Zivilprozessordnung und Nebengesetze: Teilband 1 Einleitung; §§ 1–49 9783110898378, 9783110123906

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Zivilprozessordnung und Nebengesetze: Teilband 1 Einleitung; §§ 1–49
 9783110898378, 9783110123906

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsübersicht
Abkürzungsverzeichnis
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Einleitung
ERSTES BUCH Allgemeine Vorschriften
1. Teilband
§ 1-11
§ 12—22
§ 23- 37
§ 38-39
§ 40
Anhang II zu § 40
§ 41

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Großkommentare der Praxis

w DE

G

Wieczorek/Schütze

Zivilprozeßordnung und Nebengesetze Großkommentar 3., völlig neu bearbeitete Auflage begründet von

Bernhard Wieczorek weiland Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof herausgegeben von

Rolf A. Schütze Erster Band Einleitung; §§ l - 1 2 7 a Bearbeiter: Einleitung: Hanns Priitting/Rolf A. Schütze §§ 1 bis 11: Lothar Gamp § § 1 2 bis 40: Rainer Hausmann Anh. § 40 (EuGVÜ): Rainer Hausmann § § 4 1 bis 49: Otto Niemann Vor § 50: Rainer Hausmann/Rainer Buchholz/Roman Loeser

§§ 50 bis 58: Rainer Hausmann § § 5 9 bis 63: Rolf A. Schütze § § 6 4 bis 77: Heinz-Peter Mansel § § 7 8 bis 109: Anton Franz Steiner §§ 110 bis 113: Rolf A. Schütze §§ 114 bis 127a: Anton Franz Steiner

1. Teilband Einleitung; § § 1 bis 49

2. Teilband § § 5 0 bis 127a

w DE

G 1994

Walter de Gruyter · Berlin · New York

Zitiervorschlag ζ. Β.: Wieczorek/Schütze/Hausmann § 15 ZPO Rdn. 3

Die Deutsche Bibliothek -

CIP-Einheitsaufnahme

Zivilprozessordnung und Nebengesetze : Grosskommentar / hrsg. von Rolf A. Schütze. Begr. von Bernhard Wieczorek. — Berlin ; New York : de Gruyter. (Grosskommentare der Praxis) Früher u.d.T.: Wieczorek, Bernhard: Zivilprozessordnung und Nebengesetze NE: Schütze, Rolf A. [Hrsg.]; Wieczorek, Bernhard [Begr.] Bd. 1. Einleitung : §§ l - 1 2 7 a / Bearb.: Hanns Prütting ... Teilbd. 1. §§ 1 - 4 9 . - 3., völlig neu bearb. Aufl. - 1 9 9 4 (Grosskommentare der Praxis) ISBN 3 - 1 1 - 0 1 2 3 9 0 - 8 NE: Prütting, Hanns

© Copyright 1 9 9 4 by Walter de Gruyter & Co., D - 1 0 7 8 5 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz δί Bauer GmbH, Berlin

Die Bearbeiter der 3. Auflage Dr. Hans-Jürgen Ahrens, Professor an der Universität Osnabrück Dr. Ekkehard Becker-Eberhard, Professor an der Universität Leipzig Hans-Günther Borck, Rechtsanwalt in Hamburg Dr. Rainer Buchholz, Professor an der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Köln Dr. Lothar Gamp, Rechtsanwalt in Herford Dr. Rainer Hausmann, Professor an der Universität Konstanz Dr. Burkhard Heß, Wissenschaftlicher Assistent an der Universität München Dr. Roman Loeser, Professor an der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Köln Dr. Wolfgang Lüke, LL. M., Professor an der Technischen Universität Dresden Dr. Heinz-Peter Mansel, Akademischer Rat an der Universität Heidelberg Dr. Otto Niemann, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Dirk Olzen, Professor an der Universität Düsseldorf Dr. Christoph Paulus, LL. M., Professor an der Universität Augsburg Dr. Egbert Peters, Professor an der Universität Tübingen Dr. Hanns Prutting, Professor an der Universität Köln Hilmar Raeschke-Kessler, LL. M., Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Stephan Salzmann, Rechtsanwalt in München Dr. Dr. h. c. Wilfried Schlüter, Professor an der Universität Münster Dr. Klaus Schreiber, Professor an der Universität Bochum Dr. Rolf A. Schütze, Rechtsanwalt in Stuttgart, Honorarprofessor an der Universität Tübingen Anton Franz Steiner, Rechtsanwalt in München Dr. Karl-Alfred Storz, Rechtsanwalt in Stuttgart Dr. Roderich C.Thümmel, LL. M., Rechtsanwalt in Stuttgart Dr. Helmut Weber, LL. B., Professor an der Universität Potsdam Dr. Stephan Weth, Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg

Vorwort Fast zwei Jahrzehnte nach dem Tode seines Begründers erscheint der Kommentar völlig neu überarbeitet in 3. Auflage. Geblieben ist die Konzeption als Großkommentar. Sein Ziel ist es, den gegenwärtigen Erkenntnisstand des Zivilprozeßrechts erschöpfend darzustellen und dem Benutzer auch bei nicht alltäglichen Fallkonstellationen und den damit verbundenen Rechtsproblemen ein zuverlässiges Hilfsmittel an die Hand zu geben. Vieles hat sich gegenüber den bisherigen Auflagen geändert. Seit dem Erscheinen der letzten Lieferung der 2. Auflage sind zahlreiche wichtige Gesetze auf dem Gebiet des Zivilprozeßrechts erlassen worden, insbesondere das Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz vom 17. 1 2 . 1 9 9 0 . Für das europäische Recht gilt ähnliches. Bernhard Wieczorek hat die 1. Auflage allein geschrieben. Mitten in den Arbeiten zur 2. Auflage hat ihm der Tod die Feder aus der Hand genommen. In seinem Sinn haben der leider viel zu früh verstorbene Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof Dr. Georg F. Rössler und der jetzige Herausgeber die Auflage ohne konzeptionelle Änderungen — gewissermaßen als „Fortschreibung" — zu Ende geführt. Die 3. Auflage wird von 2 5 Autoren aus Wissenschaft und Praxis getragen. Aus dem allein anhand der Rechtsprechung erläuternden Kommentar ist ein Werk geworden, das Rechtsprechung und Schrifttum gleichgewichtig auswertet. Umfassende Zitate werden häufig mit Praxisferne verwechselt. Aber gerade die Praxis ist auf ein Erläuterungswerk angewiesen, das verläßlich über die Ansichten in Rechtsprechung und Literatur informiert und aufzeigt, welche Gewichtung ihnen zukommt und wohin die Trends gehen. Die Autoren haben sich bemüht, die Akribie, mit der der Begründer des Kommentars selbst Entscheidungen in entlegenen Fundstellen ausgewertet hat, gleichermaßen für das Schrifttum anzuwenden. Als Beispiel mag die umfassende Darstellung der Parteifähigkeit sowie der gesetzlichen Vertretung der öffentlichen Hand in den Vorbemerkungen zu § 50 dienen, die mehr als 2 2 0 Druckseiten umfaßt. Durch die Herausnahme der Zitate aus dem Text und ihre Aufnahme in Fußnoten ist die Lesbarkeit verbessert worden. Dem gleichen Ziel dient die Umstellung der Randnummernsystematik und die Einfügung von Zwischenüberschriften. Die ausführliche Darstellung und Erläuterung des europäischen und internationalen Zivilprozeßrechts entspricht der gewachsenen Bedeutung dieser Rechtsgebiete. Das europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen, durch das eine europäische Zuständigkeitsordnung geschaffen worden ist, wird jeweils bei den Bestimmungen erläutert, zu denen die Regelung systematisch gehört. Demgemäß werden etwa die Zuständigkeiten der Artt. 2—18 im Anh. I zu § 40, die Wirkungserstreckung ausländischer Zivilurteile bei den § § 3 2 8 , 722 f kommentiert. Die bisher im 5. Band enthaltene Einführung in das IZPR ist jetzt in der Einleitung zum 1. Band aufgegangen. Auf den Abdruck der Texte zum IZPR wird aus Raumgründen verzichtet. Hier sei der Benutzer auf die 2. Auflage verwiesen. Literaturhinweise zum ausländischen Recht sind — wo es tunlich erschien — den Schrifttumsübersichten nachgestellt. VII

Vorwort Die zivilprozessualen Nebengesetze, insbesondere das GVG, werden umfassend erläutert. Die Kommentierung des GVG wird den größten Teil des 5. Bandes einnehmen. So ist „kein Stein auf dem anderen geblieben". Die 3. Auflage ist völlig neu geschrieben worden. Geblieben ist die Konzeption, als Großkommentar möglichst umfassend auf alle zivilprozessualen Fragen und Probleme begründete Antworten zu bieten. Gedankt sei dem Verlag de Gruyter für die Möglichkeit, das Werk in der gebotenen Ausführlichkeit zu gestalten. Frau Dr. Walther hat die Autoren vorbildlich betreut und viel Geduld gezeigt. Ihr gebührt Dank. Stuttgart, im Juni 1994

VIII

Rolf A. Schütze

Inhaltsübersicht Vorwort Abkürzungsverzeichnis Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

XXI

Zivilprozeßordnung Einleitung ERSTES BUCH Allgemeine Vorschriften

1. Teilband Erster Abschnitt. Gerichte

§§

Erster Titel. Sachliche Zuständigkeit der Gerichte und Wertvorschriften Zweiter Titel. Gerichtsstand Dritter Titel. Vereinbarung über die Zuständigkeit der Gerichte . . . . Vierter Titel. Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen . . .

1 — 11 12—37 38—40 41—49

2. Teilband Zweiter Abschnitt. Parteien Erster Titel. Parteifähigkeit. Prozeßfähigkeit Zweiter Titel. Streitgenossenschaft Dritter Titel. Beteiligung Dritter am Rechtsstreit Vierter Titel. Prozeßbevollmächtigte und Beistände Fünfter Titel. Prozeßkosten Sechster Titel. Sicherheitsleistung Siebenter Titel. Prozeßkostenhilfe und Prozeßkostenvorschuß

§§ 50—58 59 — 63 64—77 78—90 91-107 108 — 113 114—127a

Abkürzungsverzeichnis aA Abk. ABl. abl. Abs. abw. A. C. AcP ADSp. aE aF AG AGB AGBG AHK AktG All E. R. allg.M. Alt. aM AMG Am. J. Comp. L. Am. J. Int. L. amtl. AnfG Anh. Ani. Anm. AnwBl. AO AöR AP App. ArbG ArbGG Arb. Int. Art. art. AUG AuR AusfG AusfVO ausi. AuslInvestmG

anderer Ansicht Abkommen Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ablehnend Absatz abweichend The Law Reports, Appeal Cases Archiv für civilistische Praxis Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen am Ende alte Fassung Amtsgericht; Die Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Alliierte Hohe Kommission Aktiengesetz All England Law Reports allgemeiner Meinung Alternative anderer Meinung Arzneimittelgesetz American Journal of Comparative Law American Journal for International Law amtlich Anfechtungsgesetz Anhang Anlage Anmerkung Anwaltsblatt Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsrechtliche Praxis Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts Corte di appello (Italien); Cour d'appel (Belgien, Frankreich) Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbitration International Artikel article Auslandsunterhaltsgesetz Arbeit und Recht Ausführungsgesetz Ausführungsverordnung ausländisch Gesetz über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile ui die Besteuerung der Erträge aus ausländischen Investmentanteilen XI

Abkürzungsverzeichnis AVAG AWD AWG

Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters Außenwirtschaftsgesetz

BAföG BAG BAGE BAnz. bay. BayObLG BayObLGZ

Bundesausbildungsförderungsgesetz Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, Amtliche Sammlung Bundesanzeiger bayerisch Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen, Amtliche Sammlung Bayerische Verwaltungsblätter Der Betriebsberater Bundesblatt der Schweizerischen Eidgenossenschaft Band begründet Bekanntmachung belgisch Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Beschluß bestritten betreffend Bezirksgericht Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofs, Amtliche Sammlung Bundesgericht (Schweiz) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts, Amtliche Sammlung Bundesgerichtshof Systematische Sammlung der Entscheidungen des BGH Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, Amtliche Sammlung Binnenschiffahrtsgesetz Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrtssachen Blatt Bundesnotarordnung Börsengesetz Bundespatentgericht Bundesrat(-sdrucksache) Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesrepublik Deutschland britisch Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts, Amtliche Sammlung Bundessozialhilfegesetz Bundessteuerblatt Bundestag(-sdrucksache) Buchstabe Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Amtliche Sammlung Bundesverwaltungsgericht

BayVBl. BB BB1. Bd. begr. Bek. belg. BerDGVR Beschl. bestr. betr. BezG BFH BFHE BG BGB BGBl. BGE BGH BGHR BGHZ BinnSchG BinnSchVerfG Bl. BNotO BörsG BPatG BR(-Drucks.) BRAGO BRAO BRepD brit. BSG BSGE BSHG BStBl. BT(-Drucks.) Buchst. BVerfG BVerfGE BVerwG XII

Abkürzungsverzeichnis BVerwGE BWNotZ BYIL

Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, Amtliche Sammlung Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg The British Yearbook of International Law

C. A. Cahiers dr. europ. Cass. civ. (com., soc.]

Court of Appeal (England) Cahiers de droit européen Cour de Cassation (Frankreich/Belgien), Chambre civile (commerciale, sociale) Corte di cassazione, Sezioni Unite Code civil (Frankreich/Belgien/Luxemburg); Codice civile (Italien) chapter Chancery Division culpa in contrahendo Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern (Anlage Β zum COTIF) Convention on the International Sale of Goods (Wiener Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf v. 1 1 . 4 . 1980) Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen und Gepäck (Anlage A zum COTIF) Civil Justice Quarterly Journal du droit international (Frankreich) Common Market Law Reports Common Market Law Review Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßenverkehr Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (v. 9. 5. 1980) Cour supérieure de justice (Luxemburg) Codice di procedura civile (Italien). Code de procédure civile (Frankreich/Belgien/Luxemburg) Civilprozeßordnung Computer und Recht

Cass. (Italien) S. U. Ce (cc) ch. Ch. D. cic CIM CISG

CIV

Civ. J. Q. Clunet C. M. L. R. CML Rev. CMR COTIF Cour sup. CPC, epe CPO CR DAR DAVorm DB DDR DGVZ D. i. P. Dir. comm. int. Dir. com. scambi int. Diss. DJ DJT DNotZ doc. DÖV DR DRiZ Drucks. D. S. dt. DtZ

Deutsches Autorecht Der Amtsvormund Der Betrieb Deutsche Demokratische Republik Deutsche Gerichtsvollzieherzeitung Droit international privé Diritto del commercio internazionale Diritto comunitario negli scambi internazionali Dissertation Deutsche Justiz Deutscher Juristentag Deutsche Notar-Zeitschrift document Die öffentliche Verwaltung Deutsches Recht Deutsche Richterzeitung Drucksache Recueil Dalloz Sirey deutsch Deutsch-Deutsche Rechtszeitschrift XIII

Abkürzungsverzeichnis DVBl. DVO DZWir

Deutsches Verwaltungsblatt Durchführungsverordnung Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

E. C. C. EFTA EG EGBGB EGGVG EGMR EGZPO EheG Einf. EingV

EWG EWGV EWiR EWIV EWR EzA EWS EzA

European Commercial Cases European Free Trade Association Einführungsgesetz; Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum BGB Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung Ehegesetz Einführung Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (v. 31. 8. 1990) Einleitung Einheitliches Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen (Europäische) Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten Europäisches Niederlassungsabkommen Erläuterung (Genfer) Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft, Amtliche Sammlung Europäische Grundrechtezeitschrift Europäisches Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Europarecht European Law Review Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen (in der Österr. Juristenzeitung) Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Europäischer Wirtschaftsraum Entscheidungen zum Arbeitsrecht Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Entscheidungen zum Arbeitsrecht

f FamG FamRÄndG FamRZ FernUSG FG

folgend; für Familiengericht Familienrechtsänderungsgesetz Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fernunterrichtsschutzgesetz Festgabe; Finanzgericht; Freiwillige Gerichtsbarkeit

Einl. EKG EMRK ENA Erl. EÜ EuGH EuGHE EuGRZ EuGVÜ EuR Europ. L. Rev. EuÜStl EuZW EvBl. EVÜ

XIV

Abkürzungsverzeichnis FGB FGG FGO Foro it. franz. FS FuR

Familiengesetzbuch der ehemaligen DDR Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzgerichtsordnung Foro italiano französisch Festschrift Familie und Recht

G. Gaz. Pal. GBO g. E. GebrMG GeschMG GenG GewO GG Giur it. GKG GmbHG GmbHR Gruchot GRUR GRUR Int. GS GSZ GVB1. GVG GWB

Gesetz La Gazette du Palais (Frankreich) Grundbuchordnung gegen Ende Gebrauchsmustergesetz Geschmacksmustergesetz Genossenschaftsgesetz Gewerbeordnung Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Giurisprudenza italiana Gerichtskostengesetz Gesetz betr. die Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begr. von Gruchot Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht -Auslands- und internationaler Teil Gedächtnisschrift Großer Senat in Zivilsachen Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

HaftpflG HausTWG

Haftpflichtgesetz Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen High Court Handbuch Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, 1982/84 Handelsgesetzbuch Haager Landkriegsordnung herrschende Lehre House of Lords herrschende Meinung Höge Raad (Niederlande) Höchstrichterliche Rechtsprechung Herausgeber Halbsatz Haager Übereinkommen über den Zivilprozeß Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen

HBÜ H. C. Hdb. Hdb. IZVR HGB HKO hL H. L. hM H. R. HRR Hrsg. HS HZPÜ HZÜ

ICC ICLQ idF

International Chamber of Commerce (Internationale Handelskammer) The International und Comparative Law Quarterly in der Fassung XV

Abkürzungsverzeichnis idR ieS IGH ILM ILR I. L. T. IntGesR IPG IPR IPRax IPRG IPR-ReformG IPRspr. iSv. i. Ü. iVm. IWB IWF iwS IZPR IzRspr. IZVR i. Zw.

in der Regel im engeren Sinne Internationaler Gerichtshof International Legal Materials International Law Reports Irish Law Times Internationales Gesellschaftsrecht Gutachten zum internationalen und ausländischen Privatrecht Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Schweizerisches) Bundesgesetz über das internationale Privatrecht Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiet des Internationalen Privatrechts (herausgegeben von J . Kropholler) im Sinne von im übrigen in Verbindung mit Internationale Wirtschaftsbriefe Internationaler Währungsfond im weiteren Sinne internationales Zivilprozeßrecht Sammlung der deutschen Entscheidungen zum interzonalen Privatrecht (herausgegeben von U. Drobnig) Internationales Zivilverfahrensrecht im Zweifel

J. Int. Arb. JMB1. JMB1NRW JN JPS JR J.T. Jura JurBiiro Jur. Comm. Belg. Jur. Rev. JuS Justiz JW JZ

Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch für internationales Recht Justizblatt; Juristische Blätter (Österreich) The Journal of Business Law (England) Juris classeur Périodique. La Semaine juridique Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts Journal of International Arbitration Justizministerialblatt Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Jurisdiktionsnorm (Österreich) Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit Juristische Rundschau Journal des Tribunaux (Belgien) Juristische Ausbildung Das Juristische Büro Jurisprudence commerciale de Belgique The Juridical Review Juristische Schulung Die Justiz, Amtsblatt des Justizministeriums Baden-Württemberg Juristische Wochenschrift Juristenzeitung

Kap Kh. KG KGB1. KO KonsulG

Kapitel Rechtsbank van Koophandel (Niederlande) Kammergericht; Kommanditgesellschaft Blätter für Rechtspflege im Bezirk des Kammergerichts Konkursordnung Konsulargesetz

JA JblntR JB1. J . Bus. L. JCP JFG

XVI

Abkürzungsverzeichnis KostO KrG KTS KUG KWG

Kostenordnung Kreisgericht Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen (bis 1988); jetzt Zeitschrift für Insolvenzrecht Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie Kreditwesengesetz

lux. LZ

Landesarbeitsgericht Lehrbuch Landgericht Buchstabe Literatur The Law Journal (England) Lloyd's Law Reports Landes j ustizverwaltung Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, herausgegeben von Lindenmaier und Möhring The Law Quarterly Review (England) Leitsatz Landessozialgericht Luftverkehrsgesetz Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil und Handelssachen luxemburgisch Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht

maW MDR MittBayNot MittRhNotk Mot. MSA mwN

mit anderen Worten Monatsschrift für Deutsches Recht Mitteilung des Bayerischen Notarvereins Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer Motive Haager Minderjährigenschutzabkommen mit weiteren Nachweisen

Nachw. N. C. p. c. NdsRpfl. nF NILR NIPR N. J . NJW NJW-RR NTIR NTS NZA

Nachweis Noveau Code de procédure civile Niedersächsische Rechtspflege neue Fassung; neue Folge Netherlands International Law Review Nederlands Internationaal Privaatrecht Nederlandse Jurisprudence Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungsreport/Zivilrecht Nederlands Tijdschrift voor Internationaal Recht NATO-Truppenstatut Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht

öGZ ÖJZ ÖRiZ OGH OGHZ

(österr.) Gerichts-Zeitung Österreichische Juristenzeitung Österreichische Richterzeitung Oberster Gerichtshof (Britische Zone; Österreich) Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs für die britische Zone in Zivilsachen

LAG Lb LG lit. Lit. LJ Lloyd's Rep. LJV LM L. Q. Rev. LS LSG LuftVG LugÜ

XVII

Abkürzungsverzeichnis OHG OLG OLGE OLGZ OVG

Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Sammlung der Entscheidungen der Oberlandesgerichte ( 1 9 0 0 - 1 9 2 8 ) Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen Oberverwaltungsgericht

Pas. Lux. PatAnwO PatG PflVersG PKH ProdHG Prot. PStG

Pasierisie Luxembourgeoise Patentanwaltsordnung Patentgesetz Pflichtversicherungsgesetz Prozeßkostenhilfe Produkthaftungsgesetz Protokoll Personenstandsgesetz

RabelsZ RAG Rb. RBerG RdA Rdn. Ree. des Cours Recht Rev. crit. Rev. belge dr. int. Rev. Esp. Der. Int. Rev. int. dr. comp. Rev. Marché Commun Rev. trim. dr. europ. RG RGBl. RGRK RGZ

Rabeis Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Reichsarbeitsgericht; Rechtsanwendungsgesetz der DDR Rechtsbank (Niederlande) Rechtsberatungsgesetz Recht der Arbeit Randnummer Académie de droit international, Recueil des Cours Das Recht, Rundschau für den deutschen Juristenstand Revue critique de droit international privé (Frankreich) Revue belge de droit international Revista Española de Derecho Internacional Revue internationale de droit comparé (Frankreich) Revue du Marché Commun Revue trimestielle de droit européen Reichsgericht Reichsgesetzblatt Reichsgerichtsrätekommentar Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen, Amtliche Sammlung Riv. dir. civ. Rivista di diritto civile Riv. dir. comm Rivista del diritto commerciale Riv. dir. int. Rivista di diritto internazionale Riv. dir. int. priv. proc. Rivista di diritto internazionale privato e processuale Riv. trim dir. proc. civ. Rivista trimestrale di diritto e procedura civile RIW Recht der Internationalen Wirtschaft/Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters (auch abgekürzt: RIW/AWD) ROW Recht in Ost und West Rpfl. Der Deutsche Rechtspfleger Rs Rechtssache Rspr. Rechtsprechung RuStAG Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz RzW Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht S. s. s. a. SA Sachg. XVIII

Seite siehe siehe auch Seufferts Archiv für Entscheidungen der Obersten Gerichte in den deutschen Staaten Sachgebiet

Abkürzungsverzeichnis SAE S. C. SchG SchlHA SchwJblntR Sec. Sess. SGB SGG SJZ SozG Sp. StAZ StGB StIGH StPO str. stRspr. StVG Suppl. SZIER

Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen, herausgegeben von der Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeberverbände Supreme Court Scheckgesetz Schleswig Holsteinische Anzeigen Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht Section Session Sozialgesetzbuch Sozialgerichtsgesetz Schweizerische Juristenzeitung Sozialgericht Spalte Zeitschrift für Standesamtswesen (jetzt: Das Standesamt) Strafgesetzbuch Ständiger Internationaler Gerichtshof Strafprozeßordnung streitig ständige Rechtsprechung Straßenverkehrsgesetz Supplement Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht

T. P. R. TranspR Trib. Trib. com. Trib. gr. inst. Trib. trav.

Tijdschrift voor Privaatrecht (Niederlande) Transportrecht Tribunal; Tribunale Tribunal de commerce (Belgien/Frankreich) Tribunale de Grande Instance (Belgien/Frankreich) Tribunal de travail (Belgien/Frankreich)

Übers. Übk. Ufita UmweltHG UN UNCITRAL unstr. UNU UrhG UWG

Übersicht Übereinkommen Archiv Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht Umwelthaftungsgesetz United Nations United Nations Commission on International Trade Law unstreitig (New Yorker) UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche Urheberrechtsgesetz Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

VA VAG VerbrKrG VerfGH VglO VersR VG VGH VO Vorb. WG VwGO VwVfG

Versicherungsaufsicht Versicherungsaufsichtsgesetz Verbraucherkreditgesetz Verfassungsgerichtshof Vergleichsordnung (v. 26. 2. 1935) Versicherungsrecht Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Verordnung Vorbemerkung Versicherungsvertragsgesetz Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz XIX

Abkürzungsverzeichnis WA WahrnG Warn.

W. L. R. WM WRP WuB WÜD WÜK WuM WuW WVRK WZG

Warschauer Abkommen Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten Warneyer. Die Rechtsprechung des (Reichsgerichts oder) Bundesgerichtshofs auf dem Gebiete des Zivilrechts Washingtoner Weltbankübereinkommen für Investitionsstreitigkeiten Wechselgesetz Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht Die wichtigsten Gesetzgebungsakte in den Ländern Ost-, Südosteuropas und in den ostasiatischen Volksdemokratien Weekly Law Reports Wertpapier-Mitteilungen Wettbewerb in Recht und Praxis Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen Wohnungswirtschafts- und Mietrecht Wirtschaft und Wettbewerb Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge Warenzeichengesetz

Yb. Europ. L.

Yearbook of European Law

ZBIJugR ZAkDR ZfRV ZGB ZGR ZHR Ziff. ZIP ZIR ZLR ZLW ZMR ZöffR ZOR ZPO ZRHO ZRP ZS ZSEG ZSR ZVersWiss ZVG ZVglRWiss ZZP

Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Rechtsvergleichung (Österreich) Zivilgesetzbuch (DDR/Schweiz) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Niemeyers Zeitschrift für internationales Recht Zeitschrift für Luftrecht und Weltraumrechtsfragen Zeitschrift für Luft- und Weltraumrecht Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zeitschrift für öffentliches Recht Zeitschrift für Osteuropäisches Recht Zivilprozeßordnung Rechtshilfeordnung in Zivilsachen Zeitschrift für Rechtspolitik Zivilsenat Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen Zeitschrift für Schweizerisches Recht Zeitung für Versicherungswissenschaft Zwangsversteigerungsgesetz Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozeß

WBÜ WG WEG WGO

XX

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur I. Kommentare zur ZPO AK/Bearbeiter Baumbach/Lauterbach/Bear¿>«'fer MünchKomm/Bearbeiter Stein/Jonas/Pohle19 Stein/Jonas/Bearbeiter20 Stein/Jonas/Bearbeiter Thomas/Putzo Zimmermann Zöller/Bearbeiter

Alternativkommentar zur ZPO, 1987 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 51. Aufl. 1993 Münchener Kommentar zur ZPO, 1992 Stein/Jonas/Pohle, ZPO, 19. Aufl. 1 9 6 4 - 1 9 7 5 Stein/Jonas, ZPO, 20. Aufl. 1 9 7 7 - 1 9 8 9 (bearb. von Grunsky, Leipold, Münzberg, Schlosser, Schumann) Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl. 1993 ff (bearb. von Bork, Brehm, Grunsky, Leipold, Münzberg, Roth, Schlosser, Schumann) Thomas/Putzo, ZPO, 18. Aufl. 1993 Zimmermann, ZPO, 3. Aufl. 1993 Zöller, ZPO, 18. Aufl. 1993 (bearb. von Geimer, Greger, Gummer, Herget, Philippi, Schneider, Stöber, Vollkommer)

II. Lehrbücher und Literatur zum IZPR Arens/Lüke Baumann/Brehm Baur/Grunsky Baur/Stürner, 11. Aufl.* Bernhardt Blomeyer I Blomeyer II Brox/Walker Bruns Bruns/Peters Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze Geimer IZPR Geimer/Schütze Gerhardt Grunsky I Grunsky II Hahn/Stegemann

Zivilprozeßrecht, 5. Aufl. 1992 Zwangsvollstreckung, 2. Aufl. 1982 Zivilprozeßrecht, 7. Aufl. 1991 Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, 11. Aufl. 1983 Das Zivilprozeßrecht, 3. Aufl. 1968 Zivilprozeßrecht, Erkenntnisverfahren, 2. Aufl. 1985 Zivilprozeßrecht, Vollstreckungsverfahren, 1975 Zwangsvollstreckungsrecht, 3. Aufl. 1990 Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. 1979 Zwangsvollstreckungsrecht, 3. Aufl. 1987 Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 2. Aufl. 1973 ff Internationales Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. 1993 Internationale Urteilsanerkennung, Bd. 1,1 1983; Bd. 1,2 1984; Bd. II, 1971 Vollstreckungsrecht, 2. Aufl. 1982 Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974 Grundzüge des Zwangsvollstreckungs- und Konkursrechts, 4. Aufl. 1987 Die gesammten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, 2. Band, Die gesammten Materialien zur Civilprozeßordnung und dem Einführungsgesetz zu derselben vom 30.1. 1877, 1. und 2. Abt. 1881 2 , Neudruck 1983 unter dem Titel: Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd. 2

Von der 1 2 . Aufl. des Baur/Stürner ist bisher allein Band II, Insolvenzrecht, 1 2 . Aufl. 1 9 9 0 , erschienen, der für das Literaturverzeichnis nicht von Interesse ist.

XXI

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur Jauernig I Jauernig II Kropholler Langendorf Linke IZPR Nagel IZPR Riezler IZPR Rosenberg/Schwab Rosenberg/Schwab/Gottwald Rosenberg/Gaul/Schilken Schack IZVR Schellhammer Schilken Schönke/Kuchinke Schütze DIZPR Wolf Zeiss

XXII

Zivilprozeßrecht, 24. Aufl. 1993 Zwangsvollstreckungs- und Konkursrecht, 19. Aufl. 1990 Europäisches Zivilprozeßrecht, 4. Aufl. 1993 Prozeßführung im Ausland und Mängelrüge im ausländischen Recht, 1956 ff Internationales Zivilprozeßrecht, 1990 Internationales Zivilprozeßrecht, 3. Aufl. 1991 Internationales Zivilprozeßrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949 Zivilprozeßrecht, 14. Aufl. 1986 Zivilprozeßrecht, 15. Aufl. 1993 Zwangsvollstreckungsrecht, 10. Aufl. 1987 Internationales Zivilverfahrensrecht, 1991 Zivilprozeß, 5. Aufl. 1992 Zivilprozeßrecht, 1992 Zivilprozeßrecht, 9. Aufl. 1969 Deutsches Internationales Zivilprozeßrecht, 1986 Gerichtliches Verfahrensrecht, 1978 Zivilprozeßrecht, 8. Aufl. 1993

Einleitung Übersicht Rdn.

Rdn. Kapitel 1: Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Zivilprozeßrechts I. Die Zeit vor 1877

1

Π. Die Entstehung der CPO von 1877 . . .

2

IQ. Die Entwicklung des Zivilprozeßrechts von 1 8 7 9 - 1 9 4 5

3

IV. Die Entwicklung des Zivilprozeßrechts nach 1945

7

V. Der Zivilprozeß nach der Wiedervereinigung

12

Kapitel 2: Die Literatur zum Zivilprozeßrecht I. Materialien

14

Π. Die Literatur zur CPO von 1877 . . . . ffl. Die Literatur zur CPO von 1898 . . .

15 .

16

IV. Die Literatur zur ZPO von 1924 . . . .

17

V. Die Literatur zur ZPO von 1933 . . . .

18

VI. Die Literatur zur ZPO von 1950 . . . .

19

VII. Die Literatur zum geltenden Recht . . . 1. Kommentare 2. Lehrbücher 3. Sonstige Literatur 4. Literatur zum GVG

20 20 21 22 23

V m . Die Literatur zum EuGVÜ

24

Kapitel 3: Die Zivilgerichtsbarkeit im Rechtsschutzsystem I. Das System umfassenden Rechtsschutzes Π. Der innerstaatliche Rechtsweg 1. Aufbau der Gerichtsbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland . . . . 2. Entscheidung über die Zulässigkeit . 3. Bindung der Zivilgerichte an rechtskräftige Entscheidungen anderer Gerichte a) Bindung an Rechtswegentscheidungen b) Inhaltliche Bindung an Entscheidungen anderer Zivilgerichte . .

25 29 29 32

34 34 37

c) Inhaltliche Bindung an Entscheidungen von Gerichten anderer Gerichtszweige d) Bindung Dritter und Drittwirkung der Rechtskraft 4. Entscheidung über Vorfragen . . . .

38 39 40

ΙΠ. Die Verfassungsgerichtsbarkeit 1. Aufbau 2. Zugang 3. Verhältnis zur Zivilgerichtsbarkeit und Verfassungsbeschwerde 4. Richtervorlage gemäß Art. 100 GG .

41 41 43

IV. Supranationale Gerichtsbarkeit 1. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) 2. Das Vorabentscheidungsverfahren . . 3. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)

49

V. Nichtstaatliche Gerichtsbarkeit und außergerichtliche Streitschlichtung . . . 1. Schiedsgerichtsbarkeit 2. Schieds-, Schlichtungs- und Gütestellen 3. Der Anwaltsvergleich

44 47

49 51 52 55 56 57 58

Kapitel 4: Verfahrensgrundlagen I. Der Streitgegenstand 1. Die Bedeutung der Lehre vom Streitgegenstand 2. Die Theorien zum Streitgegenstand im Zivilprozeß 3. Die Bewertung der Auffassungen . . 4. Ergebnis Π. Die Prozeßmaximen 1. Wesen und Bedeutung 2. Verfahrenseinleitung und Verfahrensherrschaft a) Begriffserklärung b) Die Dispositionsmaxime c) Einschränkungen 3. Die Sammlung des Prozeßstoffs . . . a) Begriffserklärung b) Die Verhandlungsmaxime . . . . c) Der Untersuchungsgrundsatz . . 4. Verfahrensgang und Verfahrensgestaltung a) Amtsbetrieb b) Mündlichkeit

Hanns Prütting

59 59 60 68 69 70 70 72 72 73 76 77 77 78 82 83 83 85 1

Einleitung c) Unmittelbarkeit d) Öffentlichkeit e) Beschleunigungsgrundsatz zentrationsmaxime)

Rdn. 87 89 (Kon91

III. Verfassungsrechtliche Grundlagen des Zivilprozeßrechts 1. Grundlagen 2. Das Rechtsstaatsprinzip a) Allgemeines b) Das Gebot effektiven Rechtsschutzes c) Der Anspruch auf ein faires Verfahren d) Die prozessuale Waffengleichheit e) Das Verbot überlanger Verfahrensdauer f) Nulla poena sine culpa g) Neutralität und Unabhängigkeit des Richters h) Die Gesetzesbindung der Gerichte 3. Der Anspruch auf rechtliches Gehör 4. Die Rechtsschutzgarantie (Justizgewährungsanspruch) 5. Das Gebot des gesetzlichen Richters 6. Die Entwicklung verfahrensrechtlichen Schutzes aus materiellen Grundrechtspositionen

92 92 94 94 95 96 97 98 99 100 101 102 104 106

109

Kapitel 5: Die Auslegung und Anwendung des Zivilprozeßrechts I. Grundfragen der Methodenlehre im Zivilprozeßrecht 111 Π. Auslegung

113

III. Richterliche Rechtsfortbildung

120

IV. Die Arten der prozessualen Rechtssätze 1. Zwingendes und dispositives Recht 2. Muß-Vorschriften und Soll-Vorschriften 3. Ermessen im Zivilprozeß 4. Privatrecht und öffentliches R e c h t . .

124 124

Kapitel 6: Internationales Zivilprozeßrecht I. Begriff, Rechtsquellen und Grundsätze des Internationalen Zivilprozeßrechts. . 1. Der Begriff des internationalen Zivilprozeßrechts 2. Die Rechtsquellen des internationalen Zivilprozeßrechts a) Völkerrecht b) Staatsverträge c) Autonomes Recht d) Richterrecht 3. Qualifikation a) Qualifikation eines Systembegriffs b) Bestimmung des Inhalts von Begriffen

2

126 127 128

129 129 133 133 134 138 139 140 141 142

Rdn. Π. Gerichtsbarkeit 146 1. Diplomaten 147 2. Konsuln 148 149 3. Ausländische Staaten a) Erkenntnisverfahren 150 b) Vollstreckungsverfahren 151 4. Ausländische Staatsunternehmen und -banken 152 ΙΠ. Internationale Zuständigkeit 1. Die Regelung der internationalen Zuständigkeit a) Staatsverträge b) Autonomes Recht 2. Örtliche und internationale Zuständigkeit a) Keine Bindungswirkung der Verweisung b) Kein Ausschluß der Berufung bei internationaler Unzuständigkeit . c) Kein Ausschluß der Revision bei internationaler Unzuständigkeit . 3. Konkurrierende internationale Zu, ständigkeit a) Positiver Kompetenzkonflikt . . . b) Negativer Kompetenzkonflikt . . IV. Die Durchführung von Verfahren mit Auslandsberührung 1. Die Stellung des Ausländers im Prozeß a) Freier Zugang zu den Gerichten . b) Partei- und Prozeßfähigkeit . . . c) Prozeßführungsbefugnis 2. Gerichtssprache 3. Vertretung im Prozeß 4. Zustellung über die Grenze 5. Armenrecht 6. Beweis 7. cautio iudicatum solvi 8. Anwendung ausländischen Rechts. . a) Ermittlung ausländischen Rechts b) Non liquet c) Materiellrechtliche Verweisung . . 9. Revisibilität ausländischen Rechts . . V. Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Zivilurteile 1. Rechtsquellen 2. Anerkennung 3. Vollstreckbarerklärung 4. Wirkung nicht anerkennungsfähiger Urteile VI. Die Anerkennung der Wirkungen ausländischer Verfahren 1. Internationale Rechtshängigkeit . . . 2. Internationale Konnexität 3. Unterbrechung der Verjährung durch ausländische Klageerhebung

153 154 154 155 156 157 158 159 160 161 164 165 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 179 180 182 183 184 188 189 190 190 191 192

VII. Einstweiliger Rechtsschutz im internationalen Rechtsverkehr 193 1. Der Arrestgrund des § 9 1 7 Abs. 2 ZPO 193

Hanns Prütting

Einl

Die Zeit vor 1877 2. Nachweis ausländischen R e c h t s . . . 3. Zustellung

Rdn. 194 195

Vili. Internationales Zwangsvollstreckungsund Insolvenzrecht 1. Internationales Zwangsvollstrekkungsrecht 2. Internationalesinsolvenzrecht. . . . a) W i r k u n g des deutschen K o n k u r ses im Ausland

200

b) W i r k u n g des ausländischen K o n kurses im Inland

201

I X . Internationale Schiedsgerichtsbarkeit . . 1. Gründe für den Abschluß einer internationalen Schiedsvereinbarung . . . 2 . Arten internationaler Schiedsgerichte 3. Rechtsquellen der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit

a) Schiedsvereinbarung 207 b) Ausgestaltung des Schiedsverfahrens 208

196 196 199

202 203 204 206

Rdn. 207

4 . Das internationale Schiedsverfahren

c) Anwendbares materielles R e c h t

.

210

5 . Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche 211 X . Internationale Rechtshilfe 213 1. Vertraglicher Rechtshilfeverkehr . . 215 2 . Vertragsloser Rechtshilfeverkehr . . 217 3. Durchführung der Rechtshilfe . . . . 218 a) Zustellungen 219 b) Beweisaufnahmen 220 c) Vollstreckungshilfe 221 d) Verfahrensüberleitung 222 e) Verfahrenshilfe 223

Kapitel 1: Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Zivilprozeßrechts Schrifttum

v. Bethmann-Hollweg Der Zivilprozeß des gemeinen Rechts, 1 8 6 4 - 1 8 7 4 , Bd. 1 - 6 , Neudruck 1959; Bettermann Hundert Jahre Zivilprozeßordnung, ZZP 91, 365; Coing Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bde. I bis III in Teilbänden, 1973 ff; ders. Europäisches Privatrecht, 2 Bde., 1985, 1989; Dahlmanns Der Strukturwandel des deutschen Zivilprozesses im 19. Jahrhundert, 1971; Dick Die Entwicklung des Kameralprozesses nach den Ordnungen von 1495 bis 1555, 1981; Döhring Geschichte der deutschen Rechtspflege seit 1500, 1953; Endemann Das deutsche Civilprozeßrecht, 1868 (Ndr. 1969); Hellweg Geschichtlicher Rückblick über die Entstehung der deutschen CPO, AcP 61, 78; Henckel Gedanken zur Entstehung und Geschichte der ZPO, Gedächtnisschrift für Bruns, 1980, S. 111; Hillmann Das Gericht als Ausdruck deutscher Kulturentwicklung im Mittelalter, 1930; Käser Das römische Zivilprozeßrecht, 1966; Kern Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Laufs Die Anfänge einheitlicher höchster Gerichtsbarkeit in Deutschland, JuS 1969, 256; Nörr Zur Stellung des Richters im gelehrten Prozeß der Frühzeit, 1967; ders. Naturrecht und Zivilprozeß, 1976; Planck Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, 2 Bde., 1879; Hans Schlosser Spätmittelalterlicher Zivilprozeß, 1971; Schmidt-v.Rhein Das Reichskammergericht in Wetzlar, NJW 1990, 489; Schubert Entstehung und Quellen der Zivilprozeßordnung von 1877, 1987; ders. Die unveröffentlichten Quellen zu den Reichsjustizgesetzen, J Z 1978, 98; ders. Die deutsche Gerichtsverfassung (1869-1877) — Entstehung und Quellen - , 1981; Schwartz 400 Jahre deutscher Zivilprozeßgesetzgebung, 1898; Sellert Prozeßgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973; ders. Die Reichsjustizgesetze von 1877 - ein denkwürdiges Ereignis? JuS 1977, 781; Simon Untersuchungen zum Justinianischen Zivilprozeß, 1969; Wenger Institutionen des römischen Zivilprozeßrechts, 1925; Wetzeil System des ordentlichen Prozesses, 3. Aufl., 1878, Neudruck 1969; Wieacker Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl., 1967; Wiggenhorn Der Reichskammergerichtsprozeß am Ende des alten Reiches, 1965.

I. Die Zeit vor 1 8 7 7 Das deutsche Zivilprozeßrecht hat seine Wurzeln vor allem im römisch-kanoni- 1 sehen und im germanischen Recht. In ihren ursprünglichen Formen waren die Verfahren dabei meist von der Mündlichkeit und der Verhandlungsmaxime geprägt. Hanns Prütting

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Geschichtliche Entwicklung des deutschen Zivilprozeßrechts

Später hat sich (ζ. B. im langobardischen Reich) auch ein germanisch-romanischer Mischprozeß entwickelt. Besonders bedeutsam war die Weiterentwicklung des kanonischen Prozesses, wobei die kirchliche Gerichtsbarkeit mehr und mehr auch auf weltliche Angelegenheiten ausgedehnt wurde. So entstand in Italien ein italienischkanonischer Prozeß, der durch die Rezeption im 14. und 15. Jahrhundert nach Deutschland gebracht wurde. Mit seiner Verbreitung durch den jeweiligen Landesherrn verdrängte dieser Prozeß die früheren Schöffengerichte. Von herausragender Bedeutung war insbesondere die Errichtung des Reichskammergerichts im Jahre 1495 als ständiges oberstes Reichsgericht. Die verschiedenen Kammergerichtsordnungen dieses Gerichts führten das neue Verfahren ein. Es wurde für die spätere Territorialgesetzgebung zum Vorbild genommen und galt im übrigen subsidiär im Deutschen Reich. Das Verfahren wurde nichtöffentlich und schriftlich geführt. Es ist für seine Schwerfälligkeit und die Gefahr zur Prozeßverschleppung berühmt geworden. Eine Reformierung des Verfahrens im Hinblick auf Prozeßbeschleunigung und die Einführung der Eventualmaxime konnte durch die Einflüsse des sächsischen Prozesses erreicht werden. So entwickelte sich aus diesen beiden Verfahren der sog. gemeine Prozeß, der bis in das 19. Jahrhundert hinein im Deutschen Reich jedenfalls subsidiär Anwendung fand. Geprägt ist der gemeine Prozeß durch Schriftlichkeit, NichtÖffentlichkeit und die Bindung der richterlichen Beweiswürdigung an feste Beweisregeln. Die gegen den gemeinen Prozeß gerichteten Reformversuche in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und im 19. Jahrhundert lösten sich Schritt für Schritt vom gemeinen Prozeß. War die Preußische Allgemeine Gerichtsordnung von 1793 noch deutlich an den gemeinen Prozeß angelehnt, so brachte der neue Code de Procedure Civil in Frankreich im Jahre 1 8 0 6 einen eindeutigen Umschwung. Das Verfahren war nunmehr mündlich und öffentlich und es wurde durch die Parteien bestimmt. Die Bindung an feste Beweisregeln wurde aufgehoben und die freie Beweiswürdigung eingeführt. Der französische Code de Procedure Civil galt auch zum Teil in Deutschland (in den linksrheinischen Gebieten) und er wurde zum Vorbild für eine Reihe neuer Prozeßordnungen. Hervorzuheben sind die Prozeßordnungen von Hannover aus dem Jahre 1850, von Baden 1864 und von Bayern 1869. Im Ergebnis bestand in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine außerordentlich große Rechtszersplitterung in Deutschland auf dem Gebiet des Zivilprozeßrechts.

Π. Die Entstehung der CPO von 1 8 7 7 2

Bedingt durch die in Deutschland bestehende Rechtszersplitterung setzte bereits vor Gründung des Norddeutschen Bundes (1866) und des Deutschen Reiches (1870) eine Entwicklung hin zu einem einheitlichen Zivilprozeßrecht ein. Das deutsche Kaiserreich von 1870/71 griff auf diese Vorarbeiten zurück und es wurde unter dem Vorsitz des Justizministers Adolf Leonhard ein erster Entwurf einer reichseinheitlichen Zivilprozeßordnung erstellt. Überarbeitungen dieses Entwurfs durch eine weitere Kommission im Jahre 1872 (2. Entwurf) und durch den Bundesrat führten dann im Jahre 1874 zum Einbringen des Entwurfs in seiner 3. Fassung in den Reichstag. Dort wurde die CPO zusammen mit den anderen Reichsjustizgesetzen am 21. 12. 1876 angenommen und nach Zustimmung von Bundesrat und Kaiser am 30. 1. 1 8 7 7 veröffentlicht. Die CPO trat am 1. 10. 1879 im Deutschen Reich zugleich mit den übrigen Reichsjustizgesetzen (GVG, StPO, KO) in Kraft. Über die grundsätzliche Bedeutung dieser liberalen Kodifikation für die Rechtseinheit in Deutschland und ihre Ausstrahlungskraft auf viele andere Staaten der Erde (vgl. dazu nunmehr Habscheid Das deutsche Zivilprozeßrecht und seine Ausstrahlung 4

Hanns Priitting

Die Entwicklung des Zivilprozeßrechts von 1 8 7 9 - 1 9 4 5

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auf andere Rechtsordnungen, 1 9 9 1 ) kann es keinen Zweifel geben. In allen Bereichen des deutschen Verfahrensrechts und der Gerichtsverfassung wurden damals die Grundlagen gelegt, auf denen auch heute unsere Prozeßgesetze noch beruhen.

ΠΙ. Die Entwicklung des Zivilprozeßrechts von 1879—1945 1. Trotz der zweifellos im ganzen sehr gut gelungenen und im Ergebnis moder- 3 nen liberalen Kodifikation des Zivilprozeßrechts im Jahre 1 8 7 7 wurden in verschiedenen Bereichen schon bald Reformwünsche laut. Die allgemein begrüßte Durchsetzung von Mündlichkeit, Öffentlichkeit, Unmittelbarkeit und freier Beweiswürdigung konnten nicht verdecken, daß sich die Zeitströmung am Ende des 19. Jahrhunderts bereits wieder von rein liberalen Rechtsvorstellungen abzukehren und hin zu einer sozialen Einstellung zu entwickeln begann. Zur Kritik trugen auch die von Beginn an vorhandenen Überlastungsprobleme (insbesondere beim Reichsgericht) bei. Gegen die sehr liberale Grundstruktur der CPO gerichtet waren vor allem die Wünsche nach Beschneidung der umfassenden Parteifreiheit und Stärkung der Position des Richters. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die Auffassungen und Ideen von Franz Klein und der Einfluß der von ihm geschaffenen neuen österreichischen Prozeßordnung von 1 8 9 8 . Gegen das liberalistische Konzept der deutschen CPO setzte er seine Auffassung eines sozialen Zivilprozesses (im einzelnen vgl. Sprung Z Z P 92, 4). 2. Von den Gesetzesnovellen im deutschen Kaiserreich sind vor allem zwei zu 4 erwähnen. Die Novelle vom 17. 5. 1 8 9 8 brachte eine umfangreiche Anpassung der CPO an das 1 8 9 6 verabschiedete B G B und das H G B . Die CPO erhielt damals zugleich eine neue Numerierung. Die Novelle vom 1. 6 . 1 9 0 9 griff in erheblichem Umfang in das amtsgerichtliche Verfahren ein (sog. Amtsgerichtsnovelle). Sie schuf eine Rolle besonderer Bestimmungen des amtsgerichtlichen Verfahrens, die weg von der reinen Parteiherrschaft und hin zur Stärkung der Richtermacht führten. Darüber hinaus wurde die CPO durch eine Vereinbarung vom 18. 12. 1 9 0 2 im Bundesrat über die neue Rechtschreibung (s. Centraiblatt für das Deutsche Reich, 1 9 0 2 , S. 4 3 2 ) ab 1. Januar 1 9 0 3 sprachlich in „Zivilprozeßordnung" ( Z P O ) " umgewandelt. 3. Aus der Zeit der Weimarer Republik ist zunächst die Novelle vom 13. 2. 1 9 2 4 5 hervorzuheben. Sie stellt einen Ausschnitt aus der sog. Emmingerschen Justizreform dar und führte eine Entwicklung für das gesamte Verfahrensrecht fort, die sich durch den Einfluß von Franz Klein und die Amtsgerichtsnovelle von 1 9 0 9 bereits angebahnt hatte. Die Novelle übertrug dem Richter vor den Amtsgerichten bereits zustehende Befugnisse auch auf das landgerichtliche Verfahren, sie beseitigte die Parteidisposition über die Termine, führte die Konzentrationsmaxime, die Entscheidung nach Lage der Akten, den Einzelrichter beim Landgericht und das Güteverfahren beim Amtsgericht ein. Neben der Novelle von 1 9 2 4 verdient besondere Hervorhebung der Reformentwurf des Reichsjustizministeriums aus dem Jahr 1 9 3 1 . Auch wenn dieser Entwurf nicht Gesetz wurde, so hat er doch die weitere Entwicklung des Zivilprozeßrechts in Deutschland erheblich beeinflußt. Bis heute wird vielfach auf ihn noch Bezug genommen. 4. Die Zeit des Nationalsozialismus begann mit einer ZPO-Novelle, die eindeu- 6 tig noch nicht dem nationalsozialistischen Gedankengut zuzurechnen ist. Durch das Gesetz vom 2 7 . 10. 1 9 3 3 (in Kraft getreten am 1. 1. 1 9 3 4 ) sowie durch die Neubekanntmachung der Z P O vom 8. 11. 1 9 3 3 wurden vielmehr Änderungen vorgenomHanns Prütting

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Geschichtliche Entwicklung des deutschen Zivilprozeßrechts

men, die vor 1933 erarbeitet worden und die im wesentlichen im Entwurf 1931 enthalten gewesen waren. Hervorzuheben ist die Einführung der Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht für die Parteien und die Ersetzung des sog. zugeschobenen Eides durch die Parteivernehmung. Weitere erwähnenswerte gesetzgeberische Eingriffe in die ZPO gab es in der Zeit bis 1945 nicht. Dennoch ist es heute unbestreitbar, daß der nationalsozialistische Geist durch andersgeartete Einflüsse vielfach auch auf den (nur scheinbar politisch neutralen) Zivilprozeß eingewirkt hat. Berühmt geworden sind die sog. Richterbriefe, mit deren Hilfe auf die sachliche Unabhängigkeit der Richter Einfluß genommen wurde. Hervorzuheben ist ferner der überall wirksame Einfluß des nationalsozialistischen Rassegedankens und der Rassengesetzgebung. Die Folgen reichten von der Entfernung jüdischer Richter, dem Ausschluß jüdischer Rechtsanwälte aus der Anwaltschaft bis hin zur Selektierung des wissenschaftlichen Schrifttums im Hinblick auf jüdische Autoren. Abgeschafft wurde weiterhin das richterliche Prüfungsrecht der Gesetze, wobei bekanntlich nach 1933 Gesetze nicht nur durch den Reichstag, sondern auch durch die Reichsregierung erlassen werden konnten. Bekannt ist schließlich die Tatsache, daß die Auslegung des Rechts und damit auch des Zivilprozeßrechts sich an der nationalsozialistischen Weltanschauung orientieren mußte.

IV. Die Entwicklung des Zivilprozeßrechts nach 1945 7

1. Nach dem Stillstand der Rechtspflege im Jahre 1945 kam es erst durch das Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit vom 12. 9 . 1 9 5 0 wiederum zu einer einheitlichen Zivilgerichtsbarkeit in der gesamten Bundesrepublik Deutschland. Durch dieses Gesetz wurde die ZPO von den Einflüssen des Nationalsozialismus gereinigt und neu bekanntgemacht. Diese Fassung der ZPO aus dem Jahre 1950 beruhte im wesentlichen auf dem Gesetzestext des Jahres 1933. Die neue ZPO ist trotz vielfacher Änderungen im einzelnen bis 1976 im Kern gleichgeblieben. Hervorhebenswerte Änderungen betrafen das Kindschaftsverfahren (geändert durch das Nichtehelichengesetz vom 19. 8. 1969), die Gerichtsstandsnovelle vom 21. 3. 1974, durch die für Nichtkaufleute die Möglichkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen gemäß § 38 sehr stark eingeschränkt wurde, und die Einzelrichternovelle vom 20. 12. 1974, die im erstinstanzlichen Verfahren vor den Landgerichten den alleinentscheidenden Einzelrichter einführte. Die mehrfache Einschränkung des Zugangs zum Revisionsgericht führte im Rahmen der Revisionsnovelle vom 8. 7. 1975 zu einem teilweisen Umbau des Systems. Zwar wurde nicht wie in allen anderen Gerichtsbarkeiten eine reine Zulassungsrevision eingeführt, der BGH erhielt aber die Möglichkeit, die Annahme einer eingelegten Revision abzulehnen.

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2. Das Jahr 1976 brachte mit dem ersten Ehereformgesetz vom 14. 6. 1976 und vor allem mit dem Gesetz zur Vereinfachung und Beschleunigung gerichtlicher Verfahren vom 3. 12. 1976 (sog. Vereinfachungsnovelle) die bis heute zentralen und tiefgreifensten Veränderungen der ZPO seit 1950. Während das erste Ehereformgesetz das Verfahren in Ehe- und Familiensachen vollkommen neu regelte, versuchte die Vereinfachungsnovelle eine durchgehende Beschleunigung und Konzentration der Prozesse auf möglichst einen Verhandlungstermin zu erreichen. Der Gesetzgeber hat deshalb insbesondere die §§ 272—283 vollkommen neu gestaltet. Kernstück des Prozesses ist nunmehr der umfassend vorbereitete Haupttermin, für den § 2 7 2 zwei unterschiedliche Wege der Vorbereitung' und Verfahrenseinleitung zur Verfügung stellt. Andererseits soll die Konzentration des Verfahrens durch eine strenge Präklusionsmöglichkeit bei verspätetem Vorbringen erreicht werden (vgl. § 296). Durch

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Hanns Prütting

Der Zivilprozeß nach der Wiedervereinigung

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die Vereinfachungsnovelle wurde die ZPO aber auch in vielen anderen Bereichen verändert (so etwa das Mahnverfahren und die vorläufige Vollstreckbarkeit). Die Vereinfachungsnovelle ist ebenso wie das erste Ehereformgesetz am 1 . 7 . 1 9 7 7 in Kraft getreten. Literatur und Rechtsprechung aus der Zeit vor 1977 können deshalb zur Verwertung in der Praxis nur noch eingeschränkt und nach sorgfältiger Prüfung herangezogen werden. 3. Trotz der einschneidenden gesetzgeberischen Aktivitäten des Jahres 1976 ist 9 die ZPO auch seither in Einzelheiten mehrfach geändert worden. Von übergreifender Bedeutung aus der Zeit nach 1977 sind zwei Novellen. Das Gesetz über die Prozeßkostenhilfe vom 13. 6. 1980 hat das frühere Armenrecht abgelöst und durchgreifende Vorsorge geschaffen, daß die Führung von Prozessen nicht an einer Kostenbarriere scheitert. Damit ist der verfassungsrechtlich garantierte Zugang zum Gericht auch praktisch verbessert worden. Zuletzt hat der Gesetzgeber durch drei verschiedene Gesetze vom 17. 12.1990 1 0 noch einmal tiefgreifend in die ZPO eingegriffen. Durch das vierte VwGO-ÄndG von diesem Tage wurden insbesondere die gesamten Rechtswegevorschriften novelliert und neu gestaltet (§ 17, 17a, 1 7 b GVG). Durch Art. 6 des Verbraucherkreditgesetzes vom 17. 12. 1990 wurde abermals das Mahnverfahren verändert. Schließlich hat das sog. Rechtspflegevereinfachungsgesetz vom 17. 12. 1990 nochmals in breitem Umfang versucht, durch verschiedenartige Einzelmaßnahmen das Verfahren zu beschleunigen und die Gerichte zu entlasten. Hervorzuheben sind das neue Bagatellverfahren des § 495 a und die Veränderungen im Beweisrecht (Einschränkungen der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme beim Zeugenbeweis, Verbesserungen beim Sachverständigenbeweis, neues selbständiges Beweisverfahren anstelle des bisherigen Beweissicherungsverfahrens). 4. Reformpläne: Trotz unermüdlicher gesetzgeberischer Novellierungsaktivitä- 11 ten hat insbesondere das Bedürfnis der neuen Bundesländer nach personeller und materieller Unterstützung gerade auch im Bereich der Zivilrechtspflege dazu geführt, daß schon zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Rechtspflegevereinfachungsgesetzes (vom 17. 12. 1990) am 1.4. 1991 ein weiterer Gesetzentwurf zur Entlastung der Rechtspflege durch die Landesjustizminister erarbeitet worden ist. Dieser Entwurf bringt eine Fülle unterschiedlichster Regelungsvorschläge und begegnet aus vielfältigen Gründen großen Bedenken (vgl. Prutting AnwBl. 1991, 606). Im Ergebnis hat das nunmehr erlassene Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.1. 1993 (BGBl. I 50) seit dem 1. 3. 1993 für die ZPO aber nur unbedeutende Veränderungen gebracht (vgl. §§ 9, 2 9 a , 128, 313 a, 348, 495a, 511a). Unabhängig von den Einzelheiten dieser und ähnlicher gesetzgeberischer Reformaktivitäten muß gesagt werden, daß das Zivilprozeßrecht dringend einer Ruhepause und Konsolidierung bedarf. Der Gesetzgeber unterschätzt seit langem, daß jede weitere Novellierung immer wieder neue Unklarheiten, Abgrenzungs- und Auslegungsfragen und weitere Streitpunkte hervorruft.

V. Der Zivilprozeß nach der Wiedervereinigung 1. Durch den Beitritt der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik zum 1 2 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist nach dem Einigungsvertrag vom 31. 8. 1990 im sog. Beitrittsgebiet (also den fünf neuen Bundesländern und dem Ostteil Berlins) grundsätzlich das gesamte Bundesrecht in Kraft getreten. Seit 3. 10. 1990 gelten deshalb die ZPO sowie alle weiteren Normen des ZivilverfahHanns Priitting

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Literatur zum Zivilprozeßrecht

rensrechts an sich auch im Gebiet der ehemaligen DDR. Jedoch hat der Einigungsvertrag in seiner Anlage I vielfältige Einschränkungen und Modifizierungen gebracht, um das geltende Zivilprozeßrecht an die früheren Rechtspflegestrukturen der ehemaligen DDR anzupassen. So wird in erster Instanz das Kreisgericht anstelle der Amts- und Landgerichte und in zweiter Instanz das Bezirksgericht anstelle der Land- und Oberlandesgerichte tätig. In erster Instanz gibt es keinen Anwaltszwang. Es gilt generell das amtsgerichtliche Verfahren. Dagegen ist von den Bezirksgerichten ein Anwaltszwang vorgesehen, allerdings ohne Beschränkungen der Lokalisierung auf ein bestimmtes Bezirksgericht (zu Einzelheiten vgl. Gottwald FamRZ 1990, 1177; Rieß/Hilger Das Rechtspflegerecht des Einigungsvertrages, 1991). 13 2. Die weitere Entwicklung der gesamten Gerichtsbarkeit in den neuen Bundesländern ist durch das Bemühen bestimmt, gemäß der Verpflichtung aus dem Einigungsvertrag durch Landesgesetze die besonderen Gerichtsbarkeiten (Arbeits-, Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit) aus der Zuständigkeit der Kreis- und Bezirksgerichte auszugliedern und im Rahmen der ordentlichen Gerichtsbarkeit Amtsgerichte, Landgerichte und Oberlandesgerichte einzurichten. Dem dient das Gesetz zur Anpassung der Rechtspflege im Beitrittsgebiet (Rechtspflege-Anpassungsgesetz vom 26. 6. 1992, das am 1. 7. 1992 in Kraft getreten ist; vgl. im einzelnen Rieß DtZ 1992, 226). Die Einzelheiten und Besonderheiten dieses organisatorischen Umbaus der gesamten Gerichtsbarkeit in den neuen Bundesländern werden dann durch spezielle Gerichtsorganisationsgesetze dieser Länder durchgeführt. So hat Mecklenburg-Vorpommern bereits ein Gerichtsstrukturgesetz vom 19. 3 . 1 9 9 1 erlassen, Sachsen hat ein Gerichtsorganisationsgesetz vom 30. 6 . 1 9 9 2 erlassen. Bis zum Sommer 1993 sind nunmehr alle besonderen Gerichtsbarkeiten aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit ausgegliedert und als selbständige Fachgerichtsbarkeiten eingerichtet worden. Seit dem 1. 12. 1993 ist auch die Errichtung von Amtsgerichten, Landgerichten und Oberlandesgerichten in allen neuen Bundesländern abgeschlossen (vgl. Bericht, ZRP 1994, 46).

Kapitel 2: Die Literatur zum Zivilprozeßrecht I. Materialien 14

Hahn Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, fortgesetzt von Mugdan Bd. 1, GVG, 2. Aufl. 1883; Bd. 2, ZPO, 2. Aufl. von Stegemann 1881; Bd. 4, KO, 1889; Bd. 5, ZVG und GBO, 1 8 9 7 ; Bd. 7, FGG und Novelle von 1898 zur KO, 1898; Bd. 8, Novelle von 1898 zur ZPO.

Π. Die Literatur zur CPO von 1 8 7 7 15

v. Bar Das deutsche Civilprozeßrecht, 1890; v. Biilow Die CPO und ihre Nebengesetze, 1882; Endemann Der deutsche Civilprozeß, 3 Bde., 1 8 7 8 / 7 9 ; Förster Die CPO für das Deutsche Reich nebst EinfiihrungsG, 2 Bde., 1 8 8 4 - 1 8 8 8 ; Hellmann Die CPO für das Deutsche Reich nebst EinführungsG, 3 Bde., 1 8 7 8 / 7 9 ; Gaupp Die CPO für das Deutsche Reich, 1879; Kleiner Komm, zur CPO für das Deutsche Reich, 3 Bde., 1 8 7 8 - 1 8 8 2 ; Meves Die CPO und die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen nach jetzt geltendem preußischem Recht, 1881; Petersen Die CPO für das Deutsche Reich nebst EinführungsG, 2 Bde., 1877; Planck Lehrbuch des deutschen Civilprozeßrechts, Bd. 1, 1887, Bd. 2, 1 8 9 1 - 1 8 9 6 ; Puchelt Die CPO für das Deutsche Reich, 2 Bde., 1 8 7 7 / 7 8 ; Reincke Die deutsche CPO für die Praxis erläutert, 1885; v. Rintelen Der Civilprozeß, 1891; v. Sarwey Die CPO für das Deutsche Reich, 8

Hanns Prütting

Literatur zur Z P O von 1950

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2 Bde., 1879/80; Seuffert Komm, zur CPO, 2 Bde., 1877; Siebenhaar Komm, zur CPO, 1877; Struckmann/Koch Die CPO für das Deutsche Reich, 1877; Sydow CPO und GVG, 1877; Wach Handbuch des deutschen Civilprozeßrechts, Bd. 1, 1885; ders. Vorträge über die RCPO, 2. Aufl., 1896; v. Wilmowski/Levy Komm, zur CPO, 7. Aufl. 1895.

ΠΙ. Die Literatur zur CPO von 1898 Bunsen Lehrbuch des deutschen Civilprozeßrechts, 1900; Engelmann Der Civilprozeß, Geschichte und System, 1 8 8 9 - 1 9 0 1 ; Fischer Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeß- und Konkursrechts, 1918; Fitting Der Reichscivilprozeß, 13. Aufl., 1907; Freudenthal CPO, 1899; Gaupp/ Stein CPO für das Deutsche Reich, 3. Aufl., 1898; Heilfron/Pick Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, 2 Bde., 3. Aufl., 1921; Hellwig Lehrbuch des Deutschen Civilprozeßrechts, Bd. 1 , 1 9 0 3 , Bd. 2, 1907, Bd. 3, 1909; ders. System des Deutschen Zivilprozeßrechts, Bd. 1, 1912; Bd. 2 vollendet von Oertmann 1919; Kohler Zivilprozeß- und KonkursR, 1903; Neukamp Handkomm. zur ZPO, 1911; Neumiller ZPO, 4. Aufl., 1910; Petersen/Remèle/Anger Z P O für das Deutsche Reich, 5. Aufl., 1910; Reincke/Wienstein ZPO, 6. Aufl., 1910; Skonietzki/Gelpcke Z P O und GVG, Bd. 1,1911; Bd. 2, 1916; Schmidt Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 2. Aufl., 1906; Struckmann/Koch ZPO, 9. Aufl., 1910; Warneyer ZPO, 1906; Weismann Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 2 Bde., 1903/1905; Willenbücher Zivilprozeß- und Zwangsvollstreckungsverfahren, 3. Aufl., 1909.

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IV. Die Literatur zur ZPO von 1924 Baumbach ZPO, 1924; Förster/Kann Die ZPO, 3. Aufl., 1 9 1 0 - 1 9 2 6 , mit Nachtrag 1926; Freudenthal/Sauerländer ZPO, 4. Aufl., 1926; Goldschmidt Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., 1932; Kisch Deutsches Zivilprozeßrecht, 4. Aufl., 1929; Kleinfeller Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 3. Aufl., 1925; Lehmann/Weiß Das neue Zivilprozeßrecht, 1924; Lucas/Richter Zivilprozeßreform, 1924; Meyer/Zöller Z P O mit Nebengesetzen, 1931; Oertmann Grundriß des deutschen Zivilprozeßrechts, 5. Aufl., 1930; Rosenberg Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 1927; Sauer Grundlagen des Prozeßrechts, 2. Aufl., 1929; Seltner ZPO, 1929; Simeon/ David Lehrbuch der freiwilligen und streitigen Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., 1927; Sonnen Das neue Zivilprozeßrecht, 1924; Stein/Jonas ZPO, 13. Aufl., 1926; Stein/Juncker Grundriß des Zivilprozeß- und KonkursR, 3. Aufl., 1928.

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V. Die Literatur zur ZPO von 1933 Baumbach Elementarbuch des Zivilprozesses, 1941; Bernhardt Rechtsstreit, 1939; de Boor Rechtsstreit, 1940; ]onas, ZPO, 16. Aufl., 1938/39; Seuffert/Walsmann ZPO, 12. Aufl., 2 Bde., 1932/33, mit Nachträgen 1934/35; Sydow/Busch/Krantz/Triebel ZPO, 22. Aufl., 2 Bde., 1941; Walsmann Rechtsstreit und Vollstreckung, 1936; Warneyer ZPO, 7. Aufl. 1937.

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VI. Die Literatur zur ZPO von 1950 (bis zur Vereinfachungsnovelle 1976) Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO, 34. Aufl., 1976; Baur Zivilprozeßrecht, 1976; Bergerfurth Der Zivilprozeß, 2. Aufl., 1974; Bernhardt Das Zivilprozeßrecht, 3. Aufl., 1968; A. Blomeyer Zivilprozeßrecht, 1963; de Boor/Erkel Zivilprozeßrecht, 1961; Bruns Zivilprozeßrecht, 1968; Grunsky Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl., 1974; Hoche Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., 1961; Jauernig Zivilprozeßrecht, 18. Aufl., 1977; Nikisch Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., 1952; Rosenberg/Schwab Zivilprozeßrecht, 11. Aufl., 1974; Schönke/Kuchinke Zivilprozeßrecht, 9. Aufl., 1970; Stein/Jonas/Pohle Kommentar zur ZPO, 19. Aufl., 1 9 6 4 - 7 5 ; Thomas/Putzo ZPO, 8. Aufl., 1975; Wieczorek ZPO, 7 Bde., 1 9 5 7 - 1 9 6 3 ; Zeiss Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., 1976; Zöller ZPO, 11. Aufl., 1974. Hanns Prütting

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Literatur zum Zivilprozeßrecht

VII. Die Literatur zum geltenden Recht 1. Kommentare 20

Alternativkommentar zur ZPO, 1987; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO, 52. Aufl., 1994; Münchener Kommentar zur ZPO, 3 Bde., 1992; Schuschke Kommentar zum 8. Buch der ZPO, Bd. I, 1992; Stein/Jonas ZPO, 20. Aufl., 1 9 7 7 - 1 9 8 9 (bearb. von Grunsky, Leipold, Münzberg, Schlosser, Schumann); 21. Aufl., 1993 ff; Thomas/Putzo ZPO, 18. Aufl., 1993; Wieczorek/Schütze ZPO, 3. Aufl., 1994 ff; Zimmermann ZPO, 3. Aufl., 1993; Zöller, ZPO, 18. Aufl., 1993 (bearb. von Geimer, Greger, Gummer, Herget, Philippi, Schneider, Stöber, Vollkommer). 2 . Lehrbücher

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Arens/Lüke Zivilprozeßrecht, 5. Aufl., 1992; Baumann/Brehm Zwangsvollstreckung, 2. Aufl., 1982; Baur/Grunsky Zivilprozeß, 7. Aufl., 1991; Baur/Stiirner Zwangsvollstrekkungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, 11. Aufl., 1983 (Bd. II, 12. Aufl., 1990); Blomeyer Zivilprozeßrecht, Erkenntnisverfahren, 2. Aufl., 1985; ders. Zivilprozeßrecht, Vollstreckungsverfahren, 1975; Brox/Walker Zwangsvollstreckungsrecht, 4. Aufl., 1993; Bruns Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., 1979; Brunst?eters Zwangsvollstreckungsrecht, 4. Aufl., 1993; Gerhardt Vollstreckungsrecht, 2. Aufl., 1982; Grunsky Grundzüge des Zwangsvollstreckungs- und Konkursrechts, 4. Aufl., 1987; Jauernig Zivilprozeßrecht, 24. Aufl., 1993; ders. Zwangsvollstreckungs- und Konkursrecht, 19. Aufl., 1990; Rosenberg/Schwab Zivilprozeßrecht, 14. Aufl., 1986; Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozeßrecht, 15. Aufl., 1993; Rosenberg/Gaul/Schilken Zwangsvollstreckungsrecht, 10. Aufl., 1987; Schellhammer Zivilprozeß, 6. Aufl., 1994; Schilken Zivilprozeßrecht, 1992; Schlosser Zivilprozeßrecht I, 2. Aufl., 1991; Bd. II, 1984; Schönke/Kuchinke Zivilprozeßrecht, 9. Aufl., 1969; Wolf Gerichtliches Verfahrensrecht, 1978; Zeiss Zivilprozeßrecht, 8. Aufl., 1993. 3. Sonstige Literatur

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Arndt Juristische Ausbildung, 3. Aufl., 1972; Baumann Grundbegriffe und Verfahrensprinzipien des Zivilprozeßrechts, 2. Aufl., 1979; Baumgärtel Der Zivilprozeßrechtsfall, 7. Aufl., 1987; ders. Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., 1977; ders. Einführung in das Zivilprozeßrecht mit Examinatorium, 7. Aufl., 1986; Baur ESJ, Zivilverfahrensrecht, 1971; Β ender/B elz/Wax Das Verfahren nach der Vereinfachungsnovelle und vor dem Familiengericht, 1977; Bergerfurth Der Zivilprozeß, 6. Aufl., 1991; Bischof Der Zivilprozeß nach der Vereinfachungsnovelle, 1980; Bull Prozeßkunst, 2. Aufl., 1975; Bull/Puls Prozeßhilfen, 4. Aufl., 1981; Fleischmann/ Rupp Zivilprozeßrecht in Praxis und Examen, 1987; Förschler Praktische Einführung in den Zivilprozeß, 5. Aufl., 1992; Furtner Das Urteil im Zivilprozeß, 5. Aufl., 1985; Gerhardt Fälle und Lösungen, Zivilprozeßrecht, 4. Aufl., 1987; Hartwieg/Hesse Die Entscheidung im Zivilprozeß, 1981; Locher/Mes Beck'sches Proßzeßformularbuch, 6. Aufl., 1992; Lüke Fälle zum Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., 1993; ders. PdW, Zwangsvollstreckungsrecht, 2. Aufl., 1993; Lüke/ Prutting Lexikon des Rechts, Zivilverfahrensrecht, 1989; Menne Der Zivilprozeß, 1977; Michel Der Schriftsatz des Anwalts im Zivilprozeß, 3. Aufl., 1991; Musielak Grundkurs ZPO, 2. Aufl., 1993; Panile Die Praxis des Zivilprozesses, 2. Aufl., 1992; Peters Zivilprozeßrecht einschließlich Zwangsvollstreckung und Konkurs, 4. Aufl., 1986; Pukall Der Zivilprozeß in der gerichtlichen Praxis, 5. Aufl., 1992; Sattelmacher/Sirp Bericht, Gutachten und Urteil, 31. Aufl., 1989; Schellhammer Die Arbeitsmethoden des Zivilrichters, 11. Aufl., 1993; Schlichting Praktikum des Zivilprozeßrechts, 1981; Schräder/Steinert Zivilprozeß, 7. Aufl., 1990; Schreiber Übungen im Zivilprozeßrecht, 1985; Schumann Die ZPO-Klausur, 1981; Wieser Grundzüge des Zivilprozeßrechts, 1986. 4. Die Literatur zum GVG

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Kern Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Kissel GVG, Kommentar, 2. Aufl., 1994; Schilken Gerichtsverfassungsrecht, 2. Aufl., 1994; Wolf Gerichtsverfassungsrecht aller Verfahrenszweige, 6. Aufl., 1987.

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Hanns Prütting

Das System umfassenden Rechtsschutzes

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Vm. Die Literatur zum EuGVÜ (vom 27. 9. 1968 idF vom 26. 5. 1989) Almeida/Cruz/Desantes Real/Jenard Bericht zu dem Übereinkommen vom 26. 5. 1989, 2 4 ABl. EG 1990, C 189, S. 3 5 - 5 6 ; Anton Civil Jurisdiction in Scotland, 1984; Bülow Vereinheitlichtes internationales Zivilprozeßrecht in der EWG, RabelsZ 1965, 473; Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 3. Aufl., 1987 Nr. 6 0 0 - 6 0 7 (Stand Mai 1993); Collins The Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982,1983; Dashwood/Hacon/White A Guide to the Civil Jurisdiction and Judgments Convention, 1987; Droz Compétence judiciaire et effets des judgement dans le Marché Commun, 1972; Geimer Eine neue internationale Zuständigkeitsordnung für Europa, NJW 1976, 441; ders. Kompetenzkonflikte im System des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens, FS für Kralik, 1986, S. 179; ders. Das Nebeneinander und Miteinander von europäischem und nationalem Zivilprozeßrecht, NJW 1986, 2991; ders. The European Law of Civil Procedure under the Brussels Convention, FS für Stiefel, 1987, S. 219; Geimer/Schiitze InternaLa convention de Brutionale Urteilsanerkennung, Bd. I/l (EuGVÜ), 1983; Gothot/Holleaux xelles du 27. 9. 1968, 1985; Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I 1982, Bd. III 1 und Bd. III 2 1984; Hartley Civil Jurisdiction and Judgments, 1984; v. Hoffmann Das EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen, AWD 1973, 57; Jayme/Kohler Das internationale Privat- und Verfahrensrecht der Europäischen Gemeinschaft — jüngste Entwicklungen, IPRax 1988, 133; 1989, 337; dies. Das Internationale Privat- und Verfahrensrecht der EG auf dem Wege zum Binnenmarkt, IPRax 1990, 353; Jenard Bericht zu dem Übereinkommen zum 27. 9 . 1 9 6 8 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. EG 1979, C 59, S. 1—65; Kaye Civil Jurisdiction and Enforcement of Foreign Judgments, 1987; Kerameus/Evrigenis Bericht zu dem Übereinkommen vom 25. 10. 1982, ABl. EG 1986, C 298, S. 1—28; Kohler Die zweite Revision des Europäischen Gerichtsstandsund Vollstreckungsübereinkommens, EuZW 1991, 303; Kropholler Europäisches Zivilprozeßrecht, 4. Aufl., 1993; O'Malley/Layton European Civil Practice, 1989; Martiny Autonome und einheitliche Auslegung im Europäischen Internationalen Zivilprozeßrecht, RabelsZ 45 (1981), 427; Schlosser Der EuGH und das Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen, NJW 1977, 457; ders. Bericht zu dem Übereinkommen vom 9 . 1 0 . 1 9 7 8 , ABl. EG 1979, C 59, S. 7 1 - 1 5 1 ; ders. Vertragsautonome Auslegung, materielles Recht, Rechtsvergleichung und das EuGVÜ, Gedächtnisschrift für Bruns, 1980, S. 45; Schultz Zwischenbilanz des europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens, IPRax 1983, 97; Spellenberg Das Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen als Kern eines europäischen Zivilprozeßrechts, EuR 15 (1980), 329; Verheul Rechtsmacht in het Nederlandse Internationaal Privaatrecht, Deel 1, Het EEG Bevoegdheits- en Executievertrag, 1982; Weser Convention communautaire sur la competence judiciaire et l'execution des décisions, 1975.

Kapitel 3: Die Zivilgerichtsbarkeit im Rechtsschutzsystem I. Das System umfassenden Rechtsschutzes Schrifttum Bauer Gerichtsschutz als Verfassungsgarantie, 1973; Buermeyer Rechtsschutzgarantie und Gerichtsverfahrensrecht, 1976; Dütz Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz im Privatrecht, 1970; Lorenz Der grundrechtliche Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, AöR 105 (1980), 623; ders. Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973; Schumann Menschenrechtskonvention und Zivilprozeß, FS für Schwab, 1990, S. 449; Schwab/Gottwald Verfassung und Zivilprozeß, 1984. Die Bundesrepublik Deutschland weist ein System umfassenden Rechtsschutzes auf. Auf der Grundlage des Rechtsstaatsprinzips besteht die Pflicht des Staates zur Hanns Prütting

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Zivilgerichtsbarkeit im Rechtsschutzsystem

Justizgewährung 1 . Zugleich ist der mit der Justizgewährung verbundene Schutz subjektiver Rechte ein wesentlicher Prozeßzweck, der neben dem Rechtsstaatsprinzip unmittelbar auf den Freiheitsrechten der Verfassung beruht 2 . Der Justizgewährungsanspruch ist ein subjektives öffentliches Recht des Einzelnen gegen den Staat. Dem Bürger wird ein qualifizierter Rechtsschutz, der durch eine unabhängige richterliche Gewalt wahrgenommen wird, zuteil. Dieser Rechtsschutz ist aber nicht nur auf die Durchsetzung subjektiver Rechte beschränkt, sondern er dient auch der Verwirklichung des objektiven Rechts 3 . Der Staat ist also verpflichtet, in sämtlichen Rechtsbereichen ein qualifiziertes Verfahren zur verbindlichen Streitentscheidung bereitzustellen 4 . Damit stellt sich der Justizgewährungsanspruch als Korrelat zum staatlichen Gewaltmonopol einerseits und zum Selbsthilfeverbot des Bürgers andererseits dar. 26

Für Grundrechtsverletzungen steht dem Betroffenen nach Art. 93 GG der Rechtsweg vor das BVerfG offen. Bei Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt, womit die vollziehende Gewalt in Ausübung hoheitlicher Befugnisse gemeint ist, besteht eine Rechtsschutzgarantie gemäß Art. 19 Abs. 4 GG. Auch für privatrechtliche Streitigkeiten ist ein umfassender Rechtsschutz anerkannt, der sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitet 5 . Die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG gibt dem Betroffenen einen Anspruch auf Zugang zu einem staatlichen Gericht 6 , wobei sich allerdings weder aus Art. 19 Abs. 4 GG noch aus dem Rechtsstaatsprinzip ableiten läßt, daß der Zugang nur zu einem bestimmten Gericht besteht 7 noch daß ein Instanzenzug gewährleistet ist 8 . Jedoch sind sachlich nicht zu rechtfertigende Erschwerungen des Zugangs zu einem Gericht nach Art. 19 Abs. 4 GG verboten 9 .

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Der Gesetzgeber hat den Zugang zu Gericht durch Aufspaltung in fünf Fachgerichtsbarkeiten näher spezifiziert (ordentliche Gerichtsbarkeit sowie Arbeits-, Sozial·, Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit). Dabei ist die Zivilgerichtsbarkeit aus historischen Gründen mit der Strafjustiz und der Freiwilligen Gerichtsbarkeit zur sog. ordentlichen Gerichtsbarkeit zusammengefügt.

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Wird durch ein Gericht der Rechtsschutz verweigert, so stehen dem Betroffenen zunächst die gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelfe zur Verfügung. Daneben kann eine Dienstaufsichtsbeschwerde (vgl. § 26 Abs. 2 DRiG) in Betracht kommen. Schließlich steht als subsidiärer Rechtsbehelf die Verfassungsbeschwerde zum BVerfG zur Verfügung.

II. Der innerstaatliche Rechtsweg 1. Aufbau der Gerichtsbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland 29

Die Grundlage für die Gerichtsorganisation findet sich in Art. 92 GG. Die rechtsprechende Gewalt wird durch das BVerfG, durch die im Grundgesetz vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt. Zur Verfassungsgerichtsbarkeit s. unten III, zur supranationalen Gerichtsbarkeit s. unten IV.

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Vgl. BVerfGE 54, 277, 291. Vgl. BVerfGE 69, 126, 140. Dütz S. 104. BVerfGE 54, 277, 291. Schwab/Gottwald S. 32; Dütz S. 112.

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BVerfGE 11, 232, 233; 49, 329, 340. BVerfGE 31, 364, 368. BVerfGE 4, 74, 94; 11, 232, 233; 49, 239, 240. BVerfGE 49, 329, 340.

Hanns Prütting

Der innerstaatliche Rechtsweg

Einl

Zur Durchsetzung des rechtsstaatlich gebotenen Rechtsschutzes stehen dem Be- 3 0 troffenen nach Art. 95 GG verschiedene Fachgerichtsbarkeiten zur Verfügung, im Rahmen derer er sein Rechtsschutzziel verfolgen kann. Es handelt sich dabei um den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten, den Verwaltungs-, Finanz-, Sozialund Arbeitsgerichten. Diese Fachgerichte stehen selbständig und gleichwertig nebeneinander. In Art. 95 GG sind jeweils die obersten Gerichtshöfe des Bundes aufgeführt, 3 1 also die jeweiligen Rechtsmittelgerichte, die auch als einzige Instanz tätig werden können 1 0 . In den einzelnen Verfahrensordnungen ist jeweils ein Instanzenzug mit Zugang zu den obersten Bundesgerichten normiert. Zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung dieser obersten Bundesgerichte ist in Art. 95 Abs. 3 GG die Bildung eines gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vorgeschrieben 1 1 . 2. Entscheidung über die Zulässigkeit Die Regeln der Rechtswegzuständigkeit für die einzelnen Fachgerichtsbarkeiten 3 2 waren früher in den verschiedenen Verfahrensordnungen enthalten. Seit 1 . 1 . 1991 sind diese Vorschriften einheitlich in §§ 17, 1 7 a , 1 7 b GVG geregelt (vgl. § 4 8 ArbGG, § 173 VwGO, § 155 FGO, § 2 0 2 SGG). Durch die Neuregelung wird die Gleichwertigkeit der verschiedenen Rechtswege unterstrichen. Insbesondere soll aber ein langwieriger Streit über den jeweils richtigen Rechtsweg vermieden werden. Das jeweils angerufene Gericht entscheidet über die Zulässigkeit des zu ihm beschrittenen Rechtswegs, und zwar unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten (vgl. § 17 Abs. 2 GVG).

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3. Bindung der Zivilgerichte an rechtskräftige Entscheidungen anderer Gerichte a) Bindung an Rechtswegentscheidungen. Das angerufene Zivilgericht erster In- 3 4 stanz prüft zunächst, ob der zu ihm beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Bei Rechtsmittelgerichten ist diese Prüfung ausgeschlossen (§ 17 a Abs. 5 GVG). Hält das angerufene Gericht den Rechtsweg für gegeben, so kann dies das Gericht vorab aussprechen (§ 17 a Abs. 3 GVG). An die rechtskräftige Entscheidung, durch die der beschrittene Rechtsweg für zulässig erklärt worden ist, sind andere Gerichte gebunden (§ 17 a Abs. 1 GVG). Erachtet das Gericht dagegen den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig, so 3 5 muß es dies von Amts wegen aussprechen und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht verweisen. Auch dieser Verweisungsbeschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend (§ 17 a Abs. 2 GVG). Damit ist entgegen der früheren Rechtslage nicht nur eine Rückverweisung ausgeschlossen, sondern das nunmehr mit der Sache befaßte Gericht darf auch nicht mehr an einen weiteren Rechtsweg weiterverweisen. Dagegen wäre innerhalb des Rechtsweges eine Weiterverweisung aus Gründen der örtlichen, sachlichen oder funktionellen Zuständigkeit zulässig. Die Neuregelung der § § 1 7 , 1 7 a , 1 7 b GVG schließt zwischen den einzelnen 3 6 Rechtswegen künftig einen positiven oder negativen Kompetenzkonflikt aus. Sollte

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BVerfGE 8, 174, 177. Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der

Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. 6. 1968.

H a n n s Prütting

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Einl

Zivilgerichtsbarkeit im Rechtsschutzsystem

es künftig entgegen dem Gesetz zu einer Rückverweisung oder Weiterverweisung kommen, so müßte das zuständige Gericht analog § 3 6 Nr. 6 Z P O bestimmt werden. Bei dieser Entscheidung sind in jedem Falle die Bindungswirkungen von § 17 a Abs. 1 G V G und § 17 a Abs. 2 Satz 3 G V G zu beachten. 37

b) Inhaltliche Bindung an Entscheidungen anderer Zivilgerichte. Die materielle Rechtskraft zivilgerichtlicher Entscheidungen führt dazu, daß bei Identität des Streitgegenstandes und der Parteien eine erneute Entscheidung des Zivilgerichts nicht ergehen darf. Die Rechtskraft ist eine negative ProzeßVoraussetzung 12 . Die gleiche Rechtskraftwirkung tritt in dem Fall ein, daß der Beklagte des Erstprozesses nunmehr als Kläger das kontradiktorische Gegenteil verlangt. Schließlich tritt auch in dem Fall, in dem die rechtskräftig festgestellte Rechtsfolge eine präjudizielle Voraussetzung für den im zweiten Prozeß verfolgten Anspruch darstellt, eine Bindung des Gerichts an diese Feststellung e i n 1 3 .

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c) Inhaltliche Bindung an Entscheidungen von Gerichten anderer Gerichtszweige. Auch eine Bindung der Zivilgerichte an Entscheidungen von Gerichten anderer Gerichtszweige kommt in Betracht, wenn die Rechtskraft eines Urteils in dem späteren zivilgerichtlichen Verfahren wirkt. Aus der in Art. 9 5 G G angeordneten Gleichwertigkeit aller Gerichtszweige ergibt sich auch eine Gleichwertigkeit der Entscheidungen der verschiedenen Gerichte, so daß im Rahmen der Rechtskraftwirkungen später entscheidende Gerichte an die Erstentscheidung gebunden sind, unabhängig davon, in welchem Rechtsweg sie ergangen ist 1 4 .

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d) Bindung Dritter und Drittwirkung der Rechtskraft. Die BindungsWirkung gerichtlicher Entscheidungen in Folgeprozessen ist durch die materielle Rechtskraft auf Prozeßparteien beschränkt (§ 3 2 5 Abs. 1 ZPO). Diese Beschränkung auf die Parteien erfährt dort eine Auflockerung, wo der Gesetzgeber eine Erstreckung der Rechtskraft auf Dritte anordnet. Darüber hinaus kommt nach richtiger Auffassung eine besondere Bindung an gerichtliche Entscheidungen für Dritte nur dann in Betracht, wenn sie das Gesetz vorsieht (vgl. z. B. § 2 1 A G B G , § 68 Z P O , § 9 T V G ) . Eine weitergehende Bindungswirkung für Dritte ohne gesetzliche Anordnung oder eine generelle Drittwirkung der Rechtskraft ist nicht anzuerkennen 1 5 . 4. Entscheidung über Vorfragen

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Das Zivilgericht hat die Kompetenz, nicht zivilrechtliche Vorfragen, die notwendige Voraussetzung zur Entscheidung der Hauptfrage sind, mitzuentscheiden. Dies war schon bisher allgemein anerkannt. Durch die vom Gesetzgeber vorgenommene Erweiterung des Umfangs der Entscheidungskompetenz gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 G V G ist diese Auffassung nochmals bestätigt worden. III. Die Verfassungsgerichtsbarkeit Schrifttum Dörr Die Verfassungsbeschwerde in der Prozeßpraxis, 1 9 9 0 ; Gusy Verfassungsbeschwerde, 1 9 8 8 ; Isensee/Kirchhoff H a n d b u c h des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II,

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BGHZ 36, 365, 367; BGH, J Z 1983, 394, 395; Rosenberg/Schwab § 152 IV 1 a. BGH, J Z 1983, 394, 395; Rosenberg/Schwab § 152 IV 2 und § 155 III.

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BGHZ 9, 329, 332; 86, 226, 232. Vgl. Prutting RdA 1991, 257, 262.

H a n n s Prütting

Die Verfassungsgerichtsbarkeit

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1 9 8 7 ; Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Ulsamer BVerfGG, Loseblatt, Stand M ä r z 1 9 9 2 ; Pestalozza Verfassungsprozeßrecht, 3. Aufl. 1 9 9 1 ; Schenke Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeit, 1 9 8 7 ; Schiaich Das Bundesverfassungsgericht, 2 . Aufl. 1 9 9 1 ; Schumann Verfassungs- und Menschenrechtsbeschwerde gegen richterliche Entscheidungen, 1 9 6 3 ; v. Stackelberg Die Verfahren der deutschen Verfassungsbeschwerde und der europäischen Menschenrechtsbeschwerde, 1 9 8 8 ; Stern Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 1 9 8 0 ; Umbach/Clemens BVerfGG, 1 9 9 2 ; Zuck Das R e c h t der Verfassungsbeschwerde, 2 . Aufl., 1988.

1. Aufbau Nach Art. 92 GG wird die rechtsprechende Gewalt außer durch Bundes- oder 4 1 Ländergerichte durch das BVerfG ausgeübt. Das BVerfG ist ein allen übrigen Verfassungsorganen gegenüber selbständiger und unabhängiger Gerichtshof des Bundes (§ 1 Abs. 1 BVerfGG) mit Verfassungsorganqualität 16 . Organisatorisch besteht das BVerfG aus zwei Senaten (§ 2 Abs. 1 BVerfGG), die 4 2 einander gleichgeordnet mit gesetzlich festgelegten Zuständigkeiten tätig werden ( § 1 4 BVerfGG). Die Senate sind jeweils mit acht Richtern besetzt; diese werden für eine Amtszeit von zwölf Jahren von je der Hälfte der Mitglieder des Bundestages und Bundesrates gewählt (Art. 94 Abs. 1 GG, §§ 2, 5 BVerfGG). Der Präsident des BVerfG und sein Stellvertreter führen den Vorsitz in den Senaten ( § 1 5 Abs. 1 BVerfGG). Die Entscheidung wird von der Mehrheit der mitwirkenden Richter getroffen ( § 1 5 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Endet die Abstimmung mit Stimmengleichheit, so kann ein Verstoß gegen das Grundgesetz oder gegen Bundesrecht nicht festgestellt werden. 2. Zugang Das BVerfG wird auf Antrag, der schriftlich beim BVerfG einzureichen ist, tätig (§ 23 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Der Rechtsweg vor das BVerfG ist in den in Art. 93 GG, § 13 BVerfGG enumerativ aufgeführten Fällen eröffnet.

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3. Verhältnis zur Zivilgerichtsbarkeit und Verfassungsbeschwerde Speziell in zivilgerichtlichen Fragen sind im wesentlichen zwei Verfahrensarten 4 4 denkbar: die Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § § 1 3 Nr. 8 a, 90 ff BVerfGG sowie die sog. Richtervorlage, eine konkrete Normenkontrolle, gemäß Art. 100 Abs. 1 GG, §§ 13 Nr. 11, 80 ff BVerfGG. Mit der Verfassungsbeschwerde kann jedermann die Verletzung von Grundrech- 4 5 ten durch die öffentliche Gewalt rügen. Öffentliche Gewalt in diesem Sinne meint alle Maßnahmen der unmittelbaren und mittelbaren Staatsgewalt. Dies bedeutet, daß die Verfassungsbeschwerde also auch gegen Gerichtsurteile möglich ist. Zulässigkeitsvoraussetzung für die Verfassungsbeschwerde neben der Behauptung der Rechtsverletzung durch den Beschwerdeführer ist die unmittelbare und gegenwärtige Selbstbetroffenheit sowie die Erschöpfung des Rechtswegs (§ 90 Abs. 2 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist binnen eines Monats zu erheben (§ 93 Abs. 1 BVerfGG). Nach der Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung durch die Kammer (§§ 93 a, 93 b BVerfGG) überprüft das BVerfG die Beschwerde und gibt bei Verfassungswidrigkeit der Maßnahme der Beschwerde statt.

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BVerfGE 6, 300, 303; Stern Bd. II, S. 341. H a n n s Priitting

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Einl 46

Zivilgerichtsbarkeit im Rechtsschutzsystem

Besondere Schwierigkeiten bezüglich des Prüfungsumfangs des BVerfG bestehen bei der Verfassungsbeschwerde gegen Urteile von Fachgerichten 17 . Das BVerfG ist ein außerhalb des Rechtsmittelzuges stehendes Bundesgericht, welches spezifisch und ausschließlich für Verfassungsrechtsfragen zuständig ist. Es wird daher nicht als Revisions- oder Superrevisionsinstanz gegenüber den Fachgerichten tätig 1 8 , die Verfassungsbeschwerde ist lediglich ein außerordentlicher Rechtsbehelf 19 . Eine unbeschränkte rechtliche Nachprüfung von fachgerichtlichen rechtskräftigen Entscheidungen durch das BVerfG würde der verfassungsrechtlich festgelegten Aufgabe des BVerfG nicht entsprechen 20 . Daher beschränkt das BVerfG selbst seinen Kontrollbereich auf die Uberprüfung, ob die Gerichte bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts Verfassungsrecht mißachtet haben 2 1 . In der Praxis erweist sich die Richtlinie der Überprüfung, wonach „spezifisches Verfassungsrecht" verletzt sein muß 2 2 , als sehr unklar, da letztlich jede Maßnahme der öffentlichen Gewalt einen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG darstellt und damit eine Verfassungsbeschwerde rechtfertigen könnte. Das BVerfG differenziert beim Prüfungsumfang nach der Zielrichtung der Verfassungsbeschwerde: Die Tatsachenfeststellung und Gestaltung des Verfahrens sind grundsätzlich Sache der Fachgerichte und der Überprüfung durch das BVerfG entzogen 23 . Der Urteilsinhalt wird vom BVerfG dahin überprüft, ob der entscheidende Richter grundrechtsrelevante Fehler bei Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts gemacht hat 2 4 oder willkürlich entschieden hat 2 5 . Je intensiver der Grundrechtseingriff ist, desto eingehender ist die Prüfungskompetenz des BVerfG. Bei höchster Eingriffsintensität setzt sich das BVerfG an die Stelle des kontrollierenden Gerichts und bewertet und entscheidet den Fall abschließend selbst 26 . 4. Richtervorlage gemäß Art. 100 GG

47

Mit der Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG kann sich jeder Richter direkt an das BVerfG wenden. Der Richtervorlage kommt insoweit eine gewisse Parallelität zur Verfassungsbeschwerde zu. Vorlageberechtigt ist jedes Gericht jeder Instanz. Die Vorlage erfolgt unmittelbar an den entscheidenden Senat (§ 80 Abs. 1 BVerfGG). Eine Vorprüfung wie bei der Verfassungsbeschwerde ist nicht erforderlich. Prüfungsgegenstand des Verfahrens nach Art. 100 GG sind verkündete förmliche Bundes- und Landesgesetze. Entspricht es der richterlichen Überzeugung, daß das anzuwendende Gesetz verfassungswidrig ist, so hat das Gericht diese Frage dem BVerfG vorzulegen. Lediglich Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit reichen nicht aus. Das betreffende Gesetz muß für die Entscheidung erheblich sein: Entscheidungserheblich ist die Norm nur dann, wenn das Gericht im Ausgangsverfahren bei Ungültigkeit der Norm anders entscheiden müßte als bei deren Gültigkeit 27 . Das BVerfG überprüft sodann unbeschränkt anhand des Grundgesetzes die Verfassungsmäßigkeit des betreffenden Gesetzes.

48

Für die Dauer des Verfahrens beim BVerfG setzt das vorlegende Gericht das Ausgangsverfahren aus. Das BVerfG trifft dann eine Entscheidung in der vorgelegten Rechtsfrage, nicht aber in der Sache selbst. Nach der Entscheidung des BVerfG 17

18 19 20

16

Vgl. Krauss Der Umfang der Prüfung von Zivilurteilen durch das BVerfG, 1987; Waldner Z Z P 98, 200; ders. Der Anspruch auf rechtliches Gehör, 1989, S. 1 3 7 ff. BVerfGE 7, 198, 2 0 7 ; 18, 85, 92. BVerfGE 51, 130, 139. BVerfGE 18, 85, 92; 22, 93, 98.

21 22 23 24 25 26 27

BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE

H a n n s Prütting

62, 3 3 8 , 343; 65, 3 1 7 , 322. 18, 85, 92. 13, 3 1 8 , 322. 30, 173, 188. 42, 64, 7 3 f. 42, 143, 149. 7, 171, 174; 65, 2 6 5 , 2 7 7 .

Supranationale Gerichtsbarkeit

Einl

greift das vorlegende Gericht das Verfahren wieder auf und entscheidet den Ausgangsfall. Dabei ist es an die Entscheidung des BVerfG über die Gültigkeit der geprüften Norm gebunden ( § 3 1 BVerfGG).

IV. Supranationale Gerichtsbarkeit Schrifttum Daig Nichtigkeits- und Untätigkeitsklagen im Recht der Europäischen Gemeinschaften, 1 9 8 5 ; Dauses Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 1 7 7 EG-Vertrag, 1 9 8 5 ; Everting Das Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, 1 9 8 6 ; Frowein Der europäische Grundrechtsschutz und die nationale Gerichtsbarkeit, 1 9 8 3 ; Guradze Die europäische Menschenrechtskonvention, 1 9 6 8 ; Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1 9 8 2 ; Lieber Über die Vorlagepflicht des Art. 1 7 7 EWG-Vertrag und deren Mißachtung, 1 9 8 6 ; Schaupp/Haag Die Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges nach Art. 2 6 E M R K und das deutsche Recht, 1 9 8 7 ; Schellenberg Das Verfahren vor der Europäischen Kommission und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, 1 9 8 3 ; Schumann Verfassungs- und Menschenrechtsbeschwerde gegen richterliche Entscheidungen, 1 9 6 3 ; Schwarze Fortentwicklung des Rechtsschutzes in der Europäischen Gemeinschaft, 1 9 8 7 ; v. Stackelberg Die Verfahren der deutschen Verfassungsbeschwerde und der europäischen Menschenrechtsbeschwerde, 1 9 8 8 ; Stern Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl., 1 9 8 4 ; Bd. II, 1 9 8 0 ; Weidmann Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auf dem Weg zu einem Europäischen Verfassungsgerichtshof, 1 9 8 5 .

1. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in Luxemburg (EuGH) ist ein supranationales Gericht mit der Aufgabe der Wahrung der von den Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft geschaffenen Gemeinschaftsordnung.

49

Der EuGH besteht aus elf Richtern (Art. 165 EG-Vertrag), die von den Regierun- 5 0 gen der Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen auf sechs Jahre ernannt werden (Art. 167 Abs. 1 EG-Vertrag). Der Gerichtshof wird von fünf Generalanwälten unterstützt. Sie stellen in den unterbreiteten Rechtssachen Schlußanträge, in denen sie als Vertreter des allgemeinen Interesses eine eigene rechtliche Lösung vorschlagen. Der EuGH wird im Rahmen ausschließlicher Zuständigkeit tätig für Klagen der Mitgliedstaaten untereinander, gegen Rat oder Kommission, für Organklagen und für Klagen der Kommission gegen Mitgliedstaaten. Diese Zuständigkeiten sind im einzelnen in Art. 169 ff EG-Vertrag geregelt. Für Klagen natürlicher und juristischer Personen ist die Zuständigkeit des EuGH in drei Fällen eröffnet. Es gibt die Nichtigkeitsklage nach Art. 173 EG-Vertrag gegen eine Entscheidung des Rates oder der Kommission, die entweder unmittelbar an den Kläger gerichtet ist oder ihn unmittelbar und individuell betrifft; ferner gibt es die Untätigkeitsklage nach Art. 175 EG-Vertrag gegen Rat und Kommission, mit der ein Tätigwerden erstrebt wird; schließlich ist die Amtshaftungsklage nach Art. 2 1 5 Abs. 2 EG-Vertrag gegen ein Gemeinschaftsorgan zu nennen. Alle diese Individualklagen können jedoch nur gegen Maßnahmen (Entscheidungen) von Rat und Kommission gerichtet werden, da der EuGH lediglich zur Aufgabe hat, die Einheit der Gemeinschaft zu wahren. Rechtsschutz gegen Maßnahmen eines Mitgliedsstaates kann eine natürliche Person vor dem EuGH nicht erlangen. Ebenso stellt der EuGH keine Rechtsmittelinstanz im Verhältnis zu den Gerichten der einzelnen Mtgliedsstaaten dar. Hanns Prütting

17

Einl

Zivilgerichtsbarkeit im Rechtsschutzsystem

2. Das Vorabentscheidungsverfahren 51

Von großer praktischer Bedeutung ist die Kompetenz des EuGH zur Vorabentscheidung über die Auslegung des EG-Vertrages und die Gültigkeit und Auslegung von Handlungen der Organe der Gemeinschaft (Art. 177 EG-Vertrag). Der EuGH wird tätig auf Vorlage eines Gerichts eines der Mitgliedstaaten. Damit wird eine einheitliche Ausgestaltung des Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten sichergestellt 28 . Zu Recht hat deshalb neuerdings auch das BVerfG ausgesprochen, daß der EuGH gesetzlicher Richter i. S. des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist 2 9 . Dem EuGH wird daher vom BVerfG, entgegen der früheren Auffassung 30 auch konzediert, abschließend darüber zu entscheiden, ob sekundäres europäisches Gemeinschaftsrecht mit dem GG vereinbar ist 3 1 . Das hat zur Konsequenz, daß Richtervorlagen nach Art. 100 Abs. 1 GG an das BVerfG unzulässig sind, soweit sie die Überprüfung sekundären Gemeinschaftsrechts zum Ziel haben. 3. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)

52

Bei dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit Sitz in Straßburg handelt es sich um ein supranationales Gericht, das 1959 aufgrund Völkervertragsrecht gebildet wurde. Sein begrenzter Jurisdiktionsbereich bezieht sich auf die Sicherung der in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten verbrieften Rechte. Der Gerichtshof besteht z. Zt. aus 21 unabhängigen Richtern, die von jedem Mitgliedstaat des Europarates gestellt werden können und von der beratenden Versammlung des Europarates auf neun Jahre gewählt werden. 53 Voraussetzung für das Tätigwerden des E G M R ist zunächst, daß das gerichtliche Verfahren von einem nach der Menschenrechtskonvention Antragsberechtigten angestrengt wird. Antragsberechtigt ist nach Art. 24 M R K ein Mitgliedsstaat der Konvention sowie nach Art. 25 M R K jede natürliche und juristische Person. Weiterhin muß der betreffende Staat, gegen den die Menschenrechtsbeschwerde gerichtet ist, die Jurisdiktionsgewalt des E G M R anerkannt haben 3 2 . Schließlich muß der innerstaatliche Rechtsweg erschöpft sein (Art. 26 MRK). Will eine natürliche Person mit der Menschenrechtsbeschwerde eine Verletzung der M R K durch einen Vertragsstaat rügen, so hat sie die Beschwerde zunächst der Kommission zuzuleiten (Art. 25 MRK). Eine Individualbeschwerde, mit der sie die Streitigkeit selbst dem Gerichtshof unterbreiten kann, gibt es nach der Menschenrechtskonvention nicht. Vielmehr strengt die Kommission das Verfahren vor dem E G M R an, der Betroffene wird am Verfahren beteiligt. Neben der möglichen Anwesenheit beim Verfahren kann er selbst Befragungen durchführen oder Beweiserhebungen anregen. 54

Mit der Entscheidung des E G M R wird dann entweder die Abweisung der Beschwerde oder die Verletzung der Menschenrechtskonvention festgestellt. Da dieser Gerichtshof eine überstaatliche Gerichtsbarkeit ausübt 3 3 , kann durch seinen Spruch der angegriffene Hoheitsakt nicht aufgehoben werden. In bestimmten Fällen wird jedoch durch den E G M R eine Entschädigung ausgesprochen (Art. 50 MRK). Es ist zu beachten, daß der Spruch des E G M R für innerstaatliche Gerichte einen Wiederaufnahmegrund darstellt 34 .

28 29

30 31

18

Stern Bd. II, S. 9 3 1 . BVerfGE 7 3 , 3 3 9 , 3 6 6 ; BVerfG, J Z 1 9 8 8 , 1 9 1 mit Anm. Rupp. „Solange I"-Beschluß, BVerfGE 3 7 , 2 6 5 , 2 7 8 . „Solange II"-Beschluß, BVerfGE 7 3 , 3 3 9 , 3 8 7 .

32 33 34

Schumann S. 1 7 1 . Stern Bd. II, S. 9 2 8 . 5 5 8 0 Nr. 7 b Z P O in analoger Anwendung; Schumann S. 3 2 4 ; Schlosser Z Z P 7 9 , 1 6 4 , 1 8 9 .

H a n n s Prütting

Nichtstaatliche Gerichtsbarkeit

Einl

V. Nichtstaatliche Gerichtsbarkeit und außergerichtliche Streitschlichtung Schrifttum Blankenburg/W. Gottwald/Strempel Alternativen in der Ziviljustiz, 1 9 8 2 ; Blankenburg/ Klausa/Rottleuthner Alternative Rechtsformen und Alternativen zum Recht, J a h r b u c h für Rechtstheorie und Rechtssoziologie, Bd. 6 , 1 9 8 0 ; Blankenburg/Simsa/Stock/Wolff Mögliche Entwicklungen im Zusammenspiel von außer- und innergerichtlichen Konfliktregelungen, 2 Bde., 1 9 9 0 ; Gängel/Gansel/Richter Rechtsberatung und Schlichtung, 1 9 9 3 ; Holtwick-Mainzer Der übermächtige Dritte, 1 9 8 5 ; Lappe R e c h t ohne Richter, 1 9 9 3 ; Morasch Schieds- und Schlichtungsstellen in der Bundesrepublik, 1 9 8 4 ; Pretbiscb Außergerichtliche Vorverfahren in Streitigkeiten der Zivilgerichtsbarkeit, 1 9 8 2 ; Prutting Schlichten statt Richten, J Z 1 9 8 5 , 2 6 1 ; Röhl Das Güteverfahren vor dem Schiedsmann, 1 9 8 7 ; Stix Gerichtliche und außergerichtliche Durchsetzung ziviler Rechtsansprüche, 1 9 9 2 .

Umfangreiche Diskussionen werden seit langem über die Frage geführt, ob und inwieweit außergerichtliche Streitschlichtung in der Lage ist, eine Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit zu bilden. In diesem Zusammenhang lassen sich sehr verschiedenartige Phänomene und Entwicklungstendenzen beobachten. So ist es angesichts der langanhaltenden und starken Überlastung der staatlichen Gerichte erklärtes Ziel, durch außergerichtliche Streitschlichtung zur Entlastung beizutragen. Andererseits gibt es in bestimmter Hinsicht aber auch die Tendenz von Betroffenen, staatliche Gerichte zu meiden und Konflikte durch private Gerichte (Schiedsgerichte) zu bewältigen. All diese Tendenzen weg von staatlicher Gerichtsbarkeit beinhalten freilich ihrerseits erhebliche Probleme 3 5 .

55

Die Institutionen und Formen außergerichtlicher Streitschlichtung sind sehr vielfältig und unterschiedlich. Vor allem sind hier zu nennen:

1. Schiedsgerichtsbarkeit Eine echte private Gerichtsbarkeit, die an die Stelle der staatlichen Gerichte tritt, stellen die Schiedsgerichte dar. Sie sind gemäß §§ 1 0 2 5 ff Z P O ausdrücklich vorgesehen. Die Parteien können für alle bürgerlichrechtlichen Streitigkeiten, über die sie einen Vergleich schließen können, ein privates Schiedsgericht an die Stelle der staatlichen Gerichte setzen. Dies geschieht einseitig durch außervertragliche Schiedsklauseln, meist aber zweiseitig durch einen Schiedsvertrag. Eine Klage vor dem staatlichen Gericht ist in diesem Fall auf Einrede hin unzulässig (§ 1 0 2 7 a Z P O ) .

56

2. Schieds-, Schlichtungs- und Gütestellen Keine echte Gerichtsbarkeit stellen die vielfältigen und sehr unterschiedlichen außergerichtlichen Schieds-, Schlichtungs- und Gütestellen dar. Sie sind teilweise der Streitentscheidung von Gerichten vorgelagert und berühren die Zulässigkeit einer späteren Klage nicht. In aller Regel ist ihre Anrufung nicht obligatorisch. Beispielhaft zu nennen sind hier die Schieds-, Schlichtungs- und Gütestellen des Handwerks, der Kammern der freien Berufe (etwa der Ärztekammern), die Einigungsstellen der Industrie- und Handelskammern, die Miet- und Bauschlichtungsstellen, die Vereinsund Verbandsgerichte (soweit sie nicht echte Schiedsgerichte sind), der Schiedsmann u. ä.

3S

Im einzelnen Prütting J Z 1985, 261, 269. H a n n s Prütting

19

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Einl

Verfahrensgrundlagen

3. Der An waits vergleich 58

Eine aktuelle Besonderheit hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1 . 4 . 1991 in § 1044 b ZPO geschaffen, nämlich den sog. Anwaltsvergleich. Hier wurde aus Entlastungsgesichtspunkten versucht, für die Streitparteien die Schaffung eines vollstreckbaren Titels außerhalb des Prozeßvergleichs iS von § 7 9 4 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu ermöglichen. Dabei handelt es sich um einen Vergleichsschluß unter zwingender Mitwirkung von Rechtsanwälten auf beiden Seiten, die den Vergleich zusammen mit den Parteien unterzeichnen müssen. Ob diese Regelung von der Praxis angenommen werden wird, erscheint freilich sehr zweifelhaft.

Kapitel 4: Verfahrensgrundlagen I. Der Streitgegenstand Schrifttum Arens Zur Anspruchskonkurrenz bei mehreren Haftungsgründen, AcP 170, 3 9 2 ; Baumgärtel Zur Lehre vom Streitgegenstand, JuS 1974, 69; A. Blomeyer Zum Urteilsgegenstand im Leistungsprozeß, FS für Lent, 1957, S. 43; Böhm Die Ausrichtung des Streitgegenstands am Rechtsschutzziel, FS für Kralik, 1986, S. 83; Bötticher Zur Lehre vom Streitgegenstand im Eheprozeß, Festgabe für Rosenberg, 1949, S. 73; Georgiades Die Anspruchskonkurrenz im Zivilrecht und Zivilprozeßrecht, 1968; Habscheid Der Streitgegenstand im Zivilprozeß und im Streitverfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1956; ders. Die neuere Entwicklung der Lehre vom Streitgegenstand im Zivilprozeß, FS für Schwab, 1990, S. 181; Henckel Parteilehre und Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1961; Hesselberger Die Lehre vom Streitgegenstand, 1970; Jauernig Verhandlungsmaxime, Inquisitionsmaxime und Streitgegenstand, 1967; Lent Zur Lehre vom Streitgegenstand, ZZP 65, 3 1 5 ; ders. Zur Lehre vom Entscheidungsgegenstand, ZZP 72, S. 63; Liike Zur Streitgegenstandslehre Schwabs - eine zivilprozessuale Retrospektive, FS für Schwab, 1990, S. 3 0 9 ; Nikisch Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1935; ders. Zur Lehre vom Streitgegenstand im Zivilprozeß, AcP 154, 2 7 1 ; Rimmelspacher Materiellrechtlicher Anspruch und Streitgegenstandslehre im Zivilprozeß, 1970; Schwab Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1954; ders. Der Stand der Lehre vom Streitgegenstand im Zivilprozeß, JuS 1965, 81; ders. Gegenwartsprobleme der deutschen Zivilprozeßrechtswissenschaft, JuS 1976, 69.

1. Die Bedeutung der Lehre vom Streitgegenstand 59

Der Streitgegenstand oder der prozessuale Anspruch eines Verfahrens legt das Streitprogramm zwischen den beiden Parteien fest, er begrenzt also den Prozeß seinem Gegenstand nach. Dadurch wird er für den Prozeß zu einem zentralen Begriff. Am deutlichsten zeigen sich die Wirkungen des Streitgegenstands bei der Festlegung des Umfangs der Rechtshängigkeit, bei der Beurteilung von Klagenhäufung und Klageänderung, im Rahmen des Umfangs der Rechtskraft und bei der Bestimmung des Streitwertes. 2. Die Theorien zum Streitgegenstand im Zivilprozeß

60

Die kontroversen Auffassungen zur Streitgegenstandslehre lassen sich im Zivilprozeßrecht im wesentlichen in fünf verschiedene Theorien aufteilen. Innerhalb dieser Theorien werden freilich im einzelnen vielfach noch Abweichungen vertreten.

61

a) Die sog. ältere materiellrechtliche Theorie wollte als prozessualen Streitgegenstand den Anspruch des materiellen Rechts benutzen. Dies war vor allem der Stand-

20

Hanns Prütting

Der Streitgegenstand

Einl

punkt des Gesetzgebers der CPO von 1877. Wollte man dieser materiellrechtlichen Auffassung folgen, so wäre mit jeder Klage, die einen einheitlichen Anspruch auf mehrere Anspruchsgrundlagen stützt, prozessual eine Klagenhäufung gegeben. Damit würde ein einheitlicher Lebenssachverhalt in mehrere prozessuale Streitgegenstände aufgespalten. Eine weitere Konsequenz wäre es, daß der Kläger, der aufgrund einer dieser materiellen Anspruchsgrundlagen vollständig obsiegt, mit seiner Klage teilweise abgewiesen werden müßte und deshalb teilweise auch die Kosten zu tragen hätte, wenn die weiteren geltend gemachten Anspruchsgrundlagen nicht zur Überzeugung des Gerichts dargetan wären. Es ist heute unbestritten, daß ein solches Ergebnis und die ihm zugrundeliegende Auffassung vom Streitgegenstand unhaltbar sind. b) Die angedeuteten Schwierigkeiten der älteren materiellrechtlichen Auffassung 6 2 führten schon bald zur Entwicklung eines eigenständigen prozessualen Begriffs des Streitgegenstandes, der vom materiellrechtlichen Anspruch losgelöst ist. Der bis heute im Zivilprozeßrecht herrschende sog. zweigliedrige Streitgegenstandsbegriff1 will diesen eigenständigen prozessualen Anspruch durch zwei Elemente bestimmen, nämlich durch den vor Gericht gestellten Antrag und den diesem Antrag zugrundeliegenden Lebenssachverhalt. Man spricht deshalb insoweit auch von Klageantrag und Klagegrund als den beiden Elementen des Streitgegenstands. Dieser zweigliedrige Streitgegenstandsbegriff faßt alle materiellrechtlichen Anspruchsgrundlagen, die aus einem einheitlichen Lebenssachverhalt erwachsen sind, zu einem einheitlichen prozessualen Anspruch entsprechend dem Klageantrag zusammen und vermeidet damit die geschilderten Probleme der älteren materiellrechtlichen Theorie. Zu Schwierigkeiten kann der zweigliedrige Streitgegenstandsbegriff jedoch füh- 6 3 ren, wenn ein einheitlicher prozessualer Antrag auf mehrere tatsächliche Ereignisse unterschiedlicher Art gestützt wird. Diese Schwierigkeiten lassen sich allerdings im wesentlichen dann vermeiden, wenn man den Begriff des Klagegrundes weit ausdehnt und in ihm letztlich den der Klage zugrundeliegenden umfassenden Lebenssachverhalt versteht 2 . c) Eine andere Möglichkeit, den angedeuteten Schwierigkeiten zu entgehen, bil- 6 4 det der sog. eingliedrige Streitgegenstandsbegriff3. Diese Auffassung legt das Schwergewicht für die Bestimmung des Streitgegenstandes ganz auf den Klageantrag. Der Lebenssachverhalt wird nach dieser Auffassung allein zur Individualisierung des Antrags herangezogen. Zu einer Mehrheit von Streitgegenständen kann es nach dieser Auffassung nur kommen, wenn vor Gericht mehrere unterschiedliche Klageanträge gestellt werden. Ob dies der Fall ist, ist freilich ein Problem der Auslegung des jeweiligen Antrags, wofür notwendigerweise auf die dem Antrag zugrundeliegenden und vor Gericht vorgebrachten Tatsachen zurückgegriffen werden muß. Dieser weite Begriff des Streitgegenstandes, wie ihn die eingliedrige Theorie ver- 6 5 tritt, wird allerdings nur für die Frage der Rechtshängigkeit, der Klagenhäufung und der Klageänderung konsequent durchgeführt, nicht dagegen für die Bestimmung des Umfangs der Rechtskraft 4 .

1

2

Vertreten insbes. in der Rechtsprechung, vgl. BGH, NJW 1991, 1047; BGHZ 94, 29, 33; NGH, NJW 1986, 1046 f; BGH, WM 1987, 367; aus der Literatur insbes. Habscheid aaO. So insbes. Habscheid 1956, S. 208 ff.

3 4

So insbes. Schwab aaO. Vgl. Baumgärtel JuS 1974, 72; Habscheid 1956, S. 200 f; Stein/Jonas/Schumann Einl. Rdn. 291, 294.

Hanns Prutting

21

Einl

Verfahrensgrundlagen

66

d) Als Reaktion auf die Ausbildung eines rein prozessual bestimmten Begriffs des Streitgegenstandes haben sich verschiedene neuere materiellrechtliche Theorien gebildet. So ist versucht worden, mehrere materiellrechtliche Ansprüche zusammenzufassen und zu einem einzigen Anspruch im Sinne des Prozeßrechts auszubilden, soweit diese mehreren Ansprüche entweder aus einem Lebenssachverhalt hervorgehen oder soweit diese Ansprüche zu einem einheitlichen Verfügungsobjekt (also ζ. B. zu dem einheitlichen Gegenstand einer Zession) verbunden sind. Die wohl unüberwindbaren Schwierigkeiten solcher materiellrechtlicher Auffassungen liegen darin, daß das Zivilrecht an die jeweiligen materiellrechtlichen Anspruchsgrundlagen unterschiedliche Regelungen der Verjährung, des Haftungsumfangs und der Beweislastverteilung anknüpft, was der Bildung eines einheitlichen materiellrechtlichen Anspruchs im Rahmen des Prozesses entgegensteht5. 67 e) Seit einiger Zeit nimmt in der Literatur die Tendenz zu, die Streitgegenstandsproblematik nicht mehr mit Hilfe von begrifflich-konstruktivem Denken im Sinne einer einheitlichen Lösung zu bewältigen. Vielmehr wird mehr und mehr in den Vordergrund gerückt, daß die Festlegung des Streitgegenstands je nach der Art des Prozesses und nach der Bewertung der dabei im Spiel befindlichen Parteinteressen unterschiedlich ausfallen kann. So ist in neuerer Zeit eine gewisse Tendenz auszumachen, den Streitgegenstand nicht einheitlich zu definieren, wobei es über die Abhängigkeit des jeweiligen Streitgegenstandsbegriffes wiederum verschiedenartige Auffassungen gibt (relative Theorien). So ist etwa behauptet worden, die Festlegung des Streitgegenstandes bestimme sich danach, ob in einem Prozeß der Verhandlungsoder der Untersuchungsgrundsatz herrsche6. Teilweise wird auch dann unterschieden, ob eine Leistungsklage oder eine Feststellungsklage erhoben ist 7 . Schließlich wird auch vertreten8, man könne für die Fragen der Klageänderung, der Klagenhäufung und (so jedenfalls Schumann) auch für die Fragen der Rechtshängigkeit der eingliedrigen Theorie vom Streitgegenstand folgen. Im Bereich des Umfangs der materiellen Rechtskraft will demgegenüber Schumann auf eine Abgrenzung nach dem zugrundeliegenden Lebenssachverhalt nicht verzichten, er folgt insoweit also der zweigliedrigen Streitgegenstandstheorie. Baumgärtel hat sich in diesem Bereich demgegenüber für eine Abgrenzung nach dem selbständigen Verfügungsgegenstand ausgesprochen9. Zuletzt hat Böhm10 versucht, materiellrechtliche und prozessuale Theorien in der Weise miteinander zu verbinden, daß er einen dreigliedrigen Streitgegenstandsbegriff empfiehlt. Neben Klageantrag und Klagegrund sollen als drittes Element die anzuwendenden Rechtsnormen zum Begriff des Streitgegenstandes gehören, somit also materiellrechtliche und prozessuale Auffassungen miteinander verknüpft sein. 3. Die Bewertung der Auffassungen

68

Die umfangreiche wissenschaftliche Diskussion hat deutlich gezeigt, daß die durch die unterschiedlichen materiellrechtlichen Theorien aufgeworfenen Probleme nicht befriedigend zu lösen sind. Alle diese Auffassungen finden deshalb heute (je-

5 6

7 8

22

Vgl. insbes. Arens AcP 170, 392 ff. jauernig Verhandlungsmaxime, Inquisitionsmaxime und Streitgegenstand, 1967. So etwa Zöller/Vollkommer Einl. Rdn. 82. Baumgärtel, aaO; Stein/Jonas/Schumann Einl. Rdn. 291, 294.

9

10

Gegen die relativen Theorien neuerdings Habscheid FS für Schwab, S. 189 ff. FS für Kralik, 1986.

Hanns Prütting

Einl

Die Prozeßmaximen

denfalls in reiner Form) kaum mehr Befürworter. Auch der Streit zwischen den beiden prozessualen Theorien ist weitgehend zum Stillstand gekommen. Dies bedeutet aber nicht, daß sich eine einheitliche Auffassung herausgebildet hätte. Immerhin ist der neueren Entwicklung aber zu entnehmen, daß die praktischen Konsequenzen der unterschiedlichen theoretischen Auffassungen nicht sehr groß sind. Vor allem unter Zugrundelegung eines weiten Begriffs des Lebenssachverhalts werden zweigliedrige und eingliedrige Streitgegenstandstheorie meist zum selben Ergebnis gelangen. So erscheint es heute trotz gewisser praktischer Bedenken zweckmäßig, von der Vorstellung einer einheitlichen, alle Bereiche umspannenden Lösung Abschied zu nehmen und innerhalb der prozessualen Theorie je nach Klageart und nach konkreter prozessualer Situation zu unterscheiden. 4. Ergebnis Als Ergebnis ist festzuhalten, daß es eine alle Probleme befriedigend lösende und 6 9 zugleich einheitliche theoretische Auffassung vom Streitgegenstand wohl nicht gibt. Ausgangspunkt muß aber weiterhin sein, daß die Bestimmung des Streitgegenstandes ein dem Kläger obliegender Dispositionsakt ist. Im Rahmen der näheren Festlegung des Umfangs dieses Dispositionsaktes liegt es nahe, die Grenzen bei Klageerhebung und im Verlauf des Prozesses möglichst weit zu ziehen, damit eine möglichst umfassende Erledigung des angefallenen Streitstoffs erreicht werden kann. Nach dem Abschluß des Verfahrens sollten dagegen die Grenzen des Prozeßgegenstandes und damit seiner Rechtskraft je nach dem vorgetragenen Sachverhalt enger gezogen werden, um die mögliche Präklusion nicht vorgebrachter Tatsachen möglichst zu beschränken. Dies führt dazu, daß bei Leistungsklagen für die während des Laufs eines Prozesses auftretenden Probleme (insbesondere Rechtshängigkeit, Klagenhäufung, Klageänderung, Streitwert) der eingliedrige Streitgegenstandsbegriff wohl am geeignetsten ist. Nach Beendigung des Prozesses einer Leistungsklage (also im Rahmen des Umfangs der materiellen Rechtskraft) kann dagegen auf die Berücksichtigung des der Klage zugrundeliegenden Lebenssachverhalts nicht verzichtet werden. Insoweit ist also dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff zu folgen. Anders als bei Leistungsklagen wird man im Falle von Gestaltungs- und Feststellungsklagen immer nur auf den Antrag abstellen können und damit insoweit generell dem eingliedrigen Streitgegenstandsbegriff folgen können. Π. Die Prozeßmaximen Schrifttum Alwart Personale Öffentlichkeit (§ 1 6 9 GVG), J Z 1 9 9 0 , 8 8 3 ; Ar ens Mündlichkeitsprinzip und Prozeßbeschleunigung im Zivilprozeß, 1 9 7 1 ; Batbe Verhandlungsmaxime und Verfahrensbeschleunigung bei der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung, 1 9 7 7 ; Bomsdorf

Pcozeß-

maximen und Rechtswirklichkeit, 1 9 7 1 ; Brehm Die Bindung des Richters an den Parteivortrag und Grenzen freier Verhandlungswürdigung, 1 9 8 2 ; Brüggemann investigator, 1 9 6 8 ; Damrau

Judex statutor und judex

Die Entwicklung einzelner Prozeßmaximen seit der Reichscivil-

prozeßordnung von 1 8 7 7 , 1 9 7 5 ; Fezer Die Funktion der mündlichen Verhandlung im Zivilprozeß und im Strafprozeß, 1 9 7 0 ; Fögen Der Kampf um Gerichtsöffentlichkeit, 1 9 7 4 ; Richtermacht und Parteifreiheit, Z Z P 8 1 , 1 7 5 ; Hahn 1 9 8 3 ; Jauernig

Habscbeid

Kooperationsmaxime im Zivilprozeß,

Verhandlungsgrundsatz, Untersuchungsgrundsatz und Streitgegenstand, 1 9 6 7 ;

Kip Das sog. Mündlichkeitsprinzip, 1 9 5 2 ; Prutting

Die Grundlagen des Zivilprozesses im

Wandel der Gesetzgebung, N J W 1 9 8 0 , 3 6 1 ; Rehfeldt

Mündlichkeit, Unmittelbarkeit und Vor-

bereitung in der Praxis des schwedischen Zivilprozesses, Z Z P 8 2 , 1 7 3 ; Schönfeld Hanns Prütting

Zur Ver23

Einl

Verfahrensgrundlagen

h a n d l u n g s m a x i m e im Zivilprozeß und in den übrigen Verfahrensarten, 1 9 8 1 ; Schulte, Die Entwicklung der Eventualmaxime, 1 9 8 0 ; Wassermann Der soziale Zivilprozeß, 1 9 7 8 ; Weyers Über Sinn und Grenzen der Verhandlungsmaxime im Zivilprozeß, Festgabe für Esser, 1 9 7 5 , S. 1 9 3 ; Zettel Der Beibringungsgrundsatz, 1 9 7 7 .

1. Wesen und Bedeutung 70

Die grundsätzliche Ausgestaltung eines Verfahrens und seines Ablaufs sowie die den Prozeß prägenden Maximen gehören auch heute noch zu den fundamentalen Positionen jedes Verfahrensrechts. Die manchmal gegen ein angeblich überholtes „Maximendenken" vergangener Zeiten erhobenen Vorwürfe 1 1 sind daher zu Recht wieder vollkommen verstummt.

71

Ausgangspunkt aller im folgenden anzustellenden Überlegungen ist die Vorstellung, daß jedem Verfahren ein gewisser allgemeiner Aufbau zugrunde liegt, dessen tragende Elemente man ermitteln und im einzelnen anführen kann. Die so gewonnene Struktur eines Verfahrens schreibt nicht jede Einzelheit der Rechtswirklichkeit, sie ermöglicht aber den Rückgriff auf die Grundlagen des gesetzlichen Plans der jeweiligen Verfahrensordnung. Diese durch schlagwortartig formulierte Maximen ausgedrückte grobe Struktur der jeweiligen Prozeßordnung erleichtert dann auch die Diskussion über deren Wesen und die Verständigung über konkrete Einzelfragen. Die gesamte Rechtsvergleichung setzt solche Strukturmerkmale voraus. Auch die methodische Fortentwicklung einer Verfahrensordnung baut auf solchen Strukturmerkmalen auf. Letztlich machen Prozeßmaximen also gewisse Grundentscheidungen des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung des Verfahrens deutlich. Im Hinblick auf die inhaltlich und zeitlich zu unterscheidenden einzelnen Verfahrensabschnitte kann man folgende drei große Bereiche trennen, in denen jeweils ganz verschiedene Prozeßmaximen von Bedeutung sind: 2. Verfahrenseinleitung und Verfahrensherrschaft

72

a) Begriffserklärung. Soweit es allein die Sache der Parteien ist, ein Verfahren durch einen Antrag einzuleiten und über den Streitgegenstand zu verfügen sowie das Verfahren durch einen Dispositionsakt der Parteien zu beenden, spricht man von der Geltung der Dispositionsmaxime. Den Gegensatz einer Verfahrenseinleitung, Verfahrensbestimmung und Verfahrensbeendigung von Amts wegen nennt man Offizialprinzip.

73

b) Die Dispositionsmaxime. Im Zivilprozeß gilt durchgehend die Dispositionsmaxime (zu geringen Einschränkungen vgl. unten c). Sie ist das prozessuale Gegenstück der Privatautonomie des materiellen Rechts. Die Dispositionsfreiheit gibt den Parteien die Möglichkeit, unterwirft sie aber auch der Last, ihre behaupteten materiellrechtlichen Rechtspositionen auch prozessual zu verwirklichen. Daher steht es jeder Partei grundsätzlich frei, ob sie eine Klage vor den staatlichen Gerichten erheben will, ob sie mit der Gegenseite eine Schiedsklausel vereinbaren will oder ob sie etwa auf jegliche gerichtliche Durchsetzung ihres Rechts verzichten will.

74

Einzelne Ausprägungen der Dispositionsmaxime finden sich in der Z P O in vielfältiger Art. Der Zivilprozeß wird nicht von Amts wegen eingeleitet, sondern es bedarf in jedem Falle einer Klage. Auch für die Durchführung eines Rechtsmittels

11

24

Vgl. Bomsdorf 1971; Weyers Festgabe für Esser, 1975, S. 193. H a n n s Prütting

Die Prozeßmaximen

EinI

und für besondere Verfahrensarten (ζ. B. Mahnverfahren, einstweiliger Rechtsschutz) bedarf es in jedem Fall eines Parteiantrags. Allen genannten Anträgen ist das Erfordernis der Bestimmtheit und der näheren Konkretisierung des jeweiligen Antrags eigen, so daß das Streitprogramm zwischen den Parteien festgelegt wird und zugleich eine Bindung des Gerichts an den Antrag herbeigeführt wird (vgl. § 3 0 8 Abs. 1). Auch die prozessualen Möglichkeiten der Klagerücknahme, der Rechtsmittelrücknahme, der Klageänderung, von Anerkenntnis und Verzicht, Vergleich und Erledigungserklärung sind Ausfluß der Dispositionsmaxime. Die Geltung der Dispositionsmaxime kann man als durch Art. 2 Abs. 1 G G verfassungsrechtlich garantiert ansehen, jedenfalls soweit es sich um die grundsätzlich mögliche Verfahrenseinleitung durch den Einzelnen zur Verfolgung seiner subjektiven Rechte handelt 1 2 .

75

c) Einschränkungen. Die Dispositionsmaxime ist im Zivilprozeß im Hinblick auf 7 6 Nebenentscheidungen eingeschränkt. So kann und muß über die Prozeßkosten (§ 3 0 8 Abs. 2), über die Fortsetzung eines sozialwidrig gekündigten Mietverhältnisses (§ 3 0 8 a) und über die vorläufige Vollstreckbarkeit von Urteilen (§§ 7 0 8 ff) auch ohne Antrag der Parteien entschieden werden. Die Entscheidung über die Gewährung einer Räumungsfrist bei Räumungsurteilen über Wohnraum kann von Amts wegen ergehen (§ 721). Schließlich ist hier zu erwähnen, daß die Ehenichtigkeitsklage auch vom Staatsanwalt erhoben werden kann (vgl. § 6 3 2 Abs. 1 Z P O , § 2 4 Abs. 1 EheG). Aus diesen geringen Einschränkungen der Dispositionsmaxime kann aber nicht gefolgert werden, daß im Zivilprozeß teilweise die Offizialmaxime gelte. 3. Die Sammlung des Prozeßstoffs a) Begriffserklärung. Soweit es Aufgabe der Parteien ist, den Tatsachenstoff in 7 7 den Prozeß einzuführen, die Beweisbedürftigkeit von Behauptungen herbeizuführen und die Beweise beizubringen, spricht man von Verhandlungsmaxime (oder plastischer von Beibringungsgrundsatz). Den Gegensatz bildet die Untersuchungsmaxime (auch Inquisitionsmaxime). Hier liegt die Verantwortung für den Prozeßstoff beim Gericht, das weder bei der Einführung von Tatsachen noch bei der Beweiserhebung an Anträge, Bestreiten, Geständnisse oder übereinstimmenden Parteivortrag gebunden ist. b) Die Verhandlungsmaxime. Im Zivilprozeß gilt im wesentlichen die Verhand- 7 8 lungsmaxime 1 3 . Allerdings erfährt sie eine Reihe von Einschränkungen. So ist der lange Zeit geführte Streit über die Geltung von Verhandlungsmaxime oder Untersuchungsmaxime im Zivilprozeß (oder gar einer dritten vermittelnden Maxime, z. B. der Kooperationsmaxime) in Wahrheit meist ein Streit, welchen Umfang die Einschränkungen der Verhandlungsmaxime annehmen 1 4 . Richtig ist, daß die Verhandlungsmaxime im Gesetz nicht ausdrücklich positiv niedergelegt ist. Ihre Herleitung läßt sich aber neben anderen Normen unschwer aus einem Umkehrscluß aus § 6 1 6 Abs. 1 entnehmen. Die Geltung der Verhandlungsmaxime im Zivilprozeß bedeutet, daß es allein die Parteien sind, die den tatsächlichen Stoff in der mündlichen Verhandlung vortragen. Das Gericht ist an den Tatsachenvortrag gebunden und darf seiner Entscheidung

12 13

Stürner FS für Baur, 1981, S. 652 ff. BVerfGE 67, 39, 49.

14

Vgl. grundsätzlich zu diesem Streit NJW 1980, 361 ff.

Hanns Prütting

Prutting

25

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Einl

Verfahrensgrundlagen

nur die vorgebrachten Tatsachen zugrunde legen. Insbesondere ist es dem Gericht verboten, privates Wissen in die Entscheidung einfließen zu lassen. Sehr umstritten ist die Frage, ob dem Gericht ausnahmsweise im Falle der Offenkundigkeit einer Tatsache die Verwertung auch ohne Parteivortrag erlaubt ist. Die Frage ist zu bejahen 1 5 . 80

Weiterhin entscheiden die Parteien allein über die Notwendigkeit eines Beweises, indem sie von der Gegenseite aufgestellte Behauptungen entweder bestreiten oder durch ein Geständnis (§ 288) oder durch Nichtbestreiten (§ 138 Abs. 3) das Gericht binden. Bei der Frage, wer die Beweisaufnahme veranlaßt, ist zu trennen: Der Zeugenbeweis wird nur auf Antrag durchgeführt, alle übrigen Beweise können (nicht: müssen) auch von Amts wegen erhoben werden (vgl. §§ 142, 143, 144, 448).

81

Eine wichtige Ergänzung der Verhandlungsmaxime im Zivilprozeß stellt die in § 138 Abs. 1 niedergelegte Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht dar. Sie beseitigt nicht Recht und Pflicht der Parteien, den tatsächlichen Stoff des Verfahrens vorzutragen, aber sie verpflichtet die Parteien im Rahmen ihres Parteivortrags zu einer redlichen, sorgfältigen und sachgemäßen Prozeßführung. Eine weitere zentrale Ergänzung und Modifizierung der Verhandlungsmaxime stellt die richterliche Hinweis- und Aufklärungspflicht dar (§ 139). Sie ermöglicht es dem Gericht, auf die Beseitigung von Unklarheiten, von Lücken und von Mängeln des Vorbringens sowie der Anträge hinzuwirken. Dadurch erhält das Gericht eine wichtige Mitverantwortung, ohne daß der Verhandlungsgrundsatz seinem Wesen nach beseitigt wäre. So endet die Verpflichtung des Gerichts aus § 139 immer dann, wenn die Parteien trotz richterlichen Hinweises ihr Vorbringen und ihre Anträge nicht ergänzen oder berichtigen. Insbesondere gibt § 139 dem Gericht nicht die Befugnis, neue Tatsachen einzuführen oder neue Dispositionsakte anzuregen. Daher ist es nach richtiger Auffassung dem Richter ζ. B. verboten, beim Beklagten die Erhebung der Einrede der Verjährung anzuregen, wenn dieser sich bisher auch nicht andeutungsweise oder laienhaft auf dem Gesichtspunkt der Verjährung bezogen hat. Zulässig ist dagegen der Hinweis auf die fehlende Schlüssigkeit eines Vorbringens 16 .

82

c) Der Untersuchungsgrundsatz. Abweichend vom normalen Zivilprozeß hat das Gesetz ausdrücklich die Geltung des Untersuchungsgrundsatzes mit gewissen Modifikationen im einzelnen angeordnet für alle Ehe-, Familien- und Kindschaftssachen (vgl. §§ 616, 617, 6 4 0 Abs. 1, 6 4 0 d) sowie für das Aufgebotsverfahren (vgl. §§ 9 5 2 Abs. 3, 986 Abs. 3). Eine über die genannten Vorschriften hinausgehende Anwendung des Untersuchungsgrundsatzes ist nicht zulässig 17 — dagegen steht dem Gesetzgeber die Abänderung der Geltung von Verhandlungs- und Untersuchungsmaxime offen. Eine verfassungsrechtlich gesicherte Geltung des Verhandlungsgrundsatzes kann nicht angenommen werden. 4. Verfahrensgang und Verfahrensgestaltung

83

a) Amtsbetrieb. Zu trennen von der Offizialmaxime und dem Untersuchungsgrundsatz ist der Amtsbetrieb. Mit diesem Begriff wird das formale Ingangsetzen und Inganghalten des Verfahrens bezeichnet, es geht also um die Herrschaft über den äußeren Verfahrensablauf (Gegensatz: Parteibetrieb); zusammenfassend wird

15 16

26

Vgl. MünchKomm/PrärtiMg S 291 Rdn. 13. AA zu Unrecht BGH, NJW 1984, 310.

17

Vgl. Stein/Jonas/Bork

Hanns Prütting

Vor S 128 Rdn. 89.

Die Prozeßmaximen

Einl

auch manchmal von Prozeßbetrieb gesprochen). Im einzelnen geht es darum, wer für Terminsanberaumungen, Ladungen und Zustellungen zuständig ist. Im Zivilprozeß gilt heute nahezu ausschließlich der Amtsbetrieb. So werden die 8 4 Termine von Amts wegen bestimmt ( § 2 1 6 Abs. 1) und die Ladungen von Amts wegen veranlaßt (§ 214). Ferner erfolgen die Zustellungen in den meisten Fällen von Amts wegen (§ 2 7 0 Abs. 1, 3 1 7 Abs. 1). b) Mündlichkeit. Die Form des wirksamen prozessualen Handelns von Gericht 8 5 und Parteien wird durch den Gegensatz von Mündlichkeit und Schriftlichkeit näher bestimmt. Im Zivilprozeß gilt im Grundsatz das Prinzip der Mündlichkeit ( § 1 2 8 Abs. 1). Dies bedeutet, daß das Gericht nur aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden darf und dabei seiner Entscheidung nur dasjenige zugrunde legen darf, was in der mündlichen Verhandlung vorgetragen war. Daraus folgt ζ. B., daß der Inhalt der sog. vorbereitenden Schriftsätze (vgl. §§ 129 Abs. 1, 130) in der mündlichen Verhandlung erneut vorgetragen werden muß. Bei den vorbereitenden Schriftsätzen handelt es sich also streng genommen um die Ankündigung eines künftigen Vorbringens. Freilich erfährt die Mündlichkeit im Zivilprozeß in der Praxis dadurch eine wichtige Einschränkung, daß in weitem Umfang die bloße Bezugnahme auf Schriftsätze zulässig und üblich ist (vgl. § 137 Abs. 3, 2 9 7 Abs. 2). Generelle Ausnahmen vom Grundsatz der Mündlichkeit enthalten die besonde- 8 6 ren schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 und Abs. 3, das schriftliche Vorverfahren gemäß §§ 2 7 2 Abs. 2, 2 7 6 , die notwendige Schriftform, der Klage, des Einspruchs und der Rechtsmittel sowie die Möglichkeit der Nachreichung von Schriftsätzen (§ 283). Ein Absehen vom Grundsatz der Mündlichkeit ist ferner im gesamten Bereich der fakultativen mündlichen Verhandlung möglich, so ζ. B. im Rahmen der Entscheidungen des Vorsitzenden. Schließlich ist die Mündlichkeit stark eingeschränkt oder vollkommen beseitigt im Rahmen bestimmter besonderer Verfahrensarten, so beim Mahnverfahren, im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes und in weiten Bereichen des Vollstreckungsverfahrens. c) Unmittelbarkeit. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit bedeutet, daß die münd- 8 7 liehe Verhandlung und insbesondere die Beweisaufnahme unmittelbar vor dem erkennenden Gericht durchzuführen sind (vgl. für die mündliche Verhandlung § 128 Abs. 1, für die Beweisaufnahme § 355 Abs. 1 und für die Entscheidung § 309). Das Gericht darf sich also keiner richterlichen Mittelpersonen bedienen, sondern es muß das Verfahren selbst durchführen. Eine in der Praxis sehr wichtige Ausnahme vom Grundsatz der Unmittelbarkeit 8 8 ergibt sich aus der Auslegung von § 309 („der dem Urteil zugrundeliegenden Verhandlung"). Daraus wird entnommen, daß die das Urteil fällenden Richter nur der letzten mündlichen Verhandlung beiwohnen müssen. Eine Anwesenheit der den Rechtsstreit entscheidenden Richter bei früheren Verhandlungsterminen ist also nicht garantiert. Auch die besonders wichtige Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (vgl. dazu im einzelnen § 355) kennt Ausnahmen. So kann die Beweisaufnahme einem Mitglied des Prozeßgerichts als beauftragtem Richter (§ 361) oder einem anderen Gericht als ersuchtem Richter (§ 362) übertragen werden (vgl. § 355 Abs. 1 Satz 2). Dies war schon bisher vielfältig möglich (vgl. § 3 7 2 Abs. 2, 3 7 5 Abs. 1, 4 0 2 , 434, 451). Bedauerlicherweise hat das Rechtspflegevereinfachungsgesetz (s. oben Rdn. 10) vom Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme eine weitere bedeutsame Ausnahme geschaffen (vgl. § 375 Abs. 1 a). Hanns Prütting

27

EinI

Verfahrensgrundlagen

89

d) Öffentlichkeit. Der Grundsatz der Öffentlichkeit gilt gemäß § 169 Satz 1 GVG im Zivilprozeß. Er betrifft die mündliche Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Beweisaufnahmen und der Entscheidungsverkündungen. Er gewährt jedermann freien Zutritt zu den Gerichtsverhandlungen, freilich nur in begrenzter Zahl. Bei Überfüllung eines Gerichtssaales können also weitere Zuhörer abgewiesen werden. Ausgeschlossen sind Rundfunk-, Fernseh- und Filmaufnahmen während der mündlichen Verhandlung ( § 1 6 9 Satz 2 GVG). Schließlich eröffnet der Grundsatz der Öffentlichkeit kein allgemeines Recht auf Akteneinsicht (vgl. § 299). 90 Soweit die Öffentlichkeit im Einzelfall oder generell ausgeschlossen ist (vgl. §§ 170 ff GVG), gilt aber in jedem Fall der Grundsatz der Parteiöffentlichkeit 18 .

91

e) Beschleunigungsgrundsatz (Konzentrationsmaxime). Die ZPO kennt keine ausdrückliche Anordnung des Beschleunigungsgrundsatzes (anders etwa § § 9 Abs. 1, 61 a ArbGG). Dennoch ist die Geltung des Beschleunigungsgrundsatzes auch im Zivilprozeß anerkannt und hat in vielen einzelnen Vorschriften ihren Niederschlag gefunden (vgl. §§ 272, 273, 278, 282, 296). Zentrale Aspekte des Beschleunigungsgrundsatzes sind die heute anerkannten Prozeßförderungspflichten von Gericht und Parteien (im einzelnen vgl. Rosenberg/Schwab, § 84). Letztlich ist ein zügiges Verfahren wesentlicher Aspekt richterlicher Rechtsdurchsetzung. Eine allzu lange Dauer von Prozessen kann den Rechtsschutz vollkommen entwerten. Daher ist das Verbot einer überlangen Verfahrensdauer im Rahmen des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz auch verfassungsrechtlich abgesichert (BVerfGE 54, 39, 41). Im übrigen hat dieses Verbot der überlangen Verfahrensdauer auch in Art. 6 Abs. 1 M R K Anerkennung gefunden (s. unten Rdn. 98). ΙΠ. Verfassungsrechtliche Grundlagen des Zivilprozeßrechts Schrifttum Bauer Gerichtsschutz als Verfassungsgarantie, 1 9 7 3 ; Benda/Weber Der Einfluß der Verfassung im Prozeßrecht, Z Z P 9 6 , 2 8 5 ; Bettermann Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grundsätze des Prozesses, Öster. JB1. 1 9 7 2 , 5 7 ; ders. Der Schutz der Grundrechte in der ordentlichen Gerichtsbarkeit, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner Die Grundrechte, Bd. III 2, 1 9 5 9 ; S. 7 7 9 ; Bötticher Die Gleichheit vor dem Richter, 1 9 5 4 ; Dörr Faires Verfahren, 1 9 8 4 ; Dütz Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz im Privatrecht, 1 9 7 0 ; Gerhardt Bundesverfassungsgericht, Grundgesetz und Zivilprozeß, speziell: Zwangsvollstreckung, Z Z P 9 5 , 4 6 7 ; Höfling Das Verbot prozessualer Willkür, J Z 1 9 9 1 , 9 5 5 ; Kloepfer Verfahrensdauer und Verfassungsrecht, J Z 1 9 7 9 , 2 0 9 ; Lorenz Grundrechte und Verfahrensordnungen, N J W 1 9 7 7 , 8 6 5 ; ders. Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1 9 7 3 ; Schumann Bundesverfassungsgericht, Grundgesetz und Zivilprozeß, Z Z P 9 6 , 1 3 7 ; Schwab/Gottwald Verfassung und Zivilprozeß, 1 9 8 4 ; Stiirner Verfahrensgrundsätze des Zivilprozesses und Verfassung, FS für Baur, 1 9 8 1 , S. 6 4 7 ; ders. Prozeßzweck und Verfassung, FS für Baumgärtel, 1 9 9 0 , S. 5 4 5 ; Vollkommer, Der Anspruch auf ein faires Verfahren im Zivilprozeß, Gedächtnisschrift für Bruns, 1 9 8 0 , S. 1 9 4 ; ders. Der Grundsatz der Waffengleichheit im Zivilprozeß - eine neue Prozeßmaxime?, FS für Schwab, 1 9 9 0 , S. 5 0 3 ; Waldner Der Anspruch auf rechtliches Gehör, 1 9 8 9 .

1. Grundlagen 92

Das Verfahrensrecht aller Gerichtszweige wird heute in hohem Maße von verfassungsrechtlichen Vorgaben beeinflußt. So hat das BVerfG auf der Grundlage des 18

28

Vgl. Rosenberg/Schwab V 3.

S 23 IV 5 und S 119

Hanns Prütting

Verfassungsrechtliche Grundlagen des Zivilprozeßrechts

Einl

Grundgesetzes immer wieder in das Zivilprozeßrecht eingegriffen und es vielfach durch verfassungskonforme Auslegung und verfassungsrechtlich bedingte Erweiterung oder Einschränkung von Verfahrensnormen verändert. Zentrale Grundlagen dieser Rechtsprechung des BVerfG sind das Rechtsstaatsprinzip in seinen vielfältigen Ausprägungen, insbesondere auch in Verknüpfung mit der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4, das rechtliche Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, das Gebot des gesetzlichen Richters gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, das Willkürverbot und andere materielle Grundrechtspositionen. Besonders markante Beispiele für die vielfältigen Eingriffe des BVerfG in den 9 3 Zivilprozeß sind die Ausweitung des Zugangs zur weiteren Beschwerde gemäß § 568 Abs. 2 Z P O 1 9 , die Umgestaltung des Revisionszugangs nach § 5 5 4 b Abs. 1 Z P O 2 0 , die Einschränkung und Umgestaltung der Befugnis des Gerichtsvollziehers nach § 758 Abs. 1 Z P O 2 1 , die Einfügung der Gegenvorstellung in den Zivilprozeß 2 2 , die Erweiterung der Berufung analog § 513 Abs. 2 ZPO im Rahmen von § 128 Abs. 3 2 3 sowie die umfangreiche Rechtsprechung zum Zuschlag in der Zwangsversteigerung 24 und nicht zuletzt auch die breite Rechtsprechung zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 2 5 . 2. Das Rechtsstaatsprinzip a) Allgemeines. Das Rechtsstaatsprinzip ist eine der zentralen verfassungsrecht- 9 4 liehen Grundlagen auch des gesamten Verfahrensrechts. Es ist in Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 GG niedergelegt und dient dem BVerfG, freilich häufig verknüpft mit anderen verfassungsrechtlichen Grundlagen wie insbesondere Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 92, Art. 97 GG sowie Art. 6 M R K , zur Entwicklung einer größeren Zahl einzelner verfahrensrechtlicher Grundsätze mit Verfassungsrang, bei deren Verletzung die Verfassungsbeschwerde gegeben ist („verfassungsrechtliche Prozeßgrundsätze"). Wesentlicher Teil des Rechtsstaatsprinzips in verfahrensmäßiger Hinsicht ist auch das Gebot der Rechtssicherheit und der Berechenbarkeit des Verfahrens, teilweise in dem Gedanken der „Justizförmigkeit" zum Ausdruck gebracht 2 6 . b) Das Gebot effektiven Rechtsschutzes. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip ent- 9 5 wickelte Gebot effektiven Rechtsschutzes verlangt eine möglichst wirksame Kontrolle durch die Gerichtsbarkeit 2 7 . So muß insbesondere richterliches Ermessen, sofern es von der ZPO eingeräumt wird, immer im Hinblick auf das Gebot des effektiven Rechtsschutzes ausgelegt werden 2 8 . Auch die Gewährung von Rechtsschutz in angemessener Zeit ist Teil dieses Grundsatzes 29 . Schließlich folgt aus diesem Grundsatz, daß der Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer Weise erschwert wird und daß Verfahrensvoraussetzungen nicht unzumutbar streng gehandhabt werden 3 0 .

19 20 21 22 23 24

25

BVerfGE 49, 255. BVerfGE 54, 277. BVerfGE 51, 97. BVerfGE 55, 5. BVerfG, NJW 1982, 2368. Vgl. BVerfGE 42, 64; 46, 325; 49, 220 und 51, 150. Statt vieler BVerfGE 53, 109; 22, 83; 48, 50, 1; 62, 334.

26 27

28 29

1;

30

BVerfGE 2, 403; 49, 164. BVerfGE 4 0 , 275; 42, 132; 61, 109; 67, 58; 77, 284. BVerfGE 4 9 , 226; 74, 234. BVerfGE 55, 369; 60, 269; 78, 171. BVerfGE 35, 274; 40, 274; 51, 156; 77, 284; 79, 84.

H a n n s Prutting

29

Einl

Verfahrensgrundlagen

96

c) Der Anspruch auf ein faires Verfahren. Im Zusammenspiel von materiellen Grundrechten und dem Rechtsstaatsprinzip hat das BVerfG den Anspruch auf ein faires Verfahren entwickelt. Er ist vornehmlich im Strafprozeß von Bedeutung, hat aber in wichtigen Einzelfällen auch in den Zivilprozeß Eingang gefunden. So wurde aus ihm abgeleitet, daß der Zuschlag eines Grundstücks im Wege der Zwangsversteigerung weit unter Wert verboten ist, wenn nicht der Eigentümer zuvor über den Eigentumsverlust und die Wertverhältnisse belehrt wurde 3 1 . Auch eine faire Handhabung des Beweisrechts, der Beweislastverteilung und das Verbot, unzumutbare Anforderungen an die Beweisführung zu stellen, sind durch den Anspruch auf ein faires Verfahren abgesichert 32 . Schließlich verbietet dieser Grundsatz ein widersprüchliches Verhalten des Gerichts 3 3 . Eine Präklusion verspäteten Vorbringens kommt deshalb nicht in Betracht, wenn auch das Gericht für die Verzögerung mit ursächlich war 3 4 . Schließlich stellt es eine Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens dar, wenn eine jahrzehntelang bestehende Spruchpraxis plötzlich eine Änderung erfährt 3 5 .

97

d) Die prozessuale Waffengleichheit. Der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit ist im Zusammenhang von Rechtsstaatsprinzip und Art. 3 Abs. 1 GG entwickelt worden 3 6 . Er fordert eine gleichmäßige Belastung der Parteien mit dem Prozeßrisiko und den Prozeßkosten 3 7 . Auch muß in jedem Verfahren gewährleistet sein, daß beide Parteien alles für die Entscheidung Erhebliche vortragen können 3 8 .

98

e) Das Verbot überlanger Verfahrensdauer. Weiterhin ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip auch das Verbot überlanger Verfahrensdauer. Dieses Verbot hat ferner in Art. 6 Abs. 1 MRK ausdrücklich Anerkennung gefunden, der freilich nur im Range von einfachem Bundesrecht gilt. Das verfassungsrechtlich verankerte Verbot überlanger Verfahrensdauer steht in engem Zusammenhang mit dem aus dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz herrührenden Gebot, daß Rechtsschutz in angemessener Zeit gewährleistet sein m u ß 3 9 .

99

f) Nulla poena sine culpa. Im Rahmen von Entscheidungen zu § 890 Z P O hat das BVerfG den Grundsatz „nulla poena sine culpa" unter Berufung auf das Rechtsstaatsprinzip entwickelt und ihm Verfassungsrang zuerkannt. Daraus folgt, daß das Merkmal des Verschuldens Tatbestandsvoraussetzung im Rahmen des § 890 Z P O sein muß 4 0 .

100

g) Neutralität und Unabhängigkeit des Richters. Der anerkannte Grundsatz der Neutralität und der Unabhängigkeit des Richters findet in Art. 97 GG seinen speziellen Niederschlag. Er ist aber darüber hinaus auch im Rechtsstaatsprinzip verankert. Die Unabhängigkeit der Richter ist ein wesentlicher Grundsatz des gesamten Staatsaufbaus 4 1 . Zugleich ist die Unabhängigkeit der Richter eine zwingende Voraussetzung ihrer Neutralität. Ferner wäre die Garantie des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ohne die richterliche Unabhängigkeit nicht zu gewährleisten.

101

h) Die Gesetzesbindung der Gerichte. Auch der Grundsatz der Gesetzesbindung der Gerichte ist aus dem Rechtsstaatsprinzip zu entnehmen, wenngleich die Mög31

32 33 34 35

30

BVerfGE 150. BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE

4 2 , 64; 46, 325; 4 9 , 2 2 0 und 252; 51,

36 37

52, 69, 75, 78,

131. 387. 190. 126.

38 39 40 41

BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE

Hanns Prütting

52, 131. 52, 144; 74, 9 2 und 94. 55, 94; 69, 140. 55, 369; 60, 2 6 9 ; 78, 171. 20, 332; 58, 159. 2, 320.

Verfassungsrechtliche Grundlagen des Zivilprozeßrechts

Einl

lichkeit einer Rechtsfortbildung durch Richterrecht vom BVerfG immer wieder bestätigt worden ist 4 2 . Zur richterlichen Rechtsfortbildung s. unten Rdn. 120. Die Gesetzesbindung des Richters kommt in Art. 20 Abs. 3 und Art. 97 Abs. 1 GG auch unmittelbar zum Ausdruck. Die Bindung an das Gesetz bezieht sich auf alle Regeln mit Rechtsnormqualität, also insbesondere auf das Gesetz im formellen und materiellen Sinn. Keine Bindung können dagegen richterrechtliche Rechtssätze auslösen. Ihre besondere Qualität erhalten diese richterrechtlichen Rechtssätze erst durch die richterliche Entscheidung selbst. Es handelt sich also immer um Entscheidungen des jeweiligen Einzelfalles, wobei der richterrechtliche Rechtssatz für die Zukunft allenfalls eine präsumtive, jedoch nicht eine normative Verbindlichkeit erlangen kann. 3. Der Anspruch auf rechtliches Gehör Der in Art. 103 Abs. 1 GG niedergelegte Anspruch auf rechtliches Gehör gilt heute allgemein als das zentrale prozessuale Grundrecht. Das BVerfG hat Art. 103 Abs. 1 GG in der Weise charakterisiert, daß dieser Grundsatz nicht nur zur Abklärung der tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung diene, „sondern auch der Achtung der Würde des Menschen, der in einer so schwerwiegenden Lage, wie ein Prozeß sie für gewöhnlich darstellt, die Möglichkeit haben muß, sich mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten. Das rechtliche Gehör ist nicht nur das prozessuale Urrecht des Menschen, sondern ein objektiv rechtliches Verfahrensprinzip, das für ein gerichtliches Verfahren iS des Grundgesetzes konstitutiv und grundsätzlich unabdingbar ist. Es verwehrt, daß mit den Menschen kurzer Prozeß gemacht w i r d " 4 3 .

102

Den Inhalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann man mithin konkretisie- 1 0 3 ren, daß für die Parteien ein Recht auf Orientierung (also auf Benachrichtigung vom Verfahren, Mitteilung von Äußerungen anderer Beteiligter, Recht auf Akteneinsicht u. ä.) besteht, daß ferner ein Recht auf Äußerung der Beteiligten besteht, und daß schließlich das Gericht verpflichtet ist, das Parteivorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Alle diese Aspekte aus Art. 103 Abs. 1 GG sind bei der Auslegung des einfachen Rechts zu beachten. Im einzelnen hat das BVerfG aus Art. 103 Abs. 1 eine Vielzahl von verfahrensrechtlichen Geboten entwickelt. So muß jeder Verfahrensbeteiligte das Recht haben, Anträge zu stellen, tatsächliche und rechtliche Behauptungen vorzutragen und Beweismittel anzubieten. Dementsprechend muß der Gegenseite das Recht zustehen, von diesem gesamten Vorbringen Kenntnis zu erhalten und ihrerseits eigene Stellungnahmen dazu abzugeben. Das Gericht ist verpflichtet, die Ausführungen beider Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, sowie die angebotenen Beweise zu erheben und sich mit den Rechtsauffassungen der Parteien auseinanderzusetzen. Allerdings geht diese Pflicht nicht so weit, daß das Gericht zu einem umfassenden Rechtsgespräch (unter vollständiger Darlegung der eigenen Auffassung) verpflichtet wäre. Auch hindert Art. 103 Abs. 1 GG das Gericht nicht, verspätetes Vorbringen zurückzuweisen (§ 296). Zu weiteren Einzelheiten des Anspruchs auf rechtliches Gehör für die Prozeßpraxis vgl. nunmehr umfassend Waldner, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, 1989.

42

BVerfGE 13, 164; 34, 286; 49, 320.

43

BVerfGE 55, 1, 6.

Hanns Priitting

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Einl

Verfahrensgrundlagen

4. Die Rechtsschutzgarantie (Justizgewährungsanspruch) 104

Art. 19 Abs. 4 GG enthält eine Rechtsschutzgarantie für den Einzelnen bei Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt. Über den Wortlaut hinaus ist heute aber auch für privatrechtliche Streitigkeiten die Garantie eines umfassenden Rechtsschutzes anerkannt, der sich aus Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ableitet (s. oben Rdn. 26). Der damit anerkannt freie Zugang zum Gericht und der umfassende Rechtsschutz auch im Privatrecht wird häufig als Anspruch auf Justizgewährung bezeichnet 44 . Diese verfassungsrechtlich abgesicherte Rechtsschutzgarantie erfordert einen umfassenden und möglichst lückenlosen Rechtsschutz 45 . Allerdings gewährt die Verfassung keinen Anspruch auf Zugang zu einem ganz bestimmten Rechtsweg. Gewährleistet muß nur sein, daß dem Betroffenen irgendein rechtsstaatliches Verfahren zur Überprüfung offensteht. Auch besteht dieser Anspruch auf umfassenden Rechtsschutz nur im Rahmen der jeweils geltenden Prozeßgesetze, die also den Zugang zu Gericht von bestimmten formalen Voraussetzungen abhängig machen dürfen, solange dadurch der Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert wird 4 6 . 105 Im Einzelfall kann die umfassende Rechtsschutzgarantie auch die Möglichkeit eines vorläufigen Rechtsschutzes gebieten 47 . Dagegen ist das Bestehen eines Instanzenzugs nicht verfassungsrechtlich garantiert 48 , ebenso nicht in jedem Falle ein Anspruch auf mündliche Verhandlung 49 . 5. Das Gebot des gesetzlichen Richters

106

Das Grundgesetz hat in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 den gesetzlichen Richter garantiert. Dies bedeutet, daß der für die einzelne Sache zuständige Richter sich im voraus möglichst eindeutig aus einer allgemeinen Norm ermitteln lassen muß. Die abstrakte gesetzliche Bestimmung muß sich im einzelnen aus den Normen der Gerichtsverfassung, der Prozeßordnungen und ergänzend aus den Geschäftsverteilungsplänen ergeben, an die deshalb besondere Anforderungen zu stellen sind. Damit verhindert das Gebot des gesetzlichen Richters den Eingriff Unbefugter in die Rechtspflege und dient der Erhaltung des Vertrauens der Rechtssuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte 50 . Insbesondere werden durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG Manipulationen innerhalb der Gerichtsorganisation verhindert 51 .

107

Das Gebot des gesetzlichen Richters gewährleistet zugleich ein Richtermonopol und schließt die Wahrnehmung richterlicher Aufgaben etwa durch Verwaltungsbehörden aus 5 2 . Ebenso ist die Schaffung von Sondergerichten ausgeschlossen 53 . Ihren Niederschlag hat diese Feststellung für die Bundesgerichte in der abschließenden Regelung des Art. 92 GG gefunden. 108 Allerdings ist Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G noch nicht verletzt, wenn aufgrund eines Verfahrensfehlers der an sich unzuständige Richter tätig geworden ist. Ein 44 45

46

47

32

Vgl. BVerfGE 18, 2 1 2 ; 21, 195. BVerfGE 8, 326; 25, 2 6 5 ; 30, 25; 51, 185; 41; 67, 58. BVerfGE 10, 2 6 7 ; 25, 365; 32, 3 0 9 ; 37, 96; 2 5 6 und 2 7 4 ; 4 9 , 2 5 6 ; 50, 30; 51, 2 8 4 ; 54, 77, 2 8 4 ; 78, 99; 80, 2 5 0 ; 81, 129. Vgl. BVerfGE 35, 2 7 4 und 4 0 1 ; 37, 153; 79,

48

54,

49 50

40, 96;

51

52

74.

53

Vgl. zuletzt BVerfGE 65, 90. BVerfGE 11, 324. BVerfGE 4 , 4 1 6 ; 10, 213. BVerfGE 17, 2 9 9 ; 22, 2 5 8 ; 24, 54; 30, 152; 48, 254. BVerfGE 22, 73. BVerfGE 10, 2 1 3 ; 14, 162; 23, 3 2 4 ; 27, 319.

H a n n s Prütting

Verfassungsrechtliche Grundlagen des Zivilprozeßrechts

Einl

Verfassungsverstoß setzt in diesen Fällen willkürliches Handeln der Gerichte voraus, so ζ. B. die willkürliche Anwendung von Zuständigkeitsnormen 54 , die willkürliche Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs 55 oder die willkürliche Zurückverweisung im Instanzenzug 56 . 6. Die Entwicklung verfahrensrechtlichen Schutzes aus materiellen Grundrechtspositionen Das BVerfG hat in einer Reihe von Entscheidungen konkrete Folgerungen für 1 0 9 das Verfahrensrecht und verfahrensrechtliche Garantien unmittelbar aus den betroffenen materiellrechtlichen Grundrechten allein oder im Zusammenhang mit anderen verfahrensrechtlich relevanten Verfassungsgrundsätzen gezogen. So wurden ζ. B. aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG konkrete Folgerungen für die Gewährung von Prozeßkostenhilfe 57 und für die Ausgestaltung der Zwangsvollstreckung 58 gezogen. Aus dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 Abs. 2 GG wurden Folgerungen für die Art und Weise der Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher gezogen 59 . Aus dem Gesichtspunkt der Berufsfreiheit des Art. 12 GG sind konkrete Anforderungen an die Prüfung der Prozeßfähigkeit eines Rechtsanwalts gestellt worden 6 0 . Dagegen verletzt die Verpflichtung des Rechtsanwalts, vor Gericht in Amtstracht aufzutreten, nicht den Art. 12 G G 6 1 . Im Rahmen von § 157 Abs. 3 Satz 2 ZPO wurde eine Bedürfnisprüfung bei der Zulassung von Prozeßagenten mit Art. 12 GG für vereinbar erklärt 6 2 . Schließlich sind aus Art. 6 Abs. 5 GG verfassungsrechtliche Anforderungen an die Ausübung des Ermessens und die Auslegung des § 6 4 4 ZPO entnommen worden 6 3 . Zuletzt hat das BVerfG daraus auch eine gleiche Ausgestaltung des Instanzenzuges für Unterhaltsstreitigkeiten nichtehelicher und ehelicher Kinder gefordert 6 4 . Von besonderer Bedeutung für die Entwicklung verfahrensrechtlichen Schutzes 1 1 0 mit Verfassungsrang ist schließlich das aus Art. 3 Abs. 1 GG entwickelte Willkürverbot 6 5 . Das Verbot prozessualer Willkür kann als eine Art verfassungsrechtlicher Auffangtatbestand bezeichnet werden, mit dem sich jedes denkbare prozessuale Handeln des Gerichts durch die verfassungsrechtliche Kontrolle konfrontiert sieht. Zur Annahme des Vorliegens von Willkür genügt noch nicht die klare fehlerhafte Anwendung einfachen Rechts. Hinzukommen muß vielmehr, daß der Fehler des Gerichts im Lichte des Verfassungsrechts nicht mehr verständlich ist und sich deshalb der Schluß aufdrängt, daß er auf sachfremden Erwägungen beruht 6 6 .

Kapitel 5 : Die Auslegung und Anwendung des Zivilprozeßrechts Schrifttum Bydlinski Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. 1991; Canaris Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983; Coing Die juristischen Auslegungsmethoden, 1959; ders. Grundzüge der Rechtsphilosophie, 4. Aufl. 1985; Engisch Einführung in das juristische

54 55 56 57 58

BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE 150. BVerfGE

29, 31, 31, 35, 42,

4 9 und 2 0 7 ; 58, 45. 164; 37, 75. 165; 34, 115. 348. 64; 46, 325; 49, 2 2 0 und 2 5 2 ; 51,

60 61 62 63 64 65

51, 97; 75, 327.

"

BVerfGE 37, 67. BVerfGE 28, 31. BVerfGE 10, 185. BVerfGE 8, 217. BVerfG, NJW 1992, 1747. Dazu zuletzt umfassend Höfling J Z 1991, 955. BVerfGE 62, 192; 67, 94.

Hanns Prütting

33

Einl

Die Auslegung und Anwendung des Zivilprozeßrechts

Denken, 8. Aufl. 1 9 8 3 ; Esser Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, 4. Aufl. 1 9 9 0 ; ders. Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung, 1 9 7 0 ; Fasching Zur Auslegung der Zivilverfahrensgesetze, Öster. JB1. 1 9 9 0 , 7 4 9 ; Fenge Juristische Methodenlehre und Prozeßrechtswissenschaft, FS für Friedrich Weber, 1 9 7 5 , S. 1 3 5 ; Fikentscher Methoden des Rechts, 5 Bde., 1 9 7 5 - 1 9 7 7 ; Gottwald Argumentation im Zivilprozeßrecht, Z Z P 93, 1; ders. Die Bewältigung privater Konflikte im gerichtlichen Verfahren, Z Z P 95, 2 4 5 ; ders. Richterliche Entscheidung und rationale Argumentation, Z Z P 98, 1 1 3 ; Haverkate GewißheitsVerluste im juristischen Denken, 1 9 7 7 ; Klug Juristische Logik, 4. Aufl. 1 9 8 2 ; Koch/Rüßmann Juristische Begründungslehre, 1 9 8 2 ; Lorenz Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1 9 9 1 ; Pawlowski Methodenlehre für Juristen, 1 9 8 1 ; Prutting, Prozessuale Aspekte richterlicher Rechtsfortbildung, FS der Rechtswissenschaftlichen Fakultät zur 6 0 0 Jahr-Feier der Universität zu Köln, 1 9 8 8 , S. 3 0 5 ; Schneider Logik für Juristen, 3. Aufl. 1 9 9 1 ; Schumann Die materiellrechtsfreundliche Auslegung des Prozeßgesetzes, FS für Larenz, 1 9 8 3 , S. 5 7 1 ; Siebert Die Methode der Gesetzesauslegung, 1 9 5 8 ; Stein/Jonas/Schumann ZPO, 2 0 . Aufl., Einl. Rdn. 4 0 ff; Vollkommer Formenstrenge und prozessuale Billigkeit, 1 9 7 3 ; Wank Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, 1 9 7 8 ; Zippelius Juristische Methodenlehre, 5. Aufl. 1990.

I. Grundfragen der Methodenlehre im Zivilprozeßrecht 111

Es besteht heute weithin Einigkeit, daß das Prozeßrecht bei der Rechtsfindung und der Rechtsanwendung den allgemeinen methodischen Regeln und Grundsätzen folgt. Eine eigenständige zivilprozessuale Methodik und Hermeneutik gibt es nicht 1 . Von dieser grundsätzlichen Feststellung abzutrennen ist die Tatsache, daß das Prozeßrecht eine größere Anzahl eigenständiger Topoi aufweist, die insbesondere im Rahmen der teleologischen Gesetzesauslegung von erheblicher Bedeutung sein können. Darüber hinaus ist jede Art der Gesetzesauslegung (und ebenso auch der Rechtsfortbildung) von der Zielsetzung des Verfahrensrechts, von den einzelnen Zwecken der Prozeßgesetze sowie von konkreten prozessualen Sachgesichtspunkten abhängig. So ist es anerkannt, daß der Prozeß kein Selbstzweck ist, sondern daß er der Durchsetzung des materiellen Rechts dient. Daraus folgt der Grundsatz der materiellrechtsfreundlichen Anwendung des Zivilprozeßrechts. Ein solcher Gesichtspunkt darf auch nicht übersteigert werden. So ist der teilweise erwogene Gedanke, das Prozeßrecht habe nur dienende Funktion und deshalb seien allein die Kriterien und Wertungsgesichtspunkte des materiellen Rechts von Bedeutung, in dieser Form eindeutig abzulehnen. Vielmehr sind auch die eigenständigen Wertungen des Zivilprozeßrechts zu beachten. So kann im Einzelfall dem Gesichtspunkt Bedeutung zukommen, daß prozessualer Rechtsschutz immer auch der Herstellung des Rechtsfriedens dient. Deshalb müssen die Parteien in gewissen prozessualen Situationen auch unrichtige Urteile hinnehmen. Eine Auslegung oder Rechtsfortbildung im Rahmen der außerordentlichen Rechtsbehelfe dahin, daß eindeutig unrichtige Urteile stets erneut angegriffen werden können, kann es in keinem Falle geben. Weiterhin können der Gesichtspunkt der Effektivität des Rechtsschutzes oder der Verfahrensbeschleunigung wichtige Hinweise für die prozessuale Rechtsfindung und Rechtsanwendung geben. Von besonderer Bedeutung im Prozeßrecht ist die Formgebundenheit des Verfahrens. Zwar kann ein reiner prozessualer Formalismus nach dem Wortlaut der Gesetze nicht Sinn und Zweck des Prozesses sein, denn auch

1

34

Stein/Jonas/Schumann Einl. Rdn. 40; Rosenberg/Schwab § 7 II; Zöller/Vollkommer Einl. Rdn. 92. Hanns Prütting

Auslegung

Einl

Formalismus ist sicherlich kein Selbstzweck. Andererseits ist nicht zu bestreiten, daß gerade der Prozeß stärker durch Formvorschriften gekennzeichnet sein muß. Die Vorhersehbarkeit und die Berechenbarkeit von Verfahrensabläufen wie insgesamt die Justizförmigkeit des Verfahrens sind sicherlich zulässige Auslegungskriterien. Schließlich kann auch die Prozeßökonomie als ein wichtiger Gesichtspunkt anerkannt werden. Dieser Überblick über einige wesentliche Wertungsgesichtspunkte des Zivilprozeßrechts bei der Auslegung und Anwendung der Rechtsnormen macht deutlich, daß es hier wie überall in der Methodenlehre eine enge Verknüpfung des Zwecks eines Rechtsinstitutes mit den jeweiligen Auslegungsgesichtspunkten gibt. Es dürfte daher auch im Zivilprozeßrecht zulässig sein, dem Gesichtspunkt der sog. teleologischen Auslegung (s. unten Rdn. 117) eine hervorgehobene Stellung einzuräumen.

112

Π. Auslegung Jede Auslegung von Rechtsnormen versucht, die wahre Bedeutung der Gesetzesworte zu ermitteln und damit ihren wirklichen Inhalt zu erforschen. Dieser Vorgang der Auslegung als Bedeutungsermittlung soll vor allem durch die klassischen vier Auslegungskriterien erreicht werden, nämlich die grammatische, die historische, die systematische und die teleologische Auslegung.

113

Die grammatische Auslegung geht vom Wortlaut der Rechtsnorm aus und versucht die Bedeutung des jeweiligen Sprachgebrauchs und die konkrete Sprachregelung durch den Gesetzgeber näher zu ermitteln. Ihre Grenzen findet diese Auslegung in dem jeweils gerade noch möglichen Wortsinn und teilweise auch in Definitionen des Gesetzgebers.

114

Mit der historischen Auslegung wird vor allem versucht, durch Rückgriff auf die Entstehungsgeschichte eines Gesetzes und auf die Gesetzesmaterialien weitere Hinweise zu gewinnen, wie ein bestimmter Gesetzestext zu verstehen ist. In diesem Zusammenhang ist allerdings bis heute zwischen der subjektiven und der objektiven Theorie der Gesetzesauslegung umstritten, inwieweit der Wille des historischen Gesetzgebers heranzuziehen ist. Während die subjektive Theorie den wirklichen Willen des historischen Gesetzgebers für maßgeblich hält, stellt die objektive Theorie auf das Gesetz selbst ab und fragt, was eine bestimmte Regelung nach gegenwärtigem Verständnis und Interessenbewertung vernünftigerweise beinhaltet und bezweckt.

115

Die systematische Auslegung versucht, aus dem Zusammenhang einer Rechtsnorm im Kontext mit anderen Normen oder mit der Stellung innerhalb einer Kodifikation oder im Vergleich zu anderen Gesetzen Gesichtspunkte und innere Zusammenhänge zu ermitteln.

116

Von zentraler Bedeutung ist schließlich die teleologische Auslegung. Sie fragt nach Sinn und Zweck der einzelnen Prozeßrechtsnormen. Damit ist sie offen sowohl für die Zwecke des Zivilprozesses im ganzen (Durchsetzung subjektiver Rechte, Bewährung des objektiven Rechts, Herstellung von Rechtsfrieden, Konfliktlösung). Im Rahmen der Auslegung nach Sinn und Zweck können aber auch die jeweiligen einzelnen Sachgesichtspunkte Bedeutung gewinnen, so etwa der Gesichtspunkt der Effektivität des Rechtsschutzes, der Verfahrensbeschleunigung, der Prozeßökonomie und der Formgebundenheit und Justizförmigkeit des Verfahrens. Auch die Prozeßmaximen können zur Auslegung mit herangezogen werden.

117

Neben den genannten klassischen Auslegungskriterien kann heute als weiteres anerkanntes Moment die verfassungskonforme Auslegung gelten. Sie bringt den Ge-

118

Hanns Priitting

35

Einl

Die Auslegung und Anwendung des Zivilprozeßrechts

danken der Beachtung höherrangigen Rechts bei der Auslegung zivilprozessualer Normen ein. Daher ist es heute anerkannt, daß die Wertungen des Grundgesetzes ebenso wie etwa des primären und sekundären Rechts der Europäischen Gemeinschaften wichtige Gesichtspunkte zum Verständnis und zur Wertung prozessualer Normen enthalten können. 119

Alle hier allgemein genannten Kriterien und Gesichtspunkte der Auslegung wirken auch im Zivilprozeßrecht zusammen. So spielt beim Verständnis prozessualer Fragestellungen auch heute noch der Wortlaut des Gesetzes eine wichtige Rolle. Dabei ist zu beachten, daß die Reichsjustizgesetze des Jahres 1877 als eine Einheit anzusehen sind. Auch die Tatsache, daß die Reichsjustizgesetze aus der Zeit vor der Schaffung des BGB stammen und noch nicht dessen Sorgfalt in Wortlaut und Systematik haben, muß beim Verständnis prozessualer Normen eine Rolle spielen. Deshalb ist es ζ. B. anerkannt, daß die Wortbedeutung einzelner prozessualer Normen von Fall zu Fall unterschiedlich sein kann. Weiterhin sind die Auswertung der Gesetzesmaterialien und die Beachtung der Entstehungsgeschichte des Gesetzes auch heute noch beachtliche Gesichtspunkte bei der Auslegung. Erheblichen Einfluß kann dabei insbesondere die Frage haben, ob ein bestimmter Gesetzeswortlaut noch aus dem Jahre 1877 stammt oder ob die jeweilige Norm durch den Gesetzgeber später verändert oder eingefügt wurde. Sogar ohne Eingriffe des Gesetzgebers ist ein Wandel in der allgemeinen Auslegung oder der Lebensumstände möglich und kann auf die Auslegung des Gesetzes einwirken. Bei der Frage des Einsatzes moderner Hilfsmittel (ζ. B. Telefax) ist der technische Wandel etwa für die Auslegung von Formvorschriften von erheblicher Bedeutung.

HL Richterliche Rechtsfortbildung 120

Ebenso wie bei der Gesetzesauslegung gelten auch im Rahmen der sog. richterlichen Rechtsfortbildung für das Zivilprozeßrecht die allgemein anerkannten methodischen Grundsätze. Unter richterlicher Rechtsfortbildung verstehen wir die Aufstellung neuer abstrakter Obersätze (Rechtssätze) durch den Richter, die in dieser Weise im geschriebenen Gesetzesrecht oder im Gewohnheitsrecht nicht vorhanden sind. Die Erforderlichkeit richterlicher Rechtsfortbildung und ihre Zulässigkeit ist allgemein anerkannt. Schwierigkeiten bereiten neben der Frage der richtigen Rechtsfortbildung im Einzelfall vor allem die Suche nach den Grenzen einer solchen Rechtsfortbildung.

121

Auch wenn anerkannt ist, daß die Rechtsfortbildung von der ihr vorgelagerten Gesetzesauslegung nicht immer streng und sauber zu unterscheiden und abzugrenzen ist, so lassen sich doch richterrechtliche Fortbildungen nach dem Grad ihrer Entfernung vom geschriebenen Recht jenseits der Gesetzesauslegung (also der Rechtsanwendung secundum legem) in drei wesentlichen Stufen beschreiben: Erste Stufe ist die gesetzesimmanente Rechtsfortbildung oder Rechtsanwendung praeter legem. Zweite Stufe ist die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung oder Rechtsanwendung extrem legem, aber intra jus. Eine über diese zweite Stufe hinausgehende Rechtsfortbildung (dritte Stufe) wäre dann eine Rechtsfortbildung contra legem, die im allgemeinen für unzulässig angesehen wird.

122

Methodisch setzt jede Rechtsfortbildung eine Lücke voraus, die sich freilich nicht immer nur als offene Gesetzeslücke darstellen kann. Auch durch die Bewertung sachwidriger Unterscheidungen und Ergebnisse oder durch sonstige wertungsmäßige Beurteilungen können sich verdeckte Gesetzeslücken ergeben. Zur Ausfüllung 36

Hanns Priitting

Die Arten der prozessualen Rechtssätze

Einl

von Gesetzeslücken kommt vor allem die Analogie, der Umkehrschluß und die teleologische Reduktion in Betracht. Daneben können der Rechtsfortbildung des Zivilprozeßrechts aber auch alle Sachgesichtspunkte dienen, die auch für die Auslegung der Prozeßgesetze von Bedeutung sind. Das bedeutet, daß Auslegung und Rechtsfortbildung häufig auf ähnlichen Wertungen und Sachgesichtspunkten beruhen. Allerdings folgt bereits aus dem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt der Gewaltenteilung, daß richterrechtliche Rechtsfortbildung einer Art Subsidiaritätsprinzip unterliegt. Das bedeutet, daß die Auslegung des Gesetzeswortlauts, die Beachtung des gesetzgeberischen Willens und vorhandener gesetzlicher Strukturen soweit irgend möglich Vorrang vor der Neuentwicklung von Rechtsnormen besitzen müssen. Daraus ergibt sich zugleich eine besondere Verpflichtung des Richters zur Begründung, warum er im Einzelfall eine Rechtsfortbildung für erforderlich hielt und in welcher Weise der neue rechtliche Obersatz entwickelt wurde. Schließlich sind bei der Rechtsfortbildung Grenzen verfahrensrechtlicher Leistungsfähigkeit zu beachten 2 . Im einzelnen gibt es für die richterliche Rechtsfortbildung des Zivilprozeßrechts 1 2 3 eine große Zahl von Beispielen. Wie auch in anderen Bereichen stehen hier neben geglückter Rechtsfortbildung, die sich allgemeiner Anerkennung erfreut, auch wenig überzeugende richterrechtliche Rechtssätze. Typische Ausprägungen richterlicher Rechtsfortbildung im Zivilprozeß sind die Fallgruppen, in denen es zu einer Umkehr der Beweislast kommt, die praeter legem entwickelten Rechtsinstitute der gewillkürten Prozeßstandschaft, der Parteiänderung und der einseitigen Erledigungserklärung, sowie die Durchbrechung der materiellen Rechtskraft gemäß § 826 BGB. Gerade das zuletzt genannte Beispiel der Rechtskraftdurchbrechung außerhalb des Systems der ZPO und unter bewußter Ablehnung einer Analogie zum Wiederaufnahmerecht ist allerdings ein Beispiel höchst problematischer Rechtsfortbildung. Denn in diesem Falle fehlt es an der Grundvoraussetzung jeglicher richterlicher Rechtsfortbildung, nämlich dem Bestehen einer Gesetzeslücke 3 . IV. Die Arten der prozessualen Rechtssätze 1. Zwingendes und dispositives Recht Eine wichtige Unterscheidung zwischen den einzelnen Rechtsnormen des Prozeß- 1 2 4 rechts fragt danach, ob die einzelne Norm zwingend und damit jeglichem Einfluß der Parteien entzogen ist oder ob dispositives Recht vorliegt, das es den Parteien gestattet, abweichende Vereinbarungen zu schließen. Anerkannt ist, daß das Zivilprozeßrecht manchmal dispositive Rechtssätze enthält, so ζ. B. im Rahmen der Zuständigkeit (§§ 38, 39), bei der Abkürzung von Fristen (§ 224 Abs. 1), bei besonderen Verfahrensgestaltungen (vgl. §§ 128 Abs. 2, 349 Abs. 3). Eine wichtige Vorschrift für Dispositionsmöglichkeiten der Parteien enthält § 2 9 5 Abs. 1. Danach kann eine Partei auf die Rüge von Verfahrensverletzungen verzichten und damit die Heilung von Verfahrensfehlern herbeiführen. Alle diese Einzelbeispiele können freilich nicht darüber hinwegtäuschen, daß das 1 2 5 Zivilprozeßrecht den allgemeinen Grundsatz kennt, wonach seine Normen in der

2 3

Vgl. dazu im einzelnen Prutting aaO, S. 317 ff. Vgl. Prütting/Weth Rechtskraftdurchbrechung bei unrichtigen Titeln, 1988, Rdn. 274. H a n n s Prütting

37

Einl

Internationales Zivilprozeßrecht

Regel zwingend sind. Dies beruht teilweise auf dem Zweck des Zivilprozesses und darauf, daß es sich bei den prozessualen Normen um öffentliches Recht handelt. Auch die ausdrückliche Anordnung des Gesetzes, daß eine Parteivereinbarung ausgeschlossen ist (§§ 40 Abs. 2, 2 9 5 Abs. 2) oder daß eine Prüfung von Amts wegen vorgeschrieben ist, sind eindeutige Hinweise auf zwingendes Zivilprozeßrecht. 2. Muß-Vorschriften und Soll-Vorschriften 126

Neben den Normen, die ein gewisses Verhalten von Gericht und Parteien zwingend anordnen (Muß-Vorschriften) kennt auch die ZPO sog. Soll-Vorschriften (ζ. B. §§ 141 Abs. 1, 313 b Abs. 2 Satz 5). Es ist anerkannt, daß auch Soll-Vorschriften zwingend zu befolgen sind. Der Unterschied zu den Muß-Vorschriften besteht allein darin, daß die Nichtbeachtung einer Soll-Vorschrift keine Anfechtungsmöglichkeit erzeugt. 3. Ermessen im Zivilprozeß

127

Nicht selten stellt die ZPO gewisse Handlungen und Anordnungen in das Ermessen des Gerichts (vgl. z. B. §§ 142 — 150). Als typisches Merkmal einer solchen Ermessenseinräumung an den Richter gilt die Verwendung des Wortes „kann". Allerdings ist eine durchgehende und unkritische Auslegung des Wortes „kann" als Ermessenseinräumung nicht unproblematisch. So ist zu bedenken, daß echtes richterliches Ermessen in mancher Hinsicht verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen kann. Dies hat ζ. B. das BVerfG bereits veranlaßt, manche Kann-Vorschriften als Muß-Vorschriften auszulegen4. Echtes Ermessen steht dem Richter dagegen ζ. B. für die Frage zu, ob er zu Beginn des Verfahrens einen frühen ersten Termin oder ein schriftliches Vorverfahren wählt (vgl. §§ 275, 276). 4. Privatrecht und öffentliches Recht

128

Das Zivilprozeßrecht ist wie alles Verfahrensrecht öffentliches Recht. Daraus lassen sich aber für die Auslegung und die Anwendung des Zivilprozeßrechts keine Gesichtspunkte ableiten. Die sachliche und praktische Nähe des Zivilprozeßrechts zum materiellen Zivilrecht kann an der grundsätzlichen Einstufung nichts ändern. Auch eine Zwischenkategorie des „materiellen Justizrechts", das die Brücke vom Zivilrecht zum Zivilprozeßrecht schlagen soll, ist überflüssig und hat sich zu Recht nicht durchsetzen können.

Kapitel 6 : Internationales Zivilprozeßrecht Schrifttum Deutschland: Basedow Qualifikation, Vorfrage und Anpassung im Internationalen Zivilverfahrensrecht, in: Schlosser (Hrsg.), Materielles Recht und Prozeßrecht und die Auswirkungen der Unterscheidung im Recht der Internationalen Zwangsvollstreckung, 1 9 9 2 , S. 1 3 1 ff; Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schiitze Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 2. Aufl., 1 9 7 3 ff; von Craushaar Die internationalrechtliche Anwendbarkeit deutscher

4

Vgl. etwa für S 5 5 4 b die Plenarentscheidung des BVerfG, N J W 1 9 8 1 , 3 9 = Z Z P 9 5 , 6 7 mit Anm.

Prutting. 38

Rolf A. Schütze

Internationales Zivilprozeßrecht

Einl

Prozeßnormen, 1961; Geimer Internationales Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., 1993; ders. Einleitung IZPR, in: Zöller, ZPO, 18. Aufl., 1993; ders. Verfassung, Völkerrecht und Internationales Zivilprozeßrecht, ZfRV 1992, S. 321 ff, 401 ff; Gottwald Die Stellung des Ausländers im Prozeß, in: Habscheid/Beys (Hrsg.), Grundfragen des Zivilprozeßrechts - die internationale Dimension, 1991, S. 3 ff; ders., Internationales Zivilprozeßrecht, in: MiiKo ZPO, Schlußanhang; Grunsky Lex fori und Verfahrensrecht, ZZP 89 (1976), S. 241 ff; ders. Internationales Prozeßrecht - International Law of Procedure, in: Storme/Casman (Hrsg.), Towards a Justice with a human face, 1978, S. 67 ff; Kohler Zum internationalen Zivilprozeßrecht, ZZP 10 (1887), S. 449 ff; Langendorf Prozeßführung im Ausland und Mängelrüge im ausländischen Recht, 1956 ff; Linke Internationales Zivilprozeßrecht, 1990; Magnus Tabellen zum internationalen Recht, 1. Heft, Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., 1931; Matscher Die Einwirkungen des EMRK auf das Internationale Privat- und zivilprozessuale Verfahrensrecht, FS für Schwind, 1993, S. 71 ff; Max Planck Institut für ausländisches und internationales Privatrecht (Hrsg.), Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982; Bd. III/l, 1984; Bd. III/2, 1984; Nagel Durchsetzung von Vertragsansprüchen im Auslandsgeschäft - Klage vor dem Schieds- oder Staatsgericht im Inland oder Ausland, 1978; ders. Internationales Zivilprozeßrecht, 3. Aufl., 1991; ders. Geschichtlicher Überblick über die Entwicklung des internationalen Zivilverfahrensrechts, in: Zeitgenössische Fragen des internationalen Zivilverfahrensrechts, 1972, S. 13 ff; ders. Auf dem Wege zu einem europäischen Zivilprozeßrecht, 1963; ders. Chancen des internationalen Zivilprozeßrechts beim Ausgleich von Schwierigkeiten aus Rechtsordnungen unterschiedlicher Weltanschauung, ZZP 82 (1969), S. 360 ff; ders. Die Begrenzung des internationalen Zivilprozeßrechts durch das Völkerrecht, ZZP 95 (1982), S. 404 ff; Neuhaus Internationales Zivilprozeßrecht und internationales Privatrecht, RabelsZ 20 (1955), S. 201 ff; Niederländer Materielles Recht und Verfahrensrecht im internationalen Privatrecht, RabelsZ 20 (1955), S. I f f ; von Normann Das internationale Zivilprozeßrecht, 1923; Radtke Der Grundsatz der lex fori und die Anwendbarkeit ausländischen Verfahrensrechts, Diss. München 1982; Riezler Internationales Zivilprozeßrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949; Schack Internationales Zivilverfahrensrecht, 1991; Schütze Deutsches Internationales Zivilprozeßrecht, 1985; ders. Rechtsverfolgung im Ausland, 1986; ders. Internationales Zivilprozeßrecht und Rechtsvergleichung, Recht in Ost und West, FS zum 30jährigen Jubiläum des Instituts für Rechtsvergleichung des Waseda Universität (Waseda-FS), 1988, S. 323 ff; Stalev Der Fremde im Zivilprozeß. Der Grundsatz der lex fori und seine Durchbrechung, in: Zeitgenössische Fragen des internationalen Zivilverfahrensrechts, 1972, S. 31 ff; Ziegenhain Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des Genuine-Link-Erfordernisses, 1992. ehemalige DDR: Hofmann/Fincke Der internationale Zivilprozeß, 1980. Andorra: Rau Internationales Privat- und Prozeßrecht in Andorra, RabelsZ 53 (1989), S. 207 ff; ders. Das internationale Zivilprozeßrecht Andorras, in: Bülow/Böckstiegel/Geimer/ Schütze, 1003. S. 1 ff. Belgien: Born/Fallon Droit judiciaire international ( 1 9 7 8 - 1 9 8 2 ) , J T 1983, S. 181 ff. Bulgarien: Popov Die Rechtsstellung des Ausländers in Bulgarien, 1981. China: Munzel Das IPR und IZPR der Volksrepublik China, IPRax 1988, S. 46 ff; Schütze, Das internationale Zivilprozeßrecht Chinas, in: Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, 1027, S. 1 ff. Frankreich: Batiffol/Lagarde Droit International Privé, Bd. II, 7. Aufl., 1983, 667 ff. Griechenland: Kerameus Das internationale Zivilprozeßrecht Griechenlands, in: Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, 1043, S. 1 ff; Klamaris Der Ausländer im Prozeß, in: Habscheid/Beys (Hrsg.), Grundfragen des Zivilprozeßrechts - die internationale Dimension, 1991, S. 102 ff. Irak: Krüger/Küppers Das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht des Irak, IPRax 1988, S. 180 ff. Island: Stefánson Das internationale Zivilprozeßrecht Islands, in: Bülow/Böckstiegel/Geimer/ Schütze, 1054. S. 1 ff. Italien: Fedozzi II diritto processuale civile internazionale, 1905; Ghirardini II diritto processuale civile internazionale, 1914; Morelli Diritto processuale civile internazionale, 2. Aufl., Rolf A. Schütze

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Internationales Zivilprozeßrecht

1954; ders. Studi di diritto processuale civile internazionale, 1961; ders. Studi sul processo internazionale, 1963; Vitta Corso di dritto internazionale privato e processuale, 2. Aufl., 1983. Japan: Kawakami Die Entwicklung des internationalen Privat- und Prozeßrechts in Japan nach dem Zweiten Weltkrieg, RabelsZ 33 (1969), S. 498 ff; Schütze Das internationale Zivilprozeßrecht Japans, in: Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, 1058, S. 1 ff; Takamatsu International Litigation and Enforcement of Judgements in Japan, Droit et pratique du commerce international 10 (1984), S. 159 ff. Jemen: Krüger/Küppers Das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht der Arabischen Republik Jemen, IPRax 1987, S. 39 ff. Korea: Stiller Das internationale Zivilprozeßrecht der Republik Korea, Diss. Bonn 1989; ders., Das internationale Zivilprozeßrecht Koreas, in: Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schiitze, 1073, S. 1 ff. Luxemburg: Bernecker Internationales Privat- und Prozeßrecht im Großherzogtum Luxemburg, RabelsZ 27 (1962/63), S. 263 ff; zugleich Diss. Hamburg 1963; Schockweiler Les conflits de lois et les conflits de juridictions en droit international privé luxembourgois, 1988. Malaysia: Schütze Das internationale Zivilprozeßrecht Malaysias, in: Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, 1086, S. 1 ff. Mexiko: Prinz von Sachsen Gessaphe Das internationale Zivilprozeßrecht Mexikos, in: Bülow/ Böckstiegel/Geimer/Schütze, 1090, S. Iff. Niederlande: van Rooij/Polak Private International Law in the Netherlands, 1987, S. 15 ff. Österreich: Schwimann Internationales Zivilverfahrensrecht, 1979; Walker Streitfragen aus dem internationalen Civilprozeßrechte, 1897. Polen: Gralla Das polnische internationale Zivilverfahrensrecht, Jahrbuch für Ostrecht X (1969), S. 167 ff; ders. Das internationale Zivilprozeßrecht Polens, in: Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, 1113, S. 1 ff. Schweden: Bogdan Svensk internationell privat- och processrätt, 3. Aufl., 1987; Karlgren Kortfattad lärobok i internationell privat- och processrätt, 5. Aufl., 1974; Pâlsson Svensk Rättspraxis i Internationell Processrätt, 1989; ders. Das internationale Zivilprozeßrecht Schwedens, in: Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, 1120, S. Iff. Schweiz: Acocella Internationale Zuständigkeit sowie Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivilsachen im schweizerisch-italienischen Rechtsverkehr, 1989; Brandenberg Brandl Direkte Zuständigkeit der Schweiz im internationalen Schuldrecht, 1991; Broggini Norme procedurali della nuova legge, in: Broggini (Hrsg.), Il nuovo diritto internazionale privato in Svizzera, 1990, S. 267 ff; Guldener Das internationale und interkantonale Zivilprozeßrecht der Schweiz, 1951 mit Supplement 1959; Habscheid Zur Reform des internationalen Zivilverfahrensrechts, insbesondere im Ehe-, Kindschafts- und Vormundschaftsrecht in der Schweiz, ZZP 95 (1982), S. 135 ff; Koberg Zivilprozessuale Besonderheiten bei Sachverhalten mit Auslandsberührung, 1992; Locher Das Internationale Privat- und Zivilprozeßrecht der Immaterialgüterrechte aus urheberrechtlicher Sicht, 1993; Meili Das internationale Civilprozeßrecht auf Grund der Theorie, Gesetzgebung und Praxis, 1906; Meili/Mamelok Das internationale Privat- und Zivilprozeßrecht auf Grund der Haager Konventionen, 1911; Schnyder Staatsverträge im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht der Schweiz, 1983; ders. Das neue IPR-Gesetz, 2. Aufl., 1990; Staehelin Die Staatsverträge über Zivilprozeß und Zwangsvollstreckung nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts, in: Erhaltung und Entfaltung des Rechts in der Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts, 1975, S. 561 ff; Troller Das internationale Privat-und Zivilprozeßrecht im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, 1952; Volken Referat zum internationalen Verfahrensrecht am Lausanner Kolloquium vom 1 3 . - 1 5 . Oktober 1983, 1984, S. 219 ff; Walder Einführung in das Internationale Zivilprozeßrecht der Schweiz, 1989. Singapur: Schütze Das internationale Zivilprozeßrecht Singapurs, in: Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, 1127, S. 1 ff. Sowjetunion (jetzt GUS): Lunz Internationaler Zivilprozeß, 1968 (Übersetzung des 1966 erschienenen Werkes von Maskow). 40

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Spanien: Angulo Lecciones de Derecho Procesal Internacional, 1974; Cortes Domínguez Derecho Procesal Internacional (Ordinamiento Español), 1981; Cremades/Cabiedes Litigating in Spain, 1989; Espinar Vicente Derecho Procesal Civil Internacional, 1988; Gomales Campos/ Recondo Porrúa Lecciones de Derecho procesal internacional, 1979; Ramos Mendez Código Procesal Civil Internacional, 1985; Schütze/Karl Das internationale Zivilprozeßrecht Spaniens, in: Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, 1130, S. Iff. Uganda: Knieper Das internationale Zivilprozeßrecht Ugandas, in: Bülow/Böckstiegel/Geimer/ Schütze, 1150, S. Iff. Ungarn: Farkas Die zivilprozeßrechtliche Stellung der Ausländer in Ungarn, 1989; Szászy International Civil Procedure, 1967. USA: Born/Westin International Civil Litigation in United States Courts. Commentary and Materials, 1989; Junker Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987; PfeilKammerer Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen, 1982; Schack Jurisdictional Minimum Contacts Scrutinized, 1983; Schütze Deutsch-amerikanische Urteilsanerkennung, 1992; ders. Das internationale Zivilprozeßrecht der USA, in: Bülow/Böckstiegel/Geimer/ Schütze, 1157, S. 1 ff. Vereinigtes Königreich: Jacob (Hrsg.), Private International Litigation, 1988; Schütze Das internationale Zivilprozeßrecht des Vereinigten Königreichs, in: Bülow/Böckstiegel/Geimer/ Schütze, 1156, S. 1 ff. Zentralafrikanische Republik: Knieper Das internationale Zivilprozeßrecht der zentralafrikanischen Republik, in: Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, 1160, S. Iff.

I. Begriff, Rechtsquellen und Grundsätze des internationalen Zivilprozeßrechts 1. Der Begriff des internationalen Zivilprozeßrechts Das internationale Zivilprozeßrecht umfaßt die Gesamtheit der Zivilverfahrens- 1 2 9 rechtlichen Normen, soweit sie Auslandsbeziehungen betreffen. Das internationale Zivilprozeßrecht gehört damit zum Zivilprozeßrecht, ist ein Teil von ihm. Es ist bruchstückhaft — in der Z P O normiert. Zum internationalen Zivilprozeßrecht gehört auch das prozessuale Fremdenrecht 1 , das die Rechtsstellung von Ausländern vor heimischen Gerichten regelt. Der terminus „internationales Zivilprozeßrecht" hat sich im deutschen und ausländischen 2 Sprachgebrauch durchgesetzt 3 . Die Bezeichnung ist nicht sehr glücklich 4 . Das IZPR ist — ebenso wie das IPR — kein internationales, sondern nationales Recht, wenn man von einigen völkerrechtlichen Normen im Bereich der Gerichtsbarkeit absieht. Das IZPR berührt sich mit verwandten Rechtsgebieten: Internationales Privatrecht. Das IZPR wird häufig als Teilgebiet des IPR gesehen. In der deutschen und ausländischen Literatur zum IPR wird das IZPR regelmäßig

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Vgl. dazu rechtsvergleichend Stalev Der Fremde im Zivilprozeß. Der Grundsatz der lex fori und seine Durchbrechung, Zeitgenössische Fragen des internationalen Zivilverfahrensrechts, 1972, S. 31 ff. International Civil Procedure {Szászy), aber auch Private International Litigation {Jacob) oder International Civil Litigation {Born/ Westin); Diritto Processuale Civile Internazionale (Morelli); International Processrätt (Pâls-

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son); Derecho Procesal Civil Internacional (Cortes und Gonzales Campos/Recondo Porrúa); Droit de Procédure Civile Internationale. Vgl. zur Entwicklung Nagel Geschichtlicher Überblick über die Entwicklung des internationalen Zivilverfahrensrechts, in: Zeitgenössische Fragen des internationalen Zivilverfahrensrechts, 1972, S. 13 ff. Vgl. für viele Geimer IZPR, Rdn. 13.

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mit behandelt. Für das sowjetische Recht hat Lunz5 sehr prononciert die Ansicht vertreten, daß das IZPR keine eigenständige Bedeutung habe. Das IZPR ist vom IPR jedoch grundsätzlich abzugrenzen 6 . Jenes — das IZPR — gehört zum Verfahrensrecht, dieses — das IPR — gehört zum materiellen Recht. Die Normen des IPR beantworten die Frage, welches Recht Anwendung findet, die Normen des IZPR, welches Gericht in welchem Verfahren entscheiden und dieses kollisionsrechtlich zur Anwendung berufene Recht anwenden soll. Dabei sind IPR und IZPR miteinander verwoben. Die Zuständigkeitsfrage des IZPR steht regelmäßig vor der internationalprivatrechtlichen der Rechtsanwendung. Deshalb hat ein deutsches Gericht bei der Scheidung von Ausländern zunächst zu prüfen, ob eine internationale Zuständigkeit nach § 6 0 6 a Z P O gegeben ist — ein Problem des IZPR — bevor es nach Art. 17 E G B G B prüfen darf, welches materielle Recht anzuwenden ist - ein Problem des IPR. Als wesentlicher Unterschied zum IPR wird diskutiert, ob das IZPR Kollisionsnormen verfahrensrechtlicher Natur enthält. Die hL leugnet das 7 . Schließlich ist die Bedeutung des Gegenseitigkeitsprinzips 8 im IPR und im IZPR unterschiedlich. Während das I Z P R das Erfordernis der verbürgten Gegenseitigkeit in zahlreichen Fällen kennt — ζ. B. bei der Ausländersicherheit 9 und der Wirkungserstreckung ausländischer Zivilurteile 1 0 — ist die Anwendung ausländischen Rechts nicht von der Gegenseitigkeitsverbürgung abhängig, nachdem auch die Rudimente des Gegenseitigkeitsprinzips in Art. 31 E G B G B durch die Neuregelung des IPR im IPRG 1 9 8 6 weggefallen sind. 131

Internationales Strafprozeßrecht. Das internationale Strafprozeßrecht umfaßt alle strafprozessualen Normen bei Fällen mit Auslandsbezug: Zuständigkeit deutscher Gerichte zur Verfolgung von Straftaten im Ausland oder zur Verfolgung von Straftaten von Ausländern im Inland, Immunität von Staatsoberhäuptern, Diplomaten und Konsuln im deutschen Strafverfahren, Wirkungen ausländischer Strafurteile im Inland, Auslieferungs- und Asylrecht sowie Rechtshilfe in Strafsachen 1 1 . Das internationale Straßprozeßrecht ist ebensowenig internationales Recht wie das internationale Zivilprozeßrecht. I Z P R und internationales Strafprozeßrecht überschneiden sich teilweise ebenso wie Zivil- und Strafprozeßrecht im nationalen Bereich, ζ. B. bei Adhäsionsverfahren.

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Rechtsvergleichung. Während das I Z P R objektives Recht ist, hat die Rechtsvergleichung Rechtsanwendungs- und Rechtsforschungsfunktion. In beiden beeinflußt sie das IZPR und dient i h m 1 2 . Für das IPR hat R a b e l 1 3 die rechtsvergleichende Methode zur Qualifikation hoffähig gemacht. Für das IZPR ist diese Funktion der Rechtsvergleichung heute 5

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Vgl. Lunz Internationaler Zivilprozeß, 1968, S. 9 ff. Vgl. dazu Geimer IZPR, Rdn. 19 ff; Nagel IZPR, Rdn. 30 ff; Schütze DIZPR, S. 1 f. Vgl. für Nachweise Schütze DIZPR, S. 14 ff; aA insbesondere Szäszy International Civil Procedure, 1967, S. 225 und Grunsky Lex fori und Verfahrensrecht, ZZP 89 (1976), S. 241 ff. Vgl. dazu Hepting Die Gegenseitigkeit im internationalen Privatrecht und internationalen Zivilprozeßrecht, Diss. München 1973; Schwantag Gegenseitigkeit und „loi uniforme" in Abkommen zum internationalen Privat- und Prozeßrecht, Diss. Freiburg/Brsg. 1976.

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Vgl. § 110 Abs. 2 Nr. 1. Vgl. ξ 328 Abs. 1 Nr. 5. Vgl. dazu auch Dehler Internationales Strafrecht, 2. Aufl., 1983; Vogel/Walter/Wlkitzki Kommentar zum Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG), 1983. Vgl. dazu Schütze Internationales Zivilprozeßrecht und Rechtsvergleichung, Waseda FS, 1988, S. 323 ff. Vgl. Rabel Das Problem der Qualifikation, RabelsZ 5 (1931), S. 241 ff.

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anerkannt. Sie wird vom E u G H zur Auslegung des E u G V Ü im Rahmen der vertragsautonomen Qualifikation a n g e w a n d t 1 4 . Der B G H hat sich ihrer bei der Gegenseitigkeitsfeststellung im Rahmen der Anerkennung ausländischer Zivilurteile bedient15. 2 . Die Rechtsquellen des internationalen Zivilprozeßrechts a) Völkerrecht. Völkerrechtlich geregelt sind die Gerichtshoheit des Staates (Gerichtsbarkeit) und ihre Begrenzung durch die I m m u n i t ä t 1 6 . Die Regeln des Völkerrechts, die unmittelbar geltenden Rechts beinhalten 1 7 , sind teilweise in §§ 1 8 — 2 0 G V G klarstellend übernommen worden.

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b) Staats vertrage. Eine wesentliche Rechtsquelle des I Z P R sind die Staatsvert r ä g e 1 8 , die die Bundesrepublik Deutschland insbesondere auf drei Gebieten abgeschlossen hat:

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Rechtshilfe. Die Rechtshilfe, die Auslandszustellung, die Sicherheitsleistung für die Prozeßkosten und das Armenrecht (Prozeßkostenhilfe) werden geregelt durch:

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-

das Haager Zivilprozeßabkommen vom 17. 7 . 1 9 0 5 1 9 , das im Verhältnis zu Island gilt; das Haager Zivilprozeßübereinkommen vom 1. 3 . 1 9 5 4 2 0 , das im Verhältnis zu Ägypten, Argentinien, Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Israel, Italien, Japan, Jugoslawien, Libanon, Luxemburg, Marokko, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Schweiz, Sowjetunion (Nachf.), Spanien, Surinam, Tschechoslowakei (Nachf.), Türkei, Ungarn und dem Vatikan gilt. Diese Staatsverträge sind teilweise ersetzt worden durch

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das Haager Zustellungsübereinkommen vom 1 5 . 1 1 . 1 9 6 5 2 1 , das im Verhältnis zu Ägypten, Antigua und Barbuda, Barbados, Belgien, Botsuana, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Israel, Italien, Japan, Kanada, Luxemburg, Malawi, Niederlande, Norwegen, Pakistan, Portugal, Schweden, Seychellen, Spanien, Tschechoslowakei (Nachf.), Türkei, USA, Vereinigtes Königreich, Zypern gilt; das Haager Beweisübereinkommen vom 18. 3 . 1 9 7 0 2 2 , das im Verhältnis zu Argentinien, Barbados, Dänemark, Finnland, Frankreich, Israel, Italien, Luxemburg, Monaco, Mexiko, Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, Singapur, Spanien, Tschechoslowakei (Nachf.), USA, Vereinigtes Königreich, Zypern gilt.

-

Die Ermittlung ausländischen Rechts wird erleichtert durch das -

Europäische Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht vom 7. 6 . 1 9 6 8 2 3 , das im Verhältnis zu Belgien, Bulgarien, Costa Rica, Dänemark, Finnland,

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Vgl. ζ. B. EuGHE 1976, 1541 (LTU ./. Eurocontrol); EuGHE 1978, 1431 (Bertrand ./. Ott); EuGHE 1976, 1735 (Bier ./. Mines de Potasse d'Alsace); EuGHE 1978, 2183 (Somafer ./. SaarFerngas); aus der abundanten Literatur zur vertragsautonomen Qualifikation vgl. Geimer Zur Auslegung des Brüsseler Zuständigkeits- und Vollstreckungsübereinkommens in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968, EuR 1977, S. 34 ff; Martiny Autonome und einheitliche Auslegung im Europäischen Internationalen Zivilprozeßrecht, RabelsZ 45 (1981), S. 427 ff; Schlosser Vertragsautonome Auslegung, nationales Recht, Rechtsvergleichung und das EuGVÜ, Gedächtnisschrift für Bruns, 1980, S. 45 ff.

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Vgl. z. B. BGHZ 49, 50. Vgl. dazu Dahm/Delbrück/Wolfrum Völkerrecht, Bd. 1/1, 2. Aufl., 1989, S.277ff, 310ff, 451 ff; im übrigen unten Rdn. 146 ff. Vgl. Art. 25 GG. Vgl. dazu Matscher Die Bedeutung von Verfahrensregelungen für die zwischenstaatlichen Beziehungen, 1975; für die Staatsverträge internationalzivilprozessualen Inhalts bis 1979 vgl. 2. Aufl., Bd. VI. RGBl. 1909, 409. BGBl. 1958 II 577. BGBl. 1977 II 1453. BGBl. 1977 II 1453. BGBl. 1974 II 938.

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Frankreich, Griechenland, Island, Italien, Liechtenstein, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz, Sowjetunion (Nachf.), Spanien, Türkei, Vereinigtes Königreich, Zypern gilt. Z u d e n H a a g e r Z i v i l p r o z e ß ü b e r e i n k o m m e n sind z a h l r e i c h e b i l a t e r a l e Z u s a t z v e r e i n b a r u n g e n a b g e s c h l o s s e n , die d e r V e r e i n f a c h u n g des z w i s c h e n s t a a t l i c h e n R e c h t s verkehrs dienen24. N e b e n u n d in E r g ä n z u n g der m u l t i l a t e r a l e n R e c h t s h i l f e k o n v e n t i o n e n h a t die B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h l a n d m e h r e r e b i l a t e r a l e Ü b e r e i n k o m m e n ü b e r die M a t e r i e abgeschlossen: — Deutsch-britisches Abkommen über den Rechtsverkehr vom 2 0 . 3 . 1 9 2 8 2 s ; -

Deutsch-türkisches Abkommen über den Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen vom 2 8 . 5. 1 9 2 9 2 6 ; — Deutsch-griechisches Abkommen vom 11. 5. 1 9 3 8 über die gegenseitige Rechtshilfe in Angelegenheiten des bürgerlichen und Handelsrechts 2 7 ; — Deutsch-liechtensteinische Vereinbarung vom 17. 2 . / 2 9 . 5. 1 9 5 8 über den unmittelbaren Geschäftsverkehr in Zivil- und Strafsachen zwischen den Justizbehörden der Bundesrepublik Deutschland und des Fürstentums Liechtenstein 2 8 ; - Deutsch-marokkanischer Vertrag über Rechtshilfe und Rechtsauskunft in Zivil- und Handelssachen vom 2 9 . 1 0 . 1 9 8 5 2 9 . 136

Internationale Zuständigkeit und Urteilsanerkennung. Die internationale Z u s t ä n d i g k e i t i m S i n n e v o n B e f o l g u n g s n o r m e n ( c o m p é t e n c e d i r e c t e ) u n d die A n e r k e n n u n g u n d V o l l s t r e c k b a r e r k l ä r u n g a u s l ä n d i s c h e r Z i v i l u r t e i l e regelt d a s -

EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 2 7 . 8. 1 9 6 8 3 0 , das in der Form der Beitrittsübereinkommen vom 9. 10. 1 9 7 8 mit Dänemark, Irland und dem Vereinigten Königreich 3 1 und vom 2 5 . 1 0 . 1 9 8 2 mit Griechenland 3 2 für die Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zu Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Dänemark, Irland, dem Vereinigten Königreich und Griechenland in Kraft i s t 3 3 .

Z a h l r e i c h e b i l a t e r a l e S t a a t s v e r t r ä g e b e t r e f f e n die w e c h s e l s e i t i g e W i r k u n g s e r s t r e k k u n g v o n Z i v i l u r t e i l e n u n d a n d e r e n V o l l s t r e c k u n g s t i t e l n , regeln die i n t e r n a t i o n a l e Zuständigkeit nur im Sinne von Beurteilungsnormen. D e r deutsch-tunesische Vert r a g b e t r i f f t d a r ü b e r h i n a u s a u c h die R e c h t s h i l f e : — Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen vom 2. 11. 1 9 2 9 3 4 ; -

Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Königreich Italien über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 9. 3. 193 6 3 5 ;

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Vgl. im einzelnen Bülow/Böckstiegel/Geimer/ Schütze Internationaler Rechtsverkehr in Zivilund Handelssachen A I. 102 ff. RGBl. 1928 II 623; das Abkommen hat auch über das Vereinigte Königreich hinaus für zahlreiche Staaten Geltung, vgl. dazu Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen A II. 520; im übrigen unten Rdn. 215 f. RGBl. 1930 II 6. RGBl. 1939 II 848. BAnz. Nr. 73/1959, 1. BGBl. 1988 II 1054.

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BGBl. 1972 II 773. BGBl. 1983 II 802. BGBl. 1988 II 453. Vgl. für den Text und den Zeitpunkt des Inkrafttretens Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze Internationaler Rechtsverkehr, Β I. 600. RGBl. 1930 II 1066. RGBl. 1937 II 145; vgl. für die Wiederanwendung nach dem Krieg Bekanntmachung vom 23. 12. 1952, BGBl. 1952 II 986; das Abkommen ist im Geltungsbereich des EuGVÜ durch dieses ersetzt, gilt aber im übrigen weiter (Art. 56 Abs. 1 EuGVÜ).

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— Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 30. 6. 195 8 3 6 ; — Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 6. 6. 1 9 5 9 3 7 ; — Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 14. 7. I 9 6 0 3 8 ; — Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 4 . 1 1 . 1 9 6 1 3 9 ; — Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen vom 30. 8 . 1 9 6 2 4 0 ; — Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tunesischen Republik über Rechtsschutz und Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 19. 7. 1 9 6 6 4 1 ; — Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil und Handelssachen vom 17. 6. 1 9 7 7 4 2 ; — Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 20. 7. 197743; — Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Spanien über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Vergleichen sowie vollstreckbaren öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen 44 : Die Wirkungserstreckung von Urteilen, die spezielle Rechtsgebiete zum Gegenstand haben, ist in verschiedenen multilateralen Konventionen geregelt: — Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vom 15 . 4. 195 8 4 5 , das zur Zeit noch im Verhältnis zu Belgien, Liechtenstein, Österreich, Surinam, Ungarn gilt 4 6 ; — Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2. 10. 1 9 7 3 4 7 , das im Verhältnis zu Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien, Tschechoslowakei (Nachf.), Türkei, Vereinigtes Königreich gilt;

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BGBl. 1 9 5 9 II 7 6 6 ; das Abkommen ist im Geltungsbereich des EuGVÜ durch dieses ersetzt, gilt aber im übrigen weiter (Art. 56 Abs. 1 EuGVÜ). BGBl. 1 9 6 0 II 1246. BGBl. 1 9 6 1 II 301; das Abkommen ist im Geltungsbereich des EuGVÜ durch dieses ersetzt; gilt aber im übrigen weiter (Art. 56 Abs. 1 EuGVÜ). BGBl. 1963 II 110; der Vertrag ist im Geltungsbereich des EuGVÜ durch dieses ersetzt, gilt aber im übrigen weiter (Art. 5 6 Abs. 1 EuGVÜ). BGBl. 1 9 6 5 II 27; der Vertrag ist im Geltungsbe-

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reich des EuGVÜ durch dieses ersetzt, gilt aber im übrigen weiter (Art. 56 Abs. 1 EuGVÜ). BGBl. 1969 II 8 9 0 . BGBl. 1981 II 341. BGBl. 1980 II 9 2 5 , 1 5 3 1 . BGBl. 1 9 8 7 II 34. BGBl. 1961 II 1005. Nach Art. 2 9 des Übereinkommens vom 2. 10. 1973 gilt das Übereinkommen 1958 nur noch zwischen den Vertragsstaaten, die das Übereinkommen 1973 nicht ratifiziert haben. BGBl. 1 9 8 6 II 825.

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Haager Zivilprozeßübereinkommen vom 1. 3 . 1 9 5 4 4 8 , das in Artt. 18 ff die Wirkungserstreckung von Kostenentscheidungen gegen den von der Sicherheitsleistung befreiten Kläger regelt; die revidierte Rheinschiffahrtsakte vom 1 7 . 1 0 . 1868 4 9 , die in Art. 40 die Wirkungserstrekkung von Entscheidungen von Rheinschiffahrtsgerichten regelt; Moselschiffahrtsabkommen vom 27. 10. 1956 5 0 , das in Art. 34 die Wirkungserstreckung von Entscheidungen der Moselschiffahrtsgerichte regelt; Abkommen über deutsche Auslandsschulden vom 27. 2. 1953 5 1 , das im Verhältnis zu Ägypten, Argentinien, Australien, Belgien, Chile, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Iran, Irland, Israel, Italien, Jugoslawien, Kamputschea, Kanada, Liechtenstein, Luxemburg, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Pakistan, Peru, Schweden, Schweiz, Spanien, Sri Lanka, Südafrika, Syrien, Thailand, USA, Vereinigtes Königreich gilt und in Art. 17 die Wirkungserstreckung von Entscheidungen aus Gläubigerstaaten regelt; Übereinkommen über den Beförderungsvertrag vom internationalen Straßengüterverkehr vom 19. 5 . 1 9 5 6 s 2 , das im Verhältnis zu Belgien, Bulgarien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Jugoslawien (Nachf.), Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Schweiz, Sowjetunion (Nachf.), Spanien, Tschechoslowakei (Nachf.), Ungarn, Vereinigtes Königreich gilt und in Art. 31 die Wirkungserstreckung von Entscheidungen im sachlichen Geltungsbereich des C M R regelt; Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. 5 . 1 9 8 0 5 3 , das im Verhältnis zu Albanien, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irak, Iran, Irland, Italien, Jugoslawien (Nachf.), Libanon, Liechtenstein, Luxemburg, Marokko, Monaco, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Schweiz, Spanien, Tschechoslowakei (Nachf.), Tunesien, Türkei, Ungarn, Vereinigtes Königreich gilt und in Art. 18 die Wirkungserstreckung eisenbahnrechtlicher Entscheidungen regelt 54 ; Übereinkommen über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie vom 29. 7. I 9 6 0 5 5 (Pariser Atomhaftungsübereinkommen) mit zahlreichen Zusatzübereinkommen, das in der Fassung 1976 5 6 im Verhältnis zu Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, Spanien, Türkei, Vereinigtes Königreich gilt und in Art. 13 eine Regelung der Wirkungserstreckung enthält 5 7 ; Internationales Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden vom 2 9 . 1 1 . 196 9 5 8 , das im Verhältnis zu Ägypten, Algerien, Australien, Bahamas, Belgien, Belize, Benin, Brasilien, Chile, China, Dänemark, Dominikanische Republik, Dschibuti, Ecuador, Elfenbeinküste, Fidschi, Finnland, Frankreich, Gabun, Ghana, Griechenland, Guatemala, Indien, Indonesien, Island, Italien, Japan, Jemen (Arab. Rep.), Jugoslawien, (Nachf.), Kamerun, Kanada, Katar, Kolumbien, Korea (Rep.), Kuwait, Libanon, Liberia, Luxemburg, Malediven, Malta, Marokko, Monaco, Neuseeland, Niederlande, Nigeria, Norwegen, Oman, Panama, Papua-Neuguinea, Peru, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Senegal, Seychellen, Singapur, Sowjetunion (Nachf.), Spanien, Sri Lanka, St. Vincent und die Grenadinen, Südafrika, Tunesien, Tuvalu, Vanuatu, Vereinigte Arabische Emi-

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49 50 51 52 53 54

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BGBl. 1958 II, 577; zum Geltungsbereich oben sub Rdn. 135. PrGS 1869, 7 9 8 , 836; BGBl. 1 9 6 6 II, 560. BGBl. 1 9 5 6 II, 1837. BGBl. 1953 II, 333. BGBl. 1 9 6 1 II 1119. BGBl. 1985 II, 130, 666. Die Regelung ist an die Stelle von Art. 5 6 § 1 CIM und Art. 5 2 S 1 CIV getreten.

55 56 57

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BGBl. 1975 II 957. Vgl. Bek. vom 5. 2. 1 9 7 6 BGBl. 1 9 7 6 II 310. Vgl. auch Art. 10 des Brüsseler Zusatzübereinkommens, das eine Anerkennungsregelung enthält. BGBl. 1975 II 301, 305.

Rolf A. Schütze

Begriff, Rechtsquellen, Grundsätze des internationalen Zivilprozeßrechts

Einl

rate, Vereinigtes Königreich, Zypern gilt und in Art. 10 eine Regelung der Wirkungserstrekkung ausländischer Entscheidungen enthält; I n t e r n a t i o n a l e S c h i e d s g e r i c h t s b a r k e i t . Auf d e m G e b i e t d e r i n t e r n a t i o n a l e n S c h i e d s g e r i c h t s b a r k e i t sind i n s b e s o n d e r e vier m u l t i l a t e r a l e S t a a t s v e r t r ä g e v o n Bedeutung: Genfer Protokoll über die Schiedsklauseln im Handelsverkehr vom 24. 9. 1923 5 9 , das im Verhältnis zu Albanien, Bahamas, Bangladesch, Brasilien, Irak, Malta, Mauritius, Myanmar, Pakistan und Portugal gilt; - Genfer Abkommen zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 27. 9 . 1 9 2 7 6 0 , das im Verhältnis zu Bahamas, Bangladesch, Malta, Mauritius, Myanmar, Pakistan, Portugal, Vereinigtes Königreich (nur Anguilla) gilt; - UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. 6 . 1 9 5 8 6 1 , das im Verhältnis zu Ägypten, Algerien, Antigua und Barbuda, Argentinien, Australien, Bahrain, Belgien, Benin, Botswana, Bulgarien, Burkina Faso, Chile, China, Costa Rica, Dänemark, Dominica, Dschibuti, Ecuador, Elfenbeinküste, Finnland, Frankreich, Ghana, Griechenland, Guatemala, Guinea, Haiti, Heiliger Stuhl, Indien, Indonesien, Irland, Israel, Italien, Japan, Jordanien, Jugoslawien (Nachf.), Kamerun, Kamputschea, Kanada, Kenia, Kolumbien, Korea (Rep.), Kuba, Kuwait, Lesotho, Luxemburg, Madagaskar, Malaysia, Marokko, Mexiko, Monaco, Neuseeland, Niederlande, Niger, Nigeria, Norwegen, Österreich, Panama, Peru, Philippinen, Polen, Rumänien, San Marino, Schweden, Schweiz, Singapur, Sowjetunion (Nachf.), Spanien, Sri Lanka, Südafrika, Syrien, Tansania, Thailand, Trinidad und Tobago, Tschechoslowakei (Nachf.), Tunesien, Ungarn, Uruguay, USA, Vereinigtes Königreich, Zentralafrikanische Republik, Zypern gilt; -

Europäisches Übereinkommen über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21. 4. 196 1 6 2 , das im Verhältnis zu Belgien, Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Italien, Jugoslawien (Nachf.), Kuba, Luxemburg, Obervolta, Österreich, Polen, Rumänien, Sowjetunion (Nachf.), Spanien, Tschechoslowakei (Nachf.), Ungarn gilt;

-

Weitere R e g e l u n g e n d e r i n t e r n a t i o n a l e n S c h i e d s g e r i c h t s b a r k e i t f i n d e n sich in bilateralen Anerkennungs- u n d Vollstreckungsverträgen, Handels-, Freundschaftsu n d Schiffahrtsverträgen sowie multilateralen Konventionen über Spezialmaterien63. I n s b e s o n d e r e sind zu e r w ä h n e n : -

Abkommen über allgemeine Fragen des Handels und der Seeschiffahrt zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 25. 4. 195 8 6 4 ; - Deutsch-amerikanischer Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 29. 10. 195 4 6 5 . I m Bereich d e r b i l a t e r a l e n A n e r k e n n u n g s - u n d V o l l s t r e c k u n g s v e r t r ä g e e n t h ä l t d e r d e u t s c h - t u n e s i s c h e R e c h t s h i l f e - , A n e r k e n n u n g s - u n d V o l l s t r e c k u n g s v e r t r a g 6 6 eine R e g e l u n g d e r i n t e r n a t i o n a l e n S c h i e d s g e r i c h t s b a r k e i t , i m Bereich d e r m u l t i l a t e r a l e n V e r t r ä g e ü b e r b e s o n d e r e M a t e r i e n ist auf d a s L o n d o n e r A u s l a n d s s c h u l d e n a b k o m men und das Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) hinzuweisen67.

59

RGBl. 1925 RGBl. 1930 61 BGBl. 1961 « BGBl. 1964 « Vgl. für den 60

II 47. II 1068. II 121. II 426. Abdruck 2. Aufl. IZPR.

64 65 66 67

BGBl. 1959 II 221. BGBl. 1956 II 487. Vgl. oben Rdn. 136. Vgl. im einzelnen Rdn. 555.

Rolf A. Schütze

Schiitze/Tscberning/Wais

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c) Autonomes Recht. Die wesentlichen Normen des deutschen internationalen Zivilprozeßrechts finden sich verstreut in der ZPO und im GVG: § 3 8 Abs. 2 Z P O § § 1 1 0 ff Z P O § 199 ZPO § 293 ZPO § 328 ZPO §§ 3 6 3 ff Z P O § 549 ZPO ξ 606 a ZPO § 640 a ZPO 722 f ZPO S 791 ZPO § 1044 ZPO S 24 EGZPO SS 18 ff GVG

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Internationales Zivilprozeßrecht

internationale Zuständigkeitsvereinbarung Ausländersicherheit Zustellung im Ausland Nachweis ausländischen Rechts Anerkennung ausländischer Zivilurteile Beweisaufnahme im Ausland Irrevisibilität ausländischen Rechts Internationale Zuständigkeit in Ehesachen Internationale Zuständigkeit in Kindschaftssachen Vollstreckbarerklärung ausländischer Zivilurteile Zwangsvollstreckung im Ausland Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche Retorsion im internationalen Zivilverfahren Gerichtsbarkeit, Immunität

d) Richterrecht. Obwohl das Richterrecht keine anerkannte Rechtsquelle des deutschen Rechts ist, läßt es sich nicht verkennen, daß die Rechtsprechung faktisch die Bedeutung einer Rechtsquelle hat 6 8 . Das gilt beispielsweise für die Anerkennung einer von der örtlichen Zuständigkeit unabhängigen internationalen Zuständigkeit als Rechtsprechungskompetenz in dem Beschluß des Großen Senats des Bundesgerichtshofs vom 14. 6. 196 5 69. Im Bereich des EuGVÜ ist dem EuGH die bindende Auslegung der Konvention durch das Protokoll betreffend die Auslegung des Übereinkommens durch den Gerichtshof vom 3. 6 . 1 9 7 1 7 0 übertragen. Hier ist Richterrecht eine echte Rechtsquelle 71 . 3. Qualifikation

140

Das Problem der Qualifikation — im IPR gleichzeitig von Kahn 7 2 und Bartin 7 3 aufgezeigt — tritt im IZPR in doppelter Weise auf: bei der Zuordnung von Rechtsinstituten oder -begriffen zum materiellen oder Prozeßrecht (Qualifikation eines Systembegriffs) 74 und bei der Bestimmung des Inhalts von international zivilprozessual relevanten Begriffen, insbesondere bei der Auslegung von Staatsverträgen über Materien des IZPR.

141

a) Qualifikation eines Systembegriffs. Die Zugehörigkeit einer Norm zum materiellen oder zum Prozeßrecht bestimmt sich nach der lex fori 75 . Eine von Niederlän-

68

Vgl. dazu Schütze Richterrecht als Rechtsquelle im internationalen Zivilprozeßrecht, ZVglRWiss. 1 9 9 3 , S. 2 9 ff.

73

Vgl. Bartin De l'impossibilité d'arriver à la suppression définitive des conflits de lois, Journal Clunet 2 4 ( 1 8 9 7 ) , S. 2 2 5 ff, 4 4 6 ff; 7 2 0 ff.

69

Vgl. B G H Z 4 4 , 4 6 = N J W 1 9 6 5 , 1 6 6 5 = J Z 1 9 6 6 , 2 3 7 mit Anm. Neuhaus. BGBl. 1 9 7 2 II 8 4 5 . Vgl. dazu Arnold Das Protokoll über die Auslegung des EWG-Gerichtsstands- und Vollstrekkungsübereinkommens durch den Gerichtshof in Luxemburg, N J W 1 9 7 2 , S. 9 7 7 ff; Schlosser Neue Zuständigkeiten des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, R I W / A W D 1 9 7 5 , S. 5 3 4 ff.

74

Vgl. dazu Riezler I Z P R , S. 1 0 3 . Vgl. Basedow a a O , S. 1 3 1 ff; von Craushaar Die internationalrechtliche Anwendbarkeit deutscher Prozeßnormen, 1 9 6 1 , S. 1 1 ; Nagel I Z P R , S. 1 3 9 ff; Riezler I Z P R , S. 1 0 3 ; Schock Klagbarkeit, Prozeßanspruch und Beweis im Lichte des internationalen Rechts, 1 9 3 4 ; Schütze D I Z P R , S. 16 f; Wunderlich Z u r Prozeßstandschaft im internationalen Recht, Diss. München 1973, S. 1 5 3 .

70 71

72

48

Vgl. Kahn Gesetzeskollisionen, ( 1 8 9 1 ) , S. I f f .

Iher. Jb.

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30

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Begriff, Rechtsquellen, Grundsätze des internationalen Zivilprozeßrechts

Einl

d e r 7 6 und N e u h a u s 7 7 favorisierte Ansicht versucht mit funktionaler Zuordnung von Systembegriffen zum materiellen Recht das ungeliebte lex-fori-Prinzip aufzuweichen. Probleme entstehen bei unterschiedlicher Zuordnung durch mehrere in Betracht kommende Rechtsordnungen. Die Rechtsprechung hat sich mehrfach mit dieser Frage im Rahmen der Verjährung beschäftigt, wenn diese in einem Staat — wie den U S A 7 8 — zum Prozeßrecht, im anderen — wie in der Bundesrepublik Deutschland 7 9 — zum materiellen Recht gehörig angesehen wird. Die hL nimmt eine Rück- oder Weiterverweisung in diesen Fällen nicht vor, wendet vielmehr die lex causae a n 8 0 . b) Bestimmung des Inhalts von Begriffen. Die Anwendung von zwei- oder mehrseifigen Staatsverträgen international zivilprozessualen Inhalts — insbesondere auf dem Gebiet der internationalen Urteilsanerkennung — erfordert eine Qualifikation zur Bestimmung des Inhalts von Begriffen. Die Qualifikation nach dem Recht eines Vertragsstaates führt zu einer unterschiedlichen Anwendung des Staatsvertrages in den Vertragsstaaten 8 1 . Die Anwendung e r s t - 8 2 oder zweitstaatlichen R e c h t s 8 3 ist nicht in der Lage, die einheitliche Handhabung — die wünschbar und notwendig ist — sicherzustellen. Die Anhänger dieser Qualifikation nehmen hin, daß ein Staatsvertrag über die internationale Urteilsanerkennung zu einer Einbahnstraße wird: Wenn beide Staaten eine Materie unterschiedlich zuordnen (Zivilrecht—öffentliches Recht), wie es beispielsweise im deutsch-belgischen Verhältnis bei Sozialversicherungsstreitigkeiten der Fall i s t 8 4 , dann könnte dasselbe Urteil im Staat A erlassen, im Staat Β anerkannt werden, von einem Gericht im Staat Β erlassen, aber nicht im Staat A. In eine Sackgasse führt auch die Einordnung nach der lex c a u s a e 8 5 . Denn hier wird das Problem der einheitlichen Anwendung nur scheinbar gelöst. Das Qualifikationsproblem wird auf die IPR-Ebene verlagert. Damit ist die lex fori des Erststaates letztlich maßgebend. Der unterschiedlichen Anwendung des Vertrages in den Vertragsstaaten ist Tür und Tor geöffnet.

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Vgl. Niederländer Materielles Recht und Verfahrensrecht im internationalen Privatrecht, RabelsZ 20 (1955), S. 1 ff. Vgl. Neuhaus Internationales Zivilprozeßrecht und internationales Privatrecht, RabelsZ 20 (1955), S. 201 ff. Vgl. dazu Mitscherlich/Jander Verjährungsprobleme im internationalen Privatrecht der Vereinigten Staaten, RIW/AWD 1978, S. 358 ff; Schlink Die internationalprivatrechtliche Behandlung der Verjährung in den Vereinigten Staaten, RabelsZ 9 (1935), S. 418 ff. Vgl. RGZ 145, 121; BGH NJW 1960, 1720; BGH IPRspr. 1964/65, Nr. 257. Vgl. RG JW 1911, 148; RGZ 145, 121; BGH AWD 1960, 183; OLG Hamburg AWD 1974, 561; Riezler IZPR, S. 105 ff; Soergel/Lüderitz BGB, 11. Aufl., Vor Art. 7 EGBGB, Rdn. 321; Schütze DIZPR, S. 17; aA Kegel Die Grenze von Qualifikation und Renvoi im internationalen Verjährungsrecht, 1962, S. 39 ff; ders. IPR, 6. Aufl., S. 252 (Renvoi). Vgl. dazu Cramer-Frank Auslegung und Qualifikation bilateraler Anerkennungs- und Vollstrekkungsverträge mit Nicht-EG-Staaten, 1987, S. 39 ff; Schütze DIZPR, S. 17; ders. Waseda FS, aaO, S. 28 ff.

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84 85

So jedoch für den Begriff der Zivilsache in den bilateralen Anerkennungs- und Vollstreckungsverträgen die hL; vgl. für Nachweise Waehler Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III/2, 1984, S. 240 (Rdn. 50). So jedoch die schweizerische Lehre zum Begriff der Handelssache; vgl. Stojan Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile in Handelssachen, 1986, S. 61 mwN; zum deutschschweizerischen Anerkennungs- und Vollstrekkungsabkommen, vgl. in diesem Sinne Levis Deutsch-schweizerischer Vollstreckungsvertrag, ZSchwR 1937, S. 353 ff (358). Vgl. dazu Schütze, Waseda FS, aaO, S. 328. Der EuGH qualifiziert den Erfüllungsort in Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ nach der lex causae, vgl. EuGHE 1976, 1473 = NJW 1977, 491 mit Anm. Geimer = RIW/AWD 1977, 40 mit Anm. Linke (Tessili ./. Dunlop); dazu Geimer/Schütze Internationale Urteilsanerkennung, Bd. I, 1, 1983, S. 560 ff; Spellenberg Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes im europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen, ZZP 91 (1978), S. 38 ff.

Rolf A. Schütze

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Einl

Internationales Zivilprozeßrecht

Eine einheitliche Anwendung von Staatsverträgen international zivilprozessualen Inhalts ist nur bei drei Qualifikationsmethoden gesichert: 143

Vertragsautonome Qualifikation. Der EuGH hat zur Bestimmung des Inhalts zahlreicher Begriffe des EuGVÜ ohne Rückgriff auf das Recht eines Vertragsstaates eine Interpretation aus dem Übereinkommen heraus vorgenommen 8 6 , so bei der Bestimmung des Begriffs der Zivilsache in Art. 1 Abs. 1 8 7 , der Konkurssache in Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 8 8 , des Ortes des schädigenden Ereignisses in Art. 5 Nr. 3 8 9 , des Teilzahlungskaufs in Art. 1 3 9 0 und des ordentlichen Rechtsbehelfs in Art. 3 0 9 1 . Der E u G H geht dabei davon aus, daß das EuGVÜ ein geschlossenes Normensystem darstellt, das eine Auslegung aus sich selbst heraus erfordert.

144

Doppelqualifikation. Zu einer einheitlichen Anwendung von internationalen Übereinkommen führt eine Doppelqualifikation oder Mehrfachqualifikation (bei mehrseitigen Verträgen) 9 2 . Danach muß ein Begriff nach dem Recht aller beteiligten Vertragsstaaten die Kriterien des Staatsvertrages erfüllen. Die Doppelqualifikation wird mit dem Argument angegriffen, sie enge den Anwendungsbereich von Staatsverträgen ein und sei — im Bereich der internationalen Urteilsanerkennung — anerkennungsfeindlich 9 3 . Sie ist aber praktikabel und sichert die notwendige Einheitlichkeit der Anwendung von Staatsverträgen.

145

Alternative Qualifikation. Eine einheitliche Anwendung von Staatsverträgen sichert auch die alternative Qualifikation 9 4 . Danach ist es ausreichend, wenn das Erfordernis, das ein Staatsvertrag aufstellt (ζ. B. Entscheidung in einer Zivil- oder Handelssache) nach dem Recht eines Vertragsstaates vorliegt. Cramer-Frank qualifiziert ebenso wie die Anhänger der Lehre von der Doppelqualifikation auch nach erst- und zweitstaatlichem Recht, läßt es aber genügen, wenn dies nach einem Recht zu einem für die Anwendung des Vertrages positiven Ergebnis führt. Π. Gerichtsbarkeit Schrifttum Albert Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, Diss. Berlin 1 9 8 4 ; Arnold Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität in Sicht, AWD 1 9 6 9 ,

86

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50

Vgl. dazu Geimer Zur Auslegung des Brüsseler Zuständigkeits- und Vollstreckungsübereinkommens in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968, EuR 12 (1977), S. 341 ff; Unke Erste Urteile des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung des EWG-Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens, RIW/AWD 1977, S. 40 ff; Martiny Autonome und einheitliche Auslegung im Europäischen Internationalen Zivilprozeßrecht, RabelsZ 45 (1981), S. 427 ff; ders. Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III, 2, 1984, S. 22ff (Rdn. 27ff); Schlosser Vertragsautonome Auslegung, nationales Recht, Rechtsvergleichung und das EuGVÜ, Gedächtnisschrift für Bruns, 1980, S. 45 ff. Vgl. EuGHE 1976, 1541 (LTU ./. Eurocontrol). Vgl. EuGHE 1979, 733 (Gourdain ./. Nadler). Vgl. EuGHE 1976, 1735 (Bier ./. Mines de Potasse d'Alsace).

90 91

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Vgl. EuGHE 1978, 1431 (Bertrand ./. Ott). Vgl. EuGHE 1977, 2175 (Industrial Diamond Supplies ./. Riva). Vgl. Basedow aaO, S. 140 ff; Geimer/Schiitze Internationale Urteilsanerkennung, Bd. II, 1971, S. 258; Riezler IZPR, S. 116 f; Schütze DIZPR, S. 18 f; ders. Waseda FS, aaO, S. 329; ders. Zur Anwendung des deutsch-britischen Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommens, RIW/ AWD 1980, S. 170 f; für das deutsch-belgische Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen, Harries Das deutsch-belgische Anerkennungsund Vollstreckungsabkommen, RabelsZ 26 (1961), S. 629 ff (633 f). Vgl. Cramer-Frank aaO, S. 42 f; Waehler Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, aaO, S. 241 (Rdn. 50). Vgl. Cramer-Frank aaO, S. 43 f.

Rolf A. Schütze

Gerichtsbarkeit

Einl

S. 356 ff; Bobrik Die Bedeutung der Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, Diss. Würzburg 1934; Boguslavski Staatliche Immunität, 1965; Dahm Völkerrechtliche Grenzen der inländischen Gerichtsbarkeit gegenüber ausländischen Staaten, FS für Nikisch, 1958, S. 153 ff; D ahm/D elbrück/Wolfrum Völkerrecht, Bd. 1/1, 1989, S. 452 ff mit umfangreichen Nachweisen für die ausländische Literatur; Damian Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985; Eickhoff Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, 1985; Esser Klagen gegen ausländische Staaten, 1990; ders. Zur Immunität rechtlich selbständiger Staatsunternehmen, RIW/AWD 1984, S. 577 ff; Fischer/von Hoffmann Staatsunternehmen im Völkerrecht und im internationalen Privatrecht, Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Heft 25, 1984; Geimer Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966; Gmiir Gerichtsbarkeit über fremde Staaten, Diss. Zürich 1948; Grämlich Staatliche Immunität für Zentralbanken?, RabelsZ 45 (1981), S. 545 ff; Habscheid Die Staatenimmunität im Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren, FS für Giger, 1989, S. 213 ff; Herz Die Immunität ausländischer Staatsunternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit im französischen und im deutschen Zivilprozeßrecht, Diss. Tübingen 1992; Hess Probleme der Staatenimmunität bei grenzüberschreitenden Unterlassungsklagen, JB1. 1989, S. 285 ff; ders. Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992; Karczewski Das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität vom 16. 5 . 1 9 7 2 , RabelsZ 54 (1990), S. 533 ff; Krauskopf Die Rechtsprechung zur Immunität ausländischer Zentralbanken und Währungsbehörden in der Bundesrepublik Deutschland, WM 1986, S. 89 ff; Kronke Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität - Element der Kodifizierung des deutschen internationalen Zivilverfahrensrechts, IPRax 1991, S. 141 ff; Langkeit Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, 1989; Malina Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, Diss. Marburg 1978; Matscher Überlegungen über einen einheitlichen Begriff der inländischen Gerichtsbarkeit in Zivilrechtssachen, FS für Verosta, 1980, S. 299 ff; Münch Immunität fremder Staaten in der deutschen Rechtsprechung bis zu den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 30. 10. 1962 und 30. 4 . 1 9 6 3 , ZaöRV 24 (1964), S. 265 ff; Pagenstecher Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit als selbständige Prozeßvoraussetzungen, RabelsZ 11 (1937), S. 337 ff; Finder Gerichtsfreie Personen im Erkenntnisverfahren des deutschen bürgerlichen Rechtsstreits, 1939; Ress Entwicklungstendenzen der Immunität ausländischer Staaten, ZaöRV 40 (1989), S. 217 ff; Schaumann/Habscheid Die Immunität ausländischer Staaten nach Völkerrecht und deutschem Zivilprozeßrecht, Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Heft 8, 1968; von Schönfeld Die Immunität ausländischer Staaten vor deutschen Gerichten, NJW 1986, S. 2980 ff; Schreuer Zur Zulässigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen in Bankkonten ausländischer Staaten, FS für Neumayer, 1985, S. 521 ff; Schwenk Ausschluß fremder Staaten von der deutschen Gerichtsbarkeit, NJW 1954, S. 1596 ff; ders. Exterritorialität ausländischer Staaten, MDR 1958, S. 805 ff; Seidl-Hohenveldern Neue Entwicklungen im Recht der Staatenimmunität, FS für Beitzke, 1979, S. 1081 ff; Sonnenberger Inländische Gerichtsbarkeit über ausländische Staaten und sonstige öffentlich-rechtliche Rechtsträger, AcP 162 (1963), S. 485 ff; Stein Zur Immunität fremder Staaten und ihrer im Ausland unterhaltenen Bankkonten, IPRax 1984, S. 179 ff; Steinberger Zur Rechtsprechung des BVerfG zu Fragen der Immunität fremder Staaten, FS für Carstens II, 1984, 889 ff; Steinmann Ein Beitrag zu Fragen der zivilrechtlichen Immunität von ausländischen Diplomaten, Konsuln und anderen bevorrechtigten Personen sowie von fremden Staaten, die durch ihre Missionen oder auf ähnliche Weise in der Bundesrepublik tätig werden, MDR 1965, S. 706 ff, 795 ff; Strebel Staatenimmunität, RabelsZ 44 (1980), S. 66 ff; G. Walter Immunität in der Zwangsvollstreckung im deutschen und schweizerischen Recht, Recht in Ost und West, FS Waseda Universität, 1988, S. 771 ff; P. E Walter Gibt es eine Beweislastverteilung bei der Immunität von Staaten, RIW/AWD 1984, S. 9 4 4 . Kommentare zu §§ 1 8 - 2 0 GVG Zu den neuen Kodifikationen in den USA und Großbritannien vgl. Ebke Neuere Entwicklungen im US-amerikanischen Handels- und Wirtschaftsrecht, RIW/AWD 1989, S. 393 ff; Hess Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992; Ress Entwicklungstendenzen der Immunität ausländischer Staaten, ZaöRV 40 (1980), S. 217 ff; von Schönfeld Die Staatenimmunität im Rolf A. Schütze

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Internationales Zivilprozeßrecht

amerikanischen und englischen Recht, 1983; Scbreuer Neue Entwicklungen zur Immunität ausländischer Staaten vor englischen Gerichten, RIW/AWD 1979, S. 156 ff; ders. Das USGesetz über die Immunität ausländischer Staaten in der Praxis der Gerichte, RIW/AWD 1985, S. 173 ff.

146

Die Gerichtsbarkeit begreift in sich die Befugnis, Recht zu sprechen (facultas iurisdictionis). Sie ist ein Ausfluß der Souveränität. Die Abgrenzung erfolgt nach dem Prinzip der Territorialität. Die Gerichtsbarkeit findet ihre Schranken bei Beteiligung von Exterritorialen (Immunen, Eximierten). Über sie hat der Staat keine oder nur beschränkte Gerichtshoheit. Zu den Immunen gehören fremde Staaten, Staatsoberhäupter oder mit fremder Staatsgewalt bekleidete Personen (Mitglieder ausländischer diplomatischer Missionen oder konsularischer Vertretungen). Die Gerichtsbarkeit im Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren ist teilweise staatsvertraglich geregelt, ergibt sich im übrigen aus allgemeinem Völkerrecht. Das GVG manifestiert in §§ 18 ff einige völkerrechtlich ohnehin in der Bundesrepublik Deutschland geltende Regeln. Staatsvertraglich ist besonders das Europäische Übereinkommen vom 16. 5. 1972 über die Staatenimmunität 9 5 bedeutsam 9 6 . Es trat am 16. 8. 1990 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Vertragsstaaten sind Belgien, Deutschland, Luxemburg, Niederlande, Österreich, die Schweiz, das Vereinigte Königreich und Zypern. Es findet Anwendung nur, wenn ein Staat an einem gerichtlichen Verfahren beteiligt ist, nicht jedoch, wenn ein staatlicher Amtsträger belangt wird. Hier verbleibt es bei der Regelung der Wiener Übereinkommen. 1. Diplomaten

147

Die Immunität der Mitglieder diplomatischer Missionen und ihrer Familienangehörigen ist umfassend staatsvertraglich geregelt. Das — Wiener Übereinkommen vom 18. 4. 1961 über diplomatische Beziehungen 97

gilt im Verhältnis Deutschlands zu Afghanistan, Ägypten, Albanien, Algerien, Äquatorialguinea, Argentinien, Äthiopien, Australien, Bahamas, Bahrain, Bangladesch, Barbados, Belgien, Benin, Bhutan, Bolivien, Botswana, Brasilien, Bulgarien, Burkina Faso, Burundi, Chile, China (Taiwan), China (Volksrepublik), Costa Rica, Dänemark, Dominica, Dominikanische Republik, Dschibuti, Ecuador, Elfenbeinküste, El Salvador, Fidschi, Finnland, Frankreich, Gabun, Ghana, Griechenland, Guatemala, Guinea, Guyana, Haiti, Heiliger Stuhl, Honduras, Indien, Indonesien, Irak, Iran, Irland, Island, Israel, Italien, Jamaika, Japan, Jemen (beide Jemen), Jordanien, Jugoslawien (Nachf.), Kambodscha, Kamerun, Kanada, Kap Verde, Katar, Kenia, Kiribati, Kolumbien, Kongo, Korea (Demokratische Volksrepublik), Korea (Republik), Kuba, Kuwait, Laos, Lesotho, Libanon, Liberia, Libyen, Liechtenstein, Luxemburg, Madagaskar, Malawi, Malaysia, Mali, Malta, Marokko, Mauretanien, Mauritius, Mexiko, Mongolei, Mosambik, Myanmar, Nauru, Nepal, Neuseeland, Nicaragua, Niederlande, Niger, Nigeria, Norwegen, Oman, Österreich, Pakistan, Panama, Papua-Neuguinea, Paraguay, Peru, Philippinen, Polen, Portugal, Ruanda, Rumänien, Sambia, Samoa, San Marino, Sao Tomé und Principe, Saudi-Arabien, Schweden,

95 96

52

BGBl. 1990 II 34, 1400. Vgl. dazu Arnold AWD 1969, S. 356 ff; Karczewski RabelsZ 54 (1990), S. 533 ff; Kronke IPRax 1991, S. 141 ff.

97

BGBl. 1964 II 957.

Rolf A. Schütze

Gerichtsbarkeit

Einl

Schweiz, Senegal, Seschellen, Sierra Leone, Somalia, Sowjetunion (Nachf.), Spanien, Sri Lanka, St. Lucia, Südafrika, Sudan, Swaziland, Syrien, Tanzania, Thailand, Togo, Tonga, Trinidad und Tobago, Tschad, Tschechoslowakei (Nachf.), Tunesien, Türkei, Tuvalu, Uganda, Ungarn, Uruguay, Venezuela, Vereinigte Arabische Emirate, Vereinigtes Königsreich, Vereinigte Staaten von Amerika, Vietnam, Zaire, Zentralafrikanische Republik, Zypern. Immunität genießen die Missionschefs, die im diplomatischen Rang stehenden Mitglieder des diplomatischen Personals und die zum Haushalt des Diplomaten gehörenden Familienmitglieder. Ein weiterer Personenkreis genießt Immunität nur für im Dienst vorgenommene Handlungen. § 18 G V G verweist auf das Übereinkommen und erstreckt seine Geltung auch auf Diplomaten aus Entsendestaaten, die nicht Mitgliedstaaten des Übereinkommens sind. 2. Konsuln Die Immunität der Mitglieder ausländischer konsularischer Vertretungen ist im — Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen v o m 1 8 . April 1 9 6 3 9 8

umfassend gereit. Diese Konvention gilt im Verhältnis zu Ägypten, Algerien, Angola, Antigua und Barbuda, Äquatorialguinea, Argentinien, Australien, Bahamas, Bangladesch, Belgien, Benin, Bhutan, Bolivien, Brasilien, Bulgarien, Burkina Faso, Chile, China, Costa Rica, Dänemark, Dominica, Dominikanische Republik, Dschibuti, Ecuador, El Salvador, Fidschi, Finnland, Frankreich, Gabun, Ghana, Griechenland, Guatemala, Guinea, Guyana, Haiti, Heiliger Stuhl, Honduras, Indien, Indonesien, Irak, Iran, Irland, Island, Italien, Jamaika, Japan, Jemen, Jordanien, Jugoslawien (Nachf.), Kamerun, Kanada, Kap Verde, Kenia, Kiribati, Kolumbien, Korea (Rep.), Korea (Demokratische Volksrep.), Kuba, Kuwait, Laos, Lesotho, Libanon, Liberia, Liechtenstein, Luxemburg, Madagaskar, Malawi, Mali, Marokko, Mauritius, Mexiko, Mongolei, Mosambik, Nepal, Neuseeland, Nicaragua, Niederlande, Niger, Nigeria, Norwegen, Oman, Österreich, Pakistan, Panama, Papua-Neuguinea, Paraguay, Peru, Philippinen, Polen, Portugal, Ruanda, Rumänien, Samoa, Sao Tomé und Principe, Saudi-Arabien, Schweden, Schweiz, Senegal, Seyschellen, Somalia, Sowjetunion (Nachf.), Spanien, St. Lucia, Südafrika, Suriname, Syrien, Tansania, Togo, Tonga, Trinidad und Tobago, Tschechoslowakei (Nachf.), Tunesien, Türkei, Tuvalu, Ungarn, Uruguay, USA, Vanuatu, Venezuela, Vereinigte Arabische Emirate, Vereinigtes Königreich, Vietnam, Zaire, Zypern. Immunität genießen Konsularbeamte und Bedienstete des Verwaltungs- und technischen Personals. Die Immunität ist jedoch beschränkt auf Handlungen, die in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben durchgeführt werden. Gerichtsbarkeit besteht jedoch davon unabhängig in jedem Fall für Klagen auf Schadensersatz aus Straßenverkehrsunfällen und Klagen aus Verträgen, bei deren Abschluß nicht ausdrücklich oder erkennbar für den Entsendestaat gehandelt worden ist. Wahlkonsuln stehen den übrigen Konsularbeamten gleich, auch wenn sie die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. 5 19 G V G verweist auf das Übereinkommen und erstreckt seine Geltung auch auf Personen aus Entsendestaaten, die nicht Mitgliedstaaten des Übereinkommens sind. Vgl. für Einzelheiten die Erläuterungen zu § 19 G V G .

98

BGBl. 1969 II 1585. Rolf A. Schütze

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Einl

Internationales Zivilprozeßrecht

3. Ausländische Staaten 149

Der Grundsatz par in parem non habet imperium ni iurisdictionem99 deutschen Recht nur eingeschränkt.

150

a) Erkenntnisverfahren. Die bis 1945 in Deutschland herrschende Lehre von der absoluten Immunität ausländischer Staaten ist seit den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 30.10. 1962 1 0 0 und 3 0 . 4 . 1963 1 0 1 zugunsten des Prinzips der eingeschränkten Immunität aufgegeben worden 102 . In der ersten Entscheidung hat das BVerfG die Klage gegen einen ausländischen (den jugoslawischen) Staat hinsichtlich eines Gesandtschaftsgrundstücks für zulässig erklärt. Im zweiten Fall — einer Werklohnklage gegen den iranischen Staat — hat es den Grundsatz aufgestellt, daß ausländische Staaten nur für Ansprüche aus hoheitlicher Tätigkeit, nicht aber für solche aus nichthoheitlicher Tätigkeit Immunität genießen. Die Unterscheidung von acta iure imperii und acta iure gestionis hat nach der Natur der Staatstätigkeit zu erfolgen, die Qualifikation ist der lex fori vorbehalten. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts haben Gesetzeskraft (Art. 100 Abs. 2 GG) 1 0 3 , so daß Einwendungen gegen das Prinzip der eingeschränkten Immunität 104 mehr als Mißfallenskundgebungen zum geltenden Recht denn als dessen Interpretation zu werten sind 105 . Die Abgrenzung von hoheitlicher und nichthoheitlicher Tätigkeit ist allein nach der Rechtsnatur der Handlung, nicht nach ihrer Form oder ihrem Zweck vorzunehmen 1 0 6 . Deshalb sind auch Beschaffungskäufe für militärische Güter, ζ. B. der Kauf von Waffen und Munition 107 nicht als hoheitlich anzusehen. Als nicht hoheitlich sind in der Rechtsprechung auch erachtet worden: die Tätigkeit eines staatlichen Fremdenverkehrsamtes108, das Betreiben einer Omnisbuslinie durch eine Staatsbahn 1 0 9 , das Betreiben einer Staatsreederei110, der Abschluß eines Maklervertrages 111 , die Benutzung einer Pionierfähre 112 , der Abschluß eines Werkvertrages113, der Kauf eines Gesandtschaftsgrundstücks114. Als hoheitlich wurde dagegen angesehen: Der Bericht des Leiters von Scotland Yard über die Tätigkeit einer religiösen Gemeinschaft und die Mitteilung der Ergebnisse der Untersuchung an das Bundeskriminalamt115. Das Europäische Übereinkommen über die Staatenimmunität trifft keine Differenzierung nach acta iure gestionis und acta iure imperii116, geht vielmehr in Art. 15 grundsätzlich von der Immunität ausländischer Staaten im Erkenntnisverfahren aus Vgl. dazu Dahm/Delbrück/Wolfrum Völkerrecht, Bd. 1/1, 2. Aufl. 1989, S. 453. 1 0 0 BVerfGE 15, 25. 1 0 1 BVerfGE 16, 27; dazu (zust.) Kimminicb Das Völkerrecht in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 93 (1968), S. 485 ff; (abl.) Trefftz Die beschränkte Immunität in der Bundesrepublik, NJW 1964, S. 957. 1 0 2 Vgl. zur Entwicklung Malina aaO; Albert Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, Diss. Berlin 1984. 1 0 3 Vgl. dazu Münch Das Verfahren des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 II GG, J Z 1964, S. 163 ff. 1 0 4 Vgl. ζ. B. Mertens Urteilsanmerkung, AG 1976, S. 49 ff. 1 0 5 Vgl. Schütze DIZPR, S. 25. 106 Vgl. dazu Schwenk Exterritorialität ausländi99

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107 108

109 1,0 111 112 113 114

115 116

gilt im

scher Staaten, MDR 1958, S. 805 ff; Malina aaO S. 220 ff. Vgl. BGH IPRspr. 1974 Nr. 1 b. Vgl. OLG Frankfurt/Main RIW/AWD 1977, 720. Vgl. LG Kiel NJW 1953, 1718. Vgl. LG Bremen IPRspr. 1964/65 Nr. 59. Vgl. BGH IPRspr. 1974 Nr. 1 b. Vgl. BGHZ 63, 228. Vgl. BVerfGE 16, 27. Vgl. BVerfGE 15, 25 = NJW 1963, 435 mit krit. Anm. Wengler. Vgl. BGH NJW 1979, 1101. Der Grund ist, daß im Zeitpunkt der Ausarbeitung des Obereinkommens einige Staaten noch an der Lehre von der absoluten Immunität festhielten.

Rolf A. Schütze

Gerichtsbarkeit

Einl

und enumeriert in Art. 1 — 14 kasuistisch die Tätigkeiten, deretwegen dem in Anspruch genommenen Staat keine Immunität zusteht. Dabei wird nicht zwischen Gerichtsbarkeit und internationaler Zuständigkeit unterschieden. In die Befreiungstatbestände sind jeweils die Zuständigkeitsanknüpfungen miteingefügt 117 . Im einzelnen sind dies die Gerichtsstände der der der des des der der

konnexen Widerklage (Art. 1 Abs. 2) Vereinbarung (Art. 2) rügelosen Einlassung zur H a u p t s a c h e (Art. 3) Erfüllungsortes (Art. 4) Beschäftigungsortes (Art. 5) Mitgliedschaft (Art. 6) Niederlassung (Art. 7)

des der der der

Ortes der Verleihung von gewerblichen Schutzrechten (Art. 8) belegenen Sache bei Immobiliarstreitigkeiten (Art. 9) Erbschaft (Art. 10) unerlaubten H a n d l u n g (Art. 11)

Darüber hinaus schließt Art. 12 die Berufung auf Immunität im Schiedsverfahren aus. b) Vollstreckungsverfahren. Die Möglichkeit, ausländische Staaten für Ansprü- 151 che aus nichthoheitlicher Tätigkeit vor deutschen Gerichten zu verklagen, besagt noch nicht, daß aus einem Urteil in dem Prozeß auch in Vermögenswerte des ausländischen Staates vollstreckt werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat durch Beschluß vom 13.12. 1977 1 1 8 die Zwangsvollstreckung in ein Botschaftskonto für unzulässig erklärt, weil eine allgemeine Regel des Völkerrechts besteht, daß in Vermögensgegenstände eines ausländischen Staates, die im Zeitpunkt des Beginns der Zwangsvollstreckung hoheitlichen Zwecken dienen, nicht vollstreckt werden darf 1 1 9 . Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich offen gelassen, „ob und nach welchen Maßstäben Forderungen und sonstige Rechte aus anderen Konten eines fremden Staates bei Banken im Gerichtsstaat, etwa aus besonderen Konten im Zusammenhang mit Beschaffungskäufen und Anleihebegebungen oder aus Konten ohne besondere Zweckbestimmung, als hoheitliche oder nichthoheitliche Vermögensgegenstände zu qualifizieren sind und welche völkerrechtlichen Grenzen gegebenenfalls für das Beweisrecht zu beachten sind." Das LG Stuttgart 120 hat die Zwangsvollstreckung in Konten des spanischen Staates, die für den Betrieb des Konsulats bestimmt waren, für unzulässig erklärt. Dagegen hat das LG Hamburg 1 2 1 die Vollstreckung in Konten der Handelsabteilung eines ausländischen Konsulats, das zugleich als public relations Behörde für Importkontakte fungierte, für zulässig erachtet. Das Europäische Übereinkommen über die Staatenimmunität differenziert auch im Vollstreckungsverfahren nicht. Es enthält ein absolutes Vollstreckungsverbot, ausgehend von der Hoffnung, daß die Mitgliedstaaten Gerichtsurteile freiwillig erfüllen werden. Art. 26 bringt eng begrenzte Ausnahmen von dem Prinzip.

117

118

119

Vgl. Geimer in: Bülow/Böckstiegel/Geimer/ Schütze 951.10 f. Vgl. BVerfGE 46, 342 = RIW/AWD 1978, 122

mit Anm. Seidl-Hohenveldern.

120

Vgl. dazu auch den Hellfeld-Fall DJZ 1910,

121

808 = Journal Clunet 1912, 1213, der allerdings noch zu einer Zeit ergangen ist, als die absolute Immunität praktiziert wurde. Vgl. LG Stuttgart AWD 1973, 104. Vgl. LG Hamburg RIW/AWD 1981, 712.

Rolf A. Schütze

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Internationales Zivilprozeßrecht

4. Ausländische Staatsunternehmen und -banken 152

Ausländische Staatsunternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit 1 2 2 — gleichgültig, ob ob sie privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich organisiert sind — genießen keine Immunität 1 2 3 , unabhängig davon, aus welcher Art ihrer Tätigkeit der geltend gemachte Anspruch resultiert. Das gilt sowohl für das Erkenntnis- als das Vollstrekkungsverfahren. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb die Zwangsvollstrekkung in Konten der National Iranian Oil Company für zulässig erachtet 1 2 4 . Dasselbe gilt für Staatsbanken 1 2 5 . Auch sie genießen weder Immunität im Erkenntnis· noch im Vollstreckungsverfahren. Das L G Frankfurt/Main 1 2 6 hat deshalb die Vollstreckung in Konten der Central Bank of Nigeria für zulässig erachtet. In der Literatur wird teilweise Immunität für den Fall favorisiert, daß die Staatsbank hoheitliche Aufgaben wahrnimmt 1 2 7 . III. Internationale Zuständigkeit Schrifttum Bajons Ein österreichisches System der internationalen Zuständigkeit, ZfRV 13 (1972), S. 91 ff; Bauer Grundsätze der internationalen Zuständigkeit inländischer Gerichte im französischen Privatverfahrensrecht, RabelsZ 30 (1966), S. 483 ff; Brandenberg Brandl Direkte Zuständigkeit der Schweiz im internationalen Schuldrecht, 1991; Breuleux Internationale Zuständigkeit, 1969; Eckstein Zur Lehre von der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit im deutschen Zivilprozeß, Diss. Freiburg 1951; Fragistas La compétence internationale en droit privé, Ree. 1961 III, S. 159 ff; ders. La compétence internationale exclusive en droit privé, FS für Segni, 1967, S. 197 ff; Gamillscheg Internationale Zuständigkeit und Entscheidungsharmonie im internationalen Privatrecht, Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Heft 3, 1959, S. 29 ff; Geimer Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966; ders. Verfassungsrechtliche Vorgaben bei der Normierung der internationalen Zudständigkeit, FS für Schwind, 1993, S. 17ff.; Haunborst Die wesenseigene (Un-)Zuständigkeit deutscher Gerichte, Diss. Osnabrück 1992; Heldrich Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969; ders. Die Interessen bei der Regelung der internationalen Zuständigkeit, FS für Ficker, 1967, S. 205 ff; von Hoffmann Gegenwartsprobleme internationaler Zuständigkeit, IPRax 1982, S. 217 ff; Kralik Die internationale Zuständigkeit, ZZP 74 (1961), S. 2 ff; Kropholler Internationale Zuständigkeit, in: Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, S. 183ff; Mann The Doctrine of Jurisdiction in International Law, Ree. 1964 I, S. Iff; Matscher Etude des règles de compétence judiciaire dans certains conventions internationales, Ree. 1978 III, S. 127ff; Matthies Die deutsche internationale Zuständigkeit, 1955; Müller Die

122 Vgl. dazu Esser Zur Immunität rechtlich selbständiger Unternehmen, RIW/AWD 1984, S. 577 ff; Fischer/von Hoffmann Staatsunternehmen im Völkerrecht und im Internationalen Privatrecht, Heft 25 der Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, 1984; Herz Die Immunität ausländischer Staatsunternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit im französischen und im deutschen Zivilprozeßrecht, Diss. Tübingen 1992. 123

56

Vgl. RGZ 103, 275; BGHZ 18, 1; OLG Saarbrücken IPRspr. 1956/57 Nr. 42; Albert Arrestverfahren gegen ausländische staatliche Unternehmen am Vermögensgerichtsstand, IPRax 1983, S. 55 ff; zweifelnd Schack Internationales

124

125

126

127

Zivilverfahrensrecht, 1991, Rdn. 153 mwN für die Befürworter einer Differenzierung; differenzierend auch Herz aaO. Vgl. BVerfGE 64,1; dazu auch OLG Frankfurt/ Main IPRax 1983, 68; Albert IPRax 1983, S. 55 ff; Stein Zur Immunität fremder Staaten und ihrer im Ausland unterhaltenen Konten, IPRax 1984, S. 179 ff. Vgl. dazu Grämlich RabelsZ 45 (1981), S. 545 ff; Krauskopf WM 1986, S. 89 ff. Vgl. LG Frankfurt/Main AG 1976, 47 ff mit abl. Anm. Mertens. Vgl. Grämlich RabelsZ 45 (1981), S. 545 ff; Schack IZVR, Rdn. 157.

Rolf A. Schütze

Internationale Zuständigkeit

Einl

internationale Zuständigkeit, Deutsche Lebensreferate zum VII. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung in Uppsala 1966, 1967, S. 181 ff; Nagel Die Begrenzung der internationalen Zuständigkeit durch das Völkerrecht, ZZP 75 (1962), S. 418 ff; Neuner Internationale Zuständigkeit, 1929; Nussbaum Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, SchJblntR 1964, S. 25 ff; Otto Der prozessuale Durchgriff, 1993; Pagenstecher Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit als selbständige Prozeß Voraussetzungen, RabelsZ 11 (1937), S. 337 ff; Reu Die staatliche Zuständigkeit im internationalen Privatrecht, 1938; Riezler Zur sachlichen internationalen Unzuständigkeit, FS für Rosenberg, 1949, S. 199 ff; Scheucher Studien zur internationalen Zuständigkeit in Vermögensstreitigk'eiten, 1972; Schröder Internationale Zuständigkeit, 1971; Schweizer Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit im Zivilprozeß und in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, DRiZ 1968, S. 365 ff; Schwimann Internationale Zuständigkeit in Abhängigkeit von der lex causae?, RabelsZ 34 (1970), S. 201 ff; Siemssen Eine Analyse der Anknüpfungen für die internationale Zuständigkeit im internationalen Zivilprozeß, Diss. Hamburg 1966; Spellenberg Internationale Zuständigkeit, JA 1978, S. 1 ff; 57 ff; Speri Eine internationale Zuständigkeitsordnung in bürgerlichen Rechtssachen, NiemeyersZ (1925), S. I f f ; Wahl Die verfehlte internationale Zuständigkeit, 1974; Walchshöfer Die deutsche internationale Zuständigkeit in der streitigen Gerichtsbarkeit, ZZP 80 (1967), S. 165 ff. Die internationale Zuständigkeit regelt die Verteilung der Rechtsprechungsaufgaben zwischen den Staaten. Ihr Begriff ist im deutschen internationalen Zivilprozeßrecht relativ jung. Die Rechtsprechung hat die eigenständige Bedeutung der internationalen Zuständigkeit — neben der örtlichen Zuständigkeit — erst seit dem J a h r e 1 9 6 5 endgültig a n e r k a n n t 1 2 8 .

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1. Die Regelung der internationalen Zuständigkeit a) Staatsverträge. Einige Staatsverträge prozessualen Inhalts enthalten Regelungen der internationalen Zuständigkeit. B e f o l g u n g s n o r m e n 1 2 9 enthält das E u G V Ü 1 3 0 . In einem umfangreichen Katalog von Gerichtsständen ist die internationale (und teilweise auch die örtliche) Zuständigkeit unmittelbar iS einer compétence directe geregelt. An die Stelle des nationalen Zuständigkeitssystems tritt eine einheitliche europäische Zuständigkeitsordnung im Geltungsbereich des E u G V Ü . Das E u G V Ü knüpft für die Begründung der Zuständigkeit in erster Linie an den Beklagtenwohnsitz an. Es entspricht — mit Ausnahme des Ausschlusses des Vermögensgerichtsstandes (§ 2 3 Z P O ) 1 3 1 — im wesentlichen der deutschen autonomen Zuständigkeitsordnung, bringt aber darüber hinaus einige dem deutschen

128 Vgl. BGHZ 44, 46; zur Abgrenzung von Gerichtsbarkeit und internationaler Zuständigkeit schon BGH J Z 1958, 241 im Anschluß an Matthies aaO S. 30 und Pagenstecher RabelsZ 11 (1937), S. 3 3 7 f f . 129 Vgl. zur Unterscheidung der compétence directe begründenden Befolgungsnormen und der compétence indirecte begründenden Beurteilungsnormen Bartin Etudes sur les effets internationaux des jugements, Bd. I, 1907, S. 4ff; Jellinek Die zweiseitigen Staatsverträge über Anerkennung ausländischer Zivilurteile, 1. Heft, 1953, S. 26 ff. 130 Vgl. Geimer Eine neue internationale Zuständigkeitsordnung in Europa, NJW 1976, S. 4 4 I f f ; ders. Das Zuständigkeitssystem des EWG-Über-

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einkommens vom 27. September 1968, W M 1976, S. 830 ff; Geimer/Scbütze Internationale Urteilsanerkennung, Bd. I, 1, 1983, S. 106 ff; Kropholler Internationale Zuständigkeit aaO S. 4 4 4 ff (Rdn. 638 ff); ders. Europäisches Zivilprozeßrecht, 4. Aufl., 1993, vor Art. 2 Rdn. 15 ff. Nachdem § 23 ZPO auf Fälle mit Inlandbezug durch den BGH reduziert wird (vgl. BGH DZWiR 1991, 245), wird seine Bedeutung im autonomen Recht sehr eingeschränkt, vgl. dazu Schütze Zum Vermögensgerichtsstand des § 23 ZPO, DZWiR 1991, S. 2 3 9 ff; Ziegenhain Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des Genuine-Link-Erfordernisses, 1992, S. 217 ff.

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Internationales Zivilprozeßrecht

Recht unbekannte Gerichtsstände, so beispielsweise den Gerichtsstand der Gewährleistungsklage 132 und der Konnexität 1 3 3 . Die bilateralen Staatsverträge über die internationale Urteilsanerkennung und -Vollstreckung enthalten lediglich Beurteilungsnormen 134 . Durch die Regelung in den Staatsverträgen wird der Erstrichter nicht gebunden. Die Beurteilungsnormen werden erst im Verfahren der Wirkungserstreckung bedeutsam. An ihnen mißt der Zweitrichter, ob das Erstgericht aus zweitstaatlicher Sicht international zuständig war. Die bilateralen Staatsverträge regeln also die compétence indirecte. 155

b) Autonomes Recht. Die internationale Zuständigkeit ist in der Zivilprozeßordnung nicht umfassend geregelt. Nur sporadisch finden sich Bestimmungen, so in § 23 (Vermögensgerichtsstand), § 38 Abs. 2 (internationale Gerichtsstandsvereinbarung), § 606 a (internationale Zuständigkeit in Ehesachen), § 6 4 0 a Abs. 2 (internationale Zuständigkeit in Kindschaftssachen). Indirekt findet sich eine Regelung der internationalen Zuständigkeit in § 328 Abs. 1 Nr. 1 für die Anerkennung ausländischer Zivilurteile. Im übrigen sind die Normen über die örtliche Zuständigkeit doppelfunktional in dem Sinne, daß aus der örtlichen Zuständigkeit eines deutschen Gerichts die deutsche internationale Zuständigkeit folgt 1 3 5 . Diese Doppelfunktionalität bedeutet, daß grundsätzlich jeder Gerichtsstand des zweiten Titels des ersten Abschnitts des 1. Buches der ZPO (§§ 12 ff) geeignet ist, internationale Zuständigkeit zu begründen 1 3 6 . Soweit nach diesen Vorschriften ein deutsches Gericht örtlich zuständig ist, ist es nach deutschem Recht auch international zuständig. Darüber hinaus sind auch die Vorschriften des dritten Titels des ersten Abschnitts des 1. Buches der ZPO (§§ 38 f) für die Regelung der internationalen Zuständigkeit entsprechend anzuwenden 1 3 7 . 2. Ortliche und internationale Zuständigkeit

156

Zwar sind die Normen über die örtliche Zuständigkeit doppelfunktional in dem Sinne, daß die örtliche Zuständigkeit die internationale indiziert. Beide Zuständigkeitsformen sind dessen ungeachtet eigenständig 138 . Sie werden prozessual unter132

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Art. 6 Nr. 2 EuGVÜ; vgl. dazu Geimer Anerkennung und Vollstreckbarerklärung französischer Garantieurteile in der Bundesrepublik Deutschland, ZZP 85 (1972), S. 196 ff; Milleker Formen der Intervention im französischen Zivilprozeß und ihre Anerkennung in Deutschland, ZZP 84 (1971), S. 91 ff. Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ; vgl. dazu Geimer FORA CONNEXITATIS. Der Sachzusammenhang als Grundlage der internationalen Zuständigkeit, W M 1979, S. 350 ff. Das gilt auch für den deutsch-spanischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag. Die abweichende Ansicht von Löber Deutsch-spanisches Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Titeln (gerichtlichen Entscheidungen und öffentlichen Urkunden), RIW/AWD 1987, S. 4 2 9 ff beruht auf einem Mißverständnis der Definition der Begriffe. Vgl. BGHZ 44, 46; im übrigen für die Rechtsprechung Müller-Gindullis Das internationale Privatrecht in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, 1971, S. 83 ff; aus dem Schrifttum Geimer IZPR, Rdn. 943 ff; Kropholler Hand-

136 137

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buch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, S. 210; Schuck IZVR, Rdn. 236. Vgl. BGH MDR 1979, 658. Vgl. BGHZ 59, 23; BGH NJW 1976, 1581; 1583; BGH MDR 1979, 658. Einen Überblick über die einzelne internationale Zuständigkeit begründenden Gerichtsstände geben u. a. Geimer IZPR, Rdn. 1126 ff; Kropholler Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, S. 299 ff; Schütze DIZPR, S. 43 ff. Seit BGHZ 44, 4 6 = AWD 1965, 275 = LM Nr. 4 zu § 521 a ZPO mit Anm. Schneider = J Z 1966, 2 3 7 mit Anm. Neuhaus = JuS 1965, 458 mit Anm. Bähr nunmehr unstreitig. Vgl. zu der Entscheidung im übrigen Cohn Zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte, AWD 1966, S. 211 f; ders. Nachprüfung der internationalen Zuständigkeit durch die Rechtsmittelinstanz, NJW 1966, S. 287 ff; Maier Nachprüfung der internationalen Zuständigkeit durch die Rechtsmittelinstanz, NJW 1965, S. 1650 ff; Schütze Örtliche und internationale Zuständigkeit, AWD 1966, S. 94 f.

Rolf A . Schütze

Internationale Zuständigkeit

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schiedlich behandelt. Die zuständigkeitsbegründenden Umstände sind gleich, ihr verfahrensrechtliches Schicksal ist es nicht: a) Keine Bindungswirkung der Verweisung. Nach § 281 Abs. 2 Z P O ist die Ver- 1 5 7 Weisung wegen örtlicher Unzuständigkeit an ein anderes örtlich zuständiges Gericht bindend. Das angerufene Gericht wird durch die Verweisung zuständig. Dies gilt nicht für die internationale Zuständigkeit. Auch nach einer Verweisung im Rahmen von § 2 8 1 Z P O kann die internationale Unzuständigkeit weiterhin geltend gemacht werden. Das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, wird zwar örtlich, nicht aber unbedingt international zuständig. b) Kein Ausschluß der Berufung bei internationaler Unzuständigkeit. Ungeach- 1 5 8 tet § 521 a Z P O kann die Berufung in Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche auch darauf gestützt werden, daß das Gericht des ersten Rechtszuges seine internationale Zuständigkeit zu Unrecht angenommen h a t 1 3 9 . c) Kein Ausschluß der Revision bei internationaler Unzuständigkeit. Auch § 549 1 5 9 Abs. 2 Z P O gilt nicht für die internationale Zuständigkeit. Mit der Revision kann ihr Mangel gerügt werden. 3. Konkurrierende internationale Zuständigkeit Kompetenzkonflikte können im Rahmen der internationalen Zuständigkeitsordnung in positiver (die Gerichte mehrerer Staaten sind zuständig) oder negativer Form (die Gerichte keines Staates sind zuständig) auftreten.

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a) Positiver Kompetenzkonflikt. Sind die Gerichte mehrerer Staaten internatio- 1 6 1 nal zuständig, so hat der Kläger die Wahl unter den verschiedenen konkurrierenden Gerichtsständen. Er kann — also wie bei der konkurrierenden örtlichen Zuständigkeit - das Gericht anrufen, das ihm zur Durchsetzung seines Anspruchs am geeignetsten erscheint. Die unbegrenzte Wahlmöglichkeit unter konkurrierenden Gerichtsständen im Rahmen der internationalen Zuständigkeit wird unter zwei Aspekten in Frage gestellt: aa) Unter dem Schlagwort des forum shopping140 werden rechtspolitische Be- 1 6 2 denken dagegen erhoben, daß der Kläger durch die Wahl des Forums zugleich das anwendbare Kollisionsrecht bestimmt und damit die Anwendung einer ihm günstigen Rechtsordnung herbeiführen k a n n 1 4 1 . Auch der Verfahrensablauf, insbesondere im Hinblick auf die Beweisregeln, die in Schadensersatzprozessen, vor allem im Rahmen der product liability, zugesprochenen unterschiedlich hohen Beträge und die Durchsetzbarkeit der Entscheidung können für die Wahl des Forums bestimmend sein. Das Problem des forum shopping ist eine Folge der Unterschiedlichkeit der Prozeßsysteme und des mangelnden internationalen Entscheidungseinklangs. Es ist das legitime Interesse jeder Partei, Rechtsschutz dort zu suchen, w o in materieller und prozessualer Hinsicht die größten Chancen des Erfolges bestehen. Das deutsche Recht geht deshalb — von den Fällen der Zuständigkeitserschieichung abgesehen — von einer unbeschränkten Wahlfreiheit des Klägers bei positivem Kompetenzkonflikt aus. 139 140

Vgl. BGHZ 44, 46. Vgl. dazu Hauser Flugunfall-Haftpflicht in den USA: Was bleibt vom Warschauer Abkommen?, ZfRV 25 (1984), S. 151 ff (171 ff); Juenger/ Samtleben Der Kampf ums Forum, RabelsZ 46 (1982), S. 708 ff; Siehr „Forum Shopping" im internationalen Rechtsverkehr, ZfRV 25 (1984),

141

S. 124 ff; Wortley Forum Shopping, FS für Cohn, 1975, S. 197 ff. Vgl. dazu Breuleux Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, S. 97 ff; Kegel Internationales Privatrecht, 6. Aufl., 1987, S. 463.

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Internationales Zivilprozeßrecht

163

bb) Positive Kompetenzkonflikte werden im anglo-amerikanischen Rechtskreis durch die forum non conveniens-Lehre gelöst 1 4 2 . Danach ist unter mehreren zuständigen Gerichten nur das Gericht zuständig, das ein „convenient, appropriate forum" ist, d. h. vereinfacht, das die engste Beziehung zum Rechtsstreit aufweist. Die Übernahme dieser Lehre, die in abgewandelter Form auch in anderen Rechten praktiziert wird 1 4 3 , hat auch im deutschen Recht Befürworter gefunden 1 4 4 . Sie ist aber nicht in der Lage, den positiven Kompetenzkonflikt angemessen zu lösen. Es geht um eine Abwägung von Rechtssicherheit und Zweckmäßigkeit. Dabei ist der Rechtssicherheit der Vorzug zu geben. Die Zuständigkeitsfrage kann nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt werden. Damit wird der Prozeßausgang nicht mehr vorhersehbar, das Verfahren durch Zuständigkeitsstreitigkeiten verlängert. Eine verfehlte internationale Zuständigkeit in dem Sinne, daß die deutsche internationale Zuständigkeit bei mangelnder enger Inlandsbeziehung ausgeschlossen würde, besteht deshalb nicht 1 4 5 . Das OLG Stuttgart 1 4 6 und der B G H 1 4 7 fordern allerdings nunmehr eine Inlandsbeziehung bei der Vermögenszuständigkeit nach § 23 ZPO, was in diesem Bereich zu ähnlichen Ergebnissen führt wie die Anwendung der forum non conveniens-Lehre 148 .

164

b) Negativer Kompetenzkonflikt. Zuweilen entsteht ein negativer Kompetenzkonflikt 1 4 9 dadurch, daß sich kein Staat für international zuständig hält. Dieser glücklicherweise nicht sehr häufige Fall kann insbesondere bei folgenden Konstellationen auftreten: -

Kläger- und Beklagtenstaat knüpfen unterschiedlich a n 1 5 0 ;

-

Kläger- und Beklagtenstaat knüpfen zwar gleich an, bestimmen aber die A n k n ü p f u n g — ζ. B. den Wohnsitz - unterschiedlich 1 5 1 ; die Rechtsverfolgung ist aus tatsächlichen Gründen im zuständigen Forum unmöglich, ζ. B. bei Stillstand der Rechtspflege 1 5 2 .

-

Der negative Kompetenzkonflikt kann nicht zu einer Rechtsverweigerung führen. Es besteht eine internationale Notzuständigkeit. Einzelheiten sind streitig. Lösungen werden mannigfach angeboten 1 5 3 .

142

Vgl. dazu Berger Zuständigkeit und forum non conveniens im amerikanischen Zivilprozeß, RabelsZ 41 (1977), S. 39ff; Blum Forum non conveniens, 1979; Leckszas Die Lehre des Forum non conveniens im amerikanischen Recht, 1978; Schröder S. 488 ff; Wahl Die verfehlte internationale Zuständigkeit, 1974. 143 Vgl. ζ. B. für das englische Recht Kronke Neue Entwicklungen im englischen Recht der internationalen Zuständigkeit - „Unnatural forum" und „forum non conveniens", RIW/AWD 1977, S. 613 ff. 144 Yg) z β Jayme Zur Übernahme der Lehre vom „forum non conveniens" in das deutsche Internationale Verfahrensrecht, StAZ 1975, S. 91 ff; Schröder S. 486 ff; Siehr Ehrenzweigs lex-fori Theorie und ihre Bedeutung für das amerikanische und deutsche Kollisionsrecht, RabelsZ 34 (1970), S. 585 ff; Wahl aaO; Wengler Adoption deutscher Kinder durch amerikanische Staatsangehörige, NJW 1959, S. 127 ff (130). 145

60

IZPR, Rdn. 1075; Kropholler IZVR, S. 209, 212; Schuck IZVR, Rdn. 502; Schütze DIZPR, S. 38 f. 146 Vgl. OLG Stuttgart RIW/AWD 1990, 829. 147 Vgl. BGH DZWiR 1991, 245. 148 Vgl. Fischer Zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte nach § 23 ZPO, RIW/AWD 1990, S. 794 ff; Geimer Rechtsschutz in Deutschland künftig ohne Inlandsbezug?, NJW 1991, S. 3072 ff; Schuck Urteilsanmerkung, JZ 1992, S. 51 ff; Schütze Zum Vermögensgerichtsstand des § 23 ZPO, DZWiR 1991, S. 239 ff. 149 Vgl. dazu insbes. Milleker Negativer internationaler Kompetenzkonflikt, 1975. 150 yg] fQr e j n Beispiel Tribunal de la Seine Journal Clunet 59 (1932), 370. 151 Vgl. für ein Beispiel RG DR 1942, 1286. 152 Vgl. Kropholler Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts S. 269. 153 Vgl. Schuck IZVR, Rdn. 396 ff; Schütze DIZPR, S. 41 f.

Vgl. OLG München IPRax 1984, 319; Geitner Rolf A. Schütze

Durchführung von Verfahren mit Auslandsberührung

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IV. Die Durchführung von Verfahren mit Auslandsberührung 1. Die Stellung des Ausländers im Prozeß Ausländer genießen vor deutschen Gerichten — im Grundsatz — die gleichen 1 6 5 prozessualen Rechte und haben die gleichen Pflichten wie deutsche Parteien 154 . Das deutsche Zivilprozeßrecht differenziert — von dem Erfordernis der Ausländersicherheit abgesehen — nicht nach der Staatsangehörigkeit. a) Freier Zugang zu den Gerichten. Ausländer haben freien Zugang zu den 1 6 6 Gerichten. Dieses Postulat ist heute völkerrechtlich anerkannt und in zahlreichen Staatsverträgen abgesichert 155 . Das Prinzip des regime national für Ausländer, zu dem der freie Zugang zu den Gerichten gehört, ist allgemein in Art. 14 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 19. 1 2 . 1 9 6 6 1 5 6 manifestiert. Danach genießen Ausländer in dem Staat, in dem sie Wohnsitz oder Aufenthalt haben, Inländerbehandlung im Hinblick auf Rechtsschutz und Rechtsverfolgung. Dieser Grundsatz erscheint in Zeiten des Friedens selbstverständlich. Er ist und war es jedoch nicht immer. So wird in Kriegszeiten teilweise den Angehörigen eines Feindstaates die Möglichkeit, Gerichte anzurufen, beschnitten. Der alien enemy behält zwar die passive Parteifähigkeit, die aktive aber verliert er 1 S 7 . b) Partei- und Prozeßfähigkeit. Die Partei- und Prozeßfähigkeit von Auslän- 1 6 7 d e m 1 5 8 beurteilen sich nach deutschem Recht (lex fori). Danach bestimmt sich die Parteifähigkeit nach der Rechtsfähigkeit. Bei natürlichen Personen ist auf ihr Heimatrecht 1 5 9 , bei juristischen Personen auf ihr Sitzrecht abzustellen 160 . Die Parteifähigkeit von Gesellschaften ist vielfach staatsvertraglich geregelt. Teilweise wird auf das prozessuale Heimatrecht abgestellt. Die Prozeßfähigkeit bestimmt sich nach der Geschäftsfähigkeit nach dem Heimat-, bzw. Sitzrecht 161 . Teilweise wird auch hier auf das prozessuale Heimatrecht abgestellt 162 . Fehlt die Prozeßfähigkeit nach dem Heimatrecht, so wird sie fingiert, wenn sie nach deutschem Recht gegeben wäre (§ 55 ZPO). Bei fehlender Parteifähigkeit nach Heimatrecht ist § 55 ZPO entsprechend anzuwenden 163 . c) Prozeßführungsbefugnis. Die Prozeßführungsbefugnis ist als Prozeßvorausset- 1 6 8 zung nach der lex fori zu beurteilen. Für die Prozeßstandschaft 164 ist jedoch zu 154

155

156 157 158

Vgl. Luther Zum Rechtsschutz der Ausländer in der deutschen Rechtspflege, FS für Bosch, 1976, S. 559 ff; rechtsvergleichend vgl. Stale ν Der Fremde im Zivilprozeß. Der Grundsatz der lex fori und seine Durchbrechung, in: Zeitgenössische Fragen des internationalen Zivilverfahrensrechts, 1972, S. 31 ff. Vgl. ζ. B. Art. 1 Abs. 2 des deutsch-türkischen Abkommens über den Rechtsverkehr in Zivilund Handelssachen v. 28. 5. 1929 und Art. VI des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrages v. 29. 10. 1954. BGBl. 1973 II 1533. Vgl. Rietzler IZPR, S. 418 f. Vgl. dazu Kann Ausländer als Prozeßparteien, FS für Heinitz, 1926, S. 313 ff; Kralik Die Prozeßfähigkeit des Ausländers, ZfRV 11 (1970),

S. 161 ff; Pagenstecher Werden die Partei- und Prozeßfähigkeit eines Ausländers nach seinem Personalstatut oder nach den Sachnormen der lex fori beurteilt?, ZZP 64 (1951), S. 249 ff. 1 5 9 Vgl. BGH J Z 1965, 580; OLG Bremen AWD 1972, 478; Schütze DIZPR, S. 72 mwN. 1 6 0 Vgl. BGH IPRspr. 1964/65 Nr. 4; BAG IPRspr. 1966/67 Nr. 51; Pagenstecher ZZP 64 (1951), S. 249 ff (251); Schütze DIZPR, S. 73. 1 6 1 Vgl. Schütze DIZPR, S. 73 f. 1 6 2 Vgl. Schack IZVR, Rdn. 535 ff mwN. 1 6 3 Vgl. auch BGH NJW 1960, 1204; OLG Stuttgart NJW 1974, 1627; Geinter IZPR, Rdn. 2204 ff. 164 Vgl. dazu im einzelnen Fragistas Die Prozeßstandschaft im internationalen Prozeßrecht, FS für Lewald, 1953, S. 471 ff.

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Internationales Zivilprozeßrecht

differenzieren. Wurzelt die Befugnis, die Rechte eines Dritten prozessual geltend zu machen im materiellen Recht, so bestimmen sich Zulässigkeit und Voraussetzungen nach der lex causae, ergibt sie sich aus einer prozessualen Norm, so ist die lex fori anwendbar. Nach der lex fori sind u. a. zu beurteilen: Zulässigkeit und Wirkungen der class action 1 6 5 , der Prozeßführungsbefugnis des Veräußerers der streitbefangenen Forderung 1 6 6 und die gewillkürte Prozeßstandschaft 167 . Nach der lex causae sind u. a. zu beurteilen: Die Befugnis des Miterben, Ansprüche, die zum Nachlaß gehören, gerichtlich geltend zu machen (§ 2 0 3 9 B G B ) 1 6 8 , die prozessualen Möglichkeiten der Gesellschafter gegen Mitgesellschafter, Geschäftsführer oder Gesellschaftsschuldner vorzugehen, um die Erfüllung von Ansprüchen der Gesellschaft durchzusetzen 169 und die Befugnis des Gesamtgläubigers einer unteilbaren Leistung 170 . 2. Die Gerichtssprache 169

Die Gerichtssprache bestimmt sich nach der lex fori. Sie ist deutsch ( § 1 8 4 GVG). Bei Beteiligung von der deutschen Sprache nicht Mächtigen am Prozeß erfährt dieser Grundsatz jedoch Durchbrechungen. Beherrschen einzelne Prozeßbeteiligte die deutsche Sprache nicht, so ist ein Dolmetscher hinzuzuziehen (§ 185 Abs. 1 S. 1 GVG). Das Protokoll wird jedoch auch in diesen Fällen in deutscher Sprache abgefaßt. Beherrschen alle Beteiligten die ausländische Sprache, so kann auch ohne Hinzuziehung eines Dolmetschers in fremder Sprache verhandelt werden 1 7 1 . 3. Vertretung im Prozeß

170

Ausländer und Inländer sind gleichen Bedingungen unterworfen. Die Notwendigkeit der anwaltlichen Vertretung ( § 7 8 ) bestimmt sich allein nach der lex fori. Anwaltszwang besteht also auch_ dann im Verfahren vor dem Landgericht, wenn das auf den geltend gemachten Anspruch anwendbare Recht keinen Anwaltszwang vorsieht. Auch die Postulationsfähigkeit bestimmt sich nach der lex fori. § 78 Abs. 1 verlangt die Zulassung bei dem Prozeßgericht. Damit sind ausländische Rechtsanwälte regelmäßig von der Prozeßvertretung ausgeschlossen. Die Niederlassungsfreiheit in der EWG bringt Erleichterungen für in einem anderen EG-Staat zugelassene Anwälte 1 7 2 . Die Bundesrepublik Deutschland tut sich aber schwer, die EG Richtlinie 77/249 des Rates zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte 1 7 3 umzusetzen. Die „Gouvernantenklausel" des

Vgl. Schuck IZVR, Rdn. 556; Schütze DIZPR, S. 75. Vgl. Schütze DIZPR, S. 75; Wunderlich Zur Prozeßstandschaft im internationalen Recht, Diss. München 1970, S. 67 f. 167 Vgl. Bernstein Gesetzlicher Forderungsübergang und Prozeßführungsbefugnis im IPR unter besonderer Berücksichtigung versicherungsrechtlicher Aspekte, FS für Sieg, 1976, S. 4 9 ff; Fragistas aaO S. 482; Schütze DIZPR, S. 75; Wunderlich aaO S. 166 ff. 165

166

168

169

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Vgl. Schütze DIZPR, S. 76; Wunderlich aaO S. 171. Vgl. Grasmann System des internationalen Ge-

sellschaftsrechts, 1970, S. 5 1 0 f; Schütze DIZPR, S. 76. Vgl. Fragistas aaO S. 481; Wunderlich aaO S. 172. 1 7 1 § 185 Abs. 2 GVG. 172 Vgl. Commichau Fragen zum Europäischen Anwaltsrecht, IPRax 1989, S. 12 ff; Gornig Probleme der Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit für Rechtsanwälte in der EG, NJW 1989, 1120 ff; Kranz Die Entwicklung der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit innerhalb der Europäischen Gemeinschaften, RIW/AWD 1978, S. 160 ff. 170

173

Amtsblatt 1977 L 78, 17.

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Durchführung von Verfahren mit Auslandsberührung

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§ 4 des deutschen Durchführungsgesetzes vom 16. 8. 1 9 8 0 hat der Überprüfung durch den EuGH nicht standgehalten 1 7 4 . Die Neufassung des Gesetzes setzt ein „Einvernehmen" mit einem beim Prozeßgericht zugelassenen Prozeßanwalt voraus. Das ist eine im Sinne einer geordneten Rechtspflege sinnvolle Lösung, die man wohl nicht mehr als „engstirnig und rechtswidrig" 1 7 5 bezeichnen kann. Vieles ist hier aber im Fluß. Zur Doppelzulassung vgl. die Klopp-Entscheidung des E u G H 1 7 6 . 4. Zustellung über die Grenze Die Auslandszustellung 1 7 7 ist weitgehend staatsvertraglich geregelt 1 7 8 . Im übrigen erfolgen Zustellungen über die Grenze, die im inländischen Verfahren notwendig werden, nach §§ 199 ff. In den Fällen, in denen die Zustellung im Parteibetrieb erfolgt, ist ein Antrag erforderlich. Dieser ist überflüssig, wenn die Zustellung von Amts wegen bewirkt wird, ζ. B. bei der Klage und dem Urteil. Vgl. im übrigen die Erläuterungen zu § 199.

171

5. Armenrecht Die früher bestehende Differenzierung von In- und Ausländern ist durch das Gesetz über die Prozeßkostenhilfe vom 13. 6 . 1 9 8 0 beseitigt worden. Die Gewährung des Armenrechts (Prozeßkostenhilfe) für Ausländer bestimmt sich nach denselben Grundsätzen wie für inländische Parteien, vgl. §§ 1 1 4 ff. Eine Ausnahme besteht für juristische Personen. Ausländische juristische Personen sind von der Gewährung von Prozeßkostenhilfe ausgeschlossen, was im Hinblick auf Art. 19 Abs. 3 G G jedoch verfassungsrechtlich unbedenklich i s t 1 7 9 . Zediert eine ausländische juristische Person ihren Anspruch zur Einziehung auf einen prozeßkostenhilfeberechtigten Inländer, so erfolgt keine Gewährung von Prozeßkostenhilfe, wenn die Prozeßführung allein im Drittinteresse erfolgt 1 8 0 . 6. Beweis Schrifttum Buciek Beweislast und Anscheinsbeweis im internationalen Recht, Diss. Bonn 1 9 8 4 ; Coester-Waltjen Internationales Beweisrecht, 1 9 8 3 ; Eisner Beweislastfragen und Beweiswürdigung im deutschen und amerikanischen Zivilprozeß, Z Z P 8 0 ( 1 9 6 7 ) , S. 78 ff; Frey Die Anwendung ausländischer Beweismittelvorschriften durch deutsche Gerichte, N J W 1 9 7 2 , S. 1 6 0 2 ff; Maassen Beweismaßprobleme im Schadensersatzprozeß, 1 9 7 5 ; Nagel Grundzüge des Beweisrechts im europäischen Zivilprozeß, 1 9 6 7 ; Neumeyer Der Beweis im internationalen Privatrecht, RabelsZ 4 3 ( 1 9 7 9 ) , S. 2 2 5 ff; Pohle Z u r Beweislast im internationalen Recht, FS für Dölle, 1 9 6 3 , Bd. II, S. 3 1 7 ff; Rübl/Fragistas Rechtspolitische und rechtsvergleichende Beiträge zum zivilprozessualen Beweisrecht, 1 9 2 9 ; Schock Klagbarkeit, Prozeßanspruch und Beweis im Licht des internationalen Rechts, 1 9 3 4 , S. 1 2 9 ff; Zweigert Die Zulässigkeit von Beweisen im deutschen internationalen Privatrecht, Atti de 3 0 Congresso Internazionale di Diritto Processuale Civile, 1 9 6 9 , S. 7 9 ff.

Vgl. EuGHE 1988, 1123 = NJW 1988, 887. So jedoch Schack IZVR, Rdn. 543. 1 7 6 Vgl. EuGHE 1984, 2971 = NJW 1985, 1275. 177 Vgl. dazu Pfennig Die internationale Zustellung in Zivil- und Handelssachen, 1988. 1 7 8 Vgl. dazu die Zusammenstellung bei Bülow/ 174

175

Böcksttegel/Geimer/Schütze Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 2. Aufl., 1973 ff. Vgl. Schütze DIZPR, S. 80; Stein/Jonas/Leipold $ 114 Rdn. 88. Vgl. BGHZ 47, 289.

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Internationales Zivilprozeßrecht

Im internationalen Beweisrecht ist zu differenzieren. Eine einheitliche Qualifikation des Beweisrechts als materiell- oder prozeßrechtlich ist nicht möglich. Im einzelnen gilt folgendes 1 8 1 : Beweisnotwendigkeit und gesetzliche Vermutungen: lex causae. Beweiszulässigkeit: lex fori. Ausländische Beweisverbote sind unbeachtlich. Beweismittel: lex fori. Ausnahmen gelten für Fälle, in denen Formvorschriften in die Form eines Beweismittelgebots oder -Verbots gekleidet sind. Hier gilt die lex causae. Beweiswürdigung: lex fori. Ausländische Beweisregeln (ζ. B. Verbot des „hearsayevidence") sind unbeachtlich. Beweislast: lex causae. 7. cautio iudicatum solvi Schrifttum Danelzik Sicherheitsleistung für die Prozeßkosten, Diss. Bonn 1 9 7 6 ; Herrn Ausländersicherheitsleistung für Prozeßkosten, N J W 1 9 6 9 , S. 1 3 7 4 ff; Schneider Die Sicherheitsleistung ausländischer Kläger für die Prozeßkosten des Beklagten, JurBüro 1 9 6 6 , S. 4 4 7 ff; Schütze Zur Verbürgung der Gegenseitigkeit bei der Ausländersicherheit ( § 1 1 0 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), J Z 1 9 8 3 , S. 8 3 ff; ders. Die verkannte Funktion der Ausländersicherheit, IPRax 1 9 9 0 , S. 8 7 f; ders. Die deutsche Rechtsprechung zur Verbürgung der Gegenseitigkeit bei der Ausländersicherheit (S 1 1 0 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), RIW/AWD 1 9 9 2 , S. 1 0 2 6 ff; vgl. im übrigen die Literaturübersicht vor § 1 1 0 .

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Nach § 110 haben Ausländer, die vor deutschen Gerichten klagen, dem Beklagten auf Verlangen Sicherheit für die Prozeßkosten zu leisten. Das gleiche gilt für Staatenlose, die keinen Wohnsitz im Inland haben. Das deutsche Recht stellt für die Verpflichtung zur Stellung einer Prozeßkostensicherheit allein auf die Staatsangehörigkeit ab. Für juristische Personen gilt dabei das Sitzrecht. Auch Zweigniederlassungen ausländischer juristischer Personen sind prozeßkostensicherheitspflichtig 182 . Der deutsche Kläger ist in keinem Fall zur Sicherheitsleistung verpflichtet, selbst wenn er seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat. Diese chauvinistische Bevorzugung deutscher Staatsangehöriger ist rechtspolitisch verfehlt. Die Sicherheitsleistung soll — u. a. und in erster Linie — den Beklagten vor Nachteilen schützen, die dadurch entstehen, daß er einen Kostenerstattungsanspruch im Falle seines Obsiegens nur erschwert oder garnicht im Ausland durchsetzen kann. Das ist aber bei deutschen und ausländischen Klägern gleichermaßen der Fall, wenn sie ihren Wohnsitz oder Sitz im Ausland haben. Deshalb stellen zahlreiche Rechtsordnungen in rechtspolitisch klügerer Weise auf den Wohnsitz oder die Belegenheit von Vermögen des Klägers a b 1 8 3 . § 110 Abs. 2 statuiert zahlreiche Ausnahmen von der Verpflichtung zur Stellung der Ausländersicherheit: - Verbürgung der Gegenseitigkeit - Urkunden- und Wechselprozeß - Widerklage - Klagen, die aufgrund öffentlicher Aufforderungen erhoben werden - Klagen aus im Grundbuch eingetragenen Rechten.

181 182

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Vgl. für Einzelheiten Schütze DIZPR, S. 80 ff. Vgl. OLG Frankfurt/Main MDR 1973, 232.

183

Vgl. Schütze DIZPR, S. 84 f.

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Durchführung von Verfahren mit Auslandsberührung

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Internationale Verträge sehen in weitgehendem Maße eine Befreiung von der Verpflichtung zur Stellung einer Ausländersicherheit vor, insbesondere das Haager Zivilprozeßübereinkommen 1 8 4 . Die Justizministerien haben — nicht bindende — Übersichten über die Gegenseitigkeitsverbürgung herausgegeben 1 8 5 , deren Feststellungen allerdings wenig zuverlässig sind. Vgl. zur Verbürgung der Gegenseitigkeit die Länderübersicht zu § 110. 8. Anwendung ausländischen Rechts Schrifttum

Arens Prozessuale Probleme bei der Anwendung ausländischen Rechts im deutschen Zivilprozeß, FS für Zajtay, 1982, S. 7ff; Bendref Gerichtliche Beweisbeschlüsse zum ausländischen und internationalen Privatrecht, MDR 1983, S. 892 ff; Brauksiepe Die Anwendung ausländischen Rechts im Zivilprozeß, Diss. Bonn 1965; Broggini Die Maxime „iura novit curia" und das ausländische Recht, AcP 155 (1956), S. 469 ff; Dölle Über die Anwendung fremden Rechts, GRUR 1957, S. 56 ff; ders. Bemerkungen zu S 293 ZPO, FS für Nikisch, 1958, S. 185 ff; Ferid Überlegungen, wie die Misere bei der Behandlung von Auslandsrechtsfällen in der deutschen Rechtspraxis abgeholfen werden kann, FS für O. Möhring 1973, S. 1 ff; Geisler Zur Ermittlung ausländischen Rechts durch „Beweis" im Prozeß, ZZP 91 (1978), S. 176 ff; Gruber Die Anwendung ausländischen Rechts durch deutsche Gerichte, ZRP 1992, S. 6 ff; Kegel Zur Organisation der Ermittlung ausländischen Privatrechts, FS für Nipperdey, Bd. I, 1965, S. 453 ff; ders. Die Ermittlung ausländischen Rechts, in: Müller u. a., Die Anwendung ausländischen Rechts im internationalen Privatrecht, 1968, S. 157ff; Kralik Iura novit curia und das ausländische Recht, ZfRV 1962, S. 75 ff; Krause Ausländisches Recht und deutscher Zivilprozeß, Diss. Konstanz 1990; Luther Kollisions- und Fremdrechtsanwendung in der Gerichtspraxis, RabelsZ 37 (1973), S. 660 ff; Müller Zur Nichtfeststellbarkeit des kollisionsrechtlich berufenen Rechts, NJW 1981, S. 481 ff; Schnitzer Die Anwendung einheimischen oder fremden Rechts auf internationale Tatbestände, ZfRV 1969, S. 81 ff; Schütze Ausländisches Recht als beweisbedürftige Tatsache, NJW 1965, S. 1652 f; ders. EG-Recht im deutschen Zivilprozeß, EWS 1990, S. 49 ff; ders. Feststellung und Revisibilität europäischen Rechts im deutschen Zivilprozeß, Gedächtnisschrift für Baur, 1992, S. 93 ff; Zajtay Grundfragen der Anwendung ausländischen Rechts im Zivilprozeß, ZfRV 1971, S. 271 ff. Der Grundsatz iura novit curia gilt trotz der mißverständlichen Fassung von § 2 9 3 Z P O auch für die Anwendung ausländischen Rechts. Ausländisches Recht bewahrt nach deutscher Rechtsanschauung seinen Rechtscharakter auch bei Anwendung durch inländische Gerichte. Das bürdet dem Richter eine schwierige Aufgabe a u f 1 8 6 . Im Gegensatz zu vielen ausländischen Rechtsordnungen — ζ. B. den angelsächsischen 1 8 7 — wird ausländisches Recht nicht als beweisbedürftige Tatsache angesehen.

175

a) Ermittlung ausländischen Rechts. Der Richter kann sich nach § 2 9 3 der Mithilfe der Parteien bei der Ermittlung des Inhalts eines ausländischen Rechtssatzes bedienen, ist jedoch auf die von den Parteien beigebrachten Nachweise nicht be-

176

184 Vgl. dazu Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 2. Aufl., A 11, 100 ff. 185

Vgl. ζ. B. die Bek. des Bay. StMin. v. 4. 11. 1988, BayJMBl. 1988, 290; für die Rechtsprechung zu Gegenseitigkeitsverbürgung vgl. Schütze RIW/ AWD 1992, S. 1026 ff.

186

187

Vgl. insbes. Ferid FS für O. Möhring S, 1 ff; Kegel FS für Nipperdey I, S. 453 ff; Luther RabelsZ 37 (1973), S. 660 ff. Vgl. für England Bülow/Böckstiegel/Geimer/ Schütze aaO 0.1156.10, für Malaysia ebenda 0.1086,4, für Singapur ebenda 0.1127.4.

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Internationales Zivilprozeßrecht

schränkt. Das Gericht kann vielmehr alle erfolgversprechenden Erkenntnisquellen benutzen. Es muß auf jeden Fall von Amts wegen ermitteln 1 8 8 . Die Auswahl der Erkenntnismöglichkeiten ist dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts überlassen 1 8 9 . Als Erkenntnisquellen kommen in Betracht: — Mithilfe der Parteien: Das Gericht kann von den Parteien Belege für den Inhalt der von ihnen behaupteten ausländischen Rechtsnorm durch Privatgutachten, Vorlage von Gesetzestexten, Entscheidungsabschriften pp. fordern. Für die Entscheidungsfindung sind diese Nachweise allerdings sämtlich von der Subjektivität der interessierten Partei belastet und deshalb nur bedingt verwertbar. — Rechtsauskünfte·. Das europäische Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht vom 7. Juni 1968 1 9 0 ermöglicht die Einholung von Rechtsauskünften über eine zentrale Stelle nach dem Vorbild der französischen „certificats de coûtumes". Der Wert dieser Rechtsauskünfte leidet darunter, daß sie sich auf die Beantwortung einer abstrakten Rechtsfrage beziehen, was regelmäßig für die Entscheidungsfindung nicht ausreichend ist. Auch ohne vertragliche Vereinbarungen werden Rechtsauskünfte auf Grund internationaler Courtoisie erteilt. — Sachverständigengutachten: Die in der Praxis gängigste Methode ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens, insbesondere von wissenschaftlichen Instituten, so dem Institut für internationales und ausländisches Recht und Rechtsvergleichung der Freien Universität Berlin, dem Institut für internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung der Universität Bonn, dem Institut für ausländisches und.internationales Privatrecht der Universität Freiburg, der Abteilung für internationales und ausländisches Privatrecht des Juristischen Seminars der Universität Göttingen, des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht Hamburg, des Instituts für ausländisches und internationales Privatund Wirtschaftsrecht der Universität Heidelberg, des Instituts für internationales und ausländisches Privatrecht der Universität Köln, des Instituts für internationales Recht der Universität München und des Lehrstuhls für bürgerliches Recht, internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung der Universität Passau 191 . Auch kommen private Gutachter in Betracht 192 · Die Gutachten haben gegenüber den Rechtsauskünften den Vorteil fallbezogen zu sein, bergen aber die Gefahr in sich, die richterliche Tätigkeit auf den Sachverständigen zu verlagern 1 9 3 . Obwohl ausländisches Recht keines „Beweises" bedarf, hat der B G H auf das Sachverständigengutachten nach § 2 9 3 Z P O in dogmatisch angreifbarer Weise 1 9 4 die Beweisregeln der §§ 4 0 2 f f insbesondere § 4 1 1 Abs. 3 angewendet 1 9 5 . 177

b) Non liquet. Da das ausländische Recht nicht als Tatsache angewendet wird, finden die Beweislastregeln keine Anwendung. Keine Partei kann beweisfällig werden. Mangels objektiver Beweislast darf keine Partei einen Nachteil durch die Nichtbeibringung von Nachweisen für den Inhalt ausländischen Rechts erleiden 1 9 6 . Eine

St. Rspr. vgl. BGHZ 36, 348; 57, 72; BGH WM 1987 273 1 8 9 St. Rspr. vgl. BGH NJW 1961, 410; 1963, 252; 1975, 2143; 1976, 1581. 190 Vgl. zum Geltungsbereich oben Rdn. 135. 1 9 1 Ausgewählte Gutachten der wichtigsten Institute werden jährlich im Auftrage des Deutschen Rates für internationales Privatrecht veröffentlicht. 192 Vgl. für eine Zusammenstellung von privaten Gutachtern Hetger Sachverständige für auslän-

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disches und internationales Privatrecht, DNotZ 1988, S. 425 ff. Vgl. dazu Müller Länderbericht Deutschland, in: Müller u. a. Die Anwendung ausländischen Rechts im internationalen Privatrecht, 1968, S. 70 ff. Vgl. Geisler ZZP 91 (1976), S. 176 ff. Vgl. BGH NJW 1975, 1058. Vgl. BGH RIW/AWD 1982, 199.

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Durchführung von Verfahren mit Auslandsberührung

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Klagabweisung oder Klagzusprechung wegen der Nichterweislichkeit eines von den Parteien behaupteten ausländischen Rechtssatzes ist nicht zulässig 1 9 7 . Den Parteien dürfen keine Rechtsnachteile durch mangelnde Mitwirkung bei der Ermittlung ausländischen Rechts entstehen 1 9 8 . Das gilt auch für die Vorschußleistung für Sachverständigengutachten 1 " . Ist der Inhalt eines anwendbaren ausländischen Rechtssatzes nicht feststellbar, so ist ein Ersatzrecht anzuwenden 2 0 0 . Lösungsmöglichkeiten werden mannigfach angeboten 2 0 1 . Sachgerecht erscheint es, bei rezipierten Rechten auf das Mutterrecht zurückzugreifen, im übrigen das Recht des Rechtskreises anzuwenden, in dem das nicht feststellbare Recht wurzelt 2 0 2 . Es ist besser, bei Nichtfeststellbarkeit eines ivorianischen Rechtssatzes französisches Recht als Mutterrecht 2 0 3 anzuwenden, denn deutsches Recht als lex fori oder bei Nichtfeststellbarkeit einer syrischen Rechtsnorm ägyptisches Recht anstelle von deutschem R e c h t 2 0 4 . Erst wenn diese Hilfslösungen nicht zum Ziel führen, ist die Anwendung der lex fori als Ersatzrecht nicht zu vermeiden 2 0 5 . Der Bundesgerichtshof ist hierbei häufig zu schnell 2 0 6 .

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c) Materiellrechtliche Verweisung. Ein ausländischer Rechtssatz verliert den Charakter einer Rechtsnorm dann, wenn er nicht auf Grund kollisionsrechtlicher, sondern materiellrechtlicher Verweisung angewendet w i r d 2 0 7 . Der ausländische Rechtssatz wird zu einer beweisbedürftigen Tatsache — ebenso wie jede sonstige Vereinbarung der Parteien. Er unterliegt den Beweisregeln der Z P O . Derjenige, der sich auf den Inhalt einer auf Grund materiellrechtlicher Verweisung anwendbaren ausländischen Norm beruft, trägt die volle Beweislast.

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Vgl. BGH NJW 1961, 410. Der Begriff der Gesamtrezeption fremder Rechte, AcP 170 (1970), S. 251 ff; Schütze Die AA wohl BGH NJW 1976, 1581, der die manRezeption ausländischen Rechts in Afrika, J Z gelnde Mitwirkung der Parteien mit der Nicht1969, S. 627 ff; Tze-Chièn Die Aufnahme euroberücksichtigung des Vortrags einer Partei ahnpäischen Rechts in China, AcP 166 (1966), den will. 1 9 9 Vgl. Schütze DIZPR, S. 120. S. 343 ff; zur Rezeption deutschen Zivilprozeß2 0 0 Zum Meinungsstand vgl. die Zusammenstellung rechts vgl. Habscheid (Hrsg.) Das deutsche Zivilprozeßrecht und seine Ausstrahlung auf anBGH NJW 1978, 496; ferner Müller Länderbedere Rechtsordnungen, Grundlagen- und Lanricht Deutschland aaO S. 71 ff. desberichte anläßlich der Tagung der Wissen2 0 1 So werden als Ersatzrecht favorisiert: Einheitsschaftlichen Vereinigung für Internationales Verrecht (Kreuzer Einheitsrecht als Ersatzrecht. Zur fahrensrecht e.V. vom 11. bis 15. 10. 1989 in Frage der Nichtermittelbarkeit fremden Rechts, Passau, 1991. So stellte sich als Ergebnis einer NJW 1983, S. 1943 ff); Allgemeine RechtsUmfrage bei den Gerichten der Elfenbeinküste, grundsätze (Kötz Allgemeine Rechtsgrundsätze die das ivorianische Justizministerium auf Bitte als Ersatzrecht, RabelsZ 34 (1970), S. 663 ff; des Verfassers vor einigen Jahren durchgeführt Neuhaus Die Grundbegriffe des Internationalen hat, heraus, daß bei gesetzlich nicht geregelten Privatrechts, 2. Aufl., 1976, S. 391 f); HilfsanFragen französisches Recht angewendet werde. knüpfung (Müller Zur Nichtfeststellbarkeit des kollisionsrechtlich berufenen ausländischen 2 0 4 Diese Methode hat der Bundesgerichtshof in der Rechts, NJW 1981, S. 481 ff); im übrigen die Syrienentscheidung BGHZ 49, 50 = AWD Zusammenstellungen bei Schuck IZVR, Rdn. 1968, 266 mit Anm. Schütze angewandt; vgl. 637 ff und Schütze DIZPR, S. 120 ff. auch Schütze Internationales Zivilprozeßrecht 202 Vgl. Heldrich Heimwärtsstreben auf neuen Weund Rechtsvergleichung, Recht in Ost und West, gen. Zur Anwendung der lex fori bei SchwierigFS Waseda Universität, 1988, S. 323 ff. keiten bei der Ermittlung ausländischen Rechts, 2 0 5 Vgl. Schütze DIZPR, S. 121. FS für Ferid, 1978, S. 209 ff (216); Schuck 2 0 6 Vgl. ζ. B. BGH NJW 1978, 496; kritisch HelIZVR, Rdn. 641; Schütze DIZPR, S. 121; weidrich aaO S. 209 ff. tere Nachweise bei Müller NJW 1981, S. 481 ff 207 Vgl. Schütze Ausländisches Recht als beweisbe(482). dürftige Tatsache, NJW 1975, S. 1652 f. 2 0 3 Vgl. zur Rezeption ganzer Rechte ζ. B. Zajtuy 197 198

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9. Revisilibität ausländischen Rechts Schrifttum Dölle Betrachtungen zum ausländischen, internationalen und interzonalen Privatrecht im besetzten Deutschland, FS für Raape, 1948, S. 149 ff; ders. Über die Anwendung fremden Rechts, GRUR 1957, S. 56 ff; Fastrich Revisibilität der Ermittlung ausländischen Rechts, ZZP 97 (1984), S. 423 ff; Gottwald Die Revisionsinstanz als Tatsacheninstanz, 1975, S. 107 ff; ders. Zur Revisibilität ausländischen Rechts, IPRax 1988, S. 210 ff; Kerameus Revisibilität ausländischen Rechts, ZZP 99 (1986), S. 166 ff; Lewald Le contrôle des cours suprêmes sur l'application des lois étrangères, 1937; Müller u. a., Die Anwendung ausländischen Rechts im internationalen Privatrecht, 1968 (mit Länderberichten zum französischen, italienischen, spanischen, portugiesischen, lateinamerikanischen, deutschen, österreichischen, englischen, US-amerikanischen, skandinavischen, sowjetischen und jugoslawischen Rechtszustand); Roth Fehlende Erkennbarkeit der angewandten Rechtsordnung als absoluter Revisionsgrund gemäß § 551 Nr. 7 ZPO, IPRax 1988, S. 213 ff; Schütze Zur Revisibilität ausländischen Rechts, NJW 1970, S. 1584 f; ders. EG-Recht im deutschen Zivilprozeß, EWS 1990, S. 49 ff; ders. Feststellung und Revisibilität europäischen Rechts im deutschen Zivilprozeß, Gedächtnisschrift für Baur, 1992, S. 93 ff; ders. Der Abschied von der Nichtrevisibilität ausländischen Rechts, EWS 1991, S. 372 f; Steindorff Das Offenlassen der Rechtswahl im IPR und die Nachprüfung ausländischen Rechts durch das Revisionsgericht, J Z 1963, S. 200 ff; Zajtay Die Lehre vom Tatsachencharakter und der Revisibilität ausländischen Rechts, in: Müller u. a. aaO S. 193 ff. 180

Ausländisches Recht ist nicht revisibel 2 0 8 . Dieses von Wolfsteiner 2 0 9 als „Dogma der Irrevisibilität ausländischen Rechts" bezeichnete Prinzip ist rechtspolitisch zweifelhaft 2 1 0 . Die Begründungen, die für den Grundsatz der Nichtrevisibilität ausländischen Rechts gegeben werden, sind kaum tragfähig. Das gilt zunächst für die Furcht vor der Blamage, ausländisches Recht falsch anzuwenden 2 1 1 . Der Bundesgerichtshof soll einen Rechtsstreit richtig entscheiden, keine Imagepflege betreiben 2 1 2 . Wer könnte die schwierige Aufgabe der Anwendung ausländischen Rechts besser meistern als das Revisionsgericht, das besonders qualifizierte Richter hat und über die besten Bibliotheksverhältnisse aller deutschen Gerichte verfügt 2 1 3 . Auch das Argument, der BGH habe nur die Aufgabe für die Einheitlichkeit und Fortbildung des — deutschen — Rechts zu sorgen 2 1 4 , überzeugt nicht. Diese Aufgabe kann nicht dazu führen, eine unrichtige und ungleiche Rechtsanwendung durch die Instanzgerichte zu sanktionieren. Der B G H sieht das jetzt wohl ebenso, indem er eine weitgehende Nachprüfung der Ermittlung ausländischen Rechts zuläßt 2 1 5 . Ausländisches Recht wird auch dann nicht revisibel, wenn es mit inländischem Recht übereinstimmt 2 1 6 . EG-Recht ist kein ausländisches Recht iS von § 5 4 9 Abs. 1. Es ist deshalb revisibel; jedoch ist der BGH in der Nachprüfung durch die Auslegungskompetenzen des EuGH — z. B. durch Art. 1 7 7 E W G V — beschränkt 2 1 7 . 208

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Vgl. BGHZ 48, 214; BGH WM 1971, 1094; 1986, 461; Dölle GRUR 1957, S. 56 ff (62 f); Linke IZPR, S. 100 ff; Schütze DIZPR, S. 123 ff. Vgl. Zöller/Wolfsteiner14 S 549 Anm. 1 c. Vgl. z. B. Broggini aaO S. 478; Dölle FS für Raape, S. 154; Frankenstein Internationales Privatrecht (Grenzrecht), Bd. I, 1926, S. 293 f; Riezler IZPR, S. 502; Schack IZVR, S. 646; Schütze DIZPR, S. 123. Vgl. für diese Begründung Zajtay aaO S. 204. Vgl. Geimer IZPR, Rdn. 2151; Schütze EWS 1991, S. 372 ff. Vgl. Geimer IZPR, Rdn. 2151; Kegel IPR 6 S. 321; Schütze DIZPR, S. 124.

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Vgl. BGHZ 36, 348 (353); Raape/Sturm aaO S. 312; Nussbaum Deutsches Internationales Privatrecht, 1932, S. 102. Vgl. dazu den instruktiven Fall BGH EWS 1991, 396; dazu Schütze Der Abschied von der Nichtrevisibilität ausländischen Rechts?, EWS 1991, S. 372 ff; Sommerlad Grundsätze für die Ermittlung ausländischen Rechts im Zivilprozeß, RIW/ AWD 1991, 856; Samtleben Der unfähige Gutachter und die ausländische Rechtspraxis, NJW 1992, S. 3057 ff. Vgl. BGH NJW 1959, 1873. Vgl. Schütze EWS 1990, S. 49 ff; ders. Gedächtnisschrift für Baur aaO S. 99 ff.

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Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Zivilurteile

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Von dem Grundsatz der Irrevisibilität ausländischen Rechts bestehen zahlreiche 181 Ausnahmen, die zu einer teleologischen Reduktion des Prinzips geführt haben. Die fortschrittlichen Tendenzen der kollisionsrechtlichen Doktrin gehen dahin, „den Grundsatz der mangelnden Revisibilität ausländischen Rechts dort, wo er positiv noch gilt, einschränkend zu interpretieren" 218 . -

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Ausländisches Recht ist in arbeitsrechtlichen Verfahren revisibel 219 , wobei die ungleiche Ausgestaltung des Rechtsschutzes in der ordentlichen und der Arbeitsgerichtsbarkeit insoweit verfassungsrechtlich bedenklich erscheinen mag 2 2 0 . Der BGH kann den Inhalt ausländischen Rechts im Rahmen des Gegenseitigkeitserfordernisses nach SS 328 Abs. 1 Nr. 5 2 2 1 , 110 Abs. 2 Nr. I 2 2 2 nachprüfen. Hängt die deutsche internationale Zuständigkeit von ausländischem Recht ab, so ist der BGH im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung zur Nachprüfung der richtigen Anwendung ausländischen Rechts durch die Instanzgerichte berechtigt 2 2 3 . S 549 hindert die Nachprüfung ausländischen Rechts durch den BGH dann nicht, wenn das Instanzgericht eine Norm ausländischen Rechts nicht angewendet hat, wobei es gleichgültig ist, ob sie ihm unbekannt w a r 2 2 4 oder ob sie erst nach Urteilserlaß in Kraft trat 2 2 5 . Im Rahmen der Rückverweisung auf deutsches Recht ist das Revisionsgericht befugt, die ausländischen Kollisions- und Sachnormen zu überprüfen 2 2 6 . Wird ausländisches Recht aufgrund materiellrechtlicher - nicht kollisionsrechtlicher Verweisung angewendet, so kann es in der Revisionsinstanz nachgeprüft werden, und zwar in gleichem Maße wie Vertragsklauseln 227 . S 549 hindert die Nachprüfung eines ausländischen Rechtssatzes im Hinblick auf seine Vereinbarkeit mit dem inländischen ordre public nicht 2 2 8 . Hat das Instanzgericht seiner Pflicht zur Ermittlung des Inhalts ausländischen Rechts deshalb nicht genügt, weil es einen unfähigen Sachverständigen zum Gutachter bestellt hat, so prüft der BGH neuerdings ausländisches Recht ebenfalls nach 2 2 9 .

V. Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Zivilurteile Schrifttum Alexander Die internationale Vollstreckung von Zivilurteilen, insbesondere im Verhältnis zu Nachbarstaaten, ZbJV 1931, S. 1 ff; Basedow Die Anerkennung von Auslandsscheidungen, 1980; Baumann Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989; Beck Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen nach den Staatsverträgen mit Belgien, Österreich, Großbritannien und Griechenland, Diss. Saarbrücken 1969; Beitzke Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in der Bundesrepublik Deutschland, JurA 1971, S. 30 ff; Decker Die Anerkennung

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Vgl. Zweigert Urteilsanmerkung, J Z 1959, 412. Vgl. BAG RIW/AWD 1975, 521; Germelmann/ Matthes/Prütting ArbGG § 73 Rdn. 5. Vgl. Schütze EWS 1991, S. 373. Vgl. BGHZ 41, 194; Klein Ist das Revisionsgericht zur Prüfung und Nachprüfung der Frage berechtigt, ob die Gegenseitigkeit im Sinne des § 661 Abs. 2 Nr. 5 der deutschen Civilprozeßordnung verbürgt ist?, BöhmsZ 5 (1895), S. 40 ff; Schütze Die Rechtsprechung des BGH zur Verbürgung der Gegenseitigkeit (§ 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO), NJW 1990, S. 293 ff; Geimer/Schütze Bd. I, 2, S. 1771 f. Vgl. BGHZ 37, 264; BGH W M 1982, 194; Schütze Zur Verbürgung der Gegenseitigkeit bei

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der Ausländersicherheit ( § 1 1 0 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), J Z 1983, S. 383 ff (385 f). Vgl. Geimer IZPR, Rdn. 2506; Schütze DIZPR, S. 125. Vgl. BGHZ 40, 197. Vgl. BGHZ 36, 348. Vgl. R G Z 136, 361; 145, 85; BGHZ 45, 351; Geimer IZPR, Rdn. 2612. Vgl. Schütze NJW 1970, S. 1584 f; ders. DIZPR, S. 126. Vgl. O G H Z 4, 254; Schütze DIZPR, S. 126. Vgl. BGH EWS 1991, 396; dazu Schütze EWS 1991, S. 372 ff; Sommerlad RIW/AWD 1991, S. 856.

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ausländischer Entscheidungen im Zivilprozeß, Diss. Regensburg 1 9 8 4 ; Diehl Die Zwangsvollstreckung ausländischer Urteile als Problem des Völkerrechts, Diss. Marburg 1 9 1 1 ; Fischer Die Anerkennung ausländischer Urteile in Deutschland, Z A k D R 1 9 3 5 , S. 2 3 0 ff; Geimer Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1 9 6 6 ; ders. Grundfragen der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile im Inland, JuS 1 9 6 5 , S. 4 7 5 ff; ders. Anerkennung ausländischer Entscheidungen auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit, FS für Ferid 8 0 , 1 9 8 8 , S. 8 9 ff; Geimer/Schütze Internationale Urteilsanerkennung, Bd. I, 1, 1 9 8 3 ; Bd. I, 2 , 1 9 8 4 ; Bd. II, 1 9 7 1 ; Gesler § 3 2 8 Z P O , 1 9 3 3 ; Gottwald Grundfragen der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivilsachen, Z Z P 1 0 3 ( 1 9 9 0 ) , S. 2 5 7 ff; Graupner Zur Entstehungsgeschichte des § 3 2 8 Z P O , FS für Ferid, 1 9 7 8 , S. 1 9 3 ff; Haecker Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen, 1 9 8 9 ; Hausmann Kollisionsrechtliche Schranken der Gestaltungskraft von Scheidungsurteilen, 1 9 8 0 ; Jellinek Die zweiseitigen Staatsverträge über Anerkennung ausländischer Zivilurteile, 1 9 5 3 ; Kallmann Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile und gerichtlicher Vergleiche, 1 9 4 6 ; Kisch Anerkennung ausländischer Urteile als Gesetzgebungsproblem, Z A k D R 1 9 3 7 , S. 7 0 5 ff; Kleinfeiler Die Vollstreckung ausländischer Urteile, 1 9 2 3 ; Kleinrahm/Partikel Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen, 2. Aufl., 1 9 7 0 ; Koch Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedssprüche in der Bundesrepublik Deutschland, in: Effiziente Rechtsverfolgung, 1 9 8 7 , S. 1 6 1 ff; Max Planck Institut (Hrsg.), Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III/l, 1 9 8 4 (Martiny Anerkennung ausländischer Entscheidungen nach autonomem Recht), Bd. I I I / 2 , 1 9 8 4 (Martiny Anerkennung ausländischer Entscheidungen nach multilateralen Staatsverträgen; Waehler Anerkennung ausländischer Entscheidungen aufgrund bilateraler Staatsverträge; Wolff Vollstreckbarerklärung); Müller Zum Begriff der „Anerkennung" von Urteilen in § 3 2 8 Z P O , Z Z P 7 9 ( 1 9 6 6 ) , S. 1 9 9 ff; Nagel Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile als Problem der europäischen Integration, Thesaurus Acroasium 1 9 7 3 , S. 1 7 9 ff; Reinl Die Anerkennung ausländischer Eheauflösungen, Diss. Würzburg 1 9 6 6 ; Schlosser (Hrsg.), Materielles Recht und Prozeßrecht und die Auswirkungen der Unterscheidung im Recht der Internationalen Zwangsvollstreckung, 1 9 9 2 ; Schütze Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile in der Bundesrepublik Deutschland als verfahrensrechtliches Problem, Diss. Bonn 1 9 6 0 ; ders. Zur Anerkennung ausländischer Zivilurteile, J Z 1 9 8 2 , S. 6 3 6 ff; Sonnenberger Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Gerichtsentscheidungen, Schiedssprüche und sonstiger Titel, in: Zeitgenössische Fragen des internationalen Zivilverfahrensrechts, 1 9 7 2 , S. 2 0 9 ff; Süss Die Anerkennung ausländischer Urteile, FS für Rosenberg, 1 9 4 9 , S. 2 2 9 ff; Verbeek Die Staatsverträge über die Vollstreckung ausländischer Zivilurteil'e, NiemeyersZ 4 5 ( 1 9 3 1 / 3 2 ) , S. I f f ; im übrigen die Kommentare zu SS 3 2 8 , 7 2 2 f und Lehr- und Handbücher zum internationalen Zivilprozeßrecht.

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Die Wirkung von Urteilen endet an der Staatsgrenze. Voraussetzung für ihre Geltendmachung im Inland ist die Anerkennung, ggf. die Vollstreckbarerklärung. Dabei ist die Anerkennung Voraussetzung für die Vollstreckbarerklärung. Es gibt keine Vollstreckbarerklärung ohne Anerkennung. 1. Rechtsquellen

183

Die Geltendmachung ausländischer Zivilurteile bestimmt sich in erster Linie nach den Staatsverträgen 230 . Das autonome Recht kommt zur Anwendung, wenn eine staatsvertragliche Regelung fehlt oder weniger anerkennungsfreundlich ist 2 3 1 . Der wichtigste Staatsvertrag über die internationale Urteilsanerkennung ist das

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Vgl. Rdn. 136. Vgl. dazu Geimer Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei

der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, S. 58 ff; Geimer/Schütze aaO, Bd. II, S. 323; Schütze DIZPR, S. 129.

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Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Zivilurteile

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E u G V Ü . D a s L u g a n o ü b e r e i n k o m m e n ist f ü r D e u t s c h l a n d n o c h n i c h t in K r a f t g e t r e t e n 2 3 2 . D a n e b e n hat Deutschland bilaterale Anerkennungs- und Vollstreckungsvert r ä g e mit der Schweiz, Italien, Belgien, Ö s t e r r e i c h , G r o ß b r i t a n n i e n u n d N o r d i r l a n d , Griechenland,

den Niederlanden, Tunesien, N o r w e g e n ,

schlossen. Deutschland

Israel u n d Spanien

ist M i t g l i e d s t a a t z a h l r e i c h e r m u l t i l a t e r a l e r

abge-

Staatsverträge,

d i e d i e W i r k u n g s e r s t r e c k u n g v o n E n t s c h e i d u n g e n in S p e z i a l m a t e r i e n r e g e l n . I m ü b r i g e n b e s t i m m e n sich die A n e r k e n n u n g n a c h § 3 2 8 , die V o l l s t r e c k b a r e r k l ä r u n g n a c h § § 7 2 2 f. 2.

Anerkennung

D u r c h die A n e r k e n n u n g w e r d e n die W i r k u n g e n einer a u s l ä n d i s c h e n E n t s c h e i -

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dung — mit A u s n a h m e der Vollstreckbarkeit — a u f das Inland erstreckt. Als erstrekk u n g s f ä h i g e W i r k u n g e n k o m m e n i n s b e s o n d e r e in B e t r a c h t : — R e c h t s k r a f t w i r k u n g 2 3 3 . Die Rechtskrafterstreckung m a c h t eine erneute inländische Entscheidung unzulässig 2 3 4 , führt also nicht nur zu einem mit der ausländischen Entscheidung übereinstimmenden S a c h u r t e i l 2 3 5 . -

Feststellungswirkung

— Gestaltungswirkung236 -

Streitverkündungs- und Interventionswirkung 2 3 7

— Tatbestandwirkung238. 185

Erfordernisse der A n e r k e n n u n g sind: — Die Entscheidung m u ß von einem mit staatlicher Jurisdiktionsgewalt ausgestatteten ausländischen Gericht erlassen sein. Damit scheidet die Anerkennung von Urteilen von Privatger i c h t e n 2 3 9 aus. Auf die völkerrechtliche Anerkennung des Erststaates k o m m t es jedoch nicht a n 2 4 0 . Unerheblich ist die Bezeichnung der Entscheidung (Urteil, Beschluß pp.). Entscheidung in diesem Sinne ist auch ein ausländisches Exequatururteil; eine Doppelexequierung ausländischer Urteile ist also m ö g l i c h 2 4 1 .

232 Vgl. dazu Droz La Convention de Lugano parallèle à la Convention de Bruxelles concernant la compétence judiciaire et l'exécution des décisions en matière civile et commerciale, Rev. crit. 1989, S. 1 ff; Fawcett The Lugano Convention, European Law Review 14 (1989), S. 105 ff; Pàlsson Lugano-Konventionen, 1992; Trunk Die Erweiterung des EuGVÜ-Systems am Vorabend des Europäischen Binnenmarktes, 1991; Volketi Das EG/EFTA-Parallel-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht 43 (1987), S. 97 ff. Vgl. dazu Geirrter IZPR, Rdn. 2 7 7 6 ff. 2 3 4 Vgl. Schütze DIZPR, S. 173. 2 3 5 So jedoch BGH NJW 1964, 1626; BGH FamRZ 1987, 370; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 722 Rdn. 5 mwN. 2 3 6 Vgl. dazu Schütze GmbHRdSch. 1967, S. 6 ff. 237 Vgl. dazu Geimer Anerkennung und Vollstreckbarerklärung französischer Garantieurteile in

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der Bundesrepublik Deutschland, ZZP 85 (1972), S. 196 ff. Nach der hL bestimmen sich die Tatbestandswirkungen nach der lex causae; vgl. Martiny IZVR, S. 199 ff (Rdn. 4 2 7 ff) mwN und Geimer IZPR, Rdn. 2 7 8 6 f. Eine besondere Regelung gilt für Privatscheidungen, die nicht in den Geltungsbereich des § 328 fallen, deren Wirkung sich vielmehr nach IPR Grundsätzen bestimmt, vgl. dazu Kleinrahm/ Partikel Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen, 2. Aufl., 1970, S. 158 ff. Vgl. Schütze J Z 1982, S. 636 ff; Martiny IZVR, S. 247 f (Rdn. 535). Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 328 Rdn. 11; Schütze Die Doppelexequierung ausländischer Zivilurteile, ZZP 77 (1964), S. 287 ff; anders die hL, vgl. dazu Kegel Exequatur sur exequatur ne vaut, FS für Müller-Freienfels, 1986, S. 377 ff.

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Internationales Zivilprozeßrecht

— Gegenstand der Entscheidung muß eine zivil- oder handelsrechtliche Streitigkeit 242 sein, wobei es auf die Zugehörigkeit des Erstgerichts zu einem Gerichtszweig nicht ankommt 2 4 3 . — Das ausländische Urteil muß in Rechtskraft erwachsen sein 2 4 4 . — Der Erststaat muß Gerichtsbarkeit besessen haben 2 4 5 . — Das Erstgericht muß international zuständig gewesen sein 2 4 6 . Die Verletzung der Normen über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit ist im Rahmen der Anerkennung unbeachtlich. Die Zuständigkeitsprüfung erfolgt unter hypothetischer Anwendung der deutschen Zuständigkeitsbestimmungen (Spiegelbildgrundsatz) 247 . — Die prozeßeinleitende Lösung oder Verfügung muß dem Beklagten, der sich auf das erststaatliche Verfahren nicht eingelassen hat 2 4 8 , rechtzeitig und ordnungsmäßig zugestellt worden sein, so daß er sich angemessen verteidigen konnte. — Es darf keine Kollision mit einem inländischen Urteil oder mit einer anzuerkennenden früheren ausländischen Entscheidung vorliegen. — Das erststaatliche Verfahren darf nicht mit einem früher rechtshängig gewordenen inländischen Verfahren in Widerspruch stehen. — Die Wirkungserstreckung darf nicht gegen den deutschen ordre public verstoßen 2 4 9 . Der ordre-public Verstoß kann darin liegen, daß durch das ausländische Urteil ein gemißbilligtes Rechtsverhältnis zur Durchsetzung gebracht werden soll (materiellrechtlicher ordre public), oder darin, daß das erststaatliche Verfahren mit grundlegenden Verfahrensmaximen des deutschen Rechts unvereinbar ist (verfahrensrechtlicher ordre public) 2 5 0 . Zu den grundlegenden Verfahrensprinzipien gehört die Gewährung rechtlichen Gehörs 2 5 1 . Besondere Probleme im Hinblick auf die ordre public Klausel sind in jüngerer Zeit bei der Wirkungserstreckung von US-amerikanischen punitive damages Urteilen 2 5 2 , die nach extensiver pretrial discovery ergangen sind 2 5 3 , aufgetreten 2 5 4 . — Die Gegenseitigkeit muß verbürgt sein 2SS . Das ist dann der Fall, wenn deutsche Urteile im Erststaat unter im wesentlichen vergleichbaren Erfordernissen in materieller und prozessualer Hinsicht anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden, wie dies nach §§ 328, 722 f der Fall ist. Formale Gleichheit kann nicht gefordert werden. Erleichterungen können in gewissem Maße Erschwerungen ausgleichen 256 .

242

Zum Begriff der Handelssache bei der Anerkennung ausländischer Urteile vgl. Luther Zur Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen und Schiedssprüchen in Handelssachen im deutschitalienischen Rechtsverkehr, ZHR 127 (1964), S. 145 ff. 243 Die Anerkennung von Entscheidungen auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterliegt besonderen Regeln, vgl. dazu S 16 a FGG, im übrigen Geimer FS für Kegel 80, S. 89 ff. 244 H. L., obwohl das Rechtskrafterfordernis nur in § 723 Abs. 2 aufgeführt ist. 245 Vgl. dazu grundlegend Geimer Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966. 246 § 328 Abs. 1 Nr. 1. 247 Vgl. dazu auch Fricke Anerkennungszuständigkeit zwischen Spiegelbildgrundsatz und Generalklausel, 1990. 248 Vgl. zum Begriff der Einlassung in § 328 Abs. 1 Nr. 2 Schütze Zur Bedeutung der Einlassung im internationalen Zivilprozeßrecht, RIW/AWD 1979, S. 590 ff. 249 Vgl. dazu Roth Der Vorbehalt des Ordre Public gegenüber fremden gerichtlichen Entscheidungen, 1967.

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Vgl. dazu Baur Einige Bemerkungen zum verfahrensrechtlichen ordre public, FS für Guldener, 1973, S. 1 ff; Geimer Nichtanerkennung ausländischer Urteile wegen nichtgehöriger Ladung im Erstprozeß, NJW 1973, S. 2138 ff; ders. Zur Nichtanerkennung ausländischer Urteile wegen nicht ordnungsgemäßen erststaatlichen Verfahrens, JZ 1969, S. 12 ff. Vgl. aus der reichen Rechtsprechung BGH RIW/ AWD 1978, 411. Vgl. dazu Schütze Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung US-amerikanischer Schadensersatzurteile in Produkthaftungssachen in der Bundesrepublik Deutschland, FS für Nagel, 1987, S. 392 ff. Vgl. dazu Schütze Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung US-amerikanischer Zivilurteile, die nach einer pre-trial-discovery ergangen sind, in der Bundesrepublik Deutschland, FS für Stiefel, 1987, S. 697 ff. Vgl. dazu BGH RIW/AWD 1993, 132 mit Anm. Schütze. Vgl. Geimer/Schütze aaO Bd. I, 2, S. 1749 ff mwN. Vgl. dazu Schütze Die Rechtsprechung des BGH zur Verbürgung der Gegenseitigkeit (§ 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO), NJW 1969, S. 293 ff.

Rolf A. Schütze

Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Zivilurteile

Einl

Das Verfahren der Anerkennung ist formlos. Jedes Gericht und jede befaßte 1 8 6 Amtsstelle entscheidet als Vorfrage über die Anerkennung. Eine Ausnahme besteht für Urteile in Ehesachen, deren Anerkennung förmlicher Feststellung durch die Landesjustizverwaltung im Verfahren nach Art. 7 § 1 FamRÄndG bedarf 2 5 7 . Eine sachliche Nachprüfung der ausländischen Entscheidung (révision au fond) 1 8 7 ist unzulässig. Die ausländische Entscheidung darf nur daraufhin nachgeprüft werden, ob die Erfordernisse der Anerkennung im Zeitpunkt des Bestehens einer Inlandsbeziehung gegeben waren 2 5 8 . Dies ist insbesondere für die Verbürgung der Gegenseitigkeit wichtig. Fällt diese nach Herstellung einer Inlandsbeziehung fort und ist sie im Zeitpunkt der Prüfung der Anerkennungserfordernisse nicht mehr gegeben, so verliert die einmal erfolgte Anerkennung ihre Wirkung nicht mehr. 3. Vollstreckbarerklärung Die Vollstreckbarerklärung setzt die Anerkennungsfähigkeit der ausländischen 1 8 8 Entscheidung voraus. Überdies muß das ausländische Urteil einen vollstreckbaren Inhalt haben. Die Vollstreckbarerklärung erfolgt durch Gestaltungsurteil im ordentlichen Zivilprozeß im Verfahren nach §§ 722 f ZPO. Vgl. für Einzelheiten dort. Eine erneute Leistungsklage aufgrund des ursprünglichen Anspruchs ist unzulässig 2 5 9 , jedoch ist eine Verbindung von Vollstreckungs- und Leistungsklage im Wege eventueller Klagehäufung möglich 2 6 0 , wenn Zweifel an dem Vorliegen der Erfordernisse der Vollstreckbarerklärung bestehen, beispielsweise die Verbürgung der Gegenseitigkeit unsichér ist. Die für das deutsche autonome Recht von der Rechtsprechung 261 und Teilen der Lehre 2 6 2 in Frage gestellte Ausschließlichkeit der Vollstreckbarerklärung ist für den Bereich des EuGVÜ vom EuGH mit überzeugender Begründung bestätigt worden 2 6 3 . Im Bereich der bilateralen Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge gilt das Günstigkeitsprinzip. Der Gläubiger kann wählen, ob er die Vollstreckbarerklärung nach dem Staatsvertrag oder aufgrund autonomen Rechts nach § § 722 f betreiben will. Die Staatsverträge über die internationale Urteilsanerkennung sollen die Wirkungserstreckung erleichtern, nicht erschweren 264 . 257 Vgl. dazu Basedow Die Anerkennung von Auslandsscheidungen, 1980; Geimer Das Anerkennungsverfahren für ausländische Entscheidungen in Ehesachen, NJW 1967, S. 1398 ff; Kleinrahm/Partikel Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen, 2. Aufl., 1970. 2 5 8 Vgl. Schütze Zum Zeitpunkt der Anerkennung ausländischer Zivilurteile, NJW 1966, S. 1598 f; vgl. aber auch Eberlein Zu welchem Zeitpunkt müssen die Voraussetzungen für die Anerkennung ausländischer Urteile in Deutschland nach § 328 Abs. 1 Ziff. 1, 4 und S ZPO und der entsprechenden Bestimmungen in den Staatsverträgen gegeben sein?, 1952. 259 Vgl. Kallmann Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile und gerichtlicher Vergleiche, 1946, S. 314, 320; Nagel IZPR, Rdn. 18; Schütze DIZPR, S. 173; ders. Doppelte Rechtsverfolgung im In- und Ausland, DB 1967, S. 4 9 7 ff.

Vgl. Geimer/Schütze Bd. I, 2, S. 1734; Schütze Zur Vollstreckung ausländischer Zivilurteile bei Zweifeln an der Verbürgung der Gegenseitigkeit, DB 1977, S. 2 1 2 9 f. 2 6 1 Vgl. BGH NJW 1964, 1626; FamRZ 1987, 370; OLG Stuttgart IPRax 1990, 49; OLG Hamm FamRZ 1991, 718. 2 6 2 Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 722 Rdn. 5; Schack, IZVR, Rdn. 887 ff mwN. 2 6 3 Vgl. EuGH Rs. 4 2 / 7 6 (de Wolf ./. Cox) EuGHE 1976, 1759 = NJW 1977, 495 mit Anm. Geimer ebenda S. 2023; vgl. dazu auch zustimmend Geimer/Schütze aaO, Bd. I, 2, S. 1181 f; Kropholler Europäisches Zivilprozeßrecht, Art. 25 Rdn. 7. 264 Vgl. dazu Jellinek Die zweiseitigen Staatsverträge über Anerkennung ausländischer Zivilurteile, 1. Heft, 1953, S. 160. 260

R o l f A. Schütze

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Einl

Internationales Zivilprozeßrecht

4. Wirkung nicht anerkennungsfähiger Urteile 189

Nicht anerkannte ausländische Urteile entfalten keine Wirkungen im Inland. Dennoch ist das ausländische Urteil in einem erneuten inländischen Prozeß über den ursprünglichen Anspruch nicht bedeutungslos. Es stellt eine öffentliche Urkunde iS von § 4 1 5 d a r 2 6 5 . Die Beweiskraft bezieht sich nicht nur auf die Tatsache, daß überhaupt ein Urteil ergangen ist, sondern auch auf die Tatsache, die darin festgestellt worden sind. Der Beweis ist jedoch widerlegbar. Andernfalls könnte über § 4 1 5 eine an sich unzulässige Vollstreckbarerklärung unter Umgehung von §§ 3 2 8 , 7 2 2 f erfolgen.

VI. Die Anerkennung der Wirkungen ausländischer Verfahren 1. Internationale Rechtshängigkeit Schrifttum Deutschland: Geimer Beachtung ausländischer Rechtshängigkeit und Justizgewährungsanspruch, NJW 1984, S. 527 ff; Habscheid Zur Berücksichtigung der Rechtshängigkeit eines ausländischen Verfahrens, RabelsZ 31 (1967), S. 254 ff; ders. Non-licet bei ausländischer Rechtshängigkeit, FS für Lange, 1970, S. 429 ff; Kaiser/Prager Rechtshängigkeit im Ausland nach ausländischem Prozeßrecht?, RIW/ÄWD 1983, S. 667ff; Linke Die Berücksichtigung ausländischer Rechtshängigkeit eines Scheidungsverfahrens vor deutschen Gerichten, IPRax 1982, S. 229 ff; Luther Die Beachtung einer ausländischen Rechtshängigkeit im Eheprozeß, MDR 1970, S. 724 ff; ders. Die Grenzen der Sperrwirkung ausländischer Rechtshängigkeit, IPRax 1984, S. 141 ff; Meyer Zur Berücksichtigung eines ausländischen Verfahrens nach §§ 263 II Nr. 1, 2741, II Nr. 4 ZPO, MDR 1972, S. HOff; Schneider Wann ist die Rechtshängigkeit eines ausländischen Verfahrens zu beachten?, NJW 1959, S. 88; Schumann Internationale Rechtshängigkeit (Streitanhängigkeit), FS für Kralik, 1986, S. 301 ff; Schütze Die Berücksichtigung der Rechtshängigkeit eines ausländischen Verfahrens, RabelsZ 31 (1967), S. 233 ff; ders. Die Berücksichtigung der Rechtshängigkeit eines ausländischen Verfahrens, NJW 1963, S. 1486 f; ders. Die Berücksichtigung der Rechtshängigkeit eines ausländischen Verfahrens, MDR 1973, S. 905 f; ders. Die Wirkungen ausländischer Rechtshängigkeit in inländischen Verfahren, ZZP 104 (1991), S. 136 ff; Schweickert Die Berücksichtigung der Rechtshängigkeit eines ausländischen Verfahrens, NJW 1964, S. 336 f. Griechenland: Kerameus Rechtsvergleichende Bemerkungen zur internationalen Rechtshängigkeit, FS für Schwab, 1990, S. 257 ff. Österreich: Hoyer Zur Streitanhängigkeit im österreichischen internationalen Zivilprozeßrecht, ZfRV 10 (1969), S. 241 ff; Köhler Bewirkt gleichzeitiges Vorliegen eines Verfahrens in Ehesachen vor einem ausländischen Gericht Streitanhängigkeit im Sinne von § 232 ZPO?, öJZ 1951, S. 559 ff; Schumann Internationale Rechtshängigkeit (Streitanhängigkeit), FS für Kralik, 1986, S. 301 ff. Schweden: Pâlsson Institutet Litispendens i den Internationella Civilprocessrätten, Tidsskrift for Rettsvitenskap 80 (1967), S. 537 ff; ders. The institute of lis pendens in international civil procedure, Scandinavian Studies in Law, 1970, S. 61 ff. Schweiz: Habscheid Bemerkungen zur Rechtshängigkeitsproblematik im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz einerseits und den USA andererseits, FS für Zweigert, 1981, S. 109 ff; Schauwecker Die Einrede der Litispendenz im eidgenössischen und zürcherischen internationalen Zivilprozeßrecht, 1943. Ungarn: Százy Recognition of the Legal Effects of Foreign Civil Procedure, FS für Guldener, 1973, S. 309 ff.

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Vgl. Schütze DB 1977, S. 2129 ff.

Rolf A. Schütze

Anerkennung der Wirkungen ausländischer Verfahren

Einl

Rechtshängigkeit und Rechtskraft haben prozessual ähnliche Funktionen. In bei- 1 9 0 den Fällen soll verhindert werden, daß zwei Gerichte über denselben Streitgegenstand mit widersprechenden Ergebnissen entscheiden. Die hL in Deutschland will deshalb ausländische Rechtshängigkeit dann im inländischen Prozeß berücksichtigen, wenn das im ausländischen Verfahren zu erwartende Urteil im Inland anerkennungsfähig sein wird 2 6 6 . Über die Anforderungen, die an die Anerkennungsprognose zu stellen sind, herrscht Streit. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz läßt der BGH dann zu, wenn das ausländische Verfahren unzumutbar lange dauert 2 6 7 . Vgl. für Einzelheiten die Anm. zu § 261. 2. Internationale Konnexität Schrifttum Geimer Fora connexitatis. Der Sachzusammenhang als Grundlage der internationalen Zuständigkeit, W M 1979, S. 3 5 0 ff; Schütze Die Berücksichtigung der Konnexität nach dem EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung ausländischer Entscheidungen, RIW/AWD 1975, S. 5 4 3 ff.

Das deutsche internationale Zivilprozeßrecht mißt der Konnexität eines inländi- 1 9 1 sehen mit einem ausländischen Verfahren keine Bedeutung zu. Eine Ausnahme besteht im Geltungsbereich des EuGVÜ. Art. 22 EuGVÜ sieht vor, daß bei konnexen Verfahren das später angerufene Gericht entweder seine Entscheidung aussetzen oder auf Antrag einer Partei sich für unzuständig erklären kann, wenn die Verbindung in Zusammenhang stehender Verfahren nach seinem Recht zulässig und das zuerst angerufene Gericht für beide Klagen zuständig ist. Da nach deutschem Recht § 147 die Verbindung zweier Verfahren nur dann gestattet, wenn sie bei demselben Gericht anhängig sind, haben deutsche Gerichte nur die Möglichkeit der Aussetzung nach Art. 22 Abs. 1 EuGVÜ. 3. Unterbrechung der Verjährung durch ausländische Klageerhebung Schrifttum Frank Unterbrechung der Verjährung durch Auslandsklage, IPRax, 1983, S. 108 ff; Geimer Nochmals: Zur Unterbrechung der Verjährung durch Klageerhebung im Ausland: Keine Gerichtspflichtigkeit des Schuldners all over the world, IPRax, 1984, S. 83 ff; Kallmann Unterbrechung der Verjährung durch ausländische Klageerhebung und Urteilsverjährung bei ausländischen Entscheiden, SchweizJZ 1945, S. 193 ff; Katinszky Unterbrechung der Verjährung durch Klageerhebung vor ausländischen Gerichten, RabelsZ 9 (1935), S. 855 ff; Kudlich Die privatrechtlichen Nebenwirkungen einer im Ausland erhobenen Klage, Diss. München 1962; Linke Die Bedeutung ausländischer Verfahrensakte im deutschen Verjährungsrecht, FS für Nagel, 1987, S. 2 0 9 ff; Schack Wirkungsstatut und Unterbrechung der Verjährung im Internationalen Privatrecht durch Klageerhebung, RIW/AWD 1981, S. 301 ff; Schlosser Ausschlußfristen, Verjährungsunterbrechung und Auslandsklage, FS für Bosch, 1976, S. 859 ff; Schütze Die Unterbrechung und Iniaufsetzung der Verjährung von Wechselansprüchen durch ausländische Klageerhebung, W M 1967, S. 2 4 6 ff.

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Vgl. RGZ 49, 344; 158, 147; BGH NJW 1958, 103 (obiter dictum); BGH NJW 1983, 1269; OLG Hamburg LZ 1926, 551; OLG München NJW 1972, 110; OLG Frankfurt/Main RIW/ AWD 1980, 874; BayObLG FamRZ 1983, 501; für Literaturnachweise vgl. Schütze ZZP 104 (1991), S. 136 ff (137, Fn. 7).

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Vgl. 152 riet; ther

BGH NJW 1983, 1 2 6 9 = IPRax 1 9 8 4 , = Dir. fam. 1983, 5 2 7 mit abl. Anm. Tortodazu auch Geimer NJW 1964, S. 5 2 7 ff; LuIPRax 1 9 8 4 , S. 141 ff.

Rolf A. Schütze

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Einl 192

Internationales Zivilprozeßrecht

Die Verjährung ist nach deutscher Rechtsauffassung ein Institut des materiellen Rechts. Die Verjährungsunterbrechende Wirkung einer Klageerhebung beurteilt sich deshalb nach der lex causae 2 6 8 , Unterliegt der Anspruch ausländischem Recht, so bestimmt allein dieses, ob eine deutsche oder sonstige ausländische Klageerhebung die Verjährung unterbricht. Unterliegt der Anspruch deutschem Recht, so soll die ausländische Klageerhebung nach h L 2 6 9 dann Verjährungsunterbrechend wirken, wenn zu erwarten ist, daß die dieses Verfahren abschließende Entscheidung anerkennungsfähig ist. Es wird also eine positive Anerkennungsprognose gefordert. Aber auch die Meinungen, daß eine Auslandsklage immer 2 7 0 oder nie 2 7 1 oder nur bei Klageerhebung vor einem international zuständigen Gericht 2 7 2 Verjährungsunterbrechende Wirkung hat, werden vertreten. VII. Einstweiliger Rechtsschutz im internationalen Rechtsverkehr Schrifttum Kienle Arreste im internationalen Rechtsverkehr, Diss. Tübingen 1 9 9 0 ; Ost Die Zustellung von dinglichen Arresten und einstweiligen Verfügungen im Ausland im Wege der Rechtshilfe, Die Justiz 1 9 7 6 , S. 1 3 4 ff; Schütze Einstweilige Verfügungen und Arreste im internationalen Rechtsverkehr, insbesondere im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Bankgarantien, W M 1 9 8 0 , S. 1 4 3 8 ff.

1. Der Arrestgrund des § 917 Abs. 2 ZPO 193

Nach § 917 Abs. 2 ist als ausreichender Arrestgrund anzusehen, daß ein Urteil im Ausland vollstreckt werden müßte. Der Anwendungsbereich dieser Norm ist weit. Auf die Staatsangehörigkeit der Parteien kommt es nicht an. Es kann deshalb auch ein Ausländer gegen einen anderen Ausländer den Arrestgrund des § 917 Abs. 2 beanspruchen 273 . Im Geltungsbereich des EuGVÜ war die Anwendbarkeit dieses Arrestgrundes streitig 274 . Nach der Entscheidung Mund & Festes 7. Hatrex International Transport 2 7 4 3 ist § 917 Abs. 2 nicht anwendbar, wenn ein Urteil in einem Vertragsstaat des EuGVÜ vollstreckt werden müßte. Vgl. für Einzelheiten die Anmerkungen zu § 917 Abs. 2. 2. Nachweis ausländischen Rechts

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Das Gericht muß auch im Eilverfahren das ausländische Recht von Amts wegen ermitteln 2 7 5 . § 293 gilt auch im Arrest- und einstweiligen Verfügungsverfahren. Jedoch wird man wegen der Besonderheiten dieser Verfahren eine Mitwirkungspflicht der Parteien dahin annehmen müssen, das ihnen günstige ausländische Recht, auf das sie sich berufen, glaubhaft zu machen 2 7 6 . 268

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Vgl. BGH VersR 1958, 401; OLG München MDR 1953, 552; OLG Celle NJW 1967, 753; Schuck RIW/AWD 1981, S. 301 ff mwN. Vgl. RGZ 129, 389; Schuck RIW/AWD 1981, S. 301 ff mwN. Vgl. Frank IPRax 1983, S. 108 ff; Kallmann SchweizJZ 1945, S. 193 ff; Katinszky RabelsZ 9 (1934), S. 855 ff; Kudlich aaO S. 5 ff; Schlosser FS für Bosch, S. 859 ff (864 ff). Vgl. Schütze DIZPR, S. 181 f. Vgl. Gelmer IPRax 1984, S. 83 f. Vgl. OLG Stuttgart NJW 1952, 831; OLG Hamburg 15, 21; OLG München MDR 1960, 146; aA KG OLG 21, 93; 23, 227.

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2743 275

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Vgl. dazu Dittmar Der Arrestgrund der Auslandsvollstreckung, NJW 1978, S. 1720 ff; zum Streitgegenstand vgl. Kropholler Europäisches Zivilprozeßrecht, Art. 24 Rdn. 10 ff und Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 917 Rdn. 10. Vgl. EuGH Rs. C-398/92 EWS 1994, 95. Vgl. Oldenburg IPRax 1981, 136; Schack IZVR, Rdn. 627. Vgl. OLG Frankfurt/Main NJW 1969, 991 mit kritischer Anm. Franz NJW 1969, S. 1539 f; vgl. im übrigen für eine Begründung und die Darstellung des Streitstandes, Kienle aaO S. 120 ff.

Rolf A. Schütze

Internationales Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht

Einl

3. Zustellung Besonderheiten ergeben sich bei der Zustellung von Arrest- und einstweiligen 1 9 5 Verfügungsentscheidungen im Ausland 2 7 7 . Enthält die Unterlassungsverfügung eine Strafandrohung, so lehnt die Landes) ustizverwaltung die Weiterleitung des Zustellungsersuchens regelmäßig ab, weil die Zustellung in fremde Hoheitsrechte eingreift. Dem Antragsteller bleibt als Ausweg nur, die einstweilige Verfügung ohne Strafandrohung oder die Zustellung der einstweiligen Verfügung ohne Strafandrohung unter deren Schwärzung zu beantragen. Für den Arrestbefehl gilt entsprechendes, soweit dieser mit einem Pfändungsbeschluß über im Ausland belegenes Vermögen verbunden ist. V i n . Internationales Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht 1. Internationales Zwangsvollstreckungsrecht Schrifttum Marquordt Das Recht der internationalen Forderungspfändung, Diss. Köln 1 9 7 5 ; Mülhausen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen deutscher Gerichte in Bankguthaben von Inländern bei Auslandsfilialen, W M 1 9 8 6 , S. 9 5 7 ff, 9 8 5 ff; Rheinstein Die inländische Bedeutung einer ausländischen Zwangsvollstreckung in Geldforderungen (Internationale Zuständigkeit des Auslands zur Zwangsvollstreckung in Geldforderungen), RabelsZ 8 ( 1 9 3 4 ) , S. 2 7 7 ff; Rosenbaum Die Zwangsvollstreckung in Forderungen im internationalen Rechtsverkehr, 1 9 3 0 ; Schack Internationale Zwangsvollstreckung in Geldforderungen, Rpfleger 1 9 8 0 , S. 1 7 5 ff; Schima Zur Zwangsvollstreckung in Forderungen im internationalen Rechtsverkehr, FS für Dölle, 1 9 6 3 , II, S. 3 4 1 ff; Schmidt Pfändung ausländischer Forderungen und die Zustellung von Pfändungsbeschlüssen, wenn der Drittschuldner im Ausland wohnt, M D R 1 9 5 6 , S. 2 0 4 ff; Welter Zwangsvollstreckung und Arrest in Forderungen - insbesondere Kontenpfändung - in Fällen mit Auslandsberührung, 1 9 8 8 .

Die Durchführung der internationalen Zwangsvollstreckung bestimmt sich nach 1 9 6 der lex fori. Das deutsche Recht enthält nur eine unvollkommene positivgesetzliche Regelung der Zwangsvollstreckung über die Grenze. Nach § 791 hat das Prozeßgericht 1. Instanz auf Antrag des Gläubigers eines ausländischen Titels die für die Zwangsvollstreckung zuständige Behörde zu deren Durchführung zu ersuchen, wenn und soweit der ausländische Staat deutsche Urteile im Wege der Rechtshilfe vollstreckt. Diese Regelung ist jedoch praktisch bedeutungslos, da deutsche Titel im Ausland regelmäßig der Vollstreckbarerklärung bedürfen. Zentrale Probleme der internationalen Zwangsvollstreckung sind die internationale Zuständigkeit und die Anerkennung ausländischer Akte der Zwangsvollstreckung 278 . Die Gerichte des Staaten, in dem sich der Vollstreckungsgegenstand befindet, 1 9 7 sind für die Durchführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen international zuständig 2 7 9 . Probleme ergeben sich bei der Zwangsvollstreckung in Forderungen, einmal, weil 1 9 8 deren Belegenheit nicht immer leicht festzustellen ist, zum anderen aber auch, weil die Pfändung über die Grenze zu bewirken ist, ohne daß eine körperliche Anwesenheit eines Vollstreckungsorgans im fremden Staat notwendig ist. Die internationale

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Vgl. dazu Ost Die Justiz 1976, S. 134 ff; Schütze WM 1980, S. 1438 ff.

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Vgl. dazu Schütze DIZPR, S. 191 ff. Vgl. Schack Rpfl. 1980, S. 175 ff.

Rolf A. Schütze

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Internationales Zivilprozeßrecht

Zuständigkeit zum Erlaß von Pfändungsbeschlüssen folgt aus § 8 2 8 Abs. 2. Vgl. für Einzelheiten dort. Die Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Drittschuldner im Ausland, die nach § 8 2 9 Abs. 2 Wirksamkeitserfordernis ist, scheitert jedoch regelmäßig daran, daß die Landesjustizverwaltung diese wegen des darin liegenden Hoheitsaktes ablehnt. Damit ist eine Pfändung von Forderungen, bei dem der Drittschuldner im Ausland wohnt, in der Regel unmöglich. 199

2 . Internationales Insolvenzrecht Schrifttum Baumgärtel Die Grenzen der deutschen internationalen Konkurszuständigkeit im Falle des § 238 Abs. 1 KO. Zugleich ein Beitrag zur Auslegung des § 237 KO und des § 28 VerglO, FS für Fragistas, Bd. I, S. 321 ff; Ebenrotb Die Inlandswirkungen der ausländischen lex fori concursus, ZZP 101 (1988), S. 121 ff; Förger Die Stellung des Konkursverwalters im internationalen Privatrecht, Diss. Regensburg 1969; Hanisch Auslandsvermögen und Inlandsinsolvenzverfahren und vice versa, FS 100 Jahre Konkursordnung 1 8 7 7 - 1 9 7 7 , S. 139 ff; ders. Deutsches Internationales Insolvenzrecht in Bewegung, ZIP 1983, S. 1289 ff; Jayme Sanierung von Großunternehmen und internationales Konkursrecht, FS für Riesenfeld, 1983, S. 117 ff; Müller-Freienfels Auslandskonkurs und Inlandsfolgen, FS für Dölle, 1963, II, S. 359 ff; Nadelmann Internationales Insolvenzrecht: Die Kosmos-Entscheidung des Reichsgerichts, Leopold Levy und Josef Kohler, KTS 1979, S. 221 ff; Fielorz Auslandskonkurs und Disposition über das Inlandsvermögen, 1977; Ringleb Universität und Territorialität im deutschen internationalen Konkursrecht, Diss. Freiburg 1967; Schlosser Europäische Wege aus der Sackgasse des deutschen internationalen Konkursrechts, RIW/AWD 1983, S. 473 ff; Schmidt System des deutschen internationalen Konkursrechts, 1972; Spennemann Insolvenzverfahren in Deutschland — Vermögen in Amerika, 1981; Stoll (Hrsg.), Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen Internationalen Insolvenzrechts, 1992; Summ Anerkennung ausländischer Konkurse in der Bundesrepublik Deutschland, 1992; Tbieme Inlandsvollstreckung und Auslandskonkurs, RabelsZ 37 (1973), S. 682 ff; Witz/Zierau Französisches internationales Konkursrecht — Neue Tendenzen und Entwicklungen in der Rechtsprechung der Cour de cassation, RIW/AWD 1989, S. 929 ff.

200

a) Wirkung des deutschen Konkurses im Ausland. Das deutsche internationale Konkursrecht geht von der Universalität des deutschen Konkursverfahrens aus. Nach § 2 3 7 K O ergreift das inländische Konkursverfahren das gesamte (im In- und Ausland belegene) Vermögen des Gemeinschuldners. Während das Reichsgericht noch davon ausgegangen war, daß der Gläubiger, der trotz der Universalität des Konkurses im Ausland nach ausländischem Recht zulässigerweise in das Vermögen des concursifex vollstreckte, den Vollstreckungserlös behalten durfte, weil er nichts „ungerechtfertigt" erlangt h a b e 2 8 0 , nimmt die Rechtsprechung seit einer Entscheidung des B G H aus dem Jahre 1 9 8 3 2 8 1 nunmehr an, daß der Gläubiger zur Herausgabe des durch die Vollstreckung im Ausland Erlangte an den Konkursverwalter verpflichtet ist.

201

b) Wirkung des ausländischen Konkurses im Inland. Mit einem Urteil aus dem Jahre 1 9 8 5 hat der B G H 2 8 2 unter Aufgabe der früheren - umstrittenen - Rechtsprechung entschieden, daß der Auslandskonkurs universale Wirkung habe und das

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281

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Vgl. RGZ 54, 193; dazu auch Nadelmann 1 9 7 9 , S. 221 ff. Vgl. BGH W M 1983, 858.

KTS

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Vgl. BGHZ 95, 2 5 6 , dazu Lau BB 1986, 1450; Hanisch ZIP 1 9 8 5 , 1233; Lüke KTS 1 9 8 6 , 1; Lüderitz J Z 1986, 96.

Rolf A. Schütze

Internationale Schiedsgerichtsbarkeit

Einl

Vermögen des Gemeinschuldners im Inland erfasse 2 8 3 . Zweifelhaft ist, ob der Auslandskonkurs inländische Verfahren unterbricht 2 8 4 . Nach dem O L G Karlsruhe 2 8 5 soll die Universalität des Auslandskonkurses die Vollstreckung eines — zulässigerweise — erlangten Titels im Inland nicht hindern, jedenfalls nicht im Geltungsbereich des deutsch-österreichischen Konkursvertrages 2 8 6 .

EX. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit Schrifttum Aden Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 1988; Bajons Zur Nationalität internationaler Schiedssachen, FS für Kralik, 1986, S. 3 ff; Bartos Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 1984; Berger Internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 1992; Bosch Einstweiliger Rechtsschutz in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 1989; Buhmann Das auf den internationalen Handelsschiedsvertrag anwendbare nationale Recht, Diss. Regensburg 1970; Böckstiegel/Glossner Internationale Schiedsgerichtsbarkeit im Ost-West-Handel, 1975; Dasser Internationale Schiedsgerichte und lex mercatoria, 1989; Gentinetta Die lex fori internationaler Schiedsgerichte, 1973; Glossner Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, AWD 1969, S. 73 ff; Glossner/Bredow/Bühler Das Schiedsgericht in der Praxis, 3. Aufl., 1990; Haas Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer und internationaler Schiedssprüche, 1991; von Heymann Der ordre public in der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 1969; von Hoffmann Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit. Die Bestimmung des maßgeblichen Rechts, 1970; von Hülsen Die Gültigkeit von internationalen Schiedsvereinbarungen, 1973; Klein Zum Begriff des internationalen Schiedsverfahrens, Festgabe für den Schweizerischen Juristentag, 1963, S. 145 ff; Mann Internationale Schiedsgerichte und nationale Rechtsordnung, ZHR 130 (1968), S. 97ff; Münzberg Prorogation und Schiedsvereinbarungen im internationalen Zivilverfahren, Zeitgenössische Fragen des internationalen Zivilverfahrensrechts, 1972, S. 177 ff; Saathoff Möglichkeiten und Verfahren gerichtlicher Hilfe bei der Beweisaufnahme zugunsten fremdnationaler Handelsschiedsgerichtsverfahren mit internationaler Beteiligung, Diss. Köln 1987; Schlosser Das Recht der privaten internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl., 1989; Schottelius Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit, 1957; Schütze Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 1991; Schütze/Tscherning/Wais Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Aufl., 1990; Schwab Kollisionsrechtliche Fragen des deutschen internationalen Schiedsverfahrensrechts, FS für Luther, 1976, S. 163 ff; Wackenhuth Der Erfolg einer auf eine mängelbehaftete Schiedsvereinbarung gestützten Einrede der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts im Vollstreckbarkeitsverfahren eines in- und ausländischen Schiedsspruchs, soweit sich die Parteien rügelos eingelassen haben, Diss. Konstanz 1984. Im internationalen Bereich hat die Schiedsgerichtsbarkeit die staatliche Gerichtsbarkeit — in einigen Bereichen — weitgehend verdrängt.

202

1. Gründe für den Abschluß einer internationalen Schiedsvereinbarung Bei dem Abschluß einer internationalen Schiedsvereinbarung bedarf es der Abwägung des Für und Wider im Einzelfall 2 8 7 : - Schiedsgerichte empfehlen sich dort, wo die Materie des Rechtsstreits besondere Sachkunde in technischer (ζ. B. Bauwesen), juristischer (ζ. B. exotisches Recht anwendbar) oder 283

284

285 286

Vgl. aus der neueren Rechtsprechung auch OLG Zweibrücken RIW/AWD 1990, 57; OLG Karlsruhe RIW/AWD 1991, 243. So ζ. B. OLG Karlsruhe RIW/AWD 1991, 243 entgegen BGH RIW/AWD 1980, 61. Vgl. OLG Karlsruhe NJW-RR 1987, 1407. Vgl. dazu die abl. Anm. Dilger RIW/AWD 1988, S. 225 f.

287

Vgl. dazu Schütze Verbesserungen des Zivilgerichtsverfahrens aus Erfahrungen mit der Schiedsgerichtsbarkeit, in: Gilles (Hrsg.), Effiziente Rechtsverfolgung — Deutsche Landesberichte zur VII. Weltkonferenz für Prozeßrecht in Utrecht, 1987, S. 65 ff; ders. Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 1991, Rdn. 6 ff; Schütze/ Tscherning/Wais aaO Rdn. 1 ff; Schwab/Walter

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79

203

Einl

Internationales Zivilprozeßrecht

sprachlicher Hinsicht (Unterlagen in fremder Sprache) erfordert. Deswegen enthalten internationale Anlagenverträge häufig Schiedsvereinbarungen. -

Die Kosten des Schiedsverfahrens sind regelmäßig nicht niedriger als die eines Prozesses vor staatlichen Gerichten.

-

Trotz der grundsätzlichen Einstufigkeit sind Schiedsverfahren nicht unbedingt schneller als ordentliche Zivilprozesse. Die notwendigen Abstimmungen mit Parteien, Zeugen und Anwälten und der Mangel an prozessualen Zwangsmitteln verzögern Schiedsverfahren — insbesondere bei böswilligen Parteien — häufig. Auch ist zu berücksichtigen, daß ein Schiedsspruch der Vollstreckbarerklärung in einem zuweilen über drei Instanzen gehenden Verfahren bedarf.

-

Die mit der Nicht-Öffentlichkeit des Schiedsverfahrens verbundene Vertraulichkeit besondere bei gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten von Vorteil.

-

Nachteilige Folge des Schiedsverfahrens bei grundsätzlichen Streitigkeiten ist die mangelnde Präzedenzwirkung eines Schiedsspruchs.

-

In internationalen Streitigkeiten liegt die Überlegenheit des Schiedsverfahrens gegenüber dem Prozeß vor den ordentlichen Gerichten in der größeren Freizügigkeit von Schiedssprüchen gegenüber Gerichtsurteilen.

-

Das Schiedsgericht ist in der Gestaltung des Verfahrens freier als das Staatsgericht. Das erleichtert besonders die Durchführung von Zustellungen und Beweisaufnahmen. Die förmliche Zustellung nach § 199 nimmt regelmäßig erhebliche Zeit in Anspruchs. Das Schiedsgericht kann Zustellungen durch die Post vernehmen und Beweisaufnahmen im Ausland durchführen. Es ist nicht an eine bestimmte Sprache gebunden, kann vielmehr in einer den Beteiligten geläufigen Sprache verhandeln.

ist ins-

2. Arten internationaler Schiedsgerichte 204

Die Beteiligten können zwischen einem für den Einzelfall bestellten oder einem institutionellen Schiedsgericht wählen. Ad hoc Schiedsgerichte werden für den konkreten Streitfall gebildet. Die Parteien bestimmen nicht nur die Zusammensetzung des Schiedsgerichts „ad hoc", sondern auch den Verfahrensablauf. Sie sind nicht an Verfahrensregeln gebunden — solange sie sich an die Grundprinzipien eines unparteiischen Schiedsverfahrens halten 288 . Der BGH differenziert hier. Was bei ausländischen Schiedsverfahren noch mit einem unparteiischen Schiedsverfahren vereinbar ist, soll es bei einem inländischen nicht mehr sein. Das ist das Ergebnis der sehr problematischen Rechtsprechung zur Entscheidung durch den vom Schiedskläger benannten Schiedsrichter als Einzelschiedsrichter für den Fall, daß der Schiedsbeklagte seines Schiedsrichterbestimmung nicht rechtzeitig vornimmt 289 . Die Redaktion einer Schiedsvereinbarung erfordert große Erfahrung. Die Parteien können sich — wenn sie nicht in der Lage oder willens sind, selbst „maßzuschneidern" — einer Musterschiedsordnung bedienen, die sich in großem Maße im internationalen Bereich finden. Hierzu gehören u. a.

288

80

Schiedsgerichtsbarkeit, 4. Aufl., 1990, S. 4 f; Stumpf Vor- und Nachteile des Verfahrens vor Schiedsgerichten gegenüber Verfahren vor Ordentlichen Gerichten, FS für Bülow, 1981, S. 2 1 7 ff. Vgl. dazu Kornblum Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, 1968.

289

Vgl. B G H Z 54, 3 9 2 einerseits und B G H Z 98, 7 0 andererseits; dazu Schütze EWiR Art. 5 U N Ü 1/ 86, 835 und Kornblum „Ordre public transnational", „ordre public international" und „ordre public interne" im Recht der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, FS für Nagel, 1 9 8 7 , S. 140 ff.

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Internationale Schiedsgerichtsbarkeit

Einl

-

Die Schiedsordnung der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (ECESchiedsordnung) 2 9 0 und die

-

UNCITRAL-Schiedsordnung 2 9 1 .

Demgegenüber haben institutionelle Schiedsgerichte eine feste Organisation und 2 0 5 eine allgemein gültige Verfahrensordnung, was die Durchführung von Verfahren häufig erleichtert. Institutionelle Schiedsgerichte sind im internationalen Bereich besonders beliebt. Als wesentliche institutionelle Schiedsgerichte kommen in Betracht: -

Internationale Handelskammer P a r i s 2 9 2 Schiedsgericht der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft W i e n 2 9 3 Schiedsgericht der Stockholmer H a n d e l s k a m m e r 2 9 4 ; Schiedsgericht der Zürcher H a n d e l s k a m m e r 2 9 5 ; London Court of International Arbitration 2 9 6 ; Regional Court for Arbitration Kuala L u m p u r 2 9 7 .

Die in den USA bedeutende Schiedsgerichtsbarkeit der American Arbitration Association kann nicht zu den institutionellen Schiedsgerichten gerechnet werden. Gleiches gilt für die der AAA nachgebildeten Schiedsgerichtssysteme in Kanada (CACAC) und Lateinamerika (IACAC). Die früher im Ost-West-Handel mit den sozialistischen Staaten überwiegend vereinbarten Außenhandelsschiedsgerichte298 haben durch die neuere Entwicklung an Bedeutung verloren. 3. Rechtsquellen der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit Die Schiedsgerichtsbarkeit ist in großem Maße durch zwischenstaatliche Verein- 2 0 6 barungen geregelt 299 : -

Genfer Protokoll über die Schiedsklauseln vom 2 4 . 9. 1 9 2 3 ;

-

Genfer Abkommen zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 2 9 . 9. 1 9 2 7 ;

-

UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 1 0 . 6. 1 9 5 8 ;

-

Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961.

290 Vgl. dazu Arnold Die Schiedsgerichtsordnung der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen, AWD 1967, S. 179 ff; Schütze/ Tscherning/Wais aaO Rdn. 814 ff. Vgl. dazu Glossner Die UNCITRAL-Schiedsordnung in der Praxis, RIW/AWD 1978, S. 141 ff; Pirrung Die Schiedsverfahrensordnung der UNCITRAL, RIW/AWD 1977, S. 513 ff; Rauh Die Schieds- und Schlichtungsordnungen der UNCITRAL, 1983. 292 Vgl. dazu Aden Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 1988, S. 135 ff; Reiner ICCSchiedsgerichtsbarkeit, 1989; Schütze Die Schiedsgerichtsbarkeit der Internationalen Handelskammer, WM 1986, S. 345 ff.

291

293

Vgl. dazu Aden aaO S. 144 ff; Melis Das Schiedsgericht der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 2 (1988), S. 174ff; Schütze Die Schiedsgerichtsbarkeit der Bundeskammer der

gewerblichen Wirtschaft Wien, WM 1987, S. 609 ff. Vgl. Aden aaO S. 184 ff; Schütze/Tscherning/ Wais aaO Rdn. 858 ff. 2 9 5 Vgl. dazu Schütze/TschermngfWms aaO Rdn. 848 ff. 296 Vgl. dazu Cohn/Domke/Eisemann Handbook of Institutional Arbitration in International Trade, 1977, 227 ff. 2 9 7 Vgl. dazu Schütze Die Schiedsgerichtsbarkeit des Regional Centre for Arbitration, Kuala Lumpur, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 2 (1988), S. 198 ff, Bin Mohd. Yatim, The Regional Centre for Arbitration, Kuala Lumpur (1978), 2 M. L. J. lxxx. 298 Vgl. dazu Pfaff Die Außenhandelsschiedsgerichtsbarkeit der sozialistischen Länder im Handel mit der Bundesrepublik Deutschland, 1973. 2 9 9 Vgl. dazu oben Rdn. 137. 294

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81

Einl

Internationales Zivilprozeßrecht

Darüber hinaus bestehen Regelungen der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit in Übereinkommen über Spezialmaterien, so auf dem Gebiet der Investitionsstreitigkeiten oder dem Verkehrsrecht. Zahlreiche bilaterale Anerkennungs- und Vollstrekkungsverträge und der deutsch-amerikanische Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 29. 10. 1954 (Art. IV) und das deutsch-sowjetische Handels- und Schiffahrtsabkommen vom 25. 4 . 1 9 5 8 (Art. 8) enthalten Regelungen über Schiedsvereinbarungen und die Wirkungserstreckung von Schiedssprüchen. 4. Das internationale Schiedsverfahren 207

a) Schiedsvereinbarung. Grundlage jeden Schiedsverfahrens ist eine wirksame Schiedsvereinbarung, die entweder zur Entscheidung einer bereits entstandenen (Schiedsvertrag, compromis) oder einer künftigen Streitigkeit (Schiedsklausel, clause compromissoire) abgeschlossen werden kann 3 0 0 . Gegenstand der Schiedsvereinbarung muß ein bestimmtes Rechtsverhältnis sein. Die Schiedsvereinbarung bedarf nach dem UN-Übereinkommen (Art. 2 Abs. 2) und dem Europäischen Übereinkommen (Art. 1 Abs. 2 lit. a) der Schriftform. Das gleiche gilt für das deutsche autonome Recht (§ 1027), das jedoch für Schiedsvereinbarungen, die für beide Teile ein Handelsgeschäft sind, eine Ausnahme von der Formbedürftigkeit zuläßt.

208

b) Ausgestaltung des Schiedsverfahrens. Die Parteien sind in der Wahl des auf das Schiedsverfahren anwendbaren Rechts weitgehend frei. So statuiert Art. 5 Abs. 1 lit. a des UN-Übereinkommens eine praktisch unbegrenzte Parteiautonomie hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Das Europäische Übereinkommen regelt die Frage in Art. 4 Abs. 1 dahin, daß es den Parteien freisteht zu bestimmen, wie die Schiedsrichter bestellt werden sollen und welche Verfahrensregeln die Schiedsrichter einhalten müssen. Auch das deutsche autonome Recht überläßt es den Parteien, welche Gestaltung sie einem internationalen Schiedsverfahren geben wollen, solange gewisse rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind. Dazu gehört: — Keine Partei darf ihre wirtschaftliche oder soziale Überlegenheit darin ausnutzen, dem anderen Teil eine bestimmte Verfahrensordnung aufzunötigen, insbesondere hinsichtlich der Ernennung oder Ablehnung der Schiedsrichter 3 0 1 . — Die Unabhängigkeit der Schiedsrichter muí? gewahrt s e i n 3 0 2 . — D a s Verfahren m u ß rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen, insbesondere m u ß rechtliches Gehör in umfassendem M a ß e gewährt werden.

209

Die Wahl des anwendbaren Schiedsverfahrensrechts bestimmt nach hL zum deutschen autonomen Recht die Nationalität des Schiedsspruchs 303 . Im Rahmen der Staatsverträge ist zu differenzieren. Nach dem UN-Übereinkommen sind das anwendbare Schiedsverfahrensrecht und der Sitz des Schiedsgerichts gleichwertige Anknüpfungspunkte für die Bestimmung der Nationalität eines Schiedsspruchs 304 . 300 Yg] z u r Terminologie Sareika Zu den Begriffen in der Schiedsgerichtsbarkeit, ZZP 90 (1977), S. 285 ff. Vgl. dazu BGHZ 54, 392 = J Z 1971, 231 mit Anm. Habscheid·, BGHZ 98, 70 = J Z 1 9 8 7 , 1 5 4 mit Anm. Walter-, Schütze EWiR Art. 5 UNÜ 1/ 86, 835. 302 yg] cl a z u eingehend Kornblum Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, 1968.

303

301

82

304

Vgl. BGHZ 21, 365 = J Z 1957, 26 mit Anm. Habscheid; OLG Stuttgart KTS 1983, 663 mit Anm. Walter, Schütze Schiedsgericht und Schiedsverfahren aaO Rdn. 139 mwN; aA insbes. Mann Zur Nationalität des Schiedsspruchs, FS für Oppenhoff, 1985, S. 215 ff (Sitz des Schiedsgerichts) mwN für die Gegenmeinung. Vgl. Schlosser aaO Rdn. 64 f.

Rolf A. Schütze

Einl

Internationale Rechtshilfe

c) A n w e n d b a r e s materielles R e c h t . D a s Schiedsgericht h a t das n a c h d e m anwendbaren

Kollisionsrecht

berufene

Recht

seiner Entscheidung

zugrunde

g e n 3 0 5 . D i e c r u x liegt in der B e s t i m m u n g der l e x fori eines i n t e r n a t i o n a l e n gerichts306. Allgemeine Rechtsgrundsätze

und eine sogenannte lex

zu

210

le-

Schieds-

mercatoria307

d a r f d a s S c h i e d s g e r i c h t n u r a n w e n d e n , w e n n es hierzu v o n d e n P a r t e i e n

ausdrück-

lich autorisiert i s t 3 0 8 . D a s s e l b e gilt für eine B i l l i g k e i t s e n t s c h e i d u n g des a m i a b l e c o m positeur309. 5. Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer

Schiedssprüche

Soweit nicht Staatsverträge eine erleichterte Durchsetzung ausländischer Schieds-

211

sprüche vorsehen, regelt § 1 0 4 4 deren W i r k u n g s e r s t r e c k u n g . Vgl. zu Voraussetzungen und Verfahren

dort310.

D i e A n e r k e n n u n g e r f o l g t f o r m l o s . D i e V o l l s t r e c k b a r e r k l ä r u n g w i r d in e i n e m gerichtlichen V e r f a h r e n erteilt, das a u c h für die E x e q u i e r u n g inländischer Schiedssprüc h e gilt. N a c h der R e c h t s p r e c h u n g des B G H h a t der G l ä u b i g e r ein W a h l r e c h t , einen in e i n e m S t a a t , in d e m die „ d o c t r i n e o f m e r g e r " gilt, f ü r v o l l s t r e c k b a r

erklärten

S c h i e d s s p r u c h n a c h § 1 0 4 4 für v o l l s t r e c k b a r e r k l ä r e n zu lassen o d e r die Vollstreckbarerklärung des ausländischen Exequatururteils n a c h §§ 3 2 8 , 7 2 2 f (oder den ents p r e c h e n d e n S t a a t s v e r t r ä g e n ) zu b e t r e i b e n 3 1 1 .

X.

Internationale

Rechtshilfe

Schrifttum Arnold Die Rechtshilfeordnung in Zivilsachen v o m 1 9 . 1 0 . 1 9 5 6 , M D R 1 9 5 7 , S. 3 8 5 ff; Biilow/Böckstiegel/Geimer/Schütze Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 1 9 7 3 ff; Francke Verfahren der Rechtshilfe für ausländische Gerichte, R e c h t 1 9 0 1 , S. 3 1 ff; Greger Verfassung und internationale Rechtshilfe, FS für Schwab (Erlangen), 1 9 9 0 , S. 3 3 1 ff; Hecker H a n d b u c h der konsularischen Praxis, 1 9 8 2 , S. 3 6 7 ff; Junker Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1 9 8 7 ; Matscher Zwischenstaatliche A b k o m m e n über

305 Vgl. dazu Basedow Vertragsstatut und Arbitrage nach neuem IPR, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 1 (1987), S. 3 ff (16 ff); Böckstiegel Die Bestimmung des anwendbaren Rechts in der Praxis internationaler Schiedsverfahren, FS für Beitzke, 1979, S. 443 ff. 306 Vgl. dazu Gentinetta Was ist „lex fori" privater internationaler Schiedsgerichte? ZSR n. F. 84 I, 1965, S. 139 ff; ders. Die lex fori internationaler Handelsschiedsgerichte, 1973. 307 Vgl. dazu Dasser Internationale Schiedsgerichte und lex mercatoria, 1989; von Hoffmann Grundsätzliches zur Anwendung der „lex mercatoria" durch internationale Schiedsgerichte, FS für Kegel II, 1987, S. 215 ff; Weise Lex Mercatoria. Materielles Recht vor internationalen Schiedsgerichten, 1990. 308 Vgl. Schütze Schiedsgericht und Schiedsverfahren aaO Rdn. 117. 309

Vgl. dazu Landolt Rechtsanwendung oder Billigkeitsentscheid durch den Schiedsrichter in der privaten internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 1955; Riedberg Der amiable compositeur im internationalen privaten Schiedsgerichtsverfahren,

310

311

1962; Sandrock „Ex aequo et bono"- und „amiable composition"-Vereinbarungen, ihre Qualifikation, Anknüpfung und Wirkungen, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 2 (1988), S. 120 ff. Vgl. dazu Ernemann Zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach § 1044 ZPO, 1979; Haas Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer und internationaler Schiedssprüche, 1991; Koch Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile und ausländischer Schiedssprüche in der Bundesrepublik Deutschland, in: Gilles (Hrsg.), Effiziente Rechtsverfolgung, 1987, S. 161 ff (185 ff); Chrocziel/Westin Die Vollstreckbarkeit ausländischer Urteile und Schiedssprüche, ZVerglRWiss. 87 (1988), S. 145 ff. Vgl. BGH RIW/AWD 1984, 557 mit Anm. Dielmann und Schütze RIW/AWD 1984, 734; BGH RIW/AWD 1984, 644 mit Anm. Mezger·, weiter Schlosser Doppelexequatur zu Schiedssprüchen und ausländischen Gerichtsentscheidungen?, IPRax 1985, S. 141 ff.

Rolf A . Schütze

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212

Einl

Internationales Zivilprozeßrecht

den Rechtshilfeverkehr zwischen bürgerlichen und sozialistischen Staaten, Zeitgenössische Fragen des internationalen Zivilverfahrensrechts, 1972, S. 355 ff; Mössle Extraterritoriale Beweisbeschaffung im internationalen Wirtschaftsrecht, 1990; Nagel Nationale und internationale Rechtshilfe im Zivilprozeß, Das europäische Modell, 1971; ders. Die Bedeutung der internationalen Rechtshilfe im Zivilverfahren für die Entwicklung des Völkerrechts, Thesaurus Acrosium IV (1977), S. 1 ff; ders. Die „Duldung" auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe im Zivilverfahren und ihre Bedeutung für die Entwicklung des Völkerrechts, Die Friedenswarte 59 (1976), S. 249 ff; Nehlert Grundsätze des Rechtshilfeverkehrs mit dem Ausland in Zivilsachen, JR 1958, S. 121 ff; von Normann Das internationale Zivilprozeßrecht, 1923; Pfennig Die internationale Zustellung in Zivil- und Handelssachen, 1988; Prieto Castro Zur internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zivilprozeßrechts, Z Z P 65 (1952), S. 88 ff; Puttfarken Rechtshilfe und Dritte Gewalt, NJW 1988, S. 2155 ff; Schlosser Internationale Rechtshilfe und richterliche Unabhängigkeit, Gedächtnisschrift für Constantineco, 1983, S. 653 ff; Unterreitmayer Der Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in Zivil- und Handelssachen, RPfleger 172, S. 117 ff. 213

Die Befugnis von Gerichten u n d Behörden, Verfahrenshandlungen vorzunehmen, e n d e t a n d e r S t a a t s g r e n z e . N u r bei b e s o n d e r e r G e s t a t t u n g — sei es a u f g r u n d s t a a t s vertraglicher Vereinbarung oder internationaler Courtoisie — k ö n n e n Prozeßhandl u n g e n i m A u s l a n d d u r c h g e f ü h r t w e r d e n . I m ü b r i g e n b e d a r f es d e r R e c h t s h i l f e d e r G e r i c h t e u n d B e h ö r d e n des Staates, auf d e s s e n T e r r i t o r i u m Z u s t e l l u n g , B e w e i s a u f n a h m e p p . e r f o l g e n sollen.

214

R e c h t s h i l f e w i r d geleistet a u f g r u n d z w i s c h e n s t a a t l i c h e r V e r e i n b a r u n g e n (vertraglicher R e c h t s h i l f e v e r k e h r ) (§ 3 N r . 1 Z R H O ) o d e r a u f g r u n d i n t e r n a t i o n a l e r C o u r toisie (comitas) (vertragloser R e c h t s h i l f e v e r k e h r ) (§ 3 N r . 2 Z R H O ) . I m einzelnen sind f ü n f G r u p p e n zivilprozessual e r h e b l i c h e r H a n d l u n g e n i m z w i s c h e n s t a a t l i c h e n R e c h t s v e r k e h r zu u n t e r s c h e i d e n , die f ü r die i n t e r n a t i o n a l e R e c h t s h i l f e in B e t r a c h t kommt: -

Zustellung im Ausland; Beweisaufnahme im Ausland; Vollstreckungshilfe; Verfahrensüberleitung; Verfahrenshilfe. 1. Vertraglicher Rechtshilfeverkehr

215

D i e R e c h t s h i l f e ist in g r o ß e m M a ß e s t a a t s v e r t r a g l i c h geregelt. B e d e u t s a m sind i m einzelnen: -

Haager Zivilprozeßabkommen vom 17. 7. 1905; Haager Zivilprozeßübereinkommen vom 1.3. 1954 nebst bilateralen rungen 3 1 2 ; - Haager Zustellungsübereinkommen vom 15. 11.1965 - Haager Beweisübereinkommen vom 18. 3. 1970

Zusatzvereinba-

deutsch-britisches Abkommen über den Rechtsverkehr vom 20. 3. 1928 3 1 3 , das für eine Reihe früher zum britischen Empire gehörende - jetzt unabhängige - Staaten weiterhin gilt 3 1 4 - deutsch-griechisches Rechtshilfeabkommen vom 11. 5. 1938 3 1 5 -

312

313

84

Vgl. dazu Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze aaO A I 1 0 2 - 1 8 0 . RGBl. 1930 II 6.

314

315

Vgl. zum Geltungsbereich Bülow/Böckstiegel/ Geimer/Scbütze aaO 520, S. 1 ff. RGBl. 1939 II 848.

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Internationale Rechtshilfe

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deutsch-tunesischer Rechtsschutz-, Rechtshilfe-, Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag vom 19. 7 . 1 9 6 6 3 1 6 deutsch-türkisches Rechtshilfeabkommen vom 28. 5. 1 9 2 9 3 1 7 deutsch-marokkanischer Rechtshilfe- und Rechtsauskunftsvertrag vom 29. 10. 1 9 8 5 3 1 8 deutsch-amerikanischer Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 2 9 . 1 0 . 1954319 deutsch-sowjetisches Abkommen über Allgemeine Fragen des Handels und der Seeschiffahrt vom 25. 4. 195 8 3 2 0 Im einzelnen bestehen Rechtshilfevereinbarungen mit folgenden Staaten: Ägypten Antigua und Barbuda Argentinien Australien Bahamas Barbados Belgien Botswana Dänemark Dominica Fidschi Finnland Frankreich Gambia Grenada Griechenland Island Israel Italien Jamaika Japan Jugoslawien (Nachf.) Kanada Lesotho Libanon Liechtenstein Luxemburg Malawi Malaysia Malta Marokko Mauritius Mexiko Monaco Nauru Neuseeland

« BGBl. 1969 II 889. RGBl. 1 9 3 0 II 6. 3 1 8 BGBl. 1988 II 1054.

216

HZPÜ 1954, HZÜ 1965 HZÜ 1965, dt.-brit. Abk. 1928 (zweifelhaft) HZPÜ 1954, HBÜ 1970 dt.-brit. Abk. 1928 dt.-brit. Abk. 1928 HZÜ 1965, HBÜ 1970, dt.-brit. Abk. 1928 HZPÜ 1954 nebst Zusatzvereinbarung vom 15. 4 1959, HZÜ 1965 HZÜ 1965 HZPÜ 1954 nebst Zusatzvereinbarung v. 1. 6 . 1 9 1 0 , geändert durch Notenwechsel vom 6 . 1 . 1932 und 1. 6. 1914, HZÜ 1965, HBÜ 1970 dt.-brit. Abk. 1928 dt.-brit. Abk. 1928 HZPÜ 1954, HZÜ 1965, HBÜ 1970 HZPÜ 1954 mit Zusatzvereinbarung v. 6. 5 . 1 9 6 1 , HZÜ 1965, HBÜ 1970 dt.-brit. Abk. 1928 dt.-brit. Abk. 1928 HZÜ 1965, dt.-griech. Abk. 1938 HZPA 1905 HZPÜ 1954, HZÜ 1965, HBÜ 1970 HZPÜ 1954, HZÜ 1965, HBÜ 1970 dt.-brit. Abk. 1928 HZPÜ 1954, HZÜ 1965 HZPÜ 1954 HZÜ 1965, dt.-brit. Abk. 1928 dt.-brit. Abk. 1928 HZPÜ 1954 deutsch-liechtensteinische Vereinbarung vom 17. 2./29. 5. 1958 über den unmittelbaren Geschäftsverkehr (BAnz. Nr. 73/59) HZPÜ 1954 nebst Zusatzvereinbarung vom 1. 8. 1909, HZÜ 1965, HBÜ1970 HZÜ 1965, dt.-brit. Abk. 1928 dt.-brit. Abk. 1928 dt.-brit. Abk. 1928 HZPÜ 1954, dt.-marokk. Abk. 1985 dt.-brit. Abk. 1928 HBÜ 1970 HBÜ1970 dt.-brit. Abk. 1928 dt.-brit. Abk. 1928

31

319

317

320

BGBl. 1 9 5 6 II 4 8 7 . BGBl. 1959 II 2 2 2 .

Rolf A. Schütze

85

Einl Niederlande Nigeria Norwegen Österreich Pakistan Polen Portugal Rumänien Salomonen Schweden Schweiz Seychellen Sierra Leone Singapur Sowjetunion (Nachf.) Spanien St. Lucia St. Vincent und die Grenadinen Surinam Swasiland Trinidad und Tobago Tschechoslowakei (Nachf.) Tunesien Türkei Ungarn USA Vereinigtes Königreich Vatikan Zypern

Internationales Zivilprozeßrecht H Z P Ü 1 9 5 4 nebst Zusatzvereinbarung vom 30. 8. 1 9 6 2 , H Z Ü 1 9 6 5 , HBÜ 1 9 7 0 dt.-brit. Abk. 1 9 2 8 H Z P Ü 1 9 5 4 nebst Zusatzvereinbarung vom 2. 8. 1 9 0 9 , H Z Ü 1 9 6 5 , HBÜ 1 9 7 0 H Z P Ü 1 9 5 4 nebst Zusatzvereinbarung vom 6. 6. 1 9 5 9 HZÜ 1965 HZPÜ 1 9 5 4 H Z P Ü 1 9 5 4 , H Z Ü 1 9 6 5 , HBÜ 1 9 7 0 HZPÜ 1954 dt.-brit. Abk. 1 9 2 8 H Z P Ü 1 9 5 4 nebst Zusatzvereinbarung vom 1. 2. 1 9 1 0 , H Z Ü 1 9 6 5 , HBÜ 1 9 7 0 H Z P Ü 1 9 5 4 nebst Zusatzvereinbarung vom 3 0 . 4. 1 9 1 0 und Abkommen vom 2 4 . 1 2 . 1 9 2 9 H Z Ü 1 9 6 5 , dt.-brit. Abk. 1 9 2 8 dt.-brit. Abk. 1 9 2 8 H B Ü 1 9 7 0 , dt.-brit. Abk. 1 9 2 8 H Z P Ü 1 9 5 4 , dt.-sowj. Abk. 1 9 5 8 HZPÜ 1954, HZÜ 1965, HBÜ 1970 dt.-brit. Abk. 1 9 2 8 dt.-brit. Abk. 1 9 2 8 HZPÜ 1954 dt.-brit. Abk. 1 9 2 8 dt.-brit. Abk. 1 9 2 8 HZPÜ 1954, HZÜ 1965, HBÜ 1970 dt.-tun. Vertrag 1 9 6 6 H Z P Ü 1 9 5 4 , H Z Ü 1 9 6 5 , dt.-türk. Abk. 1 9 2 9 HZPÜ 1954 H Z Ü 1 9 6 5 , HBÜ 1 9 7 0 , dt.-am. Vertrag 1 9 5 4 H Z Ü 1 9 6 5 , HBÜ 1 9 7 0 , dt.-brit. Abk. 1 9 2 8 HZPÜ 1954 H Z Ü 1 9 6 5 , HBÜ 1 9 7 0 , dt.-brit. Abk. 1 9 2 8

2. Vertragsloser Rechtsverkehr 217

Auch wenn keine staatsvertragliche Vereinbarung besteht, wird Rechtshilfe weitgehend aufgrund internationaler Courtoisie (comitas) geleistet. Nur selten wird allerdings eine solche vertragslose Rechtshilfe ausdrücklich festgestellt, wie dies im deutsch-liechtensteinischen Verhältnis 1958 geschehen ist 3 2 1 . 3. Durchführung der Rechtshilfe

218

Die Erledigung ein- und ausgehender Rechtshilfeersuchen bestimmt sich nach der Rechtshilfeordnung für Zivilsachen (ZRHO) vom 19. 10. 195 6 3 2 2 :

219

a) Zustellungen. Nach § 199 erfolgt die im Ausland zu bewirkende Zustellung mittels Ersuchens der zuständigen Behörde oder des dort akkreditierten diplomati-

321 322

86

BAnz. Nr. 73/59. In der jeweils geltenden Fassung abgedruckt bei

Bülow/Böckstiegei/Geimer/Schütze 1 ff.

Rolf A. Schütze

aaO

900,

Internationale Rechtshilfe

Einl

sehen oder konsularischen Vertreters 323 . Grundlage ist ein Ersuchungsschreiben des Vorsitzenden des Prozeßgerichts (§ 202). Ein Antrag der Partei ist nur erforderlich, wenn die Zustellung im Parteibetrieb erfolgt. Besonderheiten gelten für die Zustellung an einen ausländischen Staat. Die Zustellung von Schriftstücken im Rahmen eines Rechtsstreits ist nur zulässig, wenn der ausländische Staat keine Immunität genießt, sei es, weil der Prozeß einen Anspruch aus einem actum iure gestionis betrifft, sei es, weil ein Befreiungsgrund vorliegt (z. B. Verzicht). Im einzelnen ist die Behandlung eingehender Ersuchen in §§ 66 ff Z R H O , die Behandlung ausgehender Ersuchen in §§ 11 ff Z R H O geregelt. Der BGH hält § 187 bei mangelhafter Auslandszustellung für unanwendbar 324 . b) Beweisaufnahmen. Die Beweisaufnahme kann sich auf die Vernehmung von 2 2 0 Zeugen, Sachverständigen oder Parteien, Augenscheinseinnahme, Aufnahme des Urkundenbeweises oder Prüfung von Urkunden, Abnahme von Eiden pp. beziehen (§ 5 Nr. 2 Z R H O ) . Die Z R H O regelt die Behandlung ausgehender Ersuchen in §§ 36 ff, die eingehender Ersuchen in § § 8 2 ff. Die Schwierigkeiten, die sich in der Praxis des deutschamerikanischen Rechtsverkehrs mit der pre-trial discovery ergeben haben 3 2 5 , sind durch das Haager Beweisübereinkommen jetzt weitgehend gelöst. Zur Abwehr unzulässiger Beweiserhebungen werden zuweilen Parallelprozesse geführt 3 2 6 . Das LG Kiel 3 2 7 hat durch eine einstweilige Verfügung einer Bank verboten, Aussagen zu machen und Unterlagen vorzulegen, die Gegenstand der Anordnung eines amerikanischen Gerichts waren. c) Vollstreckungshilfe. Zur Einziehung von Kosten im ersuchten Staat kann um 2 2 1 Vollstreckungshilfe nachgesucht werden (§ 5 Nr. 3 ZRHO). Die Kostentitel, die im Wege der Vollstreckungshilfe durchgesetzt werden können, sind u. a. die nach Artt. 18 f HZPÜ 1954. Einzelheiten regeln §§ 41 ff Z R H O (ausgehende Ersuchen) und §§ 89 ff Z R H O (eingehende Ersuchen). d) Verfahrensüberleitung. In Angelegenheiten der freiwilligen (insbes. Vormundschafts- und Nachlaßsachen) besteht zuweilen die ein Verfahren an die Gerichte oder Behörden eines anderen Staates Verfahrensüberleitung ist in §§ 44 f Z R H O für ausgehende und in für eingehende Ersuchen geregelt.

Gerichtsbarkeit 2 2 2 Notwendigkeit, abzugeben. Die §§ 92 f Z R H O

e) Verfahrenshilfe. Die internationale Verfahrenshilfe (§ 5 Nr. 5 Z R H O ) umfaßt 2 2 3 die Rechtshilfe, soweit nichtgerichtliche Handlungen in Betracht kommen, z. B. die Übersendung von Akten und Urkunden, die Erteilung behördlicher Auskünfte, die Ermittlung von Zeugen und Berechtigten pp. Die Regelung von ausgehenden Ersuchen findet sich in § § 4 6 ff Z R H O , die von eingehenden Ersuchen in § § 9 4 ff ZRHO.

323 Vgl. für die praktische Durchführung aaO S. 403 ff. 324

Hecker

Vgl. BGHZ 58, 177; BGH NJW 1993, 598 = ZZP 106 (1993), 391 mit abl. Anm. Schütze = LM § 328 ZPO Nr. 42 mit abl. Anm. Geirrter, Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 187 Rdn. 8; aA KG OLGZ 74, 328; BayObLG FamRZ 1975, 435; Bökelmann Urteilsanmer-

kung, J R 1972, S. 435; Geimer Urteilsanmerkung, NJW 1972, S. 1624 ff; Schütze DIZPR, S. 246. 325 Vgl. dazu eingehend Junker aaO. 326 Vgl. dazu Stiefel/Petzinger Deutsche Parallelprozesse zur Abwehr amerikanischer Beweiserhebungsverfahren?, RIW/AWD 1983, S. 242 ff. 3 1 7 RfW/AWD 1983, 206.

Rolf A. Schütze

87

ERSTES BUCH Allgemeine Vorschriften ERSTER ABSCHNITT Gerichte ERSTER TITEL Sachliche Zuständigkeit der Gerichte und Wertvorschriften

§1 Die sachliche Zuständigkeit der Gerichte wird durch das Gesetz über die Gerichtsverfassung bestimmt. Übersicht I. Allgemeines 1. Gesetzesgeschichte 2. Normzweck . . .

Rdn. 1 2

Π. Begriff. ΠΙ. Gerichtsgruppen 1. Staatliche und private Gerichte. 2. Staatliche Gerichte IV. Sachliche Zuständigkeit iS der ZPO

4 -10

11

12-16

V. Andere Arten der Z u s t ä n d i g k e i t . . . 17 1. Geschäftsverteilung 18 2. Funktionelle Zuständigkeit. . . . 1 9 - 2 0 a) Richterberufung 21—24 b) Laienrichter 25 c) Abgeleitete Richtermacht . . . 26 d) Gerichtsvollzieher 27

VI. Instanzabgrenzung 1. Kollision der Instanzen a) Entscheidung der höheren an Stelle der unteren b) Entscheidung der unteren an Stelle der höheren c) Rechtspfleger und Urkundsbeamte 2. Änderung der Instanzen

Rdn. 28 29 30-31 32-34 35 36-39

V n . Empfangsgericht 40—41 1. Wirksamwerden der Erklärung. . 42 a) Prozessual wirksame Rückwirkung 43-45 b) Verjährung 46 2. Funktionelle Unzuständigkeit. . . 47 VIH. Zuständigkeitsänderung und -ergänzung

48

I. Allgemeines 1. Gesetzesgeschichte § 1 ist seit Erlaß der CPO am 31. 1. 1 8 7 7 unverändert geblieben. Der erste Titel 1 wurde früher mit „Sachlicher Zuständigkeit der Gerichte" überschrieben und durch das Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) vom 14. 6. 1976 ergänzt. 1 Art. 5 des 1. EheRG hat das GVG geändert und das Familiengericht eingeführt. Art. 6 des 1. EheRG beinhaltet zahlreiche Änderungen der ZPO.2 1 2

BGBl. 1976 I 1421. Vgl. die einzelnen Änderungen bei Stein/Jonas/ Schumann § 1 vor Rdn. 1.

Lothar Gamp

89

§1

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

2. Normzweck 2

§ 1 verweist auf das G V G . Die dort enthaltenen Zuständigkeitsregelungen sollen ein rationelles und effektives Gerichtssystem ermöglichen. Zusammen mit dem Geschäftsverteilungsplan ( § § 2 1 e — 2 1 g G V G ) wird der im konkreten Einzelfall zuständige gesetzliche Richter (Art. 1 0 1 Abs. 1 S. 2 G G ) festgelegt. 3

Π. Begriff 3

Unter sachlicher Zuständigkeit versteht § 1 die Zuteilung der Rechtsstreite im ersten Rechtszuge an das A G (vgl. §§ 2 3 , 2 3 a G V G ) oder an das L G (vgl. § 7 1 GVG).4

ΙΠ. Gerichtsgruppen 4

Der gerichtliche Zuständigkeitskreis wird indes noch in sich durch die verschiedenen Gruppen der Gerichte untereinander abgegrenzt, deren Glieder untereinander in verschiedenem Verhältnis zueinander stehen.

1. Staatliche und private Gerichte 5

Es gibt eine staatsgerichtliche und eine privatgerichtliche Zuständigkeit. Die staatlichen und die privaten Gerichte unterscheiden sich dadurch, wie sie gebildet worden sind. Bei den staatlichen werden die Richter vom Staat berufen und als seine Organe tätig, bei den privaten werden sie von anderen Rechtspersonen ernannt.

6

Die private richterliche Tätigkeit ist nur insoweit zulässig, wie dies das Gesetz ausdrücklich bestimmt 5 und darüber hinaus auf Grund der Vorschriften des materiellen Rechts 6 zugelassen ist.

7

Die Sprüche privater Richter sind nichtig, soweit sie sich nicht im Rahmen der sie zulassenden Gesetze halten; darüber hinaus sind sie angreifbar, soweit sich der Spruch zwar im Rahmen des Zugelassenen hält, das Verfahren aber gesetzlich bestimmte Mängel aufweist (vgl. dazu § 1 0 4 1 ) .

8

Die Sprüche staatlicher Richter dagegen sind (wenn sie ergehen) wirksam, auch wenn die Beteiligten ein Schiedsgericht vereinbart hatten. Wie jeden Urteilsausspruch können die Beteiligten aber, soweit ihnen das Gesetz freie Hand läßt, den Urteilsausspruch vernichten (etwa durch Erfüllung), ihn aufheben (etwa durch einen späteren Vertrag oder letztwillige Verfügung). Dies geschieht aber nach materiellem Recht. Die Vereinbarung, daß ein staatlicher Spruch nicht beachtet werden soll, sondern in einem Schiedsgerichtsverfahren über denselben Sachverhalt nochmals entschieden werden soll, ist nichtig (vgl. § 3 2 2 ) .

9

Die Schiedsgerichtseinrede wirkt vor den Staatsgerichten prozeßhindernd. Sie ist aber vor Verhandlung zur Hauptsache vorzubringen und verzichtbar (§ 1 0 2 7 a , § 1 0 2 A r b G G ) , also niemals von Gerichts wegen zu beachten. Über sie darf allerdings nicht der Einzelrichter entscheiden (§ 3 4 9 ) .

10

Nicht unter den Begriff der Unzulässigkeit des Rechtswegs, sondern unter den der Schiedsgerichtsverfahrenseinrede fallen deshalb die Verwaltungsakte privat3 4

90

BVerfGE 29, 49; 63, 79. MünchKomm/Lappe § 1 Rdn. 3; Schumann S 1 Rdn. 4, 35 ff.

5

Stein/Jonas/

6

Vgl. u. a. §§ 1 0 2 5 ff; §§ 101 ff ArbGG. Z. B. §§ 3 1 5 , 317ff, 2 1 5 1 ff, 2 1 9 3 , 2 1 9 8 BGB; SS 64, 184 W G .

Lothar Gamp

1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§ 1

rechtlicher Verbände, soweit diese Akte überhaupt auf ihre Rechtmäßigkeit durch die ordentlichen Gerichte nachgeprüft werden können. Wenn deshalb die Satzung einer privatrechtlichen Körperschaft die Innehaltung eines Instanzenzuges vor Organen des Vereins vorschreibt, etwa zum Ausschluß von Mitgliedern eines Vereins 7 oder einer Genossenschaft (vgl. § 69 GenG) - soweit die Berechtigung eines Ausschlusses nachzuprüfen ist (und dies ist immer der Fall, wenn die Satzung verletzt worden ist), — so wird durch die Innehaltung des satzungsmäßigen Instanzenzuges nicht (entsprechend einem Verwaltungsvorbescheide) der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten erst durch den Bescheid der letzten Instanz geöffnet, sondern nur ein Einrederecht des Vereins entsprechend der Schiedsgerichtseinrede begründet. Es handelt sich hier also — im Gegensatz zu der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs — um eine verzichtbare prozessuale Einrede. 2. Staatliche Gerichte Unter den staatlichen Gerichten gibt es vom Standpunkt der Zivilgerichtsbarkeit 11 aus verschiedene Gruppen: (1) die, welche den ordentlichen Gerichten übergeordnet sind (das BVerfG bzw. die Verfassungsgerichte der Länder, der gemeinsame Senat nach dem G zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes v. 19. 6. 1 9 6 8 8 ; der EWG-Gerichtshof) (2) die ordentlichen Gerichte und die diesen gleichgeordneten besonderen Gerichte und die Gerichte der anderen Gerichtsbarkeiten. Die Abgrenzung der letzten Gruppe untereinander geschieht unter dem Begriff der Gerichtsbarkeit bzw. der Zulässigkeit des Rechtswegs ( § 1 3 GVG). (3) Untergeordnet sind ihnen in gewisser Weise die Schiedsgerichte (vgl. §§ 1025 ff).

IV. Sachliche Zuständigkeit iS der ZPO Innerhalb dieser Gruppen und ihrer Glieder lassen sich bisweilen wieder be- 1 2 stimmte Arten unterscheiden, besonders, wo ein unterschiedliches Verfahren angeordnet worden ist. Dies gilt im besonderen innerhalb der ordentlichen und der sonstigen bundes- 1 3 rechtlich geregelten Gerichtsbarkeit, die von der Sondergerichtsbarkeit im früheren Sinne zu unterscheiden ist. Soweit ein ordentliches Gericht als solches befaßt wird, ist es dieses iSd. § 12 GVG unabhängig davon, welche Aufgaben ihm übertragen sind, wie es benannt ist und nach welchen sonstigen Bestimmungen es zu verfahren hat. Dies gilt im besonderen für die besonderen ordentlichen Gerichte. So ist das AG immer ordentliches Gericht, egal, ob es als das der streitigen Ge- 1 4 richtsbarkeit oder als das der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder als Strafgericht in Erscheinung tritt; aber auch, wenn es als Binnenschiffahrts- und sogar wenn es als Mosel- oder Rheinschiffahrtsgericht tätig wird. Soweit es hier nicht besondere gesetzliche Abgrenzungen gibt (§ 13 GVG), ist das Verhältnis dieser Arten dasselbe wie bei der sachlich ausschließlichen Zuständigkeit, wenn auch mit bestimmten gesetzlichen Modifikationen. 9 Dieses Verhältnis gilt auch ausdrücklich nach § 48 7 8 9

R G Z 85, 355 ff. BGBl. 1968 I 661. Vgl. z. B. § 4 0 6 Abs. 3 S. 2 StPO, wonach die

Aberkennung von Ansprüchen keine zivilprozessuale Rechtskraft bewirkt, wohl aber die Zuerkennung.

Lothar Gamp

91

§1

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

ArbGG zu den Arbeitsgerichten wie umgekehrt von diesen zu den ordentlichen Gerichten. 10 15

Die sachliche Zuständigkeit iS der ZPO ist allerdings nicht nur durch das GVG, sondern auch durch die ZPO geregelt: vgl. §§ 2 9 a (für Mietsachen), 6 8 9 Abs. 1 S. 1 (für das Mahnverfahren), 764 Abs. 1 (Vollstreckungsgericht). 11 Die sachliche Zuständigkeit ist unter den Voraussetzungen der §§ 38—40 durch Parteivereinbarung bestimmbar. Soweit sie der Parteivereinbarung entzogen ist, ist sie ausschließlich.

16

Die ausschließliche sachliche Zuständigkeit innerhalb der ordentlichen Gerichte steht in ihren Wirkungen der Zulässigkeit des Rechtswegs gleich (vgl. dazu § 13 GVG). Sie ist also (grundsätzlich) in jeder Instanz von Gerichts wegen vom erkennenden (nicht vom beauftragten oder ersuchten) Richter — und nicht vom Beschwerdegericht, das über einen selbständig anfechtbaren Beschluß des erkennenden Gerichts (der keine Endentscheidung ist) zu befinden hat, — zu beachten und muß bei Verhandlungsschluß gegeben sein.

V. Andere Arten der Zuständigkeit 17

Die sachliche Zuständigkeitsabgrenzung gibt es aber auch innerhalb desselben Gerichts unter mehreren gleichgeordneten Spruchstellen bzw. unter verschiedenartig gestuften Organen. Sie wird von der ZPO aber nicht unter den Begriff der sachlichen Zuständigkeit gebracht, sondern gehört im ersten Falle zur Geschäftsverteilung, im zweiten zur funktionellen Zuständigkeit. 1. Geschäfts Verteilung

18

Die Geschäftsverteilung regelt die Zuständigkeit mehrerer gleich berufener Organe desselben Gerichts derart, daß sie bestimmt, welches von diesen mehreren gleichgeordneten Organen in einem bestimmten Einzelfall tätig zu werden hat. Sie setzt die Berufung der Organe voraus. Die Geschäftsverteilung richtet sich nach einem (Jahres-)Plan, der von den Gerichten (Organen der Gerichte) aufgestellt wird. Über sie vgl. §§ 21 e, 21 f, 21 g GVG. Einen besonderen Fall der gesetzlich geregelten Geschäftsverteilung bildet die Trennung von Kammern für Handelssachen und Zivilkammern (§ 93 GVG). Auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit will man hier Anfechtbarkeit der von der falschen Kammer ausgehenden Entscheidung annehmen. Die Folge der Verletzung der Geschäftsverteilung ist regelmäßig mit der Befassung zur Sache durch das Gericht behoben; inwieweit hier die nicht richtig besetzte Richterbank gerügt werden darf, vgl. § 551 Nr. 1. 2. Funktionelle Zuständigkeit

19

Durch die funktionelle Zuständigkeit wird eine verschiedenartige Berufung mehrerer Organe desselben Gerichts abgegrenzt (Richter, Rechtspfleger, Urkundsbeamte der Geschäftsstelle). 10 11

92

BGHZ 16, 339 = NJW 1955, 791. Zu den übrigen Gesetzen mit Regelungen über

die sachliche Zuständigkeit vgl. MünchKomm/ Lappe § 1 Rdn. 15.

Lothar Gamp

1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

S1

Die fehlende Berufung eines Organs führt zur Nichtigkeit seiner Entscheidung — was auch mit den zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden darf —, während die Entscheidung eines fehlerhaft berufenen Gerichts (Organs) nur anfechtbar ist (vgl. §§ 551 Nr. 1, 579 Abs. 1 Nr. 1). Doch auch im ersten Fall ist die Handlung nur nichtig, wenn ein nicht berufenes untergeordnetes Organ an Stelle des allein gesetzlich vorgesehenen übergeordneten handelt. Im übrigen löst die Verletzung der funktionellen Zuständigkeit verschiedene Wirkungen aus, mal tritt Anfechtbarkeit der Handlung ein, mal bleibt sie ohne jede Folge. Das hängt im einzelnen von der Stufenfolge der gerichtlichen Organe und ihrer Zusammensetzung ab. Die funktionelle Zuständigkeit ist also keineswegs stets ausschließlich 12 , ja die 2 0 Parteien dürfen sogar in bestimmten Fällen (§ 1025) an Stelle des Gerichts andere Personen zur Entscheidung eines Rechtsstreits berufen. Den Begriff der funktionellen Zuständigkeit über die Organe ein und desselben Gerichts hin auszuweiten auf sachlich verschieden zuständige Gerichte geht nicht an, da es keine Berufung in die Geschäftsverteilung gibt. Schon die Teilung in Zivilkammern und Kammern für Handelssachen begründet gesetzlich keine unterschiedliche funktionelle Zuständigkeit. Erst recht kann die Zuständigkeit besonderer Kammern mit erweitertem Bezirk (Patent-, Gebrauchsmuster-, Warenzeichenkammern, Fachkammern der Arbeitsgerichte) nicht funktioneller Art sein, sondern nur eine Frage der Geschäftsverteilung treffen und jedenfalls keine größere Wirkung haben, als die sachliche Zuständigkeitsabgrenzung iS der Z P O 1 3 . Die ausschließliche funktionelle Zuständigkeit ist in derselben Instanz in jeder Lage des Verfahrens von Gerichts wegen zu beachten, soweit selbst dies nicht Sondervorschriften verhindern. a) Richterberufung. Für die Richterberufung gilt folgendes: wird ein ungebilde- 21 ter in das Amt, das nur einem gebildeten Richter offensteht, berufen, so sind seine Entscheidungen anfechtbar, nie aber nichtig. Fehlt es dagegen an der Berufung, so ist auch die Entscheidung der richterlich Vorgebildeten nichtig. Soweit nach dem Gesetz nur eine Vielzahl von Richtern tätig werden darf, ist 2 2 die Entscheidung eines oder mehrerer einzelner, welche die geforderte Zahl nicht erreichen, nichtig. Kann aber gesetzlich an Stelle der Vielzahl, wenn auch nur in gewissen Fällen einmal, ein einzelner (bzw. eine geringere Zahl) tätig werden, so ist die Entscheidung dieses (oder dieser) auch wirksam 1 4 , sofern sie im Einzelfall nicht zu der Entscheidung befugt waren. Das Erkenntnis nur eines Richters am Amtsgericht ist also wirksam, auch wenn er (etwa als Landwirtschaftsgericht) mit Beisitzern hätte entscheiden sollen; und das nur eines Richters am Landgericht ist zumindest wirksam in allen vermögensrechtlichen Streitigkeiten, weil hier der Einzelrichter an die Stelle der Kammer treten kann (vgl. §§ 349 Abs. 3, 350). Nur in nichtvermögensrechtlichen Streiten ist seine Entscheidungsgewalt begrenzt (vgl. §§ 349 Abs. 1, 2, 350); und hier könnte die Überschreitung seiner Gewalt die Nichtigkeit der Entscheidung bedeuten; doch wird man in fortschrittlicher Betrachtung auch dies nicht anzunehmen haben, besonders wenn man an die Kammern für Handelssachen denkt, wenn diese auch nur versehentlich mit solchen Angelegenheiten befaßt werden könnten; bei ihnen konnte der vorgebildete Richter allein nach § 349 Abs. 3 entscheiden. 12 13

AA Rosenberg/Schwab AA BGHZ 14, 72.

§ 30 IV 1.

14

Wenn auch möglicherweise und regelmäßig anfechtbar, vgl. §§ 551 Nr. 1, 579 Abs. 1 Nr. 1.

Lothar Gamp

93

§1

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

23

Soweit in den höheren Instanzen das Revisionsrecht anzuwenden ist, ist die Entscheidung eines einzelnen Richters nichtig. 15 In der Beschwerdeinstanz, im Fall des § 519 b Abs. 2 gilt nichts anderes als in der Revisionsinstanz. Allerdings braucht selbst die Anfechtbarkeit der Entscheidung nicht zur Änderung zu führen, etwa wenn in erster Instanz das AG oder das LG anfechtbar entschieden haben und dann die zweite Instanz durcherkennt (vgl. §§ 538, 539, 540). Hat ein OLG so anfechtbar entschieden, so ist auf Rüge ( § 5 5 1 Nr. 1) stets aufzuheben und zurückzuverweisen; doch ist es für die Revisionsinstanz gleichgültig, ob das LG anfechtbar entschieden hatte. Wird die Entscheidung eines anfechtbar besetzten Gerichts rechtskräftig, so liegt ein Fall des § 579 Abs. 1 Nr. 1 vor.

24

Es sind aber auch Fälle denkbar, in denen mehr Richter entscheiden, als gesetzlich zür Entscheidung berufen sind. Auch in diesen Fällen ist die Richterbank nicht richtig besetzt. In einer Reihe von Fällen geht das Gesetz davon aus, daß eine solche „bessere" Besetzung unschädlich, die Entscheidungen dieser also insoweit unangreifbar sind (§ 10). 1 6 Doch wird man diese Einzelregeln nicht ohne weiteres verallgemeinern dürfen. Aus ihnen darf man aber entnehmen, daß das Zuviel an Richtern (auch Laienrichtern oder durch Hinzuziehung von Laienrichtern) die Entscheidung anfechtbar, aber nicht nichtig macht (§§ 551 Nr. 1, 579 Abs. 1 Nr. 1) und daß eine falsche Besetzung in jeder Lage des Verfahrens derselben Instanz von Gerichts wegen zu beachten ist.

25

b) Laienrichter. Für die Laienrichter ist ihre Berufung durch den Staat maßgeblich. In welcher Weise die Laien als Richter zu berufen sind, ist gesetzlich geregelt. In keinem Falle kann ein so Berufener die Stelle eines als Berufsrichter berufenen einnehmen, also auch nicht, wenn er (ausnahmsweise) tatsächlich ausgebildeter Richter ist. Die Entscheidung eines Laienrichters kann also nur im Zusammenwirken mit dem Berufsrichter wirksam werden, seine alleinige Entscheidung ist nichtig (dies gilt auch, wenn sie mehrere Laienrichter aussprechen).

26

c) Abgeleitete Richtermacht. Eine abgeleitete Richtermacht haben Referendare 1 7 , Rechtspfleger, Urkundsbeamte, wie sonstige Justizangestellte innerhalb der Gerichtsorganisation. Sie können in ihrer Funktion regelmäßig durch den Übergeordneten ersetzt werden, können aber nicht umgekehrt den Übergeordneten ersetzen; insoweit sind ihre Vorgriffe nichtig. Greift ein Rechtspfleger des LG dem an sich zuständigen AG vor, so hat das OLG H a m m 1 8 § 10 nicht angewandt.

27

d) Gerichtsvollzieher. Anders organisiert und auch zum Teil mit anderen Funktionen ausgestattet sind die GV (§ 154 GVG), die Post (vgl. § 193), die Anwälte und Notare (§ 198), die Staatsanwaltschaft (§§ 141 ff GVG), sonstige Personen (§ 127 StPO). Diese kann das Gericht nicht in ihrer Vollstreckungsfunktion auf dem Gebiet des Zivilrechts und der freiwilligen Gerichtsbarkeit ersetzen, in ihrer Zustellungsfunktion kann es nur GV und Post bei der Zustellung von Gerichts wegen ersetzen. 15

" 17

94

Vgl. § 557 a, § 15 Abs. 2 BVerfGG. Vgl. auch §§ 15 Abs. 2 S. 1, 16 Abs. 2 BVerfGG. Vgl. § 10 GVG; sofern man die Norm überhaupt

18

gelten läßt, führt die Überschreitung der Befugnisse zur Nichtigkeit. OLG Hamm MDR 1974, 239 f.

Lothar G a m p

1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§1

VI. Instanzabgrenzung Eine sachliche Zuständigkeitsbegrenzung besonderer Art ist die Einteilung in In- 2 8 stanzen. Sie gehört unter den Begriff der sachlichen Zuständigkeit iwS, aber nicht iSd. ZPO. Instanzverschiebungen können bei Kollisionen wie dem Wegfall von Gerichten eintreten. 1. Kollision der Instanzen Die Kollision richterlicher Instanzen kann so eintreten, daß ein Gericht derselben 2 9 Instanz an Stelle eines anderen, des gesetzlich berufenen, oder daß eine andere Instanz an Stelle der berufenen tätig wird. Im ersten Falle sind die Gerichte instanzmäßig gleichgeordnet (ζ. B. AG und LG), im letzten dagegen nicht. Es entscheidet an Stelle der ersten Instanz eine höhere, vgl. § 540; an Stelle einer bestimmten höheren eine andere. a) Entscheidung der höheren an Stelle der unteren. Für den ersten Fall trifft § 10 3 0 eine bestimmte Regelung. Aus ihr darf als Grundsatz entnommen werden, daß die Entscheidung eines höheren Gerichts, das in derselben Instanz tätig wird, nicht deshalb anfechtbar ist, weil es im Einzelfalle die Entscheidung einem unteren Gericht hätte überlassen sollen. Die Regel des § 10 ist nicht einschränkend (als Sonderregel) auszulegen. Dafür streiten zwei Tendenzen, nämlich die, die Entscheidung des (funktionell oder zumindest personell) besser besetzten Gerichts der des schlechter besetzten vorzuziehen, wie die der Beschleunigung der Rechtspflegeentscheidungen, indem das übergeordnete Gericht zur Entscheidung in der Sache selbst für zuständig erklärt wird. Dazu kommt noch eine andere Erwägung; wenn ein höheres Gericht als höhere Instanz eine Entscheidung treffen darf, für welche sonst zunächst die erste berufen ist, etwa auf Grund eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung der ersten Instanz, so muß das höhere Gericht diese auch fällen dürfen, wenn es vor der ersten Instanz tätig ist. Überall also dort, wo es in der Sache selbst entscheiden darf, steht dem höheren Gericht zugleich die Sachbefugnis zu, an Stelle des ersten zu entscheiden. Die Befugnis, in der Sache selbst zu entscheiden, sprechen den höheren Instanzen verschiedene Vorschriften zu: auf dem Gebiete der streitigen Zivilgerichtsbarkeit im Urteilsverfahren §§ 10, 537, 565 Abs. 3 1 9 , im Zwangsversteigerungs- und Verwaltungsverfahren § 101 Abs. 1 ZVG, im Konkursverfahren § 74 S. 2 KO, 2 0 auf dem Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit u . a . §§ 143 Abs. 1, 144 Abs.2, 147 Abs. 1 , 1 5 9 , 1 6 1 Abs. 1, auf dem Gebiete des Strafrechts §§ 309 Abs. 2, 328 Abs. 1, 354 Abs. 1 StPO. Aber auch insoweit das Gesetz schweigt, wird man dem höheren Gericht die Möglichkeit, in der Sache selbst entscheiden zu dürfen, zubilligen müssen, weil nur dies der aufgezeigten Tendenz entspricht. Die auf dem Gebiete der streitigen Zivilgerichtsbarkeit hiergegen geäußerten Bedenken beruhen zumeist auf alten Entscheidungen, die erlassen wurden, als jene Tendenz noch nicht so stark, in gesetzlichen Einzelbestimmungen formuliert, zum Durchbruch gekommen war wie jetzt. So hat die Befugnis, in der Sache selbst zu entscheiden, das OLG Marienwerder 2 1 auch 19

20

Notwendige Zurückverweisung gibt es nach §§ 538, 539, 540 nicht mehr. Vgl. Jaeger § 74 Anm. 3.

21

OLG Marienwerder HRR 1937, 1343; aA R G Z 14, 387.

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§1

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

dem Gericht der (weiteren) Beschwerdeinstanz zuerkannt; dies im Falle des § 828 leugnen zu wollen 2 2 , beruht noch auf der älteren Ansicht. Auf dem Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit gibt es aber für die Sachbefugnis des höheren Gerichts — bisweilen — eine tatsächliche Grenze; ist nämlich die Führung eines öffentlichen Buchs oder Registers einer unteren Stelle gesetzlich übertragen worden, so können Eintragungen und Löschungen in dieses Buch tatsächlich nur von dieser Stelle vorgenommen werden; die Sachbefugnis des höheren Gerichts ist damit tatsächlich auf die Eintragungs- (oder Löschungs-)Verfügung beschränkt. Darüber hinausgehend die Sachbefugnis der höheren Instanz in der freiwilligen Gerichtsbarkeit einschränken zu wollen, läßt sich mit der modernen Entwicklung des Verfahrensrechts nicht in Einklang bringen. 2 3 Gegen die hier vertretene Auffassung spricht auch nicht zwingend die Vorschrift des § 32 FGG; denn sie besagt nicht, wann eine „Verfügung wegen Mangels der sachlichen Zuständigkeit unwirksam ist", sondern weist nur auf diese Möglichkeit hin. Der erörterte Grundsatz des § 10 gilt deshalb überall dort, wo die allgemeine Befugnis des höheren Gerichts, in der Sache selbst zu entscheiden, zu bejahen ist; tritt dabei keine Instanzverschiebung ein, so ist trotz Verletzung der sachlichen Zuständigkeit die Entscheidung des höheren Gerichts unanfechtbar. Tritt nun aber eine Instanzverschiebung ein — entscheidet also eine höhere Instanz an Stelle einer unteren — so ist, soweit die Sachbefugnis — d. h. die Befugnis, in der Sache selbst entscheiden zu dürfen — reicht, die Entscheidung des höheren Gerichts zu beachten; sie ist also wirksam, wenn auch möglicherweise anfechtbar; nämlich insoweit, wie die Entscheidung des höheren Gerichts überhaupt wegen Verletzung der sachlichen Zuständigkeit angegriffen werden darf. 31 Da zu der Befugnis des höheren Gerichts auch die Nachprüfung, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, gehört, gilt das Gesagte auch für den Fall, daß ein höheres Gericht die Zulässigkeit des Rechtsmittels annimmt, die nicht gegeben ist, und in der Sache selbst entscheidet. Es ist deshalb auch die Entscheidung des höheren Gerichts über, ein an sich unzulässiges Rechtsmittel wirksam. Ob diese an sich unzulässige Rechtsmittelentscheidung dann wieder anfechtbar ist, richtet sich nach dem allgemeinen Verfahrensrecht. Eine Kollision dieser Art ist also für die Revisionsinstanz unbeachtlich, wenn das Berufungsgericht ohne erste Instanz entschieden hatte (vgl. auch § 566 a), oder wenn die erstinstanzliche Entscheidung nicht verkündet war oder dies nicht festgestellt werden kann. Eine Kollision kann auch bei der Wiederaufnahmeklage eintreten. Doch sollte die Revisionsinstanz niemals insoweit vorgreifen, wie es sich um den Tatsacheninstanzen zugewiesene Feststellungen handelt. 2 4 32

b) Entscheidungen der unteren an Stelle der höheren. Bei instanzmäßiger Verschiedenheit kann es so sein, daß das untere Gericht an Stelle des höheren entscheidet, wie das höhere an Stelle des unteren es tut.

33

Wird dieselbe Instanz an Stelle der dazu berufenen übergeordneten tätig, so ist auch ihre zweite Entscheidung nach den allgemeinen Regeln angreifbar 2 5 ; das braucht nicht stets dasselbe Rechtsmittel zu sein, wie es das gegen die erste Entscheidung war. Hat das LG die Aussetzung eines Verfahrens abgelehnt, wird dagegen sofortige Beschwerde eingelegt, § 252; setzt das LG daraufhin das Verfahren unter 22 23 24

96

Sydow/Busch § 828 Anm. 5. Keidel/Kuntze/WmWer § 25 Anm. 6. Anders bei den Prozeßbedingungen, wo es stets vorgreifen darf und soll.

25

Die allgemeine Zuständigkeit derselben Instanz, ihre nicht rechtskräftigen Entscheidungen ändern zu dürfen, zeigen die Regelungen des Beschwerde· und des Wiederaufnahmeverfahrens.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§1

Aufhebung des ersten Beschlusses aus, so ist gegen den letzten Beschluß das Rechtsmittel der einfachen Beschwerde zulässig, § 252; möglicherweise ist auch gegen die zweite Entscheidung kein Rechtsmittel gegeben. Wie dies im Verhältnis zweier gleichgeordneter Instanzen — Amtsgericht und Notar oder Amtsgericht und Arbeitsgericht — steht, ist dagegen aus dem Verhältnis eines besonderen Gerichts zum ordentlichen zu beurteilen. Wird ein unteres Gericht derselben Instanz an Stelle der gesetzlichen berufenen höheren tätig, so ist die Entscheidung möglicherweise, nämlich im Rahmen dessen, wieweit Verstöße gegen die sachliche Zuständigkeit überhaupt angegriffen werden dürfen (vgl. § 37 Abs. 2), anfechtbar. Dies gilt ferner, wenn gegen eine Entscheidung des unteren Gerichts ein höheres 3 4 tätig wird, auch wenn an seiner Stelle ein ihm noch übergeordnetes zu entscheiden hätte. 2 6 Nur wenn ein dem entsprechenden Gericht untergeordnetes an Stelle des höheren tätig wird, so ist diese Entscheidung insoweit nichtig, wie es in keinem Falle die Sachbefugnis hat, die Entscheidung eines höheren Gerichts zu ändern. 2 7 In Wiederaufnahmefällen wird wegen der Vorschrift des § 584 Abs. 1 dem OLG allerdings die Entscheidungsbefugnis schlechthin 28 gegenüber einem Urteil des Revisionsgerichts zuzugestehen sein. Anfechtbar sind all diese fehlerhaften Entscheidungen im aufgezeigten Rahmen. c) Rechtspfleger und Urkundsbeamte. Was für die richterliche Tätigkeit gesagt 3 5 ist, gilt nicht (ohne weiteres) für Rechtspfleger 29 und für Urkundsbeamte; doch wird man auch deren Entscheidungen nur für anfechtbar (nicht für nichtig) ansehen dürfen, soweit ein Rechtspfleger einem anderen (auch einem Urkundsbeamten) vorgreift bzw. ein Urkundsbeamter einem anderen. 2. Änderung der Instanzen Bei einer Änderung der Instanzen gilt folgendes: wird die Instanz verlagert, so 3 6 werden, wenn keine besonderen gesetzlichen Bestimmungen getroffen sind, von der Verlagerung die in der Instanz anhängigen Sachen nicht berührt. Sie werden von dem bisher zuständigen Gericht abgewickelt. Fällt eine Instanz ersatzlos weg, so sind mangels besonderer gesetzlicher Regelun- 3 7 gen bei ersatzlosem Wegfall des unteren Gerichts, aber bei Bestehenbleiben des vorgeordneten §§ 36 Nr. 1, 2 ZVG, 5 FGG, 4 Abs. 2 GBO unmittelbar oder entsprechend anzuwenden; bei ersatzlosem Wegfall des oberen Gerichts hat das untergeordnete insoweit einzutreten, wie nicht eine Bindung an seine eigene Entscheidung eingetreten ist. Bei Einlegung einer Sprungrevision nach § 566 a tritt so die übersprungene Instanz an die Stelle der weggefallenen. Wird eine Instanz neu eröffnet, so tritt erst mit ihrer Eröffnung die Zulässigkeit 3 8 der zu ihr führenden Rechtsbehelfe ein. Das Erörterte gilt entsprechend, wenn von mehreren gleichrangigen Gerichten nur einige zur Entscheidung berufen sind, etwa die besonderen Gerichte. 30 Hier 26

27

28

Etwa, wenn das LG über ein Rechtsmittel gegen einen Spruch des AG entscheidet, während das OLG zur Entscheidung berufen ist. Während das Gericht derselben Instanz diese Befugnis etwa im Fall der Beschwerde und in Wiederaufnahmefällen regelmäßig hat. Also auch in den Fällen der §§ 5 7 9 , 5 8 0 Nr. 4, 5.

29

30

OLG H a m m M D R 1974, 2 3 9 hat den Vorgriff des Rechtspflegers eines LG gegenüber dem des AG, der über eine Erinnerung nach § 766 zu entscheiden hatte, nicht gelten lassen. Bestimmte AG als Binnenschiffahrtsgerichte; bestimmte LG zur Entscheidung in Patentsachen, vgl. § 143 Abs. 1 PatG; bestimmte OLG als Binnenschiffahrtsobergerichte.

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§1

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

wird bei Verletzung dieser Vorschriften die sachliche Zuständigkeitsnorm verletzt. Durch die Entscheidung eines gleichrangigen oder übergeordneten anderen Gerichts wird allenfalls die Anfechtbarkeit begründet, niemals aber ist sie nichtig. Bei dem Wegfall eines solchen besonderen ordentlichen Gerichts wird ohne weiteres wieder die Zuständigkeit des bisher ausgeschlossenen Gerichts begründet. 39

Bei ersatzlosem Wegfall des Sondergerichts wie der besonderen Gerichte tritt stets das ordentliche an seine Stelle; bei dem des Verwaltungssondergerichts das allgemeine Verwaltungsgericht. Das ordentliche Gericht kann in seiner Zuständigkeit durch ein Sondergericht eingeengt werden; bei ersatzlosem Wegfall des ordentlichen Gerichts wird aber nicht das Sondergericht zuständig, wo bisher das ordentliche es war; dasselbe gilt im Verhältnis der allgemeinen Verwaltungsgerichte zu den Verwaltungssondergerichten. Ebenso ist es unzweifelhaft, daß bei Wegfall der ordentlichen Gerichte an ihre Stelle nicht die allgemeinen Verwaltungsgerichte treten können. Ob dagegen bei dem Wegfall allgemeiner Verwaltungsgerichte an ihre Stelle die ordentlichen Gerichte treten, ist unterschiedlich zu beantworten. Unzweifelhaft ist dies dort der Fall, wo das Gesetz die subsidiäre Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte vorschreibt (Art. 19 Abs. 4 S. 2 GG). Soweit indes den deutschen ordentlichen Gerichten kein Eingriff in die Verwaltungstätigkeit gestattet wird, wird man bei einem etwaigen Wegfall der allgemeinen Verwaltungsgerichte auf § 13 GVG zurückzugreifen haben, maW, die Verwaltungsbehörden erhielten ihre ausschließliche Zuständigkeit zurück. Nur soweit ein gerichtliches Verwaltungsverfahren verbleibt, wird man bei einem Wegfall der allgemeinen Verwaltungsgerichte die ordentlichen Gerichte für zuständig halten dürfen. Auch könnten die ArbG durch das ordentliche Gericht ersetzt werden; nicht aber umgekehrt.

VII. Empfangsgericht 40

Bevor es zu den Zuständigkeitsentscheidungen der Gerichte kommt, müssen die Beteiligten wissen, an welches Gericht sie sich zu wenden haben, maW, welches Gericht zur Entgegennahme ihrer Prozeßhandlungen befugt ist. Die Regeln darüber sind unterschiedlich: In der streitigen Gerichtsbarkeit ist zuständig — zunächst, d. h. rein formal — das Gericht, an das sich der Beteiligte wendet bzw. das Gericht, von dem jemand etwas zugestellt erhält; ob sonst der Kläger richtig gewählt hat, ergibt sich aus dem Gesetz. Bei Rechtsmitteln ist es bisweilen das Gericht, dessen Entscheidung angegriffen wird, oder das, welches über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, bisweilen sind es auch beide Gerichte.

41

In der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelten die genannten Regeln bisweilen nicht, so im besonderen nicht, wenn das Gesetz die Abgabe einer Erklärung gegenüber einem bestimmten Gericht vorschreibt, etwa im Registerrecht oder wenn eine Erklärung gegenüber dem Nachlaßgericht abzugeben ist. 1. Wirksamwerden der Erklärung

42

Grundsätzlich sind die einer nicht zur Empfangnahme berechtigten Stelle gegenüber abgegebenen Erklärungen unwirksam; sie werden aber mit dem Zeitpunkt wirksam, wenn sie der empfangsberechtigten Stelle zugehen. 3 1 31

98

Wahrung setzt.

der

Postulationsfähigkeit

vorausge-

Lothar G a m p

Titel: Sachliche Zuständigkeit

§1

a) Prozessual wirksame Rückwirkung. Die Heilung kann indes auch zurückwir- 4 3 ken. Wird nämlich zur Beschreibung eines Verfahrens im Gesetz die Wahrung einer Frist vorausgesetzt, so ist die Fristwahrung (regelmäßig) von der Anrufung bestimmter Behörden oder eines bestimmten Gerichts abhängig. Die frühere Auffassung ging dahin, daß die Anrufung einer sachlich unzuständigen Behörde oder eines sachlich unzuständigen Gerichts grundsätzlich die Frist nicht wahre. Wird gar innerhalb derselben Gerichtsart (etwa der ordentlichen Gerichte) ein sachlich unzuständiges Gericht angegangen (etwa das AG an Stelle des zuständigen LG, an das später der Rechtsstreit nach §§ 506, 281 verwiesen wurde), so wird die Ausschlußfrist grundsätzlich für gewahrt angesehen 32 ; das gilt auch, wenn ein örtlich unzuständiges Gericht angegangen wird. Über außerprozessuale Wirkungen vgl. §§ 203 Abs. 2, 210, 211, 2 1 2 a , 213, 215 Abs. 2, 220 BGB. Über die Frage, ob eine außerprozessuale Frist zur Klageerhebung durch Anru- 4 4 fung eines Schiedsgerichts gewahrt werden kann, vgl. §§ 1025, 220 BGB. Wird innerhalb desselben Gerichts bei einer Instanzenkollision ein abstrakt als 4 5 gleiche (erste) Instanz tätig werdendes Gericht angegangen (also das AG an Stelle des LG oder umgekehrt), obwohl in konkreten Fällen das andere ausschließlich sachlich zuständig wäre, so ist die Frist stets gewahrt. Wird indes eine Instanz angegangen, die überhaupt nicht angegangen werden darf, so nahm man bisher Nichtigkeit an, also wenn Berufung oder Revision bei dem Gericht eingereicht wurde, dessen Entscheidung angegriffen wurde 3 3 , oder wenn, abgesehen von den Wiederaufnahmeklagen oder bei ersatzlosem Wegfall der unteren Gerichte, das OLG mit einer Klage angegangen wurde. b) Verjährung. Für Verjährungsfristen hilft über das Scheitern einer Klage an 4 6 dem sachlich (wie örtlich) unzuständigen Gericht § 212 Abs. 2 BGB hinweg. Ob dies bei Amtspflichtverletzungen auch dann gilt, wenn zunächst ein zuständiges Verwaltungsgericht angegangen wird (vgl. § 839 Abs. 3 BGB) und dann erst ein ordentliches Gericht, ist verneint worden, 3 4 wenn der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs § 839 Abs. 3 BGB nicht im Wege stand. 2. Funktionelle Unzuständigkeit Unschädlich ist es, wenn gegen die Geschäftsverteilung verstoßen wird, im be- 4 7 sonderen die Kammer für Handelssachen an Stelle der Zivilkammer angegangen wird oder wenn die Eingabe bei einer funktionell unzuständigen Stelle angebracht wird. Verstöße gegen die funktionelle Zuständigkeit werden nur insoweit beachtlich, wie eine Person angegangen wird, die überhaupt nicht für die Entgegennahme der Handlung in Betracht kommen kann, also bei Einreichung von Schriften, wenn ein Gerichtswachtmeister, ein sonstiger Angestellter des Gerichts, der kein Urkundsbeamter ist, oder gar ein außerhalb des Gerichtsbetriebes stehender GV angegangen wird. V m . Zuständigkeitsänderung und -ergänzung Eine besondere gesetzliche Regelung, die ausdehnend auszulegen ist, findet sich 4 8 im Zuständigkeitsänderungs- und im Zuständigkeitsergänzungsgesetz. 35 32 33

R G Z 11, 233, 237. Für Beschwerden gilt dies wegen der bestehenden Sonderregeln nicht.

34 35

RGZ 168, 214, 219. Vgl. dazu die 2. Auflage, § 1 D.

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1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

K o m m t es n a c h den Vorschriften dieses Gesetzes oder des Gerichtsverfassungsgesetzes auf den W e r t des Streitgegenstandes, des Beschwerdegegenstandes, der B e schwer oder der Verurteilung an, so gelten die nachfolgenden Vorschriften. Übersicht Rdn. I. Allgemeines 1. Gesetzesgeschichte. 2. Normzweck . . . . ü . Bedeutung des Streitwertes 1. Abgrenzung der sachlichen Zuständigkeit a) Summenwert b) Ideelle und materielle Werte . . 2 . Weitere Anwendung der Wertvorschriften ΙΠ. Zwingendes Bewertungsrecht 1. Zuständigkeitsvereinbarung . . . . 2 . Bagatellverfahren 3. Rechtsmittelsumme 4 . Sicherungshypothek 5. Verurteilung

1 2 3 4 5 6—16 17-19 20 21—22 23 24-25 26 27

Rdn. Streitwertfestsetzung 28 1. Isolierte Streitwertfestsetzung . . . 2 9 - 3 1 2 . Bindung 32 - 3 4 a) Verhältnis zum Gebührenwert 35 b) Vorgriff auf untere Instanzen. . 36 3 . Beziehung auf Klagebegehren . . . 37-- 3 8 V. Gebiihrenwertfestsetzung 39 1. Grundsatz 40 2 . Auf Antrag oder von Gerichts wegen 41-- 4 7 3. Beschwerde 48 a) Kein Anwaltszwang 49 b) Zulässigkeit 50-- 5 2 c) Beschwer 53 54 d) Beschwerdesumme e) Entscheidung 55-- 5 6 f) Gegenvorstellung 57

Schrifttum Arens Streitgegenstand und Rechtskraft im aktienrechtlichen Anfechtungsverfahren, 1960; Bruns Der materiellrechtliche Anspruch und der Zivilprozeß, FS für Ekelöf (1972) 161; Gerold Der Streitwert, 1959; Habscheid Die neuere Entwicklung der Lehre vom Streitgegenstand im Zivilprozeß, FS für Schwab (1990) 181; Henckel Parteilehre und Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1961; Hesselberger Die Lehre vom Streitgegenstand, 1970; Hillach/Rohs Handbuch des Streitwerts in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, 5. Aufl. 1984; Jauernig Verhandlungsmaxime, Inquisitionsmaxime, Streitgegenstand, 1967; Kralik Der Streitgegenstand im Rechtsmittelverfahren, FS für Baumgärtl (1990); Lenze Von der actio im Privatrechtssystem Savignys zum Streitgegenstand im Zivilprozeßrecht, Diss Münster 1970; Lüke Zur Streitgegenstandslehre Schwabs - eine zivilprozessuale Retrospektive, FS für Schwab (1990) 309; Rimmelspacher Materiellrechtlicher Anspruch und Streitgegenstandsprobleme im Zivilprozeß, 1970; Rödig Die Theorie des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens usw. (1973); Schmidt/Schmidt Der Gegenstandswert in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, 2. Aufl. 1 9 7 8 ; E. Schneider Kostenentscheidung im Zivilurteil, 1977; ders. Streitwert, 7. Aufl. 1986; ders. Die neuere Rspr. zum Streitwertrecht, M D R 1986, 181 ff, 2 6 5 ff; Schulter Die Berechnung des Streitwertes, 1974; Schumann Grundsätze des Streitwertrechts, N J W 1982, 1 2 5 7 f f ; Schwab Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1 9 5 4 ; ders. Streitgegenstand und Zuständigkeitsentscheidung, FS für Rammos (Athen 1979) 845.

I. Allgemeines 1. Gesetzesgeschichte 1

§ 2 ist durch das 1. E h e R G v o m 1. 7 . 1 9 7 7 neu g e f a ß t w o r d e n . Seine alte Fass u n g 1 galt nur für die B e s t i m m u n g des Zuständigkeitsstreitwertes. N u n m e h r findet § 2 i m m e r d a n n A n w e n d u n g , w e n n es n a c h d e m G V G oder der Z P O a u f den W e r t 1

Vgl. BGBl. 1 9 5 0 , 5 3 5 .

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§ 2

a n k o m m t . A n l a ß für die Neufassung w a r die Regelung des Anwaltszwangs für isolierte Familiensachen gem. § 6 2 1 Nr. 8 (güterrechtliche Streitigkeiten), wenn sie den landgerichtlichen Streitwert erreichen (§ 7 8 Abs. 2 Nr. 3 ) 2 . 2. Normzweck § 2 ist für den Anwendungsbereich der Wertvorschriften der § § 3 bis 9 maßgebend. D a m i t schließt er grundsätzlich die Anwendung anderer Wertvorschriften aus, so insbesondere die Gebührenwertvorschriften des G K G und der B R A G O . Spezielle Regelungen ergänzen allerdings die § § 3 bis 9 oder gehen ihnen vor. Das gilt für § 1 4 8 K O sowie § 2 4 7 Abs. 1 A k t G hinsichtlich der Zulässigkeit von Berufung und R e v i s i o n 3 . Auf Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen bei der G m b H ist § 2 nicht mehr entsprechend a n w e n d b a r 4 .

2

Π. Bedeutung des Streitwertes N a c h dem Streitwert werden abgegrenzt die Zuständigkeit des A G von der des L G nach § 2 3 Nr. 1 G V G , die Zulässigkeit der Rechtsmittel und die Bagatellverfahren, die Zulässigkeit einer einzutragenden Z w a n g s - oder Arresthypothek, der Ausspruch vorläufiger Vollstreckbarkeit und die Gebührenberechnungen (soweit hier nicht Sonderrecht gilt).

3

1. Abgrenzung der sachlichen Zuständigkeit Z u n ä c h s t beziehen sich die § § 3 bis 9 darauf, die sachliche Zuständigkeit zwisehen A G und L G nach § 2 3 Nr. 1 G V G abzugrenzen.

4

a) Summenwert. N a c h § 2 3 Nr. 1 G V G sind die A G dazu berufen, „über vermögensrechtliche Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe (z. Z t . ) von 1 0 0 0 0 , — D M nicht übersteigt", zu entscheiden. Die Vorschrift bezieht sich also nicht auf die Fälle der § § 2 3 Nr. 2 , 2 3 a G V G , o b w o h l das A G in diesen nicht ausschließlich zuständig ist und überhaupt angesichts des § 1 0 nur in einem begrenzten Sinne ausschließlich zuständig gemacht werden k a n n 5 .

5

b) Ideelle und materielle Werte. Vermögensrechtlich sind Werte, die nach allgemeiner Auffassung in Geld ausdrückbar sind; m a n darf sie als wirtschaftliche bezeichnen. D e r Kreis der nicht vermögensrechtlichen Werte ist laufend eingeengt worden und auch dort, w o m a n heute n o c h nichtvermögensrechtliche Streite annimmt, steht häufig der wirtschaftliche Wert in Wahrheit zur Entscheidung. D o c h k o m m t es nicht auf die individuelle Wertung an, sondern auf die der Allgemeinheit (der Öffentlichkeit), so d a ß das sehr wohl für den einzelnen ein vermögensrechtlicher Wert sein kann, was er für die Öffentlichkeit nicht ist, wie u m g e k e h r t 6 . D a m i t wurde jedenfalls eine subjektive Bewertungstendenz angebahnt, die dann in Entscheidungen des B G H dazu geführt hat, es auf ein weiteres Ziel des Klägers abzustellen, im besonderen bei Ehrverletzungen. 7 Wenn auch die allgemeine Tendenz, wirtschaftliche Vorteile aus nichtvermögensrechtlichen Streiten zu ziehen, besteht,

6

2 3 4

Vgl. BT-Drucks. 7 / 6 5 0 , S. 191. BGH MDR 1982, 209. OLG Celle Rechtspfleger 1974, 2 3 3 ; KostRspr./ Lappe AktG § 2 4 7 Nr. 3; aA für Genossenschaft OLG Bamberg JB 1980, 759.

5

6 7

Vgl. § 641 a; ausschließliche Zuständigkeit aber nach § 23 Nr. 2 a GVG bei Streitigkeiten aus Wohnraummietverhältnissen. RGZ 61, 89. Vgl. § 2 Rdn. 9.

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§2

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

so kann bei umgekehrter Tendenz mit wirtschaftlichem Streit eine Feststellung der Identität der Person zu belegen 8 nicht zur Annahme eines nichtvermögensrechtlichen Streits führen; wie auch nicht bei geldlichen Ansprüchen aus § 847 BGB. 7

Nicht gebilligt werden kann die Entscheidung des BVerfG 9 , wonach Verfassungsbeschwerden stets nicht vermögensrechtlicher Art seien. Nicht vermögensrechtlicher Art sind eine Reihe von Menschenrechten 10 und von Grundrechten 11 , also das auf Freiheit der Person 1 2 , auf Leben 1 3 , körperliche Unversehrtheit 14 , Freiheit von geschlechtlichem Zwang 1 5 , das auf Glaubens- und Gewissensfreiheit 16 ; das auf Freiheit der Meinungsäußerung 17 ; das auf das Recht am eigenen Bilde 18 ; das auf Ehe und Familie 19 ; das auf Erziehung 20 ; das auf Versammlung- 21 und Vereinigungsfreiheit 2 2 ; das auf Wahrung des Brief- und Postgeheimnisses 23 ; das auf Freizügigkeit 24 ; das auf Staatsangehörigkeit und politischen Schutz 25 ; das Petitionsrecht 26 . Auch das Grundrecht der freien Berufsbetätigung 27 und das auf Unverletzlichkeit der Wohnung 2 8 gehören dazu.

8

Ferner gehören dahin: das Recht auf den Namen 2 9 ; nicht aber das auf den Handelsnamen, die Firma 3 0 , obwohl dies nicht zur Konkursmasse gehört (§ 1 KO); auf die Ehre 3 1 ; sowie die daraus entspringenden Rechte gegenüber dem Staat und anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften auf aktives und passives Wahlrecht, sog. bürgerliche Ehrenrechte.

9

Dahin gehören auch Rechte gegenüber der Kirche, wie die auf den „Ehrensitz" 3 2 , aber auch die um die Ehre des Toten bei einem Begräbnis „in der Reihe" 3 3 oder, wenn es um die Art seiner Bestattung geht 3 4 ; um das „ehrliche" Begräbnis 35 , aber auch sonst bei dem Recht auf Bestattung an einem bestimmten Friedhofsplatz 3 6 , und man sollte dazu auch das Recht der Bestattung an einer bestimmten Grabstelle gegenüber Privaten rechnen 37 . Die Klage auf Ablegung der Diakonissentracht einer ausgeschiedenen Diakonissin wurde als nicht vermögensrechtlich angesehen 38 ; auch die reinen Urheber- und Erfinderrechte 39 , das Recht auf Abänderung des Werks 4 0 . Soweit sie keinen unmittelbaren geldwerten Anspruch zum Gegenstand haben, sind sie nicht vermögensrechtlicher Art. Weiter gehören hierher gegen8

9 10

11

12 13 14

15 16 17 18 19 20 21 22 23

BGHZ 53, 245 = NJW 1970, 946 (AnastasiaFall). BVerfGE 3, 352. Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten v. 4. 11. 1950 in Kraft durch Gesetz v. 7. 8. 1952, BGBl. 1952 II 685. die bestehen, soweit sie nicht nach Art. 18 GG verwirkt bzw. nach Art. 19 GG eingeschränkt sind. Art. 4, 5 der Konvention. Art. 2 der Konvention. Art. 3 der Konvention; aM LG Bonn JMB1. NRW 1955, 271. Art. 2 GG; vgl. auch §§ 823 Abs. 1, 825 BGB. Art. 9 der Konvention; Art. 4 GG. Art. 10 der Konvention; Art. 5 GG. § 2 2 LitUG. Art. 8, 12 der Konvention; Art. 6 GG. Art. 7 GG. Art. 8 GG. Art. 11 der Konvention; Art. 9 GG. Art. 8 der Konvention; Art. 10 GG mit der Einschränkung des Art. 10 Abs. 2 GG.

102

24 25 26 27 28 29

30 31 32 33 34 35 36 37

38 39

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Art. 11 GG; vgl. aber auch Art. 117 II GG. Art. 16 GG. Art. 17 GG, eingeschränkt durch Art. 17 a GG. Art. 12 GG, beschränkt durch Art. 12 a GG. Art. 8 der Konvention; Art. 13 GG. Bei physischen Personen und ideellen Vereinen; vgl. § 12 BGB. BGH M D R 1958, 303. Vgl. R G Z 61, 368; §§ 185 ff StGB. R G J W 1910, 590. R G Z 12, 280. R G Warn 1912, 219. RG J W 1902, 93. R G H R R 1931, 138. Wie die Beisetzung in einer Familiengruft; aM R G Z 8, 200; 155, 34. OLG Marienwerder H R R 1941, 276. Der reine Ruhm der Ersterfindung, vgl. BGHZ 14, 72; aM BGHZ 54, 72, 74. KG J W 1929, 3099.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

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über Privaten etwa das Recht auf Mitgliedschaft oder der Vorstandseigenschaft in einem ideellen Verein 4 1 ; nicht aber bei der Entlastung des Vorstands 4 2 , bei einem Aquarienfischzüchterverein hat der B G H 4 3 einen vermögensrechtlichen Streit angenommen; bei nicht gewerblichen Vereinen auch wenn dieser Verein mittelbar wirtschaftliche Ziele verfolgt 4 4 , wie ein Hausbesitzerverein 45 ; doch ist der B G H 4 6 abgewichen, soweit diese Vereine ihren Mitgliedern eine gewerbliche oder berufliche Hilfestellung leisteten und es um die Verwechselungsfähigkeit des Vereinsnamens geht. Dasselbe gilt für die ideellen und rechtsfähigen Vereine, wovon bei Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke 4 7 der BGH abgewichen ist, wozu auch die Verbände nach § 13 UWG gehören. OLG Celle 4 8 will den Streit um die Identität mit einem Idealverein als vermögensrechtlich werten, wenn es im wesentlichen oder ausschließlich um wirtschaftliche Zwecke geht. Ferner gehören hierher die reinen Familienrechte 49 , soweit sie keinen geldwerten 1 0 Anspruch zum Gegenstande haben; also Ehesachen 5 0 , auch die des Rechts auf Getrenntleben 5 1 ; die Kindschaftssachen 52 , womit die Unterhaltsklage gemäß § 643 Abs. 1 verbunden werden darf, die insoweit vermögensrechtlicher Art ist. Auch wurde die Klage auf Feststellung der Zahlvaterschaft als vermögensrechtlicher Streit angesehen. 53 Auch das Recht eines Beamten auf Einsicht in die Personalakten 5 4 ist nicht ver- 11 mögensrechtlicher Art. Vermögensrechtlicher, d. h. geldwerter Art sind alle sonstigen, u. a. die Grund- 1 2 rechte auf Freiheit der Arbeit in bezug auf die Entgelte, die Erwerbsmöglichkeit 55 , wozu auch das Unterlassen eines wirtschaftlichen Boykotts gehört 5 6 , und stets das auf Eigentumsschutz 57 und regelmäßig das auf allgemeinen Rechtsschutz 5 8 , die nur in Ausnahmefällen nicht vermögensrechtlicher Art sind. 5 9 Vermögensrechtlicher Art sind auch die Ansprüche, die sich auf die juristischen Personen beziehen, etwa auf die Mitgliedsrechte bei einer Genossenschaft 60 , wenn um die Vorstandsstellung gestritten wird; doch wollte bei einem Ausschluß als Mitglied das R G 6 1 dann einen nichtvermögensrechtlichen Streit annehmen, wenn die Ehre des Ausscheidenden davon betroffen wird; die aus dem UWG, W Z G , Urheber- und Erfinderrecht, soweit sie geldeswerte Ansprüche betreffen, also auch die des Schriftstellers gegen den Verleger, oder urheberrechtliche Unterlassungsansprüche 62 ; auch die Erteilung eines Zeugnisses wird (regelmäßig) einen vermögensrechtlichen Anspruch betreffen, weil es dem wirtschaftlichen Fortkommen dient, wie etwa das Führungszeugnis eines Handlungsgehilfen (§ 73 HGB); die auf Einräumung des früheren Arbeitsplatzes nach § 34 Abs. 1 S. 1 BEG; Ansprüche aus § 824 B G B 6 3 , auch die aus dem Fami41 42 43 44 45 46

47 48 49

50 51

RG JW 1935, 2632. AM LG Lübeck SchlHA 1959, 153. BGHZ 28, 131 = NJW 1958, 1867. Sofern er unter § 21 BGB fällt. RGZ 88, 332 = JW 1916, 1338. Unveröffentlichte Entscheidungen v. 30. 3. 1953 IV ZR 176/52, v. 18. 3. 1954 IV ZR 200/53. BGHZ 13, 5 = NJW 1954, 833. OLG Celle NJW 1964, 359. Wozu die Klagen des 6. Buches der ZPO gehören. RGZ 40, 412. RGZ 46, 383.

52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62

«

§ 640, vgl. BGHZ 5, 386 = NJW 1952, 780. RGZ 165, 248. Vgl. RGZ 139, 396. Art. 12 GG. RG Warn 1 9 0 9 , 5 2 4 . Art. 14, 15 GG. Art. 3, 19 GG. Soweit sie nicht ideelle Vereine sind. RGZ 89, 336. RGZ 163, 200. BGHZ 15, 2 4 9 = NJW 1955, 260. OLG Köln JMB1. NRW 1956, 174.

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lienrecht fließenden Ansprüche auf geldwerte Leistungen 64 , wie die auf Unterhalt 65 , auf Leistung eines Prozeßkostenvorschusses 66 während des Getrenntlebens; oder die aus dem familienrechtlichen Güterrecht sind vermögensrechtlicher Art. 6 7 Ansprüche aus Reisevertrag, unerlaubter Handlung und Verlöbnis sind es, soweit ein sog. ideeller Schaden ersetzt verlangt wird (vgl. §§ 651 f Abs. 2, 825, 1300 BGB). Der Anspruch des Konkursverwalters auf Rückgängigmachung abgeschlossener Rechtsgeschäfte ist vermögensrechtlicher Art. Die Rechtsprechung ist zu Grenzfällen dort gekommen, wo einmal die allgemeine (sog. objektive) Wertung der Weltanschauung ins Wanken geraten ist und sodann nur die subjektive Bewertung berücksichtigt wurde. 13

Die derzeitige Weltanschauung in der BRD ist ganz überwiegend auf wirtschaftliches Werten abgestellt. So werden Ehrverletzungen als solche nach dem wirtschaftlichen Hintergrund bewertet und deshalb mal vermögensrechtlich 68 , mal als nichtvermögensrechtlich angesehen; aber mit dem typischen Spielraum des „Ermessens" des einzelnen Gerichts.

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Mehr als nur auf den objektiven Tatbestand der Ehrverletzung wurde abgestellt: bei Ehrverletzungen durch eine Druckschrift 69 ; bei dem Gegendarstellungsrecht nach § 11 PresseG 70 ; bei Gefährdung der Achtung oder der Geltung einer Person. 71

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Subjektbezogen hat es der B G H 7 2 bei Ansprüchen auf Widerruf einer ehrenkränkenden Behauptung als nichtvermögensrechtlichen Streit gewertet, wenn es dem Kläger im „wesentlichen" auf Wahrung seines gesellschaftlichen Ansehens und seiner persönlichen Geltung, dagegen entscheidend auf wirtschaftliche Belange ankomme; widerspruchsvoll dazu auch in einem Fall, wo der Kläger den Anspruch so begründet hatte, daß er in seinem Kredit gefährdet wurde 7 3 , wo zugleich „immaterieller"Schadensersatz in Geld gefordert wurde, vgl. § 847 B G B 7 4 .

16

Der B G H 7 5 betont, „daß das Rechtsschutzbegehren des Klägers in wesentlicher Weise auch der Wahrung wirtschaftlicher Belange dienen" müsse, wenn ein vermögensrechtlicher Streit angenommen werden soll, und, daß ein Unterlassungsbegehren „schon ganz allgemein diese Voraussetzungen nicht erfüllen" könne 7 6 , was auch für Veröffentlichung- und Widerrufsansprüche gelte. 2. Weitere Anwendung der Wertvorschriften

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§ § 3 bis 9 gelten überall dort, wo nach einem Geldwert innerhalb der ZPO die Zulässigkeit einer (Prozeß-)Handlung abgegrenzt wird, wenn auch mit Modifikationen. Dazu gehören die Beschwerdesummen bei der Kostenbeschwerde des § 5 6 7 Abs. 2, bei der Berufung, soweit ihre Zulässigkeit in vermögensrechtlichen Streitigkeiten von einem Beschwerdewert abhängt (vgl. § 511 a Abs. 1); bei der Eintragung von Zwangssicherungs- und Arresthypotheken (§ 932); bei der im Fall des § 708 Nr. 11 dafür, ob ein vorinstanzliches Urteil ohne Sicherheitsleistung für vorläufig 64 65 66

67 68 69 70 71

RGZ 88, 332. RG JW 1900, 853. Nach S 1360 a BGB; OLG München NJW 1963, 49. RGZ 144, 158. BGH VersR 1964, 324. BGH MDR 1974, 926; BGH VersR 1962, 1088. BGH NJW 1963, 151. BGH VersR 1964, 324.

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72 73 74

75 76

BGH VersR 1962, 1088; 1964, 324. BGH GRUR 1969, 147. Als Ausnahmefall BGH VersR 1969, 804, obwohl der Kläger vorgetragen hatte, daß es ihm um seine wirtschaftliche Position ging und Schadensersatz nach § 847 BGB gefordert wurde. Vgl. BGH VersR 1969, 1094. Mit Hinweis auf BGH VersR 1969, 804.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

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vollstreckbar zu erklären ist; bei den Revisionen. Bei der Berechnung der Rechtsmittelwerte wird indes § 5 modifiziert. Ferner gelten die §§ 3 bis 9 bei der Gebührenberechnung der Gerichts-, 7 7 Anwaits-, 7 8 Gerichtsvollzieherkosten, jedoch hier mit erheblichen Abweichungen. Sondernormen ergeben sich für den Bewertungsmaßstab im Konkursfalle (§ 148 KO). Zu einer relativen Streitwertbestimmung besonderer Art führt § 53 PatentG und die ihm angeglichenen Vorschriften im gewerblichen Rechtsschutz.

18 19

ΠΙ. Zwingendes Bewertungsrecht Die Bewertungsvorschriften sind zwingendes Recht und der Parteivereinbarung 2 0 entzogen. Auch übereinstimmende Wertangaben der Parteien binden deshalb das Gericht nicht; wenn auch das Gericht von ihren übereinstimmenden tatsächlichen Angaben oder auch denen einer Partei ausgehen darf. 1. Zuständigkeitsvereinbarung In den vermögensrechtlichen Streiten haben indes die Parteien im Rahmen der 2 1 § § 3 8 und 4 0 die Möglichkeit, an Stelle des AG das LG wie die umgekehrte Zuständigkeit zu vereinbaren. Hat aber der Kläger unter Mißachtung der Streitwertbestimmungen ohne Verein- 2 2 barung die Klage bei einem sachlich unzuständigen Gericht eingereicht, so darf der Beklagte dies vor der Verhandlung zur Hauptsache rügen 7 9 . Darauf soll das AG den Beklagten, nicht den Kläger hinweisen (§ 504). Hat das AG den Hinweis unterlassen, so bleibt die Rüge bis zum Ende der Instanz erhebbar; weist es darauf hin, so muß alsbald gerügt werden. Abgesehen davon ist die Rüge wegen der Vorschrift des § 39 nicht nachholbar. Auch vor dem LG als Berufungsinstanz darf auf die nicht beachtete Zuständigkeit nur bei rechtzeitiger Rüge zurückgegriffen werden (§ 528). Verstöße des LG als Berufungsinstanz werden mit seiner rechtskräftigen Entscheidung bedeutungslos. 80 Vor dem OLG als Berufungsinstanz wird auch die rechtzeitig erhobene Rüge nach § 10 nicht mehr beachtet. 2. Bagatellverfahren Für die Zulässigkeit des Bagatellverfahrens (§§ 128 Abs. 3, 4 9 5 a) ist der Streit- 2 3 wert entscheidend. Das Gericht entscheidet im Zusammenhang mit der Anordnung des vereinfachten Verfahrens (§ 128 Abs. 3 S. 1) über den Streitwert. Durch einfachen Antrag kann jede Partei die Aufhebung der Anordnung erreichen (§ 128 Abs. 3 S. 4). Das Verfahren nach billigem Ermessen (§ 4 9 5 a) setzt keine förmliche Entscheidung voraus. 3. Rechtsmittelsumme Wird die Rechtsmittelsumme nicht erreicht, so ist das Rechtsmittel von Gerichts 2 4 wegen als unzulässig zu verwerfen. 81 Die Vereinbarung der Parteien über die Zuläs77 78 79 80

Vgl. MünchKomm/Lappe § 2 Rdn. 15, 30. Vgl. MünchKomm/Lappe § 2 Rdn. 16, 34. Vgl. §§ 282 Abs. 3, 296 Abs. 3. § 579 Abs. 1 S. 1 ist wegen der Vorschrift des § 528 nicht anwendbar.

81

§§ 5 1 9 b Abs. 1 S. 1, 5 5 4 a Abs. 1, die in den Fällen des § 567 Abs. 2 entsprechend anzuwenden sind, vgl. R G Z 50, 368.

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sigkeit des Rechtsmittels ist unwirksam. Sie können nur im Rahmen ihres Begehrens den Streitwert so erhöhen, daß ein Rechtsmittelwert sich ergeben muß, wenn das Gericht überhaupt oder in Höhe der erforderlichen Beschwer ihrem Antrage nicht entspricht. 25

Hatte das OLG das Rechtsmittel nicht verworfen, war es aber unzulässig oder hat es ihm umgekehrt stattgegeben, obwohl es unzulässig war, so kann dies mit der Revision 8 2 und u. U. mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden (§§ 547, 5 1 9 b Abs. 2); rechtskräftige Entscheidungen allenfalls mit der Restitutionklage nach § 580 Abs. 1 Nr. 7 a. Ergeht die Rechtsmittelentscheidung durch Beschluß, so hat die beschwerte Partei möglicherweise Ansprüche aus Art. 34 GG iVm. § 839 BGB gegen den Staat; wenn sie auch sachlich obgesiegt hätte und keine Wiedereinsetzungsmöglichkeit oder sonstigen Rechtsbehelf versäumt hat, § 839 Abs. 3 BGB, und schuldhaft falsch bewertet worden ist, was, soweit das Ermessen zulässigerweise ausgeübt wird, ausgeschlossen ist. Wird durch Urteil entschieden, so sind die Ansprüche praktisch durch § 839 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. 83 4. Sicherungshypothek

26

Die Eintragung einer Sicherungshypothek ist wertabhängig. Dabei geht jedoch § 866 Abs. 3 den § § 2 bis 9 als lex specialis vor; maßgebend ist der Antrag des Gläubigers und nicht der Streitgegenstand oder die Verurteilung. Wird ein Antrag unter der Wertgrenze der §§ 866 Abs. 3 (928, 932) gestellt, so ist er unzulässig. 5. Verurteilung

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Der Wert der Verurteilung ist für die vorläufige Vollstreckbarkeit (§§ 708 Nr. 11, 711) maßgebend, und zwar auch dann, wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist. Letzteres ist vom zu engen Gesetzeswortlaut des § 2 nicht gedeckt. Ist im Fall des § 708 Nr. 11 der Wert von der ersten Instanz falsch bemessen, so ist der Angriff dagegen nur in Verbindung mit dem Rechtsmittel gegeben, worüber auf Antrag im Vorwege nach § 718 zu entscheiden ist. 8 4 IV. Streitwertfestsetzung

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Der Streit-(Rechtsmittel- usw.)wert kann vor den ordentlichen Gerichten grundsätzlich nicht bindend vor Erlaß der maßgeblichen Entscheidung durch Beschluß festgesetzt werden. Es sind auch Beschlüsse denkbar, welche früher gefaßt werden müssen und die mittelbar ergeben, daß ein bestimmter Streitwert erreicht ist, etwa die über ein beantragtes Armenrecht. 8 5 Zweckmäßig ist die vorangehende Festsetzung, um eine Partei auf die Unzulässigkeit (Unzuständigkeit) hinzuweisen. Solche Beschlüsse können auch nach oder zugleich mit der Hauptentscheidung über die Zuständig- bzw. Unzulässigkeit gefaßt werden, wobei aber das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht verletzt werden darf. 82

83

Abgesehen von Arresten und einstweiligen Verfügungen, § 5 4 5 Abs. 2 . B G H Z 1 3 , 1 4 2 = M D R 1 9 5 4 , Β 5 8 3 / 5 4 tendiert dahin, die N o r m auf Beschlüsse der hier in Betracht kommenden Art anzuwenden.

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Nicht mehr in der Revisionsinstanz, § 7 1 8 Abs. 3, in entsprechender Anwendung für Sprungrevisionen, § 5 6 6 a. BGH M D R 1 9 5 1 , 2 7 .

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

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1. Isolierte Streitwertfestsetzung Auf die — isolierte — Streit-(Rechtsmittel- usw.) Wertfestsetzung besteht streng 2 9 genommen kein unmittelbarer Rechtsanspruch, wohl aber ein mittelbarer, nämlich in bezug auf die Zu- bzw. Unzuständig- (Unzulässig-)keitsentscheidung, soweit es auf die Erreichung der Grenzen ankommt. 8 6 Dem entspricht es, daß eine gesonderte Streitwertfestsetzung nicht isoliert an- 3 0 greifbar ist. Ist der Streit- (Rechtsmittel-)wertfestsetzungsbeschluß auch grundsätzlich nicht 3 1 allein angreifbar, so wird er nicht mehr abänderbar mit der Hauptentscheidung, sobald diese unabänderlich geworden ist. Bis dahin kann das Gericht von sich aus den — vorläufigen — Beschluß ändern, und zwar auch dann, wenn zunächst durch Glaubhaftmachung ein anderer Wert sich ergab als der, welcher durch die Beweisaufnahme oder in der Verhandlung sich herausstellte. Das Rechtsmittel muß auch vom Standpunkt des Verhandlungsschlusses der Rechtsmittelinstanz, bezogen auf die Zeit seiner Einlegung, zulässig gewesen sei. 2. Bindung Die Streit- und Rechtsmittelwertfestsetzungen werden in derselben Instanz an die 3 2 Grenzwerte gebunden, sobald die Zu- oder Unzuständigkeit, die Zu- oder Unzulässigkeit von dem Gericht durch eine solche Entscheidung ausgesprochen worden ist, also die Verwerfung der Unzuständigkeitseinrede (§ 318), aber auch die Verweisung nach § 276, die Verwerfung des Rechtsmittels oder eine Zwischenentscheidung über seine Zulässigkeit. Diese Entscheidungen derselben Instanz können besonders (vgl. § 275 Abs. 2) oder überhaupt nicht (vgl. §§ 10, 276 Abs. 2 S. 1, 586) oder nur zusammen mit den Endurteilen (vgl. §§ 303, 512, 548) angreifbar sein. Landgerichtliche Endurteile sind in der Berufungsinstanz nicht angreifbar. Auch 3 3 Kostenbeschwerden sind unzulässig, wenn die LG in zweiter Instanz entschieden haben. Die Zwischenurteile der OLG, welche die Zulässigkeit der Berufung bejahen (§ 548 Abs. 2) bzw. ihr Verwerfungsbeschluß (§ 519 b Abs. 2 S. 2) sind anfechtbar. Dabei ist im ordentlichen Verfahren, 87 soweit die höhere Instanz zum Zuge kommt, diese an die Bemessung des Streitwertes durch die vorhergehende Instanz grundsätzlich nicht gebunden, weil sie über die Zulässigkeit des Rechtsmittels usw. selbst entscheidet. Indes ist die untere an die Entscheidung der höheren gebunden, soweit davon die Hauptentscheidung abhängt. Ist ein Rechtsmittel, soweit es von der Erreichung der Rechtsmittelsumme abhängt, 3 4 zugelassen worden, so steht fest, daß diese erreicht sein muß. Das Zurückgreifen auf einen geringeren Wert ist unzulässig. Ist umgekehrt ein Rechtsmittel mangels Erreichung der Rechtsmittelsumme als unzulässig verworfen worden, so ist der Wert unter der Rechtsmittelsumme festzusetzen. Hat sich das AG für sachlich unzuständig erklärt, weil ein seine Zuständigkeit überschreitender Gegenstandswert vorliege, so muß er darüber festgesetzt werden, wie umgekehrt er unterhalb dieser Grenze festgesetzt werden muß, wenn das LG sich deshalb für unzuständig erklärt hatte. a) Verhältnis zum Gebührenwert. Jedoch ist die Gebührenfestsetzung im Ver- 3 5 hältnis zur Streitwertfestsetzung modifiziert durch § § 1 1 Abs. 2, Abs. 3, 12, 13, 15, 86 87

Vgl. aber § 39. Anders im arbeitsgerichtlichen Verfahren nach §§ 64 Abs. 1, 72 Abs. 1 ArbGG. Lothar Gamp

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16 GKG. Abgesehen davon verdrängt die Streitwertfestsetzung die Gebührenwertfestsetzung (§ 24 GKG). Insoweit ist die gespaltene Streit- (Rechtsmittel- usw.) und die Gebührenfestsetzung zulässig. 36

b) Vorgriff auf untere Instanzen. Soweit keine Modifizierung des Gebührenwertes vorliegt, ist die Streitwertfestsetzung zugleich die für die Gebühren ( § 1 1 Abs. 1 GKG). Insoweit kann dann auch die höhere Instanz den Streitwert für die unteren Instanzen festsetzen (§ 4 Abs. 1 S. 4 GKG), immer vorausgesetzt, daß sich für die Rechtsmittelinstanz keine Besonderheit ergibt. 88 3. Beziehung auf Klagebegehren

37

Der Streit- (Rechtsmittel-)wert bezieht sich stets nur auf ein bestimmtes Klagebegehren (einen Antrag) und wird mit dessen Änderung verändert. 38 In erster Instanz wirkt sich dies allerdings regelmäßig nur im Falle der Klageerweiterung aus (§ 506); nicht in dem der Klagebeschränkung, nachdem zur Hauptsache vor dem Landgericht verhandelt worden ist (vgl. § 274 Abs. 1 und 2). Dabei ist es im Falle der Klageerweiterung gleichgültig, ob dadurch die Klage über den gesetzlich stets zugelassenen Rahmen hinaus (vgl. § 264 Nr. 2) geändert, sofern nur die Änderung zugelassen wird (§§ 263, 267, 268). In den Rechtsmittelinstanzen kann sich dies sowohl bei der Erweiterung 89 wie auch bei der Beschränkung des Rechtsmittels auswirken. Der Bewertungsgegenstand wird aber nicht geändert, wenn der Antrag anstatt auf Leistung an den Kläger auf Leistung an ihn oder andere oder nur an einen oder mehrere andere umgestellt wird, und zwar gleichviel, welcher dieser beiden Meinungen man folgt, weil der der Festsetzung zugrunde liegende Gegenstand wertmäßig nicht verändert wird. V. Gebührenwertfestsetzung 39

Von der Streitwertfestsetzung ist die Gebührenwertfestsetzung (§ 25 GVG) zu unterscheiden. 1. Grundsatz

40

Soweit sich Streit- und Gebührenwertfestsetzung decken, kann keine besondere Gebührenfestsetzung verlangt werden. 2. Auf Antrag oder von Gerichts wegen

41

Im übrigen hat das Gericht die Gebührenwerte von sich aus oder auf Antrag einer jeden (Haupt- und Neben-)Partei, wie der am Verfahren beteiligten Rechtsanwälte festzusetzen. 42 Stellt den Antrag ein Anwalt (usw.), der vertreten hat, so wird im Zweifel angenommen, daß er ihn im eigenen Namen gestellt hat, falls er nicht zum Ausdruck gebracht hat, daß er ihn für die Partei stellen will. Bei Bedenken findet § 139 Anwendung. 88 89

Vgl. § 4 GKG. Soweit diese überhaupt zulässig ist, also nicht um die erforderliche Beschwer herbeizuführen.

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Wird der Antrag gestellt, so muß das Gericht die Gebühren festsetzen. Ohne 4 3 jedes Interesse kann er jedenfalls nicht gestellt werden, weil es dann am Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Die Festsetzung darf in jeder Instanz erneut beantragt werden und nach jeder 4 4 Änderung des Streitgegenstandes neu, selbst wenn über die alte schon durch Beschwer entschieden war. Zuständig ist das Prozeßgericht, bei der Zwangsvollstreckung das Vollstrek- 4 5 kungsgericht. Dem Einzelrichter steht die Befugnis nicht zu. H a t er indes selbst entschieden, so sollte man sie ihm bezüglich der Streit- und Gebührenwertfestsetzung nicht nehmen. Bei veränderter Wertbildung, abweichender Beschwer, liegt für die obere Instanz 4 6 kein Anlaß vor, auf die Wertfestsetzung der unteren überzugreifen. Insoweit ist die Wertfestsetzung der oberen Instanz für die untere ohne Bedeutung, und insoweit soll auch die obere Instanz nicht durch Abänderung der Beschlüsse der unteren Instanz vorgreifen. Für verschiedene Verfahrensabschnitte können verschiedene Gebührenwerte in betracht kommen und festgesetzt werden. Mit der Feststellung der Höhe der von dem einzelnen zu zahlenden Gebühren befaßt sich das Wertfestsetzungsverfahren nicht, jene gehört vielmehr in das Gerichtsbeitreibungsverfahren 9 0 oder in das Kostenfestsetzungsverfahren. 9 1 Allerdings setzen Kostenberechnung und -festsetzung nicht notwendigerweise die Wertfestsetzung voraus. Bei Verstößen gegen die Wertfestsetzung der oberen Instanz gilt stets die EntScheidung der höheren, von mehreren Entscheidungen derselben Instanz die letzte.

47

3. Beschwerde Gegen den Gebührenwertfestsetzungsbeschluß ist nach § 25 Abs. 2 G K G die Be- 4 8 schwerde zulässig (§§ 5 6 7 ff), die aber zeitlich nach § 2 5 Abs. 2 S. 3 G K G begrenzt ist. Die weitere Beschwerde ist durch § 568 Abs. 3 ausgeschlossen. a) Kein Anwaltszwang. Die Beschwerde unterliegt nicht dem Anwaltszwang 4 9 (§ 78 Abs. 2), weil sie schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden darf (§ 2 5 Abs. 1 S. 2 G K G ) . Wenn der Anwalt für die Partei tätig wird, braucht er nicht ihre schriftliche Vollmacht vorzulegen, wenn er im Anwaltsprozeß legitimiert ist. b) Zulässigkeit. Die Beschwerde ist zulässig gegen jede Festsetzung, 9 2 auch wenn 5 0 die Gebührenwerte sich erst im Laufe des Verfahrens ändern; aber auch gegen den Beschluß, der im Laufe des Verfahrens den Wert von Gerichts wegen ändert. Die Beschwerde darf zulässigerweise so lange eingelegt werden, wie die Abänderung zulässig ist, also auch noch nach Beendigung des Verfahrens und nach Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses; aber nicht mehr, wenn die Abänderung unzulässig ist 9 3 und mit der zeitlichen Grenze des § 2 5 Abs. 2 S. 3 G K G . Andererseits darf die angegangene Instanz, weil sie den Beschluß von Gerichts 5 1 wegen ändern darf, ihn auch zum Nachteil des Beschwerdeführers ändern; nicht aber die Beschwerdeinstanz, weil sie dieses Änderungsrecht nicht h a t . 9 4 Anders ist dies nur, wenn diese Instanz aus anderen Gründen als mit einer Gebührenwertbe90 91 92

Vgl. JustizbeitreibungsO. M 103 ff, 19 B R A G O . Soweit nicht § 5 6 7 Abs. 3 entgegensteht.

93 94

Vgl. O L G Düsseldorf J R 1950, 54. Sofern sich nicht der Gegner anschließt.

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schwerde mit dem Streit befaßt ist und dann insoweit den Streitwert vorgriffsweise von sich aus oder auf Antrag neu festsetzt. Auf diese Weise darf auch vom Revisionsgericht noch die Beschwerdeentscheidung des OLG geändert werden, wenn der Streit durch Revision oder sofortige Beschwerde nach § 5 1 9 b Abs. 2 S. 2 es erreicht. 52

Das freie Änderungsrecht der unteren Instanz entfällt, soweit die obere entschieden hat; es sei denn, daß später der Klageantrag geändert wird. Im übrigen steht es jeder angegangenen Instanz zu, im besonderen der oberen, wenn die untere den Gebiihrenwert unrichtig bemessen hat 9 S und sollte es dann, soweit zulässig, auch tun. Ob gegen eine Gebührenwertfestsetzung des LG, die dieses als Berufungsinstanz erläßt, die Beschwerde zulässig ist, ist streitig. Unzulässig ist sie, soweit tatsächlich über den Streitwert auch nur mittelbar entschieden werden soll. 9 6 Zulässig wäre sie dann nur, insoweit das GKG eine von der ZPO abweichende Festsetzungsmöglichkeit bietet. 9 7

53

c) Beschwer. Die Beschwerde darf nach der hier vertretenen Ansicht jeder einlegen, der den Erlaß des Beschlusses beantragen darf, sofern er beschwert ist. Beschwert ist nur die Partei, wenn sie eine niedere Wertfestsetzung erstrebt; ohne Rücksicht darauf, ob sie sonst ein Interesse an der Erhöhung haben könnte, etwa um für die Prozeßkosten keine zu niedrige Sicherheit nach § 110 zu erhalten oder weil sie eine Gebührenvereinbarung mit ihrem Anwalt getroffen hat 9 8 .

54

d) Beschwerdesumme. Bei der Beschwerde muß der Beschwerdewert erreicht werden (§ 5 6 7 Abs. 2). Das Prozeßgericht darf aber auch ohne ihn jederzeit den Beschluß von sich aus ändern, soweit es noch die Änderungsbefugnis hat. Der Beschwerdewert wird aus dem Unterschiedsbetrag zwischen dem festgesetzten und dem erstrebten als Bemessungsgrundlage errechnet. Es ist die Differenz der Gerichts- und der Anwaltsgebühren, wenn eine Partei oder die Staatskasse die Beschwerde einlegt. Er besteht nur in der eigenen Gebührendifferenz, wenn die Beschwerde von einem Anwalt ausgeht, und ist beschränkt auf die Instanz, für die die Festsetzung begehrt wird. Ist aber der Anwalt in mehreren Instanzen tätig gewesen und wirkt die Entscheidung für alle, so müßte man zusammenrechnen, wenn dann noch die Beschwerde zulässig ist (§ 5 6 7 Abs. 3). Legen beide Rechtsanwälte Beschwerde ein, so werden ihre Gebühren nicht zusammengerechnet.

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e) Entscheidung. Wer indes auch immer die Beschwerde eingelegt hat, die Entscheidung des Beschwerdegerichts wirkt für und gegen alle Beteiligten, wenn die Wertfestsetzung geändert wird. Die Entscheidung wirkt aber auch insoweit zu Lasten der übrigen Beteiligten, wie das untere Gericht bei unverändertem Gegenstand nicht mehr abändern darf, selbst wenn auch die Beschwerde eines anderen Beteiligten abgeändert wurde. Dies gilt also auch, wenn das Beschwerdegericht die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen hat, weil auch damit die erste Entscheidung nunmehr die der Beschwerdeinstanz geworden ist. Auf eine unzulässige Beschwerde darf das Beschwerdegericht indes nicht von sich aus den Gebührenwert ändern. 9 9 95 96

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OLG Köln VersR 1972, 205. OLG Hamm M D R 1947, 257; OLG München M D R 1956, 623. In diesem Fall bejahend: KG NJW 1968, 729; OLG Neustadt NJW 1947, 69; verneinend:

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OLG Frankfurt Rechtspfleger 1971, 446; OLG Braunschweig Nds Rpfl. 1972, 60. AM OVG Lüneburg NJW 1972, 788. OLG Hamm Rechtspfleger 1973, 106.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§ 3

Ob das Beschwerdegericht seine Entscheidung, gegen die es keine weitere Be- 5 6 schwerde gibt von sich aus oder auf Antrag ändern darf, ist umstritten. Dem positiven Recht nach ist die Frage zu verneinen. 1 0 0 Ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsrecht sollte dem Beschwerdegericht nicht zugestanden werden. 1 0 1 f) Gegenvorstellung. Soweit kein Rechtsbehelf zulässig ist, aber noch eine Abän- 5 7 derungsmöglichkeit besteht, also innerhalb der Fristen des § 25 GKG 1 0 2 , darf das Gericht auf Gegenvorstellungen eingehen.

§3 Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen. Übersicht Rdn. I. Allgemeines 1. Gesetzesgeschichte 2. Normzweck Π. Streitgegenstand 1. Bestimmung des Klägers . . . . a) Bewertung des Antrags . . . b) Beschwerdewert 2. Objektive Theorie a) Anspruch b) Wirtschaftlicher Wert . . . . 3. Abstrakte Wertung a) Gesellschaftsverhältnisse. . . b) Kurswerte c) Mittelwerte d) Anspruchshäufung und -teilung e) Klagegrundhäufung 4. Bewertung von Klage- und Prozeßart .· a) Parteiverhalten b) Klageart c) Prozeßarten d) Rechtsbehelfswerte

d) Abzüge 3. Nichtvermögensrechtliche Streite a) Verbunden mit vermögensrechtliche b) Andere

1 2 3-4 5 6—18 19-28 29 30—37 38-46 47 48 49-54 55-84 85-103 104 105 106-107 108-113 114-128 129-143

ΙΠ. Gebührengegenstand 146 1. Tendenz 147 2. Variabilität 148 a) Kappung der Streitwerte. . . 149 b) Rückdatierung 150-151 c) Aufrechnung 152-154

Rdn. 155 156 157 158

IV. Bewertungsverfahren 1. Streitwert 159 a) Einwirkung der oberen Instanz 160 b) Ersteinstanz 161 — 166 c) Gegenvorstellung 167 2. Rechtsmittel wert 168 a) Verfahren 169 b) Bindung 170 c) Wiedereinsetzung 171 d) Angriffe in höherer Instanz . 172 e) Dritte Instanz 173 3. Bagatellstreitwert 174 4. Verurteilungswert 175 5. Kosten 176 V. Gebiihrenwertfestsetzung 1. Beschluß a) Abänderbarkeit b) Beschwerde 2. Zweitinstanzliche Festsetzung 3. Drittinstanzliche Festsetzung . . VI. Einzelbeispiele

177 178 179 180 181 182 183

Schrifttum

Dörndorfer Der Streitwert für Anfänger, 1988; Hillach/Rohs H a n d b u c h des Streitwerts, 7. Aufl. 1988 (Bespr. Bischof N J W 1988, 3008; Putzo Buchbesprechung Z Z P 103 (1990) 100 101

Vgl. RG Senff 81/16. Auch nicht bei fehlender Begründung des Gebührenwertbeschlusses: vgl. OLG Köln JMB1. NRW 1972, 217; OLG Bamberg JB 1973, 1196;

102

LG Stuttgart AnwBl. 1973, 170; aM OLG Köln MDR 1973, 684, sofern die förmliche Fortsetzung der ersten Instanz fehlt. OLG Köln JMB1. NRW 1973, 47.

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1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

1 1 2 f; Schneider M D R 1 9 8 8 , 8 9 4 ; Rauer (Hrsg.), Kostenerstattung und Streitwert, FS für Schmidt 1 9 8 1 ; Gerhard Rohs Der Streitwert in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten usw., Diss. M ü n s t e r 1 9 7 5 ; Günther Rohs Streitwert in Ehe- und Folgesachen, FS für Schmidt ( 1 9 8 1 ) 1 8 3 ; Schmidt/Schmidt Der Gegenstandswert in bürgerlichen Rechtsangelegenheiten, 2 . Aufl. 1 9 7 8 ; Schneider Streitwert-Kommentar, 9. Aufl. 1 9 9 1 (Bespr. R ö w e r M D R 1 9 9 1 , 8 1 0 ) .

I. Allgemeines 1. Gesetzesgeschichte 1

§ 3 ist durch das 1. EheRG vom 1. 7. 1977 sprachlich neu gefaßt worden. 1 Während die Bestimmung früher vom „Wert des Streitgegenstandes" sprach, spricht die jetzige Fassung nur noch vom „Wert". Durch den Wegfall des bisherigen Zusatzes sollte § 3 auch für andere Wertberechnungen geöffnet werden. 2 2. Normzweck

2

§ 3 regelt, wie der Streitgegenstand, der Beschwerdegegenstand, die Beschwer oder die Verurteilung (vgl. § 2) zu bewerten ist, sofern keine Sondervorschriften eingreifen. Zu den speziellen Wertvorschriften gehören die §§ 4—9, 14—20 GKG, 53 PatentG, 17 a GebrauchsmusterG, 23 a UWG, 3 1 a W Z G , 2 4 7 AktG, 148 KO. Damit scheint § 3 eine Auffangnorm für die Wertberechnung zu enthalten. 3 Richtiger dürfte es jedoch sein, den wirtschaftlichen Wert als Auffangwert zu bezeichnen und in § 3 lediglich eine Verfahrensvorschrift für seine Bestimmung zu sehen. 4 Ferner regelt § 3, wie bei der Bewertung zu verfahren ist, nämlich „nach freiem Ermessen" mit beweisrechtlichen Erleichterungen. II. Streitgegenstand

3

Streitgegenstand ist das Klagebegehren, das Widerklagebegehren und die Aufrechnung. 5 Sonstige Einwendungen und die Einreden, die Repliken und die Replikationen, die Dupliken und die Duplikationen können zum Streit gehören, sind aber nicht der Streitgegenstand iSd. ZPO für die Bestimmung der Streit-, der Beschwerdewerte, der Rechtsmittelsummen, der Rechtshängigkeit und der Klageveränderungen. 4 Außerhalb des Bewertungsverfahrens liegende Umstände dürfen nicht berücksichtigt werden. 6 1. Bestimmung des Klägers

5

Im Prozeß wird das Klagebegehren vom Kläger bestimmt. Es ist das, was er zum Spruch stellt, also ein Anspruch, über den das Gericht entscheiden soll, maW das, worüber im Tenor entschieden werden soll. Der Klagegrund ist nicht entscheidend 7 , wenn der Kläger nicht seine Klage zulässigerweise auf einen bestimmten Klagegrund oder mehrere ausdrücklich stützt; denn sonst gilt die Regel iura novit curia.

6

a) Bewertung des Antrags. Vor dem Erkenntnis zur Hauptsache bestimmt grundsätzlich allein der Kläger das, was Gegenstand des Streites ist, durch sein Be1 2 3 4

Vgl. BGBl. 1950, 535. BT-Drucks. 7 / 6 5 0 S. 191 zu Art. 6 Nr. 3. Slt\nl]or\adSchumann § 3 Rdn. 1. MiinchKomm/Lappe § 3 Rdn. 1.

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5 6 7

Wegen der Wirkung des S 322 Abs. 2. OLG Celle NJW 1964, 1527. BGHZ 9, 27 = NJW 1953, 663.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§3

gehren, d a s regelmäßig im Antrag niedergeschlagen ist, über den d a s Gericht nicht hinausgehen soll (§ 3 0 8 Abs. 1) und über d a s mit Rechtskraftwirkung (§ 3 2 2 ) entschieden wird. Bloß in Aussicht gestellte Anträge werden nicht bewertet. D o c h ist zu beachten, 7 d a ß die Klage mit ihrer Zustellung (§§ 2 5 3 Abs. 1, 2 6 1 Abs. 1), ein im L a u f e des Prozesses eingeführter Anspruch uU mit der Zustellung des Schriftsatzes rechtshängig wird, wobei von Gerichts wegen zugestellt wird (vgl. § 4 9 6 Abs. 1). Wird zugleich mit der Klage ein sie erweiternder oder ein sie beschränkender Schriftsatz zugestellt, so ist Streitgegenstand nur d a s erweiterte bzw. das beschränkte Begehren geworden. D o c h braucht der Kläger selbst rechtshängig gewordene Ansprüche nicht weiter zu verfolgen, indem er etwa die Klage zurücknimmt oder in der mündlichen Verhandlung nicht seine Anträge stellt, so daß d a s Gericht über sein Klagebegehren nicht entscheiden darf. D a n n kann indes der Beklagte die Entscheidung erzwingen, indem er sich auf den v o m Kläger nicht gestellten Antrag bezieht und gegen ihn eine (Versäumnis- oder Aktenlage-) Entscheidung begehrt. Nur soweit der Beklagte sich darauf einläßt, daß der Kläger seine Anträge nicht stellt, wird der Urteilsgegenstand eingeschränkt; während der Klagegegenstand sonst nur durch Klagerücknahme bzw. -änderung verändert werden kann.

8

D a indes positive wie negative Ansprüche erhoben werden können, kann ange- 9 sichts der Polarität des Prozesses jede Partei, je nachdem wer zuerst die Initiative ergreift, Kläger sein. H a t eine Partei ihr Begehren in bezug auf den gesamten Streit (-gegenständ) beschränkt, so kann die andere Partei ihrerseits durch andere oder weitere A n t r ä g e 8 selbst zum Kläger, im selben Verfahren möglicherweise zum Widerkläger werden und so ihrerseits willkürlich den Streitgegenstand bestimmen, sie kann aber nicht als Beklagter die Wahl des Klägers gegen seinen Willen beeinträchtigen. Hatte indes der Kläger eine negative Feststellungsklage erhoben, so darf der Beklagte die ihr entgegenstehende positive erheben 9 , weil diese (insoweit) weitergeht. Die Klage als solche kann wirksam in der H a u p t s a c h e gegen den oder die bestimmten Beklagten nicht eventuell gestellt werden, wenn auch ein Anspruch (Begehren) mit eventuellen anderen gegen den oder die Beklagten gehäuft werden darf.

10

Die Widerklage darf dagegen eventuell gestellt werden und eine abgeschwächte 11 Form der (Eventual-)Widerklage ist die Aufrechnung, über die nach § 3 2 2 Abs. 2 mit Rechtskraftwirkung entschieden wird. Ihren U m f a n g bestimmt der Aufrechnende im Prozeß, so daß er auch nur einen Teil des von ihm außerprozessual aufgerechneten zur Entscheidung stellen kann. Wie hoch indes auch seine Gegenforderung sein m a g , niemals kann durch bloße Aufrechnung der Wert der Klageforderung überschritten werden (§ 3 2 2 Abs. 2). Sie verändert nicht den Streitgegenstand der Klage, wenn der Beklagte sie einwendet. 1 0 Im übrigen verändert auch die Widerklage nicht den Streitgegenstand der Klage, m a g sie unmittelbar oder nur eventuell gestellt worden sein.

8

9

Grundsätzlich aber nicht durch sich deckende oder eingeschränkte Anträge. Welche die Unterbrechung der Verjährung auslöst.

O L G Nürnberg AnwBl. 1972, 162; Rpfl. 1970, 249; K G N J W 1970, 3 3 4 ; a M das nur umstrittene Gegenrecht bewertend: O L G Celle Rpfl. 1970, 2 4 8 ; O L G Karlsruhe Justiz 1970, 12.

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1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

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Sonstige Einwendungen und die Einreden des Beklagten können den Streitgegenstand nicht beeinflussen. 1 1 Dasselbe gilt für Repliken, Replikationen des Klägers, Dupliken, Duplikationen des Beklagten usw. 13 Bei Bemessung des Streitwertes sind Gegenrechte des oder der Beklagten ohne Belang. Sie mindern den Streitwert der Klage nicht; sie erhöhen ihn aber auch nicht. 14 Dies gilt auch für die Einrede des Zurückbehaltungsrechts 1 2 . Über ein Zurückbehaltungsrecht wird nicht mit Rechtskraftwirkung entschieden, und der Kläger muß die Sache wieder herausgeben, wenn er nicht die Gegenleistung erbringt. 15

War also auf Auszahlung eines hinterlegten Betrages von 491 D M geklagt, macht der Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht wegen 50 D M geltend, so sind 4 9 1 D M im Streit. 1 3 Wird auf Löschung einer Hypothek von 3000 D M geklagt, so ist dieser Betrag der Streitwert, auch wenn der Beklagte die Löschung nur wegen 282 D M verweigert; ebenso, wenn ein Grundstück wegen eines Betrags von 1850 D M zurückbehalten wird. 1 4 Wird die Rückübertragung des Gesellschaftsanteils gefordert, so ist dieser ohne Abzug der Gegenleistung Streitgegenstand. 16 Dann wird aber auch, selbst wenn die Hauptleistung anerkannt wird, ohne Erhebung der Widerklage die Gegenleistung nicht zum Streitwert oder zum Beschwerdewert der Rechtsmittelinstanz. Ist allerdings nur noch eine geringere Aufrechnungsforderung im Streit, so gilt nur deren Wert. 1 5 17

Das entsprechende gilt für die Einrede der Verjährung. Es ist auch gleichgültig, ob sich der Beklagte auf die beschränkte Erbenhaftung gemäß §§ 1990, 1991, 1992 BGB als Erbe (§ 780) oder als Vermächtnisnehmer gemäß § 2 1 8 7 BGB {$ 786) oder auf die beschränkte Haftung für die Nachfolge in der Gütergemeinschaft nach § 1489 BGB (S 786), auf die Einreden der §§ 2014, 2015 BGB (§ 782), auf die Beschränkung der Haftung auf einen Auseinandersetzungsteil nach Auflösung der Gütergemeinschaft gemäß §§ 1480, 1504 BGB (§ 786) oder auf ein übernommenes Vermögen gemäß § 419 BGB (§ 876) berufen hat. Denn auch diese Rechtsbehelfe berühren die Bewertung des Streitgegenstands nicht, sondern wirken sich erst bei der Vollstreckung aus (§ 785). Dies gilt aber auch dann, wenn die Klage im Ausnahmefall abgewiesen werden muß, wenn schon im Prozeß feststeht, daß keine Haftungssumme mehr vorhanden ist; oder wenn es um die beschränkte Haftung des Reeders geht, was also nicht nach dem geringeren Wert der Haftungssumme, sondern nach dem Nennwert der Forderung des Klägers zu bewerten ist, weil er beschränkt nur im Ausnahmefall der §§ 486 Abs. 1 H G B , 4 Abs. 1 BinnenschiffahrtG haftet; aber nicht mehr nach §§ 486 Abs. 2, 4 8 7 HGB, § § 4 Abs. 2, 5 BinnenschiffahrtG.

18

Der Gebührenwert bemißt sich zwar nach dem Streitwert, kann aber für eine einzelne Aktgebühr anders zu bemessen sein, also derart, daß die Prozeßgebühr höher als die Beweis- oder die Urteilsgebühr usw. sein kann. Für einen bloß angekündigten Antrag sind noch keine Prozeßgebühren zu erheben, sofern der Anspruch noch nicht rechtshängig geworden ist (vgl. § 261). In der Rechtsmittelinstanz wird der Gebührenwert erst mit der Begründungs-(schrift) fixiert. Für Teilakte können 11

12

O L G München Z f V 1952, 4 1 5 ; K G J R 3 3 3 ; O L G Saarbrücken JB1. Saar 1965, O L G Bamberg 1971, 4 5 6 . O L G Frankfurt M D R 1973, 111, 2 3 5 ; Bremen JurBüro 1973, 1087; a M B G H 1973, 654, wenn nur die Gegenleistung im

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1971, 1077; 13

OLG NJW Streit

14 15

sei, aber mit der Begrenzung des Klagewertes; ebenso O L G Braunschweig N J W 1973, 1982. KG M D R 1954, 488. O L G Bremen JurBüro 1973, 1087. O L G Saarbrücken JB1. Saar 1965, 107.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§3

sich auch höhere Werte ergeben, etwa für die Gebührenberechnung von Vergleichskosten eines gerichtlichen Vergleichs, der die Klageanträge übersteigt. Eine aufgerechnete Forderung, die mit verglichen ist, nicht zu berücksichtigen 1 6 , geht nicht an. Bei einem Vergleich, der unstreitige Rechtsverhältnisse umgestaltet, ist das Interesse an der Umgestaltung mit bewertet worden. 1 7 b) Beschwerdewert. Von dem Erkenntnis ab wird der Beschwerdewert nach dem 1 9 Spruch bemessen (§§ 511 a, 546, 5 6 7 Abs. 2). Er kann sich voll mit dem Streitwert decken, wenn der Klage voll entsprochen, aber sie ganz abgewiesen wurde. Er kann den Streitgegenstand teilen bei teilweisem Zu- und Absprechen. Er kann aber auch den Streitgegenstand verändern oder doch anders festlegen. So wird der Streitgegenstand verändert, wenn nur ein Teil zum Urteilsgegenstand 2 0 gemacht wird, also bei bewußten Teilurteilen (§ 301), aber auch bei versehentlich übergangenen Ansprüchen (§ 321, vgl. auch ξ 716). Neben diesen Beschränkungen können indes auch Erweiterungen eintreten, etwa dadurch, daß das Gericht nach §§ 938, 3 0 8 Abs. 2 über den Antrag einer Partei hinausgeht; aber auch wenn das Gericht unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 über mehr als beantragt erkennt. Dazu gehört vom Standpunkt der Bewertung auch der Fall, daß das Gericht über 2 1 einen in sein Ermessen gestellten Betrag zu entscheiden hat, wenn der Kläger einen Mindestbetrag ausdrücklich genannt hatte und das Gericht darüber hinausgeht und zwar dann in Höhe des Erkannten. In der Rechtsmittelinstanz wird der Streitgegenstand als Beschwerdegegenstand 2 2 zunächst durch das Erkenntnis des Gerichts, das angefochten wird, umgrenzt, mag es dem Kläger mehr oder weniger, als er beantragt hat, zugesprochen haben. Der (Wider-)Kläger ist beschwert, soweit dem Klageantrag nicht entsprochen wurde und der Beklagte, soweit der Klage entsprochen wurde, seiner Aufrechnung nicht stattgegeben und seine Widerklage abgewiesen wurde. Von hier aus bestimmt die insoweit eingeschränkte Willkür des Rechtsmittelklägers im Rechtsmittelantrag die Entscheidungsgrundlage für die Rechtsmittelentscheidung. Der Rechtsmittelkläger darf in der Berufung- wie in der Revisionsinstanz den Antrag beschränken bzw. modifizieren (S 2 6 4 Nr. 2). D a s entsprechende gilt für den selbständigen Anschlußberufungs- und den selb- 2 3 ständigen Anschlußrevisionskläger. Soweit diese eine Rechtsmittelsumme wegen der Zulässigkeit des Rechtsmittels erreichen müssen, muß eine solche Beschwer jedenfalls erreicht sein. Ist das der Fall, so darf in der Berufungsinstanz sowohl das Klagebegehren erweitert, wie Widerklage erhoben oder auch aufgerechnet werden. Weder dies noch die unselbständigen Rechtsbehelfe berühren aber die Zulässigkeit des Rechtsmittels. Die Veränderung des Streitwertes als Beschwerdewert innerhalb der Rechtsmit- 2 4 telinstanz unter die Rechtsmittelsumme macht nur bei willkürlicher einseitiger Beschränkung des Rechtsmittelklägers noch das Rechtsmittel unzulässig. Auch die notwendigen Begründungsschriften ziehen dabei keine endgültige An- 2 5 tragsfixierung nach sich (vgl. §§ 5 1 9 Abs. 3 S. 1, 5 5 4 Abs. 3 S. 1). Allerdings kann der Rechtsmittelantrag auch eine endgültige Beschränkung durch Rechtsmittelverzicht herbeiführen. In die Rolle des Widerklägers kommt hier der Rechtsmittelanschlußkläger (§§ 521, 556), wobei allerdings die Zulässigkeit der Anschlußrevision 16

Vgl. OLG Celle Nds Rpfl. 1959, 109.

17

OLG Köln MDR 1963, 690.

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fristgebunden ist (§ 5 5 6 Abs. 1). Neue Aufrechnungen sind nur noch im Berufungsrechtszug (vgl. § 5 3 0 Abs. 2), nicht mehr in dem der Revision zulässig; abgesehen von denen, die nach § 7 1 7 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 4 geltend gemacht werden können. 26

Gebührenrechtlich wird bei den Rechtsmittelwerten bei einem ohne Antrag eingelegten Rechtsmittel von der vollen Beschwer ausgegangen, sofern und soweit nicht von vornherein oder innerhalb der Rechtsmittelbegründungsfrist die Rechtsmittelanträge beschränkt werden, 1 8 wobei auch die Beschränkung unterhalb der Rechtsmittelsumme zulässig ist. Wird kein besonderer Antrag gestellt, so gilt die volle Beschwer 1 9 .

27

Weiterhin sich ergebende Änderungen werden bei den Gebührenwerten berücksichtigt. Im besonderen darf der (Anschluß-)Rechtsmittelkläger sein Begehren noch bis zum Verhandlungsschluß erweitern. Es gilt gebührenrechtlich der gesamte Wert, wenn in vollem Umfange — selbst über den Antrag hinausgehend und unter Verstoß gegen § 5 3 6 — auf Zurückverweisung erkannt wird. Dabei können sich unterschiedliche Werte für die einzelnen Gebührenakte ergeben.

28

Im Gegensatz zum Rechtsmittelwert wird der Gebührenwert auch bei unzulässiger Antragserweiterung berechnet, und er errechnet sich auch nach dem den Antrag übersteigenden Erkenntnis. Bei der Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs ist der Wert, den diese für den Antragsteller hat, maßgebend. 2 0 2. Objektive Theorie

29

Die Bewertung des Streitgegenstandes hat nach der objektiven Theorie mit dem Bestimmungsrecht des (Wider-)Klägers nichts zu tun. Das Interesse des Klägers entscheidet über den Streitgegenstand, nicht aber über seinen Wert, wie die subjektive Theorie lehrt. Die subjektive Theorie vermischt den Streitgegenstand mit seiner Bewertung, nach der objektiven ist zunächst der Streitgegenstand, dann sein Wert festzustellen.

30

a) Anspruch. Das Klagebegehren wird im Klageantrag niedergeschlagen. Dabei geht es in der Regel um einen außerprozessualen Anspruch, ausnahmsweise um die Feststellung der Echtheit einer Urkunde (§ 2 5 6 ) . Er wird bewertet am Maßstab des Geldes, das im Wirtschaftssystem der westlichen Staaten eine gewisse Tendenz der Entwertung im Verhältnis zum „Herstellungs"aufwand zeigt.

31

Ist der Klageantrag auf einen Geldbetrag der Inlandwährung gerichtet, so entfällt damit die Umwertung in Geld, sei es, daß auf Herausgabe von Geld (-münzen oder -scheinen) als Zahlungsmittel geklagt wird, sei es, daß eine Geldforderung eingeklagt wird. Geht deshalb der Antrag auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme, so ist die Geldsumme — ihr Nennwert — der Streitwert 2 1 , bei Streit um eine Höchstbetragssicherungshypothek nach § 1 1 9 0 B G B ist es der Höchstbetrag; bei dem Streit

18

19 20

OLG Düsseldorf NJW 1962, 258; OLG Braunschweig Nds Rpfl. 1963, 150; OLG Celle NJW 1964, 359; OLG Hamburg M D R 1964, 514; OLG München NJW 1967, 59. OLG Köln VersR 1973, 89. OLG Hamburg NJW 1958, 1046; aM OLG Frankfurt NJW 1961, 735, sofern der Antrag-

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21

steller nicht das Begehren der Vollstreckbarerklärung ausdrücklich auf den ihm günstigen Teil beschränkt. Selbst wenn der Beklagte teilweise nicht bestreitet, OLG Neustadt Rpfl. 1959, 237; aM OLG Frankfurt M D R 1962, 992, aber er kann anerkennen.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

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um das Gläubigerrecht an einer Hypothek, wo nicht ihr Nennbetrag, sondern ihr Rang am Grundstück und dessen Wert bewertet wurde. Solche Bewertungen können dann leicht ins Negative führen. Auch kommt es nur auf den Nennwert an, wenn die Abtretung einer bereits verpfändeten Forderung verlangt wird. Auch bei der Übernahme von Hypotheken kann nur ihr Nennwert, nicht der Sachwert gelten. Maßgeblich ist sodann der im Klageantrag genannte Betrag, und zwar grundsätzlich unabhängig von der Klagebegründung, was der Ausdeutung der Rechtskraftwirkung der tenorierten Entscheidung entspricht. Ein ausdrücklich gestellter Klageantrag ist deshalb auch dann Streitgegenstand, wenn ihm materiell keine selbständige Bedeutung zukommt, und der tatsächliche Umfang des Streits der Parteien ist dabei bedeutungslos. Beruht indes der bezifferte Klageantrag nach der Begründung auf einem offenba- 3 2 ren (§ 319) Versehen des Klägers, einem offenbaren Schreib- oder Rechenfehler, der nach § 139 richtigzustellen ist, so gilt nur das offenbar gemeinte, nicht das bloß unrichtig ausgedrückte. 2 2 Doch gehört zu dem Begriff des Offenbaren, daß auch der Kläger dieser Ansicht ist, also nicht, wenn über seinen Rechenfehler gerade entschieden werden soll. Dies gilt für bezifferte wie für sonstige Leistungs- oder Gestaltungsklagen, wenn 3 3 das formulierte Leistungs- oder Gestaltungsbegehren offenbar unrichtig zusammengefaßt oder so bezeichnet ist. Aber auch sonst ist der Klageantrag durch die Begründung auszudeuten. Aber nicht umzudeuten, wenn er in sich klar ist oder der Kläger ihm eine Erklärung gibt; m a g diese auch mit der Bestimmung des allgemeinen Sprachgebrauchs nicht übereinstimmen, sofern man sie nur so verstehen kann und nach der nach § 139 erforderlichen Aufklärung so verstehen muß. All diese Unrichtigkeiten sollten vor Verhandlungsschluß bzw. vor Erlaß der Entscheidung klargestellt werden. Wird der Klageantrag vom Kläger nicht fest umgrenzt, sondern seine Höhe in 3 4 das Ermessen des Gerichts gestellt, so wird die Höhe danach bewertet, was dem Gericht als angemessen erscheint. Wird ein Betrag zugesprochen, so ist es dann dieser, sofern keine Mindestangaben gemacht wurden 2 3 . Wird der Anspruch dem Grunde nach abgesprochen, so wird er geschützt. 2 4 Verlangt der Kläger eine Mindestsumme, so ist der darüber hinausgehende Wert 3 5 — soweit die Bemessung in das Ermessen des Gerichts gestellt ist — nicht zu berücksichtigen, 2 5 wenn nur auf die Mindestsumme erkannt wird. 2 6 Unter der vom Kläger herausgestellten Mindestsumme kann jedenfalls der Streitwert nicht liegen. 2 7 Ist vom Kläger keine Mindestsumme genannt, so ist Streitgegenstand das, was der Kläger billigerweise zugesprochen erhalten würde, wenn seine, sein Begehren begründenden Behauptungen zutreffen würden 2 8 , d. h. also das, was der Normalbeurteiler, der dazu in der Lage ist, ihm zusprechen würde. Insoweit wird der Anspruch praktisch rückwirkend bestimmt, indem man von dem vom Gericht zugesprochenen Wert ausgeht, 2 9 der übrigens auch dann anzunehmen ist, wenn das Gericht über 22 23 24 25 26

OLG Frankfurt Rpfl. 1963, 95. OLG München VersR 1974, 347. OLG Frankfurt JurBüro 1973, 443. KG VersR 1969, 1119; KG MDR 1973, 146. Nach OLG Schleswig 1972, 613; KG MDR 1970, 152 ist dies die untere Grenze; OLG Frankfurt MDR 1971, 768 hat höher bewertet.

27 28

29

OLG München NJW 1961, 1122. OLG Neustadt NJW 1960, 2294; KG VersR 1969, 1120. BGH VersR 1965, 48; KG N J W 1966, 257; OLG Köln NJW 1963, 659; ähnlich OLG Frankfurt VersR 1965, 295, das auf die Vergleichssumme abstellt.

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1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

die vom Kläger genannte Mindestsumme hinausging. Häufig hat man sich nach der Bezifferung des Klägers in der Begründung gerichtet. 3 0 36

Wird abgewiesen, so ist der Wert der, welcher zuzusprechen gewesen wäre, wenn der Grund des Anspruchs gegeben wäre. Wird teilweise, etwa nach Quoten auf Grund des § 2 5 4 BGB zuerkannt, so ist von dem vollen Wert auszugehen, sofern nicht der Kläger von vornherein nur eine Quote gefordert hat und diese zugesprochen wurde; sonst ist die Quotendifferenz hinzuzusetzen, wenn die Quote unterschritten wurde. Bei Begrenzung auf eine Höchstsumme wird von dieser auszugehen sein. Die Problematik ist im besonderen bei Schmerzensgeldansprüchen hervorgetreten. 3 1

37

Auch sonst kann ausnahmsweise die Begrenzung des Streitgegenstandes durch das Gericht vorgenommen werden, etwa wenn der Kläger überhaupt keinen Antrag stellt und auch nicht zu erkennen gibt, was er will. 3 2 Aber auch, wenn er bei einer negativen Feststellungsklage den Umfang bestimmt abgrenzt. Wenn auch in diesen Fällen zu einer Willkür des Gerichts kein Anlaß besteht, so ist doch nach freiem Ermessen der Streitgegenstand vom Gericht selbst zu bestimmen (§ 3 in entsprechender Anwendung). Doch sind diese Fälle selten, da grundsätzlich von der angemessenen Begrenzung des Streitgegenstandes auszugehen und dann nur der Wert dafür zu bemessen ist bzw. nach § 139 die Parteien zu befragen sind.

38

b) Wirtschaftlicher Wert. Bewertet wird nur der Streitgegenstand, nicht etwa der wirtschaftliche Wert, den die Klage, wenn sie durchdringt, dem Kläger bringt. Ob der Kläger in der Lage ist, sich den Streitgegenstand durch Zahlung eines geringeren Teils des Wertes zu verschaffen oder er umgekehrt anderweit den Streitstand nur mit besonders hohen Aufwendungen bereinigen könnte, ist gleichgültig.

39

Danach muß es gleichgültig sein, ob der Kläger einen positiven oder einen negativen Anspruch verfolgt, maW, die Parteirolle kann insoweit nicht über den Wert entscheiden, wie ja auch für den negativen Streit wie für den positiven derselbe Gegenstand rechtskraftmäßig in gleicher Weise festgelegt wird und deshalb auch gleich zu bewerten ist. 3 3 Stellt er es bei dem negativen Begehren auf ein Verhalten des Beklagten ab, so wird dessen außerprozessuales Begehren Streitgegenstand und ist als solches zu bewerten; nicht aber das Interesse, das der Kläger daran hat, daß der Beklagte es nicht außerprozessual begehrt.

40

Auch bei diesen negativen Klagen entscheidet die Willkür des Klägers über den Klageantrag. Streitgegenstand ist deshalb der vermeintliche Angriff des Beklagten, selbst wenn dieser ihn in vollem oder teilweisem Umfang leugnet, 34 oder wenn er sich in größerem Umfange berühmt, als dies der Kläger mit seinem Antrag zur Entscheidung stellt.

41

Der Streitgegenstand der negativen Feststellungsklage deckt sich also mit dem positiven Begehren des Beklagten, sofern er Kläger wäre 3 5 ; also bei der bezifferten 30

31 32 33

O L G München N J W 1961, 1122; O L G Frankfurt M D R 1957, 173; OLG Stuttgart N J W 1961, 81; O L G Celle N J W 1962, 1 7 7 8 ; O L G Frankfurt M D R 1953, 173 hat bei genannter Mindestsumme den 1 'Afachen Wert angenommen. Vgl. O L G Köln M D R 1973. O L G Kiel 1 9 7 1 , 3 1 9 . O L G Stuttgart Rpfl. 1960, 3 4 9 .

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34

35

R G Z 71, 69, O L G Düsseldorf JMinBl. N R W 1956, 176; weitere Nachweise vgl. 1. Auflage. BGH N J W 1970, 2 0 2 5 ; B G H Z 2, 2 7 6 = N J W 1951, 801; BAG N J W 1961, 2 1 3 3 ; O L G München M D R 1963, 144; O L G Frankfurt N J W 1963, 354; a M O L G Karlsruhe Justiz 1969, 43; O L G Celle N J W 1962, 1065; weitere Nachweise vgl. 2. Aufl. Β I I b 1.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

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negativen Feststellungsklage mit der Bezifferung. O b die Bezifferung des Beklagten sich im Laufe des Streits verringert, ist gleichgültig, wenn der Kläger die höhere Bezifferung für erledigt erklärt. Auf die bloß unverbindliche Schätzung des Beklagten kommt es nicht an, wenn nicht gerade der Wert seiner Berühmung selbst Klagegegenstand ist. Berühmt sich der Beklagte eines Erfüllungsanspruchs, so hat das Gericht den Sachwert zu bewerten und die Wertung des Beklagten ist ohne Belang. Zu den zurückbezogenen Klagen gehören auch die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen, die gegen Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien gerichtet sind. Hier ist die Aufrechterhaltung des angefochtenen oder nichtigen Beschlusses im Streit, weil allein darüber zu entscheiden ist. Die frühere Rechtsprechung, wonach auf das Interesse des Anfechtenden abgestellt wurde, war deshalb im Aktienrecht überholt. 3 6 Jetzt gilt § 2 4 7 Abs. 1 A k t G 3 7 mit der aus § 2 4 7 Abs. 1 S. 2 AktG bestimmten Höchstgrenze. Diese „wie es Euch gefällt"-Klausel für die Gerichte wirkt sich streitwertmäßig nur deshalb nicht aus, weil in jedem Falle das L G als Gericht des ersten Rechtszugs mit Berufungs- und (z. Z t . noch) Revisionsmöglichkeit erreicht wird. Der Einschnitt wirkt nur gebührenwertmäßig zugunsten der Aktiengesellschaften, wie sich aus ξ 2 4 7 Abs. 2, 3 A k t G ergibt. Das entsprechende gilt für die Gewerkschaften des Bergrechts, für die GenossenSchäften, die Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit und die sonstigen juristischen Personen des Wirtschaftsrechts. Im Gegensatz zu der Norm des § 2 4 7 Abs. 1 AktG steht noch die Bewertung der negativen Klagen gegen nicht wirtschaftlich ausgerichtete, juristische Personen (die ideellen Vereine) und gegen die Personalgesellschaften, also die Gesellschaft (§§ 7 0 5 ff BGB), die Gemeinschaft (§§ 7 4 1 ff B G B ) , die O H G ( S S 1 0 5 ff H G B ) , die K G ( S S 1 6 1 ff H G B ) , die Reederei ( S S 4 8 4 ff H G B ) . 3 8

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Bei der Warenzeichenverletzungsklage wird in die Waagschale geworfen: der Umsatzrückgang 3 9 , der Verlust eines Teiles der Kunden 4 0 , die Gefahr des Verlustes der Weltgeltung des Warenzeichens, 4 1 der Reingewinn 4 2 ; die Rechtsprechung hat auch frei geschätzt. 4 3 Dabei ist insoweit nicht — allein — das Interesse des Beklagten an dem Unterlassen einer Veröffentlichung zu bewerten; keinesfalls darf es auf die Druckkosten allein abgestellt werden. 4 4 Für den abgewiesenen Unterlassungskläger ist Streitwert, was sich ergeben würde, wenn der Klage stattgegeben worden w ä r e . 4 5

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Im Wettbewerbsstreit wurde der Streitwert nach der Beeinträchtigung in der Regel nach dem Jahresumsatz der vom Wettbewerbsangriff betroffenen Erzeugnisse bemessen. 4 6 Im Geschmacksmusterverletzungsstreit wurden die Laufzeit des Schutzrechts, die Umsätze beider Parteien, die Form und der Umfang der Werbung bewert e t . 4 7 Im Patent-, Gebrauchsmuster- und Warenzeichenrecht ist bei Popularklagen der Wert des Patents, des Gebrauchsmusters oder des Warenzeichens zu berechnen, den es in der Hand eines Gewerbetreibenden hat. Im unlauteren Wettbewerb (vgl.

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R G Z 1 5 7 , 6 1 ff. Mit der relativen Ermäßigung für den Gebührenwert nach § 2 4 7 Abs. 2, 3 AktG. Bei Klagen auf Vernichtung eines Patents vgl. 2 . Aufl. Β I I b 1. Bei Angabe der Umsätze beider Parteien, O L G Celle DB 1 9 6 2 , 1 5 6 5 ; O L G Nürnberg W R P 1958, 256. O L G Düsseldorf W R P 1 9 6 2 , 2 4 ; O L G Celle DB 1962, 1565. O L G Celle Nds Rpfl. 1 9 6 0 , 1 0 7 .

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O L G Frankfurt G R U R 1 9 5 0 , 2 2 7 f. KG G R U R 1 9 5 3 , 4 0 6 ; O L G München G R U R 1955, 260. O L G H a m m JMinBl. N R W 1 9 5 4 , 1 7 7 . Vgl. K G G R U R 1 9 5 3 , 4 0 6 ; O L G Düsseldorf W R P 1 9 6 2 , 2 4 hat, wenn ein Minderkaufmann eine Wettbewerbshandlung unterlassen sollte, den Streitwert auf 5 0 0 0 D M bemessen. O L G München AnwBl. 1 9 6 3 , 5 5 . O L G Karlsruhe G R U R 1 9 6 0 , 6 9 1 .

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1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

§ 13 UWG) k o m m t die Bewertung der Handlung gegenüber den gesamten Wettbewerbern in Betracht. 4 8 Die Rechtsprechung hat nach dem Interesse der Mitglieder eines solchen Verbandes 4 9 und bei gemeinnützigen Verbänden unter dem Gesichtswinkel der „Allgemeinheit" 5 0 gewertet. 45

Dementsprechend wurde bei Vertriebsbindungsverstößen die Gefährlichkeit für den Bindenden hoch bewertet. 5 1 Auch für wiederholte Verfahren ist der Streitwert nicht mit Rücksicht auf ein vorangegangenes geringer. 5 2 Bei befristeten Unterlassungsklagen ist wegen einer „zurückreichenden" Feststellungswirkung diese bei der Streitwertmessung mit einbezogen und davon ein Abstrich von 2 0 % gemacht worden.53

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Begehrt der Kläger die Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrages, so entspricht dem streitwertmäßig die entgegengesetzte Klage des Beklagten auf Feststellung des bestehenden Vertrages, d. h. zu bewerten sind die Leistungen, welche der Kläger erhält, wenn er obsiegt, maW, die er zurückfordern darf bzw. von denen er freigestellt w i r d 5 4 , wobei sein Gesamtinteresse an der Vertragsbeseitigung zu berücksichtigen ist. Dazu gehört auch der an Stelle der Leistung gegen den Kläger erwachsene Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung, der im Falle der Wirksamkeit des Vertrags bestehen würde und, wenn der Besitz einer Sache herausverlangt wird, ihre Bewertung nach § 6 . 5 5 3. Abstrakte Wertung

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Den Streitgegenstand bestimmt grundsätzlich der Kläger, seinen Wert die Öffentlichkeit (bisweilen der Staat selbst) und an ihrer Stelle das Gericht. Da es sich um vermögensrechtliche Ansprüche handelt, m u ß ihr Wert schätzbar sein. 5 6 § 3 gibt dem Gericht keine Befugnis zu schätzen, w o nichts zu werten ist, der Wert etwa staatlich festgelegt ist. Doch ist jede abstrakte Wertung nur die angenommene Verwirklichungsmöglichkeit. 5 7

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a) Gesellschaftsverhältnisse. Dahin gehört auch die Bewertung von Gesellschaftswerten, w o nicht der Nominalwert der Aktien, des GmbH-Anteils im Streit, sondern deren Verkehrswert es ist. Bei dem Ausschluß eines Gesellschafters aus einer nicht ideellen Gesellschaft ist sein Anteil Streitgegenstand; dies gilt auch für den Genossen einer Genossenschaft 5 8 ; O L G H a m m 5 9 will den Schaden bewerten, der den anderen Gesellschaftern entsteht, wenn der Ausschluß nicht durchgesetzt wird. Der B G H 6 0 machte wegen des § 9 Abstriche, weil der Betroffene schon hoch betagt war. Bei der Übernahme einer O H G hat O L G Frankfurt 6 1 den letzten Jahresumsatz als Streitwert angenommen. Ging es nur um die Löschung eines ausgeschie48

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OLG Oldenburg NJW 1967, 2211; OLG Düsseldorf AnwBl. 1970, 232; OLG München WRP 1962, 218; a M OLG München WRP 1974, 170. OLG Hamburg GRUR 1952, 62. BGH NJW 1967, 2402; OLG Düsseldorf NJW 1966, 987; OLG Karlsruhe WRP 1968, 229. In all diesen Fällen ist aber materiell-rechtlich das Kartellrecht zu beachten. OLG Frankfurt WRP 1969, 118; OLG Hamburg WRP 1967, 25 hat bei Rabattverstößen einen Streitwert von 2000,— D M angenommen; OLG Frankfurt WRP 1971, 87 will großzügiger werten.

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BGHZ 52, 2 = NJW 1969, 1117. OLG Koblenz NJW 1953, 1918. Zur Wirksamkeit eines Vergleichs, vgl. 2. Auflage Β II b 1. Vgl. R G Z 10, 321; OLG Bremen NJW 1960, 2247. Zur Umwertung in inländisches Geld vgl. 2. Aufl. Β III a. OLG München G m b H Rundschau 1957, 43, das dessen Anteil als Höchstgrenze wertet. OLG Hamm Rpfl. 1962, 222. BGHZ 19, 172 = NJW 1956, 182. OLG Frankfurt JR 1950, 731.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§3

denen Kommanditisten im Handelsregister, so hat O L G K ö l n 6 2 das Interesse des klagenden, persönlich haftenden Gesellschafters am Beteiligungsverhältnis gewertet. 6 3 b) Kurswerte. Soweit für Gegenstände gesetzliche Höchst-, Mindest- oder Riehtpreise bestehen, darf das Gericht sich über die dadurch gesetzten Grenzen nicht hinwegsetzen. 6 4 Gesetzliche Bindungen können sich aus der Beschränkung auf das (Devisen-) Inland ergeben. Ausländisches Geld oder Forderungen sind in inländisches Geld uU nach amtlich vorgeschriebenen Maßstäben umzuwerten; bei freiem Markt nach ihrem Nennwert in ausländische Währung unter Umrechnung nach dem Wechselkurs 6 5 ; wie überhaupt — auch inländische — Fremdwährungsschulden nach dem Kurswert im maßgeblichen Bewertungszeitpunkt zu berechnen sind. 6 6

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Bei Sachwerten am Ort fremder Währung kommt es auf ihren inländischen Wert 5 0 an, der zu errechnen ist. Abgesehen von besonderen Normen ist der gemeine Verkehrswert 6 7 festzusetzen; 5 1 nicht der steuerliche Einheitswert eines Grundstücks; 6 8 nicht der Liebhaberpreis, d. h. die auf eine einzelne Person oder einen ungewöhnlichen Umstand sich beziehende Bewertung; ebensowenig sind die besonderen Interessen des Beklagten zu bewerten, auch wenn er Rechtsmittelkläger ist. Berücksichtigt wird nur der inländische Markt und der Preis in inländischer Währung. Bei örtlichen Verschiedenheiten im Lande ist der bestmögliche Preis zu Grunde zu legen, der uU durch Versendung an einen anderen Ort unter Abzug der Versendungskosten erzielt werden kann. Wo ein Gegenstand aber nicht hingebracht werden kann (also bei unbeweglichen Sachen) oder darf (also bei bestimmten gesetzlichen Verboten), da darf eine solche Ortsänderung auch nicht in Ansatz gebracht werden. Bei marktgängigen Waren wird sich der Wert der Ware aus dem im Handelsverkehr üblichen Preis bestimmen lassen.

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Bei Wertpapieren ist der Kurswert maßgebend. Gleichzeitig herausverlangte Gewinnanteilsscheine sind Ansprüche auf Früchte. Bezugsrechte sind im Kurswert enthalten. Soweit es um die Enteignungsentschädigung geht, kommt allerdings nur der Wert im Zeitpunkt, wo die Entschädigung zu bewerten ist, in Betracht. 6 9

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c) Mittelwerte. Auszugehen ist dabei von dem Mittelwert des Gegenstandes ohne Rücksicht auf das subjektive Interesse des Klägers. Von den Fällen des § 6 Abs. 1 S. 2 abgesehen, spielt das wirtschaftliche Interesse des Klägers keine Rolle, denn nicht dieses, sondern der Streitgegenstand ist zu bewerten.

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Bei einer Rentenforderung ist nicht abzusetzen, was infolge Regresses von einem 5 6 Dritten ersetzt verlangt werden darf. Bei Forderungen setzt § 6 Abs. 1 S. 2 voraus, daß stets von ihrem Nennwert auszugehen ist. 7 0 Es ist deshalb auch gleichgültig, ob die Forderung nach Beendigung des Prozesses beitreibbar ist. 7 1 62

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O L G Köln D B 1 9 7 1 , 1 0 5 5 . Für den Fall des § 1 4 8 K O . O L G Neustadt M D R 1 9 5 8 , 7 8 0 . KG J R 1 9 4 9 , 4 7 7 . L G Berlin J R 1 9 5 0 , 5 8 für die Umrechnung von Ost- zu Westmark. D. h. es ist zu werten, wie jedermann werten würde, der die allgemeinen Verhältnisse kennt. O L G Frankfurt M D R 1 9 6 0 , 5 0 7 , das aber bei einem Mietwohngrundstück nicht den Verkaufs-

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wert, sondern einen Mittelwert zwischen Gebäude·, Boden und Ertragswert errechnet. Wobei B G H Z 2 8 , 1 6 0 = N J W 1 9 5 9 , 1 4 8 bei nicht ordnungsmäßiger Entschädigung die inzwischen eingetretene Wertsteigerung hinzugesetzt. Doch will B G H N J W 1 9 6 2 , 1 2 4 8 bei hohem Alter nicht § 9 anwenden. Doch hat O L G H a m m Rpfl. 1 9 5 5 , 2 0 , wenn auf Feststellung der Übertragung einer Forderung,

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Ob auf Erfüllung, Leistung oder Duldung geklagt wird, ist gleich zu bewerten. Bei der Klage gegen den besitzenden Nichteigentümer auf Duldung der Vollstrekkung in ein Grundstück ist der Grundstückswert Streitwert. 7 2 Deshalb ist es auch gleichgültig, ob die Räumung oder die Verpflichtung zur Erhebung der Räumungsklage im Streit ist. 7 3

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Voll bewertet wird auch, wenn auf Befreiung von einer Schuld geklagt wird. Auch wenn ein ausscheidender Gesellschafter auf Befreiung von den Gesellschaftsschulden klagt, ist die Summe dieser Streitgegenstand. Bei der Klage des Mitgesellschafters einer O H G gegen einen anderen geschäftsführenden Gesellschafter darauf, daß dieser den der Gesellschaft entstandenen Schaden allein zu tragen habe, ist der Nennbetrag des Schadens ohne Abzug des Anteils des beklagten Mitgesellschafters an der Gesellschaftsschuld als Streitwert zugrundezulegen. Bei der Freistellung von einer Unterhaltspflicht hat der BGH frei geschätzt. 7 4

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Dasselbe gilt für Befreiungsansprüche der Bürgen. 75 Soll eine Bürgschaftsverbindlichkeit festgestellt werden, so kommt es nicht darauf an, in welchem Umfange der Bürge voraussichtlich die Hauptschuld abdecken muß, sondern auf die verbürgte Hauptschuld. 7 6 Bei Freistellung von einer Bürgschaft ist Streitwert die Höhe der Forderung, von der der Bürge freigestellt werden will. 7 7

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Auch ist es ohne Belang, ob der Kläger den Klagegegenstand für sich allein oder für sich und andere (vgl. § 2039 BGB) oder nur für andere fordert. Im Verhältnis Dritter zu Miterben ist die gesamte Sache im Streit; 78 als Streitwert einer Erbteilungsklage hat der BGH 7 9 den vollen Aktivnachlaßwert angenommen; war nur die Auseinandersetzung, beschränkt auf einige Grundstücke im Streit, so war nur dieser Wert, ohne Abzug der Miterbenquote des Klägers, zu bewerten; 8 0 OLG Celle 81 hat bei Zustimmung zur Auseinandersetzung die ganze Masse; BGH 8 2 bei der Klage eines Miterben gegen einen anderen auf Mitwirkung bei der Auflassung an einen Dritten; OLG Koblenz 8 3 bei der Klage auf Beseitigung des Vorbehalts der Rechte für einzelne Mitglieder der Erbengemeinschaft im Ausschlußurteil nach § 927 BGB den vollen Grundstückswert als im Streit befindlich angesehen. Der Streitwert für eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Rücktritts vom Erbvertrage ist der volle Wert des Vermögens. 84 Geht es im Streit um die Veräußerung eines Nachlaßgrundstücks zwischen Vor- und Nacherben, so ist der Grundstückswert Streitgegenstand. 8 5 Anders ist dies, wenn in das Innenverhältnis eingedrungen wird, also bei Klagen innerhalb einer Erbengemeinschaft. 8 6 Andererseits muß der Miterbe die gesamte Summe hinterlegen, so daß seine Quote nicht absetzbar ist. 8 7

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deren Beitreibung zweifelhaft war, geklagt wurde, nicht den Nennwert der Forderung gelten lassen. Z u m Streitgegenstand bei einer Vollstrekkungsgegenklage vgl. 2. Aufl. Β III b 1. BAG NJW 1969, 1173. AM LG Hagen M D R 1962, 742: die letzte sei geringer zu bewerten. BGH NJW 1974, 2128. Vgl. OLG Karlsruhe AnwBl. 1973, 168. BGH NJW 1962, 2195. OLG Karlsruhe AnwBl. 1973, 168. OLG Düsseldorf M D R 1962, 912, bei der Auflassungsklage Dritter gegen einzelne Miterben; OLG Hamburg Rpfl. 1951, 633: wenn ein Miterbe den gesamten Nachlaß an einen Dritten

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zwecks Verteilung herausgeben soll, mag auch ihm selbst dann wieder ein Teil zugeteilt werden müssen. BGH N J W 1962, 914. BGH NJW 1969, 1350. OLG Celle Rpfl. 1 9 6 1 , 2 1 1 . BGH NJW 1956, 1071. OLG Koblenz NJW 1962, 1162. AM OLG Celle NJW 1962, 540: % des reinen Vermögens. A M OLG Schleswig SchlHA 1968, 286. Abweichend BGH NJW 1969, 1350, wenn es um die Auseinandersetzung bestimmter Grundstücke ging, keine Quote absetzend. A M BGH NJW 1966, 443.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§3

Klagt ein Miterbe gegen einen anderen auf Auflassung eines Grundstücks, so ist der eigene Miterbenanteilwert abzusetzen. 8 8 Ebenso ist es, wenn auf Hinterlegung einer Forderung gegen einen Miterbenschuldner in voller Höhe geklagt wird. Denn kein Miterbe darf über seinen Anteil an einzelnen Nachlaßgegenständen verfügen ($ 2 0 3 3 Abs. 2 BGB). Bei der Klage auf Anerkennung des Pflichtteilsrechts ist Streitgegenstand der 6 1 Wert des Pflichtteils, bei der Ergänzung des Pflichtteils eines Miterben indes nur die Differenz des Pflichtteils und des zugewiesenen Erbteils. Außerhalb der übrigen Erben stehen die unehelichen Kinder mit dem Erbersatzanspruch nach §§ 1934 ff BGB und die Pflichtteilsberechtigten. Auch ist bei einer Klage um die Ausgleichungspflicht diese im Streit, wenn man 6 2 nicht annimmt, daß diese nur im Verhältnis zum Kläger wirkt. 8 9 Geht es um die Erbunwürdigkeit des Beklagten, so ist dessen Anteil im Streit. 9 0 D a s entsprechende muß dann auch für die Klage auf Nichtigkeit eines Testaments gelten. Für andere Gesellschaften des bürgerlichen (§§ 705 ff BGB) oder des Handels- 6 3 rechts (§§ 105 ff, 161 ff HGB) zur gesamten Hand, die Gütergemeinschaften ( S S 1415 ff BGB) und die Gemeinschaften ( S S 741 ff BGB) gilt das entsprechende für Gesamthand 9 1 wie für Gesamtgläubiger (§ 4 2 8 BGB). Auf das ihr wirtschaftliches Interesse begründende Innenverhältnis, die eigene Berechtigung an der geforderten Leistung (vgl. S 4 3 0 BGB), kommt es grundsätzlich nicht an. Z u Unrecht hat auch B G H 9 2 bei der Klage auf Aufhebung der fortgesetzten Gütergemeinschaft den Streitwert auf einen Bruchteil („etwa die Hälfte") des Anteils des Abkömmlings am Gesamtgut bemessen. Denn durch eine solche erfolgreiche Klage wird zu Lasten aller Beteiligten das Ende der fortgesetzten Gütergemeinschaft herbeigeführt. Wenn man bei Aufhebung einer Gütergemeinschaft unter Ehegatten nur zur Hälfte bewertet, wird man bei der fortgesetzten Gütergemeinschaft allenfalls den Anteil des auf Aufhebung klagenden Abkömmlings abziehen dürfen. 9 3 Bei der Klage auf vorzeitigen Zugewinnausgleich hat der B G H 9 4 ein Viertel des Zugewinns als Streitwert festgesetzt. Bei der Ausschlußklage sollte aber nur der Anteil des Auszuschließenden bewer- 6 4 tet werden. 9 5 Auch gestattet S 3 nicht, bei einer Klage auf Übernahme einer O H G einen Streitwert von einem Jahresumsatz 9 6 der Bewertung zugrundezulegen. Bei der Ausschlußklage gegen einen Gesellschafter einer G m b H hat O L G N e u s t a d t 9 7 den Streitwert nach dem Wert der verbleibenden Geschäftsanteile bemessen. Entsprechend wird auch bei der Gesamtschuldnerschaft ( S 4 2 1 BGB) nicht das 6 5 Ausgleichungsrecht des Gesamtschuldners abgesetzt ( S 4 2 6 BGB), selbst wenn in erster Instanz ebenfalls verurteilte andere die Gesamtschuld auf Grund des Erkennt88

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BGH NJW 1972, 909; aM BGH MDR 1954 Β 593/54, wenn ein Miterbe auf Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrags der Erbengemeinschaft klagt. So wohl BGH Rpfl. 1957, 247. BGH NJW 1970, 197 unter Aufgabe von BGH MDR 1959, 929, wonach der Vorteil des Klägers, der sich so ergeben konnte, als Streitgegenstand angesehen wurde. SS 432, 2039 BGB: OLG Düsseldorf MDR 1962, 912; OLG München NJW 1965, 258: die

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volle Forderung und bei der Klage gegen Dritte bewertet. BGH NJW 1973, 50. Der überlebende Gatte kann sie von sich aus aufheben; bei dem Ausschluß eines Abkömmlings ist nur dessen Anteil im Streit. BGH NJW 1973, 369. AM BGHZ 19, 172. So OLG Frankfurt JR 1950, 731. OLG Neustadt MDR 1964, 604.

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nisses bezahlt haben. Wird gegen mehrere als Gesamtschuldner in einer Klage geklagt, so wird der Streitgegenstand nur einmal bewertet. 66

Wird auf den Fortbestand einer Versicherung geklagt, so ist die Versicherungssumme Streitgegenstand, nicht der Rückkaufswert. Bei dem Streit um das Recht einer Krankenversicherung ist die gesamte Versicherungsleistung im Streit. 9 8 Wird auf Abschluß einer Lebensversicherung geklagt, so ist, wenn der Versicherer klagt, die Leistung des Schuldners nach § 9 zu kapitalisieren. Bei dem um Versicherungsschutz gegenüber einer Unfallrente nach § 823 BGB hat dagegen der B G H " nicht nach § 9 bewertet, sondern nach § 3. 67 Im Deckungsprozeß entspricht der Streitwert dem Anspruch, der gegen den Versicherten geltend gemacht wird bzw. werden kann. 1 0 0 Ist die Klage des Verletzten gegen den angeblich Versicherten rechtskräftig abgewiesen, so hat der Versicherer allenfalls noch für die Kosten des Prozesses einzustehen, sodann sind diese Streitwert. Umstritten ist, ob der Streitwert des Deckungsprozesses sich im übrigen nur nach den berechtigten Ansprüchen des Geschädigten 1 0 1 oder nach den von ihm im Prozeß erhobenen 1 0 2 richtet und ob dann nach § 3 zu schätzen ist. Geht man davon aus, daß der Versicherte im Rahmen der Versicherungssumme vollen Schutz zu beanspruchen hat, darf er nicht durch Minderbewertung eines noch nicht fixierten Anspruchs des Geschädigten in seinem Rechtsschutzbedürfnis gegenüber dem Versicherer beschränkt werden, d. h. sein Anspruch auf Deckung muß im Rahmen des vom Geschädigten geltend gemachten bzw. noch möglicherweise in un verjährter Zeit geltend zu machenden Anspruchs bis zur Grenze der Versicherungssummen bewertet werden; wobei streitwertmäßig es nur auf die Erreichung der Rechtsmittelsummen ankommen kann. Bei der Bewertung von Rentenansprüchen kommt aber dann auch für den Deckungsprozeß § 9 zum Zuge; wobei für § 3 kaum Raum bleibt 1 0 3 , im besonderen, wenn schon der Schadensersatzprozeß als Leistungsprozeß schwebt, zumal es sich bei dem Deckungsprozeß um eine Freistellung und um keine Feststellung handelt. 1 0 4 68

Bei der Klage über Abschluß eines Darlehensvertrages oder auf Darlehensgewährung kommt der volle Wert des Darlehens in Betracht, 1 0 S mag es auch hypothekarisch sicherzustellen sein. Unberücksichtigt bleibt, ob etwa das zu leistende Geld endgültig im Vermögen des Klägers verbleibt oder wieder zurückzuzahlen ist. Bei bedingten Forderungen hat man dementsprechend zu unterscheiden, ob bei aufschiebenden Bedingungen der Eintritt der Bedingung gewiß, nur der Zeitpunkt ihres Eintritts ungewiß ist oder ob der Eintritt selbst ungewiß ist. Im ersten Falle ist die Rechtslage dieselbe wie bei der betagten Forderung 1 0 6 , im letzten Falle dagegen ist die Ungewißheit des Eintritts zu bewerten, was zur Anwendung des § 3 führt. Ist dagegen ein Recht nur noch für bestimmte Zeit in Kraft, so ist dieser Wert zu berücksichtigen, 107 während bei der 98 99 100

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OLG Hamburg VersR 1952, 362. BGHZ 1, 43; BGH NJW 1952, 546. OLG München VersR 1968, 1083; OLG Nürnberg AnwBl. 1967, einschließlich der Prozeßkosten: OLG Nürnberg VersR 1968, 977. Vgl. OLG Bremen MDR 1957, 560. OLG Frankfurt JB 1962, 423. Abweichend BGH NJW 1952, 544; OLG Nürnberg VersR 1959, 423; mit Abstrichen bei der positiven Feststellungsklage BGH NJW 1965, 979.

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AM OLG Köln VersR 1964, 1261; OLG Nürnberg JB 1970, 305; OLG Hamm MDR 1974, 590 hat zu Unrecht einen Höchstwert von 5000 DM angenommen. 1 0 5 BGH NJW 1959, 1493; OLG Köln JMinBl. 1960, 112. 106 ·\}(ί0 a | s o nicht frei geschätzt werden darf. 1 0 7 BGHZ 52, 2 = MDR 1969, 4 7 4 bei einer befristeten Unterlassungsklage. 104

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negativen Feststellungsklage der Nennwert Streitwert ist, wenn eine Hypothek auch nur unter bestimmten Bedingungen zu zahlen ist. Bei auflösenden Bedingungen ist dagegen wie bei einer alsbald zurückzuzahlen- 6 9 den Forderung die Bedingung außer Bewertung zu lassen. Wird der Besitz einer Sache betagt oder bedingt in Anspruch genommen, dann wird regelmäßig nur das Recht zum Besitz getroffen, nicht der Besitz selbst. Bei der Wertbemessung kommt es also auch nicht auf Bedingung oder Betagung des Rechts zum Besitz und die damit verbundene Zeitdauer des Besitzes an. Der Anspruch auf Rückübergang eines Grundstücks wird nach dem Verkehrswert des Grundstücks auf Grund des Sachoder des Ertragswertes nach der Marktlage unter Heranziehung von Vergleichspreisen bestimmt. 1 0 8 Deshalb sind auch Forderungen auf nur vorläufige Sicherung voll zu bewerten, 7 0 wie die Eintragung einer Vormerkung. Das entsprechende muß für die Löschung der Auflassungsvormerkung gelten. 1 0 9 Bei der· Löschung einer eingetragenen Last sollte nur deren (Nominal-)Wert in Betracht gezogen werden. 1 1 0 Bei der Sicherung einer Bauforderung durch Vormerkung auf dem Wege der einstweiligen Verfügung hat OLG Neustadt 1 1 1 nur einen Teilwert angenommen. Das entsprechende gilt für die Löschung eines Widerspruchs. 1 1 2 Auch bei Verfü- 71 gungsverboten oder -erlaubnissen ist der volle Wert des Vermögens (Guthabens) maßgebend. 1 1 3 Dasselbe gilt für die Klage auf Einholung einer vormundschaftlichen Genehmigung. 1 1 4 Auch der Anspruch auf künftige Leistung wird voll bewertet, auch wenn der 7 2 Beklagte nur die Fälligkeit der Forderung bestreitet. 115 Die Klage auf Freigabe eines Sperrguthabens, wenn mit einer zeitlich späteren ohnehin zu rechnen ist, ist nach dem vollen Guthaben zu berechnen. 1 1 6 Daß im Einzelfall der Wert der gesamten Sache bei Eigentumsstreit im Prozeß 7 3 befangen ist, ist aus § 6 zu entnehmen, der diesen Fall voraussetzt. Der volle Sachwert ist demnach im Streit, wenn auf Erteilung der Auflassung geklagt wird. 1 1 7 Was für den Streit um das Eigentum gilt, gilt entsprechend für die eigentumsähnlichen Rechte 1 1 8 , wie für alle, die einen höheren Rang als der Besitz haben, und darüber hinaus nach § 6 für den Besitz. Deshalb muß aber auch bei der reinen Besitzsicherung wie bei der reinen Eigentumssicherung der Gegenstand voll bewertet werden. Wird durch Vorkaufsrecht ein Grundstück beansprucht, so ist der Grundstückswert 1 1 9 ohne Rücksicht auf den Kaufpreis Streitgegenstand. In Anfechtungsprozessen bildet die Forderung des Klägers, wegen der er sich zu 7 4 befriedigen sucht, nach § 6 die Höchstgrenze des Streitwerts. 120 Ist der Gegenstand, 108 109

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OLG H a m m Rpfl. 1964, 23. Abweichend OLG Koblenz Rpfl. 1957, 316; OLG Schleswig SchlHA 1958, 7, welche einen geringeren Wert nach § 3 schätzen; OLG Nürnberg AnwBl. 1970, 75 wollte ihn auf Ά des Grundstückwertes, OLG Oldenburg Nds Rpfl. 1955, 135 mit !/io einschätzen. OLG Frankfurt M D R 1962, 742. OLG Neustadt Rpfl. 1957, 316. A M OLG Frankfurt M D R 1958, 175, das den Wert geringer veranschlagt. OLG H a m m Rpfl. 1956, 140 bei der Einsetzung eines Treuhänders.

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OLG Frankfurt NJW 1959, 680. OLG Hamburg M D R 1973, 335. OLG Kiel SchlHA 1947, 2 0 5 . OLG Bremen JurBüro 1973, 1087; Frankfurt M D R 1973, 235; Rpfl. 1970, 354; vgl. in diesem Zusammenhang die ältere Rspr., 2. Aufl. Β III b 2. Erbbaurecht, OLG Köln JurBüro 1973, 854. A M BGH BB 1957, 351; geht es um die Nutzung des Kaufgegenstandes, vgl. die ältere Rspr., 2. Aufl. Β III b 2. RGZ 151, 167 = JW 1936, 2 0 9 1 ; OLG Celle Nds Rpfl. 1970, 207.

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in den die Befriedigung gesucht wird, von geringerem Wert, so ist dieser nach § 6 Abs. 1 S. 2 Streitwert. Ist dieser Vollstreckungsgegenstand belastet und nimmt der Anfechtende dies hin, so sind diese Lasten wertmäßig abzuziehen. Denn hier ist nicht die Forderung als solche, sondern die anfechtbare Handlung im Streit, wie § 7 AnfG ergibt. Es kommt bei ihnen also auf den Wert an, welchen die Beseitigung der anfechtbaren Handlung hat, maW auf ihren Wert, den sie nach der vom Kläger geforderten Beseitigung für den Gläubiger hat, womit er sich also befriedigen kann, was nach § 3 zu schätzen ist. Dabei bleibt nach § 8 AnfG der Anspruch des Anfechtungsgegners wegen Erstattung einer Gegenleistung an den gemeinsamen Schuldner außer Betracht. 75

Das Entsprechende gilt bei der Konkursanfechtung. Auch hier muß die Belastung des anfechtbar Weggebenen abgesetzt werden, sofern sie schon bei der Weggabe vorhanden war und deshalb hingenommen werden muß, genauer: durch den Anfechtungsstreit nicht berührt wird. Anders ist dies, wenn der KV die Pfändung als solche anficht, dann gilt § 6 entsprechend, d. h. bei einer so angefochtenen Hypothek, die teilweise in der Versteigerung ausgefallen ist, ist nur der Hebungsbetrag Streitwert.

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Auch bei der Feststellungsklage, ob der Kläger zum Aufsichtsrat des Beklagten gehört, sind die Aufsichtsratsbezüge, aber auch die sonstigen sich aus der Stellung ergebenden wirtschaftlichen Vorteile zu bewerten. 1 2 1

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OLG Bamberg 1 2 2 hat bei langfristigen Lieferverträgen nicht die Gesamtbewertung gelten lassen, sondern frei geschätzt. Bei Bierlieferungsverträgen haben OLG München 1 2 3 und Neustadt 1 2 4 den Jahresumsatz z. Zt. des Geschäftsabschlusses und die Vertragsdauer berücksichtigt. 1 2 5 Bei einer Klage auf Bierabnahme hat OLG Neustadt 1 2 6 auf die Umsatzminderung (nicht auf den Gewinn) abgestellt.

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Bei Streit um die Verpflichtung, ein Wohnhaus zu errichten, ist dessen Wert Streitgegenstand. 127 Bei der Klage um Überlassung umzugestaltender Räume gegen einen vereinbarten Mietzins hat LG Nürnberg-Fürth 1 2 8 nur den Mietzins bewertet. Bei der Feststellungsklage, daß ein Mietvertrag nicht mehr bestehe, hat der B G H 1 2 9 den § 8 angewandt. Bei dem Mietvertrag über unbestimmte Zeit hat der B G H 1 3 0 nach § 3 geschätzt und nach § 9 bewertet. 1 3 1 Bei der Mieterhöhungsklage haben LG Mannheim 1 3 2 und LG Ravensburg 1 3 3 nur den einjährigen Erhöhungsbetrag angenommen; 1 3 4 dagegen zu Recht B G H 1 3 5 § 9 für den Streitwert verfahrend. 1 3 6

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Bei Mietzahlung mit Räumungsverfallklausel wurde nur nach der Miete gewertet 1 3 7 . Bei der Feststellung künftiger Miethöhe verfuhren OLG Bamberg 1 3 8 und

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Vgl. in diesem Zusammenhang die ältere Rspr., 2. Aufl. Β III b 2. OLG Bamberg JVB1. 1935, 239. OLG München DNotZ 1939, 497. OLG Neustadt, Wettbewerb in Recht und Praxis 1962, 102. Wobei OLG Neustadt aaO 1 0 - 1 5 % als Gewinn der Brauerei angenommen hat. OLG Neustadt MDR 1962, 413. AM OLG Frankfurt MDR 1957, 56: ein Wert erheblich unter den Baukosten. OLG Nürnberg-Fürth MDR 1972, 430. BGH NJW 1958, 1291. BGH MDR 1958, 917. BGH NJW 1966, 778, wenn der Vertrag nicht

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dem Mieterschutz unterlag; OLG Düsseldorf Rpfl. 1973, 145, wenn der Mietvertrag auf bestimmte Zeit läuft. LG Mannheim Justiz 1974, 86. LG Ravensburg MDR 1974, 142. LG Mannheim MDR 1974, 411 den zwölffachen Differenzbetrag als Gebührenwert. BGH MDR 1966, 321; ebenso OLG Düsseldorf Rpfl. 1973, 145. LG Hamburg MDR 1973, 60 hat den Differenzbetrag für die Zeit bis zur weiteren Anhebung geschätzt; aM LG München I JurBüro 1973, 248 nur nach 5 3. KG NJW 1969, 434. OLG Bamberg MDR 1966, 55.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§3

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Stuttgart nach § 3. Bei der Zulässigkeit einer Mieterhöhung für unbestimmte Zeit hat LG Hannover 1 4 0 während bestehenden Mieterschutzes auf drei Jahre Dauer abgestellt. Bei Räumungsstreiten wurde der Mietbetrag bis zur Räumung bewertet. 1 4 1 Bei einer Klage auf Neuwagenersatz wurde der Restwert des alten Fahrzeugs nicht berücksichtigt. 142 Das Innenverhältnis wird dagegen erheblich, wenn ein Gesamthänder gegen ei- 8 0 nen anderen klagt und dabei seine Schuldnerstellung in der Klage berücksichtigt; so, wenn ein Gläubigermiterbe seinen Anspruch gegen einen oder mehrere Miterben (den Nachlaß) verfolgt und seinen Anteil, den er zur Begleichung seiner Forderung als Miterbenschuldner im Innenverhältnis zu ersetzen hat, schon im Antrag abzieht; nicht wenn er seine Stellung als Miterbe oder seine anteilige Beteiligung (bei Vermächtnissen etwa) leugnet. 1 4 3 Der B G H 1 4 4 hat bei der Grundbuchberichtigungsklage den Anteil des Miterben abgezogen und den Erbanteil des Klägers bei Auflassungsklage für ein Grundstück an den gegen einen Miterben abgesetzt. 1 4 5 Klagt ein gesetzlich zum Miterben Berufener auf Nichtigkeit eines Testaments, so steht noch sein gesetzlicher Erbanteil im Streit 1 4 6 , der sich nach der reinen Teillungsmasse unter Abzug der Schulden bemißt, aber auch stets dieser ganz, wenn auch das Urteil nicht für die anderen gesetzlich zu Miterben Berufenen Rechtskraft schafft; andererseits aber auch dann, wenn er die Feststellung nur gegen einen der testamentarisch zum Miterben Berufenen fordert, obwohl diese Klage gegen die anderen so Berufenen keine Rechtskraft schafft. Das entsprechende gilt, wenn es um die Begünstigung eines (Mit-)Erben durch 81 Wegfall des Testaments geht bzw. bei mehreren um die bei Wegfall des angefochtenen Testaments. Bei der Erbunwürdigkeitsklage kommt es auf den Wert für den Beklagten a n . 1 4 7 Der Streit um die Ausgleichungspflicht ist nur nach dem Interesse des Klägers zu bewerten. 1 4 8 Bei der Klage um die Nichtigkeit eines Erbauseinandersetzungsvertrags ist das Interesse des Klägers an der Befreiung vom Vertrage zu bewerten. 1 4 9 Wenn ein Miterbe gegen den anderen auf Unwirksamkeit eines mit dem Erblasser geschlossenen Pachtvertrags klagt, hat der B G H 1 5 0 nur das Miterbeinteresse bewertet. 1 5 1 Bei der Zustimmung zu einem Erbauseinandersetzungsvertrag wurde nur der Anteil des Beklagten vom OLG Frankfurt 1 5 2 bewertet. Der B G H 1 5 3 hat auch bei der Klage aus § 2039 BGB gegen einen Miterben auf Hinterlegung von Geld den Anteil des Miterben abgezogen (aber er mußte den vollen Betrag hinterlegen), und hat bei der Auflassung eines Nachlaßgrundstücks auf dem Wege der Erbauseinandersetzung an den Miterbenkläger dessen Anteil abgezogen. 1 5 4 Bei dem Begehren der Einwilligung auf Auszahlung eines hinterlegten Betrags ist 8 2 Streitwert die Klagesumme, soweit nicht das Begehren des Beklagten geringer ist, 139

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OLG Stuttgart Justiz 1969, 192. LG Hannover MDR 1961, 1020. 141 LG Kempten AnwBl. 1968, 58; vgl. auch LG Essen Z M R 1955, 55. 142 LG Freiburg AnwBl. 1971, 761. 143 Vgl. in diesem Zusammenhang die ältere Rspr., 2. Aufl. Β III b 3. 144 BGH NJW 1958, 1397. 145 BGH NJW 1972, 909. 146 BGH NJW 1956, 1877. 147 BGH NJW 1970, 197. 148 BGH M D R 1956 Β 62/57.

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BGH Rpfl. 1955, 101. BGH M D R 1955 Β 79/56. Zu Unrecht, weil es insoweit nicht um ein Rechtsverhältnis innerhalb der Erbengemeinschaft geht. OLG Frankfurt Rpfl. 1956, 168. BGH NJW 1967, 443. BGH NJW 1972, 909; ebenso OLG Bamberg JurBüro 1973, 768; anders BGH NJW 1969, 1350, das bei dem Streit um einzelne Grundstücke die Erbquote des Klägers nicht abgezogen hat.

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1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

sodann dessen Inanspruchnahme. 155 Es kommt auch nicht auf den inneren Wert für den Kläger an. Kosten, die auf dem Streitgegenstand ruhen, mindern den Wert nicht. Das gilt zudem schlechthin für dingliche wie persönliche Belastungen der Sachen, die der Kläger zu tragen hat. Bei Auflassungen kommt deshalb nur der Grundstückswert in Betracht ohne Abzug der auf ihm ruhenden Lasten. 1 5 6 Dies gilt auch, wenn nur der Besitz im Streit ist, also bei der Herausgabe einer belasteten Sache, wo die auf ihr ruhenden Lasten nicht abzusetzen sind, 1 5 7 und auch, wenn nur Sicherungen iSd. § 6 Abs. 1 S. 1 im Streit sind. Auch bei einem Streit um Rangverbesserung ist der volle Wert im Streit. 1 5 8 Bei der Herausgabeklage ist der volle Wert der Sache im Streit, selbst wenn bei Begleichung der Restschuld der Herausgabeanspruch entfallen würde. 1 5 9 83

Auch bei den negatorischen Klagen steht nur der Teilwert im Streit, um den das Eigentum um die Störungen geringer zu bewerten ist. Die Höchstgrenze solcher Klagen bildet der Grundstückswert. Auf den Wert der störenden Anlagen kommt es nicht an. Dasselbe gilt für die Besitzstörungsklage, so daß also § 6 nicht anzuwenden ist. Auch wenn ein Eigentümer auf Entschädigung wegen teilweiser Benutzung seiner Sachen klagt, ist nur der Entschädigungsanspruch im Streit, ebenso wenn gegen den bisherigen Eigentümer auf Herausgabe seiner Wohnung geklagt wird oder wenn es nur um die Freimachung einer Wohnung geht; 1 6 0 dann entscheidet der Wert des Besitzes diesen; oder wenn es um ein dingliches Wohnrecht geht. 1 6 1 Bei einer Klage auf künftige Mieterhöhung wurde der Streitwert nach § 3 geschätzt. 162 Im Mieterhöhungsstreit wurde ein Teil als Feststellungswert abgestrichen. 163 Bei der Klage auf Beseitigung des Überbaues hat LG Düsseldorf 164 nicht § 7, sondern § 3 angewandt. OLG Frankfurt 1 6 5 hat den Wert herauszugebender Sachen durch Abriß nur nach Geschehenem bewertet. Bei der Einbeziehung von Grundeigentum in die Umlegung sind für die Betroffenen ebenfalls 2 0 % ihres für Grund- und Bodenwertes einschließlich der Aufbauten als Streitwert angenommen worden 1 6 6 und die entsprechende Quote ist angenommen worden in bezug auf den Wert der eingeworfenen Fläche, wenn gegen die Zuteilung anderer Werte angekämpft wurde. 1 6 7 Besitzeinweisungsstreite hat der B G H 1 6 8 entgegen § 6 mit 2 0 % des Sachwertes bewertet.

84

Der Anspruch auf Duldung, ein Grundstück abzumessen, ist ein Teilwert, während bei Grenzberichtigungsklagen der streitige Grundstücksstreifen Streitgegenstand ist. Der B G H 1 6 9 hat bei dem Streit, ob nach einem herabgeminderten (Siedlungs-)Preis ein Grundstück zu übereignen war, nicht den Verkehrswert, aber auch nicht den (geringeren) Siedlungswert eingesetzt, sondern geschätzt. 155 156

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OLG Frankfurt NJW 1970, 2119. OLG Celle Nds Rpfl. 1962, 111; KG JR 1951, 349, bei Rückerstattung; aM KG HuW 1950, 454. OLG Stuttgart MDR 1959, 401. OLG Frankfurt Rpfl. 1956, 318. OLG Stuttgart AnwBl. 1959, 41. OLG Koblenz AnwBl. 1952, 44; bei einer Ehewohnung hat KG JR 1963, 345 eine Jahresmiete bewertet; vgl. aber § 8, wenn dies aus Miete oder Pacht gefordert wird. Doch ist bei lebenslänglichen § 9 anzuwenden; aM OLG Schleswig SchlHA 1950, 261; OLG Düsseldorf JMBI. NRW 1951, 117.

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KG NJW 1964, 1480; OLG Hamm Rpfl. 1964, 186; OLG Frankfurt MDR 1962, 825; OLG Celle MDR 1966, 769; OLG Hamburg MDR 1963, 422; ebenso OLG Hamburg MDR 1963, 42, aber nicht auf die einjährige Miete beschränkt; ebenso LG Göttingen Nds Rpfl. 1965, 179 für die negative Klage.

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LG Hamburg MDR 1973, 139f. LG Düsseldorf NJW 1963, 2187. OLG Frankfurt NJW 1970, 334. BGHZ 49, 317 = NJW 1968, 890. BGHZ 51, 341 = NJW 1969, 1114. BGH NJW 1973, 2202. BGH NJW 1972, 1758.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§3

d) Anspruchshäufung und -teilung. Die Häufung mehrerer Ansprüche wird 8 5 grundsätzlich den Streitgegenstand erweitern. Soweit für die Vergangenheit auf Leistung, für die Zukunft auf Feststellung geklagt wird, sind beide Werte zusammenzuziehen. 1 7 0 Doch gibt es auch sich überlagernde Anträge, etwa wenn auf Leistung geklagt 8 6 und eine Zwischenfeststellungsklage erhoben wird; 1 7 1 wenn mehrere Kläger einen Gesellschaftsbeschluß angefochten oder für nichtig erklärt haben wollen und ihre Klagen verbunden sind; wenn auf Wandlungseinwilligung und Zurückgabe der Sachen oder des Geldes geklagt wird. Umgekehrt werden Anträge, die nur erklärende Bedeutung haben, nicht berück- 8 7 sichtigt, etwa wenn ein Feststellungsantrag einem Leistungsbegehren vorangeschickt wird, obwohl ersichtlich über das Rechtsverhältnis insgesamt nicht entschieden werden soll. Bei einem Antrag, der so zu verstehen ist, daß eine Summe unter Abzug eines Teils, der im anderen Verfahren geltend gemacht wurde, gefordert wird, ist nur die Differenz im Streit. 1 7 2 Bei dem sogenannten Ehevergleich über Ansprüche nach §§ 627 ff hat O L G Celle 1 7 3 die Verkehrsregelung mit den Kindern und die Einigung der Parteien über die Ausübung der elterlichen Gewalt nicht bewertet. Die Übernahme einer Pflicht auf dem Wege des Vergleichs schätzt O L G Kiel 1 7 4 frei nach § 3.175 Die Veröffentlichungsbefugnis in Wettbewerbsstreiten haben O L G Neustadt 1 7 6 8 8 zusätzlich, dagegen O L G Karlsruhe 1 7 7 , O L G Stuttgart 1 7 8 nicht zusätzlich bewertet. Bei der Stufenklage (§ 254) überlagern sich in der ersten Instanz die Ansprüche 8 9 auf Leistung, Auskunft und offenbarender Versicherung. 1 7 9 Wird neben der Stufenklage ein Teilbetrag geltend gemacht, so sind, wenn man die Auskunftsklage mit '/io des ganzen bewertet, ihm 9/io des geltend gemachten Teils hinzuzusetzen. Das entsprechende gilt, wenn zugleich mit einem Auskunftsanspruch die Feststellung einer Teilschuld gefordert wird. Wird dagegen Feststellung der ganzen Schuld gefordert, so wird dadurch der Auskunftsanspruch überlagert. 1 8 0 Bei Abweisung der Stufenklage ist der Gesamtstreitwert als Beschwer maßgebend. 1 8 1 Dagegen hat keine Überlagerung O L G Stuttgart 1 8 2 zwischen der Auskunftsklage und der Unterlassungs- oder Schadenfeststellungsklage gesehen. O L G K ö l n 1 8 3 hat den Offenbarungsversicherungsanspruch neben dem Aus- 9 0 kunftsanspruch nicht gewertet. Der B G H 1 8 4 hat die Beschwer des Beklagten nur wegen des Auskunftsanspruchs angenommen, wenn das LG eine Klage auf Auskunft und Zahlung abgewiesen hatte und das Berufungsgericht der auf Auskunft 170 171

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B G H Z 2, 74. Hier wird der Leistungsanspruch in den Feststellungsanspruch aufgenommen; ebenso wenn die Feststellungsklage eine Teilleistungsklage überlagerte: B G H M D R 1970, 127. O L G Frankfurt Rpfl. 1963, 95. O L G Celle M D R 1963, 145. O L G Kiel M D R 1963, 690. A M K G Z Z P 1955, 4 4 5 : Sie müssen bei der Wertbemessung außer Betracht bleiben. O L G Neustadt WRP 1958, 114. O L G Karlsruhe WRP 1958, 160. O L G Stuttgart N J W 1959, 890. O L G Köln M D R 1963, 144; O L G Düsseldorf

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N J W 1964, 2 1 6 1 : es werde nur der höchste Anspruch gewertet. O L G Frankfurt G R U R 1955, 4 5 0 zählt beide zusammen; a M O L G Stuttgart N J W 1959, 890, das den Auskunftsanspruch zusätzlich wertet; dagegen zu Recht O L G Celle WRP 1971, 2 3 3 . Vgl. O L G Düsseldorf N J W 1961, 2 0 2 1 , das für die Gebührenwerte der Verhandlung und Beweiserhebung nur den Auskunftswert berechnet, für Prozeßgebühr und Urteilsgebühr dagegen den Gesamtstreitwert. O L G Stuttgart N J W 1959, 890. O L G Köln M D R 1963, 144. B G H N J W 1970, 1083.

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§3

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. X. Abschn. Gerichte

stattgegeben und wegen der Zahlungsklage aufgehoben und zurückverwiesen hatte. 1 8 5 91

Eine Überlagerung kann auch unter Streitgenossen eintreten. So darf, wenn gegen A, der seine angebliche Forderung an Β abgetreten hat, auf Nichtbestehen der Forderung geklagt wird und zugleich gegen Β mit demselben Antrag, nicht zusammengerechnet werden. Bei Eventualklagen ist der höhere Wert maßgebend, auch wenn er nur den Hilfsantrag betrifft. 1 8 6

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Wenn über den geringwertigen Hauptantrag entschieden wird, werden die Gerichtskosten nur nach diesem, die Anwaltskosten aber nach dem höheren des Hilfsantrags berechnet. 1 8 7

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Über die Behandlung der Widerklage vgl. § 5. Die Eventualwiderklage 188 wird nur bewertet, wenn über sie entschieden wird, soweit es überhaupt zur Bewertung der Widerklage kommt.

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Im Rechtsmittelverfahren richtet sich die Beschwer nach dem Unterschied zwischen Antrag und Erkenntnis, wobei es zu einer Aufteilung kommen kann.

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Wird dem Hauptantrag stattgegeben, so ist der Kläger nicht beschwert. Ist dem Eventualantrag stattgegeben, so ist der Kläger wegen des Hauptantrags beschwert, hat das Rechtsmittel aber nur, wenn insoweit die Rechtsmittelsumme erreicht wird. Der Beklagte hat das Rechtsmittel, wenn dem Hauptantrag stattgegeben wurde, sofern dessen Rechtsmittelsumme erreicht ist. 1 8 9 Ist dem Eventualantrag entsprochen, hat der Kläger das selbständige Rechtsmittel, wenn die Rechtsmittelsumme bzgl. des Hauptantrags erreicht ist 1 9 0 , der Beklagte die entsprechenden Rechtsmittel bei Stattgabe der Eventualklage.

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Das Eventualrechtsmittel, was nur als unselbständige Anschließung eingelegt werden kann, wird überhaupt nur dann bewertet, wenn über es entschieden wird. 1 9 1

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Bei sich überlagerndem Haupt- und Hilfsantrag kann bei abgewiesenem Hauptund stattgegebenem Hilfsantrag die Beschwer nur der Unterschied zwischen beiden sein. 1 9 2

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Wird ein (Teil-)Anspruch auf mehrere Ansprüche in gleicher Höhe gestützt, 1 9 3 so ist nur der im Klageantrag genannte Betrag der Streitwert. 185

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Es konnte jedenfalls über die Zahlungsklage nicht wegen des § 2 5 4 vor Erteilung der Auskunft entscheiden, sofern es bei der Auskunftserteilung verblieb; wohl aber konnten bei Vollangriff beide Anträge in der Revisionsinstanz zurückgewiesen werden; bei entsprechendem Angriff war die volle Beschwer anzunehmen. AM OLG Oldenburg NJW 1957, 1482; OLG München M D R 1963, 854 bei der Gebührenwertung: es komme bei dem geringen Wert der Klage bei ihrer Stattgabe nur auf diesen an und LG Aachen AnwBl. 1970, 359, das alles zusammenrechnet. Während OLG Celle Nds Rpfl. 1971, 284 nur nach dem geringeren Wert des Hauptantrags, wenn nur über ihn entschieden wurde, die Gebühren bemißt.

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OLG Celle Nds Rpfl. 1971, 288; OLG Köln VersR 1971, 946. OLG München M D R 1963, 854; OLG Köln M D R 1963, 1021: nur dieser Wert sei der Gebührenwert; in diesem Falle kommt auch die Eventualklage — ohne Anschließung — in die Rechtsmittelinstanz. Sonst nur das unselbständige Anschlußrechtsmittel. BGH NJW 1973, 98; OLG Münster NJW 1973, 1899. BGH NJW 1961, 1466. Schadensersatz aus mehreren Teilbeträgen eines Sukzessivlieferungsvertrags.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§3

Der Kläger darf aber auch eine Teilforderung geltend machen. Tut er dies, so ist 9 9 nur sie Streitgegenstand. Wird eine Teilforderung über einen nicht als Teil ausurteilbaren Anspruch erhoben (§301), so ist die Klage als unzulässig abzuweisen, als Streitwert darf indes nicht der gesamte Streitwert unterstellt werden, wie er gegeben sein würde, wenn keine (unzulässige) Teilklage erhoben worden wäre. Denn insoweit darf es nur auf den Willen des Klägers ankommen. Mit der Leistungs- (Gestaltungs-)klage wird häufig nur ein Teil des gesamten Rechtsverhältnisses geltend gemacht. Bei der Klage auf Ersatzland statt Geldentschädigung hat der B G H 1 9 4 einen Streitwert in Höhe von 2 0 % des Wertes der enteigneten Fläche angesetzt. 1 9 5 Die Einbeziehung eines Grundstücks in ein Umlegungsverfahren hat der BGH 1 9 6 ebenfalls mit 2 0 % bewertet wie auch Angriffe gegen den Umlegungsplan. 1 9 7 Teilwerte kommen in Betracht bei der Klage auf Auskunftserteilung. 1 9 8 Umgekehrt hat bei schon (teilweise) erteilter Auskunft der BGH 1 9 9 den Anspruch gering bewertet; doch kann er schon zur Abwendung der Vollstreckung erfüllt sein und doch kann noch um seine Berechtigung gestritten werden. Die Bewertungen der OLG sind unterschiedlich. 200 Das entsprechende gilt für die Erteilung von Bankauszügen und für die von Buchauszügen für den Handelsvertreter; ferner für die Klagen auf Rechnungslegung, 2 0 1 auf Aufstellung eines Nachlaßverzeichnisses 202 bzw. auf Auskunft über den Bestand der Erbschaft wie die auf Bekräftigung dieser Erklärungen durch Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung. Zu beachten bei der Bewertung ist, daß es Fälle gibt, wo der Rechnungsauszug mit einem Negativsaldo ausläuft. Selbst wenn das der Kläger weiß, beruht sein Interesse dann in dem verhältnismäßig geringeren Saldo im Gegensatz zu weitergehenden Berechnungen des Beklagten. Darin besteht das Interesse des Klägers aus der Differenz zwischen dem vom Beklagten angenommenen hohen Passivsaldo zu dem vom Kläger angenommenen geringen, wobei der Auskunftsanspruch ein Teilwert dieses Wertes, also '/io bis Ά ist. Auch die Klagen auf Vorlegung von Sachen (§ 809 BGB), wie von Beweisurkunden stellen Teilwerte dar, wenn sie keine Wertpapiere betreffen; nach Teilwerten zu bemessen sind: Beweisurkunden oder Legitimationspapiere iSd. § 808 BGB, also Sparkassenbücher und Depotscheine, Versicherungsscheine, Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuldbriefe. 2 0 3

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e) Klagegrundhäufung. Daß ein Klageanspruch auf mehrere Klagegründe ge- 1 0 4 stützt wird, ist bedeutungslos. Der Streitwert wird dadurch nicht verändert. 2 0 4 An194 195

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BGHZ 48, 200. Wenn man einen Teilwert annahm, waren die Umsetzungskosten — Grundbuchkosten, Maklerkosten, Grunderwerbssteuer — zu bewerten. BGH NJW 1968, 890. BGHZ 51, 341 = NJW 1969, 1114. Vgl. dazu die Rspr. der 2. Aufl. Β III c 4. BGH NJW 1964, 2061. OLG Celle Nds Rpfl. 1960, 177; OLG Köln NJW 1960, 2295 bewerten mit '/,»; mit Ά OLG Nürnberg M D R 1960, 507; OLG Frankfurt GRUR 1955, 450; OLG Celle Nds Rpfl. 1961, 221 ( 1 5 - 2 0 % ) ; mit Ά bis •/«: OLG München M D R 1972, 247; KG JurBüro 1973, 151; mit fast 5 0 % OLG Frankfurt JurBüro 1973, 766.

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OLG Köln WuW 1969, 185 will, wenn es um Schließung einer Lücke im Preisbildungssystem sich handelt, ihn „höher" bewerten. „Frei" schätzen wollen OLG Celle Rpfl. 1956, 347, WRP 1963, 146; OLG Köln NJW 1960, 2295 will einen „Mittelwert" annehmen, wobei OLG Köln M D R 1959, 223 die Schwierigkeit der Ermittlung bewertet. BGH NJW 1964, 2061, abzüglich schon bekannter Posten. KG JurBüro 1973, 151. Vgl. in diesem Zusammenhang die ältere Rspr., 2. Aufl. Β III c 4. AM OLG Stuttgart NJW 1971, 568.

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§ 3

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

ders ist dies insoweit, wie ein Klagegrund zum Klageanspruch (bei den Feststellungsklagen) erhoben wird oder wie es sich um die H ä u f u n g der Echtheitsklärung mehrerer Urkunden handelt. 2 0 5 Auch die eventuelle H ä u f u n g der Klagegründe ist für die Bewertung des Streitgegenstandes bedeutungslos. 4. Bewertung von Klage- und Prozeßart 105

Der Streitgegenstand zielt auf den prozessuale Rechtsverhältnis mit den chen. 2 0 6 Im Verfahren drückt er sich nicht unmittelbar betrifft, m u ß außer

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a) Parteiverhalten. Unerheblich ist es, wie die Parteien sich im Prozeß verhalten, also ob der Beklagte den Anspruch anerkennt, auf die Klage zur Abwendung der Vollstreckung etwas zahlt oder sich bereit erklärt, den Streitgegenstand in bestimmter Frist herauszugeben, Zugeständnisse macht, nur das formale Recht oder nur das materielle betreffende Einlassungen bringt oder sich überhaupt nicht äußert; ja selbst wenn er Widerklage, Eventualwiderklage erhebt oder aufrechnet. 2 0 7 Der Streitgegenstand der Klage wird dadurch nicht verändert. 2 0 8 Setzt der Kläger den aufgerechneten Betrag von vornherein ab, so wird nur der Rest Streitgegenstand. 2 0 9 Bei Inzidentanträgen (§ 717 Abs. 2, Abs. 3) will der B G H 2 1 0 ebenfalls nicht ändern.

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Ebenso unerheblich ist es aber auch, wie der Kläger sich auf die Entgegnung des Beklagten einstellt, ob er auf den Klageanspruch verzichtet (§ 306), den Antrag ändert oder Zugeständnisse macht oder bestreitet oder eine sonstige Entgegnung bringt. 2 1 1 Selbst die vorweggenommene Berücksichtigung von Interessen des Beklagten ändert den Streitwert nicht, etwa w o der Kläger von vornherein Leistung nur Z u g um Z u g gegen seine Leistung (in Geld) gefordert hat. Hier ist nicht etwa die Gegenleistung des Klägers von der geforderten Leistung wertmäßig abzusetzen. Erhebt der Kläger eine Widerwiderklage, so ist zu unterscheiden: Ist seine Klage erledigt, so kehren sich die Parteirollen um, solange die Widerklage des Beklagten im Streit ist. Ist seine Klage nicht erledigt und die Widerwiderklage nur eventuell gestellt, dann liegt der Fall entsprechend der Eventualklage, andernfalls der Klagehäufung. Das Interesse des Streitgehilfen entspricht dem seiner H a u p t p a r t e i . 2 1 2 Teilwerte kommen in Betracht für die Zulassung einer Streithilfe, w o das Interesse des Streithelfers am Beitritt entscheidet, soweit es geringer ist als der Streitwert des Hauptprozesses. Umgekehrt k o m m t aber das höhere Interesse nicht in Frage 2 1 3 , obwohl sich die Wirkung des § 68 darauf erstrecken kann.

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b) Klageart. Unerheblich ist auch die Klageart. Es darf deshalb keinen Unterschied begründen, ob der Antrag auf Leistung (Rechtsgestaltung, Unterlassung, Duldung) oder auf (positive wie negative) Feststellung geht.

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Der Umfang der Leistungsklage wird durch den Antrag begrenzt; nicht aber durch den Rechtsgrund (Vertrag oder Gesetz), auf den der Anspruch gestützt wird, und nicht darauf, welcher Art (ob dinglicher oder schuldrechtlicher) er ist. 205

außerprozessualen Anspruch und das außerhintergründigen außerprozessualen Ansprünur durch die Antragstellung aus. Was diese acht bleiben.

Dann sind es aber Klageansprüche. 206 j)en es in der Praxis kaum gibt. 207 OLG Stuttgart Justiz 1972, 249. 208 Anders der Rechtsmittelwert, soweit auch über diese Gegenstände entschieden wird. 209 LG Münster JMB1. NRW 1951, 10.

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BGH NJW 1962, 806. Wobei es allerdings Aufrechnungen gegen Aufrechnungen nicht gibt. BGH NJW 1960, 42; OLG München AnwBl. 1973, 359; LG Köln MDR 1966, 423. OLG München MDR 1958, 112.

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Auch Duldungsklagen haben denselben Streitwert wie Leistungsklagen. Bezieht sich der Duldungsanspruch auf eine Feststellungsklage, so hat er deren Streitwert. Bei der Feststellungsklage ist das gesamte festzustellende Rechtsverhältnis im 1 1 0 Streit, soweit der Kläger den Streitumfang durch seinen Antrag zur Entscheidung stellt. Allerdings ist auch sein Antrag gerade bei Feststellungsklagen auszulegen. So sind, wie überhaupt bei Dauerverhältnissen, etwa schon erfüllte Teile 2 1 4 auszuscheiden. Anders ist dies, wenn der Antrag sich ausdrücklich auf solche zurückliegenden Verhältnisse (überhaupt oder auch) bezieht. Soweit hier einmal für die Vergangenheit auf Leistung, für die Zukunft auf Feststellung geklagt wird, sind dann beide Werte zusammenzurechnen. 2 1 5 Die entgegengesetzte Auslegung ist regelmäßig dort am Platz, wo gegen eine Leistungsklage eine negative Feststellungswiderklage erhoben worden ist. Bei der Streitwertberechnung der ersten Instanz wird nicht zusammengerechnet (§ 5); anders in der Rechtsmittelinstanz, wobei aber die Überlagerung der Begehren zu berücksichtigen ist. Der Streitwert einer Feststellungsklage darf nicht geringer bewertet werden als 111 bei der Leistungsklage. 2 1 6 Wer eine negative Feststellungsklage geringer bewertet, muß auch den Klageabweisungsantrag geringer werten. 2 1 7 Demgegenüber dann aber die positive Feststellungsklage geringer zu bewerten als die negative, geht aus derselben (umgekehrten) Erwägung nicht a n 2 1 8 , zumal die positive Feststellungsklage (auch die Verjährung abschneidend) weiter geht als die negative. Da der Streitgegenstand auf die Rechtskraftwirkung zu beziehen ist, geht es also nicht an, ihn je nachdem verschieden zu bemessen, ob positiv oder negativ geklagt wird. Deshalb darf bei sich deckendem positiven oder negativen Anspruch kein Unterschied in der Wertbemessung zwischen positiver und negativer Feststellungsklage gemacht werden. Die Rechtsprechung ist im übrigen auch insoweit inkonsequent, wie sie bei 1 1 2 Grundurteilen diese nach dem eingeklagten bezifferten Betrag wertet. Die dagegen vorgebrachten Argumente überzeugen nicht. Zwar kann in einer Reihe von Fällen noch keine Leistung gefordert werden, wenn auf Feststellung geklagt wird, und es fehlt dann also noch der Eintritt gewisser Umstände. Doch geht es nicht an, den Streitgegenstand darum geringer zu bemessen, denn auch der Leistungsgegenstand ist nicht deshalb geringer zu bewerten, weil erst auf künftige Leistung oder bedingt geklagt wird. Das Argument, daß die Leistungen erst später beginnen, zieht also nicht. Auch pflegen die Ansprüche in Zukunft eher anzuwachsen, als geringer zu werden. 2 1 9 Daß hier kein Unterschied gemacht werden darf, zeigt sich ferner auch bei dem Übergang von dem Feststellungs- zum Leistungsantrag, wodurch der Streitwert nicht erhöht wird. Auch geht es nicht an, einen Abschlag nur um der Feststellungsklage willen zu machen. Bei Abweisung des Leistungsantrags und Stattgabe der hilfsweise erhobenen Fest- 1 1 3 stellungsklage hat der B G H 2 2 0 eine Differenz gewertet, wenn der Kläger das Rechtsmittel eingelegt hat. Die Rechtsprechung schwankt, wie sie bei den bezifferten posi214

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Vgl. B G H N J W 1 9 5 8 , 1291; M D R 1958, 9 1 7 ; bei Dauerverhältnissen gewöhnlich die in der Vergangenheit liegenden. B G H Z 2, 74; O L G Frankfurt M D R 1960, 5 0 7 . O L G H a m m M D R 1958, 2 5 0 . Was in der Rechtsmittelinstanz zu einer geringeren Beschwer des Beklagten führen würde, die gegen Art. 3 Abs. 1 G G verstoßen würde.

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D a es doch nicht darauf ankommen kann, welche der Parteien die Initiative ergreift, maW, der Streitgegenstand wird nicht von der Parteirolle her (nach der objektiven Theorie) bewertet. Es sei nur an die Rentenpsychose erinnert. B G H N J W 1961, 1466.

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tiven den vollen Streitwert gelten läßt; denn es gibt auch bezifferte negative Feststellungsklagen. 2 2 1 Nur wegen der Bezifferung diese Klagen besonders zu behandeln, geht nicht an. Denn bei allen unbezifferten Anträgen ist der Klagegegenstand zu bewerten, also auch bei den Feststellungsklagen ohne Abschlag. Sofern der Kläger die Bezifferung nicht in den Klageantrag aufgenommen hat, wird zwar die außergerichtliche Bezifferung des Beklagten in seiner Berühmung regelmäßig der Bewertung zugrunde zu legen sein. Notwendigerweise deckt sich damit aber der Streitgegenstand nicht. Hier kann im besonderen das Verhalten des Beklagten im Prozeß mit zu werten sein, wenn er die außergerichtliche Berühmung übersteigt oder die außergerichtliche als falsch verstanden oder offenbar irrtümlich einschränkt. So wie bei Leistungsklagen können indes auch Teilwerte zum Gegenstand der Feststellungsklagen gemacht werden. 2 2 2 114

c) Prozeßarten. Auch die Prozeßart entscheidet nichts. Dies ist für das Regelverfahren nicht streitig. So ist es gleichgültig, ob der Streit im Urkunden-, Wechseloder Scheckprozeß durchgeführt oder im gewöhnlichen Verfahren ausgetragen wird oder ob es sich um das Mahn- (§ 688) oder das Bagatellverfahren (§§ 128 Abs. 3, 495 a) handelt. 2 2 3 115 Im Kostenfestsetzungsverfahren ist der Kostenbetrag, der festzusetzen ist, Streitwert. 116 Bei einseitiger Erledigungserklärung des Klägers sind, wenn die Klage abgewiesen, statt für erledigt erklärt worden ist, nur die Kosten im Streit. 2 2 4 Ob dies auch gilt, wenn die Klage für erledigt erklärt, statt abgewiesen worden ist, richtet sich nach dem Umfang der Rechtskraftwirkung der Erledigungserklärung. Regelmäßig wird sie sich mit der Abweisung decken, 2 2 5 dann sollten aber nur Kostenbehelfe gegeben werden. Der BGH 2 2 6 will nur dann einen höheren Streitwert für den Beklagten (als Rechtsmittelkläger) annehmen, wenn er ein weitergehendes bewertbares Interesse habe, maW, wenn trotz Erledigungserklärung des Klägers wegen seiner Berühmung der Beklagte berechtigt wäre, auf negative Feststellung zu klagen. OLG Köln 2 2 7 wollte es dazu genügen lassen, daß der Beklagte im Berufungsverfahren mit seinem Klageabweisungsantrag eine Entscheidung über die anfängliche Unbegründetheit der Klage erstrebte. Doch das ist nicht zu billigen, wenn über eine entsprechende Kostenentscheidung hinaus nichts erstrebbar war. Ohne solche Erwägungen ist streitwertmäßig für den Klageabweisungsantrag des Beklagten gegenüber einseitiger Erledigungserklärung des Klägers die volle Beschwer angenommen worden. 2 2 8 Bei Erledigung vor Klagezustellung ist nur Kostenbeschwer angenommen wor221

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Sie bewerten B G H Z 2, 2 7 6 und OLG Neustadt NJW 1953, 1 0 6 9 voll. OLG Koblenz NJW 1956, 1483; vgl. in diesem Zusammenhang die verschiedenen Fälle aus der älteren Rspr., 2. Aufl. Β IV b 2. Ehe-, Kindschafts- und Entmündigungsprozesse betreffen nicht vermögensrechtliche Streite, abgesehen vom verbundenen Regelungsunterhalt, vgl. § 643; den Gebührenwert für das Entmündigungsverfahren hat OLG Hamburg NJW 1964, 2 4 2 6 auf höchstens Ά des Vermögens bewertet. BGH NJW 1969, 1173; LG Nürnberg-Fürth NJW 1974, 2 0 0 7 (in der Regel); LG Bonn JurBüro 1973, 866; a M OLG Bamberg M D R 1973, 943; OLG Hamburg JurBüro 1973, 1097; OLG

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H a m m AnwBl. 1973, 110; OLG Köln BB 1972, 1480. BGH NJW 1969, 1173 für den Streitwert. BGH aaO. OLG Köln JMB1. N R W 1973, 178. OLG München NJW 1969, 893; OLG Karlsruhe AnwBl. 1969, 162; OLG Bamberg M D R 1973, 943; OLG Celle Nds Rpfl. 1970, 238; OLG Hamburg M D R 1 9 6 9 , 405: nur für den Streitwert, nicht für den Gebührenwert und OLG H a m m AnwBl. 1972, 2 7 8 , wenn dies durch Versäumnisurteil geschah; während, wenn der Kläger die Erledigung erklärte und Versäumnisurteil nahm, OLG Karlsruhe AnwBl. 1973, 3 6 0 den halben Wert annahm.

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den. Dagegen wurde angenommen, daß Streitwert nur die Kostenbeschwer, d. h. die Summe der Kosten bis zur einseitigen Erledigungserklärung sei; bei stehenbleibenden Zinsen werden diese noch berücksichtigt. 231 Kosten wurden bei Teilerledigungen nicht berücksichtigt. 232 Dagegen will man von der einseitigen Erledigungserklärung ab, den Streitwert mit 50% bemessen. 2 3 3 Auch von den LG ist kontrovers entschieden worden. 2 3 4 Bei beiderseitiger Erledigungserklärung geht der Streitwert in dem Zeitpunkt, wo die letzte Erklärung abgegeben wird, auf den Kostenwert zurück. 2 3 5 Beim selbständigen Β e weis verfahren ist Streitgegenstand der zu verfolgende 1 1 7 Hauptanspruch, auf den sich die Beweisaufnahme bezieht. 2 3 6 Ist der Streit schon anhängig, so kommt der Streitwert des Hauptprozesses in Betracht. Doch wird er gerade dann wieder außer acht gelassen, wenn nur ein Teilanspruch eingeklagt worden ist. 2 3 7 Für das Aufgebotsverfahren befindet sich der Aufgebotsgegenstand im Streit 2 3 8 , nicht das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers am Aufgebot. Im Vollstreckungsverfahren ist grundsätzlich die Forderung, deretwegen voll- 1 1 8 streckt wird (Streit-)Wert 239 bzw. werden kann. 2 4 0 Geht es um die Aufhebung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, so ist Streitgegenstand, soweit nicht der Aufhebungsantrag auf einen Teil der Gesamtklage beschränkt war, die gepfändete Forderung. Das gilt auch für das Verfahren auf offenbarende Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 899; 2 4 1 maßgeblich ist das, was (noch) geschuldet wird. Bei der Klage auf Erteilung der Vollstreckungsklausel (§ 731) ist Streitwert der 1 1 9 gesamte Wert, über den vollstreckt werden kann. 2 4 2 Im Verfahren nach § 718 ist Streitwert, was der Kläger als Sicherheitsleistung begehrt. 2 4 3 Im Falle der Anträge nach § 717 Abs. 2, Abs. 3 hat der B G H 2 4 4 keine Streitwerterhöhung angenommen. Im Falle des § 887 ist der volle Streitwert maßgeblich; 2 4 5 ebenso in dem des § 888. 2 4 6 Bei der Straffestsetzung nach § 890 wurde der volle Wert für den ersten Rechtszug und im Beschwerdeverfahren bei Ablehnung des Gläubigerantrags zugrunde gelegt 2 4 7 . Im übrigen wurde im Strafverfahren (§ 890) wegen Preisbindungs229

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OLG Hamm M D R 1973, 941; OLG Schleswig SchlHA 1973, 87. BGH NJW 1961, 1210; OLG Bamberg JurBüro 1971, 88; OLG Celle Nds Rpfl. 1970, 238; OLG Bremen JurBüro 1971, 92; OLG Hamburg M D R 1971, 404. OLG Frankfurt JurBüro 1970, 988; OLG Hamburg JB 1969, 556; a M OLG Karlsruhe Rpfl. 1970, 31. OLG Düsseldorf VersR 1972, 1171; dagegen: OLG Hamm AnwBl. 1973, 43. OLG Celle NJW 1970, 2113. Vgl. LG Essen NJW 1972, 294, das den Kostenwert annimmt; nach LG München I AnwBl. 1971, 318 bleibt der Streitwert unberührt. OLG München NJW 1969, 799. Vgl. BayVGH JR 1973, 82; OLG Celle NJW 1963, 54; OLG Frankfurt NJW 1965, 306; LG Hamburg M D R 1968, 426; LG Hannover NJW 1965, 305; LG München JurBüro 1973, 245; aM LG Mannheim M D R 1975, 151: nur ein Bruchteil.

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OLG Celle AnwBl. 1960, 114, sodann werden die nicht im Hauptstreit befindlichen Werte hinzugesetzt. A M Sydow/Busch § 3 Anm. 3. OLG München 1958, 1687, vor Entstehung des Pfandrechts; danach § 6 anwendend: OLG Frankfurt JurBüro 1971, 152. BGH NJW 1953, 1350: bei Klage abweisendem Urteil die Kosten als Einstellungswert. Vgl. OLG Bamberg JurBüro 1972, 1091. LG Hildesheim NJW 1964, 1232. KG M D R 1974, 323. BGH NJW 1962, 806. OLG Karlsruhe Justiz 1967, 171. KG MDR 1973, 507; a M im Beschwerdeverfahren OLG Stuttgart Rpfl. 1973, 314: die festgesetzte Strafe. OLG Karlsruhe Justiz 1966, 213; OLG Celle NJW 1963, 203; OLG Frankfurt Rpfl. 1974, 73.

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verstoßen nur ein Teilwert (500,— D M ) angenommen. 2 4 8 Einige haben ihn frei geschätzt; 2 4 9 er wurde auch nach der Hauptsumme bewertet. 2 5 0 Dem Vollstreckungsschutzverfahren nach § 813 a wird der Unterschiedsbetrag zwischen gewöhnlichem Verkaufswert und dem vom G V geschätzten Betrag zugrunde gelegt. 2 5 1 120

Der volle Wert ist anzusetzen für den Arrest, einschließlich des Kostenpauschq u a n t u m s . 2 5 2 Im Fall des § 926 wurde für dieses Verfahren der Drittelwert der Gebührenberechnung zugrunde gelegt. 2 5 3 Doch kann im Falle des § 9 2 7 der Wert bei nicht voller Ausnutzung des Arrestes im Verhältnis zu ihm geringer sein. 2 5 4 Im besonderen gilt dies auch, wenn die einstweilige Verfügung gegenstandslos geworden w a r . 2 5 5 Bei einstweiligen Verfügungsverfahren wurde gegen die hier vertretene Ansicht 2 5 6 geringer bewertet. 2 5 7 Insoweit geht die subjektive Theorie in der Annahme von Teilwerten zu weit. 2 5 8

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Soweit allerdings durch einstweilige Verfügung im Verhältnis zum Hauptanspruch nur ein Teil im Streit steht oder es nur um die Art und Weise einer Erfüllung geht, kommt nur ein Teilwert in Betracht. Soweit der rein vorläufige Charakter der einstweiligen Verfügung offenbar ist, kommt wegen der in ihr liegenden Begrenzung nicht § 9, sondern § 3 zum Z u g e . 2 5 9

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Bezüglich des Vergleichs wird die Streitwertfrage bei Streit um die Wirksamkeit eines gerichtlichen praktisch, etwa wenn in einen Gesamtvergleich Klagegegenstände einbezogen wurden, die nicht rechtshängig waren. In den Tatsacheninstanzen kommt dann der Gesamtwert in Betracht; im besonderen bei einbezogenen Eventualaufrechnungen. 2 6 0 Soweit — nicht zu bewertende — Nebenforderungen iS des § 4 einbezogen wurden, bleibt es bei der Nichtbewertung. 2 6 1 Bei einem Kostenvergleich sind Streitgegenstand die gesamten Kosten, nicht etwa bloß die Differenz der vertraglichen von der gesetzlichen Regelung. 2 6 2

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Innerhalb der Verfahren wird die Streitwertfrage durch die Rechtsbehelfszulässigkeit erheblich. Bei Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit hat m a n 2 6 3 einen geringeren (Gebühren-)Wert angenommen. 124 Im Ablehnungsverfahren ist der Streitwert derselbe wie im Hauptverfahren bei der Richterablehnung. 2 6 4 Bei der Sachverständigenablehnung kann ein Teilwert in 248 249

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O L G Frankfurt W R P 1961, 134. O L G Celle N J W 1963, 2 0 3 1 ; O L G Düsseldorf N J W 1968, 2 2 4 4 . L G Bonn J R 1960, 225. A G Hannover Nds Rpfl. 1970, 177. O L G Köln J R 1962, 3 8 4 , nur wenn der Arrest die Befriedigungsmöglichkeit sicherstelle; a M K G N J W 1965, 1029, das ihn Ά - ' Δ beweisen will; O L G Celle N d s Rpfl. 1 9 5 4 , 1 0 4 ; O L G Düsseldorf N J W 1959, 1756; L G Weiden JurBüro 1 9 7 3 , 1084; L G Braunschweig JurBüro 1973, 3 6 0 ; L G Hildesheim N d s Rpfl. 1964, 2 2 1 , ihn mit '/< bewertend; vgl. auch O L G Bremen N J W 1958, 2 0 2 3 , bis zum vollen Wert. O L G Köln VersR 1973, 1032. O L G Celle AnwBl. 1969, 130; O L G Köln VersR 1973, 1032: bei einstweiliger Einstellung sei das Sicherungsinteresse des Gläubigers maßgebend. O L G München Rpfl. 1963, 388. Vgl. auch O L G Karlsruhe Justiz 1971, 354; O L G Bamberg J u r B ü r o 1973, 4 7 9 ; L G Bochum AnwBl. 1969, 132.

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Vgl. O L G Kiel M D R 1958, 112; O L G Schleswig JurBüro 1971, 5 3 8 ; O L G München N J W 1963, 1014; O L G Frankfurt Rpfl. 1971, 33; vgl. zusätzliche Rspr., 2. Aufl. Β IV c 1. 2 5 8 Vgl. in diesem Zusammenhang die ältere Rspr., 2. Aufl. Β IV c l . 259 Vgl. in diesem Zusammenhang die ältere Rspr., 2. Aufl. Β IV c 1. 2 6 0 O L G Düsseldorf JurBüro 1972, 73. 2 6 1 Vgl. O L G Düsseldorf N J W 1973, 1006; OLG Köln JurBüro 1973, 854. 2 6 2 L G Nürnberg-Fürth AnwBl. 1952, 135. 2 6 3 K G M D R 1957, 3 6 6 ; L G Braunschweig N J W 1973, 1846, bei sachlicher Unzuständigkeit; dagegen O L G Düsseldorf Rpfl. 1972, 4 6 3 . 264 BGH NJW 1968, 7 9 6 , der davon abweichen will, wenn sich die Ablehnung auf einen bestimmten Teil bezieht; O L G Düsseldorf N J W 1954, 1492; a M O L G H a m b u r g M D R 1958, 47; bei Schiedsrichterablehnung: O L G Celle N d s Rpfl. 1963, 136 und O L G Nürnberg Bay JMB1. 1 9 5 9 , 191. 257

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Betracht kommen, wenn die ihn betreffende Beweiserhebung einen Anspruchsteil betrifft. 2 6 5 Im Aussetzungsverfahren hat der BGH 2 6 6 den Streitwert geringer bemessen. 2 6 7 Entscheidungen über die Prozeß- und Sachleitung will man gebührenwertmäßig 1 2 5 geringer berechnen. 2 6 8 Bei abgesonderter Verhandlung ist der volle Wert zugrunde zu legen. 269 1 26 Im Zwischenstreit mit Zeugen kommt der Teilwert in Betracht, auf den die Aus- 1 2 7 sage gerichtet wird. 2 7 0 Bei der Weigerung der Blutuntersuchung kommt der volle Wert in Betracht. OLG München 2 7 1 will den Streit darüber, ob nur auf Grund mündlicher Verhandlung oder schriftlich entschieden werden durfte, im Beschwerderechtszug geringer bewerten. Für den Gegenstand einer Beschwerde muß aber beachtet werden, worüber die Entscheidung gehen soll. Im Schiedsverfahren will man entgegen der hier vertretenen Ansicht das Erio- 1 2 8 sehen des Schiedsvertrags nur mit einem Teilwert ansetzen; 2 7 2 ebenso, wenn der Streit darum geht, ob ein Schiedsverfahren zulässig ist. 2 7 3 d) Rechtsbehelfswerte. Die Rechtsbehelfswerte sind nach dem Streitwert 1 2 9 (§§ 511 a Abs. 2, 546 Abs. 3) ausgerichtet. Der Rechtsmittelwert entscheidet dort über die Zulässigkeit des Rechtsmittels, wo es das Gesetz auf die Rechtsmittelsumme abstellt, also nach §§ 511 a Abs. 1, 546 Abs. 1, 567 Abs. 2. Vor den ordentlichen Gerichten ist der Rechtsmittelwert zunächst nach der Beschwer des Rechtsmittelklägers zu bestimmen, d. h. nach dem Unterschied zwischen dem Erkenntnis und dem von ihm in der Vorinstanz gestellten Antrag. Entspricht das Erkenntnis voll dem Antrage des Klägers oder lehnt es ihn voll 1 3 0 ab, so deckte sich früher der Rechtsmittelwert mit dem Streitwert. 2 7 4 Jetzt ist es möglich, daß die Werte sich unterscheiden, weil für sie nach § 4 ein anderer Bewertungszeitpunkt maßgebend ist, im besonderen kann auch der Rechtsmittelwert größer sein als der Streitwert. Dieser Fall tritt auch dann ein, wenn das Gericht unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 über den Antrag des Klägers hinausgegangen ist. 2 7 5 Angeknüpft wird hier an das Erkannte, wie es wirken würde, wenn es rechtskräftig werden würde, regelmäßig an den Tenor. Die Rechtsmittelsummen sind Zulässigkeitsvoraussetzungen des Rechtsmittels 131 im weiteren Sinn. Sie stehen außerhalb seiner Statthaftigkeit, d. h., daß durch Erreichung der Rechtsmittelsumme das an sich unstatthafte Rechtsmittel nicht zulässig werden kann. Erreicht die Beschwer nicht die Rechtsmittelsumme, so ist das davon abhängige Rechtsmittel auch dann nicht zulässig, wenn der Antrag in der höheren (der B e r u f u n g s i n s t a n z erweitert wird und werden darf. Umgekehrt ist es zunächst 265 Weitergehend vermindernd: OLG München WRP 1972, 541; OLG Hamburg NJW 1970, 1236, er betrage '/>; OVG Nürnberg NJW 1967, 269. 266

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BGHZ 22, 283 = NJW 1957, 464; aM OLG Düsseldorf JMB1. NRW 1956, 187; OLG Hamm NJW 1971, 2317. So auch OLG Nürnberg JurBüro 1963, 56; OLG Köln MDR 1973, 683: Ά. OLG Kassel ZZP 18/267. OLG Hamm NJW 1969, 243.

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KG NJW 1968, 1937; aM OLG Köln Rpfl. 1973, 321. OLG München BayJMBl. 1954, 64. KG NJW 1967, 55. Vgl. OLG Karlsruhe Justiz 1967, 198; LG Berlin MDR 1967, 409. Vgl. RGZ 47, 421, 422. Die Überschreitung außer acht zu lassen, bedeutet, die Rechtskraftwirkung einer solchen Entscheidung zu verkennen.

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unerheblich, ob der Rechtsmittelantrag innerhalb der Beschwer nur in beschränktem Umfange gestellt wird und ob diese Beschwer auch die Rechtsmittelsumme erreicht (§§ 511 a, 546). Der Rechtsmittelkläger darf also grundsätzlich nachträglich den Rechtsmittelantrag (insoweit im Rahmen der Beschwer) erweitern. Ist indes dadurch niemals die Rechtsmittelsumme erreicht gewesen und kann sie auch nicht mehr erreicht werden, 2 7 6 so wird der Rechtsmittelantrag entscheidend (§§ 536, 566). Die Rechtsmittelantragsbeschränkung wirkt also, soweit sie unwiderruflich geworden ist. 132

Abgesehen davon entscheidet grundsätzlich der Antrag des Rechtsmittelklägers, wobei indes der Streitgegenstand vom Kläger bestimmt bleibt. 2 7 7 Es entscheidet also der Rechtsmittelantrag im Rahmen der Beschwer über den Beschwerdewert. Bei der Rechtsmittelbeschwer des Klägers waltet aber das Ermessen des Rechtsmittelgerichts, soweit der Kläger die Entscheidung in das Ermessen des Gerichts gestellt hatte und das Rechtsmittelgericht auf seinen Angriff hin seinen Anspruch höher bewertet. Daß der Kläger, abgesehen von der Beschwer, in der Berufungsinstanz seinen Antrag erweitern oder beschränken 2 7 8 kann, wirkt sich nur für die Gebührenbewertung aus, die aber in der Revisionsinstanz in der Höhe der Beschwer und in der Berufungsinstanz insoweit begrenzt wird, wie sie eine unzulässige Berufung betrifft.

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Befriedigt der Beklagte den abgewiesenen Kläger in der Hauptsache vor Einlegung des Rechtsmittels, so erledigt sich damit der Streit in der Hauptsache, und der Kläger verliert die Beschwer. Dasselbe gilt aber auch, wenn der Beklagte, der die Fälligkeit der Forderung des Klägers bestritten hatte, unterlegen ist und nunmehr vor Einlegung des Rechtsmittels die Fälligkeit eintritt. Anders ist dies, wenn der Beklagte den Kläger nur zur Abwendung der Vollstreckung oder unter Vorbehalt befriedigt; dies ändert an der Beschwer nichts. Die Erledigungserklärung innerhalb der Rechtsmittelinstanz ändert den Beschwerdewert erst zukünftig, d.h. nicht zu Lasten der Zulässigkeit des Rechtsmittels, sofern sie nicht auf einer Willkür des Rechtsmittelklägers beruht.

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In der Rechtsmittelinstanz kann sich die Aufrechnung bei der Bemessung der Beschwer auswirken. Das kann nur dann so sein, wenn die Aufrechnung schon in der vorangegangenen Instanz erklärt worden ist. Die spätere hat auf die Zulässigkeit des Rechtsmittels keinen Einfluß. 2 7 9 135 Die Frage stellt sich aber nicht, wenn an Stelle der Aufrechnung wegen der Gegenforderung(en) Widerklage erhoben wird. Sie stellt sich auch nicht, wenn ein Bürge sich darauf beruft, daß der Hauptschuldner aufgerechnet h a b e 2 8 0 und dieser Einwand (der Tilgung) als unbegründet zurückgewiesen wird. Denn ein Verbrauch der Gegenforderung nach § 322 Abs. 2 tritt dadurch nicht ein; 2 8 1 anders, wenn der verklagte Bürge mit einer eigenen Gegenforderung aufrechnet. 136 Ist die Klage ohne Rücksicht auf die Gegenforderung abgewiesen worden, so ist nur der Kläger in Höhe der Klageforderung beschwert; 2 8 2 der Beklagte dagegen überhaupt nicht. 2 8 3 276

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Etwa wenn ein Teilverzicht auf das Rechtsmittel ausgesprochen wurde, sofern wirksam abgeteilt werden konnte, oder wenn wegen des beschränkten Rechtsmittelantrags das Rechtsmittel verworfen wurde. Insoweit k o m m t es auf das „Interesse" des Rechtsmittelklägers nicht an. Soweit er dadurch nicht die Zulässigkeit seines Rechtsmittels zerstört.

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B G H Warn 1970, 2 6 8 . Er selbst kann mit der Forderung des Hauptschuldners nicht aufrechnen. B G H N J W 1973, 146. O L G Köln M D R 1971, 127; O L G Frankfurt M D R 1971, 5 9 0 . O L G Saarbrücken JB1. Saar 1965, 107.

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Ist der Klage trotz Aufrechnung stattgegeben worden, so ist der Kläger nicht beschwert; 2 8 4 der Beklagte ist es aber infolge der Stattgabe der Klage auch dann, wenn er sich gegen die Klageforderung nur mit der Aufrechnung gewandt hat (sog. primäre Aufrechnung) wegen des Verbrauchs der aufgerechneten Forderung 2 8 5 und zwar nur in der Höhe der Klageforderung bei glatter Aufrechnung. Bei (eventuell) gestaffelter Aufrechnung mit mehreren (unterschiedlichen) Forderungen beträgt die Beschwer des Beklagten den Verbrauch seiner Forderungen. 286 Ist die Klageforderung a, die erste Gegenforderung b, die zweite c, die dritte d = a, so ist die Beschwer des Beklagten, wenn er die Klageforderung nur mit der Aufrechnung bekämpft hat (b—a) + (a—c) + a; bei weiteren Häufungen bis zur letzten in der entsprechenden Begrenzung. 287 Hat der Kläger die Gegenforderung anerkannt 2 8 8 , der Beklagte aber die Klageforderung aus anderen Gründen bekämpft, so ist der Kläger nicht beschwert, wohl aber der Beklagte in Höhe der Klageforderung.

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Hat der Beklagte eventuell (sekundär) aufgerechnet, also auch die Klageforde- 1 3 8 rung anderweit bekämpft, und ist der Kläger wegen der Aufrechnung abgewiesen worden, so ist der Kläger nur in der Höhe der Klageforderung, der Beklagte um die zur Aufrechnung gestellte und durch das Erkenntnis erloschene Gegenforderung beschwert. 2 8 9 Da die Aufrechnung stets den gleichartigen Gegenstand treffen muß (§ 3 8 7 BGB), wird die Frage der größeren Beschwer des Beklagten nur praktisch, wenn das Erkenntnis über die Aufrechnung des Beklagten hinausgegangen ist oder wenn durch gestaffelte Aufrechnung ein höherer Verbrauch von Gegenforderungen eingetreten ist. Sodann beträgt die Beschwer die Klageforderung zusätzlich der verbrauchten Gegenforderungen. Wird deshalb durch die Klage die Rechtsmittelsumme nicht erreicht, so hat in diesem Falle keine Partei das Rechtsmittel bei glatter Aufrechnung. Hatte allerdings der Beklagte wegen der über die Aufrechnung hinausgehenden Forderung Widerklage erhoben und ist er (auch) damit abgewiesen worden, so kann, wenn die Klage wegen der (sekundären) Aufrechnung abgewiesen wurde, bei Abweisung der Widerklage die Rechtsmittelsumme für den Beklagten 2 9 0 erreicht sein, obwohl der Kläger kein Hauptrechtsmittel hat. 2 9 1 Wird die Aufrechnung (Gegenforderung) des Beklagten als unzulässig zurückgewiesen, so wird die Gegenforderung materiell nicht verbraucht. 2 9 2 Bekämpft der Beklagte aber das Erkenntnis wegen der Zurückweisung, so ist die Beschwer auch wegen der als unzulässig zurückgewiesenen Aufrechnung für ihn gegeben. 2 9 3 Entsprechend ist die Rechtslage, wenn Urteil mit Vorbehalt der Gegenforderung nach § 3 0 2 ergeht. Dann ist der Kläger um den Vorbehalt stets nur in Höhe der Klageforderung beschwert; der Beklagte dagegen um die Klageforderung und, wenn er den Vorbehalt bekämpft, bei glatter Aufrechnung in Höhe der Klageforderung. Eine Gegenaufrechnung gegen eine Aufrechnung gibt es nicht. 2 8 5 BGHZ 57, 301 = NJW 2 5 7 ; OLG Frankfurt MDR 1971, 390; OLG Düsseldorf MDR 1971, 5 9 0 ; OLG München NJW 1970, 2 2 1 9 ; OLG Köln Rpfl. 1971, 185; aM OLG Celle Nds Rpfl. 1970, 2 8 0 , das den Wert der höheren Gegenforderung als maßgeblich ansieht. 286 Jeweils bis zur Grenze der Höhe der Klageforderung. 284

287

OLG München NJW 1970, 58.

Den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. 2 8 9 BGHZ 4 8 , 2 1 2 = NJW 1967, 2 1 6 2 ; BGHZ 48, 3 5 6 = NJW 1968, 156; OLG Hamburg AnwBl. 1971, 2 0 4 ; OLG Nürnberg AnwBl. 1972, 161. 290 Wegen des Verbrauchs der Forderung und Widerklage (Überschuß). 2 9 1 BGH NJW 1969, 699. 2 9 2 OLG Stuttgart Justiz 1971, 2 5 ; 1970, 184 bei mangelnder Substantiierung. 293 Während dies der Kläger nicht angreifen darf. 288

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§3

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

Entsprechend wird man bei der bloß noch im Streit befindlichen Zug- um Zugleistung nicht verfahren dürfen, weil die Entscheidung darüber nicht rechtskräftig, die Gegenleistung abspricht. 140

Für Zwischenentscheidungen bestimmt sich der Wert nach dem vollen außerprozessualen Anspruch, den sie betreffen. Entsprechend der objektiven Theorie ist bei Grundurteilen der Wert der vollen Anträge, über die sie ergangen sind, Streitgegenstand, womit zugleich ein Präjudiz für die Feststellungsklage gewonnen wird.

141

Dasselbe gilt bei dem Beschluß (§§ 515 Abs. 3, 566), wo der volle Antragswert Streitwert ist und bei dem Verfahren nach §§ 534, 566, wo der nicht angefochtene Teil des Urteils als Gebührenwert maßgebend ist.

142

Auch der Wert sonstiger Zwischenurteile ist nach dem Klageanspruch zu bemessen, 2 9 4 soweit sich das Urteil auf den gesamten Streit bezieht. 2 9 5

143

Der volle Wert gilt, auch wenn es nur um die Zulässigkeit des Rechtswegs geht oder um die Rechtshängigkeit oder um die sachliche oder örtliche Unzuständigkeit. 2 9 6

144

Bei Teilurteilen (§ 301) geht die Beschwer nicht über den nicht beschiedenen Teil. Dies gilt auch, wenn das angefochtene Erkenntnis nur über einen Teil von mehreren Ansprüchen, etwa aus StVG oder § 823 BGB entschieden hat, ebenso nicht bei Ergänzungsurteilen. 297 Dies gilt selbst dann, wenn das Rechtsmittelgericht vorgreifen darf, sofern das Rechtsmittel zulässig ist; auch dieser Teil bleibt außer Betracht.

145

Im Wiederaufnahmeverfahren kommt es für die Wiederaufnahmeinstanz nicht auf den Streitwert an. Für den Rechtsmittelwert einer Entscheidung im Wiederaufnahmeverfahren kommt es darauf an, wie weit das Erkenntnis vom Antrag des Rechtsmittelklägers in der Vorinstanz abweicht. Ob das Rechtsmittelverfahren ein Urteil- oder ein Beschwerdeverfahren ist, ist gleichgültig. Auch im Beschlußverfahren nach § 5 1 9 b ist der gesamte Wert der Beschwerdewert. Auch sonst ist die Beschwer einheitlich zu werten. 2 9 8

ΠΙ. Gebührengegenstand 146

Der Gebührengegenstand, nach dem die Gerichts-, Anwalts- und Gerichtsvollzieherkosten bemessen werden, deckt sich insoweit mit dem Streitwert, § 12 Abs. 1 GKG. Über die Gebührenwertfestsetzung vgl. § 25 GKG. Die Kostenberechnung bindet die höheren Instanzen nicht. 1. Tendenz

147

Die Rechtsprechung tendiert ferner zu einer Herabminderung der Streitwerte für die Gebührenberechnungswerte. Dies geschieht einmal, indem § 3 (etwa anstatt § 9) 294

295

296

BGHZ 37, 2 6 4 = NJW 1962, 345; OLG Hamburg M D R 1974, 53, für die Sicherheitsleistungseinrede nach § 110. Anders, wenn er sich nur auf einen Teil des Klagebegehrens erstreckt. OLG Düsseldorf JurBüro 1972, 1021; aM LG Braunschweig NJW 1973, 1846.

140

297 298

OLG Celle NJW 1966, 2414. AM OLG Nürnberg M D R 1969, 1020, das den Wert der Beschwer für die Herausgabe eines KfzBriefes für den Kläger nach der Verwertungsmöglichkeit seines Kfz, für den Beklagten nach der Höhe seiner Gegenforderung bemessen will.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§3

angewandt wird. Dieser Sprache hat sich dann auch der Gesetzgeber für Arreste und einstweilige Verfügungen und Anordnungen (§ 20 GKG) bedient, womit er die Herabsetzung im Verhältnis zu der „normalen" Bewertung herbeiführen will, andererseits aber damit zeigt, daß die Streitwerte normal zu bemessen sind. Bei den positiven Feststellungsklagen streicht die Rechtsprechung 20% ab. 2 9 9 Aber auch bei der Aufrechnung tritt diese Tendenz hervor, wie bei der Annahme von Teilwerten an Stelle von Vollwerten; etwa bei der Bewertung von Streiten mit Gesellschaftern außerhalb der Gesellschaft, wie bei der Relativierung innerhalb der Gesellschaft mit weitergehender Wertminderung, der in § 247 AktG auch der Gesetzgeber gefolgt ist, wie dem Ausweichen auf wirtschaftlich geringere Werte. 2. Variabilität Der Gebührenwert ist in weiterem Umfang variabler als der Streitwert und wird 1 4 8 auch innerhalb der Instanz mal höher, mal niedriger, auch für einzelne gebührenauslösende Akte unterschiedlich den Berechnungen zugrunde gelegt (§21 GKG). a) Kappung der Streitwerte. Andererseits hat schon der Gesetzgeber die Gebüh- 1 4 9 renwerte gekappt (§§ 16, 17 GKG). b) Rückdatierung. Während der Streitwert nicht zurückdatiert werden kann, 1 5 0 kann es der Gebührenwert. Deshalb ist auch eine Beschwerde nach (rechtskräftigem) Abschluß des Verfahrens im Rahmen des § 25 Abs. 1 S. 4 GKG zulässig, 300 wobei die Rechtsmittelsumme — in dem für sie maßgeblichen Zeitpunkt - nicht unterschritten werden darf. So ergibt sich ein Unterschied zwischen Streit- und Gebührenwert aus den ver- 151 schiedenen Zeitpunkten der Fixierung dieser Werte und dadurch, daß der letzte an verschiedene Aktgebühren anknüpft ( § 2 1 GKG). Der Streitwert wird zu Beginn festgelegt; im Rechtsmittelverfahren als Beschwer mit der — willkürlichen — Minderungs (nicht Erhöhungs)möglichkeit der Parteien; im ersten Rechtszug sowohl mit willkürlicher Erhöhungs- wie Minderungsmöglichkeiten durch den Kläger, wobei die Widerklagen gebührenwertmäßig hinzugesetzt werden, also entgegen § 6. c) Aufrechnung. Während bei Streitwert in erster Instanz im besonderen Wider- 1 5 2 klage und Aufrechnung nicht berücksichtigt werden, stellte sich für die, welche die Aufrechnung auch gebührenwertmäßig bei der Beschwer berücksichtigten, die Frage, ob nicht auch schon im ersten Rechtszuge eine Aufrechnung den Gebührenwert erhöhte. 3 0 1 In den höheren Instanzen klammert die Rechtsprechung von den Streitwerten 1 5 3 der Aufrechnung die Eventualaufrechnungswerte von den Gebührenwerten aus. Nach den Entscheidungen 302 wird auch in der Rechtsmittelinstanz der Gebührenwert von (Hilfs-)Aufrechnungen nicht berührt. 3 0 3 299

300

301

302

Was sich aber nach ihr auch streitwertmäßig ausgewirkt hat und was, wenn das GKG eine Kürzung der Gebührenwerte gegenüber §§ 8, 9 vorgenommen hat, zu einer weiteren Streichung der Gebührenwerte führt. KG NJW 1968, 1729; OLG Zweibrücken JZ 1970, 582; aM OLG Frankfurt Rpfl. 1971, 446. So OLG Frankfurt VersR 1971, 574; OLG Düsseldorf NJW 1970, 57; dagegen OLG Karlsruhe Justiz 1970, 186. BGHZ 59, 17 = NJW 1972, 1235; OLG Bamberg NJW 1971, 55; OLG Bremen NJW 1971,

303

712; OLG Celle MDR 1971, 933; OLG Düsseldorf MDR 1971, 934; OLG Frankfurt MDR 1971, 934; OLG Hamburg MDR 1971, 309; OLG Köln NJW 1968, 1728; OLG München MDR 1971, 589; OLG Nürnberg JurBüro 1971, 1064; OLG Oldenburg MDR 1971, 589; OLG Schleswig SchlHA 1970, 231; OLG Karlsruhe Justiz 1972, 73. Für den Streitwert gilt dies nicht: vgl. BGHZ 48, 212 = NJW 1967, 2162; BGHZ 48, 356 = NJW 1968, 156; OLG München MDR 1971, 589; bei der überwiegenden Anzahl der Ent-

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§ 3

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

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Besonders zweifelhaft wird die neue Rechtsprechung bei Vergleichen. Bei den Vergleichswerten werden noch nicht rechtshängige und nicht zur Entscheidung gestellte Ansprüche mit einbegriffen. Danach wäre einmal eine Gegenforderung gebührenwertmäßig zu berücksichtigen, nämlich wenn ihre Aufrechnung im Streite nicht geltend gemacht wurde, das andere mal nicht, wenn sie schon im Streit geltend gemacht w u r d e ; 3 0 4 das erscheint verfehlt. O L G K ö l n 3 0 5 und L G A a c h e n 3 0 6 haben deshalb zusammengerechnet. 3 0 7 Die einbezogenen Gegenforderungen hat bei Vergleichen O L G H a m m 3 0 8 nach Billigkeit bewertet, O L G Frankfurt 3 0 9 aus der Summe von Klageansprüchen und Gegenansprüchen unter Abzug des durch Aufrechnung verbrauchten Teils. Bei „primärer" Aufrechnung, also nicht Bekämpfung der Klage aus anderem Grunde, hat O L G Celle 3 1 0 den Vergleichswert ohne die Gegenforderung berechnet; richtiger wäre er nur nach dieser berechnet worden. D a s erscheint für die Vergleichsgebühr richtig. Bei Berücksichtigung der abwertenden Rechtsprechung zur Aufrechnung müßte die ferner für den Vergleich für Rechtsanwälte in Betracht kommende überragende 3 1 1 Prozeßgebühr in all den Fällen, wo aufrechenbare Gegenforderungen in Betracht kämen, gestrichen w e r d e n 3 1 2 , was jedenfalls nicht zur Vereinfachung der Berechnungen beiträgt. O b man dann bei „unzulässig e r " Aufrechnung weiter variieren muß, ist fraglich. 3 1 3 Im Falle der Trennung der Verfahren nach § 3 0 2 folgt die Aufrechnungsstaffel der Bewertung von Eventualklagen. Im übrigen kann sich die Rechtsprechung nur in bezug auf die Prozeßgebühr, und soweit die Verfahren nicht getrennt werden, auf die Verhandlungsgebühr, nicht aber auf die Beweisgebühr auswirken (vgl. § § 2 1 G K G , 7 B R A G O ) . O b bei höherem Beweisgebührenwert die Verhandlungsgebühr überhaupt kürzbar ist, ist zweifelhaft.

155

d) Abzüge. Werden bloße A b z ü g e 3 1 4 geltend gemacht, so kann dies nur insoweit der Aufrechnung gleichgestellt werden, wie ein Verbrauch der Gegenforderung (vgl. § 3 2 2 Abs. 2) eintritt. 3 1 5 Bei Eventualklagen ist der niedere Wert für die Gebührenberechnung maßgebend, wenn er Hauptantrag ist und mit ihm der Kläger obgesiegt hat. H a t er zu einem geringeren Hilfswert obgesiegt, so ist schon äußerlich die Kostenentscheidung nach § 9 2 zu teilen. 3. Nichtvermögensrechtliche Streite

156

Für nichtvermögensrechtliche Streite gibt es keinen Streitwert, sondern nur einen Gebührenwert, der nach § 12 G K G bestimmt wird. Deshalb kommt jener auch für die Rechtsgestaltungsklagen, die eine Nebenart der Leistungsklagen sind, nur dann in Betracht, wenn sie vermögensrechtlicher Art sind. 3 1 6

157

a) Verbunden mit vermögensrechtliche. Sind vermögensrechtliche Streite mit nichtvermögensrechtlichen (zu Recht oder zu Unrecht) verbunden, so ist das L G

304 305 306 307

308 309 310

Scheidungen, die vom Streitwert sprechen, war die Entscheidung nur für den Gebührenwert erheblich. So OLG Karlsruhe Justiz 1971, 249. OLG Köln JMB1. NRW 1970, 202. LG Aachen NJW 1970, 1327. Zu Recht die Gegenforderung auch in Höhe des die Klageforderung übersteigenden Wertes. OLG Hamm NJW 1966, 1081. OLG Frankfurt AnwBl. 1967, 201. OLG Celle MDR 1968, 334.

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313 314 315

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In der Regel '/2. Allerdings immer nur bis zur Höhe der Klageforderung. Vgl. OLG Stuttgart Justiz 1970, 184. ZB Minderung. OLG Karlsruhe Justiz 1971, 104 will zwischen Abrechnung und Aufrechnung unterscheiden; bei der Klage aus einem Saldo, § 355 HGB wird jedenfalls nur das Ergebnis einer Abrechnung geltend gemacht. Also etwa nach § 133 HGB.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§3

zuständig (§ 71 GVG), auch wenn die vermögensrechtlichen nicht die Summe des § 23 Abs. 1 S. 1 GVG übersteigen. Für das Rechtsmittel der Revision kann hier gerade der umgekehrte Fall eintreten, wenn für so verbundene Streite das Rechtsmittel nicht zugelassen, die vermögensrechtlichen aber die Revisionssumme übersteigen (§ 546 Abs. 1), so sollte die Revision schlechthin für zulässig erklärt werden. Gebührenrechtlich wird allerdings bei vermögensrechtlich und nicht vermögensrechtlich verbundenen Streiten nach § 12 Abs. 3 GKG nur der höhere bewertet, sofern dieser aus jenem hergeleitet wird. b) Andere. Gebührenrechtlich gilt für nichtvermögensrechtliche Streite § 12 1 Abs. 2 GKG. Bei der Bemessung des Gebührenwertes ist hier dem Gericht ein weiter Spielraum gelassen worden. Die nach dem Geldwert ausgerichtete Bewertung steigt notwendiger Weise mit dessen sinkender Tendenz. 317 IV. Bewertungsverfahren 1. Streitwert Wird in einem amtsgerichtlichen Verfahren die sachliche Zuständigkeit des AG 1 überschritten, so hat das AG darauf hinzuweisen, und auf Antrag des Beklagten zu verweisen (§ 504). Von Gerichts wegen zu entscheiden, besteht kein Anlaß, doch wird die Unzuständigkeitseinrede des Beklagten nicht vor dem amtsgerichtlichen Hinweis innerhalb der amtsgerichtlichen Instanz verloren. Die Streitwerte bestimmen bei den ordentlichen Gerichten das jeweils angegangene Gericht, also zunächst das Gericht des ersten Rechtszuges; sodann (mittelbar) das Rechtsmittelgericht, da über die Zulässigkeit des Rechtsmittels zu entscheiden, das Rechtsmittelgericht berufen ist. a) Einwirkung der oberen Instanz. Hat sich der Streitwert im Laufe des Verfah- 1 rens nicht verändert und unterliegt er noch der gleichen Bewertung, dann ist die Bestimmung der oberen Instanz auch für die untere(n) maßgeblich. Insoweit kann auch die obere Instanz die Streitwerte für sich und die unteren einheitlich festsetzen. b) Erste Instanz. In der ersten Instanz stellt das angegangene Amts- (oder 1 Land-)gericht von sich aus seine sachliche Zuständigkeit 318 fest, in der landgerichtlichen bei ausschließlicher gerichtlicher Zuständigkeit von Gerichts wegen, sonst auf rechtzeitige Rüge (§ 39 Abs. 1 S. 1); in der amtsgerichtlichen auf Hinweis des AG ($ 39 Abs. 1 S. 2). Ist die Rüge rechtzeitig erhoben und begründet und hat der Kläger, wenn auch 1 nur hilfsweise, einen Verweisungsantrag gestellt, so ist an das sachlich zuständige Gericht unanfechtbar durch Beschluß zu verweisen (§ 281). Fehlt der Verweisungsantrag des Klägers, so wird auf ihn, wenn er nicht anwaltlich vertreten ist, aufmerksam zu machen sein (vgl. auch § 139). Stellt ihn der Kläger auch dann nicht, so ist die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit des Gerichts als unzulässig durch Endurteil abzuweisen. 319 Ist das Berufungsgericht das LG und will es das angefochtene Urteil durch Endurteil aufheben, so darf es bei gestelltem (Hilfs-)Antrag des Klägers 317

318

Vgl. die ältere Rspr. zu § 14 aF GKG, 2. Aufl. C III b. Auf die örtliche bezieht sich die Streitwertfestsetzung nicht.

319

Wogegen der Kläger das Rechtsmittel der Berufung, nicht das der Sprungrevision (§ 566 a Abs. 2) hat.

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1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

auch an sich selbst durch Endurteil verweisen. Nur wenn der Antrag nicht gestellt wird, ist die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Der Streitgegenstand wird von Gerichts wegen bewertet. Das Gericht darf sich von sich aus durch Augenschein über seinen Wert vergewissern oder im Zweifelsfalle ihn durch Sachverständige schätzen lassen (§3). Beide Beweise darf es auch sonst in anderen Verfahren erheben. Hat es über den Umfang des Streitgegenstandes Zweifel, so werden diese grundsätzlich nach § 139 zu klären sein. Dies wird nur in den Ausnahmefällen erfolglos bleiben. 3 2 0 In diesem Ausnahmefalle darf das Gericht von sich aus, 3 2 1 ohne an die Parteianträge gebunden zu sein, sich auch bestimmte Urkunden vorlegen lassen oder eine Auskunft von Beamten und Behörden einholen und die Parteien anhören, um den Sachverhalt zu klären (§ 141), auf Beweisantritte hinwirken (§ 139), und sogar sie als Beweismittel vernehmen (§§ 448, 452 Abs. 1). Daraus folgt, daß das Gericht in den gewöhnlichen Verfahren nur in zwei Fällen bei der Beweiserhebung an Parteianträge gebunden ist, nämlich einmal bei der Vernehmung von Zeugen (§ 373), einschließlich der sachverständigen Zeugen (§414) und sodann bei der Vorlegung von Urkunden durch Dritte (§§ 428 bis 432). Soweit das Gericht Beweise erhebt, muß es die Förmlichkeiten der Beweiserhebung beachten. Bloße Glaubhaftmachung (§ 294) genügt hier nicht. Die Kosten der Beweisaufnahme dürfen getrennt und der Partei auferlegt werden, deren Angaben unrichtig waren (vgl. § 96). Im Fall des § 25 GKG ist dies besonders für die Kosten der Sachverständigen bei der Abschätzung ausgesprochen und auch auf den Fall ausgedehnt worden, daß der Kläger entgegen der Vorschrift des § 23 GKG selbst keine Wertangaben gemacht hat (§ 26 GKG). Nicht ausgeschlossen ist es, daß das Gericht seine Wertfestsetzung auf Teile des Klageantrags beschränkt. Das Gericht ist an seine Streitwertfestsetzung gebunden mit der Endentscheidung, mit einer Zwischenentscheidung, die seine Zuständigkeit festlegt, mit einem Teilurteil (§ 301), einer Vorabentscheidung (§§ 302, 599), einem Grundurteil (§ 304) und durch die Entscheidung einer höheren Instanz. In allen übrigen Fällen kann das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeitsannahme, selbst wenn es sie in einem Beschluß ziffermäßig niedergelegt hat, ändern, also im Laufe eines insoweit noch ungebundenen Verfahrens. Eine gesonderte Festsetzung für ein Nachverfahren bei unverändertem Streitgegenstand ist unzulässig. c) Gegenvorstellung. Gegen solche nicht bindenden Streitwertbeschlüsse können die Parteien nur Gegenvorstellungen erheben; sie haben kein Beschwerderecht. Über Lösung von der Bindung des Amtsgerichts bei willkürlicher Veränderung des Streitgegenstandes vgl. § 506 Abs. 1. 2. Rechtsmittelwert

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In der Rechtsmittelinstanz setzt diese im Verfahren vor den Zivilgerichten den (Beschwerde-)Streitwert eigenständig fest.

169

a) Verfahren. Das Verfahren regeln die Vorschriften der §§ 5 1 1 a Abs. 1, 546 Abs. 1, die auch in der Beschwerdeinstanz anzuwenden sind (vgl. § 567 Abs. 2). 320

U. U. w e n n der Kläger geisteskrank ist.

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321

Vgl. H 1 4 2 Abs. 1, 143, 1 0 2 HGB.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§3

Danach muß im Rechtsmittelverfahren der Rechtsmittelwert vom Rechtsmittelkläger glaubhaft gemacht werden (§ 294), wobei er zu der eigenen Versicherung an Eides Statt nicht zugelassen wird. Und an diese Glaubhaftmachung ist das Gericht (zunächst) gebunden, soweit nicht § 2 9 1 durchgreift. Doch darf der Gegner des Rechtsmittelklägers gegenglaubhaft machen. Aber auch, wenn er es nicht tut, erleidet er dann keinen Nachteil, wenn die Glaubhaftmachung durch Beweiserhebung im Prozeß widerlegt wird, weil auch dann noch das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen ist. O b das Gericht bei der Ermittlung des Rechtsmittelwerts von sich aus Beweise erheben darf, ist zweifelhaft. Fehlt es an der Glaubhaftmachung, so ist nach § 3 zu schätzen, wobei Zweifel ohne anzuordnende Beweisaufnahme zu Lasten des Rechtsmittelklägers gehen. Von der Erreichung der Rechtsmittelsumme hängt die Zulässigkeit des Rechtsmittels ab, wo das Gesetz dies so bestimmt (§§ 5 1 1 a Abs. 1, 546 Abs. 1, 5 6 7 Abs. 2). Die Folgerungen daraus hat die Rechtsmittelinstanz zu ziehen. b) Bindung. D a s Rechtsmittelgericht ist an die eigene Entscheidung über die Rechtsmittelsumme gebunden durch eigene (Voll-, Teil-, Vorab-, Grund-)Entscheidung; nicht aber, sofern durch ein neues Rechtsmittel es im Nachverfahren zu entscheiden h a t . 3 2 2 An seine eigene — ausdrückliche — Vorentscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsmittels ist es gebunden. 3 2 3

170

c) Wiedereinsetzung. Die Wiedereinsetzungsbeschlüsse berühren grundsätzlich 1 7 1 die Erreichung der Rechtsmittelsumme nicht. Trotz Wiedereinsetzung kann auch aus anderen Gründen das Rechtsmittel unzulässig sein bzw. noch werden. d) Angriffe in höherer Instanz. Haben die Parteien gegen eine Entscheidung der 1 7 2 Berufungsinstanz ein Rechtsmittel 3 2 4 , so können sie vor dem Rechtsmittelgericht die zweitinstanzliche Entscheidung (auch) in bezug auf die Rechtsmittelsumme angreifen (§§ 547, 519 b Abs. 2); abgesehen von den Entscheidungen gegen welche die Revision unstatthaft ist. Im übrigen betreffen die jenseits der Rechtsmittelsumme liegenden „Streit" Wertbeschlüsse mit ihrer Abänderbarkeit im Rahmen der § § 2 4 f G K G nur das Gebührenrecht. e) Dritte Instanz. Auch die dritte Instanz prüft selbständig nach, ob die Rechts- 1 7 3 mittelwert-Entscheidung des O L G richtig ist, weil es sich hier um eine Prozeßfortsetzungsbedingung handelt, die auch vom Revisionsgericht von Gerichts wegen nachzuprüfen ist, sofern die Beschwerde statthaft bzw. die Revision zulässig ist. Für die dritte Instanz gilt bzgl. des bei ihr eingelegten Rechtsmittels das in bezug auf die zweite gesagte entsprechend; nur daß es eine Überprüfung der Rechtsmittelstreitwerte durch eine höhere Instanz nicht gibt. O b dies durch eine Verfassungsbeschwerde erreicht werden könnte, hängt davon ab, ob die Voraussetzungen für diese begründet werden können. 3. Bagatellstreitwert Die Ermittlung des Streitwertes erfolgt formlos von Amts wegen. Obwohl verfahrensrechtlich das gleiche wie für den Zuständigkeitsstreitwert gilt, kommt dem Es kann also die Rechtsmittelsumme für ein Vorbehaltsverfahren bejahen; selbst wenn der Streitgegenstand unverändert blieb, die Bewertung auch zeitlich nicht anders vorzunehmen ist, und die Rechtsmittelsumme sich nicht geändert hat. Nicht aber an den bloßen Streitwertfestsetzungsbeschluß.

324

Schon gegen die versagende Wiedereinsetzung, die die Rechtsmittelsumme betrifft, die Beschlüsse und Urteile, die einen Rechtsbehelf als unzulässig verwerfen, oder auch bei dem, die Zulässigkeit ausdrücklich oder stillschweigend bejahenden Endurteil.

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1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

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praktisch keine Bedeutung zu, da die Anordnung des schriftlichen Verfahrens auf Antrag wieder aufzuheben ist (§ 1 2 8 Abs. 2 S. 4 ) und das Verfahren nach billigem Ermessen keine förmliche Anordnung voraussetzt (§ 4 9 5 a). 4 . Verurteilungswert 175

Die Ermittlung des Verurteilungswertes erfolgt ebenfalls formlos. D a die vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung den Kläger begünstigt, obliegt ihm die Darlegungs- und Beweislast für einen sie ermöglichenden Wert. Die Entscheidung erfolgt hier nach Freibeweis; G l a u b h a f t m a c h u n g genügt nicht. 5 . Kosten

176

Die Kosten des Bewertungsverfahrens sind Kosten des Rechtsstreits (§§ 9 1 ff, 1 0 3 ff, 6 8 Abs. 1 G K G ) ; § 2 6 G K G findet keine Anwendung.

V. Gebiihrenwertfestsetzung 177

Die Gebührenwertfestsetzung folgt anderen Regeln als die Streitwertfestsetzung und allein zu dem Z w e c k , die gesetzlichen Gebühren zu bestimmen. 1. Beschluß

178

Sie richtet sich nach der Streitwertfestsetzung gem. §§ 1 2 , 2 4 G K G und außerhalb dieser nach § 2 5 G K G .

179

a) Abänderbarkeit. Die Abänderbarkeit des Gebührenwertbeschlusses bzw. sein E r l a ß ist in der Instanz, die angegangen war, im R a h m e n des § 2 5 Abs. 1 S. 4 G K G von Anbeginn bis nach Erlaß der Endentscheidung zulässig. D o c h ist die erste wie die zweite Instanz an die Festsetzung der höheren gebunden, sofern diese, die erste mitergreifend, den Gebührenwert festgesetzt hat. Auch m u ß sich die Gebührenwertfestsetzung im R a h m e n der Streitwertfestsetzung (auch der höheren Gerichte) halten, soweit die Bewertung nicht durch Sonderregeln des Gebührenrechts modifiziert worden ist. M a c h t die höhere Instanz von § 2 5 Abs. 1 S. 3 G K G keinen G e b r a u c h , so kann es durchaus zu verschiedenen Gebührenbewertungen in den Instanzen k o m men, o b w o h l derselbe Streitgegenstand — unverändert — zu bewerten ist; allerdings nur mit der Streitwertbegrenzung. 3 2 S

180

b) Beschwerde. Die Gebührenwertentscheidung der ersten Instanz ist im R a h men der Frist des § 2 5 Abs. 2 S. 3 G K G mit der Beschwerde angreifbar, sofern die erste Instanz ihren Beschluß abändern kann. Es m u ß indes der Beschwerdewert nach § 5 6 7 Abs. 2 gegeben sein. Umstritten ist, o b die erste Instanz ihren Beschluß begründen m u ß ; 3 2 6 in jedem Falle darf die Beschwerdeinstanz vorprüfen (§ 5 4 0 ) . 2 . Zweitinstanzliche Festsetzung

181

Gegen zweitinstanzliche Festsetzungen der O L G und der höheren Gerichte ist die Beschwerde unstatthaft (§ 5 6 7 Abs. 3 S. 1).

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326

Soweit die Gebührenwertbegrenzung nicht anderen Regeln folgt. Bejahend: O L G München M D R 1970, 2 4 6 ;

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O L G Schleswig SchIHA 1958, 146; verneinend: O L G Nürnberg, M D R 1970, 5 1 7 ; O L G Köln J B 1969, 2 1 5 ; O L G Düsseldorf M D R 1971, 4 9 5 .

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§3

3. Drittinstanzliche Festsetzung Gebührenwertmäßig wirkt die Festsetzung der dritten Instanz außerhalb der 1 8 2 Rechtsmittelgrenze nur nach § 25 GKG. Das Revisionsgericht darf hier für alle drei Instanzen den Wert festsetzen.

VI. Einzelbeispiele Die folgende Übersicht enthält ausgewählte Einzelfälle, insbesondere aus neuerer Rechtsprechung und Schrifttum zu typischen Wertfragen. Abänderungsklage: Vgl. § 323; a n z u w e n d e n sind §§ 9, 17 G K G , und zwar auf der G r u n d l a g e der Differenz zwischen dem a b z u ä n d e r n d e n Vollstreckungstitel und dem jetzt geforderten Betrag, O L G H a m b u r g F a m R Z 1982, 322. Abberufung: Eines Geschäftsführers oder Vorstandsmitglieds ist von der Beendigung des Dienstverhältnisses zu unterscheiden und nach § 3 zu schätzen, B G H N J W 1990, 1123. Ablehnung: Eines Richters, Schiedsrichters, Sachverständigen. Der Wert des Beweisgegenstandes ist nach § 3 zu schätzen. Regelmäßig ist er niedriger als die H a u p t s a c h e oder der vom Beweis betroffene Teil (vgl. S 2 1 GKG); idR Ά, O L G F r a n k f u r t M D R 1980, 145. Abnahme der Kaufsache: M a ß g e b e n d ist das Interesse des Klägers an der A b n a h m e u n d nach § 3 zu schätzen; § 6 ist u n a n w e n d b a r , O L G Stuttgart Rechtspfleger 1964, 162. Abrechnung: Z B § 8 7 c H G B , § 2 5 9 BGB: nach S 3 schätzen, maßgeblich ist das wirtschaftliche und evtl. auch das ideelle Interesse an ihrer Erteilung. Allgemeine Geschäftsbedingungen: G e b ü h r e n w e r t höchstens 50 0 0 0 , - D M , § 2 2 AGBGB. Anerkenntnis: Grundsätzlich keine Verringerung des Streitwertes, O L G Düsseldorf F a m R Z 1987, 1281 m w N . Anmeldung zum Handelsregister: M i t w i r k u n g ist nach § 3 zu schätzen. Die H ö h e der Einlage oder des Gesellschaftsanteils ist ein bloßer A n h a l t s p u n k t , vgl. B G H BB 1979, 6 4 7 . Arrest: Über § 2 0 Abs. 1 G K G nach § 3 zu schätzen. Nicht aber höher als der Wert der H a u p t sache, vgl. O L G Düsseldorf F a m R Z 1985, 1155. Aufhebung einer Gemeinschaft: Regelmäßig die H ä l f t e des Anteils, w e n n die Klage allein der Vorbereitung der Auseinandersetzung dient, B G H N J W 1973, 50. Auflassung: M a ß g e b e n d ist der Verkehrswert des Grundstücks; es gilt § 6; a M Waltinger Rpfl. 1972, 87. Auskunftsanspruch: Ist nach § 3 zu schätzen, wobei der Wert von dem Interesse der A u s k u n f t erteilung a b h ä n g t , B G H N J W R R 1988, 8 3 7 m w N . Die Rspr. reicht von Vw bis Vi, E. Schneider M D R 1974, 2 7 1 , 2 7 3 m w N . Ausschließung eines Gesellschafters oder Vereinsmitglieds: Das Interesse des Klägers an Feststellung des Ausscheidens oder an der erstrebten Ausschließung ist nach § 3 zu schätzen. Regelm ä ß i g ist es der Verkehrswert ihrer Anteile, B G H Z 19, 172; a M O L G H a m m Rpfl. 1962, 222. Aussetzung des Verfahrens: Bruchteil, Ά bis 'Δ, des H a u p t s a c h e w e r t s , B G H Z 2 2 , 2 8 3 = N J W 1957, 4 2 4 . A M Wert der H a u p t s a c h e , O L G H a m m N J W 1971, 2 3 1 7 . Bauhandwerkerhypothek: Bei der Eintragung einer Vormerkung ist Ά bis % des H y p o t h e k e n rechts anzusetzen, O L G Bamberg J u r B ü r o 1975, 649; abweichend T h o m a s / P u t z o , 17. Aufl., § 3 A n m . 2, >A bis Ά. Baulandsachen: 1. Enteignung: Bei Streitigkeiten u m die Rechtsmäßigkeit eines Verwaltungspacktes findet § 6 A n w e n d u n g , vgl. B G H N J W 1968, 153; entsprechend bei Antrag auf Einleit u n g des Enteignungsverfahrens. Dabei ist der objektive Verkehrswert m a ß g e b e n d . 2. Umlegungsverfahren: Ebenso, wenn der Antragsteller sich gegen die Einbeziehung in das Umlegungsverfahren wendet. Fordert er ein günstiges Ergebnis der Umlegung oder ficht er den Umlegungsplan an, beträgt der Wert nach § 3 Ά des Verkehrswertes des vom Umlegungsplan betroffenen Eigentums oder anderer dinglicher Rechte des Antragstellers, B G H Z 4 9 , 317; 5 1 , 341. Bedingte Rechte: N a c h § 3 wird der Grad der Wahrscheinlichkeit des Bedingungseintritts geschätzt. Lothar G a m p

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183

§3

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

Befreiung von einer Verbindlichkeit: Maßgebend ist § 3, nicht § 9 oder §§ 16, 17 G K G , B G H N J W 1974, 2 1 2 8 . Entscheidend ist der vom Kläger genannte Geldbetrag der Verbindlichkeit, B G H N J W R R 1990, 958 m w N . Grundsätzlich ist er gleich dem Betrag der Schuld, O L G Köln M D R 1985, 769, insbes. bei Bürgschaft und Hypothek, wobei persönliche und dingliche Haftung nicht zusammengerechnet werden. Wenn es um die Befreiung eines Gesamtschuldners im Innenverhältnis geht, ist es der Wert des übernommenen Anteils, O L G H a m b u r g JurBüro 1980, 279. Befristete Rechte: Der Wert wird z. Zt. der Geltendmachung des Anspruchs nach § 3 geschätzt, vgl. O L G Köln F a m R Z 1989, 4 1 7 . Dabei ist der Zeitpunkt des Eintritts (Fälligkeit) oder des Wegfalls (Untergang) zu berücksichtigen. Bürgschaft: Bei der Klage gegen den Bürgen ist Wert der Hauptforderung maßgebend, und zwar ohne Nebenforderungen, § 4 Abs. 1, 2. Halbs., B G H M D R 1958, 765. S 6 S. 2 Klage auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde: Bruchteil der Forderung, § 3, O L G Stuttgart JurBüro 1980, 896. Dauerwohnrecht: § 16 G K G , O L G Frankfurt M D R 1963, 9 3 7 für § 12 G K G aF, wenn es nicht um die Inhaberschaft des Rechts geht. Drittschuldnerprozeß (§ 840): Wertbegrenzung durch die Höhe der beizutreibenden Forderungen, E. Schneider M D R 1990, 20. Ehelichkeiten: Gebührenwert, § 12 Abs. 2 G K G . Werteaddition bei mehreren Kindern, § 12 Abs. 1 G K G , § 5, 1. Halbs., O L G H a m b u r g JurBüro 1987, 882; O L G Karlsruhe Justiz 1987, 146. Berücksichtigung des geringeren Umfangs bei den Einzelwerten, O L G Zweibrücken JurBüro 1984, 1541. Ehesachen: Für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten § 12 Abs. 2, 3 G K G , Unterhalt § 17 Abs. 1 G K G . Eheverletzung: § 12 Abs. 2 G K G bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten (Unterlassung, Widerruf, Gegendarstellung). Die Werte werden addiert, K G N J W 1969, 1305. Bei Schadensersatzansprüchen gilt § 12 Abs. 3 G K G , nicht § 5. Eigentumsvorbehalt: § 6 S. 1 selbst dann, wenn der Verkäufer bei geringerem Restkaufpreis auf Herausgabe klagt, O L G Frankfurt N J W 1970, 334. Einstweilige Verfügung: Das Interesse des Antragstellers an der Sicherung des Anspruchs wird für die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung über § 2 0 Abs. 1 G K G nach § 3 geschätzt. Regelmäßig Ά des Wertes der zu sichernden Forderung. Erbauseinandersetzung: Klägeranteil, B G H N J W 1 9 7 5 , 1 4 1 5 , an den streitigen Gegenständen, B G H N J W 1969, 1350. Erbschein: Bei Klage auf Herausgabe oder Feststellung, § 3. Dabei ist das-Interesse des Klägers zu berücksichtigen, die über §§ 2 3 6 6 , 2 3 6 7 B G B drohenden Nachteile zu verhindern. Erbunwürdigkeit: Beklagtenanteil am Nachlaß, B G H N J W 1970, 197; a M O L G H a m b u r g M D R 1959, 5 8 5 . Fälligkeit: Streitige Differenz bei auf Fälligkeit beschränkten Feststellungsklagen, § 3, O L G H a m b u r g M D R 1972, 335. Fischereirecht: § 3, B G H M D R 1969, 916. Forderungen: Nennbetrag der Geldforderung; Wert der Sachforderung, wenn auf Erfüllung geklagt wird. Gehalt: § 12 Abs. 7 A r b G G , § 17 Abs. 3, 4 G K G , B G H N J W 1981, 2 4 6 5 . Bei der Forderung des Vertretungsorgans einer Handelsgesellschaft findet § 9 Anwendung. Gesellschaftsanteil: Übertragung, Verkehrswert, O L G Frankfurt JurBüro 1980, 606. Grundbuch: Ansprüche auf Eintragungsbewilligung (§ 19 G B O ) und Berichtigung (§ 894 BGB) sind nach dem Wert des betreffenden Rechts anzusetzen. Handelsregisteranmeldung: Wert einer Mitwirkung wird nach § 3 geschätzt, wobei die Höhe der Einlage oder des Gesellschaftsanteils ein bloßer Anhaltspunkt ist, vgl. B G H BB 1979, 647. Hausrat: Bei der Benutzungsregelung gem. § 6 2 0 Nr. 7 gilt § 3 über § 2 0 Abs. 2 S. 2 G K G . Herausgabe: ξ 3 bei Eigentumsübertragung; § 6 bei Besitzverschaffung; bei eingebauten Sachen ist Verkehrswert nach Ausbau maßgebend, O L G Frankfurt Rpfl. 1970, 69; K G Rpfl. 1 9 7 1 , 227.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§3

Hilfsantrag: Vgl. § 5; der Gebührenwertstreit richtet sich nach § 19 Abs. 4 G K G . Danach ist der höhere Wert des Hilfsanspruchs dann maßgebend, wenn das Gericht über den Hilfsanspruch entscheidet, vgl. O L G Nürnberg M D R 1980, 2 3 8 . Hinterlegung: Bei Klage auf Vornahme ist der Wert nach § 3 zu schätzen. Bei Klage auf Einwilligung zur Herausgabe gilt § 6, nämlich der Wert der Sache, K G JurBiiro 1978, 4 2 7 . Zinsen zählen nicht zu den Nebenforderungen nach § 4, B G H N J W 1967, 930. Immissionen: Die bei voraussichtlicher Dauer eintretende Wertminderung ist nach § 3 zu schätzen, O L G Schleswig JurBiiro 1973, 637. Klageänderung: Beim Gebührenwert werden die Werte vor und nach der Änderung nicht addiert, K G Rpfl. 1968, 2 8 9 . Konkurs: Maßgebend ist § 148 K O , wobei sonstige Befriedigungsmöglichkeiten unberücksichtigt bleiben, B G H N J W 1964, 1229; B a y O b L G M D R 1974, 323; O L G Celle JurBüro 1974, 1026; O L G H a m m JurBüro 1984, 1372. Ebenso bei Aufnahme nach Konkurseröffnung, nicht aber rückwirkend, B G H KostRspr. K O § 148 Nr. 17. Kosten: Vgl. § 4 Abs. 1, § 2 2 Abs. 1 - 3 G K G . Kündigung: Klage auf Unwirksamkeit einer Kündigung entspricht dem Prozeß- oder Gebührenwert des Rechtsverhältnisses, vgl. B G H N J W 1958, 1291; O L G H a m m AnwBl. 1977, 111; O L G München JurBüro 1985, 5 7 4 bei Kündigung eines Handelsvertreters. Löschung von Grundbuchrechten: Bei Grundpfandrechten gilt der Nennbetrag ohne Rücksicht auf Bestand oder Höhe der gesicherten Forderung,. O L G Frankfurt JurBüro 1977, 720; O L G Celle M D R 1977, 935. Andere Rechte werden nach § 3 geschätzt, vgl. O L G Köln M D R 1983, 4 9 5 ; O L G Schleswig SchlHA 1966, 85; O L G Nürnberg N J W 1977, 857. Mieterhöhung: Nach § 9 S. 1, 2. Alt., S. 2 höchstens 25facher Jahresbetrag; bei kündbarem Mietverhältnis nach § 9 S. 1, 1. Alt. 12 'Afacher Jahresbetrag. Der Gebührenwert bei Wohnraum nach § 16 Abs. 5 G K G Jahresbetrag. Miterbe: Bei Klage auf Zustimmung zum Auseinandersetzungsplan gilt nicht der Wert des Nachlasses, sondern das Interesse des Klägers, B G H N J W 1975, 1415 mit abl. Anm. Schmidt. Bei Streit um einzelne Gegenstände ist nur der Wert dieser maßgebend, B G H N J W 1969, 1350. Nachverfahren (§ 600): Maßgebend ist derjenige Wert, dessentwegen das Gericht dem Beklagten die Ausführung seiner Rechte vorbehalten hat, O L G München M D R 1987, 766 m w N . Nebenintervention: Prozeßwert gleicht dem der Hauptsache, begrenzt durch den Antrag des Nebenklägers, B G H Z 31, 144 = N J W 1960, 4 2 . Beim Gebührenwert ist das wirtschaftliche Interesse maßgebend, vgl. O L G München J B 1985, 1854. Nießbrauch: Bei Klage auf Einräumung gilt § 3, B G H N J W R R 1988, 3 9 5 rawN zu diesem Streit; ebenso bei Erfüllung, Aufhebung und Löschung, aA Thomas/Putzo 15. Aufl. § 3 Anm. 2 „Nießbrauch": § 6. Räumung: Für den Prozeßwert gilt § 6 S. 1, 1. Alt.; für den Gebührenwert S 16 Abs. 2 G K G , vgl. L G München I W M 1982, 305. Rangfolge: Im Grundbuch und bei Pfandrechten gilt § 3; entsprechende Anwendung findet dabei § 23 Abs. 3 S. 1 K o s t O , nicht aber § 24 K o s t O , O L G Frankfurt Rpfl. 1982, 157. Reallast: Es gilt § 9; keine Addition, § 5, wenn Rente und zu ihrer Sicherung eine Reallast verlangt wird. Schadensbeseitigung: Maßgebend ist der Wert der Minderung; bei Dauerschuldverhältnissen (ζ. B. Miete) gilt § 9; für den Gebührenwert wird § 16 Abs. 1 G K G entsprechend angewandt. Selbständiges Beweisverfahren: Prozeßwert gleicht dem der Hauptsache (§486 Abs. 2). Er ist ebenfalls Gebührenwert (§ 12 Abs. 1 G K G ) . Sicherheitsleistung: Bei Ausländersicherheit (§ 110) gilt der Wert der Hauptsache, B G H N J W 1962, 3 4 5 ; ebenso bei einem Zwischenurteil gem. § 113, O L G H a m b u r g M D R 1974, 53. Stufenklage: Maßgebend ist ausschließlich der höhere Anspruch ( § 1 8 G K G ) . Teilklage: Maßgebend ist ausschließlich der geltend gemachte Teilanspruch. Teilstreitwert: Vgl. § 2 1 G K G . T o d des Rentengläubigers: Vgl. Lappe N J W 1988, 3 1 3 0 . Unterhalt: Maßgebend ist § 9; für den Kostenstreitwert § 17 G K G , O L G Frankfurt AnwBl. 1982, 198. Vgl. auch O L G Koblenz AnwBl. 1984, 2 0 5 ; O L G Düsseldorf F a m R Z 1987, 1281; O L G München F a m R Z 1990, 778 m w N . Urkunde: Bei Feststellungsklage gilt § 3; ebenso bei Klage auf Vorlegung zur Einsichtnahme, O L G Köln M D R 1983, 321. Lothar G a m p

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§4

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

Vaterschaftsstellung: Ausschließlich Gebührenwert nach § 12 Abs. 2 GKG; iVm. Regelunterhalt nach § 643 Abs. 1 S. 1 gelten § § 1 2 Abs. 3, 17 Abs. 1 S. 2 GKG, vgl. O L G Hamm JurBüro 1985, 572. Veröffentlichung: Unabhängig von den Kosten der Veröffentlichung gilt § 3. Versicherungsschutz: Bei der Rechtsschutzversicherung sind die Kosten der Instanz maßgebend, O L G Hamm VersR 1984, 2 5 7 . Versorgungsausgleich: Maßgebend ist § 17 a GKG. Verzugszinsen: Bei selbständigen Einklagen ist § 3, nicht aber § 9 maßgebend, B G H Z 36, 144, 147. Vormerkung: Bei Eintragung und Löschung gilt § 3; regelmäßig Ά bis % des Grundstücks Verkehrs wertes. Wandelung: § 3 ist im Rahmen des § 4 6 5 BGB maßgebend; bei § 4 6 7 BGB gilt der Wert der Forderung oder der Sache. Bei der Klage auf Rücknahme der Sache gilt § 3, vgl. O L G Karlsruhe Justiz 1970, 12. Widerruf: Maßgebend ist § 3, vgl. O L G Celle Nds Rpfl. 1970, 2 0 7 . Wohnungseigentum: Bei der Entziehung (§ 18 WEG), sind der Verkehrswert, einschließlich der Anteile, nach § 3 zu schätzen, LG München I Rpfl. 1970, 93. Bei der Herausgabeklage aus Kauf gilt § 6, BGH W M 1967, 662. Zinsen: Maßgebend ist § 4; für den Kostenstreitwert § 2 2 GKG. Werden Zinsen zur Hauptforderung, gilt § 3, nicht § 9; ebenso in der Beschwerdeinstanz, BGH BB 1981, 1491. Zug-um-Zug-Leistung: IdR ist ausschließlich der Klageanspruch maßgebend und stellt die obere Grenze dar, BGH N J W 1982, 1048. Ist nur die Gegenleistung in Streit, die den Klageanspruch nicht übersteigt, gilt deren Wert, R G Z 140, 358; ebenso im Rechtsmittelverfahren, K G O L G Z 1979, 348.

§4 ( 1 ) F ü r die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der Einreichung der Klage, in der Rechtsmittelinstanz der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels, bei der Verurteilung der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, entscheidend; Früchte, Nutzungen, Zinsen und K o s t e n bleiben unberücksichtigt, w e n n sie als Nebenforderungen geltend g e m a c h t werden. ( 2 ) Bei Ansprüchen aus Wechseln im Sinne des Wechselgesetzes sind Zinsen, Kosten und Provision, die außer der Wechselsumme gefordert werden, als N e b e n forderungen anzusehen. Übersicht Rdn. I. Allgemeines 1. Gesetzesgeschichte 2. Normzweck II. Bewertungszeitpunkt 1. Streitwert a) Rechtshängigkeit b) Wertverringerung 2. Rechtsmittelwert a) Fixierung der Zeit b) Wertveränderungen c) Willkür des Rechtsmittelklägers 3. Unterschiede der Bewertungszeitpunkte a) Zwischen Streit- und Rechtsmittelwert b) Bagatellverfahren

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1 2 3 4 5 6 7 8 — 12 13 14-16 17 18 19

c) Vorläufige Vollstreckbarkeit . . 4. Verschiedenartigkeit a) Veränderung des Gegenstandes b) Veränderung des Wertmaßstabs c) Auffassung der Rechtsmittelgerichte 5. Gebührenwert III. Nebenforderungen 1. Umgrenzung a) Bürgerlich rechtliche Nebenforderungen b) Prozeßrechtliche Nebenforderungen 2. Novation a) Außerprozessualer Art b) Umwandlung

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Rdn. 20 21 22 23 24 25 26 27 28—44 45—46 47 48—49 50—57

1. Titel: Sachliche Zuständigkeit Rdn. c) Keine prozessualen Nebenforderungen 3. Verbindung mit der Hauptforderung

§4

Rdn. a) Abhängigkeit 60-64 b) Selbständige Geltendmachung . 65 — 72 c) Auswirkung 73 — 78 4. Gebührenwert 79

58 59

I. Allgemeines 1. Gesetzesgeschichte § 4 ist mehrmals geändert worden. Zunächst wurde sein Abs. 2 durch die No- 1 velie von 1 8 9 8 eingefügt. 1 Der Abs. 1, 1. Halbs, zweiter Teil über die „Rechtsmittel" mußte während der Inflationszeit eingefügt werden. 2 Danach wurde im Interesse der Vereinfachung das Wort „Schäden" gestrichen. 3 § 4 wurde dann durch die Novelle von 1 9 5 0 4 insgesamt sprachlich neu gefaßt. Durch das 1. EheRG vom 1. 7. 1 9 7 7 ist schließlich § 4 Abs. 1 geändert worden, weil die Vorschriften der §5 2 ff jetzt allgemein für Wertberechnungen gelten und es nicht mehr auf die Erhebung der Klage, sondern auf deren Einreichung ankommen soll. 5 2 . Normzweck Aus Gründen der Verfahrenssicherheit legt § 4 den Zeitpunkt fest, der für Wertberechnungen im Zivilprozeß maßgebend ist. Außerdem ordnet § 4 Abs. 1, 2 . Halbs., Abs. 2 an, daß Nebenforderungen unberücksichtigt bleiben. Dadurch wird die Wertberechnung wesentlich vereinfacht. 6 Ferner soll er eine Leitlinie 7 angeben, nach welchen Zeitpunkten sich eine Wertberechnung richten soll und wie Nebenansprüche wertmäßig zu behandeln sind.

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Π. Bewertungszeitpunkt Da ein und derselbe Gegenstand zu verschiedenen Zeiten einen verschiedenen Geldwert haben kann, legt § 4 Abs. 1 den Zeitpunkt fest, wann im Verfahren vor den ordentlichen Gerichten die Werte zu bewerten sind.

3

1. Streitwert Der Streitwert entscheidet für die ordentlichen Gerichte über die Zuständigkeit zwischen Amts- und Landgericht. Seine Bemessung gehört deshalb an den Anfang des Verfahrens vor den ordentlichen Gerichten. 8 Die Streitwertfestlegung bedeutet nur, daß, selbst wenn durch eine Veränderung des Wertes im Laufe des Verfahrens die andere sachliche Zuständigkeit begründet werden würde, die z. Zt. der Klageerhebung nicht gegeben war, die Veränderung

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Vgl. Stein/]onas/Schumann § 4 vor Rdn. 1. Vgl. Kommissionsbericht: Reichstagsdrucksache 1 9 2 0 / 1 9 2 2 Nr. 4538. Begründung: Reichstagsdrucksache 1 9 2 0 / 1 9 2 2 Nr. 6116 S. 5; vgl. dazu auch RGZ 158, 350 f. Vgl. Stein/Jonas/Schumann § 4 Rdn. 2. Zur Geschichte dieser Vorschrift vgl. auch Brox Rpfl. 1967, 351, 353. Zustimmend BGH NJW 1977, 583; vgl. auch

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RGZ 158, 350f; OLG Köln VersR 1974, 605; sowie Hahn S. 147. Stein/Jonas/Schumann § 4 Rdn. 1. Anders bei den Arbeitsgerichten, wo es keine gespaltene erstinstanzliche Zuständigkeit gibt und der Rechtsmittelwert im Urteil der Gerichte festgelegt wird; aM LAG NJW 1964, 1045: auch hier sei auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abzustellen.

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§4

1. Buch: Allgemeine Vorschriften.

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unbeachtet bleibt; wobei die z. Zt. der Klageerhebung begründete Zuständigkeit nach § 261 Abs. 3 Nr. 2 fixiert wird. 5

a) Rechtshängigkeit. § 4 Abs. 1 spricht nur von dem Zeitpunkt der Klageerhebung, meint indes den der Erhebung des Anspruchs, der Rechtshängigkeit. Die Klage wird durch Zustellung eines Schriftsatzes (§ 253 Abs. 1) erhoben. Weitere Ansprüche im Laufe eines Verfahrens werden entweder in der mündlichen Verhandlung oder durch Zustellung eines Schriftsatzes erhoben (§ 261 Abs. 2). Mit jeder Erweiterung des vorangegangenen Antrags, sei es durch Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2, durch Erhebung der Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2) oder auch durch die der Widerklage wird der Streitwert verändert (vgl. § 506). Der Streitgegenstand kann auch dadurch erweitert werden, daß mehrere Prozesse miteinander verbunden werden. Dagegen bleiben sonstige Veränderungen des Wertes des Streitgegenstandes für die sachliche Zuständigkeit außer Betracht, 9 und zwar sowohl bei Erhöhung wie bei Verminderung des Wertes.

6

b) Wertverringerung. Auch die Wertverringerung des Streitgegenstandes bleibt stets, auch bei sich selbst verringerndem Klageanspruch, außer Betracht ( § 2 6 1 Abs. 3 Nr. 2), möge sie auf Wertminderung des Gegenstandes oder auf Beschränkung des Antrags (§ 264 Nr. 2) beruhen oder auf Trennungsanordnung durch das Gericht (§ 145) oder durch Teilurteil (§ 301). Allerdings wird nach dem Gesetz ein in die Zukunft gehender Anspruch auf den Klageerhebungsstichtag bewertet. Es gibt kein Hineinwachsen in die Zuständigkeit. 1 0 Das gilt auch noch im Nachverfahren 1 1 , etwa bei Unterhaltsklagen nach § 9. 2. Rechtsmittelwert

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Der Wert des Rechtsmittels wird vor den ordentlichen Gerichten auf den Zeitpunkt seiner Einlegung fixiert. In diesem Zeitpunkt muß die Rechtsmittelsumme (§§ 5 1 1 a Abs. 1, 546 Abs. 1, 567 Abs. 2) erreicht sein, wenn das Rechtsmittel zulässig sein soll. Die gespaltene Rechtsmittelinstanz ist für die Bewertung ohne Belang, weil diese stets an die vorangegangene erste Instanz, ohne Rücksicht auf die Werte, anknüpft.

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a) Fixierung der Zeit. Maßgebend ist der Eingang der Rechtsmittelschrift, d. h. der der Berufung bei dem Berufungsgericht ( § 5 1 8 Abs. 1), der der Revision bei dem Revisionsgericht (§ 553 Nr. 2); der der Kostenbeschwerde und der der sofortigen Beschwerde bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird (§ 569) und bei der einfachen Beschwerde in dringenden Fällen (§ 569 Abs. 1) wie bei der sofortigen Beschwerde stets (§ 577 Abs. 2 S. 2) bei dem Beschwerdegericht.

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Wird dasselbe Rechtsmittel bei verschiedenen Gerichten oder bei demselben mehrfach eingelegt, so wird von dem sonst zulässigerweise (und nicht zurückgenommenen) zeitlich früheren ab, der Zeitpunkt festgelegt, wenn in diesem Zeitpunkt die Rechtsmittelsumme erreicht war, auch wenn der Wert später gesunken ist. Wird indes durch ein später eingelegtes die Rechtsmittelsumme erreicht, so bleibt es ebenfalls zulässig.

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BGH NJW I960, 1459. Vgl. die ältere Rspr., 2. Aufl. Β I a 2.

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LG Gießen AnwBl. 1954, 89; LG Schweinfurt AnwBl. 1954, 88.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§4

Daraus folgt, daß es genügen muß, wenn die Rechtsmittelsumme nur in irgendei- 1 0 nem Zeitpunkt von der Einlegung des Rechtsmittels ab bis zu der Zeit, wo die Rechtsmittelfrist verstrich, gegeben sein muß, um seine Zulässigkeit bejahen zu können; denn in der Einlegung liegt zugleich die Aufrechterhaltung. Insoweit ist die Rechtslage also anders als bei der Klageerhebung. Vom umgekehrten Standpunkt aus wäre zu verlangen, daß der Wert vom Erlaß 11 der Entscheidung bis zur Einlegung des Rechtsmittels stets den Rechtsmittelwert erreicht, was aber mit § 4 Abs. 1 nicht vereinbar ist. Wäre in dieser Zeit irgendwann einmal der Wert geringer, so wäre die Entscheidung unanfechtbar geworden, da ein einmal rechtskräftig gewordenes Urteil (oder Beschluß oder Verfügung) nicht mehr angefochten werden kann (vgl. § 580 Nr. 7 a). Die Bedeutung des § 4 Abs. 1 liegt jedenfalls darin, daß der Rechtsmittelwert 12 auf die genannte Zeit fixiert wird und damit, wie der Streitwert, für die Folgezeit unverändert bleibt. b) Wertveränderungen. Spätere Wertveränderungen, etwa Preissteigerungen, 1 3 d. h. die nach dem für die Rechtsmitteleinlegung maßgebenden Zeitpunkte, bleiben also grundsätzlich außer Betracht. Nicht berücksichtigt wird die Wertschrumpfung, soweit sie nicht vom Rechtsmittelkläger zu vertreten ist, wozu es auch gehört, wenn nach der Rechtsmitteleinlegung der Konkurs eröffnet wird 1 2 , selbst wenn dadurch die Forderung nach § 148 KO unter die Rechtsmittelsumme sinkt. Wird auf Abriß und Wegnahme des Materials geklagt, so ist der Wert des noch nicht abgerissenen Gebäudes maßgebend. 1 3 Bei Vorgriffen der Rechtsmittelinstanz wird der Rechtsmittelwert durch den Vorgriff nicht berührt; 1 4 hat aber das Berufungsgericht vorgegriffen, so wird für die Revisionssumme voll bewertet. 15 c) Willkür des Rechtsmittelklägers. Anders ist dies nur, wenn der Wert durch 1 4 willkürliche Handlungen des Rechtsmittelklägers nach dem maßgeblichen Zeitpunkt, insbesondere durch Beschränkungen des Beschwerdewertes im Rechtsmittelantrag, 1 6 oder durch freiwillige Befriedigung durch den Beschwerten herabsinkt. 1 7 Dann wird danach die Rechtsmittelsumme berechnet. Da indes durch die Einlegung eines Rechtsmittels die Rechtskraft der gesamten 1 5 Entscheidung gehemmt wird, also auch, soweit sie nicht mit dem Rechtsmittel angegriffen worden ist und die Fixierung deshalb die gesamte Beschwer der angefochtenen Entscheidung betrifft, darf der Rechtsmittelkläger auch nach Ablauf der Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfrist noch ein beschränkt eingelegtes Rechtsmittel 18 erweitern, um durch diese Erweiterung die Zulässigkeit des Rechtsmittels herzustellen; wobei aber eine notwendige (§§ 519, 554) Begründung innerhalb der gesetzten Frist gegeben sein muß. Auch dann ist der Rechtsmittelwert nicht etwa nach dem Zeitpunkt der Erweiterung, durch die erst das Rechtsmittel zulässig geworden ist, zu bewerten, sondern nach dem der Einlegung des Rechtsmittels. Endgültiger Rechtsmittelwert ist allerdings nicht die gesamte Beschwer, sondern stets nur die angegriffene, also die durch den unwiderruflich gewordenen Rechtsmittelantrag bestimmte. 12 13

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Vgl. R G Z 109, 154; 76, 292. Vgl. auch § 6; a M OLG Frankfurt NJW 1970, 334. BGH NJW 1959, 1827. BGHZ 31, 279 = NJW 1960, 576. BGH M D R 1951, 153.

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BGH NJW 1951, 274; nicht aber, wenn eine zukünftige fällig werdende Forderung in der Rechtsmittelinstanz fällig und dann befriedigt wird. Im Rahmen der vorinstanzlichen Anträge, der Beschwer.

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§4 16

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

Geht bei der Berufung der Antrag zulässigerweise über die Beschwer hinaus, so ist dies nur für den Gebührenwert von Bedeutung, denn die Beschwer wird dadurch nicht größer, und dieser bemißt sich nach dem Zeitpunkt der wirksamen Erweiterung bzw. der vorläufigen oder endgültigen Beendigung der Instanz. 3. Unterschiede der Bewertungszeitpunkte

17

Der Rechtsmittelwert ist nach § 4 Abs. 1 grundsätzlich zu einem anderen Zeitpunkt zu bewerten als der Streitwert.

18

a) Zwischen Streit- und Rechtsmittelwert. Durch die Veränderung des Bewertungszeitpunktes kann die Relation zwischen Gegenstand und Geldwert sich geändert haben. Bei sich stillschweigend erweiternden Anträgen wird die Beschwer endgültig auf den letztmöglichen Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung beschränkt. Die herrschende Praxis stellt es genau auf den Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung ab. Bei Klagen, die sich auf Vergangenheit und Zukunft erstrecken, etwa Zahlung von Renten, wird deshalb die Vergangenheit bis zur Rechtsmitteleinlegung bewertet, die Z u k u n f t von da ab.

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b) Bagatellverfahren. Für die Zulässigkeit ist der Zeitpunkt der Einreichung der Klage maßgeblich (§§ 4 Abs. 1, 1. Halbs., 128 Abs. 3 S. 1), wobei es aber auf den Streitgegenstand bei Anordnung des Bagatellverfahrens ankommt.

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c) Vorläufige Vollstreckbarkeit. Für die vorläufige Vollstreckbarkeit ist der Wert zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung maßgeblich (§ 4 Abs. 1, 1. Halbs.), maW der prozessual generell maßgebliche Zeitpunkt, im schriftlichen Verfahren der an seine Stelle tretende Zeitpunkt (§ 128 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 2). 4. Verschiedenartigkeit

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Die verschiedenartige Bewertung desselben Gegenstandes in Beziehung zwischen Streit- und Rechtsmittelwert kann a) aus seiner Veränderung, b) der des Wertmessers wie c) der der Wertung (trotz unveränderten Gegenstandes und trotz unveränderten Wertmessers) hervorgehen.

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a) Veränderung des Gegenstandes. Die Veränderung des Gegenstandes selbst kann sich aus seiner Natur, 1 9 aber auch aus willkürlichen Handlungen der Parteien ergeben, etwa wenn ein Haus aufgestockt oder ausgebaut, ein Grundstück verbessert oder umgekehrt es verschlechtert wird oder ein Gebäude zerstört wird. Trat die Veränderung des Gegenstandes durch eine willkürliche Handlung infolge des Erkenntnisses zur Abwendung der Vollstreckung ein, so wird dadurch der Streitgegenstand nicht verändert. Diesen Fall trifft in bezug auf den veränderten Gegenstand § 4 Abs. 1 nicht. In den übrigen Fällen ist es aber anders: der veränderte Gegenstand ist zu bewerten, soweit gerade (und nur) er Streitgegenstand ist.

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Bsp.: ein Tier wird älter und verliert damit an Wert; eine Pflan2e kann durch weiteren Wuchs wertvoller geworden sein.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§4

Das kann sich auch bei den in das Ermessen des Gerichts gestellten Anträgen ergeben. In der Regel wird sich aber der Kläger an seiner eigenen Mindestbewertung festhalten lassen müssen. b) Veränderung des Wertmaßstabs. Die Veränderung des Wertmaßstabs ist in der Inflationszeit ( 1 9 1 8 - 1 9 2 3 ) und bei der Währungsumstellung (am 18. 6. 1 9 4 8 ) besonders deutlich geworden. Über die Rechtsprechung aus der ersten Inflationszeit, die noch vor Änderung des § 4 Abs. 1 lag, vgl. die 1. Aufl. Durch Aufwertung der D M im Verhältnis zu anderen Wertungen verschiebt sich die Bewertung entsprechend, soweit es um Fremdwährungsschulden geht. Entsprechend ist auf den nach § 4 Abs. 1 erheblichen Zeitpunkt abzustellen, wenn die Wertgrenzen herabgesetzt oder erhöht werden, sofern keine besonderen Übergangsvorschriften gesetzt werden.

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c) Auffassung der Rechtsmittelgerichte. Maßgeblich ist die Bewertung des Rechtsmittelgerichts, die eigenständig vorgenommen wird, die zu einer anderen Wertung als der des vorangegangenen Gerichts führen kann. Auch darf die spätere, bessere Erkenntnis über den Wert in dem maßgebenden Zeitpunkt nicht außer acht gelassen werden. Jede Veränderung dieser Relationen ist zu beachten, auch die Wertsteigerung der Ware, und zwar gleichgültig aus welcher Ursache anders bewertet wird.

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5. Gebühren wert Auch für den Gerichtsgebührenstreitwert ( § 1 2 Abs. 1 G K G ) gilt § 4 Abs. 1, 1. Halbs. Nicht der Beschwerdegegenstand, sondern der Rechtsmittelantrag wird bewertet (§ 14 Abs. 1 S. 1 GKG). Letzterer kann bei Klageerweiterung bzw. unzulässigem Antrag höher, oder, wie bei einer teilweisen Anfechtung, niedriger sein. Für die Revision gilt gleiches. 2 0 Ein eingeschränkter Rechtsmittelantrag bleibt unberücksichtigt, wenn er offensichtlich nicht auf die Durchführung des Rechtsmittels gerichtet ist. 2 1 Die Beschwer ist für den Gebührenwert maßgebend, wenn keine Rechtsmittelanträge gestellt werden (§ 14 Abs. 1 S. 2 G K G ) . Der Gegenstandswert für die Rechtsanwaltsgebühren richtet sich ebenfalls nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften (§ 8 Abs. 1 S. 1 B R A G O ) . In der Zwangsvollstreckung kommt es für Gerichts- und Anwaltsgebühren, unabhängig vom Wert des Prozesses, allein auf den Zeitpunkt der sie einleitenden Prozeßhandlung an ( S S 8 1 5 Abs. 2 G K G , 8 Abs. 1 S. 1 B R A G O ) .

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ΠΙ. Nebenforderungen Die Früchte, Nutzungen, Zinsen, Kosten und die Wechsel- (und Scheck-)provisionen sind bürgerlich-rechtliche, die Prozeßkosten prozeßrechtliche Nebenforderungen, wenn sie neben Hauptforderungen geltend gemacht werden und bleiben bei der Wertberechnung außer Betracht (§ 4 Abs. 2).

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1. Umgrenzung Als bürgerlich-rechtliche Nebenforderungen werden nur die in § 4 genannten nicht bewertet; 2 2 als prozeßrechtliche nur die Prozeßkosten (§§ 9 1 ff). 20 21 22

Abgesehen von der Klageerweiterung. BGHZ 70, 365 = NJW 1978, 1263. Nicht mehr Schäden, die hier noch bis zu dem

Gesetz v. 18. 8. 1923 (RGBl. 1923 I 813) aufgeführt waren.

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1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

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a) Bürgerlich-rechtliche Nebenforderungen. Die bürgerlich-rechtlichen Nebenforderungen zerfallen in drei Gruppen: Nutzungen, Kosten und Provisionen. Den Begriff der Frucht regelt § 99 BGB, den der Nutzungen § 100 BGB. In dem letzten Begriff ist der erste enthalten, in dem ersten der Begriff der Zinsen. § 99 Abs. 1 BGB spricht von den Früchten einer Sache, § 99 Abs. 2 BGB von denen eines Rechts; zu ihnen sind aber auch die Früchte sonstiger Gegenstände, im besonderen der Gewinn von Unternehmen zu zählen. 29 Unter Sachfrüchten sind die — natürlichen — Erzeugnisse der Sache und ihre sonstige natürliche Ausbeute zu verstehen, also die pflanzlichen und tierischen Erzeugnisse. Sachnutzungen sind der Gebrauch von Sachen. Vorteile, die sich aus der Verpfändung oder der Belastung einer Sache iSd. § 90 BGB ergeben, sind keine Nutzungen, ebenso wenig die aus Zinsersparnissen. 2 3 30

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Wird indes die natürliche Einheit der Sache selbst zerstört, ein Tier geschlachtet, ein Haus abgerissen, so ist das aus der Schlachtung oder dem Abriß Gewonnene keine Frucht mehr, weil die Frucht aus einer Sache „ihrer Bestimmung gemäß" gewonnen worden sein muß, also nicht durch ihre Vernichtung. Bei einem Grundstück gehört indes zur natürlichen Ausbeute die Gewinnung von Bestandteilen iSd. § 93 BGB, also die Gewinnung von Pflanzen, von Bodenbestandteilen, wie etwa Kies, Lehm, Mineralien, obwohl dadurch in die Substanz der in dem Grundstück befindlichen natürlichen Sachen eingegriffen wird. Zu den Grundstücksnutzungen gehören auch die seines Viehbestandes, wie etwa die geschorene Wolle einer zum Grundstück gehörenden Schafherde. 2 4 Zur Grundstücksnutzung gehört aber nicht das Wegnehmen der nur vorübergehend mit ihm verbundenen Sachen des § 95 BGB und die Wegnahme des Zubehörs als solches nach §§ 97 ff BGB, wohl aber die seiner Früchte. Darauf, ob die Früchte in ordnungsmäßiger Wirtschaft gewonnen worden sind oder nicht, kommt es nicht an. 2 S Für Rechtsfrüchte und -nutzungen gilt ähnliches. Der Begriff der Nutzungen ist gegenüber dem der Frucht noch erweitert um die „Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechtes gewährt". Zu den Erträgen des Rechts gehören sowohl natürliche Sachfrüchte wie die im Gesetz erwähnten Bodenbestandteile und die vom Verpächter nach § 581 Abs. 1 BGB gewonnenen, wie die auf Grund des Rechts gewonnenen natürlichen Sachen, wie überhaupt die Nutzungen der Mieter, Pächter, Nießbraucher, Reallast-, Grunddienstbarkeits-, persönlichen Dienstbarkeitsberechtigten, wie die Vorteile durch den Gebrauch einer Sache, eines Grundstücks zum Wohnen, 2 6 eines Tieres zum Reiten, eines Möbelstücks zur Benutzung und die juristischen Früchte, wie die Zinsen eines Rechts und Gegenwerte für überlassene Nutzungen aller Art, wie die Gewinnanteile der Aktionäre, 2 7 soweit sie neben dem Anspruch auf Herausgabe der Aktien geltend gemacht werden; nicht aber das Bezugsrecht auf neue Aktien 2 8 ; wohl aber die Gewinne eines sonstigen Gesellschafters 29 für die Gesellschaft nach §§ 705 ff BGB, Miet- und Pachtzinsen. 30 Überbau-, Notweg- und sonstige Renten, die Reallasteinzelleistungen, Leibrenten; 31 aber auch der an Stelle des Gebrauchs gewonnene Vorteil, wie bei Ansprüchen aus § 812 Abs. 1 BGB der des Verkäufers auf Ersatz für 23 24 25 26 27

RGZ 136, 135. RGZ 22, 272. RGZ 80, 229, 232. Vgl. RGZ 129, 309 ff. RG Gruch 52, 1085.

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AM OLG München Seuff 1972, 125. RGZ 88, 42, 46. RGZ 105, 409. RGZ 80, 209.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

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die vom Käufer gezogenen Nutzungen wie überhaupt das, was der Bereicherte aus dem Gegenstand erworben hat; 3 2 einschließlich der Nutzungsentschädigungen nach Enteignungsrecht. Unter den Zinsbegriff fallen sowohl die rechtsgeschäftlichen wie die gesetzlichen 3 5 (vgl. §§ 246, 289 Abs. 1 S. 1, 291 BGB; Art. 48 Abs. 1 Nr. 2, 49 Nr. 2 WG; Art. 45 Nr. 2, 46 Nr. 2 ScheckG; § 94 Abs. 1 W G ) Zinsen, aber auch der entgangene Nutzungsanteil, soweit er als Schadensausgleich über den gesetzlichen Zinssatz hinausgehend gefordert wird 3 3 oder der Verzugsschaden für höhere Bankdiskontspesen. 3 4 Daß die im Laufe des Rechtsstreit erwachsenen Zinsen als Nebenforderung für die Streitwertberechnung außer Betracht bleiben, folgt aus § 4 Abs. 1. Nicht zu den Vorteilen zählen aber die, welche sich durch den Verbrauch der 3 6 Sache ergeben, nicht die das Recht vernichtende Leistung, also nicht der Tilgungsbetrag einer Kapitalforderung. 3 5 Auch ist der Dienstlohn keine Frucht des Dienstverhältnisses. O b die Erträge rechtmäßig oder unrechtmäßig erzielt worden sind, kann für die Bewertung keinen Unterschied begründen. Unter Nebenkosten sind Aufwendungen zur Erhaltung und Sicherung eines Ge- 3 7 genstandes oder die zu solchen Aufwendungen bzw. die zur Durchsetzung eines Rechts zu verstehen. Das positive Gesetz gibt diesen Oberbegriff selbst nicht. Sachliche Aufwendungen solcher Art sind Kosten. Das BGB nennt die Kosten, welche zur Gewinnung von Früchten erforderlich waren ( § 1 0 2 BGB), die der Übergabe und Abnahme der verkauften Sache (§ 448 BGB), des Grundstückskaufs (§ 449 BGB), die Vertragskosten bei der Wandlung (§ 467 Abs. 1 S. 2), die der Abgabe einer offenbarenden Versicherung ( § 2 6 1 BGB), die der Quittung (§ 369 BGB), die der Hinterlegung verkaufter Sachen (§ 373 HGB), die der Hinterlegung ( § 3 8 1 BGB), die der Versteigerung der hinterlegten Sache (§ 386 BGB), die der Abtretungsurkunde (§ 403 BGB), und die Pflege-, Fütterungs-, Unterbringungs-, Behandlungs- und Tötungskosten für ein Tier (§ 488 BGB), die der Kündigung und Rechtsverfolgung bei der Bürgschaft, 3 6 die der Verschaffung neuer Schuldverschreibungsurkunden auf den Inhaber (§§ 7 9 8 - 8 0 0 BGB), die der Vorlegung einer Sache (§ 811 BGB), die der Berichtigung des Grundbuches (§ 897 BGB), die der Abmarkung (§ 912 BGB), die der Beseitigung eines gemeinschaftlichen Baumes (§ 923 BGB), die der Aufbewahrung und Versteigerung gefundener Sachen (§ 981 BGB), die der Erhaltung einer Sache im Falle des § 994 BGB, die der Bestellung eines landwirtschaftlichen Grundstücks im Falle des § 998 BGB, die der Aufstellung des Wirtschaftsplanes nach §§ 1038, 2123 BGB, die bei der Hypothekenhaftung (§ 1118 BGB) eines Ehegatten und der Pfandhaftung, zu der auch die des Pfandverkaufs gehören (§ 1210 Abs. 2 BGB), die des Rechtsstreits (§§ 1360 a, 1438 Abs. 2, 1460, 1441 Abs. 1 S. 3, 1443, 1463 Abs. 1 S. 3, 1465 BGB), die des Aufgebots des Nachlaßgläubigers (§§ 1965, 2061 BGB), die des Nachlaßverzeichnisses (§§ 2121, 2215, 2314 BGB), wie zurückzuerstattende Verfahrenskosten (Art. 104 EGBGB). Art. 48 Abs. 1 Nr. 3 WG, Art. 45 Nr. 3 ScheckG nennen als Kosten die des Prote- 3 8 stes, die der Nachrichten und sonstige Aufwendungen. Die Kosten einer telegrafischen Darlehensüberweisung sind Nebenforderungen, ebenso die der Aufbewahrung, wenn auf Abnahme der Kaufsache geklagt wird. Ob Frachten, Zölle, Abgaben, Lagergeld, Futterkosten zu den Kosten zählen, hängt davon ab; ob sie der 32 33 34

RGZ 108, 120, 121. RGZ 158, 350; BGH VersR 1957, 244. RGZ 158, 350; aM OLG Nürnberg JW 1926, 2480; OLG Kassel JW 1926, 1612.

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RGZ 54, 88, 92. § 7 6 7 BGB: BGH MDR 1958, 765, die den Hauptschuldner belastenden Zinsen bleiben es auch für den in Anspruch genommenen Bürgen.

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Erhaltung bzw. Durchsetzung oder Sicherung einer Sache oder eines Rechts oder eines sonstigen Gegenstandes dienen; oder ob dies nicht der Fall ist. Lagergelder, die nach § 373 Abs. 1 HGB, Futterkosten, die nach § 4 8 8 BGB entstehen, zählt das Gesetz jedenfalls zu den Kosten. Der Sprachgebrauch kennt darüber hinaus schlechthin Lager- und Beförderungskosten. Steuersäumniszuschläge sind Nebenforderungen. 37 Doch darf § 4 Abs. 2 nicht auf Zölle wie sonstige auf dem Gegenstand ruhende Abgaben erstreckt werden. 3 8 LG Hannover 3 9 hat die Mehrwertsteuer nicht als Nebenforderung einer Hauptforderung angesehen. Darüber hinaus bezieht das Gesetz den Kostenbegriff aber auch auf Aufwendungen zur Förderung einer Person (vgl. § 1610 Abs. 2 BGB). Diese scheiden für § 4 Abs. 2 aus, weil er nur vermögensrechtliche Ansprüche im Verhältnis zueinander bewertet, nicht aber das von nichtvermögensrechtlichen zu vermögensrechtlichen. Für Wechsel iSd. WG gelten die Provisionen, das Gesetz spricht jetzt von Vergütungen (Art. 48 Abs. 1 Nr. 4, 4 9 Nr. 4 WG) als Nebenforderungen (§ 4 Abs. 2). Da die Wechseleinlösung keine neue Schuld begründet, bleibt der in Art. 4 9 Nr. 1 W G genannte Betrag in seine Ursprungsbestandteile (Wechselsumme, Zinsen, Kosten, Vergütung, Art. 48 Abs. 1 WG) zerlegt, d. h. Streitwert ist nur die Wechselsumme. Dies gilt auch gegenüber den Wechselbürgen. Ob der Anspruch im Wechselprozeß (§ 602) oder im gewöhnlichen Prozeß geltend gemacht wird, ist gleichgültig. Für die Scheckprovision (Art. 45 Nr. 4, 46 Nr. 4 ScheckG) ist § 4 Abs. 2 entsprechend anzuwenden. Das R G 4 0 hat dies auch für die Provision des Selbsthilfeverkäufers gelten lassen. Die sonstige ausdehnende Auslegung der Bestimmung, also etwa auf die Provision des § 3 5 4 HGB, ist aber abzulehnen. Dies gilt im besonderen auch dann, wenn ein solcher Anspruch aus einem anderen Rechtsgrunde verfolgt wird. Keine Nebenforderungen sind sonstige, nicht erwähnte Forderungen, also etwa Vertragsstrafen (vgl. § 62 Nr. 2 KO), Nebenleistungen iSd. § 5 0 7 BGB, Schäden sonstiger Art. Der Schadensersatzanspruch wegen abhanden gekommener Kühe und Ersatz des entgangenen Milchgeldes sind deshalb zusammenzurechnen. 41

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b) Prozeßrechtliche Nebenforderungen. Prozeßrechtliche Nebenforderungen können die Prozeßkosten (§§ 91 ff, 4 6 4 StPO usw.) sein, wozu aber auch die außergerichtlichen, die ein Verfahren vorbereiten oder es vorbereitend abwehren sollen, gehören. Auch die Prozeßkosten gehören dazu, die in einem Schlußurteil erkannt wurden, wo schon gegen das vorangegangene Teilurteil (ohne Kostenentscheidung) ein Rechtsmittel schwebte. 4 2

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Ferner sind prozeßrechtliche Nebenforderungen das Kostenpauschquantum des Arrestes 43 wie auch die Kostenzinsen, 44 die eines vorausgegangenen Schiedsverfahrens, 4 5 und die für die Aufhebung des Schiedsspruchs nach § 1 0 4 1 . 4 6 Auch die Mehrwertsteuer, die im Rahmen der Prozeßkosten anfällt, gehört zu ihnen. 4 7 37 38

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BGH NJW 1956, 1562. BGH NJW 1958, 2 0 1 5 für die Lastenausgleichsabgabe; vgl. auch die ältere Rspr., 2. Auflage C I a 2. LG Hannover Nds Rpfl. 1974, 157. RGZ 33, 408. OLG Schleswig SchlHA 1951, 46. OLG Köln MDR 1957, 173; OLG Celle Nds Rpfl. 1956, 128. OLG Düsseldorf NJW 1953, 424, der die

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Kostenpauschale als Nebenforderung ansieht; OLG Koblenz Rpfl. 1951, 331; aM OLG Köln JMB1. NRW 1961, 286. Vgl. die ältere Rspr., 2. Aufl. C I b. BGH NJW 1957, 103; aM OLG Hamburg Rpfl. 1956, 169. BGH NJW 1957, 103. OLG Düsseldorf JVerwBl. 1961, 20; aM OLG Hamm JVerwBl. 1961, 21; OLG Celle Nds Rpfl. 1961, 222.

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1. T i t e l : S a c h l i c h e Z u s t ä n d i g k e i t

§4

2. Novation Eine außerprozessuale wie eine prozeßrechtliche Nebenforderung kann sich ei- 4 7 nerseits durch Novation (Vereinbarung der Parteien) oder andererseits in eine Hauptforderung wandeln. a) Außerprozessualer Art. Ihr Wandel unterliegt dem außerprozessualen Recht. 4 8 Im Zweifel darf aber keine Novierung durch Parteivereinbarung angenommen werden (vgl. § 363 BGB). Es kommt aber bei Übergängen schon eine gesetzliche Umwandlung in Betracht. Der Übergang von Schuld oder Forderung auf Dritte bedeutet keine Schuldumwandlung (vgl. § 401 BGB). Nicht jeder Anspruch, den ein Dritter geltend macht, ist deshalb ein einheitlicher Hauptanspruch; im besonderen nicht bei Scheck- und Wechseleinlösung nach Art. 46 Nr. 1 ScheckG, Art. 49 Nr. 1 WG, wie überhaupt, wenn bloß die auf einen dritten übergegangene Forderung geltend gemacht wird. Selbst der gesetzliche Abstrich der Zinsen im Konkurs durch § 61 Nr. 3 KO ändert nichts an ihrem Charakter als Nebenforderung; dies gilt auch, wenn die Zinsforderung zu einer bevorrechtigten Forderung gehört. Die Anfechtungsprozesse nach § § 2 9 ff KO stellen gewöhnliche Zahlungsklagen (mit Nebenforderungen) dar, ebenso die über ein Absonderungsrecht im Konkurs. Auch in den Verfahren auf Bestellung oder Löschung dinglicher Rechte, von Vormerkungen für diese und Widersprüche gegen sie sind die Nebenforderungen des § 4 Abs. 2 nicht mit den Hauptforderungen zusammenzurechnen. Die Kosten von Vorprozessen bleiben regelmäßig Kostenforderungen, etwa wenn 4 9 gegen einen Bürgen die Kosten des Hauptprozesses gegen den Hauptschuldner geltend gemacht werden. Die Kosten des Vorprozesses gegen den Kläger bleiben unter denselben Parteien als Kosten Nebenforderungen. Im Fall des § 722 liegt ebenfalls keine Neuforderung vor; 4 8 wie überhäupt bei ausländischen Prozeßkosten bei ausländischen Schiedssprüchen. Für Wiederaufnahmeklagen 4 9 , für Vollstreckungsgegenklagen nach § 767 5 0 und Widerspruchsklagen nach § 771 würden selbst die Kosten des früheren Vollstreckungsverfahrens als Nebenforderungen behandelt; dies gilt auch bei Widerspruchsklagen des Konkursverwalters. Dahin gehören auch die Klagen auf vorzugsweise Befriedigung, wie überhaupt alle Vorrechtsklagen gegenüber der Vollstreckung, wobei allerdings § 6 Abs. 1 S. 2 entsprechend gilt, wenn der Wert der Pfandsache geringer ist als der Forderungsbetrag, der sonst entscheidet; aber auch bei der Klage des Pfandgläubigers gegen den Drittschuldner wurden Zinsen und Kosten des Klägers vom RG S 1 nicht bewertet, was aber nicht zu billigen ist, weil Klagegegenstand die Schuld des Dritten an den Hauptschuldner ist. b) Umwandlung. Haben indes die Parteien durch außerprozessuales Rechtsge- 5 0 schäft eine ursprünglich nach Forderung und Nebenforderung zu trennende Schuld in eine einheitliche umgewandelt (durch Novation), so wird auch prozeßrechtlich (nach § 4 Abs. 2) nicht mehr auf die der Novation vorausgegangene Rechtsklage zurückgegriffen, wenn aus ihr geklagt wird.

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BGH Rpfl. 1957, 15. §§ 5 7 8 ff, OLG Hamburg M D R 1969, 228; BGH NJW 1968, 1275 hat entsprechend bei Klagen aus § 826 BGB gegen rechtskräftige Ur-

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teile deren Nebenforderungen und Kosten nicht bewertet. OLG Celle Nds Rpfl. 1972, 39. R G Z 34, 4 1 7 , 4 1 9 .

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1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

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Die Novation setzt grundsätzlich ein Rechtsgeschäft der Parteien voraus, wie bei dem Saldo des echten Kontokorrents 5 2 oder im Falle des § 607 Abs. 2 BGB; anders ist dies aber beim unechten Kontokorrent. 5 3

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Eine Novierung liegt aber auch dann vor, wenn an Stelle des ursprünglichen Rechtsgrundes ein völlig anderer tritt. Das ist der Fall bei dem einheitlichen gesetzlichen Rückgewähranspruch nach dem AnfG, der eine Aufgliederung in Kosten, Zinsen und Hauptanspruch schon deswegen nicht zuläßt, weil er sich nicht gegen den Schuldner, sondern von vornherein gegen einen Dritten richtet.

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Dies gilt auch bei Wertersatzansprüchen. Ist aber der Gegenstand von geringerem Wert, so gilt nur dieser. Die Regel gilt überhaupt, wenn ein einheitlicher (neuer, nicht abgeleiteter) Anspruch gegen einen Dritten geltend gemacht wird, mag auch im Verhältnis des Schuldners zum Gläubiger ein Anspruch mit Nebenforderungen gegeben gewesen sein. Man denke ferner an die Klage eines Versicherten auf Befreiung seiner aus Kapital und Nebenforderung bestehenden Schuld gegen den Versicherer. 54 54 Das entsprechende gilt, wenn Aufwendungsersatz (§ 670 BGB) gefordert wird für aufgewandtes Kapital, Zinsen und Kosten; dieser Anspruch ist einheitlich und erlaubt keine Rückaufgliederung. Doch kann auch ein gesetzlich umgewandelter Anspruch vorliegen. So ist auch der aus Bereicherung ( § 8 1 2 BGB) fließende Anspruch einheitlich und von früheren Rechtsverhältnissen gelöst; auch wenn Rückzahlung von (nicht geschuldeten) Zinsen und Kapital gefordert wird, wird beides zusammengerechnet. Ein völlig anderer Streitgegenstand besteht ferner, wenn auf Sicherheitsleistung für Kapital und Zinsen geklagt wird; ebenso, wenn eine Schadensersatzklage auf Erstattung gezahlten Kapitals und gezahlter Zinsen geht. Auch bei dem Anspruch auf Befreiung von einer Schuld werden die Zinsen von der Hauptforderung nicht getrennt; 55 ebenso wenn bei der Klage auf Auszahlung des hinterlegten Erlöses die Widerspruchsklage für das Kapital einschließlich der aufgelaufenen Hinterlegungszinsen verfolgt wird. 5 6 55

Dies gilt ferner für die (Gegen-)Forderungen nach §§ 302 Abs. 4 S. 2, 3, 600 Abs. 2, 717 Abs. 2, 3, 9 4 5 , 1 0 4 2 c Abs. 2 S. 3 und für den Fall, daß sie durch förmliche Widerklage geltend gemacht werden. 5 7 56 Bei der Entziehung der Nutzungsmöglichkeit handelt es sich nicht um Zinsen, sondern um einen Hauptbetrag. 5 8 Auch Kosten können so als Hauptforderung zu behandeln sein. 57 Verhaftet der Zessionar den Zedenten auch für die Kosten seines Prozesses mit dem Schuldner, so sind die Kosten keine Nebenforderung. 5 9 Die abweichende Entscheidung 60 , welche die Vorprozeßkosten (vgl. § 440 BGB) zu den Nebenforderungen zählte, ist nach Streichung der Schäden als Nebenforderungen in § 4 als überholt anzusehen.

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Vgl. SS 355 ff HGB. Vgl. § 357 HGB. Vgl. BGH NJW 1952, 544. AM BGH NJW 1956, 1562; NJW 1960, 2336. BGH NJW 1967, 930. RGZ 124, 182; aM schon für diesen Fall BGHZ 38, 237 = NJW 1963, 300; aM für den Fall, daß sie durch „bloßen" Antrag geltend gemacht

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werden, BGH NJW 1962, 806; daß, wenn zugleich der Ersatz anderer Schäden gefordert wird, diese dem Hauptwert zuzuschlagen sind, ist außer Streit. BGH NJW 1964, 294. RGZ 8, 365. RGZ 55, 80, 82.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§ 4

c) Keine prozessualen Nebenforderungen. Andererseits gibt es keine prozessualen Nebenforderungen, die zu bewerten wären. Im Falle des Antrags auf Abwendung der Vollstreckung durch Sicherheitsleistung bleibt dieses unberücksichtigt. Auch entscheidet nicht etwa die H ö h e einer festgesetzten Strafe. D a s Prozeßkostenrisiko wird nicht bewertet. 6 1

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3. Verbindung mit der H a u p t f o r d e r u n g Die Nebenforderungen bleiben bei der Bewertung unberücksichtigt, soweit ihre H a u p t f o r d e r u n g geltend gemacht ist.

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a) Abhängigkeit. H a u p t - und Nebenanspruch iSd. § 4 setzen ein AbhängigkeitsVerhältnis untereinander voraus, so daß Nebenanspruch und H a u p t a n s p r u c h auf einheitlicher Rechtsgrundlage beruhen müssen und der erste aus dem letzten entstanden ist. Erschöpft sich dagegen der H a u p t a n s p r u c h in Einzelleistungen, auch wenn sie als seine Nutzungen angesehen werden, ist m a W die S u m m e der Nutzungen gleich dem H a u p t a n s p r u c h , so liegt zwischen den Einzelleistungen und dem H a u p t a n spruch keine ihm übergeordnete Abhängigkeit vor. Wird v o m Gesetz nur der zukünftige Anspruch bewertet (§§ 8, 9, 17 G K G ) , so sind R ü c k s t ä n d e besonders zu bewerten. Aber auch wenn es u m eine Dauerbewertung nach § 9 geht, sind die R ü c k s t ä n d e nur bis zur Einlegung des Rechtsmittels besonders zu berücksichtigen, 6 2 wie sie es beim Streitwert bis zur Klageerhebung s i n d . 6 3 D a s entsprechende gilt im Fall des § 8 . 6 4 Umstritten ist, ob die Veröffentlichungsbefugnis bei einer Verurteilung zur Unterlassung eine Nebenleistung i s t . 6 5

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Unerheblich für diese Beurteilung ist es, wie der Antrag lautet, ob er auf Erfül- 6 1 lung, Sicherung, einen Vorrang geht, m a g auch der Nebenanspruch nur aus besonderem G r u n d e gegeben sein. Keinesfalls braucht der Nebenanspruch auf eine Geldleistung gerichtet zu sein; auch können umgekehrt Nutzungen neben dem Anspruch auf Anerkennung des Eigentums gefordert werden oder rückständige Bezüge neben dem Recht auf Nutzung. Unerheblich ist die Klageart, die zwischen H a u p t - und Nebenforderungen unterschiedlich sein kann. Ohne Belang ist auch die Prozeßart, etwa Wechsel- oder gewöhnlicher Prozeß.

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Überhaupt ist es gleichgültig, wie der Kläger die Nebenforderung behandelt; sie bleibt es, auch wenn er Zinsen und Kosten in einer S u m m e mit dem Kapital geltend m a c h t 6 6 und selbst wenn die Parteien nur über sie, nicht über d a s mit eingeklagte Kapital, streitig verhandeln.

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Es gibt auch Nebenansprüche von Nebenansprüchen, d a v o n wird nur der erste, wenn er isoliert von seinem H a u p t a n s p r u c h geltend gemacht wurde, gewertet, also wenn neben der Nebenleistung Zinsen für sie gefordert werden oder neben dem Zinsanspruch die Rechnungslegung zur Klarstellung des Zinsanspruchs gefordert wird.

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OLG Celle NJW 1964, 1527; abweichend OLG Düsseldorf NJW 1966, 987 für die Klage eines Verbandes nach § 13 UWG. R G Z 114, 274, 275; a M BGH NJW 1960, 1459. OLG Bremen Rpfl. 1954, 472; KG NJW 1958, 1520.

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AM BGH NJW 1959, 2164. Im Einzelfall bejahend OLG Neustadt WRP 1958, 114; verneinend OLG Karlsruhe WRP 1958, 190. BGH NJW 1956, 1562.

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b) Selbständige Geltendmachung. Aber selbst wenn ein Anspruch Nebenanspruch sein könnte, so wird er doch zum Hauptanspruch, wenn er selbständig geltend gemacht wird. Dies ist auch der Fall, wenn andere Zinsen zu einem weiteren Kapital bzw. Nutzungen und die Herausgabe eines anderen Gegenstandes als den, auf den sich die Nutzungen beziehen, gefordert wird. Dann sind die Ansprüche zusammenzurechnen. 6 7 Dies gilt auch, wenn beim echten Kontokorrent vertragswidrig Zinsen zum Kapital geschlagen werden und nun im Saldo enthalten sind oder wenn sich der Hauptanspruch erledigt hat oder wenn über ihn durch Teilurteil (§ 301) erkannt ist. Dann ist die Nebenforderung als Hauptanspruch selbständig zu bewerten; oder wenn nur noch die Zinsen eines von mehreren anderen Ansprüchen übrig bleiben auch neben anderen Ansprüchen. 6 8 66 Hiervon abweichend will die ältere Rechtsprechung in den übrigen Fällen, wenn neben einer Teil (Rest-)Hauptforderung Zinsen auch für den nicht als Hauptanspruch geltend gemachten Teil gefordert werden, diese Zinsen als Nebenforderung nicht bewerten. 6 9 Bei dem Streitwert ist seine Fixierung auf die Zeit der Erhebung der Klage zu beachten. Spätere Veränderungen sind ohne Bedeutung. Bei dem Rechtsmittelwert kommt es zunächst auf die Zeit der Einlegung an. Erledigung in der Hauptsache nach Einlegung ist unschädlich, selbst wenn später nur noch über die Kosten zu entscheiden ist. 7 0 67 Wird das Rechtsmittel von vornherein oder innerhalb einer Zeit, wo es noch zulässigerweise so eingelegt werden konnte und unter Verzicht auf den Hauptanspruch auf die Nebenforderungen (mit Ausnahme der Prozeßkosten) beschränkt, so sind die Nebenansprüche selbständig zu bewerten, gleichviel ob das Erstgericht schon allein über den Nebenanspruch (etwa nach § 301) entschieden hatte oder ob es dies über Haupt- und Nebenanspruch getan hatte. 7 1 Anders ist dies, wenn der Hauptanspruch zugleich mit dem Rechtsmittel in die höhere Instanz gebracht wird, dann scheidet die Bewertung der abhängigen Nebenansprüche nach § 4 aus. 68 Von den Nebenansprüchen haben die prozessualen (Prozeß-)Kosten den letzten Rang, weil sie noch Nebenansprüche der außerprozessualen sind, wenn diese allein im Streit bleiben. Solange also noch ein außerprozessualer Nebenanspruch im Streit ist, etwa die Zinsen, solange bleibt die Prozeßkostenforderung außer Betracht, selbst wenn sie sich auch auf andere Teile, etwa eine inzwischen erledigte Hauptforderung oder eine andere erledigte Nebenforderung, erstreckt. 7 2 Dieses Problem hängt mit dem Wesen der Prozeßkostenentscheidung und ihrer beschränkten Anfechtbarkeit zusammen. 7 3 So hat auch der BGH 7 4 bei teilweiser Erledigung entschieden. 75 Dennoch hat der BGH 7 6 , als gegen mehrere Beklagte Revision eingelegt wurde, gegen einen aber nur wegen der Kosten- im übrigen auf der vorinstanzlichen Erledigungs67 68 69

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BGHZ 26, 174 = NJW 1958, 342. BGHZ 26, 174 = NJW 1958, 342. RG HRR 1932, 2195; RGJW 1927, 2129; RGJW 1927, 2130 für den Fall der Erledigung eines Teils des Hauptanspruchs. Wird der Streit übereinstimmend für erledigt erklärt, gilt S 91a; bestreitet eine Partei die Erledigung, ist über die Erledigungserklärung als Hauptsache zu entscheiden. BGHZ 26, 174; 29, 120 = NJW 1960, 578.

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72 73

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BGH NJW 1962, 2252. Vgl. S S 9 1 a Abs. 2, 99, so daß von hier aus nicht auf dieselbe Rechtslage wie bei den sonstigen Nebenforderungen geschlossen werden sollte. BGH Rpfl. 1955, 12. Sodann nur den stehengebliebenen Hauptanspruch bewertend; dagegen OLG Hamm Rpfl. 1973, 101. BGH NJW 1957, 713.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§4

erklärung beharrend —, dessen Kostenbeschwer in Ansatz gebracht. Die Aufspaltung des Prozesses 77 braucht in derselben Instanz streitwertmäßig nicht zu Teilkostenentscheidungen führen. Problematisch wird die Aufspaltung nur für die Rechtsmittelinstanz, weil einerseits § 99 Abs. 1 Angriffe auf Kostenentscheidungen nur beschränkt zuläßt, andererseits §§ 91 a Abs. 2, 99 Abs. 2 sie — gegenüber erstinstanzlichen Urteilen (der AG und der LG) — als sofortige Beschwerde gestatten. Nur im Bereich dieser Normenkreise, wo also gegen die Kostenentscheidung die — isolierte — sofortige Beschwerde statthaft ist, wird, sofern ein Teil des Kostenrechts diesen folgt, die Trennung der Prozeßkosten bedeutsam. Erledigen sich alle Ansprüche bis auf die (Prozeß-)Kosten vor Prozeßbeginn, so 6 9 wird der Anspruch verselbständigt während er sonst in die Prozeßkosten einbezogen wird. Streitgegenstand ist dann aber nur der Anspruch der bis dahin entstandenen Kosten. Erledigen sich im Laufe eines Streites alle anderen Forderungen bis auf die Prozeßkosten und erklären dies die Parteien übereinstimmend, so bleibt die isolierte Kostenentscheidung übrig ( § 9 1 a ) , die besonders angreifbar sein kann ( § 9 1 a Abs. 2). Das entsprechende gilt für die anderen Ausnahmefälle, in denen Prozeßkostenentscheidungen isoliert angreifbar sind (vgl. im besonderen § 99 Abs. 2). Bei teilweisem Betroffensein ergibt sich auch dann (für die Rechtsmittelinstanz) die Aufspaltung, wenn das Instanzgericht eine einheitliche Kostenentscheidung, mit oder ohne getrennte Begründung, getroffen hat; also im besonderen nicht bei einseitiger Erledigungserklärung. In diesen Fällen darf die Rechtsmittelinstanz zwar klarstellen, wenn die Vorinstanz nicht gesondert hatte, hat aber insoweit nicht die Möglichkeit der Korrektur der vorinstanzlichen Kostenentscheidung. Nur insoweit wird also auch bei teilweisem Kostenerkenntnis, die Kostenforderung verselbständigt. Danach muß diese Kostenbeschwer bei den Hauptrechtsmitteln (Berufung, Revision) richtigerweise außer Betracht bleiben. Im übrigen gilt das folgende: Wird dagegen der außerprozessuale Anspruch nur von einer Partei für erledigt 7 0 erklärt, so m u ß das Gericht auch über die Erledigung entscheiden. Hat der Kläger in der Instanz den Hauptanspruch für erledigt erklärt, hat aber das Gericht die Klage abgewiesen, so ist er nur wegen der Prozeßkosten beschwert und kann deshalb weder Berufung 7 8 noch Revision zulässigerweise einlegen. Dies gilt auch, wenn vor Rechtsmitteleinlegung der Beschwerte klaglos gestellt oder befriedigt wird oder wenn von zwei selbständigen Hauptforderungen eine abgewiesen wird. War indes das Rechtsmittel vor Erledigung der Hauptsache eingelegt und in dem nach § 4 Abs. 1 maßgeblichen Zeitpunkt zulässig, so bleibt es zulässig, wenn die Erledigung nicht vom Rechtsmittelkläger zu vertreten ist. Der Beklagte ist dagegen durch die Erledigungserklärung voll beschwert, wenn ihm eine eventuell zur Aufrechnung gestellte Forderung genommen wird (§ 322 Abs. 2), sonst beschwert auch ihn die Erledigung an Stelle der Abweisung nur im Kostenpunkt. 7 9 Wird indes eine Entscheidung über außerprozessuale Ansprüche vorausgenom- 71 men (durch Teilurteil, § 301) und folgt die Kostenentscheidung zugleich mit anderen

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Durch Teilerledigung, Teilklagerücknahme, Teilklageverzicht, Teilurteil, Teilanerkenntnis. A M BGH M D R 1959, 554; BGH NJW 1 9 5 8 , 2016. Soweit hier infolge Klageverzichts S 9 3 entspre-

chend chend Fällen § 91 a

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angewandt wird, ist § 9 9 Abs. 2 entspreanzuwenden, aber auch in den übrigen sollte der Beklagte das Rechtsmittel aus Abs. 2 haben.

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§4

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

außerprozessualen Ansprüchen oder allein nach, so ist sie im Schlußurteil oder im Kostenbeschluß mit dem Rechtsmittel angreifbar, das gegen die vorausgegangenen Entscheidungen eingelegt worden ist, selbst wenn die Entscheidung über die außerprozessualen Ansprüche im Schlußurteil nicht angreifbar ist. In solchen Fällen ist die Kostenentscheidung von Gerichts wegen auch ohne besonderen Angriff zu ändern, wenn die Entscheidung im vorangegangenen Teilurteil geändert wird. Andererseits ist auch die Kostenentscheidung des Schlußurteils ohne Erreichung der Rechtsmittelsumme angreifbar, wenn ein vorangegangenes Teilurteil in die Rechtsmittelinstanz gekommen ist. Aber auch dann bleiben die Kosten Nebenkosten iSd. § 4 Abs. I 8 0 . 72

Aus alledem folgt, daß eine Prozeßkostenforderung — abgesehen von den Fällen, in denen Kostenentscheidungen isoliert angreifbar sind — wie eine Hauptforderung nur noch anfechtbar ist, wenn außerprozessual entstandene Kosten selbständig geltend gemacht werden. Sobald hier indes auch nur außerprozessuale Teilansprüche neben ihr geltend gemacht werden, entfällt die Möglichkeit, die Prozeßkosten selbständig zu verfolgen. Dazu muß noch bedacht werden, daß aus einem sich entwickelt habenden Prozeß vorprozessual entstandene Kosten zu den Prozeßkosten des nachfolgenden Streits gehören.

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c) Auswirkung. Wird eine Nebenforderung Hauptanspruch, so muß ein etwa erforderlicher Wert durch sie wie bei einer sonstigen Hauptforderung vorhanden sein, wenn das Landgericht zuständig oder ein Rechtsmittel zulässig sein soll. Dabei muß, wenn nur der Wert der Kosten nach § 5 6 7 Abs. 2 in Frage steht, die Beschwerdesumme durch die Kosten der ersten Instanz gegeben sein.

74

Wird mit der Widerklage im Verhältnis zur Hauptklage eine Nebenforderung geltend gemacht 8 1 , so sind sie streitwertmäßig nach § 5 getrennt zu behandeln. Fordert umgekehrt der Kläger mit der Klage eine Nebenforderung, während mit der Widerklage die Hauptforderung geltend gemacht wird, tritt auch hier die Trennung hervor, d. h. die selbständig mit der Klage oder der Widerklage geltend gemachte Nebenforderung wird selbständig bewertet auch dann, wenn der Gegner die zu ihr gehörende Hauptforderung im selben Verfahren gerichtlich verfolgt.

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Anders ist dies im Verhältnis von Haupt- zu Hilfsantrag. Streitwertmäßig gilt hier der größere Wert. Dies sollte man auch dann gelten lassen, wenn der Hauptantrag im Verhältnis zum Hilfsantrag in dem von einer Haupt- zu einer Nebenforderung steht, denn Haupt- und Hilfsantrag trennen die Klagebegehren vollständig. Nur wenn der Hauptantrag nur noch die Prozeßkosten und der Hilfsantrag andere Ansprüche betrifft, 8 2 sollte man auch den höheren Prozeßkosten wert nicht gelten lassen. Für den Rechtsmittelwert gilt dann folgendes:

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Ist der Rechtsmittelkläger mit Haupt- und Nebenforderung beschwert, so ist der Beschwerdewert im selben Umfange, unter Ausschaltung der Prozeßkosten, zu bemessen wie der Streitwert. War indes der Nebenanspruch größer als der Hauptan80

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D a ß zwei Urteile ergangen sind, ist dabei gleichgültig: O L G Celle Nds Rpfl. 1 9 5 6 , 1 2 8 ; O L G Köln M D R 1 9 5 7 , 173. Kläger klagt auf Feststellung, daß kein Darlehen gewährt worden ist, Beklagter fordert mit der Widerklage Darlehenszinsen.

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Der umgekehrte Fall ist wegen § 3 0 8 Abs. 2 nicht praktisch, weil die Partei so nicht trennen kann.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§5

spruch und wurden sie im Verhältnis von Hilfs- und Hauptantrag geltend gemacht, so gilt der größere Wert, der allerdings dann zum Hauptantrag in der Rechtsmittelinstanz gemacht werden muß, wenn der andere Wert die Rechtsmittelsumme nicht erreicht. Nur wenn mit dem Hauptantrag bloß noch der Angriff auf die Prozeßkostenentscheidung verfolgt wird, mit dem Hilfsantrag eine Hauptforderung und beide abgewiesen wurden, wird der Rechtsmittelwert nur nach der abgewiesenen Hauptforderung bemessen. In den Fällen des isolierten Kostenangriffs (vgl. §§ 9 1 a Abs. 2, 9 9 Abs. 2) ist eine Eventualstellung von Kosten zur Hauptsache mit dem Rechtsmittel unstatthaft in bezug auf die Hauptsache. Betrifft das Hauptrechtsmittel nur die Nebenforderung, das Anschlußrechtsmit- 7 7 tel nur die Hauptforderung wie umgekehrt, so wird rechtsmittelwertmäßig nicht zusammengerechnet. Wird in der Berufungsinstanz über beide entschieden, so wird der Wert der (Anschluß-)Berufung, der sich nur auf Prozeßkosten oder auf Nebenforderungen erstreckt, außer Betracht gelassen, wenn der Revisionskläger auch zur Hauptsache beschwert ist. Daß das Rechtsmittel sonst zulässig sein kann, auch wenn der in der Vorinstanz geltend gemachte Anspruch, weil Haupt- und Nebenanspruch in ihr verbunden waren, nicht rechtsmittelfähig war, ist ohne Belang. Eine Besonderheit ergibt sich, wenn das Hauptrechtsmittel wegen der Prozeßkostenbeschwer eingelegt wird; sodann gibt es keine Berufungsanschließung; während umgekehrt, wenn das Hauptrechtsmittel wegen eines anderen Anspruchs eingelegt worden ist, der Rechtsmittelbeklagte sich auch wegen seiner Beschwer in der Kostenentscheidung anschließen kann.

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4. Gebührenwert Auch für den Gerichtsgebührenstreitwert (§ 12 Abs. 1 GKG) ist § 4 Abs. 1, 2. Halbs., Abs. 2 maßgebend. Dazu ergänzend bestimmt § 2 2 Abs. 1 GKG, daß eine einzelne Handlung nur Nebenforderungen betrifft; seine Abs. 2 und 3 bestimmen den Wert der Hauptsache als Höchstwert. § 2 2 G K G findet ebenfalls Anwendung, wenn Rechtsmittel wegen der Hauptsache und Anschlußrechtsmittel wegen der Nebenforderungen zusammentreffen. Der Gerichtsgebührenwert ist auch Gegenstandswert für die Rechtsanwaltsgebühren (§§ 8 Abs. 1 S. 1, 7 Abs. 1 B R A G O ) .

Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche werden zusammengerechnet; dies gilt nicht für den Gegenstand der Klage und der Widerklage. Übersicht Rdn. I. Allgemeines 1. Gesetzesgeschichte. 2. Normzweck . . . . Π. Streitnung

und

1 2-3

Rechtsmittelwertberech-

ΙΠ. Berechnungsvoraussetzungen 1. Antragserfordernis. . . . a) Klagehäufung . . . . b) Klageerweiterung. . . 2. Überlagerungen

4-8 10 11 12 13

a) Objektive Klagehäufung . . b) Haupt- und Hilfsanspruch . c) Wahlklagen d) Alternativklagen 3. Subjektive Klagehäufung. . . . a) Beschwer b) Kostenbeschwer 4. Aufrechnung IV. Klage und Widerklage 1. Streitwerttrennung a) Ausklammerung

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. .

.

Rdn. 14-21 22-25 26 27 28-29 30 31 32 33 34 35

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§5

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

2.

3. 4. 5.

b) Unzulässige Widerklage Rechtsmittel werte a) Objektive Klagehäufung b) Subjektive Klagehäufung c) Haupt- und Hilfsanträge Eventuelle Widerklage . . Widerwiderklage Gegenseitige Rechtsmittel

Rdn. 36 37 38 39 40 41 42 43

V.

Rdn. Gebührenwert, 44 1. Regel 45 2 . Vermögens- und nichtvermögensrechtliche 46-47 3. Klage und Widerklage 48 a) Z u s a m m e n r e c h n u n g 49-51 b) Wechselseitig eingelegte Rechtsmittel 52-53

Schrifttum

Frank Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, 1986 (Bespr. Bischof NJW 1986, 2816; Lüke ZZP 100, 232; Schneider M D R 1987, 967); Schumann Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, NJW 1982, 2800 ff.

I. Allgemeines 1. Gesetzesgeschichte 1

§ 5 ist durch die Novelle von 1 9 5 0 1 sprachlich neu gefaßt worden.

2. Normzweck 2

N a c h der Z P O ist die Erledigung mehrerer Ansprüche in einem Prozeß möglich. D u r c h die objektive Klagenhäufung (§ 2 6 0 ) , die Stufenklage und die Streitgenossenschaft kann der Kläger schon in der Klageschrift mehrere Streitgegenstände verbinden. W ä h r e n d des Prozesses k ö n n e n die Parteien weitere Gestaltungsmöglichkeiten nutzen, nämlich durch nachträgliche Klagenhäufung, durch Parteibeitritt und durch die Widerklage. Für alle diese Anspruchsmehrheiten bestimmt § 5 eine Werteregelung. Er ordnet in seinem 1. H a l b s , eine Addition der jeweils von einer Partei gestellten Anträge an, w o b e i das gegnerische Verhalten unberücksichtigt bleibt. Diese Werteberechnung steht im Einklang mit dem Grundsatz aus der Z P O , auf die Interessen der Gegenseite nicht abzustellen. D a s entspricht dem Additionsverbot zwischen Klage und Widerklage (§ 5 , 2 . H a l b s . ) .

3

D u r c h das Additionsgebot (§ 5 , 1. Halbs.) soll berücksichtigt werden, d a ß bei einer Mehrheit von Ansprüchen auch größere wirtschaftliche Werte umstritten sind. D a r a u s folgt, d a ß dort, w o trotz prozessualer Anspruchsmehrheiten keine wirtschaftliche Wertehäufung entsteht, auch keine Addition erfolgen darf. Sofern keine Sonderregelungen, vor allem im Gebührenrecht, eingreifen, ist § 5 gem. § 2 bei allen Arten von Wertberechnungen zu beachten.

II. Streit- und Rechtsmittelwertberechnung 4

Für die Streit- und Rechtsmittelwertberechnung scheiden die nichtvermögensrechtlichen Streite aus. Nichtvermögensrechtliche Ansprüche können deshalb nicht mit vermögensrechtlichen zusammengezählt werden. D o c h folgt daraus nicht, d a ß sie nicht in einer Klage verbunden erhoben werden k ö n n t e n , gleichgültig o b die Verbindung zulässig ist oder nicht, was im letzten Fall zur Prozeßtrennung führen müßte (§ 1 4 5 ) . Wenn für den einen Anspruch eine ausschließliche Zuständigkeit gegeben ist, kann diese allerdings nur dann durchgeführt werden, sofern ein Verweisungsantrag (§ 2 8 1 ) gestellt worden ist. 1

B G B l . 1 9 5 0 , 5 3 5 ; vgl. auch Stein/Jonas/Sefc«mann § 5 vor R d n . 1.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

Ferner müssen für § 5 die Ansprüche außer Betracht bleiben, bei denen das AG 5 nach § § 2 3 Abs. 1 S. 2, 2 3 a G V G oder nach sonstigem Recht ausschließlich zuständig ist. Dagegen darf mit einer Klage, für die das LG ausschließlich zuständig ist, ein 6 anderer vermögensrechtlicher Anspruch verbunden werden, selbst wenn dieser für sich genommen nicht die landgerichtliche Zuständigkeit begründen würde, soweit dies nicht gesetzlich ausgeschlossen worden ist (vgl. § 6 4 0 c). Nur in diesem Fall ist der Prozeß zu trennen, die Klage über den getrennten Anspruch aber nur dann abzuweisen, wenn an Stelle des LG das AG zuständig ist, kein Verweisungsantrag ( § 2 8 1 ) gestellt und die mangelnde Zuständigkeit, soweit erforderlich, rechtzeitig gerügt worden ist (§ 39). Ist vor dem AG eine verbundene Klage erhoben, von der ein Anspruch vor das 7 L G gehört, während der andere vor dem AG bleiben könnte (aber nicht müßte), so hat es der Kläger durch seinen Verweisungsantrag (§ 2 8 1 ) in der Hand, ob er die Ansprüche verbunden an das LG bringen oder ob er sie trennen lassen will. Für die Gebührenwertung wird, soweit nicht § 12 Abs. 2 G K G entgegensteht, der Wert vermögensrechtlicher und nichtvermögensrechtlicher Ansprüche zusammengezählt. Gebührenrechtlich wird indes auch dann zusammengezählt, wenn Ansprüche unzulässigerweise gehäuft sind, gleichgültig welche prozessualen Folgen daraus zu ziehen sind.

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ΙΠ. Berechnungsvoraussetzungen Zusammengerechnet werden mehrere in einer (Wider-)Klage erhobene Ansprüche, egal ob sie schon in der Klageschrift oder erst durch nachträgliche Klagehäufung geltend gemacht worden sind (vgl. § 5 0 6 ) , ob die (Wider-)Klage sich gegen nur einen oder mehrere Beklagte richtet, ob diese notwendige Streitgenossen sind (§ 62) oder nicht und ob die Ansprüche denselben Rechtsgrund betreffen oder nichts miteinander zu tun haben.

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1. Antragserfordernis Darüber, ob mehrere Ansprüche geltend gemacht werden, entscheidet die (Wider-)Klage mit ihren Anträgen.

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a) Klagehäufung. Dies gilt für die objektive (§ 2 6 0 ) wie für die subjektive Klage- 11 häufung (§§ 5 9 , 60), wobei es gleichgültig ist, ob diese Klagehäufungen zulässig sind, solange nicht getrennt worden ist, oder ob eine unzulässige Klagehäufung vorlag. b) Klageerweiterung. Dies gilt ferner, wenn die Klage nachträglich zulässigerweise erweitert wird, und selbst dann, wenn mehrere getrennt anhängig gemachte Streite, egal aus welchem Grunde, verbunden werden, wenn dies auch erst von der Erweiterung bzw. der Verbindung an wirkt. Bei dem Streitwert wird die Wirkung der Verbindung bisweilen in Abrede gestellt. 2 Wird die Erweiterung nicht zugelassen, so wird der Streitwert rückwirkend nicht erhöht. Die Prozeßtrennung (§ 145) verändert die einmal begründete Zuständigkeit dagegen nicht ( § 2 6 1 Abs. 3 Nr. 2). 2

LG Berlin J W 1931, 1766, wenn ein Gläubiger mehrere Teilklagen vor dem AG erhebt, das ohne Verbindung nach dem Grundsatz von

„Treu und Glauben" die landgerichtliche Zuständigkeit begründet lassen will; LG Bielefeld NJW 1954, 276 gibt, wenn Teilklagen vor dem

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§ 5

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

2. Überlagerungen 13

Nicht zusammengerechnet werden darf, was zu einer mehrfachen Bewertung desselben Streitgegenstandes führen würde.

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a) Objektive Klagehäufung. Nicht mehrfach berechnet wird der Wert mehrerer Anträge, die denselben Gegenstand in objektiver Klagehäufung (§ 260) betreffen. So viele Anträge deshalb auch in bezug auf ein und denselben Gegenstand gestellt sind, niemals darf dieser mehr als einmal voll bewertet werden. 3

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Dies gilt, wenn der volle Wert des Gegenstandes mehrfach im Streit ist. Wird deshalb das Eigentum an einem Gegenstand und sein Besitz gefordert, so wird der Streitgegenstand nur einmal bewertet 4 , ebenso der auf Herausgabe des Grundstücks und auf Erteilung der Auflassung, wie der auf Zahlung des (Rest-)Kaufpreises und der auf Entgegennahme der Auflassung, der auf Räumung (Besitzeinräumung) und auf Umschreibung des Grundstückes nach Tausch.

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Entsprechendes ergibt sich aus der Erfüllung des Vertrages für die Ansprüche auf Zahlung des Kaufpreises, auf Zahlung des Kaufpreises und Abnahme der Sachen, auf Auflassung und Befreiung von einer auf dem Grundstück ruhenden Last. 5 Auch die Klage auf Einwilligung in die Wandlung nach § 465 BGB und die auf Rückgabe der Sachen betrifft denselben Wert, wie die, wo neben dem Leistungsantrag die Rückgabe einer sich auf sie beziehenden Sicherheitsleistung gefordert wird; wie bei der Klage auf Unzulässigkeitsleistung gefordert wird; wie bei der Klage auf Unzulässigkeit der Vollstreckung und Herausgabe der geleisteten Sicherheit; 6 ebenso die auf Leistung einer Rente und ihre Sicherstellung wie überhaupt die auf Sicherstellung und die auf Leistung gerichtete Klage. 7 Auch der Antrag auf Herausgabe einer Sicherheitsleistung und der auf Befriedigung aus ihr wegen einer Gegenforderung sind nicht mehrfach zu bewerten. 8 Bei der Klage auf Löschung einer Hypothek ist regelmäßig der volle Forderungsbetrag im Streit. Auch die Klage auf Herausgabe einer unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Sache und Bezahlung des Kaufpreises wird nicht zusammengerechnet. 9 Auch bei der Feststellung der Nichtigkeit eines Vergleichs und Zahlung des Betrages, der bei gegebener Nichtigkeit zu zahlen ist, liegt eine Überlagerung vor. Bei einer Feststellungs-, verbunden mit einer Teilleistungsklage, kommt also nur der Gesamtwert der Feststellung in Betracht 10 , wobei, wenn die Feststellungsklage allein in die Rechtsmittelinstanz kommt, diese voll, also nicht unter Abzug der Teilleistung, bewertet wird. 1 1 Bewertet man die positive Feststellungsklage mit einem Abschlag, so kann es dazu kommen, daß die Teilleistungsklage höher als die Feststellungsklage zu bewerten ist; dann muß nach dieser Meinung der höhere Teilleistungswert maßgebend sein.

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Bei einer Eventualaufrechnung gehäuft mit einer (Eventual-)Widerklage, ist bei Zurückweisung der Aufrechnung und Abweisung der Widerklage nur der identische Widerklagewert Streitgegenstand; 12 ebenso wenn der Eventualaufrechnung entspro-

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AG erhoben werden, die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit. BGH MDR 1970, 127. OLG Hamburg Rpfl. 1949, 419. OLG Braunschweig AnwBl. 1972, 319. BGH NJW 1969, 136. BGH NJW 1969,136; OLG Köln BB 1974, 429. OLG Frankfurt MDR 1962, 60; OLG München MDR 1968, 697.

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OLG Hamburg MDR 1965, 394. BGH MDR 1970, 127. BGH MDR 1970, 127. BGH NJW 1973, 98; NJW 1973, 2206, bei über die Eventualstellung hinausgehendem Erkenntnis.

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chen und deshalb die Widerklage abgewiesen wurde oder wenn umgekehrt entschieden wurde. Doch ist der Kläger nicht beschwert, wenn er nur die Zulassung der Aufrechnung bekämpfen will mit der Begründung, daß nur diese unzulässig und auf die von ihm — anerkannte — Gegenforderung deshalb nur als Widerklageforderung hätte erkannt werden dürfen, soweit die rechtskräftig ausgeurteilte Widerklageforderung durch Pfändung und Überweisung der Klageforderung diese vernichten kann; 1 3 oder wenn der Kläger die zuerkannte Widerklageforderung nur mit der ebenfalls ausgeurteilten Klageforderung infolge der nicht Stattgabe der Eventualaufrechnung bekämpfen will, sofern er dem durch die Vollstreckung begegnen darf. Ist gegenüber einer unbedingt erhobenen Aufrechnung, verbunden mit einer Eventualwiderklage für den Fall der Unzulässigkeit der Aufrechnung, der Aufrechnung entsprochen worden, so liegt keine Beschwer des Beklagten vor, selbst wenn formal die Widerklage abgewiesen wurde. 1 4 Die Beschwer des wegen der Aufrechnung abgewiesenen Klägers unter Zuerkennung einer (Rest-)Widerklageforderung besteht in der Zusammenrechnung beider. 1S Dies gilt aber auch, wenn Teilwerte und der volle Wert Streitgegenstand sind, 1 8 also etwa bei der Klage auf Feststellung des gesamten Rechtsverhältnisses (vgl. § 256 Abs. 2) und der auf Leistung eines Teils. Ferner fließt aus der Zahlung eines bestimmten Betrages sowohl die Unzulässigkeit der Vollstreckung wie der Anspruch auf Erteilung einer löschungsfähigen Quittung nach § 1144 BGB, auch fällt der Streitwert aus einer negativen Feststellungsklage mit dem auf Rückgabe einiger aus dem Streitverhältnis stammender Sachen zusammen. Ferner gehören hierher die Klage auf Zahlung des Restkaufpreises und Herausgabe der unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Sache sowie die Fälle der Stufenklage des § 254. 1 6 Der Offenbarungsantrag wird neben dem auf Auskunftserteilung nicht besonders bewertet. Der Anspruch auf Auskunft oder Rechnungslegung wird regelmäßig zum Bruchteil des Zahlungsanspruchs bewertet. Wird deshalb auf sie und auf Zahlung geklagt, so wird nur der Zahlungsanspruch für den Streitwert berücksichtigt. Wird ein bestimmter Mindestbetrag und Rechnungslegung und der sich daraus ergebende Mehrbetrag gefordert, so wird der Auskunftsanspruch nur als Teil des letzten Anspruchs bewertet. Wird ein vom Auskunftsanspruch unabhängiger Leistungsanspruch geltend gemacht, so ist zusammenzurechnen. Wird mehr als der Regelunterhalt gefordert, so ist der Anspruch (nach § 9) einheitlich zu bewerten. 1 7 Die Rechtsmittelwerte bemessen sich dagegen nach dem ausgeurteilten Teilerkenntnis. Es können aber auch mehrere Teilwerte desselben Gegenstandes, die sich nicht 1 9 überlagern, gehäuft werden, dann sind sie zusammenzurechnen, dürfen indes zusammen nicht höher bewertet werden als der Wert des gesamten Gegenstandes ist. Bei einer Klage auf Unterlassung einer ehrenkränkenden Behauptung und ihrem Widerruf sind beide Werte zusammengerechnet worden. 1 8 Dem entspricht es, daß mehrere Klagegründe zu keiner Doppelbewertung führen 2 0 können. Bei mehrfacher Klagebegründung nicht bezifferter Ansprüche, etwa wenn ein Feststellungsanspruch auf StVG und auf unerlaubte Handlung gestützt wird, kommt der höhere Wert in Betracht. 13

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Also anders bei Unpfändbarkeit der Klageforderung. Vgl. BGH NJW 1973, 2206. BGH MDR 1969, 570.

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Was noch durch § 18 GKG ausdrücklich klargestellt wird. OLG Oldenburg AnwBl. 1963, 140. KG NJW 1969, 1305.

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§5 21

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Ergreift aber die rechtliche Bewertungsgrundlage nicht den gesamten Gegenstand, sondern nur seine Zukunft ab Klageerhebung (oder Rechtsmitteleinlegung) wie nach §§ 8, 9, so müssen die in der Vergangenheit liegenden Streitgegenstände, die Leistungen, welche bis zur Klageerhebung (Rechtsmitteleinlegung) fällig geworden sind, zusätzlich bemessen werden.

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b) Haupt- und Hilfsanspruch. Besonderheiten gelten für das Verhältnis von Haupt- und Hilfsanspruch. Gleichgültig ob beide Ansprüche denselben Streitgegenstand betreffen, werden ihre Werte nicht zusammengerechnet, sondern es wird nur der höhere Anspruch bewertet. 1 9 Das ist ebenso bei den negativen Klagen, in denen der Anspruch auf Nichtbestehen einer Forderung, hilfsweise der, daß sie gegen eine Aufrechnung getilgt sei, verfolgt wird. Dies gilt bei der Streitwertberechnung auch für den als Hauptanspruch im Hauptantrag geltend gemachten Prozeßkostenanspruch. 23 Für den Rechtsmittelwert ergeben sich insoweit Modifikationen. Soweit dem Hauptantrag stattgegeben wurde, ist der Kläger nicht beschwert; soweit seinem Hilfsantrag stattgegeben wurde, ist er es nur wegen des abgewiesenen Hauptantrages bzw. wegen der vorhergehenden Hilfsanträge; nicht wegen der Hilfsanträge, die in der .Eventualstellung dem stattgegebenen Hilfsantrag noch folgten. Ist aber nicht dem ersten Hilfsantrag, sondern erst einem späteren stattgegeben, so ist der Kläger wegen des zurückgewiesenen Hauptantrags und des oder der weiterhin zurückgewiesenen Hilfsanträge beschwert. Ruhen diese auf demselben Klagegrunde, so dürfen sie nicht mehrfach bewertet werden, sondern nur mit dem höchstwertig zurückgewiesenen Antrag. Ruhen sie aber auf verschiedenen Klagegründen, so sind alle zurückgewiesenen Anträge zusammenzurechnen, weil sie zu diesen Werten in Rechtskraft erwachsen, wenn das Erkenntnis bleibt. Der Beklagte ist nur beschwert, soweit der Klage entsprochen wurde, egal ob dies mit einem Haupt- oder mit einem Hilfsantrag geschah, aber nur in Höhe des stattgegebenen Antrags, auch wenn der Kläger noch weitere gehäuft hatte; 2 0 obwohl solche nicht beschiedenen Hilfsanträge ohne weiteres in die Rechtsmittelinstanz kommen und der Beklagte erst endgültig obsiegt, wenn alle zurückgewiesen werden. 24

Umkehrbar ist dieses Verhältnis bei mehrfach gestufter Eventualaufrechnung des Beklagten, wenn mehrere von ihm zur Aufrechnung gestellte Forderungen zurückgewiesen worden sind. Wird dem Prozeßkostenanspruch im Hauptbegehren, etwa bei Erledigung der Hauptsache, und dem Hauptbegehren im Eventualbegehren entsprochen, so ist nur das Eventualbegehren zu bewerten; ebenso wenn über beide Begehren umgekehrt entschieden wurde. Indessen hat der Kläger dann kein Rechtsmittel (§ 99 Abs. 1), wohl aber das Anschlußrechtsmittel, wenn sein Kostenanspruch abgewiesen worden ist. Während der Beklagte im letzten Fall bei Erreichung der Rechtsmittelsumme das Hauptrechtsmittel hat. 25 Wer die Prozeßkosten zu tragen hat, richtet sich nach der Prozeßkosten(grund)entscheidung. 2 1 Wird über den Hilfsantrag nicht entschieden, so bleibt dessen Wert außer Betracht. 2 2 Ist es der Wert des Anspruchs, der zurückgewiesen wurde, so ist nach § 92 zu verfahren. Im Rechtsmittelzug gilt das entsprechende. 19

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OLG Hamburg M D R 1959, 315; OLG Celle M D R 1961, 516. Die also nicht zusammenrechenbar und überhaupt nicht bewertbar sind, also anders als beim Streitwert.

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21 22

OLG Bremen NJW 1967, 400. OLG München M D R 1963, 854; OLG Köln M D R 1963, 1021; OLG Bremen NJW 1967, 400; OLG Karlsruhe NJW 1967, 935.

Lothar Gamp

1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§5

c) Wahlklagen. Entsprechend den Haupt- und Hilfsanträgen sollte man bei 2 6 Wahlklagen verfahren, sofern die Wahl noch offengehalten wird (§ 2 6 2 BGB). Die Rechtsprechung bewertet indes unter dem Einfluß der subjektiven Theorie anders: Hatte der Kläger das Wahlrecht, so wird nur die höhere Leistung bewertet, hatte es der Beklagte, so nur die geringere. d) Alternativklagen. Auch bei Alternativklagen ist der höhere Streitwert maßge- 2 7 bend. Rechtsmittelmäßig ist der Kläger nicht beschwert, wenn nur einer Alternative entsprochen worden ist; der Beklagte dagegen nur in Höhe der zugesprochenen. Es wird also nicht zusammengerechnet, auch wenn die Entscheidung über die Alternative offengeblieben ist und sie nunmehr ohne weiteres in die Rechtsmittelinstanz kommt. 3. Subjektive Klagehäufung Auch die subjektive Klagehäufung führt zu keiner mehrfachen Bewertung dessel- 2 8 ben Klagegegenstandes. Das ist der Fall, wenn etwa mehrere Gesamtgläubiger (§5 428, 4 3 2 BGB) oder mehrere Miterben auf Herausgabe einer Sache an alle (§ 2 0 3 9 BGB) klagen oder wenn mehrere Gläubiger eine Rechtshandlung außerhalb des Konkurses anfechten oder ein Konkursgläubiger gegen mehrere Widersprechende klagt (vgl. §§ 144 Abs. 1, 146, 147 KO), wie auch wenn gegen mehrere Gesamtschuldner (§§ 421, 431 BGB) geklagt wird oder der im Verteilungsverfahren widersprechende Gläubiger gegen mehrere Beteiligte vorgeht (§ 878) oder im Falle der Hauptintervention (vgl. § 64). Das gilt auch bei unechter Gesamtschuldnerschaft wie bei der Klage gegen Hauptschuldner und Bürgen. 2 3 Dabei können sich auch gegenständliche wie persönliche Bindungen mischen, 2 9 etwa wenn wegen derselben Forderung gegen einen Beklagten auf Leistung, gegen den anderen auf Duldung der Vollstreckung vorgegangen wird oder zugleich auf Leistung und Duldung. a) Beschwer. Soweit die Beschwer bei mehreren Streitgenossen nicht identisch 3 0 ist, ist sie zusammenzurechnen. 2 4 Es ist daher ohne Belang, ob von mehreren gemeinsam geklagt oder gemeinsam Rechtsmittel eingelegt werden 2 5 oder mehrere Ansprüche gegen mehrere Beklagte oder mehrere Kläger gegen denselben Beklagten erhoben würden. Klagen indes mehrere gegen mehrere andere aus völlig verschiedenen Rechtsgründen, so wird sich die Trennung des Verfahrens anbieten (§ 145). Bei einer Klage aus dem AnfG auf Wertersatz gegen einen Beklagten und auf Duldung der Vollstreckung gegen seinen Rechtsnachfolger wurde ein Streitgegenstand angenommen. 2 6 b) Kostenbeschwer. Nicht besonders bewertet werden darf aber die bloße 3 1 Kostenbeschwer in bezug auf einen im übrigen nicht mehr im Streit befindlichen Streitgenossen. 2 7 4. Aufrechnung Die Aufrechnung wirkt sich im Streitwert nicht aus. Rechtshängigkeit tritt durch 3 2 die Aufrechnung nicht ein. Für die Alternativaufrechnung gilt das entsprechende 23 24 25

LG Kaiserslautern Rpfl. 1966, 347. BGHZ 23, 334 = NJW 195 7, 62 8 . BGHZ 23, 333, 339 = NJW 1957, 628.

26 27

OLG Frankfurt MDR 1955, 496. AM BGH NJW 1957, 713.

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§5

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

wie für die Alternativ(Wider-)Klage. Ist nur im Streit, ob eine Aufrechnung wirkt, so ändert die Aufrechnung an dem Rechtsmittel nichts. Ist nur eventuell aufgerechnet, so ist, wenn dies den Beklagten beschwert, beim Rechtsmittelwert zusätzlich zu bewerten (sog. sekundäre Aufrechnung). Sodann ergeben sich entsprechende Folgen wie bei der Zusammenrechnung von Klage und Widerklage. IV. Klage und Widerklage 33

Klage ist auch die Widerklage 2 8 , nur daß die Anträge jeder Parteiseite nach § 5 getrennt zu bewerten sind. § 5 verbietet für die Bestimmung des Streitwertes grundsätzlich, daß der Wert des Klage- und der des Widerklagegegenstandes zusammengerechnet werden. Die Bestimmung ist von besonderer Bedeutung, weil die sachliche Zuständigkeit des LG auch gegenüber einer Klage erreicht werden kann, wenn der Beklagte zulässigerweise Widerklage erhebt und seine Widerklage streitwertmäßig vor das LG gehört (vgl. § 506). 1. Streitwerttrennung

34

Grundsätzlich werden die Werte der Klage von denen der anderen Parteiseite, der Widerklage, bei der Bewertung des Streitgegenstandes getrennt. Dies gilt auch, wenn Klage und Widerklage nicht denselben Streitgegenstand betreffen oder wenn der Beklagte, statt Widerklage zu erheben, eventuell aufrechnet. Der Beklagte kann also selbst dann keine andere (höhere) sachliche Zuständigkeit erzwingen, wenn der Kläger die Ansprüche häufen könnte. Würde der Kläger eine negative Feststellungsklage erheben, so könnte er uU einen Streitwert erreichen, der ihn zum LG bringt, obwohl er nicht dahin kommen könnte, wenn der Beklagte positive Widerklage erhebt. Hatte aber der Beklagte zuvor schon Klage erhoben, und wird dann die Sache verbunden, so wandelt sich die negative Feststellungsklage des Klägers in einen Abweisungsantrag, der wegen früherer Rechtshängigkeit der (Wider-)Klage ihm die landgerichtliche Zuständigkeit nehmen würde, wenn nicht die Verbindung gerade vom Landgericht ausgesprochen wird. Ob dabei die Widerklage überhaupt nur eventuell erhoben worden ist oder als Hauptwiderklage, ist streitwertmäßig gleichgültig.

35

a) Ausklammerung. Klammert indes die Widerklage den Klageantrag aus, auf den sie sich nur infolge der Ausklammerung nicht bezieht, und würde, wenn sie nicht ausklammern würde, ein einheitlicher Klagegegenstand getroffen, so sind beide Gegenstände zusammenzurechnen, wenn über sie im selben Verfahren entschieden werden soll.

36

b) Unzulässige Widerklage. § 5 setzt voraus, daß die Widerklage zulässigerweise erhoben werden darf, so daß durch eine unzulässigerweise erhobene Widerklage nicht die landgerichtliche Zuständigkeit begründet werden kann. Ist die Widerklage unzulässig, weil ihr die Klage entgegensteht, so bleibt das für die Klage zuständige Gericht auch für die Widerklage zuständig, so daß nicht etwa durch ihre Erhebung die Zuständigkeit des LG erreicht werden kann, wenn der Beklagte es versäumt hatte, rechtzeitig die Unzuständigkeit des AG trotz Hinweises (§ 504) zu rügen. Die 28

RGZ 31, 387.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§5

wirksam getroffene (§ 3 8 ) wie die unterstellte Zuständigkeit nach § 3 9 wirken auch gegen die Widerklage. Ist die Widerklage aus anderen Gründen unzulässig, so d a ß getrennt werden muß, so darf dies nur geschehen, wenn nicht die sachliche Unzuständigkeit des Gerichts zu beachten ist, also der Kläger sie gerügt hat oder sie auch ohne Rüge von Gerichts wegen zu beachten ist. Sonst ist statt Trennung die Widerklage als unzulässig abzuweisen, sofern nicht zugleich der Verweisungsantrag des Widerklägers gestellt ist (§ 2 8 1 ) , so d a ß zugleich mit der Trennung verwiesen werden kann. 2 . Rechtsmittel werte Die Rechtsmittelwerte ergeben sich aus der Beschwer des Rechtsmittelklägers im Verhältnis seiner Anträge zum angefochtenen Erkenntnis. An Stelle von Klage und Widerklage treten hier das Rechtsmittel und die Anschließung bzw. das selbständige Gegenrechtsmittel.

37

a) Objektive Klagehäufung. Für die objektive Klagehäufung (§ 2 6 0 ) gilt in der Rechtsmittelinstanz keine Besonderheit, soweit die Beschwer reicht. Bei einheitlicher Beschwer werden also nicht die Streitwerte von Klage und Widerklage getrennt. Sie werden für den Rechtsmittelwert grundsätzlich zusammengerechnet. Dies gilt auch, wenn einer von mehreren Klägern gegen die Abweisung der Klage, der andere wegen seiner Verurteilung durch die Widerklage vorging. Betreffen sie indes denselben Gegenstand, so wird dieser nicht doppelt bewertet. Rechtsmittelwertmäßigkeit k o m m t für die Überlagerung der Streitgegenstände von Klage und Widerklage gerade das zum Z u g e , was gebührenwertmäßig schon für die Z u s a m m e n r e c h n u n g dieser Gebührenwerte in der ersten Instanz gilt.

38

b) Subjektive Klagehäufung. Für die subjektive Klagehäufung k o m m t es zusätzlieh d a r a u f an, o b sie auch rechtsmittelmäßig im R a h m e n der Rechtsmittelsumme bestehen blieb. Sind mehrere Prozesse unter subjektiver Klagehäufung oder von Gerichts wegen verbunden, so werden die nicht identischen Rechtsmittelwerte zusamm e n g e r e c h n e t , 2 9 und zwar selbst dann, wenn auf G r u n d derselben Verhandlung die Urteile getrennt abgesetzt wurden. Bei der Verurteilung von Gesamtschuldnern k o m m t es darauf an, d a ß einer von ihnen, der das Rechtsmittel einlegt, rechtmittelfähig beschwert ist.

39

c) Haupt- und Hilfsanträge. Bei H a u p t - und Hilfsanträgen kann sich die Beschwer spalten. W i r d nach dem H a u p t a n t r a g erkannt, so ist der Beklagte nus nach dem H a u p t a n t r a g beschwert. Wurde dagegen nach dem Hilfsantrag erkannt, so ist der Beklagte nur zu diesem Wert, nicht zu dem des Hauptantrags beschwert, während der Kläger mit dem nicht zuerkannten H a u p t a n t r a g beschwert ist. Wurde eine Klage auf G r u n d der Eventualaufrechnung des Beklagten abgewiesen, so sind sowohl der Beklagte wie der Kläger in H ö h e des Streitwertes der Klage beschwert.

40

3. Eventuelle Widerklage D a b e i begründet es keinen Unterschied, o b die Widerklage nur eventuell gestellt worden ist. D e r Streitwert einer Klage und Hilfswiderklage ist nur zusammenzurechnen, wenn der Klage stattgegeben und die Hilfswiderklage abgewiesen worden ist.30 29

BGHZ 23, 334 = NJW 1957, 628.

30

BGH NJW 1973, 98.

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41

§5

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

4. Widerwiderklage 42

Die Widerwiderklage ist streit- wie rechtsmittelwertmäßig bei zusätzlichem Gegenstand entsprechend der Klagehäufung zu behandeln. Bleibt nur die Widerklage im Streit, so ist diese entsprechend der Klage und sodann die Widerwiderklage entsprechend der Widerklage zu behandeln. Ob dabei die eventuelle Widerklage ihre Eventualstellung verloren hat, hängt davon ab, was aus der Klage geworden ist, und ob dadurch der Eventualfall ausgelöst worden ist. Solange die Widerklage zulässig ist, ist es auch die Eventualstellung der Widerwiderklage, die an sich so zulässig ist, wie die der Widerklage. 5. Gegenseitige Rechtsmittel

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Entsprechend dem Verhältnis von Klage und Widerklage sind die gegenseitig eingelegten Rechtsmittel rechtsmittelwertmäßig getrennt zu behandeln. Diese Werte dürfen nicht zusammengerechnet werden. Dies bedeutet, daß die Rechtsmittelbeschwer einer jeden Parteiseite getrennt zu beurteilen ist, selbst wenn die eine im Verhältnis zur anderen eine Nebenforderung ist. Wenn demgegenüber das R G 3 1 meint, daß die sich nur auf die Nebenforderung erstreckende Revision zur unselbständigen Anschlußrevision zurücksinke, so kann dem nicht gefolgt werden. Anders ist dies nur, wenn eine Revision nur über Prozeßkosten geht.

V. Gebührenwert 44

Die Gebührenwerte weichen von den Streitwerten insoweit ab, wie sich überlagernde Klage- und Widerklageanträge stets nur einmal bewertet werden ( § 1 9 Abs. 1 GKG). Die sonstige Regelung des § 5 wird aber auch bei ihnen beachtet. Eine Besonderheit ergibt sich indes noch insoweit, wie auch nichtvermögensrechtliche Streite gebührenmäßig zu bewerten sind. 1. Regel

45

Für die Gebührenwerte ergibt sich für die Regel des ersten Halbsatzes des § 5 keine Besonderheit. Die Überlagerung im Falle der Stufenklage (§ 254) stellt dabei § 18 GKG ausdrücklich klar. 2. Vermögens- und nichtvermögensrechtliche

46

Bei dem Zusammentreffen von vermögensrechtlichen und nichtvermögensrechtlichen Ansprüchen wird für die Gebührenberechnung die Regel, wonach sich überlagernde Anträge nicht zusammengerechnet werden, auch auf das Verhältnis dieser beiden Ansprüche zueinander ausgedehnt (vgl. § 12 Abs. 3 GKG).

47

Abgesehen davon, werden für die Gebührenrechnung auch nichtvermögensrechtliche Ansprüche zusammengerechnet, etwa der auf Getrenntleben und der auf Sorgerechtsübertragung (vgl. § 627), wie überhaupt bei der Anfechtung der Ehelichkeit mehrerer Kinder im selben Prozeß; 3 2 aber auch voneinander nicht abgeleitete ver31 32

RGZ 133, 288. KG Rpfl. 1954, 49; OLG Hamburg NJW 1953, 1112; OLG Düsseldorf JMB1. NRW 1953, 132;

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OLG Köln JMB1. NRW 1954, 9; aM OLG Braunschweig Rpfl. 1954, 52.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

S5

mögensrechtliche und nichtvermögensrechtliche Ansprüche. Vermögensrechtliche Ansprüche, aus denen ein nichtvermögensrechtlicher abgeleitet wird, sind dem Gesetz nicht bekannt. Sollte es sie geben, so wäre die Regel des § 12 Abs. 3 G K G entsprechend anzuwenden. Zusammengerechnet wird auch bei unzulässiger Antragshäufung. 3. Klage und Widerklage Für Klage und Widerklage ordnet § 19 Abs. 1 G K G die Zusammenrechnung der 4 8 Werte an. a) Zusammenrechnung. Die Regel des § 19 Abs. 1 G K G wird verständlich, weil 4 9 Widerklagen die Klagen ganz oder teilweise einbeziehen und dann auch den Streitgegenstand insoweit einbeziehen, wie ihn schon die Klage umreißt, obwohl über ihn nur einmal zu entscheiden ist. Klage und Widerklage betreffen denselben Streitgegenstand, soweit sie sich gegenseitig ausschließen und soweit der Klageantrag das Gegenstück des Widerklageantrags ist. 3 3 Wird auf einen Teilbetrag eines Schadensersatzes wegen Nichterfüllung geklagt, die Widerklage dagegen auf Feststellung der nichtbestehenden Ersatzpflicht gerichtet, so ist der gesamte Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung im Streit. Durch die angeordnete Zusammenrechnung müssen die Nebenforderungen der 5 0 § § 4 , 18 G K G außer Ansatz bleiben, auch wenn sie nur in Klage oder Widerklage geltend gemacht werden. Dies gilt auch, wenn die Ansprüche unzulässigerweise erhoben worden sind. Überlagerungen im Verhältnis zu Hilfsanträgen sind dann ohne Bedeutung, wenn ein Klage- oder Widerklageantrag alle sonstigen Haupt- oder Hilfsanträge abdeckt. Dann gilt der Wert des alle abdeckenden Haupt- oder Hilfsantrags. Ist ein Antrag nicht gedeckt, so ist er hinzuzurechnen. Es darf sich indes keine höhere Summe ergeben, als sich bei der Zusammenrechnung der Höchstwerte jeder Parteiseite ergibt. Dies gilt auch für die Eventualwiderklagen. Doch kommt — im Gegensatz zur Streitwertermittlung (der ersten Instanz) — für den Gebührenwert die Bewertung auch höherer Hilfsanträge nur insoweit in Betracht, wie über sie erkannt wird, 3 4 also entsprechend der Rechtsmittelwerte. Eine unterschiedliche Gebührenbewertung findet nur dort statt, wo es keine Rechtsmittelwerte gibt, also bei den nichtvermögensrechtlichen Streiten. In nichtvermögensrechtlichen Streiten ist die Ehe derselbe Gebührengegenstand, wenn Klage und Widerklage auf Nichtigkeitserklärung, Aufhebung oder Scheidung gehen. Gebührenwertmäßig werden Klage und Widerklage zusammengerechnet, soweit 5 1 sich die Ansprüche nicht überlagern; auch bei Eventualwiderklagen derart, daß das Gericht uU beiden Ansprüchen entsprechen könnte. 3 5 Wird indes mit der Widerklage Rückzahlung des geleisteten Teilkaufpreises gefordert, mit der Klage Zahlung des Restkaufgeldes, so überlagern sich diese Anträge nicht mit den Abweisungsanträgen derselben Partei und sind deshalb zusammenzurechnen. Werden einzelne Rentenbezugsrechte oder Mietrechte (vgl. §§ 8, 9) eingeklagt, widerklagend die Nichtigkeit des Rechtsverhältnisses begehrt, so werden nur

33 34

Vgl. dazu die ältere Rspr., 2. Aufl. D III a 1. Vgl. B G H N J W 1973, 98, der so grundsätzlich entschieden hat.

3S

B G H N J W 1965, 4 4 4 .

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§6

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

die Einzelleistungen ab Klage für den Streitwert, ab Rechtsmitteleinlegung für den Rechtsmittelwert überdeckt; nicht die für die Vergangenheit geforderten. Verschiedene Streitgegenstände wurden angenommen, wenn auf Auflassung des Grundstücks geklagt und mit der Widerklage das Kaufentgelt gefordert wurde 3 6 ; doch sollte man hier sich überdeckende Werte annehmen. 52

b) Wechselseitig eingelegte Rechtsmittel. Für wechselseitig eingelegte Rechtsmittel ordnet § 19 Abs. 2 GKG für die Gebührenwertberechnung dasselbe an wie § 19 Abs. 1 GKG für das Verhältnis von Klage und Widerklage, soweit sie gemeinschaftlich verhandelt werden. Ob sie getrennt eingelegt waren oder sich eine Partei eines Anschlußrechtsmittels bedient hatte, ist ohne Belang. 37 Haben mehrere Streitgenossen das Rechtsmittel getrennt eingelegt, so wird zunächst die Gebühr getrennt berechnet. Doch darf insgesamt nicht mehr gefordert werden, als dem Gesamtstreitwert entspricht, wenn gemeinschaftlich verhandelt wird.

53

Ist von mehreren, in Anspruch genommenen Gesamtschuldnern der eine verurteilt, die Klage gegen die anderen aber abgewiesen, und wird nur wegen der Verurteilung von dem einen Beklagten, wegen der Abweisung vom Kläger gegen die anderen Beklagten Berufung eingelegt und zusammen verhandelt, so ist derselbe Streitgegenstand betroffen. Dies gilt auch, wenn über mehrere Gesamtschuldner durch Teilurteil entschieden wird und die Rechtsmittel verbunden werden. Ist einer Klage gegen Gesamtschuldner zum Teil stattgegeben, ist sie zum anderen abgewiesen worden und legt nur der Kläger gegen den einen der Gesamtschuldner wegen der Abweisung Berufung ein und ein anderer Gesamtschuldner wegen der Verurteilung, so werden die Werte in verbundenen Prozessen zusammengerechnet.

§6 Der Wert wird bestimmt: durch den Wert einer Sache, wenn es auf deren Besitz, und durch den Betrag einer Forderung, wenn es auf deren Sicherstellung oder ein Pfandrecht ankommt. Hat der Gegenstand des Pfandrechts einen geringeren Wert, so ist dieser maßgebend.

Rdn. I. Allgemeines 1. Gesetzesgeschichte 2. Normzweck Π. Bewertung 1. Besitz a) Arten b) Teilbewertung 2. Forderungen a) Streit und Sicherung

36 37

1 2 3 4 5-7 8 9 10—16

RGJW 1897, 190. Doch hat BAG NJW 1960, 1173, nicht zusammengerechnet, wenn eine Anschlußrevision vor

176

b) Teilbewertung c) Sicherungsgegenstand

Rdn. 17 18—21

ΙΠ. Entsprechende Anwendung 1. Vollbewertung von Teilrechten. . . a) Eigentumssicherung b) Rechtsbesitz 2. Drittwiderspruchsklage 3. Forderungsabzüge

22 23 24 25 26 27

IV. Gebührenwert

28

Entscheidung über die Revision verworfen wurde und BGHZ 7, 152, 153 f nicht bei wechselseitig eingelegten Rechtsmitteln.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§6

I. Allgemeines 1. Gesetzesgeschichte § 6 wurde mit Wirkung vom 1. 7. 1 9 7 7 durch das 1. EheRG sprachlich neu ge- 1 faßt. 1 Während er früher „Der Wert des Streitgegenstandes wird bestimmt" hieß, spricht die jetzige Fassung — mit Blick auf § 2 - nur noch von „Der Wert wird bestimmt". 2 . Normzweck Durch § 6 sollte die schon vor Erlaß der Z P O entstandene Gerichtspraxis verein- 2 heitlicht werden. 2 Wenn es nicht gerade um das Eigentum oder die Erfüllung geht, sondern nur um den Besitz bzw. die Sicherstellung einschließlich eines Pfandrechts, konnten sich Schwierigkeiten bei der wirtschaftlichen Bewertung ergeben. Diese Schwierigkeiten beseitigt § 6, indem er einerseits den vollen Wert für maßgebend erklärt, andererseits aber den Wert des Sicherungsgegenstandes zur Obergrenze bestimmt.

Π. Bewertung Die Bewertung des Besitzes nach dem der Sache und der Sicherung nach dem 3 Nennwert der Forderung schreibt § 6 Abs. 1 S. 1 vor. Die Vorschrift setzt voraus, daß das Eigentum am Streitgegenstand wie die Inhaberschaft einer Forderung voll zu bewerten sind. 1. Besitz Unter Besitz einer Sache (§ 9 0 BGB) wird der nach §§ 8 5 4 ff B G B verstanden.

4

a) Arten. Im Streit kann deshalb sowohl der unmittelbare wie der mittelbare 5 (§ 8 6 8 BGB), der Eigenbesitz (§ 8 7 2 BGB) wie der Fremdbesitz sein. 3 Welcher Antrag gestellt worden ist, ist gleichgültig. Er kann, von dem Fall des § 8 abgesehen, auf Herausgabe, auf Räumung an den Kläger ( § 8 6 1 Abs. 1 BGB) oder einen Dritten (§ 8 6 9 BGB) gehen, aber auch negativ sein, etwa bei der negativen Feststellungsklage eines Nachfolgerechts in gebundenes Gutsvermögen. Auch kommt es regelmäßig nicht auf den Klagegrund an. Der Anspruch kann 6 mit der Besitz- (§§ 861, 8 6 9 BGB), mit der Eigentumsklage (§ 9 8 5 BGB), mit der Besitzklage nach § 1 0 0 7 BGB, mit der Nießbrauchsklage (§ 1 0 3 6 Abs. 1 BGB), mit der aus dinglichem Wohnrecht, Wohnungseigentum 4 und Dauerwohnrecht, soweit für diese beiden die streitige Gerichtsbarkeit in Betracht kommt, mit der aus Altenteilsrechten, Grunddienstbarkeiten und Reallasten oder mit der des Faustpfandgläubigers (vgl. § 1 2 3 1 BGB), wie mit einer Schuldklage verfolgt werden, etwa der aus Vertrag oder aus Verwahrung, aus dem Vorkaufsrecht, aus Werkvertrag, aus Kauf; aber auch aus Gesetz, insbesondere aus ungerechtfertigter Bereicherung, bei Einweisung nach Zuschlag, 5 bei der gerichtlichen Entscheidung über die Einleitung eines Enteignungsverfahrens. 6 Bei Rückübergang eines Grundstücks ist sein 1

BGBl. 1976 I 1421; vgl. auch Stein/Jonas/Scfc«-

mann § 6 vor Rdn. 1. 2 3

Vgl. Stein/Jonas/Sc/îHffîtf«« § 6 Rdn. 1. RGZ 61, 92.

4 5 6

Vgl. LG München I Rpfl. 1970, 93. LG Bayreuth AnwBl. 1966, 403. Nach BGH NJW 1968, 153, der volle Grundstückswert.

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§6

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Verkehrswert maßgebend, 7 auch wenn es unter Auflage der Bebauung in bestimmter Frist veräußert worden war und es zurückgefordert wird. 8 Dies gilt auch, wenn die Verwaltungsbefugnis eines Vermögensverwalters und damit auch sein Recht auf den Besitz im Streit ist. Auch wenn das Recht zum Besitz ganz fehlt, etwa bei Nichtigkeit, ist der Besitzwert dem Sachwert gleichzusetzen. Dabei ist es gleichgültig, ob der Gegenstand belastet ist 9 oder ob der Besitz betagt oder bedingt in Anspruch genommen wird; denn damit wird regelmäßig nur das Recht zum Besitz getroffen, nicht der Besitz selbst. Es kommt also auch nicht auf Bedingungen oder Betagung des Rechts zum Besitz und die damit verbundene Zeitdauer des Besitzes bei der Wertbemessung an. 1 0 Ein Heimfallanspruch wurde indes nicht mit dem vollem Wert berechnet. 1 1 7 Klage- und Prozeßart sind ohne Belang. Es kann also sowohl auf Leistung (Gestaltung) wie auf Feststellung im ordentlichen oder im besonderen Verfahren geklagt werden. 8

b) Teilbewertung. Die Teilbewertung rechtlicher Art wird berücksichtigt, während die wirtschaftliche ausscheiden muß, also im besonderen die unter Abzug von Lasten. Klagegegenstand können Sachteilwerte sein. Ist nur ein Teilbesitz (§ 865 BGB) streitig, etwa bei der Klage auf Räumung eines Grundstücksteils, so ist der Verkehrswert des Teils Streitgegenstand, also der Raum, die Wohnung, die Parzelle. Bei der Freimachung einzelner Räume sind es diese. Ist nur ein Mitbesitz (§ 866 BGB) streitig, so muß man es auf den ideellen Teil der Berechtigung, uU auf den Teil der insgesamt so Berechtigten abstellen. Es können aber auch nur Besitzteile Streitgegenstand sein, etwa bei der Besitzstörungsklage oder bei dem Vorlegungsverlangen nach § 809 BGB. Wird in Baulandsachen eine Teilfläche enteignet, so kommt es auf den Wert dieser an, 1 2 ebenso beim Flächenaustausch einer Teilfläche. 13 Bei Einbeziehung in das Umlegungsverfahren hat der B G H 1 4 von der Einwurffläche 2 0 % bewertet; 1 5 auch wenn es um eine sonstige Umverteilung geht. 1 6 Bei einer Grenzregelung kommt aus auf den Wert der Teilfläche an, den der Rechtsmittelführer verlieren soll (vgl. § 7). 1 7 2. Forderungen

9

Geht es um die Sicherstellung einer Forderung oder um ein Pfandrecht für sie, 18 so wird auf die Sicherung als solche abgestellt (§ 6 Abs. 1 S. 1), wenn ihr Wert nicht geringer ist als der Gegenstand, an dem sie besteht (§ 6 Abs. 1 S. 2). 7

8 9

10

OLG Hamm Rpfl. 1964, 23; OLG Köln MDR 1973, 147, selbst wenn es unter Wert veräußert worden war. OLG Köln MDR 1973, 147. BGH NJW 1958, 1397; OLG Hamm Rpfl. 1964, 23; OLG Braunschweig AnwBl. 1972, 319; OLG Frankfurt Rpfl. 1973, 62, mit einem geringfügigen Gegenrecht; aM OLG Karlsruhe NJW 1968, 110, die Belastungen absetzend. RGZ 118, 321; aM BGHZ 23, 77 = MDR 1957, 427; KG MDR 1968, 770, die bei einer einstweiligen Wohnungseinweisung den Streitwert nach $ 3 geschätzt haben.

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11 12 13 14 15

16 17 18

OLG Schleswig SchlHA 1968, 144. BGH NJW 1963, 2173. BGHZ 50, 291 = NJW 1968, 2059. BGHZ 49, 317 = NJW 1968, 890. AM OLG Düsseldorf AnwBl. 1968, 57, mit dem vollen Grundstückswert. BGH NJW 1969, 1114. BGHZ 50, 291 = NJW 1968, 2059. OLG München NJW 1958, 1687, das als solches begründet sein muß; OLG Frankfurt NJW 1962, 2257, was auch für die Sicherstellung eines Arrestanspruchs gilt.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§6

Die Norm entspricht in beiden Sätzen dem Grundsatz der objektiven Theorie, wenn eine Sicherung als solche im Streit ist. Anders ist dies, wenn es um die Herausgabe, die Besitzübertragung des sichernden Gegenstandes geht, dann ist nach § 6 Abs. 1 S. 1 nur diese im Streit. Anders ist dies auch, wenn nur um die gesicherte Forderung gestritten wird, dann ist nur diese im Streit, sofern nicht zugleich um die Sicherung selbst gestritten wird. Wird um beides gestritten, so kommt der höhere Wert zum Z u g e . 1 9 a) Streit um Sicherung. Bei dem Streit um die Sicherung, um ein Pfandrecht als solches ist Streitgegenstand nur die Sicherung. D a ß eine Sicherung selbst nur vorläufigen Charakter hat, regelmäßig auflösend bedingt ist, aber auch aufschiebend bedingt sein kann, ändert an der Bewertung nichts. Nebenforderungen iSd. § 4 bleiben auch hier unberücksichtigt. Geht der Nennwert der Sicherung auf einen Geldwert, so ist dieser Nennbetrag Streitwert, bei der Höchstbetragshypothek des § 1 1 9 0 B G B ist dies der Höchstbetrag, 2 0 bei einer Grundschuld ist es ihr Nennwert. Hat die Sicherung keinen Nennwert, so ist ihr Verkehrswert zu bewerten, nicht bloß ein etwa zu erwartender Versteigerungserlös.

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Auf den Klageantrag kommt es dabei nicht an. Er kann auf Bestellung einer 11 Sicherheit oder auf ihre Herausgabe nach Erlöschen des gesicherten Rechts oder auf Löschung von Grundpfandrechten, auf vorzugsweise Befriedigung nach § 8 0 5 , auf abgesonderte Befriedigung im Konkursverfahren (vgl. §§ 4 8 ff KO) oder auf Aufrechterhaltung einer Pfändung gegen den Konkursverwalter gerichtet sein. Auch der Klagegrund ist gleichgültig. Die Sicherung kann auf einem dinglichen (gesetzlichen, vertraglichen oder Pfändungspfandrecht) oder einem persönlichen Zurückbehaltungsrecht (§§ 2 7 3 BGB, 3 6 9 HGB) beruhen; aber auch ohne jede schuldrechtliche Bindung sein wie bei der Grundschuld.

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Die Art der Sicherstellung entscheidet nicht, deshalb gehört auch die Klage auf Feststellung einer Bürgschaftsverbindlichkeit hierher 2 1 oder auf Eintragung einer Vormerkung. 2 2 Der Sicherungsgegenstand kann eine bewegliche oder unbewegliche Sache, eine Forderung oder ein sonstiges Recht sein. Es kann sich um eine bestehende Sicherung oder um eine erst noch zu bestellende handeln. Ferner ist es bedeutungslos, ob der Bestand des zu löschenden Rechts streitig ist.

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Auf den wirtschaftlichen Wert der Sicherung kommt es nicht an. Deshalb bleiben vorangehende Belastungen des Gegenstandes außer Betracht; während es andererseits nicht darauf ankommt, daß die Hypothek in eine bereits eingetragene Vormerkung einrückt; sie wird damit nicht höher bewertet, mag sie auch wirtschaftlich an Wert gewinnen. Deshalb darf auch nicht geringer bewertet werden, wenn nur wegen Verschlechterung der Hypothek nach § 1 1 3 4 B G B geklagt wird oder wenn es im Fall des § 7 6 8 darum geht, daß die Vollstreckungsklausel nur zeitweilig nicht erteilt werden darf, oder darum, daß die Sicherung wegen eines Nebenrechts umstritten ist.

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Die Klageart, ob Leistung (Gestaltung) oder Feststellung begehrt wird, birgt keine Besonderheit in sich. Das gilt auch für die negativen Feststellungsklagen, also wenn das Nichtbestehen eines Besitzes oder einer Forderung im Streit ist. Es ist deshalb auch gleichgültig, ob die Klage der Durchsetzung oder der Aufhebung eines Pfandrechts dienen soll, ob sie die Gültigkeit oder die Ungültigkeit des Pfandrechts

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BGH NJW 1969, 136, es werden aber nicht beide zusammengerechnet. OLG Hamburg Rpfl. 1951, 570.

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RGZ 25, 366. RGZ 35, 394; vgl. §§ 935, 648, 883 BGB.

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1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

bezweckt, also wenn sie auf Löschung einer Hypothek gerichtet ist. 23 Deshalb muß aber auch, wenn ein nachstehender Hypothekengläubiger auf Nichtigkeit einer Belastung klagt, § 6 entsprechend angewandt werden. 24 16 § 6 gilt auch, wenn die Klage im ordentlichen oder einem besonderen Verfahren verfolgt wird. Von diesem Standpunkt aus bietet sich auch der Arrest nur als besonderes Verfahren, während die, welche das Kostenpauschquantum mitbewerten, einen Streit um die Sicherung durch Arrest annehmen. Nichts anderes kann dann auch für die einstweilige Verfügung gelten. Auch die Parteirollen sind gleichgültig, also ob Kläger oder Beklagter das Zurückbehaltungsrecht geltend machen, ob die Bestellung wirksam oder ihre Wirksamkeit bestritten ist, etwa im Falle der Drittwiderspruchsklage nach § 771. 17

b) Teilbewertung. Doch gibt es auch eine rechtliche Teilbewertung, die aber auch hier mit der wirtschaftlichen Wertung nichts zu tun hat. Die rechtliche Teilbewertung greift dort, wo nur ein Teil der Sicherung im Streit ist. Dies wurde angenommen, wenn es nur um die Abgabe einer Willenserklärung in grundbuchlich erforderlicher Form ging, während schon wirksam abgetreten war; 2 5 doch trifft dies nach der hier vertretenen Auffassung nicht zu, und stets ist es anders, wenn die Abtretung bestritten war. Ein Teilwert ist nur im Streit, wenn es um die Art der Pfandverwertung geht. Dasselbe gilt, wenn positiv nur um eine Möglichkeit oder negativ um die Nichtgegebenheit dieser geklagt wird, dann sind Teilwerte im Streit; etwa wenn eine Hypothek noch nicht fällig ist bzw. gemacht werden könnte, die ausgesprochene Kündigung verfrüht oder unwirksam ist; denn dann ist nicht der Nennwert, sondern der Fälligkeitszwischenbetrag zu bewerten.

18

c) Sicherungsgegenstand. Den Sicherungswert begrenzt § 6 Abs. 1 S. 2 indes dann, wenn er geringer ist als der Gegenstand der Sicherung. Doch setzt dies voraus, daß es nur um die Sicherung geht; also nicht, wenn bei einer Hypothek auch die persönliche Forderung im Streit ist, wo dann die Hypothekensumme ohne Rücksicht auf den Grundstückswert zu bewerten ist. Wird indes in der höheren Instanz die mit der dinglichen Klage verbundene persönliche Klage nicht mehr verfolgt oder wird so getrennt entschieden, so gilt für die Rechtsmittelsumme wieder § 6 Abs. 1 S. 2. 2 6 Überhaupt entscheidet der Wert des Forderungsbetrages, wenn er begehrt wird, selbst wenn zusätzlich eine Sicherheitsleistung verlangt wird, 27 sofern die Sicherheitsleistung nicht höher ist. Die prozessual zu leistende Sicherheit bleibt aber für die Bemessung des Streitwerts außer Betracht. Wird im Laufe des Rechtsstreits eine Sicherheit geleistet und nur noch Einwilligung in ihre Rückgabe vom Kläger gefordert, so kommt § 6 Abs. 1 S. 2 zum Zuge; ebenso wenn der Sicherungsgeber den Sicherungsgegenstand zurückfordert. 28

19

Der Forderungsbetrag entscheidet auch stets in dem Fall der Vollstreckungsgegenklage (§ 767). Wird mit der Vollstreckungsgegenklage zugleich die Löschung einer auf Grund des Titels eingetragenen Zwangshypothek gefordert, so überlagern sich diese Anträge. Sie werden nicht zusammengerechnet, sondern nur nach dem höheren Wert bemessen. Bei einem Titel wegen künftiger Leistungen sind auch die Rückstände zu bemessen, soweit sie bis zur Erhebung der Vollstreckungsgegenklage 23 24 25 26

AM OLG Köln JMBl. NRW 1960, 207. OLG Nürnberg ZZP 55, 244. OLG Stettin JW 1932, 66 9. OLG München ZZP 52, 67.

180

27

28

BGH NJW 1969, 136; OLG Frankfurt MDR 1962, 60. BGHZ 30, 299.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§6

abgelaufen sind und sofern der Antrag die Vollstreckbarkeit des Titels beseitigt wissen will. Der Klagegrund ist belanglos. Die Norm gilt deshalb auch, wenn ein Hypothe- 2 0 kengläubiger gegen den Versicherer auf Hinterlegung der Versicherungssumme nach § 1 0 1 W G klagt. Hier entscheidet entsprechend dem Rang der Hypothek der Wert, der auf sie ausgezahlt wird. Auch kann mit der Klage keine höhere Hinterlegung gefordert werden. Höchstbetrag ist die Hypothekensumme. Ist ein solcher Betrag hinterlegt, so ist, wenn der Beklagte widerspricht, sein geringerer Anspruch im Streit, sofern der Kläger verlangt, daß der Beklagte in die Auszahlung seiner gesamten Forderung einwilligt, wie das auch sonst bei Prioritätsstreiten der Fall ist. Bei Streit um den Vorrang einer Last ist der geringere Wert der vorangehenden oder der zurücktretenden Last im Streit. Unter mehreren Pfandgläubigern entscheidet die geringere Forderung, wenn nicht der Pfandgegenstand (der zu verteilende Erlös) einen noch geringeren Wert hat. Ist bei einer zu löschenden Grundschuld der Nennbetrag geringer als der Grundstückswert, so kommt nur der geringere Wert des Grundstücks in Betracht; doch kommt es nicht darauf an, ob vorgehende Lasten vorhanden sind. Bei Löschung einer Vormerkung für eine Sicherungshypothek wurde nach § 3 geschätzt. 2 9 Auch beim Gläubigeranfechtungsanspruch entscheidet der geringere Wert, also entweder der des Gegenstands, in den die Vollstreckung begehrt wird, oder der Anfechtungsanspruch, wegen dessen vollstreckt werden soll. Dies gilt auch dann, wenn das Pfandrecht nur abgewandt worden ist, aber allein darum gestritten wird. 3 0 Wird ein Pfändungs- (und Überweisungs-)beschluß wegen einer geringeren For- 2 1 derung beantragt, als sie dem Gläubiger zusteht, so entscheidet dieser Betrag schon vor der Durchführung der Pfändung. Auch hier sind sich überlagernde Ansprüche denkbar, die nicht doppelt zu bewerten sind, etwa wenn neben der Sicherstellung bzw. Löschung einer Post die Herausgabe des Briefes gefordert wird, so gilt nur § 6. ΙΠ. E n t s p r e c h e n d e A n w e n d u n g Die Norm des § 6 gibt einen Bewertungsgrundsatz wieder, der zur Anerkennung 2 2 der objektiven Theorie führen sollte. Vom Standpunkt der subjektiven Theorie aus muß § 6 erweiternd (entsprechend) angewandt werden. Jedenfalls kennt § 6 keine Bewertung nach dem Interesse des Klägers. Der Wert ist vielmehr grundsätzlich gleich zu bemessen, egal wer klagt. Für den Sachwert gilt die allgemeine Bewertung. 1. Vollbewertung von Teilrechten Aus § 6 Abs. 1 S. 1 ist aber nicht nur zu schließen, wie Vollrechte zu bewerten 2 3 sind, sondern es ist aus ihm auf die Bewertung von Teilrechten zu schließen, die einen höheren Rang als der in ihm genannte Besitz haben. a) Eigentumssicherung. Dies gilt, da er die Besitzsicherung voll bewertet, für die 2 4 Eigentumssicherung 3 1 insbesondere bei Klagen auf Herausgabe von Sachen, die zur Sicherung einer Forderung übereignet waren. 3 2 Verlangt der Sicherungsgeber vom 29 30 31

OLG München MDR 1965, 145. OLG Celle NJW 1957, 1640. OLG Frankfurt NJW 1970, 334; OLG Koblenz MDR 1968, 334; OLG Hamm MDR 1958, 250; OLG Stuttgart AnwBl. 1959, 41.

32

OLG Hamm JMBI. NRW 1951, 226; OLG Celle NJW 1957, 593; aM OLG München NJW 1953, 1870; OLG Düsseldorf MDR 1955, 622.

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1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

§7

Sicherungsnehmer den Sicherungsgegenstand zurück, so hat der B G H 3 3 den § 6 entsprechend angewandt. Bei einem Anspruch auf Sicherstellung eines anderen Rechts ist § 6 entsprechend anzuwenden. Die Klage auf Zustimmung zur Belastung eines Grundstücks muß voll bewertet werden. 3 4 25

b) Rechtsbesitz. An sonstigen Rechten ist noch Rechtsbesitz möglich. Für ihn muß die erste Regel des § 6 entsprechend gelten. Das entsprechende gilt für den Fall des § 857 Abs. 5. 2. Drittwiderspruchsklage

26

Gewohnheitsrechtlich, und mit dem Ablösungsrecht des § 268 BGB begründbar, entscheidet auch im Fall des § 771 nicht das zu sichernde Recht des Klägers, sondern grundsätzlich die Forderung des Beklagten. Die Tilgung der Forderung des Beklagten mindert, soweit der Kläger dies gegen sich gelten läßt, den Streitwert herab, wobei die Nebenforderungen für die Forderung des Beklagten nicht bewertet werden. Ist indes der Wert des Pfandgegenstandes geringer, so ist er der Streitwert, wobei die vorhergehenden Pfandrechte nicht abzuziehen sind. 3 5 Auch bei dem Rangstreit zwischen Zessionaren und Pfandgläubigern ist der geringere Wert maßgebend. 3 6 Haben mehrere Gläubiger wegen verschiedener Forderungen gepfändet, so werden ihre Forderungen zusammengezählt; der ihnen entgegenstehende Pfandgegenstand wird aber höchstens einmal bewertet 3 7 . 3. Forderungsabzüge

27

Wird die Herausgabe einer Sicherheit gegen Zahlung einer Summe gefordert, so ist diese Summe von der Forderung abzusetzen, denn um sie mindert sich der Wert der zu sichernden Forderung. Ist aber die Sicherung geringer, so gilt ihr Wert. Bei der Klage auf Freistellung von einer Grundstücksbelastung ist Streitwert der Betrag, weswegen Freistellung beansprucht wird. 3 8 IV. Gebührenwert

28

Abweichende Gebührenbewertungen gibt es für Arreste und einstweilige Verfügungen, weitere nicht. Zu Unrecht hat bei Rücktritt vom Bewerbervertrag bei Herausgabe eines Eigenheims OLG Köln 3 9 einen einjährigen Nutzungsbetrag als Gebührenwert angenommen. In dem Fall, wo nach § 771 gegen mehrere Pfandgläubiger vorgegangen wurde, hat OLG Frankfurt 4 0 die Gebührenwerte getrennt (nach § 6) festgesetzt. § 7 Der Wert einer Grunddienstbarkeit wird durch den Wert, den sie für das herrschende Grundstück hat, und wenn der Betrag, um den sich der Wert des dienenden Grundstücks durch die Dienstbarkeit mindert, größer ist, durch diesen Betrag bestimmt. 33 34 35 36

BGH NJW 1959, 939. A M OLG Schleswig SchlHA 1956, 114. BGH NJW 1952, 1335. OLG Celle Nds Rpfl. 1964, 108.

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37 38 39 40

LG Essen NJW 1956, 1032. OLG Frankfurt NJW 1969, 241. OLG Köln MDR 1974, 323. OLG Frankfurt JurBüro 1973, 152.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§7

Übersicht I. Allgemeines 1. Gesetzesgeschichte 2. Normzweck

Rdn. .

1 2

Π. Bewertung nach höherem Recht

3

Π. Grunddienstbarkeit 1. Arten

4 5

2. Andere Arten IV. Höherer Wert 1. Klägerstellung 2. Streitwert a) Teilwerte b) Gegenleistung 3. Beschwer

Rdn. 6 7 8 9 10 11 12

I. Allgemeines 1. Gesetzesgeschichte § 7 ist durch die Novelle von 1 9 5 0 1 sprachlich neu gefaßt worden.

1

2. Normzweck § 7 ist eine Sondervorschrift für diejenigen Grunddienstbarkeiten, die durch Be- 2 lastung eines „dienenden" Grundstücks einem anderen „herrschenden" Grundstück einen Vorteil gewähren. Bei Streitigkeiten über die Streitwertberechnung ist auf den Wert der Grunddienstbarkeit für das herrschende Grundstück abzustellen und nicht, wie normalerweise, auf das Interesse des Klägers.

Π. Bewertung nach höherem Recht Während in der allgemeinen Wertung sich in der Regel Mittelwerte bestimmen 3 lassen, weist § 7 einen Fall auf, wo die Möglichkeit verschiedener Mittelwerte besteht, je nachdem, ob eine Grunddienstbarkeit für das dienende oder das herrschende Grundstück einen verschiedenen Mittelwert hat und wählt dann als Streitwert den größeren.

ΙΠ. Grunddienstbarkeit Grunddienstbarkeit ist die dingliche Belastung eines Grundstücks zugunsten ei- 4 nes anderen Grundstücks (§§ 1018 ff BGB). Nach § 7 kommt es aber nur auf die subjektiv dingliche, nicht auf die subjektiv persönliche Seite an; fehlt sie, so darf § 7 auch nicht entsprechend angewandt werden. 2

1. Arten Betroffen wird also nur das subjektiv dingliche Recht. Subjektiv dinglich sind 5 aber auch der Überbau (§§ 9 1 2 ff BGB), 3 der Notweg (§§ 917 ff BGB 9 , 4 die Grenzrechte (§§ 9 2 0 f f BGB), auch sonstige Nachbarrechte, die rein dinglicher Art sind, wie das Traufrecht, das Dränagerecht, 5 das Licht- und Fensterrecht (§ 9 0 7 BGB), die deutschrechtlichen Prädialservitute und die landesrechtlichen Legalservitute (vgl. 1

2

3

BGBl. 1950, 535; vgl. auch Stein/Jonas/Scfc«mann § 7 vor Rdn. 1. RG Warn 1910, 293; Warn 1911, 300; Warn 1916, 57. LG Düsseldorf NJW 1963, 2 1 7 8 hat bei der

4 s

Klage auf Beseitigung des Überbaus nach § 3 geschätzt nach dem Interesse des Klägers. LG Stuttgart Rpfl. 1959, 393. R G Z 3, 384.

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§7

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

Art. 184 EGBGB). Doch spielen die beiden letzten schon in das Gebiet der persönlichen Dienstbarkeit hinüber. Weiter gehört hierher die subjektiv dingliche Reallast (§ 1105 Abs. 2 BGB). Soweit es um deren Bewertungsgrundlage geht, gilt aber § 9. Unerheblich ist es, ob die Grunddienstbarkeit eingetragen ist oder nicht (Art. 187 Abs. 1 S. 1 EGBGB) bzw. ob sie auch auf dem herrschenden Grundstück vermerkt ist. 2. Andere Arten 6

Nicht unter den Begriff fallen die sonstigen dinglichen Rechte, die nicht subjektiv dinglich sind, wie der Nießbrauch (§§ 1 0 3 0 f f BGB), die beschränkt persönliche Dienstbarkeit (§§ 1 0 9 0 f f BGB) — gleichgültig, ob sie physischen oder juristischen Personen zusteht — einschließlich der Wohnungs- und Altenteilsrechte (vgl. § 1093 BGB), das subjektiv persönliche dingliche Vorkaufsrecht (§§ 1094 ff BGB), die subjektiv persönliche Reallast (§§ 1105 ff BGB), weil hier nur der Wert des zu verkaufenden bzw. zu benutzenden Grundstücks in Frage steht, die Eigentums- und eigentumsähnlichen Rechte, auch nicht die Grundpfandrechte (§§ 1113 ff BGB), weil sie alle nicht subjektiv dinglich sind. Subjektiv dingliche Rechte stehen ferner nicht im Streit, wenn sich eine Person verpflichtet hatte, einen Vorbau zu beseitigen oder wenn nur eine Person das Recht hat, Ton oder Bausteine einem Grundstück zu entnehmen, oder wenn ein Dritter sich verpflichtet hat, die Grundlast zu beseitigen, also es nicht um den Streit zwischen den beiden Eigentümern geht, sondern um die Beseitigungslast.

IV. Höherer Wert 7

§ 7 läßt nach dem vollen höheren Sachwert bewerten. 1. Klägerstellung

8

Bei den subjektiv und objektiv dinglichen Rechten wird der größere Wert zugrunde gelegt, also entweder der, den das Recht als Werterhöhung für das herrschende Grundstück hat, oder der, der sich durch die Wertminderung des dienenden Grundstücks ergibt, gleichgültig wer klagt. 2. Streitwert

9

Klagegrund und Klageanspruch entscheiden nichts. Es ist also gleich, ob um ihr Bestehen oder ihren Umfang gestritten wird. Unerheblich ist auch die Klageart, ob auf Leistung, ihr Bestehen oder ihr Nichtbestehen geklagt wird, selbst wenn nicht bloß dinglich, sondern auch persönlich, soweit das rechtlich möglich ist, wie bei der Reallast nach § 1108 BGB oder auf Beseitigung ihrer Beeinträchtigung geklagt wird. Ruht die Last als Gesamtlast auf mehreren Grundstücken, so ist, auch wenn sie nur auf einem dieser streitig gemacht wird, die volle Last der Streitwert; doch wird bei verbundenen Klagen nur einmal voll gewertet.

10

a) Teilwerte. Voll gewertet wird indes bei Störungen (vgl. §§ 1029, 906 BGB) nur, wenn zugleich der Umfang der Dienstbarkeit im Streit ist; nicht wenn sie bloß in einzelnen Beziehungen — entsprechend der Lage bei der Besitzstörung — gestört wird. Aus diesem Grunde ist bei einer Klage aus § 1004 BGB nicht der volle Wert zugrunde zu legen, sondern die durch die Störung bedingte Wertminderung bzw. 184

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§ 8

die dadurch gewonnene Werterhöhung. Der Teilwert wird nach dem höheren Wert des § 7 bemessen. b) Gegenleistung. Kommt es auf die Wertminderung an, so ist die Gegenleistung 11 für sie nicht abzusetzen. 3. Beschwer Für die Beschwer kann nichts anderes gelten. 6

12

§8 Ist das Bestehen oder die Dauer eines Pacht- oder Mietverhältnisses streitig, so ist der Betrag des auf die gesamte streitige Zeit fallenden Zinses und, wenn der fünfundzwanzigfache Betrag des einjährigen Zinses geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung entscheidend. Übersicht Rdn. I. Allgemeines 1. Gesetzesgeschichte 2. Normzweck

1 2

Π. Begrenzung 3 1. Sonderrecht 4 2. Inhalt der Norm 5—6 3. Streit um Bestand oder Dauer. . . 7 a) Sachlicher Kreis 8—9 b) Persönlicher Kreis 10-12 ΠΙ. Verhältnis der Sondernorm zu anderen 1. Mehrere Klagegründe 2. Gemischte Verträge

13 14 15-16

3. Teilwerte 4. Gehäufte Werte IV. Anträge, Klage-, Prozeßart V. Einwendungen und Einreden

Rdn. 17 18 19 20

VI. Bemessungsgrundlage 21 1. Der Zeit nach 22-23 a) Baukostenzuschuß 24 b) Mieterrechte gegen Vermieter . 25 2. Das tatsächliche Entgelt 26 a) Abschläge 27 b) Wertung 28-32 c) Zukünftiger Eintritt 33 VII. Gebührenwertung

34

I. Allgemeines 1. Gesetzesgeschichte 1

§ 8 ist seit Erlaß der CPO am 3 0 . 1 . 1877 unverändert geblieben. 2. Normzweck

§ 8 regelt den Streitwert für Klagen aus Miete und Pacht, sofern ihr Bestehen 2 oder ihre Dauer streitig ist.

Π. Begrenzung 3

Sein Anwendungsbereich ist vielfach begrenzt. 6

BGHZ 2 3 , 2 0 5 = NJW 1957, 790.

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§8

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

1. Sonderrecht 4

Soweit § 23 Abs. 1 Nr. 2 a GVG anzuwenden ist, bleibt er außer Betracht. 2. Inhalt der Norm

5

Er bezieht sich im übrigen nur auf Miet- und Pachtverträge (§§ 5 8 1 ff BGB); gilt hier aber auch für Vorverträge, wenn etwa auf Grund eines mündlichen Vorvertrages auf Abschluß des schriftlichen Hauptvertrages geklagt wird. 1 Die Miet- und Pachtverhältnisse können bewegliche wie unbewegliche Sachen oder Sachteile (vgl. § 580 BGB) betreffen; 2 sie können ferner auch Rechtspachten, also auch Jagdpachtverträge, Unternehmenspachtverträge betreffen, Untermiete und Unterpacht, wobei auch ein Mieter weiterverpachten, wie ein Pächter weitervermieten kann; 3 wie im Fall, wo der Mieter den Gebrauch einer Sache einem dritten nach § 556 Abs. 3 BGB überlassen hatte, auch die Klage gegen diesen: 4 wobei, wenn gegen Mieter und Untermieter geklagt wird, die Ansprüche sich überlagern.

6

Grundsätzlich ist die Norm keiner entsprechenden Anwendung fähig. Sie gilt also nicht für Werk- ( § § 6 3 1 ff BGB), Dienstverträge ( § § 6 1 1 ff BGB), Leihe (§§ 598 ff BGB), und auch nicht für dingliche Wohnrechte (vgl. § 1093 BGB), die besonders bei Altenteilen vorzukommen pflegen (vgl. Art. 115 EGBGB) oder für sonstige dingliche Nutzungsrechte, wie für das Wohnungseigentum, Erbbauwohnungseigentum, Dauerwohnrecht nach dem WEG, aber auch nicht für Tankstellenverträge. 3. Streit um Bestand oder Dauer

7

Bestand oder Dauer eines Miet- oder Pachtverhältnisses müssen im Streit sein.

8

a) Sachlicher Kreis. Mit Rücksicht darauf hat die Rechtsprechung § 8 nicht angewandt, wenn die beantragte Feststellung der Nichtigkeit nur dazu dienen sollte, Schadensersatzansprüche abzuwehren, 5 und wenn nur der Inhalt des Vertrages streitig ist, selbst wenn das „Interesse" mit der Gültigkeit des Pachtvertrages zusammenfällt; doch sollte darauf nicht abgestellt werden. Auch ist das M e t - oder Pachtverhältnis im Streit, wenn auf Feststellung eines Mietvertrages mit bestimmtem Entgelt geklagt wird und nur die Höhe des Entgelts (ob vereinbart oder angemessen) streitig ist.

9

Ist indes das Miet- oder das Pachtverhältnis weder im ganzen noch sein Bestand noch seine Dauer als Klage- oder Verteidigungsgrund im Streit, dann ist § 8 unanwendbar und der Streitgegenstand unmittelbar nach §§ 3, 6 zu bewerten. Dies ist der Fall, wenn der Bestand des Grundverhältnisses unstreitig ist; 6 etwa wenn nach unstreitiger Beendigung die Rückgabe der Sache gefordert wird, oder wenn sonst nur über die Folgen einer unstreitigen Aufhebung des Grundverhältnisses gestritten wird. Doch geht das R G 7 zu weit, wenn es, als die Nichtigkeit des Pachtverhältnisses für eine Folgezeit festgestellt werden sollte, nur die Schadensfolgen wertete, anstatt nach § 8 zu verfahren. Denn hier ist das Pachtverhältnis schon durch den 1

2

OLG Hamm Rpfl. 1949, 570; aM OLG FrankfurtMDR 1 9 6 3 , 6 0 , das den dreifachen Jahresbetrag über § 3 schätzt; OLG Hamm MDR 1970, 333. Soweit sie nicht unter SS 1, 36 MSchG fallen.

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3 4 5 6 7

BGH NJW 1952, 821. OLG Kiel HRR 1 9 3 3 , 1 2 4 2 . RG JW 1 9 3 2 , 1 0 5 8 . Vgl. BGH NJW 1 9 5 8 , 1 2 9 1 . RG JW 1 9 3 2 , 1 0 5 8 .

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§8

Antrag zum Klagegegenstand gemacht worden. Der Streit um die Verlängerung der Miet- (oder Pachtverhältnisse nach §§ 556 a ff, 5 6 5 a ff, 5 8 1 Abs. 2 BGB fällt unter § 8. Nicht unter § 8 fallen Klagen auf Miet- und Pachtentgelte wie die um die Instandhaltung des Miet- oder Pachtgegenstandes. 8 b) Persönlicher Kreis. Inwieweit sich der Streit auch auf andere als unmittelbare 1 0 Vertragspartner erstrecken darf, ist unterschiedlich abzugrenzen. § 8 wurde gegenüber Untermietern und Unterpächtern wie gegen Dritte aus Streiten nach § 556 Abs. 3 B G B angewandt. Er gilt aber auch für und gegen Mietund Pachtbürgen. Dahin gehört auch der Fall, wenn der Eintritt eines Dritten in einen Miet- oder Pachtvertrag umstritten ist. § 8 ist indes nicht anzuwenden, wenn unter mehreren Vermietern oder mehreren 11 Mietern und mehreren Verpächtern oder mehreren Pächtern ihre Rechte untereinander streitig sind, so daß die Parteien sich entweder nur aus Mietern oder nur aus Vermietern zusammensetzen. Klagt ein früherer Mieter gegen den späteren auf Überlassung, so gilt § 6. Dahin 1 2 gehört auch die Klage auf Befreiung aus einem Mietverhältnis, wenn die Klage gegen einen Dritten gerichtet ist. Klagt ein Dritter auf Nichtigkeit des Pachtvertrages, so ist nach § 3 zu werten; 9 ebenso, wenn ein Miterbe gegen einen anderen auf Feststellung der Wirksamkeit eines von der Erbenmehrheit mit einem Dritten geschlossenen Mietvertrags klagt. 1 0

ΙΠ. Verhältnis der Sondernorm zu anderen § 8 ist eine Sondernorm (lex specialis) im Verhältnis zu § § 3 , 6. Sie stellt eine gesetzliche Bewertung der Miet- und Pachtverhältnisse dar, wenn es um ihren Bestand oder ihre Dauer geht.

13

1. Mehrere Klagegründe Daraus folgt, daß, wenn eine Klage sich auf mehrere Klagegründe (Eigentum 1 4 § 985 BGB, früheren Besitz § 1007 BGB) neben Miete oder Pacht stützt, nicht nach § 6, sondern nach § 8 zu bewerten ist. 1 1 O b der Kläger dies ausdrücklich tut oder stillschweigend in der Klagebegründung das Miet- oder Pachtverhältnis verneint, ist gleichgültig. 1 2 Dies kann auch erst durch den Einwand des Beklagten hervortreten, 1 3 denn § 8 ist nicht bloß dann anzuwenden, wenn über das Bestehen oder die Dauer des Miet- oder Pachtverhältnisses rechtskräftig zu entscheiden ist, sondern schon dann, wenn nur Dauer oder Bestand eines solchen Rechtsverhältnisses bestritten sind. Nach § 8 ist der Streitgegenstand deshalb auch bei Leistungsklagen auf Überlassung und Benutzung der Miet- oder Pachtsache, 1 4 wie umgekehrt bei denen auf Räumung (von Grundstücken, Wohnschiffen, Wohnwagen) zu bemessen, mögen Vgl. R G J W 1927,1931. BGHRpfl. 1955,101. 1 0 BGH MDR Β 79/56. " BGH NJW 1953, 384; NJW 1952,1056. 12 BGH ΝJW 1952, 1056; OLG Celle Nds Rpfl. 1955, 230. 8

13

9

14

BGH MDR 1955,731; OLG Hamm JMB1.1950, 153; OLG München NJW 1953,1399. BGH NJW 1953, 384; NJW 1952,1056.

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§8

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

sie die Beendigung des Vertrags voraussetzen 1 5 oder sich auf die Unwirksamkeit des Vertrags stützen, 1 6 sofern nur das Miet- oder Pachtverhältnis seinem Bestände oder seiner Dauer nach im Streit ist. 2. Gemischte Verträge 15

Bei gemischten Verträgen, wo das Entgelt nur zum Teil auf Miete oder Pacht entfällt, zum anderen auf Dienstleistungen etc. oder auch auf Leihe, sind die Teilwerte nach § 3 zu errechnen. Die getrennten Einsatzwerte sind dann, soweit sie die Adiete oder die Pacht betreffen, nach § 8 zu bewerten und mit den anderen entsprechend § 3 zu errechnenden Werten zusammenzuzählen (§ 5). Es wird also die Regel des § 8 nur auf den Teilwert angewandt, der das Miet- oder Pachtverhältnis betrifft.

16

Soweit derjenige, welcher den positiven Anspruch geltend macht, sich auf Leihe stützt, sein Gegner Miete einwendet, ist zu bedenken, ob das Entgelt dem verkehrsmäßigen entspricht, wobei allerdings der Äquivalenzgedanke der Parteien zu berücksichtigen ist. Ein völlig unangemessenes Entgelt (vgl. § 138 Abs. 1 BGB) darf jedenfalls der Berechnung nach § 8 nicht zugrunde gelegt werden. 3. Teilwerte

17

Teilwerte werden im übrigen selten sein, sie liegen jedoch vor, wenn nur auf Strombezug geklagt wird oder wenn nur der Teil einer Sache im Streit ist, so daß nur der Mietwert des Sachteils zu berechnen ist. Wendet man die Vorschrift auch auf den Streit um die Entgelthöhe an, so ist der Differenzbetrag nach § 8 zu kapitalisieren. 1 7 4. Gehäufte Werte

18

Gehäufte Werte können sich durch einen Teil, aber auch durch einen Vollwert innerhalb des § 8 ergeben. Dann gilt der Grundsatz, daß der Wert nicht über den vollen Wert angehäuft werden darf, so daß auch gegen Gesamtschuldner nur einmal zu berechnen ist. Sonstige Häufungen - auch über den Wert des § 8 hinaus — sind bei gemischten Verträgen denkbar. Doch können auch aus dem Miet- oder Pachtverhältnis nicht unter § 8 fallende Ansprüche neben diesen geltend gemacht werden. Dann werden sie zusammengerechnet. 1 8 Dies gilt etwa, wenn auf Räumung und rückständiges Mietentgelt geklagt wird. Wurden inzwischen Mieten gezahlt und wird immer wieder erhöht, so sind alle diese Beträge zusammenzurechnen, auch wenn das im Nacheinander geschieht und der Klageantrag nach außen in derselben Höhe gleichbleibend gestellt wird.

IV. Anträge, Klage-, Prozeßart 19

Anträge, Klage- und Prozeßart sind für die Bewertung nach § 8 bedeutungslos. Es muß auch gleichgültig sein, ob positiv oder negativ, auf Leistung oder auf Feststellung geklagt wird. 15 16 17

§ 556 BGB; BGH MDR 1955, 731. OLG Hamm Rpfl. 1950, 91. Vgl. OLG Celle Rpfl. 1951, 633; OLG Frankfurt MDR 1963,1021.

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18

S 5; etwa bei der Klage auf Zahlung für die Vergangenheit und für die Zukunft (nach § 8): OLG Bremen Rpfl. 1954,472.

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1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§8

V. Einwendungen und Einreden Einwendungen und Einreden können zwar Anlaß sein, daß die Klageforderung 2 0 nach § 8 zu bewerten ist, sie können aber nicht die Bewertung als solche (etwa wertmindernd) beeinflussen. 19 Das gilt auch für den Widerspruch des Mieters gegen die Kündigung nach § 556 a BGB.

VI. Bemessungsgrundlage Streitwertbemessungsgrundlage ist nach § 8 das Entgelt für die gesamte in Be- 21 tracht kommende Zeit, höchstens aber der fünfundzwanzigfache Jahresbetrag. 1. Der Zeit nach Die Regelung geht zunächst von einem auf bestimmte Zeit abgeschlossenen 2 2 Miet- oder Pachtvertrag aus. Die Zeit der längsten Begrenzung wird selten zu bewerten sein, da nach § 567 S. 2 BGB nach 30 Jahren jede Partei unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist kündigen darf, bei den nach § 567 S. 2 BGB auf Lebenszeit abgeschlossenen Verträgen aber die Regel des § 9 gilt. 20 Ist ein Vertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, in ihm aber eine Kündi- 2 3 gungsfrist bestimmt, so wird nur die Zeit bis zur frühest möglichen Auflösung gerechnet; uU ist die gesetzliche Kündigungsfrist zu beachten (§§ 565, 595 BGB). Jedoch sind die möglichen Verlängerungen nach §§ 556 a ff, 565 a ff, 581 Abs. 2 BGB außer acht zu lassen; es sei denn, daß gerade der Streit darum geht; sodann wird es regelmäßig um eine bestimmte Frist gehen; nur soweit Verlängerung auf unbestimmte Zeit beantragt worden ist. In dem letzten Fall kommt die Regel des § 9 über §§ 567 Abs. 1 S. 2, 569 Abs. 1 S. 1 BGB zum Zuge, wobei indes die Verlängerungsmöglichkeit nach §§ 569 Abs. 2, 569 a, 569 b, 581 Abs. 2 BGB auch hier außer Betracht zu lassen sind, wenn der Streit gerade um diese Verlängerung geht. a) Baukostenzuschuß. Bei Baukostenzuschüssen gilt hier der Sonderschutz des 2 4 § 57 c ZVG. b) Mieterrechte gegen Vermieter. Der Mieterschutz wirkt allerdings nur zugun- 2 5 sten, nicht zu Lasten des Mieters. Geht es deshalb um eine vom Mieter herbeigeführte oder herbeizuführende Auflösung des Vertrages, dann ist sowohl vertraglich anders wie gesetzlich geregeltes Recht gegen den Vermieter auch bei der Bewertung nach § 8 anzuwenden. 2. Das tatsächliche Entgelt Das Miet- und Pachtentgelt als Berechnungsgrundlage ist das tatsächlich ge- 2 6 zahlte. Verlorene Baukostenzuschüsse sind mit zu bewerten, weil sie von dem Mietentgelt nicht zu lösen sind. Ihre Bewertung ist entsprechend § 57 c ZVG vorzunehmen. Besteht das Entgelt in Naturalleistungen, so sind diese nach § 3 zu bewerten. 19

BGH M D R 1955, 730, für die Verteidigung gegenüber einem Räumungsbegehren, die Kündigung sei widerrufen worden.

20

Vgl. BGH NJW 1966, 778.

Lothar Gamp

189

§ 8

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

Von den Leistungen des Mieters sind nicht die auf dieser Leistung für den Vermieter ruhenden Steuern abzuziehen. 27

a) Abschläge. Gewohnheitsrechtlich werden nur die Lasten- und Gefahrenzuschläge abgesetzt, 2 1 wenn die Mieter Lasten und Gefahren des vermieteten oder verpachteten Gegenstandes, die sonst den Vermieter treffen, übernehmen; etwa die mitübernommene Feuerversicherung, die Instandsetzungskosten (vgl. § 536 BGB), die Steuern des Pachtgegenstandes, die Erstattung des Wildschadens. 2 2 Umlagen für Sammelheizung, Warmwasser- und Fahrstuhlbenutzung bleiben außer Ansatz. 2 3

28

b) Wertung. Bei der Bewertung einer längeren Zeit durch eine verkürzte Ersatzzeit ergeben sich Schwierigkeiten in den Fällen, wo die Einsatzbeträge ungleich sind. Die gesetzlichen Bestimmungen (§§ 8, 9 , 1 6 , 17 GKG) setzen stillschweigend gleichbleibende Entgelte für die Zeitspannen voraus, die sie ihrer Bemessung zugrunde legen. Sie sind also nicht unmittelbar anzuwenden, wenn die Entgelte in den Bemessungsspannen schwanken. Im Falle des § 8 wird das Problem indes wegen der Länge der Zeit von 25 Jahren nur selten praktisch, kann es aber werden, wenn ein Vertrag über die längere Zeit (bis zu 30 Jahren) geht, und überhaupt, wenn die späteren Entgelte anders bemessen sind als diejenigen, welche z. Zt. der Klageerhebung gelten. Geht der Vertrag über 30 Jahre hinaus, d. h. ist er auf die Lebenszeit des Mieters bzw. Pächters oder des Vermieters bzw. des Verpächters gestellt (§§ 567, 581 Abs. 2 BGB), so ist § 9 anzuwenden. Für die genannten Fälle gibt es vier Berechnungsmöglichkeiten: ( 1 ) die Ersatzzeit kann nach dem Entgelt berechnet werden, welches in der verkürzten Zeit tatsächlich anfällt, oder (2) es kann nach den aus der Gesamtzeit gewonnenen Durchschnittseinsätzen, oder (3) nach den geringsten in Betracht kommenden Jahresbeträgen, oder (4) nach den höchsten bemessen werden.

29

Nach der ersten Berechnungsweise kommt man zu unterschiedlichen Streit- und Rechtsmittelwerten, die es indes jetzt auch sonst nach § 4 gibt. Bei Häufung mit Zahlungsansprüchen wird die Veränderung insoweit nicht in das Gewicht fallen, wie dann die tatsächlichen Werte bis zur Rechtsmitteleinlegung zuzuschlagen sind, während sie bei der Berechnung des § 8 ausscheiden, sofern die gesamte Dauer des Verhältnisses von vornherein zu bewerten war. Ist Bestehen oder Zeitdauer eines Miet- oder Pachtverhältnisses streitig, so wird dies im übrigen voll bewertet, ohne daß es auf die sonst in den Rechtsmittelzügen nach § 4 zu trennende Bewertung für Vergangenheit und Zukunft ankäme, 2 4 sofern die Zeit von insgesamt 25 Jahren nicht überschritten wird.

30

Auch die Durchschnittsberechnung verhindert nicht ungleiche Ergebnisse für Streit- und Rechtsmittelwerte, wenn die Differenz auch geringer sein wird als nach der ersten Berechnungsweise. Bei der Häufung mit Zahlungsklagen werden aber die hinzuzusetzenden Werte nicht voll von den nach § 8 zu bewertenden abgesetzt bzw. sie schwinden zu einem höheren Wert als zu dem, den sie als Faktor nach § 8 abgeben. 21

22

RG JW 1932, 1058; aM BGHZ 18, 168 = NJW 1955,1633. BGH NJW 1962,446.

190

23

24

AG Hannover MDR 1974, 412; aM LG Hambürg MDR 1958, 37. BGH NJW 1959, 2164.

Lothar G a m p

1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§9

Bei der Berechnung nach den geringsten Werten wird dagegen nur vermieden, 3 1 daß die zwischen Klageerhebung und Rechtsmittelinstanz hinzuzurechnenden Werte nicht kleiner sein können als der Schwund, der in der Berechnung nach § 8 eintritt. Bei der Berechnung nach den größten Werten tritt die umgekehrte Wirkung ein. Für sie streitet der Grundsatz des § 7, wonach, wenn objektiv verschieden zu werten ist, der höhere Wert gilt.

32

c) Zukünftiger Eintritt. Die Bewertung nach dem Entgelt wird aber auch dann beeinträchtigt, wenn es erst nach Jahren zu fließen beginnen soll, denn Bedingungen und Betagung hindern den Anfall des Bemessungsgegenstandes. Wird deshalb der Miet- oder Pachtvertrag erst nach Jahren wirksam, so darf eine bestimmte Zeit bis zum Beginn überhaupt nicht, die dann folgende aber nur unter Berücksichtigung der laufenden Dreißigjahresfrist — sonst aber unverkürzt — und, wenn er erst nach dreißig Jahren zu laufen beginnen soll, mit einem nach § 3 zu schätzenden Betrag berechnet werden. Für die dann auf Lebenszeit laufenden ergibt sich zudem dieselbe Problematik wie in dem Fall des § 9. Ist indes der Beginn der Vertragszeit unbestimmt, so ist ebenfalls nach § 3 zu schätzen, wobei man auf Mittelwerte zurückgehen sollte; keinesfalls gibt es aber Werte, die gleich Null sind.

33

VII.

Gebührenwertung

Die Gebührenwertberechnung regelt § 16 G K G abweichend von der Regel des §8. § 16 Abs. 1, 2 G K G kürzt die 25jährige Höchstlaufzeit des § 8 für die Gebührenwertberechnung auf ein Jahr. Im Falle des § 16 Abs. 2 G K G - der Räumungsklage wegen eines Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils — kommt es entgegen § 8 und § 16 Abs. 1 G K G nicht darauf an, ob das Miet- oder Pachtverhältnis streitig ist. § 16 Abs. 2 G K G stellt also wieder auf den Antrag (das Klagebegehren, den Klageanspruch) ab, wovon § 8, § 16 Abs. 1 G K G abweichen, indem sie auf die Klagebegründung zurückgreifen. Dann dürfen aber auch nicht negative Räumungsklagen unter § 16 Abs. 2 G K G gebracht werden, also nicht die Klage auf Feststellung, daß ein Mietverhältnis über einen bestimmten Zeitpunkt fortbesteht. Dagegen kommt es auch hier nicht auf die Klageart an, so daß nicht bloß die auf Leistung (Räumung) unter § 16 Abs. 2 G K G fällt, sondern auch die auf Feststellung, daß zu räumen ist. Die Differenzierung ist indes praktisch durch die Geringstwertklausel des § 16 Abs. 2 S. 1 G K G bedeutungslos geworden. Entgegen § 19 Abs. 1 G K G hat § 16 Abs. 3 G K G vorgeschrieben, daß Räumungsantrag auf der einen Seite und Kündigungswiderspruchsantrag auf der anderen (§§ 5 5 6 a, 5 5 6 b BGB) nicht zusammengerechnet werden, wenn sie im selben Prozeß geltend gemacht werden, d. h. eine Verdoppelung der Werte tritt nicht ein. Das gilt auch für die Rechtsmittelinstanz ( § 1 6 Abs. 4 GKG).

§9 Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezugs berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist. Lothar Gamp

191

34

§9

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

Übersicht Rdn.

I. Allgemeines 1. Gesetzesgeschichte 2. Normzweck

1 2

Π. Nutzungen und Leistungen 1. Begriff 2. Einzelnutzung und Einzelleistung . 3. Wiederkehrende Nutzungen und Leistungen ΠΙ. Klageantrag, -grund, Klage-, Prozeßart 1. Klageantrag 2. Klagegrund 3. Klageart 4. Prozeßart IV. Umfang der Wertung 1. Fällige Einzelleistungen 2. Teilwerte

3-4 5—6 7 8 9-10 11 12 13-16 17

V. Bemessungsgrundlage 1. Bestimmte Dauer des Bezugsrechts (Satz 2) 2. Unbestimmte Dauer des Bezugsrechts (Satz 1) 3. Ungleichmäßige oder -artige Leistungen VI. Gebühren Wertung 1. Familienrechtliche Unterhaltsrenten 2. Verfahrensbeteiligung a) Persönlicher Kreis b) Sachlicher Kreis c) Unanwendbarkeit 3. Sonstige Renten a) Gesetzliche S c h a d e n s r e n t e n . . . b) Überdeckte Ansprüche

Rdn. 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29

I. Allgemeines 1. Gesetzesgeschichte 1

§ 9 Satz 1 ist durch das Rechtspflegeentlastungsgesetz vom 11. Januar 1 9 9 3 1 geändert worden und am 1. März 1993 in Kraft getreten (Art. 15 Abs. 1). An die Stelle des zwölfeinhalbfachen und des fünfundzwanzigfachen Jahresbetrages, ist der dreieinhalbfache Wert des einjährigen Bezuges getreten. Damit entfällt die Unterscheidung zwischen künftig wegfallenden Bezugsrechten und Rechten von unbeschränkter oder bestimmter Dauer. § 9 aF gilt für vor dem 1. März 1993 anhängige Verfahren (Art. 14 Abs. 2 RpflEntlastungsG). 2. Normzweck

2

§ 9 regelt den Zuständigkeits- (§ 23 Nr. 1 GVG; beachte aber Nr. 2) und Rechtsmittelstreitwert (§§ 511 a Abs. 1 S. 1, 546 Abs. 1 S. 1, 567 Abs. 2) bei wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen. Soweit § 17 GKG nicht einschlägig ist, gilt die Regelung auch für den Gebührenstreitwert. Durch die Änderung des § 9 soll die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts beschränkt und die Berufung begrenzt werden. 2 Π. Nutzungen und Leistungen 1. Begriff

3

Den Begriff der Nutzung gibt § 100 BGB. Die Nutzung selbst kann eine bewegliche Sache oder ein Recht sein, während das Recht auf die Nutzung niemals eine Sache iSd. § 90 BGB (auch kein Grundstück) und niemals ein einzelner Anspruch ist. 4 Den Begriff der Leistung umschreibt § 241 BGB. Das Recht auf Leistungen setzt hier den gleichen Rechtsgrund (dasselbe Rechtsverhältnis) voraus. Der Wortlaut des § 9 fordert nicht, daß die Leistungen regelmäßig oder auch nur gleichartig sein müssen. Doch geht sein Berechnungsmaßstab stillschweigend davon aus. 1 2

BGBl. 1993 I, 50. MünchKomm/Lappe, Sonderheft zum RpflEntlastungsG, ξ 9 Rdn. 1; vgl. dort im folgenden auch

192

die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Neufassung.

Lothar Gamp

1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§9

2. Einzelnutzung und Einzelleistung Erschöpft sich das Recht bestimmungsmäßig in einer Nutzung oder Leistung, so 5 darf § 9 nicht angewandt werden. Dasselbe gilt von einer Mehrheit von Leistungen, die das Hauptrecht bestehen lassen, ohne es anzugreifen. Solche Leistungen werden auch angenommen, wenn ihre Höhe nach Zeitabschnit- 6 ten berechnet wird, etwa bei Lagergeldern, Kurkosten etc. Darüber, was hier noch Einzelleistung, was schon wiederkehrende ist, entscheidet die Verkehrsauffassung. 3. Wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen Das streitige Recht muß auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen gehen, 7 etwa auf Unterhalt, Renten, auch Schadensrenten aller Art. 3 Dasselbe gilt für Reallasten, Altenteilverträge, Leibgedinge, Lastenausgleichsrenten. 4 Bei einer Verpflichtung, Beiträge für eine Lebens- oder eine Aussteuerversicherung zu zahlen, hat O L G Celle 5 den § 9 angewandt. Eine entsprechende Bewertung hat auch der B G H 6 jedenfalls unterstellt.

ΙΠ. Klageantrag, -grund; Klage-, Prozeßart 1. Klageantrag Nach § 9 ist auch dann zu berechnen, egal wie der Klageantrag lautet, wenn die 8 Ansprüche abgetreten oder sonst wie übergegangen sind und wenn es nicht bloß um ihre Erfüllung, sondern um die Befreiung von ihnen geht 7 oder wo eine Rente geltend gemacht wird, die der Beklagte von einem Dritten ganz oder zum Teil ersetzt verlangt. 8 Wird eine Grundstücksübertragung nach dem Gläubigeranfechtungsgesetz auf Grund eines Unterhaltstitels angefochten, so sind die Rückstände zu den nach § 9 zu bewertenden künftigen Leistungen hinzuzurechnen und dem Grundstückswert entgegenzusetzen. 2. Klagegrund Auch der Klagegrund entscheidet nicht über die Anwendung des § 9. Es ist deshalb 9 gleichgültig, ob das Recht auf wiederkehrende Nutzungen auf Gesetz oder Vertrag beruht, ob es dinglicher oder schuldrechtlicher Art ist. Hierher gehören an dinglichen Rechten die Überbaurente nach §§ 9 1 2 Abs. 2, 913 ff BGB, die Notwegrente nach § 917 Abs. 2 BGB, der Nießbrauch an Rechten (§§ 1068 ff BGB), die Reallast (§ 1105 BGB) und die Rentenschuld (§ § 1199 ff BGB). An schuldrechtlichen Rechten gehören hierher: die vertraglichen, die des Schenkers (§ 520 BGB), die an den verarmten Schenker (S 528 Abs. 1 S. 2, 3 BGB), die Leibrenten, 9 die nach § 618 Abs. 3 BGB, §§ 62 Abs. 3, 76 Abs. 1 HGB; die auf unerlaubter Handlung beruhenden §§ 843, 844, 845 B G B , 1 0 wozu auch Schmerzensgeldrenten gehören können; 1 1 die nach §§ 10, 11, 13 3

4

BGH NJW 1960, 1460, für eine Rente aus § 826 BGB wegen erschlichenen Scheidungsurteils; OLG Celle Rpfl. 1962,223, für ein Geschäftsführerruhegehalt; anders möglicherweise nach § 17 GKG aber nur für den Gebührenwert, vgl. BGH Rpfl. 1954,439, bei privatrechtlich begründeten, nach Beamtenrechtsgrundsätzen ausgerichteten; BGH VersR 1952, 342 für die nach § 845 BGB. AM BGH MDR 1958, 914.

s 6 7

8 9 10 11

OLG Celle VersR 1968, 840. BGH VersR 1968,278. OLG Hamm HRR 1938, 471; aM KG Rpfl. 1964, 321. R G J W 1902,161. § 759 BGB, LG Freiburg AnwBl. 1973,169. BGH Rpfl. 1952,420. Vgl. OLG Freiburg Rpfl. 1951,571.

Lothar G a m p

193

§ 9

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

StVG, §§ 2 1 , 2 2 , 2 4 LuftverkehrsG; §§ 9 0 3 , 9 0 4 R V O 1 2 ; Leistungen aus dem Dekkungsprozeß; die Unterhaltsansprüche der §§ 1 3 6 0 ff, 1 6 0 1 ff BGB; Aufopferungsrenten nach Einl. z. § 75 A L R ; 1 3 die Rente eines Handelsvertreters. 1 4 10

Sind mehrere Klagegründe gegeben, so ist jeder Grund getrennt zu bewerten und dann der Höchstbetrag Streitgegenstand. Überlagerungen sind bei auf Vertrag wie auf unerlaubter Handlung gestützten Rentenansprüchen gegeben. 1 5 3. Klageart

11

Die Klageart (Feststellungs- oder Leistungsklage) vermag nach der hier vertretenen Auffassung an der Berechnung nach § 9 nichts zu ändern. 1 6 4. Prozeßart

12

Daß die Prozeßart (Urkunden-, Wechsel-, Scheckprozeß, ordentliches Verfahren) nichts an der Bewertung ändert, ist außer Streit. Nach § 9 ist deshalb auch zu berechnen, wenn eine Vollstreckungsgegenklage (§ 7 6 7 ) angestrengt wird, die sich gegen ein Unterhaltsurteil richtet. 1 7 Auch für einstweilige Verfügungen sind keine Kürzungen vorzunehmen. IV. U m f a n g der W e r t u n g 1. Fällige Einzelleistungen

13

Werden fällige Einzelleistungen allein geltend gemacht, so werden sie allein berechnet. Werden sie zusammen mit Nutzungen geltend gemacht, so sind die Ansprüche nach § 5 zusammenzurechnen; 1 8 was auch für Feststellungsklagen gilt, 1 9 im besonderen, wenn ein Antrag für fällige Leistungen mit dem Feststellungsantrag gehäuft ist. 2 0

14

Der B G H 2 1 bewertet nur bis zur Klageerhebung die fälligen Leistungen zusätzlich. Werden Rückstände zusammen mit dem Recht auf Nutzung geltend gemacht, so kommt es für den Streitwert (im ersten Rechtszuge) nicht darauf an, ob jene zugleich mit nach Klageerhebung fälligen gefordert werden. Sie bleiben außer Betracht. 2 2 Doch kommt es nach § 4 für den Rechtsmittelwert auf den Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels an.

15

Zusammenzurechnen sind alle Rechte, die nicht unter § 9 fallen, sofern nicht bloß die Klagegründe gehäuft werden. Über die Verbindungen von Unterhaltsansprüchen mit der Feststellung, daß der Beklagte der uneheliche Vater des Klägers ist, vgl. § 6 4 3 . Wie Abschlagszahlungen zu verrechnen sind, bestimmt der Schuldner. Mangels seiner Bestimmungen gilt § 3 6 6 Abs. 2 BGB. Es wird also zuerst auf die Rückstände verrechnet. O b der Klageantrag dies berücksichtigt, ist für den Streitwert gleichgültig. Er ist also maßgebend, selbst wenn Rückstände abzusetzen sind. 12 13 14 15 16

O L G Schleswig SchlHA 1 9 5 1 , 6 5 . B G H Z 7, 3 3 5 = N J W 1 9 5 3 , 1 0 4 . O L G Frankfurt M D R 1 9 7 4 , 1 0 2 8 . Vgl. B G H VersR 1 9 5 3 , 2 4 1 . B G H Z 2, 2 7 6 = N J W 1 9 5 1 , 8 0 1 für die negative Feststellungsklage ( a M auch in diesem Falle auf das Zehnfache kürzend, KG N J W 1 9 5 6 , 1 2 0 6 ; O L G Schleswig SchlHA 1 9 5 5 , 2 7 8 , 2 9 9 ) ; a M B G H Z 1, 4 3 = N J W 1 9 5 1 , 1 9 4 ; VersR 1 9 6 8 , 2 7 8 , das 2 0 % abzieht.

194

17

18 19

20 21 22

O L G H a m m H R R 1 9 2 9 , 1 6 2 3 ; O L G Kiel H R R 1938,1646. BGHZ 2, 74 = N J W 1951, 802. O L G Celle Nds Rpfl. 1 9 5 2 , 6; a M B G H Z 2, 7 4 = N J W 1 9 5 1 , 8 0 2 ; doch ist dies mit S 4 nicht zu vereinbaren. BGHZ 2, 74 = NJW 1951, 802. BGH NJW 1 9 6 0 , 1 4 5 9 . O L G Düsseldorf N J W 1 9 5 7 , 1 6 3 8 .

Lothar Gamp

1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§ 9

Bei einem Übergang von der Leistungs- zur Feststellungsklage wie umgekehrt er- 1 6 gibt sich nach der hier vertretenen Auffassung keine Änderung, selbst wenn Rückstände geltend gemacht werden. 2 3 2. Teilwerte Die Bestimmung des § 9 schließt nicht aus, Teilwerte zu berechnen. So können bei 1 7 der Vollstreckungsgegenklage des Bürgen Teilwerte in Betracht kommen, nämlich soweit sie sich gegen angeblich beglichene Rückstände richtet. Sonst sind Teile zu bewerten, wenn darüber geklagt wird, ob an Stelle einer Unterhaltsrente in Natur sie in Geld 2 4 oder umgekehrt zu leisten ist. In den Fällen der Abänderungsklage nach § 323 (vgl. auch § 324) ist nur von der Differenz zwischen altem Urteil und der neuen Forderung auszugehen. Andererseits sind bei einer nach § 323 angestrengten Erhöhungsklage die Rückstände bis zur Klageerhebung gesondert zu berechnen. Dagegen ist es auch hier unzulässig, Gegenleistungen zu berücksichtigen. Deshalb wird § 9 auch bei Gehaltspfändungen, wo erst noch durch Leistungen das Entgelt verdient werden muß, angewandt wie bei der von Mietentgelten für unbestimmte lange Zeit. 2 5 Unzulässig ist es auch bei einem gegenseitigen Unterhaltsverzicht (in Ehesachen) einen Teilwert mit der Begründung anzunehmen, daß die Ansprüche zweifelhaft seien, 26 denn es kommt nur auf das geltend Gemachte an.

V. Bemessungsgrundlage 1. Bestimmte Dauer des Bezugsrechts (Satz 2) Der Prozeß- (Streit- und Rechtsmittel-)wert wird nach § 9 bei bestimmter Dauer 1 8 des Bezugsrechts auf den Gesamtbetrag der einzelnen Bezüge festgelegt. Die Höchstgrenze ist aber der dreieinhalbfache Jahresbetrag. 2. Unbestimmte Dauer des Bezugsrechts (Satz 1) Eine unbestimmte Dauer des Bezugsrechts liegt bei Gewißheit des Wegfalls zu un- 1 9 gewisser Zeit vor. 2 7 Der Prozeßwert ist dann der dreieinhalbfache Jahresbetrag. Ein solcher Fall ist beispielsweise gegeben, wenn das Bezugsrecht mit dem Tode entfällt. 2 8 3. Ungleichmäßige oder -artige Leistungen Bei zeitlich unregelmäßigen oder der Höhe nach unterschiedlichen Leistungen er- 20 geben sich durch die verkürzte Ersatzzeit Schwierigkeiten in den Fällen, wo die Einsatzbeträge ungleich sind. Jedenfalls ist bei solchen Leistungen § 9 nicht unmittelbar anzuwenden. Dies gilt für die Instandhaltung einer Begräbnisstätte, 29 für Kirchenbaulasten, 3 0 für künftige Mietentgelte in unbestimmter Höhe, 3 1 wie bei wechselnden Jah23

24 25

AM im letzten Fall wegen der unterschiedlichen Bewertung der positiven Feststellungsklagen, BGHZ 1, 43 = NJW 1951, 194; BGHZ 7, 335 will in diesen Fällen die Rückstände bis zum Übergang auf die Leistungsklage berechnen. OLG Hamm Rpfl. 1948, 120. OLG Frankfurt HRR 1929, 434; BGH MDR 1958, 917 hat während der Zwangswirtschaft

nach S 3 bewertet; BGH NJW 1966, 778, nach 26 27 28 29 30 31

§9.

LG Celle MDR 1959, 935. Thomas/Putzo Rdn. 7. Thomas/Putzo Rdn. 7. RG HRR 1928, 1035. BayObLGSenff 1949,267. R G J W 1927,1931; BGH NJW 1966, 778.

Lothar G a m p

195

§9

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

resrenten, 3 2 im besonderen, wenn auf Ersatz wegen körperlicher Schädigung zu erkennen ist und mit Gesundung gerechnet wird. 3 3 Bei ungleichmäßigen Beträgen ist nach h M 3 4 der höchste der Jahresbeträge zugrunde zulegen. Bei jährlich ungleichen, der Höhe nach aber feststehenden Leistungen hat das R G 3 5 den jährlichen Durchschnittssatz errechnet und dann § 9 angewandt, während der B G H 3 6 von den höchsten Jahresbeträgen ausgeht. Im Zweifel ist der Wert nach § 3 zu schätzen.

VI. Gebührenwertung Die Gebührenwertberechnung weicht von § 9 durch § 17 G K G erheblich ab.

21

1. Familienrechtliche Unterhaltsrenten 22

Für familienrechtlich gesetzliche Unterhaltsrenten wird nach § 17 Abs. 1 S. 1 G K G bei über ein Jahr gehenden Ansprüchen der Gebührenwert auf den Jahreswert gekürzt, für den Regelunterhalt (§§ 1 6 1 5 ff BGB) mit einem Ermessensspielraum ( § 1 7 Abs. 1 S. 2 GKG). Die Rückstände vor Rechtshängigkeit (§ 2 6 1 Abs. 1) werden hinzugerechnet (§ 17 Abs. 4 GKG); dies sollte auch für die Rechtsmittelinstanz gelten, obwohl § 4 Abs. 1 vom § 12 Abs. 1 G K G zitiert wird. 2. Verfahrensbeteiligung

23

§ 17 Abs. 1 G K G geht auf die familienrechtlich gesetzlich begründeten Unterhaltsansprüche zurück.

24

a) Persönlicher Kreis. Handelt es sich aber um diese Ansprüche, so ist es gleichgültig, ob der Streit zwischen Unterhaltsberechtigten und Unterhaltspflichtigen ausgetragen wird oder mit oder zwischen Dritten, etwa wenn ein Bürge in Anspruch genommen werden sollte (§ 7 6 5 Abs. 1 BGB). Denn darauf, daß die Bürgschaft vertraglich übernommen worden ist, kommt es nicht an. Der Anspruch auf Befreiung von einer unter § 17 Abs. 1 G K G fallenden Verbindlichkeit ist nach diesen Vorschriften zu bewerten.

25

b) Sachlicher Kreis. Diese Unterhaltspflicht wird aber auch dann getroffen, wenn auf ihrem Grunde die Parteien sich vertraglich der Höhe nach gebunden haben.

26

c) Unanwendbarkeit. Nicht anzuwenden ist § 17 Abs. 1 G K G , wenn der Streit um die vereinbarte Kapitalabfindung geht (§ 1 6 1 5 e BGB); für sie gilt der streitige Kapitalbetrag. Kommt es zur Kapitalabfindung durch Vergleich, so ist der Kapitalbetrag der Vergleichswert. Wenn jemand sich etwa für den Unterhalt seines Kindes, welches das eheliche eines Dritten ist, oder über die gesetzliche Beschränkung für das Uneheliche hinaus verpflichtet hat, ist § 17 Abs. 1 G K G unanwendbar. Auch der Unterhaltsanspruch des verarmten Schenkers (§ 5 2 8 BGB) fällt nicht unter § 17 Abs. 1 G K G . Wohl aber ist der Unterhaltsanspruch nicht größer als das Geschenk, weil der Beschenkte stets das Geschenk herausgeben darf und nur die facultas alternativa des Unterhaltsrechts hat. Der Leibrentenvertrag fällt nicht unter § 17 Abs. 1 G K G , weil er vertraglicher Art ist. Ansprüche aus § 8 2 6 B G B fallen nicht unter § 17 G K G , wenn Erschleichung eines Urteils geltend gemacht wird, das den Unterhaltsanspruch gibt oder

32 33 34

RGZ 58 , 2 9 3 , 2 9 4 . R G J W 1909, 663; vgl. auch R G Z 6 7 , 1 3 9 . Mümmeler, JurBüro 1973, 99.

196

35 36

RGZ 3 6 , 4 1 6 ; und ähnlich R G J W 1 9 0 8 , 1 3 . BGHZ7,335.

Lothar Gamp

1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§10

nimmt. Soweit demnach § 17 Abs. 1 GKG unanwendbar ist, bleibt es bei der Regel des § 9 auch für die Gebührenberechnung. Geht eine vertragliche Regelung über die gesetzliche hinaus, so wird nur der Mehrwert nach § 9 kapitalisiert und der Gebührenwert nach § 17 Abs. 1 GKG hinzugesetzt. 3. Sonstige Renten Die in § 17 Abs. 2 GKG genannten gesetzlichen Ansprüche beschränken die in 2 7 § 9 genannte Bemessungszeit. 37 Soweit § 9 nicht zum Zuge kommt, gilt auch nicht § 17 GKG. a) Gesetzliche Schadensrenten. Abzugrenzen sind nach § 17 Abs. 2 GKG die auf 2 8 Gesetz beruhenden Renten wegen Tötung, Gesundheits- oder Körperverletzung eines Menschen von denen, die sich aus Verträgen ergeben. Unter die ersten fallen die aus unerlaubter Handlung, einschließlich der aus § 845 BGB, wie die aus Gefährdungshaftung. Obwohl § 17 Abs. 2 S. 2 GKG die aus Vertrag ausschließt, gehören auch die aus § 618 Abs. 3 BGB, § 62 Abs. 3 HGB hierher; ferner auch die, wo nur deren Höhe gesetzlich geregelt ist, und die, wo ein Bürge zum Zuge kommt. Zu den vertraglichen Ansprüchen, die nach § 17 Abs. 2 S. 2 GKG ausgeklammert werden, gehören die aus Versicherungsverträgen. b) Überdeckte Ansprüche. Wird ein sich deckender Anspruch sowohl auf einen 2 9 unter § 17 Abs. 2 S. 1 GKG fallenden Klagegrund wie auf einen anderen gestützt, so sollten seine Normen angewandt werden. Bei höherem anderen Anspruch sollte nur die übersteigende Höhe zusätzlich, und dann nach anderen Normen ( § § 3 , 9), gewertet werden.

§10 Das Urteil eines Landgerichts kann nicht aus dem Grunde angefochten werden, weil die Zuständigkeit des Amtsgerichts begründet gewesen sei. Übersicht Rdn. I. Allgemeines 1. Gesetzesgeschichte 2. Normzweck Π. Landgerichtliche Vorgriffe auf die sachliche Zuständigkeit 1. Entscheidung des OLG 2. Entscheidung des Revisionsgerichts .

1 2—3

ΠΙ. Vorgriffe höherer Instanzen 1. Vorgriffe der zweiten Instanz . . . 2. Vorgriffe der dritten Instanz . . . . IV. Vorgriffe der unteren Instanz

5 6

V. Vorgriffe gegen besondere Gerichte . .

Rdn. 7 8-9 10

11 12

I. Allgemeines 1. Gesetzesgeschichte

1

§ 10 ist seit Erlaß der CPO am 30. 1. 1877 unverändert geblieben. 37

Vgl. BGHZ 1, 43 = NJW 1951, 194, der bei positiver Feststellungsklage nur vier Jahre berechnen will. Lothar G a m p

197

§10

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

2. Normzweck 2

§ 10 regelt den Fall, daß ein Landgericht in erster Instanz statt des Amtsgerichts entscheidet, betrifft also nur die sachliche Zuständigkeit, nicht die örtliche. Er bezieht sich in erster Linie auf § 2 iVm. § 2 3 Abs. 1 S. 1 G V G im Gegensatz zu § 71 Abs. 1 G V G , darüber hinaus aber auf all die Fälle, in denen das AG „ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes" zuständig ist, mag also auch gesetzlich die ausschließliche Zuständigkeit des AG angeordnet worden sein (vgl. § § 2 3 Abs. 1 S. 2, 2 3 a GVG), oder wo die Parteien eine „ausschließliche" Zuständigkeit — zulässigerweise (vgl. §§ 38, 40) — vereinbart haben.

3

Dies gilt sowohl in den Fällen, wo die ausschließliche Zuständigkeit durch eine Beziehung auf einen vorangegangenen Prozeß zu bestimmen ist, wie selbst in denen, wo den Beteiligten eine Instanz genommen wird, also auch im Zwangsvollstrekkungsverfahren (vgl. §§ 7 6 4 f f , 8 2 8 , 8 7 3 , 8 8 3 , 899), im Konkursverfahren ( § 7 1 K O ) , im Vergleichsverfahren (§ 2 VglO), im Zwangsversteigerungs- und -verwaltungsverfahren (§ 1 Z V G ) , wie überhaupt in allen Fällen, wo eine höhere Instanz an Stelle der unteren entscheidet, ohne in ein bei der unteren anhängiges Verfahren einzugreifen.

II. Landgerichtliche Vorgriffe auf die sachliche Zuständigkeit 4

Sobald eine Entscheidung über eine bejahende Zuständigkeit des Landgerichts ergangen ist, bindet sie grundsätzlich alle Instanzen. § 10 spricht von Urteilen der Landgerichte, meint aber einerseits nicht alle Urteile und sollte andererseits nicht auf Urteile beschränkt werden. 1 Wendet man die Vorschrift auf die Beschlüsse an, so ist zu beachten, daß die mit einfacher Beschwerde angreifbaren noch von der den Beschluß erlassenden Instanz geändert werden können, 2 nicht mehr aber die der Beschwerdeinstanz; die mit der sofortigen Beschwerde angreifbaren überhaupt nicht mehr, die des Urkundsbeamten dagegen stets (vgl. §§ 5 7 6 Abs. 1, 5 7 7 Abs. 4), die des Rechtspflegers im Rahmen des § 11 RpflG. Getroffen wird durch die Bestimmung aber nur die Anfechtung von Entscheidungen wegen sachlicher Unzuständigkeit durch die höhere Instanz, also nicht die des ersten Versäumnisurteils. 1. Entscheidung des OLG

5

Aus diesem Grunde ist auch das Urteil eines O L G , das die sachliche Zuständigkeit des LG bejaht, nicht weiter angreifbar. Kam eine Berufung von einem AG an das O L G als Berufungsgericht, so ist mit der Bindung des O L G an seine Zuständigkeit durch Entscheidung iSd. § 5 4 0 auch keine Rüge dahin zulässig, daß das O L G die sachliche Zuständigkeit des AG hätte verneinen müssen. 2 . Entscheidung des Revisionsgerichts

6

Bei Revisionen kann sich der Fall ergeben, daß das Revisionsgericht an die erste Instanz zurückverweisen will (vgl. §§ 5 6 3 ff). Sodann wird sie nicht gehindert sein, auch an ein AG zurückzuverweisen, 3 sofern dadurch nicht der Rechtsmittelzug verändert wird. 1

2

OLG Köln M D R 1959, 1020; OLG Hamburg NJW 1968, 874. Verneinend LG Darmstadt M D R 1958, 700.

198

3

Etwa, wenn in einer Schiffahrtssache ein LG entschieden hatte.

Lothar Gamp

1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§11

DI. Vorgriff höherer Instanzen Dagegen darf auch die höhere Instanz nicht in ein bei der unteren Instanz anhän- 7 giges Verfahren eingreifen und vorgreifen, soweit ihr das nicht ausdrücklich gestattet ist. 1. Vorgriff der zweiten Instanz Doch sind Vorgriffe der zweiten Instanz auf ein erstinstanzliches Verfahren zuge- 8 lassen. Wird aber das höhere Gericht als erste Instanz tätig, obwohl ein Verfahren bei dem unteren Gericht ebenfalls in erster Instanz schwebt, so steht dem höheren Gericht der Einwand der Rechtshängigkeit entgegen, der mit jedem Rechtsmittel angreifbar und auch ohne ausdrückliche Rüge von Gerichts wegen zu beachten ist. Danach ist zu entscheiden, ob das LG in ein Widerspruchsverfahren gegen eine einstwillige Verfügung oder den Arrest (§ 924) eingreifen und entscheiden darf. Trotz unzulässigen Vorgriffs ist indes kein Rechtsbehelf gegeben, wenn ein LG 9 als Rechtsmittelinstanz vorgegriffen hat, weil es gegen die landgerichtlichen Erkenntnisse der zweiten Instanz keine Berufung gibt. Anders ist dies nur bei Entscheidungen, gegen die die weitere Beschwerde zulässig ist, vgl. § 568. Greift das OLG unzulässigerweise vor, so ist dagegen bei Arrest und einstweiliger Verfügung kein Rechtsmittel gegeben (§ 545 Abs. 2), sonst das der Revision, die sonstigen Prozeßfortsetzungsbedingungen unterstellt, soweit der Vorgriff unzulässig war. 2. Vorgriffe der dritten Instanz Über die Vorgriffsmöglichkeit der Revisionsinstanz vgl. §§ 563 ff. Greift das Re- 1 0 visionsgericht unzulässigerweise vor, so ist dagegen kein Rechtsbehelf gegeben. Doch ist die Verfassungsbeschwerde zulässig, sofern im besonderen dadurch das rechtliche Gehör verletzt worden ist. IV. Vorgriffe der unteren Instanz Greift die untere Instanz der höheren vor, so ist ihre Entscheidung über die sach- 11 liehe Zuständigkeit mit den ordentlichen Rechtsmitteln angreifbar; nicht aber mehr mit den Wiederaufnahmeklagen allein aus diesem Grunde. V. Vorgriffe gegen besondere Gerichte Soweit bei den besonderen ordentlichen Gerichten Amtsgerichte zum Zuge kom- 1 2 men, gilt § 10 auch, wenn dann ein LG entscheidet, das nicht zum Kreise der besonderen Gerichte gehört. 4 §11 Ist die Unzuständigkeit eines Gerichts auf Grund der Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit der Gerichte rechtskräftig ausgesprochen, so ist diese Entscheidung für das Gericht bindend, bei dem die Sache später anhängig wird. 4

AM OLG Celle MDR 1962, 223, in einem Fall, wo das AG als Schiffahrtsgericht zuständig war.

Lothar Gamp

199

§11

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte Übersicht Rdn.

I. Allgemeines 1. Gesetzesgeschichte 2. Normzweck Π. Rechtskraftwirkung der Unzuständigkeitsentscheidung 1. In bezug auf die andere sachliche Zuständigkeit a) Bei rechtskräftigen Verstößen. . . b) Ausländische Gerichte 2. Verhältnis zu den Gerichten anderer Gerichtszweige

1 2 3 4 5 6-7

3. Sondergerichte 4. Kompetenzkonfliktsgerichshof. . . . III. Wirkung für die erste Instanz 1. Rechtsmittelinstanz a) Zuständigkeit des O L G bei Verweisung an Schiffahrtsgerichte . . b) Revisionsgerichtliche Zuständigkeit 2. Kein weiteres Präjudiz

Rdn. 9 10 11 12 13 14 15

8

I. Allgemeines 1. Gesetzesgeschichte 1

§ 11 ist seit Erlaß der CPO am 30. 1. 1877 sachlich unverändert geblieben. Durch die Novelle von 1950 1 ist er sprachlich geändert worden. 2. Normzweck

2

Die Regelung des § 11 hat den Sinn, widersprechende gerichtliche Entscheidungen über die sachliche Zuständigkeit zu verhindern2 und gleichsam die Entstehung negativer Kompetenzkonflikte und ihre Behebung in einem besonderen Verfahren (§§ 36 Nr. 5 und 6, 37) zu vermeiden.3 Π. Rechtskraftwirkung der Unzuständigkeitsentscheidung

3

Die Regel trifft die „außerprozessuale" Rechtskraftwirkung, welche früher nur auf den außerprozessualen Anspruch bezogen wurde. Die Form der Entscheidung ist dabei ohne Belang.4 1. In bezug auf die andere sachliche Zuständigkeit

4

Sie trifft den Fall, daß ein AG oder LG seine Zuständigkeit mit der Begründung verneint hat, daß das andere Gericht sachlich, nicht örtlich, zuständig sei. Das später mit der Sache befaßte Gericht darf also nicht seine sachliche Zuständigkeit verneinen, weil das andere zuständig ist. 5

5

a) Bei rechtskräftigen Verstößen. Bei rechtskräftigen Verstößen gegen die Norm gilt nicht etwa die jüngste Entscheidung, sondern die Zuständigkeit ist nach § 36 zu bestimmen.6 Das gilt auch in all den Fällen, wo es um das Verhältnis zu überstaatlichen Gerichten geht; soweit die inländischen Gerichte sich trotz Zuweisung weigern, tätig zu werden, und ihre Entscheidungen rechtskräftig geworden sind, im besonderen auch im Verhältnis zu den besonderen Gerichten und zu den Gerichten der anderen Gerichtsbarkeiten, wie zu dessen der besonderen Gerichte und inner1

BGBl. 1950, 5 3 5 ; vgl. auch Stein/Jonas/Scfc«-

4

Mot. 2, 1 S. 51 = Hahn 148. R G Z 66, 19 f.

s

manti ξ 11 vor Rdn. 1. 2 3

200

6

O L G München N J W 1956, 187, für einen Beschluß im Vollstreckungsverfahren. R G Z 66, 17, 20. B G H Z 17, 168 = N J W 1955, 9 4 8 .

Lothar Gamp

1. Titel: Sachliche Zuständigkeit

§11

halb der Zweige der ordentlichen Gerichtsbarkeit, nämlich im Verhältnis zur freiwilligen Gerichtsbarkeit wie zur Strafgerichtsbarkeit. b) Ausländische Gerichte. Im Verhältnis zum Ausland wirkt sich die sachliche 6 Zuständigkeitsbegrenzung nicht aus, weil es sich insoweit um ein staatliches Internum handelt; es sei denn, daß durch inländisches Gesetz, dies einbezogen worden ist, also wenn an Stelle eines inländischen Gerichts durch Staatsvertrag ein anderes nicht inländisches Gericht, oder auch eine Schiedskommission, kraft inländischen Rechts berufen ist. 7 Erklären sich diese für sachlich unzuständig, so sind daran die inländischen Ge- 7 richte gebunden. 8 Hatte ein solches Gremium die Parteien auf den Weg vor die inländischen Gerichte gewiesen, 9 so dürfen sich die inländischen Gerichte dieser Prüfung nicht entziehen; dies gilt also auch, selbst wenn das übernationale Gremium sich letzten Endes noch seine Entscheidung vorbehält bzw. diese von einer Vorentscheidung des inländischen Gerichts abhängig macht. Dagegen greift in den übrigen Fällen die inländische Gerichtsbarkeit nicht sachlich der ausländischen vor. Hat deshalb ein ausländisches Gericht seine sachliche Zuständigkeit verneint, so gibt es insoweit keinen inländischen Notgerichtsstand, wie es ihn bei der örtlichen Unzuständigkeit ausländischer Gerichte geben kann; denn im Verhältnis zum Ausland sind die sachlichen Zuständigkeitsregeln seines Landes ebenfalls ein Internum, in das ein inländisches Gericht selbst dann nicht eingreifen kann, wenn das Ausland überhaupt den Rechtsschutz ausschließt, etwa bei Enteignungen. 2. Verhältnis zu den Gerichten anderer Gerichtszweige Die Bindung der Gerichte anderer Gerichtszweige an die rechtskräftigen Unzu- 8 ständigkeitsentscheidungen der ordentlichen Gerichte schreibt § 17 GKG vor; die der ordentlichen Gerichte an die der anderen ergibt sich aus § 48 ArbGG, § 41 VWGO, § 52 SGG, § 34 FGO. 3. Sondergerichte Als Sondergerichte kommen die Zentralkommission für die Rheinschiffahrt und 9 der Berufungsausschuß der Moselkommission, beides zweitinstanzliche Gerichte, in Betracht, deren sachliche Zuständigkeit im Verhältnis zu den Rheinschiffahrt- und Moselschiffahrt-Obergerichten staatsvertraglich bestimmt worden ist, wobei die Obergerichte die Sondergerichte nicht zur Übernahme zwingen können, so daß die Abgabe durch die Sondergerichte an sie unangreifbar ist, so daß, selbst wenn sie zuvor an die Sondergerichte abgegeben haben, sie nunmehr an die (Rück-)Abgabe gebunden sind. 4. Kompetenzkonfliktsgerichtshof Außerhalb dieses Kreises stehen die Eingriffe eines Kompetenzkonfliktsgerichts- 1 0 hofes (§ 17 a GVG) wie die Vorlegungspflichten an die Verfassungsgerichte (Art. 100 GG) und die Zuständigkeiten dieser. 7

8

Etwa der EWG-Gerichtshof, die österreichischdeutsche Schiedskommission, die Rhein- und Moselschiffahrtsgerichte. Wie das auch im österreichisch-deutschen Staatsvertrag v. 15. 6. 1952 (BGBl. 1958 II, 129) ausdrücklich geregelt worden ist.

9

Etwa, wenn vor Haftung der EWG für die EWG-Kommission zu prüfen war, ob nicht eine Haftung der inländischen Stellen gegeben ist, vgl. § 839 Abs. 1 S. 2 BGB.

Lothar G a m p

201

§11

1. Buch: Allgemeine Vorschriften. 1. Abschn. Gerichte

ΙΠ. W i r k u n g für die erste I n s t a n z 11

Die Wirkung des § 11 beschränkt sich auf die Festlegung der ersten Instanz. 1. Rechtsmittelinstanz

12

Es wird durch § 11 die Rechtsmittelinstanz grundsätzlich nicht bezüglich der Zulässigkeit des Rechtsmittels festgelegt. 1 0 Dies galt nach überholtem Recht selbst, wenn dieselben Gründe, welche die Zuständigkeit der ersten Instanz bestimmten, auch dem Gesetze nach über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheiden sollen. 1 1

13

a) Zuständigkeit des O L G bei Verweisung an Schiffahrtsgerichte. Verweist dagegen das L G an das AG als Binnen- oder Rheinschiffahrtsgericht, so wird das A G auch als Binnen-, Mosel- oder Rheinschiffahrtsgericht tätig; dann ist die Berufung, ohne an eine Rechtsmittelsumme gebunden zu sein, an das Schiffahrtsobergericht zulässig, selbst wenn es sich um keine Binnen-, Mosel- oder Rheinschiffahrtssache handelte. Für die Sondergerichte gibt es indes besondere Rechtsmittelsummen.

14

b) Revisionsgerichtliche Zuständigkeit. Andererseits ist es unerheblich, auf welche Weise eine Sache an das O L G gelangt ist, die Revision ist dann nach allgemeinem Revisionsrecht zulässig, wenn darüber in erster Instanz das L G an Stelle des A G hätte entscheiden sollen. 2. Kein weiteres Präjudiz

15

Auch sonst wird durch § 11 nicht die sachliche Entscheidung des Streits präjudiziert. Hatte deshalb ein ArbG an das ordentliche Gericht mit der Begründung verwiesen, der Kläger sei B e a m t e r 1 2 und nicht Angestellter, so ist an diese Feststellung das ordentliche Gericht nicht gebunden, es hatte im besonderen zu prüfen, ob nicht die Ansprüche des Klägers, wenn er tatsächlich nicht Beamter war, aus einem Anstellungsverhältnis begründet waren.

10

" 12

BGH M D R 1972, 97. Vgl. 1. Aufl. W o nach früherem R e c h t die ordentlichen Ge-

202

richte zuständig waren, jetzt die Verwaltungsgerichte zuständig sind.

Lothar Gamp

ZWEITER TITEL Gerichtsstand

Vorbemerkungen § 1 2 Übersicht Rdn.

Rdn. Λ. Örtliche Zuständigkeit I. Gerichtsstand 1. Begriff 2. Abgrenzung 3. Zweck und Bedeutung 4. Anknüpfungskriterien a) Allgemeiner Gerichtsstand b) Besondere Gerichtsstände

. . . . . . . .

Π. Gerichtsbezirk 1. Begriff 2. Sachbezogene Vergrößerung des Gerichtsbezirks a) Allgemeines b) Einzelne Verfahren 3. Sachbezogene Verkleinerung des Gerichtsbezirks 4 . Änderung des Gerichtsbezirks . . . .

1 1 2 3 4 4 5 6 6 7 7 8 9 10

IQ. Arten der Gerichtsstände 1. Gesetzliche Gerichtsstände a) Ausschließliche und nichtausschließliche Gerichtsstände . . . . b) Allgemeine und besondere Gerichtsstände aa) Allgemeiner Gerichtsstand . . bb) Besondere Gerichtsstände . . 2. Vereinbarter Gerichtsstand 3. Gerichtliche Bestimmung des Gerichtsstands 4. Gerichtsstand des Sachzusammenhangs a) Objektive Klagehäufung b) Annexzuständigkeit c) Anspruchsgrundlagenkonkurrenz . aa) Gespaltene Zuständigkeit . . bb) Rechtsfolgen cc) Kritik d) Streitgenossenzuständigkeit . . . .

11 11

18 19 20 21 21 22 23 24

IV. Prozessuale Behandlung der Zuständigkeit 1. Rüge und Amtsprüfung a) Rüge b) Amtsprüfung

25 25 25 26

11 12 12 13 16 17

örtlichen

c) Grundlage der Zuständigkeitsprüfung aa) Klägerischer Tatsachenvortrag bb) Doppelrelevante Tatsachen . d) Maßgeblicher Zeitpunkt 2. Folgen der Unzuständigkeit a) Entscheidung b) Anfechtbarkeit c) Gerichtsstandserschleichung . . .

27 27 28 29 30 30 31 32

B. Internationale Zuständigkeit 34 34 35

I. Allgemeines 1. Begriff 2. Erscheinungsformen a) Direkte und indirekte Zuständigkeit b) Konkurrierende und ausschließliche Zuständigkeit 3. Abgrenzungen a) Gerichtsbarkeit b) Örtliche Zuständigkeit 4. Einfluß des Völkerrechts a) Grundsatz b) Verfahrensrechtlicher Mindeststandard c) Völkerrechtsfreundliche Auslegung 5. Bedeutung

41 42

II. Grundlagen und System der internationalen Zuständigkeit im deutschen R e c h t . . 1. Rechtsquellen

43 43

a) Staatsverträge aa) EWG-Gerichtsstandsund Vollstreckungsübereinkommen bb) L u g a n o - Ü b e r e i n k o m m e n . . . cc ) Verträge für besondere Rechtsgebiete b) Autonomes Recht

Rainer Hausmann

35 36 37 37 38 39 39 40

43

43 44 45 46

203

Vor § 12

1. Buch. Allgemeine Vorschriften. 1. Abschnitt. Gerichte Rdn. aa) Unmittelbare Regelung der internationalen Zuständigkeit . b b ) Doppelfunktionalität der Ge-

richtsstandsnormen c) Konkurrenzen

Rdn. c) Alternative

47

ständigkeit

aa) Staatsvertrag und a u t o n o m e s bb) Konventionskonflikte

. . . .

52 53 54 55 55

. . .

59 60 60 61

R e c h t s vom Forum

1. Zuständigkeitserschieichung

88

2 . Forum non conveniens

90

a) Inhalt der Lehre

90 das

Recht?

91

aa) Positiver Gleichlauf

63

c) Ausländische

bb) Negativer Gleichlauf

64

Ansprüche

cc)

65

4 . Fehlende

95

öffentlich-rechtliche 96

Vollstreckungsmöglichkeit 97

V I . Die internationale Zuständigkeit im Prozeß 67

b) Mangelnde örtliche Zuständigkeit internationaler

98

1. Prüfung der internationalen

aa)

Ersatzge-

richts

71

aa) Konkurrierende

stanz

setzungen

setzungen

schließlicher örtlicher Zustän-

Rechts104

während

des

Rechts105

3. Arten der Entscheidung

bb) Ausschließliche internationale konkur-

rierender örtlicher Zuständig73 aus-

schließlicher Zuständigkeit . . . .

des

streits

72

ausländischer

während

b) Wegfall der Zuständigkeitsvoraus-

nale Zuständigkeit trotz aus-

keit

104

streits

internatio-

trotz

103

2 . M a ß g e b e n d e r Zeitpunkt

72

digkeit

101

a) Eintritt der Zuständigkeitsvoraus-

a) Ausschließliche internationale und örtliche Zuständigkeit

100 In-

c) Prüfungsreihenfolge

Zu-

ständigkeit

99

b) Nachprüfung in der höheren 69

internationale

99

Grundsatz

bb) Inhalt

68 eines

99

a) Prüfung von Amts wegen 68

Fallgruppen

Zustän-

digkeit

Zuständig-

keit

b) Beachtung

94 . . . .

im Inland

Zuständig-

keit

Zuständigkeit

Sach-

66

digkeit trotz örtlicher

3. Ausschließliche

94

ausländischen

rechts

a) M a n g e l n d e internationale Zustän-

b b ) Bestimmung

deutsche

3. Wesensfremde Zuständigkeit

2 . Internationale Zuständigkeit und ört-

204

in

b) Gewerbliche Schutzrechte

aa)

86 87

63

trotz

84

V. Ausschluß der internationalen Zuständig-

b) Abhängigkeit des Forums vom an-

liche Zuständigkeit

. .

bb) Notzuständigkeit

a) Anwendung

Parallelität der Anknüpfung

83

85

Zuständigkeitsverweisung

62

wendbaren R e c h t

. . . .

b) Lösungsmöglichkeiten aa)

82

84

b) Ü b e r n a h m e

anwendbaren

. . .

a) Ursachen

62 des

.

83

2 . Negativer K o m p e t e n z k o n f l i k t

62

a) Abhängigkeit

80

Negative Feststellungsklage

1. Positiver Kompetenzkonflikt

1. Internationale Zuständigkeit und anwendbares R e c h t

79

IV. Internationale Kompetenzkonflikte

57

. . . .

Gesetzliche Abhilfe ersatzansprüche

cc)

58

III. Einzelprobleme

79

bb) Unterlassungs- und Schadens-

b) Allgemeiner Gerichtsstand . . . . aa) Wohnsitz bb) Gewöhnlicher Aufenthalt . . c) Besondere Zuständigkeiten . . . . aa) Staatsangehörigkeit bb) Erfüllungs- oder Handlungsort

b) Staatsverträge

77

50 51

d) E x o r b i t a n t e Zuständigkeiten

76

b) M o t i v e aa)

a) Allgemeines

3. Qualifikation und Auslegung a) A u t o n o m e s R e c h t

a) Begriff

49 51

Belegenheitsort

75 76

c) Abwehrmöglichkeiten

2. Anknüpfungen

cc)

Zu-

4. Forum shopping 48 49

Recht

ausschließliche

74

107

a) Endurteil

107

b) Zwischenurteil

108

c) Keine Verweisung ins Ausland

. .

109

d) Aussetzung

110

e) Fehlerhafte Entscheidung

111

Rainer Hausmann

2. Titel. Gerichtsstand

Vor § 1 2

A. Örtliche Zuständigkeit I. Gerichtsstand 1. Begriff D e r Begriff „ G e r i c h t s s t a n d " (forum) bezeichnet nach dem Sprachgebrauch der 1 Z P O regelmäßig nur die örtliche Z u s t ä n d i g k e i t . 1 Nur ausnahmsweise umfaßt die Definition auch die sachliche Zuständigkeit, so z . B . in §§ 3 4 , 4 0 Abs. 2 und 8 0 2 . Die Vorschriften über den Gerichtsstand verteilen daher die Prozesse erster Instanz und die sonstigen im Zivilprozeß anfallenden Angelegenheiten aufgrund der örtlichen Beziehung der beteiligten Personen, der streitbefangenen Sachen oder H a n d lungen sowie der geltendgemachten A n s p r ü c h e . 2 Sie befinden mithin darüber, welches Amtsgericht oder Landgericht im konkreten Fall zur Streitentscheidung berufen ist. 2 . Abgrenzung Aus den Gerichtsstandsvorschriften ergibt sich nur, welches einzelne Amtsgericht oder Landgericht aus der Vielzahl gleichartiger Gerichte zuständig ist. O b das Amtsgericht oder das Landgericht zuständig ist, bestimmt sich demgegenüber nach den Grundsätzen über die sachliche Zuständigkeit (s. dazu § 1). Die Gerichtsstandsregeln beziehen sich ferner stets nur auf die Bestimmung eines Gerichtes insgesamt. Die Zuweisung einer bestimmten Sache a u f einzelne Spruchkörper (Einzelrichter, K a m m e r n , Senate) desselben Gerichts ist hingegen eine Frage der Geschäftsverteilung und damit allenfalls ein Problem der funktionellen Zuständigkeit. Dies gilt selbst dann, wenn die Geschäftsverteilung innerhalb eines bestimmten Gerichts nach örtlichen Gerichtspunkten erfolgt. 3 Schließlich regeln die §§ 1 2 f f nur die örtliche Zuständigkeit für die erste Instanz; die örtliche Zuständigkeit der höheren Instanz folgt ohne weiteres aus der Zuständigkeit des erstinstanzlichen G e r i c h t s . 4

2

3 . Z w e c k und Bedeutung Die Gerichtsstandsvorschriften knüpfen an bestimmte örtliche M e r k m a l e eines Rechtsstreits an und weisen ihn dann demjenigen Gericht zu, in dessen Sprengel (s. u. R d n . 6 ff) dieses M e r k m a l verwirklicht ist. Bei der Auswahl dieser Anknüpfungsmerkmale hat der Gesetzgeber einerseits Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte, wie die S a c h n ä h e oder die Konzentration gleichartiger oder zusammenhängender Streitigkeiten bei einem Gericht berücksichtigt. In dieser Funktion erschöpfen sich die Gerichtsstandsvorschriften freilich nicht; ihnen k o m m t vielmehr durchaus ein eigener Gerechtigkeitsgehalt z u . 5 Hinter ihnen steht das Bemühen des Gesetzgebers, die prozessualen Lasten eines Rechtsstreits im Verhältnis zwischen Kläger und Beklagten angemessen und gerecht zu verteilen. D e m g e m ä ß geht die Z P O in § 1 3 von dem

1

2

3

4

AllgM, Stein/jonas/Schumann Rdn. 1; Baumbach/Lauterbach/Hartmann Rdn. 1; MünchY.omm/Patzina Rdn. 4. Stein/Jonas/Schumann Rdn. 1; MünchKomm/ Patzina Rdn. 1. StemJ]onas/Schumann Rdn. 2; MünchKomm/ Patzina Rdn. 5. Baumbach/Lauterbach/Hartmann Rdn. 2; MünchKommIPatzina Rdn. 4.

5

Löwe NJW 1970, 2238; Schiller NJW 1979, 637; Stein/Jonas /Schumann Rdn. 12; MünchKomm/Patzina Rdn. 2; Zöller/Vollkommer Rdn. 2; Baumbach/Lauterbach/Harima«« Rdn. 16; vgl. auch OLG Hamburg WoM 1990, 393, 394; LG München I BB 1973,167 u. 355 (Trinkner)·, aA LG München I NJW 1973, 1617; Rosenberg/Schwab/Gottu/aM § 30 V.

Rainer Hausmann

205

3

Vor § 1 2

1. Buch. Allgemeine Vorschriften. 1. Abschnitt. Gerichte

Grundsatz aus, daß der Kläger als Angreifer den Beklagten an dessen Wohnsitz aufzusuchen hat („actor sequitur forum rei"). 6 Der Beklagte soll also den ihm gegen seinen Willen aufgezwungenen Rechtsstreit nicht auch noch unter zusätzlichen Erschwerungen vor einem auswärtigen Gericht führen müssen (sog. „favor defensionis"). 7 Dieser Gerechtigkeitsgehalt des allgemeinen Gerichtsstands (§§ 12, 13) zeigt sich namentlich dort, wo er — wie z. B. in § 7 Abs. 1 HausTWG und § 26 Abs. 1 FernUSG — zwingend ausgestaltet ist. Darüber hinaus liegen aber auch manchen besonderen Gerichtsständen — wie etwa dem ausschließlichen Gerichtsstand in Wohnungsmietsachen (§ 29 a) — prozessuale Schutzerwägungen zugrunde, die den Schutz der schwächeren Vertragspartei nach materiellem Recht ergänzen. Der prozessuale Gerechtigkeitsgehalt der gesetzlichen Gerichtsstände wird schließlich durch die starke Einschränkung der Prorogationsfreiheit in §§ 38 ff unterstrichen.8 Demgemäß benachteiligt eine in AGB enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung jedenfalls im nicht-kaufmännischen Verkehr den Beklagten unangemessen, wenn sie von den wesentlichen Grundgedanken der §§ 12 ff abweicht.9 Indem die gesetzliche Zuständigkeitsordnung dafür sorgt, daß jede Sache vor das am günstigsten gelegene Gericht kommt, gewährleistet sie zugleich die sachgerechte Ausübung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Aus ihr ergibt sich schließlich der „gesetzliche Richter" iSv. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. 1 0 4. Anknüpfungskriterien der örtlichen Zuständigkeit 4

a) Allgemeiner Gerichtsstand. Zur Bestimmung des allgemeinen Gerichtsstands wird aus den zuvor erwähnten Gründen der gerechten prozessualen Lastenverteilung an die örtlichen Verhältnisse des Beklagten angeknüpft. Der Wohnsitz einer natürlichen Person (§13) bzw. der Sitz einer juristischen Person (§17) eignet sich für die Zuständigkeitsanknüpfung deshalb besonders, weil eine Klage am Lebensmittelpunkt des Beklagten diesen am wenigsten belastet, indem sie ihm die Verteidigung erleichtert, andererseits der Kläger regelmäßig damit rechnen kann, dort auch das vollstreckungstaugliche Vermögen seines Schuldners vorzufinden. Nur hilfsweise greift der Gesetzgeber auf einen früheren Wohnsitz oder auf den Aufenthalt des Beklagten zurück (§§ 15, 16).

5

b) Besondere Gerichtsstände. Die §§ 20—34 verwenden sehr unterschiedliche Anknüpfungspunkte. Bei manchen Gerichtsständen steht der Gesichtspunkt der Sachnähe des Gerichts im Vordergrund, so z. B. in § § 24, 29 b (Belegenheitsort des Grundstücks), § 29 a (Belegenheitsort von Räumen), § 23 (Vermögen bzw. Streitobjekt), sowie mit Einschränkung auch in § 29 (Erfüllungsort bei Verträgen) und § 32 (Begehungsort bei unerlaubten Handlungen). Das Argument des Sachzusammenhangs dient als Rechtfertigung der besonderen Gerichtsstände nach § 25 (Schuldklage aus einem Grundpfandrecht), § 33 (Widerklage) und § 34 (Honorarklagen von Prozeßbevollmächtigten). Demgegenüber steht in anderen Fällen die Konzentration aller mit einem bestimmten Gegenstand oder Sachverhalt zusammenhängen6

7

Vgl. Wacke JA 1980, 654; Stein/Jonas/Schumann Rdn. 14; Zöller/Vollkommer Rdn. 2. Vgl. Löwe NJW 1970, 2238 f; Geimer NJW 1973, 11S1; Wacke JA 1980, 655; vgl. auch BGHZ 88, 335; NJW 1986, 3209; OLG Hamm OLGZ 1987, 338 = NJW 1987, 138 („Heimspielvorteil"); LG Karlsruhe J Z 1989, 692 f mwN.

206

8

9

10

MünchKomm/Paizma Rdn. 2; dazu näher Vor S 38 Rdn. 1 ff. LG Berlin AGBE I S 9 Nr. 62; Zöüer/Voltkommer Rdn. 2; dazu näher § 38 Rdn. 21. Zöller/Vollkommer Rdn. 2; MünchKomm/Pafzina Rdn. 2.

Rainer Hausmann

2 . Titel. Gerichtsstand

Vor § 1 2

den Rechtsstreitigkeiten an einem Ort im Vordergrund, so ζ. B. in den Fällen des § 2 2 (Klagen der Gesellschaft gegen ihre Mitglieder) oder der §§ 2 7 , 28 (Erbschaftsklagen). Nur ausnahmsweise kommt der Wohnsitz/Sitz des Klägers als Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit in Betracht, nämlich vor allem dann, wenn der Kläger besonders schutzwürdig erscheint, wie ζ. B. als Unterhaltsgläubiger nach § 23 a oder als Verbraucher nach § § 7 Abs. 1 HausTWG bzw. 26 Abs. 1 FernUSG. 1 1 Die Staatsangehörigkeit spielt als Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit der deutschen Gerichte praktisch keine Rolle mehr; sie ist lediglich noch für die internationale Zuständigkeit bei Statusklagen von Bedeutung (vgl. §§ 6 0 6 a Abs. 1 Nr. 1, 6 4 0 a Abs. 2 Nr. 1). Π. Gerichtsbezirk 1. Begriff Die Vorschriften über die Gerichtsstände bauen auf den unterschiedlichen Ge- 6 richtsbezirken auf. Unter einem Gerichtsbezirk (Gerichtssprengel) versteht man das räumliche Gebiet, für das ein Gericht zuständig ist. 1 2 Die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts liegt dann vor, wenn das Anknüpfungsmerkmal für einen bestimmten Gerichtsstand innerhalb des Gerichtsbezirks verwirklicht ist. Die Gerichtsbezirke werden landesrechtlich festgelegt, weil nur die Zuständigkeit der Bundesgerichte — BGH, BAG, BPatG — sich auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt. Die Errichtung und Aufhebung eines Gerichts sowie Änderungen der Gerichtsbezirke unterliegen dem Vorbehalt des förmlichen Gesetzes. 13 2. Sachbezogene Vergrößerung des Gerichtsbezirks a) Allgemeines. Einem sachlich zuständigen Gericht kann die Erledigung be- 7 stimmter Sachen über seinen Bezirk hinaus zugewiesen werden. Auch hierfür ist eine gesetzliche Regelung oder eine Ermächtigung in einem formellen Gesetz erforderlich. Das Bundesrecht überläßt die Entscheidung über die Zuweisung und über ihren Umfang regelmäßig der Landesregierung, die diese Befugnis in bestimmten Fällen auch der Landes)ustizverwaltung übertragen darf. Teilweise sind die Länder auch berechtigt, die Zuständigkeit eines Gerichts über die Landesgrenzen hinaus zu vereinbaren. Durch eine solche Konzentration bestimmter Verfahren bei wenigen Gerichten soll eine möglichst schnelle und rationelle Bearbeitung durch fachlich besonders geeignete Richter erreicht werden. Mit Hilfe des Geschäftsverteilungsplans können bestimmte Rechtsstreitigkeiten besonders eingerichteten Abteilungen, Kammern oder Senaten zugewiesen werden, die über eine besondere Vorbildung und Erfahrung auf ihrem Sachgebiet verfügen und diese durch die ständige Beschäftigung mit Verfahren gleicher Art noch vertiefen können. 1 4 Andererseits wäre bei dem geringen Anfall mancher derartiger Verfahren die Einrichtung besonderer Abteilungen oder Kammern bei allen Gerichten ökonomisch nicht sinnvoll.

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Weitere Klägergerichtsstände eröffnen etwa § § 6 0 6 Abs. 2 S. 2, 2. Alt., 640 a Abs. 1, 6 8 9 Abs. 2 S. 1 ZPO und § 371 Abs. 4 HGB. Keinen reinen Klägergerichtsstand begründet § 2 2 , da die Vorschrift nicht nur für Aktivprozesse der juristischen Personen, sondern auch für Klagen der Mitglieder untereinander gilt.

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Rosenberg/Schwab/GoííifíjW § 3 4 12; Stein/Jonas/Schumann Rdn. 3; MünchKomm/Pafz/na Rdn. 9. BVerfGE 2, 307, 316; SteinJJonas/Schumann Rdn. 4; MünchKomm/Pafzi'na Rdn. 10. Vgl. BGHZ 72, 1, 7; SteinJ]onasiSchumann Rdn. 6; MünchKomm/Pafz/na Rdn. 11.

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b) Einzelne Verfahren. Zuweisungen über einen Gerichtsbezirk hinaus sind etwa in folgenden Fällen vorgesehen: aa) Mahnverfahren, § 689 Abs. 3; 1 5 bb) Aufgebotsverfahren, § 1006 Abs. 1; cc) Familiensachen sowie Vormundschafts-, Betreuungs- und Unterbringungssachen nach § 2 3 c GVG; 1 6 dd) Unterhaltssachen Minderjähriger nach § 641 I Abs. 5 bezüglich des vereinfachten Verfahrens zur Abänderung von Unterhaltstiteln und nach §§ 642 a Abs. 5 S. 2, 641 I Abs. 5 wegen der Festsetzung des Regelunterhalts; ee) AGB-Kontrollklagen nach § 13 AGBG, § 14 Abs. 2 AGBG; 1 7 ff) Baulandsachen, §§ 219 Abs. 2, 229 Abs. 2 BauGB. Für sie werden bei den Landgerichten um zwei hauptamtliche Richter der Verwaltungsgerichtsbarkeit erweiterte Zivilkammern als Kammern für Baulandsachen gebildet, § 220 Abs. 1 BauGB. Bei den Oberlandesgerichten werden entsprechend besetzte Senate für Baulandsachen gebildet, § 229 Abs. 1 BauGB. 18 gg) Binnenschiffahrtssachen, § 2 BinnSchVerfG; Sondervorschriften gelten für Rhein- und Moselschiffahrtssachen (s. dazu Anh. III zu § 40 Abschn. I I ) . hh) Patentstreitsachen, § 143 Abs. 2 PatG; 1 9 sachlich sind die Zivilkammern der Landgerichte ausschließlich zuständig, § 143 Abs. 1 PatG. ii) Gebrauchsmusterstreitsachen, § 27 Abs. 2 GebrMG; 2 0 sachlich sind die Landgerichte ausschließlich zuständig, § 27 Abs. 1 GebrMG. jj) Warenzeichenstreitsachen, § 32 Abs. 2 W Z G ; 2 1 sachlich sind die Landgerichte ausschließlich zuständig, § 32 Abs. 1 WZG. kk) Geschmacksmusterstreitsachen, § 15 Abs. 2 GeschmMG; 2 2 sachlich sind die Landgerichte ausschließlich zuständig, § 15 Abs. 1 GeschmMG. 11) Sortenschutzstreitsachen, § 36 SortenschutzG. mm) Urheberrechtsstreitsachen, § 105 UrhG. 2 3 nn) Kartellsachen, § 89 Abs. 1 und 2 GWB; 2 4 sachlich sind die Landgerichte ausschließlich zuständig, § 87 Abs. 1 GWB. oo) Entschädigungssachen, § 208 BEG.

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Vgl. den Überblick über die Landesvorschriften, die aufgrund der Ermächtigung des § 689 Abs. 3 ergangen sind, in Schönfelder Deutsche Gesetze, Anm. 4 zu § 689. Vgl. den Überblick über die Landesvorschriften, die aufgrund der Ermächtigung des § 23 c GVG ergangen sind, in Schönfelder Deutsche Gesetze, Anm. 2 zu § 23 c GVG. Vgl. den Überblick über die landesrechtlichen Vorschriften, die aufgrund der Ermächtigung des § 14 Abs. 2 AGBG ergangen sind, in Schönfelder Deutsche Gesetze, Anm. zu § 14 AGBG. Die Einrichtung der Kammern für Baulandsachen für mehrere Landgerichtsbezirke gemeinsam verstößt nicht gegen Art. 14 Abs. 3 S. 4 GG, vgl. dazu näher SteinJ]oms/Schumann Rdn. 7. Vgl. den Überblick über die landesrechtlichen Vorschriften, die aufgrund der Ermächtigung des S 143 Abs. 2 PatG ergangen sind, in der Beck'schen Textausgabe zum gewerblichen Rechtsschutz (Stand April 1993) zu § 51 Abs. 2 PatG idF von 1978.

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Vgl. den Überblick über die Landesvorschriften, die aufgrund der Ermächtigung des § 27 Abs. 2 GebrMG ergangen sind, in der Beck'schen Textausgabe zum gewerblichen Rechtsschutz (Stand April 1993) zu § 27 Abs. 2 GebrMG. Vgl. den Überblick über die Landesvorschriften, die aufgrund der Ermächtigung des § 32 Abs. 2 W Z G ergangen sind, in Schönfelder Deutsche Gesetze, Anm. zu § 32 WZG. Vgl. den Überblick über die Landesvorschriften, die aufgrund der Ermächtigung des § 15 Abs. 2 GeschmMG ergangen sind, in Schönfelder Deutsche Gesetze, Anm. zu ξ 15 GeschmMG. Vgl. den Überblick über die Landesvorschriften, die aufgrund der Ermächtigung nach 5 10-5 UrhG ergangen sind, in Schönfelder Deutsche Gesetze, Anm. zu § 105 UrhG. Vgl. den Überblick über die Landesvorschriften, die aufgrund der Ermächtigung des § 89 Abs. 1 und 2 GWB ergangen sind, in Schönfelder Deutsche Gesetze, Anm. zu § 89 GWB.

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pp) Streitige Landwirtschaftssachen, § 8 LwVG; sachlich sind die Amtsgerichte ausschließlich zuständig, § 2 Abs. 1 LwVG. qq) Arbeitssachen. Hier können für die Streitigkeiten bestimmter Berufe und Gewerbe, sowie bestimmter Gruppen von Arbeitnehmern gem. § 17 Abs. 2 ArbGG Fachkammern gebildet werden. 2 6 3. Verkleinerung des Gerichtsbezirks in Handelssachen Eine Verkleinerung des Gerichtsbezirks ist nach § 93 Abs. 1 2. Alt. GVG für die 9 Kammern für Handelssachen möglich, wenn diesen lediglich ein „örtlich abgegrenzter Teil" des Landgerichtsbezirks zugewiesen wird. 2 7 Das Verhältnis dieser Kammer zu Kammern mit anderen Sprengein ist eine Frage der örtlichen, nicht der funktionellen Zuständigkeit; dies gilt auch dann, wenn die Kammern ihren Sitz am gleichen Ort haben. 2 8 Demgegenüber handelt es sich beim Verhältnis zwischen der Kammer für Handelssachen und den anderen Kammern des Landgerichts, insbesondere den Zivilkammern, um eine Frage der Geschäftsverteilung. 4. Änderung des Gerichtsbezirks Eine Änderung des Gerichtsbezirks berührt die Zuständigkeit des angerufenen 1 0 Gerichts für den laufenden Prozeß grundsätzlich nicht, § 261 Abs. 3 Nr. 2. Durch den Grundsatz der perpetuatio fori soll dem Beklagten die Möglichkeit genommen werden, durch einen ständigen Wohnsitzwechsel den Erlaß eines Sachurteils behindern zu können. 2 9 Wird ein Gericht aufgelöst, so muß das betreffende Gesetz Regelungen enthalten, an welches Gericht die anhängigen Sachen abzugeben sind. 3 0 III. Arten der Gerichtsstände 1. Gesetzliche Gerichtsstände Die wichtigsten und meisten Gerichtsstände sind vom Gesetz selbst festgelegt 11 (gesetzliche Gerichtsstände). a) Ausschließliche und nicht-ausschließliche Gerichtsstände. Gesetzliche Gerichtsstände können ausschließlich oder nicht ausschließlich sein. Sofern von einem Gerichtsstand nicht ausdrücklich bestimmt ist, daß er Ausschließlichkeit beansprucht, begründet er nur eine nicht-ausschließliche Zuständigkeit. Ausschließliche Gerichtsstände verdrängen alle anderen Gerichtsstände, so daß die Klage nur im ausschließlichen Gerichtsstand erhoben werden kann. Die Begründung einer Zuständigkeit durch Parteivereinbarung (§ 38) oder durch rügelose Einlassung (§ 39) ist ausgeschlossen, § 40 Abs. 2. 3 0 a Zu den einzelnen Fällen ausschließlicher Ge15

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Vgl. den Überblick über die Landesvorschriften, die aufgrund der Ermächtigung nach $ 8 LwVG ergangen sind, in Schönfelder Deutsche Gesetze, Anm. zu § 8 LwVG. Vgl. näher Grunsky ArbGG 7 S 17 Rdn. 4. Vgl. den Überblick über die Landesvorschriften, in denen von der Möglichkeit nach § 93 Abs. 1 GVG Gebrauch gemacht wurde, in Schönfelder Deutsche Gesetze, Anm. zu § 93 GVG. Stein/Jonas/Schumann Rdn. 8; MünchKomm/ Patzina Rdn. 12.

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MünchKomm/Patzina Rdn. 25. Stein/Jonas/Schumann Rdn. 10. Etwas anderes gilt, wenn ausnahmsweise mehrere ausschließliche Zuständigkeiten konkurrieren. Dann hat der Kläger zwischen ihnen die Wahl (§ 35), soweit das Gesetz keine Rangfolge normiert (wie ζ. B. in 5 689 Abs. 2 S. 3). In diesem Fall ist auch eine Prorogation einer der mehreren ausschließlichen Zuständigkeiten zulässig. Vgl. auch § 35 Rdn. 2 und § 40 Rdn 5 ff.

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richtsstände s. u. § 40 Rdn. 8 ff. Demgegenüber unterliegen nicht-ausschließliche Gerichtsstände der Prorogation nach Maßgabe der §§ 38 ff. Treffen mehrere nichtausschließliche Gerichtsstände zusammen, so hat der Kläger zwischen ihnen die Wahl (§ 35). Diese wird ausgeübt durch Klageerhebung oder durch Verweisungsantrag gem. § 281 Abs. 2. Die Ausübung des Wahlrechts führt nicht zur Unzuständigkeit der anderen Gerichte, jedoch besteht die Sperre nach § 261 Abs. 3 Nr. 1. 12

b) Allgemeine und besondere Gerichtsstände, aa) Allgemeiner Gerichtsstand. Im allgemeinen Gerichtsstand können grundsätzlich alle Klagen gegen eine Person erhoben werden, sofern nicht im Einzelfall ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist. Die allgemeinen Gerichtsstände sind in den §§ 12 bis 19 abschließend geregelt. Danach ist grundsätzlich der allgemeine Gerichtsstand des Beklagten maßgeblich; nur ausnahmsweise wird auf den allgemeinen Gerichtsstand des Klägers abgestellt (s.o. Rdn. 5, sowie für das Mahnverfahren § 689 Abs. 2). Für Beklagte, die natürliche Personen sind, kommt es in erster Linie auf den (inländischen) Wohnsitz (§ 13), hilfsweise auf den (inländischen) Aufenthaltsort bzw. den letzten (inländischen) Wohnsitz an (§§ 15, 16). Der allgemeine Gerichtsstand beklagter juristischer Personen ist der Ort ihres Sitzes (§ 17). Für den beklagten Staat (Fiskus) wird der allgemeine Gerichtsstand durch den Sitz der vertretungsberechtigten Behörde bestimmt, §§ 18, 19.

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bb) Besondere Gerichtsstände sind dadurch charakterisiert, daß sie nur für einen bestimmten materiellen Anspruch (ζ. B. aus Vertrag, § 29 oder aus unerlaubter Handlung, § 32) oder für eine bestimmte Kategorie von Ansprüchen (ζ. B. vermögensrechtliche Ansprüche, §§ 20, 23) eröffnet sind. Die besonderen Gerichtsstände lockern den Grundsatz „actor sequitur forum rei" im Interesse des Klägers auf und erleichtern ihm die Prozeßführung dadurch, daß sie ihm einen weiteren Gerichtsstand in der Nähe des Schwerpunkts des materiellen Rechtsverhältnisses zur Verfügung stellen. Nur selten sind sie als ausschließliche Gerichtsstände ausgestaltet, um die Sach- und Ortsnähe des Gerichts ausnahmslos für den Prozeß sicherzustellen (z.B. §§ 24, 29a, 32a).

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In der ZPO sind besondere Gerichtsstände in den § § 2 0 bis 34, 35 a geregelt. Weitere besondere Gerichtsstände enthalten § 64 für die Hauptintervention, § 256 Abs. 2 für die Zwischenfeststellungsklagen und -Widerklagen, § 486 für die Beweissicherung, § 584 für Nichtigkeits- und Restitutionsklagen, §§ 603, 605 a für Wechsel- und Scheckklagen und § 689 Abs. 2 für das Mahnverfahren. Zahlreiche - z.T. auch ausschließliche — besondere Gerichtsstände enthält das 6. Buch der ZPO für Ehe-, Familien- und Kindschaftssachen, z.B. in §§ 606, 621 Abs. 2, 640a Abs. 1, 641a, 6411 Abs. 3, das 8. Buch für Verfahren der Zwangsvollstreckung, z.B. in §§ 722 Abs. 2, 731, 764, 767, 771, 796 Abs. 5, 797 Abs. 5, 800 Abs. 3, 800 a Abs. 2, 802, 805 Abs. 2, 828, 853 ff, 858 Abs. 2, 873, 879, 887ff, 899 und für Arrest- und einstweilige Verfügungsverfahren in §§ 919, 937, 942, 943, sowie schließlich das 9. Buch für Aufgebotsverfahren in §§ 946, 978, sowie für richterliche Handlungen im schiedsgerichtlichen Verfahren in §§ 1045 ff.

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Auch in zahlreichen Gesetzen außerhalb der ZPO werden besondere Gerichtsstände begründet. Von praktischer Bedeutung sind insbesondere Gerichtsstände auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes, z.B. § 7 HausTWG, § 2 6 FernUSG, § 1 4 AGBG; des Haftungsrechts, z.B. § 14 HaftpflG, § 20 StVG, § 56 LuftVG, § 94a AMG, § 6 ÖlschadenG; des Gesellschafts- und Genossenschaftsrechts, z.B. §§ 246 Abs. 3, 249, 275 AktG, § § 6 1 Abs. 3, 69 Abs. 2, 75 Abs. 2 GmbHG, § § 5 1 Abs. 3, 210

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87 Abs. 2, 109 Abs. 3, 112 GenG; des Landpachtrechts, §§ 10, 48 LwVG; des gewerblichen Rechtsschutzes, z. B. § 20 GebrMG, §§ 33, 35 Abs. 2 WZG; des Wettbewerbsrechts, § 2 4 UWG; des Versicherungsrechts, z.B. § § 4 8 W G , 109 VAG; des Transportrechts, z.B. §§ 3 Abs. 1, 6 BinnSchVerfG, § 1 a AusfG CMR, §§ 488, 508, 738 HGB, § 2 SeeVerteilungsO; sowie des Konkursrechts, z.B. § § 7 1 , 146 Abs. 2, 164 Abs. 3, 214, 238 Abs. 2 KO. Auch durch Rechtsverordnung kann ein besonderer Gerichtsstand geschaffen werden, z.B. durch § 17 der VO über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Obusverkehr v. 2 7 . 0 2 . 1 9 7 0 (BGBl. I S. 230); ferner enthalten besondere Gerichtsstände die durch Rechtsverordnung erlassenen Allgemeinen Versorgungsbedingungen für Elektrizität (AVBEltV vom 2 1 . 0 6 . 1 9 7 9 , BGBl. I S. 684), Gas (AVBGasV vom 2 1 . 0 6 . 1 9 7 9 , BGBl. I S. 676), Wasser (AVBWasserV vom 2 0 . 0 6 . 1 9 8 0 , BGBl. I S. 750) und Fernwärme (AVBFernwärmeV vom 2 0 . 0 6 . 1 9 8 0 , BGBl. I S. 742), jeweils in § 34. 2. Vereinbarter Gerichtsstand Gerichtsstände können nicht nur durch Gesetz, sondern in den Grenzen der 1 6 § § 3 8 ff auch durch Parteivereinbarung begründet werden. Auch diese Gerichtsstände können entweder ausschließlich oder nicht-ausschließlich sein (s. dazu § 38 Rdn. 90 ff). Der Begründung eines dispositiven Gerichtsstands durch Vereinbarung der Parteien oder durch rügelose Einlassung sind in § 40 allgemeine Schranken gezogen; Gerichtsstandsvereinbarungen vor Entstehung der Streitigkeit sind darüber hinaus im nicht-kaufmännischen Rechtsverkehr nur noch stark eingeschränkt zulässig (vgl. näher Vor § 38 Rdn. 1 ff). 3. Gerichtliche Bestimmung des Gerichtsstands Reichen die gesetzlichen Zuständigkeitsvorschriften nicht aus, weil z. B. eine ge- 1 7 meinschaftliche Klage gegen mehrere Beklagte mit unterschiedlichem allgemeinen Gerichtsstand geboten ist oder droht nach einer Fehlentscheidung in der Zuständigkeitsfrage entweder ein Doppelprozeß oder eine Rechtsschutzverweigerung (positiver oder negativer Kompetenzkonflikt), sieht § 36 die Bestimmung des Gerichtsstands durch ein übergeordnetes Gericht vor, um im Interesse der Parteien und der Rechtssicherheit den Streit darüber, welches Gericht für die Sachentscheidung zuständig, möglichst schnell zu beenden (s. dazu näher § 36 Rdn. 1 ff). 4. Gerichtsstand des Sachzusammenhangs Schrifttum Baur Zuständigkeit aus dem Sachzusammenhang?, FS v. Hippel (1967) S. 1; Fischer Der Gerichtsstand des Sachzusammenhangs, ZZP 4 9 (1925) 345; Gravenhorst Die Aufspaltung der Gerichtszuständigkeit nach Anspruchsgrundlagen (1972); Hoffmann § 1 7 Abs. 2 S. 1 GVG und der allgemeine Gerichtsstand des Sachzusammenhangs, ZZP 107 (1994) 3; Rimmelspacher Alternative und kumulative Gerichtszuständigkeit, AcP 174 (1974) 509; Schwab Streitgegenstand und Zuständigkeitsentscheidung, FS Rammos Bd. II (1979) S. 845; Spellenberg Örtliche Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs, ZVglRWiss 1980, 89; ders. Zuständigkeit bei Anspruchskonkurrenz und kraft Sachzusammenhangs, ZZP 95 (1982) 17.

Im Gegensatz zu anderen europäischen Prozeßordnungen kennt das deutsche 1 8 Zivilprozeßrecht einen allgemeinen Gerichtsstand des Sachzusammenhangs nicht. Das Bedürfnis, sachlich Zusammengehörendes in einem Gerichtsstand einheitlich und widerspruchsfrei entscheiden zu können, setzt sich freilich in einer Reihe von Einzelvorschriften und oft auch praeter legem durch. Grundsätzlich kann der Kläger Rainer Hausmann

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zwar alle Ansprüche gegen den Beklagten an dessen allgemeinem Gerichtsstand geltendmachen. Doch verlieren die regelmäßig sach- und beweisnäheren besonderen Gerichtsstände erheblich an Wert, wenn sie nur für einige von mehreren konnexen Ansprüchen oder gar nur für Teile eines Streitgegenstandes, ζ. B. nur für vertragliche oder nur für deliktische Anspruchsgrundlagen eröffnet sind. Die Anerkennung des Sachzusammenhangs auch für Zwecke des Zuständigkeitsrechts ist deshalb ein Gebot der Prozeßökonomie, die den Gerichten und den Parteien gleichermaßen zugutekommt. Ferner gilt es im Interesse einer geordneten Rechtspflege unbedingt zu vermeiden, daß in getrennten Verfahren einander widersprechende Entscheidungen ergehen, denn sie stören den Rechtsfrieden auf Dauer und mindern die Autorität der Gerichte. 3 1 19

a) Objektive Klagehäufung. Besonders wichtig ist die Erweiterung des ausschließlichen dinglichen Gerichtsstands um bestimmte persönliche Klagen in §§ 25, 26 sowie in Art. 6 Nr. 4 EuGVÜ 1989. Eine Zuständigkeitskonzentration für mehrere Ansprüche erlaubt ferner z. B. § 88 GWB; diese kartellprivatrechtliche Zuständigkeit setzt sich ausnahmsweise sogar gegenüber einer anderen ausschließlichen Zuständigkeit durch. Darüber hinaus hat man praeter legem verschiedene Lösungen entwickelt, um zu einem einheitlichen Gerichtsstand für zusammenhängende Ansprüche zu gelangen. Hierher gehört die Zuordnung von Nebenpßichten zur Hauptpflicht im Rahmen von § 29 (bzw. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ) 3 2 sowie die Qualifizierung des Auskunftsanspruchs als eines bloßen Hilfsanspruchs, der im Gerichtsstand der Hauptsache geltend gemacht werden kann, um dem Kläger die Möglichkeit der Stufenklage zu erhalten. 3 3 Z u m gleichen Ergebnis führt die Bestimmung eines einheitlichen Erfüllungsorts für mehrere (Haupt-)Pflichten aus einem Vertragsverhältnis, ζ. B. des Austauschorts für die beiderseitigen Pflichten aus einem Rückgewährschuldverhältnis. 34

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b) Annexzuständigkeit. Durch Annexzuständigkeiten soll die besondere Sachkunde des mit der Hauptsache befaßten Gerichts für gewisse Neben- oder Folgeentscheidungen nutzbar gemacht werden. Dabei geht es vor allem darum, möglichst den gesamten Streit zwischen den Parteien durch eine in sich stimmige Entscheidung zu bereinigen. Musterbeispiel ist die Verbundszuständigkeit für die Scheidungsfolgesachen in §§ 623 Abs. 1, 621 Abs. 2 S. 1. Ähnliche Fälle von Annexzuständigkeit enthalten §§ 643 Abs. 1, 644 Abs. 2 und Art. 5 Nr. 2 2. Alt. EuGVÜ. Als Annexzuständigkeit läßt sich auch der in § 34 normierte Gerichtsstand des Hauptprozesses für die Gebührenklage von Prozeßbevollmächtigten qualifizieren. Gleiches gilt für die Zuständigkeit des Hauptsachegerichts für das Kostenfestsetzungsverfahren.35 Auch das Adhäsionsverfahren gemäß § 403 StPO bzw. Art. 5 Nr. 4 EuGVÜ begründet eine Annexzuständigkeit des Strafgerichts für die im Zusammenhang mit der Straftat stehenden zivilrechtlichen Ersatzansprüche. Demgegenüber sieht § 323 für die Abänderungsklage — anders als § 767 Abs. 1 für die Vollstreckungsabwehrklage — keine besondere Zuständigkeit vor. Die Zuständigkeit für die Abänderungsklage bestimmt sich deshalb grundsätzlich unabhängig vom Ausgangsverfahren nach den allgemeinen Regeln. 36 31 32

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Zutr. Schuck IZVR Rdn. 342. Vgl. näher § 29 Rdn. 30 und S 40 Anh. I Art. S Rdn. 20. Mansel IPRax 1989, 84; Schuck IZVR Rdn. 344. Vgl. ferner § 29 Rdn. 30 und § 32 Rdn. 27 ff mwN.

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Vgl. näher S 29 Rdn. 71 ff. Vgl. OLG Koblenz IPRax 1987, 24, 25. RGZ 52, 345; Zöller/Vollkommer S 323 Rdn. 35; MünchKomm/Gottwald § 323 Rdn. 44.

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c) Anspruchsgrundlagenkonkurrenz. Während die Rechtsprechung in Fällen von Anspruchskonkurrenz Wege sucht und findet, um die Erledigung des gesamten Rechtsstreits in einem Gerichtsstand zu ermöglichen, tut sie sich bei bloßer Anspruchsgrundlagenkonkurrenz überraschend schwer. Wenn der Anspruch auf mehrere — ζ. B. vertragliche und deliktische — Grundlagen gestützt wird, so liegt doch prozessual nur ein Streitgegenstand vor; ein engerer Sachzusammenhang läßt sich also kaum vorstellen.

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aa) Gespaltene Zuständigkeit. Dennoch zieht die h M aus der Anspruchsgrundlagenkonkurrenz keine Folgerungen für die Zuständigkeit, eröffnet die besondere Zuständigkeit am Erfüllungsort (§ 2 9 ) vielmehr nur für vertragliche und jene am Tatort (§ 3 2 ) nur für deliktische Anspruchsgrundlagen. 3 7 So darf im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung zwar die für die Rechtswidrigkeit maßgebliche Vorfrage nach einer vertraglichen Gestattung, nicht aber der vertragliche Anspruch selbst behandelt werden. 3 8 Auf dieser Linie liegt auch die Rechtsprechung des E u G H , der sich gegen eine Erstreckung der internationalen Zuständigkeit des Tatortgerichts nach Art. 5 Nr. 3 E u G V Ü auf vertragliche Anspruchsgrundlagen ausgesprochen hat.39 bb) Rechtsfolgen. Macht ein Kläger einen Klagegrund geltend, der von dem angerufenen Gericht mangels Kompetenz nicht geprüft werden darf, so hindert dies hiernach zwar nicht das Zusprechen des Begehrens aus denjenigen Klagegründen, die der Kompetenz des Gerichts unterliegen. Ist dies freilich nicht möglich, weil ζ. B. das Gericht des Erfüllungsorts die geltendgemachten vertraglichen Ansprüche als unbegründet ansieht, dann muß teilweise Abweisung als unbegründet (hinsichtlich der vertraglichen Ansprüche) und teilweise Abweisung als unzulässig (hinsichtlich der außerhalb der Kognition des Gerichts liegenden weiteren Klagegründe, ζ. B. aus Delikt oder ungerechtfertigter Bereicherung) erfolgen. Auf diese Weise soll verhindert werden, daß die materielle Rechtskraft auch hinsichtlich des nicht prüfbaren Klagegrundes eintritt. Demgemäß bleibt eine erneute Klage aus diesem anderen Rechtsgrund möglich, auch wenn sie auf denselben Tatsachenkomplex gestützt wird und der Antrag unverändert i s t . 4 0 Daneben wird überwiegend auch eine Teilverweisung hinsichtlich des nicht prüfbaren Klagegrundes zugelassen. Für diesen Fall entscheidet das Gericht über diejenigen Ansprüche (ζ. B. aus Vertrag oder unerlaubter Handlung), für die es (nach § 2 9 oder § 3 2 ) zuständig ist und verweist den Rechtsstreit hinsichtlich der geltendgemachten weiteren Ansprüche gemäß § 2 8 1 an das hierfür zuständige Gericht. 4 1

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cc) Kritik. Die besseren Argumente sprechen für eine einheitliche und umfassende Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs für sämtliche konkurrierenden Ansprüche. 4 2 Die von der h M befürwortete Zuständigkeitsspaltung entwertet die be-

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RGZ 27, 385 ff; BGH NJW 1971, 364 (Ritter 1217) = J Z 1971, 336 (Grunsky) = JR 1971, 245 (Bökelmann); BGH NJW 1974, 411 (krit. Geimer 1045); 1986, 2436, 2437; BAGE 15, 292, 296 f; 19, 355, 359 ff; OLG Freiburg JZ 1953, 473; OLG Frankfurt MDR 1982, 1023; zust. Srein/jonas/Schumann ξ1 Rdn. 10; MünchKomm/Patzina Rdn. 34 ff; Thomas/ Putzo Rdn. 8. Vgl. auch § 32 Rdn. 27 mwN. BGH NJW 1988, 1466 = IPRax 1989, 98. EuGHE 1988, 5565, 5585 (Nr. 16 ff) = NJW 1988, 3088; dazu näher S 40 Anh. I Art. 5 Rdn. 55 f.

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RGZ 27, 385, 389; BGH VersR 1978, 59, 60. OLG Hamm VersR 1988, 391; dazu näher M il η c h Κ o mm/Ρα tona Rdn. 49 ff. m. ausf. Ν. zum Streitstand. Vgl. idS LG Köln NJW 1978, 329 f; W. Fischer ZZP 49 (1925) 353 f; Gravenhorst S. 71 ff; Rimmelspacher AcP 174 (1974) 540; Spellenberg ZZP 95 (1982) 35; Waldner MDR 1984, 190 ff; Hoffmann ZZP 107 (1994) 3, 11 ff; Rosenberg/ SchwabIGottwald § 36 VI 2; Zeiss § 13, 7; Nikisch § 21 V; Zöiiec/Vollkommer Rdn. 20; vgl. auch § 32 Rdn. 28 mwN.

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sonderen Gerichtsstände, weil der Kläger zur Vermeidung einer doppelten Prozeßfiihrung doch wieder gehalten ist, am Wohnsitzgerichtstand des Beklagten zu klagen. Auch die Gesichtspunkte der Prozeßökonomie, der Verfahrenskonzentration und der raschen Streiterledigung sprechen für eine solche Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs, und zwar sowohl für den Bereich der örtlichen und sachlichen 4 3 wie der internationalen Zuständigkeit. 4 4 Nachdem der Gesetzgeber in § 17 Abs. 2 S. 1 G V G nF die Rechtswegzuständigkeit kraft Sachzusammenhangs ausdrücklich anerkannt hat, können die bisherigen Bedenken gegen eine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs in Fällen der Anspruchsgrundlagenkonkurrenz nicht länger aufrechterhalten werden. Denn was im Verhältnis der Gerichtszweige gilt, sollte erst recht zwischen Gerichten desselben Gerichtszweigs gelten. 4 5 24

d) Streitgenossenzuständigkeit. Im Gegensatz zu den meisten europäischen Prozeßordnungen kennt das deutsche Recht keinen allgemeinen Gerichtsstand der Streitgenossenschaft. Nur in Einzelfällen sieht das Gesetz eine Streitgenossenzuständigkeit vor, so etwa in § 3 5 a für Unterhaltsklagen gegen beide Eltern, in § 6 0 3 Abs. 2 für Wechsel- und Scheckprozesse, sowie in § 5 6 Abs. 2 S. 2 LuftVG. Im übrigen ist ein Kläger, der mehrere Personen als einfache oder notwendige Streitgenossen zusammen verklagen will, grundsätzlich auf einen gemeinsamen besonderen Gerichtsstand angewiesen. 4 6 Fehlt es daran, so kann nach deutschem Recht nur unter den Voraussetzungen des § 3 6 Nr. 3 mit einer Gerichtsstandsbestimmung durch das nächsthöhere Gericht geholfen werden. Demgegenüber hat das EuGVÜ in Art. 6 Nr. 1 eine allgemeine Streitgenossenzuständigkeit eingeführt; danach kann der Kläger mehrere Personen zusammen vor dem Gericht verklagen, in dessen Bezirk einer der Beklagten seinen Wohnsitz hat, sofern der Sachzusammenhang eine solche Streitgenossenzuständigkeit rechtfertigt. 4 7

IV. Prozessuale Behandlung der örtlichen Zuständigkeit 1. Rüge und Amtsprüfung 25

Die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit für jeden prozessualen Anspruch entspricht in ihren Grundzügen der Prüfung der sachlichen Zuständigkeit. Danach gilt: a) Rüge. Die örtliche Zuständigkeit ist Zulässigkeitsvoraussetzung für die Klage (Prozeßvoraussetzung). Ihr Fehlen hat der Beklagte gem. § 2 8 2 Abs. 3 zur Vermeidung der in § 2 9 6 Abs. 3 für verzichtbare Rügen vorgesehenen Versäumnisfolgen vor der Verhandlung zur Hauptsache (§ 1 3 7 Abs. 1) vorzubringen. War vor der mündlichen Verhandlung eine Frist zur Klageerwiderung gem. §§ 2 7 5 Abs. 1, 2 7 6 Abs. 1, 6 9 7 Abs. 3 gesetzt, so hat er die Rüge der mangelnden örtlichen Zuständigkeit schon innerhalb dieser Frist geltend zu machen. Im schriftlichen Verfahren (§ 128 Abs. 2 und 3) muß die Rüge, falls nicht bereits mündlich verhandelt worden

Für eine Zuständigkeit des Familiengerichts kraft Sachzusammenhangs, wenn ein einheitlieher prozessualer Anspruch sowohl auf familien- wie auf schuldrechtliche Anspruchsgrundlagen gestützt wird, zurecht BGH NJW 1983, 1913 = FamRZ 1983, 155 (Walter 363); OLG Bamberg NJW-RR 1989, 517; zust. Zöller/ Gummer § 23 b GVG Rdn. 19. Zur letzteren vgl. insbes. Geimer IZPR Rdn.

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1523; Kropholler Hdb. IZVR Kap. III Rdn. 374; Mattsel ZVglRWiss 86 (1987) 2 0 f und IPRax 1989, 84 ff. Wie hier Rosenberg/Schwab/GoifwWi/ S 36 VI 2; MünchKomm/Lwfce vor § 253 Rdn. 39; ZöllerIVollkommer Rdn. 20. Vgl. zur internationalen Zuständigkeit auch § 33 Rdn. 63. Dazu näher § 4 0 Anh. I Art. 6 Rdn. 2 ff.

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war, spätestens zu dem Zeitpunkt erfolgen, der dem Schluß der mündlichen Verhandlung entspricht. Nach Einlassung zur Hauptsache kommt eine Rüge nur noch in Betracht, wenn der Zuständigkeitsmangel nicht bereits gem. § 39 Satz 1 geheilt ist (vgl. näher § 39 Rdn. 1 ff). In der höheren Instanz ist die Rügemöglichkeit stark einschränkt; die Amtsprüfung ist ausgeschlossen (vgl. §§ 512 a, 549 Abs. 2 u. 566). b) Amtsprüfung. Die örtliche Zuständigkeit ist — anders als die sachliche Zu- 2 6 ständigkeit — nicht nur im Parteiprozeß, sondern auch im Anwaltsprozeß von Amts wegen zu prüfen. Im Parteiprozeß ist der Beklagte vor Verhandlungsbeginn über die Unzuständigkeit und das Rügerecht zu belehren (§ 504). Die Zuständigkeitsprüfung hat auch im Falle der Säumnis der Beklagten zu erfolgen. Allerdings gelten hier die Behauptungen des Klägers zu den tatsächlichen Voraussetzungen eines gesetzlichen Gerichtsstands gem. § 331 Abs. 1 S. 1 als zugestanden. Diese Geständnisfiktion gilt hingegen gem. § 331 Abs. 1 S. 2 nicht für die Behauptungen des Klägers über einen vereinbarten Erfüllungsort (§ 29 Abs. 2) oder eine Gerichtsstandsvereinbarung (§ 38); insoweit obliegt dem Kläger der volle Nachweis einer wirksamen Erfüllungsorts- bzw. Gerichtsstandsvereinbarung (vgl. § 38 Rdn. 104). Über die Prüfungsreihenfolge der Prozeßvoraussetzungen ist nach Praktikabilitätsgesichtspunkten zu entscheiden (dazu § 56 Rdn. 9 ff); will das Amtsgericht oder das Landgericht daher seine sachliche Zuständigkeit verneinen und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verweisen (§ 1 7 a Abs. 2 GVG), so braucht es nicht vorab die örtliche Zuständigkeit zu prüfen. 48 Auch eine Wahlfeststellung zwischen verschiedenen Gerichtsständen ist zulässig, so etwa wenn das angerufene Gericht entweder aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung (§ 38) oder — bei deren Unwirksamkeit — nach §§ 12, 13 zuständig ist. 4 9 c) Grundlagen der Zuständigkeitsprüfung, aa) Klägerischer Tatsachenvortrag. 2 7 Das Gericht prüft die örtliche Zuständigkeit auf der Grundlage der vom Kläger vorgetragenen Tatsachen. Auf die rechtliche Bewertung dieser Tatsachen durch den Kläger kommt es dabei nicht an. 5 0 Es genügt daher, wenn nach den tatsächlichen Behauptungen des Klägers irgendein Gerichtsstand — nicht notwendig der vom Kläger in Anspruch genommene — bei dem angerufenen Gericht begründet ist. 5 1 Bestreitet der Beklagte die vom Kläger für die Begründung der Zuständigkeit vorgetragenen Tatsachen, so ist der Kläger insoweit beweispflichtig. Dies gilt uneingeschränkt für die den allgemeinen Gerichtsstand begründenden Tatsachen, wie ζ. B. den Wohnsitz (§ 13), Sitz (§ 17) oder Aufenthalt (§ 16) des Beklagten, weil insoweit ein zuständigkeitsrelevanter Zusammenhang mit dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch nicht besteht. 52 Der bloße Klageabweisungsantrag oder ein Bestreiten der Begründetheit der Klage reicht freilich insofern nicht aus; es muß vielmehr die Absicht des Beklagten erkennbar sein, sich gerade gegen die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts und damit gegen die Zulässigkeit der Klage zu wenden. 53 bb) Doppelrelevante Tatsachen. Etwas anders gilt dann, wenn die Zuständigkeit 2 8 des Gerichts aus Tatsachen folgt, die zugleich zur Begründung des erhobenen mate-

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BAG BB 1981, 610; Zöller/Vollkommer Rdn. 13. Stein/Jonas/Schumann Rdn. 28. Grunsky J R 1971, 338; Rosenberg/Schwab/ Gottwald § 39 I I ; Stein/Jonas /Schumann § 1 Rdn. 17; MünchKomm/Paiz/na Rdn. 53.

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AG Marbach MDR 1988, 1061; Baumbach/ Lauterbach/Hartmann Rdn. 17. RGZ 29, 373; 49, 72; Schumann FS Nagel (1987) S. 418; Zöller/Vollkommer Rdn. 14; MiinchKomm/PiJizmd Rdn. 53. MünchKomm/Paizina Rdn. 53.

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riell-rechtlichen Anspruchs dienen. Macht der Kläger also im Gerichtsstand des Erfüllungsorts ( § 2 9 ) vertragliche Ansprüche oder im Gerichtsstand des Tatorts (§32) deliktische Schadensersatzansprüche geltend, so genügt die schlüssige Behauptung der die örtliche Zuständigkeit begründenden Tatsachen, also etwa des Zustandekommens des Vertrages bzw. der vom Beklagten begangenen unerlaubten Handlung. Diese doppelrelevanten Tatsachen werden also aufgrund der schlüssigen Behauptung des Klägers für die Zwecke der Zuständigkeitsprüfung als zutreffend fingiert; 54 sie bedürfen keines besonderen Nachweises. 5 5 Der Grund für diese Sonderbehandlung der doppelrelevanten Tatsachen liegt darin, daß andernfalls bereits die Zuständigkeitsprüfung mit schwierigen Beweiserhebungen zur Begründetheit der Klage belastet würde. Vor allem müßte die Klage aber auch bei nicht begründetem Klageanspruch regelmäßig als unzulässig abgewiesen werden; damit könnte die materiell-rechtliche Entscheidung nicht in Rechtskraft erwachsen, so daß der Rechtsstreit vor einem anderen zuständigen Gericht erneut angestrengt werden könnte. 5 6 Diese Grundsätze gelten freilich nur insoweit, als bestimmte Tatsachen sowohl für die Zuständigkeit als auch für die Begründetheit der Klage relevant sind. Im übrigen verbleibt es bei der Regel, daß der Kläger die von ihm behaupteten Tatsachen nachzuweisen hat. So wird etwa für die Beurteilung der Zuständigkeit nach § 32 unterstellt, daß der Beklagte das vom Kläger schlüssig behauptete Delikt begangen hat; die für die Begründetheit der Klage irrelevante Tatsache, daß diese Verletzung im Gerichtsbezirk ausgeführt wurde, muß der Kläger hingegen im Bestreitensfall nachweisen. 5 7 29

d) Maßgeblicher Zeitpunkt. Die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts müssen spätestens im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen; es genügt also, daß die Zuständigkeit des Gerichts erst nach Rechtshängigkeit der Klage begründet wird. 5 8 Die örtliche Zuständigkeit bleibt andererseits auch dann bestehen, wenn die sie begründenden Umstände im Laufe des Rechtsstreits fortfallen (sog. Grundsatz der „perpetuatio fori", § 261 Abs. 3 Nr. 2). 2. Folgen der Unzuständigkeit

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a) Entscheidung. Ist das angerufene Gericht zur Entscheidung örtlich zuständig, so befindet es über seine Zuständigkeit in den Gründen des Endurteils oder in einem besonderen Zwischenurteil (§§ 280 Abs. 2, 303). Ist hingegen die vom Beklagten erhobene Rüge der örtlichen Unzuständigkeit begründet und stellt der Kläger nicht den erforderlichen Antrag auf Verweisung an das örtlich zuständige Gericht (§ 281 Abs. 2), so ist die Klage durch Prozeßurteil abzuweisen. Nach Rechtskraft des Urteils kann dann beim zuständigen Gericht erneut geklagt werden. Die Unterbrechung der Verjährung gilt in diesem Fall als nicht erfolgt (§ 212 Abs. 1 BGB), sofern 54

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Grundlegend R G Z 29, 3 7 1 , 3 7 3 f; ferner B G H Z 7, 184, 186 = NJW 1952, 1336; BGH NJW 1964, 4 9 7 , 4 9 8 ; NJW 1994, 1 4 1 3 f; BAG M D R 1961, 1046; OLG Nürnberg NJW 1985, 1 2 9 6 , 1297; AG Marbach M D R 1 9 8 8 , 1061; zust. Balzer NJW 1992, 2 7 2 1 , 2 7 2 3 ; Stein/Jonas/ Schumann § 1 Rdn. 21; MünchKommIPatzina Rdn. 54; Z ö l l e r / V o l l k o m m e r Rdn. 14; Baumbach/Lauterbach/HartmaK« Rdn. 19.

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Vgl. BGH NJW 1964, 4 9 7 , 4 9 8 ; Stein/Jonas/ Schumann S 1 Rdn. 22; MünchKomm/Patema Rdn. 54. Stein/Jonas/Scfcwmarara § 1 Rdn. 21; Rosenberg/ Schwab/Gottwald § 3 9 I 2 c ; vgl. dazu näher § 32 Rdn. 5 0 m w N . R G Z 52, 136; 95, 268; Zöüer/Vollkommer Rdn. 15; Baumbach/Lauterbach/Harimaww Rdn. 17.

BGH NJW 1 9 6 4 , 4 9 8 ; OLG Köln Rpfl. 1988, 3 2 4 , 325; Rosenberg/Schwab/GoitoaW $ 3 9 1 2 ; Schumann FS Nagel (1987) S. 4 1 5 ff.

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der Kläger die Klage nicht binnen 6 Monaten nach Rechtskraft von neuem erhebt (§ 2 1 2 Abs. 2 BGB). Demgegenüber verbleibt es im Falle der Verweisung an das zuständige Gericht bei der Unterbrechung der Verjährung durch die Klageerhebung (§ 2 0 9 Abs. 1 BGB); § 2 1 2 Abs. 1 B G B gilt in diesem Fall nicht. Soll durch die Klage eine gesetzliche Ausschlußfrist gewahrt werden, so reicht es aus, wenn die Klage innerhalb der Frist vor einem örtlich (oder sachlich) unzuständigen Gericht erhoben wird; dies gilt selbst dann, wenn für die Klage ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist. 5 9 b) Anfechtbarkeit. In vermögensrechtlichen Streitigkeiten kann ein Rechtsmittel 3 1 nicht darauf gestützt werden, daß die örtliche Zuständigkeit irrigerweise bejaht wurde (§§ 5 1 2 a , 5 4 9 Abs. 2); etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn der Gerichtsstand vom Kläger erschlichen worden ist. 6 0 Ein gleichwohl hierauf gestütztes Rechtsmittel ist unstatthaft und als unzulässig zu verwerfen. 6 1 Die Rechtsmittelbeschränkung gilt jedoch nicht, wenn die internationale Zuständigkeit gerügt wird. 6 2 Durch eine Verletzung der Gerichtsstandsvorschriften, die auf einer Verkennung der Rechtslage beruht, wird keine Partei ihrem gesetzlichen Richter entzogen; etwas anderes gilt nur in Fällen der Willkür oder der offensichtlichen Unrichtigkeit der Entscheidung bzw. Verweisung. 6 3 c) Gerichtsstandserschleichung. Erschleicht der Kläger die Zuständigkeit eines Gerichts durch vorsätzliche falsche Angaben, so kann der Beklagte die Einrede der Arglist erheben, die zur Annahme der Unzuständigkeit und zur Klageabweisung durch Prozeßurteil führt. 6 4 Das Gericht muß den erschlichenen Gerichtsstand aber auch von Amts wegen verneinen. Denn Treu und Glauben sind in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten; eine Heilungsmöglichkeit nach §§ 3 9 , 2 9 5 ist insoweit ausgeschlossen. 6 5 Gleiches gilt in Fällen der mißbräuchlichen Inanspruchnahme eines formal gegebenen Gerichtsstands, ζ. B. mit dem Ziel, sich die günstige Rechtsprechung eines bestimmten Gerichts zunutze zu machen. 6 6

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Umgekehrt kann ausnahmsweise auch eine Zuständigkeitsrüge des Beklagten treuwidrig und damit unbeachtlich sein, so ζ. B. wenn der Beklagte sich in bloßer Verschleppungsabsicht hinter der Unzuständigkeit des Gerichts verschanzt, ohne den Klageanspruch als solchen zu bestreiten. In einem solchen Fall kann ein an sich unzuständiges Gericht zur Sache verhandeln und sachlich gegen den Beklagten entscheiden. 6 7 Hierfür sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Der Beklagte handelt idR nicht allein deshalb arglistig, weil er die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts rügt, ohne sachliche Einwendungen gegen den Anspruch zu

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BGHZ 34, 230, 2 3 4 f ; 35, 374 ff; BGH NJW 1962, 2154; ZöWet/Vollkommer Rdn. 17; Baumbach/Lauterbach/Hartmatt« Rdn. 20. 6 0 OLG Düsseldorf FamRZ 1987, 281; Zöller/Vollkommer Rdn. 18. 6 1 BAG MDR 1983, 874; Zöller/Vollkommer Rdn. 18; MünchKomm/Rimmelspacher § 512 a Rdn. 15; aA (Zurückweisung als unbegründet) BGH ZZP 93 (1980) 311 (Waldner)·, Stein/Jonas/Grunsky § 512 a Rdn. 3 mwN. « BGHZ 44, 46, 51 f; 49, 384, 385; 57, 72, 74; 59, 23, 25, st. Rspr.; vgl. dazu näher u. Rdn. 101 mwN. 63 Zöller/Vollkommer Rdn. 18; dazu näher § 36 Rdn. 73 ff mwN. 59

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RGZ 51, 176; 102, 222; OLG Düsseldorf FamRZ 1987, 281; OLG Hamm NJW 1987, 281; KG FamRZ 1979, 1105; Baumbach/Lauterbach/Hartmann Rdn. 22; Zöller /Vollkommer Rdn. 19. OLG Hamm FamRZ 1979, 849; Baumbach/ Lauterbach/Hartmann Rdn. 23. OLG Hamm OLGZ 1987, 338 = NJW 1987, 138. Stein/Jonas /Schumann § 1 Rdn. 12; Baumbach/ Lauterbach/Hartmann Rdn. 24; Zöller/Vollkommer Rdn. 19.

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erheben; denn die Prüfung der sachlichen Begründetheit des Anspruchs ist Sache des zuständigen Gerichts.68 Ausgeschlossen ist diese Möglichkeit jedenfalls, wenn ein anderes Gericht ausschließlich zuständig ist. 69 B. Internationale Zuständigkeit Schrifttum Bajons Ein österreichisches System der internationalen Zuständigkeit, ZfRV 13 (1972) 91; H. Bauer Compétence judiciaire internationale des tribunaux civils français et allemands (1965); ders. Grundsätze der internationalen Zuständigkeit inländischer Gerichte im französischen Privatverfahrensrecht, RabelsZ 30 (1966) 483; Brandenberg/Brandl Direkte Zuständigkeit der Schweiz im internationalen Schuldrecht (1991); Eckstein Zur Lehre von der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit im deutschen Zivilprozeß, Diss. Freiburg 1951; Fragistas La compétence internationale en droit privé, Ree. des Cours 104 (1961-III) 159; ders. La compétence internationale exclusive en droit privé, FS A. Segni (1967) S. 197; Gamillscheg Internationale Zuständigkeit und Entscheidungsharmonie im IPR, BerDGVR 3 (1959) 29; Geimer Verfassungsrechtliche Vorgaben bei der Normierung der internationalen Zuständigkeit, FS Schwind (1993) S. 17; Gaudemet-Tallon Nationalisme et compétence judiciaire: déclin ou renouveau? Trav. com. fr. dr. int. priv. 1987/88 S. 171; Geimer IZPR Rdn. 844ff; Gutteridge Le conflit des lois de compétence judiciaire dans les actions personnelles, Ree. des Cours 44 (1933-11) 111; Heldrich Die Interessen bei der Regelung der internationalen Zuständigkeit, FS Ficker (1967) S. 205; ders. Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht (1969); Heß Staatenimmunität bei Distanzdelikten — Der private Kläger im Schnittpunkt von zivilgerichtlichem und völkerrechtlichem Rechtsschutz (1992); v. Hoffmann Gegenwartsprobleme internationaler Zuständigkeit, IPRax 1982, 217; Kralik Die internationale Zuständigkeit, ZZP 74 (1961) 2; Kropholler Internationale Zuständigkeit, in: Hdb. IZVR I Kap. III; Linke IZPR Rdn. 102 ff; Makarov Internationale Zuständigkeit ausländischer Gerichte, RabelsZ 34 (1970) 703; F. A. Mann The Doctrine of Jurisdiction in International Law, Ree. des Cours 111 (1964I) 1; Matscher Etude des règles de compétence judiciaire dans certaines conventions internationales, Ree. des Cours 161 (1978-III) 127; Matthies Die deutsche internationale Zuständigkeit (1955); P. Mayer Droit international privé et droit international public sous l'angle de la notion de compétence, Rev. crit. 68 (1979) 1, 547; Miaja de la Muela Les principes directeurs des règles de compétence territoriale des tribunaux internes en matière de litiges comportant un élément international, Ree. des Cours 135 (1972-1) 1; Milleker Der negative internationale Kompetenzkonflikt (1975); H. Müller Die internationale Zuständigkeit: Deutsche Landesreferate zum VII. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung in Uppsala 1966 (1967) S. 181; Nagel Die Begrenzung der internationalen Zuständigkeit durch das Völkerrecht, ZZP 75 (1962) § 18; ders. IZPR Rdn. 100 ff; Neuner Internationale Zuständigkeit (1929); Pagenstecher Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit als selbständige Prozeßvoraussetzungen, RabelsZ 11 (1937) 337; Pfennig Die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen (1988); Reu Die staatliche Zuständigkeit im Internationalen Privatrecht (1938); Riezler IZPR S. 197ff; Schack IZVR §§ 8, 9; }. Schröder Internationale Zuständigkeit (1971; Nachdr. 1988); Schweizer Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit im Zivilprozeß und in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, DRiZ 1968, 365; Siemssen Eine Analyse der Anknüpfungen für die internationale Zuständigkeit im internationalen Zivilprozeß, Diss. Hamburg 1966; Spellenberg Internationale Zuständigkeit JA 1978, 1, 57; Speri Eine internationale Zuständigkeitsordnung in bürgerlichen Rechtssachen (Wien 1926); Walchshöfer Die deutsche internationale

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OLG Frankfurt RIW 1980, 60 (zur internationalen Zuständigkeit); OLG Düsseldorf BB 1977, 1523 (zur Zuständigkeit eines Schiedsgerichts); Zöller/Vollkommer Rdn. 19.

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Baumbach/Lauterbach/Hartman« Rdn. 25.

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Zuständigkeit der streitigen Gerichtsbarkeit, Z Z P 80 ( 1 9 6 7 ) 1 6 5 ; Weigel Gerichtsbarkeit, internationale Zuständigkeit und Territorialitätsprinzip im deutschen gewerblichen Rechtsschutz (1973). Siehe auch die Literaturhinweise vor den einzelnen Abschnitten.

I. Allgemeines 1. Begriff Unter internationaler Zuständigkeit ist die Zuweisung von Rechtsprechungsauf- 3 4 gaben an einen Staat als solchen zu verstehen. Fälle mit Auslandsberührung erfordern eine Grenzziehung zwischen der Zuständigkeit der Gerichte des eigenen Staates und der anderer Staaten. Die deutschen Regeln über die internationale Zuständigkeit bestimmen einerseits, in welchen Auslandsfällen der deutsche Richter eine Sachentscheidung treffen darf, und enthalten andererseits das Gebot an den deutschen Richter, sich in den übrigen Fällen einer Entscheidung in der Sache zu enthalten. 7 0 2. Erscheinungsformen a) Direkte und indirekte Zuständigkeit. Die internationale Zuständigkeit deut- 3 5 scher Gerichte zur Entscheidung auslandsbezogener Fälle wird meist direkte Zuständigkeit oder Entscheidungszuständigkeit genannt. Dagegen spricht man bei der internationalen Zuständigkeit als Voraussetzung für die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung von indirekter Zuständigkeit oder Anerkennungszuständigkeit. Letztere greift also erst in einem späteren Stadium des Verfahrens ein, wenn es darum geht, ob aus unserer Sicht die Gerichte eines fremden Staates zuständig gewesen sind, ein Urteil zu erlassen, das nunmehr im Inland anerkannt werden soll. 7 1 Mit Hilfe der indirekten Zuständigkeitsregeln wird mithin im nachhinein die Entscheidungskompetenz eines ausländischen Gerichts beurteilt. Deshalb spricht man auch von „Beurteilungsregeln" im Gegensatz zu den „Befolgungsregeln" hinsichtlich der direkten internationalen Zuständigkeit. 7 2 Die gesetzlichen Vorschriften können für beide Aspekte übereinstimmen (vgl. § 328 Abs. 1 Nr. 1), müssen es aber nicht. 7 3 Namentlich die Zuständigkeitsvorschriften der von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge 74 enthalten stets nur Beurteilungsregeln. 75 In der Rechtsprechung wird dies nicht selten übersehen. 76 b) Konkurrierende und ausschließliche Zuständigkeit. Ebenso wie mehrere Ge- 3 6 richte eines Staates für die Entscheidung eines Rechtsstreits örtlich zuständig sein können (s. o. Rdn. 11 ) kann in Fällen mit Auslandsberührung die internationale Zuständigkeit der Gerichte mehrerer Staaten begründet sein, so ζ. B. für die Schadensersatzklage aus einem Verkehrsunfall, wenn der Wohnsitz des Beklagten und der Unfallort in verschiedenen Staaten liegen. Dann sind regelmäßig konkurrierende

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SteinJ]onas/Schumann Einl. Rdn. 751; MiinchKommIPatzina Rdn. 55; Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 4; Geimer IZPR Rdn. 844. Zu dieser Unterscheidung näher Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 9; Schuck IZVR Rdn. 187; Geimer IZPR Rdn. 850 ff. Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 9.

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Vgl. Geimer IZPR Rdn. 854 ff. Vgl. den Überblick bei Jayme/Hausmann Internationales Privat- und Verfahrensrecht7 (1994) Nr. 87 ff. Geimer IZPR Rdn. 853; Linke IZPR Rdn. 106. Vgl. etwa BGH IPRax 1985, 224 (krit. Henrich 207).

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internationale Zuständigkeiten gegeben und der Kläger kann den Staat wählen, vor dessen Gerichten er seine Ansprüche geltend machen will. 77 Nach deutschem Rechtsverständnis ist es für das tatsächlich angegangene Gericht dann grundsätzlich unerheblich, ob der Kläger auch die Gerichte eines anderen Staates hätte in Anspruch nehmen können. 78 Es gibt aber auch — seltene — Fälle ausschließlicher internationaler Zuständigkeit. Sie wird von den meisten Rechtsordnungen für Klagen aus dinglichen Rechten an im Inland belegenen Grundstücken sowie für Mietstreitigkeiten über inländischen Wohnraum in Anspruch genommen. Zu den sich hieraus für die internationale Zuständigkeit ergebenden Problemen siehe näher u. Rdn. 71 ff. 3. Abgrenzungen 37

Die internationale Zuständigkeit wird in Deutschland unterschieden von der „Gerichtsbarkeit" und von der „innerstaatlichen Zuständigkeit" (Rechtsweg sowie örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeit). Während die internationale Zuständigkeit die Verteilung der Rechtsprechungsaufgaben zwischen den Gerichten verschiedener Staaten regelt, betrifft die innerstaatliche Zuständigkeit die Kompetenzabgrenzung unter den verschiedenen Gerichten desselben Staates. a) Gerichtsbarkeit. Das deutsche Recht unterscheidet Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit als selbständige Prozeßvoraussetzungen.79 Mit Gerichtsbarkeit ist die staatliche Gerichtsgewalt (facultas jurisdictionis) gemeint, die völkerrechtliche Frage nach der Reichweite der Staatsgewalt. Erst nach Bejahung der inländischen Gerichtsbarkeit stellt sich die Frage nach der internationalen Zuständigkeit. Das Verhältnis beider Begriffe zueinander ist mithin durch die logische Priorität der Gerichtsbarkeit gekennzeichnet.80 Dies schließt freilich nicht aus, die internationale Zuständigkeit vor der Gerichtsbarkeit zu prüfen und zu verneinen. So kann ζ. B. die Frage, ob der Beklagte Immunität beanspruchen kann, offen bleiben, wenn feststeht, daß eine Anknüpfung für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht gegeben ist. 81 Die Regeln über die Gerichtsbarkeit bestimmen, ob der Richter überhaupt entscheiden darf; für diese Begrenzung der eigenen Gerichtsgewalt gegenüber derjenigen anderer Staaten gelten internationale Maßstäbe. Im deutschen Recht verweisen §§ 18—20 GVG im wesentlichen auf die allgemeinen Regeln des Völkerrechts und auf die beiden Wiener Übereinkommen über diplomatische bzw. konsularische Beziehungen.82 Ob ein Staat von der ihm zustehenden Gerichtsgewalt Gebrauch machen soll, entscheiden hingegen grundsätzlich nationale (Opportunitäts-)Gesichtspunkte. Insoweit stellt jede Regelung der internationalen Zuständigkeit der Gerichte eines Landes eine (freiwillige) Einschränkung der an sich gegebenen Gerichtsbarkeit dieses Staates dar. 83 77

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Zu dem daraus folgenden Problem des „forum shopping" vgl. u. Rdn. 76 ff. Anders die Lehre vom „forum non conveniens", vgl. dazu näher u. Rdn. 90 ff. RGZ 157, 389, 392 ff; Pagenstecher RabelsZ 11 (1937) 348 ff; Scback IZVR Rdn. 131; Stein/Jonas/Schumann Einl. Rdn. 655; MünchKomm/ Patzina Rdn. 58 ff. Geimer IZPR Rdn. 846; Heß S. 150; vgl. auch BGH NJW 1979, 1101. Zutr. Geimer IZPR Rdn. 846, 1842. Vgl. zur Prüfungsreihenfolge der Prozeßvoraussetzungen auch u. Rdn. 103.

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Abgedr. bei Jayme/Hausmattn Internationales Privat- und Verfahrensrecht7 (1994) Nr. 68, 69. Vgl. ferner das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität vom 1 6 . 5 . 1992, abgedr. bei Jayme/Hausmattn aaO Nr. 70. Zu diesen völkerrechtlichen Schranken der Gerichtsgewait näher Geimer IZPR Rdn. 371 ff; Schack IZVR Rdn. 130 ff, sowie die Kommentierung zu SS 1 8 - 2 0 GVG. de Bra Verbraucherschutz durch Gerichtsstandsregelungen im deutschen und europäischen Zivilprozeßrecht (1992) S. 93.

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b) Örtliche Zuständigkeit. Bei der internationalen und der örtlichen Zuständig- 3 8 keit handelt es sich um zwei verwandte, aber klar zu trennende Prozeßvoraussetzungen. Die internationale Zuständigkeit weist die Erledigung von Klagen den Gerichten des einen oder des anderen Staates zu. Demgegenüber besagt die örtliche Zuständigkeit, welches unter mehreren gleichartigen erstinstanzlichen Gerichten eines Staates einen Rechtsstreit wegen seiner räumlichen Nähe zu erledigen hat. Die internationale Zuständigkeit bezeichnet also nur den Staat, dessen Gerichte in ihrer Gesamtheit zuständig sind und nicht — wie die örtliche Zuständigkeit — das konkret zuständige einzelne Gericht. Unmittelbare Regelungen der internationalen Zuständigkeit finden sich vor allem in neueren Staatsverträgen, namentlich in Art. 2—24 EuGVÜ/LugÜ; darüber hinaus unterscheidet aber auch das autonome deutsche Recht neuerdings zwischen internationaler und örtlicher Zuständigkeit, so ζ. B. in §§ 606 und 606 a sowie in § 640 a Abs. 1 und 2. Nur die internationale Zuständigkeit bestimmt ferner Art. 31 Abs. 1 CMR (dazu näher § 40 Anh. III Abschnitt I Nr. 4). Soweit es an einer Regelung der internationalen Zuständigkeit fehlt, folgt diese nach deutschem Recht zwar idR aus der örtlichen Zuständigkeit (s. u. Rdn. 48); dennoch ist die Eigenständigkeit der internationalen gegenüber der örtlichen Zuständigkeit — namentlich für die Behandlung im Prozeß (dazu u. Rdn. 98 ff) — heute anerkannt. 84 Ebenso wie die Zulässigkeit einer Klage an fehlender örtlicher trotz bestehender internationaler Zuständigkeit scheitern kann (s. u. Rdn. 68 ff), gibt es auch Fälle, in denen zwar eine örtliche, nicht aber die internationale Zuständigkeit vorliegt (s. u. Rdn. 67). Ist letztere etwa nach Art. 2 ff EuGVÜ nicht gegeben, so nützt es dem Kläger nichts, daß wegen der Belegenheit von Vermögen des Beklagten im Inland ein örtlicher Gerichtsstand nach § 23 begründet wäre (vgl. Art. 3 Abs. 2 EuGVÜ). 4. Einfluß des Völkerrechts a) Grundsatz. Innerhalb der Grenzen der inländischen Gerichtsgewalt ist jeder 3 9 Staat frei, die Voraussetzungen und Grenzen der Kognitionsbefugnis seiner Gerichte zu bestimmen. Es gibt keine dem nationalen Recht vorgegebene völkerrechtliche Zuständigkeitsordnung.85 Rechtsstreitigkeiten werden mithin nicht von einer zentralen Instanz auf die einzelnen Staaten verteilt; vielmehr zieht jeder Staat, soweit er sich nicht durch Staatsverträge gebunden hat, durch seine nationalen Regeln über die internationale Zuständigkeit so viele Rechtsstreitigkeiten an sich, wie es ihm zweckmäßig erscheint. Diese Freiheit wird durch keine allgemeinen Regeln des Völkerrechts eingeschränkt. 86 Eine Inanspruchnahme internationaler Zuständigkeit ohne legitimen Inlandsbezug wird lediglich politisch mißbilligt („exorbitante Zuständigkeit", vgl. u. Rdn. 59) und führt zur Nichtanerkennung der ausländischen Entscheidung im Inland. b) Verfahrensrechtlicher Mindeststandard. Das Völkergewohnheitsrecht ge- 4 0 währleistet allerdings einen gewissen rechtlichen Mindeststandard, insbesondere was den Zugang zu den Gerichten und die Durchführung des Verfahrens anbetrifft. 84

85

86

Grundlegend B G H Z 4 4 , 46 = NJW 1965, 1665 = J Z 1966, 237 (Neuhaus); ferner Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 14; Schack IZVR Rdn. 190. Riezler IZPR S. 204; Schack IZVR Rdn. 186; Geimer IZPR Rdn. 126. Matscher FS Schwind (1978) S. 186 und FS Ver-

osta (1980) S. 221; Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 46; Geimer IZPR Rdn. 127 ff, 848; Schack IZVR Rdn. 186; aA (Erfordernis von Minimalbeziehungen zum Inland) Nagel ZZP 75 (1962) 408, 420f; Walchshöfer ZZP 80 (1967) 171; Gottwald FS Habscheid (1989) S. 119, 129 ff mwN.

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Vor § 12

1. Buch. Allgemeine Vorschriften, 1. Abschnitt. Gerichte

Hierzu gehört das Verbot einer Rechts- und Justizverweigerung (deni de justice).87 Danach ist Ausländem Rechtsschutz zumindest in dem Umfang zu gewähren, wie dies dem Standard der zivilisierten Staaten entspricht. Die Verletzung der Pflicht zur Justizgewährung kann durch diplomatische Schutzmaßnahmen des Heimatstaats des Beklagten sanktioniert werden.88 Differenzierungen zwischen Inländern und Ausländern sind aber durchaus zulässig. Insbesondere dürfen die Staaten die internationale Zuständigkeit wegen mangelnder Inlandsbeziehung verneinen und die Streitentscheidung dem Ausland überlassen. Aus dem völkerrechtlichen Rechts- und Justizverweigerungsverbot sind mithin keine hinreichend konkreten Regeln zu entnehmen, die den staatlichen Gesetzgeber verpflichten würden, in bestimmten Auslandsfällen die Zuständigkeit seiner Gerichte zur Verfügung zu stellen. 41

c) Völkerrechtsfreundliche Auslegung. Die Grundsätze einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung sind auch im Rahmen der Anwendung von Zuständigkeitsvorschriften des autonomen deutschen Zivilprozeßrechts zu beachten. Danach ist regelmäßig davon auszugehen, daß das deutsche Recht sich nicht in Widerspruch zu den anerkannten Regeln des Völkerrechts setzen will. 89 Namentlich kann das völkerrechtliche Erfordernis eines sinnvollen Anknüpfungspunkts („genuine link") für die extraterritoriale Ausübung von Hoheitsgewalt eine restriktive Auslegung exorbitanter nationaler Zuständigkeitsregeln nahelegen.90 5. Bedeutung

42

Die internationale Zuständigkeit ist in auslandsbezogenen Rechtsstreitigkeiten von zentraler Bedeutung. Diese folgt schon daraus, daß es für den Kläger idR einen erheblichen Unterschied macht, ob er vor den heimischen Gerichten klagen kann oder auf eine Prozeßführung im Ausland verwiesen wird. 91 Dieser Unterschied zeigt sich etwa in der Frage des Zugangs zum Gericht und zu den Beweismitteln; hinzu kommen die mit einer Prozeßführung im Ausland idR verbundene zusätzliche Kostenbelastung sowie Sprachschwierigkeiten. Darüber hinaus entfaltet die erstrebte Entscheidung idR Wirkungen nur im Urteilsstaat, hingegen in anderen Staaten nur nach Maßgabe der dort geltenden Vorschriften über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen. Schließlich wird mit der Entscheidung über die internationale Zuständigkeit häufig bereits die sachliche Entscheidung des Prozesses vorweggenommen, weil von der internationalen Zuständigkeit nicht nur das anwendbare Verfahrensrecht, sondern — mangels Rechtsvereinheitlichung — auch das maßgebliche Kollisionsrecht und damit das in der Sache anwendbare Recht abhängt. 92 II. Grundlagen und System der internationalen Zuständigkeit im deutschen Recht 1. Rechtsquellen

43

Die von den deutschen Gerichten zu beachtenden Regeln über die internationale Zuständigkeit ergeben sich einerseits aus Staatsverträgen, andererseits aus Vor87

88 89

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Heldrich S. 143 ff; Kropboller Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 43; MünchKomm/Paizma Rdn. 79; Geirrter IZPR Rdn. 129 ff, 384 ff mwN. Vgl. näher Geirrter IZPR Rdn. 135. Stein/Jonas/Schumann Einl. Rdn. 754 a; MünchKommIPatzina Rdn. 80. Vgl. Mark/Ziegenhain NJW 1992, 3062 ff mwN; dazu näher u. § 23 Rdn. 4 7 ff.

222

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Vgl. näher Neuhaus RabelsZ 2 0 (1955), 2 2 9 ff; Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 16; Stein/ Jonas /Schumann Einl. Rdn. 752. Vgl. BGHZ 44, 46, 50 = NJW 1965, 1665 = J Z 1966, 2 3 7 (Neuhaus).

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2. Titel. Gerichtsstand

Vor § 12

Schriften des autonomen Gesetzesrechts, insbesondere der Zivilprozeßordnung und zahlreichen verfahrensrechtlichen Nebengesetzen. a) Staatsverträge, aa) EWG-Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen. Wichtigste Rechtsquelle der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte ist das Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstrekkung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) vom 27. 9. 1968, das am 1. 2. 1973 in Kraft getreten ist. Das Übereinkommen enthält in seinem Titel II eine umfassende Regelung der direkten internationalen Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen. Eine eingehende Kommentierung der allgemeinen Anwendungsvoraussetzungen und der Auslegung des EuGVÜ, sowie seiner Vorschriften über die internationale Zuständigkeit (Art. 2—20 Abs. 1) findet sich im Anh. I zu § 4 0 . bb) Lugano-Übereinkommen. Die Attraktivität des EuGVÜ wie auch seine ne- 4 4 gativen Konsequenzen für Nichtvertragsstaaten haben zu Verhandlungen mit den EFTA-Staaten (Finnland, Island, Norwegen, Österreich, Schweden, Schweiz) und am 16. 9. 1988 zur Unterzeichnung des sog. „Parallelübereinkommens" von Lugano geführt. Dieses Übereinkommen, dessen Ratifikation durch die Bundesrepublik Deutschland unmittelbar bevorsteht, stimmt hinsichtlich der Regelung der internationalen Zuständigkeit, weithin wörtlich mit dem EuGVÜ in der Fassung von 1989 überein. Die wenigen Abweichungen des Lugano-Übereinkommens auf dem Gebiet der internationalen Zuständigkeit, das Verhältnis dieses Übereinkommens zum EuGVÜ und Fragen seiner Auslegung sind im Anh. II zu § 4 0 kommentiert. cc) Verträge für besondere Rechtsgebiete. Spezielle Vorschriften über die direkte 4 5 Zuständigkeit enthalten ferner zahlreiche Staatsverträge für bestimmte Rechtsmaterien, insbesondere auf den Gebieten des Transport- und Schiffahrtsrechts, sowie des Haftungs- und Patentrechts. Zu nennen sind etwa im Straßengüterverkehr Art. 31 Abs. 1 C M R , im Eisenbahnverkehr Art. 52 ER-CIV und Art. 56 ER-CIM, im Luftverkehr Art. 28 WA, im Schiffsverkehr Art. 34 Abs. 2 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte, ferner für Schiffszusammenstöße Art. 1 ff des Brüsseler Übereinkommens vom 10. 5. 1952, für Schadensersatzklagen wegen Ölverschmutzungsschäden Art. IX des Übereinkommens von 1984 und für Kernenergieunfälle Art. 13 des Pariser Übereinkommens vom 29. 7. 1960. Diese und eine Reihe weiterer staatsvertraglicher Regelungen der internationalen Zuständigkeit für besondere Rechtsgebiete sind abgedruckt und kommentiert im Anh. III zu § 40. b) Autonomes Recht. Soweit keine Staats Verträge eingreifen, folgt die internatio- 4 6 naie Zuständigkeit aus dem autonomen staatlichen Recht. Jeder Staat entscheidet selbst über die internationale Zuständigkeit seiner Gerichte. Er kann unstreitig nur die Zuständigkeit seiner eigenen Gerichte regeln, auf die Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Staates hat er keinen direkten Einfluß. 9 3 Ausländische Zuständigkeitsnormen hat der Richter nur zu berücksichtigen, soweit das inländische Recht dies vorschreibt. 94 In Betracht kommen insbesondere Vorschriften, die — wie § 6 0 6 a Abs. 1 Nr. 4 — die inländische Zuständigkeit von der Anerkennung der zu fällenden Entscheidung durch einen fremden Staat abhängig machen. Das Völkerge93

Vgl. bereits RGZ 9, 393, 396 und 102, 82, 86; ebenso BGH NJW 1956, 1031; ZZP 76 (1963) 225; GRUR 1969, 348, 350 (Hoth); Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 24.

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Heldrich S. 148 ff; Makarov RabelsZ 34 (1970) 705 ff; Kropholler Hdb IZVR I Kap. III Rdn. 25.

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Vor § 1 2

1. Buch. Allgemeine Vorschriften. 1. Abschnitt. Gerichte

wohnheitsrecht enthält hingegen keine Regeln, nach der eine ausschließliche Zuständigkeit zu beachten wäre, die der Heimat- oder Wohnsitzstaat des Beklagten für sich in Anspruch nimmt. 9 5 47

aa) Unmittelbare Regelung der internationalen Zuständigkeit. Das deutsche autonome Verfahrensrecht enthält nur wenige Vorschriften, die ausschließlich die internationale Zuständigkeit regeln. Die ZPO kennt solche Vorschriften nur in Eheund Kindschaftssachen (§§ 6 0 6 a, 6 4 0 a Abs. 2). Daneben finden sich spezifische Regelungen der internationalen Zuständigkeit seit der IPR-Reform von 1986 namentlich auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. etwa §§ 35 b, 43 a Abs. 1, 43 b Abs. 1 FGG, 12 VerschG).

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bb) Doppelfunktionalität der Gerichtsstandsnormen. Im übrigen regelt die ZPO die internationale Zuständigkeit nicht ausdrücklich und unmittelbar, sondern grundsätzlich nur mittelbar durch stillschweigende Verweisung auf die Vorschriften der §§ 12 ff über den Gerichtsstand. Deren Wortlaut bezieht sich zwar nur auf die örtliche Zuständigkeit, doch zeigen manche dieser Vorschriften deutlich, daß es dem Gesetzgeber der Sache nach zugleich um die Abgrenzung gegenüber ausländischer Zuständigkeit ging, so z. B. §§ 15, 16, 23, 23 a, 27 Abs. 2, 38 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 2 . 9 6 Grundsätzlich darf man deshalb aus der örtlichen zugleich auf die internationale Zuständigkeit des deutschen Gerichts schließen. Örtliche und internationale Zuständigkeit sind mithin „in ihren Voraussetzungen miteinander verknüpft", 9 7 obgleich sie verschiedene Funktionen erfüllen und die Interessen der Parteien unterschiedlich stark berühren. Man spricht insoweit von der Doppelfunktionalität der Gerichtsstandsnormen: Die örtliche indiziert die internationale Zuständigkeit. 98 Dies gilt auch für Zuständigkeitsvereinbarungen. Vereinbaren die Parteien also die örtliche Zuständigkeit eines deutschen Gerichts, so liegt darin zugleich die Prorogation der internationalen Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland. 9 9 Der Grundsatz der Doppelfunktionalität gilt ferner auch in der Arbeitsgerichtsbarkeit (§ 46 Abs. 2 ArbGG iVm. §§ 1 2 f f ZPO) sowie in der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

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c) Konkurrenzen, aa) Staatsvertrag und autonomes Recht. Soweit staatsvertragliche und autonome Zuständigkeitsvorschriften konkurrieren, gilt der Grundsatz des Vorrangs der staatsvertraglichen Regelung. Danach muß einerseits jeder Vertragsstaat, in dem eines der staatsvertraglichen Anknüpfungskriterien verwirklicht ist, seine Gerichte zur Rechtsschutzgewährung zur Verfügung stellen. 1 0 0 Anderer95

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OLG Düsseldorf NJW 1969, 3 8 0 und AWD 1973, 4 0 1 (Kropholler). Dies geht eindeutig aus den Materialien hervor, vgl. Matthies S. 3 9 f; Kralik Z Z P 7 4 (1961) 2 6 ff; Heldrich S. 168; Kropholler Hdb IZVR I Kap. III Rdn. 31. Hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit liegt daher keine Gesetzeslücke vor, vgl. Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 33; MünchKomm/Patzina Rdn. 89. BGHZ 4 4 , 4 6 = NJW 1965, 1 6 6 5 = J Z 1966, 237 (Neuhaus). AllgM, vgl. in der Rechtsprechung grundlegend BGHZ 44, 4 6 (vorige Fn.); ferner BGHZ 63, 2 1 9 , 2 2 0 = NJW 1975, 114; 69, 37, 4 4 = NJW 1977, 1 6 3 7 ; 80, 1, 2 = NJW 1981, 1516; 94, 156, 157 = NJW 1985, 2 0 9 0 ; BGH NJW 19 8 9, 1154, 1 1 5 5 und 1356 = IPRax 1990, 4 7 (Coester- Waltjen 20); BGH NJW-RR 1 9 9 1 , 4 2 3 , 4 2 4 ;

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BGHZ 115, 90, 92 = NJW 1991, 3 0 9 2 ; BGH NJW 1993, 1 0 7 3 ; BAG N J W 1985, 2 9 1 0 , 2 9 1 1 = EWiR 1985, 6 5 9 (Birk); BSGE 54, 2 5 0 = IPRspr. 1 9 8 3 Nr. 130; OLG Düsseldorf NJW 1991, 1992; OLG Köln FamRZ 1992, 74; KG NJW-RR 1993, 5 6 7 ; OLG Hamm FamRZ 1993, 340. Zust. Stein/Jonas/Schumann Einl. Rdn. 7 5 5 ; MünchKomm/Paizma Rdn. 86 f; Baumbach/I .auterbach/Hartma«« Rdn. 6; Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 3 0 ff; Geinter IZPR Rdn. 9 4 3 ff; Schack IZVR Rdn. 2 3 6 ; Linke IZPR Rdn. 114 f. Geinter IZPR Rdn. 9 4 7 ; Schütze DIZPR S. 4 8 ; MünchKomm/Paiz/na Rdn. 88; vgl. dazu näher § 38 Rdn. 4 und 4 4 ff. Zu dieser positiven Wirkung von staatsvertragliehen Zuständigkeitsregeln vgl. Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 54.

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2. Titel. Gerichtsstand

Vor § 12

seits dürfen die Gerichte eines Vertragsstaats, in dem kein staatsvertragliches Anknüpfungskriterium verwirklicht ist, in der Sache nicht entscheiden, sondern haben sich auch dann für unzuständig zu erklären, wenn ihr innerstaatliches Recht eine Zuständigkeit vorsieht. 1 0 1 Demgemäß muß in jedem Rechtsstreit mit Auslandsbezug zuerst geprüft werden, ob nicht ein Staatsvertrag eingreift, der die internationale Zuständigkeit regelt. bb) Konventionskonflikte können insbesondere zwischen der allgemein für Zivil- und Handelssachen (Art. 1) geltenden Zuständigkeitsregelung nach Art. 2—18 EuGVÜ/LugÜ und Zuständigkeitsvorschriften in Staatsverträgen für besondere Rechtsgebiete auftreten. Sie werden in Art. 5 7 Abs. 1 EuGVÜ/LugÜ grundsätzlich in dem Sinne gelöst, daß die Vorschriften der SpezialÜbereinkommen Vorrang vor dem EuGVÜ/LuGÜ h a b e n . 1 0 2 Für das Verhältnis zwischen dem EuGVÜ und dem Lugano-Übereinkommen findet sich eine spezifische Konfliktsregelung in Art. 5 4 b LugÜ.103

50

2 . Anknüpfungen a) Allgemeines. Die Zuständigkeitsregeln der Z P O sind - ähnlich wie jene des 5 1 EuGVÜ (s. u. § 4 0 Anh. I Vor Art. 2 Rdn. 2 ff) - systematisch untergliedert in den allgemeinen Gerichtsstand, die besonderen Zuständigkeiten, die ausschließlichen Zuständigkeiten und die Zuständigkeiten kraft Vereinbarung oder Einlassung (s. o. Rdn. 11 ff). In ihrem Verhältnis zueinander können der allgemeine Gerichtsstand, die besonderen Zuständigkeiten und auch eine vereinbarte Zuständigkeit, soweit sie nur fakultativ ausgestaltet ist (s. u. § 3 8 Rdn. 9 0 ff), miteinander konkurrieren. Die internationale Zuständigkeit stützt sich dabei — ebenso wie die örtliche — auf partei- oder auf sachbezogene Anknüpfungsmerkmale. Im Gegensatz zu dem parteibezogenen allgemeinen Gerichtsstand eröffnen die besonderen Gerichtsstände die Zuständigkeit nur für bestimmte Streitigkeiten; bei ihnen ist das Anknüpfungsmerkmal regelmäßig streitgegenstandsspezifisch. In Bezug auf die internationale Zuständigkeit lassen sich im wesentlichen drei Arten der Anknüpfung 1 0 4 unterscheiden, nämlich ( 1 ) die territorialen Anknüpfungen, die für die örtliche und für die internationale Zuständigkeit gleichermaßen gelten; (2) die rein personale Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, die vornehmlich in Statussachen verwendet wird und einer Konkretisierung für die örtliche Zuständigkeit bedarf; (3) die Anknüpfung an den Parteiwillen, die es den Parteien in vermögensrechtlichen Streitigkeiten ermöglicht, ein Gericht als zuständig zu vereinbaren, das ansonsten nicht zuständig wäre. Hinzu kommt die Anknüpfung an den prozessualen Zusammenhang (forum connexitatis), die allerdings im deutschen Recht — anders nach dem EuGVÜ (vgl. dort Art. 6) — nur eine eingeschränkte, im wesentlichen auf Widerklagen ( § 3 3 ) beschränkte Bedeutung h a t . 1 0 5 b) Allgemeiner Gerichtsstand. Der allgemeine Gerichtsstand wird im deutschen Zuständigkeitssystem — ebenso wie im EuGVÜ (vgl. dort Art. 2; dazu näher § 4 0 Anh. I Art. 2 Rdn. 1 ff) - durch den Wohnsitz des Beklagten bestimmt (§§ 12, 13). Die Regel „actor sequitur forum rei" bürdet bewußt dem Kläger die Last auf, vor 101

102 103

AlIgM, vgl. Kropboller aaO (vorige Fn.); Schack IZVR Rdn. 238; SteinJ]onas/Schumann Rdn. 758. Vgl. dazu näher § 40 Anh. I Einl. Rdn. 58 ff. Vgl. dazu näher § 40 Anh. II Rdn. 19 ff.

104 105

Vgl. Kropboller Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 61. Vgl. dazu allg. o. Rdn. 18 ff; speziell zur internationalen Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs s. u. § 33 Rdn. 60 ff.

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225.

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Vor § 12

1. Buch. Allgemeine Vorschriften. 1. Abschnitt. Gerichte

einem ihm fremden Gericht zu klagen, weil er es ist, der den status quo angreift. Die Interessen des Beklagten denen des Klägers vorzuziehen, ist ganz besonders bei der internationalen Zuständigkeit gerechtfertigt, weil sich die Ausübung der Gerichtsgewalt in erster Linie gegen den Beklagten richtet. 1 0 6 53

aa) Wohnsitz. Der Wohnsitz ist deshalb ein geeigneter Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit, weil eine Klage am Lebensmittelpunkt des Beklagten diesen am wenigsten belastet, indem sie ihm die Verteidigung erleichtert; 1 0 7 andererseits kann der Kläger regelmäßig damit rechnen, im Wohnsitzstaat des Beklagten auch vollstreckungstaugliches Vermögen vorzufinden. 1 0 8 Für die Bestimmung der deutschen internationalen Zuständigkeit ist der Begriff des Wohnsitzes nach Maßgabe der deutschen lex fori, mithin nach §§ 7—11 BGB zu bestimmen; dies gilt für den selbständigen Wohnsitz ebenso wie für den abgeleiteten Wohnsitz von Kindern. 1 0 9 Damit ist eine einheitliche Abgrenzung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte gewährleistet, die nicht von den unterschiedlichen Wohnsitzbegriffen ausländischer Rechte abhängig ist (z. B. dem fremdartigen Begriff des „domicile" nach englischem oder amerikanischem Recht). 1 1 0 Gegenüber einer Anknüpfung an den Wohnsitzbegriff des Personalstatuts des Beklagten hat die lex-foriQualifikation ferner den Vorteil, daß die Zuständigkeit nicht von der — häufig schwierigen — Feststellung der Staatsangehörigkeit des Beklagten abhängt. Hat dieser mehrere Wohnsitze im In- und Ausland, so ist er an jedem dieser Wohnsitze gerichtspflichtig. 111

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bb) Gewöhnlicher Aufenthalt. Da der Wohnsitzbegriff in den nationalen Rechtsordnungen bereits in unterschiedlichem Sinne festgelegt ist, sprechen gute Gründe dafür, de lege ferenda den gewöhnlichen Aufenthalt zum zentralen personalen Anknüpfungskriterium für den allgemeinen Gerichtsstand einer Person zu machen. 1 1 2 So knüpfen auch neuere Staatsverträge — wie die Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommen von 1958 bzw. 1973 hinsichtlich der indirekten Zuständigkeit — an den gewöhnlichen Aufenthalt an. Dieser wird ferner seit der IPR-Reform von 1 9 8 6 vor allem in Statussachen neben der Staatsangehörigkeit als zentrales Anknüpfungskriterium für die direkte internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte verwandt (vgl. §§ 606 a Abs. 1 Nr. 1, 640 a Abs. 2 Nr. 2 ZPO; §§ 35 b Abs. 1, 43 a Abs. 1, 43 b Abs. 1 FGG). Zwar ist auch der gewöhnliche Aufenthalt kein bloßer „Tatsachenbegriff", sondern ein der Auslegung nach einer bestimmten Rechtsordnung zugänglicher „Rechtsbegriff". Er hat jedoch in den einzelnen nationalen Rechten noch keine unterschiedlichen Konturen gewonnen und eignet sich daher für eine international übereinstimmende Auslegung besser als der Begriff des Wohnsitzes. 1 1 3

55

b) Besondere Zuständigkeiten. Sie knüpfen für bestimmte Arten von Rechtsstreitigkeiten an ganz unterschiedliche Merkmale an. Von besonderer Bedeutung « Neuner S. 23; Schack IZVR Rdn. 192. Vgl. auch u. § 13 Rdn. 1. 107 Vgl. zum (Partei-)Interesse des Beklagten, sich vor einem möglichst nahe gelegenen Gericht zu verteidigen, Schack IZVR Rdn. 200. ios Vgl. zum Ordnungsinteresse an einem vollstrekkungsnahen Gerichtsstand Schack IZVR Rdn. 213. 1 0 9 BGH WM 1975, 915; NJW-RR 1992, 579; 1993, 4 und 130; Pagenstecher RabelsZ 11 (1937), 362 f; Serick ZZP 68 (1955) 293, 300; Schack IZVR Rdn. 244; Linke IZPR Rdn. 148; ]0

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Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 67 f; vgl. dazu näher § 13 Rdn. 4 ff mwN. Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 67. RGZ 102, 82, 86 f; Pagenstecher RabelsZ 11 (1937) 470; Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 69. Vgl. auch § 13 Rdn. 17. Vgl. ids auch Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 66; Schack IZVR Rdn. 245. Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 70; Schack IZVR Rdn. 245. Vgl. zum Begriff des „gewöhnlichen Aufenthalts" im deutschen IZVR auch u. § 13 Rdn. 3.

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2 . Titel. Gerichtsstand

Vor § 12

sind in diesem Zusammenhang — neben dem Wohnsitz, Sitz, (gewöhnlichen) Aufenthalt oder der Niederlassung einer Partei (vgl. §§ 2 0 , 2 1 , 2 2 , 2 3 a, 2 7 f) - vor allem die Staatsangehörigkeit einer Person, der Handlungs- bzw. Erfüllungsort, sowie der Belegenheitsort von Sachen oder Vermögen. aa) Staatsangehörigkeit. Im deutschen Recht wird die internationale Zuständigkeit - im Gegensatz etwa zum französischen Recht (Art. 14, 15 Code Civil) — grundsätzlich nicht durch die Staatsangehörigkeit einer Person bestimmt. Dies gilt in vermögensrechtlichen Streitigkeiten nahezu ausnahmslos. 1 1 4 Danach werden also In- und Ausländer in zuständigkeitsrechtlicher Hinsicht gleich behandelt. Auch ein Deutscher kann mithin vor deutschen Gerichten nur klagen oder verklagt werden, wenn eine Zuständigkeitsanknüpfung iSd §§ 12 ff verwirklicht i s t . 1 1 5 Demgegenüber spielt die Staatsangehörigkeit in Statussachen (Ehe- und Kind- 5 6 schaftssachen) als Anknüpfungskriterium für die internationale Zuständigkeit — ebenso wie für das anwendbare Recht (vgl. Art. 13, 17 ff EGBGB) — eine zentrale Rolle (vgl. §§ 6 0 6 a Abs. 1 Nr. 1, 6 4 0 a Abs. 2 Nr. 1). Über die Staatsangehörigkeit bestimmen auch für die Zwecke der Zuständigkeitsanknüpfung unstreitig die Gesetze des Staates, dessen Staatsangehörigkeit in Rede steht. Ob jemand Deutscher ist und deshalb eine inländische Zuständigkeit in Anspruch nehmen kann, sagt also das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht. 1 1 6 Den deutschen Staatsangehörigen stehen im deutschen Verfahrensrecht diejenigen Personen gleich, die — ohne die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen — Deutsche iSd Art. 1 1 6 Abs. 1 G G sind (Art. 9 Abs. 2 Nr. 5 FamRÄndG). Gleichgestellt sind bei Anwesenheit im Inland auch verschleppte Personen, Flüchtlinge und heimatlose Ausländer, soweit besondere Gesetze die Gleichstellung mit deutschen Staatsangehörigen anordnen. 1 1 7 Dagegen sind Flüchtlinge iS der Genfer Flüchtlingskonvention von 1 9 5 1 und die ihnen durch deutsche Gesetze gleichgestellten Personen (ζ. B. anerkannte Asylberechtigte, § 3 AsylVerfG) hinsichtlich der inländischen Zuständigkeit wie Staatenlose zu behandeln, so daß nicht die Staatsangehörigkeit, sondern der Wohnsitz bzw. gewöhnliche Aufenthalt im Inland zuständigkeitsbegründend w i r k t . 1 1 8 Einem Doppelstaater mit inländischer Staatsangehörigkeit ist die deutsche Heimatzuständigkeit stets zu gewähren; dies gilt auch dann, wenn die Beziehung zu seinem ausländischen Heimatstaat wesentlich enger ist als die zum Inland. Der Schutzcharakter der Heimatzuständigkeit wird nicht dadurch berührt, daß in der Sache möglicherweise ausländisches Recht g i l t . 1 1 9 bb) Erfüllungs- oder Handlungsort. Besonders häufig bedient sich das deutsche Recht zur Anknüpfung besonderer Zuständigkeiten des Ortes, an dem eine bestimmte Handlung sich ereignet hat oder ausgeführt werden soll. Hierher gehören insbesondere die ZPO-Gerichtsstände am Erfüllungsort für Vertragsklagen (§ 2 9 ) , am Abschlußort für Streitigkeiten aus Messe- oder Marktgeschäften (§ 30), sowie am Tatort für deliktische Streitigkeiten (§§ 3 2 , 3 2 a). Für diese Zuständigkeiten spricht insbesondere das gemeinsame Interesse der Parteien an einem sach- und beweisnahen Gerichtsstand.

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Eine Ausnahme bildet § 2 7 Abs. 2; vgl. § 2 7 Rdn. 19. Vgl. Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 72; Geimer IZPR Rdn. 1020 f; MünchKomm/Patzina Rdn. 90. Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 74.

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So für Rechtsstreitigkeiten, die im 6. Buch der ZPO geregelt sind, Art. 3 AHKG 23 über die Rechtsverhältnisse verschleppter Personen und Flüchtlinge vom 17. 3. 1950 (AHK ABl. 140). Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 75. Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 76.

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1. Buch. Allgemeine Vorschriften. 1. Abschnitt. Gerichte

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cc) Belegenheitsort. Aus ähnlichen Erwägungen wird auch der Ort, an dem die streitbefangene Sache oder ein Vermögen belegen ist bzw. verwaltet wird, als Anknüpfung für einen besonderen Gerichtsstand herangezogen. Insoweit sind aus der Z P O zu nennen die Gerichtsstände des Vermögens und des Streitgegenstandes (S 23), des Lageorts (§§ 2 4 - 2 6 ) , der Erbschaft (§§ 27, 28), der Belegenheit von Räumen (§ 29 a), des Wohnungseigentums (§ 29 b) und der Vermögensverwaltung (§31).

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c) Exorbitante Zuständigkeiten. Als exorbitant werden Gerichtsstände bezeichnet, die an international nicht anerkannte Merkmale zur Begründung der internationalen Zuständigkeit anknüpfen. Sie dienen dazu, Rechtsschutzlücken für den Kläger zu schließen, die sich infolge des beklagtenfreundlichen Grundprinzips „actor sequitur forum rei" ergeben können, wenn es an einem klägernahen besonderen Gerichtsstand fehlt und man dem Kläger eine Klage im Ausland nicht zumuten will. Einen solchen Klägergerichtsstand sieht das deutsche Recht etwa in § 23 a für Unterhaltssachen vor. Erheblich weiter gehen Rechtsordnungen, die dem Kläger immer dann einen Gerichtsstand zur Verfügung stellen, wenn er die inländische Staatsangehörigkeit (z. B. in Frankreich Art. 14 Code Civil) oder einen inländischen Wohnsitz (z. B. in den Niederlanden Art. 26 Abs. 3 WPRv) besitzt. Damit wird im Ergebnis der zuständigkeitsrechtliche Beklagtenschutz in sein Gegenteil verkehrt. Vorzuziehen sind daher solche exorbitanten Zuständigkeiten, die einen — sei es auch schwachen — Bezug zum Beklagten haben. Ein solcher Bezug kann durch dessen Person oder dessen Vermögen hergestellt werden. Zur ersten Fallgruppe gehört die internationale Zuständigkeit, kraft schlichten Aufenthalts des Beklagten im Inland im Zeitpunkt der Klagezustellung (sog. „transient rule"). Zur zweiten Fallgruppe gehört der Vermögensgerichtsstand des § 23 S. 1 1. Alt., der auch als „forum arresti" international weit verbreitet ist. 1 2 0 Diese exorbitanten Zuständigkeiten sind grundsätzlich unerwünscht und sollten nach und nach beseitigt werden. Voraussetzung dafür ist freilich, daß der internationale Zivilrechtsverkehr, namentlich die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen, soweit erleichtert wird, daß dem Kläger eine Klage im Ausland zugemutet werden kann. 1 2 1 3. Qualifikation und Auslegung

60

Die zuständigkeitsbegründenden Streitgegenstände (z. B. Vertrag, unerlaubte Handlung, Unterhaltssache etc.) und die Anknüpfungsmerkmale (z. B. Wohnsitz, Erfüllungsort, Tatort, Zweigniederlassung) sind fast ausnahmslos Rechtsbegriffe, deren Präzisierung Qualifikations- und Auslegungsfragen aufwirft. Im einzelnen ist dabei zwischen der Qualifikation bzw. Auslegung 1 2 2 von Zuständigkeitsnormen im autonomen deutschen Recht und in Staatsverträgen zu unterscheiden. a) Autonomes deutsches Recht. Soweit die Zuständigkeitsvorschriften des autonomen Rechts zur Anwendung kommen, ist grundsätzlich nach deutschem Recht als der lex fori zu qualifizieren und auszulegen. 1 2 3 Dies gilt sowohl für die Qualifikation von Sammelbegriffen wie für die Auslegung und Präzisierung von Anknüpfungsmomenten mit materiellrechtlichem Gehalt. Eine Ausnahme ist insbesondere 120 121 122

Vgl. näher Schuck Z Z P 97 (1984), 50 ff m w N . Zutr. Schock IZVR Rdn. 196. Zur Unterscheidung zwischen Qualifikation und Auslegung in diesem Zusammenhang vgl. Kropboller Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 79.

228

123

Riezler IZPR S. 137; Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 80 f; Linke IZPR Rdn. 131; kritisch Schröder S. 135 ff.

Rainer Hausmann

2. Titel. Gerichtsstand

Vor § 12

für die Feststellung einer ausländischen Staatsangehörigkeit anerkannt; sie beurteilt sich stets nach dem Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit in Rede steht (s. o. Rdn. 56). Der Grundsatz der lex fori-Ankniipfung wird im deutschen Recht ferner vor allem für die Bestimmung des vertraglichen Erfüllungsorts durchbrochen, wo auf das Vertragsstatut (lex causae) abgestellt wird (s. u. § 2 9 Rdn. 122). b) Staatsverträge. Für die Zuständigkeitsnormen in Staatsverträgen gelten hinge- 6 1 gen die besonderen Auslegungsregeln des Einheitsrechts. 1 2 4 Danach muß Ziel der Auslegung vor allem die Rechtsanwendungsgleichheit in den Mitgliedsstaaten des jeweiligen Staatsvertrages sein. Daraus folgt, daß dem Wortlaut der staatsvertraglichen Normen besondere Bedeutung zukommt und daß der Text nach Möglichkeit „autonom", d. h. „aus sich selbst heraus" auszulegen ist. 1 2 5 Methodisch steht vor allem der Zweck des Staatsvertrages (teleologische Auslegung) und die Berücksichtigung der Rechtsprechung und Doktrin der anderen Mitgliedsstaaten (rechtsvergleichende Auslegung) im Vordergrund. Besonderheiten gelten insoweit für die Auslegung des EuGVÜ, weil hier mit dem EuGH ein gemeinsames supranationales Gericht zur Verfügung steht, das die international einheitliche Auslegung dieses Übereinkommens gewährleistet. 126 An einer solchen einheitlichen Auslegungsinstanz fehlt es hingegen für das Lugano-Übereinkommen; jedoch formuliert das dem Übereinkommen beigefügte Protokoll Nr. 2 verschiedene Auslegungsgrundsätze, die sowohl vom EuGH wie von den nationalen Gerichten zu beachten sind. 1 2 7 ΙΠ. Einzelprobleme 1. Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht Schrifttum Batiffol Observations sur les liens de la compétence judiciaire et de la compétence législative, FS Kollewijn Offerhaus ( 1 9 6 2 ) S. 5 5 ; Breuleux Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht (Zürich 1 9 6 9 ) ; Bystricky Internationale Zuständigkeit (Jurisdiktion) und Sachstatut — Anknüpfungspunkte im IZPR und IPR, in: Zeitgenössische Fragen des internationalen Zivilverfahrensrecht ( 1 9 7 2 ) S. 6 7 ; Ehrenzweig A Proper Law in a Proper Forum, Oklahoma L. Rev. 18 ( 1 9 6 5 ) 3 4 0 ; Gamtllscheg Internationale Zuständigkeit und Entscheidungsharmonie im IPR, BerDGV 3 ( 1 9 5 9 ) 2 9 ; Gonzales Campos Lès liens entre la compétence judiciaire et la compétence législative en droit international privé, Ree. des Cours 1 5 6 (1977-111) 2 2 7 ; Hay The Interrelation of Jurisdiction and Choice of Law in United States Conflicts Law, ICLQ 2 8 ( 1 9 7 9 ) 1 6 1 ; Hébraud De la corrélation entre la loi applicable à un litige et le juge compétent pour en connaître, Rev. crit. 5 7 ( 1 9 6 8 ) 2 0 5 ; Heldrich Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht ( 1 9 6 9 ) ; Nolde Anwendbares Recht und Gerichtsstand im IPR, ZVglRWiss 5 4 ( 1 9 4 1 ) 2 9 2 ; von Overbeck Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, SchwJblntR 21 ( 1 9 6 4 / 6 5 ) 2 5 ; Schwimann Internationale Zuständigkeit in Abhängigkeit von der lex causae? RabelsZ 3 4 ( 1 9 7 0 ) 2 0 1 ; Wasserstein Fassberg The Forum: Its Role and Significance in Choice of Law, ZVglRWiss 84 ( 1 9 8 5 ) 1.

a) Abhängigkeit des anwendbaren Rechts vom Forum. Der Forumstaat bezeich- 6 2 net durch sein Kollisionsrecht das anwendbare materielle Recht; denn Ausgangspunkt der kollisionsrechtlichen Einordnung eines Sachverhalts ist für den Richter stets das eigene IPR. Die Entscheidung über die internationale Zuständigkeit stellt 124

125

Dazu ausführlich Kropholler Einheitsrecht (1975) S. 2 3 5 ff.

Internationales

126

Zur Auslegungskompetenz des EuGH im Rahmen des EuGVÜ s . u . § 4 0 Anh. I Einl. Rdn.

127

Vgl. dazu näher § 4 0 Anh. II Rdn. 2 2 ff.

Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 82; Linke IZPR Rdn. 132.

16 ff.

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Vor § 12

1. Buch. Allgemeine Vorschriften. 1. Abschnitt. Gerichte

daher, solange das Kollisionsrecht nicht durch Staatsverträge vollständig vereinheitlicht ist, nicht selten die entscheidende Weiche für den Prozeßgewinn oder -verlust. 1 2 8 Daß der Kläger mit der Wahl des Forums mittelbar Einfluß auf das anwendbare Sachrecht nehmen kann, schafft daher einen der wesentlichen Anreize zum forum shopping (dazu o. Rdn. 76 ff). 63

b) Abhängigkeit des Forums vom anwendbaren Recht. Von größerem Interesse in diesem Zusammenhang sind indessen Rückwirkungen des anwendbaren Rechts auf die internationale Zuständigkeit: aa) Positiver Gleichlauf. Eine Abhängigkeit der Zuständigkeit vom anwendbaren materiellen Recht (sog. forum legis) ist im deutschen Recht insbesondere in Nachlaßsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit anerkannt. 1 2 9 Auf dem Gebiet der streitigen Gerichtsbarkeit ist sie insbesondere für Gestaltungsklagen vorgeschlagen worden. 1 3 0 In vermögensrechtlichen Angelegenheiten der §§ 12 ff ist ein Gleichlauf hingegen bisher nur in § 27 Abs. 2 vorgesehen. Eine Ausweitung dieses forum legis — etwa nach englischem Vorbild auf sämtliche Vertragsstreitigkeiten 131 — ist nicht empfehlenswert, denn Rechtsnähe allein ist regelmäßig kein ausreichender Zuständigkeitsgrund. 1 3 2 Die Schwäche eines forum legis besteht vor allem darin, daß die internationale Zuständigkeit von — häufig schwer zu beantwortenden — kollisionsrechtlichen Vorfragen abhängt und damit die Vorhersehbarkeit des Gerichtsstands beeinträchtigt wird. 1 3 3

64

bb) Negativer Gleichlauf. Ziel von Gleichlaufüberlegungen kann nicht nur eine Erweiterung, sondern auch die Einschränkung inländischer Zuständigkeit sein. 1 3 4 So kann diese bei Anwendbarkeit ausländischen Rechts davon abhängig gemacht werden, daß der lex causae-Staat die inländischen Gerichte für zuständig erklärt oder zumindest ihre Entscheidung anerkennt; auch kann die inländische Zuständigkeit verneint werden, wenn der Staat, dessen Recht maßgebend ist, eine ausschließliche Zuständigkeit beansprucht. 1 3 5 Gerechtfertigt wird dieser negative Gleichlauf vor allem mit dem Streben nach internationaler Entscheidungsgleichheit. Namentlich in Statussachen sollen auf diese Weise „hinkende" Rechtsverhältnisse vermieden werden. 1 3 6 Im geltenden Zivilprozeßrecht finden sich Restbestände eines solchen negativen Gleichlaufs allein noch in § 606 a Abs. 1 Nr. 4, wenn die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte in Ehesachen von Ausländern versagt wird, sofern die zu fällende Entscheidung des deutschen Gerichts offensichtlich im Heimatstaat keines der Ehegatten anerkannt wird. Insgesamt bewertet die Z P O damit das Interesse an inländischem Rechtsschutz grundsätzlich höher als die internationale Entscheidungsgleichheit und überläßt es damit der Entscheidung des Klägers, 128 129

130

131

Vgl. Schuck IZVR Rdn. 215. Vgl. BayObLGZ 1986, 469 = NJW 1987,1148; BayObLG NJW-RR 1991, 1099; Heldrich S. 199 ff; ders. in Palandt 53 Art. 25 EGBGB Rdn. 18 mwN. So Heldrich S. 181 ff; mit Einschränkungen auch Riezler IZPR S. 241 ff; dagegen Schröder S. 513 ff, 522; Geimer IZPR Rdn. 1050 ff; Schuck IZVR Rdn. 507. RSC Order 11, Rule 1 (1) (d) (iii); vgl. dazu Amin Rasheed Shipping Corporation v. Kuwait Insurance Company [1983] 2 All ER 884, 891 (H. L.).

230

132

Zutr. Schwimann Internationales Zivilverfahrensrecht (1979) S. 27 ff, 33; Hay ICLQ 1979, 171; Schuck IZVR Rdn. 216; Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 115; Schröder S. 504 ff; Geimer IZPR Rdn. 1041 ff; Linke IZPR Rdn. 134; MünchKomm/Paizwa Rdn. 108. 133 Zutr. Schuck IZVR Rdn. 216. 134 Yg] d a z u namentlich Neuhaus Die Grundbegriffe des IPR (1976) S. 429 f. 135 Vgl. zu den einzelnen Gestaltungsmöglichkeiten näher Heldrich S. 223 ff. 136 Vgl. näher Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 116 ff.

Rainer H a u s m a n n

2. Titel. Gerichtsstand

Vor § 12

ob er im Inland eine hinkende Entscheidung herbeiführen oder das zuständige ausländische Gericht anrufen will. Jedenfalls in vermögensrechtlichen Streitigkeiten hat die Leichtigkeit und Sicherheit der Rechtsverfolgung unbedingten Vorrang vor der internationalen Entscheidungsgleichheit. 137 Die Nichtanerkennung im Staate der lex causae bedeutet hier vor allem, daß die Entscheidung dort nicht vollstreckt werden kann. Die Abwägung dieses Nachteils gegenüber einer etwaigen Vollstreckungsmöglichkeit im Inland oder in einem Drittstaat kann die Zuständigkeitsordnung indes getrost dem Kläger überlassen. 1 3 8 cc) Parallelität der Anknüpfung. Die Nachteile eines strikten Gleichlaufs von Zuständigkeit und anwendbarem Recht lassen sich vermeiden, wenn der Gesetzgeber nicht die Rechtsnähe als solche die Zuständigkeit begründen läßt, sondern stattdessen für die Zuständigkeit und das anwendbare Recht dieselben Anknüpfungspunkte benutzt, beide Ebenen also parallel schaltet. Beispiele hierfür finden sich insbesondere in Statussachen, wo Staatsangehörigkeit und/oder gewöhnlicher Aufenthalt häufig sowohl die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach §§ 6 0 6 a Abs. 1, 6 4 0 a Abs. 2 als auch die Anwendbarkeit deutschen Rechts nach Art. 13 ff, 19 ff E G B G B begründen. Eine Parallelität der Anknüpfungen findet sich ferner im internationalen Deliktsrecht, wo IPR wie IZPR primär an den Tatort anknüpfen (vgl. dazu näher § 3 2 Rdn. 6 5 ff). Zu einem strikten Gleichlauf führt die Parallelität der Anknüpfung freilich nur dann, wenn die Zuständigkeit für ausschließlich erklärt und eine Rechtswahl ausgeschlossen wird. 1 3 9 Dies trifft im deutschen Recht im wesentlichen nur auf Klagen zu, die dingliche Rechte an einem Grundstück betreffen (vgl. § 24). Im übrigen führt die zunehmende Ausdifferenzierung des Kollisionsrechts, der das Prozeßrecht nicht folgen kann, unvermeidlich zu einer Verminderung der Parallelität. Dies zeigt sich namentlich im internationalen Vertragsrecht, wo auch bei Fehlen einer Rechtswahl nicht — wie für den Gerichtsstand (vgl. § 2 9 ) — auf den Erfüllungsort der streitigen Verpflichtung abgestellt wird, sondern auf die engste Verbindung des Vertrages mit einer bestimmten Rechtsordnung. Ferner haben auch die Bestrebungen zur Auflockerung des Deliktstatuts dazu geführt, daß es im IPR nicht nur — wie beim Gerichtsstand (vgl. § 32) — auf den Tatort ankommt, sondern daß etwa durch ein gemeinsames Personalstatut der Beteiligten oder eine akzessorische Anknüpfung ein anderes Recht als das Tatortrecht berufen werden kann. Auch entspricht der bevorstehenden Kodifizierung des Kollisionsrecht der gesetzlichen Schuldverhältnisse (Geschäftsführung ohne Auftrag, ungerechtfertigte Bereicherung) kein eigener Gerichtsstand. Insoweit vertraut der Gesetzgeber mit Recht darauf, daß das anwendbare inländische Recht auch von einem ausländischen Gericht zutreffend angewandt werden k a n n . 1 4 0

65

2 . Internationale Zuständigkeit und örtliche Zuständigkeit Wegen der funktionellen Verschiedenheit von internationaler und örtlicher Zuständigkeit werden beide Zuständigkeitsarten zunehmend gesondert normiert. Im deutschen autonomen Recht gilt dies etwa in Ehe- und Kindschaftssachen, sowie für weite Bereiche der freiwilligen Gerichtsbarkeit (s. o. Rdn. 47). Vor allem beschränkt sich aber die Regelung in Staatsverträgen häufig auf die internationale Zuständigkeit und überläßt die Frage der örtlichen Zuständigkeit dem nationalen Recht der Vertragsstaaten. 137 138

Ceimer IZPR Rdn. 1006; Linke IZPR Rdn. 134. Zutr. Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 132.

139 140

Vgl. Heldrich S. 62; Schack IZVR Rdn. 217. Vgl. Geimer IZPR Rdn. 885 ff; Schack IZVR Rdn. 217.

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Vor § 12

1. Buch. Allgemeine Vorschriften. 1. Abschnitt. Gerichte

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a) Mangelnde internationale Zuständigkeit trotz örtlicher Zuständigkeit. So schließen neuere Staatsverträge etwa die auf bestimmte — exorbitante — Anknüpfungspunkte gestützte internationale Zuständigkeit aus, lassen jedoch die entsprechende örtliche Zuständigkeit unberührt. Dies gilt etwa nach Art. 3 Abs. 2 EuGVÜ/ LugÜ für den deutschen Vermögensgerichtsstand in § 23. Ferner kann einem ausländischen Staat ein international ausschließlicher Gerichtsstand zuerkannt werden, wie ζ. B. bei Klagen über dingliche Rechte an ausländischen Grundstücken; auch in diesen Fällen fehlt den deutschen Gerichten die internationale Zuständigkeit trotz Bestehens eines inländischen Gerichtsstandes, ζ. B. am Wohnsitz des Beklagten (s. u. Rdn. 71 ff). Weiterhin wird für bestimmte Klagen ein Ausschiuß der internationalen Zuständigkeit „ratione materiae" befürwortet, so ζ. B. für Klagen über Bestand und Umfang von ausländischen Patenten oder anderen territorial begrenzten Schutzrechten (vgl. Art. 16 Nr. 3, 4 EuGVÜ), 1 4 1 sowie für ausländische öffentlich-rechtliche Ansprüche, ζ. B. Steuerforderungen einer ausländischen Gemeinde. 1 4 2 Schließlich ist das örtlich zuständige deutsche Gericht in besonders gelagerten Ausnahmefällen als „forum non conveniens" international unzuständig (dazu näher u. Rdn. 9 0 ff).

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b) Mangelnde örtliche Zuständigkeit trotz internationaler Zuständigkeit. Ebenso wie die internationale Zuständigkeit trotz gegebener örtlicher Zuständigkeit mitunter ausgeschlossen ist, sind auch Fälle denkbar, in denen die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte besteht, eine örtliche Zuständigkeit jedoch nicht ersichtlich ist. aa) Fallgruppen. In Betracht kommen Fälle, in denen die internationale Zuständigkeit an die Staatsangehörigkeit der Parteien anknüpft; denn dieses Anknüpfungsmerkmal ist innerhalb eines Staates nicht unterscheidungskräftig und deshalb für die Bestimmung eines örtlichen Gerichtsstandes ungeeignet. Weiterhin kann eine Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien sich auf die internationale Zuständigkeit beschränken, ohne ein örtlich zuständiges Gericht zu bezeichnen (s. u. § 38 Rdn. 62). Darüber hinaus begründen vor allem Staatsverträge nicht selten eine internationale Zuständigkeit, der in den einzelnen Vertragsstaaten keine örtliche Zuständigkeit entspricht. Dies galt etwa bis zur Einfügung eines Art. 1 a in das Ausführungsgesetz zur C M R durch Gesetz vom 5. 7. 1989 (BGBl. II S. 586) für die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Landes, in dem der Übernahme- bzw. Ablieferungsort für das zu befördernde Gut lag (Art. 31 Abs. 1 Nr. 2 C M R ) 1 4 3 und gilt heute noch für die internationale Zuständigkeit in Verbrauchersachen nach Art. 14 Abs. 1 2. Alt. EuGVÜ/LugÜ. 1 4 4 Schließlich kann eine Notzuständigkeit im Inland zur Vermeidung einer Justizverweigerung anzuerkennen sein (s. u. Rdn. 87).

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bb) Bestimmung eines Ersatzgerichts. Das geltende deutsche Recht normiert für die Fälle einer deutschen internationalen Staatsangehörigkeitszuständigkeit einen örtlichen Ersatzgerichtsstand. Danach werden subsidiär teils das AG Schöneberg in Berlin (so in Statussachen §§ 6 0 6 Abs. 3, 6 4 0 a Abs. 1 S. 2, 641 a Abs. 1 S. 4), teils auch die Gerichte am Sitz der Bundesregierung in Bonn bzw. — künftig — in Berlin (vgl. § 15 Abs. 1 S. 2, 2 7 Abs. 2) für zuständig erklärt. Für die gesetzlich nicht geregelten Fälle deutscher internationaler Zuständigkeit, in denen es an einem örtlich zuständigen deutschen Gericht fehlt, ist die Lösung hingegen streitig. Teilweise wird 141

142

Vgl. OLG Hamm NJW-RR 1986, 1047; Weigel S. 123 ff; dazu auch u. Rdn. 95. Vgl. Riezler IZPR S. 230 ff; Matthies S. 34, 38; Krophotler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 138;

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143 144

Stein/Jonas/Schumann Einl. Rdn. 760 f; dazu auch u. Rdn. 96. Dazu näher § 40 Anh. III Abschn. 1.4 Rdn. 3. Dazu näher § 40 Anh. I Art. 14 Rdn. 2 ff.

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2 . Titel. Gerichtsstand

Vor § 12

angenommen, die internationale Zuständigkeit gehe mangels bestimmter örtlicher Zuständigkeit ins Leere und die Klage sei deshalb als unzulässig abzuweisen. 1 4 5 Gegen diese Auffassung spricht indes, daß die Wertentscheidung, die zur Bejahung der internationalen Zuständigkeit geführt hat, nicht mangels örtlicher Zuständigkeit wieder aufgehoben werden d a r f . 1 4 6 Dies gilt in jedem Falle, wenn eine staatsvertragliche Verpflichtung zur Gewährung der internationalen Zuständigkeit besteht. 1 4 7 Da ein Wahlrecht des K l ä g e r s 1 4 8 die Klägerinteressen überbetont und die Gefahr des Rechtsmißbrauchs in sich birgt, eine Gerichtsstandsbestimmung in Analogie zu § 3 6 1 4 9 aber den Rechtsschutz unnötig komplizieren würde, ist mit der h M — in Analogie zu §§ 15 Abs. 1 S. 2 , 2 7 Abs. 2 - eine örtliche Ersatzzuständigkeit des Gerichts der Hauptstadt anzunehmen. 1 5 0 Hat der Kläger seinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland, so sollte die örtliche Zuständigkeit hingegen nach dem Vorbild der §§ 2 3 a, 6 0 6 Abs. 2, 6 4 1 a Abs. 1 dort eröffnet werden. Ergibt sich die internationale Zuständigkeit aus einem Staatsvertrag, ohne daß das autonome deutsche Recht einen örtlichen Gerichtsstand bereitstellt, so sollte man hingegen die im internationalen Recht bestehende Lücke im Wege einer Projizierung der staatsvertraglichen Regelung auf die Ebene der örtlichen Zuständigkeit schließen. 1 5 1 Im Interesse der Rechtssicherheit dürfte sich de lege ferenda die Schaffung einer einheitlichen Bestimmung über den örtlichen Ersatzgerichtsstand bei gegebener internationaler Zuständigkeit empfehlen. 1 5 2

70

3. Ausschließliche internationale Zuständigkeit Ausschließliche Zuständigkeiten sind im internationalen Zivilprozeßrecht nur 7 1 selten berechtigt, weil sie die Rechtsverfolgung übermäßig erschweren. Anzuerkennen sind — außer dem vereinbarten ausschließlichen Gerichtsstand — der Gerichtsstand für dingliche Klagen sowie für Miet- und Pachtstreitigkeiten in bezug auf Grundstücke bzw. Räume (§§ 2 4 , 2 9 a ; Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ), der Gerichtsstand für Klagen auf Feststellung des Bestehens einer juristischen Person (Art. 1 6 Nr. 2 E u G V Ü ) und der Gerichtsstand betreffend die Gültigkeit von Patenten und ähnlichen gewerblichen Schutzrechten (Art. 16 Nr. 3, 4 E u G V Ü ) . 1 5 3 Für diese Materien konnte über die Auschließlichkeit auch auf europäischer Ebene Konsens erzielt werden, weil ein öffentliches Interesse im Belegenheits-, Sitz- bzw. Registrierungsstaat allgemein anerkannt wird.

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Vgl. ids etwa Neuner S. 53; Reu S. 86; Kralik ZZP 74 (1961), 17 f; ebenso zuletzt wieder (zu Art. 14 Abs. 1 EuGVÜ) OLG München NJWRR 1993, 701, 702; de Lousanoff GS Arens (1993) S. 255. Mit Recht ablehnend daher Matthies S. 52 f; Schröder S. 215; Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 145. Kropholler aaO (vorige Fn.); aA OLG München NJW-RR 1993, 701; de Lousanoff GS Arens (1993) S. 255. Vgl. ferner u. § 40 Anh. I Art. 14 Rdn. 2 ff und Anh. III Abschn. 1.4 Rdn. 3 mwN. Dafür etwa Schröder S. 215 (internationale Notzuständigkeit) und S. 468 (Gerichtsstandsvereinbarung). Dafür Stein/jonaslSchumann Einl. Rdn. 769; de lege ferenda ferner Pagenstecher RabelsZ 11 (1937) 381; Matthies S. 57; Weigel S. 59 f.

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Dafür Neuhaus RabelsZ 20 (1955) 260 und J Z 1966, 241; Walchshöfer ZZP 80 (1969) 2 0 4 f; Heldrich S. 195 ff; Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 145; Rosenberg/Schwab/Gotti^aW § 20 III 2. Ebenso für den Fall einer auf die internationale Zuständigkeit beschränkten Prorogation MünchKomm/Patzina Rdn. 88. Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 146; aA BGHZ 79, 332 = NJW 1981, 1902 (abl. Kropholler); OLG Düsseldorf VersR 1981, 1081 (zu Art. 31 CMR); OLG München NJW-RR 1993, 701, 7 0 2 (zu Art. 14 Abs. 1 EuGVÜ). Vgl. den Vorschlag bei Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 147. Abweichend Geimer IZPR Rdn. 878 ff, der nach eingehender Analyse der Interessen jede ausschließliche internationale Zuständigkeit ablehnt.

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Vor § 12 72

1. Buch. Allgemeine Vorschriften. 1. Abschnitt. Gerichte

a) Ausschließliche internationale und örtliche Zuständigkeit. Der Grundsatz der Doppelfunktionalität gilt grundsätzlich auch für ausschließliche Gerichtsstände. Demnach ist ein örtlich ausschließlich zuständiges deutsches Gericht idR auch international ausschließlich zuständig. In gewissen Fällen kann es freilich berechtigt sein, diese Parallelität zu durchbrechen. 1 5 4 aa) Konkurrierende internationale Zuständigkeit trotz ausschließlicher örtlicher Zuständigkeit. Mitunter sprechen gute Gründe dafür, zwar eine ausschließliche örtliche Zuständigkeit zu statuieren, ohne daß diese Zuständigkeit jedoch auch international ausschließlich sein müßte. So bezweckt die Anordnung eines ausschließlichen örtlichen Gerichtsstands in Ehe- und Kindschaftssachen (§§ 606, 640 a Abs. 1), das Verfahren im Interesse einer sachnahen Entscheidung am Schwerpunkt des zu beurteilenden Lebensverhältnisses durchzuführen. Demgegenüber legen die Interessen der Parteien in internationalen Rechtsstreitigkeiten eine liberale Zulassung auch ausländischer Zuständigkeiten nahe. Denn die Inanspruchnahme einer ausschließlichen internationalen Zuständigkeit würde die Anerkennung ausländischer Entscheidungen, die am gewöhnlichen Aufenthaltsort oder im Heimatstaat einer Partei ergangen sind, ausschließen und damit die Entstehung hinkender Rechtsverhältnisse begünstigen. Demgemäß bestimmen § § 606 a Abs. 1 S. 2, 6 4 0 a Abs. 2 S. 2 ausdrücklich, daß die dort normierten Zuständigkeiten international nicht ausschließlich sind.

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bb) Ausschließlich internationale Zuständigkeit trotz konkurrierender örtlicher Zuständigkeit. Mitunter besteht — umgekehrt — ein Interesse nur daran, daß überhaupt ein inländisches Gericht entscheidet, die Zuständigkeit der Gerichte fremder Staaten also keinesfalls anerkannt werden soll; demgegenüber ist die Frage, welches inländische Gericht entscheidet, nur von untergeordneter Bedeutung, so daß alle allgemeinen und besonderen Gerichtsstände zur Wahl des Klägers bestehen bleiben. Im Anwendungsbereich des E u G V Ü gilt dies etwa für Klagen, welche die Pacht von Grundstücken zum Gegenstand h a b e n , 1 5 5 sowie für Klagen über die Gültigkeit von Eintragungen in öffentliche Register oder über die Gültigkeit von Patenten, Warenzeichen, Mustern und ähnlichen Rechten. 1 5 6

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b) Beachtung ausländischer ausschließlicher Zuständigkeit. Grundsätzlich wird die inländische Zuständigkeit nicht dadurch berührt, daß ein ausländischer Staat eine ausschließliche Zuständigkeit beansprucht. Vielmehr bestimmt unser eigenes internationales Verfahrensrecht, wann ein ausschließlicher Gerichtsstand im Ausland mit der Folge anzuerkennen ist, daß für die betreffende Streitigkeit die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte zu verneinen und auch eine Proroga-

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Für eine eigenständige Interessenwertung auch Stein/Jonas /Schumann Einl. Rdn. 766; Kropholler H d b . I Z V R I Kap. III Rdn. 153 ff. Der B G H hat die Frage, wieweit ein ausschließlicher Gerichtsstand zugleich zwingend die deutsche internationale Zuständigkeit begründet, bisher offengelassen, vgl. B G H Z 5 9 , 124, 128 = Z Z P 8 2 (1969), 3 0 2 (Walchshöfer).

155

Art. 16 Nr. 1 E u G V Ü hat hinsichtlich der Pacht von unbebauten Grundstücken in den §§ 12 ff keine Entsprechung; auch in Streitigkeiten betreffend die Landpacht iS der SS 5 8 5 ff B G B ist

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nur eine ausschließliche sachliche Zuständigkeit des Landwirtschaftsgerichts ( S 2 L w V G ) vorgesehen; der örtliche Gerichtsstand nach S 10 L w V G a m Sitz der Hofstelle, der gem. S 4 8 Abs. 1 S. 2 L w V G auch im streitigen Verfahren gilt, begründet hingegen nur eine fakultative Zuständigkeit. 156

Auch der internationalen Zuständigkeit nach Art. 16 Nr. 3 und 4 E u G V Ü korrespondiert keine ausschließliche örtliche Zuständigkeit im deutschen Recht.

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2. Titel. Gerichtsstand

Vor § 12

tion nicht wirksam ist. 1 5 7 Die Frage, wann ein ausländischer Gerichtsstand in Deutschland als ausschließlich zu gelten hat, wird idR nur für ganz bestimmte Vorschriften erörtert, namentlich für Grundstücksklagen (§ 24) sowie für Rechtsstreitigkeiten über Raummiete bzw. -pacht (§ 2 9 a ) . 1 5 8 Im Grundsatz sollte man spiegelbildlich zu den Fällen, in denen wir selbst eine ausschließlich internationale Zuständigkeit beanspruchen, auch eine ausschließliche Zuständigkeit ausländischer Gerichte anerkennen. Denn die Zuständigkeitsinteressen, die zur Normierung der deutschen ausschließlichen Zuständigkeit geführt haben — ζ. B. besondere Sachnähe des Gerichts, Schutz der schwächeren Partei etc. — sprechen im allgemeinen in gleicher Weise für die ausschließliche Zuständigkeit ausländischer Gerichte, wenn das Anknüpfungsmoment ins Ausland weist. 1 5 9 Dies hat jedenfalls dann zu gelten, wenn auch der betreffende ausländische Staat eine ausschließliche Zuständigkeit seiner Gerichte in Anspruch nimmt. 1 6 0 c) Alternative ausschließliche Zuständigkeit. Mitunter werden dem Kläger auch 7 5 mehrere ausschließliche Gerichtsstände alternativ zur Wahl gestellt. Das autonome deutsche Recht sieht eine solche alternative Ausschließlichkeit namentlich für Klagen aufgrund des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb vor, wo der Kläger nur zwischen dem Niederlassungsort des Beklagten und dem Begehungsort der Wettbewerbsverletzung die Wahl hat. 1 6 1 Das EuGVÜ 1989 und das Lugano-Übereinkommen bestimmen einen alternativ ausschließlichen Gerichtsstand für Klagen aus der kurzfristigen Vermietung und Verpachtung von (Ferien-)Wohnungen (Art. 16 Nr. l b ) . 1 6 2 In diesen Fällen steht die ausschließliche internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts der Anrufung eines alternativ ebenfalls zuständigen ausländischen Gerichts und der Anerkennung des dort ergangenen ausländischen Urteils nicht entgegen. Hingegen kann durch Prorogation ( § 3 8 ) oder rügelose Einlassung (§ 39) ein weiterer Gerichtsstand nicht wirksam begründet werden (§ 4 0 Abs. 2). 4. Forum shopping Schrifttum Baer Injunctions Against the Prosecution of Litigation Abroad: Towards a Transnational Approach, Stanford L. Rev. 3 7 ( 1 9 8 4 ) 1 5 5 ; Hartley Comity and the Use of Antisuit Injunctions in International Litigation, Anm. J. Comp. L. 3 5 ( 1 9 8 7 ) 4 8 7 ; Jasper Forum shopping in England und Deutschland ( 1 9 9 0 ) ; Juenger Der Kampf ums Forum: Forum Shopping, RabelsZ 4 6 ( 1 9 8 2 ) 7 0 8 ; ders. Forum Shopping, Domestic and International, Tulane L. Rev. 6 3 ( 1 9 8 9 ) 5 5 3 ; Kropholler Das Unbehagen am forum shopping, FS Firsching ( 1 9 8 5 ) S. 1 6 5 ; Kurth Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten ( 1 9 8 9 ) ; Graf Praschtna Die Einwirkung auf ausländische Prozesse durch Unterlassungs- und Schadensersatzklagen, Diss. Saarbrücken ( 1 9 7 1 ) ; G. Roth Zulässiges forum shopping? IPRax 1 9 8 4 , 1 8 3 ; Samtleben Forum Fixing, RabelsZ 4 6 ( 1 9 8 2 ) 7 1 6 ; Schröder The Right not to be Sued Abroad, FS Kegel ( 1 9 8 7 ) S. 5 2 3 ; Siehr „Forum Shopping" im internationalen Rechtsverkehr, ZfRV 1 9 8 4 , 124. '

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OLG Düsseldorf NJW 1969, 380 und AWD 1973, 401 (Kropholler); Schütze DIZPR S. 33; Kropholler Hdb. IZVR I Kap. III Rdn. 156; MünchKomm/P 2 2 * O L G Hamburg MDR 1965, 141; OLG Koblenz NJW-RR 1992, 1464; Kahlke mene

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z z p

95

(1982)> 3 0 0

Teplitzky J u S 1969>

318

^ M D R 1970 w 6 R o s e „ w ^ M G o t t w a l d S 25 II 6 b; Stein/Jonas/ßoÄ Rdn· ^ ZöllerWollkämmer Rdn. 1; Baumbach/ Tbomas/Putzo Lauterbach/Hartman„ Rdn. 1; ^ R G Z 6 6 4 6 4 7 jjFHE GrS 134, Rdn j 3 2 5 Fn

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m

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§47

1. Buch. Allgemeine Vorschriften. 1. Abschnitt. Gerichte

Rdn. 4 sowie Erl. zu § 44, 6, § 46, 3, 8), weil sie in Kauf nimmt, daß ein befangener Richter über die Hauptsache entscheidet. Dies soll nach teilweise vertretener Auffassung sogar dazu führen, daß die sofortige Beschwerde unzulässig wird (Erl. zu § 46, 8). Ein einwandfreies Verfahren in der Hauptsache, das auch in der Rechtsmittelinstanz Bestand haben kann, ist nur gewährleistet, wenn rechtskräftig feststeht, daß die Ablehnung ungerechtfertigt ist. Dementsprechend muß § 4 7 ausgelegt werden. Durch diese spezielle Vorschrift wird § 572 verdrängt. Gegenüber dem Zweck der §§ 42, 4 7 hat der von Vertretern der Gegenansicht bemühte Beschleunigungsgrundsatz 6 kein Gewicht. Es besteht kein berechtigtes Bedürfnis, daß das Verfahren durch einen möglicherweise befangenen Richter fortgesetzt wird. Im übrigen kann das Beschwerdeverfahren zügig durchgeführt werden. II. Gegenstand des Handlungsverbots 3

Der abgelehnte Richter darf nur noch unaufschiebbare Handlungen vornehmen. Eine Handlung gestattet keinen Aufschub, wenn durch die Unterlassung wesentliche Nachteile für den Verfahrensgegner der ablehnenden Partei drohen 7 , d. h. Gefahr im Verzuge ist 8 . Maßgeblich ist die Eilbedürftigkeit der Handlung, nicht der voraussichtliche Erfolg des Ablehnungsgesuchs.9 Als unaufschiebbare Handlungen kommen danach u. a. in Betracht: eilbedürftige Beweissicherungsmaßnahmen, Arrest und einstweilige Verfügung; sitzungspolizeiliche Maßnahmen10, Durchführung eines Zwangsversteigerungstermins (ohne Zuschlagsentscheidung) 11 sowie Terminsaufhebungen, die nach § 4 7 geboten sind 1 2 . Aufschiebbar ist insbesondere jede endgültige Sachentscheidung 13 , aber auch die Entscheidung über ein Wiedereinsetzungsgesuch und über die Zulässigkeit eines Rechtsmittels 14 . Die Entscheidung des Gerichts, eine für unaufschiebbar gehaltene Maßnahme vorzunehmen, kann selbständig nicht mit der Beschwerde angefochten werden (s. u. Rdn. 4 ) . 1 5 ΙΠ. Rechtsfolgen bei Verstoß

4

Die Prozeßhandlungen, die der Richter unter Verstoß gegen die Wartepflicht vornimmt, bleiben unabhängig vom Ausgang des Ablehnungsverfahrens wirksam. 1 6 Der Verfahrensfehler kann auf dem Rechtsmittelweg im Hauptsacheverfahren nur geltend gemacht werden, wenn das Ablehnungsgesuch Erfolg hat. 1 7 Die Entscheidung im Zwischenverfahren nach § § 44 ff ist für das Hauptsacheverfahren maßgeb5 2 5 , 5 2 9 = BB 1982, 6 0 5 (auszugsweise); BFHE 1 2 5 , 1 2 , 14 ff = BB 1978, 9 0 3 ; KG MDR 1954, 7 5 0 ; OLG Frankfurt OLGZ 1992, 3 8 3 = MDR 1992, 4 0 9 ; W M 1992, 1089; OVG Münster NJW 1990, 1749; ausführlich Günther MDR 1989, 6 9 1 , 695. 6 7 8 9 10

11

MünchKomm-ZPO/Fe/fcer Rdn. 4. OLG Celle NJW-RR 1989, 569. BPatG GRUR 1985, 3 7 3 . Hahn Mat. II 1, 165. OLG Hamburg L Z 1928, 8 5 4 Nr. 8 (LS); LSG Essen NJW 1973, 2 2 2 4 (nur wenn die durch Ordnungsstrafe zu ahnende Handlung nach Anbringung des Ablehnungsgesuchs vorgenommen wird). OLG Celle NJW-RR 1989, 569; ZöllerWoll-

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kämmer § 49, 4; aA LG Konstanz Rpfl. 1983, 4 9 0 mit abl. Anm. Weber. BPatG GRUR 1985, 3 7 3 ; LG Kiel Rpfl. 1988, 5 4 4 m. Anm. Wabnitz (betr. Zwangsversteigerungsverfahren). Nach Zöller/Vollkommer Rdn. 3; Baumbach/ Lauterbach/Hartmann Rdn. 3; Thomas/Putzo Rdn. 1 soll uU der Erlaß eines Endurteils in Betracht kommen; dagegen mit Recht Stein/Jonas/ Bork Rdn. 2; AK/Wassermann Rdn. 2. R G J W 1935, 2 8 9 5 (Nr. 17). RG SeuffArch. Bd. 4 6 aF (1891), Nr. 2 1 8 , S. 352. Zöller/Vollkommer Rdn. 4. Offengelassen von BGH NJW 1993, 4 0 0 .

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4 . Titel. Ausschließung und Ablehnung

§48

lieh. Wegen der Anfechtungsmöglichkeiten in verschiedenen Verfahrensstadien s. Erl. zu § 46, 8. Wird das Gesuch rechtskräftig zurückgewiesen, kommt der möglicherweise unterlaufene Verstoß gegen § § 4 1 und 47 nicht mehr als Verfahrensfehler in Betracht. 18 Liegt ein Ausschließungsgrund ( § 4 1 ) vor und wird dieser nicht in einem Ableh- 5 nungsverfahren verneint (Erl. zu § 41, 15), stellen sich alle Handlungen des ausgeschlossenen Richters als verfahrensfehlerhaft dar, auch die etwa unaufschiebbaren. Da der ausgeschlossene Richter ohne weiteres Verfahren auszuscheiden hat und sogleich zu ersetzen ist, wird es kaum jemals erforderlich sein, daß er (unaufschiebbare) Handlungen vornimmt. In jedem Zweifelsfall wird er sich weiterer Amtsausübung enthalten. 19 Er könnte sonst uU einen neuen Ablehnungsgrund schaffen. 20

§ 4 8

(1) Das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs zuständige Gericht hat auch dann zu entscheiden, wenn ein solches Gesuch nicht angebracht ist, ein Richter aber von einem Verhältnis Anzeige macht, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte, oder wenn aus anderer Veranlassung Zweifel darüber entstehen, ob ein Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen sei. (2) Die Entscheidung ergeht ohne Gehör der Parteien.

I. Die sogenannte Selbstablehnung (Abs. 1, 1. Halbs.) In dem ersten Fall, den Abs. 1 betrifft, hat der Richter die Amtspflicht, Tatsachen 1 anzuzeigen, die nach seiner Überzeugung eine Befangenheitsablehnung rechtfertigen. 1 Als Gründe kommen diejenigen in Betracht, die auch die Parteien geltend machen könnten. Ein Ablehnungsgrund kann sich unter besonderen Umständen auch aus einem ernsthaften Gewissenskonflikt ergeben, der den Richter daran hindert, nach positivem Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) zu entscheiden. Solange der Richter davon überzeugt ist, daß kein Ablehnungs- oder Ausschließungsgrund ( § 4 1 ) vorliegt, braucht er sich nicht zu äußern. Sobald sich indessen Zweifel einstellen, sollte er die zugrundeliegenden Tatsachen anzeigen, damit das zuständige Gericht entscheiden kann. Verletzt der Richter seine Mitteilungspflicht, ist dies nach hA 2 eine innere Angelegenheit des Gerichts, die von den Parteien nicht mit einem Rechtsmittel angegriffen werden kann. 3 Diese Ansicht ist im Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG für die Fälle abzulehnen, in denen ein Ermessensmißbrauch des Richters vorliegt und der Ablehnungsgrund von den Parteien nicht rechtzeitig (Erl. zu § 44, 6) geltend gemacht werden konnte.

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RG JW 1902, 249 (Nr. 2); BVerfG ZIP 1988, 174, 175 aE; BayVerfGH NJW 1 9 8 2 , 1 7 4 6 ; KG MDR 1977, 673; OLG Frankfurt MDR 1992, 409; WM 1992, 1088, 1089. So zutr. Stein/Jonas/ßorA Rdn. 4. BayObLG FamRZ 1988, 743 = MDR 1988, 500; OLG Hamburg NJW 1992, 1462; OLG Bremen OLGZ 1992, 485. Stein/Jonas¡Bork Rdn. 3; ZöllerIVollkommer Rdn. 4 m. Hinw. a. BVerfGE 46, 38 = J Z 1977, 792.

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BGH ZZP 67 (1954), 302 = LM Nr. 4 zu S 302 ZPO; Stein/Jonas/ßor* Rdn. 3 aE; MünchKomm-ZPO/Feiber Rdn. 2; Bedenken dagegen bei ZöllerIVollkommer Rdn. 11 und — für Fälle der groben Pflichtwidrigkeit, etwa Ermessensmißbrauch des Richters - bei Teplitzky JuS 1969, 325 Fn. 109 aE. So auch BGH ZZP 67 (1954), 302; LM Nr. 3 zu § 48 ZPO; NJW 1993, 400, 401.

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§48

1. Buch. Allgemeine Vorschriften. 1. Abschnitt. Gerichte

Π. Prüfung der Ausschließung (Abs. 1, 2. Halbs.) 2

Ist dem Richter persönlich ein Ausschließungsgrund ( § 4 1 ) bekannt, muß er ihn gleichfalls mitteilen. Die entsprechende Prüfungspflicht hat das (Kollegial-)Gericht in jedem Stadium des Verfahrens; sie bezieht sich nur auf Ausschließungsgründe, nicht aber auf Ablehnungs-/Selbstablehnungsgründe (§ 4 2 ) . 4 Ein Mitglied des Gerichts ist verfahrensrechtlich auch nicht legitimiert, den Parteien Verdachtsgründe gegen die Unparteilichkeit eines anderen Richters mitzuteilen, um eine Fremdablehnung zu ermöglichen. 5

ffl. Wartepflicht 3

Die Wartepflicht nach § 4 7 gilt entsprechend. Sie besteht, sobald ein Richter Anzeige gemäß Abs. 1 , 1 . Halbs, macht oder ein Mitglied des Kollegiums Zweifel im Sinne des 2. Halbs, vorbringt.

IV. Anhörung der Beteiligten 4

Nach früher herrschender Meinung 6 stellt das Verfahren nach § 48 ein Gerichtsinternum dar, weil die Entscheidung nach Abs. 2 ohne Gehör der Parteien ergeht. Durch Beschluß vom 8. 6. 1993 hat das BVerfG 7 dagegen entschieden, daß der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) es gebietet, den Verfahrensbeteiligten die Selbstanzeige mitzuteilen, damit sie Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Frage, ob Befangenheitsgründe gegen die Mitwirkung eines Richters sprechen, berührt die prozessuale Rechtsstellung der Beteiligten (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG). Da es bei der Verfassungsbeschwerde unmittelbar nur um die Anwendung des § 30 StPO ging, hat das BVerfG ausdrücklich offengelassen, ob § 48 Abs. 2 ZPO verfassungswidrig ist oder verfassungskonform ausgelegt werden kann. Wegen der eindeutigen Formulierung des Abs. 2 wird er als grundgesetzwidrig angesehen werden müssen. 8 Da es sich um nachkonstitutionelles Recht handelt (G. v. 12. 9. 1950, BGBl. S. 4 5 5 , 468), besteht dann die Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 G G . 9

V. Entscheidung 5

Dem Richter ist es verwehrt, nach eigenem Entschluß auszuscheiden. Nach Abs. 1 hat das für die Erledigung eines Ablehnungsgrundes zuständige Gericht (§ 45) zu entscheiden. § 4 5 Abs. 2 S. 2 gilt daher für die Selbstablehnung eines Richters beim Amtsgericht nicht (allgem. M.). Einer klarstellenden Entscheidung bedarf 4

5 6

Zöiiei/Vollkommer Rdn. 6; Baumbach/Lauterbach/Hartmann Rdn. 2. AA Zöller/Vollkommer Rdn. 6. BGH NJW 1970, 1644; Waldner Der Anspruch auf rechtliches Gehör (1989), Rdn. 297; Stein/ Jonas/Leipold20 Rdn. 4; MünchKomm-ZPO/feber Rdn. 3; Zöller/Vollkommer Rdn. 9; Baumbach/Lauterbach/Hartmött« Rdn. 5; Thomas/ Putzo Rdn. 3; aA Jauernig § 14 II; Metzner ZZP 97 (1984), 196; Pentz JR 1967, 85, 87; E. Schneider JR 1977, 270; ders. MDR 1990, 596, 598; MUWassermann Rdn. 4; Wieczorek2

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Anm. Β II b, III b; IV a; Bedenken auch bei Günther VerwArch. 1991, 179, 182 Fn. 17. BVerfG NJW 1993, 2229; aA BVerfG (2. Kammer des Zweiten Senats) NVwZ 1993,55 = NJW 1993, 847 (LS). AA (verfassungskonforme Auslegung) OLG Zweibrücken FamRZ 1994, 520 aufgrund eines Hinweises der Berichterstatterin des 1. Senats des BVerfG. AA Vollkommer EWiR § 48 ZPO 1/93, 929, 930.

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4. Titel. Ausschließung und Ablehnung

§ 49

es auch, wenn Zweifel darüber bestehen, ob ein Richter nach § 41 ausgeschlossen ist oder nicht. Das nach § 45 zuständige Gericht kann nach § 4 4 Abs. 3 von dem Richter eine dienstliche Äußerung einholen. Die Entscheidung muß den Parteien mitgeteilt werden. Von der Entscheidung bleibt das Recht der Parteien unberührt, Ablehnungsanträge zu stellen und Ausschlußgründe mit Rechtsbehelfen (§§ 539, 551 Nr. 2, 5 7 9 Abs. 1 Nr. 2) geltend zu machen. Ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nach § 48 steht den Parteien nicht zu. Auch für den ausgeschiedenen Richter ist ein Beschwerderecht gesetzlich nicht vorgesehen. 10 Eine Kostenentscheidung ergeht nicht.

§49 Die Vorschriften dieses Titels sind auf den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle entsprechend anzuwenden; die Entscheidung ergeht durch das Gericht, bei dem er angestellt ist. I. Geltungsbereich § 4 9 betrifft die Urkundsbeamten, mit denen die Geschäftsstellen zu besetzen 1 sind, § 153 GVG. Handelt ein Referendar als Urkundsbeamter, gilt § 4 9 ebenfalls. Die Vorschrift erfaßt jede Tätigkeit in der Funktion eines Urkundsbeamten, ζ. B. Protokollierung (§ 159) oder Erteilung einer Vollstreckungsklausel (§ 724). Der Ausschiuß des Gerichtsvollziehers ist in § 155 GVG besonders geregelt. Ein am Kostenfestsetzungsverfahren beteiligter Bezirksrevisor kann nicht wegen Befangenheit abgelehnt werden. 1 S. im übrigen Erl. Vor § 41, 5 ff. II. Anwendung der § § 4 1 - 4 8 Entsprechend anzuwenden sind die § § 4 1 bis 48. Die Probleme der Ausschlie- 2 ßung ( § 4 1 ) und Ablehnung (§ 42) haben jedoch wenig praktische Bedeutung, weil der Urkundsbeamte jederzeit ohne förmliches Verfahren ausgetauscht werden kann. § 41 Nr. 4 kommt in Betracht, wenn ein Referendar als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle ein Protokoll aufnimmt, der zuvor in derselben Sache als Anwaltsvertreter tätig war. 2 § 41 Nr. 6 ist entsprechend anzuwenden, wenn der Urkundsbeamte in der Sache früher als Rechtspfleger tätig war, ζ. B. bei Erlaß eines Mahnbescheids oder im Kostenfestsetzungsverfahren. 3 Der Kostenbeamte, der die Kostenrechnung aufgestellt hat, kann nicht über die Erinnerung gegen den Kostenansatz entscheiden. 4 Ein Verwandtschaftsverhältnis zum Richter ist kein Ausschließungsgrund. 5 Die Präklusionswirkung des § 43 tritt ein, wenn die Partei vor dem Urkundsbeamten in seiner amtlichen Eigenschaft handelt, ohne ein Ablehnungsgesuch wegen Befangenheit anzubringen. 6 Abweichend von § 45 entscheidet während des 10

1 2

BGH ZZP 67 (1954) 302; OLG Köln OLG Rspr. Bd. 35 (1917), 31; OLG Bremen FamRZ 1976, 112; Stein/Jonas/Borfc Rdn. 4; MünchKomm-ZPO/Feiber Rdn. 4; '¿öUerl Vollkommer Rdn. 11; aA Teplitzky JuS 1969, 325 Fn. 109; Wieczorek2 Anm. Β IV b 1, 2. OLG Koblenz MDR 1985, 257. OLG Dresden OLG Rspr. Bd. 23 (1911), 159.

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Baumbach/Lauterbach/Harima«« Rdn. 1; aA MünchKomm-ZPO/Fe/fcer Rdn. 3; Zöller/Vollkommer Rdn. 1. BayObLG Rpfl. 1974, 391. Zbüer/Vollkommer Rdn. 1 halten in solchen Fällen Ablehnung (§ 42) für denkbar. Stein/Jonas/ßorfc Rdn. 3.

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§49

1. Buch. Allgemeine Vorschriften. 1. Abschnitt. Gerichte

Verfahrens gemäß Halbs. 2 das Gericht, vor dem verhandelt wird, ggf. also auch der Einzelrichter (§§ 348 ff) 7 . Der Ablehnungsantrag kann vor dem Urkundsbeamten zu Protokoll erklärt werden; § 4 7 greift erst ein, wenn das Ablehnungsgesuch dem Gericht vorliegt. 8 Selbstablehnung nach § 48 ist möglich.

ΙΠ. Mitwirkung eines ausgeschlossenen Urkundsbeamten 3

Ist ein ausgeschlossener oder erfolgreich abgelehnter Urkundsbeamter tätig geworden, muß seine Handlung soweit möglich wiederholt werden. 9 Stammt das Protokoll von einem ausgeschlossenen Urkundsbeamten, hat es nicht die Beweiskraft des § 165, so daß das Urteil auf der unzulässigen Mitwirkung beruhen kann. 1 0 Da der Urkundsbeamte nicht am Erlaß des Urteils mitwirkt, ist ein absoluter Revisionsund Nichtigkeitsgrund nach §§ 5 5 1 Nr. 2, 3, 5 7 9 Abs. 1 Nr. 2, 3 nicht gegeben.

IV. Rechtspfleger 4

Der Rechtspfleger fällt nicht unter § 4 9 . 1 1 Nach § 10 RPflG sind die für den Richter geltenden Vorschriften, also auch § § 4 1 bis 48 entsprechend anzuwenden. Über das Ablehnungsgesuch ( § 4 4 ) oder über die sog. Selbstablehnung ( § 4 8 ) entscheidet der nach § 2 8 RPflG zuständige Richter, § 10 S. 2 RPflG. Gegen den Beschluß des Richters, durch den das Gesuch zurückgewiesen wird, ist die sofortige Beschwerde zum LG statthaft. Für das Verfahren gelten die gleichen Grundsätze, die für die Richterablehnung gelten. 1 2 Offensichtlich mißbräuchliche Gesuche kann auch der Rechtspfleger selbst verwerfen. 13 Dagegen ist die Erinnerung nach § 11 Abs. 1 RPflG zulässig. Hat sie keinen Erfolg, findet die sofortige Beschwerde gem. § 11 Abs. 3 RPflG iVm. § 4 6 Abs. 2 statt. Der abgelehnte Rechtspfleger hat grundsätzlich die Wartepflicht, § 4 7 , zu beachten. Die Durchführung eines Zwangsversteigerungstermins ist als unaufschiebbare Maßnahme anzusehen, sofern der Ablehnungsantrag nicht mehr rechtzeitig erledigt werden kann (str.). Die Entscheidung über den Zuschlag darf jedoch erst getroffen werden, wenn über das Befangenheitsgesuch gegen den Rechtspfleger endgültig entschieden ist. 1 4

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Entsprechend § 41 Nr. 6 kann der Rechtspfleger, der als Kostenbeamter die Kostenrechnung aufgestellt hat, nicht in der gleichen Sache über die Erinnerung gegen den Kostenansatz entscheiden. 15 Die Besorgnis der Befangenheit kann beispielsweise gegeben sein, wenn der Rechtspfleger im Konkursverfahren versucht, die Ausübung des Stimmrechts durch einen Gläubiger zu beeinflussen. 16 Andererseits rechtfertigt die Erfüllung der Aufklärungs- und Hinweispflicht nach § 139 auf keinen Fall eine Ablehnung. Im Zwangsversteigerungsverfahren kann der Rechtspfleger uU auch verfassungsrechtlich verpflichtet sein, eine Antragsrücknahme anzuregen, um zu verhindern, daß es zu einem großen Vermögensverlust kommt. 1 7

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Rosenberg/Schwab/GotttftfM § 26 I 3. MünchKomm-ZPO/Fe¿éer Rdn. 3. Rosenberg/Schwab/GoififaW § 26 I 3. OLG Dresden OLG Rspr. Bd. 23 (1911), 159. Zu seiner Rechtsstellung allgemein Habscheid Rpfl. 1989, 434; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 26 II.

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OLG Frankfurt OLGZ 1980, 110. OLG Celle NJW-RR 1989, 569. OLG Celle NJW-RR 1989, 569. BayObLGZ 1974, 329, 333 = Rpfl. 1974, 391, 393. LG Düsseldorf ZIP 1985, 631. BVerfGE 42, 64 = NJW 1976, 1391.

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