streitgegenstand besteht. Deshalb wird eine Wirkungserstreckung stets am fehlenden rechtlichen Gehör scheitern, Art. V Abs. 1 lit. b, Abs. 2 lit. b U N - Ü und § 1044 Abs. 2 Nr. 2, 4 ZPO, wenn der Schiedsrichter nicht über Beziehungen berichtet, die seine Befangenheit besorgen lassen. ee) Indiz für eine Befangenheit ist das Übergewicht einer Partei bei der Bestellung des Schiedsgerichts, etwa durch Ernennung des von einer Partei ernannten Schiedsrichters zum Einzelschiedsrichter aufgrund der Ernennungssäumnis der Gegenpartei (dazu oben I I b ) und durch Schiedsverfahren einer Vereinigung, wenn nur eine Partei der die Schiedsrichter ernennenden Vereinigung angehört (dazu oben I 4 e bb). Entgegen einer älteren Rechtspre170

Mustill

& Boyd, Commercial Arbitration, p. 251; Redfern

& Hunter , Interna-

tional Commercial Arbitration, p. 225; aus der amerikanischen Rechtsprechung Commonwealth Coatings Corp v. Continental Casualty Co 393 US 145, 147/148 (1968).;

Eine sehr gründliche Differenzierung nehmen für die Uncitral-SchVfRg i.d.F. der Regeln des Iran-US Claims Tribunals Baker & Davis, (1989) vol. 23 no. 1 The I n f i Lawyer, 120/121 vor; allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, daß den Schiedsrichter zunächst nur eine Offenbarungspflicht gegenüber dem Tribunalspräsidenten trifft; dieser entscheidet dann über die Offenbarung gegenüber den Parteien, Baker & Davis, ibid, 116; vgl. auch Bedjaoui, (1988) vol. 5 no. 1 JIA 16, der im bewußten Verschweigen von Beziehungen eher ein Problem sieht, als allein in ihrem Bestehen. Für das deutsche Recht besteht aus Gründen des rechtlichen Gehörs ebenfalls eine Belehrungspflicht. 171

Re an Arbitration

between Camillo Eitzen and Jewson & Sons (1896) 40 SolJo

438 (ohne ausdrücklich misconduct zu nennen); M.L Smith y (1992) 58 Arbitration, 30. 172 Wie in LCIA-Rules art. 3.1; Uncitral-SchiVfRg Art. 9; IBA Ethics for International Arbitrators, s. 4; IHK-SchO Art. 2 Abs. 7 UAbs. 2.

266

3. Teil: Versagungstatbestände

chung ergibt sich hieraus aber nicht grundsätzlich die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung (siehe unten). ff) Ein in der Schiedsvereinbarung vorgesehenen Mechanismus zur Ablösung eines Schiedsrichters, etwa nach Art. 2 Abs. 8 IHK-SchO, art. 3.8 LCIA-Rules, hindert die Durchführung eines staatlichen Befangenheitsverfahrens nicht. Allerdings kann das Versäumen der in den genannten Schiedsordnungen enthaltenen Rügefristen von 30 bzw. 15 Tagen nach Ernennung oder späterer Kenntniserlangung des Ablehnungsgrundes als Verzicht auf die Geltendmachung verstanden werden.

e) Wirkungserstreckung Bei Besorgnis der Befangenheit kommt es darauf an, ob die Schiedsvereinbarung das Fehlen von Befangenheit fordert 173 . Ist das der Fall, dann ist ein Schiedsspruch eines befangenen und deshalb disqualifizierten Schiedsrichters nach englischem Recht nichtig. Er kann gem. Art. V Abs. 1 lit. d UN-Ü und § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht in der Wirkung erstreckt werden. Im übrigen ist eine Versagung wegen des befristeten Rechtsbehelfs aufgrund von misconduct nach RSC Ord. 73 r. 5 nur möglich, wenn der englische Rechtsbehelf zur Aufhebung des Schiedsspruchs geführt hat, Art. V Abs. 1 lit. d, e UN-Ü und § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Es kommen aber daneben bei Verstößen gegen das rechtliche Gehör die unbefristeten Versagungsgründe aus Art. V Abs. 1 lit. b, Abs. 2 lit. b UN-Ü und § 1044 Abs. 2 Nr. 2, 4 ZPO in Betracht. Allerdings rechnet die Unbefangenheit der Schiedsrichter zu den über die ordre public-Bestimmungen der Art. V Abs. 2 lit. b UN-Ü und § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO geschützten Fundamentalnormen 174 . Nur wenn das Schiedsgericht neutral ist, besteht Gewähr für eine auch materiell gerechte Entscheidung. Es ist aber zu berücksichtigen, daß die Geltendmachung der Befangenheit sehr von den Gerichten des Spruchstaats abhängt175. Statt einen Schiedsspruch abzuwarten, kann die benachteiligte Partei schon während des Verfahrens Schritte gegen den Schiedsrichter einleiten. Auf das Recht des Spruchstaates haben sich die Parteien eingelassen. Daran müssen sie sich festhalten lassen176. Nur wenn der Standard für eine Ablehnung wegen Be173 LCIA-Rules art. 3.1: „independent and impartial"; Uncitral-SchiVfRg Art. 10 Abs. 1; IBA Ethics for International Arbitrators, ss. 1, 3; vgl. dagegen IHK-SchO Art. 2 Abs. 7 UAbs. 1: nur „unabhängig". 174

Stein/Jonas /Schlosser,

175

Tupman, (1989) 38 ICLQ 42/43. Im Einzelfall mag man, wenn die Parteien die Festlegung des Spruchstaates

176

§ 1041, Rn. 31.

§ 9 Das Schiedsgericht und die am Verfahren Beteiligten

267

fangenheit im Spruchstaat sehr viel höher i s t als am Gerichtsstaat, muß auf dessen Befangenheitsvorschriften zurückgegriffen werden. Das ist aber im deutsch-englischen Vergleich nicht der Fall. Der wesentliche Unterschied besteht darin, daß nach englischem Recht eine Anfechtungsfrist nach den RSC besteht. Dieser Unterschied ist hinzunehmen. Wenn sich die Parteien auf ein englisches Schiedsverfahren einlassen, dann kann ihnen auch und gerade bei Befangenheitsfällen zugemutet werden, in England gegen den Verstoß vorzugehen.

4. Verzicht auf Disqualifikationsgrund Werden an der Qualifikation eines Schiedsrichters während eines englischen Verfahrens Zweifel wach oder klärt der Schiedsrichter gar über bestimmte Tatsachen auf, so ist er unverzüglich abzulehnen. Ein Ablehnungsund Ablösungsverfahren vor dem High Court braucht die Schiedspartei nicht durchzuführen. Sie kann auch auf einer Vorbehaltsbasis weiter am Schiedsverfahren teilnehmen 177 . Wird aber trotz Kenntnis eines Ablehnungsgrundes die Ablehnung bis nach dem Schiedsspruch versäumt, so wird dies als Verzicht auf die Rüge der fehlenden Qualifikation verstanden 178. Eine Schiedspartei bringt nach englischem 179 wie nach deutschem Recht 180 mit der Ernennung des Schiedsrichters dem Gegner gegenüber zum Ausdruck, daß der Ernannte die vereinbarten Voraussetzungen erfüllt. Er verzichtet stillschweigend auf das Rüge- und Ablehnungsrecht. Es kann der Partei zugemutet werden, die durch eine Ablehnung verursachten Kosten dadurch zu vermeiden, daß sie den Schiedsrichter überprüft. Deshalb ist ein Schiedsspruch wegen Mitwirkung des „eigenen" Schiedsrichters nur angreifbar, wenn der Partei kein Vorwurf der Nichtermittlung des Defekts gemacht werden kann.

einem Dritten überlassen haben, etwa dem Gerichtshof bei Art. 12 IHK-SchO oder dem Schiedsgericht bei Art. 16 Abs. 1 Uncitral-SchiVfRg, anders entscheiden, wie dies Tupman, (1989) 38 ICLQ 43 vorschlägt. Doch ist nicht generell größere Rücksicht auf unvorsichtige Parteien zu nehmen. Vielmehr muß zur Unvorsichtigkeit auch eine Schutzbedürftigkeit hinzutreten. 177

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 253, n. 8; Redfern national Commercial Arbitration, p. 232.

& Hunter, Inter-

178

Insoweit steht s. 24 (1) Arbitration Act 1950 nicht entgegen; s.a. § 43 ZPO sowie Art. 180 Abs. 2 schweizIPRG. 179 Oakland Metal Co Ltd v. D Behaim Co Ltd [1953] 2 Lloyd's Rep 192 at 196 per Parker J (as he then was). 180

Stein/Jonas/Schlosser,

§ 1032, Rn. 30.

268

3. Teil: Versagungstatbestände

Ein Verzicht ist natürlich auch bei Mitwirkung eines vom Gegner oder von einem Dritten ernannten nicht qualifizierten Schiedsrichter möglich. Davon ist grundsätzlich auszugehen, wenn die Schiedspartei in Kenntnis des Ausschlußgrundes das Schiedsverfahren aufnimmt oder damit fortfährt, ohne sich die Berufung auf den Ausschlußgrund vorzubehalten 181. Fahrlässige Unkenntnis vom Disqualifikationsgrund genügt insoweit nicht 182 . Wird ein Schiedsrichter in Kenntnis seiner fehlenden Qualifikation namentlich in der Schiedsvereinbarung genannt, so kann er nach Erlaß des Schiedsspruchs weder in England 183 noch in Deutschland184 abgelehnt werden.

III. Der juristische Berater oder legal assessor In zahlreichen Schiedsordnungen wird für den Fall, daß Schiedsrichter, Parteien und Parteivertreter keine Juristen sind, die Beiziehung eines juristischen Beraters, des legal assessor in das Verfahren zugelassen185. Zum legal assessor wird in Warenhandelsverfahren häufig der solicitor der Handelsvereinigung bestellt 186 . Seine Stellung geht häufig über die eines bloßen Sachverständigen hinaus. Im Einzelfall mag er allen Sitzungen des Schiedsgerichts beiwohnen, die Parteien selbst befragen, bei der Beratung der Schiedsrichter anwesend sein, Entscheidungsvorschläge unterbreiten und den Schiedsspruch absetzen187. 181

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 256; aus der amerikanischen Recht-

sprechung Island Territory

of Curagao v. Solitron

Devices Inc 356 FSupp 1, 12

(SDNY 1973) affd & cert den.: Der Schiedsrichter war ehem. Präsident des Gerichtshofs der niederländischen Antillen, zu denen die Kl. gehört, die Bekl. wußte dies aber stets. 182 Jungheim, Hopkins & Co v. Foukelmann [1909] 2 KB 948. Eine generelle Überprüfungspflicht kann der Schiedspartei nicht zugemutet werden. Sie muß sich auf die stillschweigende Erklärung des Ernennenden verlassen können, der Schiedsrichter sei qualifiziert. Allerdings darf sie auch nicht ihre Augen vor offensichtlichen Disqualifikationsgründen verschließen. 183 S. 24 (1) Arbitration Act 1950 steht dann nicht mehr entgegen; etwas mißverständlich insoweit Stein/Jonas/Schlosser, § 1032, Rn. 30. 184

185

Stein/Jonas/Schlosser,

§ 1032, Rn. 30; Wieczorek/Schütze,

§ 1032, Anm. B II.

Sehr deutlich LMAA-Terms, First Sch. (B)(4); ICE-A.P., r. 9.1; für IHK-SchO Bedjaoui, (1988) vol. 5 no. 1 JIA 17. Die meisten Schiedsordnungen lassen den Schiedsrichtern sehr weiten verfahrensrechtlichen Spielraum; im Zweifel wird darunter auch das Recht zur Ernennung von juristischen Beratern fallen. 186 D.K. Johnson, in: Bernstein & Wood, Handbook of Arbitration Practice, para. 49.2. 187 Vgl. dazu Robert, Administration of Evidence in International Commercial Arbitration, YCA IV (1979) 225.

§ 9 Das Schiedsgericht und die am Verfahren Beteiligten

269

I m Wirkungserstreckungsverfahren wird dies gelegentlich gerügt. Der BGH hat vor kurzem einen englischen Gafta-Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt, bei dem vorgebracht worden war, der juristische Berater habe in der mündlichen Verhandlung das Wort ergriffen, den Parteien Fragen gestellt, bei der Beratung mitgewirkt, dabei Hinweise zur Rechtslage und zur Beweiswürdigung gegeben und den Schiedsspruch einschließlich der Begründung verfaßt 188 . Er hat den Schiedsspruch unter dem Gesichtspunkt des ordre public untersucht, dabei den Meinungsstreit für inländische Schiedsverfahren dargestellt, ohne klar Stellung zu beziehen 189 , und schließlich entschieden, daß ein Verstoß gegen den ordre public international nicht vorliege, weil nach dem unwidersprochenen Vortrag des Antragstellers das Verfahren der Praxis der Warenhandelsschiedsgerichte in London entsprach 190 . Dem ist zuzustimmen. Allerdings ergibt sich die Akzeptabilität des Schiedsspruchs schon daraus, daß bereits für deutsche Verfahren kein Verbot der Einschaltung und der weitgehenden Mitwirkung juristischer Berater besteht. Die grundsätzliche Zulässigkeit juristischer Berater im deutschen Recht dürfte unstreitig sein 191 . Streitig ist nur, ob sie eine besondere Parteivereinbarung erfordert 192 oder auch ohne diese wirksam ist 1 9 3 . In englischen Schiedsverfahren kann man von der Zulässigkeit der Einschaltung von juristischen Beratern wegen der Praxis im Zweifel als stillschweigend vereinbart ausgehen, wo juristische Laien Schiedsrichter sind 194 . Zweifelhaft ist im deutschen Recht auch der Umfang der Rechte des juristischen Beraters. So ist bedenklich, wenn ihm die Feststellung des Sachverhalts und seine rechtliche Würdigung überlassen wird 1 9 5 , wenn er den

188

BGHZ 110, 105 = NJW 1990, 2199.

189

BGH NJW 1990, 2199.

190

BGH NJW 1990, 2199 (2200).

191

BGH NJW 1990, 2199 m.w.N.

192 OLG Düsseldorf BB 1976, 251; HJ. Maier, Handbuch der Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 380 f. 193 Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, Rn. 519. Dafür sprechen die besseren Gründe: der juristische Berater ist insoweit dem Sachverständigen im staatlichen Verfahren vergleichbar, als er ein Fachmann auf einem Gebiet ist, auf dem der Entscheidende Laie ist. Einen Sachverständigen kann und muß der Richter selbst ernennen, wenn ihm die notwendige Sachkunde fehlt, §§ 144 Abs. 1, 372 Abs. 1, 273 Abs. 2 Nr. 4 ZPO. Es ist nicht ersichtlich, weshalb ein juristisch nicht ausgebildeter Schiedsrichter im Grundsatz anders behandelt werden sollte. 194

Merkin, Arbitration Law, para. 12.41. BGH LM § 1041 ZPO, Nr. 8; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 19, Rn. 3; a.A. aber wohl Stein/Jonas/Schlosser, § 1034, Rn. 7. 195

270

3. Teil: Versagungstatbestände

Schiedsspruch über eine bloße Formulierungshilfe hinaus absetzt196 und wenn er in mehreren schiedsgerichtlichen Instanzen herangezogen wird 197 . Aber dies betrifft nicht nur den ordre public, sondern v.a. die Überschreitung der Grenzen der Schiedsvereinbarung, § 1041 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Mit der Bestimmung eines Schiedsrichters erklären die Parteien nämlich, daß sie von ihm eine Entscheidung erwarten 198. Ein juristischer Berater darf also, auch nicht teilweise, die Entscheidung des Schiedsrichters ersetzen 199. Das ist insbesondere anzunehmen, wenn ihm die Feststellung des Sachverhalts oder seine rechtliche Würdigung endgültig überlassen wird. Erforderlich ist vielmehr, daß die Schiedsrichter sich erkennbar die Wertungen des juristischen Beraters zu eigen machen. Formuliert der Berater den Schiedsspruch, so ist dies im Grundsatz hinzunehmen, da das juristische Geschick gerade auch in der Abfassung solch komplexer Schriftstücke liegt. Allerdings ist zu fordern, daß er nur die Entscheidung der Schiedsrichter wiedergibt und nicht seine Wertungen zugrundelegt. Die Schiedsrichter müssen auch stets das abgefaßte Schriftstück vollständig überprüfen 200. Es muß gezeigt werden können, daß sie verstanden haben, was die verwendeten Begriffe und Formulierungen bedeuten. Keinesfalls ausreichend ist, daß sie bloß den Schiedsspruch unterschreiben. Einer Verwendung eines juristischen Beraters in mehreren Schiedsinstanzen kann nicht hingenommen werden. In zweiter Instanz besteht nämlich bei ihm erhebliche Besorgnis der Befangenheit. Das Verfahren ist fehlerhaft. Ein Schiedsspruch kann gem. § 1041 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht für vollstreckbar erklärt werden. Diese Erfordernisse gelten in gleichem Maße auch für englische Schiedsverfahren. Ein englischer Schiedsspruch, der wegen der Übernahme der ganzen oder eines Teils der Entscheidung durch den juristischen Berater auf einem Überschreiten der Schiedsvereinbarung beruht, ist nach englischem Recht nichtig 201 . Seine Wirkungserstreckung scheitert am Überschreiten der Schiedsvereinbarung, Art. V Abs. 1 lit. c UN-Ü, § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

196

BGH L M § 1041 ZPO, Nr. 8; OLG Düsseldorf Vü 1976, 251; Habscheid/Ca-

lavros, KTS 1979, 7; Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, Rn. 114. 197 Ähnlich Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, Rn. 114, 519. 198 OLG Düsseldorf BB 1976, 251 (252). 199

Stein/Jonas/Schlosser,

§ 1034, Rn. 7; Schwab/Walter,

Schiedsgerichtsbarkeit,

Kap. 19, Rn. 6. 200 Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, Rn. 114, 519; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 19, Rn. 6. 201 In diese Richtung auch Merkin, Arbitration Law, para. 12.41.

§ 9 Das Schiedsgericht und die am Verfahren Beteiligten

271

Da die Unterwerfung unter die Schiedsvereinbarung fundamentalen Charakter hat, wird hier auch eine Versagung der Wirkungserstreckung wegen des ordre public in Betracht kommen, Art. V Abs. 2 lit. b UN-Ü und § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Mitwirkung eines befangenen legal assessors führt nach englischem Recht zur Fehlerhaftigkeit des Verfahrens, zu einem misconduct und somit zur gem. RSC Ord. 73 befristeten Anfechtbarkeit des auf einem solchen Verfahren beruhenden Schiedsspruchs. Eine Wirkungserstreckung eines solchen Schiedsspruchs wird daher grundsätzlich nur scheitern, wenn der Schiedsspruch in England erfolgreich, also insb. auch fristgerecht (dazu § 6 III) angefochten wurde, Art. V Abs. 1 lit. d,e UN-Ü, § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Für eine Anwendung des ordre public ist bei Mitwirkung befangener Hilfspersonen kein Raum, wenn - wie in England der Fall - ausreichend Rechtsschutz besteht.

IV. Postulationsfähigkeit und sonstige prozessuale Vertretung Nach § 1044 Abs. 2 Nr. 3 ZPO kann ein Schiedsspruch nicht anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden, wenn eine Partei nicht ordnungsgemäß vertreten war, sofern sie die Prozeßführung nicht ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat. Im Einzelfall kann ein solcher Verstoß auch gem. Art. V Abs. 2 lit. b UN-Ü und § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO als Verstoß gegen den ordre public 202 beachtlich sein. Praktisch wird gegen die anwendbaren Regeln der prozessualen Vertretung als solche selten ausschließlich verstoßen. Soweit es um die Prozeßfähigkeit geht, gilt dies schon deshalb, weil der prozeßunfähigen Partei im Regelfall auch die Geschäftsfähigkeit zum Abschluß einer Schiedsvereinbarung fehlen wird. Nun bestehen aber in bestimmten Schiedsordnungen Beschränkungen der Postulationsfähigkeit. Sie werden nach der englischen lex arbitri derzeit zugelassen. Sie könnten aber gegen den deutschen ordre public verstoßen; den auf solchen Verfahren beruhenden Sprüchen könnte die Anerkennung und Vollstreckung zu versagen sein, Art. V Abs. 2 lit. b UN-Ü und § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die LOF'90 beschränkt die Postulationsfähigkeit insoweit, als nur Vertreter im Vereinigten Königreich bestimmt werden können, cl.8. Diese Bestimmung führt regelmäßig zur Beauftragung von hochspezialisierten eng202

BGHZ 57, 153 (158) für den deutsch-amerikanischen Freundschaftsvertrag, BGBl. 1956 II 488 (Jayme/Hausmann, Nr. 127), der keine dem § 1044 Abs. 2 Nr. 3 ZPO entsprechende Versagungsvorschrift kennt, aber in Art. VI Abs. 2 S. 3 eine ordre public-Vorschrift.

272

3. Teil: Versagungstatbestände

lischen Fachleuten, Defence- und P&I-Clubs 2 0 3 und solicitors, die wiederum gerade auch auf LOF'90-Verfahren spezialisierte barristers beauftragen werden. Sie ist aber insoweit bedenklich, als damit im EU-Ausland niedergelassenen EU-ausländischen Prozeßvertretern der Zugang versperrt wird. Das verstößt gegen Art. 7, 59 f. EGV 2 0 4 . Nach diesen Normen ist auch eine Differenzierung nach dem Niederlassungsort unzulässig 205 . Eine Beschränkung des überragenden Gemeinschaftsguts der Dienstleistungsfreiheit kann nur durch eine im Allgemeininteresse stehende Regelung gerechtfertigt werden. Sie muß für alle im Hoheitsgebiet des Bestimmungsstaates tätige Personen und Unternehmen greifen und Rechtsvorschriften Rechnung tragen, denen der Leistungserbringer an seinem Niederlassungsort unterliegt 206 . Diesen Vorgaben genügt die Klausel der LOF'90 nicht. Es liegt eine unzulässige Differenzierung nach dem Niederlassungsort vor. Zwar wird durch die Bestimmung zur Auswahl von Kennern des nach cl. 1 (g) anwendbaren englischen Rechts gefördert. Diese Kenntnisse sind aber nicht notwendig. Auch wird die - gerade bei Bergungen ohne Beteiligung britischer Parteien im besonderen nicht selbstverständliche - Erreichbarkeit der Partei gewährleistet. Doch genügt dazu die Niederlassung des Prozeßvertreters im EU-Raum. Sonach ist die Bestimmung gemeinschaftsrechtswidrig und nicht anzuwenden. Dabei spielt es keine Rolle, daß die Klausel eine privatautonome Regelung darstellt. Eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts liegt spätestens dann vor, wenn die englischen Gerichte die Klausel unter Verletzung der Dienstleistungsfreiheit anwenden. Dennoch liegt kein ordre public-Verstoß und damit kein Grund zur Versagung der Wirkungserstreckung vor. Dabei muß nicht auf die der cl. 9 vergleichbare Vorschrift des § 78 ZPO und auf deren EU-Konformität nach Einführung des § 4 Abs. 1 RADG eingegegangen werden. Der Spruchschuldner 203 Defence Clubs sind private, nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtete Vereinigungen von Schiffseignem und Charterern, die ihren Mitgliedern durch primär seemännisch ausgebildete manager Rechtsberatung und -Vertretung bei Charterpartien betreffenden Streitigkeiten anbieten. Protection and Indemnity Clubs sind Vereinigungen von Schiffeignem zur Versicherung gegen schiffsbezogene Ansprüche Dritter, insb. bei Schädigung der Fracht, der Hafenanlagen, bei Verursachung von Ölverschmutzungen, bei Entfernung des Wracks sowie bei Ansprüchen der Besatzung, siehe insg. Summerskill, in: Bernstein & Wood, Handbook of Arbitration Practice, para. 71.5; ausführlich Hazelwood, P & I-Clubs, London u.a. 1989. 204

Die RL 89/48/EWG vom 21.12.1988 über die allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, ist nicht anwendbar, weil cl. 9 keine Diplome voraussetzt. 205 206

EuGH Rspr. 1991,1-659 (685, Rn. 12) (französische Fremdenführerregelung).

So die Fremdenführer-Urteile des EuGH Rspr. 1991 I 659 (685, Rn. 14) (Frankreich); Rspr. 1991, 1-709 (722 f., Rn. 17) (Italien); Rspr. 1991, 1-727 (740 f., Rn. 18 f.) (Griechenland).

§ 9 Das Schiedsgericht und die am Verfahren Beteiligten

273

kann nämlich auf den englischen Rechtsweg verwiesen werden. Im LOF'90Verfahren bleibt ihm - wegen des Verbots von exclusion agreements gem. s. 4 (l)(a) Arbitration Act 1979 - die Möglichkeit beim High Court einen appeal nach s. 1 des Act 1979 einzulegen. Vor dem High Court wird aufgrund der umfangreichen Kontrollbefugnis dieses Gerichts und der Möglichkeit zur Vorlage nach Art. 177 EGV ein umfassender Rechtsschutz ermöglicht, der über die dem deutschen Richter nach § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO eingeräumten Befugnisse hinausreicht. Versäumt der Spruchschuldner den appeal einzulegen207 oder schließt er nach Abschluß der Bergung ein exclusion agreement ab, so braucht ihm kein deutscher Rechtsweg eröffnet zu werden. Bedenklich erscheint auch die häufig 208 in den Schiedsverfahren im Warenhandel anzutreffende Schiedsbestimmung, wonach überwiegend als Anwälte arbeitende Personen nicht oder nur auf Antrag als Prozeßbevollmächtigte zugelassen werden dürfen 209 . Nur die Gafta-Regeln machen hiervon ausdrücklich im appeal-Verfahren eine Ausnahme, wenn im Hinblick auf einen appeal nach s. 1 Arbitration Act 1979 zum High Court eine Begründung des Schiedsspruchs gefordert wird 2 1 0 . Bei den anderen Verfahren dürfte dies ein gewichtiger Aspekt bei der Ermessensausübung darstellen, doch fehlen verläßliche Quellen. Die mit den untersuchten Schiedsordnungen übereinstimmende Ablehnung der Zulassung von Anwälten führt nicht zur Angreifbarkeit der Schiedssprüche aus deutscher Perspektive. Allerdings ist ein Ausschluß von Rechtsanwälten in deutschen Verfahren nicht gestattet; entgegenstehende Vereinbarungen sind unwirksam, § 1034 Abs. 1 S. 2 ZPO. Schiedssprüche, die auf Schiedsverfahren beruhen, bei denen Rechtsanwälte ausgeschlossen waren, sind unwirksam gem. § 1041 Abs. 1 Nr. 1 2. Hs. ZPO, weil sie auf einem unzulässigen Verfahren beruhen und gem. § 1041 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, weil die Partei 207

Dazu oben § 6, III. Von den hier untersuchten Verfahren enthalten nur die LRBA-Rules keine Beschränkung der Anwälte. 209 Soweit ein zwei Instanzen umfassendes Verfahren besteht, ist das Verbot von Anwälten in erster Instanz i.d.R. absolut, Gafta No. 125, r. 4:7; FOSFA-Rules, r. 3 (g); CAL-Rules, r. 6.3 und CTF-Rules, r. 21 (b); in zweiter Instanz steht die Zulassung i.d.R. im freien und begründungsfreien Ermessen des Schiedsgerichts, CAL: r. 14.7; CTF: r. 42 (b); FOSFA: Ermessen soll bei besonders wichtigen Verfahren zugunsten der Anwälte ausgeübt werden, r. 8 (a). Soweit ein nur eine Instanz umfassendes Verfahren besteht, wird von vornherein dem Schiedsgericht ein freies, begründungsfreies Ermessen über die Zulassung eingeräumt: SAOL-Rules, r. 408 (f); RSA-Rules, r. 8 para. 6, und für das Verfahren vor dem Board of Arbitration CTFRules, r. 60 (b). 208

210

Gafta No. 125, r. 10:4.

18 Kilgus

274

3. Teil: Versagungstatbestände

nicht ordnungsgemäß vertreten war. Für ausländische Verfahren ist zu fragen, ob eine ordnungsgemäße Vertretung i.S.d. § 1044 Abs. 2 Nr. 3 ZPO vorliegt. Diese Entscheidung obliegt im Grundsatz dem auf das Verfahren anwendbaren Recht, hier also englischem Recht. Nach englischem Recht ist der Anwaltsausschluß wirksam. Vielleicht ist aber aufgrund des deutschen kollisionsrechtlichen ordre public, vgl. Art. 6 EGBGB, ein anderes Recht für die Bestimmung der Wirksamkeit von Anwaltsausschlußklauseln berufen 211 . Konkret ist zu entscheiden, welchen örtlichen Anwendungsbereich § 1034 Abs. 1 S. 2 ZPO hat. Dabei ist abzuwägen zwischen den deutschen, gesetzgeberischen Interessen und der comitas gegenüber dem Vereinigten Königreich. Sinn des § 1034 Abs. 1 S. 2 ZPO ist es, die juristische Kenntnis und prozessuale Erfahrung von Anwälten allen Parteien zugänglich zu machen. M i t dem Einbringen der juristischen Kenntnisse wird eine materiell richtige Entscheidung erleichtert; mit der prozessualen Erfahrung können insoweit Fehler und damit Aufhebungsgründe besser vermieden werden. Andererseits wird die anwaltliche Mitwirkung von Kaufleuten mit Argwohn betrachtet. Gerade das Einbringen von juristischem Sachverstand verzögere das Verfahren unnötig und mache die Prozeßführung schwerfälliger. Außerdem gehe die kaufmännische, geschäftsmäßige Atmosphäre verloren, wenn Anwälte am Schiedstagungsort, womöglich wie in einem Gerichtssaal, aufträten. Die Schiedsordnungen wollen denn auch eine schnelle, billige und formlose Erledigung der Streitigkeit erreichen. Allerdings sollte nicht verkannt werden, daß in der Warenhandelspraxis längst Anwälte mit der Vorbereitung der Sitzungen betraut werden und in der mündlichen Verhandlung als juristische Berater des Schiedsgerichts (legal assessors) 212 mitwirken 2 1 3 . Dem darf aber kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden, weil der Eindruck des mehr geschäftlichen und nicht antagonistischen Vorgangs erhalten bleibt, wenn nur keine Anwälte in der Sitzung erscheinen oder sonst nach außen hin auftreten. Außerdem liegt der Hauptzweck anwaltlicher Vertretung darin, rechtliche Fragen besonders effektiv zur Geltung zu bringen. Dies kann aber im Warenhandelssektor auch noch im appeal-Verfahren vor dem High Court (ss. 1, 2 Arbitration Act 1979) nachgeholt werden. In diesem Bereich kann nämlich, auch in Verfahren mit Auslandsbeteiligung, ein appeal nicht von vornherein 214 ausgeschlossen werden, ss. 3 (6), (7), 4 (l)(c), (2) Arbitration Act 1979. Allerdings sind für die Zulassung des appeals die Bedeutung der Rechtsfrage und die Wahrscheinlichkeit der Rechtsfehlerhaftigkeit des Schiedsspruchs entschei211

S. zum ordre public oben § 6, II.

212

S. dazu § 9, III.

213 Vgl. D.K. Johnson, in: Bernstein & Wood, Handbook of Arbitration Practice, para. 49.2: üblicherweise ein Vertreter der solicitors der Handelsvereinigung. 214

Ein nachträgliches exclusion agreement nach s. 3 Arbitration Act 1979 ist u.a. auch als Verzicht auf anwaltliche Vertretung zu werten.

§ 10 Das schiedsgerichtliche Verfahren

275

dend und nicht die Mitwirkung eines Anwalts im Schiedsverfahren 215. Eine anwaltliche Vertretung wird daher nicht immer nachholbar sein, aber stets dann, wenn der High Court nach einer vorläufigen Einschätzung eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Rechtsfehlerhaftigkeit des Schiedsspruchs annimmt. Gerade dann kommt es aber auf eine anwaltliche Vertretung an. Doch sind es Kaufleute, die an Verfahren im Warenhandel beteiligt sind. Kaufleuten kann eine bessere Reflektion der Vertragsbestimmungen zugemutet werden als Verbrauchern. Offenbar ist der Handelsverkehr aufgrund ökonomischer Abwägungen zum Ergebnis gelangt, daß die zeitliche Verzögerung und juristische Belastung des Verfahrens den Gewinn an Rechtssicherheit nicht ausgleichen. Gegen eine solche Anwaltsausschlußklausel kann sich nun auch der einzelne Kaufmann faktisch nicht wehren. Dies gilt insb. bei Geschäften im Anwendungsbereich der Gafta- und FOSFA-Verträge. Doch können sie sich auf die Verfahren in Kenntnis der Anwaltsausschlußklausel vorbereiten. Eine Versagung der Wirkungserstreckung wegen § 1044 Abs. 2 Nr. 3 ZPO kommt somit nicht in Betracht. Mangels anderweitiger Fundamentalnormen scheidet auch eine Versagung wegen des deutschen anerkennungsrechtlichen ordre public, Art. V Abs. 2 lit. b UN-Ü und § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, aus. Sicher läßt sich aber mit guten Gründen auch die Gegenmeinung vertreten. Deshalb ist englischen Schiedsrichtern im Warenhandel zu empfehlen, stets eine anwaltliche Vertretung zuzulassen, wenn dies beantragt wird. Den Handelsvereinigungen, die auf der sicheren Seite sein wollen, ist aus deutscher Sicht zu empfehlen, die Anwaltsausschlußklauseln dahin zu ändern, daß Anwälte zuzulassen sind, wenn dies beantragt wird.

§ 10 Das schiedsgerichtliche Verfahren Für die hier untersuchten Schiedssprüche ist - nach deutschem autonomem Recht - stets englisches Schiedsverfahrensrecht anzuwenden. Die Nationalität eines Schiedsspruchs bestimmt sich nach der hier befolgten deutschen Rechtsprechung und Mehrheitsmeinung 1 nach dem anzuwendenden Schiedsverfahrensrecht. Stets, aber auch nur, wenn das anzuwendende Schiedsverfahrensrecht englisches ist, ist der Schiedsspruch englisch. Deshalb kann es - aus Sicht des deutschen Rechts - keinen englischen Schiedsspruch geben, bei dem nicht englisches Verfahrensrecht anzuwenden wäre. Ein anderes gilt nach dem UN-Ü. Nach Art. V Abs. 1 lit. d UN-Ü wird das Schiedsverfahren subsidiär vom Recht des Landes regiert, in dem das Verfahren stattgefunden hat. Aus deutscher Perspektive muß ein englischer Schiedsspruch nicht not215 1

*

Zum appeal-Verfahren s. § 7,1.3.b. S. dazu oben § 4, VI; grundlegend zur h.M. BGHZ 21, 365 (367).

276

3. Teil: Versagungstatbestände

wendig auf einem in England durchgeführten Verfahren beruhen. Das wird aber die fast ausnahmslose Regel sein. Im folgenden wird von der Anwendbarkeit englischen Verfahrensrechts ausgegangen.

I. Fundamentalgrundsätze des englischen Schiedsverfahrens Das englische Verfahren ist in besonderem Maße von zwei Grundsätzen bestimmt: dem des rechtlichen Gehörs (fair trial) und dem der Mündlichkeit. Beide Grundsätze stehen im Schiedsverfahrensrecht in gewissen Grenzen zur Disposition der Parteien. Im Zweifel sind sie aber voll anzuwenden. Das gilt auch und in besonderem Maße für die Verhandlungsmaxime. Sie ist im englischen Zivilprozeß insgesamt sehr viel stärker ausgeprägt als im kontinentaleuropäischen Recht. Deshalb ist jede Ermittlungstätigkeit des Schiedsrichters im Grundsatz abzulehnen2. Nachfolgend soll untersucht werden, welche Bedeutung Mündlichkeit (unter 1) und das rechtliche Gehör im englischen Schiedsverfahren im einzelnen haben (unter 2). Anschließend soll die Bedeutung des rechtlichen Gehörs aus Sicht des deutschen Wirkungserstreckungsverfahrens dargestellt werden (unter 3). Auf die Bedeutung des allein aufgrund von documents, also unter Verzicht auf eine mündliche Verhandlung durchgeführten Schiedsverfahren (arbitration on documents only) wird später (unter i n 2) eingegangen werden.

1. Mündlichkeitsgrundsatz Wie bereits angedeutet, ist im Zweifel eine mündliche Verhandlung während des Schiedsverfahrens erforderlich 3. Dadurch soll nicht nur ermöglicht werden, daß die jeweiligen Parteivertreter die relevanten Rechts- und Tatfragen darstellen können, sondern auch die aus englischer Sicht so sehr geschätzte Gelegenheit zum Kreuzverhör gegnerischer Zeugen (einschließlich der Sachverständigen und der Parteien) gegeben werden. Doch ist auch für eine Befragung von Zeugen die Mündlichkeit nicht unbedingt notwendig. Insoweit kann auch eine schriftliche Stellungnahme der Auskunftsperson genügen. Gerade im Warenhandelssektor, vgl. etwa Rule 4:7, Gafta No. 125

2 Etwa Town & City v. Wiltshier (1989) 44 BLR 109 per Stabb QC, wo der Schiedsrichter zur Beschleunigung des Verfahrens seine vorläufigen tatsächlichen Feststellungen zusammenfaßte; er wurde abgesetzt, weil er ein inquisitorisches Vorgehen gewählt habe. 3 Altco Ltd v. Sutherland [1971] 2 Lloyd's Rep 515 at 518 per Donaldson J (as he then was); Lord Wilberforce, (1989) 5 Arbint 348 hat als Grund für die Mündlichkeit auf das frühere Analphabetentum der Schöffen hingewiesen.

§ 10 Das schiedsgerichtliche Verfahren

277

und im Kleinbetragsverfahren, vgl. etwa A B T A Rules, Rules 7, 8 (iv), wird denn auch regelmäßig auf eine mündliche Verhandlung verzichtet. Dadurch soll ein billiges und schnelles Verfahren erreicht werden. Ein solcher ausdrücklicher Verzicht auf ein mündliches Verfahren ist zulässig4. Weniger klar ist, ob auch ein stillschweigender Verzicht möglich ist 5 . Jedenfalls wird man hier sehr hohe Anforderungen an die abgegebenen Erklärungen stellen müssen, wenn aus ihnen der Wille zur Abweichung von der Regel inferiert werden soll. Allerdings wird für den Fall, in dem die Parteien sich nicht zur Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung geäußert haben, angenommen, daß beide Parteien vor Abschluß des Schiedsverfahrens eine mündliche Verhandlung verlangen können, etwa um dort eine Beweisermittlung durchzuführen 6. Bei Verletzung des Mündlichkeitsgrundsatzes ist eine Anfechtung wegen misconduct möglich. 2. Rechtliches Gehör Auch bei Verletzung des rechtlichen Gehörs ist ein misconduct anzunehmen. Hier wird der Schiedsspruch, der auf einem solchen Verfahrensfehler beruht oder bei dem dies zweifelhaft ist, auf die Anfechtungsklage hin aufgehoben. -

a) Verfahren ohne mündliche Verhandlung

Wird auf eine mündliche Verhandlung verzichtet, so hat der Schiedsrichter natürlich weiterhin beiden Parteien Gelegenheit zu geben, ihre Argumente vorzubringen, auf die gegnerischen Argumente zu erwidern und zulässige Beweismittel vorzulegen; er darf die Parteien nicht mit dem Schiedsspruch überraschen; alle entscheidungsrelevanten Tat- und Rechtsfragen müssen aufgedeckt worden sein. Die Regeln des rechtlichen Gehörs gelten also, wenn auch wegen der Verfahrensgestaltung nicht in allen Bereichen und weniger rigide, auch beim nicht-mündlichen Verfahren 7. 4

Oakland Metal Co Ltd v. D Benaim & Co Ltd [1953] 2 Lloyd's Rep 192 at 199

per Parker J (as he then was); Ritchie v. W Jacks & Co (1922) 10 LILRep 519 at 522 per Lord Sterndale MR; Russian Oil Products Ltd v. Caucasian Oil Co Ltd (1928) 31 LILRep 109 at 111 per Acton J. 5

Kritisch etwa Russian Oil Products Ltd v. Caucasian Oil Co Ltd (1928) 31 LILRep 109 at 111 per Acton J; Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 301. 6

Ritchie v. W Jacks & Co (1922) 10 LILRep 519 at 522 per Lord Sterndale MR;

Star International

Hong Kong (UK) Ltd v. Bergbau-Handel GmbH [1966] 2 Lloyd's

Rep 16 per Mocatta J at 19. 7

Allgemein und im besonderen zur Gelegenheit zur Entgegnung WH Ireland & Co v. CT Bowring & Co Ltd (1920) 2 LILRep 220 at 221 per Bailhache J.

278

3. Teil: Versagungstatbestände

b) Mündliches Verfahren Uneingeschränkt gelten die Regeln hingegen, wo ein mündliches Verfahren stattfinden soll. Dabei hat der Schiedsrichter zunächst beide Parteien über Datum, Ort und Inhalt eines Termins zu informieren; er hat eine notice of Hearing zu erteilen 8 . Eine Partei wird selten über das Bestehen eines Schiedsverfahrens gänzlich uninformiert sein. Sie kann aber im Einzelfall aufgrund unklarer oder fehlender Kommunikation eine unrichtige Vorstellung vom Datum, Ort oder Inhalt der bevorstehenden Verhandlung bekommen 9 . Versäumt es der Schiedsrichter in diesem Sinne umfassend zu informieren, so ist auch hier, entgegen Golodetz v. Schrier, sein Schiedsspruch nur wegen misconduct angreifbar 10 . Ein Verzicht auf die Benachrichtung hinsichtlich des Termins ist in der Schiedsvereinbarung nur ausdrücklich und mit sehr bestimmten Worten, aber auch konkludent während des Verfahrens 11 zulässig. Hier sind aber sehr hohe Anforderungen anzulegen. Keinesfalls genügt die Absichtserklärung der Partei, sie werde zur mündlichen Verhandlung nicht erscheinen 12. Der Schiedsrichter hat bei der Terminsfestsetzung auf die Parteien Rücksicht zu nehmen. Es muß Ihnen Gelegenheit gegeben werden, wirkungsvoll bei der mündlichen Verhandlung zu erscheinen (opportunity to attend). Sie selbst müssen anreisen, geeignete Prozeßvertreter auswählen, Zeugen einladen und anderes Beweismaterial beschaffen können. Andererseits hat der Schiedsrichter auch das Parteiinteresse an einem raschen Verfahren zu wahren 13 . Die von ihm getroffene Entscheidung wird vor dem High Court nur dann wegen misconduct angreifbar sein, wenn sie willkürlich ist 14 . 8

The Warwick

(1890) 63 L T 561 per Bailhache J; Oakland Metal Co Ltd v. D

Benaim & Co Ltd [1953] 2 Lloyd's Rep 192 at 199 per Parker J (as he then was); Golodetz v. Schrier (1947) 80 LILRep 647 at 651 per Lord Goddard CJ. 9 10

Mit Beispielen Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 302. Mustill

& Boyd , Commercial Arbitration, p. 302, n.19: M Golodetz v. Schrier

(1947) 80 LILRep 647 at 651 per Lord Goddard CJ (Nichtigkeit des Schiedsspruchs) ist mit Thorburn v. Barnes (1867) LR 2 CP 384 nicht vereinbar. 11

Montrose Canned Foods Ltd v. Eric Wells (Merchants) Ltd [1965] 1 Lloyd's Rep

597 per Megaw J (as he then was) at 602. 12

Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 303.

13

British

Oil and Cake Mills Ltd v. Horace Battin & Co Ltd (1922) 13 LILRep

443 per Darling J at 444. Hier hatten sich die Schiedsbekl. zur Verteidigung gegen einen auf Verzugsschaden gestützten Anspruch auf den (Bürger-)Kriegszustand in der Mandschurei berufen. Zur Darstellung wollten sie auf ein baldiges Schreiben aus Wladiwostok warten, das aber auch nach drei Wochen nicht eingetroffen war. Der Schiedsspruch, der von Kaufleuten erlassen wurde, von denen angenommen wurde, daß sie sich mit der Lage im Femen Osten auskannten, wurde aufrechterhalten, 14

Chandmull Moolchand & Co v. C Weis & Co Ltd (1921) 9 LILRep 412 per Hör-

§ 10 Das schiedsgerichtliche Verfahren

279

Jede Partei hat das Recht, über die ganze Dauer des mündlichen Verfahrens anwesend zu sein. Der Schiedsrichter hat zwar das Recht, eine Partei auszuschließen, wenn sie die Sitzung erheblich stört 15 . Doch darf der Schiedsrichter von seinem Recht nur Gebrauch machen, wo dies unabdingbar ist, um einen ordnungsgemäßen Ablauf der Sitzung zu gewährleisten. Bei den leisesten Zweifeln an den Notwendigkeit des Ausschlußes wird der High Court auf Antrag den Schiedsspruch wegen misconduct durch setting aside aufheben 16. Jeder Partei muß Gelegenheit zum Vortrag und zwar sowohl in tatsächlicher, wie in rechtlicher Hinsicht gegeben werden. Das Vortragsrecht der Parteien muß der Schiedsrichter aber mit dem Interesse an einem schnellen Verfahren abwägen. Deshalb hat er darauf hinzuwirken, daß nicht über für die Entscheidung unerhebliche oder unstreitige Tat- und Rechtsfragen verhandelt wird 1 7 . Er kann auch weitere Vorträge unterbinden 18 , besonders dann, wenn der Verdacht naheliegt, daß sie nur der Verschleppung dienen 19 . Ein nach Abschluß der mündlichen Verhandlung vorgebrachtes weiteres Argument braucht der Schiedsrichter im Schiedsspruch nicht mehr zu berücksichtigen 20 . Gerade in den Schiedsordnungen 21 sind häufig klare Fristen über den Vortrag enthalten. Wird von diesen Regelungen abgewichen, kann der Schiedsrichter den verspäteten Vortrag außer acht lassen22.

ridge J at 413; Rushworth v. Waddington (1859) 1 LT 69 per Martin B; Nares v. Drury (1864) 10 LT 305 per Martin B at 306: stets kein misconduct angenommen. 15

Re Haigh's Estate , Haigh v. Haigh (1861) 5 L T 507 (CA) at 509 per Turner LJ:

„ I certainly do not mean to lay it down that an arbitrator is bound to submit to insults from those who attend him." 16

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 304.

17

Henry Bath & Son Ltd v. Birghy Products [1962] 1 Lloyd's Rep 389 at 398 per

McNair J. 18

Vgl. Graig Shipping Co Ltd v. International

Paint & Compositions

Co Ltd

(1944) 77 LILRep 220: Schiedsspruch auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden documents; kritisch zur fehlenden Ankündigung des Schiedsspruchs Mustill & Boyd y Commercial Arbitration, p. 305. 19

Overseas Fortune Shipping Pte Ltd v. Great Eastern Shipping Co Ltd ( The „Sin-

gapore Fortune ") [1987] 1 Lloyd's Rep 270 per Evans J at 276. 20 Die Frage stellt sich eher umgekehrt, ob nach der mündlichen Verhandlung noch neue Argumente vorgebracht werden dürfen, was in Yamashita Shinnihon SS Co Ltd v. Elios SpA (The „Lily Prima") [1976] 2 Lloyd's Rep 487 (CA) für ein rechtliches Argument zugelassen wurde. 21 Festgelegte Fristen enthalten etwa CIArb-Rules, art. 6.2-6.5; CIArb-SFA-Rules, art. 6 - 9 ; FOSFA-Rules, r. 4; LCIA-Rules, art. 6.2-6.5; ABTA-Rules, r. 7 (i)-(iii); vom Schiedsrichter festzulegende Fristen kennen etwa die Uncitral SchVfRg, Art. 18-20. 22

Henry Bath & Son Ltd v. Birghy Products [1962] 1 Lloyd's Rep 389 at 397 per

280

3. Teil: Versagungstatbestände

Jede Partei muß auch Gelegenheit zum Stellen von Beweisanträgen haben. Beweisanträgen muß der Schiedsrichter nachgehen, soweit sie vor einem staatlichen Gericht zulässig wären 23 . Die Schiedsvereinbarung kann jedoch ein anderes bestimmen. Auch hier sollte der Schiedsrichter das Beschleunigungs- und Kosteninteresse der Parteien im Auge haben. Er darf deshalb Beweisanträge ablehnen, wenn die zu beweisende Tatsache nach Rechtsauffassung des Schiedsrichters unerheblich ist 2 4 oder wenn er von der zu beweisende Tatsache bereits überzeugt ist 25 . Im Grundsatz darf er auch solche Beweisanträge ablehnen, bei denen die Zahl oder die Kosten der angebotenen Beweismittel der Bedeutung der zu erweisenden Tatsache nicht entsprechen. Doch wird es hier näherliegen, die Kosten der Beweiserhebung der beantragenden Partei aufzuerlegen 26. Im englischen Verfahrensrecht gilt der Sachverständige als Zeuge. Wird ein Beweisantrag hinsichtlich eines solchen Zeugen gestellt, so darf der Schiedsrichter ihn ablehnen, wenn er selbst über entsprechende Sachkunde verfügt 27 . Doch sollte er bedenken, daß er durch die Meinung des anderen Experten umgestimmt werden könnte. A u f einen gegnerischen Vortrag hin muß hinreichend Gelegenheit zur Erwiderung gewährt werden. Dazu ist zunächst erforderlich, daß der Vortragsgegner volle Kenntnis vom Vortrag und von den Beweisen des Gegners hat. Sodann muß ihm hinreichend Gelegenheit gegeben werden, dem gegnerischen Vortrag einen eigenen entgegenzusetzen, selbst Beweise zu beantragen und gegnerische zu überprüfen, v.a. durch das Kreuzverhör. Gegen die erste Teilregel verstößt der Schiedsrichter grundsätzlich, wenn er in Abwesenheit der einen Partei Beweise 28 oder das Vorbringen 29 der anderen entgegennimmt.

McNair J, wo in einem dicta ein Schiedsspruch zugelassen wurde, wenn - wie hier die Beklagtenvertreterin erst 1 1/2 Stunden nach vereinbartem Verhandlungsbeginn eintrifft. 23

FE Hookway

& Co Ltd v. Alfred

Isaacs & Sons [1954] 1 Lloyd's Rep 491 at

510 per Devlin J, as he then was; dazu unter II. im einzelnen. 24

Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 306.

25

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 306.

26

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 307.

27

Faure, Fairclough

Ltd v. Premier

Oil & Cake Mills Ltd [1968] 1 Lloyd's Rep

237: Hier hat Donaldson J (as he then was) at 240/241 für ein Speiseöl-Schiedsgericht (nach den Regeln der in die FOSFA aufgegangenen LOTTA) ausgeführt, der als Sachverständiger geladene Chemiker könne nur dann nicht zugelassen werden, wenn feststehe, daß sein Beitrag für die Entscheidung des Schiedsgerichts ohne Relevanz sei, vgl. auch Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 307, n. 3. 28 WH Ireland & Co v. CT Bowring & Co Ltd (1920) 2 LILRep 220 at 221 per Bailhache J: „sacred principle"; Government of Ceylon v. Chandris [1963] 1 Lloyd's Rep 214 at 225 per Megaw J, as he then was; w.N. bei Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 308, n. 13.

§ 10 Das schiedsgerichtliche Verfahren

281

Ein anderes gilt nur dann, wenn die Schiedsvereinbarung es ausdrücklich zuläßt oder die verletzte Partei klar auf ihr Recht verzichtet hat 30 . Nur bei formlosen Verfahren wird man einen stillschweigenden Verzicht annehmen können 31 . Selbst in diesem Fall wird der Schiedsrichter aber die nicht anwesende Partei über die gegnerische Argumentation und Beweise unterrichten müssen. Die dargestellte Rechtslage wurde im wesentlichen für das Entgegennehmen von Beweisen entwickelt. Dasselbe wird man aber - trotz der zurückhaltenden Rechtsprechung etwa in Ireland v. Bowring 32 - auch für den rechtlichen Vortrag annehmen müssen33. Der Verdacht, der Schiedsrichter wolle eine Partei begünstigen, besteht nicht, wenn er Beweise in Abwesenheit beider Parteien entgegennimmt. Hier besteht aber immerhin die Gefahr, daß eine Partei vom Beweisergebnis überrascht wird. Eine Beweisaufnahme in Abwesenheit beider Parteien ist aus diesem Grund grundsätzlich unzulässig. Doch ist eine entgegengesetzte Abrede zweifellos zulässig und gerade in den Schiedsordnungen im Verbraucherverkehr und Warenhandel häufig vorgesehen 34. Mindestens im Warenhandel wird diese Verfahrensweise auch aus dem Handelsbrauch geschlossen35. Selbst in solchen Fällen wird man nicht davon ausgehen können, die Parteien hätten auch auf die Mitteilung des Beweisergebnisses verzichtet. Dazu ist eine ausdrückliche oder eine aus dem Handelsbrauch ableitbare stillschweigende Einigung der Parteien erforderlich 36 . Selbst dann muß der Schiedsrichter aber solche Beweisergebnisse mitteilen, mit denen die Parteien nicht gerechnet haben. Das ergibt sich aus dem Überraschungsverbot. Auch wo der Schiedsrichter Beweise und den Vortrag einer Partei in Abwesenheit der anderen entgegennimmt wird grundsätzlich gefordert, daß der

29

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, pp. 309/310 unter Kritik der zurückhaltenden Rechtsprechung: s.u. Fn. 32. 30

Ritchie v. W Jacks & Co (1922) 10 LILRep 519 (CA) at 522 per Lord Sterndale

MR. 31

Oswald v. Earl Grey (1855) 24 LJQB 69 at 72 lehnt es in förmlichen Verfahren

ab. 32 WH Ireland & Co v. CT Bowring & Co Ltd (1920) 2 LILRep 220 dicta per Bailhache J. 33

Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, pp. 309/310.

34

Etwa ABTA Rules r. 7; Gafta No. 125 r. 4:7.

35

Naumann v. Edward

Nathan & Co Ltd (1930) 37 LILRep 249 (CA) at 251 per

Scrutton LJ bezüglich einer ausdrücklichen Vertragsklausel, die das übliche Verfahren („in the usual way") anordnete; dasselbe gilt, wo eine solche Klausel nicht enthalten ist, Mustill & Boyd, Commercial Arbitration, p. 271, n. 16. 36

Naumann v. Edward

Scrutton LJ.

Nathan & Co Ltd (1930) 37 LILRep 249 (CA) at 251 per

282

3. Teil: Versagungstatbestände

Gegner von deren Inhalt unterrichtet wird. Aber auch hier ist ein ausdrücklicher und sogar ein stillschweigender Verzicht 37 möglich. Wie weit die Mitteilungspflicht reicht, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab, vom Grad der Mündlichkeit, vom Umfang der Vorkenntnis der abwesenden Partei vom gegnerischen Vortrag, von der Art und vom Volumen des gegnerischen Vortrags 38. Auch der Unmittelbarkeitsgrundsatz hat im englischen Prozeßrechts eine Komponente des rechtlichen Gehörs: Findet eine mündliche Verhandlung statt, so wird vermutet, daß der Richter bzw. Schiedsrichter nur die während der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argumente und Beweise seiner Entscheidung zugrundelegen wird. Nur so ist gewährleistet, daß die Parteien sich zu den die Entscheidung tragenden Erwägungen äußern können 39 und insbesondere durch das Kreuzverhör überprüfen können40.

3. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör a) Nach englischem Schiedsverfahrensrecht stellt der Verstoß gegen das rechtliche Gehör ein misconduct dar. Beruht der Schiedsspruch auf diesem Verstoß oder kann dies jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, so ist der Schiedsspruch innerhalb der 21-Tage-Frist anfechtbar. Einem solchen Schiedsspruch ist in dem oben (§ 7 I 3 a) geschilderten Umfang wegen Art. V Abs. 1 lit. e UN-Ü und § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Wirkungserstreckung zu versagen. b) Soweit sich die englischen Vorstellungen vom rechtlichen Gehör nicht von den deutschen unterscheiden wird man daneben auch zur unbefristeten Anwendung des § 1044 Abs. 2 Nr. 4 ZPO kommen. Es besteht auch eine weitgehende Übereinstimmung der Rechtssysteme. Im einzelnen hat der Schiedsrichter auch im deutschen Recht beide Parteien von Datum, Ort und Inhalt des Termins zu unterrichten 41. Er hat ihnen eine vernünftige Vorberei-

37

So in Ritchie v. W Jacks & Co (1922) 10 LILRep 519 at 522 per Lord Stemdale

MR. 38

I.e. The „Myron" (Owners)

v. Tradax

Export SA [1969] 1 Lloyd's Rep 411 at

417 per Donaldson J (as he then was). 39

Société Franco-Tunisienne

D'Armement-Tunis

v. The Government of Ceylon (The

„Massalia ") [1959] 2 Lloyd's Rep 1 (CA) at 16 per Pilcher LJ, hier für eine Rechtsfrage. 40

Eastcheap Dried Fruit

Co v. NV Gebroeders Catz' Handelsvereeniging

Lloyd's Rep 283 per Sachs J at 284. 41

Stein/Jonas /Schlosser,

§ 1044, Rn. 47.

[1962] 1

§ 10 Das schiedsgerichtliche Verfahren

283

tungszeit zu gewähren 42, wobei es letztlich in sein Ermessen gestellt wird, wie lange die Frist bemessen wird 43 . Allerdings kann im Einzelfall die Ablehnung einer Terminsverlegung ein Ablehnungsgrund sein44. Garantiert ist im Grundsatz auch die Parteiöffentlichkeit 45, mit der auch die Gelegenheit zum rechtlichen und tatsächlichen Vortrag 46 , zum Stellen von zulässigen Beweisanträgen 47 sowie zur Erwiderung auf den gegnerischen Vortrag und die gegnerischen Beweisanträge 48 gewährleistet wird. Der Schiedsrichter hat gegnerische Mitteilungen und die Ergebnisse eigener Beweiserhebungen weiterzuleiten 49 . Er hat zu den wesentlichen Angriffs- und Verteidigungsmitteln Stellung zu nehmen, muß sich aber nicht mit jedem Einzelargument auseinandersetzen50. Ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör führt auch bei deutschen Verfahren nicht stets und absolut zur Kassation des Schiedsspruchs51. Allerdings genügen auch hier Zweifel an der Kausalität des Verstoßes für den Schiedsspruch zur Ablehnung seiner Vollstreckbarerklärung 52. Insoweit stimmen die Begriffe des rechtlichen Gehörs überein. Ein gewichtiger Unterschied besteht aber darin, daß die deutschen Gerichte es ablehnen, eine allgemeine und umfassende Aufklärungspflicht des Schiedsrichters im Sinne der §§ 138 f, 278 Abs. 3 ZPO zu statuieren. Es bestehe kein allgemeiner Anspruch auf das Rechtsgespräch mit dem Schiedsrichter 53. Dies müsse gesondert vereinbart werden 54. Ein Verstoß gegen diese Regeln führt danach nicht zu einem Verstoß gegen § 1044 Abs. 2 Nr. 4 ZPO, sondern nur 42

Stein/Jonas/Schlosser,

§ 1044, Rn. 48.

43

Stein/Jonas/Schlosser,

§ 1044, Rn. 48.

44

Baumbach/Lauterbach,

45

Stein/Jonas/Schlosser,

§ 1041, Anm. 7; Stein/Jonas/Schlosser,

§ 1044, Rn. 48.

§ 1044, Rn. 49.

46

BGHZ 3, 215 (218) — deutscher Schiedsspruch zu einem Schokoladenkauf; BGH NJW 1992, 2299 — französischer Schiedsspruch zu Frischgemüse nur unter § 1044 ZPO. 41 BGHZ 3, 215 (218). 48 OLG Hamburg RIW 1975, 432 für amerikanischen AAA-Schiedsspruch und § 1044 ZPO; Stein/Jonas/Schlosser,

§> 1044, Rn. 49.

49

BGHZ 31, 43 (45) für deutschen Schiedsspruch zu einem Ferngasvertrag: Mitteilung der Sachkunde des Schiedsrichters, wenn nicht allgemein bekannt; Stein/ Jonas/Schlosser,

§ 1044, Rn. 49.

50

BGH NJW 1990, 2199 (2200): Dies gelte gleichermaßen für in- und ausländische Schiedssprüche (hier: englischer Gafta-Berufungsspruch). 51

52

Stein/Jonas/Schlosser,

§ 1041, Rn. 36.

BGHZ 3, 215 (219). 53 BGHZ 31, 43 (46); NJW 1983, 867; vgl. auch für staatliche Verfahren BVerfGE 31, 364 (370); 42, 64 (77 f.) mit Sondervotum Geiger (ebd., 85). 54 BGH NJW 1983, 867 (868).

284

3. Teil: Versagungstatbestände

zu einer Aufhebung im Rahmen des § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO und des Art. V Abs. 1 lit. e UN-Ü. Für das staatliche Verfahren hat das BVerfG gem. § 31 Abs. 1 BVerfGG verbindlich 55 festgestellt, daß ein Anspruch auf ein Rechtsgespräch nicht aus Art. 103 Abs. 1 GG abgeleitet werden kann 56 . Im Einzelfall mag sich aber bei Überlappungen mit anderen Grundrechten 57 und zur Vermeidung von Überraschungen 58 etwas anderes ergeben. Überraschungen können sich insbesondere ergeben, wenn ein Gericht ohne Ankündigung ausländisches Recht anwendet 59 , von einer gefestigten Rechtsprechung 60 oder von einer eindeutig geäußerten Rechtsansicht61 abweicht. Dies gilt auch für das schiedsgerichtliche Verfahren. Hier kommt zu den Argumenten der letztlich auf dem jura novit curia-Satz basierenden Rechtsprechung zum staatlichen Verfahren hinzu, daß Schiedsrichter häufig juristische Laien sind, denen ein Rechtsgespräch nicht aufgebürdet werden kann 62 . c) Wie bereits oben dargestellt, ist der Begriff des rechtlichen Gehörs im U N - Ü autonom auszulegen (§ 7 I 3 a bb (2)). Dabei ist zunächst vom Wortlaut des Übereinkommens auszugehen. Danach ist der Spruchschuldner gehörig von der Ernennung des Schiedsrichters und vom Schiedsverfahren (engl, arbitration proceedings) zu benachrichtigen und ihm ausreichend Gelegenheit zur Wahrnehmung seiner Angriffs- und Verteidigungsmittel zu geben. Das ist so zu verstehen 63, daß die Parteien von Termin, Ort und Inhalt einer mündli-

55

A. Arndt, NJW 1959, 6 f. hatte an der frühen Rechtsprechung Kritik geübt. Der Satz jura novit curia verleite dazu anzunehmen, daß das Recht wie etwas Vorgegebenes, vom Gericht jederzeit feststellbares zu behandeln. In Wahrheit entstehe das Recht im konkreten Fall erst aus dem Zusammenwirken von Gesetz und Gericht. Sei nicht erkennbar, welcher Rechtsauffassung das Gericht zuneige, so würden Tatsachen nur deshalb nicht vorgetragen. Dafür spricht viel. Doch führt kein Weg an § 31 Abs. 1 BVerfGG vorbei. 56

Für ein staatliches Baulandverfahren BVerfGE

31, 364 (370).

57

Ausnahmsweise wegen Art. 6 Abs. 1 GG und Bedeutung des Eigentums im sozialen Rechtsstaats bejahend BVerfGE 42, 64 (77 f.) mit Sondervotum Geiger (ebd., 85) gegen Rechtsgespräch, aber für Versagung des Zuschlags im Zwangsversteigerungsverfahren. 58

Insgesamt BK/Rüping, Art. 103 I, Rn. 45.

59

BGH NJW 1976, 474 (Anwendung schweizerischen Kartellrechts).

60

BFHE 84, 69 (75).

61

BVerwG NJW 1961, 891 (891 f.); vgl. auch das Sondervotum Geiger, BVerfGE 42, 64 (85). 62

BGHZ 31, 43 (46).

63

Zur englischen und deutschen Rechtsprechung und Literatur s.o. 2. bzw. 3.b.

§ 10 Das schiedsgerichtliche Verfahren

285

chen Verhandlung zu unterrichten sind 64 , daß ihnen eine im Ermessen des Schiedsrichters liegende Frist zur Vorbereitung zu setzen ist 65 , daß die Parteiöffentlichkeit gewährleistet wird 66 und daß insbesondere umfassende Gelegenheit zur Erwiderung bestehen muß 67 . Die hier zweifelhafte Frage, ob eine Aufklärungspflicht auch für entscheidungserhebliche rechtliche Gesichtspunkte besteht, wurde aber, soweit ersichtlich, nicht entschieden. Eine solche Pflicht könnte sich aus dem Gebot ergeben, dem Spruchschuldner ausreichend Gelegenheit zur Geltendmachung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln zu geben. Allerdings ist der Wortlaut hier keinesfalls klar. Sinn der Vorschrift ist es v.a., den Spruchschuldner vor überraschenden Schiedssprüchen zu schützen. Daraus ergibt sich eine rechtliche Aufklärungspflicht insb. dann, wenn das Schiedsgericht von einer eindeutig geäußerten Rechtsauffassung abweichen möchte. Bei internationalen Schiedsverfahren muß der Schiedsrichter bei Zweifeln auch über das anwendbare Recht Auskunft erteilen. Dies gilt in besonderem Maße, wenn er - in Übereinstimmung mit der Schiedsvereinbarung - seine Entscheidung nur auf Billigkeitserwägungen abstellen will. Eine allgemeine Rechtsberatungspflicht ergibt sich aber nicht aus dem Übereinkommen. Dieses Ergebnis wird bei Rechtsvergleichung des Begriffs des rechtlichen Gehörs im UN-Ü mit anderen autonom auszulegenden ähnlichen Begriffen soweit gesehen - nicht widerlegt. Zu der problematischen Frage nehmen die Entscheidungen der Konventionsorgane und die Literatur zum Begriff des fairen Verfahrens in Art. 6 Abs. 1 EuMRK 6 8 nicht Stellung69. Die teleologische Auslegung dürfte hier zum selben Ergebnis führen wie beim UN-Ü.

64 OberG Basel YCA IV (1979), 309 (310): verneinend, da mit Schiedsordnung konform und Spruchschuldner ohnehin schon Aufschub gewährt worden war; Corte di Cassazione YCA IX (1984), 423 (425); Corte di Appello di Napoli RDIPP 13 (1977),

839 (844/845); European Grain & Shipping Ltd v. Seth Oil Mills Ltd YCA IX

(1984), 411 (HC Bombay) at 414/415 per Pendse J: Mitteilung der Gafta-Schiedsklage war ausreichend. 65 AppG Athen RevHellDI 16 (1963), 356: 5-tägige Vorbereitung auf Verhandlung in New York bei griechischer Partei akzeptiert. 66

Katz v. Uvegi 187 NYS 2d 511 (518); Totem Marine Tug & Barge Inc v. North American Towing Inc 607 F 2d 649 (1979); Cour d'appel de Rouen RevArb 1966,

23. 67 Totem Marine Tug & Barge Inc v. North American Towing Inc 607 F 2d 649 (1979); Cour d'appel de Pans RevArb 1967, 122.

68

Auf andere ähnliche völkerrechtliche Normen, etwa Art. 14 Abs. 1 des Internationalen Pakts für bürgerliche und politische Rechte v.19.12.1966, BGBl. 1973 II 1534, 1976 II 426 (= Sartorius II, Nr. 20) sowie entsprechende Normen, etwa Art. 8 der American Convention on Human Rights, OEA/Ser. K/XVI/1.1/Doc. 65, of January 7, 1970, abgedruckt in JIR 15 (1971), 822, und Art. 7 der Banjul African

286

3. Teil: Versagungstatbestände

Selbst wenn der Begriff des rechtliche Gehörs unter dem U N - Ü weiter wäre als der deutsche Begriff, kommt dem Spruchgläubiger § 1044 Abs. 2 Nr. 4 ZPO über Art. V I I Nr. 1 U N - Ü zugute. Insoweit kann der deutsche Richter also ausschließlich den Maßstab des deutschen rechtlichen Gehörs zugrundelegen, ohne im einzelnen feststellen zu müssen, um wieviel weiter der Konventionsbegriff ist 70 . d) Das rechtliche Gehör ist - wie sich aus der Verankerung in Art. 103 Abs. 1 GG ergibt 71 und durch die besondere Hervorhebung in § 1044 Abs. 2 ZPO nicht verhindert wird - Teil der deutschen Fundamentalnormen. Man wird so weit gehen müssen, daß jeder Verstoß gegen das rechtliche Gehör zugleich auch ein Verstoß gegen den ordre public darstellt. Jeder Anwendungsfall des § 1044 Abs. 2 Nr. 4 ZPO ist zugleich ein Anwendungsfall des § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. e) Neben Art. V Abs. 1 lit. b wird zwar - entgegen Aden 7 2 - selten Raum für Art. V Abs. 1 lit. d U N - Ü bestehen. Doch fallen bei englischen Schiedssprüchen die insoweit strengeren Bestimmungen des rechtlichen Gehörs bei der Pflicht zur rechtlichen Aufklärung im englischen Recht hierunter. Hat ein Schiedsrichter seine nach englischem Recht bestehende Pflicht zur Rechtsberatung verletzt, so kann sich der Spruchschuldner auf Art. V Abs. 1 lit. d U N - Ü berufen. Allerdings wird über Art. V I I Abs. 1 U N - Ü die günstigere Regelung des § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zur Anwendung kommen. Deshalb ist nach der hier befolgten h.M. im deutschen Recht 73 insoweit die Befristung in Ord. 73 der RSC zu berücksichtigen.

Charter on Human and Peoples' Rights of 28 June 1981, OAU Doc. CAB/LEG/67/ 3/Rev. 5, abgedruckt bei E. Lawson, Encyclopaedia of Human Rights (New York u.a. 1991), p. 12, jeweils in deutscher Übersetzung bei amnesty international (Hrsg.), Der regionale Menschenschutz in Afrika, Amerika und Europa (Frankfurt a.M. 1988), konnte leider nicht eingegangen werden. 69

Vgl. nur Moitry, (1989) vol. 6 no. 2 JIA, 121 /122.

70

Das sollte aber deutlich gemacht werden, anders als BGH NJW 1992, 2299, wo nur § 1044 ZPO angewandt wurden und auf die vorrangigen UN-Ü und EuÜ nicht eingegangen wurde, krit. auch Aden, NJW 1993, 1964. 71

BGH NJW 1992, 2299; Stein/Jonas/Schlosser,

72

Aden, NJW 1993, 1965.

73

S.o. § 6, III.

Anh. § 1044, Rn. 62.

§ 10 Das schiedsgerichtliche Verfahren

287

I I . Die Beweisaufnahme 1. Discovery Die discovery wird von englischen Autoren heute als das größte Hindernis bei der Wahl des englischen Standorts gesehen74.

a) Deutsches Recht im Überblick Dabei geht es um folgendes Problem: Sowohl das deutsche wie das englische staatliche und Schiedsverfahren sind von der Verhandlungsmaxime bestimmt. Die Parteien bestimmen, welche Tatsachen sie vortragen wollen und welche Beweise berücksichtigt werden sollen. Problematisch wird die Verhandlungsmaxime, wenn Beweismittel im Besitz des Gegners der beweisbelasteten Partei sind. In der deutschen Praxis wird dieses Problem nicht gezielt angegriffen. Aus den Reihen der Literatur wird zwar eine allgemeine Prozeßförderungspflicht verlangt 75. Dem hat sich die Rechtsprechung aber bislang verschlossen. Vielmehr wird eine Vielzahl höchst verschiedener Instrumente eingesetzt76. Zum Teil wird mit einer Umkehr der Beweislast gearbeitet. Auf diesem Gedanken beruht etwa auch die Rechtsprechung zum Verschuldensnachweis bei der Produkthaftung aus § 823 Abs. 1 BGB 7 7 . Zum anderen wird oft dann, wenn der Kläger noch nicht einmal wissen kann, wie er seine Klage titulieren kann, weil er die Höhe seines Anspruchs nicht abschätzen kann, ein Auskunftsanspruch angenommen. So 78 muß der 74

Gatenby, (1985) 51 Arbitration 539. Stiirner (Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses, S. 92, 98 ff.) und E. Peters (Fs. Schwab, S. 413 f.) halten schon heute eine richterliche Rechtsfortbildung aufgrund einer Gesamtanalogie zu §§ 138 I, II, 372a, 423, 445 ff. (nur Stiirner auch 656 I) ZPO für möglich; ebenfalls kritisch zur Rechtsprechung Schlosser, JZ 1991, 606. Ob die vorgeschlagene Aufklärungspflicht tatsächlich die Reichweite der discovery hätte, ist besonders im vorprozessualen Bereich zweifelhaft. Stiirner, a.a.O., S. 152 ff. möchte hier offenbar allein mit dem Kostenrecht und Auskunftsansprüchen arbeiten. Damit wird der aus anglo-amerikanischer Sicht zentrale Vorteil der discovery, die Prozeßvermeidung, aber nicht erreicht. 76 So jüngst BGH RIW 1993, 132 (133). 77 Weitere Beispiele: § 823 Abs. 1 BGB bei groben ärztlichen Behandlungsfehlern, § 282 BGB als gesetzliche Beweislastumkehr für Verschulden bei Leistungsstörungen sowie möglicherweise die Fälle der Beweisvereitelung, Paulus, ZZP 104 (1991), 402; Schaaff, Discovery und andere Mittel, S. 139 ff. insb. zu Arzthaftungsfällen m.w.N. 78 Weitere Beispiele: Auskunftspflichten des Auftragnehmers, § 666 BGB, des Ge75

288

3. Teil: Versagungstatbestände

Unterhaltsgläubiger wissen, welches Vermögen und welche Einkünfte der Unterhaltsschuldner hat, damit er überhaupt einen der Höhe nach bestimmten Unterhaltsanspruch gerichtlich geltend machen kann. Deshalb räumt man ihm einen Auskunftsanspruch ein, §§ 1605, 1580 BGB. Diesen kann er auch im Wege der Stufenklage nach § 254 ZPO zugleich mit der vorläufig der Höhe nach unbestimmten Zahlungsklage geltend machen. Die Verleihung von Auskunftsansprüchen ist aber erheblich ausgeweitet worden. So wird aus § 242 BGB eine allgemeine Auskunftspflicht aus jedem Rechtsverhältnis angenommen, dessen Wesen es mit sich bringt, daß der Berechtigte entschuldbarerweise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, der Verpflichtete hingegen in der Lage ist, unschwer solche Auskunft zu erteilen 79. Ein prozessualer Informationsanspruch, der also aufgrund der Prozeßförderungspflicht der Parteien besteht80, besteht nach der h.M. nur ausnahmsweise. So etwa, wenn beantragt wird, dem Gegner des Beweisführers gem. §421 ZPO die Vorlegung einer bei ihm befindlichen Urkunde aufgegeben wird. Dann ist es Sache des Gerichts zu entscheiden, ob die zu beweisende Tatsache erheblich ist, § 425 ZPO, sowie ob sich die Urkunde beim Gegner befindet, § 426 ZPO. Wird auf eine Urkunde Bezug genommen, so kann ihre Mitteilung gem. §§ 134, 135 ZPO verlangt werden. Die Informations-, Beweis- und Urkundenbeschaffung erfolgt also, wie dies J.E. Adams nennt, „by ambush" 81 , aus dem Hinterhalt.

b) Darstellung der englischen Rechtslage Die englische Lösung bezeichnet er hingegen als „litigation by avalanche". Die discovery 82 löst in der Tat, in ihrer Reinform - wie sie vor dem High

schäftsführers ohne Auftrag, § 681 BGB, des Vorstands des e.V., § 27 Abs. 3 BGB, des geschäftsführenden Gesellschafters einer BGB-Gesellschaft, § 713 BGB, des Erbschaftsbesitzers, § 2027, sowie gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten beim Erben, §2314 BGB, und analog in weiteren erbrechtlichen Fällen (dazu Paulus, ZZP 104 (1991), 403), sowie beim Produktvertreibenden gegenüber dem Warenzeicheninhaber, § 25b WZG, vgl. Paulus, a.a.O., 402 ff. 79

So die st. Rspr., zuletzt BGH NJW 1988, 1906; w.N. bei Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 24 III 2, der annimmt, es habe sich inzwischen Gewohnheitsrecht gebildet. 80 Schaaff, Discovery und andere Mittel, S. 143. 81 So auch Bingham-Committee, Discovery, p. 2 zur Beschreibung der Situation, die beim Wegfall der discovery bestünde. 82 Eine umfängliche Gesamtdarstellung in deutscher Sprache enthält die Dissertation von Schaaff\ Discovery und andere Mittel; zur Geschichte knapp Morgan, (1986) vol. 3 no. 3 JIA, 9/10.

§ 10 Das schiedsgerichtliche Verfahren

289

Court Anwendung findet - eine Informationslawine aus. Sie hat aber den Vorteil, daß die Schiedsparteien über die urkundlichen Beweismittel ihres Gegners vor Beginn des eigentlichen Verfahrens informiert sind. O'Hare & Hill schreiben: „discovery may forearm the recipient as well as forewarn him" 8 3 . Durch die Vorwarnung kann der Rechtsstreit vermieden werden: Viele Streitigkeiten werden schon nach Durchführung der discovery etwa durch Vergleich erledigt 84 . Außerdem wird aber durch die vorherige Information über Beweismittel die den Gegner belasten, materiell gerechter entschieden, wie Sir John Donaldson M R (as he then was) betont hat 85 . Gegenstand der discovery sind „documents relating to the matter which are or have been in his or her possession, custody or power" 86 . Der Begriff des document geht über den der Urkunde hinaus und umfaßt auch Augenscheinsobjekte, wie etwa Disketten, Ton- und Videobänder 87 . Die Fallrelevanz wird seit Compagnie Financière v. Peruvian Guano schon angenommen, wenn irgendein Bezug zum Fall besteht, sei er auch fernliegend 88 . Gerade auch belastende documents sind Gegenstand der discovery 89 . Ähnlich dem deutschen Ausforschungsverbot besteht in England ein Verbot von „fishing expeditions". Discovery darf danach nicht begehrt werden, wenn sie nur dazu dienen sollen, bestimmte bisher unentdeckte Ansprüche oder Einwendungen

83

O'Hare & Hill, Civil Litigation, p. 393.

84

Bingham-Committee, Discovery, pp. 1/2; O'Hare & Hill, Civil Litigation, p. 394; andererseits können die hohen Kosten der discovery auch vor einem Vergleich zurückschrecken lassen, so Tackaberry, in: Bernstein & Wood, Handbook of Arbitration Practice, para. 33.2. 85

Davies v. Eli Lilly & Co [1987] 1 WLR 428 per Sir John Donaldson MR (as he then was) at 431: „In plain language, litigation in this country is conducted ,cards face up on the table'. Some people from other lands regard this as incomprehensible. ,Why\ they ask, »should I be expected to provide my opponents with the means to defeat me?* The answer, of course, is that litigation is not a war or even a game. It is designed to do real justice between opposing parties and if the court does not have all the relevant information, it cannot acchieve this object." 86

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 324.

87

O'Hare & Hill , Civil Litigation, p. 392; Format Communications Mfg Ltd v. ITT (UK) Ltd [1983] FSR 473 (CA) für Software; differenzierend für Datenbasis Derby & Co Ltd v. Weldon (No. 9) [1991] 2 A11ER 901 (ChD). 88

The Compagnie Financière

et Commercial du Pacifique

v. Peruvian

Guano Co

(1882) 11 QBD 55 at 63 per Sir Baliol Brett MR: „It seems to me that every document relates to the matters in question documents in the action, which not only would be evidence on any issue, but also which it is reasonable to suppose, contains information which may - not which must - either directly or indirectly enable the party requiring the affidavit of either to advance his own case or to damage the case of his adversary." 89

Statt aller CroaU (1985) 51 Arbitration 532.

19 Kilgus

290

3. Teil: Versagungstatbestände

geltend machen zu können 90 . Ferner darf discovery nur begehrt werden, wo sie zu einer materiell gerechten Entscheidung erforderlich ist oder der Kostenersparnis dient, RSC Ord. 24 rr. 2 (5), 8, 13 (1). Da das Instrument seinen Ursprung in der Equity hat, besteht letztlich kein Anspruch auf seine Gewährung. Vielmehr hat das Gericht Ermessen, das es insbesondere einsetzen wird, um eine erdrückende (oppressive) Verwendung zu verhindern 91 . Bei der discovery sind zunächst zwei Schritte zu unterscheiden, einerseits die disclosure und andererseits die production and inspection. Bei der disclosure werden von den Parteien 92 die documents aufgelistet 93 , und zwar mit sehr geringen Ausnahmen 94 unabhängig davon, wie intim, vertraulich und geheim das einzelne document sein mag. Während des zweiten Verfahrensabschnitts können dann die Urkunden eingesehen werden, von denen dies der Prozeßgegner verlangt und die nicht aus einem anerkannten Grund privilegiert sind. Die vom Vorlegenden oder seinem solicitor beeidete Erklärung 90 Barham v. Lord Huntingfield [1913] 2 KB 193 (CA), wo die Klägerin wissen wollte, ob die beleidigenden Äußerungen auch gegenüber weiteren Personen gemacht worden waren; Rofe v. Kevorkian [1936] 2 AUER 1334 (CA), wo gefragt wurde, wo die als Originale verkauften, imitierten Gemälde erworben wurden; diese Fälle betrafen zwar interrogatories (s. dazu unten), bei discovery of documents dürfte aber dieselbe Regel gelten, wie O'Hare & Hill, Civil Litigation, pp. 396/397, und Buckley LJ in einem obiter dictum in Shaw v. Vauxhall Motors [1974] 1 WLR 1035 (CA) at 1040d meinen. 91

Als erdrückend wird die Vorlage dann empfunden, wenn die Einsichtnahme in das Log des Schiffes für fünf Jahre vor dem Unfall begehrt wird, Cato y Arbitration Procedure and Practice, para. 14.2.4, wobei hier v.a. auch die Gefahr einer fishing expedition besteht. 92

Discovery kann grundsätzlich nur zwischen Parteien begehrt werden. Allerdings ist nunmehr im staatlichen Verfahren auch die selbständige, auf discovery gerichtete Klage zulässig, jedenfalls dann, wenn der Beklagte den entstandenen Schaden - sei es auch schuldlos - (mit-)verursacht hat, Norwich

Pharmacal v. Customs and Excise

[1974] AC 133 (HL). Außerdem gelten Ausnahmen, von denen die wichtigste die subpoena duces tecum nach den RSC Ord. 38. r. 19 sein dürfte, mit der eine Partei, nicht aber ein Schiedsrichter das Erscheinen einer Person und die Vorlage von documents erzwingen kann, vgl. Tackaberry in: Bernstein & Wood, Handbook of Arbitration Practice, para. 32.4, siehe zu s. 34 des Supreme Court Act 1981 auch O'Hare & Hill, Civil Litigation, pp. 394/395. Discovery kann auch vom Streitgenossen verlangt werden, Clayson v. Rolls Royce Ltd and Evans Lifts Ltd [1951] 1 KB 746 (CA) (ge-

gen den Mitbeklagten). 93

Die Liste enthält typischerweise drei Teile: die documents in der gegenwärtigen Verfügungsgewalt der Partei, die - nach ihrer Auffassung - (1) unprivilegiert und (2) privilegiert sind und warum, sowie (3) die früher in der Verfügungsgewalt befindlichen documents; dazu im einzelnen etwa O'Hare & Hill, Civil Litigation, pp. 405/ 406. 94

Die Ausnahmen greifen dann, wenn durch eine disclosure eine Privilegierung bei der inspection zunichte machen würde, dazu RSC Ord. 77, r. 12 (2).

§ 10 Das schiedsgerichtliche Verfahren

291

(affidavit) bestimmte documents seien irrelevant oder privilegiert, wird, wenn erhebliche Zweifeln an der Richtigkeit dieser Erklärung bestehen95, richterlich bzw. schiedsrichterlich überprüft. Im Anschluß an die discovery werden dem Richter bzw. Schiedsrichter die Urkunden vorgelegt, die mindestens eine der Parteien für erheblich erachtet 96. Dabei einigen sich die Parteien typischerweise entweder darauf, daß die Urkunde vollen Beweis dafür bietet, daß die darin abgegebenen Erklärungen vom Aussteller abgegeben wurden (agreeing on the documents as documents) oder auch darauf, daß sie vollen Beweis für die darin bezeichneten Tatsachen bieten (agreeing on the documents as evidence of their contents) (insg.: agreed bündle) 97 . Selten wird die Echtheit des document bestritten. Vor einem Schiedsgericht wird ein solcher Vorwurf praktisch nie vorkommen. Die Behauptung eine Urkunde sei gefälscht, enthält stets den Vorwurf des fraud und sollte daher nach englischer Vorstellung besser vor dem High Court behandelt werden. Der Richter am High Court wird dann bei domestic arbitration agreements keine Verweisung nach s. 4 (1) Arbitration Act 1950 vornehmen. Der angeschuldigten Partei steht es frei, die Entscheidung des High Court gem. s. 24 (2) Arbitration Act 1950 herbeizuführen 98. Weitere Unterschiede zwischen dem staatlichen Verfahren und dem typischen schiedsgerichtlichen Verfahren bestehen im Ausmaß und in der Formenstrenge. Vor dem eigentlichen staatlichen Verfahren besteht fast immer automatisch eine Pflicht zur umfassenden und vollständigen disclosure aus den RSC Ord. 24". Eine Beschränkung der Vorlagepflicht wird erst dann virulent, wenn Zweifel an der Vollständigkeit 100 der Liste bestehen. Dann kann ein procedure for specific discovery eingeleitet werden 101 , mit dem die Bezeichnung und Offenlegung eines bestimmten documents oder einer bestimmten Gruppe von documents begehrt wird 1 0 2 . Dieses System führt aber 95

Bewicke v. Graham (1881) 7 QBD 400 (CA) at 408 per Denman J; vgl. aus dem Strafrecht neuerdings R v. Davis (Times 19/1/1993) und R v. Ward (1993) 96 CrAppR 1. 96

Mustill & Boyd y Commercial Arbitration, p. 326.

97

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 326.

98

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 327.

99

CroaU (1985) 51 Arbitration 532; Gatenby, (1985) 51 Arbitration 540; zur Unterscheidung von general order and specific discovery allgemein O'Hare & Hill, Civil Litigation, pp. 392, 402/403, 409. 100 Das ist das Unterscheidungskriterium zur application for a further and better list. Dort wird nicht die Vollständigkeit gerügt, sondern eine Präzisierung gewünscht, s. dazu O'Hare & Hill, Civil Litigation, p. 421. 101 102

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 324.

Mustill JIA, 11. *

& Boyd , Commercial Arbitration, p. 326; Morgan, (1986) vol. 3 no. 3

292

3. Teil: Versagungstatbestände

zu praktischen Problemen: Richter und Parteienvertreter werden mit Schriftstücken überflutet, die nur zum Teil entscheidungsrelevant sind. Deshalb wird im Schiedsverfahren regelmäßig auf die der automatischen general disclosure im staatlichen Verfahren entsprechende general order for discovery verzichtet und gleich auf die specific discovery übergegangen 103. Typischerweise werden dann von jeder Partei nur die documents vorgelegt, auf die sie ihren Vortrag stützen w i l l 1 0 4 . Dem hat der Gesetzgeber durch eine das Ermessen des Schiedsrichters betonende Regelung der discovery in s. 12 (1) Arbitration Act 1950 und kürzlich durch Aufhebung der Möglichkeit einer Anordnung von discovery durch den High Court (s. 12 (6)(b) Arbitration Act 1950 repealed by Courts and Legal Services Act 1990, s. 103) Rechnung getragen. Von den gebräuchlichen Schiedsordnungen kommen die Uncitral-Regeln in Art. 15 Abs. 1 und die LMAA-Terms in First Sch. ( B ) ( l ) dem gesetzlichen Modell in s. 12 (1) Arbitration Act 1950 am nächsten. Sie stellen es in das Ermessen des Schiedsrichters, ob und in welchem Umfang Beweisstücke vorzulegen sind. In vielen Schiedsordnungen legen die Parteien aber nur solche documents vor, auf die sie ihren Vortrag stützen wollen 1 0 5 . Das gilt etwa für art. 6.6 LCIA-Rules, wo nur die documents von den Parteien vorzulegen sind, auf die sie zwingend zur Beweisführung angewiesen sind, die IHKSchO in Art. 3 Abs. 2 lit. c, 14 Abs. 1, die Supplementary Rules der I B A in r. 4, ss. 1, 2 sowie das ICE-A.P. in r. 12.3 (d) 1 0 6 . Ähnliches wird man auch für die Schiedsordnung GAFTA-No. 125 in r. 4:1 annehmen müssen, wo die Parteien darüber bestimmen, welche documents vorgelegt werden, und nicht der Schiedsrichter 107 .

103 Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 325; Morgan, (1986) vol. 3 no. 3 JIA, 12; Rokison, in: Lew, Contemporary Problems, p. 94; allgemein abgelehnt wird hingegen die weitergehende Meinung von Lord Denning MR in Alfred Crompton

Amusement Machines Ltd v. Customs and Excise Commissioners

[1972] 2 QB 102

(CA) at 127, der das Recht der Parteien volle discovery zu verlangen, betonte. Natürlich dürfen Parteien einverständlich die discovery vollständig ausschließen; so statt aller Croal, (1985) 51 Arbitration, 533/534. 104

Das betont Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 638 f. 105

Das empfiehlt unter konkretem Hinweis auf die IBA-Regeln Croal, (1985) 51 Arbitration, 537; kritisch hingegen Gatenby, (1985) 51 Arbitration, 545 besonders zu r. 12.3 (d) ICE-A.P. 106 107

Marriott,

(1989) 5 Arblnt, 284.

Das ICE-A.P. ist besonders verwirrend, vgl. r. 6.1 (b), 11 (2), 13.1 (b), so daß hier nicht ganz klar ist, welche Rechte der Schiedsrichter hat, dazu auch kritisch Gatenby, (1985) 51 Arbitration, 544, 545.

§ 10 Das schiedsgerichtliche Verfahren

293

Ein erhebliches Interesse, nicht alle documents vorzulegen, besteht etwa bei Schiedsverfahren zur Bestimmung des Bergelohns von in Seenot geratenen Schiffen (salvage arbitration), etwa nach der LÖF'90. Während hier die Schiffs- und Frachteigner gegenüber dem Rettungsunternehmen das übereinstimmende Interesse haben, die Bergungskosten möglichst niedrig festsetzen zu lassen, werden sie sich häufig anschließend darüber streiten, ob die Bergung an sich, die Kosten des Schiedsverfahrens und ein möglicher Verzögerungsschaden wegen eines dem Schiffseigner zurechenbaren Verschuldens von diesem zu tragen sind. Eine Offenbarung aller documents würde daher das weitere Verfahren zum Nachteil der in der salvage arbitration federführenden Schiffseigner wenden. Auf sie wird üblicherweise - entgegen der weiten Formulierung in LOF'90, cl. 9 (a)(i) - nicht bestanden. Selbstverständlich ist aber (im Rahmen der Schiedsvereinbarung) auch eine general order nach englischem Recht zulässig108. Ihre Anordnung liegt im Zweifel im Ermessen des Schiedsrichters, s. 12 (1) Arbitration Act 1950. Hier bleibt neben den privilegierten documents nur die Möglichkeit, die production auf solche documents zu beschränken, die relevant sind und bei denen die Erforschung nicht erdrückend wirkt. Bei der Relevanz können auch Ermessenserwägungen eine gewisse Rolle spielen, die sich in etwa auf die Faustformel bringen lassen: Je mehr die Entscheidung auf einem document beruht, desto weniger spielt die Vertraulichkeit und Intimität seines Inhalts eine Rolle 109 . Schließlich werden gerade im Schiedsverfahren vertraglich weitere Privilegien geschaffen, die eine inspection verhindern sollen, s. 12 Arbitration Act 1950. Die Privilegierung führt zur Unverwertbarkeit der documents110 und zum Recht, die documents nicht vorzulegen 111. Schon im staatlichen Verfahren sind im wesentlichen aus fünf Gründen documents privilegiert. Das praktisch wichtigste Privileg ist das legal professional privilege. Geschützt ist zum einen jede Form der vertrauensvollen Korrespondenz zwischen dem Klienten und einem als Rechtsberater tätigen 112 Juristen 113. Dadurch soll das

108

Statt aller Croal, (1985) 51 Arbitration, 534.

109

Alfred

Crompton Amusement Machines Ltd v. Customs and Excise Commissio-

ners (No 3) [1974] AC 405 (HL) at 433 per Lord Cross of Chelsea Science Research Council v. Nasse [1980] AC 1028 (HL) at 1065/1066, 1071/1072, 1974 per Lords Wilberforce, Salmon and Edmund-Davies; Format Communications Mfg Ltd v. ITT (UK) Ltd [1983] FSR 473 at 485 per Slade LJ; Goldman v. Hesper [1988] 3 AUER 97 (CA). 110 Phipson on Evidence, para. 20-05. 111 Phipson on Evidence, para. 20-05 unter Bezugnahme auf Wentworth v. Lloyd (1864) 10 HLC 589 (HL). 112 Das wird etwa auch verneint, wenn der Jurist „unprofessionell" handelt, etwa

294

3. Teil: Versagungstatbestände

vertrauensvolle Verhältnis zwischen dem Juristen und seinem Klienten gesichert werden 114 . Privilegiert ist unter dieser Rubrik zum anderen aber auch die Korrespondenz der Rechtsvertreter (solicitors or his agents) mit Dritten im Hinblick auf einen erwogenen oder bevorstehenden Rechtsstreit 115. Wo, wie etwa in Warenhandelsverfahren, Nichtjuristen als Parteivertreter auftreten, dürften auch sie unter das Privileg fallen 116 . Mit dem privilege against incrimination, das im Civil Evidence Act 1968, s. 14 (1) verankert ist, kann eine Partei die Offenlegung (production) von documents verweigern, wenn deren Inhalt geeignet ist 117 , sie oder ihren Ehepartner mit einem Straf- oder Bußgeldverfahren zu bedrohen. Allerdings findet das Privileg eine Grenze für Straftaten und Bußgelder nach dem Recht des Vereinigten Königreichs, s. 14 (l)(a) Civil Evidence Act 1968, zu denen natürlich auch die umgesetzten Normen der EU rechnen 118. Die dritte wichtige Kategorie ist das public interest and Crown privilege. Geschützt sind danach documents, deren Inhalt aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses dem konkreten Gegner nicht mitgeteilt werden sollen. Häufig sind Fälle, bei denen die Informationsquelle geheimgehalten werden soll 119 . Weiter privilegiert sind unverbindliche Vergleichsvorschläge

indem er vorschlägt, wie eine Straftat oder ein fraud (unentdeckt) begangen werden kann, anstatt wie sie nicht begangen wird, Bullivant v. Attorney-General for Victoria [1901] AC 196 (HL) at 207 per Lord Lindley. 113 Wheeler v. Le Marchant (1881) 17 ChD 675 (CA) at 682 per Sir George Jessel MR: Die Korrespondenz eines solicitors mit einem Grundstücksbewerter ohne Veranlassung durch Klienten ist nicht geschützt. 114

Anderson v. Bank of British

Columbia (1876) 2 ChD 644 (CA) at 649 per Sir

George Jessel MR: Zweck sei es, to ensure „unrestricted and unbounded confidence" between lawyer and client, vgl. auch Wheeler v. Le Marchant (1881) 17 ChD 675 at 681/682 per Sir George Jessel MR. 115 Halsbury's Laws of England, vol. 13, para 77. 116

In Guinness Peat Properties

Ltd v. Fitzroy

Robinson Partnership

[1987] 38

BLR 57 (CA) per Slade LJ at 58 wurde ein Schreiben an die Rechtsschutzversicherung eines Architekten wegen des Zwecks der Vorbereitung des Rechtsstreits als privilegiert angesehen. 117 Eigentlich: dahin neigt („... tends to incriminate ..."). 118

Rio Tinto Zinc Co v. Westinghouse

Electric

Corp [1978] 1 AUER 434 wegen

der Gefahr eines nach Art. 85 f E(W)GV von der Kommission zu sanktionierenden Urankartells. 119 D v. NSPCC [1977] 1 A11ER 589 (HL), wo der Informant einer privaten Kinderschutzorganisation, der zu einer falschen Anschuldigung einer Kindesmißhandlung führte, nicht bezeichnet werden mußte. Dieser Fall führte übrigens zur Ausweitung des bisher auf öffentliche Einrichtungen beschränkten Privilegs (Crown privilege) auf Private, dazu Lord Diplock at 594j-595a.

§ 10 Das schiedsgerichtliche Verfahren

295

(settlement proposals without prejudice) 120 und solche documents die kraft formellen Gesetzes privilegiert sind (statutory privileges) 121 , zu denen auch das privilege of the conciliator gerechnet werden kann 122 .

c) Probleme bei der Wirkungserstreckung Die discovery hindert, wie der Bundesgerichtshof in Übereinstimmung mit der h.L. ausführt, eine Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche und Urteile für sich allein nicht 123 . Doch hat v.a. eine kalifornische Entscheidung, Volkswagen AG v. Superior Court, Alameda County m, Aufsehen erregt, deren Anerkennung und Vollstreckbarerklärung nicht begehrt wurde. Das in dieser Entscheidung nach kalifornischem Recht ermöglichte Besichtigen und Photographieren der Wolfsburger Anlagen, die Inspektion schriftlicher Unterlagen und das informelle Befragen von Angestellten sind in diesem Umfang nach englischem Recht unzulässig. In der Tat besteht ein erheblicher Unterschied zwischen den englischen und den amerikanischen Regelungen 125 . Generell ist festzuhalten, daß das amerikanische Recht den Parteien mehr Gelegenheit zur discovery eröffnet. Dennoch soll nicht verkannt werden, daß es auch im englischen Recht Extremsituationen geben kann, die im Einzelfall zur Versagung der Wirkungserstreckung führen können. Allerdings ist der rechts vergleichend wichtigste Unterschied unerheblich. Das englische Recht geht von der Verpflichtung zur Offenbarung auch nachteiliger Beweisstücke aus, während das deut120

Vgl. etwa Chocoladefabriken Undt & Sprüngli AG v. The Nestlé Co Ltd [1978] RPC 287 at 288/289 per Sir Robert Megarry VC. 121 Etwa s. 47 (2) Agricultural Marketing Act, s. 22 Legal Aid Act 1974, s. 20A Adoption Act, s. 26 (2) Children Act 1975, s. 8 (2) Census Act 1920, weitere bei Style & Hollander, Documentary Evidence, p. 94. 122

Gemeint ist der Vermittler in Eheangelegenheiten, bei Arbeitsprozessen gem. dem Employment Protection (Consolidation) Act 1978, s. 133 (6) und bei Rassendiskriminierungsvorwürfen in Arbeitsverhältnissen gem. dem Race Relations Act 1976, s. 55 (4). 123 BGH RIW 1993, 132 (kalifornisches Urteil) m.w.N. aus der deutschen Literatur zum amerikanischen discovery-Verfahren; zustimmend auch Schütze, Fs. Stiefel, 702 ff.; ders., RIW 1993, 141, der allerdings das Ausforschungsverbot als fundamentalen Grundsatz des deutschen Zivilprozeßrechts geschützt sehen will. 124

Volkswagen

AG v. Superior Court, Alameda County , 123 CalApp 3d 840, äff d

127 CalRptr 874 (1981). 125 Dazu ausführlich die Monographie von J.B. Levine f Discovery — A Comparison between English and American Civil Discovery Law with Reform Proposals, Oxford 1982; sowie knapp Morgan , (1986) vol. 3 no. 3 JIA, 15-20; aus deutscher Sicht zum amerikanischen Recht auch Paulus, ZZP 104 (1991), 402.

296

3. Teil: Versagungstatbestände

sehe Recht eine solche Verpflichtung nur unter den engen Voraussetzungen der ZPO kennt. Ein Versagungsgrund ist hier in der Regel nicht einschlägig. Ein anderes gilt dann, wenn mit der Verpflichtung zur Offenbarung nachteiliger Beweisstücke der Offenbarungspflichtigen Partei zugemutet wird, sich strafrechtlich selbst zu belasten (unter aa) oder vertrauliche oder gar intime Fakten preiszugeben (unter bb). Ein anderer problematischer Faktor kann der Umfang der Offenbarungspflicht sein, wenn dieser dazu führt, daß der Betriebsablauf ganz erheblich gestört wird (unter cc). Darüberhinaus kann auch dann eine Versagung der Wirkungserstreckung in Betracht kommen, wenn der Schiedsspruch nach englischem Recht anfechtbar ist (unter dd). Außer Betracht bleiben kann hingegen die zur amerikanischen discovery zentral diskutierte Frage 126 , ob allein der Verstoß gegen das deutsche Ausforschungsverbot eine Wirkungserstreckung wegen deutscher ordre-public-Bestimmungen hindern würde, wie dies Schütze, freilich unter der Einschränkung, daß die Ausforschungsmaßnahme kausal für die Entscheidungsfindung war und ihr nicht zugestimmt wurde, vorgeschlagen hat 1 2 7 . M i t dem „fishing"-Verbot kennt das englische Recht eine dem deutschen Ausforschungsverbot vergleichbare Bestimmung 128 . Abweichende Ergebnisse aufgrund dieser Regelungen sind kaum vorstellbar 129 .

aa) Verbot des Zwangs zur strafrechtlichen

Selbstbelastung

Nach englischem Recht besteht das Selbstbelastungsprivileg nur für nach dem Recht des Vereinigten Königreichs drohende Strafen und Bußen. Ein Schutz vor deutschen und drittstaatlichen Strafen (in diesem weiten Sinne) wird nicht als generelles Privileg gewährt. Vielmehr liegt hier die Gewährung eines Verweigerungsrechts im Ermessen des Gerichts 130 . Aus der Nichtvor-

126

S. dazu BGH RIW 1993, 132 (132 f.) m.w.N. im wesentlichen zum amerikanischen Recht. Gegen die Mindermeinung spricht schon, daß das Ausforschungsverbot zwar eine zentrale und zwingende Bestimmung des deutschen Prozeßrechts ist, nicht aber eine Fundamentalnorm. 127

Schütze, Fs. Stiefel, S. 703 ff.; ders., RIW 1993, 141 für amerikanische Urteile.

128

Ebenso Schaag, Discovery und andere Mittel, S. 128.

129 Plastisch wird dies vor dem Hintergrund von Board v. Thomas Heller & Co Ltd [1951] 2 AUER 431, wo Denning LJ (as he then was) (at 432) in der Behauptung, das Produkt des Prozeßgegners sei ursächlich für einen Schaden gewesen, einen Grund sah ausnahmsweise eine fishing expedition zuzulassen. Das deutsche Recht würde hier mit der Beweislastumkehr zu § 823 Abs. 1 BGB (Produkthaftung) dasselbe Ergebnis erreichen. Die inzwischen in beiden Rechtsordnungen umgesetzte Produkthaftungsrichtlinie geht darüber sogar noch hinaus. 130

Arab Monetary Fund v. Hashim [1989] 1 WLR 565 at 573: Hier wurde eine

§ 10 Das schiedsgerichtliche Verfahren

297

läge privilegierter documents dürfen keine für die betroffene Partei nachteilige Schlüsse gezogen werden 131 . Nun kennt das deutsche Verfassungsrecht ein Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung. Eine drohende Strafverfolgung im Ausland wird jedenfalls dann berücksichtigt, wenn - im Falle der Verurteilung - eine Vollstreckung wahrscheinlich ist 1 3 2 . Im folgenden soll versucht werden, den Umfang dieses letztlich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abzuleitenden Rechts für die Partei im deutschen Zivilverfahrensrecht festzustellen. Grund der Regelung im deutschen Recht ist es, die notstandsähnliche133 Konfliktsituation zu vermeiden, in die geraten kann, wer rechtlich zur Auskunft verpflichtet ist. Einer solchen Person bleibt nämlich nur die Wahl, sich selbst einer Straftat i.w.S. zu bezichtigen oder mit einer falschen Auskunft möglicherweise eine neue Straftat (im staatlichen Verfahren ein Aussagedelikt, im Schiedsverfahren z.B. einen ,,Prozeß"betrug) zu begehen. Über eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts i.S.d. Art. 2 Abs. 1 GG kann ein Zwang zur Selbstbezichtigung auch die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) berühren 134. Allerdings kennt die deutsche Rechtsordnung kein ausnahmsloses Gebot, daß niemand zu Auskünften oder zu sonstigen Handlungen gezwungen werden kann, durch die er eine von ihm begangene strafbare Handlung offenbart. Vielmehr unterscheiden sich die Regelungen nach Rolle der Auskunftsperson und nach Zweckbestimmung der Auskunft. Diese Differenzierung steht jedenfalls insoweit mit Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in Einklang, als Art und Umfang des durch dieses Grundrecht gewährten Schutzes auch davon abhängt, ob und inwieweit auch andere auf die Information der Auskunftsperson angewiesen sind, ob die Auskunft Teil eines durch eigenen Willensentschluß übernommenen Pflichtenkreises ist 135 . discovery in einer Zivilklage auf Herausgabe unterschlagener Gelder gegen den früheren Generalsekretär der klagenden internationalen Organisation abgelehnt, weil dem Beklagten mindestens in seinem Heimatstaat, dem Irak, und in den V.A.E., seiner früheren Arbeitsstätte, die Strafverfolgung drohte. 131 Phipson on Evidence, para. 20-05 unter Bezugnahme auf Wentworth v. Lloyd (1864) 10 HLC 589 (HL). 132 LG Freiburg NJW 1986, 3036: für eine in Deutschland wohnende, aber in der Schweiz tätige Deutsche genügt die Berufung auf die Gefahr der Strafverfolgung in der Schweiz wegen wirtschaftlichen Nachrichtendienstes, Art. 273 schweizStGB, um in einem deutschen Strafverfahren nicht insoweit als Zeugin vernommen zu werden, § 55 StPO. 133

Günther, GA 1978, 194.

134

BVerfGE

56, 37 (41 f.).

135

BVerfGE

56, 37 (42).

298

3. Teil: Versagungstatbestände

Wegen der unmittelbaren strafrechtlichen Auswirkungen verdient der Tatverdächtige (Beschuldigter, Angeschuldigter, Angeklagter, Betroffener) im Strafverfahren und Ordnungswidrigkeitenverfahren den größten Schutz vor Selbstbezichtigungen. Ihm wird deshalb ein Schweigerecht eingeräumt, §§ 136, 163a, 243 Abs. 4 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG, nemo tenetur se ipsum accusare; Art. 14 Internationaler Pakt für bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966136. Erzwungene Aussagen unterliegen nach Maßgabe des § 136a StPO einem Verwertungsverbot. Hier findet eine rechtsstaatliche Grundhaltung Ausdruck 137 , die auf dem Leitgedanken der Achtung vor der Menschenwürde beruht 138 . Das Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit tritt hinter das Persönlichkeitsinteresse des Beschuldigten zurück 139 . Ein ähnlich umfangreicher Schutz wird Zeugen gewährt. Sie erfüllen mit ihrer Aussage lediglich ihre staatsbürgerliche Pflicht im Interesse der Wahrheitsfindung. Im jeweiligen Verfahren sind sie außenstehende Dritte. Mit ihrer Persönlichkeit läßt sich nicht vereinbaren, daß sie von anderen Verfahrensbeteiligten als bloßes Objekt der Wahrheitsermittlung verwendet werden 140 . Eine Selbstbezichtigung kann nicht erzwungen werden. Deshalb wird den Zeugen ein Aussage verweigerungsrecht eingeräumt, § 384 ZPO, § 55 StPO. In den vorgenannten Fällen überweigt das Interesse der Auskunftsperson so sehr, daß Interessen anderer Privater und der Allgemeinheit zurückzustehen haben. Anders verhält sich dies, wenn sie aus besonderen Rechtsgründen rechtsgeschäftlich oder gesetzlich verpflichtet ist, Informationen zu erteilen. Die Interessenkollision kann dann durchaus auch zu ihrem Nachteil entschieden werden 141 . Eine unbegrenzte Auskunftspflicht besteht etwa für den Vollstreckungsschuldner, der zur eidesstattlichen Versicherung („Offenbarungseid", § 807 ZPO) gezwungen ist 1 4 2 , für den Steuerpflichtigen 143 und für den 136

BGBl. 1973 II 1533. Entsprechende Regelungen bestehen für das Disziplinarund das berufsgerichtliche Verfahren, w.N. bei BVerfGE 56, 37 (44). 137 BVerfGE 38, 105 (113). 138 BGHSt 14, 358 (364); zurückhaltender Günther, GA 1978, 195 ff. m.w.N. auch aus der Philosophie. 139 Sautter, AcP 161 (1962), 244. 140 BVerfGE 56, 37 (44 f.) m.w.N. 141

142

BVerfGE

56, 37 (45).

BVerfGE 56, 37 (46); im konkreten Einzelfall wohl anders LG Kohlenz MDR 1975, 766; Sinn der umfassenden Auskunftspflicht ist es hier, eine Bevorzugung gegenüber pflichtgemäß handelnden Schuldnern zu verhindern und dem Interesse des Gläubigers Rechnung zu tragen. 143 BVerfGE 56, 37 (47); der Fiskus ist auf die Angaben der Steuerpflichtigen angewiesen, auch soll der unehrliche Steuerpflichtige nicht bevorzugt werden; das Inter-

§ 10 Das schiedsgerichtliche Verfahren

299

Gemeinschuldner gem. § 100 K O 1 4 4 . Den Interessen der Auskunftsperson wird hier regelmäßig durch Schaffung eines Verwertungsverbots analog § 136a StPO bzw. gem. § 393 A O im Strafprozeß Rechnung getragen. Wo es im deutschen Recht um das im englischen Recht von der discovery behandelte Problem geht, muß die Darstellung - aufgrund der dargestellten Unterschiede der verfahrensrechtlichen Systeme - nach den einzelnen Instrumenten differenziert ausfallen. Begehrt eine Partei die Vorlage einer beim Gegner befindlichen Urkunde, §§421 ff. ZPO, so hat das Gericht - es sei denn, es wird ein bürgerlichrechtlicher Herausgabeanspruch gesondert verfolgt, § 422 ZPO 1 4 5 - keine Möglichkeit, die Vorlage zu erzwingen. Es kann aber - bei Nichtbeibringung der Urkunde - nach § 427 ZPO eine beigebrachte Abschrift oder die Angaben des Beweisführers als wahr unterstellen. Wie das Ermessen des Gerichts auszuüben ist, ergibt sich aus den Parallelvorschriften bei der Parteivernehmung, §§ 446, 453 Abs. 2 ZPO. Es kommt also auf die von dem Beweisgegner für die Weigerung vorgebrachten Gründe an. Verweigert er die Vorlage von Urkunden ohne Gründe, so wird dies regelmäßig zur Wahrunterstellung des Vortrags des Beweisführers berechtigen 146 . Gibt der Beweisgegner hingegen substantiiert an, daß die Offenlegung strafbarer Handlungen droht, so ist eine Abwägung geboten 147 . Grundsätzlich ist es nicht unbillig, einer Partei, die zur Wahrung außerprozessualer Interessen der Vorlagepflicht nicht nachkommt, daraus nachteilige Folgen im konkreten Prozeß zu entnehmen 148 . Das gilt umso mehr, als hier der Schutz der Interessen des Beweisgegners dem Beweisführer zum Nachteil gereicht. Deshalb hat der anzulegende Maßstab sehr streng zu sein 149 .

esse des Steuerpflichtigen wird dadurch gewahrt, daß eine Selbstbezichtigung hinsichtlich Steuerstraftaten nicht erzwungen werden kann und im übrigen ein begrenztes strafrechtliches Verwertungsverbot besteht, § 393 AO. 144

BVerfGE 56, 37 (48): Damit soll dem Interesse der Gläubiger an der unbeschränkten Nutzbarkeit des im Konkursverfahren wichtigsten Informationsträgers Rechnung getragen werden. Dem Interesse des Gemeinschuldners, in einem Strafverfahren wirksam von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen, wird dadurch erreicht, daß ein strafverfahrensrechtliches Verwertungsverbot in Anlehnung an § 136a StPO geschaffen wird (ebd., 51 f.); weitergehend hat Heußner in seinem Sondervotum (ebd., 53 f.) auch ein Offenbarungsverbot der am Konkursverfahren beteiligten Personen gegenüber den Strafverfolgungsbehörden und der Strafjustiz gefordert. 145

Thomas/Putzo,

146

Stein/Jonas/Leipold,

147

§ 422, Anm.l.

Stein/Jonas/Leipold,

§ 446, Rn. 8.

§ 446, Rn. 9; unklar, möglicherweise a.A. MüKo-ZPO/

Schreiber, § 453, Rn. 2; § 446, Rn. 3. 148

Stein/Jonas/Leipold,

149

MüKo-ZPO/Schreiber, § 446, Rn. 3.

§ 446, Rn. 9; § 453, Rn. 4.

300

3. Teil: Versagungstatbestände

Bezüglich der prozessualen Urkundenvorlagepflicht nach §§ 422 ff. ZPO genießt die sich selbst zu inkriminieren drohende Partei einen erheblich geringeren Schutz als in England. Aus Gründen ihres Schutzes bedarf es also keiner Versagung einer Wirkungserstreckung englischer Schiedssprüche. Das zweite Instrument zur Erlangung gegnerischer Urkunden im deutschen Recht ist der bürgerlichrechtliche Auskunfts- und Rechenschaftsanspruch, §§ 259 ff. BGB. Soweit gesehen150, wurde hier in der bisherigen Rechtsprechung auf die Interessen der Auskunftspflichtigen keine Rücksicht genommen. Der eine höchstrichterlich entschiedene Fall betraf die Auskunftspflicht eines Architekten nach § 260 BGB 1 5 1 . Diese Rechtsprechung fußt auf der Erwägung, daß die schuldrechtliche Auskunftspflicht auf einem Pflichtenprogramm rechnet, das der Auskunftspflichtige freiwillig übernommen hat. Das erscheint bei Dauerschuldverhältnissen, bei deren Begründung sich nicht absehen läßt, welche Auskünfte im Laufe des Geschäfts erforderlich sein werden kaum vertretbar. Die Argumentation greift bei familien- und erbrechtlichen Auskunftspflichten überhaupt nicht. Dennoch ist die Durchsetzung der Ansprüche erforderlich, um den zweitstufig verfolgten Hauptanspruch durchzusetzen. Da die Auskunftsberechtigten auf die Auskunft des Verpflichteten angewiesen sind, haben deshalb im Zivilverfahren seine Interessen zurückzustehen. Sie mögen im Strafverfahren durch Schaffung eines Verwertungsverbots analog § 136a StPO oder eines Offenbarungsverbots der Auskunftsberechtigten und eine Schweigepflicht der sonst am Zivilverfahren Beteiligten geschützt werden 152 . Auch insoweit reicht also der Schutz vor einer Selbstinkriminierung in England weiter. Die dritte Möglichkeit zur Erlangung von Urkunden im Zivilprozeß ist die Umkehr der Beweislast. Hier steht es der nunmehr beweispflichtigen Partei völlig frei, ob sie Angaben machen will oder nicht. Sie steht vor der Alternative, ob sie sie selbst inkriminierende Beweismittel einführen will oder ob sie Gefahr laufen will, den Prozeß zu verlieren. Soweit gesehen, wird in diesem Bereich noch nicht einmal diskutiert, ob die Gefahr der Selbstinkriminierung einer Wertung zum Nachteil des Beweisführers entgegensteht. Das folgt aus der dogmatischen Konstruktion. Da es nach Umkehr der Beweislast Sache der Partei ist, die Tatsachen zu beweisen, die nach der Rosenbergschen Formel von der Gegenseite zu beweisen wären, kommt es auf ihre Motivation bei der Auskunftsverweigerung nicht an. Auch insoweit steht der Auskunftspflichtige nach englischem Recht günstiger.

150

Vgl. auch BVerfGE

151

BGHZ 41, 318 (322 ff.).

152

BVerfGE

53, 37 (45).

53, 37 (51 f., 53 f.) für § 100 KO.

§ 10 Das schiedsgerichtliche Verfahren

301

Eine Versagung der Wirkungserstreckung wegen der Gefahr der Selbstinkriminierung kommt also nicht in Betracht, wenn der englische Schiedsrichter sich an das englische Recht hält. Zu Problemen mag es allenfalls in Extremfällen kommen, etwa wenn eine Inkriminierung weder der Partei selbst, noch seines Ehepartners drohen kann, sondern die eines nahen Angehörigen oder wenn eine Inkriminierung bezüglich der Verfolgung in einem Drittstaat zu befürchten ist. Hier gewährt das englische Recht insoweit Schutz, als eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt wird. Doch wird hierbei zu berücksichtigen sein, daß der Auskunftsberechtigte mit der Unterlassungsklage (injunction) an der Verwendung der documents zu anderen als prozessualen Zwecken gehindert werden kann 153 .

bb) Schutz von vertraulichen

documents

Vertrauliche Schriftstücke sind in Deutschland wie in England geschützt. Ein Privileg besteht in England allerdings nur für den Schriftwechsel mit dem Anwalt und anderen Rechtsvertretern und Rechtsberatern (legal professional privilege). Nicht privilegiert ist etwa das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient 154 , zwischen Bank und ihrem Kunden 155 , zwischen Geistlichen und Beichtendem156 und zwischen Eheleuten157. Einen weitgehenden Schutz hat die Beziehung der Medien zu ihren Informanten in s. 10, Contempt of Court Act 1981 erhalten 158. Außerhalb des legal professional privilege sind alle Firmeninterna nicht privilegiert. Allerdings bedeutet die fehlende Privilegierung nicht, daß vertrauliche Schriftstücke bei einer umfassenden discovery ohne weiteres und in vollem

153 Alterskye v. Scott [1948] 1 AUER 469 at 471, bei staatlichen Verfahren droht darüber hinaus die Bestrafung wegen contempt of court. 154

Hunter v. Mann [1974] QB 767 (CA); dicta in Wheeler v. Le Marchant (1881)

17 ChD 675 (CA) at 681 per Sir George Jessel MR. 155 S. 7 des Bankers' Books Evidence Act 1879 verweist auf die allgemeinen Regeln für discovery: South Staffordshire

Tramways

Co v. Ebbsmith [1895] 2 QB 669

(CA). 156 Dicta in Wheeler v. Le Marchant (1881) 17 ChD 675 (CA) at 681 per Sir George Jessel MR. 157 Unter Aufgabe der früheren Rechtslage unter dem Evidence Amendment Act 1853, s. 3; nunmehr s. 16 (3) Civil Evidence Act 1968 (bzw. für Strafverfahren Police and Criminal Act 1984, s. 80 (9)), dazu Phipson on Evidence , para. 20-42. 158

Dazu In re An Inquiry under the Company Securities (Insider

[1988] AC 660 (HL).

Dealing) Act 1985

302

3. Teil: Versagungstatbestände

Umfang offengelegt werden dürfen. Vielmehr hat der Schiedsrichter 159 wie der Richter 160 die jeweiligen Interessen gegeneinander abzuwägen. Dabei wird er sich weitgehend am Inhalt des Schriftstücks und an seiner Relevanz für den materiell gerechten Ausgang des Rechtsstreits orientieren 161 . Führt eine derartige Prüfung der documents zum Ergebnis, daß sie in das Verfahren einzubeziehen sind, so hat der Schiedsrichter zu untersuchen, ob nicht eine Abdeckung von Teilen der Schriftstücken möglich ist („covering up") oder ob sonst Wege bestehen, die Vertraulichkeit möglichst wenig 1 6 2 zu verletzen 163 . Letztlich sieht das englische Recht also eine dem deutschen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verwandte Prüfungsreihenfolge vor. Dabei kann aber im Einzelfall auch eine discovery zulässig sein, die vor einem staatlichen Gericht unzulässig wäre, etwa weil hier eher als sonst sichergestellt ist, daß eine vertrauliche Information den Tagungsraum nicht verlassen wird 1 6 4 . Auch in Deutschland sind vertrauliche Schriftstücke nicht grundsätzlich geschützt. Nach § 97 StPO unterliegen solche Gegenstände nicht der Beschlagnahme, die sich bei Zeugnisverweigerungsberechtigten nach §§ 52, 53 Abs. 1 Nr. 1 — 3b StPO befinden. Das sind neben den Verteidigern und Anwälten etwa auch Geistliche, Wirtschaftsprüfer, Buchprüfer, Steuerberater, Ärzte und verwandte Berufsgruppen sowie Angehörige. Doch ist von den Schriftstücken, die sich beim Beschuldigten selbst befinden, nur die Korrespondenz mit dem Verteidiger geschützt, § 148 Abs. 1 StPO. Aufgrund der 159

Alfred

Crompton Amusement Machines Ltd v. Customs and Excise Commissio-

ners (No 3) [1974] AC 405 (HL) 433/434 per Lord Cross of Chelsea: „Confidentiality is not a separate head of privilege, but it may be a very material consideration to bear in mind when privilege is claimed on the ground of public interest that the documents in question should be disclosed and on the other hand those which suggest that that they should not be disclosed and to balance one against the other." Zur Abwägung im Überblick anhand eines wohl fiktiven Falles auch Cato , Arbitration Procedure and Practice, para. 15.7.2. 160

Format

Communications Mfg Ltd v. ITT (UK) Ltd [1983] FSR 473 (CA) at

485/486 per Slade LJ für Offenbarung eines Firmengeheimnisses an einen Konkurrenten. 161

Hunter v. Mann [1974] QB 767 at 775c-d per Lord Widgery CJ.

162

Etwa dadurch, daß sensitive Informationen nicht der gegnerischen Partei selbst, sondern nur ihren Vertretern, seien sie Juristen oder sonstige Fachleute, etwa Medizinern, offenbart werden, O'Hare & Hill, Civil Litigation, pp. 398/399. 163

So besonders deutlich Lord Wilberforce at pp. 1065/1066 in Science Research Council v. Nasse [1980] AC 1028 (HL), s.a. Lords Salmon and Edmund-Davies at 1071 /1072 and 1074, wo es um die discovery von vertraulichen Daten über alle Mitarbeiter der Beklagten in einem individuellen Arbeitnehmerprozeß vor einem industrial tribunal ging. 164

Mitchell Construction

Kinnear Moodie Group v. East Anglia Regional Hospital

Board [1971] CLY no. 375 per Donaldson J (as he then was).

§ 10 Das schiedsgerichtliche Verfahren

303

Tagebuchentscheidung des BVerfG 1 6 5 sind außerdem zum Schutz des Kerns der Persönlichkeit (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) solche Schriftstücke geschützt, die Teil jenes letzten und unantastbaren Bereichs privater Lebensgestaltung sind, der der öffentlichen Gewalt schlechthin entzogen ist 1 6 6 . Doch hat die genannte Entscheidung es - bei Stimmengleichheit - gebilligt, daß die tagebuchähnlichen Aufzeichnungen des Angeklagten in einem Mordprozeß eingeführt wurden. Der verfassungsrechtliche Schutz von vertraulichen Schriftstücken, der hierin zum Ausdruck kommt, ist also recht schmal. I m Zivilprozeß kann von den drei die Funktion der discovery wahrnehmenden Instrumente die Berufung auf Vertraulichkeit allenfalls bei der Weigerung der Vorlage einer Urkunde in den Fällen der §§421 ff. ZPO Berücksichtigung finden, § 427 i.V.m. §§ 446, 453 Abs. 2 ZPO analog (siehe oben aa) 167 . Das Gericht kann sich also auch gegen eine Richtigunterstellung der beigebrachten Kopie oder des vom Beweisführer behaupteten Inhalts der Urkunde entscheiden. Dabei wird es im allgemeinen nicht unbillig sein, daraus nachteilige Folgen zu entnehmen, daß eine Partei die eigenen Interessen über die der Wahrheitsfindung im Prozeß stellt 168 . Insoweit reicht der Schutz der vorlagepflichtigen Partei jedenfalls nicht weiter als in England. Bei der Beweislastumkehr führt die Nichtvorlage von Schriftstücken schon aus dogmatischen Gründen (siehe oben aa) stets zu einer Berücksichtigung zum Nachteil des Beweispflichtigen. Bei Auskunftsansprüchen wird wohl, da schon die Drohung mit strafrechtlicher Selbstbelastung nicht zu einem Anspruchsverlust führt (siehe oben aa 169 ), auch eine Behauptung der Vertraulichkeit insoweit nicht ausreichen. I m Gegenteil soll gerade hier die Vertraulichkeit mit dem Auskunftsanspruch durchbrochen werden. Auch bei behaupteter Gefahr der Offenbarung vertraulicher Schriftstücke ist in England ein besserer Schutz des Auskunftspflichtigen gewährleistet als in Deutschland. Auch aus diesem Aspekt kommt eine Versagung der Wirkungserstreckung nicht in Betracht. Eine Ausnahme mag allenfalls in besonders gearteten Einzelfällen in Betracht kommen, wenn durch eine Vorlageanordnung die Menschenwürde der Partei verletzt wird. Aufgrund des grundsätzlich weiteren Schutzes 170 im englischen Recht wird dies aber eher ein akademischer Fall bleiben.

165

BVerfGE

166

BVerfGE

167

MüKo-ZPO/Schreiber, § 446, Rn. 3; Stein/Jonas/Leipold,

80, 367 (373 ff.).

6, 32 (41); 80, 367 (373), st. Rspr; BK/Zippelius,

168

Stein/Jonas/Leipold,

169

BGHZ 41, 318 (322 ff.).

170

Art. 1, Rn. 97. § 446, Rn. 9.

§ 446, Rn. 9; § 453, Rn. 4.

Keine Abweichungen will im Bereich wirtschaftlicher Geheimnisse Schaaff, Discovery und andere Mittel, S. 152 feststellen.

304

3. Teil: Versagungstatbestände

cc) Eingriff in den Gewerbebetrieb durch das Ausmaß des Auskunftsbegehrens In einem englischen Schiedsverfahren darf der Schiedsrichter, so keine andere Regelung in der Schiedsvereinbarung enthalten ist, wie in einem High Court-Verfahren eine vollständige discovery anordnen. Wie bereits dargestellt, ist dies heute die Ausnahme. Doch stellt sich gerade für diesen Bereich ein wesentliches praktisches Problem. Schon bei normalen Schiedsverfahren sind mehrere Aktenordner an agreed documents beigefügt. Im Einzelfall können mehrere tausend documents, die jeweils den Umfang einer Notiz, aber auch von mehreren Aktenordnern haben können, vorkommen 171 . Bevor es zu einer derartigen Vorlage kommt, muß aber in chronologischer Reihenfolge das eigene Material gesichtet, bewertet und aufgelistet werden, die eigene Liste überprüft werden, die von der Gegenseite vorgelegte Liste auf Lücken, Interessantes und Unklarheiten hin überprüft werden und auf eine Vorlage bzw. Ergänzung gedrängt werden, die eigene Liste ergänzt werden, das für die Vorlage bestimmte Material zusammengestellt und kopiert werden, falls eine Kopie nicht möglich erscheint, die gegnerische Inspektion begleitet werden, die von der Gegenseite vorgelegten documents ausgewertet werden, weitere Ergänzungen angefordert und gegnerische Anforderungen nachgekommen werden und schließlich eine Einigung zwischen Parteien und Schiedsrichter über das vorzulegende Material erreicht werden. Es ist von staatlichen Verfahren die Rede, wo ganze Lagerhallen angemietet werden mußten, damit die discovery durchgeführt werden konnte. Es wundert nicht, daß die discovery nicht selten Monate dauert. Während dieser Zeit sind einzelne Mitarbeiter und möglicherweise ganze Abteilungen allein mit der Verfahrensvorbereitung beschäftigt. Wirtschaftlich gesehen hat dies dieselbe Wirkung, wie wenn die Mitarbeiter über die betroffene Zeitspanne hinweg aus firmenexternen Gründen an der Mitarbeit gehindert wären. Auch wenn die Kosten der die discovery begehrenden Partei auferlegt werden oder eine Kostenregelung im Schiedsspruch erfolgt, so können doch die Parteien insgesamt erheblich durch die discovery geschädigt werden.

171

Cato, Arbitration Procedure and Practice, para. 14.2.4 schildert ein Schiedsverfahren, bei dem 5.000 documents vorgelegt wurden, und betont hier die praktische Notwendigkeit eines Eingreifens des Schiedsrichters. Das Volumen des agreed bundle rührt auch daher, daß man mit dem enormen Aufwand des Auswählens relevanter documents häufig unerfahrenere, weil billigere Kräfte einsetzt. Sie neigen dazu, zu viele documents einzubeziehen, Tackaberry y in: Bernstein & Wood, Handbook of Arbitration Practice, para. 33.1. Deshalb wird immer öfter aus dem agreed bundle ein working bundle ausgesondert, Tackaberry, ebd.

§ 10 Das schiedsgerichtliche Verfahren

305

Diese Nachteile eines umfangreichen discovery-Verfahrens für beide Parteien oder doch für die unterlegene kann wiederum nur unter der Perspektive des ordre public zu einer Versagung der Wirkungserstreckung führen. Als Fundamentalnorm kommt einzig das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Betracht. Ein Verstoß gegen dieses Rechtsgut wird im bürgerlichen Recht angenommen, wenn in die wirtschaftliche Tätigkeit eines laufenden Unternehmens unmittelbar eingegriffen wird, wenn keine andere verletzte Rechtsgüter in Betracht kommen und wenn der Eingriff rechtswidrig ist. Problematisch erscheint hier im wesentlichen, ob der Eingriff rechtswidrig ist, ob die Anordnung einer umfassenden und erheblich belastenden discovery bei Vornahme der gebotenen Güter- und Interessenabwägung legitim erscheint. Sinn der umfassenden Anordnung der discovery ist es, es den Parteien zu ermöglichen an solche Informationen und Beweisstücke zu gelangen, die ihnen nicht zugänglich sind, weil sie sich beim Gegner befinden. Dieses Ziel wird - wie bereits dargestellt - im deutschen Recht nur zum Teil und zwar durch Beweislastumkehr, durch selbständige Auskunftsansprüche und vereinzelt auch durch prozessuale Rechte erreicht. Der Nachteil all dieser Verfahren ist aber, daß die unwissende Partei ihr Wissen erst im Prozeß erlangt. Dagegen ist im englischen Verfahren eine außerprozessuale Einigung aufgrund vorheriger Aufklärung über den Sach- und Streitstand besser möglich. Eine Partei wird eher nachzugeben bereit sein, wenn sie über alle Daten verfügt. Dieser Faktor spielt aus Sicht des englischen Rechts eine ganz entscheidende Rolle. Die Ziele des discovery-Verfahrens, Ermittlung der ganzen Wahrheit und vorprozessuale Streitschlichtung unter den Parteien 172 sind demnach abzuwägen mit dem Nachteil hohen personellen, zeitlichen und finanziellen Aufwands. Dabei ist entscheidend, daß die Alternativen zwar typischerweise weniger belastend sind, dafür aber auch weniger Gewähr für die Ermittlung aller Tatsachen und eine möglichst frühzeitige Streitschlichtung bieten. I m übrigen scheint es nur sachgerecht die Parteien eines englischen Schiedsverfahrens an die Nachteile zu binden, die das Modell hat, das sie auch hätten abwählen können. Deshalb ist auch ein besonders belastendes discovery-Verfahren nicht ein rechtswidriger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb im bürgerlichrechtlichen Sinn. Auf die anderen bürgerlichrechtlichen Voraussetzungen sowie auf die Frage, ob das Recht am Unternehmen auch Bestandteil des Art. 14 GG ist oder sonst eine Fundamentalnorm darstellt 173 , kommt es sonach nicht an. Ein Verstoß des

172

Allerdings können gerade die Kosten der discovery zu einer Vergleichsunwilligkeit führen, Tackaberry, in: Bernstein & Wood, Handbook of Arbitration Practice, para. 33.1. 173 S. dazu BVerfGE 51, 193 (221 f.). 20 Kilgus

306

3. Teil: Versagungstatbestände

Schiedsrichters gegen zwingende Bestimmungen der Schiedsvereinbarung durch Annahme eines zu weitgehenden Vorlagerechts führt zum misconduct 174 . dd) Anfechtbarkeit

des Schiedsspruchs nach englischem Recht

Auch eine Anfechtbarkeit nach englischem Recht ist recht selten 175 . Sie kommt v.a. wegen misconduct in Betracht, wenn und soweit der Schiedsrichter zu Unrecht discovery anordnet und sich auf diesen unzulässigen Beweis stützt 176 . Maßgeblich ist dabei zunächst der Inhalt der Schiedsvereinbarung. Sie kann die discovery völlig verbieten. Sie kann die discovery auf bestimmte documents beschränken oder weitere Privilegien schaffen 177. Enthält die Schiedsvereinbarung keine ausdrückliche Regelung, so ist die inspection am englischen Recht zu messen. Danach ist zu fragen, ob die inspection notwendig war, ob sie gegen ein geltendgemachtes Privileg verstieß usw. Läßt sich danach ein Verstoß gegen die Schiedsverfahrensbestimmungen feststellen, so liegt ein misconduct vor, der aber gem. ss. 22 (2), 23 (2) Arbitration Act 1950 nicht stets zum setting aside oder zur remission zwingt 178 , vielmehr liegt die Entscheidung im Ermessen des Gerichts. Entscheidend ist, ob das Urteil des Schiedsrichters auf dem Verfahrensverstoß beruht oder auf ihm beruhen kann. Selten wird die Entscheidung des Schiedsrichters, einen

174

Walford,

Baker & Co v. Macfie & Sons (1915) 84 LJKB 2221 per Lush J (do-

cument betraf früheren Vertrag und war deshalb unzulässig); „Agroexport" d'Etat

Entreprise

pour le Commerce v. NV Goorden Import Cy SA [1956] 1 Lloyd's Rep 319

per Seilers J (as he then was): Nach der Schiedsvereinbarung war das document unzulässig. 175

Solche Fälle sind etwa Walford, Baker & Co v. Macfie & Sons (1915) LJKB 2221 per Lush J at 2223, wo für die Auslegung des derzeitigen Zuckerkaufvertrages nicht auf frühere Verträge zurückgegriffen werden durfte, set aside; „Agroexport" Entreprise

d'Etat

pour le Commerce v. NV Goorden Import Cy SA [1956] 1 Lloyd's

Rep 319 per Seilers J (as he then was), wobei hier die vereinbarte Schiedsordnung der London Cattle Food Trade Association (No. 15) bestimmte documents nicht zuließ, set aside; soviel zu Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 639. 176 S. die oben Fn. 175 zitierten Entscheidungen. 177 Die besonders weite Formulierung in cl. 9 (a)(i) der LOF'90 [und noch mehr ihrer Vorgängerbestimmung cl. 11 der LOF'80] („The Arbitrator shall have power to admit [obtain call for receive and act upon any] such oral or documentary evidence or information [(whether strictly admissible as evidence or not)] as he may think [thinks] fit ..") hat - wie oben b) dargestellt - keine große praktische Relevanz und dürfte bei zu großzügigem Gebrauch, v.a. der älteren Fassung, auch nach englischem Recht zu weit reichen. 178

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, p. 551.

§ 10 Das schiedsgerichtliche Verfahren

307

zulässigen Beweis nicht zu erheben, misconduct darstellen 179 . Mindestens bei englischen Schiedsverfahren unter internationaler Beteiligung wird ein misconduct in diesen Fällen nur angenommen, wenn die discovery offensichtlich für eine gerechte Entscheidung erforderlich ist und diese Notwendigkeit bewußt mißachtet wurde 180 . Wird ein solcher fehlerhafter Schiedsspruch erlassen, so ist er nach Art. V Abs. 1 lit. e U N - Ü verbindlich und somit aus diesem Grund unangreifbar, wenn der Schiedsspruch nicht erfolgreich angefochten wurde. Insoweit ist § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die für die Wirkungserstreckung weniger günstige und deshalb gem. Art. V I I Abs. 1 U N - Ü nicht anwendbare Vorschrift. Auch wegen Art. V Abs. 1 lit. d U N - Ü scheidet eine Wirkungserstreckung nicht aus, wenn die 21-tägige Anfechtungsfrist nach den RSC Ord. 73 r. 5 versäumt wurde. Dann greift nämlich die insoweit günstigere Regelung des § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ein, wonach - jedenfalls nach der hier befolgten Rechtsprechung 181 - das Versäumen erststaatlicher befristeter Rechtsbehelfe zur Wirksamkeit des Schiedsspruchs führen. Es ist demnach einem einen misconduct behauptenden Spruchschuldner dringend anzuraten, die 21-Tage-Frist nicht verstreichen zu lassen. In Deutschland kann bei laufendcem Vollstreckbarerklärungsverfahren die Aussetzung gem. Art. V I U N - Ü angeregt werden. Diesem Ersuchen sollte regelmäßig entsprochen werden, da ansonsten eine nachträgliche Korrektur gem. § 1044 Abs. 4 ZPO droht.

2. Weitere Beweismittel Ein weiteres, auch im Schiedsverfahren gem. s. 12 (1) Arbitration Act 1950 zulässiges 182 , wenn auch äußerst seltenes183 Mittel, um schon vor einer 179

Lewis Emanuel & Son Ltd v. Sammut [1959] 2 Lloyd's Rep 629 at 634 per Pearson J (as he then was); Anangel Peace Compania Naviera SA v. Bacchus International Commerce Corpn (The „Anangel Peace") [1981] 1 Lloyd's Rep 452 at 454 per

Goff J (as he then was), wo die Vorlage des Logs nicht verlangt wurde, nachdem der Eigner eidlich erklärt hatte, es sei zerstört. 180

Croal, (1985) 51 Arbitration, 538.

181

Dazu oben § 6, III.

182

Russell on Arbitration, pp. 222, 224; Tackaberry,

in: Bernstein & Wood, Hand-

book of Arbitration Practice, para. 32.5.3; Macalpine & Co v. Calder & Co [1893] 1 QB 545 (CA) per Lindley LJ (as he then was) at 549/550 dicta, betraf special referee. 183

Tackaberry , in: Bernstein & Wood , Handbook of Arbitration Practice, para. 32.5.3: „The power is exercised even more rarely in arbitration than in litigation." 20*

308

3. Teil: Versagungstatbestände

mündlichen Verhandlung Tatsachen zu ermitteln, die den auskunftgebenden Gegner auch belasten können 184 , sind die - für das staatliche Verfahren in den RSC Ord. 26 geregelten - interrogatories , die sich aus der discovery entwickelt haben 185 . Dabei werden dem Gegner schriftlich Fragen gestellt. Soweit sie zulässig sind, kann der Gegner gerichtlich zur Beantwortung unter Eid gezwungen werden, wenn er ein judgment in default, das in etwa dem Versäumnisurteil des deutschen Rechts entspricht, vermeiden w i l l 1 8 6 . Allerdings sind die Voraussetzungen für interrogatories enger als für discoveries. Die Fragen müssen gerade auch hier notwendig sein, um den Fall gerecht zu erledigen oder um Kosten zu sparen, RSC Ord. 26 r. 1 (3) 1 8 7 . Doch wird schon bei geringsten Zweifeln daran, daß die Befragung ausschließlich dem konkreten Verfahren zugute kommen soll, die interrogatory nicht mehr zugelassen188. Auch unbestimmte und „fischende" - also ausforschende - Fragen sowie solche, die sonst ungerecht erscheinen, werden nicht zugelassen189. Aus der Perspektive der Wirkungserstreckung ergeben sich sonach kaum Unterschiede zur discovery. Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen. Interrogatories sollten in Schiedsverfahren möglichst vermieden werden. Der praktische Gewinn an Vorinformation dürfte im Regelfall die Schwierigkeiten einer Rechtfertigung vor dem englischen Recht nicht aufwiegen. Weitere im Schiedsverfahren zulässige Beweismittel bereiten bei der Wirkungserstreckung bestenfalls deshalb Schwierigkeiten, weil sie nach der Schiedsvereinbarung unzulässig sind und deshalb nach englischem Recht unter der Perspektive des misconduct zur Aufhebung des Schiedsspruchs führen können. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß es dem Schiedsrichter im Zweifel nicht nur verboten ist, einen Zeugen zu benennen (wie auch nach deutschem Prozeßrecht, § 373 ZPO), sondern auch einen Sachverständigen 19°. Der Sachverständige wird im englischen Prozeßrecht nämlich nur als ein besonders sachverständiger Zeuge, als expert-witness, verstanden. Der Unterschied ergibt sich daraus, daß das englische Recht sehr viel genauer der Verhandlungsmaxime folgt. Allerdings lassen die Schiedsordnungen oft auch die Be-

184

Plymouth Mutual Co-operative and Industrial

Society Ltd v. Traders ' Publishing

Association [1906] 1 KB 403 (CA) 417 per Stirling LJ. 185 Morgan, (1986) vol. 3 no. 3 JIA, 10; sie rechnen im amerikanischen Verständnis wohl weiterhin zur discovery. 186

O'Hare & Hill, Civil Litigation, pp. 415-417; beim Verfahren nach RSC Ord. 26, r. 4 muß schon die Frage durch den master am High Court zugelassen werden, ebd., p. 416. 187

Jacob, (1963-64) 1 CMLR, 303.

188

Halsbury Laws, vol. 13, para. 104 m.w.N.

189

O'Hare & Hill, Civil Litigation, p. 417.

190

Russell on Arbitration, p. 262.

§ 10 Das schiedsgerichtliche Verfahren

309

nennung durch den Schiedsrichter zu 1 9 1 . Bevor der Sachverständige mündlich vernommen werden kann, ist aber im Zweifel wegen s. 10 Civil Evidence Act 1968 und s. 5 (2) Civil Evidence Act 1972 seine Aussage in Schriftform dem Gegner zuzuleiten 192 . Es wird zunehmend üblich, daß die beiden Sachverständigen vor der Verhandlung zusammentreffen, um festzustellen, inwieweit sie übereinstimmen und wo sie voneinander abweichen 193 . Ähnliche, vom Ermessen des Schiedsrichters abhängige Bestimmungen enthalten auch die Schiedsordnungen, die keine schiedsrichterliche Ernennung zulassen 194 . Wird ein sachverständiger Schiedsrichter bestimmt, so darf er sich auf seinen eigenen Sachverstand verlassen 195 , ja er darf sich sogar - nach Aufklärung über das übereinstimmende Sachurteil beider Sachverständigen hinwegsetzen 196 . Besondere Regeln für die Parteivernehmung, wie sie das deutsche Recht in §§ 445 ff. ZPO kennt, sind dem englischen Recht unbekannt. Die Partei kann generell als Zeuge vernommen werden. Die in Deutschland unbefriedigende Rechtslage ist nicht in die Schiedsordnungen übernommen worden. Generell ist beim Zeugenbeweis 191 darauf hinzuweisen, daß typischerweise 191

So etwa Art. 14 Abs. 2 IHK-SchO; art. 12.1 (a) LCIA-Rules; Art. 27 Abs. 1 S. 1 Uncitral-SchVfRg (wo allerdings über die allgemeine Beweisregelung in Art. 24 auch den Parteien die Benennung offengehalten ist); dagegen abweichend: LMAATerms First Sch. (B)(2), (4), wo nur ein assessor, nicht aber die expert-witnesses vom Schiedsrichter ernannt werden können; ICE-A.P. r. 16.2, wo der Schiedsrichter nur die Beweisaufnahme steuern kann, nicht aber die Ernennung der Sachverständigen; keine Regeln enthält wohl des Inhalts der dortigen Schiedsverfahren wegen die GAFTA No. 125. 192

Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, pp. 356/357.

193

Tackaberry, in: Bernstein & Wood, Handbook of Arbitration Practice, para. 36.3.4. 194 LMAA-Terms First Sch. (B)(2); ICE-A.P. r. 16.2.

195 Mediterranean and Eastern Export Co Ltd v. Fortress Fabrics [1948] 2 AUE 186 at 188 per Lord Goddard CJ, s.a. insgesamt P.Jackson, Expertise and Evidence, (1982) 98 LQR 192. 196

In Fox v. PG Wellfair Ltd [1981] 2 Lloyd's Rep 514 (CA) per Dunn U fehlte die Aufklärung, set aside (531 /532). 197 Ob im englischen Verfahrensrecht jeder benannte Zeuge zu hören ist, gleich ob es auf seine Aussage ankommt - wie Marriott, (1989) 5 Arblnt 284 behauptet konnte hier nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Gegen die genannte Auffassung spricht allerdings Lewis Emanuel & Son Ltd v. Sammut [1959] 2 Lloyd's Rep 629 at 634, wo Pearson J (as he then was) einen Schiedsspruch nicht aufhob, als ein Schiedsrichter die beantragte Zeugenvernehmung nicht zuließ, weil schon die affidavits ungeeignet zum Beweis des behaupteten Handelsbrauchs waren. Eindeutig zulässig ist es jedenfalls, in ausländischen Schiedsvereinbarungen nur die entscheidungserheblichen Zeugenaussagen zuzulassen; so für einen Genfer IHK-Schiedsspruch, bei dem Prof. Dr. Lalive als Schiedsrichter die Frage, ob zwischen Pakistan und Indien

310

3. Teil: Versagungstatbestände

- getreu dem staatlichen Modell - die Zeugen von den Parteien und nicht vom Schiedsrichter vernommen werden. Der für die Wahrheitsfindung wichtigste Teil der Zeugenvernehmung ist das Kreuzverhör des Vertreters des Beweisgegners, bei dem etwa in weitem Umfang Suggestivfragen (leading questions) zulässig sind. Im einzelnen mag ein angloamerikanisches Kreuzverhör kontinentaleuropäische oder ähnlich geschulte Juristen verwundern 198 ; angreifbar ist es nicht. Auch die Befugnis des Schiedsrichters Eide abzunehmen, s. 12 (2), (3) Arbitration Act 1950, führt nicht zur Angreifbarkeit des Schiedsspruchs. Soweit ein Augenschein nicht ausdrücklich zugelassen wird, hat der Schiedsrichter gem. s. 12 (1) Arbitration Act 1950 Ermessen, ob er von einem solchen Beweisangebot Gebrauch machen w i l l 1 9 9 oder ob er gar auf eigene Initiative hin entsprechenden Beweis erheben will 2 0 0 . Wo dem Schiedsrichter in der Schiedsvereinbarung ausdrücklich aufgetragen oder ausdrücklich verboten wird, Augenschein einzunehmen, liegt misconduct vor, wenn er dem zuwiderhandelt 201. Eine Partei kann bei Zweifeln von ihrem Recht nach s. 12 (6)(g) Gebrauch machen, die Frage der Zulässigkeit und Gebotenheit einer Augenscheinseinnahme dem High Court vorzulegen. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß dem Schiedsrichter nicht grundsätzlich die gleichen Kompetenzen zustehen wie einem Richter nach den RSC. Soweit sich die Befugnisse sich aber gegen die Parteien richten, dürften sie sich decken 202 . Die Zulassung und Zugrundelegung unzulässigen Beweismate-

ein Kriegszustand bestand, nicht für entscheidungserheblich ansah und Zeugen nicht zuließ, Dalmia Dairy Industries

Ltd (India)

v. National Bank of Pakistan

[1978] 2

Lloyd's Rep 223 per Kerr J (as he then was) at 270. Bei den Schiedsordnungen scheint allein die ICE A.P. r. 16.1 für eine volle Anhörungspflicht des Schiedsrichters zu sprechen, weil hier nur eine Auskunftspflicht der Parteien über die vorgesehenen Zeugen geschaffen wird. Das ist aber nicht zwingend. 198

Dazu van Houtte, in: Sarcevic, Essays, p. 119. Mundy v. Black (1861) 30 LJCP 193: Hier lehnte ein Master als vom Gericht angewiesener „Schiedsrichter" die Besichtigung des Baugrunds ab; upheld. 200 Russell on Arbitration, p. 226; jedenfalls insoweit, als der Schiedsrichter die Besichtigung des Frachtschiffs anordnet, das einer Schiedspartei gehört, Vasso 199

(Owners)

v. Vasso (Cargo Owners) (The „Vasso") [1983] 3 AUER 211 at 216/217

per Lloyd J (as he then was). 201

Russell on Arbitration, p. 226 mit Hinweis auf Spencer v. Eastern

Counties

Railway (1839) 7 Dowl 697. 202

Vasso (Owners) v. Vasso (Cargo Owners) (The „Vasso") [1983] 3 A11ER 211 at

217 per Lloyd J (as he then was).

§ 10 Das schiedsgerichtliche Verfahren

311

rials stellt misconduct dar 203 , grundsätzlich aber nicht umgekehrt die Verweigerung der Verwendung von Beweismaterial 204 .

3. Evidence Eine weitere, für den deutschen Juristen ungewohnte Regel ist die Beschränkung der Zulässigkeit von Beweismitteln durch die Regeln der evidence 2 0 5 . Besonders wichtig ist hier, daß grundsätzlich keine Beweise vom Hörensagen zulässig sind, hearsay-rule, s. 18 (1) Civil Evidence Act 1968. Ausnahmen gelten im wesentlichen für (vorprozessuale) Geständnisse des Beweisgegners, für Angaben in öffentlichen Urkunden und bestimmte Erklärungen inzwischen Verstorbener 206 . Sinn der Regelung war es, die Geschworenen im staatlichen Prozeß vor Beweismitteln von zweifelhaftem Gewicht zu schützen 207 , die auch nur bedingt der Überprüfung im Kreuzverhör des Beweisgegners zugänglich sind. Unzulässig ist es auch, Meinungen statt Tatsachen zum Beweisthema zu machen. Hiervon wird für Sachverständige eine Ausnahme gemacht, soweit sie aufgrund ihrer Erfahrung oder Ausbildung besonders sachkundig sind 208 . A u f die strikte Befolgung dieser Regeln kann aber - auch stillschweigend im Schiedsverfahren - verzichtet werden 209 . Hiervon wird in den Schiedsordnungen - v.a. im Hinblick auf die hearsay-rule auch reichlich Gebrauch gemacht 210 . Im Grundsatz aber gelten auch für Schiedsverfahren dieselben Beweisregeln wie für staatliche Verfahren. Ver-

203

Walford, Baker & Co v. Macfie & Sons (1915) 84 LJKB 2221 at 2223 per Lush J; „Agroexport" Entreprise d'Etat pour le Commerce v. NV Goorden Import Cy [1956] 1 Lloyd's Rep 319 per Seilers J (as he then was). 204 Lewis Emanuel & Son Ltd v. Sammut [1959] 2 Lloyd's Rep 629 at 634 per Pearson J (as he then was); Anangel Peace Compania Naviera SA v. Bacchus International Commerce Corpn (The „Anangel Peace") [1981] 1 Lloyd's Rep 452 per Goff J (as he then was) at 454; Croal , (1985) 51 Arbitration, 538 im einzelnen. 205 Dazu knapp Mustill & Boyd , Commercial Arbitration, pp. 354-357. 206 Tackaberry , in: Bernstein para. 34.3, 34.4.

& Wood , Handbook of Arbitration Practice,

207 Tackaberry , in: Bernstein para. 34.1.

& Wood , Handbook of Arbitration Practice,

208

Tackaberry , in: Bernstein para. 34.2.2. 209 210

& Wood , Handbook of Arbitration Practice,

Cato y Arbitration Procedure and Practice, para. 15.6.1 (hearsay-rule).

CIArb-Rules art. 5.1; LOF'80 cl. 11 (sent. 1), in der Neufassung LOF'90 nicht mehr enthalten; IHK-SchO Art. 14 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1; Uncitral-SchVfRg Art. 15 Abs. 1; LCIA-Rules, art. 5.2; ICE-A.P. r. 5.

312

3. Teil: Versagungstatbestände

stößt ein Schiedsrichter gegen sie, so kann ein misconduct vorliegen 211 . Im Zweifel empfiehlt es sich, Rechtsrat einzuholen und notfalls durch ein Verfahren nach s. 2 Arbitration Act 1979 die Zulässigkeit der Beweiserhebung prüfen zu lassen.

III. Besondere Verfahrensarten 1. Verfahren bei Säumnis Die Säumnis (default) 212 einer 213 Schiedspartei mit nach der Ernennung 214 erfolgenden Prozeßhandlungen hat im englischen Schiedsverfahrensrecht unterschiedliche Folgen je nach der Schwere der Säumnis: Die Säumnis mit entscheidenden und vom Schiedsrichter oder gem. s. 5 Arbitration Act 1979 vom High Court angeordnete Prozeßhandlungen kann zu einem die säumige Partei belastenden, summarischen Schiedsspruch berechtigen 215 . Dabei wird aber zu Vorsicht geraten 216 . Die Schiedsordnungen sehen dieses härteste Mittel selten ausdrücklich vor und dann meist als Sanktion für die Säumnis des Schiedsklägers mit der Begründung der Schiedsklage. Auch dann wird nicht ein summarischer Schiedsspruch gewählt, sondern einfach der Anspruchsausschluß festgestellt, etwa gem. r. 2:7 der Gafta No. 125 und

211

„Agroexport"

Entreprise

d'Etat

pour le Commerce Exterieur

v. NV Goorden

Import Co SA [1956] 1 Lloyd's Rep 319 per Sellers J (as he then was) at 324; Brown v. CBI Contractors [1987] 1 Lloyd's Rep 279 at 282 per Lewis Hawser QC (sitting as a deputy judge), wo „without prejudices-correspondence zu Beweiszwecken zugelassen worden war. Dem steht - entgegen Merkin, Arbitration Law, para. 13.35 auch nicht K/S A/S Bill Biakh v. Hyundai Corp [1988] 1 Lloyd's Rep 187 at 189 per Steyn J (as he then was); GKN Centrax Gears Ltd v. Matbro Ltd [1976] 2 Lloyd's Rep 555 (CA) at 577 per Stephenson LJ entgegen. In diesen Fällen war dem Schiedsrichter tatsächlich ein Rechtsirrtum unterlaufen, der nur mit dem appeal, nicht als misconduct angreifbar ist. Verstößt der Schiedsrichter gegen eine Beweisregel, obwohl er sie kennt, so kann ein misconduct vorliegen. 212 Zu unterscheiden ist zwischen dem vollständigen Versäumnis einer Prozeßhandlung (total default) und der bloß zögerlichen Erbringung derselben (partial default), Mustill & Boyd y Commercial Arbitration, p. 536; s. zu den weniger einschneidenden Konsequenzen des partial default Mustill Bettermann/Nipperdey/Scheuner Greminger, Hans-Walter: Die Genfer Abkommen von 1923 und 1927 über die internationale private Schiedsgerichtsbarkeit, Winterthur 1957 von der Groeben, Hans / Thiersing y Jochen/Ehlermann, mentar zum EWG-Vertrag, 4. Aufl. Baden-Baden 1991

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