Zivilprozessordnung und Nebengesetze: Band 6 §§ 1067-1086; Rechtsquellen und Materialien zum internationalen und europäischen Zivilprozessrecht 9783110927177, 9783899491692

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Zivilprozessordnung und Nebengesetze: Band 6 §§ 1067-1086; Rechtsquellen und Materialien zum internationalen und europäischen Zivilprozessrecht
 9783110927177, 9783899491692

Table of contents :
Abkürzungsverzeichnis
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Zivilprozessordnung
ELFTES BUCH
Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union
Abschnitt 1. Zustellung nach der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000
Abschnitt 2. Beweisaufnahme nach der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001
Abschnitt 3. Prozesskostenhilfe nach der Richtlinie 2003/8/EG
Abschnitt 4. Europäische Vollstreckungstitel nach der Verordnung (EG) Nr. 805/2004
Titel 1. Bestätigung inländischer Titel als Europäische Vollstreckungstitel
Titel 2. Zwangsvollstreckung aus Europäischen Vollstreckungstiteln im Inland
Rechtsquellen und Materialien zum internationalen und europäischen Zivilprozessrecht1
1. Völkerrecht
a) Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen v. 18.4.1961 (BGBl. 1964 II 957, 1006, 1008) (Auszug)
b) Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen v. 24.4.1963 (BGBl. 1969 II 1585, 1674, 1688) (Auszug)
c) Europäisches Übereinkommen über die Staatenimmunität v. 16.5.1972 (BGBl. 1990 II 34)
d) Internationales Abkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über die Immunität der Staatsschiffe v. 10.4.1926 (RGBl. 1927 II 483)
e) Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen v. 13.2.1946 (BGBl. 1980 II 941)
2. Europäisches Recht
a) Verordnungen
b) Richtlinien
Richtlinie (EG) Nr. 2003/8 des Rates zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindeststandards für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen (Prozess-kostenhilferichtlinie) (ABl. EG 2003 L 26, 41 ff., berichtigt ABl. EU L 32, 15 ff.)
3. Internationales Zivilprozessrecht
a) Multilaterale Rechtshilfeverträge
b) Bilaterale Rechtshilfeverträge2
c) Multilaterale Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge
d) Bilaterale Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge
e) Verträge zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit

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Großkommentare der Praxis

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RECHT

Wieczorek/Schütze

Zivilprozeßordnung Großkommentar

3., völlig neu bearbeitete Auflage begründet von

Bernhard Wieczorek herausgegeben von

Rolf A. Schütze Sechster Band §§ 1067-1086; Rechtsquellen und Materialien zum internationalen und europäischen Zivilprozessrecht Bearbeiter: Rolf A. Schütze

w DE

G

RECHT

Stand der Bearbeitung: 1. Oktober 2 0 0 6

Zitiervorschlag ζ. B.: Wieczorek/Schütze/Sc^wtee § 1067 ZPO Rdn. 3

ISBN-13: 9 7 8 - 3 - 8 9 9 4 9 - 1 6 9 - 2 ISBN-10: 3 - 8 9 9 4 9 - 1 6 9 - 6

Bibliografische Information

der Deutschen

Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Copyright 2 0 0 6 by De Gruyter Rechtswissenschaften Verlags-GmbH, D - 1 0 7 8 5 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Datenkonvertierung/Satz: W E R K S A T Z Schmidt & Schulz G m b H , D - 0 6 7 7 3 Gräfenhainichen Printed in Germany

Die Bearbeiter der 3. Auflage Professor Dr. Hans-Jürgen Ahrens, Universität Osnabrück, Richter am OLG Celle Professor Dr. Dorothea Assmann, Universität Potsdam Professor Dr. Ekkehard Becker-Eberhard, Universität Leipzig, geschäftsführender Direktor des Instituts für Anwaltsrecht Rechtsanwalt Hans-Günther Borck, Hamburg Richter am BGH Dr. Wolfgang Büscher, Mülheim/Ruhr Rechtsanwalt Dr. Lothar Gamp, Brandenburg Vors. Richter am OLG Uwe Gerken, Oldenburg Professor Dr. Rainer Hausmann, Universität Konstanz Professor Dr. Burkhard Heß, Universität Heidelberg Professor Dr. Volker Michael Jänich, Universität Jena Rechtsanwalt beim BGH Hans-Eike Keller, Karlsruhe Dr. Rainer Kemper, Universität Münster Professor Dr. Thomas Klicka, Universität Münster Professor Dr. Roman Loeser, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer Professor Dr. Wolfgang Lüke, LL.M. (Chicago), Universität Dresden, Direktor des Instituts für Ausländische und Internationale Rechtsangleichung, Richter am OLG Dresden Professor Dr. Heinz-Peter Mansel, Universität zu Köln, Direktor des Instituts für internationales und ausländisches Privatrecht Professor Dr. Dirk Olzen, Universität Düsseldorf Professor Dr. Christoph G. Paulus, LL.M. (Berkeley), Humboldt-Universität Berlin Professor Dr. Egbert Peters, Universität Tübingen Professor Dr. Hanns Prütting, Universität zu Köln, Direktor des Instituts für Verfahrensrecht Richter am LG Dr. Hartmut Rensen, Aachen Professor Dr. Mathias Rohe, M.A., Universität Erlangen, Richter am OLG Nürnberg Rechtsanwalt Dr. Stephan Salzmann, Dipl.-Kfm., Steuerberater, München Professor Dr. Dr. h.c. Wilfried Schlüter, Universität Münster Professor Dr. Klaus Schreiber, Universität Bochum Rechtsanwalt Dr. Rolf A. Schütze, Stuttgart, Honorarprofessor in Tübingen Professor Dr. Stefan Smid, Universität Kiel Rechtsanwalt Dr. Anton Franz Steiner, München Professor Dr. Barbara Stickelbrock, FernUniversität Hagen Rechtsanwalt Dr. Karl-Alfred Storz, Stuttgart Rechtsanwalt Dr. Roderich C. Thümmel, LL.M., Stuttgart, Honorarprofessor in Tübingen Professor Dr. Helmut Weber, LL.B., Großbritannien-Zentrum der Humboldt-Universität zu Berlin

Inhaltsübersicht Abkürzungsverzeichnis Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

XIII XXVII

Zivilprozessordnung ELFTES BUCH Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union

SS Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt

1. 2. 3. 4.

Zustellung nach der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 Beweisaufnahme nach der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 . . . Prozesskostenhilfe nach der Richtlinie 2003/8/EG Europäische Vollstreckungstitel nach der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 Titel 1. Bestätigung inländischer Titel als Europäische Vollstreckungstitel . . . Titel 2. Zwangsvollstreckung aus Europäischen Vollstreckungstiteln im Inland

1067-1071 1072-1075 1076-1078

1079-1081 1082-1086

Rechtsquellen und Materialien zum internationalen und europäischen Zivilprozessrecht1 1. Völkerrecht Seite a) Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen v. 18.4.1961 (BGBl. 1964 II 957, 1006, 1008) (Auszug)

79

b) Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen v. 24.4.1963 (BGBl. 1969 II 1585, 1674, 1688) (Auszug)

84

c) Europäisches Übereinkommen über die Staatenimmunität v. 16.5.1972 (BGBl. 1990 II 34) aa) Deutsche Denkschrift (BTDrucks. 11/4307)

87 101

d) Internationales Abkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über die Immunität der Staatsschiffe v. 10.4.1926 (RGBl. 1927 II 483) aa) Zusatzprotokoll v. 25.4.1934 (RGBl. 1936 II 303)

119 125

e) Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen v. 13.2.1946 (BGBl. 1980 II 941)

127

In den Übersichten der Mitgliedstaaten sind jeweils die Länder aufgeführt, im Verhältnis zu

denen der jeweilige Staatsvertrag gilt. Eine Ausnähme gilt f ü r europäisches Recht.

VII

Inhaltsübersicht

2. Europäisches Recht a) Verordnungen aa) VO (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I) (ABl. 2001 L 12, 1 ff.) bb) VO (EG) Nr. 1347/2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten (Brüssel II) (ABl. 2000 L 160, 19 ff.), seit dem 1.3.2005 ersetzt durch die VO (EG) Nr. 2201/2003 α) Borräs-Bericht (ABl. EG C 221 v. 16.7.1998, S. 27 ff.) cc) VO (EG) Nr. 2201/2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (Brüssel IIa) (ABl. 2003 L 338, 1 ff.) dd) VO (EG) Nr. 805/2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (ABl. 2004 L 143, 15 ff.) ee) VO (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren (ABl. 2000 L 160, 1 ff.) . ff) VO (EG) Nr. 1348/2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten (ABl. 2000 L 160, 37 ff.) α) Angaben der Mitgliedstaaten gemäß Art. 23 der Verordnung vom 29. Mai 2000 (ABl. (EG) C 151, 4 ff.) ß) Glossar vom 25. September 2001 (ABl. EG Nr. L 298/1, geändert durch Entscheidung v. 3.4.2002 (ABl. EG Nr. L 125/1) γ) Erläuternder Bericht (ABl. EG 1997, C 261/26) gg) VO (EG) Nr. 1206/2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001 L 174, 1 ff.) hh) Entwurf einer Verordnung zur Einführung eines europäischen Mahnverfahrens - Geänderter Vorschlag für eine VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS U N D DES RATES zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens vom 7.2.2006 - KOM(2006) 57 endgültig 2004/0055 (COD) α) Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Grünbuch über ein europäisches Mahnverfahren und über Maßnahmen zur einfacheren und schnelleren Beilegung von Streitigkeiten mit geringem Streitwert"

138

526

b) Richtlinien Richtlinie (EG) Nr. 2003/8 des Rates zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindeststandards für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen (Prozesskostenhilferichtlinie) (ABl. EG 2003 L 26, 41 ff., berichtigt ABl. EU L 32, 15 ff.)

539

138

170 193

251 293 319

345 365 395 461

480

505

3. Internationales Zivilprozessrecht a) Multilaterale Rechtshilfeverträge aa) Haager Zivilprozessabkommen v. 17.7.1905 (RGBl. 1909 409) α) Ausführungsgesetz v. 5.4.1909 (RGBl. 1909 430) bb) Haager Zivilprozessübereinkommen v. 1.3.1954 (BGBl. 1958 II 577)

VIII

. . . .

551 551 560 563

Inhaltsübersicht α) Deutsche Denkschrift zu dem Übereinkommen (BTDrucks. III/Nr. 350) . ß) Ausführungsgesetz v. 18.12.1958 (BGBL 1958 I 939) cc) Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen v. 15.11.1965 (BGBl. 1977 II 1453) α) Deutsche Denkschrift zu dem Übereinkommen (BTDrucks. 8/217, S. 38 ff.) ß) Ausführungsgesetz v. 2 2 . 1 2 . 1 9 7 7 (BGBl. 1977 I 3105) dd) Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen v. 18.3.1970 (BGBl. 1977 II 1453) α) Ausführungsgesetz v. 2 2 . 1 2 . 1 9 7 7 (BGBl. 1977 I 3105) (wie vorstehend sub cc) ee) Europäisches Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht v. 7.6.1968 (BGBl. 1974 II 937) α) Deutsche Denkschrift (BTDrucks. VII Nr. 992) nebst Anlage (erläuternder Bericht) ß) Ausführungsgesetz zum Übereinkommen (BGBl. 1974 I 1453) γ) Begründung zum Ausführungsgesetz (BTDrucks. VII Nr. 993) b) Bilaterale Rechtshilfe Verträge 2 aa) Deutsch-amerikanischer Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag v. 29.10.1956 (BGBl. 1956 II 4 8 8 ) (Auszug) (Art. VI) bb) Deutsch-britisches Abkommen über den Rechtsverkehr v. 2 0 . 3 . 1 9 2 8 (RGBl. 1928 II 623) α) AusfVO v. 5.3.1929 (RGBl. 1929 II 135, geändert durch Gesetz v. 27.7.2001, BGBl. 2001 I 1887) cc) Deutsch-griechisches Abkommen vom 11.5.1938 über die gegenseitige Rechtshilfe in Angelegenheiten des bürgerlichen und des Handelsrechts (RGBl. 1939 II 848) α) AusfVO vom 31.5.1939 (RGBl. 1939 II 847, geändert durch Gesetz v. 27.7.2001, BGBl. 2001 I 1887) dd) Deutsch-marokkanischer Vertrag über die Rechtshilfe und Rechtsauskunft in Zivil- und Handelssachen v. 29.10.1985 (BGBl. 1988 II 1954) α) Deutsche Denkschrift (BTDrucks. X I Nr. 2 0 2 6 ) ee) Deutsch-türkisches Abkommen über den Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen v. 28.5.1929 (RGBl. 1930 II 6) α) Deutsche Denkschrift (RTDrucks. IV (1928), Nr. 1405) ß) AusfVO vom 26.8.1931 (RGBl. 1931 II 537, geändert durch G. v. 27.7.2001, BGBl. 2 0 0 1 I 1887) ff) Deutsch-tunesischer Vertrag über Rechtsschutz und Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit v. 19.7.1966 (BGBl. 1969 II 890) (vgl. dazu sub 3 d aa und sub 3 e hh)

Nicht mehr aufgenommen ist das deutsch-sowjetische Abkommen über allgemeine Fragen des Handels und der Seeschiffahrt v. 2 5 . 4 . 1 9 5 8 , BGBl. 1959 II 221, das seine Bedeutung weitgehend verloren hat, nachdem es im Verhältnis

573 585

589 598 642 646 658 662 669 680 683 693 693 695 702

704 712 715 724 741 747 748

750

zu Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Kasachstan, Kirgistan, der Republik Moldau, der Russischen Föderation, Tadschikistan, Turkmenistan, der Ukraine und Usbekistan außer Kraft getreten ist.

IX

Inhaltsübersicht c) Multilaterale Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge aa) Brüsseler Ubereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v. 27.9.1968 (BGBl. 1972 II 773) α) Jenard-Bericht (ABl. 1979 C 59, 1 ff.) ß) Schlosser-Bericht (ABl. 1979 C 59, 71 ff.) γ) Evrigenis/Kerameus-Bericht (ABl. 1986 C 296, 1 ff.) δ) Almeida Cruz/Desantes Real/Jenard-Bericht (ABl. 1990 C 189, 35 ff.) . . bb) Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.9.1988 (BGBl. 1994 II 2658, 3772) α) Jenard/Möller-Bericht (ABl. 1990 C 189, 57 ff.) cc) Revidierte Rheinschiffahrtsakte v. 17.10.1868 (BGBl. 1969 II 598) (Art. 40) α) Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrts- und Rheinschiffahrtssachen (§21) (BGBl. 1952 I 641) dd) Moselschiffahrtsabkommen v. 27.10.1956 (BGBl. 1956 II 1837) (Art. 34) . ee) Übereinkommen über den Internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) v. 9.5.1980 (BGBl. 1985 II 130, 666) ( A m . 12-16, 18 §§ 1 - 4 ) und Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9.5.1980 in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 3. Juni 1999 (Verkündet am 2. September 2002 als Anlage zu dem Gesetz vom 24. August 2002, BGBl. II 2002, S. 2140) (Am. 11-12, 28-32) α) Text Übereinkommen 1980 (Artt. 12-16, 18) ß) Text Übereinkommen 1999 (Artt. 11 und 12; 28-32) ff) Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr v. 19.5.1956 (BGBl. 1961 II 1119) (Art. 31 Abs. 3 und 4) . . . gg) Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern v. 15.4.1958 (BGBl. 1961 II 1006) α) Deutsche Denkschrift (BTDrucks. III Nr. 2583) hh) Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen v. 2.10.1973 (BGBl. 1986 II 826) α) Verwilghen-Bericht (BTDrucks. 10/258) ii) Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen (AVAG) v. 19.2.2001 (BGBl. 2001 I 288) jj) Gesetz zur Aus- und Durchführung bestimmter Rechtsinstrumente auf dem Gebiet des internationalen Familienrechts (IntFamRVG) v. 26.1.2005 (BGBl. 2005 I 162) d) Bilaterale Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge aa) Deutsch-tunesischer Vertrag über Rechtsschutz und Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Zivilund Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit v. 19.7.1966 (BGBl. 1969 II 890) α) Ausführungsgesetz (BGBl. 1969 I 333) ß) Deutsche Denkschrift zu dem Vertrag (BTDrucks. V Nr. 3167) bb) Deutsch-israelischer Vertrag über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v. 20.7.1977 (BGBl. 1980 11 935,1531) α) Deutsche Denkschrift zu dem Vertrag (BTDrucks. VIII Nr. 3866) . . . .

X

759

759 780 871 977 1020

1049 1078 1159 1160 1161

1163 1164 1168 1172

1174 1180 1188 1198

1295

1315 1335

1335 1344 1350

1392 1402

Inhaltsübersicht e) Verträge zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit aa) Genfer Protokoll über die Schiedsklauseln v. 24.9.1923 (RGBl. 1925 II 47) . bb) Genfer Abkommen zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche v. 26.9.1927 (RGBl. 1930 II 1068) cc) UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche v. 10.8.1958 (BGBl. 1961 II 122) α) Deutsche Denkschrift (BTDrucks. III Nr. 2160) dd) Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit v. 21.4.1961 (BGBl. 1964 II 426) α) Vereinbarung über die Anwendung des Europäischen Übereinkommens über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit (BGBl. 1964 II 449) ß) Deutsche Denkschrift (BTDrucks. IV Nr. 1597) ee) Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten (Weltbankübereinkommen) v. 18.3.1965 (BGBl. 1969 II 3719) α) Ausführungsgesetz (BGBl. 1969 II 369) ß) Deutsche Denkschrift (BTDrucks. V Nr. 3246) ff) Londoner Auslandsschuldenabkommen v. 27.2.1953 (BGBl. 1953 II 331) ( A m . 17, 28, 29) α) Ausführungsgesetz v. 24.8.1953 (BGBl. 1953 1 1003) gg) Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika v. 29.10.1954 (BGBl. 1956 II 488) (Art. VI) hh) Deutsch-tunesischer Vertrag über Rechtsschutz und Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 19.7.1966 (BGBl. 1969 II 890) (Auszug - A m . 47-53) (vgl. dazu sub 3 d aa und sub 3 b ff)

1418 1418 1420 1424 1431 1445 1455 1457

1477 1498 1500 1504 1510

1546

1546

XI

Abkürzungsverzeichnis aA aaO abgedr. Abk. Abi. abl. Abs. abw. A. C. AcP ADSp. aE aF AG AGB AGBG AGS AHK AktG All E. R. allgallg.M Alt. aM AMBl BY AMG Am. J. Comp. L. Am. J. Int. L. amtl. ÄndVO AnfG Anh. Anl. Anm. AnwBl AO AöR AP App. ArbG ArbGG

anderer Ansicht am angegebenen Ort abgedruckt Abkommen Amtsblatt ablehnend (e/er) Absatz abweichend The Law Reports, Appeal Cases Archiv für die civilistische Praxis [Band (Jahr) Seite] Allgemeine Deutsche Seeversicherungsbedingungen am Ende alter Fassung Aktiengesellschaft, auch Amtsgericht, auch Ausführungsgesetz, auch Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen (Jahr, Seite) Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Anwaltsgebühren spezial Alliierte Hohe Kommission Aktiengesetz All England Law Reports allgemein (e/er/es) allgemeine Meinung Alternative anderer Meinung Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge Arzneimittelgesetz American Journal of Comparative Law American Journal for International Law amtlich Änderungsverordnung Anfechtungsgesetz Anhang Anlage Anmerkung Anwaltsblatt Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsrechtliche Praxis, Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts Corte di appello (Italien); Cour d'appeal (Belgien, Frankreich) Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz XIII

Abkürzungsverzeichnis Arb. Int. ArbuR Art. art. AUG Aufl. AuR AusfG AusfV Ο Ausg. ausl. AuslInvestmG AVAG AWD AWG BAföG BAG BAGE BAnz. BauR bay. BayObLG BayObLGZ BayVBl. BB BBergG BB1. Bd. Bearb. BEG begr. Beil. Bek. belg. Bern. Ber. BerDGVR ber. bes. Beschl. bestr. betr. BeurkG BezG BfA BFH BFHE BFH/NV BFH-PR BG BGB

XIV

Arbitration International Arbeit und Recht Artikel article Auslandsunterhaltsgesetz Auflage Arbeit und Recht Ausführungsgesetz Ausführungsverordnung Ausgabe Ausländisch Gesetz über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile und über die Besteuerung der Erträge aus ausländischen Investmentanteilen Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters Außenwirtschaftsgesetz Bundesausbildungsförderungsgesetz Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, Amtliche Sammlung Bundesanzeiger Baurecht bayerisch Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen, Amtliche Sammlung Bayerische Verwaltungsblätter (Jahr, Seite) Der Betriebsberater (Jahr, Seite) Bundesberggesetz Bundesblatt der Schweizerischen Eidgenossenschaft Band Bearbeitung Bundesentschädigungsgesetz begründet Beilage Bekanntmachung belgisch Bemerkung (en) Bericht Berichte der Deutschen Gesellschaft für Volkerrecht berichtigt besonders Beschluß bestritten betreffend Beurkundungsgesetz Bezirksgericht Bundesanstalt für Arbeit Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Bundesfinanzhofs Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Entscheidungen des Bundesfinanzhofs für die Praxis der Steuerberatung Bundesgericht (Schweiz) Bürgerliches Gesetzbuch

Abkürzungsverzeichnis BGBl BGE BGH BGHR BGHZ BinSchG BinSchVerfG Bl. BNotO BörsG BPatG BR BRAGO BRAO BR(-Drucks.) BRAK-Mitt. Breith. brit. BSG BSGE BSHG BStBl. BT(-Drucks.) Buchst. BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE BWNotZ bzw. BYIL C.A. Cahiers dr. europ. Cass. Civ. (com., soc.) Cass. (Italien) S.U. Cc (cc) ch. Ch. D. CIM CISG CIV Civ. J. Q. Clunet

Bundesgesetzblatt Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts, Amtliche Sammlung Bundesgerichtshof Systematische Sammlung der Entscheidungen des BGH Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen; amtliche Sammlung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Binnenschifffahrtsgesetz Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrtssachen Blatt Bundesnotarordnung Börsengesetz Bundespatentgericht Bundesrat Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesrat(-sdrucksache) Bundesrechtsanwaltskammer Mitteilungen Sammlung von Entscheidungen aus dem Sozialrecht. Begr. v. Breithaupt britisch Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts, Amtliche Sammlung Bundessozialhilfegesetz Bundessteuerblatt (Teile I, II und III; Jahr, Seite) Bundestag(-sdrucksache) Buchstabe Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Amtliche Sammlung Gesetz über das Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, Amtliche Sammlung Mitteilungen aus der Praxis, Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg beziehungsweise The British Yaerbook of International Law Court of Appeal (England) Cahiers de droit europeen Cour de Cassation (Frankreich/Belgien), Chambre civile (commerciale, sociale) Corte di cassazione, Sezioni Unite Code civil (Frankreich/Belgien/Luxemburg); Codice civile (Italien) chapter Chancery Divison Convention internationale concernant le transport des marchandises par chemins des fer (Internationales Ubereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr) Convention on the International Sale of Goods (Wiener Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf) Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen und Gepäck (Anlage Α zum COTIF) Civil Justice Quarterly Journal du droit international (Frankreich) XV

Abkürzungsverzeichnis C.M.L.R. C M L Rev. CMR COTIF Cour sup. C P C , cpc CPO CR DAR das. DAVorm DB Dem. Rep. ders. DGVZ DGWR d.h. dies. d. i. P. Dir. Comm. Int. Dir. Com. Scambi int. DiskE Diss. DJ DJT DJZ DNotV DNotZ

Common Market Law Reports Common Market Law Review Ubereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßenverkehr Ubereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr Cour superieure de justice (Luxemburg) Codice di procedura civile (Italien). Code de procedure civile (Frankreich/Belgien/Luxemburg) Civilprozeßordnung Computer und Recht

doc. DöV DR DRiZ DRpfl DRZ Drucks. D. S. DStR DStZ dt DtZ DuR DVB1. DVO DZWIR

Deutsches Autorecht daselbst Der Amtsvormund Der Betrieb (Jahr, Seite) Demokratische Republik derselbe Deutsche Gerichtsvollzieherzeitung Deutsches Gemein- und Wirtschaftsrecht (Jahr, Seite) das heißt dieselben Droit international prive Diritto del commercio internationale Diritto communitario negli scambi internazionali Diskussionsentwurf Dissertation Deutsche Justiz, Zeitschrift für Rechtspflege und Rechtspolitik Deutscher Juristentag Deutsche Juristenzeitung Zeitschrift des Deutschen Notarvereins Deutsche Notarzeitschrift (früher: Zeitschrift des Deutschen Notarvereins, DNotV) Document Die öffentliche Verwaltung Deutsches Recht Deutsche Richterzeitung Der Deutsche Rechtspfleger Deutsche Richterzeitung Drucksache Recuil Dalloz Sirey Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuerzeitung deutsch (e/er/es) Deutsch-Deutsche Rechtszeitschrift Demokratie und Recht Deutsches Verwaltungsblatt Durchführungsverordnung Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht

Ε € E. C. C. EFG EFTA EG

Entwurf Euro European Commercial Cases Entscheidungen der Finanzgerichte European Free Trade Association Einführungsgesetz; Europäische Gemeinschaft

XVI

Abkürzungsverzeichnis EGBGB EGGVG EGMR EG-PKHW EGStGB EheG Einf. EinfG EingV Einl. EMRK ENA entspr. Entw. ErbbauVO Erg. Erl. EÜ EuBVO EuGH EuGHE EuGWO EuGVU EulnsVO EuR Europ. L. Rev. EuVTVO EuZVO EuZVR EuZW evtl. EVÜ EWG EWGV EWiR EWIV EWR EWS EzA EzFamR aktuell f. FamG FamR FamRÄndG FamRZ FamS ff.

Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EG-Prozesskostenvordrucksverordnung Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Ehegesetz Einführung Einführungsgesetz Einigungsvertrag Einleitung (Europäische) Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten Europäisches Niederlassungsabkommen entsprechend Entwurf Verordnung über das Erbbaurecht Ergebnis Erläuterungen (Genfer) Europäisches Ubereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit Europäische Beweisaufnahmeverordnung Europäischer Gerichtshof Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft, Amtliche Sammlung Europäische Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Europäische Insolvenzverordnung Europarecht European Law Review Europäische Vollstreckungstitelverordnung Europäische Zustellungsverordnung Europäisches Zivilverfahrensrecht Europäische Zeitschrift für Witschaftsrecht eventuell Europäisches Schuldvertragsübereinkommen Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht Entscheidungssammlung zum Familienrecht aktuell folgend(e) Familiengericht Familienrecht Familienrechtsänderungsgesetz Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Familiensenat fortfolgende XVII

Abkürzungsverzeichnis FG FGG FGPrax FGO Fn. Foro it. franz. FS Fundst. FuR

Finanzgericht; Festgabe; Freiwillige Gerichtsbarkeit Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzgerichtsordnung Fußnote Foro italiano französich Festschrift Fundstelle(n) Familie und Recht

G. Gaz. Pal. GBBerG GBl GBO g. E. geänd. GebrMG gem. GenG GeschMG GewO GG ggf. Giur it. GK GKG GmbH GmbHG GmbHR Gruchot

Gesetz La Gazette du Palais (Frankreich) Grundbuchbereinigungsgesetz Gesetzblatt Grundbuchordnung gegen Ende geändert Gebrauchsmustergesetz gemäß Genossenschaftsgesetz Geschmacksmustergesetz Gewerbeordnung i. d. F. der Bekanntmachung vom Grundgesetz gegebenenfalls Giurisprudenza italiana Großkommentar Gerichtskostengesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begründet von Gruchot Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Großer Senat Gedächtnisschrift Großer Senat in Zivilsachen Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz- und Verordnungsblatt Rheinland-Pfalz Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

GRUR GrS GS GSZ GVBl. GVBl. RhPf. GVG GWB Η HaftpflG HmbGVBl. HausTWG HBU H. C. Hdb. HessVGRspr HGB HinterlO HKO hL

XVIII

Heft Haftpflichtgesetz Hamburger Gesetz- und Verordnungsblatt Haustürwiderrufsgesetz Haager Ubereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen High Court Handbuch Rechtsprechung der Hessischen Verwaltungsgerichte Handelsgesetzbuch Hinterlegungsordnung Haager Landkriegsordnung herrschende Lehre

Abkürzungsverzeichnis Η. L. hM Η. R. HRR Hrsg., hrsg. Hs HZPÜ HZÜ

House of Lords herrschende Meinung Höge Raad (Niederlande) Höchstrichterliche Rechtsprechung Herausgeber, herausgegeben Halbsatz Haager Ubereinkommen über den Zivilprozeß Haager Ubereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen

ICC ICLQ idF idR IGH ieS ILM ILR insb. IPRax iSd. iSv. i. ü. iVm. IWB IWF iwS IZPR IZVR i. Zw.

International Chamber of Commerce (Internationale Handelskammer) The International and Comparative Law Quarterly in der Fassung in der Regel Internationaler Gerichtshof im engeren Sinne International Legal Materials International Law Reports insbesondere Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts im Sinne des im Sinne von im übrigen in Verbindung mit Internationale Wirtschaftsbriefe Internationaler Währungsfond im weiteren Sinne internationales Zivilprozeßrecht internationales Zivilverfahrensrecht im Zweifel

JA JblntR JB1. J. Bus. L. JbRR JFG

Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch für internationales Recht Justizblatt; Juristische Blätter (Osterreich) The Journal of Business Law (England) Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechtes Journal of International Arbitration Justizministerialblatt Justizministerialblatt von Nordrhein-Westfalen Jurisdiktionsnorm (Osterreich) Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit Juristische Rundschau Vierteljahresschrift für die gesamte Zivilrechtspflege Juristische Ausbildung Das juristische Büro Juristentag(es) Juristische Schulung Die Justiz, Amtsblatt des Justizministeriums Baden Württemberg Justizverwaltungsblatt Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz Juristische Wochenschrift Juristenzeitung

J. Int. Arb. JMBl. JMBlNRW JN JPS JR Judicium JURA JurBüro JurTag(s) JuS Justiz JVB1 JVEG JW JZ

XIX

Abkürzungsverzeichnis KAGG Kap KG KGBl. KO KonsulG KostO KrG krit. KTS KV KWG

Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Kapitel Kammergericht, Kommanditgesellschaft Blätter für Rechtspflege im Bezirk des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in Kosten-, Stempel- und Strafsachen Konkursordnung Konsulargesetz Kostenordnung Kreisgericht kritisch Zeitschrift für Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen (Jahr, Seite) Kostenverzeichnis Gesetz über das Kreditwesen

lux. LZ

Gesetz über den Lastenausgleich; auch Landesarbeitsgericht Lehrbuch Landgericht Buchstabe The Law Journal (England) Landesjustizverwaltung Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, hrsg. von Lindenmaier und Möhring Leitsatz Landessozialgericht Gesetz über Rechte an Luftfahrzeugen Luftverkehrsgesetz Gesetz betr. das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkust (LiteratururheberG) Luganer Ubereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen luxemburgisch Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht

m. ausf. N. maW MDR MittBayNot. MittRhNotK MittRuhrKn Mot. MSA MuW mwN

mit ausführlichen Nachweisen mit anderen Worten Monatsschrift für Deutsches Recht Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer Mitteilungen der Ruhrknappschaft Bochum Motive Haager Minderjährigenschutzabkommen Markenschutz und Wettbewerb (Jahr, Seite) mit weiteren Nachweisen

Nachw. N. C. p. c. Nds.Rpfl NdsVBl NEhelG nF NJW N J W E WettR NJW-RR

Nachweis(e/n) Noveau Code de procedure civile Niedersächsische Rechtspflege Niedersächsische Verwaltungsblätter Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder neue Fassung; neue Folge Neue Juristische Wochenschrift NJW-Entscheidungsdienst Wettbewerbsrecht Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechungsreport Zivilrecht

LAG Lb LG lit. LJ LJV LM LS LSG LuftfzRG LuftVG LUG LugÜ

XX

Abkürzungsverzeichnis Novelle 1898 NTS NotBZ Nov. Nr. NRW, NW NVwZ NZA NZA-RR NZG NZI NZM

Ges. betr. Änderungen der Cicilprozeßordnung NATO-Truppenstatut Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis Novelle Nummer Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht, Rechtsprechungs-Report Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung Neue Zeitschrift für Mietrecht

öffentl. öGZ öJBl OJZ Österr. ÖRiZ OFD OGH OGHZ

OLGZ OrderlagerscheinV OVG

öffentlich (österr.) Gerichts-Zeitung Osterreichische Juristische Blätter Osterreichische Juristen-Zeitung Österreichisch (en, es) Österreichische Richterzeitung Oberfinanzdirektion Oberster Gerichtshof (für die britische Zone, Österreich) Entscheidungen des Obersten Gerichsthofs für die britische Zone in Zivilsachen Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht OLG-Rechtsprechung Neue Länder OLG-Report: Zivilrechtsprechung der Oberlandesgerichte Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen Orderlagerscheinverordnung Oberverwaltungsgericht

PA PatAnwO PatG PersV PflVG PKH PKHRL ProdHG Prot. ProzRB PStG PStV

Patentamt Patentanwaltsordnung Patentgesetz Die Personalvertretung Pflichtversicherungsgesetz Prozesskostenhilfe Prozesskostenhilfe-Richtlinie Produkthaftungsgesetz Protokoll Der Prozess-Rechts-Berater Personenstandsgesetz Personenstandsverordnung

RabelsZ RAG Rb. Rbeistand RBerG RdA RdL Rdn. Recht

Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Reichsarbeitsgericht Rechtsbank (Niederlande) Der Rechtsbeistand Rechtsberatungsgesetz Recht der Arbeit Recht der Landwirtschaft (Jahr, Seite) Randnummer Das Recht, Rundschau für den Deutschen Juristenstand

OHG OLG OLG-NL OLGR OLGRspr

XXI

Abkürzungsverzeichnis RefE RegBl RegE ReichsschuldenO RFH RG RGBl RGes. RGSt RGZ Rh.-Pf RIDC RIW RL ROW Rpfl. RpflG Rs Rspr. RuStAG RzW RuS RVG s.

s.

s. a. SaBremR Sachg SachenRBerG SAE Sachs VB1 S. C. ScheckG SchlHA SchRegO SchRG Sch-Ztg SchuldR SchwJblntR See. Sess. SeuffArch SeuffBl SGB SGG

sjz

s.o. sog. SozG Sp. StAZ

XXII

Referentenentwurf Regierungsblatt Regierungsentwurf Reichsschuldenordnung Reichsfinanzhof; amtliche Sammlung der Entscheidungen des R F H Reichsgericht Reichsgesetzblatt Reichsgesetz Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen; amtliche Sammlung der Reichsgerichtsentscheidungen in Zivilsachen Rheinland-Pfalz Revue internationale de droit compare Recht der Internationalen Wirtschaft Richtlinie Recht in Ost und West Der Deutsche Rechtspfleger Rechtspflegegesetz Rechtssache Rechtsprechung Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht Recht und Schaden Rechts anwaltsvergiitungsgesetz siehe Seite siehe auch Sammlung des bremischen Rechts Sachgebiet Sachenrechtsbereinigungsgesetz Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen der Vereinigung der Arbeitgeberverbände Sächsische Verwaltungsblätter Supreme Court Scheckgesetz Schleswig-Holsteinische Anzeigen Schiffsregisterordnung Schiffsregistergesetz Schiedsmannszeitung Schuldrecht Schweizer Jahrbuch für Internationales Recht Section Session Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten Seufferts Blätter für Rechtsanwendung in Bayern Sozialgesetzbuch Sozialgerichtsgesetz Süddeutsche Juristenzeitung siehe oben sogenannte Sozialgericht Spalte Zeitschrift für Standesamtswesen

Abkürzungsverzeichnis StGB StIGH StPO StB str. StRK stRspr. StuB StuW StVG Suppl. StVZO s.u.

Strafgesetzbuch Ständiger Internationaler Gerichsthof Strafprozessordnung Der Steuerberater strittig Steuerrechtsprechung in Karteiform. Höchstgerichtliche Entscheidungen in Steuersachen Ständige Rechtsprechung Steuern und Bilanzen Steuer und Wirtschaft (Jahr, Spalte bzw. Nummer) Straßenverkehrsgesetz Supplement Straßenverkehrs-Zulassungs- Ordnung siehe unten

SZIER

Schweizer Zeitschrift für internationales und europäisches Recht

teilw. ThürBl Tit. TRG T. P. R. TranspR Trib. Trib. com. u.a. u.ä. Ubers. Übk. UFITA UmweltHG UN unstr. Urt. usw. u.U. UWG

teilweise Blätter für Rechtspflege in Thüringen und Anhalt Titel Gesetz zur Neuregelung des Fracht-, Speditions- und Lagerrechts Tijdschrift voor Privaatrecht (Niederlande) Transportrecht Tribunal; Tribunale Tribunal de commerce (Belgien/Frankreich) und andere(m) und ähnliche(s) Ubersicht Ubereinkommen Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht Umwelthaftungsgesetz United Nations unstrittig Urteil und so weiter unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

v. VA VAG

versus Versicherungsaufsicht Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen (Versicherungsaufsichtsgesetz) Variante Verbraucherkreditgesetz Verfassung Verfassungsgerichtshof Vergleichsordnung Verhandlungen Gesetz über das Verlagsrecht Verlagsrecht Vermittlungsausschuss Versicherungsrecht, Juristische Rundschau für die Individualversicherung Verschollenheitsgesetz Verwaltungsanordnung

Var. VerbrKrG Verf. VerfGH VerglO Verh. VerlG VerlR VermA VersR VerschG VerwAO

XXIII

Abkürzungsverzeichnis Vfg VG VGH vgl. VIZ VO VOB1 Voraufl. Vorb. VR WG VwGO VwVG VwVfG VZS

Verfügung Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Zeitschrift für Vermögens- und Immobilienrecht Verordnung Verordnungsblatt Vorauflage Vorbemerkung Verwaltungsrundschau Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz) Verwaltungsgerichtsordnung (Bundes-) Verwaltungsvollstreckungsgesetz Verwaltungsverfahrensgesetz Vereinigte Zivilsenate

WahrnG Warn.

WertpBG WG WiGBl W. L. R. WM w.N. WRP WuB WUD WÜK WuM WuW WVRK WZG

Gesetz über die Wahrnahme von Urheberrechten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, als Fortsetzung der von Otto Warneyer hrsg Rechtsprechung des Reichsgerichts Warneyer, Rechtsprechung des Reichsgerichts, soweit sie nicht in der amtlichen Sammlung der Entscheidungen des R G abgedruckt ist, herausgegeben von Warneyer WashingtonerWeltbankübereinkommen für Investitionsstreitigkeiten Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (Wohnungseigentumsgesetz) Wertpapierbereinigungsgesetz Wechselgesetz Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets Weekly Law Reports Wertpapier-Mitteilungen weitere Nachweise Wettbewerb in Recht und Praxis Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht Wiener Ubereinkommen über diplomatische Beziehungen Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen Wohnungswirtschaft und Mietrecht Wirtschaft und Wettbewerb Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge Warenzeichengesetz

Yb. Eurp. L.

Yearbook of European Law

ZAkDR ZAP z.B. ZBB ZBinnSch ZB1FG ZBlJugR ZBR ZEuP ZfA ZfB ZfG ZfRV

Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht Zeitschrift für die Anwaltspraxis zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Binnenschifffahrt Zentralblatt für die freiwillige Gerichtsbarkeit und Notariat Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Betriebswirtschaft Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für Rechtsvergleichung (Osterreich)

WarnRspr WBÜ WEG

XXIV

Abkürzungsverzeichnis ZfS ZfSH ZGB ZGR ZHR Ziff. ZIP ZIR ZLR ZMR ZöffR ZPO ZRHO ZPR ZRP ZS ZSEG ZSR z.T. zust. ZustDG ZustErgG ZVersWiss ZVG ZVglRWiss ZZP ZZPInt

Zeitschrift für Schadensrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Sozialhilfe Zivilgesetzbuch (DDR/Schweiz) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis Niemeyers Zeitschrift für internationales Recht Zeitschrift für Luftrecht und Weltraumrechtsfragen Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zeitschrift für öffentliches Recht Zivilprozessordnung Rechtshilfeordnung in Zivilsachen Zivilprozessrecht Zeitschrift für Rechtspolitik Zivilsenat Gesetz über die Entschädugung von Zeugen und Sachverständigen Zeitschrift für Schweizer Recht zum Teil Zustimmend EG-Zustellungsdurchführungsgesetz Zuständigkeitsergänzungsgesetz Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (Zwangsversteigerungsgesetz) Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozess Zeitschrift für Zivilprozess International

XXV

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur I. Kommentare zur ZPO Alternativkommentar zur ZPO, 1987 AKJBearbeiter Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl. 2006 Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl. 2002 MünchKomm-ZPO/Bearbeiter Musielak, ZPO, 4. Aufl. 2004 MusielakJBearbeiter Zivilprozessordnung, Handkommentar, 2005 Saenger/Bearbeiter Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. (bearbeitet von Berger, Stein/Jonas/Bearbeiter Bork, Brehm, Grunsky, Leipold, Münzberg, Oberhammer, Roth, Schlosser, Wagner) Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl. 2005 ThomasiPuviolBearbeiter Zimmermann, ZPO, 7. Aufl. 2005 Zimmermann Zöller, ZPO, 25. Aufl. 2005 (bearb. von Geimer, Zöller/Bearbeiter Greger, Gummer, Herget, Heßler, Philippi, Stöber, Vollkommer) Π. Lehrbücher und Literatur zum IZPR Arens/Lüke Baumann/Brehm Baur/Grunsky Baur/Stürner Bernhardt Blomeyer Brox/Walker Bruns Bruns/Peters Fasching Geimer IZPR Geimer/Schütze Geimer/Schütze Geimer/Schütze EuZVR Gerhardt Grunsky Hahn/Stegemann

Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2003, 9. Aufl. 2006 Zwangsvollstreckung, 2. Aufl. 1982 Zivilprozessrecht, 12. Aufl. 2006 Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, 12. Aufl. 1990 Das Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1968 Zivilprozessrecht, Erkenntnisverfahren, 2. Aufl. 1985 Zwangsvollstreckungsrecht, 7. Aufl. 2003 Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 1979 Zwangsvollstreckungsrecht, 3. Aufl. 1987 Lehrbuch des österreichischen Zivilprozessrechts, 1984, 2. Aufl. 1990 Internationales Zivilprozessrecht, 5. Aufl. 2005 Internationale Urteilsanerkennung, Bd. I, 1 1983; Bd. 1,2 1984; Bd. II 1971 Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Loseblatt Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl. 2004 Vollstreckungsrecht, 2. Aufl. 1982 Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974 Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, 2. Band, Die gesammelten Materialien zur Civilprozessordnung und dem Einführungsgesetz zu derselben vom 30.1.1877, 1. und 2. Abt. 1881, Neudruck 1983 unter dem Titel: Hahn/

XXVII

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Jauernig Kropholler Langendorf Linke IZPR Mayr/Czernich Musielak Grundkurs Nagel/Gottwald IZPR Paulus Rauscher/Bearbeiter Riezler IZPR Rosenberg/Schwab/Gottwald Rosenberg/GauiySchilken Schack IZVR Schellhammer Schilken Schlosser Schmidt Schönke/Kuchinke Schütze DIZPR Wolf Zeiss/Schreiber

XXVIII

Mugdan, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. 2 Zivilprozessrecht, 28. Aufl. 2003 Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2005 Prozessführung im Ausland und Mängelrüge im ausländischen Recht, 1956 ff Internationales Zivilprozessrecht, 4. Aufl. 2006 Europäisches Zivilprozessrecht, 2006 Grundkurs ZPO, 8. Aufl. 2005 Internationales Zivilprozessrecht, 5. Aufl. 2002 Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 2004 Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2006 Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949 (Nachdruck 1995) Zivilprozessrecht, 16. Aufl. 2004 Zwangsvollstreckungsrecht, 11. Aufl. 1997 Internationales Zivilverfahrensrecht, 4. Aufl. 2006 Zivilprozess, 11. Aufl. 2006 Zivilprozessrecht, 4. Aufl. 2002 EU-Zivilprozessrecht, 2. Aufl., 2003 Europäisches Zivilprozessrecht, 2004 Zivilprozessrecht, 9. Aufl. 1969 Deutsches Internationales Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2006 Gerichtliches Verfahrensrecht, 1978 Zivilprozessrecht, 10. Aufl. 2003

ELFTES

BUCH

Justizielle Z u s a m m e n a r b e i t in der Europäischen U n i o n

Vorbemerkung Seit dem Säulenwechsel von Amsterdam und Nizza wird das europäische Zivilverfahrensrecht zunehmend durch europäische Verordnungen geregelt. Diese gelten EU-weit, nicht jedoch im Verhältnis zu D ä n e m a r k 1 . Soweit die Notwendigkeit besteht, die Anwendung europäische Verordnungsrechts in Deutschland im Hinblick auf spezifisch deutsche prozessuale Notwendigkeiten zu regeln erfolgt dies in dem neu angefügten 11. Buch der Z P O mit „offenem E n d e " . Ergänzend zur Einfügung des 11. Buchs ist die Z R H O neu bearbeitet w o r d e n 2 .

1

ABSCHNITT 1 Zustellung nach der Verordnung ( E G ) N r . 1 3 4 8 / 2 0 0 0

Vorbemerkung zu §§ 1 0 6 7 - 1 0 7 1 D u r c h das EG-Beweisaufnahmedurchführungsgesetz v o m 4 . 1 1 . 2 0 0 3 3 , durch das die §§ 1 0 6 7 - 1 0 7 5 in die Z P O eingefügt wurden, sind die innerstaatlichen Anpassungen auch für die Anwendung der V O (EG) Nr. 1 3 4 8 / 2 0 0 0 ( E u Z V O ) 4 geschaffen worden. D a s Gesetz ist a m 1 . 1 . 2 0 0 4 in Kraft getreten.

2

Die E u Z V O soll das Zustellungsverfahren vereinfachen und beschleunigen, w a r es doch insbesondere die lange Verfahrensdauer, die bei Verfahren mit internationalem Bezug zu Problemen f ü h r t e 5 . D a b e i orientiert sich die E u Z V O in ihrer Grundkonzeption a m H a a g e r Zustellungsübereinkommen. Letztlich bleibt sie aber a u f halbem Wege stehen 6 . Denn sie bevorzugt weiterhin die förmliche Zustellung im Wege der Rechtshilfe und verbessert lediglich die zwischenstaatlichen Übermittlungswege.

3

1

Dänemark beteiligt sich - ebenso wie das Vereinigte Königreich und Irland (Art. 69 EGV) nicht an den Maßnahmen nach Artt. 61 ff. EGV. Letztere haben aber von ihrem Recht des „opt in" Gebrauch gemacht. Die EU-Regelung soll schon bald mittels eines völkerrechtlichen Vertrags zwischen der EU und Dänemark auch auf Dänemark ausgedehnt werden, vgl. ABl. v. 17.11. 2005 L 3 0 0 , S. 53; vgl. zur Problematik der Anwendung der VO (EG) Nr. 44/2001 in Dänmark Jayme/Kobler Europäisches Kollisionsrecht 2005: Hegemonialgesten auf dem Weg zu einer Gesamtvereinheitlichung, IPRax 2005, 481 ff. (485f.).

2

3 4 s

6

Vgl. dazu Jastrow Europäische Zustellung und Beweisaufnahme 2004 - Neuregelungen im deutschen Recht und konsularische Beweisaufnahme, IPRax 2004, l l f f . (13). BGBl. 2003 I 2166. Abgedruckt sub II.2.a.ff. Vgl. Linke Probleme der internationalen Zustellung, in: Gottwald (Hrsg.), Grundfragen der Gerichtsverfassung und der internationalen Zustellung, 1999, S. 95 ff. Vgl. Hess Die Zustellung von Schriftstücken im europäischen Justizraum, NJW 2001, 15 ff. (19).

Rolf A. Schütze

1

Vor § 1 0 6 7

Elftes Buch. Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union

4

Die erstrebte Vereinfachung ist in der Praxis aber - leider - nur unvollkommen eingetreten. Eine Studie im Auftrag der Kommission über die Anwendung der EuZVO hat gravierende Mängel ans Tageslicht gebracht, die zu Vorschlägen zur Änderung und Verbesserung der EuZVO geführt haben 7 . Die Reform ist zwischenzeitlich in ein entscheidendes Stadium getreten. Mit ihrer Umsetzung ist in absehbarer Zeit zu rechnen.

5

Die prozessuale Geltendmachung von Einwendungen gegen die Zulässigkeit einer Zustellung nach der EuZVO - etwa weil diese entgegen § 1071 ZPO im Parteibetrieb erfolgt - ist im Gesetz nicht geregelt. Derartige Einwendungen können durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG und Antrag auf einstweilige Verfügung gemäß § 2 9 Abs. 2 EGGVG in Verbindung mit § 2 4 Abs. 3 FGG bei dem Oberlandesgericht geltend gemacht werden. Ist die Zustellung einmal erfolgt, ist noch nicht alles verloren. In diesem Fall kann ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung und einstweilige Anordnung auf NichtÜbermittlung des Zustellungszeugnisses gerichtet werden 8 .

6

Auf die Verfahren nach der EuZVO sind auch die Regelungen der Z R H O 9 anzuwenden. Nach § 9 Z R H O werden die Prüfungsstellen bei der verwaltungsmäßigen Prüfung und Überwachung des Schriftverkehrs auch im Rahmen der EuZVO tätig. Sie erteilen den deutschen Übermittlungs- und Empfangsstellen Auskunft. Nach Art. 27 Z R H O können die Landesjustizverwaltungen im Bereich der EuZVO jedoch von einer Beteiligung der Prüfungsstelle absehen. Die Überwachung der Erledigung ausgehender Ersuchen nach der EuZVO ist in §§ 31 ff. Z R H O geregelt, die eingehender Ersuchen in §§ 65 a ff. Z R H O . Die notwendigen Formulare sind im Anhang zur Z R H O enthalten. Schrifttum Bajons Internationale Zustellung und Recht auf Verteidigung, FS Schütze, 1999, S. 4 9 ff.; Brenn EZV - Europäische Zustellungsverordnung, 2 0 0 2 ; Ekelmans Le reglement 1 3 4 8 / 2 0 0 0 relatif ä la signification et ä la notification des actes judiciaires et extrajudiciaires, Journal des tribunaux 2001, 481 ff.; Emde Zulässigkeit von Direktzustellungen ausländischer Prozessbevollmächtigter an deutsche Parteien nach Art. 14 EuZVO? NJW 2 0 0 4 , 1830ff.; Geimer (G.) Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999; Geimer (R) „Windhunde" und „Torpedos" unterwegs in Europa, IPRax 2005, 5 0 5 ff.; Gottwald Sicherheit vor Effizienz? Auslandszustellung in der Europäischen Union in Zivil- und Handelssachen, FS Schütze, 1999, S. 2 2 5 ff.; Gsell Direkte Postzustellung an Adressaten im EU-Ausland nach neuem Zustellungsrecht, EWS 2 0 0 2 , 115 ff.; Heiderhoff Verordnung (EG) Nr. 1 3 4 8 / 2 0 0 0 , in: Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., 2 0 0 6 , S. 939ff.; Heidrieb Amts- und Parteizustellungen im internationalen Rahmen: Status quo und Reformbedarf, EuZW 2005, 743 ff.; Hess Die Zustellung im europäischen Justizraum, NJW 2001, 15 ff.; ders. Neues deutsches und europäisches Zustellungsrecht, NJW 2 0 0 2 , 2417ff.; ders. Noch einmal: Direktzustellung nach Art. 14 EuZVO, NJW 2 0 0 4 , 3301 ff.; Jastrow Europäische Zustellungsverordnung, in: Gebauer/ Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, S. 1269 ff.; ders. Auslandszustellungen im Zivilverfahren - Erste Praxiserfahrungen mit der EG-Zustellungsverordnung, NJW 2 0 0 2 , 3382ff.; ders. Europäische Zustellung und Beweisaufnahme 2 0 0 4 - Neuregelungen im

7

2

Vgl. BRDrucks. 594/94 v. 20.7.2005; dazu Rösler/Siepmann Die geplante Reform der europäischen Zustellungsverordnung, RIW 2006, 512 ff.; Sujecki Verordnungsvorschlag zur Änderung der Europäischen Zustellungsverordnung - Ein Schritt in die richtige Richtung, EuZW 2006, 1.

8

9

Vgl. Schütze DIZPR, Rdn. 214; ders. Klagen vor US-amerikanischen Gerichten - Probleme und Abwehrstrategien, RIW 2005, 579 ff. (582). Vgl. dazu Geimer/Schütze Internationaler Rechtsverkehr, 900. Iff.

Rolf A. Schütze

1. Abschnitt. Zustellung nach der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000

§ 1067

deutschen Recht und konsularische Beweisaufnahme, IPRax 2004, 11 ff.; Kuntze-Kaußold/ Beicbel-Benedetti Verjährungsrechtliche Auswirkungen durch das Europäische Zustellungsrecht, NJW 2003, 1998 ff.; Lindacher Europäisches Zustellungsrecht - Die VO (EG) Nr. 1348/ 2000: Vorschrift, Auslegungsbedarf, Problemausblendung Z Z P 114 (2001), 179ff.; Mann Die Verjährungsunterbrechung nach § 167 Z P O bei der Auslandszustellung, NJW 2004, 1138 ff.; Marchai Escalona El nuevo regimen de la notification en el espacio judicial europeo, 2002; Meyer Europäisches Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, IPRax 1997, 401 ff.; Rahlf/Gottschalk Das Europäische Zustellungsrecht, EWS 2004, 303 ff.; Rösler/Siepmann Die geplante Reform der europäischen Zustellungsverordnung, RIW 2006, 512 ff.; Schack Einheitliche und zwingende Regeln der internationalen Zustellung, FS Geimer, 2002, S. 931 ff.; Schmidt Parteizustellung im Ausland durch Einschreiben mit Rückschein - Ein gangbarer Weg?, IPRax 2004, 13ff.; Sharma Zustellungen im Europäischen Binnenmarkt, Diss. Tübingen 2002; Stadler Neues europäisches Zustellungsrecht, IPRax 2001, 514 ff.; dies. Die Reform des deutschen Zustellungsrechts und ihre Auswirkungen auf die internationale Zustellung, IPRax 2002, 471 ff.; Sujecki Verordnungsvorschlag zur Änderung der Europäischen Zustellungsverordnung- Ein Schritt in die richtige Richtung, EuZW 2006, 1; Tsikritas Probleme der Zustellung durch die Post im europäischen Rechtsverkehr, ZZPInt 8 (2003), 309ff.; Wijngaarden-Maack Internationale Zustellung nach der EuZVO und internationale Zuständigkeit bei Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Exklusivvertriebsvertrages, IPRax 2004, 212 ff.

§ 1067

Zustellung durch diplomatische oder konsularische Vertreter Eine Zustellung nach Artikel 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1 3 4 8 / 2 0 0 0 des Rates v o m 2 9 . M a i 2 0 0 0 über die Zustellung gerichtlicher u n d außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- u n d Handelssachen in den Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 1 6 0 S. 37), die in der Bundesrepublik Deutschland bewirkt werden soll, ist nur zulässig, w e n n der Adressat des zuzustellenden Schriftstücks Staatsangehöriger des Ubermittlungsstaates ist. Übersicht I. Anwendungsbereich 1. Zivil- oder Handelssache 2. Zustellungsadressat II. Völkergewohnheitsrechtliche diplomatische oder konsularische Zustellung . . III. Vorbehalt nach Art. 13 Abs. 2 EuZVO

Rdn. 1 1 2 3

IV. Staatsangehörigkeitsprinzip 1. Zustellung an Deutsche im Ausland . 2. Zustellung an Ausländer in Deutschland V. Verstoß gegen § 1067

Rdn. 6 6 7 8

5

I. Anwendungsbereich 1. Zivil- oder Handelssache Die Streitigkeit, die G e g e n s t a n d des z u z u s t e l l e n d e n S c h r i f t s t ü c k s ist, m u s s zivil- 1 o d e r h a n d e l s r e c h t l i c h e r N a t u r sein. A r t . 1 d e r E u Z V O limitiert die A n w e n d b a r k e i t auf die Z u s t e l l u n g v o n S c h r i f t s t ü c k e n in Zivil- u n d H a n d e l s s a c h e n . D e r Begriff e n t s p r i c h t d e m in A r t . 1 V O (EG) N r . 4 4 / 2 0 0 1 1 s o w i e A r t . 1 A b s . 1 E u G V Ü / L u g Ü . U m 1

Vgl. Rauscher/Heiderhoff Europäisches Zivilprozessrecht, Vorbem. EG-ZustellVO, Rdn. 33;

Schmidt 294.

Rolf A. Schütze

Europäisches Zivilprozessrecht,

Rdn.

3

§ 1067

Elftes Buch. Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union

eine einheitliche Anwendung im europäischen Justizraum zu gewährleisten ist autonom zu qualifizieren 2 . Die Grundsätze, die der EuGH in der Sache LTU v. Eurocontrol 3 entwickelt hat, gelten auch im Rahmen der E u Z V O . Auch die Geltendmachung von Ersatzansprüchen des Verletzten im Strafprozess (Adhäsionsverfahren) ist zivilrechtlicher Natur. Das entspricht Art. 5 Nr. 4 VO (EG) Nr. 4 4 / 2 0 0 1 und Artt. 5 Nr. 4 EuGVÜ/LugÜ 4 . Ausgeschlossen sind öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, insbesondere Steuer-, verwaltungs- und zollrechtliche Sachen 5 . 2. Zustellungsadressat 2

Der Wortlaut des Art. 13 spricht für eine Beschränkung der Zustellungsart auf natürliche Personen. Das wäre zu eng. Die Zustellung soll allgemein im Bereich der EuZVO möglich sein, also auch auf die Zustellung an juristische Personen 6 . Die Staatsangehörigkeit juristischer Personen wird durch ihr Gründungsstatut bestimmt. M a n wird innerhalb der EU nach der Rechtsprechung des EuGH insbesondere in der Sache „Uberseering" 7 davon ausgehen müssen, dass nicht nur die Parteifähigkeit von Gesellschaften im internationalen Zivilprozessrecht vom Gründungsstatut bestimmt wird 8 , sondern auch die Staatsangehörigkeit. Der Sitz tritt im Rahmen der Zustellung an die Stelle des Wohnsitzes natürlicher Personen.

II. Völkergewohnheitsrechtliche diplomatische oder konsularische Zustellung 3

Nach allgemeinem Völkergewohnheitsrecht ist die formlose Zustellung durch diplomatische oder konsularische Vertreter an eigene Staatsangehörige des Entsendestaats zulässig, soweit die Grenzen des Amtsbezirks nicht überschritten werden 9 . Das deutsche Recht sieht deshalb auch vor, dass deutsche Auslandsvertretungen Zustellungen in eigener Zuständigkeit vornehmen 1 0 , soweit der Adressat deutscher Staatsangehöriger und zur Annahme der Zustellung bereit ist 1 1 . Über sein Recht zur Verweigerung formloser Zustellung ist er zu belehren 1 2 .

4

Art. 13 Abs. 1 EuZVO geht hierüber hinaus und lässt die diplomatische oder konsularische Zustellung an Personen mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat zu, und zwar unabhängig von der Staatsangehörigkeit. Damit folgt die Verordnung dem Postulat eines einheitlichen europäischen Rechtsraums, in dessen Grenzen Erleichterungen gegenüber der allgemeinen internationalen Zustellung gelten müssen.

2

3

4

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6

4

Vgl. Geimer/Schütze EuZVR, A 3, Art. 1, Rdn. 22; Jastrow in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 1 EuZVO, Rdn. 25; Schlosser EU-Zivilprozessrecht, Art. 1 EuZVO, Rdn. 2. Vgl. EuGH Rs. 29/76 - LTU v. Eurocontrol EuGHE 1976, 1541 = NJW 1977, 489 mit Anm. Geimer = RIW/AWD 1977, 40 mit Anm. Linke = Rev.crit. 1977, 772 mit Anm. Droz. Vgl. dazu Kohler Adhäsionsverfahren und Brüsseler Übereinkommen 1968, in: Will (Hrsg.), Schadensersatz im Strafverfahren, 1990, S. 74 ff. Vgl. im einzelnen Geimer/Schütze EuZVR, A 1, Art. 1, Rdn. 2 ff. Vgl. Rauscher/Heiderhoff Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 13 EG-ZustellVO, Rdn.2.

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8 9

10 11 12

Vgl. EuGH Rs. C-208/2000 - Überseering BV v. NCCB GmbH - EuGHE 2002 I, 9919 = NJW 2002, 3614 = RIW 2002, 2425. Vgl. Schütze DIZPR, Rdn. 187. Vgl. Geimer/Schütze Internationaler Rechtsverkehr, 101.5, Fn. 35; Pfennig Die internationale Zustellung in Zivil- und Handelssachen, 1988, S. 35; Zöller/Geimer, § 183, Rdn. 136. Vgl. dazu auch § 31p ZRHO. Vgl. Geimer IZPR, Rdn. 2138 mwN. Vgl. zu den Erfordernissen ordnungsgemäßer Belehrung Schütze Formlose Zustellung im internationalen Rechtsverkehr, RIW 2000, 20 ff.

Rolf A. Schütze

1. Abschnitt. Zustellung nach der Verordnung (EG) Nr. 1 3 4 8 / 2 0 0 0

§ 1067

III. Vorbehalt nach Art. 13 Abs. 2 EuZVO Art. 13 Abs. 2 E u Z V O stellt den Mitgliedstaaten frei, sich durch einen Vorbehalt auf die diplomatische oder konsularische Zustellung in den völkergewohnheitsrechtlich gezogenen Grenzen zurückzuziehen. Deutschland hat von dieser Möglichkeit - ebenso wie Belgien, Italien, Litauen, Luxemburg, Malta, Polen, die Slowakei und Slowenien - Gebrauch g e m a c h t 1 3 .

5

IV. Staatsangehörigkeitsprinzip 1. Zustellung an Deutsche im Ausland Nach der EuZVO sind deutsche Zustellungen nur an deutsche Staatsangehörige im Ausland zulässig. Art. 13 EuZVO lässt zwar eine Zustellung auch an andere Staatsangehörige zu, wenn der Zustellungsstaat keinen Vorbehalt nach Art. 13 Abs. 2 EuZVO erklärt hat. § 31 ρ Z R H O 1 4 beschränkt die Zustellung aber auf deutsche Staatsangehörige. § 13 Z R H O beschränkt derartige Zustellungen weiter auf Ausnahmefälle, die insbesondere dann vorliegen, wenn die zuständigen Stellen im Zustellungsstaat zur Rechtshilfe nicht bereit sind, Rechtshilfe nur auf vertragsloser Grundlage geleistet wird oder ein Eilfall vorliegt. Das engt die Zustellung durch deutsche Auslandsvertretungen im Geltungsbereich der E u Z V O auf ein Minimum ein 15 . Es ist nur die Alternative des Eilfalls im Geltungsbereich der E u Z V O denkbar.

6

2. Zustellung an Ausländer in Deutschland Nur eine Zustellung an Staatsangehörige des Absendestaats ist zulässig. Es genügt nicht, dass der Zustellungsadressat Angehöriger eines anderen Mitgliedsstaates ist 1 6 . Da § 1067 eine Schutzvorschrift zu Gunsten des Zustellungsadressaten ist, scheidet eine diplomatische oder konsularische Zustellung bei Doppel- und Mehrfachstaatern aus. Dasselbe gilt für Staatenlose. Nur die Zustellung durch ausländische

13

14

Vgl. § ι ZustDG V. 9. Juli 2001, BGBl. 2001 I 1536, gleichlautend mit § 1067. Auf das ZustDG ist Bezug genommen in den Angaben der Mitgliedstaaten gemäß § 23 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten vom 29. Mai 2000, ABl. 2001/C 151/04. § 31p ZRHO: (1) Eine Zustellung von gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücken durch deutsche Auslandsvertretungen ohne Anwendung von Zwang ist möglich, wenn der Zustellungsempfänger deutscher Staatsangehöriger ist. Die Auslandsvertretung soll jedoch nur in Ausnahmefällen in Anspruch genommen werden (s. § 13). (2) Sofern der Zustellungsempfänger nicht deutscher Staatsangehöriger ist, ist eine solche Zustellung in dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates nicht zulässig, wenn der Mitgliedstaat erklärt hat, dass er eine solche Zustellung nicht zulässt. Ob ein Mitgliedstaat eine solche

15

16

Erklärung abgegeben hat, ergibt sich aus dem Länderteil. (3) Die Auslandsvertretung kann zwar nur ohne Zwang zustellen (§ 13 Abs. 1), jedoch ist auch diese Zustellung eine gültige Zustellung im Sinne der Zivilprozessordnung. Die Zustellung wird gemäß § 183 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch das Zustellungszeugnis der ersuchten Auslandsvertretung ($ 16 des Konsulargesetzes) nachgewiesen. (4) Auf$ 1070 ZPO wird verwiesen. (5) Über das Annahmeverweigerungsrecht ist der Empfänger durch die Übermittlungsstelle gem. Muster Ζ RH 6 zu belehren; dies gilt nicht, wenn das Schriftstück in eine der Amtssprachen des Empfangsmitgliedstaates übersetzt ist. (6) Die §§ 33 und 34 gelten entsprechend. Vgl. Jastrow in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 13 EuZVO, Rdn.215. Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 1067, Rdn.4.

R o l f A. Schütze

5

7

§ 1068

Elftes Buch. Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union

Auslandsvertretungen an eigene Staatsangehörige, die keine weitere Staatsangehörigkeit besitzen, ist in Deutschland zulässig. Die Beschränkung auf Ausnahmefälle, die nach der Z R H O für die Zustellung durch deutsche Auslandsvertretungen gilt, findet keine analoge Anwendung auf Zustellungen durch ausländische diplomatische oder konsularische Vertretungen in Deutschland. Der Entsendestaat kann im Einzelnen regeln, wie er die Zustellung im Rahmen von Art. 13 EuZVO regeln will.

V. Verstoß gegen § 1067 8

§ 295 ist anwendbar. Der Verstoß gegen die Vorschriften über die diplomatische und konsularische Zustellung macht die Zustellung unwirksam. Jedoch ist § 189 anwendbar 1 7 .

§ 1068 Zustellung durch die Post (1) Eine Zustellung nach Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1348/ 2000 in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ist unbeschadet weiterer Bedingungen des jeweiligen Empfangsmitgliedstaates nur in der Versandform des Einschreibens mit Rückschein zulässig. Zum Nachweis der Zustellung genügt der Rückschein. (2) Eine Zustellung nach Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1348/ 2000, die in der Bundesrepublik Deutschland bewirkt werden soll, ist nur in der Versandform des Einschreibens mit Rückschein zulässig. Hierbei muss das zuzustellende Schriftstück in einer der folgenden Sprachen abgefasst oder es muss ihm eine Übersetzung in eine dieser Sprachen beigefügt sein: 1. Deutsch oder 2. die Amtssprache oder eine der Amtssprachen des Übermittlungsmitgliedstaates, sofern der Adressat Staatsangehöriger dieses Mitgliedstaates ist. (3) Ein Schriftstück, dessen Zustellung eine deutsche Empfangsstelle im Rahmen von Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 zu bewirken oder zu veranlassen hat, kann ebenfalls durch Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden. Übersicht Rdn. I. Zulässigkeit unmittelbarer Postzustellung II. Verhältnis zu § 183 Nr. 1 III. Zustellung in das Ausland 1. Einschreiben mit Rückschein als zulässige Zustellungsform 2. Zustellungsberechtigter

1 4 5 5 7

3. Heilung von Zustellungsmängeln . IV. Zustellung aus dem Ausland . . . . 1. Sprache 2. Zustellungsform 3. Zustellungsberechtigter 4. Einschaltung deutscher Empfangsstelle

Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 1067, Rdn. 5.

Rolf A. Schütze

Rdn. 8 9 9 . 13 . 14 .

15

1. Abschnitt. Zustellung nach der Verordnung (EG) Nr. 1 3 4 8 / 2 0 0 0

§ 1068

I. Zulässigkeit unmittelbarer Postzustellung Art. 14 EuZVO lässt die Zustellung durch die Post grundsätzlich zu. Das ist ein 1 großer Fortschritt gegenüber dem Haager Zustellungsübereinkommen 1 . Die Übermittlung durch die Post vereinfacht und beschleunigt die Zustellung. Jedoch ist Art. 14 EuZVO nur als Option ausgestaltet. Es liegt in der Regelungsbefugnis der Mitgliedstaaten zu bestimmen, ob und unter welchen Bedingungen die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke durch die Post zugelassen wird. Die Option nach der EuZVO besteht nur für gerichtliche Schriftstücke und an ZuStellungsadressaten in einem anderen Mitgliedstaat. Gerichtliche Schriftstücke sind nach dem Glossar solche, die aus einem bereits eingeleiteten gerichtlichen Verfahren herrühren oder für die Einleitung eines solchen Verfahrens bestimmt sind. Hierzu gehören: Klageschrift, Ladung, gerichtliche Verfügung, gerichtliches Schreiben, Schriftsatz, Streitverkündungsschrift, Mahnbescheid, Vollstreckungsbescheid, Urteil, Versäumnisurteil, Beschluss, Kostenfestsetzungsbeschluss. Dagegen sind außergerichtliche Schriftstücke u. a. die notarielle Urkunde und der Anwaltsvergleich. Für sie ist die unmittelbare Postzustellung nicht zulässig 2 .

2

Die Postzustellung bringt zwar Erleichterungen bei der Zustellung über die Grenze. Sie ist aber deshalb in der Praxis problematisch, weil der Rückschein zuweilen nicht oder spät übermittelt wird 3 . Es wäre besser gewesen, der modernen Entwicklung Rechnung zu tragen und die Zustellung durch Kurierdienste zuzulassen. Deren Zustellungsnachweise sind sehr viel zuverlässiger als der postalische Rückschein.

3

II. Verhältnis zu § 183 Abs. 1 Nr. 1 Auch § 183 Abs. 1 Nr. 1 lässt die Zustellung im Ausland durch Einschreiben mit Rückschein zu, soweit aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen Schriftstücke unmittelbar durch die Post übersandt werden dürfen. Abs. 3 der Bestimmung lässt aber die Regelungen von Art. 14 EuZVO ausdrücklich unberührt und verweist hinsichtlich der Durchführung auf §§ 1068 A b s . l , 1 0 6 9 Abs. 1. § 183 ist deshalb subsidiär 4 .

4

III. Zustellung in das Ausland 1. Einschreiben mit Rückschein als zulässige Zustellungsform Die Zustellung ist nur in der Form des Einschreibens mit Rückschein zulässig. Unzulässig ist die Zustellung durch „Einschreiben Einwurf", durch das nur der Einwurf in den Briefkasten des Adressaten dokumentiert wird 5 . Sie ist aber immer in der in Abs. 1 vorgesehenen Form zulässig, unabhängig von den Zustellungserfordernissen im Aufenthaltsstaat des Adressaten. Das Gericht hat nicht nachzuprüfen, welche Voraussetzungen dieser Staat aufgestellt h a t 6 .

1

2

3

Vgl. Jastrow in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 14 EuZVO, Rdn. 1. AA, jedenfalls für die EuZVO Jastrow in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 15 EuZVO, Rd. 242. Vgl. dazu Rauscher/Heiderhoff Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 14 EG-ZustellVO, Rdn. 1.

4

5 6

Vgl. Schmidt Parteizustellung im Ausland durch Einschreiben mit Rückschein - Ein gangbarer Weg?, IPRax 2004, 13 ff. (14); ZöWtdGeimer § 183, Rdn. 7. Vgl. Saenger/Saenger § 1068, Rdn. 1. AA Saenger/Saenger § 1068, Rdn. 2; ebenso wohl Thomas/Putzo/Hüsstege § 1068, Rdn. 1.

R o l f A. Schütze

7

5

§ 1068 6

Der Rückschein genügt zum Nachweis der Zustellung. Der Rückschein ist keine öffentliche Urkunde i. S. des § 4 1 5 7 , er enthält nach Abs. 1 S. 2 lediglich eine gesetzliche Beweisregel, die den Beweis nicht ausschließt, dass die Bestätigung auf dem Rückschein falsch ist. Zum Nachweis der Zustellung ist auch jedes andere Beweismittel zulässig 8 . 2.

7

Elftes Buch. Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union

Zustellungsberechtigter

Streitig ist, o b die Zustellungsform des § 1 0 6 8 nur staatlichen Stellen oder auch Privatpersonen, insbesondere Rechtsanwälten offen steht 9 . Hess bejaht das uneingeschränkt 10 , Emde verneint die Zulässigkeit, allerdings für die Zustellung in Deutschland 1 1 . Es ist zu differenzieren. Auch das deutsche Recht kennt die private Zustellung von gerichtlichen Entscheidungen, ζ. B. des Arrestbeschlusses nach § 9 2 2 Abs. 2 oder der einstweiligen Verfügung nach § § 9 3 6 , 9 2 2 Abs. 2 . Hätte Deutschland die Parteizustellung derartiger Entscheidungen aus dem Bereich der Postzustellung ausschließen wollen, dann hätte es nahe gelegen, dies ausdrücklich zu erklären. Nach Art. 14 E u Z V O jedenfalls besteht kein Anlass die Parteizustellung durch die Post von Deutschland in das Ausland nicht zuzulassen, wenn der Zustellungsstaat dies zulässt. 3. Heilung von Zustellungsmängeln

8

Für die Heilung von Zustellungsmängeln findet § 1 8 9 Anwendung 1 2 . Der B G H 1 3 und ihm folgend Teile der Rechtsprechung 1 4 halten § 1 8 9 (§ 187 a. F.) auf die Auslandszustellung für unzulässig, da es sich bei der Zustellung um einen Hoheitsakt handele, der aus andere Weise nicht ersetzbar sei. Das ist bei Unterlassungsverfügungen, bei denen die Zustellung den Hoheitsakt der Vollziehung enthält, richtig 1 5 , jedoch keine Besonderheit der Auslandszustellung. Die zwischenzeitlich h. L. wendet zu Recht - § 1 8 9 auch auf Auslandszustellungen an 1 6 .

IV. Zustellung aus dem Ausland 1. Sprache 9

§ 1 0 6 8 beschränkt die zulässige Sprachenvielfalt auf die Sprachen des Empfangsmitgliedstaates, also deutsch, und des Übermittlungsmitgliedstaates, soweit der Zu-

Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 1068, Rdn. 7 halten die Qualität des Rückscheins als öffentliche Urkunde für zweifelhaft. 8 Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann % 1068, Rdn. 7; Thomas/Putzo/Hüsstege § 1068 Rdn. 1. ' Vgl. dazu Gelmer „Windhunde" und „Torpedos" unterwegs in Europa, IPRax, 2005, 505 ff. 10 Vgl. Hess Noch einmal: Direktzustellungen nach Art. 14 EuZVO, NJW 2004, 3301 ff. 11 Vgl. Emde Zulässigkeit von Direktzustellungen ausländischer Prozessbevollmächtigter an deutsche Parteien nach Art. 14 EuZVO?, NJW 2004, 1830ff. 12 Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 1067, Rdn. 5. 7

8

13 14 15

16

Vgl. BGHZ 58, 77, 98, 156. Vgl. z.B. OLG Hamm, RIW 1 9 9 6 , 1 5 6 . Vgl. Schütze Zur Zustellung nach § 176 ZPO im einstweiligen Verfügungsverfahren, BB 1978, 587; str. vgl. zum Meinungsstand, Gloy/Loschelder/Spätgens Handbuch des Wettbewerbsrechts, 3. Aufl., 2005, S 99, Rdn. 20 m. w.N. Vgl. Geimer Internationales Zivilprozessrecht, Rdn. 2103; Kondring Die Heilung von Zustellungsmängeln im internationalen Zivilrechtsverkehr, 1995, S. 184 ff.; ders. Die „konsularische Zustellung durch die Post", RIW 1996, 722ff. (724); Schack Internationaler Zivilverfahrensrecht, Rdn. 618; Schütze DIZPR, Rdn. 566.

Rolf A. Schütze

1. Abschnitt. Zustellung nach der Verordnung (EG) Nr. 1 3 4 8 / 2 0 0 0

§ 1068

Stellungsadressat Staatsangehöriger dieses Staates ist. Bei Staatenlosen scheidet die Postzustellung aus, soweit das zuzustellende Schriftstück nicht deutsch abgefasst oder von deutscher Übersetzung begleitet ist. Bei M e h r s t a a t e r n genügt es, wenn der Zustellungsadressat auch die Staatsangehörigkeit des Übermittlungsmitgliedstaates besitzt. Denn das Abstellen a u f die Staatsangehörigkeit geht von der Vermutung aus, dass jedermann die Sprache des Staates versteht, dessen Staatsangehöriger er ist. Bei juristischen Personen ist für die Bestimmung der Staatsangehörigkeit - jedenfalls im Bereich der E U - auf das Gründungsstatut abzustellen (vgl. § 1 0 6 7 , R d n . 2 ) . Die alternative M ö g l i c h k e i t der Benutzung bestimmter fremder Sprachen nach § 1 0 6 8 ist a u f die Fälle beschränkt, in denen der Zustellungsadressat Angehöriger des Übermittlungsmitgliedstaates ist 1 7 . In allen anderen Fällen ist nur die Benutzung der deutschen Sprache zulässig. D a s gilt selbst in den Fällen, in denen der Zustellungsadressat eine andere Sprache besser versteht. S o ist die Zustellung in einem Prozess in Irland an einen US-amerikanischen Zustellungsadressaten in Stuttgart nur unter Benutzung der deutschen Sprache zulässig.

10

§ 1 0 6 8 schließt nicht das R e c h t des Zustellungsadressaten zur Annahmeverweigerung nach Art. 8 E u Z V O aus. Wenn der Zustellungsadressat zwar Staatsangehöriger des Übermittlungsmitgliedstaates ist, dessen Sprache aber nicht beherrscht, kann dieser die A n n a h m e des zuzustellenden Schriftstücks verweigern. Diese Fälle werden zwar relativ selten v o r k o m m e n , sind aber insbesondere bei Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Eheschließung möglich. Auch Sportler werden heute ja zunehmend ohne weitere Prüfung der Sprache eingebürgert, um sie in der N a t i o n a l m a n n s c h a f t starten lassen zu k ö n n e n .

11

Auch bei der Postzustellung hat eine Belehrung über das R e c h t zur AnnahmeverWeigerung zu erfolgen. Eine Mitgliedstaaten sehen auch bei der Postzustellung ein besonderes Belehrungsformular vor, so Österreich und Belgien 1 8 .

12

2.

Zustellungsform

Es ist nur die Versandform des Einschreibens mit Rückschein zulässig. Die einfache Postzustellung oder die durch Einwurfeinschreiben können keine wirksame Zustellung herbeiführen. Auch die Kurierzustellung ist ausgeschlossen (vgl. R d n . 5). Für die Heilung von Zustellungsmängeln vgl. § 1 0 7 0 , R d n . 11 ff. 3.

Zustellungsberechtigter

Im Anschluss an Entscheidungen des L G Trier 1 9 und des O L G K ö l n 2 0 wird diskutiert, o b die Parteizustellung durch die Post in Deutschland zulässig ist, wenn der ausländische Staat - wie Griechenland 2 1 - die Parteizustellung gerichtlicher Schriftstücke praktiziert 2 2 . M i t Geimer muss man annehmen, dass dies nur dann zulässig ist, wenn der ausländische Staat den zustellenden R e c h t s a n w a l t als Übermittlungs-

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Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann Vgl. § 1068, Rdn. 9. Vgl. Jastrow in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 8 EuZVO, Rdn. 150. Vgl. LG Trier, NJW-RR 2003, 287. Vgl. OLG Köln, IPRax 2004, 521.

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Beider Entscheidungen sind zu griechischen Zustellungen ergangen. Vgl. dazu Emde, Zulässigkeit von Direktzustellungen ausländischer Prozessbevollmächtigter an deutsche Parteien nach Art. 14 EuZVO, NJW 2004, 1830ff.; Geimer „Windhunde" und „Torpedos" unterwegs in Europa, IPRax 2005, 505 ff.

Rolf A. Schütze

9

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§ 1069

Elftes B u c h . Justizielle Z u s a m m e n a r b e i t in der E u r o p ä i s c h e n U n i o n

stelle i. S. von Art. 2 Abs. 1 E u Z V O benennt („sonstige Person"). D a s hatte Griechenland in den entschiedenen Fällen versäumt. 4. Einschaltung deutscher Empfangsstelle 15

Wird eine deutsche Empfangsstelle eingeschaltet, so kann diese ihrerseits durch die Post an den Zustellungsadressaten zustellen. § 65 k Z R H O verweist auf für die Zustellung geltenden inländischen Vorschriften. Damit erfolgt die Zustellung dann nach § 175. Diese Zustellungsform wahrt die Erfordernisse des § 1068. Die Einschaltung deutscher Empfangsstellen bei der Postzustellung soll aber nicht der Faulheit ausländischer Übermittlungsstellen Vorschub leisten. Abs. 3 ist deshalb als Kann-Vorschrift ausgestaltet. Ist die Postzustellung nach Art. 14 Abs. 1 E u Z V O für die ausländische Behörde möglich, so muss sie diesen Weg nutzen. Die Einschaltung der deutschen Empfangsstelle kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht 2 3 .

§ 1069 Zuständigkeiten nach der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 (1) Für Zustellungen im Ausland sind als deutsche Übermittlungsstelle im Sinne von Artikel 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1 3 4 8 / 2 0 0 0 zuständig: 1. für gerichtliche Schriftstücke das die Zustellung betreibende Gericht und 2. für außergerichtliche Schriftstücke dasjenige Amtsgericht, in dessen Bezirk die Person, welche die Zustellung betreibt, ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat; bei notariellen Urkunden auch dasjenige Amtsgericht, in dessen Bezirk der beurkundende Notar seinen Amtssitz hat; bei juristischen Personen tritt an die Stelle des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts der Sitz; die Landesregierungen können die Aufgaben der Übermittlungsstelle einem Amtsgericht für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte durch Rechtsverordnung zuweisen. (2) Für Zustellungen in der Bundesrepublik Deutschland ist als deutsche Empfangsstelle im Sinne von Artikel 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1 3 4 8 / 2 0 0 0 dasjenige Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk das Schriftstück zugestellt werden soll. Die Landesregierungen können die Aufgaben der Empfangsstelle einem Amtsgericht für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte durch Rechtsverordnung zuweisen. (3) Die Landesregierungen bestimmen durch Rechtsverordnung die Stelle, die in dem jeweiligen Land als deutsche Zentralstelle im Sinne von Artikel 3 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1 3 4 8 / 2 0 0 0 zuständig ist. Die Aufgaben der Zentralstelle können in jedem Land nur einer Stelle zugewiesen werden. (4) Die Landesregierungen können die Befugnis zum Erlass einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nr. 2, Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 Satz 1 einer obersten Landesbehörde übertragen.

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Vgl. Saenger/Saenger § 1068 Rdn. 4; Schlosser EU-Zivilprozessrecht, Art. 7 EuZVO, Rdn. 2; Thomas/Putzo/Hösstege § 1068, Rdn. 3. Rolf A. Schütze

1. A b s c h n i t t . Z u s t e l l u n g n a c h der V e r o r d n u n g (EG) N r . 1 3 4 8 / 2 0 0 0

§ 1069

Übersicht Rdn. I. Zuständigkeit für Zustellungen in das Ausland 1. Gerichtliche Schriftstücke 2. Außergerichtliche Schriftstücke . . . . 3. Ausschließlichkeit der Zuständigkeit . 4. Konzentrationsermächtigung II. Zuständigkeit für Zustellungen aus dem Ausland 1. Empfangsstellen 2. Örtliche und sachliche Zuständigkeit 3. Ausschließlichkeit der Zuständigkeit . 4. Konzentrationsermächtigung

1 2 3 4 5 6 6 7 8 9

III. Zentralstellen 1. Bestimmung von Zentralstellen . . . . a. Auskunfterteilung b. Lösung von Zustellungsschwierigkeiten c. Übermittlung in Ausnahmefällen . 2. Bestimmung der deutschen Zentralstellen IV. Übertragung der Ermächtigung auf oberste Landesbehörde V. Verstoß gegen Zuständigkeitsvorschriften VI. Anwendung der Z R H O

Rdn. 10 10 11 12 13 14 15 16 17

I. Zuständigkeit für Zustellungen in das Ausland Die EuZVO hat das System der zentralen Stellen des Haager Zivilprozessüber- 1 einkommens durch eine dezentralisierte grenzüberschreitende Zustellung 1 ersetzt. Nach Art. 2 Abs. 1 EuZVO benennt jeder Staat Übermittlungsstellen, die für die Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke zuständig sind. Übermittlungsstellen können nicht nur Behörden und Amtspersonen sein, sondern auch „sonstige Personen". Das eröffnet den Weg für eine Zustellung durch Rechtsanwälte, wenn diese als Übermittlungsstellen genannt werden. Die Schwierigkeiten, die offenbar im deutsch-griechischen Rechtsverkehr aufgetreten sind, hätten auf diese Weise gelöst werden können 2 . 1. Gerichtliche Schriftstücke Gerichtliche Schriftstücke sind: Klageschrift, Ladung, gerichtliche Verfügung, 2 gerichtliches Schreiben, Schriftsatz, Streitverkündungsschrift, Mahnbescheid, Vollstreckungsbescheid, Urteil, Versäumnisurteil, Beschluss und Kostenfestsetzungsbeschluss. Für die Zustellung dieser Schriftstücke ist das Prozessgericht Übermittlungsstelle. Dieses ist das betreibende Gericht. Das gilt jedoch nur, soweit das Gesetz eine Amtszustellung vorsieht. Soweit nach deutschem Recht eine Parteizustellung erfolgt, ζ. B. bei Zustellung von Beschlüssen zur Vollziehung des Arrestes nach § 922 Abs. 2 oder der einstweiligen Verfügung handelt es sich zwar um gerichtliche Schriftstücke, es besteht aber kein „betreibendes Gericht". Der Ratio des § 1069 entsprechend sind diese gerichtlichen Entscheidungen als außergerichtliche Schriftstücke zuständigkeitsrechtlich zu behandeln. Allgemein ist für die Zuständigkeit nach Abs. 1 bei Beschlüssen danach zu differenzieren, ob die Zustellung zur Iniaufsetzung der Rechtsbehelfsfristen (§ 329 Abs. 3, § 166 Abs. 2) erfolgt oder in Rahmen der Zwangsvollstreckung (§§ 794 Abs. 1 Nr. 3, 795, 750 Abs. 1). Bei gerichtlichen Schriftstücken ist das „betreibende Gericht", das ist das Prozessgericht, örtlich und sachlich zuständig.

1

Vgl. Schlosser EuZVO, Rdn. 1.

EU-Zivilprozessrecht,

Art. 2

2

Vgl. dazu Ceimer „Windhunde" und „Torpedos" unterwegs in Europa, IPRax 2005, 505 ff. (506).

Rolf A. Schütze

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§ 1069

Elftes Buch. Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union

2 . Außergerichtliche Schriftstücke 3

Außergerichtliche Schriftstücke sind solche, die zur Wahrung, Durchsetzung oder Vollstreckung eines Anspruchs außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens zugestellt werden müssen, insbesondere die notarielle Urkunde und der Anwaltsvergleich sowie Entscheidungen, für die Parteizustellung vorgesehen ist (vgl. Rdn. 2). Sachlich zuständig ist das Amtsgericht, örtlich zuständig das Gericht, in dessen Sprengel der Zustellungsbetreibende Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Bei Zustellung durch einen Vertreter ist dessen Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt bedeutungslos. Bei Betreiben der Zustellung durch eine juristische Person ist für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit auf deren Sitz abzustellen. § 17 ist anwendbar. Bei Zustellung notarieller Urkunden ist wahlweise auch das Amtsgericht am Amtssitz des Notars örtlich zuständig. Dasselbe gilt in entsprechender Anwendung für den vollstreckbaren Anwaltsvergleich, der nach § 7 9 6 c von einem Notar in Verwahrung genommen und für vollstreckbar erklärt worden ist. 3. Ausschließlichkeit der Zuständigkeit Die örtliche und sachliche Zuständigkeit nach Abs. 1 ist ausschließlich.

4

4. Konzentrationsermächtigung 5

Die Landesregierungen oder die oberste Landesbehörde nach Delegation gem. Abs. 4 können die Zuständigkeit der Übermittlungsstellen konzentrieren.

II. Zuständigkeit für Zustellungen aus dem Ausland 1. Empfangsstellen 6

Die Durchführung der Zustellung an den Zustellungsadressaten obliegt nach Art. 6 EuZVO den Empfangsstellen im Zustellungsstaat. Diese sind verpflichtet unverzüglich, spätestens 7 Tage nach Erhalt des zuzustellenden Schriftstücks eine Empfangsbestätigung unter Verwendung des vorgesehenen Formblatts an die Übermittlungsstelle zu übersenden. Nach Art. 7 EuZVO bewirkt oder veranlasst die Empfangsstelle so bald wie möglich die Zustellung des Schriftstücks in der Form des Empfangsstaates oder soweit dies mit dem Recht des Empfangsstaates vereinbar ist, in der von der Übermittlungsstelle gewünschten Form. Einzelheiten sind in § § 65 b ff. Z R H O für die Zustellung nach der EuZVO in Deutschland geregelt. 2 . Örtliche und sachliche Zuständigkeit

7

Die Zuständigkeit der Empfangsstellen ist einheitlich für gerichtliche und außergerichtliche Schriftstücke geregelt. Sachlich zuständig ist das Amtsgericht, örtlich zuständig das Gericht des Sprengeis, in dem die Zustellung durchgeführt werden soll. 3. Ausschließlichkeit der Zuständigkeit Die örtliche und sachliche Zuständigkeit nach Abs. 2 ist ausschließlich.

8

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1. Abschnitt. Zustellung nach der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000

§ 1069

4. Konzentrationsermächtigung Die Landesregierungen oder die oberste Landesbehörde nach Delegation gem. 9 Abs. 4 können die Zuständigkeiten der Empfangsstellen konzentrieren. Das ist geschehen: Nordrhein-Westfalen3; Amtsgericht Duisburg (für die Amtsgerichtsbezirke Duisburg, Duisburg-Hamborn und Duisburg-Ruhrort); Amtsgericht Essen (für die Amtsgerichtsbezirke Essen, Essen-Borbeck und Essen-Steele); Amtsgericht Gelsenkirchen (für die Amtsgerichtsbezirke Gelsenkirchen und Gelsenkirchen-Buer); Amtsgericht Herne (für die Amtsgerichtsbezirke Herne und Herne-Wanne); Amtsgericht M ö n chengladbach (für die Amtsgerichtsbezirke Mönchengladbach und Mönchengladbach-Rheydt)

III. Zentralstellen 1. Bestimmung von Zentralstellen N a c h Art. 3 E u Z V O hat jeder Mitgliedstaat eine Zentralstelle zu benennen. Die Zentralstellen sind mit der Durchführung von Zustellungen mit einer Ausnahme nicht direkt befasst. Ihre Aufgabe ist dreifach:

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a) Auskunftserteilung. Die Zentralstellen erteilen den Übermittlungsstellen Aus- 11 künfte. Das ist wichtig, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Vielzahl der Gerichte, die angesichts der Nichtausschöpfung der Konzentrationsermächtigung als Übermittlungsstellen tätig werden, genügend Erfahrung im europäischen und internationalen Zustellungsrecht besitzen, um ihre Aufgabe schnell und sachgerecht zu erfüllen. Die Auskunfterteilung kann sich auf die Zustellungsform, die Sprache, die zuständige Empfangsstelle im Land des Zustellungsadressaten pp. beziehen. Die meisten dieser Auskünfte lassen sich aus dem Justizatlas entnehmen. Aber auch dessen H a n d h a b u n g mag Schwierigkeiten für ein kleines Amtsgericht bringen. Mit dem Auskunftsrecht korrespondiert eine Auskunftspflicht der Zentralstellen. Diese besteht aber nur gegenüber den Übermittlungsstellen. Soweit Auskünfte an andere an der Zustellung beteiligte oder interessierte Personen erteilt werden, erfolgt dies auf freiwilliger Basis 4 . b) Lösung von Zustellungsschwierigkeiten. N a c h Art. 3 lit. b E u Z V O soll die Zentralstelle nach Lösungswegen suchen, wenn bei der Übermittlung von Schriftstücken zum Zwecke der Zustellung Schwierigkeiten auftauchen. Solche Probleme können bei der Ausfüllung von Formblättern, der verwendeten Sprache oder bei Kostenrechnungen auftreten 5 . Eine Diskussion zwischen Übermittlungsstelle und ausländischer Empfangsstelle könnte - schon aus sprachlichen Gründen - zu Verzögerungen und Missverständnissen führen. Deshalb ist die Zentralstelle, die die größere Erfahrung hat, am besten geeignet, einzugreifen.

3

4

Vgl. Verordnung über die Zuständigkeiten im Rechtshilfeverkehr zur D u r c h f ü h r u n g gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften (ZuständigkeitsV O Rechtshilfe - Z u s t V O E U Z H A v. 6.1.2004), GV N R W 2 0 0 4 , 24. AA wohl R a u s c h e r / H e i d e r h o f f Art. 3 EG-ZustellV O , R d n . 2 und Schlosser EU-Zivilprozessrecht,

5

Art. 3 E u Z V O , Rdn. 2, die o f f e n b a r eine Verpflichtung zur Auskunfterteilung auch über die Übermittlungsstellen hinaus a n n e h m e n . Vgl. Jastrow in: G e b a u e r / W i e d m a n n , Zivilrecht unter Europäischem Einfluss, Art. 3 E u Z V O , R d n . 63.

Rolf A. Schütze

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c) Übermittlung in Ausnahmefällen. In Ausnahmefällen kann die Zentralstelle auch um Weiterleitung eines Schriftstücks ersucht werden. Gemeint ist hier nicht die Zentralstelle des Übermittlungsstaates, sondern die des Empfangsstaates6. Diese Möglichkeit steht nicht zur Erleichterung der Arbeit der Übermittlungsstelle offen, die sich die Mühen der Auffindung der zuständigen Empfangsstelle ersparen will. Sie ist für Ausnahmefälle geschaffen, in denen etwa die Empfangsstelle wegen Generalstreiks, politischer Unruhen oder Naturkatastrophen unerreichbar ist 7 . 2. Bestimmung der deutschen Zentralstellen

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Die Landesregierungen bestimmen selbst die Zentralstellen nach Art. 3 S. 1 EuZVO oder ermächtigen die oberste Landesbehörde hierzu. In Deutschland sind als Zentralstellen bestimmt: Baden-Württemberg: Amtsgericht Freiburg Bayern: Bayerisches Staatsministerium der Justiz Berlin: Senatsverwaltung für Justiz Brandenburg: Ministerium der Justiz und für Europaangelegenheiten des Landes Brandenburg Bremen: Landgericht Bremen Hamburg: Amtsgericht Hamburg Hessen: Präsidentin oder Präsident des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main Mecklenburg-Vorpommern: Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen: Niedersächsisches Justizministerium Nordrhein-Westfalen: Oberlandesgericht Düsseldorf Rheinland-Pfalz: Ministerium der Justiz Saarland: Ministerium der Justiz Sachsen: Oberlandesgericht Dresden Sachsen-Anhalt: Ministerium der Justiz Schleswig-Holstein: Ministerium für Justiz, Frauen, Jugend und Familie Thüringen: Thüringer Justizministerium IV. Übertragung der Ermächtigung auf oberste Landesbehörde

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Von der Befugnis zur Übertragung der Befugnis zum Erlass von Rechtsverordnungen nach Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 S. 1 hat Gebrauch gemacht: Hamburg8: Übertragung der Ermächtigung auf die Justizbehörde V. Verstoß gegen Zuständigkeitsvorschriften

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Für Verstöße gegen die in § 1069 normierten örtlichen und sachlichen Zuständigkeiten gelten die allgemeinen Regeln der Unzuständigkeit9. Dasselbe gilt für Rechtsmittel bei fehlerhafter Zustellung. So finden §§ 567ff. Anwendung. 6

7

14

Vgl. Jastrow in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter Europäischem Einfluss, Art. 3 EuZVO, Rdn. 64; Rauschti/Heiderhoff, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 3 EG-ZustellVO, Rdn. 5. Vgl. Jastrow in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter Europäischem Einfluss, Art. 3 EuZVO, Rdn. 64; Rauscher/Heiderhoff Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 3 EG-ZustellVO, Rdn. 7.

8

9

Vgl. Zweite Verordnung zur Weiterübertragung bundesgesetzlicher Verordnungsermächtigungen im Justizbereich vom 10. Februar 2004, HmbGVBl. 2004, 61. Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 1069, Rdn. 7.

R o l f A. Schütze

1. A b s c h n i t t . Z u s t e l l u n g n a c h der V e r o r d n u n g (EG) Nr. 1 3 4 8 / 2 0 0 0

§ 1070

VI. Anwendung der ZRHO Trotz des unmittelbaren Verkehrs zwischen den Gerichten nach europäischem Zustellungsrecht bleibt die Funktion der Prüfungsstellen nach § § 9 , 27, 65b Z R H O unberührt 1 0 . Die Zustellung bleibt auch dann Angelegenheit der Justizverwaltung, wenn die LandesjustizVerwaltung nach § 27 Z R H O von einer Beteiligung der Prüfungsstelle absieht. Es besteht also Weisungsgebundenheit gegenüber der Justizverwaltung. Art. 97 GG gilt nicht 11 .

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§ 1070

Annahmeverweigerung auf Grund der verwendeten Sprache Für Zustellungen im Ausland beträgt die Frist zur Erklärung der Annahmeverweigerung durch den Adressaten nach Artikel 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 zwei Wochen. Sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des Schriftstücks. Der Adressat ist auf diese Frist hinzuweisen. Übersicht Rdn. I. Anwendungsbereich II. Zulässige Sprachen des zuzustellenden Schriftstücks III. Zurückweisungsrecht des Zustellungsadressaten 1. Andere als die Sprache des Empfangsmitgliedstaates 2. Sprache, die der Zustellungsadressat nicht versteht

3. Zustellung an juristische Personen IV. Frist V. Belehrung VI. Heilung 1. Zulässigkeit 2. Rückwirkung 3. Zeitpunkt der Rückwirkung

. .

Rdn. 6 7 10 11 12 13 14

I. Anwendungsbereich § 1070 betrifft nur die Zustellung von Deutschland ins Ausland. Die Bestimmung 1 konkretisiert das Verweigerungsrecht des Zustellungsadressaten nach Art. 8 EuZVO und bestimmt im Sinne der Rechtssicherheit Fristen für die Annahmeverweigerung.

II. Zulässige Sprachen des zuzustellenden Schriftstücks Die EuZVO stellt keine Beschränkungen hinsichtlich der Sprache auf, in der das 2 zuzustellende Schriftstück abgefasst sein muss. Die Zustellung von Schriftstücken ist in jeder beliebigen Sprache zulässig. Schriftstücke können bei Zustellungen von Deutschland an einen Zustellungsempfänger in einem Mitgliedstaat - mit Ausnahme Dänemarks - und nur solche Zustellungen erfasst § 1070 - in deutscher oder jeder anderen Sprache abgefasst sein. Es muss sich nicht notwendigerweise um die Sprache eines Mitgliedstaates handeln.

10 11

Vgl. Zöller/Geimer § 1069, Rdn. 1. Vgl. Zöller/Geimer § 1069, Rdn. 1. R o l f A . Schütze

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§ 1070

Elftes Buch. Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union

III. Zurückweisungsrecht des Zustellungsadressaten 3

Die Zustellung soll die Kenntnis des Zustellungsadressaten vom Inhalt des zugestellten Schriftstücks sicherstellen und damit eine effiziente Gewährung rechtlichen Gehörs gewährleisten. Der Zustellungsadressat muss also die Möglichkeit haben, den Inhalt des Schriftstücks zu verstehen. Das wird fingiert, wenn das Schriftstück in der Sprache des Empfangsstaates abgefasst ist. Der Ire mit Wohnsitz in Lissabon muss sich damit abfinden, dass ihm eine Klage des Landgerichts Stuttgarts mit portugiesischer Ubersetzung zugestellt wird, auch wenn er weder die deutsche noch die portugiesische Sprache beherrscht. 1. Andere als die Sprache des Empfangsmitgliedstaates

4

Die Annahme der Zustellung kann verweigert werden, wenn sie nicht in der Sprache des Empfangsstaates abgefasst oder jedenfalls von einer Übersetzung in diese Sprache begleitet ist. Bei Staaten mit mehreren Amtssprachen genügt die Abfassung oder Übersetzung in eine Amtssprache, auch wenn der Zustellungsadressat diese nicht versteht. Wird eine deutsche Klageschrift an einen belgischen Beklagten in Brüssel zugestellt, der nur die französische Sprache beherrscht, so besteht kein Zurückweisungsrecht, da deutsch auch Amtssprache in Belgien ist. 2. Sprache, die der Zustellungsadressat nicht versteht

5

Der Zustellungsadressat kann die Annahme eines Schriftstücks nicht verweigern, wenn sie in der Sprache des Übermittlungsstaates abgefasst ist und er diese versteht 1 . Problematisch mag sein, wie unzulänglich der Zustellungsadressat die Sprache beherrschen muss, um die Zustellung verweigern zu können. Ein Deutschlehrer in Stockholm mag Goethe und Schiller in deutscher Sprache lesen können. Das besagt aber noch nicht, dass er hinreichende Sprachkenntnisse für das Verständnis einer deutschen Streitverkündung hat. Die h. L. will über die Sprachkenntnis das Prozessgericht entscheiden lassen 2 . Das aber ist praktisch unmöglich. Soll das Prozessgericht eine Sprachprüfung abhalten, oder wie soll die Feststellung der Sprachkenntnisse des Zustellungsadressaten erfolgen? Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass eine Beweisaufnahme über die Sprachkenntnisse das Verfahren unnötig verzögern und eine Unsicherheit über die Wirksamkeit der Zustellung erzeugt würde, die dem Grundsatz prozessualer Klarheit widerspräche. Sachgerecht ist allein, den Zustellungsadressaten selbst entscheiden zu lassen, ob er sich für hinreichend sprachkundig hält 3 . Er muss selbst entscheiden, ob er in der Lage ist, das zuzustellende Schriftstück in fremder Sprache zu verstehen.

1

2

16

Die Unzulänglichkeiten der Regelung des Art. 8 Abs. 1 lit. b EuZustVO sind zwischenzeitlich offenbar geworden und sollen durch eine Reform beseitigt werden; vgl. Sujecki Verordnungsvorschlag zur Änderung der Europäischen Zustellungsverordnung - Ein Schritt in die richtige Richtung, EuZW 2006, 1 (Gastkommentar); zum Reformbedarf auch Heidrich Amts- und Parteizustellungen im internationalen Rahmen: Status quo und Reformbedarf, EuZW 2005, 743 ff. Vgl. Jastrow in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 8 EuZVO,

Rdn. 144; Meyer Europäisches Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, IPRax 1997, S. 401 ff. (403); Nagel/ Gottwald Internationales Zivilprozessrecht, § 7, Rdn. 51; Schlosser EU-Zivilprozessrecht, EuZVO, Rdn. 1, 5. 3

Vgl. Schütze DIZPR, Rdn. 204; ders. Übersetzungen im europäischen und internationalen Zivilprozessrecht - Probleme der Zustellung, RIW 2006, 352 ff. (353); ders. Rechtsverfolgung im Ausland, 3. Aufl., 2002, Rdn. 169 a.

R o l f A. Schütze

1. Abschnitt. Zustellung nach der Verordnung (EG) Nr. 1 3 4 8 / 2 0 0 0

§ 1070

3. Zustellung an juristische Personen Bei juristischen Personen ist auf die Sprachkenntnis des Organs, das die juristisehe Person vertritt abzustellen. Denn an dieses ist zuzustellen. Dabei kann nicht gefordert werden, dass alle Mitglieder des Organs die Sprache, in der das zuzustellende Schriftstück abgefasst ist, verstehen. Es genügt, dass das für juristische Fragen zuständige Mitglied des Organs entsprechend sprachkundig ist 4 .

6

Bei großen Gesellschaften, die eine international tätige Rechtsabteilung haben, wird man die Sprachkenntnis des hier zuständigen Mitarbeiters genügen lassen können. Das ist die Ratio eines unveröffentlichten Beschlusses der Bundesverfassungsgerichts 5 , wonach bei einem international tätigen Konzern ausreichende Kenntnis der englischen Sprache vorausgesetzt werden können, um eine in dieser Sprache abgefasste Klageschrift zu verstehen.

IV. Frist Der Zustellungsadressat muss eine Überlegungszeit haben, um zu entscheiden, o b er das zuzustellende Schriftstück zurückweisen will. Die Frist beträgt zwei Wochen. Der Zustellungsadressat kann die Annahme bei der Übergabe oder auch noch nachträglich 6 binnen der Frist verweigern.

7

Die Frist ist eine Notfrist i. S. von § 2 2 4 Abs. 1 Z P O , d. h., sie kann weder verkürzt noch verlängert werden. Damit unterscheidet sie sich von der Frist für das „Nachschieben" einer Übersetzung im Falle der Annahmeverweigerung auf Grund der verwendeten Sprache, deren Länge im Ermessen des Gerichts steht. Versäumt der Zustellungsadressat die Frist, so ist die Zustellung wirksam, auch wenn er die Sprache des zuzustellenden Schriftstücks nicht versteht.

8

Die Fristbestimmung gilt auch analog in den Fällen, in denen Art. 8 E u Z V O nicht unmittelbar anwendbar ist, insbesondere bei postalischen Direktzustellungen nach Art. 14 E u Z V O 1 . Art. 14 E u Z V O sieht zwar kein Annahmeverweigerungsrecht v o r 8 , es ist aber nach der Ratio des § 1 0 7 0 , Rechtsklarheit nach Fristablauf zu schaffen nicht vereinbar, das Damoklesschwert der Unwirksamkeit über der Zustellung wegen Unkenntnis der benutzten Sprache durch den Zustellungsadressaten ohne bestimmte zeitliche Grenze hängen zu lassen.

9

V. Belehrung Die notwendige Belehrung über die Frist erfolgt nach dem Muster 6 Z R H der Z R H O . Unterbleibt die Belehrung, so liegt eine fehlerhafte Zustellung vor. Heilung ist möglich. Jedoch beginnt die Notfrist für die Erklärung zur Ablehnung erst vom Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Belehrung an zu laufen 9 . § 1 0 7 0 betrifft nur die Zustellung im Ausland, insbesondere die nach § 31 q Z R H O , nicht jedoch die Zustellung vom Ausland im Inland, für die die Belehrung

4 5 6

Vgl. Schütze RIW 2006, 353 ff. (353). 2 BvR 893/00. Vgl. Jastrow in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 8 EuZVO, Rdn. 157.

Vgl. BTDrucks. 15/1062. Deshalb wollen ZöllerIGeimer § 1070, Rdn. 4 in diesen Fällen keine Ablehnungsfrist annehmen ' AA wohl Thomas/Putzo/H«7?/ege § 1070, Rdn. 5. 7 8

R o l f A. Schütze

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§ 1070

Elftes Buch. Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union

nach dem Muster 7 Z R H der Z R H O gilt. Hier muss die Belehrung schon in der Aufforderung zur Abholung des Schriftstücks beim Amtsgericht enthalten sein 1 0

VI. Heilung 11

Nachdem zunächst umstritten war, ob eine Heilung im Rahmen des europäischen Zustellungsrechtes möglich ist 1 1 , hat eine Entscheidung des EuGH nunmehr Klarheit geschaffen. 1. Zulässigkeit

12

Weist der Zustellungsadressat die Zustellung wegen Abfassung des Schriftstücks in einer Sprache, die er nicht versteht, zurück, so ist die Zustellung unwirksam. Der Zustellungsmangel kann jedoch durch Nachschieben einer Übersetzung in die Sprache des Empfangsstaates geheilt werden 1 2 . Würde man die Heilung durch Nachschieben einer Übersetzung nicht zulassen, dann liefe Art. 8 Abs. 1 lit. b E u Z V O ins Leere. Da kaum abzuschätzen ist, ob die Sprachkenntnisse des Zustellungsadressaten ausreichend sind und ob er die Annahme der Zustellung verweigern wird, wäre das Risiko viel zu groß, eine Zustellung ohne Beifügung einer Übersetzung in die Amtssprache des Empfangsstaates zu versuchen 1 3 . 2 . Rückwirkung

13

Der E u G H will in der Leffler-Entscheidung die Rückwirkung der Zustellung zulassen, wenn die Heilung „so schnell wie möglich" erfolgt. Das bedeutet nicht anderes, als ein unverzügliches Nachschieben der übersetzungsbegleiteten Zustellung „ohne schuldhaftes Z ö g e r n " 1 4 . Der E u G H hält, den Stellungnahmen der portugiesischen und niederländischen Regierung folgend, offenbar eine Frist von einem Monat immer für ausreichend, gibt den nationalen Gerichten aber einen Ermessensspielraum. Bei den meisten Sprachen wird ein Monat weit ausreichend sein. Bei exotischen Sprachen mag es schwer sein, geeignete Übersetzer zu finden. Ab er hier ist zu bedenken, dass in diesen Fällen ohnehin damit zu rechnen ist, dass eine Zurückweisung der Zustellung erfolgt und es zumutbar erscheint, schon bei dem Zustellungsauftrag um die Zustellung zu bemühen. Aus deutscher Sicht ist ein Monat immer ausreichend.

10

11

12

18

Vgl. zu der Problematik Schütze Formlose Zustellung im internationalen Rechtsverkehr, RIW 2000, 20 ff. Vgl. dazu de Lind van Wijngaarden-Maack Internationale Zustellung nach EuZVO und internationale Zuständigkeit bei Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Exklusivvertriebsvertrags, IPRax 2004, 212 ff. (215); Stadler Neues europäisches Zustellungsrecht, IPRax 2001, 514 ff. (520). Vgl. EuGH - Rs. C-443/03 - Götz Leffler v. Berlin Chemie AG - RIW 2006, 382 = EWS 2006, 41 = NJW 2006, 491; dazu Heidrich Amts- und Parteizustellungen im internationalen Rahmen: Status quo und Reformbedarf, EWS 2005, 743 ff. (747); Rauscher Urteilsanmerkung, J Z 2006,

251 ff.; Rösler/Siepmann Zum Sprachenproblem im Europäischen Zustellungsrecht, NJW 2006, 475 ff.; Schütze Übersetzungen im europäischen und internationalen Zivilprozessrecht - Probleme der Zustellung, RIW 2006, 352 ff.; Stadler ordnungsgemäße Zustellung im Wege der remise au parquet und Heilung von Zustellungsfehlern nach der Europäischen Zustellungsverordnung, IPRax 2006, 116 ff. 13

14

Vgl. Schütze Übersetzungen im europäischen und internationalen Zivilprozessrecht - Probleme der Zustellung, RIW 2006, 352 ff. (354). Vgl. Schütze Übersetzungen im europäischen und internationalen Zivilprozessrecht - Probleme der Zustellung, RIW 2006, 352 ff. (354).

Rolf A. Schütze

1. A b s c h n i t t . Z u s t e l l u n g n a c h der V e r o r d n u n g (EG) N r . 1 3 4 8 / 2 0 0 0

S 1071

Die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung ist Voraussetzung der Rückwirkung nach §§ 167 ff. 15 3. Zeitpunkt der Rückwirkung Nach der Leffler-Entscheidung ist von einem gespaltenen Zeitpunkt der Rück- 1 4 Wirkung auszugehen. Wenn der Zustellungstermin für den Antragsteller - etwa wegen drohender Verjährung - bedeutsam ist, so soll die Heilung auf den Zeitpunkt der ursprünglich unwirksamen Zustellung zurückwirken 1 6 , wenn und insoweit der Zeitpunkt der Zustellung für den Antragsgegner bedeutsam ist - etwa wegen prozessualer Einlassungsfristen - so soll auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme - also die Zustellung der Übersetzung - abzustellen sein 17 . Diese Lösung ist geradezu naiv. Sie funktioniert bei kollidierenden Interessen nicht. Weist der in Lissabon wohnhafte Beklagte eines deutschen Prozesses die Annahme der deutsch abgefassten Klageschrift innerhalb der Zweiwochenfrist zulässigerweise zurück und erhebt in Portugal negative Feststellungsklage, die mit deutscher Übersetzung zugestellt wird, bevor die Übersetzung im deutschen Verfahren „nachgeschoben" wird, dann wäre der portugiesische Kläger unangemessen benachteiligt, wenn man eine Rückwirkung der Zustellung auf das Datum des ersten Zustellungsversuchs zuließe. Die Leffler Entscheidung ermutigt den Kläger geradezu, zur Vermeidung von Rechtsnachteilen einfach eine Zustellung ohne Übersetzung zu versuchen, auch wenn er weiß, dass der Beklagte die Sprache nicht beherrscht und mit einer Verweigerung der Annahme rechnen muss 18 . So konnte Leffler wohl kaum davon ausgehen, dass ein deutsches Unternehmen wie die Berlin Chemie AG der niederländischen Sprache mächtig war. Überdies kann es doch nicht angehen, dem nationalen Gericht ein Ermessen in der Fristbestimmung zu geben 19 . Das eröffnet Unsicherheiten über die Wirksamkeit der Heilung. Die Parteien müssen aber wissen, woran sie sind.

§ 1071

Parteizustellung aus dem Ausland Eine Zustellung nach Artikel 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 ist in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig. Übersicht Rdn. I. Beschränkung der Parteizustellung Π. Geltungsbereich

15

16 17 18

1

III. Schutz gegen unzulässige Zustellungen . .

Rdn. 4

3

Vgl. Mann Die Verjährungsunterbrechung nach § 167 Z P O bei der Auslandszustellung, N J W 2004, 1138 ff. Vgl. Nr. 66 der Entscheidung. Vgl. Nr. 67 der Entscheidung. Auf diese Gefahr weist Stadler Ordnungsgemäße Rolf A.

19

Zustellung im Wege der remise au parquet und Heilung von Zustellungsfehlern nach der Europäischen Zustellungsverordnung, IPRax 2006, 116ff. (123) hin. Vgl. Rauscher Urteilsanmerkung, J Z 2006, 251 ff. (252).

hütze

19

§ 1071

Elftes Buch. Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union

I. Beschränkung der Parteizustellung 1

Im englischen 1 , US-amerikanischen 2 und dem Prozessrecht zahlreicher Commonwealth Staaten wird die Zustellung ohne Einschaltung von Amtspersonen im Parteibetrieb praktiziert. Auch Griechenland kennt das System der Parteizustellung, bei dem die Parteien die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke veranlassen 3 , was zu einer kontroversen Rechtsprechung des LG Trier und des OLG Köln bei der Direktzustellung durch griechische Rechtsanwälte geführt hat 4 . Im Geltungsbereich des Haager Zustellungsübereinkommens ist die Zustellung im Parteibetrieb aus dem Ausland, die früher in großem Masse durch deutsche Anwälte bei US-amerikanischen Klagen praktiziert wurde, nach Ansicht des Bundesjustizministeriums unzulässig geworden 5 .

2

Art. 15 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1348/2000 lässt die Zustellung im Parteibetrieb grundsätzlich zu, schränkt sie aber dahin ein, dass diese nur durch „Amtspersonen, Beamte oder sonstige zuständige Personen" des Empfangsmitgliedstaates erfolgt.

II. Geltungsbereich 3

Der Geltungsbereich betrifft nur Zustellungen aus dem Ausland im Inland. Ob und in welcher Weise Parteizustellungen aus Deutschland an Zustellungsadressaten im Ausland zulässig sind bestimmt sich allein nach dem Rechts des Empfangsstaats. Die Mitgliedstaaten haben hierzu folgende Erklärungen 6 abgegeben: - Ausgeschlossen ist die Parteizustellung nach Art. 15 Abs. 1 EuZVO - neben Deutschland - in: Estland, Lettland, Litauen, Österreich, Polen, Portugal, Slowenien, Tschechien, Ungarn, Vereinigtes Königreich (nur England, Wales und Nordirland). -

Keine Einwände gegen die Parteizustellung nach Art. 15 Abs. 1 EuZVO haben erklärt: Belgien, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Irland, die Niederlande, Malta, die Slowakei, Spanien, Vereinigtes Königreich (nur Schottland und Gibraltar), Zypern:

-

Modifiziert zulässig ist die Parteizustellung nach Art. 15 Abs. 1 EuZVO in Luxemburg (nur bei Gegenseitigkeit und sofern der Gerichtsvollzieher im Empfangsstaat nur für Art und Form der Zustellung verantwortlich ist) und Schweden (Zustellung durch Beamte oder sonstige zuständige Behörden, wobei keine Verpflichtung der schwedischen Behörden besteht, entsprechenden Anträgen stattzugeben).

1

2

3

20

Vgl. Bunge Zivilprozess und Zwangsvollstreckung in England und Schottland, 2. Aufl., 2005, S. 115 f.; Geimer English Substituted Service (Service by an Alternative Method) and the Race to the Courthouses, FS Schütze, 1999, S. 205 ff. Vgl. dazu Schuck Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 3. Aufl., 2003, S. 37 ff. Vgl. Artt.229, 122 Abs.l, 123 Abs. 1 griechischer ZPO.

4

5

6

Vgl. dazu Emde Zulässigkeit von Direktzustellungen ausländischer Prozessbevollmächtigter an deutsche Parteien nach Art. 14 EuZVO?, NJW 2004, 1830 ff.; Geimer „Windhunde" und „Torpedos" unterwegs in Europa, IPRax 2005, 505 ff. Vgl. BRAK-Mitt. 1981, 25; Schütze Rechtsverfolgung im Ausland, 3. Aufl., 2002, Rdn. 171. Vgl. dazu die Zusammenstellung nach Art. 23 EuZVO, unten sub II.2.a.ff.a.

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2 . Abschnitt. Beweisaufnahme nach Verordnung (EG) Nr. 1 2 0 6 / 2 0 0 1

Vor §§

1072-1075

III. Schutz gegen unzulässige Zustellungen Droht eine Zustellung unter Verletzung von § 1071, so können Einwendungen 4 gegen ihre Zulässigkeit durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG und einstweilige Anordnung gemäß § 29 Abs. 2 EGGVG i.V. m. § 24 Abs. 3 FGG geltend gemacht werden 7 . Ist die Zustellung einmal erfolgt, dann kann der Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit einem Antrag auf einstweilige Anordnung zur Untersagung der Weiterleitung des Zustellungszeugnisses verbunden werden. ABSCHNITT 2 Beweisaufnahme nach Verordnung (EG) Nr. 1206/2001

Vorbemerkung zu §§ 1 0 7 2 - 1 0 7 5 Die zwischenstaatliche Beweisaufnahme im Rechtsverkehr der EU-Staaten - mit 1 Ausnahme Dänemarks - untereinander ist durch die VO (EG) Nr. 1206/2001 (EuBVO) 1 geregelt. Die EuBVO bringt Vereinfachungen durch Beschleunigung der Übermittlungsvorgänge und die Zulassung der unmittelbaren Beweisaufnahme durch das Gericht des Gerichtsstaates nach seinem Recht. Zwei Wege der Beweisaufnahme im Ausland kennt die Verordnung: Die Beweisaufnahme durch das ersuchte ausländische Gericht: Das Prozessgericht kann ein ausländisches Gericht ersuchen, eine notwendige Beweisaufnahme im Wege der Rechtshilfe durchzuführen. Hierfür steht der unmittelbare Weg zwischen den Gerichten offen (Art. 2 EuBVO). - Die unmittelbare Beweisaufnahme durch das ersuchende Gericht: Art. 17 EuBVO eröffnet die Möglichkeit für eine unmittelbare Beweisaufnahme durch das ersuchende Gericht. Diese ist allerdings nur statthaft, wenn sie auf freiwilliger Grundlage und ohne Zwangsmassnahmen erfolgen kann (Abs. 2). Soweit eine Zeugenvernehmung Gegenstand der Beweisaufnahme ist, ist der Zeuge darüber zu belehren. Die Mitgliedstaaten bestimmen weiterhin Zentralstellen. Deren Aufgabenbereich 2 ist aber gegenüber dem Haager Beweisübereinkommen erheblich eingeschränkt (Art. 3 EuBVO). §§ 1 0 7 2 - 1 0 7 5 sind durch das EG-Beweisaufnahmedurchführungsgesetz vom 4.11.2003 2 in die ZPO eingefügt worden. Sie bringen Anpassungen für die Anwendung der EuBVO in deutschen Verfahren. Zur Abwehr unzulässiger Beweisaufnahmen kann ein Antrag auf gerichtliche Ent- 3 Scheidung nach § 23 EGGVG, unter Umständen verbunden mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 29 Abs. 2 EGGVG in Verbindung mit § 24 Abs. 3 FGG gestellt werden 3 . -

Schrifttum Alio Änderungen im deutschen Rechtshilferecht: Beweisaufnahme nach der Europäischen Beweisaufnahmeverordnung, N J W 2 0 0 4 , 2 7 0 6 ff.; Berger Die EG-Verordnung über die Z u sammenarbeit der Gerichte auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen

7

Vgl. Schütze DIZPR, Rdn. 214 für das HZÜ.

1 2 3

Abgedruckt sub II.2.a.gg. BGBl. 2003 I 2166. Vgl. Schütze DIZPR, Rdn. 238.

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§ 1072

Elftes Buch. Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union

(EuBVO), IPRax 2001, 522ff.; ders. Grenzüberschreitende Beweisaufnahme zwischen Österreich und Deutschland, FS Rechberger, 2005, S. 39ff.; Freudenthal Internationale Bewijsverkrijging: van Haagse en Europese samenwerking, Nederlands Internationaal Privaatrecht, 2002, 109ff.; Geimer (E.) Internationale Beweisaufnahme, 1998; Hau Grenzüberschreitende Beweisaufnahme im Europäischen Justizraum, ERA-Forum 2005, 224 ff.; von Hein Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten in Zivil- und Handelssachen, in: Rauscher (Herausg.), Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., 2006, S. 1275ff.; Hess Neue Formen der Rechtshilfe im Europäischen Justizraum, GS Blomeyer, 2004, S. 617 ff.; Hess/Müller Die Verordnung 1206/EG zur Beweisaufnahme, ZZPInt 6 (2001), 149 ff.; Huber Europäische Beweisaufnahmeverordnung (EuBVO), in: Gebauer/Wiedmann (Herausg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, S. 1337ff.; ders. Die Europäische Beweisaufnahmeverordnung (EuBVO) Überwindung der traditionellen Souveränitätsvorbehalte?, Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht, 2003, 115 ff.; Jastrow Europäische Zustellung und Beweisaufnahme 2004 - Neuregelungen im deutschen Recht und konsularische Beweisaufnahme, IPRax 2004, 11 ff.; Jayme Extraterritoriale Beweisbeschaffung und Vollstreckungshilfe für inländische Verfahren durch ausländische Gerichte, FS Geimer, 2002, S. 375 ff.; Leipold Neue Wege im Recht der internationalen Beweiserhebung - Einige Bemerkungen zur Europäischen Beweisaufnahmeverordnung, FS Schlechtriem, 2003, S. 91 ff.; ders. Das neue Europäische Beweisrecht, Ritsumeikan Law Review 20 (2003), 85ff.; Markus Neue Entwicklungen bei der internationalen Rechtshilfe in Zivil- und Handelssachen, Schweiz. Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2002, 65 ff.; Müller Grenzüberschreitende Beweisaufnahme im Europäischen Justizraum, 2004; Schulze Dialogische Beweisaufnahmen im internationalen Rechtsverkehr - Beweisaufnahmen im Ausland durch und im Beisein des Prozessgerichts, IPRax 2001, 527ff.; Stadler Grenzüberschreitende Beweisaufnahme in der Europäischen Union - die Zukunft der Rechtshilfe in Zivilsachen, FS Geimer, 2002, S. 1281 ff.

§ 1072 Beweisaufnahme in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union Soll die Beweisaufnahme nach der Verordnung (EG) Nr. 1 2 0 6 / 2 0 0 1 d e s Rates vom 2 8 . Mai 2 0 0 1 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (ABl. E G Nr. L 174 S. 1) erfolgen, so kann das Gericht 1. unmittelbar das zuständige Gericht eines anderen Mitgliedstaats um Aufnahme des Beweises ersuchen oder 2 . unter den Voraussetzungen des Artikels 17 der Verordnung (EG) Nr. 1 2 0 6 / 2 0 0 1 eine unmittelbare Beweisaufnahme in einem anderen Mitgliedstaat beantragen. Übersicht Rdn.

Rdn. I. Sachlicher Geltungsbereich . . . . 1. Zivil- oder Handelssache . . . , 2 . Beweisaufnahme im Ausland für deutsche Verfahren 3. Verwendungszweck der Ergebnisse der Beweisaufnahme II. Beweismittel . . . . 1. Augenscheinsbeweis 2 . Urkundenbeweis 3. Zeugenbeweis . .

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1

3 III. 5 7 7

8 9

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IV. V. VI. VII.

4 . Sachverständigenbeweis 5. Parteivernehmung . . . . Beweisaufnahme im Wege der Rechtshilfe Unmittelbare Beweisaufnahme Kein Ausschluss extraterritorialer Beweisbeschaffung Anwendung der Z R H O . . . Kosten und Sicherheitsleistung

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2. Abschnitt. Beweisaufnahme nach Verordnung (EG) Nr. 1 2 0 6 / 2 0 0 1

§ 1072

I. Sachlicher Geltungsbereich 1. Zivil- oder Handelssache Die EuBVO ist ihrem sachlichen Geltungsbereich nach auf Beweisaufnahmen in Zivil- oder Handelssachen beschränkt (Art. 1 Abs. 1 EuBVO). Der Begriff der Ziviloder Handelssache entspricht dem in Art. 1 V O (EG) Nr. 4 4 / 2 0 0 1 sowie Art. 1 Abs. 1 EuGVÜ/LugÜ 1 . Er ist autonom zu qualifizieren 2 , um eine einheitliche Anwendung im europäischen Justizraum zu gewährleisten 3 . Auch die Geltendmachung von Ersatzansprüchen des Verletzten im Strafverfahren gegen den Schädiger (Adhäsionsprozess) ist zivilrechtlicher Natur. Das entspricht Art. 5 Nr. 4 V O (EG) Nr. 4 4 / 2 0 0 1 und Artt. 5 Nr. 4 EuGVÜ/LugÜ 4 . Ausgeschlossen sind insbesondere Steuer-, verwaltungs- und zollrechtliche Streitigkeiten.

1

Art. 1 Abs. 1 EuBVO statuiert nicht die Bereichsausnahmen des Art. 1 Abs. 2 V O (EG) Nr. 4 4 / 2 0 0 1 . Diese sind deshalb nicht tale quale für die EuBVO zu übernehmen 5 . Die Verfahren nach Art. 1 Abs. 2 lit. a und b (Nr. 1 und 2) der Regelwerke sind ausgenommen, weil eine besondere europarechtliche Regelung hierfür geschaffen werden sollte 6 , die sich auf die internationale Zuständigkeit und die Wirkungserstreckung von gerichtlichen Entscheidungen bezog. Das ist inzwischen geschehen. Es besteht kein Anlass, diese Materien aus dem Geltungsbereich der EuBVO auszunehmen. Dasselbe gilt für insolvenzrechtliche Verfahren. Sozialrechtliche Gegenstände sind ausgenommen, weil sie jedenfalls nach deutschem Verständnis dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind. Bei Schiedsverfahren ist die Anwendung der EuBVO nur unter zwei Voraussetzungen möglich: das Schiedsverfahren muss eine zivil- oder handelsrechtliche Streitigkeit zum Gegenstand haben und ein Gericht muss im Rahmen seiner Hilfsfunktion tätig werden 7 .

2

2. Beweisaufnahme im Ausland für deutsches Verfahren § 1 0 7 2 betrifft nur Beweisaufnahmen über die Grenze in einem deutschen gerichtlichen Verfahren. Gerichtliche Verfahren sind nur solche vor staatlichen Gerichten, nicht von privaten Gerichten, insbesondere also Verbands-, Vereins- und Schiedsgerichten 8 . Schiedsgerichten ist der Weg der Beweiserhebung über die Grenze 1

2

3

Vgl. Mayr/Czernich Europäisches Zivilprozessrecht, Rdn. 366; Rauscher/i/o« Hein Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 1 EG-BewVO, Rdn. 1 („lehnt sich an Art. 1 Brüssel I-VO, Art. 1 EGZustellVO und Art. 1 Abs. 1 HBÜ an"); Schmidt Europäisches Zivilprozessrecht, Rdn. 336. Vgl. EuGH Rs. 29/76 - LTU v. Eurocontrol EuGHE 1976, 1541 = NJW 1977, 489 mit Anm. Geirrter = RIW/AWD 1977, 4 0 mit Anm. Linke = Rev.crit. 1977, 772 mit Anm. Droz. Vgl. Alio Änderungen im deutschen Rechtshilferecht: Beweisaufnahme nach der Europäischen Beweisaufnahmeverordnung, NJW 2004, 2706 ff.; Hess/Müller Die Verordnung 1206/01/ EG zur Beweisaufnahme im Ausland, ZZPInt 6 (2001), 149 ff.; Huber in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 1 EuBVO, Rdn. 17; Mayr/Czernich Europäisches Zivilprozessrecht, Rdn. 366; Rauscher/fo« Hein Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 1 EGBewVO, Rdn. 1; Schlosser EU-Zivilprozessrecht,

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Art 1 EuBVO, Rdn. 1; ZöVtedGeimer §363, Rdn. 85. Vgl. dazu Kohler Adhäsionsverfahren und Brüsseler Übereinkommen 1968, in: Will (Hrsg.), Schadensersatz im Strafverfahren, 1990, S. 74 ff. Vgl. Huber in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art.l EuBVO, Rdn. 18; Rauscher/von Hein Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 1 EG-BewVO, Rdn. 4. Vgl. Geimer/Schütze EuZVR, A 1, Art. 1, Rdn. 66 ff. Vgl. Mayr/Czernich Europäisches Zivilprozessrecht, Rdn. 367; vgl. im übrigen Schoibl Europäische Rechtshilfe bei der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen durch ordentliche Gerichte für Schiedsgerichte, FS Rechberger, 2005, S. 513 ff. Vgl. Fumagalli La nuova disciplina comunitaria dell'assunzione delle prove alPestero in materia civile, Rivista di diritto internazionale privato e processuale 2002, 327ff. (333); Huber in: Ge-

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nach der EuBVO jedoch nicht vollständig verschlossen. Sie können - ebenso wie unter der Geltung des Haager Beweisübereinkommens 9 - den Weg über § 1050 wählen 10 . Hierin liegt keine Umgehung des Art. 1 Abs. 2 1 1 . Will das Schiedsgericht nach den Bestimmungen der EuBVO Beweise im Ausland erheben, so erlässt es einen Beweisbeschluss und leitet diesen mit einem Rechtshilfeersuchen an das zuständige staatliche Gericht nach § 1 0 5 0 weiter, das dann nach den Bestimmungen des Haager Beweisübereinkommens oder der EuBVO verfährt 1 2 . 4

Der Begriff des Gerichts ist nicht auf Zivilgerichte beschränkt. Entscheidend ist nicht der Gerichtszweig, vielmehr die Natur der Streitsache. So können auch Strafgerichte in Adhäsionsverfahren Beweis im Ausland nach der EuBVO erheben. Auf der anderen Seite ist für Zivilgerichte die Beweiserhebung nach europäischem Recht in den Zivilsachen kraft Zuweisung ausgeschlossen. Ersuchendes Gericht kann jedes Gericht sein, bei dem ein Verfahren in einer Zivil- oder Handelssache anhängig oder zu eröffnen ist. 3. Verwendungszweck der Ergebnisse der Beweisaufnahme

5

Der sachliche Geltungsbereich der EuBVO ist enger als der nach dem Haager Beweisübereinkommen. Während letzteres alle gerichtlichen Handlungen erfasst, fallen unter die EuBVO nur Maßnahmen der Beweisaufnahme. Der Begriff der Beweisaufnahme ist - ebenso wie der der Zivil- oder Handelssache - autonom zu interpretieren 13 . Darunter fallen nach der treffenden Definition von von Hein 1 4 die

Maßnahmen auf Beschaffung einer Information, die der richterlichen Wahrheitsfindung bzw. Überzeugungsbildung dienen. Grundsätzlich gilt die Vorschrift für alle zivilprozessualen Beweisverfahren nach §§ 355 ff. 15 . Sie findet auch im Urkundsprozess Anwendung 16 6

Es genügt auch, wenn die Verwendung in einem selbständigen Beweisverfahren nach §§ 4 8 5 ff. erfolgen soll 1 7 . Dieses kann zwar nach § 4 8 5 Abs. 2 auch der Ver-

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bauer/Wiedmann, Privatrecht unter europäischem Einfluss, Art. 1 EuBVO, Rdn. 25; Rauscher/von Hein Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 1 EGBewVO, Rdn. 9. Vgl. dazu Erläuterung zu Art. 1 des Haager Beweisübereinkommens, Deutsche Denkschrift, BTDrucks. VII Nr. 4892; Saathoff Möglichkeiten und Verfahren gerichtlicher Hilfe zugunsten fremdnationaler Handelsschiedsverfahren mit internationaler Beteiligung, Diss. Köln 1987; Schütze Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 3. Aufl., 1999, Rdn. 168. Vgl. Alio Änderungen im deutschen Rechtshilferecht: Beweisaufnahme nach der Europäischen Beweisaufnahmeverordnung, NJW 2004, 2706 ff. (2706 f.); Berger Die EG-Verordnung über die Zusammenarbeit der Gerichte auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen, IPRax 2001, 522 ff. (523); Huber in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 1 EuBVO, Rdn. 25; Rauscher/von Hein Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 1 EG-BewVO, Rdn. 9; vgl. dazu aus österreichischer Sicht Mayr/Czernich Europäisches Zivilprozessrecht, Rdn. 367 und Schoibl Euro-

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päische Rechtshilfe bei der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen durch ordentliche Gerichte für Schiedsgerichte, FS Rechberger, 2005, S. 513 ff. So jedoch Fumagalli La nuova disciplina dell'assunzione delle prove all'estero in materia civile, Rivista di diritto internazionale privato e processuale, 2002, 327ff. (333f.); Schmidt Europäisches Zivilprozessrecht, Rdn. 375. Vgl. Schütze Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 3. Aufl., 1999, Rdn. 168. Vgl. Huber in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 1 EuBVO, Rdn. 21; Rauscher/fo« Hein Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 1 EG-BewVO, Rdn. 14. Vgl. Rauscher/fOM Hein Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 1 EG-BewVO, Rdn. 14. Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 1072, Rdn. 3. Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann 5 1072, Rdn. 3. Vgl. Berger Die EG-Verordnung über die Zusammenarbeit der Gerichte auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen, IPRax 2001, 522ff. (523); Hess/Müller Die Ver-

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2 . Abschnitt. Beweisaufnahme nach Verordnung (EG) Nr. 1 2 0 6 / 2 0 0 1

§ 1072

meidung eines Rechtsstreits dienen, hat im Übrigen aber den Zweck, Beweismittel in einem späteren Prozess zu sein (§ 4 9 3 ) . Es ist damit ein vorsorgliches Beweismittel. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung die Verwertung ausländischer Beweissicherungsmaßnahmen ablehnt 1 8 . Würde man die Möglichkeiten der EuBVO im Rahmen selbständiger Beweisverfahren nicht nutzen, dann ginge ein wichtiges Beweismittel im deutschen Zivilprozess verloren.

II. Beweismittel Als Beweismittel, die durch die Beweiserhebung im Ausland nach der EuBVO erhoben werden können, kommen im Grundsatz alle nach §§ 371 ff. in Betracht.

7

1. Augenscheinsbeweis Gegenstand eines Ersuchens kann der Beweis durch Augenschein eines im Ausland belegenen Gegenstandes nach § 371 sein. Daneben kann der Partei die Vorlage des Augenscheinsobjektes nach § 144 aufgegeben werden 19 .

8

2 . Urkundenbeweis Die Urkundenvorlage im Wege der Rechtshilfe nach der EuBVO hat ihre wesentliehe Bedeutung bei Beweisantritt durch Vorlage der Urkunde durch einen Dritten nach §§ 4 2 8 ff., 142.

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3. Zeugenbeweis Gegenstand des Beweisersuchens kann die Zeugenvernehmung nach §§ 3 7 3 ff. sein. Wenn der im Ausland lebende Zeuge auf Bitte des Gerichts - nach erforderlicher Belehrung - nicht in der mündlichen Verhandlung erscheint, ist die richterliche Vernehmung nur im Wege der passiven Rechtshilfe nach Art. 17 EuBVO möglich. Im Übrigen kann nach Art. 10 EuBVO verfahren werden.

10

4. Sachverständigenbeweis Im Grundsatz dürfen von einem deutschen Gericht beauftragte Sachverständige auch im Ausland tätig werden, da sie nicht hoheitlich handeln und durch ihre Tätigkeit die Souveränität des ausländischen Staates nicht verletzt wird 2 0 . Das gilt zunächst für die Einholung von Informationen von dem ausländischen Hersteller einer Maschine, deren Mangelhaftigkeit Gegenstand des Gutachtens ist oder der Benut-

ordnung 1206/01/EG zur Beweisaufnahme im Ausland, ZZPInt 6 (2001), 149ff. (152); Huber in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 1 EuBVO, Rdn. 30; Schmidt Europäisches Zivilprozessrecht, Rdn. 372; Stadler Grenzüberschreitende Beweisaufnahmen in der Europäischen Union - die Zukunft der Rechtshilfe in Beweissachen, FS Gelmer, 2002, S. 1281 ff. (S.1302f.). 18

Vgl. OLG Köln NJW 1983, 2779; OLG Hamburg IPRax 2000, 530; LG Hamburg IPRax 2001, 45; vgl. dazu auch Ahrens Grenzüber-

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schreitende selbständige Beweisverfahren - eine Skizze, FS Schütze, 1999, S. Iff. Vgl. zu der damit verbundenen Problematik Huber in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 1 EuBVO, Rdn. 38. Vgl. Geirrter IZPR, Rdn. 445; Musielak Beweiserhebung bei auslandsbelegenen Beweismitteln, FS Geimer, 2002, S. 761 ff. (772); ZöllerIGeimer § 363, Rdn. 5e; aA Hau Gerichtssachverständige in Fällen mit Auslandsbezug, RIW 2003, 822 ff. (823 f.).

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zung ausländischer Bibliotheken pp. aber auch darüber hinaus. Umfassender ist es im Rahmen des Anwendungsbereichs von Art. 17 EuBVO 21 . Art. 17 Abs. 3 EuBVO erlaubt die Durchführung der Beweisaufnahme durch einen vom ersuchenden Gericht bestellten Sachverständigen. 5. Parteivernehmung 12

Bei der Parteivernehmung ist zu differenzieren. Die Anhörung der Partei nach § 141 ist kein echtes Beweismittel22. Sie dient nur dem besseren Verständnis des Parteivortrags. Die Parteivernehmung nach §§ 445 ff. ist ein echtes Beweismittel. Sie ist zwar nach § 445 Abs. 1 nur subsidiär für den Fall, dass eine Partei, die den ihr obliegenden Beweis mit anderen Beweismitteln nicht vollständig geführt oder andere Beweismittel nicht vorgebracht hat. Das ändert aber nicht ihre Natur als Beweismittel. Die Parteivernehmung fällt deshalb unter den Geltungsbereich der EuBVO 23 . III. Beweisaufnahme im Wege der Rechtshilfe

13

§ 1072 stellt dem Gericht zunächst den Weg des Beweisersuchens nach Artt. 4 ff. EuBVO zur Wahl. Die Beweisaufnahme erfolgt aufgrund eines Ersuchens, das auf dem Formblatt A, gegebenenfalls dem Formblatt I gestellt werden muss. Das Beweisersuchen wird im unmittelbaren Geschäftsverkehr an das ersuchte Gericht in dem Staat, in dem die Beweiserhebung erfolgen soll, weitergeleitet (Art. 2 EuBVO). Die zuständigen Gerichte sind in dem Handbuch der Kommission aufgeführt, das die nach den Angaben der Mitgliedstaaten nach Art. 2 Abs. 2 EuBVO erstellt ist. Die Angaben sind nicht immer vollständig und aktuell, stimmen teilweise auch nicht mit der Praxis überein24. Bei Schwierigkeiten kann die Zentralstelle angerufen werden, die Auskünfte erteilt (Art. 3 Abs. 1 lit. a EuBVO), bei Schwierigkeiten nach Lösungsmöglichkeiten sucht (Art. 3 Abs. 1 lit. b EuBVO) und - in Ausnahmefällen - das Ersuchen an das zuständige Gericht weiterleitet (Art. 3 Abs. 1 lit. c EuBVO).

14

Das ersuchte Gericht erledigt das Ersuchen nach seiner lex fori (Art. 10 Abs. 2 EuBVO). Das deutsche Gericht kann - unter Verwendung des Formblattes A - beantragen, dass das Ersuchen in einer besonderen Form nach deutschem Recht erledigt wird (Art. 10 Abs. 3 EuBVO). Es gelten Artt. 10ff. EuBVO. Für die Teilnahmerechte der Beteiligten vgl. § 1073. Das Ersuchen muss unverzüglich, spätestens innerhalb von 90 Tagen nach Eingang erledigt werden (Art. 10 Abs. 1 EuBVO). IV. Unmittelbare Beweisaufnahme

15

Art. 17 EuBVO eröffnet die Möglichkeit der unmittelbaren Beweisaufnahme durch das ersuchende Gericht im Ausland. § 1072 weist den deutschen Richter lediglich auf diese Möglichkeit hin. Diese Möglichkeit ist vielleicht der größte Fortschritt der EuBVO gegenüber dem bisherigen Rechtszustand, stellt sie doch sicher, dass das Prozessgericht die Beweisaufnahme selbst durchführt und sich - bei der Zeugenvernehmung - einen Eindruck von der Glaubwürdigkeit des Zeugen verschaffen kann.

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Vgl. dazu Hau Gerichtssachverständige in Fällen mit Auslandsbezug, RIW 2003, 822 ff. Vgl. Zöller/Greger § 141, Rdn. 1. Vgl. Rauscher/i/oM Hein Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 1 EG-BewVO, Rdn. 15.

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Vgl. für die Probleme im Rechtsverkehr mit Spanien Huber in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 2 EuBVO, Rdn. 52.

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2 . Abschnitt. Beweisaufnahme nach Verordnung (EG) Nr. 1 2 0 6 / 2 0 0 1

§ 1072

Im Rahmen der Anwendung von Art. 17 EuBVO ist § 3 6 3 ausgeschlossen 25 . Allerdings schließt das nicht aus, dass der Partei, die nicht an der Beweisaufnahme mitwirkt - etwa eine Ortsbesichtigung nicht zulässt oder verhindert - Beweisnachteile entstehen 2 6 . Die Durchführung unmittelbarer Beweisaufnahme bedarf der Einschaltung der Zentralstelle bzw. der zuständigen Behörde nach Art. 3 Abs. 3 EuBVO. Der Zentralstelle obliegt die Prüfung, ob die Erfordernisse des Art. 17 Abs. 5 EuBVO gegeben sind, also -

das Ersuchen in den Anwendungsbereich der EuBVO fällt, das Ersuchen die nach Art. 4 EuBVO erforderlichen Angaben enthält und die beantragte Beweisaufnahme mit den wesentlichen Rechtsgrundsätzen der lex fori des ersuchten Gerichts vereinbar ist.

Die unmittelbare Beweisaufnahme ist nur statthaft, wo sie auf freiwilliger Grundlage und ohne Zwangsmassnahmen erfolgen kann (Art. 17 Abs. 2 EuBVO). Zeugen sind hierüber zu belehren.

V. Kein Ausschluss extraterritorialer Beweismittelbeschaffung Die EuBVO schließt nicht aus, dass Beweismittel aus dem Ausland während des deutschen Prozesses ins Inland verbracht werden und dort Gegenstand einer inländischen Beweisaufnahme werden 2 7 .

16

Das gilt zunächst für die Beschaffung von Beweisurkunden aus dem Ausland 2 8 . Soweit sich eine Vorlagepflicht aus §§ 4 2 2 , 4 2 3 ergibt, kann das deutsche Gericht die Vorlage einer Urkunde auch dann nach § 4 2 5 anordnen, wenn diese sich nicht in Deutschland befindet. Dasselbe gilt für die Urkundenvorlage nach § 1 4 2 2 9 . Bei Zeugen will Coester-Waltjen differenzieren 30 . Ist der als Zeuge benannte Dritte im Hinblick auf das Beweisthema dem Forumstaat so verbunden 3 1 , wie es für eine Beklagtenrolle notwendig wäre, so soll er sowohl als Zeuge geladen oder sanktions25

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Vgl. Hess/Müller Die Verordnung 1206/01/EG zur Beweisaufnahme im Ausland, ZZPInt 6 (2001), 149 ff. (162); Schlosser EU-Zivilprozessrecht, Art. 17 EuBVO, Rdn. 1. Vgl. Schlosser EU-Zivilprozessrecht, Art. 17 EuBVO, Rdn. 2; Stadler Grenzüberschreitende Beweisaufnahmen in der Europäischen Union die Zukunft der Rechtshilfe in Beweissachen, FS Geimer, 2002, S. 1281 ff. (1299). Vgl. Berger Die EG-Verordnung über die Zusammenarbeit der Gerichte auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen, IPRax 2001, 522ff. (526f.); Coester-Waltjen Einige Überlegungen zur Beschaffung von Beweisurkunden aus dem Ausland, FS Schlosser, 2005, S. 147 ff.; Huber in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 1 EuBVO, Rdn. 35 ff.; Müller Grenzüberschreitende Beweisaufnahme im Europäischen Justizraum, 2004, S. 145; Rauscher/fo« Hein Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 1 EG-BewVO, Rdn. 18; Zöller/Geimer § 363, Rdn. 4. Vgl. hierzu eingehend Coester-Waltjen Einige Überlegungen zur Beschaffung von Beweisurkun-

den aus dem Ausland, FS Schlosser, 2005, S. 147 ff.; Musielak Beweiserhebung bei auslandsbelegenen Beweismitteln, FS Geimer, 2002, S. 761 ff. 2 ' Vgl. Berger Die EG-Verordnung über die Zusammenarbeit der Gerichts auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen, IPRax 2001, 522ff. (527); Coester-Waltjen Einige Überlegungen zur Beschaffung von Beweisurkunden aus dem Ausland, FS Schlosser, 2005, S. 147ff. (153); Huber in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 1 EuBVO, Rdn. 39; Rauscher/ran Hein Europäisches Zivilprozessrecht, Art.l EG-BewVO, Rdn. 31; Stadler Grenzüberschreitende Beweisaufnahmen in der Europäischen Union - Die Zukunft der Rechtshilfe in Beweissachen, FS Geimer, 2002, S. 1281 ff. (1290). 30

31

Vgl. Coester-Waltjen Einige Überlegungen zur Beschaffung von Beweisurkunden aus dem Ausland, FS Schlosser, 2005, S. 147ff. (159ff.). Vgl. auch Geimer IZPR, Rdn. 430, der auf „minimum contacts" abstellen will.

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bewehrt zu einer schriftlichen Zeugenaussage aufgefordert werden können. Ist der Dritte in diesem Sinne nicht gerichtspflichtig, so soll es bei der Vernehmung im Wege der Rechtshilfe bleiben. Diese Unterscheidung ist wenig sinnvoll. Denn die Gerichtspflichtigkeit hat nur für die Parteien Bedeutung. Möglich ist nur die Aufforderung an die Partei, den Zeugen in die Sitzung zu stellen, deren Nichtbeachtung sanktionslos bleibt oder die formlose Bitte an den Zeugen ohne Androhung von Zwangsmitteln 32 . Eine formlose Aufforderung ist kein hoheitlicher Akt 3 3 . Jedoch wird man fordern müssen, dass der Zeuge über sein Recht, nicht vor Gericht zu erscheinen, zu belehren ist. Streitig ist, ob ein Zeuge im Ausland schriftlich nach § 3 7 7 Abs. 3 befragt werden kann 3 4 .

VI. Anwendung der Z R H O 18

Das nationale Recht wird durch die EuBVO nicht verdrängt 35 . Die Prüfungsstelle ist einzuschalten, soweit die Landesjustizverwaltung nicht von einer Beteiligung der Prüfungsstelle absieht (§ 2 7 Z R H O ) . § 3 8 a Abs. 1 Z R H O regelt die Teilnahme von Richtern und Gerichtssachverständigen im Rahmen der Beweisaufnahme nach der EuBVO im Ausland.

VII. Kosten und Sicherheitsleistung 19

Die Kostentragung bestimmt sich nach Art. 18 EuBVO. Danach ist das Verfahren grundsätzlich kostenfrei. Nach Art. 18 Abs. können für die Erledigung des Ersuchens die Erstattung von Gebühren und Auslagen nicht verlangt werden. Eine Ausnahme von der Kostenfreiheit besteht in drei Fällen: für Aufwendungen für Sachverständige und Dolmetscher;

-

für Aufwendungen, die durch Benutzung von Kommunikationstechnologien insbesondere Videokonferenzen und Telekonferenzen - auf Verlangen des ersuchenden Gerichts entstehen (Art. 10 Abs. 4 EuBVO); für Aufwendungen, die durch die Erledigung der Beweisersuchens in der Form des Staates des ersuchenden Gerichts auf dessen Verlangen entstehen (Art. 10 Abs. 3 EuBVO).

-

20

Für entstehende Sachverständigenkosten kann Sicherheitsleistung nach Art. 18 Abs. 3 EuBVO verlangt werden.

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33

28

Vgl. Huber in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 1, Rdn. 40. Vgl. Berger Die EG-Verordnung über die Zusammenarbeit der Gerichte auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen, IPRax 2001, 522 ff. (527); Geimer IZPR, Rdn. 431; Huber in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 1,

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35

Rdn. 40; Musielak Beweiserhebung bei auslandsbelegenen Beweismitteln, FS Geimer, 2002, S. 761 ff. (770). Vgl. dazu Schabenberger Der Zeuge im Ausland im deutschen Zivilprozess, Diss. Freiburg 1996, S. 197f. Vgl. Zöller/Geimer § 1072, Rdn. 8.

Rolf A. Schütze

2. Abschnitt. Beweisaufnahme nach Verordnung (EG) Nr. 1 2 0 6 / 2 0 0 1

§ 1073

§ 1073 Teilnahmerechte (1) Das ersuchende deutsche Gericht oder ein von diesem beauftragtes Mitglied darf im Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1 2 0 6 / 2 0 0 1 bei der Erledigung des Ersuchens auf Beweisaufnahme durch das ersuchte ausländische Gericht anwesend und beteiligt sein. Parteien, deren Vertreter sowie Sachverständige können sich hierbei in dem Umfang beteiligen, in dem sie in dem betreffenden Verfahren an einer inländischen Beweisaufnahme beteiligt werden dürfen. (2) Eine unmittelbare Beweisaufnahme im Ausland nach Artikel 17 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1 2 0 6 / 2 0 0 1 dürfen Mitglieder des Gerichts sowie von diesem beauftragte Sachverständige durchführen. Übersicht Rdn. I. Teilnahmerechte des Gerichts II. Teilnahmerechte der Parteien und Sachverständiger

1

Rdn. III. Unmittelbare Beweisaufnahme IV. Kosten

6 7

4

I. Teilnahmerechte des Gerichts Abs. 1 konkretisiert die Teilnahmerechte der Prozessbeteiligten im deutschen Zivilverfahren bei der Beweisaufnahme durch das ersuchte ausländische Gericht. Die Regelung war notwendig, da Art. 12 Abs. 1 E u B V O das Teilnahmerecht von Beauftragten des ersuchenden Gerichts unter den Vorbehalt stellt, dass dies mit dem R e c h t des ersuchenden Gerichts vereinbar ist.

1

Teilnahmeberechtigt ist das G e r i c h t 1 , d . h . die K a m m e r oder der Senat, oder ein einzelnes Mitglied des Gerichts (beauftragter oder ersuchter R i c h t e r 2 nach § 3 7 5 ) . D a s Gericht k a n n auch einen Beauftragten ernennen, der nicht Angehöriger des Spruchkörpers i s t 3 , z . B . einen Sachverständigen 4 . N i c h t teilnahmeberechtigt jedenfalls als Gerichtsbeauftragte - sind andere bei Gericht Tätige, ζ. B. zur Ausbildung zugewiesene Referendare oder deutsche oder ausländische öffentliche Stellen (einschließlich der K o n s u l n ) 5 . Der Genehmigung der Bundesregierung bedarf die Teilnahme von richterlichem Personal nicht (§ 38 a Abs. 1 Z R H O ) . Die beabsichtigte Teilnahme und die Beteiligung sind a u f F o r m b l a t t Α anzuzeigen (§ 3 8 a Abs. 1 Z R H O ) . Für etwa notwendige dienstrechtliche Genehmigungen gilt dasselbe für eine Teilnahme an einer Beweisaufnahme im Inland an einem anderen als dem Prozessort. Es m a c h t insoweit keinen Unterschied, o b in einem Prozess vor dem Landgericht Stuttgart Beweis in Brüssel oder in H a m b u r g erhoben wird. § 1 0 7 3 lässt etwaige dienstrechtliche Erfordernisse nicht entfallen.

1

2

3

Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 1073, Rdn. 5. Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 1073, Rdn. 5; ZöWtrIGeimer § 1073, Rdn. 5. Vgl. Rauscher/i/o« Hein Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 12 EG-BewVO, Rdn. 4 ; Schmidt

4

s

Europäisches Zivilprozessrecht, Rdn. 3 4 3 ; Zölkr/Ceimer § 1073, Rdn. 6. Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann $ 1073, Rdn. 7. Vgl. Rauscher/ivo« Hein Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 12 EG-BewVO, Rdn. 4.

Rolf A. Schütze

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§ 1073 3

Elftes Buch. Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union

Die bloße Teilnahme an der Beweisaufnahme ist nützlich, aber nicht ausreichend. Art. 12 Abs. 3 EuBVO gibt dem ersuchenden Gericht die Möglichkeit, die aktive Teilnahme an der Beweisaufnahme zu beantragen. Dies hat formularmäßig auf Formblatt Α zu geschehen. Der Antrag wird regelmäßig dahingehen, dass das Gericht oder der Beauftragte Fragen an den Zeugen stellen kann. Wird keine besondere Art der Beteiligung beantragt, so legt das Rechtshilfegericht die Vorgehensweise nach seiner lex fori fest 6 .

II. Teilnahmerechte der Parteien und Sachverständiger 4

Art. 11 Abs. 1 EuBVO gibt den Parteien ein Anwesenheitsrecht bei der Beweisaufnahme im Ausland. Dasselbe gilt für ihre Vertreter, insbesondere Prozessbevollmächtigte. Das Teilnahmerecht steht unter dem Vorbehalt, dass das Rechts des ersuchenden Gerichts dies zulässt. § 1073 stellt dieses Teilnahmerecht der Parteien und ihrer Vertreter im deutschen Prozess ausdrücklich klar und verweist hinsichtlich des Umfangs des Teilnahmerechts auf das deutsche Recht.

Das deutsche Recht gewährleistet nicht nur ein Recht der Teilnahme der Parteien und ihrer Vertreter. Nach § 397 muss der Vorsitzende dem Zeugen auch eine zulässige Frage vorlegen, auch wenn er sie nicht für sachdienlich hält 7 . Darüber hinaus kann der Vorsitzende Parteien und Prozessbevollmächtigen nach § 397 Abs. 2 auf Verlangen gestatten, an den Zeugen unmittelbar Fragen zu stellen. 5 Auch Sachverständige sind teilnahmeberechtigt. Sachverständiger ist ein solcher, der von einem deutschen Gericht nach §§ 402ff. bestellt worden ist 8 .

III. Unmittelbare Beweisaufnahme 6

Abs. 2 eröffnet den Weg zur unmittelbaren Beweisaufnahme nach Art. 17 EuBVO. Hier liegt der materiell wohl größte Fortschritt, den die EuBVO für die Beweisaufnahme über die Grenze gebracht hat 9 . Denn nach den bestehenden völkerrechtlichen Bestimmungen über die Beweisaufnahme im Ausland, insbesondere dem Haager Beweisübereinkommen, ist eine direkte Beweisaufnahme durch den Richter des ersuchenden Gerichts auf dem Hoheitsgebiet des ersuchten Staates nicht zulässig 10 . Wählt das Gericht den Weg der unmittelbaren Beweisaufnahme, so ist § 363 nicht mehr anwendbar 1 1 . Die unmittelbare Beweisaufnahme steht nicht nur Richtern, sondern auch Sachverständigen offen 12 . Aus diese Weise darf der Sachverständige - was außerhalb des Geltungsbereichs der EuBVO zweifelhaft ist (vgl. dazu § 1072, Rdn. 11) - einen Ortstermin im Ausland durchführen. § 404 a ist zu beachten, vgl. Art. 17 Abs. 6 EuBVO.

6

7 8

30

Vgl. Huber in: G e b a u e r / W i e d m a n n , Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 12 EuBVO, R d n . 166; Mayr/Czernich Europäisches Zivilprozessrecht, R d n . 376; Stadler Grenzüberschreitende Beweisaufnahme in der Europäischen Union die Z u k u n f t der Rechtshilfe in Beweissachen, FS Geimer, 2 0 0 2 , S. 1281 ff. (1294). Vgl. B G H N J W 1997, 802. Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 1073, R d n . 10.

9

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11

12

Vgl. Schlosser EU-Zivilprozessrecht, Art. 17 EuBVO, R d n . 1. Vgl. Mayr/Czernich Europäisches Zivilprozessrecht, R d n . 382. Vgl. Hess/Müller Die Verordnung 1206/01/EG zur Beweisaufnahme im Ausland, Z Z P I n t 6 (2001), 149 ff. (162); Schlosser EU-Zivilprozessrecht, Art. 17 EuBVO, R d n . 2. Vgl. T h o m a s / P u t z o / R e i c h o l d , § 1073, R d n . 2.

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2. Abschnitt. Beweisaufnahme nach Verordnung (EG) Nr. 1206/2001

§ 1074

rv. Kosten Die Kosten bestimmen sich nach Art. 18 EuBVO, im Übrigen nach autonomem Recht (ZPO und JVEG) 13 .

7

§ 1074 Zuständigkeiten nach der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 (1) Für Beweisaufnahmen in der Bundesrepublik Deutschland ist als ersuchtes Gericht im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 dasjenige Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Verfahrenshandlung durchgeführt werden soll. (2) Die Landesregierungen können die Aufgaben des ersuchten Gerichts einem Amtsgericht für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte durch Rechtsverordnung zuweisen. (3) Die Landesregierungen bestimmen durch Rechtsverordnung die Stelle, die in dem jeweiligen Land 1. als deutsche Zentralstelle im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 zuständig ist, 2. als zuständige Stelle Ersuchen auf unmittelbare Beweisaufnahme im Sinne von Artikel 17 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 entgegennimmt. Die Aufgaben nach den Nummern 1 und 2 können in jedem Land nur jeweils einer Stelle zugewiesen werden. (4) Die Landesregierungen können die Befugnis zum Erlass einer Rechtsverordnung nach den Absätzen 2 und 3 Satz 1 einer obersten Landesbehörde übertragen. Übersicht Rdn. I. Zuständigkeit für Beweisaufnahmen im Inland 1. Zuständigkeit des Amtsgerichts . . . 2. Konzentrationsermächtigung II. Übermittlung des Ersuchens III. Zentralstellen 1. Bestimmung von Zentralstellen und deren Aufgaben a. Auskunfterteilung

1 2 3 4 6 6 7

Rdn. b. Lösung von Schwierigkeiten bei der Beweisaufnahme über die Grenze c. Weiterleitung eines Ersuchens in Ausnahmefällen 2. Deutsche Zentralstellen IV. Übertragung von Funktionen auf oberste Landesbehörde

8 9 10 11

I. Zuständigkeit für Beweisaufnahmen im Inland Nachdem sich die Abwicklung von Beweisaufnahmen über die Grenze über Zen- 1 tralstellen nach dem Haager Beweisübereinkommen als zu schwerfällig und zeitraubend erwiesen hat 1 ist der unmittelbare Geschäftsverkehr nach der EuBVO der entscheidende Vorteil im europäischen Beweisrecht. Dessen Zulassung in Art. 2 EuBVO

13

Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 1073, Rdn. 16.

1

Vgl. Berger Die EG-Verordnung über die Zusammenarbeit der Gerichte auf dem Gebiet der

Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen (EuBVO), IPRax 2001, 5 2 2 f f . ; Huber in: Gebauer/Wiemann Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 2 EuBVO, R d n . 47; Schlosser EUZivilprozessrecht, EuBVO, Art. 2, Rdn. 1.

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§ 1074

Elftes Buch. Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union

konkretisiert § 1074 durch die Bestimmung der Zuständigkeit für Beweisaufnahmen im Inland im Rahmen von vor ausländischen Gerichten schwebenden Prozessen. Nach Art. 2 Abs. 1 EuBVO kann das ausländische Gericht ein Beweisersuchen unmittelbar an das deutsche Gericht (ersuchtes Gericht) übersenden. 1. Zuständigkeit des Amtsgerichts 2

Ersuchtes Gericht ist das Amtsgericht, in dessen Sprengel die Verfahrenshandlung durchgeführt werden soll. Sollen Verfahrenshandlungen an verschiedenen Orten durchgeführt werden, etwa die Einnahme des Augenscheins im Sprengel des Gerichts A, die Zeugenvernehmung im Sprengel des Gerichts B, so ist jeweils ein besonderes Ersuchen erforderlich. Die Ersuchen können gleichzeitig gestellt werden. Das ist jedoch nur sinnvoll, wenn sie parallel erledigt werden können, da andernfalls die 9 0 Tagesfrist des Art. 10 Abs. 1 EuBVO u.U. zu kurz ist. Funktionell ist nicht der Rechtspfleger, sondern der Amtsrichter zuständig 2 . 2 . Konzentrationsermächtigung

3

Die Landesregierungen haben die Befugnis zur Konzentration der ersuchten Gerichte. Hiervon haben Gebrauch gemacht: Nordrhein-Westfalen3: Amtsgericht Duisburg (für die Amtsgerichtsbezirke Duisburg, Duisburg-Hamborn und Duisburg-Ruhrort); Amtsgericht Essen (für die Amtsgerichtsbezirke Essen, Essen-Borbeck und Essen-Steele); Amtsgericht Gelsenkirchen (für die Amtsgerichtsbezirke Gelsenkirchen und Gelsenkirchen - Buer); Amtsgericht Herne (für die Amtsgerichtsbezirke Herne und Herne-Wanne); Amtsgericht Mönchengladbach (für die Amtsgerichtsbezirke Mönchengladbach und Mönchengladbach-Rheydt) Rheinland-Pfalz gerichts.

4:

Amtsgericht am Sitz des Landgerichts für den Bezirk des Land-

II. Übermittlung des Ersuchens 4

Die Übermittlung des Ersuchens erfolgt im unmittelbaren Rechtsverkehr der Gerichte. Es gilt Art. 4 EuBVO für Form und Inhalt des Ersuchens. Das Ersuchen muss auf den dazu vorgesehenen Formblättern 5 gestellt werden. Die Verwendung der Formblätter ist zwingend 6 ' 7 . Formblatt Α sieht neben einer Bezeichnung von

2

3

4

5 6

32

Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 1074, Rdn.4. Vgl. Verordnung über Zuständigkeiten im Rechtshilfeverkehr zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften (ZuständigkeitsVO Rechtshilfe - ZustVO EUZHA) GV NRW 2004, 24. Vgl. Fünfzehnte Landesverordnung zur Änderung der Landesverordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivilsachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit v. 28. Juli 2005, GVB1. RhPf. 2005, 360. Abgedruckt sub II.2.a.gg. Vgl. dazu Erwägungsgrund 9: „Eine schnelle Übermittlung des Ersuchens um Beweisaufnahme erfordert den Einsatz aller geeigneten Mittel, wo-

bei bestimmte Bedingungen hinsichtlich der Lesbarkeit und der Zuverlässigkeit des eingegangenen Dokuments zu beachten sind. Damit ein Höchstmass an Klarheit und Rechtssicherheit gewährleistet ist, müssen die Ersuchen um Beweisaufnahme anhand eines Formblatts übermittelt werden, das in der Sprache des Mitgliedstaats des ersuchten Gerichts oder einer anderen von diesem Staat anerkannten Sprache auszufüllen ist. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, auch für die Kommunikation zwischen den betreffenden Gerichten nach Möglichkeit Formblätter zu verwenden. " 7

Vgl. Huber in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 4 EuBVO, Rdn. 85; Rauscher/yora Hein Europäisches Zi-

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2 . Abschnitt. Beweisaufnahme nach Verordnung (EG) Nr. 1 2 0 6 / 2 0 0 1

§ 1074

Parteien, deren Vertretern, des ersuchenden und ersuchten Gerichts und der an der Beweisaufnahme teilnehmenden Personen eine Darstellung von Art und Gegenstand des Falles, eine kurze Erläuterung des Sachverhalts und die Beschreibung der durchzuführenden Beweisaufnahme vor. Im Übrigen gilt § 8 3 Z R H O für Form und Fristen der Erledigung. Ist das Gesuch nicht auf den vorgeschriebenen Formblättern gestellt oder ist es unvollständig, so muss es zurückgewiesen werden. Es gilt Art. 8 Abs. 1 E u B V O .

5

Das Ersuchen und die ihm beigefügten Unterlagen bedürfen gem. Art. 4 Abs. 2 EuBVO nicht der Beglaubigung oder einer sonstigen gleichwertigen Formalität.

III. Zentralstellen 1. Bestimmung von Zentralstellen und deren Aufgaben Nach Art. 3 EuBVO hat jeder Mitgliedstaat eine oder - bei Bundesstaaten mit mehreren Rechtssystemen oder Staaten mit autonomen Gebietskörperschaften (Art. Art 3 Abs. 2 EuBVO) - mehrere Zentralstellen zu benennen. Die Zentralstellen sind mit der Durchführung von Beweisaufnahmen über die Grenze nicht direkt befasst. Ihre Aufgabe ist dreifach:

6

a) Auskunfterteilung. Die Zentralstellen sind verpflichtet, Auskunft über alle die EuBVO und ihre Anwendung betreffenden Fragen zu erteilen. Das ist eine besonders wichtige Funktion, da die Sammlung und Veröffentlichung über die Zuständigkeiten im Rahmen der Verordnung nur mangelhaft und schwer zugänglich sind.

7

Berechtigt zur Stellung eines Auskunftsverlangens sind nach dem Wortlaut der Bestimmung nur Gerichte, nicht Privatpersonen. Diese können jedoch bei Gericht anregen, ein entsprechendes Auskunftverlangen zu stellen 8 . Das Gericht ist jedoch nicht verpflichtet, einer solchen Anregung zu folgen. Berechtigt zur Auskunfterteilung sind deutsche und ausländische Gerichte. Die Beschränkung auf ausländische Gerichte, die in der Literatur teilweise vertreten wird 9 , lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn der Bestimmung herleiten. Art. 3 Abs. 1 lit. a EuBVO soll der Faulheit von Gerichten nicht Vorschub leisten. Informationen, die anderweit aus leicht zugänglichen Quellen 1 0 erlangt werden können, sollen nicht Gegenstand von Informationsersuchen sein. Dasselbe gilt für Auskünfte über ausländisches R e c h t 1 1 . Die Zentralstelle kann die Erledigung derartiger Anfragen ablehnen. b) Lösung von Schwierigkeiten bei der Beweisaufnahme über die Grenze. Schwierigkeiten können bei einem Ersuchen dann auftreten, wenn Missverständnisse und Kontroversen im Zusammenhang mit der Vervollständigung unvollständiger Ersuchen, der Sprache, der Form und der Kosten im unmittelbaren Verkehr zwischen den Gerichten auftreten 1 2 . Erst wenn der Weg über Art. 3 Abs. 1 lit. b EuBVO scheitert, ist nach § § 3 6 Abs. 5 S. 3, 31 Abs. 4 Z R H O zu verfahren. vilprozessrecht, Art. 4 EG-BewVO, Rdn. 25; Schlosser EU-Zivilprozessrecht, Art. 4 EuBVO, Rdn. 4. 8 Vgl. Rauscher/yo« Hein Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 3 EG-BewVO, Rdn. 3. ' Vgl. Huber in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 3 EuBVO, Rdn. 56.

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12

Das gilt insbesondere für die Länderberichte zur ZRHO und das Handbuch der Kommission. Vgl. Rauscher/i/o« Hein Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 3 EG-BewVO, Rdn. 2. Vgl. Rauscher/i/o« Hein Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 3 EG-BewVO, Rdn. 6.

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8

§ 1074

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Elftes Buch. Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union

c) Weiterleitung eines Ersuchens in Ausnahmefällen. In Ausnahmefällen leitet die Zentralstelle nach Art. 3 Abs. 1 lit. c EuBVO ein Ersuchen auf Antrag eines ersuchenden Gerichts an das zuständige Gericht weiter. Dabei ist die Zentralstelle allein auf die Weiterleitung beschränkt. Eine eigene Prüfungskompetenz des Antrags steht ihr nicht zu 1 3 . § 8 2 Abs. 2 Z R H O konkretisiert die Ausnahmeregel dahin, dass die Weiterleitung nur in begründeten Ausnahmefällen erfolgen darf. Das bedeutet, dass die Zentralstelle ein Prüfungsrecht hinsichtlich des Tatbestandmerkmals des Ausnahmefalles hat und - wenn es diesen verneint - das Ersuchen zurückweisen muss 1 4 . Ausnahmefälle i. S. von Art. 3 Abs. 1 lie. EuBVO werden selten sein. Sie können insbesondere dann auftreten, wenn Zweifel über die Zuständigkeit des ersuchten Gerichts bestehen etwa bei positivem oder negativem Kompetenzkonflikt oder weil sich Gerichtsbezirke geändert haben. Ein Ausnahmefall ist auch dann gegen, wenn sich das ersuchte Gericht willkürlich weigert, das Ersuchen im unmittelbaren Geschäftsverkehr entgegenzunehmen 1 5 . 2 . Deutsche Zentralstellen

10

Die Landesregierungen bestimmen die Zentralstellen nach Art. 3 EuBVO entweder selbst oder ermächtigen eine oberste Landesbehörde hierzu. In Deutschland sind als Zentralstellen bestimmt: Baden-Württemberg: Amtsgericht Freiburg Bayern: Bayerisches Staatsministerium der Justiz Berlin: Senatsverwaltung für Justiz Brandenburg: Ministerium der Justiz und für Europaangelegenheiten des Landes Brandenburg Bremen: Landgericht Bremen Hamburg: Amtsgericht Hamburg Hessen: Hessisches Ministerium der Justiz Mecklenburg-Vorpommern: Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen: Niedersächsisches Justizministerium Nordrhein-Westfalen: Oberlandesgericht Düsseldorf Rheinland-Pfalz: Ministerium der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz Saarland: Ministerium der Justiz Sachsen: Präsident des Oberlandesgerichts Dresden Sachsen-Anhalt: Ministerium der Justiz Schleswig-Holstein: Ministerium für Justiz, Frauen, Jugend und Familie Thüringen: Thüringer Justizministerium

IV. Übertragung von Funktionen auf oberste Landesbehörde 11

Von der Übertragungsbefugnis zum Erlass von Rechtsverordnungen nach Abs. 2 und 3 S. 1 haben Gebrauch gemacht: Hamburg16: 13

14

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Übertragung der Ermächtigung auf die Justizbehörde

Vgl. Berger Die EG-Verordnung über die Zusammenarbeit der Gerichte auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen (EuBVO), IPRax 2001, 522ff. (523); Huber in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 3 EuBVO, Rdn. 57, FN 138. Vgl. Huber in: Genauer/Wiedmann, Zivilrecht unter

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unter europäischem Einfluss, Art. 3 EuBVO, Rdn. 57. Vgl. Rauscher/fon Hein Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 3 EG-BewVO, Rdn. 8. Vgl. Zweite Verordnung zur Weiterübertragung bundesgesetzlicher Verordnungsermächtigungen im Justizbereich vom 10. Februar 2004, HmbGVBl. 2004, 61.

Rolf A. Schütze

2 . Abschnitt. Beweisaufnahme nach Verordnung (EG) Nr. 1 2 0 6 / 2 0 0 1

§

1075

§ 1075 Sprache eingehender Ersuchen Aus dem Ausland eingehende Ersuchen auf Beweisaufnahme sowie Mitteilungen nach der Verordnung (EG) Nr. 1 2 0 6 / 2 0 0 1 müssen in deutscher Sprache abgefasst oder von einer Übersetzung in die deutsche Sprache begleitet sein. Übersicht Rdn.

Rdn. I. Sachlicher Geltungsbereich II. Ausschließlichkeit der Benutzung der Gerichtssprache

1 2

ΠΙ. Keine Ausnahmen bei Sprachkenntnis der Beteiligten IV. Rechtsfolgen der Benutzung einer nicht zugelassenen Sprache

3 4

I. Sachlicher Geltungsbereich § 1075 konkretisiert Art. 5 EuBVO. Der sachliche Geltungsbereich beider BeStimmungen deckt sich. Beide Regelungen beziehen sich nur auf Rechtshilfeersuchen und Mitteilungen nach der EuBVO, nicht jedoch auf Beweisaufnahmehandlungen. Die Sprachenfrage für die Beweisaufnahme selbst ist nicht in Art. 5 EuBVO geregelt. Sie bestimmt sich nach dem auf die Beweisaufnahme anwendbaren Verfahrensrecht 1 . Die Beweisaufnahme in Deutschland ist deshalb zwar auch in deutscher Sprache durchzuführen 2 , fällt jedoch nicht unter § 1075. Deshalb findet auf die Beweisaufnahme auch § 185 Abs. 1 S. 1 G V G Anwendung 3 . Wird die Beweisaufnahme unter Beteiligung eines der deutschen Sprache nicht Mächtigen durchgeführt, so ist ein Dolmetscher beizuziehen 4 . Beherrschen alle Beteiligten - einschließlich des Protokollführers 5 - die deutsche Sprache, so kann die Beweisaufnahme auch in fremder Sprache durchgeführt werden 6 .

1

II. Ausschließlichkeit der Benutzung der Gerichtssprache Art. 5 EuBVO schreibt für das Beweisersuchen die Benutzung der Gerichtssprache(n) des ersuchten Mitgliedstaates vor. Das ist nach § 184 GVG deutsch. § 1075 konkretisiert Art. 5 EuBVO. Die EuBVO folgt damit nicht dem Beispiel von Art. 4 Abs. 2 Haager Beweisübereinkommen, wonach - soweit kein Vorbehalt gemacht worden ist - Rechtshilfeersuchen auch in englischer oder französischer Sprache abgefasst werden oder von einer Übersetzung in diese Sprachen begleitet sein können. Bei der wachsenden Zahl von nicht außerhalb des Sprachgebiets verständlichen Sprachen in der EU wäre eine solche Regelung sinnvoll gewesen. Prestigeerwägungen haben in der EUBVO eines solche Regelung wohl verhindert 7 . Die Abfassung des Ersuchens wird durch die Benutzung des Formblatts Α (in deutscher Sprache) erleichtert.

' Vgl. Huber in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 5 EuBVO, Rdn. 87; Rauscher/i/on Hein Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 10 EG-BewVO, Rdn. 3. 2

Vgl. Huber in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 10 EuBVO, Rdn. 127; Rauscher/von Hein Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 10 EG-BewVO, Rdn. 5.

3

4

5 6 7

Vgl. Rauscher/i/o« Hein Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 10 EG-BewVO, Rdn. 5. Vgl. zu der Qualität des Dolmetschers Schütze D I Z P R , Rdn. 196. Vgl. Schuck I Z V R , Rdn. 5 7 8 . Vgl. Saenger/Saenger § 1075, Rdn. 1. Vgl. Rauscher/fon Hein Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 EG-BewVO, Rdn. 3.

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§ 1075

Elftes Buch. Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union

III. Keine Ausnahmen bei Sprachkenntnis der Beteiligten 3

§ 185 Abs. 2 G V G macht für den Fall, dass alle Beteiligten eine fremde Sprache beherrschen Ausnahmen von der Verpflichtung zur Benutzung der Gerichtssprache und der Notwendigkeit der Zuziehung eines Dolmetschers nach § 185 Abs. 1 G V G 8 . Angesichts des klaren Wortlauts des § 1075 kann die Ausnahme des § 185 Abs. 1 G V G nicht für eingehende Ersuchen gelten 9 . Dasselbe gilt für Mitteilungen im Rahmen des Beweisaufnahmeverfahrens über die Grenze. D a s ist sachgerecht, da sonst die administrative Durchführung erschwert würde. Wegen der weitgehend formularmäßigen Abwicklung entstehen auch keine unzumutbaren Schwierigkeiten für die ausländischen Beteiligten.

IV. Rechtsfolgen der Benutzung nicht zugelassener Sprache 4

Wird das Ersuchen in nicht zugelassener Sprache gestellt, also in einer anderen als der deutschen Sprache, so wird es nicht bearbeitet. Die Frist des Art. 10 Abs. 1 EuBVO wird nicht in Lauf gesetzt 1 0 . Das ersuchte Gericht kann es aber nicht einfach nicht beachten. Es muss das Ersuchen nach Formblatt Β für erledigungsunfähig erklären 1 1 und so dem ersuchenden Gericht die Chance geben, das Gesuch erneut in deutscher Sprache zu stellen. D a s gebietet die gemeinschaftsrechtliche Kooperationspflicht 12 .

ABSCHNITT 3 Prozesskostenhilfe nach Richtlinie 2 0 0 3 / 8 / E G

Vorbemerkung zu §§ 1076-1078 §§ 1 0 7 6 - 1 0 7 8 regeln die Umsetzung der Prozesskostenhilferichtlinie 2003/8/ E G 1 . Diese gilt nicht unmittelbar in Deutschland, bedarf vielmehr der Einführung in das deutsche Recht. Die Prozesskostenhilferichtlinie soll Mindeststandards für die Armenrechtsgewährung 2 im grenzüberschreitenden Verkehr gewährleisten, wobei dahingestellt bleiben mag, ob „grenzüberschreitende Verfahren armer Leute ... gewiss eine Randerscheinung im großen „litigation business" s i n d " 3 . Jedenfalls haben EU-Bürger nach Art. 4 7 Abs. 3 der Grundrechtscharta vom 8. Dezember 2 0 0 0 4 einen Anspruch auf Armenrecht, um Ansprüche gerichtlich durchsetzen oder sich gegen Ansprüche gerichtlich verteidigen zu können. Vgl. im einzelnen Wieczorek/SchützdSchreiber S 185 GVG, Rdn. 7f. Vgl. R a u s c h e r / f o « Hein Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 EG-BewVO, Rdn. 1; Saenger/ Saenger § 1075, Rdn. 1. Vgl. Rauscher/yoM Hein Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 5 EuBVO, Rdn. 5. Vgl. Huber in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 5 EuBVO, Rdn. 93; Schlosser EU-Zivilprozessrecht, Art 5 EuBVO, Rdn. 1. Vgl. dazu Hess IPRax 2001, 3 8 9 f f . (393).

1 2

3

4

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Abgedruckt sub II.2.b. Die termini Armenrecht und Prozesskostenhilfe werden synonym benutzt. Der überkommene Begriff des Armenrechts, der sich international durchgesetzt hatte und in internationalen Übereinkommen über die Rechtshilfe benutzt wird, ist aus politischen Gründen von „Justizsoziolog e n " geändert worden, ohne dass sich materiell etwas geändert hätte. So Gottwald Prozesskostenhilfe für grenzüberschreitende Verfahren in Europa, FS Rechberger, 2005, S. 173ff. (173). ABl. E G C 346/1, 2 0 v. 18.12.2000.

Rolf A. Schütze

3. Abschnitt. Prozesskostenhilfe nach Richtlinie 2 0 0 3 / 8 / E G

§ 1076

Schrifttum Gottwald Prozesskostenhilfe für grenzüberschreitende Verfahren in Europa, FS Rechberger, 2 0 0 5 , S. 173 ff.; Jastrow Grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe in Zivilsachen - die EGRichtlinie 8 / 2 0 0 3 , M D R 2 0 0 4 , 75 ff.; Jastrow/Mirow Europäische Prozesskostenhilferichtlinie, in: Gebauer/Wiedmann (Herausg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2 0 0 5 , S. 1563 ff.; Rellermeyer Rechtspflegergeschäfte nach dem EG-Prozesskostenhilfegesetz, RPfl. 2 0 0 5 , 61 ff.; Schmidt Europäisches Zivilprozessrecht, Rdn. 3 7 6 ff.

§ 1076 Anwendbare Vorschriften Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union nach der Richtlinie 2 0 0 3 / 8 / E G des Rates vom 27. Januar 2 0 0 3 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen (ABl. EG Nr. L 2 6 S. 41, ABl. EU Nr. L 32 S. 15) gelten die §§ 114 bis 127a, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist.

Rdn. I. Sachlicher Anwendungsbereich 1. Grundsatz: Internationale Streitigkeit 2. Zivil- oder Handelssache 3. Verfahrensart II. Persönlicher Geltungsbereich 1. Natürliche Person

.

1 1 4 7 8 8

Rdn. 2. Legaler Aufenthalt 3. Unerheblichkeit der Staatsangehörigkeit III. Räumlicher Geltungsbereich IV. Anspruchsberechtigung V. Anwendbarkeit der § § 1 1 4 f f

10 11 12 13 14

I. Sachlicher Anwendungsbereich 1. Grundsatz: Internationale Streitigkeit Der Anwendungsbereich der Richtlinie ist auf „Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug" beschränkt (Art. 1 Abs. 1 PKHRL). Art. 2 bringt eine Legaldefinition dieser Streitigkeiten. Eine internatonale Streitigkeit liegt dann vor, wenn Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt der armen Partei in einem Mitgliedstaat der EU liegt und das Verfahren, für das Armenrecht begehrt wird in einem anderen Mitgliedstaat der EU geführt wird. Nicht ausreichend ist, dass der Gegner des Antragstellers im Ausland Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat 1 .

1

Die Bestimmung des Wohnsitzes erfolgt nach gleichen Kriterien wie in Artt. 2, 5 9 V O (EG) Nr. 44/2001. Der europäische Gesetzgeber hat darauf verzichtet, einen einheitlichen gemeineuropäischen Wohnsitzbegriff zu schaffen und verweist auf das Recht der Mitgliedstaaten. Ob und in welchem Mitgliedstaat der Wohnsitz der armen Partei liegt, bestimmt sich nach dem Recht des Staates des behaupteten Wohnsitzes. Soweit das Prozessrecht des Mitgliedstaates nicht auf sein Zivilrecht

2

1

Vgl. Jastrow/Mirow

in:

Gebauer/Wiedmann,

Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Rdn. 11; Wagner Z u r Vereinheitlichung des internationa-

len Zivilverfahrensrechts vier Jahre nach Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags, N J W 2 0 0 3 , 2 3 4 4 ff. ( 2 3 4 6 ) .

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37

§ 1076

Elftes Buch. Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union

Bezug nimmt, sondern Regeln über einen prozessualen Wohnsitzbegriff kennt 2 , sind diese maßgebend. 3

Ebenso wie das EuGVÜ verzichtet die V O (EG) Nr. 4 4 / 2 0 0 1 auf den gewöhnlichen Aufenthalt als Anknüpfung an die Zuständigkeit 3 . Diese Regelwerke können zur Auslegung deshalb nicht herangezogen werden. Auch hier muss man für die Bestimmung des Begriffes des gewöhnlichen Aufenthalts auf das Recht des behaupteten gewöhnlichen Aufenthalts abstellen. Behauptet ein Marokkaner im Rahmen des Armenrechtsverfahrens für einen Zivilprozess in Stuttgart, er habe gewöhnlichen Aufenthalt in Brüssel, so ist das belgische Recht für den Aufenthaltsbegriff maßgebend. 2 . Zivil- oder Handelssache

4

Die Streitigkeit, die Gegenstand der Prozessführung ist, muss eine Zivil- oder Handelssache 4 zum Gegenstand haben. Der Begriff entspricht dem in Art. 1 V O (EG) Nr. 4 4 / 2 0 0 1 5 sowie Art. 1 Abs. 1 EuGVÜ/LugÜ. Er ist autonom zu qualifizieren 6 , um eine einheitliche Anwendung im europäischen Justizraum zu gewährleisten. Auch die Geltendmachung von Ersatzansprüchen des Verletzten im Strafverfahren gegen den Schädiger (Adhäsionsverfahren) ist zivilrechtlicher Natur. Das entspricht Art. 5 Nr. 4 V O (EG) Nr. 4 4 / 2 0 0 1 und Artt. 5 Nr. 4 EuGVÜ/LugÜ 7 . Ausgeschlossen sind öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, insbesondere Steuer-, verwaltungs- und zollrechtliche Angelegenheiten (Art. 1 Abs. 2 Richtlinie) 8 . Die Ausklammerung öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten mag angesichts des Entwicklungsstandes der Europäischen Gemeinschaften „antiquiert" sein 9 , der europäische Gesetzgeber hat sich aber für die Beschränkung auf zivil- und handelsrechtliche Streitigkeiten entschieden. Das ist hinzunehmen. Zivilrechtlicher Natur sind - unabhängig von dem Gerichtszweig, in dem Ansprüche geltend zu machen sind (materiellrechtliche Einordnung) 1 0 - auch familien-, arbeits- und patentrechtliche Ansprüche 1 1 .

5

Nachdem bestimmte Zivilsachen in Art. 1 Abs. 2 V O (EG) Nr. 4 4 / 2 0 0 1 und den entsprechenden Bestimmungen in EuGVÜ/LugÜ aus dem Anwendungsbereich der Regelwerke ausgenommen sind, könnte man geneigt sein diese Rechtssachen auch aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie auszunehmen. Das wäre aber zu formal. Entscheidend ist der jeweilige Grund für die Ausnahme.

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3

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5

6

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Vgl. dazu Geimer/Schütze EuZVR, A.1, Art. 59, Rdn. 8 ff. mit Beispielen. Vgl. dazu Geimer/Schütze EuZVR, A.l, Art. 2, Rdn. 20. Zum Begriff der Handelssache vgl. Geimer/ Schütze EuZVR, A.l, Art. 1 Rdn.24ff.; Luther Zur Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen und Schiedssprüchen in Handelssachen im deutsch-italienischen Rechtsverkehr, ZHR 127 (1964), 145 ff. Vgl. Schmidt Europäisches Zivilprozessrecht, Rdn. 77; zurückhaltend Jastrow/Mirow in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Europäische Prozesskostenrichtlinie, Rdn. 11, FN 12 (kann als Leitlinie für die Auslegung gelten). Vgl. EuGH Rs. 29/76 - LTU v. Eurocontrol -

7

8

9

10

11

EuGHE 1976, 1541 = NJW 1977, 489 mit Anm. Geimer = RIW/AWD 1977, 4 0 mit Anm. Linke = Rev. crit. 1977, 772 mit Anm. Droz. Vgl. dazu Kohler Adhäsionsverfahren und Brüsseler Übereinkommen 1968, in: Will (Herausg.), Schadensersatz im Strafverfahren, 1990, S. 74ff. Vgl. Jastrow/Mirow in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Europäische Prozesskostenhilferichtlinie, Rdn. 11. Vgl. Geimer/Schütze EuZVR, A.l, Art. 1 Rdn. 1; Schlosser EU Zivilprozessrecht, 2. Aufl., 2002, Art. 1 Rdn. 3. Vgl. Geimer/Schütze EuZVR, A.l, Art. 1, Rdn. 27 ff. Vgl. Jastrow/Mirow in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Europäische Prozesskostenhilferichtlinie, Rdn. 11.

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3. Abschnitt. Prozesskostenhilfe nach Richtlinie 2 0 0 3 / 8 / E G

§ 1076

Die Verfahren nach Art. 1 Abs. 2 lit. a und b (Nr. 1 und 2) der Regelwerke sind von der Anwendung ausgenommen, weil eine besondere europarechtliche Regelung hierfür geschaffen werden sollte 1 2 . Das ist inzwischen im familienrechtlichen Bereich durch V O (EG) Nr. 1 3 4 7 / 2 0 0 0 und 2 2 0 1 / 2 0 0 3 weitgehend geschehen. Für güterrechtlichen Streitgegenstände und die erbrechtlichen Materien sollen eigene Verordnungen erarbeitet werden (Brüssel III und IV). Für Insolvenzverfahren ist eine europarechtliche Regelung in der EulnsVO geschaffen worden. Es besteht deshalb kein Grund, Zivilsachen, die unter Art. 1 Abs. 2 lit. a und b V O (EG) Nr. 4 4 / 2 0 0 1 oder den Ausnahmekatalog der Nr. 1 und 2 EuGVÜ/LugÜ fallen, aus dem Geltungsbereich der Richtlinie auszunehmen 1 3 . Etwas anderes gilt für die Materien der sozialen Sicherheit und der Schiedsgerichtsbarkeit. Diese fallen nicht unter den Begriff der Zivilsache in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie. Angelegenheiten der sozialen Sicherheit sind regelmäßig öffentlich-rechtlicher Natur - jedenfalls nach deutschem Rechtsverständnis 1 4 - und schon deshalb aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen. Würde man Verfahren vor den Schiedsgerichten unter die Richtlinie fallen lassen, dann würde über die „Hintertür" der Weg zum Armenrecht im Schiedsverfahren eröffnet, was nach allgemeiner Ansicht nicht der Fall ist 1 5 . Im Übrigen ist die Richtlinie nach Art. 3 Abs. 2 lit. b auf die Geltendmachung von Ansprüchen vor staatlichen Gerichten und nach lit. a dieser Bestimmung auf die vorprozessuale Beratung vor eben diesen Gerichte beschränkt.

6

3. Verfahrensart § § 1076 ff. gelten für alle gerichtlichen Verfahren unabhängig von dem Gerichtszweig, soweit eine Zuständigkeit für Zivil- und Handelssachen besteht. Die P K H R L regelt zwar auch das außerprozessuale Armenrecht, unterscheidet terminologisch aber nicht zwischen Prozesskosten- und Beratungshilfe. Unter Prozesskostenhilfe in §§ 1 0 7 6 f f . ist nur diejenige i. S. von §§ 114ff. zu verstehen. Soweit die P K H R L grenzüberschreitende Beratungshilfe vorsieht, ist die Umsetzung im Beratungshilfegesetz erfolgt.

7

II. Persönlicher Geltungsbereich 1. Natürliche Person Der persönliche Anwendungsbereich ist auf natürliche Personen beschränkt (Art. 3 Abs. 1). Juristische Personen fallen nicht unter die P K H R L , auch nicht Parteien kraft Amtes, die an die Stelle juristischer Personen getreten sind 1 6 . Auch sind Pläne, Verbraucherschutzorganisationen in den Geltungsbereich der P K H R L einzubeziehen, nicht verwirklicht worden 1 7 .

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14

Vgl. Geimer/Schütze EuZVR, A.l, Art. 1, Rdn. 66 ff. Vgl. ausdrücklich für insolvenzrechtliche Ansprüche Jastrow/Mirow in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Europäische Prozesskostenhilferichtlinie, Rdn. 11. Anders ζ. B. das belgische Recht; vgl. zu diesem Problem bei der Anwendung des deutsch-belgischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrages Geimer/Schütze Internationale Urteilsanerkennung, Bd. II, S . 2 5 7 f .

15

Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 1 1 4 , Rdn. 37; Maier Handbuch der Schiedsgerichtsbarkeit, 1979, Rdn. 13; Schütze/Tscherning/Wais Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Aufl., 1990, Rdn. 592; Wieczorek/Schütze/Sctaze § 1034, Rdn. 39.

K

Vgl. Schmidt Europäisches Zivilprozessrecht, Rdn. 379. Vgl. Jastrow/Mirow in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Europäische Prozesskostenrichtlinie, Rdn. 11, FN 11.

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§ 1076 9

Elftes Buch. Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union

Über die Verpflichtungen aus der Richtlinie hinaus hat der deutsche Gesetzgeber die Armenrechtsgewährung für juristische Personen europäisiert. Nach § 116 Abs. 1 Nr. 2 sind juristische Personen und parteifähige Vereinigungen, die in einem Mitgliedsstaat der EU oder des E W R gegründet oder dort ansässig ist, einer inländischen juristischen Person oder parteifähigen Vereinigung gleichgestellt. Hierbei handelt es sich um eine Vorschrift, auf die §§ 1 0 7 6 - 1 0 7 8 nicht anwendbar ist. 2 . Legaler Aufenthalt

10

Der Antragsteller muss sich legal in dem Mitgliedstaat aufhalten (Art. 4). Der Begriff der Legalität des Aufenthaltsortes ist ausländerrechtlich zu qualifizieren. O b der Aufenthalt legal im Sinne von Art. 4 ist, bestimmt sich nach dem Recht des tatsächlichen Aufenthalts. Beantragt ein M a r o k k a n e r mit gewöhnlichem Aufenthalt in Brüssel Prozesskostenhilfe, so bestimmt sich die Legalität seines Aufenthalts in Belgien nach belgischem Recht. 3. Unerheblichkeit der Staatsangehörigkeit

11

Die Staatsangehörigkeit der armen Partei ist unerheblich. Das Diskriminierungsverbot des Art. 4 P K H R L verbietet eine unterschiedliche Behandlung von EU-Bürgern und Drittstaatsangehörigen. Ungeregelt ist die Rechtsstellung der Staatenlosen. Sie genießen nach der Ratio des Art. 4 P K H R L auch die Vergünstigung der grenzüberschreitenden Prozesskostenhilfe. Das ergibt sich für Deutschland im Übrigen auch aus dem New Yorker Abkommen über die Rechtsstellung von Staatenlosen vom 2 8 . 8 . 1 9 5 4 1 8 , dessen Art. 16 Abs. 2 Inländerbehandlung für die Gewährung von Armenrecht vorschreibt.

III. Räumlicher Geltungsbereich 12

Der räumliche Geltungsbereich der Richtlinie umfasst alle EU Staaten mit Ausnahme Dänemarks. Im Hinblick auf die besondere Situation Dänemarks 1 9 und die Vorbehalte Dänemarks ist Dänemark in Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie aus ihrem Geltungsbereich ausgeklammert. Es ist aber zu erwarten, dass durch die Verträge der EU mit D ä n e m a r k 2 0 eine faktische Erstreckung stattfindet. Im Übrigen ist der räumliche Geltungsbereich der Richtlinie mit dem der V O (EG) Nr. 4 4 / 2 0 0 1 identisch. Es gilt Art. 2 9 9 E G V 2 1 .

IV. Anspruchsberechtigung 13

Für die Anspruchsvoraussetzungen und die Anspruchsberechtigung für die Rechtsverfolgung vor deutschen Gerichten gelten die §§ 114 ff., die im Einklang mit der P K H R L stehen, teilweise über diese hinausgehen. Über die Voraussetzungen der Gewährung des Armenrechts für die Prozessführung vor ausländischen Gerichten ent-

18 19

20

40

BGBl. 1976 II 473. Vgl. dazu Kohler Vom EuGVÜ zur E u G W O : Grenzen und Konsequenzen der Vergemeinschaftung, FS Geimer, 2002, S.461ff. (468ff.). Vgl. dazu Jayme/Kohler Europäisches Kollisionsrecht 2005: Hegemonialgesten auf dem Weg zu

21

einer Gesamtvereinheitlichung, IPRax 2005, 481 ff. (485f.). Vgl. dazu Geimer/Scbütze EuZVR, A.l, Einl., Rdn.202ff.; Rauscher/Staudinger Europäisches Zivilprozessrecht, Einl. Brüssel I-VO, Rdn. 13 ff.

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3. Abschnitt. Prozesskostenhilfe nach Richtlinie 2 0 0 3 / 8 / E G

§ 1076

scheidet das zuständige Gericht oder die zuständige Behörde dieses Staates (Art. 15 Abs. 1 P K H R L ) . Die Bewilligungsvoraussetzungen richten sich nach der jeweiligen lex fori 2 2 . Diese müssen den Mindeststandards der P K H R L entsprechen. Abweichend von der autonomen deutschen Regelung ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Instanzenzug. Vgl. dazu § 1078, Rdn. 7.

V. Anwendbarkeit der §§ 114 ff. Auf die Armenrechtsgewährung über die Grenze, die Gegenstand der Prozesskostenhilferichtlinie ist, finden in Verfahren vor deutschen Gerichten die §§ 114 ff. Z P O Anwendung 2 3 . Die deutsche Regelung steht mit den Erfordernissen der Richtlinie im Einklang, insbesondere auch das Erfordernis der hinreichenden Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung in § 114 Z P O (Art. 6 P K H R L ) 2 4 .

14

Hinsichtlich der Prüfung der Armut findet sich in § 1 0 7 8 Abs. 3 Z P O eine Anpassungsregelung zur Berücksichtigung unterschiedlicher Lebenshaltungskosten in den betroffenen Staaten (Wohnsitz-/Aufenthaltsstaat und Gerichtsstaat). Vgl. dazu dort Rdn. 6. Die Richtlinie enthält zwar ein Diskriminierungsverbot (Art. 4 ) , regelt aber bedauerlicherweise nicht das rechtliche Gehör im Verfahren auf Gewährung der Prozesskostenhilfe. So bleibt es bei der verfassungsrechtlich problematischen Regelung des § 117 Abs. 2 Z P O . Dem Antragsgegner wird rechtliches Gehör nicht gewährt, obwohl gerade er am besten falsche Angaben aufdecken und zu den Vermögensverhältnissen des Antragstellers vortragen könnte. Die Regelung der §§ 114, 116 Z P O steht im Übrigen im Einklang mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 4 der Richtlinie. § 114 Z P O differenziert bei natürlichen Personen nicht hinsichtlich der Staatsangehörigkeit. Auch Ausländer und Staatenlose haben Anspruch auf Gewährung von Armenrecht 2 5 . Für juristische Personen hat § 116 Abs. 1 Nr. 2 das Postulat des Art. 4 der Richtlinie nunmehr verwirklicht. Ausländische juristische Personen oder parteifähige Vereinigungen, die im Inland oder einem Staat der EU oder des E W R gegründet und dort ansässig sind, sind inländischen juristischen Personen gleichgestellt. Das gilt nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes auch im Hinblick Dänemark, obwohl dieser Staat aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie nach Art. 1 Abs. 3 ausgeschlossen ist.

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23

24

Vgl. Gottwald Prozesskostenhilfe für grenzüberschreitende Verfahren in Europa, FS Rechberger, 2005, S. 173 ff. (180). Vgl. Thomas/Putzo/ReicWif § 1076, Rdn. 2; Zöller/Geimer § 1076, Rdn. 4. Vgl. Schmidt Europäisches Zivilprozessrecht, Rdn.378; Zöller/Geimer § 1076, Rdn. 4.

25

Vgl. OLG Düsseldorf, MDR 1994, 301; LAG Hessen MDR 2001, 478; Thomas/Putzo/ Reichold § 114, Rdn. 2; Wieczorek/Schütze/Steiner § 114, Rdn. 3; Zöller/Philipp/ § 114, Rdn. 5.

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§ 1077

Elftes Buch. Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union

§ 1077 Ausgehende Ersuchen (1) Für die Entgegennahme und Ubermitdung von Anträgen natürlicher Personen auf grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Antragsteller seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat (Übermittlungsstelle). Die Landesregierungen können die Aufgaben der Übermittlungsstelle einem Amtsgericht für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte durch Rechtsverordnung zuweisen. Sie können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. (2) Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die in Artikel 16 Abs. 1 der Richtlinie 2 0 0 3 / 8 / E G vorgesehenen Standardformulare für Anträge auf grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe und für deren Übermittlung einzuführen. Soweit Standardformulare für Anträge auf grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe und für deren Übermittlung eingeführt sind, müssen sich der Antragsteller und die Übermittlungsstelle ihrer bedienen. (3) Die Übermittlungsstelle kann die Übermittlung durch Beschluss vollständig oder teilweise ablehnen, wenn der Antrag offensichtlich unbegründet ist oder offensichtlich nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2 0 0 3 / 8 / E G fällt. Sie kann von Amts wegen Übersetzungen von dem Antrag beigefügten fremdsprachigen Anlagen fertigen, soweit dies zur Vorbereitung einer Entscheidung nach Satz 1 erforderlich ist. Gegen die ablehnende Entscheidung findet die sofortige Beschwerde nach Maßgabe des § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3 statt. (4) Die Übermittlungsstelle fertigt von Amts wegen Übersetzungen der Eintragungen im Standardformular für Anträge auf Prozesskostenhilfe sowie der beizufügenden Anlagen a) in eine der Amtssprachen des Mitgliedstaats der zuständigen Empfangstelle, die zugleich einer der Amtssprachen der Europäischen Union entspricht, oder b) in eine andere von diesen Mitgliedstaaten zugelassene Sprache. Die Übermittlungsstelle prüft die Vollständigkeit des Antrags und wirkt darauf hin, dass Anlagen, die nach ihrer Kenntnis zur Entscheidung über den Antrag erforderlich sind, beigefügt werden. (5) Die Übermittlungsstelle übersendet den Antrag und die beizufügenden Anlagen ohne Legalisation oder gleichwertige Förmlichkeiten an die zuständige Empfangsstelle des Mitgliedstaats des Gerichtsstands oder des Vollstreckungsmitgliedstaats. Die Übermittlung erfolgt innerhalb von 14 Tagen nach Vorliegen der gemäß Absatz 4 zu fertigenden Übersetzungen. (6) Hat die zuständige Stelle des anderen Mitgliedstaats das Ersuchen um Prozesskostenhilfe aufgrund der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers abgelehnt oder eine Ablehnung angekündigt, so stellt die Übermittlungsstelle auf Antrag eine Bescheinigung über die Bedürftigkeit aus, wenn der Antragsteller in einem entsprechenden deutschen Verfahren nach § 115 Abs. 1 und 2 als bedürftig anzusehen wäre. Abs. 4 Satz 1 gilt für die Übersetzung der Bescheinigung entsprechend. Die Übermittlungsstelle übersendet der Empfangsstelle des anderen Mitgliedstaats die Bescheinigung der Bedürftigkeit zwecks Ergänzung des ursprünglichen Ersuchens um grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe.

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3. Abschnitt. Prozesskostenhilfe nach Richtlinie 2 0 0 3 / 8 / E G

§ 1077

Übersicht Rdn.

Rdn. I. Zuständigkeit für ausgehende Ersuchen II. Standardformulare ΠΙ. Ablehnung des grenzüberschreitenden Armenrechtsantrags 1. Prüfungspflicht der Übermittlungsstelle . . . . 2 . Verfahren . . 3. Entscheidung 4 . Rechtmittel a. Einlegung der Beschwerde b. Beschwer

.

11

4

IV.

6

V. VI.

6 8 9

10

11

Vn.

c. Frist Übersetzungen und Vollständigkeitsprüfungen Verfahren der Übermittlung Ablehnung des Ersuchens im Ausland . . 1. Ablehnung 2 . Bedürftigkeitsbescheinigung 3. Übersendung der Bedürftigkeitsbescheinigung Kosten

13 14 15

16 17 18 19 21

12

I. Zuständigkeit für ausgehende Ersuchen Art. 14 Abs. 1 P H K R L fordert die Errichtung von Übermittlungsstellen. Das ist 1 im internationalen Rechtsverkehr üblich. Abs. 1 überträgt die Aufgaben der Ubermittlungsstelle dem Amtsgericht des Sprengels des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts des Antragstellers. Das ist sachgerecht und entspricht der Regelung in § 10 Abs. 1 AusfG zum Haager Zivilprozessübereinkommen 1 . Anträge auf Gewährung grenzüberschreitender PKH innerhalb der EU (mit Ausnahme Dänemarks) und internationale Armenrechtsanträge nach dem Haager Zivilprozessübereinkommen 1954 werden zuständigkeitsrechtlich gleich behandelt. Die Aufgaben des Amtsgerichts im Rahmen des § 1077 sind nach § 2 0 Nr. 6 RPflG auf den Rechtspfleger übertragen 2 . Es handelt sich um echte Rechtspflegerangelegenheiten, auf die §§ 5 bis 11 RPflG uneingeschränkt Anwendung finden 3 . Der Richter ist nur in Ausnahmefällen zuständig 4 .

2

Die Länder können die Zuständigkeiten konzentrieren und Amtsgerichte durch Rechtsverordnung bestimmen, die die Aufgaben der Übermittlungsstelle für mehrere Amtsgerichtsbezirke wahrnehmen. Das erleichtert die Bearbeitung, weil Gerichte mit Erfahrung im internationalen Rechtsverkehr und fachlicher Kompetenz bestimmt werden können. Von der Konzentrationsermächtigung hat bisher noch kein Bundesland Gebrauch gemacht. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. Aufgaben der Übermittlungsstelle sind: Bearbeitung eines Antrags und Fertigung notwendiger Übersetzungen (Abs. 4); Entscheidung über die Übermittlung eines Antrags (Abs. 3); Übersendung des Antrags an die zuständige Empfangsstelle des Mitgliedstaates (Abs. 5) und Ausstellung einer Bedürftigkeitsbescheinigung (Abs. 6).

3

II. Standardformulare Durch Verordnung v. 21. Dezember 2 0 0 4 hat Deutschland Vordrucke für die Erklärung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Armenrechtsantrag-

1 2 3

G vom 18. Dezember 1958, BGBl. 1958 I 939. Vgl. dazu S a e n g e r / R a t h m a n n § 1077, Rdn. 1. Vgl. Rellermeyer Rechtspflegergeschäfte nach dem EG-Prozesskostenhilfegesetz, Rpfl 2 0 0 5 , 61 ff. (62).

4

Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 1077, Rdn. 4 .

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4

§ 1077

Elftes B u c h . Justizielle Z u s a m m e n a r b e i t in der E u r o p ä i s c h e n U n i o n

stellers und die Übermittlung der Anträge im grenzüberschreitenden Verkehr eingeführt 5 . 5

Die Übermittlungsstellen sind verpflichtet, diese Formblätter auch zu verwenden. N a c h der P K H R L ist die Benutzung der Standardformulare nicht zwingend vorgeschrieben. Die Verwendung der in alle Amtssprachen der EU übersetzten Standardformulare erleichtert den Verkehr zwischen Übermittlungs- und Empfangsstellen und den für die Armenrechtsbewilligen zuständigen Gerichten und Behörden nicht nur sprachlich, vermeidet auch Rückfragen, da die Formulare zugleich Checklisten darstellen, die alle notwendigen Angaben enthalten. Der deutsche Gesetzgeber hat deshalb in Abs. 2 den zwingenden Gebrauch der Standardformulare vorgeschrieben.

III. Ablehnung des grenzüberschreitenden Armenrechtsantrags 1. Prüfungspflicht der Übermittlungsstelle 6

Das Amtsgericht als Übermittlungsstelle hat keine rein technische Funktion der Weiterleitung des Armenrechtsantrags. Abs. 3 statuiert ein Prüfungsrecht und eine Prüfungspflicht. Das steht in Einklang mit Art. 13 Abs. 3 P K H R L , der es dem nationalen Gesetzgeber freistellt, die Übermittlungsstelle zu ermächtigen, die Übermittlung eines Antrags abzulehnen, wenn dieser offensichtlich unbegründet ist oder nicht in den Anwendungsbereich der P K H R L fällt. Die offensichtliche Unbegründetheit in Abs. 3 ist die nach Art. 6 Abs. 1 P K H R L . Die Prüfung, ob der Antrag in den Anwendungsbereich der P K H R L fällt, ist zugleich eine der Anwendbarkeit des Übereinkommens. Sie erfordert volle Aufklärung des Sachverhalts und eine abschließende Entscheidung. Das gilt etwa für die Bestimmung des Wohnsitzes des Antragstellers oder der Qualifikation der Streitsache als zivil- oder handelsrechtlich.

7

Die Prüfung dagegen, ob der Antrag unbegründet ist, geht nur dahin, ob die Unbegründetheit offensichtlich, in der Regel also der Antrag missbräuchlich 6 ist. Denn da die Behörden des Gerichtsstaats über die Gewährung des Armenrechts letztlich entscheidet, kann die Prüfung der Übermittlungsstelle nur auf evidente Fälle beschränkt sein 7 . 2 . Verfahren

8

Das Amtsgericht kann die für die Evidenzprüfung der „offensichtlichen Unbegründetheit" notwendigen Unterlagen - soweit diese nicht in deutscher Sprache abgefasst oder von einer deutschen Übersetzung begleitet sind - von Amts wegen ins Deutsche übersetzen lassen. Dem Antragsteller ist rechtliches Gehör zu gewähren. Eine mündliche Verhandlung findet nicht statt, § 127 Abs. 1 S. 1.

5

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Vgl. Verordnung zur Einführung eines Vordrucks für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozesskostenhilfe sowie eines Vordrucks für die Übermittlung der Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im grenzüberschreitenden Verkehr (EG-Prozesskostenvordrucksverordnung - E G - P K H W ) , BGBl. 2 0 0 4 I 3 5 3 8 .

6

7

Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 1077, Rdn. 9. Vgl. Gottwald Prozesskostenhilfe für grenzüberschreitende Verfahren in Europa, FS Rechberger, 2 0 0 5 , S. 173 ff. (181); jastrow Grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe in Zivilsachen - Die EG-Richtlinie 8/2003, M D R 2 0 0 4 , 75 ff. (76).

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3. Abschnitt. Prozesskostenhilfe nach Richtlinie 2 0 0 3 / 8 / E G

§ 1077

3. Entscheidung Eine zusprechende Entscheidung ergeht nicht. Führt die Prüfung dazu, dass der Antrag unter den Anwendungsbereich der P K H R L fällt und nicht offensichtlich unbegründet ist, so übermittelt das Amtsgericht den Antrag antragsgemäß.

9

Die ablehnende Entscheidung erfolgt durch Beschluss, der zu begründen ist. Der Beschluss ist dem Antragsteller zuzustellen, § 3 2 9 Abs. 3. Die ablehnende Entscheidung hindert den Antragsteller nicht, einen Armenrechtsantrag unmittelbar im Gerichtsstaat zu stellen. Die Entscheidung des Amtsgerichts entfaltet Bindungswirkung nur hinsichtlich der Verpflichtung zur Übermittlung des Antrags. Stellt der Antragsteller einen Antrag auf Prozesskostenhilfe unmittelbar im Gerichtsstaat, so findet nicht die PKHRL, sondern das autonome Recht der lex fori Anwendung 8 . 4. Rechtsmittel Gegen die ablehnende Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Anwendbar sind §§ 127 Abs. 2 S. 2 und 3.

10

a) Einlegung der Beschwerde. Die sofortige Beschwerde kann wahlweise beim Amtsgericht (iudex a quo) oder beim Landgericht (iudex ad quem) eingelegt werden (§ 5 6 9 Abs. 1 S. 1). Das kann durch Beschwerdeschrift geschehen, aber auch durch Einlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 5 6 9 Abs. 2).

11

b) Beschwer. Erfolgt die Ablehnung der Übermittlung, weil der Antrag wegen der wirtschaftlichen oder persönlichen Verhältnisse des Antragstellers offensichtlich unbegründet (Art. 5 Abs. 1 PKHRL) i. S. von Abs. 3 ist, so ist die sofortige Beschwerde immer zulässig. Erfolgt die Ablehnung jedoch, weil der Antrag nicht in den Anwendungsbereich der PKHRL fällt, etwa, weil das Verfahren, für das Prozesskostenhilfe beantragt wird, keine zivil- oder handelsrechtliche Streitigkeit zum Gegenstand hat, so muss der Wert des Beschwerdegegenstandes 6 0 0 Euro übersteigen, §§ 127 Abs. 2 S. 2, 511 Abs. 2, Nr. 1.

12

c) Frist. Die Frist zu Einlegung der sofortigen Beschwerde beträgt 1 Monat. Sie beginnt mit der Zustellung des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von 5 Monaten nach Verkündung, § 5 6 9 Abs. 1 S. 2. Die Frist ist eine Notfrist.

13

IV. Übersetzungen und Vollständigkeitsprüfung Der Antrag soll entscheidungsreif übermittelt werden. Deshalb hat das Amtsgerieht den Antrag auf Vollständigkeit zu überprüfen. Die Eintragungen in das Standardformular und die Anlagen sind in eine der Amtssprachen des Empfangsmitgliedstaates, die zugleich eine der Amtssprachen der EU entspricht oder eine andere in dem Empfangsmitgliedstaat zugelassene Sprache zu übersetzen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass eine einheitliche Sprache benutzt wird. Wird das Armenrecht für eine Prozessführung in Belgien beantragt, so können die Angaben im Standardformular in die französische Sprache übersetzt und Anlagen in flämischer Sprache beigefügt werden, wenn der Antragsteller diese bereits in der Sprache vorlegt. Das dient der Beschleunigung und spart Kosten. Die Übersetzungen müssen nicht von einem

8

Vgl. Saenger/Rathmann § 1076, Rdn. 5. R o l f A. Schütze

45

14

§ 1077

Elftes Buch. Justizielle Z u s a m m e n a r b e i t in der Europäischen Union

vereidigten Übersetzer gefertigt werden. Auch der Antragsteller kann die Übersetzungen vornehmen oder der Rechtspfleger, wenn er der Sprache mächtig ist. Denn Abs. 4 konkretisiert nur die in Art. 13 Abs. 4 P K H R L statuierte Verpflichtung, den Antragsteller bei der Beschaffung der erforderlichen Übersetzung der Anlagen zu unterstützen. Legt der Antragsteller Übersetzungen vor, so ist das Amtsgericht nicht gehalten, deren Richtigkeit zu überprüfen. Einer Beglaubigung bedarf die Übersetzung nicht. Die Kosten der Übersetzung trägt nach Art. 13 Abs. 6 P K H R L der deutsche Justizfiskus.

V. Verfahren der Übermittlung 15

Binnen 14 Tagen nach Prüfung der Vollständigkeit des Antrags, seiner Anlagen und Vorliegen der Übersetzungen hat das Amtsgericht den Antrag nebst Anlagen an die Empfangsstelle des Mitgliedstaates des Gerichtsstandes oder des Vollstreckungsmitgliedstaates zu übersenden. H a t die sofortige Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluss des Amtsgerichts Erfolg, so beginnt der Fristlauf mit Zustellung der Beschwerdeentscheidung.

VI. Ablehnung des Ersuchens im Ausland 16

Art. 5 Abs. 4 P K H R L trifft eine Regelung für den Fall unterschiedlicher Höhe der Lebenshaltungskosten im Wohnsitz- oder Aufenthaltsstaat des Antragstellers und im Gerichtsstaat. Lebt der Antragsteller in einem Staat mit hohen Lebenshaltungskosten und soll der Prozess in einem Staat mit geringen Lebenshaltungskosten geführt werden, so kann es vorkommen, dass der Gerichtsstaat aufgrund der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Antragstellers keine Bedürftigkeit annimmt, dieser aber nach der Situation an seinem Wohnsitz oder Aufenthaltsort die Prozesskosten dennoch nicht aufbringen kann. Auch in diesem Fall muss nach Art. 5 Abs. 4 P K H R L das Armenrecht gewährt werden. 1. Ablehnung

17

Die Ablehnung des Armenrechts kann nach Übermittlung des Antrags nach Abs. 5 erfolgen. Dem steht gleich, dass die zuständige Stelle des anderen Mitgliedstaats ankündigt oder angekündigt hat, dass es einem Antrag des Antragstellers aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht stattgeben werde. D a s kann auch generell erfolgen. Bestehen in dem Staat des Gerichtsstandes oder dem Vollstreckungsmitgliedstaat Tabellen für die Bedürftigkeit und ist der Antragsteller hiernach nicht bedürftig, so wäre es eine bloße Förmelei, die Ablehnung oder die Ankündigung der Ablehnung abzuwarten. 2. Bedürftigkeitsbescheinigung

18

Die Bedürftigkeitsbescheinigung des in Deutschland Domizilierten oder sich hier Aufenthaltenden wird unter Berücksichtigung der Erfordernisse von § 115 Abs. 1 und 2 ausgestellt. Zuständig ist das Amtsgericht. Die Übersetzung der Bedürftigkeitsbescheinigung in eine der Sprachen des Abs. 4 S. 1 wird vom Amtsgericht auf Kosten des deutschen Justizfiskus herbeigeführt. Im Übrigen gilt Abs. 4 S. 1 entsprechend. 46

R o l f A. Schütze

3. Abschnitt. Prozesskostenhilfe nach Richtlinie 2 0 0 3 / 8 / E G

§ 1078

3 . Übersendung der Bedürftigkeitsentscheidung Hat die zuständige Stelle im Ausland nach Erhalt des Armenrechtsantrags diesen abgelehnt oder seine Ablehnung angekündigt, so übersendet das Amtsgericht in Ergänzung des Antrags die Bedürftigkeitsbescheinigung an die ausländische Empfangsstelle. Die Frist beträgt ebenfalls 14 Tage nach Vorliegen der Übersetzung. Abs. 5 S. 2 gilt nach seiner Ratio entsprechend.

19

Erfolgt die Ausstellung der Bedürftigkeitsbescheinigung vor Übersendung des Antrags weil die Ablehnung wegen der ausländischen Schwellenwerte zu erwarten ist, so werden Antrag, Bedürftigkeitsbescheinigung und Anlagen mit den entsprechenden Übersetzungen zusammen übersandt. Die Frist des Abs. 5 S. 2 ist zu beachten.

20

VII. Kosten In dem Verfahren vor der Übermittlungsstelle fallen für den Antragsteller keine Kosten an. Nimmt er den Antrag zurück oder wird dieser nach Abs. 3 von der Übermittlungsstelle oder von der zuständigen Behörde des Gerichts- oder Vollstreckungsstaates abgelehnt, so hat er die Auslagen zu tragen, § 2 8 Abs. 3 G K G 9 .

§ 1078 (1) Für eingehende Ersuchen um grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe ist das Prozessgericht oder das Vollstreckungsgericht zuständig. Die Anträge müssen in deutscher Sprache ausgefüllt und die Anlagen von einer Übersetzung in die deutsche Sprache begleitet sein. Eine Legalisation oder gleichwertige Förmlichkeiten dürfen nicht verlangt werden. (2) Das Gericht entscheidet über das Ersuchen nach M a ß g a b e der §§ 114 bis 116. Es übersendet der übermittelnden Stelle eine Abschrift seiner Entscheidung. (3) Der Antragsteller erhält auch dann grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe, wenn er nachweist, dass er wegen unterschiedlich hoher Lebenshaltungskosten im Mitgliedstaat seines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts einerseits und im Geltungsbereich dieses Gesetzes andererseits die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. (4) Wurde grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe bewilligt, so gilt für jeden Rechtszug, der vom Antragsteller oder dem Gegner eingeleitet wird, ein neuerliches Ersuchen um grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe als gestellt. Das Gericht hat dahin zu wirken, dass der Antragsteller die Voraussetzungen für die Bewilligung der grenzüberschreitenden Prozesskostenhilfe für den jeweiligen Rechtszug darlegt. Übersicht Rdn. I. Zuständigkeit für eingehende Ersuchen II. Förmlichkeiten des Antrags aus dem Ausland III. Entscheidung

.

1 3 4

Rdn. IV. Rechtsmittel V. Unterschiedlich hohe Lebenshaltungskosten . . . . VI. Weitere Rechtszüge

5

6 7

' Vgl. Saenger/Rathmann § 1077, Rdn. 6.

Rolf A. Schütze

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21

§ 1078

Elftes Buch. Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union

I. Zuständigkeit für eingehende Ersuchen 1

Nach Art. 14 Abs. 1 P K H R L sind die Empfangsbehörden durch die Mitgliedstaaten zu bestimmen. Das erfolgt in Abs. 1 S. 1. Danach ist zuständig das Prozessgericht, bei dem das Verfahren geführt werden soll oder das Vollstreckungsgericht, das für die beabsichtigte Zwangsvollstreckungsmaßnahme zuständig ist. Das entspricht § 117 Abs. 1. Diese Bestimmung ist auch für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe anwendbar.

2

Zuständig ist - anders als bei ausgehenden Ersuchen - nicht der Rechtspfleger, sondern der Richter, § 2 0 Nr. 6 R P f l G 1 . Die Zuständigkeit ist ausschließlich 2 .

II. Förmlichkeiten des Antrags aus dem Ausland 3

Der Antrag muss in deutscher Sprache abgefasst, die Anlagen von einer Übersetzung in die deutsche Sprache begleitet sein, soweit sie nicht ohnehin deutschsprachig sind. Eine Übersetzung durch einen vereidigten Übersetzer oder eine Beglaubigung oder Legalisierung sind nicht erforderlich.

III. Entscheidung 4

Das Gericht entscheidet über den Antrag unter Anwendung deutschen Rechts nach M a ß g a b e der §§ 114 bis 116. Erforderlich sind Bedürftigkeit und hinreichende Erfolgsaussichten für die beabsichtigte Klage oder die Durchführung der Zwangsvollstreckung. Hier sind für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe keine anderen Maßstäbe anzulegen als bei Armenrechtsanträgen von im Inland domizilierten oder sich aufhaltenden Antragstellern. Lediglich bei der Bedürftigkeitsprüfung können durch unterschiedliche hohe Lebenshaltungskosten im Wohnsitz- oder Aufenthaltsstaat des Antragsteller und in Deutschland abweichende Prüfmaßstäbe angelegt werden, dazu Rdn. 6.

IV. Rechtsmittel 5

Gegen die ablehnende Entscheidung ist die sofortige Beschwerde nach § 127 Abs. 2 S. 2 gegeben. Die Notfrist des § 5 6 9 Abs. 1 S. 1 beträgt einen M o n a t . Gegen die Bewilligung des Armenrechts findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse unter den Voraussetzungen und in dem Verfahren nach § 127 Abs. 3 statt.

V. Unterschiedlich hohe Lebenshaltungskosten 6

Ist der Antragsteller nach deutschen Standards nicht bedürftig i. S. von §§ 1 1 4 f . , kann er wegen der höheren Lebenshaltungskosten in seinem Wohnsitz- oder Aufenthaltsstaat die Kosten der Prozessführung in Deutschland aber nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen, so ist ihm nach Abs. 3 Prozesskostenhilfe zu gewähren. Abs. 3 korrespondiert mit § 1 0 7 7 Abs. 6 und entspricht der Vorgabe in Art. 5 Abs. 4 P K H R L .

1

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Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 1 0 7 8 , Rdn. 3.

2

Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 1 0 7 8 , Rdn. 3.

Rolf A. Schütze

3. Abschnitt. Prozesskostenhilfe nach Richtlinie 2 0 0 3 / 8 / E G

§

1078

Hat der Wohnsitz- oder Aufenthaltsstaat eine § 1 0 7 7 Abs. 6 entsprechende Regelung erlassen, die für den Fall der unterschiedlich hohen Lebenshaltungskosten die Ausstellung einer Bedürftigkeitsentscheidung vorsieht, so ist diese allein für den Nachweise der Bedürftigkeit geeignet. In allen anderen Fällen kann der Nachweis in jeglicher Weise erbracht werden 3 .

VI. Weitere Rechtszüge Nach § 115 Abs. 1 S. 1 erfolgt die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für jeden Rechtszug besonders. Das gilt auch für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe 4 . Da aber in einigen Mitgliedstaaten die Armenrechtsgewährung nicht nach Rechtszügen getrennt, sondern für das gesamte Verfahren erfolgt und Art. 9 Abs. 3 P K H R L bestimmt, dass Prozesskostenhilfe auch gewährt wird, wenn ein Rechtsbehelf eingelegt wird, geht der deutsche Kompromiss dahin, dass der Antrag für alle Rechtszüge als gestellt gilt. Es ist also kein neuer Antrag für den jeweiligen weiteren Rechtszug erforderlich. Allerdings muss vor Bewilligung der Prozesskostenhilfe für die höhere Instanz der Antragsteller darlegen, dass die Voraussetzungen für die Armenrechtsgewährung gegeben sind. Sind diese nicht mehr gegeben, so ist der Antrag abzulehnen 5 .

3

Vgl. S a e n g e r / R a t h m a n n § 1077, R d n . 2 , die allerdings annehmen, dass der geforderte Nachweis der Bedürftigkeit nach deutschem Recht und damit wohl auch unter Missachtung einer Bedürftigkeitsbescheinigung des Wohnsitz- und Aufenthaltsstaats des Antragstellers erfolgen könne.

4

5

Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 1078, Rdn. 8; Thomas/Putzo/Re/cfcoM § 1078, Rdn.3. Missverständlich Saenget/Rathmann § 1078, R d n . 3 : „ . . . s o wird die Gewährung von PKH abzulehnen sein." Sie ist abzulehnen!

R o l f A. Schütze

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7

ABSCHNITT 4 Europäische Vollstreckungstitel nach der Verordnung (EG) Nr. 8 0 5 / 2 0 0 4

Vorbemerkung zu §§ 1 0 7 9 - 1 0 8 6 1

Durch §§ 1 0 7 9 - 1 0 8 6 wird die Ausführung der V O (EG) Nr. 805/2004 geregelt. Dieses Regelwerk sollte ein Abschied vom Vollstreckbarerklärungsverfahren durch Klauselerteilung, wie es insbesondere die V O (EG) Nr. 44/2001 kennt, für einen wirtschaftlich bedeutsamen Bereich sein. Bei unbestrittenen Forderungen sollte jede Entscheidung von einem Gericht im Geltungsbereich der E u G W O ohne vorherige Klauselerteilung in allen EU-Staaten (mit Ausnahme Dänemarks) vollstreckt werden können. Dieses hehre Ziel ist an der Haltung der Verbraucherschützer gescheitert, die die Verordnung im Interesse ihrer Klientel zu einer Mogelpackung gemacht haben. Mit der Beschränkung des Europäischen Vollstreckungstitels gegen Verbraucher mit Wohnsitz im Erststaat ist der europäische Vollstreckungstitel zu einem Papiertiger geworden. Da die überwältigende Zahl unbestrittener Forderungen solche mit kleinen Beträgen gegen Verbraucher sind und Verbraucher regelmäßig kein Vermögen außerhalb ihres Wohnsitzstaates haben, ist die praktische Bedeutung der V O (EG) Nr. 805/2004 gering. Die der Verordnung vorangestellte Erwägung Nr. 18, die von gegenseitigem Vertrauen in die ordnungsgemäße Rechtspflege der Mitgliedstaaten als Grund für die Prüfung der Voraussetzungen der Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel spricht, stammt wohl aus einer Zeit, bevor die Verbraucherschützer in letzter Minute doch noch die Privilegien ihrer Klientel, die auf dem Grundsatz : Kein Vertrauen in fremde Justiz bei Verbraucherbeteiligung1 basieren, durchgesetzt haben.

2

Die Regelung der §§ 1 0 7 9 f f . ist nicht ausschließlich 2 . Der Gläubiger eines europäischen Vollstreckungstitels hat ein Wahlrecht, ob er das vereinfachte Verfahren des 11. Buchs der Z P O betreibt oder das Klauselerteilungsverfahren nach der E u G W O . Das stellt Art. 2 7 E u V T V O ausdrücklich klar 3 . Schrifttum

Boschiero The forthcoming European enforcement order. Towards a European law-enforcement area, riv.dir.int. 2003, 394 ff.; Burgstaller/Neumayr Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, öJZ 2006, 179 ff.; Coester-Waltjen Einige Überlegungen zu

1

2

50

Vgl. zur Konterkarierung des Grundsatzes des Vertrauens in die Justiz der Mitgliedstaaten im Rahmen der Nachprüfung der internationalen Zuständigkeit auch Schütze DIZPR, Rdn. 292; ders. Internationales Zivilprozessrecht und Politik, FS Georgiades, 2005, S. 577ff. (580ff.). Vgl. dazu Mayr/Czerttich Europäisches Zivil-

prozessrecht, 2006, Rdn. 387; Rauscher/Pafcsf Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 27 EGVollstrTitelVO, Rdn. 1; Rellermeyer Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rpfleger 2005, 389 ff. (390). Vgl. auch Nr. 20 der der Verordnung vorangestellten Erwägungen.

Rolf A. Schütze

4. Abschnitt. Europäischer Vollstreckungstitel nach VO (EG) 805/2004

Vor § 1 0 7 9

einem künftigen europäischen Vollstreckungstitel, FS Beys, 2003, S. 183 ff.; Correa Delcasso Le titre executoire europeen et l'inversion du contentieux, RIDC 2001, 61 ff.; Costa da Silva Ο Titulo Executivo Europeu, 2005; Franzmann Die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 - notarielle Urkunden europaweit vollstreckbar, MittBayNot 2004, 404ff.; Freudenthal De Europese Executoriale Titel en de Europese betalingsbevelprocedure: afstemming van Europese rechtsmaatregeln, Nederlands Internationaal Privaatrecht, 2004, 393 ff.; Gebauer Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, NZ 2006, 103 ff.; Geimer Verbesserungen der Rechtsverfolgung über die Grenze in der Europäischen Union - Einige Bemerkungen zum Europäischen Vollstreckungstitel, FS Vollkommer, 2006, 385 ff.; Gerling Die Gleichstellung ausländischer mit inländischen Vollstreckungstiteln durch die Verordnung zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen: Im Vergleich zum bisherigen Recht und zur Rechtslage in den USA, 2006; Hess Die Integrationsfunktion des europäischen Zivilverfahrensrechts, IPRax 2001, 389ff.; ders. Europäischer Vollsteckungstitel und nationale Vollstreckungsgegenklage, IPRax 2004,493 ff.; Hök Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, ZAP 2005, 159ff.; Hüßstege Braucht die Verordnung über den europäischen Vollstreckungstitel eine ordre-public-Klausel?, FS Jayme, 2004, S. 371 ff.; ders. Der europäische Vollstreckungstitel, in: Gottwald (Herausg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in der Europäischen Union, 2004, S. 113 ff.; Klippstein Verordnung über den Europäischen Vollstreckungstitel (EuVTVO, in: Gebauer/Wiedmann (Herausg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, S.1537ff.; Kohler Systemwechsel im europäischen Anerkennungsrecht: Von der E u G W O zur Abschaffung des Exequaturs, in: Baur/Mansel (Herausg.), Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht, 2002, S. 147ff.; ders. Von der E u G W O zum Europäischen Vollstreckungstitel - Entwicklungen und Tendenzen im Recht der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen, in: Reichelt/ Rechberger (Herausg.), Europäisches Kollisionsrecht, 2004, S. 63ff.; Kropholler Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl., 2005, S. 560 ff.; Leible/Lehmann Die Verordnung über den Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen und ihre Auswirkungen auf die notarielle Praxis, NotBZ 2004, 453 ff.; Oberhammer Der Europäische Vollstreckungstitel: Rechtspolitische Ziele und Methoden, JB1 2006, 477ff.; Rauscher Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, 2004; Rauscher/Pabst Verordnung (EG) Nr. 805/2004, in Rauscher (Herausg.), Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., 2006, S. 1197ff.; Rellermeyer Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rpfl. 2005, 389ff; Riedel Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, ProzessRB, 2005, 324 ff.; Stadler Das europäische Zivilprozessrecht - Wie viel Beschleunigung verträgt Europa?, IPRax 2004, 2ff.; dies. Kritische Anmerkungen zum Europäischen Vollstreckungstitel, RIW 2004, 801 ff.; Stein Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen tritt in Kraft - Aufruf zu einer nüchternen Betrachtung, IPRax 2004, 181 ff.; ders. Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen - Einstieg in den Ausstieg aus dem Exequaturverfahren bei Auslandsvollstreckung, EuZW 2004, 679 ff.; Storme Ein einheitlicher Europäischer Vollstreckungstitel als Vorbote eines weltweiten Titels, FS Nakamura, 1996, S. 581 ff.; Wagner Vom Brüsseler Übereinkommen über die Brüssel-IVerordnung zum Europäischen Vollstreckungstitel, IPRax 2002, 75 ff.; ders. Die neue EGVerordnung zum Europäischen Vollstreckungstitel, IPRax 2005, 189ff.; ders. Das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zum Europäischen Vollstreckungstitel unter besonderer Berücksichtigung der Vollstreckungsabwehrklage, IPRax 2005, 401 ff.; ders. Der Europäische Vollstreckungstitel, NJW 2005, 1157ff.; Yessiou-Faltsi Die Folgen des Europäischen Vollstreckungstitels für das Vollstreckungsrecht in Europa, in: Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union, 2004, S. 213 ff.; Zilinsky De Europese Executorial Titel, 2004.

Rolf A. Schütze

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TITEL 1 Bestätigung inländischer Titel als Europäische Vollstreckungstitel

§ 1079 Zuständigkeit Für die Ausstellung der Bestätigungen nach 1. Artikel 9 Abs.l, Artikel 24 Abs. 1, Artikel 25 Abs. 1 und 2. Artikel 6 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 8 0 5 / 2 0 0 4 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2 0 0 4 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (ABl. EU Nr. L 143 S. 15) sind die Gerichte, Behörden und Notare zuständig, denen die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels obliegt. Übersiebt Rdn. I. Sachlicher Anwendungsbereich II. Notwendigkeit der Bestätigung

1 4

Rdn. III. Zuständigkeit

6

I. Sachlicher Anwendungsbereich 1

Der sachliche Anwendungsbereich der EuVTVO erfasst Zivil- und Handelssachen (Art. 2 Abs. 1). Der Begriff entspricht dem in Art. 1 VO (EG) Nr. 44/2001 1 sowie Art. 1 Abs. 1 EuGVÜ/LugÜ. Um eine einheitliche Anwendung im europäischen Justizraum zu gewährleisten, ist autonom zu qualifizieren. Die Grundsätze die der EuGH 2 in der Sache LTU v. Eurocontrol 3 entwickelt hat, gelten auch im Rahmen der EuVTVO. Auf die Art der Gerichtsbarkeit kommt es nicht an (Art. 2 Abs. 1 EuVTVO). Auch die Geltendmachung von Ersatzansprüchen des Verletzten im Strafprozess (Adhäsionsverfahren) sind zivilrechtlicher Natur. Das entspricht Art. 5 Nr. 4 VO (EG) Nr. 44/2001 und Artt. 5 Nr. 4 EuGVÜ/LugÜ 4 .

1

2

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Vgl. Klippstein in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 2 E u V T V O , Rdn. 2 4 ; Kropboller Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 2 E u V T V O , Rdn. 1; Mayr/Czernich Europäisches Zivilprozessrecht, Rdn. 3 9 1 ; Rauscher/Pabst Europäisches Zivilprozessrecht, Einl. EG-VollstrTitelVO, Rdn. 4 4 . Vgl. zur Anwendbarkeit der EuGH Rechtsprechung zu V O (EG) Nr. 44/2001, EuGVÜ und LugÜ Hüsstege Braucht die Verordnung über den europäischen Vollstreckungstitel eine ordre

3

4

public-Klausel? FS Jayme, 2 0 0 4 , S. 371 ff. (372); Rauscher/Pafcsi Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 2 EG-VollstrTitelVO, Rdn. 4 . Vgl. EuGH Rs. 29/76 - LTU v. Eurocontrol E u G H E 1976, 1541 = N J W 1977, 4 8 9 mit Anm. Geimer = RIW/AWD 1977, 4 0 mit Anm. Linke = Rev. crit. 1977, 7 7 2 mit Anm. Droz. Vgl. dazu Kohler Adhäsionsverfahren und Brüsseler Übereinkommen 1968, in: Will (Hrsg.), Schadensersatz im Strafverfahren, 1990, S. 7 4 ff.

Rolf A. Schütze

4 . Abschnitt. Europäischer Vollstreckungstitel nach V O (EG) 8 0 5 / 2 0 0 4

§ 1079

Ausgeschlossen vom Anwendungsbereich der E u V T V O sind öffentlichrechtliche Angelegenheiten, insbesondere Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten. Art. 2 Abs. 1 E u V T V O nimmt ausdrücklich Ansprüche gegen den Staat aus acta iure imperii 5 aus. Das ist aus deutscher Sicht eine überflüssige Ausnahme, da für derartige Ansprüche ohnehin kein Gerichtsbarkeit der deutschen Gerichte besteht 6 . Die Ausnahme fällt jedoch bei Verzicht auf die Immunität des ausländischen Staates weg 7 . Die Ausnahme gilt nur für Ansprüche gegen ausländische Staaten, da nur sie Immunität vor deutschen Gerichten genießen, nicht für Ansprüche gegen den deutschen Staat, solange sie nur zivilrechtlicher Natur sind.

2

Zur Herstellung eines Gleichlaufs mit der V O (EG) Nr. 4 4 / 2 0 0 1 und den entsprechenden Regelungen in E u G V Ü und LugÜ herzustellen, nimmt Art. 2 Abs. 2 E u V T V O die gleichen Sachgebiete aus.

3

II. Notwendigkeit der Bestätigung Die Bestätigung nach Art. 9 Abs. 1 und die Ersatzbestätigung nach Art. 6 Abs. 3 E u V T V O ersetzen für gerichtliche Titel die Klauselerteilung. Es handelt sich um eine modifizierte Klauselerteilung nach § 7 2 4 8 . Entsprechendes gilt für gerichtliche Vergleiche nach Art. 2 4 Abs. 1 und für notarielle Urkunden nach Art. 2 5 Abs. 1 E u V T V O . Ohne Bestätigung ist eine Vollstreckung nicht möglich. Nach Art. 2 0 Abs. 2 E u V T V O hat der Gläubiger den Vollstreckungsbehörden des Vollstreckungsmitgliedsstaates die Bestätigung zusammen mit einer Ausfertigung der Entscheidung und ggf. einer Transkription oder Übersetzung der Bestätigung zu übermitteln.

4

Die Bestätigung der Nichtvollstreckbarkeit oder Beschränkung der Vollstreckbarkeit nach Art. 6 Abs. 2 E u V T V O dienen zum Nachweis der Nicht(mehr)Vollstreckbarkeit. Eine Bestätigung dynamisierter Unterhaltstitel nach § 1612 a B G B ist nicht zulässig. Diese fallen nicht unter den Anwendungsbereich der E u V T V O , da ein bezifferter Betrag fehlt 9 . Wenn jedoch eine Bezifferung nach § 7 9 0 erfolgt, ist eine Bestätigung möglich 1 0 . Dasselbe gilt für die Anrechnung des Kindergeldes (§ 1 6 1 2 b BGB), die in dynamisierter Form zulässig ist 1 1 .

5

III. Zuständigkeit Anwendbar ist § 7 2 4 . Das Gericht des ersten Rechtszuges ist zuständig für die Bestätigung, wenn der Rechtsstreit bei einem höheren Gericht anhängig ist, von diesem Gericht. Das entspricht Art. 6 Abs. 1 E u V T V O . Funktionell zuständig ist nach 5

6

7 8

Darin ist keine Einschränkung des sachlichen Geltungsbereichs gegenüber der VO (EG) Nr. 44/ 2001 zu sehen. Auch dort sind - ohne ausdrückliche Erwähnung - Ansprüche aus acta iure imperii gegen ausländische Staaten ausgenommen, vgl. Kropholler Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 2 EuVTVO, Rdn. 2. Vgl. dazu im einzelnen Schütze DIZPR, Rdn. 78 ff. Vgl. im einzelnen Geimer IZPR, Rdn. 629 ff. Vgl. Schütze Internationales Zivilprozessrecht, in: Locher/Mes (Herausg.), Beck'sches Prozessformularbuch, 10. Aufl., 2006, I.T.7, Anm. 5. Dort auch ein Formulierungsvorschlag für den

Antrag auf Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel. » Vgl. ZöWet/Geimer § 1079, Rdn. 7. 10 Vgl. Wagner Das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zum Europäischen Vollstreckungstitel - unter besonderer Berücksichtigung der Vollstreckungsabwehrklage, IPRax 2005, 401 ff. (409f.). 11 Vgl. Wagner Das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zum Europäischen Vollstreckungstitel - unter besonderer Berücksichtigung der Vollstreckungsabwehrklage, IPRax 2005, 401 ff. (409f.).

R o l f A. Schütze

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6

§ 1080

Elftes Buch. Justizielle Z u s a m m e n a r b e i t in der Europäischen Union

§ 2 0 Nr. 11 RPflG der Rechtspfleger 1 2 . Weiterhin bleibt jedoch eine Befassung des Richters nach § § 5 Abs. 1 Nr. 2, 6 RPflG unberührt 1 3 . 7

In Kinder- und Jugendhilfesachen liegt die Zuständigkeit beim Jugendamt, dem nach § 6 0 S. 3 SGB VIII die Beurkundung der Verpflichtungserklärung übertragen ist 1 4 . Im Übrigen entscheidet bei Einwendungen das für das Jugendamt zuständige Amtsgericht, § 6 0 S. 3 Nr. 2 SGB VIII. Bei notariellen Urkunden liegt die Zuständigkeit für die Bestätigung bei dem Notar, der die Verpflichtung beurkundet hat, § 7 9 7 Abs. 2.

8

Bei vollstreckbaren Anwaltsvergleichen ist darauf abzustellen, wer den Vergleich für vollstreckbar erklärt hat 1 5 . Ist die Vollstreckbarerklärung nach § 7 9 6 b erfolgt, so ist das Prozessgericht zuständig, das für die gerichtliche Geltendmachung des zu vollstreckenden Anspruchs zuständig wäre. Ist die Vollstreckbarerklärung durch einen Notar nach § 7 9 6 c erfolgt, so ist dieser für die Bestätigung zuständig.

§ 1080 Entscheidung (1) Bestätigungen nach Artikel 9 Abs. 1, Artikel 2 4 Abs. 1, Artikel 2 5 Abs. 1 und Artikel 6 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 8 0 5 / 2 0 0 4 sind ohne Anhörung des Schuldners auszustellen. Eine Ausfertigung der Bestätigung ist dem Schuldner zuzustellen. (2) Wird der Antrag auf Ausstellung einer Bestätigung zurückgewiesen, so sind die Vorschriften über die Anfechtung der Entscheidung über die Erteilung einer Vollstreckungsklausel entsprechend anzuwenden. Übersicht Rdn. I. Verfahren II. Entscheidung III. Zurückweisung des Antrags 1. Zurückweisung des Antrags auf Bestätigung

1 2 3

Rdn. 2. Zurückweisung des Antrags auf Bestätigung der Nichtvollstreckbarkeit IV. Kosten und Gebühren

4

I. Verfahren 1

Das Verfahren wird auf Antrag eingeleitet 1 . Der Antrag ist nicht fristgebunden und kann jederzeit gestellt werden, Art. 6 Abs. 1 S. 1 E u V T V O . Die Prozessvollmacht des Verfahrens, das zu dem Titel geführt hat, wirkt fort. Da es sich bei der Bestätigung um eine Art modifizierter Klauselerteilung handelt und der Antrag zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden kann, besteht im Übrigen kein Anwaltszwang, § 78 Abs. 5.

12

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14 15

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Vgl. Saenger/Saenger § 1079, Rdn. 3; Zöller/Geimer § 1079, Rdn. 9. Vgl. Kropholler Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 9 EuVTVO, Rdn. 4, FN 2. Vgl. Saenger/Saenger § 1079, Rdn. 4. Vgl. Thomas/Putzo/HMssiege § 1079, Rdn. 1.

1

Vgl. für ein Muster, Schütze Internationales Zivilprozessrecht, in: Locher/Mes, Beck'sches Prozessformularbuch, 10. Aufl., 2006,1.T.7.

R o l f A. Schütze

4 . Abschnitt. Europäischer Vollstreckungstitel nach V O (EG) 8 0 5 / 2 0 0 4

§ 1080

Eine Anhörung des Schuldners findet in dem Bestätigungsverfahren nicht statt. D a s ist hinnehmbar, da der Schuldner durch einen Berichtigungs- oder Widerrufsantrag nach Art. 10 E u V T V O (vgl. dazu § 1 0 8 1 ) rechtliches G e h ö r erhalten k a n n .

II. Entscheidung Die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel wird auf dem F o r m b l a t t Anh. I zur E u V T V O ausgestellt, Art. 9 Abs. 1 E u V T V O . Die Bestätigung erfolgt in der Sprache, in der die Entscheidung abgefasst ist, Art. 9 Abs. 2 E u V T V O .

2

Die Entscheidung ist förmlich nur an den Schuldner zuzustellen (Abs. 1 S. 2 ) , an den Gläubiger f o r m l o s 2 . Für die Zustellung innerhalb des Geltungsbereichs der E u W T V O k o m m t die E u Z V O zur A n w e n d u n g 3 . Im Übrigen ist § 1 8 3 zu beachten4.

III. Zurückweisung des Antrags Abs. 2 ist u n k l a r 5 . Die Fassung legt nahe, dass § 7 3 2 entsprechend a n w e n d b a r i s t 6 . Diese N o r m betrifft aber nur Einwendungen des Schuldners gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel. M a n muss differenzieren:

3

1. Zurückweisung des Antrags auf Bestätigung Gegen die Zurückweisung des Antrags auf Bestätigung nach Art. 6 Abs. 1 E u V T V O ist die Klage a u f Bestätigung analog § 7 3 1 gegeben 7 . Zuständig ist Gericht, das für die Bestätigung zuständig ist. Dieses ist das Prozessgericht erster Instanz i. S. von §731.

4

2 . Zurückweisung des Antrags auf Bestätigung der Nichtvollstreckbarkeit W i r d der Antrag a u f Bestätigung der Nichtvollstreckbarkeit bzw. Beschränkung der Vollstreckbarkeit nach Art. 6 Abs. 2 E u V T V O zurückgewiesen, so ist § 7 3 2 analog anzuwenden. Zuständig ist das Gericht, das die Bestätigung erteilt hat.

5

IV. Kosten und Gebühren E b e n s o wie für die erstmalige Erteilung der Vollstreckungsklausel fallen keine Gerichtskosten für die Bestätigung an. D e r R e c h t s a n w a l t erhält keine besondere Gebühr, da die Bestätigung zum Rechtszug gehört, § 19 Abs. 1 Nr. 12 R V G analog. Für die Verfahren auf Ausstellung der Bestätigung oder Bestätigung der N i c h t vollstreckbarkeit bzw. Beschränkung der Vollstreckbarkeit bei Verweigerung der Bestätigung fallen Gerichtskosten und Anwaltskosten wie Verfahren nach § § 7 3 1 ff. an.

2 3

4 5

Vgl. Thomas/Putzo/H«ssiege § 1080, Rdn. 2. Vgl. Kropholler Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 9 EuVTVO, Rdn. 6. Vgl. Zöller/Geimer § 1080, Rdn. 3. Vgl. dazu Leible/Lehmann Die Verordnung über den Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen und ihre Auswirkungen Rolf A.

6 7

auf die notarielle Praxis, NotBZ 2004, 453 ff. (459) Vgl. Thomas/Putzo/Hüssfege § 1080, Rdn. 3. Thomas/Putzo/Hüssiege § 1080, Rdn. 3 halten dies immerhin für möglich, bleiben im Übrigen unentschieden.

55

6

§ 1081

Elftes B u c h . Justizielle Z u s a m m e n a r b e i t in der E u r o p ä i s c h e n U n i o n

§ 1081 Berichtigung und Widerruf (1) Ein Antrag nach Artikel 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 8 0 5 / 2 0 0 4 auf Berichtigung oder Widerruf einer gerichtlichen Bestätigung ist bei dem Gericht zu stellen, das die Bestätigung ausgestellt hat. Ü b e r den Antrag entscheidet das Gericht. Ein Antrag auf Berichtigung oder Widerruf einer notariellen oder behördlichen Bestätigung ist an die Stelle zu richten, die die Bestätigung ausgestellt hat. Die N o t a r e oder Behörden leiten den Antrag unverzüglich dem Amtsgericht, in dessen Gericht sie ihren Sitz haben, zur Entscheidung zu. (2) Der Antrag auf Widerruf durch den Schuldner ist nur binnen einer Frist von einem M o n a t zulässig. Ist die Bestätigung im Ausland zuzustellen, beträgt die Frist zwei M o n a t e . Sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung der Bestätigung, jedoch frühestens mit der Zustellung des Titels, auf den sich die Bestätigung bezieht. In dem Antrag auf Widerruf sind die G r ü n d e darzulegen, weshalb die Bestätigung eindeutig zu Unrecht erteilt worden ist. (3) § 319 Abs. 2 und 3 sind auf die Berichtigung und den Widerruf entsprechend anzuwenden. Übersicht Rdn. I. Zulässigkeit von Berichtigung und Widerruf 1. Berichtigung 2. Widerruf II. Verfahren 1. Zuständigkeit a. Gerichtliche Bestätigung . . b. Notarielle oder behördliche Bestätigung

1

3 4 6 6 6

Rdn. c. Ausschließlichkeit der Zuständigkeit 2. Frist 3. Beschlussverfahren a. Antrag b. Entscheidung III. Rechtsmittel

8 9 11 11 12 13

I. Zulässigkeit von Berichtigung und Widerruf 1

Art. 10 Abs. 4 E u V T V O schließt einen Rechtsbehelf gegen die Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel aus. Die einzigen Möglichkeiten, eine Abänderung oder Beseitigung des Titels zu erreichen sind Berichtigung und Widerruf nach Art. 10 Abs. 1 E u V T V O . § 1081 regelt d a s deutsche Verfahren hierfür.

2

Unberührt von dem Rechtsmittelausschluss in Art. 10 Abs. 4 E u V T V O bleiben die Rechtsmittel gegen die zu bestätigende Entscheidung selbst 1 . Sie richten sich nach der jeweiligen lex fori. Art. 6 Abs. 3 E u V T V O setzt eine Anfechtbarkeit der Entscheidung voraus. 1. Berichtigung

3

Eine Berichtigung der Bestätigung nach Art. 10 Abs. 1 lit. a E u V T V O ist zulässig, wenn „die Entscheidung und die Bestätigung aufgrund eines materiellen Fehlers voneinander a b w e i c h e n " . D a s ist zunächst der Fall bei Schreibfehlern 2 . Darüber 1

56

Vgl. Rauscher/Pafcsi Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 10 EG-VollstrTitelVO, Rdn. 4; Zöller/ Geimer § 1081, Rdn. 2.

2

Vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 10 EuVTVO, Rdn. 4.

Rolf A. Schütze

4 . Abschnitt. Europäischer Vollstreckungstitel nach V O (EG) 8 0 5 / 2 0 0 4

§ 1081

hinaus ist aber auch jede Abweichung von Titel und Bestätigung zu berücksichtigen. Das betrifft insbesondere die Angaben in Formblatt Anhang I Nr. 2 - 6 3 . Leitlinie kann § 319 sein 4 . Alles was nach dieser Bestimmung zur Berichtigung führt, ist auch geeignet, eine Berichtigung nach Art. 10 E u V T V O zu begründen. Der Gläubiger muss zwar nach Art. 2 0 E u V T V O Ausfertigungen der Entscheidung und der Bestätigung den zuständigen Vollstreckungsbehörden vorlegen, jedoch gilt das Übersetzungserfordernis nur für die Transkription oder die Bestätigung nach Art. 2 0 Abs. 2 lit. c E u V T V O . Diese Übersetzung werden die Vollstreckungsbehörden regelmäßig zugrunde legen. Deshalb ist Art. 10 Abs. 1 lit. a E u V T V O im Sinne des Schuldnerschutzes weit auszulegen 5 . 2 . Widerruf Nach Art. 10 Abs. 1 lit. b E u V T V O kann die Bestätigung widerrufen werden, wenn sie „eindeutig" zu Unrecht erteilt worden ist. Das Tatbestandsmerkmal der Eindeutigkeit ist eine Leerformel. Entweder ist die Bestätigung zu Unrecht erteilt oder nicht. Es kann keinen Unterschied machen, ob dies offensichtlich ist und ob der Bestätigung eine Art Kainsmal anhaftet. Die Situation ist rechtsähnlich der nach Art. 3 4 Nr. 1 V O (EG) Nr. 44/2001. Auch dort ist das Merkmal der Offensichtlichkeit beim ordre public Verstoß nur eine Wortspielerei ohne praktische Bedeutung 6 . Rauscher/Pabst 7 versuchen den redaktionellen Unsinn zu retten, indem sie der „Eindeutigkeit" den Sinn einer Beweislastregelung geben, wonach der Antragsteller den Verstoß gegen die in der Verordnung festgelegten Voraussetzungen zu beweisen hat. Das mag hingehen, ergibt sich aber ohnehin aus allgemeinen Beweislastregeln.

4

Der Widerruf kann insbesondere darauf gestützt werden, dass der Anspruch nicht dem sachlichen Geltungsbereich der E u V T V O unterfällt (Art. 2), die Forderung nicht unbestritten war (Art. 3) oder keine Zuständigkeit nach Art. 6 Abs. 1 lit. b E u V T V O bestanden hat oder die Mindestvorschriften der Artt. 12 ff. E u V T V O nicht eingehalten wurden 8 . Der Widerruf kann ist Verbrauchersachen auch darauf gestützt werden, dass der Verbraucher seinen Wohnsitz nicht im Staat hat, in dem die Entscheidung ergangen ist (Art. 6 Abs. 1 lit. d E u V T V O ) .

5

II. Verfahren 1. Zuständigkeit a) Gerichtliche Bestätigung. Zuständig zur Entscheidung über Berichtigung und Widerruf ist das Gericht, das die Bestätigung ausgestellt hat, vorausgesetzt, dass dies ein deutsches Gericht ist. Das deutsche Recht kann keine fremden Zuständigkeiten regeln. § 1081 bestimmt nur, welches deutsche Gericht bei deutschem europäischen Vollstreckungstitel zuständig ist und dass kein deutsches Gericht für Berichtigung

3

4

Vgl. Rauscher/Pa&si Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 10 EG-VollstrTitelVO, Rdn. 13. Vgl. Kropholler Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 10 EuVTVO, Rdn.; Stein Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen tritt in Kraft - Aufruf zu einer nüchternen Betrachtung, IPRax 2004, 181ff. (190).

5

6 7

8

Vgl. Rauscher/Pafrsf Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 10 EG-VollstrTitelVO, Rdn. 11 ff. Vgl. Schütze DIZPR, Rdn. 294. Vgl. Rauscher/PaiKf Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 10 EG-VollstrTitelVO, Rdn. 16. Vgl. Kropholler Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 10 EuVTVO, Rdn. 6.

Rolf A. Schütze

57

6

§ 1081

Elftes Buch. Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union

oder Widerruf eines von einem ausländischen Gericht erlassenen europäischen Vollstreckungstitel Zuständigkeit besitzt. Im Übrigen ist § 1081 Abs. 1 nur eine Wiederholung des ohnehin in Art. 10 Abs. 1 manifestierten Grundsatzes der Zuständigkeit des Ursprungsgerichts. 7

b) Notarielle oder behördliche Bestätigung. Auch bei Bestätigungen öffentlicher Urkunden durch Behörden und Notare nach § 1079 bleibt die Zuständigkeit für Berichtigung und Widerruf bei den staatlichen Gerichten. Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Sprengel die Behörde oder der Notar, die die Bestätigung ausgestellt haben, ihren Sitz haben (Abs. 1 S. 4). Der Antrag auf Berichtigung oder Widerruf ist jedoch bei dem Notar oder der Behörde einzureichen, die die Bestätigung erstellt haben. Der Notar oder die Behörde haben den Antrag unverzüglich an das Gericht weiterzuleiten. Sie haben keine Entscheidungsbefugnis, können die Berichtigung oder den Widerruf der Bestätigung - selbst wenn sie den Antrag für begründet halten - nicht aussprechen. Der Antrag kann - entsprechend § 569 Abs. 1 - auch direkt bei dem zuständigen Amtsgericht eingereicht werden. Dieses hat den Notar oder die Behörde zu informieren.

8

c) Ausschließlichkeit der Zuständigkeit. Die Zuständigkeit ist ausschließlich. 2. Frist

9

10

Der Antrag auf Berichtigung ist nicht fristgebunden 9 . Der Antrag auf Widerruf kann nur binnen einer Frist von 1 Monat gestellt werden. Bei Zustellung im Ausland verlängert sich die Frist auf 2 Monate. Sie ist eine Notfrist i. S. von § 2 2 4 und kann nicht verlängert werden. Jedoch ist die Wiedereinsetzung möglich (§ 2 3 3 ) 1 0 . Die Frist beginnt mit der Zustellung der Bestätigung, frühestens jedoch mit der Zustellung des Titels, auf die sich die Bestätigung bezieht. Nur bei Kenntnis beider Entscheidungen können die Parteien beurteilen, ob ein Widerrufsgrund vorliegt. Bei öffentlichen Urkunden, bei denen die Bestätigung von einem Notar oder einer Behörde ausgestellt worden ist, genügt zur Fristwahrung die Antragstellung bei dem bestätigenden Notar oder der bestätigenden Behörde oder dem zuständigen Amtsgericht. Teilweise wird die Fristbestimmung als verordnungswidrig angesehen, da Art. 10 EuVTVO keine Frist vorsieht 11 . Art. 10 Abs. 2 EuVTVO überlässt aber das Verfahren der Berichtigung und des Widerrufs der lex fori des Ursprungsmitgliedstaates. Im Rahmen dieser Ermächtigung konnte Deutschland die Fristbestimmung einführen 12 . Die Regelung ist sinnvoll, da über die Bestandsfähigkeit der Bestätigung möglichst schnell Klarheit herrschen muss 13 . Der Regelung in § 1081 steht Art. 10 Abs. 4 EuVTVO auch nicht entgegen, da diese Norm sich nur auf Rechtsbehelfe außerhalb von Berichtigung und Widerruf bezieht 14 .

9

10 11

58

Vgl. Kropholler Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 10 EuVTVO, Rdn. 17. Vgl. Thomas/Putzo/Hüssfege § 1081, Rdn. 3. Vgl. Leible/Lehmann Die Verordnung über den Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen und ihre Auswirkungen auf die notarielle Praxis, NotBZ 2004, 453 ff. (460); Thomas/Putzo/Hüsstege § 1081, Rdn. 3.

12

13 14

Vgl. Rauscher/fijfcst Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 10 EG-VollstrTitelVO, Rdn. 19. Vgl. ZöWtdGeimer § 1081, Rdn. 5. Vgl. Rauscher/Pafcsf Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 10 EG-VollstrTitelVO, Rdn. 19; Wagner Die neue EG-Verordnung zum Europäischen Vollstreckungstitel, IPRax 2005, 189 ff. (197); ders. Das Gesetz zur Durchführung der Verord-

Rolf A. Schütze

4 . Abschnitt. Europäischer Vollstreckungstitel nach V O (EG) 8 0 5 / 2 0 0 4

§ 1081

3. Beschluss verfahren a) Antrag. Das Verfahren wird durch Antrag eingeleitet. Der Antrag kann sowohl für Berichtigung als auch Widerruf auf dem Formblatt in Anhang VI gestellt werden. Die Benutzung des Formblatts ist jedoch nicht obligatorisch, der Antrag kann auch formlos gestellt werden 15 . Er muss jedoch für den Widerruf begründet werden. Der Antragsteller muss konkret darlegen, gegen welche Erfordernisse der E u V T V O die Bestätigung verstößt. Es genügt nicht der bloße Vortrag, die Bestätigung sei rechtwidrig oder verordnungswidrig erteilt worden. Wenn der Antragsteller geltend machen will, dass es sich um eine Verbrauchersache handele und er zum Zeitpunkt der Entscheidung seinen Wohnsitz nicht im Ursprungsmitgliedstaat hatte, so muss er darlegen, warum es sich um eine Verbrauchersache gehandelt habe und wo er seinen Wohnsitz gehabt hat. Die fehlende oder unzureichende Begründung macht den Antrag unzulässig 16 .

11

Antragsberechtigt ist zunächst der Schuldner. Aber ein Antragsrecht besteht auch für den Gläubiger soweit er durch die Bestätigung belastet ist, etwa weil der Forderungsbetrag zu niedrig übertragen wurde 1 7 . Das gilt jedoch nur für die Berichtigung, nicht für den Widerruf. Für den darauf gerichteten Antrag ist nur der Schuldner antragsberechtigt 18 . b) Entscheidung. Funktional zuständig für die Entscheidung ist der Rechtspfleger (§ 2 0 Nr. 11 RechtspflG). Die Entscheidung erfolgt durch Beschluss. Dieser ist zu begründen. Der Beschluss, der Widerruf oder Berichtigung ausspricht ist nach Abs. 3 i.V. m. § 319 Abs. 2 mit der Bestätigung zu verbinden.

12

III. Rechtsbehelfe Gegen den Beschluss, der dem Berichtigungs- oder Widerrufsantrag stattgibt, findet nach Abs. 3 i.V. m. § 319 Abs. 3 die sofortige Beschwerde statt. Gegen den ablehnenden Beschluss ist die befristete Erinnerung statthaft 1 9 , § 319 Abs. 3 i.V.m § 11 Abs. 2 RechtspflG. Der Rechtspfleger kann der Erinnerung abhelfen. Hilft er der Erinnerung nicht ab, so legt er sie zur Entscheidung dem Richter vor. Gegen dessen zurückweisenden Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben. Im Übrigen ist bei Bestätigungen, die unter Verstoß gegen die Bestimmungen des Art. 6 Abs. 1 E u V T V O ergangen sind, nach Ausschöpfung der Rechtsmittel die Individualbeschwerde zum E G M R gegeben 2 0 .

15

16

nung (EG) Nr. 805/2004 zum Europäischen Vollstreckungstitel - unter besonderer Berücksichtigung der Vollstreckungsabwehrklage, IPRax 2005, 401 ff. (404). Vgl. Rauscher/Pafosi Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 10 EG-VollstrTitelVO, Rdn. 21; ThomasfPatzo/Hüsstege § 1081, Rdn. 4; Zöller/Gelmer § 1081, Rdn. 6. Vgl. Rauscher/Pafcsf Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 10 EG-VollstrTitelVO, Rdn. 23.

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19

20

Vgl. Rauscher/Pafcsf Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 10 EG-VollstrTitelVO, Rdn. 18. Vgl. Klippstein in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 10 EuVTVO, Rdn. 46; Zöller/Ceimer § 1081, Rdn. 2. Vgl. Kropholler Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 10 EuVTVO, Rdn. 18. Vgl. Rauscher/Pafosf Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 10 EG-VollstrTitelVO, Rdn. 27f.

R o l f A. Schütze

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13

TITEL 2 Zwangsvollstreckung aus Europäischen Vollstreckungstiteln im Inland

§ 1082 Vollstreckungstitel Aus einem Titel, der in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach der Verordnung (EG) Nr. 8 0 5 / 2 0 0 4 als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden ist, findet die Zwangsvollstreckung im Inland statt, ohne dass es einer Vollstreckungsklausel bedarf. Übersiebt Rdn. Europäischer Vollstreckungstitel als Grundlage der Zwangsvollstreckung . . 1. Grundsatz 2 . Entbehrlichkeit der Vollstreckungsklausel 3. Klauselerteilung für einen anderen als den im Titel bezeichneten Gläubiger

1 1

Rdn.

II. III. IV. V.

oder gegen einen anderen als den im Titel bezeichneten Schuldner Anwendbarkeit der §§ 7 5 0 f f Erinnerung Vollstreckungsgegenklage Drittwiderspruchsklage

4 5 6 7 8

I. Europäischer Vollstreckungstitel als Grundlage der Zwangsvollstreckung 1. Grundsatz 1

§ 1 0 8 2 hat zunächst deklaratorische Wirkung. Die Norm bestätigt zunächst nur, was ohnehin schon (europäischen) Rechts ist. Nach Art. 5 E u V T V O wirkt der europäische Vollstreckungstitel in allen Mitgliedstaaten (außer Dänemark), ohne dass eine Anerkennung, Vollstreckbarerklärung, Exequierung, Homologierung pp. notwendig wäre. Der europäische Vollstreckungstitel ist hinsichtlich der Zwangsvollstreckung wie ein inländischer Titel zu behandeln. Deshalb statuiert Art. 2 0 Abs. 1 S. 2 E u V T V O dass eine als europäische Vollstreckungstitel bestätigte Entscheidung unter den gleichen Bedingungen vollstreckt wird wie eine im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangene Entscheidung.

2

Nach Art. 2 0 Abs. 1 S. 1 E u V T V O gilt für das Vollstreckungsverfahren das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates. Dieser ist in dessen Ausgestaltung frei, darf den europäischen Vollstreckungstitel nur nicht schwereren Bedingungen unterwerfen als inländische Titel. Die Formulierung in Art. 2 0 Abs. 1 S. 2 E u V T V O (gleiche Bedingungen) ist insoweit missverständlich. Europäische Vollstreckungstitel können durchaus auch unter erleichterten Bedingungen zur Vollstreckung zugelassen werden, wie das in § 1 0 8 2 durch die Zulassung der Vollstreckung ohne Klausel geschieht. 60

Rolf A. Schütze

4. Abschnitt. Europäischer Vollstreckungstitel nach VO (EG) 8 0 5 / 2 0 0 4

§ 1082

2. Entbehrlichkeit der Vollstreckungsklausel Die Gleichstellung des europäischen Vollstreckungstitels mit einem deutschen Titel allein beseitigt aber noch nicht das Erfordernis der Klauselerteilung nach § 7 2 5 . Hier statuiert § 1 0 8 2 , dass es der Klauselerteilung nicht bedarf. § 1 0 8 2 schließt die Erteilung der Vollstreckungsklausel nicht aus. Die Situation entspricht der in § 9 2 9 , der eine Vollstreckungsklausel für entbehrlich erklärt, diese aber in den Fällen des § 7 2 7 für zulässig und notwendig erklärt.

3

3. Klauselerteilung für einen anderen als den im Titel bezeichneten Gläubiger oder gegen einen anderen als den im Titel bezeichneten Schuldner Soll die Zwangsvollstreckung für einen anderen als den im Titel bezeichneten Gläubiger oder gegen einen anderen als den im Titel bezeichneten Schuldner stattfinden, so ist eine Klauselerteilung notwendig. § 7 2 7 ist anwendbar. § 7 2 7 gilt für alle Vollstreckungstitel 1 . Ebenso wie im Rahmen von § 9 2 9 bedarf es bei Rechtsnachfolge von Gläubiger oder Schuldner einer Titel übertragenden Vollstreckungsklausel.

4

II. Anwendbarkeit der §§ 7 5 0 ff. Anwendbar sind §§ 7 5 0 ff. 2 . Damit sind alle Vollstreckungsrechtsbehelfe der Z P O auch gegenüber ausländischen europäischen Vollstreckungstiteln zulässig 3 , so § 7 6 5 a , 7 6 6 , 7 6 7 4.

5

III. Erinnerung Gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung findet die Erinnerung nach § 7 6 6 statt 5 .

6

IV. Vollstreckungsgegenklage6 Einwendungen gegen den durch den europäischen Vollstreckungstitel festgestellten Anspruch können mit der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden. Es findet § 1 0 8 6 Anwendung.

1

2

3

Vgl. dazu Loritz Die Umschreibung der Vollstreckungsklausel, ZZP 95 (1982), 310 ff.; ders. Rechtsnachfolge und Umschreibung der Vollstreckungsklausel in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutze, ZZP106 (1993), Iff.; Thomas/Putzo/Pwizo § 7 2 7 Rdn. 1; Wieczorek/ Schütze/Paulus § 727, Rdn. 3. Vgl. Rauscher/Pabst Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 20 EuVTVO, Rdn. 1; Thomas/Putzo/ Hüsstege § 1082 Rdn. 1. Vgl. Klippstein in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 20 EuVTVO, Rdn. 58.

Vgl. Klippstein in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 20 EuVTVO, Rdn. 58. Vgl. Rauscher/Pa&sf Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 20 EG-VollstrTitelVO, Rdn. 5; Thomas/Putzo/Hüsstege § 1082, Rdn. 2; Zöller/Ceimer § 1082, Rdn. 3. Vgl. dazu insbes. Wagner Das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zum Europäischen Vollstreckungstitel - unter besonderer Berücksichtigung der Vollstreckungsabwehrklage, IPRax 2005, 401 ff.

R o l f A. Schütze

61

7

§ 1083

Elftes Buch. Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union

V. Drittwiderspruchsklage 8

Die Drittwiderspruchsklage nach § 771 findet statt, wenn die deutschen Gerichte nach Art. 22 Nr. 5 VO (EG) Nr. 44/2001 Zuständigkeit besitzen 7 , d. h. die deutschen Gerichte, wenn und soweit die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll oder durchgeführt worden ist 8 .

§ 1083 Übersetzung Hat ein Gläubiger nach Artikel 20 Abs. 2 Buchstabe c der Verordnung (EG) Nr. 8 0 5 / 2 0 0 4 eine Ubersetzung vorzulegen, so ist diese in deutscher Sprache zu verfassen und von einer hierzu in einem der Mitgliedstaaten der Europäischen Union befugten Person zu beglaubigen. Übersicht I. Notwendigkeit der Übersetzung II. Erfordernisse der Übersetzung 1. Verständlichkeit

Rdn. 1 2 2

2. Beglaubigung III. Rechtsfolgen mangelhafter ÜberSetzung

Rdn. 3 4

I. Notwendigkeit der Übersetzung 1

Nach Art. 20 Abs. 2 lit. c der EuVTVO ist eine Übersetzung in die Sprache des Vollstreckungsmitgliedstaates vorzulegen. Dies ist notwendig, da Fremdsprachenkenntnisse der Vollstreckungsorgane nicht vorausgesetzt werden können. Da Deutschland nur eine Amtssprache kennt, ist eine etwa erforderliche Ubersetzung in die deutsche Sprache notwendig. § 1083 dient nur der Klarstellung. Es handelt sich um die nach Art. 30 Abs. 1 lit. b EuVTVO Konkretisierung, die der Kommission mitgeteilt worden ist. Die Übersetzung ist nur insoweit erforderlich als es sich nicht um Teile der Bestätigung handelt, die nicht durch Ankreuzen oder Aufnahme von Bezeichnungen in die Formblätter ausgefüllt werden können 1 . Das ist regelmäßig bei notwendigen ergänzenden oder erläuternden Einträgen der Fall. II. Erfordernisse der Übersetzung 1. Verständlichkeit

2

Für die Qualität der Übersetzung gelten allgemeinen Grundsätze im internationalen Zivilprozessrecht 2 . Die Übersetzung muss verständlich sein. Sprachlicher Eleganz oder auch nur Richtigkeit kann nicht gefordert werden. Sinnentstellende Fehler 7

8

62

Vgl. Hüsstege Braucht die Verordnung über den europäischen Vollstreckungstitel eine ordrepublic-Klausel? FS Jayme, 2004, S. 371 ff. (384). Zur Anwendbarkeit von Art. 22 Nr. 5 VO (EG) Nr. 44/2001 auf Drittwiderspruchsklagen vgl. Geimer/Schütze EuZVR, A.l, Art. 22, Rdn. 268.

1

2

Vgl. Klippstein in: Gebauer/Wiedmann, Art. 20 EuVTVO, Rdn. 61. Vgl. dazu Schütze Probleme der Übersetzung im Zivilprozessrecht, FS Sandrock, 2000, S. 871 ff.; ders. Übersetzungen im europäischen und internationalen Zivilprozessrecht - Probleme der Zustellung, RIW 2006, 352 ff. (353 f.).

Rolf A. Schütze

4 . Abschnitt. Europäischer Vollstreckungstitel nach VO (EG) 8 0 5 / 2 0 0 4

§ 1084

machen die Übersetzung dagegen unbrauchbar. Die Übersetzung ist keine Übersetzung im Rechtssinne mehr. 2 . Beglaubigung Die Übersetzung ist zu beglaubigen. Die Beglaubigung ist die Bestätigung der Richtigkeit der Übersetzung. Sie ist aber nicht bindend. Die Richtigkeit der Übersetzung ist eine Tatfrage. Die Beglaubigung begründet nur eine - widerlegbare - Vermutung für die Richtigkeit der Übersetzung 3 .

3

Die Ermächtigung zur Beglaubigung kann von den zuständigen Behörden irgendeines Mitgliedstaates erteilt sein 4 . Ein belgischer Übersetzer, der nach belgischem Recht zur Beglaubigung befugt ist, kann eine Übersetzung eines europäischen Vollstreckungstitels eines französischen Gerichts in die deutsche Sprache im Rahmen des § 1 0 8 3 wirksam beglaubigen. Die Frage, ob die Beglaubigung von einem ermächtigten Übersetzer stammt, ist eine Tatfrage. Der Antragsteller trägt die Darlegungs- und Beweislast. § 2 9 3 ist nicht anwendbar 5 .

III. Rechtsfolgen mangelhafter Ubersetzung Eine sinnentstellende Übersetzung ist eine NichtÜbersetzung. Das Erfordernis des Art. 2 0 Abs. 2 lit.c E u V T V O ist nicht erfüllt. Die für die Vollstreckung notwendigen Unterlagen sind nicht vollständig. Vollstreckungsmaßnahmen dürfen nicht erfolgen. Der Schuldner kann Erinnerung nach § 7 6 6 einlegen 6 , wenn aus dem Titel dennoch vollstreckt wird.

§ 1084 Anträge nach den Artikeln 21 und 23 der Verordnung (EG) Nr. 8 0 5 / 2 0 0 4 (1) Für Anträge auf Verweigerung, Aussetzung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung nach den Artikeln 21 und 2 3 der Verordnung (EG) Nr. 8 0 5 / 2 0 0 4 ist das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht zuständig. Die Vorschriften des Buches 8 über die örtliche Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts sind entsprechend anzuwenden. Die Zuständigkeit nach den Sätzen 1 und 2 ist ausschließlich. (2) Die Entscheidung über den Antrag nach Artikel 21 der Verordnung (EG) Nr. 8 0 5 / 2 0 0 4 ergeht durch Beschluss. Auf die Einstellung der Zwangsvollstreckung und die Aufhebung der bereits getroffenen Vollstreckungsmaßnahmen sind § 7 6 9 Abs. 1 und 3 sowie § 7 7 0 entsprechend anzuwenden. Die Aufhebung einer Vollstreckungsmaßregel ist auch ohne Sicherheitsleistung zulässig.

3

4

Vgl. Schütze Probleme der Übersetzung im Zivilprozessrecht, FS Sandrock, 2000, S. 871 ff. (874); ders. Übersetzungen im europäischen und internationalen Zivilprozessrecht - Probleme der Zustellung, RIW 2006, 352ff. (354). Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 1083, Rdn.4.

5

6

AA Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 1083, Rdn.4. Vgl. zur Zulässigkeit Klippstein in: Gebauer/ Wiedmann, Art. 20 EuVTVO, Rdn. 58.

Rolf A. Schütze

63

4

1084

Elftes Buch. Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union

(3) Über den Antrag auf Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung nach Artikel 23 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 wird durch einstweilige Anordnung entschieden. Die Entscheidung ist unanfechtbar. Übersicht I. Anwendungsbereich 1. Kollidierende andere Entscheidung . a. Unvereinbare Urteilswirkungen . b. Zeitliche Priorität der anweichenden Entscheidung c. Identität des Streitgegenstandes . d. Parteienidentität e. Präklusion 2. Rechtsbehelf gegen europäische Vollstreckungstitel, sowie Antrag auf Berichtigung oder Widerruf der Bestätigung

Rdn. 1 2 3

3. Sicherungsvollstreckung 4. Einstellung der Zwangsvollstreckung wegen außergewöhnlicher Umstände . II. Verfahren 1. Sachliche Zuständigkeit 2. Örtliche Zuständigkeit 3. Ausschließlichkeit der Zuständigkeit . III. Entscheidung 1. Auslegungsgrundsätze 2. Beschlussverfahren 3. Einstweilige Anordnung 4. Endgültigkeit der Entscheidung . . .

Rdn. 10 11 12 12 13 14 15 15 16 17 18

I. Anwendungsbereich 1

§ 1084 regelt vier unterschiedliche Fälle: Die Verweigerung der Vollstreckung wegen Urteilskollision, die Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung bei Rechtsbehelfen des Schuldners gegen den europäischen Vollstreckungstitel, die Sicherungsvollstreckung und die Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen unter außergewöhnlichen Umständen. 1. Kollidierende andere Entscheidung

2

Kollidierende Entscheidungen sind unerwünscht. § 328 Abs. 1 Nr. 3 statuiert deshalb als Erfordernis der Anerkennung, dass keine Kollision mit einem inländischen Urteil oder einer anzuerkennenden früheren ausländischen Entscheidung vorliegen darf 1 . Das Gesetz behandelt den Vorrang bei Kollisionen von Entscheidungen zwar nicht als Unterfall des ordre public 2 , immerhin ist das Erfordernis im öffentlichen Interesse aufgestellt.

3

a) Unvereinbare Urteilswirkungen. Die Urteilswirkungen des Europäischen Vollstreckungstitels müssen mit denen einer anderen Entscheidung unvereinbar sein. Der Begriff der „Unvereinbarkeit" ist gemeinschaftsrechtlich autonom zu qualifizieren 3 . Er ist derselbe wie in Art. 34 Nr. 3 VO (EG) Nr. 44/2001 und Artt. 27 EuGVÜ/LugÜ. Es gilt deshalb der weite Verfahrensbegriff den der EuGH 4 entwickelt hat 5 . Nicht nur gegensätzliche Entscheidungen gegen den gleichen Beklagten sind unvereinbar,

1

2

3

4

64

Vgl. dazu Lenenbach Die Behandlung von Unvereinbarkeiten zwischen rechtskräftigen Zivilurteilen nach deutschem und europäischem Zivilprozessrecht, 1997. Vgl. Geimer Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, S. 112; Schütze DIZPR, 2. Aufl., 2005, Rdn. 335. Vgl. Kropholler Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 21 EuTVO, Rdn. 4. Vgl. EuGH Rs. 144/86 - Gubisch v. Palumbo -

EuGHE 1987, 4861 = N J W 1989, 665 = RIW 1988, 818 mit Anm. Linke; EuGH Rs. C-406/92 The owners of the cargo lately laden on board the ship Tatry v. The owners of the ship Maciej rataj - E u G H E 1994 I, 5439 = EWS 1995, 90 mit Besprechungsaufsatz Lenenbach Gerichtsstand des Sachzusammenhangs nach Art. 21 EuGVÜ?, ebenda 361 ff. 5

Vgl. im einzelnen Geimer/Schütze Art. 34, Rdn. 166 ff.

Rolf A. Schütze

EuZVR, A . l ,

4 . Abschnitt. Europäischer Vollstreckungstitel nach VO (EG) 8 0 5 / 2 0 0 4

§ 1084

auch identische bzw. teilidentische Entscheidungen sind unvereinbar, da sie zu einer Titeldoppelung führen 6 . Insbesondere sind Urteile aus Vertrag mit solchen auf Feststellung der Nichtigkeit des Vertrages unvereinbar. Unerheblich ist, ob die Unvereinbarkeit mit einer inländischen oder einer anerkannten ausländischen Entscheidung vorliegt 7 . b) Zeitliche Priorität der abweichenden Entscheidung. Während nach Art. 3 4 Nr. 3 E u G W O die zweitstaatliche Entscheidung immer privilegiert ist, stellt Art. 21 Abs. 1 lit. a EuVTVO auf die zeitliche Priorität ab. Abzustellen ist auf den Eintritt der Rechtskraft. Ist das ausländische Urteil zeitlich nach der inländischen Entscheidung in Rechtskraft erwachsen, so ist die Anerkennung schon deshalb ausgeschlossen, weil die Rechtskraft der ausländischen Entscheidung nur relativ, die der inländischen dagegen absolut wirkt 8 . Soweit die Rechtskraft der ausländischen Entscheidung vor der Rechtskraft des inländischen Urteils eintritt greift Art. 21 Abs. 1 lit. a E u V T V O ein und bewirkt eine Anerkennungssperre. Es gelten die gleichen Grundsätze wie für § 3 2 8 Abs. 1 Nr. 3 9 .

4

c) Identität des Streitgegenstandes. Der Streitgegenstand beider Entscheidungen muss identisch sein. Es gelten die zur E u G W O entwickelten Grundsätze 1 0 . Nach der Kernpunkttheorie des EuGH ist ein weiter Verfahrensbegriff zugrunde zu legen 1 1 . Es kommt also - anders als bei der deutschen Streitgegenstandslehre - nicht auf den Klagantrag an, sondern ob der Kernpunkt beider Verfahren gleich ist. Das ist in der Rechtsprechung des EuGH zu bejahen für das Leistungsurteil und das negative Feststellungsurteil (wegen eben dieser Leistungsverpflichtung).

5

d) Parteienidentität. Art. 21 Abs. 1 lit. a verlangt Identität der Parteien. Problematisch sind die Fälle der Rechtskrafterstreckung auf Dritte 1 2 .

6

e) Präklusion. Die Vollstreckung darf nur verweigert werden, wenn die Unvereinbarkeit im gerichtlichen Verfahren des Usprungsmitgliedstaates nicht geltend gemacht worden ist und nicht geltend gemacht werden konnte (Art. 21 Abs. 1 lit. c EuVTVO). Die Unvereinbarkeit muss deshalb nicht geltend gemacht worden sein, weil sie nicht geltend gemacht werden konnte. Auch zur Vollstreckungsgegenklage wird die Präklusion daran geknüpft, dass es dem Schuldner subjektiv möglich war, die Einwendung vorzubringen 13 .

7

Die Präklusionswirkung tritt nicht ein, wenn der Beklagte unverschuldet von dem widersprechenden Titel keine Kenntnis hatte. Nicht geltend gemacht werden

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11

Vgl. Geimer/Schütze Internationale Urteilsanerkennung, Bd. 1/1, S. 996. Vgl. Rauscher/fijfosi Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 21 EG-VollstrTitelVO, Rdn.3; Stein Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen tritt in Kraft - Aufruf zu einer nüchternen Betrachtung, IPRax 2004, 181 ff. (182). Vgl. Kallmann Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile und Vergleiche, 1946, S. 220, FN 17; Riezler IZPR, 1949, S. 521. Vgl. dazu Schütze DIZPR, Rdn. 335. Vgl. Rauscher/ftzbsi Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 21 EG-VollstrTitelVO, Rdn. 5. Vgl. EuGH Rs. 144/86 - Gubisch v. Palumbo -

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13

EuGHE 1987, 4861 = NJW 1989, 665; EuGH Rs. C-406/92 - The owners of the cargo lately laden on board the ship Tatry v. The owners of the ship Maciej rataj - EuGHE 1994 I, 5439 = EWS 1995, 90. Vgl. dazu Koch Unvereinbare Entscheidungen i. S. d. Art. 27 Nr. 3 und 5 EuGVÜ und ihre Vermeidung, 1993, S. 50 und Lenenbach Die Behandlung von Unvereinbarkeiten zwischen rechtskräftigen Zivilurteilen nach deutschem und europäischem Zivilprozessrecht, 1997, S. 173 Vgl. eingehend Burgharä Die Präklusion der zweiten Vollstreckungsgegenklage, ZZP 106 (1993), 23 ff.

Rolf A. Schütze

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§ 1084

Elftes Buch. Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union

kann die Unvereinbarkeit auch dann, wenn der Ursprungsstaat einen dem europäische Vollstreckungstitel widersprechenden ausländischen Titel nicht anerkennt, der Vollstreckungsstaat dies dagegen tut. Eine solche Fallkonstellation kann etwa entstehen, wenn ein österreichisches Gericht einen europäischen Vollstreckungstitel bestätigt hat, obwohl eine widersprechende New Yorker Entscheidung vorlag, da das New Yorker Urteil mangels Verbürgung der Gegenseitigkeit (§ 79 EO) nicht beachtet wurde 14 . Im deutschen Vollstreckungsverfahren ist die Entscheidung aus New York jedoch zu berücksichtigen, da nach h. L. die Gegenseitigkeit im Verhältnis zu New York verbürgt ist 1 5 . 2. Rechtsbehelf gegen europäischen Vollstreckungstitel, sowie Antrag auf Berichtigung oder Widerruf der Bestätigung Das Verfahren nach § 1084 regelt in Abs. 3 die Fälle des Art. 23 EuVTVO: der Schuldner hat einen Rechtsbehelf gegen eine als europäischer Vollstreckungstitel bestätigte Entscheidung eingelegt. Dazu gehören zunächst die Fälle nach Art. 19 EuVTVO, die insbesondere Fälle unzulänglicher Ladung betreffen. Darüber hinaus fallen hierunter auch Rechtsbehelfe gegen die bestätigte Entscheidung selbst, die durch Art. 10 Abs. 4 EuVTVO nicht abgeschnitten sind. Denn diese Norm betrifft nur Rechtsbehelfe gegen die Bestätigung.

9 -

-

der Schuldner hat die Berichtigung oder den Widerruf der Bestätigung nach Art. 10 EuVTVO i.V. m. §1081 beantragt. 3. Sicherungsvollstreckung

10

Nach Art. 23 EuVTVO kann das Gericht auf Antrag des Schuldners bei Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen die bestätigte Entscheidung oder Antrag auf Berichtigung oder Widerruf - das Vollstreckungsverfahren auf Sicherungsmaßnahmen beschränken oder - die Vollstreckung von der Leistung einer Sicherheit abhängig machen. Die Beschränkung auf Sicherungsmaßnahmen oder die Anordnung einer Sicherheitsleistung erfolgt nach gerichtlichem Ermessen 16 . Entscheidend müssen die Erfolgsaussichten der Verfahren auf Beseitigung von Titel und/oder Bestätigung sein. Im Übrigen sind die Interesse von Gläubiger und Schuldner abzuwägen. Hat der Gläubiger schon im Ausland Sicherheit in ausreichender Höhe geleistet, so kommt eine nochmalige Sicherheitsleistung 17 oder die Beschränkung der Vollstreckung auf Sicherungsmaßnahmen nicht in Betracht. 4. Einstellung der Zwangsvollstreckung wegen außergewöhnlicher Umstände

11

Art. 23 lit. c lässt die bedingungslose Einstellung der Zwangsvollstreckung unter außergewöhnlichen Umständen zu. Da die Sicherungsvollstreckung genügend Mög-

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16

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Vgl. dazu Geimer/Schütze EuZVR, E. 13, Rdn. 20 ff. m.w.N. Vgl. BGH RIW 1984, 557; Geimer/Schütze EuZVR, E.l, Rdn.287 m.w.N. Vgl. Kropholler Europäisches Zivilprozess-

17

recht, Art. 23 EuVTVO, Rdn. 6; Rauscher/Pafesf Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 23 EGVollstrTitelVO, Rdn. 5. Vgl. Rauscher/ftjfof Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 23 EG-VollstrTitelVO, Rdn. 8.

Rolf A. Schütze

4. Abschnitt. Europäischer Vollstreckungstitel nach VO (EG) 8 0 5 / 2 0 0 4

§ 1084

lichkeiten gibt, die Parteiinteressen zu wahren, kann eine bedingungslose Aussetzung nur die Ausnahme sein, etwa wenn der bestätigte Titel gegen den ordre public des Vollstreckungsstaates verstößt 1 8 .

II. Verfahren 1. Sachliche Zuständigkeit Zuständig ist das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht. Funktionell zuständig ist der Richter, nicht der Rechtspfleger 19 .

12

2 . Örtliche Zuständigkeit Örtlich zuständig ist das Gericht des Sprengeis, in dem der Schuldner im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, im übrigen das, in dem nach § 2 3 Klage erhoben werden kann, regelmäßig also, wo Vermögen belegen ist. § 828 Abs. 2 ist anwendbar 2 0 .

13

3. Ausschließlichkeit der Zuständigkeit Die örtliche und sachliche Zuständigkeit sind nach Abs. 1 S. 3 ausschließlich. § 8 0 2 ist anwendbar.

14

III. Entscheidung 1. Auslegungsgrundsätze Bei der Entscheidung sind die Begriffe der E u V T V O in gleicher Weise zu interpretieren wie sie der EuGH für EuGVÜ und Brüssel I V O entwickelt hat 2 1 . Grundsätzlich ist die autonome Auslegung 22 anzuwenden, und zwar unter Zugrundelegung der rechtsvergleichenden Methode 2 3 . Damit wird auch der Gefahr vorgebeugt, dass die nationalen Vollstreckungsgerichte mit ihrer häufig sozialpolitisch begründeten Schuldnerschutzpraxis das europäische Recht unterlaufen. Notfalls muss dem EuGH vorgelegt werden 2 4 .

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"

20 21

22

Vgl. Rauscher/Pato Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 23 EG-VollstrTitelVO, Rdn. 9. Vgl. Rauscher/Pafcst Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 23 EG-VollstrTitelVO, Rdn. 14; Thomas/Patzo/Hüsstege § 1084, Rdn. 2; Zöller/Geimer § 1086, Rdn. 3. Vgl. Thomas/Putzo/Hassiege § 1084, Rdn. 2. Vgl. Rauscher/Pafcst Europäisches Zivilprozessrecht, EG-VollstrTitelVO, Einl. Rdn. 34. Vgl. dazu Basedow Europäisches Zivilprozessrecht, in: Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, S. 113 ff.; Geimer/Schütze Internationale Urteilsanerkennung, Bd, 1/1, S. 56 ff.; Martiny Autonome und einheitliche Auslegung im europäischen internationalen Zivilprozessrecht, RabelsZ 45 (1981), 427 ff.; Pfeiffer Grundlagen und Grenzen der autonomen

23

24

Auslegung des EuGVÜ, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, 1991, S. 71 ff.; Schlosser Vertragsautonome Auslegung, nationales Recht, Rechtsvergleichung und das EuGVÜ, GS Bruns, 1980, S.45ff.; Scholz Das Problem der autonomen Auslegung des EuGVÜ, 1998. Vgl. dazu Geinter Zur Auslegung des Brüsseler Zuständigkeits- und Vollstreckungsübereinkommens in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968, EuR 12 (1977), 341 ff.; Martiny Autonome und einheitliche Auslegung im europäischen internationalen Zivilprozessrecht, RabelsZ 45 (1981), 427ff.; Schütze DIZPR, Rdn. 7; ders. Internationales Zivilprozessrecht und Rechtsvergleichung, FS Waseda, 1988, S. 323 ff. Vgl. Klippstein in: Gebauer/Wiedmann, Überblick vor EuVTVO, Rdn. 20 f.

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15

§ 1085

Elftes B u c h . Justizielle Z u s a m m e n a r b e i t in der E u r o p ä i s c h e n U n i o n

2 . Beschlussverfahren 16

Die Entscheidungen nach § 1084 ergehen durch Beschluss. Abs. 2 S. 1 ordnet dies für die Entscheidung über die Verweigerung der Vollstreckung wegen kollidierender anderweitiger Entscheidung nach Art. 21 EuVTO ausdrücklich an. Aber auch die Entscheidung nach Abs. 3 über die Aussetzung und Beschränkung der Vollstreckung erfolgt durch Beschluss (§ 7 0 7 Abs. 2 S. 1). Es ist rechtliches Gehör zu gewähren. 3. Einstweilige Anordnung

17

Über die Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung nach Art. 2 3 EuVTVO wird durch einstweilige Anordnung entschieden. § 7 0 7 gilt entsprechend 2 5 , insbesondere Abs. 2 S. 2, der die Unanfechtbarkeit des Beschlusses anordnet. Dies ist in Abs. 3 S. 2 zur Klarstellung noch gesondert aufgeführt. Es ist rechtliches Gehör zu gewähren, sofern nicht sofort zu entscheiden ist. In diesem Fall kann das rechtliche Gehör nachgeholt werden, da die einstweilige Anordnung - ebenso wie die nach § 7 0 7 - jederzeit wieder aufgehoben werden kann. 4. Endgültigkeit der Entscheidung

18

Gegen den Beschluss nach Abs. 2 S. 1 ist die sofortige Beschwerde gegeben 2 6 . Gegen den Beschluss nach Abs. 3 ist kein Rechtbehelf gegeben. Die Entscheidung ist unanfechtbar. Eine Aufhebung der nach Art. 2 3 E u V T V O i.V. m. Abs. 1, 3 getroffenen einstweiligen Maßnahmen muss erfolgen, wenn im ausländischen Verfahren über den Rechtsbehelf entschieden worden ist 2 7 .

§ 1085 Einstellung der Zwangsvollstreckung Die Zwangsvollstreckung ist entsprechend den § § 7 7 5 und 7 7 6 auch dann einzustellen oder zu beschränken, wenn die Ausfertigung einer Bestätigung über die Nichtvollstreckbarkeit oder die Beschränkung der Vollstreckbarkeit nach Artikel 6 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 8 0 5 / 2 0 0 4 vorgelegt wird. Übersiebt Rdn.

Rdn. I. Nichtvollstreckbarkeit oder Beschränkung des europäischen Vollstreckungstitels . . II. Notwendigkeit der Nichtvollstreckbarkeitsbescheinigung

25 26

27

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1

Vgl. Thomas/Putzo/Hüsstege § 1084, Rdn. 3. Vgl. Rauscher/Pabst Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 21 EG-VolltrTitelVO, Rdn. 11; Thomas/PutzoIHüsstege, $ 1084, Rdn. 2 . Vgl. Rauscher/Pabst Europäisches Zivilprozessrecht, Art.23 EG-VollstrTitelVO, Rdn. 15; Wag-

III. Anwendbarkeit von § 7 7 5 IV. Anwendbarkeit von § 7 7 6

4 5

ner Das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zum Europäischen Vollstreckungstitel - unter besonderer Berücksichtigung der Vollstreckungsabwehrklage, IPRax 2 0 0 5 , 401 ff. (404).

Rolf A. Schütze

4 . A b s c h n i t t . E u r o p ä i s c h e r V o l l s t r e c k u n g s t i t e l n a c h V O (EG) 8 0 5 / 2 0 0 4

§

1085

I. Nichtvollstreckbarkeit oder Beschränkung des Europäischen Vollstreckungstitels Ein europäischer Vollstreckungstitel kann nach Art. 10 Abs. 1 EuVTVO berichtigt 1 oder widerrufen werden, wenn die Entscheidung und die Entscheidung und die Bestätigung aufgrund eines materiellen Fehlers voneinander abweichen oder wenn die Erfordernisse der Verordnung für die Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel nicht vorliegen. Hierüber ist nach dem Recht des Ursprungsstaates - in Deutschland nach § 1081 - zu entscheiden. Hierüber wird auf Antrag eine Bescheinigung nach Art. 6 Abs. 2 EuVTVO erteilt. Die als europäischer Vollstreckungstitel bestätigte Entscheidung kann - neben 2 Berichtigung und Widerruf - auch aufgehoben werden. Das ist beispielsweise im Fall der erfolgreichen Vollstreckungsgegenklage der Fall. Dasselbe gilt für die erfolgreiche Individualbeschwerde vom EGMR, wenn eine Bestätigung trotz Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 erteilt und nicht nach Art. 10 EuVTVO korrigiert werden 1 . Auch über die Aufhebung der Entscheidung ist eine Nichtvollstreckbarkeitsbescheinigung auszustellen.

II. Notwendigkeit der Nichtvollstreckbarkeitsbescheinigung Im Interesse der Einheitlichkeit der Verfahrens- und Entscheidungsformalien wird 3 das Verfahren auch hinsichtlich der Aufhebung oder die Beschränkung des europäischen Vollstreckungstitels über Formblätter abgewickelt. Hier ist zu differenzieren: Während die Benutzung der Formblätter bei dem Antrag auf Berichtigung und Widerruf nicht zwingend 2 und eine formlose Stellung des Antrags zulässig ist, kann die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 1085 nur aufgrund einer Bestätigung nach Art. 6 Abs. 2 EuVTVO unter Benutzung des Formblatts in Anh. IV gestellt werden. Vorzulegen ist eine Ausfertigung der Bestätigung.

III. Anwendbarkeit von § 775 Eine Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung nach § 775 Nr. 1 4 und 2 kann erfolgen, wenn die Bestätigung über die Nichtvollstreckbarkeit oder die Beschränkung der Vollstreckbarkeit nach Art. 6 Abs. 2 EuVTVO vorgelegt wird. Das schließt nicht aus, dass die Zwangsvollstreckung auch in den Fällen des § 775 Nr. 3 bis 5 eingestellt oder beschränkt wird. Die Regelung des § 1085 ist nicht abschließend 3 . Hat der Schuldner den titulierten Betrag nach Bestätigung als europäische Vollstreckungstitel gezahlt und weist dies in einer öffentlichen Urkunde oder einer vom Gläubiger ausgestellten Privaturkunde nach, so ist die Zwangsvollstreckung nach § 775 Nr. 4 einzustellen.

IV. Anwendbarkeit von § 776 § 776 gilt ohne Einschränkung. Das folgt aus der Anwendbarkeit von § 775. Hin- 5 sichtlich ausländischer Entscheidungen ist die korrespondierende Rechtsfolge des § 776 anzuwenden 4 . Es ist auf die funktionale Vergleichbarkeit mit den Entscheidungen nach § 775 Nr. 1 und 2 abzustellen, um die Rechtsfolge des § 776 zu bestimmen. 1

2

Vgl. dazu Rauscher/Pafesf Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 10, EG-VollstrTitelVO, R d n . 2 7 f. Vgl. Rauscher/Pafcsi Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 10 EG-VollstrTitelVO, R d n . 21.

3 4

Vgl. Thomas/Putzo/Hwssiege § 1085, R d n . 1/2. Vgl. Thomas/Putzo/Husslege § 1085, R d n . 1/2.

Rolf A. Schütze

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§ 1086

Elftes B u c h . Justizielle Z u s a m m e n a r b e i t in d e r E u r o p ä i s c h e n U n i o n

§ 1086 Vollstreckungsabwehrklage (1) Für Klagen nach § 767 ist das Gericht ausschließlich örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Schuldner seinen Wohnsitz hat, oder, wenn er im Inland keinen Wohnsitz hat, das Gericht, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung stattfinden soll oder stattgefunden hat. Der Sitz von Gesellschaften oder juristischen Personen steht dem Wohnsitz gleich. (2) § 767 Abs. 2 ist entsprechend auf gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden anzuwenden. Übersicht Rdn. Anwendungsbereich 1. Verhältnis zu Art. 6 E u V T V O . . . . 2 . Verhältnis zu Art. 10 E u V T V O . . . . 3. Regelungsbereich von § 1 0 8 6 . . . . 4 . Gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden

1 3 4 5

Rdn. II. III. IV. V.

Internationale Zuständigkeit Örtliche Zuständigkeit Sachliche Zuständigkeit Zulässige Klagegründe

7 8 9 10

I. Anwendungsbereich 1

§ 1086 erlaubt die Geltendmachung von Einwendungen gegen den titulierten Anspruch vor einem anderen als dem Prozessgericht (Ursprungsgericht). Es wird deshalb diskutiert, ob die Norm verordnungskonform ist 1 . Man wird das bejahen können, da es sich immer um Einwendungen handeln muss, über die das Ursprungsgericht nicht entscheiden konnte und dessen Entscheidung selbst nicht in Frage gestellt wird. § 1086 eröffnet also keine Möglichkeit einer revision au fond.

2

Dem Schuldner bleibt es jedoch unbenommen, anstelle der Vollstreckungsgegenklage in Deutschland die Einwendungen gegen den Anspruch im Erststaat geltend zu machen 2 . Er muss sich jedoch entscheiden. Einer gleichzeitigen Geltendmachung im Ursprungs- und Vollstreckungsstaat steht Art. 27 E u G W O entgegen. Hat eine Gericht entschieden, so steht einer erneuten Geltendmachung vor den Gerichten des anderen Staates Art. 33 E u G W O entgegen. 1. Verhältnis zu Art. 6 EuVTVO

3

Einwendungen gegen die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel sind im Verfahren nach Art. 6 EuVTVO geltend zu machen. Diese sind auf das Fehlen eines Erfordernisses des Art. 6 Abs. 1 lit. a - d EuVTVO beschränkt. Der Schuldner muss etwa bei einer Verbraucherforderung im Bestätigungsverfahren bereits geltend machen, dass er seinen Wohnsitz nicht im Staat des Ursprungsgerichts im Zeitpunkt der Entscheidung gehabt habe. Für die Entscheidung ist das Ursprungsgericht zuständig. 1

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Bejahend ZoWtt/Geimer § 1 0 8 6 , Rdn. 1; Wagner Die neue EG-Verordnung zum Europäischen Vollstreckungstitel, IPRax 2 0 0 5 , 4 0 1 ff. ( 4 0 5 f f . ) ; verneinend Hess Europäischer Vollstreckungstitel und nationale Vollstreckungsgegenklage, IPRax 2 0 0 4 , 4 9 3 ff.; Leible/Lehmann Die Ver-

2

ordnung über den Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen und ihre Auswirkungen auf die notarielle Praxis, N o t B Z 2 0 0 4 , 4 5 3 ff. (461). Vgl. ZöllerIGeimer § 1 0 8 6 , Rdn. 2 .

R o l f A. Schütze

4 . Abschnitt. Europäischer Vollstreckungstitel nach V O (EG) 8 0 5 / 2 0 0 4

§ 1086

2 . Verhältnis zu Art. 10 EuVTVO Da es gegen die Bestätigung kein Rechtsmittel gegeben ist (Art. 10 Abs. 4 EuVTVO) lässt Art. 10 die Geltendmachung von Einwendungen in beschränktem Umfang zu, die im Bestätigungsverfahren zu berücksichtigen gewesen wären. Bei einem Abweichen der Bestätigung von der Entscheidung aufgrund eines materiellen Fehlers ist eine Berichtigung, bei einem offensichtlichen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 lit. a - d E u V T V O ein Widerruf zulässig.

4

Für die Entscheidung ist das Ursprungsgericht zuständig. 3. Regelungsbereich von § 1086 Da die Vollstreckung aus einem europäischen Vollstreckungstitel wie die aus einem inländischen Titel erfolgt, ist für die Geltendmachung von Einwendungen, die den durch die Entscheidung festgestellten Anspruch selbst betreffen, in Deutschland die Vollstreckungsgegenklage nach § 7 6 7 gegeben.

5

Für die Entscheidung ist - abweichend von § 7 6 7 Abs. 1 - nicht das Prozessgericht erster Instanz - das wäre das Ursprungsgericht - vielmehr ein Gericht im Vollstreckungsstaat zuständig. Das ist systemwidrig, kann aber hingenommen werden, da die Entscheidung selbst nicht angegriffen und ihre Richtigkeit nicht in Frage gestellt wird. 4 . Gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden Gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden fallen unter 1086, soweit sie nach Art. 2 4 E u V T V O als europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden sind. Auf sie ist hinsichtlich der Zuständigkeit § 1 0 8 6 direkt, hinsichtlich der Zulässigkeit der Geltendmachung von Einwendungen § 7 6 7 Abs. 2 entsprechend anzuwenden.

6

II. Internationale Zuständigkeit Die internationale Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 2 2 Nr. 5 E u G W O 3 . Unter diese Norm fallen auch Klagen, die die Vollstreckbarkeit eines Titels insgesamt in Frage stellen wie die Vollstreckungsgegenklage 4 .

7

III. Örtliche Zuständigkeit Örtlich zuständig ist das Wohnsitzgericht des Schuldners. Der Wohnsitz ist nach § 13 zu bestimmen. Der Sitz von juristischen Personen steht dem Wohnsitz einer natürlichen Person gleich. Das entspricht § 17 und ist in gleicher Weise anzuwenden 5 . Gesellschaften i. S. von § 1086 sind die Gesellschaften des § 17. Bei fehlendem Wohnsitz oder Sitz im Inland ist das Gericht des Ortes zuständig, in dessen Sprengel die Zwangsvollstreckungsmaßnahme durchgeführt werden soll. § 16 ist nicht anwendbar. Der Aufenthalt wirkt nicht zuständigkeitsbegründend.

3 4

Vgl. ZöllerIGeimer § 1086, Rdn. 4. Vgl. EuGH, Rs. Nr. 220/84 - AS Autoteile v. Malhe - EuGHE 1985, 2 2 6 7 = NJW 1985, 2892; Geimer/Schütze EuZVR, A.l Art. 22, Rdn. 268

5

mwN; Kauscher/Mankowski Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 22 Brüssel I-VO, Rdn. 55. Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 1086, Rdn. 3.

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§ 1086

Elftes B u c h . Justizielle Z u s a m m e n a r b e i t in der E u r o p ä i s c h e n U n i o n

Finden Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in den Sprengein verschiedener Gerichte statt, so gilt § 35. Die Zuständigkeit ist ausschließlich. Das entspricht § 802.

IV. Sachliche Zuständigkeit 9

§ 1086 weist die Zuständigkeit für die Vollstreckungsgegenklage nicht dem Prozessgericht zu, das regelmäßig im Ausland liegt 6 . Der Gesetzgeber hat es versäumt, die sachliche Zuständigkeit zu regeln. Diese liegt aus der Ratio der Bestimmung beim Amtsgericht als Vollstreckungsgericht 7 . In Unterhaltssachen ist das Familiengericht nach § 23 b GVG zuständig 8 . Auch die sachliche Zuständigkeit ist nach § 802 ausschließlich.

V. Zulässigkeit von Klagegründen 10

Es können nur die nach § 767 Abs. 2 zulässigen Einwendungen geltend gemacht werden. Die Einwendung muss nach dem Zeitpunkt entstanden sein, in dem ein Widerruf der Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel zulässig war. Für die Fristbestimmung gilt § 1081 Abs. 2. 11 Für Prozessvergleiche und öffentliche Urkunden gilt abweichend von § 797 Abs. 4 die Präklusionswirkung des § 767 Abs. 2. Da Artt. 24, 25 EuVTVO hinsichtlich des Widerrufs auf Art. 10 EuVTVO verweisen gilt hinsichtlich der Präklusionsfrist dasselbe wie für gerichtliche Titel. 12 Ausgeschlossen von der Zulässigkeit der Geltendmachung gegen einen europäischen Vollstreckungstitel ist der Einwand des Rechtsmissbrauchs, der auf Tatsachen gegründet wird, die im Verfahren des Widerrufs der Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel hätten geltend gemacht werden können. Das gilt beispielsweise für die Fälle 9 , in denen sittenwidrige Ratenkreditzinsen verlangt und tituliert worden sind oder für unzulässig gehaltene Ehegattenbürgschaften. Würde man diese im deutschen Recht umstrittenen - Einwendungen gegenüber dem europäische Vollstreckungstitel zulassen, so führte das zu einer verschleierten revision au fond. Derartige Einwendungen muss der Schuldner im Ursprungsstaat mit den dort gegebenen prozessualen Möglichkeiten verfolgen.

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AA ohne Begründung B a u m b a c h / L a u t e r b a c h / A l b e r s / H a r t m a n n $ 1086, Rdn. 3. Vgl. ZöllerIGeimer § 1086, Rdn. 5.

8

Vgl. Zöller/Geimer § 1086, R d n . 6. ' Vgl. dazu die Fallgruppen bei Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann Grunds. § 7 0 4 , R d n . 44.

Rolf A. Schütze

Π. Rechtsquellen und Materialien zum internationalen und europäischen Zivilprozessrecht1 Inhaltsverzeichnis

1. Völkerrecht a) Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen v. 18.4.1961 (BGBl. 1964 II 957, 1006, 1008) (Auszug)

79

b) Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen v. 24.4.1963 (BGBl. 1969 II 1585, 1674, 1688) (Auszug)

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c) Europäisches Übereinkommen über die Staatenimmunität v. 16.5.1972 (BGBl. 1990 II 34) aa) Deutsche Denkschrift (BTDrucks. 11/4307)

87 101

d) Internationales Abkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über die Immunität der Staatsschiffe v. 10.4.1926 (RGBl. 1927 II 483) aa) Zusatzprotokoll v. 25.4.1934 (RGBl. 1936 II 303)

119 125

e) Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen v. 13.2.1946 (BGBl. 1980 II 941)

127

2. Europäisches Recht a) Verordnungen aa) VO (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I) (ABl. 2001 L 12, 1 ff.) bb) VO (EG) Nr. 1347/2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten (Brüssel II) (ABl. 2000 L 160, 19 ff.), seit dem 1.3.2005 ersetzt durch die VO (EG) Nr. 2201/2003 α) Borräs-Bericht (ABl. EG C 221 v. 16.7.1998, S. 27 ff.) cc) VO (EG) Nr. 2201/2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (Brüssel IIa) (ABl. 2003 L 338, 1 ff.) dd) VO (EG) Nr. 805/2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (ABl. 2004 L 143, 15 ff.) ee) VO (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren (ABl. 2000 L 160, 1 ff.) .

In den Übersichten der Mitgliedstaaten sind jeweils die Länder a u f g e f ü h r t , im Verhältnis zu

138

138

170 193

251 293 319

denen der jeweilige Staatsvertrag gilt. Eine Ausn ä h m e gilt für europäisches Recht.

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Rechtsquellen und Materialien ff) VO (EG) Nr. 1348/2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten (ABl. 2000 L 160, 37 ff.) α) Angaben der Mitgliedstaaten gemäß Art. 23 der Verordnung vom 29. Mai 2000 (ABl. (EG) C 151, 4 ff.) ß) Glossar vom 25. September 2001 (ABl. EG Nr. L 298/1, geändert durch Entscheidung v. 3.4.2002 (ABl. EG Nr. L 125/1) γ) Erläuternder Bericht (ABl. EG 1997, C 261/26) gg) VO (EG) Nr. 1206/2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001 L 174, 1 ff.) hh) Entwurf einer Verordnung zur Einführung eines europäischen Mahnverfahrens - Geänderter Vorschlag für eine VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens vom 7.2.2006 - KOM (2006) 57 endgültig 2004/0055 (COD) α) Stellungnahme des Europäischen Wirtschafte- und Sozialausschusses zum „Grünbuch über ein europäisches Mahnverfahren und über Maßnahmen zur einfacheren und schnelleren Beilegung von Streitigkeiten mit geringem Streitwert" b) Richtlinien Richtlinie (EG) Nr. 2003/8 des Rates zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindeststandards für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen (Prozesskostenhilferichtlinie) (ABl. EG 2003 L 26, 41 ff., berichtigt ABl. EU L 32, 15 ff.)

345 365 395 461

480

505

526

539

3. Internationales Zivilprozessrecht a) Multilaterale Rechtshilfeverträge aa) Haager Zivilprozessabkommen v. 17.7.1905 (RGBl. 1909 409) α) Ausführungsgesetz v. 5.4.1909 (RGBl. 1909 430) bb) Haager Zivilprozessübereinkommen v. 1.3.1954 (BGBl. 1958 II 577) . . . . α) Deutsche Denkschrift zu dem Übereinkommen (BTDrucks. III/Nr. 350) . ß) Ausführungsgesetz v. 18.12.1958 (BGBl. 1958 I 939) cc) Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen v. 15.11.1965 (BGBl. 1977 II 1453) α) Deutsche Denkschrift zu dem Übereinkommen (BTDrucks. 8/217, S. 38 ff.) ß) Ausführungsgesetz v. 22.12.1977 (BGBl. 1977 I 3105) dd) Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen v. 18.3.1970 (BGBl. 1977 II 1453) α) Ausführungsgesetz v. 22.12.1977 (BGBl. 1977 I 3105) (wie vorstehend sub cc) ee) Europäisches Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht v. 7.6.1968 (BGBl. 1974 II 937) α) Deutsche Denkschrift (BTDrucks. VII Nr. 992) nebst Anlage (erläuternder Bericht) ß) Ausführungsgesetz zum Übereinkommen (BGBl. 1974 I 1453) γ) Begründung zum Ausführungsgesetz (BTDrucks. VII Nr. 993)

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551 551 560 563 573 585

589 598 642 646 658 662 669 680 683

Inhaltsverzeichnis b) Bilaterale Rechtshilfeverträge 2 aa) Deutsch-amerikanischer Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag v. 29.10.1956 (BGBl. 1956 II 488) (Auszug) (Art. VI) bb) Deutsch-britisches Abkommen über den Rechtsverkehr v. 20.3.1928 (RGBl. 1928 II 623) α) AusfVO v. 5.3.1929 (RGBl. 1929 II 135, geändert durch Gesetz v. 27.7.2001, BGBl. 2001 I 1887) cc) Deutsch-griechisches Abkommen vom 11.5.1938 über die gegenseitige Rechtshilfe in Angelegenheiten des bürgerlichen und des Handelsrechts (RGBl. 1939 II 848) α) AusfVO vom 31.5.1939 (RGBl. 1939 II 847, geändert durch Gesetz v. 27.7.2001, BGBl. 2001 I 1887) dd) Deutsch-marokkanischer Vertrag über die Rechtshilfe und Rechtsauskunft in Zivil-und Handelssachen v. 29.10.1985 (BGBl. 1988 II 1954) α) Deutsche Denkschrift (BTDrucks. XI Nr. 2026) ee) Deutsch-türkisches Abkommen über den Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen v. 28.5.1929 (RGBl. 1930 II 6) α) Deutsche Denkschrift (RTDrucks. IV (1928), Nr. 1405) ß) AusfVO vom 26.8.1931 (RGBl. 1931 II 537, geändert durch G. v. 27.7.2001, BGBl. 2001 I 1887) ff) Deutsch-tunesischer Vertrag über Rechtsschutz und Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit v. 19.7.1966 (BGBl. 1969 II 890) (vgl. dazu sub 3 d aa und sub 3 e hh)

693 693 695 702

704 712 715 724 741 747 748

750

c) Multilaterale Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge 759 aa) Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v. 27.9.1968 (BGBl. 1972 II 773) 759 α) Jenard-Bericht (ABl. 1979 C 59, 1 ff.) 780 ß) Schlosser-Bericht (ABl. 1979 C 59, 71 ff.) 871 V) Evrigenis/Kerameus-Bericht (ABl. 1986 C 296, 1 ff.) 977 δ) Almeida Cruz/Desantes Real/Jenard-Bericht (ABl. 1990 C 189, 35 ff.) . . 1020 bb) Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.9.1988 (BGBl. 1994 II 2658, 3772) 1049 α) Jenard/Möller-Bericht (ABl. 1990 C 189, 57 ff.) 1078 cc) Revidierte Rheinschiffahrtsakte v. 17.10.1868 (BGBl. 1969 II 598) (Art. 40) 1159 α) Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrts- und Rheinschiffahrtssachen (§21) (BGBl. 1952 I 641) 1160 dd) Moselschiffahrtsabkommen v. 27.10.1956 (BGBl. 1956 II 1837) (Art. 34) . 1161 ee) Übereinkommen über den Internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) v. 9.5.1980 (BGBl. 1985 II 130, 666) (Am. 12-16, 18 §§ 1 - 4 ) und Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9.5.1980

Nicht mehr a u f g e n o m m e n ist das deutsch-sowjetische A b k o m m e n über allgemeine Fragen des H a n d e l s und der Seeschifffahrt v. 25.4.1958, BGBl. 1959 II 221, das seine Bedeutung weitgehend verloren hat, n a c h d e m es im Verhältnis

zu Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Kasachstan, Kirgistan, der Republik M o l d a u , der Russischen Föderation, Tadschikistan, Turkmenistan, der Ukraine u n d Usbekistan außer Kraft getreten ist.

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Rechtsquellen und Materialien

ff) gg)

hh)

ii)

jj)

in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 3. Juni 1999 (Verkündet am 2. September 2002 als Anlage zu dem Gesetz vom 24. August 2002, BGBl. II 2002, S. 2140) (Am. 11-12, 28-32) α) Text Übereinkommen 1980 (Artt. 12-16, 18) ß) Text Übereinkommen 1999 (Artt. 11 und 12; 28-32) Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr v. 19.5.1956 (BGBl. 1961 II 1119) (Art. 31 Abs. 3 und 4) . . . Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern v. 15.4.1958 (BGBl. 1961 II 1006) α) Deutsche Denkschrift (BTDrucks. III Nr. 2583) Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen v. 2.10.1973 (BGBl. 1986 II 826) α) Verwilghen-Bericht (BTDrucks. 10/258) Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen (AVAG) v. 19.2.2001 (BGBl. 2001 I 288) Gesetz zur Aus- und Durchführung bestimmter Rechtsinstrumente auf dem Gebiet des internationalen Familienrechts (IntFamRVG) v. 26.1.2005 (BGBl. 2005 1 162)

d) Bilaterale Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge aa) Deutsch-tunesischer Vertrag über Rechtsschutz und Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Zivilund Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit v. 19.7.1966 (BGBl. 1969 II 890) α) Ausführungsgesetz (BGBl. 1969 I 333) ß) Deutsche Denkschrift zu dem Vertrag (BTDrucks. V Nr. 3167) bb) Deutsch-israelischer Vertrag über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v. 20.7.1977 (BGBl. 1980 II 935, 1531) α) Deutsche Denkschrift zu dem Vertrag (BTDrucks. VIII Nr. 3866) . . . . e) Verträge zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit aa) Genfer Protokoll über die Schiedsklauseln v. 24.9.1923 (RGBl. 1925 II 47) . bb) Genfer Abkommen zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche v. 26.9.1927 (RGBl. 1930 II 1068) cc) UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche v. 10.8.1958 (BGBl. 1961 II 122) α) Deutsche Denkschrift (BTDrucks. III Nr. 2160) dd) Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit v. 21.4.1961 (BGBl. 1964 II 426) α) Vereinbarung über die Anwendung des Europäischen Übereinkommens über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit (BGBl. 1964 II 449) ß) Deutsche Denkschrift (BTDrucks. IV Nr. 1597) ee) Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten (Weltbankübereinkommen) v. 18.3.1965 (BGBl. 1969 II 3719) α) Ausführungsgesetz (BGBl. 1969 II 369) ß) Deutsche Denkschrift (BTDrucks. V Nr. 3246) 76

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1163 1164 1168 1172

1174 1180 1188 1198

1295

1315 1335

1335 1344 1350

1392 1402 1418 1418 1420 1424 1431 1445 1455 1457

1477 1498 1500

Inhaltsverzeichnis ff) Londoner Auslandsschuldenabkommen v. 27.2.1953 (BGBl. 1953 II 331) ( A m . 17, 28, 29) α) Ausführungsgesetz v. 24.8.1953 (BGBl. 1953 I 1003) gg) Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika v. 29.10.1954 (BGBl. 1956 II 488) (Art. VI) hh) Deutsch-tunesischer Vertrag über Rechtsschutz und Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 19.7.1966 (BGBl. 1969 II 890) (Auszug - Artt. 47-53) (vgl. dazu sub 3 d aa und sub 3 b ff)

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1504 1510

1546

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Wiener Ü b e r e i n k o m m e n über d i p l o m a t i s c h e Beziehungen

1. Völkerrecht Vorbemerkung Die Regelung der Gerichtshoheit eines Staates und ihre Begrenzung durch die Immunität ausländischer Staaten und Amtsträger ergeben sich unmittelbar aus dem Völkerrecht. Die Regelungen im GVG (§§ 18-20) 1 gehen nicht über die in den beiden Wiener Konventionen über die Immunität von Diplomaten und Konsuln hinaus, konkretisieren diese jedoch und erweitern den Anwendungsbereich der Konventionen in deutschen Verfahren auch auf Angehörige von Nichtvertragsstaaten.

1. a) Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18.4.1961 (BGBl. II 1964, S. 957,1006, 1008) (Auszug) Vorbemerkung: Das Übereinkommen konkretisiert die völkerrechtlich garantierte Immunität von Diplomaten und weiteren damit verbundenen Personen. § 18 GVG verweist auf das Übereinkommen und erstreckt den Geltungsbereich auch auf die seltenen - Fälle, in denen der Entsendestaat nicht Mitglied der Konvention ist 2 . Insoweit findet Abs. 2 des Gesetzes vom 8. August 1964 zu dem Übereinkommen entsprechende Anwendung. Geltungsbereich: Afghanistan, Ägypten, Albanien, Algerien, Andorra, Angola, Äquatorialguinea, Argentinien, Armenien, Aserbaidschan, Äthiopien, Australien, Bahamas, Bahrain, Bangladesch, Barbados, Belarus, Belgien, Benin, Bhutan, Bolivien, Bosnien und Herzegowina, Botsuana, Brasilien, Bulgarien, Burkina Faso, Burundi, Chile, China (Taiwan), China (Volksrepublik), Costa Rica, Cote d'Ivoire, Dänemark, Dominica, Dominikanische Republik, Dschibuti, Ecuador, El Salvador, Eritrea, Estland, Fidji, Finnland, Frankreich, Gabun, Georgien, Ghana, Grenada, Griechenland, Guatemala, Guinea, Guinea-Bissau, Guyana, Haiti, Heiliger Stuhl, Honduras, Indien, Indonesien, Irak, Iran, Irland, Island, Israel, Italien, Jamaika, Japan, Jemen (ehemalige Arabische Republik und ehemaliger Demokratischer), Jordanien, Jugoslawien (ehemaliges), Kambodscha, Kamerun, Kanada, Kap Verde, Kasachstan, Katar, Kenia, Kirgistan, Kiribati, Kolumbien, Komoren, Kongo (Demokratische Republik), Kongo, Korea (Demokratische Volksrepublik), Korea (Republik), Kroatien, Kuba, Kuwait, Laos, Lesotho, Lettland, Libanon, Liberia, Libyen, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Madagaskar, Malawi, Malaysia, Mali, Malta, Marokko, Marshallinseln, Mauretanien, Mauritius, Mazedonien (ehemalige jugoslawische Republik), Mexiko, Mikronesien, Moldau (Republik), Mongolei, Mosambik, Myanmar, Namibia, Nauru, Nepal, Neuseeland, Nicaragua, Niederlande, Niger, Nigeria, Norwegen, Vgl. zur Neufassung durch Gesetz v. 15.3.1974 Fliedner Neue Vorschriften für Exterritoriale, ZRP 1973, 263 ff.

2

Vgl. Wieczorek/Schütze/Scfcre/iier § 18 GVG, Rdn. 2

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Rechtsquellen und Materialien. 1. Völkerrecht

Oman, Österreich, Pakistan, Panama, Papua-Neuguinea, Paraguay, Peru, Philippinen, Polen, Portugal, Ruanda, Rumänien, Russische Föderation, Sambia, Samoa, San Marino, Säo Tome und Principe, Saudi-Arabien, Schweden, Schweiz, Senegal, Serbien und Montenegro, Seychellen, Sierra Leone, Simbabwe, Singapur, Slowakei, Slowenien, Somalia, Sowjetunion (ehemalige), Spanien, Sri Lanka, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Südafrika, Sudan, Suriname, Swasiland, Syrien, Tadschikistan, Tansania, Thailand, Timor-Leste, Togo, Tonga, Trinidad und Tobago, Tschad, Tschechoslowakei (ehemalige), Tunesien, Türkei, Turkmenistan, Tuvalu, Uganda, Ukraine, Ungarn, Uruguay, Usbekistan, Venezuela, Vereinigte Arabische Emirate, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten, Vietnam, Zentralafrikanische Republik, Zypern. Literatur: Brown Diplomatie Immunity: State Practice under the Vienna Convention on Diplomatic Immunities, ICLQ 37 (1988), 53 ff.; Fliedner Neue Vorschriften für Exterritoriale, ZRP 1973, 263 ff.; Richtsteig Wiener Übereinkommen über diplomatische und konsularische Beziehungen, 1994; Seidenberger Die diplomatischen und konsularischen Immunitäten und Privilegien, 1994; Steinmann Ein Beitrag zur zivilrechtlichen Immunität von ausländischen Diplomaten, Konsuln und anderen bevorrechtigten Personen sowie von fremden Staaten, die durch ihre Missionen oder auf ähnliche Weise in der Bundesrepublik Deutschland tätig werden, MDR 1965, 706 ff.; 795 ff.

Text

Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 BGBl. II 1964, S. 959 (Auszug) Artikel 31 (1) Der Diplomat genießt Immunität von der Strafgerichtsbarkeit des Empfangsstaats. Ferner steht ihm Immunität von dessen Zivil- und Verwaltungsgerichtsbarkeit zu; ausgenommen hiervon sind folgende Fälle: a) dingliche Klagen in Bezug auf privates, im Hoheitsgebiet des Empfangsstaates gelegenes unbewegliches Vermögen, es sei denn, dass der Diplomat dieses im Auftrag des Entsendestaats für die Zwecke der Mission im Besitz hat; b) Klagen in Nachlasssachen, in denen der Diplomat als Testamentsvollstrecker, Verwalter, Erbe oder Vermächtnisnehmer in privater Eigenschaft und nicht als Vertreter des Entsendestaats beteiligt ist; c) Klagen im Zusammenhang mit einem freien Beruf oder einer gewerblichen Tätigkeit, die der Diplomat im Empfangsstaat neben seiner amtlichen Tätigkeit ausübt. (2) Der Diplomat ist nicht verpflichtet, als Zeuge auszusagen. (3) Gegen einen Diplomaten dürfen Vollstreckungsmaßnahmen nur in den in Absatz 1 Buchstaben a, b und c vorgesehenen Fällen und nur unter der Voraussetzung getroffen werden, dass sie durchführbar sind, ohne die Unverletzlichkeit seiner Person oder seiner Wohnung zu beeinträchtigen. (4) Die Immunität des Diplomaten von der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaats befreit ihn nicht von der Gerichtsbarkeit des Entsendestaats. 80

Rolf A. Schütze

Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen

Artikel 32 (1) Auf die Immunität von der Gerichtsbarkeit, die einem Diplomaten oder nach Maßgabe des Artikels 37 einer anderen Person zusteht, kann der Entsendestaat verzichten. (2) Der Verzicht muss stets ausdrücklich erklärt werden. (3) Strengt ein Diplomat oder eine Person, die nach Maßgabe des Artikels 3 7 Immunität von der Gerichtsbarkeit genießt, ein Gerichtsverfahren an, so können sie sich in Bezug auf eine Widerklage, die mit der Hauptklage in unmittelbarem Zusammenhang steht, nicht auf die Immunität von der Gerichtsbarkeit berufen. (4) Der Verzicht auf die Immunität von der Gerichtsbarkeit in einem Zivil- oder Verwaltungsgerichtsverfahren gilt nicht als Verzicht auf die Immunität von der Urteilsvollstreckung; hierfür ist ein besonderer Verzicht erforderlich.

Artikel 37 (1) Die zum Haushalt eines Diplomaten gehörenden Familienmitglieder genießen, wenn sie nicht Angehörige des Empfangsstaats sind, die in den Artikeln 29 bis 36 bezeichneten Vorrechte und Immunitäten. (2) Mitglieder des Verwaltungs- und technischen Personals der Mission und die zu ihrem Haushalt gehörenden Familienmitglieder genießen, wenn sie weder Angehörige des Empfangsstaats noch in demselben ständig ansässig sind, die in den Artikeln 29 bis 35 bezeichneten Vorrechte und Immunitäten; jedoch sind ihre nicht in Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit vorgenommenen Handlungen von der in Artikel 31 Abs. 1 bezeichneten Immunität von der Zivil- und Verwaltungsgerichtsbarkeit des Empfangsstaats ausgeschlossen. Sie genießen ferner die in Artikel 36 Abs. 1 bezeichneten Vorrechte in Bezug auf Gegenstände, die anlässlich ihrer Ersteinrichtung eingeführt werden. (3) Mitglieder des dienstlichen Hauspersonals der Mission, die weder Angehörige des Empfangsstaats noch in demselben ständig ansässig sind, genießen Immunität in Bezug auf ihre in Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit vorgenommenen Handlungen, Befreiung von Steuern und sonstigen Abgaben auf ihre Dienstbezüge sowie die in Artikel 33 vorgesehene Befreiung. (4) Private Hausangestellte von Mitgliedern der Mission genießen, wenn sie weder Angehörige des Empfangsstaats noch in demselben ständig ansässig sind, Befreiung von Steuern und sonstigen Abgaben auf die Bezüge, die sie auf Grund ihres Arbeitsverhältnisses erhalten. Im Übrigen stehen ihnen Vorrechte und Immunitäten nur in dem vom Empfangsstaat zugelassenen Umfang zu. Der Empfangsstaat darf jedoch seine Hoheitsgewalt über diese Personen nur so ausüben, dass er die Mission bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht ungebührlich behindert.

Artikel 38 (1) Soweit der Empfangsstaat nicht zusätzliche Vorrechte und Immunitäten gewährt, genießt ein Diplomat, der Angehöriger dieses Staates oder in demselben ständig ansässig ist, Immunität von der Gerichtsbarkeit und Unverletzlichkeit lediglich in Bezug auf seine in Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit vorgenommenen Amtshandlungen. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 1. Völkerrecht

(2) Anderen Mitgliedern des Personals der Mission und privaten Hausangestellten, die Angehörige des Empfangsstaats oder in demselben ständig ansässig sind, stehen Vorrechte und Immunitäten nur in dem vom Empfangsstaat zugelassenen Umfang zu. Der Empfangsstaat darf jedoch seine Hoheitsgewalt über diese Personen nur so ausüben, dass er die Mission bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht ungebührlich behindert.

Artikel 39 (1) Die Vorrechte und Immunitäten stehen den Berechtigten von dem Zeitpunkt an zu, in dem sie in das Hoheitsgebiet des Empfangsstaats einreisen, um dort ihren Posten anzutreten, oder, wenn sie sich bereits in diesem Hoheitsgebiet befinden, von dem Zeitpunkt an, in dem ihre Ernennung dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten oder dem anderen in gegenseitigem Einvernehmen bestimmten Ministerium notifiziert wird. (2) Die Vorrechte und Immunitäten einer Person, deren dienstliche Tätigkeit beendet ist, werden normalerweise im Zeitpunkt der Ausreise oder aber des Ablaufs einer hierfür gewährten angemessenen Frist hinfällig; bis zu diesem Zeitpunkt bleiben sie bestehen, und zwar auch im Fall eines bewaffneten Konflikts. In Bezug auf die von der betreffenden Person in Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit als Mitglied der Mission vorgenommenen Handlungen bleibt jedoch die Immunität auch weiterhin bestehen. (3) Stirbt ein Mitglied der Mission, so genießen seine Familienangehörigen bis zum Ablauf einer angemessenen Frist für ihre Ausreise weiterhin die ihnen zustehenden Vorrechte und Immunitäten. (4) Stirbt ein Mitglied der Mission, das weder Angehöriger des Empfangsstaats noch in demselben ständig ansässig ist, oder stirbt ein zu seinem Haushalt gehörendes Familienmitglied, so gestattet der Empfangsstaat die Ausfuhr des beweglichen Vermögens des Verstorbenen mit Ausnahme von im Inland erworbenen Vermögensgegenständen, deren Ausfuhr im Zeitpunkt des Todesfalles verboten war. Von beweglichem Vermögen, das sich nur deshalb im Empfangsstaat befindet, weil sich der Verstorbene als Mitglied der Mission oder als Familienangehöriger eines solchen in diesem Staat aufhielt, dürfen keine Erbschaftssteuern erhoben werden.

Artikel 4 0 (1) Reist ein Diplomat, um sein Amt anzutreten oder um auf seinen Posten oder in seinen Heimatstaat zurückzukehren, durch das Hoheitsgebiet eines dritten Staates oder befindet er sich im Hoheitsgebiet dieses Staates, der erforderlichenfalls seinen Pass mit einem Sichtvermerk versehen hat, so gewährt ihm dieser Staat Unverletzlichkeit und alle sonstigen für seine sichere Durchreise oder Rückkehr erforderlichen Immunitäten. Das gleiche gilt, wenn Familienangehörige des Diplomaten, denen Vorrechte und Immunitäten zustehen, ihn begleiten oder wenn sie getrennt von ihm reisen, um sich zu ihm zu begeben oder in ihren Heimatstaat zurückzukehren. (2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 dürfen dritte Staaten auch die Reise von Mitgliedern des Verwaltungs- und technischen Personals und des dienstlichen Hauspersonals einer Mission sowie ihrer Familienangehörigen durch ihr Hoheitsgebiet nicht behindern.

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Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen

(3) Dritte Staaten gewähren in Bezug auf die amtliche Korrespondenz und sonstige amtliche Mitteilungen im Durchgangsverkehr, einschließlich verschlüsselter Nachrichten, die gleiche Freiheit und den gleichen Schutz wie der Empfangsstaat. Diplomatischen Kurieren, deren Pass erforderlichenfalls mit einem Sichtvermerk versehen wurde, und dem diplomatischen Kuriergepäck im Durchgangsverkehr gewähren sie die gleiche Unverletzlichkeit und den gleichen Schutz, die der Empfangsstaat zu gewähren verpflichtet ist. (4) Die Verpflichtungen dritter Staaten auf Grund der Absätze 1, 2 und 3 gelten gegenüber den in jenen Absätzen bezeichneten Personen sowie in Bezug auf amtliche Mitteilungen und das diplomatische Kuriergepäck auch dann, wenn diese sich infolge höherer Gewalt im Hoheitsgebiet des dritten Staates befinden.

Artikel 41 (1) Alle Personen, die Vorrechte und Immunitäten genießen, sind unbeschadet derselben verpflichtet, die Gesetze und andere Rechtsvorschriften des Empfangsstaats zu beachten. Sie sind ferner verpflichtet, sich nicht in dessen innere Angelegenheiten einzumischen. (2) Alle Amtsgeschäfte mit dem Empfangsstaat, mit deren Wahrnehmung der Entsendestaat die Mission beauftragt, sind mit dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten oder dem anderen in gegenseitigem Einvernehmen bestimmten Ministerium des Empfangsstaats zu führen oder über diese zu leiten. (3) Die Räumlichkeiten der Mission dürfen nicht in einer Weise benutzt werden, die unvereinbar ist mit den Aufgaben der Mission, wie sie in diesem Übereinkommen, in anderen Regeln des allgemeinen Völkerrechts oder in besonderen, zwischen dem Entsendestaat und dem Empfangsstaat in Kraft befindlichen Übereinkünften niedergelegt sind.

Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 1. Völkerrecht

1. b) Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24.4.1963 (BGBl. II 1969, S. 1585, 1674, 1688) (Auszug) Vorbemerkung: Die Immunität der Mitglieder ausländischer konsularischer Vertretungen ist in der Konvention umfassend geregelt. § 19 GVG verweist auf das Übereinkommen und erstreckt den Geltungsbereich auch auf die Fälle, in denen der Entsendestaat nicht Mitgliedstaat der Konvention ist. Insoweit findet Art. 2 des Gesetzes vom 2 6 . August 1969 zu dem Wiener Übereinkommen entsprechende Anwendung. Geltungsbereich: Ägypten, Albanien, Algerien, Andorra, Angola, Antigua und Barbuda, Äquatorialguinea, Argentinien, Armenien, Aserbaidschan. Australien, Bahamas, Bahrain, Bangladesch, Barbados, Belarus, Belgien, Belize, Benin, Bhutan, Bolivien, Bosnien und Herzegowina, Brasilien, Bulgarien, Burkina Faso, Chile, China, Costa Rica, Dänemark, Dominica, Dominikanische Republik, Dschibuti, Ecuador, El Salvador, Eritrea, Estland, Fidschi, Finnland, Frankreich, Gabun, Georgien, Ghana, Grenada, Griechenland, Guatemala, Guinea, Guyana, Haiti, Heiliger Stuhl, Honduras, Indien, Indonesien, Irak, Iran, Irland, Island, Italien, Jamaika, Japan, Jemen, Jordanien, Jugoslawien (ehemaliges), Kamerun, Kanada, Kap Verde, Kasachstan, Katar, Kenia, Kirgistan, Kiribati, Kolumbien, Kongo (Demokratische Republik), Korea (Demokratische Volksrepublik), Korea (Republik), Kroatien, Kuba, Kuwait, Laos, Lesotho, Lettland, Libanon, Liberia, Libyen, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Madagaskar, Malawi, Malaysia, Malediven, Mali, Malta, Marokko, Marshallinseln, Mauretanien, Mauritius, Mazedonien (ehemalige jugoslawische Republik), Mexiko, Mikronesien, Moldau (Republik), Mongolei, Mosambik, Myanmar, Namibia, Nepal, Neuseeland, Nicaragua, Niederlande, Niger, Nigeria, Norwegen, Oman, Österreich, Pakistan, Panama, Papua-Neuguinea, Paraguay, Peru, Philippinen, Polen, Portugal, Ruanda, Rumänien, Russische Föderation, Samoa, Säo Tome und Principe, Saudi-Arabien, Schweden, Schweiz, Senegal, Serbien und Montenegro, Seychellen, Simbabwe, Singapur, Slowakei, Slowenien, Somalia, Sowjetunion (ehemalige), Spanien, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Südafrika, Sudan, Suriname, Syrien, Tadschikistan, Tansania, Thailand, Timor-Leste, Togo, Tonga, Trinidad und Tobago, Tschechische Republik, Tschechoslowakei (ehemalige), Tunesien, Türkei, Turkmenistan, Tuvalu, Ukraine, Ungarn, Uruguay, Usbekistan, Vanuatu, Venezuela, Vereinigte Arabische Emirate, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten, Vietnam, Zypern. Literatur: Jablonski/Fugger Die Immunität konsularischer Funktionäre in der Wiener Konvention 1963, NJW 1964, 712 ff.; im Übrigen wie la.

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Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen

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Wiener Ubereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 BGBl. II 1969, S. 1587 (Auszug) Art. 43 Immunität von der Gerichtsbarkeit (1) Konsularbeamte und Bedienstete des Verwaltungs- oder technischen Personals unterliegen wegen Handlungen, die in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben vorgenommen worden sind, weder der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaats noch Eingriffen seiner Verwaltungsbehörden. (2) Absatz 1 wird jedoch nicht angewendet bei Zivilklagen, a) wenn diese aus einem Vertrag entstehen, den ein Konsularbeamter oder ein Bediensteter des Verwaltungs- oder technischen Personals geschlossen hat, ohne dabei ausdrücklich oder sonst erkennbar im Auftrag des Entsendestaats zu handeln, oder b) wenn diese von einem Dritten wegen eines Schadens angestrengt werden, der aus einem im Empfangsstaat durch ein Land-, Wasser- oder Luftfahrzeug verursachten Unfall entstanden ist. Art. 44 Zeugnispflicht (1) Mitglieder einer konsularischen Vertretung können in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren als Zeugen geladen werden. Bedienstete des Verwaltungs- oder technischen Personals oder Mitglieder des dienstlichen Hauspersonals dürfen nur in den in Absatz 3 genannten Fällen das Zeugnis verweigern. Weigert sich ein Konsularbeamter auszusagen, so darf gegen ihn keine Zwangs- oder Strafmaßnahme getroffen werden. (2) Die Behörde, welche das Zeugnis eines Konsularbeamten verlangt, darf ihn nicht bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben behindern. Sie kann, soweit möglich, seine Aussage in seiner Wohnung oder in den Räumlichkeiten der konsularischen Vertretung, oder aber eine schriftliche Erklärung von ihm entgegennehmen. (3) Mitglieder einer konsularischen Vertretung sind nicht verpflichtet, Zeugnis über Angelegenheiten zu geben, die mit der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zusammenhängen, oder die darauf bezüglichen amtlichen Korrespondenzen und Schriftstücke vorzulegen. Sie sind auch berechtigt, die Aussage als Sachverständige über das Recht des Entsendestaats zu verweigern. Art. 45 Verzicht auf Vorrechte und Immunitäten (1) Der Entsendestaat kann hinsichtlich eines Mitglieds der konsularischen Vertretung auf die in den Artikeln 41, 43 und 44 vorgesehenen Vorrechte und Immunitäten verzichten. Rolf A. Schütze

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(2) Der Verzicht muss vorbehaltlich des Absatzes 3 stets ausdrücklich erklärt und dem Empfangsstaat schriftlich mitgeteilt werden. (3) Strengt ein Konsularbeamter oder ein Bediensteter des Verwaltungs- oder technischen Personals ein Gerichtsverfahren in einer Sache an, in der er nach Maßgabe des Artikels 43 Immunität von der Gerichtsbarkeit genießen würde, so kann er sich in Bezug auf eine Widerklage, die mit der Hauptklage in unmittelbarem Zusammenhang steht, nicht auf die Immunität von der Gerichtsbarkeit berufen. (4) Der Verzicht auf die Immunität von der Gerichtsbarkeit in einem Zivil- oder Verwaltungsgerichtsverfahren gilt nicht als Verzicht auf die Immunität von der Urteilsvollstreckung; hierfür ist ein besonderer Verzicht erforderlich. Art. 53 Beginn und Ende konsularischer Vorrechte und Immunitäten (1) Die in diesem Übereinkommen vorgesehenen Vorrechte und Immunitäten stehen den Mitgliedern der konsularischen Vertretung von dem Zeitpunkt an zu, in dem sie in das Hoheitsgebiet des Empfangsstaates einreisen, um dort ihren Posten anzutreten, oder, wenn sie sich bereits in seinem Hoheitsgebiet befinden, von dem Zeitpunkt an, in dem sie ihre dienstliche Tätigkeit in der konsularischen Vertretung aufnehmen. (2) Den im gemeinsamen Haushalt mit einem Mitglied der konsularischen Vertretung lebenden Familienangehörigen sowie den Mitgliedern seines Privatpersonals stehen die in diesem Übereinkommen vorgesehenen Vorrechte und Immunitäten von dem Zeitpunkt an zu, in dem das Mitglied der konsularischen Vertretung nach Absatz 1 in den Genuss der Vorrechte und Immunitäten kommt oder in dem die Mitglieder der Familie oder des Privatpersonals in das Hoheitsgebiet des Empfangsstaats einreisen oder in dem sie Mitglied der Familie oder des Privatpersonals werden, je nachdem, welcher Zeitpunkt am spätesten liegt. (3) Ist die dienstliche Tätigkeit eines Mitglieds einer konsularischen Vertretung beendet, so werden seine Vorrechte und Immunitäten sowie diejenigen der mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen und der Mitglieder seines Privatpersonals normalerweise im Zeitpunkt der Ausreise des Betreffenden aus dem Empfangsstaat oder nach Ablauf einer hierfür gewährten angemessenen Frist hinfällig, je nachdem, welcher Zeitpunkt früher liegt; bis zu diesem Zeitpunkt bleiben sie bestehen, und zwar auch im Fall eines bewaffneten Konflikts. Die Vorrechte und Immunitäten der in Absatz 2 bezeichneten Personen werden beim Ausscheiden aus dem Haushalt oder dem Privatpersonal eines Mitglieds der konsularischen Vertretung hinfällig; beabsichtigen sie jedoch, innerhalb einer angemessenen Frist aus dem Empfangsstaat auszureisen, so bleiben ihre Vorrechte und Immunitäten bis zu ihrer Ausreise bestehen. (4) In Bezug auf die von einem Konsularbeamten oder einem Bediensteten des Verwaltungs- oder technischen Personals in Wahrnehmung seiner Aufgaben vorgenommenen Handlungen bleibt jedoch die Immunität von der Gerichtsbarkeit auf unbegrenzte Zeit bestehen. (5) Stirbt ein Mitglied der konsularischen Vertretung, so genießen die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen weiterhin die ihnen zustehenden Vorrechte und Immunitäten bis zu ihrer Ausreise aus dem Empfangsstaat oder bis zum Ablauf einer hierfür gewährten angemessenen Frist, je nachdem, welcher Zeitpunkt früher liegt. 86

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Europäisches Übereinkommen über die Staatenimmunität

1. c) Europäisches Übereinkommen über die Staatenimmunität vom 16.5.1972 (BGBl. II 1990, S. 34) Vorbemerkung: Das Übereinkommen differenziert - anders als nach der Lehre von der eingeschränkten Immunität - nicht nach Ansprüchen aus acta iure imperii und acta iure gestionis, da im Zeitpunkt des Abschlusses der Konvention ein Teil der Staaten noch das Prinzip der absoluten Immunität favorisierte. Nach Art. 15 genießen ausländische Staaten grundsätzlich Immunität, soweit nicht ein Anspruch nach Artt. 2-14 vorliegt. Dabei wird nicht zwischen Gerichtsbarkeit und internationaler Zuständigkeit scharf unterschieden. In die Befreiungstatbestände sind jeweils die Zuständigkeitsanknüpfungen eingefügt 1 . Die Konvention (Art. 23) enthält ein generelles Vollstreckungsverbot. Die Zwangsvollstreckung in Vermögensgegenstände des ausländischen Staates oder Sicherungsmaßnahmen sind nur bei schriftlicher Zustimmung des ausländischen Staates zulässig. Damit ist der praktische Wert der Konvention sehr gemindert. Geltungsbereich: Belgien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Schweiz, Vereinigtes Königreich, Zypern Literatur: Arnold Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität in Sicht, AWD 1969, 356 ff.; Damian The European Convention on State Immunity, Encyclopedia of Public International Law 10 (1987), 151 ff.; Esser Klagen gegen ausländische Staaten, 1990, S. 208 ff.; Geimer Internationales Zivilprozessrecht, 5. Aufl., 2005, Rdn. 666 ff.; Hess Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, S. 210 ff.; Karczewski Das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität v. 16.5.1972, RabelsZ 54 (1990), 533 ff.; Kren Kostkiewicz Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, S. 217ff.; Kronke Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität - Element der Kodifizierung des deutschen internationalen Zivilverfahrensrechts, IPRax 1991, 141 ff.; Sinclair The European Convention on State Immunity, ICLQ 22 (1973), 254 ff.; Strebel Staatenimmunität - Die Europaratskonvention und die neuen Gesetze der Vereinigten Staaten und Großbritanniens, RabelsZ 44 (1980), 66 ff.; Wiederkehr La Convention Europeenne sur l'Immunite des Etats du 16 mai 1972, Annuaire Fran£ais de Droit International 1974, 924 ff.

Vgl. GeimerlSchütze Internationaler Rechtsverkehr, 951. 10 f.; Schütze Deutsches Internationales Zivilprozessrecht, R d n . 85

Rolf A. Schütze

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Europäisches Übereinkommen vom 16. Mai 1972 über Staatenimmunität1 BGBl. II 1990, S. 34 Präambel Die Mitgliedstaaten des Europarats, die dieses Übereinkommen unterzeichnet haben, in der Erwägung, daß es das Ziel des Europarats ist, eine engere Verbindung zwischen seinen Mitgliedern herzustellen; unter Berücksichtigung der Tatsache, daß im internationalen Recht die Tendenz besteht, die Fälle einzuschränken, in denen ein Staat vor ausländischen Gerichten Immunität beanspruchen kann; in dem Wunsch, für ihre gegenseitigen Beziehungen gemeinsame Regeln aufzustellen, die das Ausmaß der Immunität von der Gerichtsbarkeit bestimmen, die ein Staat vor den Gerichten eines anderen Staates genießt, und die Durchsetzung der gegen einen Staat ergangenen Entscheidungen zu sichern; in der Erwägung, daß die Annahme solcher Regeln geeignet ist, zum Fortschritt des Vereinheitlichungswerks der Mitgliedstaaten des Europarats auf dem Gebiet des Rechts beizutragen, haben folgendes vereinbart:

Kapitel I Immunität von der Gerichtsbarkeit Artikel 1 1. Ein Vertragsstaat, der vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats ein Verfahren anhängig macht oder einem solchen als Intervenient beitritt, unterwirft sich für das Verfahren der Gerichtsbarkeit der Gerichte dieses Staates. 2. Ein solcher Vertragsstaat kann vor den Gerichten des anderen Vertragsstaats für eine Widerklage Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen: a. wenn sich die Widerklage aus dem Rechtsverhältnis oder aus dem Sachverhalt herleitet, auf die sich die Hauptklage stützt; b. wenn dieser Staat Immunität von der Gerichtsbarkeit nach diesem Übereinkommen nicht hätte beanspruchen können, wäre vor den Gerichten des anderen Staates eine besondere Klage gegen ihn erhoben worden. 3. Ein Vertragsstaat, der vor dem Gericht eines anderen Vertragsstaats eine Widerklage erhebt, unterwirft sich der Gerichtsbarkeit der Gerichte dieses Staates sowohl für die Haupt- als auch für die Widerklage.

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Amtliche Übersetzung Deutschlands

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Europäisches Übereinkommen über die Staatenimmunität

Artikel 2 Ein Vertragsstaat kann vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn er sich verpflichtet hat, sich der Gerichtsbarkeit dieses Gerichts zu unterwerfen, und zwar: a. durch internationale Vereinbarung; b. durch ausdrückliche Bestimmung in einem schriftlichen Vertrag; oder c. durch nach Entstehen der Streitigkeit ausdrücklich erklärte Zustimmung.

Artikel 3 1. Ein Vertragsstaat kann vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn er sich vor Geltendmachung der Immunität zur Hauptsache einläßt. Weist er jedoch nach, daß er von den Tatsachen, auf Grund welcher er Immunität hätte beanspruchen können, erst nachträglich Kenntnis erlangen konnte, so kann er die Immunität beanspruchen, wenn er sich auf diese Tatsachen so bald wie möglich beruft. 2. Tritt ein Vertragsstaat vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats auf, um Immunität zu beanspruchen, so gilt dies nicht als Verzicht auf die Immunität.

Artikel 4 1. Vorbehaltlich des Artikels 5 kann ein Vertragsstaat vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn das Verfahren eine Verpflichtung des Staates betrifft, die auf Grund eines Vertrages besteht, und die Verpflichtung im Gerichtsstaat zu erfüllen ist. 2. Absatz 1 ist nicht anzuwenden: a. wenn der Vertrag zwischen Staaten geschlossen worden ist; b. wenn die Vertragsparteien schriftlich etwas anderes vereinbart haben; c. wenn der Vertrag von dem Staat in seinem Hoheitsgebiet geschlossen worden ist und die Verpflichtung des Staates seinem Verwaltungsrecht unterliegt.

Artikel 5 1. Ein Vertragsstaat kann vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn das Verfahren einen zwischen dem Staat und einer natürlichen Person geschlossenen Arbeitsvertrag betrifft und die Arbeit im Gerichtsstaat zu leisten ist. 2. Absatz 1 ist nicht anzuwenden; a. wenn die natürliche Person im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens die Staatsangehörigkeit des Staates hat, der ihr Arbeitgeber ist, b. wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses weder Angehörige des Gerichtsstaats war noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Staat hatte; oder c. wenn die Vertragsparteien schriftlich etwas anderes vereinbart haben, sofern nicht nach dem Recht des Gerichtsstaats dessen Gerichte wegen der Art der Streitigkeit ausschließlich zuständig sind. Rolf A. Schütze

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3. Wird die Arbeit für ein Büro, eine Agentur oder eine andere Niederlassung im Sinne des Artikels 7 geleistet, so ist Absatz 2 Buchstaben a und b nur anzuwenden, wenn die natürliche Person im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat hatte, der ihr Arbeitgeber ist.

Artikel 6 1. Ein Vertragsstaat kann vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn er sich gemeinsam mit einer oder mehreren Privatpersonen an einer Gesellschaft, Vereinigung oder juristischen Person beteiligt, die ihren tatsächlichen oder satzungsmäßigen Sitz oder ihre Hauptniederlassung im Gerichtsstaat hat, und wenn das Verfahren die Beziehungen betrifft, die sich aus dieser Beteiligung zwischen dem Staat einerseits und der Gesellschaft, Vereinigung oder juristischen Person oder weiteren Beteiligten andererseits ergeben. 2. Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn schriftlich etwas anderes vereinbart worden ist. Artikel 7 1. Ein Vertragsstaat kann vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn er im Gerichtsstaat ein Büro, eine Agentur oder eine andere Niederlassung hat, durch die er auf die gleiche Weise wie eine Privatperson eine gewerbliche, kaufmännische oder finanzielle Tätigkeit ausübt, und wenn das Verfahren diese Tätigkeit des Büros, der Agentur oder der Niederlassung betrifft. 2. Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn alle Streitparteien Staaten sind oder wenn die Parteien schriftlich etwas anderes vereinbart haben. Artikel 8 Ein Vertragsstaat kann vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn sich das Verfahren bezieht: a. auf ein Patent, ein gewerbliches Muster oder Modell, ein Warenzeichen, eine Dienstleistungsmarke oder ein anderes gleichartiges Recht, das im Gerichtsstaat angemeldet, hinterlegt, eingetragen oder auf andere Weise geschützt ist, wenn der Staat Anmelder, Hinterleger oder Inhaber ist; b. auf die Behauptung, der Staat habe im Gerichtsstaat ein solches, dort geschütztes und einem Dritten zustehendes Recht verletzt; c. auf die Behauptung, der Staat habe im Gerichtsstaat ein dort geschütztes und einem Dritten zustehendes Urheberrecht verletzt; d. auf das Recht zum Gebrauch einer Firma im Gerichtsstaat.

Artikel 9 Ein Vertragsstaat kann vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn sich das Verfahren bezieht: a. auf ein Recht des Staates an unbeweglichem Vermögen, auf den Besitz oder den Gebrauch solchen Vermögens durch den Staat; oder 90

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Europäisches Übereinkommen über die Staatenimmunität

b. auf seine Pflichten, die ihm als Inhaber von Rechten an unbeweglichem Vermögen oder als Besitzer obliegen oder sich aus dem Gebrauch eines solchen Vermögens ergeben, sofern das unbewegliche Vermögen im Gerichtsstaat gelegen ist. Artikel 10 Ein Vertragsstaat kann vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn das Verfahren ein Recht an beweglichem oder unbeweglichem Vermögen betrifft, das zu einer Erbschaft oder Schenkung gehört oder erb- oder herrenlos ist. Artikel 11 Ein Vertragsstaat kann vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn das Verfahren den Ersatz eines Personen- oder Sachschadens betrifft, das schädigende Ereignis im Gerichtsstaat eingetreten ist und der Schädiger sich bei Eintritt des Ereignisses in diesem Staat aufgehalten hat. Artikel 12 1. Hat ein Vertragsstaat schriftlich zugestimmt, daß bestehende oder künftige zivil- oder handelsrechtliche Streitigkeiten einem schiedsrichterlichen Verfahren unterworfen werden, so kann er vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet oder nach dessen Recht das schiedsrichterliche Verfahren stattfinden soll oder stattgefunden hat, Immunität von der Gerichtsbarkeit für kein Verfahren beanspruchen, das: a. die Gültigkeit oder die Auslegung der Schiedsvereinbarung; b. das schiedsrichterliche Verfahren; c. die Aufhebung des Schiedsspruchs, betrifft, sofern nicht die Schiedsvereinbarung etwas anderes vorsieht. 2. Absatz 1 ist auf eine Schiedsvereinbarung zwischen Staaten nicht anzuwenden. Artikel 13 Artikel 1 Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn ein Vertragsstaat in einem Verfahren, das vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats anhängig und in dem er nicht Partei ist, geltend macht, er habe ein Recht an dem den Gegenstand des Verfahrens bildenden Vermögen, sofern der Staat Immunität hätte beanspruchen können, wäre das Verfahren gegen ihn gerichtet gewesen. Artikel 14 Dieses Übereinkommen darf nicht so ausgelegt werden, daß es ein Gericht eines Vertragsstaats nur deshalb daran hindert, Vermögenswerte wie etwa ein Treuhandvermögen oder eine Konkursmasse zu verwalten oder deren Verwaltung zu veranlassen oder zu überwachen, weil ein anderer Vertragsstaat ein Recht an dem Vermögen hat. Rolf A. Schütze

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Artikel 15 Ein Vertragsstaat kann vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit beanspruchen, wenn das Verfahren nicht unter die Artikel 1 bis 14 fällt; das Gericht muß die Durchführung eines solchen Verfahrens auch dann ablehnen, wenn sich der Staat daran nicht beteiligt.

Kapitel Π Verfahrensvorschriften Artikel 16 1. Die nachstehenden Vorschriften gelten für Verfahren gegen einen Vertragsstaat vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats. 2 . Die zuständigen Behörden des Gerichtsstaats übermitteln • die Urschrift oder eine Abschrift des das Verfahren einleitenden Schriftstücks; • eine Abschrift jeder gegen den beklagten Staat ergangenen Versäumnisentscheidung, auf diplomatischem Weg dem Außenministerium des beklagten Staates zur etwaigen Weiterleitung an die zuständige Behörde. Diesen Urkunden ist erforderlichenfalls eine Übersetzung in die Amtssprache oder in eine der Amtssprachen des beklagten Staates beizufügen. 3. Die Zustellung der in Absatz 2 bezeichneten Urkunden gilt als mit ihrem Eingang beim Außenministerium bewirkt. 4 . Die Fristen zur Beteiligung am Verfahren und die Rechtsmittelfristen bei Versäumnisentscheidungen beginnen zwei M o n a t e nach dem Eingang des das Verfahren einleitenden Schriftstücks oder der Abschrift der Entscheidung beim Außenministerium. 5. Ist es Sache des Gerichts, die Fristen zur Beteiligung am Verfahren oder die Rechtsmittelfristen bei Versäumnisentscheidungen zu bestimmen, so kann es dem Staat keine Frist setzen, die vor Ablauf von zwei Monaten nach dem Eingang des das Verfahren einleitenden Schriftstücks oder der Abschrift der Entscheidung beim Außenministerium endet. 6. Beteiligt sich ein Vertragsstaat an dem Verfahren, so gilt dies als Verzicht auf alle Einwendungen gegen die Art der Zustellung des das Verfahren einleitenden Schriftstücks. 7. Hat sich der Vertragsstaat nicht an dem Verfahren beteiligt, so kann eine Versäumnisentscheidung gegen ihn nur ergehen, wenn festgestellt ist, daß ihm das der Einleitung des Verfahrens dienende Schriftstück nach Absatz 2 übermittelt worden ist und daß die in den Absätzen 4 und 5 vorgesehenen Fristen für die Beteiligung am Verfahren eingehalten worden sind. Artikel 17 Einem Vertragsstaat darf zur Sicherung der Verfahrenskosten keine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung auferlegt werden, unter welcher Bezeichnung es auch sei, die im Gerichtsstaat nicht von einem Angehörigen dieses Staates oder von einer Person verlangt werden könnte, die dort ihren Wohnsitz oder Aufenthalt hat. Der Staat, der vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats als Kläger auftritt, hat alle ihm auferlegten Verfahrenskosten zu zahlen. 92

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Europäisches Übereinkommen über die Staatenimmunität

Artikel 18 Gegen einen Vertragsstaat, der in einem Verfahren vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Partei ist, dürfen keine Zwangs- oder Strafmaßnahmen verhängt werden, weil er es ablehnt oder unterläßt, Beweismittel beizubringen. Das Gericht kann jedoch aus einer solchen Ablehnung oder Unterlassung die ihm gerechtfertigt scheinenden Schlüsse ziehen. Artikel 19 1. Ein Gericht, vor dem ein Verfahren anhängig ist, in dem ein Vertragsstaat Partei ist, hat auf Antrag einer Partei oder, wenn sein innerstaatliches Recht dies gestattet, von Amts wegen die Klage abzuweisen oder das Verfahren auszusetzen, wenn ein anderes auf demselben Sachverhalt beruhendes und denselben Gegenstand betreffendes Verfahren zwischen denselben Parteien: a. vor einem Gericht dieses Vertragsstaats anhängig und als erstes eingeleitet worden ist; oder b. vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats anhängig ist, als erstes eingeleitet worden ist und zu einer Entscheidung führen kann, die der an dem Verfahren beteiligte Staat nach Artikel 2 0 oder 2 5 zu erfüllen hätte. 2. Jeder Vertragsstaat, dessen Recht es den Gerichten gestattet, die Klage abzuweisen oder das Verfahren auszusetzen, wenn vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats bereits ein auf demselben Sachverhalt beruhendes und denselben Gegenstand betreffendes Verfahren zwischen denselben Parteien anhängig ist, kann durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation erklären, daß seine Gerichte an Absatz 1 nicht gebunden sind.

Kapitel ΙΠ Wirkungen über Entscheidungen Artikel 2 0 1. Ein Vertragsstaat hat die gegen ihn ergangene Entscheidung eines Gerichts eines anderen Vertragsstaats zu erfüllen: a. wenn er nach den Artikeln 1 bis 13 Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen konnte; und b. wenn die Entscheidung nicht oder nicht mehr Gegenstand eines Einspruchs gegen eine Versäumnisentscheidung, einer Berufung oder eines anderen ordentlichen Rechtsmittels oder einer Kassationsbeschwerde sein kann. 2. Ein Vertragsstaat ist jedoch nicht verpflichtet, eine solche Entscheidung zu erfüllen: a. wenn dies offensichtlich gegen die öffentliche Ordnung dieses Staates verstieße; b. wenn ein auf demselben Sachverhalt beruhendes und denselben Gegenstand betreffendes Verfahren zwischen denselben Parteien: i. vor einem Gericht dieses Staates anhängig und als erstes eingeleitet worden ist oder; ii. vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats anhängig ist, als erstes eingeleitet worden ist und zu einer Entscheidung führen kann, die der an dem Verfahren beteiligte Staat nach dem Übereinkommen zu erfüllen hätte; Rolf A. Schütze

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c. wenn die Wirkungen der Entscheidung unvereinbar sind mit denen einer anderen zwischen denselben Parteien ergangenen Entscheidung: i. eines Gerichts des Vertragsstaats, sofern das Verfahren vor diesem Gericht als erstes eingeleitet worden oder diese andere Entscheidung ergangen ist, bevor die Entscheidung die Voraussetzungen des Absatzes 1 Buchstabe b erfüllt hat; oder ii. eines Gerichts eines anderen Vertragsstaats, sofern dessen Entscheidung als erste die in diesem Übereinkommen vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt hat; d. wenn Artikel 16 nicht eingehalten worden ist und der Staat sich an dem Verfahren nicht beteiligt oder gegen eine Versäumnisentscheidung kein Rechtsmittel eingelegt hat. 3. Ferner ist ein Vertragsstaat in den in Artikel 10 bezeichneten Fällen nicht verpflichtet, die Entscheidung zu erfüllen: a. wenn die Gerichte im Gerichtsstaat nicht zuständig gewesen wären, hätten sie die in dem Staat, gegen den die Entscheidung ergangen ist, geltenden Zuständigkeitsvorschriften - mit Ausnahme der Zuständigkeitsvorschriften in der Anlage zu diesem Übereinkommen - entsprechend angewendet; b. wenn das Gericht wegen der Anwendung eines anderen Rechtes als desjenigen, das nach den Regeln des internationalen Privatrechts dieses Staates anzuwenden gewesen wäre, zu einem anderen Ergebnis gekommen ist als demjenigen, zu dem die Anwendung des von diesen Regeln bezeichneten Rechtes geführt hätte. Ein Vertragsstaat kann sich jedoch auf die Ablehnungsgründe der Buchstaben a und b nicht berufen, wenn er mit dem Gerichtsstaat durch ein Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen verbunden ist und die Entscheidung die Voraussetzungen dieses Abkommens hinsichtlich der Zuständigkeit und gegebenenfalls des anzuwendenden Rechtes erfüllt.

Artikel 21 1. Ist gegen einen Vertragsstaat eine Entscheidung ergangen und erfüllt er sie nicht, so kann die Partei, die sich auf die Entscheidung beruft, von dem zuständigen Gericht dieses Staates eine Feststellung darüber verlangen, ob die Entscheidung nach Artikel 20 erfüllt werden muß. Wenn sein Recht ihm dies gestattet, kann auch der Staat, gegen den die Entscheidung ergangen ist, das Gericht anrufen. 2. Vorbehaltlich des Artikels 20 darf das Gericht des betreffenden Staates die Entscheidung in der Sache selbst nicht nachprüfen. 3. Wird vor einem Gericht eines Staates ein Verfahren nach Absatz 1 eingeleitet: a. so ist den Parteien in dem Verfahren rechtliches Gehör zu gewähren; b. so sind die von der Partei, die sich auf die Entscheidung beruft, vorgelegten Urkunden von der Legalisation und allen anderen gleichartigen Förmlichkeiten befreit; c. so darf von der Partei, die sich auf die Entscheidung beruft, wegen ihrer Staatsangehörigkeit, ihres Wohnsitzes oder ihres Aufenthalts weder eine Sicherheitsleistung noch eine Hinterlegung, unter welcher Bezeichnung es auch sei, verlangt werden; d. so ist die Partei, die sich auf die Entscheidung beruft, zur Prozeßkostenhilfe unter Bedingungen zuzulassen, die mindestens ebenso günstig sind wie diejenigen, die für eigene Staatsangehörige mit Wohnsitz oder Aufenthalt in diesem Staat gelten. 4. Jeder Vertragsstaat bezeichnet das Gericht oder die Gerichte im Sinne des Absatzes 1 und verständigt davon den Generalsekretär des Europarats bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde. 94

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Europäisches Übereinkommen über die Staatenimmunität

Artikel 2 2 1. Ein Vertragsstaat hat einen Vergleich zu erfüllen, an dem er als Partei beteiligt ist und der in einem Verfahren vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats geschlossen worden ist; Artikel 2 0 ist auf einen solchen Vergleich nicht anwendbar. 2 . Erfüllt der Staat den Vergleich nicht, so kann von dem in Artikel 21 vorgesehenen Verfahren Gebrauch gemacht werden. Artikel 2 3 In einem Vertragsstaat darf gegen das Vermögen eines anderen Vertragsstaats weder eine Zwangsvollstreckung durchgeführt noch eine Sicherungsmaßnahme getroffen werden, außer in dem Fall und in dem Ausmaß, in denen der Staat selbst ausdrücklich in Schriftform zugestimmt hat. Kapitel IV Bestimmungen, deren Annahme freigestellt ist Artikel 2 4 1. Vorbehaltlich des Artikels 15 kann jeder Staat bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde oder jederzeit danach durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation erklären, daß seine Gerichte über die Fälle der Artikel 1 bis 13 hinaus in Verfahren gegen einen anderen Vertragsstaat in demselben Ausmaß wie in Verfahren gegen Nichtvertragsstaaten entscheiden können. Diese Erklärung läßt die Immunität von der Gerichtsbarkeit unberührt, die fremde Staaten hinsichtlich der in Ausübung der Hoheitsgewalt vorgenommenen Handlungen (acta iure imperii) genießen. 2. Die Gerichte eines Staates, der die Erklärung nach Absatz 1 abgegeben hat, dürfen jedoch in einem Verfahren gegen einen anderen Vertragsstaat nicht entscheiden, wenn ihre Zuständigkeit nur auf einen oder mehrere der in der Anlage zu diesem Übereinkommen bezeichneten Gründe gestützt werden kann, es sei denn, der andere Vertragsstaat hat sich zur Hauptsache eingelassen, ohne zuvor die mangelnde Zuständigkeit des Gerichts gerügt zu haben. 3. Auf Verfahren, die nach diesem Artikel gegen einen Vertragsstaat anhängig gemacht werden, ist Kapitel II anzuwenden. 4 . Die Erklärung nach Absatz 1 kann durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation zurückgenommen werden. Die Zurücknahme wird drei M o n a t e nach ihrem Eingang wirksam, berührt aber nicht die vor Ablauf dieser Frist eingeleiteten Verfahren. Artikel 2 5 1. Jeder Vertragsstaat, der die Erklärung nach Artikel 2 4 abgegeben hat, muß in anderen als den Fällen der Artikel 1 bis 13 die Entscheidung eines Gerichts eines anderen Vertragsstaats, der die Erklärung ebenfalls abgegeben hat, erfüllen: a. wenn die Voraussetzungen des Artikels 2 0 Absatz 1 Buchstabe b vorliegen; und b. wenn das Gericht nach den folgenden Absätzen als zuständig anzusehen ist. Rolf A. Schütze

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2. Der Vertragsstaat ist jedoch nicht verpflichtet, eine solche Entscheidung zu erfüllen: a. wenn einer der Ablehnungsgründe des Artikels 20 Absatz 2 vorliegt; oder b. wenn Artikel 24 Absatz 2 verletzt worden ist. 3. Vorbehaltlich des Absatzes 4 gilt ein Gericht eines Vertragsstaats als zuständig im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe b: a. wenn seine Zuständigkeit durch eine Vereinbarung anerkannt ist, die zwischen dem Gerichtsstaat und dem anderen Vertragsstaat in Kraft ist; b. bei Fehlen einer Vereinbarung zwischen den beiden Staaten über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilsachen, wenn die Gerichte im Gerichtsstaat zuständig gewesen wären, hätten sie die in dem Staat, gegen den die Entscheidung ergangen ist, geltenden Zuständigkeitsvorschriften - mit Ausnahme der Zuständigkeitsvorschriften in der Anlage zu diesem Übereinkommen - entsprechend angewendet. Diese Bestimmung gilt nicht für den Bereich des Vertragsrechts. 4. Vertragsstaaten, die eine Erklärung nach Artikel 24 abgegeben haben, können in einer Zusatzvereinbarung zu diesem Übereinkommen die Voraussetzungen festlegen, unter denen ihre Gerichte als zuständig im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe b anzusehen sind. 5. Erfüllt der Staat die Entscheidung nicht, so kann von dem in Artikel 21 vorgesehenen Verfahren Gebrauch gemacht werden.

Artikel 26 Abweichend von Artikel 23 kann eine Entscheidung, die gegen einen Vertragsstaat in einem Verfahren betreffend eine von dem Staat auf die gleiche Weise wie von einer Privatperson ausgeübte gewerbliche oder kaufmännische Tätigkeit ergangen ist, im Gerichtsstaat gegen das ausschließlich für eine solche Tätigkeit verwendete Vermögen des Staates vollstreckt werden, gegen den die Entscheidung ergangen ist: a. wenn der Gerichtsstaat und der Staat, gegen den die Entscheidung ergangen ist, die Erklärung nach Artikel 24 abgegeben haben; b. wenn das Verfahren, das zu der Entscheidung geführt hat, unter die Artikel 1 bis 13 fällt oder nach Artikel 24 Absätze 1 und 2 eingeleitet worden ist; und c. wenn die Entscheidung die Voraussetzungen des Artikels 20 Absatz 1 Buchstabe b erfüllt.

Kapitel V Allgemeine Bestimmungen Artikel 27 1. Für die Zwecke dieses Übereinkommens schließt der Ausdruck „Vertragsstaat" einen Rechtsträger eines Vertragsstaats nicht ein, der sich von diesem unterscheidet und die Fähigkeit hat, vor Gericht aufzutreten, selbst wenn er mit öffentlichen Aufgaben betraut ist. 2. Jeder in Absatz 1 bezeichnete Rechtsträger kann vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats wie eine Privatperson in Anspruch genommen werden; diese Gerichte können jedoch nicht über in Ausübung der Hoheitsgewalt vorgenommene Handlungen (acta iure imperii) des Rechtsträgers entscheiden. 96

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Europäisches Übereinkommen über die Staatenimmunität

3. Ein solcher Rechtsträger kann in jedem Fall vor diesen Gerichten in Anspruch genommen werden, wenn sie unter gleichartigen Voraussetzungen in einem Verfahren gegen einen Vertragsstaat hätten entscheiden dürfen.

Artikel 28 1. Unbeschadet des Artikels 27 genießen die Gliedstaaten eines Bundesstaats keine Immunität. 2. Ein Bundesstaat, der diesem Übereinkommen angehört, kann jedoch durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation erklären, daß seine Gliedstaaten sich auf die für Vertragsstaaten geltenden Vorschriften dieses Übereinkommens berufen können und die gleichen Pflichten haben wie diese. 3. Ist eine Erklärung nach Absatz 2 abgegeben worden, so sind Zustellungen an einen Gliedstaat nach Artikel 16 an das Außenministerium des Bundesstaats vorzunehmen. 4. N u r der Bundesstaat ist befugt, die in diesem Übereinkommen vorgesehenen Erklärungen, Notifikationen und Mitteilungen vorzunehmen, und nur er kann Partei eines Verfahrens nach Artikel 34 sein.

Artikel 29 Dieses Übereinkommen ist nicht anzuwenden auf Verfahren betreffend: a. die soziale Sicherheit; b. Schäden durch Kernenergie; c. Zölle, Steuern, Abgaben und Geldstrafen.

Artikel 30 Dieses Übereinkommen ist auf Verfahren nicht anzuwenden, die Ansprüche aus dem Betrieb von einem Vertragsstaat gehörenden oder von ihm verwendeten Seeschiffen, der Beförderung von Ladungen und Reisenden durch diese Schiffe oder der Beförderung von einem Vertragsstaat gehörenden Ladungen an Bord von Handelsschiffen zum Gegenstand haben. Artikel 31 Dieses Übereinkommen berührt nicht die Immunitäten oder Vorrechte, die ein Vertragsstaat für alle Handlungen oder Unterlassungen genießt, die von seinen Streitkräften oder im Zusammenhang mit diesen im Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaats begangen werden. Artikel 32 Dieses Übereinkommen berührt nicht die Vorrechte und Immunitäten im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Aufgaben der diplomatischen Missionen und der konsularischen Vertretungen sowie der diesen angehörenden Personen. Rolf A. Schütze

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Artikel 33 Dieses Übereinkommen berührt nicht bestehende oder künftige internationale Übereinkünfte, die für besondere Rechtsgebiete Fragen behandeln, die Gegenstand dieses Übereinkommens sind.

Artikel 34 1. Zwischen zwei oder mehreren Vertragsstaaten entstehende Streitigkeiten über die Auslegung oder die Anwendung dieses Übereinkommens sind auf Antrag eines der an der Streitigkeit beteiligten Staaten oder im gegenseitigen Einvernehmen dem Internationalen Gerichtshof vorzulegen, es sei denn, daß sich die Parteien auf eine andere Art der friedlichen Beilegung einigen. 2. Der Internationale Gerichtshof kann jedoch nicht angerufen werden: a. wegen einer Streitigkeit, die eine bereits in einem vor dem Gericht eines Vertragsstaats gegen einen anderen Vertragsstaat eingeleiteten Verfahren aufgeworfene Frage zum Gegenstand hat, bevor dieses Gericht eine den Voraussetzungen des Artikels 20 Absatz 1 Buchstabe b entsprechende Entscheidung erlassen hat; b. wegen einer Streitigkeit, die eine bereits in einem vor dem Gericht eines Vertragsstaats nach Artikel 21 Absatz 1 eingeleiteten Verfahren aufgeworfene Frage zum Gegenstand hat, bevor dieses Gericht in dem Verfahren endgültig entschieden hat.

Artikel 35 1. Dieses Übereinkommen ist nur auf Verfahren anzuwenden, die nach seinem Inkrafttreten eingeleitet werden. 2. Ist ein Staat Vertragspartei dieses Übereinkommens geworden, nachdem es in Kraft getreten ist, so ist es nur auf Verfahren anzuwenden, die nach seinem Inkrafttreten für den betreffenden Staat eingeleitet werden. 3. Dieses Übereinkommen ist nicht auf Verfahren und Entscheidungen anzuwenden, die Handlungen, Unterlassungen oder Tatbestände aus der Zeit, bevor das Übereinkommen zur Unterzeichnung aufgelegt worden ist, zum Gegenstand haben.

Kapitel VI Schlussbestimmungen Artikel 36 1. Dieses Übereinkommen liegt für die Mitgliedstaaten des Europarats zur Unterzeichnung auf. Es bedarf der Ratifikation oder der Annahme. Die Ratifikations- oder Annahmeurkunden werden beim Generalsekretär des Europarats hinterlegt. 2. Dieses Übereinkommen tritt drei Monate nach Hinterlegung der dritten Ratifikations- oder Annahmeurkunde in Kraft. 3. Für jeden Unterzeichnerstaat, der das Übereinkommen später ratifiziert oder annimmt, tritt es drei Monate nach Hinterlegung seiner Ratifikations- oder Annahmeurkunde in Kraft. 98

Rolf A. Schütze

Europäisches Übereinkommen über die Staatenimmunität

Artikel 37 1. Nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens kann das Ministerkomitee des Europarats auf Grund eines mit Einstimmigkeit der abgegebenen Stimmen gefaßten Beschlusses jeden Nichtmitgliedstaat einladen, dem Übereinkommen beizutreten. 2. Der Beitritt geschieht durch Hinterlegung einer Beitrittsurkunde beim Generalsekretär des Europarats und wird drei Monate nach der Hinterlegung wirksam. 3. Notifiziert jedoch ein Staat, der dem Übereinkommen bereits beigetreten ist, dem Generalsekretär des Europarats einen Einspruch gegen den Beitritt eines anderen Nichtmitgliedstaats, bevor dieser Beitritt wirksam geworden ist, so ist das Übereinkommen auf die Beziehungen zwischen beiden Staaten nicht anzuwenden.

Artikel 38 1. Jeder Staat kann bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde das oder die Hoheitsgebiete bezeichnen, auf die dieses Übereinkommen Anwendung findet. 2. Jeder Staat kann bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde oder jederzeit danach durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Erklärung die Geltung dieses Übereinkommens auf jedes weitere in der Erklärung bezeichnete Hoheitsgebiet erstrecken, dessen internationale Beziehungen er wahrnimmt oder für das er Vereinbarungen treffen kann. 3. Jede nach Absatz 2 abgegebene Erklärung kann in bezug auf jedes darin genannte Hoheitsgebiet nach Maßgabe des Artikels 40 zurückgenommen werden.

Artikel 39 Vorbehalte zu diesem Übereinkommen sind nicht zugelassen. Artikel 40 1. Jeder Vertragsstaat kann dieses Übereinkommen durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation für sich kündigen. 2. Die Kündigung wird sechs Monate nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär wirksam. Das Übereinkommen bleibt jedoch auf die vor Ablauf dieser Frist eingeleiteten Verfahren und auf die in diesen Verfahren ergangenen Entscheidungen anwendbar. Artikel 41 Der Generalsekretär des Europarats notifiziert den Mitgliedstaaten des Rates und jedem Staat, der diesem Übereinkommen beigetreten ist: a. jede Unterzeichnung; b. jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde; c. jeden Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Übereinkommens nach den Artikeln 36 und 37; Rolf A. Schütze

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d. jede nach Artikel 19 Absatz 2 eingegangene Notifikation; e. jede nach Artikel 21 Absatz 4 eingegangene Mitteilung; f. jede nach Artikel 2 4 Absatz 1 eingegangene Notifikation; g. jede Zurücknahme einer Notifikation nach Artikel 24 Absatz 4; h. jede nach Artikel 28 Absatz 2 eingegangene Notifikation; i. jede nach Artikel 37 Absatz 3 eingegangene Notifikation; j. jede nach Artikel 38 eingegangene Erklärung; k. jede nach Artikel 4 0 eingegangene Notifikation und den Zeitpunkt, zu dem die Kündigung wirksam wird. Z u Urkund dessen haben die hierzu gehörig bevollmächtigten Unterzeichneten dieses Übereinkommen unterschrieben. Geschehen zu Basel am 16. M a i 1972 in englischer und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv des Europarats hinterlegt wird. Der Generalsekretär des Europarats übermittelt allen Unterzeichnerstaaten und allen beitretenden Staaten beglaubigte Abschriften.

Anlage Die in Artikel 20 Absatz 3 Buchstabe a, Artikel 24 Absatz 2 und Artikel 25 Absatz 3 Buchstabe b genannten Zuständigkeitsgründe sind die folgenden: a. das Vorhandensein von Vermögenswerten des Beklagten oder die Beschlagnahme von Vermögenswerten durch den Kläger im Gerichtsstaat, es sei denn: • die Klage betrifft das Eigentum oder den Besitz an den Vermögenswerten oder eine andere Streitigkeit über diese Vermögenswerte; • die Streitigkeit betrifft eine Forderung, die im Gerichtsstaat durch ein dingliches Recht gesichert ist; b. die Staatsangehörigkeit des Klägers; c. der Wohnsitz oder der gewöhnliche oder vorübergehende Aufenthalt des Klägers im Gerichtsstaat, es sei denn, die sich hierauf gründende Zuständigkeit wird für bestimmte vertragliche Beziehungen wegen der besonderen Natur des Vertragsgegenstands zugelassen; d. die Tatsache, daß der Beklagte im Gerichtsstaat Geschäfte getätigt hat, es sei denn, die Streitigkeit betrifft diese Geschäfte; e. die einseitige Bestimmung des Gerichts durch den Kläger, namentlich in einer Rechnung. Dem Wohnsitz und dem gewöhnlichen Aufenthalt werden der tatsächliche und der satzungsmäßige Sitz und die Hauptniederlassung juristischer Personen gleichgestellt.

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Europäisches Übereinkommen über die Staatenimmunität. Denkschrift

1. c. aa) Deutsche Denkschrift (BTDrucks. 11/Nr. 4 3 0 7 (1989) S. 3 0 ff.) Text Denkschrift BTDrucks. X I Nr. 4 3 0 7

I. Allgemeine Bemerkungen A. Die Frage, o b ausländische Staaten der inländischen Gerichtsbarkeit unterworfen sind, hat Lehre und Rechtsprechung aller Kulturnationen seit Jahrhunderten beschäftigt. Die Gewährung von Staatenimmunität ist ein heute zwar allgemein anerkanntes Gebot des Völkergewohnheitsrechts; inhaltlich hinreichend bestimmte Rechtssätze, die international eine sichere und übereinstimmende Rechtsanwendung gewähren, haben sich bisher jedoch nicht herausgebildet. Nach der Theorie von der absoluten Staatenimmunität kann ein ausländischer Staat nicht der Gerichtsbarkeit innerstaatlicher Gerichte unterworfen werden, es sei denn, er hat auf seine Immunität verzichtet. Demgegenüber geht die Theorie von der relativen oder beschränkten Staatenimmunität davon aus, daß ein Staat Immunität nur dann genießt, wenn er in Ausübung hoheitlicher Gewalt gehandelt hat (acta iure imperii), nicht aber dann, wenn er wie eine andere natürliche oder juristische Person an privatrechtlichen Beziehungen beteiligt ist (acta iure gestionis). Die Theorie der relativen Staatenimmunität hat angesichts der wachsenden wirtschaftlichen Betätigung der Staaten international in Rechtslehre und Rechtsprechung mehr und mehr an Boden gewonnen. Sie wird aber nicht einheitlich verstanden. Aus diesen Gründen kann es zu Schwierigkeiten in den internationalen Beziehungen kommen. Deutschland gehörte vor dem zweiten Weltkrieg zu den Ländern, die ausländischen Staaten und ihren Organen absolute Gerichtsfreiheit gewährten (RGZ 63, 165; 103, 275). Die Zeit ab 1974 ist durch eine zunehmende wirtschaftliche Betätigung der Staaten auf dem gesamten Gebiet der Vorsorge und eine sich rasch entwickelnde Verflechtung der einzelnen nationalen Märkte gekennzeichnet; dies hat eine Hinwendung zum Grundsatz der beschränkten Immunität mit sich gebracht. D a s Bundesverfassungsgericht hat diese Entwicklung in mehreren grundlegenden Entscheidungen (BVerfGE 15, 25 ff.; 16, 27ff.; 64, 1 ff.), die in der Rechtslehre Zustimmung gefunden haben, bestätigt. Danach genießt ein Staat Immunität nur im Rahmen seiner hoheitlichen Tätigkeit. Bei der - nach dem Recht des Gerichtsstaates zu beurteilenden Frage, ob eine Tätigkeit als hoheitlich oder privatrechtlich zu qualifizieren ist, ist grundsätzlich auf die Natur der staatlichen Handlung oder des entstandenen Rechtsverhältnisses abzustellen, nicht aber auf das Motiv oder den Zweck der Staatstätigkeit, da letztlich nahezu jede staatliche Tätigkeit mit hoheitlichen Zwecken und AufR o l f A. Schütze

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gaben in Zusammenhang steht (BVerfGE 16, 27, 61; Seidl-Hohenveldern, Neue Entwicklungen im Recht der Staatenimmunität, Festschrift für Beitzke 1979, 1081,1087). Was die - nach Völkergewohnheitsrecht nicht schlechthin ausgeschlossene Zwangsvollstreckung gegen einen ausländischen Staat nach deutschem Recht anbelangt, so besteht keine volle Parallelität zwischen der Begrenzung der Immunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren (BVerfGE 46, 342, 367; Seidl-Hohenveldern, a.a.O., S. 1097), da die Auswirkungen einer Zwangsvollstreckung den ausländischen Staat faktisch erheblich stärker treffen als ein Urteil im Erkenntnisverfahren, die Gefahr von politischen Verwicklungen also größer ist. Besteht für das Erkenntnisverfahren keine Immunität, weil eine privatrechtliche Tätigkeit des ausländischen Staates Gegenstand des Verfahrens ist oder dieser sich der Gerichtsbarkeit unterworfen hat, so bedeutet dies nicht, daß damit auch ohne weiteres die Zwangsvollstreckung zulässig wäre. Für die Frage der Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung ist nicht darauf abzustellen, ob der ausländische Staat das Vollstreckungsobjekt als Hoheitsträger oder als Privatrechtsträger besitzt. Entscheidend ist vielmehr, ob das Vollstreckungsobjekt im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahme hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dient (BVerfGE 46, 354).

B. Die Initiative, im Rahmen des Europarats ein Übereinkommen über die Staatenimmunität auszuarbeiten, geht auf einen Vorschlag der österreichischen Regierung zurück. Mit seiner Entschließung (63)29 vom 13. Dezember 1963 hat das Ministerkomitee des Europarats das Thema Staatenimmunität in das Arbeitsprogramm des Europarats aufgenommen. Entsprechend einer Empfehlung der Europäischen Justizministerkonferenz vom 26. bis 28. Mai 1964 in Dublin hat das Ministerkomitee des Europarats einen Expertenausschuß damit beauftragt, die sich aus der Staatenimmunität ergebenden Probleme zu prüfen und Wege zu deren Lösung aufzuzeigen. In den Jahren von 1965 bis 1970 hat der Expertenausschuß das vorliegende Übereinkommen sowie ein Zusatzprotokoll ausgearbeitet. In dem Expertenausschuß waren neben der Bundesrepublik Deutschland die Staaten Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Island, Italien, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Norwegen, Österreich, Schweden, die Schweiz und die Türkei vertreten. Übereinkommen und Zusatzprotokoll wurden anläßlich der 7. Konferenz der Europäischen Justizminister in Basel am 16. Mai 1972 zur Unterzeichnung aufgelegt und am gleichen Tage u.a. von der Bundesrepublik Deutschland gezeichnet. Das Übereinkommen wurde bisher von Osterreich, Belgien, Zypern, Großbritannien, der Schweiz, den Niederlanden und Luxemburg ratifiziert; es trat am 11. Juni 1976 in Kraft. Die nachstehenden Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln des Übereinkommens beruhen weitgehend auf einem von den Sachverständigen der Mitgliedstaaten ausgearbeiteten erläuternden Bericht (Rapports explicatifs concernant la Convention europeenne sur l'immunite des Etats et le Protocole additionnel, Conseil de l'Europe, Strasbourg 1972). C. Das Übereinkommen ist die erste internationale Konvention mit allgemeinen Regeln über die Immunität von Staaten. Nach seiner Präambel verfolgt es ein doppeltes Ziel. Zum einen stellt es gemeinsame Regeln darüber auf, in welchem Ausmaß ein 102

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Europäisches Übereinkommen über die Staatenimmunität. Denkschrift

Staat Immunität vor den Gerichten eines anderen Staates genießt. Zum anderen trifft es Vorkehrungen, um die Durchsetzung der gegen einen fremden Staat ergangenen Urteile zu sichern. Das Übereinkommen ist in 6 Kapitel gegliedert. In Kapitel I (Artikel 1 bis 13) sind die Fälle festgelegt, in denen ein Vertragsstaat vor den Gerichten eines anderen Staates keine Immunität beanspruchen kann. In diesem Kapitel ist der Bereich der nichthoheitlichen Betätigung eines Staates im einzelnen umschrieben. In allen anderen Fällen genießt ein Staat - vorbehaltlich der durch Artikel 2 4 eröffneten Möglichkeit - vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats Immunität. Kapitel II (Artikel 16 bis 19) enthält Verfahrensvorschriften. Sie beziehen sich insbesondere auf die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke, die Sicherheitsleistung sowie auf die Rechtshängigkeit. Kapitel III (Artikel 2 0 bis 2 3 ) regelt das Problem der Durchsetzung von Urteilen. Nach Artikel 2 0 muß ein Vertragsstaat ein gegen ihn ergangenes Urteil eines Gerichts eines anderen Vertragsstaats grundsätzlich erfüllen, wenn er gemäß den Bestimmungen des Kapitels I die gerichtliche Immunität nicht beanspruchen konnte. Um die Einhaltung dieser Verpflichtung zu sichern, sieht Artikel 21 vor, daß die obsiegende Prozeßpartei befugt ist, ein Gericht des verurteilten Staates um Feststellung anzurufen, daß sich der Staat dem Urteil zu unterwerten habe. Diese Regelung tritt an die Stelle der nach Artikel 2 3 des Übereinkommens ausgeschlossenen Zwangsvollstreckungen das Vermögen des verurteilten Vertragsstaates. Kapitel IV (Artikel 2 4 bis 2 6 ) räumt den Vertragsstaaten die Möglichkeit ein, gegenüber dem Generalsekretär des Europarats zu erklären, daß ihre Gerichte über die Fälle der Artikel 1 bis 13 hinaus in Verfahren gegen einen anderen Vertragsstaat in demselben Ausmaß wie in Verfahren gegen Nichtvertragsstaaten entscheiden können. Die Rechtsfolgen einer solchen Erklärung sind in den Artikeln 2 5 und 2 6 näher umschrieben. Kapitel V (Artikel 2 7 bis 35) umfaßt verschiedene allgemeine Bestimmungen, die u.a. den Begriff des Vertragsstaates näher festlegen (Artikel 27) und Regelungen für Bundesstaaten enthalten (Artikel 2 8 ) . Sie betreffen ferner die Privilegien und Immunitäten im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Aufgaben der diplomatischen Missionen und konsularischen Vertretungen (Artikel 32) und schaffen ein obligatorisches Streitschlichtungsverfahren betreffend die Auslegung und die Anwendung des Übereinkommens (Artikel 3 4 ) . Kapitel VI (Artikel 36 bis 41) enthält die Schlußbestimmungen. Diese sehen insbesondere vor, daß keine Vorbehalte zum Übereinkommen zugelassen sind (Artikel 39). Das Übereinkommen steht Nichtmitgliedstaaten des Europarats zum Beitritt offen (Artikel 37).

D. Das Zusatzprotokoll zum Europäischen Übereinkommen über Staatenimmunität sieht neben den im Übereinkommen geregelten Rechtswegen wahlweise einen weiteren Rechtsweg zu dem Europäischen Gericht für Staatenimmunität vor. Das Zusatzprotokoll ist bisher von sechs Staaten ratifiziert worden, und zwar von Österreich, Belgien, Zypern, der Schweiz, den Niederlanden und Luxemburg; es ist am 2 2 . M a i 1985 in Kraft getreten. Am 2 8 . Mai 1985 wurde das Gericht für Staatenimmunität beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegründet. Rolf A. Schütze

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Die Bundesregierung empfiehlt, derzeit von der Ratifizierung des Zusatzprotokolls abzusehen, weil die im Übereinkommen vorgesehenen Rechtswege zum Landgericht am Sitz der Bundesregierung (Artikel 21) und - im Falle von Streitigkeiten zwischen Vertragsstaaten über Auslegung oder Anwendung des Übereinkommens - zum Internationalen Gerichtshof in Den Haag (Artikel 34) zur Verwirklichung des Vertragszieles ausreichen. Bestätigt wird diese Annahme durch die Tatsache, daß das Europäische Gericht für Staatenimmunität seit seiner Gründung noch mit keinem Verfahren befaßt worden ist. Großbritannien hat sich an dem Zusatzprotokoll bisher ebenfalls nicht beteiligt.

II. Zu den einzelnen Bestimmungen des Übereinkommens wird bemerkt:

Zw Artikel 1 Die Vorschrift bestimmt, wann ein Vertragsstaat im Hinblick auf seine Stellung als Verfahrensbeteiligter keine Immunität beanspruchen kann. Die Absätze 1 und 2 beziehen sich auf die Fälle, in denen ein Vertragsstaat in einem anderen Vertragsstaat ein Gerichtsverfahren aus eigenem Antrieb anhängig macht. Nach dem Grundsatz des Absatzes 1 unterwirft ein solcher Staat sich hiermit der Gerichtsbarkeit des anderen Vertragsstaates. Dies gilt auch insoweit, als er einem von anderer Seite anhängig gemachten Verfahren als Intervenient beitritt. Allerdings muß der Beitritt freiwillig sein; das Vorliegen einer notwendigen Streitgenossenschaft beinhaltet für sich allein keinen Immunitätsverzicht, da für letzteren eine aktive Teilnahme am Verfahren vorausgesetzt wird. Hat sich ein Vertragsstaat der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates einmal unterworfen, so gilt der Verzicht auf Immunität auch für Verfahren vor Rechtsmittelgerichten und dann, wenn ein Gericht das Verfahren mangels eigener Zuständigkeit an ein anderes Gericht desselben Staates verweist. Nach Absatz 2 gilt die mit der Anhängigmachung eines Verfahrens oder der aktiven Teilnahme hieran verbundene Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit des Gerichtsstaates auch insoweit, als gegen den betreffenden Vertragsstaat Widerklage erhoben wird. Vorausgesetzt wird allerdings, daß die Widerklage mit der Hauptklage im Zusammenhang steht oder mit ihr ein Anspruch geltend gemacht wird, gegenüber dem ein Anspruch auf Immunität von der Gerichtsbarkeit des fremden Staates nach den Bestimmungen des Übereinkommens nicht besteht. Nach Absatz 3 unterwirft sich auch derjenige Vertragsstaat der Gerichtsbarkeit eines anderen Vertragsstaates, der dort in einem gegen ihn anhängig gemachten Verfahren eine Widerklage erhebt. Dies gilt dann nicht nur für die Widerklage, sondern auch für die Klage selbst.

Zu Artikel 2 Nach dieser Vorschrift kann ein Vertragsstaat keine Immunität beanspruchen, wenn er sich ausdrücklich verpflichtet hat, sich der Gerichtsbarkeit eines bestimmten ausländischen Gerichts oder allgemein der Gerichtsbarkeit eines anderen Vertragsstaates zu unterwerfen, oder wenn er seine ausdrückliche Zustimmung hierfür nach Entstehen der Streitigkeit erteilt. Dabei schließt im allgemeinen die Berechtigung einer natürlichen oder juristischen Person, im Namen eines Staates einen schriftlichen 104

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Europäisches Übereinkommen über die Staatenimmunität. Denkschrift

Vertrag zu schließen, die Befugnis ein, die sich aus dem Vertrag ergebenden Streitigkeiten durch Vereinbarung mit dem fremden Staat einer ausländischen Gerichtsbarkeit zu unterwerfen. Durch das Erfordernis der Schriftform in Buchstabe b wird eine stillschweigende Unterwerfung ausgeschlossen, die etwa dann gesehen werden könnte, daß ein Staat eine entsprechende Klausel in einer Rechnung zur Kenntnis nimmt. Auch die Bezeichnung des anwendbaren Rechts als solche begründet noch keine Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit des Staates, dessen Recht angewendet werden soll.

Zu Artikel 3 Diese Vorschrift regelt im einzelnen, inwieweit das prozessuale Verhalten eines Staates in einem anhängigen Rechtsstreit als Verzicht auf seine Immunität angesehen werden kann.

Zu Artikel 4 Nach dem Grundsatz des Absatzes 1 kann ein Vertragsstaat vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates Immunität dann nicht beanspruchen, wenn das Verfahren eine von dem Staat in einem privat- oder öffentlichrechtlichen Vertrag eingegangene Verpflichtung betrifft und diese im Gerichtsstaat zu erfüllen ist oder zu erfüllen war. Dies gilt - etwa bei einem Kaufvertrag - auch dann, wenn der ausländische Vertragsstaat die gekauften Gegenstände in Erfüllung hoheitlicher Aufgaben etwa im Zusammenhang mit dem Betrieb seiner diplomatischen Vertretung - verwenden will. Enthält ein Vertrag mehrere Verpflichtungen, so kann die Immunität vor den Gerichten des Vertragsstaates nicht geltend gemacht werden, in dem diejenige Verpflichtung zu erfüllen ist, auf die sich die Streitigkeit bezieht. Da das Übereinkommen die Rechtsstellung von Privatpersonen in ihren Beziehungen mit Staaten verbessern soll, ist Artikel 4 nicht anzuwenden, wenn der Vertrag zwischen Staaten abgeschlossen worden ist (Absatz 2 Buchstabe a). Absatz 2 Buchstabe b sieht die Möglichkeit einer von der Regelung des Absatzes 1 abweichenden Vereinbarung der Vertragsparteien vor, die der Schriftform bedarf. Ein bestimmter Inhalt für diese Vereinbarung ist nicht vorgesehen. Sie kann etwa dahin lauten, daß der Staat Anspruch auf Immunität haben oder Artikel 4 Abs. 1 keine Anwendung finden soll. Die Vertragsparteien können aber auch festlegen, daß ein anderes Gericht als das des Erfüllungsorts zuständig sein soll oder daß die Streitigkeiten einem Schiedsverfahren unterworfen werden sollen. Da Artikel 4 nur Verträge erfassen will, an denen Staaten wie andere natürliche oder juristische Personen beteiligt sind, werden durch Buchstabe c auch solche Verträge ausgenommen, die als öffentlich-rechtliche Verträge besonderen Regeln des Verwaltungsrechts unterliegen.

Zu Artikel 5 Artikel 5 sieht eine Sonderregelung für Arbeitsverträge zwischen einem Staat und einer natürlichen Person vor, wenn die Arbeit im Gerichtsstaat zu leisten ist. Nach dem Grundsatz des Absatzes 1 kann der Arbeitgeberstaat oder eine gleichgestellte Rolf A. Schütze

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Partei in diesen Fällen keine Immunität von der Gerichtsbarkeit des fremden Staates beanspruchen. Dem Arbeitnehmer soll damit ein leichterer Zugang zum Gericht ermöglicht werden. Absatz 2 enthält drei Ausnahmen von dem Grundsatz des Absatzes 1. Wenn der Arbeitnehmer die Staatsangehörigkeit des Arbeitgeberstaates besitzt (Buchstabe a) oder wenn er im Zeitpunkt des Vertragsschlusses weder Angehöriger des Gerichtsstaates war noch im Gerichtsstaat seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Buchstabe b), können seine Beziehungen zum Arbeitgeberstaat in der Regel als enger gegenüber den Beziehungen zum Gerichtsstaat angesehen werden. Die Immunität wird daher in diesen Fällen „wiederhergestellt". Absatz 2 Buchstabe c gibt einem Vertragsstaat die Möglichkeit, sich auf seine Immunität zu berufen, wenn der Arbeitsvertrag eine schriftliche Klausel enthält, in der die Regelung von Streitigkeiten durch ein anderes Gericht als das des Staates des angerufenen Gerichts vorgesehen ist (Prorogation), beispielsweise durch ein Gericht des Arbeitgeberstaates oder durch ein Schiedsgericht. Artikel 5 betrifft auch Verträge, die Arbeiten für ein Büro, eine Agentur oder eine sonstige Niederlassung im Sinne des Artikels 7 zum Gegenstand haben. In diesen Fällen kann Immunität nur dann beansprucht werden, wenn die natürliche Person im Zeitpunkt des Vertragsschlusses tatsächlich ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet des als Arbeitgeber auftretenden Staates hatte (Absatz 3). Die Anwendung des Artikels 5 in der Bundesrepublik Deutschland würde bedeuten, daß eine Immunität des ausländischen Arbeitgeberstaates in weitergehendem Umfang als nach der bisherigen Rechtslage gegeben wäre. Der Eintritt dieser Rechtsfolge wird jedoch dadurch verhindert, daß die Bundesrepublik beabsichtigt, gemäß Artikel 2 4 gegenüber dem Generalsekretär des Europarats die Erklärung abzugeben, daß die Gerichte der Bundesrepublik Deutschland über die Fälle der Artikel 1 bis 13 hinaus die Entscheidungsbefugnis in Verfahren gegen einen anderen Vertragsstaat künftig auch weiterhin in demselben Ausmaß für sich in Anspruch nehmen werden wie in Verfahren gegen Nichtvertragsstaaten. Damit soll vor allem vermieden werden, daß die Gerichte der Bundesrepublik Deutschland durch Artikel 5 Abs. 2 an der Entscheidung von arbeitsrechtlichen Streitigkeiten gehindert sein könnten, für die sie bisher die Gerichtsbarkeit innehatten.

7M Artikel 6 In Absatz 1 wird die Immunität für die Fälle aufgehoben, in denen ein Vertragsstaat gemeinsam mit einer oder mehreren Privatpersonen an einer Gesellschaft, Vereinigung oder juristischen Person beteiligt ist, die ihren tatsächlichen oder satzungsmäßigen Sitz oder ihre Hauptniederlassung im Gerichtsstaat hat, und wenn das Verfahren Beziehungen betrifft, die sich aus diesem Beteiligungsverhältnis ergeben. Die Vorschrift kommt also nur dann zur Anwendung, wenn es um die Rechte und Pflichten der Mitglieder der Vereinigung untereinander, nicht dagegen, wenn es um die Position des Staates als Mitgläubiger oder Mitschuldner der Vereinigung gegenüber Dritten geht (den letzteren Fall regelt Artikel 4). Dabei spielt es keine Rolle, ob die Vereinigung eigene Rechtspersönlichkeit besitzt oder nicht. Ohne Bedeutung ist auch, ob die Tätigkeit der Vereinigung auf Gewinnerzielung gerichtet ist. Die notwendige Verknüpfung zwischen Gerichtsstaat und Gesellschaft, Vereinigung oder juristischer Person, an der sich der Staat beteiligt, wird durch den tatsächlichen oder satzungsmäßigen Sitz oder die Hauptniederlassung der Körperschaft

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hergestellt; dies setzt im allgemeinen voraus, daß die Körperschaft im Gerichtsstaat geleitet wird, förmlich errichtet bzw. eingetragen ist oder den größten Teil ihrer Geschäfte dort abwickelt. Absatz 1 ist kein zwingendes Recht, sondern nach Absatz 2 abdingbar.

Zu Artikel 7 Die in Artikel 7 genannten Betätigungen - gewerbliche, kaufmännische oder finanzielle Tätigkeiten - sind an sich rein privatrechtlicher Natur. M a n könnte daraus schließen, daß insoweit keine Immunität beansprucht werden kann. Aus Absatz 1 folgt jedoch, daß die Immunität eines Staates nicht von vornherein für jede gewerbliche, kaufmännische oder finanzielle Tätigkeit im Gerichtsstaat aufgehoben ist. Diese Bestimmung schließt die Immunität vielmehr nur aus, soweit ein Staat entsprechende Tätigkeiten durch ein Büro, eine Agentur oder eine Niederlassung, die im Gerichtsstaat belegen ist, ausübt. Dieser Anknüpfungspunkt soll sicherstellen, daß eine für die Begründung der Gerichtsbarkeit ausreichende Verbindung zwischen dem Gerichtsstaat und der wirtschaftlichen Tätigkeit des beklagten Staates besteht. Die so erfolgte Einengung des Geltungsbereichs des Artikels 7 wird jedoch durch Artikel 4 aufgewogen, da davon ausgegangen werden kann, daß die meisten gewerblichen, kaufmännischen oder finanziellen Tätigkeiten, die ein Staat auf andere Weise als durch ein Büro, eine Agentur oder sonstige Niederlassung ausübt, zu vertraglichen Verpflichtungen führen, die unter den Geltungsbereich von Artikel 4 fallen. Die Frage, o b der Staat die dem Rechtsstreit zugrundeliegende Tätigkeit „wie eine Privatperson" ausgeübt hat, ist abstrakt zu beantworten, also unabhängig davon, ob etwa das Recht des Gerichtsstaats oder dasjenige des beklagten Staats einer Privatperson die Ausübung dieser Tätigkeit untersagt, die Tätigkeit nur bestimmten Personengruppen erlaubt oder besondere Vorschriften hinsichtlich der Ausübung der Tätigkeit durch den Staat enthält. Nimmt ein staatliches Unternehmen oder ein staatlicher Regiebetrieb am Wirtschaftsleben wie ein privates Unternehmen teil und arbeitet mit Gewinnabsicht, so wird ein solches Unternehmen regelmäßig keine Immunität genießen; hingegen kann sich eine Noten- oder Rentenbank dann auf die staatliche Immunität berufen, wenn deren Geschäftstätigkeit der Verfolgung staatlicher Ziele, beispielsweise auf dem Gebiet der Währungspolitik, dient.

Zu Artikel 8 Artikel 8 geht von der Überlegung aus, daß ein Vertragsstaat durch Anmeldung oder Erwerb von Schutzrechten des gewerblichen Rechtsschutzes im Gerichtsstaat am allgemeinen Wirtschaftsverkehr dieses Staates teilnimmt und keine weitergehende Rechtsstellung erlangen kann als jeder andere Schutzrechtsinhaber (-anmelder) auch. Die Bestimmung stellt demgemäß sicher, daß für alle gerichtlichen Verfahren, die sich auf solche Schutzrechte oder Schutzrechtsanmeldungen beziehen (z.B. für Löschungsklagen nach dem Warenzeichengesetz, Nichtigkeits- und Zwangslizenzverfahren nach dem Patentgesetz oder dem Sortenschutzgesetz), die Inanspruchnahme der Staatenimmunität durch den Schutzrechtsinhaber ausgeschlossen ist. Der Ausschluß der Staatenimmunität gilt ferner auch für alle Verfahren, in denen ein Vertragsstaat wegen angeblicher Verletzung eines Schutzrechts im Gerichtsstaat z.B. auf Unterlassung, Rechnungslegung, Schadenersatz u. dgl. in Anspruch genommen wird. Rolf A. Schütze

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Die gesonderte Regelung in Buchstabe d hinsichtlich des Rechts zum Gebrauch einer Firma ist darauf zurückzuführen, daß bei den Verhandlungen bezweifelt wurde, ob die Firma schon von dem Ausdruck „anderes gleichartiges Recht" in Buchstabe a erfaßt wird. Mit der Regelung in Buchstabe d werden solche Zweifel ausgeräumt. Der Begriff „Firma" ist weit auszulegen und erfaßt alle Formen des Handelsnamens, wie ζ. B. neben der Firma auch die Unternehmensbezeichnungen im Sinne des § 16 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Dies ergibt sich insbesondere aus der weiteren Fassung des französischen und englischen Originals des Übereinkommens („nom commercial", „trade name"). Auch der Ausdruck „Recht zum Gebrauch" einer Firma ist weit auszulegen und soll alle möglichen Formen des Schutzes erfassen, einschließlich Streitigkeiten über die Eintragung einer Firma.

Zu Artikel 9 Artikel 9 schließt die Staatenimmunität für bestimmte dingliche Klagen aus, die gegen den Staat als Eigentümer, Nutznießer oder Besitzer eines Grundstücks gerichtet sind, sofern dieses im Gerichtsstaat belegen ist. Artikel 9 ist weit auszulegen und erfaßt insbesondere - Klagen, die unmittelbar das Eigentum, ein sonstiges dingliches Recht (insbesondere Dienstbarkeiten einschließlich Nießbrauch) oder den Besitz an dem Grundstück zum Gegenstand haben; - Klagen wegen Immissionen, Besitzstörungen oder sonstigen Beeinträchtigungen, die von dem Grundstück im Eigentum oder Besitz des ausländischen Staates ausgehen; - Klagen auf Ersatz von Schäden, für die der Staat in seiner Eigenschaft als Eigentümer oder Besitzer eines Grundstücks haftet, etwa wegen herabstürzender Gebäudeteile oder wegen Nichtstreuens bei Glatteis; - Streitigkeiten über das Recht zum Besitz eines Grundstücks einschließlich der Herausgabe oder Räumung; - Klagen auf Miet- oder Pachtzinszahlungen. Öffentlich-rechtliche Abgaben oder Gebühren, die vom Grundstückseigentümer oder -besitzer zu zahlen sind, werden von Artikel 9 nicht erfaßt.

Zu Artikel 10 Diese Vorschrift bezieht sich auf Streitigkeiten über Rechte an Vermögen, das aus einer Erbschaft oder Schenkung herrührt oder herrenlos ist. Artikel 10 weist insoweit eine Besonderheit auf, als er keine weiteren Anknüpfungspunkte vorsieht, sei es um die zuständige Gerichtsbarkeit festzulegen, sei es um das anwendbare Recht zu bestimmen. Dies ist eine Folge der auf diesem Gebiet des Internationalen Privatrechts bestehenden erheblichen Unterschiede in den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten des Europarats. In Artikel 2 0 Abs. 3 des Übereinkommens mußte deshalb eine Sonderregelung hinsichtlich der Verpflichtung eines Staates eingeführt werden, sich einem insoweit gegen ihn gefällten Urteil zu unterwerfen.

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Europäisches Übereinkommen über die Staatenimmunität. Denkschrift

Zu Artikel 11 Für Verfahren auf Ersatz von Personen- oder Sachschäden bestimmt Artikel 11, daß die Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beansprucht werden kann, wenn das schädigende Ereignis im Gerichtsstaat eingetreten ist und der Schädiger sich dabei in diesem Staat aufgehalten hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Kläger den Ersatzanspruch aus Vertragsbeziehungen ableitet oder aus außervertraglicher Haftung. Praktische Bedeutung hat diese Bestimmung vor allem für Personen- und Sachschäden, die durch Dienstfahrzeuge ausländischer Vertretungen verursacht werden, wobei es für die Inanspruchnahme des ausländischen Vertragsstaats als Kraftfahrzeughalter nach Artikel 11 nicht darauf ankommt, ob eine Dienstfahrt unternommen wurde oder ob sich der Unfall bei einer privaten Benutzung des Dienstwagens ereignet hat. Artikel 11 wird ferner praktisch für Klagen auf Ersatz von Personen- oder Sachschäden aus der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, die dem ausländischen Vertragsstaat bei der Unterhaltung von Dienstgebäuden im Gerichtsstaat obliegen. Dies gilt nicht etwa nur dann, wenn der Hausmeister bei einer ausländischen Vertretung die Verkehrsicherungspflichten nicht ordentlich erfüllt, sondern nach dem Zweck der Bestimmung auch und erst recht dann, wenn eine für die Erfüllung der Verkehrssicherungspflichten verantwortliche Person pflichtwidrig gar nicht bestellt worden ist, so daß sie sich bei Eintritt des Schadensereignisses auch nicht im Gerichtsstaat aufhalten konnte: In solchen Fällen muß auf den fiktiven Aufenthalt abgestellt werden. „Ersatz eines Personen- oder Sachschadens" im Sinne des Artikels 11 umfaßt sämtliche Ansprüche aus Tötung, Körperverletzung und Sachbeschädigung, insbesondere auch das Schmerzensgeld und Rentenansprüche nach § 844 Abs. 2 BGB.

Zu Artikel 12 Artikel 12 will sicherstellen, daß ein Staat, der eine privatrechtliche Schiedsvereinbarung getroffen hat, sich den Verfahren vor staatlichen Gerichten, welche der Durchsetzung der Schiedsvereinbarung, der Bestellung von Ersatz-Schiedsrichtern, der ordnungsgemäßen Durchführung des schiedsrichterlichen Verfahrens und der Kontrolle des Schiedsgerichts dienen, nicht durch die Berufung auf seine Immunität entziehen kann. Die Kriterien für die Verknüpfung mit dem Gerichtsstaat sind alternativ so gewählt, daß sowohl der Theorie, nach welcher der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens maßgebend ist, als auch der sogenannten prozessualen Theorie des internationalen Schiedsspruchs (maßgebend ist das auf das schiedsrichterliche Verfahren angewandte Recht) Rechnung getragen wird. Buchstabe b betrifft vor allem die Maßnahmen zur Einleitung des Schiedsverfahrens, etwa die Bestellung der Schiedsrichter, aber auch andere in der Rechtsordnung des Gerichtsstaats vorgesehene gerichtliche Maßnahmen im Verlauf des Schiedsverfahrens. Verfahren zur Vollstreckung von Schiedssprüchen fallen nicht unter das Übereinkommen, Artikel 20 findet daher keine Anwendung.

Zu Artikel 13 Diese Vorschrift verdeutlicht den in Artikel 1 Abs. 1 des Übereinkommens festgeschriebenen Grundsatz, wonach ein Vertragsstaat seine Immunität so lange behält, wie er nicht vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats ein Verfahren anhängig macht oder einem solchen als Intervenient beitritt. Artikel 13 betrifft die Sonderfälle, Rolf A. Schütze

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in denen es nach den Rechtsordnungen verschiedener Vertragsstaaten möglich ist, Rechte an Sachen oder Rechten, die den Verfahrensgegenstand bilden, geltend zu machen oder in einem Verfahren Erklärungen in bezug auf diese abzugeben, ohne als Partei oder Intervenient aufzutreten; Artikel 13 stellt klar, daß ein Vertragsstaat in diesen Fällen seine Immunität behält. N a c h deutschem Recht ist das prozessual wirksame Geltendmachen derartiger Ansprüche nicht möglich, ohne Partei oder Intervenient zu werden. Artikel 13 ist deshalb für das deutsche Zivilverfahren nicht relevant.

Zu Artikel 14 Diese Vorschrift soll verhindern, daß die Staatenimmunität die gerichtliche Verwaltung von Vermögen beeinträchtigt. Konkursmasse und Treuhandvermögen sind nur als Beispielsfälle für den Anwendungsbereich des Artikels 14 genannt, der auch das gerichtliche Vergleichsverfahren und andere Fälle gerichtlicher Verwaltung von Vermögenswerten, etwa die Nachlaßverwaltung, erfaßt. Artikel 14 gilt unabhängig davon, ob das Gericht das Vermögen selbst verwaltet oder nur für die Verwaltung sorgt oder sie beaufsichtigt.

Zu Artikel 15 Aus Artikel 15 ergibt sich, daß ein Staat grundsätzlich Immunität genießt, es sei denn, es läge einer der in den Artikeln 1 bis 13 genannten Fälle vor; dies gilt auch dann, wenn der Verfahrensgegenstand nicht dem hoheitsrechtlichen, sondern dem privatrechtlichen Handlungsbereich zuzuordnen ist. Dieser Grundsatz wird allerdings durch Artikel 24 relativiert: Artikel 24 gibt jedem Vertragsstaat die Möglichkeit, durch eine einseitige Erklärung seine Gerichte in die Lage zu versetzen, über die Fälle der Artikel 1 bis 13 hinaus Verfahren gegen Vertragsstaaten durchzuführen (vgl. im einzelnen die Erläuterungen zu Artikel 24). Die Immunität des ausländischen Staates ist von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn dieser sich nicht auf das Verfahren einläßt. Läßt sich der Staat auf das Verfahren zur Sache ein, ohne Immunität zu beanspruchen, so liegt darin ein stillschweigender Verzicht auf das Vorrecht der Immunität (Artikel 3). In diesem Fall kann das Klageverfahren - vorausgesetzt die internationale Zuständigkeit des Gerichts ist gegeben - durchgeführt werden. Das gilt selbst dann, wenn Gegenstand des Verfahrens eine hoheitliche Tätigkeit des ausländischen Staates ist.

Zu Artikel 16 Auf Grund der Unterschiede in den Rechtsordnungen der Vertragsstaaten können sich Zweifelsfragen bei Zustellungen in Gerichtsverfahren gegen ausländische Staaten ergeben. Artikel 16 Abs. 2 und 3 bestimmen daher, daß abweichend von den einschlägigen Bestimmungen sonst anzuwendender Rechtshilfeverträge bestimmte Schriftstücke auf diplomatischem Weg übermittelt werden und daß die Zustellung dann als bewirkt gilt, wenn diese Schriftstücke beim Außenministerium des beklagten Staates eingegangen sind. Das Außenministerium ist dabei zur Entgegennahme der Schriftstücke auch dann verpflichtet, wenn es der Ansicht ist, das befaßte Gericht sei 110

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nicht zuständig oder der beklagte Staat könne Immunität geltend machen. Andererseits bedeutet die Entgegennahme der zuzustellenden Schriftstücke durch das Außenministerium nicht, daß sich der beklagte Staat der Gerichtsbarkeit des befaßten Gerichts unterwirft und auf die Immunität verzichtet. Dem Außenministerium steht durch eine Verlängerung der Einlassungs-, Rechtsmittel- und sonstigen Fristen um zwei Monate (Absätze 4 und 5) ein angemessener Zeitraum zur Verfügung, um die zur Vertretung des Staates in dem Verfahren berufene Behörde zu ermitteln und dieser die Schriftstücke zuzuleiten. Kann das Außenministerium innerhalb der Frist von zwei Monaten die zuständige Behörde nicht ermitteln, so muß es selbst vor dem ausländischen Gericht erscheinen, um den Erlaß eines Versäumnisurteils abzuwenden. Dabei wird das Außenministerium nähere Erläuterungen verlangen können, um die Feststellung der zuständigen Behörde zu ermöglichen. Die verfahrensrechtlichen Begriffe, auf die Artikel 16 Bezug nimmt, sind nach dem für den Gerichtsstaat maßgeblichen Verfahrensrecht auszulegen; die Anwendbarkeit des Artikels 16 Abs. 2 auf Schriftstücke, die ein Berufungs- oder Revisionsverfahren einleiten, hängt daher von der lex fori ab. Absatz 5 berücksichtigt die Besonderheiten bestimmter Rechtssysteme einiger Mitgliedstaaten des Europarats. Absatz 6 betrifft nur die Art der Zustellung und hindert einen Staat nicht daran, im Verfahren aufzutreten und geltend zu machen, die in den Absätzen 4 und 5 vorgesehenen Fristen seien nicht gewahrt worden. Ein Verzicht auf alle Einwendungen gegen die Art der Zustellung ist auch dann gegeben, wenn der ausländische Staat sich auf das Verfahren nur einläßt, um seine Immunität geltend zu machen. Geheilt wird auch der Mangel, daß die Klage ohne Einschaltung des Außenministeriums an eine juristisch selbständige staatliche Institution auf dem allgemeinen Weg zugestellt wird, diese Institution die Schriftstücke an die zuständige Behörde weitergeleitet hat und diese dann den Staat im Termin vertritt. Die Absätze 6 und 7 sind besonders wichtig, wenn sie in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 2 Buchstabe d ausgelegt werden.

Zu Artikel 17 Diese Vorschrift entspricht Artikel 17 des Haager Übereinkommens über den Zivilprozeß vom 1. M ä r z 1954 (BGBl. 1958 II S. 576), der nur die als Kläger auftretenden Angehörigen der Vertragsstaaten von der Sicherheitsleistung für Prozeßkosten befreit, nicht aber ausdrücklich den als Prozeßpartei auftretenden Staat selbst. Satz 2 bestimmt, daß der als Kläger oder Streithelfer auftretende Staat die ihm im Gerichtsstaat aufgrund seines Unterliegens im Rechtsstreit auferlegten Kosten zu zahlen hat. Die Zahlung dieser Kosten kann nicht aus den in Artikel 20 Abs. 2 und 3 genannten Gründen verweigert werden; die Verpflichtung zur Zahlung der Kosten unterliegt auch nicht dem Kontroll verfahren nach Artikel 21. Artikel 23 und Artikel 26 sind jedoch anwendbar. Zu Artikel 18 Nach dieser Vorschrift können gegen einen Vertragsstaat als Partei eines Gerichtsverfahrens keine Zwangs- oder Strafmaßnahmen verhängt werden, wenn dieser es ablehnt oder unterläßt, Beweismittel beizubringen (contempt of court). Die Verfahrensvorschriften, die es dem Gericht gestatten, daraus Schlüsse zu ziehen, bleiben dadurch unberührt. Rolf A. Schütze

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Zu Artikel 19 Artikel 19 regelt den Fall, daß die Streitsache bereits anderweitig - das heißt vor einem anderen Gericht innerhalb des Gerichtsstaats oder vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats - anhängig ist. Um ein Nebeneinander von Verfahren über dieselbe Sache und Konflikte zwischen Urteilen zu vermeiden, muß das zeitliche später angerufene Gericht zurückstehen und die Klage wegen der anderweitigen Rechtshängigkeit abweisen oder das Verfahren aussetzen. Dabei soll durch die in Absatz 1 Buchstabe b vorgesehene Regelung insbesondere vermieden werden, daß ein beklagter Staat vor seinen eigenen Gerichten ein Verfahren mit dem Ziel einleitet, sich auf Artikel 20 Abs. 2 Buchstaben b oder c zu berufen und sich der Verpflichtung zu entziehen, der ausländischen Entscheidung zu entsprechen. Inhaltlich entspricht Artikel 19 den in anderen mehrseitigen Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen getroffenen Regelungen (vgl. u. a. Artikel 21 bis 23 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968, BGBl. 1972 II S. 773). Da die Wirkungen der Rechtshängigkeit nach deutschem Verfahrensrecht (§ 261 ZPO) im Inland jedenfalls dann eintreten, wenn die Klage vor einem Gericht eines der anderen Vertragsstaaten erhoben worden und ein anzuerkennendes Urteil zu erwarten ist (§ 328 ZPO), ist nicht beabsichtigt, eine Erklärung gemäß Artikel 19 Abs. 2 dahin abzugeben, daß die Gerichte der Bundesrepublik Deutschland an Artikel 19 Abs. 1 nicht gebunden sind.

Zu Artikel 20 Ein Vertragsstaat ist unter den in Artikel 20 festgesetzten Bindungen verpflichtet, ein gegen ihn in einem anderen Vertragsstaat ergangenes Gerichtsurteil zu erfüllen. Das Übereinkommen sieht vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 26 weder die Anerkennung noch die Vollstreckung gerichtlicher Urteile im technischen Sinne vor (vgl. Artikel 23), sondern gibt dem Staat auf, der gegen ihn ergangenen Entscheidung loyal und gutwillig zu entsprechen. Die sich aus dem Übereinkommen ergebende Rechtspflicht zur Erfüllung bezieht sich sowohl auf Leistungsurteile, bei denen der Staat dem Leistungsbefehl des Urteils nachzukommen hat, als auch auf Gestaltungsund Feststellungsurteile. Sie kann aber auch bedeuten, daß ein Staat die Abweisung einer im Ausland anhängig gemachten Klage hinnimmt und folglich davon absieht, auf Grund desselben Sachverhalts ein weiteres Verfahren vor einem eigenen Gericht oder dem Gericht eines dritten Staates anzustrengen. Die Gründe, die es einem Staat erlauben, die Erfüllung eines gegen ihn ergangenen Urteils abzulehnen, sind in den Absätzen 2 und 3 aufgeführt; diese sind: offensichtlicher Verstoß gegen den ordre public, Einwand der Rechtshängigkeit (entsprechend Artikel 19) oder der res judicata, Verletzung der Verteidigungsrechte und fehlerhafte Ladung. Absatz 3 gibt dem verurteilten Staat für die in Artikel 10 bezeichneten Fälle zwei zusätzliche Gründe, ein gegen ihn ergangenes Urteil nicht zu erfüllen. Dadurch wird dem Umstand Rechnung getragen, daß Artikel 10 keine weiteren Anknüpfungspunkte hinsichtlich der zuständigen Gerichtsbarkeit oder des anwendbaren Rechts vorsieht (s. oben die Anmerkungen zu Artikel 10). Nach Artikel 20 Abs. 3 Buchstabe a braucht sich der Staat einem Urteil also nicht zu unterwerfen, wenn das Gericht seine Zustän112

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digkeit auf Vorschriften stützt, die dem Recht des verurteilten Staates fremd sind. Bei der Beurteilung dieser Frage sind allerdings die in der Anlage zu dem Übereinkommen aufgeführten „exorbitanten" Gerichtsstände nicht zu berücksichtigen. Dasselbe gilt, wenn die Gerichte des Staates, der sich dem Urteil unterwerfen soll, nach internationalem Privatrecht zu einem anderen Ergebnis in der Sache gekommen wären (Absatz 3 Buchstabe b). Für die zugunsten eines Staates gegen Privatpersonen gefällten Entscheidungen gelten die allgemeinen Vorschriften über deren Anerkennung und Vollstreckung.

Zu Artikel 21 Kommt ein Vertragsstaat der Verpflichtung aus Artikel 2 0 nicht nach, eine gegen ihn ergangene Entscheidung zu erfüllen, so kann die Partei, die sich auf das Urteil beruft, vor dem zuständigen Gericht dieses Staates auf Feststellung darüber klagen, ob das Urteil erfüllt werden muß. Dieses Feststellungsverfahren kann von jeder Person, die aus dem Urteil unmittelbar Rechte für sich ableitet, von dem Zeitpunkt an eingeleitet werden, zu dem ein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Eine Frist für die Anrufung des Gerichts ist ebensowenig wie für die Erfüllung des Urteils selbst vorgesehen. Absatz 2 enthält die für Verträge über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile übliche Regelung. Absatz 3 soll der auf Feststellung klagenden Partei möglichst weitgehende Verfahrenserleichterungen gewähren. Die Feststellungsklage ist im streitigen Verfahren nach den Bestimmungen der Zivilprozeßordnung mit den sich aus Absatz 3 ergebenden Besonderheiten durchzuführen. Zur Feststellung, ob die Bundesrepublik Deutschland eine ausländische Entscheidung gemäß Artikel 2 0 zu erfüllen hat, soll das Landgericht am Sitz der Bundesregierung ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig sein. Eine entsprechende Erklärung wird gegenüber dem Generalsekretär des Europarats gemäß Artikel 21 Abs. 4 abgegeben.

Zu Artikel 22 Artikel 2 2 trifft eine Sonderregelung für Vergleiche. Diese sind im Hinblick auf ihre Abschlußfreiheit den Einwänden des Artikels 2 0 entzogen (Absatz 1), während das Feststellungsverfahren nach Artikel 21 bei Vergleichen ebenfalls anwendbar ist (Absatz 2).

Zu Artikel 23 Die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Vermögenswerte ausländischer Staaten gegen Vollstreckungsmaßnahmen geschützt sind, ist in den Mitgliedstaaten des Europarats nicht einheitlich geregelt. Einige Staaten betrachten das Verbot der Zwangsvollstreckung in Vermögenswerte eines fremden Staates als Norm des Völkerrechts, in anderen Staaten ist die Zwangsvollstreckung in Vermögenswerte ausländischer Staaten unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, andererseits auch die Rechte einzelner in ihren Beziehungen zu Staaten weitgehend zu schützen, ist die Verpflichtung der Staaten, Rolf A. Schütze

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sich einem Urteil zu unterwerten (Artikel 2 0 ) , mit der Bestimmung verknüpft worden (Artikel 2 3 ) , daß in einem Vertragsstaat weder die Zwangsvollstreckung noch Zwangsmaßnahmen zur Sicherung einer künftigen Zwangsvollstreckung gegen das Vermögen eines anderen Vertragsstaats zulässig sind, es sei denn, der Staat hat dem ausdrücklich zugestimmt. Dabei macht es keinen Unterschied, ob das Vermögen hoheitlichen Zwecken gewidmet oder für privatwirtschaftliche Geschäfte des Staates bestimmt ist. Die Regelung des Artikels 2 3 schränkt den Rechtsschutz gegenüber ausländischen Staaten in gewissem Umfang ein. Im gesamten Bereich der acta iure gestionis kann heute vor einem deutschen Gericht gegen einen ausländischen Staat geklagt werden, vorausgesetzt, daß nach deutschem Verfahrensrecht die internationale Zuständigkeit gegeben ist; ein in einem solchen Verfahren ergangenes Urteil kann nach der heutigen Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland auch vollstreckt werden, es sei denn, daß das Vermögen des ausländischen Staates im Inland hoheitlichen Zwecken gewidmet ist. Während für das Erkenntnisverfahren nach dem Übereinkommen der bisherige Rechtszustand aufrechterhalten wird, indem die Bundesrepublik von der durch Artikel 2 4 gegebenen Möglichkeit Gebrauch macht (vgl. die Anmerkungen zu Artikel 2 4 ) , ist dies auf dem Gebiet der Zwangsvollstreckung nur in begrenztem Umfang der Fall. Denn die Vollstreckbarkeit gegen einen Staat gerichteter Entscheidungen eines ausländischen Gerichts ist - vorbehaltlich des in Artikel 2 6 Bestimmten (vgl. Bemerkungen dort) - grundsätzlich ausgeschlossen. Die Einschränkung der Vollstreckbarkeit kann hingenommen werden, da auf Grund der engen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten des Europarats davon ausgegangen werden kann, daß sich die Vertragsstaaten einem gegen sie ergangenen Gerichtsurteil unterwerfen werden.

Zu Artikel 24 Vertragsstaaten, die wie die Bundesrepublik Deutschland der Theorie von der relativen Staatenimmunität folgen, können von der starren Regelung des Artikels 15 abweichen und gegenüber dem Generalsekretär des Europarats eine Erklärung dahin abgeben, daß ihre Gerichte befugt sind, über die Fälle der Artikel 1 bis 13 hinaus in Verfahren gegen einen anderen Vertragsstaat in demselben Ausmaß wie in Verfahren gegen Nichtvertragsstaaten zu entscheiden. Allerdings läßt diese Erklärung die Immunität von der Gerichtsbarkeit unberührt, die fremde Staaten hinsichtlich der in Ausübung der Hoheitsgewalt vorgenommenen Handlungen (acta iure imperii) genießen. Außerdem können die Gerichte eines Staates, der diese Erklärung abgegeben hat, in Verfahren außerhalb des Anwendungsbereichs der Artikel 1 bis 13 dieses Übereinkommens dann nicht entscheiden, wenn ihre Gerichtsbarkeit allein auf einer der sogenannten exorbitanten Zuständigkeiten beruht, die in der Anlage zu dem Übereinkommen aufgeführt sind. Das Vollstreckungsverbot des Artikels 2 3 gilt - mit der Einschränkung nach Artikel 2 6 - auch in dem gemäß Artikel 2 4 ausgeweiteten Bereich. Es ist beabsichtigt, für die Bundesrepublik Deutschland eine entsprechende Erklärung abzugeben. Die wesentliche Bedeutung des Übereinkommens besteht darin, die Rechtsstellung von Privatpersonen in ihren Beziehungen zu ausländischen Staaten zu verbessern, indem eindeutig festgelegt wird, für welche Handlungen Staaten keine Immunität beanspruchen können. Das bedeutet aber nicht, daß Staaten bei allen von den Artikeln 1 bis 13 des Übereinkommens nicht erfaßten Handlungen 114

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ohne weiteres Immunität von der Gerichtsbarkeit beanspruchen können. Die Erklärung nach Artikel 24 erlaubt vielmehr den Vertragsstaaten, ihre Rechtsprechung auf der Grundlage der Theorie von der relativen Staatenimmunität fortzuentwickeln. Die von der Bundesrepublik Deutschland abzugebende Erklärung soll vor allem in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten (vgl. Artikel 5) die bisherige Entscheidungsbefugnis der Gerichte der Bundesrepublik gegenüber ausländischen Staaten in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber in demselben Ausmaß wie bisher erhalten.

Zu Artikel 25 Diese Vorschrift setzt die Bedingungen fest, unter denen Staaten, die eine Erklärung nach Artikel 24 abgegeben haben, sich in anderen als den in den Artikeln 1 bis 13 des Übereinkommens genannten Fällen einem gegen sie ergangenen Urteil zu unterwerfen haben. Danach muß das ausländische Urteil formell rechtskräftig sein (Artikel 20 Abs. 1 Buchstabe b) und das Gericht zuständig gewesen sein. Als zuständig in diesem Sinne ist ein Gericht dann anzusehen (Artikel 25 Abs. 2), wenn zwischen Gerichtsstaat und beklagtem Staat eine Vereinbarung besteht, welche die gegenseitige Anerkennung bestimmter Gründe für die Rechtsprechungsbefugnis vorsieht (Absatz 3 Buchstabe a), oder wenn bei Fehlen einer solchen Vereinbarung das Gericht auch dann zuständig gewesen wäre, wenn es die im beklagten Staat geltenden Zuständigkeitsregeln - mit Ausnahme der in der Anlage zu dem Übereinkommen genannten entsprechend angewandt hätte (Absatz 3 Buchstabe b). Letzteres gilt allerdings nicht für den Bereich des Vertragsrechts (Absatz 3 Buchstabe b letzter Satz); hier findet Artikel 4 des Übereinkommens Anwendung. Gemäß Artikel 25 Abs. 2 ist ein Vertragsstaat jedoch dann nicht verpflichtet, die Entscheidung eines Gerichts eines anderen Vertragsstaats, die aufgrund einer Erklärung nach Artikel 24 ergangen ist, zu erfüllen, wenn einer der Ablehnungsgründe des Artikels 20 Abs. 2 vorliegt oder die Zuständigkeit des Gerichts nur auf einem oder mehreren der in der Anlage zu diesem Übereinkommen bezeichneten Gründe beruht, es sei denn, der beklagte Vertragsstaat hat sich zur Hauptsache eingelassen, ohne die Einrede der mangelnden Zuständigkeit des Gerichts erhoben zu haben. Absatz 4 gibt den Vertragsstaaten die Möglichkeit, in einer Zusatzvereinbarung zu dem Übereinkommen über das Zuständigkeitserfordernis im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe b nähere Festlegungen zu treffen. Absatz 5 stellt klar, daß von dem in Artikel 21 vorgesehenen Feststellungsverfahren auch in den Fällen Gebrauch gemacht werden kann, in denen Entscheidungen aufgrund des Artikels 24 ergangen sind.

Zu Artikel 26 Artikel 26 stellt eine Ausnahmeregelung zu Artikel 23 dar. Unter bestimmten Voraussetzungen können im Gerichtsstaat Vollstreckungsmaßnahmen gegen ausschließlich für eine gewerbliche oder kaufmännische Tätigkeit verwendete Vermögenswerte fremder Staaten ergriffen werden, wenn sich das Verfahren auf eine solche Tätigkeit des fremden Staates bezieht und beide Staaten die Erklärung nach Artikel 24 abgegeben haben. Insoweit können auch Maßnahmen zur Sicherung einer späteren Zwangsvollstreckung ergriffen werden. Rolf A. Schütze

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Artikel 27, der den persönlichen Geltungsbereich des Übereinkommens behandelt, gibt keine positive Begriffsbestimmung des „Vertragsstaats", sondern bestimmt negativ, daß Einrichtungen eines Vertragsstaats, die selbständig neben dessen Verwaltungsorganen bestehen und selbständig klagen oder verklagt werden können, selbst dann nicht als Vertragsstaaten angesehen werden, wenn sie mit hoheitlichen Aufgaben betraut sind. Solche Rechtsträger können insbesondere Gebietskörperschaften vorbehaltlich der Klausel in Artikel 28 Notenbanken, Bahn- und Postverwaltung u.a. sein oder auch Zweckverbände ohne bestimmte territoriale Beziehung (öffentlich-rechtliche Körperschaften oder Stiftungen). Jedoch räumt Absatz 2 solchen Einrichtungen für ihr hoheitliches Handeln eine Immunität ratione materiae ein, indem bestimmt wird, daß sie dann nicht vor dem Gericht eines anderen Vertragsstaats wie eine Privatperson in Anspruch genommen werden können, wenn sie in Ausübung einer ihr zustehenden Hoheitsgewalt gehandelt haben. Artikel 27 Abs. 2, 2. Halbsatz ist auf Sicherungs- und Zwangsvollstreckungsverfahren entsprechend anzuwenden, da der Immunitätsschutz in diesen Verfahren nicht geringer sein kann als im Erkenntnisverfahren. Absatz 3 stellt klar, daß eine Körperschaft keine günstigere Behandlung erfahren kann als ein Vertragsstaat. Zu Artikel 28 Gliedstaaten eines Bundesstaates genießen nach dem Übereinkommen grundsätzlich keine Immunität. Da sie jedoch in eigener Zuständigkeit eine Vielzahl von Aufgaben erfüllen, die in Einzelstaaten entweder von der Zentralregierung selbst oder von den ihr unterstellten Behörden wahrgenommen werden, kann gemäß Absatz 2 gegenüber dem Generalsekretär des Europarats eine Erklärung dahin abgegeben werden, daß für die Zwecke des Übereinkommens Gliedstaaten eines Bundesstaates dieselben Rechte und Pflichten haben sollen wie ein Vertragsstaat. Die Bundesrepublik Deutschland als Bundesstaat wird - ebenso wie dies die Republik Österreich getan hat - eine solche Erklärung abgeben. Zu den Artikeln 29 bis 32 Diese Bestimmungen präzisieren den Anwendungsbereich des Übereinkommens. Das Übereinkommen findet im wesentlichen auf zivilrechtliche Streitigkeiten zwischen Privatpersonen und fremden Staaten Anwendung. Verfahren, welche die in Artikel 29 genannten Bereiche betreffen, sind vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgeschlossen. Artikel 30 schließt solche Verfahren aus, die vom Brüsseler Abkommen vom 10. April 1926 zur einheitlichen Feststellung von Regeln über die Immunitäten der Staatsschiffe (RGBl. 1927 II S. 483) und dessen Zusatzprotokoll vom 24. Mai 1934 (RGBl. 1936 II S. 303) erfaßt werden. Artikel 31 stellt klar, daß das Übereinkommen nicht zur Lösung von Fragen herangezogen werden kann, die sich zwischen Staaten aus der Stationierung von Truppen ergeben können. Im allgemeinen sind hierfür Sondervereinbarungen getroffen. Artikel 32 stellt klar, daß im Falle eines Widerspruchs zwischen dem vorliegenden Übereinkommen und den Bestimmungen der Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen (BGBl. 1964 II S. 957, 1005 und 1018) und 116

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vom 24. April 1963 über konsularische Beziehungen (BGBl. 1969 II S. 1585, 1674, 1688) letztere den Vorrang haben. D a s Übereinkommen berührt die diplomatische und konsularische Immunität weder unmittelbar noch mittelbar.

Zu Artikel 33 Artikel 33 regelt das Verhältnis zwischen dem Übereinkommen sowie zweiseitigen und anderen mehrseitigen Verträgen über den Gerichtsstand und die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen. Die Verfasser des Übereinkommens gingen davon aus, daß bei Verfahren, die ein Staat gegen eine Privatperson anhängig macht und bei Urteilen, die zugunsten eines Staates gegen eine Privatperson gefällt werden, die zweiseitigen und die anderen mehrseitigen Übereinkünfte für besondere Rechtsgebiete vorgehen. Handelt es sich um ein gegen einen Staat angestrengtes Verfahren oder ein gegen einen Staat ergangenes Urteil, so gilt folgendes: Grundsätzlich geht das vorliegende Übereinkommen nach der Regel „lex specialis derogat legi generali" vor. Übereinkommen hingegen, die sich im Rahmen der Regelung spezieller Rechtsgebiete besonders, d. h. anders als in allgemeiner Form, mit der Staatenimmunität befassen, sowie Vorschriften in solchen Übereinkommen, die sich auf einen Staat als Prozeßpartei oder auf die Vollstreckung von Urteilen durch Staaten beziehen, bleiben unberührt; die entsprechenden Regelungen gehen also denen dieses Übereinkommens vor. Z u solchen Übereinkünften „für besondere Rechtsgebiete" gehört beispielsweise das Europäische Übereinkommen vom 20. April 1959 über die obligatorische Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge (BGBl. 1965 II S. 281 - Artikel 7).

Zu Artikel 34 Für Streitigkeiten zwischen Vertragsstaaten über die Auslegung oder Anwendung des Übereinkommens ist gemäß Absatz 1 der Internationale Gerichtshof in Den H a a g zuständig. Diese Regelung entspricht Artikel 1 Buchstabe b des Europäischen Übereinkommens vom 29. April 1957 zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten (BGBl. 1961 II S. 81). Der Internationale Gerichtshof kann jedoch nicht wegen einer vor einem innerstaatlichen Gericht anhängigen Streitigkeit angerufen werden - sei es ein Verfahren zur Sache selbst zwischen einer Privatperson und einem Vertragsstaat (Absatz 2 Buchstabe a) oder ein Verfahren zur Feststellung der Verpflichtung, sich einem Urteil zu unterwerten (Absatz 2 Buchstabe b) - , bevor das innerstaatliche Gericht eine rechtskräftige Entscheidung gefällt hat (vgl. die ähnliche Regelung in Artikel 2 9 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens vom 29. April 1957 zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten).

Zu Artikel 35 Das Übereinkommen ist aus Gründen der Rechtssicherheit auf solche Verfahren nicht anwendbar, die bei dessen Inkrafttreten bereits anhängig waren oder die sich auf ein vor dem 16. M a i 1972 liegendes Ereignis beziehen. Rolf A. Schütze

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Zu den Artikeln 36 bis 41 Die Artikel 36 bis 41 enthalten die für Übereinkommen im Rahmen des Europarats üblichen Schlußklauseln. Dem Übereinkommen können unter den in Artikel 37 genannten Voraussetzungen auch Nicht-Mitgliedstaaten des Europarats beitreten. Vorbehalte zu dem Übereinkommen sind nicht zugelassen (Artikel 39).

Anlage 2 Stellungnahme des Bundesrates 1. Zum Gesetzentwurf insgesamt Nach Auffassung des Bundesrates ist eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes insoweit nicht gegeben, als das Übereinkommen die Staatenimmunität der Länder regelt. Im Hinblick auf die Lindauer Vereinbarung und mit Rücksicht darauf, daß die Länder ihr Einverständnis mit dem Übereinkommen bereits erklärt haben, erhebt der Bundesrat keine Einwendungen gegen den Gesetzentwurf. 2. Zu Artikel 2 des Gesetzentwurfs Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob auch für den Fall des Artikels 25 des Übereinkommens das zuständige Gericht bestimmt und ob deshalb in Artikel 2 des Gesetzentwurfs neben Artikel 20 und 22 auch Artikel 25 des Übereinkommens zitiert werden muß.

Anlage 3 Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates Die Bundesregierung wird bei den Beratungen des Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag der zu 2. ausgesprochenen Prüfungsempfehlungen entsprechend anregen, den Artikel 2 Abs. 1 des Gesetzentwurfs um das Zitat des Artikels 25 des Übereinkommens zu ergänzen. Der Beschlußempfehlung des Bundesrates wird zugestimmt.

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Abkommen über die Immunität der Staatsschiffe

1. d) Internationales Abkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über die Immunität der Staatsschiffe vom 10.4.1926 (RGBl. II 1927, S. 483) Vorbemerkung: Das Abkommen stellt staatliche und private Handelsschiffe gleich. Immunität genießen nur Kriegsschiffe, Staatsyachten, Schiffe des Überwachungsdienstes, Hospitalschiffe, Hilfsschiffe, Proviantschiffe und andere im Staatseigentum sich befindliche Schiffe, die ausschließlich für einen staatlichen Dienst und nicht für Handelszwecke bestimmt sind oder verwendet werden. Das Abkommen regelt nicht nur die Immunität, sondern auch Teilbereiche des Kollisionsrechts. Das Abkommen führt zu einer geringeren Einschränkung der Immunität als dies im Rahmen der Staatenimmunität bei der Abgrenzung von Ansprüchen aus acta iure imperii und acta iure gestionis der Fall ist. Geltungsbereich: Ägypten, Argentinien, Belgien, Brasilien, Chile, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Italien, Kongo (Dem. Rep.), Luxemburg, Madagaskar, Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Syrien, Türkei, Ungarn, Uruguay, Vereinigtes Königreich, Zypern Literatur: Böger Die Immunität der Staatsschiffe - Ein Beitrag zur Frage der Gerichtsbarkeit über fremde Staaten, 1928; Hess Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, S. 206 ff.; Kren Kostkiewicz Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, S. 2 2 4 ff.; Maiwald Die Entwicklung der staatlichen Handelsschifffahrt im Spiegel des internationalen Rechts, 1946; Menzel Die Immunität der Staatsschiffe, 1961; Steinert Die internationale Stellung des Schiffes im fremden Küstenmeer im Frieden, 1970; Vitänyi L'immunite des navires d'Etat, Nederlands Tijdschrift voor Internationaal Recht, 10 (1963), 33 ff.; 156 ff.

Text

Internationales Übereinkommen zur einheitlichen Feststellung einzelner Regeln über die Immunität der staatlichen Seeschiffe RGBl. II 1927, S. 483

Der Deutsche Reichspräsident, Seine Majestät der König der Belgier, der Präsident der Republik Brasilien, Seine Majestät der König von Dänemark und Island, Seine Majestät der König von Spanien, der Chef des Estnischen Staates, der Präsident der Französischen Republik, Seine Majestät der König des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland und der britischen überseeischen Besitzungen, Kaiser von Indien, Seine Durchlaucht der Reichsverweser des Königreichs Ungarn, Seine Majestät der König von Italien, Seine Majestät der Kaiser von Japan, der Präsident der Rolf A. Schütze

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Republik Lettland, der Präsident der Republik Mexiko, Seine Majestät der König von Norwegen, Ihre Majestät die Königin der Niederlande, der Präsident der Republik Polen, der Präsident der Portugiesischen Republik, Seine Majestät der König von Rumänien, Seine Majestät der König der Serben, Kroaten und Slowenen und Seine Majestät der König von Schweden. In Anerkennung der Nützlichkeit, in gemeinsamem Übereinkommen gewisse einheitliche Regeln über die Immunitäten der Staatsschiffe festzulegen, haben beschlossen, ein Abkommen zu diesem Zwecke zu schließen und haben zu ihren Bevollmächtigten ernannt: (Es folgen die Namen der

Bevollmächtigten)

die, hierzu mit gehöriger Vollmacht versehen, über folgendes übereingekommen sind: Art. 1 Die einem Staate gehörigen oder von ihm verwendeten Seeschiffe, die einem Staate gehörigen Ladungen sowie die auf Staatsschiffen beförderten Ladungen und Reisenden unterliegen ebenso wie die Staaten, denen diese Schiffe gehören oder die sie verwenden oder denen diese Ladungen gehören, in Ansehung der die Verwendung der Schiffe oder die Beförderung der Ladungen betreffenden Ansprüche den gleichen Regeln über die Verantwortlichkeit und den gleichen Verbindlichkeiten wie private Schiffe, Ladungen und Schiffahrtsunternehmungen.

Art. 2 Für diese Verantwortlichkeiten und Verbindlichkeiten gelten die gleichen Regeln über die Zuständigkeit der Gerichte, die gerichtliche Geltendmachung und das Verfahren wie für die einer Privatperson gehörigen Handelsschiffe oder für private Ladungen oder deren Eigentümer.

Art. 3 §1 Die Bestimmungen der beiden vorstehenden Artikel finden keine Anwendung auf Kriegsschiffe, Staatsjachten, Schiffe des Überwachungsdienstes, Hospitalschiffe, Hilfsschiffe, Proviantschiffe und andere Fahrzeuge, die einem Staat gehören oder von ihm verwendet werden und die zur Zeit des Entstehens der Forderung ausschließlich für einen staatlichen Dienst und nicht für Handelszwecke bestimmt sind oder verwendet werden; diese Schiffe werden nicht zum Gegenstand einer Beschlagnahme, Arrestierung oder Zurückbehaltung durch irgendeine gerichtliche Maßnahme gemacht und unterliegen keinem gerichtlichen Verfahren «in rem». Jedoch können die Beteiligten ihre nachbenannten Ansprüche bei den zuständigen Gerichten des Staates, dem das Schiff gehört oder der es verwendet, geltend machen, ohne dass dieser Staat sich auf seine Immunität berufen könnte: 120

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A b k o m m e n über die Immunität der Staatsschiffe

1. Ansprüche aus Anlass von Schiffszusammenstössen oder anderen Schifffahrtsunfällen, 2. Ansprüche aus Anlass von Hilfeleistungen und Bergung in Seenot oder großer Haverei, 3. Ansprüche aus Anlass von Ausbesserungen, Lieferungen oder anderen das Schiff betreffenden Verträgen. §2 Die gleichen Regeln finden Anwendung auf die Ladungen, die einem Staate gehören und an Bord der vorgenannten Schiffe befördert werden. §3 Die Ladungen, die einem Staate gehören und an Bord von Privatschiffen für staatliche und nicht für Handelszwecke befördert worden, sind nicht Gegenstand einer Beschlagnahme, Arrestierung oder Zurückbehaltung durch irgendeine gerichtliche Maßnahme und unterliegen keinem gerichtlichen Verfahren «in rem». Jedoch können die Klagen aus Anlass von Schiffszusammenstössen und nautischen Unfällen, Hilfeleistung und Bergung in Seenot und großer Haverei, wie auch die Klagen aus den auf diese Ladungen bezüglichen Verträgen vor dem gemäß Artikel 2 zuständigen Gericht erhoben werden.

Art. 4 Staaten können alle Mittel der Verteidigung, der Verjährung und Haftungsbeschränkung geltend machen, deren sich die privaten Schiffe und ihre Eigentümer bedienen können. Wenn es notwendig ist, die Bestimmungen, die sich auf diese Verteidigungsmittel, die Verjährung und die Haftungsbeschränkung beziehen, anzupassen oder abzuändern, um sie auf die im Artikel 3 genannten Kriegsschiffe oder Staatsschiffe anwendbar zu machen, so soll zu diesem Zwecke ein besonderes Abkommen geschlossen worden. Inzwischen können die nötigen Maßnahmen durch die Landesgesetze in Übereinstimmung mit dem Geiste und den Grundsätzen des gegenwärtigen Abkommens getroffen werden.

Art. 5 Wenn im Falle des Artikels 3 nach Ansicht des befassten Gerichts ein Zweifel über den staatlichen und nicht gewerblichen Charakter des Schiffes oder der Ladung besteht, so erbringt eine von dem diplomatischen Vertreter des Vertragsstaats, dem das Schiff oder die Ladung gehört, unterzeichnete und durch Vermittlung des Staates, vor dessen Gerichten der Rechtsstreit schwebt, vorgelegte Bescheinigung den Beweis, dass das Schiff oder die Ladung unter die Bestimmungen des Artikels 3 fällt, jedoch nur, soweit es sich darum handelt, die Aufhebung einer gerichtlich angeordneten Beschlagnahme, Arrestierung oder Zurückbehaltung zu erlangen.

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Rechtsquellen und Materialien. 1. Völkerrecht

Art. 6 Die Bestimmungen des gegenwärtigen Abkommens finden in jedem Vertragsstaat Anwendung unbeschadet des Rechts, es Nichtvertragsstaaten und deren Angehörigen nicht zugute kommen zu lassen oder seine Anwendbarkeit an die Bedingung der Gegenseitigkeit zu knüpfen. Andererseits hindert nichts einen Vertragsstaat, die Rechte, die er seinen Staatsangehörigen vor seinen Gerichten gewähren will, durch seine eigenen Gesetze zu regeln. Art. 7 Für Kriegszeiten behält sich jeder vertragschließende Staat das Recht vor, durch eine den anderen Vertragsstaaten notifizierte Erklärung die Anwendung des gegenwärtigen Abkommens auszusetzen in dem Sinne, dass in diesem Falle weder die ihm gehörenden oder von ihm verwendeten Schiffe noch die ihm gehörenden Ladungen Gegenstand einer Arrestierung, Beschlagnahme oder Zurückbehaltung durch einen ausländischen Gerichtshof sein können. Der Gläubiger hat jedoch das Recht, seine Klage vor dem gemäß den Artikeln 2 und 3 zuständigen Gericht anzustrengen.

Art. 8 Das gegenwärtige Abkommen berührt nicht die Rechte der Vertragsstaaten, diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die durch die Rechte und Pflichten der Neutralität geboten sein können. Art. 9 Nach Ablauf eines Zeitraums von spätestens zwei Jahren, vom Tage der Unterzeichnung des Abkommens an gerechnet, wird sich die belgische Regierung mit den Regierungen der Hohen vertragschließenden Teile, die sich zur Ratifikation bereit erklärt haben, ins Benehmen setzen, um eine Entscheidung darüber herbeizuführen, ob es angebracht ist, das Abkommen in Kraft treten zu lassen. Die Ratifikationsurkunden werden in Brüssel an dem durch gemeinsamen Beschluss der genannten Regierungen bestimmten Datum niedergelegt werden. Die erste Niederlegung von Ratifikationsurkunden wird durch ein Protokoll bestätigt, das von den Vertretern der dabei teilnehmenden Staaten und dem belgischen Minister für die Auswärtigen Angelegenheiten unterzeichnet wird. Die späteren Niederlegungen erfolgen mittels schriftlicher Anzeige an die belgische Regierung unter Beifügung der Ratifikationsurkunde. Beglaubigte Abschrift des Protokolls über die erste Niederlegung der Ratifikationsurkunden, der in dem vorstehenden Absatz erwähnten Anzeigen, ebenso der diesen beigefügten Ratifikationsurkunden wird unverzüglich durch die belgische Regierung auf diplomatischem Wege den Staaten, die das vorstehende Abkommen unterzeichnet haben oder ihm beigetreten sind, übersandt. In den im vorstehenden Absatz vorgesehenen Fällen wird die genannte Regierung zu gleicher Zeit das Datum bekannt geben, an dem sie die Anzeige erhalten hat.

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Abkommen über die Immunität der Staatsschiffe

Art. 10 Die Staaten, die das gegenwärtige Abkommen nicht gezeichnet haben, können diesem beitreten, sei es, dass sie auf der Internationalen Konferenz in Brüssel vertreten waren oder nicht. Der Staat, der beizutreten wünscht, zeigt seine Absicht schriftlich der belgischen Regierung an unter Übermittlung der Beitrittsurkunde, die in dem Archiv der genannten Regierung niedergelegt wird. Die belgische Regierung wird unverzüglich allen Signatar- oder beigetretenen Staaten eine beglaubigte Abschrift der Anzeige und der Beitrittsurkunde, unter Angabe des Tages, an dem sie die Anzeige erhalten hat, übermitteln. Art. 11 Die Hohen vertragschließenden Teile können im Augenblicke der Unterzeichnung, der Hinterlegung der Ratifikationsurkunden oder gelegentlich ihres Beitritts erklären, dass die Annahme des gegenwärtigen Abkommens sich nicht auf gewisse oder auf keines der autonomen Dominien, Kolonien, Protektorate oder überseeischen Gebiete, die unter ihrer Souveränität oder Herrschaft stehen, erstreckt. Demzufolge können sie später getrennt im Namen des einen oder anderen dieser autonomen Dominien, Kolonien, Besitzungen, Protektorate oder überseeischen Gebiete, die in ihrer ursprünglichen Erklärung ausgenommen waren, beitreten. Sie können auch entsprechend diesen Bestimmungen das gegenwärtige Abkommen getrennt für eine oder mehrere der autonomen Dominien, Kolonien, Besitzungen, Protektorate oder überseeischen Gebiete, die unter ihrer Souveränität oder Herrschaft stehen, kündigen.

Art. 12 Hinsichtlich der Staaten, die an der ersten Hinterlegung der Ratifikationsurkunden teilnehmen, tritt das gegenwärtige Abkommen ein Jahr nach dem Tage des Protokolls über diese Hinterlegung in Kraft. Für die anderen Staaten, die das Abkommen später ratifizieren oder ihm später beitreten, und desgleichen in den Fällen, in denen sich die Inkraftsetzung später gemäß Artikel 11 vollzieht, tritt es sechs Monate nach Eingang der in Artikel 9 Absatz 2 und Artikel 10 Absatz 2 vorgesehenen Anzeigen bei der belgischen Regierung in Kraft.

Art. 13 Im Falle, dass einer der vertragschließenden Staaten das gegenwärtige Abkommen kündigen will, ist die Kündigung schriftlich der belgischen Regierung anzuzeigen, die unverzüglich eine beglaubigte Abschrift der Anzeige allen anderen Staaten mitteilt unter Angabe des Datums, an dem sie die Anzeige erhalten hat. Die Kündigung wird nur hinsichtlich des Staates, der sie angezeigt hat, und ein Jahr, nachdem die Anzeige der belgischen Regierung zugegangen ist, wirksam.

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Art. 14 Jeder vertragschließende Staat hat die Möglichkeit, den Zusammentritt einer neuen Konferenz zwecks Vornahme von Verbesserungen an dem Abkommen zu veranlassen. Der Staat, der von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, hat ein Jahr vorher seine Absicht den anderen Staaten durch Vermittlung der belgischen Regierung anzuzeigen, die es übernimmt, die Konferenz einzuberufen.

Geschehen zu Brüssel, in einer Ausfertigung, am 10. April 1926.

(Es folgen die Unterschriften)

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Abkommen über die Immunität der Staatsschiffe. Zusatzprotokoll

1. d. aa) Zusatzprotokoll vom 25.4.1934 (RGBl. II 1936, S. 303) Text

Zusatzprotokoll (RGBl. II 1936, S. 303) Die Regierungen der Staaten, welche das Internationale Übereinkommen zur einheitlichen Feststellung einzelner Regeln über die Immunität staatlicher Seeschiffe unterzeichneten, haben, in Erkenntnis der Notwendigkeit, gewisse Vorschriften dieses Übereinkommens genauer zu bestimmen, nachstehende Bevollmächtigte ernannt, die nach Austausch der in gehöriger Form befundenen Vollmachten, folgendes vereinbart haben: I. Da Zweifel darüber entstanden sind, ob und in welchem Ausmaß die Worte «von ihm verwendet werden» in Artikel 3 des Übereinkommens sich auf Seeschiffe beziehen oder dahingehend ausgelegt werden können, dass sie sich auf Seeschiffe beziehen, welche von einem Staate in Zeit- oder Reisecharter übernommen werden, ist nachstehende Erklärung zur Behebung dieser Zweifel abgegeben worden: «Die von einem Staate gecharterten Seeschiffe, sei es für eine bestimmte Zeit oder für eine Reise, sind, sofern sie ausschließlich für einen staatlichen Dienst und nicht für Handelszwecke verwendet werden, zusammen mit ihren Ladungen, von jeder Beschlagnahme, Arrestierung oder Zurückbehaltung irgendwelcher Art ausgeschlossen. Diese Immunität berührt jedoch alle weiteren Rechte und Rechtsmittel nicht, die den Beteiligten zustehen können. Eine Bescheinigung des diplomatischen Vertreters des betreffenden Staates gemäß Artikel 5 des Übereinkommens erbringt ebenfalls den Beweis für die Art des Dienstes, für welchen das Schiff verwendet wird.» II. Die Ausnahme von § 1 des Artikels 3 des Übereinkommens ist so zu verstehen, dass das Eigentum des Staates am Seeschiff oder der vom Staat geführte Betrieb des Seeschiffes im Zeitpunkt der Beschlagnahme, Arrestierung oder Zurückbehaltung dem bestehenden Eigentum oder Betrieb im Zeitpunkt der Entstehung der Forderung gleichgestellt werden. Infolgedessen kann dieser Artikel von den Vertragsstaaten zugunsten von Seeschiffen angerufen werden, die ihnen im Zeitpunkt der Beschlagnahme, Arrestierung oder Zurückbehaltung gehören oder von ihnen in diesem Zeitpunkt betrieben werden, wenn diese Schiffe ausschließlich für einen staatlichen Dienst und nicht für Handelszwecke verwendet werden. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 1. Völkerrecht

in. Es besteht Einverständnis darüber, dass keine Vorschrift des Artikels 5 des Übereinkommens den beteiligten Regierungen versagt, vor dem angerufenen Gericht, unter Beachtung der Verfahrensvorschriften des Landesrechtes selber aufzutreten und die im genannten Artikel vorgesehene Bescheinigung vorzulegen. IV. Da das Übereinkommen in nichts die Rechte und Pflichten der Kriegführenden und der Neutralen berührt, präjudiziert Artikel 7 in keiner Weise die Gerichtsbarkeit der gehörig bestellten Prisengerichte. V. Es besteht Einverständnis darüber, dass die Bestimmungen von Artikel 2 des Übereinkommens in keiner Weise die Anwendung der Vorschriften des Landesrechtes über das Verfahren in Rechtsstreitigkeiten, in welchen ein Staat Partei ist, einschränken oder beeinflussen. VI. Stellt sich die Frage der Beibringung von Beweisen oder der Vorlage von Urkunden, so kann die beteiligte Regierung, wenn nach ihrer Ansicht derartige Beweise nicht beigebracht oder derartige Dokumente nicht vorgelegt werden können, ohne dass daraus ein Nachteil für die nationalen Interessen entsteht, davon Umgang nehmen und sich auf die Wahrung der nationalen Interessen berufen. Urkundlich dessen haben die unterzeichneten Bevollmächtigten ihrer Regierung dieses Zusatzprotkoll unterschrieben, das als integrierender Bestandteil des Übereinkommens vom 10. April 1926, auf das es sich bezieht, zu betrachten ist. Geschehen in Brüssel am 24. Mai 1934, in einer Ausfertigung, welche in den Archiven der belgischen Regierung aufbewahrt wird. (Es folgen die Unterschriften)

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Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen

1. e) Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen vom 13.2.1946 (BGBl. II 1 9 8 0 , S. 941) Vorbemerkung: Das Völkergewohnheitsrecht regelt die Immunität internationaler Organisationen 1 nicht. Diese genießen jedoch in weitgehendem M a ß e Immunität aufgrund internationaler Konventionen. Dies gilt beispielsweise für das hier abgedruckte UN-Übereinkommen. In der EU gilt das Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen v. 17.4.1957 (BGBl. II 1957, S. 1182). Besondere Regelungen gelten für ausländische Streitkräfte. Die Haager Landkriegsordnung gewährt Immunität von der Gerichtsbarkeit des besetzten Landes. Für NATO Truppen gilt das NATO-Truppenstatut vom 19.6.1951 (BGBl. II 1961, S. 1183, 1190) mit zahlreichen Zusatz- und Ergänzungsbestimmungen Geltungsbereich: Afghanistan, Ägypten, Albanien, Algerien, Angola, Antigua und Barbuda, Argentinien, Aserbaidschan, Äthiopien, Australien, Bahamas, Bahrain, Bangladesch, Barbados, Belarus, Belgien, Bolivien, Bosnien und Herzegowina, Brasilien, Bulgarien, Burkina Faso, Burundi, Chile, China, Costa Rica, Cöte d'Ivoire, Dänemark, Dominica, Dominikanische Republik, Dschibuti, Ecuador, El Salvador, Estland, Fiji, Finnland, Frankreich, Gabun, Gambia, Ghana, Griechenland, Guatemala, Guinea, Guyana, Haiti, Honduras, Indien, Indonesien, Irak, Iran, Irland, Island, Israel, Italien, Jamaika, Japan, Jemen, Jordanien, Jugoslawien (ehemaliges), Kambodscha, Kamerun, Kanada, Kasachstan, Kenia, Kirgistan, Kolumbien, Kongo, Kongo (Demokratische Republik), Korea (Republik), Kroatien, Kuba, Kuwait, Laos, Lesotho, Lettland, Libanon, Liberia, Libyen, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Madagaskar, Malawi, Malaysia, Mali, Malta, Marokko, Mauritius, Mazedonien (ehemalige jugoslawische Republik), Mexiko, Moldau (Republik), Monaco, Mongolei, Mosambik, Myanmar, Nepal, Neuseeland, Nicaragua, Niederlande, Niger, Nigeria, Norwegen, Österreich, Pakistan, Panama, Papua-Neuguinea, Paraguay, Peru, Philippinen, Polen, Portugal, Ruanda, Rumänien, Russische Föderation, Sambia, Schweden, Senegal, Serbien und Montenegro, Seychellen, Sierra Leone, Simbabwe, Singapur, Slowakei, Slowenien, Somalia, Sowjetunion (ehemalige), Spanien, Sri Lanka, St. Lucia, Südafrika, Sudan, Syrien, Tadschikistan, Tansania, Thailand, Togo, Trinidad und Tobago, Tschechische Republik, Tschechoslowakei (ehemalige), Tunesien, Türkei, Ukraine, Uganda, Ungarn, Uruguay, Venezuela, Vereinigte Arabische Emirate, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten, Vietnam, Zentralafrikanische Republik, Zypern. Literatur: Ebenroth/Fuhrmann Die zivilrechtliche Haftung internationaler Organisationen und ihrer Mitgliedstaaten, J Z 1 9 8 9 , 2 1 1 ff. (vornehmlich zu M I G A , I Z R und IKO); Kunz-Hallstein Privilegien und Immunitäten internationaler Organisationen im Bereich nichthoheitlicher Rechtsgeschäfte, N J W 1 9 9 2 , 3 0 6 9 ff.

Vgl. dazu Wenckstern Verfassungsrechtliche Fragen der Immunität internationaler Organisationen, NJW 1987, 1113 ff. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 1. Völkerrecht

Text

Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen genehmigt von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 13. Februar 1946 BGBl. II 1980, S. 941

(Übersetzung) DA Artikel 104 der Charta der Vereinten Nationen bestimmt, daß die Organisation im Hoheitsgebiet jedes Mitglieds die Rechts- und Geschäftsfähigkeit genießt, die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben und zur Verwirklichung ihrer Ziele erforderlich ist, DA Artikel 105 der Charta der Vereinten Nationen bestimmt, daß die Organisation im Hoheitsgebiet jedes Mitglieds die Vorrechte und Immunitäten genießt, die zur Verwirklichung ihrer Ziele erforderlich sind, und daß die Vertreter der Mitglieder der Vereinten Nationen und die Bediensteten der Organisation ebenfalls die Vorrechte und Immunitäten genießen, deren sie bedürfen, um ihre mit der Organisation zusammenhängenden Aufgaben in voller Unabhängigkeit wahrnehmen zu können, HAT D E M G E M Ä S S die Generalversammlung durch eine am 13. Februar 1946 angenommene Entschließung das folgende Übereinkommen genehmigt und jedem Mitglied der Vereinten Nationen zum Beitritt empfohlen.

Artikel I Rechtspersönlichkeit Abschnitt 1 Die Organisation der Vereinten Nationen besitzt Rechtspersönlichkeit. Sie kann a) Verträge schließen, b) unbewegliches und bewegliches Vermögen erwerben und veräußern, c) vor Gericht stehen.

Artikel II Vermögen, Gelder und Guthaben Abschnitt 2 Die Organisation der Vereinten Nationen, ihr Vermögen und ihre Guthaben, gleichviel wo und in wessen Besitz sie sich befinden, genießen Immunität von der Gerichtsbarkeit, soweit nicht im Einzelfall die Organisation ausdrücklich darauf verzichtet hat. Ein solcher Verzicht umfaßt jedoch nicht Vollstreckungsmaßnahmen. 128

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Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen

Abschnitt 3 Die Räumlichkeiten der Organisation sind unverletzlich. Ihr Vermögen und ihre Guthaben, gleichviel wo und in wessen Besitz sie sich befinden, sind der Durchsuchung, Beschlagnahme, Einziehung, Enteignung und jeder sonstigen Form eines Eingriffs durch die vollziehende Gewalt, die Verwaltung, die Justiz oder die Gesetzgebung entzogen.

Abschnitt 4 Die Archive der Organisation und alle ihr gehörenden oder in ihrem Besitz befindlichen Schriftstücke sind unverletzlich, gleichviel wo sie sich befinden.

Abschnitt 5 Ohne irgendwelchen finanziellen Kontrollen, Regelungen oder Stillhaltemaßnahmen unterworfen zu sein, kann die Organisation a) Mittel, Gold oder Devisen jeder Art besitzen und Konten in jeder Währung unterhalten, b) ihre Mittel, ihr Gold oder ihre Devisen von einem Staat in einen anderen Staat oder innerhalb eines Staates frei transferieren und alle in ihrem Besitz befindlichen Devisen in jede andere Währung umwechseln.

Abschnitt 6 Bei der Ausübung der ihr in Abschnitt 5 gewährten Rechte berücksichtigt die Organisation der Vereinten Nationen alle Vorstellungen der Regierung eines Mitgliedstaats, soweit sie dies nach ihrem Dafürhalten tun kann, ohne ihre eigenen Interessen zu schädigen.

Abschnitt 7 Die Organisation der Vereinten Nationen, ihre Guthaben, Einkünfte und sonstigen Vermögenswerte genießen Befreiung a) von jeder direkten Steuer; jedoch verlangt die Organisation keine Befreiung von Steuern, die lediglich eine Vergütung für Leistungen öffentlicher Versorgungsdienste darstellen; b) von allen Zöllen, Ein- und Ausfuhrverboten und -beschränkungen hinsichtlich der von der Organisation der Vereinten Nationen für ihren amtlichen Gebrauch einoder ausgeführten Gegenstände. Die demgemäß zollfrei eingeführten Gegenstände dürfen jedoch nicht in dem Staat verkauft werden, in den sie eingeführt wurden, es sei denn zu Bedingungen, denen die Regierung dieses Staates zugestimmt hat; c) von allen Zöllen, Ein- und Ausfuhrverboten und -beschränkungen hinsichtlich ihrer Veröffentlichungen. R o l f A . Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 1. Völkerrecht

Abschnitt 8 Obwohl die Organisation der Vereinten Nationen grundsätzlich keine Befreiung von Verbrauchssteuern und Verkaufsabgaben beansprucht, die im Preis von beweglichem oder unbeweglichem Vermögen enthalten sind, treffen die Mitglieder bei größeren Einkäufen der Organisation für ihren amtlichen Bedarf, wenn im Preis derartige Steuern und Abgaben enthalten sind, im Einzelfall nach Möglichkeit geeignete Verwaltungsanordnungen - für das Erlassen oder Erstatten des Betrags dieser Steuern und Abgaben.

Artikel ffl Erleichterungen im Nachrichtenverkehr Abschnitt 9 Für ihren amtlichen Nachrichtenverkehr genießt die Organisation der Vereinten Nationen im Hoheitsgebiet eines jeden Mitglieds keine weniger günstige Behandlung, als dieses Mitglied jeder anderen Regierung einschließlich ihrer diplomatischen Mission gewährt; dies gilt für Prioritäten, Posttarife und -gebühren, Kabeltelegramme, Telegramme, Funktelegramme, Funkbilder, Fernsprech- und sonstige Verbindungen sowie in bezug auf Pressetarife für Informationen an Presse und Rundfunk. Die amtliche Korrespondenz und der sonstige amtliche Nachrichtenverkehr der Organisation unterliegen nicht der Zensur.

Abschnitt 10 Die Organisation der Vereinten Nationen ist berechtigt, Verschlüsselungen zu verwenden sowie ihre Korrespondenz durch Kurier oder in Behältern zu versenden und zu empfangen; hierfür gelten dieselben Vorrechte und Immunitäten wie für diplomatische Kuriere und diplomatisches Kuriergepäck. Artikel IV Vertreter der Mitglieder Abschnitt 11 Die Vertreter der Mitglieder bei den Haupt- und Nebenorganen der Vereinten Nationen und auf den von den Vereinten Nationen anberaumten Konferenzen genießen während der Wahrnehmung ihrer Aufgaben und während ihrer Reisen nach oder von dem Tagungsort folgende Vorrechte und Immunitäten: a) Immunität von Festnahme oder Haft und von der Beschlagnahme ihres persönlichen Gepäcks sowie Immunität von jeder Gerichtsbarkeit hinsichtlich ihrer in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen (einschließlich ihrer mündlichen und schriftlichen Äußerungen); b) Unverletzlichkeit aller Papiere und Schriftstücke; c) das Recht, Verschlüsselungen zu verwenden sowie Papiere und Korrespondenz durch Kurier oder in versiegelten Behältern zu empfangen; 130

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Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen

d) Befreiung für sich selbst und ihre Ehegatten von allen Einwanderungsbeschränkungen und der Ausländermeldepflicht sowie von allen Verpflichtungen zur nationalen Dienstleistung in den Staaten, die sie in Wahrnehmung ihrer Aufgaben besuchen oder durchreisen; e) in bezug auf Währungs- oder Devisenbeschränkungen dieselben Erleichterungen wie Vertreter ausländischer Regierungen in vorübergehendem amtlichem Auftrag; f) in bezug auf ihr persönliches Gepäck dieselben Immunitäten und Erleichterungen wie Diplomaten g) alle mit den vorstehenden Bestimmungen vereinbaren sonstigen Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen, die Diplomaten zustehen, mit Ausnahme des Rechts auf Befreiung von Zöllen für eingeführte Gegenstände (außer den zu ihrem persönlichen Gepäck gehörenden) und von Verbrauchssteuern oder Verkaufsabgaben.

Abschnitt 12 Um den Vertretern der Mitglieder bei den Haupt- und Nebenorganen der Vereinten Nationen und auf den von der Organisation anberaumten Konferenzen volle Freiheit des Wortes und völlige Unabhängigkeit bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu gewährleisten, wird ihnen die Immunität von der Gerichtsbarkeit in bezug auf ihre in Wahrnehmung ihrer Aufgaben vorgenommenen Handlungen einschließlich ihrer mündlichen und schriftlichen Äußerungen auch dann noch gewährt, wenn sie nicht mehr Vertreter von Mitgliedern sind.

Abschnitt 13 Hängt die Erhebung einer Steuer vom Aufenthalt des Steuerpflichtigen ab, so gelten die Zeiten, während derer sich Vertreter von Mitgliedern bei den Haupt- und Nebenorganen der Vereinten Nationen und auf den von der Organisation der Vereinten Nationen anberaumten Konferenzen zwecks Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats befinden, nicht als Aufenthaltszeiten.

Abschnitt 14 Die Vorrechte und Immunitäten werden den Vertretern der Mitglieder nicht zu ihrem persönlichen Vorteil gewährt, sondern zu dem Zweck, die unabhängige Wahrnehmung ihrer Aufgaben bei der Organisation sicherzustellen. Infolgedessen ist ein Mitglied nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, die Immunität seines Vertreters in allen Fällen aufzuheben, in denen sie nach Auffassung des Mitglieds verhindern würde, daß der Gerechtigkeit Genüge geschieht, und in denen sie ohne Schädigung des Zweckes, für den sie gewährt wird, aufgehoben werden kann.

Abschnitt 15 Die Abschnitte 11, 12 und 13 sind nicht anwendbar auf das Verhältnis eines Vertreters zu den Behörden des Staates, dessen Angehöriger er ist oder dessen Vertreter er ist oder war. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 1. Völkerrecht

Abschnitt 16 In diesem Artikel umfaßt der Begriff „Vertreter" alle Delegierten, stellvertretenden Delegierten, Berater, technischen Sachverständigen und Delegationssekretäre.

Artikel V Bedienstete Abschnitt 17 Der Generalsekretär bestimmt die Gruppen von Bediensteten, auf welche dieser Artikel und Artikel VII Anwendung finden. Er legt der Generalversammlung eine Liste dieser Gruppen vor und teilt sie sodann den Regierungen aller Mitglieder mit. Die Namen der in diese Gruppen eingeordneten Bediensteten werden den Regierungen der Mitglieder von Zeit zu Zeit mitgeteilt. Abschnitt 18 Die Bediensteten der Organisation der Vereinten Nationen a) genießen Immunität von der Gerichtsbarkeit hinsichtlich der von ihnen in ihrer amtlichen Eigenschaft vorgenommenen Handlungen (einschließlich ihrer mündlichen und schriftlichen Äußerungen); b) sind von allen Steuern auf die von der Organisation der Vereinten Nationen gezahlten Bezüge befreit; c) sind von jeder nationalen Dienstleistung befreit; d) genießen für sich selbst, ihre Ehegatten und die von ihnen unterhaltenen Familienmitglieder Befreiung von allen Einwanderungsbeschränkungen und der Ausländermeldepflicht; e) genießen in bezug auf Devisenerleichterungen dieselben Vorrechte wie Bedienstete vergleichbaren Ranges, die den bei der betreffenden Regierung beglaubigten diplomatischen Missionen angehören; f) genießen für sich selbst, ihre Ehegatten und die von ihnen unterhaltenen Familienmitglieder in Zeiten internationaler Krisen dieselben Erleichterungen bezüglich der Heimschaffung wie diplomatische Vertreter; g) sind berechtigt, ihre Möbel und ihre persönliche Habe bei ihrem ersten Amtsantritt in dem betreffenden Staat zollfrei einzuführen. Abschnitt 19 Außer den in Abschnitt 18 vorgesehenen Vorrechten und Immunitäten genießen der Generalsekretär und alle Beigeordneten Generalsekretäre für sich selbst, ihre Ehegatten und minderjährigen Kinder die nach dem Völkerrecht diplomatischen Vertretern zustehenden Vorrechte, Immunitäten, Befreiungen und Erleichterungen.

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Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen

Abschnitt 20 Die Vorrechte und Immunitäten werden den Bediensteten lediglich im Interesse der Vereinten Nationen und nicht zu ihrem persönlichen Vorteil gewährt. Der Generalsekretär ist berechtigt und verpflichtet, die einem Bediensteten gewährte Immunität in allen Fällen aufzuheben, in denen sie nach Auffassung des Generalsekretärs verhindern würde, daß der Gerechtigkeit Genüge geschieht, und in denen sie ohne Schädigung der Interessen der Organisation aufgehoben werden kann. Die Immunität des Generalsekretärs kann der Sicherheitsrat aufheben.

Abschnitt 21 Die Organisation der Vereinten Nationen arbeitet jederzeit mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zusammen, um eine geordnete Rechtspflege zu erleichtern, die Einhaltung polizeilicher Vorschriften sicherzustellen und jeden Mißbrauch der in diesem Artikel aufgeführten Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen zu verhindern. Artikel VI Sachverständige im Auftrag der Organisation der Vereinten Nationen Abschnitt 22 Sachverständige (mit Ausnahme von Bediensteten im Sinne des Artikels V) genießen, wenn sie Aufträge für die Organisation der Vereinten Nationen durchführen, während der Dauer dieses Auftrags einschließlich der Reise die zur unabhängigen Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Vorrechte und Immunitäten. Insbesondere genießen sie die folgenden: a) Immunität von Festnahme oder Haft und von der Beschlagnahme ihres persönlichen Gepäcks; b) Immunität von jeder Gerichtsbarkeit hinsichtlich der von ihnen während ihres Auftrags vorgenommenen Handlungen (einschließlich ihrer mündlichen und schriftlichen Äußerungen). Diese Immunität bleibt bestehen, auch wenn der Betreffende seinen Auftrag für die Organisation der Vereinten Nationen beendet hat; c) Unverletzlichkeit aller Papiere und Schriftstücke; d) das Recht, für ihren Verkehr mit der Organisation der Vereinten Nationen Verschlüsselungen zu verwenden sowie Papiere und Korrespondenz durch Kurier oder in versiegelten Behältern zu empfangen; e) in bezug auf Währungs- oder Devisenbeschränkungen dieselben Erleichterungen wie Vertreter ausländischer Regierungen in vorübergehendem amtlichem Auftrag; f) in bezug auf ihr persönliches Gepäck dieselben Immunitäten und Erleichterungen wie Diplomaten. Abschnitt 23 Die Vorrechte und Immunitäten werden den Sachverständigen im Interesse der Organisation der Vereinten Nationen und nicht zu ihrem persönlichen Vorteil gewährt. Der Generalsekretär ist berechtigt und verpflichtet, die einem SachverstänRolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 1. Völkerrecht

digen gewährte Immunität in allen Fällen aufzuheben, in denen sie nach Auffassung des Generalsekretärs verhindern würde, daß der Gerechtigkeit Genüge geschieht, und in denen sie ohne Schädigung der Interessen der Organisation aufgehoben werden kann. Artikel VII Passierscheine der Vereinten Nationen Abschnitt 24 Die Organisation der Vereinten Nationen kann ihren Bediensteten Passierscheine ausstellen. Diese werden von den Behörden der Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung des Abschnitts 25 als gültige Reiseausweise anerkannt und entgegengenommen.

Abschnitt 25 Stellt der Inhaber eines solchen Passierscheins einen (etwa erforderlichen) Sichtvermerk-Antrag, dem eine Bescheinigung darüber beiliegt, daß er für die Organisation reist, so ist der Antrag möglichst umgehend zu bearbeiten. Ferner werden den Inhabern dieser Passierscheine Erleichterungen zur Beschleunigung der Reise gewährt. Abschnitt 2 6 Ähnliche Erleichterungen wie die in Abschnitt 25 erwähnten werden den Sachverständigen und sonstigen Personen gewährt, die, ohne im Besitz eines Passierscheins der Vereinten Nationen zu sein, Inhaber einer Bescheinigung darüber sind, daß sie für die Organisation reisen. Abschnitt 27 Der Generalsekretär, die Beigeordneten Generalsekretäre und die Direktoren, die für die Organisation reisen und im Besitz eines von dieser ausgestellten Passierscheins sind, genießen dieselben Erleichterungen wie diplomatische Vertreter. Abschnitt 28 Dieser Artikel kann auf Bedienstete vergleichbaren Ranges Anwendung finden, die Sonderorganisationen angehören, wenn die nach Artikel 63 der Charta geschlossenen Abkommen zur Regelung der Beziehungen dies vorsehen.

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Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen Artikel VIII Beilegung von Streitigkeiten Abschnitt 2 9 Die Organisation der Vereinten Nationen sorgt für geeignete Verfahren zur Beilegung a) von Streitigkeiten aus privatrechtlichen Verträgen oder von anderen privatrechtlichen Streitigkeiten, bei denen die Organisation Streitpartei ist, b) von Streitigkeiten, an denen ein Bediensteter der Organisation beteiligt ist, der auf Grund seiner amtlichen Stellung Immunität genießt, sofern diese nicht v o m Generalsekretär aufgehoben worden ist. Abschnitt 3 0 J e d e Streitigkeit über die Auslegung oder Anwendung dieses Übereinkommens wird dem Internationalen Gerichtshof vorgelegt, sofern nicht die Parteien im Einzelfall ein anderes Beilegungsverfahren vereinbaren. Entsteht zwischen der Organisation der Vereinten Nationen einerseits und einem Mitglied andererseits eine Streitigkeit, so wird nach Artikel 96 der Charta und Artikel 65 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs ein Gutachten über jede aufgeworfene Rechtsfrage eingeholt. D a s Gutachten des Gerichtshofs wird von den Parteien als bindend anerkannt.

Schlußartikel Abschnitt 31 Dieses Übereinkommen wird allen Mitgliedern der Organisation der Vereinten Nationen zum Beitritt vorgelegt. Abschnitt 32 Der Beitritt erfolgt durch Hinterlegung einer Urkunde beim Generalsekretär der Organisation der Vereinten Nationen, und das Übereinkommen tritt für jedes Mitglied mit der Hinterlegung seiner Beitrittsurkunde in Kraft. Abschnitt 33 Der Generalsekretär unterrichtet alle Mitglieder der Organisation der Vereinten Nationen von der Hinterlegung jeder Beitrittsurkunde. Abschnitt 34 Es wird unterstellt, daß ein Mitglied, wenn es seine Beitrittsurkunde hinterlegt, auch in der L a g e ist, diesem Übereinkommen kraft seines innerstaatlichen Rechts Wirksamkeit zu verleihen. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 1. Völkerrecht

Abschnitt 35 Dieses Übereinkommen bleibt zwischen der Organisation der Vereinten Nationen und jedem durch Hinterlegung seiner Urkunde beigetretenen Mitglied in Kraft, solange dieses der Organisation als Mitglied angehört oder bis die Generalversammlung ein revidiertes allgemeines Übereinkommen genehmigt hat und das betreffende Mitglied Vertragspartei desselben geworden ist.

Abschnitt 3 6 Der Generalsekretär kann mit einzelnen oder mehreren Mitgliedern Zusatzabkommen schließen, in denen das vorliegende Übereinkommen auf diese Mitglieder abgestimmt wird. Diese Zusatzabkommen bedürfen in jedem Fall der Genehmigung durch die Generalversammlung.

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Europäisches Recht. Vorbemerkung

2. Europäisches Recht Vorbemerkung Wesentliche Teile des internationalen Zivilprozessrechts sind europarechtlich normiert 1 . Nachdem zunächst eine Regelung durch staatsvertragliche Vereinbarungen erfolgt ist, hat die EU unter Ausnutzung der im Amsterdamer Vertrag 2 neu geschaffenen Kompetenztitel in Artt. 61 lit. c, 65 E G V - im Vertrag von Nizza leicht geändert - wesentliche Teile des internationalen Zivilprozessrechts durch Verordnungen geregelt 3 . Das Vereinigte Königreich, Irland und Dänemark haben Vorbehalte erklärt. So gelten diese Verordnungen zunächst nicht für sie. Jedoch haben das Vereinigte Königreich und Irland von dem ihnen vorbehaltenen Recht beizutreten (to opt in) Gebrauch gemacht, sodass nur für Dänemark die europäischen Verordnungen auf dem Gebiet des internationalen Zivilprozessrechtes nicht gelten 4 . Dieses Problem wird durch einen Staatsvertrag mit der EU gelöst werden. N a c h mehrjährigen Vorarbeiten ist zwischenzeitlich ein Abkommen zwischen der E G und Dänemark ausgehandelt worden, das die Anwendung der V O (EG) Nr. 4 4 / 2 0 0 1 auf die Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und Dänemark zum Ziel hat. Eine gleiche Regelung ist für die V O (EG) Nr. 1 3 4 8 / 2 0 0 0 vorgesehen 5 . Neben dem Verordnungsrecht bestehen staatsvertragliche Regelungen zwischen den Mitgliedstaaten, die jedoch weitgehend durch die EU-Verordnungen überholt sind oder werden.

Vgl. dazu Hess Die „Europäisierung" des internationalen Zivilprozessrechts durch den Amsterdamer Vertrag - Chancen und Gefahren, NJW 2000, 23 ff.; Leible Die Angleichung der nationalen Zivilprozessrechte - vom „Binnenmarktprozess" zu einer europäischen ZPO?, in: Müller-Graff (Herausg.), Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, 2005, S. 55 ff.; Mayr/ Czernich Europäisches Zivilprozessrecht, 2006, Rdn. 14 ff.; Müller-Graff Die ziviljustizielle Zusammenarbeit im „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts" im System des Europäischen Verfassungsvertrages, FS Jayme, 2004, S. 1323 ff.; Müller-Graff/Kainer Die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union, DRiZ 2000, 350 ff.; Stadler Die

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Europäisierung des Zivilprozessrechts, FS BGH, 2000, III, S. 645 ff.; Wagner Zur Vereinheitlichung des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts sechs Jahre nach In-Kraft-Treten des Amsterdamer Vertrags, NJW 2005, 1754 ff. ABl. I 184 v. 17.7.1999, S. 23 Vgl. dazu Besse Die Vergemeinschaftung des EuGVÜ, 2001 Vgl. zur besonderen Situation Dänemarks Kohler, Vom EuGVÜ zur E u G W O : Grenzen und Konsequenzen der Vergemeinschaftung, FS Geimer, 2002, S. 461 ff. (468 ff.) Vgl. im einzelnen Jayme/Kohler Europäisches Kollisionsrecht 2005: Hegemonialgesten auf dem Wege zu einer Gesamtvereinheitlichung, IPRax 2005, 481 ff. (485 f.)

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

2. a) Verordnungen 2. a. aa) VO (EG) Nr. 4 4 / 2 0 0 1 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I) (ABl. 2 0 0 1 L 12, 1 ff.) Vorbemerkung: Die E u G W O ist sekundäres Gemeinschaftsrecht. Sie ist g e m ä ß Art. 2 4 9 Abs. 2 E G V „in allen Teilen verbindlich und gilt u n m i t t e l b a r " , ohne dass es eines besonderen nationalen T r a n s f o r m a t i o n s a k t e s bedürfte oder dieser auch nur zulässig wäre. Auch sind - anders als beim E u G V Ü - besondere Beitritts Vereinbarungen mit neuen EU-Staaten unnötig. Die E u G W O entspricht in ihrem Regelungsbereich E u G V Ü und LugÜ. Ihr Gegenstand ist die einheitliche europäische Zuständigkeitsordnung und die Anerkennung und Vollstreckung von zivilrechtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden. Die E u G W O ersetzt das E u G V Ü mit W i r k u n g v o m 1.3.20026. Geltungsbereich: Alle EU-Staaten (ohne D ä n e m a r k ) Literatur: Czernicb/Tiefenthaler/Kodek Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht, 2. Aufl., 2003; Gaudemet-Tallon Competence et execution des jugements en Europe. Reglement no. 44/2001, Conventions de Bruxelles et Lugano, 3. Aufl., 2002; Geimer Gegenseitige Urteilsanerkennung im System der Brüssel I - Verordnung, FS Beys, 2003, S. 391 ff.; ders. Das Brüssel I-System und seine Fortentwicklung im Lichte der Beschlüsse von Tampere, FS Nemeth, 2003, S. 229 ff.; Geimer/Schütze Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., 2004; dies. Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 540. 35 ff. (Kommentierung der Brüssel I VO von Auer, Försterling, Pörnbacher, Thiel, Tschauner und Zerr); Klauser Europäisches Zivilprozessrecht, 2002; Kohler Vom EuGVÜ zur E u G W O : Grenzen und Konsequenzen der Vergemeinschaftung, FS Geimer, 2002, S. 461 ff.; Kropholler Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl., 2 0 0 5 ; Mayr/Czernich Das neue europäische Zivilprozessrecht, 2002; Micklitz/Rott Vergemeinschaftung des EuGVÜ in der Verordnung (EG) Nr. 44/2001, EuZW 2001, 325 ff.; 2 0 0 2 , 15 ff.; Rauscher (Herausg.), Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2 0 0 6 (Kommentierung von Leible, Mankowski und Staudinger)·, Schlosser EUZivilprozessrecht, 2. Aufl., 2002.

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Vgl. dazu Kohler Vom EuGVÜ zur E u G W O : Grenzen und Konsequenzen der Vergemeinschaftung, FS Geimer, 2002, S. 461 ff.

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VO über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I)

Text

Verordnung (EG) Nr. 4 4 / 2 0 0 1 des Rates vom 2 2 . Dezember 2 0 0 0 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Amtsblatt Nr. L 12 vom 1 6 . 0 1 . 2 0 0 1 , S. 1 - 2 3 Erwägungen: (1) Die Gemeinschaft hat sich zum Ziel gesetzt, einen R a u m der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem der freie Personenverkehr gewährleistet ist, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Z u m schrittweisen Aufbau dieses Raums hat die Gemeinschaft unter anderem im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen die für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Maßnahmen zu erlassen. (2) Die Unterschiede zwischen bestimmten einzelstaatlichen Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen erschweren das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts. Es ist daher unerlässlich, Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen. (3) Dieser Bereich fällt unter die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen im Sinne von Artikel 6 5 des Vertrags. (4) Nach dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip können die Ziele dieser Verordnung auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden; sie können daher besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden. Diese Verordnung beschränkt sich auf das zur Erreichung dieser Ziele notwendige Mindestmaß und geht nicht über das dazu Erforderliche hinaus. (5) Am 27. September 1 9 6 8 schlossen die Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Artikel 2 9 3 vierter Gedankenstrich des Vertrags das Übereinkommen von Brüssel über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, dessen Fassung durch die Übereinkommen über den Beitritt der neuen Mitgliedstaaten zu diesem Übereinkommen geändert wurde (nachstehend „Brüsseler Übereinkommen" genannt). Am 16. September 1988 schlossen die Mitgliedstaaten und die EFTA-Staaten das Übereinkommen von Lugano über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, das ein Parallelübereinkommen zu dem Brüsseler Übereinkommen von 1 9 6 8 darstellt. Diese Übereinkommen waren inzwischen Gegenstand einer Revision; der R a t hat dem Inhalt des überarbeiteten Textes zugestimmt. Die bei dieser Revision erzielten Ergebnisse sollten gewahrt werden. (6) Um den freien Verkehr der Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu gewährleisten, ist es erforderlich und angemessen, dass die Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen im Wege eines Gemeinschaftsrechtsakts festgelegt werden, der verbindlich und unmittelbar anwendbar ist. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

(7) Der sachliche Anwendungsbereich dieser Verordnung sollte sich, von einigen genau festgelegten Rechtsgebieten abgesehen, auf den wesentlichen Teil des Zivilund Handelsrechts erstrecken. (8) Rechtsstreitigkeiten, die unter diese Verordnung fallen, müssen einen Anknüpfungspunkt an das Hoheitsgebiet eines der Mitgliedstaaten aufweisen, die durch diese Verordnung gebunden sind. Gemeinsame Zuständigkeitsvorschriften sollten demnach grundsätzlich dann Anwendung finden, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in einem dieser Mitgliedstaaten hat. (9) Beklagte ohne Wohnsitz in einem Mitgliedstaat unterliegen im Allgemeinen den nationalen Zuständigkeitsvorschriften, die im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats gelten, in dem sich das angerufene Gericht befindet, während Beklagte mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, der durch diese Verordnung nicht gebunden ist, weiterhin dem Brüsseler Übereinkommen unterliegen. (10) Um den freien Verkehr gerichtlicher Entscheidungen zu gewährleisten, sollten die in einem durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in einem anderen durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaat anerkannt und vollstreckt werden, und zwar auch dann, wenn der Vollstreckungsschuldner seinen Wohnsitz in einem Drittstaat hat. (11) Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden. (12) Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind. (13) Bei Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen sollte die schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften geschützt werden, die für sie günstiger sind als die allgemeine Regelung. (14) Vorbehaltlich der in dieser Verordnung festgelegten ausschließlichen Zuständigkeiten muss die Vertragsfreiheit der Parteien hinsichtlich der Wahl des Gerichtsstands, außer bei Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen, wo nur eine begrenztere Vertragsfreiheit zulässig ist, gewahrt werden. (15) Im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege müssen Parallelverfahren so weit wie möglich vermieden werden, damit nicht in zwei Mitgliedstaaten miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen. Es sollte eine klare und wirksame Regelung zur Klärung von Fragen der Rechtshängigkeit und der im Zusammenhang stehenden Verfahren sowie zur Verhinderung von Problemen vorgesehen werden, die sich aus der einzelstaatlich unterschiedlichen Festlegung des Zeitpunkts ergeben, von dem an ein Verfahren als rechtshängig gilt. Für die Zwecke dieser Verordnung sollte dieser Zeitpunkt autonom festgelegt werden. (16) Das gegenseitige Vertrauen in die Justiz im Rahmen der Gemeinschaft rechtfertigt, dass die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen, außer im Falle der Anfechtung, von Rechts wegen, ohne ein besonderes Verfahren, anerkannt werden. (17) Aufgrund dieses gegenseitigen Vertrauens ist es auch gerechtfertigt, dass das Verfahren, mit dem eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidung für vollstreckbar erklärt wird, rasch und effizient vonstatten geht. Die Vollstreckbar140

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erklärung einer Entscheidung muss daher fast automatisch nach einer einfachen formalen Prüfung der vorgelegten Schriftstücke erfolgen, ohne dass das Gericht die Möglichkeit hat, von Amts wegen eines der in dieser Verordnung vorgesehenen Vollstreckungshindernisse aufzugreifen. (18) Z u r Wahrung seiner Verteidigungsrechte muss der Schuldner jedoch gegen die Vollstreckbarerklärung einen Rechtsbehelf im Wege eines Verfahrens mit beiderseitigem rechtlichen Gehör einlegen können, wenn er der Ansicht ist, dass einer der Gründe für die Versagung der Vollstreckung vorliegt. Die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs muss auch für den Antragsteller gegeben sein, falls sein Antrag auf Vollstreckbarerklärung abgelehnt worden ist. (19) Um die Kontinuität zwischen dem Brüsseler Übereinkommen und dieser Verordnung zu wahren, sollten Übergangsvorschriften vorgesehen werden. Dies gilt auch für die Auslegung der Bestimmungen des Brüsseler Übereinkommens durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften. Ebenso sollte das Protokoll von 1971 auf Verfahren, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung bereits anhängig sind, anwendbar bleiben. (20) Das Vereinigte Königreich und Irland haben gemäß Artikel 3 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands schriftlich mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchten. (21) Dänemark beteiligt sich gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position Dänemarks nicht an der Annahme dieser Verordnung, die daher für Dänemark nicht bindend und ihm gegenüber nicht anwendbar ist. (22) Da in den Beziehungen zwischen Dänemark und den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten das Brüsseler Übereinkommen in Geltung ist, ist dieses sowie das Protokoll von 1971 im Verhältnis zwischen Dänemark und den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten weiterhin anzuwenden. (23) Das Brüsseler Übereinkommen gilt auch weiter hinsichtlich der Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten, die in seinen territorialen Anwendungsbereich fallen und die aufgrund der Anwendung von Artikel 2 9 9 des Vertrags von der vorliegenden Verordnung ausgeschlossen sind. (24) Im Interesse der Kohärenz ist ferner vorzusehen, dass die in spezifischen Gemeinschaftsrechtsakten enthaltenen Vorschriften über die Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen durch diese Verordnung nicht berührt werden. (25) Um die internationalen Verpflichtungen, die die Mitgliedstaaten eingegangen sind, zu wahren, darf sich diese Verordnung nicht auf von den Mitgliedstaaten geschlossene Übereinkommen in besonderen Rechtsgebieten auswirken. (26) Um den verfahrensrechtlichen Besonderheiten einiger Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen, sollten die in dieser Verordnung vorgesehenen Grundregeln, soweit erforderlich, gelockert werden. Hierzu sollten bestimmte Vorschriften aus dem Protokoll zum Brüsseler Übereinkommen in die Verordnung übernommen werden. (27) Um in einigen Bereichen, für die in dem Protokoll zum Brüsseler Übereinkommen Sonderbestimmungen enthalten waren, einen reibungslosen Übergang zu ermöglichen, sind in dieser Verordnung für einen Übergangszeitraum Bestimmungen vorgesehen, die der besonderen Situation in einigen Mitgliedstaaten Rechnung tragen. R o l f A . Schütze

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(28) Spätestens fünf Jahre nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung unterbreitet die Kommission einen Bericht über deren Anwendung. Dabei kann sie erforderlichenfalls auch Anpassungsvorschläge vorlegen. (29) Die Anhänge I bis IV betreffend die innerstaatlichen Zuständigkeitsvorschriften, die Gerichte oder sonst befugten Stellen und die Rechtsbehelfe sind von der Kommission anhand der von dem betreffenden Mitgliedstaat mitgeteilten Änderungen zu ändern. Änderungen der Anhänge V und VI sind gemäß dem Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse zu beschließen -

KAPITEL I

ANWENDUNGSBEREICH Artikel 1 (1) Diese Verordnung ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. Sie erfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten. (2) Sie ist nicht anzuwenden auf: a) den Personenstand, die Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie die gesetzliche Vertretung von natürlichen Personen, die ehelichen Güterstände, das Gebiet des Erbrechts einschließlich des Testamentsrechts; b) Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren; c) die soziale Sicherheit; d) die Schiedsgerichtsbarkeit. (3) In dieser Verordnung bedeutet der Begriff „Mitgliedstaat" jeden Mitgliedstaat mit Ausnahme des Königreichs Dänemark.

KAPITEL II

ZUSTÄNDIGKEIT Abschnitt 1

Allgemeine Vorschriften Artikel 2 (1) Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen. (2) Auf Personen, die nicht dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Wohnsitz haben, angehören, sind die für Inländer maßgebenden Zuständigkeitsvorschriften anzuwenden. 142

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VO über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I)

Artikel 3 (1) Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, können vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats nur gemäß den Vorschriften der Abschnitte 2 bis 7 dieses Kapitels verklagt werden. (2) Gegen diese Personen können insbesondere nicht die in Anhang I aufgeführten innerstaatlichen Zuständigkeitsvorschriften geltend gemacht werden.

Artikel 4 (1) Hat der Beklagte keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, so bestimmt sich vorbehaltlich der Artikel 2 2 und 2 3 die Zuständigkeit der Gerichte eines jeden Mitgliedstaats nach dessen eigenen Gesetzen. (2) Gegenüber einem Beklagten, der keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann sich jede Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in diesem Staat auf die dort geltenden Zuständigkeitsvorschriften, insbesondere auf die in Anhang I aufgeführten Vorschriften, wie ein Inländer berufen, ohne dass es auf ihre Staatsangehörigkeit ankommt.

Abschnitt 2 Besondere Zuständigkeiten Artikel 5 Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden: 1. a) wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre; b) im Sinne dieser Vorschrift - und sofern nichts anderes vereinbart worden ist ist der Erfüllungsort der Verpflichtung - für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen; - für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen; c) ist Buchstabe b) nicht anwendbar, so gilt Buchstabe a); 2 . wenn es sich um eine Unterhaltssache handelt, vor dem Gericht des Ortes, an dem der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder im Falle einer Unterhaltssache, über die im Zusammenhang mit einem Verfahren in Bezug auf den Personenstand zu entscheiden ist, vor dem nach seinem Recht für dieses Verfahren zuständigen Gericht, es sei denn, diese Zuständigkeit beruht lediglich auf der Staatsangehörigkeit einer der Parteien; 3. wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht; Rolf A. Schütze

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4. wenn es sich um eine Klage auf Schadensersatz oder auf Wiederherstellung des früheren Zustands handelt, die auf eine mit Strafe bedrohte Handlung gestützt wird, vor dem Strafgericht, bei dem die öffentliche Klage erhoben ist, soweit dieses Gericht nach seinem Recht über zivilrechtliche Ansprüche erkennen kann; 5. wenn es sich um Streitigkeiten aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung, einer Agentur oder einer sonstigen Niederlassung handelt, vor dem Gericht des Ortes, an dem sich diese befindet; 6. wenn sie in ihrer Eigenschaft als Begründer, trustee oder Begünstigter eines trust in Anspruch genommen wird, der aufgrund eines Gesetzes oder durch schriftlich vorgenommenes oder schriftlich bestätigtes Rechtsgeschäft errichtet worden ist, vor den Gerichten des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der trust seinen Sitz hat; 7. wenn es sich um eine Streitigkeit wegen der Zahlung von Berge- und Hilfslohn handelt, der für Bergungs- oder Hilfeleistungsarbeiten gefordert wird, die zugunsten einer Ladung oder einer Frachtforderung erbracht worden sind, vor dem Gericht, in dessen Zuständigkeitsbereich diese Ladung oder die entsprechende Frachtforderung a) mit Arrest belegt worden ist, um die Zahlung zu gewährleisten, oder b) mit Arrest hätte belegt werden können, jedoch dafür eine Bürgschaft oder eine andere Sicherheit geleistet worden ist; diese Vorschrift ist nur anzuwenden, wenn behauptet wird, dass der Beklagte Rechte an der Ladung oder an der Frachtforderung hat oder zur Zeit der Bergungs- oder Hilfeleistungsarbeiten hatte. Artikel 6 Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann auch verklagt werden: 1. wenn mehrere Personen zusammen verklagt werden, vor dem Gericht des Ortes, an dem einer der Beklagten seinen Wohnsitz hat, sofern zwischen den Klagen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten; 2. wenn es sich um eine Klage auf Gewährleistung oder um eine Interventionsklage handelt, vor dem Gericht des Hauptprozesses, es sei denn, dass die Klage nur erhoben worden ist, um diese Person dem für sie zuständigen Gericht zu entziehen; 3. wenn es sich um eine Widerklage handelt, die auf denselben Vertrag oder Sachverhalt wie die Klage selbst gestützt wird, vor dem Gericht, bei dem die Klage selbst anhängig ist; 4. wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden und die Klage mit einer Klage wegen dinglicher Rechte an unbeweglichen Sachen gegen denselben Beklagten verbunden werden kann, vor dem Gericht des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die unbewegliche Sache belegen ist. Artikel 7 Ist ein Gericht eines Mitgliedstaats nach dieser Verordnung zur Entscheidung in Verfahren wegen einer Haftpflicht aufgrund der Verwendung oder des Betriebs eines Schiffes zuständig, so entscheidet dieses oder ein anderes an seiner Stelle durch das Recht dieses Mitgliedstaats bestimmtes Gericht auch über Klagen auf Beschränkung dieser Haftung. 144

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VO über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I)

Abschnitt 3 Zuständigkeit für Versicherungssachen Artikel 8 Für Klagen in Versicherungssachen bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt.

Artikel 9 (1) Ein Versicherer, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann verklagt werden: a) vor den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem er seinen Wohnsitz hat, b) in einem anderen Mitgliedstaat bei Klagen des Versicherungsnehmers, des Versicherten oder des Begünstigten vor dem Gericht des Ortes, an dem der Kläger seinen Wohnsitz hat, oder c) falls es sich um einen Mitversicherer handelt, vor dem Gericht eines Mitgliedstaats, bei dem der federführende Versicherer verklagt wird. (2) Hat der Versicherer im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats keinen Wohnsitz, besitzt er aber in einem Mitgliedstaat eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung, so wird er für Streitigkeiten aus ihrem Betrieb so behandelt, wie wenn er seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats hätte.

Artikel 10 Bei der Haftpflichtversicherung oder bei der Versicherung von unbeweglichen Sachen kann der Versicherer außerdem vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, verklagt werden. Das Gleiche gilt, wenn sowohl bewegliche als auch unbewegliche Sachen in ein und demselben Versicherungsvertrag versichert und von demselben Schadensfall betroffen sind.

Artikel 11 (1) Bei der Haftpflichtversicherung kann der Versicherer auch vor das Gericht, bei dem die Klage des Geschädigten gegen den Versicherten anhängig ist, geladen werden, sofern dies nach dem Recht des angerufenen Gerichts zulässig ist. (2) Auf eine Klage, die der Geschädigte unmittelbar gegen den Versicherer erhebt, sind die Artikel 8, 9 und 10 anzuwenden, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist. (3) Sieht das für die unmittelbare Klage maßgebliche Recht die Streitverkündung gegen den Versicherungsnehmer oder den Versicherten vor, so ist dasselbe Gericht auch für diese Personen zuständig.

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Artikel 12 (1) Vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 11 Absatz 3 kann der Versicherer nur vor den Gerichten des Mitgliedstaats klagen, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat, ohne Rücksicht darauf, ob dieser Versicherungsnehmer, Versicherter oder Begünstigter ist. (2) Die Vorschriften dieses Abschnitts lassen das Recht unberührt, eine Widerklage vor dem Gericht zu erheben, bei dem die Klage selbst gemäß den Bestimmungen dieses Abschnitts anhängig ist. Artikel 13 Von den Vorschriften dieses Abschnitts kann im Wege der Vereinbarung nur abgewichen werden: 1. wenn die Vereinbarung nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen wird, 2. wenn sie dem Versicherungsnehmer, Versicherten oder Begünstigten die Befugnis einräumt, andere als die in diesem Abschnitt angeführten Gerichte anzurufen, 3. wenn sie zwischen einem Versicherungsnehmer und einem Versicherer, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Mitgliedstaat haben, getroffen ist, um die Zuständigkeit der Gerichte dieses Staates auch für den Fall zu begründen, dass das schädigende Ereignis im Ausland eintritt, es sei denn, dass eine solche Vereinbarung nach dem Recht dieses Staates nicht zulässig ist, 4. wenn sie von einem Versicherungsnehmer geschlossen ist, der seinen Wohnsitz nicht in einem Mitgliedstaat hat, ausgenommen soweit sie eine Versicherung, zu deren Abschluss eine gesetzliche Verpflichtung besteht, oder die Versicherung von unbeweglichen Sachen in einem Mitgliedstaat betrifft, oder 5. wenn sie einen Versicherungsvertrag betrifft, soweit dieser eines oder mehrere der in Artikel 14 aufgeführten Risiken deckt. Artikel 14 Die in Artikel 13 Nummer 5 erwähnten Risiken sind die folgenden: 1. sämtliche Schäden a) an Seeschiffen, Anlagen vor der Küste und auf hoher See oder Luftfahrzeugen aus Gefahren, die mit ihrer Verwendung zu gewerblichen Zwecken verbunden sind, b) an Transportgütern, ausgenommen Reisegepäck der Passagiere, wenn diese Güter ausschließlich oder zum Teil mit diesen Schiffen oder Luftfahrzeugen befördert werden; 2. Haftpflicht aller Art, mit Ausnahme der Haftung für Personenschäden an Passagieren oder Schäden an deren Reisegepäck, a) aus der Verwendung oder dem Betrieb von Seeschiffen, Anlagen oder Luftfahrzeugen gemäß Nummer 1 Buchstabe a), es sei denn, dass - was die letztgenannten betrifft - nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem das Luftfahrzeug eingetragen ist, Gerichtsstandsvereinbarungen für die Versicherung solcher Risiken untersagt sind, b) für Schäden, die durch Transportgüter während einer Beförderung im Sinne von Nummer 1 Buchstabe b) verursacht werden; 146

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VO über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I)

3. finanzielle Verluste im Zusammenhang mit der Verwendung oder dem Betrieb von Seeschiffen, Anlagen oder Luftfahrzeugen gemäß Nummer 1 Buchstabe a), insbesondere Fracht- oder Charterverlust; 4. irgendein zusätzliches Risiko, das mit einem der unter den Nummern 1 bis 3 genannten Risiken in Zusammenhang steht; 5. unbeschadet der Nummern 1 bis 4 alle „Großrisiken" entsprechend der Begriffsbestimmung in der Richtlinie 73/239/EWG des Rates, geändert durch die Richtlinie 88/357/EWG und die Richtlinie 90/618/EWG, in der jeweils geltenden Fassung. Abschnitt 4 Zuständigkeit bei Verbrauchersachen Artikel 15 (1) Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt, a) wenn es sich um den Kauf beweglicher Sachen auf Teilzahlung handelt, b) wenn es sich um ein in Raten zurückzuzahlendes Darlehen oder ein anderes Kreditgeschäft handelt, das zur Finanzierung eines Kaufs derartiger Sachen bestimmt ist, oder c) in allen anderen Fällen, wenn der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgend einem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. (2) Hat der Vertragspartner des Verbrauchers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats keinen Wohnsitz, besitzt er aber in einem Mitgliedstaat eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung, so wird er für Streitigkeiten aus ihrem Betrieb so behandelt, wie wenn er seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet dieses Staates hätte. (3) Dieser Abschnitt ist nicht auf Beförderungsverträge mit Ausnahme von Reiseverträgen, die für einen Pauschalpreis kombinierte Beförderungs- und Unterbringungsleistungen vorsehen, anzuwenden. Artikel 16 (1) Die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner kann entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. (2) Die Klage des anderen Vertragspartners gegen den Verbraucher kann nur vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Rolf A. Schütze

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(3) Die Vorschriften dieses Artikels lassen das Recht unberührt, eine Widerklage vor dem Gericht zu erheben, bei dem die Klage selbst gemäß den Bestimmungen dieses Abschnitts anhängig ist.

Artikel 17 Von den Vorschriften dieses Abschnitts kann im Wege der Vereinbarung nur abgewichen werden: 1. wenn die Vereinbarung nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen wird, 2. wenn sie dem Verbraucher die Befugnis einräumt, andere als die in diesem Abschnitt angeführten Gerichte anzurufen, oder 3. wenn sie zwischen einem Verbraucher und seinem Vertragspartner, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Mitgliedstaat haben, getroffen ist und die Zuständigkeit der Gerichte dieses Mitgliedstaats begründet, es sei denn, dass eine solche Vereinbarung nach dem Recht dieses Mitgliedstaats nicht zulässig ist.

Abschnitt 5 Zuständigkeit für individuelle Arbeitsverträge Artikel 18 (1) Bilden ein individueller Arbeitsvertrag oder Ansprüche aus einem individuellen Arbeitsvertrag den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt. (2) Hat der Arbeitgeber, mit dem der Arbeitnehmer einen individuellen Arbeitsvertrag geschlossen hat, im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats keinen Wohnsitz, besitzt er aber in einem Mitgliedstaat eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung, so wird er für Streitigkeiten aus ihrem Betrieb so behandelt, wie wenn er seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats hätte.

Artikel 19 Ein Arbeitgeber, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann verklagt werden: 1. vor den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem er seinen Wohnsitz hat, oder 2. in einem anderen Mitgliedstaat a) vor dem Gericht des Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat, oder b) wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet oder verrichtet hat, vor dem Gericht des Ortes, an dem sich die Niederlassung, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, befindet bzw. befand. 148

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V O über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I)

Artikel 2 0 (1) Die Klage des Arbeitgebers kann nur vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hat. (2) Die Vorschriften dieses Abschnitts lassen das Recht unberührt, eine Widerklage vor dem Gericht zu erheben, bei dem die Klage selbst gemäß den Bestimmungen dieses Abschnitts anhängig ist.

Artikel 21 Von den Vorschriften dieses Abschnitts kann im Wege der Vereinbarung nur abgewichen werden, 1. wenn die Vereinbarung nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen wird oder 2 . wenn sie dem Arbeitnehmer die Befugnis einräumt, andere als die in diesem Abschnitt angeführten Gerichte anzurufen.

Abschnitt 6 Ausschließliche Zuständigkeiten Artikel 2 2 Ohne Rücksicht auf den Wohnsitz sind ausschließlich zuständig: 1. für Klagen, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist. Jedoch sind für Klagen betreffend die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen zum vorübergehenden privaten Gebrauch für höchstens sechs aufeinander folgende M o n a t e auch die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat, sofern es sich bei dem Mieter oder Pächter um eine natürliche Person handelt und der Eigentümer sowie der Mieter oder Pächter ihren Wohnsitz in demselben Mitgliedstaat haben; 2. für Klagen, welche die Gültigkeit, die Nichtigkeit oder die Auflösung einer Gesellschaft oder juristischen Person oder die Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Gesellschaft oder juristische Person ihren Sitz hat. Bei der Entscheidung darüber, wo der Sitz sich befindet, wendet das Gericht die Vorschriften seines Internationalen Privatrechts an; 3. für Klagen, welche die Gültigkeit von Eintragungen in öffentliche Register zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Register geführt werden; 4. für Klagen, welche die Eintragung oder die Gültigkeit von Patenten, Marken, Mustern und Modellen sowie ähnlicher Rechte, die einer Hinterlegung oder Registrierung bedürfen, zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Hinterlegung oder Registrierung beantragt oder vorgenommen worden ist oder aufgrund eines Gemeinschaftsrechtsakts oder eines zwischenstaatlichen Übereinkommens als vorgenommen gilt. R o l f A . Schütze

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Unbeschadet der Zuständigkeit des Europäischen Patentamts nach dem am 5. Oktober 1973 in München unterzeichneten Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente sind die Gerichte eines jeden Mitgliedstaats ohne Rücksicht auf den Wohnsitz der Parteien für alle Verfahren ausschließlich zuständig, welche die Erteilung oder die Gültigkeit eines europäischen Patents zum Gegenstand haben, das für diesen Staat erteilt wurde; 5. für Verfahren, welche die Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll oder durchgeführt worden ist.

Abschnitt 7 Vereinbarung über die Zuständigkeit Artikel 2 3 (1) Haben die Parteien, von denen mindestens eine ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, vereinbart, dass ein Gericht oder die Gerichte eines Mitgliedstaats über eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder über eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit entscheiden sollen, so sind dieses Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats zuständig. Dieses Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats sind ausschließlich zuständig, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Eine solche Gerichtsstandsvereinbarung muss geschlossen werden a) schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung, b) in einer Form, welche den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien entstanden sind, oder c) im internationalen Handel in einer Form, die einem Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mussten und den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmäßig beachten. (2) Elektronische Übermittlungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen, sind der Schriftform gleichgestellt. (3) Wenn eine solche Vereinbarung von Parteien geschlossen wurde, die beide ihren Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, so können die Gerichte der anderen Mitgliedstaaten nicht entscheiden, es sei denn, das vereinbarte Gericht oder die vereinbarten Gerichte haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt. (4) Ist in schriftlich niedergelegten trust-Bedingungen bestimmt, dass über Klagen gegen einen Begründer, trustee oder Begünstigten eines trust ein Gericht oder die Gerichte eines Mitgliedstaats entscheiden sollen, so ist dieses Gericht oder sind diese Gerichte ausschließlich zuständig, wenn es sich um Beziehungen zwischen diesen Personen oder ihre Rechte oder Pflichten im Rahmen des trust handelt. (5) Gerichtsstands Vereinbarungen und entsprechende Bestimmungen in trustBedingungen haben keine rechtliche Wirkung, wenn sie den Vorschriften der Artikel 13, 17 und 21 zuwiderlaufen oder wenn die Gerichte, deren Zuständigkeit abbedungen wird, aufgrund des Artikels 2 2 ausschließlich zuständig sind. 150

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VO über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I)

Artikel 2 4 Sofern das Gericht eines Mitgliedstaats nicht bereits nach dieser Verordnung zuständig ist, wird es zuständig, wenn sich auf das Verfahren einlässt. Dies gilt nicht, wenn der Beklagte Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen oder wenn ein grund des Artikels 2 2 ausschließlich zuständig ist.

anderen Vorschriften der Beklagte vor ihm sich einlässt, um den anderes Gericht auf-

Abschnitt 8 Prüfung der Zuständigkeit und der Zulässigkeit des Verfahrens Artikel 2 5 Das Gericht eines Mitgliedstaats hat sich von Amts wegen für unzuständig zu erklären, wenn es wegen einer Streitigkeit angerufen wird, für die das Gericht eines anderen Mitgliedstaats aufgrund des Artikels 2 2 ausschließlich zuständig ist. Artikel 2 6 (1) Lässt sich der Beklagte, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat und der vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats verklagt wird, auf das Verfahren nicht ein, so hat sich das Gericht von Amts wegen für unzuständig zu erklären, wenn seine Zuständigkeit nicht nach dieser Verordnung begründet ist. (2) Das Gericht hat das Verfahren so lange auszusetzen, bis festgestellt ist, dass es dem Beklagten möglich war, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück so rechtzeitig zu empfangen, dass er sich verteidigen konnte oder dass alle hierzu erforderlichen Maßnahmen getroffen worden sind. (3) An die Stelle von Absatz 2 tritt Artikel 19 der Verordnung (EG) Nr. 1348/ 2 0 0 0 des Rates vom 29. Mai 2 0 0 0 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nach der genannten Verordnung von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu übermitteln war. (4) Sind die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1 3 4 8 / 2 0 0 0 nicht anwendbar, so gilt Artikel 15 des Haager Übereinkommens vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivilund Handelssachen, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nach dem genannten Übereinkommen zu übermitteln war. Abschnitt 9 Rechtshängigkeit und im Zusammenhang stehende Verfahren Artikel 2 7 (1) Werden bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht, so setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

(2) Sobald die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, erklärt sich das später angerufene Gericht zugunsten dieses Gerichts für unzuständig. Artikel 2 8 (1) Sind bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen, die im Zusammenhang stehen, anhängig, so kann jedes später angerufene Gericht das Verfahren aussetzen. (2) Sind diese Klagen in erster Instanz anhängig, so kann sich jedes später angerufene Gericht auf Antrag einer Partei auch für unzuständig erklären, wenn das zuerst angerufene Gericht für die betreffenden Klagen zuständig ist und die Verbindung der Klagen nach seinem Recht zulässig ist. (3) Klagen stehen im Sinne dieses Artikels im Zusammenhang, wenn zwischen ihnen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten. Artikel 2 9 Ist für die Klagen die ausschließliche Zuständigkeit mehrerer Gerichte gegeben, so hat sich das zuletzt angerufene Gericht zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts für unzuständig zu erklären. Artikel 3 0 Für die Zwecke dieses Abschnitts gilt ein Gericht als angerufen: 1. zu dem Zeitpunkt, zu dem das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück bei Gericht eingereicht worden ist, vorausgesetzt, dass der Kläger es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden M a ß n a h m e n zu treffen, um die Zustellung des Schriftstücks an den Beklagten zu bewirken, oder 2. falls die Zustellung an den Beklagten vor Einreichung des Schriftstücks bei Gericht zu bewirken ist, zu dem Zeitpunkt, zu dem die für die Zustellung verantwortliche Stelle das Schriftstück erhalten hat, vorausgesetzt, dass der Kläger es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden M a ß n a h m e n zu treffen, um das Schriftstück bei Gericht einzureichen. Abschnitt 10 Einstweilige Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind Artikel 31 Die im Recht eines Mitgliedstaats vorgesehenen einstweiligen M a ß n a h m e n einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind, können bei den Gerichten dieses Staates auch dann beantragt werden, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache das Gericht eines anderen Mitgliedstaats aufgrund dieser Verordnung zuständig ist. 152

Rolf A. Schütze

V O über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I)

K A P I T E L III

ANERKENNUNG UND VOLLSTRECKUNG Artikel 3 2 Unter „Entscheidung" im Sinne dieser Verordnung ist jede von einem Gericht eines Mitgliedstaats erlassene Entscheidung zu verstehen, ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung wie Urteil, Beschluss, Zahlungsbefehl oder Vollstreckungsbescheid, einschließlich des Kostenfestsetzungsbeschlusses eines Gerichtsbediensteten.

Abschnitt 1

Anerkennung Artikel 3 3 (1) Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen werden in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. (2) Bildet die Frage, o b eine Entscheidung anzuerkennen ist, als solche den Gegenstand eines Streites, so kann jede Partei, welche die Anerkennung geltend macht, in dem Verfahren nach den Abschnitten 2 und 3 dieses Kapitels die Feststellung beantragen, dass die Entscheidung anzuerkennen ist. (3) Wird die Anerkennung in einem Rechtsstreit vor dem Gericht eines Mitgliedstaats, dessen Entscheidung von der Anerkennung abhängt, verlangt, so kann dieses Gericht über die Anerkennung entscheiden.

Artikel 3 4 Eine Entscheidung wird nicht anerkannt, wenn 1. die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Mitgliedstaats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen würde; 2. dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte; 3. sie mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die zwischen denselben Parteien in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, ergangen ist; 4. sie mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat zwischen denselben Parteien in einem Rechtsstreit wegen desselben Anspruchs ergangen ist, sofern die frühere Entscheidung die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung in dem Mitgliedstaat erfüllt, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird.

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Artikel 35 (1) Eine Entscheidung wird ferner nicht anerkannt, wenn die Vorschriften der Abschnitte 3, 4 und 6 des Kapitels II verletzt worden sind oder wenn ein Fall des Artikels 72 vorliegt. (2) Das Gericht oder die sonst befugte Stelle des Mitgliedstaats, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, ist bei der Prüfung, ob eine der in Absatz 1 angeführten Zuständigkeiten gegeben ist, an die tatsächlichen Feststellungen gebunden, aufgrund deren das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats seine Zuständigkeit angenommen hat. (3) Die Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats darf, unbeschadet der Bestimmungen des Absatzes 1, nicht nachgeprüft werden. Die Vorschriften über die Zuständigkeit gehören nicht zur öffentlichen Ordnung (ordre public) im Sinne des Artikels 34 Nummer 1.

Artikel 36 Die ausländische Entscheidung darf keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden.

Artikel 37 (1) Das Gericht eines Mitgliedstaats, vor dem die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung geltend gemacht wird, kann das Verfahren aussetzen, wenn gegen die Entscheidung ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt worden ist. (2) Das Gericht eines Mitgliedstaats, vor dem die Anerkennung einer in Irland oder im Vereinigten Königreich ergangenen Entscheidung geltend gemacht wird, kann das Verfahren aussetzen, wenn die Vollstreckung der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat wegen der Einlegung eines Rechtsbehelfs einstweilen eingestellt ist.

Abschnitt 2 Vollstreckung Artikel 38 (1) Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen, die in diesem Staat vollstreckbar sind, werden in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden sind. (2) Im Vereinigten Königreich jedoch wird eine derartige Entscheidung in England und Wales, in Schottland oder in Nordirland vollstreckt, wenn sie auf Antrag eines Berechtigten zur Vollstreckung in dem betreffenden Teil des Vereinigten Königreichs registriert worden ist. 154

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V O über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I)

Artikel 39 (1) Der Antrag ist an das Gericht oder die sonst befugte Stelle zu richten, die in Anhang II aufgeführt ist. (2) Die örtliche Zuständigkeit wird durch den Wohnsitz des Schuldners oder durch den Ort, an dem die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll, bestimmt. Artikel 4 0 (1) Für die Stellung des Antrags ist das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats maßgebend. (2) Der Antragsteller hat im Bezirk des angerufenen Gerichts ein Wahldomizil zu begründen. Ist das Wahldomizil im Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats nicht vorgesehen, so hat der Antragsteller einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. (3) Dem Antrag sind die in Artikel 53 angeführten Urkunden beizufügen. Artikel 41 Sobald die in Artikel 53 vorgesehenen Förmlichkeiten erfüllt sind, wird die Entscheidung unverzüglich für vollstreckbar erklärt, ohne dass eine Prüfung nach den Artikeln 34 und 35 erfolgt. Der Schuldner erhält in diesem Abschnitt des Verfahrens keine Gelegenheit, eine Erklärung abzugeben. Artikel 4 2 (1) Die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung wird dem Antragsteller unverzüglich in der Form mitgeteilt, die das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats vorsieht. (2) Die Vollstreckbarerklärung und, soweit dies noch nicht geschehen ist, die Entscheidung werden dem Schuldner zugestellt. Artikel 43 (1) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung kann jede Partei einen Rechtsbehelf einlegen. (2) Der Rechtsbehelf wird bei dem in Anhang III aufgeführten Gericht eingelegt. (3) Über den Rechtsbehelf wird nach den Vorschriften entschieden, die für Verfahren mit beiderseitigem rechtlichen Gehör maßgebend sind. (4) Lässt sich der Schuldner auf das Verfahren vor dem mit dem Rechtsbehelf des Antragstellers befassten Gericht nicht ein, so ist Artikel 26 Absätze 2 bis 4 auch dann anzuwenden, wenn der Schuldner seinen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat. (5) Der Rechtsbehelf gegen die Vollstreckbarerklärung ist innerhalb eines Monats nach ihrer Zustellung einzulegen. H a t der Schuldner seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als dem, in dem die VollstreckbarRolf A. Schütze

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erklärung ergangen ist, so beträgt die Frist für den Rechtsbehelf zwei Monate und beginnt von dem Tage an zu laufen, an dem die Vollstreckbarerklärung ihm entweder in Person oder in seiner Wohnung zugestellt worden ist. Eine Verlängerung dieser Frist wegen weiter Entfernung ist ausgeschlossen.

Artikel 4 4 Gegen die Entscheidung, die über den Rechtsbehelf ergangen ist, kann nur ein Rechtsbehelf nach Anhang IV eingelegt werden. Artikel 45 (1) Die Vollstreckbarerklärung darf von dem mit einem Rechtsbehelf nach Artikel 43 oder Artikel 4 4 befassten Gericht nur aus einem der in den Artikeln 34 und 35 aufgeführten Gründe versagt oder aufgehoben werden. Das Gericht erlässt seine Entscheidung unverzüglich. (2) Die ausländische Entscheidung darf keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden. Artikel 46 (1) Das nach Artikel 43 oder Artikel 4 4 mit dem Rechtsbehelf befasste Gericht kann auf Antrag des Schuldners das Verfahren aussetzen, wenn gegen die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt oder die Frist für einen solchen Rechtsbehelf noch nicht verstrichen ist; in letzterem Fall kann das Gericht eine Frist bestimmen, innerhalb deren der Rechtsbehelf einzulegen ist. (2) Ist die Entscheidung in Irland oder im Vereinigten Königreich ergangen, so gilt jeder im Ursprungsmitgliedstaat statthafte Rechtsbehelf als ordentlicher Rechtsbehelf im Sinne von Absatz 1. (3) Das Gericht kann auch die Zwangsvollstreckung von der Leistung einer Sicherheit, die es bestimmt, abhängig machen. Artikel 4 7 (1) Ist eine Entscheidung nach dieser Verordnung anzuerkennen, so ist der Antragsteller nicht daran gehindert, einstweilige Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind, nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats in Anspruch zu nehmen, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung nach Artikel 41 bedarf. (2) Die Vollstreckbarerklärung gibt die Befugnis, solche Maßnahmen zu veranlassen. (3) Solange die in Artikel 43 Absatz 5 vorgesehene Frist für den Rechtsbehelf gegen die Vollstreckbarerklärung läuft und solange über den Rechtsbehelf nicht entschieden ist, darf die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners nicht über Maßnahmen zur Sicherung hinausgehen. 156

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VO über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I)

Artikel 48 (1) Ist durch die ausländische Entscheidung über mehrere mit der Klage geltend gemachte Ansprüche erkannt und kann die Vollstreckbarerklärung nicht für alle Ansprüche erteilt werden, so erteilt das Gericht oder die sonst befugte Stelle sie für einen oder mehrere dieser Ansprüche. (2) Der Antragsteller kann beantragen, dass die Vollstreckbarerklärung nur für einen Teil des Gegenstands der Verurteilung erteilt wird. Artikel 49 Ausländische Entscheidungen, die auf Zahlung eines Zwangsgelds lauten, sind im Vollstreckungsmitgliedstaat nur vollstreckbar, wenn die Höhe des Zwangsgelds durch die Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats endgültig festgesetzt ist. Artikel 50 Ist dem Antragsteller im Ursprungsmitgliedstaat ganz oder teilweise Prozesskostenhilfe oder Kosten- und Gebührenbefreiung gewährt worden, so genießt er in dem Verfahren nach diesem Abschnitt hinsichtlich der Prozesskostenhilfe oder der Kosten- und Gebührenbefreiung die günstigste Behandlung, die das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats vorsieht. Artikel 51 Der Partei, die in einem Mitgliedstaat eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidung vollstrecken will, darf wegen ihrer Eigenschaft als Ausländer oder wegen Fehlens eines inländischen Wohnsitzes oder Aufenthalts eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung, unter welcher Bezeichnung es auch sei, nicht auferlegt werden. Artikel 52 Im Vollstreckungsmitgliedstaat dürfen im Vollstreckbarerklärungsverfahren keine nach dem Streitwert abgestuften Stempelabgaben oder Gebühren erhoben werden.

Abschnitt 3 Gemeinsame Vorschriften Artikel 53 (1) Die Partei, die die Anerkennung einer Entscheidung geltend macht oder eine Vollstreckbarerklärung beantragt, hat eine Ausfertigung der Entscheidung vorzulegen, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. (2) Unbeschadet des Artikels 55 hat die Partei, die eine Vollstreckbarerklärung beantragt, ferner die Bescheinigung nach Artikel 54 vorzulegen. Rolf A. Schütze

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Artikel 5 4 D a s Gericht oder die sonst befugte Stelle des Mitgliedstaats, in dem die Entscheidung ergangen ist, stellt a u f Antrag die Bescheinigung unter Verwendung des F o r m blatts in Anhang V dieser Verordnung aus.

Artikel 5 5 (1) W i r d die Bescheinigung nach Artikel 5 4 nicht vorgelegt, so kann das Gericht oder die sonst befugte Stelle eine Frist bestimmen, innerhalb deren die Bescheinigung vorzulegen ist, oder sich mit einer gleichwertigen Urkunde begnügen oder von der Vorlage der Bescheinigung befreien, wenn es oder sie eine weitere Klärung nicht für erforderlich hält. (2) A u f Verlangen des Gerichts oder der sonst befugten Stelle ist eine Übersetzung der Urkunden vorzulegen. Die Übersetzung ist von einer hierzu in einem der Mitgliedstaaten befugten Person zu beglaubigen.

Artikel 5 6 Die in Artikel 5 3 und in Artikel 5 5 Absatz 2 angeführten Urkunden sowie die Urkunde über die Prozessvollmacht, falls eine solche erteilt wird, bedürfen weder der Legalisation n o c h einer ähnlichen Förmlichkeit.

K A P I T E L IV

ÖFFENTLICHE URKUNDEN UND PROZESSVERGLEICHE Artikel 5 7 (1) Öffentliche Urkunden, die in einem Mitgliedstaat aufgenommen und vollstreckbar sind, werden in einem anderen Mitgliedstaat a u f Antrag in dem Verfahren nach den Artikeln 3 8 ff. für vollstreckbar erklärt. Die Vollstreckbarerklärung ist von dem mit einem Rechtsbehelf nach Artikel 4 3 oder Artikel 4 4 befassten Gericht nur zu versagen oder aufzuheben, wenn die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde der öffentlichen O r d n u n g (ordre public) des Vollstreckungsmitgliedstaats offensichtlich widersprechen würde. (2) Als öffentliche Urkunden im Sinne von Absatz 1 werden auch vor Verwaltungsbehörden geschlossene oder von ihnen beurkundete Unterhaltsvereinbarungen oder -Verpflichtungen angesehen. (3) Die vorgelegte Urkunde muss die Voraussetzungen für ihre Beweiskraft erfüllen, die in dem Mitgliedstaat, in dem sie a u f g e n o m m e n wurde, erforderlich sind. (4) Die Vorschriften des Abschnitts 3 des Kapitels III sind sinngemäß anzuwenden. Die befugte Stelle des Mitgliedstaats, in dem eine öffentliche Urkunde aufgen o m m e n worden ist, stellt a u f Antrag die Bescheinigung unter Verwendung des F o r m b l a t t s in Anhang V I dieser Verordnung aus. 158

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V O über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I)

Artikel 5 8 Vergleiche, die vor einem Gericht im Laufe eines Verfahrens geschlossen und in dem Mitgliedstaat, in dem sie errichtet wurden, vollstreckbar sind, werden in dem Vollstreckungsmitgliedstaat unter denselben Bedingungen wie öffentliche Urkunden vollstreckt. Das Gericht oder die sonst befugte Stelle des Mitgliedstaats, in dem ein Prozessvergleich geschlossen worden ist, stellt auf Antrag die Bescheinigung unter Verwendung des Formblatts in Anhang V dieser Verordnung aus.

KAPITEL V

ALLGEMEINE VORSCHRIFTEN Artikel 5 9 (1) Ist zu entscheiden, o b eine Partei im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, dessen Gerichte angerufen sind, einen Wohnsitz hat, so wendet das Gericht sein Recht an. (2) Hat eine Partei keinen Wohnsitz in dem Mitgliedstaat, dessen Gerichte angerufen sind, so wendet das Gericht, wenn es zu entscheiden hat, o b die Partei einen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, das Recht dieses Mitgliedstaats an.

Artikel 6 0 (1) Gesellschaften und juristische Personen haben für die Anwendung dieser Verordnung ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich a) ihr satzungsmäßiger Sitz, b) ihre Hauptverwaltung oder c) ihre Hauptniederlassung befindet. (2) Im Falle des Vereinigten Königreichs und Irlands ist unter dem Ausdruck „satzungsmäßiger Sitz" das registered office oder, wenn ein solches nirgendwo besteht, der place of incorporation (Ort der Erlangung der Rechtsfähigkeit) oder, wenn ein solcher nirgendwo besteht, der Ort, nach dessen Recht die formation (Gründung) erfolgt ist, zu verstehen. (3) Um zu bestimmen, o b ein trust seinen Sitz in dem Vertragsstaat hat, bei dessen Gerichten die Klage anhängig ist, wendet das Gericht sein Internationales Privatrecht an.

Artikel 61 Unbeschadet günstigerer innerstaatlicher Vorschriften können Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben und die vor den Strafgerichten eines anderen Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, wegen einer fahrlässig begangenen Straftat verfolgt werden, sich von hierzu befugten Personen vertreten lassen, selbst wenn sie persönlich nicht erscheinen. Das Gericht kann jedoch das persönliche Erscheinen anordnen; wird diese Anordnung R o l f A . Schütze

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nicht befolgt, so braucht die Entscheidung, die über den Anspruch aus einem Rechtsverhältnis des Zivilrechts ergangen ist, ohne dass sich der Angeklagte verteidigen konnte, in den anderen Mitgliedstaaten weder anerkannt noch vollstreckt zu werden.

Artikel 62 Bei den summarischen Verfahren betalningsföreläggande (Mahnverfahren) und handräckning (Beistandsverfahren) in Schweden umfasst der Begriff „Gericht" auch die schwedische kronofogdemyndighet (Amt für Beitreibung). Artikel 63 (1) Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet Luxemburgs hat und vor dem Gericht eines anderen Mitgliedstaats aufgrund des Artikels 5 Nummer 1 verklagt wird, hat die Möglichkeit, die Unzuständigkeit dieses Gerichts geltend zu machen, wenn sich der Bestimmungsort für die Lieferung beweglicher Sachen oder die Erbringung von Dienstleistungen in Luxemburg befindet. (2) Befindet sich der Bestimmungsort für die Lieferung beweglicher Sachen oder die Erbringung von Dienstleistungen nach Absatz 1 in Luxemburg, so ist eine Gerichtsstandsvereinbarung nur rechtswirksam, wenn sie schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung im Sinne von Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe a) angenommen wurde. (3) Der vorliegende Artikel ist nicht anwendbar auf Verträge über Finanzdienstleistungen. (4) Dieser Artikel gilt für die Dauer von sechs Jahren ab Inkrafttreten dieser Verordnung. Artikel 64 (1) Bei Streitigkeiten zwischen dem Kapitän und einem Mitglied der Mannschaft eines in Griechenland oder in Portugal eingetragenen Seeschiffs über die Heuer oder sonstige Bedingungen des Dienstverhältnisses haben die Gerichte eines Mitgliedstaats zu überprüfen, ob der für das Schiff zuständige diplomatische oder konsularische Vertreter von der Streitigkeit unterrichtet worden ist. Sie können entscheiden, sobald dieser Vertreter unterrichtet ist. (2) Dieser Artikel gilt für die Dauer von sechs Jahren ab Inkrafttreten dieser Verordnung. Artikel 65 (1) Die in Artikel 6 Nummer 2 und Artikel 11 für eine Gewährleistungs- oder Interventionsklage vorgesehene Zuständigkeit kann weder in Deutschland noch in Österreich geltend gemacht werden. Jede Person, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, kann vor Gericht geladen werden a) in Deutschland nach den § § 6 8 und 72 bis 74 der Zivilprozessordnung, die für die Streitverkündung gelten, b) in Österreich nach § 21 der Zivilprozessordnung, der für die Streitverkündung gilt. 160

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V O über die gerichtliche Z u s t ä n d i g k e i t in Zivil- und H a n d e l s s a c h e n (Brüssel I)

(2) Entscheidungen, die in den anderen Mitgliedstaaten aufgrund des Artikels 6 Nummer 2 und des Artikels 11 ergangen sind, werden in Deutschland und in Österreich nach Kapitel III anerkannt und vollstreckt. Die Wirkungen, welche die in diesen Staaten ergangenen Entscheidungen nach Absatz 1 gegenüber Dritten haben, werden auch in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt.

KAPITEL VI

ÜBERGANGSVORSCHRIFTEN Artikel 66 (1) Die Vorschriften dieser Verordnung sind nur auf solche Klagen und öffentliche Urkunden anzuwenden, die erhoben bzw. aufgenommen worden sind, nachdem diese Verordnung in Kraft getreten ist. (2) Ist die Klage im Ursprungsmitgliedstaat vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung erhoben worden, so werden nach diesem Zeitpunkt erlassene Entscheidungen nach Maßgabe des Kapitels III anerkannt und zur Vollstreckung zugelassen, a) wenn die Klage im Ursprungsmitgliedstaat erhoben wurde, nachdem das Brüsseler Übereinkommen oder das Übereinkommen von Lugano sowohl im Ursprungsmitgliedstaat als auch in dem Mitgliedstaat, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, in Kraft getreten war; b) in allen anderen Fällen, wenn das Gericht aufgrund von Vorschriften zuständig war, die mit den Zuständigkeitsvorschriften des Kapitels II oder eines Abkommens übereinstimmen, das im Zeitpunkt der Klageerhebung zwischen dem Ursprungsmitgliedstaat und dem Mitgliedstaat, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, in Kraft war.

KAPITEL VII

VERHÄLTNIS ZU ANDEREN RECHTSINSTRUMENTEN Artikel 6 7 Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung der Bestimmungen, die für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit oder die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen regeln und in gemeinschaftlichen Rechtsakten oder in dem in Ausführung dieser Akte harmonisierten einzelstaatlichen Recht enthalten sind.

Artikel 68 (1) Diese Verordnung tritt im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten an die Stelle des Brüsseler Übereinkommens, außer hinsichtlich der Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten, die in den territorialen Anwendungsbereich dieses ÜbereinkomR o l f A . Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

mens fallen und aufgrund der Anwendung von Artikel 299 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft von der vorliegenden Verordnung ausgeschlossen sind. (2) Soweit diese Verordnung die Bestimmungen des Brüsseler Übereinkommens zwischen den Mitgliedstaaten ersetzt, gelten Verweise auf dieses Übereinkommen als Verweise auf die vorliegende Verordnung.

Artikel 69 Diese Verordnung ersetzt unbeschadet des Artikels 66 Absatz 2 und des Artikels 70 im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten die nachstehenden Abkommen und Verträge: - das am 8. Juli 1899 in Paris unterzeichnete belgisch-französische Abkommen über die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung und die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen und öffentlichen Urkunden; - das am 28. März 1925 in Brüssel unterzeichnete belgisch-niederländische Abkommen über die Zuständigkeit der Gerichte, den Konkurs sowie die Anerkennung und die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen und öffentlichen Urkunden; - das am 3. Juni 1930 in Rom unterzeichnete französisch-italienische Abkommen über die Vollstreckung gerichtlicher Urteile in Zivil- und Handelssachen; - das am 9. März 1936 in Rom unterzeichnete deutsch-italienische Abkommen über die Anerkennung und Vollsteckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen; - das am 25. Oktober 1957 in Wien unterzeichnete belgisch-österreichische Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und öffentlichen Urkunden betreffend Unterhaltsverpflichtungen; - das am 30. Juni 1958 in Bonn unterzeichnete deutsch-belgische Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen; - das am 17. April 1959 in Rom unterzeichnete niederländisch-italienische Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen; - den am 6. Juni 1959 in Wien unterzeichneten deutsch-österreichischen Vertrag über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen; - das am 16. Juni 1959 in Wien unterzeichnete belgisch-österreichische Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen und öffentlichen Urkunden auf dem Gebiet des Zivilund Handelsrechts; - den am 4. November 1961 in Athen unterzeichneten Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen; - das am 6. April 1962 in Rom unterzeichnete belgisch-italienische Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und anderen vollstreckbaren Titeln in Zivil- und Handelssachen; 162

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VO über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I)

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den am 3 0 . August 1 9 6 2 in Den Haag unterzeichneten deutsch-niederländischen Vertrag über gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen; das am 6. Februar 1 9 6 3 in Den Haag unterzeichnete niederländisch-österreichische Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und öffentlichen Urkunden auf dem Gebiet des Zivil- und Handelsrechts; das am 15. Juli 1 9 6 6 in Wien unterzeichnete französisch-österreichische Abkommen über die Anerkennung und die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und öffentlichen Urkunden auf dem Gebiet des Zivil- und Handelsrechts; das am 2 8 . M a i 1 9 6 9 in Paris unterzeichnete französisch-spanische Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen in Zivil- und Handelssachen; das am 29. Juli 1971 in Luxemburg unterzeichnete luxemburgisch-österreichische Abkommen über die Anerkennung und die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und öffentlichen Urkunden auf dem Gebiet des Zivil- und Handelsrechts; das am 16. November 1971 in R o m unterzeichnete italienisch-österreichische Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, von gerichtlichen Vergleichen und von Notariatsakten; das am 2 2 . M a i 1 9 7 3 in Madrid unterzeichnete italienisch-spanische Abkommen über die Rechtshilfe und die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen; das am 11. Oktober 1 9 7 7 in Kopenhagen unterzeichnete Übereinkommen zwischen Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivilsachen; das am 16. September 1 9 8 2 in Stockholm unterzeichnete österreichisch-schwedische Abkommen über die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilsachen; den am 14. November 1 9 8 3 in Bonn unterzeichneten deutsch-spanischen Vertrag über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Vergleichen sowie vollstreckbaren öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen; das am 17. Februar 1 9 8 4 in Wien unterzeichnete österreichisch-spanische Abkommen über die Anerkennung und die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und vollstreckbaren öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen; das am 17. November 1 9 8 6 in Wien unterzeichnete finnisch-österreichische Abkommen über die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilsachen;

und, insoweit als er in Kraft ist, -

den am 2 4 . November 1961 in Brüssel unterzeichneten belgisch-niederländischluxemburgischen Vertrag über die gerichtliche Zuständigkeit, den Konkurs, die Anerkennung und die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen und öffentlichen Urkunden. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

Artikel 70 (1) Die in Artikel 69 angeführten Abkommen und Verträge behalten ihre Wirksamkeit für die Rechtsgebiete, auf die diese Verordnung nicht anzuwenden ist. (2) Sie bleiben auch weiterhin für die Entscheidungen und die öffentlichen Urkunden wirksam, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung ergangen oder aufgenommen sind.

Artikel 71 (1) Diese Verordnung lässt Übereinkommen unberührt, denen die Mitgliedstaaten angehören und die für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung oder die Vollstreckung von Entscheidungen regeln. (2) Um eine einheitliche Auslegung des Absatzes 1 zu sichern, wird dieser Absatz in folgender Weise angewandt: a) Diese Verordnung schließt nicht aus, dass ein Gericht eines Mitgliedstaats, der Vertragspartei eines Übereinkommens über ein besonderes Rechtsgebiet ist, seine Zuständigkeit auf ein solches Übereinkommen stützt, und zwar auch dann, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, der nicht Vertragspartei eines solchen Übereinkommens ist. In jedem Fall wendet dieses Gericht Artikel 26 dieser Verordnung an. b) Entscheidungen, die in einem Mitgliedstaat von einem Gericht erlassen worden sind, das seine Zuständigkeit auf ein Übereinkommen über ein besonderes Rechtsgebiet gestützt hat, werden in den anderen Mitgliedstaaten nach dieser Verordnung anerkannt und vollstreckt. Sind der Ursprungsmitgliedstaat und der ersuchte Mitgliedstaat Vertragsparteien eines Übereinkommens über ein besonderes Rechtsgebiet, welches die Voraussetzungen für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen regelt, so gelten diese Voraussetzungen. In jedem Fall können die Bestimmungen dieser Verordnung über das Verfahren zur Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen angewandt werden.

Artikel 72 Diese Verordnung lässt Vereinbarungen unberührt, durch die sich die Mitgliedstaaten vor Inkrafttreten dieser Verordnung nach Artikel 59 des Brüsseler Übereinkommens verpflichtet haben, Entscheidungen der Gerichte eines anderen Vertragsstaats des genannten Übereinkommens gegen Beklagte, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines dritten Staates haben, nicht anzuerkennen, wenn die Entscheidungen in den Fällen des Artikels 4 des genannten Übereinkommens nur in einem der in Artikel 3 Absatz 2 des genannten Übereinkommens angeführten Gerichtsstände ergehen können.

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KAPITEL VIII

SCHLUSSVORSCHRIFTEN Artikel 73 Die Kommission legt dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Wirtschafts- und Sozialausschuss spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten dieser Verordnung einen Bericht über deren Anwendung vor. Diesem Bericht sind gegebenenfalls Vorschläge zur Anpassung der Verordnung beizufügen.

Artikel 74 (1) Die Mitgliedstaaten notifizieren der Kommission die Texte, durch welche die Listen in den Anhängen I bis IV geändert werden. Die Kommission passt die betreffenden Anhänge entsprechend an. (2) Aktualisierungen oder technische Anpassungen der in den Anhängen V und VI wiedergegebenen Formblätter werden nach dem in Artikel 75 Absatz 2 genannten Beratungsverfahren beschlossen.

Artikel 75 (1) Die Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt. (2) Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gelten die Artikel 3 und 7 des Beschlusses 1999/468/EG. (3) Der Ausschuss gibt sich eine Geschäftsordnung.

Artikel 76 Diese Verordnung tritt am 1. März 2002 in Kraft. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft unmittelbar in den Mitgliedstaaten.

ANHANG I Innerstaatliche Zuständigkeitsvorschriften im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 und Artikel 4 Absatz 2 Die innerstaatlichen Zuständigkeitsvorschriften im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 und Artikel 4 Absatz 2 sind die folgenden: - in Belgien: Artikel 15 des Zivilgesetzbuches (Code civil - Burgerlijk Wetboek) sowie Artikel 638 der Zivilprozessordnung (Code judiciaire - Gerechtelijk Wetboek); - in Deutschland: § 23 der Zivilprozessordnung; Rolf A. Schütze

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- in Griechenland: Artikel 40 der Zivilprozessordnung (Κώδικας Πολιτικής Δικονομίας); - in Frankreich: Artikel 14 und 15 des Zivilgesetzbuches (Code civil); - in Irland: Vorschriften, nach denen die Zuständigkeit durch Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks an den Beklagten während dessen vorübergehender Anwesenheit in Irland begründet wird; - in Italien: Artikel 3 und 4 des Gesetzes Nr. 218 vom 31. Mai 1995; - in Luxemburg: Artikel 14 und 15 des Zivilgesetzbuches (Code civil); - in den Niederlanden: Artikel 126 Absatz 3 und Artikel 127 der Zivilprozessordnung (Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering); - in Österreich: § 99 der Jurisdiktionsnorm; - in Portugal: Artikel 65 und Artikel 65 Α der Zivilprozessordnung (Codigo de Processo Civil) und Artikel 11 der Arbeitsprozessordnung (Codigo de Processo de Trabalho); - in Finnland: Kapitel 10 § 1 Absatz 1 Sätze 2, 3 und 4 der Prozessordnung (oikeudenkäymiskaari/rättegängsbalken); - in Schweden: Kapitel 10 § 3 Absatz 1 Satz 1 der Prozessordnung (rättegängsbalken). - im Vereinigten Königreich: Vorschriften, nach denen die Zuständigkeit begründet wird durch: a) die Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks an den Beklagten während dessen vorübergehender Anwesenheit im Vereinigten Königreich; b) das Vorhandensein von Vermögenswerten des Beklagten im Vereinigten Königreich oder c) die Beschlagnahme von Vermögenswerten im Vereinigten Königreich durch den Kläger.

A N H A N G II Anträge nach Artikel 39 sind bei folgenden Gerichten oder sonst befugten Stellen einzubringen: - in Belgien beim tribunal de premiere instance oder bei der rechtbank van eerste aanleg oder beim erstinstanzlichen Gericht; - in Deutschland beim Vorsitzenden einer Kammer des Landgerichts; - in Griechenland beim Μονομελές Πρωτοδικείο; - in Spanien beim Juzgado de Primera Instancia; - in Frankreich beim Präsidenten des tribunal de grande instance; - in Irland beim High Court; - in Italien bei der Corte d'appello; - in Luxemburg beim Präsidenten des tribunal d'arrondissement; - in den Niederlanden beim Präsidenten der arrondissementsrechtbank; - in Österreich beim Bezirksgericht; - in Portugal beim Tribunal de Comarca; - in Finnland beim käräjäoikeus/tingsrätt; - in Schweden beim Svea hovrätt; - im Vereinigten Königreich: a) in England und Wales beim High Court of Justice oder für Entscheidungen in Unterhaltssachen beim Magistrates' Court über den Secretary of State; b) in Schottland beim Court of Session oder für Entscheidungen in Unterhaltssachen beim Sheriff Court über den Secretary of State; 166

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c) in Nordirland beim High Court of Justice oder für Entscheidungen in Unterhaltssachen beim Magistrates' Court über den Secretary of State. d) In Gibraltar beim Supreme Court of Gibraltar oder für Entscheidungen in Unterhaltssachen beim Magistrates' Court über den Attorney General of Gibraltar.

A N H A N G III Die Rechtsbehelfe nach Artikel 43 Absatz 2 sind bei folgenden Gerichten der Mitgliedstaaten einzulegen: - in Belgien: a) im Falle des Schuldners beim tribunal de premiere instance oder bei der rechtbank van eerste aanleg oder beim erstinstanzlichen Gericht; b) im Falle des Antragstellers bei der cour d'appel oder beim hof van beroep; - in Deutschland beim Oberlandesgericht; - in Griechenland beim Εφετείο; - in Spanien bei der Audiencia Provincial; - in Frankreich bei der cour d'appel; - in Irland beim High Court; - in Italien bei der corte d'appello; - in Luxemburg bei der Cour superieure de Justice als Berufungsinstanz für Zivilsachen; - in den Niederlanden: a) im Falle des Schuldners bei der arrondissementsrechtbank, b) im Falle des Antragstellers beim gerechtshof; - in Österreich beim Bezirksgericht; - in Portugal beim Tribunal de Rela9äo; - in Finnland hovioikeus/hovrätt; - in Schweden beim Svea hovrätt; - im Vereinigten Königreich: a) in England und Wales beim High Court of Justice oder für Entscheidungen in Unterhaltssachen beim Magistrates' Court; b) in Schottland beim Court of Session oder für Entscheidungen in Unterhaltssachen beim Sheriff Court; c) in Nordirland beim High Court of Justice oder für Entscheidungen in Unterhaltssachen beim Magistrates' Court; d) in Gibraltar beim Supreme Court of Gibraltar oder für Entscheidungen in Unterhaltssachen beim Magistrates' Court. A N H A N G IV N a c h Artikel 4 4 können folgende Rechtsbehelfe eingelegt werden: - in Belgien, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden: die Kassationsbeschwerde, - in Deutschland: die Rechtsbeschwerde, - in Irland: ein auf Rechtsfragen beschränkter Rechtsbehelf beim Supreme Court, - in Österreich: der Revisionsrekurs, - in Portugal: ein auf Rechtsfragen beschränkter Rechtsbehelf, Rolf A. Schütze

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- in Finnland: ein Rechtsbehelf beim korkein oikeus/högsta domstolen, - in Schweden: ein Rechtsbehelf beim Högsta domstolen, - im Vereinigten Königreich: ein einziger auf Rechtsfragen beschränkter Rechtsbehelf.

ANHANG V Bescheinigung nach den Artikeln 54 und 58 der Verordnung betreffend gerichtliche Entscheidungen und Prozessvergleiche (Deutsch, aleman, allemand, tedesco, ...) 1 Ursprungsmitgliedstaat 2 Gericht oder sonst befugte Stelle, das/die die vorliegende Bescheinigung ausgestellt hat 2.1 Name 2.2 Anschrift 2.3 Tel./Fax/E-mail 3 Gericht, das die Entscheidung erlassen hat/vor dem der Prozessvergleich geschlossen wurde * 3.1 Bezeichnung des Gerichts 3.2 Gerichtsort 4 Entscheidung/Prozessvergleich * 4.1 Datum 4.2 Aktenzeichen 4.3 Die Parteien der Entscheidung/des Prozessvergleichs * 4.3.1 Name(n) des (der) Kläger(s) 4.3.2 Name(n) des (der) Beklagten 4.3.3 gegebenenfalls Name(n) (der) anderen(r) Partei(en) 4.4 Datum der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks, wenn die Entscheidung in einem Verfahren erging, auf das sich der Beklagte nicht eingelassen hat 4.5 Wortlaut des Urteilsspruchs/des Prozessvergleichs* in der Anlage zu dieser Bescheinigung 5 Namen der Parteien, denen Prozesskostenhilfe gewährt wurde Die Entscheidung/der Prozessvergleich * ist im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar (Artikel 38 und 58 der Verordnung) gegen: Name: Geschehen zu Unterschrift und/oder Dienstsiegel

*

am

Nichtzutreffendes streichen.

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VO über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I). Anhang

A N H A N G VI Bescheinigung nach Artikel 5 7 Absatz 4 der Verordnung betreffend öffentliche Urkunden (Deutsch, alemän, allemand, tedesco, ...) 1 Ursprungsmitgliedstaat 2 Befugte Stelle, die die vorliegende Bescheinigung ausgestellt hat 2.1 Name 2 . 2 Anschrift 2.3 Tel./Fax/E-Mail 3 Befugte Stelle, aufgrund deren Mitwirkung eine öffentliche Urkunde vorliegt 3.1 Stelle, die an der Aufnahme der öffentlichen Urkunde beteiligt war (falls zutreffend) 3.1.1 Name und Bezeichnung dieser Stelle 3.1.2 Sitz dieser Stelle 3.2 Stelle, die die öffentliche Urkunde registriert hat (falls zutreffend) 3.2.1 Art der Stelle 3.2.2 Sitz dieser Stelle 4 Öffentliche Urkunde 4.1 Bezeichnung der Urkunde 4.2 Datum 4 . 2 . 1 an dem die Urkunde aufgenommen wurde 4 . 2 . 2 falls abweichend: an dem die Urkunde registriert wurde 4 . 3 Aktenzeichen 4 . 4 Die Parteien der Urkunde 4 . 4 . 1 Name des Gläubigers 4 . 4 . 2 Name des Schuldners 5 Wortlaut der vollstreckbaren Verpflichtung in der Anlage zu dieser Bescheinigung Die öffentliche Urkunde ist im Ursprungsmitgliedstaat gegen den Schuldner vollstreckbar (Artikel 5 7 Absatz 1 der Verordnung)

Geschehen zu

am

Unterschrift und/oder Dienstsiegel

Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

2. a. bb) VO (EG) Nr. 1347/2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten (Brüssel II) (ABl. 2 0 0 0 L 160, 19 ff., seit d e m 1 . 3 . 2 0 0 5 ersetzt d u r c h die V O (EG) Nr. 2201/2003). Vormerkung: D i e V O (EG) N r . 1 3 4 7 / 2 0 0 0 e r g ä n z t die E u G W O . Sie soll d a s a u s g e s c h l o s s e n e R e c h t s g e b i e t des A r t . 1 A b s . 2 lit. a E u G W O auf d e m G e b i e t d e r S c h e i d u n g regeln. Sie e r f a s s t n i c h t n u r G e s t a l t u n g s - , s o n d e r n a u c h Feststellungsv e r f a h r e n 1 . Sie ersetzt in i h r e m A n w e n d u n g s b e r e i c h d a s n a t i o n a l e R e c h t , so in D e u t s c h l a n d § 6 0 6 a Z P O . D e m R e g e l w e r k w a r n u r ein k u r z e s L e b e n b e s c h i e d e n . Die V O Brüssel II ist m i t W i r k u n g v o n l . M ä r z 2 0 0 5 d u r c h die V O Brüssel IIa ersetzt u n d a b g e l ö s t w o r d e n . Geltungsbereich: Alle E U - S t a a t e n ( a u ß e r D ä n e m a r k ) Literatur: Becker-Eberhard Die Sinnhaftigkeit der Zuständigkeitsordnung der EG-VO Nr. 1347/2000 („Brüssel II"), FS Beys, 2003, S. 93 ff.; Boele-Woelki Brüssel II: Die Verordnung über die Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen, ZfRV 2001, 121 ff.; Coester-Waltjen „Brüssel II" und das Haager Kindesentführungsübereinkommen, FS Lorenz, 2001, 305 ff.; Hau Das System der internationalen Entscheidungszuständigkeit im europäischen Eheverfahrensrecht, FamRZ 2000, 1333 ff.; ders. Internationales Eheverfahrensrecht in der Europäischen Union, FamRZ 1999, 484ff.; Helms Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen im Europäischen Eheverfahrensrecht, FamRZ 2001, 257ff.; Kohler Internationales Verfahrensrecht für Ehesachen in der Europäischen Union: Die Verordnung „Brüssel II", N J W 2001, 10ff.; Niklas Die europäische Zuständigkeitsordnung in Ehe- und Kindschaftssachen, 2003; Rauscher Leidet der Schutz der Ehescheidungsfreiheit unter der VO Brüssel II?, FS Geimer, 2002, S. 883 ff.; Vogel Internationales Familienrecht - Änderungen und Auswirkungen durch die neue EU-Verordnung, M D R 2000, 1045 ff.; Wagner Die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen nach der Brüssel Ii-Verordnung, IPRax 2001, 73 ff.

1

Vgl. Geimer/Schütze Europäisches Zivilverfahrensrecht, A.2, Art. 1 V O (EG) Nr. 1347/2000, R d n . 1; Hau Das System der internationalen Entscheidungszuständigkeit im europäischen Eheverfahrensrecht, F a m R Z 2000, 1333 ff.

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Rolf A. Schütze

V O über die gerichtliche Zuständigkeit in Ehesachen (Brüssel II)

Text

Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten Amtsblatt Nr. L 160 vom 30.06.2000, S. 19-36

Erwägungen: (1) Die Mitgliedstaaten haben sich zum Ziel gesetzt, die Union als einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem der freie Personenverkehr gewährleistet ist, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Zum schrittweisen Aufbau dieses Raums hat die Gemeinschaft unter anderem im Bereich der justitiellen Zusammenarbeit in Zivilsachen die für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Maßnahmen zu erlassen. (2) Für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts muß der freie Verkehr der Entscheidungen in Zivilsachen verbessert und beschleunigt werden. (3) Dieser Bereich unterliegt nunmehr der justitiellen Zusammenarbeit in Zivilsachen im Sinne von Artikel 65 des Vertrags. (4) Die Unterschiede zwischen bestimmten einzelstaatlichen Zuständigkeitsregeln und bestimmten Rechtsvorschriften über die Vollstreckung von Entscheidungen erschweren sowohl den freien Personenverkehr als auch das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts. Es ist daher gerechtfertigt, Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Ehesachen und in Verfahren über die elterliche Verantwortung zur vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung von Entscheidungen und deren Vollstreckung zu vereinfachen. (5) Nach Maßgabe des in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsund Verhältnismäßigkeitsprinzips können die Ziele dieser Verordnung auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden; sie können daher besser auf Gemeinschaftsebene verwirklicht werden. Diese Verordnung geht nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus. (6) Der Rat hat mit Rechtsakt vom 28. Mai 1 9 9 8 2 ein Übereinkommen über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen erstellt und das Übereinkommen den Mitgliedstaaten zur Annahme gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften empfohlen. Die bei der Aushandlung dieses Übereinkommens erzielten Ergebnisse sollten gewahrt werden; diese Verordnung übernimmt den wesentlichen Inhalt des Übereinkommens. Sie enthält jedoch einige nicht im Übereinkommen enthaltene neue Bestimmungen, um eine Übereinstimmung mit einigen Bestimmungen der vorgeschlagenen Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen in Zivilund Handelssachen sicherzustellen.

ABl. C 221 vom 16.7.1998, S. 1. Der Rat hat am Tag der Fertigstellung des Übereinkommens den erläuternden Bericht zu dem Übereinkommen von Frau Professor Alegria Borras zur Kenntnis

genommen. Dieser erläuternde Bericht ist auf Seite 2 7 ff. des vorstehenden Amtsblatts enthalten.

Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

(7) Um den freien Verkehr der Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren über die elterliche Verantwortung innerhalb der Gemeinschaft zu gewährleisten, ist es angemessen und erforderlich, daß die grenzübergreifende Anerkennung der Zuständigkeiten und der Entscheidungen über die Auflösung einer Ehe und über die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten im Wege eines Gemeinschaftsrechtsakts erfolgt, der verbindlich und unmittelbar anwendbar ist. (8) In der vorliegenden Verordnung sind kohärente und einheitliche Maßnahmen vorzusehen, die einen möglichst umfassenden Personenverkehr ermöglichen. Daher muß die Verordnung auch auf Staatsangehörige von Drittstaaten Anwendung finden, bei denen eine hinreichend enge Verbindung zu dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats gemäß den in der Verordnung vorgesehenen Zuständigkeitskriterien gegeben ist. (9) Der Anwendungsbereich dieser Verordnung sollte zivilgerichtliche Verfahren sowie außergerichtliche Verfahren einschließen, die in einigen Mitgliedstaaten in Ehesachen zugelassen sind, mit Ausnahme von Verfahren, die nur innerhalb einer Religionsgemeinschaft gelten. Es muß daher darauf hingewiesen werden, daß die Bezeichnung „Gericht" alle gerichtlichen und außergerichtlichen Behörden einschließt, die für Ehesachen zuständig sind. (10) Diese Verordnung sollte nur für Verfahren gelten, die sich auf die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe beziehen. Die Anerkennung einer Ehescheidung oder der Ungültigerklärung einer Ehe betrifft nur die Auflösung des Ehebandes. Dementsprechend erstreckt sich die Anerkennung von Entscheidungen nicht auf Fragen wie das Scheidungsverschulden, das Ehegüterrecht, die Unterhaltspflicht oder sonstige mögliche Nebenaspekte, auch wenn sie mit dem vorgenannten Verfahren zusammenhängen. (11) Diese Verordnung betrifft die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten in Fragen, die in engem Zusammenhang mit einem Antrag auf Scheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe stehen. (12) Die Zuständigkeitskriterien gehen von dem Grundsatz aus, daß zwischen dem Verfahrensbeteiligten und dem Mitgliedstaat, der die Zuständigkeit wahrnimmt, eine tatsächliche Beziehung bestehen muß. Die Auswahl dieser Kriterien ist darauf zurückzuführen, daß sie in verschiedenen einzelstaatlichen Rechtsordnungen bestehen und von den anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden. (13) Eine Eventualität, die im Rahmen des Schutzes der gemeinsamen Kinder der Ehegatten bei einer Ehekrise berücksichtigt werden muß, besteht in der Gefahr, daß das Kind von einem Elternteil in ein anderes Land verbracht wird. Die grundlegenden Interessen der Kinder sind daher insbesondere in Übereinstimmung mit dem Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung zu schützen. Der rechtmäßige gewöhnliche Aufenthalt wird daher als Zuständigkeitskriterium auch in den Fällen beibehalten, in denen sich der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts aufgrund eines widerrechtlichen Verbringens oder Zurückhaltens des Kindes faktisch geändert hat. (14) Diese Verordnung hindert die Gerichte eines Mitgliedstaats nicht daran, in dringenden Fällen einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen in bezug auf Personen oder Vermögensgegenstände, die sich in diesem Staat befinden, anzuordnen. (15) Der Begriff „Entscheidung" bezieht sich nur auf Entscheidungen, mit denen eine Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe herbeigeführt wird. Öffentliche Urkunden, die im Ursprungsmitgliedstaat aufgenommen und vollstreckbar sind, sind solchen „Entscheidungen" gleichgestellt. 172

Rolf A. Schütze

V O über die gerichtliche Zuständigkeit in Ehesachen (Brüssel II)

(16) Die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen der Gerichte der Mitgliedstaaten beruhen auf dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens. Die Gründe für die Nichtanerkennung einer Entscheidung sind auf das notwendige Mindestmaß beschränkt. Im Rahmen des Verfahrens sollten allerdings Bestimmungen gelten, mit denen die Wahrung der öffentlichen Ordnung des ersuchten Staats und die Verteidigungsrechte der Parteien, einschließlich der persönlichen Rechte aller betroffenen Kinder, gewährleistet werden und zugleich vermieden wird, daß miteinander nicht zu vereinbarende Entscheidungen anerkannt werden. (17) Der ersuchte Staat darf weder die Zuständigkeit des Ursprungsstaats noch die Entscheidung in der Sache überprüfen. (18) Für die Beischreibung in den Personenstandsbüchern eines Mitgliedstaats aufgrund einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen rechtskräftigen Entscheidung kann kein besonderes Verfahren vorgeschrieben werden. (19) Das Übereinkommen von 1931 zwischen den nordischen Staaten sollte in den Grenzen dieser Verordnung weiter angewandt werden können. (20) Spanien, Italien und Portugal haben vor Aufnahme der in dieser Verordnung geregelten Materien in den EG-Vertrag Konkordate mit dem Heiligen Stuhl geschlossen. Es gilt daher zu vermeiden, daß diese Mitgliedstaaten gegen ihre internationalen Verpflichtungen gegenüber dem Heiligen Stuhl verstoßen. (21) Den Mitgliedstaaten muß es freistehen, untereinander Modalitäten zur Durchführung dieser Verordnung festzulegen, solange keine diesbezüglichen M a ß nahmen auf Gemeinschaftsebene getroffen wurden. (22) Die Anhänge I bis III betreffend die zuständigen Gerichte und die Rechtsbehelfe sollten von der Kommission anhand der von dem betreffenden Mitgliedstaat mitgeteilten Änderungen angepaßt werden. Änderungen der Anhänge IV und V sind gemäß dem Beschluß 1 9 9 9 / 4 6 8 / E G des Rates vom 2 8 . Juni 1 9 9 9 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse zu beschließen. (23) Spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten dieser Verordnung sollte die Kommission die Anwendung der Verordnung prüfen und gegebenenfalls erforderliche Änderungen vorschlagen. (24) Das Vereinigte Königreich und Irland haben gemäß Artikel 3 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands mitgeteilt, daß sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchten. (25) Dänemark wirkt gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position Dänemarks an der Annahme dieser Verordnung nicht mit. Diese Verordnung ist daher für diesen Staat nicht verbindlich und ihm gegenüber nicht anwendbar -

R o l f A . Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2 . Europäisches Recht, a) Verordnungen

KAPITEL I

ANWENDUNGSBEREICH Artikel 1 (1) Die vorliegende Verordnung ist anzuwenden auf a) zivilgerichtliche Verfahren, die die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe betreffen; b) zivilgerichtliche Verfahren, die die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten betreffen und aus Anlaß der unter Buchstabe a) genannten Verfahren in Ehesachen betrieben werden. (2) Gerichtlichen Verfahren stehen andere in einem Mitgliedstaat amtlich anerkannte Verfahren gleich. Die Bezeichnung „Gericht" schließt alle in Ehesachen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ein. (3) In dieser Verordnung bedeutet der Begriff „Mitgliedstaat" jeden Mitgliedstaat mit Ausnahme des Königreichs Dänemark. KAPITEL II

GERICHTLICHE ZUSTÄNDIGKEIT Abschnitt 1 Allgemeine Bestimmungen Artikel 2 Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und Ungültigerklärung einer Ehe (1) Für Entscheidungen, die die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe betreffen, sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, a) in dessen Hoheitsgebiet - beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder - die Ehegatten zuletzt beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern einer von ihnen dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder - der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder - im Falle eines gemeinsamen Antrags einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder - der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn er sich dort seit mindestens einem Jahr unmittelbar vor der Antragstellung aufgehalten hat, oder - der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn er sich dort seit mindestens sechs Monaten unmittelbar vor der Antragstellung aufgehalten hat und entweder Staatsangehöriger des betreffenden Mitgliedstaats ist oder, im Falle des Vereinigten Königreichs und Irlands, dort sein „domicile" hat; b) dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten besitzen, oder, im Falle des Vereinigten Königreichs und Irlands, in dem sie ihr gemeinsames „domicile" haben. (2) Der Begriff „domicile" im Sinne dieser Verordnung bestimmt sich nach britischem und irischem Recht. 174

Rolf A. Schütze

VO über die gerichtliche Zuständigkeit in Ehesachen (Brüssel II)

Artikel 3 Elterliche Verantwortung (1) Die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem nach Artikel 2 über einen Antrag auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe zu entscheiden ist, sind zuständig für alle Entscheidungen, die die elterliche Verantwortung für ein gemeinsames Kind der beiden Ehegatten betreffen, wenn dieses Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hat. (2) Hat das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in dem in Absatz 1 genannten Mitgliedstaat, so sind die Gerichte dieses Staates für diese Entscheidungen zuständig, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem der Mitgliedstaaten hat und a) zumindest einer der Ehegatten die elterliche Verantwortung für das Kind hat und b) die Zuständigkeit der betreffenden Gerichte von den Ehegatten anerkannt worden ist und im Einklang mit dem Wohl des Kindes steht. (3) Die Zuständigkeit gemäß den Absätzen 1 und 2 endet, a) sobald die stattgebende oder abweisende Entscheidung über den Antrag auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe rechtskräftig geworden ist oder aber b) in den Fällen, in denen zu dem unter Buchstabe a) genannten Zeitpunkt noch ein Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung anhängig ist, sobald die Entscheidung in diesem Verfahren rechtskräftig geworden ist oder aber c) sobald die unter den Buchstaben a) und b) genannten Verfahren aus einem anderen Grund beendet worden sind. Artikel 4 Kindesentführung Die nach Maßgabe von Artikel 3 zuständigen Gerichte haben ihre Zuständigkeit im Einklang mit den Bestimmungen des Haager Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung, insbesondere dessen Artikel 3 und 16, auszuüben. Artikel 5 Gegenantrag Das Gericht, bei dem ein Antrag auf der Grundlage der Artikel 2 bis 4 anhängig ist, ist auch für einen Gegenantrag zuständig, sofern dieser in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt. Artikel 6 Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung Unbeschadet des Artikels 2 ist das Gericht eines Mitgliedstaats, das eine Entscheidung über eine Trennung ohne Auflösung des Ehebandes erlassen hat, auch für die Umwandlung dieser Entscheidung in eine Ehescheidung zuständig, sofern dies im Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehen ist. Rolf A. Schütze

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Artikel 7 Ausschließlicher Charakter der Zuständigkeiten nach den Artikeln 2 bis 6 Gegen einen Ehegatten, der a) seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat oder b) Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist oder - im Falle des Vereinigten Königreichs und Irlands - sein „domicile" im Hoheitsgebiet eines dieser Mitgliedstaaten hat, darf ein Verfahren vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats nur nach Maßgabe der Artikel 2 bis 6 geführt werden.

Artikel 8 Restzuständigkeiten (1) Soweit sich aus den Artikeln 2 bis 6 keine Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats ergibt, bestimmt sich die Zuständigkeit in jedem Mitgliedstaat nach dessen eigenem Recht. (2) Jeder Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats hat, kann die in diesem Staat geltenden Zuständigkeitsvorschriften wie ein Inländer gegenüber einem Antragsgegner geltend machen, wenn dieser weder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat noch die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt oder - im Falle des Vereinigten Königreichs und Irlands - sein „domicile" im Hoheitsgebiet eines dieser Mitgliedstaaten hat.

Abschnitt 2 Prüfung der Zuständigkeit und der Zulässigkeit des Verfahrens Artikel 9 Prüfung der Zuständigkeit Das Gericht eines Mitgliedstaats hat sich von Amts wegen für unzuständig zu erklären, wenn es in einer Sache angerufen wird, für die es nach dieser Verordnung keine Zuständigkeit hat und für die das Gericht eines anderen Mitgliedstaats aufgrund dieser Verordnung zuständig ist.

Artikel 10 Prüfung der Zulässigkeit (1) Läßt sich eine Person, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in dem Mitgliedstaat hat, in welchem das Verfahren eingeleitet wurde, auf das Verfahren nicht ein, so hat das zuständige Gericht das Verfahren so lange auszusetzen, bis festgestellt 176

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VO über die gerichtliche Zuständigkeit in Ehesachen (Brüssel II)

ist, daß es dem Antragsgegner möglich war, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück so rechtzeitig zu empfangen, daß er sich verteidigen konnte, oder daß alle hierzu erforderlichen Maßnahmen getroffen worden sind. (2) An die Stelle von Absatz 1 tritt Artikel 19 der Verordnung (EG) Nr. 1348/ 2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten 3 , wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nach Maßgabe jener Verordnung von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu übermitteln war. (3) Sind die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 nicht anwendbar, so gilt Artikel 15 des Haager Übereinkommens vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nach Maßgabe des genannten Übereinkommens ins Ausland zu übermitteln war. Abschnitt 3 Rechtshängigkeit und abhängige Verfahren Artikel 11 (1) Werden bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Anträge wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien gestellt, so setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts geklärt ist. (2) Werden bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Anträge auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe, die nicht denselben Anspruch betreffen, zwischen denselben Parteien gestellt, so setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts geklärt ist. (3) Sobald die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, erklärt sich das später angerufene Gericht zugunsten dieses Gerichts für unzuständig. In diesem Fall kann der Antragsteller, der den Antrag bei dem später angerufenen Gericht gestellt hat, diesen Antrag dem zuerst angerufenen Gericht vorlegen. (4) Für die Zwecke dieses Artikels gilt ein Gericht als angerufen a) zu dem Zeitpunkt, zu dem das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück bei Gericht eingereicht worden ist, vorausgesetzt, daß der Antragsteller es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustellung des Schriftstücks an den Antragsgegner zu bewirken, oder b) falls die Zustellung an den Antragsgegner vor Einreichung des Schriftstücks bei Gericht zu bewirken ist, zu dem Zeitpunkt, zu dem die für die Zustellung verantwortliche Stelle das Schriftstück erhalten hat, vorausgesetzt, daß der Antragsteller es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um das Schriftstück bei Gericht einzureichen. Siehe Seite 3 7 dieses Amtsblatts.

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

Abschnitt 4 Einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen Artikel 12 In dringenden Fällen können die Gerichte eines Mitgliedstaats ungeachtet der Bestimmungen dieser Verordnung die nach dem Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehenen einstweiligen Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen in bezug auf in diesem Staat befindliche Personen oder Güter auch dann ergreifen, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache gemäß dieser Verordnung ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats zuständig ist. KAPITEL III

ANERKENNUNG UND VOLLSTRECKUNG Artikel 13 Bedeutung des Begriffs „Entscheidung" (1) Unter „Entscheidung" im Sinne dieser Verordnung ist jede von einem Gericht eines Mitgliedstaats erlassene Entscheidung über die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe sowie jede aus Anlaß eines solchen Verfahrens in Ehesachen ergangene Entscheidung über die elterliche Verantwortung der Ehegatten zu verstehen, ohne Rücksicht auf die Bezeichnung der jeweiligen Entscheidung, wie Urteil oder Beschluß. (2) Die Bestimmungen dieses Kapitels gelten auch für die Festsetzung der Kosten für die nach dieser Verordnung eingeleiteten Verfahren und die Vollstreckung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses. (3) Für die Durchführung dieser Verordnung werden öffentliche Urkunden, die in einem Mitgliedstaat aufgenommen und vollstreckbar sind, sowie vor einem Richter im Laufe eines Verfahrens geschlossene Vergleiche, die in dem Mitgliedstaat, in den sie zustande gekommen sind, vollstreckbar sind, unter denselben Bedingungen wie die in Absatz 1 genannten Entscheidungen anerkannt und für vollstreckbar erklärt. Abschnitt 1 Anerkennung Artikel 14 Anerkennung einer Entscheidung (1) Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen werden in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne daß es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. (2) Insbesondere bedarf es unbeschadet des Absatzes 3 keines besonderen Verfahrens für die Beischreibung in den Personenstandsbüchern eines Mitgliedstaats auf der Grundlage einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung über 178

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V O über die gerichtliche Zuständigkeit in Ehesachen (Brüssel II)

Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe, gegen die nach dessen Recht keine weiteren Rechtsbehelfe eingelegt werden können. (3) Jede Partei, die ein Interesse hat, kann im Rahmen der Verfahren nach den Abschnitten 2 und 3 dieses Kapitels die Feststellung beantragen, daß eine Entscheidung anzuerkennen oder nicht anzuerkennen ist. (4) Ist in einem Rechtsstreit vor einem Gericht eines Mitgliedstaats die Frage der Anerkennung einer Entscheidung als Vorfrage zu klären, so kann dieses Gericht hierüber befinden. Artikel 15 Gründe für die Nichtanerkennung einer Entscheidung (1) Eine Entscheidung, die die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe betrifft, wird nicht anerkannt, a) wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Mitgliedstaats, in dem sie beantragt wird, offensichtlich widerspricht; b) wenn dem Antragsgegner, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, daß er sich verteidigen konnte, es sei denn, es wird festgestellt, daß er mit der Entscheidung eindeutig einverstanden ist; c) wenn die Entscheidung mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die in einem Verfahren zwischen denselben Parteien in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung beantragt wird, ergangen ist; oder d) wenn die Entscheidung mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittland zwischen denselben Parteien ergangen ist, sofern die frühere Entscheidung die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung in dem Mitgliedstaat erfüllt, in dem die Anerkennung beantragt wird (2) Eine Entscheidung betreffend die elterliche Verantwortung, die aus Anlaß der in Artikel 13 genannten Verfahren in Ehesachen ergangen ist, wird nicht anerkannt, a) wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Mitgliedstaats, in dem sie beantragt wird, offensichtlich widerspricht, offensichtlich widerspricht, wobei das Wohl des Kindes zu berücksichtigen ist; b) wenn die Entscheidung - ausgenommen in dringenden Fällen - ergangen ist, ohne daß das Kind die Möglichkeit hatte, gehört zu werden, und damit wesentliche verfahrensrechtliche Grundsätze des Mitgliedstaats, in dem die Anerkennung beantragt wird, verletzt werden; c) wenn der betreffenden Person, die sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, daß sie sich verteidigen konnte, es sei denn, es wird festgestellt, daß sie mit der Entscheidung eindeutig einverstanden ist; d) wenn eine Person dies mit der Begründung beantragt, daß die Entscheidung in ihre elterliche Verantwortung eingreift, falls die Entscheidung ergangen ist, ohne daß die Person die Möglichkeit hatte, gehört zu werden; Rolf A. Schütze

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e) wenn die Entscheidung mit einer späteren Entscheidung betreffend die elterliche Verantwortung unvereinbar ist, die in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung beantragt wird, ergangen ist; oder f) wenn die Entscheidung mit einer späteren Entscheidung betreffend die elterliche Verantwortung unvereinbar ist, die in einem anderen Mitgliedstaat oder in dem Drittland, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ergangen ist, sofern die spätere Entscheidung die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung in dem Mitgliedstaat erfüllt, in dem die Anerkennung beantragt wird.

Artikel 16 Übereinkünfte mit Drittstaaten Ein Gericht eines Mitgliedstaats hat die Möglichkeit, auf der Grundlage einer Übereinkunft über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidung nicht anzuerkennen, wenn in Fällen des Artikels 8 die Entscheidung nur auf in den Artikeln 2 bis 7 nicht genannte Zuständigkeitskriterien gestützt werden konnte.

Artikel 17 Verbot der Nachprüfung der Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaats Die Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaats darf nicht nachgeprüft werden. Die Überprüfung der Vereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) gemäß Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 2 Buchstabe a) darf sich nicht auf die in den Artikeln 2 bis 8 vorgesehenen Vorschriften über die Zuständigkeit erstrecken.

Artikel 18 Unterschiede beim anzuwendenden Recht Die Anerkennung einer Entscheidung, die die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe betrifft, darf nicht deshalb abgelehnt werden, weil eine Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem die Anerkennung beantragt wird, unter Zugrundelegung desselben Sachverhalts nicht zulässig wäre.

Artikel 19 Ausschluß einer Nachprüfung in der Sache Die Entscheidung darf keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden. 180

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VO über die gerichtliche Zuständigkeit in Ehesachen (Brüssel II)

Artikel 2 0 Aussetzung des Anerkennungsverfahrens (1) Das Gericht eines Mitgliedstaats, vor dem die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung beantragt wird, kann das Verfahren aussetzen, wenn gegen die Entscheidung ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt worden ist. (2) Das Gericht eines Mitgliedstaats, bei dem die Anerkennung einer in Irland oder im Vereinigten Königreich ergangenen Entscheidung beantragt wird, kann das Verfahren aussetzen, wenn die Vollstreckung der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat wegen der Einlegung eines Rechtsbehelfs einstweilen eingestellt ist.

Abschnitt 2 Vollstreckung Artikel 21 Vollstreckbare Entscheidungen (1) Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen betreffend die elterliche Verantwortung für ein gemeinsames Kind, die in diesem Mitgliedstaat vollstreckbar sind und die zugestellt worden sind, werden in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag einer berechtigten Partei für vollstreckbar erklärt worden sind. (2) Im Vereinigten Königreich jedoch wird eine derartige Entscheidung in England und Wales, in Schottland oder in Nordirland vollstreckt, wenn sie auf Antrag einer berechtigten Partei zur Vollstreckung in dem betreffenden Teil des Vereinigten Königreichs registriert worden ist.

Artikel 2 2 Örtlich zuständige Gerichte (1) Ein Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist bei dem Gericht zu stellen, das in der Liste in Anhang I aufgeführt ist. (2) Das örtlich zuständige Gericht wird durch den gewöhnlichen Aufenthalt der Person, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, oder durch den gewöhnlichen Aufenthalt eines Kindes, auf das sich der Antrag bezieht, bestimmt. Befindet sich keiner der in Unterabsatz 1 angegebenen Orte in dem Mitgliedstaat, in dem die Vollstreckung erwirkt werden soll, so wird das örtlich zuständige Gericht durch den Ort der Vollstreckung bestimmt. (3) Hinsichtlich der Verfahren nach Artikel 14 Absatz 3 wird das örtlich zuständige Gericht durch das innerstaatliche Recht des Mitgliedstaats bestimmt, in dem der Antrag auf Anerkennung oder Nichtanerkennung gestellt wird. Rolf A. Schütze

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Artikel 23 Stellung des Antrags auf Vollstreckbarerklärung (1) Für die Stellung des Antrags ist das Recht des Mitgliedstaats maßgebend, in dem die Vollstreckung erwirkt werden soll. (2) Der Antragsteller hat für die Zustellung im Bezirk des angerufenen Gerichts ein Wahldomizil zu begründen. Ist das Wahldomizil im Recht des Mitgliedstaats, in dem die Vollstreckung erwirkt werden soll, nicht vorgesehen, so hat der Antragsteller einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. (3) Dem Antrag sind die in den Artikeln 32 und 33 aufgeführten Urkunden beizufügen. Artikel 24 Entscheidung des Gerichts (1) Das mit dem Antrag befaßte Gericht erläßt seine Entscheidung ohne Verzug, ohne daß die Person, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, in diesem Abschnitt des Verfahrens Gelegenheit erhält, eine Erklärung abzugeben. (2) Der Antrag darf nur aus einem der in den Artikeln 15, 16 und 17 aufgeführten Gründe abgelehnt werden. (3) Die ausländische Entscheidung darf keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden. Artikel 25 Mitteilung der Entscheidung Die Entscheidung, die über den Antrag ergangen ist, wird dem Antragsteller vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle unverzüglich in der Form mitgeteilt, die das Recht des Mitgliedstaats, in dem die Vollstreckung erwirkt werden soll, vorsieht.

Artikel 26 Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung über die Zulassung der Vollstreckung (1) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung kann jede Partei einen Rechtsbehelf einlegen. (2) Der Rechtsbehelf wird bei dem Gericht eingelegt, das in der Liste in Anhang II aufgeführt ist. (3) Über den Rechtsbehelf wird nach den Vorschriften entschieden, die für Verfahren mit beiderseitigem rechtlichen Gehör maßgebend sind. (4) Wird der Rechtsbehelf von der Person eingelegt, die den Antrag auf Vollstreckbarerklärung gestellt hat, so wird die Partei, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, aufgefordert, sich auf das Verfahren einzulassen, das bei dem mit dem Rechtsbehelf befaßten Gericht anhängig ist. Läßt sich die betreffende Person auf das Verfahren nicht ein, so gelten die Bestimmungen des Artikels 10. 182

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VO über die gerichtliche Zuständigkeit in Ehesachen (Brüssel II)

(5) Der Rechtsbehelf gegen die Vollstreckbarerklärung ist innerhalb eines Monats nach ihrer Zustellung einzulegen. Hat die Partei, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Vollstreckbarerklärung erteilt worden ist, so beträgt die Frist für den Rechtsbehelf zwei Monate und beginnt mit dem Tag, an dem die Vollstreckbarerklärung ihr entweder persönlich oder in ihrer Wohnung zugestellt worden ist. Eine Verlängerung dieser Frist wegen weiter Entfernung ist ausgeschlossen.

Artikel 2 7 Für den Rechtsbehelf zuständiges Gericht und Anfechtung der Entscheidung über den Rechtsbehelf Die Entscheidung, die über den Rechtsbehelf ergangen ist, kann nur im Wege der in Anhang III genannten Verfahren angefochten werden. Artikel 2 8 Aussetzung des Verfahrens (1) Das nach Artikel 2 6 oder Artikel 2 7 mit dem Rechtsbehelf befaßte Gericht kann auf Antrag der Partei, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, das Verfahren aussetzen, wenn im Ursprungsmitgliedstaat ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt oder die Frist für einen solchen Rechtsbehelf noch nicht verstrichen ist. In letzterem Fall kann das Gericht eine Frist bestimmen, innerhalb deren der Rechtsbehelf einzulegen ist. (2) Ist die Entscheidung in Irland oder im Vereinigten Königreich ergangen, so gilt jeder im Ursprungsmitgliedstaat statthafte Rechtsbehelf als ordentlicher Rechtsbehelf im Sinne von Absatz 1. Artikel 2 9 Teilvollstreckung (1) Ist durch die Entscheidung über mehrere geltend gemachte Ansprüche erkannt worden und kann die Entscheidung nicht in vollem Umfang zur Vollstreckung zugelassen werden, so läßt das Gericht sie für einen oder mehrere Ansprüche zu. (2) Der Antragsteller kann auch eine teilweise Vollstreckung der Entscheidung beantragen. Artikel 3 0 Prozesskostenhilfe Ist dem Antragsteller in dem Ursprungsmitgliedstaat ganz oder teilweise Prozeßkostenhilfe oder Kostenbefreiung gewährt worden, so genießt er in dem Verfahren nach den Artikeln 2 2 bis 2 5 hinsichtlich der Prozeßkostenhilfe oder der Kostenbefreiung die günstigste Behandlung, die das Recht des Mitgliedstaats, in dem er die Vollstreckung beantragt, vorsieht. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

Artikel 31 Sicherheitsleistung oder Hinterlegung Der Partei, die in einem Mitgliedstaat die Vollstreckung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung beantragt, darf eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung, unter welcher Bezeichnung es auch sei, nicht aus einem der folgenden Gründe auferlegt werden: a) weil sie in dem Mitgliedstaat, in dem die Vollstreckung erwirkt werden soll, nicht ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, b) weil sie nicht die Staatsangehörigkeit dieses Staates besitzt oder, wenn die Vollstreckung im Vereinigten Königreich oder in Irland erwirkt werden soll, ihr „domicile" nicht in einem dieser Mitgliedstaaten hat.

Abschnitt 3 Gemeinsame Vorschriften Artikel 32 Urkunden (1) Die Partei, die die Anerkennung oder Nichtanerkennung einer Entscheidung anstrebt oder den Antrag auf Vollstreckbarerklärung stellt, hat vorzulegen: a) eine Ausfertigung der Entscheidung, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, und b) eine Bescheinigung nach Artikel 33. (2) Bei einer im Versäumnisverfahren ergangenen Entscheidung hat die Partei, die die Anerkennung einer Entscheidung anstrebt oder deren Vollstreckbarerklärung, ferner vorzulegen a) entweder die Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift der Urkunde, aus der sich ergibt, daß das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück der säumigen Partei zugestellt worden ist, oder b) eine Urkunde, aus der hervorgeht, daß der Antragsgegner mit der Entscheidung eindeutig einverstanden ist.

Artikel 33 Weitere Urkunden Das zuständige Gericht oder die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats, in dem eine Entscheidung ergangen ist, stellt auf Antrag einer berechtigten Partei eine Bescheinigung unter Verwendung des Formblatts in Anhang IV (Entscheidungen in Ehesachen) oder Anhang V (Entscheidungen betreffend die elterliche Verantwortung) aus.

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V O ü b e r die gerichtliche Z u s t ä n d i g k e i t in Ehesachen (Brüssel II)

Artikel 34 Fehlen von Urkunden (1) Werden die in Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe b) oder Absatz 2 aufgeführten Urkunden nicht vorgelegt, so kann das Gericht eine Frist einräumen, innerhalb deren die Urkunden vorzulegen sind, oder sich mit gleichwertigen Urkunden begnügen oder von der Vorlage der Urkunden befreien, wenn es eine weitere Klärung nicht für erforderlich hält. (2) Auf Verlangen des Gerichts ist eine Übersetzung dieser Urkunden vorzulegen. Die Übersetzung ist von einer hierzu in einem der Mitgliedstaaten befugten Personen zu beglaubigen.

Artikel 35 Legalisation oder ähnliche Förmlichkeit Die in den Artikeln 32 und 33 und in Artikel 34 Absatz 2 aufgeführten Urkunden sowie die Urkunde über die Prozeßvollmacht, falls eine solche erteilt wird, bedürfen weder der Legalisation noch einer ähnlichen Förmlichkeit.

KAPITEL IV ALLGEMEINE B E S T I M M U N G E N Artikel 36 Verhältnis zu anderen Übereinkünften (1) Diese Verordnung ersetzt - unbeschadet der Artikel 38 und 42 und des nachstehenden Absatzes 2 - die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung bestehenden, zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten geschlossenen Übereinkünfte, die in dieser Verordnung geregelte Bereiche betreffen. (2) a) Finnland und Schweden steht es frei zu erklären, daß anstelle dieser Verordnung das Übereinkommen vom 6. Februar 1931 zwischen Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden mit Bestimmungen des internationalen Verfahrensrechts über Ehe, Adoption und Vormundschaft einschließlich des Schlußprotokolls ganz oder teilweise auf ihre gegenseitigen Beziehungen anwendbar ist. Diese Erklärungen werden in den Anhang zu der Verordnung aufgenommen und im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht. Die betreffenden Mitgliedstaaten können ihre Erklärung jederzeit ganz oder teilweise widerrufen 4 . b) Eine Diskriminierung von Bürgern der Union aus Gründen der Staatsangehörigkeit ist verboten. 4

Diese Erklärung wurde von keinem dieser Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Annahme der Verordnung abgegeben. Rolf A . Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

c) Die Zuständigkeitskriterien in künftigen Übereinkünften zwischen den unter Buchstabe a) genannten Mitgliedstaaten, die in dieser Verordnung geregelte Bereiche betreffen, müssen mit den Kriterien dieser Verordnung im Einklang stehen. d) Entscheidungen, die in einem der nordischen Staaten, der eine Erklärung nach Buchstabe a) abgegeben hat, aufgrund eines Zuständigkeitskriteriums erlassen werden, das einem der in Kapitel II vorgesehenen Zuständigkeitskriterien entspricht, werden in den anderen Mitgliedstaaten gemäß den Bestimmungen des Kapitels III anerkannt und vollstreckt. (3) Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission a) eine Abschrift der Übereinkünfte sowie der einheitlichen Gesetze zur Durchführung dieser Übereinkünfte gemäß Absatz 2 Buchstaben a) und c), b) jede Kündigung oder Änderung dieser Übereinkünfte oder dieser einheitlichen Gesetze.

Artikel 37 Verhältnis zu bestimmten multilateralen Übereinkommen Diese Verordnung hat in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten insoweit Vorrang vor den nachstehenden Übereinkommen, als diese Bereiche betreffen, die in dieser Verordnung geregelt sind: - Haager Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen, - Luxemburger Übereinkommen vom 8. September 1967 über die Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen, - Haager Übereinkommen vom 1. Juni 1970 über die Anerkennung von Ehescheidungen und der Trennung von Tisch und Bett, - Europäisches Übereinkommen vom 20. Mai 1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses, - Haager Übereinkommen vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern, sofern das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat hat.

Artikel 38 Fortbestand der Wirksamkeit (1) Die in Artikel 36 Absatz 1 und Artikel 37 genannten Übereinkünfte behalten ihre Wirksamkeit für die Rechtsgebiete, auf die diese Verordnung nicht anwendbar ist. (2) Sie bleiben auch weiterhin für die Entscheidungen und die öffentlichen Urkunden wirksam, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung ergangen beziehungsweise aufgenommen sind. 186

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VO über die gerichtliche Zuständigkeit in Ehesachen (Brüssel II)

Artikel 3 9 Übereinkünfte zwischen den Mitgliedstaaten (1) Zwei oder mehr Mitgliedstaaten können untereinander Übereinkünfte zur Ergänzung dieser Verordnung oder zur Erleichterung ihrer Durchführung schließen. Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission a) eine Abschrift der Entwürfe dieser Übereinkünfte sowie b) jede Kündigung oder Änderung dieser Übereinkünfte. (2) Die Übereinkünfte dürfen keinesfalls von Kapitel II und Kapitel III dieser Verordnung abweichen. Artikel 4 0 Verträge mit dem Heiligen Stuhl (1) Diese Verordnung gilt unbeschadet des am 7. Mai 1 9 4 0 in der Vatikanstadt zwischen dem Heiligen Stuhl und Portugal unterzeichneten Internationalen Vertrags (Konkordats). (2) Eine Entscheidung über die Ungültigkeit der Ehe gemäß dem in Absatz 1 genannten Vertrag wird in den Mitgliedstaaten unter den in Kapitel III vorgesehenen Bedingungen anerkannt. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für die folgenden internationalen Verträge (Konkordate) mit dem Heiligen Stuhl: a) Lateranvertrag vom 11. Februar 1 9 2 9 zwischen Italien und dem Heiligen Stuhl, geändert durch die am 18. Februar 1984 in Rom unterzeichnete Vereinbarung mit Zusatzprotokoll; b) Vereinbarung vom 3. Januar 1979 über Rechtsangelegenheiten zwischen dem Heiligen Stuhl und Spanien. (4) Für die Anerkennung der Entscheidungen im Sinne des Absatzes 2 können in Italien oder in Spanien dieselben Verfahren und Nachprüfungen vorgegeben werden, die auch für Entscheidungen der Kirchengerichte gemäß den in Absatz 3 genannten internationalen Verträgen mit dem Heiligem Stuhl gelten. (5) Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission a) eine Abschrift der in den Absätzen 1 und 3 genannten Verträge sowie b) jede Kündigung oder Änderung dieser Verträge. Artikel 41 Mitgliedstaaten mit zwei oder mehr Rechtssystemen Für einen Mitgliedstaat, in dem die in dieser Verordnung behandelten Fragen in verschiedenen Gebietseinheiten durch zwei oder mehr Rechtssysteme oder Regelwerke geregelt werden, gilt folgendes: a) Jede Bezugnahme auf den gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat betrifft den gewöhnlichen Aufenthalt in einer Gebietseinheit; b) jede Bezugnahme auf die Staatsangehörigkeit oder, im Falle des Vereinigten Königreichs, auf das „domicile" betrifft die durch die Rechtsvorschriften dieses Staats bezeichnete Gebietseinheit; Rolf A. Schütze

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c) jede Bezugnahme auf den Mitgliedstaat, dessen Behörde mit einem Antrag auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe befaßt ist, betrifft die Gebietseinheit, deren Behörde mit einem solchen Antrag befaßt ist; d) jede Bezugnahme auf die Vorschriften des ersuchten Mitgliedstaats betrifft die Vorschriften der Gebietseinheit, in der die Zuständigkeit geltend gemacht oder die Anerkennung oder die Vollstreckung beantragt wird.

KAPITEL V

ÜBERGANGSVORSCHRIFTEN Artikel 4 2 (1) Diese Verordnung gilt nur für gerichtliche Verfahren, öffentliche Urkunden und vor einem Richter im Laufe eines Verfahrens geschlossene Vergleiche, die nach Inkrafttreten dieser Verordnung eingeleitet, aufgenommen beziehungsweise geschlossen worden sind. (2) Entscheidungen, die nach Inkrafttreten dieser Verordnung in einem vor diesem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren ergangen sind, werden nach Maßgabe des Kapitels III anerkannt und vollstreckt, sofern das Gericht aufgrund von Vorschriften zuständig war, die mit den Zuständigkeitsvorschriften des Kapitels II oder eines Abkommens übereinstimmen, das zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens zwischen dem Ursprungsmitgliedstaat und dem ersuchten Mitgliedstaat in Kraft war.

KAPITEL VI

SCHLUSSBESTIMMUNGEN Artikel 43 Uberprüfung Die Kommission legt dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Wirtschafts- und Sozialausschuß spätestens am 1. März 2 0 0 6 einen Bericht über die Anwendung dieser Verordnung, insbesondere der Artikel 36 und 39 und des Artikels 4 0 Absatz 2, vor. Diesem Bericht werden gegebenenfalls Vorschläge zur Anpassung dieser Verordnung beigefügt. Artikel 4 4 Änderung der Listen mit den zuständigen Gerichten und den Rechtsbehelfen (1) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die Texte zur Änderung der in den Anhängen I bis III enthaltenen Listen mit den zuständigen Gerichten und den Rechtsbehelfen mit. Die Kommission paßt die betreffenden Anhänge entsprechend an. 188

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VO über die gerichtliche Zuständigkeit in Ehesachen (Brüssel II). Anhang

(2) Die Aktualisierung oder technische Anpassungen der in den Anhängen IV und V wiedergegebenen Formblätter werden nach dem Verfahren des beratenden Ausschusses gemäß Artikel 4 5 Absatz 2 beschlossen.

Artikel 4 5 (1) Die Kommission wird von einem Ausschuß unterstützt. (2) Wird auf das Verfahren dieses Absatzes Bezug genommen, so gelten die Artikel 3 und 7 des Beschlusses 1 9 9 9 / 4 6 8 / E G . (3) Der Ausschuß gibt sich eine Geschäftsordnung.

Artikel 4 6 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am 1. M ä r z 2 0 0 1 in Kraft. Im Einklang mit dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ist diese Verordnung in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

ANHANG I Anträge gemäß Artikel 2 2 sind bei folgenden Gerichten oder zuständigen Behörden zu stellen: - in Belgien beim „tribunal de premiere instance"/bei der „rechtbank van eerste aanleg"/beim „erstinstanzlichen Gericht" - in Deutschland: - im Bezirk des Kammergerichts: beim „Familiengericht Pankow/Weißensee" - in den Bezirken der übrigen Oberlandesgerichte: beim „Familiengericht am Sitz des betreffenden Oberlandesgerichts" - in Griechenland beim „Μονομελές Πρωτοδικείο" - in Spanien beim „Juzgado de Primera Instancia" - in Frankreich beim Präsidenten des „Tribunal de grande instance" - in Irland beim „High C o u r t " - in Italien bei der „Corte d'appello" - in Luxemburg beim Präsidenten des „Tribunal d'arrondissement" - in den Niederlanden beim Präsidenten der „Arrondissementsrechtbank" - in Österreich beim „Bezirksgericht" - in Portugal beim „Tribunal de C o m a r c a " oder „Tribunal de Familia" - in Finnland beim „käräjäoikeus"/„tingsrätt" - in Schweden beim „Svea hovrätt" - im Vereinigten Königreich: a) in England und Wales beim „High Court of Justice" b) in Schottland beim „Court of Session" c) in Nordirland beim „High Court of Justice" d) in Gibraltar beim „Supreme C o u r t " . Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

A N H A N G II Der Rechtsbehelf gemäß Artikel 26 ist bei folgenden Gerichten einzulegen: - in Belgien: a) Die Person, die den Antrag auf Vollstreckbarerklärung gestelt hat, kann einen Rechtsbehelf beim „cour d'appel" oder beim „hof van beroep" einlegen. b) Die Person, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, kann beim „tribunal de premiere instance'Vbei der „rechtbank van eerste aanleg"/beim „erstinstanzlichen Gericht" Einspruch einlegen. - in Deutschland beim „Oberlandesgericht" - in Griechenland beim „Εφετείο" - in Spanien bei der „Audiencia Provincial" - in Frankreich bei der „Cour d'appel" - in Irland beim „High Court" - in Italien bei der „Corte d'appello" - in Luxemburg bei der „Cour d'appel" - in den Niederlanden: a) Wird der Rechtsbehelf vom Antragsteller oder vom Antragsgegner, der sich auf das Verfahren eingelassen hat, eingelegt: beim „Gerechtshof". b) Wird der Rechtsbehelf vom Antragsgegner, gegen den ein Versäumnisurteil ergangen ist, eingelegt: bei der „Arrondissementsrechtbank". - in Österreich beim „Bezirksgericht" - in Portugal beim „Tribunal de Relagäo" - in Finnland beim „hovioikeus"/„hovrätt" - in Schweden beim „Svea hovrätt" - im Vereinigten Königreich: a) in England und Wales beim „High Court of Justice" b) in Schottland beim „Court of Justice" c) in Nordirland beim „High Court of Justice" d) in Gibraltar beim „Court of appeal".

A N H A N G III Rechtsbehelfe gemäß Artikel 27 können nur eingelegt werden: - in Belgien, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden: mit der „Kassationsbeschwerde"; - in Deutschland: mit der „Rechtsbeschwerde"; - in Irland: mit einem auf Rechtsfragen beschränkten Rechtsbehelf beim „Supreme Court"; - in Österreich: mit dem „Revisionsrekurs"; - in Portugal: mit einem „recurso restrito a materia de direito"; - in Finnland: mit einem Rechtsbehelf beim „korkein oikeus//högsta domstolen"; - im Vereinigten Königreich: mit einem einzigen weiteren, auf Rechtsfragen beschränkten Rechtsbehelf.

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VO über die gerichtliche Zuständigkeit in Ehesachen (Brüssel II). Anhang

ANHANG IV Bescheinigung gemäß Artikel 33 bei Entscheidungen in Ehesachen 1. Ursprungsmitgliedstaat 2. Ausstellendes Gericht bzw. ausstellende Behörde 2.1. Name 2.2. Anschrift 2.3. Tel./Fax/E-mail 3. Angaben zur Ehe 3.1. Ehefrau 3.1.1. Vollständiger Name 3.1.2. Staat und Ort der Geburt 3.1.3. Geburtsdatum 3.2. Ehemann 3.2.1. Vollständiger Name 3.2.2. Staat und Ort der Geburt 3.2.3. Geburtsdatum 3.3. Land, 3.3.1. 3.3.2. 3.3.3.

Ort (soweit bekannt) und Datum der Eheschließung Staat der Eheschließung Ort der Eheschließung (soweit bekannt) Datum der Eheschließung

4 . Angaben zu dem Gericht, das die Entscheidung erlassen hat 4.1. Bezeichnung des Gerichts 4.2. Gerichtsort 5. Angaben zur Entscheidung 5.1. Datum 5.2. Aktenzeichen 5.3. Art der Entscheidung 5.3.1. Scheidung 5.3.2. Ungültigerklärung der Ehe 5.3.3. Trennung ohne Auflösung des Ehebandes

• • •

5.4. Erging die Entscheidung im Versäumnisverfahren? 5.4.1. nein 5.4.2. j a '

• •

6. Namen der Parteien, denen Prozeßkostenhilfe gewährt wurde 7. Können gegen die Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats weitere Rechtsmittel eingelegt werden? 7.1. nein



7.2. ja



8. Datum der Rechtswirksamkeit in dem Mitgliedstaat, in dem die Entscheidung erging 8.1. Scheidung 8.2. Trennung ohne Auflösung des Ehebandes Geschehen zu

am

Unterschrift und/oder Dienstsiegel

In diesem Fall sind die in Artikel 32 Absatz 2 genannten Urkunden vorzulegen.

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

ANHANG V Bescheinigung gemäß Artikel 33 bei Entscheidungen betreffend die elterliche Verantwortung 1. Ursprungsmitgliedstaat 2. Ausstellendes Gericht bzw. ausstellende Behörde 2.1. Name 2.2. Anschrift 2.3. Tel./Fax/E-mail 3. Angaben zu den Eltern 3.1. Mutter 3.1.1. Vollständiger Name 3.1.2. Geburtsdatum und Geburtsort 3.2. Vater 3.2.1. Vollständiger Name 3.2.2. Geburtsdatum und Geburtsort 4. Angaben zu dem Gericht, das die Entscheidung erlassen hat 4.1. Bezeichnung des Gerichts 4.2. Gerichtsort 5. Angaben zur Entscheidung 5.1. Datum 5.2. Aktenzeichen 5.3. Erging die Entscheidung im Versäumnisverfahren? 5.3.1. nein 5.3.2. j a 1

• •

6. Von der Entscheidung erfaßte Kinder 2 6.1. Vollständiger Name und Geburtsdatum 6.2. Vollständiger Name und Geburtsdatum 6.3. Vollständiger Name und Geburtsdatum 6.4. Vollständiger Name und Geburtsdatum 7. Namen der Parteien, denen Prozeßkostenhilfe gewährt wurde 8. Bescheinigung über die Vollstreckbarkeit und die Zustellung 8.1. Ist die Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats vollstreckbar? 8.1.1. ja • 8.1.2. nein • 8.2. Wurde die Entscheidung der Partei, gegen die die Vollstreckung beantragt wird, zugestellt? 8.2.1. ja • 8.2.1.1. Vollständiger Name der Partei 8.2.1.2. Zustellungsdatum 8.2.2. nein •

Geschehen zu

am

Unterschrift und/oder Dienstsiegel

In diesem Fall sind die in Artikel 3 2 Absatz 2 genannten Urkunden vorzulegen.

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2

Werden mehr als vier Kinder erfaßt, so ist ein zweites Formblatt zu verwenden.

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Borräs-Bericht zu Brüssel II

2. a. bb. α) Borräs-Bericht (AB1.EG C 221 v. 16.7.1998, S. 2 7 ff.) Text

ERLÄUTERNDER BERICHT zu dem Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen

(Vom Rat am 28. Mai 1998 genehmigter Text) erstellt von Prof. Dr. ALEGRIA B O R R Ä S

Professorin für internationales Privatrecht an der Universität Barcelona (98/221/04) Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C 221/27 v. 16.7.98

INHALTSVERZEICHNIS I. V O R G E S C H I C H T E DES Ü B E R E I N K O M M E N S II. A L L G E M E I N E D A R S T E L L U N G DES Ü B E R E I N K O M M E N S III. ANALYSE D E R B E S T I M M U N G E N A. Anwendungsbereich (Artikel 1) B. Gerichtliche Zuständigkeit: Allgemeine Bestimmungen (Artikel 2 bis 8) C. Prüfung der Zuständigkeit und der Zulässigkeit des Verfahrens (Artikel 9 und 10) D. Rechtshängigkeit und abhängige Verfahren (Artikel 11) E. Einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen (Artikel 12) F. Anerkennung und Vollstreckung: Bedeutung des Begriffs „Entscheidung" (Artikel 13) G. Anerkennung (Artikel 14 bis 19) H. Vollstreckung (Artikel 2 0 bis 32) I. Anerkennung und Vollstreckung: Gemeinsame Vorschriften (Artikel 3 3 bis 36) J . Übergangsvorschriften (Artikel 37) K. Allgemeine Bestimmungen (Artikel 38 bis 4 4 ) L. Gerichtshof (Artikel 4 5 ) M.Schlußbestimmungen (Artikel 4 6 bis 50) R o l f A. Schütze

Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

I. VORGESCHICHTE DES ÜBEREINKOMMENS 1. Die europäische Integration hatte anfänglich einen im wesentlichen wirtschaftlichen Charakter, weshalb auch die geschaffenen Rechtsinstrumente auf diese Art der Integration ausgerichtet waren. Diese Situation hat sich jedoch in neuerer Zeit grundlegend gewandelt, so daß die Integration heutzutage nicht nur den Wirtschaftsbereich, sondern in fortschreitendem und immer tiefgreifenderem Maße das tägliche Leben des europäischen Bürgers betrifft. Dieser hat nach all den Fortschritten im vermögensrechtlichen Bereich nur schwer Verständnis für Schwierigkeiten im Bereich des Familienrechts. Deshalb war im Rahmen der europäischen Integration auch der familienrechtliche Aspekt in Angriff zu nehmen. Dies zeigen schon die im Europäischen Parlament behandelten Fragen, die nicht nur Aspekte der Auflösung der Ehe betreffen, sondern das Familienrecht ganz allgemein (eheliche Güterstände, Kindschaftssachen, Kindesentführung, Adoption usw.). Das Übereinkommen ist ein erster, konstruktiver und entscheidender Schritt in diese neue Richtung und ebnet möglicherweise den Weg für weitere Rechtsakte im Bereich des Familien- und des Erbrechts. 2. Dieses Übereinkommen konnte zustande kommen, weil der Vertrag von Maastricht mit seinem Artikel K.3 neue Möglichkeiten im Bereich der justitiellen Zusammenarbeit in Zivilsachen eröffnet hat (siehe Abschnitt II Nummer 11). Zuvor bot allein Artikel 2 2 0 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft einen begrenzten Spielraum. In diesem Artikel sind die Mitgliedstaaten übereingekommen, soweit erforderlich untereinander Verhandlungen einzuleiten, um zugunsten ihrer Staatsangehörigen die Förmlichkeiten für die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung richterlicher Entscheidungen und Schiedssprüche zu vereinfachen. Die Kommission hob in einer Note, die sie am 22. Oktober 1959 an die Mitgliedstaaten richtete, um sie zu entsprechenden Verhandlungen einzuladen, hervor: „Ein echter Binnenmarkt zwischen den sechs Staaten wird erst dann verwirklicht sein, wenn ein ausreichender Rechtsschutz gewährleistet ist. Es wären Störungen und Schwierigkeiten im Wirtschaftsleben der Gemeinschaft zu befürchten, wenn die sich aus den vielfältigen Rechtsbeziehungen ergebenden Ansprüche nicht erforderlichenfalls auf dem Rechtswege festgestellt und durchgesetzt werden könnten. D a die Gerichtshoheit in Zivil- und Handelssachen bei den Mitgliedstaaten liegt und die Wirkungen eines gerichtlichen Aktes jeweils auf ein bestimmtes Staatsgebiet beschränkt bleiben, hängt der Rechtsschutz und damit die Rechtssicherheit im Gemeinsamen Markt wesentlich von der Annahme einer befriedigenden Regelung der Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen durch die Mitgliedstaaten a b . " Unter direkter oder indirekter Inanspruchnahme von Artikel 2 2 0 des EG-Vertrags sind verschiedene Übereinkommen geschlossen worden. D a s wichtigste Ergebnis im justitiellen Bereich ist das Brüsseler Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen mit seinen späteren Änderungen infolge der Erweiterungen der Gemeinschaft. Von dessen Anwendungsbereich ist jedoch eine Reihe von Rechtsgebieten ausgeschlossen (Artikel 1 Absatz 2). Die Gründe hierfür sind sehr unterschiedlicher Art, und einige der ausgeschlossenen Bereiche sind inzwischen Gegenstand anderer Übereinkünfte, wie beispielsweise des Übereinkommens von Brüssel vom 23. November 1995 über Insol194

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venzverfahren. Hierzu ist noch zu bemerken, daß angesichts der seit Abschluß des Brüsseler Übereinkommens von 1 9 6 8 vergangenen dreißig Jahre und der Erfahrungen bei dessen Anwendung ein Prozeß zu dessen Revision sowie parallel dazu des Luganer Übereinkommens vom 16. September 1 9 8 8 (des sogenannten „Parallelübereinkommens") eingeleitet worden ist. Da bislang nur erste Überlegungen angestellt wurden und lediglich zwei Sitzungen der zur Ausarbeitung einer revidierten Fassung eingesetzten Ad-hoc-Gruppe stattgefunden haben, konnten diese Arbeiten bei der Abfassung des hier behandelten Übereinkommens nicht berücksichtigt werden. Es besteht also die Möglichkeit, daß das Übereinkommen zu einem späteren Zeitpunkt an das dann revidierte Brüsseler Übereinkommen angepaßt wird. Unter den veränderten Rahmenbedingungen waren die Mitgliedstaaten verständlicherweise bestrebt, den neuen Bedürfnissen der europäischen Bürger gerecht zu werden, und diesem Ziel gehorcht das hier behandelte Übereinkommen. Das Projekt einer Erweiterung des Brüsseler Übereinkommens von 1 9 6 8 auf Familiensachen ist also neueren Datums, wobei zwei Aspekte zu bedenken sind. 3. Zum einen sind die Gründe zu beleuchten, die im Brüsseler Übereinkommen von 1 9 6 8 zu dieser Ausklammerung führten. Im Jenard-Bericht (dem erläuternden Bericht zur Urfassung des Brüsseler Übereinkommens) wird die Ausklammerung personenstandsrechtlicher Fragen wie folgt begründet: „Selbst wenn man annimmt, daß dem Ausschuß eine Vereinheitlichung der auf diesem Gebiet geltenden Zuständigkeitsregeln gelungen wäre, so wäre es doch unabhängig von dem Inhalt dieser Regeln angesichts der zwischen den Rechtssystemen bestehenden Unterschiede, insbesondere auf dem Gebiet des Internationalen Privatrechts, schwierig gewesen, auf eine Nachprüfung dieser Normen im Exequatur-Verfahren zu verzichten. Damit aber hätte man das Wesen des Übereinkommens verändert und seine fortschrittliche Tendenz geschwächt. Hätte der Ausschuß sich entschlossen, dem Vollstreckungsrichter jedes Nachprüfungsrecht selbst in nichtvermögensrechtlichen Sachen zu versagen, so hätte dies den Richter möglicherweise veranlaßt, den Begriff des ordre public zu weit auszudehnen, um die ihm vorgelegte ausländische Entscheidung auszuschalten. Der Ausschuß hat sich für das kleinere Übel entschieden, indem er die Anwendung des Übereinkommens einschränkte, dafür aber seine Geschlossenheit und seine Fortschritte wahrte. Im Bereich des Personenstandes, der Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie der gesetzlichen Vertretung stellt natürlich die Ehescheidung das Hauptproblem dar, das schwierig ist, weil die einzelnen Rechtsordnungen erheblich voneinander abweichen." Das Übereinkommen von 1 9 6 8 ist somit das „Generalübereinkommen" auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf der Grundlage von Artikel 2 2 0 des EG-Vertrags, in dem kein Bereich des Zivil- und Handelsrechts per se ausgeschlossen wird, und hätte daher durchaus den Personenstand, die Rechts- und Handlungsfähigkeit und die gesetzliche Vertretung einbeziehen können; deren Ausklammerung ist auf die diesem Bereich eigenen Schwierigkeiten und den Umstand zurückzuführen, daß die wirtschaftliche Integration dadurch nicht unmittelbar berührt wurde. 4 . Zum anderen ist das bedeutsamste Thema im familienrechtlichen Bereich das der Ehescheidung und damit der eherechtlichen Fragen, auf die nun in dem neuen Übereinkommen eingegangen wird. Es ist hervorzuheben, daß im JenardBericht bereits zu einer Zeit, als die Gemeinschaft nur sechs Mitgliedstaaten Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

umfaßte, festgestellt wurde, daß die diesbezüglichen Rechtsordnungen „erheblich voneinander abweichen", womit unbestreitbar sein dürfte, daß diese Vielfalt bei fünfzehn Mitgliedstaaten noch größer ist und folglich auch die eingesetzte Arbeitsgruppe vor eine noch größere Schwierigkeit gestellt war. Die betreffenden Unterschiede betreffen nicht Aspekte von nachgeordneter Bedeutung, sondern situieren sich teilweise sogar auf der Ebene des Verfassungsrechts. In anderen Fällen ergeben sich die Schwierigkeiten daraus, daß die im Übereinkommen erfaßten Rechtskonzepte nicht überall als solche bekannt sind (so kennt beispielsweise das innerstaatliche materielle Recht Finnlands und Schwedens nicht die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und die Ungültigerklärung einer Ehe). Aber auch zwischen den Mitgliedstaaten, die alle diese Rechtskonzepte kennen, weichen die einschlägigen Vorschriften beträchtlich voneinander ab (rechtlich relevante Antragsgründe, Erfordernis einer vorherigen Trennung usw.). Infolgedessen sind weder die Fristen, deren es zur Abfassung des Übereinkommens bedurfte, noch die in einigen Fällen benötigten Kompromißformeln verwunderlich. Durch die Ausklammerung dieser Thematik im Übereinkommen von 1968 und das Zustandekommen des neuen Übereinkommens wird letztendlich eine klare Trennung von familienrechtlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten möglich. Die europäische Integration ist in den dreißig Jahren seit der Ausarbeitung des Brüsseler Übereinkommens von 1968 beträchtlich vorangeschritten. Die Verwirklichung des freien Personenverkehrs und der Umstand, daß immer häufiger Familienbande zwischen Personen entstehen, die Staatsangehörige unterschiedlicher Mitgliedstaaten sind oder in unterschiedlichen Mitgliedstaaten wohnen, erforderten eine rechtspolitische Antwort, die das neue Übereinkommen unter Berücksichtigung der verschiedenen Sachzwänge gibt. 5. Bereits die Frage, ob ein Übereinkommen über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen überhaupt erforderlich ist, gab Anlaß zu langen Beratungen. Einige Mitgliedstaaten, die Vertragspartei des Haager Übereinkommens vom 1. Juni 1970 über die Anerkennung der Ehescheidung und der Trennung von Bett und Tisch sind, zeigten sich befriedigt über die mit dessen Anwendung erzielten Ergebnisse. Andere Mitgliedstaaten hingegen, die nicht Vertragspartei des Haager Übereinkommens von 1970 sind, waren nicht bereit, diesem beizutreten. Im wesentlichen legten drei Gründe nahe, ein neues Übereinkommen im europäischen Rahmen auszuarbeiten: a) der Wunsch nach einheitlichen Vorschriften für die Zuständigkeit in Ehesachen; b) das Erfordernis, die Vorschriften für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über die Ungültigerklärung einer Ehe, die Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zeitgemäß und einheitlich zu gestalten; c) der Wunsch, durch Vorschriften über die Rechtshängigkeit auszuschließen, daß es in unterschiedlichen Mitgliedstaaten zu Parallelverfahren in Ehesachen und widersprüchlichen Entscheidungen kommt, was eine bedeutsame Neuerung ist, die an sich schon eine ausreichende Rechtfertigung für das Übereinkommen wäre. Aus diesen Gründen beschloß der Rat, Verhandlungen über den Abschluß eines diesbezüglichen Übereinkommens einzuleiten. Zu bemerken ist auch noch, daß Artikel 18 des Haager Übereinkommens von 1970 den Vertragsparteien erlaubt, Übereinkommen im selben Bereich zu schließen. 196

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6. Erstes Ziel des Übereinkommens ist die Erweiterung des Brüsseler Übereinkommens von 1968 auf eherechtliche Fragen. Letzeres war somit der Ausgangspunkt bei der Ausarbeitung des Übereinkommens und wird daher in dessen Präambel als solcher genannt. Es war unverzichtbar, eine derart bedeutsame Grundlage zu nutzen, deren Erfolg auf der Hand liegt und zu der überdies eine umfangreiche Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vorliegt, die auch eine Beurteilung problematischer Aspekte, soweit sie das neue Übereinkommen betreffen, erlaubt. Allerdings bedingt die Verschiedenheit der jeweiligen Bereiche der beiden Übereinkommen in einigen Punkten beträchtliche Unterschiede (so beinhaltet das neue Übereinkommen weder einen allgemeinen Gerichtsstand noch eine Rangordnung bei den Zuständigkeitskriterien), während die Bestimmungen in anderen Punkten (wie bei der Rechtshängigkeit und der automatischen Anerkennung) stärker übereinstimmen können. D a s Ergebnis ist also ein anders gestaltetes Übereinkommen, das aber dieselben Ziele verfolgt, d.h. eine Vereinheitlichung der Bestimmungen über die internationale gerichtliche Zuständigkeit und eine Erleichterung der internationalen Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen. Sofern nicht ausdrücklich etwas anderes gesagt wird, haben gleichlautende Begriffe des Brüsseler Übereinkommens von 1968 und des neuen Übereinkommens prinzipiell dieselbe Bedeutung, und es gilt somit die diesbezügliche Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften. Es sei darauf hingewiesen, daß in bezug auf die Bestimmungen, die in der Fassung des Brüsseler Übereinkommens von 1968 beibehalten wurden, den erläuternden Berichten zu letzerem und zu dessen späteren Änderungen kaum etwas hinzugefügt werden konnte. Es wurde dennoch die Entscheidung getroffen, in diesem Bericht die wesentlichen Stellen der früheren Berichte wiederaufzugreifen, damit die Juristen eine leichtere Konsultierung vornehmen können und nicht neben dem hier vorliegenden Text noch andere Texte heranziehen müssen. 7. Z u Beginn der 90er Jahre erfolgten im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit Überlegungen mit dem Ziel, die Möglichkeit eines Übereinkommens auf europäischer Ebene betreffend die Auflösung oder Lockerung des Ehebandes zu prüfen. Ausgehend von einer im Jahre 1992 vom britischen Vorsitz ausgearbeiteten Liste von Fragen und der daraufhin im ersten Halbjahr 1993 vom dänischen Vorsitz erstellten Synthese nahmen die Mitgliedstaaten einen ersten Gedankenaustausch über diese Möglichkeit vor. Unter dem belgischen Vorsitz im zweiten Halbjahr 1993, d.h. noch vor Inkrafttreten des Vertrags über die Europäische Union, nahm an einer Sitzung der betreffenden Arbeitsgruppe Herr Prof. M a r c Fallon in seiner Eigenschaft als Sekretär der Europäischen Gruppe für internationales Privatrecht teil, der über den von letzterer ausgearbeiteten sogenannten „Heidelberger Entwurf" berichtete, der am 2. Oktober 1993 in Heidelberg verabschiedet worden war. Die Europäische Gruppe, die sich als Sachverständigengruppe zum Ziel gesetzt hat, Anregungen im Schnittbereich von Gemeinschaftsrecht und internationalem Privatrecht zu geben, hatte einen Vorschlag für ein Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung von Entscheidungen in Familien- und Erbschaftssachen erarbeitet, dessen Anwendungsbereich somit weit über den des hier behandelten Übereinkommens hinausging. Der Zwang, zu Ergebnissen zu kommen, sowie die aus den durchgeführten Studien gewonnenen Erkenntnisse erforderten eine Eingrenzung des Gegenstands der Beratungen im Rahmen der Europäischen Union. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

8. Auf der Brüsseler Tagung des Europäischen Rates vom 10. und 11. Dezember 1993 wurde festgehalten, daß sich dem europäischen Bürger mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Maastricht neue Perspektiven eröffnen und daß dieser Umstand ergänzende Beratungen in bezug auf bestimmte Aspekte des Familienlebens der Bürger erforderlich macht. Unter diesem Blickwinkel sprach sich der Europäische Rat dafür aus, daß die Prüfung der Möglichkeit, den Anwendungsbereich des Brüsseler Übereinkommens von 1968 auf das Familienrecht auszudehnen, entschlossen fortgesetzt wird. Im ersten Halbjahr 1994 richtete der griechische Vorsitz eine Liste von Fragen an die Mitgliedstaaten, um Aufschluß über die möglichen Grundzüge eines derartigen Übereinkommens zu erhalten. Anhand der eingegangenen Antworten wurde ein Synthesedokument erstellt, das als Grundlage diente, als der Europäische Rat im Juni 1994 das Mandat erteilte, die Beratungen zur Ausarbeitung eines Übereinkommensentwurfs aufzunehmen. Im zweiten Halbjahr 1994 legte der deutsche Vorsitz einen Übereinkommensentwurf vor, der allein die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und die Ungültigerklärung einer Ehe betraf. Daraufhin beantragten die spanische und die französische Delegation noch im selben Halbjahr die Einbeziehung des sorgerechtlichen Aspekts in den Anwendungsbereich des Übereinkommens. 9. Bei der Darlegung der Vorgeschichte des Übereinkommens sind auch die Kontakte zur Haager Konferenz für internationales Privatrecht zu erwähnen. Denn parallel zur Ausarbeitung des Übereinkommens über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen im Rahmen der Europäischen Union erfolgte im Rahmen der Haager Konferenz für internationales Privatrecht eine Revision des Übereinkommens vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen. Dem war insofern Rechnung zu tragen, als sich die Möglichkeit bot, in das neue Haager Übereinkommen eine Bestimmung über die Zuständigkeit der Behörden des Landes der Ehescheidung für Maßnahmen zum Schutz der Kinder aufzunehmen, selbst wenn die unterschiedlichen Arbeitsmethoden zu andersartigen Vorgehensweisen zwangen. Während die Europäische Union nämlich als Beobachter bei der Haager Konferenz auftreten kann (und Vertreter der Kommission und des Ratssekretariats in dieser Eigenschaft an den Beratungen in Den Haag teilgenommen haben), ist dies umgekehrt nach dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und dem Vertrag über die Europäische Union nicht möglich. Aus diesem Grund traten ab dem französischen Vorsitz im ersten Halbjahr 1995 die Troika, das Ratssekretariat und die Kommission am Rande der offiziellen Tagungen immer wieder inoffiziell mit dem Ständigen Büro der Haager Konferenz für internationales Privatrecht zusammen, um die Beziehungen zwischen den in beiden Gremien in Ausarbeitung befindlichen Texten zu erörtern. Die anfänglichen Schwierigkeiten im Verhältnis zwischen den beiden in Ausarbeitung befindlichen Übereinkommen konnten nach und nach ausgeräumt werden, und das Ergebnis ist sowohl aus dem hier behandelten Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union als auch aus dem noch nicht in Kraft getretenen Haager Übereinkommen vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern ersichtlich. Der Rat „Justiz und Inneres" sprach sich auf seiner Tagung am 25. September 1995 dafür aus, bei der Ein198

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beziehung der Frage des Sorgerechts aus Anlaß von Ehesachen in Ergänzung zum Haager Übereinkommen vorzugehen. Demgemäß berücksichtigte die Gruppe nach dem Abschluß des Haager Übereinkommens dessen Bestimmungen und im besonderen die, die das hier behandelte Übereinkommen unmittelbar berühren, d. h. Artikel 10 betreffend die Zuständigkeit der Gerichte, welche die Ungültigerklärung einer Ehe, die Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes aussprechen, für Maßnahmen zum Schutz der Kinder sowie Artikel 5 2 betreffend das Verhältnis des Haager Übereinkommens zu anderen Übereinkünften und im besonderen die Möglichkeit, daß mehrere Vertragsstaaten Vereinbarungen treffen, die in bezug auf Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem der Staaten, die Vertragsparteien solcher Vereinbarungen sind, Bestimmungen über die im Haager Übereinkommen geregelten Bereiche enthalten. 10. Die Ausarbeitung des Übereinkommensentwurfs oblag der Gruppe „Erweiterung des Brüsseler Übereinkommens", die seit 1 9 9 3 in enger Folge zusammengetreten ist. Die Verhandlungen waren langwierig und in bestimmten Punkten mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Im Dezember 1 9 9 7 wurde im R a t unter luxemburgischem Vorsitz auf der Grundlage von dessen Vorschlag für einen endgültigen Kompromiß ein abschließendes politisches Einvernehmen in bezug auf eine Reihe von Bestimmungen erzielt. Dies ist in groben Zügen die zwar langwierige, doch von Erfolg gekrönte Vorgeschichte des Übereinkommens, auf das im folgenden näher eingegangen wird.

II. ALLGEMEINE DARSTELLUNG DES ÜBEREINKOMMENS 11. Das erste Thema, das Aufmerksamkeit verdient, betrifft die Rechtsgrundlage des Textes. Als das Brüsseler Übereinkommen von 1 9 6 8 geschlossen wurde, konnte lediglich Artikel 2 2 0 des Vertrags als Rechtsgrundlage herangezogen werden. Nun aber bestand daneben eine weitere Bestimmung, die als Rechtsgrundlage des Übereinkommens dienen konnte, und zwar die durch den Vertrag von Maastricht eingeführte neue Bestimmung des Artikels K . 3 in Verbindung mit Artikel K . l . In Artikel K . l wird als einer der Bereiche, die für die Verwirklichung der Ziele der Union von „gemeinsamem Interesse" sind, die „justitielle Zusammenarbeit in Zivilsachen" genannt (Nummer 6). Diese Zusammenarbeit trägt ohne Zweifel zur Verwirklichung eines der Ziele der Union bei, nämlich der „Entwicklung einer engen Zusammenarbeit" im Bereich der Justiz (Artikel B). Das Übereinkommen ist als spezifische und adäquate Antwort auf die zu behandelnde Problematik zweifellos ein wichtiger Fortschritt im Rahmen der Bestimmungen über die justitielle Zusammenarbeit in Zivilsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Als Rechtsgrundlage des Übereinkommens wurde Artikel K . 3 des Vertrags gewählt, obwohl dafür theoretisch auch Artikel 2 2 0 in Frage gekommen wäre. Dies hatte zwar Auswirkungen in bezug auf die Ausarbeitung des Übereinkommens, ist jedoch für die Rechtspflege und den Bürger bei der Anwendung des Übereinkommens unerheblich. Die Kommission war entsprechend den Bestimmungen des Titels VI in vollem Umfang an den Beratungen der Gruppe beteiligt und wirkte so in aktiver und konstruktiver Weise an der Ausarbeitung des Textes mit. Nach Abschluß der Beratungen der Gruppe wurde der Entwurf des Übereinkommens vom Vorsitz Rolf A. Schütze

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gemäß Artikel K.6 des Vertrags über die Europäische Union dem Europäischen Parlament zur Prüfung vorgelegt. Das Europäische Parlament hat seine Stellungnahme auf seiner Plenartagung am 30. April 1998 abgegeben. Die darin zum Ausdruck gebrachten Auffassungen wurden von den entsprechenden Ratsgremien im Laufe des Monats Mai 1998 geprüft. Am 28. Mai 1998 wurde das Übereinkommen vom Rat gebilligt und von den Vertretern aller Mitgliedstaaten unterzeichnet. 12. Die der Ausarbeitung des Übereinkommens zugrundeliegenden Bestrebungen und Leitgedanken ergeben sich aus dessen Präambel, in der vier Aspekte hervorgehoben werden: 1. der Wunsch, zeitgemäße und einheitliche Regeln für die gerichtliche Zuständigkeit bei Verfahren betreffend die Ungültigerklärung einer Ehe, die Ehescheidung sowie die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes einzuführen und den Weg dafür zu ebnen, daß diesbezügliche Entscheidungen, die in den Mitgliedstaaten ergangen sind, von den anderen Mitgliedstaaten rasch und automatisch anerkannt werden; 2. das Bestreben, Zuständigkeitsregeln hinsichtlich der elterlichen Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten aus Anlaß von Verfahren in Ehesachen festzulegen und davon ausgehend für eine rasche und automatische Anerkennung der betreffenden Entscheidungen und deren Vollstreckung mittels eines vereinfachten Verfahrens zu sorgen; 3. die Berücksichtigung der Grundsätze, auf denen das Brüsseler Übereinkommen von 1968 beruht, was dazu führte, daß das Übereinkommen sich am Brüsseler Übereinkommen ausrichtet, wenngleich es aufgrund seines Gegenstands anders gestaltet ist; 4. die Berücksichtigung der Möglichkeit, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die Zuständigkeit für die Auslegung der Bestimmungen des Übereinkommens zu erteilen. 13. Zwei wichtige Merkmale des Übereinkommens sind hervorzuheben: A. Das Übereinkommen ist ein sogenanntes „Doppelabkommen", da es sowohl Regeln für die direkte Zuständigkeit als auch Vorschriften für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen enthält. Es folgt dabei dem Muster des Brüsseler Übereinkommens, das seinerzeit in dieser Beziehung neue Maßstäbe setzte, enthält jedoch auch wesentliche Änderungen. So enthält es Regeln für die internationale gerichtliche Zuständigkeit, die von dem in der Sache angerufenen Gericht zu beachten sind und dieses veranlassen müssen, sich für unzuständig zu erklären, wenn es sich nach den Regeln des Übereinkommens nicht für zuständig erachtet. Dies schafft Rechtssicherheit für den Bürger und ein Klima des gegenseitigen Vertrauens, was wiederum die Voraussetzung dafür ist, daß Regeln für eine automatische Anerkennung und stark vereinfachte Regeln für die Vollstreckung aufgestellt werden können. B. Wenn das Übereinkommen in den Mitgliedstaaten im Wege der jeweiligen verfassungsrechtlichen Verfahren angenommen worden und in Kraft getreten ist, hat es uneingeschränkte Geltung. Dies bedeutet, daß alle seine Bestimmungen anzuwenden sind und ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens in den Beziehungen der Vertragsstaaten untereinander jede andere innerstaatliche oder vertragliche Bestimmung ersetzen, es sei denn, im Übereinkommen selbst oder in den jeweiligen verfassungsrechtlichen Bestimmungen ist etwas 200

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anderes vorgesehen. Insgesamt handelt es sich um einen Rechtsmechanismus, der auf dem innerstaatlichen Recht jedes Mitgliedstaats basiert und mit diesem verflochten ist. Folglich gilt in Fragen, die vom Übereinkommen nicht geregelt werden, das innerstaatliche Recht. 14. D a s Übereinkommen ist in die sieben folgenden Titel gegliedert: Titel I: Anwendungsbereich Titel II: Gerichtliche Zuständigkeit Titel III: Anerkennung und Vollstreckung Titel IV: Übergangsvorschriften Titel V: Allgemeine Bestimmungen Titel VI: Gerichtshof Titel VII: Schlußbestimmungen. D a s Kernstück des Übereinkommens und damit auch den Teil, der vor allem im Mittelpunkt der Diskussion stand, bilden selbstverständlich die Titel II und III (gerichtliche Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen). In die Erörterung dieser Themen spielte auch in starkem Maße die Diskussion über den Anwendungsbereich (Titel I) hinein. 15. Der Titel I des Übereinkommens (Anwendungsbereich) enthält einen einzigen Artikel, der Gegenstand langwieriger Erörterungen war, die nur durch einen politischen Kompromiß abgeschlossen werden konnten, bei dem der Anwendungsbereich des Übereinkommens so festgelegt wurde, daß er sowohl Verfahren betreffend die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe als auch Fragen umfaßt, die sich aus Anlaß derartiger Verfahren hinsichtlich der Ausübung der elterlichen Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten stellen. 16. Der Titel II umfaßt die Regeln für die direkte internationale Zuständigkeit, d.h. die Regeln, die von dem in einer Ehesache angerufenen Gericht vor einer Entscheidung zu beachten sind. Diese Bestimmungen haben indessen keinen Einfluß auf die Aufteilung der territorialen Zuständigkeit innerhalb des jeweiligen Mitgliedstaats noch auf die Situation der Mitgliedstaaten ohne ein einheitliches Rechtssystem. Die Regeln für die direkte Zuständigkeit in Ehesachen stellen zweifellos die wichtigste Neuerung des Übereinkommens dar. Die bisherigen Übereinkünfte zu diesen Fragen beschränken sich auf die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und beinhalten folglich nur Regeln für eine indirekte Zuständigkeit, d.h. eine Prüfung, die das Gericht des Staates, in dem eine Anerkennung bzw. Vollstreckung beantragt wird (ersuchter Staat), hinsichtlich der Zuständigkeit des Gerichts des Staates vornimmt, in dem die Entscheidung in der Sache selbst ergangen ist. Dieser Titel ist in vier Abschnitte gegliedert. a) Der erste Abschnitt enthält die Bestimmungen über die Kriterien für die Zuständigkeit, d.h. die Zuständigkeitsregeln im eigentlichen Sinne (Artikel 2 bis 8). D a s Kernstück ist dabei Artikel 2, in dem die Kriterien genannt werden, die bei Ehesachen Anwendung finden; hinzu kommt Artikel 3 bezüglich der elterlichen Verantwortung, der durch Artikel 4 mit einer Sonderbestimmung hinsichtlich des Haager Übereinkommens von 1980 ergänzt wird. Artikel 5 behandelt den Gegenantrag, Artikel 6 die Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung, Artikel 7 den ausschließlichen Charakter der Zuständigkeiten nach den vorangegangenen Artikeln und Artikel 8 analog zu Artikel 4 des Brüsseler Übereinkommens von 1968 die sogenannten „Restzuständigkeiten". Rolf A. Schütze

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b) Der zweite Abschnitt (Artikel 9 und 10) betrifft die Prüfung der Zuständigkeit nach den Kriterien des Übereinkommens und die Feststellung, ob der Antragsgegner in der Lage ist, sich zu verteidigen. c) Im dritten Abschnitt (Artikel 11) wird auf den Aspekt der Rechtshängigkeit und abhängiger Verfahren eingegangen. d) Der vierte Abschnitt (Artikel 12) behandelt einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen. 17. Der Titel III ist die logische Folge des Titels II und betrifft die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen. Obwohl es auf den ersten Blick scheinen könnte, daß sich hier nach Lösung der Fragen der vorangegangenen Artikel keine Schwierigkeiten mehr stellten, war dem keineswegs so. Strittig waren im wesentlichen die Folgen der automatischen Anerkennung für die Beischreibung in den Personenstandsbüchern sowie die Gründe für eine Ablehnung der Anerkennung und der Vollstreckung. Zu beachten war auch die Begrenzung der Anerkennung auf den Aspekt der Statusänderung unter Ausschluß anderer Aspekte (siehe Nummern 22 und 64). Fraglich war auch das Erfordernis der Vollstreckung, was ebenfalls in bezug auf den Anwendungsbereich geregelt wird. Das Verfahren für die Vollstreckung ist im einzelnen ähnlich wie im Brüsseler Übereinkommen geregelt. 18. In Titel IV sind Übergangsvorschriften, in Titel V allgemeine Bestimmungen, in Titel VI Bestimmungen über die Auslegung durch den Gerichtshof und in Titel VII Schlußbestimmungen enthalten.

III. ANALYSE D E R B E S T I M M U N G E N TITEL I A. Anwendungsbereich Artikel 1 Anwendungsbereich 19. Dieser Aspekt ist ausschlaggebend für das Wesen des Übereinkommens und für dessen Tragweite, die sich - wie unter Nummer 12 dargelegt wurde - auf Vorschriften über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen erstreckt. Die Bestimmung des Anwendungsbereichs beinhaltet unterschiedliche Teilaspekte, die sich sowohl auf die Art der Verfahren als auch auf deren Gegenstand beziehen. 20. Was die Art der Verfahren anbelangt, so spricht Absatz 1 von „zivilgerichtlichen Verfahren" unter Ausschluß jeder anderen Art von Verfahren, da zwecks Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe in aller Regel zivilgerichtliche Verfahren betrieben werden. Das Wort „zivilgerichtlich" dient aber auch insofern der klaren Abgrenzung des Anwendungsbereichs des Übereinkommens, als dieser Begriff nicht nur in Bezug zu Verfahren auf Verwaltungsebene zu setzen ist, wie es in Absatz 2 dieses Artikels getan wird, sondern der Ausgrenzung von lediglich im Rahmen einer Religionsgemeinschaft geltenden Verfahren dient. Daraus ergibt sich folgendes: 202

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Borräs-Bericht zu Brüssel II

A. Neben zivilgerichtlichen Verfahren werden in den Anwendungsbereich des Übereinkommens weitere nichtgerichtliche Verfahren einbezogen, die in bestimmten Mitgliedstaaten in Ehesachen anerkannt sind. Es handelt sich dabei um in einem Mitgliedstaat amtlich anerkannte Verfahren auf Verwaltungsebene. So gibt es beispielsweise in Dänemark neben dem gerichtlichen Weg den Verwaltungsweg über das Statsamt (Bezirksverwaltung) bzw. das Kabenhavns Overpraesidium (das für Kopenhagen dieselbe Funktion wie das Staatsamt hat); damit dieser Weg beschritten werden kann, bedarf es eines relevanten Scheidungsgrunds und eines Einvernehmens zwischen den Ehegatten sowohl hinsichtlich der Ehescheidung selbst als auch hinsichtlich damit verbundener Fragen (Sorgerecht, Unterhaltspflicht usw.). Gegen die Entscheidungen des Statsamt und des Kobenhavns Overprjesidium kann ein Rechtsbehelf beim Justizministerium (Abteilung Zivilrecht) eingelegt werden, dessen Entscheidungen wiederum auf dem üblichen Wege vor Gericht angefochten werden können. In entsprechender Weise hat Finnland 1983 eine Regelung eingeführt, wonach Fragen des Sorgerechts, des Wohnorts der Kinder und des Besuchsrechts am Rande der gerichtlichen Verfahren im Wege einer Vereinbarung geregelt werden können, die vom örtlichen Sozialamt gebilligt werden muß (Gesetz Nr. 361 vom 8.4.1983, Artikel 7, 8, 1 0 , 1 1 und 12). Deshalb wird in Anlehnung an Artikel 1 des Haager Übereinkommens von 1970 über die Anerkennung der Ehescheidung und der Trennung von Bett und Tisch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Begriff „Gericht" im gesamten Text des Übereinkommens alle gerichtlichen und sonstigen Behörden einschließt, die in Ehesachen tätig werden. B. Vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgeschlossen sind im Rahmen einer Religionsgemeinschaft geltende Verfahren, deren Bedeutung aufgrund der Einwanderung zunehmen kann (ζ. B. bei Eheschließungen nach den islamischen oder hinduistischen Glaubensgesetzen). Der Artikel 4 2 gewährleistet die weitere Geltung der Verträge, die von einigen Mitgliedstaaten mit dem Heiligen Stuhl geschlossen wurden (s. Erläuterungen zu Artikel 4 2 unter Nummer 120). 21. Was den Gegenstand der Verfahren anbelangt, so ist wiederum zwischen rein eherechtlichen Fragen und Fragen der elterlichen Verantwortung zu unterscheiden. 22. Das Übereinkommen bezieht sich nur auf Verfahren, welche den ehelichen Status an sich betreffen, d.h. die Ungültigerklärung einer Ehe, die Ehescheidung und die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes. Dementsprechend erstreckt sich die Anerkennung von Entscheidungen über eine Ehescheidung oder die Ungültigerklärung einer Ehe nur auf den Aspekt der Auflösung des Ehebandes. Nicht einbezogen sind Aspekte wie beispielsweise das Verschulden der Ehegatten, das Familienvermögen, die Unterhaltspflicht oder sonstige mögliche Nebenaspekte (Namensführung usw.), obwohl diese natürlich mit dem Aspekt des ehelichen Status verknüpft sind. Die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Unterhaltssachen ist, abgesehen von weiteren internationalen Übereinkünften, im Brüsseler Übereinkommen von 1968 geregelt, das eine besondere Zuständigkeitsregel (Artikel 5 Absatz 2) enthält; des weiteren wurde am 6. November 1990 das Übereinkommen von R o m über die Vereinfachung der Verfahren zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen geschlossen, das allerdings noch nicht in Kraft ist. Verbleibende Fragen unterliegen dem in den Beziehungen zwischen den betreffenden Staaten geltenden innerstaatlichen und internationalen Recht. Rolf A. Schütze

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23. Komplexer ist das Thema der elterlichen Verantwortung, da das innerstaatliche Recht in einigen Mitgliedstaaten vorschreibt, daß eine Entscheidung in einer Ehesache auch die Fragen der elterlichen Verantwortung einbezieht, während in anderen Mitgliedstaaten die eherechtlichen Fragen und die Fragen des Schutzes der Kinder streng getrennt werden, weshalb die Entscheidung in der Ehesache nicht notwendigerweise die elterliche Verantwortung regelt und eine Entscheidung über letztere sogar anderen Stellen überlassen werden kann. Daraus ergab sich, daß in bezug auf die elterliche Verantwortung verschiedene Probleme zu klären waren und nur unter Schwierigkeiten erreicht werden konnte, daß alle Mitgliedstaaten dem Wortlaut von Absatz 1 Buchstabe b) zustimmten, womit diese Frage in das Übereinkommen einbezogen und nicht etwa zum Gegenstand einer gesonderten Übereinkunft gemacht wurde, wie dies ursprünglich von einer Delegation vorgeschlagen worden war. Es geht dabei allerdings nur um Fragen der elterlichen Verantwortung aus Anlaß einer Ehesache (siehe hierzu Artikel 3 Absatz 3). 24. Die erste zu entscheidende Frage war demnach die, ob der Aspekt der elterlichen Verantwortung in das Übereinkommen aufgenommen werden sollte oder nicht. Abgesehen von der obengenannten Unterschiedlichkeit der Rechtsordnungen erwuchsen die Schwierigkeiten auch daraus, daß im Rahmen der Haager Konferenz parallel das Übereinkommen zum Schutz von Kindern ausgearbeitet wurde, das dann 1996 unterzeichnet wurde. Die Auswirkungen dieser Umstände sind aus dem Inhalt von Artikel 3 ersichtlich. Schon der Begriff „elterliche Verantwortung" bereitete Schwierigkeiten, da er in der Rechtsordnung des Mitgliedstaats, in dem diese Verantwortung geprüft wird, definiert sein muß. Der Aspekt der Unterhaltspflicht wurde bereits unter Nummer 22 angesprochen. Der Begriff „elterliche Verantwortung", dessen Übersetzung für einige Länder mit Problemen verbunden sein mag, taucht allerdings bereits in verschiedenen internationalen Übereinkünften und im besonderen im Haager Übereinkommen von 1996 auf, womit sein Gebrauch einer gewissen terminologischen Vereinheitlichung dient. 25. Die zweite Schwierigkeit bestand darin, zu klären, auf welche Kinder die Bestimmung anwendbar sein sollte. Es bestand Einvernehmen darüber, daß die Bestimmung sowohl die eigenen Kinder des Ehepaares als auch die von beiden Ehegatten adoptierten Kinder erfassen sollte. Einige Mitgliedstaaten brachten jedoch die Möglichkeit zur Sprache, die elterliche Verantwortung nicht nur in bezug auf die gemeinsamen Kinder der Ehegatten zu verstehen, sondern auch in bezug auf die sogenannten „Kinder der Familie", was beispielsweise die Kinder nur eines Ehegatten aus früheren Bindungen einbezogen hätte. Dieses Konzept kennt das englische, das schottische und das niederländische Recht. Es hat sich indessen die Vorstellung durchgesetzt, nur gemeinsame Kinder einzubeziehen, da es um Fragen der elterlichen Verantwortung geht, die sich in enger Verbindung mit einem Antrag auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe stellen. Eine andere Lösung hätte darüber hinaus die Grundrechte eines in einem anderen Mitgliedstaat lebenden zweiten Elternteils beeinträchtigen können. Davon ausgehend enthält Artikel 3 Absatz 3 Bestimmungen über den Zeitpunkt, zu dem die Zuständigkeit der Behörden des Staates, in dem über die Ehesache entschieden wird, für Fragen der elterlichen Verantwortung endet. Der Umstand, daß der Anwendungsbereich des Übereinkommens hinsichtlich der elterlichen Verantwortung auf Entscheidungen in bezug auf gemeinsame 204

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Kinder der Ehegatten beschränkt wurde, hindert die Mitgliedstaaten allerdings nicht an einem späteren Beschluß über die Anwendung identischer Zuständigkeitskriterien wie der in Artikel 3 genannten in bezug auf „Kinder der Familie", die nicht gemeinsame Kinder der Ehegatten sind. Unterdessen werden die für diese Kinder geltenden Zuständigkeitskriterien durch das Übereinkommen nicht berührt, womit für die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in bezug auf diese Kinder das innerstaatliche Recht maßgeblich ist. 26. Schließlich ist unter Berücksichtigung anderer internationaler Rechtstexte und im besonderen des Übereinkommens der Vereinten Nationen von 1989 über die Rechte des Kindes davon auszugehen, daß jedes Kind als Einzelperson zu behandeln ist. Dies bedeutet, daß hinsichtlich des Anwendungsbereichs des Übereinkommens zwar auf die elterliche Verantwortung für „die gemeinsamen Kinder" Bezug genommen wird, daß aber bei der konkreten Anwendung für jedes einzelne Kind die in Artikel 3 vorgesehenen Bedingungen erfüllt sein müssen. TITEL II B. Gerichtliche Zuständigkeit Erster Abschnitt Allgemeine

Bestimmungen

Artikel 2 Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und Ungültigerklärung einer Ehe 27. Die gewählten Zuständigkeitsregeln gehorchen objektiven Erfordernissen, tragen den Interessen der Verfahrensparteien Rechnung, ermöglichen eine flexible Regelung, die der Mobilität der Personen angemessen ist, und dienen letztendlich einer Vereinfachung für den Bürger bei gleichzeitiger Wahrung der Rechtssicherheit. Angesichts der gestellten Anforderungen kann es nicht verwundern, daß dieser Artikel zusammen mit Artikel 3 sehr weitgehend im Mittelpunkt der langwierigen Beratungen über dieses Übereinkommen stand. Die gewählte Lösung ist bei einigen der festgelegten Zuständigkeitskriterien das Ergebnis eines heiklen Gleichgewichts. Es waren Kriterien für die Zuständigkeit in Ehesachen festzulegen, ohne auf die nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallende Situation einzugehen, daß die Gültigkeit einer Ehe aufgrund eines Antrags auf deren Ungültigerklärung nach dem Tode eines oder beider Ehegatten zu prüfen ist. Derartige Fälle ergeben sich zumeist als Vorabentscheidungsfragen im Rahmen einer Erbsache. Ein solcher Fall unterliegt den einschlägigen internationalen Rechtsinstrumenten wie dem Haager Übereinkommen von 1970 über die Anerkennung der Ehescheidung und der Trennung von Bett und Tisch oder der jeweiligen innerstaatlichen Rechtsordnung, sofern diese eine entsprechende Lösung anbietet. 28. Im Gegensatz zum Brüsseler Übereinkommen von 1968, in dem es zu einem Zusammenspiel der allgemeinen Vorschriften nach Artikel 2 und der besonderen Zuständigkeiten nach Artikel 5 kommt, wurde es hier angesichts der BesonderRolf A. Schütze

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heiten der Materie für sinnvoll erachtet, sowohl auf eine Bestimmung in Analogie zu Artikel 2 des Brüsseler Übereinkommens und dessen Allgemeinvorschrift bezüglich des Gerichtsstands als auch auf eine Rangordnung bei den festgelegten Kriterien zu verzichten. Der Verzicht auf einen allgemeinen Gerichtsstand zugunsten von im konkreten Fall möglichen Gerichtsständen ergibt sich logischerweise aus dem Umstand, daß aufgrund ehelicher Krisen immer häufiger eine sofortige Änderung der Lebenssituation eintritt. Diese Überlegungen haben dazu geführt, daß die gewählten Kriterien in dem im folgenden beschriebenen Sinne objektiver, alternativer und auschließlicher Natur sind. Artikel 2 enthält nur Kriterien objektiver Art, die der Prüfung nach Artikel 9 unterliegen. Daher kann, wenn ein Ehegatte seinen Antrag in einem Mitgliedstaat stellt, dessen Gerichte nach den Kriterien des Artikels 2 nicht zuständig sind, die Zuständigkeit dieser Gerichte nicht etwa darauf gegründet werden, daß sich der andere Ehegatte auf das Verfahren eingelassen hat; vielmehr hat das Gericht zu prüfen, ob seine Zuständigkeit gegeben ist oder nicht, und sich im letzteren Fall einer Entscheidung in der Sache zu enthalten. Bezüglich der Rolle, die der Wille der Ehegatten als Kriterium spielt, siehe nachstehend Nummer 31 in bezug auf Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a). Entsprechend sind alle Kriterien in Artikel 2 als Alternativmöglichkeiten aufgeführt, wobei auch die Einreihung unter Buchstabe a) oder Buchstabe b) keine Rangordnung begründet. Im Rahmen von Buchstabe a) wird zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit anders als im Brüsseler Übereinkommen von 1968, das sich auf den Wohnsitz stützt, der gewöhnliche Aufenthalt herangezogen. Buchstabe b) enthält unter Berücksichtigung der Besonderheiten bestimmter innerstaatlicher Rechtsordnungen als Zuständigkeitskriterium die Staatsangehörigkeit bzw. den „Wohnsitz" in dem Sinne, den der Begriff „domicile" im Vereinigten Königreich und in Irland hat. Im Rahmen des Brüsseler Übereinkommens von 1 9 6 8 (Artikel 5 2 ) wendet das angerufene Gericht zur Bestimmung des Ortes, an dem eine Partei ihren Wohnsitz hat, sein innerstaatliches Recht an. Es wurde erörtert, ob eine analoge Bestimmung in bezug auf den gewöhnlichen Aufenthalt aufgenommen werden sollte (siehe hierzu Nummer 31). 29. Die in diesem Artikel aufgeführten Kriterien sind die einzigen, die für den betreffenden Verfahrensgegenstand herangezogen werden können, womit sie als „ausschließliche" Kriterien bezeichnet werden können (siehe hierzu die Erläuterungen zu Artikel 7). Allerdings darf diese Bezeichnung nicht im Sinne des Brüsseler Übereinkommens verstanden werden, demzufolge in gewissen, in dessen Artikel 16 genannten Bereichen allein die Gerichte eines bestimmten Staates zuständig sind und die übrigen Kriterien dann nebensächlich werden. Im vorliegenden Fall ist die Bezeichnung „ausschließlich" so zu verstehen, daß nur die genannten Kriterien angewandt werden dürfen, und zwar als Alternativmöglichkeiten und ohne jede Rangordnung untereinander. Es handelt sich also um eine erschöpfende Aufzählung. Deshalb war hier die Aufnahme einer Bestimmung wie der von Artikel 2 8 Absatz 1 des Brüsseler Übereinkommens von 1968 nicht erforderlich. 3 0 . Bei den Kriterien für die Zuständigkeit der Gerichte eines Staates für Entscheidungen in Ehesachen, die in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen, wird zwischen zwei Gruppen (Buchstabe a) und Buchstabe b)) unterschieden. Absatz 2 bezieht sich sodann auf Absatz 1 Buchstabe b) sowie auch auf den letzten Gedankenstrich von Buchstabe a) (zu den Wirkungen der Erklärung siehe Artikel 7 und Artikel 8 Absatz 2).

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Den aufgenommenen Kriterien liegt die Annahme zugrunde, daß eine faktische Bindung zwischen der betreffenden Person und einem Mitgliedstaat besteht. Bestimmte Kriterien wurden einbezogen, weil sie im Rahmen einzelner innerstaatlicher Rechtsordnungen existieren und von den übrigen Mitgliedstaaten akzeptiert wurden bzw. weil Lösungen gefunden werden mußten, die für alle annehmbar sind. 31. Bei den unter Buchstabe a) aufgeführten Kriterien ist die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit nach dem Ort des gewöhnlichen Aufenthalts der beiden Ehegatten zum Zeitpunkt der Antragstellung (erster Gedankenstrich) ein Kriterium, das in den Mitgliedstaaten bereits in starkem Maße zur Anwendung gelangt und das zweifellos in den allermeisten Fällen herangezogen werden wird. Ebenso unproblematisch ist das Kriterium des dritten Gedankenstrichs (gewöhnlicher Aufenthalt des Antragsgegners), da dieses das allgemeine Kriterium für die Zuständigkeit aufgrund des Prinzips actor sequitur ist. In starkem Maße konsensfähig war auch das Kriterium für den Fall eines gemeinsamen Antrags im vierten Gedankenstrich, wonach der Antrag bei den Gerichten des Landes des gewöhnlichen Aufenthalts eines der Ehegatten gestellt werden kann; in diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß - wiederum im Gegensatz zum Brüsseler Übereinkommen von 1968 - der Wille der Ehegatten eine geringe Rolle spielt und nur in dieser begrenzten Form Berücksichtigung findet; dies ist insofern logisch, als es hier um eherechtliche Streitigkeiten geht. 32. Größere Probleme stellten sich hinsichtlich der Annahme der übrigen in Absatz 1 genannten Kriterien. So war zwar prinzipiell nichts dagegen einzuwenden, daß die Gerichte des Staates des letzten gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten zuständig sind, sofern einer von ihnen dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (zweiter Gedankenstrich). Einige Mitgliedstaaten sahen hier jedoch ein Problem im Hinblick auf die Situation des anderen Ehegatten, der oft aufgrund der ehelichen Krise in das Land zurückkehrt, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er vor der Eheschließung wohnte, und der dann den Beschränkungen des fünften und des sechsten Gedankenstrichs unterliegt, die mit Sicherheit Auswirkungen im Bereich der Rechtshängigkeit haben werden (siehe Artikel 11). In diesen beiden Bestimmungen wird nämlich ausnahmsweise das forum actoris auf der Grundlage des gewöhnlichen Aufenthalts, wenn auch nur unter Zusatzbedingungen, zugelassen. So ermöglicht der fünfte Gedankenstrich die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats des gewöhnlichen Aufenthalts des Antragstellers, wenn dieser sich seit mindestens einem Jahr in diesem Staat aufgehalten hat. D a einige Mitgliedstaaten die so gewählte Lösung nicht für ausreichend hielten und unter Berücksichtigung des Umstands, daß ein Ehegatte häufig seinen neuen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat begründet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er seinen „Wohnsitz" im Sinne des Begriffs „domicile" des britischen und des irischen Rechts hat, wurde mit dem sechsten Gedankenstrich die Möglichkeit aufgenommen, daß die Gerichte des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Antragstellers zuständig sind, wenn dieser sich seit mindestens sechs Monaten unmittelbar vor der Antragstellung in diesem Staat aufgehalten hat und zudem dessen Staatsangehörigkeit besitzt bzw. dort seinen Wohnsitz im Sinne des britischen und des irischen Rechts hat. Letztere Bestimmung wurde im Gefolge des im Dezember 1997 erzielten politischen Einvernehmens eingefügt, nachdem einige Mitgliedstaaten in aller Form mitgeteilt hatten, daß die Annahme dieser Zuständigkeitsregel im Hinblick auf einen Gesamtkompromiß ein unerläßliches Element von größter Bedeutung sei. Rolf A. Schütze

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Die Lösung trägt der Situation des Ehegatten Rechnung, der in sein Herkunftsland zurückkehrt, ohne daß damit ein Kriterium eingeführt würde, das sich ausschließlich auf den Gerichtsstand des Antragstellers stützt: Zum einen wird mit der Staatsangehörigkeit bzw. dem Wohnsitz eine erste Bindung zu dem betreffenden Mitgliedstaat unter Beweis gestellt; zum anderen muß der Antragsteller sich seit mindestens sechs Monaten unmittelbar vor der Antragstellung in diesem Staat aufgehalten haben. Letztere Anforderung löste eine Diskussion speziell zu der Frage aus, wie im Fall eines Ehegatten, der aufgrund einer ehelichen Krise in sein Herkunftsland zurückkehrt, der gewöhnliche Aufenthalt zu bestimmen ist. Das Bestehen einer derartigen Bindung ist vom Gericht zu beurteilen. Es wurde zwar in Erwägung gezogen, eine Vorschrift zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts in Analogie zu Artikel 52 des Brüsseler Übereinkommens betreffend die Bestimmung des Wohnsitzes aufzunehmen, doch wurde schließlich beschlossen, dies nicht zu tun. Indessen wurde dem Umstand besonders Rechnung getragen, daß der Gerichtshof bei verschiedenen Gelegenheiten - wenn auch nicht bezüglich des Brüsseler Übereinkommens von 1968 - folgende Definition des ständigen Wohnsitzes gegeben hat: „der Ort, den der Betroffene als ständigen oder gewöhnlichen Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in der Absicht gewählt hat, ihm Dauerhaftigkeit zu verleihen, wobei für die Feststellung dieses Wohnsitzes alle hierfür wesentlichen tatsächlichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind." Verworfen wurden somit Vorschläge, es als ausreichend zu betrachten, wenn der Antragsteller mindestens während eines Gesamtzeitraums von einem Jahr innerhalb des der Antragstellung unmittelbar vorausgehenden Fünfjahreszeitraums seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem jeweiligen Staat hatte, selbst mit der Zusatzbedingung, daß er dessen Staatsangehöriger ist bzw. dort seinen Wohnsitz hat. Im übrigen ist zu hoffen, daß das gegenseitige Vertrauen, das bei der Ausarbeitung dieses neuen Übereinkommens ebenso wie bereits beim Brüsseler Übereinkommen von 1968 Pate stand, stärker wiegt als noch vorhandene Bedenken gegen die Möglichkeit, daß die Gerichte eines anderen Staates in einer Sache entscheiden. 33. Ebenfalls alternativ zu den bisher genannten Kriterien, jedoch aus Gründen der Systematik getrennt, wird die Möglichkeit aufgeführt (Absatz 1 Buchstabe b)), daß die Ehesache den Gerichten des Staates vorgelegt wird, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten besitzen oder in dem sie auf Dauer ihren gemeinsamen Wohnsitz genommen haben. Diese Bestimmung verdient besondere Aufmerksamkeit und bedarf gesonderter Erläuterungen. Zunächst ist die Anforderung hervorzuheben, daß es sich um die gemeinsame Staatsangehörigkeit oder den gemeinsamen Wohnsitz beider Ehegatten handeln muß. Einige Mitgliedstaaten waren dafür, auch die Möglichkeit zuzulassen, daß nur einer der Ehegatten diese Bedingung erfüllt. Davon wurde jedoch Abstand genommen, da auf diese Weise ein reines forum actoris begründet worden wäre, bei dem in vielen Fällen keinerlei faktische Bindung zu dem betreffenden Staat bestanden hätte, womit gegen den Geist des Übereinkommens verstoßen worden wäre. Der Umstand, daß die Möglichkeit eingeräumt wird, daß sich mit der Sache die Gerichte des Staates befassen, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten besitzen oder in dem beide Ehegatten ihren Wohnsitz haben, bedeutet nicht, daß die Gerichte in jedem Fall frei nach dem einen oder anderen Kriterium vorgehen können. Vielmehr haben sich die Mitgliedstaaten nach Maßgabe ihrer inner208

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staatlichen Rechtsordnung für das eine oder das andere Kriterium zu entscheiden. D a s heißt, daß beispielsweise für Spanien die gemeinsame Staatsangehörigkeit in Frage kommen kann, für das Vereinigte Königreich und Irland hingegen das Kriterium des Wohnsitzes. Entsprechend wird in Artikel 2 Absatz 2 vorgeschrieben, daß die einzelnen Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Annahme des Übereinkommens in einer Erklärung angeben, ob sie im Rahmen von Absatz 1 Buchstabe b) das Kriterium der Staatsangehörigkeit oder das des Wohnsitzes anwenden. Das Übereinkommen sagt nichts über die Auswirkungen einer doppelten Staatsangehörigkeit aus, womit die Gerichte jedes Staates demnach im Rahmen der diesbezüglichen allgemeinen Gemeinschaftsbestimmungen die jeweiligen innerstaatlichen Vorschriften anzuwenden haben. 34. Probleme bei der Übersetzung des Übereinkommens in die verschiedenen Sprachen verlangten eine gewisse Präzisierung des Begriffs „Wohnsitz", die nur dieses Übereinkommen betrifft. Diese erfolgt in Artikel 2 Absatz 3. Die Schwierigkeiten und Klärungen im Rahmen des Brüsseler Übereinkommens von 1968 wurden bereits erwähnt und sind somit bekannt. Die dort aufgestellten Kriterien konnten jedoch im Fall des neuen Übereinkommens insofern nicht übernommen werden, da dieses Ehesachen betrifft und daher auch die Staatsangehörigkeit als Kriterium zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit einzubeziehen war. Während indessen die Staatsangehörigkeit ein Kriterium ist, dessen Bedeutung kaum Schwierigkeiten aufwirft, ist die Situation weitaus komplexer in bezug auf den Begriff „Wohnsitz", der mit der Bedeutung aufgenommen wurde, die der Begriff „domicile" im britischen und im irischen Recht hat. Zur Hervorhebung seiner Sonderbedeutung erscheint der Begriff daher auch in der Mehrzahl der Sprachfassungen in Anführungszeichen. Er ist also keinesfalls mit dem ebenfalls in Absatz 1 verwendeten Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts gleichzusetzen. Die Delegation des Vereinigten Königreichs hat in einem ausführlichen Dokument Erläuterungen zu dem Konzept des domicile gegeben, die sich allein auf die Anwendung dieses Übereinkommens beziehen und keinen Anspruch auf eine erschöpfende Darlegung des Begriffs erheben. Der Hauptzweck des domicile besteht darin, eine Person dem Land zuzuordnen, in dem sie auf Dauer oder auf unbefristete Zeit ihren Wohnsitz genommen hat. Auf der Grundlage dieses Konzepts wird diese Person für verschiedene häufige Zwecke, vor allem in wichtigen Fragen der familiären Beziehungen und des Familienvermögens, der Rechtsordnung dieses Landes unterworfen. Die Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs zielen darauf ab, daß jede Person jederzeit ein und nur ein domicile hat. Zu diesem Zweck bestehen neben Vorschriften zur Bestimmung des domicile von Kindern (domicile of origin) auch Vorschriften zur Festlegung des domicile von Erwachsenen, und zwar sowohl hinsichtlich der Begründung eines neuen domicile (domicile of choice) als auch hinsichtlich einer Wiederbegründung des ursprünglichen domicile (revival of the domicile of origin). Dieselben Grundsätze gelten für das irische Recht.

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Artikel 3 Elterliche Verantwortung 35. Nachdem in Artikel 1 geklärt wurde, daß in den Anwendungsbereich des Übereinkommens auch Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung (zur Verwendung dieses Begriffs siehe die Erläuterungen zu Artikel 1) aus Anlaß von Verfahren betreffend die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe fallen, wird in Artikel 3 festgelegt, wann und unter welchen Umständen die Stellen des Staates, dessen Gerichte nach den in Artikel 2 aufgestellten Kriterien für eine Entscheidung in der Ehesache zuständig sind, auch zuständig sind, um Entscheidungen bezüglich der elterlichen Verantwortung für die gemeinsamen Kinder zu erlassen. Zu diesem Zweck wurde Artikel 3 in drei Absätze aufgegliedert, wovon die beiden ersten dazu dienen, die Zuständigkeit der Stellen des Staates, dessen Gerichte für die Entscheidung in der Ehesache zuständig sind, zu verankern, im Fall des zweiten Absatzes bezüglich der Kinder, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in diesem Staat haben. Im dritten Absatz wird die zeitliche Begrenzung dieser Zuständigkeit geregelt. 36. Aufbau und Inhalt dieser Bestimmung sind das Ergebnis schwieriger Verhandlungen, sowohl unter dem gemeinschaftsinternen Aspekt als auch im Hinblick auf die über die Gemeinschaft hinausgehenden internationalen Beziehungen und insbesondere das Haager Übereinkommen von 1996. Die Vereinbarkeit mit letzterem wird jedoch dadurch erleichtert, daß beschlossen wurde, daß das hier behandelte Übereinkommen nur für die Kinder gilt, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem der Mitgliedstaaten haben. Nachdem zwischen den Mitgliedstaaten die Frage der Einbeziehung dieses Aspekts in den Anwendungsbereich des Übereinkommens geregelt war, verlagerte sich die Problematik auf die Festlegung der Zuständigkeitskriterien, denn es stellten sich zwar keine Schwierigkeiten für den Fall, daß das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat hat, dessen Gerichte für die Ehesache zuständig sind, wohl aber für den, daß das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat hat. Nun wird aber - was die Sache noch komplexer machte - in Artikel 52 Absatz 2 des Haager Übereinkommens von 1996 gesagt, daß „dieses Übereinkommen die Möglichkeit unberührt läßt, daß ein oder mehrere Vertragsstaaten Vereinbarungen treffen, die Bestimmungen über die in diesem Übereinkommen geregelten Angelegenheiten enthalten", sofern sich diese Vereinbarungen auf Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem der Staaten, die Vertragsparteien solcher Vereinbarungen sind, beschränken. Daraus ergibt sich also, daß ab dem Zeitpunkt, zu dem beide Übereinkommen in Kraft sind, das hier behandelte Übereinkommen in bezug auf Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem der ihm beigetretenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union Vorrang hat, während in den übrigen Fällen das Haager Übereinkommen gilt. 37. Artikel 3 Absatz 1 ist in dieser Beziehung insofern völlig unproblematisch, als hier die internationale Zuständigkeit in bezug auf Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für ein gemeinsames Kind der Ehegatten festgelegt wird, das seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Mitgliedstaat hat, dessen Gerichte auch für die Entscheidung in der Ehesache zuständig sind. Es ist festzuhalten, daß dies keineswegs bedeutet, daß in diesem Staat dieselbe Stelle in der Ehesache und hinsichtlich der elterlichen Verantwortung zu entscheiden hat; 210

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der Sinn der Bestimmung liegt vielmehr lediglich darin, daß die Entscheidung in beiden Fragen Stellen ein und desselben Mitgliedstaates obliegt. Tatsächlich wird es sich dabei in einigen Mitgliedstaaten um dieselbe Stelle, in anderen um unterschiedliche Stellen handeln. Für die Zwecke des Übereinkommens ist allein maßgeblich, daß es sich um Stellen ein und desselben Mitgliedstaats handelt, während alles übrige der innerstaatlichen Zuständigkeitsverteilung überlassen bleibt. 38. In Absatz 2 wird festgelegt, unter welchen Voraussetzungen die Stellen des Staates, dessen Gerichte für die Entscheidung über die Ehescheidung zuständig sind, auch die Zuständigkeit für die Entscheidung betreffend die elterliche Verantwortung haben, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in diesem, sondern in einem anderen Mitgliedstaat hat. Für diesen Fall enthält Absatz 2 die zweifache Anforderung, daß zumindest einer der Ehegatten die elterliche Verantwortung für das Kind hat und daß die Zuständigkeit der betreffenden Gerichte von den Ehegatten anerkannt worden ist und im Einklang mit dem Wohl des Kindes steht. Diese Bestimmung ist Artikel 10 Absatz 1 des Haager Übereinkommens von 1996 entnommen, womit gewährleistet wird, daß es nicht zu einem Widerspruch zwischen Artikel 3 Absatz 2 des hier behandelten Übereinkommens und den einschlägigen Bestimmungen des Haager Übereinkommens von 1996 kommt. Die Bestimmung des Haager Übereinkommens ist nahezu gleichlautend, wobei nur in bezug auf die Eltern vorgeschrieben wird, daß einer von ihnen zu Beginn des Verfahrens seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem betreffenden Staat und ein Elternteil die elterliche Verantwortung für das Kind haben muß. Dieser Unterschied ergibt sich aus dem Gegenstand der beiden Übereinkommen: Während das Haager Übereinkommen den Schutz von Kindern betrifft, bezieht sich das hier behandelte Übereinkommen auf Ehesachen, bei denen sich die Bindung der Eltern in bezug auf einen Staat zur Bestimmung der diesbezüglichen Zuständigkeit aus den in Artikel 2 aufgestellten Kriterien ergibt. In Artikel 3 Absatz 2 geht es nur darum, eine Antwort auf einen besonderen Sachverhalt zu finden, und die beste Lösung war dabei in der Tat, die Kriterien des Haager Übereinkommens von 1996 aufzugreifen. 39. In dem Übereinkommen wurde Abstand davon genommen, eine perpetuatio jurisdictionis des Gerichtsstands der Ehescheidung in bezug auf den Schutz der gemeinsamen Kinder zu begründen; daher wird in Absatz 3 geregelt, wann die nach den Absätzen 1 und 2 gegebene Zuständigkeit endet, wobei je nach Fall einer von drei Gründen vorliegen kann. Diese Bestimmung lehnt sich an Artikel 10 Absatz 2 des Haager Übereinkommens von 1996 an, womit jeglicher Widerspruch zwischen beiden Texten ausgeschlossen werden sollte. a) Buchstabe a) betrifft den Regelfall, daß die Entscheidung in der Ehesache rechtskräftig geworden ist, d . h . daß es nicht mehr möglich ist, Berufung oder irgendeinen anderen Rechtsbehelf gegen sie einzulegen. Ab diesem Zeitpunkt finden die Absätze 1 und 2 keine Anwendung mehr, es sei denn, der in Buchstabe b) genannte Fall liegt vor. Die elterliche Verantwortung ist dann nach dem innerstaatlichen Recht oder den einschlägigen internationalen Übereinkünften zu regeln. b) Neben diesen Regelfall wird in Buchstabe b) - unbeschadet der unter Buchstabe c) enthaltenen Restvorschrift - der Fall gestellt, daß zu dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung in der Ehesache rechtskräftig wird, d.h. in keiner Weise mehr angefochten werden kann, noch ein Verfahren bezüglich der Rolf A. Schütze

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elterlichen Verantwortung anhängig ist; in diesem Fall ist der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem die Entscheidung in diesem die elterliche Verantwortung betreffenden Verfahren rechtskräftig wird; die Zuständigkeit hinsichtlich der elterlichen Verantwortung kann also ausgeübt werden, auch wenn die Entscheidung über die Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe bereits rechtskräftig geworden ist. Eine derartige Bestimmung war insofern erforderlich, als vorstellbar ist, daß bei einer Behandlung durch verschiedene Stellen innerhalb desselben Landes oder sogar durch ein und dieselbe Stelle die Entscheidung in der Ehesache bereits rechtskräftig ist, während das Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung noch nicht abgeschlossen ist. Daher endet die diesbezügliche Zuständigkeit erst bei Abschluß des letzteren Verfahrens. Dabei wird davon ausgegangen, daß ein einmal eingeleitetes Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung fortzuführen ist, bis eine endgültige Entscheidung ergeht. Aufgrund des Umstands, daß der Antrag in der Ehesache beschieden wurde, darf weder bei den Eltern noch bei den Kindern die Erwartung enttäuscht werden, daß das Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung in dem Mitgliedstaat abgeschlossen werden kann, in dem es eingeleitet wurde. Obwohl dies nicht ausdrücklich gesagt wird, soll so erreicht werden, daß es zwar nicht zu einer perpetuatio jurisdictionis kommt, daß aber auch ein aus Anlaß einer Ehesache anhängiges Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung nicht unterbrochen wird, c) Buchstabe c) enthält eine Rest- bzw. Sondervorschrift für den Fall, daß das Verfahren aus einem anderen Grund beendet wurde (wenn beispielsweise der Scheidungsantrag zurückgezogen wird oder einer der Ehegatten stirbt).

Artikel 4 Internationale Kindesentführung 40. Eine und möglicherweise die schwerwiegendste Eventualität in bezug auf den Schutz der gemeinsamen Kinder bei ehelichen Krisen ist die Gefahr, daß das Kind von einem Elternteil aus dem Land seines gewöhnlichen Aufenthalts entführt wird, mit allen Folgen, die dies für die Stabilität und die Sicherheit des Kindes mit sich bringt. Bei der Behandlung dieser Problematik kommt dem Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung besondere Bedeutung zu. Allerdings können Übereinkommen zum Schutz von Kindern wie das Haager Übereinkommen von 1996 oder das hier behandelte Übereinkommen betreffend Ehesachen, das Fragen des Schutzes der gemeinsamen Kinder bei ehelichen Krisen einbezieht, nachteilige Auswirkungen hinsichtlich der Rückgabe von Minderjährigen haben, wenn nicht geeignete Vorkehrungen getroffen werden. Dies ist der Sinn des Artikels 4 des hier behandelten Übereinkommens. 41. Es wurde eine besondere Zuständigkeitsvorschrift eingeführt, die auf das Haager Übereinkommen von 1980 Bezug nimmt, womit eine andere Situation als in Artikel 39 betreffend das Verhältnis zu bestimmten anderen Übereinkommen entsteht. Denn während dort dem hier behandelten Übereinkommen Vorrang gegenüber anderen Übereinkommen zwischen den Staaten, die diesen ebenfalls angehören, eingeräumt wird, enthält Artikel 4 die Bestimmung, daß die aus

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Artikel 3 erwachsende Zuständigkeit in den Grenzen auszuüben ist, die durch das Haager Übereinkommen von 1980 und insbesondere dessen Artikel 3 und 16 vorgegeben sind. Damit wird gewährleistet, daß der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes weiterhin als Zuständigkeitskriterium dienen kann, auch wenn infolge eines widerrechtlichen Verbringens oder Zurückhaltens faktisch eine Änderung des Aufenthaltsorts eingetreten ist. Die Erwähnung dieser beiden Artikel ist aus verschiedenen Gründen von Bedeutung. Zum einen deshalb, weil Artikel 3 des Haager Übereinkommens von 1980 besagt, daß das Verbringen oder Zurückhalten eines Minderjährigen als widerrechtlich gilt, wenn ,,a) dadurch das Sorgerecht verletzt wird, das einer Person, Behörde oder sonstigen Stelle allein oder gemeinsam nach dem Recht des Staates zusteht, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und b) dieses Recht im Zeitpunkt des Verbringens oder Zurückhaltens allein oder gemeinsam tatsächlich ausgeübt wurde oder ausgeübt worden wäre, falls das Verbringen oder Zurückhalten nicht stattgefunden hätte. Das unter Buchstabe a) genannte Sorgerecht kann insbesondere kraft Gesetzes, aufgrund einer gerichtlichen oder behördlichen Entscheidung oder aufgrund einer nach dem Recht des betreffenden Staates wirksamen Vereinbarung bestehen." Zum anderen ist diese Bezugnahme insofern wichtig, als Artikel 16 über die für das hier behandelte Übereinkommen relevanten Auswirkungen des widerrechtlichen Verbringens oder Zurückhaltens eines Kindes folgendes aussagt: „Ist den Gerichten oder Verwaltungsbehörden des Vertragsstaats, in den das Kind verbracht oder in dem es zurückgehalten wurde, das widerrechtliche Verbringen oder Zurückhalten des Kindes im Sinn des Artikels 3 mitgeteilt worden, so dürfen sie eine Sachentscheidung über das Sorgerecht erst treffen, wenn entschieden ist, daß das Kind aufgrund dieses Übereinkommens nicht zurückzugeben ist, oder wenn innerhalb angemessener Frist nach der Mitteilung kein Antrag nach dem Übereinkommen gestellt wird." Der dem Artikel 16 des Haager Übereinkommens eingeräumte Vorrang verhindert damit, obwohl der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts sich geändert hat und daher daran gedacht werden könnte, die Kriterien des hier behandelten Übereinkommens anzuwenden, daß in die elterliche Verantwortung eingreifende Maßnahmen getroffen werden, bevor über die Frage der Rückgabe des Kindes entschieden wurde. Dieser Artikel geht davon aus, daß die Mitgliedstaaten Vertragsparteien des Haager Übereinkommens von 1980 sind. Daher hätten künftige neue Mitgliedstaaten bei einem Beitritt auch dem Haager Übereinkommen von 1980 beizutreten, wenn sie noch nicht Vertragspartei desselben sind.

Artikel 5 Gegenantrag 42. Diese Bestimmung enthält die übliche Vorschrift bezüglich des Gegenantrags in dem Sinne, daß dem Gericht, bei dem der ursprüngliche Antrag anhängig ist, auch die Zuständigkeit für einen eventuellen Gegenantrag zufällt. Wegen der Begrenzung des Anwendungsbereichs des Übereinkommens und des Umstands, Rolf A. Schütze

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daß die darunter fallenden Angelegenheiten häufig mit anderen Rechtssachen verknüpft sind, war die Einschränkung erforderlich, daß diese Regel nur gilt, sofern beide Anträge in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen. Diese Bestimmung ist in Beziehung zu setzen zu Artikel 11 (siehe die Erläuterungen zu diesem Artikel betreffend die Rechtshängigkeit), der einen anderen Sachverhalt beschreibt, wenn auch die Wirkungen in vielen Fällen dieselben sein können.

Artikel 6 Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung 4 3 . In bestimmten Rechtssystemen kommt es recht häufig vor, daß eine Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung umgewandelt wird. Im besonderen ist in einigen Staaten die Trennung ein unerläßlicher erster Schritt für die spätere Erwirkung der Ehescheidung, wobei in aller Regel vorgeschrieben wird, daß zwischen der Erwirkung der Trennung und der Ehescheidung ein gewisser Zeitraum liegt. Diese Unterscheidung ist anderen Rechtssystemen hingegen fremd. Die Gruppe „Erweiterung des Brüsseler Übereinkommens" einigte sich auf die Formulierung dieser Vorschrift, nachdem sie geprüft hatte, ob es eventuell weitere Fälle gibt, in denen Anträge auf Ergänzung oder Aktualisierung einer Entscheidung in einer Ehesache gestellt werden könnten. Das Ergebnis dieser Prüfung war die Feststellung, daß diese Bestimmung allein den Fall der Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung zu erfassen hat. In derartigen Fällen ermöglicht die Bestimmung des Übereinkommens, die Ehescheidung entweder in dem Staat, dessen Gerichte gemäß Artikel 2 zuständig sind, oder in dem Staat, in dem die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes ausgesprochen wurde, zu erwirken, wobei zugrunde gelegt wird, daß die Möglichkeit einer derartigen Umwandlung an sich nicht aus Übereinkommen resultiert, sondern im innerstaatlichen materiellen Recht des betreffenden Staates vorgesehen sein muß.

Artikel 7 Ausschließlicher Charakter der Zuständigkeiten nach den Artikeln 2 bis 6 4 4 . Auf die wesentlichen Merkmale der Zuständigkeitsregeln des Übereinkommens, d.h. daß nur die in den Artikeln 2 bis 6 aufgeführten Kriterien als Alternativmöglichkeiten und ohne jede Rangordnung untereinander angewandt werden dürfen, wurde bereits in den Erläuterungen zu Artikel 2 (siehe Nummer 2 9 ) hingewiesen. In Artikel 7 wird nun speziell auf den ausschließlichen und ausschließenden Charakter abgestellt, der für alle in den vorhergehenden Artikeln enthaltenen Kriterien im Hinblick auf die Bestimmung der Zuständigkeit der Gerichte eines Staates gilt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß sich der ausschließliche Charakter der Zuständigkeitsregeln auf Ehesachen und Fragen der elterlichen Verantwortung in Verbindung mit diesen bezieht, nicht hingegen auf die Zuständigkeitsregeln für den Fall, daß es unabhängig von einer Ehesache um 214

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den Schutz von Minderjährigen geht. Der ausschließende Charakter ist unbeschadet der in Artikel 8 Absatz 1 und Artikel 38 Absatz 2 enthaltenen Bestimmungen zu verstehen. 4 5 . Nachdem in Artikel 2 als Kriterium festgelegt wurde, daß der gewöhnliche Aufenthalt eines Ehegatten unter den dort genannten Bedingungen oder aber die Staatsangehörigkeit bzw. der Wohnsitz (siehe Erklärung nach Artikel 2 Absatz 2 , auf die unter Nummer 3 3 eingegangen wurde) gegeben sein muß, bestimmt Artikel 7, daß ein Gericht nur nach Maßgabe der vorangegangenen Artikel angerufen werden darf. Diese Einschränkung der Zuständigkeitsregeln führt zu den in Artikel 8 behandelten Restzuständigkeiten. So sind, wenn das Vereinigte Königreich das Kriterium des Wohnsitzes und Spanien das der Staatsangehörigkeit wählt, für einen Ehegatten britischer Staatsangehörigkeit mit Wohnsitz in Spanien und gewöhnlichem Aufenthalt in Brasilien die Bedingungen von Artikel 7 nicht erfüllt, während er durchaus Gegenstand eines Antrags sein kann, der nach Artikel 8 gestellt wird.

Artikel 8 Restzuständigkeiten 4 6 . Dieser Artikel entspricht den exorbitanten Zuständigkeitsregeln der Artikel 3 und 4 des Brüsseler Übereinkommens von 1968. Es sind jedoch Unterschiede zu jenem Übereinkommen festzustellen. Aufgrund der Merkmale der in den vorangegangenen Artikeln vorgesehenen Zuständigkeitsregeln erübrigte sich eine Bestimmung wie Artikel 3 des Brüsseler Übereinkommens von 1968. 47. Im Anschluß an die Bestimmungen des Artikels 7 (ausschließlicher Charakter der Zuständigkeiten nach den Artikeln 2 bis 6) nimmt dieser Artikel auf die Zuständigkeitsvorschriften des einzelstaatlichen Rechts Bezug, die nur im Rahmen dieses Artikels zur Anwendung gelangen können. Einige Mitgliedstaaten waren der Auffassung, daß sich die Zuständigkeit in den Fällen, in denen einer der beiden Ehegatten in einem Nichtmitgliedstaat wohnt und keines der Z u ständigkeitskriterien des Übereinkommens erfüllt ist, nach dem Recht bestimmen müßte, das in dem jeweils betroffenen Mitgliedstaat gilt. Im Gegensatz dazu wurde eine vom Integrationsgedanken geprägte Lösung gewählt, wonach der Antragsteller, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats hat, in diesen Fällen die innerstaatlichen Vorschriften dieses Staates wie ein Inländer geltend machen kann. Voraussetzung dafür ist, daß der Antragsgegner weder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat noch die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt oder seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, je nachdem, welches Kriterium aufgrund der Erklärung nach Artikel 2 Absatz 2 gilt (siehe oben). Diese Zuständigkeiten wurden unter Berücksichtigung ihres Charakters und ihrer Stellung im Rahmen der im Übereinkommen vorgesehenen Zuständigkeitskriterien „Restzuständigkeiten" genannt. Diese Bezeichnung wurde der Formulierung „über die Grenzen der Gemeinschaft hinausgehende Rechtsstreitigkeiten" vorgezogen. Aufgrund der Funktion, die dieser Artikel erfüllt und die der des Artikels 4 des Brüsseler Übereinkommens von 1 9 6 8 gleicht, wurde im Unterschied zu dessen Artikel 3 auf eine Aufzählung dieser Zuständigkeiten verzichtet. Einige Mitgliedstaaten, wie R o l f A. Schütze

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ζ. B. die Niederlande, kennen in ihrem innerstaatlichen Recht keine Zuständigkeit, die im Verhältnis zu Artikel 2 des Übereinkommens als „Restzuständigkeit" bezeichnet werden könnte. In anderen Rechtsordnungen gibt es hingegen durchaus Zuständigkeiten dieser Art. Folgende Beispiele können angeführt werden: Für Deutschland können als Restzuständigkeiten die in § 6 0 6 a Nummern 1, 3 und 4 der Zivilprozeßordnung vorgesehenen Zuständigkeiten bezeichnet werden, wonach die deutschen Gerichte international zuständig sind, wenn 1. ein Ehegatte Deutscher ist oder bei der Eheschließung war, 2. ein Ehegatte Staatenloser mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland ist oder 3. ein Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, es sei denn, daß die zu fällende Entscheidung offensichtlich nach dem Recht keines der Staaten anerkannt würde, denen einer der Ehegatten angehört. Für Finnland gilt nach Artikel 8 des Gesetzes über bestimmte familienrechtliche Situationen mit internationalen Aspekten („Laki eräistä kansainvälisluontoisista perheoikeudellisista suhteista"/„Lag angäende vissa familjerättsliga förhällanden av internationell n a t u r " ) in der Fassung von 1987, daß die finnischen Gerichte auch dann, wenn keiner der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Finnland hat, für die Ehesache zuständig sind, sofern die Gerichte des Staates, in dem der eine oder der andere Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, unzuständig sind oder sofern deren Befassung unvertretbare Schwierigkeiten verursachen würde und es unter Berücksichtigung der Umstände angebracht erscheint, die Zuständigkeit zu übernehmen (forum conveniens). Für Spanien gibt es diesbezüglich nur eine Bestimmung in Artikel 2 2 Absatz 3 der Gerichtsordnung (Ley Orgänica del Poder Judicial) vom 1. Juli 1 9 8 5 , derzufolge der Antrag in Spanien gestellt werden kann, wenn der Antragsteller die spanische Staatsangehörigkeit besitzt und in Spanien wohnt, ohne daß eine der Voraussetzungen nach Artikel 2 Absatz 1 des Übereinkommens erfüllt ist, sowie die in Artikel 2 2 Absatz 2 vorgesehene ausdrückliche oder stillschweigende Anerkennung der Zuständigkeit der spanischen Gerichte. Die übrigen Kriterien der spanischen Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Ehesachen sind auch im Übereinkommen enthalten, nämlich die Fälle, daß beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Antragstellung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien haben oder daß beide Ehegatten, unabhängig von ihrem gewöhnlichen Aufenthalt, die spanische Staatsangehörigkeit besitzen, sofern sie ihren Antrag gemeinsam stellen oder ein Ehegatte ihn mit Zustimmung des anderen stellt. In Frankreich sind aufgrund von Artikel 14 des Zivilgesetzbuchs (Code civil) die französischen Gerichte zuständig, wenn der Antragsteller die französische Staatsangehörigkeit besitzt. Was Irland betrifft, so besteht eine Zuständigkeit der irischen Gerichte für die Ungültigerklärung einer Ehe (Artikel 3 9 des Gesetzes von 1995 über das Familienrecht - Family Law Act), für eine Ehescheidung (Artikel 3 9 des Gesetzes von 1 9 9 6 über das Scheidungsrecht - Family Law (Divorce) Act) bzw. für eine Trennung ohne Auflösung des Ehebandes (Artikel 31 des Gesetzes von 1 9 8 9 über die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und die Änderung des Familienrechts - Judicial Separation and Family Law Reform Act), wenn einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens seinen Wohnsitz im Sinne von Artikel 2 Absatz 3 in Irland hat.

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In Italien gründen sich die Restzuständigkeiten auf die Artikel 3, 4, 32 und 37 des Gesetzes Nr. 218 vom 31. M a i 1995 zur Änderung der italienischen Vorschriften betreffend das internationale Privatrecht. Im Vereinigten Königreich ist zwischen Verfahren betreffend die Ehescheidung, die Ungültigerklärung einer Ehe oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes einerseits und Entscheidungen betreffend die elterliche Verantwortung aus Anlaß derartiger Verfahren andererseits zu unterscheiden. In bezug auf Verfahren betreffend die Ehescheidung, die Ungültigerklärung einer Ehe oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes fallen unter diesen Artikel die Kriterien, die darauf basieren, daß eine der Parteien zum Zeitpunkt der Antragstellung ihren Wohnsitz im Vereinigten Königreich hat oder dort während eines Jahres unmittelbar vor diesem Zeitpunkt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Bei Verfahren betreffend die Ehescheidung oder die Trennung sind die schottischen Sheriff Courts zuständig, wenn eine der Parteien in dem betreffenden Gerichtsbezirk in den 4 0 Tagen unmittelbar vor der Antragstellung gewohnt hat oder dort während eines Zeitraums von mindestens 40 Tagen, dessen Ende gegenüber dem Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr als 4 0 Tage zurückliegt, gewohnt hat und zu diesem Zeitpunkt keinen bekannten Aufenthalt in Schottland hat. Für Entscheidungen betreffend die elterliche Verantwortung aus Anlaß von Entscheidungen über die Ehescheidung, die Ungültigerklärung einer Ehe oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes sind die Gerichte des Vereinigten Königreichs, einschließlich der Sheriff Courts in Schottland, zuständig, wobei sie jedoch in dem Fall, daß bei einem ausländischen Gericht ein entsprechendes Verfahren anhängig ist, einen weiten Ermessensspielraum besitzen, um sich für unzuständig zu erklären, solange das ausländische Verfahren weiter betrieben wird, und zwar vor einem Gericht, das nach dessen innerstaatlichem Recht zuständig ist. Im Fall von Schweden sind die Regeln für die Zuständigkeit der schwedischen Gerichte für Ehescheidungen in dem Gesetz von 1904 über bestimmte Fragen des internationalen Rechts in bezug auf Ehe und Vormundschaft (Lag om vissa internationella rättsförhällanden rörande äktenskap och förmynderskap) in der Fassung von 1973 enthalten. Was Artikel 8 des Übereinkommens anbelangt, so sind die schwedischen Gerichte für eine Ehescheidung zuständig, wenn beide Ehegatten schwedische Staatsangehörige sind, wenn der Antragsteller schwedischer Staatsangehörigkeit ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Schweden hat oder zu irgendeinem Zeitpunkt nach Erreichung seines achtzehnten Lebensjahrs dort hatte oder aber die Regierung die Genehmigung erteilt, daß über die Sache in Schweden entschieden wird. Eine solche Genehmigung kann von der Regierung nur dann erteilt werden, wenn einer der beiden Ehegatten schwedischer Staatsangehörigkeit ist oder wenn es dem Antragsteller unmöglich ist, die Gerichte des Staates anzurufen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. 48. Ausgehend von den in den Artikeln 2 bis 6 des Übereinkommens enthaltenen Zuständigkeitskriterien wird in Artikel 8 Absatz 1 die Trennungslinie zwischen diesen Kriterien des Übereinkommens mit Ausschließlichkeitscharakter und der Anwendbarkeit der innerstaatlichen Zuständigkeitsvorschriften gezogen, so daß die geographischen Grenzen des Übereinkommens deutlich werden. Die in Artikel 8 Absatz 2 vorgesehenen Voraussetzungen können wie folgt erläutert werden: a) Der Antragsteller muß Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats sein und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat haben. Damit wird Rolf A. Schütze

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der Grundsatz der Gleichstellung zwischen den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten für die Zwecke des Absatzes 1 niedergelegt, b) In bezug auf den Antragsgegner müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: einerseits muß er seinen gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb der Mitgliedstaaten haben; andererseits darf er nicht (nach Maßgabe der in Artikel 2 Absatz 2 vorgesehenen Erklärung) die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen beziehungsweise seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben. Beide Bedingungen müssen erfüllt sein, da sonst das eine oder andere Zuständigkeitskriterium nach Artikel 2 anzuwenden wäre.

Zweiter Abschnitt C. Prüfung der Zuständigkeit und der Zulässigkeit des Verfahrens Artikel 9 Prüfung der Zuständigkeit 49. Es ist zu unterstreichen, daß es im Rahmen des Übereinkommens von ganz besonderer Bedeutung ist, daß das in einer Sache angerufene Gericht von Amts wegen die Frage seiner Zuständigkeit prüft, ohne daß ein diesbezüglicher Antrag einer Partei erforderlich ist. Der Grund hierfür liegt darin, daß die innerstaatlichen Rechtssysteme in bezug auf eherechtliche Fragen besonders sensibel sind, wohl mehr noch als in bezug auf die unter das Brüsseler Übereinkommen von 1968 fallenden vermögensrechtlichen Fragen. In Anbetracht der erheblichen Unterschiede zwischen den innerstaatlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten und des Spielraums, den die Kollisionsnormen bieten, ist es leicht vorstellbar, daß einer der Ehegatten unter Ausnutzung des alternativen Charakters der Zuständigkeitskriterien nach Artikel 2 versucht, seinen Antrag in einer Ehesache bei den Gerichten eines Staates zu stellen, in dem gemäß dessen Kollisionsnormen Vorschriften gelten, die für ihn günstiger sind. Aus diesem Grund muß das Gericht, wenn es in der Hauptsache angerufen wird, eine Prüfung seiner Zuständigkeit vornehmen, nicht aber, wenn die Angelegenheit in dem betreffenden Mitgliedstaat nur in der Nebensache erörtert wird. Zu dieser Frage siehe das in den Erläuterungen zu Artikel 46 dargelegte besondere Problem Irlands in Verbindung mit der Anerkennung ausländischer Entscheidungen.

Artikel 10 Prüfung der Zulässigkeit des Verfahrens 50. Zweck dieser Bestimmung ist es, das Recht auf Verteidigung zu gewährleisten. Die im vorangegangenen Artikel vorgesehene Prüfung der Zuständigkeit allein reicht dazu nicht aus; es bedarf auch einer Bestimmung über die Prüfung der Zulässigkeit des Verfahrens, nach der das Verfahren auszusetzen ist, bis festgestellt ist, daß es dem Antragsgegner möglich war, das verfahrenseinleitende 218

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Schriftstück so rechtzeitig zu empfangen, daß er sich verteidigen konnte, oder daß alle hierzu erforderlichen Maßnahmen getroffen worden sind. Damit wird bezweckt, daß sich das Gericht vergewissern kann, daß seine internationale Zuständigkeit wohlbegründet ist und daß infolgedessen Gründe für eine Ablehnung der Anerkennung soweit wie möglich ausgeschlossen sind. 51. Diese Bestimmung geht zurück auf Artikel 2 0 des Brüsseler Übereinkommens von 1968 und in Verbindung damit auf die Bestimmungen des Haager Übereinkommens von 1965 über die Zustellung im Ausland. Bezweckt wird, daß das Gericht seine Zuständigkeit bei Vorliegen eines der in dem hier behandelten Übereinkommen vorgesehenen Gerichtsstände in den Fällen prüft, in denen sich der Antragsgegner auf das Verfahren nicht einläßt. Es wurde eine einfachere Formulierung als in den anderen Übereinkommen gewählt, die jedoch die wesentlichen Punkte enthält: a) D a s Gericht ist zur Aussetzung des Verfahrens verpflichtet; es handelt sich nicht um eine fakultative Bestimmung. b) Die Wahrung der Verteidigungsrechte des Antragsgegners wird vom Gericht geprüft, und zwar sowohl im Hinblick auf die Frage, ob es dem Antragsgegner möglich war, das Schriftstück „ s o rechtzeitig zu empfangen, daß er sich verteidigen konnte", als auch im Hinblick auf die Frage, ob „alle hierzu erforderlichen Maßnahmen getroffen worden sind". Nachdem am 26. Mai 1997 das Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterzeichnet wurde, ist vorgesehen, daß ab dessen Inkrafttreten dessen Artikel 19 an die Stelle von Absatz 1 des hier behandelten Artikels tritt. Da dieses Übereinkommen der Europäischen Union von 1997 vorzeitig angewandt werden kann, wird es schrittweise und nicht zu einem allgemeinen Inkraftsetzungszeitpunkt an die Stelle des Haager Übereinkommens treten. Da es aber die Artikel 15 und 16 des Haager Übereinkommens übernimmt, ist der Übergang vom einen zum anderen Übereinkommen mit keinen nennenswerten Änderungen verbunden.

Dritter Abschnitt D. Rechtshängigkeit und abhängige Verfahren

Artikel 11 Rechtshängigkeit und abhängige Verfahren 52. Diese Bestimmung geht zurück auf Artikel 21 des Brüsseler Übereinkommens und steht insoweit in Verbindung mit Artikel 13 des Haager Übereinkommens von 1996, als sie den Schutz von Kindern betrifft. Sie ist eine der Bestimmungen, die bis zum letzten Moment umstritten waren, was auf zweierlei Gründe zurückzuführen ist. Z u m einen sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften zu Artikel 21 des Brüsseler Übereinkommens von 1968 die Schwierigkeiten deutlich geworden, die sich aus dem derzeitigen Wortlaut dieser Bestimmung und bei der Abgrenzung gegenüber den im Zusammenhang stehenden Verfahren ergeben, da in vielen Fällen Verfahren wegen Rechtshängigkeit ausgesetzt werden mußten. Nicht umsonst ist unter anderem Rolf A. Schütze

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diesem Artikel 21 bei der gemeinsamen Revision des Brüsseler und des Luganer Übereinkommens, mit der im Januar 1998 begonnen wurde, besondere Aufmerksamkeit zu schenken; allerdings bleiben die bisherigen Vorarbeiten ohne Auswirkung auf den hier behandelten Text. Zum anderen kommen die Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen der einzelnen Staaten in dieser Frage besonders deutlich zum Ausdruck. So mußte der Rechtslage in bestimmten Staaten, wie Schweden und Finnland, Rechnung getragen werden, deren innerstaatliche Vorschriften als einzige rechtliche Möglichkeit für die Auflösung eines Eheverhältnisses zwischen lebenden Ehegatten die Ehescheidung, nicht aber eine Trennung oder die Ungültigerklärung einer Ehe kennen, wobei einige Gründe für eine Ehescheidung in diesen Ländern Gründen für eine Ungültigerklärung in anderen Rechtsordnungen entsprechen. Die Unterschiedlichkeit der in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Vorschriften berührt auch das Konzept der Rechtshängigkeit selbst. Dieser Begriff wird in einigen Staaten - wie Frankreich, Spanien, Italien und Portugal, wo es sich um denselben „Gegenstand" (objet), denselben „Grund" (cause) und dieselben Parteien handeln muß - enger ausgelegt als in anderen, wo das Konzept der Rechtshängigkeit weiter gefaßt ist und nur denselben „Anspruch" und dieselben Parteien voraussetzt. Da die Rechtshängigkeit als ein Mittel konzipiert ist, mit dem vermieden werden soll, daß zu denselben Fragen Parallelverfahren betrieben werden und möglicherweise daraufhin Entscheidungen ergehen, die miteinander unvereinbar sind, mußte eine Bestimmung gefunden werden, die ausgehend von dem Grundprinzip prior temporis eine Lösung für Familiensachen bietet, die anders gelagert sind als Vermögenssachen. Die Rechtshängigkeit im herkömmlichen Sinne löste nicht alle Probleme, und es galt, eine neue Formel zu finden, die dem verfolgten Ziel gerecht wird. Nach umfangreichen Erörterungen schlug der luxemburgische Vorsitz den Wortlaut vor, der schließlich von den Mitgliedstaaten akzeptiert wurde. 53. Absatz 1 enthält die herkömmliche Vorschrift der Rechtshängigkeit, d.h. den Grundsatz prior temporis, der auf alle unter das Übereinkommen fallenden Rechtssachen anwendbar ist, sofern sie denselben Anspruch und dieselben Parteien betreffen. Um die Gefahr eines negativen Kompetenzkonflikts zu vermeiden, wurde festgelegt, daß das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aussetzt, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts geklärt ist. 54. Absatz 2 stellt eine Neuerung dar und trägt speziell den Unterschieden in den Rechtsordnungen der Staaten hinsichtlich der Zulässigkeit der Trennung, der Ehescheidung und der Ungültigerklärung einer Ehe Rechnung. Diese Bestimmung bezieht sich somit auf einen Sachverhalt, der mit dem Begriff „abhängige Verfahren" erfaßt wird und als „unechte Rechtshängigkeit" bezeichnet werden könnte. Besonders diese Bestimmung, die vom luxemburgischen Vorsitz als Kompromißlösung vorgeschlagen wurde, ist in Verbindung mit Absatz 3 zu sehen, denn Fälle nach Absatz 1 werden möglicherweise relativ selten sein. Diese Bestimmung wurde einer anderen vorgeschlagenen Lösung vorgezogen, die darin bestanden hätte, im Interesse der Rechtssicherheit und zur Umgehung von Problemen für die Staaten, die weder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes noch die Ungültigerklärung einer Ehe kennen, den Gerichten Vorrang einzuräumen, die die weiterreichende Entscheidung erlassen können. Andere Staaten hätten eine flexiblere Regelung in Analogie zu der im Brüsseler Übereinkommen von 1968 für die im Zusammenhang stehenden Verfahren vorgezogen. 220

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Auf den ersten Blick könnte Absatz 2 als eine Wiederholung oder als unnötig empfunden werden, da die darin enthaltene Lösung dieselbe ist wie in Absatz 1, wenn auch für Fälle, in denen die Anträge nicht denselben Anspruch betreffen. Eine solche Einschätzung wäre aber unrichtig, da im Unterschied zu Absatz 1, der auch die elterliche Verantwortung einbezieht, der Anwendungsbereich dieses Absatzes 2 ganz bewußt auf Anträge auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe beschränkt wurde: Nur für diese Anträge gilt die Vorschrift der Rechtshängigkeit in Fällen, wo diese nicht denselben Anspruch betreffen. 55. In Absatz 3 ist festgelegt, welche Folgen sich daraus ergeben, daß das zuerst angerufene Gericht seine Zuständigkeit anerkennt. Diese Bestimmung enthält eine allgemeine Vorschrift, wonach das später angerufene Gericht sich zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts für unzuständig erklärt. Weiter enthält sie eine besondere Vorschrift, wonach der Antragsteller, der einen Antrag bei dem später angerufenen Gericht gestellt hat, diesen Antrag, sofern er dies wünscht, dem Gericht vorlegen kann, das sich als zuerst befaßtes Gericht für zuständig erklärt hat. Allerdings sind die Einleitungsworte von Absatz 3 Unterabsatz 2 („in diesem Fall") so auszulegen, daß der Antragsteller seinen Antrag nur dann dem Gericht vorlegen kann, das sich als zuerst befaßtes Gericht für zuständig erklärt hat, wenn das später angerufene Gericht sich für unzuständig erklärt. Die in Absatz 3 enthaltene Bestimmung ist Teil des im Dezember 1997 erzielten politischen Einvernehmens, weshalb die Gruppe sich darauf beschränkt hat, sie in eine angemessene Form zu bringen. Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß einige Mitglieder der Gruppe mit dem weiten Anwendungsbereich dieses Absatzes 3 nicht einverstanden waren und sich dafür aussprachen, daß die dem Antragsteller des späteren Antrags eingeräumte Möglichkeit auf die in Absatz 2 erfaßten Fälle beschränkt bleibt. Es ist auf jeden Fall zu betonen, daß die in Absatz 3 dieses Artikels enthaltene Bestimmung von der in Artikel 5 (Gegenantrag) verschieden ist. So handelt es sich bei der Bestimmung des Artikels 5 um eine Zuständigkeitsregel, während die Bestimmung des Artikels 11 eine Vorschrift über die Anwendung der Zuständigkeitsvorschriften im Falle abhängiger Verfahren ist. Es sei auch auf die unterschiedliche Funktionsweise dieser Bestimmungen hingewiesen: So wird es Fälle geben, in denen kein Gegenantrag gestellt werden kann (ζ. B. weil bestimmte Fristen nicht erfüllt sind), während es jederzeit möglich sein wird, die Bestimmung von Artikel 11 Absatz 3 anzuwenden. 56. Die Einbeziehung der Bestimmung über abhängige Verfahren hatte zur Folge, daß ein Artikel betreffend im Zusammenhang stehende Verfahren gestrichen wurde, da in dem unter das Übereinkommen fallenden Bereich keine Fälle bekannt sind, die über den in dieser Bestimmung vorgesehenen Rahmen hinausgehen. 57. Es sei hervorgehoben, daß das später angerufene Gericht sich nach dieser Vorschrift stets zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts für unzuständig zu erklären hat, auch wenn das innerstaatliche Recht des dann zuständigen Mitgliedstaats die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe nicht kennt. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn in Schweden ein Antrag auf Ehescheidung und dann in Österreich ein Antrag auf Ungültigerklärung der betreffenden Ehe gestellt würde: das österreichische Gericht müßte sich für unzuständig erklären, obgleich das schwedische Recht die Ungültigerklärung einer Ehe nicht vorsieht. Wenn die Ehescheidung in Rolf A. Schütze

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Schweden jedoch erst einmal rechtskräftig ist, kann die daran interessierte Partei ein österreichisches Gericht anrufen, um zu erreichen, daß die Wirkungen der Ehescheidung, die die Ungültigerklärung der Ehe nach österreichischem Recht hätte, erforderlichenfalls ex tunc gelten und nicht nur ex nunc, wie es normalerweise bei einer Scheidung der Fall ist, wobei zudem zu berücksichtigen ist, daß sich die Anerkennung nach dem Übereinkommen auf die Änderung des Personenstands beschränkt (siehe Nummer 64). Dasselbe gilt auch für den umgekehrten Fall. Das heißt, daß das Übereinkommen durchaus erlaubt, daß eine österreichische Entscheidung über die Ungültigkeit einer Ehe in Schweden die Wirkungen einer Ehescheidung hat. Diese komplizierte Sachlage würde bei einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes jedoch nicht entstehen, da es sich zwar um einen im schwedischen Recht ebenfalls unbekannten Rechtsbegriff handelt, die Ehescheidung aber Wirkungen entfaltet, die über die der Trennung hinausgehen und diese überlagern.

Vierter Abschnitt E. Einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen Artikel 12 58. Zu der Bestimmung betreffend einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen ist zu sagen, daß derartige Maßnahmen in bezug auf Verfahren, die in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen, nicht dessen Zuständigkeitsregeln unterliegen, daß dieser Artikel jedoch nur für dringende Fälle gilt. Diese Bestimmung greift Artikel 2 4 des Brüsseler Übereinkommens auf, geht allerdings über dessen Inhalt hinaus. Obgleich dieser Artikel 2 4 Probleme aufwirft, die derzeit im Rahmen der Revision des Brüsseler und des Luganer Übereinkommens geprüft werden, wurde davon Abstand genommen, hier zu innovieren oder einige der diesbezüglich gemachten Anregungen aufzugreifen. Hier wie auch in anderen gleich gelagerten Fällen wird zu einem späteren Zeitpunkt zu entscheiden sein, wie und in welcher Form etwaige Verbesserungen, die im Brüsseler Übereinkommen vorgenommen werden, in die entsprechende Bestimmung des hier behandelten Übereinkommens einzubeziehen sind. 59. Was den Inhalt der Bestimmung betrifft, so ist darauf hinzuweisen, daß die einstweiligen Maßnahmen einschließlich der Sicherungsmaßnahmen sich zwar nur auf Verfahren beziehen dürfen, die in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen, und daß sie nur in dringenden Fällen anwendbar sind, daß sie aber sowohl Personen als auch Güter betreffen und somit Aspekte umfassen können, die nicht unter das Übereinkommen fallen, sofern diese im Recht des jeweiligen Mitgliedstaats geregelt sind. Die Unterschiede gegenüber dem Brüsseler Übereinkommen sind insofern erheblich, als die in dessen Artikel 2 4 vorgesehenen Maßnahmen zum einen auf Aspekte beschränkt sind, die in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen, zum anderen aber extraterritoriale Wirkung haben. Die Maßnahmen, die ergriffen werden können, sind sehr vielfältiger Natur, da sie sowohl Personen als auch Güter betreffen können, die sich in dem Staat befinden, in dem die Maßnahmen ergriffen wurden, was in bezug auf eherechtliche Streitigkeiten unbedingt notwendig ist. Es wird weder

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die Art der Maßnahmen noch deren Beziehung zu dem Antrag in der Ehesache präzisiert. Die Maßnahmen können daher auch Aspekte betreffen, die nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen. Es handelt sich hier um eine Bestimmung, mit der die Anwendbarkeit des innerstaatlichen Rechts begründet wird, womit für diesen Bereich von den im ersten Teil des Übereinkommens vorgesehenen Regeln abgewichen wird. In der Bestimmung heißt es, daß diese Maßnahmen in einem Staat auch dann ergriffen werden können, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats zuständig ist. Die Maßnahmen finden jedoch keine Anwendung mehr, wenn das zuständige Gericht eine Entscheidung auf der Grundlage eines der im Übereinkommen vorgesehenen Zuständigkeitskriterien erläßt und diese Entscheidung nach Maßgabe des Übereinkommens anerkannt (oder vollstreckt) wird. Sonstige Maßnahmen in bezug auf Aspekte, die nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen, beispielsweise die der Güterstände, behalten so lange ihre Geltung, bis von einem zuständigen Gericht eine entsprechende Entscheidung getroffen wird. Die Bestimmung dieses Artikels stellt lediglich auf territoriale Wirkungen in dem Staat ab, in dem die Maßnahmen ergriffen werden. T I T E L III F. Anerkennung und Vollstreckung

Artikel 13 Bedeutung des Begriffs „Entscheidung" 60. Die Bestimmungen dieses Artikels sind zum Teil denen des Artikels 2 5 des Brüsseler Übereinkommens von 1968 entnommen. Es geht darum, den Begriff „Entscheidung" für die Zwecke der Anerkennung und Vollstreckung zu definieren. Im Anschluß an die in Absatz 1 enthaltene allgemeine Definition wird in Absatz 2 präzisiert, daß die Bestimmungen des Titels III auch für den Beschluß über die Gerichtskosten und deren Höhe gelten. Bei diesem Artikel ist auch zu berücksichtigen, daß ebenfalls Entscheidungen einbezogen sind, die von Behörden im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 getroffen werden (siehe Nummer 2 0 Buchstabe A). In einigen Sprachfassungen wird für die Entscheidung im Ursprungsstaat und für die Entscheidung über die Vollstreckung derselbe Begriff verwendet (z.B. in der deutschen Fassung jeweils „Entscheidung"). In anderen Sprachfassungen wurden hier jeweils unterschiedliche Begriffe gebraucht. Eingehend erörtert wurde die Frage, ob der Begriff „Entscheidung" nur positive Entscheidungen oder auch negative Entscheidungen in einem Mitgliedstaat, d . h . Entscheidungen, die nicht zur Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe geführt haben, betreffen soll. D a zum einen das erteilte M a n d a t in der Ausarbeitung eines Übereinkommens bestand, das die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen betreffend die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigkeitserklärung einer Ehe erleichtern soll, und zum anderen zwischen den Mitgliedstaaten erhebliche Unterschiede im Bereich der Ehescheidung und der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes bestehen, wurde der Begriff „EntRolf A. Schütze

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Scheidung" auf positive Entscheidungen beschränkt, die tatsächlich zu einer Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe geführt haben. In bezug auf Entscheidungen über die elterliche Verantwortung im Rahmen des Anwendungsbereichs des Übereinkommens und nach den Zuständigkeitsregeln des Artikels 3 ist zu bemerken, daß eine positive Entscheidung für eine andere Person als die, zu deren Gunsten sie ausfällt, durchaus auch negative Wirkungen hinsichtlich der elterlichen Verantwortung haben kann. Sie ist damit natürlich ebenfalls eine Entscheidung im Sinne des Übereinkommens. Besondere Beachtung ist Scheidungsurteilen der niederländischen und der belgischen Gerichte zu schenken. Nach niederländischem Recht müssen Scheidungsurteile amtlich eingetragen werden, damit die Scheidung wirksam wird; erfolgt diese Eintragung nicht binnen sechs Monaten nach dem Urteil, so verliert dieses seine Rechtswirksamkeit. Nach belgischem Recht (Artikel 1275, 1303, 1309 und 1310 der Gerichtsordnung - Code judiciaire/ Gerechtelijk wetboek) muß der verfügende Teil der Entscheidung über die Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes binnen eines Monats, nachdem sie dem Standesbeamten mitgeteilt wurde, in das Personenstandsregister eingetragen werden; bei Entscheidungen über die Ungültigkeit einer Ehe gilt diese Rechtsvorschrift nicht. Erfolgt die Eintragung der Entscheidung nicht, so hat dies allerdings nur zur Folge, daß die Ehescheidung dritten Personen nicht entgegengehalten werden kann. Die genaue Definition der Entscheidungen „über die elterliche Verantwortung" bleibt den innerstaatlichen Rechtsordnungen überlassen. Was diesen Begriff betrifft, siehe die Erläuterungen zu Artikel 1. Was die Gerichtskosten betrifft, so ist in bezug auf die Anwendung des Haager Übereinkommens von 1954 über den Zivilprozeß und des Haager Abkommens von 1980 über die Erleichterung des internationalen Zugangs zu den Gerichten der in Artikel 38 Absatz 1 enthaltenen Bestimmung Rechnung zu tragen. 61. Für Absatz 3 gibt es einen besonderen Grund. Das Brüsseler Übereinkommen von 1968 enthält im Anschluß an den Titel über die Anerkennung und Vollstreckung einen gesonderten Titel über öffentliche Urkunden und Prozeßvergleiche, deren Anerkennung oder Vollstreckung nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung abgelehnt werden kann. Es wurde zunächst geprüft, ob dasselbe für den Bereich Ehesachen vorgesehen oder auf eine solche Bestimmung verzichtet werden sollte. Es stellte sich jedoch nach Prüfung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften heraus, daß es zwar in einigen Staaten keine konkreten Fälle gibt, die eine derartige Bestimmung erforderlich machen, daß sie für andere Staaten aber unerläßlich ist, wie z.B. im Hinblick auf Fälle, die in Schottland auftreten, und die in Finnland von der zuständigen Behörde genehmigten Sorgerechtsvereinbarungen. Bei der Prüfung der diesbezüglichen Möglichkeiten ergab sich, daß in diesem Fall eine strikte Analogie zum Brüsseler Übereinkommen nicht gerechtfertigt wäre, und es wurde für angemessener erachtet, in Artikel 13 einen Absatz 3 einzufügen, in dem „öffentliche Urkunden, die in einem Mitgliedstaat aufgenommen und vollstreckbar sind, sowie vor einem Richter im Laufe eines Verfahrens geschlossene Vergleiche, die in dem Mitgliedstaat, in dem sie zustande gekommen sind, vollstreckbar sind" den in Absatz 1 des Artikels genannten „Entscheidungen" gleichgestellt werden. Im Vereinigten Königreich werden öffentliche Urkunden, auch wenn sie von allen Gerichten für die Zwecke der Vollstreckung anerkannt werden, nur im Rahmen des schottischen Rechtssystems aufgenommen. Dabei muß es sich um 224

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Urkunden handeln, die von einer öffentlichen Stelle aufgenommen wurden und in den öffentlichen Registern der Higher Courts von Schottland, den sogenannten Books of Council and Session und Books of the Sheriff Court, eingetragen werden können. Durch die Eintragung in diese Register wird die Urkunde einer Gerichtsentscheidung gleichgestellt. In der Praxis des schottischen Familienrechts können solche Urkunden alle Aspekte der Neugestaltung des Verhältnisses der Ehegatten nach der Scheidung betreffen. Sie können demnach Aspekte umfassen, die nicht unter das Übereinkommen fallen, wie die ehelichen Güterstände, möglicherweise aber auch Aspekte in bezug auf die Kinder, die nicht unter die elterliche Verantwortung fallen. Damit soll eine Untersuchung gegenüber den Vereinbarungen getroffen werden, die gemäß Artikel 4 des Children (Scotland) Act aus dem Jahre 1995 von unverheirateten Eltern in bezug auf die elterliche Verantwortung für ihre Kinder getroffen werden können. Obgleich die Einwendung der öffentlichen Ordnung (ordre public) oft gewiß ausreichend gewesen wäre, um erforderlichenfalls zu verhindern, daß Vergleiche der in Absatz 3 genannten Art in Personenstandssachen in einem anderen Staat Wirkungen entfalten, erschien es nicht angemessen, eine Bestimmung in Analogie zu Artikel 50 des Brüsseler Übereinkommens aufzunehmen, da in Ehesachen noch andere Gründe für die Nichtanerkennung vorliegen können (ζ. B. Artikel 15 Absatz 2 Buchstabe b)); infolgedessen ist auf die Frage der Nichtanerkennung von Vergleichen zusammen mit den Gründen für die Nichtanerkennung gerichtlicher Entscheidungen einzugehen.

Erster Abschnitt G. Anerkennung Artikel

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Anerkennung einer Entscheidung 62. Die Bestimmungen dieses Artikels gehen zurück auf Artikel 26 des Brüsseler Übereinkommens von 1968. In Anbetracht des Gegenstands des hier behandelten Übereinkommens gibt es jedoch einen wesentlichen Unterschied, und zwar in bezug auf die Wirkungen, die die Anerkennung entfaltet. Folglich bestand zwar auch Einvernehmen über die Bestimmung in Absatz 1, wonach Entscheidungen, die in einem Mitgliedstaat ergangen sind, in allen Mitgliedstaaten automatisch, d.h. ohne ein besonderes Verfahren, anerkannt werden, nicht hingegen über die sich daraus ergebenden Wirkungen und insbesondere die in diesem Bereich wichtigste Wirkung, nämlich die bezüglich der Beischreibung in den Personenstandsbüchern. 63. Daher wurde erst nach längeren Erörterungen eine Einigung über Artikel 14 Absatz 2 in dem Sinne erzielt, daß für die Beischreibung in den Personenstandsbüchern eines Mitgliedstaats kein besonderes Verfahren erforderlich ist und das Vorliegen einer entsprechenden rechtskräftigen Entscheidung, die in einem anderen Mitgliedstaat ergangen ist, ausreicht. Es handelt sich demnach nicht um eine gerichtliche Anerkennung, sondern um eine Anerkennung zwecks Eintragung in die Personenstandsbücher. Bei der Abfassung dieser Bestimmung wurde dem Artikel 8 des Übereinkommens vom 8. September 1967 über die Rolf A. Schütze

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Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen, das im Rahmen der Internationalen Kommission für das Zivilstandswesen ausgearbeitet wurde, Rechnung getragen. Sie stellt zweifellos eine wichtige Änderung dar, die von den europäischen Bürgern sehr positiv aufgenommen werden wird, weil sie die am häufigsten angestrebte Wirkung betrifft und nach Inkrafttreten des Übereinkommens zu einer Zeit- und Geldersparnis führt, weil dann die Beischreibung in den Personenstandsbüchern ohne jegliche weitere Entscheidung erfolgt, was gegenüber dem Brüsseler Übereinkommen von 1968 einen erheblichen Fortschritt bedeutet. Es sei darauf hingewiesen, daß es sich um eine rechtskräftige Entscheidung handeln muß, d.h. eine Entscheidung, gegen die nach dem Recht des Ursprungsstaats keine weiteren ordentlichen Rechtsbehelfe eingelegt werden können, was ebenfalls eine Änderung gegenüber dem Brüsseler Übereinkommen von 1968 darstellt (zur vorzulegenden Urkunde siehe Artikel 33 Absatz 3). 6 4 . Wie bereits in den Ausführungen zu Artikel 1 betreffend den Anwendungsbereich des Übereinkommens im Hinblick auf die ausgeschlossenen Bereiche dargelegt wurde, so gilt auch hier, daß die Anerkennung nach Artikel 14 nicht in der Entscheidung ebenfalls geregelte Fragen wie das Verschulden der Ehegatten, die ehelichen Güterstände, die Unterhaltspflicht oder sonstige Folgen wirtschaftlicher oder anderer Art betrifft. Sie bezieht sich somit ausschließlich auf die Anerkennung der Auflösung der Ehe bzw. der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes (siehe Nummer 22). In bezug auf die einstweiligen Maßnahmen siehe Artikel 12 (Nummer 59). 65. Analog zum Brüsseler Übereinkommen von 1968 kann die Feststellung beantragt werden, daß die ausländische Entscheidung anzuerkennen ist oder daß sie nicht anzuerkennen ist; zu diesem Zweck gilt gemäß Absatz 3 das für die Vollstreckung vorgesehene Verfahren. Der Begriff „Partei, die ein Interesse h a t " zur Bezeichnung desjenigen, der die Feststellung beantragen kann, daß eine Entscheidung anzuerkennen oder nicht anzuerkennen ist, verlangt eine weite Auslegung in Verbindung mit den geltenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften, und als solche Partei kann somit auch die Staatsanwaltschaft oder eine andere entsprechende Stelle betrachtet werden, wenn dies in dem Staat, in dem die Anerkennung oder Nichtanerkennung beantragt wird (ersuchter Staat), dem Verständnis entspricht. 6 6 . Die Bestimmung über die im Vorfeld einer Entscheidung zu klärende Frage der Anerkennung geht mit gewissen Änderungen zurück auf Artikel 2 6 des Brüsseler Übereinkommens. Aus Einfachheitsgründen erscheint es ratsam, daß die Gerichte, die in der Hauptsache entscheiden, auch dafür zuständig sind, als Vorfrage über die Anerkennung einer Entscheidung zu befinden.

Artikel 15 Gründe für die Nichtanerkennung einer Entscheidung 67. In Analogie zu Artikel 2 7 des Brüsseler Übereinkommens von 1 9 6 8 sind in diesem Artikel die Gründe für die Nichtanerkennung bzw. NichtVollstreckung aufgeführt. Hier waren in Anbetracht des Gegenstands des Übereinkommens auch die Gründe für die Nichtanerkennung gemäß Artikel 2 3 des Haager Übereinkommens von 1996 zu berücksichtigen, damit später eine aufeinander abge-

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stimmte Anwendung der beiden Übereinkommen möglich ist. Entgegen der Auffassung einiger Staaten, die den Gründen für die Nichtanerkennung nur fakultativen Charakter geben wollten, tendierte die Mehrheit der Staaten zu Gründen mit obligatorischem Charakter, wie in Artikel 2 7 des Brüsseler Übereinkommens. Neben den in dieser Bestimmung enthaltenen Regeln sind die Einschränkungen gemäß Artikel 16 und die Bezugnahme auf Artikel 4 3 zu beachten. 6 8 . Der Aufbau dieses Artikels mag etwas verwundern. So sind in Absatz 1 die Gründe für die Nichtanerkennung von Entscheidungen betreffend die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe enthalten, während sich Absatz 2 auf die Gründe für die Nichtanerkennung von Entscheidungen betreffend die elterliche Verantwortung bezieht, die aus Anlaß von Verfahren in Ehesachen ergangen sind. Der Grund für diese Aufgliederung liegt darin, daß beide Arten von Entscheidungen zwar eng mit der Ehesache verknüpft sind, sie aber gemäß der innerstaatlichen Zuständigkeitsverteilung in dem Staat, in dem sie ergangen sind, von verschiedenen Stellen erlassen worden sein können. Ein weiterer Grund für diese Aufgliederung liegt darin, daß der Gegenstand der Ehesache und der Gegenstand des die elterliche Verantwortung betreffenden Verfahrens so verschieden sind, daß auch die Nichtanerkennungsgründe in beiden Fällen zwangsläufig anders gelagert sind. Daher erschien es ratsam, die Gründe für die Nichtanerkennung der beiden Arten von Entscheidungen in verschiedenen Absätzen aufzuführen. 69. Was die Nichtanerkennung von Entscheidungen betreffend die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe betrifft, so besteht der erste Grund wie üblich darin, daß die Anerkennung im offensichtlichen Widerspruch zur öffentlichen Ordnung (ordre public) des ersuchten Staats stünde; die Mitgliedstaaten legen weiterhin Wert auf eine solche Bestimmung, obgleich die Erfahrung zeigt, daß die analoge Bestimmung von Artikel 2 7 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens in der Praxis nicht herangezogen zu werden brauchte. Allerdings ist die Sensibilität in bezug auf die Grundprinzipien, die Einwendungen der öffentlichen Ordnung rechtfertigen, bei Vermögenssachen auch geringer als bei Familiensachen. Hier ist zudem zu beachten, daß gemäß Artikel 18 des Übereinkommens die Entscheidung keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden darf, daß gemäß Artikel 17 die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung nicht deshalb abgelehnt werden darf, weil eine Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe in dem Staat, in dem die Anerkennung beantragt wird, nicht zulässig wäre, und daß gemäß Artikel 16 Absatz 3 das Kriterium der Vereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) nicht auf die Zuständigkeitsvorschriften anwendbar ist. In diesem Bereich besteht also eine große Sensibilität von Seiten der Mitgliedstaaten, die auf die erheblichen Unterschiede zurückzuführen ist, die deren Rechtsordnungen im Hinblick auf die Ehescheidung aufweisen. So befürchteten diejenigen Mitgliedstaaten, in denen die Auflösung des Ehebandes leichter erfolgt, daß Entscheidungen ihrer Gerichte in den Mitgliedstaaten mit strengeren Vorschriften nicht anerkannt würden. Um beiden Staatengruppen Sicherheiten zu bieten, ist ein System eingeführt worden, in dem zwar einerseits die Nichtanerkennung wegen offensichtlicher Unvereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) des ersuchten Staats beibehalten wird (Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe a)), in dem aber in Artikel 17 andererseits festgelegt wird, daß die Anerkennung nicht mit der Begründung abgelehnt Rolf A. Schütze

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werden darf, daß derselbe Sachverhalt eine Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe dort nicht zuläßt (siehe Erläuterungen zu Artikel 17). Bei der Anerkennung hat das zuständige Gericht die im Ursprungsstaat ergangene Entscheidung im Lichte der im vorstehenden Absatz genannten Bestimmungen zu prüfen. Diese Lösung lehnt sich an das Haager Übereinkommen von 1970 über die Anerkennung der Ehescheidung und der Trennung von Bett und Tisch an, dem einige Mitgliedstaaten angehören. Im Zusammenhang mit dieser Frage ist auch die Erklärung Irlands zu beachten (siehe hierzu Artikel 46 Absatz 2), auch unter Berücksichtigung von Artikel 9 betreffend die Prüfung der Zuständigkeit durch das in der Sache angerufene Gericht. 70. In Absatz 1 Buchstabe b) ist der Grund für die Nichtanerkennung aufgeführt, der im Rahmen des Brüsseler Übereinkommens von 1968 (Artikel 27 Nummer 2) für die Nichtanerkennung am häufigsten herangezogen wurde und der infolgedessen unter allen Nichtanerkennungsgründen die meisten Probleme in den Fällen, in denen sich der Antragsgegner auf das Verfahren nicht eingelassen hat, weil er nicht ordnungsgemäß oder nicht so rechtzeitig benachrichtigt wurde, daß er sich verteidigen konnte. Hier wurde dieser Bestimmung des Brüsseler Übereinkommens ein Aspekt hinzugefügt. So hat gemäß dieser Bestimmung die Anerkennung zu erfolgen (was letzten Endes die normale Folge des angestrebten Funktionierens des Übereinkommens ist), wenn der Antragsgegner die Entscheidung in eindeutiger Weise akzeptiert, was beispielsweise gegeben ist, wenn er Schritte im Hinblick auf eine neue Eheschließung unternommen hat. 71. Die Unvereinbarkeit der betreffenden Entscheidung mit anderen Entscheidungen ist Gegenstand zweier weiterer Bestimmungen in Absatz 1 Buchstabe c) und Buchstabe d). Anders als in Artikel 27 Nummer 5 des Brüsseler Übereinkommens gilt nicht die Bedingung, daß derselbe Anspruch vorgelegen haben muß. Die erste dieser beiden Bestimmungen betrifft die Unvereinbarkeit der Entscheidung mit einer Entscheidung, die in einem Verfahren zwischen denselben Parteien in dem Staat, in dem die Anerkennung beantragt wird, ergangen ist, unabhängig davon, ob die letztere Entscheidung vor oder nach der im Ursprungsstaat ergangenen Entscheidung erlassen wurde. Ein besonderes Problem stellt sich, wenn eine Entscheidung eine Ehescheidung und die andere eine Trennung ohne Auflösung des Ehebandes beinhaltet. Dies sei an einem Beispiel erläutert. Man nehme an, daß im Staat Α eine Entscheidung über eine Trennung ohne Auflösung des Ehebandes ergeht und zu einem späteren Zeitpunkt im Staat Β eine Entscheidung über eine Ehescheidung. Wird die Anerkennung dieser letzteren Entscheidung im Staat Α beantragt, so kann diese Anerkennung nicht mit dem Argument verweigert werden, daß die Entscheidung mit der früheren Entscheidung im Staat Α unvereinbar sei, da die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes als Vorstufe der Scheidung betrachtet werden kann und folglich mit einem späteren Scheidungsurteil nicht kollidiert. Wird hingegen beantragt, daß die im Staat Α ergangene Entscheidung über die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes im Staat Β anerkannt wird, in dem die Ehe geschieden wurde, so ist diese Anerkennung zu verweigern, da die Entscheidung über die Trennung im Staat Β durch ein Scheidungsurteil ersetzt wurde. Diese Auslegung hat den Vorteil, daß sie gewährleistet, daß der eheliche Status der Ehegatten in allen fünfzehn Mitgliedstaaten in gleicher Weise gesehen wird. Eine andere Auslegung würde dazu führen, daß Ehegatten möglicherweise in vierzehn Mitgliedstaaten 228

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als geschieden und nur im Staat Α als getrennt betrachtet werden. Die zweite dieser beiden Bestimmungen betrifft die Fälle, in denen die andere Entscheidung in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Nichtmitgliedstaat in einem Verfahren zwischen denselben Parteien ergangen ist und zwei Bedingungen erfüllt: a) Es muß sich um eine frühere Entscheidung handeln; b) sie muß die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung im ersuchten Mitgliedstaat erfüllen. Auch dies soll an einem Beispiel veranschaulicht werden: In dem Nichtmitgliedstaat Ε ergeht eine Entscheidung über eine Trennung ohne Auflösung des Ehebandes, welche die Voraussetzungen für ihre Anerkennung im Mitgliedstaat Β erfüllt. Z u einem späteren Zeitpunkt ergeht im Mitgliedstaat C zwischen denselben Ehegatten eine Entscheidung über die Ehescheidung, deren Anerkennung im Mitgliedstaat Β beantragt wird. In diesem Fall ist die Entscheidung im Mitgliedstaat C über die Ehescheidung nicht unvereinbar mit der früheren Entscheidung im Nichtmitgliedstaat Ε über die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und wird daher im Mitgliedstaat Β anerkannt. In dem gegenteiligen Fall, daß in dem Nichtmitgliedstaat Ε eine Entscheidung über die Ehescheidung ergangen ist und später im Mitgliedstaat C eine Entscheidung über die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes ergeht, hat der Mitgliedstaat Β die Anerkennung der im Mitgliedstaat C ergangenen Entscheidung zu verweigern, da diese mit einer in dem Nichtmitgliedstaat Ε ergangenen Entscheidung über die Ehescheidung, die die Voraussetzungen für ihre Anerkennung im Mitgliedstaat Β erfüllt, unvereinbar ist. 7 2 . Was die Entscheidungen betreffend die elterliche Verantwortung anbelangt, die im weiten Sinne zu verstehen sind und also nicht nur gerichtliche Entscheidungen, sondern auch alle Entscheidungen anderer Behörden umfassen, sofern sie aus Anlaß der Ehescheidung ergehen, so sind die Gründe für die Nichtanerkennung in Absatz 2 aufgeführt. Über die obige allgemeine Begründung der gesonderten Aufführung dieser Gründe für die Nichtanerkennung gegenüber den Gründen für die Nichtanerkennung von Entscheidungen in Ehesachen hinaus sind zu den hier aufgeführten Nichtanerkennungsgründen einige besondere Bemerkungen zu machen. 73. Die Bestimmung betreffend die öffentliche Ordnung (ordre public), die in Absatz 2 Buchstabe a) erneut erscheint, entspricht in vollem Umfang der Vorschrift von Artikel 2 3 Absatz 2 Buchstabe d) des Haager Übereinkommens von 1 9 9 6 und besagt, daß für eine Ablehnung der Anerkennung eine offensichtliche Unvereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung nicht ausreicht, sondern dabei auch das Wohl des Kindes zu berücksichtigen ist. Unter Buchstabe c) ist der Fall aufgeführt, daß sich die betreffende Person auf das Verfahren nicht eingelassen hat; auf diesen Fall treffen die Erläuterungen zu Absatz 1 Buchstabe b) dieses Artikels ebenfalls zu. Wie auch im Haager Übereinkommen von 1 9 9 6 (Artikel 2 3 Absatz 2 Buchstaben b) und c)) werden als Gründe für die Nichtanerkennung (unter den Buchstaben b) und d)) die Sachverhalte aufgeführt, daß das Kind nicht die M ö g lichkeit hatte, gehört zu werden, bzw. daß einer Person, die geltend macht, daß die Entscheidung in ihre elterliche Verantwortung eingreift, nicht die Möglichkeit eingeräumt worden ist, gehört zu werden. Was die Anhörung des Kindes betrifft, so hat diese nach den Vorschriften zu erfolgen, die in dem betreffenden Mitgliedstaat gelten, unter anderem nach den Vorschriften des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 2 0 . November 1 9 8 9 über die Rechte des Kindes und insbesondere nach dessen Artikel 12, der wie folgt lautet: R o l f A. Schütze

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„(1) Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife. (2) Zu diesem Zweck wird dem Kind insbesondere Gelegenheit gegeben, in allen das Kind berührenden Gerichts- oder Verwaltungsverfahren entweder unmittelbar oder durch einen Vertreter oder eine geeignete Stelle im Einklang mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften gehört zu werden." Unter den Buchstaben e) und f) schließlich wird als Grund für die Nichtanerkennung die Unvereinbarkeit mit einer anderen Entscheidung aufgeführt, wobei danach unterschieden wird, ob letztere Entscheidung in dem ersuchten Mitgliedstaat ergangen ist oder aber in einem anderen Mitgliedstaat oder dem Nichtmitgliedstaat, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Da es hier ausschließlich um die elterliche Verantwortung geht, bezieht sich die Unvereinbarkeit der Entscheidung, deren Anerkennung beantragt wird, in beiden Fällen auf eine später als diese ergangene Entscheidung, weil frühere Entscheidungen bereits im Rahmen der Entscheidung aus Anlaß der Ehescheidung berücksichtigt worden sein müssen. Mit dieser Bestimmung sollen Widersprüche vermieden werden, die sich beispielsweise zwischen einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung über Ehescheidung und Sorgerecht und einer inländischen Entscheidung über die Aberkennung der Vaterschaft ergeben könnten. Zu beachten sind in dieser Beziehung auch die Erläuterungen zu Artikel 3 Absatz 3 (Ende der Zuständigkeit der in der Ehesache entscheidenden Gerichte für Fragen der elterlichen Verantwortung).

Artikel 16 Nichtanerkennung und Tatsachenfeststellungen 74. Im Gefolge des Artikels 15 ist in Artikel 16 Absatz 1 vorgesehen, daß eine Entscheidung nicht anerkannt wird, wenn ein Fall des Artikels 43 vorliegt, der sich an Artikel 59 des Brüsseler Übereinkommens von 1968 anlehnt (siehe Erläuterungen zu Artikel 43 unter Nummer 125). Dieser Artikel 43 gibt einem Mitgliedstaat die Möglichkeit, eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidung nicht anzuerkennen, wenn diese nicht aufgrund einer in den Artikeln 2 bis 7 vorgesehenen Zuständigkeit, sondern gemäß Artikel 8 allein nach innerstaatlichem Recht ergangen ist. Dies gilt jedoch nur, wenn er mit einem Drittstaat ein Abkommen geschlossen hat, das zwischen ihnen auf die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen anzuwenden ist. Artikel 16 Absatz 1 stellt somit eine Ausnahme in bezug auf die Anerkennung von Entscheidungen dar, die in einem Mitgliedstaat im Rahmen der gemäß Artikel 8 möglichen Restzuständigkeiten ergangen sind. 75. Daraus ergibt sich, daß der ersuchte Mitgliedstaat die Zuständigkeitskriterien zu prüfen hat, auf deren Grundlage die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat ergangen ist. Diesbezüglich werden dem Gericht jedoch gewisse Beschränkungen auferlegt. Z u m einen ist das ersuchte Gericht gemäß Absatz 2 an die Tatsachenfeststellungen des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaats gebunden. Z u m anderen darf es gemäß Absatz 3 weder die Zuständigkeit des Gerichts des 230

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Ursprungsmitgliedstaats nachprüfen noch die Überprüfung der Vereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) auf die in den Artikeln 2 bis 8 enthaltenen Zuständigkeitsregeln ausdehnen.

Artikel 17 Unterschiede beim anzuwendenden Recht 7 6 . Diese Bestimmung steht in Verbindung mit Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe a) (siehe Erläuterungen dazu unter Nummer 69). Sie ist begründet durch Bedenken der Staaten mit flexibleren materiellrechtlichen Ehescheidungsvorschriften, daß die von ihren Gerichten erlassenen Entscheidungen in einem anderen Staat mit der Begründung nicht anerkannt werden könnten, daß ihnen Sachverhalte zugrunde liegen, die nach dem innerstaatlichen Recht des ersuchten Staats nicht relevant sind. Diese Bestimmung steht folglich einer allzu kategorischen Geltendmachung der öffentlichen Ordnung entgegen. Als Beispiel kann der Fall einer Ehescheidung als Folge einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes genannt werden: Wenn die Ehescheidung im Ursprungsmitgliedstaat nach einer zweijährigen Trennung ausgesprochen werden kann, könnte eine überzogene Auslegung des Prinzips der öffentlichen Ordnung in einem um Anerkennung ersuchten Staat, dessen Recht eine fünfjährige Trennung vorschreibt, zu einer Verweigerung der Anerkennung führen. Die Schwierigkeiten, die in der Gruppe bei der Abfassung der Bestimmung aufgetreten sind, haben dazu geführt, daß im Text lediglich auf das „Recht" des ersuchten Mitgliedstaats Bezug genommen wird und der Zusatz „innerstaatlich" gestrichen wurde; diese Streichung dient der Einbeziehung sowohl der innerstaatlichen materiellrechtlichen Vorschriften als auch der Bestimmungen des internationalen Privatrechts. Es soll nur vermieden werden, daß Unterschiede im materiellen Recht der Mitgliedstaaten dazu führen, daß keine Anerkennung erfolgt und somit das eigentliche Ziel des Übereinkommens ausgehöhlt wird.

Artikel 18 Ausschluß einer Nachprüfung in der Sache 77. Dieser Artikel enthält die herkömmliche Vorschrift über den Ausschluß einer Nachprüfung in der Sache aus Anlaß der Anerkennung oder Vollstreckung. Diese Bestimmung ist dieselbe wie in Artikel 2 9 des Brüsseler Übereinkommens von 1968 und in anderen Übereinkünften über die Anerkennung. Sie ist in Übereinkünften dieser Art notwendig, damit es nicht zu einer Verfälschung des eigentlichen Zwecks des Exequatur-Verfahrens kommt, der ja nicht darin besteht, daß das Gericht des ersuchten Staates erneut über etwas befindet, worüber das Gericht des Ursprungsstaats bereits entschieden hat. 78. Gegen die Einbeziehung dieser Vorschriften in das Übereinkommen machten einige Mitgliedstaaten insofern Bedenken geltend, als davon ausgehend auf einen unveränderlichen Charakter der in bezug auf die elterliche Verantwortung ergriffenen Maßnahmen geschlossen werden könne. Mit der Bestimmung soll ausgeschlossen werden, daß die betreffenden Maßnahmen im Rahmen des Rolf A. Schütze

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Exequatur-Verfahrens nachgeprüft werden, was aber keinesfalls die Unveränderlichkeit dieser Maßnahmen zur Folge haben kann. Das Grundprinzip ist folglich, daß im ersuchten Mitgliedstaat keine Nachprüfung der ursprünglichen Entscheidungen erfolgen darf, was sich logischerweise aus der Tatsache ergibt, daß es sich hier um ein „Doppelabkommen" handelt. Eine Änderung der Umstände kann jedoch sehr wohl dazu führen, daß die Schutzmaßnahmen nachzuprüfen sind, wie dies stets in Situationen der Fall ist, die aufgrund ihres langfristigen Charakters möglicherweise gewisser Änderungen bedürfen. In diesem Sinne geht beispielsweise aus Artikel 27 des Haager Übereinkommens von 1996 eindeutig hervor, daß der Ausschluß einer Nachprüfung in der Sache nicht einer etwaigen Überprüfung der ergriffenen Schutzmaßnahmen entgegensteht. Ebenso ist der hier behandelte Artikel 18 so zu verstehen, daß die zuständige Stelle aufgrund einer späteren Änderung der Umstände durchaus eine neue Entscheidung betreffend die elterliche Verantwortung erlassen kann.

Artikel 19 Aussetzung des Anerkennungsverfahrens 79. Es handelt sich hier um eine Bestimmung, die in Verbindung mit denjenigen Bestimmungen des Übereinkommens (namentlich Artikel 14 Absatz 2) zu sehen ist, wonach es für die automatische Anerkennung und insbesondere für die Beischreibung in den Personenstandsbüchern keines besonderen Verfahrens bedarf, wenn gegen die Entscheidung im Ursprungsstaat nach dessen Recht keine weiteren Rechtsbehelfe eingelegt werden können. Nach Artikel 19 hingegen kann das Gericht des Mitgliedstaats, bei dem ein Antrag auf Anerkennung gestellt wird, das Verfahren aussetzen, wenn gegen die Entscheidung ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt worden ist. Zur Aussetzung der Vollstreckung siehe Artikel 27 (und die diesbezüglichen Erläuterungen unter Nummer 94). In bezug auf die in Irland oder im Vereinigten Königreich ergangenen Entscheidungen wird ferner den Besonderheiten der betreffenden innerstaatlichen Rechtsordnungen Rechnung getragen.

Zweiter Abschnitt H. Vollstreckung Artikel 20 Vollstreckbare Entscheidungen 80. Diese Bestimmung enthält die Regeln für die Erlangung des Exequatur, die Voraussetzung dafür ist, daß eine in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt werden kann. Es geht infolgedessen lediglich darum, daß die in den nachfolgenden Artikeln genannten Gerichte auf Antrag einer berechtigten Partei über eine etwaige Vollstreckung in dem Staat, in dem diese beantragt wird, entscheiden, wobei sie diese nur aus den Gründen ablehnen können, die in Artikel 15 (Gründe für die Nichtaner232

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kennung einer Entscheidung) und Artikel 16 aufgeführt sind (siehe Artikel 23 Absatz 2 sowie die diesbezüglichen Erläuterungen unter Nummer 89). In bezug auf Ehesachen bedarf es aufgrund des Anwendungsbereichs des Ubereinkommens und der Tatsache, daß die Anerkennung ohne weiteres die Beschreibung in den Personenstandsbüchern erlaubt, nur einer Regelung für die Anerkennung. Hingegen sind die Bestimmungen über die Vollstreckung in bezug auf die Ausübung der elterlichen Verantwortung für ein gemeinsames Kind erforderlich. Für die Zwecke des Antrags auf Vollstreckung sind unter der „berechtigten Partei" nicht nur die Ehegatten und die Kinder zu verstehen, sondern für die Staaten, in denen dies vorgesehen ist, auch die staatliche Gewalt (Staatsanwaltschaft oder entsprechende Stelle). 81. In dieser Bestimmung geht es lediglich darum, die Vollstreckung einer in einem anderen Staat ergangenen Entscheidung betreffend die elterliche Verantwortung zu ermöglichen, während für das Verfahren der Vollstreckung selbst das innerstaatliche Recht des jeweiligen Staates gilt. So ist nach Erlangung des Exequatur in einem Staat dessen innerstaatliches Recht dann für die konkreten Vollstreckungsmaßnahmen maßgeblich. Mit den nachfolgenden Bestimmungen soll ein für alle Mitgliedstaaten einheitliches Verfahren zur Erlangung des Exequatur geschaffen werden, das die in den innerstaatlichen Rechtsordnungen oder in anderen Übereinkünften enthaltenen diesbezüglichen Vorschriften ersetzt. Absatz 2 trägt den Besonderheiten im Vereinigten Königreich Rechnung.

Artikel 21 Örtlich zuständige Gerichte 82. Diese Bestimmung geht zurück auf Artikel 32 des Brüsseler Übereinkommens von 1968, ist im Unterschied zu diesem jedoch in drei Absätze gegliedert: Der erste Absatz nennt die Gerichte mit internationaler Zuständigkeit für die Vollstreckung, während die beiden letzten Absätze sich auf das örtlich zuständige Gericht innerhalb des Vollstreckungsstaats beziehen. Diese Bestimmungen gelten sowohl für die Anerkennung im Wege von Artikel 14 Absatz 3 als auch für die Vollstreckung. Ihr Ziel ist es, dem europäischen Bürger das Leben zu erleichtern, da dieser so von vornherein weiß, an welche Gerichte er sich zu wenden hat. 83. In Absatz 1 werden die Behörden aufgeführt, die für die Vollstreckung international zuständig sind. Dabei gilt fast dieselbe Regelung wie nach Artikel 32 Absatz 1 des Brüsseler Übereinkommens von 1968. 84. In bezug auf die Bestimmung des innerhalb eines Staats örtlich zuständigen Gerichts weicht die hier gewählte Lösung hingegen von der des Brüsseler Übereinkommens von 1968 ab. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, daß es sowohl um Entscheidungen in Ehesachen als auch um Entscheidungen über die elterliche Verantwortung geht und die Standpunkte infolgedessen erheblich voneinander abwichen: So waren einige Mitgliedstaaten der Auffassung, daß die Vorschrift gestrichen und die Frage den innerstaatlichen Rechtsordnungen überlassen werden sollte, während diese Vorschrift anderen Mitgliedstaaten unverzichtbar erschien, wenn sie auch deren Inhalt gerne zur Diskussion stellen wollten. Rolf A. Schütze

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Bei der schließlich gewählten Lösung wird zwischen zwei Fällen unterschieden, je nachdem, ob es sich um einen Antrag auf Vollstreckung oder um einen Antrag auf Anerkennung handelt. Dies ist eine Erweiterung gegenüber den im Brüsseler Übereinkommen vorgesehenen Möglichkeiten. Es wird also zunächst die Vorschrift für den Regelfall, d.h. den ExequatorAntrag, aufgestellt. In Absatz 2 Buchstabe a) ist vorgesehen, daß die örtliche Zuständigkeit bei dem Gericht des Ortes liegt, an dem die Person, gegen die der Vollstreckungsantrag gestellt ist, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder an dem das Kind, auf das sich der Antrag bezieht, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Es stellte sich jedoch heraus, daß es Fälle geben kann, in denen sich weder der gewöhnliche Aufenthalt der Person, gegen die der Antrag gestellt ist, noch der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes in dem Mitgliedstaat befinden, in dem der Vollstreckungsantrag gestellt wird; für diesen Fall ist unter Buchstabe b) vorgesehen, daß der Antrag bei dem Gericht des Orts der angestrebten Vollstreckung zu stellen ist. Für den zweiten Fall hingegen, nämlich den eines Antrags auf Anerkennung oder Nichtanerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung, überläßt Absatz 3 die Frage den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des Staats, in dem der Antrag gestellt wird.

Artikel 22 Stellung des Antrags auf Vollstreckung 85. In diesem und den nachfolgenden Artikeln werden verschiedene Aspekte im Hinblick auf das für die Vollstreckung einer Entscheidung geltende Verfahren geregelt. Wie im Brüsseler Übereinkommen von 1968 gilt eine Regelung, die auf einem auf Antrag einer Partei geführten Verfahren beruht, das gemeinschaftlichen Charakter hat, d. h. daß dasselbe zügige und unkomplizierte Verfahren in allen Mitgliedstaaten gilt, was zweifellos einen Vorteil darstellt. Das Verfahren folgt naheliegenderweise demselben Schema wie im Brüsseler Übereinkommen von 1968, wobei lediglich die Änderungen vorgenommen wurden, die sich aus dem unterschiedlichen Gegenstand der beiden Übereinkommen ergeben. Davon abgesehen wird in den Erläuterungen zum Großteil dieser Bestimmungen entsprechend dem Hinweis zu Anfang dieses Berichts auf die Berichte zu den verschiedenen Fassungen des Brüsseler Übereinkommens von 1968 und insbesondere auf den Jenard-Bericht zurückgegriffen. Diese Bestimmung betrifft das konkrete Vorgehen von Seiten des Antragstellers. Zunächst besagt sie, daß sich die Formvorschriften für die Stellung des Antrags nach dem Recht des Staates bestimmen, in dem die Vollstreckung erwirkt werden soll (Absatz 1). Der Inhalt des Antrags im einzelnen, die Anzahl der dem Gericht vorzulegenden Ausfertigungen, die Bestimmung der für die Entgegennahme des Antrags zuständigen Gerichtsstelle, gegebenenfalls die Sprache, in der der Antrag abzufassen ist, sowie die Notwendigkeit der Mitwirkung eines Anwalts oder anderen Sachvertreters richten sich somit nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften. 86. Ferner hat der Antragsteller nach Absatz 2 in dem Bezirk des angerufenen Gerichts für die Zwecke der Zustellung entweder ein Wahldomizil zu begründen oder einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. Diese Vorschrift ist in 234

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zweifacher Hinsicht bedeutsam: zum einen für die Mitteilung der Entscheidung an den Antragsteller (Artikel 24), zum zweiten im Hinblick auf einen mit beiderseitigem rechtlichen Gehör verbundenen Rechtsbehelf gegen die Vollstreckungsentscheidung (Artikel 26). 87. Schließlich ist in Absatz 3 vorgesehen, daß dem Antrag die in den Artikeln 33 und 34 genannten Urkunden beizufügen sind. Zu den Folgen einer Nichtbeifügung dieser Urkunden siehe Artikel 35 (und die diesbezüglichen Erläuterungen unter Nummer 107). Artikel 23 Entscheidung des Gerichts 88. In Absatz 1 wird der einseitige Charakter des Exequatur-Verfahrens in dem Sinne festgelegt, daß dieses von einer der Parteien beantragt wird und der Person, gegen die der Vollstreckungsantrag gestellt ist, kein Gehör gewährt werden darf, auch nicht in Ausnahmefällen, da dies zu einer systematischen Umwandlung des einseitigen Verfahrens in ein kontradiktorisches führen würde. Die Verteidigungsrechte sind insofern gewahrt, als die Person, gegen die das Exequatur erlangt worden ist, die Möglichkeit hat, einen Rechtsbehelf gegen die Vollstreckungsentscheidung einzulegen. Das Gericht hat lediglich über die Vollstreckung zu entscheiden und darf bei diesem Anlaß keine Nachprüfung sorgerechtlicher Maßnahmen, beispielsweise in Anwendung des Haager Übereinkommens von 1996, vornehmen, da Artikel 39 dies verbietet. Das Gericht hat seine Entscheidung „ohne Verzug" zu erlassen; es wurde nicht für zweckmäßig erachtet, diesbezüglich eine Frist zu setzen, da eine solche Frist für die Gerichte nicht üblich ist und zudem im Fall der Nichteinhaltung keine entsprechende Sanktion zur Verfügung gestanden hätte. Da das Exequatur in aller Regel auf der Grundlage des gegenseitigen Vertrauens erteilt wird, das auf der Annahme beruht, daß alle Gerichte der Gemeinschaft das Übereinkommen korrekt anwenden, wird in diesem Fall, wie auch im Brüsseler Übereinkommen von 1968, auf ein zügiges Verfahren mit nur einseitigem rechtlichen Gehör abgestellt, zumal für die Fälle, in denen Schwierigkeiten auftreten, die in den nachfolgenden Artikeln des Übereinkommens vorgesehenen Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen. 89. Absatz 1 führt dazu, daß der Antrag nur aus einem der in den Artikeln 15 und 16 aufgeführten Gründe abgelehnt werden (Absatz 2) und keine Nachprüfung in der Sache stattfinden darf (Absatz 3). Artikel 24 Mitteilung der Entscheidung 90. In diesem Artikel wird festgelegt, daß die Mitteilung der Entscheidung an den Antragsteller gemäß dem Recht des Staats zu erfolgen hat, in dem der Vollstreckungsantrag gestellt worden ist. Diese Bestimmung zeigt die Bedeutung der Begründung eines Wahldomizils bzw. der Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten (siehe Artikel 22) und hat Auswirkungen auf die Einlegung der Rechtsbehelfe, auf die sich die folgenden Artikel beziehen. Rolf A. Schütze

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Artikel 25 Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung über die Zulassung der Vollstreckung 91. Analog zum Brüsseler Übereinkommen gestattet dieser Artikel einen etwaigen Rechtsbehelf der Person, gegen die der Vollstreckungsantrag gestellt ist, gegen die Entscheidung, mit der die Vollstreckung zugelassen wird, während die Artikel 28 und 29 die Regelung für Rechtsbehelfe in den Fällen enthalten, in denen die Zulassung der Vollstreckung nicht für angemessen erachtet wurde. Da das Ubereinkommen, wenn es wie vorgesehen funktioniert, zur Erteilung des Exequatur führen soll, wird für die Einlegung eines Rechtsbehelfs logischerweise nur eine kurze Frist eingeräumt, die einen Monat beträgt (Absatz 1). Hat die Partei, gegen die der Vollstreckungsantrag gestellt war, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat als dem, in dem die Vollstreckungsentscheidung ergangen ist, so beträgt die Frist zwei Monate ab dem Tag der Zustellung, die entweder persönlich oder in der Wohnung der betreffenden Partei erfolgt sein muß. Diese Frist kann nicht wegen weiter Entfernung verlängert werden.

Artikel 26 Für den Rechtsbehelf zuständiges Gericht und Anfechtung der Entscheidung über den Rechtsbehelf 92. In Absatz 1 werden die Gerichte aufgeführt, bei denen ein Rechtsbehelf gegen die Vollstreckungsentscheidung eingelegt werden kann. In diesem Fall findet ein kontradiktorisches Verfahren mit beiderseitigem rechtlichen Gehör statt, im Gegensatz zu dem Vollstreckungsantrag und der Vollstreckungsentscheidung mit einseitigem Charakter. Es sei hier betont, daß das Übereinkommen für das Rechtsbehelfsverfahren lediglich ein solches beiderseitiges rechtliches Gehör verlangt, während die Vollstreckungsentscheidung in einem einseitigen Verfahren ergeht. Dabei ist besondere Umsicht wegen sprachlicher Unterschiede geboten und der Begriff „kontradiktorisch" („mit beiderseitigem rechtlichen Gehör") keinesfalls mit dem Begriff „streitig" gleichzusetzen. So handelt es sich in einigen Staaten um ein Verfahren sowohl mit „kontradiktorischem" als auch mit „streitigem" Charakter, während dies in anderen Staaten nicht der Fall ist. Es ist also stets ein „kontradiktorisches" Verfahren (mit beiderseitigem rechtlichen Gehör) zu führen, wohingegen die Frage, ob es sich bei dem Rechtsbehelfsverfahren auch um ein „streitiges" Verfahren handelt oder nicht, von den innerstaatlichen Rechtsvorschriften abhängt, wie auch das Verfahren dem Recht des jeweiligen Gerichtstandes unterliegt (lex fori regit processum). 93. Gegen die Entscheidung über den Rechtsbehelf können nur noch in Deutschland die Rechtsbeschwerde, in Österreich der Revisionsrekurs bzw. in den übrigen Staaten andere Rechtsbehelfe höchsten Grades eingelegt werden. Mit dieser Einschränkung der möglichen Rechtsbehelfe sollen unnötige Verfahren vermieden werden, die ohne sachliche Begründung nur zu Verzögerungszwecken eingelegt werden könnten. Schließlich geht es darum, den Zweck des Übereinkommens zu wahren, der darin besteht, die Freizügigkeit von Entscheidungen zu ermöglichen. Dementsprechend befürworteten einige Delegationen sogar die völlige Streichung des in Absatz 2 vorgesehenen Rechtsbehelfs. Es wurde 236

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jedoch für zweckmäßiger erachtet, dieselbe Regelung wie im Brüsseler Übereinkommen beizubehalten, zumal von dieser Möglichkeit im Rahmen des Familienrechts nur selten Gebrauch gemacht werden dürfte.

Artikel 27 Aussetzung des Verfahrens 9 4 . In bestimmten Fällen kann es vorkommen, daß eine Entscheidung im Ursprungsstaat vollstreckbar ist, obgleich bereits ein Rechtsbehelf eingelegt worden ist oder die Frist für dessen Einlegung noch nicht verstrichen ist. In bezug auf diese Fälle galt es zu vermeiden, daß die Situation durch Erteilung des Exequatur für die Entscheidung noch komplizierter wird. Infolgedessen hat das Gericht, das über den Rechtsbehelf zu befinden hat, gemäß dieser Bestimmung die Möglichkeit, nicht jedoch die Verpflichtung, das Verfahren auszusetzen, wenn über den ordentlichen Rechtsbehelf im Ursprungsstaat noch nicht entschieden wurde oder die Frist für dessen Einlegung noch nicht verstrichen ist. Die Aussetzung kann nur auf Antrag der Partei erfolgen, die den Rechtsbehelf eingelegt hat. Zur Aussetzung der Anerkennung siehe Artikel 19 (und die Erläuterungen unter Nummer 79). 95. In Absatz 2 wird den Besonderheiten Irlands und des Vereinigten Königreichs Rechnung getragen.

Artikel 28 Zuständiges Gericht für einen Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung über die Ablehnung der Vollstreckung 9 6 . Parallel zu dem Rechtsbehelf bei Zulassung der Vollstreckung hat der Antragsteller auch die Möglichkeit, gegen eine Ablehnung der Vollstreckung einen Rechtsbehelf einzulegen; auch hier werden in Absatz 1 die Gerichte aufgeführt, die für diesen Rechtsbehelf zuständig sind. Im Gegensatz zum ersteren Fall wird hier jedoch keinerlei Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs vorgeschrieben. Der Grund dafür besteht wie im Brüsseler Übereinkommen von 1968 darin, daß dem Antragsteller bei einer Ablehnung seines Antrags das Recht einzuräumen ist, einen Rechtsbehelf zu einem Zeitpunkt einzulegen, der ihm zweckmäßig erscheint, und daß er beispielsweise Zeit braucht, um die erforderlichen Urkunden beizubringen. Auch hier bedingt der Zweck des Übereinkommens das unterschiedliche Vorgehen: Die Entscheidung soll in aller Regel vollstreckt werden, und es sind infolgedessen Erleichterungen vorzusehen, damit dieser Zweck, nachdem die erste Entscheidung hinsichtlich einer Vollstreckung ohne Verzug und im Rahmen eines einseitigen Verfahrens ergangen ist, auch erreicht wird. 97. Da es sich auch hier um ein Verfahren mit beiderseitigem rechtlichen Gehör zu handeln hat und die Rechte der Partei, gegen die der Vollstreckungsantrag gestellt worden ist, zu wahren sind, ist in Absatz 2 vorgesehen, daß diese von der Einlegung des Rechtsbehelfs zu unterrichten ist; ferner ist Artikel 10 (Prüfung der Zulässigkeit des Verfahrens) anzuwenden, falls sich diese Partei auf das Verfahren nicht einläßt, ob sie nun ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat oder in einem Nichtmitgliedstaat hat. Rolf A. Schütze

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Artikel 29 Anfechtung der Entscheidung über den Rechtsbehelf 98. Wie nach Artikel 2 6 Absatz 2 (siehe Erläuterungen unter Nummer 93) sind auch gegen die Entscheidung über den Rechtsbehelf nur die im einzelnen aufgeführten weiteren Rechtsbehelfe zulässig.

Artikel 30 Teilvollstreckung 99. Wie Artikel 4 2 des Brüsseler Übereinkommens von 1968 betrifft dieser Artikel zwei unterschiedliche Aspekte. In Absatz 1 geht es um den Fall, daß sich die Entscheidung auf verschiedene Ansprüche bezieht und daß die Vollstreckung nicht für alle diese Ansprüche zugelassen werden kann; in diesem Fall läßt das Gericht die Vollstreckung nur für einen oder mehrere Ansprüche zu. In Absatz 2 hingegen geht es um den Fall, daß der Antragsteller nur eine teilweise Vollstreckung der Entscheidung beantragt.

Artikel 31 Prozeßkostenhilfe 100. Nach dem Muster anderer Übereinkünfte betreffend die Vollstreckung wird hier festgelegt, daß der Antragsteller, wenn ihm im Ursprungsstaat in irgendeiner Form Prozeßkostenhilfe oder Kostenbefreiung gewährt wurde, auch in dem Staat, in dem er die Vollstreckung beantragt, diesbezüglich die günstigste Behandlung erfährt, die nach dessen Recht möglich ist.

Artikel 32 Sicherheitsleistung oder Hinterlegung 101. Im Hinblick auf die Partei, die in einem Mitgliedstaat die Anerkennung oder Vollstreckung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung beantragt, übernimmt dieser Artikel den gängigen Grundsatz der Befreiung von jeglicher Art von Sicherheitsleistung oder Hinterlegung (cautio judicatum solvi).

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Dritter Abschnitt I. Gemeinsame Vorschriften

Artikel 33 Urkunden 102. Hier ist zwischen den verschiedenen Absätzen und den darin im einzelnen geregelten Aspekten zu unterscheiden. 103. Zunächst sind in Absatz 1 die Urkunden aufgeführt, die einem Antrag sowohl auf Anerkennung oder Nichtanerkennung als auch auf Vollstreckung einer Entscheidung in jedem Fall beizufügen sind. Wie in allen Vollstreckungsübereinkünften wird die Vorlage einer Ausfertigung der Entscheidung verlangt, welche die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, wobei für letzteres nach der Regel locus regit actum das Recht des Ortes maßgeblich ist, an dem die Entscheidung ergangen ist. Gegebenenfalls ist ferner eine Urkunde vorzulegen, durch die nachgewiesen wird, daß der Antragsteller im Ursprungsmitgliedstaat Prozeßkostenhilfe erhalten hat. 104. Absatz 2 bezieht sich auf die Urkunden, die bei einer im Versäumnisverfahren ergangenen Entscheidung vorzulegen sind, und ist logischerweise auf Fälle beschränkt, in denen die Anerkennung oder die Vollstreckung beantragt wird, denn wenn eine Nichtanerkennung beantragt wird, dürfte der Normalfall bei im Versäumnisverfahren ergangenen Entscheidungen wohl der sein, daß derartige Schriftstücke nicht vorliegen. Die Person, welche die Anerkennung oder Vollstreckung beantragt, hat also einen Nachweis in der vorgeschriebenen Form über die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks oder eines gleichwertigen Schriftstücks oder - im Fall einer Entscheidung betreffend die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe - eine Urkunde vorzulegen, aus der hervorgeht, daß der Antragsgegner in eindeutiger Weise mit dem Inhalt dieser Entscheidung einverstanden ist (siehe Erläuterungen zu Artikel 15 betreffend die Gründe für die Nichtanerkennung). Absatz 2 Buchstabe b) ist analog zu Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe b) und Absatz 2 Buchstabe c) abgefaßt. 105. Schließlich wird in Absatz 3 die Urkunde genannt, die zusätzlich zu den Urkunden nach den Absätzen 1 und 2 im Hinblick auf eine Beischreibung in den Personenstandsbüchern vorzulegen ist. Da die Personenstandsbücher zur Beurkundung der in ihnen enthaltenen Daten dienen, wird für eine entsprechende Beischreibung die Vorlage einer Urkunde verlangt, aus der hervorgeht, daß gegen die ergangene Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsstaats keine weiteren Rechtsbehelfe eingelegt werden können.

Artikel 34 Weitere Urkunden 106. Außer den gemäß Artikel 3 3 vorzulegenden Urkunden hat die Partei, welche die Vollstreckung beantragt, nachzuweisen, daß die Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats vollstreckbar ist und daß sie zugestellt worden ist. Rolf A. Schütze

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Artikel 35 Fehlen von Urkunden 107. Im Geiste des Übereinkommens und im Interesse der Verwirklichung seiner Ziele sind in bezug auf das Erfordernis der Vorlage von Urkunden gewisse Erleichterungen vorgesehen; so kann das Gericht eine Frist für die Vorlage der Urkunden einräumen, sich mit gleichwertigen Urkunden begnügen oder von dem Erfordernis der Vorlage ganz absehen, wenn es den Sachverhalt für eindeutig hält (z.B. im Fall vernichteter Urkunden). Diese Möglichkeit besteht jedoch nur für die Urkunden, die gemäß Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe b) und Absatz 2 vorzulegen sind, nicht hingegen für die Urkunden, deren Vorlage gemäß Artikel 33 Absatz 3 im Hinblick auf die Beischreibung in den Personenstandsbüchern erforderlich ist. Eine Ausfertigung der betreffenden Entscheidung ist also stets erforderlich. Was die Auswirkungen eines Fehlens der in den vorangegangenen Artikeln verlangten Urkunden bei Stellung des Vollstreckungsantrags betrifft, so ist diese Bestimmung in Verbindung mit Artikel 2 2 zu sehen. Auf der Grundlage der eingehenden Erörterung dieser Frage im Rahmen der Beratungen über das Brüsseler Übereinkommen von 1968 wird davon ausgegangen, daß das Gericht den Antrag für unzulässig erklären kann, wenn die vorgelegten Urkunden trotz der in bezug auf die Vollständigkeit der Unterlagen vorgesehenen Erleichterungen nicht ausreichen und das Gericht nicht in den Besitz der gewünschten Informationen gelangt. 108. Die mit dem Übereinkommen beabsichtigte Vereinfachung kommt auch darin zum Ausdruck, daß eine Übersetzung der Urkunden nur auf Verlangen des zuständigen Gerichts erforderlich ist. Ist dies der Fall, so kann die Übersetzung zudem von einer Person beglaubigt werden, die hierzu in einem der Mitgliedstaaten, und zwar nicht unbedingt im Ursprungsstaat oder im ersuchten Staat, befugt ist.

Artikel 36 Legalisation oder ähnliche Förmlichkeit 109. Der Verzicht auf das Erfordernis einer Legalisation oder ähnlichen Förmlichkeit betrifft die in den Artikeln 3 3 und 3 4 sowie in Artikel 35 Absatz 2 genannten Urkunden sowie gegebenenfalls die Urkunde über eine Vollmacht im Rahmen des Verfahrens zur Erlangung des Exequatur (siehe hierzu auch Artikel 2 2 Absatz 2). Auch in diesem Punkt wurde das Brüsseler Übereinkommen von 1968 übernommen. T I T E L IV J. Übergangsvorschriften

Artikel 37 110. Diese Bestimmung entspricht Artikel 5 4 des Brüsseler Übereinkommens von 1968. Als allgemeine Regel gilt, daß das Übereinkommen nur für gerichtliche Verfahren, öffentliche Urkunden und vor einem Richter im Laufe eines Verfah240

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rens geschlossene Vergleiche gilt, die eingeleitet, aufgenommen bzw. geschlossen worden sind, nachdem das Übereinkommen im Ursprungsmitgliedstaat, und, sofern die Anerkennung oder Vollstreckung beantragt wird, im ersuchten Staat in Kraft getreten ist. Infolgedessen ist das Übereinkommen nicht anzuwenden, wenn die Einleitung des Verfahrens und der Erlaß der Entscheidung vor Inkrafttreten des Übereinkommens (siehe hierzu Artikel 4 7 Absätze 3 und 4 sowie Artikel 4 8 Absatz 4) erfolgt sind. 111. Hingegen kann eine später ergangene Entscheidung mit den im Übereinkommen vorgesehenen Erleichterungen vollstreckt werden, selbst wenn das betreffende Verfahren vor dessen Inkrafttreten eingeleitet wurde, sofern a) das Übereinkommen zwischen dem Ursprungsmitgliedstaat und dem ersuchten Staat in Kraft ist und b) die vom Gericht des Ursprungsmitgliedstaats übernommene Zuständigkeit mit den Zuständigkeitsvorschriften des Titels II oder eines Abkommens übereinstimmte, das zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens zwischen diesen beiden Staaten in Kraft war. Die Formulierung „mit den Zuständigkeitsvorschriften des Titels II ... übereinstimmen" bedeutet, daß in diesem Fall das Gericht des ersuchten Staats die Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsstaats zu prüfen hat, da diese dort nicht auf Betreiben des Antragsgegners aufgrund des Übereinkommens geprüft werden konnte (siehe diesbezüglich Artikel 9; siehe ferner in Verbindung mit Artikel 4 0 Absatz 2).

TITEL V K. Allgemeine Bestimmungen

Artikel 38 Verhältnis zu anderen Übereinkünften 112. Absatz 1 dieses Artikels enthält die allgemeine Bestimmung, wonach dieses Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten die zwischen ihnen bestehenden zwei- oder mehrseitigen Übereinkünfte ersetzt. Im Gegensatz zum Brüsseler Übereinkommen von 1 9 6 8 (Artikel 5 5 ) wurde hier darauf verzichtet, die einschlägigen Übereinkünfte aufzulisten. Der Grund liegt darin, daß dieses Übereinkommen für die Bereiche, auf die es anzuwenden ist (Artikel 1), gegenüber anderen Übereinkünften das Hauptinstrument darstellt. Eine besondere Situation liegt allerdings in bezug auf bestimmte multilaterale Übereinkommen vor, auf die in Artikel 3 9 doch Bezug genommen wird (siehe Erläuterungen zu diesem Artikel). Zwei- oder mehrseitige Übereinkünfte sind nur in den in Artikel 4 0 genannten Fällen anwendbar. 113. Die nordischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Dänemark, Finnland und Schweden) sind Vertragsparteien des Übereinkommens vom 6. Februar 1931 zwischen Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden mit Bestimmungen des internationalen Privatrechts über Ehe, Adoption und Vormundschaft. Dieses Übereinkommen wurde letztmals durch eine 1 9 7 3 in Stockholm getroffene Übereinkunft geändert. Als Ergebnis des im Dezember 1997 im Rahmen der Europäischen Union erzielten politischen Einvernehmens wird in Artikel 38 Absatz 2 auf die Sondersituation Bezug genommen und den nordischen Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt, in ihren gegenseitigen BeziehunR o l f A. Schütze

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gen weiterhin das genannte Übereinkommen anzuwenden. Allerdings sind dafür die in dieser Bestimmung genannten Bedingungen zu erfüllen. Die Anwendung des Ubereinkommens von 1931 durch die nordischen Mitgliedstaaten in deren Beziehungen steht im Einklang mit Artikel K.7 des Vertrags über die Europäische Union, wonach der Begründung einer engeren Zusammenarbeit zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten nichts entgegensteht, soweit sie der im hier behandelten Übereinkommen vorgesehenen Zusammenarbeit nicht zuwiderläuft und diese nicht behindert. a) Nach Artikel 38 Absatz 2 Buchstabe a) des Übereinkommens steht es jedem der nordischen Mitgliedstaaten frei, zu erklären, daß anstelle der Bestimmungen des hier behandelten Übereinkommens das Übereinkommen von 1931 ganz oder teilweise in seinen Beziehungen zu den anderen nordischen Staaten anwendbar ist. Diese Erklärung hat zum Zeitpunkt der Notifizierung der Annahme des Übereinkommens nach den verfassungsrechtlichen Vorschriften des betreffenden Staates zu erfolgen. Die Erklärung gilt, solange sie nicht ganz oder teilweise widerrufen wird. Gemäß dem politischen Einvernehmen vom Dezember 1997 soll diese Ausnahme von der Allgemeingültigkeit des Übereinkommens nur dann zur Anwendung gelangen, wenn beide Ehegatten Staatsangehörige eines nordischen Mitgliedstaats sind und auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem dieser Staaten haben. Deshalb verpflichtet sich jeder der nordischen Mitgliedstaaten, der Gebrauch von der Möglichkeit einer weiteren Anwendung des nordischen Übereinkommens macht, in einer Erklärung im Anhang des Übereinkommens, Artikel 7 Absatz 2 des nordischen Übereinkommens nicht mehr anzuwenden, da diese Bestimmung die Staatsangehörigkeit nur eines Ehegatten voraussetzt, und sich darum zu bemühen, in naher Zukunft die im Rahmen des nordischen Übereinkommens geltenden Zuständigkeitskriterien im Lichte des Grundsatzes des Verbots einer Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zu überprüfen (siehe Artikel 8, Nummer 47). Zudem kann jeder der nordischen Staaten in der Erklärung im Anhang erklären, daß die nach dem nordischen Übereinkommen geltenden Gründe für eine Ablehnung der Anerkennung in der Praxis so angewendet werden, daß Kohärenz zu Titel III des hier behandelten Ubereinkommens besteht. b) Nach Absatz 2 Buchstabe b) wird der Grundsatz des Verbots einer Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit befolgt und der Kontrolle durch den Gerichtshof unterworfen. c) Absatz 2 Buchstabe c) besagt, daß die Zuständigkeitskriterien in künftigen Übereinkünften zwischen den nordischen Mitgliedstaaten, die im Übereinkommen geregelte Bereiche betreffen, im Einklang mit dessen Bestimmungen stehen müssen. d) Eine Entscheidung, die in einem nordischen Mitgliedstaat in Anwendung des nordischen Übereinkommens ergangen ist, wird in den übrigen Mitgliedstaaten nach Titel III des hier behandelten Übereinkommens anerkannt und vollstreckt, sofern das von dem nordischen Gericht angewandte Zuständigkeitskriterium einem der in Titel II aufgestellten Kriterien entspricht. 114. In Absatz 3 wird den Mitgliedstaaten prinzipiell untersagt, in ihren Beziehungen untereinander Übereinkünfte zu schließen oder anzuwenden, die nicht der Erleichterung oder Ergänzung der Bestimmungen des Übereinkommens dienen. 242

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Den Mitgliedstaaten steht es indessen frei, weiter zu gehen als das Übereinkommen; so könnten zwei Mitgliedstaaten beispielsweise eine Übereinkunft schließen, um auf alle oder einige der Gründe für die Nichtanerkennung gemäß Artikel 15 zu verzichten. Diese Bestimmung gehorcht derselben Logik wie Artikel 39.

Artikel 39 Verhältnis zu bestimmten multilateralen Übereinkommen 115. Dieser Artikel enthält die Vorschrift, daß das Übereinkommen vor anderen internationalen Übereinkommen, denen die Mitgliedstaaten angehören, insoweit Vorrang hat, als Bereiche betroffen sind, die in beiden geregelt sind. Aus der Bestimmung ergibt sich der Vorrang des hier behandelten Übereinkommens - und infolgedessen seine obligatorische Anwendung - vor anderen Übereinkommen. Verworfen wurde der Vorschlag einiger Staaten, eine nur fakultative Anwendung des Übereinkommens im Hinblick auf eines oder mehrere der genannten Übereinkommen vorzusehen, der sogar darauf abzielte, die innerstaatlichen Vorschriften anzuwenden, sofern diese günstiger sind. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz verlangen die Bestimmung, die schließlich gewählt wurde und die die obligatorische und vorrangige Anwendung dieses Übereinkommens beinhaltet. Besonders hervorzuheben ist, daß das Übereinkommen insofern, als in seinen Anwendungsbereich auch Fragen der elterlichen Verantwortung für ein Kind beider Ehegatten fallen, in Fällen, in denen sich aus Anlaß des Ehescheidungsverfahrens die Frage des Schutzes der Kinder stellt, Vorrang vor dem Haager Übereinkommen von 1 9 9 6 hat, wenn auch nur in bezug auf Kinder, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den Mitgliedstaaten haben. Die Tatsache, daß auch das Haager Übereinkommen von 1 9 7 0 über die Anerkennung der Ehescheidung aufgeführt wird, bedeutet ebenso, daß dem hier behandelten Übereinkommen, das im übrigen ein „Doppelabkommen" darstellt, Vorrang einzuräumen ist. 116. Es sei darauf hingewiesen, daß nicht alle Mitgliedstaaten sämtlichen in diesem Artikel genannten Übereinkommen angehören und daß deren Aufnahme in diesen Artikel auch nicht bedeutet, daß den Mitgliedstaaten nahegelegt wird, ihnen beizutreten. Die Bestimmung enthält lediglich eine konkrete Vorschrift über das Verhältnis zwischen dem hier behandelten Übereinkommen und anderen Vertragstexten. 117. Die hier aufgestellte Regel ist klar von der Situation in Artikel 4 zu unterscheiden, wo es um eine besondere Zuständigkeitsregel zur vorrangigen Berücksichtigung des Haager Übereinkommens von 1 9 8 0 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung geht. Beim Europäischen Übereinkommen vom 2 0 . M a i 1 9 8 0 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses liegt, auch wenn es häufig alternativ zum Haager Übereinkommen herangezogen worden ist, insofern ein anderer Sachverhalt vor, als die Voraussetzungen für seine Anwendung erheblich von denen des Haager Übereinkommens abweichen, insbesondere was das Erfordernis des Vorliegens einer Sorgerechtsentscheidung betrifft, so daß allein schon deshalb diese Bestimmung des hier behandelten Übereinkommens notwendig war. Rolf A. Schütze

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Artikel 40 Fortbestand der Wirksamkeit 118. Dieser Artikel enthält eine Bestimmung über die weitere Geltung der in den Artikeln 38 und 39 genannten internationalen Übereinkünfte sowohl für die Rechtsgebiete, für die das hier behandelte Übereinkommen nicht gilt (Absatz 1), als auch für die Entscheidungen, die vor Inkrafttreten dieses Übereinkommens ergangen sind (Absatz 2), ohne daß für letzteren Fall über Artikel 37 hinaus eine Übergangsbestimmung vorgesehen wäre, die eine Anerkennung dieser Entscheidungen nach dem Übereinkommen gestatten würde, sofern sie aufgrund einer im Übereinkommen anerkannten Zuständigkeit ergangen sind.

Artikel 41 Übereinkünfte zwischen den Mitgliedstaaten 119. Wenn Mitgliedstaaten, die Vertragsparteien des Übereinkommens sind, besondere Übereinkünfte zur Ergänzung des Übereinkommens oder zur Erleichterung von dessen Anwendung geschlossen haben, werden die nach Maßgabe dieser Übereinkünfte ergangenen Entscheidungen in einem anderen MitgliedStaat unbeschadet der in Titel III vorgesehenen Nichtanerkennungsgründe anerkannt und vollstreckt; diese Lösung ergibt sich logisch aus der Tatsache, daß diese Übereinkünfte, da es sich um Zusatzübereinkünfte handelt, nicht die Bestimmungen dieses Übereinkommens verletzen können und eine derartige Lösung daher dem Inhalt des Übereinkommens nicht entgegensteht.

Artikel 42 Verträge mit dem Heiligen Stuhl 120. Im Zusammenhang mit dem Anwendungsbereich des Übereinkommens (siehe Erläuterungen zu Artikel 1 unter Nummer 20 Buchstabe B) wurde bereits darauf hingewiesen, daß für bestimmte Verträge mit dem Heiligen Stuhl eine Sonderregelung gilt. Damit soll der Schwierigkeit Rechnung getragen werden, die sich in bezug auf Portugal stellte, wo nach Artikel XXV des Konkordats (Bezeichnung für internationale Verträge mit dem Heiligen Stuhl) zwischen Portugal und dem Heiligen Stuhl vom 7. Mai 1940 in der geänderten Fassung des Zusatzprotokolls vom 4. April 1975 sowie nach den Artikeln 1625 und 1626 des portugiesischen Zivilgesetzbuchs für die Ungültigerklärung einer nach den Regeln des Konkordats geschlossenen katholischen Ehe allein die Kirchengerichte zuständig sind. Es ist darauf hinzuweisen, daß das Zusatzprotokoll von 1975 für das hier behandelte Übereinkommen insofern nicht relevant ist, als es sich auf eine Änderung des Artikels XXIV des Konkordats in dem Sinne beschränkt, daß den Zivilgerichten gestattet wird, die Scheidung von nach den Regeln des Konkordats geschlossenen Ehen auszusprechen, was nach der ursprünglichen Fassung des Konkordats weder Zivilgerichten noch Kirchengerichten möglich 244

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war, da das kanonische Recht die Auflösung der Ehe durch Scheidung nicht kennt. Für Portugal bestand das Problem in der ausschließlichen Zuständigkeit der Kirchengerichte für die Ungültigerklärung von nach den Regeln des Konkordats geschlossenen Ehen. Denn Portugal würde seine aufgrund des Konkordats eingegangenen internationalen Verpflichtungen verletzen, wenn es durch die Ratifizierung des Übereinkommens den Zivilgerichten (aufgrund Artikel 2 ff.) eine Zuständigkeit für die Ungültigerklärung derartiger portugiesischer Ehen einräumen würde. Die Wahrung der Geltung des Konkordats gemäß Artikel 4 2 Absatz 1 gibt Portugal somit die Möglichkeit einer Nichtanerkennung sowohl der Zuständigkeit von Zivilgerichten als auch deren etwaiger Entscheidungen über die Ungültigerklärung einer nach den Regeln des Konkordats geschlossenen Ehe. Z u m anderen werden nach Absatz 2 die nach den Regeln des Konkordats und des portugiesischen Zivilgesetzbuchs ergangenen Entscheidungen über die Ungültigkeit einer Ehe nach ihrer Bestätigung gemäß portugiesischem Recht auch in den übrigen Mitgliedstaaten anerkannt. Diesbezüglich hat Italien (siehe hierzu Nummer 129 in bezug auf Artikel 46) die dem Übereinkommen beigefügte Erklärung abgegeben, wonach sich Italien die Möglichkeit vorbehält, hinsichtlich der Entscheidungen der portugiesischen Kirchengerichte die Verfahren anzuwenden und die Überprüfungen vorzunehmen, die in seiner eigenen Rechtsordnung aufgrund seiner mit dem Heiligen Stuhl geschlossenen Verträge für entsprechende kirchengerichtliche Entscheidungen vorgesehen sind. 121. Die Situation in Spanien und in Italien ist insofern anders als in Portugal, als die Zuständigkeit der Kirchengerichte für die Ungültigerklärung einer Ehe nicht ausschließlich ist, sondern konkurrierend, und ein besonderes Verfahren für die zivilrechtliche Anerkennung derartiger Entscheidungen vorgesehen ist. Aus diesem Grund sind diese Konkordate in einem gesonderten Absatz aufgeführt, womit bei diesen Entscheidungen dieselben Bestimmungen für die Anerkennung gelten, obgleich eine solche ausschließliche Zuständigkeit nicht gegeben ist. 122. Im Fall von Spanien handelt es sich um die Vereinbarung vom 3. Januar 1979 über Rechtsangelegenheiten zwischen dem Heiligen Stuhl und dem spanischen Staat. Gemäß dem darin enthaltenen Artikel VI Absatz 2 können die Parteien nach den Bestimmungen des kanonischen Rechts die Kirchengerichte anrufen, um die Ungültigerklärung der Ehe oder eine Pontifikalerklärung darüber zu erlangen, daß die Ehe nicht vollzogen wurde. Auf Antrag einer der Parteien sind diese kirchlichen Entscheidungen zivilrechtlich wirksam, wenn sie durch eine Entscheidung des zuständigen Zivilgerichts für mit dem staatlichen Recht im Einklang stehend erklärt werden. Die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und die Ehescheidung hingegen fallen in die Zuständigkeit der Zivilgerichte. Die ausschließliche Zuständigkeit der Kirchengerichte für die Ungültigerklärung einer Ehe entfiel mit Inkrafttreten der spanischen Verfassung von 1978 zugunsten einer konkurrierenden Zuständigkeit der Zivil- und der Kirchengerichte und einer damit möglichen Anerkennung zivilrechtlicher Wirkungen. Dabei sind neben der genannten Vereinbarung von 1979 der Artikel 80 des spanischen Zivilgesetzbuchs und die Zweite Zusatzbestimmung (Disposicion Adicional Segunda) zu dem Gesetz Nr. 30 vom 7. Juli 1981 zu berücksichtigen, mit der die Regelung über die Ehe im Zivilgesetzbuch geändert und das Verfahren festgelegt wurde, das Rolf A. Schütze

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im Hinblick auf die Ungültigerklärung einer Ehe, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes bzw. die Ehescheidung gilt. Aus den genannten Bestimmungen geht folgendes hervor: 1) Entscheidungen nach kanonischem Recht können nur dann zivilrechtliche Wirkungen entfalten, wenn beide Parteien dem zustimmen bzw. keine der Parteien Einwände dagegen erhebt. 2) Bestehen keine Einwände, so entscheiden die ordentlichen Gerichte, ob die kirchliche Entscheidung zivilrechtliche Wirkungen entfaltet oder nicht, und nehmen, wenn ja, die Vollstreckung der Entscheidung gemäß den Bestimmungen des Zivilgesetzbuchs bezüglich der Gründe für die Ungültigerklärung bzw. Auflösung einer Ehe vor. 3) Die Gründe für die Ungültigerklärung einer Ehe nach kanonischem Recht und nach spanischem Zivilrecht sind nicht kongruent. Daher stellt sich die Frage, ob nur die kirchlichen Entscheidungen, die mit dem staatlichen Recht „in Einklang gebracht" wurden, zivilrechtlich wirksam sein können. 4) Artikel 80 des spanischen Zivilgesetzbuchs nimmt Bezug auf Artikel 954 der spanischen Zivilprozeßordnung, in dem die Voraussetzungen für die Vollstreckung ausländischer Urteile festgelegt sind. Es ist davon auszugehen, daß diese Bezugnahme in den Fällen relevant ist, in denen sich der Antragsgegner auf das Verfahren nicht einläßt. Insgesamt ist der wichtigste Aspekt somit der, ob eine der Parteien gegen den Antrag auf zivilrechtliche Anerkennung einer kirchlichen Entscheidung betreffend die Ungültigerklärung einer Ehe Einwände erhoben hat. 123. Im Fall von Italien geht es um die Vereinbarung vom 18. Februar 1984 zwischen dem Heiligen Stuhl und der Italienischen Republik, mit der der Lateranvertrag vom 11. Februar 1929 geändert wurde. In deren Artikel 8 Absatz 2 ist vorgesehen, daß vollstreckbare Entscheidungen von Kirchengerichten betreffend die Ungültigerklärung einer Ehe aufgrund einer Entscheidung der zuständigen Corte d'appello in Italien rechtswirksam sind, wenn a) das Kirchengericht insofern in der Sache zuständig war, als es sich um eine nach den im selben Artikel festgelegten Bestimmungen geschlossene Ehe handelte, b) das Verfahren vor den Kirchengerichten die Vorbringungs- und Verteidigungsrechte der Parteien gemäß den wesentlichen Grundsätzen des italienischen Rechts gewahrt hat und c) die übrigen Voraussetzungen des italienischen Rechts in bezug auf die Erklärung der Rechtswirksamkeit ausländischer Urteile erfüllt sind. Trotz der Aufhebung von Artikel 796 ff. der italienischen Zivilprozeßordnung (Codice di Procedura Civile) durch das Gesetz Nr. 218 vom 31. Mai 1995 zur Änderung der italienischen Vorschriften betreffend das internationale Privatrecht (Artikel 73) wird in der Praxis davon ausgegangen, daß diese Artikel aufgrund von Artikel 2 des Gesetzes (Internationale Übereinkünfte) für die Anerkennung von kirchengerichtlichen Entscheidungen über die Ungültigkeit einer Ehe weiterhin Geltung haben. 124. In Absatz 4 wird wie auch in Artikel 38 verlangt, daß die Mitgliedstaaten, die Parteien dieser internationalen Verträge oder Konkordate sind, dem Verwahrer des Übereinkommens eine Abschrift dieser Verträge übermitteln und diesen ferner über alle Änderungen oder Kündigungen dieser Verträge unterrichten. Die Kündigung oder Änderung eines dieser Verträge wird dem Verwahrer notifiziert, der die Mitgliedstaaten unterrichtet. Für eine Streichung aus der Liste der Verträge gilt Artikel 49 Absatz 3.

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Artikel 43 Nichtanerkennung und NichtVollstreckung von Entscheidungen auf der Grundlage von Artikel 8 125. Diese Bestimmung geht zurück auf Artikel 59 des Brüsseler Übereinkommens von 1968 und ist in Verbindung mit Artikel 16 Absatz 1 zu sehen (siehe Erläuterungen unter Nummer 74). Mit diesem Artikel sollen die Wirkungen von Entscheidungen, die aufgrund der Restzuständigkeiten ergangen sind, in den Mitgliedstaaten abgeschwächt werden. Gemäß Artikel 4 3 kann ein Mitgliedstaat die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung ablehnen, wenn diese nicht aufgrund einer in den Artikeln 2 bis 7 vorgesehenen Zuständigkeit, sondern gemäß Artikel 8 allein nach innerstaatlichem Recht ergangen ist. Dies gilt jedoch nur, wenn der betreffende Mitgliedstaat mit einem Drittstaat ein Abkommen geschlossen hat, das zwischen ihnen auf die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen anzuwenden ist und den Mitgliedstaat verpflichtet, Entscheidungen, die in einem anderen Mitgliedstaat ausschließlich nach Maßgabe des Artikels 8 ergangen ist, nicht anzuerkennen. Daraus ergibt sich, daß Artikel 8 kein gemeinsames Vorgehen vorschreibt und es den Mitgliedstaaten somit freisteht, derartige Abkommen zu schließen.

Artikel 44 Mitgliedstaaten mit zwei oder mehreren Rechtssystemen 126. Mit diesem Artikel wird unmittelbar den Bestimmungen des Haager Übereinkommens von 1996 zum Schutz von Kindern in bezug auf die Mitgliedstaaten Rechnung getragen, in denen die verfahrensrechtlichen Vorschriften in zwei oder mehreren Rechtsordnungen geregelt sind. Für diese Fälle waren zusätzliche Regeln für die Bestimmung der jeweils relevanten Gebietseinheit aufzustellen. Diese Regeln beziehen sich allerdings nur auf die im Rahmen des Übereinkommens möglichen Bindungskriterien.

T I T E L VI L. Gerichtshof

Artikel 45 127. Die Anerkennung der Festlegung der Zuständigkeit des Gerichtshofes zum Zwecke der Sicherstellung einer einheitlichen Auslegung des Übereinkommens war sehr umstritten. Einige Delegationen erachteten eine solche Zuständigkeit als einen wichtigen Aspekt und sahen sich in ihrer Haltung durch die Praxis der einheitlichen Auslegung des Brüsseler Übereinkommens von 1968 bestätigt. Andere Delegationen wünschten keine derartige Zuständigkeit oder zumindest deren Beschränkung auf Verfahren bei bestimmten obersten Gerichten der einzelnen Mitgliedstaaten, womit die Gerichte der Mitgliedstaaten, die als Rechtsmittelinstanz entscheiden, ausgeschlossen worden wären. Rolf A. Schütze

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Die gewählte Lösung stellt einen Kompromiß dar, wonach in dem Übereinkommen selbst lediglich die Zuständigkeit des Gerichtshofes festgelegt wird, während die Bestimmungen über die Ausübung dieser Zuständigkeit in einem Protokoll geregelt sind, das vom Rat zur gleichen Zeit wie das Übereinkommen ausgearbeitet wurde (siehe hierzu den Bericht zu dem Protokoll). Ihm zufolge können nur die Gerichte und Stellen derjenigen Mitgliedstaaten, die außer dem Übereinkommen auch das Protokoll ratifizieren, den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften anrufen.

T I T E L VII M . Schlußbestimmungen

Artikel 46 Erklärungen und Vorbehalte 128. Das Integrationserfordernis bei einem innergemeinschaftlichen Übereinkommen bedingt die Bestimmung in Absatz 1, wonach abgesehen von den Bestimmungen von Artikel 38 Absatz 2 (nordisches Übereinkommen) und Artikel 4 2 (Konkordate) keine Vorbehalte zulässig sind. 129. Die für einige Mitgliedstaaten aufgrund bestimmter Sachverhalte bestehenden Schwierigkeiten waren Anlaß dafür, daß in Absatz 2 das Einverständnis der Mitgliedstaaten mit den Erklärungen Irlands (siehe Erläuterungen zu Artikel 9 unter Nummer 49) und Italiens (siehe Erläuterungen zu Artikel 4 2 unter Nummer 120) festgehalten und damit gleichzeitig die Möglichkeit etwaiger weiterer Erklärungen mit demselben Gegenstand ausgeschlossen wurde. Die Situation Irlands verdient besondere Beachtung: Irland hat keinerlei Schwierigkeit damit, Ehescheidungen anzuerkennen, die in einem anderen Mitgliedstaat aus Gründen oder nach Regeln ergangen sind, die von einer größeren Liberalität geprägt sind als die in Irland geltenden Scheidungsgründe und -regeln. Hingegen möchte Irland nachprüfen, ob die Parteien, welche die Ehescheidung beantragt haben, ihren gewöhnlichen Aufenthalt tatsächlich in dem betreffenden Mitgliedstaat hatten, so daß Situationen ausgeschlossen werden, in denen ein Betrug oder eine Verletzung der Ziele des Übereinkommens und damit möglicherweise ein Verstoß gegen die irische Verfassung vorliegt. In Anbetracht von Artikel 16 Absatz 3, wonach sich die Überprüfung der Vereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) nicht auf die Prüfung der Zuständigkeit erstrecken darf, liegt diesem Mitgliedstaat in besonderem Maße daran, daß die Gerichte der Ursprungsmitgliedstaaten nachprüfen, ob die Bindungskriterien nach Artikel 2 (Zuständigkeit für Entscheidungen in Ehesachen) tatsächlich vorliegen. Allerdings konnte der ursprüngliche irische Vorschlag nicht angenommen werden, das Übereinkommen dahin gehend zu ändern, daß es möglich gewesen wäre, die Anerkennung oder Vollstreckung einer in einem anderen Mitgliedstaat ausgesprochenen Ehescheidung zu verweigern, wenn die Zuständigkeit für letztere nicht auf einer faktischen Bindung eines oder beider Ehegatten in bezug auf den betreffenden Mitgliedstaat beruhte. Dieser Vorschlag war nicht annehmbar, weil er einen der wesentlichen Grundsätze des Übereinkommens in Frage gestellt hätte, nämlich den des 248

Rolf A. Schütze

Borräs-Bcricht zu Brüssel II

gegenseitigen Vertrauens der Mitgliedstaaten, wonach eine in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung in dem Mitgliedstaat, in dem ihre Anerkennung oder Vollstreckung beantragt wird, nicht in der Sache selbst nachgeprüft werden darf (siehe hierzu Artikel 18). Die Delegationen trugen indessen dem Umstand Rechnung, daß die irische Verfassung spezielle Bestimmungen bezüglich der Ehescheidung enthält und letztere erst vor kurzem im Wege eines Referendums in Irland eingeführt wurde. So wurde die dem Übereinkommen beigefügte Erklärung akzeptiert, die für einen Übergangszeitraum von fünf Jahren gilt und erneuert werden kann. Längerfristig schließt diese Lösung eine umfassende Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens nicht aus. 130. Absatz 3 enthält Bestimmungen über den Widerruf dieser Erklärungen und den Zeitpunkt, zu dem ein Widerruf wirksam wird.

Artikel 47 Annahme und Inkrafttreten 131. Gemäß diesem Artikel erfolgt das Inkraftreten des Übereinkommens entsprechend den Vorschriften, die vom R a t der Europäischen Union in dieser Beziehung festgelegt worden sind. Das Übereinkommen tritt neunzig Tage nach dem Zeitpunkt in Kraft, zu dem der letzte der fünfzehn Staaten, die am 2 8 . M a i 1 9 9 8 , dem Tag der Annahme des Rechtsakts des Rates über die Ausarbeitung des Übereinkommens, M i t gliedstaaten der Europäischen Union sind, seine Urkunde über die Annahme des Übereinkommens hinterlegt hat. 132. Indessen bietet - wie bei den früheren Übereinkünften zwischen den Mitgliedstaaten betreffend die justitielle Zusammenarbeit - Absatz 4 jedem Mitgliedstaat die Möglichkeit, daß er bei der Annahme oder später erklärt, daß dieses Übereinkommen für ihn mit vorzeitiger Wirkung gegenüber den Mitgliedstaaten anwendbar ist, die eine Erklärung gleichen Inhalts abgegeben haben. Eine derartige Erklärung wird neunzig Tage nach ihrer Hinterlegung wirksam. Allerdings können die Mitgliedstaaten nicht erklären, daß der Gerichtshof in der Zeit der vorzeitigen Anwendung für die Auslegung des Übereinkommens zuständig ist, da hierfür die Annahme der Bestimmungen des Übereinkommens durch alle fünfzehn Mitgliedstaaten sowie dessen Inkrafttreten erforderlich ist.

Artikel 48 Beitritt 133. Das Übereinkommen steht allen Staaten, die Mitglied der Europäischen Union werden, zum Beitritt offen, dessen Modalitäten in diesem Artikel geregelt werden. Hingegen kann ein Staat, der nicht Mitglied der Europäischen Union ist, dem Übereinkommen nicht beitreten. Wenn das Übereinkommen zu dem Zeitpunkt, zu dem ein neuer Mitgliedstaat ihm beitritt, bereits in Kraft getreten ist, tritt es für diesen Staat neunzig Tage nach der Hinterlegung seiner Beitrittsurkunde in Kraft. Wenn das Übereinkommen hingegen nach Ablauf dieses Zeitraums noch nicht in Kraft getreten ist, so tritt es für diesen Staat wie R o l f A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

für die übrigen Staaten nach den in Artikel 47 Absatz 3 genannten Bedingungen in Kraft. In diesem Fall kann der dem Übereinkommen beitretende Mitgliedstaat eine Erklärung über die vorzeitige Anwendung abgeben. Der Beitritt des neuen Mitgliedstaats ist hingegen nicht Voraussetzung dafür, daß das Übereinkommen für die anderen Staaten, die zum Zeitpunkt der Annahme des Rechtsakts des Rates über die Ausarbeitung des Übereinkommens Mitglied der Europäischen Union sind, in Kraft tritt. Artikel

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Änderungen 134. Diese Bestimmung regelt, auf welchem Wege Änderungen des Übereinkommens vorgenommen werden können. Die Mitgliedstaaten und die Kommission können gemäß den Bestimmungen des Titels VI des Vertrags über die Europäische Union Änderungen vorschlagen. Je nach Art der vorgeschlagenen Änderungen sind zwei Fälle zu unterscheiden. 135. Im ersten Fall, der in den Absätzen 1 und 2 geregelt ist, werden die Änderungen vom Rat ausgearbeitet, der sie den Mitgliedstaaten zur Annahme gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften empfiehlt. 136. Für den zweiten Fall wird in Absatz 3 ein vereinfachtes Verfahren festgelegt, nach dem der Rat Änderungen in bezug auf die Gerichte oder die Rechtsbehelfe nach Artikel 21 Absatz 1, Artikel 26 Absätze 1 und 2, Artikel 28 Absatz 1 und Artikel 29 beschließen kann. Artikel

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Verwahrer und Veröffentlichungen 137. Zum Verwahrer des Übereinkommens wird der Generalsekretär des Rates bestimmt. Das Generalsekretariat unterrichtet die Mitgliedstaaten über alle das Übereinkommen betreffenden Notifizierungen und veröffentlicht diese in der Reihe C des Amtsblatts der Europäischen Gemeinschaften.

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VO über die gerichtliche Zuständigkeit in Ehesachen (Brüssel IIa)

2.a. cc) VO (EG) Nr. 2201/2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (Brüssel IIa) (ABl. 2 0 0 3 L 338, 1 ff.) Vorbemerkung: Die Brüssel IIa V e r o r d n u n g löst Brüssel II n a c h k u r z e r Z e i t a b . Sie bringt eine u m f a s s e n d e Regelung des i n t e r n a t i o n a l e n Ehe- u n d K i n d s c h a f t s v e r f a h r e n s r e c h t s u n d regelt s o w o h l die gerichtliche Z u s t ä n d i g k e i t als a u c h die A n e r k e n n u n g u n d V o l l s t r e c k b a r e r k l ä r u n g ausländischer E n t s c h e i d u n g e n im Regelungsbereich der V e r o r d n u n g . Dieser u m f a s s t alle V e r f a h r e n , die d a s E h e b a n d b e t r e f f e n s o w i e die der elterlichen V e r a n t w o r t u n g (Art. 1). D a s Regelwerk ist a m 1. M ä r z 2 0 0 5 in K r a f t getreten. Für V e r f a h r e n , die v o r diesem Z e i t p u n k t eingeleitet w o r d e n sind, gilt n o c h die V O Brüssel II (Art. 64). Geltungsbereich: Alle EU-Staaten (außer D ä n e m a r k ) Literatur: Busch Schutzmaßnahmen für Kinder und der Begriff der „elterlichen Verantwortung" im internationalen und europäischen Recht - Anmerkungen zur Ausweitung der Brüssel Ii-Verordnung, IPRax 2003, 218 ff.; Dornblüth Die europäische Regelung der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von Ehe- und Kindschaftsentscheidungen, 2003; Frank Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung in Ehesachen und Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung (EuEheVO - Brüssel IIa), in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, Kap. 27 (S. 1185 ff.); Geimer/Schütze Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 545. 41 ff. (Kommentierung von Bischoff, Dilger und Parachas); Pirrung Haager Kinderschutzübereinkommen und Verordnungsentwurf „Brüssel IIa", FS Jayme, 2004, S. 701 ff.; Solomon „Brüssel IIa" - Die neuen europäischen Regeln zum internationalen Verfahrensrecht in Fragen der elterlichen Verantwortung, FamRZ 2004, 1409 ff.

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

Text

Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 vom 27. November 2003 Amtsblatt Nr. L 338 vom 23.12.2003, S. 1 - 2 9 Erwägungen: (1) Die Europäische Gemeinschaft hat sich die Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zum Ziel gesetzt, in dem der freie Personenverkehr gewährleistet ist. Hierzu erlässt die Gemeinschaft unter anderem die Maßnahmen, die im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich sind. (2) Auf seiner Tagung in Tampere hat der Europäische Rat den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen, der für die Schaffung eines echten europäischen Rechtsraums unabdingbar ist, anerkannt und die Besuchsrechte als Priorität eingestuft. (3) Die Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 enthält Vorschriften für die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen sowie von aus Anlass von Ehesachen ergangenen Entscheidungen über die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten. Der Inhalt dieser Verordnung wurde weitgehend aus dem diesbezüglichen Übereinkommen vom 28. Mai 1998 übernommen. (4) Am 3. Juli 2000 hat Frankreich eine Initiative im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung des Rates über die gegenseitige Vollstreckung von Entscheidungen über das Umgangsrecht vorgelegt. (5) Um die Gleichbehandlung aller Kinder sicherzustellen, gilt diese Verordnung für alle Entscheidungen über die elterliche Verantwortung, einschließlich der Maßnahmen zum Schutz des Kindes, ohne Rücksicht darauf, ob eine Verbindung zu einem Verfahren in Ehesachen besteht. (6) Da die Vorschriften über die elterliche Verantwortung häufig in Ehesachen herangezogen werden, empfiehlt es sich, Ehesachen und die elterliche Verantwortung in einem einzigen Rechtsakt zu regeln. (7) Diese Verordnung gilt für Zivilsachen, unabhängig von der Art der Gerichtsbarkeit. (8) Bezüglich Entscheidungen über die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe sollte diese Verordnung nur für die Auflösung einer Ehe und nicht für Fragen wie die Scheidungsgründe, das Ehegüterrecht oder sonstige mögliche Nebenaspekte gelten. (9) Bezüglich des Vermögens des Kindes sollte diese Verordnung nur für Maßnahmen zum Schutz des Kindes gelten, das heißt i) für die Bestimmung und den Aufgabenbereich einer Person oder Stelle, die damit betraut ist, das Vermögen des Kindes zu verwalten, das Kind zu vertreten und ihm beizustehen, und ii) für Maßnahmen bezüglich der Verwaltung und Erhaltung des Vermögens des Kindes oder 252

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V O über die gerichtliche Zuständigkeit in Ehesachen (Brüssel IIa)

der Verfügung darüber. In diesem Zusammenhang sollte diese Verordnung beispielsweise für die Fälle gelten, in denen die Eltern über die Verwaltung des Vermögens des Kindes im Streit liegen. Das Vermögen des Kindes betreffende Maßnahmen, die nicht den Schutz des Kindes betreffen, sollten weiterhin unter die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen fallen. (10) Diese Verordnung soll weder für Bereiche wie die soziale Sicherheit oder Maßnahmen allgemeiner Art des öffentlichen Rechts in Angelegenheiten der Erziehung und Gesundheit noch für Entscheidungen über Asylrecht und Einwanderung gelten. Außerdem gilt sie weder für die Feststellung des Eltern-Kind-Verhältnisses, bei der es sich um eine von der Übertragung der elterlichen Verantwortung gesonderte Frage handelt, noch für sonstige Fragen im Zusammenhang mit dem Personenstand. Sie gilt ferner nicht für Maßnahmen, die im Anschluss an von Kindern begangenen Straftaten ergriffen werden. (11) Unterhaltspflichten sind vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen, da sie bereits durch die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 geregelt werden. Die nach dieser Verordnung zuständigen Gerichte werden in Anwendung des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 in der Regel für Entscheidungen in Unterhaltssachen zuständig sein. (12) Die in dieser Verordnung für die elterliche Verantwortung festgelegten Zuständigkeitsvorschriften wurden dem Wohle des Kindes entsprechend und insbesondere nach dem Kriterium der räumlichen Nähe ausgestaltet. Die Zuständigkeit sollte vorzugsweise dem Mitgliedstaat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes vorbehalten sein außer in bestimmten Fällen, in denen sich der Aufenthaltsort des Kindes geändert hat oder in denen die Träger der elterlichen Verantwortung etwas anderes vereinbart haben. (13) Nach dieser Verordnung kann das zuständige Gericht den Fall im Interesse des Kindes ausnahmsweise und unter bestimmten Umständen an das Gericht eines anderen Mitgliedstaats verweisen, wenn dieses den Fall besser beurteilen kann. Allerdings sollte das später angerufene Gericht nicht befugt sein, die Sache an ein drittes Gericht weiterzuverweisen. (14) Die Anwendung des Völkerrechts im Bereich diplomatischer Immunitäten sollte durch die Wirkungen dieser Verordnung nicht berührt werden. Kann das nach dieser Verordnung zuständige Gericht seine Zuständigkeit aufgrund einer diplomatischen Immunität nach dem Völkerrecht nicht wahrnehmen, so sollte die Zuständigkeit in dem Mitgliedstaat, in dem die betreffende Person keine Immunität genießt, nach den Rechtsvorschriften dieses Staates bestimmt werden. (15) Für die Zustellung von Schriftstücken in Verfahren, die auf der Grundlage der vorliegenden Verordnung eingeleitet wurden, gilt die Verordnung (EG) Nr. 1348/ 2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten. (16) Die vorliegende Verordnung hindert die Gerichte eines Mitgliedstaats nicht daran, in dringenden Fällen einstweilige Maßnahmen einschließlich Schutzmaßnahmen in Bezug auf Personen oder Vermögensgegenstände, die sich in diesem Staat befinden, anzuordnen. (17) Bei widerrechtlichem Verbringen oder Zurückhalten eines Kindes sollte dessen Rückgabe unverzüglich erwirkt werden; zu diesem Zweck sollte das Haager Übereinkommen vom 24. Oktober 1980, das durch die Bestimmungen dieser Verordnung und insbesondere des Artikels 11 ergänzt wird, weiterhin Anwendung Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

finden. Die Gerichte des Mitgliedstaats, in den das Kind widerrechtlich verbracht wurde oder in dem es widerrechtlich zurückgehalten wird, sollten dessen Rückgabe in besonderen, ordnungsgemäß begründeten Fällen ablehnen können. Jedoch sollte eine solche Entscheidung durch eine spätere Entscheidung des Gerichts des Mitgliedstaats ersetzt werden können, in dem das Kind vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Sollte in dieser Entscheidung die Rückgabe des Kindes angeordnet werden, so sollte die Rückgabe erfolgen, ohne dass es in dem Mitgliedstaat, in den das Kind widerrechtlich verbracht wurde, eines besonderen Verfahrens zur Anerkennung und Vollstreckung dieser Entscheidung bedarf. (18) Entscheidet das Gericht gemäß Artikel 13 des Haager Übereinkommens von 1980, die Rückgabe abzulehnen, so sollte es das zuständige Gericht oder die Zentrale Behörde des Mitgliedstaats, in dem das Kind vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, hiervon unterrichten. Wurde dieses Gericht noch nicht angerufen, so sollte dieses oder die Zentrale Behörde die Parteien entsprechend unterrichten. Diese Verpflichtung sollte die Zentrale Behörde nicht daran hindern, auch die betroffenen Behörden nach nationalem Recht zu unterrichten. (19) Die Anhörung des Kindes spielt bei der Anwendung dieser Verordnung eine wichtige Rolle, wobei diese jedoch nicht zum Ziel hat, die diesbezüglich geltenden nationalen Verfahren zu ändern. (20) Die Anhörung eines Kindes in einem anderen Mitgliedstaat kann nach den Modalitäten der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen erfolgen. (21) Die Anerkennung und Vollstreckung der in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen sollten auf dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens beruhen und die Gründe für die Nichtanerkennung auf das notwendige Minimum beschränkt sein. (22) Zum Zwecke der Anwendung der Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln sollten die in einem Mitgliedstaat vollstreckbaren öffentlichen Urkunden und Vereinbarungen zwischen den Parteien „Entscheidungen" gleichgestellt werden. (23) Der Europäische Rat von Tampere hat in seinen Schlussfolgerungen (Nummer 34) die Ansicht vertreten, dass Entscheidungen in familienrechtlichen Verfahren „automatisch unionsweit anerkannt" werden sollten, „ohne dass es irgendwelche Zwischenverfahren oder Gründe für die Verweigerung der Vollstreckung geben" sollte. Deshalb sollten Entscheidungen über das Umgangsrecht und über die Rückgabe des Kindes, für die im Ursprungsmitgliedstaat nach Maßgabe dieser Verordnung eine Bescheinigung ausgestellt wurde, in allen anderen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt werden, ohne dass es eines weiteren Verfahrens bedarf. Die Modalitäten der Vollstreckung dieser Entscheidungen unterliegen weiterhin dem nationalen Recht. (24) Gegen die Bescheinigung, die ausgestellt wird, um die Vollstreckung der Entscheidung zu erleichtern, sollte kein Rechtsbehelf möglich sein. Sie sollte nur Gegenstand einer Klage auf Berichtigung sein, wenn ein materieller Fehler vorliegt, d.h., wenn in der Bescheinigung der Inhalt der Entscheidung nicht korrekt wiedergegeben ist. (25) Die Zentralen Behörden sollten sowohl allgemein als auch in besonderen Fällen, einschließlich zur Förderung der gütlichen Beilegung von die elterliche Verantwortung betreffenden Familienstreitigkeiten, zusammenarbeiten. Zu diesem Zweck 254

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V O über die gerichtliche Z u s t ä n d i g k e i t in Ehesachen (Brüssel IIa)

beteiligen sich die Zentralen Behörden an dem Europäischen Justiziellen Netz für Zivil- und Handelssachen, das mit der Entscheidung des Rates vom 28. M a i 2001 zur Einrichtung eines Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen eingerichtet wurde. (26) Die Kommission sollte die von den Mitgliedstaaten übermittelten Listen mit den zuständigen Gerichten und den Rechtsbehelfen veröffentlichen und aktualisieren. (27) Die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Maßnahmen sollten gemäß dem Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse erlassen werden. (28) Diese Verordnung tritt an die Stelle der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000, die somit aufgehoben wird. (29) Um eine ordnungsgemäße Anwendung dieser Verordnung sicherzustellen, sollte die Kommission deren Durchführung prüfen und gegebenenfalls die notwendigen Änderungen vorschlagen. (30) Gemäß Artikel 3 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands haben diese Mitgliedstaaten mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchten. (31) Gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Verordnung, die für Dänemark nicht bindend oder anwendbar ist. (32) D a die Ziele dieser Verordnung auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher besser auf Gemeinschaftsebene zu erreichen sind, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Verhältnismäßigkeitsprinzip geht diese Verordnung nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche M a ß hinaus. (33) Diese Verordnung steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden. Sie zielt insbesondere darauf ab, die Wahrung der Grundrechte des Kindes im Sinne des Artikels 2 4 der Grundrechtscharta der Europäischen Union zu gewährleisten KAPITEL I ANWENDUNGSBEREICH UND BEGRIFFSBESTIMMUNGEN Artikel 1 Anwendungsbereich (1) Diese Verordnung gilt, ungeachtet der Art der Gerichtsbarkeit, für Zivilsachen mit folgendem Gegenstand: a) die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und die Ungültigerklärung einer Ehe, R o l f A. Schütze

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b) die Zuweisung, die Ausübung, die Übertragung sowie die vollständige oder teilweise Entziehung der elterlichen Verantwortung. (2) Die in Absatz 1 Buchstabe b) genannten Zivilsachen betreffen insbesondere: a) das Sorgerecht und das Umgangsrecht, b) die Vormundschaft, die Pflegschaft und entsprechende Rechtsinstitute, c) die Bestimmung und den Aufgabenbereich jeder Person oder Stelle, die für die Person oder das Vermögen des Kindes verantwortlich ist, es vertritt oder ihm beisteht, d) die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie oder einem Heim, e) die Maßnahmen zum Schutz des Kindes im Zusammenhang mit der Verwaltung und Erhaltung seines Vermögens oder der Verfügung darüber. (3) Diese Verordnung gilt nicht für a) die Feststellung und die Anfechtung des Eltern-Kind-Verhältnisses, b) Adoptionsentscheidungen und Maßnahmen zur Vorbereitung einer Adoption sowie die Ungültigerklärung und den Widerruf der Adoption, c) Namen und Vornamen des Kindes, d) die Volljährigkeitserklärung, e) Unterhaltspflichten, f) Trusts und Erbschaften, g) Maßnahmen infolge von Straftaten, die von Kindern begangen wurden.

Artikel 2 Begriffsbestimmungen Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck 1. „Gericht" alle Behörden der Mitgliedstaaten, die für Rechtssachen zuständig sind, die gemäß Artikel 1 in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen; 2. „Richter" einen Richter oder Amtsträger, dessen Zuständigkeiten denen eines Richters in Rechtssachen entsprechen, die in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen; 3. „Mitgliedstaat" jeden Mitgliedstaat mit Ausnahme Dänemarks; 4. „Entscheidung" jede von einem Gericht eines Mitgliedstaats erlassene Entscheidung über die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe sowie jede Entscheidung über die elterliche Verantwortung, ohne Rücksicht auf die Bezeichnung der jeweiligen Entscheidung, wie Urteil oder Beschluss; 5. „Ursprungsmitgliedstaat" den Mitgliedstaat, in dem die zu vollstreckende Entscheidung ergangen ist; 6. „Vollstreckungsmitgliedstaat" den Mitgliedstaat, in dem die Entscheidung vollstreckt werden soll; 7. „elterliche Verantwortung" die gesamten Rechte und Pflichten, die einer natürlichen oder juristischen Person durch Entscheidung oder kraft Gesetzes oder durch eine rechtlich verbindliche Vereinbarung betreffend die Person oder das Vermögen eines Kindes übertragen wurden. Elterliche Verantwortung umfasst insbesondere das Sorge- und das Umgangsrecht; 8. „Träger der elterlichen Verantwortung" jede Person, die die elterliche Verantwortung für ein Kind ausübt; 256

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V O über die gerichtliche Zuständigkeit in Ehesachen (Brüssel IIa)

9. „Sorgerecht" die Rechte und Pflichten, die mit der Sorge für die Person eines Kindes verbunden sind, insbesondere das Recht auf die Bestimmung des Aufenthaltsortes des Kindes; 10. „Umgangsrecht" insbesondere auch das Recht, das Kind für eine begrenzte Zeit an einen anderen Ort als seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort zu bringen; 11. „widerrechtliches Verbringen oder Zurückhalten eines Kindes" das Verbringen oder Zurückhalten eines Kindes, wenn a) dadurch das Sorgerecht verletzt wird, das aufgrund einer Entscheidung oder kraft Gesetzes oder aufgrund einer rechtlich verbindlichen Vereinbarung nach dem Recht des Mitgliedstaats besteht, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und b) das Sorgerecht zum Zeitpunkt des Verbringens oder Zurückhaltens allein oder gemeinsam tatsächlich ausgeübt wurde oder ausgeübt worden wäre, wenn das Verbringen oder Zurückhalten nicht stattgefunden hätte. Von einer gemeinsamen Ausübung des Sorgerechts ist auszugehen, wenn einer der Träger der elterlichen Verantwortung aufgrund einer Entscheidung oder kraft Gesetzes nicht ohne die Zustimmung des anderen Trägers der elterlichen Verantwortung über den Aufenthaltsort des Kindes bestimmen kann.

K A P I T E L II

ZUSTÄNDIGKEIT ABSCHNITT 1 Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und Ungültigerklärung einer Ehe Artikel 3 Allgemeine Zuständigkeit (1) Für Entscheidungen über die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe, sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, a) in dessen Hoheitsgebiet - beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder - die Ehegatten zuletzt beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern einer von ihnen dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder - der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder - im Fall eines gemeinsamen Antrags einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder - der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn er sich dort seit mindestens einem Jahr unmittelbar vor der Antragstellung aufgehalten hat, oder - der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn er sich dort seit mindestens sechs Monaten unmittelbar vor der Antragstellung aufgehalten hat und entweder Staatsangehöriger des betreffenden Mitgliedstaats ist oder, im Fall des Vereinigten Königreichs und Irlands, dort sein „domicile" hat; R o l f A . Schütze

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b) dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten besitzen, oder, im Fall des Vereinigten Königreichs und Irlands, in dem sie ihr gemeinsames „domicile" haben. (2) Der Begriff „domicile" im Sinne dieser Verordnung bestimmt sich nach dem Recht des Vereinigten Königreichs und Irlands. Artikel 4 Gegenantrag Das Gericht, bei dem ein Antrag gemäß Artikel 3 anhängig ist, ist auch für einen Gegenantrag zuständig, sofern dieser in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt. Artikel 5 Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung Unbeschadet des Artikels 3 ist das Gericht eines Mitgliedstaats, das eine Entscheidung über eine Trennung ohne Auflösung des Ehebandes erlassen hat, auch für die Umwandlung dieser Entscheidung in eine Ehescheidung zuständig, sofern dies im Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehen ist. Artikel 6 Ausschließliche Zuständigkeit nach den Artikeln 3, 4 und 5 Gegen einen Ehegatten, der a) seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat oder b) Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist oder im Fall des Vereinigten Königreichs und Irlands sein „domicile" im Hoheitsgebiet eines dieser Mitgliedstaaten hat, darf ein Verfahren vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats nur nach Maßgabe der Artikel 3, 4 und 5 geführt werden. Artikel 7 Restzuständigkeit (1) Soweit sich aus den Artikeln 3, 4 und 5 keine Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats ergibt, bestimmt sich die Zuständigkeit in jedem Mitgliedstaat nach dem Recht dieses Staates. (2) Jeder Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats hat, kann die in diesem Staat geltenden Zuständigkeitsvorschriften wie ein Inländer gegenüber einem Antragsgegner geltend machen, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat oder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt oder im Fall des Vereinigten Königreichs und Irlands sein „domicile" nicht im Hoheitsgebiet eines dieser Mitgliedstaaten hat. 258

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VO über die gerichtliche Zuständigkeit in Ehesachen (Brüssel IIa)

ABSCHNITT 2 Elterliche Verantwortung Artikel 8 Allgemeine Zuständigkeit (1) Für Entscheidungen, die die elterliche Verantwortung betreffen, sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem das Kind zum Zeitpunkt der Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. (2) Absatz 1 findet vorbehaltlich der Artikel 9, 10 und 12 Anwendung.

Artikel 9 Aufrechterhaltung der Zuständigkeit des früheren gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Kindes (1) Beim rechtmäßigen Umzug eines Kindes von einem Mitgliedstaat in einen anderen, durch den es dort einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt erlangt, verbleibt abweichend von Artikel 8 die Zuständigkeit für eine Änderung einer vor dem Umzug des Kindes in diesem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung über das Umgangsrecht während einer Dauer von drei Monaten nach dem Umzug bei den Gerichten des früheren gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes, wenn sich der laut der Entscheidung über das Umgangsrecht umgangsberechtigte Elternteil weiterhin gewöhnlich in dem Mitgliedstaat des früheren gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes aufhält. (2) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der umgangsberechtigte Elternteil im Sinne des Absatzes 1 die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats des neuen gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes dadurch anerkannt hat, dass er sich an Verfahren vor diesen Gerichten beteiligt, ohne ihre Zuständigkeit anzufechten.

Artikel 10 Zuständigkeit in Fällen von Kindesentführung Bei widerrechtlichem Verbringen oder Zurückhalten eines Kindes bleiben die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem das Kind unmittelbar vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, so lange zuständig, bis das Kind einen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat erlangt hat und a) jede sorgeberechtigte Person, Behörde oder sonstige Stelle dem Verbringen oder Zurückhalten zugestimmt hat oder b) das Kind sich in diesem anderen Mitgliedstaat mindestens ein Jahr aufgehalten hat, nachdem die sorgeberechtigte Person, Behörde oder sonstige Stelle seinen Aufenthaltsort kannte oder hätte kennen müssen und sich das Kind in seiner neuen Umgebung eingelebt hat, sofern eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist: Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

i) Innerhalb eines Jahres, nachdem der Sorgeberechtigte den Aufenthaltsort des Kindes kannte oder hätte kennen müssen, wurde kein Antrag auf Rückgabe des Kindes bei den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats gestellt, in den das Kind verbracht wurde oder in dem es zurückgehalten wird; ii) ein von dem Sorgeberechtigten gestellter Antrag auf Rückgabe wurde zurückgezogen, und innerhalb der in Ziffer i) genannten Frist wurde kein neuer Antrag gestellt; iii) ein Verfahren vor dem Gericht des Mitgliedstaats, in dem das Kind unmittelbar vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wurde gemäß Artikel 11 Absatz 7 abgeschlossen; iv) von den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem das Kind unmittelbar vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wurde eine Sorgerechtsentscheidung erlassen, in der die Rückgabe des Kindes nicht angeordnet wird.

Artikel 11 Rückgabe des Kindes (1) Beantragt eine sorgeberechtigte Person, Behörde oder sonstige Stelle bei den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats eine Entscheidung auf der Grundlage des Haager Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (nachstehend „Haager Übereinkommen von 1980" genannt), um die Rückgabe eines Kindes zu erwirken, das widerrechtlich in einen anderen als den Mitgliedstaat verbracht wurde oder dort zurückgehalten wird, in dem das Kind unmittelbar vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, so gelten die Absätze 2 bis 8. (2) Bei Anwendung der Artikel 12 und 13 des Haager Übereinkommens von 1980 ist sicherzustellen, dass das Kind die Möglichkeit hat, während des Verfahrens gehört zu werden, sofern dies nicht aufgrund seines Alters oder seines Reifegrads unangebracht erscheint. (3) Das Gericht, bei dem die Rückgabe eines Kindes nach Absatz 1 beantragt wird, befasst sich mit gebotener Eile mit dem Antrag und bedient sich dabei der zügigsten Verfahren des nationalen Rechts. Unbeschadet des Unterabsatzes 1 erlässt das Gericht seine Anordnung spätestens sechs Wochen nach seiner Befassung mit dem Antrag, es sei denn, dass dies aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht möglich ist. (4) Ein Gericht kann die Rückgabe eines Kindes aufgrund des Artikels 13 Buchstabe b) des Haager Übereinkommens von 1980 nicht verweigern, wenn nachgewiesen ist, dass angemessene Vorkehrungen getroffen wurden, um den Schutz des Kindes nach seiner Rückkehr zu gewährleisten. (5) Ein Gericht kann die Rückgabe eines Kindes nicht verweigern, wenn der Person, die die Rückgabe des Kindes beantragt hat, nicht die Gelegenheit gegeben wurde, gehört zu werden. (6) Hat ein Gericht entschieden, die Rückgabe des Kindes gemäß Artikel 13 des Haager Übereinkommens von 1980 abzulehnen, so muss es nach dem nationalen Recht dem zuständigen Gericht oder der Zentralen Behörde des Mitgliedstaats, in dem das Kind unmittelbar vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, unverzüglich entweder direkt oder über seine 260

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VO über die gerichtliche Zuständigkeit in Ehesachen (Brüssel IIa)

Zentrale Behörde eine Abschrift der gerichtlichen Entscheidung, die Rückgabe abzulehnen, und die entsprechenden Unterlagen, insbesondere eine Niederschrift der Anhörung, übermitteln. Alle genannten Unterlagen müssen dem Gericht binnen einem M o n a t ab dem Datum der Entscheidung, die Rückgabe abzulehnen, vorgelegt werden. (7) Sofern die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem das Kind unmittelbar vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, nicht bereits von einer der Parteien befasst wurden, muss das Gericht oder die Zentrale Behörde, das/die die Mitteilung gemäß Absatz 6 erhält, die Parteien hiervon unterrichten und sie einladen, binnen drei Monaten ab Zustellung der Mitteilung Anträge gemäß dem nationalen Recht beim Gericht einzureichen, damit das Gericht die Frage des Sorgerechts prüfen kann. Unbeschadet der in dieser Verordnung festgelegten Zuständigkeitsregeln schließt das Gericht den Fall ab, wenn innerhalb dieser Frist keine Anträge bei dem Gericht eingegangen sind. (8) Ungeachtet einer nach Artikel 13 des Haager Übereinkommens von 1 9 8 0 ergangenen Entscheidung, mit der die Rückgabe des Kindes verweigert wird, ist eine spätere Entscheidung, mit der die Rückgabe des Kindes angeordnet wird und die von einem nach dieser Verordnung zuständigen Gericht erlassen wird, im Einklang mit Kapitel III Abschnitt 4 vollstreckbar, um die Rückgabe des Kindes sicherzustellen.

Artikel 12 Vereinbarung über die Zuständigkeit (1) Die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem nach Artikel 3 über einen Antrag auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe zu entscheiden ist, sind für alle Entscheidungen zuständig, die die mit diesem Antrag verbundene elterliche Verantwortung betreffen, wenn a) zumindest einer der Ehegatten die elterliche Verantwortung für das Kind hat und b) die Zuständigkeit der betreffenden Gerichte von den Ehegatten oder von den Trägern der elterlichen Verantwortung zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ausdrücklich oder auf andere eindeutige Weise anerkannt wurde und im Einklang mit dem Wohl des Kindes steht. (2) Die Zuständigkeit gemäß Absatz 1 endet, a) sobald die stattgebende oder abweisende Entscheidung über den Antrag auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe rechtskräftig geworden ist, b) oder in den Fällen, in denen zu dem unter Buchstabe a) genannten Zeitpunkt noch ein Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung anhängig ist, sobald die Entscheidung in diesem Verfahren rechtskräftig geworden ist, c) oder sobald die unter den Buchstaben a) und b) genannten Verfahren aus einem anderen Grund beendet worden sind. (3) Die Gerichte eines Mitgliedstaats sind ebenfalls zuständig in Bezug auf die elterliche Verantwortung in anderen als den in Absatz 1 genannten Verfahren, wenn a) eine wesentliche Bindung des Kindes zu diesem Mitgliedstaat besteht, insbesondere weil einer der Träger der elterlichen Verantwortung in diesem Mitgliedstaat Rolf A. Schütze

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seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder das Kind die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats besitzt, und b) alle Parteien des Verfahrens zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts die Zuständigkeit ausdrücklich oder auf andere eindeutige Weise anerkannt haben und die Zuständigkeit in Einklang mit dem Wohl des Kindes steht. (4) Hat das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat, der nicht Vertragspartei des Haager Übereinkommens vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern ist, so ist davon auszugehen, dass die auf diesen Artikel gestützte Zuständigkeit insbesondere dann in Einklang mit dem Wohl des Kindes steht, wenn sich ein Verfahren in dem betreffenden Drittstaat als unmöglich erweist.

Artikel 13 Zuständigkeit aufgrund der Anwesenheit des Kindes (1) Kann der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes nicht festgestellt werden und kann die Zuständigkeit nicht gemäß Artikel 12 bestimmt werden, so sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem sich das Kind befindet. (2) Absatz 1 gilt auch für Kinder, die Flüchtlinge oder, aufgrund von Unruhen in ihrem Land, ihres Landes Vertriebene sind.

Artikel 14 Restzuständigkeit Soweit sich aus den Artikeln 8 bis 13 keine Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats ergibt, bestimmt sich die Zuständigkeit in jedem Mitgliedstaat nach dem Recht dieses Staates. Artikel 15 Verweisung an ein Gericht, das den Fall besser beurteilen kann (1) In Ausnahmefällen und sofern dies dem Wohl des Kindes entspricht, kann das Gericht eines Mitgliedstaats, das für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig ist, in dem Fall, dass seines Erachtens ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats, zu dem das Kind eine besondere Bindung hat, den Fall oder einen bestimmten Teil des Falls besser beurteilen kann, a) die Prüfung des Falls oder des betreffenden Teils des Falls aussetzen und die Parteien einladen, beim Gericht dieses anderen Mitgliedstaats einen Antrag gemäß Absatz 4 zu stellen, oder b) ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats ersuchen, sich gemäß Absatz 5 für zuständig zu erklären. 262

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(2) Absatz 1 findet Anwendung a) auf Antrag einer der Parteien oder b) von Amts wegen oder c) auf Antrag des Gerichts eines anderen Mitgliedstaats, zu dem das Kind eine besondere Bindung gemäß Absatz 3 hat. Die Verweisung von Amts wegen oder auf Antrag des Gerichts eines anderen Mitgliedstaats erfolgt jedoch nur, wenn mindestens eine der Parteien ihr zustimmt. (3) Es wird davon ausgegangen, dass das Kind eine besondere Bindung im Sinne des Absatzes 1 zu dem Mitgliedstaat hat, wenn a) nach Anrufung des Gerichts im Sinne des Absatzes 1 das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat erworben hat oder b) das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hatte oder c) das Kind die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats besitzt oder d) ein Träger der elterlichen Verantwortung seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hat oder e) die Streitsache Maßnahmen zum Schutz des Kindes im Zusammenhang mit der Verwaltung oder der Erhaltung des Vermögens des Kindes oder der Verfügung über dieses Vermögen betrifft und sich dieses Vermögen im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats befindet. (4) Das Gericht des Mitgliedstaats, das für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig ist, setzt eine Frist, innerhalb deren die Gerichte des anderen Mitgliedstaats gemäß Absatz 1 angerufen werden müssen. Werden die Gerichte innerhalb dieser Frist nicht angerufen, so ist das befasste Gericht weiterhin nach den Artikeln 8 bis 14 zuständig. (5) Diese Gerichte dieses anderen Mitgliedstaats können sich, wenn dies aufgrund der besonderen Umstände des Falls dem Wohl des Kindes entspricht, innerhalb von sechs Wochen nach ihrer Anrufung gemäß Absatz 1 Buchstabe a) oder b) für zuständig erklären. In diesem Fall erklärt sich das zuerst angerufene Gericht für unzuständig. Anderenfalls ist das zuerst angerufene Gericht weiterhin nach den Artikeln 8 bis 14 zuständig. (6) Die Gerichte arbeiten für die Zwecke dieses Artikels entweder direkt oder über die nach Artikel 53 bestimmten Zentralen Behörden zusammen. ABSCHNITT 3 Gemeinsame Bestimmungen Artikel 16 Anrufung eines Gerichts (1) Ein Gericht gilt als angerufen a) zu dem Zeitpunkt, zu dem das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück bei Gericht eingereicht wurde, vorausgesetzt, dass der Antragsteller es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustellung des Schriftstücks an den Antragsgegner zu bewirken, oder b) falls die Zustellung an den Antragsgegner vor Einreichung des Schriftstücks bei Gericht zu bewirken ist, zu dem Zeitpunkt, zu dem die für die Zustellung verRolf A. Schütze

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antwortliche Stelle das Schriftstück erhalten hat, vorausgesetzt, dass der Antragsteller es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um das Schriftstück bei Gericht einzureichen. Artikel 17 Prüfung der Zuständigkeit Das Gericht eines Mitgliedstaats hat sich von Amts wegen für unzuständig zu erklären, wenn es in einer Sache angerufen wird, für die es nach dieser Verordnung keine Zuständigkeit hat und für die das Gericht eines anderen Mitgliedstaats aufgrund dieser Verordnung zuständig ist. Artikel 18 Prüfung der Zulässigkeit (1) Lässt sich ein Antragsgegner, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in dem Mitgliedstaat hat, in dem das Verfahren eingeleitet wurde, auf das Verfahren nicht ein, so hat das zuständige Gericht das Verfahren so lange auszusetzen, bis festgestellt ist, dass es dem Antragsgegner möglich war, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück so rechtzeitig zu empfangen, dass er sich verteidigen konnte, oder dass alle hierzu erforderlichen Maßnahmen getroffen wurden. (2) Artikel 19 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 findet statt Absatz 1 Anwendung, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nach Maßgabe jener Verordnung von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu übermitteln war. (3) Sind die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 nicht anwendbar, so gilt Artikel 15 des Haager Übereinkommens vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nach Maßgabe des genannten Übereinkommens ins Ausland zu übermitteln war. Artikel 19 Rechtshängigkeit und abhängige Verfahren (1) Werden bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Anträge auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe zwischen denselben Parteien gestellt, so setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts geklärt ist. (2) Werden bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Verfahren bezüglich der elterlichen Verantwortung für ein Kind wegen desselben Anspruchs anhängig gemacht, so setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts geklärt ist. 264

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(3) Sobald die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, erklärt sich das später angerufene Gericht zugunsten dieses Gerichts für unzuständig. In diesem Fall kann der Antragsteller, der den Antrag bei dem später angerufenen Gericht gestellt hat, diesen Antrag dem zuerst angerufenen Gericht vorlegen.

Artikel 2 0 Einstweilige Maßnahmen einschließlich Schutzmaßnahmen (1) Die Gerichte eines Mitgliedstaats können in dringenden Fällen ungeachtet der Bestimmungen dieser Verordnung die nach dem Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehenen einstweiligen Maßnahmen einschließlich Schutzmaßnahmen in Bezug auf in diesem Staat befindliche Personen oder Vermögensgegenstände auch dann anordnen, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache gemäß dieser Verordnung ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats zuständig ist. (2) Die zur Durchführung des Absatzes 1 ergriffenen Maßnahmen treten außer Kraft, wenn das Gericht des Mitgliedstaats, das gemäß dieser Verordnung für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig ist, die Maßnahmen getroffen hat, die es für angemessen hält.

KAPITEL III

ANERKENNUNG UND VOLLSTRECKUNG ABSCHNITT 1 Anerkennung Artikel 21 Anerkennung einer Entscheidung (1) Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen werden in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. (2) Unbeschadet des Absatzes 3 bedarf es insbesondere keines besonderen Verfahrens für die Beschreibung in den Personenstandsbüchern eines Mitgliedstaats auf der Grundlage einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung über Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe, gegen die nach dem Recht dieses Mitgliedstaats keine weiteren Rechtsbehelfe eingelegt werden können. (3) Unbeschadet des Abschnitts 4 kann jede Partei, die ein Interesse hat, gemäß den Verfahren des Abschnitts 2 eine Entscheidung über die Anerkennung oder Nichtanerkennung der Entscheidung beantragen. Das örtlich zuständige Gericht, das in der Liste aufgeführt ist, die jeder Mitgliedstaat der Kommission gemäß Artikel 6 8 mitteilt, wird durch das nationale Recht des Mitgliedstaats bestimmt, in dem der Antrag auf Anerkennung oder Nichtanerkennung gestellt wird. Rolf A. Schütze

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(4) Ist in einem Rechtsstreit vor einem Gericht eines Mitgliedstaats die Frage der Anerkennung einer Entscheidung als Vorfrage zu klären, so kann dieses Gericht hierüber befinden.

Artikel 22 Gründe für die Nichtanerkennung einer Entscheidung über eine Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe Eine Entscheidung, die die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe betrifft, wird nicht anerkannt, a) wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung des Mitgliedstaats, in dem sie beantragt wird, offensichtlich widerspricht; b) wenn dem Antragsgegner, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt wurde, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, es wird festgestellt, dass er mit der Entscheidung eindeutig einverstanden ist; c) wenn die Entscheidung mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die in einem Verfahren zwischen denselben Parteien in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung beantragt wird, ergangen ist; oder d) wenn die Entscheidung mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat zwischen denselben Parteien ergangen ist, sofern die frühere Entscheidung die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung in dem Mitgliedstaat erfüllt, in dem die Anerkennung beantragt wird. Artikel 23 Gründe für die Nichtanerkennung einer Entscheidung über die elterliche Verantwortung Eine Entscheidung über die elterliche Verantwortung wird nicht anerkannt, a) wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung des Mitgliedstaats, in dem sie beantragt wird, offensichtlich widerspricht, wobei das Wohl des Kindes zu berücksichtigen ist; b) wenn die Entscheidung - ausgenommen in dringenden Fällen - ergangen ist, ohne dass das Kind die Möglichkeit hatte, gehört zu werden, und damit wesentliche verfahrensrechtliche Grundsätze des Mitgliedstaats, in dem die Anerkennung beantragt wird, verletzt werden; c) wenn der betreffenden Person, die sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt wurde, dass sie sich verteidigen konnte, es sei denn, es wird festgestellt, dass sie mit der Entscheidung eindeutig einverstanden ist; d) wenn eine Person dies mit der Begründung beantragt, dass die Entscheidung in ihre elterliche Verantwortung eingreift, falls die Entscheidung ergangen ist, ohne dass diese Person die Möglichkeit hatte, gehört zu werden; e) wenn die Entscheidung mit einer späteren Entscheidung über die elterliche Verantwortung unvereinbar ist, die in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung beantragt wird, ergangen ist; 266

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f) wenn die Entscheidung mit einer späteren Entscheidung über Verantwortung unvereinbar ist, die in einem anderen Mitgliedstaat Drittstaat, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern die spätere Entscheidung die notwendigen Voraussetzungen für nung in dem Mitgliedstaat erfüllt, in dem die Anerkennung beantragt oder g) wenn das Verfahren des Artikels 56 nicht eingehalten wurde.

die elterliche oder in dem ergangen ist, ihre Anerkenwird;

Artikel 24 Verbot der Nachprüfung der Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaats Die Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaats darf nicht überprüft werden. Die Überprüfung der Vereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung gemäß Artikel 22 Buchstabe a) und Artikel 23 Buchstabe a) darf sich nicht auf die Zuständigkeitsvorschriften der Artikel 3 bis 14 erstrecken.

Artikel 25 Unterschiede beim anzuwendenden Recht Die Anerkennung einer Entscheidung darf nicht deshalb abgelehnt werden, weil eine Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem die Anerkennung beantragt wird, unter Zugrundelegung desselben Sachverhalts nicht zulässig wäre.

Artikel 26 Ausschluss einer Nachprüfung in der Sache Die Entscheidung darf keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden. Artikel 27 Aussetzung des Verfahrens (1) Das Gericht eines Mitgliedstaats, vor dem die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung beantragt wird, kann das Verfahren aussetzen, wenn gegen die Entscheidung ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt wurde. (2) Das Gericht eines Mitgliedstaats, bei dem die Anerkennung einer in Irland oder im Vereinigten Königreich ergangenen Entscheidung beantragt wird, kann das Verfahren aussetzen, wenn die Vollstreckung der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat wegen der Einlegung eines Rechtsbehelfs einstweilen eingestellt ist. Rolf A. Schütze

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ABSCHNITT 2 Antrag auf Vollstreckbarerklärung Artikel 28 Vollstreckbare Entscheidungen (1) Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen über die elterliche Verantwortung für ein Kind, die in diesem Mitgliedstaat vollstreckbar sind und die zugestellt worden sind, werden in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag einer berechtigten Partei für vollstreckbar erklärt wurden. (2) Im Vereinigten Königreich wird eine derartige Entscheidung jedoch in England und Wales, in Schottland oder in Nordirland erst vollstreckt, wenn sie auf Antrag einer berechtigten Partei zur Vollstreckung in dem betreffenden Teil des Vereinigten Königreichs registriert worden ist.

Artikel 29 Örtlich zuständiges Gericht (1) Ein Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist bei dem Gericht zu stellen, das in der Liste aufgeführt ist, die jeder Mitgliedstaat der Kommission gemäß Artikel 68 mitteilt. (2) Das örtlich zuständige Gericht wird durch den gewöhnlichen Aufenthalt der Person, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, oder durch den gewöhnlichen Aufenthalt eines Kindes, auf das sich der Antrag bezieht, bestimmt. Befindet sich keiner der in Unterabsatz 1 angegebenen Orte im Vollstreckungsmitgliedstaat, so wird das örtlich zuständige Gericht durch den Ort der Vollstreckung bestimmt. Artikel 30 Verfahren (1) Für die Stellung des Antrags ist das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats maßgebend. (2) Der Antragsteller hat für die Zustellung im Bezirk des angerufenen Gerichts ein Wahldomizil zu begründen. Ist das Wahldomizil im Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats nicht vorgesehen, so hat der Antragsteller einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. (3) Dem Antrag sind die in den Artikeln 37 und 39 aufgeführten Urkunden beizufügen.

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Artikel 31 Entscheidung des Gerichts (1) Das mit dem Antrag befasste Gericht erlässt seine Entscheidung ohne Verzug und ohne dass die Person, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, noch das Kind in diesem Abschnitt des Verfahrens Gelegenheit erhalten, eine Erklärung abzugeben. (2) Der Antrag darf nur aus einem der in den Artikeln 2 2 , 2 3 und 2 4 aufgeführten Gründe abgelehnt werden. (3) Die Entscheidung darf keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden.

Artikel 3 2 Mitteilung der Entscheidung Die über den Antrag ergangene Entscheidung wird dem Antragsteller vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle unverzüglich in der Form mitgeteilt, die das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats vorsieht.

Artikel 3 3 Rechtsbehelf (1) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung kann jede Partei einen Rechtsbehelf einlegen. (2) Der Rechtsbehelf wird bei dem Gericht eingelegt, das in der Liste aufgeführt ist, die jeder Mitgliedstaat der Kommission gemäß Artikel 6 8 mitteilt. (3) Über den Rechtsbehelf wird nach den Vorschriften entschieden, die für Verfahren mit beiderseitigem rechtlichen Gehör maßgebend sind. (4) Wird der Rechtsbehelf von der Person eingelegt, die den Antrag auf Vollstreckbarerklärung gestellt hat, so wird die Partei, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, aufgefordert, sich auf das Verfahren einzulassen, das bei dem mit dem Rechtsbehelf befassten Gericht anhängig ist. Lässt sich die betreffende Person auf das Verfahren nicht ein, so gelten die Bestimmungen des Artikels 18. (5) Der Rechtsbehelf gegen die Vollstreckbarerklärung ist innerhalb eines Monats nach ihrer Zustellung einzulegen. Hat die Partei, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Vollstreckbarerklärung erteilt worden ist, so beträgt die Frist für den Rechtsbehelf zwei Monate und beginnt mit dem Tag, an dem die Vollstreckbarerklärung ihr entweder persönlich oder in ihrer Wohnung zugestellt worden ist. Eine Verlängerung dieser Frist wegen weiter Entfernung ist ausgeschlossen.

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Artikel 34 Für den Rechtsbehelf zuständiges Gericht und Anfechtung der Entscheidung über den Rechtsbehelf Die Entscheidung, die über den Rechtsbehelf ergangen ist, kann nur im Wege der Verfahren angefochten werden, die in der Liste genannt sind, die jeder Mitgliedstaat der Kommission gemäß Artikel 68 mitteilt.

Artikel 35 Aussetzung des Verfahrens (1) Das nach Artikel 33 oder Artikel 34 mit dem Rechtsbehelf befasste Gericht kann auf Antrag der Partei, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, das Verfahren aussetzen, wenn im Ursprungsmitgliedstaat ein ordentlicher Rechtsbehelf gegen die Entscheidung eingelegt wurde oder die Frist für einen solchen Rechtsbehelf noch nicht verstrichen ist. In letzterem Fall kann das Gericht eine Frist bestimmen, innerhalb deren der Rechtsbehelf einzulegen ist. (2) Ist die Entscheidung in Irland oder im Vereinigten Königreich ergangen, so gilt jeder im Ursprungsmitgliedstaat statthafte Rechtsbehelf als ordentlicher Rechtsbehelf im Sinne des Absatzes 1.

Artikel 36 Teilvollstreckung (1) Ist mit der Entscheidung über mehrere geltend gemachte Ansprüche entschieden worden und kann die Entscheidung nicht in vollem Umfang zur Vollstreckung zugelassen werden, so lässt das Gericht sie für einen oder mehrere Ansprüche zu. (2) Der Antragsteller kann eine teilweise Vollstreckung beantragen.

ABSCHNITT 3 Gemeinsame Bestimmungen für die Abschnitte 1 und 2 Artikel 37 Urkunden (1) Die Partei, die die Anerkennung oder Nichtanerkennung einer Entscheidung oder deren Vollstreckbarerklärung erwirken will, hat Folgendes vorzulegen: a) eine Ausfertigung der Entscheidung, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, und b) die Bescheinigung nach Artikel 39. 270

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(2) Bei einer im Versäumnisverfahren ergangenen Entscheidung hat die Partei, die die Anerkennung einer Entscheidung oder deren Vollstreckbarerklärung erwirken will, ferner Folgendes vorzulegen: a) die Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift der Urkunde, aus der sich ergibt, dass das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück der Partei, die sich nicht auf das Verfahren eingelassen hat, zugestellt wurde, oder b) eine Urkunde, aus der hervorgeht, dass der Antragsgegner mit der Entscheidung eindeutig einverstanden ist.

Artikel 38 Fehlen von Urkunden (1) Werden die in Artikel 37 Absatz 1 Buchstabe b) oder Absatz 2 aufgeführten Urkunden nicht vorgelegt, so kann das Gericht eine Frist setzen, innerhalb deren die Urkunden vorzulegen sind, oder sich mit gleichwertigen Urkunden begnügen oder von der Vorlage der Urkunden befreien, wenn es eine weitere Klärung nicht für erforderlich hält. (2) Auf Verlangen des Gerichts ist eine Übersetzung der Urkunden vorzulegen. Die Übersetzung ist von einer hierzu in einem der Mitgliedstaaten befugten Person zu beglaubigen.

Artikel 39 Bescheinigung bei Entscheidungen in Ehesachen und bei Entscheidungen über die elterliche Verantwortung Das zuständige Gericht oder die Zuständige Behörde des Ursprungsmitgliedstaats stellt auf Antrag einer berechtigten Partei eine Bescheinigung unter Verwendung des Formblatts in Anhang I (Entscheidungen in Ehesachen) oder Anhang II (Entscheidungen über die elterliche Verantwortung) aus.

ABSCHNITT 4 Vollstreckbarkeit bestimmter Entscheidungen über das Umgangsrecht und bestimmter Entscheidungen, mit denen die Rückgabe des Kindes angeordnet wird Artikel 40 Anwendungsbereich (1) Dieser Abschnitt gilt für a) das Umgangsrecht und b) die Rückgabe eines Kindes infolge einer die Rückgabe des Kindes anordnenden Entscheidung gemäß Artikel 11 Absatz 8. Rolf A. Schütze

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(2) Der Träger der elterlichen Verantwortung kann ungeachtet der Bestimmungen dieses Abschnitts die Anerkennung und Vollstreckung nach M a ß g a b e der Abschnitte 1 und 2 dieses Kapitels beantragen.

Artikel 4 1 Umgangsrecht (1) Eine in einem Mitgliedstaat ergangene vollstreckbare Entscheidung über das Umgangsrecht im Sinne des Artikels 4 0 Absatz 1 Buchstabe a), für die eine Bescheinigung nach Absatz 2 im Ursprungsmitgliedstaat ausgestellt wurde, wird in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt und kann dort vollstreckt werden, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann. Auch wenn das nationale Recht nicht vorsieht, dass eine Entscheidung über das Umgangsrecht ungeachtet der Einlegung eines Rechtsbehelfs von Rechts wegen vollstreckbar ist, kann das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats die Entscheidung für vollstreckbar erklären. (2) Der Richter des Ursprungsmitgliedstaats stellt die Bescheinigung nach Absatz 1 unter Verwendung des Formblatts in Anhang III (Bescheinigung über das Umgangsrecht) nur aus, wenn a) im Fall eines Versäumnisverfahrens das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück der Partei, die sich nicht auf das Verfahren eingelassen hat, so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt wurde, dass sie sich verteidigen konnte, oder wenn in Fällen, in denen bei der Zustellung des betreffenden Schriftstücks diese Bedingungen nicht eingehalten wurden, dennoch festgestellt wird, dass sie mit der Entscheidung eindeutig einverstanden ist; b) alle betroffenen Parteien Gelegenheit hatten, gehört zu werden, und c) das Kind die Möglichkeit hatte, gehört zu werden, sofern eine Anhörung nicht aufgrund seines Alters oder seines Reifegrads unangebracht erschien. Das Formblatt wird in der Sprache ausgefüllt, in der die Entscheidung abgefasst ist. (3) Betrifft das Umgangsrecht einen Fall, der bei der Verkündung der Entscheidung einen grenzüberschreitenden Bezug aufweist, so wird die Bescheinigung von Amts wegen ausgestellt, sobald die Entscheidung vollstreckbar oder vorläufig vollstreckbar wird. Wird der Fall erst später zu einem Fall mit grenzüberschreitendem Bezug, so wird die Bescheinigung auf Antrag einer der Parteien ausgestellt.

Artikel 4 2 Rückgabe des Kindes (1) Eine in einem Mitgliedstaat ergangene vollstreckbare Entscheidung über die Rückgabe des Kindes im Sinne des Artikels 4 0 Absatz 1 Buchstabe b), für die eine Bescheinigung nach Absatz 2 im Ursprungsmitgliedstaat ausgestellt wurde, wird in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt und kann dort vollstreckt werden, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann. 272

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Auch wenn das nationale Recht nicht vorsieht, dass eine in Artikel 11 Absatz 8 genannte Entscheidung über die Rückgabe des Kindes ungeachtet der Einlegung eines Rechtsbehelfs von Rechts wegen vollstreckbar ist, kann das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats die Entscheidung für vollstreckbar erklären. (2) Der Richter des Ursprungsmitgliedstaats, der die Entscheidung nach Artikel 40 Absatz 1 Buchstabe b) erlassen hat, stellt die Bescheinigung nach Absatz 1 nur aus, wenn a) das Kind die Möglichkeit hatte, gehört zu werden, sofern eine Anhörung nicht aufgrund seines Alters oder seines Reifegrads unangebracht erschien, b) die Parteien die Gelegenheit hatten, gehört zu werden, und c) das Gericht beim Erlass seiner Entscheidung die Gründe und Beweismittel berücksichtigt hat, die der nach Artikel 13 des Haager Übereinkommens von 1980 ergangenen Entscheidung zugrunde liegen. Ergreift das Gericht oder eine andere Behörde Maßnahmen, um den Schutz des Kindes nach seiner Rückkehr in den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts sicherzustellen, so sind diese Maßnahmen in der Bescheinigung anzugeben. Der Richter des Ursprungsmitgliedstaats stellt die Bescheinigung von Amts wegen unter Verwendung des Formblatts in Anhang IV (Bescheinigung über die Rückgabe des Kindes) aus. Das Formblatt wird in der Sprache ausgefüllt, in der die Entscheidung abgefasst ist.

Artikel 43 Klage auf Berichtigung (1) Für Berichtigungen der Bescheinigung ist das Recht des Ursprungsmitgliedstaats maßgebend. (2) Gegen die Ausstellung einer Bescheinigung gemäß Artikel 41 Absatz 1 oder Artikel 42 Absatz 1 sind keine Rechtsbehelfe möglich.

Artikel 44 Wirksamkeit der Bescheinigung Die Bescheinigung ist nur im Rahmen der Vollstreckbarkeit des Urteils wirksam.

Artikel 45 Urkunden (1) Die Partei, die die Vollstreckung einer Entscheidung erwirken will, hat Folgendes vorzulegen: a) eine Ausfertigung der Entscheidung, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, und b) die Bescheinigung nach Artikel 41 Absatz 1 oder Artikel 42 Absatz 1. Rolf A. Schütze

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(2) Für die Zwecke dieses Artikels - wird der Bescheinigung gemäß Artikel 41 Absatz 1 eine Übersetzung der Nummer 12 betreffend die Modalitäten der Ausübung des Umgangsrechts beigefügt; - wird der Bescheinigung gemäß Artikel 42 Absatz 1 eine Übersetzung der Nummer 14 betreffend die Einzelheiten der Maßnahmen, die ergriffen wurden, um die Rückgabe des Kindes sicherzustellen, beigefügt. Die Übersetzung erfolgt in die oder in eine der Amtssprachen des Vollstreckungsmitgliedstaats oder in eine andere von ihm ausdrücklich zugelassene Sprache. Die Übersetzung ist von einer hierzu in einem der Mitgliedstaaten befugten Person zu beglaubigen. ABSCHNITT 5 Öffentliche Urkunden und Vereinbarungen Artikel 46 Öffentliche Urkunden, die in einem Mitgliedstaat aufgenommen und vollstreckbar sind, sowie Vereinbarungen zwischen den Parteien, die in dem Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sind, werden unter denselben Bedingungen wie Entscheidungen anerkannt und für vollstreckbar erklärt.

ABSCHNITT 6 Sonstige Bestimmungen Artikel 47 Vollstreckungsverfahren (1) Für das Vollstreckungsverfahren ist das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats maßgebend. (2) Die Vollstreckung einer von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats erlassenen Entscheidung, die gemäß Abschnitt 2 für vollstreckbar erklärt wurde oder für die eine Bescheinigung nach Artikel 41 Absatz 1 oder Artikel 42 Absatz 1 ausgestellt wurde, erfolgt im Vollstreckungsmitgliedstaat unter denselben Bedingungen, die für in diesem Mitgliedstaat ergangene Entscheidungen gelten. Insbesondere darf eine Entscheidung, für die eine Bescheinigung nach Artikel 41 Absatz 1 oder Artikel 42 Absatz 1 ausgestellt wurde, nicht vollstreckt werden, wenn sie mit einer später ergangenen vollstreckbaren Entscheidung unvereinbar ist.

Artikel 48 Praktische Modalitäten der Ausübung des Umgangsrechts (1) Die Gerichte des Vollstreckungsmitgliedstaats können die praktischen Modalitäten der Ausübung des Umgangsrechts regeln, wenn die notwendigen Vorkehrungen nicht oder nicht in ausreichendem Maße bereits in der Entscheidung der für die 274

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Entscheidung der in der Hauptsache zuständigen Gerichte des Mitgliedstaats getroffen wurden und sofern der Wesensgehalt der Entscheidung unberührt bleibt. (2) Die nach Absatz 1 festgelegten praktischen Modalitäten treten außer Kraft, nachdem die für die Entscheidung in der Hauptsache zuständigen Gerichte des Mitgliedstaats eine Entscheidung erlassen haben. Artikel 49 Kosten Die Bestimmungen dieses Kapitels mit Ausnahme der Bestimmungen des Abschnitts 4 gelten auch für die Festsetzung der Kosten für die nach dieser Verordnung eingeleiteten Verfahren und die Vollstreckung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses. Artikel 50 Prozesskostenhilfe Wurde dem Antragsteller im Ursprungsmitgliedstaat ganz oder teilweise Prozesskostenhilfe oder Kostenbefreiung gewährt, so genießt er in dem Verfahren nach den Artikeln 21, 28, 41, 4 2 und 48 hinsichtlich der Prozesskostenhilfe oder der Kostenbefreiung die günstigste Behandlung, die das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats vorsieht. Artikel 51 Sicherheitsleistung, Hinterlegung Der Partei, die in einem Mitgliedstaat die Vollstreckung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung beantragt, darf eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung, unter welcher Bezeichnung es auch sei, nicht aus einem der folgenden Gründe auferlegt werden: a) weil sie in dem Mitgliedstaat, in dem die Vollstreckung erwirkt werden soll, nicht ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder b) weil sie nicht die Staatsangehörigkeit dieses Staates besitzt oder, wenn die Vollstreckung im Vereinigten Königreich oder in Irland erwirkt werden soll, ihr „domicile" nicht in einem dieser Mitgliedstaaten hat. Artikel 52 Legalisation oder ähnliche Förmlichkeit Die in den Artikeln 37, 38 und 4 5 aufgeführten Urkunden sowie die Urkunde über die Prozessvollmacht, falls eine solche erteilt wird, bedürfen weder der Legalisation noch einer ähnlichen Förmlichkeit. Rolf A. Schütze

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KAPITEL IV

ZUSAMMENARBEIT ZWISCHEN DEN ZENTRALEN BEHÖRDEN BEI VERFAHREN BETREFFEND DIE ELTERLICHE VERANTWORTUNG Artikel 53 Bestimmung der Zentralen Behörden Jeder Mitgliedstaat bestimmt eine oder mehrere Zentrale Behörden, die ihn bei der Anwendung dieser Verordnung unterstützen, und legt ihre räumliche oder sachliche Zuständigkeit fest. Hat ein Mitgliedstaat mehrere Zentrale Behörden bestimmt, so sind die Mitteilungen grundsätzlich direkt an die zuständige Zentrale Behörde zu richten. Wurde eine Mitteilung an eine nicht zuständige Zentrale Behörde gerichtet, so hat diese die Mitteilung an die zuständige Zentrale Behörde weiterzuleiten und den Absender davon in Kenntnis zu setzen.

Artikel 54 Allgemeine Aufgaben Die Zentralen Behörden stellen Informationen über nationale Rechtsvorschriften und Verfahren zur Verfügung und ergeifen Maßnahmen, um die Durchführung dieser Verordnung zu verbessern und die Zusammenarbeit untereinander zu stärken. Hierzu wird das mit der Entscheidung 2001/470/EG eingerichtete Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen genutzt.

Artikel 55 Zusammenarbeit in Fällen, die speziell die elterliche Verantwortung betreffen Die Zentralen Behörden arbeiten in bestimmten Fällen auf Antrag der Zentralen Behörde eines anderen Mitgliedstaats oder des Trägers der elterlichen Verantwortung zusammen, um die Ziele dieser Verordnung zu verwirklichen. Hierzu treffen sie folgende Maßnahmen im Einklang mit den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats, die den Schutz personenbezogener Daten regeln, direkt oder durch Einschaltung anderer Behörden oder Einrichtungen: a) Sie holen Informationen ein und tauschen sie aus über i) die Situation des Kindes, ii) laufende Verfahren oder iii) das Kind betreffende Entscheidungen. b) Sie informieren und unterstützen die Träger der elterlichen Verantwortung, die die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung, insbesondere über das Umgangsrecht und die Rückgabe des Kindes, in ihrem Gebiet erwirken wollen. c) Sie erleichtern die Verständigung zwischen den Gerichten, insbesondere zur Anwendung des Artikels 11 Absätze 6 und 7 und des Artikels 15. 276

Rolf A. Schütze

VO über die gerichtliche Zuständigkeit in Ehesachen (Brüssel IIa)

d) Sie stellen alle Informationen und Hilfen zur Verfügung, die für die Gerichte für die Anwendung des Artikels 56 von Nutzen sind. e) Sie erleichtern eine gütliche Einigung zwischen den Trägern der elterlichen Verantwortung durch Mediation oder auf ähnlichem Wege und fördern hierzu die grenzüberschreitende Zusammenarbeit.

Artikel 56 Unterbringung des Kindes in einem anderen Mitgliedstaat (1) Erwägt das nach den Artikeln 8 bis 15 zuständige Gericht die Unterbringung des Kindes in einem Heim oder in einer Pflegefamilie und soll das Kind in einem anderen Mitgliedstaat untergebracht werden, so zieht das Gericht vorher die Zentrale Behörde oder eine andere zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats zurate, sofern in diesem Mitgliedstaat für die innerstaatlichen Fälle der Unterbringung von Kindern die Einschaltung einer Behörde vorgesehen ist. (2) Die Entscheidung über die Unterbringung nach Absatz 1 kann im ersuchenden Mitgliedstaat nur getroffen werden, wenn die zuständige Behörde des ersuchten Staates dieser Unterbringung zugestimmt hat. (3) Für die Einzelheiten der Konsultation bzw. der Zustimmung nach den Absätzen 1 und 2 gelten das nationale Recht des ersuchten Staates. (4) Beschließt das nach den Artikeln 8 bis 15 zuständige Gericht die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie und soll das Kind in einem anderen Mitgliedstaat untergebracht werden und ist in diesem Mitgliedstaat für die innerstaatlichen Fälle der Unterbringung von Kindern die Einschaltung einer Behörde nicht vorgesehen, so setzt das Gericht die Zentrale Behörde oder eine zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats davon in Kenntnis.

Artikel 5 7 Arbeitsweise (1) Jeder Träger der elterlichen Verantwortung kann bei der Zentralen Behörde des Mitgliedstaats, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder bei der Zentralen Behörde des Mitgliedstaats, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder in dem es sich befindet, einen Antrag auf Unterstützung gemäß Artikel 55 stellen. Dem Antrag werden grundsätzlich alle verfügbaren Informationen beigefügt, die die Ausführung des Antrags erleichtern können. Betrifft dieser Antrag die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung über die elterliche Verantwortung, die in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt, so muss der Träger der elterlichen Verantwortung dem Antrag die betreffenden Bescheinigungen nach Artikel 39, Artikel 41 Absatz 1 oder Artikel 4 2 Absatz 1 beifügen. (2) Jeder Mitgliedstaat teilt der Kommission die Amtssprache(n) der Organe der Gemeinschaft mit, die er außer seiner/seinen eigenen Sprache(n) für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zulässt. (3) Die Unterstützung der Zentralen Behörden gemäß Artikel 55 erfolgt unentgeltlich. (4) Jede Zentrale Behörde trägt ihre eigenen Kosten. Rolf A. Schütze

277

Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

Artikel 58

Zusammenkünfte (1) Zur leichteren Anwendung dieser Verordnung werden regelmäßig Zusammenkünfte der Zentralen Behörden einberufen. (2) Die Einberufung dieser Zusammenkünfte erfolgt im Einklang mit der Entscheidung 2001/470/EG über die Einrichtung eines Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen.

KAPITEL V

VERHÄLTNIS ZU ANDEREN RECHTSINSTRUMENTEN Artikel 59

Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten (1) Unbeschadet der Artikel 60, 61, 62 und des Absatzes 2 des vorliegenden Artikels ersetzt diese Verordnung die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung bestehenden, zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten geschlossenen Übereinkünfte, die in dieser Verordnung geregelte Bereiche betreffen. (2) a) Finnland und Schweden können erklären, dass das Übereinkommen vom 6. Februar 1931 zwischen Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden mit Bestimmungen des internationalen Verfahrensrechts über Ehe, Adoption und Vormundschaft einschließlich des Schlussprotokolls anstelle dieser Verordnung ganz oder teilweise auf ihre gegenseitigen Beziehungen anwendbar ist. Diese Erklärungen werden dieser Verordnung als Anhang beigefügt und im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Die betreffenden Mitgliedstaaten können ihre Erklärung jederzeit ganz oder teilweise widerrufen. b) Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung von Bürgern der Union aus Gründen der Staatsangehörigkeit wird eingehalten. c) Die Zuständigkeitskriterien in künftigen Übereinkünften zwischen den in Buchstabe a) genannten Mitgliedstaaten, die in dieser Verordnung geregelte Bereiche betreffen, müssen mit den Kriterien dieser Verordnung im Einklang stehen. d) Entscheidungen, die in einem der nordischen Staaten, der eine Erklärung nach Buchstabe a) abgegeben hat, aufgrund eines Zuständigkeitskriteriums erlassen werden, das einem der in Kapitel II vorgesehenen Zuständigkeitskriterien entspricht, werden in den anderen Mitgliedstaaten gemäß den Bestimmungen des Kapitels III anerkannt und vollstreckt. (3) Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission a) eine Abschrift der Übereinkünfte sowie der einheitlichen Gesetze zur Durchführung dieser Übereinkünfte gemäß Absatz 2 Buchstaben a) und c), b) jede Kündigung oder Änderung dieser Übereinkünfte oder dieser einheitlichen Gesetze.

278

Rolf A. Schütze

VO über die gerichtliche Zuständigkeit in Ehesachen (Brüssel IIa)

Artikel 6 0 Verhältnis zu bestimmten multilateralen Übereinkommen Im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten hat diese Verordnung vor den nachstehenden Übereinkommen insoweit Vorrang, als diese Bereiche betreffen, die in dieser Verordnung geregelt sind: a) Haager Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen, b) Luxemburger Übereinkommen vom 8. September 1 9 6 7 über die Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen, c) Haager Übereinkommen vom 1. Juni 1970 über die Anerkennung von Ehescheidungen und der Trennung von Tisch und Bett, d) Europäisches Übereinkommen vom 2 0 . Mai 1 9 8 0 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses und e) Haager Übereinkommen vom 2 5 . Oktober 1 9 8 0 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung. Artikel 61 Verhältnis zum Haager Übereinkommen vom 19. Oktober 1 9 9 6 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern Im Verhältnis zum Haager Übereinkommen vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern ist diese Verordnung anwendbar, a) wenn das betreffende Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat; b) in Fragen der Anerkennung und der Vollstreckung einer von dem zuständigen Gericht eines Mitgliedstaats ergangenen Entscheidung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats, auch wenn das betreffende Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Drittstaats hat, der Vertragspartei des genannten Übereinkommens ist. Artikel 6 2 Fortbestand der Wirksamkeit (1) Die in Artikel 5 9 Absatz 1 und den Artikeln 6 0 und 61 genannten Übereinkünfte behalten ihre Wirksamkeit für die Rechtsgebiete, die durch diese Verordnung nicht geregelt werden. (2) Die in Artikel 6 0 genannten Übereinkommen, insbesondere das Haager Übereinkommen von 1980, behalten vorbehaltlich des Artikels 6 0 ihre Wirksamkeit zwischen den ihnen angehörenden Mitgliedstaaten. Rolf A. Schütze

279

Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

Artikel 63 Verträge mit dem Heiligen Stuhl (1) Diese Verordnung gilt unbeschadet des am 7. Mai 1940 in der Vatikanstadt zwischen dem Heiligen Stuhl und Portugal unterzeichneten Internationalen Vertrags (Konkordat). (2) Eine Entscheidung über die Ungültigkeit der Ehe gemäß dem in Absatz 1 genannten Vertrag wird in den Mitgliedstaaten unter den in Kapitel III Abschnitt 1 vorgesehenen Bedingungen anerkannt. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für folgende internationalen Verträge (Konkordate) mit dem Heiligen Stuhl: a) Lateranvertrag vom 11. Februar 1929 zwischen Italien und dem Heiligen Stuhl, geändert durch die am 18. Februar 1984 in Rom unterzeichnete Vereinbarung mit Zusatzprotokoll, b) Vereinbarung vom 3. Januar 1979 über Rechtsangelegenheiten zwischen dem Heiligen Stuhl und Spanien. (4) Für die Anerkennung der Entscheidungen im Sinne des Absatzes 2 können in Italien oder Spanien dieselben Verfahren und Nachprüfungen vorgegeben werden, die auch für Entscheidungen der Kirchengerichte gemäß den in Absatz 3 genannten internationalen Verträgen mit dem Heiligen Stuhl gelten. (5) Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission a) eine Abschrift der in den Absätzen 1 und 3 genannten Verträge, b) jede Kündigung oder Änderung dieser Verträge. KAPITEL VI ÜBERGANGSVORSCHRIFTEN Artikel 64 (1) Diese Verordnung gilt nur für gerichtliche Verfahren, öffentliche Urkunden und Vereinbarungen zwischen den Parteien, die nach Beginn der Anwendung dieser Verordnung gemäß Artikel 72 eingeleitet, aufgenommen oder getroffen wurden. (2) Entscheidungen, die nach Beginn der Anwendung dieser Verordnung in Verfahren ergangen sind, die vor Beginn der Anwendung dieser Verordnung, aber nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 eingeleitet wurden, werden nach Maßgabe des Kapitels III der vorliegenden Verordnung anerkannt und vollstreckt, sofern das Gericht aufgrund von Vorschriften zuständig war, die mit den Zuständigkeitsvorschriften des Kapitels II der vorliegenden Verordnung oder der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 oder eines Abkommens übereinstimmen, das zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens zwischen dem Ursprungsmitgliedstaat und dem ersuchten Mitgliedstaat in Kraft war. (3) Entscheidungen, die vor Beginn der Anwendung dieser Verordnung in Verfahren ergangen sind, die nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 eingeleitet wurden, werden nach Maßgabe des Kapitels III der vorliegenden Verordnung anerkannt und vollstreckt, sofern sie eine Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe oder eine aus Anlass eines solchen Verfahrens in Ehesachen ergangene Entscheidung über die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder zum Gegenstand haben. 280

Rolf A. Schütze

V O über die gerichtliche Zuständigkeit in Ehesachen (Brüssel IIa)

(4) Entscheidungen, die vor Beginn der Anwendung dieser Verordnung, aber nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 in Verfahren ergangen sind, die vor Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 eingeleitet wurden, werden nach M a ß g a b e des Kapitels III der vorliegenden Verordnung anerkannt und vollstreckt, sofern sie eine Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe oder eine aus Anlass eines solchen Verfahrens in Ehesachen ergangene Entscheidung über die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder zum Gegenstand haben und Zuständigkeitsvorschriften angewandt wurden, die mit denen des Kapitels II der vorliegenden Verordnung oder der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 oder eines Abkommens übereinstimmen, das zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens zwischen dem Ursprungsmitgliedstaat und dem ersuchten Mitgliedstaat in Kraft war.

K A P I T E L VII

SCHLUSSBESTIMMUNGEN Artikel 65

Überprüfung Die Kommission unterbreitet dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss spätestens am 1. Januar 2 0 1 2 und anschließend alle fünf Jahre auf der Grundlage der von den Mitgliedstaaten vorgelegten Informationen einen Bericht über die Anwendung dieser Verordnung, dem sie gegebenenfalls Vorschläge zu deren Anpassung beifügt.

Artikel 6 6

Mitgliedstaaten mit zwei oder mehr Rechtssystemen Für einen Mitgliedstaat, in dem die in dieser Verordnung behandelten Fragen in verschiedenen Gebietseinheiten durch zwei oder mehr Rechtssysteme oder Regelwerke geregelt werden, gilt Folgendes: a) Jede Bezugnahme auf den gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat betrifft den gewöhnlichen Aufenthalt in einer Gebietseinheit. b) Jede Bezugnahme auf die Staatsangehörigkeit oder, im Fall des Vereinigten Königreichs, auf das „domicile" betrifft die durch die Rechtsvorschriften dieses Staates bezeichnete Gebietseinheit. c) Jede Bezugnahme auf die Behörde eines Mitgliedstaats betrifft die zuständige Behörde der Gebietseinheit innerhalb dieses Staates. d) Jede Bezugnahme auf die Vorschriften des ersuchten Mitgliedstaats betrifft die Vorschriften der Gebietseinheit, in der die Zuständigkeit geltend gemacht oder die Anerkennung oder Vollstreckung beantragt wird.

R o l f A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

Artikel 67 Angaben zu den Zentralen Behörden und zugelassenen Sprachen Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission binnen drei Monaten nach Inkrafttreten dieser Verordnung Folgendes mit: a) die Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie die technischen Kommunikationsmittel, b) die Sprachen, die gemäß Artikel 57 Absatz 2 für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zugelassen sind, und c) die Sprachen, die gemäß Artikel 45 Absatz 2 für die Bescheinigung über das Umgangsrecht zugelassen sind. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission jede Änderung dieser Angaben mit. Die Angaben werden von der Kommission veröffentlicht.

Artikel 68 Angaben zu den Gerichten und den Rechtsbehelfen Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die in den Artikeln 21, 29, 33 und 34 genannten Listen mit den zuständigen Gerichten und den Rechtsbehelfen sowie die Änderungen dieser Listen mit. Die Kommission aktualisiert diese Angaben und gibt sie durch Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union und auf andere geeignete Weise bekannt.

Artikel 69 Änderungen der Anhänge Änderungen der in den Anhängen I bis IV wiedergegebenen Formblätter werden nach dem in Artikel 70 Absatz 2 genannten Verfahren beschlossen.

Artikel 70 Ausschuss (1) Die Kommission wird von einem Ausschuss (nachstehend „Ausschuss" genannt) unterstützt. (2) Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gelten die Artikel 3 und 7 des Beschlusses 1999/468/EG. (3) Der Ausschuss gibt sich eine Geschäftsordnung.

282

Rolf A. Schütze

VO über die gerichtliche Zuständigkeit in Ehesachen (Brüssel IIa)

Artikel 71 Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (1) Die Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 wird mit Beginn der Geltung dieser Verordnung aufgehoben. (2) Jede Bezugnahme auf die Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 gilt als Bezugnahme auf diese Verordnung nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang VI.

Artikel 72 In-Kraft-Treten Diese Verordnung tritt am 1. August 2 0 0 4 in Kraft. Sie gilt ab 1. März 2 0 0 5 mit Ausnahme der Artikel 67, 68, 69 und 70, die ab dem 1. August 2 0 0 4 gelten. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft unmittelbar in den Mitgliedstaaten.

Rolf A. Schütze

283

Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

ANHANG I

BESCHEINIGUNG GEMÄSS ARTIKEL 39 ÜBER ENTSCHEIDUNGEN IN EHESACHEN 1. Ursprungsmitgliedstaat 2. Ausstellendes Gericht oder ausstellende Behörde 2.1. Bezeichnung 2.2. Anschrift 2.3. Telefon/Fax/E-Mail 3. Angaben zur Ehe 3.1. Ehefrau 3.1.1. Name, Vornamen 3.1.2. Anschrift 3.1.3. Staat und Ort der Geburt 3.1.4. Geburtsdatum 3.2. Ehemann 3.2.1. Name, Vornamen 3.2.2. Anschrift 3.2.3. Staat und Ort der Geburt 3.2.4. Geburtsdatum 3.3. Staat, 3.3.1. 3.3.2. 3.3.3.

Ort (soweit bekannt) und Datum der Eheschließung Staat der Eheschließung Ort der Eheschließung (soweit bekannt) Datum der Eheschließung

4. Gericht, das die Entscheidung erlassen hat 4.1. Bezeichnung des Gerichts 4.2. Gerichtsort 5. Entscheidung 5.1. Datum 5.2. Aktenzeichen 5.3. Art der Entscheidung 5.3.1. Scheidung 5.3.2. Ungültigerklärung der Ehe 5.3.3. Trennung ohne Auflösung des Ehebandes 5.4. Erging die Entscheidung im Versäumnisverfahren? 5.4.1. Nein 5.4.2. Ja 6. Namen der Parteien, denen Prozesskostenhilfe gewährt wurde 7. Können gegen die Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats weitere Rechtsbehelfe eingelegt werden? 7.1. Nein 7.2. Ja 8. Datum der Rechtswirksamkeit in dem Mitgliedstaat, in dem die Entscheidung erging 8.1. Scheidung 8.2. Trennung ohne Auflösung des Ehebandes Geschehen zu

am

Unterschrift und/oder Dienstsiegel 284

Rolf A. Schütze

VO über die gerichtliche Zuständigkeit in Ehesachen (Brüssel IIa). Anhang

ANHANG II

BESCHEINIGUNG GEMÄSS ARTIKEL 39 ÜBER ENTSCHEIDUNGEN ÜBER DIE ELTERLICHE VERANTWORTUNG 1. Ursprungsmitgliedstaat 2. Ausstellendes Gericht oder ausstellende Behörde 2.1. Bezeichnung 2.2. Anschrift 2.3. Telefon/Fax/E-Mail 3. Träger eines Umgangsrechts 3.1. N a m e , Vornamen 3.2. Anschrift 3.3. Geburtsdatum und -ort (soweit bekannt) 4 . Träger der elterlichen Verantwortung, die nicht in N u m m e r 3 genannt sind 4.1.

4.2.

4.3.

4.1.1. N a m e , Vornamen 4.1.2. Anschrift 4.1.3. Geburtsdatum und -ort (soweit bekannt) 4.2.1. N a m e , Vornamen 4.2.2. Anschrift 4.2.3. Geburtsdatum und -ort (soweit bekannt) 4.3.1. N a m e , Vornamen 4.3.2. Anschrift 4.3.3. Geburtsdatum und -ort (soweit bekannt)

5. Gericht, das die Entscheidung erlassen hat 5.1. Bezeichnung des Gerichts 5.2. Gerichtsort 6. Entscheidung 6.1. Datum 6.2. Aktenzeichen 6.3. Erging die Entscheidung im Versäumnis verfahren? 6.3.1. Nein 6.3.2. J a 7. Kinder, für die die Entscheidung gilt 7.1. N a m e , Vornamen und Geburtsdatum 7.2. N a m e , Vornamen und Geburtsdatum 7.3. N a m e , Vornamen und Geburtsdatum 7.4. N a m e , Vornamen und Geburtsdatum 8. N a m e n der Parteien, denen Prozesskostenhilfe gewährt wurde 9. Bescheinigung über die Vollstreckbarkeit und Zustellung 9.1. Ist die Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats vollstreckbar? 9.1.1. J a 9.1.2. Nein Rolf A. Schütze

285

Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen 9.2. Ist die Entscheidung der Partei, gegen die vollstreckt werden soll, zugestellt worden? 9.2.1. Ja 9.2.1.1. Name, Vornamen der Partei 9.2.1.2. Anschrift 9.2.1.3. Datum der Zustellung 9.2.2. Nein 10. Besondere Angaben zu Entscheidungen über das Umgangsrecht, wenn die Vollstreckbarkeitserklärung gemäß Artikel 28 beantragt wird. Diese Möglichkeit ist in Artikel 40 Absatz 2 vorgesehen: 10.1. Modalitäten der Ausübung des Umgangsrechts (soweit in der Entscheidung angegeben) 10.1.1. Datum, Uhrzeit 10.1.1.1. Beginn 10.1.1.2. Ende 10.1.2. Ort 10.1.3. Besondere Pflichten des Trägers der elterlichen Verantwortung 10.1.4. Besondere Pflichten des Umgangsberechtigten 10.1.5. Etwaige Beschränkungen des Umgangsrechts 11. Besondere Angaben zu Entscheidungen über die Rückgabe von Kindern, wenn die Vollstreckbarkeitserklärung gemäß Artikel 28 beantragt wird. Diese Möglichkeit ist in Artikel 40 Absatz 2 vorgesehen: 11.1. In der Entscheidung wird die Rückgabe der Kinder angeordnet. 11.2. Rückgabeberechtigter (soweit in der Entscheidung angegeben) 11.2.1. Name, Vornamen 11.2.2. Anschrift Geschehen zu

am

Unterschrift und/oder Dienstsiegel

286

Rolf A. Schütze

VO über die gerichtliche Zuständigkeit in Ehesachen (Brüssel IIa). Anhang

A N H A N G III

BESCHEINIGUNG GEMÄSS ARTIKEL 41 ABSATZ 1 ÜBER ENTSCHEIDUNGEN ÜBER DAS UMGANGSRECHT 1. Ursprungsmitgliedstaat 2. Ausstellendes Gericht bzw. ausstellende Behörde 2.1. Bezeichnung 2.2. Anschrift 2.3. Telefon/Fax/E-Mail 3. Träger eines Umgangsrechts 3.1. Name, Vornamen 3.2. Anschrift 3.3. Geburtsdatum und -ort (soweit vorhanden) 4. Träger der elterlichen Verantwortung, die nicht in Nummer 3 genannt sind 4.1. 4.1.1. Name, Vornamen 4.1.2. Anschrift 4.1.3. Geburtsdatum und -ort (soweit bekannt) 4.2. 4.2.1. Name, Vornamen 4.2.2. Anschrift 4.2.3. Geburtsdatum und -ort (soweit bekannt) 4.3. Andere 4.3.1. Name, Vornamen 4.3.2. Anschrift 4.3.3. Geburtsdatum und -ort (soweit bekannt) 5. Gericht, das die Entscheidung erlassen hat 5.1. Bezeichnung des Gerichts 5.2. Gerichtsort 6. Entscheidung 6.1. Datum 6.2. Aktenzeichen 7. Kinder, für die die Entscheidung gilt 7.1. Name, Vornamen und Geburtsdatum 7.2. Name, Vornamen und Geburtsdatum 7.3. Name, Vornamen und Geburtsdatum 7.4. Name, Vornamen und Geburtsdatum 8. Ist die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar? 8.1. Ja 8.2. Nein 9. Im Fall des Versäumnisverfahrens wurde das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück der säumigen Person so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt, dass sie sich verteidigen konnte, oder, falls es nicht unter Einhaltung dieser Bedingungen zugestellt wurde, wurde festgestellt, dass sie mit der Entscheidung eindeutig einverstanden ist. Rolf A. Schütze

287

Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen 10. Alle betroffenen Parteien hatten Gelegenheit, gehört zu werden. 11. Die Kinder hatten die Möglichkeit, gehört zu werden, sofern eine Anhörung nicht aufgrund ihres Alters oder ihres Reifegrads unangebracht erschien. 12. Modalitäten der Ausübung des Umgangsrechts (soweit in der Entscheidung angegeben) 12.1. Datum, Uhrzeit 12.1.1. Beginn 12.1.2. Ende 12.2. Ort 12.3. Besondere Pflichten des Trägers der elterlichen Verantwortung 12.4. Besondere Pflichten des Umgangsberechtigten 12.5. Etwaige Beschränkungen des Umgangsrechts 13. Namen der Parteien, denen Prozesskostenhilfe gewährt wurde Geschehen zu

am

Unterschrift und/oder Dienstsiegel

288

Rolf A. Schütze

VO über die gerichtliche Zuständigkeit in Ehesachen (Brüssel IIa). Anhang

ANHANG IV

BESCHEINIGUNG GEMÄSS ARTIKEL 42 ABSATZ 1 ÜBER ENTSCHEIDUNGEN ÜBER DIE RÜCKGABE DES KINDES 1. Ursprungsmitgliedstaat 2. Ausstellendes Gericht oder ausstellende Behörde 2.1. Bezeichnung 2.2. Anschrift 2.3. Telefon/Fax/E-Mail 3. Rückgabeberechtigter (soweit in der Entscheidung angegeben) 3.1. Name, Vornamen 3.2. Anschrift 3.3. Geburtsdatum und -ort (soweit bekannt) 4. Träger der elterlichen Verantwortung 4.1. Mutter 4.1.1. Name, Vornamen 4.1.2. Anschrift 4.1.3. Geburtsdatum und -ort (soweit bekannt) 4.2. Vater 4.2.1. Name, Vornamen 4.2.2. Anschrift 4.2.3. Geburtsdatum und -ort (soweit bekannt) 4.3. Andere 4.3.1. Name, Vornamen 4.3.2. Anschrift (soweit bekannt) 4.3.3. Geburtsdatum und -ort (soweit bekannt) 5. Beklagte Partei (soweit bekannt) 5.1. Name, Vornamen 5.2. Anschrift (soweit bekannt) 6. Gericht, das die Entscheidung erlassen hat 6.1. Bezeichnung des Gerichts 6.2. Gerichtsort 7. Entscheidung 7.1. Datum 7.2. Aktenzeichen 8. Kinder, für die die Entscheidung gilt 8.1. Name, Vornamen und Geburtsdatum 8.2. Name, Vornamen und Geburtsdatum 8.3. Name, Vornamen und Geburtsdatum 8.4. Name, Vornamen und Geburtsdatum 9. In der Entscheidung wird die Rückgabe des Kindes angeordnet. 10. Ist die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar? 10.1. Ja 10.2. Nein Rolf A. Schütze

289

Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen 11. Die Kinder hatten die Möglichkeit, gehört zu werden, sofern eine Anhörung nicht aufgrund ihres Alters oder ihres Reifegrads unangebracht erschien. 12. Die Parteien hatten die Möglichkeit, gehört zu werden. 13. In der Entscheidung wird die Rückgabe der Kinder angeordnet, und das Gericht hat in seinem Urteil die Gründe und Beweismittel berücksichtigt, auf die sich die nach Artikel 13 des Haager Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung ergangene Entscheidung stützt. 14. Gegebenenfalls die Einzelheiten der Maßnahmen, die von Gerichten oder Behörden ergriffen wurden, um den Schutz des Kindes nach seiner Rückkehr in den Mitgliedstaat seines gewöhnlichen Aufenthalts sicherzustellen 15. Namen der Parteien, denen Prozesskostenhilfe gewährt wurde Geschehen zu

am

Unterschrift und/oder Dienstsiegel

290

Rolf A. Schütze

VO über die gerichtliche Zuständigkeit in Ehesachen (Brüssel IIa). Anhang ANHANG V

ENTSPRECHUNGSTABELLE ZUR VERORDNUNG (EG) Nr. 1347/2000 Aufgehobene Artikel

Entsprechende Artikel des neuen Textes

Aufgehobene Artikel

Entsprechende Artikel des neuen Textes

1

1,2

25

32

2

3

26

33

3

12

27

3

28

35

29

36

4 5

4

6

5

30

50

7

6

31

51

8

7

32

37

9

17

33

39

10

18

34

38

11

16, 19

35

52

12

20

36

59

13

2, 49, 46

37

60, 61

14

21

38

62

15

22, 23

39 40

63

17

16 24

41

66

18

25

42

64

19

26

43

65

20

27

44

68, 69

21

28

45

70

22

21,29

46

72

23

30

Anhang I

68

24

31

Abhang II

68

Anhang III

68

Anhang IV

Anhang I

Anhang V

Anhang II

Rolf A. Schütze

291

Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

ANHANG VI Erklärungen Schwedens und Finnlands nach Artikel 5 9 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung des Rates über die Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000. Erklärung Schwedens Gemäß Artikel 59 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung des Rates über die Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1347/ 2 0 0 0 erklärt Schweden, dass das Ubereinkommen vom 6. Februar 1931 zwischen Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden mit Bestimmungen des internationalen Verfahrensrechts über Ehe, Adoption und Vormundschaft einschließlich des Schlussprotokolls anstelle dieser Verordnung ganz auf die Beziehungen zwischen Schweden und Finnland anwendbar ist. Erklärung Finnlands Gemäß Artikel 59 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung des Rates über die Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1347/ 2 0 0 0 erklärt Finnland, dass das Übereinkommen vom 6. Februar 1931 zwischen Finnland, Dänemark, Island, Norwegen und Schweden mit Bestimmungen des internationalen Verfahrensrechts über Ehe, Adoption und Vormundschaft einschließlich des Schlussprotokolls anstelle dieser Verordnung in den gegenseitigen Beziehungen zwischen Finnland und Schweden in vollem U m f a n g zur Anwendung kommt.

292

Rolf A. Schütze

VO zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels

2. a. dd) VO (EG) Nr. 8 0 5 / 2 0 0 4 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (ABl. 2 0 0 4 L 1 4 3 , 15 ff.) Vorbemerkung: Durch die Verordnung sollte für einen wirtschaftlich bedeutsamen Teil der gerichtlichen Durchsetzung von Geldforderungen ein einheitlicher im gesamten europäischen Justizraum ohne Exequaturverfahren durchsetzbarer Titel geschaffen werden. Das wäre in der Tat ein großer Fortschritt gewesen. Leider haben die europäischen Verbraucherschützer in ihrer ideologischen Verbohrtheit in letzter M i n u t e durchgesetzt, dass der europäische Vollstreckungstitel nur gegen Verbraucher mit Wohnsitz im Erststaat zulässig ist. D a die weitaus überwiegende Z a h l der unbestrittenen Forderungen solche gegen Verbraucher sind, ist die Bedeutung der Verordnung auf ein M i n i m u m geschrumpft. Sie ist nicht mehr als ein Potemkinsches D o r f . Die Ausführung der Verordnung in Deutschland ist durch §§ 1 0 7 9 - 1 0 8 6 Z P O geregelt. Vgl. für ein Formular für die Bestätigung eines europäischen Vollstreckungstitels Schütze, Internationales Zivilprozessrecht, in: Beck'sches Prozessformularbuch, 10. Aufl., 2 0 0 6 , 1 . T . 7 . Geltungsbereich: Alle EU-Staaten (außer D ä n e m a r k ) Literatur: Coester-Waltfen Einige Überlegungen zu einem künftigen europäischen Vollstreckungstitel, FS Beys, 2003, S. 183 ff.; dies. Der neue europäische Vollstreckungstitel, JURA 2005, 394 ff.; Franzmann Die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 - notarielle Urkunden europaweit vollstreckbar, MittBayNot 2004, 4 0 4 ff.; Geimer Verbesserung der Rechtsverfolgung über die Grenze in der Europäischen Union. Einige Bemerkungen zum Europäischen Vollstreckungstitel, FS Vollkommer, 2006, S. 385 ff.; Gerling Die Gleichstellung ausländischer mit inländischen Vollstreckungstiteln durch die Verordnung zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen: Im Vergleich zum bisherigen Recht und zur Rechtslage in den USA, 2006; Hess Die Integrationsfunktion des europäischen Zivilverfahrensrechts, IPRax 2001, 389 ff.; ders. Europäischer Vollstreckungstitel und Vollstreckungsgegenklage, IPRax 2004, 493 ff.; Hök Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, ZAP 2005, 1099 ff.; Hüßstege Braucht die Verordnung über den europäischen Vollstreckungstitel eine ordre-public-Klausel?, FS Jayme, 2004, S. 371 ff.; ders. Der europäische Vollstreckungstitel, in: Gottwald (Herausg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in der Europäischen Union, 2004, S. 113 ff.; Klippstein Verordnung über den Europäischen Vollstreckungstitel (EuTVO), in: Gebauer/Wiedmann (Herausg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, S. 1537 ff.; Kohler Von der E u G W O zum Europäischen Vollstreckungstitel - Entwicklungen und Tendenzen im Recht der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen, in: Reichelt/Rechberger (Herausg.), Europäisches Kollisionsrecht, 2004, S. 63 ff.; Leible/Lehmann Die Verordnung über den Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen und ihre Auswirkungen auf die notarielle Praxis, NotBZ 2004, 453 ff.; Münch Die vollstreckbare Notariatsurkunde im Anwendungsbereich der VO (EG) Nr. 805/2004, FS Rechberger 2005, S. 395 ff.; Rauscher Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, 2004; ders. Verordnung (EG) Nr. 805/2004, in: Rauscher (Herausg.), Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., 2006, S. 1197 ff.; Rech berger/Frauenberger-Pfeiler Der Europäische Vollstreckungstitel - Eine Annäherung, FS Fischer, 2 0 0 4 , Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen S. 399ff.; Rellermeyer Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, RPfleger 2005, 389 ff.; Riedel Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, 2 0 0 5 ; Stadler Kritische Anmerkungen zum Europäischen Vollstreckungstitel, RIW 2 0 0 4 , 801 ff.; dies. Das europäische Zivilprozessrecht - Wie viel Beschleunigung verträgt Europa?, IPRax 2 0 0 4 , 2 ff.; Stein Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen tritt in Kraft - Aufruf zu einer nüchternen Betrachtung, IPRax 2 0 0 4 , 181 ff.; ders. Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen - Einstieg in den Ausstieg aus dem Exequaturverfahren bei Auslandsvollstreckung, E u Z W 2 0 0 4 , 6 7 9 ; Wagner Vom Brüsseler Ubereinkommen über die Brüssel-I-Verordnung zum Europäischen Vollstreckungstitel, IPRax 2 0 0 2 , 75 ff.; ders. Die neue EG-Verordnung zum Europäischen Vollstreckungstitel, IPRax 2 0 0 5 , 189 ff.; ders. Der neue europäische Vollstreckungstitel, NJW 2 0 0 5 , 1157 ff.; Yessiou-Faltsi Die Folgen des Europäischen Vollstreckungstitels für das Vollstreckungsrecht in Europa, in: Gottwald (Herausg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union, 2 0 0 4 , S. 213 ff.

Text

Verordnung (EG) Nr. 8 0 5 / 2 0 0 4 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen vom 21. April 2 0 0 4 Amtsblatt Nr. L 143 vom 3 0 . 0 4 . 2 0 0 4 , S. 1 5 - 3 9 Erwägungen: (1) Die Gemeinschaft hat sich zum Ziel gesetzt, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem der freie Personenverkehr gewährleistet ist, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Dazu erlässt die Gemeinschaft unter anderem im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen die für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Maßnahmen. (2) Am 3. Dezember 1998 nahm der Rat den Aktionsplan des Rates und der Kommission zur bestmöglichen Umsetzung der Bestimmungen des Amsterdamer Vertrags über den Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts an (Wiener Aktionsplan). (3) Auf seiner Tagung vom 15. und 16. Oktober 1999 in Tampere bekräftigte der Europäische Rat den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen als Eckpfeiler für die Schaffung eines echten europäischen Rechtsraums. (4) Am 30. November 2 0 0 0 verabschiedete der Rat ein Programm über Maßnahmen zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Dieses Programm sieht in seiner ersten Phase die Abschaffung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens, d. h. die Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen vor. (5) Der Begriff „unbestrittene Forderung" sollte alle Situationen erfassen, in denen der Schuldner Art oder Höhe einer Geldforderung nachweislich nicht bestritten hat und der Gläubiger gegen den Schuldner entweder eine gerichtliche Entscheidung oder einen vollstreckbaren Titel, der die ausdrückliche Zustimmung des Schuldners erfordert, wie einen gerichtlichen Vergleich oder eine öffentliche Urkunde, erwirkt hat. 294

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(6) Ein fehlender Widerspruch seitens des Schuldners im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b) liegt auch dann vor, wenn dieser nicht zur Gerichtsverhandlung erscheint oder einer Aufforderung des Gerichts, schriftlich mitzuteilen, o b er sich zu verteidigen beabsichtigt, nicht nachkommt. (7) Diese Verordnung sollte auch für Entscheidungen, gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden über unbestrittene Forderungen und solche Entscheidungen gelten, die nach Anfechtung von als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigten Entscheidungen, gerichtlichen Vergleichen und öffentlichen Urkunden ergangen sind. (8) Der Europäische R a t hat in seinen Schlussfolgerungen von Tampere die Auffassung vertreten, dass der Zugang zur Vollstreckung einer Entscheidung in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Entscheidung ergangen ist, durch den Verzicht auf die dort als Voraussetzung einer Vollstreckung erforderlichen Zwischenmaßnahmen beschleunigt und vereinfacht werden sollte. Eine Entscheidung, die vom Gericht des Ursprungsmitgliedstaats als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden ist, sollte im Hinblick auf die Vollstreckung so behandelt werden, als wäre sie im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangen. So erfolgt beispielsweise im Vereinigten Königreich die Registrierung einer bestätigten ausländischen Entscheidung nach den gleichen Vorschriften wie die Registrierung einer Entscheidung aus einem anderen Teil des Vereinigten Königreichs und darf nicht mit einer inhaltlichen Überprüfung der ausländischen Entscheidung verbunden sein. Die Umstände der Vollstreckung dieser Entscheidung sollten sich weiterhin nach innerstaatlichem Recht richten. (9) Dieses Verfahren sollte gegenüber dem Vollstreckbarerklärungsverfahren der Verordnung (EG) Nr. 4 4 / 2 0 0 1 des Rates vom 2 2 . Dezember 2 0 0 0 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen einen erheblichen Vorteil bieten, der darin besteht, dass auf die Zustimmung des Gerichts eines zweiten Mitgliedstaats mit den daraus entstehenden Verzögerungen und Kosten verzichtet werden kann. (10) Auf die Nachprüfung einer gerichtlichen Entscheidung, die in einem anderen Mitgliedstaat über eine unbestrittene Forderung in einem Verfahren ergangen ist, auf das sich der Schuldner nicht eingelassen hat, kann nur dann verzichtet werden, wenn eine hinreichende Gewähr besteht, dass die Verteidigungsrechte beachtet worden sind. (11) Diese Verordnung soll der Förderung der Grundrechte dienen und berücksichtigt die Grundsätze, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden. Sie zielt insbesondere darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung des Rechts auf ein faires Verfahren, wie es in Artikel 4 7 der Charta verankert ist, zu gewährleisten. (12) Für das gerichtliche Verfahren sollten Mindestvorschriften festgelegt werden, um sicherzustellen, dass der Schuldner so rechtzeitig und in einer Weise über das gegen ihn eingeleitete Verfahren, die Notwendigkeit seiner aktiven Teilnahme am Verfahren, wenn er die Forderung bestreiten will, und über die Folgen seiner Nichtteilnahme unterrichtet wird, dass er Vorkehrungen für seine Verteidigung treffen kann. (13) Wegen der Unterschiede im Zivilprozessrecht der Mitgliedstaaten, insbesondere bei den Zustellungsvorschriften, müssen die Mindestvorschriften präzise und detailliert definiert sein. So kann insbesondere eine Zustellungsform, die auf einer juristischen Fiktion beruht, im Hinblick auf die Einhaltung der Mindestvorschriften nicht als ausreichend für die Bestätigung einer Entscheidung als Europäischer Vollstreckungstitel angesehen werden. Rolf A. Schütze

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(14) Alle in den Artikeln 13 und 14 aufgeführten Zustellungsformen sind entweder durch eine absolute Gewissheit (Artikel 13) oder ein hohes M a ß an Wahrscheinlichkeit (Artikel 14) dafür gekennzeichnet, dass das zugestellte Schriftstück dem Empfänger zugegangen ist. In der zweiten Kategorie sollte eine Entscheidung nur dann als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden, wenn der Ursprungsmitgliedstaat über einen geeigneten Mechanismus verfügt, der es dem Schuldner unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, eine vollständige Überprüfung der Entscheidung gemäß Artikel 19 zu verlangen, und zwar dann, wenn das Schriftstück dem Empfänger trotz Einhaltung des Artikels 14 ausnahmsweise nicht zugegangen ist. (15) Die persönliche Zustellung an bestimmte andere Personen als den Schuldner selbst gemäß Artikel 14 Absatz 1 Buchstaben a) und b) sollte die Anforderungen der genannten Vorschriften nur dann erfüllen, wenn diese Personen das betreffende Schriftstück auch tatsächlich erhalten haben. (16) Artikel 15 sollte auf Situationen Anwendung finden, in denen der Schuldner sich nicht selbst vor Gericht vertreten kann, etwa weil er eine juristische Person ist, und in denen er durch eine gesetzlich bestimmte Person vertreten wird, sowie auf Situationen, in denen der Schuldner eine andere Person, insbesondere einen Rechtsanwalt, ermächtigt hat, ihn in dem betreffenden gerichtlichen Verfahren zu vertreten. (17) Die für die Nachprüfung der Einhaltung der prozessualen Mindestvorschriften zuständigen Gerichte sollten gegebenenfalls eine einheitliche Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel ausstellen, aus der die Nachprüfung und deren Ergebnis hervorgeht. (18) Gegenseitiges Vertrauen in die ordnungsgemäße Rechtspflege in den Mitgliedstaaten rechtfertigt es, dass das Gericht nur eines Mitgliedstaats beurteilt, ob alle Voraussetzungen für die Bestätigung der Entscheidung als Europäischer Vollstreckungstitel vorliegen, so dass die Vollstreckung der Entscheidung in allen anderen Mitgliedstaaten möglich ist, ohne dass im Vollstreckungsmitgliedstaat zusätzlich von einem Gericht nachgeprüft werden muss, ob die prozessualen Mindestvorschriften eingehalten worden sind. (19) Diese Verordnung begründet keine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten, ihr innerstaatliches Recht an die prozessualen Mindestvorschriften in dieser Verordnung anzupassen. Entscheidungen werden in anderen Mitgliedstaaten jedoch nur dann effizienter und schneller vollstreckt, wenn diese Mindestvorschriften beachtet werden, so dass hier ein entsprechender Anreiz für die Mitgliedstaaten besteht, ihr Recht dieser Verordnung anzupassen. (20) Dem Gläubiger sollte es frei stehen, eine Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen zu beantragen oder sich für das Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 oder für andere Gemeinschaftsrechtsakte zu entscheiden. (21) Ist ein Schriftstück zum Zwecke der Zustellung von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat zu versenden, so sollte diese Verordnung, insbesondere die darin enthaltenen Zustellungsvorschriften, zusammen mit der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten, und insbesondere mit deren Artikel 14 in Verbindung mit den Erklärungen der Mitgliedstaaten nach deren Artikel 23, gelten. (22) Da die Ziele der beabsichtigten Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs und ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene zu erreichen sind, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsi296

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diaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Verhältnismäßigkeitsprinzip geht diese Verordnung nicht über das zur Erreichung dieser Ziele erforderliche M a ß hinaus. (23) Die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Maßnahmen sollten gemäß dem Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse erlassen werden. (24) Gemäß Artikel 3 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands haben diese Mitgliedstaaten mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchten. (25) Dänemark beteiligt sich gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position Dänemarks nicht an der Annahme dieser Verordnung, die für Dänemark somit nicht bindend oder anwendbar ist. (26) Gemäß Artikel 67 Absatz 5 zweiter Gedankenstrich des Vertrags ist für die in dieser Verordnung geregelten Maßnahmen ab dem 1. Februar 2003 das Mitentscheidungsverfahren anzuwenden KAPITEL I

GEGENSTAND, ANWENDUNGSBEREICH U N D BEGRIFFSBESTIMMUNGEN Artikel 1

Gegenstand Mit dieser Verordnung wird ein Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen eingeführt, um durch die Festlegung von Mindestvorschriften den freien Verkehr von Entscheidungen, gerichtlichen Vergleichen und öffentlichen Urkunden in allen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, ohne dass im Vollstreckungsmitgliedstaat ein Zwischenverfahren vor der Anerkennung und Vollstreckung angestrengt werden muss. Artikel 2

Anwendungsbereich (1) Diese Verordnung ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. Sie erfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten sowie die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte („acta iure imperii"). (2) Diese Verordnung ist nicht anzuwenden auf a) den Personenstand, die Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie die gesetzliche Vertretung von natürlichen Personen, die ehelichen Güterstände, das Gebiet des Erbrechts einschließlich des Testamentsrechts; Rolf A. Schütze

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b) Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren; c) die soziale Sicherheit; d) die Schiedsgerichtsbarkeit. (3) In dieser Verordnung bedeutet der Begriff „Mitgliedstaaten" die Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks.

Artikel 3 Vollstreckungstitel, die als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden (1) Diese Verordnung gilt für Entscheidungen, gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden über unbestrittene Forderungen. Eine Forderung gilt als „unbestritten", wenn a) der Schuldner ihr im gerichtlichen Verfahren ausdrücklich durch Anerkenntnis oder durch einen von einem Gericht gebilligten oder vor einem Gericht im Laufe eines Verfahrens geschlossenen Vergleich zugestimmt hat oder b) der Schuldner ihr im gerichtlichen Verfahren zu keiner Zeit nach den maßgeblichen Verfahrensvorschriften des Rechts des Ursprungsmitgliedstaats widersprochen hat oder c) der Schuldner zu einer Gerichtsverhandlung über die Forderung nicht erschienen oder dabei nicht vertreten worden ist, nachdem er zuvor im gerichtlichen Verfahren der Forderung widersprochen hatte, sofern ein solches Verhalten nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats als stillschweigendes Zugeständnis der Forderung oder des vom Gläubiger behaupteten Sachverhalts anzusehen ist oder d) der Schuldner die Forderung ausdrücklich in einer öffentlichen Urkunde anerkannt hat. (2) Diese Verordnung gilt auch für Entscheidungen, die nach Anfechtung von als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigten Entscheidungen, gerichtlichen Vergleichen oder öffentlichen Urkunden ergangen sind.

Artikel 4 Begriffsbestimmungen Im Sinne dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen: 1. „Entscheidung": jede von einem Gericht eines Mitgliedstaats erlassene Entscheidung ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung wie Urteil, Beschluss, Zahlungsbefehl oder Vollstreckungsbescheid, einschließlich des Kostenfestsetzungsbeschlusses eines Gerichtsbediensteten. 2. „Forderung": eine Forderung auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme, die fällig ist oder deren Fälligkeitsdatum in der Entscheidung, dem gerichtlichen Vergleich oder der öffentlichen Urkunde angegeben ist. 3. „Öffentliche Urkunde": a) ein Schriftstück, das als öffentliche Urkunde aufgenommen oder registriert worden ist, wobei die Beurkundung i) sich auf die Unterschrift und den Inhalt der Urkunde bezieht und ii) von einer Behörde oder einer anderen von dem Ursprungsmitgliedstaat hierzu ermächtigten Stelle vorgenommen worden ist; 298

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oder b) eine vor einer Verwaltungsbehörde geschlossene oder von ihr beurkundete Unterhaltsvereinbarung oder -Verpflichtung. 4. „Ursprungsmitgliedstaat": der Mitgliedstaat, in dem eine Entscheidung ergangen ist, ein gerichtlicher Vergleich gebilligt oder geschlossen oder eine öffentliche Urkunde ausgestellt wurde und in dem diese als Europäischer Vollstreckungstitel zu bestätigen sind. 5. „Vollstreckungsmitgliedstaat": der Mitgliedstaat, in dem die Vollstreckung der/des als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigten Entscheidung, gerichtlichen Vergleichs oder öffentlichen Urkunde betrieben wird. 6. „Ursprungsgericht": das Gericht, das mit dem Verfahren zum Zeitpunkt der Erfüllung der Voraussetzungen nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben a), b), und c) befasst war. 7. Bei den summarischen Mahnverfahren in Schweden (betalningsföreläggande) umfasst der Begriff „Gericht" auch die schwedische kronofogdemyndighet (Amt für Beitreibung).

KAPITEL II

DER EUROPÄISCHE VOLLSTRECKUNGSTITEL Artikel 5 Abschaffung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens Eine Entscheidung, die im Ursprungsmitgliedstaat als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden ist, wird in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann. Artikel 6 Voraussetzungen für die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel (1) Eine in einem Mitgliedstaat über eine unbestrittene Forderung ergangene Entscheidung wird auf jederzeitigen Antrag an das Ursprungsgericht als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt, wenn a) die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar ist, und b) die Entscheidung nicht im Widerspruch zu den Zuständigkeitsregeln in Kapitel II Abschnitte 3 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 steht, und c) das gerichtliche Verfahren im Ursprungsmitgliedstaat im Fall einer unbestrittenen Forderung im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b) oder c) den Voraussetzungen des Kapitels III entsprochen hat, und d) die Entscheidung in dem Mitgliedstaat ergangen ist, in dem der Schuldner seinen Wohnsitz im Sinne von Artikel 59 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 hat, sofern - die Forderung unbestritten im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b) oder c) ist, Rolf A. Schütze

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- sie einen Vertrag betrifft, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann und - der Schuldner der Verbraucher ist. (2) Ist eine als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigte Entscheidung nicht mehr vollstreckbar oder wurde ihre Vollstreckbarkeit ausgesetzt oder eingeschränkt, so wird auf jederzeitigen Antrag an das Ursprungsgericht unter Verwendung des Formblatts in Anhang IV eine Bestätigung der Nichtvollstreckbarkeit bzw. der Beschränkung der Vollstreckbarkeit ausgestellt. (3) Ist nach Anfechtung einer Entscheidung, die als Europäischer Vollstreckungstitel gemäß Absatz 1 bestätigt worden ist, eine Entscheidung ergangen, so wird auf jederzeitigen Antrag unter Verwendung des Formblatts in Anhang V eine Ersatzbestätigung ausgestellt, wenn diese Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar ist; Artikel 12 Absatz 2 bleibt davon unberührt.

Artikel 7 Kosten in Verbindung mit dem gerichtlichen Verfahren Umfasst eine Entscheidung eine vollstreckbare Entscheidung über die Höhe der mit dem gerichtlichen Verfahren verbundenen Kosten, einschließlich Zinsen, wird sie auch hinsichtlich dieser Kosten als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt, es sei denn, der Schuldner hat im gerichtlichen Verfahren nach den Rechtsvorschriften des Ursprungsmitgliedstaats der Verpflichtung zum Kostenersatz ausdrücklich widersprochen.

Artikel 8 Teilbarkeit der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel Wenn die Entscheidung die Voraussetzungen dieser Verordnung nur in Teilen erfüllt, so wird die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel nur für diese Teile ausgestellt.

Artikel 9 Ausstellung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel (1) Die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel wird unter Verwendung des Formblatts in Anhang I ausgestellt. (2) Die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel wird in der Sprache ausgestellt, in der die Entscheidung abgefasst ist.

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Artikel 10 Berichtigung oder Widerruf der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel (1) Die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel wird auf Antrag an das Ursprungsgericht a) berichtigt, wenn die Entscheidung und die Bestätigung aufgrund eines materiellen Fehlers voneinander abweichen; b) widerrufen, wenn sie hinsichtlich der in dieser Verordnung festgelegten Voraussetzungen eindeutig zu Unrecht erteilt wurde. (2) Für die Berichtigung oder den Widerruf der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel ist das Recht des Ursprungsmitgliedstaats maßgebend. (3) Die Berichtigung oder der Widerruf der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel können unter Verwendung des Formblatts in Anhang VI beantragt werden. (4) Gegen die Ausstellung einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel ist kein Rechtsbehelf möglich.

Artikel 11 Wirkung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel Die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel entfaltet Wirkung nur im Rahmen der Vollstreckbarkeit der Entscheidung.

KAPITEL III

MINDESTVORSCHRIFTEN FÜR VERFAHREN ÜBER UNBESTRITTENE FORDERUNGEN Artikel 12 Anwendungsbereich der Mindestvorschriften (1) Eine Entscheidung über eine unbestrittene Forderung im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b) oder c) kann nur dann als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden, wenn das gerichtliche Verfahren im Ursprungsmitgliedstaat den verfahrensrechtlichen Erfordernissen nach diesem Kapitel genügt hat. (2) Dieselben Erfordernisse gelten auch für die Ausstellung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel oder einer Ersatzbestätigung im Sinne des Artikels 6 Absatz 3 für eine Entscheidung, die nach Anfechtung einer Entscheidung ergangen ist, wenn zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die Bedingungen nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b) oder c) erfüllt sind.

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Artikel 13 Zustellung mit Nachweis des Empfangs durch den Schuldner (1) Das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück kann dem Schuldner wie folgt zugestellt worden sein: a) durch persönliche Zustellung, bei der der Schuldner eine Empfangsbestätigung unter Angabe des Empfangsdatums unterzeichnet, oder b) durch persönliche Zustellung, bei der die zuständige Person, die die Zustellung vorgenommen hat, ein Dokument unterzeichnet, in dem angegeben ist, dass der Schuldner das Schriftstück erhalten hat oder dessen Annahme unberechtigt verweigert hat und an welchem Datum die Zustellung erfolgt ist, oder c) durch postalische Zustellung, bei der der Schuldner die Empfangsbestätigung unter Angabe des Empfangsdatums unterzeichnet und zurückschickt, oder d) durch elektronische Zustellung wie beispielsweise per Fax oder E-Mail, bei der der Schuldner eine Empfangsbestätigung unter Angabe des Empfangsdatums unterzeichnet und zurückschickt. (2) Eine Ladung zu einer Gerichtsverhandlung kann dem Schuldner gemäß Absatz 1 zugestellt oder mündlich in einer vorausgehenden Verhandlung über dieselbe Forderung bekannt gemacht worden sein, wobei dies im Protokoll dieser Verhandlung festgehalten sein muss.

Artikel 14 Zustellung ohne Nachweis des Empfangs durch den Schuldner (1) Das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück sowie eine Ladung zu einer Gerichtsverhandlung kann dem Schuldner auch in einer der folgenden Formen zugestellt worden sein: a) persönliche Zustellung unter der Privatanschrift des Schuldners an eine in derselben Wohnung wie der Schuldner lebende Person oder an eine dort beschäftigte Person; b) wenn der Schuldner Selbstständiger oder eine juristische Person ist, persönliche Zustellung in den Geschäftsräumen des Schuldners an eine Person, die vom Schuldner beschäftigt wird; c) Hinterlegung des Schriftstücks im Briefkasten des Schuldners; d) Hinterlegung des Schriftstücks beim Postamt oder bei den zuständigen Behörden mit entsprechender schriftlicher Benachrichtigung im Briefkasten des Schuldners, sofern in der schriftlichen Benachrichtigung das Schriftstück eindeutig als gerichtliches Schriftstück bezeichnet oder darauf hingewiesen wird, dass die Zustellung durch die Benachrichtigung als erfolgt gilt und damit Fristen zu laufen beginnen; e) postalisch ohne Nachweis gemäß Absatz 3, wenn der Schuldner seine Anschrift im Ursprungsmitgliedstaat hat; f) elektronisch, mit automatisch erstellter Sendebestätigung, sofern sich der Schuldner vorab ausdrücklich mit dieser Art der Zustellung einverstanden erklärt hat. (2) Für die Zwecke dieser Verordnung ist eine Zustellung gemäß Absatz 1 nicht zulässig, wenn die Anschrift des Schuldners nicht mit Sicherheit ermittelt werden kann. 302

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(3) Die Zustellung nach Absatz 1 Buchstaben a) bis d) wird bescheinigt durch a) ein von der zuständigen Person, die die Zustellung vorgenommen hat, unterzeichnetes Schriftstück mit den folgenden Angaben: i) die gewählte Form der Zustellung und ii) das Datum der Zustellung sowie, iii) falls das Schriftstück einer anderen Person als dem Schuldner zugestellt wurde, der Name dieser Person und die Angabe ihres Verhältnisses zum Schuldner, oder b) eine Empfangsbestätigung der Person, der das Schriftstück zugestellt wurde, für die Zwecke von Absatz 1 Buchstaben a) und b). Artikel 15 Zustellung an die Vertreter des Schuldners Die Zustellung gemäß Artikel 13 oder Artikel 14 kann auch an den Vertreter des Schuldners bewirkt worden sein. Artikel 16 Ordnungsgemäße Unterrichtung des Schuldners über die Forderung Um sicherzustellen, dass der Schuldner ordnungsgemäß über die Forderung unterrichtet worden ist, muss das verfahrenseinleitende Schriftstück oder das gleichwertige Schriftstück folgende Angaben enthalten haben: a) den Namen und die Anschrift der Parteien; b) die Höhe der Forderung; c) wenn Zinsen gefordert werden, den Zinssatz und den Zeitraum, für den Zinsen gefordert werden, es sei denn, die Rechtsvorschriften des Ursprungsmitgliedstaats sehen vor, dass auf die Hauptforderung automatisch ein gesetzlicher Zinssatz angerechnet wird; d) die Bezeichnung des Forderungsgrundes. Artikel 17 Ordnungsgemäße Unterrichtung des Schuldners über die Verfahrensschritte zum Bestreiten der Forderung In dem verfahrenseinleitenden Schriftstück, einem gleichwertigen Schriftstück oder einer Ladung zu einer Gerichtsverhandlung oder in einer zusammen mit diesem Schriftstück oder dieser Ladung zugestellten Belehrung muss deutlich auf Folgendes hingewiesen worden sein: a) auf die verfahrensrechtlichen Erfordernisse für das Bestreiten der Forderung; dazu gehören insbesondere die Frist, innerhalb deren die Forderung schriftlich bestritten werden kann bzw. gegebenenfalls der Termin der Gerichtsverhandlung, die Bezeichnung und die Anschrift der Stelle, an die die Antwort zu richten bzw. vor der gegebenenfalls zu erscheinen ist, sowie die Information darüber, ob die Vertretung durch einen Rechtsanwalt vorgeschrieben ist; Rolf A. Schütze

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b) auf die Konsequenzen des Nichtbestreitens oder des Nichterscheinens, insbesondere die etwaige Möglichkeit einer Entscheidung oder ihrer Vollstreckung gegen den Schuldner und der Verpflichtung zum Kostenersatz.

Artikel 18 Heilung der Nichteinhaltung von Mindestvorschriften (1) Genügte das Verfahren im Ursprungsmitgliedstaat nicht den in den Artikeln 13 bis 17 festgelegten verfahrensrechtlichen Erfordernissen, so sind eine Heilung der Verfahrensmängel und eine Bestätigung der Entscheidung als Europäischer Vollstreckungstitel möglich, wenn a) die Entscheidung dem Schuldner unter Einhaltung der verfahrensrechtlichen Erfordernisse nach Artikel 13 oder Artikel 14 zugestellt worden ist, und b) der Schuldner die Möglichkeit hatte, einen eine uneingeschränkte Überprüfung umfassenden Rechtsbehelf gegen die Entscheidung einzulegen, und er in oder zusammen mit der Entscheidung ordnungsgemäß über die verfahrensrechtlichen Erfordernisse für die Einlegung eines solchen Rechtsbehelfs, einschließlich der Bezeichnung und der Anschrift der Stelle, bei der der Rechtsbehelf einzulegen ist, und gegebenenfalls der Frist unterrichtet wurde, und c) der Schuldner es versäumt hat, einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung gemäß den einschlägigen verfahrensrechtlichen Erfordernissen einzulegen. (2) Genügte das Verfahren im Ursprungsmitgliedstaat nicht den verfahrensrechtlichen Erfordernissen nach Artikel 13 oder Artikel 14, so ist eine Heilung dieser Verfahrensmängel möglich, wenn durch das Verhalten des Schuldners im gerichtlichen Verfahren nachgewiesen ist, dass er das zuzustellende Schriftstück so rechtzeitig persönlich bekommen hat, dass er Vorkehrungen für seine Verteidigung treffen konnte.

Artikel 19 Mindestvorschriften für eine Überprüfung in Ausnahmefällen (1) Ergänzend zu den Artikeln 13 bis 18 kann eine Entscheidung nur dann als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden, wenn der Schuldner nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats berechtigt ist, eine Überprüfung der Entscheidung zu beantragen, falls a) i) das verfahrenseinleitende oder ein gleichwertiges Schriftstück oder gegebenenfalls die Ladung zu einer Gerichtsverhandlung in einer der in Artikel 14 genannten Formen zugestellt wurden, und ii) die Zustellung ohne Verschulden des Schuldners nicht so rechtzeitig erfolgt ist, dass er Vorkehrungen für seine Verteidigung hätte treffen können, oder b) der Schuldner aufgrund höherer Gewalt oder aufgrund außergewöhnlicher Umstände ohne eigenes Verschulden der Forderung nicht widersprechen konnte, wobei in beiden Fällen jeweils vorausgesetzt wird, dass er unverzüglich tätig wird. (2) Dieser Artikel berührt nicht die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, eine Überprüfung der Entscheidung unter großzügigeren Bedingungen als nach Absatz 1 zu ermöglichen. 304

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VO zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels

KAPITEL IV VOLLSTRECKUNG Artikel 2 0 Vollstreckungsverfahren (1) Unbeschadet der Bestimmungen dieses Kapitels gilt für das Vollstreckungsverfahren das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats. Eine als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigte Entscheidung wird unter den gleichen Bedingungen vollstreckt wie eine im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangene Entscheidung. (2) Der Gläubiger ist verpflichtet, den zuständigen Vollstreckungsbehörden des Vollstreckungsmitgliedstaats Folgendes zu übermitteln: a) eine Ausfertigung der Entscheidung, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, und b) eine Ausfertigung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, und c) gegebenenfalls eine Transkription der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel oder eine Übersetzung dieser Bestätigung in die Amtssprache des Vollstreckungsmitgliedstaats oder - falls es in diesem Mitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt - nach Maßgabe der Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats in die Verfahrenssprache oder eine der Verfahrenssprachen des Ortes, an dem die Vollstreckung betrieben wird, oder in eine sonstige Sprache, die der Vollstreckungsmitgliedstaat zulässt. Jeder Mitgliedstaat kann angeben, welche Amtssprache oder Amtssprachen der Organe der Europäischen Gemeinschaft er neben seiner oder seinen eigenen für die Ausstellung der Bestätigung zulässt. Die Übersetzung ist von einer hierzu in einem der Mitgliedstaaten befugten Person zu beglaubigen. (3) Der Partei, die in einem Mitgliedstaat eine Entscheidung vollstrecken will, die in einem anderen Mitgliedstaat als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt wurde, darf wegen ihrer Eigenschaft als Ausländer oder wegen Fehlens eines inländischen Wohnsitzes oder Aufenthaltsorts eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung, unter welcher Bezeichnung es auch sei, nicht auferlegt werden. Artikel 21 Verweigerung der Vollstreckung (1) Auf Antrag des Schuldners wird die Vollstreckung vom zuständigen Gericht im Vollstreckungsmitgliedstaat verweigert, wenn die als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigte Entscheidung mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem Mitgliedstaat oder einem Drittland ergangen ist, sofern a) die frühere Entscheidung zwischen denselben Parteien wegen desselben Streitgegenstands ergangen ist und b) die frühere Entscheidung im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangen ist oder die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung im Vollstreckungsmitgliedstaat erfüllt und c) die Unvereinbarkeit im gerichtlichen Verfahren des Ursprungsmitgliedstaats nicht geltend gemacht worden ist und nicht geltend gemacht werden konnte. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

(2) Weder die Entscheidung noch ihre Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel dürfen im Vollstreckungsmitgliedstaat in der Sache selbst nachgeprüft werden. Artikel 2 2 Vereinbarungen mit Drittländern Diese Verordnung lässt Vereinbarungen unberührt, durch die sich die Mitgliedstaaten vor Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 im Einklang mit Artikel 59 des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen verpflichtet haben, Entscheidungen insbesondere der Gerichte eines anderen Vertragsstaats des genannten Übereinkommens gegen Beklagte, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Drittlands haben, nicht anzuerkennen, wenn die Entscheidungen in den Fällen des Artikels 4 des genannten Übereinkommens nur in einem der in Artikel 3 Absatz 2 des genannten Übereinkommens angeführten Gerichtsstände ergehen können. Artikel 23 Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung H a t der Schuldner - einen Rechtsbehelf gegen eine als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigte Entscheidung eingelegt, wozu auch ein Antrag auf Überprüfung im Sinne des Artikels 19 gehört, oder - die Berichtigung oder den Widerruf einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel gemäß Artikel 10 beantragt, so kann das zuständige Gericht oder die befugte Stelle im Vollstreckungsmitgliedstaat auf Antrag des Schuldners a) das Vollstreckungsverfahren auf Sicherungsmaßnahmen beschränken oder b) die Vollstreckung von der Leistung einer von dem Gericht oder der befugten Stelle zu bestimmenden Sicherheit abhängig machen oder c) unter außergewöhnlichen Umständen das Vollstreckungsverfahren aussetzen. KAPITEL V

GERICHTLICHE VERGLEICHE UND ÖFFENTLICHE URKUNDEN Artikel 2 4 Gerichtliche Vergleiche (1) Ein Vergleich über eine Forderung im Sinne von Artikel 4 Nummer 2, der von einem Gericht gebilligt oder vor einem Gericht im Laufe eines Verfahrens geschlossen wurde, und der in dem Mitgliedstaat, in dem er gebilligt oder geschlossen wurde, vollstreckbar ist, wird auf Antrag an das Gericht, das ihn gebilligt hat oder vor dem er geschlossen wurde, unter Verwendung des Formblatts in Anhang II als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt. 306

Rolf A. Schütze

VO zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels

(2) Ein Vergleich, der im Ursprungsmitgliedstaat als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden ist, wird in den anderen Mitgliedstaaten vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass seine Vollstreckbarkeit angefochten werden kann. (3) Die Bestimmungen von Kapitel II (mit Ausnahme von Artikel 5, Artikel 6 Absatz 1 und Artikel 9 Absatz 1) sowie von Kapitel IV (mit Ausnahme von Artikel 21 Absatz 1 und Artikel 22) finden entsprechende Anwendung. Artikel 25 Öffentliche Urkunden (1) Eine öffentliche Urkunde über eine Forderung im Sinne von Artikel 4 Absatz 2, die in einem Mitgliedstaat vollstreckbar ist, wird auf Antrag an die vom Ursprungsmitgliedstaat bestimmte Stelle unter Verwendung des Formblatts in Anhang III als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt. (2) Eine öffentliche Urkunde, die im Ursprungsmitgliedstaat als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden ist, wird in den anderen Mitgliedstaaten vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass ihre Vollstreckbarkeit angefochten werden kann. (3) Die Bestimmungen von Kapitel II (mit Ausnahme von Artikel 5, Artikel 6 Absatz 1 und Artikel 9 Absatz 1) sowie von Kapitel IV (mit Ausnahme von Artikel 21 Absatz 1 und Artikel 22) finden entsprechende Anwendung. KAPITEL VI

ÜBERGANGSBESTIMMUNG Artikel 26 Übergangsbestimmung Diese Verordnung gilt nur für nach ihrem Inkrafttreten ergangene Entscheidungen, gerichtlich gebilligte oder geschlossene Vergleiche und aufgenommene oder registrierte öffentliche Urkunden. KAPITEL VII

VERHÄLTNIS ZU ANDEREN RECHTSAKTEN DER GEMEINSCHAFT Artikel 27 Verhältnis zur Verordnung (EG) Nr. 4 4 / 2 0 0 1 Diese Verordnung berührt nicht die Möglichkeit, die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung über eine unbestrittene Forderung, eines gerichtlichen Vergleichs oder einer öffentlichen Urkunde gemäß der Verordnung (EG) Nr. 44/ 2001 zu betreiben. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

Artikel 28 Verhältnis zur Verordnung (EG) Nr. 1 3 4 8 / 2 0 0 0 Diese Verordnung lässt die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 unberührt. KAPITEL VIII

ALLGEMEINE UND SCHLUSSBESTIMMUNGEN Artikel 29 Informationen über Vollstreckungsverfahren und -behörden Die Mitgliedstaaten arbeiten zusammen, um der Öffentlichkeit und den Fachkreisen folgende Informationen zur Verfügung zu stellen: a) Informationen über die Vollstreckungsverfahren und -methoden in den Mitgliedstaaten und b) Informationen über die zuständigen Vollstreckungsbehörden in den Mitgliedstaaten, insbesondere über das mit der Entscheidung 2001/470/EG des Rates eingerichtete Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen. Artikel 3 0 Angaben zu den Rechtsbehelfen, Sprachen und Stellen (1) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission Folgendes mit: a) das in Artikel 10 Absatz 2 genannte Berichtigungs- und Widerrufsverfahren sowie das in Artikel 19 Absatz 1 genannte Überprüfungsverfahren; b) die gemäß Artikel 2 0 Absatz 2 Buchstabe c) zugelassenen Sprachen; c) die Listen der in Artikel 2 5 genannten Stellen; sowie alle nachfolgenden Änderungen. (2) Die Kommission macht die nach Absatz 1 mitgeteilten Informationen durch Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union und durch andere geeignete Mittel öffentlich zugänglich. Artikel 31 Änderungen der Anhänge Änderungen der Formblätter in den Anhängen werden gemäß dem in Artikel 32 Absatz 2 genannten Beratungsverfahren beschlossen.

308

Rolf A. Schütze

VO zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels

Artikel 3 2 Ausschuss (1) Die Kommission wird von dem in Artikel 75 der Verordnung (EG) Nr. 4 4 / 2 0 0 1 vorgesehenen Ausschuss unterstützt. (2) Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gelten die Artikel 3 und 7 des Beschlusses 1 9 9 9 / 4 6 8 / E G unter Beachtung von dessen Artikel 8. (3) Der Ausschuss gibt sich eine Geschäftsordnung.

Artikel 3 3 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am 21. Januar 2 0 0 5 in Kraft. Sie gilt ab dem 21. Oktober 2 0 0 5 mit Ausnahme der Artikel 3 0 , 31 und 3 2 , die ab dem 21. Januar 2 0 0 5 gelten. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft unmittelbar in den Mitgliedstaaten.

Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

ANHANG I

BESTÄTIGUNG ALS EUROPÄISCHER VOLLSTRECKUNGSTITEL ENTSCHEIDUNG 1. Ursprungsmitgliedstaat

AT •

BE •

DE •

EL •

ES



FI



FR



IE

IT

LU •

NL •

PT •

SE



UK







2. Gericht, das die Bestätigung ausgestellt hat 2.1. Bezeichnung: 2.2. Anschrift: 2.3. Tel./Fax/E-Mail: 3. Falls abweichend, Gericht, das die Entscheidung erlassen hat 3.1. Bezeichnung: 3.2. Anschrift: 3.3. Tel./Fax/E-Mail: 4. Entscheidung 4.1. Datum: 4.2. Aktenzeichen: 4.3. Parteien 4.3.1. Name(n) und Anschrift(en) des/der Gläubiger(s): 4.3.2. Name(n) und Anschrift(en) des/der Schuldner(s): 5. Geldforderung laut Bestätigung 5.1. Betrag: 5.1.1. Währung

Euro • Schwedische Kronen • Pfund Sterling • Sonstige Währung (bitte angeben) • 5.1.2. Falls sich die Geldforderung auf eine wiederkehrende Leistung bezieht 5.1.2.1. Höhe jeder Rate: 5.1.2.2. Fälligkeit der ersten Rate: 5.1.2.3. Fälligkeit der nachfolgenden Raten: wöchentlich • monatlich • andere Zeitabstände (bitte angeben) 5.1.2.4. Laufzeit der Forderung 5.1.2.4.1. Derzeit unbestimmt • oder 5.1.2.4.2. Fälligkeit der letzten Rate



5.2. Zinsen 5.2.1. Zinssatz 5.2.1.1. . . . % oder 5.2.1.2. . . . % über dem Basissatz der E Z B 5.2.1.3. Anderer Wert (bitte angeben) 5.2.2. Fälligkeit der Zinsen 5.3. Höhe der zu ersetzenden Kosten, falls in der Entscheidung angegeben: 6. Die Entscheidung ist im Ursprungsstaat vollstreckbar.



7. Gegen die Entscheidung kann noch Rechtsmittel eingelegt werden. Ja • Nein • 8. Gegenstand der Entscheidung ist eine unbestrittene Forderung im Sinne von Artikel 3 Absatz 1. • 9. Die Entscheidung steht im Einklang mit Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe (b). 310

Rolf A. Schütze



VO zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels. Anhang 10. Die Entscheidung betrifft Verbrauchersachen Ja • Nein • 10.1. Wenn ja: Der Schuldner ist der Verbraucher. Ja • Nein • 10.2. Wenn ja: Der Schuldner hat seinen Wohnsitz im Ursprungsmitgliedstaat (im Sinne von Artikel 59 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001). • 11. Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nach Maßgabe von Kapitel III, sofern anwendbar Ja • Nein • 11.1. Die Zustellung ist gemäß Artikel 13 erfolgt • Oder die Zustellung ist gemäß Artikel 14 erfolgt • oder der Schuldner hat das Schriftstück nachweislich im Sinne von Artikel 18 Absatz 2 erhalten. • 11.2. Ordnungsgemäße Unterrichtung Der Schuldner wurde nach Maßgabe der Artikel 16 und 17 unterrichtet. • 12. Die Zustellung von Ladungen, sofern anwendbar Ja • Nein • 12.1. Die Zustellung ist gemäß Artikel 13 erfolgt • oder die Zustellung ist gemäß Artikel 14 erfolgt • oder der Schuldner hat die Ladung nachweislich im Sinne von Artikel 8. Absatz 2 erhalten. • 12.2. Ordnungsgemäße Unterrichtung Der Schuldner wurde nach Maßgabe des Artikels 17 unterrichtet. • 13. Heilung von Verfahrensmängeln infolge der Nichteinhaltung der Mindestvorschriften gemäß Artikel 18 Absatzl 13.1. Die Entscheidung wurde gemäß Artikel 13 zugestellt • oder die Entscheidung wurde gemäß Artikel 14 zugestellt • oder der Schuldner hat die Entscheidung nachweislich im Sinne von Artikel 8. Absatz 2 erhalten. • 13.2. Ordnungsgemäße Unterrichtung Der Schuldner wurde nach Maßgabe des Artikels 18 Absatz 1 Buchstabe b) unterrichtet. • 13.3. Der Schuldner hatte die Möglichkeit, einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung einzulegen. Ja • Nein • 13.4. Der Schuldner hat keinen Rechtsbehelf gemäß den einschlägigen Verfahrensvorschriften eingelegt Ja • Nein • Geschehen zu

am

Unterschrift und/oder Stempel

Rolf A. Schütze

311

Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

ANHANG II

BESTÄTIGUNG ALS EUROPÄISCHER VOLLSTRECKUNGSTITEL GERICHTLICHER VERGLEICH 1. Ursprungsmitgliedstaat

AT •

BE •

DE •

EL •

ES



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LU •

NL •

PT •

SE



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2. Gericht, das die Bestätigung ausgestellt hat 2.1. Bezeichnung: 2.2. Anschrift: 2.3. Tel./Fax/E-Mail: 3. Falls abweichend, Gericht, das den Vergleich gebilligt hat oder vor dem er geschlossen wurde 3.1. Bezeichnung: 3.2. Anschrift: 3.3. Tel./Fax/E-Mail: 4. Gerichtlicher Vergleich 4.1 Datum: 4.2. Aktenzeichen: 4.3. Parteien 4.3.1. Name(n) und Anschrift(en) des/der Gläubiger(s): 4.3.2. Name(n) und Anschrift(en) des/der Schuldner(s): 5. Geldforderung laut Bestätigung 5.1 Betrag: 5.1.1. Währung

Euro • Schwedische Kronen • Pfund Sterling • Sonstige Währung (bitte angeben) • 5.1.2. Falls sich die Geldforderung auf eine wiederkehrende Leistung bezieht 5.1.2.1. Höhe jeder Rate: 5.1.2.2. Fälligkeit der ersten Rate: 5.1.2.3. Fälligkeit der nachfolgenden Raten: wöchentlich • monatlich • andere Zeitabstände (bitte angeben) 5.1.2.4. Laufzeit der Forderung 5.1.2.4.1. Derzeit unbestimmt • oder 5.1.2.4.2. Fälligkeit der letzten Rate 5.2. Zinsen 5.2.1. Zinssatz 5.2.1.1. . . . % oder 5.2.1.2. . . . % über dem Basissatz der E Z B 5.2.1.3. Anderer Wert (bitte angeben) 5.2.2 Fälligkeit der Zinsen



5.3. Höhe der zu ersetzenden Kosten, falls im gerichtlichen Vergleich angegeben: 6. Der gerichtliche Vergleich ist im Ursprungsstaat vollstreckbar. • Geschehen zu

am Unterschrift und/oder Stempel

312

Rolf A. Schütze

VO zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels. Anhang

A N H A N G III

BESTÄTIGUNG ALS EUROPÄISCHER VOLLSTRECKUNGSTITEL ÖFFENTLICHE URKUNDE 1. Ursprungsmitgliedstaat

AT •

BE •

DE •

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ES



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IE

IT

LU •

NL •

PT •

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UK







2. Gericht/befugte Stelle, das/die die Bestätigung ausgestellt hat 2.1. Bezeichnung: 2.2. Anschrift: 2.3. Tel./Fax/E-Mail: 3. Falls abweichend, Gericht/befugte Stelle, das/die öffentliche Urkunde aufgenommen oder registriert hat 3.1. Bezeichnung: 3.2. Anschrift: 3.3. Tel./Fax/E-Mail: 4. Öffentliche Urkunde 4.1. Datum: 4.2. Aktenzeichen: 4.3. Parteien 4.3.1. Name(n) und Anschrift(en) des/der Gläubiger(s): 4.3.2. Name(n) und Anschrift(en) des/der Schuldner(s): 5. Geldforderung laut Bestätigung 5.1

Betrag: 5.1.1. Währung

Euro • Schwedische Kronen • Pfund Sterling • Sonstige Währung (bitte angeben) • 5.1.2. Falls sich die Geldforderung auf eine wiederkehrende Leistung bezieht 5.1.2.1. Höhe jeder Rate: 5.1.2.2. Fälligkeit der ersten Rate: 5.1.2.3. Fälligkeit der nachfolgenden Raten: wöchentlich • monatlich • andere Zeitabstände (bitte angeben) 5.1.2.4. Laufzeit der Forderung 5.1.2.4.1. Derzeit unbestimmt • oder 5.1.2.4.2. Fälligkeit der letzten Rate 5.2. Zinsen 5.2.1. Zinssatz 5.2.1.1. . . . % oder 5.2.1.2. . . . % über dem Basissatz der E Z B 5.2.1.3. Anderer Wert (bitte angeben) 5.2.2. Fälligkeit der Zinsen



5.3. Höhe der zu ersetzenden Kosten, falls in der öffentlichen Urkunde angegeben: 6. Die öffentliche Urkunde ist im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar. Geschehen zu



am Unterschrift und/oder Stempel Rolf A. Schütze

313

Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

ANHANG IV

BESTÄTIGUNG ÜBER DIE AUSSETZUNG ODER EINSCHRÄNKUNG DER VOLLSTRECKBARKEIT (Artikel 6 Absatz 2) 1. Ursprungsmitgliedstaat

AT •

BE •

DE •

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NL •

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2. Gericht/befugte Stelle, das/die die Bestätigung ausgestellt hat 2.1. Bezeichnung: 2.2. Anschrift: 2.3. Tel./Fax/E-Mail: 3. Falls abweichend, - Gericht, das die Entscheidung erlassen hat - Gericht, vor dem der gerichtliche Vergleich gebilligt wurde bzw. vor dem er geschlossen wurde - Gericht/befugte Stelle, das/die die öffentliche Urkunde aufgenommen oder registriert hat 3.1. Bezeichnung: 3.2. Anschrift: 3.3. Tel./Fax/E-Mail: 4. Entscheidung/gerichtlicher Vergleich/öffentliche Urkunde 4.1. Datum: 4 . 2 . Aktenzeichen: 4.3. Parteien 4.3.1. Name(n) und Anschrift(en) des/der Gläubiger(s): 4.3.2. Name(n) und Anschrift(en) des/der Schuldner(s): 5. Die Entscheidung/der gerichtlichen Vergleich/die öffentliche Urkunde wurde als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt, jedoch 5.1

ist die Entscheidung/der gerichtlichen Vergleich/die öffentliche Urkunde nicht mehr vollstreckbar



5.2. ist die 5.2.1. 5.2.2. 5.2.3.

Vollstreckung einstweilig ausgesetzt • auf Sicherungsmaßnahmen beschränkt • von der Leistung einer Sicherheit abhängig gemacht, die noch aussteht 5.2.3.1. Höhe der Sicherheit: 5.2.3.2. Währung: Euro • Schwedische Kronen • Pfund Sterling • Andere Währung (bitte angeben) • 5.2.4. Sonstiges (bitte angeben) •

Geschehen zu



am Unterschrift und/oder Stempel

314

Rolf A. Schütze

V O zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels. Anhang

ANHANG V

ERSATZBESTÄTIGUNG ALS EUROPÄISCHER VOLLSTRECKUNGSTITEL INFOLGE EINES RECHTSBEHELFS (Artikel 6 Absatz 3) A. Gegen folgende(n), als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigte(n) Entscheidung/gerichtlichen Vergleich/öffentliche Urkunde wurde ein Rechtsbehelf eingelegt: 1. Ursprungsmitgliedstaat

AT •

BE •

DE •

EL

IE

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LU •

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PT •

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2. Gericht/befugte Stelle, das/die die Bestätigung ausgestellt hat 2.1. Bezeichnung: 2.2. Anschrift: 2.3. Tel./Fax/E-Mail: 3. Falls abweichend, - Gericht, das die Entscheidung erlassen hat - Gericht, vor dem der gerichtliche Vergleich gebilligt wurde bzw. vor dem er geschlossen wurde - Gericht/befugte Stelle, das/die die öffentliche Urkunde aufgenommen oder registriert hat 3.1. Bezeichnung: 3.2. Anschrift: 3.3. Tel./Fax/E-Mail: 4. Entscheidung/gerichtlicher Vergleich/öffentliche Urkunde 4.1. D a t u m : 4.2. Aktenzeichen: 4.3. Parteien 4.3.1. Name(n) und Anschrift(en) des/der Gläubiger(s): 4.3.2. Name(n) und Anschrift(en) des/der Schuldner(s):

B. Auf diesen Rechtsbehelf hin ist folgende Entscheidung ergangen, die hiermit als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt wird, der den ursprünglichen Europäischen Vollstreckungstitel ersetzt 1. Gericht 1.1. Bezeichnung: 1.2. Anschrift: 1.3. Tel./Fax/E-Mail: 2. Entscheidung 2.1. D a t u m : 2.2. Aktenzeichen: 3. Geldforderung laut Bestätigung 3.1

Betrag: 3.1.1. Währung

Euro Schwedische Kronen Pfund Sterling Andere Währung (bitte angeben) Rolf A. Schütze

• • • • 315

Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen 3.1.2. Falls sich die Geldforderung auf eine wiederkehrende Leistung bezieht 3.1.2.1. Höhe jeder Rate: 3.1.2.2. Fälligkeit der ersten Rate: 3.1.2.3. Fälligkeit der nachfolgenden Raten: wöchentlich • monatlich • andere Zeitabstände (bitte angeben) 3.1.2.4. Laufzeit der Forderung 3.1.2.4.1. Derzeit unbestimmt • oder 3.1.2.4.2. Fälligkeit der letzten Rate: 3.2. Zinsen 3.2.1. Zinssatz 3.2.1.1. ...% oder 3.2.1.2. ...% über dem Basissatz der EZB 3.2.1.3. Anderer Wert (bitte angeben) 3.2.2. Fälligkeit der Zinsen 3.3. Höhe der zu ersetzenden Kosten, falls in der Entscheidung angegeben: 4. Die Entscheidung ist im Ursprungsstaat vollstreckbar.





5. Gegen die Entscheidung können noch weitere Rechtsbehelfe eingelegt werden. Ja • Nein • 6. Die Entscheidung steht im Einklang mit Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe (b).



7. Die Entscheidung betrifft Verbrauchersachen Ja • Nein • 7.1. Wenn ja: Der Schuldner ist der Verbraucher. Ja • Nein • 7.2. Wenn ja: Der Schuldner hat seinen Wohnsitz im Ursprungsmitgliedstaat im Sinne von Artikel 59 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001. • 8. Z u m Zeitpunkt der Entscheidung nach Einlegung des Rechtsbehelfs ist die Forderung unbestritten im Sinne des Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben b) oder c). Ja • Nein • Wenn ja: 8.1. Zustellung des den Rechtsbehelf einleitenden Schriftstücks. Hat der Schuldner Rechtsbehelf eingelegt? Ja • Nein • Wenn ja: 8.1.1. Die Zustellung ist gemäß Artikel 13 erfolgt • oder die Zustellung ist gemäß Artikel 14 erfolgt • oder der Schuldner hat das Schriftstück nachweislich im Sinne von Artikel 18 Absatz 2 erhalten. • 8.1.2. Ordnungsgemäße Unterrichtung Der Schuldner wurde nach Maßgabe der Artikel 16 und 17 unterrichtet. • 8.2. Zustellung von Ladungen, sofern anwendbar Ja • Nein • Wenn ja: 8.2.1. Die Zustellung ist gemäß Artikel 13 erfolgt • oder die Zustellung ist gemäß Artikel 14 erfolgt • oder der Schuldner hat die Ladung nachweislich im Sinne von Artikel 18 Absatz 2 erhalten. • 8.2.2. Ordnungsgemäße Unterrichtung Der Schuldner wurde nach Maßgabe des Artikels 17 unterrichtet. • 316

Rolf A. Schütze

VO zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels. Anhang 8.3. Heilung von Verfahrensmängeln infolge der Nichteinhaltung der Mindestvorschriften gemäß Artikel 18 Absatz 1 8.3.1. Die Entscheidung wurde gemäß Artikel 13 zugestellt • oder die Entscheidung wurde gemäß Artikel 14 zugestellt • oder der Schuldner hat die Entscheidung nachweislich im Sinne von Artikel 8. Absatz 2 erhalten. • 8.3.2. Ordnungsgemäße Unterrichtung Der Schuldner wurde nach Maßgabe des Artikels 18 Absatz 1 Buchstabe b) unterrichtet. • Geschehen zu

am

Unterschrift und/oder Stempel

Rolf A. Schütze

317

Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

ANHANG VI

ANTRAG AUF BERICHTIGUNG ODER WIDERRUF DER BESTÄTIGUNG ALS EUROPÄISCHER VOLLSTRECKUNGSTITEL (Artikel 10 Absatz 3) DER FOLGENDE EUROPÄISCHE VOLLSTRECKUNGSTITEL 1. Ursprungsmitgliedstaat

AT • IE •

BE • IT •

DE • LU •

EL • NL •

ES • PT •

FI • SE •

FR UK

• •

2. Gericht/befugte Stelle, das/die die Bestätigung ausgestellt hat 2.1. Bezeichnung: 2.2. Anschrift: 2.3. Tel./Fax/E-Mail: 3. Falls abweichend, - Gericht, das die Entscheidung erlassen hat - Gericht, vor dem der gerichtliche Vergleich gebilligt wurde bzw. vor dem er geschlossen wurde - Gericht/befugte Stelle, das/die die öffentliche Urkunde aufgenommen oder registriert hat 3.1. Bezeichnung: 3.2. Anschrift: 3.3. Tel./Fax/E-Mail: 4. Entscheidung/gerichtlicher Vergleich/öffentliche Urkunde 4.1. Datum: 4.2. Aktenzeichen: 4.3. Parteien 4.3.1. Name(n) und Anschrift(en) des/der Gläubiger(s): 4.3.2. Name(n) und Anschrift(en) des/der Schuldner(s): 5. MUSS BERICHTIGT WERDEN, da aufgrund eines materiellen Fehlers der Europäische Vollstreckungstitel und die zugrunde liegende Entscheidung/der zugrunde liegende gerichtliche Vergleich/die zugrunde liegende öffentliche Urkunde folgende Abweichung aufweisen (bitte darlegen) • 6. MUSS WIDERRUFEN WERDEN, da 6.1. die bestätigte Entscheidung einen Verbrauchervertrag betrifft, jedoch in einem Mitgliedstaat ergangen ist, in dem der Verbraucher keinen Wohnsitz im Sinne von Artikel 59 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 hat. • 6.2. die Bestätigung über den Europäischen Vollstreckungstitel aus einem anderem Grund eindeutig zu Unrecht erteilt wurde (bitte darlegen) • Geschehen zu

am Unterschrift und/oder Stempel

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Rolf A. Schütze

Europäische Insolvenzverordnung (EulnsVO)

2. a. ee) VO (EG) Nr. 1 3 4 6 / 2 0 0 0 über Insolvenzverfahren (ABl. 2 0 0 0 L 1 6 0 , 1 ff.) Vorbemerkung: Die V O (EG) Nr. 1 3 4 6 / 2 0 0 0 über Insolvenzverfahren ( E u l n s V O ) findet a u f alle Insolvenzverfahren Anwendung, bei denen der M i t t e l p u n k t der hauptsächlichen Interessen des Schuldners in der Gemeinschaft liegt, wobei auch hier sich der Geltungsbereich nicht auf D ä n e m a r k erstreckt. Die E u l n s V O geht v o m Grundsatz der Universalität der Insolvenz aus. Sie regelt im Wesentlichen die internationale Zuständigkeit, die Eröffnung und Durchführung des Verfahrens und die Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren. Geltungsbereich: Alle EU-Staaten (außer D ä n e m a r k ) Literatur: Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky Europäische Insolvenzverordnung, 2 0 0 0 ; Fletcher Insolvency in Private International Law, 1999, S. 2 4 6 ff.; Fritz/Bähr Die Europäische Verordnung über Insolvenzverfahren - Herausforderungen an Gerichte und Insolvenzverwalter, DZWir 2001, 221 ff.; Geimer/Schütze Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen 550. 27 ff. (Kommentierung von Huber, Hass/Herweg, Gruber und Heiderhoff)·, Huber Internationales Insolvenzrecht in Europa, ZZP 114 (2001), 133 ff.; Haubold Europäische Insolvenzverordnung (EulnsVO), in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, S. 1427 ff.; Leible/Staudinger Die europäische Verordnung über Insolvenzverfahren, KTS 2000, 533 ff.; Ludwig Neuregelungen des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 2 0 0 4 ; Paulus Die europäische Insolvenzverordnung und der deutsche Insolvenzverwalter, NZI 2001, 505 ff.; Reinhart Art. 102 EGInsO, Anhang I, in: MünchKommInsO, 2 0 0 3 ; Smid Grenzüberschreitende Insolvenzverwaltung in Europa, FS Geimer, 2 0 0 2 , S. 1215 ff.; ders. Deutsches und Europäisches internationales Insolvenzrecht, 2004; Virgos Soriarto/Garcimartin Alferez Comentario al Reglamento Europeo de Insolvencia, 2003.

Text

Verordnung (EG) Nr. 1 3 4 6 / 2 0 0 0 des Rates über Insolvenzverfahren vom 29. Mai 2 0 0 0 Amtsblatt Nr. L 1 6 0 v o m 3 0 . 0 6 . 2 0 0 0 S. 1 - 1 8

Erwägungen: (1) Die Europäische Union hat sich die Schaffung eines R a u m s der Freiheit, der Sicherheit und des R e c h t s zum Ziel gesetzt. (2) Für ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes sind effiziente und wirksame grenzüberschreitende Insolvenzverfahren erforderlich; die Annahme dieser Verordnung ist zur Verwirklichung dieses Ziels erforderlich, das in den Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen im Sinne des Artikels 65 des Vertrags fällt. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

(3) Die Geschäftstätigkeit von Unternehmen greift mehr und mehr über die einzelstaatlichen Grenzen hinaus und unterliegt damit in zunehmendem M a ß den Vorschriften des Gemeinschaftsrechts. Da die Insolvenz solcher Unternehmen auch nachteilige Auswirkungen auf das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarktes hat, bedarf es eines gemeinschaftlichen Rechtsakts, der eine Koordinierung der Maßnahmen in bezug auf das Vermögen eines zahlungsunfähigen Schuldners vorschreibt. (4) Im Interesse eines ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarktes muß verhindert werden, daß es für die Parteien vorteilhafter ist, Vermögensgegenstände oder Rechtsstreitigkeiten von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu verlagern, um auf diese Weise eine verbesserte Rechtsstellung anzustreben (sog. „forum shopping"). (5) Diese Ziele können auf einzelstaatlicher Ebene nicht in hinreichendem M a ß verwirklicht werden, so daß eine Maßnahme auf Gemeinschaftsebene gerechtfertigt ist. (6) Gemäß dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sollte sich diese Verordnung auf Vorschriften beschränken, die die Zuständigkeit für die Eröffnung von Insolvenzverfahren und für Entscheidungen regeln, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen. Darüber hinaus sollte diese Verordnung Vorschriften hinsichtlich der Anerkennung solcher Entscheidungen und hinsichtlich des anwendbaren Rechts, die ebenfalls diesem Grundsatz genügen, enthalten. (7) Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren sind vom Anwendungsbereich des Brüsseler Übereinkommens von 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der durch die Beitrittsübereinkommen zu diesem Übereinkommen geänderten Fassung ausgenommen. (8) Zur Verwirklichung des Ziels einer Verbesserung der Effizienz und Wirksamkeit der Insolvenzverfahren mit grenzüberschreitender Wirkung ist es notwendig und angemessen, die Bestimmungen über den Gerichtsstand, die Anerkennung und das anwendbare Recht in diesem Bereich in einem gemeinschaftlichen Rechtsakt zu bündeln, der in den Mitgliedstaaten verbindlich ist und unmittelbar gilt. (9) Diese Verordnung sollte für alle Insolvenzverfahren gelten, unabhängig davon, ob es sich beim Schuldner um eine natürliche oder juristische Person, einen Kaufmann oder eine Privatperson handelt. Die Insolvenzverfahren, auf die diese Verordnung Anwendung findet, sind in den Anhängen aufgeführt. Insolvenzverfahren über das Vermögen von Versicherungsunternehmen, Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, die Gelder oder Wertpapiere Dritter halten, sowie von Organismen für gemeinsame Anlagen sollten vom Geltungsbereich dieser Verordnung ausgenommen sein. Diese Unternehmen sollten von dieser Verordnung nicht erfaßt werden, da für sie besondere Vorschriften gelten und die nationalen Aufsichtsbehörden teilweise sehr weitgehende Eingriffsbefugnisse haben. (10) Insolvenzverfahren sind nicht zwingend mit dem Eingreifen eines Gerichts verbunden. Der Ausdruck „Gericht" in dieser Verordnung sollte daher weit ausgelegt werden und jede Person oder Stelle bezeichnen, die nach einzelstaatlichem Recht befugt ist, ein Insolvenzverfahren zu eröffnen. Damit diese Verordnung Anwendung findet, muß es sich aber um ein Verfahren (mit den entsprechenden Rechtshandlungen und Formalitäten) handeln, das nicht nur im Einklang mit dieser Verordnung steht, sondern auch in dem Mitgliedstaat der Eröffnung des Insolvenzverfahrens offiziell anerkannt und rechtsgültig ist, wobei es sich ferner um ein Gesamtverfahren handeln muß, das den vollständigen oder teilweisen Vermögensbeschlag gegen den Schuldner sowie die Bestellung eines Verwalters zur Folge hat. 320

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E u r o p ä i s c h e Insolvenzverordnung (EulnsVO)

(11) Diese Verordnung geht von der Tatsache aus, daß aufgrund der großen Unterschiede im materiellen Recht ein einziges Insolvenzverfahren mit universaler Geltung für die gesamte Gemeinschaft nicht realisierbar ist. Die ausnahmslose Anwendung des Rechts des Staates der Verfahrenseröffnung würde vor diesem Hintergrund häufig zu Schwierigkeiten führen. Dies gilt etwa für die in der Gemeinschaft sehr unterschiedlich ausgeprägten Sicherungsrechte. Aber auch die Vorrechte einzelner Gläubiger im Insolvenzverfahren sind teilweise völlig verschieden ausgestaltet. Diese Verordnung sollte dem auf zweierlei Weise Rechnung tragen: Z u m einen sollten Sonderanknüpfungen für besonders bedeutsame Rechte und Rechtsverhältnisse vorgesehen werden (z.B. dingliche Rechte und Arbeitsverträge). Z u m anderen sollten neben einem Hauptinsolvenzverfahren mit universaler Geltung auch innerstaatliche Verfahren zugelassen werden, die lediglich das im Eröffnungsstaat belegene Vermögen erfassen. (12) Diese Verordnung gestattet die Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens in dem Mitgliedstaat, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Dieses Verfahren hat universale Geltung mit dem Ziel, das gesamte Vermögen des Schuldners zu erfassen. Z u m Schutz der unterschiedlichen Interessen gestattet diese Verordnung die Eröffnung von Sekundärinsolvenzverfahren parallel zum Hauptinsolvenzverfahren. Ein Sekundärinsolvenzverfahren kann in dem Mitgliedstaat eröffnet werden, in dem der Schuldner eine Niederlassung hat. Seine Wirkungen sind auf das in dem betreffenden Mitgliedstaat belegene Vermögen des Schuldners beschränkt. Zwingende Vorschriften für die Koordinierung mit dem Hauptinsolvenzverfahren tragen dem Gebot der Einheitlichkeit des Verfahrens in der Gemeinschaft Rechnung. (13) Als Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen sollte der Ort gelten, an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und damit für Dritte feststellbar ist. (14) Diese Verordnung gilt nur für Verfahren, bei denen der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners in der Gemeinschaft liegt. (15) Die Zuständigkeitsvorschriften dieser Verordnung legen nur die internationale Zuständigkeit fest, das heißt, sie geben den Mitgliedstaat an, dessen Gerichte Insolvenzverfahren eröffnen dürfen. Die innerstaatliche Zuständigkeit des betreffenden Mitgliedstaats muß nach dem Recht des betreffenden Staates bestimmt werden. (16) Das für die Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens zuständige Gericht sollte zur Anordnung einstweiliger Sicherungsmaßnahmen ab dem Zeitpunkt des Antrags auf Verfahrenseröffnung befugt sein. Sicherungsmaßnahmen sowohl vor als auch nach Beginn des Insolvenzverfahrens sind zur Gewährleistung der Wirksamkeit des Insolvenzverfahrens von großer Bedeutung. Diese Verordnung sollte hierfür verschiedene Möglichkeiten vorsehen. Z u m einen sollte das für das Hauptinsolvenzverfahren zuständige Gericht vorläufige Sicherungsmaßnahmen auch über Vermögensgegenstände anordnen können, die im Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten belegen sind. Z u m anderen sollte ein vor Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens bestellter vorläufiger Insolvenzverwalter in den Mitgliedstaaten, in denen sich eine Niederlassung des Schuldners befindet, die nach dem Recht dieser Mitgliedstaaten möglichen Sicherungsmaßnahmen beantragen können. (17) D a s Recht, vor der Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in dem Mitgliedstaat, in dem der Schuldner eine Niederlassung hat, zu beantragen, sollte nur einheimischen Gläubigern oder Gläubigern der einheimischen Niederlassung zustehen beziehungsweise auf Fälle beschränkt sein, in denen das Recht des Mitgliedstaats, in dem der Schuldner den Mittelpunkt Rolf A.Schütze

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seiner hauptsächlichen Interessen hat, die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens nicht zuläßt. Der Grund für diese Beschränkung ist, daß die Fälle, in denen die Eröffnung eines Partikularverfahrens vor dem Hauptinsolvenzverfahren beantragt wird, auf das unumgängliche M a ß beschränkt werden sollen. Nach der Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens wird das Partikularverfahren zum Sekundärverfahren. (18) Das Recht, nach der Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in dem Mitgliedstaat, in dem der Schuldner eine Niederlassung hat, zu beantragen, wird durch diese Verordnung nicht beschränkt. Der Verwalter des Hauptverfahrens oder jede andere, nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats dazu befugte Person sollte die Eröffnung eines Sekundärverfahrens beantragen können. (19) Ein Sekundärinsolvenzverfahren kann neben dem Schutz der inländischen Interessen auch anderen Zwecken dienen. Dies kann der Fall sein, wenn das Vermögen des Schuldners zu verschachtelt ist, um als ganzes verwaltet zu werden, oder weil die Unterschiede in den betroffenen Rechtssystemen so groß sind, daß sich Schwierigkeiten ergeben können, wenn das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung seine Wirkung in den anderen Staaten, in denen Vermögensgegenstände belegen sind, entfaltet. Aus diesem Grund kann der Verwalter des Hauptverfahrens die Eröffnung eines Sekundärverfahrens beantragen, wenn dies für die effiziente Verwaltung der Masse erforderlich ist. (20) Hauptinsolvenzverfahren und Sekundärinsolvenzverfahren können jedoch nur dann zu einer effizienten Verwertung der Insolvenzmasse beitragen, wenn die parallel anhängigen Verfahren koordiniert werden. Wesentliche Voraussetzung ist hierzu eine enge Zusammenarbeit der verschiedenen Verwalter, die insbesondere einen hinreichenden Informationsaustausch beinhalten muß. Um die dominierende Rolle des Hauptinsolvenzverfahrens sicherzustellen, sollten dem Verwalter dieses Verfahrens mehrere Einwirkungsmöglichkeiten auf gleichzeitig anhängige Sekundärinsolvenzverfahren gegeben werden. Er sollte etwa einen Sanierungsplan oder Vergleich vorschlagen oder die Aussetzung der Verwertung der Masse im Sekundärinsolvenzverfahren beantragen können. (21) Jeder Gläubiger, der seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz in der Gemeinschaft hat, sollte das Recht haben, seine Forderungen in jedem in der Gemeinschaft anhängigen Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners anzumelden. Dies sollte auch für Steuerbehörden und Sozialversicherungsträger gelten. Im Interesse der Gläubigergleichbehandlung muß jedoch die Verteilung des Erlöses koordiniert werden. Jeder Gläubiger sollte zwar behalten dürfen, was er im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erhalten hat, sollte aber an der Verteilung der Masse in einem anderen Verfahren erst dann teilnehmen können, wenn die Gläubiger gleichen Rangs die gleiche Quote auf ihre Forderung erlangt haben. (22) In dieser Verordnung sollte die unmittelbare Anerkennung von Entscheidungen über die Eröffnung, die Abwicklung und die Beendigung der in ihren Geltungsbereich fallenden Insolvenzverfahren sowie von Entscheidungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit diesen Insolvenzverfahren ergehen, vorgesehen werden. Die automatische Anerkennung sollte somit zur Folge haben, daß die Wirkungen, die das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung dem Verfahren beilegt, auf alle übrigen Mitgliedstaaten ausgedehnt werden. Die Anerkennung der Entscheidungen der Gerichte der Mitgliedstaaten sollte sich auf den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens stützen. Die zulässigen Gründe für eine Nichtanerkennung sollten daher auf das unbedingt notwendige M a ß beschränkt sein. Nach diesem Grundsatz sollte auch der Konflikt gelöst werden, wenn sich die Gerichte zweier 322

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Europäische Insolvenzverordnung (EulnsVO)

Mitgliedstaaten für zuständig halten, ein Hauptinsolvenzverfahren zu eröffnen. Die Entscheidung des zuerst eröffnenden Gerichts sollte in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden; diese sollten die Entscheidung dieses Gerichts keiner Überprüfung unterziehen dürfen. (23) Diese Verordnung sollte für den Insolvenzbereich einheitliche Kollisionsnormen formulieren, die die Vorschriften des internationalen Privatrechts der einzelnen Staaten ersetzen. Soweit nichts anderes bestimmt ist, sollte das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung (lex concursus) Anwendung finden. Diese Kollisionsnorm sollte für Hauptinsolvenzverfahren und Partikularverfahren gleichermaßen gelten. Die lex concursus regelt alle verfahrensrechtlichen wie materiellen Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf die davon betroffenen Personen und Rechtsverhältnisse; nach ihr bestimmen sich alle Voraussetzungen für die Eröffnung, Abwicklung und Beendigung des Insolvenzverfahrens. (24) Die automatische Anerkennung eines Insolvenzverfahrens, auf das regelmäßig das Recht des Eröffnungsstaats Anwendung findet, kann mit den Vorschriften anderer Mitgliedstaaten für die Vornahme von Rechtshandlungen kollidieren. Um in den anderen Mitgliedstaaten als dem Staat der Verfahrenseröffnung Vertrauensschutz und Rechtssicherheit zu gewährleisten, sollten eine Reihe von Ausnahmen von der allgemeinen Vorschrift vorgesehen werden. (25) Ein besonderes Bedürfnis für eine vom Recht des Eröffnungsstaats abweichende Sonderanknüpfung besteht bei dinglichen Rechten, da diese für die Gewährung von Krediten von erheblicher Bedeutung sind. Die Begründung, Gültigkeit und Tragweite eines solchen dinglichen Rechts sollten sich deshalb regelmäßig nach dem Recht des Belegenheitsorts bestimmen und von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt werden. Der Inhaber des dinglichen Rechts sollte somit sein Recht zur Aus- bzw. Absonderung an dem Sicherungsgegenstand weiter geltend machen können. Falls an Vermögensgegenständen in einem Mitgliedstaat dingliche Rechte nach dem Recht des Belegenheitsstaats bestehen, das Hauptinsolvenzverfahren aber in einem anderen Mitgliedstaat stattfindet, sollte der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens in dem Zuständigkeitsgebiet, in dem die dinglichen Rechte bestehen, beantragen können, sofern der Schuldner dort eine Niederlassung hat. Wird kein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet, so ist der überschießende Erlös aus der Veräußerung der Vermögensgegenstände, an denen dingliche Rechte bestanden, an den Verwalter des Hauptverfahrens abzuführen. (26) Ist nach dem Recht des Eröffnungsstaats eine Aufrechnung nicht zulässig, so sollte ein Gläubiger gleichwohl zur Aufrechnung berechtigt sein, wenn diese nach dem für die Forderung des insolventen Schuldners maßgeblichen Recht möglich ist. Auf diese Weise würde die Aufrechnung eine Art Garantiefunktion aufgrund von Rechtsvorschriften erhalten, auf die sich der betreffende Gläubiger zum Zeitpunkt der Entstehung der Forderung verlassen kann. (27) Ein besonderes Schutzbedürfnis besteht auch bei Zahlungssystemen und Finanzmärkten. Dies gilt etwa für die in diesen Systemen anzutreffenden Glattstellungsverträge und Nettingvereinbarungen sowie für die Veräußerung von Wertpapieren und die zur Absicherung dieser Transaktionen gestellten Sicherheiten, wie dies insbesondere in der Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen geregelt ist. Für diese Transaktionen soll deshalb allein das Recht maßgebend sein, das auf das betreffende System bzw. den betreffenden Markt anwendbar ist. Mit dieser Vorschrift soll verhindert werRolf A. Schütze

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den, daß im Fall der Insolvenz eines Geschäftspartners die in Zahlungs- oder Aufrechnungssystemen oder auf den geregelten Finanzmärkten der Mitgliedstaaten vorgesehenen Mechanismen zur Zahlung und Abwicklung von Transaktionen geändert werden können. Die Richtlinie 98/26/EG enthält Sondervorschriften, die den allgemeinen Regelungen dieser Verordnung vorgehen sollten. (28) Z u m Schutz der Arbeitnehmer und der Arbeitsverhältnisse müssen die Wirkungen der Insolvenzverfahren auf die Fortsetzung oder Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie auf die Rechte und Pflichten aller an einem solchen Arbeitsverhältnis beteiligten Parteien durch das gemäß den allgemeinen Kollisionsnormen für den Vertrag maßgebliche Recht bestimmt werden. Sonstige insolvenzrechtliche Fragen, wie etwa, ob die Forderungen der Arbeitnehmer durch ein Vorrecht geschützt sind und welchen Rang dieses Vorrecht gegebenenfalls erhalten soll, sollten sich nach dem Recht des Eröffnungsstaats bestimmen. (29) Im Interesse des Geschäftsverkehrs sollte auf Antrag des Verwalters der wesentliche Inhalt der Entscheidung über die Verfahrenseröffnung in den anderen Mitgliedstaaten bekannt gemacht werden. Befindet sich in dem betreffenden Mitgliedstaat eine Niederlassung, so kann eine obligatorische Bekanntmachung vorgeschrieben werden. In beiden Fällen sollte die Bekanntmachung jedoch nicht Voraussetzung für die Anerkennung des ausländischen Verfahrens sein. (30) Es kann der Fall eintreten, daß einige der betroffenen Personen tatsächlich keine Kenntnis von der Verfahrenseröffnung haben und gutgläubig im Widerspruch zu der neuen Sachlage handeln. Z u m Schutz solcher Personen, die in Unkenntnis der ausländischen Verfahrenseröffnung eine Zahlung an den Schuldner leisten, obwohl diese an sich an den ausländischen Verwalter hätte geleistet werden müssen, sollte eine schuldbefreiende Wirkung der Leistung bzw. Zahlung vorgesehen werden. (31) Diese Verordnung sollte Anhänge enthalten, die sich auf die Organisation der Insolvenzverfahren beziehen. Da diese Anhänge sich ausschließlich auf das Recht der Mitgliedstaaten beziehen, sprechen spezifische und begründete Umstände dafür, daß der Rat sich das Recht vorbehält, diese Anhänge zu ändern, um etwaigen Änderungen des innerstaatlichen Rechts der Mitgliedstaaten Rechnung tragen zu können. (32) Entsprechend Artikel 3 des Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands, das dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügt ist, haben das Vereinigte Königreich und Irland mitgeteilt, daß sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchten. (33) Gemäß den Artikeln 1 und 2 des Protokolls über die Position Dänemarks, das dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügt ist, beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Verordnung, die diesen Mitgliedstaat somit nicht bindet und auf ihn keine Anwendung findet -

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Europäische Insolvenzverordnung (EulnsVO)

KAPITEL I

ALLGEMEINE V O R S C H R I F T E N Artikel 1

Anwendungsbereich (1) Diese Verordnung gilt für Gesamtverfahren, welche die Insolvenz des Schuldners voraussetzen und den vollständigen oder teilweisen Vermögensbeschlag gegen den Schuldner sowie die Bestellung eines Verwalters zur Folge haben. (2) Diese Verordnung gilt nicht für Insolvenzverfahren über das Vermögen von Versicherungsunternehmen oder Kreditinstituten, von Wertpapierfirmen, die Dienstleistungen erbringen, welche die Haltung von Geldern oder Wertpapieren Dritter umfassen, sowie von Organismen für gemeinsame Anlagen. Artikel 2

Definitionen Für die Zwecke dieser Verordnung bedeutet a) „Insolvenzverfahren" die in Artikel 1 Absatz 1 genannten Gesamtverfahren. Diese Verfahren sind in Anhang Α aufgeführt; b) „Verwalter" jede Person oder Stelle, deren Aufgabe es ist, die M a s s e zu verwalten oder zu verwerten oder die Geschäftstätigkeit des Schuldners zu überwachen. Diese Personen oder Stellen sind in Anhang C aufgeführt; c) „Liquidationsverfahren" ein Insolvenzverfahren im Sinne von Buchstabe a), das zur Liquidation des Schuldnervermögens führt, und zwar auch dann, wenn dieses Verfahren durch einen Vergleich oder eine andere die Insolvenz des Schuldners beendende Maßnahme oder wegen unzureichender M a s s e beendet wird. Diese Verfahren sind in Anhang Β aufgeführt; d) „Gericht" das Justizorgan oder jede sonstige zuständige Stelle eines Mitgliedstaats, die befugt ist, ein Insolvenzverfahren zu eröffnen oder im Laufe des Verfahrens Entscheidungen zu treffen; e) „Entscheidung", falls es sich um die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder die Bestellung eines Verwalters handelt, die Entscheidung jedes Gerichts, das zur Eröffnung eines derartigen Verfahrens oder zur Bestellung eines Verwalters befugt ist; f) „Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung" den Zeitpunkt, in dem die Eröffnungsentscheidung wirksam wird, unabhängig davon, ob die Entscheidung endgültig ist; g) „Mitgliedstat, in dem sich ein Vermögensgegenstand befindet", im Fall von - körperlichen Gegenständen den Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der Gegenstand belegen ist, - Gegenständen oder Rechten, bei denen das Eigentum oder die Rechtsinhaberschaft in ein öffentliches Register einzutragen ist, den Mitgliedstaat, unter dessen Aufsicht das Register geführt wird, - Forderungen den Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der zur Leistung verpflichtete Dritte den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 hat; Rolf A. Schütze

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h) „Niederlassung" jeden Tätigkeitsort, an dem der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität von nicht vorübergehender Art nachgeht, die den Einsatz von Personal und Vermögenswerten voraussetzt.

Artikel 3 Internationale Zuständigkeit (1) Für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Bei Gesellschaften und juristischen Personen wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, daß der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen der Ort des satzungsmäßigen Sitzes ist. (2) Hat der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen im Gebiet eines Mitgliedstaats, so sind die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats nur dann zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens befugt, wenn der Schuldner eine Niederlassung im Gebiet dieses anderen Mitgliedstaats hat. Die Wirkungen dieses Verfahrens sind auf das im Gebiet dieses letzteren Mitgliedstaats belegene Vermögen des Schuldners beschränkt. (3) Wird ein Insolvenzverfahren nach Absatz 1 eröffnet, so ist jedes zu einem späteren Zeitpunkt nach Absatz 2 eröffnete Insolvenzverfahren ein Sekundärinsolvenzverfahren. Bei diesem Verfahren muß es sich um ein Liquidationsverfahren handeln. (4) Vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach Absatz 1 kann ein Partikularverfahren nach Absatz 2 nur in den nachstehenden Fällen eröffnet werden: a) falls die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach Absatz 1 angesichts der Bedingungen, die in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats vorgesehen sind, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, nicht möglich ist; b) falls die Eröffnung des Partikularverfahrens von einem Gläubiger beantragt wird, der seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz in dem Mitgliedstaat hat, in dem sich die betreffende Niederlassung befindet, oder dessen Forderung auf einer sich aus dem Betrieb dieser Niederlassung ergebenden Verbindlichkeit beruht.

Artikel 4 Anwendbares Recht (1) Soweit diese Verordnung nichts anderes bestimmt, gilt für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen das Insolvenzrecht des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren eröffnet wird, nachstehend „Staat der Verfahrenseröffnung" genannt. (2) Das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung regelt, unter welchen Voraussetzungen das Insolvenzverfahren eröffnet wird und wie es durchzuführen und zu beenden ist. Es regelt insbesondere: a) bei welcher Art von Schuldnern ein Insolvenzverfahren zulässig ist; b) welche Vermögenswerte zur Masse gehören und wie die nach der Verfahrenseröffnung vom Schuldner erworbenen Vermögenswerte zu behandeln sind; c) die jeweiligen Befugnisse des Schuldners und des Verwalters; 326

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Europäische Insolvenzverordnung (EulnsVO)

d) die Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Aufrechnung; e) wie sich das Insolvenzverfahren auf laufende Verträge des Schuldners auswirkt; f) wie sich die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf Rechtsverfolgungsmaßnahmen einzelner Gläubiger auswirkt; ausgenommen sind die Wirkungen auf anhängige Rechtsstreitigkeiten; g) welche Forderungen als Insolvenzforderungen anzumelden sind und wie Forderungen zu behandeln sind, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen; h) die Anmeldung, die Prüfung und die Feststellung der Forderungen; i) die Verteilung des Erlöses aus der Verwertung des Vermögens, den Rang der Forderungen und die Rechte der Gläubiger, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund eines dinglichen Rechts oder infolge einer Aufrechnung teilweise befriedigt wurden; j) die Voraussetzungen und die Wirkungen der Beendigung des Insolvenzverfahrens, insbesondere durch Vergleich; k) die Rechte der Gläubiger nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens; 1) wer die Kosten des Insolvenzverfahrens einschließlich der Auslagen zu tragen hat; m) welche Rechtshandlungen nichtig, anfechtbar oder relativ unwirksam sind, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen.

Artikel 5 Dingliche Rechte Dritte (1) Das dingliche Recht eines Gläubigers oder eines Dritten an körperlichen oder unkörperlichen, beweglichen oder unbeweglichen Gegenständen des Schuldners sowohl an bestimmten Gegenständen als auch an einer Mehrheit von nicht bestimmten Gegenständen mit wechselnder Zusammensetzung - , die sich zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats befinden, wird von der Eröffnung des Verfahrens nicht berührt. (2) Rechte im Sinne von Absatz 1 sind insbesondere a) das Recht, den Gegenstand zu verwerten oder verwerten zu lassen und aus dem Erlös oder den Nutzungen dieses Gegenstands befriedigt zu werden, insbesondere aufgrund eines Pfandrechts oder einer Hypothek; b) das ausschließliche Recht, eine Forderung einzuziehen, insbesondere aufgrund eines Pfandrechts an einer Forderung oder aufgrund einer Sicherheitsabtretung dieser Forderung; c) das Recht, die Herausgabe des Gegenstands von jedermann zu verlangen, der diesen gegen den Willen des Berechtigten besitzt oder nutzt; d) das dingliche Recht, die Früchte eines Gegenstands zu ziehen. (3) Das in einem öffentlichen Register eingetragene und gegen jedermann wirksame Recht, ein dingliches Recht im Sinne von Absatz 1 zu erlangen, wird einem dinglichen Recht gleichgestellt. (4) Absatz 1 steht der Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relativen Unwirksamkeit einer Rechtshandlung nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe m) nicht entgegen.

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Artikel 6 Aufrechnung (1) Die Befugnis eines Gläubigers, mit seiner Forderung gegen eine Forderung des Schuldners aufzurechnen, wird von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt, wenn diese Aufrechnung nach dem für die Forderung des insolventen Schuldners maßgeblichen Recht zulässig ist. (2) Absatz 1 steht der Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relativen Unwirksamkeit einer Rechtshandlung nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe m) nicht entgegen.

Artikel 7 Eigentumsvorbehalt (1) Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen den Käufer einer Sache läßt die Rechte des Verkäufers aus einem Eigentumsvorbehalt unberührt, wenn sich diese Sache zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als dem der Verfahrenseröffnung befindet. (2) Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen den Verkäufer einer Sache nach deren Lieferung rechtfertigt nicht die Auflösung oder Beendigung des Kaufvertrags und steht dem Eigentumserwerb des Käufers nicht entgegen, wenn sich diese Sache zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als dem der Verfahrenseröffnung befindet. (3) Die Absätze 1 und 2 stehen der Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relativen Unwirksamkeit einer Rechtshandlung nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe m) nicht entgegen. Artikel 8 Vertrag über einen unbeweglichen Gegenstand Für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen Vertrag, der zum Erwerb oder zur Nutzung eines unbeweglichen Gegenstands berechtigt, ist ausschließlich das Recht des Mitgliedstaats maßgebend, in dessen Gebiet dieser Gegenstand belegen ist. Artikel 9 Zahlungssysteme und Finanzmärkte (1) Unbeschadet des Artikels 5 ist für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf die Rechte und Pflichten der Mitglieder eines Zahlungs- oder Abwicklungssystems oder eines Finanzmarktes ausschließlich das Recht des Mitgliedstaats maßgebend, das für das betreffende System oder den betreffenden Markt gilt. (2) Absatz 1 steht einer Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relativen Unwirksamkeit der Zahlungen oder Transaktionen gemäß den für das betreffende Zahlungssystem oder den betreffenden Finanzmarkt geltenden Rechtsvorschriften nicht entgegen. 328

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Artikel 10 Arbeitsvertrag Für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen Arbeitsvertrag und auf das Arbeitsverhältnis gilt ausschließlich das Recht des Mitgliedstaats, das auf den Arbeitsvertrag anzuwenden ist.

Artikel 11 Wirkung auf eintragungspflichtige Rechte Für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf Rechte des Schuldners an einem unbeweglichen Gegenstand, einem Schiff oder einem Luftfahrzeug, die der Eintragung in ein öffentliches Register unterliegen, ist das Recht des Mitgliedstaats maßgebend, unter dessen Aufsicht das Register geführt wird.

Artikel 12 Gemeinschaftspatente und -marken Für die Zwecke dieser Verordnung kann ein Gemeinschaftspatent, eine Gemeinschaftsmarke oder jedes andere durch Gemeinschaftsvorschriften begründete ähnliche Recht nur in ein Verfahren nach Artikel 3 Absatz 1 miteinbezogen werden.

Artikel 13 Benachteiligende Handlungen Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe m) findet keine Anwendung, wenn die Person, die durch eine die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligende Handlung begünstigt wurde, nachweist, - daß für diese Handlung das Recht eines anderen Mitgliedstaats als des Staates der Verfahrenseröffnung maßgeblich ist und - daß in diesem Fall diese Handlung in keiner Weise nach diesem Recht angreifbar ist.

Artikel 14 Schutz des Dritterwerbers Verfügt der Schuldner durch eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Rechtshandlung gegen Entgelt - über einen unbeweglichen Gegenstand, - über ein Schiff oder ein Luftfahrzeug, das der Eintragung in ein öffentliches Register unterliegt, oder Rolf A. Schütze

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- über Wertpapiere, deren Eintragung in ein gesetzlich vorgeschriebenes Register Voraussetzung für ihre Existenz ist, so richtet sich die Wirksamkeit dieser Rechtshandlung dem Recht des Staates, in dessen Gebiet dieser unbewegliche Gegenstand belegen ist oder unter dessen Aufsicht das Register geführt wird.

Artikel 15 Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf anhängige Rechtsstreitigkeiten Für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen anhängigen Rechtsstreit über einen Gegenstand oder ein Recht der Masse gilt ausschließlich das Recht des Mitgliedstaats, in dem der Rechtsstreit anhängig ist.

KAPITEL II

ANERKENNUNG DER INSOLVENZVERFAHREN Artikel 16 Grundsatz (1) Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch ein nach Artikel 3 zuständiges Gericht eines Mitgliedstaats wird in allen übrigen Mitgliedstaaten anerkannt, sobald die Entscheidung im Staat der Verfahrenseröffnung wirksam ist. Dies gilt auch, wenn in den übrigen Mitgliedstaaten über das Vermögen des Schuldners wegen seiner Eigenschaft ein Insolvenzverfahren nicht eröffnet werden könnte. (2) Die Anerkennung eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 1 steht der Eröffnung eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 2 durch ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats nicht entgegen. In diesem Fall ist das Verfahren nach Artikel 3 Absatz 2 ein Sekundärinsolvenzverfahren im Sinne von Kapitel III. Artikel 17 Wirkungen der Anerkennung (1) Die Eröffnung eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 1 entfaltet in jedem anderen Mitgliedstaat, ohne daß es hierfür irgendwelcher Förmlichkeiten bedürfte, die Wirkungen, die das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung dem Verfahren beilegt, sofern diese Verordnung nichts anderes bestimmt und solange in diesem anderen Mitgliedstaat kein Verfahren nach Artikel 3 Absatz 2 eröffnet ist. (2) Die Wirkungen eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 2 dürfen in den anderen Mitgliedstaten nicht in Frage gestellt werden. Jegliche Beschränkung der Rechte der Gläubiger, insbesondere eine Stundung oder eine Schuldbefreiung infolge des Verfahrens, wirkt hinsichtlich des im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats belegenen Vermögens nur gegenüber den Gläubigern, die ihre Zustimmung hierzu erteilt haben. 330

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Artikel 18 Befugnisse des Verwalters (1) Der Verwalter, der durch ein nach Artikel 3 Absatz 1 zuständiges Gericht bestellt worden ist, darf im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats alle Befugnisse ausüben, die ihm nach dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung zustehen, solange in dem anderen Staat nicht ein weiteres Insolvenzverfahren eröffnet ist oder eine gegenteilige Sicherungsmaßnahme auf einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hin ergriffen worden ist. Er kann insbesondere vorbehaltlich der Artikel 5 und 7 die zur M a s s e gehörenden Gegenstände aus dem Gebiet des Mitgliedstaats entfernen, in dem sich die Gegenstände befinden. (2) Der Verwalter, der durch ein nach Artikel 3 Absatz 2 zuständiges Gericht bestellt worden ist, darf in jedem anderen Mitgliedstaat gerichtlich und außergerichtlich geltend machen, daß ein beweglicher Gegenstand nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus dem Gebiet des Staates der Verfahrenseröffnung in das Gebiet dieses anderen Mitgliedstaats verbracht worden ist. Des weiteren kann er eine den Interessen der Gläubiger dienende Anfechtungsklage erheben. (3) Bei der Ausübung seiner Befugnisse hat der Verwalter das Recht des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet er handeln will, zu beachten, insbesondere hinsichtlich der Art und Weise der Verwertung eines Gegenstands der Masse. Diese Befugnisse dürfen nicht die Anwendung von Zwangsmitteln oder das Recht umfassen, Rechtsstreitigkeiten oder andere Auseinandersetzungen zu entscheiden. Artikel 19 Nachweis der Verwalterstellung Die Bestellung zum Verwalter wird durch eine beglaubigte Abschrift der Entscheidung, durch die er bestellt worden ist, oder durch eine andere von dem zuständigen Gericht ausgestellte Bescheinigung nachgewiesen. Es kann eine Übersetzung in die Amtssprache oder eine der Amtssprachen des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet er handeln will, verlangt werden. Eine Legalisation oder eine entsprechende andere Förmlichkeit wird nicht verlangt. Artikel 2 0 Herausgabepflicht und Anrechnung (1) Ein Gläubiger, der nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach Artikel 3 Absatz 1 auf irgendeine Weise, insbesondere durch Zwangsvollstreckung, vollständig oder teilweise aus einem Gegenstand der M a s s e befriedigt wird, der in einem anderen Mitgliedstaat belegen ist, hat vorbehaltlich der Artikel 5 und 7 das Erlangte an den Verwalter herauszugeben. (2) Zur Wahrung der Gleichbehandlung der Gläubiger nimmt ein Gläubiger, der in einem Insolvenzverfahren eine Q u o t e auf seine Forderung erlangt hat, an der Verteilung im Rahmen eines anderen Verfahrens erst dann teil, wenn die Gläubiger gleichen Ranges oder gleicher Gruppenzugehörigkeit in diesem anderen Verfahren die gleiche Q u o t e erlangt haben. Rolf A. Schütze

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Artikel 21 Öffentliche Bekanntmachung (1) Auf Antrag des Verwalters ist in jedem anderen Mitgliedstaat der wesentliche Inhalt der Entscheidung über die Verfahrenseröffnung und gegebenenfalls der Entscheidung über eine Bestellung entsprechend den Bestimmungen des jeweiligen Staates für öffentliche Bekanntmachungen zu veröffentlichen. In der Bekanntmachung ist ferner anzugeben, welcher Verwalter bestellt wurde und ob sich die Zuständigkeit aus Artikel 3 Absatz 1 oder aus Artikel 3 Absatz 2 ergibt. (2) Jeder Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der Schuldner eine Niederlassung besitzt, kann jedoch die obligatorische Bekanntmachung vorsehen. In diesem Fall hat der Verwalter oder jede andere hierzu befugte Stelle des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren nach Artikel 3 Absatz 1 eröffnet wurde, die für diese Bekanntmachung erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

Artikel 22 Eintragung in öffentliche Register (1) Auf Antrag des Verwalters ist die Eröffnung eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 1 in das Grundbuch, das Handelsregister und alle sonstigen öffentlichen Register in den übrigen Mitgliedstaaten einzutragen. (2) Jeder Mitgliedstaat kann jedoch die obligatorische Eintragung vorsehen. In diesem Fall hat der Verwalter oder andere hierzu befugte Stelle des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren nach Artikel 3 Absatz 1 eröffnet wurde, die für diese Eintragung erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Artikel 23 Kosten Die Kosten der öffentlichen Bekanntmachung nach Artikel 21 und der Eintragung nach Artikel 22 gelten als Kosten und Aufwendungen des Verfahrens. Artikel 24 Leistung an den Schuldner (1) Wer in einem Mitgliedstaat an einen Schuldner leistet, über dessen Vermögen in einem anderen Mitgliedstaat ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, obwohl er an den Verwalter des Insolvenzverfahrens hätte leisten müssen, wird befreit, wenn ihm die Eröffnung des Verfahrens nicht bekannt war. (2) Erfolgt die Leistung vor der öffentlichen Bekanntmachung nach Artikel 21, so wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, daß dem Leistenden die Eröffnung nicht bekannt war. Erfolgt die Leistung nach der Bekanntmachung gemäß Artikel 21, so wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, daß dem Leistenden die Eröffnung bekannt war. 332

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Europäische Insolvenzverordnung (EulnsVO)

Artikel 2 5 Anerkennung und Vollstreckbarkeit sonstiger Entscheidungen (1) Die zur Durchführung und Beendigung eines Insolvenzverfahrens ergangenen Entscheidungen eines Gerichts, dessen Eröffnungsentscheidung nach Artikel 16 anerkannt wird, sowie ein von einem solchen Gericht bestätigter Vergleich werden ebenfalls ohne weitere Förmlichkeiten anerkannt. Diese Entscheidungen werden nach den Artikeln 31 bis 51 (mit Ausnahme von Artikel 3 4 Absatz 2) des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der durch die Beitrittsübereinkommen zu diesem Übereinkommen geänderten Fassung vollstreckt. Unterabsatz 1 gilt auch für Entscheidungen, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen, auch wenn diese Entscheidungen von einem anderen Gericht getroffen werden. Unterabsatz 1 gilt auch für Entscheidungen über Sicherungsmaßnahmen, die nach dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens getroffen werden. (2) Die Anerkennung und Vollstreckung der anderen als der in Absatz 1 genannten Entscheidungen unterliegen dem Übereinkommen nach Absatz 1, soweit jenes Übereinkommen anwendbar ist. (3) Die Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, eine Entscheidung gemäß Absatz 1 anzuerkennen und zu vollstrecken, die eine Einschränkung der persönlichen Freiheit oder des Postgeheimnisses zur Folge hätte.

Artikel 2 6 1 Ordre Public Jeder Mitgliedstaat kann sich weigern, ein in einem anderen Mitgliedstaat eröffnetes Insolvenzverfahren anzuerkennen oder eine in einem solchen Verfahren ergangene Entscheidung zu vollstrecken, soweit diese Anerkennung oder diese Vollstreckung zu einem Ergebnis führt, das offensichtlich mit seiner öffentlichen Ordnung, insbesondere mit den Grundprinzipien oder den verfassungsmäßig garantierten Rechten und Freiheiten des einzelnen, unvereinbar ist.

Siehe die Erklärung Portugals zur Anwendung der Artikel 2 6 und 3 7 (ABl. C 183 vom 3 0 . 6 . 2 0 0 0 , S. 1).

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

KAPITEL III

SEKUNDÄRINSOLVENZVERFAHREN Artikel 27 Verfahrenseröffnung Ist durch ein Gericht eines Mitgliedstaats ein Verfahren nach Artikel 3 Absatz 1 eröffnet worden, das in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt ist (Hauptinsolvenzverfahren), so kann ein nach Artikel 3 Absatz 2 zuständiges Gericht dieses anderen Mitgliedstaats ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnen, ohne daß in diesem anderen Mitgliedstaat die Insolvenz des Schuldners geprüft wird. Bei diesem Verfahren muß es sich um eines der in Anhang Β aufgeführten Verfahren handeln. Seine Wirkungen beschränken sich auf das im Gebiet dieses anderen Mitgliedstaats belegene Vermögen des Schuldners. Artikel 28 Anwendbares Recht Soweit diese Verordnung nichts anderes bestimmt, finden auf das Sekundärinsolvenzverfahren die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats Anwendung, in dessen Gebiet das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet worden ist. Artikel 2 9 Antragsrecht Die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens können beantragen: a) der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens, b) jede andere Person oder Stelle, der das Antragsrecht nach dem Recht des Mitgliedstaats zusteht, in dessen Gebiet das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet werden soll. Artikel 30 Kostenvorschuß Verlangt das Recht des Mitgliedstaats, in dem ein Sekundärinsolvenzverfahren beantragt wird, daß die Kosten des Verfahrens einschließlich der Auslagen ganz oder teilweise durch die Masse gedeckt sind, so kann das Gericht, bei dem ein solcher Antrag gestellt wird, vom Antragsteller einen Kostenvorschuß oder eine angemessene Sicherheitsleistung verlangen. Artikel 31 Kooperations- und Unterrichtungspflicht (1) Vorbehaltlich der Vorschriften über die Einschränkung der Weitergabe von Informationen besteht für den Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens und für die Verwalter der Sekundärinsolvenzverfahren die Pflicht zur gegenseitigen Unterrich334

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Europäische Insolvenzverordnung (EulnsVO)

tung. Sie haben einander unverzüglich alle Informationen mitzuteilen, die für das jeweilige andere Verfahren von Bedeutung sein können, insbesondere den Stand der Anmeldung und der Prüfung der Forderungen sowie alle Maßnahmen zur Beendigung eines Insolvenzverfahrens. (2) Vorbehaltlich der für die einzelnen Verfahren geltenden Vorschriften sind der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens und die Verwalter der Sekundärinsolvenzverfahren zur Zusammenarbeit verpflichtet. (3) Der Verwalter eines Sekundärinsolvenzverfahrens hat dem Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens zu gegebener Zeit Gelegenheit zu geben, Vorschläge für die Verwertung oder jede Art der Verwendung der Masse des Sekundärinsolvenzverfahrens zu unterbreiten. Artikel 3 2 Ausübung von Gläubigerrechten (1) Jeder Gläubiger kann seine Forderung im Hauptinsolvenzverfahren und in jedem Sekundärinsolvenzverfahren anmelden. (2) Die Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens und der Sekundärinsolvenzverfahren melden in den anderen Verfahren die Forderungen an, die in dem Verfahren, für das sie bestellt sind, bereits angemeldet worden sind, soweit dies für die Gläubiger des letztgenannten Verfahrens zweckmäßig ist und vorbehaltlich des Rechts dieser Gläubiger, dies abzulehnen oder die Anmeldung zurückzunehmen, sofern ein solches Recht gesetzlich vorgesehen ist. (3) Der Verwalter eines Haupt- oder eines Sekundärinsolvenzverfahrens ist berechtigt, wie ein Gläubiger an einem anderen Insolvenzverfahren mitzuwirken, insbesondere indem er an einer Gläubigerversammlung teilnimmt.

Artikel 3 3 Aussetzung der Verwertung (1) Das Gericht, welches das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet hat, setzt auf Antrag des Verwalters des Hauptinsolvenzverfahrens die Verwertung ganz oder teilweise aus; dem zuständigen Gericht steht jedoch das Recht zu, in diesem Fall vom Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens alle angemessenen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Gläubiger des Sekundärinsolvenzverfahrens sowie einzelner Gruppen von Gläubigern zu verlangen. Der Antrag des Verwalters des Hauptinsolvenzverfahrens kann nur abgelehnt werden, wenn die Aussetzung offensichtlich für die Gläubiger des Hauptinsolvenzverfahrens nicht von Interesse ist. Die Aussetzung der Verwertung kann für höchstens drei Monate angeordnet werden. Sie kann für jeweils denselben Zeitraum verlängert oder erneuert werden. (2) Das Gericht nach Absatz 1 hebt die Aussetzung der Verwertung in folgenden Fällen auf: - auf Antrag des Verwalters des Hauptinsolvenzverfahrens, - von Amts wegen, auf Antrag eines Gläubigers oder auf Antrag des Verwalters des Sekundärinsolvenzverfahrens, wenn sich herausstellt, daß diese Maßnahme insbesondere nicht mehr mit dem Interesse der Gläubiger des Haupt- oder des Sekundärinsolvenzverfahrens zu rechtfertigen ist. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

Artikel 3 4 Verfahrensbeendende Maßnahmen (1) Kann das Sekundärinsolvenzverfahren nach dem für dieses Verfahren maßgeblichen Recht ohne Liquidation durch einen Sanierungsplan, einen Vergleich oder eine andere vergleichbare Maßnahme beendet werden, so kann eine solche M a ß nahme vom Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens vorgeschlagen werden. Eine Beendigung des Sekundärinsolvenzverfahrens durch eine Maßnahme nach Unterabsatz 1 kann nur bestätigt werden, wenn der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens zustimmt oder, falls dieser nicht zustimmt, wenn die finanziellen Interessen der Gläubiger des Hauptinsolvenzverfahrens durch die vorgeschlagene M a ß nahme nicht beeinträchtigt werden. (2) Jede Beschränkung der Rechte der Gläubiger, wie zum Beispiel eine Stundung oder eine Schuldbefreiung, die sich aus einer in einem Sekundärinsolvenzverfahren vorgeschlagenen Maßnahme im Sinne von Absatz 1 ergibt, kann nur dann Auswirkungen auf das nicht von diesem Verfahren betroffene Vermögen des Schuldners haben, wenn alle betroffenen Gläubiger der Maßnahme zustimmen. (3) Während einer nach Artikel 33 angeordneten Aussetzung der Verwertung kann nur der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens oder der Schuldner mit dessen Zustimmung im Sekundärinsolvenzverfahren Maßnahmen im Sinne von Absatz 1 des vorliegenden Artikels vorschlagen; andere Vorschläge für eine solche Maßnahme dürfen weder zur Abstimmung gestellt noch bestätigt werden.

Artikel 35 Überschuß im Sekundärinsolvenzverfahren Können bei der Verwertung der Masse des Sekundärinsolvenzverfahrens alle in diesem Verfahren festgestellten Forderungen befriedigt werden, so übergibt der in diesem Verfahren bestellte Verwalter den verbleibenden Überschuß unverzüglich dem Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens.

Artikel 36 Nachträgliche Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens Wird ein Verfahren nach Artikel 3 Absatz 1 eröffnet, nachdem in einem anderen Mitgliedstaat ein Verfahren nach Artikel 3 Absatz 2 eröffnet worden ist, so gelten die Artikel 31 bis 35 für das zuerst eröffnete Insolvenzverfahren, soweit dies nach dem Stand dieses Verfahrens möglich ist. Artikel 3 7 2 Umwandlung des vorhergehenden Verfahrens Der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens kann beantragen, daß ein in Anhang Α genanntes Verfahren, das zuvor in einem anderen Mitgliedstaat eröffnet

Siehe die Erklärung Portugals zur Anwendung der Artikel 2 6 und 3 7 (ABl. C 183 vom 3 0 . 6 . 2 0 0 0 , S. 1).

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Europäische Insolvenzverordnung (EulnsVO)

wurde, in ein Liquidationsverfahren umgewandelt wird, wenn es sich erweist, daß diese Umwandlung im Interesse der Gläubiger des Hauptverfahrens liegt. Das nach Artikel 3 Absatz 2 zuständige Gericht ordnet die Umwandlung in eines der in Anhang Β aufgeführten Verfahren an.

Artikel 38 Sicherungsmaßnahmen Bestellt das nach Artikel 3 Absatz 1 zuständige Gericht eines Mitgliedstaats zur Sicherung des Schuldnervermögens einen vorläufigen Verwalter, so ist dieser berechtigt, zur Sicherung und Erhaltung des Schuldnervermögens, das sich in einem anderen Mitgliedstaat befindet, jede Maßnahme zu beantragen, die nach dem Recht dieses Staates für die Zeit zwischen dem Antrag auf Eröffnung eines Liquidationsverfahrens und dessen Eröffnung vorgesehen ist.

KAPITEL IV

UNTERRICHTUNG DER GLÄUBIGER UND ANMELDUNG IHRER FORDERUNGEN Artikel 39 Recht auf Anmeldung von Forderungen Jeder Gläubiger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Staat der Verfahrenseröffnung hat, einschließlich der Steuerbehörden und der Sozialversicherungsträger der Mitgliedstaaten, kann seine Forderungen in dem Insolvenzverfahren schriftlich anmelden.

Artikel 4 0 Pflicht zur Unterrichtung der Gläubiger (1) Sobald in einem Mitgliedstaat ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, unterrichtet das zuständige Gericht dieses Staates oder der von diesem Gericht bestellte Verwalter unverzüglich die bekannten Gläubiger, die in den anderen Mitgliedstaaten ihren gewöhnlichen Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz haben. (2) Die Unterrichtung erfolgt durch individuelle Übersendung eines Vermerks und gibt insbesondere an, welche Fristen einzuhalten sind, welches die Versäumnisfolgen sind, welche Stelle für die Entgegennahme der Anmeldungen zuständig ist und welche weiteren Maßnahmen vorgeschrieben sind. In dem Vermerk ist auch anzugeben, ob die bevorrechtigten oder dinglich gesicherten Gläubiger ihre Forderungen anmelden müssen. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

Artikel 41 Inhalt einer Forderungsanmeldung Der Gläubiger übersendet eine Kopie der gegebenenfalls vorhandenen Belege, teilt die Art, den Entstehungszeitpunkt und den Betrag der Forderung mit und gibt an, ob er für die Forderung ein Vorrecht, eine dingliche Sicherheit oder einen Eigentumsvorbehalt beansprucht und welche Vermögenswerte Gegenstand seiner Sicherheit sind. Artikel 4 2 Sprachen (1) Die Unterrichtung nach Artikel 4 0 erfolgt in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Staates der Verfahrenseröffnung. Hierfür ist ein Formblatt zu verwenden, das in sämtlichen Amtssprachen der Organe der Europäischen Union mit den Worten „Aufforderung zur Anmeldung einer Forderung. Etwaige Fristen beachten!" überschrieben ist. (2) Jeder Gläubiger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Staat der Verfahrenseröffnung hat, kann seine Forderung auch in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen dieses anderen Staates anmelden. In diesem Fall muß die Anmeldung jedoch mindestens die Überschrift „Anmeldung einer Forderung" in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Staates der Verfahrenseröffnung tragen. Vom Gläubiger kann eine Übersetzung der Anmeldung in die Amtssprache oder eine der Amtssprachen des Staates der Verfahrenseröffnung verlangt werden.

KAPITEL V

ÜBERGANGS- UND SCHLUSSBESTIMMUNGEN Artikel 43 Zeitlicher Geltungsbereich Diese Verordnung ist nur auf solche Insolvenzverfahren anzuwenden, die nach ihrem Inkrafttreten eröffnet worden sind. Für Rechtshandlungen des Schuldners vor Inkrafttreten dieser Verordnung gilt weiterhin das Recht, das für diese Rechtshandlungen anwendbar war, als sie vorgenommen wurden. Artikel 4 4 Verhältnis zu Übereinkünften (1) Nach ihrem Inkrafttreten ersetzt diese Verordnung in ihrem sachlichen Anwendungsbereich hinsichtlich der Beziehungen der Mitgliedstaaten untereinander die zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten geschlossenen Übereinkünfte, insbesondere a) das am 8. Juli 1899 in Paris unterzeichnete belgisch-französische Abkommen über die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung und die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen und öffentlichen Urkunden; 338

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Europäische Insolvenzverordnung (EulnsVO)

b) das am 16. Juli 1 9 6 9 in Brüssel unterzeichnete belgisch-österreichische Abkommen über Konkurs, Ausgleich und Zahlungsaufschub (mit Zusatzprotokoll vom 13. Juni 1 9 7 3 ) ; c) das am 2 8 . März 1 9 2 5 in Brüssel unterzeichnete belgisch-niederländische Abkommen über die Zuständigkeit der Gerichte, den Konkurs sowie die Anerkennung und die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen und öffentlichen Urkunden; d) den am 2 5 . M a i 1 9 7 9 in Wien unterzeichneten deutsch-österreichischen Vertrag auf dem Gebiet des Konkurs- und Vergleichs-(Ausgleichs-)rechts; e) das am 27. Februar 1 9 7 9 in Wien unterzeichnete französisch-österreichische Abkommen über die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet des Insolvenzrechts; f) das am 3. Juni 1 9 3 0 in R o m unterzeichnete französisch-italienische Abkommen über die Vollstreckung gerichtlicher Urteile in Zivil- und Handelssachen; g) das am 12. Juli 1 9 7 7 in R o m unterzeichnete italienisch-österreichische Abkommen über Konkurs und Ausgleich; h) den am 3 0 . August 1 9 6 2 in Den Haag unterzeichneten deutsch-niederländischen Vertrag über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen; i) das am 2. M a i 1 9 3 4 in Brüssel unterzeichnete britisch-belgische Abkommen zur gegenseitigen Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen mit Protokoll; j) das am 7. November 1 9 9 3 in Kopenhagen zwischen Dänemark, Finnland, Norwegen, Schweden und Irland geschlossene Konkursübereinkommen; k) das am 5. Juni 1 9 9 0 in Istanbul unterzeichnete Europäische Übereinkommen über bestimmte internationale Aspekte des Konkurses. (2) Die in Absatz 1 aufgeführten Übereinkünfte behalten ihre Wirksamkeit hinsichtlich der Verfahren, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung eröffnet worden sind. (3) Diese Verordnung gilt nicht a) in einem Mitgliedstaat, soweit es in Konkurssachen mit den Verpflichtungen aus einer Übereinkunft unvereinbar ist, die dieser Staat mit einem oder mehreren Drittstaaten vor Inkrafttreten dieser Verordnung geschlossen hat; b) im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland, soweit es in Konkurssachen mit den Verpflichtungen aus Vereinbarungen, die im Rahmen des Commonwealth geschlossen wurden und die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung wirksam sind, unvereinbar ist. Artikel 4 5 Änderung der Anhänge Der R a t kann auf Initiative eines seiner Mitglieder oder auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit die Anhänge ändern. Artikel 4 6 Bericht Die Kommission legt dem Europäischen Parlament, dem R a t und dem Wirtschafts- und Sozialausschuß bis zum 1. Juni 2 0 1 2 und danach alle fünf Jahre einen Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

Bericht über die Anwendung dieser Verordnung vor. Der Bericht enthält gegebenenfalls einen Vorschlag zur Anpassung dieser Verordnung.

Artikel 47 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am 31. Mai 2002 in Kraft. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft unmittelbar in den Mitgliedstaaten. ANHANG A Insolvenzverfahren gemäß Artikel 1 Buchstabe a) BELGIQUE - /BELGIE - La faillite//Het faillissement - Le concordat judiciaire//Het gerechtelijk akkoord - Le reglement collectif de dettes//De collective schuldenregeling DEUTSCHLAND - Das Konkursverfahren - Das gerichtliche Vergleichsverfahren - Das Gesamtvollstreckungsverfahren - Das Insolvenzverfahren ΕΛΛΑΣ - Πτώχευση - Η ειδτκή εκκαθάριση - Η πτοσωρινή διαχείριση εταιρίας. Η διοίκηση και η διαχείριση των πιστωτώτ - Η υπαγωγή επιχείρησης υπό επίτροπο με σκοπό τη σύναψη συμβιβασμού με τους πιστωτές ESPANA - Concurso de acreedores - Quiebra - Suspension de pagos -FRANCE Liquidation judiciaire - Redressement judiciaire avec nomination d'un administrateur IRELAND - Compulsory winding-up by the Court - Bankruptcy - The administration in bankruptcy of the estate of persons dying insolvent - Winding-up in bankruptcy of partnerships Rolf A. Schütze 340

Europäische Insolvenzverordnung (EulnsVO). Anhang

- Creditors' voluntary winding-up (with confirmation of a court) - Arrangements under the control of the Court which involve the vesting of all or part of the property of the debtor in the Official Assignee for realisation and distribution - Company examinership ITALIA - Fallimento - Concordato preventivo - Liquidazione coatta amministrativa - Amministrazione straordinaria - Amministrazione controllata LUXEMBOURG - Faillite - Gestion contrölee - Concordat preventif de faillite (par abandon d'actif) - Regime special de liquidation du notariat NEDERLAND - Het faillissement - De surseance van betaling - De schuldsaneringsregeling natuurlijke personen ÖSTERREICH - Das Konkursverfahren - Das Ausgleichsverfahren PORTUGAL - Ο processo de falencia - Os processos especiais de recupera9äo de empresa, ou seja: - A concordata - Α reconstituiiäo empresarial - A reestrutura9§o financeira - Α gestäo controlada SUOMI - / F I N L A N D - Konkurssi//konkurs - Yrityssaneeraus//företagssanering SVERIGE - Konkurs -

Företagsrekonstruktion

UNITED K I N G D O M - Winding-up by or subject to the supervision of the court - Creditors' voluntary winding-up (with confirmation by the court) - Administration - Voluntary arrangements under insolvency legislation - Bankruptcy or sequestration Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

ANHANG Β Insolvenzverfahren gemäß Artikel 2 Buchstabe c) BELGIQUE - /BELGIE - La faillite//Het faillissement DEUTSCHLAND - Das Konkursverfahren - Das Gesamtvollstreckungsverfahren - Das Insolvenzverfahren ΕΛΛΑΣ - Πτώχευση - Η ειδική εκκαθάριση ESPANA - Concurso de acreedores - Quiebra - Suspension de pagos basada en la insolvencia definitiva FRANCE - Liquidation judiciaire IRELAND - Compulsory winding-up - Bankruptcy - The administration in bankruptcy of the estate of persons dying insolvent - Winding-up in bankruptcy of partnerships - Creditors' voluntary winding-up (with the confirmation of a court) - Arrangements of the control of the Court which involve the vesting of all or part of the property of the debtor in the Official Assignee for realisation and distribution ITALIA - Fallimente - Liquidazione coatta amministrativa LUXEMBOURG - Faillite - Regime special de liquidation du notariat NEDERLAND - Het faillissement - De schuldsaneringsregeling natuurlijke personen ÖSTERREICH - Das Konkursverfahren PORTUGAL - Ο processo de falencia SUOMI - /FINLAND - Konkurssi//konkurs 342

Rolf A. Schütze

Europäische Insolvenzverordnung (EulnsVO). Anhang

SVERIGE - Konkurs UNITED K I N G D O M - Winding-up by or subject to the supervision of the court - Creditors' voluntary winding-up (with confirmation by the court) - Bankruptcy or sequestration

ANHANG C Verwalter gemäß Artikel 2 Buchstabe b) BELGIQUE - /BELGIE - Le curateur//De curator - Le commissaire au sursis//De commissaris inzake opschorting - Le mediateur de dettes//De schuldbemiddelaar DEUTSCHLAND - Konkursverwalter - Vergleichsverwalter - Sachwalter (nach der Vergleichsordnung) - Verwalter - Insolvenzverwalter - Sachwalter (nach der Insolvenzordnung) - Treuhänder - Vorläufiger Insolvenzverwalter ΕΛΛΑΣ - Ο σύνδικος - Ο προσωριός διαχειριστής. Η διοικούσα επιτροπή των πιστωτών - Ο ειδικός εκκαθαριστής - Ο επίτροπος ESPANA - Depositario-administrador - Interventor ο Interventores - Sindicos - Comisario FRANCE - Representant des creanciers - Mandataire liquidateur - Administrateur judiciaire - Commissaire a l'execution de plan IRELAND - Liquidator - Official Assignee Rolf Α. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

- Trustee in bankruptcy - Provisional Liquidator - Examiner ITALIA - Curatore - Commissario LUXEMBOURG - Curateur - Commissaire - Liquidateur - Conseil de gerance de la section d'assainissement du notariat NEDERLAND - De curator in het faillissement - De bewindvoerder in de surseance van betaling - De bewindvoerder in de schuldsaneringsregeling natuurlijke personen ÖSTERREICH - Masseverwalter - Ausgleichsverwalter - Sachwalter - Treuhänder - Besondere Verwalter - Vorläufige Verwalter - Konkursgericht PORTUGAL - Gestor Judicial - Liquidatärio Judicial - Comissäo de Credores SUOMI - /FINLAND - Pesänhoitaja//boförvaltare - Selvittäjä//utredare SVERIGE - Förvaltare - God man - Rekonstruktör UNITED KINGDOM - Liquidator - Supervisor of a voluntary arrangement - Administrator - Official Receiver - Trustee - Judicial factor 344

R o l f A. Schütze

Europäische Zustellungsverordnung (EuZVO)

2. a. ff) VO (EG) Nr. 1 3 4 8 / 2 0 0 0 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten (ABl. 2 0 0 0 L 1 6 0 , 3 7 ff.) Vorbemerkung: D u r c h die V O (EG) Nr. 1 3 4 8 / 2 0 0 0 wurde das Zustellungsrecht in Europa neu geordnet. Die V O des R a t e s ist - ausgenommen bleibt das Verhältnis zu D ä n e m a r k - im R a h m e n ihres Geltungsbereichs an die Stelle des H a a g e r Zustellungsübereinkommens getreten. Im deutsch-dänischen Verhältnis gilt diese Konvention fort. Die E u Z V O soll das Zustellungsverfahren vereinfachen und beschleunigen, w a r es doch insbesondere die lange Zustellungsdauer, die bei Verfahren mit internationalem Bezug immer wieder zu Problemen f ü h r t e 1 . D a b e i orientiert sich die E u Z V O am H a a g e r Zustellungsübereinkommen. Letztlich bleibt sie auf halbem Wege steh e n 2 . Denn sie bevorzugt weiterhin die förmliche Zustellung und verbessert lediglich die zwischenstaatlichen Übermittlungswege. Die E u Z V O ist auf die Zustellung von gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücken in Zivil- und Handelssachen a n w e n d b a r (Art. 1). Sie behält das System der Übermittlungs-, Empfangs- (Art. 2 ) und Zentralstellen (Art. 3) bei. Durch das EG-Beweisaufnahmedurchführungsgesetz v o m 4 . 1 1 . 2 0 0 3 3 wurden die innerstaatlichen Anpassungen für die Anwendung der E u Z V O in Deutschland durch Einfügung der §§ 1 0 6 7 - 1 0 7 1 in die Z P O geschaffen. Geltungsbereich: Alle EU-Staaten (außer D ä n e m a r k ) Literatur: Bajons Internationale Zustellung und Recht auf Verteidigung, FS Schütze, 1999, S. 49 ff.; Brenn EZV - Europäische Zustellungsverordnung, 2002; Gottwald Sicherheit vor Effizienz? - Auslandszustellung in der Europäischen Union in Zivil- und Handelssachen, FS Schütze, 1999, S. 225 ff.; Gsell Direkte Postzustellung an Adressaten im EU-Ausland nach neuem Zustellungsrecht, EWS 2002, 115 ff.; Heiderhoff Verordnung (EG) Nr. 1348/2000, in: Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., 2 0 0 6 , S. 1163 ff.; Heidrieb Amts- und Parteizustellungen im internationalen Rahmen: Status quo und Reformbedarf, EuZW 2005, 743 ff.; Hess Die Zustellung von Schriftstücken im europäischen Justizraum, NJW 2001, 15 ff.; ders. Neues deutsches und europäisches Zustellungsrecht, NJW 2 0 0 2 , 2417 ff.; Jastrow Europäische Zustellungsverordnung, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, S. 1269 ff.; ders. Auslandszustellungen im Zivilverfahren - Erste Praxiserfahrungen mit der EG-Zustellungsverordnung, NJW 2 0 0 2 , 3382 ff.; Lindacher Europäisches Zustellungsrecht - Die VO (EG) Nr. 1348/2000: Vorschrift, Auslegungsbedarf, Problemausblendung ZZP 114 (2001), 179 ff.; Mann Die Verjährungsunterbrechung nach § 167 ZPO bei der Auslandszustellung, NJW 2 0 0 4 , 1138 ff.; Meyer Europäisches Übereinkommen über Vgl. Linke Probleme der internationalen Zustellung, in: Gottwald (Herausg.), Grundfragen der Gerichtsverfassung und der internationalen Zustellung, 1999, S. 95 ff.

2

3

Vgl. Hess Die Zustellung von Schriftstücken im europäischen Justizraum, NJW 2001, 15 ff. (19) BGBl. 2003 I 2166.

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, IPRax 1997, 401 ff.; Rahlf/Gottschalk Das europäische Zustellungsrecht, EWS 2 0 0 4 , 3 0 3 ff.; Schuck Einheitliche und zwingende Regeln der internationalen Zustellung, FS Geimer, 2 0 0 2 , S. 931 ff.; Schütze Übersetzungen im europäischen und internationalen Zivilprozessrecht - Probleme der Zustellung, RIW 2 0 0 6 , 352 ff.; Sharma Zustellungen im Europäischen Binnenmarkt, Diss. Tübingen 2 0 0 0 ; Stadler Neues europäisches Zustellungsrecht, IPRax 2001, 514 ff.; Sujecki Verordnungsvorschlag zur Änderung der Europäischen Zustellungsverordnung - Ein Schritt in die richtige Richtung, EuZW 2 0 0 6 , 1 ff.; Tsikrikas Probleme der Zustellung durch die Post im europäischen Rechtsverkehr, ZZPInt 8 (2003), 3 0 9 ff.

Text Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten Amtsblatt Nr. L 160 vom 30.06.2000, S. 37-52 Erwägungen: (1) Die Union hat sich zum Ziel gesetzt, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem der freie Personenverkehr gewährleistet ist, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Zum schrittweisen Aufbau dieses Raums erläßt die Gemeinschaft unter anderem im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen die für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Maßnahmen. (2) Für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts muß die Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen, die in einem anderen Mitgliedstaat zugestellt werden sollen, zwischen den Mitgliedstaaten verbessert und beschleunigt werden. (3) Dieser Bereich unterliegt nunmehr Artikel 65 des Vertrags. (4) Nach dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip können die Ziele dieser Verordnung auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden; sie können daher besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden. Diese Verordnung geht nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche M a ß hinaus. (5) Der Rat hat mit Rechtsakt vom 26. Mai 1997 ein Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union erstellt und das Übereinkommen den Mitgliedstaaten zur Annahme gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften empfohlen. Dieses Übereinkommen ist nicht in Kraft getreten. Die bei der Aushandlung diese Übereinkommens erzielten Ergebnisse sind zu wahren. Daher übernimmt die Verordnung weitgehend den wesentlichen Inhalt des Übereinkommens. (6) Die Wirksamkeit und Schnelligkeit der gerichtlichen Verfahren in Zivilsachen setzt voraus, daß die Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke unmittelbar und auf schnellstmöglichem Wege zwischen den von den Mitgliedstaaten benannten örtlichen Stellen erfolgt. Die Mitgliedstaaten müssen jedoch 346

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Europäische Zustellungsverordnung (EuZVO)

erklären können, daß sie nur eine Übermittlungs- oder Empfangsstelle oder eine Stelle, die beide Funktionen zugleich wahrnimmt, für einen Zeitraum von fünf Jahren benennen wollen. Diese Benennung kann jedoch alle fünf Jahre erneuert werden. (7) Eine schnelle Übermittlung erfordert den Einsatz aller geeigneten Mittel, wobei bestimmte Anforderungen an die Lesbarkeit und die Übereinstimmung des empfangenen Schriftstücks mit dem Inhalt des versandten Schriftstücks zu beachten sind. Aus Sicherheitsgründen muß das zu übermittelnde Schriftstück mit einem Formblatt versehen sein, das in der Sprache des Ortes auszufüllen ist, an dem die Zustellung erfolgen soll, oder in einer anderen vom Empfängerstaat anerkannten Sprache. (8) Um die Wirksamkeit dieser Verordnung zu gewährleisten, ist die Möglichkeit, die Zustellung von Schriftstücken zu verweigern, auf Ausnahmefälle beschränkt. (9) Auf eine schnelle Übermittlung muß auch eine schnelle Zustellung des Schriftstücks in den Tagen nach seinem Eingang folgen. Konnte das Schriftstück nach Ablauf eines M o n a t s nicht zugestellt werden, so setzt die Empfangsstelle die Übermittlungsstelle davon in Kenntnis. Der Ablauf dieser Frist bedeutet nicht, daß der Antrag an die Übermittlungsstelle zurückgesandt werden muß, wenn feststeht, daß die Zustellung innerhalb einer angemessenen Frist möglich ist. (10) Um die Interessen des Empfängers zu wahren, erfolgt die Zustellung in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Orts, an dem sie vorgenommen wird, oder in einer anderen Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats, die der Empfänger versteht. (11) Aufgrund der verfahrensrechtlichen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestimmt sich der Zustellungszeitpunkt in den einzelnen Mitgliedstaaten nach unterschiedlichen Kriterien. Unter diesen Umständen und in Anbetracht der möglicherweise daraus entstehenden Schwierigkeiten sollte diese Verordnung deshalb eine Regelung vorsehen, bei der sich der Zustellungszeitpunkt nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats bestimmt. Müssen jedoch die betreffenden Schriftstücke im Rahmen von Verfahren, die im Übermittlungsmitgliedstaat eingeleitet werden sollen oder schon anhängig sind, innerhalb einer bestimmte Frist zugestellt werden, so bestimmt sich der Zustellungszeitpunkt im Verhältnis zum Antragsteller nach dem Recht des Übermittlungsmitgliedstaats. Ein Mitgliedstaat kann jedoch aus angemessenen Gründen während eines Übergangszeitraums von fünf Jahren von den vorgenannten Bestimmungen abweichen. Er kann diese Abweichung aus Gründen, die sich aus seinem Rechtssystem ergeben, in Abständen von fünf Jahren erneuern. (12) In den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten, die Vertragsparteien der von den Mitgliedstaaten geschlossenen bilateralen oder multilateralen Übereinkünfte oder Vereinbarungen sind, insbesondere des Protokolls zum Brüsseler Übereinkommen vom 27. September 1968 und des Haager Übereinkommens vom 15. November 1 9 6 5 , hat diese Verordnung in ihrem Anwendungsbereich Vorrang vor den Bestimmungen der Übereinkünfte oder Vereinbarungen mit demselben Anwendungsbereich. Es steht den Mitgliedstaaten frei, Übereinkünfte oder Vereinbarungen zur Beschleunigung oder Vereinfachung der Übermittlung von Schriftstücken beizubehalten oder zu schließen, sofern diese Übereinkünfte oder Vereinbarungen mit dieser Verordnung vereinbar sind. (13) Die nach dieser Verordnung übermittelten Daten müssen angemessen geschützt werden. Diese Frage wird durch die Richtlinie 9 5 / 4 6 / E G des Europäischen Parlaments und des Rates vom 2 4 . Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr und die Richtlinie 9 7 / 6 6 / E G des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

1997 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation geregelt. (14) Die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Maßnahmen sollten gemäß dem Beschluß 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse erlassen werden. (15) Diese Maßnahmen umfassen auch die Erstellung und Aktualisierung eines Handbuchs unter Verwendung geeigneter moderner Mittel. (16) Spätestens drei Jahre nach Inkrafttreten dieser Verordnung hat die Kommission die Anwendung der Verordnung zu prüfen und gegebenenfalls erforderliche Änderungen vorzuschlagen. (17) Das Vereinigte Königreich und Irland haben gemäß Artikel 3 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands mitgeteilt, daß sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchten. (18) Dänemark wirkt gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position Dänemarks an der Annahme dieser Verordnung nicht mit. Diese Verordnung ist daher für diesen Staat nicht verbindlich und ihm gegenüber nicht anwendbar.

KAPITEL I ALLGEMEINE B E S T I M M U N G E N Artikel 1 Anwendungsbereich (1) Diese Verordnung ist in Zivil- oder Handelssachen anzuwenden, in denen ein gerichtliches oder außergerichtliches Schriftstück von einem in einen anderen Mitgliedstaat zum Zwecke der Zustellung zu übermitteln ist. (2) Diese Verordnung gilt nicht, wenn die Anschrift des Empfängers des Schriftstücks unbekannt ist.

Artikel 2 Übermittlungs- und Empfangsstellen (1) Jeder Mitgliedstaat benennt die Behörden, Amtspersonen oder sonstigen Personen, die für die Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke, die in einem anderen Mitgliedstaat zuzustellen sind, zuständig sind, im folgenden „ Übermittlungsstellen " genannt. (2) Jeder Mitgliedstaat benennt die Behörden, Amtspersonen oder sonstigen Personen, die für die Entgegennahme gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke aus einem anderen Mitgliedstaat zuständig sind, im folgenden „Empfangsstellen" genannt. 348

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(3) Die Mitgliedstaaten können entweder eine Übermittlungsstelle und eine Empfangsstelle oder eine Stelle für beide Aufgaben benennen. Bundesstaaten, Staaten mit mehreren Rechtssystemen oder Staaten mit autonomen Gebietskörperschaften können mehrere derartige Stellen benennen. Diese Benennung ist für einen Zeitraum von fünf Jahren gültig und kann alle fünf Jahre erneuert werden. (4) Jeder Mitgliedstaat teilt der Kommission folgende Angaben mit: a) die Namen und Anschriften der Empfangsstellen nach den Absätzen 2 und 3, b) den Bereich, für den diese örtlich zuständig sind, c) die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten für den Empfang von Schriftstücken und d) die Sprachen, in denen das Formblatt im Anhang ausgefüllt werden darf. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission jede Änderung dieser Angaben mit.

Artikel 3 Zentralstelle Jeder Mitgliedstaat benennt eine Zentralstelle, die a) den Übermittlungsstellen Auskünfte erteilt; b) nach Lösungswegen sucht, wenn bei der Übermittlung von Schriftstücken zum Zwecke der Zustellung Schwierigkeiten auftreten; c) in Ausnahmefällen auf Ersuchen einer Übermittlungsstelle einen Zustellungsantrag an die zuständige Empfangsstelle weiterleitet. Bundesstaaten, Staaten mit mehreren Rechtssystemen oder Staaten mit autonomen Gebietskörperschaften können mehrere Zentralstellen benennen.

KAPITEL II GERICHTLICHE SCHRIFTSTÜCKE Abschnitt 1 Übermittlung und Zustellung von gerichtlichen Schriftstücken Artikel 4 Übermittlung von Schriftstücken (1) Gerichtliche Schriftstücke sind zwischen den nach Artikel 2 benannten Stellen unmittelbar und so schnell wie möglich zu übermitteln. (2) Die Übermittlung von Schriftstücken, Anträgen, Zeugnissen, Empfangsbestätigungen, Bescheinigungen und sonstigen Dokumenten zwischen den Übermittlungs- und Empfangsstellen kann auf jedem geeigneten Übermittlungsweg erfolgen, sofern das empfangene Dokument mit dem versandten Dokument inhaltlich genau übereinstimmt und alle darin enthaltenen Angaben mühelos lesbar sind. (3) Dem zu übermittelnden Schriftstück ist ein Antrag beizufügen, der nach dem Formblatt im Anhang erstellt wird. Das Formblatt ist in der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats oder, wenn es in diesem Mitgliedstaat mehrere Amtssprachen Rolf A. Schütze

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gibt, der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Ortes, an dem die Zustellung erfolgen soll, oder in einer sonstigen Sprache, die der Empfangsmitgliedstaat zugelassen hat, auszufüllen. Jeder Mitgliedstaat hat die Amtssprache oder die Amtssprachen der Europäischen Union anzugeben, die er außer seiner oder seinen eigenen für die Ausfüllung des Formblatts zuläßt. (4) Die Schriftstücke sowie alle Dokumente, die übermittelt werden, bedürfen weder der Beglaubigung noch einer anderen gleichwertigen Formalität. (5) Wünscht die Übermittlungsstelle die Rücksendung einer Abschrift des Schriftstücks zusammen mit der Bescheinigung nach Artikel 10, so übermittelt sie das betreffende Schriftstück in zweifacher Ausfertigung.

Artikel 5 Übersetzung der Schriftstücke (1) Der Verfahrensbeteiligte wird von der Übermittlungsstelle, der er das Schriftstück zum Zweck der Übermittlung übergibt, davon in Kenntnis gesetzt, daß der Empfänger die Annahme des Schriftstücks verweigern darf, wenn es nicht in einer der in Artikel 8 genannten Sprachen abgefaßt ist. (2) Der Verfahrensbeteiligte trägt etwaige vor der Übermittlung des Schriftstücks anfallende Übersetzungskosten unbeschadet einer etwaigen späteren Kostenentscheidung des zuständigen Gerichts oder der zuständigen Behörde.

Artikel 6 Entgegennahme der Schriftstücke durch die Empfangsstelle (1) Nach Erhalt des Schriftstücks übersendet die Empfangsstelle der Übermittlungsstelle auf schnellstmöglichem Wege und so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von sieben Tagen nach Erhalt des Schriftstücks, eine Empfangsbestätigung unter Verwendung des Formblatts im Anhang. (2) Kann der Zustellungsantrag aufgrund der übermittelten Angaben oder Dokumente nicht erledigt werden, so nimmt die Empfangsstelle auf schnellstmöglichem Wege Verbindung zu der Übermittlungsstelle auf, um die fehlenden Angaben oder Schriftstücke zu beschaffen. (3) Fällt der Zustellungsantrag offenkundig nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung oder ist die Zustellung wegen Nichtbeachtung der erforderlichen Formvorschriften nicht möglich, sind der Zustellungsantrag und die übermittelten Schriftstücke sofort nach Erhalt zusammen mit dem Formblatt im Anhang für die Benachrichtigung über Rücksendung an die Übermittlungsstelle zurückzusenden. (4) Eine Empfangsstelle, die ein Schriftstück erhält, für dessen Zustellung sie örtlich nicht zuständig ist, leitet dieses Schriftstück zusammen mit dem Zustellungsantrag an die örtlich zuständige Empfangsstelle in demselben Mitgliedstaat weiter, sofern der Antrag den Voraussetzungen in Artikel 4 Absatz 3 entspricht; sie setzt die Übermittlungsstelle unter Verwendung des Formblatts im Anhang davon in Kenntnis. Die örtlich zuständige Empfangsstelle teilt der Übermittlungsstelle gemäß Absatz 1 den Eingang des Schriftstücks mit. 350

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Artikel 7 Zustellung der Schriftstücke (1) Die Zustellung des Schriftstücks wird von der Empfangsstelle bewirkt oder veranlaßt, und zwar entweder nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats oder in einer von der Übermittlungsstelle gewünschten besonderen Form, sofern dieses Verfahren mit dem Recht des Empfangsmitgliedstaats vereinbar ist. (2) Alle für die Zustellung erforderlichen Schritte sind so bald wie möglich vorzunehmen. Konnte die Zustellung nicht binnen einem Monat nach Eingang des Schriftstücks vorgenommen werden, teilt die Empfangsstelle dies der Übermittlungsstelle unter Verwendung der Bescheinigung mit, die in dem Formblatt im Anhang vorgesehen und gemäß Artikel 10 Absatz 2 auszustellen ist. Die Frist wird nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats berechnet.

Artikel 8 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks (1) Die Empfangsstelle setzt den Empfänger davon in Kenntnis, daß er die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks verweigern darf, wenn dieses in einer anderen als den folgenden Sprachen abgefaßt ist: a) der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats oder, wenn es im Empfangsmitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt, der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Ortes, an dem die Zustellung erfolgen soll, oder b) einer Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats, die der Empfänger versteht. (2) Wird der Empfangsstelle mitgeteilt, daß der Empfänger die Annahme des Schriftstücks gemäß Absatz 1 verweigert, setzt sie die Übermittlungsstelle unter Verwendung der Bescheinigung nach Artikel 10 unverzüglich davon in Kenntnis und sendet den Antrag sowie die Schriftstücke, um deren Übersetzung ersucht wird, zurück.

Artikel 9 Datum der Zustellung (1) Unbeschadet des Artikels 8 ist für das Datum der nach Artikel 7 erfolgten Zustellung eines Schriftstücks das Recht des Empfangsmitgliedstaats maßgeblich. (2) Wenn jedoch die Zustellung eines Schriftstücks im Rahmen eines im Übermittlungsmitgliedstaat einzuleitenden oder anhängigen Verfahrens innerhalb einer bestimmten Frist zu erfolgen hat, ist im Verhältnis zum Antragsteller als Datum der Zustellung der Tag maßgeblich, der sich aus dem Recht des Übermittlungsmitgliedstaats ergibt. (3) Ein Mitgliedstaat kann aus angemessenen Gründen während eines Übergangszeitraums von fünf Jahren von den Absätzen 1 und 2 abweichen. Dieser Übergangszeitraum kann von einem Mitgliedstaat aus Gründen, die sich aus seinem Rechtssystem ergeben, in Abständen von fünf Jahren erneuert werden. Der Mitgliedstaat teilt der Kommission den Inhalt der Abweichung und die konkreten Einzelheiten mit. Rolf A. Schütze

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Artikel 10 Bescheinigung über die Zustellung und Abschrift des zugestellten Schriftstücks (1) Nach Erledigung der für die Zustellung des Schriftstücks vorzunehmenden Schritte wird nach dem Formblatt im Anhang eine entsprechende Bescheinigung ausgestellt, die der Übermittlungsstelle übersandt wird. Bei Anwendung von Artikel 4 Absatz 5 wird der Bescheinigung eine Abschrift des zugestellten Schriftstücks beigefügt. (2) Die Bescheinigung ist in der Amtssprache oder in einer der Amtssprachen des Übermittlungsmitgliedstaats oder in einer sonstigen Sprache, die der Übermittlungsmitgliedstaat zugelassen hat, auszufüllen. Jeder Mitgliedstaat hat die Amtssprache oder die Amtssprachen der Europäischen Union anzugeben, die er außer seiner oder seinen eigenen für die Ausfüllung des Formblatts zuläßt. Artikel 11 Kosten der Zustellung (1) Für die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke aus einem anderen Mitgliedstaat darf keine Zahlung oder Erstattung von Gebühren und Auslagen für die Tätigkeit des Empfangsmitgliedstaats verlangt werden. (2) Der Verfahrensbeteiligte hat jedoch die Auslagen zu zahlen oder zu erstatten, die dadurch entstehen, a) daß bei der Zustellung eine Amtsperson oder eine andere nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats zuständige Person mitwirkt; b) daß eine besondere Form der Zustellung eingehalten wird. Abschnitt 2 Andere Arten der Übermittlung und Zustellung gerichtlicher Schriftstücke Artikel 12 Übermittlung auf konsularischem oder diplomatischem Weg Jedem Mitgliedstaat steht es in Ausnahmefällen frei, den nach Artikel 2 oder Artikel 3 benannten Stellen eines anderen Mitgliedstaats gerichtliche Schriftstücke zum Zweck der Zustellung auf konsularischem oder diplomatischem Weg zu übermitteln. Artikel 13 Zustellung von Schriftstücken durch die diplomatischen oder konsularischen Vertretungen (1) Jedem Mitgliedstaat steht es frei, Personen, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, gerichtliche Schriftstücke unmittelbar durch seine diplomatischen oder konsularischen Vertretungen ohne Anwendung von Zwang zustellen zu lassen. 352

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(2) Jeder Mitgliedstaat kann nach Artikel 2 3 Absatz 1 mitteilen, daß er eine solche Zustellung in seinem Hoheitsgebiet nicht zuläßt, außer wenn das Schriftstück einem Staatsangehörigen des Übermittlungsmitgliedstaats zuzustellen ist.

Artikel 14

Zustellung durch die Post (1) Jedem Mitgliedstaat steht es frei, Personen, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, gerichtliche Schriftstücke unmittelbar durch die Post zustellen zu lassen. (2) Jeder Mitgliedstaat kann nach Artikel 2 3 Absatz 1 die Bedingungen bekanntgeben, unter denen er eine Zustellung gerichtlicher Schriftstücke durch die Post zuläßt.

Artikel 15 Unmittelbare Zustellung (1) Diese Verordnung schließt nicht aus, daß jeder an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligte gerichtliche Schriftstücke unmittelbar durch Amtspersonen, Beamte oder sonstige zuständige Personen des Empfangsmitgliedstaats zustellen lassen kann. (2) Jeder Mitgliedstaat kann nach Artikel 2 3 Absatz 1 erklären, daß er die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke nach Absatz 1 in seinem Hoheitsgebiet nicht zuläßt.

K A P I T E L III

AUSSERGERICHTLICHE SCHRIFTSTÜCKE Artikel 16

Übermittlung Außergerichtliche Schriftstücke können zum Zweck der Zustellung in einem anderen Mitgliedstaat nach M a ß g a b e dieser Verordnung übermittelt werden.

K A P I T E L IV

SCHLUSSBESTIMMUNGEN Artikel 17

Durchführungsbestimmungen Die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Maßnahmen in bezug auf die nachstehenden Sachbereiche sind nach dem Beratungsverfahren des Artikels 18 Absatz 2 zu erlassen: Rolf A. Schütze

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a) die Erstellung und jährliche Aktualisierung eines Handbuchs mit den von den Mitgliedstaaten nach Artikel 2 Absatz 4 mitgeteilten Angaben; b) die Erstellung eines Glossars in den Amtssprachen der Europäischen Union über die Schriftstücke, die nach Maßgabe dieser Verordnung zugestellt werden können; c) die Aktualisierung oder technischen Anpassungen des Formblatts im Anhang. Artikel 18 Ausschuß (1) Die Kommission wird von einem Ausschuß unterstützt. (2) Wird auf diesen Absatzes Bezug genommen, so gelten die Artikel 3 und 7 des Beschlusses 1999/468/EG. (3) Der Ausschuß gibt sich eine Geschäftsordnung. Artikel 19 Nichteinlassung des Beklagten (1) War ein verfahrenseinleitendes Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nach dieser Verordnung zum Zweck der Zustellung in einen anderen Mitgliedstaat zu übermitteln und hat sich der Beklagte nicht auf das Verfahren eingelassen, so hat das Gericht das Verfahren auszusetzen, bis festgestellt ist, a) daß das Schriftstück in einer Form zugestellt worden ist, die das Recht des Empfangsmitgliedstaats für die Zustellung der in seinem Hoheitsgebiet ausgestellten Schriftstücke an dort befindliche Personen vorschreibt, oder b) daß das Schriftstück tatsächlich entweder dem Beklagten persönlich ausgehändigt oder nach einem anderen in dieser Verordnung vorgesehenen Verfahren in seiner Wohnung abgegeben worden ist, und daß in jedem dieser Fälle das Schriftstück so rechtzeitig ausgehändigt bzw. abgegeben worden ist, daß der Beklagte sich hätte verteidigen können. (2) Jeder Mitgliedstaat kann nach Artikel 23 Absatz 1 mitteilen, daß seine Gerichte ungeachtet des Absatzes 1 den Rechtsstreit entscheiden können, auch wenn keine Bescheinigung über die Zustellung oder die Aushändigung bzw. Abgabe eingegangen ist, sofern folgende Voraussetzungen gegeben sind: a) Das Schriftstück ist nach einem in dieser Verordnung vorgesehenen Verfahren übermittelt worden. b) Seit der Absendung des Schriftstücks ist eine Frist von mindestens sechs Monaten verstrichen, die das Gericht nach den Umständen des Falles als angemessen erachtet. c) Trotz aller zumutbaren Schritte bei den zuständigen Behörden oder Stellen des Empfangsmitgliedstaats war eine Bescheinigung nicht zu erlangen. (3) Unbeschadet der Absätze 1 und 2 kann das Gericht in dringenden Fällen einstweilige Maßnahmen oder Sicherungsmaßnahmen anordnen. (4) War ein verfahrenseinleitendes Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nach dieser Verordnung zum Zweck der Zustellung in einen anderen Mitgliedstaat zu übermitteln und ist eine Entscheidung gegen einen Beklagten ergangen, der sich nicht auf das Verfahren eingelassen hat, so kann ihm das Gericht in bezug auf Rechtsmittelfristen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligen, sofern 354

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Europäische Zustellungsverordnung (EuZVO)

a) der Beklagte ohne sein Verschulden nicht so rechtzeitig Kenntnis von dem Schriftstück erlangt hat, daß er sich hätte verteidigen können, und nicht so rechtzeitig Kenntnis von der Entscheidung erlangt hat, daß er sie hätte anfechten können, und b) die Verteidigung des Beklagten nicht von vornherein aussichtslos scheint. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nur innerhalb einer angemessenen Frist, nachdem der Beklagte von der Entscheidung Kenntnis erhalten hat, gestellt werden. Jeder Mitgliedstaat kann nach Artikel 2 3 Absatz 1 erklären, daß dieser Antrag nach Ablauf einer in seiner Mitteilung anzugebenden Frist unzulässig ist; diese Frist muß jedoch mindestens ein Jahr ab Erlaß der Entscheidung betragen. (5) Absatz 4 gilt nicht für Entscheidungen, die den Personenstand betreffen.

Artikel 2 0 Verhältnis zu Übereinkünften oder Vereinbarungen, die die Mitgliedstaaten abgeschlossen haben (1) Die Verordnung hat in ihrem Anwendungsbereich Vorrang vor den Bestimmungen, die in den von den Mitgliedstaaten geschlossenen bilateralen oder multilateralen Übereinkünften oder Vereinbarungen enthalten sind, insbesondere vor Artikel IV des Protokolls zum Brüsseler Übereinkommen von 1 9 6 8 und vor dem Haager Übereinkommen vom 15. November 1 9 5 6 . (2) Die Verordnung hindert einzelne Mitgliedstaaten nicht daran, Übereinkünfte oder Vereinbarungen zur weiteren Beschleunigung oder Vereinfachung der Übermittlung von Schriftstücken beizubehalten oder zu schließen, sofern sie mit dieser Verordnung vereinbar sind. (3) Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission a) eine Abschrift der zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen Übereinkünfte oder Vereinbarungen nach Absatz 2 sowie Entwürfe dieser von ihnen geplanten Übereinkünfte oder Vereinbarungen sowie b) jede Kündigung oder Änderung dieser Übereinkünfte oder Vereinbarungen.

Artikel 21 Prozeßkostenhilfe Artikel 2 3 des Abkommens über den Zivilprozeß vom 17. Juli 1 9 0 5 , Artikel 2 4 des Übereinkommens über den Zivilprozeß vom 1. M ä r z 1954 und Artikel 13 des Abkommens über die Erleichterung des internationalen Zugangs zu den Gerichten vom 2 5 . Oktober 1 9 8 0 bleiben im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten, die Vertragspartei dieser Übereinkünfte sind, von dieser Verordnung unberührt.

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

Artikel 2 2 Datenschutz (1) Die Empfangsstelle darf die nach dieser Verordnung übermittelten Informationen - einschließlich personenbezogener Daten - nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie übermittelt wurden. (2) Die Empfangsstelle stellt die Vertraulichkeit derartiger Informationen nach Maßgabe ihres nationalen Rechts sicher. (3) Die Absätze 1 und 2 berühren nicht das Auskunftsrecht von Betroffenen über die Verwendung der nach dieser Verordnung übermittelten Informationen, das ihnen nach dem einschlägigen nationalen Recht zusteht. (4) Die Richtlinien 95/46/EG und 97/66/EG bleiben von dieser Verordnung unberührt.

Artikel 2 3 Mitteilung und Veröffentlichung (1) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die Angaben nach den Artikeln 2 , 3, 4 , 9, 10, 13, 14 und 15, Artikel 17 Buchstabe a) und Artikel 19 mit. (2) Die Kommission veröffentlicht die Angaben nach Absatz 1 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften.

Artikel 2 4 Überprüfung Die Kommission legt dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Wirtschafts- und Sozialausschuß spätestens am 1. Juni 2 0 0 4 und danach alle fünf Jahre einen Bericht über die Anwendung dieser Verordnung vor, wobei sie insbesondere auf die Effizienz der in Artikel 2 benannten Stellen und auf die praktische Anwendung von Artikel 3 Buchstabe c) und Artikel 9 achtet. Diesem Bericht werden erforderlichenfalls Vorschläge zur Anpassung dieser Verordnung an die Entwicklung der Zustellungssysteme beigefügt.

Artikel 2 5 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am 31. Mai 2 0 0 1 in Kraft. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften unmittelbar in den Mitgliedstaaten.

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Europäische Zustellungsverordnung (EuZVO). Anhang

ANHANG ANTRAG AUF ZUSTELLUNG V O N SCHRIFTSTÜCKEN (Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten 1 )

Referenznummer: 1. ÜBERMITTLUNGSSTELLE 1.1. Name/Bezeichnung: 1.2. Anschrift: 1.2.1. Straße + Hausnummer: 1.2.2. PLZ + Ort: 1.2.3. Staat: 1.3. Tel.: 1.4. Fax(*): 1.5. E-Mail(*): 2. EMPFANGSSTELLE 2.1. Name/Bezeichnung: 2.2. Anschrift: 2.2.1. Straße + Hausnummer: 2.2.2. PLZ + Ort: 2.2.3. Staat: 2.3. Tel.: 2.4. Fax(*): 2.5. E-Mail(*): 3. ANTRAGSTELLER 3.1. Name/Bezeichnung: 3.2. Anschrift: 3.2.1. Straße + Hausnummer: 3.2.2. PLZ + Ort: 3.2.3. Staat: 3.3. Tel. (*): 3.4. Fax(*) 3.5. E-Mail (*): 4. EMPFÄNGER 4.1. Name/Bezeichnung: 4.2. Anschrift: 4.2.1. Straße + Hausnummer: 4.2.2. PLZ + Ort: 4.2.3. Staat: 4.3. Tel. ("•): 4.4. Fax(*): 4.5. E-Mail H : 4.6. Personenkennziffer oder Sozialversicherungsnummer oder gleichwertige Kennummer/ Kennummer des Unternehmens oder gleichwertige Kennummer (*): ABl. L 160 vom 30.6.2000, S. 37.

(*) Angabe freigestellt.

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen 5. F O R M DER ZUSTELLUNG 5.1. Gemäß den Rechtsvorschriften des Empfangsmitgliedstaats 5.2. Gemäß der folgenden besonderen Form: 5.2.1. Sofern diese Form mit den Rechtsvorschriften des Empfangsmitgliedstaats unvereinbar ist, soll die Zustellung nach seinem Recht erfolgen: 5.2.1.1. Ja 5.2.1.2. Nein 6. ZUZUSTELLENDES SCHRIFTSTÜCK a) 6.1. Art des Schriftstücks 6.1.1. gerichtlich: 6.1.1.1. schriftliche Vorladung 6.1.1.2. Urteil 6.1.1.3. Rechtsmittel 6.1.1.4. sonstiger Art: 6.1.2. außergerichtlich b) 6.2. In dem Schriftstück angegebenes Datum oder Frist (*): c) 6.3. Sprache des Schriftstücks: 6.3.1. Original D, EN, DK, ES, FIN, FR, GR, IT, NL, P, S, sonstige Sprache: 6.3.2. Übersetzung (*) D, EN, DK, ES, FIN, FR, GR, IT, NL, P, S, sonstige Sprache: d) 6.4. Anzahl der Anlagen: 7. RÜCKSENDUNG EINER ABSCHRIFT DES SCHRIFTSTÜCKS ZUSAMMEN MIT DER BESCHEINIGUNG ÜBER DIE ZUSTELLUNG (Artikel 4 Absatz 5 der Verordnung) 7.1. Ja (in diesem Fall ist das zuzustellende Schriftstück zweifach zu übersenden) 7.2. Nein

1. Nach Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung müssen alle für die Zustellung erforderlichen Schritte so bald wie möglich erfolgen. Ist es nicht möglich gewesen, die Zustellung binnen einem M o n a t nach Erhalt des Schriftstücks vorzunehmen, so muß dies der Übermittlungsstelle anhand der Bescheinigung nach Nummer 13 mitgeteilt werden. 2. Kann der Antrag anhand der übermittelten Informationen oder Dokumente nicht erledigt werden, so müssen Sie nach Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung auf schnellstmöglichem Wege Verbindung zu der Übermittlungsstelle aufnehmen, um die fehlenden Auskünfte oder Aktenstücke zu beschaffen.

Geschehen zu: am:

Unterschrift und/oder Stempel:

{*) Angabe freigestellt.

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Europäische Zustellungsverordnung (EuZVO). Anhang Referenznummer der Empfangsstelle:

EMPFANGSBESTÄTIGUNG FÜR DAS FOLGENDE SCHRIFTSTÜCK (Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000)

Diese Bestätigung ist auf schnellstmöglichem Wege und so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von sieben Tagen nach Erhalt des Schriftstücks, zu übermitteln.

8. TAG DES EINGANGS: Geschehen zu: am:

Unterschrift und/oder Stempel:

Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen BENACHRICHTIGUNG ÜBER DIE RÜCKSENDUNG DES ANTRAGS U N D DES SCHRIFTSTÜCKS (Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000)

Der Antrag und das Schriftstück sind sofort nach Erhalt zurückzuschicken.

9. GRUND FÜR DIE RÜCKSENDUNG: 9.1. Der Antrag fällt offensichtlich nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung: 9.1.1. Das Schriftstück betrifft nicht Zivil- oder Handelssachen 9.1.2. Die Zustellung erfolgt nicht von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat 9.2. Aufgrund der Nichtbeachtung der erforderlichen Formvorschriften ist die Zustellung nicht möglich: 9.2.1. Das Schriftstück ist nicht mühelos lesbar 9.2.2. Die zur Ausfüllung des Formblattes verwendete Sprache ist unzulässig 9.2.3. Das empfangene Schriftstück stimmt mit dem versandten Schriftstück inhaltlich nicht genau überein 9.2.4. Sonstiges (genaue Angaben): 9.3. Die Form der Zustellung ist mit dem Recht des Empfangsmitgliedstaats nicht vereinbar (Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung)

Geschehen zu:

Unterschrift und/oder Stempel:

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Europäische Zustellungsverordnung (EuZVO). Anhang BENACHRICHTIGUNG ÜBER DIE WEITERLEITUNG DES ANTRAGS UND DES SCHRIFTSTÜCKS AN DIE ZUSTÄNDIGE EMPFANGSSTELLE (Artikel 6 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000)

Der Antrag und das Schriftstück wurden an die folgende, örtlich zuständige Empfangsstelle weitergeleitet:

10.1. Name oder Bezeichnung: 10.2. Anschrift: 10.2.1. Straße + Hausnummer: 10.2.2. PLZ + Ort: 10.2.3. Staat: 10.3. Tel.: 10.4. Fax(*): 10.5. E-Mail(»): Geschehen zu:

Unterschrift und/oder Stempel:

( * ) A n g a b e freigestellt.

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen Referenznummer der zuständigen Empfangsstelle:

EMPFANGSMITTEILUNG DER ZUSTÄNDIGEN EMPFANGSSTELLE AN DIE ÜBERMITTLUNGSSTELLE (Artikel 6 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000)

Diese Mitteilung ist auf schnellstmöglichem Wege und so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von sieben Tagen nach Erhalt des Schriftstücks, zu übermitteln.

11. TAG DES EINGANGS: Geschehen zu: am: Unterschrift und/oder Stempel:

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Europäische Zustellungsverordnung (EuZVO). Anhang BESCHEINIGUNG ÜBER DIE ZUSTELLUNG BZW. NICHTZUSTELLUNG V O N SCHRIFTSTÜCKEN (Artikel 10 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000)

Die Zustellung hat so bald wie möglich zu erfolgen. Ist es nicht möglich gewesen, die Zustellung binnen einem Monat nach Erhalt des Schriftstücks vorzunehmen, so teilt die Empfangsstelle dies der Übermittlungsstelle mit (gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung).

12. DURCHFÜHRUNG DER ZUSTELLUNG a) 12.1. Tag und Ort der Zustellung: b) 12.2. Das Schriftstück wurde A) 12.2.1. gemäß dem Recht des Empfangsmitgliedstaats zugestellt, und zwar 12.2.1.1. übergeben 12.2.1.1.1. dem Empfänger persönlich 12.2.1.1.2. einer anderen Person 12.2.1.1.2.1. Name: 12.2.1.1.2.2. Anschrift: 12.2.1.1.2.2.1. Straße + Hausnummer: 12.2.1.1.2.2.2. PLZ + Ort: 12.2.1.1.2.2.3. Staat: 12.2.1.1.2.3. Beziehung zum Empfänger: Familienangehöriger Angestellter Sonstiges 12.2.1.1.3. am Wohnsitz des Empfängers 12.2.1.2. auf dem Postweg zugestellt 12.2.1.2.1. ohne Empfangsbestätigung 12.2.1.2.2. mit der beigefügten Empfangsbestätigung 12.2.1.2.2.1. des Empfängers 12.2.1.2.2.2. einer anderen Person 12.2.1.2.2.2.1. Name: 12.2.1.2.2.2.2. Anschrift: 12.2.1.2.2.2.2.1. Straße + Hausnummer: 12.2.1.2.2.2.2.2. PLZ + Ort: 12.2.1.2.2.2.2.3. Staat: 12.2.1.2.2.2.3. Beziehung zum Empfänger: Familienangehöriger Angestellter Sonstiges 12.2.1.3. auf andere Weise zugestellt (bitte genaue Angabe): B) 12.2.2. in folgender besonderer Form zugestellt (bitte genaue Angabe): c) 12.3. Der Empfänger des Schriftstücks wurde (mündlich) (schriftlich) davon in Kenntnis gesetzt, daß er die Entgegennahme des Schriftstücks verweigern kann, wenn es nicht in einer Amtssprache des Ortes der Zustellung oder in einer Amtssprache des übermittelnden Staates, die er versteht, abgefaßt ist. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen 13. MITTEILUNG GEMÄSS ARTIKEL 7 ABSATZ 2 Die Zustellung konnte nicht binnen einem M o n a t nach Erhalt des Schriftstücks vorgenommen werden. 14. VERWEIGERUNG DER E N T G E G E N N A H M E DES SCHRIFTSTÜCKS Der Empfänger verweigerte die Annahme des Schriftstücks aufgrund der verwendeten Sprache. Die Schriftstücke sind dieser Bescheinigung beigefügt. 15. GRUND FÜR DIE NICHTZUSTELLUNG DES SCHRIFTSTÜCKS 15.1. Wohnsitz nicht bekannt 15.2. Empfänger unbekannt 15.3. Das Schriftstück konnte nicht vor dem Datum bzw. innerhalb der Frist nach Nummer 6.2 zugestellt werden 15.4. Sonstiges (bitte angeben):

Die Schriftstücke sind dieser Bescheinigung beigefügt.

Geschehen zu: am:

Unterschrift und/oder Stempel:

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Angaben der Mitgliedstaaten gem. Art. 23 der EuZVO

2. a. ff. «) Angaben der Mitgliedstaaten gemäß Art. 23 der Verordnung vom 29. Mai 2000 (ABl. (EG) C 151, 4 ff.) Hinweis: Die folgende Fassung wird nach den Angaben der Mitgliedstaaten regelmäßig aktualisiert. Die jeweils aktuelle, konsolidierte Fassung nach den Mitteilungen der Mitgliedstaaten ist auf den Seiten der Europäischen Union unter der Adresse http://ec.europa.eu/justice_home/judicialatlascivil/htm l/pd^vers_consolide_de_1348.pdf einsehbar.

Text Angaben der Mitgliedstaaten gemäß Artikel 23 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Ziviloder Handelssachen in den Mitgliedstaaten Amtsblatt Nr. C 151 vom 22.05.2001, S. 4 - 1 7 (2001/C 151/04)

Einführung Dieses Amtsblatt enthält einen Teil der Informationen, die gemäß Artikel 23 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 zu veröffentlichen sind. Es handelt sich um die von den Mitgliedstaaten mitgeteilten Angaben gemäß den Artikeln 2 (Ursprungsstellen), 3, 4, 9, 10, 13, 14, 15 und 19 der Verordnung (EG) Nr. 1348/ 2000. Die Angaben Deutschlands gelten nur vorläufig, bis das deutsche Gesetz zur Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften in Kraft tritt. Es sei ferner daran erinnert, dass die Verordnung nicht für Dänemark gilt. Die Angaben zu den von jedem Mitgliedstaat zu benennenden Empfangsstellen werden hier nicht aufgeführt, da das Handbuch, das diese Angaben enthält, vor seiner Veröffentlichung dem Ausschuss gemäß Artikel 18 der Verordnung vorgelegt werden muss. Mit den hier veröffentlichten Informationen, insbesondere den Angaben zu den Zentralstellen, kann die Verordnung in der Praxis angewendet werden. Nach Maßgabe der Verordnung obliegt es nämlich den Zentralstellen, „den Übermittlungsstellen Auskünfte zu erteilen", „nach Lösungswegen zu suchen, wenn Schwierigkeiten auftreten", und „in Ausnahmefällen auf Ersuchen einer Übermittlungsstelle einen Zustellungsantrag an die zuständige Empfangsstelle weiterzuleiten." Die Empfangsstellen können, sobald sie von den Mitgliedstaaten benannt worden sind, die Aufgaben, die ihnen aufgrund der Verordnung obliegen, ab deren Inkrafttreten wahrnehmen. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

Solange die Angaben zu den Empfangsstellen nicht veröffentlicht sind, gilt die Zustellung von Schriftstücken in der Zeit vom Inkrafttreten der Verordnung bis zur Veröffentlichung dieser Angaben als „Ausnahme" gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c). In der Praxis können sich die Übermittlungsstellen daher bis zur Veröffentlichung der Angaben zu den Empfangsstellen an die Zentralstelle des Mitgliedstaats wenden, in dessen Hoheitsgebiet ein Schriftstück zuzustellen ist, um die Zentralstelle zu ersuchen, - Namen, Anschrift und sonstige Angaben gemäß Artikel 2 Absatz 4 bezüglich der Empfangsstelle(n) mitzuteilen, die in dem betreffenden Fall zuständig ist (sind), um eine direkte Kontaktaufnahme zu ermöglichen, oder - den Zustellungsantrag an die zuständige Empfangsstelle weiterzuleiten. Um mit der Zentralstelle des Mitgliedstaats Verbindung aufzunehmen, in dessen Hoheitsgebiet die Zustellung zu erfolgen hat, kann die Übermittlungsstelle gegebenenfalls die Zentralstelle ihres eigenen Mitgliedstaats einschalten.

BELGIEN Artikel 2 Ubermittlungsstellen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Geschäftsstellen der Friedens- und Polizeigerichte. Geschäftsstellen der Gerichte erster Instanz. Geschäftsstellen der Handelsgerichte. Geschäftsstellen der Arbeitsgerichte. Geschäftsstellen der Appelationshöfe (und der Arbeitsgerichtshöfe). Geschäftsstellen des Kassationshofs. Staatsanwaltschaft (einschließlich des Arbeitsauditoriats). Gerichtsvollzieher (huissiers de justice).

Artikel 3 Zentralstelle Zentralstelle ist die „Chambre nationale des huissiers de justice/Nationale Kamer van Gerechtsdeurwaarders". Chambre nationale des huissiers de justice/Nationale Kamer van Gerechtsdeurwaarders Avenue Henri Jaspar 93/Henri Jasparlaan 93 Β - 1060 Brüssel Tel. (32-2) 538 00 92 Fax (32-2) 539 41 11 E-Mail: [email protected] [email protected]. Sprachkenntnisse: Französisch, Niederländisch, Deutsch und Englisch. 366

Rolf A. Schütze

Angaben der Mitgliedstaaten gem. Art. 23 der EuZVO

Artikel 4 Übermittlung von Schriftstücken Das Antragsformular (Formblatt) kann außer in Französisch, Niederländisch und Deutsch auch in Englisch ausgefüllt werden.

Artikel 9 Datum der Zustellung Belgien beabsichtigt, von Artikel 9 abzuweichen.

Artikel 10 Bescheinigung über die Zustellung und Abschrift des zugestellten Schriftstücks Das Bescheinigungsformular kann außer in Französisch, Niederländisch und Deutsch auch in Englisch ausgefüllt werden.

Artikel 13 Zustellung von Schriftstücken durch die diplomatischen oder konsularischen Vertretungen Belgien lässt die Zustellung nach Artikel 13 Absatz 1 in seinem Hoheitsgebiet nicht zu.

Artikel 14 Zustellung durch die Post Belgien lässt die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke durch die Post unter folgenden Voraussetzungen zu: - per Einschreiben mit Rückschein oder gleichwertiger Bescheinigung; - Erfordernis einer Übersetzung gemäß Artikel 8; - Verwendung eines von der Zentralstelle erstellten Formulars.

Artikel 15 Unmittelbare Zustellung Belgien hat keine Einwände gegen die unmittelbare Zustellung gemäß Artikel 15 Absatz 1. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

Artikel 19 Nichteinlassung des Beklagten Die belgischen Gerichte können unbeschadet der Bestimmungen des Absatzes 1 den Rechtsstreit entscheiden, wenn alle Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt sind. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß Absatz 4 ist innerhalb eines Jahres nach Erlass der Entscheidung zu stellen.

DEUTSCHLAND In der Bundesrepublik Deutschland gilt bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (EG-Zustellungsdurchführungsgesetz - ZustDG) vorläufig, dass a) alle Stellen einschließlich Zentraler Behörden 1 , denen im wechselseitigen Zustellungsverkehr Zuständigkeiten aufgrund des in Den Haag abgeschlossenen Übereinkommens vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen oder aufgrund der dieses Übereinkommen oder das Übereinkommen vom 1. März 1954 über den Zivilprozess ergänzenden Zusatzvereinbarungen zugewiesen sind, auch für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten zuständig sind und b) Zustellungen, die ohne besonderes Ersuchen unmittelbar durch die Post vorgenommen werden, für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland nur in der Versandform des Einschreibens mit Rückschein und nur unter der weiteren Bedingung zugelassen werden, dass das zuzustellende Schriftstück in einer der folgenden Sprachen abgefasst oder ihm eine Übersetzung in eine dieser Sprachen beigefügt ist: Deutsch oder eine der Amtssprachen des Übermittlungsmitgliedstaats, sofern der Adressat Staatsangehöriger dieses Mitgliedstaats ist.

GRIECHENLAND Artikel 2 Übermittlungsstellen Übermittlungsstellen sind die Staatsanwaltschaften beim „Aeropagus" (letztinstanzliches Berufungsgericht), bei den Berufungsgerichten und bei den erstinstanzlichen Gerichten.

1

Siehe Anhang.

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Rolf A. Schütze

Angaben der Mitgliedstaaten gem. Art. 23 der EuZVO

Artikel 3 Zentralstelle Zentralstelle ist das Justizministerium. Υπουργείο Δικαιοσύνης/Ipourgio Dikeosinis Mesogion 96 G R - 1 1 5 2 7 Athen Tel. (30-1) 771 41 86 Fax (30-1) 771 59 94. Verantwortlich für die Entgegennahme der Dokumente sind Frau Argyro Eleftheriadou, Frau Eirini Kouzeli und Herr Georgos Kouvelas. Diese Beamten beherrschen Englisch und Französisch.

Artikel 4 Übermittlung von Schriftstücken Das Antragsformular (Formblatt) kann außer in Griechisch auch in Englisch oder Französisch ausgefüllt werden.

Artikel 9 Datum der Zustellung Griechenland beabsichtigt nicht, von Artikel 9 Absätze 1 und 2 abzuweichen.

Artikel 10 Bescheinigung über die Zustellung und Abschrift des zugestellten Schriftstücks Griechenland lässt für die Ausfüllung des Bescheinigungsformulars außer Griechisch Englisch und Französisch zu.

Artikel 13 Zustellung von Schriftstücken durch die diplomatischen oder konsularischen Vertretungen Griechenland hat keinen Vorbehalt gegen die Anwendung dieses Artikels.

Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

Artikel 14 Zustellung durch die Post Griechenland akzeptiert die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke durch die Post, sofern die Schriftstücke per Einschreiben übermittelt werden und vom Empfänger, dessen gesetzlichem Vertreter oder seinem Ehepartner, seinen Kindern, Geschwistern oder Eltern entgegengenommen werden. Artikel 15 Unmittelbare Zustellung Griechenland hat keine Einwände gegen die Anwendung dieses Artikels. Artikel 19 Nichteinlassung des Beklagten Die griechischen Gerichte sind nicht verpflichtet, ungeachtet des Absatzes 1 den Rechtsstreit zu entscheiden, wenn alle Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt sind. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß Absatz 4 ist innerhalb von drei Jahren nach Erlass der Entscheidung zu stellen.

SPANIEN Artikel 2 Übermittlungsstellen Übermittlungsstellen sind in Spanien die Urkundsbeamten der erstinstanzlichen Gerichte (Secretarios Judiciales de los Juzgados de Primera Instancia).

Artikel 3 Zentralstelle Als Zentralstelle wird für Spanien die „Subdireccion General de Cooperacion Juridica Internacional del Ministerio de Justicia" (Unterabteilung „Internationale justizielle Zusammenarbeit" des Justizministeriums) benannt. Subdireccion General de Cooperacion Juridica Internacional Ministerio de Justicia San Bernardo, 62 Ε - 2 8 0 1 5 Madrid Fax (34) 913 90 4 4 57. Zurzeit ist die Zentralstelle nur auf dem Postweg erreichbar. Sprachkenntnisse: Spanisch, Französisch und Englisch. 370

Rolf A. Schütze

Angaben der Mitgliedstaaten gem. Art. 23 der EuZVO

Artikel 4 Übermittlung von Schriftstücken Das Antragsformular (Formblatt) kann außer in Spanisch auch in Englisch, Französisch und Portugiesisch ausgefüllt werden.

Artikel 9 Datum der Zustellung Gemäß Artikel 9 Absatz 3 wird Spanien Artikel 9 Absatz 2 nicht anwenden. Die Nichtanwendung erfolgt aus Gründen der Rechtssicherheit und um einen wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten. Das spanische Rechtssystem lässt nicht zu, dass als Zustellungsdatum ein anderes Datum als das nach Absatz 1 gilt. Für die Festsetzung des Zustellungsdatums gilt demnach das Recht des Empfangsmitgliedstaats. Zivilrechtliche Verfahren sind in Spanien nicht an bestimmte Fristen gebunden. Innerhalb eines Verfahrens beginnen etwaige Fristen ab dem Tag nach der Zustellung des Schriftstücks.

Artikel 10 Bescheinigung über die Zustellung und Abschrift des zugestellten Schriftstücks Eine Zustellungsbescheinigung gemäß Artikel 10 kann nicht in einer anderen Sprache ausgestellt werden.

Artikel 13 Zustellung von Schriftstücken durch die diplomatischen oder konsularischen Vertretungen Spanien erhebt keine Einwände gegen eine Zustellung durch die diplomatischen oder konsularischen Vertretungen unter den in Artikel 13 Absatz 1 festgelegten Voraussetzungen.

Artikel 14 Zustellung durch die Post Eine Zustellung durch die Post ist per Einschreiben mit Rückschein zulässig. Das Zustellungsformblatt ist in spanischer Sprache auszufüllen.

Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

Artikel 15 Unmittelbare Zustellung Spanien hat keine Einwände gegen die unmittelbare Zustellung nach Artikel 15 Absatz 1. Artikel 19 Nichteinlassung des Beklagten In Spanien können die Gerichte entgegen Artikel 19 Absatz 1 die Aussetzung des Verfahrens aufheben und den Rechtsstreit entscheiden, sofern die Voraussetzungen des Absatzes 2 gegeben sind. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand muss innerhalb eines Jahres nach Erlass der Entscheidung gestellt werden.

FRANKREICH Artikel 2 Ubermittlungsstellen 1. Gerichtsvollzieher (huissiers de justice). 2. Dienststellen der Gerichte (Kanzlei, Geschäftsstelle, Sekretariat), die für die Zustellung von Schriftstücken zuständig sind. Artikel 3 Zentralstelle Zentralstelle ist das „Bureau de l'entraide judiciaire civile et commerciale." Bureau de l'entraide judiciaire civile et commerciale Direction des affaires Civiles et du sceau 13, place Vendome F - 7 5 0 4 2 Paris Cedex 01 Tel. (33) 144 8 6 14 83/(33) 144 86 14 01 Fax (33) 144 86 14 0 6 . Sprachkenntnisse: Französisch und Englisch.

Artikel 4 Übermittlung von Schriftstücken Das Antragsformular (Formblatt) kann auch in Englisch ausgefüllt werden. 372

Rolf A. Schütze

Angaben der Mitgliedstaaten gem. Art. 2 3 der EuZVO

Artikel 9 Datum der Zustellung Frankreich beabsichtigt, von Artikel 9 Absatz 2 abzuweichen.

Inhalt der abweichenden

Regelung

Erweiterung des Anwendungsbereichs von Artikel 9 Absatz 2 durch Aufhebung der nachstehenden Bedingungen: - Schriftstück im Rahmen eines Verfahrens - Schriftstück, dessen Zustellung innerhalb einer bestimmten Frist zu erfolgen hat. Absatz 2 lautet daher wie folgt: „Für die Zustellung eines gerichtlichen oder außergerichtlichen Schriftstücks ist im Verhältnis zum Antragsteller als Datum der Zustellung der Tag maßgeblich, der sich aus dem Recht des Übermittlungsmitgliedstaats ergibt."

Gründe für die abweichende

Regelung

Als Datum der Zustellung gilt gegenüber dem Antragsteller das Datum der Übermittlung des Schriftstücks durch die französische Übermittlungsstelle. Dieses Datum ist nicht nur für Schriftstücke im Rahmen eines Verfahrens von Bedeutung, sondern auch für außergerichtliche, von einem „huissier de justice" zugestellte Schriftstücke, für die das Gesetz vorschreibt, dass sich deren Zustellungsdatum, von dem die Aufrechterhaltung oder Ausübung eines Rechts abhängt, zweifelsfrei bestimmen lässt. Dies gilt unter anderem für bestimmte Schriftstücke im Zusammenhang mit der Vermietung von Geschäftsräumen (Kündigung, Verlängerung des Mietvertrags, Umwidmung) oder mit Landpachtverträgen (Kündigung, Kündigung wegen Eigenbedarf, Vorkaufsrecht) oder in Verbindung mit Sicherheitsleistungen oder Vollstreckungsmaßnahmen (Pfändung oder Räumungsbefehl). Überdies können mit dem Zustellungsdatum eines Schriftstücks, für das gesetzlich keine Zustellungsfrist vorgeschrieben ist, Rechtswirkungen verbunden sein. Dies gilt sowohl für gerichtliche Schriftstücke (ζ. B. Zustellungsdatum eines Urteils, das für die Rechtsmittelfrist maßgeblich ist) als auch für außergerichtliche Schriftstücke (ζ. B. ein Zahlungsbefehl, der eine Verjährung unterbrechen oder Verzugszinsen auslösen kann). In diesen Fällen ist es im Interesse der Rechtssicherheit geboten, dass der Antragsteller unverzüglich Kenntnis von dem genauen Zustellungsdatum erhält. Artikel 10 Bescheinigung über die Zustellung und Abschrift des zugestellten Schriftstücks Das Bescheinigungsformular kann auch in Englisch ausgefüllt werden. Artikel 13 Zustellung von Schriftstücken durch die diplomatischen oder konsularischen Vertretungen Frankreich beabsichtigt nicht, Einwände gegen die Anwendung von Artikel 13 Absatz 1 in seinem Hoheitsgebiet zu erheben. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

Artikel 14 Zustellung durch die Post Per Einschreiben mit Rückschein, auf dem die versandten Schriftstücke aufgeführt sind, oder auf andere Weise, mit der sich das Absende- und Übergabedatum sowie der Inhalt der Sendung nachweisen lässt. Artikel 15 Unmittelbare Zustellung Frankreich hat keine Einwände gegen eine unmittelbare Zustellung gemäß Artikel 15 Absatz 1. Artikel 19 Nichteinlassung des Beklagten Die französischen Gerichte können ungeachtet des Absatzes 1 den Rechtsstreit entscheiden, sofern alle Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist innerhalb eines Jahres nach Erlass der Entscheidung zu stellen.

IRLAND Artikel 2 Übermittlungsstellen Übermittlungsstellen sind die 2 6 dem „Circuit Court Office" der einzelnen Grafschaften angeschlossen „County Registrars". Artikel 3 Zentralstelle The Master The High Court Four Courts Dublin 7 Irland. Mitteilungen in Englisch oder Gälisch können per Post oder per Fax (Nr. (353-1) 872 56 69) an das „Central Office of the High Court" gerichtet werden. Das „Central Office of the High Court" kann auch telefonisch unter der Nummer (353-1) 888 60 00 kontaktiert werden. 374

Rolf A. Schütze

Angaben der Mitgliedstaaten gem. Art. 2 3 der EuZVO

Artikel 4 Übermittlung von Schriftstücken Das Antragsformular (Formblatt) kann neben Englisch und Gälisch auch in Französisch ausgefüllt werden. Artikel 9 Datum der Zustellung Irland beabsichtigt, von Artikel 9 abzuweichen, um zu vermeiden, dass unter bestimmten Umständen zwischen dem Antragsteller und dem Empfänger unterschiedliche Zustellungsdaten maßgeblich sind. Darüber hinaus wäre die Einführung einer solchen Regelung zum derzeitigen Zeitpunkt insbesondere wegen ihrer nicht hinreichend klaren Formulierung nicht mit der gegenwärtig geübten Rechtspraxis vereinbar. Artikel 10 Bescheinigung über die Zustellung und Abschrift des zugestellten Schriftstücks Die Zustellungsbescheinigung kann neben Englisch und Gälisch auch in Französisch ausgefüllt werden. Artikel 13 Zustellung von Schriftstücken durch die diplomatischen oder konsularischen Vertretungen Irland hat keine Einwände gegen eine Zustellung von Schriftstücken durch die diplomatischen oder konsularischen Vertretungen.

Artikel 14 Zustellung durch die Post Die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke durch die Post ist per Einschreiben unter vorheriger Bezahlung zulässig, sofern sichergestellt ist, dass nicht zugestellte Schriftstücke zurückgesandt werden. Artikel 15 Unmittelbare Zustellung In Bezug auf Artikel 15 Absatz 2 erklärt Irland, dass es keine Einwände dagegen hat, dass an einem Gerichtsverfahren Beteiligte gerichtliche Schriftstücke unmittelbar durch einen „Solicitor" in Irland zustellen lassen. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

Artikel 19 Nichteinlassung des Beklagten Ein irisches Gericht kann ungeachtet des Artikels 19 Absatz 1 den Rechtsstreit auch dann entscheiden, wenn keine Bescheinigung über die Zustellung oder Abgabe eingegangen ist, sofern alle Bedingungen nach Absatz 2 erfüllt sind. Hinsichtlich Artikel 19 Absatz 4 obliegt es dem zuständigen Gericht, sich zu überzeugen, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand innerhalb einer angemessenen Frist, nachdem der Beklagte von der Entscheidung Kenntnis erhalten hat, gestellt wurde.

ITALIEN Artikel 2 Übermittlungsstellen 1. Zentralbüros der Gerichtsvollzieher bei den Berufungsgerichten (Uffici unici degli ufficiali giudiziari costituiti presso le Corti di appello). 2. Zentralbüros der Gerichtsvollzieher bei den Gerichten erster Instanz, die nicht Sitz des „Corte di Appello" sind, und bei ihren Außenstellen (Uffici unici degli ufficiali giudiziari costituiti presso i tribunali ordinari che non siano sede di Corte di appello e presso le relative sezioni distaccate). Artikel 3 Zentralstelle Zentralstelle ist das Zentralbüro der Gerichtsvollzieher beim Berufungsgericht Rom. Ufficio unico degli ufficiali giudiziari presso la Corte d'appello di R o m a via C. Poma, 5 1-00195 Rom Tel. (39) 06 37 51 73 34 Fax (39) 06 372 46 67. N a c h Italien zuzustellende Schriftstücke sind auf dem Postweg zu übermitteln. Sie werden den Übermittlungsstellen ebenfalls auf dem Postweg zurückgeschickt. Sprachkenntnisse: Italienisch, Französisch und Englisch. Artikel 4 Übermittlung von Schriftstücken D a s Antragsformular (Formblatt) kann außer in Italienisch auch in Französisch und Englisch ausgefüllt werden. 376

Rolf A. Schütze

Angaben der Mitgliedstaaten gem. Art. 23 der EuZVO

Artikel 9 Datum der Zustellung Italien beabsichtigt nicht, von Artikel 9 Absätze 1 und 2 abzuweichen. Für das Datum der Zustellung ist daher das Recht des Empfangsstaats maßgeblich. Artikel 10 Bescheinigung über die Zustellung und Abschrift des zugestellten Schriftstücks Das Bescheinigungsformular kann außer in Italienisch in Französisch und Englisch ausgestellt werden. Artikel 13 Zustellung von Schriftstücken durch die diplomatischen oder konsularischen Vertretungen Eine unmittelbare Zustellung gerichtlicher Schriftstücke durch diplomatische oder konsularische Vertretungen an Personen, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, ist nicht zugelassen, außer wenn das Schriftstück einem italienischen Staatsbürger mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat zuzustellen ist. Eine Zustellung gerichtlicher Schriftstücke durch diplomatische oder konsularische Vertretungen eines Mitgliedstaats an Personen, die ihren Wohnsitz in Italien haben, ist nicht zugelassen, außer wenn das Schriftstück einem Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats zuzustellen ist. Artikel 14 Zustellung durch die Post Die Zustellung von Schriftstücken durch die Post ist nur dann zulässig, wenn diese mit einer Übersetzung ins Italienische versehen sind. Artikel 15 Unmittelbare Zustellung Jeder an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligte kann gerichtliche Schriftstücke unmittelbar durch zuständige Amtspersonen des Empfangsmitgliedstaats zustellen lassen. Artikel 19 Nichteinlassung des Beklagten Die italienischen Gerichte haben nicht die Befugnis, ungeachtet des Absatzes 1 den Rechtsstreit zu entscheiden. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

LUXEMBURG Artikel 2 Übermittlungsstellen Die Gerichtsvollzieher fungieren als Übermittlungsstellen. Artikel 3 Zentralstelle Zentralstelle ist die Generalstaatsanwaltschaft beim Obersten Gerichtshof. Parquet general pres la Cour superieure de justice Boite postale 15 L - 2 0 1 0 Luxemburg Tel. (352) 4 7 59 81-336 Fax ( 3 5 2 ) 4 7 05 50 E-Mail: [email protected]. Sprachkenntnisse: Französisch und Deutsch. Artikel 4 Übermittlung von Schriftstücken Das Antragsformular (Formblatt) kann außer in Französisch auch in Deutsch ausgefüllt werden. Artikel 9 Datum der Zustellung Luxemburg gibt hierzu keine Erklärung ab, so dass Artikel 9 Absätze 1 und 2 in der Fassung der Verordnung anwendbar sind. Artikel 10 Bescheinigung über die Zustellung und Abschrift des zugestellten Schriftstücks Das Bescheinigungsformular kann außer in Französisch auch in Deutsch ausgestellt werden.

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Rolf A. Schütze

Angaben der Mitgliedstaaten gem. Art. 2 3 der EuZVO

Artikel 13 Zustellung von Schriftstücken durch die diplomatischen oder konsularischen Vertretungen Eine unmittelbare Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke durch diplomatische oder konsularische Vertretungen Luxemburgs im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ist nicht zugelassen. Eine solche Zustellung durch diplomatische oder konsularische Vertretungen anderer Mitgliedstaaten in Luxemburg ist ebenfalls nicht zugelassen, außer wenn das Schriftstück einem Staatsangehörigen des Übermittlungsmitgliedstaats zuzustellen ist. Artikel 14 Zustellung durch die Post Die einfache Zustellung („notification") gerichtlicher Schriftstücke per Post ist zulässig (die amtliche Zustellung („signification") muss von einem Gerichtsvollzieher nach Maßgabe des luxemburgischen Rechts vorgenommen werden). Die Zustellung von Schriftstücken per Post muss per Einschreiben mit Rückschein und unter Wahrung der Verordnungsbestimmungen über die Übersetzung erfolgen. Artikel 15 Unmittelbare Zustellung Luxemburg lässt die Möglichkeit nach Artikel 15 zu, sofern der Gerichtsvollzieher im Empfangsstaat nicht für die Richtigkeit der Form und des Inhalts des ihm vom Beteiligten unmittelbar zugestellten Schriftstücks, sondern nur für die Form und Art der Zustellung im Empfangsstaat verantwortlich ist. Artikel 19 Nichteinlassung des Beklagten Die luxemburgischen Gerichte können ungeachtet des Artikels 19 Absatz 1 den Rechtsstreit entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 gegeben sind. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß Artikel 19 Absatz 4 kann als unzulässig erklärt werden, wenn er nicht innerhalb einer angemessenen Frist, nachdem der Beklagte von der Entscheidung Kenntnis erhalten oder nachdem die Handlungsunfähigkeit geendet hat, gestellt wird; der Antrag kann jedenfalls nur binnen eines Jahres nach Zustellung der Entscheidung gestellt werden.

Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

NIEDERLANDE Artikel 2 Übermittlungsstellen 1. Die Gerichtsvollzieher. 2. Die Gerichte („kantongerecht, arrondissementsrechtbank, gerechtshof en Höge Raad" - etwa: Amtsgericht, Landgericht, Gerichtshof und Hoher Rat), sofern sie einen gesetzlichen Auftrag im Zusammenhang mit der Vorladung von Personen oder der Zustellung von Schriftstücken haben.

Artikel 3 Zentralstelle Die Zentralstelle ist bis zum Inkrafttreten des neuen Gerichtsvollziehergesetzes (Mitte 2001) die „Koninklijke Vereniging van Gerechtsdeurwaarders" und anschließend die „Koninklijke Beroepsorganisatie van Gerechtsdeurwaarders". Die Anschrift der beiden Vereinigungen lautet: Varrolaan 100 3584 BW Utrecht Postbus 8138 3503 RC Utrecht Niederlande Tel. (31-30) 689 89 24 Fax (31-30) 689 99 24 E-Mail: [email protected] (nach Inkrafttreten des neuen Gerichtsvollziehergesetzes: [email protected]). Die Zentralstelle kann Schriftstücke per Post, Fax, E-Mail oder Telefon in niederländischer oder englischer Sprache empfangen und übermitteln.

Artikel 4 Übermittlung von Schriftstücken Das Antragsformular (Formblatt) kann außer in Niederländisch auch in Englisch ausgefüllt werden.

Artikel 9 Datum der Zustellung Die Niederlande beabsichtigen nicht, von Artikel 9 Absätze 1 und 2 abzuweichen. 380

Rolf A. Schütze

Angaben der Mitgliedstaaten gem. Art. 2 3 der EuZVO

Artikel 10 Bescheinigung über die Zustellung und Abschrift des zugestellten Schriftstücks Die Zustellungsbescheinigung kann außer in Niederländisch auch in Englisch ausgefüllt werden. Artikel 13 Zustellung von Schriftstücken durch die diplomatischen oder konsularischen Vertretungen

Die Niederlande erheben keine Einwände gegen die Möglichkeit, dass ein M i t gliedstaat Personen, die ihren Wohnsitz in den Niederlanden haben, gerichtliche Schriftstücke unmittelbar durch seine diplomatischen oder konsularischen Vertretungen ohne Anwendung von Zwang zustellen lässt.

Artikel 14 Zustellung durch die Post Die Niederlande sind mit der Zustellung gerichtlicher Schriftstücke durch die Post unter folgenden Voraussetzungen einverstanden: a) die Zustellung durch die Post an Personen, die sich in den Niederlanden befinden, erfolgt per Einschreiben; b) Schriftstücke, die auf dem Postweg an Personen geschickt werden, die ihren Wohnsitz in den Niederlanden haben, sind in Niederländisch verfasst oder ins Niederländische übersetzt bzw. in einer Sprache verfasst oder in diese übersetzt, die die Person, für die das Schriftstück bestimmt ist, versteht.

Artikel 15 Unmittelbare Zustellung Die Niederlande haben keine Einwände gegen eine unmittelbare Zustellung.

Artikel 19 Nichteinlassung des Beklagten Die niederländischen Gerichte können (infolge der dazu in Vorbereitung befindlichen Durchführungsvorschriften) ungeachtet des Absatzes 1 den Rechtsstreit entscheiden, wenn alle Voraussetzungen nach Absatz 2 erfüllt sind. Nach dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung getroffen wurde, kann eine neue Frist erteilt werden, wenn der Antrag auf Erteilung dieser neuen Frist innerhalb eines Jahres ab dem Tag eingereicht wird, zu dem entschieden wurde. Rolf A. Schütze

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ÖSTERREICH Artikel 2 Übermittlungsstellen Übermittlungsstellen sind die Bezirksgerichte, die Landes- und Oberlandesgerichte, das Arbeits- und Sozialgericht Wien, das Handelsgericht Wien, der Jugendgerichtshof Wien sowie der Oberste Gerichtshof. Artikel 3 Zentralstelle Zentralstelle ist das Bundesministerium für Justiz. Bundesministerium für Justiz Postfach 63 A - 1 0 1 6 Wien oder Bundesministerium für Justiz Museumstraße 7 A - 1 0 7 0 Wien oder Bundesministerium für Justiz Neustiftgasse 2 A - 1 0 7 0 Wien Tel. (43-1) 521 52-22 92 (43-1) 521 52-21 15 (43-1) 521 52-21 30 Fax ( 4 3 - 1 ) 5 2 1 52-28 2 9 E-Mail: [email protected] barbara.goeth@bmj .gv.at georg.lukasser@bmj .gv.at Sprachkenntnisse: Deutsch und Englisch. Artikel 4 Übermittlung von Schriftstücken Das Antragsformular (Formblatt) kann außer in Deutsch auch in Englisch ausgefüllt werden. Artikel 9 Datum der Zustellung Die Republik Österreich beabsichtigt nicht, von Artikel 9 Absätze 1 und 2 abzuweichen. 382

Rolf A. Schütze

Angaben der Mitgliedstaaten gem. Art. 23 der EuZVO

Artikel 10 Bescheinigung über die Zustellung und Abschrift des zugestellten Schriftstücks Das Bescheinigungsformular kann außer in Deutsch auch in Englisch ausgestellt werden. Artikel 13 Zustellung von Schriftstücken durch die diplomatischen oder konsularischen Vertretungen Gegen die Zustellung nach Artikel 13 Absatz 1 bestehen keine Einwände. Artikel 14 Zustellung durch die Post Gemäß Artikel 14 Absatz 2 werden für die Zulässigkeit von Postzustellungen, die von einem anderen Vertragsstaat ausgehen und im Hoheitsgebiet der Republik Österreich vorgenommen werden sollen, folgende Bedingungen festgelegt: 1. Die im Postweg zuzustellenden Schriftstücke müssen in der Amtssprache des Zustellungsortes abgefasst oder mit einer beglaubigten Übersetzung in diese Sprache versehen sein. 2. Ist diese Sprachenregelung nicht eingehalten, so steht dem Zustellungsempfänger ein Annahmeverweigerungsrecht zu. Macht er von diesem Recht Gebrauch, so ist die Zustellung als nicht bewirkt anzusehen. Der Zustellungsempfänger muss über das Annahmeverweigerungsrecht schriftlich belehrt werden. 3. Der Zustellungsempfänger hat von seinem Annahmeverweigerungsrecht dadurch Gebrauch zu machen, dass er innerhalb von drei Tagen gegenüber der Stelle, die das Schriftstück zugestellt hat, oder gegenüber der Absendestelle unter Rücksendung des Schriftstücks erklärt, dass er zur Annahme nicht bereit ist. Die Frist beginnt mit der Zustellung; der Postlauf wird in diese Frist nicht eingerechnet, so dass das Datum des Poststempels maßgeblich ist. 4. Die Postsendungen müssen unter Benützung der im Weltpostverkehr üblichen „internationalen Rückscheine" übersandt werden. Für die Belehrung des Zustellungsempfängers im Fall einer Postzustellung empfiehlt sich folgender Text: „Das angeschlossene Schriftstück wird Ihnen unter Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten, ABl. L 160 vom 30. Juni 2000, S. 37 ff., zugestellt. Sie sind berechtigt, die Annahme des Schriftstückes zu verweigern, wenn dieses nicht in deutscher Sprache abgefasst oder nicht mit einer beglaubigten Übersetzung in diese Sprache versehen ist. Sollten Sie von diesem Annahmeverweigerungsrecht Gebrauch machen wollen, müssen Sie innerhalb von drei Tagen ab der Zustellung gegenüber der Stelle, die das Schriftstück zugestellt hat, oder gegenüber der Absendestelle unter Rücksendung des Schriftstückes an eine dieser Stellen erklären, dass Sie zur Annahme nicht bereit sind." Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

Artikel 15 Unmittelbare Zustellung Die Republik Österreich erklärt, dass sie Zustellungen gerichtlicher Schriftstücke unmittelbar durch Amtspersonen, Beamte oder sonstige zuständige Personen des Empfangsstaats auf ihrem Hoheitsgebiet nicht zulässt.

Artikel 19 Nichteinlassung des Beklagten Die österreichischen Gerichte können ungeachtet des Absatzes 1 den Rechtsstreit unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 entscheiden. Die Republik Österreich gibt keine Frist gemäß Artikel 19 Absatz 4 letzter Unterabsatz für die Stellung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand an.

PORTUGAL Artikel 2 Übermittlungsstellen Portugal benennt als Übermittlungsstelle das „Tribunal de Comarca" in Person des Gerichtsvollziehers.

Artikel 3 Zentralstelle Zentralstelle ist die „Direc§äo-Geral da Administra9äo da Justi9a" (Generaldirektion Justizverwaltung). Direcgäo-Geral da Administragäo da Justiga Avenida 5 de Outubro, n.° 125 Ρ - 1069 - 044 Lisboa Tel. (351)217 90 62 33-44 Fax (351) 217 90 62 49. Sprachkenntnisse: Portugiesisch, Spanisch, Französisch und Englisch.

Artikel 4 Übermittlung von Schriftstücken Das Antragsformular (Formblatt) kann außer in Portugiesisch auch in Spanisch ausgefüllt werden. 384

Rolf A. Schütze

Angaben der Mitgliedstaaten gem. Art. 2 3 der EuZVO

Artikel 9 Datum der Zustellung Portugal beabsichtigt, von Absatz 2 abzuweichen, da die Festlegung unterschiedlicher Zustellungsdaten anhand zweier verschiedener Rechtsordnungen Unklarheiten zu Lasten der Rechtssicherheit hervorrufen kann.

Artikel 10 Bescheinigung über die Zustellung und Abschrift des zugestellten Schriftstücks Das Bescheinigungsformular kann außer in Portugiesisch auch in Spanisch ausgestellt werden.

Artikel 13 Zustellung von Schriftstücken durch die diplomatischen oder konsularischen Vertretungen Portugal hat keinen Vorbehalt gegen die Anwendung dieses Artikels.

Artikel 14 Zustellung durch die Post Portugal hat keinen Vorbehalt gegen die Anwendung dieses Artikels.

Artikel 15 Unmittelbare Zustellung Portugal lässt diese Form der Zustellung auf seinem Hoheitsgebiet aus Gründen der Rechtssicherheit nicht zu.

Artikel 19 Nichteinlassung des Beklagten Portugal nimmt Artikel 19 Absatz 2 nicht in Anspruch. Portugiesische Gerichte können daher die darin gebotene Möglichkeit nicht anwenden. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Bezug auf Rechtsmittelfristen kann innerhalb eines Jahres ab Erlass der angefochtenen Entscheidung gestellt werden (Artikel 19 Absatz 4 ) . Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

FINNLAND Artikel 2 Übermittlungsstellen Übermittlungsstellen sind die erstinstanzlichen Gerichte, die Berufungsgerichte, der Oberste Gerichtshof und das Justizministerium.

Artikel 3 Zentralstelle Zentralstelle ist das Justizministerium. Oikeusministeriö PL 1 / Eteläesplanadi 10 FIN - 00131 Helsinki Tel. (358-9) 18 25 76 28 Fax (358-9) 18 25 75 24 E-Mail: [email protected] Schriftstücke können per Post, per Fax oder per E-Mail übermittelt werden. Sprachkenntnisse: Finnisch, Schwedisch und Englisch.

Artikel 4 Übermittlung von Schriftstücken Das Antragsformular kann außer in Finnisch auch in Englisch ausgefüllt werden.

Artikel 9 Datum der Zustellung

Finnland beabsichtigt, nach Maßgabe von Absatz 3 von den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 abzuweichen. Für diese Bestimmungen gibt es in ihrer derzeitigen Fassung im finnischen Rechtssystem keine ersichtliche Ratio legis, so dass sie in der Praxis nicht angewandt werden können.

Artikel 10 Bescheinigung über die Zustellung und Abschrift des zugestellten Schriftstücks Das Bescheinigungsformular kann außer in Finnisch auch in Englisch ausgestellt werden. 386

Rolf A. Schütze

Angaben der Mitgliedstaaten gem. Art. 23 der EuZVO

Artikel 13 Zustellung von Schriftstücken durch die diplomatischen oder konsularischen Vertretungen Finnland hat keine Einwände gegen diese Form der Zustellung.

Artikel 14 Zustellung durch die Post Finnland lässt die Zustellung von Schriftstücken durch die Post unter der Voraussetzung zu, dass der Empfänger eine Empfangsbestätigung unterzeichnet oder den Empfang in anderer Weise bestätigt. Außer Ladungen können andere Schriftstücke auch per Post an eine vom Empfänger den zuständigen Behörden mitgeteilte Anschrift zugestellt werden.

Artikel 15 Unmittelbare Zustellung Finnland hat keine Einwände gegen diese Form der Zustellung.

Artikel 19 Nichteinlassung des Beklagten Finnland beabsichtigt keine Mitteilung gemäß Absatz 2 dieses Artikels. Die finnischen Gerichte dürfen demnach keinen Rechtsstreit nach Maßgabe von Absatz 2 entscheiden. Eine Mitteilung gemäß Absatz 4 ist daher ebenfalls nicht erforderlich.

SCHWEDEN Artikel 2 Übermittlungsstellen Übermittlungsstellen sind Gerichte, Gerichtsvollzieher und andere schwedische Amtspersonen, die zivil- und handelsrechtliche Schriftstücke zustellen.

Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

Artikel 3 Zentralstelle Zentralstelle ist das Justizministerium. Justitiedepartementet S - 103 33 Stockholm Tel. (46-8) 405 10 00 Fax (46-8) 20 27 34 E-Mail: [email protected]. Informationen können per Post, per Fax oder je nach den im Einzelfall geltenden Bestimmungen auf andere Weise entgegengenommen werden. Eine Kontaktaufnahme ist auch telefonisch möglich. Sprachkenntnisse: Schwedisch und Englisch.

Artikel 4 Übermittlung von Schriftstücken Das Antragsformular kann außer in Schwedisch auch in Englisch ausgefüllt werden.

Artikel 9 Datum der Zustellung Schweden beabsichtigt nicht, Artikel 9 Absatz 2 im Verhältnis zum Antragsteller anzuwenden, da es der schwedischen Rechtsordnung fremd ist, im Verhältnis zum Antragsteller und zum Empfänger von einem unterschiedlichen Zustellungsdatum auszugehen.

Artikel 10 Bescheinigung über die Zustellung und Abschrift des zugestellten Schriftstücks Das Bescheinigungsformular kann auch in Englisch ausgestellt werden.

Artikel 13 Zustellung von Schriftstücken durch die diplomatischen oder konsularischen Vertretungen Schweden lässt die Zustellung von Schriftstücken durch die diplomatischen oder konsularischen Vertretungen zu. 388

Rolf A. Schütze

Angaben der Mitgliedstaaten gem. Art. 2 3 der EuZVO

Artikel 14 Zustellung durch die Post Schweden stellt keine besonderen Bedingungen an die Zulässigkeit einer Zustellung durch die Post.

Artikel 15 Unmittelbare Zustellung Schweden erhebt keine Einwände dagegen, dass jeder an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligte gerichtliche Schriftstücke unmittelbar durch Beamte oder sonstige zuständige Personen zustellen lassen kann. Schwedische Behörden sind jedoch nicht verpflichtet, entsprechenden Anträgen stattzugeben.

Artikel 19 Nichteinlassung des Beklagten Schwedische Gerichte können den Rechtsstreit nur dann entscheiden, wenn die Voraussetzungen von Artikel 19 Absatz 2 und von Artikel 19 Absatz 1 erfüllt sind. Schweden hat nicht die Absicht, eine Erklärung nach Artikel 19 Absatz 4 abzugeben.

VEREINIGTES KÖNIGREICH Artikel 2 Übermittlungsstellen 1. England und Wales: Übermittlungsstelle ist „The Senior Master, for the attention of the Foreign Process Department, Royal Courts of Justice." 2 . Schottland: Übermittlungsstellen sind die „Messengers-at-Arms" (Gerichtsvollzieher) und die „accredited solicitors" (diese sind für einen bestimmten Rechtsbereich, ζ. B. Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Strafrecht usw. zugelassen). 3. Nordirland: Übermittlungsstelle ist „The Master (Queen's Bench and Appeals), Royal Courts of Justice." 4. Gibraltar: Übermittlungsstelle ist „The Registrar of the Supreme Court of Gibraltar."

Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

Artikel 3 Zentralstelle 1. England und Wales: The Senior Master For the attention of the Foreign Process Department (Room E10) Royal Courts of Justice Strand London WC2A 2LL Vereinigtes Königreich Tel. (44-207) 9 4 7 61 91 Fax (44-207) 9 4 7 62 37. 2. Schottland: Scottish Executive Civil Justice and International Division Hayweight House Lauriston Street Edinburgh EH3 9DQ Schottland Vereinigtes Königreich Tel. (44-131)221 67 60 Fax (44-131) 221 68 94. 3. Nordirland: The Master (Queen's Bench and Appeals) Royal Courts of Justice Chichester Street Belfast BT1 3JF Vereinigtes Königreich Tel. (44-28) 9 0 72 4 7 06 Fax (44-28) 90 23 51 86. 4. Gibraltar: The Registrar of the Supreme Court of Gibraltar Supreme Court Main Street Gibraltar Tel. (350) 788 08 Fax (350) 771 18. Die Kommunikation erfolgt auf dem Postweg, per Fax, E-Mail oder Telefon. Die Zentralstelle ist für die Prüfung der Übersetzungen verantwortlich. Artikel 4 Übermittlung von Schriftstücken Das Vereinigte Königreich lässt für das Ausfüllen des Antragsformulars Französisch als zusätzliche Sprache zu. 390

Rolf A. Schütze

Angaben der Mitgliedstaaten gem. Art. 2 3 der EuZVO

Artikel 9 Datum der Zustellung Das Vereinigte Königreich beabsichtigt, von den Bestimmungen abzuweichen, da die innerstaatlichen Rechtsvorschriften über die Fristen und Verjährungsfristen durch diesen Artikel noch komplizierter würden. Es ist wichtig, den Zeitpunkt der Zustellung zweifelsfrei feststellen zu können, da dieser dafür maßgebend ist, ab wann eine Partei ein Versäumnisurteil beantragen kann. Nach Auffassung des Vereinigten Königreichs ist nicht hinreichend klar, wie diese Bestimmung genau gemeint ist und wie sie in der Praxis angewendet werden soll; dadurch könnte es zu weiteren Unsicherheiten kommen. Die Frage sollte daher so lange dem innerstaatlichen Recht überlassen bleiben, bis geprüft werden kann, wie die Bestimmung nach Einführung der Verordnung in den anderen Mitgliedstaaten praktisch angewandt wird.

Artikel 10 Bescheinigung über die Zustellung und Abschrift des zugestellten Schriftstücks Das Vereinigte Königreich lässt für das Ausfüllen des Bescheinigungsformulars Französisch als zusätzliche Sprache zu.

Artikel 13 Zustellung von Schriftstücken durch die diplomatischen oder konsularischen Vertretungen Das Vereinigte Königreich hat keine Einwände gegen die Anwendung von Artikel 13 Absatz 1 in seinem Hoheitsgebiet. Artikel 14 Zustellung durch die Post Als first class mail (Zustellung am nächsten Tag) oder als Luftpost.

Artikel 15 Unmittelbare Zustellung 1. England, Wales und Nordirland: England, Wales und Nordirland lehnen die Möglichkeit der Zustellung gemäß Artikel 15 Absatz 1 ab.

unmittelbaren

2. Schottland: Schottland hat keine Einwände gegen die unmittelbare Zustellung gemäß Artikel 15 Absatz 1. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

Artikel 19 Nichteinlassung des Beklagten Entsprechend dem Haager Übereinkommen können die Gerichte im Vereinigten Königreich ungeachtet des Artikels 19 Absatz 1 einen Rechtsstreit entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 gegeben sind. Frist, innerhalb derer der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Erlass der Entscheidung gemäß Absatz 4 zu stellen ist: 1. England, Wales und Nordirland: Prüft das Gericht einen Antrag auf Nichtigerklärung eines Versäumnisurteils, ist darauf zu achten, dass der Antrag umgehend gestellt worden ist. 2. Schottland: Der Antrag muss innerhalb eines Jahres nach Erlass der Entscheidung gestellt werden. Dies entspricht dem Haager Übereinkommen und der innerstaatlichen Prozessordnung.

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Rolf A. Schütze

Angaben der Mitgliedstaaten gem. Art. 23 der EuZVO. Anhang Deutschland

ANHANG

DEUTSCHLAND Liste der Zentralen Behörden (Stand April 2001) Baden-Württemberg

Präsident des Amtsgerichts Freiburg Holzmarkt 2 D - 7 9 0 9 8 Freiburg Tel. (49-761) 2 0 5 - 0 Fax ( 4 9 - 7 6 1 ) 2 0 5 - 1 8 00

Bayern

Präsidentin des Oberlandesgerichts München Prielmayerstraße 5 D - 8 0 0 9 7 München Tel. (49-89) 55 97-1 Fax (49-89) 55 97-35 75

Berlin

Senatsverwaltung für Justiz von Berlin Salzburger Straße 21.25 D-10825 Berlin Tel. (49-30) 90 13-0 Fax (49-30) 9 0 13-20 0 0

Brandenburg

Ministerium der Justiz und für Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Brandenburg Heinrich-Mann-Allee 107 D - 1 4 4 6 0 Potsdam Tel. (49-331) 8 6 6 - 0 Fax (49-331) 8 6 6 - 3 0 80/30 81

Bremen

Der Präsident des Landgerichts Domsheide 16 D-28195 Bremen Tel. (49-421) 361-42 53 Fax (49-421) 361-67 13

Hamburg

Präsident des Amtsgerichts Hamburg Sievekingplatz 1 D - 2 0 3 3 5 Hamburg Tel. (49-40) 4 2 8 4 3 - 0 Fax (49-40) 4 2 8 4 3 - 4 3 18/43 19

Hessen

Hessisches Ministerium der Justiz und für Europaangelegenheiten Luisenstraße 13 D-65185 Wiesbaden Tel. (49-611) 32-0 Fax ( 4 9 - 6 1 1 ) 3 2 - 2 7 63

Mecklenburg-Vorpommern

Justizministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern Demmlerplatz 14 D-19053 Schwerin Tel. (49-385) 5 8 8 - 0 Fax (49-385) 5 8 8 - 3 4 53 Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

Niedersachsen

Niedersächsisches Ministerium der Justiz und für Europaangelegenheiten Am Waterlooplatz 1 D-30169 Hannover Tel. (49-511) 120-0 Fax (49-511) 120-51 70/51 81

Nordrhein-Westfalen

Präsident des Oberlandesgerichts Düsseldorf Cecilienallee 3 D-40474 Düsseldorf Tel. (49-211)49 71-0 Fax (49-211)49 71-548

Rheinland-Pfalz

Ministerium der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz Ernst-Ludwig-Straße 3 D-55116 Mainz Tel. (49-6131) 16-0 Fax (49-6131) 16-48 87

Saarland

Ministerium der Justiz des Saarlandes Zähringerstraße 12 D-66119 Saarbrücken Tel. (49-681) 501-00 Fax (49-681) 501-58 55

Sachsen

Präsident des Oberlandesgerichts Dresden Postfach 12 07 32 D-01008 Dresden

Sachsen-Anhalt

Ministerium für Justiz des Landes Sachsen-Anhalt Wilhelm-Höpfner-Ring 6 D-39116 Magdeburg Tel. (49-391) 567-01 Fax (49-391) 567-42 26

Schleswig-Holstein

Ministerium für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein Lorentzendamm 35 D-24103 Kiel Tel. (49-431) 988-0 Fax (49-431) 988-38 70

Thüringen

Thüringer Justizministerium Werner-Seelenbinder-Straße 5 D-99096 Erfurt Tel. (49-361) 37-950 00 Fax (49-361)37-958 88

394

Rolf A. Schütze

Glossar zur EuZVO

2. a. ff. ß) Glossar vom 25. September 2001

(ABl. E G Nr. L 2 9 8 / 1 , geändert durch Entscheidung v. 3 . 4 . 2 0 0 2 ) (ABl. E G Nr. L 125/1)

Anmerkung: Zur Verordnung (EG) Nr. 1 3 4 8 / 2 0 0 0 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (ABl. L 1 6 0 vom 3 0 . 0 6 . 2 0 0 0 , S. 37) ist eine Entscheidung der Kommission vom 2 5 . September 2 0 0 1 zur Erstellung eines Handbuchs über die Empfangsstellen und eines Glossars über die Schriftstücke, die nach M a ß g a b e der Verordnung (EG) Nr. 1 3 4 8 / 2 0 0 0 des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten zugestellt werden können (bekanntgegeben unter Aktenzeichen K ( 2 0 0 1 ) 2 6 6 4 ) ( 2 0 0 1 / 7 8 1 / E G ) , ergangen. Der Text der Entscheidung (nachfolgend abgedruckt) und das zugehörige Handbuch (nicht abgedruckt) sowie der Glossar (nachfolgend abgedruckt) sind im Internet unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/oj/ 2 0 0 1 / 1 _ 2 9 8 / 1 _ 2 9 8 2 0 0 1 1 1 1 5 d e 0 0 0 1 0 4 7 8 . p d f einzusehen. Zum Handbuch: Das Handbuch mit den Angaben über die Empfangsstellen nach Artikel 2 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1 3 4 8 / 2 0 0 0 wird regelmäßig aktualisiert. Die jeweils letzte aktualisierte Fassung ist im Internet auf den Seiten der Europäischen Union unter http://ec.europa.eu/justice_home/judicialatlascivil/html/ds_docs_de.htm einsehbar. Zum Glossar: Der gemäß Artikel 17 Buchstabe b) der Verordnung (EG) Nr. 1 3 4 8 / 2 0 0 0 erstellte Glossar in den Amtssprachen der Europäischen Union über die Schriftstücke, die nach M a ß g a b e der Verordnung (EG) Nr. 1 3 4 8 / 2 0 0 0 zugestellt werden können wird ebenfalls regelmäßig aktualisiert und die jeweils letzte aktualisierte Fassung ist im Internet auf den Seiten der Europäischen Union unter http://ec.europa.eu/ justice_home/judicialatlascivil/html/ds_docs_de.htm einsehbar.

Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

Text (Nicht veröffentlichungsbedürftige Rechtsakte) KOMMISSION ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION vom 2 5 . September 2 0 0 1 zur Erstellung eines Handbuchs über die Empfangsstellen und eines Glossars über die Schriftstücke, die nach M a ß g a b e der Verordnung (EG) Nr. 1 3 4 8 / 2 0 0 0 des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten zugestellt werden können (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K ( 2 0 0 1 ) 2 6 6 4 ) (2001/781/EG) DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN . gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2 0 0 0 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten, insbesondere auf Artikel 17 Buchstaben a) und b), in Erwägung nachstehender Gründe: (1) Zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 ist es erforderlich, ein Handbuch mit Angaben über die Empfangsstellen nach Artikel 2 dieser Verordnung zu erstellen und zu veröffentlichen. (2) Gemäß Artikel 17 Buchstabe b) der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 ist darüber hinaus ein Glossar in den Amtssprachen der Europäischen Union über die Schriftstücke zu erstellen, die nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 zugestellt werden können. (3) Die Kommission hat daher anhand der ihr von den Mitgliedstaaten mitgeteilten Angaben das im Anhang zu dieser Entscheidung beigefügte Handbuch und Glossar nach Artikel 17 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 erstellt. (4) Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 wird das Handbuch im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht. Es ist angezeigt, auch das Glossar zu veröffentlichen. (5) Um die Ziele der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 erreichen zu können, müssen die Übermittlungsstellen über ein Handbuch verfügen, das so oft wie möglich aktualisiert wird. Daher ist es erforderlich, dass die Kommission unbeschadet der in Artikel 17 Buchstabe a) dieser Verordnung vorgesehenen jährlichen Aktualisierung eine Fassung des Handbuchs auf ihrer Internetseite zur Verfügung stellt, die sie anhand der ihr von den Mitgliedstaaten mitgeteilten Änderungen regelmäßig aktualisiert. Es ist angezeigt, im Hinblick auf das Glossar ebenso vorzugehen. (6) Die in dieser Entscheidung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses nach Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000.

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Rolf A. Schütze

Glossar zur E u Z V O

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN: Artikel 1 (1) Das Handbuch nach Artikel 17 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1348/ 2 0 0 0 ist in Anhang I zu dieser Entscheidung beigefügt. (2) Das Glossar nach Artikel 17 Buchstabe b) der Verordnung (EG) Nr. 1348/ 2 0 0 0 ist in Anhang II zu dieser Entscheidung beigefügt. Artikel 2 (1) Das Handbuch und das Glossar nach Artikel 1 werden auf der Internetseite Europa veröffentlicht 1 . (2) Unbeschadet der jährlichen Aktualisierung des Handbuchs nach Artikel 1 Absatz 1 führt die Kommission regelmäßige Aktualisierungen anhand der ihr von den Mitgliedstaaten mitgeteilten Änderungen durch. Diese Entscheidung ist an die Mitgliedstaaten gerichtet. Brüssel, den 25. September 2001

http://ec.europa.eu/justice_home/judicialatlascivil/html/ds_docs_de.htm Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen A N H A N G II 1

GLOSSAR DER ZUSTELLBAREN SCHRIFTSTÜCKE INHALTSVERZEICHNIS Belgien Deutschland: siehe ABl. C 151 v o m 2 2 . 5 . 2 0 0 1 , S. 4 Griechenland Spanien Frankreich Irland Italien Luxemburg Niederlande Österreich Portugal Finnland Schweden Vereinigtes Königreich

421 422 423 426 427 428 430 431 432 433 473 474 475

ES

Las informaciones comunicadas por los Estados miembros solo tienen un valor indicativo. Cualquier documento judicial ο extrajudicial en materia civil ο mercantil puede ser notificado ο trasladado. El orden de las versiones lingüisticas de esta pägina se mantiene en todas las päginas multilingiies del repertorio.

DA

Oplysningerne fra medlemsstaterne har kun informativ karakter. Alle retslige og udenretslige dokumenter i civile og kommercielle sager kan forkyndes. Raekkefelgen af de sproglige versioner p i denne side er den samme i hele ordlisten.

DE

In den von den Mitgliedstaaten mitgeteilten Angaben werden nur Beispiele aufgeführt. Jedes gerichtliche oder außergerichtliche Schriftstück in Zivil- oder Handelssachen kann zugestellt werden. Die Reihenfolge der Sprachen auf dieser Seite gilt für alle mehrsprachigen Seiten.

EL

Οι πληροφορίες που ανακοινώνονται από τα κράτη μέλη έχουν αποκλειστικά και μόνο ενδεικτική αξία. Όλες οι δικαστικές ή εξώδικες πράξεις σε αστικές ή εμπορικές υποθέσεις μπορούν να επιδίδονται ή να κοινοποιούνται. Η σειρά παρουσίασης των γλωσσικών αποδόσεων αυτής της σελίδας fta παραμείνει η ίδια σε όλες τις πολύγλωσσες σελίδες του γλωσσάριου.

EN

The information supplied by the Member States is purely indicative. Any judicial or extra-judicial document incivil or commercial matters may be served. The order of the language versions on this page is used on all the multilingual pages of the glossary.

Eine aktualisierte Fassung des Glossars ist auf der Internetseite der Kommission (http://europa.eu.

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int/comm/justice_home/unit/civil_regl348_de. htm) abrufbar.

Rolf A. Schütze

Glossar zur EuZVO FR

Les informations communiquees par les fitats membres n'ont qu'une valeur indicative. Tout acte judiciaire ou extrajudiciaire en matiere civile ou commerciale est susceptible d'etre signifie ou notifie. L'ordre des versions linguistiques de cette page se retrouvera dans toutes les pages multilingues du repertoire.

IT

Le informazioni comunicate dagli Stati membri hanno solo valore indicativo. Puo essere notificato ο comunicato qualsiasi atto giudiziario ed extragiudiziale in materia civile ο commerciale. L'ordine delle versioni linguistiche e lo stesso in questa pagina e in tutte le pagine multilingui del repertorio.

NL

De door de lidstaten medegedeelde gegevens hebben slechts indicatieve waarde. Elk gerechtelijk en buitengerechtelijk stuk in burgerlijke en handelszaken kan worden betekend of hiervan kan kennisgeving worden gedaan. De volgorde van de talenversies op deze bladzijde wordt op alle veeltalige bladzijden van de lijst aangehouden.

PT

As informaiöes comunicadas pelos Estados-Membros tem apenas valor indicativo. Qualquer acto judicial ou extrajudicial em materia civil ou comercial pode ser citado ou notificado. Α ordern das versöes linguisticas desta pägina sera a mesma em todas as paginas multilingues do Glossario.

FI

Jäsenvaltioiden toimittamat tiedot ovat yksinomaan viitteellisiä. Siviili- tai kauppaoikeudellisia asiakirjoja voidaan antaa tiedoksi. Eri kielitoisinnot esitetään tämän käsikirjan sivuilla aina samassa järjestyksessä.

SV

Medlemsstaterna lämnar dessa uppgifter enbart som upplysning. Alia handlingar i mal och ärenden av civil eller kommersiell natur kan delges. Spräkversionerna har samma ordningsföljd i heia förteckningen.

BELGICA - BELGIEN - BELGIEN - BEAKIO - BELGIUM - BELGIQUE BELGIO - BELGIE - BELGICA - BELGIA - BELGIEN ES

Actos que emanan de los secretarios de juzgado, del ministerio publico, de los agentes judiciales y de los notarios.

DA

Dokumenter udfasrdiget af domstolene, den offentlige anklagemyndighed, stsevningsmasnd og notarer.

DE

Schriftstücke von Gerichtskanzleien, der Staatsanwaltschaft, Gerichtsvollziehern und Notaren.

EL

Πράξεις προερχόμενες από γραμματείς, εισαγγελείς, δικαστικούς επιμελητές και σύμβολα ιογράφους.

EN

Documents from court registrars, public prosecutors, bailiffs and notaries. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen FR

Actes emanant des greffiers, du ministere public, des huissiers de justice et des notaires.

IT

Atti emananti da cancellieri, pubblici ministeri, ufficiali giudiziari e notai.

NL

Stukken die uitgaan van griffiers, het openbaar ministerie, gerechtsdeurwaarders en notarissen.

PT

Actos provenientes dos secretarios de justiga, do Ministerio Publico, dos oficiais de justiia e dos notärios.

FI

Tuomioistuinten kirjaajien, yleisten syyttäjien, haastemiesten ja notaarien laatimat asiakirjat.

SV

Handlingar frän domstolar, äklagarmyndigheter, exekutionsmyndigheter och notarier.

GRECIA - G R E E N L A N D - GRIECHENLAND - ΕΛΛΑΔΑ - GREECE GRECE - GRECIA - GRIEKENLAND - GRECIA - KREIKKA - GREKLAND ES

Los documentos que procede notificar son los siguientes: a) sentencias y providencias de autoridades y organos judiciales, y b) en general todo tipo de documentos judiciales tales como diligencias, impugnaciones, recursos, revisiones, tercerias de mejor derecho, oposiciones contra actos judiciales y extrajudiciales, intervenciones, notificaciones y embargos, solicitudes de pruebas, citaciones, declaraciones de testigos, etc.

DA

Folgende dokumenter kan forkyndes: a) domstoles og domstolslignende organers afgorelser og kendelser samt b) almindelige retslige dokumenter säsom processkrifter, appelskrifter f.eks. i forbindelse med genoptagelse af en sag, hvori der er afsagt udeblivelsesdom, samt i forbindelse med indsigelser, anke, kaere, kassationsappel, revision, tredjemandsindsigelser, klager vedrarende retslige og udenretslige procedurer, hovedog biintervention, meddelelser og tilsigelser, indkaldelse til bevisf0relse, yderligere forhandling, vidneforklaring osv.

DE

Zugestellt werden können folgende Schriftstücke: a) Entscheidungen und Verfügungen der Gerichte und Spruchkörper sowie b) allgemein verfahrenseinleitende Schriftstücke wie Klageschriften, Rechtsmittelschriften, ζ. B. Versäumnisurteil und Einspruch dagegen, Berufung Revision, Wiederaufnahmeklage, Drittwiderspruchsklage, Einsprüche gegen gerichtliche und außergerichtliche Schriftstücke, Streithilfe, Mitteilungen und Ladungen, Antrag auf Eröffnung einer strafrechtlichen Untersuchung, Vorladungen zur weiteren Verhandlung, Zeugenaussagen usw.

EL

Τα προς επίδοση έγγραφα είναι: α) αποφάσεις και διαταγές δικαστικών αρχών και οργάνων και β) γενικώς δικόγραφα όπως αγωγές, ένδικα μέσα π.χ. ανακοπή ερημοδικίας, έφεση, αναίρεση, αναψηλάφιση, αναθεώρηση, τριτανακοπή και ανακοπή, ανακοπή εναντίον εξώδικων ή δικαστικών πράξεων, κύρια και πρόσθετη παρέμβαση, ανακοίνωση και προσεπίκληση, κλήσεις προς διεξαγωγή αποδείξεων, κλήσεις προς περαιτέρω συζήτηση, γνωστοποίηση μαρτύρων κ.λπ.

EN

The documents for service are: (a) judgments and orders by judicial authorities and bodies, and (b) generally, documents such as originating applications to the courts and steps in appellate proceedings, such as applications to set aside a judgment by default,

400

Rolf A. Schütze

Glossar zur EuZVO appeals, applications for retrial or review, proceedings brought by parties or others against extra-judicial and judicial acts, intervention in legal proceedings, notifications and citations, summonses to preparatory inquiries, summonses to further hearings, notification of witnesses, etc. FR

Les actes susceptibles d'etre signifies sont: a) les decisions et les ordonnances des autorites et des organes judiciaires, et b) de maniere generale, les actes tels que les actes introductifs d'instance et les voies de recours, c o m m e par exemple le defaut et ['opposition, Pappel, le pourvoi en cassation, la revision, la tierce opposition, et l'opposition a des actes extrajudiciaires ou judiciaires, l'intervention principale et accessoire, la communication et la demande en intervention, la demande d'ouverture d'une instruction, la citation en vue d'un debat complementaire de l'affaire, la notification des temoins, etc.

IT

I documenti da notificare ο comunicare sono i seguenti: a) sentenze, ordinanze e decreti delle autorita e degli organi giudiziari; e b) istanze e ricorsi come, per esempio, atti riguardanti la contumacia, l'appello, il ricorso in cassazione, la revisione, l'opposizione di terzo, l'opposizione contro atti giudiziari ο extragiudiziali, l'intervento a titolo principale ο accessorio, l'istruzione, Pulteriore trattazione della causa, l'assunzione di prove, la citazione di testimoni, ecc.

NL

De stukken die kunnen worden betekend of waarvan kennisgeving kan geschieden, zijn: a) beslisingen en beschikkingen van gerechtelijke autoriteiten en instanties en b) algemene gerechtelijke stukken zoals gedinginleidende stukken, alsmede stukken betreffende rechtsmiddelen zoals verzet tegen een bij verstek gewezen vonnis, hoger beroep, beroep in cassatie, verzoeken tot herziening, derdenverzet en verzet tegen buitengerechtelijke of gerechtelijke handelingen, interventies, kennisgevingen en dagvaardingen, verzoeken tot het instellen van een strafrechtelijk onderzoek, verzoeken tot voortzetting van de behandeling, oproeping van getuigen, enz.

PT

Os actos susceptiveis de citagäo ou notificaiäo säo: a) decisöes e despachos das autoridades e orgäos judiciais, e b) de um m o d o geral, todos os actos processuais e recursos como, por exemplo, revelia, oposi£äo, recurso, revisäo, o p o s i ? ä o de terceiros, οροβίςδο contra actos judiciais e extrajudiciais, interven90es a titulo principal ou acessorio, notifica9Öes e intimagöes, pedido de abertura de instru^äo, cita5Öes, notificaiöes de testemunhas, etc.

FI

Tiedoksi annetaan seuraavia asiakirjoja: a) oikeusviranomaisten ja oikeudellisten elinten päätökset ja määräykset; b) yleisesti ottaen oikeusasiakirjat kuten kanneasiakirjat, oikeudenkäyntiasiakirjat, jotka koskevat esimerkiksi vastalausetta yksipuolisen tuomion johdosta, muutoksenhakua, päätöksen kumoamista, uudelleenkäsittely ä, kolmansien tai asianosaisten esittämiä vastalauseita oikeudenkäyntiin liittyvien ja muiden toimien johdosta, väliintuloa tai sivuväliintuloa, tiedoksiantoja ja kutsuja, haasteita valmisteluun, haasteita oikeudenkäyntiin, kutsuja todistajien kuulusteluun jne.

SV

Följande handlingar kan delges: a) domar och beslut av domstolar eller domstolsliknande organ, och b) andra typer av rättsliga handlingar som stämningsansökningar, och överklaganden, tili exempel ansökning o m atervinning, överklaganden, kassationsbesvär, överklagande av tredje man, invändningar mot handlingar, ordinär och självständig intervention, uppmaningar tili tredje man att intervenera, stämningsansökan, föreläggande att delta i förberedande förhandling, kallelse att avlägga vittnesmäl.

Rolf A. Schütze

401

Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen

ESPANA - SPANIEN - SPANIEN - ΙΣΠΑΝΙΑ - SPAIN - ESPAGNE - SPAGNA SPANJE - ESPANHA - ESPANJA - SPANIEN

ES

En cuanto a los actos judiciales susceptibles de ser notificados, el articulo 149 de la nueva Ley de enjuiciamiento civil senala las clases de actos de comunicacion siguientes: 1. notificaciones, cuando tengan por objeto dar noticia de una resolucion, diligencia ο actuation; 2. emplazamientos, para personarse y para actuar dentro de un plazo; 3. citaciones, cuando determinen lugar, fecha y hora para comparecer y actuar; 4. requerimientos para ordenar, conforme a la ley, una conducta ο inactividad; 5. mandamientos, para ordenar el libramiento de certificaciones ο testimonios y la practica de cualquier actuacion cuya ejecucion corresponda a los registradores de la propiedad, mercantiles, de buques, de ventas a plazos de bienes muebles, notarios, corredores colegiados de comercio ο agentes de Juzgado ο Tribunal; 6. oficios, para las comunicaciones con autoridades no judiciales y funcionarios distintos de los mencionados en el punto anterior. En cuanto a los actos extrajudiciales susceptibles de ser notificados, serän los documentos no judiciales que emanen de autoridad publica con competencia segun la ley espanola para realizar notificaciones.

DA

Hvad angär de retslige dokumenter, der kan forkyndes, nsevnes folgende kategorier af dokumenter i den nye retsplejelovs artikel 149 (Ley de Enjuiciamiento Civil): 1. Meddelelser om retsafgorelser, sagsanlseg eller handlinger. 2. Meddelelse om fremmode eller handling inden en besternt frist. 3. Indkaldelser med angivelse af sted, dato og tidspunkt, hvor den indkaldte skal mode frem eller handle. 4. Päbud - pä grundlag af loven - af en besternt adfserd eller undladelse af adfserd. 5. Palseg om attestering, afgivelse af vidneudsagn og enhver handling, der udfores af personer, der er ansvarlige for registrering af ejendom, handel, skibe, kob pä afbetaling af losere, eller af notarer, handelsagenter eller domstolsansatte. 6. Meddelelser fra andre udenretslige myndigheder end dem, der er nsevnt i foregäende stykke. De udenretslige dokumenter, der skal forkyndes, er dem, der udstedes af offentlige myndigheder, som i henhold til spansk lov er bemyndiget til at foretage forkyndelse.

DE

Die zustellbaren gerichtlichen Schriftstücke sind in Artikel 149 des Zivilprozessgesetzes („Ley de Enjuiciamiento Civil") in folgende Kategorien unterteilt: 1. Zustellungsakten, die von einer Entscheidung oder einer gerichtlichen Maßnahme in Kenntnis setzen. 2. Mitteilungen betreffend das persönliche Erscheinen bzw. die Vornahme einer Handlung innerhalb einer gesetzten Frist. 3. Vorladungen, in denen Ort und Zeit des Erscheinens festgesetzt werden. 4. Verfügungen zur Anordnung einer Handlung oder Unterlassung. 5. Anordnungen zur Ausstellung von Bescheinigungen, zur Abgabe von Aussagen und zur Vornahme von Handlungen, die in den Aufgabenbereich der Grundstücks-, Handels-, und Schiffsregistratur oder der Registratur des Ratenkaufs von beweglichen Sachen, des Notariats, der vereidigten Handelsmakler oder der Gerichtsbeamten fallen. 6. Mitteilungen an nicht dem Justizbereich zugehörige Behörden und an Verwaltungsstellen, die nicht unter Absatz 5 fallen. Bei den zustellbaren außergerichtlichen Schriftstücken handelt es sich um nichtgerichtliche Dokumente von Behörden, die nach spanischem Recht zustellungsbefugt sind.

402

Rolf A. Schütze

Glossar zur EuZVO EL

Ό σ ο ν αφορά τις δικαστικές πράξεις που δύνανται να κοινοποιούνται, το άρθρο 149 του νέου νόμου πολιτικής δικονομίας προβλέπει τις ακόλουθες κατηγορίες πράξεων: 1. Κοινοποιήσεις, που αποβλέπουν στην γνωστοποίηση απόφασης, ή διαδικαστικής πράξης. 2. Κλήσεις προς εμφάνιση ή διενέργεια πράξης εντός προθεσμίας. 3. Κλήσεις, όπου καθορίζονται ο τόπος, η ημερομηνία και η ώρα εμφάνισης και ενέργειας. 4. Διαταγές για πράξη ή παράλειψη, σύμφωνα με το νόμο. 5. Εντολές για έκδοση πιστοποιητικών ή σύνταξη καταθέσεων και τη διεξαγωγή κάθε ενέργειας που βαρύνει τους υποθηκοφύλακες, τους υπεύθυνους των εμπορικών μητρώων, των νηολογίων, των μητρώων αγορών κινητών αγαθών επί πιστώσει, τους συμβολαιογράφους, τους ορκωτούς εμπορικούς πράκτορες ή τους δικαστικούς υπαλλήλους. 6. Γνωστοποιήσεις προς εξωδικαστικές αρχές και λειτουργούς που δεν αναφέρονται στο σημείο 5. Στις κοινοποιήσιμες εξωδικαστικές πράξεις περιλαμβάνονται τα μη δικαστικά έγγραφα που εκδίδουν οι κατά νόμον αρμόδιες για την κοινοποίηση ισπανικές αρχές.

EN

As regards the judicial documents that may be served under the Regulation, Article 149 of the new Code of Civil Procedure lists the following categories of document: 1. notifications of decisions, proceedings or actions; 2. notice to appear or take action before a given date; 3. summons to appear or take action, specifying the place, date and time; 4 . injunctions ordering the addressee, in accordance with the law, to act or to refrain from acting in a.specified manner; 5. orders for the issue of certificates, the giving of evidence or the taking of any action falling within the responsibility of the keepers of property, commercial or shipping registers or registers of hire-purchase agreements, notaries, commercial agents or court officials; 6. official communications with non-judicial authorities and officials other than those referred to in the.preceding paragraph. As regards the extra-judicial documents that may be served, these are non-judicial documents issued by public authorities that are competent to effect service under Spanish law.

FR

S'agissant des actes judiciaires susceptibles d'etre signifies, Particle 149 de la nouvelle loi de procedure civile.(«Ley de Enjuiciamiento Civil») enumere les differents types d'actes de communication mentionnes ci-apres: 1. Significations, lorsqu'elles ont pour objet la communication d'une decision, d'une mesure ou d'une demarche. 2. Assignations ordonnant une comparution ou une demarche dans un delai prescrit. 3. Citations, lorsqu'elles fixent un lieu, une date et une heure pour une comparution ou une demarche. 4. Mises en demeure intimant, conformement ä la loi, un ordre ou une defense. 5. Injonctions ordonnant l'etablissement d'attestations ou de temoignages et l'execution de toute demarche dont la realisation incombe aux responsables des registres de la propriete, du commerce, de la navigation, des ventes de biens meubles ä temperament, aux notaires, aux courtiers de commerce assermentes ou aux agents des tribunaux. 6. Communications («oficios») destinees aux autorites non judiciaires et aux fonctionnaires autres que ceux mentionnes au point 5 vise ci-dessus. Quant aux actes extrajudiciaires, susceptibles d'etre signifies, il s'agit des documents non judiciaires emanant d'une autorite publique competente pour proceder a des significations en vertu de la loi espagnole.

Rolf A. Schütze

403

Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen IT

Per quanto riguarda gli atti giudiziari da notificare ο comunicare, l'articolo 149 della nuova legge di procedura civile indica le seguenti categorie di atti: 1. Le notificazioni intese a dar notizia di una decisione, di un'azione ο di un procedimento. 2. I mandati di comparizione inviati all'interessato perche compaia in giudizio e agisca entro un determinato termine. 3. Le citazioni indicanti il luogo, la data e l'ora in cui l'interessato deve presentarsi in tribunale e agire. 4. Le ingiunzioni ο diffide con le quali si ordina, a norma di legge, di tenere una determinata condotta ο di astenersi da determinate azioni. 5. I mandati con i quali si ordina di rilasciare certificati ο di rendere testimonianze ο di eseguire una qualsiasi azione di competenza dei pubblici ufficiali del catasto, del registro delle imprese, del registro marittimo, delle vendite a rate di beni mobili, nonche dei notai, degli agenti di borsa iscritti all'albo ο degli ufficiali giudiziari. 6. Le istruzioni giudiziarie da inviare ad autoritä non giudiziarie e a funzionari diversi da quelli menzionati al punto precedente. Gli atti extragiudiziali da notificare ο comunicare sono i documenti non giudiziari, emananti da autorita pubbliche che secondo la legge spagnola hanno la competenza di effettuare notificazioni ο comunicazioni.

NL

Wat betreft de gerechtelijke stukken waarvan kennisgeving kan worden gedaan, onderscheidt artikel 149 van de nieuwe wet op de burgerlijke rechtsvordering („Ley de Enjuiciamiento Civil") de volgende soorten stukken: 1. Betekeningen, wanneer zij de kennisgeving van een rechterlijke beslissing, een instructiemaatregel of het instellen van strafvervolging betreffen. 2. Oproepingen om binnen een voorgeschreven termijn persoonlijk te verschijnen of een bepaalde handeling te stellen. 3. Dagvaardingen om op een bepaalde plaats, datum en uur te verschijnen en een bepaalde handeling te stellen. 4. Rechterlijke beschikkingen waarbij overeenkomstig de wet het stellen van een bepaalde handeling wordt opgelegd of verboden. 5. Bevelschriften waarbij het opstellen van getuigschriften of het afleggen van getuigenis wordt bevolen, dan wel het verrichten van welke handeling ook die behoort tot de bevoegdheid van de bewaarders van het kadaster, het handelsregister, het scheepsregister of het register betreffende de verkoop van roerende goederen op afbetaling, dan wel van notarissen, beedigde makelaars of gerechtsdienaars. 6. Mededelingen bestemd voor niet-justitiele instanties en andere ambtenaren dan die welke zijn genoemd in punt 5 hierboven. Buitengerechtelijke stukken die kunnen worden betekend, zijn niet-gerechtelijke stukken van instanties welke volgens de Spaanse wet bevoegd zijn om betekeningen te doen.

PT

N o que diz respeito aos actos judiciais que podem ser citados ou notificados, ο artigo 149° do novo Codigo de Processo Civil indica os seguintes tipos de actos: 1. Notifica9Öes, quando tiverem por objecto comunicar uma decisäo, diligencia ou ac£äo. 2. Mandatos de comparencia ou para actuar num determinado prazo. 3. Cita^öes quando fixem local, data e hora para comparencia ou para uma aciäo. 4. Intima9Öes, em conformidade com a lei, de uma acqäo ou uma abstengäo. 5. Injun^öes que ordenem a emissäo de certificados ou a apresenta9äo de testemunhos e a prätica de qualquer acgäo cuja realizagäo incumba aos responsäveis dos registos de propriedade, do comercio, de navios e de vendas de bens moveis a prestagöes, aos notarios, aos agentes comerciais ou aos agentes dos tribunals. 6. Oficios destinados as autoridades näo judiciais e a funcionärios diferentes dos mencionados no numero anterior.

404

Rolf A. Schütze

Glossar zur EuZVO Quanto aos actos extrajudiciais que podem ser notificados, säo os documentos näo judiciais provenientes das autoridades püblicas competentes, segundo a lei espanhola, para procederem a cita^öes ou ηοηίίοΒςοβϊ. FI

Uuden siviiliprosessilain (Ley de Enjuiciamiento Civil) 149 artiklassa mainitaan seuraavat tiedoksi annettavat oikeudelliset asiakirjat: 1. Tiedoksiannot, joiden tarkoituksena on ilmoittaa päätöksestä, oikeudenkäyntitoimesta tai toimenpiteestä. 2. Asiakirjat, joissa ilmoitetaan määräaika, johon mennessä on saavuttava oikeuteen tai toimittava. 3. Haasteet, joissa ilmoitetaan oikeudenkäynnin tai muun toimituksen paikka ja aika. 4. Lakiin perustuvat määräykset toimia tai olla toimimatta tietyllä tavalla. 5. Todistusten tai todistajanlausuntojen antamista koskevat määräykset ja määräykset, joilla kiinteistö-, kauppa- tai alusrekisteriä taikka irtaimen omaisuuden osamaksukaupparekisteriä ylläpitävät viranomaiset, notaarit, valtuutetut pörssivälittäjät tai tuomioistuimen edustajat määrätään toteuttamaan jokin toimenpide. 6. Tiedoksiannot, jotka on tarkoitettu muille kuin oikeusviranomaisille ja muille kuin 5 kohdassa mainituille viranomaisille. Lisäksi voidaan antaa tiedoksi muita virallisia asiakirjoja, jos viranomaiset, jotka ovat ne laatineet, ovat Espanjan lainsäädännön nojalla toimivaltaisia.

SV

I fräga om vilka kategorier av handlingar som kan delges anges följande i artikel 149 i den nya civilprocesslagen (Ley de Enjuiciamiento Civil): 1. Meddelanden om domar, om rättegäng och om talans väckande. 2. Förelägganden om att infinna sig vid domstol eller förelägganden om att agera inom en viss tid. 3. Kallelse att infinna sig eller att agera som är specificerade till plats, dag och tid. 4. Förelägganden om att mottagaren i enlighet med lag skall företa eller avstä fran att företa vissa handlingar. 5. Föreläggande om att utfärda intyg, avlägga vittnesmäl eller vidta ätgärder som hänger samman med förvaltning av fastighets-, företags- eller fartygsregister eller register över leasingavtal, eller ätgärder som hör till en notaries, handelsagents eller domstolstjänstemans ansvar. 6. Officiell kommunikation med andra myndigheter än domstolar och med andra tjänstemän än dem som anges i punkt 5. Andra handlingar än rättsliga handlingar som skall delges är de handlingar som utfärdas av myndigheter som har befogenhet att företa delgivningar i enlighet med spansk rätt.

FRANCIA - FRANKRIG - F R A N K R E I C H - ΙΑΛΛΙΑ - F R A N C E - F R A N C E FRANCIA - FRANKRIJK - FRANCA - RANSKA - FRANKRIKE

ES

Los documentos judiciales (documentos de los agentes de justicia ο notificaciones en forma simple de las autoridades) y los documentos extrajudiciales procedentes de las autoridades y agentes judiciales.

DA

Retslige dokumenter (dokumenter udstedt af staevningsmaend eller enkle meddelelser fra myndighederne) og udenretslige dokumenter, der hidrerer fra myndigheder eller ministerielle embedsmasnd. Rolf A. Schütze

405

Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen DE

Gerichtliche Schriftstücke (von Gerichtsvollziehern zugestellte Schriftstücke oder amtliche Zustellungen in einfacher Form) und außergerichtliche Schriftstücke von Behörden und Amtspersonen.

EL

Οι δικαστικές πράξεις (πράξεις των δικαστικών επιμελητών ή κοινοποιήσεις απλής μορφής των αρχών), και οι εξώδικες πράξεις που προέρχονται από τις αρχές και τους δημόσιους λειτουργούς.

EN

Judicial documents (documents issued by bailiffs or simplified notifications by the authorities) and extra-judicial documents issued by the authorities and ministry officials.

FR

Les actes judiciaires (actes d'huissiers de justice ou notifications en forme simple des autorites) et les actes extrajudiciaires emanant des autorites et des officiers ministeriels.

IT

Gli atti giudiziari (atti di ufficiali giudiziari ο comunicazioni in forma semplice da parte delle autorita) e gli atti extragiudiziali di autorita ed ufficiali esercenti funzioni connesse alPamministrazione della giustizia.

NL

Gerechtelijke stukken (stukken van gerechtsdeurwaarders of kennisgevingen in eenvoudige vorm van de autoriteiten), alsook buitengerechtelijke stukken van overheidsinstanties en ministeriele ambtenaren.

PT

Os actos judiciais (actos da competencia dos oficiais de justi£a ou meras notifica90es das autoridades) e os actos extrajudiciais provenientes das autoridades e de funcionärios de justiga.

FI

Oikeudenkäyntiasiakirjat (haastemiesten laatimat asiakirjat tai viranomaisilmoitukset) ja muut viranomaisten ja ministeriöiden virkamiesten laatimat asiakirjat.

SV

Rättsliga handlingar (handlingar som skall delges av huissiers de justice, dvs. särskilda delgivningsmän, och handlingar som delges pä förenklat sätt genom berörd myndighet) och andra handlingar fran myndigheter och statstjänstemän.

IRLANDA - IRLAND - IRLAND - ΙΡΛΑΝΔΙΑ - IRELAND - IRLANDE IRLANDA - IERLAND - IRLANDA - IRLANTI - IRLAND

ES

Se notificara ο trasladarä todo documento judicial ο no relativo a materias cubiertas por el Reglamento. Ejemplos de documentos juridicos: citaciones, notificaciones, instancias, certificaciones, alegaciones y mandatos.

DA

Alle retslige og udenretslige dokumenter vedrorende et sagsomrade, som forordningen daskker, kan forkyndes i henhold til denne. Eksempler pä retslige dokumenter er stsevninger, meddelelser, andragender, erklamnger, processkrifter og kendelser.

DE

Alle gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücke in Angelegenheiten, die in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, können gemäß deren Bestimmungen zugestellt werden. Beispiele für gerichtliche Schriftstücke: Vorladungen, amtliche Mitteilungen, Gesuche, eidesstattliche Erklärungen, Schriftsätze und Gerichtsbeschlüsse.

406

Rolf A. Schütze

Glossar zur EuZVO EL

Ό λ ε ς οι δικαστικές ή εξώδικες πράξεις που αφορούν οποιοδήποτε θέμα διεπόμενο από τον κανονισμό μπορούν να επιδοθούν ή να κοινοποιηθούν σύμφωνα με τις διατάξεις του. Παραδείγματα δικαστικών εγγράφων είναι μεταξύ άλλων: summons (κλήτευση), notice (κοινοποίηση), petition (αναφορά), affidavit (ένορκη βεβαίωση), pleading (προτάσεις) και order (διάταξη).

EN

All judicial or non-judicial documents concerning any matter coming within the scope of the Regulation may be served under it. Examples of judicial documents include the following: summons, notice, petition, affidavit, pleading and order.

FR

Tous les actes judiciaires ou extrajudiciaires concernant les matieres regies par le reglement peuvent etre signifies ou notifies conformement ä ses dispositions. Exemples d'actes judiciaires: assignation, notification, demande, declaration sous serment, conclusions et ordonnance.

IT

Tutti gli atti giudiziari ο extragiudiziali riguardanti materie contemplate dal regolamento possono essere notificati ο comunicati secondo le modalita in esso previste. Esempi di atti giudiziari sono le citazioni, le notificazioni, gli atti introduttivi, le dichiarazioni giurate, le memorie contenenti le esposizioni dei fatti, le ordinanze.

NL

Alle gerechtelijke of buitengerechtelijke stukken betreffende aangelegenheden die onder de toepassing van de verordening Valien, kunnen overeenkomstig de verordening worden betekend of ter kennis worden gebracht. Voorbeelden van gerechtelijke stukken: dagvaardingen, kennisgevingen, verzoekschriften, verklaringen onder ede, processtukken en bevelschriften.

PT

Todos os actos judiciais e extrajudiciais relativos a materias abrangidas pelo regulamento podem ser objecto de ΰΚβςδο ou notificaiäo. Säo exemplos de actos judiciais: citagöes, ηοπί^βςδεβ, pedidos, d e c l a ^ ö e s sob juramento, alegagöes e despachos.

FI

Asetuksen perusteella voidaan antaa tiedoksi mitä tahansa oikeudenkäynti- ja muita asiakirjoja, joissa käsitelty asia kuuluu asetuksen soveltamisalaan. Esimerkkejä tällaisista oikeudenkäyntiasiakirjoista ovat haaste, ilmoitus, hakemus, todistus, kirjelmä ja päätös.

SV

Alia handlingar som rör frägor som omfattas av förordningen fär delges. Exempel pä rättsliga handlingar är: stämningar, underrättelser, framställningar, intyg, inlagor och domstolsbeslut.

ITALIA -

ES

ITALIEN - ITALIEN - ΙΤΑΛΙΑ - ITALY - ITALIE ITALIE - ITÄLIA - ITALIA - ITALIEN

ITALIA-

En materia civil y mercantil pueden notificarse ο trasladarse los documentos siguientes: - actos introductivos de instancia (citaciones), - recursos, - escritos de demanda y de contestacion, - defensas escritas (replica y duplica), - requerimientos, - providencias judiciales, - documentos extrajudiciales. Rolf A. Schütze

407

Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen DA

Inden for civil- og handelsretten kan feigende dokumenter forkyndes: - stsevninger - begseringer - processkrifter - kontrapästande - päbud - domstolsforanstaltninger - udenretslige dokumenter i almindelighed.

DE

In -

EL

Στον τομέα των αστικών και εμπορικών υποθέσεων μπορούν να κοινοποιούνται ή να επιδίδονται οι ακόλουθες πράξεις: - εισαγωγικά της δίκης δικόγραφα (citazioni), - δικόγραφα άσκησης ενδίκων μέσων (ricorsi), - υπομνήματα/προτάσεις αντίκρουσης της αγωγής (comparse costitutive e di risposta), - υπομνήματα αντίκρουσης των ενδίκων μέσων (controricorsi), - διαταγές (atti di precetto), - αποφάσεις του δικαστηρίου (provvedimenti del Giudice), - εξώδικες πράξεις γενικά.

EN

In -

FR

En matiere civile et commerciale, les actes suivants peuvent etre notifies ou signifies: - actes introductifs d'instance, - recours, - memoires en defense, - defenses ecrites (en cas de recours), - injonctions, - toutes les decisions du juge, - actes extrajudiciaires en general.

IT

In -

408

Zivil- oder Handelssachen können folgende Schriftstücke zugestellt werden: Verfahrenseinleitende Anträge, Rechtsbehelfsschriften, Schriftsätze und Erwiderungen, Schriftsätze und Erwiderungen bei Rechtsbehelfen, Vollstreckbarkeitserklärungen, richterliche Anordnungen, außergerichtliche Schriftstücke im Allgemeinen.

civil and commercial matters the following documents may be served: originating writs or summonses, petitions, statements of defence, replies (in appellate proceedings), notices of enforcement, all court decisions, extra-judicial documents in general.

materia civile e commerciale possono essere notificati ο comunicati i seguenti atti: citazioni, ricorsi, comparse costitutive e di risposta, controricorsi, atti di precetto, provvedimenti del giudice, atti extragiudiziari in genere. Rolf A. Schütze

Glossar zur EuZVO NL

In burgerlijke of handelszaken kunnen de volgende stukken worden betekend of ter kennis worden gebracht: - dagvaardingen; - gedinginleidende stukken; - conclusies en replieken; - verweerschriften; - betalingsbevelen; - rechterlijke bevelen; - buitengerechtelijke stukken in het algemeen.

PT

Em materia civil e comercial podem ser citados ou notificados os seguintes actos: - peti?öes iniciais, - recursos, - ΰοηίεβίβςδεβ, - contestagöes de recursos, - i n j u ^ ö e s e intimagöes, - despachos judiciais, - actos extrajudiciais em geral.

FI

Siviili- ja kauppaoikeudellisissa asioissa tiedoksiannettavia asiakirjoja ovat seuraavat: - haasteet, - kannekirjelmät, - asianosaisten kirjalliset vastaukset, - vastineet, - täytäntöönpanomääräykset, - tuomioistuimen tuomiot, - muut kuin oikeudelliset asiakirjat.

SV

Följande handlingar av civil eller kommersiell natur kan delges: - Stämningsansökningar - Overklaganden - Svarsinlagor - Svarsinlagor vid överklaganden - Betalningsförelägganden - Domstolsbeslut - Extrajudiciella handlingar i allmänhet.

LUXEMBURGO - LUXEMBOURG - LUXEMBURG - ΛΟΥΞΕΜΒΟΥΡΓΟ LUXEMBOURG - LUXEMBOURG - LUSSEMBURGO - LUXEMBURG LUXEMBURGO - LUXEMBURG - LUXEMBURG

ES

Los actos contemplados son todos los documentos judiciales y extrajudiciales previstos por las leyes y reglamentos luxemburgueses en materia civil y mercantil.

DA

De omhandlede dokumenter er alle retslige og udenretslige dokumenter i henhold til luxembourgsk lovgivning i civile og kommercielle sager.

DE

Bei den betreffenden Schriftstücken handelt es sich um alle gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen nach luxemburgischem Recht. Rolf A. Schütze

409

Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen EL

Οι σχετικές πράξεις είναι όλες οι δικαστικές ή εξώδικες πράξεις που προβλέπονται από τους γόμους και τους κανονισμούς του Λουξεμβούργου σε αστικές και εμπορικές υποθέσεις.

EN

The documents in question are all judicial and extra-judicial documents provided for by Luxembourg laws and regulations in civil and commercial matters.

FR

Les actes vises sont tous les actes judiciaires et extrajudiciaires prevus par les lois et les reglements luxembourgeois en matiere civile et commerciale.

IT

Gli atti in questione sono tutti gli atti giudiziari ed extragiudiziali previsti dalle leggi e dai regolamenti lussemburghesi in materia civile e commerciale.

NL

Bedoeld zijn alle gerechtelijke en buitengerechtelijke stukken waarin is voorzien door de Luxemburgse wet- en regelgeving in burgerlijke en handelszaken.

PT

Os actos abrangidos säo todos os actos judiciais ou extrajudiciais previstos na legisla^äo e regulamentagäo luxemburguesas em materias civil e comercial.

FI

Tämä koskee kaikkia Luxemburgin lainsäädännössä tarkoitettuja siviili- ja kauppaoikeudellisiin asioihin liittyviä oikeudenkäynti- tai muita asiakirjoja.

SV

Samtliga handlingar i mal och ärenden av civil eller kommersiell natur som anges i luxemburgsk lagstiftning.

PAfSES BAJOS - NEDERLANDENE - NIEDERLANDE - ΚΑΤΩ ΧΩΡΕΣ NETHERLANDS - PAYS-BAS - PAESI BASSI - NEDERLAND PAISES BAIXOS - ALANKOMAAT - NEDERLÄNDERNA

ES

Actos que pueden ser notificados ο trasladados en aplicacion del Reglamento: actos judiciales y extrajudiciales en materia civil ο mercantil.

DA

Dokumenter, som kan forkyndes i henhold til denne forordning: retslige og udenretslige dokumenter i civile og kommercielle sager.

DE

Schriftstücke die nach Maßgabe dieser Verordnung zugestellt werden können: gerichtliche und außergerichtliche Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen.

EL

Οι πράξεις που μπορεί να επιδοθούν ή να κοινοποιηθούν κατ' εφαρμογή του κανονισμού είναι οι δικαστικές και εξώ- δίκες πράξεις σε αστικές και εμπορικές υποθέσεις.

EN

Documents that can be served under the Regulation: judicial and extra-judicial documents in civil and commercial matters.

FR

Les actes susceptibles d'etre signifies ou notifies en application du reglement sont les actes judiciaires et extrajudiciaires en matiere civile ou commerciale.

410

Rolf A. Schütze

Glossar zur EuZVO IT

Atti che possono essere notificati ο comunicati ai sensi del regolamento: atti giudiziari ed extragiudiziali in materia civile ο commerciale.

NL

Stukken die kunnen worden betekend of waarvan kennis kan worden gegeven in de zin van deze verordening: gerechtelijke en buitengerechtelijke stukken in burgerlijke of in handelszaken.

PT

Os actos que podem ser objecto de cita5äo ou notifica?äo em aplicafäo do regulamento säo os actos judiciais e extrajudiciais em materia civil ou comercial.

FI

Tämän asetuksen mukaisesti tiedoksiannettavia asiakirjoja ovat oikeudenkäynti- ja muut asiakirjat siviili- tai kauppaoikeudellisissa asioissa.

SV

Handlingar som kan delges i enlighet med denna förordning: handlingar i mal och ärenden av civil eller kommersiell natur.

AUSTRIA - 0STRIG - ÖSTERREICH - ΑΥΣΤΡΙΑ - AUSTRIA - AUTRICHE AUSTRIA - OOSTENRIJK - ÄUSTRIA - ITÄVALTA - ÖSTERRIKE ES

En virtud del presente Reglamento, pueden notificarse ο trasladarse documentos judiciales en materia civil ο mercantil, asi como documentos extrajudiciales - es decir, documentos destinados a salvaguardar y ejercer una pretension en materia civil ο mercantil ο a la defensa de los derechos correspondientes, aunque al margen de un procedimiento civil.

DA

Inden for forordningens rammer kan der foretages forkyndelse af retslige dokumenter i civile og kommercielle sager samt udenretslige dokumenter - ved sidstnaevnte dokumenter forstas dokumenter til sikring, gennemtvingelse eller imedegaelse af et civilretsligt eller handelsretsligt krav, dog uden for en civilretslig procedure.

DE

Nach Maßgabe dieser Verordnung können gerichtliche Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen und außergerichtliche Schriftstücke - das sind Schriftstücke zur Wahrung, Durchsetzung oder Abwehr eines zivil- oder handelsrechtlichen Anspruchs, jedoch außerhalb eines zivilgerichtlichen Verfahrens - zugestellt werden.

EL

Σύμφωνα με τον κανονισμό μπορούν να επιδίδονται ή να κοινοποιούνται δικόγραφα σε αστικές ή εμπορικές υποθέσεις και εξώδικα έγγραφα - δηλαδή έγγραφα που αποσκοπούν στην διαφύλαξη, διεκδίκηση ή αντίκρουση αστικής ή εμπορικής αξίωσης εκτός του πλαισίου αστικής δίκης.

EN

Under the provisions of this Regulation, judicial documents in civil or commercial matters or extra-judicial documents - namely documents seeking to safeguard, pursue or counter a civil or commercial claim, but without involving civil court proceedings may be served.

FR

Dans le cadre du reglement, peuvent etre signifies ou notifies des actes judiciaires en matiere civile et commerciale ainsi que des actes extrajudiciaires - ä savoir des actes destines ä la sauvegarde et a l'execution de droits en matiere civile ou commerciale ou a la defense concernant de tels droits, mais en dehors de toute instance civile. Rolf A. Schütze

411

Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen IT

In conformitä al regolamento possono essere notificati ο comunicati atti giudiziari in materia civile e commerciale, nonche atti extragiudiziali (ossia atti diretti a tutelare, far valere ο contrastare un diritto in materia civile e commerciale al di fuori dei procedimenti giudiziari).

NL

Op grond van deze verordening kunnen gerechtelijke stukken in burgerlijke en handelszaken alsook buitengerechtelijke stukken - d.w.z. stukken in verband met het behoud, het afdwingen of het aanvechten van rechten op burgerlijk of handelsgebied, anders dan in een burgerlijk geding - worden betekend of ter kennis worden gebracht.

PT

Ao abrigo deste regulamento, podem ser citados ou notificados os actos judiciais em materia civil ou comercial e actos extrajudiciais, ou seja, actos destinados a salvaguardar e a exercer direitos em materia civil ou comercial ou a assegurar a defesa desses direitos, mas fora de qualquer processo civil.

FI

Tämän asetuksen mukaisesti voidaan antaa tiedoksi oikeudenkäyntiasiakirjoja siviili- ja kauppaoikeudellisissa asioissa ja muita oikeudellisia asiakirjoja - e l i asiakirjoja siviilitai kauppaoikeudellisen vaateen valvomiseksi, toteuttamiseksi tai torjumiseksi muussa kuin siviilioikeudellisessa oikeudenkäynnissä.

SV

Enligt denna förordning kan följande handlingar i mal eller ärenden av civil eller kommersiell natur delges, handlingar som inte ingär i ett rättsligt förfarande men genom vilka man kan tillvarata eller utöva civilrättsliga eller kommersiella rättigheter eller skydda sig mot sädana.

PORTUGAL - PORTUGAL - PORTUGAL - ΠΟΡΤΟΓΑΛΙΑ - PORTUGAL PORTUGAL -PORTOGALLO - PORTUGAL - PORTUGAL PORTUGALI - PORTUGAL Funciones de la notificacion y del traslado - La notificacion es el acto que pone en conocimiento del demandado que contra el se ha instruido un determinado acto y le pide que proceda a defenderse. Tambien se emplea para llamar por primera vez a intervenir a una persona afectada por la causa. - El traslado sirve, en todos los otros casos, para llamar a alguien para que intervenga en el expediente ο para poner en conocimiento un hecho. - La notificacion y los traslados siempre se acompanan de todos los elementos y copias legibles de los documentos del procedimiento necesarios para la plena comprensiön de su objeto.

1. Procedimiento ordinario Notificaciones 1. 2. 3. 4.

Atribucion del asunto y primera actuation Auto de citation Procedimientos cautelares con audition previa del demandado Notificacion previa a la atribucion [articulo 4 7 8 del Codigo de procedimiento civil (CPC)] 5. Convocatoria de acreedores 6. Convocatoria de un conyuge

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Glossar zur EuZVO 7. Convocatoria de entidades mencionadas en la ley fiscal para la defensa de los derechos de la Hacienda nacional 8. Constitution de garantia: en curso de procedimiento Traslados 1. 2. 3. 4. 5. 6.

7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19.

20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42.

Revocation del mandato y renuncia al mandato Ausencia, insuficiencia e irregularidad del mandato Designation de abogado y procurador Incidentes de incompetencia Rechazo liminar (articulo 234-A del CPC) Actos procesales y requerimientos de las partes, por ejemplo, pliego de descargo, replica, contrarreplica, alegaciones, contra alegaciones, lista de testigos, peticiones de modification de la lista de testigos, sustituci όη de testigos, oposicion, respuestas, etc. Anadido y restitution de documentos y dictämenes Incidente de sospecha e impedimento Decisiones judiciales: sentencias y autos Envio de carta pidiendo la intervention de otra jurisdiction nacional Reception de carta pidiendo la intervention de otra jurisdiction nacional Necesidad de notification mediante comision rogatoria N o validez de la petition inicial Anulacion de fases procesales anteriores Error de forma en el procedimiento Advertencia al demandante cuando la notification no ha sido hecha directamente Autos destinados a suplir excepciones, invitation a completar actos procesales, decisiones prejudiciales Autos de admision de actos procesales, en especial memorias complementarias y reclamaciones de creditos Providencias para citar a intervinientes, tales como fijar las fechas de juicio, audiencia preliminar, tentativa de conciliation, interrogatorio de testigos, reunion de partes interesadas, asambleas de acreedores ο socios, prestation de juramento y otros Reconvenciones, modificaciones de la demanda ο de la causa de la demanda Suspension de instancia Cesaciön de la suspension de instancia Interruption de instancia Cesaciön de la interruption de instancia Extincion de instancia Rechazo de la instancia Abandono de procedimiento Desistimiento ο confesion Cälculo previo de costas Aplicacion de multas ο sanciones Condena al pago de costas Costas Liquidation de multa Inclusion del pago de honorarios en las costas Rechazo de la petition inicial Presentation anticipada de prueba Requerimiento de documentos Contestation de la veracidad, autenticidad ο fuerza probatoria de un documento Ordenacion de peritajes, exämenes, inspecciones judiciales e informes conexos Designation de arbitros y peritos Audition de testigos mediante teleconferencia Aplazamiento de diligencias tales como juicio, audiencia preliminar, tentativa de conciliation, interrogatorio de testigos, conferencia de partes interesadas, asambleas de acreedores ο asociados, prestation de juramento u otras Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55. 56. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. 71. 72. 73. 74. 75. 76. 77. 78.

Reforma de sentencia Rectification de errores materiales en la sentencia Nulidad de sentencia Explication, aclaracion ο reforma de sentencia Auto de admision de un recurso Error en cuanto al efecto ο naturaleza del recurso N o conocimiento del objeto del recurso Decision previa sobre el objeto del recurso Auto de admision de un traslado judicial distinto Auto que admita la oposicion de la parte contra la que se ordena la ejecucion Designacion de los bienes embargables a la parte embargada Devolution al acreedor de la designacion de los bienes embargables Embargo de inmuebles Entrega ο deposito efectivo de bienes embargados Cambio de depositario Retribution del depositario Auto autorizando la venta anticipada de bienes Auto autorizando a un buque embargado a hacerse a la mar Auto ordenando la presentation de los bienes embargados Embargo de creditos Embargo de remuneraciones, pensiones ο depositos bancarios Embargo de derechos sobre bienes indivisos ο participaciones en sociedades Contestation de creditos reclamados Auto de suspension de ejecucion Auto que fija la fecha y hora de venta publica de bienes embargados Determination del modo de venta ο del valor de base de los bienes embargados Auto que determina el modo de venta y el valor de base de los bienes embargados Existencia de privilegios sobre los bienes embargados Venta sin efecto por no deposito del precio Entrega de bienes al comprador Extincion de la ejecucion Renovation de la ejecucion extinta Asignacion del domicilio familiar Constitution de garantia - anexa Auto estableciendo el valor de la caucion Aumento ο sustituciön de la caucion

Casos particulates Nuevos elementos y primera actuation: notificacion para los nuevos intervinientes; traslado para los intervinientes existentes. Autos procesales: pueden originär un traslado inmediato. Nulidad de la notificacion: notificacion/traslado. Casos especialmente previstos en que se aplican las disposiciones relativas a la citation personal, por ejemplo: apartado 4 del articulo 12, apartado 3 del articulo 23, apartado 2 del articulo 24, apartado 5 del articulo 385, articulo 926 del Codigo de procedimiento civil (CPC): traslado al que se aplican las normas sobre notificacion. Incidentes de procedimiento que requieren un auto de admision, por ejemplo: intervention espontänea (articulo 320 del CPC), intervention provocada (articulo 325 del CPC), intervention accesoria provocada (articulo 330 del CPC), asistencia (articulo 335 del CPC), oposicion espontänea (articulo 342 del CPC), oposicion provocada (articulo 347 del CPC), embargo de terceros (articulo 351 del CPC), habilitation (articulo 371 del CPC), liquidation (articulo 378 del CPC): notificacion para nuevos intervinientes. Procedimientos cautelares sin audition del demandado: traslado al que se aplican las normas de la notificaci όη; traslado para intervinientes existentes. 414

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Glossar zur EuZVO Auto de embargo y ejecucion del embargo: traslado para ejecucion ordinaria (articulo 838 del CPC); traslado al que se aplican las normas sobre notification para las otras ejecuciones (articulo 926 del CPC). 2.A. Procedimiento de quiebra (a petition del acreedor) Traslados Oposiciones Fijacion de la fecha de instruction y juicio [articulo 24 del Codigo de procedimientos especiales de salvamento de empresas y de quiebra (CPEREF)]. Procedimiento separado de reclamation de credito: 1) reclamaciones de creditos; 2) reclamaciones de creditos y oposiciön (articulo 192 del CPEREF). Decisiones prejudiciales (articulo 196 del CPEREF). Sentencia (articulo 200 del CPEREF). Casos

particulates

Petition inicial: citation a partes demandadas y acreedores (articulos 20/21 del CPEREF); publication y anuncios. Auto de procesamiento (articulo 25 del CPEREF) (I) : traslados; designaciones; publication y anuncios (articulo 128 del CPEREF); inscription en el registro de sociedades (articulo 59 del CPEREF) Hasta que se pronuncia el auto de procesamiento caräcter urgente.

(articulo 25 del CPEREF) el procedimiento

tiene

2.B. Procedimiento de quiebra (a petition de la empresa) Las etapas procesales son identicas al caso de quiebra por petition del acreedor pero sin citation de la parte requerida (articulo 20 del CPEREF) que presento la demanda inicial. 3. Procedimiento de salvamento de empresas Traslados Oposiciones Fijacion de la fecha de instruction y juicio (articulo 24 del CPEREF) Casos particulares Petition inicial: citation a los acreedores (articulo 20 del CPEREF); publication y anuncio en el registro de sociedades (articulo 59 del CPEREF). Auto de procesamiento (articulo 25 del CPEREF)"1: traslados; designaciones; publication y anuncio con fijacion de la fecha de la asamblea provisional (articulo 28 del CPEREF); inscription en el registro de sociedades (articulo 59 del CPEREF). Asamblea provisional: selection de creditos (articulo 48 del CPEREF): reclamaciones (articulo 49 del CPEREF). Asamblea definitiva (articulo 50 del CPEREF): acta, discusiön del informe del administrador y aprobacion del plan de gestion | 2 ) . 1,1

121

Hasta que se pronuncia el auto de procesamiento (articulo 25 del CPEREF) el procedimiento tiene caräcter urgente. Los procedimientos de salvamento de empresas tienen caräcter urgente hasta la aprobacion del plan de gestion.

Nota: El salvamento de la empresa se efectua, por regia general, a peticion de la propia empresa, aunque excepcionalmente pueda ser requerida por un acreedor (previsto en la ley), y en este caso en la fase de citaciön (articulo 20 del CPEREF) se cita a la parte requerida ademäs de a los acreedores.

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen 4. Recursos de marcas Traslados Peticion inicial Respuesta Sentencia (articulo 41/4 del Codigo de propiedad industrial) (CPI) Recurso (articulo 43 del CPI) Alegaciones Auto Formälet med forkyndelse - Forkyndelsen (af en st«vning) er det dokument, hvorved sagsogte far kendskab til, at den pägaddende sag tiertkes indledt over for ham, og han indkaldes säledes til at forsvare sig i retssagen. Den tjener saledes til for ferste gang at indkalde den pagjeldende interesserede part i en sag. - Forkyndelse tjener i alle 0vrige tilfselde til at tilsige nogen for retten eller gore nogen bekendt med et forhold. - Forkyndelser (af dokumenter, stasvninger og tilsigelser) ledsages altid af alle de elementer og bekraeftede kopier af dokumenter og aktstykker, der er nodvendige for den fulde forstäelse af forkyndelsens genstand. I. Almindelige sager Forkyndelser 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Udsendelse og optagelse i retsbogen af den indledende pästand Kendelse om päbudt forkyndelse (af stasvning) Sikrende retsmidier med forudgäende haring af sagsogte Forkyndelse ved stasvningsmand forud for udsendelse (artikel 478, Codigo do Processo Civil - portugisisk retsplejelov) Kreditorindkaldelse Indkaldelse af aegtefselle Indkaldelse af de i skatteloven omhandlede enheder for at forsvare statskassens rettigheder Kautionering - under procedureforlob

Forkyndelser 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. II. 12. 13. 14. 416

(Citagäos)

(Notifica(äos)

Tilbagekaldelse og ophsevelse af en fuldmagt Fejl, mangier og uoverensstemmelser ved en fuldmagt Beskikkelse af advokat Tilfselde af inkompetence Forhändsafvisning (artikel 234-A, Codigo do Processo Civil . portugisisk retsplejelov) Parternes processkrifter og anmodninger, f.eks.: svarskrift, replik, duplik, anbringender, modanbringender, indkaldelse af vidner, begsering om sendring af vidnefortegnelse, vidnesubstituering, indsigelse osv. Indsamling og returnering af dokumenter og udtalelser Sporgsmäl om inhabilitet/forfald Retsafgorelser: afgorelser (enkelt dommer) og domme (dommerkollegier) Begasring om retshandlingers effektuering i anden retskreds Modtagelse af begasring om retshandlingers effektuering i en anden retskreds Behov for stsevning med begasring om retshandlingers effektuering i en anden retskreds Afvisning af stasvning Tiltalefrafald Rolf A. Schütze

Glossar zur EuZVO 15. Procedurefejl 16. Meddeielse til rekvirenten, när stasvningen ikke har kunnet forkyndes for vedkommende personligt 17. Kendelser med henblik pa at efterkomme indsigelser, opfordring til prsecisering af processkrifter, afgorelser vedrerende p r ä l i m i n a r e spergsmal 18. Kendelser om antagelige pästande, navnlig: fremsaetning af nye pästande og krav 19. Kendelser om berammelse af retsm0de for at tilsige nogen for retten til: domsafsigelse, forberedende retsm ede, forligsforseg, vidneafheringer, partsmede, kreditoreller partnermode, edsaflasggelse o.a. 20. Modkrav, kravssendring eller aendring af ärsagen til kravet 21. Udsaettelse af sag 22. Ophaevelse af udsaettelse 23. Afbrydelse af sag 24. Ophaevelse af afbrydelse 25. En sags bortfald 26. Afvisning af begaering 27. Frafald 28. Opgivelse eller anerkendelse 29. Beregning af acontobeleb for sagsomkostninger 30. Bode- eller sanktionspalaeg 31. Idammelse af sagsomkostninger 32. Opgorelse af sagsomkostninger 33. Bedeophaevelse 34. Betaling af salaerer over sagsomkostninger 35. Afvisning af modtagelse af indledende pastand 36. Forudgaende bevisfremlasggelse 37. Anmodning om dokumenter 38. Indsigelse over for et dokuments aegthed, autenticitet og beviskraft 39. Berammelse af vurderinger, unders0gelser, retlige inspiceringer og dertil herende bedemmelse 40. Beskikkelse af voldgiftsmsend og sagkyndige 41. Vidneafh0ring via telefonmede 42. Udsaettelse af foranstaltninger som domsafsigelse, forberedende retsmede, forligsforsag, vidneafhüringer, partsm0de, kreditor- eller partnermede, edsaflasggelse o.a. 43. i t n d r i n g af dommerafgerelse 44. Korrigering af materielle fejl i dommerafgerelser 45. Dommerafg0relses ugyldighed 46. Forklaring, prsecisering eller asndring af dommerafgerelse 47. Kendelse om antagelse af appel 48. Fejl med hensyn til appellens virkning eller art 49. Appellens genstand ubekendt 50. Forelebig afgerelse om appelgenstanden 51. Kendelse om godkendelse af sasrskilt retslig forkyndelse 52. Kendelse om antagelse af indsigelse fra rekvisitus 53. Rekvisitus' opstilling af aktiver til udpantning 54. Afvisning over for rekvirenten af de opstillede aktiver til udpantning 55. Udlasg i fast ejendom 56. Aflevering eller faktisk deponering af udpantede aktiver 57. Depositars flytning 58. Vederlag til depositar 59. Kendelse om godkendelse af forudgaende salg af aktiver 60. Kendelse om tilladelse til sejlads for et udpantet fartej 61. Kendelse med päbud om fremlseggelse af udpantede aktiver 62. Udlieg i fordringer 63. Udlaeg i l0n, pensioner eller bankindestaender Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. 71. 72. 73. 74. 75. 76. 77. 78.

Udlaeg i rettigheder i uskiftet bo og selskabsanparter Indsigelse over for kreditorkrav Kendelse om eksekutionsstop Kendelse om dato og tidspunkt for auktionering af udpantede aktiver Fastlaeggelse af salgsform og basisvaerdi for udpantede aktiver Kendelse om fastlaeggelse af salgsform og basisvserdi for udpantede aktiver Tilstedevaerelse af forrang - udpantede aktiver Ueffektueret salg pä grund af manglende erläeggelse af salgsprisen Aflevering af aktiver til erhververen Ophaevelse af eksekutionen Genoptagelse af ophsevet eksekution Fastlieggelse af familiebopael Sikkerhedsstillelse - saerskilt Kendelse om fastlaäggelse af kaution Forhojelse eller substitution af kaution

Scerlige

tilfcelde

Tillaeg til og optagelse i retsbogen af den indledende pastand: forkyndelse (af stsevning) for nye parter; almen forkyndelse for allerede eksisterende parter. Kendelser udelukkende om sagsgangen: kan give anledning til ojeblikkelig forkyndelse. Staevnings ugyldighed: stsevning/forkyndelse. Specifikke sager, hvor bestemmelserne (i portugisisk retsplejelov) om personlig forkyndelse ved staevningsmand skal foretages, f.eks. artikel 12, stk. 4, artikel 23, stk. 3, artikel 24, stk. 2, artikel 385, stk. 5, artikel 926: forkyndelse efter reglerne om stasvningsmand. Processuelle anmodninger, hvor portugisisk retsplejelov (Codigo do Processo Civil) kraever kendelse om antagelse, f.eks. uanmodet intervention (artikel 320), provokeret intervention (artikel 325), provokeret tillaegsintervention (artikel 330), retshjaslp (artikel 335), uanmodet indsigelse (artikel 342), provokeret indsigelse (artikel 347), tredjemands udlaeg (artikel 351), proceshabilitet (artikel 371), afvikling (artikel 378): forkyndelse (af stsevning) for nye parter; almen forkyndelse for allerede eksisterende parter. Sikrende retsmidier uden forudgaende afhoring af tiltalte: forkyndelse efter reglerne om stajvningsmand. Udlaegskendelse eller effektuering heraf: forkyndelse til almen eksekution (artikel 838, Codigo do Processo Civil (portugisisk retsplejelov): forkyndelse efter reglerne om staevningsmand ved andre eksekutioner (artikel 926 i Codigo do Processo Civil (portugisisk retsplejelov). 2.A. Konkursprocedure pa begasring af kreditor Forkyndelser

(Notificagäos)

Indsigelser Berammelse afhering/domsafsigelse (artikel 24 Lov om sserprocedurer ved betalingsstandsning (med henblik pä sanering og konkurs - CPEREF) Saerskilt procedure for kreditorkrav 1. Fremsasttelse af kreditorkrav 2. FremsaEttelse af kreditorkrav/Indsigelse Afgarelser vedrarende prseliminaere sporgsmäl (artikel 196 CPEREF) Dom (artikel 2 0 0 CPEREF) Scerlige tilfcelde Indledende begaering (staevning): indkaldelse ved staevning af sags0gte og kreditorerindkaldelse ved staevning af sags0gte og kreditorer (artikel 20 og 21 i CPEREF) Bekendtgorelser/meddelelser. 418

Rolf A. Schütze

Glossar zur EuZVO Konkursdekret (artikel 2 5 C P E R E F ) ' 1 1 : forkyndelser; beskikkelser; meddelelser/ bekendtgerelser (artikel 128 C P E R E F ) ; optagelse i retsbogen (artikel 5 9 C P E R E F ) . Indtil konkursdekretet

er afsagt - artikel 25 i CPEREF - har procedureη

bastekarakter.

2 . B . Konkursprocedure pä begsering af virksomheden selv Procesformaliteterne er de samme som ved konkurs (pa begsering af kreditor), men sagsogte stsevnes ikke (artikel 2 0 i C P E R E F ) . da han selv har indgivet bega»ringen. 3. Procedure for virksomhedssanering Forkyndelser

(Notifica(äos)

Indsigelser Berammelse afhering/domsafsigelse (artikel 2 4 C P E R E F ) cerlige

tilfcelde

Indledende begaering (stEevning): tilsigelse af kreditor(er) (artikel 2 0 CPEREF) Bekendtgerelser/Meddelelser - Optagelse i retsbogen (artikel 5 9 CPEREF). Konkursdekret

(artikel 2 5

CPEREF)(I):

forkyndelser;

beskikkelser;

meddelelser/

bekendtg0relser-C/berammelse af kreditorudvalgsm0de (artikel 2 8 CPEREF); optagelse i retsbogen Kreditorudvalg/Kreditorafstemning (artikel 4 8 C P E R E F ) : krav (artikel 4 9 C P E R E F ) Endelig lcreditorforsamling (artikel 5 0 CPEREF): Medeprotokol; Dreftelse af kurators rapport og godkendelse af bobestyrelsesplan 12 '. Indtil konkursdekretet er afsagt-. artikel 25 i CPEREF - har proceduren hastekarakter. Betalingsstandsningsproceduren har hastekarakter indtil bobestyrelsesplanen er godkendt. NB: Betalingsstandsning med henblik pa sanering sker som regel efter frivillig beg&ring, men kan dog undtagelsesvis ogsä begieres af en kreditor (loven indeholder bestemmelser herom), og i sä tilfcelde vil ikke blot kreditorerne, men ogsä sags 0gte blive tilsagt i stcevningsfasen (artikel 20 CPEREF). 1,1

121

4 . Varemaerkekrajnkelse Forkyndelser

(Notificagäos)

Indledende begaering (stsevning) Svarskrift D o m (artikel 41, stk. 4 , i C P I . lov om industriel ejendomsret) Appel (artikel 4 3 i CPI) Pästande Kendelse Arten der Zustellung - M i t der , ^ ^ ς β ο " wird der Angeklagte von der gegen ihn angestrengten Klage unterrichtet und aufgefordert, zum Prozess zu erscheinen, um sich zu verteidigen. Sie dient auch dazu, einen Verfahrensbeteiligten erstmals zu laden. - Die „Notifica^äo" dient in allen anderen Fällen dazu, jemanden vor Gericht zu laden oder zu einer Aussage zu einem Sachverhalt aufzufordern. - In beiden Fällen liegen immer alle Unterlagen und lesbaren Abschriften von Schriftstücken bei, die zum vollen Verständnis des Verfahrens erforderlich sind. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen I. Allgemeine Verfahren Citagao 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Zuweisung und Eintragung der Klageschrift. Ladung. Einstweilige Verfügung mit vorheriger Anhörung des Beklagten. Zustellung vor der Zuweisung (Art. 478 CPC - Zivilprozessordnung). Einberufung einer Gläubigerversammlung. Ladung eines Ehegatten. Einberufung von Gremien im Sinne des Gesetzes zum Schutz der Ansprüche des Staatshaushalts. 8. Prozessuale Sicherheitsleistung.

Notificagäo 1. 2. 3. 4. 5. 6.

7. 8. 9. 10. II. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19.

20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 420

Entzug und Niederlegung des Mandats. Fehlen, Unzulänglichkeit und Unregelmäßigkeit des Mandats. Namhaftmachung des Rechtsanwalts. Erklärung der Unzuständigkeit. Vorläufige Ablehnung (Art. 234-A CPC). Von den Parteien eingereichte Schriftsätze und Anträge wie Klagebeantwortungen, Erwiderungen, Gegenerwiderungen, Stellungnahmen, Erwiderungen auf Stellungnahmen, Zeugenlisten, Anträge auf Änderung der Zeugenliste, Auswechselungen von Zeugen, Einsprüche und Antworten. Aktenaufnahme von Schriftstücken und Gutachten und Rückgabe von Schriftstücken und Gutachten. Geltendmachung der Befangenheit oder eines Prozesshindernisses. Gerichtliche Entscheidungen: Urteile. Versand eines Rechtshilfeersuchens an ein nationales Gericht. Empfang eines Rechtshilfeersuchens von einem nationalen Gericht. Zustellung durch Rechtshilfeersuchen an ein ausländisches Gericht. Mangelhafte Klageschrift. Nichtigerklärung des bisherigen Prozessverlaufs. Formaler Verfahrensfehler. Benachrichtigung des Absenders, wenn die Ladung nicht persönlich entgegengenommen wurde. Beschlüsse über Einwendungen, Aufforderung zur Einreichung von Schriftsätzen, Beschlüsse über Vorfragen. Beschlüsse über die Zulassung von Schriftsätzen, insbesondere von ergänzenden Schriftsätzen und Schrifts ätzen zur Anmeldung von Forderungen. Einberufung der Verfahrensbeteiligten zur Verkündung des Urteils, zum Vortermin, zum Schlichtungsversuch, zur Anhörung der Zeugen, zur Einberufung der Verfahrensbeteiligten, zu Gläubiger- oder Gesellschafterversammlungen, zu Vereidigungen usw. Widerklagen, Klageänderungen und Änderungen des Klagegrunds. Aussetzung des Verfahrens. Beendigung der Aussetzung des Verfahrens. Unterbrechung des Verfahrens. Wiederaufnahme des Verfahrens. Einstellung des Verfahrens. Abweisung der Klage. Einstellung des Verfahrens auf Antrag der Parteien. Rücknahme oder Geständnis. Vorläufige Kostenfestsetzung. Verhängung von Bußgeldern und Geldstrafen. Kostenentscheidung. Rolf A. Schütze

Glossar zur EuZVO 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42.

43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55. 56. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. 71. 72. 73. 74. 75. 76. 77. 78.

Kostenrechnung. Bußgeldbescheid. Zahlung von Honoraren als Teil der Kosten. Beschluss über die Unzulässigkeit der Klage. Vorzeitige Vorlage von Beweismitteln. Aufforderung zur Vorlage von Schriftstücken. Anfechtung der Echtheit, Gültigkeit oder Beweiskraft einer Urkunde. Anordnung von Sachverständigengutachten, Untersuchungen, gerichtlichen Nachprüfungen und entsprechenden Berichten. Ernennung von Schlichtern und Sachverständigen. Zeugenbefragung durch Konferenzschaltung. Vertagung von Verfahrenshandlungen folgender Art: Urteil, Voranhörung, Schlichtungsversuch, Zeugenbefragung, Einberufung der Verfahrensbeteiligten, Gläubiger· oder Gesellschafterversammlung und Vereidigung. Überprüfung des Urteils. Berichtigung offenkundiger Fehler im Urteil. Nichtigkeit des Urteils. Erläuterung oder Überprüfung des Urteils. Beschluss über die Zulässigkeit eines Rechtsmittels. Irrtum über die Rechtsfolgen oder die Art eines Rechtsmittels. Zurückweisung eines Rechtsmittels wegen fehlendem Rechtsinteresse. Vorläufiger Beschluss über die Zulässigkeit eines Rechtsmittels. Beschluss über die Zulässigkeit einer getrennten Zustellung. Beschluss über die Aussetzung des Vollzugs. Benennung der Pfandsachen durch den Vollstreckungsschuldner. Übergabe der Pfandliste an den Pfändungsgläubiger. Pfändung von Grundstücken. Herausgabe oder Verwahrung von Pfandsachen. Abberufung des Verwahrers. Vergütung des Verwahrers. Beschluss über die Zulässigkeit der vorzeitigen Verwertung von Pfandsachen. Beschluss über den weiteren Betrieb eines gepfändeten Schiffes. Beschluss über die Herausgabe von Pfandsachen. Pfändung von Forderungen. Pfändung von Gehältern, Renten oder Bankguthaben. Pfändung von Rechten an Gemeinschaftsgütern und Geschäftsanteilen. Anfechtung angemeldeter Forderungen. Beschluss über die Aussetzung der Zwangsvollstreckung. Beschluss über Tag und Stunde der Pfandversteigerung. Festlegung der Art des Verkaufs und des Schätzwertes der Pfandstücke. Beschluss über die Festlegung der Art des Verkaufs und des Schätzwertes der Pfandstücke. Vorhandensein bevorrechteter Forderungen. Unwirksamkeit des Kaufs wegen fehlender Kaufpreiszahlung. Übergabe von Gegenständen an den Käufer. Einstellung der Zwangsvollstreckung. Aufhebung der Einstellung der Zwangsvollstreckung. Zuweisung der Familienwohnung. Gesonderte Sicherheitsleistung. Beschluss über die Höhe der Sicherheitsleistung. Heraufsetzung oder Ersatz der Sicherheitsleistung.

Sonderfälle Beifügung und Eintragung der Klageschrift: Cita5äo neuer Verfahrensbeteiligter; Notificagäo bisheriger Verfahrensbeteiligter. Beschlüsse zu Verfahrensfragen: können zu unverzüglicher Notifica5äo führen. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen Nichtigkeit der Ladung: Citagäo/Notificasäo. Sachverhalte, bei denen wie in Artikel 12 Absatz 4, Artikel 23 Absatz 3, Artikel 24 Absatz 2, Artikel 385 Absatz 5 und Artikel 9 2 6 CPC eine persönliche Zustellung ausdrücklich vorgeschrieben ist: Notifica ςδο nach den Vorschriften für die Citagäo. Zulassungsbedürftige Verfahrenshandlungen folgender Art: freiwillige Streithilfe (Artikel 320 CPC), erzwungene Streithilfe (Artikel 325 CPC), erzwungene Streithilfe als Streitverkündeter (Artikel 3 3 0 CPC), Beistand (Artikel 335 CPC), freiwilliger Einspruch (Artikel 342 CPC), erzwungener Einspruch (Artikel 347 CPC), Drittwiderspruchsklage (Artikel 351 CPC), Ermächtigung (Artikel 371 CPC) und Vergleich (Artikel 378 CPC): Notifica?äo bisheriger Verfahrensbeteiligter. Einstweilige Verfügung ohne vorherige Anhörung des Beklagten: Notifica^äo nach den Vorschriften für die Citagäo. Beschluss über die Pfändung und die Verwertung der Pfandsache: Notificaiäo bei einfacher Zwangsvollstreckung (Artikel 838 CPC) Notificagäo nach den Vorschriften für die Citagäo bei anderen Zwangsvollstreckungen (Artikel 926a CPC). 2.A. Konkursverfahren (auf Antrag der Gläubiger) Notificafäoes Einwendung. Bestimmung des Termins der Anhörung und der Entscheidung (Artikel 24 Vergleichsund Konkursordnung - CPEREF). Selbständiges Verfahren zur Durchsetzung von Forderungen: 1. Anmeldung der Forderungen, 2. Anmeldung der Forderungen und Anfechtungen (Artikel 192 CPEREF). Beschlüsse über Vorfragen (Artikel 196 CPEREF). Urteil (Artikel 2 0 0 CPEREF). Sonderfälle Eröffnungsantrag: Ladung des Schuldners (der Schuldner) und des Gläubigers (der Gläubiger) (Artikel 20/21 CPEREF). Eröffnungsbeschluss (Artikel 25 CPEREF) ( 1 ) : Notificaijäoes; Ernennung; Veröffentlichung (Artikel 128 CPEREF); Eintragung in das Handelsregister (Artikel 59 CPEREF). Das Verfahren wird bis zur Eröffnung behandelt. ιυ

des Konkursverfahrens

(Artikel 25 CPEREF) als Eilsache

2.B. Konkursverfahren (auf Antrag des Unternehmens) Gleicher Verfahrensablauf wie beim Konkurs (auf Antrag eines Gläubigers), jedoch ohne Ladung des Schuldners, der den Eröffnungsantrag gestellt hat (Artikel 20 CPEREF). 3. Vergleichsverfahren Notifica(äoes Einwendung. Bestimmung des Termins der Anhörung und der Entscheidung (Artikel 2 4 CPEREF). Sonderfälle Eröffnungsantrag: Ladung des Gläubigers (der Gläubiger) (Artikel 2 0 CPEREF), Veröffentlichung, Eintragung in das Handelsregister (Artikel 59 CPEREF). Eröffnungsbeschluss (Artikel 25 CPEREF) ( 1 > : Notificafäoes, Ernennungen, Veröffentlichung, Anberaumung der vorläufigen Gläubigerversammlung (Artikel 128 CPEREF), Eintragung in das Handelsregister (Artikel 59 CPEREF). 422

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Glossar zur EuZVO Vorläufige Gläubigerversammlung, Abstimmung über den Vergleichsvorschlag (Artikel 48 CPEREF): Beschwerden (Artikel 49 CPEREF). Endgültige Gläubigerversammlung (Artikel 50 CPEREF): Protokoll, Prüfung des Vergleichsvorschlags des Vergleichsverwalters und Genehmigung des Sanierungsplans ,21 . Das Verfahren wird bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens (Artikel 25 CPEREF) als Eilsache behandelt. 121 Vergleichsverfahren werden bis zur Genehmigung des Sanierungsplans als Eilsachen behandelt. Anmerkung: Ein Vergleichsverfahren wird im Allgemeinen auf Antrag der Unternehmen eingeleitet, kann ausnahmsweise aber auch auf (gesetzlich geregelten) Antrag eines Gläubigers eröffnet werden, wobei in diesem Fall sowohl die Gläubiger als auch der Schuldner im Rahmen der Citafäo geladen werden (Artikel 20 CPEREF). 4. Markenrechtliche Verfahren Notificagäoes Klageschrift. Erwiderung. Urteil (Artikel 41/4 CPI - Gesetz über gewerbliches Eigentum). Berufung (Artikel 43 CPI). Stellungnahmen. Beschluss. Επίδοση και κοινοποίηση - Η επίδοση («citaiäo») είναι πράξη μέσω της οποίας γνωστοποιείται στον εναγόμενο ότι ασκήθηκε αγωγή κατ' αυτού και τον καλεί να παρέμβει προς υπεράσπισή του. Χρησιμοποιείται επίσης προκειμένου να κληθεί προς παρέμβαση για πρώτη φορά κάθε ενδιαφερόλενος. - Η κοινοποίηση («notificagäo») χρησιμεύει, σε όλες τις λοιπές περιπτώσεις, για την κλήση κάποιου να εμφανισθεί στο δικαστήριο ή για τη γνωστοποίηση ενός γεγονότος. - Η επίδοση και η κοινοποίηση συνοδεύονται πάντοτε από όλα τα στοιχεία και ευανάγνωστα αντίγραφα των απαραίτητων δικαστικών εγγράφων για την πκήρη κατανόηση του αντικειμένου της. 1. Γενικές διαδικασίες

Επιδόσεις 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Κατάθεση και καταχώρηση του εισαγωγικού εγγράφου Κλήση Διαδικασία συντηρητικών μέτρων με προκαταρκτική ακρόαση του εναγομένου Επίδοση που προηγείται της κατάθεσης (άρθρο 478 ΚΠΔ - κ: notificagöes; Designations; Publication (Article 128 CPEREF) Entry in company register (Article 59 CPEREF). Il}

Until the order to initiate proceedings has been given - Article 25 CPEREF - the urgent applies.

procedure

2.B. Bankruptcy proceedings (at request of company) The steps are the same as for bankruptcy proceedings (at the request of a creditor), except that the defendant, who presented the initial request, is not summoned (Article 20 CPEREF). 3. Proceedings for administration of companies Notificagöes Defence Setting of date (Article 24 CPEREF) Inquiry/judgment (Article 24 CPEREF) Special cases Initial request: Summons of creditor(s) (Article 20 CPEREF) publication entry in company register (Article 59 CPEREF). Order to initiate proceedings (Article 25 CPEREF) (1) : Notificagöes cation-C

designations publi-

Setting of date for provisional meeting (Article 128 CPEREF) Entry in company register (Article 59 CPEREF). Provisional meeting (Article 48 CPEREF) Selection of claims (Article 48 CPEREF): Complaints (Article 49 CPEREF). Definitive meeting (Article 50 CPEREF): Record Discussion of administrator's report and approval of management plan' 2 '. Until the order to initiate proceedings has been given, Article 25 CPEREF, the urgent procedure applies. 121 Company administration procedures are urgent until the approval of the management plan. NB: Administration of companies is a procedure generally requested by the companies themselves, but the law does provide for the request to come exceptionally from a creditor; in this case the defendant is summoned as well as the creditors in the citafäo phase (Article 20 CPEREF). (I>

4. Trade mark proceedings Notificaföes Initial application Reply Judgment (Article 41/4 Industrial Property Code (CPI)) Appeal (Article 43 (CPI)) Observations Order

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Glossar zur EuZVO Fonctions de la signification et de la notification - La signification est l'acte qui porte ä la connaissance du defendeur qu'une certaine action a ete introduite contre lui et l'appelle a intervenir pour se defendre. Elle est egalement employee pour appeler pour la premi ere fois a intervenir une personne interessee a la cause. - La notification sert, dans tous les autres cas, a appeler quelqu'un a intervenir dans Paffaire ou a donner connaissance d'un fait. - La signification et les notifications sont toujours accompagnees de tous les elements et de copies lisibles des documents et des pieces du proces qui sont necessaires ä la pleine comprehension de son objet. I. Procedures generates Significations 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Attribution de l'affaire et enregistrement de la requete introductive d'instance Ordonnance de citation Procedures conservatoires avec preaudition du defendeur Signification prealable ä l'attribution (article 478 CPC - code de procedure civile) Convocation de creanciers Convocation d'un conjoint Convocation d'entites mentionnees dans la loi fiscale en vue de la defense des droits du Tresor public 8. Constitution de caution - en cours de procedure

Notifications 1. 2. 3. 4. 5. 6.

7. 8. 9. 10. II. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19.

Revocation du mandat et renonciation au mandat Absence, insuffisance et irregularite du mandat Designation d'avocat/avoue Incidents d'incompetence Rejet liminaire (article 234-A CPC) Actes de procedure et demandes joints par les parties, par exemple memoire en defense, replique, duplique, observations, contre-observations, liste de temoins, demandes de modification de la liste de temoins, substitution de temoins, opposition, reponses, etc. Jonction et restitution de documents et avis Incident de suspicion/empechement Decisions judiciaires: jugements et arrets Envoi d'une lettre demandant Pintervention d'une autre juridiction nationale Reception de la lettre demandant Pintervention d'une autre juridiction nationale Necessite de signification par lettre demandant ^intervention d'une juridiction etrangere Requete mal formulee Annulation de phases procedurales anterieures Erreur dans la forme de procedure Avis au demandeur lorsque la signification n'a pas ete faite directement Ordonnances destinees ä donner suite ä des exceptions, invitation ä completer des actes de procedure, decisions sur des questions preliminaires Ordonnances d'admission d'actes de procedure, notamment de memoires complementaires et de reclamations de creances Ordonnances ayant pour objet de citer des intervenants a comparaitre, telles que fixations de la date de: jugement, audience preliminaire, tentative de conciliation, interrogation de temoins, conference de parties interessees, assemblees de creanciers ou d'associes, prestation de serment et autres Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen 20. Demandes reconventionnelles, modifications de la demande ou de la cause de la demande 21. Suspension de l'instance 22. Cessation de la suspension de l'instance 23. Interruption de l'instance 24. Cessation de l'interruption de l'instance 25. Extinction de l'instance 26. Rejet de la demande 27. Abandon de la procedure 28. Desistement ou aveu 29. Calcul preparatoire des depens 30. Application d'amendes ou de sanctions 31. Condamnation aux frais 32. Compte de frais 33. Liquidation d'amende 34. Inclusion du paiement des honoraires dans les frais 35. Declaration d'irrecevabilite de la requete 36. Production anticipee de preuve 37. Demande de documents 38. Contestation de la veracite, de l'authenticite ou de la force probante d'un document 39. Actes ordonnant des expertises, examens, inspections judiciaires et rapports y afferents 40. Designation d'arbitres et experts 41. Audition de temoins par teleconference 42. Ajournement de diligences telles que jugement, audience preliminaire, tentative de conciliation, interrogation de temoins, conferences de parties interessees, assemblees de creanciers ou d'associes, prestation de serment et autres 43. Reforme de jugement 44. Rectification d'erreurs materielles dans le jugement 45. Nullite du jugement 46. ficlaircissement, clarification ou reforme d'un jugement 47. Ordonnance admettant un recours 48. Erreur quant ä l'effet ou ä la nature du recours 49. Ignorance de l'objet du recours 50. Determination preliminaire de l'objet du recours 51. Ordonnance admettant une notification judiciaire distincte 52. Ordonnance admettant l'opposition de la partie contre laquelle l'execution est ordonnee 53. Designation des biens ä saisir par la partie contre laquelle l'execution est ordonnee 54. Devolution au creancier de la designation des biens a saisir 55. Saisie d'immeubles 56. Remise ou depöt effectif de biens saisis 57. Changement de depositaire 58. Retribution du depositaire 59. Ordonnance autorisant la vente anticipee de biens 60. Ordonnance autorisant un navire saisi a naviguer 61. Ordonnance ordonnant la remise des biens saisis 62. Saisie de creances 63. Saisie de remunerations, pensions ou depots bancaires 64. Saisie de droits sur des biens indivis et de parts de societes 65. Contestation de creances reclamees 66. Ordonnance de sursis a execution 67. Ordonnance fixant la date et l'heure de la vente publique de biens saisis 68. Determination du mode de vente et de la valeur de base des biens saisis

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Glossar zur EuZVO 69. 70. 71. 72. 73. 74. 75. 76. 77. 78. Cas

Ordonnance determinant le mode de vente et la valeur de base des biens saisis Existence de privileges sur les biens saisis Vente sans effet pour non-versement du prix Remise de biens a l'acquereur Extinction de l'execution Renouvellement de l'execution eteinte Attribution de la demeure familiale Constitution de caution - distincte Ordonnance fixant la valeur de la caution Augmentation ou remplacement de la caution particuliers

Jonction et enregistrement de la requete introductive d'instance: Signification pour les nouveaux intervenants; Notification pour les intervenants existants. Ordonnances d'ordre procedural: Peuvent donner lieu ä notification immediate. Nullite de la signification: Signification/notification. Cas specialement prevus dans lesquels s'appliquent les dispositions relatives a la signification personnelle, par exemple article 12, paragraphe 4, article 23, paragraphe 3, article 24, paragraphe 2, article 385, paragraphe 5, article 9 2 6 du Code de procedure civile (CPC): Notification ä laquelle s'appliquent les regies de signification. Incidents de procedure qui requierent une ordonnance d'admission, par exemple intervention spontan ee, (article 320 CPC), intervention provoquee (article 325 CPC), intervention accessoire provoquee (article 3 3 0 CPC), assistance (article 335 CPC), opposition spontanee (article 342 CPC), opposition provoquee (article 347 CPC), tierce opposition (article 351 CPC), habilitation (article 371 CPC), liquidation (article 378 CPC): Signification pour les nouveaux intervenants; Notification pour les intervenants dejä existants. Procedures conservatoires sans preaudition du defendeur: Notification ä laquelle s'appliquent les regies de signification. Ordonnance de saisie ainsi qu'execution de cette ordonnance: Notification pour execution ordinaire (article 838 CPC); Notification a laquelle s'appliquent les regies de signification pour les autres executions (article 926 CPC). 2.A. Procedure de faillite ä la demande du creancier Notifications Oppositions Fixation de la date instruction/jugement (article 2 4 Code des procedures speciales de redressement d'entreprise et de faillite - CPEREF) Procedure separee de reclamation de creances 1. Reclamations creance 2. Reclamations de creances/opposition (article 192 CPEREF) Decision sur des questions preliminaires (article 196 CPEREF) Jugement (article 2 0 0 CPEREF Cas

particuliers

Requete: citation de la (des) partie(s) defenderesse(s) et creanciers (article 20/21 CPEREF) affichage/annonces. Ordonnance de poursuite (article 25 C P E R E F ) m : Notifications; Designations; Annonces/affichage (article 128 CPEREF) Inscription au registre des societes (article 59 CPEREF). jusqu'au prononce de l'ordonnance caractere d'urgence.

de poursuite - article 2 5 du CPEREF

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- la procedure a un

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen 2.B. Procedure de faillite ä la demande de l'entreprise Les demarches procedurales sont identiques a Celles de la faillite a la demande d'un creancier, sans qu'il y ait citation de la partie defenderesse (article 20 du CPEREF) qui a presente la demande introductive. 3. Procedure de redressement d'entreprise Notifications Oppositions Fixation de la date (article 24 CPEREF) Instruction/jugement (article 24 CPEREF) Cas particuliers Requete: Citations du (des) creanciers (article 20° CPEREF); Affichage/annonces Inscription au registre des societes (article 59° CPEREF). Ordonnance de poursuite (article 25 CPEREF)(1): Notifications; Designations; Annonces/affichage avec fixation de la date de l'assemblee provisoire (article 28 CPEREF) Inscription au registre des societes (article 59 CPEREF). Assemblee provisoire Selection des creances (article 48 CPEREF): Reclamations (article 49 CPEREF) Assemblee definitive (article 50 CPEREF): Proces-verbal Discussion du rapport de l'administrateur et approbation du plan de gestion (2) . Jusqu'au prononce de l'ordonnance de poursuite - article 25 du CPEREF - la procedure a un caractere d'urgence. Les procedures de redressement d'entreprises revetent un caractere d'urgence jusqu'ä Γapprobation du plan de gestion. Note: Le redressement d'entreprise s'effectue en regle generale ä la demande de l'entreprise ellememe, bien qu'il puisse etre exceptionnellement demande par un cr0ancier (prevu par la loi), et dans ce cas, dans la phase de signification (article 20 CPEREF), la partie defenderesse est citee en plus des creanciers. 121

4. Recours concernant la marque Notifications Requete Reponse Jugement (article 41/4 CPI - Code de la propriete industrielle) Recours (article 43 CPI) Observations Ordonnance Finalitä della citazione e della notificazione - La citazione e l'atto con il quale si porta a conoscenza del convenuto che una determinata azione e stata proposta contro di lui e lo si chiama a difendersi nel processo. Viene altresi utilizzata per chiamare per la prima volta nel processo persone aventi interesse alia causa. - La notificazione viene impiegata in tutti gli altri casi per chiamare un soggetto in giudizio ovvero per portarlo a conoscenza di un fatto. - Alia citazione e alia notificazione sono sempre allegati tutti gli elementi e le copie leggibili dei documenti e degli atti del processo necessari alia piena comprensione del suo oggetto. 434

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Glossar zur EuZVO I. Processo ordinario Citazione 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Assegnazione e registrazione della domanda introduttiva Ordinanza che dispone la citazione Procedimenti cautelari con audizione preventiva del convenuto Citazione preliminare all'assegnazione (articolo 478 del CPC) Convocazione dei creditori Convocazione del coniuge Convocazione di enti di cui alla legge fiscale al fine della tutela dei diritti dell'erario nazionale

8. Prestazione di cauzione - in via principale Notificazione 1. Revoca e rinuncia al mandato 2. Mancanza, insufficienza e irregolarita del mandato 3. Nomina di avvocato/«solicitador» 4. Eccezione di incompetenza 5. Reiezione in via preliminare (articolo 234-A CPC) 6. Memorie e istanze presentate dalle parti, quali: contestazioni, repliche, controrepliche, deduzioni, controdeduzioni, elenco dei testimoni, istanza di modifica dell'elenco dei testimoni, sostituzione di testimone, opposizione, risposte, ecc. 7. Accorpamento e restituzione di documenti e pareri 8. Eccezione di ricusazione/impedimento 9. Decisioni giudiziarie: sentenze 10. Invio di rogatoria I I . Ricezione di rogatoria inviata 12. Necessita di citazione tramite rogatoria internazionale 13. Insufficienza della domanda introduttiva 14. Annullamento del giudicato 15. Difetto di procedura 16. Avviso al destinatario della citazione qualora questa non sia stata effettuata nella persona stessa del destinatario 17. Ordinanze destinate a decidere sulle eccezioni, a invitare le parti ad integrare le memorie, ordinanza che decide sulle questioni preliminari 18. Ordinanze di ammissione di memorie, segnatamente: memorie integrative e rivendicazione di crediti 19. Decreti che dispongono la comparizione in giudizio di intervenienti, quali quelle che fissano: il giudizio, l'udienza preliminare, il tentativo di conciliazione, l'audizione di testimoni, la conferenza delle parti interessate, l'assemblea dei creditori ο dei soci, il giuramento e altro 20. Domanda riconvenzionale, modificazioni della domanda ο dell'oggetto della domanda 21. Sospensione del processo 22. Cessazione della sospensione del processo 23. Interruzione del processo 24. Cessazione dell'interruzione del processo 25. Estinzione del processo 26. Reiezione della domanda 27. Abbandono del processo 28. Rinuncia ο confessione 29. Calcolo della cauzione per le spese 30. Irrogazione di multe ο sanzioni 31. Condanna alle spese 32. Calcolo delle spese Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42.

43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55. 56. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. 71. 72. 73. 74. 75. 76. 77. 78.

Liquidazione di multe Distrazione delle spese Irricevibilita della d o m a n d a introduttiva Produzione anticipata di prova Richiesta di documenti Impugnazione della veridicita, autenticitä ο forza probatoria di documenti Fissazione di perizie, esami, ispezioni giudiziarie e relativi verbali N o m i n a di arbitri ο periti Audizione di testimoni per teleconferenza Rinvio di adempimenti quali: giudizio, udienza preliminare, tentativo di conciliazione, audizione di testimoni, conferenza delle parti interessate, assemblea di creditori ο di soci, giuramento e altro Riforma della sentenza Rettifica di errori materiali - sentenza Nullita della sentenza Spiegazione, chiarimento ο riforma della sentenza Ordinanza di ammissione di ricorso Errore circa l'effetto ο la natura del ricorso Ignoranza dell'oggetto del ricorso Decisione preliminare sull'oggetto del ricorso Ordinanza che dispone la notificazione giudiziaria distinta Ordinanza di ammissione di obiezioni del debitore Indicazione di beni pignorabili da parte del debitore Devoluzione al creditore dell'indicazione dei beni pignorabili Pignoramento di immobili Consegna ο deposito effettivo di beni pignorati Sostituzione del custode Retribuzione del custode Ordinanza di autorizzazione alla vendita anticipata di beni Ordinanza di autorizzazione alia navigazione di nave pignorata Ordinanza che dispone la presentazione dei beni pignorati Pignoramento di crediti Pignoramento di stipendio, pensione ο deposito bancario Pignoramento di diritti su beni indivisi e di quote di societa Impugnazione di crediti reclamati Ordinanza di sospensione dell'esecuzione Ordinanza che fissa data e ora per l'aggiudicazione dei beni pignorati Determinazione delle modalitä di vendita e del valore di base dei beni pignorati Ordinanza che fissa le modalita di vendita e il valore di base dei beni pignorati Esistenza di creditori privilegiati - beni pignorati Vendita inefficace per m a n c a t o p a g a m e n t o del prezzo Consegna dei beni all'acquirente Estinzione dell'esecuzione Rinnovazione dell'esecuzione estinta Attribuzione della dimora familiare Prestazione di cauzione - in via incidentale Ordinanza che fissa il valore della cauzione Aumento ο sostituzione della cauzione

Cast speciali Riunione e registrazione della domanda introduttiva: citazione per i nuovi intervenienti; notificazione per gli intervenienti gia costituiti. Ordinanze su questioni procedural!: possono dar luogo a notificazione immediata. Nullitä della citazione: citazione/notificazione. 436

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Glossar zur EuZVO Casi espressamentc previsti, per i quali si applicano le disposizioni relative alia citazione personale, quali quelli di cui all'articolo 12, paragrafo 4, all'articolo 23, paragrafo 3, all'articolo 24, paragrafo 2, all'articolo 385, paragrafo 5, all'articolo 926, del CPC: notificazione alia quale si applicano le disposizioni sulla citazione. Incidenti processuali che richiedono un'ordinanza di ammissione, ad esempio: intervento spontaneo (articolo 320 CPC), intervento provocato (articolo 325 CPC), intervento accessorio provocato (articolo 330 CPC), assistenza (articolo 335 CPC), opposizione spontanea (articolo 342 CPC), opposizione provocata (articolo 347 CPC), impedimento di terzi (articolo 351 CPC), abilitazione (articolo 371 CPC), liquidazione (articolo 378 CPC): citazione per i nuovi intervenienti; notificazione per gli intervenienti giä costituiti. Procedimenti cautelari senza audizione preventive del convenuto: notificazione alla quale si applicano le disposizioni sulla citazione. Ordinanza che dispone il pignoramento e la sua esecuzione: notificazione per le esecuzioni ordinarie (articolo 838 CPC); notificazione alia quale si applicano le disposizione sulla citazione, per le altre esecuzioni (articolo 926 CPC). 2.A. Procedimento fallimentare (su istanza dei creditori) Notificazione Opposizioni Fissazione della data audizione/giudizio (articolo 24 del codice dei procedimenti speciali di risanamento d'impresa e di fallimento - CPEREF) Giudizio in via incidentale avente ad oggetto la rivendicazione di crediti 1. Rivendicazione di crediti 2. Rivendicazione di crediti/opposizione (articolo 192 del CPEREF) Soluzione delle questioni preliminari (articolo 196 del CPEREF) Sentenza (articolo 200 del CPEREF) Casi speciali Domanda: citazione del/dei convenuto/i e dei creditori (articoli 20 e 21 del CPEREF); avvisi/annunci. Ordinanza di proseguimento (articolo 25 del CPEREF) (1) : notificazioni; nomine; annunci/avvisi (articolo 128 del CPEREF); registrazione presso la conservatoria del registro delle imprese (articolo 59 del CPEREF). Fino a quando non viene emessa l'ordinanza procedimento ha carattere di urgenza.

di proseguimento

- articolo 25 del CPEREF - il

2.B. Procedimento fallimentare (su istanza dell'impresa) L'iter processuale e identico a quello del fallimento su istanza dei creditori; non vi e pero la citazione della parte (articolo 20 del CPEREF) che ha presentato la domanda iniziale. 3. Procedimento di risanamento d'impresa Notificazione Opposizioni Fissazione della data (articolo 24 del CPEREF) Audizione/giudizio (articolo 24 del CPEREF) Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen Casi speciali Domanda: citazione del(dei) creditore(i) (articolo 20 del CPEREF); avvisi/annunci; registrazione presso la conservatoria del registro delle imprese (articolo 59 del CPEREF). Ordinanza di proseguimento (articolo 25 del CPEREF) (1) : notificazioni; nomine; annunci/avvisi-C/fissazione dell'assemblea provvisoria (articolo 28 del CPEREF); registrazione presso la conservatoria del registro delle imprese (articolo 59 del CPEREF). Assemblea provvisoria votazione sui crediti (articolo 48 del CPEREF): reclami (articolo 49 del CPEREF). Assemblea definitive (articolo 50 del CPEREF): verbale; discussione della relazione del gestore e approvazione del piano di gestione (2) . 1,1

Fino a quando non viene emessa l'ordinanza di proseguimento - articolo 25 del CPEREF - il procedimento ha carattere di urgenza. 121 1 procedimenti di risanamento di impresa hanno carattere di urgenza fino all'approvazione del piano di gestione. Nota: Come regola generale il procedimento di risanamento d'impresa e avviato su istanza dell'impresa, sebbene in via eccezionale possa esserlo su istanza di un creditore (previsto dalla legge), nel qual caso all'atto della citazione (articolo 20 del CPEREF) la parte convenuta viene citata insieme ai creditori.

4. Ricorsi in materia di marchi Notificazione Domanda Risposta Sentenza (articolo 41/4 del CPI - Codice della proprieta industriale) Ricorso (articolo 43 del CPI) Osservazioni Ordinanza Doel van betekening en van kennisgeving - Bij ,,αΐ3ς5ο" (dagvaarding) is er sprake van een document waarin de gedaagde ervan in kennis wordt gesteld dat er een procedure tegen hem is ingeleid en waarin hij wordt verzocht op het proces te verschijnen om zieh te verdedigen. Ook wordt „citagao" gebruikt om een belanghebbende voor de eerste keer uit te nodigen. - „Notificagäo" (kennisgeving) wordt in alle andere gevallen gebruikt om iemand te verzoeken ter rechtszitting te verschijnen of informatie te verschaffen. - De dagvaarding en de kennisgeving gaan steeds vergezeld van alle stukken en leesbare afschriften van de processtukken die noodzakelijk zijn voor een volledig begrip van de zaak waar het om gaat. 1. Algemene procedure Betekeningen 1. 2. 3. 4.

Toewijzing van de zaak en inschrijving van het gedinginleidend stuk Dagvaarding Kort geding met wederhoor Betekening voorafgaand aan de toewijzing (artikel 478 CPC - wetboek van civielrechtelijke procedures) 5. Bijeenroeping van crediteuren 6. Oproeping van echtgeno(o)t(e)

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Glossar zur EuZVO 7. Oproeping van in de belastingwet genoemde instanties om de rechten van de Schatkist te beschermen 8. Stellen van zekerheid - tijdens de procedure Kennisgeving 1. 2. 3. 4. 5. 6.

7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19.

20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39.

Intrekking of afstand van volmacht Ontbreken, ontoereikendheid en onregelmatigheid van de volmacht Aanwijzing van een advocaat Verklaring van onbevoegdheid Voorlopige afwijzing van de eis (artikel 234-A, CPC) Door de partijen ingediende processtukken en verzoeken, bv. antwoordconclusies, memories van repliek en dupliek, opmerkingen, tegenopmerkingen, lijst van getuigen, verzoek om wijziging van de lijst van getuigen, vervanging van getuigen, verweerschriften, antwoorden, enz. Opname in het dossier en teruggave van processtukken en adviezen Incidenten i.v.m. wraking/verhindering Rechterlijke uitspraken: vonnissen en beschikkingen Verzending van verzoek tot het betrekken van een andere nationale rechter Ontvangst van verzoek tot het betrekken van een andere nationale rechter Noodzaak van betekening van een verzoek tot het betrekken van een andere nationale rechter Onvolledigheid van het gedinginleidend stuk Nietigverklaring van de voorafgaande processtappen Vormfout in de procedure Bericht aan de afzender wanneer de dagvaarding niet rechtstreeks aan de persoon heeft plaatsgevonden Tussenvonnissen over excepties, uitnodiging om procedurestukken over te leggen, beslissingen over voorvragen Beschikkingen waarbij processtukken worden toegelaten, met name aanvullende processtukken en vorderingen Beschikkingen waarin de partijen worden opgeroepen om te verschijnen, zoals de vaststelling van datum voor de uitspraak, inleidende zitting, poging tot verzoening, hören van getuigen, bijeenroeping van de partijen, bijeenroeping van crediteuren of vennoten, eedaflegging, enz. Tegeneisen, wijzigingen van de oorspronkelijke eis of van de motivering van de eis Schorsing van de procedure Beeindiging van de schorsing van de procedure Opschorting van de procedure Beeindiging van de opschorting van de procedure Beeindiging van de procedure Afwijzing van de eis Staking van de procedure Afstand van vordering of bekentenis Voorlopige berekening van de kosten Toepassing van boeten of straffen Veroordeling in de kosten Kostenberekening Voldoening van boete Opneming van honoraria in de kosten Verklaring van niet-ontvankelijkheid van inleidend verzoekschrift Voorafgaande overlegging van bewijsstukken Verzoek om overlegging van stukken Betwisting van de echtheid, de authenticiteit of de bewijskracht van een document Besluiten waarbij expertises, onderzoeken, gerechtelijke inspecties en desbetreffende verslagen worden bevolen Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen 40. Benoeming van arbiters en deskundigen 41. Hören van getuigen door middel van teleconferentie 42. Verdaging van handelingen zoals behandeling van de zaak, inleidende zitting, poging tot verzoening, getuigenverhoor, bijeenroepen van partijen, bijeenkomsten van crediteuren of vennoten, eedaflegging, enz. 43. Herziening van het vonnis 44. Rectificatie van fouten in het vonnis 45. Nietigheid van het vonnis 46. Verduidelijking of herziening van het vonnis 47. Beschikking betreffende de toelaatbaarheid van een rechtsmiddel 48. Vergissing betreffende rechtsgevolgen of aard van rechtsmiddel 49. Onbekendheid met het doel van een rechtsmiddel 50. Voorlopige beslissing over het doel van een rechtsmiddel 51. Beschikking waarbij afzonderlijke kennisgeving längs gerechtelijke weg wordt toegelaten 52. Beschikking waarbij verzet tegen executie wordt toegelaten 53. Aanwijzing van de bij veroordeelde in beslag te nemen goederen 54. Kennisgeving aan de schuldeiser van de bij veroordeelde in beslag te nemen goederen 55. Beslag op onroerend goed 56. Afgifte of daadwerkelijke bewaargeving van in beslag genomen goederen 57. Verandering van bewaarnemer 58. Vergoeding van de bewaarnemer 59. Beschikking waarbij de vervroegde verkoop van goederen wordt toegestaan 60. Beschikking waarbij toestemming wordt gegeven voor het uitvaren van een vaartuig waarop beslag is gelegd 61. Beschikking waarbij wordt bevolen de in beslag genomen goederen aan te bieden 62. Beslag op schuldvorderingen 63. Beslag op salarissen, pensioenen of bankdeposito's 64. Beslag op rechten op onverdeelde goederen en deelnemingen in vennootschappen 65. Betwisting van aangemelde schuldvorderingen 66. Beschikking inzake opschorting van de executie 67. Beschikking waarin de datum en tijd voor de openbare verkoop van in beslag genomen goederen worden vastgesteld 68. Vaststelling van de wijze van verkoop en van de basiswaarde van de in beslag genomen goederen 69. Beschikking waarin de wijze van verkoop en van de basiswaarde van de in beslag genomen goederen worden bepaald 70. Bestaan van voorrechten ten aanzien van in beslag genomen goederen 71. Verkoop zonder effect wegens niet-betaling van de prijs 72. Overhandiging van goederen aan de koper 73. Tenietgaan van de executie 74. Vernieuwing van de nietig verklaarde executie 75. Toewijzing van gezinswoning 76. Stellen van zekerheid - afzonderlijk 77. Beschikking waarbij het bedrag van de zekerheid wordt vastgesteld 78. Verhoging of vervanging van de zekerheid Bijzondere

gevallen

Voeging en inschrijving van gedinginleidend stuk: „citagao" voor nieuwe partijen; „notifica^ao" voor bestaande partijen. Beschikking over procedurepunten: kan tot onmiddellijke „notifica£ao" leiden. Ongeldigheid van de dagvaarding: „cita9ao/notificasao". 440

Rolf A. Schütze

Glossar zur EuZVO Bijzondere gevallen waarin de bepalingen inzake de betekening aan de persoon zelf van toepassing zijn, bv. artikel 12, lid 4, artikel 23, lid 3, artikel 24, lid 2, artikel 385, lid 5, artikel 9 2 6 van het wetboek van civielrechtelijke procedures (CPC): „notifica9ao" waarop de regels inzake „cita5ao" van toepassing zijn. Procedurehandelingen waarvoor toestemming van de rechter is vereist, bv. interventie uit eigen beweging (artikel 320 CPC), gedwongen interventie (artikel 325 CPC), gedwongen incidentele interventie (artikel 3 3 0 CPC), bijstand (artikel 335 CPC), verweer uit eigen beweging (artikel 342 CPC), gedwongen verweer (artikel 347 CPC), bezwaar door derden (artikel 351 CPC), machtiging (artikel 371 CPC), vereffening (artikel 378 CPC): „citaiao" voor nieuwe partijen; „notifica^ao" voor bestaande partijen. Kort geding zonder wederhoor: „notifica9ao" waarop de regels inzake „citagao" van toepassing zijn. Beschikking waarin beslagneming wordt bevolen alsook executie: ,,ηούίίςβςβο" voor gewone executie (artikel 838 CPC); „ n o t i f u ^ a o " waarop de regels inzake „cita5ao" van toepassing zijn voor andere vormen van executie (artikel 926 CPC). 2.A. Faillissementsprocedure (op verzoek van een crediteur) Kertnisgeving Verweer Vaststelling van datum voor onderzoek/uitspraak (artikel 24 Voorschriften inzake bijzondere procedures betreffende het onder toezicht plaatsen van vennootschappen en het faillissement - CPEREF) Afzonderlijke procedure inzake het aanmelden van schuldvorderingen 1. Aanmelden van schuldvorderingen 2. Aanmelden van schuldvorderingen/Verweer (artikel 192 CPEREF) Beslissingen over voorvragen (artikel 196 CPEREF) Uitspraak (artikel 2 0 0 CPEREF) Bijzondere

gevallen

Inleidend verzoekschrift: „cita9ao" aan de gedaagde(n) en crediteuren (artikelen 20/21 CPEREF); publicaties en mededelingen Beschikking tot inleiding van de procedure (artikel 25 CPEREF) 1 ": „notificagaöes"; benoemingen; mededelingen en publicaties (artikel 128 CPEREF) Inschrijving in het vennootschapsregister (artikel 59 CPEREF) Totdat de beschikking inzake inleiding van het rechtsgeding wordt gegeven - artikel 25 CPEREF is de spoedprocedure van toepassing.

-

2.B. Faillissementsprocedure (op verzoek van de onderneming) De procedurestappen zijn dezelfde als bij de faillissementsprocedure op verzoek van een crediteur, behalve dat de verweerder, die het inleidende verzoekschrift heeft ingediend, geen ΰ^ςΒΟ ontvangt (artikel 20 CPEREF). 3. Akkoordprocedure Kennisgeving Verweer Vaststelling van datum voor onderzoek/uitspraak (artikel 24 CPEREF) Bijzondere gevallen Inleidend verzoekschrift: „cita9ao" aan de crediteur(en) (artikel 2 0 CPEREF); publica ties/mededelingen Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 2. Europäisches Recht, a) Verordnungen Inschrijving in het vennootschapsregister (artikel 5 9 C P E R E F ) . Beschikking tot inleiding van de procedure (artikel 2 5 C P E R E F ) ( 1 ) : Notificagaöes; benoemingen; mededelingen/publicatie met vaststelling van de datum van de voorlopige vergadering (artikel 2 8 C P E R E F ) Inschrijving in het vennootschapsregister (artikel 5 9 CPEREF). Voorlopige vergadering, selectie schuldvorderingen (artikel 4 8 CPEREF): klachten (artikel 4 9 CPEREF). Definitieve vergadering (artikel 5 0 C P E R E F ) : notulen Bespreking verslag van de persoon die de akkoordprocedure leidt, en goedkeuring van het beheersplan Nr. 7 0 , kann einen Rechtsstreit im Interesse der Parteien, wegen der Lokalisation von Beweismitteln oder zur Gewährleistung der rechtsstaatlichen Integrität des Verfahrens an ein anderes Gericht der gleichen Kategorie verweisen, in Ausnahmefällen auch an das Gericht einer anderen Ordnung. Auch die kontinentalen Rechtsordnungen kennen, wenngleich in viel beschränkterem Umfang, die Möglichkeit der nach richterlichem Ermessen zu bestimmenden Zuständigkeit eines primär örtlich nicht zuständigen Gerichts. N a c h § 3 6 der deutschen Z P O gilt dies etwa dann, wenn a m ursprünglich zuständigen Gericht ein ordnungsgemäßes Verfahren undurchführbar ist. N a c h Artikel 3 5 6 des neuen französischen code de procedure civil 1 9 kann ein Verfahren an ein anderes Gericht der gleichen Art verwiesen werden, wenn Besorgnis der Befangenheit besteht. 81. bb) Das E u G V Ü berührt die sachliche Zuständigkeit der Gerichte eines Staates überhaupt nicht. Die nationalen Rechtsordnungen sind daher frei, Verweisungsmöglichkeiten zwischen Gerichten verschiedener Kategorien vorzusehen. Meist regelt das E u G V Ü auch nicht die innerhalb eines Staates bestehende örtliche Zuständigkeit von Gerichten, sondern nur generell deren internationale Zuständigkeit. Vor allem ist die Zuständigkeitsgrundregel in Artikel 2 so angelegt. Ergibt sich die Zuständigkeit des gegen eine im V. K. oder in Irland ansässige Person angegangenen Gerichts nicht gleichzeitig aus einer Vorschrift des E u G V Ü , die auch die örtliche Zuständigkeit festlegt, etwa aus Artikel 5 , dann steht das Übereinkommen der Verweisung des Rechtsstreits an ein anderes Gericht desselben Staates ebenfalls nicht im Wege. Selbst im Bereich der ausschließlichen Zuständigkeiten ist in Artikel 16 nur die internationale Zuständigkeit der Gerichte eines Staates festgelegt, so daß eine Weiterverweisung innerhalb dieses Staates keinem Hindernis begegnet. Schließlich behindert das E u G V Ü eine Verweisung natürlich auch dann nicht, wenn der Rechtsstreit durch sie gerade an das Gericht gelangen soll, das nach diesem Übereinkommen örtlich zuständig ist. Letzteres ist immer auch dann der Fall, wenn beide Parteien mit der Verweisung einverstanden sind und die Voraussetzungen vorliegen, unter denen Artikel 17 eine Zuständigkeitsvereinbarung zuläßt. Es bleibt daher nur ein einziger problematischer Fall: Ein Gericht wird angerufen, hinsichtlich dessen Zuständigkeit dem Kläger ein vom E u G V Ü garantiertes Wahlrecht zusteht. Eine Delikts- oder Haftpflichtversicherungsklage wird am O r t des schädigenden Ereignisses, eine Unterhaltsklage am Wohnsitz des UnterRolf A. Schütze

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haltsberechtigten erhoben. Es erscheint einleuchtend, daß in besonderen Ausnahmefällen auch dann eine Verweisung an ein anderes Gericht desselben Staates zulässig sein muß, dann nämlich, wenn vor dem an sich zuständigen Gericht ein ordnungsgemäßes Verfahren undurchführbar ist. Die Expertengruppe hielt es jedoch nicht für gerechtfertigt, derartiges ausdrücklich im EuGVÜ zu verankern. Dieses erscheint vielmehr in einem Sinne auslegungsfähig, der in Ausnahmefällen unter dem örtlich zuständigen Gericht auch das Gericht versteht, welches durch eine Entscheidung eines anderen Gerichts als örtlich zuständig bestimmt wird. Gericht des Ortes, „an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist", wird dann etwa das durch ein anderes Gericht bestimmte Nachbargericht, wenn das Gericht am Schädigungsort zur Durchführung des Verfahrens außerstande ist. Soweit Gerichte tatbestandlich nicht näher konkretisierte Ermessensbefugnisse zur Bestimmung des zuständigen anderen Gerichts haben, vor allem eine Ermessensbefugnis zur Verweisung an ein anderes Gericht, darf von ihr freilich nur im Geiste des EuGVÜ Gebrauch gemacht werden, wenn dieses nicht nur die internationale, sondern auch die örtliche Zuständigkeit festgelegt hat. Eine Verweisung bloß aus Gründen der Verfahrenskosten oder der technischen Erleichterung der Beweisaufnahme ist dann ohne das Einverständnis des Klägers, dem das Gerichtsstandswahlrecht zusteht, nicht möglich.

Β E R L Ä U T E R U N G E N D E R A B S C H N I T T E DES 2. T I T E L S 1. Abschnitt Allgemeine Vorschriften 8 2 . Die vorgeschlagenen förmlichen Anpassungen im Bereich der Artikel 2 2 0 bis 4 beschränken sich darauf, die in den Rechtsordnungen der neuen Mitgliedstaaten bestehenden übergreifenden Zuständigkeiten in den Artikel 3 Absatz 2 einzubauen. Bei dieser Gelegenheit ist der Text der letzteren Vorschrift an eine in Belgien eingetretene Gesetzesänderung angepaßt worden. Einer kurzen Einzelerläuterung der vorgeschlagenen Ergänzung (I) müssen zwei Bemerkungen mehr allgemeiner Natur zum Stellenwert dieser Vorschrift im Gesamtgefüge des EuGVÜ folgen (II).

I.

Einzelerläuterungen

83. 1. Belgien In Belgien sind die Artikel 5 2 , 5 2 a und 5 3 des Gesetzes vom 25. M ä r z 1876 vor dem Inkrafttreten des EuGVÜ durch Artikel 635, 637, 6 3 8 code judiciaire ersetzt worden. Gleichwohl findet sich in Artikel 3 Absatz 2 der Neufassung nur Artikel 6 3 8 code judiciaire wieder. Er entspricht dem Artikel 5 3 des Gesetzes vom 2 5 . März 1876 und ordnet an, daß dann, wenn belgische Gerichte nicht aufgrund anderer Vorschriften zuständig sind, ein in Belgien wohnhafter Kläger jede Person vor dem Gericht seines Wohnorts verklagen kann. Die in der bisher gülti906

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gen Fassung erwähnten Artikel 5 2 und 5 2 a des genannten Gesetzes sind zu Unrecht als Begründung übergreifender Zuständigkeiten qualifiziert worden. 8 4 . 2. Dänemark In den in Artikel 3 Absatz 2 aufgenommenen Bestimmungen aus dem dänischen Recht steht, daß ein Ausländer vor jedem dänischen Gericht verklagt werden kann, in dessen Bezirk er sich zur Zeit der Klagezustellung aufhält oder Vermögen hat. Wegen des letzteren Punktes entspricht die Vorschrift den auch für Deutschland in den Katalog der übergreifenden Zuständigkeiten aufgenommenen Bestimmungen. Wegen des ersteren kann auf das sogleich zu Irland Auszuführende verwiesen werden —> Nr. 85. Für Grönland —> Nr. 2 5 3 gibt es eine eigene Zivilprozeßordnung. Ihre entsprechenden Vorschriften mußten daher eigens genannt werden. 85. 3. Irland Nach den nicht kodifizierten, im V. K. und Irland einheitlich geltenden Grundsätzen des „common l a w " hat ein Gericht Zuständigkeit grundsätzlich dann, wenn der Beklagte ordungsgemäß geladen wurde. Lediglich über die Begrenzung einer Ladungsmöglichkeit ist mittelbar auch die Zuständigkeit der Gerichte (des V. K. und) Irlands eingeschränkt. M a n hält eine Ladung ohne besondere Bewilligung nur auf dem Territorium (des V . K . bzw.) Irlands für zulässig. Es genügt aber jede dort vorgenommene Ladung, um gerichtliche Zuständigkeit zu begründen. Selbst eine Ladung während eines kurzfristigen Aufenthalts des Beklagten auf dem jeweiligen Territorium reicht aus. Nur bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen kann auch eine Ladung im Ausland bewilligt werden. Für den Rechtsverkehr innerhalb des EWG-Bereichs - vor allem wegen der durch das EuGVÜ geschaffenen Freizügigkeit gerichtlicher Entscheidungen - gibt es keinen Rechtfertigungsgrund dafür, die Zuständigkeit eines Gerichts der Sache nach auf die nur vorübergehende Anwesenheit einer Person im Gerichtsstaat zu gründen. Die genannten Regeln des „common l a w " , für welche sich naturgemäß eine Gesetzesstelle nicht angeben läßt, mußten daher als übergreifend gekennzeichnet werden. 8 6 . 4 . Vereinigtes Königreich Was das V. K. anbelangt, so genügt es, für Punkt a der dieses Land betreffenden Stelle von Artikel 3 Absatz 2 E u G V Ü n. F. auf das zu verweisen, was für Irland gesagt wurde. Die Buchstaben b) und c) beziehen sich auf eine Eigenart des schottischen Rechts. Die Begründung einer Zuständigkeit nur durch gerichtliche Ladung während einer vorübergehenden Anwesenheit hat in Schottland, ohne dort ganz unbekannt zu sein, geringe praktische Bedeutung. Schottische Gerichte stützen ihre Zuständigkeit gegenüber einem Beklagten, der dort nicht ständig wohnt, meist auf andere Merkmale: daß er sich seit mindestens 4 0 Tagen in Schottland aufhält, daß er in Schottland Grundbesitz hat, daß er Eigentümer beweglicher Gegenstände ist, die in Schottland beschlagnahmt wurden. In diesen Fällen ist zwar auch eine Ladung des Beklagten erforderlich. Es genügt jedoch ihre Zustellung durch die Post oder - ausnahmsweise - ein bloßer Anschlag an der Gerichtstafel. Das EuGVÜ hat bereits für den Fall Deutschlands eine gerichtliche Zuständigkeit als übergreifend ausgewiesen, die sich allein auf die Existenz Rolf A. Schütze

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von Vermögenswerten im Inland gründet. Für eine Zuständigkeit aufgrund bloßer Beschlagnahme von Vermögensgegenständen im Inland kann nichts anderes gelten.

II. Der Stellenwert von Artikel 3 Absatz 2 im Gesamtgefüge des EuGVÜ 87. 1. Die selbständige Bedeutung von Artikel 3 Absatz 2 Die Mißbilligung bisher in den neuen Mitgliedstaaten geltender wichtiger Zuständigkeitsnormen als übergreifend darf genausowenig wie Artikel 3 Absatz 2 in seiner ursprünglichen Fassung zu dem Fehlschluß verleiten, damit solle die Regelung von Artikel 3 Absatz 1 näher konkretisiert werden. Nur eine besonders unangemessene Inanspruchnahme internationaler Zuständigkeit durch die Gerichte eines Mitgliedstaats wird ausdrücklich hervorgehoben. Auch andere zuständigkeitsbegründende Normen des nationalen Rechts der neuen Mitgliedstaaten sind mit dem E u G V Ü nur insoweit vereinbar, als sie mit den Artikeln 2 , 4 bis 18 zusammenfallen. Gegenüber Personen, welche ihren Wohnsitz in der Gemeinschaft haben, kann also etwa die Zuständigkeit der englischen Gerichte nicht mehr darauf gestützt werden, der geltend gemachte Anspruch rühre aus einem Vertrag her, der in England geschlossen worden oder nach englischem Recht zu beurteilen sei. Die Regeln über die Zuständigkeit englischer Gerichte bei Vertragsbruch in England oder bei Klagen, die auf Unterlassung oder Vornahme einer Handlung in England gerichtet sind, decken sich hingegen weitgehend mit den Vorschriften in Artikel 5 Nrn. 1 bis 3. 2. Unmöglichkeit einer Zuständigkeitsbegründung aufgrund der Belegenheit von Vermögen 88. Für Deutschland, Dänemark und das V . K . enthält der Katalog von Artikel 3 Absatz 2 Regeln über den mißbilligten Charakter einer gerichtlichen Zuständigkeit, die aus der bloßen Existenz von Vermögen auf dem Territorium des Gerichtsstaats hergeleitet wird. Eine solche Zuständigkeit kann auch dann nicht in Anspruch genommen werden, wenn das gerichtliche Verfahren Eigentum, Besitz oder Verfügungsmacht speziell bezüglich solcher Vermögensobjekte zum Gegenstand hat. Personen mit Wohnsitz auf dem europäischen Kontinent können in Schottland auch dann nicht verklagt werden, wenn Ziel der Klage die Herausgabe einer dort belegenen oder beschlagnahmten beweglichen Sache oder die Feststellung des Eigentums an ihr ist. „Interpleader-actions" (England und Wales) und „multiple poinding" (Schottland) sind im V. K. gegenüber Personen mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft nicht mehr möglich, sofern sich die internationale Zuständigkeit der englischen oder schottischen Gerichte nicht anderweit nach dem E u G V Ü ergibt. Das gilt etwa für Klagen eines Auktionärs, mit der er klären lassen möchte, ob das Eigentum an der ihm zum Verkauf zugesandten Sache dem Auftraggeber oder einem Dritten gehört, der sie für sich reklamiert. Allerdings ist es der Gesetzgebung des V. K. unbenommen, in Ausführung von Artikel 2 4 geeignete Maßnahmen zum Schutz dessen (also etwa: des Auktionärs) vorzusehen, der sich mit widerstreitenden Rechtsprätendenten konfrontiert sieht. Denkbar wäre etwa eine gerichtliche Erlaubnis, von der Versteigerung vorläufig abzusehen. 908

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Schlosser-Bericht

Gegenüber Personen, die ihren Wohnsitz außerhalb der Gemeinschaft haben, bleiben die bisher in den neuen Mitgliedstaaten über die Zuständigkeit ihrer Gerichte geltenden Vorschriften ohnehin unangetastet. Selbst die in Artikel 3 Absatz 2 genannten Zuständigkeitsregeln können gegenüber solchen Personen weiter gelten. Urteile, die von solchermaßen zuständigen Gerichten gefällt wurden, sind in anderen Staaten der Gemeinschaft auch anzuerkennen und zu vollstrecken, sofern nicht einer der in der neuen Nr. 5 von Artikel 2 7 oder in Artikel 5 9 EuGVÜ n. F. geregelten Ausnahmefälle vorliegt. Letztere Bestimmung ist im übrigen die einzige Rechtsregel, für deren Anwendungsbereich der Katalog von Artikel 3 Absatz 2 nicht nur beispielhaft ist, sondern konstitutive und limitative Bedeutung hat —> Nr. 2 4 9 .

2. Abschnitt Besondere Zuständigkeiten 2 1 89. Im Bereich der besonderen, nicht ausschließlichen Zuständigkeiten beschränkten sich die Anpassungsprobleme auf die gerichtliche Entscheidungsbefugnis über Unterhaltsansprüche (I), die Fragen, welche das im Recht des V. K. und Irlands bekannte Rechtsinstitut des „trust" aufwirft (II), und auf Probleme im Zusammenhang mit gerichtlichen Zuständigkeiten in Seehandelsfällen (III). Darüber hinaus befaßte sich die Expertengruppe mit ein paar weniger bedeutsamen Einzelfragen (IV). Auf die kurz vor oder nach Abschluß der Verhandlungen ergangenen Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 6. Oktober 1976 (12/76; 14/76) und vom 3 0 . November 1976 (21/76) sei an dieser Stelle nur kurz hingewiesen 2 2 .

I.

Unterhaltsansprüche

9 0 . Die Notwendigkeit einer Anpassung von Artikel 5 Absatz 2 ergab sich daraus, daß das Recht der neuen Mitgliedstaaten - wie inzwischen auch das Recht vieler Gründungsstaaten der E W G - eine Verbindung von Statusverfahren und Verfahren über Unterhaltsansprüche kennt —» Nrn. 3 2 - 4 2 . Eine formelle Anpassung wegen anderer Probleme war entbehrlich. Jedoch werfen gewisse Eigenarten des Rechts des V. K. und Irlands Auslegungsfragen auf, deren Lösungen so festgehalten werden sollen, wie sie die Sachverständigengruppe sieht. Es handelt sich einmal um die nähere Bestimmung des Begriffs „Unterhalt" (siehe nachstehend Abschnitt 1.). Zum anderen geht es darum, wie nach dem System der Zuständigkeitsund Anerkennungsvorschriften des EuGVÜ die Anpassung von Unterhaltstiteln an veränderte Verhältnisse zu meistern ist (siehe nachstehend Abschnitt 2.). 1. Der Begriff „Unterhalt" 91. a) Das EuGVÜ kennt in Artikel 5 Nr. 2 , der einzigen Vorschrift, die den Begriff gebraucht, nur schlechthin „Unterhalt". Darunter können mehrere Rechtsbegriffe aus ein und derselben nationalen Rechtsordnung fallen. So spricht etwa das italienische Recht für die unter Verwandten und Ehegatten zu erbringenden Rolf A. Schütze

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Leistungen von „alimenti" (Artikel 433 ff. codice civile), für die Leistungen nach Ehescheidungen aber von „assegni" 23 . Auch das neue französische Scheidungsrecht 24 spricht nicht von „aliments", sondern von „devoir de secours". Die französische Rechtssprache kennt zusätzlich die Begriffe „devoir d'entretien" und „contributions aux charges du menage". All dies ist Unterhalt im Sinne von Artikel 5 Nr. 2 EuGVÜ. 92 b) Dieser sagt aber nichts zum Rechtsgrund, aus dem Ansprüche auf Unterhalt gegebenenfalls fließen. Der Formulierungsunterschied zu dem in Haag am 2. Oktober 1973 beschlossenen Übereinkommen über die Anerkennung von Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen fällt ins Auge. Dieses schließt in Artikel 1 Unterhaltsansprüche aus Delikt, Vertrag und Erbrecht von seinem Anwendungsbereich aus. Jedoch ist der Unterschied in den Unterhaltsbegriffen beider Übereinkommen nicht groß. Auf Unterhaltsansprüche kraft Erbrechts ist das EuGVÜ ohnehin nicht anwendbar (Artikel 1 Absatz 2 Nr. 1). „Unterhalts"ansprüche als Rechtsfolge eines Delikts sind rechtssystematisch Schadenersatzansprüche, auch wenn das Maß des zu leistenden Ersatzes sich nach den Unterhaltsbedürfnissen des Geschädigten bemißt. Verträge, die einen „Unterhalts"anspruch begründen, der vorher nicht bestanden hat, sind je nach ihrer Ausgestaltung Schenkungen, Kaufverträge oder sonstige entgeltliche Verträge. Die aus ihnen fließenden Ansprüche sind, auch wenn sie auf die Leistung von Unterhalt zielen, wie sonstige vertragliche Ansprüche zu behandeln. Insbesondere gilt dann Artikel 5 Nr. 1 EuGVÜ und nicht seine Nr. 2, wenn es um die gerichtliche Zuständigkeit geht. Anders als bei Anwendbarkeit von Artikel 5 Nr. 2 ist das Ergebnis im letzteren Falle freilich kaum. „Unterhalts"ansprüche aus Verträgen sind meist am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten zu erfüllen. Auch dort kann daher geklagt werden. Artikel 5 Nr. 2 ist aber anwendbar, wenn ein Unterhaltsanspruch vertraglich näher konkretisiert wurde, der dem Grunde nach durch einen familienrechtlichen Status schon begründet war. Gerichtliche Verfahren über „Unterhalts"ansprüche gehören aber auch dann, wenn Artikel 5 Nr. 2 wegen ihrer deliktischen oder vertraglichen Natur nicht anwendbar ist, immer zu den Zivil- und Handelssachen. 93. c) Der Begriff des Unterhalts setzt nicht voraus, daß der Anspruch auf Leistung periodischer Zahlungen gerichtet ist. Nach § 1613 Absatz 2 BGB kann etwa in Deutschland der Unterhaltsberechtigte zusätzlich zu einer Geldrente wegen eines außergewöhnlichen Bedarfs Zahlung eines einmaligen Betrags verlangen. Nach § 1615 e BGB kann der nichteheliche Vater mit seinem Kind die Leistung einer einmaligen Abfindung vereinbaren. Artikel 5 Absatz 4 Seite 3 des italienischen Scheidungsgesetzes vom 1. Dezember 1970 läßt die geschiedenen Ehegatten sich Unterhaltsleistungen in Form einer einmaligen Abfindung versprechen. Die französischen Gerichte schließlich können nach Artikel 285 Code civil in der Fassung des Scheidungsgesetzes vom 11. Juli 1975 auch ohne Vereinbarung der Ehegatten den Unterhalt in Form einer einmaligen Kapitalleistung festsetzen. Allein die Tatsache, daß die Gerichte des V. K. die Befugnis besitzen, nach Scheidung einer Ehe nicht nur periodische Zahlungen des einen Ehegatten an den anderen, sondern auch die Leistung eines einmaligen Geldbetrags anzuordnen, schließt daher nicht aus, von einem Verfahren bzw. einer Entscheidung über Unterhaltsansprüche zu sprechen. Selbst die Begründung dinglicher Sicherheiten und die Übertragung von Vermögensgegenständen, wie sie etwa auf dem Kontinent das italienische Scheidungsgesetz in seinem Artikel 8 kennt, können Unterhaltsfunktion haben. 910

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9 4 . d) Schwierig ist die Abgrenzung von Unterhaltsansprücken einerseits und von Schadenersatzund Vermögensauseinandersetzungsansprüchen andererseits. 95. aa) Auch auf dem europäischen Kontinent spielt bei Bemessung des Unterhalts, den ein geschiedener Ehegatte seinem früheren Partner schuldet, das Motiv einer Entschädigung des schuldlos Geschiedenen für den Verlust der ihm aus der Ehe erwachsenen Rechtsstellung eine Rolle. Klassisch ist Artikel 301 Code civil in seiner ursprünglichen Fassung, der heute noch in Luxemburg gilt. In seinen beiden Absätzen ist für die nachehelichen Beziehungen an sich sehr scharf zwischen dem Anspruch auf Unterhalt und auf Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens unterschieden. Indes besteht der materielle Schaden meist im Verlust des Unterhaltsanspruchs, den der Geschiedene als Ehegatte gehabt hätte. Daher fließen in der Praxis die aus den beiden Absätzen von Artikel 301 code civil erwachsenen Ansprüche ineinander über - zumal sie beide die Form einer Rente oder die einer Kapitalzahlung annehmen können. O b daran die neue französische Scheidungsgesetzgebung vom 11. Juli 1975 etwas ändern wird, weil noch deutlicher zwischen „prestations compensatoires" und „devoir de secours" unterschieden wird als bisher, bleibt abzuwarten. Nach sec. 2 3 § l c und f sowie sec. 2 7 § 6 c des englischen „Matrimonial Causes A c t " von 1973 kann auch ein englisches Scheidungsgericht eine Pauschalzahlung anordnen, die ein geschiedener Ehegatte dem anderen oder einem Kinde zu leisten hat. Das von richterlichen Ermessensbefugnissen geprägte und systematischen Festlegungen abholde Recht des V. K. macht indes keinen Unterschied danach, ob die auferlegten Leistungen Schadenersatz- oder Unterhaltsfunktion haben sollen. 9 6 . bb) Das EuGVÜ ist überhaupt nicht anwendbar, wenn die geltend gemachte oder angeordnete Zahlung ehegüterrechtlich einzuordnen ist —> Nr. 4 5 ff. Handelt es sich um Schadenersatzansprüche, bleibt Artikel 5 Nummer 2 außer Betracht. Für dessen Anwendung ist im Fall einer Pauschalsumme allein darauf abzustellen, o b der auf ein familienrechtliches Band gestützen Zahlung Unterhaltsfunktion zukommen soll. Im Verhältnis zu Kindern wird der Unterhaltszweck einer Zahlung wohl immer überwiegen. Im Verhältnis der Ehegatten können auch Vermögensauseinandersetzung oder Schadenersatz im Vordergrund stehen. Verdienen etwa beide Ehegatten gut, kann die Zahlung einer Pauschalsumme nur den Zweck haben, die vermögensrechtliche Auseinandersetzung oder eine Wiedergutmachung immateriellen Schadens zu gewährleisten. Dann handelt es sich in der Sache nicht um einen Unterhaltsanspruch. Dient die Zahlung der Vermögensauseinandersetzung, ist das EuGVÜ überhaupt nicht anwendbar. Dient sie dem Ausgleich immateriellen Schadens, ist für die Anwendung von Artikel 5 Nr. 2 kein Raum. Ein Scheidungsgericht darf in keinem der beiden Fälle über den Anspruch erkennen, sofern es nicht nach Artikel 2 oder nach Artikel 5 Nr. 1 zuständig ist. 97. e) Alle Rechtsordnungen müssen sich mit dem Problem auseinandersetzen, wie eine unterhaltsbedürftige Person Mittel erhält, wenn der Unterhaltsschuldner nicht rechtzeitig leistet. Subsidiär Unterhaltsverpflichtete, notfalls die öffentliche Hand, müssen vorübergehend einspringen. Diese wiederum müssen ihre Aufwendungen vom (vorrangigen) Unterhaltsschuldner ersetzt verlangen können. Die Rechtsordnungen haben zur Bewältigung dieses Problems indes verschiedene Techniken entwickelt. Zum Teil ordnen sie an, der Unterhaltsanspruch solle auf den Leistenden übergehen, also einen neuen Gläubiger erhalten, nicht aber sonst seine Identität verlieren. Zum Teil gewähren sie dem Leistenden einen Rolf A. Schütze

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selbständigen Ersatzanspruch. Der letzteren Technik bedient sich insbesondere das Recht des V.K. dann, wenn die Fürsorgebehörde („Supplementary Benefits Commission") Unterhalt geleistet hat. Wie im Jenard-Bericht 25 bereits erwähnt, fallen derartige Ansprüche sehr wohl unter das EuGVÜ, auch wenn Regreßansprüche auf einer Leistung beruhen, welche eine öffentliche Behörde nach Verwaltungsrecht oder kraft Vorschriften aus dem Recht der sozialen Sicherheit geleistet hat. Es ist jedoch nicht Sinn der besonderen Zuständigkeitsbestimmung von Artikel 5 Nr. 2, für Regreßforderungen die Zuständigkeit der Gerichte am Wohnsitz des Unterhaltsberechtigten oder gar am Sitz der Behörde zu begründen - gleich welche der beiden genannten Techniken eine Rechtsordnung gewählt hat. 2. Anpassung von Unterhaltsentscheidungen 98. Die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse und die besondere wirtschaftliche Lage von Unterhaltsverpflichteten und -berechtigten ändern sich ständig. Insbesondere entsteht in Zeiten kontinuierlicher Geldentwertung in periodischen Abständen ein Bedürfnis nach Anpassung von Unterhaltsentscheidungen. Die Zuständigkeiten für solche Anpassungsentscheidungen richten sich nach den allgemeinen Vorschriften des EuGVÜ. Da es sich um ein praktisch außerordentlich wichtiges Problem handelt, sei einer näheren Erläuterung dieser Regel ein kurzer rechtsvergleichender Überblick vorangestellt. 99. a) Die Rechtsordnungen des Kontinents unterscheiden sich danach, ob der Akzent der einschlägigen Rechtsregeln von einer Durchbrechung der Rechtskraftwirkung des Unterhaltsurteils ausgeht oder mehr auf der Vorstellung eines materiellen Anpassungsanspruchs liegt (aa). Wie vielerorts sonst, so läßt sich auch insoweit die Lösung des Rechts des V. K. (bb) und Irlands (cc) in dieses Schema nicht einordnen. 100. aa) Den deutschen Rechtsvorschriften über Unterhaltsansprüche liegt die Vorstellung eines besonderen Rechtsbehelfs zugrunde, der der Wiederaufnahmeklage systematisch zur Seite gestellt wird. Da keine besonderen Gerichtsstände vorgesehen sind, hält man aber die allgemein für Unterhaltsansprüche existierenden Zuständigkeitsregeln für anwendbar. Danach kann das Gericht, welches das ursprüngliche Unterhaltsurteil erlassen hatte, seine Zuständigkeit zu dessen Anpassung verloren haben. Die mit der Zwangsvollstreckung befaßten Organe können, auch wenn es sich um Gerichte handelt, allgemein oder in Unterhaltssachen ein Urteil an veränderte Verhältnisse nicht anpassen. Die sozialen Vollstreckungsschutzbestimmungen sind in ihrer Anwendung unabhängig davon, ob der im Urteil festgestellte Anspruch noch (in voller Höhe) besteht. Das gilt auch für die subsidiäre Generalklausel in § 765a ZPO 2 6 , die besagt, wegen ganz besonderer Umstände könnten Vollstreckungsmaßnahmen aufgehoben oder untersagt werden, wenn sie für den Schuldner eine sittenwidrige Härte darstellten. Deshalb lassen Rechtslehre und Rechtsprechung heute auch die Anpassung eines ausländischen Unterhaltsurteils zu, wenn für den Unterhaltsanspruch ein deutscher Gerichtsstand existiert 27 . In den übrigen Rechtsordnungen der EWG-Gründungsstaaten ist das Problem schon immer mehr als ein materiellrechtliches und nicht als ein solches angesehen worden, das in Zusammenhang mit Rechtsbehelfen gegen gerichtliche Entscheidungen stünde. Die Zuständigkeit richtet sich daher ohnehin nach den 912

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allgemein für Unterhaltssachen geltenden Grundsätzen 2 8 . Auch mittelbare Anpassungen dadurch, daß die Veränderung der für die Unterhaltsbemessung maßgebenden Verhältnisse als Einwendung gegen Akte der Zwangsvollstreckung geltend gemacht werden könnte, gibt es nicht. Insgesamt liegt daher dem EuGVÜ die in allen ursprünglichen Mitgliedstaaten einheitliche Rechtslage zugrunde: Für die Klage auf Anpassung eines Unterhaltsurteils muß die Zuständigkeit des angegangenen Gerichts neu bestimmt werden. 101. bb) Die in der Praxis wichtigste Rechtsgrundlage für die Änderung von Unterhaltstiteln ist im Vereinigten Königreich sec. 53 des Magistrates Courts Act von 1952 in Verbindung mit sec. 8 - 1 0 des Matrimonial Proceedings (Magistrates) Courts Act von 1 9 6 0 , der 1979 durch den „Domestic Proceedings and Magistrates Courts Act 1 9 7 8 " abgelöst werden wird. Danach kann das Gericht Unterhaltsentscheidungen widerrufen, ändern oder, wenn einmal widerrufen oder geändert, wieder in Kraft setzen. Zuständig für solche Entscheidungen ist aber auch dort das Gericht, in dessen Bezirk sich der Antragsteller inzwischen aufhält 2 9 . An gesetzliche Voraussetzungen ist das Gericht hierbei grundsätzlich nicht gebunden. Es ist jedoch nicht möglich, einen Änderungsantrag auf Tatsachen und Beweismittel zu stützen, die schon zur Zeit hätten vorgebracht werden können, als die ursprüngliche Entscheidung gefällt wurde 3 0 . Entsprechendes gilt nach sec. 31 des Matrimonial Causes Act von 1973. Das Ehescheidungsgericht kann eine von ihm wegen des Unterhalts getroffene Anordnung ändern oder aufheben, allerdings unabhängig davon, ob die ursprüngliche Grundlage für seine Zuständigkeit noch besteht oder nicht. 102. Zu diesen Möglichkeiten kommt aber noch ein charakteristischer Aspekt des britischen Gerichtsverfassungsrechts hinzu. Die Vollstreckungsgewalt ist sehr viel enger als auf dem Kontinent mit der Jurisdiktionsgewalt eines einzelnen Gerichts verbunden, das das Urteil erlassen hat —» Nr. 2 0 8 . Um von den Vollstreckungsorganen eines anderen Gerichts vollstreckt werden zu können, muß ein Urteil bei diesem registriert sein. Ist es registriert, dann sieht man es wie eine Entscheidung an, die dieses Gericht erlassen hat. Infolgedessen ist aber ein Gericht nach Registrierung eines von ihm nicht erlassenen Urteils auch zu dessen Änderung befugt. Dieses System praktiziert das V . K . bisher auch dann, wenn Unterhaltsurteile aus dem Ausland über eine Registrierung bei einem britischen Gericht im V. K. vollstreckt werden sollen 3 1 . 103. cc) In Irland ist für Unterhaltsansprüche von Ehegatten sowie von ehelichen und nichtehelichen Kindern der „District C o u r t " zuständig. Dieses Gericht ist auch zur Änderung oder Aufhebung seiner Unterhaltsentscheidungen befugt. Örtlich zuständig ist der Richter für den Distrikt, in dem eine Partei des Verfahrens ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, einen Beruf ausübt, ein Gewerbe betreibt, oder, im Fall von Ansprüchen eines nichtehelichen Kindes, in dem die Mutter des Kindes wohnt. Sind die zuständigkeitsbegründenden Tatsachen nachträglich entfallen, so hat der Richter, der eine Unterhaltsentscheidung gefällt hat, auch die Zuständigkeit zu ihrer Abänderung verloren. Abgesehen von den Möglichkeiten zur Abänderung von Unterhaltsentscheidungen gibt es auch noch das Recht der Berufung zum „Circuit C o u r t " gegen solche Entscheidungen des „District C o u r t " . Der „Circuit C o u r t " ist auch im Rahmen von Vormundschaftssachen („proceedings relating to the guardianship of infants") zuständig zum Erlaß von Unterhaltsentscheidungen. Auch dieses Gericht kann seine Unterhaltsentscheidungen ändern oder aufheben. Örtlich zuständig ist der Rolf A. Schütze

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Richter des Circuit Court, in welchem der Beklagte im Zeitpunkt der Erhebung der Unterhaltsklage oder des Abänderungsbegehrens gewöhnlichen Aufenthalt hat. Eine Berufung zum „High Court" ist möglich. Der „High Court" kann die Zahlung von Unterhalt anordnen, auch für die Zeit des Verfahrens und für die Zeit nach Bewilligung einer Trennung der Ehegatten von Tisch und Bett. Er ist zuständig zur Änderung seiner eigenen Unterhaltsentscheidungen. Gegen seine Entscheidung ist Berufung zum „Supreme Court" möglich. 104. b) Das EuGVÜ geht, obwohl es dies nirgendwo ausdrücklich sagt, davon aus, daß alle Entscheidungen der Gerichte eines Staates in diesem Staat mit allen Rechtsbehelfen angefochten werden können, die dort vorgesehen sind. Das gilt auch, wenn die tatsächlichen Grundlagen für die Zuständigkeit der Gerichte dieses Staates inzwischen entfallen sind. Ein französisches Urteil kann in Frankreich mit Berufung, Kassationsbeschwerde und Wiederaufnahmeklage angefochten werden, auch wenn der Beklagte inzwischen längst keinen Wohnsitz mehr in Frankreich hat. Aus dem Begriff der Anerkennungspflicht folgt demnach, daß kein Vertragsstaat Rechtsbehelfszuständigkeit gegenüber Urteilen aus einem anderen Vertragsstaat in Anspruch nehmen kann. Dazu gehören auch rechtsmittelähnliche Verfahren wie eine „action of reduction" in Schottland oder eine „Wiederaufnahmeklage" in Deutschland. Umgekehrt muß jede Zuständigkeit eines Gerichts, die keine Rechtsbehelfszuständigkeit ist, nach den Vorschriften des EuGVÜ selbständig bestimmt werden. Das alles hat für die Entscheidung über die Zuständigkeit zur Anpassung von Unterhaltstiteln drei wichtige Konsequenzen (Nrn. 105-107). Eine vierte Konsequenz betrifft die Anerkennung und Vollstreckung. Des Sachzusammenhangs wegen wird sie bereits hier festgehalten (108). 105. Auf keinen Fall darf das Gericht im Anerkennungs- und Exequaturstaat ohne Rücksicht auf die Zuständigkeitsvorschriften im EuGVÜ überprüfen, ob der zuerkannte Betrag noch angebracht ist. Denn entweder handelt es sich um eine Rechtsbehelfsfrage; dann bleiben die Gerichte des Ursprungsstaats ohnehin zuständig. Oder die neue Klage ist vom alten Verfahren völlig getrennt zu beurteilen; dann müssen die Zuständigkeitsvorschriften des EuGVÜ eingehalten werden. 106. bb) Die Rechtsordnungen aller sechs Gründungsstaaten der EWG qualifizieren die Anpassung von Unterhaltsurteilen, jedenfalls was gerichtliche Zuständigkeiten anbelangt, nicht als Rechtsmittel oder Rechtsbehelf (Nr. 100). Die Gerichte des Urteilsstaats verlieren also im ursprünglichen Anwendungsbereich des EuGVÜ ihre Anpassungskompetenz, wenn die Voraussetzungen für die gerichtliche Zuständigkeit nicht mehr bestehen. Es würde aber dann Ungleichgewicht in die Anwendung des Übereinkommens tragen, wollten etwa die Gerichte des V. K. Anpassungskompetenzen ohne Rücksicht auf das Fortbestehen der zuständigkeitsbegründenden Tatsachen in Anspruch nehmen. 107. Eine Anpassung von Unterhaltstiteln kann also nur bei Gerichten begehrt werden, die nach Artikel 2 oder Artikel 5 Nr. 2 EuGVÜ n. F. zuständig sind. Begehrt der Unterhaltsberechtigte Anpassung etwa an inzwischen eingetretene Teuerungen, so kann er zwischen dem internationalen Gerichtsstand des Wohnsitzes des Unterhaltsschuldners und dem örtlichen Gerichtsstand seines eigenen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts wählen. Erstrebt hingegen der Unterhaltsschuldner eine Anpassung, etwa weil sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse verschlechtert haben, dann steht ihm nur der internationale Gerichts914

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stand von Artikel 2 , nämlich derjenige des Wohnsitzes des Unterhaltsberechtigten, offen. Selbst wenn das ursprüngliche Urteil - gegebenenfalls in Anwendung von Artikel 2 - in seinem eigenen Wohnsitzstaat ergangen war und sich an den Aufenthaltsverhältnissen der Parteien nichts geändert hat, ist das nicht anders. 108. Will ein Unterhaltsschuldner eine Anpassungsentscheidung in einem anderen Staat zur Geltung bringen, dann muß man der eingetretenen Umkehrung der Parteirollen Rechnung tragen. Anpassung auf Betreibung des Unterhaltsschuldners kann immer nur Erlaß oder Ermäßigung des Unterhaltsbetrags sein. Die Geltendmachung einer solchen Entscheidung in einem anderen Vertragsstaat ist daher niemals „Vollstreckung" im Sinne des 2. und 3. Abschnitts des 3. Titels, sondern Anerkennung nach dessen 1. Abschnitt. Artikel 2 6 Absatz 2 erlaubt freilich ein selbständiges Anerkennungsfeststellungsverfahren, auf welches die Vorschriften des 2. und 3. Abschnitts des 3. Titels über die Vollstreckung entsprechend anzuwenden sind. Soll in einem solchen Zusammenhang eine auf Betreiben des Unterhaltsschuldners ergangene Anpassungsentscheidung anerkannt werden, so gilt folgendes: Antragsteller im Sinne von Artikel 3 4 und 36 ist dann nicht der Gläubiger, sondern der Schuldner. Deshalb ist es jener, der nach Artikel 3 4 keine Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten darf. Die in Artikel 36 für den Schuldner vorgesehenen Rechtsbehelfe stehen in diesem Fall dem Gläubiger zu. Die in Artikel 4 2 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 2 6 Absatz 2 niedergelegte Befugnis, Feststellung der Anerkennung nur wegen eines Teils der Abänderungsentscheidung zu beantragen, hat der Unterhaltsschuldner als Antragsteller. Bei Anwendung von Artikel 4 4 kommt es darauf an, ob im Ausgangsverfahren ihm als Kläger das Armenrecht bewilligt worden war.

II. „Trusts" 1. Schwierigkeiten, welche die bisherige Fassung des E u G V Ü im Zusammenhang mit „trusts" aufwerfen würde 109. Eine der prägenden Eigenarten des Rechts des V. K. und Irlands ist das Institut des „trust". M i t dieser Figur lösen die Rechte dieser beider Staaten viele Probleme, die in den Rechtsordnungen des Kontinents auf ganz andere Weise gemeistert werden. M a n kann die grundsätzliche Struktur eines „trust" beschreiben als eine Rechtsbeziehung, die entsteht, wenn eine oder mehrere Personen (Treuhänder) Inhaber von Rechten irgendwelcher Art mit der Maßgabe sind, daß diese nur zugunsten einer oder mehrerer Personen (Begünstigte) oder eines vom Gesetz erlaubten Zwecks mit dem Ziel ausgeübt werden dürfen, die wirtschaftlichen Vorteile aus den Rechten nicht den Treuhändern, sondern den Begünstigten (zu denen auch die Treuhänder gehören können) oder einem anderen Zweck des „trust" zugute kommen zu lassen. Im Zusammenhang mit einem „trust" sind demnach grundsätzlich zweierlei Arten von Rechtsbeziehungen zu unterscheiden. M a n kann sie mit den Schlagworten Innenverhältnis und

Außenverhältnis

bezeichnen.

110. a) Der „trustee" tritt nach außen, d . h . im Rechtsverkehr mit Personen, die nicht Begünstigte des „trust" sind, wie ein normaler Rechtsinhaber auf. Er kann Rechte veräußern und erwerben, zu Lasten des „trust" Verpflichtungen eingehen und zu seinen Gunsten Rechte begründen. Insoweit bedurfte es irgendwelcher Anpassungen des E u G V Ü nicht. Seine ZuständigkeitsvorschrifRolf A. Schütze

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ten sind wie im Rechtsverkehr unter Personen anwendbar, die nicht als Treuhänder auftreten. Klagt ein belgischer Mieter eines zu einem englischen „trust" gehörenden belgischen Grundstücks auf Besitzeinräumung, so ist Artikel 16 Nr. 1 anwendbar ohne Rücksicht darauf, daß das Grundstück unter „trust" steht. 111. b) Die Probleme betreffen das Innenverhältnis eines „trust". Das sind Rechtsbeziehungen unter mehreren „trustees", unter Personen, welche die Stellung eines „trustee" reklamieren, und vor allem zwischen „trustees" einerseits und den aus einem „trust" begünstigten Personen andererseits. Unter mehreren Personen kann streitig sein, welcher die Stellung eines „trustee" zukommt, unter mehreren „trustees" können sich Zweifel ergeben, wie sich ihre Befugnisse zueinander abgrenzen, zwischen den „trustees" und den Begünstigten kann es zu Auseinandersetzungen darüber kommen, welche Ansprüche den letzteren aus oder an dem Vermögen zustehen, das in Gestalt eines „trust" verwaltet wird, etwa ob der„trustee" verpflichtet ist, einem im „trust" begünstigten Kind nach Erreichung eines bestimmten Lebensalters Vermögensgegenstände auszuhändigen. Auch zwischen dem Gründer eines „trust" und anderen „trust"Beteiligten kann es zu Rechtsstreitigkeiten kommen. 112. Rechtsbeziehungen aus dem Innenverhältnis eines „trust" müssen

EuGVÜ

nicht

dem

unterfallen.

Sie sind von seinem Anwendungsbereich ausgeschlossen, wenn der „trust" einem Rechtsgebiet angehört, das unter Artikel 1 Absatz 2 fällt. So spielt das Rechtsinstitut „trust" auf dem Gebiet des Erbrechts eine große Rolle. Ist ein „trust" durch letztwillige Verfügung begründet worden, so fallen die Streitigkeiten, welche sich aus seinem Innenverhältnis ergeben, nicht unter das Übereinkommen —» Nr. 5 2 . Das gleiche gilt, wenn nach Konkurseröffnung ein „trustee" ernannt wird, der dann dem Konkursverwalter der kontinentalen Rechtsordnungen entspricht. 113. Soweit auf die Innenbeziehungen eines „trust" das EuGVÜ anwendbar ist, waren dessen Zuständigkeitsvorschriften in ihrer ursprünglichen Gestalt jedoch dem Rechtsinstitut in manchen Fällen nicht angemessen. In „trust"-Sachen paßt die Anknüpfung der Zuständigkeit an den Wohnsitz des beklagten „trustee" nicht immer. Ein „trust" hat nämlich keine eigene Rechtspersönlichkeit. Wenn ein „trustee" aber in seiner besonderen Eigenschaft persönlich verklagt wird, so ist sein Wohnsitz nicht in jedem Fall ein geeigneter Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit des Gerichts. Verzieht eine Person aus dem V. K. nach Korsika, so ist es richtig, daß sie, liegen besondere Gerichtsstände nicht vor, wegen persönlich gegen sie gerichteter Ansprüche nur vor den korsischen Gerichten verklagt werden kann. Ist sie jedoch Verwalter oder Mitverwalter eines „trust" über Vermögen, das im V. K. gelegen ist und das bisher dort verwaltet wurde, so ist den Beteiligten und den anderen „trustees" nicht zuzumuten, ihr Recht vor den korsischen Gerichten zu suchen. Die Rechtsbeziehungen unter „trustees" und zwischen ihnen und den Begünstigten sind zudem nicht vertraglicher Art; den „trustees" fehlt meist sogar die Befugnis zum Abschluß von Gerichtsstandsvereinbarungen. Die Zuständigkeit für Klagen aus dem Innenverhältnis eines „trust" läßt sich also weder aus Artikel 5 Nr. 1 herleiten noch - meist - durch Gerichtsstandsvereinbarungen nach Artikel 17 begründen. Dem lediglich mit einer Anpassung des EuGVÜ begegnen zu wollen, die es dem Gründer eines „trust" erlaubt, den Gerichtsstand im Gründungsakt festzulegen, wäre nur eine Teillösung. Bereits bestehende 916

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Schlosser-Bericht „trusts" würden davon nicht mehr erfaßt. Z u r Zeit der Gründung eines „ t r u s t " läßt sich der für etwaige Streitigkeiten am besten geeignete Gerichtsstand ohnehin oft nicht voraussehen. 2 . Die vorgeschlagene Lösung 1 1 4 . a) Die in einer neuen Nr. 6 von Artikel 5 vorgeschlagene Lösung beruht auf dem Gedanken, daß es für „trusts" einen örtlichen Schwerpunkt gibt, auch wenn sie nicht rechtsfähig sind. Dieser kann ähnliche Funktionen übernehmen wie der „Sitz" nicht rechtsfähiger Gesellschaften. Allerdings haben die R e c h t e des V . K . und Irlands den örtlichen Schwerpunkt eines „trusts" bisher nur zögernd begrifflich erfaßt. U n b e k a n n t ist der Begriff „ d o m i c i l e " eines „ t r u s t " in Rechtsprechung und Lehre indes schon bisher n i c h t 3 2 . In seinem Lehrbuch des Internationalen Privatrechts sagt der schottische Rechtsgelehrte Anton zur Begriffsbestimmung folgendes 3 3 : „ M a n betrachtet das ,domicile' eines ,trust' als eine Angelegenheit, für die im Grunde die Wünsche seines Begründers maßgebend sind. Vorstellungen, die er zum Ausdruck gebracht hat, sind daher im allgemeinen entscheidend. Fehlt es daran, so müssen seine Absichten aus Umständen wie Verwaltungsmittelpunkt des ,trust', Wohnsitz der ,trustees', Belegenheit der zum ,trust' gehörenden Vermögensobjekte, N a t u r der mit dem ,trust' verfolgten Ziele und Erfüllungsort der aus dem ,trust' entspringenden Verpflichtungen geschlossen w e r d e n . " Diese Vorstellungen vom „domicile" eines „trust" sind gewiß vornehmlich zu dem Z w e c k entwickelt worden, das auf ihn anwendbare materielle R e c h t zu finden, in aller Regel, um zu unterscheiden, wann englisches und wann schottisches R e c h t gilt. Das H a u p t m e r k m a l des so bestimmten „ d o m i c i l e " und einige der zu seiner Beurteilung genannten Indizien rechtfertigen aber auch die Anknüpfung gerichtlicher Zuständigkeiten. Die neue Vorschrift begründet im übrigen zwar im eigentlichen Sinne keinen besonderen Gerichtsstand. D a sie aber nur einen sehr engen Kreis von Fällen betrifft, ist ihre Einordnung in Artikel 5 anstatt in Artikel 2 angemessen. Z u r Frage der Nicht-Ausschließlichkeit Nr. 118. 115. b) Im einzelnen ist zu dem Vorschlag der Arbeitsgruppe folgendes zu bemerken —> Nr. 181: 116. Die Begriffe „ t r u s t " , „trustee" und „ d o m i c i l e " sind in die anderen Sprachen der Gemeinschaft nicht übersetzt worden, weil sie sich nur auf eine für die Rechte des V . K . und Irlands prägende Figur beziehen. Die Mitgliedsstaaten können aber in ihrer Einführungsgesetzgebung zur Inkraftsetzung des Beitrittsübereink o m m e n s eine in der Landessprache gehaltene Umschreibung dessen geben, was ein „trust" ist.

117. Der Satzbestandteil „aufgrund eines Gesetzes oder durch schriftlich

vorgenom-

menes oder schriftlich bestätigtes Rechtsgeschäft" soll klarstellen, daß sich die neuen Zuständigkeitsregeln nur auf Fälle beziehen, in denen nach den Rechten Irlands und des V. K . ein „ t r u s t " ausdrücklich begründet werden kann oder für die er vom geschriebenen Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Dies festzuhalten ist deshalb wichtig, weil diese Rechte viele Probleme, welche die kontinentalen Rechtsordnungen in systemkonformer Weise ganz anders bewältigen müssen, durch Annahme von sogenannten „constructive" oder „implied" „trusts" lösen. Rolf A. Schütze

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Wo letztere eine Rolle spielen, ist Artikel 5 Nr. 6 n. F. unanwendbar, etwa soweit man den Verkäufer vor Eigentumsübertragung, aber nach Abschluß des Kaufvertrags, als „trustee" im Interesse des Käufers betrachtet —> Nr. 172. Gesetzlich angeordnete „trusts" sind in übrigen selten, soweit der Anwendungsbereich des EuGVÜ in Frage steht. Da ζ. B. im V. K. Kinder nicht Eigentümer von Grundstücken sein können, entsteht etwa kraft Gesetzes zu ihrem Gunsten ein „trust", wenn die Voraussetzungen eines Tatbestands vorliegen, der bei Beteiligung von Erwachsenen Immobiliareigentum entstehen läßt. 118. Die neue Bestimmung ist nicht ausschließlich gemeint. Sie begründet vielmehr nur einen zusätzlichen Gerichtsstand. Der nach Korsika verzogene „trustee" —» Nr. 113 kann auch dort verklagt werden. Jedoch ist es dem Gründer eines „trust" unbenommen, einen ausschließlichen Gerichtsstand festzulegen Nr. 174. 119. Wird in einem Vertragsstaat eine Klage erhoben, die sich auf einen „trust" bezieht, der einer fremden Rechtsordnung untersteht, so taucht die Frage auf, nach welchem Recht zu beurteilen ist, wo sein „domicile" liegt. In der Neufassung von Artikel 53 ist der gleiche Maßstab vorgeschlagen, den das EuGVÜ für die Ermittlung des Sitzes einer Gesellschaft vorgesehen hat. Im Verhältnis der Rechtsordnungen von England und Wales, Schottlands, Nordirlands und Irlands ist die Anwendung dieser Bestimmung nicht schwierig. In den kontinentalen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft bestehen derzeit internationalprivatrechtliche Regeln dazu, wo ein „trust" sein „domicile" hat, nicht. Solche Regeln muß die Rechtsprechung dort entwickeln, um das EuGVÜ in seiner auf „trusts" bezogenen Regelung anwenden zu können. Hierbei stehen zwei Möglichkeiten offen. Man kann einmal sagen, wo ein „trust" sein „domicile" habe, richte sich nach der Rechtsordnung, welcher er unterstehe. Man kann sich aber auch auf den Standpunkt stellen, hierfür sei die eigene lex fori des angerufenen Gerichts maßgebend; in deren Rahmen gelte es dann, eigene Kriterien zu entwickeln. 120. Die in Artikel 16 begründeten ausschließlichen Zuständigkeiten haben grundsätzlich Vorrang vor dem neuen Artikel 5 Nr. 6. Allerdings ist es nicht ganz einfach, die genaue Tragweite des Vorrangs zu ermitteln. Meist spielen bei Rechtsstreitigkeiten aus dem Innenverhältnis eines „trust" die in den genannten Vorschriften erwähnten Rechtsbeziehungen, wenn überhaupt, nur inzident eine Rolle. Ein „trustee" bedarf zu manchen Verwaltungsmaßnahmen gerichtlicher Genehmigung. Auch wenn es sich um die Verwaltung von Grundstücken handelt, haben entsprechende Anträge an das Gericht nicht das dingliche Recht des „trustee", sondern seine treuhänderische Gebundenheit zum Gegenstand. Artikel 16 Nr. 1 ist unanwendbar. Man könnte aber daran denken, daß sich zwei Personen darüber streiten, wer „trustee" eines Grundstücks ist. Klagt die eine von den beiden gegen die andere vor deutschen Gerichten mit dem Ziel, der Beklagte solle der Löschung seiner im Grundbuch stehenden Eintragung als Eigentümer eines Grundstücks und der Eintragung des Klägers als wirklichem Eigentümer zustimmen, dann sind die deutschen Gerichte sicherlich nach Artikel 16 Nr. 1 oder 3 ausschließlich zuständig. Wird indes auf Feststellung geklagt, daß eine bestimmte Person „trustee" eines bestimmten „trust" ist, zu dem ein Inbegriff von Sachen gehört, so wird nicht etwa Artikel 16 Nr. 1 deshalb anwendbar, weil sich unter diesen Sachen auch ein Grundstück befindet.

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Schlosser-Bericht

III.

Seegerichtsbarkeit

121. Die Ausübung von Gerichtsbarkeit in seerechtlichen Fällen spielt für das V . K . von alters her eine sehr viel größere Rolle als für die kontinentalen Staaten der Gemeinschaft. Die Abgrenzung der internationalen Zuständigkeit der Gerichte ist, so wie sie sich im V. K. entwickelt hat, prägend für die Weltseegerichtsbarkeit geworden. Das hat sich nicht zuletzt in den Brüsseler Übereinkommen von 1952 und 1957 —> Nr. 2 3 8 niedergeschlagen. Die Ausübung von Seegerichtsbarkeit auf die Zuständigkeiten zu beschränken, die in der ursprünglichen Fassung des E u G V Ü niedergelegt sind, ist nicht sachgerecht. Ist ein Schiff in einem Staat wegen eines international als Seeforderung anerkannten Anspruchs beschlagnahmt worden, so ist es dem Gläubiger nicht recht zuzumuten, sein Recht in der Hauptsache vor den Gerichten am Wohnsitz des Reeders zu suchen. Die Expertengruppe hat lange Zeit erwogen, aus diesem Grund in den 2. Titel die Aufnahme eines besonderen Abschnitts über Seegerichtsbarkeit vorzuschlagen. Artikel 36 des Beitrittsübereinkommens zum EuGVÜ geht auf einen dafür ausformulierten Entwurf zurück —» Nr. 131. In den parallel geführten Verhandlungen zu Artikel 5 7 EuGVÜ konnte jedoch eine allseits akzeptierte Klarstellung erzielt werden, die den Mitgliedstaaten eines Seerechtsübereinkommens ermöglicht, darin vorgesehene Zuständigkeiten auch gegenüber Bewohnern eines Staates der Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen, der dem Übereinkommen nicht angehört —» Nr. 2 3 8 ff. Zudem unterstützen alle Delegationen eine gemeinsame Empfehlung an die Staaten der Gemeinschaft, dem wichtigsten der seerechtlichen Übereinkommen, nämlich dem Brüsseler Übereinkommen vom 10. Mai 1952 —» Nr. 2 3 8 , beizutreten. In der Zuversicht, daß die gemeinsame Empfehlung beschlossen und verwirklicht werden wird, hat die Expertengruppe ihre Pläne für einen Abschnitt über Seegerichtsbarkeit wieder fallengelassen. Dies geschah nicht zuletzt auch im Interesse der Übersichtlichkeit des E u G V Ü und einer klaren Abgrenzung seines Regelungsbereichs von dem anderer Übereinkommen. Es blieben aber zwei regelungsbedürftige Fragen, weil sie von den Brüsseler Übereinkommen von 1952 und 1 9 5 7 nicht oder nur unvollkommen behandelt werden: gerichtliche Zuständigkeiten aufgrund einer Beschlagnahme von Ladung oder Fracht nach Bergung oder Hilfeleistung (Artikel 5 Nr. 7 n. F.) (siehe nachstehend Abschnitt 1.) und Klagen im Zusammenhang mit seerechtlichen Haftungsbeschränkungen (Artikel 6 a n. F.) (siehe nachstehend Abschnitt 2.). Bis zum Beitritt Dänemarks und Irlands zum Brüsseler Arrestübereinkommen vom 10. M a i 1952 mußte auch eine Übergangsregelung getroffen werden (siehe nachstehend Abschnitt 3.). Schließlich war noch eine Besonderheit zu regeln, die nur Dänemark und Irland betrifft (siehe nachstehend Abschnitt 4.). 1. Gerichtliche Zuständigkeiten aufgrund einer Beschlagnahme von Ladung oder Fracht nach Bergung oder Hilfeleistung 122. a) Das Brüsseler Übereinkommen von 1952 erlaubt unter anderem die Inanspruchnahme einer gerichtlichen Zuständigkeit in dem Staat, in dem ein Schiff zugunsten einer Seeforderung aus Bergung oder Hilfeleistung (Artikel 7 Absatz 1 Ziffer 2) mit Arrest belegt worden ist. Im Hintergrund dieser Vorschrift steht eine materielle Regelung. Der Bergungsunternehmer genießt wegen des Bergungslohns ein Haftungsvorrecht am Schiff. Ein gleiches Vorrecht kann einem Bergungsunternehmer an der Ladung eines Schiffes zustehen. Diese ist Rolf A. Schütze

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dann wirtschaftlich interessant, wenn nicht das Schiff, wohl aber die Ladung gerettet werden konnte oder wenn das gerettete Schiff so stark beschädigt ist, daß sein Wert die Höhe des Bergungslohns nicht mehr erreicht. Immerhin kann der Wert der Ladung eines modernen Supertankers beträchtlich sein. Schließlich können Haftungsvorrechte auch an Frachtansprüchen bestehen. Wird Fracht nur für den Fall einer unversehrten Ankunft der Ladung am Bestimmungsort geschuldet, dann ist es angezeigt, den Bergungsunternehmer sich vorrangig aus dem fraglichen Anspruch befriedigen zu lassen, der durch seinen Eingriff erhalten blieb. Das Recht im V. K. sieht aus diesem Grund vor, daß ein Bergungsunternehmer die geborgene Ladung oder den durch seinen Eingriff erhalten gebliebenen Frachtanspruch mit Arrest belegen lassen und vor dem dafür zuständigen Gericht auch das Verfahren zur abschließenden Klärung seiner Bergungslohnansprüche anstrengen kann. Eine solche Zuständigkeitsregel ist in gleicher Weise der Materie angepaßt wie die Vorschriften in Artikel 7 des Brüsseler Übereinkommens von 1952. Da es ein über Artikel 57 weiterhin anwendbares internationales Übereinkommen über die Beschlagnahme von Ladung und Fracht nicht gibt, würde sich auf diesem Gebiet mit dem Inkrafttreten des EuGVÜ für das V. K. eine nicht zu vertretende Verschiebung gerichtlicher Zuständigkeiten ergeben, wollte man auf eine Sonderbestimmung verzichten. 123. b) Die vorgeschlagene Lösung überträgt den Grundgedanken von Artikel 7 des Brüsseler Arrestübereinkommens von 1952 auf die gerichtliche Zuständigkeit nach Beschlagnahme von Ladung oder Frachtansprüchen. Nach Artikel 24 EuGVÜ sind zwar die Möglichkeiten für die nationalen Gesetze, einstweiligen Rechtsschutz und daher auch Arreste zu gewähren, nicht beschränkt. An den angeordneten oder vollzogenen Arrest Zuständigkeiten in der Hauptsache zu knüpfen, ist ihnen jedoch verwehrt. Die jetzt in Artikel 5 Nr. 7 Buchstabe a) getroffene Ausnahme davon ist auf einen Arrest beschränkt, der zugunsten eines Bergungs- oder Hilfeleistungsanspruchs ausgebracht worden ist. Buchstabe b) derselben Vorschrift bringt eine Erweiterung der Zuständigkeit, die im Brüsseler Übereinkommen von 1952 kein ausdrückliches Vorbild hat. Er ist Frucht der praktischen Erfahrung. Nach Bergung oder Hilfeleistung - gleich ob Schiff, Ladung oder Fracht in Frage stehen - wird der Arrest mitunter angeordnet, die effektive Arrestpfändung aber unterlassen, weil Sicherheit geleistet wurde. Dies muß für die Begründung von Zuständigkeit in der Hauptsache ausreichen. Die Vorschrift soll eine Zuständigkeit nur zur Entscheidung über Ansprüche begründen, die durch das Haftungsvorrecht gesichert sind. Hat der Reeder eines in Not geratenen Schiffes einen Bergungs- oder Hilfeleistungsvertrag abgeschlossen, wozu er dem Eigentümer der Ladung häufig verpflichtet sein wird, so unterfallen die daraus entstehenden Streitigkeiten der Vorschrift nicht. 2. Gerichtliche Zuständigkeiten zur Anordnung einer Haftungsbeschränkung 124. Sehr schwierig ist es, darüber Aussagen zu machen, wie sich die Anwendung von Artikel 57 EuGVÜ mit derjenigen des internationalen Übereinkommens vom 10. Oktober 1957 über die Beschränkung der Haftung der Eigentümer von Seeschiffen (34) —> Nr. 128 a.E. und mit den entsprechenden nationalen Rechtsregeln zusammenfügt. Das genannte Übereinkommen enthält nämlich 920

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keine ausdrücklich die Regelung der internationalen Zuständigkeit oder der Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen unmittelbar betreffende Vorschriften. Die Expertengruppe betrachtete es nicht als ihre Aufgabe, die durch dieses Übereinkommen aufgeworfenen Fragen systematisch darzustellen und Vorschläge zu ihrer Lösung zu erarbeiten. In einigen Punkten würde es sich jedoch besonders mißlich auswirken, wenn die im Übereinkommen von 1957 bezüglich der gerichtlichen Zuständigkeiten gebliebenen Lücken auch in den Anwendungsbereich des EuGVÜ übertragen und dort nach dessen allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften geschlossen würden. Im Zusammenhang mit der seerechtlichen Haftungsbeschränkung müssen drei verschiedene Aspekte unterschieden werden. Einmal existiert ein Verfahren zur Errichtung des Haftungsfonds und seiner Verteilung. Z u m anderen muß die Berechtigung der gegen den Schiffseigentümer gerichteten Schadenersatzforderung gerichtlich festgestellt werden. Schließlich ist von beidem die Geltendmachung der Haftungsbeschränkung für eine bestimmte Forderung zu unterscheiden.

Die rechtstechnische Verzahnung der drei möglichen Verfahrensziele ist in den Rechtsordnungen der Gemeinschaft verschieden. 125. Nach dem einen System, dem vor allen das V. K. anhängt, kann die Haftungsbeschränkung nur durch Klage geltend gemacht werden, die gegen einen der Anspruchsprätendenten gerichtet ist - durch Hauptklage oder, wenn Klage gegen den Schiffseigentümer schon erhoben ist, durch Widerklage. Beim Gericht, das mit einer Haftungsbeschränkung befaßt ist, wird der Haftungsfonds errichtet. Bei diesem Gericht müssen auch die übrigen Anspruchsprätendenten ihre Forderung anmelden. 126. Nach der anderen Ausgestaltung, die beispielsweise in Deutschland gilt, ist das Haftungsbeschränkungsverfahren nicht durch eine Klage gegen einen Anspruchsprätendenten einzuleiten, sondern durch schlichten Antrag, der sich „gegen" niemanden richtet und zur Errichtung des Fonds führt. Wird dem Antrag stattgegeben, müssen alle Anspruchsprätendenten ihre Forderungen bei diesem Gericht anmelden. Kommt es zu Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der angemeldeten Forderungen, so müssen sie in einem besonderen Verfahren ausgetragen werden, das die Form einer Klage des Prätendenten gegen den bestreitenden Fondsverwalter, Gläubiger oder Schiffseigentümer annimmt. Auch in diesem System ist aber wegen der Haftungsbeschränkung eine selbständige Klage des Schiffseigentümers gegen einen Anspruchsprätendenten denkbar. Sie führt aber nicht zur Errichtung des Haftungsfonds oder, zu einer bereits akut werdenden Haftungsbeschränkung, sondern nur zur Feststellung der Beschränkbarkeit der Haftung für den Fall eines künftigen Haftungsbeschränkungsverfahrens. 127. Der neue Artikel 6 a bezieht sich weder auf eine Klage des Geschädigten gegen den Schiffseigentümer, Fondsverwalter oder konkurrierende Forderungsprätendenten, noch auf das Sammelverfahren zur Errichtung und Verteilung des Haftungsfonds, sondern lediglich auf die selbständige Klage, welche der Schiffseigentümer gegen einen Anspruchsprätendenten erhebt (a). Im übrigen sind die bisherigen Vorschriften des EuGVÜ auch auf Verfahren anwendbar, die es mit einer seerechtlichen Haftungsbegrenzung zu tun haben (b). 128. a) Die Beschränkung oder die Beschränkbarkeit der Haftung eines Schiffseigen-

tümers kann in allen Rechtsordnungen der Gemeinschaft nicht nur verteidi-

gungsweise

geltend gemacht

werden. Sieht der Eigentümer eines Schiffes eine R o l f A. Schütze

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Haftungsklage auf sich zukommen, kann er ein Interesse daran haben, von sich aus auf Feststellung zu klagen, er hafte für die Forderung nur beschränkt oder beschränkbar. Er kann dann einen der durch Artikel 2 bis 6 begründeten Gerichtsstände wählen. Am Gericht seines Wohnsitzes kann er aufgrund dieser Vorschriften nicht klagen. Da aber die Forderung vor diesem Gericht gegen ihn eingeklagt werden könnte, ist es zweckmäßig, ihm auch diesen Gerichtsstand zur Verfügung zu stellen. Diese Möglichkeit offenzuhalten, dient Artikel 6 a. Zudem ist dies, sieht man vom Brüsseler Übereinkommen von 1952 ab, der einzige Gerichtsstand, an dem der Schiffseigentümer alle seine Haftungsbegrenzungsklagen sinnvollerweise konzentrieren kann. Für das englische Recht —» Nr. 125 hat das zur Konsequenz, daß bei diesem Gericht auch der Haftungsfonds errichtet und das Verteilungsverfahren durchgeführt werden kann. Artikel 6 a stellt zusätzlich klar, daß eine individuelle Haftungsbeschränkungsklage des Schiffseigentümers auch in jedem anderen Gerichtsstand erhoben werden kann, in welchem die Forderung einklagbar ist. Gleichzeitig ermächtigt er die nationalen Gesetzgeber dazu, anstelle eines solchen auf ihr Territorium verweisenden Gerichtsstands eine andere Zuständigkeit auf ihrem Staatsgebiet vorzusehen. 129. b) Für Klagen, welche die grundsätzliche Begründetheit der gegen den Schiffseigentümer gerichteten Forderung zum Gegenstand haben, gelten nur die Artikel 2 bis 6. Immer ist auch Artikel 22 anwendbar. Ist ein Verfahren zur Begrenzung der Haftung in einem Staat eingeleitet worden, so kann der im Einzelprozeß in einem anderen Staat wegen der Feststellung der Forderung oder wegen der Beschränkbarkeit der Haftung angegangene Richter das Verfahren aussetzen oder sich sogar für unzuständig erklären. 130. c) Von der Frage der Zuständigkeit scharf zu trennen ist die Frage, welches materielle Haftungsbeschränkungsrecht anzuwenden ist. Es braucht dies nicht das Recht des Staates zu sein, dessen Gerichte für die Geltendmachung der Haftungsbeschränkung zuständig sind. Das auf die Haftungsbeschränkung anwendbare Recht sagt auch Genaueres darüber, für welche Ansprüche überhaupt eine Haftungsbeschränkung geltend gemacht werden kann. 131. 3. Übergangsregelung Zwar hoffen alle Delegationen, daß Dänemark und Irland dem Brüsseler Übereinkommen vom 10. Mai 1952 —> Nr. 121 beitreten werden. Jedoch wird dies naturgemäß eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Fairerweise muß man eine Frist von drei Jahren nach Inkrafttreten des EuGVÜ-Beitrittsübereinkommens gewähren. Es wäre hart, wenn man in dieser Zeit in den zwei genannten Staaten die Zuständigkeit in Seerechtsfällen auf das beschränken wollte, was die Artikel 2 bis 6 a zulassen. In Artikel 36 des EuGVÜ-Beitrittsübereinkommens ist daher zugunsten dieser Staaten eine Übergangsregelung getroffen worden. Ihr Text stimmt, von redaktionellen Umformulierungen abgesehen, mit dem überein, was die Expertengruppe ursprünglich im besonderen Seerechtsabschnitt generell zur Zuständigkeit aufgrund einer Beschlagnahme von Seeschiffen empfehlen wollte. Sie hatte sich hierbei - so gut wie vollkommen - an die im Brüsseler Arrestübereinkommen getroffene Regelung angelehnt —> Nr. 121. Der beschränkte zeitliche Geltungsbereich der Übergangsbestimmung rechtfertigt einen ausführlichen Kommentar zu den einzelnen Textabweichungen vom genannten Übereinkommen nicht. 922

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Schlosser-Bericht

132. 4. Streitigkeiten zwischen Seeleuten und Kapitän Der neue Artikel V b des Zusatzprotokolls zum EuGVÜ geht auf einen dänischen Wunsch zurück, der seinen Grund in einer dänischen Tradition hat. Diese ist heute im dänischen Seemannsgesetz Nr. 420 vom 18. Juni 1973 niedergelegt, wonach Streitigkeiten zwischen einem Seemann und einem Kapitän auf einem dänischen Schiff ausländischen Gerichten nicht unterbreitet werden dürfen. In Konsularverträgen Dänemarks mit anderen Staaten ist dem gelegentlich auch Rechnung getragen. Einem ausdrücklichen Wunsch der irischen Delegation folgend ist der Anwendungsbereich der Vorschrift auf irische Schiffe ausgedehnt worden.

IV. Sonstige

Einzelfragen

133. 1. Der Erfüllungsort als Grundlage gerichtlicher Zuständigkeit Im Laufe der Verhandlungen stellte sich heraus, daß die französische und niederländische Fassung von Artikel 5 Nr. 1 in bezug auf die Bezeichnung der maßgebenden Verpflichtungen weniger spezifisch als die deutsche und italienische waren. Sie konnten dem Mißverständnis Vorschub leisten, auch andere Leistungspflichten seien gemeint als diejenigen, welche gerade Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens sind. Die Neufassung des französischen und des niederländischen Textes soll diesem Mißverständnis vorbeugen 35 . 134. 2. Gerichtsstand des Delikts Artikel 5 Nr. 3 begründet den besonderen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung. Seine Formulierung geht von dem Vorstellungsbild einer bereits geschehenen unerlaubten Handlung aus und spricht von dem Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Die Rechtsordnungen mancher Staaten kennen im Bereich der unerlaubten Handlungen aber auch präventive Klagen. Dies gilt etwa, wenn es darum geht, die Veröffentlichung eines beleidigenden Druckwerks oder den Handel mit Waren verbieten zu lassen, die unter Verletzung von Vorschriften des Patentrechts oder des gewerblichen Rechtsschutzes hergestellt oder aufgemacht worden sind. Vor allem die Rechte des V. K. und Deutschlands kennen solche Möglichkeiten. Ohne jeden Zweifel ist Artikel 24 anwendbar, wenn die Gerichte in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes angegangen werden, auch wenn ihre Entscheidungen faktisch definitiv wirken. Manches spricht dafür, daß Klagen, die im ordentlichen Hauptsacheverfahren zur Unterbindung eines drohenden Delikts möglich sind, auch im Gerichtsstand des Artikels 5 Nr. 3 erhoben werden können. 135. 3. Streitgenossenschaft und Regressklagen Der Begriff „Interventions"-Klage in Artikel 6 Nr. 2 orientiert sich an einem Rechtsinsitut, das den Rechtsordnungen der ursprünglichen Mitgliedstaaten, mit Ausnahme von Deutschland, gemeinsam ist. Allerdings ist eine Zuständigkeitsbestimmung, die sich an der Eigenschaft einer Klage als einer Interventionsklage ausrichtet, für sich allein nicht anwendbar. Sie bedarf zwangsläufig der Ergänzung durch Rechtsnormen, die bestimmen, wann welche Rolf A. Schütze

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Personen in welcher Parteirolle mit welchem Ziel in ein gerichtliches Verfahren einbezogen werden können. Daher bleiben auch die den Rechtsordnungen der neuen Mitgliedstaaten bekannten oder in Zukunft zuwachsenden Rechtsregeln über die Einbeziehung dritter Parteien in ein Verfahren vom EuGVÜ unberührt.

3. Abschnitt Zuständigkeiten für Versicherungssachen 136. Der Beitritt des V.K. hat dem in der Europäischen Gemeinschaft ansässigen Versicherungsgewerbe eine bisher nicht existierende Dimension gebracht. Lloyds in London besitzt einen erheblichen Anteil am Markt der internationalen Groß Versicherungen36. Unter Hinweis darauf erbat das V. K. eine Reihe von Anpassungen. Hauptargument war, daß die in Artikel 7 bis 12 zum Schutz des Versicherungsnehmers geschaffenen Bestimmungen unnötig seien, soweit Versicherungsnehmer mit Wohnsitz außerhalb der Gemeinschaft (I) oder wirtschaftlich potenten Zuschnitts (II) in Frage stünden. Das V. K. fürchtete, die Versicherungsunternehmen der Gemeinschaft könnten, wenn man auf eine Änderung des EuGVÜ verzichtete, gezwungen sein, höhere Versicherungsprämien zu verlangen als ihre Konkurrenten aus anderen Staaten. Zusätzliche Gründe gab es darüber hinaus jeweils für die verschiedenen Anpassungswünsche. Für Verträge mit Versicherungsnehmern mit Wohnsitz außerhalb der Gemeinschaft wollte das V.K. die uneingeschränkte Möglichkeit für Gerichtsstandsvereinbarungen deshalb gewährleistet sehen, damit zwingenden Vorschriften im Heimatrecht vieler Geschäftspartner der englischen Versicherungswirtschaft Rechnung getragen werden kann (I). Die Anpassungswünsche bezögen sich zum anderen - vor allem in Verbindung mit den beiden übrigen Anpassungswünschen - auf die Artikel 9 und 10, deren Tragweite nicht recht klar erschien (III). Dazu trat eine Reihe kleinerer Anpassungswünsche (IV). Der ursprünglich zu den beiden ersten Problemen geäußerte Wunsch des V. K., die fraglichen Versicherungssachen vom Anwendungsbereich der Artikel 7 bis 12 auszunehmen, war freilich - gemessen an der Grundeinstellung des Übereinkommens - zu weitgehend. Insbesondere waren einige Elemente aus dem Kreis der nicht abdingbaren Zuständigkeitsbestimmungen, für die verschiedenen Versicherungsarten differenziert, aufrecht zu erhalten —» Nrn. 138, 139 und 143. Im übrigen aber mußte der besonderen Struktur der britischen Versicherungswirtschaft Rechnung getragen werden, nicht zuletzt deshalb, um diese nicht zu verleiten, systematisch in die Schiedsgerichtsbarkeit auszuweichen. Obwohl das EuGVÜ die Möglichkeit schiedsrichterlicher Streitbeilegung nicht beschränkt —> Nr. 63, sollte sich das staatliche Recht gleichwohl davor hüten, Schiedsgerichtsbarkeit lediglich dadurch zu fördern, daß sich die Organisation der staatlichen Justiz für die Beteiligten als zu umständlich und risikobehaftet ausnimmt. Die Arbeitsgruppe ist daher den Weg gegangen, in Versicherungssachen die Möglichkeit von Zuständigkeitsvereinbarungen zu erweitern. Wegen der Form solcher Vereinbarungen —» Nr. 176. 924

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I. Versicherungsverträge von Versicherungsnehmern außerhalb der Gemeinschaft

mit Wohnsitz

137. W i e die in N o t e 3 6 mitgeteilten Zahlen belegen, spielen Versicherungsverträge mit Versicherungsnehmern außerhalb der Gemeinschaft für die britische Versicherungswirtschaft eine überragende Rolle. D a s E u G V Ü regelt nicht ausdrücklich, in welchem Umfang solche Verträge Gerichtsstandsvereinbarungen enthalten können. Artikel 4 betrifft nur den vergleichsweise seltenen Fall, d a ß der Versicherungsnehmer im späteren Prozeß die Rolle des Beklagten hat. Soweit die Zuständigkeit von Gerichten außerhalb der Gemeinschaft vereinbart werden soll, erhebt sich zudem die allgemeine Frage, welchen Schranken solche Vereinbarungen im Hinblick auf die im E u G V Ü begründeten ausschließlichen Zuständigkeiten N r n . 148, 1 6 2 ff. begegnen. Vor allem aber erschienen in diesem Z u s a m m e n h a n g die als unabdingbar ausgewiesenen Zuständigkeiten problematisch, die in Artikel 9 und 10 begründet sind. Insoweit freilich war die Frage nicht auf Versicherungsverträge mit außerhalb der Gemeinschaften wohnhaften Personen beschränkt. Sie stellt sich vielmehr allgemein für Gerichtsstandsvereinbarungen, die nach Artikel 12 zugelassen sind. Wegen der großen Tragweite, welche die Frage der Gerichtsstandsvereinbarungen mit Versicherungsnehmern von außerhalb der Gemeinschaft für das Vereinigte Königreich hat, war es notwendig, den Grundsatz der prinzipiellen Zulässigkeit solcher Prorogationsabreden im Übereinkommen ausdrücklich zu verankern. Wenn also ein Versicherungsnehmer mit Wohnsitz außerhalb der Gemeinschaft in England ein Risiko versichert, dann können grundsätzlich unter anderem sowohl die englischen als auch die Gerichte am Wohnsitz des Versicherungsnehmers für ausschließlich zuständig erklärt werden. In zweifacher Weise mußte freilich in Artikel 12 Nr. 4 n. F. die grundsätzliche Regel wieder eingeschränkt werden. 138. 1. Pflichtversicherung

Wenn zum Abschluß einer Versicherung eine gesetzliche

Verpflichtung besteht,

kann wegen der der Versicherungspflicht unterworfenen Risiken von den Bestimmungen der Artikel 8 - 1 1 auch dann nicht abgewichen werden, wenn der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz außerhalb der Gemeinschaft hat. Ist eine in der Schweiz w o h n h a f t e Person Halter eines P k w mit regelmäßigem Standort in Deutschland, so m u ß das Fahrzeug nach M a ß g a b e des deutschen Rechts haftpflichtversichert werden. Vereinbarungen über den Gerichtsstand kann ein solcher Versicherungsvertrag mit W i r k u n g für Unfälle, die sich in Deutschland ereignen, nicht enthalten. Die Möglichkeit, deutsche Gerichte anzurufen (Artikel 8), kann vertraglich nicht ausgeschlossen werden. Dies gilt, obwohl das einschlägige deutsche Gesetz über die Pflichtversicherung vom 5. April 1 9 6 5 (BGBl. I 2 1 3 ) selbst Gerichtsstandsvereinbarungen nicht verbietet. Allerdings verhindert das deutsche Recht das Z u s t a n d e k o m m e n von Gerichtsstandsvereinbarungen im Pflichtversicherungsbereich faktisch dadurch, d a ß Versicherungsbedingungen mit einem solchen Bestandteil nicht genehmigt werden. Obligatorisch zu versichernde Risiken sind ζ. B. in folgenden Mitgliedstaaten der Gemeinschaft für folgende Gegenstände, Anlagen, Tätigkeiten und Berufe vorgesehen, ohne daß hier absolute Vollständigkeit in der Aufzählung angestrebt werden soll: Rolf A. Schütze

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BUNDESREPUBLIK

DEUTSCHLAND37:

1. Bund Ha/ipflichtversicherungen für Kraftfahrzeughalter, Luftverkehrsunternehmer, Jäger, Inhaber von Atomanlagen und Umgang mit Kernbrennstoffen und sonstigen radioaktiven Stoffen, Güterkraftverkehr, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Bewachungsgewerbe, Träger von Kranken-, Säuglings-, Kinderpflegeund Hebammenschulen, Kraftfahrzeugsachverständige, Notarkammern für Notariatswesen, Träger der Entwicklungshilfe, Schausteller, pharmazeutische Unternehmer; Lebensversicherung für Schornsteinfegermeister; [/«^//Versicherung für Luftverkehrsunternehmer und Nießbraucher; Feuerversicherung für Eigentümer von Gebäuden, die mit Abgeltungslasten beschwert sind, Nießbraucher, Lagerhalter, Pfandleiher; Sachversicherung für Pfandleiher; Versorgungswerke für Bühnen, Kulturorchester, Bezirksschornsteinfegermeister, Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst. 2. Länder In den Ländern der Bundesrepublik Deutschland existieren, ohne daß Einheitlichkeit bestünde, als Pflichtversicherungen vor allem Feuerversicherungen für Gebäude und Versorgungswerke für Landwirte und freie Berufe (Ärzte, Apotheker, Architekten, Notare) und (ζ. B. Bayern) für Kaminkehrergesellen sowie ζ. B. eine Ruhelohnkasse für Arbeitnehmer der Freien Hansestadt Bremen (Zusatzversorgung). In Bayern existiert eine Schlachtviehpflichtversicherung. BELGIEN: Haftpflicht von bzw. für: Kraftfahrzeuge, Jäger, Nuklearanlagen, Unfallschäden bei Arbeitsunfällen und Transportunfällen (im Falle entgeltlicher Beförderung durch ein Kraftfahrzeug). DÄNEMARK: Haftpflicht von bzw. für: Kraftfahrzeuge, Hunde, Nuklearanlagen, Wirtschaftsprüfer. FRANKREICH: Haftpflicht von bzw. für: Betrieb von Schiffen oder von Kernenergie, Kraftfahrzeuge, Betrieb von Seilbahnen und mechanischen Aufstiegshilfen, Jäger, Grundstücksmakler, Vermögensverwalter, Hausverwalter bei Miteigentum, Geschäftsberater, Betrieb von Sporthallen, Buchsachverständiger, Gegenseitigkeitshilfe in der Landwirtschaft, Rechtsberater, Anstalten für Leibeserziehung und Schüler, Betrieb von Tanzsälen, Geschäftsführer von Apotheken in Form einer S.a.r.l. (Gesellschaft mit beschränkter Haftung), Bluttransfusionsanstalten, Architekten, Kraftfahrzeugsachverständige, Landwirte. LUXEMBURG: Haftpflicht von bzw. für: Kraftfahrzeuge, Jäger und Jagdveranstalter, Hotelbetriebe, Nuklearanlagen, Feuer- und Diebstahlversicherung der Hotelbetriebe, Versicherung gegen Viehbeschlagnahme in Schlachthäusern. 926

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NIEDERLANDE: Haftpflicht für Kraftfahrzeuge, Nuklearanlagen, Tanker. VEREINIGTES

KÖNIGREICH:

Haftpflicht gegenüber Dritten für Kraftfahrzeuge, Haftpflicht des Arbeitgebers für Arbeitsunfälle, Versicherung von Nuklearanlagen, Versicherung der in britischen Registern eingetragenen Schiffe für den Fall von Umweltverschmutzung durch Erdöl, Pflichtversicherung ζ. B. für Anwälte und Versicherungsmakler. 139. 2. Grundstücksversicherung Die zweite am Schluß von Nr. 137 erwähnte Ausnahme soll vor allen Dingen die Anwendbarkeit von Artikel 9 auch dann sicherstellen, wenn der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz außerhalb der Gemeinschaft hat. Jedoch wirkt die Ausnahmebestimmung weiter. Sie verbietet auch eine Gerichtsstandsvereinbarung, der zufolge ausschließlich die in Artikel 9 genannten Gerichte zuständig sein sollen. Gerichtsstandsvereinbarungen sind im übrigen im Bereich dieser Ausnahmeregelung auch dann unwirksam, wenn das nationale Recht des Staates, in welchem das Grundstück liegt, eine Prorogation gar nicht für unzulässig erklärt.

II. Großversicherungen, insbesondere See- und

Luftfahrtversicherung

140. Der Wunsch des Vereinigten Königreichs nach Sonderregelungen für Großversicherungen war wohl das Problem, welches der Sachverständigengruppe am meisten Schwierigkeiten bereitete. Ausgangspunkt des britischen Wunsches war die Erkenntnis, daß der soziale Schutzgedanke, welcher hinter der Eindämmung von Gerichtsstandsklauseln im Versicherungsrecht steht, dann nicht mehr gerechtfertigt ist, wenn auch als Versicherungsnehmer potente Unternehmungen auftreten. Die Schwierigkeit besteht nur darin, ein geeignetes Abgrenzungskriterium zu finden. Sich abstrakt-generell nach Unternehmenskapital oder Umsatz auszurichten, erwies sich schon in den Verhandlungen über die zweite Versicherungsrichtlinie als unmöglich. Es konnte sich also nur darum handeln, gegenständlich-vertypte Versicherungsverträge herauszuarbeiten, an denen im allgemeinen nur Versicherungsnehmer beteiligt sind, die eines sozialen Schutzes nicht bedürfen. Von diesem Ausgangspunkt her konnten folglich gewerbliche Versicherungen nicht allgemein privilegiert werden. Das Hauptaugenmerk der Gruppe konzentrierte sich daher auf die verschiedenen Arten von Versicherungen, die mit dem Transportgewerbe zusammenhängen. In diesem Bereich besteht nämlich eine zusätzliche Rechtfertigung für die Sonderbehandlung von Gerichtsstandsvereinbarungen: Das versicherte Risiko ist in hohem Maße beweglich, Versicherungspolicen pflegen häufig und mehrmals in rascher Folge den Inhaber zu wechseln. Dies macht die durch die Unsicherheit über die anrufbaren Gerichte bedingten Schwierigkeiten in der Risikokalkulation besonders groß. Auf der anderen Seite gibt es auch in diesem Bereich Zonen sozialer Schutzbedürftigkeit. Schließlich erwies sich als besonders erschwerend der Umstand, daß auf dem Gebiet des Transports ein weitgehend integrierter Versicherungsmarkt besteht. Die verschiedenartigen Risiken Rolf A. Schütze

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für verschiedene Arten von Transporten werden in ein und derselben Police versichert. Insbesondere die englische Versicherungswirtschaft hat Rahmenpolicen entwickelt, die nur durch Meldung des Versicherungsnehmers über abgehende Transporte aller Art ausgefüllt zu werden brauchen. Aus einer Aufarbeitung all dieser Gegebenheiten ist die in der neuen Nr. 5 von Artikel 12 und ihrer Ergänzung durch Artikel 12 a festgehaltene Lösung entstanden: Gerichtsstandsvereinbarungen sind grundsätzlich privilegiert, soweit es sich um Seeversicherungen und um Luftfahrtversicherungen handelt. Für reine Landtransportversicherungen war eine irgendwie geartete Sonderregelung nicht zu rechtfertigen. Um Interpretationsschwierigkeiten und -divergenzen zu vermeiden, war ein Katalog der Versicherungsverträge nötig, für welche die Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen erweitert werden sollte. Die Idee, dieserhalb an das Versicherungsartenverzeichnis anzuknüpfen, das im Anhang zur 1. Richtlinie des Rates vom 2 4 . Juli 1 9 7 3 ( 7 3 / 2 3 9 / E W G ) enthalten ist, erwies sich nicht als tragfähig. Die dortige Einteilung ist an den Bedürfnissen der staatlichen Versicherungsverwaltung orientiert und nicht an den Erfordernissen eines privatrechtlichen Interessenausgleichs. Es blieb daher kein anderer Weg, als den Katalog für die Zwecke des Übereinkommens gesondert zu erstellen. Im einzelnen ist zu ihm und zu den in ihm nicht aufgenommenen Versicherungsarten folgendes zu bemerken: 141. 1. Artikel 12 a Nr. 1 a Die Vorschrift betrifft nicht die Haftpflicht-, sondern nur die Kaskoversicherung. Unter dem Begriff „Seeschiffe" sind alle Fahrzeuge zu verstehen, die zum Verkehr auf See bestimmt sind. Dazu gehören nicht nur „Schiffe" im traditionellen Sinne des Wortes, sondern auch auf See eingesetzte Luftkissen- und Tragflügelboote, Schlepper und Leichter. Dazu zählen darüber hinaus schwimmende Gerätschaften, die sich nicht aus eigener Antriebskraft fortbewegen können, wie ζ. B. Anlagen im Dienste der Ölsuche und -förderung, welche auf Wasser bewegt werden. Auf dem Meeresgrund fest verankerte oder zu verankernde Anlagen sind ohnehin ausdrücklich in den Text der Vorschrift aufgenommen worden. Die Vorschrift erfaßt auch im Bau befindliche Schiffe, freilich nur insoweit, als Schäden aufgrund eines See-Risikos entstanden sind. Das sind Schäden, die dadurch entstanden sind, daß sich das Objekt auf Wasser befindet; nicht also Schäden, die im Trockendock oder in den Werkhallen der Werft aufgetreten sind. 142. 2 . Artikel 12 a Nr. 1 b Wie die Nr. 1 a die Kaskoversicherung von Schiffen und Flugzeugen, so betrifft die Nr. 1 b die Wertversicherung von Transportgütern, nicht die Haftpflichtversicherung für Schäden, die von ihnen ausgehen. Die wichtigste Einzelentscheidung, die im Zusammenhang mit dieser Regelung getroffen wurde, steckt in dem Zusatz „ganz oder teilweise". Dieser rührt daher, daß Transportgüter bis zu ihrer Ankunft am Bestimmungsort häufig nicht nur mit ein und demselben Transportmittel befördert werden. Land-, See- und Lufttransporte können aufeinander folgen. Es würde unvertretbare Komplikationen in die Vertragsgestaltung der Versicherungswirtschaft und ihre Schadensregulierung tragen, wenn immer genau danach unterschieden werden müßte, in welchem 928

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Transportabschnitt ein Schaden entstanden ist. Dies ist obendrein häufig gar nicht feststellbar. M a n braucht nur an den Containertransport zu denken, um zu ermessen, wie leicht ein Schaden erst am Bestimmungsort zutage tritt. Praktikabilitätserwägungen erforderten es daher, Gerichtsstandsvereinbarungen schon dann zuzulassen, wenn Waren nur teilweise zur See oder mit Flugzeugen befördert werden. Auch für den Fall, daß der Schaden nachweisbar auf dem Landabschnitt eingetreten ist, ist die durch Artikel 12 Nr. 5 n. F. ermöglichte Gerichtsstandsvereinbarung wirksam. Die Bestimmung gilt auch dann, wenn der Transport nicht über die Grenzen eines Landes hinaus geht. 143. Die sich in Nr. 2 a und b von Artikel 12 a wiederholende Unterausnahme für Personenschäden der Passagiere und Schäden an ihrem Reisegepäck rechtfertigt sich aus der typischerweise bestehenden wirtschaftlichen Verhandlungsunterlegenheit dieser Personengruppe. 144. 3. Artikel 12 a Nr. 2 a O b unter diese Bestimmungen auch sämtliche Haftpflichtversicherungsansprüche fallen, die im Zusammenhang mit Bau, Umbau oder Instandsetzung eines Schiffes ausgelöst werden, o b also von dieser Vorschrift alle Haftpflichtansprüche abgedeckt sind, die die Werft gegenüber Dritten trifft und welche durch das Schiff selbst verursacht worden sind, oder o b der Begriff „Verwendung oder Betrieb" enger verstanden werden muß und nur Haftpflichtansprüche betrifft, die während einer Probefahrt ausgelöst worden sind, ist eine Interpretationsschwierigkeit, die offenbleiben mußte. Der Vorbehalt hinsichtlich der Luftfahrzeughaftpflichtversicherung soll es den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft freistellen, den Schutz von Versicherungsnehmern und Unfallopfern vorzusehen, den sie für notwendig erachten. 145. 4 . Artikel 12 a Nr. 2 b Da es keinen Grund gibt, kombinierte Transporte bei der Haftpflicht anders zu behandeln als bei der Kaskoversicherung, ist auch insoweit unmaßgeblich, auf welchem Transportabschnitt der Haftpflichttatbestand ausgelöst wurde - > Nrn. 142 und 143. 146. 5. Artikel 12a Nr. 3 Der wichtigste Anwendungsfall dieser Bestimmung ist bereits in ihrem Text genannt: Sofern der Transportvertrag nicht etwas anderes vorsieht, verliert wegen eines Luftunfalls der Luftfrachtführer seinen Frachtanspruch, der Eigentümer gegenüber dem Charterer seine Charter. Ein anderes Beispiel ist etwa ein Schaden, der durch die verspätete Ankunft eines Schiffes eingetreten ist. Im übrigen ist der Begriff der gleiche wie der in der Richtlinie 7 3 / 2 3 9 / E W G verwendete. 147. 6. Artikel 1 2 a Nr. 4 Eine Versicherung von Zusatzrisiken ist besonders der Versicherungspraxis im V. K. vertraut. Ein Beispiel ist etwa „shipowners disbursements". Das ist eine Versicherung für außerplanmäßige Betriebskosten, etwa für die, für die Dauer eines reparaturbedingten Aufenthalts anfallenden Hafengebühren. Ein anderes Beispiel ist die Rolf A. Schütze

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Versicherung für „increased value". Damit wird der Verlust versichert, der dadurch eintreten könnte, daß eine Ladung untergeht oder beschädigt wird, die während des Transports wertvoller geworden ist. Daß ein Zusatzrisiko in der gleichen Police versichert ist wie das Hauptrisiko, zu dem es gehört, verlangt die Bestimmung nicht. Die Arbeitsgruppe hat daher bewußt eine etwas andere sprachliche Formulierung gewählt, als sie in der Richtlinie 73/239/EWG in Gestalt der dort genannten „Zusatzrisiken" vorkommt. Denn insoweit konnte nicht auf die Begriffsbestimmung in dieser Richtlinie zurückgegriffen werden, die es mit einem anderen Gegenstand, nämlich der Zulassung von Versicherungsunternehmungen, zu tun hat. 148. III. Die verbleibende Bedeutung von Artikel 9 und 10 Der überarbeitete Wortlaut von Artikel 12 behandelt ebensowenig wie der Originaltext ausführlich die Wirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen auf die besonderen Zuständigkeiten bei Versicherungssachen im Sinne des dritten Abschnitts. Jedoch ergibt sich die Rechtslage klar aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschriften des dritten Abschnitts des EuGVÜ in seiner geänderten Fassung. Gerichtsstandsvereinbarungen erfassen alle Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer, auch soweit dieser den Versicherer nach Artikel 10 Absatz 1 vor dem Gericht belangen wollte, vor dem er durch den Verletzten selbst in Anspruch genommen wird. Dritten gegenüber kann aber eine im Versicherungsvertrag vereinbarte Gerichtsstandsklausel keine Bindung erzeugen. Die Bestimmungen in Artikel 10 Absatz 2, welche sich auf die unmittelbare Klage des Geschädigten beziehen, werden daher durch Gerichtsstandsklauseln in Versicherungsverträgen nicht betroffen. Das gleiche gilt für Artikel 10 Absatz 3.

IV. Sonstige Anpassungs- und Klarstellungsprobleme

zum

Versicherungsrecht

149. 1. Mitversicherungen Die sachliche Änderung von Artikel 8 Absatz 1 betrifft die Zuständigkeit im Fall der Beteiligung mehrerer Mitversicherer am Versicherungsvertrag. Diese geschieht nämlich in üblicher Weise in der Form, daß ein federführender Versicherer den übrigen Mitversicherern gegenübersteht und jeder von ihnen nur einen u.U. sehr kleinen Teil des Risikos übernimmt. Dann ist es aber nicht gerechtfertigt, sämtliche Versicherer, einschließlich des federführenden, vor den Gerichten jeden Staates verklagbar zu machen, in dem irgendeiner der vielen Mitversicherer seinen Wohnsitz hat. Nur eine solche internationale Zuständigkeit verdient besonders begründet zu werden, die sich an den Verhältnissen des federführenden Versicherers orientiert. Die Sachverständigengruppe erwog lange, an dessen Wohnsitz anzuknüpfen. Dies hätte jedoch zur Folge gehabt, daß die übrigen Mitversicherer dort hätten verklagt werden können, auch wenn der Federführende anderwärts belangt worden ist. Eine an die Gegebenheiten des federführenden Versicherers anknüpfende zusätzliche Zuständigkeit ist nur im Interesse einer Erleichterung der Konzentration der aus einem Versicherungsfall entstehenden Verfahren gerechtfertigt. Daher bringt die Neufassung von Artikel 8 Absatz 1 die Anknüpfung an den Gerichtsstand, an dem der federführende Versicherer verklagt wird. Dort können die Mitversicherer also 930

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auch wegen ihrer Versicherungsanteile belangt werden - gleichzeitig mit dem federführenden Versicherer oder danach. Allerdings zwingt die Bestimmung nicht zur Konzentration der Verfahren. Nichts hindert den Versicherungsnehmer, die verschiedenen Mitversicherer bei verschiedenen Gerichten zu belangen. Er muß sie dann an einem der in Artikel 8 Absatz 1 Nrn. 1 und 2 n. F. vorgesehenen Gerichtsstände verklagen, wenn der federführende Versicherer freiwillig geleistet hat. Die übrigen Änderungen von Artikel 8 Absatz 1 sind rein redaktioneller Art und sollen der größeren Klarheit der Bestimmung dienen. 150. 2. Versicherungsagenten, Zweigniederlassungen Über den bisherigen Artikel 8 Absatz 2 EuGVÜ wurde deshalb gesprochen, weil seine Formulierung dem Mißverständnis Raum geben konnte, nicht nur die Einschaltung eines Versicherungsagenten des Versicherungsunternehmers solle zuständigkeitsbegründend wirken, sondern auch diejenige von unabhängigen Versicherungsmaklern, wie sie im V. K. sehr häufig tätig werden. Die Aussprache offenbarte die Überflüssigkeit der Vorschrift neben Artikel 5 Nr. 5. Die Gruppe machte daher den bisherigen Absatz 3 zum neuen Absatz 2. Die Einfügung des Zusatzes „oder sonstige Niederlassung" dient nur dazu, die redaktionelle Übereinstimmung mit Artikel 5 Nr. 5 und dem neuen Artikel 13 Absatz 3 herzustellen. Letztere Vorschrift ist neben ersterer nötig, um zu verhindern, daß Artikel 4 anwendbar wird. 151. 3. Rückversicherung Ein Rückversicherungsvertrag ist mit einem Versicherungsvertrag nicht gleichzusetzen. Daher sind die Artikel 7 bis 12 auf Rückversicherungsverträge nicht anwendbar. 152. 4. Begriff des Versicherungsnehmers („policy holder") Es zeigte sich, daß der in den bisherigen authentischen Sprachen des EuGVÜ verwandte Begriff „Versicherungsnehmer" ins Englische nicht besser als mit der Bezeichnung „policy holder" übersetzt werden konnte. Dieser Umstand darf aber nicht dem Mißverständnis Nahrung geben, daß sich nunmehr im Falle von Rechtsnachfolge die Probleme anders stellen als vor dem Beitritt der neuen Mitgliedstaaten zu diesem Übereinkommen. Keinesfalls ist nämlich immer die Person „Versicherungsnehmer", welche sich berechtigterweise im Besitz des Versicherungsscheins befindet. Zwar ist denkbar, daß die Rechtsstellung des Vertragspartners des Versicherungsunternehmens durch Erbgang oder auf sonstige Weise insgesamt auf eine andere Person übergeht. Dann ist der neue Vertragspartner „Versicherungsnehmer" geworden. Davon ist jedoch scharf der Übergang von einzelnen Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag zu unterscheiden, der vor allem in der Gestalt einer Abtretung der Versicherungssumme an den Begünstigten vorkommt. Eine solche Abtretung ist auch im voraus und bedingt, für den Fall eines Schadenseintritts etwa, möglich. Es ist in einem solchen Fall denkbar, daß dem Begünstigten mit der Abtretung des Anspruchs auf die Versicherungssumme auch der Versicherungsschein ausgehändigt wird, damit er gegebenenfalls seine Rechte gegen das Versicherungsunternehmen geltend machen kann. Mit einem solchen Vorgang wird die begünstigte Person Rolf A. Schütze

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nicht ihrerseits zum „Versicherungsnehmer". Soweit gerichtliche Zuständigkeiten an Eigenschaften des „Versicherungsnehmers" anknüpfen, ändert sich also infolge der Vorausabtretung des eventuell entstehenden Anspruchs auf die Versicherungssumme nichts, auch wenn gleichzeitig der Versicherungsschein ausgehändigt wird. 5. Zuständigkeitsvereinbarungen zwischen Vertragspartnern aus demselben Staat Wegen der in Artikel 12 Nr. 3 vorgenommenen Änderung („zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses", —> Nr. 161 a). 4. Abschnitt Zuständigkeit in Verbraucherfragen

153. I. Grundsätzliches Das EuGVÜ berücksichtigt den Gedanken des Verbraucherschutzes, sieht man von den Versicherungssachen einmal ab, nur in einem kleinen Abschnitt, nämlich dem, der den Abzahlungsgeschäften gewidmet ist. Dies entsprach dem damaligen Stand der Rechtsentwicklung in den ursprünglichen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, als in der Tat das Bewußtsein von der Schutzbedürftigkeit des Letztverbrauchers vor unangemessener Vertragsgestaltung sich zuerst in einer auf Abzahlungsgeschäfte beschränkten Weise verbreitet hatte. In der Zwischenzeit hat die Gesetzgebung in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft sich des Schutzes von Letztverbrauchern auf sehr viel breiterer Grundlage angenommen. Insbesondere ist eine allgemeine Tendenz der Verbraucherschutzgesetzgebung darauf gerichtet, Letztverbrauchern angemessene Gerichtsstände zu garantieren. Es müßte auf die Dauer zu unerträglichen Spannungen zwischen den nationalen Rechten und dem EuGVÜ führen, wenn dieses dem Letztverbraucher im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Geschäften einen wesentlichen Teil des Schutzes vorenthielte, den ihm die nationalen Rechte gewähren. Daher hat sich die Gruppe zu dem Vorschlag entschlossen, den bisherigen 4. Abschnitt des 2. Titels zu einem Abschnitt über Zuständigkeiten in Verbrauchersachen zu erweitern und hierbei für die Zukunft auch klarzustellen, daß der besondere Schutz nur zugunsten von privaten Letztverbrauchern gelten soll und nicht auch für Personen, die im Zusammenhang mit ihrer Berufstätigkeit sich zur ratenweisen Bezahlung von Leistungen verpflichten, die sie in Anspruch nehmen. Die Gruppe stand hinsichtlich des letzteren Gesichtspunktes unter dem Eindruck des auf Vorlage der französischen Cour de Cassation ausgelösten Verfahrens vor dem EuGH über die Auslegung des Begriffs „Abzahlungsgeschäfte", eines Verfahrens, dessen eines zentrale Problem in der Frage bestand, ob sich der bisherige 4. Abschnitt des 2. Titels auch auf Geschäfte bezieht, die Kaufleute als Abzahlungskäufer abgeschlossen haben (Rechtssache 150/77; Societe Bertrand/ Paul Ott KG). Das grundsätzliche Regelungsprinzip des neuen Abschnitts besteht in dem Gedanken, auf Ideengut aus dem bisherigen oder gleichzeitig entstehenden europäischen Gemeinschaftsrecht zurückzugreifen. Daher ist das meiste, was bisher für Abzahlungsgeschäfte galt, in den neuen Abschnitt übernommen worden, der sich im übrigen an Artikel 5 des Vorentwurfs eines Übereinkommens 932

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über das auf vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht anlehnt. In Kleinigkeiten wurde freilich eine Formulierung gewählt, die redaktionell besser als diejenige im genannten Vorentwurf erschien. Eine sachliche Abweichung war deshalb notwendig, weil nach der Gesamtstruktur des EuGVÜ nicht auf den gewöhnlichen Aufenthalt, sondern auf den Wohnsitz der Parteien abgestellt werden mußte. Im einzelnen gilt folgendes: 154. II. Der Anwendungsbereich

des neuen

Abschnitts

Mit der Technik, in einer einleitenden Bestimmung den Anwendungsbereich des Abschnitts abzugrenzen, lehnt sich der Vorschlag an das an, was sich schon bisher zu Beginn des 3. und 4. Abschnitts des 2. Titels findet. 1. Subjektiver Anwendungsbereich 155. Prinzipiell neu ist nur eine besondere Regelung des subjektiven Anwendungsbereichs des Abschnitts, insbesondere die dort sich findende Legaldefinition von dessen zentralem Begriff, nämlich demjenigen des „Verbrauchers". Die Begriffsbestimmung ist inhaltlich dem Artikel 5 des Vorentwurfs eines Übereinkommens über das auf vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht entnommen, welcher der Gruppe in seiner damals neuesten Fassung vorgelegen hat. Die Änderungen stellen nur redaktionelle Verbesserungen dar. 2. Objektiver Anwendungsbereich 156. Der objektive Anwendungsbereich des neuen Abschnitts unterscheidet scharf zwischen Teilzahlungskäufen einschließlich ihrer Finanzierung einerseits und sonstigen Verbrauchergeschäften andererseits. Damit ergibt sich für die Rangfolge der Regelung im 3. und 4. Abschnitt folgendes: Der 3. Abschnitt ist gegenüber dem 4. eine speziellere und damit vorrangige Regelung. Ein Versicherungsvertrag ist i.S. des EuGVÜ kein Vertrag, der die Erbringung einer „Dienstleistung" zum Gegenstand hätte. Innerhalb des 4. Abschnitts ist die Regelung über Teilzahlungskäufe die speziellere im Verhältnis zu den in Artikel 13 Absatz 1 allgemein angesprochenen Verbraucherkäufen. 157. a) Teilzahlungskäufe unterfallen wie bisher der Sonderregelung ohne zusätzliche Vorraussetzungen. Die einzige Änderung besteht in der Klarstellung, daß die Sonderregelung nur zugunsten eines privaten Verbrauchers als Käufer gilt. Die Vorschriften über Abzahlungskäufe sind im übrigen ohne weiteres auch auf das Rechtsinstitut des Mietkaufs („hire purchase") anwendbar, das sich im V.K. und in Irland als die häufigste Rechtsform herausgebildet hat, in der Abzahlungsgeschäfte getätigt werden. Aus Gründen, die für die Gerichtsstandsproblematik unerheblich sind, nimmt ein Abzahlungsgeschäft dort formell meist die Rechtsform einer Miete, verbunden mit einem Optionsrecht des Mieters auf Eigentumserwerb an. Die Raten sind formell Mietzins, der Sache nach Kaufpreis. Nach Abschluß der vorgesehenen „Miet"zeit und nach Bezahlung aller vorgesehener „Mietzins"-Raten hat der „Mieter" das Recht, die Sache zu einem nominellen Entgelt zu erwerben. Da auch in den kontinental-europäischen Rechtsordnungen der Begriff „Abzahlungskauf" keinesfalls voraussetzt, daß mit der Übergabe der Sache an den Käufer auch das Eigentum an ihn übergeht, entspricht der „hire purchase" funktionell völlig einem Abzahlungskauf. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 3c) Multilaterale Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge

Auch Geschäfte zur Finanzierung eines Abzahlungskaufs eines privaten Verbrauchers unterfallen ohne zusätzliche Voraussetzungen der Sonderregelung. Gegenüber der bisherigen Rechtslage hat die Expertengruppe Klagen aus einem Darlehnsvertrag zur Finanzierung eines Kaufs beweglicher Sachen der Sonderregelung auch unterworfen, wenn das Darlehn selbst kein Abzahlungsdarlehn ist oder die Sache selbst (typischerweise mit Mitteln aus dem Darlehn) auf einmal bezahlt wird. Ein Kreditgeschäft ist im übrigen nicht auf die Erbringung einer Dienstleistung gerichtet, so daß außerhalb der Nummer 2 von Artikel 13 Absatz 1 der gesamte 4. Abschnitt auf solche Geschäfte unanwendbar ist. Unterfällt ein Kaufvertrag nicht der Nr. 1 von Artikel 13 Absatz 1, dann wird er nicht etwa nach Nr. 2 der zitierten Norm bewertet, wohl aber kann unter den weiteren Voraussetzungen der Nr. 3 der 4. Abschnitt auf ihn anwendbar werden (siehe Nr. 158). 158. b) Andere als die in Nr. 157 erwähnten Verbrauchergeschäfte unterfallen demgegenüber der Sonderregelung nur dann, wenn sie einen hinreichenden Bezug zum Wohnsitz des Verbrauchers aufweisen. Insoweit folgt die neue Regelung im Prinzip wieder dem Vorentwurf eines Übereinkommens über das auf vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht. Die beiden in Artikel 13 Nr. 3 genannten Voraussetzungen - Angebot oder Werbung im Wohnsitzstaat des Verbrauchers sowie dortige Vornahme der aufseiten des Verbrauchers zum Vertragsschluß notwendigen Rechtshandlungen - müssen kumulativ vorliegen. Die Eingangsformel vor der Nr. 1 soll im übrigen sicherstellen, daß Artikel 4 und Artikel 5 Nr. 5 so wie bisher für Abzahlungskäufe und Ratendarlehn jetzt für alle Verbrauchergeschäfte vorbehalten bleiben. Daraus folgt insbesondere, daß, vorbehaltlich Artikel 13 Absatz 2, der 4. Abschnitt im Falle eines Wohnsitzes des Beklagten außerhalb des EWG-Gebiets nicht gilt. Wegen der näheren Einzelheiten zu den Begriffen „ausdrückliches Angebot oder Werbung im Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers" und „zum Abschluß des Vertrages erforderliche Rechtshandlungen" sei auf den im Entstehen begriffenen Bericht von Professor Giuliano zum Übereinkommen über das auf vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht verwiesen. 3. Bloße Zweigniederlassung innerhalb der Gemeinschaft 159. Geschäfte von Letztverbrauchern mit Firmen, die ihren Sitz außerhalb des EWG-Gebiets haben, vom Anwendungsbereich des 4. Abschnittes auszunehmen, ist dann unangemessen, wenn solche Firmen eine Zweigniederlassung innerhalb der EWG haben. Denn in Anwendung von Artikel 4 wäre es nach den dann als Zuständigkeitsgrundlagen heranzuziehenden nationalen Gesetzen häufig nicht möglich, daß der Verbraucher in dem Gerichtsstand klagt, der ihm im Verhältnis zu Vertragspartnern garantiert ist, die Wohnsitz innerhalb der EWG haben. Aus den gleichen Gründen, aus denen Versicherungsunternehmungen mit Zweigniederlassungen innerhalb der EWG zuständigkeitsrechtlich wie solche mit Wohnsitz in der Gemeinschaft behandelt werden, Artikel 8, müssen auch Vertragspartner von Verbrauchern als Bewohner der EWG behandelt werden, wenn sie dort eine Zweigniederlassung unterhalten. Dann ist es freilich auch nur folgerichtig, daß exorbitante Zuständigkeiten solchen Vertragspartnern gegenüber nicht deshalb in Anspruch genommen werden können, weil sie Hauptsitz außerhalb der EWG haben. 934

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Schlosser-Bericht

4. Beförderungsverträge 160. Der letzte Absatz von Artikel 13 ist wieder aus Artikel 5 des Vorentwurfs des Übereinkommens über das auf vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht entnommen. Beförderungsverträge aus dem Anwendungsbereich der besonderen Verbraucherschutzbestimmungen im EuGVÜ zu halten, hat seinen Grund darin, daß solche Verträge durch internationale Übereinkommen einem sehr weit verästelten Sonderregime unterworfen sind und es Unübersichtlichkeit in die Rechtslage tragen würde, wenn man ihrer im EuGVÜ wegen des einzigen Punktes der gerichtlichen Zuständigkeit gesondert gedächte. Die gänzliche Ausklammerung der Transportverträge aus dem Anwendungsbereich des 4. Abschnitts bedeutet im übrigen, daß die Anwendbarkeit des 1. und 2. Abschnitts, insbesondere also von Artikel 5 Nr. 1, sichergestellt bleibt. 161. III. Der Regelungsinhalt der Bestimmungen

des 4. Abschnitts

Was den Regelungsinhalt der neugeschaffenen Bestimmungen angeht, so bedarf nur wenig einer kurzen Erläuterung. 1. Späterer Wohnsitzwechsel des Verbrauchers Artikel 14 folgt, erweitert auf Klagen aus allen Verbrauchergeschäften, inhaltlich ganz der Vorschrift des früheren Artikels 14. Die textliche Umstellung ist rein redaktioneller Natur und dadurch bedingt, daß man nur für die eine Vertragsseite, den „Verbraucher", eine griffige Bezeichnung hatte, die im Text voranzustellen sich zur leichteren Erfaßbarkeit des Geschriebenen empfahl. Inhaltlich bedeutet die von der Expertengruppe getroffene Entscheidung - dem früheren Artikel 14 folgend - , daß der Verbraucher auch vor den Gerichten des Staates seines neuen Wohnsitzes klagen kann, wenn er nach Abschluß des der späteren Klage zugrunde liegenden Geschäfts in einen anderen Staat der Gemeinschaft verzieht. Praktisch wird dies freilich nur für die in Artikel 13 Absatz 1 Nrn. 1 und 2 genannten Abzahlungskäufe und Kreditgeschäfte. In bezug auf Klagen aus anderen Verbrauchergeschäften wird der neue Abschnitt 4 so gut wie ausnahmslos unanwendbar, wenn der Verbraucher seinen Wohnsitz nach Vertragsabschluß in einen anderen Staat verlegt. Denn in dem neuen Wohnsitzstaat werden fast nie die zum Abschluß des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen worden sein. Das Erfordernis der grenzüberschreitenden Werbung garantiert auch, daß die Sonderregelung für Geschäfte unter zwei nicht berufs- oder gewerbebezogen handelnden Personen praktisch unanwendbar bleibt. 2. Abweichende Vereinbarungen 161. a) Grundsätzlich lehnt sich auch der neue Artikel 15 an die frühere, auf Abzahlungskäufe und Ratenkredite bezogene Fassung an. Klarstellend ist nur hinzugefügt worden, daß es auf den gemeinsamen Wohnsitz im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und nicht etwa der späteren Klageerhebung ankommt. Dann drängt es sich freilich auf, aus Gründen der Konkordanz die gleiche Klarstellung auch in Artikel 12 Nummer 3 vorzunehmen. Daß eine Gerichtsstandsvereinbarung, soweit sie überhaupt zulässig ist, der Formvorschrift des Artikels 17 untersteht, ist der Gruppe nicht zweifelhaft Rolf A. Schütze

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gewesen, obwohl Artikel 17 in Artikel 13 nicht vorbehalten ist. Die Form von Gerichtsstandsvereinbarungen ist im 4. Abschnitt nicht geregelt und muß sich daher notgedrungen nach Artikel 17 bemessen.

5. Abschnitt Ausschließliche Zuständigkeiten 162. Die Sachverständigengruppe schlägt zu den in Artikel 16 geregelten Fällen ausschließlicher Zuständigkeit eine förmliche Anpassung nur insoweit vor, als Artikel 16 Nr. 4 durch Artikel V d) des dem EuGVÜ beigefügten Protokolls eine Klarstellung erfahren soll. Gleichwohl hat sich die Expertengruppe längere Zeit mit den Nrn. 1 und 2 von Artikel 16 befaßt. Über die Auskünfte, welche den neuen Mitgliedstaaten zur Frage der ausschließlichen Zuständigkeit für Klagen über die Gültigkeit oder Auflösung von Gesellschaften gegeben wurde, ist an anderer Stelle schon berichtet worden —» Nr. 56 ff. Nachzutragen ist lediglich, daß eine Gesellschaft nicht nur einen Sitz haben muß. Wenn eine Rechtsordnung die Möglichkeit kennt, daß eine Gesellschaft zwei Sitze hat und nach Artikel 53 des EuGVÜ diese Rechtsordnung für die Bestimmung des Sitzes der Gesellschaft maßgebend ist, ist von einem Doppelsitz auszugehen. Der Kläger hat dann ein Wahlrecht, von welchem Sitz er eine Zuständigkeit des Gerichts für seine Klage ableiten will. Schließlich sei festgehalten, daß Artikel 16 Nr. 2 auch für „partnerships" der britischen und irischen Rechte gilt -» Nr. 55. Es bleiben daher an dieser Stelle im wesentlichen nur die ausschließlichen Zuständigkeiten für Klagen näher zu behandeln, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen oder Miete und Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben. Insgesamt waren es fünf Probleme, zu denen die neuen Mitgliedstaaten um Erläuterungen gebeten hatten. 163. Einfach ließ sich feststellen, daß Schadenersatzklagen, die auf eine Verletzung dinglicher Rechte oder auf die Beschädigung von Grundstücken gestützt sind, an denen dingliche Rechte bestehen, nicht unter Artikel 16 Nr. 1 fallen. Existenz und Inhalt des dinglichen Rechts, meist des Eigentums, hat in einem solchen Zusammenhang nur inzident Bedeutung. 164. Ob wirklich reine Miet- und Pachtzinsklagen, also bloße Inkassofälle, vom Anwendungsbereich des Artikels 16 Nr. 1 ausgenommen sind, wie es im JenardBericht als Meinung des Ausschusses festgehalten worden ist 38 , der das EuGVÜ erarbeitet hatte, mußte zwar offen bleiben. Jedoch verlangt die ratio legis der Bestimmung ihre Anwendbarkeit auf kurzfristige Gebrauchsüberlassungsverträge, insbesondere zu Zwecken eines Ferienaufenthalts, sicherlich nicht. 165. Zwei der restlichen drei Fragenkomplexe, welche die Expertengruppe beschäftigten, hängen mit der Verschiedenartigkeit des Grundstücksrechts auf dem Kontinent und im V.K. bzw. in Irland zusammen und bedürfen daher einer etwas näheren Erläuterung. Es geht einmal um das Problem, was „dingliche" Rechte im Sinne von Artikel 16 Nr. 1 sind (1), und zum anderen um Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Grundstücksübertragungen (2). Dazu treten einige Probleme, die durch die zwischenzeitliche Entwicklung des internationalen Patentrechts entstanden sind (3). 936

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Schlosser-Bericht

1. „Dingliche" Rechte an Grundstücken in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft 166. a) Der Begriff des dinglichen Rechts - gemeint im Gegensatz zum nur persönlichen Anspruch - ist eine Rechtsfigur, die den Rechtsordnungen der Gründungsstaaten der EWG gemeinsam ist, wenngleich die Unterscheidung auch nicht überall mit gleicher Schärfe auftritt. Ein persönliches Recht kann nur gegen den Schuldner geltend gemacht werden; nur der Käufer ist zur Zahlung des Kaufpreises, nur der Vermieter ist zur Gebrauchsüberlassung verpflichtet. Das dingliche Recht an einer Sache wirkt demgegenüber zu Lasten von jedermann. Die für den Charakter eines dinglichen Rechts wichtigste Rechtsfolge ist die Befugnis seines Inhabers, die Sache, an der es besteht, von jedermann, der kein vorrangigeres dingliches Recht besitzt, herausverlangen zu können. Die Rechtsordnungen der Gründungsstaaten der EWG kennen ausnahmslos nur einen eng umgrenzten numerus clausus dinglicher Rechte, auch wenn sie das Prinzip nicht starr durchführen. Manche dingliche Rechte sind bloße Rahmenrechte, die durch Parteivereinbarungen näher ausgefüllt werden können. Die klassischen dinglichen Rechte sind an leicht erkennbarer Systemstelle des in allen sechs Ländern kodifizierten bürgerlichen Rechts aufgeführt 3 9 . Daneben gibt es verschiedentlich noch eine Reihe dinglicher Rechte, die in Sondergesetzen geschaffen wurden und von denen die wichtigsten diejenigen über das Wohnungseigentum sind. Neben dem Eigentum als dem umfassenden dinglichen Recht kann man Nutzungsrechte und Haftungsvorzugsrechte unterscheiden. Alle Rechtsordnungen kennen den Nießbrauch, welcher einer Person ein umfassendes Nutzungsrecht an einem Grundstück gewährt. Beschränkte Nutzungsrechte lassen die Rechtsordnungen in unterschiedlicher Weise zu. 167. b) Bei erstem Zusehen entdeckt man auch für das Recht des Vereinigten Königreichs und Irlands einen kleinen und abschließend festgelegten Kreis von gesetzlichen Rechten, die den dinglichen Rechten auf dem Kontinent entsprechen. Die Rechtslage ist jedoch wegen des für den Charakter dieser Rechte prägenden Unterschieds zwischen „law" und „equity" komplizierter. Denn es ist dabei immer im Auge zu behalten, daß auch „equity" Recht und keine außerhalb des Begriffs Recht stehende reine Billigkeit bedeutet. Der gespaltene Rechtsbegriff im Vereinigten Königreich und in Irland hat dazu geführt, daß es auch an Grundstücken neben den „legal rights" andere Berechtigungen, sogenannte „equitable interests" gibt. Ausgangspunkt für das System der „legal rights" ist im Vereinigten Königreich die Vorstellung, alles Land gehöre der Krone und der Bürger könne nur beschränkte Rechte an Grundstücken innehaben. Daher kommt der Ausdruck „ownership" im Immobiliarrecht nicht vor. Jedoch ist das sogenannte „estate in fee simple absolute in possession" gleichbedeutend mit dem Volleigentum der kontinentalen Rechtsordnungen. Daneben kennt der „Law of Property Act" von 1925 noch ein auf eine bestimmte Zeit beschränktes Volleigentum („renn of years absolute"). Die beschränkten Rechte an Grundstücken („interests or charges in or over land") beschränkt das gleiche Gesetz auf fünf. Alles andere sind „equitable interests", deren Zahl und Gestalt das Gesetz nicht beschränkt. „Equitable interests" stehen aber nicht den bloß persönlichen Rechten auf dem Kontinent gleich. Sie können zum Teil registriert werden und wirken dann wie „legal rights" universell, selbst gegenüber gutgläubigen Erwerbern. Auch wenn Rolf A. Schütze

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sie nicht registriert werden, wirken sie grundsätzlich gegenüber jedermann; nur gutgläubige Erwerber sind dann geschützt 4 0 . Wenn der Inhaber eines „estate in fee simple absolute in possession" einer Person auf Lebenszeit das Recht einräumt, über sein Grundstück zu fahren, kann dies kein „legal right" sein. Es ist notwendigerweise ein „equitable interest", kann aber gleichwohl eingetragen werden 4 1 . „Equitable interests" können also durchaus funktionsgleich mit den dinglichen Rechten der kontinentalen Rechtsordnungen sein und sind dann nach Artikel 16 Nr. 1 wie solche zu behandeln. Ein numerus clausus besteht insoweit nicht. Vielmehr ist die Einräumung von „equitable interests" gerade das Instrument, um zu beliebigen dinglichen Eigentumsabspaltungen zu gelangen 4 2 . 168. c) Wird in einem Staat eine Klage erhoben, deren Inhalt sich auf ein Grundstück bezieht, und fragt man sich, ob die Klage ein dingliches Recht im Sinne von Artikel 16 Nr. 1 zum Gegenstand hat, wird man die Antwort schwerlich nach einem anderen Recht geben können als dem der Belegenheit des Grundstücks. 2 . Klagen im Zusammenhang mit Verpflichtungen Grundstücken

zur Übereignung

von

169. Die Rechtsordnungen in den ursprünglichen und in den neuen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft unterscheiden sich auch in der Frage, wie Grundstücke im Zusammenhang mit Veräußerungsgeschäften übertragen werden. Freilich ist insoweit schon die Rechtslage innerhalb der Gründungsstaaten der E W G verschieden. 170. a) Am schärfsten wird im deutschen Recht von der Übereignung selbst der Kaufvertrag (oder ein sonstiger auf Übereignung gerichteter Vertrag) unterschieden. Die Rechtslage ist für Grundstücke nicht anders als für bewegliche Sachen. Die Übereignung ist ein besonderes Rechtsgeschäft, das bei Grundstücken „Auflassung" genannt und auch inter partes erst mit der Eintragung im Grundbuch wirksam wird. Klagt ein Käufer eines deutschen Grundstücks aus einem Grundstückskaufvertrag, der deutschem Recht unterliegt, so hat die Klage niemals ein dingliches Recht am Grundstück zum Gegenstand. Nur die persönliche Verpflichtung des Beklagten ist im Streit, alle Handlungen vorzunehmen, die zur Übereignung und Übergabe des Grundstücks notwendig sind. Erfüllt eine der Parteien ihre Verpflichtungen aus dem Grundstückskaufvertrag nicht, so kennt das deutsche Recht als Sanktion nicht Auflösung des Vertrages durch gerichtliches Urteil, sondern Schadenersatzansprüche und Rücktrittsrechte. Allerdings können, wenn der Verkäufer einverstanden ist, Übereignungsansprüche aus einem Kaufvertrag im Grundbuch mit Vormerkung gesichert werden. Sie entfalten dann gegenüber Dritten Wirkungen, wie sie normalerweise nur einem dinglichen Recht eignen. Daraus zieht man heute für das interne deutsche Recht die Konsequenz, Rechte aus einer Vormerkung gegenüber Dritten im dinglichen Gerichtsstand geltend machen zu lassen 4 3 . Die gerichtliche Durchsetzung des Übereignungsanspruchs gegen den Verkäufer selbst bleibt aber auch dann eine Klage aus einem persönlichen Anspruch. 171. b) Nach französischem, belgischem und luxemburgischem Recht, denen das italienische Recht weitgehend folgt, geht das Eigentum wie bei beweglichen Sachen - jedenfalls inter partes - bereits mit Abschluß des Kaufvertrags auf den Käufer über, solange die Parteien diesen Zeitpunkt nicht hinausgeschoben 938

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Schlosser-Bericht

haben (z.B. Artikel 711, 1583 französischer Code civil, Artikel 1376 italienischer codice civile). Der Käufer muß den Übergang des Eigentums nur im Liegenschaftsregister eintragen lassen („transcription"), um auch eine gegenüber Dritten wirksame Rechtsstellung zu erlangen. Eine Klage auf Erfüllung des Kaufvertrags seitens des Käufers ist also regelmäßig gleichbedeutend mit dem Verlangen, das Grundstück an ihn herauszugeben. Dieser Anspruch ist freilich nicht nur wegen der Verpflichtung begründet, die der Verkäufer im Kaufvertrag übernommen hat, sondern auch aufgrund des bereits dem Käufer zustehenden Eigentums. Das bedeutet, daß die Herausgabeklage zur Grundlage sowohl einen persönlichen Anspruch als auch ein dingliches Recht hat. Ganz entsprechend ist der Sanktionsmechanismus konstruiert, der eingesetzt wird, falls eine Vertragspartei ihrer Verpflichtung nicht nachkommt. Im französischen Recht hat man daraus die Konsequenz gezogen, derartige Klagen als „matiere mixte" zu bezeichnen und dem Kläger ein Wahlrecht zwischen dem dinglichen Gerichtsstand und dem für persönliche Ansprüche geltenden Gerichtsstand des Beklagten oder des Erfüllungsorts zu lassen 4 4 . Das E u G V Ü behandelt das Problem nicht. Sehr viel spricht dafür, daß der persönliche Charakter solcher Klagen überwiegt und Artikel 16 Nr. 1 unanwendbar ist. 172. c) Im V. K. läßt nur der Abschluß eines Kaufvertrags über bewegliche Sachen das Eigentum sofort übergehen. Im Falle des Verkaufs von Grundstücken folgt die Eigentumsübertragung dem Kaufvertrag durch einen gesonderten Akt („conveyance") nach. Der Käufer muß gegebenenfalls auf Vornahme der dazu notwendigen Handlungen klagen. Im Unterschied zum deutschen Recht begreift man jedoch - außer in Schottland - die Rechtsstellung des Käufers vor der Eigentumsübertragung nicht als rein persönliche Berechtigung gegenüber dem Verkäufer. Vielmehr hat der Käufer ein „equitable interest" —> Nr. 1 6 7 an dem Grundstück, das im Falle eines entsprechenden Vermerks im „land register" auch gegenüber Dritten wirkt. Zwar greift dann nicht die neue Nr. 6 von Artikel 5 ein —» Nr. 114 ff. Ein Kaufvertrag ist, auch wenn schriftlich abgeschlossen, kein „trust" im Sinne von Artikel 5 Nr. 6 n. F. Sein „equitable interest" verleiht dem Käufer aber nur in einer Beziehung nicht eine gleich starke Stellung, wie sie der französische Grundstückseigentümer vor der „transcription" —» Nr. 171 hat. Seine Rechtsstellung voll wirksam zu machen, setzt die Mitwirkung des Verkäufers voraus. Immerhin rechtfertigt diese Rechtslage noch weniger als die entsprechende französische die Anwendbarkeit des ausschließlichen Gerichtsstands von Artikel 16 Nr. 1. Das „common law" hat die Figur des „equitable interest" entwickelt, um den Berechtigten aus einer ursprünglich rein persönlichen Abmachung einen gewissen Schutz gegenüber bösgläubigen Dritten zu gewähren. Im Verhältnis zum Vertragspartner bleibt der Anspruch ebenso ein rein persönlicher wie im deutschen Recht der durch Vormerkung gesicherte Eigentumsübertragungsanspruch —» Nr. 170. In Schottland kann bei Verträgen zugunsten eines Dritten dieser aus dem Vertrag vollstrecken lassen (jus quaesitum tertii). Klagen aus Verträgen auf Einräumung von Eigentum oder anderen dinglichen Rechten an Grundstücken haben daher keine dinglichen Rechte zum Gegenstand. Sie können zulässigerweise daher auch vor Gerichten außerhalb des V. K. erhoben werden. Freilich muß auch dann genau Bedacht darauf genommen werden, daß der Kläger die Handlungen klar bezeichnet, die der Beklagte schuldet, damit der (sich nach dem Recht des V. K. richtende) Eigentumsübergang auch eintritt. Rolf A. Schütze

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173. 3. Zuständigkeitsfragen im Zusammenhang mit Patentstreitigkeiten Seit der Verabschiedung des EuGVÜ sind zwei für das internationale Patentwesen äußerst wichtige Übereinkommen zustande gekommen. Am 5. Oktober 1973 wurde das Münchner Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente unterzeichnet. Am 15. Dezember 1975 kam das Luxemburger Übereinkommen über das europäische Patent für den Gemeinsamen Markt zustande. Das erstgenannte Übereinkommen hat zum Ziel, das Patenterteilungsverfahren einheitlich für die Vertragsstaaten zu gestalten - aber mit der Folge, daß das erteilte Patent nationalen Zuschnitts ist. Es wirkt für einzelne oder mehrere Staaten jeweils grundsätzlich mit dem Inhalt, den ein entsprechendes national erteiltes Patent haben würde. Das Luxemburger Übereinkommen verfolgt darüber hinaus das Ziel, ein Patent zu schaffen, das von vornherein für alle Staaten der Gemeinschaft einheitlich und mit einheitlichem Inhalt auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts erteilt wird und auch nur einheitlich für die gesamte EWG fortbestehen oder erlöschen kann. Beide Regelungswerke enthalten besondere Zuständigkeitsbestimmungen, die dem EuGVÜ vorgehen. Jedoch betreffen die besonderen Zuständigkeitsvorschriften nur Teilbereiche, ζ. B. Patentnichtigkeitsklagen nach dem Luxemburger Übereinkommen. Für die nicht besonders geregelten Bereiche bleibt Artikel 16 Nr. 4 EuGVÜ von Bedeutung. Hinsichtlich des europäischen Patents nach dem Münchner Übereinkommen ist indes eine Auslegung dieser Norm denkbar, der zufolge Klagen im Staat der Patentanmeldung und nicht in dem Staat erhoben werden müssen, für welche die Patentanmeldung gilt und für den sie bekämpft werden soll. Der neue Artikel V d) des dem EuGVÜ beigefügten Protokolls soll dem vorbeugen und sicherstellen, daß nur die Gerichte des Staates zuständig sind, für den das Patent jeweils gilt, sofern das Münchner Übereinkommen nicht selbst Sonderregelungen trifft. Daß eine solche Regelung nicht auch auf ein Gemeinschaftspatent nach dem Luxemburger Übereinkommen bezogen werden kann, welches - grundsätzlich nicht für einen bestimmten Staat, sondern für die gesamte Staatengemeinschaft der EWG erteilt wird, versteht sich. Daher rührt der Vorbehalt am Ende der neuen Vorschrift. Auch im Anwendungsbereich des Luxemburger Übereinkommens kann es aber zu Patenten kommen, die nur für einen oder einzelne Gemeinschaftsstaaten gelten. Dies ist nach Artikel 86 dieses Übereinkommens während einer Überganszeit der Fall, deren Ende noch nicht festgesetzt ist. Hat der Patentanmelder von der ihm nach dieser Norm gewährten Option Gebrauch gemacht und nur ein Patent für einen oder einzelne Staaten der EWG angemeldet, so liegt, obwohl das Patent einigen Bestimmungen des Luxemburger Übereinkommens untersteht, kein Gemeinschaftspatent vor, vielmehr lediglich ein Patent, das für einen oder einzelne Staaten erteilt ist. Nach Artikel Vd) des dem EuGVÜ beigefügten Protokolls haben infolgedessen die Gerichte in diesem Staat ausschließliche Zuständigkeit. Das gleiche gilt in jedem Falle, in welchem aufgrund einer internationalen Anmeldung ein nationales Patent erteilt wird, wie ζ. B. nach dem Washingtoner Übereinkommen über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens vom 19. Juni 1970. Klarzustellen bleibt nur noch, daß sich Artikel 16 Nr. 4 EuGVÜ und der neue Artikel V d) des ihm beigefügten Protokolls auch auf Klagen beziehen, welche die nationalen Rechte schon im Stadium der Patentanmeldung gewähren, um die Gefahr zu vermindern, daß es zu einer Patentgewährung kommt, deren Korrektheit hinterher angezweifelt wird. 940

Rolf A. Schütze

Schlosser-Bericht

6. Abschnitt Vereinbarungen über die Zuständigkeit 4 5 174. Artikel 17, der nur gilt, wenn das zugrunde liegende Geschäft internationale Bezüge aufweist —> Nr. 21, was allein durch die Wahl eines Gerichts eines bestimmten Staates keinesfalls hergestellt werden kann, gab der Expertengruppe vier Probleme auf. Einmal ging es um eine Berücksichtigung der Praxis der Gerichte des V. K. (mit Ausnahme Schottlands) und Irlands, aus der Wahl eines Rechts für die Hauptsache die Vereinbarung der zuständigen Gerichte abzuleiten. Zum anderen handelte es sich um das im bisherigen Übereinkommen nicht angesprochene Problem der Prorogation zugunsten eines Gerichts außerhalb der Gemeinschaft bzw. von Gerichten innerhalb der Gemeinschaft durch Parteien mit beiderseits Wohnsitz außerhalb der Gemeinschaft. Weiter mußte eine Sonderregelung für „trust"-Bedingungen gefunden werden. Schließlich mußte sich die Gruppe fragen, ob es verantwortet werden konnte, Artikel 17 angesichts der Auslegung weiter bestehen zu lassen, die ihm der E u G H zwischenzeitlich gegeben hat. Wiederholt sei - » Nr. 22, daß auch das Vorliegen einer der Zuständigkeit des angegangenen Gerichts entgegenstehenden Gerichtsvereinbarung zu den Fragen gehört, die das Gericht von Amts wegen beachten muß. 1. Rechtswahlklausel und internationale Zuständigkeit 175. Ein Zusammenhang zwischen dem in der Sache anwendbaren Recht und der internationalen Zuständigkeit der Gerichte ist im EuGVÜ nirgendwo anerkannt. Jedoch können Personen, die im Vertrauen auf die Praxis der Gerichte des V. K. oder Irlands vor Inkrafttreten des Beitrittsübereinkommens Rechtswahlklauseln vereinbart haben, Schutz erwarten. Daraus rührt die Übergangsvorschrift in Artikel 35 des vorgeschlagenen Beitrittsübereinkommens. Unter „Inkrafttreten" im Sinne dieser Bestimmung ist der Zeitpunkt zu verstehen, zu dem der Beitrittsvertrag in dem betroffenen Staat Geltung erlangen wird. Wegen der verschiedenen Rechtsgebiete des V. K. —> Nr. 11. 2. Prorogation von Gerichten außerhalb der Gemeinschaft 176. a) Vereinbaren Parteien, Streitigkeiten vor Gerichten eines Nichtvertragsstaats auszutragen, so kann selbstverständlich nichts im EuGVÜ diese Gerichte hindern, sich für zuständig zu erklären, wenn ihr Recht die Abmachung wirksam sein läßt. Fraglich ist nur, ob und gegebenenfalls in welcher Form solche Vereinbarungen eine Zuständigkeit von Gemeinschaftsgerichten abbedingen können, die nach dem EuGVÜ als ausschließliche oder konkurrierende begründet ist. Nichts im EuGVÜ läßt den Schluß zu, daß derartiges prinzipiell unzulässig sein soll 4 6 . Das Übereinkommen enthält aber auch keine Regeln über die Wirksamkeit solcher Vereinbarungen. Wird ein Gericht innerhalb der Gemeinschaft einer solchen Vereinbarung zum Trotz angerufen, so muß es die Wirksamkeit der Abrede nach dem Recht beurteilen, das an seinem Sitz gilt. In dem Maße, in welchem das Kollisionsrecht dort ein ausländisches Recht für maßgebend hält, gilt dieses. Ist die Vereinbarung nach diesen Maßstäben unwirksam, so sind wieder die Zuständigkeitsbestimmungen des EuGVÜ anzuwenden. Rolf A. Schütze

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177. b) Umgekehrt kann auch ein Gericht innerhalb der Gemeinschaft durch Parteien angerufen werden, welche die Zuständigkeit dieses Gerichts vereinbart haben, obwohl sie beide Wohnsitz außerhalb der Gemeinschaft besaßen. Es besteht kein Anlaß, in das Übereinkommen Regeln darüber aufzunehmen, unter welchen Voraussetzungen das von solchen Parteien vorgesehene Gericht seine Zuständigkeit annehmen muß. Wohl aber besteht ein Gemeinschaftsinteresse daran, zu gewährleisten, daß unter näher festgelegten Bedingungen der Derogationseffekt einer solchen Vereinbarung im gesamten EWG-Gebiet anerkannt wird. Diesem Anliegen soll der neue Satz 3 von Artikel 17 Absatz 1 Rechnung tragen. Er betrifft den Fall, daß trotz des außerhalb der Gemeinschaft gelegenen Wohnsitzes beider Parteien ein Gericht in einem Gemeinschaftsstaat ( „ X " ) zuständig wäre, wenn man von der Gerichtsstandsvereinbarung absähe, etwa weil der Erfüllungsort in diesem Staat liegt. Vereinbaren die Parteien in einem solchen Fall die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Gemeinschaftsstaats, so müssen die Gerichte im Gemeinschaftsstaat „ X " dies respektieren, wenn die Vereinbarung der in Artikel 17 verlangten Form entspricht. Zwar handelt es sich im strengen Sinne nicht um ein Anpassungserfordernis. Solche Situationen konnten schon im Verhältnis der ursprünglichen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zueinander vorkommen. Wegen der Häufigkeit, mit der im internationalen Handel die Gerichte des V.K. als zuständig bezeichnet werden, wird das Problem aber durch den Beitritt dieses Staates zum Übereinkommen praktisch wesentlich wichtiger, als es bisher gewesen ist. 3. Zuständigkeitsklauseln in „trust"-Bestimmungen 178. Ein „trust" — N r . 111 braucht nicht durch Vertrag begründet zu werden. Es genügt vielmehr ein einseitiges Rechtsgeschäft. Da Artikel 17 in seiner bisherigen Fassung nur Zuständigkeitsvereinbarungen" behandelte, war eine Ergänzung dieser Bestimmung notwendig. 4. Form von Gerichtsstandsvereinbarungen im internationalen Handel 179. Z u den ersten Entscheidungen, welche der E u G H nach Erlangung von Kompetenz zur Interpretation des EuGVÜ gefällt hat, gehörten solche zur Form von Gerichtsstandsklauseln, die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten waren 4 7 . Mit der dem Artikel 17 EuGVÜ durch den E u G H gegebenen Interpretation ist zwar der Vertragspartner des Verwenders Allgemeiner Geschäftsbedingungen vor der Gefahr geschützt, unversehens an Standardkonventionen mit Gerichtsstandsklauseln gebunden zu werden, ohne daß er also damit hätte rechnen müssen. Jedoch wird die tendenziell von vielen innerstaatlichen Gerichten geteilte Interpretation des Artikels 17 durch den E u G H den Gepflogenheiten und Bedürfnissen des internationalen Handels nicht gerecht. Insbesondere das Erfordernis, daß der Vertragspartner des Verwenders Allgemeiner Geschäftsbedingungen deren Einbeziehung schriftlich bestätigen müsse, damit eine in dem Bedingungswerk enthaltene Gerichtsstandsklausel wirksam werden könne, ist dem internationalen Handel nicht zumutbar. Der internationale Handel kommt ohne Standardbedingungen mit Gerichtsstandsklauseln nicht aus. Sie sind häufig auch gar nicht von einer Marktseite einseitig vorformuliert, sondern von den Vertretern der verschiedenen Marktseiten ausgehandelt. Der Vertragsschluß muß aus Gründen der Kalkulation auf der Grundlage der momentan gegebenen Marktpreise rasch durch Auftragsbestätigung unter Einbeziehung 942

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Schlosser-Bericht

von Bedingungswerken möglich sein. Aus diesen Erwägungen ist die Erleichterung der Form Vorschrift entstanden, die der neugefaßte Artikel 17 für den internationalen Handel gebracht hat. Es handelt sich aber, wie ausdrücklich betont sei, nur um eine Erleichterung von Formerfordernissen. D a s Zustandekommen der Willenseinigung über die Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen und einzelner ihrer Klauseln in den Vertrag muß bewiesen werden, ohne daß hier ein Kommentar dazu veranlaßt wäre, ob andere Willenseinigungsprobleme als die Formfrage nach anwendbarem nationalem Recht oder nach einheitlichen EWG-Grundsätzen zu beurteilen sind. Daß das Problem der Form von Gerichtsstandsvereinbarungen nicht mehr nebenbei in Satz 1, sondern in einem eigenen zweiten Satz von Artikel 17 Absatz 1 geregelt ist, soll allein sprachliche Schwerfälligkeit vermeiden.

7. Abschnitt Prüfung von Amts wegen Anpassungen und neue Erläuterungen waren entbehrlich.

8. Abschnitt Rechtshängigkeit und miteinander im Zusammenhang stehende Verfahren 4 8 180. D a s Recht des V. K. und Irlands einerseits sowie die kontinentalen Rechtsordnungen andererseits weisen im Bereich der Rechtshängigkeit zwei Strukturunterschiede auf. Wegen keiner von ihnen bedurfte es jedoch einer förmlichen Anpassung des Übereinkommens. 1. Richterermessen 181. Die Regeln über die Rechtshängigkeit sind in England und Wales, ζ. T. auch in Schottland flexibler als auf dem Kontinent. Es ist grundsätzlich eine Frage des richterlichen Ermessens, ob ein sogenannter „ s t a y " erlassen werden soll. Deshalb fehlt es auch an einer entwickelten Lehre über die Rechtshängigkeit, wie sie in den kontinentalen Staaten bekannt ist. Die Praxis ist gewissermaßen ein Anwendungsfall der Regeln über die „doctrine of the forum conveniens" —> Nr. 77 ff. Im allgemeinen geben freilich die Gerichte einem Antrag, das Verfahren einzustellen, statt, wenn der gleiche Streitgegenstand bereits rechtshängig ist. Besteht Rechtshängigkeit im Ausland, so sind die Gerichte in England und Wales sehr zurückhaltend und stellen das Verfahren, sofern überhaupt, nur ein, wenn der Kläger auch im Ausland die aktive Parteirolle innehat. Schottische Gerichte berücksichtigen in größerem Umfang auch eine konkurrierende Klage, die der schottische Beklagte im Ausland erhoben hat oder die im Ausland gegen ihn anhängig gemacht wurde. Diese Praxis kann, sobald das V. K. dem EuGVÜ beigetreten sein wird, in dessen Anwendungsbereich nicht mehr aufrechterhalten werden. Seine Gerichte müssen eine in den übrigen Staaten der Gemeinschaft begründete Rechtshängigkeit anerkennen und sie sogar von Amts wegen beachten —> Nr. 22. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 3c) Multilaterale Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge 2. Zeitpunkt der Rechtshängigkeit 182. Mit den Eigenarten des Prozeßrechts im V. K. und in Irland hängt es zusammen, daß sich der Zeitpunkt, zu dem Rechtshängigkeit eintritt, anders bestimmt als auf dem europäischen Kontinent. In den Gründungsstaaten der Gemeinschaft wird ein Anspruch mit „Zustellung" der Klageschrift rechtshängig 49 . Manchmal genügt auch die Einreichung bei Gericht. Im V. K., außer Schottland, und in Irland beginnt die Rechtshängigkeit schon mit der Ausstellung der Ladungsschrift. In Schottland tritt die Rechtshängigkeit erst ein, wenn dem Beklagten die Ladungsschrift zugestellt worden ist. Für die Anwendung von Artikel 21 EuGVÜ ist der Eintritt der Rechtshängigkeit nach dem jeweiligen nationalen Prozeßrecht entscheidend. Nicht darauf bezieht sich freilich der in den Text von Artikel 20 neu aufgenommene Zusatz. Er hat vielmehr seinen Grund darin, daß im V. K. und in Irland Ausländer im Ausland nicht die Original-Ladung, sondern nur eine Nachricht über den Beschluß des Gerichts, sie zu laden, erhalten.

9. Abschnitt Einstweilige Maßnahmen 183. Zu den Vorschriften des EuGVÜ über einstweilige Maßnahmen bedurfte es einer besonderen Anpassung nicht. Der neue Akzent, welchen der Beitritt weiterer Mitgliedstaaten zum Übereinkommen gesetzt hat, besteht in diesem Bereich lediglich in der großen Vielfalt der einstweiligen Maßnahmen im Recht Irlands und des V.K. Das bringt gewisse Schwierigkeiten mit sich, wenn es darum geht, die aus diesen Staaten stammenden vorläufigen Entscheidungen in das Vollstreckungsrecht der Gründungsstaaten der Gemeinschaft einzuordnen. Jedoch ist das kein spezielles Problem der einstweiligen Maßnahmen. Auch die Einordnung von Urteilen zur Hauptsache in das jeweilige nationale Vollstreckungsrecht bringt im Verhältnis Irlands und des V. K. zu den Gründungsstaaten der Gemeinschaft Schwierigkeiten —> Nr. 221 ff.

5. KAPITEL ANERKENNUNG U N D VOLLSTRECKUNG A ALLGEMEINES - GERICHTLICHE ZWISCHENENTSCHEIDUNG 184. Artikel 25 betont mit kaum zu überbietender Deutlichkeit, daß jede Art von gerichtlichen Entscheidungen aus einem Vertragsstaat im übrigen Bereich der Gemeinschaft anzuerkennen und zu vollstrecken ist. Es muß sich nicht um eine Entscheidung handeln, welche eine Instanz beendet. Selbst einstweilige Anordnungen der Gerichte sind gemeint. Der Wortlaut der Vorschrift läßt auch nicht erkennen, daß gerichtliche Zwischenentscheidungen dann von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen sein sollen, wenn sie keine einstweiligen Regelungen der Rechtsverhältnisse unter den Parteien treffen, also vor allem nur im 944

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Zusammenhang mit Beweisaufnahmen ergangen sind. Die Rechtsordnungen der Gründungsstaaten der Gemeinschaft bezeichnen derartige Zwischentscheidungen zudem in einer Weise, die der in Artikel 2 5 beispielhaft angeführten Nomenklatur entspricht. In Frankreich wird etwa auch eine Gerichtsentscheidung, die eine Beweisaufnahme anordnet, „jugement (d'avant dire droit)" genannt. In Deutschland spricht man von („Beweis)-Beschlüssen" des Gerichts. Gleichwohl sind die Vorschriften des EuGVÜ über Anerkennung und Vollstreckung allgemein auf gerichtliche Entscheidungen zugeschnitten, deren Inhalt die Feststellung oder Regelung der Rechtsverhältnisse unter den Parteien betrifft. Eine Antwort auf die Frage, ob und gegebenenfalls welche prozeßfördernden Zwischenentscheidungen eines Gerichts unter das Übereinkommen fallen, ist daher nicht ohne weiteres zu geben.

1. VERHÄLTNIS DER KONTINENTALEN STAATEN ZUEINANDER 185. Die Frage spielt im Verhältnis der Gründungsstaaten der EWG sowie in deren Verkehr zu Dänemark keine große Rolle. Alle sieben Staaten sind Vertragspartner des Haager Übereinkommens von 1954 über den Zivilprozeß. Dieses regelt die Frage der Rechtshilfe speziell für den Fall einer im Ausland durchzuführenden Beweisaufnahme. Seine Vorschriften haben Vorrang vor dem EuGVÜ (Artikel 57). Jedenfalls empfiehlt es sich auch für die Praxis immer, sich des Mechanismus des Haager Übereinkommens zu bedienen, der speziell auf die Struktur der Erledigung von Rechtshilfeersuchen zugeschnitten ist. Zum Haager Übereinkommen vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke sowie zum Haager Übereinkommen vom 18. März 1970 über die Beweisaufnahme im Ausland —> Nr. 2 3 8 Note 5 9 ( 7 ) .

2. VERHÄLTNIS V. K. UND IRLANDS ZU DEN ÜBRIGEN MITGLIEDSTAATEN 186. Durch den Beitritt des V. K. und Irlands zum EuGVÜ wird das Problem Bedeutung erhalten. Irland hat mit den anderen Staaten der Europäischen Gemeinschaft überhaupt kein Rechtshilfeabkommen geschlossen. Zwischen dem V . K . und folgenden Staaten bestehen zwar Rechtshilfeabkommen: Bundesrepublik Deutschland (Abkommen vom 2 0 . 3 . 1 9 2 8 ) , Niederlande (Abkommen vom 17.11.1967). Außerdem ist das V . K . Partei der in Rdnr. 185 erwähnten Haager Übereinkommen von 1965 und 1970. Sonst steht es aber nicht in staatsvertraglichen Bindungen zu Staaten der Gemeinschaft.

3. GENAUER ANWENDUNGSBEREICH

DES 3. TITELS DES EuGVÜ

187. Wollte man auch gerichtliche Zwischenentscheidungen über den Verfahrensfortgang, insbesondere über vorzunehmende Beweisaufnahmen, unter Artikel 2 5 EuGVÜ fallen lassen, so würden auch Entscheidungen betroffen, denen die Parteien ohne Mitwirkung des Gerichts gar nicht nachkommen könnten und deren Ausführung Dritte, namentlich Zeugen, beträfe. Eine „Vollstreckung" Rolf A. Schütze

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solcher Entscheidungen nach dem EuGVÜ wäre daher nicht durchführbar. Man muß daraus den Schluß ziehen, daß gerichtliche Zwischenentscheidungen, welche nicht auf die Regelung von Rechtsverhältnissen unter den Parteien abzielen, sondern den weiteren Verfahrensfortgang gestalten, vom Anwendungsbereich des 3. Titels des EuGVÜ ausgeschlossen sein sollen. Β ERLÄUTERUNGEN DER EINZELNEN ABSCHNITTE 1. Abschnitt Die Anerkennung 188. Förmliche Anpassungen im Bereich der Artikel 26 bis 30 waren, von zwei Ausnahmen abgesehen (4), nicht notwendig. Die Expertengruppe hat aber einige Anfragen der neuen Mitgliedstaaten über die Auslegung dieser Vorschriften beantwortet. Sie betreffen im wesentlichen Probleme, die mit der Handhabung des Ordre-public-Vorbehalts in Artikel 27 Nr. 1 (2), der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs (Artikel 27 Nr. 2) (3) sowie mit der Natur der Anerkennungspflicht als einer von der Vollstreckbarkeit wohl zu unterscheidenden Regelung (1) zusammenhängen. Daß in Artikel 28 der 6. Abschnitt des 2. Titels über Gerichtsstandsvereinbarungen nicht erwähnt ist, beruht, wie nicht unerwähnt bleiben soll, auf Absicht. Bei deren Bewertung ist aber zu berücksichtigen, daß das Vorliegen einer der Zuständigkeit des angegangenen Gerichts im Entscheidungsstaat entgegenstehenden Vereinbarung von Amts wegen beachtet werden mußte —> Nr. 22 und 174. 1. Artikel 26 189. Absatz 2 von Artikel 26 hat ein besonderes (vereinfachtes) Anerkennungsfeststellungsverfahren geschaffen, das sich nach den Vorschriften über die Erteilung der Vollstreckungsklausel richtet. Dies ist jedoch nicht der einzige Weg, auf welchem die Anerkennung geltend gemacht werden kann. Alle Gerichte und Behörden haben anerkennungspflichtige Gerichtsentscheidungen zu beachten und müssen über die Anerkennungsvoraussetzungen entscheiden, wenn nicht schon vorher darüber nach Artikel 26 Absatz 2 entschieden ist. Insbesondere muß sich jedes Gericht selbständig über die Anerkennungspflicht schlüssig werden, wenn Gegenstand des ausländischen Urteils eine Frage ist, die im neuen Prozeß als Vorfrage auftaucht. Zu jedem dieser beiden Anerkennungswege hat sich die Expertengruppe mit einem Problem befaßt. 190. a) Wird ein Verfahren nach Artikel 26 Absatz 2. durchgeführt, so ist es dem Richter zwar nicht verwehrt, von Amts wegen Anerkennungsversagungsgründe zu berücksichtigen, die sich aus dem Urteil ergeben oder gerichtsbekannt sind. Jedoch darf er, um sich über deren Vorliegen schlüssig zu werden, nicht etwa Ermittlungen anstellen. Solches wäre mit dem summarischen Charakter des Verfahrens nicht vereinbar. Erst in dem durch Einlegung eines Rechtsbehelfs nach Artikel 36 ausgelösten weiteren Verfahren ist Raum für eine gründliche Erörterung der tatsächlichen Anerkennungsvoraussetzungen. 946

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191. b) Die Wirkungen, welche von einem gerichtlichen Urteil ausgehen, bestimmen die Rechtsordnung der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft nicht ganz einheitlich. Eine Entscheidung, die in einem Staat als Prozeßurteil ergeht, kann in einem anderen eine Sachentscheidung sein. Die subjektive Tragweite inhaltsgleicher Entscheidungen kann differieren. In Frankreich wirkt ein gegen den Hauptschuldner erlassenes Urteil auch zu Lasten des Bürgen, in den Niederlanden und Deutschland nicht 5 0 . Die Expertengruppe sah es nicht als ihre Aufgabe an, die mit diesen Verschiedenheiten in den nationalen Rechtsordnungen zusammenhängenden Probleme in allgemeiner Weise zu lösen. Eine Feststellung schien ihr gleichwohl auf der Hand zu liegen: Entscheidungen, welche eine Klage als unzulässig abweisen, sind anerkennungspflichtig. Erklärt sich ein deutscher Richter für unzuständig, so kann ein englisches Gericht seine eigene Zuständigkeit nicht mit der Begründung leugnen, der deutsche Kollege sei in Wirklichkeit doch zuständig gewesen. Deutsche Prozeßurteile entfalten aber selbstverständlich in England keine Bindung zur Sache. Der englische Richter kann, wenn er nach Erlaß des deutschen Prozeßurteils angerufen wird, der Klage jederzeit stattgeben (oder sie aus sachlichen Gründen abweisen). 2 . Artikel 2 7 Nr. 1 - ordre public 192. a) O b der Umstand, daß eine gerichtliche Entscheidung durch Betrug erlangt wurde, ihre Anerkennungsversagung nach Artikel 2 7 Nr. 1 rechtfertigt, sagt das EuGVÜ nicht. Auch die Rechtsordnungen der Gründungsstaaten der E u G V Ü nennen Prozeßbetrug als Anerkennungsversagungsgrund nicht ausdrücklich. M a n sieht darin jedoch allgemein einen Unterfall des Verstoßes gegen den ordre public 5 1 . Im V . K . und in Irland ist die Rechtslage insofern anders, als Betrug ein besonderer Anerkennungsversagungsgrund ist, der dem Verstoß gegen den ordre public zur Seite steht. In den Vollstreckungsübereinkommen, welche das V. K. mit Staaten der Gemeinschaft geschlossen hat, ist man einen Mittelweg gegangen und hat betrügerische Machenschaften ausdrücklich erwähnt, sie aber als einen besonderen Fall des Verstoßes gegen den ordre public bezeichnet 5 2 . Nach all dem können daran Zweifel nicht bestehen, daß ein Prozeßbetrug grundsätzlich ein Verstoß gegen den ordre public des Anerkennungsstaats darstellen kann. Alle Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten kennen indes besondere Rechtsbehelfe, mit denen auch nach Ablauf der normalen Rechtsmittelfrist noch geltend gemacht werden kann, das Urteil sei die Frucht eines Betruges —» Nr. 197 ff. Ein Richter im Anerkennungs- und Vollstreckungsstaat muß sich daher immer fragen, ob der Verstoß gegen seinen ordre public auch noch angesichts der Tatsache besteht, daß gegen das angeblich vom Gegner betrügerisch erlangte Urteil vor den Gerichten seines Ursprungsstaats ein Rechtsbehelf eingelegt werden kann oder hätte eingelegt werden können. 193. b) Artikel 41 Nr. 3 der irischen Verfassung verbietet die Einführung der Ehescheidung und sagt darüber hinaus zu Scheidungen, die im Ausland ausgesprochen wurden, folgendes: „Keine Person, die nach dem Recht eines anderen Staates geschieden worden ist, deren Ehe aber nach dem Recht gültig geblieben ist („subsisting valid"), das zu dieser Zeit innerhalb des Hoheitsgebietes („jurisdiction") Rolf A. Schütze

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der Regierung und des Parlaments galt, welche von dieser Verfassung geschaffen wurden, kann innerhalb dieses Hoheitsgebietes zu Lebzeiten des anderen Ehegatten eine gültige Ehe eingehen." Soweit der Anwendungsbereich des EuGVÜ in Frage steht, kann dieser Verfassungssatz hauptsächlich für Unterhaltsentscheidungen anläßlich einer Ehescheidung Bedeutung erlangen. Die irischen Gerichte haben noch nicht entschieden, ob die Anerkennung solcher Unterhaltsentscheidungen mit Rücksicht auf die zitierte Verfassungsbestimmung gegen den irischen ordre public verstößt. 3. Gewährleistung des rechtlichen Gehörs (Artikel 27 Nr. 2) 194. Die Änderung des Textes von Artikel 27 Nr. 2 geht auf den gleichen Grund wie desjenigen von Artikel 20 zurück —> Nr. 182. Hat der Zusatz dort die Funktion, den Zeitpunkt des Rechtshängigkeitsbeginns zu präzisieren, wenn es sich um ein Verfahren vor irischen oder britischen Gerichten handelt, so kommt ihm hier die Bedeutung zu, festzuhalten, der Zugang welcher Schriftstücke dem Anspruch auf rechtliches Gehör Genüge tut. 4. Ordentliche und außerordentliche Rechtsbehelfe 195. In Artikel 30 und 38 macht das EuGVÜ einen Unterschied zwischen ordentlichen und außerordentlichen Rechtsbehelfen. In den Rechtsordnungen Irlands und des V. K. hierfür einen äquivalenten Begriff zu finden, war unmöglich. Bevor der Grund hierfür näher erläutert und die Tragweite der von der Arbeitsgruppe vorgeschlagenen Lösungen erklärt werden wird (b), empfiehlt es sich aber, einiges zur Abgrenzung von ordentlichen und außerordentlichen Rechtsbehelfen in den kontinentalen Mitgliedstaaten der EWG zu sagen. Denn die Richter im V. K. und in Irland werden mit diesen für sie ungewohnten Begriffen zu arbeiten haben (a). 196. a) Eine klare Regelung des Unterschieds von ordentlichen und außerordentlichen Rechtsbehelfen fehlt allenthalben. In Rechtsprechung und Lehre 53 spielen zwei Kriterien eine beherrschende Rolle. Einmal sind Berufung und Einspruch nicht an bestimmte Anfechtungsgründe gebunden; eine Prozeßpartei kann sich dieser Behelfe bedienen, um jedweden Mangel der Entscheidung geltend zu machen. Zum anderen ist während des Laufs der Berufungs- und Einspruchsfrist sowie infolge der Einlegung dieser Rechtsbehelfe die Vollstreckung aufgeschoben, es sei denn, das Gericht gestatte sie eigens oder das Gesetz sehe sie ausnahmsweise vor. Manche Gesetze enthalten jedoch eine enumerative Aufzählung der ordentlichen Rechtsbehelfe. 197. Der französische Code de procedure civile von 1806, der heute noch in Luxemburg gilt, sprach im 4. Buch des 1. Teils von den außerordentlichen Behelfen, mit denen ein Urteil angefochten werden kann. Was demgegenüber ordentliche Rechtsbehelfe sein sollten, sagte das Gesetzbuch nicht. Im 3. Buch war lediglich von den „Berufungsgerichten" die Rede. Rechtsprechung und Lehre haben aber einhellig Berufung („Ampel") und Einspruch gegen Versäumnisurteile („Opposition") als ordentliche Rechtsbehelfe qualifiziert. Heute stellt für Frankreich der neue Code de procedure civile von 1975 die Dinge ausdrücklich klar: Weiterhin sind allein Einspruch (Artikel 76) und Berufung (Artikel 85) ordentliche Rechtsbehelfe. 948

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198. Der belgische Code judiciaire von 1 9 6 7 hat das dort bereits vorher geltende französische System konserviert. Nur Berufung und Einspruch sind ordentliche Rechtsbehelfe (Artikel 21). 199. Die niederländischen Gesetze machen den Unterschied zwischen ordentlichen und außerordentlichen Rechtsbehelfen überhaupt nicht. Die Rechtslehre klassifiziert folgendermaßen: Widerspruch („Verzet" - bei Erlaß eines Versäumnisurteils), Berufung („Hoger beroep"), Kassationsbeschwerde („Beroep in cassatie") und Revision („Revisie") gelten als ordentliche Rechtsbehelfe. Die Revision ist ein besonderes Rechtsmittel, das nur gegen bestimmte Entscheidungen des „Höge R a a d " zugelassen wird, nämlich gegen solche, die dieses Gericht in erster Instanz erlassen hat. 2 0 0 . Der italienische Text von Artikel 30 und 38 spricht von „impugnazione", ohne zwischen ordentlichen und außerordentlichen Rechtsbehelfen zu unterscheiden. Die italienische Doktrin unterscheidet immerhin sehr wohl zwischen ordentlichen und außerordentlichen Rechtsbehelfen. Artikel 3 2 4 codice di procedura civile sagt, daß ein Urteil nicht in Rechtskraft erwachse, solange die Fristen für die Einlegung folgender Rechtsbehelfe noch liefen: Zuständigkeitsbeschwerde („regolamento di competenza"), Berufung („appello"), Kassationsbeschwerde („ricorso per cassazione") oder, wenn er auf einen der in Ziffern 4 und 5 von Artikel 3 9 5 vorgesehenen Gründe gestützt ist, auch für den Wiederaufnahmeantrag („revocazione"). Diese Rechtsbehelfe bezeichnet man als ordentliche. 201. Auch in Dänemark kennt nur das Schrifttum die Unterscheidung zwischen ordentlichen und außerordentlichen Rechtsbehelfen. M a n knüpft daran an, ob ein Rechtsbehelf binnen einer bestimmten Frist und ohne an besondere Anfechtungsgründe gebunden zu sein, eingelegt werden kann, oder ob seine Zulässigkeit durch Gericht oder Ministerium speziell bewilligt werden muß. Ordentliche Rechtsmittel in diesem Sinne sind die Berufung („Anke") und der Widerspruch gegen ein Versäumnisurteil („Genoptagelse af sager, i hvilke der er afsagt udeblivelsesdom"). 2 0 2 . Das 3. Buch der deutschen Zivilprozeßordnung ist mit „Rechtsmittel" überschrieben und regelt die Berufung, die Beschwerde und die Revision. Als ihr gemeinsamer Zug wird häufig herausgestellt, daß die angefochtene Entscheidung noch nicht „rechtskräftig" sei, solange die Rechtsmittelfrist laufe. Jedoch ist nach § 7 0 5 Z P O „Rechtskraft" gerade dadurch definiert, daß ein „Rechtsmittel" nicht mehr zulässig ist. Der sachliche Unterschied von „Rechtsmitteln" und anderen Rechtsbehelfen liegt im Fehlen besonderer Anfechtungsgründe, der Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung und darin, daß - mittelbar über die Hemmung der Rechtskraft nach Paragraph 7 0 4 auch die Zwangsvollstreckung aufgeschoben wird, wenn nicht, wie fast immer, vorläufige Vollstreckbarkeit angeordnet ist. Sofern man überhaupt von „ordentlichen" Rechtsbehelfen spricht, meint man damit die „Rechtsmittel". Den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil qualifiziert die deutsche Rechtslehre im Einklang mit der Begriffsbildung des Gesetzes nicht als „Rechtsmittel" 5 4 . Ihm kommt kein Devolutiveffekt zu. Da ihm die aufschiebende Wirkung und die Ungebundenheit an bestimmte Anfechtungsgründe indes ebenso eignet wie dem Einspruch in den Rechten der übrigen Gründungsstaaten der Gemeinschaft, muß man ihn gleichwohl den ordentlichen Rechtsbehelfen im Sinne von Artikel 3 0 und 38 EuGVÜ zurechnen. 2 0 3 . In seinem Urteil vom 2 2 . November 1 9 7 7 5 5 hat schließlich der EuGH befunden, der Begriff ordentlicher Rechtsbehelf sei für die ursprünglichen MitgliedRolf A. Schütze

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Staaten der Gemeinschaft einheitlich daran zu orientieren, ob eine Anfechtungsfrist laufe, die „mit der Entscheidung" beginnt. 204. b) In Irland und im V. K. läßt sich weder den Gesetzestexten, noch der Rechtsprechung, noch den systematischen Darstellungen des Prozeßrechts ein Anhaltspunkt für eine Unterscheidung zwischen ordentlichen und außerordentlichen Rechtsbehelfen entnehmen. Der Grundtypus des Rechtsbehelfs ist die Berufung („appeal"). Der Ausdruck wird jedoch nicht nur dann verwandt, wenn die Überprüfung einer Gerichtsentscheidung binnen einer bestimmten Frist ohne Bindung an besondere Anfechtungsgründe verlangt werden kann. Er dient auch zur Bezeichnung spezialisierter Rechtsbehelfe. Daneben gibt es aber auch Rechtsbehelfe, die eine besondere Bezeichnung tragen, etwa - bei Versäumnisurteilen - „reponing" (in Schottland) bzw. „application to set judgment aside" (England und Wales, Irland) oder „motion" (Schottland) bzw. „application (England und Wales, Irland) for a new trial", die in etwa der Wiederaufnahme des kontinentalen Rechts entsprechen. Sie sind die einzigen Rechtsbehelfe gegen den Spruch einer Jury. Die Eigenart des Rechtsbehelfssystems dieser Staaten besteht weiter darin, daß gerichtliche Urteile weder durch den Lauf einer Rechtsbehelfsfrist, noch durch die Einlegung eines Rechtsbehelfs automatisch Vollstreckbarkeit verlieren. Meist stellt jedoch das Rechtsbehelfsgericht die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung einstweilen ein. Schließlich gibt es im V. K. Rechtsmittel, deren Funktion denen der ordentlichen Rechtsmittel der kontinentalen Rechtsordnungen entsprechen, die aber dennoch nicht fristgebunden sind. Über ihre Zulässigkeit entscheidet der Richter im Einzelfall nach seinem Ermessen. Das gilt ζ. B. für den Fall eines Versäumnisurteils. Es konnte daher die Rechtsprechung des EuGH nicht auch für die neuen Mitgliedstaaten übernommen werden. Die Expertengruppe hat sich daher lange darum bemüht, für das V.K. und Irland eine Entsprechung zu der kontinentalen Unterscheidung zwischen ordentlichen und außerordentlichen Rechtsbehelfen herauszuarbeiten. Sie ist jedoch hierbei zu keinem befriedigenden Ergebnis gekommen. Ein solches gelang insbesondere deshalb nicht, weil der Begriff „appeal" vielschichtig ist und nicht wie der der „Berufung" des kontinentalen Rechts als der Prototyp des ordentlichen Rechtsbehelfs schlechthin angesprochen werden kann. Die Expertengruppe hat sich deshalb darauf besonnen, daß die Rechtsfolgen, welche nach Artikel 30 und 38 an die Unterscheidung zwischen ordentlichen und außerordentlichen Rechtsbehelfen anknüpfen, nicht strikt sind, sondern nur in der Eröffnung einer richterlichen Ermessensbefugnis bestehen. Im Interesse von Praktikabilität und Übersichtlichkeit der gesetzlichen Regelung war es daher zu verantworten, für Entscheidungen von Gerichten aus Irland und dem V.K. von einem weiten Rechtsbehelfsbegriff auszugehen. Der kontinentale Richter wird daher sein Ermessen in einer Weise handhaben müssen, die das Gleichgewicht in der Anwendung von Artikel 30 und 38 in allen Vertragsstaaten wahrt. Der kontinentale Richter wird demgemäß von seinem Ermessen zur Verfahrensaussetzung dann nur zurückhaltend Gebrauch zu machen haben, wenn es sich um einen Rechtsbehelf handelt, der in Irland oder im V. K. nur zur Rüge spezieller Mängel der Entscheidung vorgesehen ist oder nach langer Zeit noch eingelegt werden kann. Diese pragmatische Lösung bot sich auch deshalb an, weil ein Urteil dann im Sinne von Artikel 38 ohnehin nicht mehr vollstreckbar ist, wenn es im Heimatstaat angefochten worden ist und das Rechtsbehelfsgericht die Vollstreckung ausgesetzt oder einstweilen eingestellt hat. 950

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5. Kollision mit anerkennungspflichtigen Entscheidungen aus Drittstaaten 205. In einem Punkt war freilich auch im Bereich der die Anerkennungspflicht regelnden Vorschriften des Übereinkommens eine förmliche Anpassung notwendig. Manche seiner Unklarheiten kann man mit Rücksicht auf die Interpretationszuständigkeit des Europäischen Gerichtshofes in Kauf nehmen. Unklarheiten, die Anlaß zu diplomatischen Verwicklungen mit Drittstaaten geben könnten, sind einem Mitgliedstaat aber nicht zumutbar. Solche Verwicklungen soll die neue Nr. 5 von Artikel 2 7 ausschließen. Z u ihrer Erläuterung diene folgendes Beispiel: Im Drittstaat Α ergeht zugunsten einer Person mit Wohnsitz in der Gemeinschaft ein die Klage abweisendes Urteil. Aufgrund eines bilateralen Vertrages ist ein Gemeinschaftsstaat Β zur Anerkennung der Entscheidung verpflichtet. Der Kläger klagt in einem solchen Staat der Gemeinschaft C neu, der zur Anerkennung des Urteils aus dem Drittstaat nicht verpflichtet ist. Obsiegt er dann, so war nach dem bisherigen Text des Übereinkommens zweifelhaft, ob das Urteil nicht im Staat Β anerkennungspflichtig ist. Dies ist fürderhin mit Sicherheit nicht mehr der Fall. Der Text der neuen Vorschrift lehnt sich, um unnötige Rechtszersplitterung zu vermeiden, an Artikel 5 des Haager Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 1. Februar 1971 an. Die Vorschrift erhielt daher eine Fassung, die etwas weiter ist, als zur Vermeidung diplomatischer Verwicklungen nötig. Auch wenn die Entscheidung aus dem Drittstaat nicht durch internationalen Vertrag, sondern lediglich kraft nationalen Rechts anerkennungspflichtig ist, geht sie vor. Wegen staatsvertraglicher Verpflichtungen, bestimmte Urteile nicht anzuerkennen —> Nr. 2 4 9 ff. 2. Abschnitt Die Vollstreckung 1. Vorbemerkungen 206. Die Arbeit der Expertengruppe beschränkte sich im wesentlichen darauf, die in den neuen Mitgliedstaaten für das Vollstreckbarkeitsverfahren zuständigen Gerichte und die in diesem Zusammenhang vorgesehenen Rechtsbehelfe zu bezeichnen. Hierbei mußte auf vier Eigenarten des Rechts im V. K., zum Teil auch in Irland, Bedacht genommen werden. Zur Frage der Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens hat die Gruppe keine Anpassungsentscheidungen getroffen. Jedoch sei auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 30. November 1976 (42/76) hingewiesen. Danach steht der Artikel 31 einer erneuten Klage des siegreichen Klägers im Vollstreckungsstaat entgegen. Die Vertragsstaaten sind aber gehalten, eine Kostenregelung zu treffen, die dem Streben nach Vereinfachung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens Rechnung trägt. 207. Die Gruppe hat auch darauf verzichtet, Bestimmungen über die Pfändung internationaler Forderungen in das Übereinkommen aufzunehmen, obwohl ihr klar war, daß es insoweit Probleme gibt, wenn Schuldner und Drittschuldner ihren Wohnsitz in verschiedenen Staaten haben. Ist in einem Staat für die Pfändung solcher Forderungen das Gericht am Wohnsitz des Schuldners zuständig, so kann der Wohnsitzstaat des Drittschuldners die Zustellung des PfändungsRolf A. Schütze

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beschlusses an diesen als einen Eingriff in seine Souveränität betrachten und ihr die Wirkung versagen. In einer solchen Situation kann sich aber der Gläubiger damit behelfen, daß er das Urteil im Wohnsitzstaat des Drittschuldners für vollstreckbar erklären und in diesem Staat die Forderung des - Schuldners gegen den Drittschuldner pfänden läßt, sofern sich dieser Staat für eine solche M a ß nahme internationale Zuständigkeit beilegt. 2 0 8 . a) Das Recht des V. K. und Irlands kennt nicht das System des „Exequaturs" ausländischer Entscheidungen. In diesen Staaten ist eine Klage auf der Grundlage des ausländischen Urteils nötig, sofern nicht - wie im V. K. - für Urteile gewisser Staaten (zu denen die sechs ursprünglichen Mitgliedstaaten außer Luxemburg gehören) das System der Registrierung gilt (—» Nr. 6). In diesem Fall sind die ausländischen Entscheidungen, wenn sie vollstreckt werden sollen, bei einem Gericht des V. K. zu registrieren. Sie haben dann die gleichen Wirkungen wie Entscheidungen, die vom registrierenden Gericht selbst stammen. Der Antrag ist vom Gläubiger persönlich oder in seinem Namen von einem Anwalt („Solicitor") zu stellen. Persönliches Erscheinen ist notwendig; ein schriftlich zugesandter Antrag reicht nicht aus. Wird der Antrag gutgeheißen, so wird das Urteil in ein beim Gericht geführtes Register eingetragen. Im V. K., mit Ausnahme von Schottland, gibt es ein selbständiges Vollstreckungsorgan nach Art des französischen „huissier" oder des deutschen „Gerichtsvollziehers" nicht —» Nr. 221. Nur das Gericht kann Maßnahmen zur Zwangsvollstreckung verfügen, welches das Urteil erlassen hat oder bei dem es registriert worden ist. Da eine derartige Registrierung dem aus dem ausländischen Urteil Berechtigten gleichen Rechtsschutz verschafft wie die Erteilung des Exequaturs auf dem Kontinent, konnte das Registrierungssystem des V. K. auch im Geltungsbereich des EuGVÜ anerkannt werden. 2 0 9 . b) Schon einleitend —> Nr. 11 ist die verfassungsrechtliche Besonderheit des V. K. hervorgehoben worden: England und Wales, Schottland und Nordirland sind jeweils eigenständige Gerichtsgebiete. Dem mußte in einem neuen Absatz von Artikel 31 Rechnung getragen werden. Auch die in Artikel 3 7 und 4 0 vorgesehenen Rechtsbehelfsmöglichkeiten gelten für jede Registrierung gesondert. Ist ein Urteil beim „High C o u r t " in London endgültig registriert worden, so kann gegen seine spätere Registrierung beim „Court of Session" in Edinburg abermals ein Rechtsbehelf eingelegt werden. 210. c) Das V . K . räumt im Zusammenhang mit der Vollstreckung ausländischer Gerichtsentscheidungen klassischerweise Unterhaltstiteln eine Sonderstellung ein —> Nr. 7. Ihre Vollstreckung war bisher nur im Verhältnis zu einigen Ländern des britischen Commonwealth sowie im Verhältnis zu Irland vorgesehen und ist anderen Gerichten anvertraut als die Vollstreckung sonstiger Entscheidungen. Da das EuGVÜ keine Vorschriften enthält, welche einer Differenzierung des Anerkennungsverfahrens nach verschiedenen Arten gerichtlicher Entscheidungen entgegenstünden, ist es ohne weiteres möglich, Unterhaltsurteile auch für den Bereich des EuGVÜ einer Sonderregelung zu unterstellen. So kann ein einheitliches System für die Anerkennung von Unterhaltsurteilen aus der Gemeinschaft und aus dem Commonwealth geschaffen und mit Rücksicht auf die Art der zuständigen Gerichte eine zentrale Sammelstelle für eingehende Vollstreckungsanträge errichtet werden —> Nr. 218. Für Unterhaltsvergleiche —» Nr. 2 2 6 . 211. d) Schließlich ergaben sich noch Probleme im Zusammenhang mit gerichtlichen Entscheidungen, die zu einer anderen Leistung als zur Zahlung einer Geldsumme verurteilen. Vollstreckbare Urteile auf Vornahme individueller 952

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Handlungen lassen die Rechtsordnungen des V. K. und Irlands nämlich nicht allgemein, sondern nur in gesetzlich geregelten Fällen zu. Diese betreffen Urteile auf Lieferung von beweglichen Sachen, auf Übertragung von Eigentum oder Besitz an Grundstücken, sowie sogenannte „injunctions", welche nach Ermessen des Gerichts eine Person zur Vornahme oder Unterlassung einer Handlung anweisen. Eine Vollstreckung ist entweder über den Sheriff durch Anwendung unmittelbaren Zwangs oder mittelbar über Geld- und Haftstrafen für „contempt of court" möglich. In Schottland gibt es neben den auf die Übertragung von Besitz oder Eigentum von Grundstücken und auf Unterlassung zielenden Urteilen noch die sogenannten „decrees ad factum prestandum", mittels deren der Beklagte zur Vornahme von Handlungen, vor allem zur Herausgabe beweglicher Sachen, verurteilt werden kann. 212. aa) Wird in der Bundesrepublik Deutschland die Vollstreckung einer solchen gerichtlichen Entscheidung aus Irland oder dem V . K . beantragt, so hat das Gericht dieselben Zwangsmittel anzuwenden, die bei einem entsprechenden deutschen Urteil zulässig wären, nämlich Zwangsgeld und Zwangshaft. Im umgekehrten Falle hätte das Gericht des V. K. und Irlands Strafen wegen „contempt of court" wie bei Mißachtung seiner eigenen Urteile zu verhängen. 213. bb) Ganz anders ist das System der Vollstreckung von Urteilen, die auf Vornahme einer individuellen Handlung lauten, in anderen Staaten der Gemeinschaft, ζ. B. in Belgien, Frankreich und Luxemburg. Der Beklagte wird zur Vornahme der Handlung und zugleich zur Zahlung eines Geldbetrags an den Kläger für den Fall verurteilt, daß er die Leistung nicht erbringt. In Frankreich droht man Zwangsgeld („astreinte") zunächst nur an. Die Verurteilung muß im Falle der Zuwiderhandlung gesondert nachfolgen und erreicht die Höhe der angedrohten Summe kaum jemals. In Belgien setzt man die Höhe des Zwangsgeldes bereits in der Entscheidung fest, die zu einer individuellen Leistung verurteilt 5 6 . Um den Schwierigkeiten zu begegnen, die sich im zwischenstaatlichen Verkehr dieserhalb aus der Vollstreckung von Urteilen über individuelle Handlungen ergeben könnten, hat Artikel 4 3 festgelegt, dann, wenn die vorgesehene Sanktion eine „astreinte" sei, solle das Ausgangsgericht ihre Höhe selbst festsetzen. Im Ausland kann dann eine Zwangsvollstreckung nur noch wegen der „astreinte" stattfinden. Französische, belgische, niederländische und luxemburgische Urteile sind in Deutschland, im V. K. und Italien ohne weiteres vollstreckbar, wenn das Ausgangsgericht so verfahren ist. Das EuGVÜ läßt jedoch die Frage offen, ob auch solches Zwangsgeld für die Mißachtung eines Gerichtsurteils, das nicht dem Urteilsgläubiger, sondern dem Staat zufließt, auf diese Weise vollstreckt werden kann. Da es sich nicht um ein Problem handelt, das erst durch den Beitritt der neuen Mitgliedstaaten aufgeworfen worden ist, nahm die Expertengruppe Abstand von einer Stellungnahme. 2. Förmliche Anpassungen wegen der zuständigen Gerichte und der statthaften Rechtsbehelfe 214. Die förmlichen Anpassungen im Bereich der Artikel 32 bis 4 5 betrafen, abgesehen von der Einfügung eines für das Recht Irlands und des V. K. äquivalenten Begriffs zu den ordentlichen Rechtsbehelfen —»Nr. 195 und von Artikel 4 4 über

das Armenrecht —» Nr. 223 ausschließlich die zuständigen Gerichte und die Arten der möglichen Rechtsbehelfe Unterhaltsanpassungen —» Nr. 108.

gegen ihre Entscheidungen. Wegen der

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215. a) Für Anträge auf Vollstreckbarkeitserklärung —> Nr. 208 von Urteilen, die keine Unterhaltsurteile sind, ist in Irland, England und Wales, Schottland und Nordirland jeweils nur ein Gericht für zuständig erklärt worden. Das hängt mit der Eigenart der dortigen Gerichtsverfassung zusammen —» Nrn. 11, 208 und 209. 216. Will der Schuldner gegen die Zulassung der Vollstreckung vorgehen, so muß er seinen Rechtsbehelf („application to set registration aside") nicht wie in Deutschland, Frankreich oder Italien bei dem Gericht höherer Ordnung, sondern wie in Belgien oder den Niederlanden bei dem Gericht einlegen, das das Urteil registriert hat. Das Verfahren wird die Form eines normalen streitigen Zivilprozesses annehmen. Entsprechendes gilt auch für den Rechtsbehelf, der dem Antragsteller für den Fall zusteht, daß sein Antrag abgelehnt worden ist, obwohl in dieser Situation für alle sieben kontinentalen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft die Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung vorgesehen ist. 217. Schwierigkeiten bereitete auf der Grundlage der zu Artikel 32 und 40 vorgeschlagenen Lösung die Anpassung von Artikel 37 Absatz 2 und von Artikel 41. In den ursprünglichen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft kann gegen Entscheidungen der in Artikel 37 und 40 für zuständig erklärten Gerichte ohnehin nur ein auf die Überprüfung von Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel zum höchsten Gericht des Staates eingelegt werden. Man konnte sich daher damit begnügen, dies auch für die nach dem EuGVÜ vorgesehenen Rechtsbehelfe festzuschreiben und für Belgien die Cour d'Appel einfach zu überspringen. Sinn der Regelung ist es, im Interesse einer zügigen Durchführung der Vollstreckung die Zahl der Rechtsbehelfe auf einen einzigen, mit der Möglichkeit voller Tatsachenkontrolle, und einen zweiten, beschränkt auf eine Rechtskontrolle, zu begrenzen. Es genügte daher nicht, für die neuen Mitgliedstaaten festzulegen, gegen die Entscheidung des Gerichts, welches über einen Rechtsbehelf des Schuldners oder Gläubigers befunden habe, sei nur noch ein weiterer Rechtsbehelf statthaft. Der zweite Rechtsbehelf war vielmehr darüber hinaus auf Rechtskontrolle zu beschränken. Für die Zwecke der Anwendung des EuGVÜ muß das V. K. sein Rechtsbehelfssystem anpassen. Für Irland, das einen lediglich zweistufigen Gerichtsaufbau („superior court System") kennt, kommt nur der Supreme Court in Betracht. Es bleibt der Einführungsgesetzgebung des V. K. überlassen, zu entscheiden, ob der Rechtsbehelf einheitlich zum „House of Lords" oder, nach Gerichtsgebieten getrennt —» Nr. 11, zum „Court of Appeal" in England und Wales, zum gleichnamigen Gericht in Nordirland oder zum „Inner House of the Court of Session" in Schottland einzulegen ist. Die für die Rechtsbeschwerde des deutschen Rechts und die Kassationsbeschwerde der Rechtsordnungen der übrigen Gründungsstaaten der Gemeinschaft typische Begrenzung der Anfechtungsgründe auf Rechtsverletzungen (im Gegensatz zu falschen Tatsachenwürdigungen) läßt sich für das Recht dieses Staates am besten mit dem Begriff „appeal on a point of law" wiedergeben. Die Abgrenzung zwischen Rechts- und Tatfrage ist schon im Verhältnis der Kassationsbeschwerde zur Rechtsbeschwerde nicht genau die gleiche und bleibt auch für Irland und das V. K. eine Aufgabe seiner eigenen Gesetzgebung und Rechtssprechung. Es entspricht einer festen Tradition, daß der höchste dänische Gerichtshof in dritter Instanz nur mit Genehmigung des Justizministers angerufen werden kann. Die Expertengruppe war zunächst skeptisch, ob sie solches auch im Rah954

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men des EuGVÜ akzeptieren solle. Es zeigte sich indes, daß dieses nicht für alle Fälle eine dritte Instanz garantiert. Vielmehr sind die Staaten frei, zur Entlastung ihrer höchsten Gerichte für das in Artikel 41 genannte Rechtsbehelfsverfahren besondere Zulässigkeitsschranken zu errichten. Die dänische Lösung ist nur eine besondere Ausformung dieses Rechtsgedankens. Im Falle von Dänemark konnte auch darauf verzichtet werden, eine Begrenzung der dem obersten Gerichtshof aufgetragenen Kontrolle auf Rechtsfragen zu verlangen. Das Justizministerium kann in seiner Genehmigungspraxis auf die Klärungsbedürftigkeit einschlägiger Rechtsfragen abstellen. Dänemark hat zugesichert, die Genehmigung immer erteilen zu wollen, wenn die zweite Instanz von ihrem Ermessen, den Europäischen Gerichtshof anzurufen, keinen Gebrauch gemacht hat oder wenn das Exequatur zu einer ausländischen Entscheidung aus Rechtsgründen versagt wurde. 218. b) In Irland gilt die vorgeschlagene Regelung auch für Unterhaltsentscheidungen. Für das V.K. haben jedoch Unterhaltsurteile eine besondere Regelung erfahren —» Nr. 210. Zuständig sind für die Registrierung in England und Wales sowie in Nordirland jeweils die „Magistrates' Courts", in Schottland die „Sheriff Courts". Ihnen obliegen auch sonst Unterhaltssachen einschließlich der Vollstreckung ausländischer Unterhaltsurteile. Der ausländische Unterhaltsgläubiger kann sich aber nicht direkt an eines dieser Gerichte, sondern nur an den Secretary of State 57 wenden, welcher die Übermittlung des Urteils an das zuständige Gericht besorgen wird. Diese Regelung wurde im Interesse des ausländischen Unterhaltsgläubigers getroffen, weil die „Magistrates' Courts" bzw. die „Sheriff Courts" mit Laienrichtern besetzt sind und keinen Verwaltungsunterbau besitzen. Wegen der Zuständigkeit für die nach dem EuGVÜ sowohl dem Gläubiger als auch dem Schuldner zustehenden Rechtsbehelfe bleibt es bei dem auch sonst geltenden System: Dasselbe Gericht entscheidet, das das Urteil registriert oder seine Registrierung abgelehnt hat. Eine Änderung des Unterhaltsurteils ist im Registrierungsverfahren auch bei Geltendmachung veränderter Verhältnisse nicht möglich Nr. 104 ff. Die im V.K. bestehende Sonderstellung der Unterhaltsentscheidungen bringt dem Unterhaltsgläubiger eine Reihe von Vorteilen. Nachdem er die Entscheidung dem „Secretary of State" geschickt hat, braucht er sich praktisch überhaupt nicht mehr um den Fortgang des Verfahrens und die Vollstreckung zu kümmern. Alles weitere ist auch kostenfrei. Der Secretary of State sendet das Urteil an das zuständige Gericht. Dessen Geschäftsstellenbeamter („clerk") gilt, wenn der Urteilsgläubiger nichts Gegenteiliges wünscht, als Zustellungsbevollmächtigter im Sinne von Artikel 33 Absatz 2, S. 2. Dieser Beamte ist in England und Wales sowie in Nordirland auch für die Durchführung der notwendigen Vollstreckungsmaßnahmen und dafür verantwortlich, daß der Gläubiger den Vollstreckungserlös erhält. Lediglich in Schottland muß der Urteilsgläubiger die Dienste eines Anwalts („solicitor") in Anspruch nehmen, um nach Registrierung der Entscheidung Vollstreckungsmaßnahmen durchführen zu können. Die „Law Society of Scotland" übernimmt die Vermittlung von Anwälten, die gegebenenfalls auch nach Armenrechtsgrundsätzen besoldet werden. Verzieht der Unterhaltsschuldner in ein anderes Rechtsgebiet des V. K. —> Nr. 11, so wird ein Unterhaltstitel, im Gegensatz zu sonstigen Urteilen, auch automatisch beim neu zuständigen Gericht registriert. Unterhaltsvergleiche Nr. 226. Rolf A. Schütze

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3. Sonstige Anpassungsprobleme 219. a) Das V. K. hat angefragt, ob Artikel 34 ausschließt, den Schuldner von der Stellung eines Antrags auf Registrierung einer ausländischen Entscheidung zu benachrichtigen. Sinn von Artikel 34 ist es unter anderem auch, den für die Effizienz von Vollstreckungsversuchen unentbehrlichen Überraschungseffekt sicherzustellen. Wenn diese Norm eine Benachrichtigung der Vollstreckungsklausel auch nicht kategorisch verbietet, so muß eine solche daher doch auf seltene Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Man kann an Registrierungsanträge denken, die erst lange Zeit nach Erlaß des Urteils gestellt werden. Eingaben des Schuldners, ob aufgrund oder ohne seine vorherige Benachrichtigung, darf das Gericht ohnehin nicht berücksichtigen. 220. b) Der in Artikel 36 vorgesehene Rechtsbehelf kann unter anderem darauf gestützt werden, die Entscheidung falle nicht in den Geltungsbereich des Übereinkommens, sie sei noch nicht vollstreckbar, die Urteilsforderung sei bereits erfüllt. Eine Überprüfung des Inhalts der zu vollstreckenden Entscheidung oder des Verfahrens, auf dessen Grundlage sie zustande gekommen ist, ist jedoch nur in dem durch Artikel 27 und 28 eröffneten Maße zulässig. Wegen der Anpassung von Unterhaltstiteln —» Nr. 108. 221. c) Lange hat die Expertengruppe über Artikel 39 beraten. Die Vorschrift ist zugeschnitten auf das französische und die ihm verwandten Rechte, welche die Einrichtung des „huissier" kennen. Danach können Vollstreckungsmaßnahmen, sofern es sich um bewegliche Sachen oder Forderungen des Schuldners handelt, ohne Einschaltung eines Gerichts in der Weise betrieben werden, daß der „huissier" mit ihrer Vornahme beauftragt wird. Die Auswahl unter den möglichen Arten von Vollstreckungsmaßnahmen trifft der Gläubiger. Das Vollstreckungsorgan hat insoweit keinerlei Ermessensspielraum. Die Rechtslage im V. K. (vor allem in England und Wales sowie in Schottland) und in Irland weicht davon ab. Im V. K. ist für Vollstreckungsmaßnahmen das Gericht zuständig, welches das Urteil erlassen oder registriert hat. In Irland ist es das Gericht, welches das Urteil erlassen hat oder vollstreckt. Das Gericht besitzt Ermessensspielraum bei Auswahl der zuzulassenden Vollstreckungsmaßnahmen. Solche, die sich lediglich auf eine Sicherung des vollstreckbaren Anspruchs beschränken, gibt es bisher grundsätzlich nicht. Letzteres muß die Einführungsgesetzgebung dieser Staaten ändern und Sicherungsmaßnahmen vorsehen, sofern diese Folge nicht mit dem Inkrafttreten des Übereinkommens für einen dieser Staaten von selbst eintritt —» Nr. 256. Das EuGVÜ garantiert im übrigen dem Gläubiger nicht bestimmte Vollstreckungsmaßnahmen. Auch in der Monopolisierung des Vollstreckungsbetriebs bei Gericht liegt nichts, was mit dem EuGVÜ unvereinbar wäre. Insbesondere gebietet das EuGVÜ den Vertragsstaaten nicht, eine Institution nach Art des französischen „huissier" zu unterhalten. Auch in seinem ursprünglichen Geltungsbereich muß sich ein Gläubiger wegen bestimmter Vollstreckungsmaßnahmen unmittelbar an das Gericht wenden, in Deutschland etwa dann, wenn Immobilienvollstreckung ansteht. Sicher ist aber, daß die Worte des deutschen Textes „in das Vermögen des Schuldners" nicht die Bedeutung haben, die Zulässigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen gegen dritte Personen vorauszusetzen. Die zitierten Worte könnten fehlen, ohne den Sinn der Vorschrift zu ändern. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegenüber anderen als den verurteilten Personen möglich sind, beant956

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wortet sich allein nach nationalem Recht. Nur die Einschränkungen von Artikel 39 sind auch dann zu beachten. Ein Gericht als Vollstreckungsbehörde braucht auch nicht mit dem Gericht identisch zu sein, das das Exequatur erteilt bzw. das ausländische Urteil registriert hat. Aus diesem Grunde kann Dänemark für die Vollstreckung nach dem EuGVÜ bei seinem System bleiben, das die Zwangsvollstreckung generell einem speziellen Vollstreckungsrichter zuweist. 222. d) Wegen der durch das in einigen Staaten geltende System der „astreintes" aufgeworfenen Probleme —» Nr. 213. 223. e) Artikel 44 enthält in seiner bisherigen Fassung keine Regelung für den Fall, daß einer Partei vor den Gerichten des Urteilsstaats Armenrecht nur teilweise bewilligt war. Obwohl es sich um kein Anpassungsproblem handelte, das speziell durch den Beitritt der neuen Mitgliedstaaten aufgeworfen wurde, entschied sich die Expertengruppe gleichwohl für einen Anpassungsvorschlag. In ihren Beratungen wurde offenbar, daß eine unveränderte Weitergeltung des bisherigen Textes zu sehr unangenehmen Verwicklungen führen könnte. Nicht zuletzt fühlte sich die Arbeitsgruppe zu ihrem Vorschlag durch den inzwischen entstandenen Artikel 15 des Haager Übereinkommens vom 2. Oktober 1973 über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen inspiriert. Diese Bestimmung hat sich für die großzügige Lösung entschieden: Auch wenn im Ausgangstaat Armenrecht nur teilweise bewilligt war, soll es im Vollstreckungsverfahren voll gewährt werden. Dies hat folgende Vorteile: Auch der Hauptanwendungsfall von Artikel 44 n. F. ist derjenige der Unterhaltsklage. Die Neufassung dient also der Harmonisierung staatsvertraglicher Regelungen. Sie führt weiter zu einer generellen Vereinfachung der Anträge. Da nicht alle Vertragsstaaten gleichartige Regelungen über die teilweise Gewährung von Armenrecht haben, bringt sie zudem eine materiell einheitliche Rechtsanwendung. Sie garantiert schließlich den Uberraschungseffekt von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen im Ausland, weil Verfahrensverzögerungen, bedingt durch schwierige Berechnungen über den vom Antragsteller aufzubringenden Kostenanteil, vermieden werden. Artikel 44 Absatz 1 verpflichtet aber Staaten, die in Zivilsachen bisher ein Armenrecht nicht kennen, nicht etwa, es einzuführen. 224. f) Der neue Absatz 2 von Artikel 44 hat seinen Grund in der Zuständigkeit dänischer Verwaltungsbehörden —» Nr. 67, deren Tätigkeit kostenfrei ist. Armenrechtsbewilligungen entfallen daher. Die neue Vorschrift soll verhindern, daß dieserhalb die Vollstreckung dänischer Unterhaltsurteile im EWG-Ausland im Vergleich mit Unterhaltsurteilen aus anderen EWG-Staaten benachteiligt wird. 3. Abschnitt Gemeinsame Vorschriften 225. Aus dem Bereich der Artikel 46 bis 49 war Gegenstand der Beratungen, ob in den neuen Mitgliedstaaten gemäß deren Rechtstradition auch eine eidesstattliche Versicherung („affidavit"), insbesondere über das NichtVorliegen der in Rolf A. Schütze

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Artikel 27 und 28 vorgesehenen Anerkennungsversagungsgründe, verlangt werden kann. Eine eidesstattliche Versicherung ist als Beweismittel im Rechtsbehelfsverfahren sicher zulässig, wenn der Schuldner gegen die Registrierung bzw. Vollstreckbarkeitserklärung oder der Gläubiger gegen deren Verweigerung angeht. Alle übrigen normalerweise zulässigen Beweismittel müssen in diesem Verfahren aber ebenfalls zur Verfügung stehen. Für den in Artikel 46 Nummer 2 aufgenommenen Zusatz waren die gleichen Gründe maßgebend wie in Nr. 182 und Nr. 194 dargelegt.

6. KAPITEL ÖFFENTLICHE URKUNDEN U N D PROZESSVERGLEICHE 226. In England und Irland gibt es kein Gegenstück zu den vollstreckbaren Urkunden. In Schottland können Urkunden, die eine genau bestimmte Leistungspflicht begründen, in ein öffentliches Register eingetragen werden. Ein Registerauszug berechtigt dann zur Zwangsvollstreckung wie aus einem Gerichtsurteil. Solche Auszüge fallen unter Artikel 50. Für die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsurteilen sind im V. K. andere Gerichte als für sonstige Urteile zuständig —> Nrn. 210 und 218. Es ist Aufgabe des nationalen Rechts des V.K. zu entscheiden, ob ausländische gerichtliche Unterhaltsvergleiche wie Unterhaltsurteile oder wie sonstige Gerichtsentscheidungen zu behandeln sind.

7. KAPITEL ALLGEMEINE VORSCHRIFTEN 227. Das Beratungsergebnis zu den Artikeln 52 und 53 ist bereits anderwärts wiedergegeben Nrn. 73 ff., 119.

8. KAPITEL ÜBERGANGSVORSCHRIFTEN 228. Artikel 54 bleibt für die Beziehungen der ursprünglichen Mitgliedstaaten zueinander bestehen. Für ihr Verhältnis zu den neuen Mitgliedstaaten und zu deren Verhältnis untereinander enthält das vorgeschlagene Beitrittsübereinkommen in seinem Artikel 34 eine eigene Übergangsvorschrift. Sie orientiert sich ganz an Artikel 54 EuGVÜ, trägt aber der Tatsache Rechnung, dass dieses einmal in seiner ursprünglichen Fassung zwischen den Gründungsstaaten schon seit 1. Februar 1973 in Kraft ist und zum anderen in einigen Punkten geändert werden soll. Schließlich mußte das Protokoll vom 3. Juni 1971 über die Auslegung des EuGVÜ in die Übergangsregelung miteinbezogen werden. Im einzelnen gilt folgendes 58 : 958

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I. Z U S T Ä N D I G K E I T 2 2 9 . 1. Die Zuständigkeitsvorschriften des EuGVÜ sind in den neuen Mitgliedstaaten nur in ihrer neuen Fassung und nur auf Klagen anwendbar, die nach dem Inkrafttreten des Beitrittsübereinkommens erhoben werden, nachdem das EuGVÜ für den fraglichen Staat in Kraft getreten ist, Artikel 3 4 Absatz 1. 2 3 0 . 2 . Die neue Fassung gilt auch für Klagen, die in den ursprünglichen Mitgliedstaaten nach diesem Zeitpunkt angestrengt werden. Die Zuständigkeit für Verfahren, die dort vorher, aber nach dem 1. Februar 1973 angelaufen sind, richtet sich weiter nach der ursprünglichen Fassung des EuGVÜ, Artikel 3 4 Absatz 1. Zu beachten ist für das Verhältnis der alten Mitgliedstaaten zueinander, daß die Neufassung nach Artikel 3 9 des Beitrittsübereinkommens nur gleichzeitig für alle sechs von ihnen in Kraft treten kann.

II. A N E R K E N N U N G U N D V O L L S T R E C K U N G

1. ENDE DER ÜBERGANGSZEIT 231. Die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen richtet sich in jeder Beziehung nach dem geänderten Übereinkommen, wenn im Zeitpunkt der Klageerhebung die Übergangszeit bereits beendet ist. Das ist der Fall, wenn in diesem Zeitpunkt das Beitrittsübereinkommen sowohl für den Staat in Kraft getreten ist, dem das entscheidende Gericht angehört, als auch für den späteren Anerkennungs- und Vollstreckungsstaat, Artikel 3 4 Absatz 1. Es genügt also nicht, daß das Beitrittsübereinkommen nur in dem erstgenannten Staat gilt. Denn im Verhältnis zu Bewohnern des späteren Anerkennungs- und Vollstreckungsstaats kann, wenn im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht auch dieser schon Mitgliedstaat des Beitrittsübereinkommens ist, nach Artikel 4 EuGVÜ noch exorbitante Zuständigkeit in Anspruch genommen werden. Das macht eine Pflicht zur unbesehenen Anerkennung und Vollstreckung in diesem Staat unzumutbar. Angenommen: Das Beitrittsübereinkommen trete am 1. Januar 1981 für die ursprünglichen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und für Dänemark in Kraft; am 3. Januar 1981 werde in Deutschland eine Klage gegen einen Bewohner Dänemarks erhoben. Dann ist das am 1. Juli 1981 der Klage stattgebende Urteil in Dänemark ohne Rücksicht auf Übergangsregelungen zu vollstrecken, auch wenn etwa das V. K. erst am 1. Dezember 1981 Vertragspartei werden sollte. Sind hingegen im Beispielsfall Klage und Urteil gegen einen Bewohner des V. K. gerichtet, dann findet Artikel 3 4 Absatz 1 auf die Anerkennung und Vollstreckung im V. K. keine Anwendung. Insoweit liegt ein echter Übergangsfall vor. Es sind die Absätze 2 und 3 von Artikel 3 4 , welche sich auf die Entscheidungen aus der Übergangszeit beziehen, also auf Entscheidungen, die zwar nach Inkrafttreten des Beitrittsübereinkommens im Anerkennungs- und Vollstreckungsstaat gefällt wurden, aber aufgrund von Klagen, die zu einem Zeitpunkt erhoben wurden, als das Beitrittsübereinkommen entweder im Urteilsstaat oder im Vollstreckungsstaat noch nicht in Kraft war. Die Absätze 2 und 3 von Artikel 3 4 differenzieren danach, o b der Fall sich im bloßen Verhältnis der alten Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zueinander abspielt oder auch neue Mitgliedstaaten berührt. Rolf A. Schütze

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2. Das Verhältnis der ursprünglichen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zueinander 232. Im Verhältnis der ursprünglichen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zueinander unterstellt Artikel 34 Absatz 2 die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen ohne irgendwelche Einschränkungen dem geänderten Übereinkommen, wenn sie nach dessen notwendigerweise einheitlichem —> Nr. 2 3 0 a . E . Inkrafttreten für diese Staaten gefällt wurden, auch wenn dies aufgrund von Klagen geschah, die vorher rechtshängig geworden waren. Mittelbar ist dadurch zum Ausdruck gebracht, daß es im Verhältnis dieser Staaten zueinander für die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen bei Artikel 54 EuGVÜ verbleibt, wenn sie vor Inkrafttreten des Beitrittsübereinkommens erlassen wurden. Die wichtigste Auswirkung von Artikel 34 Absatz 2 besteht darin, daß im Verhältnis der ursprünglichen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zueinander im Anerkennungsverfahren eine Prüfung dahin gehend unterbleibt, ob das Gericht, welches die anzuerkennende Entscheidung erlassen hat, nach dem Beitrittsübereinkommen zuständig gewesen wäre. Ist die Klage nach dem 1. Februar 1973 erhoben worden, so ist die Zuständigkeit des Gerichts, das die anzuerkennende Entscheidung gefällt hat, überhaupt nicht mehr zu überprüfen. Dies ist bemerkenswert deshalb, weil dieses Gericht im Verhältnis zu Bewohnern der neuen Mitgliedstaaten noch aufgrund exorbitanter Zuständigkeitsregeln Kompetenz erlangt haben konnte. Dies sei anhand eines Beispiels erläutert: Im Jahr 1978 erhebt ein Franzose unter Berufung auf Artikel 14 c.c. vor französischen Gerichten Klage gegen eine Person mit Wohnsitz in Irland. Nach Artikel 4 des EuGVÜ ist dies möglich. Ein dem Kläger günstiges Urteil ergeht im Jahr 1982. Angenommen, 1981 sei das Beitrittsübereinkommen im Verhältnis der alten Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zu Irland in Kraft getreten, dann muß das Urteil in Deutschland anerkannt und vollstreckt werden, nicht aber in Irland.

3. Beteiligung neuer Mitgliedstaaten 233. Für die Anerkennung und Vollstreckung im Verhältnis der alten zu den neuen Mitgliedstaaten bzw. der neuen Mitgliedstaaten untereinander gilt nämlich nach Artikel 34 Absatz 3 etwas anderes als für die Beziehungen der alten Mitgliedstaaten unter sich. Diese Bestimmung betrifft also den Fall, daß in einem neuen Vertragsstaat ein Urteil aus einem alten Vertragsstaat oder aus einem anderen neuen Vertragsstaat anerkannt und vollstreckt werden soll. Dies ist abgesehen von den in Nr. 231 erwähnten Fällen nach Abschluß der Übergangszeit unter einer dreifachen Voraussetzung möglich. 234. a) Die Entscheidung muß gefällt worden sein, nachdem das Beitrittsübereinkommen für beide Staaten in Kraft getreten ist. 235. b) Weiter muß die Klage zu einem Zeitpunkt erhoben worden sein, der, wie es im Gesetzestext heißt, „vor dem Inkrafttreten des Beitrittsübereinkommens zwischen dem Urteilsstaat und dem ersuchten Staat" liegt. Gemeint ist damit: Im Zeitpunkt der Klageerhebung darf das Beitrittsübereinkommen sowohl in dem Staat in Kraft sein, dem das Gericht angehört, welches die anzuerkennende Entscheidung erlassen hat, als auch im späteren Anerkennungs- und Vollstreckungsstaat, nicht aber schon in beiden Staaten. 960

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2 3 6 . c) Schließlich muß die Zuständigkeit des Gerichts, das das anzuerkennende Urteil gefällt hat, gewissen Kriterien entsprechen, deren Vorliegen das Gericht im Anerkennungs- und Vollstreckungsstaat zu überprüfen hat. Diese Kriterien entsprechen ganz dem, was Artikel 5 4 für die Ubergangsfälle verfügt hatte, die bei dem Inkrafttreten des EuGVÜ zwischen den sechs ursprünglichen Vertragsstaaten anhängig waren. Eine auch im Anerkennungsverfahren zu respektierende Zuständigkeit des entscheidenden Gerichts ist unter zwei alternativen Voraussetzungen anzunehmen: aa) Das Urteil ist anzuerkennen, wenn das Gericht im Urteilsstaat zuständig gewesen wäre, hätte im Zeitpunkt der Klageerhebung das Beitrittsübereinkommen im Verhältnis der beiden Staaten zueinander schon gegolten, bb) Das Urteil ist auch anzuerkennen, wenn die Zuständigkeit des Gerichts im Zeitpunkt der Klageerhebung durch einen anderen völkerrechtlichen Vertrag gedeckt war, der im Verhältnis beider Staaten zueinander in Kraft stand. Greift man das in Nr. 2 3 2 gebrachte Beispiel wieder auf, so ergibt sich folgendes: Das französische Urteil ist zwar nach Inkrafttreten des Beitrittsübereinkommens für Irland und Frankreich ergangen. Die Klage war auch zu einem Zeitpunkt erhoben worden, als das Beitrittsübereinkommen in Frankreich (und Irland) noch nicht galt. Hätte es zu diesem Zeitpunkt für das Verhältnis Frankreichs zu Irland schon gegolten, so hätten die französischen Gerichte ihre Zuständigkeit nicht mehr auf Artikel 14 c.c. stützen, also - wie ergänzend angenommen sei - auch nicht mehr annehmen können. Schließlich gibt es im Verhältnis von Frankreich zu Irland auch keinen bilateralen Vertrag, der die direkte oder indirekte Zuständigkeit der Gerichte beträfe. Das Urteil muß also in Irland nicht anerkannt werden. Hätte sich das Ganze im Verhältnis von Frankreich zum V. K. abgespielt, so wäre zwar der zwischen diesen beiden Staaten geltende Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag vom 18. Januar 1 9 3 4 zu beachten gewesen. Er sanktioniert aber die aus Artikel 14 c.c. entspringende Zuständigkeit gerade nicht. Auch im V. K. wäre also das Urteil nicht anerkennungspflichtig. Hätte sich der Fall im Verhältnis zwischen Deutschland und dem V. K. ereignet und hätte der im V. K. wohnende Beklagte vor Beginn des Rechtsstreits durch mündliche Abrede die Zuständigkeit der deutschen Gerichte vereinbart, dann müßte das Urteil nach dem EuGVÜ im V. K. anerkannt und vollstreckt werden. Denn nach Artikel IV (1) (a) des deutsch-britischen Vertrages vom 14. Juli 1 9 6 0 ist eine mündliche Vereinbarung ausreichend, um Anerkennungs- (genannt auch: indirekte) Zuständigkeit zu begründen. Freilich hätte das deutsche Gericht ein „Landgericht" gewesen sein müssen, weil die Urteile von Amtsgerichten nach diesem Abkommen nicht anerkennungspflichtig sind, Artikel I (2). Wäre die Gerichtsstandsvereinbarung schriftlich getroffen worden, dann wäre auch das Urteil eines Amtsgerichts nach Artikel 3 4 Absatz 3 des Beitrittsübereinkommens anerkennungspflichtig, denn das Amtsgericht hätte dann seine Zuständigkeit in einer Situation angenommen, in der sie auch bei Geltung des Beitrittsübereinkommens im Verhältnis Deutschlands zum V. K. hätte angenommen werden müssen.

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Rechtsquellen und Materialien. 3c) Multilaterale Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge

9. KAPITEL DAS VERHÄLTNIS ZU ANDEREN ÜBEREINKOMMEN I. ARTIKEL 55 UND 56 237. Die Arbeitsgruppe hat in Artikel 55 die bilateralen Verträge zwischen dem V. K. und anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft eingearbeitet. Irland und Dänemark haben solche Verträge nicht abgeschlossen. Π. ARTIKEL 57 5 9 I. DIE GRUNDSTRUKTUR

DER VORGESCHLAGENEN

REGELUNG

238. Große Schwierigkeiten entstanden bei dem Versuch, den neuen Mitgliedstaaten die genaue Tragweite von Artikel 57 zu erläutern. Sie ergaben sich hauptsächlich daraus, daß diese Bestimmung SpezialÜbereinkommen nur „unberührt" läßt, aber nicht sagt, wie sich deren Bestimmungen mit denen des EuGVÜ zusammenfügen, wenn sie nur Teilbereiche dessen betreffen, was dort geregelt ist. Letzteres ist aber meist der Fall. Man kann die SpezialÜbereinkommen in drei Gruppen einteilen. Manche von ihnen enthalten nur Vorschriften über die direkte Zuständigkeit, so das Warschauer Übereinkommen vom 12. Oktober 1929 zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr und die Zusatzprotokolle sowie das in Seerechtsfällen sehr wichtige Brüsseler Internationale Übereinkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über den Arrest von Seeschiffen (Artikel 7) —> Nr. 121. Die meisten Übereinkommen regeln nur die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen; lediglich mittelbar enthalten sie auch Aussagen zur Zuständigkeit der Gerichte insofern, als sie diese in ihrer Funktion als Anerkennungsvoraussetzung ansprechen. So etwa ist das Haager Übereinkommen vom 15. April 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern aufgebaut. Schließlich gibt es auch Übereinkommen, welche sowohl Regelungen über die direkte Zuständigkeit als auch Bestimmungen über die Anerkennung und Vollstreckung beinhalten, wie etwa die Berner Eisenbahnübereinkommen und die Mannheimer Rheinschiffahrts-Akte. Uninteressant für die Zwecke der hier behandelten Gegenstände ist, ob die Übereinkommen noch zusätzlich Bestimmungen über das anwendbare Recht oder sachlichrechtliche Vorschriften enthalten. 239. a) Klar ist ohne Zusatzerläuterungen, daß die Zuständigkeitsvorschriften des EuGVÜ anwendbar sind, wenn das SpezialÜbereinkommen keine Regelung der direkten Zuständigkeit trifft. Ebenso klar gehen die Zuständigkeitsvorschriften in einem Spezialabkommen vor, wenn alle beteiligten Staaten auch dessen Vertragspartner sind. Für verschiedene Situationen zwischen diesen beiden Polen ist die aus Artikel 57 zu entnehmende Lösung weit weniger klar. Das gilt schon für eine Reihe von Fragen, die auftreten, wenn nur Urteils- und Anerkennungsstaat Vertragspartner des SpezialÜbereinkommens sind. Die Fülle der Probleme wird erdrückend, wenn nur einer von ihnen diese Eigenschaft hat. Sind beide interessierten Staaten Vertragspartner eines SpezialÜbereinkommens, das nur die direkte Zuständigkeit regelt, gelten dann die Vorschriften des EuGVÜ über 962

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Berücksichtigung von Amts wegen (Artikel 20), Rechtshängigkeit (Artikel 21) und Vollstreckung? Können die Vorschriften des EuGVÜ über das Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren angewandt werden, wenn ein SpezialÜbereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen das Verfahren nicht regelt? Kann eine Person, welche in einem Vertragsstaat wohnt, der nicht Partner des SpezialÜbereinkommens ist, vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats aufgrund von Zuständigkeitsvorschriften aus SpezialÜbereinkommen verklagt werden oder kann sich der dem SpezialÜbereinkommen nicht angehörende Wohnsitzstaat darauf berufen, die Vorschriften des EuGVÜ über Zuständigkeiten müßten eingehalten werden? M u ß ein Urteil, das in einem Gerichtsstand ergangen ist, der nur durch ein SpezialÜbereinkommen gedeckt ist, auch in einem Vertragsstaat anerkannt und vollstreckt werden, der diesen SpezialÜbereinkommen nicht angehört? Was gilt schließlich, wenn das SpezialÜbereinkommen keinen Ausschließlichkeitsanspruch erhebt? 240. b) Die Vorstellungen darüber, wie diese Fragen in Auslegung der ursprünglichen Fassung von Artikel 57 zu entscheiden sind, waren innerhalb der Gruppe in einem hohen Maße unsicher und kontrovers. Es zeigte sich, daß die Erarbeitung präziser Lösungen für alle Fragen unmöglich war. Die Gestalt künftiger Übereinkommen läßt sich nicht voraussehen. Im Interesse der Überschaubarkeit der von den neuen Mitgliedstaaten zu übernehmenden Verpflichtungen war es aber angebracht, eine authentische Interpretation in das Beitrittsübereinkommen aufzunehmen, die einige Probleme behandelt, die besonders wichtig sind. Bei dieser Gelegenheit ist der bisherige Artikel 57 EuGVÜ (und neue Absatz 1 dieses Artikels) in einem Detail redaktionell klargestellt worden (Anerkennung oder Vollstreckung). Wegen der rein redaktionellen Natur der Textänderung bezieht sich die Vorschrift zur authentischen Interpretation des jetzigen Absatzes 1 von Artikel 57 auch auf die frühere Fassung. Die gefundene Lösung beruht auf folgenden Grundsätzen: Das EuGVÜ stellt die in allen Mitgliedstaaten gemeinsam geltende Regelung dar. Bestimmungen in SpezialÜbereinkommen sind Sonderregelungen, die jeder Staat durch seinen Beitritt zu ihm mit Vorrang vor dem EuGVÜ anwendbar machen kann. Soweit in den SpezialÜbereinkommen Regelungen fehlen, ist wieder das EuGVÜ maßgebend. Dies gilt auch, wenn das SpezialÜbereinkommen Zuständigkeitsregeln enthält, die eigentlich nicht in den inneren Zusammenhang zwischen den verschiedenen Teilen des EuGVÜ, insbesondere also dem zwischen Zuständigkeitsbestimmungen und Anerkennungspflicht, passen. Das Interesse an Einfachheit und Überschaubarkeit der Rechtslage erhielt Vorrang. Die wichtigste Konsequenz davon ist, daß die von SpezialÜbereinkommen begründeten Zuständigkeitsbestimmungen - und mag auch nur ein Mitgliedstaat Partner eines solchen SpezialÜbereinkommens sein - grundsätzlich wie Zuständigkeitsregelungen des Übereinkommens selbst zu betrachten sind. Auch Mitgliedsstaaten, welche nicht Partner des SpezialÜbereinkommens sind, müssen daher Entscheidungen anerkennen und vollstrecken, die Gerichte gefällt haben, welche nur nach dem SpezialÜbereinkommen zuständig waren. Ferner kann sich auch im Verhältnis zweier Staaten, die Mitglied eines SpezialÜbereinkommens sind, eine Person, die die Anerkennung oder Vollstreckung eines Urteils begehrt, auf die prozessualen Bestimmungen des EuGVÜ über Anerkennung und Vollstreckung berufen. Allerdings wollte die Expertengruppe die Frage nicht präjudizieren, ob das erwähnte Prinzip wirklich in allen Verästelungen konsequent durchgeführt Rolf A. Schütze

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werden kann. So mußte etwa offenbleiben, ob, um einen besonders kritischen Fall zu nennen, eine in einem SpezialÜbereinkommen begründete ausschließliche direkte Zuständigkeit überall zu beachten ist. Das gleiche gilt für die Frage, ob die aufgrund eines SpezialÜbereinkommens begründete Rechtshängigkeit dem Artikel 21 E u G V Ü unterfällt. Die Expertengruppe hat es daher vorgezogen, die Anwendbarkeit von Artikel 2 0 ausdrücklich sicherzustellen und die Lösung der offengebliebenen Fragen Rechtsprechung und Lehre zu überlassen. Wegen der Bedeutung der authentischen Interpretation von Artikel 5 7 für die Seegerichtsbarkeit —» Nr. 121.

2. BEISPIELE 2 4 1 . Ein in den Niederlanden wohnender Flußschiffer hat einen auf dem Oberrhein entstandenen Unfallschaden zu verantworten. Nicht mehr feststellbar ist aber, ob der Schaden auf deutschem oder französischem Territorium eingetreten oder von wo die Schädigung ausgegangen ist. 2 4 2 . Nach Artikel 5 Nr. 3 oder nach sonstigen Bestimmungen des E u G V Ü kann eine gerichtliche Zuständigkeit dann weder für die deutschen noch für die französischen Gerichte angenommen werden. N a c h Artikel 3 4 Absatz 2 Buchstabe c), Artikel 35 a der Revidierten Rheinschiffahrtsakte vom 17. Oktober 1 8 6 8 in der Fassung des Protokolls vom 2 5 . Oktober 1 9 7 2 6 0 ist in solchen Fällen jedoch das Gericht in dem Staat zuständig, das allein oder zuerst mit der Sache befaßt wurde. Dieses Gericht muß aber Artikel 2 0 E u G V Ü beachten, obwohl er in der Rheinschiffahrtsakte kein Gegenstück hat. Es muß also beispielsweise im Falle der Säumnis des Beklagten von Amts wegen prüfen —» Nr. 2 2 , ob alle Möglichkeiten ausgeschöpft worden sind, festzustellen, wo genau sich der Unfall zugetragen hat. Denn nur wenn dies nicht feststellbar ist, ist das Gericht nach den genannten Bestimmungen der Revidierten Rheinschiffahrtsakte zuständig. 2 4 3 . Ist das zuerst angegangene Gericht ein französisches, so ist das von ihm erlassene Urteil in Deutschland anerkennungspflichtig. Die Rheinschiffahrtsakte verbietet - noch strikter als das EuGVÜ - jedwede Kontrolle der Entscheidung im Anerkennungs- und Vollstreckungsstaat. Der Urteilsgläubiger hat nach jetzt gegebener authentischer Interpretation von Artikel 5 7 EuGVÜ ein Wahlrecht zwischen dem nach der Rheinschiffahrtsakte und dem nach dem EuGVÜ vorgesehenen Völlstreckbarerklärungsverfahren. Der nach dem EuGVÜ verfahrende Richter darf aber die Anerkennung nicht aus einem in Artikel 2 7 oder 2 8 EuGVÜ genannten Grund verweigern. Anders als das Vollstreckungsverfahren richten sich die Anerkennungs- und Vollstreckungsvoraussetzungen ausschließlich nach den SpezialÜbereinkommen, also im Beispielsfall nach der Revidierten Rheinschiffahrtsakte. 2 4 4 . Ist ein Urteil hingegen nach Artikel 2 8 Absatz 1 des Warschauer Übereinkommens vom 12. Oktober 1 9 2 9 zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr im Gerichtsstand des Bestimmungsorts ergangen, so ist auf die Anerkennung und Vollstreckung insgesamt das EuGVÜ anzuwenden. Denn jenes SpezialÜbereinkommen enthält hierzu keinerlei Regelungen. Das gleiche gilt, wenn in Seerechtssachen die Zuständigkeit des entscheidenden Gerichts auf die im Brüsseler Übereinkommen von 1952 begründeten Arrestzuständigkeiten gegründet war —» Nr. 121. 964

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Schlosser-Bericht

2 4 5 . Hatte im obigen Rheinschiffahrtsbeispiel der Schiffsführer seinen Wohnsitz in Luxemburg, das der Rheinschiffahrtsakte nicht beigetreten ist, dann gilt folgendes: Die in Frankreich oder Deutschland gepflogene Ausübung von Gerichtsbarkeit auf der Grundlage der Rheinschiffahrtsakte kann Luxemburg jedenfalls fürderhin nicht mehr als einen Verstoß gegen das E u G V Ü betrachten. Das Urteil des deutschen oder französischen Rheinschiffahrtsgerichts muß in Luxemburg unter den Voraussetzungen und nach dem Verfahren des E u G V Ü anerkannt und vollstreckt werden. Wird umgekehrt zulässigerweise am luxemburgischen Wohnsitz des Schiffsführers geklagt, müssen Deutschland und Frankreich dies nach dem E u G V Ü akzeptieren, auch wenn sie der Rheinschiffahrtsakte angehören, welche eine Wohnsitzgerichtsbarkeit nicht anerkennt.

3. STAATSVERTRAGLICHE VERPFLICHTUNG ZUR NICHTANERKENNUNG VON URTEILEN 2 4 6 . O b Artikel 5 7 auch Staatsverträge betrifft, in welchen sich ein Mitgliedstaat der Gemeinschaft verpflichtet, gerichtliche Entscheidungen aus einem anderen Mitgliedstaat nicht anzuerkennen, ist eine offengebliebene Frage. M a n könnte auch geltend machen, der zulässige Rahmen für solche Staatsverträge sei ausschließlich dem Artikel 5 9 zu entnehmen. Staatsvertragliche Verpflichtungen der bezeichneten Art können bestehen, weil ein SpezialÜbereinkommen die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte einer der vertragschließenden Parteien vorsieht. Eine solche Verpflichtung kann sich aber auch mittelbar daraus ergeben, daß die Inanspruchnahme einer Zuständigkeit nach dem SpezialÜbereinkommen mit der Anwendung eines bestimmten Haftungssystems verbunden ist. So enthält etwa das Pariser Übereinkommen von 1 9 6 0 über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie außer den Vorschriften über Zuständigkeit sowie über Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Urteile u. a. noch Bestimmungen mit folgendem Inhalt: 1. Nur der Betreiber einer Nuklearanlage haftet; 2. seine Haftung ist verschuldensunabhängig; 3. seine Haftung ist der Höhe nach begrenzt; 4. er ist verpflichtet, sich versichern zu lassen; 5. gestattet ist einem Vertragsstaat, aus öffentlichen Mitteln zusätzliche Entschädigungen zu leisten. Die Anerkennung und Vollstreckung eines Urteils aus einem Staat, der nicht Vertragspartei eines solchen SpezialÜbereinkommens ist, und das auf einer ganz anderen als der skizzierten Rechtsbasis gefällt wurde, könnte das Regelungsprogramm des SpezialÜbereinkommens empfindlich stören. Das E u G V Ü ist auf jeden Fall im Ergebnis so zu interpretieren, daß keine staatsvertraglichen Bestimmungen aus Haftungsbegrenzungsübereinkommen verletzt werden müssen. Offen bleibt, ob dieses Ergebnis über eine Anwendung der Ordre-public-Regel des Artikels 2 7 Nr. 1, in Analogie zur neuen Nr. 5 von Artikel 27, oder durch eine extensive Interpretation von Artikel 5 7 zu erreichen ist. Wegen der seerechtlichen Haftungsbegrenzungsübereinkommen —> Nr. 124 ff. Rolf A. Schütze

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4. VORRANG DES SEKUNDÄREN GEMEINSCHAFTSRECHTS 247. Innerhalb der Expertengruppe gingen die Ansichten darüber auseinander, ob sekundäres Gemeinschaftsrecht oder nationales Recht, das in Ausführung von sekundärem Gemeinschaftsrecht erlassen wurde, von sich aus Vorrang vor staatsvertraglichen Vereinbarungen unter den Mitgliedstaaten hat, insbesondere, wenn es sich um ein in Artikel 2 2 0 des Römischen Vertrages vorgesehenes Übereinkommen handelt. Man war sich aber darüber einig, daß nationalem und Gemeinschaftsrecht der erwähnten Art Vorrang vor dem EuGVÜ zuerkannt werden sollte. Diese Entscheidung ist in Artikel 57 festgehalten. Die Vorschrift lehnt sich an Artikel 25 des Vorentwurfs eines Übereinkommens über das auf vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht an.

5. KONSULTATIONEN VOR KÜNFTIGEN BEITRITTEN VON MITGLIEDSTAATEN DER GEMEINSCHAFT ZU WEITEREN ÜBEREINKOMMEN 248. Mit dem Beitritt der neuen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zum EuGVÜ wird diesen auch die Gemeinsame Erklärung zugerechnet, welche die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens bei seiner Unterzeichnung abgegeben haben. Darin erklären sich die Staaten bereit, ihre Vertreter in regelmäßigen Zeitabständen miteinander in Verbindung treten zu lassen. Die Expertengruppe war sich einig darin, daß bei solchen Gelegenheiten auch Konsultationen über etwaige Absichten eines Mitgliedsstaats gepflogen werden sollten, einem Übereinkommen beizutreten, das nach Artikel 57 dem EuGVÜ vorgehen würde.

ΠΙ. ARTIKEL 5 9 249. Diese Vorschrift bezieht sich lediglich auf gerichtliche Entscheidungen, die gegen Personen ergangen sind, welche ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb der Gemeinschaft haben. Solche Personen können auch aufgrund von Zuständigkeitsbestimmungen verklagt werden, die gegenüber Personen mit Wohnsitz in der Gemeinschaft nicht in Anspruch genommen werden könnten, ja die in Artikel 3 Absatz 2 als übergreifend gebrandmarkt sind. Ein etwa ergangenes Urteil ist aber gleichwohl nach den Vorschriften des EuGVÜ anzuerkennen und zu vollstrecken. Wie im Jenard-Bericht ausgeführt, sollen die Vertragsstaaten die Freiheit behalten, mit Drittstaaten Verträge abzuschließen, nach denen die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen ausgeschlossen ist, die aufgrund übergreifender Zuständigkeitsbestimmungen ergehen - auch wenn das EuGVÜ solches ausnahmsweise erlaubt. Die vorgeschlagene Anpassung von Artikel 59 hat zum Ziel, diese Möglichkeit wieder einzuschränken. 250. Ihre Funktionsweise sei anhand eines Beispiels erläutert: Hat ein Gläubiger eine in Frankreich zu erfüllende Forderung gegen einen dort wohnhaften Schuldner, dann sind die dänischen Gerichte zur Entscheidung über den Anspruch in keinem Fall zuständig, auch wenn der Schuldner in Dänemark Vermögen hat und selbst wenn für die Forderung eine dingliche Sicherheit 966

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an einem dänischen Grundstück besteht. Wohnt der Schuldner in Norwegen, können dänische Gerichte, wenn es ihr dänisches nationales Recht gestattet, sehr wohl Zuständigkeit in Anspruch nehmen, etwa aufgrund von Vermögen, das der Schuldner in Dänemark besitzt. Normalerweise muß das ergehende Urteil auch im V. K. vollstreckt werden. Dieses kann sich aber gegenüber Norwegen staatsvertraglich verpflichten, die Anerkennung und Vollstreckung eines solchen Urteils abzulehnen. Den Fall, daß die Zuständigkeit der dänischen Gerichte auf die dingliche Sicherheit gegründet ist, die der Gläubiger am dänischen Grundstück hat, darf aber eine solche staatsvertragliche Regelung nicht erfassen. Das Urteil muß unter diesen Voraussetzungen auch im V. K. vollstreckt werden.

10. KAPITEL SCHLUSSVORSCHRIFTEN

1. IRLAND 251. Irland hat keine territorialen Besitzungen außerhalb der integrierenden Teile seines Staatsgebiets.

2. VEREINIGTES

KÖNIGREICH

2 5 2 . Der Begriff „Vereinigtes Königreich" umfaßt nicht die Kanalinseln, die Insel M a n , Gibraltar und die Hoheitszonen auf Zypern. Eine Verpflichtung des V. K., den Geltungsbereich des EuGVÜ auf diese Gebiete zu erstrecken, deren auswärtige Interessen es im übrigen vertritt, besteht nicht. Es könnte sich jedoch als nützlich erweisen, dies gleichwohl zu tun. Dazu soll das V . K . ermächtigt sein. Die unerläßlichen „Anpassungen" hat es hierbei selbst vorzunehmen, ohne daß dies im Text des EuGVÜ-Beitrittsübereinkommens hätte niedergelegt werden müssen. Folgende Anpassungen würden dann nötig werden: Bezeichnung exorbitanter Zuständigkeiten in Artikel 3 Absatz 2 , Angaben, o b im Sinne von Artikel 3 0 und 38 auch in den neu erfaßten Territorien jeder Rechtsbehelf als ein ordentlicher gilt, ob eine Registrierung in einem solchen Territorium nach Artikel 31 Absatz 2 nur für dieses wirkt, Festlegungen, welche Gerichte nach Artikel 3 2 , 3 7 und 4 0 zuständig sind, in welcher Form der Antrag gestellt werden muß und o b die in Artikel 3 7 Absatz 2 und Artikel 41 bezüglich des V. K. getroffenen Regelungen auch in den neu erfaßten Territorien gelten sollen. Dazu treten gegebenenfalls Anpassungen im Bereich von Artikel 5 5 , falls für eines der in Frage kommenden Territorien staatsvertragliche Regelungen bestehen. Der vorletzte Absatz der zu Artikel 6 0 vorgeschlagenen Ergänzung bezieht sich darauf, daß gerichtliche Urteile in den genannten, nicht zum V. K. gehörenden Gebieten letztinstanzlich vor dem „Judicial Committee of the Privy Council" angefochten werden können. Es wäre unlogisch, Entscheidungen des Privy Council dem Geltungsbereich des EuGVÜ zu unterwerfen, wenn sie sich auf Rechtsstreitigkeiten aus Territorien beziehen, für die es nicht gilt. Rolf A. Schütze

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3. DÄNEMARK 253. Zum europäischen Hoheitsgebiet Dänemarks zählt man im Rahmen des EWGRechts auch Grönland. Die staatsrechtliche Sonderstellung der Färöer-Inseln führte zu einer Lösung, welche genau derjenigen entspricht, die den Gebieten zuteil wurde, deren auswärtige Angelegenheiten das V. K. vertritt. Es war lediglich dem Umstand Rechnung zu tragen, daß nicht nur Rechtsmittelverfahren, sondern auch erstinstanzliche Verfahren, welche die Färöer betreffen und daher nach der eigens für diese Inselgruppe geschaffenen Zivilprozeßordnung ablaufen, in Kopenhagen durchgeführt werden können.

4. ÄNDERUNGEN IM STAATSGEBIET 254. Einig war sich die Expertengruppe darin, daß Territorien, welche Unabhängigkeit vom Mutterland erlangen, damit aufhören, Mitglied der Europäischen Gemeinschaft zu sein, und folglich auch dem EuGVÜ nicht mehr angehören können. Dies in einer förmlichen Bestimmung festzuhalten, war entbehrlich und wäre auch über den Auftrag der Gruppe hinaus gegangen.

11. KAPITEL ANPASSUNG DES PROTOKOLLS V O M 3. JUNI 1971 BETREFFEND DIE AUSLEGUNG DES EuGVÜ DURCH DEN GERICHTSHOF DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

1. DIE FÖRMLICHEN ANPASSUNGEN 255. Die förmlichen Anpassungen des Protokolls sind gering und waren ziemlich selbstverständlich. Sein Regelungsinhalt bedurfte nur einer kurzen Ergänzung: die in den neuen Mitgliedstaaten nach Artikel 2 Nr. 1 in Verbindung mit Artikel 3 vorlagepflichtigen Gerichte mußten genannt werden 61 . Im V.K. ist nicht wie in den übrigen Mitgliedstaaten nur das höchste Gericht des Staates erwähnt. Der Grund dafür ist folgender: Das „House of Lords" mit einer Sache zu befassen, ist schwieriger als die Anrufung der obersten Gerichtshöfe des Kontinents. Wenigstens die in den Artikeln 37 Absatz 2 und 41 EuGVÜ vorgesehenen Rechtsbehelfsverfahren sollten daher auch im V. K. letztinstanzlich bei einem Gericht enden, das vorlagepflichtig ist. Der Begriff „Rechtsmittel" in Artikel 2 Nr. 2 ist nicht technisch, sondern im Sinne der Anrufung einer höheren Instanz zu verstehen, erfaßt also etwa auch den französischen „contre-dit". Die übrigen förmlichen Anpassungen betrafen nur den gegenständlichen (Artikel 1) und territorialen Anwendungsbereich des Protokolls. Der den letzteren Punkt behandelnde Artikel 6 folgt ganz dem Vorbild von Artikel 60 EuGVÜ Nrn. 251 bis 254. Welche Stellen im Sinne von Artikel 4 Absatz 3 als zuständig erklärt werden, bleibt ganz der Entscheidung der neuen Mitgliedstaaten überlassen. 968

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2. DIE BESONDERHEIT DER EINFÜHRUNGSGESETZGEBUNG IM V. K. UND IN IRLAND 256. Die Ausdehnung des Geltungsbereichs des Protokolls auf das Vereinigte Königreich und Irland wird indes aller Wahrscheinlichkeit nach auch ein Strukturproblem aufwerfen. Eine jahrhundertealte festgefügte Tradition in der Rechtskultur dieses Staates läßt internationale Verträge nicht unmittelbar innerstaatlich geltendes Recht werden. Vielmehr müssen britische Gesetze erlassen werden, die den Regelungsinhalt eines internationalen Vertrages in innerstaatliches Recht umsetzen. Häufig ist ein solches Gesetz mit dem zugrunde liegenden Staatsvertrag auch nicht textgleich. Der übliche Stil der Gesetzgebung in diesen Staaten macht nicht selten detailliertere Bestimmungen ratsam, als sie in einem Staatsvertrag stehen. Staatsvertrag und ihm entsprechendes nationales Gesetz sind daher streng voneinander zu unterscheiden. Falls die Einführungsgesetzgebung des Vereinigten Königreichs dem traditionellen Stil folgt, so würden die dortigen Richter nur selten mit der Auslegung des EuGVÜ, sondern meistens nur mit der Interpretation der nationalen Einführungsgesetzgebung befaßt sein. Lediglich dann, wenn diese selbst unklar ist, würden die bisher für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln es einem Richter gestatten, den zugrunde liegenden Staatsvertrag zu Rate zu ziehen. Nur wenn sich für ihn dann ein Problem gerade von dessen Auslegung ergäbe, könnte er den Europäischen Gerichtshof anrufen. Ist eine Bestimmung einer Einführungsgesetzgebung in sich klar, so darf ein Richter im Vereinigten Königreich normalerweise nicht auf den Text des Staatsvertrags oder auf eine in seiner Auslegung ergangene Entscheidung eines internationalen Gerichts zurückgreifen. Auf diese Weise würde freilich in die Anwendung des Protokolls vom 3. Juni 1971 ein Ungleichgewicht getragen. Die Expertengruppe glaubt, daß dieses am besten vermieden würde, wenn das Vereinigte Königreich in seiner Einführungsgesetzgebung auf irgendeine Art und Weise sicherstellen könnte, daß das EuGVÜ auch für den dortigen Richter Rechtsquellencharakter erlangt oder doch auf jeden Fall bei Anwendung der nationalen Einführungsgesetzgebung immer zu Rate gezogen werden kann. Eine Änderung der Einführungsgesetzgebung in dem genannten Staat wäre notwendig, wenn sie sich als mit einer Entscheidung des EuGH unvereinbar herausstellen sollte. Auch in Irland sind internationale Verträge, denen dieser Staat beitritt, nicht unmittelbar als innerstaatliches Recht anwendbar. In letzter Zeit hat jedoch eine Reihe von Gesetzen zur Einfügung internationaler Verträge in nationales Recht die Form einer Inkorporation des Vertragstextes in nationales Recht angenommen. Wenn auch das Gesetz zur Einführung des EuGVÜ in der Fassung des Anpassungsübereinkommens so aussehen sollte, werden die für das V.K. geschilderten Probleme in bezug auf Irland kein Gegenstück haben.

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ANHANG I Auszug aus dem Protokoll zum Vorentwurf eines Konkursübereinkommens (1975) Nr. 54 (Dieser Katalog ist in späteren Dokumenten, die auch noch nicht endgültig sind, geändert worden.)

aa) Konkursverfahren: Belgien: „faillite" - „faillissement" Dänemark: „konkurs" Bundesrepublik Deutschland: „Konkurs" Frankreich: „liquidation des biens" Irland: „bankruptcy", „winding-up in bankruptcy of partnerships", „winding-up by the court under sections 213, 3 4 4 und 345 of the Companies Act 1 9 6 3 " , „creditors voluntary winding-up under section 2 5 6 of the Companies Act 1 9 6 3 " Italien: „fallimento" Luxemburg: „faillite" Niederlande: „faillissement" V.K.: „bankruptcy" (England und Wales), „bankruptcy" (Nordirland), „Sequestration" (Schottland), „administration of the estates of persons dying insolvent" (England und Wales), „administration of estates of deceased insolvents" (Nordirland), „compulsory winding-up of companies", „winding-up of companies under the supervision of the court".

bb) Andere Verfahren: Belgien: „concordat judiciaire" - „gerechtelijke akkoord" „sursis de paiement" - „uitstel van betaling" Dänemark: „tvangsakkord", „likvidation af insolvente aktieselskaber eller anpartsselskaber", „likvidation of banker eller sparekasser, der har standset ders betalinger" Bundesrepublik Deutschland: „Gerichtliches Vergleichsverfahren" Frankreich: „reglement judiciaire", „procedure de Suspension provisoire de poursuites et d'apurement collectif du passif de certaines entreprises" 970

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Schlosser-Bericht Irland: „arrangements under the control of the Court", „arrangements, reconstructions and compositions of companies whether or not in the course of liquidation where sanction of the Court is required and creditors rights are affected" Italien: „concordato preventivo", „amministrazione controllata", „liquidazione coatta amministrativa" - in ihren gerichtlichen Verfahrensabschnitten Luxemburg: „concordat preventif de faillite", „sursis de paiement", „regime special de liquidation applicable aux notaires", Niederlande: „surseance van betaling", „regeling vervat in de wet op de vergadering van houders van schuldbrieven aan toonder", V.K.: „compositions and schemes of arrangement" (England und Wales), „compositions" (Nordirland), „arrangements under the control of the Court" (Nordirland), „judicial compositions" (Schottland), „arrangements, reconstructions and compositions of companies whether or not in the course of liquidation where sanction of the Court is required and creditors rights are affected", „creditors voluntary winding-up of Companies" „deeds of arrangement" (Nordirland)

ANHANG 1

2

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0

II

Die Angabe von Artikeln ohne Zusatz sind solche dieses Übereinkommens in seiner Fassung von 1968. Vom 13.4.1938, abgedruckt im Bundesanzeiger 1953 Nummer 105 Seite 1 und bei BülowArnoid Internationaler Rechtsverkehr 925.5. Diesen Begriff s. Jenard-Bericht 2. Kapitel Β und C und 4. Kapitel Α und B. Zweigert-Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichurig auf dem Gebiet des Privatrechts Bd. 1 (1971) S. 78 ff. 29/76: (Amtliche Sammlung 1976, 1541) Die Entscheidung lautet: 1. Für die Auslegung des Begriffs „Zivil- und Handelssachen" im Hinblick auf die Anwendung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, insbesondere seines Titels III, ist nicht das Recht irgendeines der beteiligten Staaten maßgebend, vielmehr müssen hierbei die Zielsetzungen und die Systematik des Übereinkommens sowie die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die sich aus der Gesamtheit der innerstaatlichen Rechtsordnungen ergeben, herangezogen werden. 2. Eine Entscheidung, die in einem Rechtsstreit zwischen einer Behörde und einer Privatperson ergangen ist, den die Behörde im Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse geführt hat, ist vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgeschlossen. Nr. 75-617 J . O . 1975, 7171. In der Fassung des Gesetzes Nr. 75-617 (N. 6.). Dokument Commission des Communautes europeennes XI/449/75-F. In Artikel 1 Absatz 1 fehlt der Ausdruck „ähnliche" nur deshalb, weil die in Frage kommenden Verfahren in einem Protokoll enumerativ aufgeführt sind. Siehe Bericht über das Übereinkommen über den Konkurs, Vergleiche und ähnliche Verfahren von Noel-Lemontey (16.775/XIV/70-D) 3. Kapitel I. Rolf A. Schütze

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Rechtsquellen und Materialien. 3c) Multilaterale Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge Siehe Vorentwurf Konkursübereinkommen Artikel 17 und dazugehörendes Protokoll Artikel 1 und2 (N. 8). a.a.O. Vorentwurf 1975 (s. N. 8) Artikel 1 Absatz 1 Nummer 3 und dazugehörendes Protokoll Artikel II. Zu den Gründen des Anschlusses Bericht von Noel-Lemontey (N. 10). Sie entspricht, ohne eigene Rechtspersönlichkeit zu haben, im großen und ganzen der offenen Handelsgesellschaft des deutschen und der „societe en nom collectif" des französischen Rechts. Sie entspricht als „private Company" der kontinentalen Gesellschaft mit beschränkter Haftung und als „public Company" der kontinentalen Aktiengesellschaft. V. K.: Bankruptcy Act 1914 sec. 119, 126. Dazu Trindmann-Hicks-Johnson, Bankruptcy Law and Practice (1970) S. 272. Für Großbritannien: Company Act von 1948. Für Nordirland: Company Act von 1960 und Companies (Amendment) Act von 1963. Für Irland: Company Act 1963 sec. 213. „if the Company is unable to pay its debts". Decret Nr. 75-1123 vom 5. Dezember 1975, J. Ο. 1975, 1251. Die zu Artikel 57 vorgeschlagene Anpassung hat freilich gewisse Rückwirkungen auf den Anwendungsbereich von Artikel 20 —» Nr. 240. Zu einigen Auslegungsschwierigkeiten, die bei Handhabung von Artikel 5 und 6 in der Rechtsprechung bisher aufgetreten sind, seien folgende Entscheidungen erwähnt: Corte Cassazione Italiana vom 4. Juni 1974, Giur. it. 1974, 18 (zum Begriff des Erfüllungsorts). Corte Cassazione Italiana Nr. 3397 vom 20. Oktober 1975 (Erfüllungsort bei Lieferungen über Spediteur mit Montageverpflichtung), Tribunal de Grande Instance Paris D 1975, 638 mit Anmerkung. Droz (Ort der unerlaubten Handlung bei widerrechtlichen Presseveröffentlichungen); Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vom 6. Oktober 1976 12/76 (Amtl. Sammlung 1976, 1473). In den genannten Urteilen lauten die Entscheidungsformeln wie folgt: Der „Ort, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre" im Sinne von Artikel 5 Nr. 1 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 bestimmt sich nach dem Recht, das nach den Kollisionsnormen des mit dem Rechtsstreit befaßten Gerichts für die streitige Verpflichtung maßgebend ist (12/76). In einem Rechtsstreit eines Alleinvertriebshändlers gegen seinen Lieferanten wegen behaupteten Bruchs der Alleinvertriebsbeziehung bezieht sich der Ausdruck „Verpflichtung" des Artikels 5 Nr. 1 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen auf die vertragliche Verpflichtung, die den Gegenstand der Klage bildet, also auf die Verpflichtung des Lieferanten, die dem vertraglichen Anspruch entspricht, auf den der Alleinvertriebshändler seinen Antrag stützt, 14/76 (Amtliche Sammlung 1976, 1497). In einem Rechtsstreit über die Folgen des Bruchs eines Alleinvertriebsvertrags durch den Lieferanten, der also etwa auf Zahlung von Schadenersatz oder auf Auflösung des Vertrages gerichtet ist, ist die Verpflichtung, auf die es für die Anwendung des Artikels 5 Nr. 1 des Übereinkommens ankommt, diejenige vertragliche Verpflichtung des Lieferanten, deren Nichterfüllung vom Vertriebshändler zur Begründung der auf Schadenersatz oder Auflösung des Vertrages gerichteten Anträge behauptet wird (14/76). Werden Ausgleichsansprüche eingeklagt, so hat das innerstaatliche Gericht zu prüfen, ob es sich nach dem auf den Vertrag anwendbaren Recht um eine selbständige vertragliche Verpflichtung oder um eine Verpflichtung handelt, die an die Stelle der nichterfüllten vertraglichen Verpflichtung getreten ist (14/76). Ein Alleinvertriebshändler steht keiner Zweigniederlassung, Agentur oder einer sonstigen Niederlassung seines Lieferanten im Sinne des Artikels 5 Nr. 5 des Übereinkommens vom 27. September 1968 vor, wenn er weder dessen Aufsicht noch dessen Leitung untersteht (14/76). Wenn der Ort, an dem das für die Begründung einer Schadenersatzpflicht wegen unerlaubter Handlung in Betracht kommende Ereignis ein Schaden entstanden ist, ist der Begriff „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist," in Artikel 5 Nr. 3 des ÜberRolf A. Schütze

Schlosser-Bericht einkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidung in Zivil- und Handelssachen so zu verstehen, daß er sowohl den Ort, an dem der Schaden eingetreten ist, als auch den Ort des ursächlichen Geschehens meint, 21/76 (Amtliche Sammlung 1976, 1735). Der Beklagte kann daher nach Wahl des Klägers vor dem Gericht des Ortes, an dem der Schaden eingetreten ist, oder vor dem Gericht des Ortes des dem Schaden zugrunde liegenden ursächlichen Geschehens verklagt werden (21/76). Scheidungsgesetz vom 1. Dezember 1970, Nr. 898, Artikel 5. Vom 11. Juli 1975, Artikel 281 Code civil n. F. 3. Kapitel IV a. E. Stein-Jonas (Münzberg) (N. 27) Paragraph 765 a II 3 mit Rechtsprechungsnachweisen in Note 28. Stein-Jonas (Leipold), Kommentar zur Zivilprozeßordnung 19. Aufl. Paragraph 323 II 2c mit weiteren Nachweisen. Für Frankreich: Cour de Cassation vom 21. Juli 1954, D 1955, 185. Magistrates Court Rules 1952 r 34 (2) und Rayden's Law and Practice in Divorce and Family Matters (1971) S. 1181. Bromley, Family Law 4. Aufl. (1971) S. 451 m. Rechtsprechungsnachweisen. See. 9, Maintenance Orders (Reciprocal Enforcement) Art. 1972. Α. Ε. Anton, Private international Law (1967) S. 470; Graveson, The Conflict of Laws (1969) S. 565; Lord President Clyde in Clarks Trustee Petitioners 1966 S.L.T. 249, S. 251. а.a.O. Das am 19. November 1976 in London unterzeichnete neue Übereinkommen über die Beschränkung der Haftung für Seeforderungen war bei Schluß der Expertenverhandlungen noch nicht in Kraft. Im gleichen Sinne schon Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Urteil vom б. Oktoberl976,14/76. 1974 betrug im V.K. der Prämienumsatz für Überseeversicherungen nicht weniger als £ 3 045 Mill., wovon £ 520 Mill, auf Geschäfte mit EG-Staaten und 10 % auf Rückversicherungsgeschäfte entfielen. Im Rahmen dieses Versicherungsmarktes spielen See- und Luftfahrtversicherung eine herausragende Rolle. Allein in dieser Branche belief sich der Ubersee-Prämienumsatz auf £ 535 Mill., davon £ 50 Mill, auf Geschäfte mit Personen aus anderen EG-Staaten. Auszug aus „Pflichtversicherung in den Europäischen Gemeinschaften", Studie von Professor Dr. Ernst Steindorff, München. Das LG Aachen (NJW 76, 487) hat es abgelehnt, sich diesen Standpunkt zu eigen zu machen. Deutschland: BGB, 3. Buch. - 8. Abschnitt; Frankreich: Code civil, 2. Buch, 3. Buch Titel XVII, Titel XVIII, Kapitel II und Kapitel III; Italien: Codice civile, 3. Buch Titel 4-6, 6. Buch Titel 3, Kapitel 2 Sez. III, Kapitel 4. Megarry-Baker, The Law of Real Property, 5. Auflage (1969), S. 71 ff., 79 ff. Megarry-Baker, a.a.O., S. 546. R. David, Les grands systemes de droit contemporains, 5. Aufl. (1973), Nr. 311. Stein-Jonas (Pohle) (N. 27) Paragraph 24 III 2. Code de procedure civile, Artikel 46 dritter Gedankenstrich; Vincent, Procedure civile 16. Aufl.(1973) Nr. 291. Aus der bisherigen Rechtsprechung: LG Braunschweig RIW/AWD 74, 346 (der schriftlichen Bestätigung muß die mündliche Abrede auch tatsächlich vorausgehen); OLG Hamburg RIW/AWD 1975, 498 (keine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung bei wechselseitiger Zusendung sich widersprechender allgemeiner Geschäftsbedingungen); OLG München RIW/AWD 75, 694; Corte di Cassazione Italiana Nr. 3397 vom 20. Oktober Rolf A. Schütze

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1975 (ein bloßes Bestätigungsschreiben, welches - erstmals - eine Gerichtsstandsklausel enthält, genügt nicht); BGH M D R 77, 1013 (Auftragsbestätigung der Verkäuferin nicht ausreichend, wenn Käuferin Einbeziehung vorher abgelehnt hat); LG Heidelberg RIW/AWD 76, 532 (pauschale Verweisung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht ausreichend); OLG Frankfurt RIW/AWD 76, 532 (Hinweis auf Allgemeine Geschäftsbedingungen erst in der Auftragsbestätigung der Lieferantin. Leistungsmahnung des Käufers ist keine konkludente Einbeziehung der in den Bedingungen enthaltenen Gerichtsstandsklausel); OLG Düsseldorf RIW/AWD 76, 297 (Gerichtsstandsklausel in Konnossementsbedingungen unwirksam gegenüber allen, die selbst keine schriftliche Erklärung abgegeben haben); Pretura Brescia, Foro it. 1976 Nr. 1 I Spalte 250 (späteres nationales Recht hat Vorrang in Artikel 17); Trib. Aix-en-Provence vom 10. Mai 1974 D 74, 760 (auch in Arbeitsverträgen können Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten der Gerichte am Wohnsitz des Arbeitgebers geschlossen werden); Trib. Comm. Brüssel J.D.T. 1976, 210 (Artikel 17 hat Vorrang vor entgegenstehendem nationalem Recht). So mit Recht von Hoffmann RIW/AWD 1973, 57 (63); Droz (Competence judiciaire et effets desjugements dans le marche commun) Nr. 216 ff.; Weser (Convention communautaire sur la competence judiciaire et l'execution des decisions) Nr. 265. Den Formerfordernissen des Artikels 17 Absatz 1 des Ubereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist im Fall eines mündlich geschlossenen Vertrages nur dann genügt, wenn die schriftliche Bestätigung durch den Verkäufer, der dessen Allgemeine Geschäftsbedingungen beigefügt sind, vom Käufer schriftlich angenommen worden ist, 25/76 (Amtliche Sammlung 1976, 1851). Der Umstand, daß der Käufer einer einseitigen Bestätigung durch die andere Vertragspartei nicht widerspricht, ist hinsichtlich der Gerichtsstandsklausel nicht als Annahme anzusehen, es sei denn, der mündlich geschlossene Vertrag füge sich in laufende Geschäftsbeziehungen ein, die zwischen den Parteien auf der Grundlage der eine Gerichtsstandsklausel enthaltenden allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Partei bestehen (25/76). Dem Erfordernis der Schriftlichkeit nach Artikel 17 Absatz 1 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist bei einer Gerichtsstandsklausel, die in den auf der Rückseite der Vertragsurkunde abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Partei enthalten ist, nur dann genügt, wenn der von beiden Parteien unterzeichnete Vertragstext ausdrücklich auf diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bezug nimmt, 24/76 (Amtliche Sammlung 1976, 1831). Eine in einem Vertrag enthaltene Bezugnahme auf frühere Angebote, welche ihrerseits auf die eine Gerichtsstandsklausel enthaltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Partei hingewiesen haben, genügt dem Erfordernis der Schriftlichkeit nach Artikel 17 Absatz 1 des Übereinkommens nur dann, wenn der Hinweis ausdrücklich erfolgt ist, eine Partei ihm also bei Anwendung normaler Sorgfalt nachgehen kann (24/76). Weitere Fragen aus dem 8. Abschnitt -> Nrn. 22, 240. Deutschland: Paragraph 253 Absatz 1 ZPO; Frankreich: Artikel 54 Code de procedure civile. Siehe dazu ausführlich Droz (N. 46) (Nr. 448). Italien: Artikel 798 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 395 Nr. 1 codice procedura civile; Frankreich: Batiffol Droit international prive 5. Auflage 1971 Nr. 727. Artikel 3 Absatz 1 lit c Nummer 2 des Deutsch-Britischen Vertrages vom 14. Juli 1960, Artikel 3Absatz 1 c) ii) des Französisch-Britischen Vertrages vom 18. Januar 1934. Aus rechtsvergleichender Sicht: Walther J. Habscheid, Introduction a la procedure judiciaire, les systemes de procedure civile, herausgegeben von der Association Internationale de droit compare (Barcelone 1968). Rolf A. Schütze

Schlosser-Bericht Stein-Jonas (Grunsky) (N. 27) vor Paragraph 51111; Rosenberg-Schwab Zivilprozeßrecht, 11. Auflage, Paragraph 135 I I b . Rechtssache 43/77 (Industrial Diamond gegen Riva.) Cour de Cassation vom 25. Februar 1937 Pas. 1937 I 73. Genaue Bezeichnung und Adresse: Wenn das Urteil in Schottland vollstreckt werden soll: Secretary of State for Scotland, Scottish Office, New St. Andrew's House, St. James Centre, Edinburgh EH 13 SX. Sonst: Secretary of State for the Home Department, Home Office, 50 Queen Anne's Gate, London SW1H 9AT. Charakteristische Rechtsprechungsbeispiele zu Artikel 54: LG Hamburg RIW/AWD 74, 403 ff., OLG Frankfurt RIW/AWD 76, 107. Die alten und neuen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft oder einige von ihnen sind bereits an zahlreichen internationalen Übereinkommen beteiligt, welche für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit sowie die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen regeln. Zu erwähnen sind unter Einschluß der bereits im Jenard-Bericht stehenden Aufzählung namentlich: 1. die revidierte Mannheimer Rheinschiffahrtsakte vom 17. Oktober 1868 nebst dem Revisionsübereinkommen vom 20. November 1963 und dem Zusatzprotokoll vom 25. Oktober 1972 (Belgien, Deutschland, Frankreich, Niederlande, V. K.); 2. das Warschauer Übereinkommen vom 12. Oktober 1929 zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr nebst Änderungsprotokoll vom 28. September 1955 und Zusatzabkommen vom 18. September 1961 (alle neun Staaten) sowie Zusatzprotokolle vom 8. März 1971 und 25. September 1975 (noch nicht in Kraft); 3. das Brüsseler Internationale Übereinkommen vom 10. Mai 1952 zur Vereinheitlichung von Regeln über die zivilgerichtliche Zuständigkeit bei Schiffszusammenstößen (Belgien, Deutschland, Frankreich, V. K.); 4. das Brüsseler Internationale Übereinkommen vom 10. Mai 1952 zur Vereinheitlichung von Regeln über den Arrest von Seeschiffen (Belgien, Deutschland, Frankreich, V. K.); 5. das römische Abkommen vom 7. Oktober 1952 über die Regelung der von ausländischen Flugzeugen verursachten Flur- und Gebäudeschäden (Belgien, Luxemburg); 6. das Londoner Abkommen vom 27. Februar 1953 über deutsche Auslandsschulden (alle neun Staaten); 7. a) das Haager Übereinkommen vom 1. März 1954 über den Zivilprozeß (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande); b) das Haager Übereinkommen vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke (Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, V. K.); c) das Haager Übereinkommen vom 18. März 1970 über die Beweisaufnahme im Ausland (Dänemark, Frankreich, Italien, Luxemburg, V. K.); 8. das Genfer Übereinkommen vom 19. Mai 1956 nebst Unterzeichnungsprotokoll über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, V. K.); 9. das Übereinkommen vom 27. Oktober 1956 zwischen dem Großherzogtum Luxemburg, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über die Schiffbarmachung der Mosel nebst Änderungsprotokoll vom 28. November 1976 (die drei beteiligten Staaten); 10. das Haager Übereinkommen vom 15. April 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung. von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande); 11. das Haager Übereinkommen vom 15. April 1958 über den vertraglichen Gerichtsstand beim Verkauf beweglicher Sachen im Ausland (noch nicht ratifiziert); 12. das Pariser Übereinkommen vom 29. Juli 1960 (Belgien, Deutschland, Frankreich) über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie nebst Pariser Zusatzprotokoll vom 28. Januar 1964 (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, V. K.) sowie das Brüsseler Zusatzprotokoll samt Anhang vom 31. Januar 1963 zum Pariser Rolf A. Schütze

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Ubereinkommen vom 29. Juli 1960 nebst Pariser Zusatzprotokoll zum Zusatzübereinkommen vom 28. Januar 1964 (Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, V. K.); 13. Zusatzübereinkommen vom 26. Februar 1966 zum Internationalen Übereinkommen über den Eisenbahn-Personen- und -Gepäckverkehr vom 25. Februar 1961 (CIV) über die Haftung der Eisenbahn für Tötung und Verletzung von Reisenden, geändert durch Protokoll II vom 9. November 1973 der Diplomatischen Konferenz für die Inkraftsetzung der Internationalen Übereinkommen CIM und CIV vom 7. Februar 1970 betreffend die Verlängerung der Geltungsdauer des Zusatzübereinkommens vom 26. Februar 1966 (alle neuen Staaten); 14. das Brüsseler Übereinkommen vom 25. Mai 1962 über die Haftung der Inhaber von Reaktorschiffen nebst Zusatzprotokoll (noch nicht in Kraft); 15. das Brüsseler Internationale Übereinkommen vom 27. Mai 1967 zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung von Reisegepäck im Seeverkehr (noch nicht in Kraft); 16. das Brüsseler Internationale Übereinkommen vom 27. Mai 1967 zur Vereinheitlichung von Regeln über Schiffsgläubigerrechte und Schiffshypotheken (noch nicht in Kraft); 17. das Brüsseler Internationale Übereinkommen vom 29. November 1969 über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Niederlande, V. K.) nebst dem zur Ergänzung dieses Übereinkommens abgeschlossenen Internationalen Übereinkommen vom 18. Dezember 1971 über die Errichtung eines internationalen Fonds zur Entschädigung für Ölverschmutzungsschäden (Dänemark, Deutschland, Frankreich, V. K.); 18. die Berner Internationalen Übereinkommen vom 7. Februar 1970 über den Eisenbahnfrachtverkehr (CIM) und über den Eisenbahn-Personen- und -Gepäckverkehr (CIV) nebst Zusatzprotokoll und dem Protokoll I vom 9. November 1973 der Diplomatischen Konferenz für die Inkraftsetzung der Übereinkommen (alle neun Staaten außer Irland für das Protokoll I); 19. das Athener Übereinkommen vom 13. Dezember 1974 über den Transport von Passagieren und Gepäck zur See (noch nicht in Kraft); 20. das Europäische Übereinkommen vom 30. September 1957 über den internationalen Transport gefährlicher Güter auf dem Land (V. K.) nebst Zusatzprotokoll vom 21. August 1975 (V. K.) (noch nicht in Kraft); 21. das Genfer Übereinkommen vom 1. März 1973 über den Vertrag über den internationalen Landtransport von Reisenden und Gepäck (noch nicht in Kraft); 22. das Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen (kein Mitgliedstaat der Gemeinschaft Partei). Siehe N. 59 (1). Der englische Ausdruck „court" ist nicht als Gegensatz zu anders bezeichneten Spruchkörpern (etwa „tribunal") zu verstehen, sondern meint jede etwa für zuständig erklärte richterliche Instanz.

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Evrigenis/Kerameus-Bericht

3. c. aa. γ) Evrigenis/Kerameus-Bericht (ABl. 1986 C 2 9 6 , 1 ff.)

Text I (Mitteilungen) RAT

BERICHT über den Beitritt der Republik Griechenland zum EG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (86/C 298/01)

EINLEITUNG Der nachstehende Text ist offensichtlich das letzte Werk aus der Feder von Professor Dimitrios I. Evrigenis, an dem er mit der gewohnten Entschlossenheit und Schaffenskraft mitgewirkt hat. Der Text war im wesentlichen vollendet und sein Mitautor im Begriff, nach Thessaloniki zurückzukehren, um mit seinem Mitarbeiter noch die letzten Fragen zu besprechen, als ihn - einen noch jungen und tatkräftigen Mann - am 27. Januar 1986 in Straßburg der Tod ereilte; sein jähes Ende zwang seinen Mitarbeiter, sich mit diesen Fragen, die allerdings nicht zahlreich und zudem nicht sehr bedeutsam waren, allein auseinanderzusetzen. Professor Evrigenis hat mit dieser Arbeit über die Probleme der internationalen Zuständigkeit und der Vollstreckung ausländischer Entscheidungen, mit denen er sich seit Beginn seiner wissenschaftlichen Laufbahn intensiv und ergiebig beschäftigt hatte, nunmehr Abschied vom Leben genommen. Die vorliegende Veröffentlichung wird seinem Andenken als Bezeugung der Dankbarkeit und Verehrung gewidmet. K. D. KERAMEUS

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INHALTSÜBERSICHT I. Geschichtlicher Abriß und Struktur des Übereinkommens, Nrn. 1 bis 7 II. Das griechische System der internationalen Zuständigkeit und der Vollstreckung ausländischer Gerichtsentscheidungen, Nrn. 8 bis 2 3 III. Das EG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen A. Anwendungsbereich des Übereinkommens, Nrn. 2 4 bis 3 7 B. Internationale Zuständigkeit, Nrn. 38 bis 7 0 C. Anerkennung und Vollstreckung, Nrn. 71 bis 9 0 D. Das Auslegungsprotokoll von 1971, Nrn. 91 bis 9 9 E. Übergangs- und Schlußvorschriften. Terminologische Probleme, Nrn. 1 0 0 bis 1 0 4

I. GESCHICHTLICHER ABRISS UND STRUKTUR DES ÜBEREINKOMMENS 1. Am 25. Oktober 1982 haben Vertreter der damals 10 Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften das „Übereinkommen über den Beitritt der Republik Griechenland zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof in der Fassung des Übereinkommens über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland" unterzeichnet. Der Abschluß dieses Übereinkommens war in Artikel 3 Absatz 2 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Griechenland und die Anpassungen der Verträge vorgesehen, die dem Vertrag vom 28. Mai 1979 über den Beitritt der Republik Griechenland zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und zur Europäischen Atomgemeinschaft beigefügt ist. In dieser Bestimmung heißt es: „Die Republik Griechenland verpflichtet sich, den in Artikel 220 des EWG-Vertrags vorgesehenen, von den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft in ihrer ursprünglichen oder derzeitigen Zusammensetzung unterzeichneten Übereinkommen und den Protokollen über die Auslegung dieser Übereinkommen durch den Gerichtshof beizutreten und zu diesem Zweck mit den derzeitigen Mitgliedstaaten Verhandlungen im Hinblick auf die erforderlichen Anpassungen aufzunehmen." Das einzige zur Zeit geltende Übereinkommen auf der Rechtsgrundlage des Artikels 220 des EWG-Vertrags ist das Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. 2. Zur Vorbereitung der Verhandlungen über den Beitritt zu diesem Übereinkommen erstellte Griechenland ein Memorandum mit Anpassungsvorschlägen, das es im Oktober 1981 den übrigen Mitgliedstaaten über den Rat zuleitete. Der Ausschuß der Ständigen Vertreter berief eine Ad-hoc-Gruppe von Sachverständigen der Mitgliedstaaten und Vertretern der Kommission ein, die am 14. Dezember 1981 und am 5. April 1982 in Brüssel zu zwei Sitzungen zusammentrat. In diesen Sitzungen wurde ein Entwurf für ein Übereinkommen über den Beitritt der Republik Griechenland ausgearbeitet, der vom Ausschuß der Ständigen Vertreter am 11. Juni 1982 gebilligt und am 25. Oktober 1982 von Vertretern der Mitgliedstaaten während der Konferenz der Justizminister der Mitgliedstaaten in Luxemburg unterzeichnet wurde. 3. Vor einer Darlegung und Erläuterung dieses Beitrittsübereinkommens dürfte es nützlich sein, den gesamten Komplex der einzelnen Texte aufzulisten, die das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gericht978

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Evrigenis/Kerameus-Bericht

licher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in seiner heutigen Gestalt ausmachen. Es handelt sich dabei um folgende Texte: 3.1.1. Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im folgenden „Übereinkommen von 1 9 6 8 " genannt). 3.1.2. Protokoll (im folgenden „Protokoll von 1 9 6 8 " genannt). 3.1.3. Gemeinsame Erklärung (im folgenden „Gemeinsame Erklärung von 1 9 6 8 " genannt). Die unter den Nummern 3.1.1 bis 3.1.3 aufgeführten Texte sind am 27. September 1968 in Brüssel unterzeichnet worden und am 1. Februar 1972 in Kraft getreten. Die griechische Fassung wurde im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 3 8 8 vom 31. Dezember 1 9 8 2 , Seite 7, veröffentlicht. 3.2.1. Protokoll betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1 9 6 8 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof (im folgenden „Protokoll von 1 9 7 1 " genannt). 3 . 2 . 2 . Gemeinsame Erklärung (im folgenden „Gemeinsame Erklärung von 1 9 7 1 " genannt). Die unter den Nummern 3.2.1 und 3 . 2 . 2 aufgeführten Texte wurden am 3. Juni 1971 in Luxemburg unterzeichnet und traten am 1. September 1975 in Kraft. Die griechische Fassung ist im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 3 8 8 vom 31. Dezember 1982, Seite 2 0 , enthalten. 3.3.1. Übereinkommen über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidung in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof (im folgenden „Beitrittsübereinkommen von 1 9 7 8 " genannt). 3.3.2. Gemeinsame Erklärung (im folgenden „Gemeinsame Erklärung von 1 9 7 8 " genannt). Die unter den Nummern 3.3.1 und 3.3.2 aufgeführten Texte wurden am 9. Oktober 1978 in Luxemburg unterzeichnet*. Die griechische Fassung ist im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 3 8 8 vom 31. Dezember 1 9 8 2 , Seite 2 4 , enthalten. 3.4. Übereinkommen über den Beitritt der Republik Griechenland zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof in der Fassung des Übereinkommens über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (im folgenden „Beitrittsübereinkommen von 1 9 8 2 " genannt). Dieses Übereinkommen wurde am 2 5 . Oktober 1982 in Luxemburg unterzeichnet und im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 3 8 8 vom 31. Dezember 1 9 8 2 , Seiten 1 bis 6, veröffentlicht. Eine inoffizielle kodifizierte Fassung sämtlicher Texte, die vom Generalsekretariat des Rates erstellt wurde, ist im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. C 97 vom 11. April 1983, Seiten 2 bis 29, veröffentlicht. Was die Veröffentlichung der obengenannten Texte in den anderen Gemeinschaftssprachen angeht, so wird auf die Tabelle im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. C 97 vom 11. April 1983, Seite 1, verwiesen. Rolf A. Schütze

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4. Zu den unter den Nummern 3.1.1 bis 3.3.2 genannten Texten gibt es erläuternde Berichte. So hat Herr P. Jenard, Direktor im belgischen Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und Außenhandel, den Bericht über das Übereinkommen, das Protokoll und die Genfeinsame Erklärung von 1968. sowie den Bericht über das Protokoll und die Gemeinsame Erklärung von 1971 erstellt 1 . Den Bericht über das Beitrittsübereinkommen und die Gemeinsame Erklärung von 1978 erstellte Herr P. Schlosser, Professor an der Universität München 2 . Eine griechische Übersetzung der Berichte wird in dieser Ausgabe des Amtsblatts veröffentlicht. Diese Berichte enthalten eine rückblickende Darlegung der Ausarbeitung der Rechtstexte sowie eine Begründung bzw. Erläuterung ihrer Bestimmungen im Zusammenhang mit den entsprechenden Regelungen im autonomen Recht der Vertragsstaaten. Sie stellen ein wichtiges Hilfsmittel für die Auslegung des Übereinkommens dar. 5. Gesetzgebungsverfahren für den Beitritt zum Übereinkommen Wie im Falle des Beitritts von Dänemark, Irland und dem Vereinigten Königreich zogen es die Vertragsstaaten auch im Falle des Beitritts von Griechenland vor, die betreffenden Texte nicht unmittelbar zu revidieren, sondern ein Anpassungsübereinkommen auszuarbeiten, das zu den damals bestehenden Texten von 1968,1971 bzw. 1978 hinzukam. Diese Lösung weist zweifellos Vorteile auf. Sie entbindet die Vertragsparteien von der Pflicht, auch die durch den neuen Beitritt nicht veränderten Teile des bestehenden Übereinkommens erneut zu ratifizieren, und gestattet gleichzeitig eine klare Unterscheidung der verschiedenen Entwicklungsphasen des Übereinkommens. Sie ist jedoch nicht frei von Nachteilen, da sie zu einer allmählichen Anhäufung von Texten führt, die das ursprüngliche Übereinkommen mittelbar immer weiter ändern. Die Zahl dieser selbständigen Texte nimmt mit jeder neuen Erweiterung der Gemeinschaft und folglich mit jedem neuen Beitritt zum Übereinkommen zwangsläufig weiter zu. Aufgrund der Vielzahl der Quellen entstehen natürlich zusätzliche Auslegungsprobleme, wenn es darum geht, das jeweils geltende Recht zu ermitteln. Eine Hilfe bieten in diesem Fall die kodifizierten Fassungen der Übereinkommenstexte, die das Generalsekretariat des Rates nach jedem neuen Beitritt zu erstellen pflegt 3 . Bei der Auslegung darf jedoch nicht außer acht gelassen werden, daß diese kodifizierten Fassungen inoffizieller Art und folglich nicht bindend sind. 6. Kurzcharakteristik des Übereinkommens von 1982 Im Unterschied zum Beitrittsübereinkommen von 1978 brachte das Beitrittsübereinkommen von 1982 keine wesentlichen Änderungen am Text des Übereinkommens von 1968 und des Protokolls von 1971 in der durch das Beitrittsübereinkommen von 1978 bereits geänderten Fassung mit sich. Die durch das Übereinkommen von 1982 an diesen Texten vorgenommenen Anpassungen sind rein technischer Art und beschränken sich auf die Ergänzungen, die durch den Beitritt des neuen Vertragsstaates notwendig wurden. Wie bereits aus dem Memorandum hervorgeht, das Griechenland; im Hinblick auf die Verhandlungen über den Beitritt zum Übereinkommen vorgelegt hatte 4 , war Griechenland der Ansicht, daß es das gesamte Übereinkommen in der Fassung von 1978 akzeptieren könnte. Zwei Punkte, die zu wesentlichen Textänderungen hätten führen können, wurden schließlich durch Präzisierungen im Protokoll der Ad-hoc-Gruppe geklärt. Auf diese Punkte wird später eingegangen 5 . 7. Struktur des Übereinkommens von 1968, 1978, 1982 Das Übereinkommen regelt zum einen die internationale Zuständigkeit der Gerichte und zum anderen Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, öffentlichen Urkunden und Prozeßvergleichen. Aufgrund dieses Inhalts 980

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Evrigenis/Kerameus-Bericht gehört es in die Gruppe der sogenannten „doppelten" Übereinkommen. M i t anderen W o r t e n , es enthält außer den Vorschriften über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen auch unmittelbare Gerichtsstandsregeln, die das für einen Streitfall zuständige Gericht bestimmen, während die sogenannten „einfachen" Übereinkommen die internationale Zuständigkeit nur mittelbar regeln, das heißt als Voraussetzung für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen. Das Übereinkommen gliedert sich in acht Titel und regelt der Reihe nach den Anwendungsbereich (Titel I Artikel 1), die Zuständigkeit (Titel II Artikel 2 bis 2 4 ) , die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen (Titel III Artikel 2 5 bis 4 9 ) , die Vollstreckung von öffentlichen Urkunden und Prozeßvergleichen (Titel I V Artikel 5 0 und 5 1 ) . Titel V (Artikel 5 2 und 5 3 ) enthält allgemeine Vorschriften, Titel V I (Artikel 5 4 ) Übergangsvorschriften, die durch die Artikel 3 4 bis 3 6 des Übereinkommens von 1 9 7 8 und durch Artikel 12 des Übereinkommens von 1 9 8 2 zu ergänzen sind. Titel V I I (Artikel 5 5 bis 5 9 ) regelt das Verhältnis zu anderen A b k o m m e n , während Titel VIII (Artikel 6 0 bis 6 8 ) Schlußvorschriften enthält, zu denen noch die entsprechenden Vorschriften der Übereinkommen von 1 9 7 8 (Artikel 3 7 bis 4 1 ) und von 1 9 8 2 (Artikel 13 bis 17) hinzuzurechnen sind. D a s Protokoll von 1 9 6 8 enthält eine Reihe von Sonderregelungen. Auf das Protokoll von 1971 betreffend die Auslegung des Übereinkommens durch den Gerichtshof und die diesbezüglichen Änderungen durch die Texte von 1 9 7 8 und 1 9 8 2 wird in Teil III, Abschnitt D , N u m m e r n 91 bis 9 9 eingegangen.

Π. DAS GRIECHISCHE SYSTEM DER INTERNATIONALEN ZUSTÄNDIGKEIT UND DER VOLLSTRECKUNG AUSLÄNDISCHER GERICHTSENTSCHEIDUNGEN 8. N a c h der Errichtung des neugriechischen Staates ( 1 8 3 0 ) durchlief die positivrechtliche Regelung der internationalen Zuständigkeit und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen ausländischer Zivilgerichte zwei große Phasen. Diese beiden Phasen sind bei der Festlegung der internationalen Zuständigkeit genauer zu unterscheiden 6 , bei der Anerkennung und Vollstreckung der ausländischen Entscheidungen sind sie weniger deutlich abgegrenzt 7 . Die vorliegende kurze Darlegung schließt mit der Erwähnung der staatsvertraglichen Regelungen, die in Griechenland auf diesen Gebieten gelten 8 . 9. Die Zivilprozeßordnung von 1 8 3 4 , die von dem bayerischen Juristen G . L. von M a u r e r verfaßt wurde und vom 2 5 . J a n u a r 1 8 3 5 bis zum 15. September 1 9 6 8 in Kraft war, legte in Anlehnung an französische Vorstellungen (Artikel 14 und 15 Code Civil) die Staatsangehörigkeit der Parteien als Hauptkriterium für die internationale Zuständigkeit fest. So waren die griechischen Gerichte nach Artikel 2 8 der Zivilprozeßordnung von 1 8 3 4 zuständig, sofern entweder der Kläger oder der Beklagte Grieche war. Folglich konnte ein Inländer einen Ausländer und ein Ausländer einen Inländer vor einem griechischen Gericht unabhängig davon verklagen, o b der Streitgegenstand eine örtliche Verbindung oder irgendeinen sonstigen Anknüpfungspunkt zum griechischen Staat hatte. Außerdem wurde die internationale Zuständigkeit der griechischen Zivilgerichte durch Artikel 2 7 der Zivilprozeßordnung auch auf Prozesse zwischen Ausländern ausgedehnt, sofern diese sich darüber einig waren, den Streitfall der griechischen Gerichtsbarkeit zu unterwerfen, oder wenn bestimmte, zahlenmäßig sehr geringe besondere Zuständigkeiten vorlagen oder wenn Gründe der öffentlichen Ordnung geltend gemacht w u r d e n 9 . Rolf A. Schütze

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10. Mit der Einführung des Zivilgesetzbuchs (23. Februar 1946) wurde dieses System grundlegend verändert. Durch Artikel 7 Nr. 1 des Einführungsgesetzes wurden die Artikel 27 und 28 der Zivilprozeßordnung aufgehoben. Artikel 126 des gleichen Einführungsgesetzes bestimmte dann: „Ausländer unterliegen der Gerichtsbarkeit der griechischen Gerichte und können nach Maßgabe der Zuständigkeitsvorschriften ebenso wie Inländer klagen oder verklagt werden." So wurde zumindest für Ausländer die internationale Zuständigkeit von der Staatsangehörigkeit der Parteien losgelöst und in eine Funktion der örtlichen Zuständigkeit umgewandelt: In Prozessen zwischen Ausländern oder auch nur mit einem ausländischen Beklagten wurde den griechischen Zivilgerichten auf jeden Fall die internationale Zuständigkeit zugesprochen, sofern auch nur eines dieser Gerichte für den konkreten Streitfall örtliche Zuständigkeit besaß. 11. Bei internationalen Privatrechtsstreitigkeiten mit inländischen Beklagten wichen die Meinungen dagegen voneinander ab. Die sogenannte Theorie der „Resultante" 10 sah das gesetzgeberische Ziel des Artikels 126 des Einführungsgesetzes zum Zivilgesetzbuch darin, daß Ausländer und Inländer in Fragen der Zuständigkeit vollständig gleichgestellt werden sollten. Wie also die internationale Zuständigkeit bei Ausländern nach Artikel 126 nicht mehr und nichts anderes ist als die Summe, die Resultante der einzelnen Zuständigkeiten, so könnte auch bei Inländern die internationale Zuständigkeit des griechischen Staates nur wahrgenommen werden, wenn eine allgemeine oder eine besondere örtliche Zuständigkeit eines griechischen Zivilgerichts gegeben wäre, ohne daß die bloße griechische Staatsangehörigkeit bereits ausreichen würde, um den Streitfall der griechischen Gerichtsbarkeit zu unterwerfen. Umgekehrt unterschied die sogenannte „Unterscheidungstheorie" n , die letztlich in der Rechtsprechung in den Jahren bis 1968 die Oberhand gewann, zwischen ausländischen und inländischen Beklagten und forderte nur für erstere das Vorhandensein eines Zuständigkeitsgrundes, während sie sich für letztere mit der griechischen Staatsangehörigkeit begnügte. Diese Vorstellung von der internationalen Zuständigkeit als Ausfluß der Staatsangehörigkeit erwies sich in der Praxis für die Griechen als ungünstiges Privileg, da sie es gestattete, Griechen ohne weiteres vor einem griechischen Gericht zu verklagen, während die griechische Staatsangehörigkeit des Klägers keineswegs ausreichte, um Ausländer vor griechischen Gerichten verklagen zu können 12 . 12. Die Einführung der neuen Zivilprozeßordnung (ZPO) am 16. September 1968 vervollständigte die Loslösung des griechischen Systems von den französischen Rechtsvorstellungen und verhalf der Theorie der „Resultante" zum Durchbruch. Durch Artikel 53 des Einführungsgesetzes wurden Artikel 126 des Einführungsgesetzes zum Zivilgesetzbuch aufgehoben, und Artikel 3 Absatz 1 der ZPO selbst bestimmte: „Der Gerichtsbarkeit der Zivilgerichte unterliegen Griechen und Ausländer, sofern die Zuständigkeit eines griechischen Gerichts gegeben ist." Die gleichwertige und gleichrangige Anführung von Griechen und Ausländern sowie die Herausbildung des Artikels 3 Absatz 1 ZPO zur Hauptquelle der internationalen Zuständigkeit nach griechischem Recht führten nach einer in der Rechtsprechung gängigen Formulierung zur Umstellung des griechischen Rechts vom Grundsatz der Staatsangehörigkeit auf den Grundsatz der „Territorialität". Dementsprechend setzt die internationale Zuständigkeit des griechischen Staates unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Parteien in der Regel voraus, daß der Rechtsstreit der allgemeinen oder besonderen Zuständigkeit eines griechischen Zivilgerichts unterliegt 13 . Nur ausnahmsweise, nämlich in Ehe- und Kindschaftssachen begründet die Staatsangehörigkeit, und zwar irgendeiner der Parteien, bereits für sich allein die internationale Zuständigkeit der griechischen Gerichte (Artikel 612, 6 2 2 ZPO). 982

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13. Die einzelnen Zuständigkeiten, die so die internationale Zuständigkeit bilden, sind im modernen griechischen Recht in einer Weise ausgestaltet, die von der allgemeinen Ausrichtung der Rechte der übrigen Gemeinschaftsländer nicht allzusehr verschieden ist 1 4 . So bestimmt sich der allgemeine Gerichtsstand nach dem Wohnsitz oder dem Sitz, hilfsweise nach dem bloßen Aufenthaltsort des Beklagten (Artikel 2 2 bis 2 6 und 32 Z P O ) . Der allgemeine Gerichtsstand muß unberücksichtigt bleiben, wenn einer der sechs ausschließlichen besonderen Gerichtsstände der Zivilprozeßordnung gegeben ist: Dinglicher Gerichtsstand bei sachenrechtlichen, quasi sachenrechtlichen und mietrechtlichen Streitigkeiten in bezug auf unbewegliche Sachen (Artikel 2 9 Z P O ) ; Gerichtsstand der Erbschaft, der sich nach dem letzten Wohnsitz des Erblassers richtet (Artikel 3 0 Z P O , siehe auch Artikel 810); Gerichtsstand des Sachzusammenhangs, demzufolge das Gericht der Hauptklage für die Folgeklagen zuständig wird (Artikel 31 Z P O ) ; Gerichtsstand gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, wonach für Streitigkeiten zwischen einer Gesellschaft und den Gesellschaftern sowie für Streitigkeiten der Gesellschafter untereinander, soweit sie aus dem Gesellschaftsverhältnis herrühren, der Sitz der Gesellschaft maßgebend ist (Artikel 2 7 Z P O ) ; Gerichtsstand der Verwaltung auf richterliche Anordnung, wobei das die Anordnung treffende Gericht örtlich zuständig ist (Artikel 2 8 Z P O ) sowie Gerichtsstand der Widerklage (Artikel 3 4 Z P O ) , wobei jedoch darauf hinzuweisen ist, daß nach griechischem Recht die Erhebung der Widerklage nicht obligatorisch ist und die Widerklage auch keinen Sachzusammenhang zwischen dem Anspruch des Beklagten und dem anhängigen Anspruch des Klägers voraussetzt. Gleichzeitig werden im allgemeinen Teil der Zivilprozeßordnung auch sechs konkurrierende besondere Gerichtsstände vorgesehen, die dem Kläger die Wahl zwischen diesen Gerichtsständen und dem allgemeinen Gerichtsstand überlassen (Artikel 41 Z P O ) , nämlich: Gerichtsstand des Rechtsgeschäfts, der alternativ den Ort des Abschlusses des Rechtsgeschäfts und den Ort der Leistungserfüllung als Anknüpfungspunkte anbietet (Artikel 3 3 Z P O ) ; Gerichtsstand der unerlaubten Handlung, der für zivilrechtliche Klagen aus strafbaren Handlungen den Gerichtsstand des Ortes alternativ vorsieht, an dem das strafbare Verhalten stattfand oder das strafbare Ereignis eintrat (Artikel 3 5 Z P O , Artikel 16 Strafgesetzbuch); Gerichtsstand der Verwaltung ohne richterliche Anordnung, wonach sich die Zuständigkeit nach dem Ort bestimmt, an dem die Verwaltung erfolgte (Artikel 36 Z P O ) ; Gerichtsstand der Rechtsidentität, der es vor allem in Fällen passiver Streitgenossenschaft ermöglicht, die Beklagten gemeinsam vor dem Gericht zu verklagen, das für einen vor ihnen zuständig ist (Artikel 3 7 Z P O ) ; Gerichtsstand für Ehesachen, der sich nach dem Ort des letzten gemeinsamen Aufenthalts der Ehegatten richtet (Artikel 3 9 Z P O ) ; schließlich Gerichtsstände für vermögensrechtliche Ansprüche, die auch vor dem Gericht geltend gemacht werden können, in dessen Bezirk sich der Beklagte eine längere Zeit aufhält (Artikel 3 8 Z P O ) , sowie vor allem - im Falle von Beklagten ohne Wohnsitz in Griechenland - vor dem Gericht, in dessen Bezirk sich das Vermögen des Beklagten oder der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand befindet (Artikel 4 0 Z P O ) . Im Bereich der besonderen Verfahrensarten (Artikel 5 9 1 bis 6 8 1 Z P O ) sehen die Artikel 616, 6 6 4 und 6 7 8 noch weitere konkurrierende besondere Gerichtsstände vor, die grundsätzlich den Kläger begünstigen. 14. Die Möglichkeit, die internationale Zuständigkeit auf eine Vereinbarung der Parteien zu gründen, wird in vermögensrechtlichen Streitigkeiten in sehr weitem Umfang anerkannt (Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 4 2 bis 4 4 Z P O ) . Die Vereinbarung Rolf A. Schütze

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kann grundsätzlich auch formlos sein; Schriftform ist nur für künftige Streitfälle erforderlich. Die formlose Vereinbarung kann grundsätzlich auch stillschweigender Art sein, d.h. sich daraus ergeben, daß der Beklagte bei Erscheinen in der ersten Verhandlung der Streitigkeit nicht die Unzuständigkeit des Gerichts geltend macht. Eine ausdrückliche Vereinbarung ist nur erforderlich, wenn es sich darum handelt, eine ausschließliche Zuständigkeit auszuschalten. Nach dem Gesetz ist eine ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts zu vermuten, zu dessen Gunsten die Vereinbarung getroffen wurde. Im übrigen bedarf es keiner sachlichen Verbindung des betreffenden Streitfalls mit dem griechischen Staat; als einzige Schranke ist das Verbot vorgesehen, Streitigkeiten über im Ausland belegene unbewegliche Sachen der Gerichtsbarkeit des griechischen Staates zu unterwerfen (ZPO Artikel 4 Satz 1 a. E.). Schließlich ist ebenso wie eine Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit (Prorogation) auch der Ausschluß der Zuständigkeit und die Unterwerfung der Streitigkeit unter ausländische Gerichte (derogation) erlaubt; es wird nicht davon ausgegangen, daß eine solche Vereinbarung die griechische Souveränität oder die öffentliche Ordnung berührt, es genügt, daß die Möglichkeit der Anrufung der ausländischen Gerichte besteht, so daß sich keine internationale Rechtsverweigerung ergibt. 15. Was die Sicherungsmaßnahmen anbetrifft, so setzt ihre Anordnung nicht die internationale Zuständigkeit des griechischen Staates in der Hauptsache voraus. Natürlich können die Sicherungsmaßnahmen auch von dem Gericht angeordnet werden, bei dem die Hauptklage anhängig ist (Artikel 6 8 4 , 6 8 3 Absatz 2 Z P O ) . Sie werden jedoch auch „von d e m " dem Vollstreckungsort nächstgelegenen Gericht, das sachlich zuständig ist, angeordnet (Artikel 6 8 3 Absatz 3 Z P O ) . Der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen in Griechenland steht also nicht der Umstand entgegen, daß die Hauptklage vor einem ausländischen Gericht anhängig ist oder daß sie - falls noch keine Rechtshängigkeit gegeben ist - der internationalen Zuständigkeit eines anderen und nicht des griechischen Staates unterliegt. 16. Das Gericht prüft in der Regel auch von Amts wegen, ob die internationale Zuständigkeit gegeben ist. Da die internationale Zuständigkeit jedoch grundsätzlich auch auf die mangelnde Einrede des vor Gericht erschienenen Beklagten gestützt werden k a n n l s , wird die Frage der Zuständigkeit von Amts wegen nur geprüft, wenn sich der Beklagte bei der ersten Verhandlung nicht auf das Verfahren einläßt, wie auch wenn er zur Verhandlung erscheint und die Unzuständigkeit nicht rügt, sein Schweigen aber dennoch keine Zuständigkeitsvereinbarung begründen kann, da der Streitfall unbewegliche Sachen betrifft, die im Ausland belegen sind (Artikel 4 Absatz 1 Z P O ) , oder weil der Streitgegenstand nicht vermögensrechtlicher Art ist oder weil gesetzlich eine ausschließliche Zuständigkeit vorgesehen ist ( Z P O Artikel 4 Absatz 1, Artikel 4 2 Absatz 1 Sätze 1 und 2 , Artikel 4 6 Satz 1, Artikel 2 6 3 Buchstabe a). Fehlt die internationale Zuständigkeit, so wird die Klage als unzulässig abgewiesen (Artikel 4 Absatz 2 2 P O ) , und eine Verweisung an die Gerichte eines fremden Staates findet nicht statt. Ergeht jedoch trotz fehlender internationaler Zuständigkeit eine Entscheidung in der Sache, so ist die Entscheidung zwar mit Rechtsmitteln anfechtbar, gilt aber nicht als nichtig, es sei denn, daß die Vorschriften über die Exterritorialität verletzt wurden (Artikel 313 Absatz 1 Buchstabe e) Z P O ) . 17. Unter der alten Zivilprozeßordnung von 1 8 3 4 (Artikel 858 bis 8 6 0 ) wurde für die Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Griechenland nach der Staatsangehörigkeit des Vollstreckungsschuldners unterschieden 1 6 . War er Ausländer, so wurde die Vollstreckbarkeit vom Vorsitzenden des erstinstanzlichen Gerichtes erklärt, sofern folgende drei Voraussetzungen erfüllt waren: 984

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a) Vollstreckbarkeit des ausländischen Titels im Urteilsstaat; b) internationale Zuständigkeit (nach griechischem 1 * Recht) des Urteilsstaates und c) kein Verstoß des Titels gegen die griechische öffentliche Ordnung. War der Schuldner dagegen Inländer, so war für die Vollstreckbarerklärung das mit drei Richtern besetzte erstinstanzliche Gericht sachlich zuständig. Außerdem kamen zu den drei oben erwähnten Voraussetzungen noch die beiden folgenden hinzu: d) kein Widerspruch zwischen der Entscheidung und offenkundigen Tatsachen diese Voraussetzung führte dazu, daß die ausländische Entscheidung in bestimmtem Umfang der Sache nach überprüft wurde - und e) kein Eintritt von Tatsachen, durch die der Anspruch aus dem ausländischen Titel hinfällig wurde. Diese gesetzlichen Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung wurden von der Rechtsprechung auch auf die bloße Anerkennung der Rechtskraft einer ausländischen Entscheidung ausgedehnt 1 7 . 18. Die neue Zivilprozeßordnung hat auch hier 1 8 jegliche Unterscheidung zwischen Inländern und Ausländern aufgehoben 1 9 . So müssen unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Schuldners folgende fünf Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine ausländische gerichtliche Entscheidung in Griechenland für vollstreckbar erklärt werden kann (ZPO Artikel 9 0 5 Absätze 2 und 3, Artikel 3 2 3 Nummern 2 bis 5): a) Vollstreckbarkeit der Entscheidung nach dem Recht des Urteilsstaates; b) internationale Zuständigkeit des Urteilsstaates für diese Streitigkeit nach den Vorschriften des griechischen Rechts; c) keine Versagung des Rechts der unterlegenen Partei, sich zu verteidigen und allgemein am Prozeß zu beteiligen; d) keine Kollision zwischen der ausländischen Entscheidung und einer Entscheidung eines griechischen Gerichts, die in der gleichen Rechtssache zwischen den gleichen Parteien Rechtskraft erlangt hat, und e) kein Verstoß der ausländischen Entscheidung gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung. Abgesehen von diesen Voraussetzungen wird eine Gegenseitigkeit bzw. eine Anwendung des materiellen Rechts, das nach dem griechischen internationalen Privatrecht als anwendbar gilt, nicht gefordert, und eine Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Verfahrens oder der sächlichen Richtigkeit der ausländischen Entscheidung ist nicht erlaubt 2 0 . Soweit es sich schließlich um die Vollstreckung anderer ausländischer Titel handelt, genügt es, daß sie nach dem Recht des Urteilsstaates vollstreckbar sind und nicht gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstoßen (Artikel 9 0 5 Absatz 2 Z P O ) . 19. Die Unterscheidung zwischen Inländern und Ausländern wurde bereits aufgehoben, soweit es um die Zuständigkeit 2 1 und das Verfahren für die Vollstreckbarerklärung geht. Zuständig ist in jedem Fall das μονομελές μρωτδικείο (mit einem Richter besetztes erstinstanzliches Gericht), in dessen Bezirk der Schuldner seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen Aufenthaltsort hat; hat er auch keinen Aufenthaltsort, so ist das entsprechende Gericht in Athen zuständig. Anzuwenden sind die Verfahrensvorschriften der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Artikel 9 0 5 Absatz 1 Z P O ) mit der Möglichkeit, gegen die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit die Rechtsmittel der Berufung, des gerechtfertigten Einspruchs gegen das Versäumnisurteil, der Wiederaufnahme des Verfahrens und der Kassationsbeschwerde geltend zu machen (Artikel 9 0 5 Absatz 1 Satz 2, Artikel 7 6 0 bis 7 7 2 Z P O ) ; keines dieser Rechtsmittel hat kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung (Artikel 7 6 3 , 7 7 0 und 7 7 1 , 7 7 4 Z P O ) . Die Vollstreckung des für vollstreckbar Rolf A. Schütze

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erklärten ausländischen Titels erfolgt nach dem Vollstreckungsverfahren und mit den Zwangsmitteln des griechischen Rechts 2 2 . 20. Die gleichen Voraussetzungen gelten grundsätzlich auch für die Anerkennung der Rechtskraft einer ausländischen gerichtlichen Entscheidung. Statt der Vollstreckbarkeit der Entscheidung nach dem Recht des Urteilsstaates 23 wird lediglich verlangt, daß die Entscheidung nach diesem selben Recht Rechtskraft erlangt hat (Artikel 323 Nr. 1 ZPO). Die Anerkennung der Rechtskraft einer ausländischen Entscheidung unterliegt keinem besonderen Verfahren (Artikel 323 ZPO), sondern kann inzidenter von jeder gerichtlichen oder auch behördlichen Instanz vorgenommen werden 24 . Nur für die Anerkennung der Rechtskraft ausländischer Entscheidungen über den Personenstand, insbesondere über die Ehescheidung, ist die Einhaltung desselben Verfahrens wie bei der Vollstreckbarerklärung vorgesehen (Artikel 905 Absatz 4 ZPO). 21. Es gibt keine zweiseitigen Staatsverträge, bei denen Griechenland Vertragspartei ist und die eine unmittelbare Regelung der internationalen Zuständigkeit umfassen 2 5 . Etwaige vertragliche Klauseln über die prozeßrechtliche Gleichstellung von Ausländern und Inländern haben heute im Hinblick auf die internationale Zuständigkeit ihre Bedeutung verloren 26 , da diese Gleichstellung bereits durch Artikel 126 des Einführungsgesetzes zum Zivilgesetzbuch und Artikel 3 Absatz 1 ZPO zu einer Norm des inländischen griechischen Rechts geworden ist 27 . 22. Auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Gerichtsentscheidungen sind zur Zeit acht „einfache" 2 8 bilaterale Verträge Griechenlands in Kraft, nämlich: mit der Tschechoslowakei (1927 - Gesetz 3617/1928), Jugoslawien (1959 - Gesetzesdekret 4007/1959), der Bundesrepublik Deutschland (1961 - Gesetz 4305/1963), Rumänien (1972 - Gesetzesdekret 429/1974), Ungarn (1979 - Gesetz 1149/1981, Artikel 24 bis 31), Polen (1979 - Gesetz 1184/1981, Artikel 21 bis 31), Syrien (1981 - Gesetz 1450/1984, Artikel 21 bis 29) und Zypern (1984 - Gesetz 1548/1985, Artikel 21 bis 28). Ihrem Inhalt nach unterscheiden sich diese Verträge nicht wesentlich vom geltenden inländischen Recht der Zivilprozeßordnung, und sie gelten unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Prozeßparteien; sie erlauben keine Nachprüfung in der Sache und machen die Anerkennung nicht von dem materiellen Recht abhängig, das in der ausländischen Entscheidung zur Anwendung kam, es sei denn, daß es sich um Fragen des Personenstandes handelt. Der detaillierteste dieser Verträge, nämlich der deutsch-griechische Vertrag 29 , regelt nicht nur die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen, sondern auch die Vollstreckung von Prozeßvergleichen und öffentlichen Urkunden (Artikel 13 bis 16); er behandelt außerdem Fragen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Artikel 1 Absatz 1 Satz 1) sowie die vorläufig vollstreckbaren Entscheidungen (Artikel 6) und erlaubt die Versagung der Anerkennung wegen Unzuständigkeit nur, wenn die Gerichte des Anerkennungsstaates ausschließlich zuständig sind oder wenn das erkennende Gericht seine Zuständigkeit ausschließlich auf den Gerichtsstand des Vermögens stützte (Artikel 3 Nummern 3 und 4). 23. Auf dem Gebiet der multilateralen Verträge 30 sind in Griechenland die Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen (Gesetzesdekret 503/1970) und vom 24. April 1963 über konsularische Beziehungen (Gesetz 90/1975) in Kraft, die das Problem der Exterritorialität im einzelnen regeln. Außerdem gelten die Übereinkommen vom 7. Februar 1970 über den Eisenbahnfrachtverkehr (CIM) und den Eisenbahn-Personen- und -Gepäckverkehr (CIV) (Notstandsgesetz 365/1968), die auch Vorschriften über die internationale Zuständigkeit (Artikel 44) und über die Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen (Artikel 56) umfassen. Das multilaterale New Yorker Übereinkommen 986

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vom 2 0 . Juni 1956 über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland, das in Griechenland gilt (Gesetzesdekret 4 4 2 1 / 1 9 6 4 ) , umfaßt ebenfalls Vorschriften über die Vollstreckung ausländischer Entscheidungen (Artikel 5 und 6). Auf dem Gebiet des Seerechts gelten die Brüsseler Übereinkommen vom 10. Mai 1952 „zur Vereinheitlichung von Regeln über die zivilgerichtliche Zuständigkeit bei Schiffszusammenstößen" (Gesetzesdekret 4 4 0 7 / 1 9 6 4 ) und „über die Vereinheitlichung von Regeln über den Arrest in Seeschiffe" (Gesetzesdekret 4 5 7 0 / 1 9 6 6 , insbesondere Artikel 7 über die internationale Zuständigkeit). Im Bereich der Luftfahrt gilt das Warschauer Abkommen „zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr" (Notstandsgesetz 5 9 6 / 1 9 3 7 , insbesondere Artikel 2 8 Absatz 1 und Artikel 3 2 über die internationale Zuständigkeit). Auf dem Gebiet der Schiedsgerichtsbarkeit gilt das New Yorker Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (Gesetzesdekret 4 2 2 0 / 1 9 6 1 ) . Dagegen hat Griechenland die Haager Übereinkommen vom 1. Februar 1971 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in Zivil- und Handelssachen sowie vom 2. Oktober 1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen nicht unterzeichnet, wohl aber das ältere Haager Übereinkommen vom 15. April 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern (das es allerdings noch nicht ratifiziert hat). Ferner hat Griechenland das (im Rahmen des Europarats geschlossene) Luxemburger Übereinkommen vom 2 0 . Mai 1 9 8 0 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen betreffend die elterliche Sorge über Kinder und die Wiederherstellung der elterlichen Sorge über Kinder unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert.

ffl. GEMEINSCHAFTSÜBEREINKOMMEN ÜBER DIE GERICHTLICHE ZUSTÄNDIGKEIT UND DIE VOLLSTRECKUNG GERICHTLICHER ENTSCHEIDUNGEN IN ZIVIL- UND HANDELSSACHEN A. A N W E N D U N G S B E R E I C H DES Ü B E R E I N K O M M E N S 2 4 . Das Übereinkommen betrifft Sachverhalte mit internationalen Anknüpfungspunkten. Da es die internationale Zuständigkeit der Gerichte festlegt, hat es naturgemäß Sachverhalte mit internationalem Bezug oder - entsprechend dem üblichen Begriff - Fälle mit Auslandsbeziehung zum Gegenstand. Diese Charakteristik, die aus dem Inhalt des Übereinkommens selbst hervorgeht, kommt jedoch im dritten Absatz der Präambel besonders zum Ausdruck, wo die Rede ist von der Festlegung der internationalen Zuständigkeit der Gerichte (competence de [...] juridictions dans lordre international); dieser Begriff wurde in der griechischen Fassung des Übereinkommens wiedergegeben durch ,,διεθυήζ δικαιοδοσία". Ferner ist sowohl im Titel als auch im Text des „Übereinkommens der Begriff gerichtliche. Zuständigkeit" im Griechischen wiedergegeben durch ,,διεθυήζ δικαιοδοσία" (internationale Zuständigkeit), was der üblichen griechischen Terminologie entspricht, die zwischen „internationaler" und „inländischer" Zuständigkeit unterscheidet. 25. Daneben regelt das Übereinkommen die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen, genauer gesagt von Entscheidungen, die in einem Vertragsstaat ergangen sind und deren Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung in einem anderen Vertragsstaat verlangt wird. Das gleiche gilt für öffentliche Urkunden und gerichtliche Vergleiche. Rolf A. Schütze

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2 6 . Das Übereinkommen gilt für Zivil- und Handelssachen. In ihm ist nicht festgelegt, was unter „Zivil- und Handelssachen" (Artikel I Absatz 1) zu verstehen ist. In der genannten Bestimmung wird jedoch klargestellt, daß die Frage, ob eine Zivil- oder Handelssache vorliegt, nicht nach der Art des Gerichts, bei dem die Rechtssache anhängig ist oder das zu entscheiden hat, und auch nicht danach zu beurteilen ist, ob es sich um ein Streitverfahren oder ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt. Sie ist folglich nach materiellrechtlichen und nicht nach verfahrensrechtlichen Kriterien zu beurteilen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften 3 1 ist dabei in erster Linie die Natur der zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen oder der Gegenstand des Rechtsstreits maßgebend. 27. Obwohl die Verfasser des Übereinkommens die Begriffe „Zivil- und Handelssachen" nicht definiert und auch nicht einmal klare Hinweise für deren begriffliche Klärung gegeben haben, ist doch zweifellos davon auszugehen, daß sich die Bedeutung dieser Begriffe aus dem Übereinkommen selbst ergibt. Es handelt sich folglich um einen autonomen Begriff, dessen Definition nicht aus einer Verweisung auf das innerstaatliche Recht eines bestimmten Staates resultiert. Zu seiner Auslegung ist also nicht auf das Recht der Vertragspartei, in deren Hoheitsgebiet das angerufene Gericht liegt, und auch nicht auf das Recht des Staates - ob Vertragsstaat oder nicht dessen materielles Recht für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgebend ist, Bezug zunehmen. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat dieses Auslegungsprinzip in seinem Urteil vom 14. Oktober 1 9 7 6 3 2 bestätigt, in dem er den autonomen Charakter des Begriffs hervorgehoben und ausgeführt hat, daß für dessen Auslegung einerseits die Zielsetzungen und die Systematik des Übereinkommens und andererseits die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die sich aus der Gesamtheit der innerstaatlichen Rechtsordnungen ergeben, herangezogen werden müssen. Um soweit wie möglich sicherzustellen, daß sich aus dem Übereinkommen für die Vertragsstaaten und die betroffenen Personen gleiche und einheitliche Rechte und Pflichten ergeben, muß nach Auffassung des Gerichtshofs diese Lösung gewählt werden. Dieser Auslegungsansatz ist auch in neueren Urteilen des Gerichtshofs 3 3 zu finden. 2 8 . Von den Zivil- und Handelssachen zu unterscheiden sind öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, die nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens gehören. Nach Auffassung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften kann man sich bei der Unterscheidung zwischen diesen beiden Arten von Rechtssachen wohl auf den in der kontinentaleuropäischen Rechtslehre überlieferten Wesenszug des öffentlichen Rechts, nämlich die Ausübung hoheitlicher Gewalt stützen 3 4 . Das Problem nahm jedoch eine neue Dimension an, als dem Übereinkommen Staaten der angelsächsischen Rechtsfamilie beitraten, in denen grundsätzlich nicht zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht unterschieden wird. Das Nebeneinanderbestehen unterschiedlicher Konzeptionen in der Gemeinschaft erschwert natürlich die Ermittlung einer autonomen, allgemein anwendbaren Definition. Die Auslegung des Gerichtshofs als solche verliert insofern an Wirksamkeit, als festgestellt werden muß, daß es keine den Rechtssystemen aller Vertragsstaaten gemeinsame allgemeinen Grundsätze gibt, denen sich ein einheitliches Kriterium für die Einordnung einer Rechtssache als öffentlich-rechtliche Streitigkeit entnehmen läßt. Einen Versuch, das Problem teilweise zu lösen, stellt indessen der mit dem Übereinkommen von 1978 (Artikel 3) der ursprünglichen Fassung des Artikels 1 Absatz 1 des Übereinkommens angefügte Satz dar, dem zufolge das Übereinkommen „insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten" erfaßt. Diese Präzisierung, die sich für die meisten Vertragsstaaten wie auch für Griechenland vermutlich von selbst ver988

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steht, war für diejenigen Staaten - Irland und Vereinigtes Königreich - notwendig, in denen die Unterscheidung zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht nicht in dem gleichen Ausmaß und ebenso deutlich Eingang in das positive Recht oder in die herrschende Rechtslehre gefunden hat. 29. Zu den Zivil- und Handelssachen gehören auch Rechtsstreitigkeiten, die sich aus Arbeitsverträgen ergeben. Diese Einordnung, die mit der herrschenden griechischen Rechtsauffassung im Einklang steht, ist vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften bestätigt worden 3 5 . 30. Ausgeschlossene Rechtsgebiete In Artikel 1 Absatz 2 ist eine Reihe von Rechtsgebieten vorgesehen, auf die das Übereinkommen keine Anwendung findet. Die meisten dieser Ausnahmen stellen echte Einschränkungen des Bereichs der „Zivil- und Handelssachen" dar, die aus jeweils unterschiedlichen Gründen erforderlich sind. Dies gilt für die unter den nachstehenden Nummern des Absatzes 2 aufgezählten Angelegenheiten: 1. Personenstand, Rechts- und Handlungsfähigkeit von natürlichen Personen, eheliche Güterstände und Erbrecht; 2. Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren und 4. Schiedsgerichtsbarkeit. Das unter Nummer 3 genannte Rechtsgebiet (soziale Sicherheit) ist hingegen aus folgenden Gründen ausgeschlossen worden: zum einen, weil es je nach Land entweder dem öffentlichen Recht angehört oder in den Grenzbereich zwischen privatem und öffentlichem Recht fällt, und zum andern, weil die soziale Sicherheit in immer stärkerem Maße durch das abgeleitete Gemeinschaftsrecht geregelt wird. 31. Artikel 1 Absatz 2 Nummer 1 betrifft den Personenstand, die Rechts- und Handlungsfähigkeit von natürlichen Personen, die ehelichen Güterstände und das Gebiet des Erbrechts. Der Ausschluß dieser Rechtsgebiete vom Anwendungsbereich des Übereinkommens war in Anbetracht ihrer besonderen Merkmale erforderlich, die darin zum Ausdruck kommen, daß diese Gebiete in den einzelnen Vertragsstaaten sowohl materiellrechtlich als auch im Hinblick auf das internationale Privatrecht sehr unterschiedlich geregelt sind. Ihre Einbeziehung in den Anwendungsbereich des Übereinkommens würde zwangsläufig zu einer Nivellierung dieser Besonderheiten führen oder hätte im umgekehrten Fall zur Folge, daß die Einheitlichkeit der Zuständigkeitsregelung, die doch eines der Hauptziele des Übereinkommens ist, abgeschwächt wäre. Angesichts dieses Dilemmas zogen es die Verfasser des Übereinkommens vor, diese Angelegenheiten aus dessen Anwendungsbereich auszuklammern. 32. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften stellte bei der Auslegung dieser Ausnahmebestimmungen fest, daß die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen über die Siegelung oder Pfändung von Vermögensgegenständen der Ehegatten als einstweilige Maßnahme während eines Ehescheidungsverfahrens nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fällt 3 6 . Ebenso verneinte der Gerichtshof die Anwendbarkeit auch im Falle des Antrags einer Ehefrau, wonach als einstweilige Maßnahme angeordnet werden sollte, daß ihr Ehegatte eine Urkunde herausgibt, damit diese nicht als Beweismittel in der Auseinandersetzung über die Verwaltung des Vermögens der Ehefrau durch den Ehemann verwendet wird, vorausgesetzt, daß diese Vermögensverwaltung eng mit den vermögensrechtlichen Beziehungen, die sich unmittelbar aus der ehelichen Beziehung zwischen den Parteien ergeben, zusammenhängt 37 . 33. Unterhaltssachen gehören jedoch in den Anwendungsbereich des Übereinkommens; dies ergibt sich aus Artikel 5 Nummer 2 der Übereinkommens, der die gerichtliche Zuständigkeit für Unterhaltssachen regelt. Anlaß zu Schwierigkeiten gab, wie wohl zu erwarten war, die in der Praxis gewöhnlich hergestellte Verbindung zwischen Unterhaltsansprüchen und Verfahren in bezug auf den Personenstand, vor allem Ehescheidungsverfahren. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Rolf A. Schütze

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hat für Recht erkannt, daß einstweilige Unterhaltsanordnungen, die im Rahmen eines Ehescheidungsurteils ergehen, in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen 38 . Dieser Fall ist in dem gemäß dem Übereinkommen von 1978 geänderten Artikel 5 Nummer 2 nunmehr ausdrücklich vorgesehen. 34. Gemäß Artikel 1 Absatz 2 Nummer 2 ist das Übereinkommen nicht anzuwenden auf Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren. Diese Gebiete mußten vom Anwendungsbereich ausgeschlossen werden, weil die Mitgliedstaaten der Gemeinschaften die Ausarbeitung eines eigenen gemeinschaftlichen Konkursübereinkommens beabsichtigten und dies auch weiterhin tun. Schwierigkeiten können sich bei der Anwendung dieser Ausnahmebestimmung in Verbindung mit Artikel 16 Nummer 2 ergeben, dem zufolge für Klagen, welche die Auflösung einer Gesellschaft oder juristischen Person zum Gegenstand haben, ausschließlich die Gerichte des Staates, in dem die Gesellschaft oder juristische Person ihren Sitz hat, zuständig sind, sofern die Auflösung der Gesellschaft oder juristischen Person aufgrund eines Konkurses, eines Vergleichs oder eines ähnlichen Verfahrens erfolgt 39 . 35. Die Schiedsgerichtsbarkeit, ein in Zivil- und vor allem in Handelssachen herangezogenes Rechtsinstitut, ist deshalb vom Anwendungsbereich ausgeschlossen worden (Artikel 1 Absatz 2 Nummer 4), weil sie in zahlreichen multilateralen internationalen Übereinkünften geregelt ist. Verfahren, die unmittelbar und in der Hauptsache die Schiedsgerichtsbarkeit betreffen, wie ζ. B. Fälle der Einschaltung des Gerichts in die Bildung des Schiedsorgans oder Verfahren betreffend die gerichtliche Aufhebung eines Schiedsspruchs oder aber die Anerkennung seiner Gültigkeit bzw. die Erkennung auf seine Fehlerhaftigkeit fallen nicht unter das Übereinkommen. Hingegen muß davon ausgegangen werden, daß nach dem Übereinkommen inzidenter die Gültigkeit eines Schiedsvertrags geprüft werden kann, auf den sich eine Partei beruft, um die Unzuständigkeit des Gerichts geltend zu machen, vor dem sie nach dem Übereinkommen verklagt wird. 36. Die soziale Sicherheit, auf die das Übereinkommen gemäß Artikel 1 Absatz 2 Nummer 3 keine Anwendung findet, gilt je nach dem jeweiligen innerstaatlichen Rechtssystem als Teil des öffentlichen Rechts oder als zum Grenzbereich zwischen öffentlichem und privatem Recht gehörend. Dieses Merkmal hätte vielleicht schon genügt, um die soziale Sicherheit nicht in den in Artikel 1 Absatz 1 festgelegten Anwendungsbereich des Übereinkommens einzubeziehen. Ihr ausdrücklicher Ausschluß wurde jedoch für zweckmäßig erachtet. Allerdings sprachen auch andere Gründe für einen solchen Ausschluß, wie ζ. B. die Tatsache, daß dieses Rechtsgebiet in den Vertragen und im abgeleiteten Gemeinschaftsrecht geregelt ist, und ferner der Umstand, daß es zahlreiche bilaterale Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaften über die soziale Sicherheit gibt. Die Verfasser des Übereinkommens hielten es nicht für zweckmäßig, durch Ausdehnung des Geltungsbereichs des Übereinkommens auf die soziale Sicherheit an dieser Rechtslage zu rühren. 37. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß hier konkret Versicherungssachen im eigentlichen Sinne und vor allem Verfahren zwischen dem Versicherungsträger und dem Versicherten sowie dessen Rechtsnachfolgern und dem Arbeitgeber vom Anwendungsbereich ausgeschlossen sind. Folgesachen wie direkte Klagen des Geschädigten gegen den Versicherungsträger oder der Eintritt des Versicherungsträgers in die Rechte des geschädigten Versicherten gegenüber Dritten, die für den Schaden haften, fallen grundsätzlich unter das allgemeine Recht und somit in den Anwendungsbereich des Übereinkommens.

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Β. ZUSTÄNDIGKEIT 38. Allgemeiner Gerichtsstand Ebenso wie nach dem innerstaatlichen Recht Griechenlands (Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 22 ZPO) ist auch nach dem Übereinkommen (Artikel 2 Absatz 1) grundsätzlich der Wohnsitz des Beklagten maßgebend für die internationale Zuständigkeit. In der grundlegenden Bestimmung des Artikels 2 Absatz 1 wird zum einen die Zuständigkeit ausdrücklich von der Staatsangehörigkeit losgelöst und zum anderen vorgeschrieben, daß Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben, vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen sind; davon ausgenommen sind nur die im Übereinkommen selbst (insbesondere in den Artikeln 5 bis 18) vorgesehenen Falle. Demnach ist auch für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs des Übereinkommens nach außen hin maßgeblich, daß der Beklagte seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben muß, ohne Rücksicht darauf, ob er Staatsangehöriger eines Vertragsstaates ist oder nicht. Während nun Artikel 2 Absatz 1 bestimmt, daß die Staatsangehörigkeit nicht zuständigkeitsbegründend wirkt, geht Absatz 2 dieses Artikels noch weiter und stellt Ausländer Inländern effektiv gleich; es heißt dort nämlich, daß auf Ausländer die für Inländer maßgebenden Zuständigkeitsvorschriften anzuwenden sind 4 0 . 39. Der Wohnsitz ist im Übereinkommen nicht begrifflich festgelegt; vielmehr wird dort auf das innerstaatliche Recht des Staates verwiesen, für dessen Hoheitsgebiet die Frage des Wohnsitzes im Einzelfall zu klären ist (Artikel 52). Es wurde jedoch davon Abstand genommen, den gewöhnlichen Aufenthalt des Beklagten als Anknüpfung für die internationale Zuständigkeit heranzuziehen 41 . Daher wäre es nicht möglich, im Anwendungsbereich des Übereinkommens die internationale Zuständigkeit der griechischen Gerichte unter Berufung auf Artikel 38 ZPO zu erweitern. Im übrigen läßt jedoch die Tatsache, daß ausgeschlossen wurde, daß der Aufenthalt in gleicher Weise wie der Wohnsitz automatisch die Zuständigkeit begründet, die Aufgabe des Artikels 23 Absatz 1 ZPO unberührt. Hat der Beklagte seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Nichtvertragsstaates und seinen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates, so findet Artikel 2 natürlich keine Anwendung, Artikel 23 Absatz 1 ZPO könnte dann aber auch nicht herangezogen werden, denn diese Bestimmung gibt in jedem Fall dem Wohnsitz, wo auch immer sich dieser befindet, den Vorrang; hat der Beklagte hingegen nirgendwo einen Wohnsitz, jedoch in Griechenland seinen Aufenthalt, so ist davon auszugehen, daß dieser Aufenthalt als engste geographische Verbindung zu dem Betreffenden, welche die Regelung von Artikel 23 Absatz 1 ZPO rechtfertigt, auch der Zielsetzung des Artikels 2 entspricht und die gerichtliche Zuständigkeit begründet. 40. Wie aus Artikel 2 Absatz 1 hervorgeht, regelt das Übereinkommen allein die internationale Zuständigkeit und grundsätzlich nicht auch die örtliche Zuständigkeit; es sieht daher nur vor, daß die Gerichte des Wohnsitzstaates des Beklagten zuständig sind, ohne zu bestimmen, daß die Streitigkeit in diesem Staat von dem konkret zuständigen Gericht des Bezirks, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat, zu entscheiden ist. Andererseits wird im Übereinkommen der gesetzliche Wohnsitz bestimmter Personen nicht näher definiert; es wird dort nämlich, wie schon erwähnt, in dieser Frage generell auf das innerstaatliche Recht des betreffenden Staates verwiesen. In Artikel 52 Absatz 3 ist sogar vorgesehen, nach welchem Recht ein abhängiger Wohnsitz zu beurteilen ist. Einzelstaatliche Bestimmungen dagegen, nach denen für die Gerichtsstandsbestimmung ein anderer Zeitpunkt maßgebend ist und anstelle des gegenwärtigen Wohnsitzes der frühere Wohnsitz des Beklagten zugrunde Rolf A. Schütze

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zu legen ist, fügen sich nicht leicht in den Rahmen des Übereinkommens ein. So muß Artikel 24 ZPO, der griechische Beamte im Ausland, die keine Exterritorialität genießen (ζ. B. Lehrer an griechischen Schulen oder Arbeitsinspektoren für die griechischen Arbeitnehmer in einem anderen Vertragsstaat), betrifft und nach dem solche Personen auch vor den Gerichten des Ortes, in dem sie vor ihrer Entsendung ins Ausland ihren Wohnsitz hatten, verklagt werden können, dem Übereinkommen den Vorrang lassen. Im Falle eines griechischen Lehrers, der vor seinem Ruf an die griechische Schule in München in Athen wohnhaft war, nach Übernahme seines Lehramtes an dieser Schule aber seinen Wohnsitz in München begründet hat, ist der allgemeine Gerichtsstand daher nur mehr München und nicht auch Athen. 41. Der Sitz von Gesellschaften und juristischen Personen steht gemäß dem Übereinkommen (Artikel 53 Absatz 1 Satz 1) dem Wohnsitz gleich. Bei der Entscheidung darüber, wo sich der Sitz befindet, hat das angerufene Gericht hier die Vorschriften seines internationalen Privatrechts anzuwenden (Artikel 53 Absatz 1 Satz 2). Diese Grundbestimmung weicht inhaltlich nicht von Artikel 25 ZPO ab, und zwar auch nicht hinsichtlich der Vereinigungen natürlicher Personen, die einen gemeinsamen Zweck verfolgen, ohne Rechtspersönlichkeit zu besitzen; diese fallen nämlich entsprechend der Absicht der Verfasser des Übereinkommens 42 ebenfalls unter den Begriff „Gesellschaften". 42. Besondere Zuständigkeiten Artikel 3 enthält eine Präzisierung des allgemeinen Grundsatzes des Übereinkommens, dem zufolge Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates nur verklagt werden können, sofern die besonderen Zuständigkeitsregeln der Artikel 5 bis 18 des Übereinkommens dies zulassen 43 . Andere besondere Zuständigkeiten als die im Übereinkommen selbst vorgesehenen sind daher ausgeschlossen. Dies gilt aber nur im Anwendungsbereich des Übereinkommens 44 . Demnach können Personen, die ihren Wohnsitz in Griechenland haben, auch nach Inkrafttreten des Übereinkommens aufgrund besonderer Zuständigkeiten im Sinne der griechischen Zivilprozeßordnung selbst wenn diese nicht im Übereinkommen vorgesehen sind - im Falle von Streitigkeiten ohne Auslandsbeziehungen vor griechischen Gerichten außerhalb des Ortes ihres Wohnsitzes verklagt werden. Der erschöpfende Charakter der besonderen Zuständigkeiten, die gemäß dem Übereinkommen die gerichtliche Zuständigkeit begründen, wird erkennbar, sobald es darum geht, jemanden in einem anderen Vertragsstaat als dem Staat seines Wohnsitzes zu verklagen. Mit anderen Worten, nach dem Übereinkommen kann auf den allgemeinen Gerichtsstand des Wohnsitzes als Grundlage für die internationale Zuständigkeit nur zugunsten besonderer Zuständigkeiten, die im Übereinkommen selbst erschöpfend geregelt sind, verzichtet werden. Dieser Ansatz ist auch im innerstaatlichen Recht Griechenlands nicht unbekannt, denn auch dort kann eine Person nach Artikel 22 ZPO vor einem Gericht außerhalb ihres Wohnsitzes nur dann verklagt werden, wenn das Gesetz etwas anderes bestimmt, d. h. wenn es eine besondere Zuständigkeit vorsieht. 43. In diesem Zusammenhang enthält das Übereinkommen eine - allerdings nur als Hinweis dienende - Aufzählung nicht anwendbarer Zuständigkeitsregeln, die in den innerstaatlichen Verfahrenordnungen vorgesehen, aber nach dem Übereinkommen als exorbitant zu betrachten sind. Es handelt sich dabei um Vorschriften, nach denen ζ. B. für die Bestimmung der Zuständigkeit folgendes maßgebend ist: Der Kläger oder der Beklagte besitzt die Staatsangehörigkeit des Gerichtsstaats (Belgien, Frankreich, Luxemburg, Niederlande), das den Rechtsstreit einleitende Schriftstück wird dem Beklagten im Gerichtsstaat während dessen vorübergehender Anwesen992

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heit in diesem Staat zugestellt (Irland, Vereinigtes Königreich), Vermögen des Beklagten wird in diesem Staat beschlagnahmt (Vereinigtes Königreich), Vermögensgegenstände des Beklagten sind im Gerichtsstaat belegen (Dänemark, Bundesrepublik Deutschland, Griechenland, Vereinigtes Königreich) oder andere Ausländer benachteiligende Vorschriften (Italien). So können auch die griechischen Gerichte zur Begründung ihrer Zuständigkeit in Zukunft nicht mehr gemäß Artikel 4 0 Z P O den besonderen Gerichtsstand der Belegenheit des Vermögens geltend machen, sofern der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Vertragsstaat hat. D a s Vorhandensein von Vermögen des Beklagten oder sogar des Streitgegenstands selbst im Gerichtsstaat reicht nach dem Übereinkommen zur Begründung der gerichtlichen Zuständigkeit nicht aus. 44. Sowohl die Regelung des Übereinkommens im allgemeinen als auch der Ausschluß von exorbitanten Zuständigkeitsregeln nach Artikel 3 Absatz 2 stellen nur auf Beklagte mit Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates ab, ohne daß es auf den Wohnsitz und natürlich auch nicht auf die Staatsangehörigkeit des Klägers ankommt. Für den Fall, daß der Beklagte keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, sieht das Übereinkommen hingegen keine eigene Regelung vor, sondern verweist auf das innerstaatliche Recht des Staates, vor dessen Gerichten der Rechtsstreit anhängig ist (Artikel 4 Absatz 1). Gegenüber einem Beklagten, der keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, kann sich nach dem Übereinkommen jede Person mit Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats auf das Recht dieses Staates und auch auf dessen nach Artikel 3 Absatz 2 sonst nicht zulässige exorbitante Zuständigkeitsregeln berufen, ohne daß es auf ihre Staatsangehörigkeit ankommt (Artikel 4 Absatz 2). So wird trotz der unterschiedlichen Behandlung des Beklagten je nachdem, ob dieser in einem Vertragsstaat wohnhaft ist oder nicht, wenigstens dem Kläger unabhängig von dessen Staatsangehörigkeit stets die gleiche Behandlung zuteil; es genügt, daß er seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat. Die entsprechende Gerichtsentscheidung wird jedenfalls gemäß dem Übereinkommen anerkannt und vollstreckt. Eine ausdrückliche Ausnahme von dem Grundsatz, daß die Anwendbarkeit des Übereinkommens davon abhängt, ob der Beklagte seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, ist nicht nur in den Artikeln 17 und 18 vorgesehen, nach denen Zuständigkeitsvereinbarungen getroffen werden können, sondern vor allem in Artikel 16 betreffend die ausschließlichen Zuständigkeiten. Bei den in Artikel 16 genannten fünf Klagenbereichen geht das Übereinkommen davon aus, daß die sehr enge Verknüpfung zwischen der Streitigkeit und dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates mehr Gewicht hat als das Fehlen eines Wohnsitzes des Beklagten im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates. Über den Wohnsitz des Beklagten hinaus werden hier als nunmehr objektive 4 5 Anknüpfungspunkte für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs des Übereinkommens noch die Belegenheit der unbeweglichen Sache, der Sitz der juristischen Person, der Ort der Eintragung in öffentliche Register sowie der Ort der Zwangsvollstreckung herangezogen. 45. Die nachfolgenden Abschnitte 2 bis 6 des Titels II (Artikel 5 bis 18) bilden den besonderen Teil der unmittelbaren Regelung der gerichtlichen Zuständigkeit. Darin sind nämlich die besonderen Zuständigkeiten festgelegt, die teils mit dem allgemeinen Gerichtsstand des Wohnsitzes konkurrieren (Artikel 5 betreffend bestimmte Arten von Streitigkeiten und Artikel 6 betreffend bestimmte Gruppen von Personen, namentlich von Beklagten) und teils diese allgemeine Zuständigkeit ausschließen (Artikel 16). Für bestimmte Arten von Streitigkeiten, bei denen eine besondere prozeßuale Behandlung für notwendig gehalten wurde, wie Klagen in VersicherungsRolf A. Schütze

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und Verbrauchersachen, sehen die entsprechenden Abschnitte, nämlich Abschnitt 3 (Artikel 7 bis 12 a) und Abschnitt 4 (Artikel 13 bis 15) insofern eigene Zuständigkeitsregeln vor, als von allen anderen Zuständigkeitsvorschriften des Übereinkommens nur Artikel 4 betreffend den Fall eines Beklagten ohne Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates 46 und Artikel 5 Nummer 5 betreffend Streitigkeiten aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung ebenfalls Anwendung finden. Demnach wird bei Klagen in Versicherungs- und Verbrauchersachen der Wohnsitz der Parteien als mögliches Kriterium für die Zuständigkeitsbestimmung nur herangezogen, sofern er im einschlägigen Abschnitt eigens erwähnt ist, während die allgemeine Vorschrift des Artikels 2 nicht herangezogen werden kann. 46. Konkurrierende besondere Zuständigkeiten Die Artikel 5 bis 6 a enthalten objektive (Artikel 5 bzw. subjektive (Artikel 6) Anknüpfungsnormen und bestimmen somit, in welchen Fällen jemand, der im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates wohnhaft ist, nach dem Übereinkommen in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden kann. Sie sehen also „besondere Zuständigkeitsregeln" vor, aufgrund deren - vorausgesetzt, daß der Beklagte seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat und die besonderen Zuständigkeiten in der konkret zu verhandelnden Sache auf die Gerichte eines anderen Vertragsstaates hinweisen - neben den Gerichten des Staates, in dem der Beklagte wohnhaft ist, auch die Gerichte des zweiten Staates zuständig sind. Die Wahl des Gerichtsstandes hat der Kläger zu treffen, und sie wird mit der Klageerhebung offenbart 4 7 . 47. Artikel 5 der ursprünglichen Fassung des Übereinkommens sah fünf Fälle (Nummern 1 bis 5) vor, nämlich Ansprüche aus Verträgen, Unterhaltssachen, Ansprüche aufgrund unerlaubter Handlungen, bei Strafgerichten erhobene Zivilklagen und Streitigkeiten aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung. Mit dem Beitritt Dänemarks, Irlands und des Vereinigten Königreichs kamen durch das Beitrittsübereinkommen von 1978 zwei weitere Fälle hinzu, nämlich Streitigkeiten im Zusammenhang mit Trusts und Streitigkeiten wegen der Zahlung von Lohn für Bergungsarbeiten auf See. Artikel 5 gehört zu den wichtigsten Artikeln des Übereinkommens und zu den in der Rechtsprechung am häufigsten herangezogenen Bestimmungen. 48. Nach Artikel 5 Nummer 1 sind für Verfahren, die einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag zum Gegenstand haben, auch die Gerichte des Ortes zuständig, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Somit gilt dieser Erfüllungsort als Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit für sämtliche Streitigkeiten aus dem betreffenden Vertrag und seiner Abwicklung. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ist diese besondere Zuständigkeit auch dann gegeben, wenn das Zustandekommen des Vertrages, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, zwischen den Parteien streitig ist 48 . Im übrigen kann es sich bei diesem Klageanspruch auch um einen Zahlungsanspruch handeln, der seine Grundlage in den zwischen einem Verein und seinen Mitgliedern bestehenden Mitgliedschaftsverhältnis hat, wobei unerheblich ist, ob sich dieser Anspruch unmittelbar aus dem Beitritt des betreffenden Mitglieds oder aber aus diesem Beitritt in Verbindung mit einem oder mehreren Beschlüssen der Vereinsorgane ergibt 49 . Schwieriger als die Qualifizierung der Streitigkeiten ist die Ermittlung des in Artikel 5 vorgesehenen Gerichtsstandes. So wurde für Recht erkannt, daß sich der Erfüllungsort nach dem Recht bestimmt, das nach den Kollisionsnormen des mit dem Rechtsstreit befaßten Gerichts für die streitige Verpflichtung maßgebend ist 50 . Sofern das anwendbare innerstaatliche Recht dies zuläßt, kann 994

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dieser Ort auch von den Parteien bestimmt werden, ohne daß ihre diesbezügliche Vereinbarung den in Artikel 17 des Übereinkommens vorgesehenen Formvorschriften für den Abschluß von Zuständigkeitsvereinbarungen zu genügen hat 5 1 . Was schließlich die Verpflichtung angeht, deren Erfüllungsort hier die besondere Zuständigkeit begründet, so verstand der Gerichtshof darunter in seiner früheren Rechtsprechung (irgend)eine der Klage zugrunde liegende vertragliche Verpflichtung 5 2 , während er sie jetzt bei einer Klage, die auf verschiedene, gegebenenfalls an verschiedenen Orten zu erfüllende Verpflichtungen gestützt wird, auf diejenige Verpflichtung zu begrenzen scheint, die für den Vertrag insgesamt charakteristisch ist 5 3 . 49. Die Bestimmung des Übereinkommens, die den Gerichten des Ortes, an dem eine vertragliche Verpflichtung zu erfüllen ist, eine besondere Zuständigkeit zuerkennt, unterscheidet sich unter zwei Gesichtspunkten vom geltenden innerstaatlichen Recht Griechenlands (Artikel 33 ZPO). Zunächst betrifft sie nur Streitigkeiten aus Verträgen, wobei solche, die sich aus einseitigen Rechtsgeschäften ergeben, nach dem Buchstaben der Bestimmung allerdings nicht erfaßt sind; es sollte jedoch anzunehmen sein, daß aufgrund einer autonomen Auslegung des in Artikel 5 Nummer 1 enthaltenen Begriffs „Vertrag" auch Ansprüche aus vertragsähnlichen Rechtshandlungen im Sinne von Artikel 33 Satz 2 Z P O darunter fallen, wohingegen die Frage der Streitigkeiten aus einseitigen Rechtsgeschäften nach wie vor ungeklärt ist. Ferner sieht sie nur den Erfüllungsort und nicht auch den nach Artikel 33 Satz 1 ZPO ebenfalls relevanten Ort des Vertragsabschlusses als zuständigkeitsbegründend an. Schließlich besagt sie - in Übereinstimmung mit der herrschenden griechischen Rechtsauffassung - ausdrücklich, daß sich die besondere Zuständigkeit nicht allein nach dem Ort, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist, sondern auch nach dem Ort bestimmt, an dem sie zu erfüllen wäre, wobei der Erfüllungsort offensichtlich entweder von den Parteien vereinbart werden oder sich nach dem anwendbaren Recht richten kann 5 4 . In diesem Zusammenhang ist zu vermerken, daß insbesondere bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten zwischen dem Kapitän und einem Mitglied der Mannschaft eines in Dänemark, in Griechenland oder in Irland eingetragenen Seeschiffes aufgrund von Artikel V b des Protokolls von 1968 die zuständige diplomatische oder konsularische Behörde eingeschaltet werden kann. 50. Artikel 5 Nummer 2 besagt im wesentlichen, daß sämtliche Unterhaltsansprüche, gleichgültig, auf welchem Rechtsgrund sie beruhen und was sie beinhalten 5 5 , auch vom Gericht des Ortes entschieden werden können, an dem der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Somit genießt der Unterhaltsberechtigte auch Verfahrensschutz und ist daher nicht gezwungen, ein vom Zentrum seiner Lebensverhältnisse entferntes Gericht anzurufen. Mit dem Beitrittsübereinkommen von 1978 ist diese besondere Zuständigkeitsregel ausgedehnt worden. Sie gilt auch für Unterhaltssachen, über die in Verbindung oder gleichzeitig mit einem - als solches nicht unter den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallenden - Verfahren in bezug auf den Personenstand zu entscheiden ist, sofern sich die Zuständigkeit des Gerichts, bei dem das Statusverfahren anhängig ist, auch auf die mit diesem verbundene Unterhaltssache erstreckt; es genügt, wenn diese Zuständigkeit nicht auf der Staatsangehörigkeit einer der Parteien beruht. So wirkt die Akzessorietät des Unterhaltsanspruchs gegenüber der personenstandsrechtlichen Hauptfrage immer dann zuständigkeitsbegründend, wenn sich die gerichtliche Zuständigkeit nicht aus der Staatsangehörigkeit einer Partei herleitet. Während nach griechischem Recht in Ausnahmefällen, namentlich in Ehe- und Kindschaftssachen die internationale Zuständigkeit auch allein durch die Staatsangehörigkeit einer der Rolf A. Schütze

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Parteien begründet wird (Artikel 612 und 622 ZPO), kann somit von der vorgesehenen Möglichkeit der Verbindung und gleichzeitigen Verhandlung einer Unterhaltssache mit der hauptsächlichen Statusfrage (Artikel 592 Absatz 2 und Artikel 614 Absatz 2 ZPO) im Rahmen des Übereinkommens nicht Gebrauch gemacht werden, es sei denn, es gibt außer der Staatsangehörigkeit noch eine andere Grundlage für die internationale Zuständigkeit. 51. Artikel 5 Nummer 3 sieht als besonderen Gerichtsstand das forum delicti commissi vor. Er gilt für Verfahren betreffend alle Ansprüche - ob Zahlungsansprüche oder Ansprüche sonstiger Art - , die sich aus einer unerlaubten Handlung oder einer Handlung ergeben, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, und bestimmt, daß hierfür das Gericht des Ortes zuständig ist, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Dieser Ort ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften 56 sowohl der Ort, an dem der Schaden eingetreten ist, als auch der Ort des dem Schaden zugrunde liegenden ursächlichen Geschehens. Was den zuständigkeitsbegründenden Ort angeht, so stimmt das Übereinkommen nach dieser Auslegung zwar mit dem geltenden griechischen Recht überein; es unterscheidet sich von ihm jedoch insofern, als es keine „Straftat" (Artikel 35 ZPO) als Voraussetzung vorsieht und somit auch für Ansprüche aus einer nur zivilrechtlich unerlaubten Handlung gilt. 52. Klagen auf Schadenersatz (oder auf Wiederherstellung des früheren Zustande), die auf eine strafbare Handlung gestützt werden, werden in Artikel 5 Nummer 4 behandelt. Mit dieser Bestimmung wird die Möglichkeit, im Rahmen eines Strafverfahrens „zivilrechtliche Ansprüche" geltend zu machen, zu einer besonderen Zuständigkeit mit dem Ergebnis erhoben, daß das Strafgericht, selbst wenn es seinen Sitz nicht an dem Ort hat, „an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist" (Artikel 5 Nummer 3) 57 , für die Zivilklage zuständig wird, soweit es nach seinem Recht darüber erkennen kann. Während also nach innerstaatlichem Recht geregelt wird, inwieweit zivilrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden können und wie sich das Strafgericht in einem solchen Fall zu verhalten hat, stellt die einschlägige Bestimmung von Artikel II des Protokolls von 1968 einen unmittelbaren Eingriff in den Inhalt des nationalen Strafprozeßrechtes dar. Dieser Artikel sieht insbesondere (in Absatz 1) vor, daß sich ein Angeklagter, der seinen Wohnsitz in einem Vertragsstaat hat und vor den Strafgerichten eines anderen Vertragsstaats, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, wegen einer fahrlässig begangenen Straftat verfolgt wird, von „hierzu befugten Personen" vertreten lassen kann. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften findet diese Bestimmung Anwendung, sofern eine Zivilklage erhoben wurde oder später erhoben werden kann 5 8 . Demgegenüber ist das griechische Recht (Artikel 340 Absatz 2 Satz 1 Strafprozeßordnung) grundsätzlich strenger, denn es läßt eine Vertretung des Angeklagten nur in den Fällen zu, in denen eine Übertretung oder ein Vergehen vorliegt, die mit einer Geldbuße, einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten bedroht sind, folglich nicht bei jeder fahrlässig begangenen Straftat. Somit wird also aufgrund des Übereinkommens Artikel 340 Absatz 2 Satz 1 Strafprozeßordnung durch Artikel des Protokolls von 1968 - soweit anwendbar - ersetzt 59 . 53. Der Gerichtsstand der Zweigniederlassung, Agentur oder einer sonstigen Niederlassung (Artikel 5 Nummer 5) ist im griechischen Recht nur in Form des Gerichtsstandes des partiellen Handelssitzes (Artikel 51 Satz 3 griechisches Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung von Artikel 2 des Gesetzes 1329/1983; Artikel 23 Absatz 2 ZPO) bekannt, und von ihm ist im Rahmen der internationalen Zuständigkeit kaum Gebrauch gemacht worden. Dagegen hat der Gerichtshof der Europä996

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ischen Gemeinschaften im Anwendungsbereich des Übereinkommens mit drei Urteilen den Sinn der obengenannten Bestimmung präzisiert. Erstens hat er diese Bestimmung nicht auf einen Alleinvertriebshändler angewandt, der weder der Aufsicht noch der Leitung der Lieferanten untersteht 6 0 . Zweitens hat er den Begriff der Zweigniederlassung ausgelegt, wobei er insbesondere hervorhob, daß eine Zweigniederlassung ein Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit sein muß, der auf Dauer als Außenstelle eines Stammhauses hervortritt, und hat den Begriff der Streitigkeiten aus dem Betrieb klargestellt, worunter nach seiner Auffassung sowohl vertragliche oder außervertragliche Pflichten in bezug auf die eigentliche Führung der Zweigniederlassung als auch im Namen des Stammhauses eingegangene Verbindlichkeiten fallen 6 1 . Schließlich hat er diese Bestimmung auch nicht auf einen selbständigen Handelsvertreter angewandt, der gleichzeitig verschiedene Unternehmen vertreten darf und der sich bei freier Gestaltung seiner Zeit und seiner Tätigkeit darauf beschränkt, die Aufträge lediglich an das jeweilige Stammhaus weiterzuleiten 62 . 54. Die Bestimmung des Artikels 5 Nummer 6 ist dem griechischen Recht fremd, das die Einrichtung des „trust" als solchen nicht kennt. Sie wurde mit dem Beitrittsübereinkommen von 1978 hinzugefügt und unterstellt die dort erwähnten Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit der Gründung oder der Tätigkeit eines „trust" stehen, der Zuständigkeit des Vertragsstaates, in dessen Hoheitsgebiet der „trust" seinen Sitz hat. 55. Artikel 5 Nummer 7 des Übereinkommens führt als besondere Zuständigkeit bei Streitigkeiten betreffend den Lohn für Bergungsarbeiten in Seenot den Gerichtsstand des Arrestes der Ladung oder der Frachtforderung ein. Nach der vor der Einführung der neuen Zivilprozeßordnung bestehenden Rechtsunsicherheit ist jetzt im innerstaatlichen griechischen Recht keine internationale Zuständigkeit im Zusammenhang mit dem Arrest begründet. Das griechische Recht kennt natürlich allgemeiner gesehen den Gerichtsstand des Vermögens (Artikel 4 0 ZPO), aber gerade dieser wird eigens vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgeklammert 6 3 . Mit der vorgenannten Bestimmung von Artikel 5 Nummer 7 setzt das Übereinkommen in gewisser Weise den Gerichtsstand des Vermögens wieder ein, allerdings mit wesentlichen Einschränkungen, namentlich nur für Streitigkeiten wegen der Zahlung von Lohn für Bergungs- oder Hilfeleistungsarbeiten in Seenot, die zugunsten einer Ladung oder einer Frachtforderung erbracht worden sind; zusätzlich macht es entsprechend der herkömmlichen Auffassung des Common law 6 4 diese Zuständigkeit noch abhängig von der Vollziehung des Arrestes oder von der Arrestmöglichkeit. 56. Die besonderen Zuständigkeiten nach Artikel 6 des Übereinkommens, die auf persönlichen Anknüpfungspunkten beruhen, sind ihrem Wesen nach im griechischen Recht bekannt. Die wichtigsten Unterschiede zwischen dem Übereinkommen und der griechischen Zivilprozeßordnung werden in den folgenden drei Abschnitten aufgezeigt, die jeweils den drei im Übereinkommen vorgesehenen besonderen Gerichtsständen entsprechen: a) Die Zuständigkeit im Falle einer Streitgenossenschaft liegt nach dem Übereinkommen nur bei dem Gericht, in dessen Bezirk einer der Beklagten seinen Wohnsitz hat. D a s griechische Recht ist hier weniger restriktiv und läßt zu, daß die Streitgenossen entweder vor dem Gericht, bei dem einer der Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, oder vor dem Gericht, bei dem einer von ihnen einen besonderen Gerichtsstand hat, verklagt werden können. b) In Artikel 6 Nummer 2 wird der Gerichtsstand des Sachzusammenhangs (siehe Artikel 31 ZPO) als Grundlage für die internationale Zuständigkeit nur für Interventions- und Gewährleistungsklagen vorgesehen. Aber selbst in diesen Fällen R o l f A . Schütze

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läßt das Übereinkommen den Sachzusammenhang unberücksichtigt und hebt die internationale Zuständigkeit auf, wenn festgestellt wird, daß eine solche Klage nur erhoben worden ist, um die internationale Zuständigkeit abzuändern und die betreffende Person dem für sie zuständigen Gericht zu entziehen. D a das deutsche Recht keine Gewährleistungs- oder Interventionsklagen kennt, hat es die Bundesrepublik Deutschland vorgezogen, diese Zuständigkeit für ihre Gerichte nicht anzuerkennen, sondern die nach dem deutschen Recht vorgesehenen Voraussetzungen für die Streitverkündung weiterhin gelten zu lassen (Artikel 7 2 bis 74 deutsche ZPO; Protokoll von 1968, Artikel V). c) Während für den Gerichtsstand der Widerklage nach dem griechischen Recht kein Zusammenhang zwischen den widerstreitenden Ansprüchen bestehen muß (Artikel 34, 286 ZPO), engt das Übereinkommen die entsprechende Zuständigkeitsgrundlage durch die Forderung ein, daß die Widerklage „auf denselben Vertrag oder Sachverhalt wie die Klage selbst gestützt" werden muß. 57. Nach Artikel 6 a, der mit dem Beitrittsübereinkommen von 1978 hinzugefügt worden ist, entscheidet das Gericht, das in Verfahren wegen einer Haftpflicht aufgrund der Verwendung oder des Betriebs eines Schiffes zuständig ist, unter dem Gesichtspunkt der internationalen Zuständigkeit auch über Klagen auf Beschränkung dieser Haftung. Damit wird es dem Reeder oder dem Ausrüster verfahrensrechtlich erleichtert, die Beschränkung seiner Haftung geltend zu machen, da er nunmehr als Kläger vor den Gerichten seines Wohnsitzes um Haftungsbeschränkung nachsuchen kann. 58. Versicherungssachen Der gesamte Abschnitt 3 (Artikel 7 bis 12a), der die internationale Zuständigkeit für Versicherungssachen regelt, zielt grundsätzlich auf den Verfahrensschutz des Versicherungsnehmers ab. Dieser Abschnitt sieht nämlich vor, daß der Versicherer sowohl vor dem Gericht des Bezirks, in dem der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz hat (Artikel 8 Nummer 2), als auch bei der Haftpflichtversicherung oder bei der Versicherung von unbeweglichen Sachen vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist (Artikel 9), verklagt werden kann. Die gleichen Anknüpfungspunkte sind auch für eine Klage maßgebend, die der Geschädigte unmittelbar gegen den Versicherer erhebt, sofern eine solche direkte Klage zulässig ist (Artikel 10 Absatz 2). D a s Übereinkommen sieht außerdem vor, daß sich die Zuständigkeit auch auf den in einem Verfahren zwischen dem Geschädigten und dem Versicherten beigeladenen Versicherer erstreckt, sofern die Beiladung nach dem Recht des angerufenen Gerichts zulässig ist (Artikel 10 Absatz 1), und zwar offensichtlich ohne die Einschränkung der arglistigen Interventionsklage, die in Artikel 6 Absatz 2 aufgenommen wurde. Eine entsprechende verfahrensrechtliche Bindung des Versicherers ist auch gegeben, wenn dieser der Kläger ist. Er „kann nur vor den Gerichten des Vertragsstaates klagen, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat, ohne Rücksicht darauf, ob dieser Versicherungsnehmer, Versicherter oder Begünstigter ist" (Artikel 11 Absatz 1). Schließlich werden mit den Artikeln 12 und 12 a beschränkte Prorogationsmöglichkeiten eingeräumt, da Vereinbarungen zwischen den Parteien grundsätzlich nur unter der Bedingung zulässig sind, daß sie entweder nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen werden (Artikel 12 Nummer 1) oder den Prozeßgegner des Versicherers noch mehr begünstigen (Artikel 12 Nummern 2 und 3). 59. Verbrauchersachen Wesensverwandt mit der vorstehenden Regelung ist der Inhalt von Abschnitt 4 (Artikel 13 bis 15), der die Zuständigkeit für Verbrauchersachen betrifft (hierunter fällt allerdings nicht der zwischen zwei Firmen geschlossene Vertrag über den 998

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Kauf einer Maschine auf Teilzahlung 6 5 ) und den das innerstaatliche griechische Recht auch nicht kennt. So ist es zulässig, daß der Verkäufer oder der Darlehensgeber vor dem Gericht des Ortes verklagt wird, in dem der Käufer oder der Darlehensnehmer (Verbraucher) ihren Wohnsitz haben (Artikel 14 Absatz 1), während andererseits der Verkäufer den Käufer und der Darlehensgeber den Darlehensnehmer nur vor den Gerichten des Staates verklagen können, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat (Artikel 14 Absatz 2). Auch hier werden beschränkte Prorogationsmöglichkeiten eingeräumt, da Vereinbarungen zwischen den Parteien nur unter der Bedingung zulässig sind, daß sie entweder nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen werden (Artikel 15 Nummer 1) oder den Käufer oder den Darlehensnehmer, d.h. den Verbraucher, noch mehr begünstigen (Artikel 15 N u m mer 2, siehe auch Nummer 3). 60. Ausschließliche Zuständigkeiten Wie im innerstaatlichen griechischen Recht (siehe Artikel 2 7 bis 31 und Artikel 34 ZPO) stellt auch das Übereinkommen (Artikel 16) einen Katalog ausschließlicher Zuständigkeiten auf, die bewirken, daß der Kläger in den Fällen, in denen die Voraussetzungen für eine dieser ausschließlichen Zuständigkeiten gegeben sind, nicht wie im Falle der Artikel 5 und 6 die Gerichte des Vertragsstaates anrufen kann, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat, sondern gezwungen ist, seine Klage - unabhängig davon, ob der Beklagte im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats wohnhaft ist oder nicht - vor den Gerichten des Staates zu erheben, bei denen die entsprechende ausschließliche Zuständigkeit liegt. Der in dem Übereinkommen (Artikel 16) aufgestellte Katalog ausschließlicher Zuständigkeiten ist in vieler Hinsicht restriktiver als der im griechischen Recht vorgesehene Katalog. So schreibt auch das Übereinkommen (Artikel 16 Nummer 1) für „Klagen, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben", den Gerichtsstand der belegenen Sache vor, während offensichtlich - im Gegensatz zu Artikel 29 Absatz 1 der griechischen ZPO - Ansprüche gegenüber jedem Besitzer (actiones in rem), Schadensersatzklagen bei Zwangsenteignung 6 6 sowie Streitigkeiten aus der Überlassung eines mit der Nutzung einer unbeweglichen Sache verbundenen Rechts nicht hierunter fallen 6 7 . Außerdem beschränkt das Übereinkommen (in Artikel 16 Nummer 2) im Gegensatz zu dem im griechischen Recht (Artikel 2 7 ZPO) vorgesehenen allgemeinen konzipierten Gerichtsstand für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, vor dem Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern oder zwischen Gesellschaftern untereinander auszutragen sind, die ausschließliche Zuständigkeit für diesen Bereich auf Klagen, welche die Gültigkeit, Nichtigkeit oder die Auflösung - allerdings nicht nur von Gesellschaften, sondern ganz allgemein von juristischen Personen - zum Gegenstand haben und die sowohl den Fortbestand der juristischen Personen als solche als auch die Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe betreffen können. Auch Artikel 16 Nummer 5 („Zwangsvollstreckungsverfahren") des Übereinkommens ist restriktiver als das innerstaatliche griechische Recht, und zwar nicht hinsichtlich der erfaßten Streitigkeiten, sondern hinsichtlich der genannten Gerichte, denn es ist nur von den Gerichten des Ortes der Zwangsvollstreckung 6 8 und nicht vom allgemeinen Gerichtsstand des Vollstreckungsgegenklägers die Rede; letzteres ergibt sich nach dem griechischen Recht aus Artikel 933 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 584 Z P O für den Fall, daß nach Zustellung des Vollstreckungsbefehls (noch) keine weiteren Handlungen des Vollstreckungsverfahrens erfolgt sind. Des weiteren sind hier im Zusammenhang mit dem Zwangsvollstreckungsverfahren auch keine Einwendungen erfaßt, die sich auf Ansprüche gründen, welche als solche Rolf A. Schütze

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nicht der Zuständigkeit der Gerichte des Vollstreckungsstaates unterstehen 6 9 . Schließlich sieht das Übereinkommen die Zuständigkeit des Sachzusammenhangs nicht in dem Umfang vor, wie dies in Artikel 31 Absatz 1 Z P O der Fall ist: Diese Zuständigkeit erstreckt sich nur auf Gewährleistungs- und Interventionsklagen (Artikel 6 Nummer 2; vgl. allerdings auch Artikel 2 2 ) 7 0 und ist rein konkurrierender Natur. Im Gegensatz zu diesen restriktiven Aspekten verleiht das Übereinkommen (in Artikel 16 Nummern 3 und 4) den Gerichten des Staates, in dessen Hoheitsgebiet die entsprechenden Register geführt werden, ausschließliche Zuständigkeit für Klagen, welche die Gültigkeit von Eintragungen in öffentliche Register sowie für Klagen, welche die Eintragung oder die Gültigkeit von Patenten, Warenzeichen, Mustern und Modellen sowie ähnlicher Rechte zum Gegenstand haben. Eintragungen in öffentliche Register dürften, zumindest was dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen angeht, nach dem griechischen Recht wohl durch den Anwendungsbereich von Artikel 29 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 791 Absatz 2 ZPO abgedeckt werden. Hinsichtlich der zweiten Gruppe von Eintragungen, die gewerbliche Rechtsschutzklagen betrifft 7 1 , sieht das innerstaatliche griechische Recht eine umfassendere, nicht ausschließliche Zuständigkeit für Klagen im Zusammenhang mit Patenten vor, während für Klagen betreffend Warenzeichen die Zuständigkeit bereits den ordentlichen Verwaltungsgerichten zugewiesen worden ist. Allerdings wird speziell für die europäischen (nicht für die Gemeinschafts)-Patente, die nicht im gesamten Gebiet der Gemeinschaft Gültigkeit besitzen, die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Vertragsstaats vorgesehen, für dessen Hoheitsgebiet die Gültigkeit des betreffenden Patents im konkreten Fall streitig gemacht wird (Artikel V d des Protokolls von 1968 7Z ). 61. Vereinbarung über die Zuständigkeit Die Regelung über Zuständigkeitsvereinbarungen nimmt eine zentrale Stellung im Übereinkommen ein und wurde wiederholt dem Europäischen Gerichtshof zur Auslegung vorgelegt. Zunächst sieht das Übereinkommen vor, wie auch die Vermutung nach Artikel 4 4 Z P O , daß Gerichtsstandsvereinbarungen eine ausschließliche Zuständigkeit begründen (Artikel 17 Absatz 1 Satz 1 am Ende) und ein bestimmtes Gericht oder sogar allgemeiner die Gerichte eines Vertragsstaates für zuständig erklärt werden können 7 3 . Wie im innerstaatlichen griechischen Recht (Artikel 43 ZPO) können auch über künftige Rechtsstreitigkeiten Zuständigkeitsvereinbarungen getroffen werden, jedoch nur sofern diese „aus einem bestimmten Rechtsverhältnis" entspringen (Artikel 17 Absatz 1 Satz 1). Was aber die jeweils erforderliche Form der Zuständigkeitsvereinbarung angeht, so wird im Gegensatz zum griechischen Recht (Artikel 42, 43 ZPO) zwischen bereits entstandenen und künftigen Rechtsstreitigkeiten nicht unterschieden (Artikel 17 Absatz 1 Satz 1: „ . . . über eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder über eine künftige ... Rechtsstreitigkeit"). 62. In bezug auf die Form einer Gerichtsstandsvereinbarung ist das Übereinkommen strenger als das innerstaatliche griechische Recht, das grundsätzlich keine schriftliche Vereinbarung vorschreibt (Artikel 4 2 Z P O , siehe auch die Ausnahme nach Artikel 43). Im Gegensatz dazu muß nach dem Übereinkommen, das grundsätzlich von der schriftlichen Form der Gerichtsstandsvereinbarung ausgeht, eine der drei nachstehenden Möglichkeiten gewählt werden: a) Abschluß in schriftlicher Form, b) Abschluß in mündlicher Form mit schriftlicher Bestätigung, c) Abschluß im internationalen Handelsverkehr in einer Form, die den internationalen Handelsbräuchen entspricht, die den Parteien bekannt sind oder die als ihnen bekannt angesehen werden müssen. 1000

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Was die beiden erstgenannten Formen angeht, so hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften erkannt, daß das Erfordernis der Schriftlichkeit auch in dem Fall erfüllt ist, in dem die Gerichtsstandsklausel in den auf der Rückseite der Vertragsurkunde abgedruckten allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist, sofern der Vertragstext ausdrücklich auf diese allgemeinen Geschäftsbedingungen Bezug nimmt 7 4 und daß im Falle einer mündlich geschlossenen Vereinbarung, die schriftliche Bestätigung durch den Verkäufer vom Käufer ebenfalls schriftlich angenommen werden muß, jedoch auch die mündliche Annahme durch den Käufer dann genügt, wenn sie sich in laufende Geschäftsbeziehungen einfügt, die auf der Grundlage der eine Gerichtsstandsklausel enthaltenden allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Partei bestehen 7 5 . Die jüngste Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ist noch liberaler. So hat der Gerichtshof erkannt, daß das zweitgenannte Formerfordernis, d . h . die schriftliche Bestätigung einer zuvor mündlich geschlossenen Vereinbarung, gegebenenfalls bereits erfüllt ist, wenn die Gerichtsstandsklausel in einem Konnossement enthalten ist, das nur vom Verfrachter unterzeichnet ist 7 6 sowie auch, allgemeiner gesehen, wenn die Gerichtsstandsklausel nur von einer Partei schriftlich niedergelegt worden ist und die andere Partei nach Erhalt dieses Schriftstückes keine Einwände geltend gemacht h a t 7 7 . Ferner können Gerichtsstandsvereinbarungen, die vor Inkrafttreten des Übereinkommens geschlossen worden sind und die nach den zur Zeit des Vertragsabschlusses geltenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften nichtig waren, eine gerichtliche Zuständigkeit begründen, wenn die Klage nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens erhoben worden ist; in diesem Fall wird gemäß Artikel 5 4 nach Maßgabe des Titels II des Übereinkommens festgestellt, o b eine Zuständigkeit vorliegt 7 8 . Schließlich wird der Abschluß von Gerichtsstandsvereinbarungen auch durch die Ansicht des Gerichtshofes erleichtert, der zufolge eine Vereinbarung der Parteien über den Erfüllungsort, die als solche gemäß Artikel 5 Nummer 1 die Zuständigkeit begründet 7 9 , als rein materiellrechtlicher Vertrag nicht den Formerfordernissen des Artikels 17 für Gerichtsstandsvereinbarungen genügen m u ß 8 0 . 63. M i t der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften wurden außerdem sowohl die subjektiven als auch die objektiven Grenzen der Gerichtsstandsvereinbarung weiter gesteckt. So hat er es für zulässig befunden, daß bei einem Versicherungsvertrag zugunsten eines Dritten sich auch dieser Dritte (der Versicherte), der nicht Vertragspartei war und die schriftliche Gerichtsstandsklausel nicht gegengezeichnet hatte, auf die Gerichtsstandsvereinbarung berufen kann, sofern in diesem Zusammenhang die Zustimmung des Versicherers klar zum Ausdruck gekommen ist 8 1 . Das gleiche gilt natürlich auch für den Konnossementinhaber - als Dritten gegenüber dem Verfrachter - sofern er nach dem anwendbaren innerstaatlichen Recht als Rechtsnachfolger des Verladers angesehen wird 8 2 . Ferner hat der Gerichtshof hinsichtlich der objektiven Reichweite einer Gerichtsstandsvereinbarung festgestellt, daß das aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung zuständige Gericht nicht gehindert ist, einen Aufrechnungseinwand, der im Zusammenhang mit dem streitigen Rechtsverhältnis steht, zu berücksichtigen 8 3 . 6 4 . Die Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen wird in dem Übereinkommen in zwei Fällen eingegrenzt. Ist in einem bestimmten Fall eine ausschließliche Zuständigkeit nach Artikel 16 gegeben, so wird nicht nur wie im griechischen Recht (Artikel 4 2 Absatz 1 Satz 2 Z P O ) eine ausdrückliche Gerichtsstandsvereinbarung vorgeschrieben, sondern es wird jede Art von Gerichtsstandvereinbarungen ausgeschlossen. Das gleiche bewirkt auch ein Verstoß gegen die Artikel 12 und 15 des Rolf A. Schütze

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Ubereinkommens, die in Versicherungs- und Verbrauchersachen Gerichtsstandsvereinbarungen grundsätzlich nur dann zulassen, wenn diese entweder nach der Entstehung der Streitigkeiten getroffen werden oder den Versicherungsnehmer, den Käufer oder den Darlehensnehmer stärker begünstigen 84 . Die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung wird jedoch nicht dadurch berührt, daß diese Vereinbarung in einer anderen als der nach dem innerstaatlichen Recht eines Vertragsstaates vorgeschriebenen Sprache abgefaßt worden ist 85 . Schließlich wird im Übereinkommen die Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen entsprechend dem Wohnsitz der Parteien differenziert. Die im Übereinkommen vorgesehene Regelung gelangt voll zur Anwendung, wenn zumindest eine der Parteien ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat (Artikel 17 Absatz 1 Satz 1). Hat dagegen keine der Parteien ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats und wird in der Gerichtsstandsvereinbarung den Gerichten eines Vertragsstaates die Zuständigkeit übertragen, so wird nach dessen innerstaatlichem Recht über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung entschieden, die möglicherweise Gerichten eines anderen Vertragsstaates einen gesetzlichen Gerichtsstand abbedingen kann. Mit der neuen Bestimmung von Artikel 17 Absatz 1 Satz 3 soll sichergestellt werden, daß dieser Derogationseffekt in allen Vertragsstaaten in gleicher Weise behandelt wird; diese Bestimmung sieht vor, daß die Gerichte der anderen Vertragsstaaten über einen Rechtsstreit nur dann befinden können, wenn die vereinbarten Gerichte sich schon rechtskräftig für unzuständig erklärt haben 8 6 ; somit ist eine inzidente Prüfung der Gültigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nicht zulässig. 65. Wie im innerstaatlichen griechischen Recht (Artikel 42 Absatz 2, 3 Absatz 1 ZPO) ist auch im Übereinkommen (Artikel 18) eine stillschweigende Zuständigkeitsvereinbarung vorgesehen, und zwar in dem Fall, in dem der Beklagte sich vor einem unzuständigen Gericht auf das Verfahren einläßt, ohne den Mangel der Zuständigkeit zu rügen. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften 8 7 hat diese Zuständigkeit auch auf einen nicht im Zusammenhang stehenden Gegenanspruch ausgedehnt, der, ohne in den Zuständigkeitsbereich des Gerichtes zu fallen, von dem Beklagten geltend gemacht wird, und zu dessen Abwehr sich der Kläger vor dem Gericht in der Sache einläßt. Die stillschweigende Zuständigkeitsvereinbarung begründet auch dann die internationale Zuständigkeit, wenn zuvor eine ausdrückliche Vereinbarung nach Artikel 17 bestand, in der ein anderes Gericht vereinbart war 8 8 . Ferner ist der Beklagte, wenn er die stillschweigende Zuständigkeitsvereinbarung abwenden will, sowohl nach dem griechischen Recht als auch aufgrund der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften 8 9 nicht gezwungen, seine Verteidigung nur auf die Rüge der fehlenden Zuständigkeit zu beschränken, sondern er kann auch subsidiär in der Sache selbst Behauptungen vorbringen, so daß er nicht in die Lage kommt, keine Verteidigungsmittel vorgebracht zu haben, falls das Gericht die Frage der Zuständigkeit positiv entscheidet. 66. Prüfung der Zuständigkeit Das Gericht muß sowohl aufgrund des Übereinkommens (Artikel 19 bis 20) als auch nach dem innerstaatlichen griechischen Recht (Artikel 4, 46 Absatz 1, 263 Buchstabe a) ZPO) grundsätzlich von Amts wegen seine Zuständigkeit prüfen. Diese Vorschrift gilt ausnahmslos, wenn aufgrund von Artikel 16 das Gericht eines anderen Vertragsstaates ausschließliche Zuständigkeit besitzt (Artikel 19), die diesem weder durch eine ausdrückliche (Artikel 17 Absatz 3) noch durch eine stillschweigende Gerichtsstandsvereinbarung (Artikel 18 a.E.) abbedungen werden 1002

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kann; die Bestimmung ist sogar von solcher Intensität, daß das nationale Gericht verpflichtet ist, bei Vorhandensein einer ausschließlichen Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Vertragsstaates sich von Amts wegen für unzuständig zu erklären, selbst wenn sich seine Befugnisse nach nationalem Verfahrensrecht - wie im Berufungsverfahren (Artikel 5 2 2 , 5 3 3 Absatz 1, 5 3 5 Absatz 1 Z P O ) und im Kassationsverfahren (Artikel 5 6 2 Absatz 4 im Umkehrschluß, Artikel 5 7 7 Absatz 3 Z P O ) - nur auf das Vorbringen der Parteien beschränken und darin der Mangel der Zuständigkeit nicht geltend gemacht worden ist 9 0 . Hat jedoch der Beklagte seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates, was schlechthin den Regelfall für die Anwendung des Übereinkommens darstellt 9 1 , so wird wegen des Umstandes, daß eine stillschweigende Gerichtsstandsvereinbarung dann vorliegen kann, wenn sich der Beklagte auf das Verfahren einläßt, ohne den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen (Artikel 18), die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Zuständigkeit - genauso wie im griechischen Recht (Artikel 4 Absatz 1, siehe auch Artikel 2 6 3 Buchstabe a) Z P O ) - nur bei Säumnis des Beklagten vorgeschrieben (Artikel 2 0 Absatz 1). In der Sache selbst muß das Gericht bei seiner Prüfung natürlich nur ermitteln, o b es aufgrund des Übereinkommens selbst zuständig ist (Artikel 2 0 Absatz 1 a . E . ) . Hinzu kommt die für das griechische Recht neue Regelung des Übereinkommens 9 2 , nach der das Gericht, bevor es ein Versäumnisurteil fällt, zunächst feststellen muß, ob es dem Beklagten möglich war, das den Rechtsstreit einleitende Schriftstück so rechtzeitig zu empfangen, daß er sich verteidigen konnte oder daß wenigstens alle hierzu erforderlichen Maßnahmen getroffen worden sind (Artikel 2 0 Absatz 2). An die Stelle dieser - transitorischen - Regelung tritt (Artikel 2 0 Absatz 3) nunmehr Artikel 15 des Haager Übereinkommens vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen, das auch von Griechenland ratifiziert worden ist 9 3 . Parallel hierzu sieht jedoch Artikel IV Absatz 2 des Protokolls von 1 9 6 8 allgemein vor, daß die zuzustellenden Schriftstücke von den gerichtlichen Amtspersonen des Staates, in dem sie angefertigt worden sind, unmittelbar den entsprechenden Behörden des Staates übersandt werden, in dessen Hoheitsgebiet sich der Empfänger des Schriftstücks befindet. Es wird somit also die Möglichkeit gegeben, daß die Gerichtsvollzieher der Vertragsstaaten direkt miteinander in Verbindung treten 9 4 . 67. Rechtshängigkeit Artikel 21 des Übereinkommens regelt ausdrücklich die internationale Rechtshängigkeit, und zwar ähnlich wie im innerstaatlichen griechischen Recht (Artikel 2 2 2 Absatz 1 Z P O ) ; er schreibt aber vor, daß bei Rechtshängigkeit das später eingeleitete Verfahren nicht ausgesetzt wird (wie nach Artikel 2 2 2 Absatz 2 Z P O ) , sondern jede spätere Klage wegen Unzuständigkeit des Gerichts zurückgewiesen wird (Artikel 21 Absatz 1 indirekt sowie Artikel 21 Absatz 2 im Umkehrschluß). Als Ausnahme ist lediglich zugelassen, daß das Gericht, das sich für unzuständig zu erklären hätte, das bei ihm anhängige Verfahren aussetzen kann, wenn die Zuständigkeit des anderen Gerichts in Zweifel gezogen wird (Artikel 21 Absatz 2). Die Frage allerdings, wann eine Klage als erhoben gilt und somit die „endgültige" Rechtshängigkeit bewirkt, insbesondere o b die Einreichung der Klageschrift genügt oder ob deren Zustellung ebenfalls erforderlich ist, wird für jedes Gericht nach seinem nationalen Recht beurteilt 9 5 . 68. Im Zusammenhang stehende Verfahren Eine ähnliche Möglichkeit der Verfahrensaussetzung sieht das Übereinkommen (Artikel 2 2 ) auch bei im Zusammenhang stehenden Verfahren vor. Die BestimmunRolf A. Schütze

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gen des Übereinkommens über im Zusammenhang stehende Verfahren schaffen von sich aus keine Zuständigkeit, sondern begründen lediglich die mögliche Aussetzung des später eingeleiteten Verfahrens, wenn zwei oder mehrere Verfahren vor den Gerichten zweier oder mehrerer Vertragsstaaten anhängig sind 9 6 . Außer der Verfahrensaussetzung gestattet das Übereinkommen auch, daß sich das später angerufene Gericht für unzuständig erklärt und so die bei ihm anhängige im Zusammenhang stehende Rechtssache zurückweist, wobei allerdings drei Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt sein müssen: a) eine der Parteien muß einen entsprechenden Antrag gestellt haben; b) das zuerst angerufene Gericht muß für beide Verfahren die Zuständigkeit besitzen, die allerdings - außer im Falle des Artikels 6 Absatz 2 - nicht durch den Zusammenhang der Verfahren begründet sein darf 9 7 ; c) das innerstaatliche Recht des später angerufenen Gerichts muß eine Verbindung zusammenhängender Klagen zulassen, die vor verschiedenen Gerichten anhängig sind 98 . Das griechische Recht sieht die zuletzt genannte Voraussetzung nicht vor, sondern läßt die Verbindung von Verfahren zu, sofern diese grundsätzlich vor dem gleichen Gericht anhängig sind (Artikel 246 ZPO). So können die griechischen Gerichte im Rahmen von Artikel 22 des Übereinkommens das Verfahren gegebenenfalls nur aussetzen, sich aber zugunsten der Gerichte eines anderen Vertragsstaates nicht auch für unzuständig erklären. Schließlich enthält das Übereinkommen für den Ausdruck „im Zusammenhang stehende Verfahren" auch eine Art Legaldefinition (Artikel 22 Absatz 3), die vager und somit weiter gefaßt ist als die entsprechende Begriffsbestimmung im innerstaatlichen griechischen Recht (Artikel 31 Absatz 1 ZPO). 69. Der Grundsatz des zeitlich begründeten Vorranges des zuerst angerufenen Gerichtes, wie er im innerstaatlichen griechischen Recht verankert ist (Artikel 41, 221 Absatz 1 Buchstabe c) ZPO) und im Übereinkommen in den Bestimmungen über die Rechtshängigkeit und im Zusammenhang stehende Verfahren zum Ausdruck kommt, gilt aufgrund des Übereinkommens speziell auch in dem seltenen Fall, in dem die ausschließliche Zuständigkeit mehrerer Gerichte gegeben ist (Artikel 23). So tritt die sachlich gebotene Ausschließlichkeit der gerichtlichen Zuständigkeit hier hinter das zeitliche Kriterium der Priorität bei der Klageerhebung zurück. 70. Einstweiliger Rechtsschutz Obwohl das Übereinkommen für die von ihm erfaßten Rechtsgebiete 99 nicht ausschließt, daß das international zuständige Gericht auch einstweilige Maßnahmen erläßt, läßt es in diesem Bereich gerade zur Vermeidung von Störungen des einstweiligen Rechtsschutzes auch die gleichzeitige Anwendung der innerstaatlichen Rechte zu. So steht Artikel 24 des Übereinkommens, der den Gerichten der Vertragsstaaten die Möglichkeit offenläßt, die in ihrem innerstaatlichen Recht vorgesehenen einstweiligen Maßnahmen auch dann zu ergreifen, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache das Gericht eines anderen Vertragsstaats aufgrund des Übereinkommens zuständig ist, mit dem Gedanken der Selbständigkeit des einstweiligen Rechtsschutzes im Einklang, der im innerstaatlichen griechischen Recht in Artikel 683 Absatz 3 und Artikel 889 Absatz 1 Z P O zum Ausdruck kommt: Die Abgrenzung der Zuständigkeit in der Hauptsache berührt grundsätzlich nicht die Möglichkeit, daß auch Gerichte, die in der Hauptsache nicht zuständig sind, einstweilige Maßnahmen ergreifen.

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C. ANERKENNUNG UND VOLLSTRECKUNG 71. Die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen ist Gegenstand des Titels III (Artikel 25 bis 49). In Titel IV (Artikel 50 und 51) wird die Vollstreckung von öffentlichen Urkunden und Prozeßvergleichen geregelt. 72. Titel III beginnt mit der Begriffsbestimmung der Entscheidungen, die der Anerkennung und Vollstreckung gemäß dem Übereinkommen unterliegen (Artikel 25), und ist in drei Abschnitte gegliedert: Der erste (Artikel 26 bis 30) betrifft die Anerkennung, der zweite (Artikel 31 bis 45) die Vollstreckung von Entscheidungen, der dritte (Artikel 46 bis 49) enthält gemeinsame Vorschriften für den gesamten Titel. 73. Anerkannt oder vollstreckt werden Entscheidungen, die in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen, also Entscheidungen, die Zivil- oder Handelssachen betreffen, wobei die näheren Bestimmungen und die Ausnahmen nach Artikel 1 1 0 0 zu berücksichtigen sind. Außerdem muß es sich gemäß Artikel 25 um Entscheidungen handeln, die das Gericht eines Vertragsstaates erlassen hat, und zwar ohne Rücksicht auf ihre besondere nationale Bezeichnung (wie Urteil, Beschluß, Vollstreckungsbefehl) sowie auf die Staatsangehörigkeit oder den Wohnsitz der Parteien. Gemäß derselben Bestimmung gilt als Entscheidung auch der Kostenfestsetzungsbeschluß des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat jedoch für Recht erkannt, daß gerichtliche Entscheidungen, durch die einstweilige Maßnahmen erlassen werden und die ohne Ladung des Gegners ergangen sind und ohne vorherige Zustellung im Urteilsstaat vollstreckt werden, nach dem Übereinkommen nicht anerkannt oder für vollstreckbar erklärt werden können 101 . 74. In dem Übereinkommen wird zwischen Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung unterschieden. Diese seit jeher im griechischen Prozeßrecht bekannte Unterscheidung ist gesetzlich in der griechischen Zivilprozeßordnung (Artikel 323, 780, 905; siehe auch Artikel 903, 906) verankert. 75. Anerkennung Die Anerkennung der Entscheidung zieht in dem Staat, in dem sie geltend gemacht wird, die Rechtsfolgen nach sich, die der Entscheidung in dem Urteilsstaat zukommen. Das Übereinkommen erleichtert weitgehend die „Freizügigkeit" von Entscheidungen in den Vertragsstaaten. Im Zusammenhang mit der Anerkennung von Entscheidungen findet dieser Grundsatz auf zwei Ebenen seinen Niederschlag: Zunächst wird auf verfahrensrechtlicher Ebene verankert, daß die Anerkennung ohne weiteres, also ohne vorheriges besonderes Urteil eines Gerichts erfolgt (Artikel 26 Absatz 1). Diese Lösung ist auch im griechischen Recht im Zusammenhang mit der Anerkennung der Rechtskraft einer ausländischen Entscheidung bekannt (Artikel 323 ZPO) 1 0 2 . Es sei darauf hingewiesen, daß das Übereinkommen die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung unabhängig davon zuläßt, in welchem prozessualen Reifegrad sich die Entscheidung befindet, also auch die Anerkennung von Entscheidungen, die keine Rechtskraft erlangt haben. Wenn gegen die Entscheidung jedoch ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt worden ist oder wenn - insbesondere bei Entscheidungen, die in Irland oder im Vereinigten Königreich erlassen wurden - die Vollstreckung der Entscheidung im Urteilsstaat wegen der Einlegung eines Rechtsbehelfs einstweilen eingestellt ist, kann der Richter des Staates, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, das Verfahren zur Anerkennung der Entscheidung aussetzen. Sodann wirkt sich der obengenannte Grundsatz auf der Ebene der Voraussetzungen für die Anerkennung aus: ihre Zahl ist vergleichsweise begrenzt, ihre Formulierung negativ; sie stellen also keine positiven Voraussetzungen, sondern Gründe für eine Versagung der Anerkennung dar (Artikel 27 und 28; vgl. Artikel 323 ZPO). Rolf A. Schütze

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76. Eine automatische Anerkennung der Entscheidung kommt offensichtlich dann zum Tragen, wenn die betroffenen Parteien keine Einwände gegen die Gültigkeit der Entscheidung in dem Staat, in dem sie geltend gemacht wird, erheben. Bildet, wie im Rechtsverkehr üblich, die Gültigkeit einer Entscheidung den Gegenstand eines Streites, so kann die Partei, die sich auf die Entscheidung beruft, die Anerkennung dieser Entscheidung in einem Verfahren, in dem sie Hauptgegenstand des Streites ist oder inzidenter anstreben. Wird die Anerkennung prinzipaliter beantragt, so finden die Regeln des Titels III Abschnitte 1 und 2 betreffend die Vollstreckung der Entscheidung Anwendung. Wird die Anerkennung der Entscheidung inzidenter geltend gemacht, so ist das Gericht des Vertragsstaates, das über die Hauptsache erkennt, befugt, auch über die Anerkennung zu entscheiden (Artikel 26 Absätze 2 und 3). Diese Regeln stellen eine zweckdienliche, allgemein konzipierte Lösung der Probleme dar, die in Griechenland durch das Fehlen eines besonderen Verfahrens zur Anerkennung einer ausländischen Entscheidung aufgeworfen wurden und zur Folge hatten, daß Artikel 9 0 5 Z P O durch Absatz 4 ergänzt wurde. 77. Die Artikel 2 7 und 28 enthalten eine Reihe von Gründen, die die Anerkennung einer Entscheidung verhindern. Aus einem Vergleich dieser Gründe mit den Voraussetzungen, die in dem entsprechenden Artikel 323 ZPO festgelegt sind, ergeben sich Ähnlichkeiten und Unterschiede, die im Rahmen dieses Berichts nicht dargelegt werden können 1 0 3 . Hervorgehoben werden muß jedoch, daß das Übereinkommen aufgrund seiner Eigenschaft als „doppeltes" Übereinkommen 1 0 4 grundsätzlich dem Staat, in dem die Anerkennung der Entscheidung geltend gemacht wird, nicht erlaubt, die Zuständigkeit des Gerichts, das die Entscheidung erlassen hat, nachzuprüfen (Artikel 28 Absatz 3), somit also im Gegensatz zu der Bestimmung des Artikels 323 Nummer 2 ZPO steht. Ein weiterer Grund für die Nichtanerkennung einer ausländischen Entscheidung wird ergänzend in Artikel II des Protokolls von 1968 angeführt. 78. Die gewählte Lösung läßt sich leicht aufgrund von zwei Gegebenheiten erklären. Zunächst einmal wird die Zuständigkeit sowohl des Urteilsstaates als auch des Staates, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, einheitlich durch das Übereinkommen geregelt, und zum anderen ist das Gericht des ersuchten Staates - da durch Artikel 29 (siehe auch Artikel 34 Absatz 3) ganz allgemein die Nachprüfung der ausländischen Entscheidung auf ihre Gesetzmäßigkeit ausgeschlossen wird nicht befugt, die Beurteilung, aufgrund derer das Gericht des Urteilstaats seine Zuständigkeit angenommen hat, auf ihre Gesetzmäßigkeit nachzuprüfen 1 0 5 . D a s Anerkennungsgericht geht von der - im wesentlichen nicht widerlegbaren - Rechtsvermutung aus, daß die Entscheidung von einem nach dem Übereinkommen zuständigen Gericht erlassen worden ist. Das Übereinkommen versagt dem Gericht des Staates, in dem die Anerkennung der Entscheidung geltend gemacht wird, sogar die Befugnis, unter Heranziehung des Begriffs der öffentlichen Ordnung zu prüfen, ob das Gericht des Urteilstaats gegebenenfalls gegen die Zuständigkeitsnormen verstoßen hat. Nach Artikel 28 Absatz 3 Satz 2 gehören nämlich die „Vorschriften über die Zuständigkeit nicht zur öffentlichen Ordnung im Sinne des Artikels 2 7 Nummer 1 " . 79. In begrenztem Maße gestattet das Übereinkommen allerdings, daß die Zuständigkeit des Gerichts, das die Entscheidung erlassen hat, in dem Staat, in dem ihre Anerkennung geltend gemacht wird, nachgeprüft wird. So wird nach Artikel 28 Absatz 1 eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn die Vorschriften des 3., 4. und 5. Abschnitts des Titels II, d. h. die Zuständigkeitsregeln, die Versicherungssachen (Artikel 7 bis 12a), Verbrauchersachen (Artikel 13 bis 15) sowie Fälle ausschließ-

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licher Zuständigkeit (Artikel 16) betreffen, verletzt worden sind. Die Möglichkeit einer Nachprüfung der Zuständigkeit des Gerichts, das die Entscheidung erlassen hat, ist auch in dem in Artikel 5 9 vorgesehenen Fall vorausgesetzt; aus diesem Grunde wird dieser Fall auch in die Ausnahmen nach Artikel 2 8 Absatz 1 einbezogen. Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß bei der Prüfung der Zuständigkeit in diesen erschöpfend aufgezählten Ausnahmefällen das Gericht oder die Behörde des Staates, in dem die Anerkennung der Entscheidung geltend gemacht wird, „an die tatsächlichen Feststellungen gebunden ist, aufgrund deren das Gericht des Urteilsstaats seine Zuständigkeit angenommen h a t " (Artikel 2 8 Absatz 2). Die Prüfung der Zuständigkeit in dem Staat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, betrifft also den rechtlichen Teil des Schlusses, aufgrund dessen das Gericht des Urteilsstaats seine Zuständigkeit angenommen hat. 80. Wie bereits erwähnt, untersagt das Übereinkommen die Nachprüfung der ausländischen Entscheidung auf ihre Gesetzmäßigkeit (Artikel 2 9 ) . Das Gericht oder die Behörde des Staates, in dem die Anerkennung der Entscheidung geltend gemacht wird, ist nicht befugt, die tatsächliche oder rechtliche Stichhaltigkeit der Entscheidungsgründe des Gerichts, das die Entscheidung erlassen hat, nachzuprüfen und die Anerkennung zu versagen, wenn es in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht einen Fehler feststellt. Das Verbot der Nachprüfung einer Entscheidung auf ihre Gesetzmäßigkeit gilt jedoch nicht unbegrenzt: Wie bereits oben erwähnt wurde, läßt Artikel 2 8 Absätze 1 und 2 die rechtliche Nachprüfung der Entscheidung im Zusammenhang mit bestimmten Gerichtsständen zu 1 0 6 . Logischerweise muß auch eine Nachprüfungsbefugnis im Falle des Artikels 2 7 Nummer 4 angenommen werden, wo je nach Lage des Falls eine Nachprüfung sowohl des tatsächlichen als auch des rechtlichen Teils der Entscheidung, deren Anerkennung geltend gemacht wird, vorausgesetzt wird. Selbst eine Nachprüfung der Entscheidung unter dem Blickwinkel, ob nicht ihre Anerkennung der öffentlichen Ordnung des Staates, in dem sie geltend gemacht wird, widerspricht (Artikel 27. Nummer 1), kann gegebenenfalls zu einer Neubeurteilung der zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen führen. M i t diesen Einschränkungen stellt das Verbot, die Entscheidung, deren Anerkennung geltend gemacht wird, auf ihre Gesetzmäßigkeit nachzuprüfen, einen der Grundsätze des Übereinkommens dar. 81. In Artikel 3 0 ist vorgesehen, daß das Anerkennungsverfahren ausgesetzt werden kann, wenn gegen die Entscheidung ein ordentlicher Rechtsbehelf im Urteilsstaat eingelegt worden ist. Der Begriff „ordentlicher Rechtsbehelf" ist autonom auszulegen und umfaßt jeden Rechtsbehelf, der zur Aufhebung oder Abänderung der angefochtenen Entscheidung führen kann und für dessen Einlegung eine gesetzliche Frist bestimmt ist, die durch die Entscheidung selbst in Lauf gesetzt wird 1 0 7 . 82. Vollstreckung Während die Anerkennung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen nicht notwendigerweise die Einhaltung eines bestimmten Verfahrens voraussetzt, ist die Vollstreckung nur möglich, wenn die Entscheidungen im Vollstreckungsstaat mit der Vollstreckungsklausel versehen oder im Falle des Vereinigten Königreichs zur Vollstreckung „registriert" worden sind. Die Vollstreckungsklausel bzw. die Registrierung zur Vollstreckung setzt eine Entscheidung voraus, die in einem Vertragsstaat ergangen und in diesem Staat vollstreckbar ist und wird von einem im Übereinkommen speziell bezeichneten Gericht des Vollstreckungsstaats auf Antrag eines Berechtigten angeordnet. 83. Die Antragstellung bestimmt sich nach dem Recht des Vollstreckungsstaats. Hat der Antragsteller keinen Wohnsitz in dem Bezirk des angerufenen Gerichts, so Rolf A. Schütze

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muß er dort entsprechend der Lösung, die im Recht des Vollstreckungsstaats vorgesehen ist, entweder ein Wahldomizil begründen oder einen Zustellungsbevollmächtigten benennen; die Begründung des Wahldomizils muß grundsätzlich nach dem im Recht des Vollstreckungsstaats niedergelegten Modalitäten erfolgen, andernfalls spätestens zum Zeitpunkt der Zustellung des die Zwangsvollstreckung zulassenden Urteils, und die nach diesem Recht zulässigen Sanktionen dürfen auf keinen Fall die mit dem Übereinkommen bezweckten Ziele beeinträchtigen 1 0 8 . In den Artikeln 4 6 und 4 7 ist festgelegt, welche Urkunden dem Antrag beizufügen sind (Artikel 33). 84. Das Verfahren über die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus der ausländischen Entscheidung ist in dem Sinne ausschließlich, daß die siegreiche Partei, die die Befriedigung ihrer Forderung erreichen will, dieses Verfahren in Anspruch nehmen muß und nicht die Möglichkeit hat, anstatt dessen die gleiche Klage nochmals in einem anderen Staat, in dem das Übereinkommen gilt, anzustrengen 1 0 9 . Dieses Verfahren umfaßt drei Abschnitte: a) Der Antrag ist an das Gericht zu richten, das im Übereinkommen für den betreffenden Vollstreckungsstaat jeweils festgelegt ist. Für Griechenland ist das „Μονομελές Πρωτοδικείο" zuständig (Artikel 32 Absatz 1). Die örtliche Zuständigkeit wird durch den Wohnsitz des Schuldners oder, sofern der Schuldner keinen Wohnsitz im Vollstreckungsstaat hat, durch den Gerichtsbezirk, in dem die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll, bestimmt (Artikel 32 Absatz 2). D a s Verfahren, durch das die Vollstreckungsklausel erteilt wird, ist einfach und zügig. Antrag und Verhandlungstermin müssen dem Schuldner nicht mitgeteilt werden. Auch wenn der Schuldner von dem Verfahren erfährt, ist er nicht berechtigt, der Verhandlung beizuwohnen oder in diesem Abschnitt eine Erklärung abzugeben. D a s Gericht erläßt unverzüglich seine Entscheidung. Es prüft die ausländische Entscheidung nicht auf ihre Gesetzmäßigkeit nach und lehnt den Antrag nur ab, wenn einer der in Artikel 2 7 und 28 angeführten Gründe gegeben ist (Artikel 34). Die Entscheidung über den Antrag teilt der Urkundsbeamte der Geschäftstelle dem Antragsteller unverzüglich in der Form mit, die das Recht des Vollstreckungsstaats vorsieht (Artikel 35). b) Der Schuldner hat das Recht, gegen die Entscheidung, mit der dem Antrag stattgegeben wird, vor dem Gericht, das für jeden Vertragsstaat in Artikel 3 7 bestimmt ist, einen Rechtsbehelf einzulegen. Der Rechtsbehelf muß innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung eingelegt werden, wenn der Schuldner seinen Wohnsitz im Vollstreckungsstaat hat (Artikel 36 Absatz 1). Die Frist beträgt zwei Monate von dem Tage an, an dem die Entscheidung dem Schuldner entweder in Person oder in seiner Wohnung zugestellt worden ist, wenn der Schuldner seinen Wohnsitz in einem anderen Vertragsstaat hat als dem, in dem die Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung ergangen ist. Eine Verlängerung dieser Frist wegen weiter Entfernung ist ausgeschlossen (Artikel 36 Absatz 2). Das Übereinkommen enthält keine Bestimmung für den Fall, daß der Schuldner seinen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat. Für diesen Fall wird davon ausgegangen, daß die Monatsfrist gilt, die aber wegen weiter Entfernung nach dem Recht des Staates, in dem die Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus der ausländischen Entscheidung ergangen ist, verlängert werden kann 1 1 0 . N a c h der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften können nur die Rechtsbehelfe nach Artikel 31 gegen die Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus der ausländischen Entscheidung eingelegt werden und sind etwaige andere innerstaatliche Rechtsbehelfe ausgeschlossen 1 1 1 . Für die Ent1008

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Scheidung über den Rechtsbehelf ist in Griechenland das „ Ε φ ε τ ε ί ο " zuständig. Einlegung des Rechtsbehelfs und Entscheidung hierüber erfolgen im kontradiktorischen Verfahren nach den Regeln der streitigen Gerichtsbarkeit (Artikel 37). D a s Gericht, das für die Entscheidung über den Rechtsbehelf des Schuldners zuständig ist, kann auf dessen Antrag seine Entscheidung aussetzen, wenn gegen die ausländische Entscheidung ein ordentlicher Rechtsbehelf 1 1 2 im Urteilsstaat eingelegt worden oder die Frist für einen solchen Rechtsbehelf noch nicht verstrichen ist. Das gleiche Gericht kann die Zwangsvollstreckung von der Leistung einer Sicherheit abhängig machen (Artikel 38); die Sicherheitsleistung wird in der Entscheidung über den Rechtsbehelf angeordnet n 3 . c) Gegen die Entscheidung über den Rechtsbehelf des Schuldners gemäß Artikel 36 und Artikel 37 Absatz 1 können die Rechtsbehelfe eingelegt werden, die für jeden Vertragsstaat in Artikel 37 Absatz 2 erschöpfend angeführt sind. In Griechenland ist nur die Kassationsbeschwerde möglich. 85. Auch die Partei, die die Zwangsvollstreckung aus der ausländischen Entscheidung beantragt hat, kann einen Rechtsbehelf einlegen, wenn der von ihr nach Artikel 31 ff. gestellte Antrag abgelehnt wird. Die für die Entscheidung über diesen Rechtsbehelf zuständigen Gerichte sind für die einzelnen Vertragsstaaten in Artikel 4 0 Absatz 1 bestimmt. In Griechenland wird der genannte Rechtsbehelf beim „ Ε φ ε τ ε ί ο " eingelegt. Z u diesem Verfahren wird der Schuldner geladen 1 1 4 , und bei dessen Säumnis finden die Bestimmungen des Artikels 20 Absätze 2 und 3 des Übereinkommens Anwendung. Gegen die Entscheidung über diesen Rechtsbehelf kann nur der in Artikel 41 für die einzelnen Staaten bezeichnete Rechtsbehelf eingelegt werden. In Griechenland ist lediglich die Kassationsbeschwerde zulässig. 86. Solange noch die Frist für den Rechtsbehelf gegen die Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus der ausländischen Entscheidung läuft 1 1 S und solange über diesen Rechtsbehelf nicht entschieden ist, sind nur Sicherungsmaßregeln in das Vermögen des Schuldners zulässig. Die Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus der ausländischen Entscheidung bildet die rechtliche Grundlage für solche Sicherungsmaßregeln (Artikel 39), für die weder eine besondere Ermächtigung noch eine bestätigende Entscheidung eines nationalen Gerichts erwirkt zu werden braucht 1 1 6 . 87. Das Gericht des Vollstreckungsstaats kann die Zwangsvollstreckung aus der ausländischen Entscheidung nur teilweise zulassen, wenn sich diese Entscheidung auf mehrere Ansprüche bezieht und die Zwangsvollstreckung nicht für alle Ansprüche zugelassen werden kann; die gleiche Befugnis hat das Gericht, wenn der Antragsteller die Zwangsvollstreckung nur für einen Teil des Gegenstands der Verurteilung beantragt (Artikel 42). In den Artikeln 4 4 und 4 5 werden Fragen des Armenrechts geregelt und wird jede Art von verfahrensrechtlicher Sicherheitsleistung untersagt, die der Partei, die die Vollstreckung der ausländischen Entscheidung gemäß dem Übereinkommen begehrt, wegen ihrer Eigenschaft als Ausländer oder wegen Fehlens eines Wohnsitzes oder Aufenthalts im Vollstreckungsstaat auferlegt werden könnte. Es sei auch darauf hingewiesen, daß Artikel III des Protokolls von 1968 untersagt, im Vollstreckungsstaat nach dem Streitwert abgestufte Stempelabgaben oder Gebühren in dem Verfahren auf Erteilung der Vollstreckungsklausel zu erheben. 88. In den Artikeln 46 bis 49 werden zwecks Vereinfachung der Förmlichkeiten die Urkunden bezeichnet, die dem Gericht von der Partei vorzulegen sind, die die Vollstreckung der ausländischen Entscheidung betreiben will. Eine Übersetzung der Urkunden in die Verfahrenssprache ist nicht vorgeschrieben, kann jedoch vom Gericht verlangt werden. Z u einer Beglaubigung der Übersetzung ist jede Person Rolf A. Schütze

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berechtigt, die diese Befugnis in einem der Vertragsstaaten hat. Insbesondere sei hervorgehoben, daß durch Artikel 4 9 der Vollsteckungsgläubiger von jeder Art von Legalisation der von ihm vorgelegten Urkunden befreit ist. 89. Zwangsvollstreckung aus öffentlichen Urkunden und Prozeßvergleichen Titel IV enthält Vorschriften, mit denen die Zwangsvollstreckung aus öffentlichen Urkunden (Artikel 50) und Prozeßvergleichen (Artikel 51) geregelt wird. Es handelt sich um öffentliche Urkunden, die in einem Vertragsstaat aufgenommen und vollstreckbar sind. Sie werden in einem anderen Vertragsstaat nach dem Verfahren der Artikel 31 ff. für vollstreckbar erklärt. Der Antrag auf Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einer ausländischen öffentlichen Urkunde kann nur abgelehnt werden, wenn die Zwangsvollstreckung der öffentlichen Ordnung des Vollstreckungsstaats widerspricht (Artikel 50 Absatz 1). Die gleiche Regelung gilt für die Zulassung der Vollstreckung von Prozeßvergleichen, die vor dem Gericht eines Vertragsstaats abgeschlossen wurden und in diesem Staat vollstreckbar sind (Artikel 51). In diesen Bestimmungen des Übereinkommens finden Lösungen ihren Niederschlag, die den Lösungen des griechischen Rechts (Artikel 904 und 905 ZPO) wesentlich ähnlich sind. 90. Allgemeine Vorschriften Titel V (Artikel 5 2 und 53) enthält Anknüpfungsnormen, durch die das anwendbare Recht für die Beurteilung des Wohnsitzes von natürlichen Personen sowie des Sitzes von Gesellschaften und juristischen Personen sowie des Sitzes von „trusts" bestimmt wird. Um zu entscheiden, ob die Partei einen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates, also auch des Staates hat, in dem das Verfahren eröffnet worden ist, wendet das Gericht das innerstaatliche Recht dieses Staates unter Ausschluß der Vorschriften des internationalen Privatrechts an (Artikel 5 2 Absätze 1 und 2) 1 1 7 . Hängt jedoch nach dem Recht des Staates, dem die Partei angehört, der Wohnsitz dieser Partei von dem Wohnsitz einer anderen Person oder von dem Sitz einer Behörde ab, so findet für die Bestimmung ihres Wohnsitzes das Recht des Staates, dem die Partei angehört, Anwendung (Artikel 5 2 Absatz 3). D a s Übereinkommen enthält jedoch keine Regeln zur Bestimmung des Wohnsitzes einer Partei, der sich außerhalb des Hoheitsgebiets der Vertragsstaaten befindet. In diesem Fall zieht das angerufene Gericht die Lösungen aus der „lex fori" heran 1 1 8 - Zur Bestimmung des Sitzes einer Gesellschaft, einer juristischen Person oder eines „trusts" schließlich finden die Vorschriften des internationalen Privatrechts des angerufenen Gerichts Anwendung (Artikel 53) 1 1 9 .

D. DAS A U S L E G U N G S P R O T O K O L L V O N 1971 91. Die Vertragsparteien waren sich bewußt, daß eine möglichst wirksame Anwendung des Übereinkommens gewährleistet und verhindert werden sollte, daß durch unterschiedliche Auslegung die durch dieses Übereinkommen angestrebte Einheitlichkeit beeinträchtigt wird, bzw. positive oder negative Kompetenzkonflikte entstehen; in der Gemeinsamen Erklärung von 1968 bekundeten sie daher die Absicht, diese Fragen zu prüfen und insbesondere die Möglichkeit zu untersuchen, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften bestimmte Auslegungszuständigkeiten zu übertragen und gegebenenfalls über den Abschluß eines diesbezüglichen Übereinkommens zu verhandeln. Aus dieser Verpflichtung ergab sich der Abschluß des Protokolls von 1971, durch das dem Gerichtshof die Zuständigkeit zur Auslegung des Übereinkommens übertragen wird. Die Beitrittsübereinkommen von 1978 und 1982 haben selbstverständlich Änderungen an diesem Protokoll nach sich gezogen. 1010

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9 2 . Die Lösungen, die im Protokoll von 1971 niedergelegt sind, lehnen sich weitgehend an die Regelung des Artikels 1 7 7 des EWG-Vertrags an; dort ist festgelegt, daß das innerstaatliche Gericht dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Fragen der Auslegung des Gemeinschaftsrechts und der Gültigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane zur Vorabentscheidung vorlegen kann bzw. muß. Aufgrund der Besonderheit des durch das Übereinkommen geregelten Rechtsgebiets waren jedoch bestimmte Abweichungen erforderlich. Die Verfasser des Protokolls waren bestrebt, diese Abweichungen möglichst zu begrenzen, da sie die Einheitlichkeit der Vorabentscheidungskompetenz des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, wie sie durch den Vertrag vorgeschrieben ist, aufrechterhalten und die in langjähriger Praxis erwachsene Zusammenarbeit zwischen dem Gemeinschaftsrichter und dem innerstaatlichen Richter nicht beeinträchtigen wollten. Diese Absicht läßt sich auch aus Artikel 5 Absatz 1 des Protokolls ableiten, wonach die Vorschriften des Vertrags und des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofs in bezug auf Fragen, die dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt werden, auch auf das Verfahren zur Auslegung des Übereinkommens und der anderen in Artikel 1 des Protokolls genannten Übereinkünfte anwendbar sind, soweit das Protokoll nichts anderes bestimmt. 93. Die dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zuerkannte Auslegungsbefugnis betrifft die in Artikel 1 des Protokolls genannten Rechtsakte. Es handelt sich hierbei um das Übereinkommen von 1968, das Protokoll von 1 9 6 8 und das Protokoll von 1971 sowie um die Rechtsakte zur Anpassung dieser Übereinkünfte, d. h. um die Beitrittsübereinkommen von 1978 und 1 9 8 2 . 9 4 . Das Protokoll sieht drei Arten der Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zur Entscheidung von Auslegungsfragen vor: zunächst die fakultative Anrufung durch bestimmte Gerichte, sodann die obligatorische Anrufung durch bestimmte Gerichte und schließlich die Anrufung „im Interesse des Gesetzes" durch die zuständigen innerstaatlichen Stellen - zum Zwecke der Auslegung. 95. Artikel 3 des Protokolls sieht zum einen eine fakultative und zum anderen eine obligatorische Anrufung des Gerichtshofs im Vorabentscheidungsverfahren für den Fall vor, daß eine Frage zur Auslegung des Übereinkommens oder einer anderen in Artikel 1 des Protokolls genannten Übereinkunft in einem schwebenden Verfahren gestellt wird und die Entscheidung über diese Auslegungsfrage für den Erlaß des Ürteils des innerstaatlichen Gerichts unentbehrlich ist. 9 6 . Die Gerichte der Vertragsstaaten können auf das Vorabentscheidungsverfahren zurückgreifen, wenn sie in zweiter Instanz entscheiden (Artikel 2 Nummer 2 und Artikel 3 Absatz 2 des Protokolls). Die gleiche Möglichkeit haben die in Artikel 3 7 des Übereinkommens genannten Gerichte der Vertragsstaaten, wenn sie die in dieser Bestimmung vorgesehene Zuständigkeit ausüben (Artikel 2 Nummer 3 und Artikel 3 Absatz 2 des Protokolls). 97. Eine Verpflichtung, den Gerichtshof in Auslegungsfragen um Vorabentscheidung zu ersuchen, obliegt den in Artikel 2 Nummer 1 des Protokolls genannten nationalen Gerichten. Es handelt sich um die obersten innerstaatlichen Gerichte, die für jeden Vertragsstaat eigens aufgeführt sind, jedoch nicht für das Vereinigte Königreich und Griechenland. Der Aufbau der Gerichtsbarkeit in diesen Ländern rechtfertigt die beiden Ausnahmen. Besonders bei Griechenland hielt man es für zweckdienlich, nicht ausschließlich auf die beiden wichtigsten obersten Gerichtshöfe, d. h. den Areopag und den Staatsrat, zu verweisen, damit die Zuständigkeit zur Vorlage von Fragen im Vorabentscheidungsverfahren auch auf die anderen gerichtlichen Organe des obersten Rechtszugs mit allgemeiner oder besonderer Zuständigkeit, wie ζ. B. auf den Obersten Sondergerichtshof nach Artikel 100 der Verfassung und den Rolf A. Schütze

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Rechnungshof, ausgedehnt werden kann. In Anbetracht der Sachgebiete, die unter die Zuständigkeit dieser Gerichte fallen können, ist es nicht ausgeschlossen, daß diese Gerichte mit Fragen der Auslegung des Übereinkommens befaßt werden, auch wenn es sich dabei um Grenzfälle handelt. 98. Die zuständigen Stellen der Vertragsstaaten können den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach Artikel 4 Absatz 1 des Protokolls um Auslegung des Übereinkommens und der anderen in Artikel 1 genannten Übereinkünfte ersuchen. Bei diesen Stellen handelt es sich nach Artikel 4 Absatz 3 um die Generalstaatsanwälte bei den Kassationsgerichtshöfen der Vertragsstaaten oder um jede andere von einem Vertragsstaat benannte Stelle (siehe auch Artikel 10 Buchstabe c)). Eine solche Auslegung „im Interesse des Gesetzes" wird von diesen Stellen beantragt, wenn Entscheidungen der Gerichte ihres Staates der Auslegung zuwiderlaufen, die bereits durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften oder durch eines der in Artikel 2 Nummern 1 und 2 genannten Gerichte eines anderen Vertragsstaates gegeben worden ist. Es muß sich jedoch um Entscheidungen handeln, die rechtskräftig geworden sind. In Artikel 4 Absatz 2 des Protokolls wird bestimmt, daß die vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in diesem Fall gegebene Auslegung keine Wirkung auf die Entscheidungen der nationalen Gerichte hat, die den Anlaß für den Antrag auf Auslegung bildeten. Schließlich werden nach Artikel 4 Absatz 4 die nach Maßgabe des Artikels 4 dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorgelegten Auslegungsanträge den Vertragsstaaten, der Kommission und dem Rat der Europäischen Gemeinschaften zugestellt; diese sind berechtigt, binnen zwei Monaten nach der Zustellung beim Gerichtshof Schriftsätze einzureichen oder schriftliche Erklärungen abzugeben; neue Mitgliedstaaten, die das Übereinkommen noch nicht unterzeichnet, sich aber verpflichtet haben, ihm beizutreten, können ebenfalls Erklärungen abgeben 120 . Mit dieser Bestimmung soll Artikel 20 des dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beigefügten Protokolls über die Satzung des Gerichtshofs dem besonderen Charakter dieses Auslegungsantrags angepaßt werden; nach Artikel 20 des genannten Protokolls stellt der Kanzler des Gerichtshofs die Entscheidung des nationalen Gerichts, das einen Antrag auf Auslegung im Vorabentscheidungsverfahren stellt, den beteiligten Parteien, den Mitgliedstaaten und der Kommission zu und außerdem dem Rat, sofern die Gültigkeit oder Auslegung einer Handlung des Rates streitig ist. 99. Die Häufigkeit, mit der dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Auslegungsanträge von den nationalen Gerichten vorgelegt werden, läßt sich als zufriedenstellend bezeichnen. Die Anwendung des Protokolls hat bereits zu fast fünfzig Entscheidungen des Gerichtshofs geführt.

E. ÜBERGANGS- UND SCHLUSSVORSCHRIFTEN, TERMINOLOGISCHE PROBLEME 100. Ubergangsvorschriften Das Übereinkommen von 1968 (Titel VI Artikel 54) und das Beitrittsübereinkommen von 1978 (Titel V Artikel 34 bis 36) beinhalten eine Reihe von Übergangsvorschriften. Übergangsvorschriften enthält auch das Übereinkommen von 1982 über den Beitritt Griechenlands. So sind, insbesondere nach Artikel 12 des Beitrittsübereinkommens von 1982, das Übereinkommen von 1968 und das Protokoll von 1971 in der Fassung der Übereinkommen von 1978 und 1982 nur auf solche Klagen und öffentliche Urkunden anzuwenden, die erhoben bzw. aufgenommen worden sind, 1012

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nachdem das Übereinkommen von 1982 im Ursprungsstaat und, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung oder Urkunde geltend gemacht wird, im ersuchten Staat in Kraft getreten ist. In Absatz 2 desselben Artikels ist jedoch festgelegt, daß die Vorschriften des Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung (Titel III) auch auf Entscheidungen angewandt werden, die aufgrund von Klagen ergangen sind, die vor dem Inkrafttreten des Beitrittsübereinkommens von 1982 (nach den Modalitäten des Artikels 12 Absatz 1 dieses Übereinkommens) erhoben worden sind, wenn das Gericht aufgrund von Vorschriften des Gemeinschaftsübereinkommens oder eines anderen Abkommens, das zu dem Zeitpunkt, zu dem die Klage erhoben wurde, zwischen dem Ursprungsstaat und dem ersuchten Staat in Kraft war, zuständig war. 101. Verhältnis des Übereinkommens zu anderen Abkommen und zum Gemeinschaftsrecht Titel VII (Artikel 55 bis 59) umfaßt eine Reihe von Bestimmungen, in denen geregelt wird, was mit den zahlreichen, vorwiegend zweiseitigen Abkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen geschehen soll, die die Vertragsstaaten in der Vergangenheit geschlossen hatten. Wie sich von selbst versteht, ersetzt das Übereinkommen als Gemeinschaftsregelung diese Einzelabkommen (Artikel 55), sofern Anwendungszeiträume und Sachgebiete dieser Abkommen zusammenfallen (Artikel 56) 1 2 1 . Abkommen, die für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit sowie die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen regeln, bleiben im übrigen weiter gültig und können von den Vertragsparteien auch weiterhin geschlossen werden; unberührt bleiben auch bestehende oder etwaige künftige Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane bzw. Bestimmungen der in Ausführung dieser Akte harmonisierten nationalen Rechte in diesem Bereich (Artikel 57). 102. Sprachliche Fassungen des Übereinkommens Sämtliche Texte des Übereinkommens 1 2 2 sind in den acht Amtssprachen der Gemeinschaft - in der aus dem Beitritt Griechenlands resultierenden Zusammensetzung - abgefaßt: in dänischer, deutscher, englischer, französischer, griechischer, irischer, italienischer und niederländischer Sprache (Artikel 68 des Übereinkommens von 1968, Artikel 37 Absatz 1 und Artikel 41 des Beitrittsübereinkommens von 1978, Artikel 13 Absatz 1 und Artikel 17 des Beitrittsübereinkommens von 1982). Jede sprachliche Fassung ist gleichermaßen verbindlich (Artikel 68 des Übereinkommens von 1968, Artikel 37 Absatz 2 und Artikel 41 des Beitrittsübereinkommens von 1978, Artikel 13 Absatz 2 und Artikel 17 des Beitrittsübereinkommens von 1982). 103. Terminologische Probleme der griechischen Fassung des Übereinkommens Nachstehend wird auf Fragen der griechischen Fassung des Übereinkommens hingewiesen, die einer Klärung oder Berichtigung bedürfen: a) In Artikel 1 Absatz 1 wurde der Begriff „δικαστήριο" (Gericht) und nicht „δικαιοδοσία" (Gerichtsbarkeit) gewählt, damit der Eindruck vermieden wird, daß sich die Bestimmung auf die Unterscheidung zwischen streitiger und freiwilliger Gerichtsbarkeit bezieht, während sie in Wirklichkeit die Art des Gerichts als solches (ζ. B. Zivil-, Straf- oder Verwaltungsgericht) betrifft. b) In der Frage der Rechtshängigkeit (Artikel 21 bis 23) wurde der etwas allgemeinere, nicht fachliche Begriff des mit der Rechtssache „befaßten" Gerichts („που επιλαμβάνεται") gewählt, damit nicht der Lösung der Frage vorgegriffen wird, die den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften bereits beschäftigt hat 1 2 3 ; es geht um die Frage, ob es sich hier um einen autonom auszulegenden Begriff des Übereinkommens oder um eine Blankoverweisung auf die innerstaatlichen verR o l f A. Schütze

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fahrensrechtlichen Vorschriften der Vertragsstaaten handelt. Ähnliche Überlegungen führten dazu, daß die weiter gefaßte Formulierung ,,αυαστολή της διαδικασίας" (Aussetzung des Verfahrens) der Formulierung ,,αυαστολή της αποφάσεως" (Aussetzung der Entscheidung) vorgezogen wurde (Artikel 21 Absatz 2, Artikel 2 2 Absatz 1). c) In Artikel 24 wurde der umfassende und bereits fest verankerte Begriff „ασφαλιστικά μέτρα" (Sicherungsmaßregeln) gewählt und von einer Wiederholung der Ausdrücke „προσωρινά" oder „συντηρητικά μέτρα (mesures provisoires et conservatoires; einstweilige Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind) abgesehen, damit nicht der Eindruck entsteht, daß die entsprechenden Unterscheidungen des früher geltenden griechischen Verfahrensrechts hier wiederbelebt werden. d) In Artikel 26 Absatz 2 wie auch in Artikel 31 Absatz 1 heißt es „κάθε ευδιαφερόμευος" (jeder Berechtigte) und nicht „κάθε διάδικος" („toute partie interessee"; deutscher Wortlaut in Artikel 26 Absatz 2: „jede Partei, welche die Anerkennung geltend macht"; „ein Berechtigter"), der berechtigt ist, die Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung zu beantragen. Der allgemeinere Ausdruck wurde gewählt, um den Eindruck zu vermeiden, als ob selbst der Wortlaut des Übereinkommens diese Berechtigung nur auf die Parteien des ursprünglichen Verfahrens beschränkte. e) In Artikel 16 Nummer 2 muß es offensichtlich nicht „εγκυρότητα" (Gültigkeit), sondern „ακυρότητα" (Nichtigkeit) heißen, ein Begriff, der somit unmittelbar dem nachfolgenden Begriff „κύρους" (Gültigkeit) gegenübergestellt ist. f) Die Begriffe „καταχώριση" (Eintragung/Registrierung) (Artikel 16 Nummer 4 des Übereinkommens) und „εγγραφή" (Erteilung eines Patents) (Artikel V Buchstabe d) des Protokolls von 1968), bezogen auf die Patente, sind bedeutungsgleich. Es handelt sich in beiden Fällen um die öffentliche Rechtshandlung, durch die das Recht aus einer bestimmten Erfindung förmlich gesichert wird. Die beiden griechischen Begriffe geben den französischen Terminus „inscription" wieder. 104. Inkrafttreten des Übereinkommens Das Übereinkommen von 1968 trat am 1. Februar 1973, das Protokoll von 1971 am 1. September 1975 in Kraft. Das Beitrittsübereinkommen von 1978 war am 31. März 1986 von fünf Staaten ratifiziert und ist noch nicht in Kraft getreten , 2 4 . Das Inkrafttreten des Beitrittsübereinkommens von 1982 wird durch Artikel 15 geregelt, wonach das Übereinkommen „für die Beziehungen zwischen den Staaten, die es ratifiziert haben, am ersten Tag des dritten Monats in Kraft" tritt, „der auf die Hinterlegung der letzten Ratifikationsurkunde durch die Republik Griechenland und die Staaten, die das Übereinkommen von 1978 gemäß Artikel 39 des genannten Übereinkommens in Kraft gesetzt haben, folgt". Voraussetzung für das Inkrafttreten des Beitrittsübereinkommens von 1982 sind also sowohl das Inkrafttreten des Beitrittsübereinkommens von 1978 als auch die Ratifizierung des Beitrittsübereinkommens von 1982 durch Griechenland.

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ABl. Nr. C 5 9 vom 5.3.1979, S. 1 - 6 5 bzw. 6 6 - 7 0 . ABl. Nr. C 59 vom 5.3.1979, S. 71-151. Siehe Nummer 3 a. E. Siehe Nummer 2. Siehe Nummern 49, 52. Siehe Nummern 9 bis 16.

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Evrigenis/Kerameus-Bericht Siehe Nummern 17 bis 20. Siehe Nummern 21 bis 23. Siehe hierzu Φραγκίστα, Δικαιοδοσία επι διεθνών διαφορών ιδιωτικού δικαίου (1934), passim, insbesondere 26-96. Φραγκίστας, στην Ερμηνεία του αστικού κώδικος ΕισΝ 126 αριθ. 12-22, Ράμμος, Στοιχεία ελληνικης πολιτικής δικονομίας Ι/15 (1961) 148, 146, Mitsopoulos, Problemes de juridiction internationale en droit grec, Εράνιον προς Γ.Σ. Μαριδάκην II (1963) 301-312. Μαριδάκης, Η δικαιοδοσία της ελληνικης πολιτείας επί Ελλήνων κατοικούτών εις αλλοδαπήν, Νέον δίκαιον 1956.1-5; Βάλληνδας Εφημερίς των Ελλήνων Νομικών 1950.532-533. Siehe Ευρυγένη, Το ιδίωτικόν διεθνές δίκαιον εις ελληνικήν νομολογίαν, Αρμενόπουλος 1964, 409ff. (465-490, insbesondere 470-478). Siehe jedoch Μαριδάκη, Ιδίωτικόν διεθνές δίκαιον καθά ισχύει την Ελλάδα II 2 (1968), 188-191, der auch aus der Sicht der ZPO die „Unterscheidungstheorie" verficht. Zu den weiteren Ausführungen siehe Ράμμο, Εγχειρίδιον αστικού δικονομικού δικαίου I (1978) 185-233; Μητσόπουλο, Πολιτική δικονομία Α (1972) 204-261; Κεραμέα Αστικό δικονομικό δίκαιο. Γενικό μέρος (1986) 48-85. Siehe Nummer 14. Zu den weiteren Ausführungen siehe Μαριδάκη, Η ετέλεσις αλλοδαπών αποφάσεων κατα το ισχύον εις την Ελλάδα δίκαιον 2 (1946), insbesondere 60-120; Μαριδάκη, Η αντίφασις των αλλοδαπών αποφάσεων εις αποδεδειγμένα πράγματα (1930); Ευρυγένη, Ζητήματα εκ της εκτελέσεως και αναγνωρίσεως αλλοδαπών αποφάσεων, Επιστημονική Επετηρίς της Εχολής των Νομικών και Οικονομικών Επιστημών του Αριστοτελείου Πανεπιστημίου Θεσσαλονίκης VII: Μνημόσυνον Γεωργίου Ε. Σιμωνέτου (1957) 323-360. Ευρυγένης (Fußnote 16) 329 mit Nummer 8. Siehe Nummer 12. Zu den weiteren Ausführungen siehe vor allem Μαριδάκη, Η εκτέλεσις αλλοδαπών αποφάεων κατά το ισχύον εις την Ελλάδα δίκαιον 3 (1970), passim, insbesondere 54-109. Μαριδάκης, (Fußnote 19) 66-69. Siehe Nummer 17. Μαριδάκης (Fußnote 19) 83-85. Siehe Nummer 18 unter Buchstabe a). Μαριδάκης (Fußnote 19) 107. Für besondere Sachgebiete ist die internationale Zuständigkeit unmittelbar in bestimmten mehrseitigen Verträgen geregelt; bezüglich dieser Verträge siehe Nummer 23. Φραγκίστας και Γέσιου-Φαλτσή, Αι διεθνείς συμβάσεις της Ελλάδος εις το αστικόν δικονομικόν δίκαιον. Συμβατικά κείμενα και ερμηνευτικαί συμβολαί (1976) ιστ'-ισ'. Siehe Nummern 10 und 12. Siehe Nummer 7. Speziell zu diesem Vertrag siehe Kerameus, Rechtsmittelfestigkeit und Vollstreckung von ausländischen Entscheidungen, Multitudo legum ius unum: Festschrift für Wilhelm Wengler II (1973) 383-395; P. Yessiou-Faltsi, Zeitschrift für Zivilprozeß 96 (1983) 67-89; Pouliadis, Die Bedeutung des deutsch-griechischen Vertrages vom 4.11.1961 für die Anerkennung und Vollstreckung deutscher Entscheidungen in der griechischen Praxis, IPrax 5 (1985) 357-369. Siehe Φραγκίστας και Γέσιου-Φαλτσή (Fußnote 26) 241-292. Urteil vom 16. Dezember 1980 in der Rechtssache 814/79, Rüffer/Niederlande, Erwägung 14. Urteil vom 16. Oktober 1976 in der Rechtssache 29/76, LTU/Eurocontrol. Urteil vom 22. Februar 1979 in der Rechtssache 133/78, Gourdain/Nadler. Vgl. auch Urteil vom 22. November 1978 in der Rechtssache 33/78, Somafer/Saar-Ferngas. Oben in den Fußnoten 31 und 32 erwähnte Urteile vom 14. Oktober 1976 und 16. Dezember 1980. Urteil vom 13. November 1979 in der Rechtssache 25/79, Sanicentral/Rene Collin. Urteil vom 27. März 1979 in der Rechtssache 143/78, Cavel/Cavel I. Rolf A. Schütze

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Urteil vom 31. März 1982 in der Rechtssache 25/81, C.H.W./G.J.H. Urteil vom 6. März 1980 in der Rechtssache 120/79, Cavel/Cavel II. Siehe Jenard-Bericht, S. 10, Abschnitt IV a.E., Schlosser-Bericht, Nummern 55 ff. Vgl. Artikel 3 Absatz 1 ZPO sowie früher Artikel 126 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Siehe Jenard-Bericht, S. 15-16. Siehe Jenard-Bericht, S. 5 7 unter Artikel 53. Siehe auch Nummer 38. Siehe Nummer 24. Vgl. Nummer 38. Siehe Nummer 44. Vgl. Artikel 41 und 221 Absatz 1 Buchstabe c) ZPO. Urteil vom 4. März 1982 in der Rechtssache 38/81, Effer/Kantner. Urteil vom 22. März 1983 in der Rechtssache 34/82, Peters/Z.N.A.V. Urteil vom 6. Oktober 1976 in der Rechtssache 12/76, Tessili/Dunlop. Urteil vom 17. Januar 1980 in der Rechtssache 56/79, Zeiger/Salinitri. Urteil vom 6. Oktober 1976 in der Rechtssache 14/76, DeBloos/Bouyer. Urteil vom 26. Mai 1982 in der Rechtssache 133/81, Ivenell/Schwab. Wenn allerdings die charakteristische Verpflichtung keinen Streitgegenstand bildet, so kommt es auf die konkret eingeklagte Verpflichtung an: Urteil vom 15. Januar 1987 in der Rechtssache 266/85, Shenanai/Kreischer. Siehe Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 6. Oktoberl976 (Fußnote 52). Siehe ScWowr-Bericht, S. 101-103, Nrn. 91 bis 97. Urteil vom 30. November 1976 in der Rechtssache 21/76, Bier/Mines de potasse dAlsace. Siehe /en