Zeitalter der Verflechtungen: Deutsche und indische Intellektuelle zwischen Kaiserreich und Empire [Aus dem Amerikanischen von Regina M. Schneider ed.] 9783110706178, 9783110706048

International 2019 Merck-Tagore Award Age of Entanglement explores the patterns of connection linking German and India

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German Pages 420 [424] Year 2022

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Zeitalter der Verflechtungen: Deutsche und indische Intellektuelle zwischen Kaiserreich und Empire [Aus dem Amerikanischen von Regina M. Schneider ed.]
 9783110706178, 9783110706048

Table of contents :
Dank
Inhalt
Hinweis zu Bezeichnungen und Transliteration
Einleitung
I Phasen der Verflechtung
1 Deutsche Intellektuelle in Britisch-Indien
2 Indische Untertanen außerhalb des Empire
3 Deutsche Visionen eines asiatisierten Europa
4 Indische Visionen einer germanischen Heimstatt
II Begegnungsfelder
5 Der physische Kosmos
6 Internationale Ökonomien
7 Marxistische Totalität
8 Geokulturelle Ganzheiten
9 Im Reich der Psychoanalyse
10 Künstlerische Welten
11 Eine neue Ordnung
Epilog
Anmerkungen
Quellen und ausgewählte Literatur
Personenregister

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Kris Manjapra Zeitalter der Verflechtungen

Kris Manjapra

Zeitalter der Verflechtungen Deutsche und indische Intellektuelle zwischen Kaiserreich und Empire Aus dem Amerikanischen von Regina M. Schneider

Diese Publikation entstand mit Förderung des Goethe-Instituts. Die Übersetzung dieses Buches wurde mit Mitteln des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg gefördert und ausgezeichnet.

Der Originaltext wurde für die deutsche Ausgabe gründlich durchgesehen und korrigiert. Die Übersetzerin Regina M. Schneider ist Amerikanistin (M.A.) und seit Jahren als Literaturübersetzerin etabliert. Für ihre Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Daneben ist sie Dozentin an Universitäten und Hochschulen im In- und Ausland.

ISBN 978-3-11-070604-8 e-ISBN (PDF) 978-3-11-070617-8 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-070626-0 Library of Congress Control Number: 2022935015 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Copyright © 2014 by the President and Fellows of Harvard College Translated from the English language: AGE OF ENTANGLEMENT: GERMAN AND INDIAN INTELLECTUALS ACROSS EMPIRE First published in the U.S. by: Harvard University Press Einbandabbildung: © Deutsches Literaturarchiv Marbach/Rabindra-Bhavan Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Für meinen Vater Krishnan Variath Manjapra

Dank Dieses Buch zu schreiben brauchte seine Zeit. Es war ein langer Weg, auf dem ich von großzügiger Hilfe profitiert habe. Wenn alle die, die mir auf diesem Weg geholfen haben, in diesem Buch einen Eindruck dessen wiederfinden können, was sie mir geschenkt haben, wäre mir das die größte Freude. In Zeiten, als mich die Motivation beim Schreiben zu verlassen schien, dachte ich an all die Kollegen, Mentoren und Freunde, die mich unterstützt haben. Diese Momente des kurzen Innehaltens und der Dankbarkeit haben mich immer wieder angetrieben weiterzumachen. Für eventuell fehlerhafte oder unvollkommene Stellen trage ich allein die Verantwortung. Ich danke David Blackbourn dafür, mir als Forscher ein Vorbild gewesen zu sein und mich unentwegt ermutigt zu haben. Ebenso gilt mein Dank Sugata Bose, die mir treue Mentorin und Freundin war und viele wertvolle Gedanken und intellektuelle Anregungen beigetragen hat. Peter Gordon danke ich aufrichtig für unseren so bereichernden Austausch. Ein großer Dank gebührt auch meinen akademischen Lehrern, zu allererst Louis Miller, ohne dessen Hilfe und Ermutigung ich mich wohl nie auf diesen Weg gemacht hätte. Und ich danke dem mittlerweile verstorbenen Donald Fleming – ein brillanter Maestro seines Fachs und eine Seele von Mensch und Mentor. Dank eines Postdoc-Stipendiums der Alexander von Humboldt-Stiftung sowie eines Stipendiums des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) war es mir möglich, Recherchen in Deutschland durchzuführen und dieses Buch zum Abschluss bringen. Während meines Humboldt-Stipendienjahres an der Freien Universität Berlin war Sebastian Conrad mein Gastvater, dem ich in vielerlei Hinsicht zu großem Dank verpflichtet bin. Ein Mellon Postdoctoral Fellowship an der UCLA verschaffte mir die nötige Zeit, mein Manuskript auszuarbeiten. Die fachkundige Begleitung und Unterstützung von Françoise Lionnet und Shu-mei Shih an der UCLA kann ich nicht hoch genug schätzen. Beziehungen zum Institute of Commonwealth Studies an der University of London sowie ein Gaststipendium am History Department des University College London halfen mir, meine Arbeit zu vervollständigen. Ein herzliches Dankeschön geht an die Bibliotheksund Archivmitarbeiter der vielen Institutionen, die meine Recherche ermöglicht haben. Die Namen der Institutionen sind im Literaturverzeichnis aufgeführt. Ich wünschte nur, ich hätte mir die Namen all derer merken können, die diese Institutionen zu einem so freundlichen und angenehmen Ort für mich gemacht haben. Ich habe davon profitiert, Auszüge dieser Arbeit an verschiedenen Orten zu präsentieren. So geht meine Hochachtung und mein Dank an meine Zuhörer an

VIII

Dank

der Cambridge University, der Witswatersrand University, der Harvard University, der Viswa Bharati University, der BRAC University, der Humboldt-Universität zu Berlin und der Freien Universität Berlin, die mir ihr geneigtes kritisches Ohr geschenkt und durch kluge Einwürfe und Nachfragen das Projekt vorangebracht haben. Im Zuge meiner Recherchen musste ich immer wieder kühn in neue Wissensgebiete vordringen. Ich danke Skúli Sigurdsson, Kamal Datta, Matthew Povich und Jahnavi Phalkey, die mich auf meinem Abenteuer durch die Welt der Physik an die Hand genommen haben. Und ich danke Debashree Banerjee für ihre Hilfe bei meinen Filmstudien. Ein besonderer Dank gilt all den Wissenschaftlern, die Rohfassungen von Teilen meiner Arbeit gelesen und hilfreiche, gründliche Kommentare abgegeben haben. Die Feedbacks von Andrew Zimmerman, Nina Berman, Sheldon Pollock, Christiane Hartnack und Susannah Heschel möchte ich hier besonders hervorheben. Mein größter Dank aber gilt Suzanne Marchand für unsere vielen anregenden Gespräche und die so dringend benötigte Motivation, die sie mir in besonders schwierigen Phasen immer wieder gegeben hat, auch dafür, dass sie die Schlussversion meines Manuskripts aufmerksam gelesen und ihm den letzten Schliff gegeben hat. Die aufschlussreichen Kommentare von Adam McKeown zum Manuskript waren von unschätzbarem Wert. Cemil Aydin war mir auf den letzten Metern dieses Buches eine hilfreiche Stütze. Danken möchte ich auch den vielen anderen wissenschaftlichen Wegbegleitern für ihre Ermutigung und Denkanstöße, insbesondere Tim Harper, Javed Majeed, Dilip Menon, Kiran Patel, Neilesh Bose, Iftekhar Iqbal, C. A. Bayly, Anthony La Vopa, Dhruv Raina, Bruce Mazlish, Joya Chatterji, Anthony Grafton, Olivier Remaud, Astrid Eckert, Pieter Judson, Quinn Slobodian, Andreas Eckert, Sanjay Subrahmaniam, Aamir Mufti und Vinayak Chaturvedi. Björn Blass arbeitete mit Eifer und Präzision an vielen Aspekten zur Manuskript-Vorbereitung. Ohne die Freundschaft vieler Einzelner hätte ich die Arbeit an diesem Buch wohl kaum schaffen können. Danke, dass ihr mir die Dinge leichter gemacht habt: Zeenat Potia, Abby Collins, Guenther Bisges, Miguel de Baca, Lambert Williams, Nico Slate, Stephan Link, Shirley Ye, Andrew Rueb, Howard Axelrod, Robert Fanion, Radiclani Clytus, Randy Sachs, James Savage, Thomas Brennan, Martin Kämpchen und Monika Golembiewski. Im Vorfeld zu diesem Buch profitierte ich von anregenden Diskussionen am Kaffee- oder Esstisch vieler großzügiger Mentoren. Ich danke vor allem Partha Mitter, Uma Dasgupta und Leonard Gordon. Leonard Gordon las einen vorletzten Entwurf des vollständigen Manuskripts und gab mir ein wichtiges Feedback; seine freundlichen, ermutigenden Worte haben mich auf den letzten Etappen begleitet. Der Platz hier reicht bei weitem nicht aus,

Dank

IX

um alle zu nennen, aber ich hoffe sehr, einen Weg zu finden, den vielen Freunden zu danken, die hier ungenannt geblieben sind. Andrew Kinney, mein Lektor bei Harvard University Press, hat das Beste in meiner Arbeit gesehen und mir geholfen, es an die Oberfläche zu bringen. Von seinen hellsichtigen Kommentaren und seiner helfenden Hand hat dieses Buch enorm profitiert. Mein Dank gilt den Redakteuren und Mitarbeitern der Harvard University Press ebenso wie den anonymen Rezensenten für ihr Engagement bei diesem Projekt. Ich habe das Glück, im wunderbar kollegialen History Department der Tufts University mit so inspirierenden Kollegen zusammenarbeiten zu dürfen. Danke vor allem an Jeanne Penvenne für ihre Freundschaft. Sol Gittelman fand stets die richtigen Worte zur richtigen Zeit. Und ein besonderer Dank gilt Ayesha Jalal für ihre durchgehende Unterstützung, die vielen Gespräche und die Zusammenarbeit. Auch meine Familie hat mich unterstützt und meine Freude an der Arbeit noch größer gemacht. Meine Gefühle sind gar nicht so einfach in Worte zu fassen, aber ich will es versuchen: Ohne dich, Saugato Datta, hätte ich all das nicht geschafft, du hast mich unterstützt, egal wie groß die Herausforderungen waren. Meine Mutter Jeanile, du hast mich stets daran erinnert, das Wichtigste nicht aus den Augen zu verlieren. Und Lucia Volk, du bist und bleibst mir liebe Freundin, große Schwester und eine Quelle des Lichts. Dieses Buch ist meinem Vater gewidmet. Mit ihm hat alles angefangen, in vielerlei Hinsicht. Und auch wenn er vor vielen Jahren starb, habe ich mich ihm in der Schlussphase des Buches ungewöhnlich nahe gefühlt. Ich erinnere mich oft an eines seiner liebsten Sprichwörter: „Erst leben, dann philosophieren!“ Und ja, da ist wohl viel Wahres dran.

Inhalt Hinweis zu Bezeichnungen und Transliteration

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Einleitung 1 Verflechtungen – genauer betrachtet 5 9 Post-Aufklärung Der historische Verlauf der Verflechtung 12

I Phasen der Verflechtung 

Deutsche Intellektuelle in Britisch-Indien 19 Personalnot im Empire 24 27 Spazialisten im Mutterland und vor Ort Wissenschaftliche Verzweigungen in der Orientalistik Das deutsche Leitbild in Indien 36 Ein Weltreich der Aufklärung bröckelt 40

29



45 Indische Untertanen außerhalb des Empire Großbritannien als Schirmherr Europas 47 49 Der neue Internationalismus Weltordnung im Wandel 57



Deutsche Visionen eines asiatisierten Europa 60 Geschwisterneid und Rivalität 63 66 Schopenhauer – der Star der Stunde Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel 69 Popularisierung und Publikation 72 Buddha als Pop-Ikone in der Post-Aufklärung 75 Gegen die „Morgenländerei“ 78 Rechtsgerichtete Orientalisten und das Gefühl der Unterlegenheit Arische Studien nach Versailles 85 Erzwungenes Exil 92



Indische Visionen einer germanischen Heimstatt 97 (Reise-)Wege nach Deutschland Aufbau einer indischen Präsenz in Deutschland Katalyse-Zentrum Berlin 103

95 98

80

XII

Inhalt

Transnationale Verflechtungen indischer Akteure und Institutionen 110 Dialog in Bedrängnis

II Begegnungsfelder 

Der physische Kosmos 119 121 Physik-Olympiade Wissenschaftlicher Internationalismus 124 Auf der Suche nach einem Modell 127 134 Deutsche Professoren für internationale Wissenschaft Ein prekäres Jahrzehnt 140 Internationalismus und indische „Großforschung“ 142 145 Indisch-deutsche Kollegen: C. V. Raman und Max Born Ringen um wissenschaftliche Bedeutung 151



Internationale Ökonomien 153 155 Wurzeln internationaler Verflechtungen Welt-Kapitalismus neu interpretiert 159 Deutsche Welt-Wirtschaft und bengalische Welt-Kräfte 166 Radhakamal Mukherjee und deutsche Leitbilder Kapitalistischer Antiliberalismus 171 Die Macht der indischen Dörfer 177







Marxistische Totalität 182 Die Erfindung und der Begriff der Arbeit Beziehungen zwischen Europa und Asien Revolution 190 Die „Liga gegen Imperialismus“ 194 Furtwängler in Indien 196 Dialog im Exil 200

182 186

Geokulturelle Ganzheiten 203 Deutsche Heimat und das Projekt Shantiniketan 205 Widerspruch gegen das historische Narrativ des Empire 212 Geopolitik nach der Niederlage Feuer mit Feuer bekämpfen 217 Im Reich der Psychoanalyse 225 Psychoanalyse als radikale Wissenschaft

161

231

208

106

Inhalt

Methodische Debatten 237 Psychoanalyse zwischen imperialer und nationalistischer Identität Carl Gustav Jung und andere deutsche Neomystiker 245  Künstlerische Welten 253 255 Das verflochtene Vermächtnis der Stella Kramrisch Indisch-nationalistischer Expressionismus 258 261 Bauhaus in Kalkutta – Bengal School in Berlin Etablierung der Kunstgeschichte an Universitäten 264 Künstlerischer Internationalismus 267 273 Kino und indische Kreativität Die deutsche Gefahr im Filmgeschäft 275 Kinopublikum und indische Kreative 281 286 Das „Dorf“ als Kulisse  Eine neue Ordnung 291 295 „Unterentwicklung“ als geopolitische Identität Westdeutsches Geld, ostdeutsche Kulturdiplomatie 297 Ostdeutschland 300 Epilog

305

Anmerkungen 309 309 Einleitung  Deutsche Intellektuelle in Britisch-Indien 312  Indische Untertanen außerhalb des Empire 318  Deutsche Visionen eines asiatisierten Europa 322  Indische Visionen einer germanischen Heimstatt 334  Der physische Kosmos 342  Internationale Ökonomien 349  Marxistische Totalität 354  Geokulturelle Ganzheiten 359  Im Reich der Psychoanalyse 363  Künstlerische Welten 367  Eine neue Ordnung 374 376 Epilog Quellen und ausgewählte Literatur Archive 377

377

XIII

241

XIV

Inhalt

Primärquellen 378 382 Sekundärliteratur Personenregister

400

Hinweis zu Bezeichnungen und Transliteration In diesem Text werden historische Persönlichkeiten mit ihrem vollen Namen oder ihrem Nachnamen genannt, außer in einigen wenigen Sonderfällen, in denen es eine feste Konvention gibt, den Vornamen als verkürzte Form der Identifizierung zu verwenden, wie im Fall der bengalischen Persönlichkeiten Bankim (Bankimchandra Chattopadhyaya), Aurobindo (Aurobindo Ghosh) und Rabindranath (Rabindranath Tagore). Bei Verweisen auf bengalische Buchtitel oder bei Zitaten aus bengalischen Quellen hat der Autor bengalische Wörter mit diakritischen Zeichen nach einem Standardsystem romanisiert. Bengalische Personennamen und Ortsnamen wurden ohne diakritische Zeichen transkribiert, wobei die bekanntesten und gebräuchlichsten Schreibweisen verwendet werden. Wir hoffen, dass dadurch ein Gleichgewicht aus Genauigkeit und Lesbarkeit erreicht wird.

Einleitung Es gab eine Zeit, da stellte der deutsche Nationalismus die Idee von Europa auf ähnliche Weise in Frage wie es der indische antikoloniale Nationalismus mit der Idee des British Empire tat. Obgleich durch ein immenses Machtgefälle getrennt, strebten Deutsche und Inder gemeinsam danach, die vom britischen Imperium organisierte Weltordnung des 19. Jahrhunderts zu zerstören. Im späten 19. Jahrhundert begannen Deutsche und Inder, jeweils in einer Vielzahl imperialer Systeme verankert, aber auf verschiedenen Seiten der kolonialen Trennlinie angesiedelt, sich des jeweils anderen zu bedienen, um die bestehende Weltordnung aufzubrechen und neu zu organisieren. Sie nutzten die Bildungs- und Wissenschaftsinstitutionen sowie die Ruhm und Anerkennung verheißenden Plattformen des jeweils anderen, um sich im politischen Rampenlicht der Weltbühne zu profilieren.1 In einer Zeit, da der politische Zusammenhalt Europas sowie die innere Integrität der europäischen Reiche zu bröckeln begann, kamen Deutsche nach Indien und Inder in deutschsprachige Länder – mit der selbstbewussten Haltung zukünftiger Machthaber in einem neuen Weltsystem. Dieses Bild von zukünftigen Machthabern, die zwischen dem deutschen Europa und Indien hin und her reisten, kann als historisches Ereignis ebenso wie als Metapher betrachtet werden. Das historische Ereignis: Erzherzog Franz Ferdinand, dreißig Jahre alt, und zu dieser Zeit designierter Thronfolger ÖsterreichUngarns, begab sich im Winter 1892 auf eine Reise durch Indien. Auf dieser Expeditionsreise sammelte er eine große Zahl von Artefakten, mit denen er sich gerne fotografieren ließ.2 Fast zwei Jahrzehnte später, im Jahr 1911, reiste erneut ein Thronerbe nach Indien, Kronprinz Wilhelm von Deutschland, dreißig Jahre alt, ältester Sohn von Kaiser Wilhelm II., Urenkel der britischen Königin Victoria und Erbe des deutschen Reiches. Der Kronprinz reiste mit allem Prunk durch Bombay, Allahabad, Delhi, Jaipur, Abbotabad, Benares, Hyderabad und Kalkutta, wobei er auch die neuesten Errungenschaften der deutsch-imperialen Ingenieurskunst vorführte. In einer Geste der Extravaganz fuhr er auf der Messe von Ahmedabad mit der technisch modernsten Edelkarosse aus dem Hause Siemens vor, mit der er schließlich den Preis für Industrielle Eleganz gewann. Auf der indischen Messebühne, diesem theatrum mundi im Kleinen, sollte der Auftritt des deutschen Kronprinzen als Metapher für die wachsende Macht „deutscher Ideen in der Welt“ dienen.3 Diese Zurschaustellung wissenschaftlicher Errungenschaften aus Deutschland fiel zeitlich zusammen mit nicht weniger auffälligen intellektuellen Demonstrationen indischer Nationalisten. Im Februar 1911 verlieh Asutosh Mukherjee, ein Anführer der indischen Nationalisten und Vizekanzler der University of https://doi.org/10.1515/9783110706178-001

2

Einleitung

Calcutta, dem Kronprinzen in einer feierlichen Festveranstaltung die Ehrendoktorwürde, was die britische Kolonialverwaltung schwer verärgerte. Bei der feierlichen Eröffnung des Akademischen Jahres bezeichnete Asutosh Mukherjee die Begegnung mit Kronprinz Wilhelm als einen Moment der Anerkennung der indischen Nation auch außerhalb der Grenzen des Empire, über imperiale Grenzen hinaus. Der Besuch, so fuhr er fort, „erinnert uns und die ganze Welt dort draußen daran, dass die Beziehungen, die Interessen und die Sympathien unserer Universität über das hinausgehen, was man üblicherweise denkt“.4 Mukherjees Worte finden zehn Jahre später einen seltsam anmutenden Nachhall bei Paul Natorp, dem bedeutenden deutschen Philosophen, der 1921 den Deutschlandbesuch von Mukherjees Freund Rabindranath Tagore kommentierte. Rabindranath Tagore, Literatur-Nobelpreisträger 1913 und der seinerzeit wohl prominenteste kulturelle Brückenbauer und Wortführer des antikolonialen Nationalismus in Indien, präsentierte sich 1921 dem deutschen Publikum als viśvakabi – also als Weltpoet, eine Art Zauberer der universellen Wahrheit. Natorp, der Rabindranaths Lieder, Gedichte und Dramen mit seinen Studenten und auch zu Hause mit seiner Frau und seinen Kindern las, feierte den indischen Prospero „als einen Bruder und Freund, [der] zu uns kam und wieder ging, uns aus der Ferne aber weiterhin stets nahe ist“.5 Zu eben jener Zeit begannen also sowohl Deutsche als auch Inder, ihr kulturelles und intellektuelles Potential im jeweils anderen Land vorzuführen und zu verbreiten. Doch denkt man einen kurzen Moment darüber nach, wird klar: die Bedeutung imperialer Reisetätigkeiten der Deutschen nach Indien kann nicht unbedingt mit der Bedeutung antikolonialer Reisetätigkeiten der Inder nach Deutschland gleichgesetzt werden. Vielmehr scheinen beide Vorgänge sogar eher gegensätzlich als ähnlich zu sein, zumal wenn man bedenkt, dass die eine Seite imperiale Macht ausübte und die andere imperiale Macht erlitt. Doch um Ähnlichkeiten soll es hier nicht gehen, sondern um Verflechtungen.6 Die genannten Beispiele vermitteln gleich zu Beginn dieses Buches drei wichtige Einsichten. Erstens spielten transnationale wissenschaftliche Begegnungen zwischen deutschen und indischen Nationalisten im frühen 20. Jahrhundert auch beim Kampf um politische Anerkennung eine Rolle. Zweitens begünstigten bestimmte Ausrichtungen der internationalen Politik vom ausgehenden 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts neue Formen des wissenschaftlichen Austauschs, und zwar über nationale und koloniale Grenzen hinweg. Drittens schließlich wird deutlich, dass die vielfältigen transnationalen Aktivitäten des deutsch-indischen Geisteslebens durch die galvanische Kraft einer dritten Größe in Schranken gehalten wurden, nämlich durch das britische Empire. Das British Empire war das Alpha-Imperium des 19. Jahrhunderts, der primus inter pares, zur Weltherrschaft aufgestiegen im Wettstreit mit den Franzosen um

Einleitung

3

koloniale Besitzungen und die Vormachtstellung im Orient.7 Mitte des 19. Jahrhunderts verfügte es über den Löwenanteil an kriegerischen, bio-politischen und institutionellen Technologien, die vonnöten waren, um ein riesiges Übersee-Imperium zu beherrschen. Im großen Spiel der Signifikanten des 19. Jahrhunderts diente das British Empire zunehmend als das Symbol schlechthin für den weißen, edlen Westen, genauso wie der Westen an sich als Symbol für die zivilisatorischen Ideale des Universalismus der Aufklärung stand.8 Das Symbolische ist hier also eine „Kette von Signifikanten“, die durch die Existenz weiterer wichtiger Signifikanten erhalten wurde – durch die britische Dominanz auf den Weltmeeren, durch die britische Kontrolle über die weltweiten Kommunikationskanäle und Technologien, durch die beispiellose Ausdehnung britischer Kolonialbesitzungen in Übersee, durch die weltweite Expansion des Englischen als Handels- und Bildungssprache, durch den de-facto-„Sterling Standard“ des britischen Pfund als Weltwährung und durch die unangefochtene globale Dominanz der britischen Finanzdienstleistungen, die von der City in London verankert wurde.9 Sogar für die weltweite Synchronisierung der Uhren, die in den 1880er Jahren begann, einigte man sich auf Greenwich, einen Stadtteil von London, dessen Lage zur Festlegung des Null-Meridians und einer einheitlichen Weltzeit diente.10 Eine eurozentrische, genauer gesagt anglozentrische Weltordnung, legitimiert durch Ideen der Aufklärung und des Empire, fand ihren sichtbarsten Ausdruck etwa ab den 1830er bis in die 1870er Jahre. Doch in den 1880er Jahren begann diese Weltordnung rasch zu bröckeln. In den Jahrzehnten nach 1880 verlor Großbritannien zumindest seine industrielle Bedeutung, auch wenn es seine Rolle als Welt-Finanzzentrum behielt. Die Londoner City lag mitten im Auge eines aufziehenden Sturms, blieb aber unerschütterlich und kanalisierte die Ströme unsichtbaren Finanzkapitals, die dazu beitrugen, die Prozesse der globalen Desintegration und Reorganisation in den kommenden Jahrzehnten voranzutreiben.11 Beobachter in den 1880er Jahren bezeugten den Höhepunkt der ersten „Großen Depression“ von 1873 bis 1896, als der Optimismus bezüglich der Ausgestaltung der europäischen Weltwirtschaft und der Rechtsinstitutionen des ius publicum europaeum unter dem Druck zunehmender Nationalismen und Antikolonialismen innerhalb wie außerhalb des europäischen Kontinents zu schwinden begann. Die Zeit des „Hoch-Imperialismus“ im Vorfeld des Ersten Weltkriegs, von Historikern oft als die Apotheose des Ideals eines modernen Europa dargestellt, kann besser als Zerfall des Empire, als Auflösung eines gemeinsam erstrebten Projekts zur Vereinigung Europas gedeutet werden.12 Tatsächlich zeichnete sich dieser Zerfall bereits in den 1880er Jahren ab, als das Konzept einer einheitlichen

4

Einleitung

und in sich geschlossenen europäischen Identität, das tragende Konzept dieses Ideals, rasch auseinander bröckelte. Das Ideal vom Weltreich zerfiel in viele, sich gegenseitig bekriegende Imperialismen. Ab den 1880er Jahren „ent-europäisierte“ sich Europa immer stärker, und das zivilisatorische Projekt eines modernen Empire verlor seinen universalen Charakter. Mit „Ent-Europäisierung“ meine ich den Niedergang der Vorstellung von Europa als gedanklicher Kategorie eines erstrebenswerten zivilisatorischen Idealzustands. Dies bedeutete jedoch nicht den Niedergang europäischer Identitäten oder imperialer Projekte, es bedeutete lediglich eine Pluralisierung derselben sowie zunehmende innereuropäische Konflikte. Das Aufkommen der vielen „pan-europäischen“ Bewegungen quer durch Europa in dieser Zeit (Groß-Britannien, Groß-Frankreich, Mitteleuropa, GroßGriechenland, slawischer Universalismus, Panturkismus) zeigt, dass das Streben nach europäischer Integration, von dem nach Waterloo 1815 so viel die Rede war, am Ende des Jahrhunderts seine Grundlage verloren hatte. Und nicht nur in Europa, auch in ganz Asien entstanden zur selben Zeit zahlreiche Universalismen.13 Alfred Eckhard Zimmern, ein Politikwissenschaftler an der University of Oxford mit deutsch-jüdischen Wurzeln und Vertreter des klassischen Idealismus, schlug in seinem Buch „The Third British Empire“ (1926) entsprechend besorgte Töne an. Die Briten, so führte er aus, stünden „vor einem Zeitalter, das dazu bestimmt zu sein scheint, das Empire aufzulösen“ und nannte als Gründe den zunehmenden Nationalismus der „nicht-weißen Völker“ dieser Erde und den Untergang des deutschen, österreichischen und russischen Reichs nach dem Krieg.14 Zimmern, der für eine kurze Zeit auch an der Universität Berlin bei Ulrich von WilamowitzMoellendorf studiert hatte, einem klassischen Philologen und Philhellenen, war geschult in den wissenschaftlichen Methoden der damaligen Zeit, wie seine Reflexionen über das Schicksal des British Empire erkennen ließen, die gleichwohl durchdrungen waren von einem tiefen Bewusstsein für die sich neu entwickelnden Klüfte, die die Welt einmal mehr spalteten. Das europäische „Konzert der Mächte“ verfiel in den 1880er Jahren in eine Kakophonie, eine Folge des zügellosen imperialen Wettstreits der europäischen Großmächte um asiatische und afrikanische Territorien im Nachgang der KongoKonferenz, die vom 15. November 1884 bis zum 26. Februar 1885 im Berliner Reichskanzlerpalais stattfand. Ältere Darstellungen werten die Entstehung eines autoritären deutschen Staates nach 1871 und die von Bismarck mit Hintergedanken veranstaltete KongoKonferenz als eine Art Initialzündung des Wettlaufs um Kolonien in Afrika, der die europäischen Großmächte in einen Dauerkonflikt straucheln ließ und letztlich zum Ersten Weltkrieg führte.15 Andere Historiker wie Charles Maier zum Beispiel, die nicht mehr der These vom deutschen Sonderweg anhängen, sprechen hingegen eher von einem allgemeinen Prozeß der „Territorialisierung“, der in den

Verflechtungen – genauer betrachtet

5

1860er Jahren begann und bis in das letzte Drittel des 20. Jahrhunderts dazu beitrug, zunehmend protektionistische Handlungsmaximen (ways) auf den politischen Agenden der ganzen Welt zu setzen.16 Um die Besonderheit der Zeit zwischen 1880 und 1945 zu verstehen, ist das Konzept der „Verflechtung“ besonders gut geeignet, da es die starke Vermehrung von Grenzlinien und den Anspruch auf Anerkennung von Differenzen ebenso in sich begreift wie die beschleunigten Wechselwirkungen und transnationalen Rückkopplungsschleifen, die sich zwischen widerstreitenden nationalen Gruppen, trotz ihrer jeweiligen Machtunterschiede, in dieser Zeit auf der ganzen Welt entwickelten.

Verflechtungen – genauer betrachtet Dieses Buch untersucht für drei historische Zeitabschnitte, wie deutsche und indische Akteure mit den unterschiedlichen Spielräumen für ihre Interaktionen umgingen und welche Konsequenzen sich hieraus für die Qualität ihrer Beziehungen ergaben. Es gab eine Zeit, in der deutsche wissenschaftliche Einrichtungen und deutschsprachige Intellektuelle den Aufbau britisch-kolonialer Institutionen in Indien maßgeblich beförderten. Man könnte sogar sagen, dass die britische Kolonialwissenschaft zwischen 1815 und 1880 einen entschieden deutschen Charakter annahm. Dieser frühen Zeit der Deutschen in Britisch-Indien folgte eine zweite Phase von etwa 1880 bis 1945, mit einer deutlichen Akzentuierung nach 1918, in der sich die Verflechtungen zwischen indischen Intellektuellen und deutschsprachigen Denkern vor dem Hintergrund zeitgenössischer Projekte zur Zerstörung der anglozentrischen Weltordnung aus dem 19. Jahrhundert auf beispiellose Weise verdichteten. Und schließlich, in den Jahren nach 1945, im Kontext des Kalten Krieges und der Entstehung der „Dritten Welt“, werden wir Zeugen eines Entkoppelungsprozesses zwischen indischen und deutschen Intellektuellen. Aus Freunden wurden Fremde, und das eigene Identitätsverständnis wie auch das der anderen ordnete sich im Wandel der historischen Umstände neu. Wenn man sich für die Geschichte der indischen Beziehungen außerhalb der britischen Kolonialsphäre interessiert, ist Deutschland von besonders großem Interesse. Gewiss, die Verbindungen Indiens mit China und Japan, mit Amerika und mit Afrikas Küsten- und Binnenländern dürfen dabei nicht vernachlässigt werden. Die deutsch-indischen Verflechtungen jedoch sind gleichsam tiefer Ausdruck der engen familiären Bande, die in der gemeinsamen Rebellion gegen die anglozentrische Weltordnung des 19. Jahrhunderts zu Tage traten. Immerhin waren die Deutschen und ihre Ambitionen zwischen 1880 und 1945 die größten Störfaktoren im europäischen „Konzert der Mächte“. In dieser Zeit wurde

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Einleitung

Deutschland zur europäischen Weltmacht, die das Feld der „Ent-Europäisierung von innen“ anführte. Kulturelle und intellektuelle Institutionen aus Deutschland stellten sich als die wirkungsvollsten Bremsfaktoren gegen das britisch-imperiale Streben nach Weltherrschaft heraus. Kein Wunder, dass Nationalisten aus aller Welt – amerikanische, japanische, koreanische, türkische, indische – vom späten 19. Jahrhundert an Kontakte zu deutschen wissenschaftlichen Einrichtungen knüpften, um das Wachstum ihrer eigenen nationalistisch geprägten Kulturinstitutionen zu fördern. Indische Nationalisten hingegen, und die bengalische Intelligenzia insbesondere, spielten eine führende Rolle beim Ausbruch aus dem konzeptionellen Rahmenwerk eines britischen multiethnischen Empire. Den stärksten Schub bekam die intellektuelle Rebellion gegen den im 19. Jahrhundert entstandenen globalen Status quo – einem Status quo, den Diskurse über die Aufklärung, Europa und imperiale Machtausübung geformt hatten und der um die britische Weltmacht herum organisiert war – aus der Verflechtung von Deutschen und Indern. Die Untersuchung der deutsch-indischen Begegnungen soll angesichts der gegebenen Machtunterschiede zeigen, dass und wie beide Seiten von dem interkulturellen Austausch profitierten, und zwar sowohl auf intellektuellem als auch auf gesellschaftlichem Gebiet. In einem bestimmten Zeitraum der Geschichte, von 1880 bis 1945, benutzten nämlich die Deutschen die Inder, um sich von ihrer im 19. Jahrhundert verankerten Vorstellung zu lösen, selbst der britischen Hegemonie unterworfen zu sein. Unterdessen benutzten die Inder die Deutschen, um eine idealisierte Vorstellung von „Empire“ zu demontieren, unter der sie sich trotz des Versprechens auf eine vollwertige Staatsbürgerschaft permanent als Untertanen der Kolonialmacht fühlten, weil diese Staatsbürgerschaft immer wieder in weite Ferne rückte.17 Verflechtungen entstehen, wenn Gruppen, die sich in vielerlei Hinsichten fremd sind, plötzlich einander zu brauchen beginnen. Anders gesagt: Verflechtungen sind immer politisch und haben weniger mit Freiheit als mit Unumgänglichkeit und Macht zu tun. Und weil sie politisch sind, sind sie auch an historische Rahmenbedingungen gebunden. Mit seiner Fokussierung auf die drei Untersuchungsebenen Allianzbildung, politische Konkurrenz und Multilateralismus versucht dieses Buch, dem Forschungsfeld der transnationalen Geistesgeschichte die erforderliche Portion an „realpolitik“ (so im englischen Original, Anm. d. Übers.) zu geben. In der Tat verstärken Geistesgeschichte und die Erforschung internationaler politischer Beziehungen einander: „Aufstrebende gesellschaftliche Gruppen bildeten weltweit Allianzen mit anderen aufstrebenden oder dominanten Gruppen, um so neue einflussreiche Formationen auf die Weltbühne zu stellen. Deutsche und indische Nationalisten näherten sich einander an, auch wenn sie verschiedene Ziele ver-

Verflechtungen – genauer betrachtet

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folgten und ihr Zusammenschluss schiefe Allianzen ergab.Vieles von dem, was im 19. und 20. Jahrhundert zwischen Deutschland und Indien sowohl offiziell durch Funktionsträger als auch informell und auf kultureller Ebene verhandelt wurde, spielte sich auf der taktischen Ebene internationaler Politik ab.“ Aber es handelte sich eben auch um Handlungen auf dem Feld der Geistespolitik, die sich in einer Epoche vollzogen, in der die Schlagworte Aufklärung, Europa und Empire als beherrschende und vereinheitlichende Signifikanten an Kraft verloren.18 Anstatt wie bisher deutsch-indische Begegnungen entweder mit dem Blick des Bedauerns ob der kolonialen Dominanz oder im Bann des Zaubers interkultureller Begegnung zu analysieren, sollte eine neue Verflechtungsgeschichte sich an der Frage orientieren, was die verschiedenen Gruppen trotz unterschiedlicher Stärke bzw. Schwäche davon haben, miteinander eine politische Beziehung einzugehen. Diese Frage weist über die Erforschung von bloßen Wahrnehmungen und kulturellen Repräsentationen hinaus und führt zur Analyse historischer Interaktionen.20 Inwiefern nutzen die einzelnen Gruppen transgesellschaftliche Interaktionen und Beziehungen, um ihre eigenen spezifischen lokalen politischen Interessen zu verwirklichen? Gute Verflechtungsforschung hält die verschiedenen Fäden der Geschichte sorgfältig auseinander und verfolgt gleichwohl ihre Verwobenheit. Ein solcher Ansatz geht multifokal vor und untersucht gleichzeitig die Politik, die Poesie und die Praxis transnationaler Beziehungen.21 In einem gewissen Abschnitt der Geschichte brauchten deutsche und indische Denker einander, um die aus dem 19. Jahrhundert stammenden Idealvorstellungen vom anglozentrischen Europäertum einerseits und von einer imperialen Staatsbürgerschaft als dem Versprechen von Teilhabe andererseits so lange zu verdrehen, bis sie überwunden waren. Die in diesem Buch untersuchten Verflechtungen zeigen, dass europäische und koloniale Intellektuelle viel mehr gemeinsam hatten, als bislang angenommen – sie teilten intellektuelle und politische Projekte. Die erkenntnisbezogenen Transformationen dessen, was ich als die „Post- Aufklärung“ definiere, die sich über mehrere Jahrzehnte im Zeitraum von 1880 bis 1945 vollzogen, beinhalteten nicht einfach nur die Beschäftigung Europas mit sich selbst, sondern sie brachten auch Informationsflüsse und Allianzen mit sich, die weit über Europa hinausreichten und sogar nachrangige europäische und koloniale Denker erreichten.2 Historiker, die nach 1945 publizierten, beschrieben die intellektuelle Revolution, die ihre Sprengkraft seit dem Ende des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts quer durch das gesamte Spektrum der Kunst sowie der Geistes-, Natur- und Humanwissenschaften entfaltete, als als eine rein westliche Dialektik mit einem rein westlichen Vermächtnis. Doch die post-aufklärerische Wissenschaft und Gelehrsamkeit nährten sich bis 1945 von der geopolitischen Unordnung der Welt. Was Historiker für ein Produkt der ModernitätsKrise des Westens hielten, war in Wahrheit das Ergebnis einer nie dagewesenen

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Einleitung

Verflechtung von Intellektuellen weltweit, die danach trachteten, aus dem „aufgeklärten“ Zusammenspiel der Staaten, das im Europa des 19. Jahrhunderts spielte, auszubrechen und sich aus den Fängen des Schreckgespensts namens British Empire, dem angeblichen Herold des Universalismus der Aufklärung, zu befreien. Vertreter der „Subaltern Studies“, die in den 1980er Jahren kritische postkoloniale Positionen entwickelten (und zur sozialhistorischen Strömung der „Geschichte von unten“ gehören), haben der einschlägigen historischen Forschung eine pointiert dualistische Sichtweise auf die Vorstellung von Handlungsfähigkeit (agency) der Akteure hinzugefügt: Unterdrücker versus Unterdrückte, das Aktive versus das Passive, Herrschende versus Unterworfene, das Universelle versus das Individuelle. Doch dies verschleiert den tatsächlich existierenden politischen Charakter aller gesellschaftlichen Gruppen der Welt, wie der indische Politologe Partha Chatterjee brillant ausführt.23 Drei Jahrzehnte postkolonialer Forschung im Sinne von Foucault und Said haben uns viel gelehrt über die Entstehung und die Tragweite der den Wissenschaften und dem Orientalismus eigenen Herrschaftsdiskurse, die angeblich jedes Subjekt, jede Gesellschaft und jeden Staat der Neuzeit wie Giftgas umhüllen. Was uns jedoch noch immer fehlt, ist ein genaues Verständnis davon, wie die Diskurse als Dialog geführt wurden – von wem und zu welchem Zweck. Tendenziell haben nämlich die macht- und wissenstheoretischen Diskursanalysen den Blick auf die durchaus differenzierten Aussagen verstellt, welche die politischen Diskussionen unter Intellektuellen kennzeichnen.24 Die Erforschung der verschiedenen Felder transnationaler Verflechtung im Hinblick auf die Konzentration, die Zirkulation, die phasenweise Intensivierung und die Neuordnung intellektueller Macht ermöglicht es, „Westler“ und „koloniale Untertanen“ gleichermaßen als Akteure im Geschäft der Globalisierung zu begreifen. In diesem Buch stehen Rivalitäten und Allianzen zwischen ganz unterschiedlichen Fraktionen des Feldes intellektueller Macht im Mittelpunkt, so wie sie sich als dialogische Handlungen zwischen verschiedenen Stimmen im Sinne von Bakhtins „Heteroglossie“ manifestieren.25 Indem die Untersuchung der Geistesgeschichte im kolonialen Indien aus dem bloßen Kontext des British Empire herausgelöst und die Erforschung des Geisteslebens im deutschsprachigen Raum auch jenseits der gewohnten Bezugspunkte in Europa und in Übersee angesiedelt wird, soll die Dimension globaler Verflechtung deutlich werden, an der dualistische Ansätze regelmäßig vorbeigehen. Ich verwende den Begriff „deutsche Intellektuelle“ als Kurzform für die vielgestaltige Gruppe mitteleuropäischer Intellektueller aus Deutschland, Österreich, Mähren und der Schweiz, zu der auch andere im damaligen deutschsprachigen Wissenschaftssystem ausgebildete Wissenschaftler gehören. Und den Begriff „indische Intellektuelle“ verwende ich, um die bunt gemischte

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Gruppe von Denkern auf dem indischen Subkontinent zu bezeichnen, die mit dem machtvollen Zentrum nationalistischer Wissensproduktion in Kalkutta (Westbengalen) verbunden sind, als Kalkutta noch die wichtigste britische Kolonialstadt östlich von Suez war. Die Begriffe „deutsch“ und „indisch“ werden hier also nicht verwendet, um Vorstellungen von territorialer, ethnischer oder kultureller Authentizität oder Identität anzunehmen oder zu konnotieren, sondern um den Nationalismus zu benennen, der wissenschaftlichen Institutionen im Untersuchungszeitraum grundsätzlich innewohnte, sich in entsprechenden Denkweisen und Formen der wissenschaftlichen Forschung ausdrückte und mit spezifischen Geographien der Wissensproduktion verbunden war. Deutsche und indische Intellektuelle sowie ihre Institutionen stöhnten unter der globalen Hegemonie angelsächsischer Macht. Aber ihr Kampf richtete sich nicht auf die Zerstörung der bestehenden Weltkarte der intellectual power, sie wollten vielmehr eine neue entwerfen. Gleichwohl erzeugte der Angriff auf die globalen Machtsymbole, die stark mit den Normen der britisch-imperialen Kultur des 19. Jahrhunderts verbunden waren, bei allen aufstrebenden nationalistischen Gruppen weltweit einen gewissen Neid auf eben die Macht, die sie so dringend aus ihrer Verankerung reißen wollten.

Post-Aufklärung Im Kern der Aufklärung stand die Suche nach rationalen, universellen Gesetzen, die sämtliche Bereiche der Natur und des menschlichen Lebens letztgültig kategorisierten, strukturierten und ordneten.26 Aber vor allem brachte die Aufklärung einen radikalen Subjektivismus hervor, in dessen Zentrum die Idee des „rationalen“ Individuums stand, welches seine Umwelt beobachtete, ergründete und beherrschte. Der Aufklärungsdiskurs leistete der Entstehung eines eurozentrischen Universalismus auf so überzeugende Weise Vorschub, dass Führungsgruppen aus Wirtschaft, Kirche und anderen von Habgier getriebenen Milieus auf der ganzen Welt leicht ihren Platz in der eurozentrischen Weltordnung des 19. und 20. Jahrhunderts finden konnten und sich mit den abstrakten Konzepten, den konkreten Ausformungen und den materiellen Äußerlichkeiten der Aufklärung auseinandersetzten.27 Was aber geschah, als der Leitstern Europa nach den 1880er Jahren seine globale Macht zu verlieren begann? Der Begriff „Post-Aufklärung“ bezieht sich in diesem Buch nicht auf eine Reaktion gegen die Aufklärung und auch nicht auf die romantischen Bewegungen des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts, die unmittelbar nach dem siècle des Lumières entstanden sind. Meisterhafte Studien des amerikanischen Historikers H. Stuart Hughes und des russisch-britischen Philosophen Isaiah Berlin haben die

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„Kritiken der Aufklärung“ vortrefflich beleuchtet, die ja viel früher begannen und viel später endeten als die zeitlich eng definierte Ära der Romantik, und die ihre frühen Wurzeln in den 1720er Jahren bei Giambattista Vico hatten und in den intellektuellen Umwälzungen der vom Antipositivismus geprägten Zeit zwischen 1890 und 1930 ihren Höhepunkt fanden. Gleichwohl waren die (kritischen) Erwiderungen auf den aufklärerischen Diskurs der universellen Vernunft ab dem 18. Jahrhundert von einem dezidierten Interesse an historischen Ursprüngen, am Mythos, an Religion und an Sprache gekennzeichnet. Hier aber meine ich mit „Post-Aufklärung“ insbesondere den grundlegenden Wandel in der Wissensproduktion, der Ende des 19. Jahrhunderts begann und sich bis Mitte des 20. Jahrhunderts fortsetzte. Er war gekennzeichnet durch sich ausweitende Kommunikationsnetzwerke zwischen weißen und farbigen Denkern über die Erdteile hinweg, sowie von Anstrengungen, das epistemische Erbe der Aufklärung umfassend aufzuarbeiten, ebenso wie die politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Folgen, die die Aufklärung der Welt aufgebürdet hatte. Die Gelehrtenwelt der Post-Aufklärung kritisierte (wenn auch nicht als Forschungsgegenstand, so doch häufig in der eigenen Forschungspraxis) die großen Signifikanten des westlichen Universalismus des 19. Jahrhunderts: Europa, Aufklärung, Empire. Die Methoden der post-aufklärerischen Wissenschaften (sowohl der Naturals auch der Geisteswissenschaften) des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts lehnten den hergebrachten Empirismus ab, verschmolzen vielmehr das heroisch Rationale mit dem hermetisch Orakelhaften zu volatilen Nebeldämpfen der intellektuellen Wissensproduktion.29 Bereits in den 1880er Jahren stellte die postaufklärerische Wissenschaft – von Foucault in der Ordnung der Dinge als „GegenWissenschaft“ bezeichnet – einen einzigartigen Freiraum für die wissenschaftliche Erkenntnisproduktion zur Verfügung. Die in diesem Freiraum gedeihende Wissensproduktion war geeignet, den zu dieser Zeit vor allem von britischen Institutionen in der ganzen Welt energisch verbreiteten hegemonialen Aufklärungsdiskurs zu stören. In seiner Archäologie des Wissens identifiziert Foucault eine Reihe wissenschaftlicher Praktiken, die anders als die anderen operieren: „Psychoanalyse und Ethnologie sind eher ‚Gegenwissenschaften‘“, so Foucault, „… das bedeutet nicht, daß sie weniger ‚rational‘ oder ‚objektiv‘ sind als die anderen, sondern daß sie ihnen entgegen arbeiten … und nicht aufhören diesen Menschen ‚kaputt‘ zu machen, der in den Humanwissenschaften seine Positivität bildet und erneut bildet“.30 Obwohl er sich für die geopolitische Dimension dieser Praktiken nicht interessierte, so zeigte Foucault doch, wie manche Wissenschaft im späten 19. Jahrhundert den Spieß umzudrehen schien und sich mit dem Positivismus auseinandersetzte, um das positivistisch-subjektivistische Fundament der Auf-

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klärung zu untergraben. Die Gegenwissenschaften taten alles andere als den Platz des aufgeklärten Selbst in der Welt zu bestätigen, sie konfrontierten vielmehr die Selbst-Ideale des 19. Jahrhunderts mit beunruhigenden Vorstellungen von Unsicherheit und Gefahr. Die Gegenwissenschaften, so Foucault, stellen „genau das aufs Spiel, was dem Menschen gestattet hat, erkannt zu werden“.31 Sie buchstabierten den drohenden Untergang des aufgeklärten Selbst in Fakten, Zahlen und Theorien aus. Doch wo sie alte Einheiten in immer kleinere Fragmente auseinanderbrachen, fügten sie die einzelnen Teile auch immer wieder zu einem neu inspirierenden Ganzen zusammen. Und diese Arbeit der steten Neu- und Umbildung war an sich transnational – ausgeführt über Relaisstellen der institutionellen Verflechtung der Wissenschaften, was wiederum zu neuen strukturellen Verflechtungen zwischen Europäern und Kolonialvölkern führte. Die Post-Aufklärung war eine Zeit beispielloser politischer und persönlicher Allianzen zwischen Menschen, die einander fremd waren, sowie neuer Affinitäten und Kommunikationen zwischen weit voneinander entfernten Gruppen rund um die Welt. Mit dem Aufkommen komparatistischer, expressivistischer und perspektivistischer Sichtweisen auf die natürliche und menschliche Welt erlebte die PostAufklärung das, was David Lindenfeld passenderweise als „Transformation“ und nicht als Ablehnung des Positivismus bezeichnete.32 Die Wissenschaft der PostAufklärung brachte den Relativismus hervor und damit den globalen Verlust an symbolischer Bedeutung für Europa, den ein Denker der 1920er Jahre als „Provinzialisierung“ bezeichnete.33 Die Post-Aufklärung, die sich von 1880 bis 1945 erstreckte, formte über Jahrzehnte hinweg eine Antwort auf die „Hochzeit“ des Positivismus und des heroischen Subjektivismus, die man beide allgemein mit Größen des 19. Jahrhunderts wie John Stuart Mill, Auguste Comte und Rudolf Virchow verbindet. Das neue Zeitalter erlebte den Aufstieg wissenschaftlicher Praktiken, die Unterschiede aufspürten und die vorherrschenden Annahmen von universeller Einheit und Konformität ins Wanken brachten. Die wissenschaftliche und die humanistisch orientierte Forschung in späterer Zeit enthüllte nämlich verborgene Triebe im menschlichen Bereich, verborgene Ordnungen im Reich der Natur, nicht sichtbare unpersönliche Ebenen der Sprache und Kultur, die das menschliche Handeln bestimmten, sowie Visionen von Sein und Tiefe, die die europäische bürgerliche Gelehrsamkeit bis dahin kaum erfasst, ja nicht einmal bedacht hatte. Durch ihre komparatistischen, expressivistischen und relativistischen Methoden der Wissensproduktion haben die Wissenschaften in der postaufklärerischen Zeit nicht nur die nationalen bzw. nationalistischen Ideale verschiedener Gruppen in der ganzen Welt unterstützt, sie haben darüber hinaus auch neue Allianzen und Interessengemeinschaften geschaffen, die sich gegenseitig anerkannten, obwohl sie weit voneinander weg agierten. Die Entwicklung

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des Nationalbewusstseins lässt sich von der Intensivierung transnationaler Bindungen nicht trennen. Die post-aufklärerische Wissenschaft speiste sich aus der Zusammenarbeit von Intellektuellen, die in einem zerfallenden Europa mit zerfallenden europäischen Imperien zu Hause waren. In diesem Buch betrachte ich eine Reihe von post-aufklärerischen Begegnungen zwischen indischen und deutschen Denkern, quer durch alle Bereiche der Natur- und der Geisteswissenschaften sowie der Künste, in den Bereichen der theoretischen Physik, der internationalen Ökonomie, der marxistischen Kritik, der geokulturellen Studien, der Psychoanalyse und der expressionistischen Kunst in Theorie und Praxis. Diese Disziplinen förderten implizit die Politik regionaler Machtgruppen in Mitteleuropa und in Südasien in ihrem Bestreben, der globalen kulturellen Hegemonie des British Empire im 19. Jahrhundert entgegenzutreten.34 Die Begegnungen von Deutschen und Indern, die sich in einer Reihe wissenschaftlicher Disziplinen miteinander austauschten, sollten den Teilnehmern auf beiden Seiten dazu dienen, ihre eigenen universalistischen Vorstellungen zu entwickeln, in denen sie jeweils selbst prominente Wortführer waren. Als Max Weber 1918 vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Entwicklung des 19. Jahrhunderts den Begriff der „Entzauberung“ der Welt prägte, schwang darin auch ein Hauch von Ironie, weil gerade die Zwischenkriegsjahre die Hochzeit post-aufklärerischer Projekte sein sollten, welche die Welt aufs Neue wissenschaftlich zu „verzaubern“ suchten. Intellektuelle rund um die Welt fanden neue Wege, „Fakten“ über die natürliche und die menschliche Welt zu sammeln, sie fanden neue Wege, um diese „Fakten“ zu ordnen, und beanspruchten Autorität, um in diesen Ordnungen universelle Muster und Bedeutung zu erkennen. Wie Adorno und Horkheimer zu Recht beobachteten und wie Bruno Latour jüngst erst in Erinnerung rief, haben Wissenschaft und Mythenbildung viel gemeinsam.35 Dieses Buch verliert deshalb nie die Tatsache aus den Augen, dass neue Wissenschaftsmythen wiederum neue Monster gebaren, mit denen die Welt dann zu kämpfen hatte.

Der historische Verlauf der Verflechtung Ein Wort zum Aufbau dieses Buches: Teil I betrachtet die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die ab den 1880er Jahren zu einer Zeit der Verflechtungen zwischen Europäern und Indern führten, auf der Makro-Ebene. Die einzelnen Kapitel dieses ersten Teils beleuchten die zugrundeliegenden historischen Strukturen und Prozesse, die es deutschen und indischen Intellektuellen möglich machten, sich gegenseitig als Bündnispartner zu begreifen und insbe-

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sondere nach dem Ersten Weltkrieg eine gemeinsame Sprache zu finden. Im Mittelpunkt stehen dabei wichtige Rahmenbedingungen wie die geschickte Art des British Empire, sich fremdes wissenschaftliches Knowhow dienstbar zu machen, die Popularisierung des Orientalismus in Deutschland und die Ursprünge des antikolonialen Internationalismus in Indien. Teil II begibt sich auf die Mikro-Ebene, betrachtet konkrete Begegnungsfelder und intellektuelle Verflechtungen, quer durch das breite Spektrum der Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften. Dieser zweite Teil befasst sich detailliert mit der inhaltlichen und – wenn man so will – choreographischen Ausgestaltung der Verflechtungen, einschließlich der Konstruktion von Themen gemeinsamen Interesses, mit den Praktiken der Kommunikation und dem Phänomen der gegenseitigen Identifikation (cross-identification). Die Kombination aus makro- und mikro-historischen Ansätzen ermöglicht es uns, Ereignisse und Strukturen, Texte und Kontexte, die die hier betrachteten transnationalen Begegnungen prägten, angemessen zu würdigen. Aus einem Kreis junger „Feuergeister“ um Rabindranath Tagore entstand Anfang des 20. Jahrhunderts (in Kalkutta) eine lose Schule indisch-nationalistischer Intellektueller. Sie verschrieben sich einem internationalistischen Programm des Antikolonialismus, beginnend mit dem nationalistischen SwadeshiAufstand 1905 (als die Widerstandsbewegung unter dem Namen Swadeshi zum Boykott britischer Importprodukte und öffentlicher Einrichtungen aufrief) und weiterer Aktionen bis in die Zwischenkriegsjahre hinein.36 Ich betrachte den bengalischen Internationalismus dieser Kalkutta-Schule als exemplarisch für ein umfassenderes Phänomen, das die indisch-intellektuellen Aktivitäten auf dem gesamten Subkontinent kennzeichnete und sowohl hinduistische als auch muslimische Denker einschloss. Kalkutta war im gesamten 19. und frühen 20. Jahrhundert die Hauptstadt der britischen Kolonialherrschaft in Indien, sie wurde zu einem Zentrum des kolonialen Bildungswesens im British Empire. Eine Stadt, die einmal die koloniale Metropole der britischen Kolonialherrschaft in Indien gewesen war, wurde nun zum Epizentrum anti-britischer intellektueller Diskussionen.37 Es waren zuerst bengalische Intellektuelle, die, inspiriert von Rabindranath Tagore, die Begegnung mit deutschen Gelehrten und wissenschaftlichen Institutionen suchten und die auf der Suche nach Leitfiguren von außerhalb des British Empire deutsche Intellektuelle nach Indien holten. Im Kontext der Zwischenkriegsjahre kam es zu engen Verflechtungen zwischen Mitgliedern der bengalisch-nationalistischen Gruppe um Tagore und deutschsprachigen Institutionen in Mitteleuropa. Meghnad Saha und Satyendranath Bose trafen auf Albert Einstein und Walther Nernst, und Girindrasekhar Bose trat in einen langen Dialog mit Sigmund Freud. Der Geograph Karl Haushofer und der Ökonom Bernhard Harms arbeiteten mit Benoy Kumar Sarkar zu-

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sammen, und der Gewerkschafter Josef Furtwängler traf sich mit M. N. Roy und Subhas Chandra Bose. Und Rabindranath Tagore reiste seinerzeit sogar drei Mal in das deutsche Europa, um wissenschaftliches Personal für seine neue nationalistische Universität in Bengalen zu rekrutieren. Stella Kramrisch, eine junge mährisch-österreichische Kunsthistorikerin, folgte dem Ruf auf eine Gastprofessur an die von Rabindranath Tagore gegründete Universität nach Kalkutta, wo sie die erste Bauhaus-Ausstellung außerhalb Deutschlands organisierte. Und der Schauspieler und Produzent Himanshu Rai engagierte den deutschen Regisseur Franz Osten für den Aufbau der Bombay Talkies Filmstudios in Bombay. Diese beispielhaften Begegnungen – nur einige der ineinander verflochtenen Wege, die dieses Buch untersucht – fanden fachübergreifend durch beinahe alle Disziplinen statt, von der Naturwissenschaft über die Bildenden Künste bis hin zu den Geisteswissenschaften. Und diese einzelnen Fäden des Reisens und Denkens bringen ein tieferliegendes Verflechtungsmuster zum Vorschein, das für die Zeit von 1880 bis 1945 kennzeichnend ist. Indem wir die Untersuchung intellektueller und sozialer Begegnungen mit der Betrachtung weiter gefasster historischer Kontexte verbinden, kann das historische Detail besser in den Kontext transnationaler Geschichte eingeordnet werden. So können leichtfertige Schlussfolgerungen auf vermeintlich „globale“ Ähnlichkeiten vermieden werden, zugunsten einer Darstellung der Beziehungen zwischen den Unterschieden. In der Zeit zwischen 1945 und 1960 entstand eine neue internationale Kommunikationsordnung, die wesentlich von der Konkurrenz zwischen den beiden Supermächten bestimmt war. Diese Ordnung unterschied sich grundlegend von dem, was seit 1880 gegolten hatte. Der Wiederaufbau Europas einerseits und der Aufstieg des Konzepts der „Dritten Welt“ andererseits besiegelten das Ende der deutsch-indischen Verflechtungen, so wie sie sich bis dahin auch mit Auswirkungen auf die Politik entfaltet hatten. Die deutsch-indische Partnerschaft auf Augenhöhe nahm zunehmend einseitige Formen an: Die westliche Welt war Geber von Entwicklungshilfen, die Völker der Dritten Welt waren die Empfänger. Dieses neue, starke Paradigma, das die Ideale der Aufklärung und die Dialektik des „Westlich-Seins“ als Triebkräfte der modernen Geschichte neu belebte, ließ das voraufgegangene halbe Jahrhundert mit seinen aus den transnationalen Begegnungen des späten 19. Jahrhunderts stammenden volatilen Verflechtungen und gegenseitigen Abhängigkeiten in seinem mächtigen Schatten verschwinden. Der Westen, nun vor allem von den USA verkörpert, behauptete nach 1945 mit einem nahezu ausschließlichen Anspruch vor allem sich selbst als Leitkategorie. Davor, im Zeitalter der Verflechtung von 1880 bis 1945, gediehen im allgemeinen Bewusstsein auch eine Reihe anderer Leitkategorien, mit anderen geographischen Verortungen.

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Die Lebhaftigkeit der deutsch-indischen Beziehungen in der Zeit zwischen 1880 und 1945 weist auf eine grundlegende, wenngleich vorübergehende Verschiebung auf der Ebene der internationalen Politik hin, auf einen Zustand, den es so weder in all den Jahren davor noch in den Jahrzehnten danach gab. Man kann von der Phase zwischen 1880 und 1945 auch als einem Zeitalter sprechen, das zwischen dem Niedergang eines Europas aufklärerischer Ideale im 19. Jahrhundert und seinem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg liegt und in dem sich durch globale Verflechtung neue Kombinationsmöglichkeiten von Identität und politischer Macht ergaben. Zeitalter der Verflechtung ist eine Verflechtung von Geschichten und Geschichtsschreibung, die die globalen Verschränkungen jener Jahrzehnte beschreibt und analysiert, als sich die Fausts und die Nāyaks – selbsternannte deutsche und indische Helden der Wissenschaft und Gelehrsamkeit – gegen den mythischen Archetypus des angelsächsischen „Gentleman-Kapitalisten“ in Stellung brachten. Deutsche und Inder hatten einander viel zu sagen in der Zeit, als die Rivalität mit der und der Widerstand gegen die Weltmacht des British Empire in den Debatten der politisch denkenden Intellektuellen noch treibende Kräfte waren.

I Phasen der Verflechtung

1 Deutsche Intellektuelle in Britisch-Indien Zwar sind die deutschen Beziehungen zu Indien über 500 Jahre alt und etablierten sich außerhalb des formal-institutionellen Rahmens eines „Imperiums“.1 Dennoch waren es die Institutionen des britischen Empire, und mit ihnen die dort angestellten Deutschen und Österreicher, welche die Rahmenbedingungen setzten für bedeutende und nachhaltige deutsch-indische Verflechtungen, die jenseits zufälliger individueller Begegnungen und bloßer Neugier reale politische Interessen zum Gegenstand hatten und gesellschaftliche Kräfte mit einbezogen. Deutsche Orientalisten mögen die Grandeur des britischen oder französischen Kolonialreichs nie aus erster Hand erfahren haben, aber als Intellektuelle im Dienst der britischen Krone spielten sie dennoch eine wichtige Rolle für die Praxis kolonialer Strukturen in Übersee, lange bevor die ersten deutschen Anstrengungen zum Aufbau eines Kolonialreiches überhaupt begannen.2 Im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Identität Europas in der Welt rund um den Wettstreit der beiden damals führenden europäischen Großmächte, Großbritannien und Frankreich, um die weltweite Vorherrschaft, die sich das British Empire nach der Niederlage Napoleons bis zum politischen Aufstieg Gladstones sichern konnte. Die internationale Ordnung Europas änderte sich in den Jahren zwischen 1815 und 1819, zwischen dem Ende der Napoleonischen Kriege (auch Koalitionskriege genannt) und dem Wiener Kongress bis hin zu den Karlsbader Beschlüssen, mit denen die Zeit der europäischen „Restauration“ begann. Der Wiener Kongress (1814– 1815) legte den Grundstein für eine Rückkehr zu einer „aufoktroyierten Stabilität“ und die längste internationale Friedensperiode, die es in Europa seit dem Westfälischen Frieden gegeben hatte. Über 200 Delegierte aus nahezu allen Staaten Europas nahmen an diesem Kongress teil, den der österreichische Außenminister Fürst von Metternich einberufen hatte. Die Konferenz definierte Parameter eines neuen europäischen Völkerrechts, basierend auf einem friedlichen Zusammenleben zwischen den „Großmächten“ und einem „Konzert“ ihrer Interessen, abhängig von ihrer jeweiligen Stärke.3 Nach 1815 wurde Großbritannien zur unumstritten dominierenden Kraft im Zentrum des neuen internationalen Systems.4 Das sogenannte „Europäische Konzert“ der Mächte, in dem Großbritannien und Frankreich auf der internationalen Bühne die machtpolitisch erste Geige spielten, je nach ihrer Stärke, begann sein Crescendo in den 1830er und 1840er Jahren. Im offenen Wettstreit um die Krim schwoll es bis in die 1850er hinein lautstark an und wechselte in den 1880ern in ein leiser werdendes Diminuendo.5 Angehörige des deutschsprachigen Kulturkreises indes fühlten sich im neuen „Ideal von Europa“ trotz ihrer zentralen geographischen Lage und ihrer Beiträge https://doi.org/10.1515/9783110706178-002

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zum intellektuellen Leben des 18. Jahrhunderts an den Rand gedrängt, was in der vergleichsweisen späten Industrialisierung und der politischen Zersplitterung ihres Landes begründet lag. Heinrich Heine fand 1844 dafür ein eindrückliches Bild: „Franzosen und Russen“, stichelt er, „gehört das Land / Das Meer gehört den Briten / Wir aber besitzen im Luftreich des Traums / Die Herrschaft unbestritten“.6 Da den Deutschen der Industrialisierungsprozess im frühen 19. Jahrhundert weitgehend fehlte, hatten sie nun das Gefühl, hinter die industriellen Kernregionen in Nordwesteuropa zurückzufallen. Das Verharren in aristokratischen und heimatgebundenen Strukturen erzeugte ein starkes Gefühl politischer Rück- und Randständigkeit. Die „Allochronie“, die der Anthropologe Johannes Fabian für das Verhältnis zwischen Europäern und Kolonisierten als „verweigerte Zeitgenossenschaft im Sinne einer gleichberechtigten Teilhabe“ (denied coevalness) bezeichnete, scheint auch innerhalb von Europa gegolten zu haben, nämlich für das Othering, das einige Nationen an sich selbst vornahmen.7 Im Rahmen eines Europäertums, so es als erstrebenswerte Identität verstanden wurde, diagnostizierte Friedrich Nietzsche 1888 das durchgängige Problem von unterschwelligem Groll (Ressentiment) und Europa-Unterlegenheit im deutschsprachigen Kulturkreis wie folgt: „Wie viel verdrießliche Schwere, Lahmheit, Feuchtigkeit, Schlafrock, wie viel Bier ist in der deutschen Intelligenz!“8 In der Frühzeit der im Zeichen der Aufklärung stehenden Expansion Europas in die Welt, in den jeweils 25 Jahren vor und nach 1800, bezeichneten sich deutsche Nationalisten selbst oft als rückständig, ausgebremst durch Absolutismus und politische Zersplitterung und unter einer gehemmten Fortentwicklung leidend. Im frühen 19. Jahrhundert suchten deutschsprachige Intellektuelle nach alternativen Wegen, um in der Gemmeinschaft der aufgeklärten Gelehrten Grandeur und Respekt zu erlangen. Sie wandten sich gen Osten und der Orientalistik zu, um so zu den Heldentaten der führenden imperialen Mächte beitragen zu können.9 Das orientalistische Fachwissen, das sie durch ihre germanistisch-philosophischen und orientalistischen Studien zugänglich machten, diente auch dazu, den rückständigen Deutschen eine neue geopolitische soft power zu verleihen und sich so gegenüber den westlichen Großmächten, Großbritannien und Frankreich, auszuzeichnen. Fast das gesamte 19. Jahrhundert hindurch ermöglichte der Orientalismus samt dem Zauber, den er entfaltete, den traditionsverbundenen deutschen Nationalisten einen großen Schritt nach vorn, der gleich zwei Vorteile bot: sich mit den heroischen zivilisatorischen Diskursen der britischen Weltmacht zu verbinden und sich als außerordentlich profunde Kenner des Ostens zu profilieren. 1771 brach der deutsche Naturforscher und Ethnologe Georg Forster zusammen mit seinem Vater Johann Reinhold Forster und Captain James Cook, dem

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berühmten britischen Entdecker, zu einer Expedition auf. Forster entstammte einer weitgereisten Familie von Denkern und Schriftstellern, deren Geschichte sich bis zu den Lords Forrester in der schottischen Grafschaft Yorkshire zurückverfolgen lässt.10 Als deutsch-britische Gemeinschaftsunternehmung, beflügelt vom Forschergeist der Aufklärung, war die Reise durch den Süd-Pazifik in gewisser Hinsicht eine Art Vorläufer für Darwins Expeditionen auf der HMS Beagle Jahrzehnte später.11 Das Team reiste auf einem Schiff namens Resolution. Forster führte ein Reisetagebuch und sein Spiel mit Sprache und Bildern rund um die Inseln und Archipele, die das Schiff ansteuerte, war eine gute Grundlage für eine innereuropäische Allianz, die in einem aufgeklärten europäischen Exzeptionalismus gründete.12 In den Schriften, die er im Anschluss an die Expedition verfasste, verband der anglophile Georg Forster britische Bestrebungen mit deutschen Interessen zu einem integralen Ansatz, „primitive“ Völker an den „Gemeinsinn“ Europas anzugleichen.13 Deutsche Nachahmungen des Stils der englischen Oberschicht, ihrer Gärten, Möbel, Parfums, Salons und Kleidungsstücke14 (vom neuen Trend in der deutschen Oberschicht, Schwarztee zu trinken, mal ganz abgesehen), spiegelten in gewisser Weise auch den sehnsuchtsvollen Drang der Deutschen, den Briten auf die Weltmeere zu folgen und Weltbedeutung zu erlangen.15 In dieser Zeit der europäischen Allianzbildung, nach mehr als einem Jahrhundert der Zerrissenheit, wurzelte der deutsche Orientalismus, der sich im Lauf des 19. Jahrhunderts zu gewaltiger Größe und Bedeutung entwickelte, tief in Anglophilie. Das deutsche Interesse an altindischen Texten erwuchs aus der Faszination für die frühe britische Indienforschung und die Kultur des britischen Kolonialismus. Die ersten Orientalisten der Britischen Ostindien-Kompanie waren Ärzte, Juristen und Angehörige des Militärs.16 Durch die Arbeiten dieser britischen Forscher und Gelehrten (ebenso wie die ihrer französischen Kollegen wie etwa Abraham Hyacinthe Anquetil-Duperron) kamen deutsche Gelehrte erstmals mit altindischen und persischen Texten in Berührung.17 In erster Linie waren es die Orientalisten der britischen Kolonialverwaltung in Indien, darunter Sir William Jones, Alexander Hamilton, John Zephaniah Holwell und Henry Thomas Colebrooke, die dafür sorgten, dass erste Übersetzungen indischer Literatur im deutschsprachigen Raum bekannt wurden.18 Im Anschluss an die Expeditionsreise mit Captain Cook übersetzte Georg Forster die beiden Texte, die für britische Orientalisten im späten 18. Jahrhundert von höchster Bedeutung waren, aus dem Englischen ins Deutsche: Auf Grundlage der englischen Originalübersetzung von William Jones fertigte er eine auszugsweise deutsche Fassung des Bhagavad Gita an, und er übertrug das Drama Shakuntala des indischen Dichters Kalidasa.19 Die Begeisterung für sanskritische

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Texte gab der deutschen Elite ein Gefühl von Weltläufigkeit (vergleichbar dem der weitgereisten Briten) und zeichnete sie zugleich auf kultureller Ebene aus, nämlich als herausragende Übersetzer der Literatur des Ostens – eine bedeutende Phase, die eine Art deutsch-romantische Identität keimen ließ.20 Deutsche Romantiker nutzten die von britischen Orientalisten vorbearbeiteten Texte, um ein Narrativ ihrer eigenen Weltbürgerlichkeit zu kreieren.21 Zur Zeit des „Europäischen Konzerts der Mächte“ suchten Gruppierungen, die sich am Rand der Idealvorstellung von „Europa“ fühlten, die Weltordnung durch die Brille der Orientwissenschaften neu zu sehen und sich selbst als privilegierte Kenner eben dieser zu positionieren. Die Faszination, die die französischen philosophes und die britischen Deisten im 17. und 18. Jahrhundert für China, Persien und Arabien gehegt hatten, wurde im frühen 19. Jahrhundert noch übertroffen von einer nie dagewesenen deutschen Fixierung auf das antike Indien und Persien. In den ersten Jahrzehnten eben jenes Jahrhunderts identifizierten deutsche Indologen, neben dem antiken Griechenland, auch Nordindien als Wiege der Weltzivilisation, als den Ursprung der indogermanischen Kultur.22 Angeregt von den philologischen Funden antiker Texte durch britische Orientalisten, war dieser neue Orientalismus vor allem geprägt von einer Verschiebung der deutschen Aufmerksamkeit, und zwar weg von der indischen Halbinsel im Süden und hin zu den Himalaya-Regionen im Norden. Für deutsche Orientalisten des 19. und 20. Jahrhunderts war bald darauf der Himalaya der sanskritische „Nabel der Welt“, der den philhellenischen „omphalos“ in Delphi herausfordern sollte.23 Die Entwicklung eines neuen, begeisterten Orientalismus unter deutschsprachigen Denkern zu Beginn des 19. Jahrhunderts war überformt von der aufstrebenden britischen Kolonialmacht in Indien. 1808 veröffentlichte der deutsche Kulturphilosoph Friedrich Schlegel sein Buch Über die Sprache und die Weisheit der Indier, worin er radikale Behauptungen über die Verwandtschaft zwischen Sanskrit, also den verschiedenen Varietäten des Altindischen, und den europäischen Sprachen aufstellte, höchst inspiriert von der komparatistischen Methode des walisischen Philologen William Jones. Jones war der erste gewesen, der durch Studien historischer Sprachfamilien eine „Verwandtschaft in Kalkutta“ erkannte.24 Schlegel indes ging über Jones’ eher nüchterne Feststellungen noch hinaus und zeigte auf, dass Sanskrit nicht nur zur selben Sprachfamilie gehöre wie das Griechische, sondern vielmehr die Ursprache sei, aus der das Griechische erst entstand. Schlegels Arbeiten, begeistert aufgenommen von deutschen Indologen, markierten den Beginn einer neuen geistigen Strömung, welche die globalen sprachlichen und zivilisatorischen Ursprünge in Indien verortete. Schlegels Idee, wonach Sanskrit die Ursprache des Ostens und des Westens sei, schuf die Grundlage dafür, das antike Indien als ein Weltzentrum der Zivilisation anzuse-

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hen, und Europa als seine damalige Peripherie. Diese These war ein von soft power beförderter geopolitischer Schachzug deutsch-nationalistischer Orientalisten. Das spezielle philosophische Wissen über die Ursprünge der Weltzivilisation, das deutsche Gelehrte über Indien und den Orient zu haben behaupteten, erhärtete den Glauben an die Überlegenheit der eigenen Philosophien gegenüber denen anderer Europäer. Friedrich Creuzer, ein deutscher Nationalist zur Zeit der napoleonischen Feldzüge und Professor für Klassische Philologie und Antike Geschichte in Heidelberg, formulierte in seiner Symbolik und Mythologie der alten Völker (1810 – 1812) die häretische These, wonach die antiken Mythen asiatischer und europäischer Zivilisationen ebenso wie die indoeuropäischen Sprachen ihren Ursprung in Nordindien haben. Mit seiner vergleichenden Betrachtung „bildlicher Sprachen“ der alten Völker, so Creuzer in der Vorrede seines Werks, gehe es ihm vor allem darum, gemeinsamen mythologischen Archetypen rund um den Globus auf die Spur zu kommen.25 Sein sechsbändiges Werk über die Genealogie der Symbolik in den Weltreligionen der Welt beginnt mit den Priesterkasten im alten Indien und dem Brahma-Kult. Nach Creuzer enthielt der Brahmanismus (eine der Hauptreligionen Indiens, hervorgegangen aus dem Vedismus) einfache und tiefgründige Konzeptionen, zugleich aber auch ein ausgedehntes und kühnes System, das mit einigem Erfolg die religiösen Sinnbilder eines Großteils der Menschheit erklärt.26 Indische Götter wie Shiva und Vishnu, wie sie in den Brahmanas und Epen erwähnt werden, und mythologische Symbole wie das Lingam (das Symbol der Hindu-Gottheit Shiva) oder das Kaliyuga (das dunkelste Zeitalter der Hindu-Mythologie), wurden, so Creuzer, zu Archetypen für die Mythen der übrigen Menschheit, einschließlich jener der Israeliten.27 Die Mythen der Welt, die in den indischen Religionen verwurzelt sind, nahmen demnach im Himalaya ihren Anfang. Indien war das Zentrum einer antiken Weltordnung, welche die moderne europa-zentrierte Weltordnung als eine welthistorische Zäsur deutlich hervortreten ließ. Mit seinen durchschlagenden und kontroversen Behauptungen kündigte Creuzer eine neue unverwechselbare Stellung der deutschen Wissenschaft auf der europäischen Bühne an. Die deutsche Komparatistik reklamierte für sich die geistige Macht und Fähigkeit, Wissen neu zu ordnen und auf diese Weise die nur in eine Richtung weisende, quasi diffusionstheoretische Fortschrittsgeschichte der Aufklärung zu konterkarieren.28 Diese Macht, die Geschichte der Weltzivilisationen geopolitisch zu reorganisieren, war der vorrangige Anspruch der intellektuellen Elite im deutschen Europa des 19. Jahrhunderts und wurde als „Genius“ bezeichnet.29 Der neue Ansatz, Wissenschaft zu betreiben, nicht nur mit der richtigen Methode, sondern auch mit der richtigen Philosophie, eine Wissenschaft, die über zufällige Erscheinungsformen und nackte Tatsachen hinaus auf tiefere Gegebenheiten und ursprüngli-

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che Ursachen blickte, beschäftigte deutsche Denker in der Zeit von Friedrich Schlegel bis Friedrich Nietzsche und darüber hinaus.30 Die vergleichenden Methoden boten ihnen viele Möglichkeiten, dem ihnen innewohnenden Genius Geltung zu verschaffen, um das deutsche Europa so zu einem Wissenschaftszentrum und einem Machtträger zu machen, und zwar auch ohne das imperiale Drumherum, das die nordwesteuropäischen Mächte in Übersee versammelten.

Personalnot im Empire „Einer der wenigen Vorteile, die Indien gegenüber England hat, liegt in seiner großen Vielfalt an Wissen“, schrieb Rudyard Kipling 1899, womit er so einige Gemüter im britischen Kolonialreich der Viktorianischen Zeit erhitzte.31 Das viktorianische Weltbild gründete auf mehr als auf Eisenbahnen und Schifffahrtslinien; es gründete auf einem von Hybris und Eitelkeit getragenen Anspruch auf universale Welterkenntnis. Um die Herrschaft in Übersee zu festigen und zu legitimieren, griff man auf eine breite Palette von mechanischen Technologien, Texten, Managementtechniken, biopolitischen Strategien und Kontrollmechanismen zurück.32 Und zwar in einem Maße, dass das Empire immer wieder auf die fachwissenschaftliche Expertise von Beratern in Kontinentaleuropa angewiesen war, um die notwendigen Dienste in der Verwaltung und der Erforschung der Kolonien erbringen zu können. Deutsche Einrichtungen quer durch Mitteleuropa führten den Briten ihr erstklassiges Fachwissen zu und trugen so dazu bei, das britische Kolonialprojekt weiterzuentwickeln und auszubauen. Um die Verbindungen zwischen deutschen Forschern und dem indischen Kulturkreis richtig einzuschätzen, darf man sich nicht nur auf die relativ kleine Zahl von Deutschen auf dem indischen Subkontinent oder die wenigen Hochgelehrten in den deutschsprachigen Ländern beschränken, die uralte indische Texte auch im Original zu lesen vermochten. Ein viel wichtigerer, und doch gemeinhin vernachlässigter Einstiegspunkt in das Verständnis der deutsch-indischen politischen Verflechtungen hat zu tun mit der immensen Bedeutung deutscher Philosophie für die Festigung und den Ausbau der britischen Herrschaft in Indien. Obwohl der akademische Orientalismus in den 1830er Jahren gegenüber der soeben erfundenen „Anglistik“ an Boden verlor, kehrte der angewandte Orientalismus nach 1857 mit neuer Stärke zurück, als sich das britische Kolonialreich massiv auf die vergleichenden Methoden eng eingebundener deutscher Forscher und Berater stützte, um den indischen Subkontinent als Ganzes regieren zu können.33 Es war in erster Linie Franz Bopp, deutscher Sprachwissenschaftler und Sanskritforscher, der die herausragende, international anerkannte „Schule“ der

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Deutschen Indologie begründete, entwickelte und ausgestaltete. Mit ihren historisch-vergleichenden Ansätzen und ihrer Suche nach der gemeinsamen Vorläufersprache der europäischen und asiatischen Sprachen leistete sie einen wesentlichen Beitrag zum British Empire. Die Boppsche Indologie verfeinerte die komparatistische Methode systematisch und betrachtete alle „indoeuropäischen“ Sprachen als gleichwertige, parallele Entwicklungen einer längst verlorenen alten Ursprache. Die Schlegelsche Betrachtung über die Ursprünge der Sprache wies Bopp zurück. Vielmehr richtete er sein Augenmerk gezielt auf die parallele Entwicklung unterschiedlichster Zweige in einer großen, sich weit verästelnden Sprachfamilie. Bopps detaillierte, komparatistische Studie der grammatischen Strukturen stellte die „indoeuropäische Sprachfamilie“ auf einen festen, wissenschaftlichen Boden und förderte die Verfachlichung der Indologie an deutschen Universitäten, just zu dem Zeitpunkt, als orientalistische Studien in Großbritannien unter dem Einfluss des Utilitarismus und Liberalismus in den 1830ern erlahmten. Mitverantwortlich dafür war die zunehmende Tendenz der Krone, Indien zu anglifizieren, was in der Entsendung Lord Macaulays nach Britisch-Indien einen ersten Höhepunkt fand. Folgerichtig wurde das institutionelle Engagement Großbritanniens für orientalistische Forschungen weitgehend eingestellt.34 Die so entstandene Lücke wussten deutsche Gelehrte zu füllen.35 Bald schon schickte sich ein loser Kreis von Indologen der Boppschen Schule an, den britischen Kolonialbeamten einschlägiges Fachwissen zu vermitteln, genau zu dem Zeitpunkt, da britische Einrichtungen in der Heimat begannen, den Instituten für orientalistische Forschung die Mittel zu kürzen.36 Bopps Studenten, darunter der bekannte deutsche Sprach- und Religionswissenschaftler Friedrich Max Müller, fungierten als eine Art Dienstleister der Orientalistik, und zwar sowohl „vor Ort“ in Indien als auch zu Hause in Großbritannien. Müller, der sehr schnell zum einflussreichsten Indologen avancierte, wurde 1868 zum ersten Professor des neu errichteten Lehrstuhls für vergleichende Sprachwissenschaft (damals Comparative Philology) an der Universität Oxford ernannt.37 Weitere Boppianer in britischen Diensten waren Ernst Reinhold Rost als Bibliothekar am British Museum in London, Hans Roer, Bibliothekar an der Asiatic Society of Bengal, und auch Johann Georg Bühler, der zunächst an der Universität Wien lehrte, dann als Assistent des Bibliothekars der Königin in Windsor Castle tätig war und schließlich nach Indien ging.38 Deutschsprachige Gelehrte fühlten sich privilegiert, an einem aufgeklärten British Empire maßgeblich mitzuwirken. Zwar wurde der erste ständige Forschungslehrstuhl für Sanskrit an der Universität Oxford eingerichtet. Und den ersten Boden-Lehrstuhl für Sanskrit bekleidete der englische Orientalist Horace Hayman Wilson, der bei indischen Rechtsgelehrten (pandits) studiert hatte, nicht jedoch an akademischen Lehreinrichtungen in Europa.39 Die Deutschen jedoch

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hatten das Studium der Indologie schon seit mindestens zwei Jahrzehnten professionalisiert. Der englische Religionsphilosoph Herman Tull merkte an, dass die renommiertesten Sanskrit-Forscher Mitte des 19. Jahrhunderts von deutschen Universitäten kamen.40 In seiner Antrittsvorlesung in Oxford thematisierte Müller das unzulängliche methodische und textphilologische Spektrum der Indologie an britischen Einrichtungen. Im Vergleich, so Müller, seien „[deutsche] Universitäten sehr viel besser in der Lage, neuen wissenschaftlichen Forschungszweigen akademische Anerkennung zu verleihen [als dies in Oxford der Fall ist]“.41 Dieser Schulterschluss, so Müller weiter, schaffe die Grundlage für eine akademische Allianz zwischen britischem Imperialismus und deutschem Orientalismus und bestärke die „Blutsverwandtschaft zwischen England und Deutschland“.42 Insbesondere nach 1858, im gerade neu gegründeten Britisch-Indien, ging der Wissenschaftsbetrieb weit über das infrastrukturelle Ingenieurwesen im Straßenund Schienenverkehr und Kanalausbau hinaus und strebte mit akademischen Forschungsprogrammen für Indologie, Geologie, Forstwirtschaft, Botanik und Archäologie den Ausbau und die Konsolidierung der Wissenseinrichtungen in Britisch-Indien an. Doch philosophische Betrachtungen über die Bedeutung Indiens im Kontext des British Empire und auch im Kontext der Weltgeschichte entwickelten sich nur sporadisch. Britische Kolonialverwalter lenkten den Blick über die Grenzen des Empire hinaus, auf intellektuelle Eliten im deutschen Europa und anderswo, um sich methodische Expertise zum Aufbau akademischer Institutionen in Indien einzuholen. Britisch-Indien übernahm von den deutschen orientalistischen „Genies“ nicht nur deren Methodiken, sondern vor allem auch ihre Philosophien zu Indiens historischer, kultureller und geologischer Bedeutung.43 Johann Georg Bühler, Lorenz Kielhorn und Martin Haug avancierten zu den drei wichtigsten Bibliographen und Paläographen in Indien, und alle drei gehörten zum Lehrkörper des Elphinstone College in Bombay.44 Die beiden deutschen Indologen Gustav Oppert und Eugen Hultzsch lehrten am Presidency College in Madras. Aloys Sprenger, österreichischer Orientalist und Experte für arabische und persische Literatur, kam 1843 als Mediziner aus Wien nach Indien. Ab 1848 bekleidete Sprenger das Amt des Vorstehers am Delhi College. 1850 wurde er in das Amt des Direktors der angesehenen Madrasa-i-Aliya in Kalkutta berufen,45 das er 1858 aufgab, als die Briten ganz Indien unter ihre direkte Herrschaft stellten. Sein Nachfolger in diesem Amt wurde der Indologe Rudolf Hoernlé, der als Sohn deutscher Missionare in Indien geboren wurde.46 Ebenfalls 1858, dem annus mirabilis, reiste ein weiterer Orientalist und Gelehrter der persischen Sprache nach Kalkutta. Die Rede ist von Heinrich Blochmann aus Leipzig, der bei der East India Company angeheuert hatte, um nach Indien zu gelangen und dort seine Studien voranzutreiben. Seinen Studienabschluss erwarb er an der University of Calcutta, 1865 wurde er an die

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Madrasa-i-Aliya von Kalkutta berufen, als Professor für persische und islamische Literatur.47 Rudolf Hoernlé leitete die Madrasa bis 1899. Sein Nachfolger wurde Aurel Stein, ein österreichisch-ungarischer Gelehrter und Schüler von Johann Georg Bühler, der sich selbst stolz als „englischer Staatsbürger“ bezeichnete.48 So sehr es Gelehrte und Forscher aus dem deutschen Europa nach Indien zog, an den Ort ihres wissenschaftlichen Interesses, so sehr befriedigten sie dadurch auch den neuen Wissensdurst Britisch-Indiens.49 So zirkulierten die Dienste deutscher und österreichischer Orientalisten, deren Heimatländer nach wie vor ohne eigene Besitzungen in Asien waren, in den militärischen und politischen Kanälen der britischen Weltmacht.

Spazialisten im Mutterland und vor Ort Bis ins späte 19. Jahrhundert hinein behaupteten deutsche Indologen ihre weltumspannende intellektuelle Autorität im Dienst der britischen Herrschaft, sowohl im Mutterland des Empire (unter Friedrich Max Müller) als auch vor Ort in Indien (unter Johann Georg Bühler). Hier wie dort waren deutsche Indologen in koloniale Unternehmungen involviert, indem sie Institutionen aufbauten, Texte katalogisierten oder unsichtbare kulturelle Muster enthüllten. Beide Gruppen unterschieden sich zwar in der Art der Arbeit, die sie leisteten, ergänzten sich aber gleichwohl. Die Gruppe in Grossbritannien um Friedrich Max Müller in Oxford widmete sich der Korrektur und Übersetzung von Schriften. Die Gruppe der deutschen Gelehrten vor Ort um Bühler in Bombay beschäftigte sich mit dem Erwerb von Texten aus ortsansässigen Bibliotheken, der Datierung neu erworbener Manuskripte, der Katalogisierung neuer Quellen sowie der Durchführung archäologischer Expeditionen. Beide Gruppen trugen zeitgleich dazu bei, ein neues Indienbild in der Welt zu etablieren und den Subkontinent als ein imaginiertes kulturelles und administratives Ganzes regierbarer zu machen. In Oxford fungierte Müller als wichtiger Förderer des deutschen „Genius“. Von der 50-bändigen Buchreihe Sacred Books of the East, die unter seiner Leitung erschien, wurde die Hälfte von deutschen Indologen herausgegeben.50 Müller scharte eine große Gruppe jüngerer deutscher Gelehrter um sich, darunter Theodor Aufrecht, Julius Eggeling und Moriz Winternitz.51 Sie studierten in London indische Manuskripte, während sie Müller in Oxford als Assistenten unterstützten. Auch der deutsch-britische Indologe George Thibaut, gebürtig aus Heidelberg, assistierte Friedrich Max Müller in Oxford, bevor er 1875 eine Professur für Sanskrit am Benares Hindu College (Government Sanskrit College) in Varanasi antrat. Auch die Deutschen Richard Garbe, Hermann Oldenberg und Heinrich

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Lüders gehörten zu Müllers Assistenten in Oxford, ehe sie sich an Lehrstühlen in Mitteleuropa selbst einen Namen als herausragende Indologen machten. Während Müller in Oxford an der Übersetzung und Veröffentlichung von Texten arbeitete, beschäftigten sich deutsche Indologen vor Ort in Indien insbesondere mit Paläographie, Epigraphie und Archäologie (den angewandten Wissenschaften der Indologie), um neues Quellenmaterial zu entdecken und irgendwann neue Theorien über die altindische Kultur stichhaltig darlegen zu können. Mehr noch als Müller avancierte Bühler zum führenden Indologen, der sich insbesondere auch der Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern widmete, unter ihnen einige der wichtigsten Indologen, Paläographen und Archäologen im Europa des 19. Jahrhunderts. Bühler bildete mehr als dreißig Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich, Großbritannien, Holland, Indien und Amerika aus und verschaffte ihnen auf dem internationalen Feld entsprechende Stellen.52 Bühler studierte und promovierte an der Universität zu Göttingen. 1863, mit nur fünfundzwanzig Jahren, wurde er zum Professor für Orientalische Sprachen am Elphinstone College in Bombay ernannt, nachdem er zuvor als Assistent des Bibliothekars der Königin in Windsor Castle tätig gewesen war. 1868 wurde er zum Educational Inspector der Präsidentschaft Bombay ernannt und sorgte in dieser Eigenschaft für eine jährliche Inspektion aller Institute. Zwischen 1870 und 1880 veröffentlichte Bühler Jahresgutachten über Lehrpläne und Bildungsstandards in Indien.53 Neben seinen Pflichten am Elphinstone College und als Educational Inspector unternahm Bühler im Auftrag der Regierung ausgedehnte Inspektionsreisen durch West- und Nordindien, wo er in den örtlichen Sammlungen der Tempel und Klöster sowie in den königlichen Bibliotheken der Fürstenstaaten auf ungeahnte Schätze an Büchern und Handschriften stieß. Unter Bühlers Leitung entstand daraufhin ein Projekt mit dem Ziel, umfangreiche Schriften quer durch Gujarat, Pandschab und Kaschmir anzukaufen, um im imperialen Indien eine einheitliche, katalogisierte und den Regeln der „Aufklärung“ folgende Bibliothek sowie eine Sammlung handschriftlicher Literatur aufzubauen. Auch in die Bibliotheken, die im Besitz der britischen Kolonialverwaltung waren, ließ Bühler Manuskripte und Schrifttafeln aus einheimischen Sammlungen integrieren. Generell bedeutete das „Entdecken“ neuer Manuskripte, diese aus festen Sammlungen indigener religiöser und staatlicher Einrichtungen herauszunehmen, insbesondere aus Sammlungen indischer Fürstendynastien. Georg Bühler machte seine Sache gut und war der erste Ausländer, der die fürstliche Bibliothek in Jaisalmer in Rajasthan begutachten durfte. 54 Zusammen mit seinem Kollegen Lorenz Franz Kielhorn war er Herausgeber der Bombay Sanskrit-Series, einer Buchreihe, die systematisch sämtliche der britischen Regierung bekannten Sanskrit-Manuskripte aus dem westlichen Indien publizierte. Bald schon war Bühler

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als erster und wichtigster Manuskriptsammler, Epigraphiker und Paläograph der britisch-indischen Regierung bekannt. Er genoss einen so ausgezeichneten Ruf, dass er 1878 als eines der ersten fünfzig Mitglieder in den Order of the Indian Empire aufgenommen wurde.55 Bühler bereicherte die Manuskriptbestände der imperialen Bibliotheken und erwarb im Auftrag der indischen Regierung 2876 seltene antike Handschriften.56 Er unterstützte dabei auch die Interessen deutschsprachiger Wissenschaftler. So übersandte er etwa neu entdeckte Manuskripte an deutsche und österreichische Universitäten. 1873 begann er mit dem Erwerb und Ankauf von Jaina-Handschriften für die Königliche Bibliothek zu Berlin; auf diese Weise gelangten in den folgenden vier Jahren ganze 485 Jaina-Schriften nach Berlin.57 Heinrich Lüders ebenso wie Richard Pischel bezeichnen die Amtszeit Bühlers in Bombay (1863 – 1881) als bedeutsame Wende für die Indologie im deutschsprachigen Europa, die dem Ausbau der professionellen Indologie an deutschen Universitäten gegen Ende des 19. Jahrhunderts ganz neue Perspektiven eröffnete.58

Wissenschaftliche Verzweigungen in der Orientalistik Deutsche Orientalisten erhellten nicht nur textliche und philologische Strukturen, sondern auch ökologische, geologische und kulturelle Zusammenhänge, wobei sie sich auf den indischen Subkontinent konzentrierten. Die britische Kolonialmacht nahm für sich in Anspruch, Indien als Teil eines historischen, kulturellen und geophysikalischen Ganzen zu sehen und dieser Betrachtungsweise auch Geltung zu verschaffen. Dieser Zug passte gut zum neuen, gleichwohl hochtrabenden Anspruch der Briten, das Land nach der Gründung Britisch-Indiens wirklich selbst zu regieren. Die Orientalistik mit ihren natur- und geisteswissenschaftlichen Zweigen stellte Indien in einen größeren geographischen Zusammenhang – nach Westen entlang der Gebirgsketten von Hindukusch und Altai, nach Osten bis zur Taklamakan-Wüste und den Überschwemmungsgebieten des Bengal-Delta und des Irrawaddy-Delta – und versuchte auf diese Weise, eine für ganz Asien gültige Ordnung zu entdecken. Dieser komparatistische Ansatz ließ Indien monumental erscheinen, und die Monumentalität seiner Kolonialbesitzung rückte das British Empire in ein noch grandioseres Licht. Im Jahr 1854 begannen die drei Brüder Robert, Hermann und Adolf Schlagintweit aus Bayern im Auftrag des India Office damit, Indien als ein in sich geschlossenes, über die regionale Vielfalt hinweg reichendes Ganzes darzustellen. Ihre Ergebnisse legten sie in den vielbändigen Results of a Scientific Mission to India and High Asia von 1861 nieder. Sie legten damit den ersten Versuch einer „Totalerfassung“ des Subkontinents vor, mit einer Übersicht über seine sowohl

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ethnographische als auch geographische Vielfalt. Erfasst und eingetragen sind topographische, magnetische, ethnographische, klimatische und barometrische Daten, die von verschiedenen Stationen quer durch die Gebirgsketten des Himalaya und der Hochgebirge Karakorum und Kunlun stammen, aber auch aus dem Dekkan, dem südlichen Teil des indischen Subkontinents, der sich bis zum Bergland Sri Lankas erstreckt.59 Gewidmet war das Werk der Royal Society, gemeinschaftlich finanziert hatten es der König von Preußen und der East India Company. Die Schlagintweit-Mission (1854– 1858) setzte einen neuen Standard für künftige britische Arbeiten zur Erhebung geologischer, archäologischer und ethnographischer Daten ebenso wie zur Gewinnung nützlicher Informationen, und wurde in den nächsten vier Jahrzehnten zum Vorbild für eine Vielzahl ethnographischer und geographischer Erkundungsmissionen, die ganze Gruppen von britischen Regierungsvertretern unternahmen.60 Hermann Schlagintweit, der älteste der Brüder, hatte bereits den Mittleren Westen der USA bereist, wo er über die Kultur der Mormonen schrieb. Die gewaltigen Geographien des amerikanischen Westens und der nördlichen Regionen Indiens stellten für viele deutsche Naturforscher und Reisende des 19. Jahrhunderts wie für Hermann Schlagintweit, die beiden „Buchstützen“ dieser Erde dar, und die Verkoppelung von Amerika und Indien in deutschen Weltvorstellungen setzte sich bis weit ins 20. Jahrhundert hinein fort.61 Die Schlagintweit-Mission hatte auch den Charakter einer diplomatischen Geste, denn es war König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, der seine Bereitschaft zur finanziellen Unterstützung des Unternehmens signalisierte, was kein Geringerer als Alexander von Humboldt an die East India Company übermittelte.62 Alexander von Humboldts komparatistischer Ansatz in seinem gewaltigen, mehrbändigen Werk Kosmos (1845 – 1862) sowie seine stete Suche nach der Offenbarung eines Natur-Ganzen, oder natürlicher Ganzheiten im Kontext regionaler Zusammenhänge, übten auf die Gebrüder Schlagintweit einen ungemein starken Einfluss aus. Humboldt war für viele Deutsche ein „neuer Kolumbus“ und die Schlagintweits gleichsam seine Epigonen für Asien. In deutschen Methoden ausgebildete Wissenschaftler leiteten auch die archäologische Erkundung indischer Artefakte und die Aufsicht über die Grenzregionen Britisch-Indiens an. Der wichtigste auch mit deutschen Methoden vertraute Archäologe in britisch-indischen Diensten war der Orientalist Marc Aurel Stein. Er brachte die Techniken und das Wissen der mitteleuropäischen Archäologie in der Forschung des British Empire zur Anwendung. Geboren wurde Marc Aurel Stein 1862 im damals österreichischen Pest, dem heutigen Budapest. 1879 ging er nach Leipzig, um Georg Bühlers Vorlesungen zu hören64, anschließend nach Tübingen, um dort seine Dissertation unter Rudolf von Roth, Professor für indoeuropäische Sprachen, fertigzustellen. 1884 ging er nach Großbritannien, wo

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er für Friedrich Max Müller arbeitete und in der Bodleian Library in Oxford sowie in den Archiven des damaligen East-India-House in London alte handschriftliche Sanskrittexte übersetzte.65 Nach dem Militärdienst in Ungarn kehrte er nach London zurück, wo er als Assistent für den in Deutschland geborenen englischen Orientalisten und Bibliothekar an der India Office Library, Ernst Reinhold Rost, arbeitete. Stein traf sowohl auf den englischen Indologen und Sanskritwissenschaftler Monier Monier-Williams als auch auf den schottischen Orientalisten Henry Yule, beide Mitverfasser des 1886 erschienenen Wörterbuchs Hobson-Jobson, einem Nachschlagewerk für anglo-indische Begriffe. Durch Yule hörte Stein von einer offenen Stelle als Registrar und Leiter des Oriental College an der Pandschab University in Lahore, die er erhielt und 1888 antrat.66 Seine erste Aufgabe bestand darin, in der Bibliothek des Ragunathan Tempels in Kaschmir einen Manuskriptkatalog zu erstellen. Unter dem Titel Kalhaṇa’ s Rajatarangini. A Chronicle of the Kings of Kashmir veröffentlichte er 1892 die englische Übersetzung der Rajatarangini, einer Geschichte Kaschmirs des indischen Historikers Kalhana aus dem 12. Jahrhundert, die fortan als die umfangreichste und gelehrteste galt. 1896 folgte eine Sammlung von kaschmirischen Volksmärchen, erzählt von Hatim Tilawon, einem berufsmäßigen Geschichtenerzähler.67 1900 dann, nach seiner Zeit als Leiter der Madrasa von Kalkutta, unternahm Stein seine erste Expedition von Kalkutta nach Khotan, inspiriert von den frühen Entdeckungsreisen des schwedischen Geographen Sven Hedin und den Tagebüchern des Reiseschriftstellers Huen Tsian.68 1902 machte sich Stein auf den Weg zu Grabungen in die Oase von Turfan im Osten Turkistans an der Grenze zwischen Britisch-Indien, Russland und China. Es sollte die erste von vier erfolgreichen und international angesehenen archäologischen Grabungen werden, alle durchgeführt unter der Ägide des Empire und auf dem Höhepunkt des „Great Game“ (wie der historische Konflikt zwischen Großbritannien und Russland um die Vorherrschaft in Zentralasien bezeichnet wird). Stein kehrte mit einer wertvollen Sammlung von Gemälden, Skulpturen und Manuskripten zurück, die Aufschluss über kulturelle Zusammenhänge und die frühzeitliche Geschichte der Völker in den Tälern des Himalaya gaben.69 Er unternahm weitere Erkundungsreisen nach Tibet, Balch, in die Wüste Lop Nor und in das Tal der Tausend Buddhas, wo er im März 1907 eine Fülle heiliger Manuskripte erstand. Er betrachtete die Taklamakan-Wüste und das Tarim-Becken als Teil einer verzauberten, ganzheitlichen, uralten buddhistisch-kulturellen Welt, in die auch Nordindien miteingeschlossen war.70 Am Ende seines ausnehmend langen, aktiven Forscherlebens leistete Stein mit neuen Techniken der Luftbildvermessung einen Beitrag zur britischen Luftaufklärung im Irak und in Transjordanien (1938 – 1939) sowie im Swat-Tal (1941– 1942).71

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Moriz Winternitz, ein österreichischer Indologe an der Prager Karlsuniversität und Mitglied der Prüfungskommission für die Aufnahme in den Indian Civil Service, sah die Aufgabe des Archäologen, ähnlich wie die des Philologen, darin, kulturelle Ganzheiten zu entbergen, die für das gewärtige Auge nicht sichtbar sind. (Der Indian Civil Service, ICS, war die Verwaltungselite im Dienste der indischen Regierung, gegründet von der Kolonialherrschaft in Britisch-Indien; die heutigen Civil Services of India sind anders strukturiert; Anm. d. Übers.). Die Nutzung wissenschaftlicher Methoden zur Offenbarung nicht-sichtbarer Ganzheiten war für Winternitz der wohl bedeutsamste Beitrag deutscher Orientalisten zum Aufbau eines europäischen Kolonialreichs. Konfrontiert mit einem Wust an historischen Texten, die weder mit Datumsangaben noch anderen Hinweisen versehen und dazu in toten Sprachen verfasst waren, kam die Aufgabe der Orientalisten, aus diesen Hinterlassenschaften die Konturen einer längst vergangenen Kulturwelt nachzuzeichnen, eigentlich der Arbeit eines Naturwissenschaftlers gleich, der die „Wahrheiten“ der Naturgeschichte erforschte. Winternitz sinnierte darüber in einer Weise, die Alexander von Humboldt und Max Müller zu schätzen gewusst hätten. Die Sanskritliteratur, so Winternitz, sei immer weniger eine Domäne des Chaos, weil einige nicht aufhebbare Bezugspunkte festgelegt seien. Man werde es deshalb eines Tages mit einer Ordnung (Kosmos) zu tun haben anstatt der Unordnung (Chaos).72 Wie gesagt waren deutsche Gelehrte eifrig beschäftigt, archäologische Funde zu sammeln, tote oder solche, die nur noch für Rituale gebraucht wurden, zu katalogisieren, bibliothekarische Repositorien aufzubauen und antike Texte in verherrlichte Visionen der viel beschworenen kulturellen Ganzheit einzubauen, stets und immer zugunsten des Empire; gleichzeitig aber richteten sie ihre Aufmerksamkeit auch auf die lebenden regionalen Sprachen des indischen Subkontinents. Der britische Orientalist und Linguist George Abraham Grierson stützte sich bei der Durchführung seines berühmten Linguistic Survey of India sehr stark auf deutsches Fachwissen.73 Grierson beauftragte Sten Konow, einen jungen norwegischen Indologen, der in Halle promoviert wurde, mit der Vorbereitung von fünf der neunzehn Bände des Linguistic Survey of India, der ersten umfassenden, sprachwissenschaftlichen Untersuchung der verschiedenen Sprachfamilien Indiens.74 Griersons Kontakte in der deutschsprachigen akademischen Welt, insbesondere Ernst Windisch in Dresden und Wilhelm Schmidt in Wien, hatten ihm Konow für diese Aufgabe empfohlen. Von 1906 bis 1908 arbeitete Konow zudem als Epigraphiker am Archaeological Survey of India.75 Der Teil des Linguistic Survey of India, der sich auf den Golf von Bengalen bezieht, basiert fast ausschließlich auf der Expertise deutschsprachiger Wissenschaftler, wie etwa Wilhelm Schmidt, einem Wiener Jesuiten und weitgereisten Experten für die Sprachen der bengalisch-birmanischen Delta-Region. Auch Schmidts Schüler,

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darunter Robert von Heine-Geldern sowie die österreichischen Jesuitenpatres Johann B. Hoffmann und Arthur van Emelen, zog Grierson für seine Arbeiten am Linguistic Survey zu Rate.76 Die Historikerin Ulrike Kirchberger beschreibt deutsche Geographen und Geologen als „Wegbereiter“ der britischen Übersee-Expansion.77 Die Geologie, die Botanik und erst recht die Kartographie waren Disziplinen, in denen deutsche Forscher führend waren und wichtige Beiträge im Dienst der britischen Kolonialmacht leisteten. Auf dem Gebiet der Geologie unternahm die Kolonialverwaltung konzertierte Anstrengungen zur Rekrutierung deutscher Expertise (insbesondere von deutschen Universitäten) für das neu errichtete Wissenschaftsinstitut Geological Survey of India (GSI) in den 1860er und 1870er Jahren.78 1861 reiste Thomas Oldham, ein irischer Geologe und der erste Direktor des Geological Survey of India, nach Wien mit dem Ziel, vier neue Mitarbeiter für das Geological Survey zu rekrutieren.79 Der gebürtige Wiener Karl Diener studierte Geologie und Paläontologie und spezialisierte sich auf Fossilien aus dem Himalayagebiet. Nachdem Oldham sich in den Ruhestand verabschiedet hatte, wurde Diener zum Leiter der Geologie am Geological Survey of India in Kalkutta berufen. Zum stellvertretenden Leiter wurde 1878 der österreichische Geologe Carl Griesbach (1847– 1907) ernannt, der dem Institut dann von 1894 bis 1903 als Direktor vorstand. Der in Mähren geborene österreichische Botaniker Ferdinand Stoliczka, der an der Universität Wien studierte, kam 1864 nach Indien, wo er als Botaniker am Geological Survey of India tätig war. Er wurde zum Sekretär für Naturgeschichte honoris causa der Asiatic Society of Bengal ernannt.80 Auch der deutsche Geologe und Paläontologe Wilhelm Heinrich Waagen, ebenfalls von der Universität Wien, arbeitete am Geological Survey of India, wo er über die Fauna von Gujarat im JuraZeitalter schrieb.81 Otto Stapf, ein weiterer österreichischer Botaniker, wurde 1890 Vorsteher des Herbariums von Kew Gardens im südwestlichen London, die zu den ältesten botanischen Gärten der Welt zählen, wo er als Principal Assistant for India ein Verzeichnis der Farnpflanzen in Indien anlegte. Und auch der deutsche Geologe und Paläontologe Fritz Noetling trat von 1886 bis 1905 in die Dienste des Geological Survey of India82, ebenso wie seine österreichischen Kollegen Viktor Uhlig und Erich Spengler, die zwischen 1860 und 1890 dort tätig waren. Der deutsche Topograph und Forschungsreisende Wilhelm Filchner (1877– 1957) war Leiter des Magnetic Survey of Nepal, von wo aus er 1903 mehrere geologische Expeditionen nach Tibet anführte. Bernhard Schmitt, ein deutscher Missionar in Madras, veröffentlichte eine Arbeit über die Pflanzenwelt Indiens, und auch Immanuel Pfleiderer, der ebenfalls als Missionar nach Indien kam, veröffentlichte ein Werk mit dem Titel Glimpses into the Life of Indian Plants (1908).83 Unter britischer Kolonialherrschaft war die akademische Führungsebene in den Fachbereichen Geologie und Botanik also von Deutschen dominiert.

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Wien war im späten 19. Jahrhundert der Ringstraßenzeit eine Welthauptstadt für geologische und naturhistorische ebenso wie für kunsthistorische und anthropologische Forschungen.84 Eduard Suess, der berühmte Geologe an der Universität Wien, der Indien selbst nie gesehen hatte, entwickelte die einflussreiche Theorie eines Urozeans („Tethys“) sowie die Idee des riesigen Urkontinents („Gondwana“), aus dem der indische Subkontinent hervorgegangen ist.85 In seinem fünfbändigen Werk Das Antlitz der Erde (1893), das eine Zusammenfassung seiner Ideen enthält und sich formal an Humboldts Kosmos orientiert, beschreibt er die Erde als ein System miteinander verbundener Meere, nicht Landmassen, und versucht sich in einer Erklärung der geophysikalischen Eigenschaften von Vulkanen, Gebirgsketten, Wüsten und Meere aus der Perspektive ihrer paläologischen Entwicklungsgeschichte.86 Sein Werk wurde zur Pflichtlektüre für Geologen im britischen Kolonialreich. Suess’ Ausführungen über einen Urkontinent, der vor der Herausbildung der indischen Landmasse existierte, schöpft aus den Arbeiten deutschsprachiger Gelehrter am Geological Survey of India. Ottokar Feistmantel, ein Pionier in der Erforschung der Flora der Trias in Gondwana anhand entsprechender Funde in Indien, veröffentlichte 1876 eine vierbändige Abhandlung über die Flora im „Gondwana System“ und argumentiert, dass die Pflanzenwelt Indiens eine im wahrsten Sinne des Wortes gemeinsame Wurzel mit der in der Antarktis, in Südamerika und Australien aufweist.87 Deutschsprachige Geologen und Botaniker richteten ihre Aufmerksamkeit auf das nördliche Indien und betrachteten den Himalaya als eine Art magische Brücke zwischen der Gegenwart und der prähistorischen Vergangenheit. Auch mit komparatistischen Methoden vertraute deutsche Indologen waren von Suess’ Theorien fasziniert und sahen weniger Flora und Fauna, als vielmehr Sprache, Legenden und kulturelle Artefakte tief und fest wie an einer Nabelschnur im Himalaya-Gebirge verankert.88 Die deutschen Wissenschaften in Indien verzweigten sich noch in andere Richtungen. Der deutsche Botaniker Dietrich Brandis, geboren 1824 in Bonn, betrachtete den indischen Subkontinent als ein System miteinander verbundener Wälder und Waldflächen. Neben anderen Fächern wie Physik, Zoologie und Chemie studierte er Botanik in Göttingen und Bonn. Auf Empfehlung von Alexander von Humboldt und mit Unterstützung von Generalgouverneur Dalhousie wurde er 1856, im Alter von nur 32 Jahren, Superintendent of Forests in BritishBurma89 und 1864 Generalinspekteur des Indischen Forstamtes, wo er langwierige Probleme der Misswirtschaft lösen sollte. Die großflächige und unsystematisch vorangetriebene Zerstörung der Wälder, um Holz für Eisenbahnschwellen zu haben, schürte in der britischen Kolonialverwaltung Sorgen um eine nicht nachhaltige Waldbewirtschaftung und um die dauerhafte Versorgung mit Nutzund Bauholz.90 Insgesamt verbrachte Brandis zwanzig Jahre in Indien, bis er 1883

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eine Professur an der Universität Bonn antrat.Von 1888 bis 1896 war er außerdem an der Forstausbildung am Coopers’ Hill College in England beteiligt. 1906 veröffentlichte er sein monumentales Werk Indian Trees: An Account of Trees Shrubs Woody Climbers Bamboos & Palms Indigenous or Commonly Cultivated in the British Indian Empire, eine botanische Enzyklopädie. Seine Lehren über die Waldund Forstwirtschaft führten zu einer einheitlichen Forstgesetzgebung zur Waldnutzung in Britisch-Indien.91 Um das Fällen von Bäumen systematisch zu regulieren und Waldflächen für die Landwirtschaft zurückzugewinnen, stützten sich die britischen Kolonialbehörden auf Brandis’ wissenschaftliche Expertise und auf die seiner deutschsprachigen Assistenten. In den 1860er und 1870er Jahren, so schreibt Ramachandra Guha, ein indischer Journalist und Historiker, waren die Waldbestände in Indien so stark geschrumpft, dass Holz aus Europa importiert werden musste.92 Brandis entwickelte ein nachhaltiges Waldschutzprogramm, das vorsah, die heimischen Kiefernwälder des Himalaya als Hauptbezugsquelle für Eisenbahnschwellen zu nutzen. Zudem, so argumentierte er, müssten Abholzung und Aufforstung Hand in Hand gehen und das rotierende System der Fällungen müsse eingehalten werden, um die Reproduktion der Wälder nicht zu gefährden.93 Mehr als einmal beklagte Brandis die „Engstirnigkeit“ der Regierung und kritisierte die permanente Forderung nach zusätzlichen Erträgen aus der Forstwirtschaft.94. Dennoch machten Brandis und auch die Forstverwaltung geltend, dass ein britisch-staatliches Waldmonopol für indische Walgebiete vonnöten sei, um eine erfolgreiche Bewirtschaftung sicherzustellen.95 Brandis beharrte auf dem letztgültigen „right of conquest“ (Eroberungsrecht), das den Kolonialstaat zum alleinigen Eigentümer sämtlicher Waldflächen machte, dem alle bestehenden Gewohnheitsrechte der lokalen Waldbewohner untergeordnet waren. 1866 empfahl Brandis der britischen Kolonialregierung erstmals, dass die deutsche Forstverwaltung als Modell zur Ausbildung indischer Forstbeamter herangezogen werden solle.96 1873 schrieb er ein Memorandum, in dem er verschiedene kontinentaleuropäische Wälder auflistete, die britische Nachwuchskräfte der Forest Survey zu praktischen Unterrichtszwecken aufsuchen sollten.97 Im gleichen Jahr veröffentlichte der deutsche Botaniker Gustav Mann, einer von Brandis’ Assistenten in Indien, sein Lehrbuch Extracts from a Report on Forest Management in Hanover and the Black Forest.98 Brandis scharte eine Gruppe deutscher Forstwirte um sich, die alle eine wichtige Rolle in der Institutionalisierung mitteleuropäischer Gelehrsamkeit innerhalb der indischen Forstschutzbehörde spielten. Seine deutschen Nachfolger im Amt des Generalinspekteurs, Wilhelm Schlich (1881– 85) und Berthold Ribbentrop (1885 – 99) ebenso wie Gustav Mann, leitender Waldschutzbeauftragter in British-Sikkim, hatten zuvor alle unter Brandis gearbeitet.99

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Die führende Rolle der Deutschen als Manager kolonial-britischer Wissenschaften nagte am nationalen Selbstbewusstsein im London der viktorianischen Zeit und sorgte für einige Verwunderung. Der Topos vom Förster und dem Wald diente Rudyard Kipling sogar als Vorlage zu seiner Kurzgeschichte „Im Rukh“ (1893), die von einem deutschen Waldhüter namens Müller erzählt: „Der gigantische Deutsche, den Gisborne meinte, war Haupt und König der gesamten Wälder und Forsten Indiens, Oberforstmeister von Birma bis Bombay. Er hatte die Gewohnheit, wie eine hurtige Fledermaus von einem Revier zum anderen zu flitzen, ohne vorherige Ankündigung, und tauchte immer da auf, wo er am wenigsten erwartet wurde.“100 So vermittelte sich der breiten viktorianischen Leserschaft das Bild von gebildeten deutschen Forstbeamten, die sich leutselig in den Dienst der britisch-indischen Regierung stellten und sowohl ihr technisches Fachwissen als auch ihre Ansichten einbrachten, um die Briten zum „Herrn aller Wälder im Lande Indien“ zu machen. Auch die qualitativen Methoden der Deutschen für fundierte indologische Studien fanden unter den britischen Intellektuellen jener Zeit großen Anklang. Henry Maine, britischer Anthropologe und Rechtsgelehrter, griff in seinen komparatistischen Studien hinduistischer Rechtssysteme ausdrücklich auf die vergleichenden und historischen Methoden deutscher Wissenschaftler zurück, wie die Verweise auf deutsche Quellen in seinem Opus magnum belegen.101 Nur durch die Linse der deutschen Wissenschaft, so schrieb Maine 1875, erschienen altindische Texte als die spannendsten, die erquicklichsten, voller neuer Fragestellungen und (voller) Aussichten auf neue Entdeckungen.102 Späterhin erklärte Halford J. Mackinder, ein herausragender britischer Geograph mit strategischem Weitblick, die Briten seien zwar „Pioniere“ in neuen Methoden der Präzisionsvermessung, Hydrographie und Klimatologie, lägen aber in puncto synthetischer, philosophischer und vergleichender Methoden der Geographie „deutlich unter dem ausländischen und insbesondere dem deutschen Niveau“.103 In britischen Gelehrtenkreisen der spätviktorianischen Zeit galten die deutschsprachigen Länder als eine reiche Quelle der (praktischen) Philosophie und Methodik, aus der sich endlos schöpfen ließ, um die Vielfalt indischer Geografien, Sprachen und Kulturen zu strukturieren und so die Macht des Empire zu stärken.

Das deutsche Leitbild in Indien Die deutsche Wissenschaft war den kolonial-britischen Unternehmungen insofern förderlich, als sie zum einen ihre wissenschaftlichen Expertisen und Methodiken einbrachte (wie zum Beispiel beim Sammeln, Archivieren und Katalogisieren von Handschriften, bei der Datierung paläographischer Zeugnisse oder in

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der Forstwirtschaft), zum anderen aber auch komparatistische und historistischphilosophische Perspektiven, um die Fülle neu erworbener Informationen zu strukturieren – Indien als das Zentrum einer alten zivilisatorischen und geophysikalischen Welt. Doch mit dem Wissen über Indiens alte Geschichte allein ließ sich die turbulente Gegenwart im kolonialen Indien nicht bewältigen. So wie die Deutschen im 18. Jahrhundert Studienreisen in das industriell aufstrebende Großbritannien unternommen hatten, um aus erster Hand Wissen über landwirtschaftliche und ökonomische Planung zu erlangen, so reisten die Briten Mitte des 19. Jahrhunderts nun umgekehrt auf den europäischen Kontinent, in die industriell starke deutsche Kernregion, um sich in neuen Konzepten zur Planung der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung unterrichten zu lassen, die in Großbritannien und dessen Kolonien fehlten.104 Im späten 19. Jahrhundert übernahm Deutschland das Ruder als weltweit führende Nation im Ingenieurund Planungswesen, weil es den Vorsprung Englands und Frankreichs bei der Industrialisierung und der Nationenbildung aufzuholen suchte. Hiervon profitierte das Empire enorm, denn die Planungsstäbe für koloniale Projekte orientierten sich mit wachsender Aufmerksamkeit an deutschen Leitbildern, um industrie- und sozialpolitische Strategien für Indien zu erarbeiten.105 Und sie drängten darauf, Reformprogramme für die indische Gesellschaft umzusetzen.106 Die Vorbilder hierzu suchten sie auf dem europäischen Kontinent. Britische Verwaltungsbeamte reisten nach Deutschland, um dort probate und bewährte Programme zu studieren – im Bildungswesen, in genossenschaftlichen Betrieben und Handwerksverbänden sowie im Fischereiwesen und in der Lederverarbeitung. Bereits lange vor der deutschen Einigung 1871 begannen die deutschen Staaten, die Prozesse wachsender Industrialisierung und Staatsbildung zu organisieren, und lieferten den Briten damit eine Reihe von Blaupausen für deren kolonialpolitische Planungen im Indien des späten 19. Jahrhunderts.107 Ob es die Zollverein-Bewegung seit den 1810er Jahren war, oder die mehrgleisigen Berufsbildungswege zur Förderung von Schülern mit unterschiedlichen Fähigkeiten, ob es Ideen zur sogenannten inneren Kolonisation an den Ostgrenzen108 waren, oder genossenschaftliche Finanzverbundsysteme nach Raiffeisen und SchulzeDelitzsch – all diese Initiativen zielten auf die Reformierung der Gesellschaft, aber auch auf die Integration einer Vielzahl von vormodernen Kleinstaaten in eine moderne einheitliche Nation.109 Und nun, Mitte des 19. Jahrhunderts, zogen britische Kolonialverwalter die deutschen Praktiken zur Organisation der politische Ökonomie auch als Modelle für Indien in Betracht. Strukturbildende Maßnahmen in Gesellschaft und Industrie nach deutschem Vorbild boten die Möglichkeit, die Verwaltung Indiens effizienter und Indien damit besser zu machen, was die Kolonialherrschaft weiter legitimierte.110

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Jeremy Bentham, englischer Jurist und Sozialreformer, gründete die University of London (UCL) 1829 nach deutschem Vorbild, um die wissenschaftliche Forschung, insbesondere die angewandten Wissenschaften wie das Ingenieurwesen, zu fördern.111 Einen ähnlichen Kurs verfolgten 45 Jahre später die USAmerikaner mit der Gründung der Johns Hopkins University (1876), „um breit angelegte, akademisierte Aufbaustudiengänge nach deutschem Vorbild anzubieten“.112 Wie Daniel Rodgers gezeigt hat, wandten sich die prestigeträchtigen IvyLeague-Universitäten auf ihrer Suche nach bildungspolitischen Vorbildern jenseits des Atlantik ab Mitte des 19. Jahrhunderts von den alten Bildungsmodellen in Oxford und Cambridge ab und übernahmen das professionalisierte und bürokratisierte Universitätsmodell aus Kontinentaleuropa.113 Der berühmte Sozialreformer Matthew Arnold, Bruder eines Kolonialverwalters, empfahl in seinem 1874 verfassten Werk Higher Schools and Universities in Germany die Reform der britischen Bildungseinrichtungen nach streng Humboldt’ schen Kriterien.114 In Übereinstimmung mit den Erkenntnissen der TauntonKommission, die fünf Jahre zuvor zusammengetreten war, schrieb Arnold, der britische Student fahre deshalb „nach Paris, Heidelberg oder Berlin, da England ihm nicht das bieten kann, was er will“, weil Oxford und Cambridge noch immer nicht viel mehr seien als „Hautes Lycées“.115 Sogar der Kolonialminister Joseph Chamberlain beklagte 1902, dass Großbritannien Gefahr laufe, „im Wettlauf um die höchsten Wissenschaften weit zurückzufallen“. Ebenfalls 1902 riet auch der berühmte britische Statistiker Karl Pearson in einem Lehrvortrag: „Wir müssen uns an das Beispiel der deutschen Technischen Hochschulen halten.“116 Die Gründung der University of Birmingham (1900) durch Chamberlain und die Gründung der London School of Economics (1895) waren teilweise der Versuch, das deutsche Bildungssystem nachzuahmen.117 Und als Arthur Mayhew, ein britischer Experte für das koloniale Bildungssystem, nach seinem Dienst im indischen Bildungsdepartement unter Marquess Curzon, Generalgouverneur von Indien, nach Großbritannien zurückkehrte, hegte er Deutschland gegenüber eine gewisse Ängstlichkeit. Seine Sorge kompensierte er von einer anglozentrisch-imperialen Warte herab, indem er das deutsche Gelehrtentum als übertrieben systematisch beschrieb: „Bei meiner Rückkehr war ich überzeugt, dass englische Bildungsstätten und Universitäten, bei all ihren Eigentümlichkeiten und fehlenden Strukturen, sehr wohl über den zündenden Funken verfügen, den die entsprechenden deutschen Bildungssysteme so schmerzlich vermissen lassen …“118 Das wachsende Gefühl einer britischen Bildungsunterlegenheit beschwichtigte Mayhew, indem er die außerordentliche Fähigkeit der Briten zu einem „vital spark“ (einer „zündenden Idee“) beteuerte. Deutsche Experten und deutsche Modelle spielten eine wichtige Rolle dabei, soziale Reformprojekte in Indien anzukurbeln.119 Die „Planung“ im kolonialen

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Indien wies einen deutschen Anstrich auf, da die britischen Kolonialverwalter auf deutsche Methoden blickten (für öffentliche Bauvorhaben oder in der Städteplanung), um daraus Modelle zur politisch-administrativen Ordnung der indischen Kolonie abzuleiten.120 Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts war es üblich, dass sich britische Kolonialbeamte auf Bildungsreise nach Kontinentaleuropa begaben, um Programme für die soziale Absicherung der Arbeiter in Unternehmen zu studieren. Verschiedene europäische Länder wie Frankreich, Italien und Dänemark galten als Leitbilder, besonders aber die deutschsprachigen Länder. So setzte sich etwa Frederick Nicholson in einem Bericht von 1895 mit der deutschen Idee der Genossenschaftsbanken als möglichem Modell für Indien auseinander, eine Idee, die auch dem Kolonialrat von Madras gefiel, der die Einrichtung von „Hypotheken- und Landwirtschaftsbanken“ erwog.121 Nicholsons zweibändiger Bericht über kontinentale Hypothekenbanken und Genossenschaften (1895 – 1897) war quasi ein flehender Appell an die britisch-indische Regierung, „Raiffeisens Idee“ nach Indien zu holen.122 Die wirtschaftspolitische Diskussion rund um das Thema Genossenschaftsbanken in Indien zu Beginn des 20. Jahrhunderts fand unter Planern und Kritikern, indischen wie britischen gleichermaßen, große Beachtung und war eng verbunden mit einer genauen Betrachtung der deutschen Modelle. Venkata Subbaiya, Mitglied der Servants of India Society (ein Verband, der sich ausschließlich sozialen Reformen widmete; Anm. d. Übers.), und Vaikunth Mehta, Direktor der Bombay Central Co-operative Bank, rückten in ihrem Jahresabschlussbericht von 1918 an die Regierung das deutsche Modell der Dorfkooperativen in den Fokus, die es sich zum Programm gemacht hatten, wirtschaftliche Organisation, finanzielle Hilfe sowie schulische und ethische Bildung zu vereinen.123 In den 1890er Jahren begann Johann B. Hoffmann, ein junger deutscher Jesuitenpater und Indologe, mit ersten eigenen Experimenten in Sachen Dorfkooperative, zunächst in Chittagong, später dann in den Hügeln des Chota Nagpur-Plateaus – zum großen Erstaunen der Kolonialbehörden.124 Die wissenschaftliche Behandlung von Sozialreform und Wirtschaftsplanung führte britische Kolonialbeamte auch zu anderweitigen Studienreisen ins deutschsprachige Europa. Ludwig Trick beispielweise schrieb 1886 über die deutsche Papierproduktion. E. S. F. Walker wurde vom Indian Office auf den Kontinent entsandt, um sich Gerbereien anzusehen. Die Ergebnisse dieser Reise sind in seinem Forschungsbericht von 1892 dokumentiert.125 E. E. Fernandez schrieb 1897 einen Bericht über forstwirtschaftliche Praktiken in Frankreich und Deutschland. Und Frederick Nicholson veröffentlichte 1912 ein weiteres Memorandum, diesmal zum Thema Organisation der deutschen Fischereien, die er auf einer Studienreise durch das deutschsprachige Europa erkundete. Zudem gab es aus dem späten 19. Jahrhundert eine ganze Reihe von Berichten über schulische

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Bildungskonzepte für Kinder, die sich den „Kontinent“ (vertreten durch Deutschland, Schweden und Frankreich) zum Vorbild nahmen.126 Patrick Geddes, ein schottischer Stadtplaner in Indien, appellierte an die Kolonialverwaltung, für die Bereiche öffentliches Baugewerbe und öffentliche Gesundheit die vorbildlichen und bewährten Methoden aus den USA, Deutschland und Frankreich zu prüfen. Mit dem Aufkommen systematischer Stadtplanungsprogramme in Indien in den 1910er und 1920er Jahren wurden deutsche Gesetze und Vorschriften zur Stadtentwicklung als richtungsweisendes Vorbild herangezogen.127

Ein Weltreich der Aufklärung bröckelt Die Partnerschaft zwischen Briten und Deutschen baute auf die universalistischen Kennzeichen von Empire, Aufklärung und Europäertum. Doch diese begannen zu bröckeln und zu zerfallen, als sich im späten 19. Jahrhundert eine zunehmende Rivalität der beiden Nationen bemerkbar machte. Seit Gründung des deutschen Nationalstaates 1871 und seit seinem Ausgreifen zur Weltpolitik in den 1890er Jahren strebten die Deutschen nach einer herausragenden Stellung in der Welt und wollten im „Prozess der Zivilisation“, der bisher durch die kulturelle und politische Hegemonie der Briten und Franzosen definiert war, eigene Akzente setzen.128 Mit der Etablierung des Kaiserreichs zur Zeit Bismarcks und dem Aufkommen der Ringstraßenzeit in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie wuchs unter der deutschsprachigen Bevölkerung das Gefühl, sich im Aufwind zu befinden, auf der Weltbühne zunehmend an Bedeutung zu gewinnen und mit ihren akademischen Einrichtungen künftig international eine wichtige Rolle zu spielen.129 Diesen Aufwind erhielten sie aber nicht primär als Europäer, sondern in allererster Linie als Repräsentanten deutscher Gelehrsamkeit und mehrheitlich deutscher Reiche. So wie das 19. Jahrhundert im Zuge der Aufklärung und dem aufgehenden British Empire als Polarstern mit der Bildung großer europäischer Allianzen begann, sah die Sache gegen Ende des 19. Jahrhunderts ganz anders aus: Europa begann entlang der Bruchlinien seiner unterschiedlichen (nationalen) Wissens- und Wissenschaftstraditionen und seiner konkurrierenden nationalstaatlichen Konzeptionen zu zersplittern. Britisch-deutsche Vettern wie König George und Kaiser Wilhelm waren auf dem besten Weg, Todfeinde zu werden. Bald schon würden sich deutsche und indische Intellektuelle mehr und mehr als Waffenbrüder gegen die angelsächsische Weltmacht sehen. Die bindende Kraft des Aufklärungsmythos in einem einigen siegreichen Europa konnte die Zeit nicht überdauern. Nach dem Bruch in den 1880er Jahren wurde die Wissenschaft rissig und die Res publica literaria, die

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„Republik der Gelehrten“, zerbrach. Deutschsprachige Wissenschaftler begannen, staatliche, industrielle und intellektuelle Macht zu nutzen, um ihren eigenen Platz an der Sonne zu behaupten. Es kam zu ganz neuen Verbindungen zwischen deutschen und indischen Intellektuellen im Kontext der britischen Herrschaft in Indien. Zwischen deutschen Europäern und asiatischen Kolonialuntertanen etablierte sich etwas ganz anderes als eine koloniale Beziehung – etwas, das eher der Beziehung zwischen Wahlverwandten glich. Ab 1894 begann Deutschland unter der militärischen Führung von Alfred von Tirpitz mit dem Aufbau einer Kriegsflotte, deren klares Ziel es war, die britische Vormachtstellung auf den Meeren herauszufordern.130 In Anbetracht der unverblümten Unterstützung der Deutschen für den Burenkrieg in Südafrika und den aufrührerischen Äußerungen hochrangiger Deutscher über Ägypten kam Großbritannien aus seiner „Isolation“ heraus und bildete einen bilateralen Verteidigungspakt mit Japan, gefolgt von Verträgen mit Frankreich (1904) und Russland (1907). Die deutsche Finanzierung der Bagdad-Bahn ab 1896 bot einen weiteren Anlass, die britisch-deutsche Rivalität anzuheizen.131 Mit der Besetzung der Bucht von Kiautschou (Jiaozhou-Bucht) durch deutsche Truppen 1897, die durch Pachtvertrag zur deutschen Kolonie wurde, begann Deutschland, „die chinesische Melone zu zerteilen“.132 Die überseeischen Weltreich-Experimente der Deutschen erreichten ihren Höhepunkt mit der Niederschlagung des Maji-MajiAufstandes in Deutsch-Ostafrika 1905, des Herero-Aufstandes in Deutsch-Südwestafrika 1904 – 1905 und der Marokko-Krise 1905, als Deutschland versuchte, Frankreich die Kontrolle über Marokko streitig zu machen. Nachdem Wilhelm II. 1888 den Thron bestiegen hatte, wurde der Anspruch auf Weltpolitik auch programmatisch formuliert. Es war eine Reaktion auf die Imperative des imperialistischen Wettstreits der europäischen Mächte und die Zwänge einer expandierenden Weltwirtschaft. Das deutsche Welthandelsvolumen verdoppelte sich zwischen 1900 und 1910.133 Deutschland wurde zu einem Weltindustriezentrum, zu einem Importeur von Rohstoffen und einem Exporteur von Fertigprodukten und Technologiegütern.134 Doch ein Gefühl von Unterlegenheit durchzog die deutsche Außenpolitik, und erst recht das deutsche Nationalbewusstsein. Deutschland bangte vor den deutlichen Absichten und den Fähigkeiten seiner imperialen Konkurrenten, namentlich Großbritannien, Frankreich und Russland.135 Wie der Blick auf eine Landkarte des deutschen Historikers Julius von Pflugk-Harttung über die „Entwicklung großer Kulturgebiete (von) 1900“ zeigt, waren zwei Drittel der Landmasse der Welt rot eingefärbt, was den britischen Einflussbereich markierte, das Russische Reich nahm ein Viertel der Erde ein. Und Deutschland, ein kleines, landumschlossenes Gebiet in der Mitte der Karte, wirkte wie bedroht von allen Seiten.136 In seinem Artikel „Um die Weltherrschaft“, erschienen 1904 in der Zeitschrift Die Gartenlaube, rechnete der Schriftsteller Carl

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Falkenhorst die kolonialen Besitzungen der einzelnen europäischen Länder zusammen und illustrierte die Ergebnisse in einem eindrucksvollen Piktogramm. Das Bild eines britischen Soldaten war als Riese dargestellt, dahinter nach Größe geordnet das Bild eines russischen und eines französischen Soldaten. Und die deutsche Figur saß als ein kleiner Zwerg irgendwo mittendrin.137 Insofern hatten die deutschen politischen Beobachter von damals großes Interesse an einem Erwachen der „alten Völker“ des Orients, da dies durchaus Auswirkungen auf die deutsche Stellung im Kreis der Weltmächte haben konnte. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts, etwa ab 1880, erlebte Europa eine zunehmende „Ent-Europäisierung“. Es wuchs die Faszination für orientalische Konzepte und Vorstellungen des indischen Asiens, derer man sich immer öfter bediente, um sich vom eigenen Europäertum abzugrenzen, wie es im Diskurs der Aufklärung im 18. und 19. Jahrhundert konstruiert worden war. Die „weiche Macht“, welche die Deutschen mit ihren komparatistischen und historistischen Methoden sowie mit ihrer Deutungsmacht bei der Erforschung Indiens unter Beweis gestellt hatten, sollte den Griff des Empire festigen; aber sie konnte sich genauso gut gegen diese Herrschaft wenden, wenn sie mit antikolonialistischen Absichten eingesetzt wurde. Deutsche Wissenschaftspraktiken eröffneten in Indien bald schon Wege für starke akademische Allianzen mit indischen Nationalisten. Statt eine verbindende und einigende Kraft in der Welt zu sein, wurde das British Empire zum Ziel globaler Antagonismen und brachte als neuer gemeinsamer Feind neue Allianzen hervor. Gerade weil das British Empire eine die Welt umspannende Größe war, konnten seine Widersacher nun, selbst über große geographische Entfernungen hinweg, eine gemeinsame Basis finden. Es waren Wissenschaft, Kunst und Technik, mit denen sich die Deutschen auf der Weltbühne zu profilieren suchten. Zu Zeiten der von Kaiser Wilhelm II. 1890 ausgerufenen Weltpolitik waren es die Reisen deutscher Wissenschaftler rund um die Welt, mit denen das deutsche „Imperium der Gelehrsamkeit“ Verbreitung fand.138 Paul Rohrbach, der neben Ernst Jäckh und Friedrich Naumann zu den renommiertesten Publizisten der deutschen Kulturpolitik um die Jahrhundertwende zählte, führte an, dass Deutschland den Völkern der Welt eine Alternative zu den imperialen Gesellschaften der Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich bieten könne.139 Bis zur Jahrhundertwende galt das deutsche Interesse nicht nur der territorialen Expansion, sondern auch der Verbesserung der Ausgangsposition seiner akademischen Einrichtungen sowie der Steigerung des akademischen Ansehens weltweit.140 Wissen, so stellten deutsche Imperialisten klar heraus, konnte zur rechten Zeit umgewandelt werden in Macht. Die Annäherung zwischen deutschen und indischen nationalistischen Intellektuellen entstand aus den gleichen Verbindungen wie die vormalige deutsch-

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britische Partnerschaft. Die interdisziplinäre Ausrichtung der Orientalistik, die philologische Ansätze, geologische Entdeckungen, botanische Exposés oder archäologische Ausgrabungen zu verbinden suchte und die die deutsche Wissenschaft generell auszeichnete, spielte der indischen nationalistischen Protestbewegung in die Karten. Die deutsche Gelehrtenfeder wurde in Indien gleichsam zu einem besonders scharfen Schwert. Neben den Ausblicken auf große alte Kulturen, die die deutschsprachigen Orientalisten soeben eröffnet hatten, mochte die kulturelle Überlegenheit der Briten auf einmal nicht mehr so selbstverständlich, ja sogar illegitim erscheinen, nachdem sie nunmehr im Schatten überragender Darstellungen einer unbestreitbaren Grandeur der altorientalischen Kultur stand. Friedrich Max Müller war einst ein großer Unterstützer des britischen Kolonialsystems gewesen, er hatte sogar seine lutheranischen Wurzeln verleugnet und war in den Fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts der Anglikanischen Kirche beigetreten.141 Später dann, in den 1890er Jahren, verwies er immer wieder auf die augenscheinliche Überlegenheit der deutschsprachigen Wissenschaft gegenüber der englischen, wie auch im Weiteren auf die Legitimität indischer nationalistischer Forderungen. Derweil, ebenfalls in den 1890ern, verstrickte sich Johann Georg Bühler in einen von deutschem Nationalismus umwitterten Skandal, als er sich öffentlich hinter den jungen Archäologen Alois Anton Führer stellte, der fälschlich behauptet hatte, das historische Lumbini entdeckt zu haben, den Geburtsort von Siddhartha Gautama, dem späteren Buddha.142 Führers falsche Behauptungen wurden entlarvt, und Bühler musste sich scharfe Kritik dafür gefallen lassen, Führers Arbeit gefördert zu haben. Der in Ungnade gefallene Bühler starb kurze Zeit später unter rätselhaften Umständen, ertrunken im Bodensee – in den Selbstmord getrieben, wie einige glaubten, aus Scham über die eigene Deutschtümelei und die „Führer-Affäre“.143 Deutsche Indologen nahmen die indischen Traditionen in Schrifttum und Religion ernst – sehr viel ernster, als britische Wissenschaftler es vermochten oder wollten. Im Gegenzug nahmen die Inder ihrerseits die deutsche Orientalistik ernster als deren britische Varianten. Die Fußnoten in Werken des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts aus der Feder indisch nationalistischer Gelehrter, ob sie aus Bengalen, Bombay, Lahore oder Madras kamen, verwiesen zuhauf auf deutsche Quellen.144 Indische Denker grenzten die deutsche Philologie von der britischen Wissenschaft scharf ab; sie galt ihnen als deutlich verschieden. Zudem lieferte die akademische Führungsriege deutschsprachiger Wissenschaftler auf den Gebieten Ökonomie, Politik und Geschichte den Indern eine umfangreiche Grundlage, anhand derer sie die vielen, aufklärerisch konzipierten Herrschaftsansprüche ihrer britischen Kolonialherren infrage stellen und bestreiten konnten. Die deutschen Fußnoten wurden von den Indern für einen wissenschaftlichen Krieg mobilisiert, um sich in der akademischen Welt zu profilieren.

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So nutzte etwa der bengalische Archäologe Rajendra Lal Mitra in den 1880er Jahren die Argumentationen der deutschen Philologie zur Untermauerung seiner Erkenntnisse über die monumentale „indo-arische“ Steinarchitektur, die zeitlich weit vor den Eroberungen in Indien unter Alexander dem Großen einzuordnen sei.145 Mitras Argumentation war eine direkte Kritik an den philhellenischen und anglozentrischen Anschauungen des führenden britischen Archäologen in Indien, Alexander Cunningham. Die deutsche Indologie, die lange bemüht gewesen war, die tönernen Füße des Klassizismus zu zerschlagen, indem sie die Ursprünge der Weltzivilisation in Asien und nicht im Mittelmeerraum verortete, wurde von Mitra benutzt, um die imperiale, anglozentrische Lesart zu attackieren. Derweil nutzte P. C. Ray, Bengalens berühmtester Chemiker und einflussreicher Kopf der Nationalisten, Bühlers Datierung der altindischen Schrift Dharmasastra (über die „Wissenschaft der Rechtschaffenheit“) ebenso wie Rudolf von Roths Datierung der altsanskritischen Abhandlung Sushruta Samhita (über indische und ayurvedische Medizin) und Hermann Kopps Bericht über die mittelalterlichen Anfänge der deutschen Chemie, darunter die Alchemie des Paracelsus, um die historische Dimension und Bedeutsamkeit der „Hindu“-Chemie nachzuweisen.146 Den wichtigsten Prüfstein für seinen Ost-West-Vergleich bot ihm dabei die Alchemie des deutschen Mittelalters, nicht die Philosophie der hellenistischen Zeit.147 Anagarika Dharmapala, der ceylonesische Begründer der Maha Bodhi Society (einer 1892 in Britisch-Indien gegründeten internationalen buddhistischen Organisation), hob indes auf ein ganz besonderes Werk ab – auf die Grammatik des Sanskrit von Panini, einem indischen Sanskrit-Grammatiker des fünften oder vierten vorchristlichen Jahrhunderts. Es ist die älteste erhaltene Grammatik des Sanskrit und damit die älteste Grammatik überhaupt. Otto von Böhtlingk und Albert Weber datieren das Werk in die Zeit nach dem historischen Buddha und belegten mithin seinen hohen Stellenwert für die kulturelle Bedeutung des Buddhismus in Indien.148 Dies sind nur einige wenige Beispiele für den aus gemeinsamen Rivalitäten geborenen Aufbau akademischer Allianzen. Ab den 1880er Jahren schmiedeten deutsche und indische Wissenschaftler lose Bündnisse gegen die bestehende Rolle Großbritanniens als hegemonialer Träger des Fortschritts auf Erden, das diese Rolle wie einen Staffelstab von den Griechen und Römern übernommen hatte. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatten sich die deutschen Gelehrten von ihren großen britischen Brüdern getrennt und begannen damit, sich unter den indischen Nationalisten neue Wahlverwandte zu suchen. Die Formen der Verflechtungen, die daraus entstanden, waren komplexer als die binäre Beziehung zwischen Kolonisator und Kolonisierten, nicht überraschend, da sich Beziehungen unter Wahlverwandten sehr viel verworrener gestalten. Bei der Vernetzung mit Gruppen außerhalb Europas dachten die Deutschen nicht in binären Gegensätzen, sondern in relationalen Dimensionen, die nach dem Grad fachlicher Nähe abgestuft waren.

2 Indische Untertanen außerhalb des Empire Die endgültige Teilung Bengalens 1905 verstärkte den nationalistischen Widerstand gegen die britische Herrschaft. Die Swadeshi-Bewegung (svadeśi, „für das eigene Land“ oder „Heimatland“) nahm Gestalt an.1 Swadeshi rief zum Boykott von im Ausland produzierten Waren und zu militanten Angriffen auf Kolonialverwalter und Polizisten auf. Getragen wurde die Bewegung vom selbstbewussten Aufstieg eines neuen indischen antikolonialen Internationalismus, der sich in kulturdiplomatischen Bemühungen und im Aufbau von Allianzen außerhalb des räumlichen Einflussgebietes der britischen Kolonialmacht zeigte. In der Geschichte des Swadeshi-Aktivismus lag der Fokus eindeutig auf Boykott und radikaler Militanz.3 Das im 19. Jahrhundert konstruierte Idealbild von dem einen großen Empire zerfiel in viele konkurrierende imperialistische Visionen des 20. Jahrhunderts. Es ist also ein konfliktiver Kontext, in dem wir die Dimensionen der indischen antikolonialen Realpolitik begreifen müssen, da diese die politischen Organe aufsteigender imperialistischer Kräfte für sich zu nutzen suchte, um die britische Weltherrschaft zu zerschlagen. Mitten im russisch-japanischen Krieg von 1904– 1905 erbaten indische Nationalisten von Japan finanzielle und institutionelle Unterstützung für ihre Sache, insbesondere im Bereich der Bildung, des Verkehrs und des Druckereiwesens.4 Auch bei anderen kolonialisierten Völkern und nationalistischen Bewegungen in Marokko und Algerien, im südlichen und östlichen Afrika, in Ägypten, auf Martinique und in China warben sie um Unterstützung.5 Im Gefüge der internationalen Politik des 20. Jahrhunderts jedoch wurden die großen Metropolen in Deutschland und Amerika zu den wichtigsten Zentren des indischen antikolonialen Internationalismus. Als Europa in zwei Koalitionen zerfiel, auf der einen Seite die sogenannte Triple Entente, auf der anderen Seite ein informelles Bündnis zwischen Großbritannien, Frankreich und Russland, das sich gegen den sogenannten Dreibund von Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien verbündete, arbeiteten die indischen Swadeshi-Internationalisten an kulturellen, bildungspolitischen und militärischen Allianzen, insbesondere mit Deutschland, dem großen Gegenspieler der Briten in diesen Jahrzehnten. Im Vorfeld des Weltkriegs erleben wir also keine Verklärung der Theorien einer „natürlichen“ Überlegenheit Europas oder des Empire, sondern vielmehr den Zerfall Europas und des Empire als universelle Wegweiser, begleitet von bisher ungekannten politischen Verstrickungen und Konflikten. Die indischen Nationalisten stürzten sich in diesen Mahlstrom der internationalen Politik, in der Hoffnung, mithilfe der Stürme der britischen Weltordnung entrinnen zu können.

https://doi.org/10.1515/9783110706178-003

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Die Fachwelt verortet die „Swadeshi-Ära“ ganz allgemein in den drei Jahren von 1905 bis 1908. Angestoßen durch die administrative Teilung der Provinz Bengalen durch Vizekönig Lord Curzon fand sie ihr endgültiges Ende vermutlich drei Jahre später infolge massiver Repressionen durch das Empire, aber auch durch ineffektive politische Praktiken wie „Terrorismus“ und kulturelles Elitedenken in der zumeist höherkastigen bengalischen Hindu-Führungsriege.6 Die Betrachtung der nationalistischen Swadeshi-Bewegung im internationalen Zusammenhang jedoch lässt erkennen, wie sich wandelnde Weltvorstellungen zwischen 1905 und 1908 in den darauf folgenden Jahren zu einer Ausweitung der Swadeshi-Politik auf die internationale Bühne führten. Um 1910 wurde Kalkutta zu einem wichtigen Knotenpunkt im internationalen Geflecht des indischen Antikolonialismus. In seiner zweiten Phase, ab 1910, als antikoloniale Netzwerke nach ihrer brutalen Zerschlagung durch die britischen Kolonialherren wiederaufgebaut worden waren, wurde die Swadeshi-Bewegung zunehmend zu einem Diaspora-Phänomen. Swadeshi-Aktivisten reisten durch die ganze Welt, planvoll, strukturiert und gut organisiert. Doch auch auf ihren ausgedehnten Reisen bewegten sie sich in ihren eigenen transnationalen, politischen Netzen und blieben stets verbunden mit den Daheimgebliebenen in Kalkutta und andernorts in Indien. Man kann die nationalistische Bewegung nicht angemessen verstehen, ohne auch ihre Diaspora ins Bild einzubeziehen. In den Jahren nach 1905 entwickelten sich klar konturierte internationale Weltbilder, derweil bengalische Intellektuelle ihre eigenen Erfahrungen in politischen Ereignissen über räumliche und zeitliche Entfernung hinweg widergespiegelt sahen – in Ereignissen, die sich in China, Japan, den USA und Deutschland abgespielt hatten oder gerade abspielten. Sie schufen eine neue mentale Landkarte (mental map), basierend auf vergleichenden Betrachtungen über den Rahmen des British Empire hinaus, die den indischen Nationalisten Übereinstimmungen mit anderen Beispielen des nationalen Kampfes aufzeigten. Swadeshi-Aktivisten waren leidenschaftliche Weltreisende. Sie trugen ihren antikolonialistischen Kampf um die Unabhängigkeit weit über die territorialen Grenzen Indiens hinaus und etablierten wichtige Knotenpunkte innerhalb eines internationalen Netzwerks des politischen Aktivismus. Die Swadeshi-Bewegung war Gipfelpunkt eines Wandels in der nationalistischen Politik, der in den 1880 Jahren seinen Anfang genommen hatte. Die Zeit vor den 1880er Jahren war geprägt von den Bhadralok (bhadralōk), einer hochkastigen bengalischen Bildungselite, „weltmännisch“ und anglophil. Nach 1880 jedoch wandelte sich die Stimmungslage, wurde zunehmend antikolonial und anglophob, begleitet von einer wachsenden Germanophilie. Zwischen den 1880er und den 1910er Jahren wandelte sich die Vorstellung der bengalischen Bhadralok, von einer begrenzten, an das britische Herrschaftsre-

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gime gebundenen Weltvorstellung hin zu einer internationalistischen Denkweise. Diese reichte nun über die Grenzen des Empire hinaus, eröffnete Reisewege und ermöglichte Dialoge über imperiale Grenzen hinweg. Dies wiederum ermöglichte ab 1880 bis 1914 einen regen transnationalen Wissensaustausch indischer Intellektueller mit deutschsprachigen Kollegen, innerhalb und außerhalb Europas.7 Während die bengalischen Intellektuellen einer früheren Generation (verkörpert durch Bankim Chandra Chattopadhyay, einem indischen Autor aus Bengalen), sich mit engen kolonialen Konstrukten und Vorstellungen der englischen und westlichen Welt konfrontiert sahen (bilat), sah Ramananda Chatterjee, aus einer jüngeren Generation, die Bengalen in einem weiteren Horizont (bideś), in der „Welt dort draußen“.8 In seinem ersten Leitartikel im Fachblatt Modern Review vom Dezember 1907 beschwor Ramananda Chatterjee die „internationale Bruderschaft“, die den britischen Imperialismus zerstören würde. „Wir sind überzeugt, es gibt ein lebendiges internationales Denken und Handeln, von deren geistigem Glanz die Menschheit bislang gerade mal eine leise, schwache Ahnung bekommen hat.“9 Als ernst zu nehmende Akteure auf der internationalen Bühne mitzuspielen und teilzuhaben an den politischen wie philosophischen Debatten, inspirierte viele Intellektuelle der Swadeshi-Bewegung.

Großbritannien als Schirmherr Europas Zu Beginn der 1830er Jahre hatten sich bengalische Intellektuelle in Kalkutta als Mittler zwischen dem Westen und den Einheimischen positioniert. Mit dieser Rolle formte sich in ihren Köpfen das Ideal eines abstrakten, vereinten Europa. Rammohan Roy, Henry Louis Vivian Derozio und Ishwar Chandra Vidyasagar sahen sich als Mittler zwischen dem Mutterland des Empire und den Kolonien, ein Selbstverständnis, das Bankim Chandra Chattopadhyaya später als madhyasthā, bezeichnete, als quasi die „innere Haltung“ der kolonialen Mittelklasse.10 Im Bengalischen verwendete man die kulturellen Kategorien bilāti (Englisch) und iyurōpiyō (europäisch) wie auch die Herrschaftskategorie ingrez oder inga (die Engländer), um die neue Universalität des „Westens“ zu benennen. Diese binäre Rahmung – man könnte auch sagen: das Dilemma zwischen einem „indigenen“ Selbst und einem „westlichen“ Anderen war typisch für die mentale Landkarte der Bhadralok des 19. Jahrhunderts. Vertreter einer solch binären Sicht und intellektuelles Dreigestirn im Bengalen des späten 19. Jahrhunderts waren Bhudev Mukhopadhyay, Bankim Chandra Chattopadhyay und Jogendra Chandra Ghosh, Angehörige hoher Kasten. Nach ihrer Lesart war England so etwas wie der Inbegriff der modernen Weltordnung.

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Alle drei wuchsen im traditionellen Macaulayisch-anglozentrischen Bildungssystem auf (das auf der für niedere Kasten unzugänglichen Sanskrit-Sprache basierte; Anm. d. Übers.), geprägt vom Comte’schen Geist des Positivismus.11 Aufgewachsen waren sie in der Zeit der Pax Britannica, in einer Welt, in der das British Empire seine hegemoniale Rolle als Symbol eines modernen eurozentrischen Universalismus spielte. Bhudev Mukhopadhyay beispielsweise schrieb zwei Schulbücher kurz nacheinander, Imlander Itihās („Englische Geschichte“, 1862), und Romer Itihās („Römische Geschichte“, 1863), in denen er Englands neuzeitliche Rolle in der Welt mit dem mythischen Glanz des antiken Rom verknüpfte. Sowohl England als auch Rom galten ihm als Zentrum der Weltzivilisation. Wie der Historiker Sudipta Kaviraj aufzeigt, legten diese Denker der „Bengalischen Renaissance“ die Grundlagen des antikolonialen bengalischen Bhadralok-Nationalismus. Die Hindu-Traditionen der höheren Kasten wurden zur Quelle für den kulturellen Widerstand gegen die Übernahme einer britisch liberalimperialen Ordnung.12 Sie sahen England (bilāt) als Symbol des modernen Universalismus, dem sie in ihren Schriften die Hindu-Tradition gegenüberstellten, sprich, ihre eigene innerkulturelle Welt, wo Familienleben, Religionsleben und persönliche Bindung beheimatet waren. Bankim sprach sehr wortgewaltig von dem Dilemma, zwischen zwei Welten zu stehen, dem Reich des vijñān (der Wissenschaft) und dem Reich des dharma (hier: der religiösen Verpflichtungen des Einzelnen); zwischen einer äußeren, vom Westen beherrschten Domäne, und einer inneren, in hinduistischer Kultur und Pflicht verankerten spirituellen Freiheit.13 Anfang der 1870er Jahre veröffentlichte Bankim in seinem Journal Bangadarśan eine Reihe von Aufsätzen über die Wissenschaft (vijñān). Er schrieb über Entdeckungen amerikanischer und europäischer Wissenschaftler auf den Gebieten der Astronomie, Paläontologie und Biologie und pries die „europäische Astronomie“ des US-amerikanischen Astronomen Charles Young.14 Er diskutierte die bakteriologische Forschung des Iren John Tyndall ebenso wie die Arbeiten von Wissenschaftlern in Frankreich und Belgien, die das exakte Alter der Erde zu bestimmen suchten. Und er schloss einen seiner Aufsätze damit, dass er für eine Fusion von West und Ost plädierte – für eine harmonische Kombination des Besten aus beiden Welten.15 „Newtons Wissenschaft, Kalidasas Poesie, Humboldts Gelehrsamkeit oder Shankaracharyas Lehren – sie alle sind von grundlegender Bedeutung: Die Weisheit des Buddha (śākyasimha), Akbars Heldenmut und Comtes Philosophie sind allesamt wichtige Pfade“, schlussfolgerte er und etablierte damit eine Argumentationslinie interkultureller Vielfalt, die noch die Schriften von Generationen bengalischer Bhadralok-Denker nach ihm bestimmen sollten.16

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In seinen späteren Schriften der 1880er Jahre rückte Bankim von seinem „Ost trifft West“-Narrativ, verstanden als Nebeneinander diverser Kulturen, langsam ab.17 Das spirituelle Konzept des dharma bot nun einen breiten Weg zur Kritik an „westlicher“ Wissenschaft.18 Bankim kontrastierte die Wissenschaft nun mit jener Art von Erkenntnis, die er in der sanskritischen Tradition beheimatet sah und die philosophischer Kontemplation (darśan) und kultureller Disziplin (anuśīlan) entsprang.19 Bankim verfocht eine bestehende sanskritische intellektuelle und kulturelle Welt, die von westlichen Wissenschaften (vijñān) unabhängig und ihr zugleich überlegen war. Das Thema wurde auch von der Subaltern Studies Group aufgegriffen, einer Gruppe südasiatischer Wissenschaftler, die sich mit den postkolonialen und postimperialistischen Gesellschaften in Südasien beschäftigen. Was sie als einen „moment of departure“ des indischen antikolonialen Nationalismus präsentieren – die Geltendmachung einer „History 2“, die auf Kulturempfinden beruhte, und die Ablehnung einer „History 1“ des westlichen Kapitalismus -, bezieht sich häufig in erster Linie auf Bankims Schriften. Tatsächlich kann das Timbre seiner politischen Diskurse der 1870er und 1880er Jahre fälschlich als Einheitston des antikolonialen bengalischen Diskurses interpretiert werden, der ein Verständnis für die sich anbahnenden Veränderungen missen lässt.20 Insbesondere bleibt der historische Wendepunkt der 1880er Jahre in früheren Analysen der Subaltern School unsichtbar. Wenn aber das Symbol „British Empire“ nach den 1880er Jahren quasi in mehrere Imperialismen zerfiel, und wenn dies auch der Fall war für das Symbol „Europa“, das in vielen Nationalismen aufging, so trat ab diesem Zeitpunkt auch die Vorstellung einer indischen nationalen Identität in eine Phase der Pluralisierung und der Vielstimmigkeit – eine Entwicklung, die in weit mehr Richtungen auseinanderlief als dass die binäre Rahmung „Heimat versus Welt“ sie fassen könnte.

Der neue Internationalismus Eine der wichtigsten Stellungnahmen zu Bankims Diskursen eines neuen indischen antikolonialen Internationalismus findet sich in den philosophischen Schriften von Aurobindo Ghose, einem neo-hinduistischen Denker zwischen Tradition und Moderne. 1893, mit gerade einmal zwanzig Jahren, veröffentlichte er in der Zeitschrift Indu Prakash eine Artikelserie, die den Titel New Lamps for Old („Neue Lampen für alte“) trug – ein Weckruf, mit dem eine neue Generation von bengalischen Intellektuellen in der kolonialen Gesellschaft für politischen Zündstoff sorgte. Aurobindos New Lamps for Old-Serie pointierte das existentielle Streben nach neuer Bedeutung in einem modernen indischen „Selbstverständ-

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nis“, das Indien in einen internationalen Kontext und damit außerhalb des Rahmens des britischen Kolonialismus stellte. Anstatt „sich einen spärlich bestückten Schrank mit abgelegten Lumpen und abgenutzten Überresten der englischen Meister zu erkämpfen“21, so schreibt er, sollten die Inder besser die intellektuelle Nische überwinden, die der Imperialismus ihnen verordnete und sich der Welt dort draußen anschließen. Die französische Politik, so machte er deutlich, böte dem indischen Antikolonialismus einen Spiegel an. Beide politischen Kulturenstrebten zugleich nach Nationalismus und Universalismus. Diese Verbindung des Inneren mit dem Äußeren, des Nationalen mit dem Universalen, war mehr als nur eine rhetorische Strategie. Sie begründete und festigte eine neue Denkart. Die jungen Swadeshi-Aktivisten unterschieden sich von den patriarchalen kolonialen Intellektuellen der Generation vor ihnen (wie zum Beispiel Bankim Chandra Chattopadhyay), sie hatten vieles gemeinsam mit den Anarchisten der französischen oder russischen „Attentate“. Aurobindo äußerte große Bewunderung für sie, ebenso wie für den japanischen Meiji (wie der 122. Kaiser von Japan postum genannt wird), der mit seiner internationalistischen Politik neue intellektuelle Impulse gab.22 Das bewusste Bemühen, globale Strukturen des Wissenschaftsbetriebs zu nutzen – ausländische Experten nach Indien zu bringen (Insourcing) und zugleich indische Gelehrte auf Studienreise ins Ausland zu entsenden (Outsourcing) –, ermöglichte es indischen Nationalisten, eine neue intellektuelle Autorität zu entwickeln, in einem internationalen Kontext und außerhalb des strikten Rahmens des Empire. Intellektuelle der Swadeshi-Bewegung fühlten sich angezogen von radikalen post-aufklärerischen Erkenntnistheorien, die einheimische Wissenstraditionen, orientalistische Faszinationen und wissenschaftliche Diskurse verschmolzen und so den normativen Anspruch des liberalen Empire als Wahrzeichen des Weltganzen herausforderten. Im August 1906 begann Aurobindo mit der Herausgabe seiner Zeitschrift „Bande Mataram“, die Sprachrohr der „Nationalist Party“ war und bis zu ihrer Schließung durch die britischen Kolonialbehörden 1908 erschien.23 Die Zeitung bot ein veritables Kompendium organisierter politischer Aktivität in aller Welt, berichtete über politische Aufstände in Irland, China oder Ägypten und mit anhaltendem Interesse auch über die Wahlrechtsbewegung in Großbritannien.24 Doch hier geschah mehr als die bloße Verbreitung der neuesten Nachrichten aus aller Welt. Swadeshi-Aktivisten etablierten Verbindungskanäle und brachten insbesondere junge nationalistisch gesinnte Inder mit den neuen industriellen Weltzentren in Deutschland, Japan und Vereinigte Staaten zusammen.25 Swadeshi-Aktivisten sahen in Deutschland, den USA und Japan die größten Mächte der späten Industrialisierung sowie die wichtigsten Vorbilder für einen kraftvoll auftretenden Nationalismus, wie es ihn auf die eigene Nation zu übertragen galt.

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Doch die Faszination für die drei industriellen Spätentwickler, und für Deutschland im Besonderen, hatte weniger mit der Größe der indischen Diaspora-Gemeinden in Berlin, Tokio oder New York zu tun, sondern vielmehr mit den Warenströmen, die sich nach Ansicht indischer Nationalisten durch die Kontakte mit den neuen starken Nationen des 20. Jahrhunderts ergeben könnten, um sich aus den kolonialen Fesseln des 19. Jahrhunderts zu lösen.26 Für indische Nationalisten spielte Deutschland in den Jahren unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg die möglicherweise wichtigste Rolle als Knotenpunkt des Internationalismus jenseits des Empire. Und die Öffnung deutscher akademischer Institutionen für Inder im Fin de Siècle hatte viel zu tun mit den geopolitischen Zielen des deutschen Reiches. Das 1906 eröffnete Bengal Technical College begann, Studenten auf Hochschulen in Japan, den Vereinigten Staaten und Deutschland zu schicken, damit sie als karmabir, als Helden des nationalen Aufschwungs, von den ausländischen Gipfeln der Wissenschaft nach Hause zurückkehrten. Auch die Swadeshi-Bewegung außerhalb Bengalens machte die Fachausbildung zu einem ihrer wichtigsten Projekte. Jehangir Ratanji Dadabhoy Tata schuf die Grundlage für das nationalistische Institute of Science in Bangalore, das 1909 seine Pforten öffnete und erstmals 1915 den Lehrbetrieb im Fach Elektrotechnik aufnahm.27 An den staatlichen Hochschulen für Elektrotechnik war dies erst ab den 1930er Jahren der Fall. Swadeshi-Internationalisten schickten sich an, Techniken und Expertise von außen ins Land zu holen, um die wirtschaftliche Entwicklung Indiens anzukurbeln, um kulturelles und intellektuelles Wachstum zu beschleunigen, um die Ausbildungssituation in den Ingenieurwissenschaften zu verbessern sowie Marktwachstum und internationale Anerkennung zu erreichen. Die Kala Bhavan (auch School for Art and Industry in Baroda, eine Fakultät für bildende Künste und industrielle Forschung) nahm ebenfalls eine führende Rolle im nationalistischen Bildungskonzept der Ingenieursausbildung ein.28 Die Fakultät vertraute auf deutsche Maschinen, vor allem aber nahm sie Gastwissenschaftler unter Vertrag, um ihre Ausbildungsgänge einzurichten. Hugo Schumacher, ein Experte der IG Farben, lehrte dort als Professor für Chemietechnik.29 Außerdem vergab ein deutsches Unternehmen mit Sitz in Bombay Stipendien an Studenten, um ihnen ein Studium an der Kala Bhavan zu ermöglichen.30 In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg porträtierte die Swadeshi-Presse Deutschland als größten geopolitischen Gegenspieler des British Empire, als das Land, das seiner Weltmacht am gefährlichsten werden konnte. Der Aufstieg Deutschlands zur „fortschrittlichsten Nation“ der Welt sei unaufhaltsam, so ein Artikel von 1909.31 Die Zeitschrift „Bande Mataram“ feierte das Erstarken der deutschen Seemacht.32 Das Feindbild vom deutschen Kaiser, das britische Blätter verbreiteten, so hieß es, sei Folge der britischen Angst.33 Bhikaji Cama, eine der

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prominentesten Aktivistinnen der indischen Unabhängigkeitsbewegung, die zeitweise in der nationalistischen Diaspora-Gemeinschaft in Paris lebte, schrieb: „Berlin ist Hauptstadt des Landes, das derzeit England gegenüber am feindlichsten gesinnt ist.“34 Und Manabendra Nath Roy, ein bengalischer Revolutionär und Philosoph, schrieb 1916 aus New York: „Das indische Volk sah in Deutschland einen Verbündeten, dessen Interessen mit seinen identisch und in Einklang waren.“35 Aber auch in der breiten Masse der Bevölkerung wuchs im Laufe des Krieges die Überzeugung, dass Deutschland helfen werde, Indien vom Joch der britischen Kolonialherrschaft zu befreien. 1915 kursierten in Kalkutta Flugblätter mit Meldungen, wonach Großbritannien Beweise für seine bevorstehende Niederlage vertuschen würde.36 Wie sich herausstellte, waren die Flugblätter von in Berlin lebenden Indern verfasst und vom deutschen Außenministerium finanziert worden.37 Ashutosh Mukherjee, vor seiner Zeit als Vizekanzler der Universität von Kalkutta in der nationalistischen Swadeshi-Bewegung aktiv, gab seine nationalistischen Vorlieben nicht durch offene politische Zurschaustellung zu erkennen, sondern durch seinen Kleidungsstil und entsprechendes politisches Engagement.38 Er war verantwortlich für die Gründung des Institute of Science 1906, später bekannt als Jadavpur University und ab 1914 als University College of Science (Rajabazar Science College) der Calcutta University. Zudem richtete er im Zeitraum von 1906 bis 1924 ein breites Spektrum an Forschungslehrstühlen in Geisteswissenschaften, Sozialwissenschaften und Naturwissenschaften ein und trieb die nationalistische Neuausrichtung der Calcutta University voran, direkt unter den Augen der Kolonialverwalter im Bildungsministerium.39 Ashutosh Mukherjee war, neben dem Dichter und Philosophen Rabindranath Tagore, der wichtigste Kultur- und Sozialreformer zur Zeit der nationalistischen SwadeshiBewegung in der „Bengalischen Renaissance“. 1919 befand die sogenannte Sadler-Kommission der Calcutta University unter dem Vorsitz des hoch angesehenen Bildungsreformers Michael Ernest Sadler, dass die Universität „fundamentally defective“ (grundlegend unzulänglich) sei.40 Der Kommissionsbericht nannte deutsche und amerikanische Universitäten als mögliche bildungspolitische Reformmodelle für Indien.41 Damit setzte sich, wie bereits erwähnt, ein lange etabliertes Muster fort, dem zufolge Britisch-Indien den Blick auf kontinentale Institutionen und deutsch-europäische Experten richtete, um offensichtliche Mängel in der Bildungsverwaltung zu beheben. Brajendra Nath Seal, einer der damals angesehensten bengalischen Akademiker und Leiter des Victoria College in Cooch Behar, richtete folgende Worte an die Adresse der Kommission: „Die Universitäten auf dem Kontinent [sind] weit fortschrittlicher als die englischen Universitäten. Alle Universitäten in Frankreich und Deutschland bieten berufsorientierte Graduiertenstudiengänge an, die nach

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dem Abschluss in eine Beschäftigung führen.“42 1919 fasste die Sadler-Kommission den Beschluss, das Bildungsmodell der deutschen und amerikanischen Universitäten mit Blick auf eine koloniale Bildungsreform näher zu analysieren – ein Echo auf Rufe, die Bildung stärker an die indische Identität zu binden, wie sie seit der Jahrhundertwende aus intellektuellen Swadeshi-Kreisen zu hören waren. Ashutosh Mukherjee war seit langem beeindruckt vom Humboldtschen Ideal einer Universität nach dem Konzept der Einheit von Forschung und Lehre, der fachlichen Spezialisierung, der engen Verknüpfung von Forschungsfreiheit und akademischer Lehrfreiheit. Swadeshi-Intellektuelle waren fasziniert von dem Modell, insbesondere, da es wissenschaftliche Radikalität und akademisches Renommee zu befördern schien. Nach Ashutosh Mukherjee sollte die indisch-nationalistische Universität nicht nur ein Ort der angewandten Wissenschaften sein. Die intellektuelle Autorität der Inder in einer internationalen Gelehrtengemeinschaft war abhängig von Beiträgen zur Grundlagenforschung und zum Menschheitswissen. Die Humboldtsche Forschungsethik hatte es Ashutosh nicht zuletzt auch deshalb angetan, weil sie auf die Kultivierung intellektueller Autorität ausgerichtet war. Das Humboldtsche Universitätsmodell hatte das Potenzial, einer ganzen Nation zu einem herausragenden und internationalen Ruf wissenschaftlicher Exzellenz zu verhelfen, in einer Weise, wie Gewerbe- und Ingenieursfachschulen es nicht vermochten. Die Universität sollte zentrale Stätte von Grundlagenforschung sein. Sie sollte indischen Forschern Raum und Freiheit für originäre Arbeiten zur Aneignung neuen Wissens bieten, die sich nicht zwangsläufig an wirtschaftlichen Belangen orientieren mussten. Intellektuelle Autorität würde mehr erbringen als Bewunderung und Respekt aus dem Ausland. Neben dem Ziel, das eigene Selbstwertgefühl nachhaltig zu steigern, erreichte man damit auch ganz pragmatische Zwecke. Mit wachsender intellektueller Autorität wuchs auch die Fähigkeit, die soziale und physische Welt abzubilden, und so neues Wissen für eigene, indische Interessen zu nutzen. Intellektuelle Autorität war notwendig, um in der Welt „produktiv“ werden zu können, und Produktivität, nicht Abhängigkeit von britischen Gaben und Rationierungen, war notwendig, um der indischen „Selbstheit“ eine neue Bedeutung beizumessen, wie die Nationalisten es formulierten. Identitätsbildung stand im Bund mit nationalistischer Gelehrsamkeit. In seiner Antrittsrede als Vizekanzler der Calcutta University 1907 stellte Ashutosh Mukherjee einen ambitionierten Reformplan vor, mit dem die Universität zu einem „Zentrum für die Kultivierung und Weiterentwicklung von Wissen“ würde und nicht nur eine Prüfungsanstalt zum Erwerb von Studienabschlüssen.43 „Jeder Professor muss auch Student sein. … Solange die Universität nicht ein substanzielles Maß an Forschung vorweisen kann, erbracht von der Gesamtheit

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ihres Lehrkörpers, und solange sie nicht vorweisen kann, eine substanzielle Anzahl motivierter Fachkräfte ausgebildet zu haben, die willens und fähig sind, die Forschung in den verschiedensten Wissensbereichen voranzutreiben, wird man ihr kaum zugestehen können, sich der Verwirklichung ihres Ideals zu nähern.“44 Ashutosh Mukherjee organisierte ein akademisches Austauschprogramm mit dem Ziel, deutsche Wissenschaftler (aber auch das eine oder andere Staatsoberhaupt wie beispielsweise Prinz Wilhelm) zur Forschung und Lehre an die Calcutta University zu holen, und junge Nachwuchswissenschaftler nach Deutschland zu entsenden, in der Erwartung, dass sie nach ihrer Rückkehr an der Gestaltung einer neuen nationalistischen Forschungsuniversität nach Humboldtschem Ideal mitwirkten. Ein solches Programm ging über das Ansinnen des britischen Bildungsministeriums weit hinaus. In der Swadeshi-Periode fühlten sich viele Inder von der deutschen Wissenschaft stark angezogen, denn ihrer Ansicht nach hob sich das „Germanische“ von allem „Angelsächsischen“ sehr deutlich ab. Die seit den 1850er Jahren im Verborgenen erbrachten Leistungen der deutschen Indologie (in britischen Kolonialbibliotheken, Universitäten und Handschiftensammlungen) bildeten den Ausgangspunkt für Ashutosh Mukherjees Faszination für das deutschsprachige Europa. Zu der überaus großen Bedeutung, die die deutsche Indologie für indische Nationalisten hatte, bemerkte er 1912: „Eine Generation deutscher Indologen … hat sich schnell über die gesamte indische Forschungslandschaft ausgebreitet.“45 Für Ashutosh wurzelte dieses besondere Deutschtum der indischen Orientwissenschaft in den substanziellen Kriterien der empirischen Beweisführung, die systematisch zur Anwendung kam, ebenso wie in der Freiheit, den Forschungsgegenstand und die Forschungsperspektive selbst zu bestimmen.46 Auf der Eröffnungsfeier zum akademischen Jahr 1911 legte Ashutosh dar: „Und wir freuen uns, aus heutigem Anlass die Gelegenheit zu haben, etliche deutsche Orientalisten in unserer Mitte begrüßen zu dürfen, darunter etliche, die längere Zeit für Lehraufenthalte in Indien waren, herausragende Persönlichkeiten wie [Martin] Haug, [Georg] Bühler, [Franz] Kielhorn, aber auch einen unserer Absolventen, [Heinrich] Blochmann, ausgewiesene Gelehrte allesamt, denen für ihre exzellente Arbeit unser aller Wertschätzung gebührt.“47 Im weiteren würdigte er Franz Bopp für seine zentrale Rolle in der Gewinnung „gänzlich neuer Einsichten in die Natur der Sprachen“.48 Tatsächlich gab es in den 1910er Jahren an der Calcutta University kaum eine Rede von Ashutosh Mukherjee, in der er die deutsche indologische Forschung nicht als den Inbegriff vorbildlicher wissenschaftlicher Leistung herausgestellt hätte. Während der Swadeshi-Jahre bildeten Eröffnungsfeiern an der Calcutta University den feierlichen Rahmen zur Verleihung der Ehrendoktorwürde an deutsche Indologen wie Richard Pischel 1908, der bei Ankunft im Hafen von Madras jedoch verstarb, oder Hermann Oldenberg im Januar 1913 und schließlich Her-

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mann Jacobi im Dezember 1913. Die Lobreden auf die deutsche Gelehrsamkeit im Rahmen dieser Feierlichkeiten wurden gerne genutzt, um die Unzulänglichkeiten der kolonial-britischen Wissenschaftsverwaltung zu kritisieren.49 1913, im Kontext der Balkankriege und der Hochzeit des deutsch-britischen Antagonismus, berief Ashutosh Mukherjee, damals Vice-Chancellor und starker Mann der Calcutta University, drei Deutsche an die Calcutta University und ging damit auf Kollisionskurs mit den britischen Autoritäten. Otto Strauss, Indologe und Buddhismus-Gelehrter, wurde auf den Lehrstuhl für Sanskrit-Studien berufen. Peter Brühl, der bereits im Fachbereich Botanik lehrte, wurde zum Registrar der Universität ernannt. Und George Thibaut, ein deutscher Indologe und Student bei Friedrich Max Müller, der auf Betreiben von Georg Bühler nach Bombay reiste, erhielt den Ruf als Professor auf den Ersten Lehrstuhl für Antike Indische Geschichte und Kultur.50 Internationalistische Swadeshi-Anhänger fanden ihre Vorgaben und Modelle im deutschen Wissenschaftssystem. P. C. Ray, ein angesehener bengalischer Pädagoge jener Zeit, bemerkte dereinst: „Deutschlands nationaler Kampf war ein Kampf um Bildung.“51 Ins gleiche Horn stieß auch Ashutosh, als er zu Kriegsbeginn 1915 in seiner Abschlussrede erklärte: „In der aktuellen Situation gehen die Gedanken aller Mitglieder der Calcutta University unmittelbar nach Deutschland und richten sich insbesondere auf einen Aspekt – auf die deutschen Universitäten als ausgesuchte Stätten der Forschung und Lehre … Wir betrachten es mithin als unsere Pflicht, einen Blick zu werfen auf die charakteristischen Besonderheiten und Leistungen der akademischen Bildungsinstitutionen in Großbritannien und anderer westlicher Länder gleichermaßen; und hier insbesondere auf die deutschen Universitäten, die mit ihrem Bildungsmodell ein unübertroffenes Beispiel abgeben.“51 Benoy Kumar Sarkar, einer von Mukherjees jungen Assistenten, bemerkte später: „Ashutosh Mukherjees Internationalismus, insbesondere sein fester Glauben an Deutschland (Jārmānnista), inspirierte die Jugend in ganz Indien.“53 Ashutosh Mukherjees germanophiler Internationalismus entbrannte im Kontext des Ersten Weltkrieges voll. Doch erst im darauffolgenden Jahrzehnt trug sein Programm für eine antikoloniale Bildungspolitik Früchte. Von den sieben Gründungsmitgliedern des University Science College (von Ashutosh mit privaten Mitteln nationalistischer Philanthropen 1915 eingerichtet), hatten so gut wie alle während der Kriegsjahre einen Doktortitel in Deutschland erworben. Dhirendra Nath Chakravarty, Jnanendra Chandra Dasgupta und Jogendra Kumar Chowdhury reisten 1910 nach Berlin, um ihre Dissertationen in Chemie abzuschließen, finanziell unterstützt vom National Council of Education Bengal und von der Indian Association for the Cultivation of Science. 1912 wurde Moreshwar Prabhakar im Fach Chemie an der Universität Heidelberg promoviert. Er blieb während der Kriegsjahre in Deutschland und wurde zu einem einfluss-

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reichen Mitglied der bengalisch-nationalistischen Diaspora-Organisation in Berlin, ehe er nach Kalkutta zurückkehrte.54 Arabindra Mohan Bose und Debendra Mohan Bose, beide Neffen der nationalen Wissenschaftsikone Jagadish Chandra Bose, reisten 1913 nach Berlin, um ihre Promotion in Physik zu beginnen. Als D. M. Bose nach Kriegsende in seine Heimat zurückkehrte, wurde er zum Inhaber des Ersten Lehrstuhls für Physik am University Science College ernannt. Shankar Agharkar, gebürtig aus Bombay und Student am Presidency College, erhielt 1914 einen Studienplatz für Chemie in Berlin. Er verbrachte mehrere Jahre in deutscher Internierung, bevor man ihm erlaubte, seine Promotion abzuschließen. Agharkar kehrte nach Kalkutta zurück, wo er 1921 den Lehrstuhl für Botanik an der Calcutta University übernahm. Doch die langen Jahre in deutscher Internierungshaft schienen ihm seine starke Affinität zur deutschen Wissenschaft und Sprache nicht vergällt zu haben. So etwa setzte er durch, dass das Studium der Deutschen Sprache für alle Doktoranden in den 1920er und 1930er Jahren zum Pflichtfach wurde.55 Prafullchandra Mitra, 1921 gerade zurück von der Universität Berlin, wurde auf den ersten Lehrstuhl für Chemie an der Calcutta University berufen. Ganes Prasad erlangte seinen Doktortitel in Mathematik bei Felix Klein in Göttingen und kehrte 1922 nach Kalkutta zurück, wo er ebenfalls auf einen Lehrstuhl berufen wurde. Meghnad Saha legte 1922 seine Habilitation in Chemie in Berlin ab, ehe er an die Calcutta University zurückkehrte und dort den ersten Lehrstuhl für Physik an der University of Allahabad einnahm. Suhrit Chandra Mitra schloss seine Promotation in Psychologie 1926 in Leipzig ab, um eine Stelle an der Calcutta University anzutreten, kurz nachdem die universitären Strukturen dort reorganisiert worden waren.56 Auf dem Feld der indologischen Studien war Deutschland das bevorzugte Ziel unter akademischen Internationalisten: Jodar Mall aus Lahore reiste nach Bonn, um bei Hermann Jacobi zu studieren. Manekji Davar schloss seine Promotion in Hebräischer und Iranischer Philologie 1904 in Berlin ab. 1914 kam Tarachand Roy aus Lahore mit einem staatlichen Stipendium nach Leipzig, um dort seine Promotation über Sanskrit abzuschließen. Ebenfalls 1914 erlangte Satish Chandra Roy in Kiel bei Paul Deussen seinen Doktortitel in Indologie. Und auch Devadatta Ramakrishna Bhandarkar stellte seine Dissertation im Fach Indologie während der Kriegsjahre in Heidelberg fertig. Bhandarkar folgte anschließend einem Ruf auf den Carmichael-Lehrstuhl für Geschichte und Kultur des Alten Indien an der Calcutta University. (Die Carmichael-Professur, benannt nach Baron Carmichael, dem damaligen Gouverneur von Bengalen, wurde 1912 von Ashutosh Mukherjee geschaffen, Anm. d. Übers.). Bhandarkars Vater, der bekannte Marathi-Indologe Ramakrishna Gopal Bhandarkar, hatte seine Doktorwürde 1885 in Göttingen er-

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worben (bei dem deutschen Indologen Martin Haug, der erst kurz zuvor aus Indien zurückgekehrt war).57 Im Zuge seines von Humboldt inspirierten Modellversuchs, aus der Calcutta University eine Forschungsuniversität von Weltrang zu machen, bekannt für ihre originäre Wissenschaft, war Ashutosh Mukherjee daran gelegen, Gelehrte aus aller Welt nach Kalkutta zu holen, darunter 1922 Jiryo Masuda und Ryukan Kimura aus Japan für Chinesisch und Japanisch. 1923 warb er Stella Kramrisch aus Shantiniketan ab, sie sollte in Kalkutta die Abteilung für Antike Indische Geschichte aufbauen. Die Nationalisten an der Universität trafen Sonderregelungen, um das Lehrangebot in der Indologie auszuweiten und neben dem traditionellen Studium sanskritischer und persischer Quellenwerke auch das „weitreichende Feld Buddhistischer Studien“ sowie Tibetische Studien anzubieten. Millicent Mackenzie von der University of Nebraska hielt Vorlesungen über Indische Philosophie, der französische Gelehrte Sylvain Levi über Indologie (1923). Ashutosh Mukherjees erfolgreiche Bestrebungen, die akademische Verwaltung der Calcutta University an der Humboldtschen Universitätsidee auszurichten, dienten auch als Modell für den Ausbau von Forschungsprogrammen in anderen Teilen Indiens. Die Dacca University, die University of Pandschab, das Benares Hindu College, die Alighar University, das Indian Institute of Science in Bangalore und die Allahabad University, sie alle beschäftigten in den 1920er Jahren Wissenschaftler aus Kalkutta.58

Weltordnung im Wandel Eines der großen Ziele dieser Studienaufenthalte bestand darin, Indien zu einem eigenständigen internationalen Zentrum des intellektuellen und kulturellen Lebens zu machen, unabhängig von den Institutionen des Empire.59 Swadeshi-Reisende waren zu keiner Zeit bloß waffentragende Widerständler; sie waren fast immer auch Studenten, Lehrer, Autoren, Redner. Und sie waren radikale, erkenntniskritische Fundamentalisten. Die Autobiographien und Memoiren von gleich mehreren bengalischen Swadeshi-Reisenden in jener Zeit heben den Zusammenhang zwischen wissenschaftlicher Arbeit und antikolonialer Auflehnung hervor. Bhupendra Nath Datta berichtete 1922 von seiner aktiven Mitgliedschaft im Bronx Socialist Club, seinen Erfahrungen als Student an der New York University und seinen Begegnungen mit amerikanischen Intellektuellen wie William E. B. Du Bois. Seinen akademischen Erstabschluss erlangte Datta an der New York University 1913, ehe er 1922 an der Universität Hamburg seine Promotion in Ethnologie ablegte und 1925 nach Indien zurückkehrte. Hemendra Nath Dasgupta, der seine Doktorarbeit 1921 an der University of Michigan vollendete,

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schrieb in seiner bengalischen Autobiographie nicht nur über seine Beziehungen mit Amerikanern, sondern auch über seine Zusammenarbeit mit burmesischen Radikalen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Und wenn Hemchandra Kanungo und sein Freund Bapat über Colombo, San Francisco, New York und London nach Paris reisten, um sich bei französischen Anarchisten Anleitungen zum Bombenbau zu holen, so trafen sie auf ihrem Weg dorthin auch manche Intellektuelle und Schriftsteller.60 Der Orientalist Kalidas Nag veröffentlichte seine Tagebücher aus der Zeit seines Promotionsstudiums in Paris (1923 – 1924), als er auf einer Studienreise durch das kontinentale Europa auch antikoloniale Aktivisten wie Romain Rolland kennenlernte. Und Abinash Chandra Bhattacharya, ein radikaler indischer Nationalist und wichtiger Meinungsführer der revolutionären indischen Unabhängigkeitsbewegung, der während des Ersten Weltkrieges zeitweise in Berlin lebte, erinnerte sich an engagierte Vorlesungen und Publikationsprogramme von Shyamji Krishna Varmas in London, Bhikaji Camas in Paris und Virendra Nath Chattopadhyayas in Berlin – alle drei indische Freiheitskämpfer und Vorreiter im Kampf gegen die britische Kolonialherrschaft.61 Die Swadeshi-Bewegung nutzte Auslandskontakte über die Grenzen des British Empire hinaus, um Veränderungen im eigenen Land zu bewirken. Die ausgedehnten Reisen von Swadeshi-Aktivisten stärkten und stützten die radikale Politik der intellektuellen Kräfte daheim. Unternehmen wie Bengal Pottery Works, Dabur, Duckback und Bengal Chemicals konnten sich als höchst erfolgreiche Swadeshi-Unternehmen etablieren, indem sie eine „back-to-the-roots“-Ethik mit einem internationalistischen Ansatz verbanden, mit der Suche nach Technik und Expertise aus dem Ausland. Bengal Pottery Works zum Beispiel war Hersteller von Keramik-, Steingut- und Porzellanwaren. Gegründet wurde das Unternehmen 1906 von Satya Sundar Dev, der eine Lehre an der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin absolviert hatte.62 Ebenfalls 1906 wurde die Bengal and Assam Pharmaceutical and Chemical Works gegründet, die zum größten indischen Pharmaproduzenten aufstieg. Zu verdanken war dieser Erfolg der Laborarbeit des nationalistischen Wissenschaftlers P. C. Ray, der zur Entwicklung sämtlicher Produkte ausländische Handbücher und Techniken heranzog, die er auf seinen Auslandsreisen durch Europa und Japan erworben hatte.63 Unterdessen reiste B. N. Dasgupta als Mitarbeiter von Bengal Chemicals 1910 nach Berlin, um dort seine Promotion in Chemie abzuschließen. Viele der hochqualifizierten Forscher der ersten Stunde bei Bengal Chemicals hatten in Berlin studiert, der Welthauptstadt der Chemieforschung, bevor sie mit ihren deutschen Ehefrauen nach Kalkutta zurückkehrten. Die indisch-nationalistische Bewegung machte sich Studien- und Ausbildungsreisen ins europäische Ausland zunutze, um sie innenpolitisch für ihre eigenen Zwecke zu instrumentalisieren.64

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Die Organisation von Studienaufenthalten war zwischen 1910 und 1919 ein zentrales Ziel des Bengal National Council of Education (NCE).65 Von seinen dreißig Studienstipendiaten in diesem Zeitraum wurden neunzehn in die USA, acht nach Deutschland und sechs nach Großbritannien geschickt. Bei näherer Betrachtung lässt sich ein Muster erkennen, nach dem der NCE diese Studienaufenthalte organisierte. Fast alle Studenten, die in Deutschland studierten, erlangten den Doktorgrad in den Fächern Chemie, Physik oder Chemieingenieurwesen. Und fast alle Studenten, die in den USA studierten, erlangten höhere akademische Abschlüsse in den Sozialwissenschaften wie zum Beispiel in Wirtschaftswissenschaft, Politikwissenschaft oder Psychologie. Schließlich: So gut wie alle Studenten, die in England studierten, die kleinste Gruppe der Stipendiaten, studierten Industrietechnik.66 Die indisch-nationalistische Bildungspolitik machte sich akademische Bildungsstätten im Ausland zunutze, um im Hochschulwesen im eigenen Land nationale Bildungsprogramme (für Naturwissenschaften, Geistes- und Sozialwissenschaften) aufzubauen. Die große Bedeutung, die Amerika und Deutschland neben Japan für die internationalistischen Bildungsprojekte der indischen Swadeshi-Aktivisten hatten, ist nicht zu unterschätzen. In dieser post-Bankimianischen Zeit der Bildungspolitik lenkten die indischen Nationalisten ihre Blicke über den kolonialen Horizont hinaus auf die Weltebene. Und dort, in diesem internationalen System, ragten deutsche Einrichtungen wie Bildungsleuchttürme weit heraus. Ein Studium in Deutschland vermittelte das nötige technische und wissenschaftliche Rüstzeug, um für die Herausforderungen der Zeit gewappnet zu sein – für eine Zeit, da Europa zerfiel und mit ihm das Ideal eines vereinheitlichenden Universalismus der Aufklärung, zentriert um das „Neue Rom“ des British Empire. „Das national einheitliche deutsche Bildungssystem übte einen größeren Einfluss auf Hochschulorganisation und -administration der Neuzeit aus als irgendein anderes“, schrieb ein Beobachter 1910.67 Lala Har Dayal, ein indischer Nationalist, der eine Zeit lang in Berlin lebte, legte der bengalischen Jugend ans Herz, unbedingt Deutsch und Französisch zu lernen, da „ein Großteil der modernen Forschung und internationalen Kommunikation [in diesen beiden Sprachen] stattfindet“. Und er ergänzte: „Deutsch ist die Sprache der Wissenschaft und Forschung. Viele der Pflichtliteraturen von englischen Studenten sind Übersetzungen aus dem Deutschen.“68 Über das deutschsprachige Europa zu sprechen, in europäische Städte zu reisen, an europäischen Bildungseinrichtungen zu lernen, führte indischen Nationalisten gleichzeitig auch den drastischen Wandel der Weltordnung vor Augen, der sich in dieser post-aufklärerischen Zeit vollzog – in einer Zeit nationaler und internationaler Verflechtung.

3 Deutsche Visionen eines asiatisierten Europa Die Errichtung deutscher Kolonien begann offiziell 1884 und fand größtenteils in den ersten sechs Jahren der 1890er statt, als Deutschland Besitzungen in küstennahen Regionen Chinas, in Südwestafrika, Ostafrika, Kamerun und Togo erwarb.1 Deutschland erstand zudem Gebiete in der Südsee, darunter Kaiser-Wilhelms-Land auf der Insel Neuguinea sowie eine Reihe von Inseln im BismarckArchipel.2 Das deutsch-britische Verhältnis war schon zu Lebzeiten von Königin Victoria frostig, aber mit dem Tod der Königin 1901, einem symbolischen Wendepunkt, wenn man so will, wurde es offen feindselig. Auf den Kampf um den Nahen Osten und den „Wettlauf um Afrika“ in den 1880er Jahren folgte ein Jahrzehnt später der „Kampf um Asien“. Seinen Höhepunkt, oder vielleicht auch seinen Tiefpunkt, erreichte das deutsche überseeische Kolonialexperiment 1905 mit der Niederschlagung des Maji-Maji-Aufstandes in Deutsch-Ostafrika, des Herero-Aufstands in Deutsch-Südwestafrika und der Marokko-Krise, als Deutschland versuchte, Frankreich die imperiale Kontrolle über Marokko streitig zu machen. Deutschsprachige Gelehrte, einst Bewunderer des mächtigen British Empire, konnten sich nun als „Kolonialherren“ aus eigenem Recht fühlen. Wo Georg Forster 1778 einst nichts als Bewunderung und Ehrfurcht für Captain Cook hatte, mit dem er als Partner im Rahmen einer deutsch-britischen Gemeinschaftsunternehmung die Welt umsegelte (sein Reisetagebuch schließt mit der „Entdeckung“ der Himmelfahrtsinsel im Südatlantik)4, hatte sich das Blatt nun gewendet. So sprach etwa der spätere deutsche Forschungsreisende Hermann Alexander Graf Keyserling 1911 sarkastisch vom „Mangel an [englischen] Talenten“, dem „beschränkten Horizont (der Briten)“ und dem „Maß an Anerkennung, die jeder einzelne von ihnen mir abnötigt … Unter allen Europäern sind sie allein nur wahrhaft vollkommen, und vor dieser ihrer Vollkommenheit beugt ein jeder die Knie“.5 Um diese Aussage zu verstehen, und um zu begreifen, wie die Stimmung von Georg Forster bis Hermann Keyserling, dermaßen kippen konnte, ist es wichtig, das komplexe Zusammenspiel von populären und akademischen Diskursen im aufkommenden deutschen Imperialismus des späten 19. Jahrhunderts zu entwirren.6 Deutsche und Inder begegneten sich dort, wo britische und deutsche Kolonialinteressen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert aufeinanderprallten. Immer öfter nutzten die Deutschen Bilder eines indischen Asianismus, um die tradierte Vorstellung von einem Europa im Vorgarten des britischen Weltreichs zu zerstören. Dieser Prozess wurde angetrieben von der Populärkultur und drang bis in die Zirkel der Politik sowie in die intellektuellen Debatten gebildeter Kreise vor. https://doi.org/10.1515/9783110706178-004

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Auch die deutsche Populärkultur, nicht nur die Regsamkeit der geistigen Elite, verdient eine genaue Betrachtung, um den Ent-Europäisierungsprozess in den Jahren zwischen 1880 und 1945 zu verstehen. Die Popularisierung und die von Norbert Elias so benannte „Informalisierung“ der Gesellschaft bedeuteten, dass jeder gewöhnliche Deutsche intellektuelle Autorität beanspruchen und seine Ansichten über die Welt in vorgeblich erhellenden und einsichtsvollen Weisen darlegen konnte.7 Aus deutscher Sicht boten die kulturellen und philosophischen Ressourcen der indischen Kultur den einfachen Deutschen eine reiche Quelle, um für sich soziale Geltung in Anspruch zu nehmen. Die Deutschen nutzten den indischen Asianismus, um sich vom normativen Bild des „Europäers“, verkörpert im englischen Gentleman oder französischen Kosmopoliten, abzuheben. Das Auffallende dabei war der genderspezifische Aspekt, denn es waren Frauen, die das Feld der Orientalistik und Ästhetik populärwissenschaftlich eroberten mit dem Ziel, die im 19. Jahrhundert bestehenden Normen in Politik, Wissenschaft und Kunst, die in Europa um eine männlich dominierte Bourgeoisie herum angeordnet waren, abzubauen. Die Verflechtung der deutschen mit der indischen Geschichte sowie der Zusammenschluss von Deutschen und Indern zu „Waffenvettern“ gegen die britische Weltmacht war ebenso das Produkt der Populärkultur wie das Ergebnis akademischer Gelehrsamkeit. Karl Bleibtreu, einer der vielen bürgerlich intellektuellen Erfolgsautoren, die Ende des 19. Jahrhunderts für eine breite Leserschaft schrieben, veröffentlichte 1899 Von Robespierre zu Buddha, einen Sammelband über Radikalismus in der europäischen Gedankenwelt des 19. Jahrhunderts.8 Bleibtreus Band schließt mit einer Aufsatzreihe zum Thema Buddhismus und einem letzten Kapitel mit der Überschrift „Die Zukunftsreligion: der Buddhismus“. Bleibtreu zog eine Parallele zwischen der Ära der Französischen Revolution im späten 18. Jahrhundert und der „neuen Weltordnung“ gegen Ende des 19. Jahrhunderts.9 In ganz Europa, so Bleibtreu, sei eine intellektuelle Revolution im Gange, die sich auf Deutschland konzentriere, im Zuge derer normative Vorstellungen über Geschichte und christliche Erlösung durch neue Weltanschauungen ersetzt würden und Konzepte von ewiger Wiederkunft, von Wiedergeburt und Karma sowie die Ablehnung der angeblich jüdisch-christlichen Unterscheidung zwischen „Gut und Böse“ im Aufwind waren. Bleibtreu erzählte damit, im Duktus der Populärkultur, von einer heraufziehenden Post-Aufklärung, einer Ära, die die Aufklärung überwunden haben würde. Sie nahm ihren Anfang mit der Welle populärer Veröffentlichungen deutscher Autoren zu Beginn des 20. Jahrhunderts und tobte sich in der vielstimmigen politischen Literatur der Moderne aus, bevor sie schließlich Vorlesungssäle und akademische Forschungsprogramme erreichte. In dieser am Ende des 19. Jahr-

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hunderts aufblühenden Menge von post-aufklärerischen Schriften aus den deutschsprachigen Ländern wurde Indien – uralt und modern zugleich – immer mehr zum Ausgangspunkt für eine geistige Revolution und einen geopolitischen Wandel stilisiert. Die beeindruckende Vielfalt der Kulturlandschaften des alten Indien und Persiens galt deutschen Philologen und Archäologen des 19. Jahrhunderts als archaisches Weltzentrum. Bis Ende des 19. Jahrhunderts hatte der Orientalismus die Hörsäle deutscher Universitäten verlassen und war auf den Straßen angekommen. Um die Fantasie der Deutschen zu bedienen, wurde der geheiligte Himalaya übrigens nicht nur mittels philologischer Studien, topographischer Vermessungen und archäologischer Grabungen erschlossen – und ausgenutzt. Vielmehr entdeckten um die Jahrhundertwende auch nichtakademische Orientkundler diesen Teil Asiens neu, und zwar als einen Ort von Weltgeltung. Sich in diese Region zu begeben, ob persönlich mittels einer Reise oder im Flug der Fantasie, ermöglichte es auch vielen Deutschen ohne Doktortitel und akademische Position, die Weltsicht ihrer Zeitgenossen mitzubestimmen, indem sie ihr maßgebliches Wissen über Asien teilten. In den 1920er Jahren reisten expressionistische Künstler auf der Suche nach dem Geist vedischer Götter und Buddhas in die Ebenen des Ganges und das indische Himalaya-Gebirge.10 : Der Himalaya wurde zum bevorzugten Ziel deutscher Bergsteiger-Expeditionen, er diente Künstlern als Rückzugsort und gab schließlich eine große Kulisse für Dokumentar- und Spielfilme ab.11 Forschungsreisende wie der österreichische Bergsteiger Peter Aufschnaiter oder der Schweizer Bergsteiger Matthias Zurbriggen organisierten aufsehenerregende Bergsteiger-Expeditionen ins Himalaya-Gebirge.12 In den 1930er Jahren entstanden auch die ersten Filme, mit denen deutsche Bergexpeditionen in den Himalaya dokumentiert wurden, wie Der Dämon des Himalaya von Günter Oskar Dyhrenfurth (1934) oder Der Kampf um den Himalaya von Frank Leberecht (1938). Zur gleichen Zeit brachten wissenschaftliche Himalaya-Expeditionen eine große Menge an neuem Wissen über die Himalaya-Kultur zurück nach Deutschland.13 Neue Medien wie die Kinematographie, aber auch die Kunst im allgemeinen und die populärwissenschaftliche Literatur brachten den Zauber orientalistischen Wissens jedermann nahe. Der indo-arische Orient wurde zum neuen archimedischen Angelpunkt für die Begründung einer deutschen Identität in der Welt.14 Was als ein ungehemmtes „Losmachen“ der Deutschen vom Besten der europäischen Kultur beschrieben worden ist, war in Wirklichkewit der Versuch, die historischen Wurzeln des Deutschtums neu zu verorten, und zwar jenseits der herkömmlichen Vorstellung, wonach Europas Wurzeln im semitischen Orient der biblischen Welt lagen. Zum anderen war es auch der Versuch, eine eigenständige deutsche Kulturidentität zu entwerfen, und zwar in Absetzung von den finanzpolitischen,

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kulturellen und imperialistischen Machtsphären in Nordwesteuropa.15 Gegenkultur und Geopolitik trieben also den Aufstieg des populären Orientalismus voran. Weil sich der Orientalismus mit der Populärkultur weit verbreitete, durch Reiseerzählungen, Romane und Filme, wurde das Bild von Indien immer dichter und zugleich schärfer. Deutschsprachige Rezipienten waren somit intellektuell, emotional und persönlich in die Bildproduktion über den Subkontinent einbezogen. Die Periode intensiver deutsch-indischer Verflechtung, von 1880 bis 1945, hat Bilder und Stereotypen, die Deutsche dem asiatischen Kulturraum zuschrieben, nicht aufgelöst, sondern eher noch verstärkt.16

Geschwisterneid und Rivalität Spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts verspürten Deutsche in ihrer von imperialistischem Drang und Abenteuerlust geprägten Geschwisterbeziehung mit den Briten eine wachsende Rivalität, Neid und Eifersucht.17 1852 reiste der deutsche Kulturphilosoph und Orientalist Paul de Lagarde nach London, um im British Museum orientalische Manuskripte zu studieren. Der „gesellschaftliche Verkehr“, insbesondere in aristokratischen Kreisen, so berichtet er, habe ihm Bewunderung eingeflößt angesichts dessen, was Nationen vollbringen können.18 Viele andere große deutsche Kolonialpublizisten und -aktivisten der 1870er und 1880er Jahre begannen ihre Karriere in enger Verbindung mit der britischen Kolonialverwaltung. In den Jahrzehnten nach 1871 hatten drei der lautesten Kolonialpolitiker des Kaiserreichs, Befürworter kolonialer Projekte allesamt, persönliche Verbindungen nach Großbritannien. Der deutsche Kolonialpolitiker Johann Jakob Sturz, der als Geschäftsmann Mexiko und Brasilien bereiste, studierte Maschinenwesen in London und arbeitete in den 1840er Jahren eng mit britischen Befürwortern des freien Handelsverkehrs und Gegnern der Sklaverei zusammen.19 Wilhelm Hübbe-Schleiden, ein deutscher Publizist, Theosoph und Vertreter deutsch-kolonialer Interessen in Westafrika, war (während des Deutsch-Französischen Krieges) Attaché am deutschen Generalkonsulat in London.20 Und Carl Peters, Begründer der Kolonie Deutsch-Ostafrika und der „Gesellschaft für deutsche Kolonisation (GfdK)“, studierte mehr als drei Jahre in London und war fasziniert vom britischen Kolonialismus.21 Alle drei deutschen „Koloniallehrlinge“ in London spielten eine maßgebliche Rolle dabei, den politischen Rahmen für die Bismarcksche Kolonialpolitik abzustecken.22 Wilhelm Hübbe-Schleiden stellte seine Argumente für ein Programm zu deutschen Kolonisierung in Übersee in den Kontext des Wettlaufs mit Großbritannien; es gehe darum, so Hübbe-Schleiden, zu den Briten aufzuschließen, die

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eigene „Passivität“ zu überwinden, an der „Kultivierung der Menschheit“ teilzuhaben und dafür eine „Seemacht“ aufzubauen.23 Carl Peters betonte seine Bewunderung für den britischen Imperialismus, plädierte aber zugleich für die Entwicklung einer Strategie, um die Briten in der Praxis der Kolonialisierung auszustechen. Die Deutschen, so Peters, würden „rein wissenschaftliche Forschung“ als Instrument nutzen, um die deutschen Ansprüche auf überseeische Gebiete zu erweitern und Rivalen auszumanövrieren.24 Mit der nun erstmals in größerer Zahl stattfindenden Zuwanderung von Deutschen in überseeische Territorien und andere europäische und amerikanische Dominions25, wurden deutsche Experten, Techniker und Geschäftsleute überall in der kolonialen Welt zu selbstbewussten Vertretern deutschnationaler Interessen im Ausland.26 Die Deutschen konzentrierten sich auf den Ausbau dessen, was Dirk van Laak sehr treffend als „technischen Internationalismus“ bezeichnet.27 Wie Paul Rohrbach, ein unzweideutiger Vertreter der Forderung nach deutscher „Weltpolitik“, um die Jahrhundertwende herum schrieb, sollte nicht nur der Export von deutscher Wertarbeit und deutschem Kapital, sondern auch der wachsende Einfluss von „deutschen Ideen in der Welt“ den Aufstieg Deutschlands zu imperialer Größe sichern.28 In der Zeit wilhelminischer Weltpolitik, beginnend mit der Entlassung Bismarcks und dem politischen Aktivismus des jungen Kaisers Wilhelm II. in den 1890er Jahren, schob sich das „Deutsche“ als Kategorie langsam aber nachdrücklich neben die des „Angelsächsischen“. Und doch stand den Deutschen beim Schmieden einer eigenen imperialen Identität stets die britische Dominanz vor Augen. Die deutschen Philosophen und Kultursoziologen Ferdinand Tönnies und Werner Sombart beispielsweise definierten die allgemeine Vorstellung von deutscher Kultur als Gegenreaktion, als eine gleich große, aber entgegengerichtete Kraft zur britischen Zivilisation. 29 Und der deutsche Geowissenschaftler Alfred Wegener erklärte: „Man kann über die Engländer sagen, was man will, aber niemand kann bestreiten, dass sie die erfahrensten und erfolgreichsten Kolonisten der Welt sind … Auch wir haben Kolonien und müssen als Anfänger lernen …“30, und rühmte im Weiteren „das recht außergewöhnliche Genie in der Kolonialverwaltung, das den Engländern ebenso eigen ist wie einst den Römern. Ihre größte Gabe jedoch ist nicht ihr unternehmerisches Talent; darin haben sie (ebenbürtige) Konkurrenten. Konkurrenzlos hingegen sind sie in ihrem instinktiven Organisations- und Regierungstalent“.31 In gewisser Weise war die Manie der Deutschen, sich „ihren Platz an der Sonne zu erobern“, der Versuch, dem Land, „in dem die Sonne [tatsächlich] niemals untergeht“, Anerkennung abzuringen. Der deutsche Großadmiral Alfred von Tirpitz zum Beispiel rechtfertigte das Spiel mit dem Feuer in seiner Marinepolitik mit dem verqueren Ziel, Großbritannien so sehr einzuschüchtern, dass es

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Deutschlands Freund werden wolle.32 Die Extravaganzen seiner Flottenpolitik fanden ihr Echo in der Militarisierung der Meere, die die Briten 1902 begannen, als ihr Erster Seelord, Admiral Sir John Fisher, seine Pläne zum Bau neuartiger Schlachtschiffe vorstellte, der Dreadnoughts (wörtlich „Fürchtenichtse“), mit bislang nie dagewesener Feuerkraft und Geschwindigkeit.33 Die Eigenständigkeit des deutschen Nationalbewusstseins gegenüber England war in Deutschland eine Quelle von Stolz, sie war jedoch nicht ohne Ambivalenz und schürte zugleich Unbehagen und Neid. So wie Dampfschiffe und Reisetechnologien in der deutschen Populärliteratur über den Orient ihre CameoAuftritte hatten, so tauchte auch die Figur des britischen Kolonialbeamten immer wieder auf. In ihren Reiseberichten erwähnten deutschen Indienreisende oft, dass sie für Briten gehalten wurden.34 Zum anderen aber bekräftigten sie immer wieder ihre Unterschiede zu den Briten, dank der vorgeblichen Einsichten des deutschen Orientalismus.35 Auf der Ebene der internationalen Politik, zumindest bis zum Ersten Weltkrieg, konzentrierten sich die deutschen militärischen und industriellen Interessen darauf, dem britischen Ideal nachzustreben und es zu übertreffen.36 Der deutsche Gebrauch des Orientalismus, also einer inneren Verbindung zwischen dem asiatischen Indien und Deutschland als Element der deutschen Überlegenheit gegenüber den Briten, findet sich auch im Reisebericht von Hermann Keyserling 1919: „Es scheint mir, als ob [Indien] inzwischen Besitz von mir ergriffen hat. Ich nehme die Dinge mehr und mehr auf indische Weise wahr, und mehr und mehr sehe ich die Welt und das Leben im Licht der geistigen Sonne Hindustans.“37 Auch hier war dem Deutschen möglich, was dem Briten nicht möglich war. Der deutsche Schriftsteller Bernhard Kellermann schilderte in seinem Buch Meine Reisen in Asien (1907) immer wieder Momente, in denen er für einen Briten gehalten wurde, nur um diesen Irrtum unter seinen Gastgebern dann stolz zu korrigieren. „Als der Radschah erfuhr, dass wir keine Engländer waren, klatschte er sich auf die Schenkel, sprang auf und lachte laut vor Freude.“38 Der ungarische Reiseschriftsteller Arthur Holitscher erzählt von seinem Treffen mit Gandhi im Jahr 1926, als beide sich darin „einig“ waren, dass der britische Kapitalismus durch spirituelles Streben überwunden werden könne.39 Man sieht, dass das deutsche Interesse an Indien um die Jahrhundertwende stets begleitet war vom Zwiespalt, so sein zu wollen wie die Briten und sie gleichzeitig zu übertreffen. In der Literatur über den Orient ging es also nicht nur um eine europäische Sicht auf das asiatische Fremde. Im Zeitalter des imperialistischen Wettbewerbs und der Kriege des 20. Jahrhunderts in Europa diente deutscher Orientalismus einem relationalen Zweck, indem er nämlich Ähnlichkeiten zu dem einen „Fremden“ (Indien) aufbaute und gleichzeitig Differenzen mit dem anderen „Fremden“ (Großbritannien) markierte.

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Schopenhauer – der Star der Stunde Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts war die deutsche Populärkultur durchdrungen von Indienbildern, in Form von bildlichen Darstellungen, materiellen Objekten und kulturellen Praktiken. Hinduistische oder buddhistische Texte, Statuen, Gemälde und andere Darstellungen machten die kulturelle Prägekraft des alten Orients in der Populärkultur sichtbar. Dieses hohe öffentliche Ansehen, das der Indische Orientalismus in der deutschen Kultur entwickelt hatte, gab auch dem einfachen Bürger in den deutschsprachigen Ländern das Gefühl, bei kulturellen und politischen Themen der Zeit in geistvoller Weise mitreden zu können. Arthur Schopenhauer war die herausragende Figur der außer-akademischen Indologie im frühen 19. Jahrhundert und derjenige, der die deutsche Indien-Begeisterung durch seine Schriften ungewollt anregte. Seine Auseinandersetzung mit der altindischen Philosophie fand außerhalb der Universitätsmauern statt. Der „Weise von Frankfurt“ gab sich wie die Mönche und Priester des Himalaya, und er nutzte diese besondere Affinität zur Untermauerung seiner These, wonach die Welt in sich „zwei wesentliche, notwendige und untrennbare Hälften“ enthält, „Wille“ und „Vorstellung“.40 Schopenhauer war ein Neologe des 19. Jahrhunderts, dem die französischen philosophes und die britischen Deisten ein Quell der Inspiration waren.41 Doch im Unterschied zu anderen Neologen stellte er nicht nur die angestammte Autorität der christlichen Tradition in Frage, sondern er konvertierte sogar zum Buddhismus. „Buddha, [Meister] Eckhart und ich lehren im Wesentlichen dasselbe“, schrieb Schopenhauer.42 Auch seine überzeugten Anhänger umgaben sich mit einer ähnlichen Attitüde der Weisheit, in der ein gewisser (philosophischer) Pessimismus mitschwang sowie eine Verachtung für die ökonomische Dynamik der neuen europäischen Bourgeoisie und für den Aufstieg der Populärkultur.43 Der Orientalismus zeigte sich hier als Antipopulismus – als ein Bündel aus Selbstkultivierung und asketischer Introvertiertheit mit einer Verachtung für „die breite Masse“. In Schopenhauers eben zitierter epochenüberspannender Formulierung bilden die führenden Geister der Mystik aus dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit (namentlich Meister Eckhart und Jakob Böhme) in der Geschichte der Weltreligionen den Übergang in einem Bogen, der sich von Buddha bis zu ihm selbst erstreckt. Für sich selbst lehnte Schopenhauer die westlich religiöse Tradition ab, er wandte sich vielmehr östlichen Traditionen zu, womit er ein extremes Beispiel für innereuropäische theologische Radikalität setzte.44 Viele seiner späteren Anhänger eigneten sich seine Sinnesart an. Philipp Mainländer und Eduard von Hartmann, beide Philosophen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und ohne Universitätsanstellung, brannten darauf, ein philosophisches Werk zu schaffen, von dessen Höhe sie auf die normative bürgerliche Gesellschaft würden herab-

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blicken können, und sie bedienten sich in ihrem Bemühen um Selbstachtung uralter indischer Weisheit und der Schopenhauerschen Haltung.45 Schopenhauers Philosophie wird im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert noch erweitert, und zwar in Werken von Friedrich Eugen Neumann, Karl Seidenstücker, Paul Deussen sowie sogar von Friedrich Nietzsche und Carl Jung.46 Viele Gelehrte, darunter Max Müller, Hermann Oldenberg und Richard Garbe, befassten sich eingehend mit altindischen Schriften in Sanskrit und Pali, blieben ihrem Bekenntnis zum universalen Wahrheitsanspruch des Christentums aber verhaftet.47 Bei Schopenhauer und seinen Anhängern hingegen war dies genau umgekehrt. Die östliche Philosophie lieferte ein allumfassendes Wahrheitsverständnis, das in jüdisch-christlichen Schriften nur dunkel durchschimmerte.48 Nach Schopenhauer setzten sich viele mit den östlichen Religionen auseinander, um entweder das Europäertum, das Deutschtum oder sogar das Christentum zu verbessern, wenn auch in subversiver, gegenkultureller Weise. Der Schopenhauerianismus machte das Verständnis des Orients zu einem integralen Teil im steten Streben, ein möglichst tiefgründiger und auserlesener Christ sowie ein besserer Deutscher zu sein.49 Wo Schlegel, Bopp und die Philologen die Schlüssel zu den europäischen Sprachen im Osten fanden, fand Schopenhauer den Schlüssel zu Europas Geist und Seele dort.50 Schrifttum und Kultur des indischen Orients, jenseits der biblischen Welt, waren eine Gelegenheit zu überdenken, ja neu zu denken, was es hieß, authentisch deutsch und modern zu sein. Sich auf Sanskrit-Texte zu beziehen konnte zu neuer intellektueller Autorität führen, die außerhalb des Christentums verankert war, aber dennoch in das Christentum hineinwirkte.51 Es war also den populären Intellektuellen überlassen, Schopenhauer populär zu machen. Und ironischerweise wurde ausgerechnet Schopenhauer, der Snob und launenhafte Anti-Populist, zu so etwas wie einer Pop-Ikone im Deutschland des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts.52 Die große Leistung von Autoren wie Carl Langbehn und Paul de Lagarde bestand darin, dem indo-arischen Orient in der breiten Leserschaft Akzeptanz zu verschaffen, indem sie ihn mit unhinterfragbarer Autorität ausstatteten. Paul de Lagarde, der sich später zu einem der profiliertesten deutschen Antisemiten entwickeln sollte, war Iranist und betrachtete sich als den „einzig wahren Schüler“ von Friedrich Rückert, einem der Begründer der deutschen Orientalistik, auch wenn Friederich Max Müller, der zusammen mit Paul de Lagarde in Berlin ebenfalls Persisch bei Rückert studierte, ihm darin höflich widersprach.53 Für de Lagarde war das „Germanische“ nicht in erster Linie eine nationalstaatliche Zuschreibung, sondern ein Gemisch aus territorialen, imperialen und transitorischen Identitäten.54 Das „Germanische“ weckte Vorstellungen eines territorialen und kulturellen Fixpunkts für den weltweiten Strom aus deutschsprachigen Reisenden, deutschem Kapital und deut-

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schem Wissen. Das Germanische war keine feste, sondern eine „wandernde“ Kategorie – und sie wurde benutzt, um einen eigenen intellektuellen Charakter zu definieren, eine feste Konstante, während die Menschen über die Grenzen des „Vaterlandes“ hinaus in die Welt strömten.55 Nach Lagarde, der als Gymnasiallehrer lange auf die Göttinger Professur warten musste, brauchte es keine akademische Ausbildung und auch keine Professur, um sich zu zeitgenössischen kulturellen oder geistigen Fragen zu äußern. Der Zugang zu indischen Quellen reichte aus, um ein Virtuose der Spiritualität und ein „Alltagsweiser“ zu werden. In den 1850er und 1860er Jahren verbreiteten sich sowohl das aufklärerische Prinzip der rationalen Vernunft als auch das Interesse an Wissenschaft in der Bevölkerung, eine Entwicklung, die allgemein mit den Schriften von Rudolf Virchow, Ernst Haeckel, Charles Darwin und Johannes Reinke, einem Kieler Botaniker, verbunden wird. Die Popularisierung der Wissenschaft war begleitet von einer wahren „Lese-Explosion“ sowie dem Aufkommen freireligiöser Bewegungen und Volksaufständen gegen die traditionelle Autorität der Kirchen.56 Gleichzeitig deutete sich in den Anfängen eines neuen Okkultismus in den 1850er Jahren aber schon der Aufstieg der Post-Aufklärung an, und damit eine Umkehrung der Verhältnisse. Der Aufstieg des „Irrationalen“, so führt Corinna Treitel treffend aus, ist schlicht der anti-aufklärerische Gegenentwurf zur Ausbreitung der „Ratio“ in der Gesellschaft.57 Die in London neu gegründete Theosophische Bewegung, in der Hübbe-Schleiden der führende deutsche Kopf war, lieferte wichtige Impulse für die Popularisierung des indischen Orientalismus. Begründerin der Theosophischen Bewegung (1875) war Madame Helena Petrovna Blavatsky, eine russische Aristokratin, die nach London emigriert war. Die Bewegung entstand im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts, als die Populärwissenschaft in Europa auf dem Höhepunkt war.58 Die Theosophie etablierte Séancen, Nudismus,Vegetarismus und okkulte Praktiken wie automatisches Schreiben in bestimmten Kreisen der angesehenen Mittelschicht und wurde zu einem Kanal für die Popularisierung des Schopenhauerianismus in Deutschland.59 Deutsche Schopenhauerianer ebenso wie deutsche Theosophen – zwei Gruppen, die sich in großen Teilen überschnitten – traten so auf, als könnten sie die moderne Welt aus einer überlegenen Perspektive heraus begreifen, deren Wurzeln sich in indischvedischen und brahmanischen Traditionen fanden.60 In Deutschland trug die theosophische Bewegung maßgeblich zur Verbreitung von Schopenhauers Ideen in der Bevölkerung bei. Dies verleitete so manchen deutschen Denker, sich ob seiner Fähigkeit, die Bedeutung des archaischen Ostens für den modernen Westen auszudeuten, für den kulturellen Nabel der Welt zu halten. Persönlichkeiten wie Fritz Hartmann (ein Gerichtsmediziner und ehemaliger Armeeoffizier), Wilhelm Hübbe-Schleiden (ein Geschäftsmann und Kolonialhändler), Theodor Schulze (Oberpräsidialrat bei der Dresdner Regierung) oder

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Mary Gebhardt (eine irische Theosophin, die mit einem Deutschen von niederem Adel verheiratet war), taten sich dabei anfangs besonders hervor.61 Sie eröffneten einem Jeden Wege und Möglichkeiten, ein Weiser zu werden. Die spirituelle Indologie und der deutsche Imperialismus hatten also etwas gemeinsam – beide gaben mit ihrer jeweils welthistorischen Perspektive an, und beide nahmen für sich in Anspruch, geistige Güter aus fernen Ländern zum Wohle aller Europäer zu erwerben.

Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel Ende des 19. Jahrhunderts begann sich die soziale Zusammensetzung der Studentenschaft stark zu verändern.62 Neue soziale Gruppen, darunter Menschen aus Arbeiterfamilien ebenso wie junge Frauen aus der Mittelschicht, nahmen ein Universitätsstudium auf. Doch die steigende Zahl akademisch gebildeter Arbeitskräfte führte zu zunehmender Spezialisierung und zu „Methodenkämpfen“. Die traditionellen Professionsmitglieder hatten nämlich ein Interesse daran, ihre angestammte Macht innerhalb des Wissenschaftsbetriebs zu erhalten.63 In den 1880er Jahren kam es zu einer rasanten Ausweitung der gebildeten Mittelschichten in der deutschsprachigen Gesellschaft, abzulesen vor allem an der wachsenden Nachfrage nach Hochschulbildung. In dieser Zeit stieg die Zahl der Immatrikulationen an den Universitäten im deutschen Kaiserreich stark an. Zwischen 1865 und 1914 explodierte die Zahl der Studenten, sie stieg von 1,58 Prozent der neunzehnjährigen jungen Männer in den Jahren 1869 bis 1871 auf 2,82 Prozent bis 1914.64 Aus der „Leserevolution“ der Jahrhundertmitte wurde bis zum Jahrhundertende eine Universitätsrevolution.65 Die deutsche Universität nach Humboldtschem Modell stand in dieser Zeit auf dem Höhepunkt ihres internationalen Ansehens.66 Die Zahl amerikanischer Studenten an kontinental-europäischen Universitäten erreichte Anfang der 1890er Jahre ihre Spitze und ging dann langsam wieder zurück, als auch in den USA forschungsorientierte Graduiertenstudiengänge eingerichtet wurden.67 Frauen und Ausländer machten einen erheblichen prozentualen Anteil der steigenden Zahl von Neueinschreibungen an deutschen Universitäten aus. Bezogen auf die Gesamtstudentenzahl lag der Anteil der weiblichen Studentenschaft von 1905 bis 1906 bei 6 bis 8 Prozent, der Ausländeranteil bei 8,7 Prozent.68 Mit dem Zustrom archäologischer und kultureller Artefakte nach Europa entstand in den Geisteswissenschaften die Notwendigkeit für neue kunsthistorische Institute, und auch hier war der Frauenanteil unter den Studierenden hoch. In Wien beispielsweise, am von Josef Strzygowski neu gegründeten Kunsthistorischen Institut, stammten 63 der 202 Dissertationen, die zwischen 1909 und 1934

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abgeschlossen wurden, aus der Feder von Frauen.69 Insgesamt zwölf dieser 63 Dissertationen fokussierten das Thema Asiatische Kunst, darunter chinesische, indische, iranische und aschkenasische Kunst.70 Im Zeitraum zwischen 1910 und 1933 wurde in den deutschsprachigen Ländern die größte Anzahl an Dissertationen zum Thema Indien veröffentlicht, mehr als in jedem anderen vergleichbaren Zeitraum zwischen 1800 und 1964, und zwar quer durch alle Disziplinen.71 Der Orient schuf einen neuen Wissensmarkt in der deutschsprachigen Gesellschaft, und Frauen spielten eine Rolle dabei, die Nachfrage auf eben diesem Markt zu bedienen.72 Auch außerhalb der akademischen Welt gab es Berufsfelder, auf denen sich tiefe Einsicht und spirituelle Verzückung in klingende Münze verwandeln ließen.73 Und auch in diesen neu entstandenen Sparten der Verbreitung orientalistischen Wissens (im weitesten Sinne) waren es wieder Frauen, die das Feld anführten. Mirra Alfassa zum Beispiel, eine Spiritistin mit türkischen, ägyptischen und jüdischen Wurzeln, aufgewachsen in Paris, war in den 1920er Jahren verantwortliche Leiterin des Sri Aurobindo Ashram in Puducherry.74 In Dresden war Mary Wigman die Wegbereiterin des modernen Ausdruckstanzes, der freie Formen von Bewegungen und Gesten in pathetischer Weise verbindet, um spirituelle Tiefe zu erfahren.75 Konrad Jarausch hat gezeigt, wie der deutsche Wissenschaftsbetrieb im späten 19. Jahrhundert den Liberalismus „über Bord warf“ und sich von einem verbreiteten Kosmopolitismus ab- und dem Nationalismus zuwandte.76 Doch müssen seine Thesen im Lichte eines sich wandelnden internationalen Kontextes betrachtet werden. Und auch die sich rasch verändernden gesellschaftlichen Kräfte, insbesondere der Hegemonieverlust der beiden schon genannten Vorstellungen eines konzertierten Europa und der universalistischen Versprechen der Aufklärung müssen beachtet werden. Um die Jahrhundertwende gelangten erste Berichte über den politischen Aktivismus in Asien in die deutschen Zeitungen. Nachrichten aus Indien wurde, neben solchen zu Japan, besonders viel Platz eingeräumt. 1905 erschienen in der Frankfurter Zeitung pro Monat durchschnittlich neununddreißig Berichte über Asien, weit mehr als noch fünf Jahre zuvor. Und 1911 lag der monatliche Durchschnitt gar bei sechsundfünfzig. Berichte über den Boxeraufstand (1898 – 1901), den Russisch-Japanischen Krieg (1904 – 1905) und den Swadeshi-Aufstand (1905 – 1908) machten die angebliche „gelbe Gefahr“ zunehmend zu einem Thema in der Presse. Die offen geäußerte Angst Kaiser Wilhelms II. vor dieser „gelben Gefahr“ zeigt, dass die beiden Prozesse von Annäherung und Distanzierung hinsichtlich des asiatischen politischen Aktivismus in offiziellen deutschen Kreisen gleichzeitig stattfanden.77

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Insbesondere im Zusammenhang mit Indien gab es eine intensive Berichterstattung, die ihre größte Dichte zweifellos anlässlich der Reise des deutschen Kronprinzen nach Indien und China erreichte. Kronprinz Wilhelms Reise ließ an den Besuch des Kronprinzen Franz Ferdinand von Österreich-Ungarn denken, der Indien bereits auf seiner groß angelegten Weltreise (1892– 1893) besucht hatte.78 1898 brach Kaiser Wilhelm II. zu seiner „Orientreise“ nach Palästina auf, und wenige Jahre später reiste Erzherzog Ludwig von Hessen nach Indien (1902).79 1910 setzte Kronprinz Wilhelm also die Reihe demonstrativer diplomatischer Besuche von Ländern fort, die zum Kern der britischen geopolitischen Interessensphäre gehörten. Wie britische Beobachter anlässlich seines Besuchs in Kalkutta vermeldeten, traf sich der Kronprinz mit Führern der bengalischen Revolutionsbewegung, darunter Bāgha Jatin Mukherjee, dem „Tiger von Bengalen“ und Kopf der radikalen antikolonialen Untergrundorganisation Yugāntar; der bengalischen Revolutionsbewegung sicherte er sogar finanzielle Hilfen und Artillerieunterstützung zu.80 Abgesehen von der ausgedehnten Berichterstattung, die bengalische Zeitungen dem Besuch widmeten, gab es auch in der deutschen Presse etliche Reiseberichte – von Buchlänge.82 Der indische Orientalismus war im späten 19. Jahrhundert aus den stillen, staubigen Studierstuben und Bibliotheken der Philologen also in breitere Kreise gelangt; jetzt, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, wurden umgekehrt populäre Schriften über den Orient in verschiedenen Fachgebieten der Wissenschaften wahrgenommen. Auch Indien, das in der deutschen Vorstellung als Wiege der Kultur sowie als Quelle uralter Weisheit und höchster kultureller Autorität galt, wurde im frühen 20. Jahrhundert rasch zu einem beliebten Reiseziel für deutsche Akademiker, politische Würdenträger und Kulturschaffende aus der zweiten und dritten Reihe, die allesamt keinerlei direkten Bezug zur wissenschaftlichen Disziplin der Indologie hatten. Eine erstaunlich große Gruppe von Wissenschaftlern nutzte Rundreisen durch Indien um den Bildern auf den Grund zu gehen, die die Populärkultur von Indien entworfen hatte. Rudolf Otto, ein Marburger Religionswissenschaftler und Theologe, reiste erstmals 1911– 1912 nach Indien, in einem Jahr, in dem sich offenbar viele Deutsche auf Orientreise begaben. Der Ethnologe Leo Frobenius reiste 1930 nach Südindien; er zielte mit seinem Buch Indische Reise (1931), Untertitel: „Ein unphilosophisches Reisetagebuch aus Südindien und Ceylon“ offensichtlich auf ein breites Publikum. Im selben Jahr veröffentlichte Hans Molisch aus Brünn, Professor für Botanik an der Universität Wien, sein Reisebuch Als Naturforscher in Indien. 83 Auch einige namhafte deutsche Wissenschaftler, darunter Werner Heisenberg und Arnold Sommerfeld, unternahmen in den 1920er Jahren Weltreisen mit Aufenthalten in Indien.84

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Jenseits elitärer Kreise, in der Populärkultur, galt Indien häufig als Zauberreich im Osten und eines der beiden Ziele für das „German Fernweh“ (das auch der deutsche Autor und Regisseur Edgar Reitz als so typisch für die Deutschen beschrieben hat), das andere waren, weit im Westen, die Prärien Nordamerikas. Viele deutsche Weltreisende besuchten beide Kontinente, Amerika und Indien – als wären sie Anfangs- und Endpunkt einer „richtigen“ Weltreise.86 Für Karl May, der nie nach Amerika, aber immerhin bis Bagdad kam, waren der Orient und die fernen westlichen „frontiers“ gleichermaßen exotisch. Unter den deutschsprachigen Intellektuellen, die auf der Suche nach neuem Sinn sowohl in die USA als auch nach Indien reisten, sind Hermann Schlagintweit, Hermann Keyserling, Josef Furtwängler, Arthur Holitscher, Bernhard Harms, Oskar von Miller, Alma Karlin, Elizabeth von Heyking und Colin Ross, um nur einige zu nennen. Keyserlings Reisetagebuch eines Philosophen beginnt in Indien und endet in Amerika87, wobei Amerika für ihn „Oberflächlichkeit“ und Indien „spirituelle Tiefe“ bedeutet.88

Popularisierung und Publikation Verschiedenen Formen von Popularisierung des indischen Orientalismus ließen diese Kultur Eingang finden in die deutsche Breitenliteratur, die universitäre Lehre und die akademische Forschung. Dabei kann man sagen, dass Indien in den 1910er Jahren nicht nur Forschungsgegenstand war, sondern auf zahlreichen postaufklärerischen Fachgebieten vornehmlich der Geisteswissenschaften (Musikwissenschaft, Psychologie, Philosophie, Geschichte, Ethnologie, Soziologie, aber auch Physik) auch die Studienhaltung veränderte, wie in den Kapiteln des zweiten Teils dargelegt wird. Dazu gehörten die Bereiche Musikwissenschaft, Psychologie, Philosophie, Geschichte, Ethnologie, Soziologie und Physik, wie in den folgenden Kapiteln noch erläutert wird. Manche Wissenschaftler der Zwischenkriegszeit waren davon überzeugt, dass orientalistische Perspektiven fächerübergreifend auf empirische Daten unterschiedlicher Art angewandt werden könnten und dass manchmal auch die bloße Faszination, die von Indien ausging, ausreiche, um tiefgründige Einsichten zu gewinnen. Das Interesse am indischen Buddhismus war im deutschsprachigen Europa seit den 1850er Jahren langsam, aber stetig gewachsen.89 Die Entschlüsselung der altindischen Sprache Pali durch die Indologen Eugène Burnouf und Christian Lassen in den 1830er Jahren, gefolgt von der wegweisenden Entdeckung der Ashoka-Säulen in den 1850er Jahren, gaben den Impuls für weitere indologische Forschungen. Höchst einflussreiche Gelehrte, jeder von ihnen auf seine Weise ein wichtiger Popularisierer Indiens in Deutschland, wie etwa Friedrich Max Müller

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und sein Schüler Hermann Oldenberg, setzten sich in ihren Schriften mit dem historischen Buddhismus ebenso ausführlich auseinander wie mit dem vedischen Hinduismus. Der Buddhismus wurde allgemein als jüngerer Zweig des altindischen Religionsstammbaums dargelegt,90 hervorgegangen aus der alten Form des Hinduismus. Der Buddhismus war also die jüngere der beiden indischen Weltreligionen. Sie kannte kein Kastenwesen, war dadurch weniger eingeschränkt und glich eher den „Erlösungsreligionen“, die sich späterhin aus den hebräischen Traditionen heraus in Vorderasien entwickelten. In den 1920er Jahren begannen deutsche Indologen wie Helmuth von Glasenapp, neben dem Buddhismus den Jainismus als eine weitere, in Indien beheimatete Erlösungsreligion populär zu machen.91 Auch wenn Theosophie und Schopenhauerianismus in den 1870er und 1880er Jahren von brahmanischen Ritualen und der elitären Philosophie der Veden nur so schwärmten, stieg das Interesse am Buddhismus, der egalitärer, zugänglicher und dem Christentum ähnlicher schien, im selben Zeitraum stark an und Deutsche begannen, zum Buddhismus zu konvertieren.92 Der Buddhismus wurde als archaische vorchristliche Volksreligion wahrgenommen, die den spirituellen Bedürfnissen der Europäer im 20. Jahrhundert entgegenkam. Hermann Oldenberg, Indologe und Begründer der modernen Buddhismus-Forschung, interpretierte den Buddhismus als eine Form der altindischen Gedankenwelt, die Missionierung und Konversion sehr viel offener gegenüberstand.93 BuddhismusForscher erklärten, dass der Buddhismus seinem Ursprung nach keine elitäre Religion sei, sondern eine Lehre, die dem indischen Brahmanismus entgegengesetzt ist. Sie entwickelte sich, als ein Prinz (kein Priester) in einem Akt des universalen Mitgefühls und der selbstlosen Entsagung beschloss, sich von all seinem Reichtum und weltlichen Besitz zu trennen.94 Oldenberg bezeichnete den Buddhismus als die rationalste und fortschrittlichste „Denkform“, die dem vedischen Baum als Zweig entsprungen sei.95 Oldenberg versuchte nachzuweisen, dass Buddha eine historische Persönlichkeit gewesen war, genau wie Jesus.96 Es waren also nicht Lingam, Devi, brahmanische Traditionen oder esoterische nichtdualistische Lehren, die zu Symbolen der spirituellen Erneuerung in der deutschen Sinnsuche wurden. Vielmehr ging es um Elemente, die näher an den Inhalten der christlichen Lehre waren: die Persönlichkeit des Propheten (in diesem Fall Buddha), und die moralischen Gebote wie Demut und Selbstentsagung. Rudolf Seydel, ein Dresdner Philosoph und Schopenhauerianer, machte den Einfluss des historischen Buddhismus auf die Ursprünge des Christentums geltend. Eduard Grisebach, ein deutscher Schriftsteller, schrieb 1869 ein Buch über das Leben Buddhas mit dem wagnerianischen Titel Der neue Tanhäuser einen Zyklus über die Ablehnung irdischer Freuden und die Erlangung von Gnade, die jedem Suchenden zuteilwird, und zwar außerhalb der Grenzen der jüdisch-

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christlichen Heilsgeschichte. Ferdinand von Hornsteins Drama Buddha: Legende in drei Akten erschien 1898. Der Schweizer Schriftsteller Joseph Victor Widmann veröffentlichte 1869 ein Versepos mit dem Titel Buddha. Eine epische Dichtung in zwanzig Gesängen.97 Max Vogrich (österreichischer Pianist) und Adolf Vogl (deutsch-österreichischer Opernsänger), schrieben beide Opern, die auf der Lebensgeschichte Buddhas basierten, inspiriert von Richard Wagners musikalischer Prosa-Skizze für Die Sieger, seiner unvollendeten Buddha-Oper.98 In seinem Reisetagebuch eines Philosophen (1919) bezeichnete Keyserling den Hinduismus als den Katholizismus Indiens – matt und voller toter Rituale, während er den Buddhismus mit dem Protestantismus verglich – lebendig, mühevoll, aber bereichernd. Der Soziologe Max Weber hingegen verglich den Hinduismus mit dem archaischen Hellenismus, und den Buddhismus mit dem Pariser Kosmopolitismus eines modernen Europa.99 Für einige Schriftsteller hatte der Buddhismus etwas mit der einzigartigen Berufung Deutschlands in der Welt zu tun. Für Keyserling unterscheiden sich die Deutschen vom Rest Westeuropas darin, dass sie von einer vornehm unpolitischen Innerlichkeit sind, ein Volk durchdrungen von Geist und Kultur, ähnlich den alten Völkern im Himalaya. Allein wegen der ihnen eigenen Redlichkeit und ihrer „organischen“ Lebensweise, so Keyserling, trügen sie eine Berufung zur Tiefe in sich.100 1915 veröffentlichte der Bibliothekar Hans Ludwig Held, ein Freund von Thomas Mann, seine umfassende Deutsche Bibliographie des Buddhismus mit 2544 Einträgen.101 Das Katalogwerk war als eine Gesamtschau der Vielzahl von Abhandlungen gedacht, die „westliche erkenntnistheoretische Methoden“ nutzten, um den Buddhismus für die Forschung zu erschließen. Gleichzeitig war die Bibliographie auch als ein weiterführendes Literaturverzeichnis für all jene gedacht, die eine glühende „menschliche Sehnsucht [in sich tragen] und nach spiritueller Einsicht streben“.102 Suzanne Marchand hat gezeigt, dass es in der Zeit der „furor orientalis“ eine ganze Reihe von frei arbeitenden Intellektuellen mit Doktortitel, aber ohne feste Universitätsanstellung gab, welche ganz erheblich zur Popularisierung buddhistischer „Weisheiten“ in den deutschsprachigen Gesellschaften beigetragen haben. Insbesondere erwähnt sie zwei Pioniere des Buddhismus in Deutschland, Karl Seidenstücker und Karl Eugen Neumann, die sich mit Übersetzungen der Heiligen Schriften des Buddhismus, darunter große Teile des Pali-Kanons, ebenso wie durch die Gründung buddhistischer Missionsvereine hervortaten.104 Ihre umfangreichen Übersetzungen ermöglichten Zugang zu kanonischen Schriften, die rasch zum „Neuen Testament“ der Anti-Christen, Anti-Westler oder Anti-Semiten des 20. Jahrhunderts wurden. Obwohl sich die einzelnen Bereiche vielfach überschnitten, lassen sie sich aus heutiger Sicht auch wieder entflechten, da sie außerhalb ihrer Schnittmengen oft genug eine eigene Färbung hatten.

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Buddha als Pop-Ikone in der Post-Aufklärung Der Umstand, dass das orientalische Indien in so vielen Köpfen eine Rolle spielte, ermöglichte es auch weniger konventionellen Kulturschaffenden, sich inner- und außerhalb des universitären Kontextes Renommee zu erwerben. Das galt in besonderem Maß für Männer, die zum Buddhismus konvertierten, vor allem für diejenigen, die Mönch wurden: Sie konnten es sich erlauben, mit Autorität über indisch-religiöse Traditionen zu sprechen und universale Wahrheiten zu enthüllen. Vor einem nichtakademischen Publikum beanspruchten sie ob ihres Religionswechsels ein tieferes Verständnis für die Sanskrit- und Pali-Schriften als die Professoren und konnten so auch ohne Promotion, geschweige denn Habilitation, auf Respekt und Anerkennung zählen.105 Karl Seidenstücker, Pfarrersohn, Philologe und Übersetzer von Texten aus dem Pali-Kanon, gründete 1903 den ersten „Buddhistischen Missionsverein für Deutschland“.106 Er wurde an der Universität Leipzig promoviert, engagierte sich dann aber vornehmlich in der buddhistischen Missionsarbeit und entzog sich so der Mühe einer Habilitationsschrift. Seidenstücker tat sich später mit Georg Grimm zusammen, dem Sohn eines Eisenarbeiters, Jurist und ebenfalls Pionier des Buddhismus in Deutschland, mit dem er die „Altbuddhistische Gemeinde“ am Ammersee bei München gründete.107 Der Übertritt von einer Religion zur anderen, von einer hierarchisch geordneten Machtstruktur und Tradition zu einer anderen, war in Deutschland eine gute Möglichkeit, sich in diesem Zeitalter der Verflechtung eine unverwechselbare Identität zu verschaffen. Anton W. F. Gueth, 1878 in Wiesbaden geboren und ein berühmter Violinist seiner Zeit, erhielt 1903 als erster Deutscher die Vollordination zum buddhistischen Mönch und trug fortan den Namen Nyanatiloka.108 1911 gründete er eine Mönchsklause für westliche Buddhisten in Dodanduwa auf der Insel Sri Lanka (damals Ceylon). Später eröffnete er dort eine weitere Mönchsklause in Kandy.109 Auch Siegmund Feniger, 1901 in Hanau geboren und ehemals Buchhändler, konvertierte 1922 zum Buddhismus, er nahm den Namen Nyanaponika Mahathera an.110 Conrad Nell trat 1924 mit dem Namen U Nayanadhara über, er starb 1935 in Burma.111 Ernst Lothar Hoffmann, ein junger Archäologe, wurde 1928 buddhistischer Mönch, hieß fortan Anagarika Govinda an und trat dem Kloster deutscher Buddhisten auf Ceylon bei.112 Der vielleicht wichtigste deutsche Buddhist der Populärkultur war der Berliner Arzt Paul Dahlke, der 1924 das Buddhistische Haus in Berlin-Frohnau begründete. Seine zahlreichen Zeitschriften und Bücher versprachen spirituelle Tiefe und Einsicht.113 Die bemerkenswerte Mischung aus akademischen Experten, denen daran lag, vor einem breiten Publikum zu sprechen, freiberuflichen Intellektuellen, die Heilige Schriften des Orients übersetzten, als hinge ihr Leben da-

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von ab, sowie populären Schopenhauerianern, die intellektuelle Autorität für Jedermann erstrebten, ließ um die Jahrhundertwende herum nicht wenige Deutsche zum Buddhismus konvertieren.114 Außer den Übertritten zum Buddhismus gab es in Deutschland aber auch Konversionen zu den asketischen Richtungen des Hinduismus: Nach einer Begegnung mit dem charismatischen bengalischen Wanderprediger Bhakti Hridaya Swami Bon während seiner Deutschlandreise 1927 konvertierten Ernst Georg Schulze und Baron von Koeth zum Vishnuismus.115 Walther Eidlitz und Leopold Fischer, beide aus Österreich und beide Indologen, reisten während des Zweiten Weltkriegs nach Indien und wurden Hindu-Mönche.116 Diese nach Indien gereisten deutschen Swamis bildeten das Gegenstück zu jenen indischen Hindus, die zum Christentum konvertierten und zu gefeierten religiösen Lehrern und reisenden Heiligen wurden. Sadhu Sundar Singh, möglicherweise der berühmteste indische Wanderprediger im Europa des frühen 20. Jahrhunderts, wurde durch beides berühmt, als indischer Weiser und als Konvertit zum Christentum.117 Die deutsche Buddhismusbewegung schuf einen Markt für buddhistische Weltliteratur, der eine breite Leserschaft bediente.118 Eugen Diederichs, ein bedeutender deutscher Verleger und Nietzsche-Anhänger (der mit seinem Verlag 1897 von Florenz nach Leipzig und 1904 nach Jena zog), begann seine verlegerische Karriere mit deutscher Lyrik der Romantik sowie mit Übersetzungen von Giordano Bruno und Plotin. Der große Erfolg stellte sich jedoch erst 1912 ein, als er in einer Gemeinschaftspublikation mit Leopold von Schroeder dessen Übersetzung des Bhagavadgita veröffentlichte, zusammen mit einer Sammlung mystischer Poesie aus Persien.119 Zunächst ein Außenseiter in der Verlagswelt, hatte Diederichs mit seinem Fokus auf indische Literatur seine Nische gefunden, wurde zu dem Verlag für populäre Orientliteratur schlechthin, was ihm und seinem Unternehmen großes Prestige und beträchtlichen wirtschaftlichen Erfolg bescherte.120 Unterdessen etablierten Kurt von Vowinckel und Kurt Wolff ihre Verlage mit der Veröffentlichung der ersten deutschen Übersetzungen von Rabindranath Tagore.121 Deutsche Buddhisten machten außerdem ihre eigenen Kleinverlage auf. In München etwa gründeten die bereits erwähnten Konvertiten Anton W. F. Gueth und Georg Grimm den Benares-Verlag.122 Auch Paul Dahlke, der 1924 in Berlin das „Buddhistische Haus“ gegründet hatte, führte unter dem Namen „Neu-Buddhistischer Verlag“ ein eigenes kleines Piblikationsunternehmen. Aber es waren nicht nur kleine Verlage, die buddhistische Weisheitsliteratur auf den Markt brachten. Auch für Großverlage war das Thema Buddhismus ein gutes Geschäft. So etwa erschienen in den Verlagen Reclam und Insel in Leipzig und Piper in München Nachdrucke der von Karl Eugen Neumann gefertigten Übersetzungen des Dhammapada (der ältesten buddhistischen Spruchsammlung) sowie weitere

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Schriften aus dem buddhistischen Kanon.123 Insel und Reclam waren die beiden wichtigsten Verlage buddhistischer Werke für ein allgemeines Publikum, wobei es sich großenteils nicht um Übersetzungen indischer Schriften handelte, sondern um kulturelle Reflektionen von populären deutschen Autoren wie Albrecht Schäffer oder Rudolf Delius. Der Riesenerfolg von Hermann Hesses Siddhartha (1922) begeisterte geschäftstüchtige Verleger ebenso wie die breite Leserschaft. Mit Siddhartha erreichte der deutsche Indien-Orientalismus buddhistischer Lesart in höchst einfacher und zugänglicher Weise ein breites Lesepublikum. Sein Autor Hermann Hesse hatte sich lange Jahre mit Indien und China beschäftigt und mit großer Leidenschaft Karl Eugen Neumanns Dhammapada und Paul Deussens Upanishaden gelesen.124 Literarische Inspiration fand Hesse außerdem bei seiner Indienreise 1911 und in den Erinnerungen seines Großvaters Hermann Gundert, einem Indologen, der als Missionar nach Indien gegangen war.125 Keyserlings Reisetagebuch eines Philosophen war ein weiterer Publikumserfolg, der innerhalb von vier Jahren nach Erstveröffentlichung im Jahr 1919 immerhin sieben Auflagen erreichte. Ungefähr zur gleichen Zeit kamen 1921 Rabindranath Tagores Theaterstücke auf den großen Bühnen Deutschlands in Berlin, München und Frankfurt zur Aufführung, als Tagore Deutschland besuchte, und wurden noch zwei Jahre nach seinem Besuch gespielt.126 Deutsche und österreichische Komponisten wie Alexander Zemlinsky (Lyrische Symphonie, 1924 uraufgeführt) oder Hans Gál (Phantasien, entstanden 1919) setzten seine Lyrik in Musik um. Neben der mitteleuropäischen Rezeption seiner Werke wurden Rabindranaths Gedichte auch von etlichen amerikanischen Komponisten vertont.127 Und der deutsche Maler Heinz Witte-Lenoir, der sich zwischen 1907 und 1911 mehrfach in Indien aufhielt und dort Freundschaft mit Tagore schloss, brachte seine Schriften durch Gemälde in eine visuelle Form.128 Man sieht, dass insbesondere ab der Jahrhundertwende auch andere Schriftsteller als Hesse den Orientalismus in ihre Romane, Erzählungen, Theaterstücke und Gedichte einfließen lassen. Rainer Maria Rilke schrieb seine Buddha-Gedichte über die Sehnsucht nach fremdkulturellem Zauber – das erste erschien 1907– im Zeitalter der Hochindustrie.129 Stefan Zweig, der 1909 nach Indien und Burma reiste, schrieb später eine Erzählung über eine Seereise in den Orient, und Lion Feuchtwanger siedelte die Schauplätze seiner Romane und Theaterstücke auf britischen Schiffen auf dem Weg nach Indien oder in britisch-indischen Gerichtssälen an.130 Thomas Manns Erzählung Die vertauschten Köpfe ruft in der vertrackten Dreiecksgeschichte die mit dem Orient verbundene erotische Exotik hervor: Die Liebesgeschichte um zwei Männer und eine Frau endet damit, dass beide Männer sich gegenseitig ein Schwert ins Herz stoßen und die Witwe einem Verbrennungsritual ausgeliefert wird.131 In der Hochliteratur diente der Orient häufig als exotische Kulisse für Narrative über verbotene sexuelle Beziehungen,

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persönliche Verflechtungen und Geschichten des Verlorengehens und der Gefahren, die auf weiten Reisen lauern. Insgesamt nahm aber ernsthafte Literatur außerhalb der akademischen Indologie das Thema „indischer Orient“ viel weniger auf als die populäre Kultur und das akademische Schrifttum. Das frühe 20. Jahrhundert war eine Zeit, in der die Begeisterung für niedrigschwellige Kunstformen wie Vaudeville, Cabaret oder auch für das frühe Kino die Lust an der „bürgerlichen“ Opernbühne weit übertraf – selbst wenn auf ihr so Monumentales wie Wagner gespielt wurde.132 Geistreicher Witz und Satire, ja sogar die Gemeinplätze des kleinen Mannes zogen mehr und mehr Zuhörer an.133 Das Indische als Topos in der populären Kultur bot auch einfachen Leuten die Möglichkeit, die Welt zu bereisen und sich von bürgerlichen Normen abzusetzen. Sowohl die künstlerische Avantgarde als auch Repräsentanten der Gegenkultur schmähten nach dem Ersten Weltkrieg den bürgerlichen Mainstream in Deutschland und Österreich für moribunden Liberalismus und epigonalen Neoklassizismus.135 Was der konventionelle Geschmack als „Morgenländerei“ abtat, nannten gegenkulturelle Bewegungen Einsicht und Weisheit. Die weit verbreitete Faszination für diese Weisheit aus dem „Morgenland“ schwoll jedenfalls an, und zwar von unten, und brachte ihre eigene Literaturform hervor, die „Indienbücher“.136 Autoren wie Ida von Hahn-Hahn, Walter Heichen und Thea von Harbou stellten Indiens Unterschied gegenüber Europa heraus – als Wunderland nackter Sadhus, Bettler und Bajaderen. Für andere wiederum war Indien der Ort, an dem politische Kämpfe und antibritische Gesinnung erst zu einem Gleichgewicht finden mussten. Das bereits erwähnte Zusammenspiel von Differenzbetonung und dem Knüpfen enger Beziehungen zeigte sich jedenfalls erneut in den Reiseberichten von Hilmar Teske. Wie Teske 1930 räsonierte, würde es den Indern nicht gelingen, ein echtes Nationalgefühl zu entwickeln, solange die Spaltungen zwischen Hindus und Muslimen nicht überwunden und das elitäre Kastensystem nicht abgeschafft seien.137 Erst dann könnten die Inder das tun, was die Preußen mit der Gründung des Deutschen Reiches getan hatten, nämlich ihrem „Vaterland dienen … mit ganzer Seele“.138

Gegen die „Morgenländerei“ Während einige deutsche Intellektuelle die populärkulturelle Welle der PostAufklärung ritten, starke Parallelen zwischen Buddhismus und Christentum behaupteten und diese Nähe zum Buddhismus benutzten, um die Sonderstellung Deutschlands gegenüber dem Rest Westeuropas zu unterstreichen, wiesen andere

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diese „Morgenländerei“ entschieden zurück und bemühten sich, Deutschland fest in der judäo-christlich-römischen Kultur, in Europa und im Westen zu verankern. Deutschland, so argumentierten letztere, sei Teil des europäischen geopolitischen Blocks und somit im Zentrum der modernen Weltordnung.139 Das Schicksal Deutschlands, so fuhren sie fort, sei mit Westeuropa, dem Mittelmeerraum und dem Vorderen Orient verbunden, es stehe nicht in Opposition dazu. Dieses Argument war der Kerngedanke in Max Webers Studie über Hinduismus und Buddhismus: Interpretation und Kritik (1916), einer umfangreichen und meisterhaften soziologischen Interpretation der indischen Tradition, von der alten vedischen Zeit über den Aufstieg der Bhakti-Kulte bis zum modernen Shivaismus (auch Shaivismus) im 12. Jahrhundert n. Chr.140 Die Untersuchung der Beziehung zwischen religiösem Glauben, sozialer Organisation und Formen kollektiver Disziplin und Produktivität in der indischen Gesellschaft setzte Weber von den Besonderheiten der europäischen Tradition ab, um deren einzigartige Merkmale herauszuarbeiten, zum Beispiel die Entwicklung von „Stadtreligionen“ wie Judentum und Christentum. Seine Untersuchungsergebnisse zur indischen Religiösität erlaubten es Weber, den einzigartigen Wesenszug Europas, die „protestantische Ethik“, klar herauszuarbeiten. Weber schlug vor, dass der Brahmanismus die instinktgeleiteten orgiastischekstatischen Neigungen der primitiven Gesellschaft sublimiert habe. Verschiedene Revolten gegen die brahmanische Tradition veränderten die Dynamiken, führten zu destabilisierenden Lesarten der brahmanischen Schriften und schufen neue religiöse Strömungen. Die Bhagavadgita und die Tradition der erzählenden Literatur (Epik) erwuchs aus der Arbeit von Kriegern und Rittern, die sich gegen den für den frühen Buddhismus typischen Quietismus wandten, um eine Religion der Pflicht und der moralischen Direktiven zu schaffen. (Quietismus bezeichnet eine Geisteshaltung, wonach der Mensch nur in vollkommen innerer Stille die mystische Vereinigung mit dem Göttlichen erlangen kann; Anm. d. Übers.). Buddhismus und Jainismus hingegen waren Religionen, die danach trachteten, den archaischen Brahmanismus zu reformieren und eine rationalere und demokratischere „Erlösungsreligion“ zu schaffen. 1913 hielt der niedersächsische Religionsphilosoph Rudolf Otto Vorträge über „Parallelen und Wertunterschiede zwischen Christentum und Buddhismus“.141 In einem dem Maharadscha von Mysore gewidmeten Buch legt Otto dar, dass sowohl das Christentum als auch der Buddhismus als „Einheitsreligionen“ oder Weltreligionen einzuordnen seien.142 Der wesentliche Unterschied, so Otto, bestehe jedoch darin, dass Heil und Erlösung im Christentum durch die Kommunion erlangt wird, im Buddhismus hingegen durch individualistische Askese. Otto machte immer wieder deutlich, warum die christliche Soteriologie ihrem buddhistischen Gegenbild überlegen sei. Die Debatte Buddhismus versus Christentum formulierte

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er im Rahmen eines welthistorischen Vergleichs. Keine Religion, so Otto, dürfe „sterben, bevor sie nicht „ihr Letztes und Tiefstes sagen konnte“.143 Er glaubte an einen globalen Sieg des Christentums über die Weltreligion des Buddhismus.144 In der permanenten Thematisierung der relativen Vorteile des Christentums gegenüber dem Buddhismus durch unterschiedliche Disziplinen fällt der Eurozentrismus dieses Diskurses auf, viel mehr jedoch ein deutlicher Unterton der Sorge, der in den Betrachtungen deutschsprachiger Europäer hinsichtlich ihrer nationalen Identität und ihrer Beziehungen als Europäer, Christen und Angehörige des Westens schwang. Wo war das deutsche Europa? Und wie weit im Osten lag es wirklich? Das waren offene Fragen, zumindest bis 1945, als das „Morgenland“ endgültig verdrängt war, vertrieben wie ein böser Traum, und die ungeklärte Zugehörigkeit der deutschsprachigen Länder sich innerhalb des neuen geopolitischen Systems der zwei Supermächte auflöste. Die Frage nach der deutschen nationalen Identität war während des deutschen Kaiserreichs und später in der Weimarer Republik von einer Ära globaler Verflechtungen geprägt. Wichtige Ansätze in der deutschen Forschung zeigen, dass sich das deutsche Nationalbild eher auf den Begriff der „Heimat“ konzentrierte – auf Heimatorte und Heimatregionen.146 Aber die deutsche Identität ging auch auf Reisen und verortete sich rund um die Welt.147 „Deutschsein“ war in der Zeit zwischen 1880 und 1945 eine umherirrende Identität, und dies schuf nicht nur Gelegenheit für koloniale Inbesitznahmen, sondern auch für ambivalente Beziehungen und Verflechtungen mit Gruppen außerhalb Europas und Nordamerikas.148

Rechtsgerichtete Orientalisten und das Gefühl der Unterlegenheit Für den Begriff „Arier“ lieferten Anthropologen und Philologen ursprünglich zwei Definitionen. So etwa definierte der britische Orientalist und Anthropologe Brian Houghton Hodgson, beeinflusst von den Werken des englischen Arztes und Ethnologen James Cowles Prichard, 1849: „Arier sind groß, hellhäutig, fleischessend und betont monotheistisch, Draviden und Turaner hingegen sind eher klein, dunkelhäutig, vegetarisch und polytheistisch und neigen zu Abgötterei und Müßiggang.“149 An diesem Grundgedanken orientierte sich auch die Neuordnung der britisch-indischen Armee nach 1857. Gemäß der britischen Rassentheorie der damaligen Zeit wurden „turanische“ und „dravidanische“ Truppen, sprich die Infanterieregimenter aus Bengalen und Südindien, demobilisiert. Stattdessen stellte man neue Verbände aus vorgeblich „kriegerischen“ arischen Soldaten der Provinz Pandschab zusammen mit nepalesischen Gurkhas auf.150 Aus der Perspektive der Philologie betrachtet, waren Arier aber nicht nur gute Kämpfer,

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sondern auch antike Dichter, Gelehrte, Schriftsteller und Kunstschaffende; sie waren nicht nur hochgewachsen, gut gebaut und robust, sondern auch gebildet und kultiviert.151 In seinem vierbändigen Werk Essai sur l’inégalité des races humaines (1853 – 1855) wandte Joseph Arthur de Gobineau das Konzept des „Arischen“ in ganz neuer Weise an – weniger als anthropologische oder philologische, sondern vielmehr als geopolitische Kategorie, die dem weißen Mann in der damaligen Welt Geltung verschaffen würde. Gobineau führte eine Theorie der Bluts-Überlegenheit der Arier ein (gegenüber den „dunkelhäutigen“ und gegenüber den „gelben“ Rassen) und erachtete die zeitgenössischen „weißen Rassen“ als durch Vermischung kontaminiert und damit als im Niedergang begriffen.152 Wie der amerikanische Historiker und Indologe Thomas R. Trautmann aufgezeigt hat, unterschied sich diese Deutung von einer rein philologischen Anschauung des „Arischen“, wie man sie bei Max Müller findet.153 Die geopolitische Deutung des „Arischen“ entfaltete ihre Wirkung in Deutschland und Österreich-Ungarn erst in der Zeit der „Weltpolitik“, also mit Beginn der 1890er Jahre, viel später als in Frankreich und Großbritannien.154 Das Deutschland des frühen 20. Jahrhunderts bewegte sich gedanklich langsam in Richtung Osten, in den Vorderen Orient, aber mehr noch in Richtung Himalaya. Der Philologe und Sanskrit-Gelehrte Sheldon Pollock bemerkt scharfsichtig: „Im deutschen Falle müssen wir den Orientalismus als einen WissensMacht-Komplex begreifen, der nicht nur nach außen in Richtung Orient gerichtet ist, sondern vor allem nach innen, auf Europa selbst, auf die Konstruktion des Konzepts eines historischen deutschen Wesenskerns und (auf) die Definition von Deutschlands Platz in Europas Bestimmung.“155 Eine stark vertretene Denkrichtung im deutschen Orientalismus feierte den Niedergang eines Europa des 19. Jahrhunderts und die Entdeckung der (vorgeblich) „arischen Identität“ als eine deutsch-asiatische Identität, die eine geopolitische Eigenständigkeit einforderte. Aus der Perspektive derer, die sich unterlegen fühlten, war dies eine Vision von Grandeur. Friedrich Nietzsche wies im späten 19. Jahrhundert auf das Problem des deutschen Minderwertigkeitskomplexes hin, der sich nach außen hin als übertriebener Heroismus geriert. Auch Thomas Mann sprach in den 1940er Jahren vom Problem einer kleinen europäischen Nation, die ihren „Platz an der Sonne“ forderte.156 Lange bevor der deutsche Philosoph Oswald Spengler sein Hauptwerk Der Untergang des Abendlandes schrieb, sangen schon andere laute Jeremiaden über den Tod von Goethes Deutschland und über eine nachfolgende Orientalisierung des deutschsprachigen Raums, in der sie die Grundlage für einen geopolitischen Aufstieg sahen.157 Das war ein Standardthema der Silvester-Literatur endzeitlicher Prägung, die um das Jahr 1899 herum entstand und zu deren wichtigsten Autoren Julius Hart

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(Der neue Gott: Ein Ausblick auf das kommende Jahrhundert), Karl Bleibtreu (Von Robespierre zu Buddha), Ludwig Büchner (Am Sterbelager des Jahrhunderts) und Hermann Oldenberg (Aus Indien und Iran) gehörten. Nach Spenglers berühmter morphologischer These waren Deutsche, und Westler ganz allgemein, ein sterbendes Volk und eine sterbende Kultur.158 Spenglers Buch war anti-hellenistisch – er durchtrennte entschieden die Verbindung zwischen dem antiken Griechenland und der modernen europäischen (und deutschen) Kultur. Der „faustische Charakter“ der westlichen Kultur, so Spengler, liege begründet in der gotischen und barocken Kultur des christlichen Nordeuropa.159 Das Beharren auf Kampf und Fleiß, Kennzeichen des faustischen Charakters, unterschied sich von der apollinischen Resignation der Alten Griechen und des buddhistischen Orients ebenso wie von der „magischen“ Energie der mediterranen Araber.160 Spengler wollte mit seinem monumentalen Werk Europas Bedeutung minimieren und den Kontinent als „provinziell“ entlarven.161 Europa sei bloß eine „kleine Teilwelt“, erklärte er.162 Mit seinem welthistorischen Blick, der Europas Bestimmung für die Welt nicht größer erscheinen, sondern seine Bedeutung in der Welt schrumpfen ließ, stellte Spengler die Hegelsche Universalgeschichte auf den Kopf. Seine Methode, das Faustische, Apollinische, Magische und Nordeuropäische dem Rest der Welt gegenüberzustellen, stand im deutlichen Gegensatz zu einem wachsenden Trend unter anderen Geschichtsphilosophen der 1920er Jahre, die das nördliche Europa mit dem Idealbild des Ariers verschmolzen und es sowohl mit den Griechen im Mittelmeerraum und als auch den Juden im Vorderen Orient kontrastierten.164 Schon vor, aber auch nach dem Ersten Weltkrieg strebten die rechtsgerichteten Orientalisten im deutschsprachigen Europa nach einer germanischen Identität, die sich über weite Gebiete in Mittel-, Nordmittel- und SüdostEuropa ausdehnen und sogar Anlaufstellen rund um die Welt erreichen konnte.165 Diese (rechts)konservativen Intellektuellen mittleren Alters, mit patrizischem Geschmack und völkischen politischen Zielen wollten einen Paradigmenwechsel in der Gesellschaft, der das deutschsprachige Europa wieder unter die Herrschaft einer Aristokratie der Intellektuellen stellen würde.166 Sie wollten gegenüber den französischen oder britischen Kosmopoliten in der Welt als wahre Quelle der Kultur herausragen. Typische Vertreter dieser rechtsgerichteten Gruppe von Orientalisten waren Leopold Ziegler, Karl Joël, Arthur Moeller van den Bruck und Edgar Jung. Diese älteren nationalistischen Denker trugen dazu bei, die piste longue („Startrampe“) für den Aufstieg der Nationalsozialisten zu bauen, fielen jedoch nach deren Machtergreifung beim Regime rasch in Ungnade.168 Das wissenschaftliche Interesse am „Arischen“ in Deutschland ging einher mit neuen Forschungen in den Bereichen Mythographie, Archäologie und Kulturgeschichte, aber auch mit vorgeschichtlichen Forschungen, denen sich die rechtskonservativen Orientalisten im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts widme-

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ten. Mythographen suchten die Einflüsse des Orients auf den Okzident zu enthüllen, insbesondere im Hinblick auf latente Züge von Heidentum, Paganismus und Mystizismus im europäischen Mittelalter.169 Größenwahn hegen besonders jene, die Unterlegenheit fürchten. Auf der Suche nach der Vorgeschichte der Arier kombinierten Mythographen das Studium von Sagen mit archäologischen Herangehensweisen und der Erforschung der theologischen Schriften des Hinduismus, den Veden.170 Ab den 1870er Jahren lieferten Gustaf Kossinna, Carl Schuchhardt, Alfred Hillebrandt und Julius von Negelein wichtige Beiträge zur Erforschung des Arier-Mythos und zur archäologischen Erfassung vorgeschichtlicher Siedlungsstätten der Arier im deutschsprachigen Raum („Deutsche Archäologie“).171 Diese völkischen Wissenschaftler entwickelten anhand von Grabungen in und um deutsche Städte das methodische Instrumentarium der „Siedlungsarchäologie“. Überraschende archäologische Entdeckungen warteten auch im eigenen Hinterhof, behaupteten sie, nicht nur im weit entfernten Orient. Und die Artefakte, die sie in Sachsen, Thüringen, im Rheinland und anderswo zutage förderten, halfen vorgeblich mit, die Geschichte einer uralten Rassengruppe aufzuzeigen, eines Volksstammes arischer Deutscher. Wie Kossinna bemerkte, „fallen archäologisch scharf umgrenzte Kulturgebiete immer zusammen mit völlig unterschiedlichen Völkerstämmen“.172 Der Paläontologe und Theosoph Edgar Dacqué verglich Mythen weltweit, um die angeblichen kulturellen Merkmale verschiedener rassischer Gruppen, einschließlich der Arier, zu definieren.173 Diese Wissenschaftler versuchten sich an der Konstruktion einer Morphologie der Kulturen, bestehend aus vermeintlichen integralen und holistischen Weltsichten einzelner Rassengruppen auf der Erde, denen gegenüber sich die Deutschen als überlegen erweisen würden.174 Ab der Jahrhundertwende und insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg wandten sich zunehmend auch deutschsprachige Philosophen arischen Vorstellungen zu, diesmal zu „therapeutischen“ Zwecken.175 In seinem Werk „Seele und Welt“ (1912) setzte sich der Philosoph Karl Joël mit der Furcht vor Unterlegenheit auseinander und vermutete, dass die neue Philosophie des 20. Jahrhunderts eine Wertschätzung der holistischen Einheit des Lebens erfordere, die durch das Studium des Buddhismus erworben werden könne.176 Leopold Ziegler prophezeite in seinem Buch Der ewige Buddho (1922) ein deutsches 20. Jahrhundert, das durch eine Verschmelzung von christlicher und asiatischer Mystik eine Rückkehr zum Genius erleben würde. Arthur Moeller van den Bruck, Kulturhistoriker und völkisch-nationaler Publizist, sagte 1923 die Rückkehr des deutschen Europa zu den Riten und Inspirationen des Buddhismus und der Byzantinischen Kirche voraus.177 Ein ähnliches Thema der Erneuerung und kulturellen Wiedergeburt durch den Asianismus beschäftigte Paul Natorp im selben Jahr, als er an der Universität Marburg seinen Tagore-Zirkel gründete (einen lose organisierten philosophischen

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Kreis von Studenten; Anm. d. Übers.), wo das Studium von Rabindranaths Gitanjali auf einer Stufe mit dem Studium der Denker der Aufklärung stand.178 Vor dem Hintergrund der gewaltsamen Konflikte imperialistischer Mächte und der nachfolgenden Zerstörungen des Ersten Weltkriegs, die noch dazu von der Furcht vor einem „erwachenden Osten“ mit antikolonialem Impetus begleitet wurden, versuchten nationalistische Denker älteren Schlages, sich der geheimnisvollen Großartigkeit Indiens zu versichern und mit seiner Hilfe ein ganzheitliches Verständnis in die immer wieder in Kriegslust ausartende Rationalität des Westens zu bringen. Die Suche nach den Ursprüngen der archaischen Arierkultur war die gemeinsame Triebfeder für die Forschungen rechtsgerichteter Nationalisten aus unterschiedlichen Disziplinen. Leopold von Schroeder, ein deutscher Indologe aus dem estnischen Tartu, der in Wien lehrte, verwendete die komparatistische Methode, um die Existenz einer vorgeblichen „alt-arischen Volksfamilie“ aufzuzeigen: die Inder, die Ost-Iraner und die Deutschen.179 Diese Verbindungen glaubte er durch Vergleiche von Mythen aus den alten Bergregionen des Himalaya erkennbar machen zu können. „Es kann keinem Zweifel mehr unterliegen, dass die Arier einst noch ungetrennt von Mitteleuropa bis nach Südrussland hin verbreitet lebten, bevor sich die asiatischen Zweige der Völkerfamilie, Inder und Perser, von ihr loslösten.“180 In seinem Werk Arische Religion (1914) postulierte von Schroeder, dass die Entdeckung der Arier als einer uralten Rasse die Brücke zwischen dem germanischen Europa, Zentralasien und Südasien schlug, womit Vorstellungen von der Einbindung Deutschlands in das westliche Europa und von seiner kulturellen und religiösen Bindung an die biblischen Länder zurückgewiesen wurden. Die eindeutig rechtsgerichtete, anti-westliche und antisemitische Haltung Leopold von Schroeders war Ausdruck eines urdeutschen Geltungsbedürfnisses. Und sie wurzelte in dem festen Glauben – übrigens seit einem Jahrhundert zusätzlich genährt von Orientalistik und Philologie deutscher Prägung – dass die Weltläufte es von den Deutschen erwarteten, sich vom alten Zentrum der Weltgeschichte im Vorderen Orient ab- und stattdessen den Regionen viel weiter östlich zuzuwenden, die sie für das eigentliche geheiligte Land, den größeren Garten Eden hielten. Auch Josef Strzygowski, ein Wiener Kunsthistoriker, war ein rechtsgerichteter Nationalist, der mit von Schroeder gerne zusammenarbeitete und sich den oben genannten Vorstellungen mit seinem Versuch anschloss, die normative, quasi klassische Art der Wiener Kunstgeschichte durch eine „globale vergleichende Kunstwissenschaft“ abzulösen. „Zusammen mit meinem Freund Schroeder“, erinnerte sich Strzygowski, „stand ich in der Wiener Welt immer alleine da“.181 Strzygowski veröffentlichte sein Werk Die Krisis der Geisteswissenschaften im Jahr 1923, kurz nachdem er von einer USA-Reise zurückgekehrt war, wo er in Harvard

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die Charles Eliot Norton Lectures halten durfte (eine Vorlesungsreihe zur Archäologie im interdisziplinären Kontext, die dort seit 1907 veranstaltet wird; Anm. d. Übers.).182 Seine Vorlesungen widmete Strzygowski den Kollegen in den Vereinigten Staaten mit dem Verweis, er habe sie zum Nutzen seiner „jüdischen Freunde“ geschrieben. Im weiteren warnte er jedoch vor dem Aufkommen „jüdischer Projekte“ zur Erlangung der intellektuellen Weltherrschaft, mit denen die kulturellen Besonderheiten der nordischen Völker und der nordischen Kunst (gemeint war der mitteleuropäische Raum) nivelliert würden.183 Strzygowskis Rhetorik zeigte die für die Rechtsnationalen der Zwischenkriegszeit oft typische Mischung aus Angst, Bigotterie und Narzissmus: Arme Individuen versuchten sich an der Verteidigung ihrer imaginären Größe.184 Hier wird im Ansatz deutlich, auf welche Weise die Orientalisierung des Germanischen und die gleichzeitige Zurückweisung des Westeuropäischen und Judäo-Christlichen ein tragfähiges intellektuelles Gerüst für den Aufstieg der Nazis errichtete.185 In den Zwischenkriegsjahren identifizierte sich eine wachsende Zahl deutschsprachiger Gelehrter aus verschiedenen Fachrichtungen mit den alten Völkern der Eurasischen Steppen, der „heiligen“ Region zwischen dem Kaspischen Meer und dem Himalaya. In den 1930er Jahren begann Josef Strzygowski, diese imaginierte Gemeinschaft in seinem Werk als „die Arier“ zu bezeichnen.186 In Strzygowskis Ansatz einer „global“ vergleichenden Kunstwissenschaft konnte jede Kunst im Sinne eines alten, aber anhaltenden Konflikts zwischen den Kunstidealen des Nordens und jenen des Südens verstanden werden.187 Nach seiner Interpretation gehörten die Griechen, die Italiener der Renaissance und die Juden alle zusammen zum Süden, während die „arischen“ Völker der eurasischen Steppen zum Norden gehörten.

Arische Studien nach Versailles Die Pariser Friedenskonferenz von 1919 und der Vertrag von Versailles begründeten ein neues internationales System, das auf den Grundannahmen einer „Ontologie“ von Kleinstaaten beruhte. Dementsprechend fand zunehmend eine von Partikularismus geprägte Rhetorik Verwendung, um politische Legitimität zu begründen.188 Doch während sich die Siegermächte bemühten, mittels der rechtlichen, wirtschaftlichen und moralischen Institutionen des Völkerbundes aus den Trümmern des Ersten Weltkriegs ein internationales System zu konstruieren, verfolgte das neue kommunistische Regime in Russland mit der 1919 in Moskau gegründeten Kommunistischen Internationalen (kurz Komintern) einen ganz anderen Ansatz zur Neuordnung der Welt. Und mittendrin, zwischen dem westlichen Weltsystem, das sich um Großbritannien und Frankreich herum or-

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ganisierte, und dem „östlichen“ Weltsystem, das sich um Russland herum organisierte, fanden sich die besiegten deutschsprachigen Staaten. Mit Verbitterung dachten deutsche Nationalisten zurück an eine frühere Konferenz von Versailles im Dezember 1870, als Bismarck triumphierend die Einigung des Deutschen Reichs verkündete.190 Der Osten zog rechtsgerichtete Orientalisten in seinen Bann, weil er für sie in geografischer, genetischer und metaphorischer Hinsicht ein Ort der verlorenen Reinheit und Stärke war, den man als Ansatzpunkt nutzen konnte, um Westeuropa und die christlichen Normen auszuhebeln. Im Mittelpunkt dieses Nachdenkens über Arier stand die These von der Einzigartigkeit der ethnischen Deutschen als einer rassischen Gruppe im deutschen Europa. Die Kategorie „Arier“ bot deutschsprachigen Europäern die Grundlage, sich von den anderen Europäern, einschließlich der Franzosen und Briten, ebenso wie von den romanischen Kulturen im Westen Europasabzusetzen und sich geopolitisch aufzuwerten. Gleichzeitig zog sie auch eine strikte – und letztendlich tödliche – innere Unterscheidungslinie zwischen „ethnischen“ Deutschen und deutschen Juden.191 „Als die Deutschen erstmals weltgeschichtliche Bedeutung erlangten, gab es noch keine italienischen, französischen, spanischen und englischen Nationalitäten; diese gingen erst aus der Vermischung der Deutschen mit anderen Nationen hervor“, schrieb ein eifernder Nazi-Anthropologe.192 Sich nach dem Ersten Weltkrieg als Arier zu begreifen, bedeutete, nach wie vor in der Welt zu Hause zu sein, selbst nach einer historisch singulären Niederlage. Egon Freiherr von Eickstedt, ein deutscher Anthropologe und führender Rassentheoretiker im Nationalsozialismus, behauptete in seinem Hauptwerk Rassenkunde und Rassengeschichte der Menschheit (1934), er habe Alexander von Humboldts Projekt der enzyklopädischen Beschreibung der physischen Welt mit einer Gesamtübersicht der Rassen der Welt fortgeführt.193 „Ziel ist es, ein Weltsystem der Rassen zu schaffen, eine rassische Typenschau“, in der die „weißen Arier“ an der Spitze standen.194 Hierzu bemerkte der 2012 verstorbene deutschamerikanische Historiker Klemens von Klemperer scharfsichtig: „Die Konstruktion des arischen Menschen wurzelt in der Philologie und nicht in der Naturwissenschaft.“195 Die nach dem Versailler Friedensvertrag entwickelten radikalen Standpunkte mancher Arier-Forscher aus dem deutschsprachigen Raum waren vor allem aus Studien zu sprachlichen Verwandtschaftsverhältnissen sowie aus Beschreibungen abstruser mythologischer und zivilisatorischer Genealogien hervorgegangen, um den Gegensatz Ost versus West zu verwischen. Wo Friedrich Max Müllers Beschwörung der Arier in den 1850er Jahren seinem Wunsch diente, die indischen Religionen näher an die jüdisch-christliche Tradition heranzurücken, bewegten sich die Arier-Forscher der 1920er und 1930er Jahre in einem völlig anderen historischen und politischen Kontext und verfolgten das

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scheinbar genau umgekehrte Ziel. Viele Vertreter der Arier-Forschung in der Weimarer Zeit und nach der Machtergreifung der Nazis bemühten sich, ihre eigene Identität von allen Spuren jedweder Westlichkeit oder des Jüdisch-Christlichen zu befreien, um angesichts der Kriegsniederlage und den daraus resultierenden ungezügelten Ressentiments gegenüber den Siegermächten sowie einer tiefen politischen Beschämung irgendwie die eigene kulturelle Autonomie zu behaupten.196 Die Beschäftigung mit dem Ariertum war in Deutschland zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert nicht einheitlich entwickelt. Anders ausgedrückt: Es gibt keinen geraden Weg, der den „deutschen Geist“ von Friedrich Max Müller bis hin zu Hitler geführt hätte.197 Gewiss aber schuf die Popularisierung des Orientalismus einen Kontext, in dem das Bild des „Ariers“ von ganz unterschiedlichen Autoren sowohl populärer als auch akademischer Couleur für wiederum ganz unterschiedliche Zwecke benutzt werden konnte.198 Mit ihrem starken Interesse an Indien nach dem Ersten Weltkrieg kehrte die politische Rechte in gewisser Weise zurück zu den Debatten des Creuzerstreits aus dem frühen 19. Jahrhundert, der sich um die romantische Erzählung vom Orient als Ursprung der (eigenen) Kultur drehte.199 Der rechtsgerichtete Orientalismus war darauf aus, die absolute Einzigartigkeit der kulturellen Identität Deutschlands in Europa durch Bezug auf den vedischen Primitivismus und die Bergwelt des Himalaya zu beweisen. Über den Himalaya gibt es umfangreiche Literatur, darunter viele Autoren, die von ihren Reisen zu den höchsten Bergen der Welt erzählen. Herbert Tichys Zum heiligsten Berg der Welt (1937) war eine Sammlung seiner Reiseeindrücke auf „Pilgerpfaden“ durch Afghanistan, Indien und Tibet. Das Buch mit einer Einleitung von Sven Hedin, dem großen schwedischen Erforscher von ChinesischTurkestan, beschreibt den Himalaya als ein Gebiet, in dem man „raus aus dem Alltag springt“ und in dem „die Gedanken groß und schön werden wie die Berge“.200 Für konservativ-nationalistische Deutsche war klar: Die deutschen Lande waren anders – und viel besser – als jene der Siegermächte, vor allem wegen ihrer Mythen, ihrer Sprache und ihres Bluts. Die Deutschen waren in reiner Weise verbunden mit dem wahren, ursprünglichen Weltzentrum, das sich über den Himalaya erstreckte. Aus dieser altorientalischen Sicht betrachtet war die Position Großbritanniens und Frankreichs im Zentrum der gegenwärtigen Weltordnung sowohl unrechtmäßig als auch illusionär. „Seit der Westen mit seinem kulturellen Zentrum in Paris uns gegenüber eine antagonistische Haltung eingenommen hat, ist er in unserem Ansehen gesunken, ebenso wie die übliche Überinszenierung der römischen Kultur in unserem Ansehen stark gesunken ist. Seitdem haben wir unseren Blick zunehmend nach

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Osten gewandt, als käme die Erlösung von dort, und nun sind es die Ideen der Intellektuellen aus dem Morgenland, die großen Anklang bei uns finden“201, schrieb der deutsche Philosoph und Schriftsteller Arthur Drews 1923 in einem Artikel für die konservative Zeitschrift Die Tat. Man kann beim „arischen Denken“ der 1920er Jahre eine ähnliche Bindung an eine Generation feststellen wie das bei der jüngeren historischen Schule der deutschen Nationalökonomie in den prosperierenden 1890er Jahren der Fall war, vor allem in jener kurzen Zeitspanne von 1924 bis 1936, die Volker Berghahn so treffend unter die Überschrift „Rezivilisierung und ihr Scheitern“ gestellt hat: Die Deutschen feierten ihre Rückkehr zu wirtschaftlicher und sozialer Stabilität und begannen sogleich mit dem Entwurf ethnisch eingefärbter Visionen von nationaler Größe (die man nur vor dem Hintergrund eines tief sitzenden Minderwertigkeitsgefühls verstehen kann).202 Was der ökonomische Diskurs für die historische Entwicklung der 1890er Jahre war, als das Deutsche Reich einen internationalen Aufstieg erlebte, war der Arier-Diskurs für die 1920er Jahre, als Deutschlands Abstieg in die außenpolitische Isolation und den chauvinistischen und überheblichen Hurra-Patriotismus begann .203 In der Zeit der nationalen Beschämung und des gewissermaßen kompensatorischen Aufstiegs des NS-Regimes wandte sich eine Gruppe junger Indologen ab vom Studium der buddhistischen Literatur, der Sanskrit-, Pali- und PrakritSchriften und wieder hin zu den Veden, den ältesten heiligen Schriften des Hinduismus und ihrer grundlegenden geistigen Autorität. Wie Sheldon Pollock gezeigt hat, waren einige Vertreter dieser Gruppe, darunter der Deutsche Bernhard Breloer und der Österreicher Erich Frauwallner, bereits vor 1933 Parteigänger der NSDAP und wurden in der Zeit des NS-Regimes sehr schnell als Universitätsprofessoren in den Staatsdienst übernommen.204 Wie Pollock weiter bemerkt, waren von den rund 25 Professoren, die in der Nazi-Zeit Professuren für Indologie innehatten, vielleicht ein gutes Drittel aktive Mitglieder der Partei.205 Wegen der generationenspezifischen Ähnlichkeiten ihrer Mitglieder nenne ich diese Gruppe junger Indologen im Folgenden „Aryan Studies Boys“ („die Jungs von den Arier-Studien“): Es handelte sich überwiegend um deutschstämmige Gelehrte, die ihren eigenen akademischen Aufstieg stark mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit identifizierten, bei der es um die Glorifizierung des Ariertums und die Darlegung von Ur-Paganismus und Ur-Heidentum ging, beides verstanden als probate Mittel zur restlosen Beseitigung hebräischer, christlicher sowie westlich-philosophischer und religiöser „Unreinheiten“ in einem deutschen Europa. So gut wie alle, die in der Zwischenkriegszeit auf dem neuen akademischen Feld der „Arier-Studien“ forschten, kamen aus normalen, bürgerlichen Familien – mit Vätern, die Verwaltungsbeamte, Pastoren oder Professoren waren.206 Doch es

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gab auch Ausnahmen: Bernhard Breloer war Sohn eines Mühlenbesitzers, und der deutsche Philologe Hans F. K. Günther war Sohn eines Kammermusikers.207 Dominante Persönlichkeiten aus dieser Gruppe wurden in der NS-Zeit zu führenden Wissenschaftsfunktionären und Leitern akademischer Institutionen, wie zum Beispiel der Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe oder den Instituten zur Ostforschung. Walther Wüst, ein deutscher Indogermanist und Indologe, der einer der aktivsten nationalsozialistischen Wissenschaftsfunktionäre war, wurde SS-Oberführer und Präsident der Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe.208 Der deutsche Indologe und Arier-Forscher Ludwig Alsdorf wurde 1933 Mitglied des Deutschen Ahnenerbes. Ebenfalls 1933 gründete der Tübinger Indologe und Religionswissenschaftler Jakob Wilhelm Hauer die Deutsche Glaubensbewegung, die geprägt war von einem volkstümlichen „deutschen Paganismus“ und von der NSDAP als die kommende neue (rassisch zentrierte) Staatsreligion des „Dritten Reiches“ ins Auge gefasst wurde.209 1934 wurde Hauer, der auch Experte für indisches Yoga war, von Heinrich Himmler persönlich in die SS aufgenommen und später bis zum Hauptsturmführer befördert. 1935 übernahm Breloer den angesehenen Lehrstuhl für indische Philologie an der Universität Berlin.210 Hermann Güntert, ein Linguist für Indo-iranische Sprachen, wurde im Alter von nur fünfunddreißig Jahren ordentlicher Professor für Vergleichende Sprachwissenschaft an der Universität Rostock. Um diese gehobenen Positionen im öffentlichen Dienst zu erlangen, nutzten die „Aryan Studies Boys“ die verschlungenen Kanäle der Vetternwirtschaft in den höchsten Führungsebenen der Nationalsozialisten. Heinrich Himmler (Mitbegründer des „Ahnenerbes“), Rudolf Hess (Leiter der „Deutschen Akademie“), Herman Göring und Alfred Rosenberg (die sich ebenfalls um eine leitende Position im „Ahnenerbe“ bemühten) waren allesamt einflussreiche Regime-Mitglieder, die an den internen Rangeleien um Einfluss in der Nazi-Wissenschaftsverwaltung beteiligt waren.211 Die Institutionalisierung des neuen deutschen Wissenschaftszweigs der Indologie hatte Mitte des 19. Jahrhunderts auch im Kontext der britischen Herrschaft in Indien stattgefunden und dort große Fortschritte gemacht. Jetzt, im Jahrzehnt nach 1933, brach für Indologen im Staatsdienst des NS-Regimes eine neue, zweifellos unheilvolle Phase an. Walter Ruben, ein deutsch-jüdischer Gelehrter und nach dem Krieg der wichtigste Indologe in der DDR, bezeichnete diese Zeit als den „Tiefpunkt der Indologie“.212 Es lag an der Generation junger Indologen, die grob gesagt den Jahrgängen zwischen 1880 und 1907 angehörten, dass der Begriff „Arier“ fortan untrennbar mit der nationalsozialistischen Herrschaft verbunden war. Diese jungen Wissenschaftler hatten gemeinhin unter strengen, empiristischen und politisch liberal eingestellten Doktorvätern wie Heinrich Lüders (Orientalist), Richard Garbe (Indologe), Hermann Jacobi (Indologe), Richard Pischel (Sprachwissenschaftler und

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Indologe) oder Wilhelm Geiger (Sprachwissenschaftler, Indologe und Iranist) studiert.213 In ihren Dissertationen befassten sie sich mit komplexen Fragen zur Grammatik und Paläographie der Veden, ehe sie in nachfolgenden Forschungsarbeiten spezifischere Themen zu Kultur, Glaubensvorstellungen, Staatskunst und Militärstrategien der alten Arier aufgriffen.214 Erich Frauwallner trat in die Fußstapfen seines Doktorvaters Paul Deussen und forschte zum „arischen Anteil“ in der indischen Philosophiegeschichte.215 Ludwig Alsdorf folgte zunächst auch dem Weg seines Doktorvaters Hermann Jacobi und forschte zum Jainismus.216 Doch für seine kulturellen Studien zu den alten Ariern widmete er sich bald auch der Geschichte von Vegetarismus und Rinderverehrung im Rigveda, dem ältesten Teil der vier Veden, sowie im Manu Smriti, dem ältesten Gesetzbuch der Hindus.217 Während des Zweiten Weltkriegs verfasste Alsdorf eine Reihe propagandistischer Schriften zur indischen Geschichte, in denen es hauptsächlich darum ging, die britische Kolonialherrschaft zu verunglimpfen.218 Walther Wüst studierte bei Wilhelm Geiger, einem liberalen, jüdischen Indologen. Wüst schrieb seine Dissertation über die grammatischen Formen im Rigveda, bevor er sich dem Studium der Geschichte arischer Glaubensvorstellungen widmete.219 Bernhard Breloer, der bei Hermann Jacobi studierte, einem weiteren positivistischen, politisch liberalen Gelehrten, veröffentlichte einen Aufsatz über Musik im alten Indien, bevor er sich dem Studium des arischen Etatismus und des indischen Staatswesens im Arthashastra widmete, dem Staatsrechtslehrbuch des Alten Indien.220 Herman Lommel und Johannes Hertel waren zwei weitere Gelehrte, die sich nach 1933 dem Studium der arischen Religionen zuwandten.221 Natürlich befassten sich nicht alle jungen Indologen der 1920er Jahre mit ArierForschung. Helmut von Glasenapp zum Beispiel, ebenfalls Student bei Lüders, hielt sich von diesem Thema fern und forschte lieber zu Südindien und den dravidischen Sprachen.222 In den zwanziger Jahren rebellierten die „Aryan Studies Boys“ gegen ihre akademischen Väter und folgten den Nazis. Franz Altheim, ein deutscher Philologe, konzentrierte sich auf die alten Perser statt auf die alten Inder und schrieb ein zweibändiges Werk über die Geschichte eines „Weltkriegs“ im dritten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, unmittelbar nach dem Tod von Alexander dem Großen. Nun waren es nicht die griechischen Eroberer, sondern die ägyptischen Ptolemäer und Seleukiden aus Syrien, die um die Vorherrschaft über unvorstellbar große Räume kämpften, vom Himalaya bis zum Donautal.223 Mit dem Aufstieg Ägyptens und Syriens sowie mit der neuen Offenbarungsreligion des Manichäismus, so legte Altheim dar, traten die alten Germanen als „westliche Arier“ erstmals in ihrer Rolle als „Kulturbringer“ in Südosteuropa auf.224 Güntert schrieb

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eine Kulturgeschichte der indo-arischen Völker der Steinzeit mit besonderem Fokus auf den „Vor-indogermanischen Bauernvölkern“, wie er sie bezeichnete.225 Das Buch basierte auf eigenen laienhaften archäologischen Forschungen in Schweden, Norwegen und Ungarn sowie in der Balkanregion und in Syrien. Diese west-arischen „Bauernvölker“, so Güntert, seien aus den iranischen, khotanesischen und skythischen Völkern des Himalaya hervorgegangen, und ihre Geschichte sei seit der Steinzeit von einem starken Expansionsdrang geprägt.226 Hans F. K. Günther, Philologe und Rassentheoretiker, konzentrierte seine Arier-Studien auf Ethnographie und Rassenkunde und verfolgte die historische Spur des nordeuropäischen Rassentyps bis zu den alten Hindus, Indo-Skythen und Persern. „In Griechenland und Kleinasien gingen die aus dem westlichen Europa stammenden Kulturen vor den Schwertern der einfallenden nordischen Stämme unter.“227 Griechenland habe eine Invasion hellhäutiger, blauäugiger Eroberer aus dem Norden erlebt, schrieb Günther und stützte sich dabei stark auf Carl Schuchhardts Werk Alteuropa. Die Entwicklung seiner Kulturen und Völker (1919), aber auch auf die Werke des Kunsthistorikers Josef Strzygowski. Günthers Argumentation stützte sich mehr auf den formale Aspekte von Kunstobjekten und den Vergleich von Phrenologie und Körpermerkmalen als auf die Untersuchung von Sprachen.228 Egon Freiherr von Eickstedt wiederum zitierte Günther, als er seine eigene Argumentation zu den Bestimmungsmerkmalen der Rassen auf der Psychologie aufbaute.229 Arianische Studien stützten sich sehr stark auf interdisziplinäre, aber auch gänzlich freischwebende Methodologien, um neue, radikale Thesen aufzustellen und gelehrte „Beweise“ in die Schlacht zu führen für offensichtlich völlig aus der Luft gegriffene und unverhohlen chauvinistische Projekte der Wissenschaftspolitik. Das wachsende Feld der Arierforschung in der Zwischenkriegszeit bescherte der Nazi-Herrschaft intellektuelle Autorität. Die Abstrusität vieler von Arier-Forschern aufgestellten Behauptungen war das eigentliche Kennzeichen des neuen, von ihnen aufgebauten Paradigmas. Ein Ziel war es dabei, den Fokus der Forschung, der ja ursprünglich in Asien gelegen hatte, nach Westen zu verschieben und so der Behauptung Autorität zu verleihen, dass die westlichen Arier höher entwickelt gewesen seien als die östlichen.230 In der durch eine gewisse Schwärmerei der sich minderwertig fühlenden Deutschen verzerrten Perspektive waren sie die Abkömmlinge des stärkeren arischen Zweiges, der ursprünglich aus den eurasischen Steppen stammte und sich dann nach Norden hin ausbreitete um in das bronzezeitliche Sachsen vorzudringen.231 Diese Sicht verdrängte die Griechen, Italiener, Ägypter und Juden als potentielle Ureinwohner und bot den als „westliche Arier“ auftretenden Bewohnern des deutschsprachigen Raums die Gelegenheit, die Position im Zentrum der Welt einzunehmen.

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Das Ariertum und die seiner Erforschung gewidmeten akademischen Einrichtungen machten die Geisteswissenschaften zu Waffen einer Vernichtungsideologie. Der Aufstieg der Arierforschung als Fach wirbelte den populären, probuddhistischen Indien-Orientalismus durcheinander.232 Mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten wurde das weite und durchaus breitgefächerte Netz des Orientalismus, das sich vor allem in den 1910er und 1920er Jahren im ganzen deutschsprachigen Raum entwickelt hatte und sowohl die populäre Literatur als auch akademische Institutionen abdeckte, brüsk zerschnitten. Übrig blieb ein sehr enges und fanatisch nationalistisches Rumpfgewebe.

Erzwungenes Exil Die Arier-Forschung war nicht die Ursache für den Nationalsozialismus, aber es bedurfte seiner, damit die Forschung ein latentes Vernichtungspotential in der arischen Idee aktivierte und in die richtige Richtung lenkte.233 Die wachsende Bedeutung der Arier-Forschung ging, vor allem ab dem Jahr 1933, mit der Entlassung einer großen Zahl jüdischer Wissenschaftler aus dem akademischen Betrieb einher. Dennoch gab es auch in dieser Zeit einige jüdisch-deutsche Gelehrte, die auf diesem Gebiet bedeutsame Beiträge leisteten. Zu den jüdischdeutschen Indologen zählten Lucian Schermann, ein Spezialist für vedische und buddhistische Literatur, und Isidor Scheftelowitz, Sohn eines Rabbiners, der selbst Rabbiner wurde. Heinrich Zimmer, dessen Frau Jüdin war, schrieb über die alte „arische“ Mystik. Und Julius Pokorny, Indogermanist und Keltologe, befasste sich mit Vorstellungen von Zeit bei den vedischen Völkern und den alten Iranern.234 Der österreichische Musikethnologe Erich von Hornbostel und die Kunsthistorikerin Stella Kramrisch aus Mähren, beide jüdischen Glaubens, suchten im antiken „arischen“ Indien nach künstlerischen Formen und spiritueller Integration.235 Jüdische Gelehrte und andere Wissenschaftler mit nicht dem geringsten Anflug von Antisemitismus trugen im Rahmen der „Arier“-Forschung zur Wissensvertiefung insoweit bei, wie sie ebenfalls an den ersten Ursprüngen interessiert waren, und auch sie suchten nach inspirierenden und unkonventionellen Deutungsansätzen zu den Beziehungen zwischen Ost und West. Jüdische Indologen und Orientalisten gehörten zu den vielen jüdischen Akademikern, die nach dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 ins Exil gezwungen wurden. Dieses Gesetz erlaubte es, Beamte „nicht arischer“ Abstammung aus dem Staatsdienst zu entfernen. Die akademische Zwangsmigration traf im Verlauf der folgenden fünf Jahre mehr als zweitausend Wissenschaftler.236 Viele der besten Indologen, Sinologen, Japanologen, Iranologen und Arabisten im deutschsprachigen Raum wurden ins Exil

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gezwungen.237 Über alle Fachgebiete hinweg, von der Physik über die Psychologie bis hin zu den Kulturwissenschaften, erlebten deutsche, österreichische, tschechische und ungarische Institutionen eine massenhafte Ausdünnung ihres wissenschaftlichen Potentials.238 Neuere Studien liefern zum Beispiel eine Übersicht der Diaspora europäisch-jüdischer Sinologen und Japanologen nach Ostasien.239 Bisweilen flüchteten auch jüdische Gelehrte ohne ein spezifisches wissenschaftliches Interesse an Asien in Richtung Osten, weil sie auf der Suche nach einem sicheren Ort für die Fortsetzung der eigenen wissenschaftlichen Arbeit waren. Erich Auerbach und Walter Ruben beispielsweise flüchteten in die Türkei, Karl Löwith nach Tokio und Betty Heimann nach Colombo.240 Der Zweite Weltkrieg und der Beginn des nationalsozialistischen Völkermords zwangen tausende deutsche und österreichische Juden aus schierer Not zur Flucht per Schiff nach Shanghai.241 In neuerer Zeit erst haben Johannes Voigt und Anil Bhatti mit ihrem Buch zum jüdischen Exil in Indien das Wissen über die deutsch-jüdische Emigration in der ganzen Welt um ein wichtiges Kapitel erweitert.242 Darin zeigen sie auf, dass jüdische Intellektuelle auf der Flucht vor dem Nazi-Terror häufig Indien als Exilort wählten, weil sie schon orientalistische Affinitäten hatten. Bei ihnen handelte es sich hauptsächlich um Philologen, Schriftsteller, Künstler und spirituelle Anhänger des Hinduismus, des Buddhismus und des Islam. 243 Auch Stella Kramrisch, Betty Heinemann, Walter Kaufmann und Hermann Goetz emigrierten nach Indien. Viele von ihnen verloren im Völkermord an den Juden Familienangehörige. In den folgenden Kapiteln wird es also auch darum gehen, wie deutschsprachige Exilanten ab den 1930er Jahren zur Wissensproduktion in indischen Institutionen beitrugen. Hermann Goetz, ein Kunsthistoriker und Spezialist der indo-islamische Traditionen, machte sich von Berlin auf den Weg nach Indien, wo er als Kurator für den Maharadscha von Baroda zu arbeiten begann.244 Stella Kramrisch lehrte von 1921 bis 1950 Kunstgeschichte an der Calcutta University.245 Walter Ruben, Indologe und Schüler von Hermann Jacobi, erhielt 1935 eine Anstellung an der Universität Ankara und reiste für sechs Monate nach Ost-Bengalen (1935 – 1936).246 Rubens Reise nach Indien wurde von der türkischen Regierung finanziert und von seinem Lehrer, dem Frankfurter Ethnologen Leo Frobenius, mit einem Stipendium unterstützt.247 Nach dem Krieg kehrte Ruben nach Ostdeutschland zurück, übernahm eine Professur an der Humboldt-Universität Berlin und leitete dort das Institut für Indienkunde.248 Betty Heimann, ihres Zeichens Indologin und Spezialistin für Sanskritische Philosophie, hatte u. a. bei Paul Deussen studiert und übernahm 1935 eine Professur an der University of Colombo auf Ceylon (dem heutigen Sri Lanka). Sie kehrte 1957 nach Deutschland zurück, wo sie an der Universität Halle zur ordentlichen Professorin ernannt wurde.249 Leopold Weiss, der 1926 vom Judentum zum Islam konvertierte und den Namen

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Muhammad Asad annahm, emigrierte unterdes 1932 in den Pandschab und wurde dort zu einem führenden Intellektuellen und Politiker des künftigen Pakistan. Die Juden Mitteleuropas, die dem Nazi-Terror durch Emigration entkommen waren, fanden sich im irritierenden Zustand der Staatenlosigkeit wieder.250 Einmal im Exil etabliert, schufen die geflohenen Wissenschaftler und Intellektuellen in ihrer täglichen Arbeit jedoch Bande geistiger und fachlicher Kontinuität mit ihren Herkunftsländern, und zwar ganz einfach durch die Methoden und Arbeitsweisen, die sie verwendeten, und durch die damit verbundene professionelle Identität.251 Und so war es oft ihr Festhalten an einer Reihe von wissenschaftlichen Gepflogenheiten, an einer intellektuellen Kultur und einer gewissen Selbsterfahrung, die alle zusammen ihre Identität in der Diaspora ausmachten.252 Die Zusammenarbeit zwischen der Generation der alten rechtsgerichteten Orientalisten und den „Aryan Studies Boys“ setzte der breiten OrientalismusKultur, die sich im deutschsprachigen Raum sowohl auf akademischem Niveau wie auch in der populären Kultur entwickelt hatte, in dem Moment ein Ende, als das europäische Ideal des 19. Jahrhunderts zerfiel. Deutschsprachige Wissenschaftler im Exil fuhren jedoch fort, Elemente deutscher Wissenschaftskultur und die damit verbundene Geisteshaltung zu verbreiten, ja zu institutionalisieren, insbesondere solche, die pluralistische, post-aufklärerische Wissenschaftsperspektiven zum Ausdruck brachten.253 Die wissenschaftlichen Aktivitäten deutschsprachiger Exilwissenschaftler führten in den 1930er und 1940er Jahren zu politischen Verflechtungen mit indischen Nationalisten.254 Die Beziehungsgefüge, die sich hieraus entwickelten, werden im weiteren Verlauf des Buches näher beleuchtet. Der gleichzeitige Aufstieg des populären Orientalismus und des indischen Antikolonialismus schuf jedenfalls eine Reihe von „Reiserouten“, die nationalstaatliche Politik nicht mehr einzuhegen vermochte.

4 Indische Visionen einer germanischen Heimstatt Der Erste Weltkrieg brachte Inder in großer Zahl nach Deutschland. Dem British Empire mit seinen Kolonien fügte der Krieg empfindliche Schläge zu; nicht wenige Forscher sind in diesem Zusammenhang der Meinung, der „Prozess der Dekolonisation“ habe begonnen, kaum dass die ersten Kampfstiefel 1915 auf den Boden der Dardanellen trafen. Die zunehmenden gesellschaftlichen und institutionellen Verflechtungen indischer Nationalisten außerhalb des British Empire leiteten aber nicht nur den Niedergang der britischen Macht in Indien ein. Sie waren auch ein deutlicher Hinweis auf den Verlust der großen Strahlkraft, die England einst als Leitstern im Zentrum einer Weltordnung besessen hatte. Die dynamische Vervielfachung von Weltmachtzentren im Vorfeld des Ersten Weltkriegs – in einer Phase verstärkter Regionalisierung der Erde – setzte sich in den 1920er und 1930er Jahren zugespitzt fort. Ein gewisses Maß der „Deglobalisierung“ und der Zusammenbruch der „traditionellen viktorianischen Wirtschaft“ drängten die Inder nach 1918 in andere Migrations-Muster als zuvor. Gleichzeitig wurde der weltumspannende wirtschaftliche und kulturelle Liberalismus, der im 19. Jahrhundert vorgeherrscht hatte und die Handschrift britischer Hegemonie trug, nun abgelöst von einer Vielzahl post-aufklärerischer Utopien.1 Im Auswärtigen Amt rekrutierte der Orientalist und Gründer der Nachrichtenstelle für den Orient Max von Oppenheim von Beginn der Kriegshandlungen an profilierte indisch-hinduistische Revolutionäre aus Paris, London und San Francisco, die sich den deutschen Kriegsanstrengungen als Berater und Propagandisten anschließen sollten. Eine Gruppe von Swadeshi-Internationalisten, darunter in erster Linie Virendra Nath Chattopadhyaya, Har Dayal und Bhupendra Nath Datta, kam im August 1914 in Charlottenburg zusammen2 und gründete das Indische Unabhängigkeitskomitee (auch „Berlin Komitee“ genannt), das Teil der neu etablierten Nachrichtenstelle für den Orient war.3 Zu den Hauptaufgaben der Nachrichtenstelle zählte die Erstellung anti-britischer Propaganda in Sprachen des Vorderen und Mittleren Orients und Asiens, einschließlich Urdu, Persisch, Hindi, Arabisch und Chinesisch. Doch erfüllte sie bis zum Herbst des Jahres 1915 noch zwei weitere wichtige Funktionen: Gezielte Versuche, die Revolutionäre an der indischen Ostküste über das breite Netzwerk der von Har Dayal gegründeten Ghadar-Bewegung mit Sitz in San Francisco mit großen Mengen an Waffen zu beliefern, waren flankiert von einer gleichzeitigen Kampagne, im gesamten Nahen Osten eine Revolution anzuzetteln, die von der nordwestlichen Grenze her nach Indien übergreifen würde.4 (Die Ghadar-Bewegung war eine indische revolutiohttps://doi.org/10.1515/9783110706178-005

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näre Unabhängigkeitsbewegung mit dem Ziel, sich von der britischen Herrschaft zu befreien. Anm. d. Übers.)4 Die Zahl indischer „Dauergäste“ in Deutschland wurde im Lauf des Krieges um eine Vielzahl indischer Kriegsgefangener aus der britischen Armee erhöht, die in Lagern außerhalb von Berlin einquartiert waren.5 Die Gefangenen durften die Lager jedoch verlassen, wenn sie sich für die Dauer des Krieges in die Dienste des Auswärtigen Amtes stellten. Nach Kriegsende zogen es einige der Gefangenen vor, in Berlin zu bleiben anstatt ins koloniale Indien zurückzukehren. Diese Gruppe radikaler antikolonialer Aktivisten und Ex-Kriegsgefangener bildeten nach 1918 den Kern einer bedeutsamen indischen Gemeinde in Berlin. Der Berliner Stadtteil Charlottenburg wurde zu „Klein-Asien“, auch weil das Auswärtige Amt während des Kriegs hier seine Nachrichtenstelle für den Orient angesiedelt hatte.6 „Alle Völker Asiens waren hier auf den Straßen zu sehen“, sagte Har Dayal über seine Zeit in Charlottenburg 1914.7 Die einflussreichsten und angesehensten indischen Emigranten, Virendra Nath Chattopadhyaya und Bhupendra Nath Datta vorneweg, etablierten ein Zentrum für antikolonial-nationalistische Aktivitäten in der Diaspora. Während des Kriegs hatten sich viele Inder an Charlottenburg gewöhnt, so blieben sie auch in den 1920er und 1930er Jahren dort. Soziale Räume, die man in den Kriegsjahren für die antikolonialen Aktivisten geschaffen hatte – Wohnheime für indische Studenten, Begegnungsstätten, Parks für den Cricket-Sport, Gotteshäuser, Seniorenheime für ältere Emigranten –, leisteten einer in der Weimarer Zeit wachsenden Gemeinschaft indischer Studenten nun gute Dienste.8 Die Verflechtungen zwischen deutschen und indischen Intellektuellen entstanden nicht per Zufall, sie waren auch nicht chaotisch, sondern nach thematischen Feldern organisiert. Es gab so etwas wie eine „Choreographie“ transnationaler Begegnungen. Die Institutionen, die sich der Verflechtung deutscher mit indischen Denkern widmeten, stellten den Rahmen für Begegnungen und die Medien zur Verfügung, die der deutsch-indischen Zusammenarbeit ihre besondere Gestalt verliehen. Diese Verflechtungen boten den Indern Mittel und Wege, ihren Platz in der Welt neu zu bestimmen. Fachliche Diskurse in den Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften, die indische mit deutschen Universitäten verbanden, gaben indischen Nationalisten eine neue Form „weicher Macht“ (soft power), mit der sie die imperiale Auffassung der Briten von der Welt unterminieren konnten.9

(Reise-)Wege nach Deutschland

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(Reise-)Wege nach Deutschland Inder, die zwischen den 1910er und 1930er Jahre nach Deutschland kamen, taten dies meist zur Erlangung eines höheren Bildungsabschlusses. Die antikoloniale Agenda, die sie im Gepäck hatten, verfolgten sie während ihres Studiums in Deutschland weiter, bevor sie wieder in die Heimat zurückkehrten. Einige blieben aber auch in Deutschland und richteten sich dort auf Dauer ein. Während das britische Empire zusammenbrach, betrachteten die Inder die deutschsprachigen Länder in Europa als Reservoir, dessen intellektuelle, kulturelle und gesellschaftliche Ressourcen sie zur Verwirklichung ihres Nationalisierungs-Projektes nutzten. Für Benoy Kumar Sarkar, einen der jungen Führer des bengalischen National Council of Education, begann 1914 ein Jahrzehnt mit vielen Auslandsreisen.11 Als Mitglied der Calcutta Dawn Society und Schüler von Satish Chandra Mukherjee hatte er in den 1910er Jahren internationale Austauschprogramme für SwadeshiInternationalisten geleitet und war an den Auswahlverfahren für die vom National Council of Education geförderten Auslandsaufenthalte von Studenten beteiligt.12 Von 1914 bis 1926 unternahm Sarkar mehrere Studienreisen rund um die Welt und hielt seine Erfahrungen in etlichen Veröffentlichungen fest, wie zum Beispiel im 1922 erschienenen Buch Duniyār Ābhāoyā („Die Atmosphären der Welt“).13 Studienreisen, so schrieb er, seien für indische Nationalisten unabdingbar, um den „gesunden Metabolismus“ des bengalischen Volkes, wie er es nannte, sicherzustellen.14 Seine gesammelten Reiseerzählungen sind in fünf Bänden veröffentlicht, darunter Reiseberichte von Touren durch Ägypten 1914, England 1916, China 1922 und „Yankee-stan“ (die Vereinigten Staaten) 1923. Außerdem veröffentlichte er ein Werk mit dem Titel Parājita Jārmānī („Das besiegte Deutschland“, 1932), ein in bengalischer Sprache verfasstes, sechshundert Seiten starkes Werk über seine Erfahrungen in Deutschland.15 Er entwickelte eine ganz eigene Theorie über das Reisen im Allgemeinen und im Besonderen, die er als duniyā hajam karā bezeichnete („die Welt verdauen“).16 In seinen Schriften der 1920er und 1930er Jahre betonte Sarkar immer wieder, dass seine Weltsicht aus gelebten Erfahrungen resultiere. So schrieb er in der Einleitung zu seinem Buch Economic Development (1926): „Die Ausführungen stützen sich auf unzählige eigene Erfahrungen in Seminaren, Institutionen und persönlichen Gesprächen vor Ort.“17 Sarkar berichtete, er habe Deutsche „aus Fleisch und Blut“ (raktamāṃse) getroffen und all diese Begegnungen in seinem Buch „zusammengefasst“.18 Und er fuhr fort: „Lebendige und unmittelbare Beziehungen verbinden sich zu einem Gefühl der Einheit.“19 Dabei ging es ihm nicht nur darum, fremdländische „Welt-Kräfte“ zu erfahren, sondern auch darum, diese Kräfte nach Bengalen zu leiten, und sie auf eigene bengalische und antikoloniale

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indische Weise zu „verdauen“. Zwischen 1921 und 1936 schrieb Sarkar an seinem zwölfbändigen, mehr als viertausend Seiten umfassenden Werk Bartamān Jagat („Die Welt von heute“), das er auf Bengalisch verfasste.20 „Wir können uns nicht zufriedengeben mit dem nach wie vor mageren Umfang an Forschungsarbeiten, die bengalische Forscher bislang in Bezug auf die Welt von heute durchgeführt haben. Das junge Bengalen braucht mehr davon“, mahnte Sarkar eindringlich.21 In einer Zeit, da Europäer wie Asiaten gleichermaßen die Welt bereisten, inspirierte Sarkar auch jüngere Bhadraloks, es ihnen nachzutun.22 So auch den jungen Kalidas Nag, der sich 1923 auf Reise begab. Während seines Studiums der Philosophie in Paris ergriff er die Gelegenheit, Italien, Deutschland, Schweden, die Tschechoslowakei, Ägypten und Palästina zu bereisen.23 Nag veröffentlichte eine Reihe von Reiseberichten über seine Erfahrungen und schilderte insbesondere seine Begegnungen mit kontinentaleuropäischen Gelehrten. Die Mittel und Wege, über die man die eigene Auslandserfahrung in der Gesellschaft verbreiten konnte, fast als wäre sie ein anwachsendes, gemeinsam nutzbares, unsichtbares Kapital, zerriss quasi die festgelegte analytische Unterscheidung zwischen „ortsfest verwurzelten“ und „(welt)reisenden“ Formen antikolonialer Aktivität.24 Inder, die im Ausland studierten und die Welt bereisten, waren bestrebt, in ihrer Fachdisziplin mit den Spitzen des ausländischen Wissenschaftsbetriebs in Kontakt zu kommen. Swadeshi-Internationalisten waren fest entschlossen, an deutschen Institutionen mit den leitenden Figuren zu arbeiten, um der nationalistischen Sache Indiens bei diesen wichtigen Personen zu Anerkennung zu verhelfen. Indem sie Kontakte im hochangesehenen deutschen Wissenschaftsbetrieb etablierten, versuchten sie, gegenüber dem British Empire ein eigenes standing zu erlangen. Internationalistische indische Gelehrte bemühten sich, dabei ein breites Fächerspektrum abzudecken, in den Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften ebenso wie in der Physik, der Politologie und der Kunstgeschichte.

Aufbau einer indischen Präsenz in Deutschland Die indische Diaspora-Gemeinde in Berlin zählte in den 1920er Jahren nur rund vierhundert bis fünfhundert Personen.25 Eine kleine Gruppe zwar, doch eine, die als Urquell eines radikalen Nationalismus fungierte, als ein Katalysator für die Politik daheim auf dem indischen Subkontinent. Sie war ein wichtiges Element in der Verflechtung zwischen den antikolonialen indischen Bewegungen und den marxistischen Institutionen in Europa.26 Und sie brachte Ingenieure, Ärzte und Wirtschaftsführer hervor, die sich stark machten für die nationalistische Bewegung.27

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Der deutsche Konsul in London schrieb 1921 über seine Bestrebungen, die Reisen indischer Studenten nach Deutschland zu fördern. Die Vorzüge Deutschlands beschrieb er in vergleichender Form: „Wir sind zweifelsohne in der Lage, [Indern] eine weit bessere Ausbildung bieten zu können als es die Engländer vermögen.“28 Häufig begannen indische Studenten, für britische Institutionen zu arbeiten, um von dort aus dann eine Genehmigung für einen ein- oder zweijährigen Studienaufenthalt in Deutschland zu erhalten.29 Doch das 1929 in Berlin gegründete Indian Information Bureau ermöglichte es indischen Studenten, auf direktem Wege nach Kontinentaleuropa zu kommen und auf diese Weise die Station London zu umgehen.30 Das Projekt, indische Studenten zu Ausbildungszwecken nach Deutschland zu entsenden, fand in den späten 1920er Jahren sogar großen Zuspruch bei Jawaharlal Nehru höchstpersönlich, dem indischen Politiker, Widerstandskämpfer und späteren ersten Ministerpräsidenten Indiens. Zu verdanken war dies vor allem der engagierten Arbeit der Organisatoren vor Ort in Berlin, namentlich Virendranath Chattopadhyaya und seinem Assistenten A. C. Narayanan Nambiar, einem indischen Journalisten und Diplomaten.31 Und so erhielt das Indian Information Bureau unter Anweisung von Nehru ab 1929 Fördergelder direkt vom Indischen Nationalkongress.32 Nehru wollte indische Studenten vermehrt in Deutschland statt in Großbritannien sehen, damit sich indische intellektuelle Eliten herausbilden konnten, die weniger abhängig waren von britisch-imperialen Einrichtungen.33 Binnen zweier Monate (von September bis November 1929) verzeichnete das Indian Information Bureau bereits 68 Anfragen, 219 Besucher und 17 Studienanfänger, von denen 14 direkt aus Indien kamen.34 Ungefähr zur gleichen Zeit, beginnend mit dem Jahr 1928, gründete die Deutsche Akademie, eine kulturpolitische Vereinigung zur Erforschung und Verbreitung deutscher Kultur und Sprache, das „Indien-Institut“ (auch „Indischer Ausschuss“), um indischen Studenten mit der Verleihung von Studienbeihilfen einen Aufenthalt an deutschen Universitäten zu ermöglichen.35 Dieses in den Jahren 1928 und 1929 neu aufgelegte Programm, betrieben sowohl von Indern der Diaspora als auch mit Geldern des deutschen Staates, reagierte auf die tendenziell steigende Zahl der Interessenten in zunehmend mutiger Weise.36 Die Stipendienvergabe an indische Studenten wurde bis in die 1930er Jahre hinein ausgeweitet, und 1936 wurde die Vergabe der „Humboldt-Medaille“ an namhafte Gastwissenschaftler aus Indien eingeführt.37 Der vielleicht wichtigste Vermittler, der verschiedenste Disziplinen und Institutionen zusammenzubrachte, um Indern die Reise ins deutschsprachige Europa zu ermöglichen, war Virendra Nath Chattopadhyaya.38 Er hatte während des Krieges in der von Oppenheim gegründeten Nachrichtenstelle für den Orient (NfO) gearbeitet.39 Virendra Nath war Sohn einer angesehenen bengalischen LiteratenFamilie aus Hyderabad.40 Sein Studium schloss er 1903 in Oxford ab. In der Zeit

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des Swadeshi-Widerstands gegen die britische Kolonialherrschaft wurde er zu einem Reisenden in Sachen nationale Unabhängigkeit Indiens, der zwischen London, Paris und Berlin pendelte.41 Er bewegte sich von einer antikolonialen Untergrundszene zur nächsten, von Shyamji Krishna Varma in London zu Bhikaji Cama in Paris, stets darauf aus, transnationale Allianzen zu schmieden und mit Hilfe kultureller und diplomatischer Bande in der Diaspora die Ketten des Imperialismus zu sprengen. In Virendra Nath Chattopadhyayas Familie hatten Studienreisen eine lange Tradition. Sein Vater Aghorenath hatte in Edinburgh im Fach Chemie promoviert und 1875 auch deutsche und niederländische Universitäten besucht.42 Aghorenath kehrte nach Indien zurück, trat dem Indian Civil Service bei und wurde als Leiter des Nizam College und Gründer einer Mädchenschule in Hyderabad zu einem einflussreichen Pädagogen.43 Seine Begeisterung für Bildungspolitik ebenso wie seinen besonderen Hang zum sowohl britischen als auch europäischen Bildungssystem gab er an seine Kinder weiter. Aghorenaths Sohn Virendra Nath, seine Tochter Suhasini Chattopadhyaya ebenso wie seine Schwiegertochter Kamaladevi Chattopadhyaya studierten allesamt in Großbritannien und lebten nach dem Krieg für mehrere Jahre in Deutschland. Die jüngeren Familienmitglieder entdeckten in den 1920er Jahren den Kommunismus für sich, als ein machtvolles Sprachrohr für den antikolonialen Kampf Indiens.44 Sarojini, Virendra Naths ältere Schwester, war eine landesweit gefeierte nationalistische Politikerin und preisgekrönte Dichterin des in Sachen nationale Unabhängigkeit Indiens.45 1921 gründete Virendra Nath in Berlin eine neue Organisation, die Association of Indians of German Europe (Gesellschaft für Inder im deutschsprachigen Europa)46. Sein oberstes Ziel war es, die große Zahl indischer Studenten, die nach Berlin strömten, zu organisieren, um der studentischen Diasporagemeinde dienlich zu sein, aber auch um ihren antikolonialen Widerstand zu koordinieren. Virendra Nath gründete das Hindustan-Haus, ein Studentenwohnheim, finanziert vom Deutschen Institut für Ausländer an der Universität Berlin.47 Nach Bildung der Kommunistischen Internationalen (Komintern) 1919 übernahm Virendra Nath das Amt des Parteivorsitzenden einer der drei indisch-kommunistischen Parteien in Europa (die anderen beiden wurden von M. N. Roy in Berlin und Shapurji Saklatvala in London angeführt).48 1923 lebten bereits über 300 Inder in Berlin.49 Von den indischen Studenten an Berliner Universitäten studierten etwa ein Drittel Naturwissenschaften und Angewandte Wissenschaften, vornehmlich Physik, Chemie und Ingenieurwesen. Ein Viertel studierte Geistes-, ein weiteres Viertel Sozialwissenschaften.50 Von 1928 bis 1932 schrieben sich 140 indische Studenten an der Universität Berlin (der heutigen Humboldt Universität) ein, was nahelegt, dass die Anzahl indischer Studenten in Berlin während der 1920er Jahre relativ konstant blieb.51

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Viele der indischen Studenten in Berlin wohnten im Hindustan-Haus in der Uhlandstraße, nahe der Technischen Hochschule52, und die große Mehrheit von ihnen für gewöhnlich nicht weit davon. Auch in den angrenzenden günstigeren Arbeitervierteln Moabit und Wedding gab es größere Gruppen indischer Studenten.53 Das Wohnhaus von Virendra Nath Chattopadhyayas lag in der Georg-Wilhelm-Straße und war quasi das Epizentrum der Indian Association, der indischen Studenten allgemein und der politischen Aktivisten. Bis Mai 1923 hatte Virendra Nath dort insgesamt 225 Studenten untergebracht.54 Zu Beginn der 1920er Jahre gab es unter den Indern nur wenige Medizinstudenten, ganz im Gegensatz zum allgemeinen Trend innerhalb der Gesamtheit ausländischer Studenten im damaligen Berlin.55 Von den insgesamt 2578 ausländischen Studenten, die 1923 an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin eingeschriebenen waren, studierte ein Drittel entweder Medizin oder Zahnmedizin. 426 von ihnen (rund 15 Prozent) kamen aus Asien oder Afrika. Indische Studenten, die zumeist Natur- und Sozialwissenschaften studierten, machten nur einen Bruchteil der Gesamtzahl aus.56 Einige von ihnen studierten auch Kunsthandwerk (wie zum Beispiel Weberei oder Druckerei), wobei viele dieser Studenten bereits Handwerksmeister in ihrem Fach waren und in Deutschland ein weiterführendes Studium absolvierten.57 Den größten Zulauf in den Naturwissenschaften hatten die Fächer Physik, Chemie und Maschinenbau, in den Geisteswissenschaften waren es Indische und Semitische Philologie sowie Deutsche Sprache und Philosophie. Fotografie oder Kinematographie wurden nur vereinzelt belegt.58 In den 1920er Jahren war Berlin bei Indern im Begriff, Paris den Rang als wichtigster Kunst- und Kulturstadt abzulaufen.59 Innerhalb der Sozialwissenschaften gab es die meisten Studenten im Fach Volkswirtschaftslehre (damals: Nationalökonomie).60 Zusätzlich zu einem Universitätsstudium finanzierte die Siemens AG zahlreichen Indern ein Firmenpraktikum.61 Während Siemens in den 1930er Jahren seine Präsenz in Indien verstärkte, insbesondere auf dem Höhepunkt des indischen Elektrifizierungsbooms62, wurde die „Siemensstadt“, ein in den 1910er Jahren als SiemensWerkssiedlung entstandener Stadtteil Berlins, zu einem Zentrum indischer Kulturund Bildungsprogramme.63 Sowohl der regierende Nizam von Hyderabad als auch der Prinz von Baroda besuchten Siemensstadt 1931, wo sie mit Rotem Teppich empfangen wurden.64 Der Maharadscha von Rewa kam 1933, um mit Siemens langfristige Kooperationen zum Ausbau der Elektrifizierung und der Wasserwirtschaft in seinem Fürstenstaat zu vereinbaren.65 Den indischen Studenten in Berlin ging es vor allem darum, Kenntnisse und Methodiken zu erwerben, um ein wichtiges politisches Ziel der Antikolonialisten, nämlich die Nationalisierung der indischen Wirtschaft, voranzubringen. Die Inder sahen in Deutschland ein großes

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Reservoir an Fachwissen und moderner Technik, sowohl in der Kunst als auch in der Wissenschaft.65 Für indische Neuankömmlinge in Berlin organisierte die Association of Indians of German Europe nationalistische Versammlungen und gesellschaftliche Veranstaltungen.67 Im Laufe der Jahre kamen Berühmtheiten wie Rabindranath Tagore, die Politiker Motilal Nehru, Jawaharlal Nehru und Subhas Chandra Bose ebenso wie der Sänger Dilip Roy nach Berlin, möglich gemacht durch die (kulturelle und politische) Vermittlungsarbeit der von Virendra Nath Chattopadhyaya geleiteten Bildungsinstitutionen.68 Virendra Nath setzte mit seinem Tun ein Beispiel, dem andere folgten. Zakir Husain, später Kanzler der Aligarh University und dritter Präsident der Republik Indien, kam 1924 an die Universität Berlin, wo er Erziehungswissenschaften und Volkswirtschaftslehre studierte. Auch er engagierte sich auf dem Feld der Kulturdiplomatie und organisierte 1926 im Hotel Bristol Unter den Linden eine große „Zusammenkunft“ indischer Studenten mit deutschen Professoren.69 Auch andere junge Internationalisten arbeiteten unter Chattopadhyayas Leitung. Bhupendra Nath Datta, der jüngere Bruder des spirituellen Hindu-Führers Vivekananda, der als Doktorand der Anthropologie an die Friedrich-Wilhelms-Universität kam, war Mitorganisator einer der gerade entstandenen indischen Kommunistischen Parteien.70 Auch A. C. Narayanan Nambiar, ein Intellektueller aus dem südindischen Kerala und Virendra Naths Schwager, trat 1921 dem Berliner Studentenzirkel bei und war später maßgeblich am Aufbau des Indian Information Bureau als Satellitenorganisation des Indischen Nationalkongresses beteiligt.71 Das „Indian News Service and Information Bureau“ wiederum, gegründet im Oktober 1922 von Virendra Nath Chattopadhyaya und A. C. Narayanan Nambiar, war der erste Versuch, ein Verbindungsbüro für den Nationalkongress zu schaffen.72 Wenig später rief er den Radiosender Azad Hind Radio ins Leben, der im Zweiten Weltkrieg von Berlin aus antikoloniale Propaganda in die Heimat sendete. A. C. Narayanan Nambiar wurde 1952 der erste Botschafter Indiens in Westdeutschland.73 Seine politischen Aktivitäten in Berlin finanzierte Virendra Nath Chattopadhyaya mit Mitteln der russischen Bolschewiken und des Indischen Nationalkongresses.74 In den Nachkriegsjahren versuchte er von seiner Berliner Basis aus, das internationale antikoloniale Netz neu zu knüpfen. Er sandte Schreiben an H. N. Ghose in New York, Rash Behari Bose in Tokio, Mohamed Baraktullah Bhopali in Kabul und Jawaharlal Nehru in Delhi, und schlug eine neu aufzubauende Bewegung reisender Nationalisten vor, organisiert von der Berliner Basis aus.75 Jawaharlal Nehru besuchte Berlin 1926 zusammen mit seinem Vater Motilal, auf Einladung von Virendra Nath.76 Und als Virendra Nath zum Generalsekretär der von den Sowjets finanzierten Brüsseler „Liga gegen Imperialismus und für

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nationale Unabhängigkeit“ ernannt wurde, erklärte sich Jawaharlal Nehru zur Mitarbeit im Exekutivkomitee bereit.77 Die indischen Gesandten – mit Jawaharlal Nehru und Shapurji Saklatvala als Ko-Präsidenten, mit Jaya Surya Naidu, dem Neffen von Virendra Nath Chattopadhyaya, und mit Khwaja Abdul Hamid als Berliner Vertreter – bildeten innerhalb der „Liga“ eine eigenständige Gruppe.78

Katalyse-Zentrum Berlin Welchen Zwecken diente die Organisation der reisenden indischen Nationalisten in Berlin? Schon 1922, mit der wachsenden Zahl indischer Studenten in Deutschland, erregten die revolutionären Bestrebungen innerhalb der Berliner Diaspora-Gemeinde bei der britischen Regierung große Besorgnis. Ein Geheimdienstoffizier in Britisch-Indien berichtete: „Die neuesten Informationen über Aktivitäten indischer Revolutionäre in Deutschland, insbesondere über eine dort stattfindende Abendklasse zur Herstellung von Bomben und Explosivstoffen, haben die indische Regierung veranlasst, die Frage der Gewährung von Reisevisa für Inder nach Deutschland zu überdenken.“79 Im selben Jahr begann die Zentrale Informationsabteilung der Indischen Regierung (Central Intelligence Department), Schwarze Listen zu führen, darauf die Namen der Inder, die antikolonialer Aktivitäten auf dem europäischen Kontinent verdächtigt wurden. Diese Listen wurden jährlich aktualisiert und bis weit in die 1940er Jahre hinein geführt.80 In Berlin beteiligten sich indische Studenten ganz offen an antikolonialistischen Aktivitäten, besuchten nationalistische Versammlungen oder nahmen auch ganz direkt an politischen Intrigen teil, indem sie zum Beispiel mit finanzieller Unterstützung der Sowjets marxistische Literatur in die indische Heimat verschifften oder auf verschiedenen Ebenen des deutschen Amtsapparats anti-britische Allianzen schmiedeten. Die Trennlinie zwischen Studium und radikal politischem Engagement verschwamm zunehmend. Ananda Mohan Bose beispielsweise schloss seine Promotion im Fach Physik 1924 in Berlin ab, während er gleichzeitig der Gruppe um Virendra Nath und dem Kommunistischen Zirkel von M. N. Roy angehörte.81 D. M. Bose, ein Neffe des führenden indischen Physikers Jagadish Chandra Bose, kehrte letztlich als kommunistischer Agent nach Indien zurück, anti-britische sowjetische Literatur mit im Gepäck.82 Ein anderes Beispiel sind Brajesh Singh und Tayab Shaikh, die beide nach Berlin kamen, um Ingenieurwissenschaften zu studieren, ihr Studium jedoch schon bald an den Nagel hängten, um ausschließlich für die schon erwähnte kommunistische Gruppe um M. N. Roy zu arbeiten. 83 Aus indischen Promotionsstudenten in Berlin wurden oft radikalisierte Führer der antikolonialistischen indischen Politik. Ein Diaspora-Zentrum wie

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Berlin bot ihnen für ihren politischen Findungs- und Reifungsprozess ein gutes Umfeld, ehe sie als nationalistische Führer zurück in die Heimat gingen, als Impulsgeber für einen neuen politischen Dialog über Indiens Bedeutung in der Welt. Zakir Husain, der wie schon erwähnt in Berlin Erziehungswissenschaften und Volkswirtschaft studiert hatte, wurde ein wichtiger Reformer der Universitätsausbildung in Indien, gleichzeitig eng mit der Delhi University und der islamischen Aligarh University verbunden, und sollte später Präsident der Republik Indien werden.84 Ram Manohar Lohia schloss seine Promotion an der Universität Berlin ab und kehrte in die indische Heimat zurück, wo er als politischer Theoretiker des von Ghandi geprägten Sozialismus und als Führer der Congress Socialist Party (CSP) erfolgreich wurde.85 Gangadhar Adhikari, der nach Berlin kam, um in Chemie zu promovieren, engagierte sich dort bald schon aktiv in kommunistischen Organisationen und wurde in den 1930er und 1940er Jahren zu einem der einflussreichsten Theoretiker der Indian Communist Party.86 Und Meghnad Saha, international angesehener Physiker, der in den 1920er Jahren ebenfalls in Berlin studierte, kehrte nach Kalkutta zurück, um dann in den 1930er bis 1950er Jahren eine führende Rolle als nationalistischer Wissenschaftsorganisator in Indien zu spielen.87 Die Biographien vieler nationalistischer indischer Persönlichkeiten der Jahrhundertmitte tragen das Wasserzeichen der deutschen Diaspora. Doch Diaspora bedeutete nicht nur studentisches Leben und politische Radikalisierung. Es bedeutete auch zunehmende soziale Wechselwirkungen zwischen Deutschen und Indern: Viele Ehen zwischen indischen Männern und deutschen Frauen wurden geschlossen.88 Das Buch Zwei Leben: Porträt einer Liebe von Vikram Seth gibt einen berührenden biographischen Einblick in indischdeutsche Romanzen der 1930er Jahre.89 Zwar bieten die einschlägigen Archive kaum etwas zu diesem Thema, doch die affektiven Verschränkungen zwischen Deutschen und Indern in den politischen, sozialen und intellektuellen Bereichen während der Kriegsjahre ist dennoch gut erkennenbar. Abdul Sattar Kheiri, Babar Mirza, Benoy Kumar Sarkar, Subhas Chandra Bose und M. N. Roy, sie alle hatten deutsche oder österreichische Ehefrauen.90 Auch die Brüder Bhaduri, Anadhi Nath und Prasanta, die in den 1920ern beide in Deutschland studierten, kehrten mit ihren deutschen Frauen, Margrit und Gerta, nach Kalkutta zurück. Wie britische Beamte in den 1930er Jahren vermerkten, hatten „mindestens sechs der Professoren [an der Aligarh University] deutsche Ehefrauen“, und diese sechs Professoren hatten in den 1920er Jahren allesamt in Deutschland promoviert. Das Potential des indischen Orientalismus in der Breite der deutschen Gesellschaft sowie die Beziehungsformen, die sich daraus ergaben, reichten vom anscheinend Erhabenen bis hin zum offensichtlich Absurden. Inder werden einmal als primitiv beschrieben, ein anderes Mal als weise oder auf archaische

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Weise exotisch. Orientalismus und Imperialismus waren in der Tat zwei verschiedene Aggregatzustände ein und derselben historischen Bewegungsenergie.92 Und dieser Strahl aus deutsch-imperialen Machtphantasien gepaart mit deutschem Orientalismus schien sich nach den Verträgen von Locarno 1925 noch zu verstärken, als Deutschland nach einem sechs Jahre währenden zwangsweisen Ausschluss aus dem Völkerbund begann, sich seine Rolle in der internationalen Politik zurückzuerobern.93 Mit der Wiederaufnahme Deutschlands in die Gemeinschaft der Länder Europas und der Welt und der Stabilisierung seiner Wirtschaft kamen auch wieder kolonialistische Begierden auf: Deutschland forderte seine verlorenen Kolonien zurück und strebte die Annexion der angrenzenden Gebiete im Osten an.94 Im Juli 1926 prangten in ganz Berlin Werbetafeln mit der Aufschrift „Inder im Zoo!“ John Hagenbeck, Neffe des großen Hamburger Zoodirektors Carl Hagenbeck, warb in Ceylon mehr als einhundert Darsteller für „Hagenbecks Völkerschau“ an und holte sie nach Berlin, wo sie im Berliner Zoo in einem eigens errichteten Grashüttendorf wohnten, Schlangen beschworen, Pfähle erklommen und im „Indischen Dorf“ ihre Tänze vorführten. „Die Leute bezahlen und scheinen entzückt und erstaunt zu sehen, dass Inder überhaupt irgendeine Sprache sprechen können – sie dachten wohl, Inder leben wie Brüllaffen im Wald“,95 bemerkte ein Besucher. Die Darsteller erhielten nur zwanzig bis fünfzig Mark im Monat dafür, dass sie bis zu sechs Vorstellungen am Tag gaben. Das Gelände durften sie nicht verlassen, waren aber geheißen, zusammen mit Hagenbeck vor dem deutschen Publikum zu posieren. Menschen im Zoo wie exotische Tiere zur Schau zu stellen, war damals kein Einzelfall. Seit der Londoner Vorführung der „Hottentot Venus“ im frühen 19. Jahrhundert96, aber insbesondere seit den 1870er Jahren, feierte das europäische Publikum seinen vermeintlichen Spitzenplatz auf der Leiter des menschlichen Fortschritts und begeisterte sich für Zurschaustellungen „fremder“ Völker und „primitiver“ Rassen in vorgeblich traditioneller Kleidung auf Gauklermärkten, in Zirkussen und bei Völkerschauen. Unter den Ausrichtern solcher Völkerschauen in den 1910er und 1920er Jahren waren auch Carl Hagenbeck, John Hagenbeck und der Zirkus Krone.98 Einige der Inder, die für ein Studium nach Deutschland gekommen, nun aber kriegsbedingt von ihren Seminaren ausgeschlossen waren, wurden gezwungen, Kostüme und Turbane anzulegen und im Tierpark Hagenbeck in Hamburg Ceylontee zu verkaufen.99 Doch die kleine indische Diaspora-Gemeinde, die sich bis 1926 in der Stadt ansässig gemacht hatte, war entschlossen, gegen John Hagenbeck in die Offensive zu gehen und die deutsche Bevölkerung für ihre Ignoranz und die Zurschaustellung jener Menschen zu kritisieren, die in der deutschen Presse als „Gandhis Volk“ betitelt wurden.

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Die erste Protestlawine kam von Virendra Nath Chattopadhyaya und A. C. Narayanan Nambiar, den Köpfen der indischen Gemeinde in Berlin. In einem Artikel in der Berliner Tageszeitung forderten die beiden auf Grundlage geltender Menschenrechte das sofortige Ende dieser entwürdigenden „Großen Völkerschauen“.101 Sie kritisierten die rassische Hybris, die diesen Veranstaltungen zugrundelag.102 Zweimal protestierten auch indische Studenten gegen die Schau. Zudem sandten sie Briefe an die britische Botschaft in Berlin mit der Forderung, Hagenbeck weitere Reisen nach Ceylon oder Südindien zu verbieten, wo er gewöhnlich Darsteller rekrutierte. Rudolf Olden, ein deutscher Journalist, wies insbesondere auf die menschenunwürdigen Bedingungen hin, unter denen die Darsteller von dort leben mussten.103 Er sprach sich ausdrücklich gegen die Völkerschauen aus und forderte, Hagenbecks Zirkusunternehmen solle von den britischen Behörden mit einem Embargo belegt werden.104 Die wütenden Proteststürme der indischen Gemeinde zeugten von einer hochorganisierten und lautstarken indischen Diaspora-Gemeinde im Berlin der 1920er Jahre.

Transnationale Verflechtungen indischer Akteure und Institutionen Rabindranath Tagore war der erste Inder, der 1913 den Literatur-Nobelpreis erhielt.105 Mit dieser Auszeichnung stach er weltweit heraus. Er begann, in aller Welt höchstes kulturelles Prestige zu sammeln und nutzte seinen Status, um öffentlich Indiens Randlage im imperialen System Englands zu kritisieren. Das literarische Publikum weltweit, über die Grenzen des British Empire hinaus, war für Rabindranaths Sache von größter Bedeutung, und das größte überseeische Publikum fand sich nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland.106 In seinen Vorlesungsreisen quer durch Deutschland (1921) betonte Rabindranath landauf und landab die „spirituelle“ Botschaft des Ostens im Unterschied zu der „materialistischen“ und „erschöpften“ Zivilisation des Westens.107 Ein solches Lob des Orients gegenüber dem Okzident fand beim deutschen Publikum der Nachkriegszeit starken Anklang. Die gesamte Reise durch Deutschland war ein kulturdiplomatischer Coup. Tagores Bücher, die in den 1920er Jahren im KurtWolff-Verlag erschienen, wurden deutschlandweit zu Bestsellern. Vor dem Hintergrund des in Deutschland weit verbreiteten Orientalismus und dem Kulturschock nach Versailles verkauften sich seine Bücher zwischen 1917 und 1924 in Deutschland wesentlich häufiger als auf anderen internationalen Märkten.108 Im Mai 1921 hielt Rabindranath in Berlin Vorlesungen, besuchte die indische Gemeinde der Stadt und ließ für das von Wilhelm Doegen gegründete „Berliner Lautarchiv“ sogar eine Dichterlesung auf Wachsschallplatte aufzeichnen, die bis

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heute erhalten ist.109 Auch der preußische Kulturminister Carl Heinrich Becker, ein ausgebildeter Orientalist, empfing den indischen Poeten.110 Am 5. Juni 1921 reiste Rabindranath von Berlin nach München, wo Thomas Mann seine Vorlesung besuchte. Von dort ging es weiter nach Darmstadt zur „Tagore-Woche“, die der Philosoph Hermann von Keyserling organisiert hatte. Auch ein Besuch im Staatlichen Bauhaus in Weimar stand auf seinem Plan, wo er mit Johannes Itten bekannt wurde, dem „Lehrenden Meister“ des Hauses.111 Die Opponenten des populären indischen Orientalismus in Deutschland waren schnell dabei, die große Begeisterung, die Rabindranath Tagores Besuch begleitete, als „Tagore-Mode“ und „Tagore-Kult“ verächtlich zu machen.112 Rabindranaths kulturpolitische Anstrengungen umfassten nicht nur die Weitergabe von indischer Weisheit und Kultur an die Deutschen, sondern ebenso die dringliche Bitte an die Deutschen um kulturelle Unterstützung für die indischnationalistische Sache. Durch ein wechselseitiges Geben und Nehmen kultureller Gaben baute Rabindranath persönliche und institutionelle Freundschaften auf: Er trat als Dichter öffentlich auf und empfing dafür private Gegengaben.113 In zahlreichen persönlichen Gesprächen mit deutschen Akademikern und Geistesgrößen erklomm er die Gipfel der deutschen Wissenschaft und war umgekehrt bestrebt, deutsche und österreichische Wissenschaftler als Gastdozenten für seine kurz zuvor gegründete Indian International University (Viśva Bhārati University in Westbengalen) zu gewinnen. Er war erfreut, eine Sammlung von vierhundert deutschen Büchern für die Bibliothek der neuen Universität in Empfang zu nehmen, die ihm anlässlich seines 60. Geburtstages in Darmstadt überreicht wurde. Die Bücherspende wurde ihm zusammen mit einer Laudatio überreicht, die von namhaften deutschen Persönlichkeiten unterschrieben war, darunter Adolf Harnack, Hermann Jacobi, Richard Wilhelm, Hermann Hesse und Gerhart Hauptmann.114 In einem Brief aus Darmstadt schreibt Rabindranath an seinen Kollegen C. F. Andrews, der damals im westbengalischen Shantiniketan weilte: „Laßt uns mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln gegen unsere Antipathien ankämpfen, während wir gleichzeitig darauf achten müssen, die Kanäle der Kommunikation weit offen zu halten, damit die Menschen beider Seiten die Möglichkeit erhalten, sich im Geiste der Freundschaft zu treffen. Ich kann Dir gar nicht sagen, wie dankbar ich Dir bin, der Du es mir so viel leichter gemacht hast, Dein Volk zu lieben. Denn Deine eigene Beziehung mit Indien gründet nicht auf Pflichtgefühl, sondern auf aufrichtig empfundener Liebe.“115 Rabindranath wurde von den revolutionären Konservativen gefeiert, von der nationalistischen „Bündischen Jugend“, vom liberalen Bürgertum und von Schöngeistern sowie von der Linken, auch wenn junge Kritiker sich gegen die deutsche Begeisterung für Rabindranath wandten, wie etwa

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Georg Lukàcs, der dieser für kaum mehr hielt als einen Fetisch des bürgerlichen Orientalismus.116 Rabindranath Tagores Reise von 1921 fand breite Beachtung in der deutschen wie auch in der bengalischen Presse.117 Die bengalischen Zeitungen berichteten sogar über den deutschen Pressejubel für ihren Landsmann. Die Prabāsī, die wichtigste Literaturzeitschrift des bengalischen Bildungsbürgertums, druckte Bilder von begeisterten Menschenmassen in Darmstadt und Berlin nach, ebenso wie die Titelseite der illustrierten Wochenzeitschrift Berliner Illustrirte Zeitung (BIZ) mit seinem Konterfei. Wieder zurück in Kalkutta, wurde Rabindranath für seinen „Dienst am Mutterland im Ausland“ als Held gefeiert (bideśe). 118 Auf seiner zweiten Reise nach Deutschland 1926 flaute der Rummel um Rabindranath erheblich ab. Wirtschaftliche Stabilisierung, die aufkommende antiromantische Neue Sachlichkeit, das Wiedererstarken deutscher Kolonialbestrebungen, aber auch der Aufstieg der völkischen Variante der Indoarischen Studien bedeuteten, dass der Besuch eines dunklen Weisen aus dem Morgenland weit weniger Interesse entfachte als fünf Jahre zuvor.119 Auch während dieser zweiten Reise organisierte Keyserling Veranstaltungen in Darmstadt.120 Und Indologen, insbesondere Heinrich Lüders, Sten Konow und Richard Pischel, richteten erneut Lesungen mit Tagore aus. Der Aufenthalt war dennoch ein Erfolg, so dass Rabindranath 1930 eine dritte und letzte Reise nach Deutschland unternahm. Glanzpunkt waren die Treffen mit der Ikone der deutschen Physik, Albert Einstein, die auf breitestes publizistisches Interesse trafen.121 Auf seiner letzten Reise trat Rabindranath weniger als Weiser oder Poet auf, er kam vielmehr in einem neuen Gewand – nämlich als expressionistischer Maler.122 Die Ausstellung von Bauhaus-Kunst in Kalkutta 1922 bis 1933, auf der auch Bilder von Paul Klee zu sehen waren, den Rabindranath sehr bewunderte, hatte ihn zu eigenen Kreationen angeregt.123 Und so hatte er auf seiner letzten Reise vierhundert seiner eigenen Aquarelle im Gepäck, die er, nach Stationen in Birmingham und Paris, nun erstmals auch in Deutschland zeigte.124 Sie waren zunächst in der Galerie Moeller in Berlin zu sehen und anschließend in München.125 Vor seiner Rückreise nach Indien überließ Rabindranath sechs seiner Bilder dem Museum Berlin, in Fortführung seiner Idee, die internationalen Bande und den interkulturellen Dialog durch Gastgeschenke seiner indischen Kultur zu festigen.126 So wie bestimmte deutsche Wissenschaftler, wie zum Beispiel Albert Einstein und Sigmund Freud, zu Verkörperungen der monumentalen deutschen Wissenschaft wurden, deren große Anziehungskraft bis ins koloniale Indien reichte, so wurden umgekehrt auch bestimmte indische Persönlichkeiten, wie zum Beispiel Rabindranath Tagore und Mohandas K. Gandhi, in Deutschland zu charismatischen Verkörperungen der monumentalen Bedeutung von Mythen und Weishei-

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ten des Orients. Im Deutschland der 1920er Jahre, und dies sei an dieser Stelle bemerkt, gab es auch eine große Gandhi-Euphorie.126 Rabindranaths Bemühungen um einen interkulturellen Dialog auf seiner Reise von 1921 zahlten sich aus. Als er im selben Jahr seine neue internationale Universität gründete, war ihm zuallererst daran gelegen, hochrangige Wissenschaftler aus Kontinentaleuropa mit ins Boot zu holen. Josef Strzygowski, Experte für nicht-abendländische Kunst und Begründer des ersten Kunsthistorischen Instituts der Universität Wien, versprach, nach Shantiniketan zu kommen und eine Kunsthistorische Abteilung aufzubauen.129 Strzygowski reiste am Ende aber nicht persönlich an, sondern sandte eine seiner vielversprechenden Schülerinnen, Stella Kramrisch, die dreißig Jahre lang in Bengalen blieb und sich am Aufbau nationalistischer akademischer Einrichtungen beteiligte. Inzwischen hatte Ali Akhtar Ansari, ein junger indischer Architekt, sein Promotionsstudium in Wien mit einer Dissertation über die Architekturgeschichte des Taj Mahal begonnen, betreut von seinem Doktorvater Strzygowski. Ebenfalls 1925 schrieb Strzygowski insgesamt fünf Aufsätze über indische Kunst für die London Indian Society, weshalb die 1920er Jahre als Strzygowskis „Indische Jahre“ bezeichnet werden können, auch wenn er ein Bewunderer aus der Ferne blieb.130 Sylvain Lévi, der führende Indologe an der Sorbonne, war 1921 als Gastprofessor in Shantiniketan. Der Linguist und deutsche Rabindranath-Übersetzer, Heinrich Meyer-Benfey, trat 1922 eine Gastdozentur an. Moriz Winternitz, renommierter Indologe an der Prager Karls-Universität, hatte 1923 eine Gastprofessur am Lehrstuhl für Indologie inne. Der in Deutschland ausgebildete norwegische Indologe Sten Konow, der vor dem Ersten Weltkrieg als George Griersons Stellvertreter das People’s Linguistic Survey of India (PLSI) leitete, eine umfassende Dokumentation aller lebenden indischen Sprachen, war von 1924 bis 1925 an der Universität in Shantiniketan.131 Rabindranath setzte zudem alles daran, auch Paul Natorp als Philosophie-Dozent und Künstler der Bauhaus-Schule an seine Universität holen zu können.132 Doch diese Mühe war vergebens. Dafür konnte er Guiseppe Tucci gewinnen, den italienischen Indologen und Experten für buddhistische und tibetische Kunst, der 1926 kam. 1929 traf Vincenc Lesný in Shantiniketan ein, ein tschechischer Gelehrter und Schüler von Winternitz. All diese Wissenschaftler kamen, um ihr Wissen und Ansehen in den Dienst der nationalistisch-indischen Bildung zu stellen und den Status der Universität von Shantiniketan auf der akademischen Weltbühne zu stärken. Rabindranaths antikoloniales internationalistisches Streben nach kultureller und intellektueller Geltung war auf den Aufbau solcher bildungspolitischen Allianzen angewiesen. In uralten Zeiten, so erklärte Rabindranath, war Indien im Herzen der Welt verankert, und die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus Kontinentaleuropa würde dazu beitragen, Indien erneut zu einem Zentrum der Wissenschaften und

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Künste zu machen, so wie dereinst, als sich „das Wissen Indiens in alle Welt verbreitet hatte [und] bei den Menschen in fernen Landen auf fruchtbaren Boden fiel“.133

Dialog in Bedrängnis Die Verknüpfung von dialogischer Aktivität, erkenntnistheoretischem Radikalismus und antikolonialen intellektuellen Machtansprüchen blieb der strengen Aufsicht der britischen Kolonialverwaltung nicht verborgen. Berlin als Schmelztiegel für politischen Aktivismus, außerhalb des Empire und gegen das Empire, versetzte die Briten in Unruhe. Bis Ende 1924 hatte sich die ganze Atmosphäre in Deutschland völlig verändert. Die Reichstagswahlen vom 4. Mai 1924 endeten mit einer schweren Niederlage der deutschen Kommunistischen Partei und dem Verlust von einer Million Stimmen. Der Dawes-Plan vom 24. September 1924 bewirkte eine fundamentale Stabilisierung der deutschen Wirtschaft: Die Industrieproduktion wuchs um 50 Prozent, und die Arbeitslosenrate ging deutlich zurück. 134 Das Jahr 1924 markierte das Ende der revolutionären Ausbrüche, die sich in den frühen Jahren der Weimarer Republik regelmäßig entladen hatten. In diesem Kontext ging die deutsche Regierung auf das britische Ersuchen ein, alle Aktivisten der indischen Unabhängigkeitsbewegung gegen England auszuweisen. Die Berliner Polizei unterband daraufhin die Aktivitäten indischer Revolutionäre und entschuldigte sich bei der britischen Regierung für die „missliebigen Gäste“.135 Deutsche Offizielle ließen den polizeilichen Aktionen gegen die Inder freien Lauf in der Hoffnung, sich die Gunst der Briten zu sichern und damit mögliche Vorteile für den indischen Markteintritt der deutschen Industrie zu erlangen.136 Auf Drängen der britischen Regierung wies die deutsche Regierung 1925 zwanzig der einflussreichsten indischen Anführer aus Berlin aus.137 M. N. Roy, der berühmt-berüchtigte radikale und ständig umherreisende Aktivist, zog 1925 nach Paris (wo er aber ebenfalls bald ausgewiesen wurde), während andere wie Bhupendranath Datta, Benoy Kumar Sarkar oder Abdul Jabbar Kheiri, nach Indien zurückkehrten.139 Und nachdem man auch das Indian Information Bureau geschlossen hatte, sah Virendra Nath Chattopadhyaya sich gezwungen, aufgrund fehlender Geldmittel aus dem geräumigen Haus in der Georg-Wilhelm-Straße auszuziehen.140 Er zog zunächst in den Berliner Vorort Spandau und später in die Schweiz.141 Führende Aktivisten, die nicht nach Indien zurückgekehrt waren, kamen 1927 vereinzelt wieder zurück nach Berlin, nachdem die polizeiliche Verfolgung nachgelassen hatte.142 Die Ehen und Beziehungen, die indische Männer der Diaspora-Gemeinde mit deutschen, europäischen oder amerikanischen Frauen eingingen, waren von

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ständigen politischen Intrigen und der Angst vor strafrechtlicher Verfolgung stark belastet und zerbrachen darüber nicht selten. Insgesamt waren indisch-deutsche Mischehen leider nicht von ewigem Glück oder von Völkerverständigung geprägt. Evelyn Trent, Amerikanerin und Ehefrau sowie politische Mitstreiterin von M. N. Roy, schrieb an eine Freundin, dass sie es leid sei, „ständig gejagt zu werden, von Ort zu Ort, von Land zu Land, sich ständig verstecken zu müssen, in nichts als einem dichten Nebel aus Misstrauen und Angst“.143 Trent entschloss sich 1926, in die Vereinigten Staaten zurückzukehren. Agnes Smedley, gebürtig aus Missouri, begann damals in Berlin ein Verhältnis mit dem indischen Kommunisten Virendranath Chattopadhyaya und wurde zu einer wichtigen antikolonialistischen Aktivistin. Sie erinnerte sich an die enormen Schwierigkeiten, an Angststörungen gar, die mit dem antikolonialistischen kosmopolitischen Lebensstil einhergingen. „Wir waren bitterarm, und da Viren [Chattopadhyaya] keinerlei materielle Besitztümer hatte, verkaufte ich mein ganzes Hab und Gut, um an Geld zu kommen (…) Wir wurden einigermaßen damit fertig, indem wir immer wieder umzogen und unsere Namen änderten. Doch unsere Schulden und Schwierigkeiten schienen stetig anzuwachsen. Mehr als den Tod fürchtete ich, dem Wahnsinn zu verfallen.“144 Smedley verließ Chattopadhyaya 1928.145 Zumindest für eine deutsche Frau mit Namen Hilde Singh ist belegt, ihren Ehemann Shiodeo Singh-Aluwaliya, einen indischen Migranten, getötet zu haben.146 Indisch-deutsche Liebesbeziehungen gingen so schnell und oft wieder kaputt wie sie geschlossen wurden. Die Leiden, psychische wie physische, die das unstete Reiseleben der antikolonialistischen Aktivisten mit sich brachte, waren mitunter unsagbar schwer. Hardayal, einer der zentralen indischen politischen Aktivisten in Berlin während des Ersten Weltkrieges, zog sich 1918 in ein Sanatorium zurück, um seine angegriffene Psyche zu stabilisieren, ehe er Deutschland für immer verließ und entschieden anti-deutsche Standpunkte bezog.147 Ein deutscher Amtsträger berichtete über Hardayal, er sei „nervlich derart angeschlagen (gewesen), dass er sich (zeitweise) nicht mehr normal verhalten“ habe.148 Das Leben folgte der Kunst: So auch beim englischen Erzähler und Dramatiker William Somerset Maugham, der diese Devise literarisch in der fiktiven Figur des indischen Unabhängigkeitskämpfers Chandra Lal verarbeitete. Nach dem Krieg diente Maugham beim britischen Geheimdienst, für den er die Machenschaften indischer Nationalisten auf dem europäischen Kontinent beobachtete. Unterdessen wob der amerikanische Soziologe William E. B. Du Bois in seinem Roman Dark Princess („Dunkle Prinzessin“) einzelne Handlungsfäden des politischen und romantischen Lebens in der indischen Diaspora sowie die Reisen eines Afroamerikaners durch Europa ineinander. Psychische Belastungen und Verfolgungsangst zeigen sich in vielen Biographien umherziehender Nationalisten. M. N. Roy beispielsweise erkrankte 1929

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schwer an einer Infektion des Innenohrs, gerade als er aus der Komintern ausgeschlossen wurde.149 Auch Verdauungsstörungen waren keine Seltenheit. Subhas Chandra Bose, der gefeierte Anführer der indischen Unabhängigkeitsbewegung in der deutschen Diaspora der 1930er Jahre, sowie auch Virendra Nath Chattopadhayaya klagten beide über ernste Magenbeschwerden.150 Und auch wenn sich ihre politischen Aktivitäten und Agenden in vielerlei Hinsichten unterschieden, bekam jeder Einzelne dieser politisierten Reisenden die zehrende Wirkung von ständigem Kampf und Vertreibung zu spüren. Ernste körperliche und seelische Belastungen waren die Folge dieses Zustands der „Staatenlosigkeit“. Virendra Nath Chattopadhyaya litt angeblich an Verfolgungswahn. Laut seiner deutschen Sekretärin Lucie Hecht aß er nie auswärts vor lauter Angst, vergiftet zu werden.152 Chattopadhyayas zweite Ehefrau, die Russin Lydia Kasunowskaja, erinnerte sich an ihn als jemand, der „jederzeit fluchtbereit (war), voller Krankheit, Schmerz, Wachsamkeit und immer in Habt-Acht-Stellung“.153 Chattopadhyaya, der nie das Gefühl hatte, irgendwo zu Hause zu sein, der in Unterkünften wohnte, die von europäischen Geldgebern angemietet und bezahlt waren, versank in eine tiefe Depression, die ihn 1928 schließlich dazu führte, Berlin endgültig zu verlassen.154 Nach einer weiteren Zeit des rastlosen Umherreisens durch Europa ließ er sich 1931 endgültig in Moskau nieder.155 Dort lehrte er mehrere Jahre Anthropologie, bis er dann beim wahrlich paranoiden stalinistischen Regime in Verdacht geriet, in seiner Lehre vom „orthodoxen“ MarxismusLeninismus abzuweichen. Während der politischen Säuberungen begann eine Kampagne gegen ihn mit dem Ziel, sein Abweichlertum zu beweisen, und einige seiner Studenten, insbesondere Archie Phinney, sowie seiner Ex-Frau Agnes Smedley beschuldigten ihn in Briefen, ein indischer Nationalist und kein „wahrer“ Sowjet zu sein.156 Chattopadhyaya wurde in den stalinistischen Säuberungen zwischen 1938 und 1940 vom Regime ermordet.157 Adolf Hitler hatte bereits in Mein Kampf mit Bemerkungen zu „asiatischen Gauklern“, die sich „in Europa herumtrieben“, seine Abneigung gegen die indische Nationalbewegung in Deutschland deutlich gemacht.158 Mit Hitlers Aufstieg wurden einflussreiche Mitglieder der indischen Diaspora-Gemeinde in Berlin sofort verhaftet. Während der Razzien der Nazis gegen Kommunisten, am 28. Februar 1933, stürmte die SA das Indische Informationsbüro und konfiszierte Unterlagen. Bis zum Abend hatte die SA die beiden Büroleiter, A. C. N. Nambiar und Jayasurya Naidu (Virendranaths Neffen) sowie Taraknath Das und Soumendranath Tagore (Rabindranath Tagores Neffen) in Gewahrsam genommen. Nambiar, Das, Naidu und Soumendranath Tagore wurden nach zehn Tagen wieder entlassen, nachdem die britische Botschaft in Berlin sich für sie verwandt hatte.161 Indische Aktivisten flohen aus der Stadt. Nambiar verlegte seinen Wohnsitz nach

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Prag.162 Taraknath Das verließ München und ging in die Vereinigten Staaten.163 Doch die Lage stabilisierte sich wieder, und einmal mehr brachen Inder für ein Studium nach Deutschland auf. Zwischen 1928 und 1938 kamen mehr als 180 Studenten für ein Studium nach Deutschland.164 Ein „Sonderreferat Indien“ wurde eingerichtet, um die Aktivitäten der Inder in Deutschland zu beaufsichtigen. Die Büros dafür waren im Ahnenerbe-Hauptquartier in Berlin untergebracht.165 Adam Trott zu Solz wurde Haupt-Verbindungsmann der Regierung zu Subhas Chandra Bose, einem der Anführer der Antikolonialisten und Repräsentant der umherreisenden Swadeshi.166 Bose verbrachte in den 1930er Jahren viel Zeit im deutschsprachigen Raum, reiste durch die Lande und lebte zeitweise in Wien. Einige Male besuchte er Berlin und München, verbrachte aber weit weniger Zeit in Nazi-Deutschland als in Österreich oder der Tschechoslowakei.167 Seine Hauptoperationsstelle war Wien, nicht zuletzt deshalb, weil er auf seinem ersten Besuch in Europa 1933 dort ein Zuhause gefunden hatte und weil seine Frau, Emilie Schenkl, dort lebte.168 Die Indian Central European Society, gegründet 1934 in Wien vom Doktoranden Brahmanand Agnihotri mit dem Ziel, die Entwicklung guter Beziehungen zwischen Indien und Europa (insbesondere mit Österreich) zu fördern, wurde mit einer ungewöhnlich großen Summe gefördert. Der britische Geheimdienst mutmaßte, dass eines der führenden Mitglieder der Organisation, Dr. Otto Faltis, in der NSDAP eine „anerkannte Persönlichkeit“ sei und die finanzielle Unterstützung für Boses Organisation von „hoher Stelle“ komme.169 Im Auswärtigen Amt in Berlin gab es eine Orient-Abteilung unter Leitung von Werner Otto von Hentig. Habibur Rahman war zusammen mit anderen indischen muslimischen Führungspersönlichkeiten, darunter Hafiz Manzuruddin Ahmad und Zain ul Abidin Hassan, der wichtigste indische Ansprechpartner für diese offizielle Regierungsstelle. Habibur Rahman leitete die muslimische Gemeinde am Jamiat-ulMusslimeen im Berliner Westen.170 Diese reisenden Nationalisten dienten auch als Personal in der indischen Nationalarmee, die in Berlin unter Subhas Chandra Bose gegründet wurde. Zain ul Abidin Hassan half, den Radiosender Azad Hind Radio von Berlin aus zu leiten. Und auch Habibur Rahman arbeitete mit Bose in dieser Organisation.171 Bose hatte von Anfang an ein ambivalentes Verhältnis zum Nationalsozialismus. Bereits bei seinem ersten Besuch in Deutschland brachte er sein Missfallen, ja sein Entsetzen gegenüber der Politik der Nationalsozialisten zum Ausdruck.172 Nach seinem Besuch in Berlin schrieb er an einen Freund: „Seit ich Berlin verlassen habe, habe ich seitens Deutschlands keinerlei Zeichen des Wohlwollens gegenüber den Indern bemerkt. Neulich erschien ein weiterer hässlicher antiindischer Artikel in den ‚Münchener Neueste[n] Nachrichten‘. Im Lichte all dessen erwäge ich, in der gesamten indischen Presse eine anti-deutsche Kampagne zu

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starten. Ich habe lange genug auf ein Zeichen guten Willens gewartet, wurde aber bitter enttäuscht.“173 Als Hitler 1934 die indisch-nationalistische Bewegung verhöhnte, protestierten die Münchner Inder beim Auswärtigen Amt.174 Bose, damals gerade wieder auf Deutschlandbesuch, schrieb an einen deutschen Offiziellen: „Der schwerwiegendste Faktor, der die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Indien am meisten bedroht, ist der unglückliche Effekt, den die gegenwärtige Rassenpropaganda in Deutschland hat.“175 Ab 1937 wurden indische Studenten, die in Deutschland studierten, vom Regime erneut als unerwünschte Besucher angesehen. Erst mit dem Zweiten Weltkrieg änderte das NS-Regime seine Indienpolitik und beschloss, Subhas Chandra Bose und Azad Hind Fauj (von der Indischen Nationalarmee) bei einem Vorhaben zur Radikalisierung Indiens von außen zu unterstützen, das der Destabilisierung Großbritanniens dienen sollte.176 Dieses Vorhaben folgte dem bereits im Ersten Weltkrieg erprobten Muster, wonach die deutsche Regierung mit antikolonialen Diplomaten „avant la lettre“ zusammenarbeitete, um die britische Herrschaft in Indien von außen zu stören.177 Finanziert mit Mitteln der Nationalsozialisten produzierte die Indische Unabhängigkeitsliga (Indian Independence League) in Berlin ab 1940 Pamphlete, in denen sie das britische Empire attackierte. In einem dieser Pamphlete heißt es: „England hat den Krieg in Europa begonnen, um das aufstrebende Deutschland zu zerschlagen, getreu seiner althergebrachten Politik, jeden Rivalen niederzuhalten, der so zu erstarken droht, dass er Großbritanniens unrechtmäßige Vormachtstellung in der Welt gefährlich werden könnte, deren Erhaltung nur auf Kosten des Glücks von Millionen von Menschen gelingt.“178 Die Deutschen waren versessen darauf, die „Indien-Arbeit“ der Achsenmächte zu dominieren und zu verhindern, dass Rom zum Hauptzentrum der Indien-Strategie würde.179 Von den in Deutschland unter dem nationalsozialistischen Regime lebenden Indern zeigt eine Liste des britischen Geheimdienstes von 1944, dass ein großer Teil dieser Gruppe erstmals in den 1920er Jahren ins Land gekommen war.180 Manche der Inder, wie zum Beispiel der Sikh-Emigrant Dalip Singh Gill, waren zunächst im Ersten Weltkrieg als Kriegsgefangene nach Berlin gekommen, als Angehörige der British Indian Army, dem Heer der Kronkolonie Britisch-Indien (1858 – 1947). Das zweite große Kontingent von Indern, die während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland lebten, war in den 1930er Jahren nach Deutschland eingereist, um ein Studium aufzunehmen. Indische Studenten in Berlin und in München besuchten weiterhin den Indischen Studentenverband (Indian Students Association), der im Jahrzehnt zuvor aufgebaut worden war. Laut einem britischen Geheimdienstbericht von 1939 studierten dreißig Inder in Berlin, deren Studentenverband „von den Nazis gut versorgt“ wurde. Auch die Bengalen hatten angeblich ihre eigene Gruppe im Umfeld von Nalini Guptas Café

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im Hindustan-Haus in Charlottenburg gebildet.181 Gupta war bereits 1919 als reisender Swadeshi-Aktivist nach Berlin gekommen.182 Die Führer der indischen Gemeinde in Berlin, die die Gruppe gegenüber den Nationalsozialisten repräsentierten, waren Habibur Rahman, Abdul Rauf Malik, A. C. N. Nambiar und Subhas Chandra Bose. Eine ausländische Studentenvereinigung in der Stadt kümmerte sich um Studenten aus dem Nahen Osten und Asien, und ein beachtliches arabisch-nationalistisches Kontingent fand sich in den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft in Berlin zusammen.183 Die Nationalsozialisten nutzten den territorialen Kampf um die Region Palästina, um die Gunst der arabischen Nationalisten zu erlangen.184 Der Mufti von Jerusalem verlegte seinen Wohnsitz 1941 nach Berlin und arbeitete dort mit NS-Funktionären zusammen.185 In diesen Fällen versuchte das NS-Regime (so wie es während des Ersten Weltkriegs die damalige deutsche Regierung schon einmal in einem ähnlichen Szenario versucht hatte, wenn auch unter anderen Vorzeichen), außereuropäische Nationalisten zu kontrollieren, als seien sie Bauern in einem „großen Schachspiel“.186 Trotz Hitlers erklärter Abneigung gegen die finsteren Orientalen fand der indische Orientalismus auch unter der nationalsozialistischen Führungsriege in nicht unbedeutendem Maße Anklang .187 Einige der konzilianteren Nationalsozialisten interessierten sich für die Möglichkeit einer entfernten arischen Verwandtschaft, andere wiederum identifizierten sich eher mit den hehren Zielen des anti-britischen Kampfes, den die damaligen nationalistischen Führer Indiens fochten. 1935 wurde in Berlin ein Deutscher Orient-Verein gegründet. Er war mit der Indischen Studentenvereinigung in Berlin verbunden, operierte aber auch unter der Schirmherrschaft des deutschen Propagandaministers.188 Die Organisation wurde von der Regierung getragen, aber von einem bürgerlichen Vorstand beaufsichtigt, und sollte die Beziehungen zwischen den in Deutschland lebenden Türken, Ägyptern, Indern, Persern, Afghanen, Irakern, Syrern und Palästinensern sowie ihrenVerbindungen in den jeweiligen Heimatländern fördern.189 Eine große Zahl von Indern wurde während des Krieges vom deutschen Militär interniert. Indische Seeleute und britisch-indische Soldaten bildeten das größte Kontingent unter den indischen Kriegsgefangenen, und etwa zehn Prozent von ihnen entschieden sich, das Internierungslager gegen den Dienst in der „Legion Freies Indien“ (Indische Legion) einzutauschen.190 1942 wurden zwei militärische Ausbildungslager für die Indische Legion eingerichtet, die damals etwa 90 Mann zählte.191 Unterdessen wies Hitler Subhas Chandra Bose an, sich um offizielle japanische Unterstützung zu bemühen und ließ ihn 1943 per U-Boot nach Japan schicken. In Deutschland setzte die Indische Legion ihre Ausbildung derweil fort, doch die kleine Infanterieeinheit wurde schließlich an die Süd-

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westküste Frankreichs verlegt, wo sie im Kampf gegen die alliierten Truppen eingesetzt wurde. Während des Zweiten Weltkriegs sprachen sich Inder, die aus dem deutschsprachigen Europa nach Indien zurückgekehrt waren, tendenziell eher gegen die Briten und für die Achsenmächte aus. Sie teilten die Auffassung, dass sich Indien mit Hilfe Deutschlands, Italiens und Japans dem imperialen Griff der Briten entwinden könne.192 1940 erklärte Muhammad Obeidullah, der in den 1920er Jahren als radikaler Antikolonialist in Berlin gelebt hatte, in einer Rede nach den JumaGebeten in Delhi, dass die Deutschen möglicherweise bald über den Iran nach Indien einmarschieren und dadurch die britische Herrschaft beenden könnten.193 Sattar Kheiri, einer der Führer der indisch-muslimischen Gemeinde in den Jahren der Weimarer Republik, organisierte pro-deutsche Versammlungen an der Aligarh University. Kheiri mühte sich auch beim deutschen Konsulat um die Einwerbung von Fördermitteln für Universitätsprogramme in Aligarh.194 In Kalkutta war Benoy Kumar Sarkar Präsident der Bengali German Association und der Bengali Dante Association; Kalidas Nag stand der Calcutta Japan Society vor.195 Mahendra Pratap, ehemals Präsident der „Provisorischen Regierung Freies Indien“ (Provisional Government of Free India), die 1915 mit Hilfe deutscher Mittel und militärischer Unterstützung in Kabul gegründet worden war, stilisierte sich nun zum Präsidenten einer „Weltföderation“ (World Federation), die sich während des Zweiten Weltkrieges für eine Revolte gegen die britischen Kolonialherren aussprach. Reisende indische Nationalisten im nationalsozialistischen Deutschland mühten sich um die Gunst des Feindes ihres Feindes,197 was teils durch einen gewissen politischen Opportunismus motiviert war. Doch steckte hinter diesen Allianzen auch eine große historische Wucht und Dynamik. Inder praktizierten Formen des Internationalismus, die ihre antikoloniale Bewegung über Jahrzehnte (mindestens seit 1905) geprägt hatten. Sowohl reisende indische Aktivisten als auch Nationalisten in der indischen Heimat arbeiteten zusammen, um genug internationale Gunst gegen ihre imperialen Fesseln zu mobilisieren. Für einige indische Einwanderer der 1920er und 1930er Jahre waren Deutschland und Österreich nicht länger fremde Länder, sondern sie waren zu ihrer Heimat geworden – ein Zuhause voller Zwist und Spaltung zwar, aber dennoch ein Ort, mit dem sie sich identifizierten.

II Begegnungsfelder

5 Der physische Kosmos Bisher ging es um die sozialen und politischen Dimensionen zunehmender Verflechtung zwischen reisenden Indern und Deutschen in ihrem jeweiligen geschichtlichen Kontext, insbesondere im Hinblick auf den Niedergang der beiden Leitideale „Europa“ und „Empire“, die ihre gegenseitige Anziehungskraft seit dem Ende des 19. Jahrhunderts zu verlieren begannen. Der zweite Teil des Buches zeigt auf, inwiefern die damit verbundenen großen geopolitischen Veränderungen eben jenen Transformationen folgten, welche die Geistesgeschichte und die Geschichte transnationaler Begegnungen in dieser Zeit vorzeichneten. Im gleichen Zeitraum, von 1880 bis 1945, fand der Aufstieg der post-aufklärerischen Erkenntnistheorien im Bereich der Natur- und Geisteswissenschaften statt. Dabei warf der post-aufklärerische Diskurs das Streben nach wissenschaftlichem Universalismus auf der Grundlage moderner wissenschaftlicher Methoden nicht einfach über Bord, sondern brachte neue universalistische Visionen ein, die das herkömmliche positivistische Wissenschaftsverständnis in den natur- und geisteswissenschaftlichen Bereichen kritisch hinterfragten. Die post-aufklärerischen Wissenschaftsdiskurse suchten nach neuen Erklärungen für den Zusammenhalt der Welt, und auf den Feldern dieser Wissenschaftsdiskurse trafen sich deutsche Verfechter einer Nachfolgeordnung für das „Europäische Mächtekonzert“ mit indischen Rebellen gegen das alte „Empire“Konzept als gleichwertige Partner. Diese „gegenwissenschaftlichen“ Felder waren keine Reaktionen gegen den Positivismus, sondern vielmehr Transformationen des wissenschaftlichen Positivismus. Sie repräsentierten die Pluralisierung wissenschaftlicher Weltanschauungen von innen heraus – basierend auf einem transnationalen Austausch von bisher nie gekanntem Format und Ausmaß. Austausch und Dialog zwischen deutschen und indischen Denkern, ausgerichtet auf neue Darstellungen der Welt als ein Weltganzes (eine Allheit), fanden auf zahlreichen Wissensgebieten statt – in der theoretischen Physik und der Volkswirtschaft, im Marxismus und dem geokulturellen Denken, in der Psychoanalyse und der expressionistischen Kunst, hier sowohl in der kunsthistorischen Wissenschaft als auch in der künstlerischen Praxis. Das post-aufklärerische Denken schuf intellektuelle Räume für ganz neue denkerische Ansätze, die viel weiter reichten als die Vorstellungen der Welt des 19. Jahrhunderts, die auf Annahmen von einem geeinten Europa und der besonderen universalen Bestimmung eines europäischen Weltreichs der Aufklärung fußten. In jedem dieser post-aufklärerischen Wissenschaftsfelder versuchten nun koloniale Untertanen und Europas Außenseiter sich mit Nachdruck in der Ordhttps://doi.org/10.1515/9783110706178-006

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nung der Welt neu zu positionieren, und zwar mit der epistemischen Macht philosophischen Denkens. Diese auf neue Weise offenen Wissenschaften dienten, insbesondere in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg und mitunter auch unbeabsichtigt, als „weiche“ Machtinstrumente für geopolitischen Radikalismus. Deutsche Denker waren von indischen Intellektuellen durch die Kluft des Kolonialismus getrennt, aber sie fanden dank gemeinsamer Wissenschaftspraktiken und der Bereitschaft zu geopolitisch radikalem Denken dennoch zueinander. Die Umwälzungen im Denken zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die wir gemeinhin als Apotheose der westlichen Wissenschaft betrachten, als Dialektik der (europäischen) Aufklärung, waren in Wirklichkeit das Produkt beispielloser Verflechtungen und Verbindungen über die koloniale Kluft hinweg. Damals, so bemerkt der US-amerikanische Historiker Carl Schorske einmal, „war die europäische Hochkultur von einem Strudel grenzenloser Neuerungen gepackt, wobei jedes einzelne Feld seine Unabhängigkeit vom Ganzen proklamierte und jedes einzelne Teil in weitere Teile zerfiel“.1 Aber die epistemischen Neuerungen jener Zeit führten nicht nur zur Demolierung des Alten in kleinste Teile, sie brachten auch die Konfrontation neuer, diskrepanter und oft widerstreitender Ganzheiten mit sich. *** Der Diskurs der Quantenphysik im frühen 20. Jahrhundert suchte das physikalische Universum tiefer zu durchdringen und die Wahrheit im Hinblick auf die ihm eingewobene grundlegende Struktur von Zeit und Raum zu enthüllen. Die Quantenphysik war eines der wichtigen Forschungsfelder, das indische und deutschsprachige Wissenschaftler nach 1918 zusammenführte. Theoretische Physik war eine Art internationale Denksport-Olympiade im Zeitalter des Hochimperialismus und nach dem Ersten Weltkrieg.2 Zur selben Zeit wurde in Indien gerade Quantenphysik zu einem Forschungsfeld, auf dem sich besonders antikoloniale Intellektuelle hervortaten.3 Der ostbengalische Physiker Meghnad Saha, Hindu einer niederen Kaste, studierte im frühen 20. Jahrhundert an nationalistischen Bildungseinrichtungen in Kalkutta. Nach dem Ersten Weltkrieg kam er nach Europa, wo er zunächst in London arbeitete, um 1921 die Grenzen des British Empire zu verlassen und nach Berlin zu reisen. Dort forschte er einige Zeit am „Nernst’schen Institut“, benannt nach dem weltberühmten deutschen Physiker Walther Nernst, der den Dritten Hauptsatz der Thermodynamik formulierte. In Berlin publizierte Saha die nach ihm benannte Saha-Gleichung für atomare Teilchen, die das Plasma um die Sterne herum formen. In der Fachliteratur wird die Gleichung als Saha-Ionisierungs-Gleichung oder Eggert-Saha-Gleichung bezeichnet. In den 1930er Jahren verlagerten sich Sahas Interessen, als er sich weg

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von der theoretischen Physik und hin zu strategischen Debatten über die Organisation von Wissenschaft bewegte.4 Hatte er in den 1920er Jahren noch die physikalischen Prinzipien der Thermodynamik erforscht, galt seine wissenschaftliche Aufmerksamkeit in den 1930er und 1940er Jahren der Entwicklung von Technologien zur Erzeugung von hydroelektrischer und nuklearer Energie für ein zukünftig unabhängiges Indien.5 Seine Visionen von einem unabhängigen Wissenschaftsmanagement für Indien orientierten sich an Beispielen aus dem deutschsprachigen Raum in Europa, an Nordamerika und später auch an der Sowjetunion.6 Ein weiteres Beispiel für den indisch-nationalistischen Dialog mit der deutschen Physik ist C. V. Raman, Physiker brahmanischer Herkunft aus dem südindischen Bundesstaat Tamil Nadu, der ebenfalls an nationalistischen Bildungseinrichtungen in Kalkutta wirkte. Dort kreuzten sich in den 1910er Jahren seine Wege mit denen von Saha. Für seine Arbeiten zur Spektroskopie und die daraus abgeleiteten Methoden zur Untersuchung der inneren Struktur von Atomen wurde Raman 1930 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet. Er förderte den Aufbau der indischen Akademie der Wissenschaften in Bangalore (Indian Institute of Science), der er als Direktor vorstand. In dieser Funktion entwickelte er Kooperationen mit deutschen Physikern und versuchte, ein Institut für Grundlagenforschung in der Physik nach dem Vorbild des Berliner Kaiser-Wilhelm-Instituts zu etablieren. Raman pflegte eine enge Beziehung zu dem deutsch-jüdischen Quantenphysiker Max Born, den er 1934 sogar nach Bangalore einlud. Beide Fälle, der des unterkastigen Saha ebenso wie der des hochkastigen Raman, lassen erkennen, wie sehr die deutsche Physik eine Art wissenschaftlichen Höhenkamm bildete, den indisch-nationalistische Denker zu erklimmen suchten, um sich von den intellektuellen Zwängen des British Empire zu befreien. Indische Intellektuelle jeglicher Couleur nutzten den Dialog mit deutschen Gelehrten, um politische Geltung in der Welt zu erlangen und neue philosophische Perspektiven auf die Ordnung der Dinge zu eröffnen. Doch nicht nur die Inder profitierten vom „alternativen Internationalismus“, der sich aus den revolutionären Fortschritten bei der Erforschung der atomaren Struktur ergab, sondern auch die Deutschen. Wissenschaftliche und politische Beziehungen zu indischen und anderen Gelehrten in der Welt außerhalb Europas zu knüpfen, gewann für deutsche Physiker der Zwischenkriegszeit zunehmend an Bedeutung.

Physik-Olympiade In einem Vortrag vor der Preußischen Akademie der Wissenschaften verglich der österreichische Physiker Erwin Schrödinger im Jahr 1932 die internationale Wis-

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senschaft mit dem internationalen Sport.7 Schließlich waren die Olympischen Spiele antik und neu zugleich. „Neu“ insofern, als dass die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit 1896, also vor nicht allzu langer Zeit, eröffnet worden waren, als ein Doppelspektakel aus griechischem Nationalismus und hegemonial-europäischem Internationalismus. Kaum überraschend also, dass Französisch und Englisch die beiden offiziellen Sprachen der Spiele waren, dass französische und englische Sportkulturen dominierten, und dass Paris (1900) und London (1908) nach Athen als nächste Austragungsorte bestimmt wurden.8 Die Wissenschaft der Theoretischen Physik, so Schrödinger, böte eine weitere Arena, in der nationale Champions um internationale Anerkennung konkurrierten und die Hegemonie der nordwesteuropäischen Mächte herausgefordert werden konnte. In Schrödingers Metapher schwang aber auch die Behauptung mit, dass die Ausübung von Wissenschaft, genau wie das Training für eine Sportart, verdienstvolle Leistungen in allgemein erkennbarer und messbarer Weise sichtbar mache, dass also Kraft und Geschicklichkeit des menschlichen Körpers durchaus vergleichbar mit der Brillanz des menschlichen Geistes seien, und dass die universale Aufmerksamkeit für Wissenschaft hervorragende Chancen für Kommunikation und Wettbewerb schaffe, die einem internationalen Zeitalter angemessen seien. Natürlich war auch Schrödinger selbst seit den 1920er Jahren einer der „olympischen“ Physiker des deutschsprachigen Raums.9 Doch wozu war die Anerkennung der Wissenschaft eigentlich gut? Und wer konnte wirklich etwas damit anfangen? Zur Jahrhundertwende gehörte die Physik genauso wie die Chemie zu den Wissenschaften, in denen das deutschsprachige Europa unbestritten dominierte und in denen das wissenschaftliche Verständnis einen radikalen Wandel erfuhr.10 Vor wie nach dem Ersten Weltkrieg waren es deutschsprachige Physiker, die aufgrund ihres immensen Prestiges ein Feld von Beziehungen abstecken konnten, welches die beherrschenden, ja weltgestaltenden Kräfte Englands und Frankreichs durchbrach.11 Indische Wissenschaftler suchten den „Olymp“ der deutschen physikalischen Institutionen zu erklimmen, um mit den Zarathustra-gleichen Persönlichkeiten in den wichtigsten Laboratorien in Kontakt zu kommen. Wechselseitige Beziehungen zwischen deutschen und indischen Physikern, basierend auf Forschungen im Bereich der Thermodynamik und der Quantenphysik, boten den Indern die Möglichkeit, sich weltweit auf höchstem Niveau auszuzeichnen. Auf der einen Seite machte sich die deutschsprachige Physik einen Namen, indem sie grundlegende Aussagen über die subatomare Ebene des physikalischen Universums machte. Auf der anderen Seite diente die Forschung in theoretischer Physik den Indern als Arena, in der sie ohne die vom Empire zugewiesene Verortung an der Peripherie weltweit Anerkennung einfordern und

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sich auf dem internationalen Feld der Wissenschaft ins Zentrum bewegen konnten 12 In den 1910er und 1920er Jahren begründeten deutschsprachige Physiker wie Albert Einstein, Max Planck, Werner Heisenberg, Max Born und Erwin Schrödinger die Quantenphysik. Das neue Forschungsfeld war quasi exklusiv von deutschsprachigen Physikern erschlossen worden, unter denen jüdische Wissenschaftler eine führende Rolle spielten.13 Das neue Forschungsfeld florierte in den 1920er Jahren weltweit. Quantenphysiker erklärten, dass die Welt nur durch Wahrscheinlichkeits- und Relativitätsaussagen erklärt und verstanden werden könne – eine Erkenntnis, die aus Forschungen auf dem Gebiet der Thermodynamik im 19. Jahrhundert erwuchs und ihre tieferen Wurzeln in der Wissenschaft des 17. Jahrhunderts hatte.14 Die Quantenphysik widerlegte mit rein mathematischen Argumenten die allgemein anerkannte aufklärerische Sicht auf die Welt, die mit der Newtonschen Physik verbunden war. Sie verfügte über die Macht, eine neue Ganzheit der Welt auf allerunterster Analyseebene zu enthüllen. Die Theoretische Physik war eine der ersten und die wichtigste Disziplin, in der Inder nach intellektueller Macht strebten. Berühmte Leitfigur unter den indischen Wissenschaftlern um die Jahrhundertwende war der Physiker Jagadish Chandra Bose.15 Er wies den Weg, wie das indische Forschungspotenzial in der Physik als antikoloniales „weiches“ Machtinstrumentgenutzt werden konnte. Auf seinen Vortragsreisen rund um die Welt, die er ab den 1890er Jahren unternahm, hob er vor seinem europäischen Publikum immer wieder darauf ab, dass indische Physiker die große Gabe besäßen, alte sanskritische Weisheiten und speziell das hinduistisch-philosophische Verständnis von advaita, der Einheit allen Seins, in den modernen westlichen Wissenschaften anzuwenden.16 Die indische Physik, so Bose, habe die besondere „Kraft, das Unsichtbare zu enthüllen“.17 Indem Bose sich „in den Metropolen der wissenschaftlichen Forschung in Deutschland, Frankreich, England und Amerika etablieren und viele Konzeptionen seiner Kollegen dort als falsch nachweisen konnte, hat er nicht nur sich selbst gepriesen, sondern auch die gesamte indische Nation“, schrieb ein gebildeter Bewunderer.18 Die Forschung zur Quantenphysik, die die Fundamente der Physik insgesamt in Frage stellte, indem sie die Welt in ihrer Totalität auf neue Art erfasste, bot indischen Wissenschaftlern zu Beginn des 20. Jahrhundert einen direkten Weg zur Weltgeltung.19 Von den zwölf Indern, die zwischen 1918 und 1958 zum Fellow der Royal Society ernannt wurden, waren sechs Physiker und ein Statistiker, der ein Physikstudium absolviert hatte.20 Die drei jungen Physiker Meghnad Saha, S. N. Bose und C. V. Raman, die in diesem Kapitel näher betrachtet werden sollen, gehörten zu den erfolgreichsten und wichtigsten indischen Physikern, die die University of Calcutta hervorgebracht hatte (wobei Raman ursprünglich aus

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Südindien kam). Alle drei wurden zu Fellows der Royal Society ernannt.21 Saha und Raman waren beide zweimal für den Physik-Nobelpreis nominiert, den Raman dann 1930 auch erhielt.22 Die historische Bedeutung aller drei aber lässt sich nicht nur im Hinblick auf ihre grundlegenden Beiträge zur Theoretischen Physik erzählen, sondern auch als eine Geschichte, wie sie ihre Disziplin für den wissenschaftspolitischen Aufstieg Indiens in der Welt zu nutzen wussten.

Wissenschaftlicher Internationalismus Die Gründungsdokumente des Völkerbundes widmeten dem internationalen Wissensaustausch zwischen den Mitgliedsstaaten beträchtliche Aufmerksamkeit, weil diplomatische Kanäle in der Nachkriegszeit gestärkt werden sollten.23 Der Völkerbund führte damit immerhin für einen „Moment“ großen Optimismus herbei, nicht nur zwischen den Bewohnern von Westeuropa und den Vereinigten Staaten, sondern auch unter den breitgefächerten nationalistischen Strömungen in der kolonialen Welt.24 Die Organisatoren des Völkerbundes hofften auf einen „lebhaften Austausch zwischen Professoren und Studenten“.25 Der Völkerbund schuf Austausch-Institutionen wie den International Research Council (Internationaler Forschungsrat für Naturwissenschaften) oder die International Union of Academies(Internationaler Wissenschaftsrat für Geistes- und Sozialwissenschaften), beide wurden 1919 ins Leben gerufen.26 Die Internationale Kommission für geistige Zusammenarbeit, gegründet 1922, bildete die internationale Dachorganisation.27 Sie ging 1926 im Institute for International Intellectual Cooperation auf und gilt als Vorgängerinstitution der UNESCO, der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, deren Gründung nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte. Die britische Kolonialverwaltung sah keine Teilnahme indischer Gelehrter an den akademischen Austauschinstitutionen des Völkerbundes vor. Junge indischnationalistische Physiker wie Meghnad Saha, C. V. Raman und S. N. Bose nutzten jeweils die akademischen Einrichtungen in Kalkutta, um sich auf die internationale Bühne der physikalischen Grundlagenforschung und des wissenschaftlichen Wettbewerbs um Anerkennung zu katapultieren.28 Sie alle pflegten einen intensiven fachlichen Austausch mit angesehenen Physikern im Ausland und machten dabei die indisch-nationalistische Sache sowie ihre jeweilige Identität in neuen internationalen Beziehungsfeldern jenseits des Empire sichtbar.29 In den 1910er und 1920er Jahren betrachteten indische Wissenschaftler Deutschland als das beste Chemie- und Physiklabor der Welt und die Vereinigten Staaten als das beste Werkzeug- und Maschinenlager.30 Ein Artikel in der Calcutta Review von 1922 beschrieb Deutschland als ein „Lehrbeispiel“ für die ganze Welt

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dafür, wie Chemie für den nationalen Aufschwung genutzt werden könne. „Sowohl Deutschland als auch Amerika erkannten schon vor langer Zeit, dass die Ausbildung einer Nation in Chemie und Physik die beste Investition ist, die ein Land machen kann …“ Für indische Nationalisten waren es Physik und Chemie, die den Königsweg zu wissenschaftlicher und industrieller Entwicklung wiesen. Im Gegensatz zur „Selbstherrschaft“ (svarāj) im Gandhischen Sinne, ausgerichtet am traditionellen Handwerk und kultureller Selbstgenügsamkeit, waren die in Kalkutta ansässigen Vertreter der Moderne der festen Überzeugung, dass ein internationaler fachwissenschaftlicher Austausch für eine künftig unabhängiges Indien unerlässlich sei, „denn jede erdenkliche Industrie ist auf Rohstoffe angewiesen, wobei Chemie eine nicht unwichtige Rolle spielt“. Es hapere jedoch an der Tatsache, so führten sie an, dass „die chemische Forschung an unseren Universitäten, wie auch an denen in England, für den Durchschnittsstudenten überaus unattraktiv gemacht wird, da sie ihm keine profitable Zukunft bietet“.31 Im kolonialen Indien gab es vonseiten des Kolonialregimes wenig Unterstützung für das Fach „Experimentelle Chemie“ in indischen Bildungseinrichtungen und damit auch wenig Raum für Kooperationen zwischen Universitäten und Industrie.32 Doch insbesondere vor dem Hintergrund der Swadeshi-Bewegung (svadeśi) und des Ersten Weltkriegs kam eine breite Debatte darüber in Gang, wie antikoloniale Bildungspolitik auf den Gebieten der theoretischen und experimentellen Wissenschaften konkret aussehen sollte. Wo genau sollte der Forschungsschwerpunkt der Wissenschaft liegen, um der Sache der Nationalisten zuträglich zu sein? Auf praxisorientierten Fragestellungen im Zusammenhang mit der Industrie? Oder auf eher vagen grundlagen- und theoriebezogenen Fragestellungen, auch wenn praktische Anwendungsbereiche nicht sofort erkennbar waren? Die wichtigsten indisch-nationalistischen Wissenschaftsvertreter der 1920er Jahre schienen der theoriebezogenen Forschung den Vorzug zu geben, bis sich das Blatt in den 1940er Jahren wendete und man den Schwerpunkt zunehmend auf die angewandte und industrienahe Wissenschaft legte: Inzwischen spielte der infrastrukturelle Bedarf der neuen Nationalstaaten in Bezug auf Staudämme, Elektrifizierung, Bewässerungsanlagen, Funktechnik, Industriechemie und kerntechnische Anlagen eine enorm große Rolle. Die Antwort auf die Frage, welche Art von wissenschaftlicher Forschung nun am nötigsten sei, um indischund pakistanisch-nationalistische Projekte voranzubringen, veränderte sich über diesen Zeitraum. Und diese Veränderung hatte nicht zuletzt mit einem sich wandelnden Identitätsgefühl in Südasien zu tun, das sich im hier betrachteten Zeitraum herauszubilden begann. So spielten nicht nur rein fachliche Aspekte der physikalischen Forschung eine Rolle bei der Entwicklung der indisch-nationalistischen Bewegung, sondern auch philosophische.

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Zwar ging die in Kalkutta heimische Bewegung für nationalistische Wissenschaftsinstitutionen aus der hochgebildeten Gesellschaft der Bhadralok im kolonialen Bengalen hervor, sie umfasste aber auch Akteure aus anderen gesellschaftlichen Schichten. Kalkutta, und dies sei hier besonders bemerkt, war das subkontinentale Zentrum für wissenschaftliche Forschung schlechthin; viele der großen Persönlichkeiten wie C. V. Raman aus Kerala ebenso wie S. P. Agharkar (Botaniker), Moreshwar Prabhakar (Chemiker) oder Homi Bhabha (Physiker), alle aus Bombay, reisten von weit her nach Kalkutta, um hier ihre Studien zu betreiben. Etwas anders verhält es sich mit dem indischen Physiker Meghnad Saha. Im Unterschied zur Mehrheit seiner Mitstudierenden und Lehrer, die üblicherweise den oberen Kasten der Kayastha und Brahmanen und damit der Bildungselite angehörten, war Saha der Sohn einer unterkastigen Familie. Saha wuchs als Sohn eines Ladenbesitzers in einem kleinen Ort nahe Dhaka in Ostbengalen auf. Die dadurch bedingten Benachteiligungen sowie das Stigma, das ihm durch seinen Familiennamen sein Leben lang anhaftete, machten ihn zu einem politischen Aktivisten und lautstarken Verfechter des Säkularismus. Er beschrieb sich selbst als Mitglied der „demokratischen Klassen“ und als Kritiker des hinduistischen Ritualismus.33 Die Bildungseinrichtungen der Metropole Kalkutta boten ihm breiten Raum für internationalistische Dialoge und damit Mittel und Wege, sich aus seiner herkunftsbedingten Benachteiligung zu lösen und aufzusteigen. Die Institutionalisierung der Naturwissenschaften in Kalkutta erfolgte nicht etwa von oben, durch die gnädige Gunst der britischen Planverwaltung, sie entstand vielmehr von unten heraus, von außerhalb der offiziellen kolonialstaatlichen Verwaltung. Die Regierung des Generalgouverneurs und Vizekönigs von Indien (Crown Raj) in der Zeit nach 1857 war entschlossen, ein eigenes Programm für den Aufbau von Einrichtungen der Wissenschaft zu entwickeln, das vor allem den Bedürfnissen der Kolonialherrschaft gerecht wurde. Deshalb verblieb ihr nur wenig an Ressourcen und Vorstellungskraft, um Wissenschaft innerhalb der heimischen Gesellschaft zu organisieren. Die ersten Einrichtungen für die Wissenschaften entstanden in Kalkutta deshalb aus der Zusammenarbeit zwischen Intellektuellen und lokalen Philanthropen. Mahendra Lal Sircar, Arzt und praktizierender Homöopath, gründete 1876 die Indian Association for the Cultivation of Science. Pramatha Nath Bose, der sein Studium in Cambridgeabsolviert und kurze Zeit am Geological Survey of India mitgearbeitet hatte, gründete 1892 die Indian Industrial Association. Jogendra Chandra Ghosh gründete 1904 die Association for the Advancement of Scientific Industrial Education. Das Bengal National College, finanziert von wohlhabenden Mäzenen wie Taraknath Palit und Rashbehari Ghosh, wurde 1906 von Satish Chandra Mukherjee und Aurobindo Ghose gegründet und auch geleitet. Die Indian Science Congress Association wurde 1914 in

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Kalkutta von Asutosh Mukherjee gegründet, zusammen mit C. V. Raman, der die Leitung des Fachbereichs Physik übernahm. Außerhalb von Kalkutta spielten auch einige indische Fürstenstaaten eine wichtige Rolle für die Entwicklung nationalistischer Wissenschaftsorganisationen. Aurobindo Ghose stand in Diensten des Maharadschas von Baroda, ehe er als Leiter an das neu gegründete National Bengal College berufen wurde. Darüber hinaus zeigten insbesondere die Fürstenstaaten Bhopal, Hyderabad, Mysore und Travancore ein reges Interesse am Auf- und Ausbau der wissenschaftlichen Forschung, was teils auch mit dem Bedürfnis nach Herrschaftslegitimation zu tun hatte.34 Mokshagundam Visvesvaraya, der in seiner Funktion als Diwan (Erster Minister) von Mysore dort erste staatliche Lehreinrichtungen organisierte, spielte in der Folge eine der wichtigsten Rollen bei der gesamtindischen nationalistischen Wissenschaftsplanung.35

Auf der Suche nach einem Modell Die Indian Industrial Commission, eine von der Kolonialregierung ernannte Kommission, führte zwischen 1916 und 1918 eine umfangreiche Studie durch, um die spezifischen Bedürfnisse und Anforderungen der fachgewerblichen Ausbildung in Indien zu ermitteln.36 Die Kommission stellte einen Mangel an landeseigenen Wissenssystemen fest, für die Stahl- und Eisenproduktion ebenso wie für großtechnische Serienproduktionen. Als inländische Mitglieder der Kommission spielte neben Madan Mohan Malaviya und Rajendrah Nath Mookerjee auch P. C. Ray eine zentrale Rolle.37 P. C. Ray war verantwortlich für den Aufbau eines landeseigenen Instituts für Chemie am Presidency College und am University College of Science. Ray ermutigte seine Studenten dazu, ein paar Semester im Ausland zu verbringen, so wie er es einst getan hatte, um dann wieder nach Indien zurückzukehren und mit dem Aufbau nationalistischer Bildungseinrichtungen einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten.Wie David Arnold hervorhebt, war Ray berühmt dafür, die Chemie in eine „subversive Wissenschaft“ zu verwandeln und sie an nationalen Zielen auszurichten.38 Madan Mohan Malaviya, Führer der indischen Unabhängigkeitsbewegung aus dem Bundesstaat Uttar Pradesh war Gründer der Benares Hindu University (1916). Er war von Gandhis Erfindung eines kleinen, transportablen Spinnrads (Charka), das für die häusliche Weberei genutzt werden konnte, ebenso fasziniert wie von der deutschen Maschinenbauund Chemie-Industrie.39 Wie Shiv Visvanathan in seiner Untersuchung der von der britischen Kolonialregierung bestellten Industrial Commission Inquiry (1916 – 1918) zeigen konnte, war Malaviya angesichts der kolonialen Knappheit an

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technischen und technologischen Ressourcen der Ansicht, dass Deutschland und Japan seinem Land durchaus „relevante Lösungen“ bieten könnten.40 Mit der als Montagu-Chelmsford-Reform (benannt nach dem damaligen Vizekönig, Lord Chelmsford) bekannten Verfassungsänderung in Form des Government of India Act 1919 verschlechterte sich die Situation Indiens noch einmal deutlich, und zwar sowohl im Bereich der nationalen Bildungsorganisation als auch bei der kolonialen Industrialisierung. Rajani Palme Dutt, marxistischer Historiker und Schlüsselfigur der Communist Party of Britain, verurteilte es, Bildungswesen und Industrialisierung nach eigenem Belieben zum „Ressourcentransfer“ (in die kapitalistischen Metropolen) zu nutzen. Dies nämlich würde bedeuten, dass Bildungsdepartments in britisch-indischen Einrichtungen zu unterfinanzierten und desorganisierten Provinzprogrammen ohne eine einheitliche gesamtindische Organisation geraten würden.41 D. H. Buchanan, ein amerikanischer Beobachter, bemerkte 1934, „da die zur Verfügung stehenden Mittel völlig unzureichend waren, konnten keinerlei Strategien entwickelt werden und maßgebliche Schritte blieben aus. Darüber hinaus setzte die Förderung der Industrie eine weitreichende einheitliche Regierungspolitik voraus, die nicht nur auf Rohstoffe und Produktionsverfahren bezogen war, sondern auch auf die Märkte“.42 Aber vielleicht galt die Sorge der indischen Nationalisten gar nicht so sehr dem Problem „Zentralisierung versus Dezentralisierung“ in der Wissenschaftsorganisation als vielmehr weitaus grundlegenderen Fragen: Wie sieht es aus mit der Verfügbarkeit finanzieller Mittel? Haben die Staatsplaner ein waches Auge für die wissenschaftliche Bedürfnisse Indiens? 1921, im Anschluss an die Industrial Commission Inquiry, nahm die indische Regierung Beratungen über die Einrichtung eines Government Department of Chemicals auf. P. C. Ray jedoch, der Gründer der Bengal Chemicals and Pharmaceuticals Corporation, hielt nichts von dieser Idee. Die Vision der indischen Regierung von einer zentralisierten Wissenschaftsplanung sei, so merkte er an, ein „eklatanter Anachronismus“.43 Seiner Meinung nach sollte die Entwicklung von Wissenschaft und Technologie dezentral organisiert werden, sie sollte in Bildungseinrichtungen und Universitäten verwurzelt sein und sowohl Grundlagenforschung betreiben als auch den Aufbau nationalistischer Industrien entschlossen weiterverfolgen. Ray träumte davon, dass auch indische Wissenschaftler eines Tages „eine Million Dollar für die Ausrüstung eines Labors“ ausgeben könnten.44 Was ihm dabei vorschwebte, war das Modell der „Großforschung“ (Big Science), einer quasi-industriell betriebenen Form der Wissenschaft, wie sie im Deutschen Kaiserreich 1911 mit der Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und ihren Instituten begann.45 Das deutsche Modell der dezentralen Wissenschaftsinstitute für Grundlagenforschung, denen großzügige staatliche Fördergelder zur Verfügung standen, inspirierte auch

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C.V. Raman, als er 1934 die Leitung des Indian Institute of Science übernahm und versuchte, im kolonialen Indien ein nationales Forschungsinstitut für Physik einzurichten. Die Überführung der Wissenschaft in die eigenen (indischen) Hände zielte darauf, die Spielregeln dergestalt anzupassen, dass die Inder sich in der Ausübung der Wissenschaft in einer zentralen und nicht länger in einer peripheren Rolle sehen konnten. Meghnad Saha avancierte zu einem der bedeutendsten Wissenschaftler Bengalens und leistete mit seiner „Ionisationsgleichung“ grundlegende Beiträge zum neuen Bereich der Astrophysik und Thermodynamik. In der Zeit der ersten Swadeshi-Bewegung brachten ihm seine unverblümt antikolonialen Ansichten als Schüler einen Verweis von der Schule ein, als er 1905 den Besuch des Gouverneurs von Bengalen boykottierte. Als er 1909 an das Presidency College in Kalkutta kam, knüpfte er Kontakte zu radikalen Swadeshi-Revolutionären. Er war außerdem ein Bewunderer des Revolutionärs Jatin Mukherjee, des Guerillaführers der bengalischen Aufstandsbewegung im Untergrund. Saha erwies sich schnell als aufsteigender Stern der nationalistischen Wissenschaft. Er wurde im Alter von sechsundzwanzig Jahren am neu gegründeten University Science College in Kalkutta promoviert. Bereits während seiner Studienzeit in Dhaka beherrschte er die deutsche Sprache und war mit Einsteins spezieller Relativitätstheorie und dessen Arbeiten zum Photoelektrischen Effekt von 1905 sowie der Allgemeinen Relativitätstheorie von 1916 bestens vertraut.46 Sahas früher Bekanntschaft mit Einsteins Arbeiten ist es zuzuschreiben, dass am Forschungsinstitut Indian Association for the Cultivation of Science (heute Forschungsuniversität für Hochschulbildung) in Kalkutta deutsche Wissenschaftsmagazine verfügbar waren. In seinem Umfeld aber gab es noch eine weitere lebhafte Verbindung zum deutschsprachigen Europa. Peter Brühl, ein österreichischer Botaniker, der an der Universität Kalkutta lehrte, machte es sich zur Aufgabe, sowohl Meghnad Saha als auch Satyendranath Bose mit der neuesten wissenschaftlichen Literatur aus Deutschland und Österreich vertraut zu machen. Wie Bose sich erinnerte, besaß Brühl die Theorie der Wärmestrahlung von Max Planck oder Das Relativitätsprinzip von Max von Laue ebenso wie Schriften zur Quantentheorie und Relativitätstheorie. „Da Saha und ich ein bisschen Deutsch gelernt hatten, waren wir froh, derlei bei Brühl ausleihen zu können. Saha entschied sich, zunächst Thermodynamik, Statistische Mechanik und Spektroskopie zu studieren, während ich mich für Elektromagnetismus und Relativität entschied.“47 Als Saha 1919 seiner Doktorwürde erlangte, hatte er bereits Einsteins Arbeit über die Allgemeine Relativitätstheorie aus dem Deutschen ins Englische übersetzt sowie zahlreiche Artikel zur neuen Quantentheorie für den bengalischen Leserkreis veröffentlicht.48

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Sahas frühes Interesse galt der Astrophysik. Obwohl Einstein mit seiner Theorie (bereits) 1905 in radikaler Weise postulierte, dass sich die Struktur von Raum und Zeit relativ zur Bewegung (ver)ändert, gab es bis 1919 keine experimentelle Bestätigung für diese eigentlich der Intuition widersprechende These. Erst im Mai 1919 leitete Sir Arthur Stanley Eddington, der bedeutende Astrophysiker aus Cambridge, die Sonnenfinsternis-Expedition auf die Vulkaninsel Principe vor der westafrikanischen Küste, um während einer totalen Sonnenfinsternis Himmelsbeobachtungen durchzuführen.49 Die Tradition von „SonnenfinsternisExpeditionen“ unter britischer Leitung reicht ins Viktorianische Zeitalter zurück und hing vom Empire ab, d. h. von der Möglichkeit der Wissenschaftler im Mutterland, auf die am Äquator gelegenen Territorien der Kolonien zugreifen zu können. Himmelsphänomene wie eine Sonnenfinsternis konnten am besten von den Kolonien aus beobachtet und untersucht werden.50 Eddington folgte dem Vorbild des berühmten britischen Astronomen Joseph Norman Lockyer, der seine Himmelsbeobachtungen in Indien gemacht hatte und damit berühmt wurde. Lockyers Arbeiten waren es auch, die Meghnad Sahas Interesse für Astronomie geweckt hatten, schon als er ein kleiner Junge war.51 Eddingtons Beobachtungen vom 29. Mai 1919 zeigten, dass während der 0,3 Sekunden, in denen der Mond die Sonne vollständig verfinsterte, die der Sonne am nächsten stehenden Sterne aus ihren erwarteten Positionen (regelrecht) herauszuspringen schienen. Dies ließ darauf schließen, dass das Licht durch die Gravitationskraft der immensen Masse der Sonne nach innen gekrümmt wird und so den gerade beobachteten Effekt verursachte. Eddingtons Beobachtung lieferte den ersten experimentellen Beweis für Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie, die etwas postulierte, was den Wissenschaftlern damals völlig absurd erschien: dass Gravitation Licht krümmen kann. Erstmals veröffentlicht wurde Eddingtons Beobachtung am 5. Juni 1919 in der London Times. Die in Principe gemachten Aufnahmen gäben „Grund zur Hoffnung auf Erfolg“, hieß es in der knappen Meldung.52 Es dauerte bis November, bis das Beweismaterial von den Fotoplatten vollständig ausgewertet und überprüft war. Am 7. und 8. November 1919 berichtete die London Times über die „Revolution in der Wissenschaft“, eingeläutet durch Eddingtons experimentelle Bestätigung der Einstein’schen Allgemeinen Relativitätstheorie. Durch die Allgemeine Relativitätstheorie, aufgestellt von einem deutschen und bestätigt durch einen britischen Wissenschaftler, der die weltumspannende koloniale Infrastruktur des British Empire nutzte, wurden Einstein und Eddington zu international gefeierten Helden der Wissenschaft. Doch nur Einsteins Name wurde auch über die Grenzen der Physik hinaus weltberühmt und steht wie kein anderer als Synonym für „Genialität“.

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Bereits drei Tage bevor die London Times brandaktuell über Eddingtons experimentelle Bestätigung der Einsteinschen Theorie berichtete, erschien im Statesman, einer englischsprachigen Zeitung aus Kalkutta, ein Artikel mit der Überschrift „Zeit und Raum – Die neue wissenschaftliche Theorie“.53 Geschrieben hatte ihn der junge bengalische Wissenschaftler Meghnad Saha, um der Leserschaft in Kalkutta die bahnbrechende Bedeutung von Eddingtons Principe-Expedition nahezubringen: „Wie Reuters gestern in einer Eilmeldung übermittelt hat, ist Professor Einsteins Theorie der Äquivalenz von Zeit und Raum anhand von Himmelsbeobachtungen während der letzten totalen Sonnenfinsternis nun endlich bestätigt und wird in wissenschaftlichen Fachkreisen sowie in aller Welt bejubelt.“ Erst am 10. November, sechs Tage nach Sahas Artikel im Statesman und drei Tage nachdem die Londoner Zeitungen darüber berichtet hatten, zog die New York Times schließlich nach: „Lichter am Himmel alle schief – Ergebnisse der Finsternis-Beobachtungen versetzt Männer der Wissenschaft in ziemliche Aufregung“, lautete die Schlagzeile („Lights All Askew In The Heavens – Men of Science More or Less Agog over Results of Eclipse Observation.“) Durch die Informationsnetzwerke des Empire und wechselseitige transnationale Kommunikationslinien ging die Meldung über Einsteins bestätigte Relativitätstheorie in Kalkutta also früher durch die Presse als in London oder New York. Die chronologische Reihenfolge, mit der die Meldung um die Welt ging, durchbrach also das ZentrumPeripherie-Narrativ der wissenschaftlichen Kommunikation im kolonialen Kontext: Noch ehe die Meldung von den neuesten Erkenntnissen der Physik in der kolonialen Metropole London angekommen war, verbreitete sie sich in Kalkutta bereits wie ein Lauffeuer. Nach der Bekanntgabe von Eddingtons Entdeckung begann Saha damit, Einsteins Aufsatz von 1905 über die Spezielle Relativitätstheorie ins Englische zu übersetzen, ebenso wie Hermann Minkowskis Aufsatz von 1908 über die Grundgleichungen der Elektrodynamik für bewegte Körper. Mit Sahas Übersetzung, die er 1920 publizierte, lag die erste englische Fassung von Einsteins berühmtem Aufsatz vor. Nur wenige Monate später erschien in New York ebenfalls eine englische Übersetzung von Robert W. Lawson. In der Zwischenzeit taten sich seine Kollegen Satyendranath Bose und D. M. Bose (der gerade mit einem Doktortitel in Physik aus Berlin zurückgekehrt war) zusammen, um Einsteins Aufsatz über die Allgemeine Relativitätstheorie von 1916 ins Englische zu übersetzen.54 Nach seiner Übersetzung erhielt Saha 1919 ein Stipendium für einen zweijährigen Studienaufenthalt in Großbritannien. Sahas eigene Arbeiten verbanden die Astronomie mit dem physikalischen Teilgebiet der Thermodynamik. Wärme, dieses unsichtbare Phänomen, das weder Gewicht noch Masse hat, und doch über Entfernungen von einem System auf ein anderes übertragen werden kann, rückte

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zunehmend ins Zentrum des wissenschaftlichen Interesses. Während die Newtonsche Physik sichtbare physikalische Prozesse untersuchte, wandten sich die Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts mehr und mehr den subtileren unsichtbaren Prozessen zu, für die es keine simple Entsprechung im „mechanisch“ beschriebenen Universum zu geben schien. Sowohl die Erforschung der Wärme als auch die Erforschung der Elektrizität (des Elektromagnetismus) – d. h. die Erforschung zweier unsichtbarer Energieformen – bereiteten logisch und auch konzeptionell den Weg für die noch subtileren Erkenntnisse zur quantenmechanischen Natur des physikalischen Universums im 20. Jahrhundert. Die Quantentheorie war aber auch eine Form der post-aufklärerischen Wissenschaft insofern, als dass sie die bisherige Wissensbasis nicht nur erweiterte, sondern auch das bisherige (physikalische) Verständnis in seinen erkenntnistheoretischen Grundlagen erschütterte. In seiner Dissertation untersucht Saha, wie die Wärmeenergie in den Gashüllen der Sterne gemessen werden kann. Auf der Erde kann die Temperatur von Objekten mechanisch erfasst werden, zum Beispiel unter Verwendung von Thermometern. Um jedoch die Wärme von Hochtemperaturgasen exakt zu messen, die sich um die Sterne innerhalb der Galaxie sammeln, bedurfte es anderer Einsichten und Verfahren. Sahas Gleichung, die später unter dem Namen „SahaIonisations-Gleichung“ berühmt wurde, machte es möglich, Temperatur und Druck der Gase zu berechnen, aus denen die Photosphäre der Sterne besteht, wenn man den Ionisationsgrad dieser Gase kennt. Und der Ionisationsgrad konnte experimentell durch Spektroskopie ermittelt werden. Mit Hilfe der Gleichung konnten Astronomen fortan die spektrale Klassifikation einiger Sterntypen in Abhängigkeit von Temperatur, Teilchendichte und Ionisierungsenergie in stellaren Umgebungen genauer erklären. „Ich habe im Laufe von sechs Monaten des Jahres 1919 (von Februar bis September) vier Aufsätze geschrieben und sie zwischen August und September aus Indien zur Veröffentlichung gegeben“, so Saha.55 Direkte Unterstützung für seine Anstrengungen, die koloniale Peripherie zu verlassen, um seine Forschungen in Laboratorien des Empire-Mutterlandes fortzusetzen, erhielt Saha von Asutosh Mukherjee. Labore in Großbritannien verfügten über Mittel und Daten, die in den dürftig ausgestatteten Forschungsstätten in Kalkutta nicht verfügbar waren. In Alfred Fowlers Labor an der University of London konnte Saha im Jahr 1920 große spektroskopische Datenmengen verwenden, um Beweise für seine 1919 in Kalkutta entwickelte Theorie vorzubringen.56 1921 dann reiste Saha von London nach Berlin, um seine Forschungen im wichtigsten Zentrum für thermodynamische Forschung fortzusetzen, im Labor des weltberühmten Nernst’schen Instituts. Dabei ging es ihm nicht in erster Linie

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darum, seine Forschungen abzuschließen, sondern vielmehr um die Präsentation seiner Arbeiten auf der damals wichtigsten internationalen Bühne der Physik. Es war, wie Saha es einmal formulierte, sein Streben nach regem Austausch rund um „das neue Wissen“ in der Thermodynamik, das ihn nach Berlin führte, in eines der renommiertesten Laboratorien der modernen Physik. Am Nernst’schen Institut arbeiteten bereits vierzehn weitere Inder.57 Walther Nernst erlangte Berühmtheit mit der Erfindung der nach ihm benannten Nernst-Lampe, dem Vorläufer der heutigen Glühbirne. Er galt als wichtiger internationaler Vertreter der deutschen Wissenschaft, hatte 1906 den Dritten Hauptsatz der Thermodynamik formuliert und 1920 den Nobelpreis erhalten.58 Dass er ausländische Studenten in seinem Labor beschäftigte, war für Nernst selbstverständlich. Saha nutzte den Nernstschen Wärmesatz (Nernst-Theorem) zur Berechnung der Ionisierungsenergien von Gasen bei sehr hohen Temperaturen. In Berlin stand Saha also auf der Weltbühne der Physik. Mit seinen Arbeiten schlug er eine Brücke zwischen den Gebieten der Thermodynamik, der Astrophysik und der neuen Quantentheorie. Während seiner Zeit am Nernst’schen Institut veröffentlichte er einen bedeutenden Beitrag zur Physikforschung, der 1921 die Aufmerksamkeit der gesamten Fachwelt auf sich zog. Auf einer Konferenz deutscher Physiker in Jena stellte Walther Nernst im August 1921 die „Saha-Ionisierungs-Gleichung“ vor.59 Sahas Aufsatz mit dem Titel „Versuch einer Theorie der physikalischen Erscheinungen bei hohen Temperaturen mit Anwendungen auf die Astrophysik“ erschien im September 1921 in der Zeitschrift für Physik, dem damals wohl renommiertesten Fachblatt weltweit. Seine Ionisierung-Gleichung war ein bedeutender Fortschritt in der Erforschung dessen, was Astrophysiker als „Sternaufbau“ bezeichnen. Für seine wissenschaftlichen Beiträge wurde Saha 1927 zum Fellow der British Royal Society ernannt sowie zwischen 1930 und 1955 sieben Mal für den Nobelpreis nominiert. Ein Jahr lang arbeitete Saha im Labor am Nernst’schen Institut, bevor er als Professor an das Presidency College nach Kalkutta zurückkehrte. Kurze Zeit später veröffentlichte er einen Artikel in der Modern Review (einer Monatszeitschrift, die in Kalkutta erschien), in dem er vom „luxuriösen Studentenleben“ in Berlin berichtete: von den niedrigen Kosten für Unterkunft und Verpflegung infolge der Hyper-Inflation; den vielen Studenten aus Osteuropa, der Türkei, China und Japan sowie den indischen Studenten, die sich dort zu Hause fühlten und ermutigte angehende Studenten zu einem Studium in der einstigen Kaiserstadt Berlin.61 Worauf Saha in seinem Artikel nicht einging, war die der Leserschaft in Kalkutta sehr wohl bekannte Tatsache, dass Berlin zu einem globalen Zentrum indischer antikolonialer Aktivitäten geworden war. Auch er selbst hatte Kontakte in revolutionäre Kreise.62 Zurück in Kalkutta engagierte er sich ab dem Jahr 1922 in leitender Funktion für die antikoloniale bengalische Jugendbewegung. Saha war

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neben Subhas Chandra Bose Kopräsident der Calcutta Young Bengal Association, die lose Verbindungen zur internationalen kommunistischen Bewegung hatte.63 Bald schon übernahm er eine Professur an der University of Allahabad. In den 1920er und 1930er Jahren schrieb er konsequent über die „neuen Wahrheiten“, die sich, wie er glaubte, beständig aus deutschen Laboratorien und Instituten ergaben. „Wir erleben gerade ein Augusteisches Zeitalter der naturwissenschaftlichen Neuentdeckungen“, schrieb er. Und als Präsident für die Fachbereiche Physik und Mathematik des Indian Science Congress merkte er an: „Röntgenstrahlen, Radioaktivität, Elektronentheorie, Quantentheorie der Strahlung und last but not least die Relativitätstheorie – alle zusammengenommen stellen sie eine Revolution des menschlichen Denkens dar.“64 Seine Zusammenschau beginnt mit der Entdeckung der Röntgenstrahlen durch Wilhelm Conrad Röntgen im Jahr 1895, mit einem Lobgesang auf deutsche Wissenschaftler, die, so Saha, vorgeführt hätten, dass „jenseits des bis 1894 angesammelten Wissens über naturwissenschaftliche Phänomene noch weite unerforschte Felder liegen“.65 Die deutsche Physik als Quelle radikal neuen Wissens zu entdecken und seine feste Absicht, sich diese Quelle zu erschließen, erlaubten es Saha letztlich auch, sich von britisch-kolonialen Institutionen und ihren Konventionen wissenschaftlicher Darstellungen zu distanzieren. Während des Ersten Weltkriegs und danach bedeutete deutsches Wissen für viele indische Gelehrte nicht nur eine Alternative zu dem, was aus den britisch-kolonialen Bildungseinrichtungen kam, sondern auch eine weiche Waffe, um den Rahmen des British Empire zu zerschlagen.

Deutsche Professoren für internationale Wissenschaft Satyendranath Bose wurde in Kalkutta als Sohn eines Eisenbahningenieurs geboren und war nur wenig älter als Meghnad Saha. Auch Bose studierte Mathematik und Theoretische Physik am University Science College. Zusammen mit Meghnad Saha übersetzte er Einsteins Aufsatz zur Allgemeinen Relativitätstheorie. Nach seiner Promotion in Kalkutta ging er nach Dhaka, wo er zu den Gründungsprofessoren der Universität Dhaka angehörte.66 Dort entwickelte er von seinem Schreibtisch aus ein neues statistisches Verfahren zur Berechnung der Verteilung von Photonen als Wellenpartikel über verschiedene Energiezustände. Seine Forschungsarbeiten über die Quantenstatistik der Photonen lieferte Einsichten in die neue Wahrscheinlichkeitswelt, die sich auf der Quantenebene eröffneten. Mehr noch, sie lieferten einen bedeutenden Beitrag zur Entstehung der post-aufklärerischen Weltsicht und zum Aufbau radikaler intellektueller Verbindungen, und zwar über die Grenzen des British Empire hinaus.

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Boses Forschungen trugen zum neuen probabilistischen und relativistischen Verständnis der Natur des Universums bei. Seinen Aufsatz über die Quantenstatistik der Photonen sandte er 1924 zur Begutachtung an Einstein, der die Relevanz und Tragweite darin sofort erkannte. Einstein übersetzte den Artikel ins Deutsche und ließ ihn unter Boses Namen in der Zeitschrift für Physik veröffentlichen (1924).67 In derselben Zeitschrift hatte Walther Nernst 1921 auch die Veröffentlichung von Sahas Aufsatz veranlasst. Und nun wurde einmal mehr ein indischer Wissenschaftler zu internationaler Anerkennung katapultiert, und zwar dank der Hebelkräfte der transnationalen Zusammenarbeit mit Deutschen. 1924 reiste Bose für einen einjährigen Forschungsaufenthalt nach Paris und verbrachte danach rund ein halbes Jahr in Berlin (1925 – 1926), um mit Einstein und den Physikern in dessen Umfeld zusammenzuarbeiten.68 Boses neues Verfahren wurde später unter dem Namen Bose-Einstein-Statistik bekannt und markierte einen Meilenstein auf dem Weg zum neuen Forschungsfeld der Quantenmechanik, das 1927 seine höchste Blüte erreichte. Einsteins Zusammenarbeit mit indischen Wissenschaftlern ging über die rein fachliche Ebene hinaus. Er nahm großen Anteil an der indischen Unabhängigkeitsbewegung. Anders als Walther Nernst, der als nationalistischer Repräsentant des deutschen Staates agierte, war Einstein eher in der Gegenkultur und der deutschen Linken zu Hause. Auf dem Ersten Kongress gegen koloniale Unterdrückung und Imperialismus im Februar 1927 in Brüssel hatte Einstein sogar den Ehrenvorsitz inne. Zwei persönliche Treffen mit Rabindranath Tagore im Jahr 1930, auf denen es um grundlegende philosophische Fragen der Erkenntnistheorie und Ethik ging, fanden vielfach Beachtung. Daneben pflegte Einstein auch einen intensiven Briefwechsel mit M. G. Gandhi, Jawaharlal Nehru und M. N. Roy.70 Deutsche Wissenschaftler, und in diesem Falle die Ikone der deutschen Physik, Albert Einstein, interagierten mit ihren indischen Dialogpartnern nicht immer aus der Position professoraler Überlegenheit heraus.71 Einsteins Kontakte mit indischen Physikern und Intellektuellen fanden vielmehr auf Augenhöhe, aus verschiedenen Perspektiven und deshalb manchmal sogar aus Untersicht statt. Die Vektoren, an denen entlang sich wissenschaftliche und soziale Beziehungen zwischen deutschen und indischen Denkern in den 1920er und 1930er Jahren miteinander verflochten, konnten in viele verschiedene Richtungen laufen. Im deutschen Kontext der Weltpolitik um die Jahrhundertwende war Wissenschaft ein Machtfaktor. Adolf von Harnack, Theologe, Wortführer des Kulturprotestantismus und Gründungspräsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, die die gleichnamigen führenden deutschen Forschungsinstitute auf dem Gebiet der Grundlagenforschung unter ihrem Dach vereinte,), dokumentierte den Wortlaut der offiziellen Verpflichtung und Amtseinweisung deutscher Professoren vor dem

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Ersten Weltkrieg: „Für Deutschland als Staat ist die Aufrechterhaltung seiner wissenschaftlichen Hegemonie ein ebenso großes Erfordernis wie die militärische Überlegenheit seiner Armee.“72 Die Wissenschaftshistorikerin Brigitte SchroederGudehus verortet die Kaiser-Wilhelm-Institute im Kontext einer rasant fortschreitenden „Arbeitsteilung“ in der europäischen Wissenschaft zur Jahrhundertwende.73 Es kam zu einer Professionalisierung von Forschungsfeldern, einer zunehmenden Spezialisierung der Wissenschaftler, einer breiten Vernetzung von Personalstrukturen sowie zur Entstehung von neuen industriellen Großlaboren.74 In diesem beweglichen Wissenschaftsumfeld organisierten sich Wissenschaftler um die produktivsten und renommiertesten Forscher ihres Fachs herum, aber sie akzeptierten damit auch, Teil einer nationalistischen Wissenschaftsgemeinde zu sein und notgedrungen enge Verbindungen zu staatlichen Planern und der Industrie aufzubauen. Das Ideal der Wissenschaftsorganisation im Deutschen Kaiserreich entsprach keineswegs dem organischen Modell eines Zentralhirns, das die Bewegungen der verschiedenen Gliedmaßen steuert, sondern es glich eher dem Modell eines dezentralisierten nationalen Nervensystems, das von verschiedenen Stellen aus auf ein gemeinsames Ziel hinwirkte. Walther Nernst war Ordentliches Mitglied der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften und erhielt 1913 den Ehrentitel eines Geheimrats. Nernst gehörte zu den Unterzeichnern des „Manifests der 93“ ( „An die Kulturwelt!“) vom 4. Oktober 1914 – ein Lobgesang auf die deutschen Kriegsanstrengungen, unterzeichnet von führenden deutschen Intellektuellen, darunter Max Planck, Fritz Haber, Wilhelm Wien und Adolf von Harnack.75 Nernst stand an der Spitze der Berliner Wissenschaft und war maßgeblich daran beteiligt, Einstein im Jahr 1914 als Forschungsprofessor nach Berlin zu holen.76 Im akademischen Jahr 1920/1921 war Nernst Rektor der Berliner Universität, zur gleichen Zeit, als Saha nach Berlin kam, um bei Nernst im Labor zu arbeiten. Sahas Entscheidung, London zu verlassen, um in Nernsts prominentem Labor zu arbeiten, war auf der internationalen Bühne der Physik nach Versailles geradezu spektakulär. Und in gleichem Maße politisch war Nernsts Entscheidung, Meghnad Saha sowie weitere vierzehn Inder in seinen Forscherkreis aufzunehmen. Tatsächlich schrieb Nernst 1920 an Saha, er wolle „ihn und seine indischen Kollegen in seinen Laboratorien sehen, da der letzte Schlag gegen das British Empire aus Indien kommen wird“.77 Nernst verstand sich als internationaler Vertreter der deutschen Wissenschaft, betraut mit der Schaffung eines alternativen Weltzentrums für antikoloniale Wissenschaftler aus den britischen Kolonien. Bereits 1913 wurde Dhirendranath Chakravarty, einer seiner indischen Doktoranden, in Berlin promoviert.78 In den Vorkriegsjahren nur ein Randthema, wurde die deutsche transnationale Unterstützung für indische Nationalisten nach 1919 zur erklärten Wissen-

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schaftspolitik. Die sich wandelnde deutsche Wissenschaftspolitik gegenüber der britisch-kolonialen Welt lässt eine grundlegende Veränderung in den politischen Rahmenbedingungen für wissenschaftliche Forschung zwischen Deutschem Kaiserreich und Weimarer Republik erkennen. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg war die Physik eng verbunden mit dem Aufbau militärischen und industriellen Potentials – und mit der Anhäufung von Macht. Arnold Sommerfelds Herangehen an die „Probleme der modernen Physik“, wie der Physikprofessor Suman Seth es heute nennt, brachte die Funktelegraphie, die Drahtloskommunikation sowie Forschungen im Bereich ballistischer Kreiselbewegung stark voran – allesamt nützliche Technologien für die Kriegsplanung.79 Gleichzeitig stieß der Chemiker und als „Vater des Gaskriegs“ bekannt gewordene Fritz Haber Forschungen an, um effektivere Mittel zur chemischen Kriegsführung mit Giftgas sowie zur Verbesserung der Agrarproduktivität im Kontext der Wirtschaftsblockade zu entwickeln.80 Der deutsch-jüdische Quantenphysiker Max Born, der in den 1930er Jahren aus Nazi-Deutschland floh, spielte während des Ersten Weltkriegs ebenfalls eine wichtige Rolle in der Kriegsforschung, woran sich manche seiner Feinde unter den Engländern noch erinnerten, als er sich nach 1933 zunächst in Großbritannien niederließ.81 Und auch das Nernstsche Institut hatte sich unter anderem auf die Fahne geschrieben, wenn auch nur indirekt, zur Wissenschaft der „Kriegsführung mit Gaswaffen, Sprengstoffen und ballistischen Kampfgeräten“ beizutragen.82 Wie der US-amerikanische Wissenschaftshistoriker Paul Forman darlegt, veränderte sich die Rolle der führenden deutschen Wissenschaftler nach dem Ersten Weltkrieg. Wissenschaft wurde zum „Machtersatz“ – zu einem Instrument, um mit geistigem Prestige und intellektueller Autorität zu ersetzen, was durch die katastrophale Kriegsniederlage verlorengegangen war – die politische und militärische Machtstellung in der Welt.83 Vor dem Ersten Weltkrieg, so Forman, verstanden sich deutsche Wissenschaftler als „antipolitisch“ und höchstens „passiv“ beim Streben nach internationalem Prestige. Zwar dienten sie ihrer Funktion gemäß den nationalen Interessen ihres Landes, fühlten sich aber in erster Linie der strengen Ausübung ihrer wissenschaftlichen Disziplin verpflichtet. 84 Doch das Blatt wendete sich: Während und nach dem Ersten Krieg wurden deutsche Wissenschaftler zu selbsternannten Führern des nationalen Aufschwungs, „begriffen ihre politische Rolle nicht länger als eine der Passivität, sondern sahen sich vielmehr als Akteure … der außenpolitischen Interessen ihrer Nation“.85 Wissenschaft – vor 1914 ein „Passivposten“ – wandelte sich zum neuen politischen „Aktivposten“, um Deutschlands Ansehen in der Welt hochzuhalten.86 In der Zeit von 1919 bis 1933 regten deutsche Wissenschaftler eine neue Kulturpolitik an, um die politische Position Deutschlands auf dem internationalen Parkett zu verbessern. Bereits am 14. November 1918, drei Tage nach Unter-

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zeichnung des Waffenstillstands von Compiègne, sprach Max Planck vor einer Plenarversammlung der Preußischen Akademie der Wissenschaften: „Wenn die Feinde unserem Vaterland Wehr und Macht genommen haben … eins (zumindest hat) uns kein innerer und äußerer Feind genommen: das ist die Stellung, welche die deutsche Wissenschaft in der Welt einnimmt (…).“87 Damit wurde eine Politik fortgesetzt, die Leute wie Karl Lamprecht, Carl Becker, Friedrich Naumann und Paul Dehn schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts etabliert hatten. So schrieb etwa Lamprecht 1912, dass Deutschland in der internationalen Kulturpolitik brillieren und im weltweiten Aufbau von Bildungseinrichtungen an Franzosen, Amerikaner und Briten vorbeiziehen müsse, um mit seiner geopolitischen Mission erfolgreich zu sein.88 Nach 1918 schlugen deutsche Wissenschaftler auf der kulturpolitischen Klaviatur sehr deutlich lautere, heilverkündende Töne an. Der nach dem Krieg 1919 gegründete Internationale Forschungsrat des Völkerbundes verhängte, unter der Leitung von französischen Wissenschaftlern, zwischen 1919 und 1924 einen offiziellen Boykott gegen deutsche Forscher. Im Jahr 1922 waren deutschsprachige Wissenschaftler von 86 der 135 internationalen Kongresse ausgeschlossen, und noch im Jahre 1925 von 34 der 68 internationalen Kongresse. Dass Deutschland sich in den 1920er Jahren trotz des Boykotts der Vereinten Nationen als ein geopolitisches Weltzentrum behaupten konnte, war dem Fach Physik zu verdanken. Für deutsche Physiker, insbesondere in der Dekade nach dem Krieg, waren internationale Verbindungen im Interesse der kollaborativen Physikforschung eine wichtige Gelegenheit, um zum einen der Schmach der Kriegsniederlage entgegenzuwirken, zum anderen aber auch der fortgesetzten politischen und wissenschaftlichen Isolation, die erst 1926 mit der Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund endete. In den 1920er Jahren trieb Fritz Haber die Pflege und den Ausbau der internationalen Beziehungen an den Kaiser-Wilhelm-Instituten in Berlin maßgeblich voran, insbesondere zu Studenten aus den USA, der Türkei und Japan, so wie Walther Nernst enge Beziehungen zu indischen Studenten pflegte.90 „Wir wissen ganz genau“, so Haber, „dass wir den Krieg verloren haben und politisch wie wirtschaftlich nicht mehr am Vorstandstisch der Welt sitzen. Wissenschaftlich jedoch sind wir immer noch zu jenen Völkern zu zählen, die den Anspruch haben, zu den führenden Nationen gerechnet zu werden …“.91 Aus demselben Ethos des anti-isolationistischen Internationalismus heraus gründete eine Gruppe führender Gelehrter (darunter Albert Einstein, Fritz Haber, Max Planck sowie der Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, der schon erwähnte Theologe Adolf von Harnack) 1923 ein Komitee, das eigens den Zweck verfolgte, Kontakte zwischen deutschen und sowjetischen Wissenschaftlern zu fördern.92 Deutsche Wissenschaftler fanden also „auf anderem Wege“ Strategien der Geistespolitik, um die Isolation durch den Internationalen Forschungsrat zu umgehen.

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Die Nachwirkungen der Großmacht-Rivalität zwischen Großbritannien, Frankreich und Deutschland sowie der deutsche Rückgriff auf eine nationale Wissenschaftspolitik, die im Hinblick auf den internationalen Boykott durch den Völkerbund auf diesem Gebiet – und darüber hinaus – wie eine Erlösung wirkte, schufen einen transnationalen Kanal für Sahas schicksalhaften und sehr fruchtbaren Aufenthalt in Berlin. Bei einem „Indischen Nationalabend“ im noblen Hotel Bristol Unter den Linden am 17. Januar 1926 versammelten sich die Direktoren der Kaiser-Wilhelm-Institute sowie Mitglieder der Preußischen Akademie, um ihre Unterstützung für die indisch-nationalistische Sache zu demonstrieren. Zugegen waren Fritz Haber (Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Chemie), Hermann Thoms (Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Pharmazie), drei Mitglieder der Medizinischen Fakultät, der Dekan der Fakultät für Maschinenbau der Universität Berlin, verschiedene Professoren der Technischen Universität sowie ein Vertreter des für Hochschulen zuständigen preußischen Kultusministeriums. Für indischnationalistische Gelehrte erfüllten die deutschen Wissenschaftler quasi die Funktion von inoffiziellen Diplomaten.93 In einem offiziellen Bericht von 1926 für das Deutsche Außenministerium, erstellt von den Mitgliedern der Preußischen Akademie der Wissenschaften, heißt es nachdrücklich: „Die deutschen Bildungsanstalten sind vom Nutzen und der Notwendigkeit der internationalen Wissenschaft überzeugt. Dies war immer so und wird auch immer so sein. Der Fortschritt der Wissenschaft ist abhängig vom Werken und Wirken einer relativ kleinen Gruppe unabhängiger Intellektueller … .“94 Das Streben nach Wissen ist demnach universell und deshalb auch deutsch. Ein interner Bericht der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft vom August 1926 mit dem Titel „Gedanken zu der Frage des Ausländerstudiums in Deutschland“ forderte, den Kaiser-Wilhelm-Instituten weit mehr Aufgaben bei der internationalen Wissenschaftspflege zu übertragen und insbesondere Wissenschaftler von außerhalb Europas einzuladen. Und abermals bot die Physik den Deutschen eine Bühne, (wissenschaftlichen) Internationalismus im Kontext westeuropäischer Boykottmaßnahmen aktiv zu gestalten. Mit Gästen aus den Vereinigten Staaten, aus Osteuropa und Asien führten sie allen vor Augen, dass sie de facto nicht isoliert in der Welt waren, auch wenn sie formell nach wie vor als gens non grata galten. Die Anstrengungen auf dem Gebiet des wissenschaftlichen Internationalismus zeigten eine messbare Wirkung. 1931 kamen 242 internationale Wissenschaftler an die Kaiser-Wilhelm-Institute in Dahlem, 1932 waren es 230.95 In den 1920er Jahren reisten auch deutsche Wissenschaftler als Kulturbotschafter ihres Landes in die Welt. Auf seiner Weltreise, die ihn unter anderem nach China, Japan und in die USA führte, besuchte der Münchner Physiker Arnold Sommerfeld 1928 auch Indien.96 Und auch der Quantenphysiker Werner Heisenberg schloss seine

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Weltreise nach Stationen in den USA, in Japan und China im Jahr 1929 in Indien ab. Beide Männer reisten aber nicht einfach nur als Wissenschaftler, sondern auch als Vertreter der deutschen Kulturpolitik.97 1930 übernahm Max Planck als Präsident die Leitung der Kaiser-WilhelmGesellschaft und mithin die inoffizielle diplomatische Funktion eines internationalen Repräsentanten der deutschen Wissenschaft. Daneben hatte er als „Beständiger Sekretär der Preußischen Akademie der Wissenschaften“ bereits seit 1912 eine weitere wichtige Funktion inne.98 Im Auftrag des Außenministeriums, das ständig in die inneren Abläufe der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft eingebunden war, übermittelte Planck seine verbindliche Zusage zur nachhaltigen Unterstützung des neuen restrukturierten Indian Institute of Science in Bangalore. „Wir nehmen mit Freude das besondere Interesse an den Aktivitäten der [Kaiser-Wilhelm‐]Institute zur Kenntnis“, schrieb Planck an den neuen Institutsdirektor C. V. Raman. „Grundsätzlich legen wir großen Wert auf die Zusammenarbeit mit indischen Forschungsgruppen. Im Harnack-Haus sind etliche indische Wissenschaftler der Einladung des Instituts bereits gefolgt.“99

Ein prekäres Jahrzehnt Mit der Einführung rassischer Beschränkungen im Staatsdienst am 7. April 1933 änderte sich der Wissenschaftsbetrieb in den Kaiser-Wilhelm-Instituten drastisch. Die Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten hatte zur Folge, dass die Wissenschaftspflege regelrecht verkümmerte: 1933 und 1934 wurden 22 Forscher aus leitenden Positionen entfernt mit der Begründung, sie seien „nicht-arisch“.100 Auch Albert Einstein, bis 1933 Wissenschaftliches Mitglied der Kaiser-WilhelmGesellschaft, musste flüchten und ging als Physikprofessor an die Princeton University. Fritz Haber emigrierte 1933 nach Großbritannien und Max Born, damals in Göttingen, wurde aus seiner Professur entlassen und floh ebenfalls nach Großbritannien. Die Zahl der ausländischen Gäste an den Kaiser-Wilhelm-Instituten ging nach 1933 dramatisch zurück. Die einschneidenden Veränderungen im deutschsprachigen Europa vollzogen sich im Kontext revolutionärer technologischer Entwicklungen.101 In der Zwischenkriegszeit kam es verstärkt zu einer intensiven Erforschung der Eigenschaften und Nutzungsmöglichkeiten natürlich vorkommender Energieformen. Wissenschaftler und Staaten wetteiferten untereinander darum, nicht nur die bereits bekannten Energieformen des 19. Jahrhunderts (die kinetische, elektromagnetische und thermodynamische Energie) zu beherrschen, sondern ebenso die neu entdeckte „futuristische“ Energie, die durch Kernspaltung freigesetzt wurde. Auf die Geburt der Quantenphysik in den 1920er Jahren folgte mit Beginn

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der 1930er Jahre die Geburt der Kernphysik. Wie wichtig und nutzbringend sie mit ihrer Wissenschaft waren, stellten Physiker in den „glücklichen dreißiger Jahren“, wie der deutsch-amerikanische Nobelpreisträger für Physik Hans Bethe sie einmal nannte, unter Beweis: Neben zahlreichen industriellen Anwendungsbereichen zeigten sie im Weiteren auf, wie sie durch wissenschaftliche Neuerungen sogar die politische Weltordnung zu ändern vermochten, indem sie nämlich Kernenergie für medizinische Geräte, städtebauliche Planungen und, am allerwichtigsten, für militärische Projekte nutzbar machten.102 In diesen sich langsam verfinsternden „glücklichen Jahren“ der Kernphysik – im Vorfeld der systematisch einsetzenden Massenmorde an europäischen Juden ab den 1940er Jahren bis zum Abwurf der Atombombe über Hiroshima 1945 – spielten emigrierte deutsche Wissenschaftler auf vielen Konferenzen eine führende Rolle. Versammlungen, die außerhalb des Reichsgebiets stattfanden, aber dennoch in seiner Nähe. Internationale Fachkonferenzen, wie zum Beispiel die Rom-Konferenz 1931 (organisiert vom italienischen Kernphysiker und späteren Nobelpreisträger Enrico Fermi), die Siebte Solvay-Konferenz in Brüssel 1933, die Physiker-Konferenz in London 1934 sowie die berühmte Kopenhagener Konferenz 1937, einberufen von Niels Bohr, legten Standards, Methoden und Ansätze fest, die dann 1938 zur Entdeckung der Kernspaltung beitrugen.103 Meghnad Saha kehrte 1927 und noch einmal 1936 in das deutschsprachige Europa zurück: 1927 nahm er an der großen internationalen Physikertagung zu Ehren von Alessandro Volta in Como sowie anderen Gedenkveranstaltungen zu seinem hundertsten Todestag in Frankreich und Großbritannien104 teil, 1936 reiste er zusammen mit C. V. Raman nach Kopenhagen, um der von Niels Bohr einberufenen Kopenhagener Physikerkonferenz über Atomkernspaltung beizuwohnen. Von zahlreichen Diskussionen inspiriert, entschloss sich Saha bei seiner Rückkehr nach Kalkutta, dort ein Zyklotron zur Grundlagenforschung der Kernphysik zu bauen.105 Hier wird deutlich, dass es die internationale Bühne der Wissenschaft Saha erlaubte, mit seinem Denken und Handeln dem vorherrschenden britischimperialen System der Wissenschaftsorganisation entgegenzuwirken. Unterdessen mischten sich Außenministerium und Wissenschaftsministerium zunehmend in das Tagesgeschäft der Kaiser-Wilhelm-Institute ein. Nach 1933 wurde deutschstämmigen Wissenschaftlern bei NS-Projekten zum Aufbau des nationalen wissenschaftlichen Prestiges des Deutschen Reiches der Vorzug gegeben.106 Am Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik traf 1937 ein Schreiben des Wissenschaftsministeriums ein mit der Anweisung, die beiden Kernphysiker Arnold Sommerfeld und Wolfgang Botheals Vertreter der deutschen Wissenschaft zum Jubiläum der Indian Science Congress Association im Januar 1938 nach Kalkutta zu entsenden.107 In dieser Zeit begannen Max Planck und Max von Laue – beide Nobelpreisträger und beide von Stellen der Reichsverwaltung zunehmend diffa-

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miert – ihre „innere Emigration“ und zogen sich immer mehr aus dem öffentlichen Leben zurück.108 In seinen letzten Lebensjahren wurde Planck zu einem „Wanderprediger“ über Themen der Wissenschaft und Religion und streute in seine Vorträge immer wieder unterschwellige Kritik am Dritten Reich ein.109 Deutschland unter dem nationalsozialistischen Regime war für Inder kaum mehr ein Ort für wissenschaftliche Aktivitäten, nurmehr ein Ort, an den sich große indische Forscher mit Nostalgie erinnerten. Für Saha – wie für viele andere indische Intellektuelle auch – war die große Zeit der deutschen Wissenschaft verbunden mit dem Deutschen Kaiserreich und der Weimarer Zeit, doch mit dem zunehmend erstarkenden nationalsozialistischen Regime rückte die Erinnerung an jenes alte Deutschland in immer weitere Ferne. Die Dissonanz zwischen dem Ideal der deutschen Wissenschaft und der nationalsozialistischen Wirklichkeit bewog Saha, sein Augenmerk vom deutschsprachigen Europa wegzulenken und sich andernorts umzusehen, so dass er in den 1930er Jahren begann, sich mehr und mehr für Kontakte in die USA und die Sowjetunion zu interessieren.

Internationalismus und indische „Großforschung“ Nach Sahas Überzeugung war die britisch-koloniale Wissenschaftspolitik unzureichend. Die britischen Kolonialverwalter, so erklärte er, „ließen durch nichts erkennen, dass sie von den in führenden europäischen Laboratorien gewonnenen Erkenntnissen profitiert haben“.110 Saha war daran gelegen, dass indische Wissenschaftler auf höchstem, international anerkanntem Niveau praktizierten und die Wissenschaft vorantrieben, und dazu war für jeden eine internationale Studienerfahrung unabdingbar. In einem Arbeitsplan zur Entwicklung eines indischen Radiosenders schlug Saha vor, eine Gruppe von sechs Wissenschaftlern ins Ausland zu entsenden, „zur fachtechnischen Ausbildung in Fabriken und Werkstätten … mit dem Ziel, sie für künftige Führungspositionen zu schulen“.111 Ab den 1930er bis in die 1950er Jahre hinein formulierte und verfocht Saha ein autonom indisches wissenschaftliches Planungsprogramm, das sich sehr stark darauf bezog, Kompetenz und Know-how nach Indien zu holen sowie internationale Erfahrungen zugunsten eigener, nationaler Projekte zu sammeln. Saha suchte international nach Modellen für eine rasante wissenschaftliche Entwicklung. Anfangs war Deutschland das Hauptmodell, doch ab Mitte der 1930er Jahre wurden die USA und die Sowjetunion immer wichtiger. Die politischen Probleme der Wissenschaftsorganisation beschäftigten Saha damals in zunehmendem Maße, da er vom aktiven Forscher nun zum aktiven Bildungsplaner wurde. 1934 gründete er die Zeitschrift Science and Culture und half beim Aufbau mehrerer wissenschaftlicher Einrichtungen und Organisationen wie dem

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National Institute of Science in Allahabad (1935). Er war Direktor der Association for the Cultivation of Science und Präsident des Indian Science Congress. Ab 1938 begann Saha damit, ein nationales Planungskomitee einzurichten, das Indian National Planning Committee, in dem er fortan ein wichtiges Mitglied war. In den 1930er Jahren, als der Niedergang des britisch-liberalen Empire in Indien allseits deutlich spürbar schien, trat Saha in Indien als führender Kopf der Großforschung (Big Science) und staatlichen Planung auf. Nach der KernphysikKonferenz 1936 in Kopenhagen (einberufen von Niels Bohr) und vor seiner Forschungsreise durch die Vereinigten Staaten wurde Saha zu einem der wichtigsten Befürworter der Kernforschung in Indien. Und damit stand er nicht allein. Homi Bhabha, ein brillanter Physiker parsischer Abstammung aus Bombay, der in den 1930er Jahren nach seiner Promotion in Cambridge nach Kopenhagen kam und in Bohrs „engstem Zirkel“ arbeitete, nahm ebenfalls an besagter Konferenz teil.112 Beide, sowohl Saha als auch Bhabha, spielten in der ersten Zeit die wohl wichtigste Rolle für die Entwicklung der Kernphysik in Indien. In einem jahrzehntelangen Projekt, das nur stockend voranschritt und ohne Unterstützung seitens des Kolonialstaats auskam, sammelte Saha Gelder für den Bau eines Zyklotrons zur Kernforschung in Kalkutta.113 Für die Transportabwicklung der Materialien aus den USA zum Bau des Zyklotrons war Meghanad Sahas Student B. D. Nag verantwortlich, der 1938 in Berkeley studiert hatte. Bereits 1940 trafen erste Materiallieferungen ein, und es wurden Ankäufe in Höhe von 16 000 US-Dollar getätigt. Die problematische Beschaffung von Ersatzteilen aus den großen Labors in den USA sowie die Tatsache, dass Bombay in den Jahren nach der indischen Unabhängigkeit zum nationalen Zentrum für Kernphysikforschung aufstieg, verzögerten die Realisierung von Sahas ambitionierten Plänen.114 Das nach ihm benannte Saha Institute of Nuclear Physics eröffnete er 1949 in Kalkutta, mit großer Unterstützung der unabhängigen indischen Regierung. Dass Saha im großen Flussgebiet in Ostbengalen aufgewachsen war, spielte wohl eine wichtige Rolle für die Ausprägung seiner wissenschaftlichen Vorstellungsgabe: So erkannte er nicht nur Indiens wachsenden Bedarf an Kernkraftund Wasserkraftanlagen (ausgelöst durch den enorm gesteigerten Energiebedarf im und nach dem Zweiten Weltkrieg), sondern auch die Notwendigkeit, etwas für die Hochwasserkontrolle und die Entschlammung der Fließgewässer in Westbengalen zu tun. Bereits nach der großen Flut in Nordbengalen im Jahr 1923 brachte Saha seine viel gefragte Expertise in alle Belange rund um die Themen „Flussregulierung“ und „Bewässerungsmanagement“ ein. 1933 forderte er ein landeseigenes Forschungslabor für Wasserbau und Hydrologie nach dem Vorbild der berühmten Forschungslaboratorien für Hydrotechnik in Mitteleuropa und in Deutschland, wie zum Beispiel dem „Wasserbaulaboratorium“ in Berlin Charlottenburg oder dem „Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie“ in Wien.115

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Pionier auf diesem Gebiet, wie in vielen anderen Bereichen auch, war Deutschland: „Deutschland war der Vorreiter im Aufbau eigener Laboratorien, in denen exzellent ausgebildete Experten und Wissenschaftler enorme Anstrengungen unternahmen, den wasserwirtschaftlichen Ausbau der Binnenwasserstraßen zu verbessern.“116 Doch nicht nur deutsche und österreichische Wasserbau-Institute hielt Saha für nachahmenswerte Modelle. Um das Problem der Verschlammung des Hugli in den Griff zu bekommen, drängte er 1938 auf wissenschaftliche Planung und Projektierung eines indischen Dammprojekts. Vorbilder hierzu fand er vor allem in den USA, umso mehr, als die Regierung auch dort mit „radikalen Maßnahmen“ (zum Hochwasser- und Überflutungsschutz) eingegriffen hatte, insbesondere nach der großen Flut von 1913 in Ohio.117 So wurde 1943 das großangelegte Projekt der Damodar Staudämme, an dem Saha ebenfalls maßgeblich beteiligt war, nach dem Konzept der Tennessee Valley Authority konstruiert.118 Der Hirakud-Staudamm in Orissa und der Bhakra-Staudamm im Pandschab folgten dem Damodar Valley Project. Ab den 1930er bis in die 1950er Jahre suchte Saha ein wissenschaftliches Forschungssystem zu etablieren, das strukturierter und regional weiter verteilt war und außerdem vornehmlich in Universitäten und nicht in direkt vom Staat verwalteten Instituten angesiedelt war. Das Modell erinnerte an das Ideal der Wissenschaftsorganisation im Kaiserreich. Zudem strebte Saha nach technologischer Unabhängigkeit für sein Land, damit Indien über eine eigene Ausrüstung und eigene Institutionen für die physikalische Grundlagenforschung verfügte. Saha wollte von der Kompetenz und Expertise ausländischer Ingenieure gerne lernen, aber von ihnen abhängig werden wollte er nicht. Indien, so sagte er, müsse zu einem eigenständigen Wissens- und Technologiestandort werden, nicht bloß Empfänger importierter Expertise aus dem Ausland. Die indische Industrie, so Saha weiter, dürfe sich nicht und niemals in träger Selbstzufriedenheit von ausländischen Experten abhängig machen. Falls doch, würde Indien niemals „technische Autonomie“ entwickeln. Als Saha vor dem indischen Parlament über das Rourkela-Stahlwerk sprach, das in den 1950er Jahren mit fachlicher Hilfe und nach Plänen deutscher Ingenieure entstand, erklärte er: „Es ist meines Erachtens wünschenswert, eine Reihe vielversprechender und fähiger Inder als Hilfsarbeiter dieser Deutschen zu engagieren, und zwar in jeder Projektphase, damit wir das nächste Millionen Tonnen Rohstahl produzierende Großbauprojekt von Planung bis Fertigstellung komplett mit eigenen Männern abwickeln können und nicht länger auf ausländische Fachkräfte angewiesen sind.“119 Saha forderte die Schaffung einer autonomen indischen Wissenschaft, damit Inder am Ende in der Lage waren, sämtlichen industriellen Erfordernissen in ihrem Land mit eigenen Fachkenntnissen und hochentwickelten Techniken nachzukommen. Doch auch wenn Saha für die langfristige technische Autonomie des postkolonialen indi-

Indisch-deutsche Kollegen: C. V. Raman und Max Born

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schen Nationalstaats plädierte, lag ihm nichts ferner als die kategorische Ablehnung internationaler Verflechtungen. Er forderte vielmehr eine strategischere Nutzung internationaler Wissensallianzen zugunsten indisch-nationalistischer Projekte.

Indisch-deutsche Kollegen: C. V. Raman und Max Born C. V. Raman war nach Rabindranath Tagore der zweite Nobelpreisträger aus Indien. Geboren wurde er 1888 in einem kleinen Dorf im Distrikt Thanjavur (Tanjore) in Südindien. Nach seinem Abschluss am Presidency College in Madras trat er eine Beamtenstelle am Indian Finance Department in Kalkutta an, wo er von 1907 bis 1917 arbeitete. Während dieser Zeit suchte er nach Möglichkeiten, seine wissenschaftlichen Forschungen fortzusetzen und lernte J. C. Bose kennen, der ihn zutiefst inspirierte. Für das führende englischsprachige Wissenschaftsmagazin Nature verfasste er bereits 1907 etliche Artikel und kleinere Beiträge über seine Experimente. Durch intensive Beobachtungen von Naturphänomenen suchte er Strukturen und Eigenschaften aufzudecken, die zuvor unsichtbar schienen. Insbesondere speziell „indische“ Dinge und Phänomene, die in seiner Umgebung in Kalkutta auftraten, weckten seinen Forscherdrang. In frühen Studien befasste er sich mit dem heulenden, flackernden „Wolfton“, der auf Streichinstrumenten entstehen kann, den Farben des Mikanit (der Glimmererde, deren weltweit größte Vorkommen im Gebiet östlich von Bengalen zu finden sind), der blauen Farbe des Meerwassers, den Schwingungen von Tabla (einer traditionellen Zwillingshandtrommel) und Vina (einem altindischen Zupfinstrument) sowie mit der physikalischen Natur von Vokalklängen. In Anbetracht seiner vielseitigen Talente erteilte ihm Asutosh Mukherjee 1917 einen Ruf auf die neu geschaffene Physikprofessur (Palit Chair) am University Science College in Kalkutta. Dort konnte er sich, frei von Lehrverpflichtungen, ganz seinen Forschungen zur Lichtspektroskopie widmen. Durch seine eingehenden Beobachtungen fiel ihm ein Streueffekt auf, der später seinen Namen tragen sollte (Raman-Streuung). Er bemerkte fehlende Spektralbänder im Streumuster des Lichts, sobald es mit verschiedenen Flüssigkeiten wechselwirkte. Indem er den „Raman-Effekt“ in der spektralen Signatur einzelner Substanzen identifizierte, erkannte er, dass das Muster dieser fehlenden Bänder die molekulare Struktur dieser Substanzen beschrieb. Schnell wurde Raman zu einem indischen Kulturdiplomaten, einem Vertreter der Wissenschaft auf der internationalen Bühne. 1921 begab er sich auf eine Reise durch Europa und nach England. Darüber hinaus besuchte er die University of Toronto und das California Institute of Technology.120 1925 wurde er als Vertreter

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Indiens zur Zweihundertjahrfeier der Russischen Akademie der Wissenschaften geladen. 1927 erreichte seine Publikationsaktivität in Nature und anderen internationalen Fachzeitschriften mit der Beschreibung seiner Forschungsergebnisse zur Brechung von Röntgenstrahlen bei verschiedenen Substanzen einen Höhepunkt.1928 wurde er nicht nur vom britischen König zum Ritter geschlagen, sondern erhielt auch die Matteucci-Medaille der Italienischen Akademie der Wissenschaften (Accademia Nazionale delle Scienze) sowie die Ehrendoktorwürde der Universität Freiburg. 1929 wurde er mit der Hughes-Medaille der Royal Society of London ausgezeichnet.121 In den 1920er Jahren, als er sich intensiv dem Studium der Lichtspektren von Flüssigkeiten widmete, veröffentlichte Raman in Nature einen Artikel nach dem anderen, zwischen 1928 und 1929 allein sieben Artikel über den Raman-Effekt.122 1929 erschienen eben dort gleich fünfundzwanzig Artikel von britischen, russischen, deutschen, italienischen, holländischen, amerikanischen und japanischen Wissenschaftlern, die das Thema aufgriffen und ihrerseits über Beobachtungen des Raman-Effekts berichteten, darunter auch ein viel beachteter Beitrag von Ernst Rutherford.123 Weitere fünfundzwanzig Artikel über den Raman-Effekt folgten 1930. Die Entdeckung des Raman-Effekts war damals eine der am meisten gefeierten wissenschaftlichen Entdeckungen, zumal eine, die die neue Quantenwellentheorie des Atoms durch beobachtungsbasierte Befunde experimentell zu bestätigen verhieß. Für seine Arbeiten zur Spektroskopie erhielt Raman 1930 den Nobelpreis für Physik und avancierte damit zum wissenschaftlichen Superstar: Die New York Times brachte einen Artikel über „Indiens große Wissenschaftler – Vorreiter einer Renaissance“, der Raman als leuchtendes Beispiel hervorhob.124 1930 unternahm Raman eine Reise nach Deutschland, wo er das Zeiss-Planetarium in Jena und das Deutsche Museum in München mit seiner Sammlung von wissenschaftlichen Instrumenten besuchte.125 Im gleichen Jahr wurde Raman zusammen mit sieben weiteren Wissenschaftlern aus China, Indien, Japan und der Türkei Mitglied im internationalen Gremium der Deutschen Akademie, Deutschlands wichtigster Vereinigung zur Erforschung und Förderung der deutschen Kultur und Sprache.126 Bis 1933 war Raman Professor an der University of Calcutta und Mitglied der Indian Association for the Cultivation of Science. 1934 folgte er einem Ruf als stellvertretender Direktor an das Indian Institute of Science (IIS) in Bangalore, das er zu einem Zentrum für Grundlagenforschung nach dem Vorbild der deutschen Kaiser-Wilhelm-Institute machte. Gegründet wurde das IIS (inoffiziell auch „TataInstitute“) zu britischen Kolonialzeiten 1909 auf Anregung und mit Mitteln des indischen Industriellen Jamshedji Tata, nachdem einer seiner Sekretäre, B. J. Padsha, von einer Studienreise durch die Wissenschaftsinstitute in Deutschland und anderen europäischen Ländern wieder nach Indien zurückgekehrt war.127 Seit

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1930 hatte das IIS immer wieder versucht, deutsche Physiker für kurz- oder langfristig angelegte Stellen vor Ort zu gewinnen. Der deutsche Konsul in Colombo, der 1930 einer offiziellen Einladung an das Institut gefolgt war, schrieb danach an das deutsche Außenministerium und an Max Planck: „Am berühmten Indian Institute of Science in Bangalore wurde ich sehr herzlich empfangen. Es ist nach dem Vorbild der Kaiser-Wilhelm-Institute aufgebaut und verfügt über eine talentierte Gruppe von Wissenschaftlern. Das Institut möchte gerne enge Beziehungen mit der deutschen Wissenschaft pflegen und müht sich, bislang vergeblich, einige seiner freien Stellen mit deutschen Wissenschaftlern zu besetzen.“128 So wie die Kaiser-Wilhelm-Institute einst gegründet wurden, um herausragenden Wissenschaftlern die Möglichkeit zur Spitzenforschung zu geben, so zog auch Raman sich nun eine Gruppe junger Studenten heran, welche die Forschungen auf dem Gebiet der Lichtspektroskopie fortführen und den Raman-Effekt an verschiedenen neuen Substanzen untersuchen sollten. Raman widersprach der Auffassung, wonach die indische Wissenschaft einzig die konkreten Probleme der indischen Industrie lösen solle, die etwa bei der künstlichen Herstellung von Färbemitteln, der Erfindung von Maschinerien oder der Entwicklung von Technologien für Kommunikation und Transport auftraten. Mit dieser theorieorientierten Ansicht unterschied er sich stark von Meghnad Saha, dessen anwendungsbezogene Vorschläge und Forschungen sich auf Bewässerungs- und Flussmanagementstrategien bezogen, auf geodätische Vermessungen, auf neue Kommunikationstechnologien und auf Kernenergie. Raman hingegen war, wie er selbst einmal sagte, am glücklichsten in seinem Labor, wo er detaillierte Beobachtungen machen und Wissenschaft um der Wissenschaft willen betreiben konnte. Gleichwohl spielten die Belange der internationalen Politik sowie der Wunsch, indisch-nationale Wissenschaftseinrichtungen in den Mittelpunkt der Weltordnung zu rücken, in all seinen Arbeiten eine prominente Rolle. Damit die indische Wissenschaft in der Welt sichtbar werde, so Ramans feste Überzeugung, müsse sie wichtige Beiträge auf dem Gebiet der reinen Wissenschaft liefern. Es könne nicht sein, so Raman weiter, dass theoretische Innovationen den technischen Erfordernissen der nationalen Entwicklung untergeordnet werden. Um seinem Standpunkt Nachdruck zu verleihen, lud er einige theoretische Physiker aus Deutschland nach Bangalore ein, die ihn dabei unterstützen sollten, das Institut stärker auf die Grundlagenforschung hin auszurichten. Zweien dieser Physiker, Max Born und Erwin Schrödinger, bot er direkt eine Gastprofessur an.129 Auch die Deutsche Akademie in München, deren Mitglied er war, schrieb er an, sie möge ihm bitte entsprechende deutsche Professoren der Ingenieurwissenschaften nennen.130 Dabei erwähnte er ausdrücklich, dass er an „nicht-englischen“ Gelehrten interessiert sei. Schrödinger antwortete, dass er

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nicht „Orientalist“ genug sei, um sich in Indien wohlzufühlen und sich im „Land der Upanishaden“ einzuleben.131 Lediglich ein Gelehrter nahm Ramans Einladung an, nämlich Max Born. Born, der nach seiner Zwangsemigration aus Deutschland ohne Festanstellung in Cambridge lehrte, reiste 1935 zusammen mit seiner Frau nach Bangalore und trat eine Stelle als Gastprofessor am Indian Institute of Science an, die er bis 1936 bekleidete. Born war beeindruckt von Bangalore, vom viel gerühmten Zentrum des wissenschaftlichen Fortschritts, seiner ausgezeichneten Infrastruktur und der mittelalterlichen jüdischen Synagoge, so dass er ernsthaft erwog, sich dauerhaft in Indien niederzulassen. Der gebürtige Breslauer Born, Begründer zweier Schulen der theoretischen Physik in Göttingen, schrieb an einen Freund: „Die Lage in Europa sieht recht düster aus. Manchmal denke ich, dass sich dieser alte Kontinent dem Ende seiner Glanzzeit nähert. Und dann überlege ich, hier in Indien zu bleiben.“132 Es gibt einige Hinweise, dass seine Ehefrau, Hedwig Ehrenberg Born, die treibende Kraft hinter Borns Entscheidung für Indien war. Selbst nachdem sie ihren Mann mit ihrer amourösen Beziehung zu Swami Avinasananda, einem Guru von der Ramakrishna-Mission, in eine hochnotpeinliche Situation gebracht hatte und Born sich gezwungen sah, nach Großbritannien zurückzukehren, dachte Hedwig Born ernsthaft darüber nach, in Indien zu bleiben.133 Zurück zu Ramans Vorhaben, in Bangalore ein Forschungsinstitut für theoretische Physik nach dem Vorbild der Kaiser-Wilhelm-Institute zu etablieren. Die Kolonialregierung stand diesem Vorhaben von Anfang an kritisch gegenüber und veranlasste 1936 eine Überprüfung des Instituts.134 Ramans Kollegenkreis, allen voran indische Wissenschaftler aus dem Norden des Landes sowie britische Wissenschaftler, fielen Raman in den Rücken und beanstandeten seine unkonventionelle und einseitige Umstrukturierung des Indian Institute of Science. Eine Einrichtung wie das IIS, ursprünglich konzipiert für die industrielle Forschung, hatte nun Max Born eingestellt, einen theoretischen Quantenphysiker, dessen Arbeit sich ausschließlich auf rein mathematische Theoreme konzentrierte, ohne sich um die anwendungsorientierte Forschung zu kümmern. Mit dabei im Überprüfungsausschuss war Meghnad Saha, der Raman hart dafür kritisierte, einen Lehrstuhl für „Theoretische Physik“ eingerichtet zu haben, noch dazu in einem Bereich, der kaum einen Bezug zur praktischen Anwendung in der Industrie hatte.135 Der beabsichtigte Zweck des Indian Institute of Science, so Saha hartnäckig, bestehe darin, zur angewandten Forschung beizutragen, und sich nicht vorrangig dem Studium der Spektroskopie oder der Quantentheorie zu widmen. Sahas Kritik an Raman wurzelte zum Teil auch darin, dass ein Intellektueller aus einer niederen Kaste (Saha) gegen die Autorität eines Gelehrten aus der hohen Brahmanenkaste (Raman) auf seiner Meinung beharrte. Sie war aber auch gefärbt von der Haltung eines bengalisch-intellektuellen Wichtigtuers, der sich gegen

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einen stolzen tamilischen Brahmanen stellte. Auf die Gefahr hin, in den scharfen Konflikt zwischen Saha und Raman zu viel hineinzuinterpretieren oder die starke Meinungsverschiedenheit der beiden auf regionale Identitätspolitik zu reduzieren, kommt man nicht daran vorbei, dass beide Wissenschaftler, ausgebildet an denselben Institutionen in Kalkutta, in den 1930er Jahren zu eingeschworenen Feinden wurden, gerade als die indischen Debatten über die Infrastrukturen der nationalen Wissenschaft an Fahrt aufnahmen. Raman und Saha gründeten zwei miteinander konkurrierende Einrichtungen: Saha die National Academy of Science in Allahabad, Raman das National Institute of Science in Bangalore. Max Born selbst war der erbitterte Kampf der beiden um die Wissenschaftshoheit in indischen Forschungseinrichtungen sehr wohl bekannt. In einem Brief an Rutherford erwähnte er „fürchterlich komplizierte Machenschaften und eine Realpolitik, die verbunden ist mit Neid und Missgunst zwischen Nord- und Südindien, zwischen Bengalen und Mysoren, zwischen der niederen Kaste und den Brahmanen und nicht zuletzt auch mit den englisch-indischen Beziehungen“.136 Und in der Tat blieb auch das Identitätsgefühl der Briten von diesem harten Streit um Status und nationale Identität zwischen einem bengalischen und einem tamilischen Gelehrten nicht unberührt. Der Vorschlag, Max Born eine unbefristete Dozentur in Indien anzubieten, wurde von den Direktoren des IIS auf eine für Born höchst unangenehme Weise abgewiesen. „Diese Fakultätsversammlung war mit das schrecklichste, was ich je erlebt habe“, erinnerte sich Born. „Erst durfte ich mir eine Rede von Raman über meine Beiträge als Wissenschaftler, Lehrer und Mensch anhören, um dann schnell zu merken, dass sie von einigen Mitgliedern der Fakultät gar nicht gut aufgenommen wurde. Der britische Professor Aston stand auf und reagierte in höchst unfreundlicher Weise auf Ramans Rede. Ein allenfalls zweitklassiger Ausländer, so machte er klar, der aus dem eigenen Land ausgewiesen worden war, sei ihm bestimmt nicht gut genug. [Für mich] war dies umso bitterer, da … wir den Astons stets sehr freundlich begegnet waren.“137 William Aston, ein britischer Elektroingenieur, der einen Monat nach Max Born an das Institut gekommen war, war der Meinung, es gehöre mit zu seinen Aufgaben, das Institut „zu säubern“.138 Der (wissenschaftliche) Kampf zwischen Bengalen und Tamilen, oder auch der um Identitäten zwischen unterer und hoher Kaste, war eine Sache; eine ganz andere aber war es, eine rassische Überlegenheit der britischen Kolonialherren in Bezug auf die Arbeit (der kolonialen Untertanen) am Indian Institute of Science zu postulieren. Für Born war es das reinste Fiasko. „Ich war derart erschüttert“, erinnerte er sich, „dass ich weinte, als ich wieder zu Hause bei Hedi war“.139 Er beschwor seine Frau, möglichst umgehend mit ihm nach Großbritannien zurückzukehren, wo er Ende 1936 eine Festanstellung an der University of Edinburgh erhielt. Damit gab es nun eine Konfliktsituation zwischen Raman und Born, die in eine dauernde

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Rivalität mündete. Borns physische Abwesenheit vermochte die Gemüter nicht zu beruhigen, die sich in den 1940er Jahren aufs Neue erhitzen sollten. Während Raman vor Ort in Bangalore keine kooperative Beziehung zu Born aufbauen konnte, wie er es ursprünglich gewollt hatte (er hatte den aus Deutschland geflüchteten Physiker immerhin an sein Institut geholt), trat er zehn Jahre später erneut in eine – diesmal unfreundliche – Beziehung mit ihm ein: Als Gegner aus der Ferne nahm er Born auf dem internationalen Feld der Physikforschung scharf unter Beschuss. 1937 trat Raman als Direktor des Indian Institutes of Science zurück und befreite sich so von der Aufsicht der Kolonialregierung und Einmischungen von Leuten wie Meghnad Saha. Im April 1948 gründete Raman das Raman-Forschungsinstitut, das er abermals nach dem Vorbild der Kaiser-Wilhelm-Institute aufbaute. Aus den anfänglich 65 Mitarbeitern wurden bis Jahresende 173. Viele Kritiker monierten, dass an diesem neuen Institut nur Wissenschaftler arbeiteten, die Raman treu ergeben seien.140 Raman konzentrierte sich weiterhin stur auf die Spektroskopie. Die große Mehrheit seiner Aufsätze ebenso wie die seiner Studenten im Journal of the Indian Academy of Sciences drehten sich um dieses Thema. Raman fand breite Unterstützung in seinen Bemühungen, eine eigene „Schule“ innerhalb der Physik zu schaffen, die nicht nur in Indien, sondern auch rund um den Globus Anerkennung erlangen sollte. Er versuchte, dem nationalistischen Indien weltweit Geltung zu verschaffen, indem er Kultur- und Wissenschaftspolitik auf internationaler Ebene betrieb. Indische Wissenschaftspolitik auf der großen Weltbühne steuerte sein Verhalten in den späten 1940er Jahren, und so verstrickte sich Raman zu dieser Zeit in eine aggressive Kontroverse mit Max Born über die Gitterstruktur von Kristallen. Und wie so oft in dieser postaufklärerischen Zeit schürten Kämpfe um intellektuelle Autorität immer auch einen Wettstreit um neue Enthüllungen verborgener Welten. Im Fall der RamanBorn-Kontroverse stellten Raman und Born einander widersprechende universelle Theorien über die „richtige“ atomare Struktur von Kristallen auf. Beide bedienten sich wissenschaftlicher Methoden, um gegenteilige Behauptungen über die grundlegende Struktur der Natur zu postulieren. Und erstaunlicherweise hatte der Konflikt, der sich zwischen Born und Raman in den 1940er Jahren entspann, auch wenn er auf einer wissenschaftlichen Kontroverse beruhte, durchaus das Potenzial, nicht nur das internationale Image der beiden Physiker zu fördern, sondern auch ihre jeweilige Kultur. Mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitsrechnung und des Unschärfeprinzips, der Basis des quantenphysikalischen Weltbilds, postulierte Max Born, dass man sich die Randbedingungen von Atomketten in kristallinen Strukturen als „ringförmig“, und damit sich unendlich wiederholend, vorstellen könne. Raman aber blieb

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dabei, Born liege falsch. Die Randbedingungen kristalliner Strukturen, so Raman, könnten eben nicht als ringförmig angesehen werden und die Schwingungsfrequenzen von Kristallen träten nur an diskreten Energieniveaus auf. Vielmehr behauptete er, dass seine experimentelle, empirische Weltsicht (die auf der Überzeugung basierte, dass die Welt nur durch genaue [und] eingehende Beobachtung verstanden werden kann) der probabilistischen Weltsicht von Max Born (wonach theoretische Modelle und statistische Berechnungen am besten geeignet seien, die Welt bis in kleinste Maßstäbe zu verstehen) überlegen war. Raman wies also Borns Theorien vehement zurück, was er in gleich mehreren Artikeln in Nature klar zum Ausdruck brachte.142 Er behauptete die Überlegenheit der „indischen“ Methoden, das eingehende Beobachten als wissenschaftlicher Erkenntnismethode, gegenüber den „europäischen“ Methoden der abstrakten Theoriebildung. Ramans strikte Weigerung, Max Borns Theorie anzuerkennen, trug dazu bei, den eigenen Status auf der internationalen Bühne zu zementieren. Raman und seine Studenten stritten noch bis weit in die 1960er Jahre hinein für ihre alternative Darstellung der Kristallgitterstruktur, auch wenn die internationale Gemeinschaft diese längst nicht mehr diskutierte. Ramans Argumente galten inzwischen als weit weniger plausibel als die von Born. Und so wurde die von Max Born (zusammen mit Theodore von Krámán und Borns chinesischem Schüler Kun Huang) eingeführte Theorie zur Gitterdynamik in Kristallen bald die allgemein vorherrschende und anerkannte Ansicht auf diesem Gebiet, die Raman und sein Institut immer weiter ins Abseits drängte.143

Ringen um wissenschaftliche Bedeutung Bis zum Zeitpunkt, da Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki fielen, hatte man die Nutzbarmachung der Kernenergie damit gerechtfertigt, wissenschaftliche Grenzen zu erweitern, nationalen Aufschwung zu befördern oder olympiareife Physik zu betreiben. Danach war sie nur noch verbunden mit Kriegszwecken und Abschreckungsstrategien.Vier Jahre nach Hiroshima war auch Russland im Besitz nuklearer Waffen.144 Im Mai 1946 wurde in Indien die Atomic Energy Research Commission eingerichtet, und das Tata Institute of Fundamental Research in Physics in Bombay (nicht etwa das Forschungsinstitut von Meghnad Saha in Kalkutta) wurde zum nationalen Zentrum für Nuklearforschung. Gegründet worden war es 1945 von Homi Bhabha, sechzehn Jahre jünger als Saha, zusammen mit Jehangir Ratanji Dadabhoy Tata im Auftrag von Jawaharlal Nehru. Im Jahr 1951 war es das erste indische Institut, das Teilchenbeschleunigung durchführte.145 Sahas Forschungsinstitut in Kalkutta war erst 1954 soweit, obwohl entsprechende Pläne dazu bereits 1934 vorlagen. Bhabhas institutionalisierte For-

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schung entstand in einer neuen Weltordnung, in der Wissenschaft dominiert war von den Sicherheitserfordernissen des post-kolonialen indischen Nationalstaats gegenüber Pakistan ebenso wie von den Zwängen der bipolar strukturierten internationalen Ordnung im Kalten Krieg. In der Zeit nach der Unabhängigkeit und dem Kalten Krieg änderte sich die Nutzung von Wissenschaft. Das Ideal vom Wissenschaftler als Unternehmer, wie es Saha und Raman vor dem Zweiten Weltkrieg verfolgt hatten, verschob sich nach 1945 zunehmend hin zum Wissenschaftler als Verwalter. Gut möglich, dass die Vorstellungen von Saha und Raman in einer früheren Welt verhaftet waren und nicht mehr übereinstimmten mit den neuen Dynamiken des Kalten Krieges. Beide machten sich das Modell des Wissenschaftlers als Unternehmer zu eigen – inspiriert vom Modell der Humboldtschen Forschungsuniversität und ihren jeweils direkten Erfahrungen mit der deutschsprachigen Hochschulwelt in den 1920er und 1930er Jahren. Und beide, Saha ebenso wie Raman, betrieben Wissenschaft als ein Projekt mit dem Ziel, die verborgene Ordnung der Natur zu enthüllen, um derart die Weltkarte der Forschung so zu verändern, dass Indien dort endlich erschien. Saha war zudem der festen Überzeugung, dass der Kampf um neue wissenschaftliche Erkenntnis, den man eng verbunden mit deutschen Institutionen führte, zugleich ergänzt werden müsse durch neuen technischen Fortschritt, durchaus von ausländischen Modellen inspiriert, aber nicht von ihnen abhängig. Die Physik mit ihrem Potenzial, universalistische Erklärungsmodelle über die Struktur der Materie aber auch praktische Anwendungen für industrielle und militärische Zwecke entwickeln zu können, war eng verbunden mit der Behauptung nationaler Macht (ob bengalisch, tamilisch oder indisch). In der Zeit des Antikolonialismus bot die Wissenschaft den Indern Wege, neue Diskurse anzustoßen, in denen ihre Darstellung wissenschaftlicher Wahrheit über die Grenzen des Empire hinaus Aufmerksamkeit erregen und Beifall finden konnten.

6 Internationale Ökonomien Nach dem Ersten Weltkrieg arbeiteten indische und deutsche Wissenschaftler eng zusammen, um neue universalistische Perspektiven für die globale Architektur des Welthandels zu entwickeln (für Warenströme und Güteraustausch in Handel und Industrie).1 Der Anspruch der Wirtschaftswissenschaften, besondere Einsicht in die Weltwirtschaft zu haben, diente auf beiden Seiten, der indischen wie der deutschen, als Waffe im Arsenal ihrer Argumente. Der epistemische Radikalismus einiger deutschsprachiger Ökonomen nach dem Ersten Weltkrieg speiste sich aus ihrer aufmerksamen Beobachtung der wirtschaftlichen Entwicklung im kolonialen und halb-kolonialen Asien, für das Indien als Musterbeispiel galt. Doch deutsche Ökonomen waren auch daran interessiert, sich mit den Philosophien ihrer indischen Kollegen auseinanderzusetzen, weil diese ihre Perspektiven von der Peripherie des Empire her entwickelten. Forschungen zur Weltwirtschaft vermittelten sich damals über wissenschaftliche Beiträge und Fachzeitschriften: Zum Teil begegneten sich Deutsche und Inder nie persönlich, sondern nur durch ihre jeweils international rezipierten Abhandlungen.2 Das neu gegründete Stahlwerk Tata Steel im indischen Jamshedpur wurde 1909 von deutschen und amerikanischen Ingenieuren und Arbeitern in Betrieb genommen.3 Die große Bedeutung internationaler Studienreisen, die Mittel und Unterstützung ausländischer Experten von außerhalb Großbritanniens einwerben und so das Wachstum der indisch-nationalen Industrie ankurbeln sollten, war dem Firmengründer Jamshedji Tata sehr wohl bewusst. Ursprünglich handelte das Familienunternehmen mit Baumwolle und Opium.4 Doch während des Zweiten Opiumkrieges (1856 – 1860) entschloss sich Jamshedji Tata, vom Handel in die Industrie zu wechseln. Zu diesem Zweck begab er sich nach 1863 auf eine Studienreise durch ganz Europa, reiste danach in die Vereinigten Staaten, nach Japan, Australien und erneut nach Europa.5 Mit vielen neuen Eindrücken und angeregt zur Eigeninitiative kehrte er zurück nach Indien und entwickelte erste Ansätze für die Baumwollproduktion im industriellen Maßstab. Doch mit einem Auge hatte Tata bereits ein noch größeres Ziel im Blick: Es ging um die Eisen- und Stahlproduktion, um den Aufstieg der indischen Schwerindustrie zu fördern.6 Obwohl er 1904 starb, hatte er zu diesem Zeitpunkt schon den Grundstein für die Errichtung eines großen Stahlwerks gelegt. 1912 gewann die Tata Steel die deutsche Ingenieurfirma Gebr. Siemens & Co als Vertragspartner und Zulieferer von Generatoren nach Jamshedpur (auch bekannt als Tatanagar), dem nach Jamshedji Tata benannten Standort der neu errichteten Stahlproduktionsstätte.7 Die Personalplanung sah insgesamt eine Anzahl von 2000 Mitarbeitern vor Ort vor, darunter 175 Europäer und Amerikaner. Die Anzahl der Deutschen unter den Eurohttps://doi.org/10.1515/9783110706178-007

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päern (Stahlarbeiter und Führungskräfte zusammengenommen) lag bei insgesamt sechzig. Während des Ersten Weltkrieges setzte die deutsche Belegschaft in Jamshedpur ihre Arbeit unvermindert fort. Erst nach dem Krieg, 1924, wurde die Gruppe der Deutschen nach Hause geschickt und durch 84 Vorarbeiter aus England ersetzt.8 Das anhaltende Gefühl bei indischen Unternehmern und Industriellen, vonseiten der britischen Kolonialverwaltung nur unzureichende Unterstützung bei der industriellen Entwicklung zu erfahren, kam im Indian Industrial Commission Report (Jahresbericht der indischen Industrie-Kommission) von 1916 offen zur Sprache.9 Madan Mohan Malaviya attackierte den britischen Ministerialdirektor W.W. Hornell: „Ist es richtig, dass England weit abgeschlagen hinter Deutschland liegt, was die ingenieurwissenschaftliche Ausbildung anbelangt?“10 In ihrem Bericht hob der indische Politiker das Beispiel Deutschland hervor, insbesondere seine Institutionen einer professionalisierten Wissenschaft, um die Defizite der britischen Aus- und Weiterbildung im Wirtschafts- und Industriesektor schlaglichtartig zu verdeutlichen. Nachdem sie 1915 ihre Geschäfte in Indien eingestellt hatte, baute die Siemens AG ab 1925 erneut einen wirtschaftsstarken Standort in Indien auf, mit Vertriebsstätten für Maschinen, Eisenbahnstahl und Werkzeuge und schrieb damit ihre indo-europäische Erfolgsgeschichte fort, die mit Jamshedpur einerseits und dem Bau der Indo-Europäischen Telegrafenlinie (1867– 1870) andererseits begonnen hatte. Das Unternehmen, so belegt es ein internes Strategiepapier zu Indien von 1932, zielte darauf, in der industriellen Entwicklung des Subkontinents eine führende Rolle einzunehmen.11 Bis in die späten 1930er Jahre hinein fungierten deutsche multinationale Firmen als Zulieferer für indische Industriebetriebe.12 Siemens in Kalkutta wurde zum regionalen Firmenzentrum in Asien. Die Unternehmen Borsig (Maschinenbau) und Krupp (Schwerindustrie) förderten 1926 die Technologisierung der Ölmühle Mahalaxmi in Shamsi (nahe Malda in Bengalen).13 Bayer lieferte Chemikalien und Farbstoffe nach Indien. Bis 1925 belegte Großbritannien bei Chemikalien mit 58 Prozent des indischen Importvolumens den ersten Rang, aber Englands Hauptkonkurrent Deutschland lag mit 21,5 Prozent auf Platz zwei. In mehreren Berichten aus den Jahren 1924 bis 1927 („Report on the Conditions and Prospects of British Trade in India“) merkte Thomas Ainscough von der indischen Kolonialverwaltung an: „Der Hauptgrund, weshalb britische Produzenten auf der Strecke bleiben, ist der, dass sie mit ihren Preisen über denen ihrer kontinentaleuropäischen Wettbewerber liegen.“14 Kolonialstrategen rühmten auch amerikanische Hersteller und Exporteure für ihre „exzellenten Erzeugnisse“. Britische Behörden ließen im Gegenzug nichts unversucht, um deutschen Produkte schlecht zu reden, bezeichneten sie als billig und schmutzig und erachteten sie darum als besonders gefährdend für die wirt-

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schaftliche Dominanz der Briten.Waren und Güter aus Deutschland errangen eine marktdominierende Stellung auf dem lukrativen – wenngleich weniger prestigebehafteten – „Big Bazaar“, dem führenden Einzelhandelssektor in Indien, und dominierten vor allem bei Eisenwaren und Bestecken. Sie waren auch bei Glaswaren und Arzneimitteln die Hauptwettbewerber der Briten.15 Es war die Hochphase der „Buy British“-Kampagne in den Kolonien, die man nun in hohem Maße bedroht sah. Auf der British Empire Economic Conference in Ottawa 1932 (einer Konferenz der britischen Kolonien und der sich selbst verwaltenden Dominions des British Empire) vereinbarte man daher die Einführung eines protektionistischen „Imperial Preference“-Systems.16 D. R. Gadgil, damals Direktor des Gokhale Institute of Politics and Economics (GIPE), legte eine detaillierte Analyse der Eingriffe anderer Nationen in die britisch-indischen Märkte vor. Das Ausmaß der Eingriffe variierte je nach Sektor und Handelsware. Eins aber galt 1932 ebenso wie schon im 19. Jahrhundert: Das Vereinigte Königreich war der größte Abnehmer indischer Primärgüter, und die sich selbst verwaltenden Dominions des British Empire plus Großbritannien waren für indische Produzenten die Hauptabsatzmärkte. Dennoch konnte Indien in den Zwischenkriegsjahren einen Handelsüberschuss mit Deutschland beibehalten.17 Insbesondere was Importe nach Indien anbelangte (Bleche, Werkzeuge, Chemikalien, Eisen, Stahl usw.), drängten internationale Wettbewerber in das imperiale Wirtschaftssystem hinein. Die USA beispielsweise waren der größte Importeur für Foto-Apparate und Werkzeugmaschinen. Bei Musikinstrumenten, wissenschaftlichen und chirurgischen Geräten war Deutschland die führende Exportnation. Und auf dem Exportmarkt für vergleichsweise preiswerte Farben, der auf kleinere indische Erzeuger zielte, nahmen Deutschland und Japan die führende Rolle ein.18

Wurzeln internationaler Verflechtungen In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg suchte man an deutschen Wirtschaftsforschungsinstituten nach Ansätzen, die Weltwirtschaftsordnung zum Vorteil Deutschlands neu zu denken und schuf in diesem Zuge auch wichtige Kanäle für Studien- und Begegnungsreisen, die indische und deutsche Wissenschaftler zusammenführten. Das Institut für Seeverkehr und Weltwirtschaft in Kiel war in den 1910er und 1920er Jahren in Deutschland der Dreh- und Angelpunkt wirtschaftlicher Internationalisierung.19 Bis 1926 hielt das Institut Ausgaben von 1800 Fachzeitschriften aus der ganzen Welt, von New York bis Kalkutta, vorrätig. Einzelne Abteilungen innerhalb des Instituts waren eigens damit befasst, Zeitungsausschnitte über verschiedene Wirtschaftsregionen zusammenzutragen: Nord-

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amerika, Südamerika, Europa, Osteuropa, Asien und Afrika. Die Professoren und die sonstigen Wissenschaftler des Instituts unternahmen auch internationale Reisen. Bernhard Harms (1876 – 1939), der Gründer des Instituts, machte 1911 eine Forschungsreise nach Kalkutta und Tokio, 1916 bereiste er die Balkanländer. Zu den weiteren „reisenden“ Gründungsmitgliedern gehörten Kurt Albert Gerlach (Skandinavien), Albert Schander (Algerien), Max Richter (USA) und Carl Max Maedge (Schweden).20 Zwischen 1910 und 1932 veröffentlichte das Institut insgesamt sechsundfünfzig Monographien. Viele dieser Monographien waren Dissertationen von Studenten am Institut, die immer wieder die große Bedeutung deutscher Handelsverflechtungen mit der Welt außerhalb Europas thematisierten. Harms Studenten schrieben über die Textilindustrie, die türkische Baumwollindustrie, die Juteindustrie in Britisch-Indien oder auch über genossenschaftliche Banken in Niederländisch-Ostindien.21 In den entscheidenden Jahren nach dem Ersten Weltkrieg suchten Deutsche und Inder nach einem Verständnis globaler wirtschaftlicher Zusammenhänge, das tiefgreifender war als das, das auf liberalen Grundnormen fußte. Sie betrieben Wirtschaftsforschung mit dem Ziel, das geopolitische Zentrum des Kapitalismus von der transatlantischen Region auf Dauer in Richtung Osten zu verlagern. In diesem post-aufklärerischen Kontext erteilten sowohl deutsche als auch indische Denker der Idee von einem allgemeinen freiheitlichen Wirtschaftsraum, der sich aus jeweils komparativen Vorteilen im internationalen Wettbewerb ergab, eine Absage. Stattdessen verwiesen sie auf das British Empire als ein Symbol der Unterdrückung und der wirtschaftlichen Dominanz. Deutsche wie indische Wirtschaftstheoretiker hatten das Gefühl, vom normativen Gewicht der westlichen Wirtschaftsdominanz des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts in enge Bahnen gezwungen zu sein. Sie schlugen eine Reihe unterschiedlicher Maßnahmen vor, um die geopolitischen Ungleichheiten zu beseitigen, die dem modernen Kapitalismus innewohnten. Sie warfen einen anderen, einen neuen Blick auf die Welt, über die sie auch in neuen Begrifflichkeiten sprachen. Gewiss, die Weltwirtschaft hatte sich in den letzten 50 Jahren drastisch gewandelt, insbesondere durch den Aufstieg der „Spätentwickler“ Deutschland und Amerika mit ihren dominanten Handelsanteilen auf dem Weltmarkt für industriell gefertigte Waren. Deutschland war Weltmarktführer für Chemikalien. Und Großbritannien, insbesondere die südlichen und östlichen Regionen sowie LondonCity, festigte seine Rolle als führender Anbieter von Finanzdienstleistungen auf dem Weltmarkt. Nicht nur das deutsche Chemiewerk und die amerikanische Maschinenfabrik waren auf dem Vormarsch, sondern auch die britischen Finanziers.22 Die deutsche und die indische Wirtschaft des 19. und 20. Jahrhunderts gehorchten dem universalistischen Laissez-faire-Prinzip, das auf Adam Smith zurückging, dem Begründer der liberalen Wirtschaftstheorie, eben jener Theorie,

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die dem britisch-liberalen Empire die Richtung vorgab.23 Adam Smith, zu seinen Lebzeiten bekannt als der „Newton der Moralphilosophie“, stellte sich der Herausforderung, das von Newton entdeckte universelle Gesetz von Aktion und Reaktion aus dem physikalischen Universum auf die Gesellschaft zu übertragen.24 Smith war überzeugt, die Ökonomie habe eine natürliche Ordnung, einen natürlichen Zusammenhang. Die Wirtschaft, nach dem Prinzip des freien Marktes, uneingeschränkt durch Eigennutz und Zölle, so Smith, zeige „die Perfektion eines wunderschönen und großartigen Systems“. Für Smith erinnerte die schöne Ordnung und Konstruktion einer freien politischen Ökonomie an die astronomische Perfektion im „Schauspiel der Natur“, dargestellt durch die Sterne über uns.25 Diese Aussage gehörte in den Kontext der Aufklärung des 18. Jahrhunderts, in eine Reihe mit Kants moralphilosophischer Kosmologie, Rousseaus Naturphilosophie des guten Menschen, Newtons physikalischem Universum und Quesnays Tableau économique. Smith argumentierte mit universell gültigen Naturgesetzen. Die Vertreter der modernen deutschen Volkswirtschaftslehre, allen voran Friedrich List (1789 – 1846) und Bruno Hildebrand (1812– 1878), waren schonungslose Kritiker des Smithianismus, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.26 List stellte heraus, dass Adam Smith ein ökonomisches Universum im letzten Stadium seiner Entwicklung annahm und dadurch die entwicklungsbedingten Imperative unterschiedlicher nationaler Ökonomien übersah. Bruno Hildebrand, Mitbegründer der Historischen Schule der deutschen Nationalökonomie, führte dagegen an, Smiths „atomistische“ Vision des Welthandels unterminiere die moralische und kulturelle Integrität nationaler Gemeinschaften.27 Friedrich Lists ökonomische Betrachtungen suchen die Rolle der Geopolitik in der Weltwirtschaft zu ergründen. Wie der Soziologe Keith Tribe anführt, entstanden Lists Grundlinien der „post-Smithianischen“ Wirtschaftstheorie in der Zeit zwischen 1825 und 1828.28 Das Ziel der Ökonomie der Menschheit, oder, genauer gesagt, der kosmopolitischen Ökonomie bestehe darin, so List, der gesamten Menschheit die größte Quantität der Notwendigkeiten und Annehmlichkeiten des Lebens zu sichern.29 Im Gegensatz zu Smith argumentierte List, dass Macht wichtiger sei als Reichtum, weil die Macht der Nation eine Kraft ist, um neue produktive Hilfsquellen zu eröffnen.30 Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich eine in Deutschland angesehene Schule der Nationalökonomie heraus, die im Gegensatz zur klassischliberalen Ökonomie der Briten stand. 1897 rühmte der in Kalkutta ansässige Historiker Romesh Chunder Dutt die deutschen Wirtschaftstheoretiker dafür, Smiths ökonomische Analysen auf den Prüfstand zu stellen und Smiths Ideal einer „kosmopolitischen“ Ökonomie kritisch zu hinterfragen, die nur den globalen Marktführern nutze: „[Adam] Müller war der Erste, der darlegte, dass Adam

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Smiths System, wie es von seinen dogmatisch gesinnten Schülern ausgearbeitet worden war, im Kern einfach nur englisch und insulär sei.“ Mahadev Govind Ranade, indischer Richter und Sozialreformer, schrieb: „[Smiths System] funktionierte in England, da das Leben der Nation durch die begünstigte (Markt)situation des Landes, seine historische Vergangenheit und seinen konservativen Handelsgeist intakt geblieben ist, wohingegen es für die kontinentalen Länder nicht funktionierte, da für sie der Erhalt der nationalen Existenz von weit wichtigerer Bedeutung war als bloßer individueller Wohlstand.“31 Dutt unterstellte den Briten, an Verbesserungen des indischen Industriepotenzials gar nicht interessiert zu sein. „Andererseits hatte Indien seine produzierende Industrie verloren, weshalb es nun begann, britische und andere ausländische Erzeugnisse zu importieren und dafür mit Getreide zu bezahlen.“32 Dutt fuhr fort: „Industrieller Wohlstand einer unterworfenen Bevölkerung war unmöglich, da die etablierte Politik der herrschenden Nation darin bestand, Indien zu einem bloßen Rohstofflieferanten zu machen.“33 Dass die deutschen ökonomischen Ideen eine Alternative zum britischen Liberalismus darstellten, hielt auch M. G. Ranade von der Bombay School of Economics in seinen Werken fest, der 1899 erklärte: „Die positive Darstellung [der Kritik am Laissez-faire] fand hinwiederum unter deutschen Professoren großen Anklang … Adam Smiths System … war im Kern englisch und insulär.“34 List verankerte seine Ausführungen zur Nationalökonomie in einem Weltverständnis, das Geopolitik und Macht ernstnahm: „Die Funktion des Staates besteht darin, jenen Einflüssen zu helfen, die dazu neigen, den nationalen Fortschritt durch die verschiedenen Wachstumsphasen zu sichern, und Freihandel oder Schutzzölle einzuführen, wenn die Umstände es erfordern. Aus dieser Sicht mag Freihandel für ein Land wie England gut sein, nicht aber für Amerika und Deutschland.“35 Ranade sprach von „deutschen Lehrern“, die die Argumente der Nationalökonomie erhellten: Karl Knies, Wilhelm G. F. Roscher, Bruno Hildebrand, Adolph Wagner. Es lief auf einen Methodenstreit hinaus – zwischen dem liberal-normativen Ansatz und dem kontra-normativen, historischen Ansatz der Nationalökonomie.36 Nach Ranade müssten indische Wirtschaftsüberlegungen dahin gehen, einen „Sieg über den Freihandel“ zu erringen und die „nach englischer Politökonomie so genannten Irrlehren“ in rebellischer Manier anzunehmen.37 Diese Irrlehren entsprachen den verlockenden deutschen Theorien über die politischen Strömungen des Welthandels. Dazu fand V. G. Kale, ein Vertreter der Bombay School of Economic Thought, klare Worte: „So gut wie alle unsere Industrien stecken in den Kinderschuhen.Wie sollen sie da im bedrohlichen Konkurrenzkampf ausländischer Hersteller überhaupt gedeihen? Die moderne Schule, die historische Schule der Nationalökonomie, hat doch erfolgreich demonstriert, wie abstrakt und unpraktikabel die

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Lehren der alten Schule ihrem Wesen nach sind.“38 Kale fuhr fort: „Japan hat der Welt gezeigt, was Protektion in einem rückständigen Land alles bewegen kann – oder auch in einem asiatischen Land, ganz zu schweigen von Deutschland, dem eindrucksvollsten Rivalen, den England in Europa heute hat.“39 Um eine neue Weltordnung zu erschaffen, eine, die sich herausgelöst hat aus dem aggressiven Griff der britisch-imperialen „weltgestaltenden Kraft“, waren zentrale Planung und Steuerung vonnöten. Anders gesagt, nationale Protektion war das beste Mittel gegen Imperialismus. Sogar Joseph Schumpeter, österreichischer Verfechter des Liberalismus und der klassischen Ökonomie, verwies 1914 darauf, dass „Protektionismus“ für einen Nationalstaat tatsächlich die richtige Politik sein könne, um seine jungen Industrien zu entwickeln – eine These, die ein dem liberalen Prinzip des Freihandels verpflichteter Nationalökonom in England so wohl nicht akzeptiert haben dürfte, bis sie dann von John Maynard Keynes wieder populär gemacht wurde.40

Welt-Kapitalismus neu interpretiert Protektionismus aber konnte auch etwas Anderes bedeuten als eine Kehre nach innen, hin zu Autarkie und Unabhängigkeit von internationalen Märkten. Sowohl deutsche als auch indische Ökonomen stellten sich die Weltwirtschaft als eine Art Energiefeld vor, das von verschiedenen nationalen Gruppen weltweit angezapft werden konnte. Jede Nation musste selbst erkunden, wie sie Handelsströme am besten erschließen und sich nutzbar machen konnte. Und zur Protektion gehörte unter Umständen auch, bessere Strategien zu entwickeln, um internationale Handelsenergieströme zu verändern und umzuleiten. Um die Jahrhundertwende gab es zwei Hauptschulen der deutschen Volkswirtschaftslehre. Die eine befasste sich mit der Ausdehnung des deutschen Kolonialreiches nach Übersee, die andere war entschlossen, die Märkte in Mitteleuropa nach Süden und nach Osten hin auszuweiten.41 Bernhard Harms vertrat eine andere Weltsicht, die sich am besten als eine Spielart des deutschen Liberalismus beschreiben lässt, Adam Smith’s Laissez-faire aber dennoch kritisch gegenüberstand. Harms (ebenso wie Julius von Soden and Georg von Cancrin im frühen 19. Jahrhundert) kritisierte Adam Smith nicht dafür, zu liberal zu sein, sondern dafür, nicht liberal genug zu sein. Indem er die Frage nach der politischen Macht (und insbesondere danach, wie sie in Schach zu halten sei) außen vor ließ, erzeuge die Smithsche Ökonomie zwangsläufig eine britisch-imperiale Wirtschaftsordnung unter dem Deckmantel des „Freihandels“, so Harms.42 Harms war zudem ein aufmerksamer Leser von Heinrich Dietzel, einem weiteren deutschen Sozialökonomen der liberal-individualistisch geprägten Linie, der ein-

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brachte, dass „die Nationalökonomie mit der Weltwirtschaft verschmelzen“ sollte.43 Der Ökonom Arthur Dix nahm eine ähnlich optimistische Sichtweise ein.44 In den 1920er Jahren verzeichnete das Kieler Institut für Seeverkehr und Weltwirtschaft über dreihundert Besucher und Studenten aus dem Ausland. Von den insgesamt 246 Besuchern bis 1926 stellten Europäer die größte Gruppe (152), gefolgt von Besuchern aus Asien (54). Hinzu kamen 34 Besucher aus den USA, vier aus Afrika und zwei aus Australien.45 Einer dieser Besucher war Benoy Kumar Sarkar aus Kalkutta, der sich gerade auf großer Weltreise befand, die er 1915 in Japan begonnen und 1920 in Berlin beendet hatte.46 Er kam nach Kiel, um einen Vortrag über „Equations of Comparative Industrialism“ (Vergleichende Betrachtungen der Industrialisierung) zu halten. Sarkar verglich die industriellen Erfahrungen Indiens mit den, wie er sie bezeichnete, „euro-amerikanischen“ Ökonomien. Im Laufe der 1920er und 1930er Jahre sammelte das Institut beinahe jeden einzelnen Aufsatz und Artikel, den Benoy Kumar Sarkar verfasst hatte, sowie Aufsätze anderer bedeutender indischer Ökonomen wie Radhakamal Mukerjee,V. D. Kale und Brij Narain. Das Institut hatte mehr Schriften zeitgenössischer britisch-indischer Ökonomen im Bestand als die British Imperial Library. Und Bernhard Harms’ Zeitschrift Weltwirtschaftliches Archiv publizierte erste Forschungsartikel indischer und japanischer Wissenschaftler im Ausland.47 Der Aufstieg des Kieler Instituts sowie der gezielte Vorstoß zu einer gleichzeitig weltweiten und deutschen Perspektive auf internationale Wirtschaftsfragen korrelierten mit ähnlichen Entwicklungen anderswo, wie zum Beispiel der Gründung des Berliner Instituts für Konjunkturforschung (gegründet 1925 von Ernst Wagemann) oder des Weltwirtschaftsinstitut der Handelshochschule Leipzig.48 Wie sein Vorbild Friedrich List im 19. Jahrhundert, war auch Bernhard Harms getrieben von dem Wunsch, Deutschland zu einer globalen Handelsmacht zu machen, zum Mittelpunkt einer alternativen internationalen Wirtschafts- und Kulturordnung, anders als die, die in London und dem britischen Empire verankert war. Benoy Kumar Sarkar (1887– 1949) suchte seinerseits nach einem anderen Internationalismus, in dem Bengalen, das alte Verwaltungszentrum Britisch-Indiens, eine führende Rolle spielen würde. Sarkar war der Ansicht, dass die Weltwirtschaft, insbesondere die Märkte außerhalb des britischen Empire, bei der wirtschaftlichen Entwicklung Indiens eine bedeutende Rolle spielen sollten. „Jeder, der Kapital einbringt und in die materiellen und menschlichen Ressourcen Bengalens investiert, ist ein Freund des bengalischen Volkes“, schrieb Sarkar.49 Sowohl Harms als auch Sarkar glaubten, dass die Struktur der Weltwirtschaft in enormen Veränderungen begriffen sei und das Zeitalter der imperialen Ökonomien zu Ende gehe. Nationen brauchten Politik und Planung, um sich an diesen

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epochalen Wandel anzupassen. Die strukturellen Veränderungen der Weltordnung (von Harms als „Strukturwandel der Welt“ bezeichnet), insbesondere der Niedergang des British Empire und der Aufstieg asiatischer Nationalökonomien, würden dem deutschen und dem indischen Kapitalismus neue Möglichkeiten eröffnen.

Deutsche Welt-Wirtschaft und bengalische Welt-Kräfte 1912 kehrte Harms von einer Reise nach Indien und Japan zurück. Er hatte Kalkutta besucht und war beeindruckt von dem Wissen um lokale Gegebenheiten, den weitreichenden Beziehungen und der großen, öffentlich zugänglichen Bibliothek des dortigen deutschen Konsuls. Der Konsul in Kalkutta, stationiert im „Kern“ des British Empire, wie Harms es bezeichnete, bekleidete nach weit verbreiteter Ansicht deutscher Internationalisten einen der wichtigsten Posten im Auswärtigen Dienst. Deutschland, so Harms, sollte im Ausland mehr Leute wie den deutschen Konsul in Kalkutta haben, die „der deutschen Wirtschaft Informationen über die Weltwirtschaft lieferten“.50 In seinem ebenso programmatischen wie unkonventionellen Lehrwerk definierte Harms die Bedingungen und Belange einer neuen Weltwirtschaftslehre. Die Wechselseitigkeit im Welthandel, so postulierte er, könne zu Deutschlands nationalem Vorteil genutzt werden, setze aber Schutzvorkehrungen wie staatliche Planung sowie die Formulierung nationaler und internationaler Rechtsvorschriften voraus. Ohne Schaffung neuer Gesetze würden große Kolonialreiche wie das britische in der Weltwirtschaft immer weiterwachsen, und kleine Nationen würden in ihren Chancen beschnitten. Die etablierten Schulen der deutschen Weltwirtschaftslehre nahmen einen grundlegenden Unterschied an, zwischen einer durch Gemeinschaft und Kultur begrenzten Volkswirtschaft einerseits und der entgrenzten Weltwirtschaft eines entpersonalisierten Handelsverkehrs andererseits. Im Gegensatz dazu bezog sich Harms auf Rudolf Kobatsch, einen österreichischen Nationalökonomen, der in einer Veröffentlichung 1907 die These aufstellte, dass die einzelnen Volkswirtschaften nichts weiter als legal umrissene Zonen eines globalen Wirtschaftsmacht-Netzwerkes seien, abgegrenzt durch nationalstaatliches Recht.51 „Hamburg liegt heute in mancherlei Hinsicht näher an New York als an München“, bemerkte Harms. Dass Hamburg und München in einer gemeinsamen „Nationalökonomie“ miteinander verbunden sind, so Harms, habe weder mit Kultur noch mit gemeinsamer Geschichte zu tun, sondern einzig und allein mit der legitimierenden Macht des deutschen Landesrechts.52 Unisono mit der Schule des Rechtspositivismus (der die Vorstellung vertritt, dass die Geltung von Normen

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allein durch staatliche Gesetze begründet wird; Anm. d. Übers.), der die deutschen Diskussionen zu jener Zeit prägte53, stellte Harms eins klar heraus: Wirtschaftsplaner sollten, wenn von „Deutschland“ die Rede sei, alle Wirtschaftsräume weltweit betrachten, in denen dasselbe (deutsche) Recht gelte, statt sich eine irgendwie naturwüchsige Einheit vorzustellen, die durch besondere kulturelle oder historische Züge geprägt und dadurch vom Rest der Welt getrennt sei. Eine nationale Wirtschaft, darin waren Kobatsch und Harms sich einig, habe nichts Naturwüchsiges oder kulturell Verwurzeltes. Also war auch Deutschland eine wirtschaftliche und rechtliche Entität, angetrieben von der Weltwirtschaft. Benoy Kumar Sarkar hingegen hatte eine kommunitaristische Vorstellung von einem Nationalstaat, sah ihn als ein natürliches Ganzes, definiert durch Verwandtschaftsbeziehungen und Abstammungslinien, durch eine gemeinsame Sprache und Kultur, durch die gemeinsam geteilten Vorstellungen und Werte einer Gemeinschaft. Ab Mitte der 1920er Jahre erschien ihm das faschistische Ideal einer freiwilligen Vereinigung zu einer nationalen „Verwandtschafts-Gemeinschaft“ sehr vielversprechend. Seiner Ansicht nach war es am besten gegeignet, gemeinschaftsbezogene Institutionen für Projekte des kollektiven Aufschwungs zu mobilisieren und damit weiter zu kommen als die liberalen Ideale vom Individuum, von privatrechtlichen Körperschaften und von politischen Parteien es vermochten. Sarkar erklärte: „Nach dem Krieg wurde den meisten aufgeklärten Politikern in allen Staaten der Welt bewusst, dass die alten Konzepte parlamentarischer Staatsformen den bitteren Nöten des gemeinschaftlichen Lebens nicht mehr entsprachen und neue Formen gesucht und gefunden werden mussten … Im faschistischen Staat wird der Syndikalismus, einst für Anarchie und Zersplitterung des wirtschaftlichen Reichtums verantwortlich, zu einer öffentlichen Institution, einem Staatsorgan, das die Arbeitsdisziplin der verschiedenen Arbeiterschaften reguliert und garantiert.“54 Für Sarkar waren deutsche Kartelle, Agrarplanungen, Zentralbanken und staatlich gelenkte Gewerkschaften leuchtende Beispiele für einen wohlmeinenden Staat, der sämtliche Produktionsfaktoren koordiniert.55 Nach fast zehn Jahren in den USA und Europa kehrte Sarkar 1926 zurück nach Indien, wo er die Bengal National Chamber of Commerce gründete und die nationalistische Indian Chamber of Commerce wiederbelebte, die er zuvor in Berlin gegründet hatte. Die gleichnamige Zeitschrift der Bengal National Chamber of Commerce berichtete 1927 auch über den patriotischen Internationalismus anderer Gruppen. So erschien ein Bericht über eine japanische Delegation, die 1927 nach Deutschland gereist war, um die organisatorischen Strukturen der deutschen Eisen- und Stahlindustrie zu studieren. Sarkar feierte insbesondere das Instrument der Kartelle als Kompromiss zwischen staats- und privatwirtschaftlichen Interessen. „In Deutschland sind riesige Kartelle oder Konzerne mittlerweile

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ganz natürlich und normale Phänomene der Wirtschaftsorganisation“, schrieb Sarkar.56 1928 gründete Sarkar die Bangiya Dhana-Vijñan Parishad (Bengalische Gesellschaft für Ökonomie) und etablierte zwischen 1925 und 1928 acht weitere Institute (allesamt mit gleicher postalischer Anschrift: 9 Panchanan Ghose Lane).57 1926 begann er, seine eigene Wirtschaftszeitschrift zu publizieren, die Ārthīk Unnati (Wirtschaftlicher Fortschritt), eine Zeitschrift der Bengal National Chamber of Commerce, die bis 1938 erschien.58 Sie wurde in bengalischer Sprache publiziert und widmete sich einem breiten Spektrum an Themen rund um „Techniken zur Kapitalisierung und Kapitalinvestition in Indien“.59 Auf dem Höhepunkt seiner Aktivitäten standen über einhundert Wissenschaftler mit Sarkars diversen Initiativen in Verbindung. All diese Institutionen legten einen besonderen Schwerpunkt darauf, gerade Bengalen außerhalb des liberalen Empire geopolitische Geltung zu verschaffen und es im internationalen Rahmen hervorzuheben. Während Bernhard Harms eine Institution gründete (das Institut für Seeverkehr und Weltwirtschaft), gründete Sarkar dergleichen viele und war offenbar fest entschlossen, alles aufzubieten, um nationale Institutionalisierungsprozesse gegen den Kolonialismus anzuschieben. Zu den vielen von Sarkar gegründeten Instituten zählten auch: Bangiya Samāj-Vijñan Parishad (Bengali Sociology Institute), Bangiya Jārmān Vidya Parishad (Bengali German Knowledge Society), Bangiya Dante Sabhā (Bengali Dante Society), Āntarjātik Banga Parishad (International Bengal Society), Bangiya Asia Parishad (Bengal Asia Academy). Allesamt waren sie stark auf Bengalen ausgerichtet, und Sarkar bestand darauf, dass im internen Verkehr aller Institute Bengalisch und nicht Englisch als Arbeitssprache verwendet wurde, ob unter Gelehrten, in Zeitschriften oder in Diskussionsrunden. Sarkar wollte eine, wie er es formulierte, „linguistische digvijaya [Eroberung], eine Eroberung der Welt durch die eigene Sprache, die Bindung der Ressourcen menschlichen Wissens im sarva-bhaumi [universellen] Reich der eigenen Muttersprache“. Die Öffnungspolitik, die Hinwendung zum Bengalischen und das Übertragen von Wissensinhalten in die bengalische Sprache, so merkte Sarkar an, „entstand mit den Geburtswehen des National Council of Education in Bengalen im Jahre 1905“.60 Indische Denker brachen also mit den kolonial gefärbten Methoden und Institutionen der Briten und wandten sich anderen bedeutenden Stätten moderner Wissenschaft und Gelehrsamkeit zu. Ārthīk Unnati hatte eine klare Botschaft: Es galt, ein indisches Programm für Protektionismus zu entwickeln und eine Weltwirtschaftspolitik zu entwerfen, die Indien-zentriert, nicht Empire-zentriert war. „Indien muss seine Märkte für den Welthandel offenhalten, doch muss sein Handelstreiben in einer Weise erfolgen, die sicherstellt, dass das Kapital im eigenen Land akkumuliert wird und in indischer Hand bleibt.“61 Insofern verfolgte

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Sarkar immer auch das Ziel, den transnationalen Dialog zu fördern und Indiens antikoloniale internationale Beziehungen auszuweiten. Seine verschiedenen Institute sollten Sarkar dazu dienen, „nicht nur Bengalen und das bengalische Volk, sondern auch andere Regionen und Rassen der Welt zu erforschen“.62 1927 war Oskar von Miller, ein deutscher Ingenieur und Gründer des Deutschen Museums in München, zu Gast bei der Bengal Chamber of Commerce in Kalkutta.63 1932 reiste Sarkar auf Einladung der Deutschen Akademie, des wichtigsten Instituts für internationalen akademischen Austausch unter den Nationalsozialisten, als Gastprofessor nach München. Sarkars Radikalität stand im Gegensatz zur sogenannten „village-economy school“, die später, in den 1930er Jahren, mit Ghandi-Anhängern wie J. C. Kumarappa assoziiert wurde. Sarkars Bestrebungen gingen eher in Richtung der indischen Modernisierungsökonomen des späten 19. Jahrhunderts wie Mahadev Govind Ranade, Gopal Krishna Gokhale oder Pramathanath Banerjea. Diese Männer stimmten darin überein, dass aus der britischen Herrschaft wirtschaftlicher Nutzen erwachsen war, und riefen ihre Landsleute auf, einen robusten indischen Industrialismus voranzutreiben.64 In einem Artikel, der in Harms Weltwirtschaftlichem Archiv erschien, brachte Sarkar vor: „Der indische Industrialismus ist bereits heute eine Macht im industriellen Handelssystem.“65 Doch um Indiens Aufstieg fortzusetzen, so hieß es dort, müsse es eine „energische Zusammenarbeit mit dem Rest der Welt“ geben. Indien sei weiterhin auf den Import von Maschinen und Chemikalien aus den „älteren Industrienationen“ angewiesen, solle sich aber nicht damit aufhalten, ob diese nun aus Großbritannien, Belgien oder Deutschland kämen. Ausländische Kapitalinvestitionen in Bengalen, insbesondere aus Quellen außerhalb Großbritanniens, waren Sarkars Ansicht nach als „Gottesgeschenk“ zu betrachten. Indien, so beharrte er, könne nicht darauf warten, bis „Svadeśi-Millionäre“ irgendwann „die großen Fabriken bauen, die Mineralien abbauen, das Erdöl fördern und globale Handelswege eröffnen“. Indien musste sich auf die großen Finanzkapitalisten der Welt stützen, um die wirtschaftliche Dekolonisierung in Indien zu beschleunigen. Die „Führer der deutschen Wirtschaft“, so Sarkar, sollten zehn ihrer Vertreter für Unternehmensgründungen nach Kalkutta entsenden und sie für möglichst zehn Jahre vor Ort verpflichten. Eine solch internationale gegenseitige Befruchtung würde Bengalen mit Technologien und Kompetenzen ausstatten, die das Empire dem Land verweigere.66 „Jeder, der Kapital einbringt und es in die materiellen und menschlichen Ressourcen Bengalens investiert, ist ein Freund des bengalischen Volkes. Kapital kennt keine Nationalität. Es sollte Teil unserer Staatskunst sein, Finanziers aus nah und fern in unsere Dörfer und Städte zu locken – britische, amerikanische, japanische, ja auch deutsche und natürlich marwarische.“67 Eine

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solche Botschaft vonseiten bengalischer Nationalisten war zweifellos Musik in den Ohren des mährischen Schuhherstellers Jan Antonín Bat’a, der 1931 die erste indische Schuhfabrik in der Nähe von Kalkutta gründete, gefolgt von der Firmenstadt Batanagar im Jahr 1934. Das Unternehmen sollte bald zum größten Schuhhersteller Indiens aufsteigen, und sein Name wurde zum Synonym für postEmpire Kapitalismus in Indien .68 Das Bild, das sich bengalische Ökonomen wie Sarkar von Deutschland machten, hatte eine doppelte Konnotation: Zum einen repräsentierte es die modernste und fortschrittlichste der sich spät entwickelnden Ökonomien Europas – eine, die noch dazu die von jeher führende Volkswirtschaft Großbritannien überflügelt hatte; zum anderen repräsentierte es auch eine untergeordnete, ja sogar „kolonisierte“ (Wirtschafts)Region Europas – eine nach dem Versailler Vertrag und der Besetzung des Ruhrgebiets auf einen halb-kolonisierten Status reduzierte Gegend. „Die Situation in Deutschland ist genau entgegengesetzt zu der in Großbritannien und Frankreich und identisch mit jener in den britischen Kolonien“, schrieb Sarkar vielsagend.69 1936 veröffentlichte Sarkar Parājita Jārmānī (Besiegtes Deutschland), ein Kompendium all seiner Texte über Deutschland, Österreich und die Schweiz. Das Werk umfasst 600 Seiten und führt detailliert aus, inwiefern die historische Erfahrung Deutschlands, gelegen im Herzen Europas, mit der historischen Erfahrung Indiens verglichen werden kann. 1871 als Nation gegründet, so Sarkar einleitend, schritt Deutschlands Industrialisierung und Modernisierung binnen weniger Jahrzehnte rasant voran. Signifikant an Sarkars „Okzidentalismus“ ist, dass er Deutschlands zeitlich längere wirtschaftliche Entwicklung auf die Jahre zwischen 1871 und 1914 verkürzt und sie als Triumph der Willensstärke großer Männer wie Kaiser Wilhelm und Bismarck präsentiert. Sarkar versetzt sich in Deutschlands Situation hinein. Deutschland hatte starke wirtschaftliche und soziale Strukturen entwickelt. Und was Deutschland geschafft hatte, das konnte auch Indien schaffen. Nach Sarkars Ansicht waren Deutschland und Bengalen auch anderweitig vergleichbar. Im Unterschied zu England oder Frankreich, beides Nationen, die um eine große politische und wirtschaftliche Metropole herum organisiert waren, gab es in Deutschland eine Reihe von Städten wie München, Nürnberg, Düsseldorf, Leipzig, Hamburg und viele weitere Städte, die eine wichtige Rolle spielten. Am allerwichtigsten aber: Das „Diktat“ des Versailler Vertrags, die nationale Schmach der Reparationsleistungen, die galoppierende Inflation, „Brotschlangen“, Not und Elend – all dies, mitten im Herzen von Europa, war vergleichbar mit der indischen Kolonialerfahrung. Zwischen 1923 und 1925 kam es zur Besetzung des Ruhrgebiets durch französische, belgische, britische und amerikanische Truppen, was Sarkar als gōlāmi (Gefangennahme) und dāsatva (Sklaverei) be-

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zeichnete. Das machte Deutschland in seinen Augen zum Indien Europas. „Zwischen der Besetzung des [Ruhr]gebiets und der britischen Besatzung Indiens gibt es keinen wirklichen Unterschied.“70 Die Besatzung führte zu Deutschlands eigenem svadeśi, seinem eigenen nationalistischen Kampf. „Nach dem Krieg haben die Deutschen gezeigt, wie sich ein jāti (ein Volk) selbst regenerieren kann.“71 Die Diskussion hatte auch einen wichtigen regionalen Aspekt. 1932 hielt Prafulla Chandra Ray, der bengalische Chemiker und Pädagoge, eine Reihe von Vorlesungen, in denen er die „Horizontal-Karrieren“ der Bengalen bedauerte, verglichen mit den erfolgreichen Parsi-, Gujarati- und Marwari-Händlern. Was es brauche, sei eine „Bengalifizierung“ der Industrie, insbesondere mit Blick auf die wachsende Zahl von bengalischen Arbeitslosen. Zudem bedürfe es einer Umstrukturierung der Wirtschaft, was ein Zusammenspiel von Regierung und ausländischen Experten nötig mache. P. C. Ray bezog sich auf „den Westen“, meinte aber eigentlich einen ganz bestimmten, der mit deutschen, japanischen und amerikanischen Leitbildern verbunden war.72

Radhakamal Mukherjee und deutsche Leitbilder Während sich Benoy Kumar Sarkar mit dem Welthandel auseinandersetzte, beschäftigte sich Radhakamal Mukherjee mit der dörflichen Ökonomie von Kleinbauern und Kleinunternehmen in Indien sowie mit dem geopolitischen Unterschied zwischen der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft und der indischen. Radhakamal Mukherjee begann, eine Agrargeschichte Indiens zu schreiben, was zu jener Zeit ein noch relativ einmaliges Unterfangen war.73 Radhakamal Mukherjee war ein junges Mitglied des Kreises um Rabindranath Tagore und Schüler von Patrick Geddes, schottischer Biologe, Soziologe, Stadtplaner und Kritiker des Empire. 1914 reiste er nach Indien, um sich mit der dortigen Stadtplanung zu beschäftigen. Radhakamal absolvierte seine Ausbildung am Presidency College der University of Calcutta. Er war nie im Ausland, mit einer Ausnahme: In den 1950er Jahren reiste er nach Deutschland, genauer gesagt in die Deutsche Demokratische Republik, wo er sich in Ost-Berlin am Aufbau eines Programms für Indologie beteiligte. Radhakamal verschrieb sich der ökonomischen Forschung mit wissenschaftlicher Leidenschaft, um indischen Gesellschafts- und Wirtschaftsformen einen gebührenden Platz in der Welt zu verschaffen. 1921 wurde Radhakamal auf den Lehrstuhl für Soziologie an der Universität Lucknow berufen. Karl Kolwey, Forscher am Institut für Weltwirtschaft und Spezialist für indische Wirtschaft, schrieb 1924 ein Buch, in dem er den nationalistischen Ansatz von Radhakamal Mukherjee dem wirtschaftsliberalen Ansatz von Brij Narain

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vergleichend gegenüberstellte. Kolwey pries Mukherjee dafür, dass er im Falle Indiens auf die unterschiedlichen „soziologischen Faktoren“ abhob, die zeigten, „dass eine Industrialisierung Indiens nach dem Vorbild des Westens verheerend wäre angesichts der Gefahr, die aus einer exzessiven Zentralisierung und einer Aufspaltung der Arbeitskräfte resultiert. [Radhakamal Mukherjee] ist sogar der Meinung, dass in Europa gerade eine Überhitzung des Systems stattfindet“.74 Die Verflochtenheit von Radhakamals Gedanken mit deutschen Methoden der radikalen Wissenschaft lassen sich in seinen Reflexionen über die eigenen intellektuellen Bestrebungen erahnen. Radhakamal wollte eine „neue Wissenschaft der Vergleichenden Ökonomie etablieren, die, wie auch ihre Schwesterdisziplinen Vergleichende Rechtswissenschaft, Vergleichende Politikwissenschaft, Vergleichende Ästhetik und Vergleichende Religionswissenschaft, die vielen verschiedenen Felder der Verbreitung von Kultur erforschen wird. Denn jede soziale und menschliche Evolution ist multilinear, einschließlich der ökonomischen, und sie verzweigt sich nicht weniger stark als der Lauf der biologischen Evolution es tut; dementsprechend müssen wir auch die Geschichte der Menschheit, ihre Institutionen, Lebenswelten und Lebensräume kartieren“.75 Das Studium der Ökonomie war demnach nicht darauf ausgelegt, ein einziges Wirtschaftsmodell als Standard zu setzen, sondern sollte vielmehr differenzieren und verschiedene regionale Wirtschaftswelten vergleichen. Radhakamals Weltsicht war in ihrer Zielsetzung komparatistisch (vergleichend), nicht assimilationistisch (angleichend). Seine „Komparative und Regionale Ökonomie“ ging über die vorhandene „Sackgasse und Stagnation“ im ökonomischen Denken hinaus und brachte „Harmonie und Versöhnung in die tobenden Konflikte und Kämpfe der verschiedenen Völker und [Welt‐]Regionen, in ihrem blinden Lauf der wettbewerbsorientierten Ausbeutung und dem aggressiven Ausbau der eigenen Märkte“.76 Wie so viele andere internationalistische Wissenschaftler Indiens sah sich auch Radhakamal Mukherjee als Erfinder eines neuen Denkansatzes. „Ich sehe mich als Erneuerer und Experimentator, als einen Störer der alten Ordnung“, proklamierte er.77 Seine Intention war es, die „alte Wissenschaft“ der britisch-liberalen Ökonomie mit vergleichenden und historischen Methoden zu zerschlagen. Damit beschränkte er sich nicht auf einen Teil des Weltganzen, sondern er nahm eine überlegene, universelle Position ein, um die (eigentlich) unsichtbare Weltordnung der Wirtschaftsproduktion zu sehen. „Ich beziehe mich nur auf eine höhere Ordnung, auf den künftigen kosmischen Humanismus, der weder Ost noch West kennt, weder Weiß noch Schwarz.“ Dieses von Rabindranath inspirierte „humanistische“ Streben lässt ein geopolitisches Manöver erkennen, nämlich aus der britisch-imperialen Peripherie auszubrechen.

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Radhakamal Mukherjee wollte, dass Indiens kulturelle und wirtschaftliche Besonderheiten sogar im planetarischen Maßstab herausstechen. „Dabei habe ich versucht, die typische Physiognomie der indischen Kultur und der sozioökonomischen Institutionen hervorzukehren, anstatt sie in wahllose, abgedroschene Phrasen zu kleiden, wie es in den Wirtschaftswissenschaften üblicherweise der Fall ist.“78 Mukherjee war ein Schüler von Brajendranath Seal und Asutosh Mukherjee. Er positionierte sich als Kritiker der „vor-evolutionären klassischen Nationalökonomie von [David] Ricardo bis [John Stuart] Mill“ und vertrat die These, dass Methoden aus den Bereichen der Soziologie und Psychologie von großer Bedeutung seien. Das deutschsprachige Mitteleuropa wurde in den Jahren nach dem Weltkrieg zum Prüfstein für Mukherjees Diskussionen über das indische Genossenschaftsbankwesen.79 1925 schrieb er, dass „der große Erfolg bei der Entwicklung der ländlichen Industrien weniger auf die Zwangsmaßnahmen seitens des Staates zurückzuführen war, der diese Industrien führte, und auch nicht auf die direkte oder indirekte Unterstützung durch Zolltarife, als vielmehr auf die stete und mühsame Arbeit der speziell geschaffenen Beratungs-, Informations- und Schulungsdienste“.80 Damit gab das deutsche System den Wirtschaftsakteuren offenbar nur sanfte Anstöße, anstatt sie mit Dominanzgesten wie Zolltarifen oder Anweisungen zu lenken. Der Wirtschaftstheoretiker M. L. Darling erklärte 1922: „Deutschland ist ein leuchtendes Beispiel für Selbsthilfe …“, wenngleich „noch immer auf den Trümmern seines zerfallenen Imperiums treibend“.81 Der Ansatz von Radhakamal Mukherjee, die Probleme der indischen Wirtschaft innerhalb eines planetaren Rahmens der Wirtschaftsströme aufzudecken, sollte der Erhellung der Beziehung zwischen ländlicher und städtischer Wirtschaft dienen. Bei der Ausarbeitung seiner Entwicklungsökonomie hob Mukherjee darauf ab, dass die indische Industrie nicht der von England gleichen müsse, aber auch nicht eine kulturkonforme Ökonomie im Sinne Gandhis werden müsse. Seine Argumentation war stark inspiriert von den städtebaulichen Planungstheorien bei Patrick Geddes, der die Notwendigkeit betonte, kleinere Städte und ländliche Gemeinden mit ihrer agrarischen Wirtschaftsweise im Rahmen ihrer eigenen Bedingungen studieren.82 Indien könnte eine Ökonomie ländlicher Kleinindustrien haben, erklärte Radhakamal.83 Radhakamal sprach von „rurbanization“ (Rurbarnisierung) und „cityward drift“ (Sog in die Städte),84 was „der technischen Entwicklung der Dörfer zugutekommt“, und „den Vorstellungen der klügeren und ambitionierteren Jugendlichen im Dorf entsprechen wird“.85 In den 1910er und 1920er Jahren, ein Jahrzehnt vor dem Aufstieg der später sogenannten „Gandhian Economics“ (Ghandianische Wirtschaft)86, lieferte Radhakamal Mukherjee das wohl stärkste Argument für die Kraft und Macht der indischen Dorfökonomie und die „mühsame Arbeit“ für günstige Produktionsfak-

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toren als eine geopolitische Alternative zum westlichen, städtezentrierten und finanzgetriebenen Kapitalismus. Mukherjee lobte die Dorf- und Handwerkswirtschaft, betonte aber zugleich auch die Unausweichlichkeit der Weltwirtschaft sowie die Vorteile, die sie der indischen Gesellschaft bringen würde. Die großen Vorzüge des „Kommunalismus“, einer gemeinschaftlich nationalen Zugehörigkeit, wie sie der indischen Kultur würde, einmal zusammengekoppelt mit der „Dampfmaschine“ der Weltwirtschaft, Indien eine Form der Modernität erreichen lassen, welche den Westen mit der für ihn typischen Entfremdung und sozialen Desintegration hinter sich ließe.87 In seiner Argumentation für die „rurbanization“ suchte Radhakamal seine Vorbilder nicht in Großbritannien, sondern im deutschsprachigen Mitteleuropa. Die „rurbanization“ und die Nutzung ländlicher, auf geringem Kapital basierender Kleinindustrien, so trug er vor, spiegele sich weniger im westeuropäischen als vielmehr im deutschen Beispiel wider. Für Radhakamal war die indische Ökonomie dialogisch orientiert, und Indiens Erfahrungen mit diesem Modell waren denen anderer „kleiner Volkswirtschaften“ in der Welt nicht unähnlich. Sein besonderes Interesse galt den landwirtschaftlichen Kredit-Genossenschaftsbewegungen. „Deutschland ist die Heimat von Raiffeisen. Seine Idee ist heute Teil der bäuerlichen Organisation [in Indien], so wie es sein sollte“, schrieb Radhakamal.88 Der agrarische Wiederaufbau Deutschlands, insbesondere durch genossenschaftliche Kreditvergaben, war ihm für Indien das passende Modell. „In jedem europäischen Land wird Handwerk betrieben. Noch heute stricken, spinnen, klöppeln oder sticken die Frauen [in] Deutschland, Dänemark, der Schweiz, der Tschechoslowakei, in Russland, Ungarn und den Balkanländern, flechten Stroh, machen Körbe und Töpfe, bearbeiten Holz und Leder … In Deutschland beschäftigt die Kleinindustrie nach wie vor rund zwei Fünftel der gesamten Industriebevölkerung und macht insgesamt mehr als 90 Prozent aus.“89 1926 schrieb Mukherjee sein visionäres Werk „Regional Sociology“. Sein Ansatz bestand darin, soziale und politische Dynamiken in der Denklinie von Friedrich Ratzel aufzudecken, der heute als Wegbereiter der Geopolitik gilt und den er wörtlich zitierte. Um die Wirtschaft und Gesellschaft eines Volkes zu verstehen, so erklärte Mukherjee, müsse man auf das direkte Umfeld achten, darauf, was passiert, wenn „genetische Gruppen“ wandern, sich neu ansiedeln und mit neuen Gruppen „verschmelzen“. „Das Studium über den Zusammenhang zwischen physischen und sozialen Gegebenheiten, inspiriert von Ratzels Anthropogeographie, hat die alte Neigung zu der einen, geraden Linie in der Soziologie korrigiert“, bemerkte Radhakamal.90 Aus seiner soziologischen Perspektive heraus verfocht Mukherjee nicht die beispiellose Einzigartigkeit Indiens, sondern vielmehr seine Beziehung zu ande-

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ren Gruppen in der Welt. Mit Blick auf eine mögliche neue indische Identität jenseits des Empire legte er absoluten Nachdruck auf die historische und die vergleichende Methode. Die Agrarwirtschaft in Belgien, Dänemark, der Schweiz und in Deutschland, so Radhakamal, zeige durchweg „das Aufpfropfen von Prozessen genossenschaftlicher Großbetriebe auf landwirtschaftliche Kleinbetriebe“. Derlei Bedingungen „sind viel eher auf Indien anwendbar, wo die Solidarität der Familie, das gemeinsame Arbeiten für Hof und Heim … uns für die Nutzung aller Vorteile des konzentrierten Großkapitalismus ungeeignet machen, wie er in England und den Vereinigten Staaten als Ländern mit einer Massenproduktion vorkommt“.91 Die Ähnlichkeiten zwischen Deutschland und Indien hinsichtlich ihres dezentralen Wirtschaftslebens wurden bei Anwendung der komparatistischen Methode ebenso leicht sichtbar wie bei der Betrachtung ihrer wechselseitigen Unterschiede zu anderen Formen der politischen Ökonomie. Die hier offenbarte Welt des globalen Handels, wie Radhakamal Mukherjee sie beschrieb, war bevölkert von umgrenzten Ökonomien, die dennoch in globalen Familienzusammenhängen standen. Radhakamal sah eine Welt nicht von autonomen Ökonomien, sondern von weitgespannten ökonomischen Familiengruppierungen. Mit Beginn der 1930er Jahre gelangte Radhakamal zu einer abschließenden Formulierung seiner Vision der unsichtbaren Verwandtschafts- und Gemeinschaftsbindungen, welche die Handelsströme organisieren; er spricht von „Humanisierung des Industrialismus durch Regionalismus“.92 Der Ökologismus (im Sinne weitreichender Wechselbeziehungen zwischen Individuen und ihrer Umwelt; Anm. d. Übers.) sowie knappe Andeutungen einer eugenischen Wissenschaft, die in seinen Äußerungen durchklingen, waren Bestandteile in Radhakamals faszinierender Welt der Gelehrsamkeit. Radhakamal Mukherjee und Benoy Kumar Sarkar zogen Vergleiche zwischen deutschen und indischen Sozialformen, verwiesen dabei aber auch auf diametral entgegengesetzte Vergleichskriterien. Während Sarkar Deutschland als ein Land der Kartelle und der zentralen Planung sah, beharrte Mukherjee darauf, dass Deutschland vor allem wegen seines dezentralen und bis in ländliche Gebiete hinein verzweigten Finanz- und Kompetenznetzwerks, ein besonders gutes Vergleichsbeispiel sei. Wissenschaftler wie Gary Herrigel haben gezeigt, dass die politische Ökonomie Mitteleuropas durchaus als eine Kombination unterschiedlicher Formen der Wirtschaftsordnung verstanden werden kann, wo sowohl dezentrale als auch organisierte Systeme des Kapitalismus nebeneinander wirken.93 Doch selbst angesichts aller Sorgfalt und Richtigkeit, mit der R. K. Mukherjee und Sarkar eine jeweils andere Welt des Wirtschaftslebens aufzuzeigen versuchten, sollten wir nicht übersehen, dass der Einsatz der vergleichenden Methode an sich schon eine politische Absicht verfolgte, da sie indisch-nationalen Identitäten

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die Möglichkeit gab, sich in Beziehung auf andere nationale Gruppen vom liberalen Empire abzuheben. Der epistemische Radikalismus von R. K. Mukherjee und Sarkar war eingebettet in den Rahmen transnationaler Begegnungen. Beide sprachen von Weltwirtschaft, um die Bedeutung von Reisen, von Verbindungen und von Netzwerken jenseits des Empire hervorzuheben.

Kapitalistischer Antiliberalismus 17. Januar 1926. Werner Sombart (1863 – 1941), der berühmte Nationalökonom und Sozialreformer, saß im Hotel Bristol Unter den Linden und bereitete sich auf eine seiner Lieblingsbeschäftigungen vor: ein Treffen mit seinen asiatischen Studenten. Zu diesem Anlass hatte Zakir Husain, ein paschtunischer Moslem aus dem Pandschab, der späterhin Präsident der Republik Indien werden sollte (1967– 1969), für die indischen Studenten in Berlin und ihre Professoren eine Dinnerparty organisiert. Husain hatte jüngst an der Universität Berlin seine Promotion im Fach Ökonomie mit summa cum laude abgeschlossen. Er hatte bei Werner Sombart und Max Sering studiert. Bevor er nach Berlin kam, war Husain an der Aligarh Muslim University im nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh eingeschrieben, wo er sein Bachelor-Studium University absolvierte.94 Nach Beendigung seines Studiums 1926 kehrte Husain nach Indien zurück, wo er zum Rektor der islamischen Universität Jamia Millia Islamia ernannt wurde (1926 – 1948). Sombarts Kritik an Adam Smith fügte sich ein in die lange Tradition der deutschen „Historischen Schule“, die gegen Adam Smiths „naive“ Grundannahme argumentierte (wonach menschliche Gesellschaften nach einer einzigen universellen Regel studiert werden könnten) und gegen die liberale Annahme einer vollkommen individuellen Handlungsfähigkeit. Deutsche Ökonomen argumentierten hingegen, dass die historischen Besonderheiten einer jeden einzelnen Gesellschaft von grundlegender Bedeutung für die Erzeugung ihres Wirtschaftslebens waren. „Sprache, Literatur, Religion, Kunst, Moral-, Rechts- und Wirtschaftsgeschichte“ waren allesamt ineinander verwoben. Ohne das Verständnis der Kulturgeschichte eines Volkes konnte es kein Verständnis der Wirtschaft geben.95 Man müsse, so Sombart, die nationalen Unterschiede begreifen, um zu einem richtigen Verständnis zu gelangen. Diese Behauptung teilte er mit anderen Nationalisten in der Welt, darunter auch Kolonialnationalisten. Sombarts Kritik an der angelsächsischen liberalen Ökonomie trug ihm unter modernen Historikern eine Reihe von Epitheta ein: antipolitisch, antimaterialistisch, antizivilisatorisch, kulturpessimistisch, intolerant, um nur einige zu nennen.96 Dennoch, er war bemerkenswert offen für den Austausch mit nicht-westlichen Denkern in den Kolonien, und seine indischen Studenten fanden in seinen

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Perspektiven vieles, woran sie anknüpfen konnten. Obgleich er deutsche Beziehungen mit Westeuropa abzulehnen schien (während er die Vereinigten Staaten verehrte), baute Sombart Beziehungen zum Orient auf. Der im ersten Teil dieses Buches geschilderte populäre Orientalismus bot Formen der Beziehungen, die ihn animierten, in einer cross-identifikatorischen (J. Butler) Interaktion mit dem Osten Beziehungen dorthin herzustellen. Sombarts „antipolitische“ Kapitalismuskritik fand häufig Eingang in die nicht-europäischen „farbigen“ Kreise Berlins. Sombart stieß unter russischen Ökonomen auf große Resonanz, insbesondere in der Zeit von 1905 bis 1907, nach der Ersten Revolution.97 In den 1920er Jahren unterhielt er einen regen Briefwechsel mit indischen, chinesischen, japanischen und türkischen Studenten.98 Bei seinen japanischen Studenten war er so beliebt, dass die hoch angesehene staatliche Universität Osaka in den 1920er Jahren den Großteil seiner persönlichen Bibliothek mit einem Bestand von 8091 Büchern erwarb.99 Der Sombart-Nachlass in Berlin zeugt von der großen Popularität des Ökonomen bei Studenten aus dem Nicht-Westen. Viele Studenten, darunter Tsunao Miyajima, Kormosuke Otsuka und Chuichira Gomyo aus Japan, S. Sinha, Abdul Jabbar Kheiri und Zakir Husain aus Indien, Achmed Naim Hakimbay und Emmer Djelal aus der Türkei oder Chao Feng aus China, sie alle schrieben Sombart in den 1920er Jahren an und baten um ein persönliches Bewerbungsgespräch oder um die Erlaubnis, seine Vorlesungen besuchen zu dürfen.100 Sombart war mindestens ebenso gefragt wie sein großer Vorgänger Gerhart von Schulze-Gaevernitz in Freiburg, der ebenfalls eine große Zahl nichteuropäischer Studierender anzog. Einer von Sombarts türkischen Studenten aus den 1930er Jahren, Hilmi Ziya, erinnerte sich, wie Sombart nichtwestliche Studenten zu Diskussionsrunden in seine Villa in Grunewald einzuladen pflegte, ebenso wie an Sombarts Interesse am weiteren Werdegang seines Studenten Ömer Celal, der wenige Jahre zuvor in die Türkei zurückgekehrt war. Sombart sagte: „Ich verfolge seine Arbeit auch weiterhin. Und ich will mehr türkische Studenten haben, vor allem angesichts der sozialen Lage ihres Landes.“101 Sombart, ein Denker, der oft mit den weltabgewandten, antipolitisch-konservativen Kreisen der Weimarer Zeit in Verbindung gebracht wird, wünschte sich überraschenderweise den Kontakt mit der Welt. 1923 studierten etwa zweihundert indische Studenten in Berlin.102 Und die angehenden Wirtschaftswissenschaftler unter ihnen hörten mit großer Wahrscheinlichkeit Sombarts Vorlesungen. Auch Zakir Husain schloss seine auf Deutsch verfasste Dissertation über „Die Agrar-Verfassung Britisch-Indiens“ bei Sombart ab.103 Thematisch war Husains Arbeit an Sombarts eigene Dissertation angelehnt, die sich mit der Agrarökonomie im Italien des 19. Jahrhunderts auseinandersetzte, respektive mit deren Technologisierung und Reform.104 Und sie erinnerte an das Thema einer weiteren Dissertation, „The Plantation and Peasant

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Proprietorship System of Agriculture in the Southern United States“ (Plantagenwirtschaft und bäuerliches Eigentumsrecht in der Landwirtschaft der südlichen Vereinigten Staaten), mit der eine Generation zuvor der US-Amerikaner und spätere Soziologe W. E. B. Du Bois bei Gustav Schmoller in Berlin promoviert hatte.105 Für die Einführung von Technologie auf dem Land fand Sombart positive Worte und führte auch an, dass staatliche Eingriffe das kommunale Eigentum erweitert, Bewässerungsanlagen eingeführt und den Druck des Handelskapitalismus gezähmt hätten. Sombart sprach von der organischen Natur des ländlichen Lebens, mit Familie und lokaler Gemeinschaft im Mittelpunkt, und er betonte, dass Technologie und staatliche Planung die ländliche Wirtschafts- und Sittenordnung gestärkt und gefestigt hätten. Husains Forschung bei Sombart setzte eine Rückkopplungsschleife in Gang, denn bald danach nahm Sombart Husains wissenschaftliche Arbeit in seine Fußnoten auf. Sombarts Werk „Das Wirtschaftsleben im Zeitalter des Hochkapitalismus“ (1928), erschienen zwei Jahre nachdem Zakir Husain seine Dissertation eingereicht hatte, schloss mit einer Erörterung der bäuerlichen Ökonomien weltweit. Die Ausbeutung der bäuerlichen Arbeitskraft zur Versorgung der Gesamtwirtschaft sei typisch für eine allgemeine Wirtschaftsordnung „im Osten“, argumentierte Sombart und bezog sich dabei auf Husains ‚Agrar-Verfassung‘: „Ich folge im wesentlichen dieser gründlichen Arbeit“, hielt er in einer Fußnote fest.106 In der Zwischenkriegszeit sahen die beiden Denker einander als akademische Landsleute gegen den liberalen imperialen Kapitalismus an, während sie über institutionelle Grenzen hinweg, von asiatischem Schüler zu europäischem Lehrer, in regem Austausch standen. Deutsche Nationalisten verstanden sich in den 1920er Jahren gleichwohl als Lehrer und Landsleute des Ostens. Konservative Zeitungen wie die Preußische Kreuzzeitung veröffentlichten viele Artikel über antikoloniale Bewegungen irischer, indischer, chinesischer, ägyptischer und syrischer Aktivisten. Ein gängiges Schlagwort war das von den Deutschen als Volk der „Dichter und Denker“, das nun den materialistischen Kräften des britischen und französischen Imperialismus unterworfen sei.107 Während deutsche Wissenschaftler Intellektuelle aus den Kolonien in das „besiegte“ Deutschland einluden, um zu studieren und zu lernen, nahmen sie selbst die Sprache des Antikolonialismus an, um über die eigene Erfahrung im deutschsprachigen Mitteleuropa zu sprechen. Konservative Presseorgane wie Deutsches Volkstum, Das Gewissen oder die Preußische Kreuzzeitung publizierten antikoloniale, pro-indische Artikel, auch wenn sie gleichzeitig behaupteten, Deutschland müsse „wieder in See stechen“ und Kolonialmacht werden.108

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Max Freiherr von Oppenheim, ehemals im Auswärtigen Amt tätiger Orientalist, der während des Ersten Weltkriegs deutsch-indische Komplotte eingefädelt hatte, und Ernst Graf zu Reventlow, konservativer antirepublikanischer Publizist, zunächst Nazi-Politiker und später Unterstützer der Deutschen Glaubensbewegung, nahmen an den antikolonialen Treffen indischer, ägyptischer und syrischer Nationalisten teil.109 Reventlow war einer der Sponsoren der Indian National Party of Berlin, gegründet von Champakraman Pillai, einem antikolonialen Aktivisten aus Südindien.110 Sten Konow, ein norwegischer Indologe, der in Deutschland lehrte, veröffentlichte 1915 sein Werk „Indien unter der englischen Herrschaft“. Ebenfalls 1915 erschien das Werk „Aufruhr in Britisch-Indien“ des deutschen Indologen Hermann von Staden, und 1918 folgte „Deutschlands Anteil an Indiens Schicksal“ von A. K. Viator. Viele von ihnen waren während der Kriegsjahre Mitglied im Berliner „Bund der Freunde Indiens“. Doch oft waren dieselben deutschen Persönlichkeiten auch selbst Befürworter einer imperialistischen Kolonialpolitik und hegten Visionen von deutscher Vergeltung für den Verlust der Kolonien und einer Expansion, die sich nach Osteuropa, ja sogar bis hin in die Überseegebiete erstrecken sollte.111 Ernst Bloch bemerkte einmal, dass der alte unerschrockene „Pionierwillen“ in Amerika, der antikoloniale Kampfgeist in Indien und der „Triumph des Willens“, der von so zentraler Bedeutung für den deutschen Nationalismus und letztlich den Faschismus war, allesamt eine vage Ähnlichkeit aufwiesen, und zwar insofern, als dass sie den „Moment des Willens“ idealisierten.112 Es drängt sich die berechtigte Frage auf, wie diese Fixierung auf oppositionellen „Willen“ in so unterschiedlichen Kontexten entstanden ist, und wie dieser Wille zusammenhängt mit Kräften, die in der Wissenschaft zur Zeit der Aufklärung verwurzelt sind, und nicht etwa außerhalb davon. Sombart, als einer der „Jungs von der Volkswirtschaftslehre“113, begeisterte sich für Modernisierung und Technologisierung, beklagte aber gleichwohl die sich selbst erschöpfenden Prozesse des „englischen“ und „jüdischen“ Kapitalismus. Im Zentrum seiner Überlegungen nach dem Krieg standen die unbedingte Notwendigkeit einer ethischen Sozialordnung, eines starken, zentralisierten Staates,114 einer tragfähigen deutschen Kultur und einer gemeinschaftlichen Sehnsucht nach der Wiederherstellung der deutschen Gemeinschaft, in der „Volk, Vaterland und Staat“ zur „Quelle des Heldengeists“ würden.115 Sombart galt als der Tönnies der deutschen Ökonomie. Er extrapolierte die ökonomischen Implikationen aus Ferdinand Tönnies’ Soziologie des Modernisierungsprozesses. Sombarts Deutsche Volkswirtschaft (1903) beschreibt die deutsche Nationalgeschichte als eine stete Fortentwicklung (sozial, wirtschaftlich, kulturell und politisch).116

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Der Wandel, den Sombart in seiner Wahrnehmung von Asien vollzieht, ist dabei sehr gut nachvollziehbar; er beginnt in einer Zeit, da er dem deutschen Imperialismus das Wort redete und geht bis in die Zwischenkriegszeit, wo er sich als Kritiker des westlichen Imperialismus und Kämpfer auf der Seite der globalen Subalternen sah. In Sombarts Denken lässt sich jedoch auch ein gewisses Maß an Identifikation über koloniale Trennlinien hinweg erkennen. So verwies er 1897 beispielsweise auf die „unterlegenen osteuropäischen und asiatischen Nationen“ und betonte vor allem die aus dem deutschen Unternehmergeist erwachsenden Möglichkeiten, die angrenzenden Regionen im Osten Europas zu kolonisieren.117 Um 1913 befassten sich seine ökonomischen Forschungen mit Fragen, die sich auch auf den Osten und auf Asien bezogen. In Luxus und Kapitalismus (1913) schrieb er über die Geschichte der Produktion und Verschiffung von Zucker, Kakao und Baumwolle aus den Kolonien nach Europa.118 In Der Moderne Kapitalismus (1916) kritisierte er die britische und amerikanische Wirtschaftsexpansion für ihre Rolle in der Sklaverei.119 Im selben Werk machte er das vermeintliche Fehlen von Sklavenarbeit in deutschen Kolonien als ein kennzeichnendes Merkmal Deutschlands aus.120 Vor dem Ersten Weltkrieg befasste sich Sombart fast ausschließlich mit Deutschland und dem Mittelmeerraum, wenngleich der Burenkrieg ebenfalls seine Aufmerksamkeit erregt hatte.121 1917 publizierte er zur Gewinnung von Edelmetallen durch britische Händler aus Kolonialgebieten.122 In Der Bourgeois (1920) geißelte Sombart die britischen Kolonialherren, insbesondere Cecil Rhodes, für ihre „Räubernatur“.123 In seinem 1932 veröffentlichten Buch Zukunft des Kapitalismus postulierte Sombart, dass die „Weltwirtschaft der Zeit des Hochkapitalismus, der Zeit der Herrschaft der weißen Rasse über die ganze Welt, an ihr Ende gekommen ist“.124 Hauptmerkmal des „englischen Geistes“, so schrieb Sombart, sei der Imperialismus. „Das British Empire ist eine Rechenmaschine der Aneignungen, die mechanisch, eine nach der anderen, zusammenaddiert werden: Die einzelnen Teile werden ‚akkumuliert‘ und hängen nur lose mit dem Mutterland zusammen.“125 Die gesamte Arbeit hindurch sinnierte Sombart über Kolonien als „Pumpstation“126, über den britischen Erfolg, „koloniale Völker ihre Kriege führen zu lassen“127, und über Großbritanniens Verlegung von Telegraphenkabeln in alle Welt, um „Lügen“ über Deutschland zu „verbreiten“.128 Die „Händlermentalität“ der Engländer ist scheinbar eine, die Unterschiede zu zerstören und die Faulheit des Handels zu verbreiten suchte. In seinem Buch Händler und Helden, das der deutschen Frontjugend gewidmet ist, schwillt der propagandistische Ton zu schrillen Angriffen auf den britischen Nationalcharakter an: „Ebenfalls von alters her den Engländern eigentümlich ist ihr Dünkel. Es war im 16. Jahrhundert nicht anders wie heute. Wenn Sie einen Fremden sehen, der hübsch ausschaut, so sprechen sie: schade, daß es kein Engländer ist: (…) Die Engländer sind sehr

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eingebildet auf sich und ihre Werke; sie glauben gar nicht, daß es auch andere Menschen als sie, oder noch etwas anderes auf der Welt als England gebe.“129 Die deutsche Gesellschaft hingegen war von einer nicht-ausbeuterischen Weltbürgerlichkeit geprägt.130 Sombart wurde zum Verfechter eines heroisch deutschen Kapitalismus und stand damit nicht allein. Auch viele andere deutsche Nationalisten, vor allem nach der Kriegsniederlage, schickten sich an, deutsche Musik, deutsche Literatur, deutsche Religion oder gar das deutsche Atom zu preisen. Doch die Konstruktion einer deutschen, in der Welt herausragenden Identität entwickelte sich nicht in völliger Abgeschiedenheit und ohne jedwede Bezüge, sondern in Relation und im Vergleich zu anderen Gruppen. Im Gegensatz zum destruktiven westlichen Internationalismus, so Sombart, „ist es ein Merkmal des deutschen Wesens, dass wir Ausländern stets mit Feingefühl und Liebe begegnet sind. Es ist, wie manche sagen, geradezu un-deutsch, nur deutsch sein zu wollen“. Doch Sombarts Ausführungen über den deutschen „heroischen“ Geist steckte voller Widersprüche. Kaum hatte er die Weltzugewandtheit der Deutschen konstatiert, fuhr er fort: „Letztendlich brauchen wir Deutschen keinen kulturellen oder intellektuellen Einfluss von niemandem.“ Und weiter: „Wer noch immer von der befruchtenden Bereicherung fremder Kulturen für das deutsche Geistesleben spricht, sollte sich zu Gemüte führen, was Goethe über die deutsche Seele geschrieben hat.“131 Im selben Text, in dem er eine deutsche Faszination für das „Un-Deutsche“ erklärte, beharrte er gleichwohl auch auf einer deutschen kulturellen Überlegenheit. Sombarts antisemitische, aber auch anti-angelsächsische Sicht setzte Juden und Engländer gleich – beide stellten sie unsichtbare, global grassierende Bedrohungen für fest verankerte deutsche Lebensgrundlagen dar. In seiner eigenwilligen Beschreibung waren die „entwurzelten“ Juden und die Ostindische Handelskompanie die beiden Kräfte, die für die Etablierung des „Hochkapitalismus“ verantwortlich waren.132 Angesichts der Bedrohung des britischen und jüdischen Internationalismus, so schien Sombart zu meinen, könne das deutsche Volk nur reagieren, indem es selbst international (tätig) werde. Der Historiker Karl Hardach vertritt die These, dass die Erfahrung der „unfreiwilligen Autarkie“ während des Ersten Weltkriegs, als Deutschland weitgehend abgeschnitten war von Rohstoffen aus der südlichen Hemisphäre, „direkten Einfluss auf die zukünftige deutsche Wirtschaftspolitik hatte, insbesondere nach 1933“.133 Der Diskurs über die deutsche völkische Identität war zumindest teilweise auch dem romantischen Erbe geschuldet – den nationalistischen Philosophien eines Johann Gottfried von Herder oder eines Johann Gottlieb Fichte. Doch hatte Sombarts Konstruktion des Deutsch-Seins weit mehr mit den geopolitischen Spannungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu tun – zunächst mit der imperialen

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Hybris der Deutschen, später dann, nach Versailles, mit der deutschen Verbitterung als einer verhinderten Weltmacht.

Die Macht der indischen Dörfer Es ist schwer zu sagen, ob Sombart einen eher bestärkenden Einfluss auf seine Studenten aus Asien hatte, oder ob deren Belange, angesiedelt in einem ganzen anderen Rahmen des politisch-nationalen Ringens, ihn in seinem Hang zu deutsch-nationalistischen Exzessen möglicherweise auch gezähmt haben. Zakir Husain, das bereits erwähnte „Wunderkind“ von der Aligarh Muslim University im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh, schrieb seine Dissertation bei Sombart. Er orientierte sich dabei eng an Sombarts Untersuchungsmethode und begann mit der einleitenden Behauptung, das moderne Wirtschaftsleben Indiens habe mit der Ankunft der Mogulen begonnen. Die muslimische Herrschaft durchbrach die soziale Stagnation der hinduistischen Dorfgemeinschaften, errichtete unter Akbar ein starkes politisches Zentrum errichtete und forderte (somit) „den lokalen brahmanischen Autoritarismus heraus“.134 Die daraus resultierende Sozialordnung hatte jedoch ihre eigenen Nachteile, und führte zur „Herrschaft von Grundbesitzern, Pachtregeln und einer schlecht ausgestatteten Klasse von Bauern, denen es am Willen wie auch an den Mitteln mangelte, ihre Situation zu verbessern“.135 Die Einführung des britischen Wirtschafts- und Rechtssystems jedoch, schrieb Husain, machte es noch schlimmer und führte zu einer weiteren Versklavung der indischen Bauernschaft. In vorkolonialer Zeit musste ein Gläubiger die „Dorfmeinung“ mobilisieren (die Zustimmung des Dorfes), um die Tilgung der Schuld zu sichern. Säumige Schuldner wurden von der Gemeinschaft gedrängt, ihrer finanziellen Verantwortung nachzukommen und auch bloßgestellt. Unter der unpersönlichen Rechtsordnung der Briten dagegen wurden Gerichte eingesetzt, und es waren Gerichtssteuern und Gerichtsgebühren zu entrichten. Kraft Gesetzes hatten Gläubiger fortan die Möglichkeit, sämtliche offenen Forderungen gerichtlich einzutreiben. Mit Inkrafttreten des britischen Kolonialgesetzes war der Tod der (Dorf)-Gemeinschaft besiegelt, konstatierte Husain. Der britisch-imperiale Kapitalismus führte zu einer gehemmten Entwicklung Indiens durch den „Händlerkapitalismus“. Das sogenannte Permanent Settlement (eine von der East India Company 1793 festgelegte Grundsteuer in den von ihr verwalteten Gebieten Bengalens, die Einkünfte vorhersehbar machte und sie auf Dauer sicherte), mit dem der aufstrebende Kolonialstaat das landwirtschaftliche Unternehmertum in Bengalen durch die Verrechtlichung von Eigentum am Land anzukurbeln suchte, „war eine von

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Händlern implementierte Maßnahme – und zwar von englischen! Das Wohl des Volkes war ihnen dabei egal; die erste britische Besatzung hatte einen rein kommerziellen Charakter und zielte einzig auf wirtschaftlichen Profit ab“.136 Steuern wurden erhöht, Feldfrüchte eingeführt, die für den Export bestimmt waren und den Bauern selbst keinen Nutzen brachten (Cash Crops), so daß die große Verarmung und Dequalifizierung der indischen (Kunst)Handwerker und Arbeiter vom Lande ihren Lauf nahm, so Husain. Husain schloss seine von Sombart hoch gelobte Dissertation mit einem Kapitel über den sich aktuell vollziehenden politischen Wandel in Indien, symbolisiert durch Mahatma K. Gandhi. Die kosmopolitischen Kräfte des Welthandels, so Husain, hätten einen „gestaltgewordenen entnationalisierten Geist hervorgebracht (…) die Bewegung aber, die Gandhis Namen trägt, wird starke Strömungen hervorbringen, die grundlegende Veränderungen herbeiführen werden. Hier finden wir Indiens Willen zum Ausdruck gebracht – im eigenen Land, gemäß den eigenen Idealen“.137 Anklänge an Sombarts Händler und Helden waren deutlich erkennbar. Husains Ansicht zufolge war das Dorf Quell wirtschaftlicher Macht sowie ethischer und kultureller Verjüngung. In seiner Argumentation war er sowohl von seinen deutschen Lehrern als auch von den Standard-Thesen des Indischen Orientalismus und den Schriften indischer Wirtschaftshistoriker beeinflusst. Sowohl Briten, wie der englische Rechtsprofessor und Staatsrat für Indien Sir Henry Maine (Village Communities in the East and West, 1871) und B. H. BadenPowell (Indian Village Community, 1896), als auch Deutsche wie der Indologe Heinrich Zimmer (Altindisches Leben, 1879) und sein Kollege Julius Jolly (Grundriss der indo-arischen Philologie, 1901) bestätigen Husains Darstellung der kulturellen Authentizität des indischen Dorflebens. Und zeitgenössische indische Ökonomen, insbesondere Radhakamal Mukherjee in seinem Buch Foundations of Indian Economics (1916) stimmten überein mit Husains Argument für die Notwendigkeit, das indische Dorfleben als Quelle nationalistischer Macht zu erhalten. Während des Zweiten Weltkriegs hielt Husain, inzwischen Vizekanzler der Jamia Millia Islamia University, an der Delhi University eine Reihe von Vorlesungen zum Thema „Kapitalismus“. Er stellte zunächst fest, dass die neoklassischen Ökonomen davor zurückscheuten, den Begriff „Kapitalismus“ zu verwenden, wenn sie ihre eigenen ideologischen Loyalitäten beschrieben. Aber mit einer wohlmeinenden Anspielung auf seinen deutschen Doktorvater sagte Husain: „In den populären Lehrbüchern von Gide und Marshall, Seligman und Cassel taucht der Begriff nicht auf … Doch in neuerer Zeit, insbesondere durch Sombarts Einfluss, wurde die Brauchbarkeit des Begriffs, um das Wirtschaftsleben einer bestimmten Art mit einem Wort zu benennen, allgemein anerkannt.“138 Husain

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selbst berief sich auf die Autorität von Sombarts begeisternder Art, Wirtschaftswissenschaften zu betreiben, und erklärte seiner interessierten Zuhörerschaft, dass der Kapitalismus eine Form der wirtschaftlichen Aktivität sei, die durch den „Drang ins Grenzenlose“ und die Überschreitung von Grenzen, durch den Drang zur Rationalisierung, durch Unternehmertum und durch die Fixierung auf rein monetären Gewinn charakterisiert sei. Der Weltkapitalismus, so Husain weiter, sei gekennzeichnet von Abbau und Ausschöpfung bis zur Restlosigkeit, von einer Ausbreitung des privatwirtschaftlichen Profitstrebens, nicht dem der öffentlichen Güter. In zwölf bemerkenswerten Vorträgen demonstrierte Husain die Bandbreite seines ausgereiften Denkens und behandelte Themen wie den Zusammenhang zwischen Militarismus, Sklaverei und Kolonialismus sowie das kapitalistische Streben nach „Befreiung von den Grenzen des Raums“.139 Husain schloss mit einer Vorhersage des kommenden Aufstiegs eines „asiatischen Kapitalismus“ in Indien, der sich „von seinem westlichen Vorläufer“ deutlich unterscheiden werde.140 Abdul Jabbar Kheiri beendete seine Dissertation 1927, ein Jahr nach Zakir Husain. Jabbar und sein Bruder Sattar Kheiri waren Khilafatisten, aktive Anhänger der indisch-politischen Khilafat-Bewegung während des Ersten Weltkrieges. Die Bewegung entstand mit dem Ziel, den osmanischen Kalifen als Symbol der Einheit der muslimischen Gemeinschaft in Indien während der britischen Kolonialherrschaft zu retten. Die beiden Brüder verließen Indien 1916 und dienten während des Krieges in der deutschen Botschaft in Istanbul, wo sie für die Abteilung für Aufklärung und Propaganda arbeiteten. Nach dem Krieg reisten sie nach Deutschland und kamen 1919 nach Berlin. Als Belohnung für ihre Unterstützung der deutschen Regierung während des Krieges bezogen sie noch bis 1922 Gehälter vom Auswärtigen Amt. Jabbar Kheiri immatrikulierte sich 1922 als Doktorand bei Werner Sombart und war bis zu seiner Rückkehr nach Indien 1927 zudem als Imam der islamischen Gemeinde in Berlin tätig. Zurück in Indien, lehrte er an der Aligarh Muslim University. In den 1930er Jahren wurden er und sein Bruder zu Führungsfiguren der Pakistan-Bewegung.141 Die Aligarh Muslim University wurde zu einem Zentrum der in Deutschland ausgebildeten indischmuslimischen Ökonomen, wovon in den 1930er Jahren ganze sechs ihren Doktortitel in Deutschland erworben hatten.142 Kheiris Dissertation „Indien und seine Arbeiterschaft: Ihre Entstehung und Bewegung“ (1927) stand in vielerlei Hinsicht in Einklang mit Husains Werk. Auch Kheiri rühmte das indische Dorf: „Die indischen Dörfer waren einst ein Kollektiv für das indische Wohlergehen. Sie haben sich längst zu einer Art Kommune entwickelt.“143 Während indische Dorfbewohner deutschen Kleinstädtern glichen, „geprägt von Erhabenheit und Pflichtbewusstsein (dem ‚Müssen‘), wurden sie von einem Volk kolonisiert, das einzig interessiert war an Komfort und Vergnügen, und das getrieben war von Gier“, so Kheiri.144 Die Briten führten in Indien die

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„Finanzpolitik“ ein und verwandelten so das Land in eine Wüste und die Dorfbewohner in ein Proletariat. In Kheiris Narrativ spielten die Briten die Rolle, die in Sombarts Werk die Juden spielten. In Sombarts antisemitischem Narrativ waren es die jüdischen Kosmopoliten mit ihrem vermeintlich natürlichen Hang zum Handeltreiben, die die moralisch gesunde Gemeinschaft des deutschen Wirtschaftslebens (zer)störten. Nach Kheiris Darstellung führte die Verschmelzung der muslimischen und der hinduistischen Kultur während der Mogulzeit zu einer kulturellen Blüte. Im Unterschied zu Husain, der den Einfall der Muslime als Teil des Rationalisierungsprozesses betrachtete, lenkte Kheiri den Blick auf die Entwicklung von „Moscheen, Schulen, Universitäten, Bibliotheken und Studienorten“, die während der Mogulherrschaft entstanden.145 Mit den Briten allerdings, so fuhr er fort, hielt auch die intellektuelle „Anarchie“ Einzug, „altes Wissen wurde verachtet, alte Bräuche und Traditionen verworfen und alte Religion als bloßer Aberglaube verlacht“.146 Sowohl Kheiri als auch Husain sprachen damals von der Kultur als einer Quelle ethischer und sozialer Ganzheit, zerstört durch das Eindringen der Geschäftemacherei. Die Mogulherrscher, so ihre Darstellungen, beendeten die indisch-hinduistische Stagnation, und zwar ohne moralische Degeneration und soziale Auflösung herbeizuführen, wie sie später mit dem westlichen Kapitalismus einhergingen. So sehr sich die indischen Verfasser dieser Dissertationen auf Sombarts Sichtweise einließen, so wichtig ist hier zu bemerken, dass Sombart seinerseits die Initiative ergriff und sich auch mit ihren Gedanken beschäftigte. Es ging ihm darum, die radikalen Ähnlichkeiten zwischen den deutschen und den indischen Entwicklungserfahrungen herauszustellen, und zwar den wirtschaftlichen wie den sozialen. In der Interaktion mit seinen indischen Studenten war eine doppelte Identifikation erkennbar, einerseits als Lehrperson, andererseits als „Landsmann“. Tatsächlich war Sombart einer aus einer ganzen Gruppe von deutschen Schriftstellern und Denkern, die man als revolutionäre Konservative bezeichnen kann und die sich ohne Weiteres mit den Erfahrungen, der Geschichte und der Politik der kolonialen Welt identifizierten. Es waren transnationale Diskussionen, aus denen der Anspruch entstand, verborgene Welten von Handel und Wirtschaft aufzudecken, die das dominierende Nordwesteuropa mit seiner „liberalen“ internationalen Wirtschaft zerstören könnten. Diese Diskussionen brachten verschiedene durchaus maßgebliche Thesen über die unsichtbaren Wirtschaftsströme hervor, welche die ganze Welt umspannten. Doch bei all den unterschiedlichen Wahrheitsansprüchen und politischen Wendungen, die viele der Begegnungen damals prägten – die von Bernhard Harms mit Benoy Kumar Sarkar, oder die Radhakamal Mukherjees mit dem deutschen Genossenschaftsgedanken, oder auch Werner Sombarts Aus-

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tausch mit Zakir Husain und Sattar Kheiri –, allein die Tatsache, dass all diese politisch ungleichen Gruppen in gegenseitigem Austausch standen, gibt Aufschluss über jene Zeit. Die deutsch-britische Partnerschaft, auf derselben Seite der kolonialen Trennlinie, währte bis in die 1880er Jahre hinein. Danach entwickelten sich transnationale Verbindungen über die koloniale Trennlinie hinweg und verflochten sich ineinander. Insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich eine Dialogordnung, in der Deutsche und Inder sich jeweils miteinander cross-identifizierten, selbst wenn ihre jeweilige politische und wirtschaftliche Situation doch offenkundig große Unterschiede aufwies. In den Zwischenkriegsjahren sahen sich deutsche und indische Wirtschaftsdenker mit ihren radikalen globalistischen Visionen als ebenbürtige Diskussionspartner, als Wahlverwandte gar, wenn auch nur für einen mehr als flüchtigen Moment. Denn spätestens mit Ende des Zweiten Weltkriegs vermochte es der ökonomische Diskurs als Mittel des post-aufklärerischen Zaubers nicht mehr, in der gleichen Weise wie zuvor Wege und Räume für transnationale Begegnungen zu eröffnen.

7 Marxistische Totalität Im Zeitalter der Verflechtungen mühten sich radikale marxistische Denker darum, die Arbeiter in aller Welt als eine universelle Kraft zu begreifen – das Bewusstsein der Weltgeschichte kommt zur Selbsterkenntnis. In den Worten des jungen Georg Lukács ist die marxistische Totalitätsvision dann erreicht, wenn das Proletariat sich seiner selbst bewusst wird, „als zugleich Subjekt und Objekt des sozialgeschichtlichen Prozesses“.1 Die Arbeiter der Welt, und zwar Europäer wie koloniale Untertanen gleichermaßen, bildeten ein kollektives welthistorisches Subjekt, das die universelle, objektive Bedeutung der Menschheitsgeschichte herausarbeiten würde, wie radikale Marxisten glaubten. Der Marxismus lieferte eine dem Liberalismus symmetrisch entgegengesetzte Weltsicht: statt des weltmännischen Kapitalisten als welthistorischem Subjekt waren es hier die Fabrikarbeiter, die hart arbeitenden Bauern und der koloniale Untertan, die alle zusammen für das Universelle standen. Der institutionalisierte Marxismus in seiner „revisionistischen“ Form des Erfurter Programms der Sozialdemokraten (1891) stand für eine Weltsicht, die das Ideal „Europa“ aus dem 19. Jahrhundert bestätigte. Nach dem Ersten Weltkrieg schufen der Marxismus-Leninismus und der Kommunismus Diskursforen, in denen die uniformen Visionen von „Europa“ und „Empire“ nachdrücklich kritisiert wurden, oft auch durch dialogische Reaktionen zwischen Debattanten in Europa und der kolonialen Welt. Die post-aufklärerischen Diskussionen des radikalen Marxismus boten ein Forum, in dem sowohl deutsche als auch indische Gesellschaftstheoretiker den universellen und exklusiven Anspruch erhoben, als die Einzigen auf der Welt im Besitz der für die Enthüllung der Menschheitsgeschichte in ihrer Gesamtheit erforderlichen philosophisch-weltanschaulichen Perspektiven zu sein.2 International reisende indische Nationalisten wie Virendranath Chattopadhyaya oder M. N. Roy waren maßgeblich daran beteiligt, in Berlin die grundlegenden Strukturen der Kommunistischen Partei Indiens im Ausland zu etablieren. Persönlichkeiten wie Rajani Kanta Das und Ram Monahar Lohia fanden Gesprächspartner unter deutschen und russischen Marxisten und eröffneten Foren für erkenntnistheoretische Reflexionen, die jenseits des Empire und seiner Bestrebungen des imperialen Liberalismus lagen.

Die Erfindung und der Begriff der Arbeit Mit Beginn des 19. Jahrhunderts, wurzelnd im radikalen Werk zweier deutscher Wissenschaftler namens Karl Marx und Friedrich Engels, sah man die „Arbeit“ https://doi.org/10.1515/9783110706178-008

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nun als die eigentliche unsichtbare globale Macht, die die menschliche Gesellschaft und die Weltwirtschaft durchdrang. Viele Kommentatoren haben aufgezeigt, wie sich Marx’ eigene Haltung gegenüber der Kolonialfrage im Laufe der Zeit veränderte, von einer allgemeinen Bewunderung für den britischen Imperialismus in den frühen 1850er Jahren hin zu unverhohlener Kritik der imperialen Macht ab den 1870er Jahren. Von nun an interessierte sich Marx für Formen des antikapitalistischen Kommunismus in Russland und begann, die russischen Bauern, nicht die Industriearbeiter, als wahrscheinliche Quelle revolutionärer Unruhen anzusehen.3 In seinen späteren Jahren hoffte Marx darauf, dass eine russische Revolution in den Dörfern und Siedlungen als Initialzündung wirken und eine proletarische Weltrevolution in den städtischen Fabriken auslösen würde.4 Im ausgehenden 19. Jahrhundert änderten sich die marxistische Ansicht über Asien drastisch. An der Wende zum 20. Jahrhundert, sogar schon vor dem, was im Oktober 1917 in St. Petersburg geschah, sahen viele Marxisten den Funken zur Weltrevolution aus dem Orient kommen. Bereits 1908 sprach Wladimir Lenin von Russland als einem Imperium, das sich teils aus Europa und teils aus Asien „zusammensetze“.5 Und schon 1913 war er der festen Ansicht, die russische Erfahrung werde allein schon deshalb eine wichtige Rolle dabei spielen, Asien zum Handeln zu „wachzurütteln“. „Der Weltkapitalismus und die russische Bewegung von 1905 haben Asien endgültig wachgerüttelt. Hunderte Millionen einer eingeschüchterten, in mittelalterlicher Stagnation niedergehaltenen Bevölkerung sind zu neuem Leben und zum Kampf für die elementaren Menschenrechte, für die Demokratie erwacht“, schrieb er.6 Der Marxismus konzentrierte sich auf die Frage, wie das theoretische Verständnis einer unsichtbaren Welt der Arbeitsströme mit der konkreten Politik sozialen Widerstands und sozialer Reformen am besten zu verbinden sei. Die begriffliche Verknüpfung von Kapitalismus und Kolonialismus als verwandter Formen der Ausbeutung entwickelte sich erst mit der Zeit, eigentlich erst im Kontext der starken imperialen Konkurrenz im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. In gewisser Weise unternahm der Marxismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts etwas Ähnliches wie die Vergleichende Philologie im frühen 19. Jahrhundert: Sich kritischer Methoden bedienend, lenkte er seinen Argwohn auf die dominante und normative Selbstdarstellung eines europäischen Exzeptionalismus im 19. Jahrhundert. Wo die Philologie verborgene familiäre Verbindungen zwischen scheinbar nicht verwandten Sprachen fand, spürte der Marxismus verborgene Verbindungen von Arbeit und Enteignung quer durch scheinbar nicht verwandte Ökonomien auf. Anstelle von tiefen und unbekannten genealogischen Beziehungen zwischen Sprachen enthüllte der Marxismus tiefe Beziehungen zwischen all jenen, die für die moderne Wirtschaft schufteten. Der Diskurs des

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Marxismus gab den Intellektuellen so die Möglichkeit, eine bevorzugte „historisch-materialistische“ Weltsicht für sich zu beanspruchen und mithin auch einen Posten im zentralen Wachturm, der die Weltbühne überblickte. Der Marxismus erlaubte es den Marxisten, universalistische Identitäten für sich selbst zu konstruieren. Um zu verstehen, wie schwierig es war, den Antikolonialismus um die Jahrhundertwende in das marxistische Denken zu integrieren, muss man nur den gängigen sozialistischen Diskurs über den Imperialismus zu jener Zeit betrachten. Viele Sozialisten unterstützten koloniale Unternehmungen mit dem Argument, dass die kolonialen Ökonomien den europäischen Arbeitern zugutekämen. Ende August 1907 fand in Stuttgart der Internationale Sozialistenkongress statt, ein Kongress aller in der Zweiten Internationale zusammengeschlossenen sozialistischen Parteien. Es war das siebte Treffen dieser Art. In einer kämpferischen Rede dort attackierte Henry M. Hyndman, ein englischer Politiker und Gründer der ersten sozialistischen Partei Großbritanniens, das Empire scharf. Auch Lenin und Rosa Luxemburg waren anwesend, und es verwundert nicht, dass sie mit der reformistischen Tonlage der Kongressbeiträge zutiefst unzufrieden waren. Als größtes internationales Treffen von Sozialisten in der Geschichte zog der Kongress Mitglieder aus aller Welt an, darunter auch Vertreter aus Indien, die ebenfalls Besorgnis äußerten.7 Das wichtigste und umstrittenste Thema auf der Agenda des Internationalen Sozialistenkongresses in Stuttgart kam am dritten Veranstaltungstag zur Sprache. Die zur Abstimmung vorgelegte Resolution hatte folgenden Wortlaut: „Der Kongreß stellt fest, daß der Nutzen oder die Notwendigkeit der Kolonien im Allgemeinen – besonders aber für die Arbeiterklasse – stark übertrieben wird. Er verwirft nicht prinzipiell und für alle Zeiten jede Kolonialpolitik, die unter sozialistischem Regime zivilisatorisch wird wirken können.“8 Aber selbst diese leise Kritik am Kolonialismus, noch immer festgefahren in den universalistischen, dem 19. Jahrhundert entstammenden Bedeutungsträgern „Europa“ und „Imperium“, war für pro-imperiale sozialistische Denker und Politiker inakzeptabel. Der niederländische Sozialist Henri van Kol ebenso wie der deutsche Sozialdemokrat Eduard Bernstein, Begründer des theoretischen Revisionismus, der das Heil nicht in der Revolution, sondern in Reformen sah, wiesen sie entschieden zurück. Bernstein forderte sogar eine „sozialistische Kolonialpolitik“, denn: „Wir müssen von der utopischen Idee abkommen, die dahin geht, die Kolonien zu verkaufen. Die letzte Konsequenz dieser Anschauung wäre, daß man die Vereinigten Staaten den Indianern zurückgäbe.“9 Auf der anderen Seite wandte sich eine Minderheit der Teilnehmer lautstark gegen die Resolution, als eine un-marxistische Bejahung der Unterdrückung kolonialer Völker. Georg Ledebour und Adolph Hoffmann von der deutschen

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Delegation beharrten darauf, die Resolution zu ändern und den Kolonialismus aufs Schärfste zu verurteilen. Die radikale Linke forderte, folgende Passage einzufügen: „Die zivilisatorische Mission, auf die sich die kapitalistische Gesellschaft beruft, dient ihr nur als Deckmantel für die Eroberungs- und Ausbeutungsgelüste.“10 Lenin und Luxemburg stellten sich auf die Seite von Ledebour und Hoffmann, und ihre Kritik an der sozialistischen Haltung lieferte die Rechtfertigung für den großen Bruch mit der Zweiten Internationale, der sich in den kommenden Jahren vollzog. Die ursprüngliche Resolution wurde mit ein paar kleineren Ergänzungen ratifiziert: 127 Ja-Stimmen, 108 Nein-Stimmen und 10 Enthaltungen nach zwei Tagen hitziger Debatte. In den Reihen der Teilnehmer tat sich ein kleiner Riss auf, der sich bald schon zu einem Spalt tektonischen Ausmaßes aufweiten sollte, zu einer Kluft zwischen den Sozialdemokraten und jenen, die sich als Mitglieder einer neuen „kommunistischen“ Partei abspalten würden. Rosa Luxemburg, polnisch-jüdischer Abstammung, kam 1898 nach Berlin und wurde sogleich in die führenden Kreise der sozialistischen Linken aufgenommen. Zwei Jahre zuvor hatte sie zusammen mit anderen führenden Persönlichkeiten, Julian Marchlewski und Leo Jogiches, die Polnische Sozialdemokratische Partei gegründet. In ihrer Schrift Die Akkumulation des Kapitals. Ein Beitrag zur ökonomischen Erklärung des Imperialismus (1913) argumentierte Luxemburg in einer Weise, die selbst die Imperialismuskritik des britischen Ökonomen John A. Hobson weit übertraf: Sie führte nicht nur aus, dass Europa innerhalb einer Weltwirtschaft mit kolonialen Territorien existiere, in denen Finanzkapitalisten europäische und koloniale Arbeiter gleichermaßen ausbeuteten, sondern auch, dass die europäische Wirtschaft und Gesellschaft vom politischen Handeln der Menschen in der kolonialen Welt beeinflusst würde. Dies deutete auf die Möglichkeit hin, dass sich politische und wirtschaftliche Umwälzungen außerhalb Europas durch Nichteuropäer schicksalhaft auf das Leben der Europäer auswirken könnten. Viele Marxisten vertraten damals vehement die Ansicht, dass es in der Verantwortung Europas läge, die von Natur aus weniger empfindungsfähigen Naturvölker zu zivilisieren.11 Zu genau jener Zeit, als Rosa Luxemburg ihre Schriften verfasste, hatte sich die deutsche bürgerliche Gesellschaft ihrer kolonialen Berufung in Osteuropa, im Vorderen Orient und in Afrika verschrieben.12 In diesem Kontext stießen Luxemburgs Ansichten auf heftige Kritik und wurden in der Folge von den Marxisten der Mehrheitsströmung abgewiesen.13 Luxemburg hat die Geopolitik neu entflammt, indem sie die Wissenschaft des historischen Materialismus nutzte, um einen neuen Zusammenhang zu enthüllen. Beseelt von der Tatsache, dass der Orient (Russland) die Revolution anführte, während Marx’ eigenes System darauf bestand, diese nur im Westen zu beginnen, versuchte Luxemburg, das Verhältnis zwischen Peripherien und herkömmlichen Zentren der Welt umzukehren.14 Dieses gedankliche Motiv war auch in Luxem-

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burgs Meisterwerk Die Akkumulation des Kapitals spürbar, wo „das Äußere“ auf die koloniale Welt und „das Innere“ auf die Metropole abgebildet wurde. Luxemburg, beeinflusst von John Hobsons Studie Imperialism (1902) und Rudolf Hilferdings Das Finanzkapital (1910), führte die Abhängigkeit „innerer Zonen“ von „äußeren“ an, oder die wirtschaftliche Abhängigkeit der Zentren von ihren Peripherien. Während viele sozialistische Ökonomen, darunter Marx und Hobson, gelehrt hatten, der Kolonialismus würde nach und nach zur Expansion kapitalistischer Produktionsweisen in der ganzen Welt führen, vertrat Luxemburg die Auffassung, dass der Kapitalismus nur innerhalb einer größeren nichtkapitalistischen sozialen Umgebung existieren könne. Das Bild von kapitalistischen Organismen, die nichtkapitalistischen Regionen das soziale Leben aussaugen, sei es in bäuerlichen Gesellschaften innerhalb Europas oder in den Kolonialgebieten außerhalb davon, wurde zum Leitmotiv der linken marxistischen Imperialismus-Kritik. In ihrem Verständnis von Orientalismus war es für Rosa Luxemburg ein Leichtes, über den Westen eine Verbindung zum Osten herzustellen. Anstatt die (europäischen) Kolonien als bloße Zonen für Investitionen von Kapitalüberschüssen zu sehen, wurden sie durch Luxemburgs Linse zu Räumen eines beeinträchtigten und reduzierten sozialen Lebens.

Beziehungen zwischen Europa und Asien Während Rosa Luxemburg die weltweite Arbeit innerhalb eines einzelnen analytischen Rahmens darstellte, indem sie das Zusammenwirken und die Interdependenz zwischen „organisierten“ und „nicht-organisierten“ Arbeitern und zwischen Arbeitern im „Inneren“ und „Äußeren“ einer kapitalistischen Welt berücksichtigte, schlug Luxemburgs Schüler August Thalheimer vor, dass sich anhand der geistigen Traditionen, mit denen Europäer und Nicht-Europäer die soziale Ausbeutung kritisierten und ihr Widerstand leisteten, vergleichbare Linien herausarbeiten ließen. Nach Luxemburg war Solidarität zwischen europäischen und asiatischen Arbeitern per se möglich. Thalheimer regte unterdessen an, den Dialog zwischen Europäern und Asiaten anzustoßen, um internationale Arbeitssolidarität zuwege zu bringen. August Thalheimer, der von 1919 bis 1924 Mitglied der Zentrale der KPD war, erwies sich auch als der wohl wichtigste Interpret von Luxemburgs Schriften in den 1920er Jahren.15 Thalheimer hatte einen philologisch-orientalistischen Hintergrund: Seine Dissertation hatte er 1908 über die Grammatik der mikronesischen Sprache verfasst und war daher ein versierter Praktiker der vergleichenden Textanalyse.16 Während seiner gesamten Karriere interessierte sich Thalheimer

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insbesondere für die Anwendung des Marxismus auf Asien und dafür, inwiefern orientalistische Studien die moderne Interpretation des Marxismus möglicherweise verändern könnten. In seinem Buch Einführung in den dialektischen Materialismus (1928), vor Erscheinen eine Vorlesungsreihe an der Sun-Yat-Sen-Universität in Moskau (1925 – 1928), argumentierte Thalheimer, dass sich das revolutionäre Bewusstsein der Arbeiter innerhalb der indischen PhilosophieTradition entwickelt habe. In Anlehnung an Max Webers Ausführungen über die Wurzeln der „intellektuellen Opposition“ innerhalb der sanskritischen Tradition argumentierte Thalheimer, dass sowohl Inder als auch Chinesen nur einen Blick auf die alte Geschichte ihrer eigenen indigenen Hochtraditionen zu werfen brauchten, um zu erkennen, dass der Buddhismus aus der sozialen Unterdrückung durch den Brahmanismus hervorgegangen war, und dass der Taoismus den Konfuzianismus bekämpft hatte. Die sanskritische Tradition hatte ebenfalls materialistische Philosophie-Schulen hervorgebracht, wie etwa das Nyāya, das Cārvāka und das Sānkhya, allesamt orthodoxe Systeme der indischen Philosophie. Chinesen und Inder könnten so zu ihren eigenen Traditionen zurückkehren, insbesondere zum Buddhismus und zum Taoismus, wo die nötigen Funken für eine Revolution zu finden waren. Thalheimer präsentierte den Marxismus als eine Fortsetzung der philosophischen Tradition Asiens. Der Marxismus, so schrieb er, nahm die Ergebnisse von zweitausend Jahren Natur- und Sozialwissenschaft auf und entwickelte sie weiter.17 Thalheimers Ansatz bestand darin, zunächst die materialistischen Philosophien Indiens und Chinas zu erörtern, um dann schrittweise aufzuzeigen, wie diese Denkweisen durch Marx verbessert und perfektioniert worden waren. Nach Thalheimers Interpretation war Marx bereits orientalisch. Der marxistische Orientalismus produzierte einen reichen Bestand an Bildern, statischen wie bewegten, die nicht nur etwas über Asien erzählen, sondern auch dazu dienen sollten, Thesen über den Prozeß der kapitalistischen Ausbeutung aufzustellen, der ja die ganze Welt betraf. Der Marxismus war nicht nur eine Theorie der politischen Ökonomie und ein Mittel für sozialen Protest und soziale Mobilisierung, sondern er war auch ein transnationaler Dialog zur Geltendmachung neuer intellektueller Autorität – ein Mittel, um Normen infrage zu stellen und neue Subjektivitäten in einem globalen Rahmen zu fokussieren. Linker Orientalismus, wie man ihn zum Beispiel in den Werken des deutschjüdischen Philosophen und Antikolonial-Aktivisten Theodor Lessing findet, machte Kritik an der Vorstellung vom Westen entlang kultureller, politischer und ökonomischer Linien möglich. Der Westen stand für modernen Kommerz, für Welthandel, für territoriale Erwerbungen und für kapitalistische Rationalität, und linke Orientalisten nutzten Asien, insbesondere Indien, um ihrer Kritik am westlichen Kapitalismus einen festen Grund zu geben.18

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Lessings Werk Europa und Asien erschien im Jahr 1918. Es war ein Manifest gegen den Eurozentrismus und eine Abrechnung mit dem zerstörerischen „Geltungsdrang und Größenwahn der europäisch-amerikanischen Welt“.19 Als Schüler von Edmund Husserl und beeinflusst von den damals vorherrschenden Ideen des kulturellen Holismus, entwickelte Lessing seine „Kulturphänomenologie“, mit der er die Morphologie der chinesischen, indischen, jüdischen, islamischen, ägyptischen und persischen Zivilisationen beschrieb und miteinander verglich.20 Er zeigte dabei auf, dass diese Kulturen durch ihren geistigen Reichtum und ihre Raffinesse der Grobheit des kriegerischen Europa überlegen waren. Im Rückblick auf die „revolutionäre Wirkung“ seiner jugendlichen Lektüre attestierte der deutsche Philosoph Hans-Georg Gadamer Lessings Abhandlung, dass sie ihm „das gesamte europäische Leistungsdenken von der Weisheit des Ostens her in Frage stellte. Erstmals relativierte sich mir damals der allumfassende Horizont, in den ich durch Herkunft, Erziehung, Schule und mich umgehende Welt hineingewachsen war. So etwas wie Denken begann“.21 Lessing war ein Aufwiegler der Weimarer Jahre. Seine radikale Kritik zielte darauf ab, Abendlandstolz, „Deutschtum“, Antisemitismus und die erneute imperialistische Begeisterung bloßzustellen, die nach der Stabilisierung der Zwischenkriegszeit in der deutschen Gesellschaft wieder um sich griff.22 Der Orientalismus als ein Bündel kultureller, sozialer, geografischer und sogar geologischer Denkformen, machte es der deutschen Linken leichter, Anspruch zu erheben auf das Tiefe und Wahre der Welt, das den westlichen Kapitalisten so unbequem war. Lessing wurde 1925, nach seiner scharfen öffentlichen Kritik am nationalistischen, konservativen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, aus dem Lehrbetrieb an der Technischen Hochschule Hannover entfernt. Lessing setzte seine Kritik als öffentlicher Intellektueller fort und wurde im Februar 1927 als deutscher Vertreter der Liga der Menschenrechte auf dem Brüsseler „Kongress gegen Imperialismus und Kolonialismus“ für die Rede gefeiert, die er dort gehalten hatte.23 Im Mittelpunkt des marxistischen „Roten Orientalismus“ stand die Absicht, die Ungerechtigkeiten der Weltwirtschaft dem bloßen Auge durch die Untersuchung der imperialen Herrschaft in Asien deutlich erkennbar zu machen.Wichtige Aspekte der historischen und sozialen Realität seien in Asien leichter zu erkennen, da es einige der archaischen Strukturen der menschlichen Gesellschaft bewahrt habe, so argumentierten jedenfalls marxistische Anthropologen und Historiker.24 Ihnen zufolge verschärfte und vergrößerte Asiens Primitivismus die gesellschaftlichen Formen, die das menschliche Leben rund um den Globus bestimmen, insbesondere in jenen Teilen der Welt, die außerhalb des modernen Kapitalismus des Westens lagen. Ein Kolumnist der linken deutschen Literaturzeitschrift Die Weltbühne, der häufiger über den Orient schrieb, bemerkte einmal sehr anschaulich: „Ganz Asien

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hat begonnen, aus der Hypnose der britischen Weltherrschaft zu erwachen.“25 Im marxistischen Orientalismus war Asien ein Kontinent mit zerstörerischer Vitalität. Arthur Holitscher schrieb vom „Orient [als] einem zerstörten Haus“.26 Und Egon Erwin Kisch, Verfasser zahlreicher literarischer Reportagen, bemerkte in seinem Werk Egon Erwin Kisch berichtet: Asien gründlich verändert (1932), dass es nicht mehr stimme, dieses „Ost ist Ost und West ist West … wir sehen den Tauschhof nicht mehr, der längst aufgehört hat, einer zu sein, wir sehen die Bahn weiterziehen, wir sehen die neuen Bahnhofsgebäude mit den Silos, auf die einfarbige Unendlichkeit der Gemeinschaftsgüter [Chinas, d. A.] leuchtet der dunkelrote Moskauer Mond“.27 Es war auch die Zeit des Kulturfilms, des Dokumentarfilms mit Bildungsauftrag, der dem Publikum ein „wissenschaftliches“ Verständnis ferner kultureller Realität vermitteln sollte, insbesondere durch den Rückgriff auf die Ethnographie. Paul Zils, ein deutscher Dokumentarfilmer, der einen guten Teil seiner Schaffenszeit in Indien verbracht hatte, erinnert sich später: „Ich verspürte einen starken Drang, die Welt mit eigenen Augen zu sehen und zu entdecken … reale Männer und Frauen in ihren realen Umgebungen, reale Dinge und reale Probleme, und … ich wollte mich in der Dramaturgie lebendiger Szenen und lebendiger Themen versuchen, die der lebendigen Gegenwart entspringen.“28 Kischs Buch der neuen Sachlichkeit, China Geheim (1933), fand bei vielen marxistischen Intellektuellen Anklang, die die Welt in ihrer gesellschaftlichen Realität zeigen und über eine rein künstlerische Wiedergabe hinausgehen wollten. Sein Werk enthielt 141 Fotografien von Wilhelm Thiemann.29 Diese Fotografien kamen dem Bedürfnis kritischer Marxisten nach Nähe zu einst fernen kolonialen Völkern entgegen. Auch die Arbeiter Illustrierte Zeitung (AIZ), gegründet 1921 von Willi Münzenberg, widmete sich der Verbreitung fotografischer Darstellungen aus Asien und Afrika. Bis 1930 erreichte die AIZ eine Auflagenhöhe von 500 000 Exemplaren und war damit auf Platz zwei der auflagenstärksten Zeitschriften in Deutschland.30 Die Palette der visuellen Ausdrucksformen im marxistischen Orientalismus ist frappant. Die Bilder zeigen Inder und Chinesen bei aktivem Protest oder als Volk in Bewegung, auf dem Weg zum Klassenbewusstsein. Aber auch in der Bewegung blieben sie gewaltig und urspünglich, und wurden so zum Archetypus für einen modernen globalen Prozess. Zwischen 1921 und 1925 produzierten die Sowjets über die staatliche Agentur Mezrapom mehr als einhundert Lehrfilme. Die Filme über den Orient unter diesen Lehrfilmen wurden zu einem populären Genre. Einige der populärsten Filme waren Völker des Ostens (1930), Sturm um Asien (1926), Das Erwachen des Orients (1929), Der Kampf um die Erde (1930), Turksib (1929) und Gandhi (1930).31 Sturm über Asien (1926), ein Werk des russischen Regisseurs Wsewolod Illarionowitsch Pudowkin, wurde zu einem der be-

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kanntesten kommunistischen Filme des Jahrzehnts.32 Das Shanghai Dokument (1928), ein dokumentarischer Stummfilm des russischen Filmemachers Yakov Bliokh, erzählte die Geschichte Chinas nach dem Bürgerkrieg anhand von dokumentarischen Straßenszenen. Eine deutsche Rezension lobte, dass der Film „das Leben selbst, die Wirklichkeit in ihrer ganzen Breite, in ihrer ganzen Grausamkeit, ihrer Dramatik und ihrer Schönheit mit der Kamera einfängt. Dieser Film wird selbst die Realitätsfanatiker zufriedenstellen.“33 Das kommunistische Publikum wollte „die Realität“ des Lebens im Osten sehen und auch einen Blick werfen auf die archetypischen Formen des harten und mühsamen „Arbeiterlebens an sich“. Und genau das, so die Überzeugung, könne Asien den Zuschauern bieten. Marxistische Orientalisten suchten in Indien und China auch nach Urformen der Massenmobilisierung und des Protests, die sie in den aufkommenden antikolonialen Widerstandsbewegungen zu finden glaubten. Deutsche Linke hielten die Bewegung der Nichtkooperation in Indien für ein nachahmenswertes Modell, das zu studieren sich lohnte. Ein europäisch Linker zu sein bedeutete, an der Seite der „Arbeitssklaven im Osten“ zu stehen, und dies passte gut zu einer ganzen Reihe von geopolitischen Vorwürfen gegen das westliche Europa. Der marxistische Orientalismus war durchdrungen von einer anti-anglozentrischen, antinormativen Stimmung, und er war beseelt von etwas, das der Globalhistoriker Cemil Aydin, einmal als „Anti-Westernism“ definiert hat.34 Dieser „Anti-Westernismus“ der Linken war innerhalb Europas selbst lebendig, und er wurde stärker, je weiter man sich aus dem nordwesteuropäischen Machtzentrum entfernte.

Revolution Die Nachricht von der Russischen Revolution im Oktober 1917 erreichte Indien praktisch unmittelbar und wurde mit Begeisterung aufgenommen.35 Große Zeitungen und Zeitschriften überschlugen sich mit begeisterten Berichten über die Bolschewiken, und 1918 bemerkte die Kolonialverwaltung mit Sorge: „[Russland] hat die politischen Bestrebungen Indiens befeuert.“36 Die Leitparole weltweiter Arbeitersolidarität und der Anspruch, den Lauf der Geschichte durch konzertierte Massenaktionen wirklich verändert zu haben – die antikoloniale Radikalen in Indien konnten nicht anders, als sich von der Russischen Revolution inspirieren zu lassen. Doch die Geburtsstunde der Arbeitermassenbewegungen in Indien war erst in den frühen 1920er Jahren gekommen, als in den großen Industriezentren wie Kalkutta und Bombay Streiks in Baumwoll- und Jutefabriken ausbrachen.37 Die Kommunistische Internationale (kurz: Komintern), offiziell 1919 in Moskau gegründet, lud einige arbeiterfreundliche Mitglieder des Indischen Natio-

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nalkongresses zum Vierten Weltkongress 1921 nach Moskau ein. M. N. Roy, Virendranath Chattopadhyaya, Bhupendranath Datta und Muhammad Barakatullah folgten der Einladung und beteiligten sich rege an allen Debatten. Die Sowjets sahen Indien damals als den Schlüssel zu einer größeren Revolution im Osten. In einem indischen kommunistischen Pamphlet aus dem Jahr 1921 hieß es: „Indien ist von universaler Bedeutung [für den kommunistischen Kampf] … Indien ist die Zitadelle der Revolution im Osten.“38 Zum einen identifizierten sich indische Marxisten auch mit der Idee eines größeren Arbeiterkampfes in ganz Asien, zum anderen mit dem Kontext des Arbeiteraktivismus in Europa und Amerika.39 1921 veröffentlichte Shripad Amrit Dange sein Buch Gandhi vs. Lenin, in dem er darlegte, dass der Bolschewismus nützliche Hinweise für die Anpassung der Gandhischen Politik liefern könnte. Und einen Monat vor dem Vierten Weltkongress der Komintern schrieb Dange in seiner neuen Zeitschrift The Socialist: „Angriffe von außen haben dazu beigetragen, die Völker Asiens als ‚Asiaten‘ zusammenzuführen, unter Hintanstellung ihrer jeweiligen religiösen und nationalen Verschiedenheit … Für Indien wäre es daher höchst rühmlich, die Initiative zu ergreifen und die ersten Sitzungen der Asiatischen Internationale im Rahmen der Konferenz des Indischen Nationalkongresses in Gaya einzuberufen. Angora, Persien, Afghanistan, der asiatische Teil Russlands, die fernöstliche Republik China und Japan würden, wie wir meinen, den Vorschlag sehr gerne annehmen und Bruder-Delegierte entsenden.“40 In Danges Verständnis war Asien nicht die Kolonialabteilung Europas, sondern das geopolitische Zentrum der Welt – dank seiner machtvollen revolutionären Arbeiterbewegung. Namhafte asiatische Denker wie Sen Katayama, Tan Malakka, Semaun, Ho Chi Minh und Zhou Enlai wurden in den 1920er Jahren als Mitglieder der Komintern in die oberen Ränge der kommunistischen Welt aufgenommen. Insgesamt waren zwischen 1919 und 1935 vierundsechzig asiatische und afrikanische Mitglieder der Komintern damit beauftragt, Studien zu erstellen und politische Kampagnen für die Revolution in den Kolonien anzuleiten.41 Doch während Moskau in den 1920er Jahren die Akropolis der kommunistischen Welt war, zumal eine Stadt, in der viele hochkarätige asiatische Kommunisten zumindest einige Zeit verbrachten, so lebten diese Leute doch die meiste Zeit in den europäischen Hauptstädten Berlin, Paris und London. Die internationale Struktur der kommunistischen Welt wurde über das WestBüro der Komintern (WES) in Berlin organisiert. Es war die „ständige Vertretung der Kommunistischen Internationale in Westeuropa“ und die Verbindungsstelle für die Koordinierung der kommunistischen Netzwerke weltweit. Das Büro überwachte auch die Verteilung von Geldern an verschiedene, der Komintern angegliederten Gruppen, von „Island bis Kapstadt“.42 Zumindest bis zur Stabili-

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sierung der Weimarer Republik 1925 verwalteten Eduard Fuchs und Willi Münzenberg, die beiden deutschen Organisatoren des frühen Kommunismus, die Bewegung der Millionen von Goldrubel auf den Konten des WES.43 Mit Sitz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus, der Zentrale der Kommunistischen Partei Deutschlands vor 1933, diente das Büro auch als Druckerei für größere Druckwerke, für kommunistische Bücher, Pamphlete und Broschüren. Und es war der Ort, an dem M. N. Roy und Virendranath Chattopadhyaya in Berlin mit der Londoner Gruppe um Shapurji Saklatvala und Rajani Palme Dutt um Gelder der kommunistischen Verwaltung konkurrierten, um die Gründung der Kommunistischen Partei Indiens (Communist Party of India) endgültig Wirklichkeit werden zu lassen. M. N. Roy druckte hier seine Wochenzeitung Vanguard and Masses of India für den Weiterversand per Schiff nach Indien.44 Das West-Büro war die wichtigste Verbindung zwischen Moskau und der Welt; die unterschiedlichsten Organisationen wie das Far Eastern Bureau der Komintern (Fernost-Büro der Komintern) in Shanghai oder die Seemanns- und Hafenarbeiter-Internationale in Schweden wurden über das Berliner Büro mit Geldmitteln versorgt. Inzwischen spielten die indischen Kommunisten in London eine wichtige Rolle beim Brückenschlag zwischen Marxismus und Antikolonialismus. Insbesondere Rajani Palme Dutt, Clemens Dutt, Shapurji Saklatvala sowie Benjamin Bradley, Charles Ashley und Philip Spratt übernahmen dabei bedeutende Rollen.45 Der Marxismus diente den Indern als weltweit sichtbare Bühne, auf der sie sich als Verkünder global gültiger Wahrheiten profilieren konnten. Er schuf auch Anlaufstellen für indische Reisende in aller Welt, die jenseits der Institutionen des British Empire lagen. Rajani Kanta Das reiste 1910 von Kalkutta in die Vereinigten Staaten. 1912 begann er im Auftrag des US-amerikanischen Arbeitsministeriums seine Studien über indische Siedler in Südkalifornien. 1916 schloss er sein Studium an der University of Wisconsin ab und war eine Zeit lang Dozent für Wirtschaftswissenschaften an der New York University. In seinen Veröffentlichungen führte er die ersten Streiks in Indien zurück bis ins Jahr 1882, die erste Gewerkschaft bis ins Jahr 1890.46 Die meisten seiner Werke wurden aber in Deutschland veröffentlicht, da er sich nach der Verabschiedung des anti-asiatischen „Immmigration Act“ 1924 gezwungen sah, die USA zu verlassen. Nachdem man ihm die amerikanische Staatsbürgerschaft entzogen hatte, reiste Rajani Kanta als Staatenloser zunächst nach Deutschland und dann weiter nach Genf, wo er 1930 seine Laufbahn bei der Internationalen Arbeitsorganisation begann.48 Dort publizierte er in den folgenden sechs Jahren eine Reihe wichtiger Werke über indische Arbeiterproteste, bevor er wieder nach Kalkutta zurückkehrte.49 Ram Manohar Lohia, der 1936 zusammen mit Jayaprakash Narayan die Congress Socialist Party gründete (CSP, eine Gruppierung innerhalb des Indischen Nationalkongresses), schloß seine wirtschaftswissenschaftliche Dissertation 1932

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an der Universität Berlin ab. Lohia, gebürtig aus Uttar Pradesh und ausgebildet an der Universität Kalkutta, hatte über „Gandhis Salzmarsch“ geschrieben.50 Sein Doktorvater war Hermann Schumacher, ein Wissenschaftler, der sich mit Fragen des sozialistischen Wirtschaftsdenkens beschäftigte. Ram Manohar Lohia entwickelte ein funktionierendes Modell, Sozialismus und Gandhianismus miteinander zu verbinden.51 Sein Vorschlag, in Sachen politischer Mobilisierung und sozialer Gerechtigkeit einen Mittelweg zu gehen, war geprägt war von der deutschen Sozialistenbewegung und entwickelte, nachdem er wieder zurück in Indien war, einen erheblichen Einfluss auf die indische Politik. Im Mai 1930 störte Manabendranath Roy (1887– 1954) zusammen mit einer beträchtlichen Gruppe indischer Demonstranten die Sitzung des Exekutivkomitees der Sozialistischen Arbeiter-Internationale in Berlin. Kurz zuvor war er wegen jahrelanger Querelen mit dem stalinistischen Regime aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen worden.52 Roy und seine Gruppe reckten Plakate mit Parolen wie „Es lebe das freie Indien“, „Es lebe die Revolution“ und „Nieder mit dem britischen Imperialismus“, in die Höhe. Das Treffen der Sozialistischen Internationale war, was die Öffentlichkeitsarbeit anbelangt, ein Problem insofern, da in Großbritannien die Labour-Partei an der Macht war. Grund für den Protest der Inder war die Unterstützung der britischen Labour-Partei, zum zweiten Mal seit Kriegsende an der Macht, für die britische Kolonialpolitik. In einem offenen Brief von M. N. Roy, der auf der Konferenz verteilt wurde, kritisierte er die britische Labour-Partei für ihren Versuch, „den anti-imperialistischen Kampf zu zerschlagen“ und für die Unterstützung der Verhaftung von „Tausenden von Männern und Frauen zusammen mit Mahatma Gandhi“ wegen ihrer Proteste gegen die bevorstehenden sogenannten Round-Table-Konferenzen (drei britisch-indische Konferenzen am runden Tisch, einberufen von der britischen Regierung, um sich mit der künftigen Verfassung Indiens zu befassen; Anm. d. Übers.). An die Adresse der Gastgeber-Mitglieder der SPD gewandt, schrieb Roy: „Wenn ihr es ernst meint mit eurem Bekenntnis zum Sozialismus, dann setzt endlich auch die britische LabourPartei unter Druck … lasst alle politischen Gefangenen frei und hebt alle repressiven Gesetze auf.“53 Die Anwesenheit von indischen Nationalisten in Deutschland, fern ihrer Heimat in der Diaspora, nahm viele Formen an, und ihre Reisewege gingen in viele verschiedene Richtungen. So gesehen war der Marxismus weniger eine Ideologie als vielmehr ein abstrakter Raum für Durchreisen und Verflechtungen.

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Die „Liga gegen Imperialismus“ Die Marxisten in Mitteleuropa erlebten in dieser Zeit das Eindringen marxistischer Denker aus Indien in ihre soziale Welt. Sie kamen vor allem nach Deutschland, und das aus vielerlei Gründen – um einer Inhaftierung zu entgehen, um ein Hochschulstudium aufzunehmen, um die Europäer über die Macht der weltweiten Arbeiterbewegung aus der Perspektive der kolonialen Arbeiterschaft aufzuklären. Im Selbstbild europäischer Geschichte hätte der Kontinent sicher lieber die aktive Rolle dabei gespielt, Menschen aus den Kolonien nach Europa zu holen um eine politische Zusammenarbeit auf den Weg zu bringen, aber in Wirklichkeit waren es vielfach Asiaten, Afrikaner, Afro-Amerikaner und andere, die sich selbst Eingang in intellektuelle und soziale Kreise des europäischen Marxismus verschafften. Besonders gut lässt sich dies in marxistisch-kosmopolitischen Kreisen beobachten, wo viele koloniale Intellektuelle zusammenkamen. Mitte der 1920er Jahre galten die europäischen Gesellschaften nicht länger als Hauptkampfplatz der marxistisch-sozialen Revolution. Europäische Marxisten betrachteten Europa zunehmend als eine „provinzialisierte“ Welt, um den bereits zitierten Begriff von Hans-Georg Gadamer zu gebrauchen, der auch bei Dipesh Chakrabarty zu finden ist. Europa lag eingebettet inmitten anderer Weltregionen, denen weitaus größere Kaäft innewohnte.54 Asien, Afrika und Lateinamerika wurden verstärkt als Zentren der wachsenden Arbeiterunruhen und des wachsenden antikolonialen Widerstands mit globaler, nicht mit lokaler Bedeutung wahrgenommen. Die „Liga gegen Imperialismus“ wurde von Willi Münzenberg und Virendranath Chattopadhyaya mit Sitz in Berlin ins Leben gerufen. Das erste Treffen fand allerdings 1926 in Brüssel statt, weil deutsche Behörden zuvor interveniert hatten.55 Was der indische Publizist Shripad Amrit Dange als „Asiatische Internationale“ und der britische Publizist Fenner Brockway als „Coloured People’s International“ 56 bezeichnete, war nicht nur ein abstraktes Ideal. Es war ein Dialog-Forum, in dem die führenden Köpfe der antikolonialen nationalistischen Bewegungen der kolonialen und halbkolonialen Länder quer durch Lateinamerika, Afrika und Asien zusammenkamen. An der ersten Zusammenkunft der Liga gegen Imperialismus 1926 nahmen 174 Delegierte teil, davon mehr als 104 aus der kolonialen Welt.57 Von liberalen Beobachtern als eine Frontorganisation des internationalen Kommunismus kritisiert – und ja, die Liga wurde mit sowjetischen Geldern finanziert –, standen die Forumsbeiträge jedoch nicht unter sowjetischem Diktat; es waren vielmehr Reden antikolonialer Nationalisten.58 Unter den Teilnehmern waren Jawaharlal Nehru aus Indien, Lamine Senghor aus Senegal, Mohammad Hafiz Ramadan aus Ägypten, Victor Raúl Haya de la Torre aus Peru, Soong Ching-ling aus China (die Witwe Sun Yat-Sens) sowie Mo-

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hammad Hatta aus Indonesien.59 Das Treffen lieferte die Blaupause für die Bandung-Konferenz, die drei Jahrzehnte später im Jahr 1955 einberufen werden sollte, aber auch für eine Reihe von internationalen Jugendkongressen und Friedenskonferenzen.60 Zwei der wichtigsten Männer hinter der Bewegung der Blockfreien Staaten (Non-Aligned Movement) und der Bandung-Konferenz waren die schon erwähnten Jawaharlal Nehru und Mohammad Hatta.61 Aber nicht nur die asiatischen, afrikanischen und lateinamerikanischen, sondern auch die europäischen Delegierten sind der Erwähnung wert. Die europäischen Abgesandten kamen von den pazifistischen Randbereichen Europas, darunter so bekannte deutsche Persönlichkeiten wie Albert Einstein, Theodor Lessing, Ernst Toller und Alfons Goldschmidt, Mitglieder der britischen antikolonialen Linken wie Fenner Brockway und Harry Pollitt sowie der französische Nobelpreisträger und Pazifist Romain Rolland. Auf der Konferenz wurde die aufgeheizte politische Situation sowohl in China als auch in Indien zum Prüfstein der Debatten. Wie der französische Schriftsteller und Vordenker der Entkolonialisierung Frantz Fanon über die Dynamik des Kampfes um Anerkennung unter den kolonisierten Völkern bemerkte, „wird die Befreiung der neuen Völker von den anderen unterdrückten Ländern als eine Einladung, eine Ermutigung und ein Versprechen empfunden“.62 So unterschiedliche Redner wie Jose Quijano aus Argentinien, Daniel Coltrain aus Südafrika oder Lamine Senghor aus dem Senegal begrüßten allesamt den Ausbruch der politischen Krisen in China und Indien als Katalysator eines größeren transkolonialen Kampfes.63 In seiner Rede auf der Gründungssitzung der Liga im Jahr 1926 versicherte Nehru seiner Zuhörerschaft: „[Ich bitte Sie], das indische Problem nicht als eine ausschließliche nationale Frage aufzufassen, denn seine Auswirkungen treffen eine große Anzahl anderer Völker und Menschen. Sie, aus allen Teilen der Welt hierhergekommen, dürfen diese große Bastille des Imperialismus, Indien, im Interesse Ihrer eigenen Befreiung nicht außer Acht lassen.“64 Unter den Teilnehmern herrschte ein klares Gespür dafür, dass Solidarität eine Heldentat der Vorstellungskraft voraussetzte: die antikolonialen Kämpfer weltweit mussten sich zusammenraufen und auf eine gemeinsame Sache hinarbeiten, wobei die einzelnen Länder sich gegenseitig erklären sollten, worin ihre jeweiligen Sonderinteressen lagen. Da der Imperialismus ein globales Phänomen sei, so argumentierte Mohammad Hafiz Ramadan, müsse man auch auf globaler Ebene darauf reagieren, nicht nur auf nationaler. „Jetzt ist die Stunde gekommen, um die Reihen zu schließen und eine Politik zu bekämpfen, die zur Unterdrückung von uns allen führt.“65 Die Liga war im Grunde eine transkoloniale Deklaration, eine gemeinsame Lossagung von der imperialen Herrschaft.

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1928 verkündete der Indische Nationalkongress sein Bekenntnis zum Antikolonialismus und war sich dabei der transkolonialen Tragweite bewusst: „Der Kampf des indischen Volkes für die Freiheit ist Teil des allgemeinen weltweiten Kampfes gegen den Imperialismus und seine Erscheinungsformen.“66 1929 fand die zweite Konferenz der Liga in Frankfurt statt. Und die historischen Folgen der Liga-Konferenzen sind beeindruckend: 1936 nahm Jawaharlal Nehru, erster indischer Premierminister, an der ersten Weltfriedenskonferenz in Brüssel teil und nutzte die Gelegenheit, um an das erste Liga-Treffen ein Jahrzehnt zuvor am gleichen Ort zu erinnern: „Ideen von gemeinsamen Aktionen der unterdrückten Nationen inter se … kamen auf. Und es herrschte das wachsende Gefühl, dass der Kampf für die Freiheit ein gemeinsamer war, der sich gegen den Feind namens Imperialismus richten musste und, wo immer möglich, gemeinsame Abstimmung und gemeinsame Aktionen wünschenswert machte.“67

Furtwängler in Indien Franz Josef Furtwängler ist ein anschauliches Beispiel für die engen Verbindungen und Rückkopplungsschleifen, die sich zwischen Mitteleuropäern und Indern innerhalb der großen Dialog-Arena des Marxismus entwickelten. Furtwängler war innerhalb der deutschen Arbeiterbewegung einer der wichtigsten Wortführer von Gandhi und machte ihn und seine Werke überall bekannt.68 Als Furtwängler den marxistischen Orientalismus für sich entdeckte, wurde Gandhi zu seinem großen Vorbild für Arbeiterkampf und spirituelle Erneuerung.69 Furtwängler, ab 1923 als Auslandssekretär beim Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB) in Berlin tätig, wurde in einer Handwerksfamilie in einem kleinen Ort namens Vöhrenbach im Schwarzwald geboren. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte er eine Schlosserlehre. Im Anschluss daran bereiste er ab 1911 mehrere europäische Länder und heuerte auf italienischen und britischen Dampfern an, die nach Nordafrika,Westafrika, nach Ägypten und in die Türkei fuhren. Zurück in Europa ließ er sich in Paris nieder, um Französisch zu lernen, aber auch, um erste Schritte in die Politik zu machen. Furtwängler nahm am Ersten Weltkrieg teil, wurde bei Verdun verwundet und kam in ein britisches Kriegsgefangenenlager, aus dem er 1919 wieder entlassen wurde. Danach begab er sich erst richtig auf Weltreise. Während seiner Zeit in Calais, dem großen französischen Emigrationshafen, arbeitete Furtwängler in den Docks als Übersetzer für Seeleute aus dem Osten. Furtwängler erinnerte sich: „Dort hatte ich viel mit Menschen aus Übersee und mit Farbigen zu tun, die nach dem Krieg alle nach Deutschland wollten.“70

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1921 kehrte er nach Deutschland zurück, diesmal nach Frankfurt, wo er der Gewerkschaft Deutscher Metallarbeiter-Verband (DMV) beitrat und sich an der Frankfurter Universität für einen einjährigen, von der Gewerkschaft finanzierten Kurs in Wirtschaftswissenschaften einschrieb. Die Jahre nach der Stabilisierung der deutschen Wirtschaft waren geprägt von einem steilen Anstieg des Arbeiteraktivismus, der wachsenden Angst vor einer weitgehenden Entmachtung der deutschen Arbeiter und einer neuen Ära von „überflüssiger Menschheit“ infolge rascher Mechanisierung und Spezialisierung.71 Furtwängler besuchte Vorlesungen über Arbeitsrecht bei Hugo Sinzheimer, einem angesehenen Mitglied der Sozialdemokratischen Partei. Sinzheimer war es auch, der seinem begabten jungen Studenten empfahl, sich im Organisationsausschuss des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes in Berlin zu engagieren. Vor allem angesichts seiner Sprachbegabung, seiner ungewöhnlichen internationalen Erfahrung wie auch seines bemerkenswerten Schaffensdrangs wurde er 1923 mit gerade einmal 29 Jahren zum Auslandssekretär beim Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB) in Berlin ernannt. So machte der große Reisende Furtwängler eine Reisekarriere: Seine erste „Mission“ als Internationaler Sekretär des ADGB war eine offizielle Forschungsreise in die USA, als Mitglied einer fünfzehnköpfigen Delegation zur Erforschung der „Rationalisierung“ in der amerikanischen Industrie.72 Das Thema war den Deutschen in Anbetracht der jüngsten Stabilisierung ihrer Wirtschaft nach drei Jahren der Hyperinflation besonders wichtig. Wie Mary Nolan und Daniel Rodgers gezeigt haben, suchten die Deutschen in den 1920er Jahren in den USA nach „Modellen der Modernität“.73 Josef Furtwängler interessierte sich sehr für den „Weißen Sozialismus“ (Gottl-Ottlilienfeld) des Fordismus, für die amerikanische Technisierung und die Fließbandproduktion. Zurück in Berlin schloss die Delegiertengruppe ihren Auftrag mit einem Bericht unter dem Titel „Amerikareise deutscher Gewerkschaftsführer“ (1925) ab. Das Buch fand weithin Anklang, wurde viel gelesen und sehr gelobt, nicht nur in Deutschland, sondern (in Übersetzung) auch in Großbritannien und den Vereinigten Staaten. Noch wichtiger als seine Forschungsreise nach Amerika war für Furtwängler jedoch die Reise nach Indien im darauffolgenden Jahr. Der Vorsitzende des Deutschen Textilarbeiter-Verbands (DTAV) hatte ihn gebeten, nach Indien zu reisen, um „Ausmaß und Aussichten der neuen, florierenden [und mechanisierten] Textilindustrien in Indien zu verstehen, die bereits unseren europäischen Arbeitsmarkt bedrohen“.74 Diese Reise definierte Furtwänglers weitere Karriere insofern, als dass er sich als Spezialist für indische und asiatische Polit-Bewegungen etablierte. Furtwängler beschloss, Indien mit „Sympathie [zu begegnen] und dem festen Willen, die Einzigartigkeit der indischen Arbeiterbewegung gegenüber ihrem europäischen Pendant zu verstehen“.75

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1926 trat die National Union of Textile Workers von England an Furtwängler heran mit der Bitte, in seiner Funktion als internationaler Sekretär des ADGB eine weitere offizielle Erkundungsreise nach Indien zu unternehmen. So plante er eine „ähnliche, aber diesmal längere Reise nach Indien“. Und er wollte unbedingt zuerst noch Hindi lernen, „damit ich nicht auf die Informationen der englischen Beamten in Indien angewiesen bin“.76 Die sechsköpfige Delegation, die er von 1926 bis 1927 leitete, besuchte Textilfabriken in großen Städten wie Bombay und Kalkutta sowie die Teeplantagen in Darjeeling und Assam und berichtete von dort über die de-facto-Fortsetzung des „Systems der modernen Sklaverei“ oder Schuldknechtschaft, auch nach deren offizieller Abschaffung im Jahr 1922.77 Die Delegation reiste quer durch Indien, von Bombay nach Baroda, Kalkutta und Madras. Auf dieser Reise lernte Furtwängler Subhas Chandra Bose kennen und begegnete aus der Ferne auch Gandhi.78 Furtwängler war der Ansicht, dass das British Empire mit dem Ende des Ersten Weltkriegs „nicht mehr zu retten“ sei. Er bemerkte eine wachsende indische Nachfrage nach deutschen Maschinen und Industrieprodukten.79 Die indische Swaraj-Partei (hervorgegangen aus der indischen Unabhängigkeitsbewegung – Wortbedeutung „[administrative] Selbstbestimmung“; Anm. d. Übers.) sowie die gesamte indische Freiheitsbewegung, so schrieb er 1930, strebten danach, „aus dem Handelsmonopol des britischen Systems auszubrechen und sich auf außereuropäische Märkte zuzubewegen“.80 1927 von seiner großen Indienreise zurückgekehrt nach Berlin, erinnerte sich Furtwängler: „Ich schrieb in Zeitungen und Zeitschriften mehr über meine indischen Erfahrungen als über meine amerikanischen. Und ich referierte darüber auch im Radio.“81 In den folgenden fünf Jahren veröffentlichte Furtwängler immerhin drei einzelne Bücher über Indien, in denen er den Subkontinent eher als einen Ort explodierender „Arbeitermacht“ denn als einen Ort geistiger Ruhe darstellte.82 Furtwängler schrieb Aufsätze über den „Aufstand der farbigen Völker der Welt“, „Die Situation der asiatischen Arbeiterschaft“ und ein Buch über Das werktätige Indien (1928). Deutschlands Ambitionen sah er verbunden mit Indiens Aufstieg. Indien war „im Aufbruch“, und seine Arbeiterschaft war dynamisch und boten den Mächtigen trotzig die Stirn. Und diese Dynamik einer jungen Nation im Aufbruch bot in Furtwänglers Sicht ein Modell für die globale Entwicklung. Wie viele andere deutsche (Welt)Reisende der 1920er Jahre identifizierte sich auch Josef Furtwängler sowohl mit Amerika als mit Indien. Furtwängler assoziierte mit beiden Ländern Arbeitsoptimismus, und beide schlugen Wege ein, die hinaus aus der westeuropäischen Dominanz führten. Nach dem Krieg und dem Untergang des Kaiserreichs trat Deutschland in eine Phase des „Krieg[s] in Friedenszeiten“ ein, notierte Furtwängler; der aufkommende deutsche Nationalismus der Weimarer Zeit sei angesichts äußerer politischer Bedrohungen und auch internationaler gesellschaftlicher Krisen „weißglühend“ geworden. „Man hätte die

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Verhältnisse in den kolonisierten oder halbkolonisierten Ländern wie Indien, China oder Ägypten verstehen müssen, um zu begreifen, wie ähnlich die Umbrüche im [deutschen] nationalen und gesellschaftlichen Leben gewesen sind.“83 Furtwängler zog den Vergleich zwischen den Ereignissen in Asien und den Erfahrungen daheim in Deutschland in einer Weise, die seine Identifikation mit beiden Seiten deutlich zeigt. 1929 und 1930 war Franz Josef Furtwängler Berater der deutschen Delegation auf der Internationalen Arbeitskonferenz in Genf. Sein Hauptinteresse galt den Arbeitsbedingungen auf den britischen Teeplantagen in Nordindien, die er bereits in seinem Buch von 1928 angeprangert hatte.84 Indem er die indischen Belange auf der Genfer Konferenz kompetent und gewandt diskutierte, erregte Furtwängler großes Aufsehen. Er nutzte das Thema Indien, um auf der internationalen Bühne hervorzutreten. „Wir begrüßen die große Welle nationaler und sozialer Freiheitskämpfe, die aus Asien nach Europa schwappt. Freudig und mit tiefstem Respekt grüßen wir Sun Yat-Sen im Tod und Mahatma Gandhi im Leben. Und wir grüßen die Tausenden von umtriebigen Freiheitskämpfern, die derzeit in [britischen Kolonial‐]Gefängnissen sitzen.“85 Geschickt vereinte Furtwängler in sich die Rollen des antikolonialen Aktivisten und des geopolitischen Radikalen. Ab 1929 vertrat er den ADGB im konservativ-nationalistischen „Verein für das Deutschtum im Ausland“. Furtwängler zeigte auf, wie Sympathie für außereuropäische Arbeitswelten mit dessen extraterritorialem Anspruch, das „Deutschtum“ zu schützen, zu pflegen und zu zelebrieren, zusammengehen konnte; er wurde zum aktivsten Vertreter der Gewerkschafter in rechtskonservativen Arbeiterkreisen und arbeitete später, in den ersten Jahren des Dritten Reiches, mit der „Nazi-Linken“ unter Otto Strasser zusammen.86 1934 setzte sich Furtwängler für vier Jahre nach Ungarn ab. Nach mehreren gescheiterten Versuchen, in die Vereinigten Staaten zu emigrieren, kehrte er 1938 nach Deutschland zurück. 1940 erhielt er eine Stelle im Sonderreferat Indien im Deutschen Außenministerium unter Adam von Trott zu Solz.Von Trott zu Solz war ab Mai 1941 der wichtigste Verbindungsmann für den indischen Nationalistenführer Subhas Chandra Bose und setzte damit eine Familientradition fort.87 Die Aufgabe des Sonderreferats bestand darin, deutsche Propaganda zu verbreiten und damit „einzuwirken auf die internationale Öffentlichkeit und die einflussreichen indischen Diasporagemeinden“.88 Furtwängler war an der Vorbereitung von Flugblättern und Handzetteln zur Verteilung an der Ostfront beteiligt. Von Januar bis April 1941 unternahm er eine dreimonatige Dienstreise durch Ostasien mit dem Auftrag, antibritische Literatur an indische Truppen und Einwohner rund um Shanghai zu verteilen.89 Nach dem Krieg und seiner Entnazifizierung verfasste Furtwängler weitere Schriften über Indien und wurde vom hessischen Landtag

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sogar in die zweite Bundesversammlung entsandt. Was sich wie ein roter Faden durch Furtwänglers Leben zieht – von der sozialdemokratischen Politik über den antikolonialen Aktivismus bis zum Dienst für das nationalsozialistische Regime während des Zweiten Weltkriegs –, war sein Interesse für Indien als Geburtsland des Arbeiterwiderstands und geistigen Heldentums, das der globalen Assimilations-Logik des britisch-imperialen Liberalismus eine Abfuhr erteilte.90

Dialog im Exil Der transnationale Dialog über eine inzwischen enthüllte Weltordnung der Ausbeutung und den Widerstand dagegen war für die Marxisten der 1920er und 1930er Jahre von zentraler Bedeutung. Selbst nach dem erzwungenen Exil jüdischer und marxistischer Intellektueller unter den Nationalsozialisten einerseits und den Masseninhaftierungen indischer Nationalisten durch das britische Kolonialregime in den frühen 1930er Jahren andererseits gab es geheime transnationale Foren, die Emigranten und Häftlinge zumindest für eine gewisse Zeit weiter miteinander verbanden. Selbst wenn Furtwängler seine Reisen in den 1930er Jahren fortsetzen konnte, indem er einen gewissen politischen Rechtsschwenk machte, sah doch die große Mehrheit derer, die in den 1930er Jahren in marxistisch-antikolonialen Kreisen verkehrten, ihre Freiheit und ihr Leben nach 1933 ernsthaft bedroht. Die kommunistische Opposition wurde ab 1933 ins Exil gedrängt. August Thalheimer, Heinrich Brandler und andere führende Mitglieder wanderten nach Frankreich ab. Von Paris aus versuchte Thalheimer, die Verbindung zu den Gewerkschaftsführern in Bombay wiederherzustellen. Obwohl M. N. Roy in Indien im Gefängnis saß, korrespondierten andere Mitglieder seiner Gruppe, insbesondere V. B. Karnik, mit der Gruppe um Thalheimer. 1934 schrieb Thalheimer an Karnik: „Wir haben Euch sehr viel Material geschickt, aber anscheinend habt Ihr es nie erhalten … Um eine regelmäßige Korrespondenz zwischen uns aufzubauen, ist es unerlässlich, dass Ihr eine Adresse außerhalb Indiens findet, an die Euch Material zugesandt werden kann.“91 Offensichtlich gab es Informationskanäle zwischen deutschen Marxisten im Pariser Exil und indischen Marxisten im antikolonialen Untergrund in Bombay. Thalheimer fuhr fort: „Bitte sendet uns Abschriften von öffentlichen Erklärungen, die Eure Gruppe in letzter Zeit abgegeben hat. Schickt uns Publikationen und andere wichtige politische Dokumente. Könnt Ihr uns eine Beschreibung der allgemeinen politischen Situation in Indien geben?“92 Die Kommunistische Partei-Opposition (KPD-O) mit Sitz in Paris betrachtete die indische Gruppe als eine von mehreren in einer internationalen Konstellation. Im Mai 1934 schrieb Thalheimer erneut, um seine Differenzen mit Roys Ansichten

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zu erläutern: „Das grundlegende Prinzip von [Roys] These ist, dass sie von den Kommunisten erwartet, den linken Flügel des Congress wiederzubeleben und damit den Congress selbst. Im Gegenteil dazu sind wir der Meinung, dass es Sache der Kommunisten ist, den Congress nicht wiederzubeleben, sondern ihn zu begraben. Die Maschinerie des Congress haben wir so lange benutzt, wie die Aussicht bestand, dass er eine revolutionäre Massenbewegung herbeiführen kann.“93 Wieder einmal trat das alte marxistische Problem von Nationalismus versus Arbeiter-Universalismus zutage. Bemerkenswert: Thalheimer sprach vom politischen Kontext in Indien, ob zutreffend oder nicht, als ob es sein eigener wäre. Thalheimers Briefe erreichten Roy über geheime Kanäle. In drei Briefen, geschrieben zwischen 1934 und 1937 aus dem Gefängnis, stellte Roy eindeutig klar, dass weder er noch seine Partei in Indien versuchen würden, den Congress von innen heraus zu bekämpfen, wie Thalheimer es vorschlug.94 Roy wollte „einen organisierten linken Flügel des Congress, der auch als solcher fungiert, ohne eine weitere Partei-Bezeichnung“.95 Roy blieb dabei. Eine separate Partei, wie die damals in Gründung befindliche und von Thalheimer in Paris unterstützte Sozialistische Kongresspartei, würde den Congress in Lager spalten.96 Roy legte großen Wert darauf, die indischen Gewerkschaften zu nutzen, um Arbeiter auszubilden und bei ihnen ein Solidaritäts-Bewusstsein aufzubauen. „Millionen und Abermillionen von Transportarbeitern, Plantagenarbeitern und Handwerkern sind noch immer nicht oder nur unzureichend organisiert … Die Kommunistische Partei muss dies [die historische Rolle des Proletariats] dem Proletariat erklären, durch Populärliteratur, öffentliche Versammlungen, Gewerkschaften, Klubs usw.“97 In der Zwischenzeit koordinierte Jay Lovestone, Führer der antibolschewistischen kommunistischen Fraktion in den Vereinigten Staaten (der so genannten Rechten Opposition der Kommunistischen Internationale), eine internationale Kampagne, um die Freilassung von M. N. Roy aus dem Gefängnis zu erreichen. Die Fäden liefen in seinem Büro zusammen, von wo aus er international angesehene Persönlichkeiten wie Albert Einstein, Fenner Brockway und Roger Baldwin gewinnen konnte, die sich mit einer Protestnote gegen Roys zwölfjährige Haftstrafe an das Indian Office wandten. In seinen Briefen an V. B. Karnik und die „RoyGruppe“ regte Lovestone an, die indischen Gewerkschaften sollten den Facharbeiter-Gewerkschaftsbund American Federation of Labor in den USA ersuchen, Hilfsgelder bereitzustellen. Institutionen und Mittelsleute, die deutsch-indische Verflechtungen innerhalb der Linken auf vielerlei Wegen dynamisierten, wurden in den 1930er Jahren ins Exil gezwungen, die Verbindungen aber blieben noch einige Zeit nach dem Aufstieg der Nationalsozialisten bestehen. Als Roy Ende 1936 aus dem Gefängnis entlassen wurde, war August Thalheimer bereits nach Kuba geflohen, und andere Mitglieder der antistalinistischen deutschen Kommunisten

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waren in die Vereinigten Staaten emigriert. Lovestone machte seine Abkehr vom Kommunismus mit sich selbst aus, jetzt als Anti-Kommunist.98 Die Diskussion darüber, wie die ausbeuterische Weltordnung durch genaue Analyse demaskiert und durch die Organisation der weltweiten Arbeiterschaft verändert werden könne, diese Diskussion, die Deutsche und Inder in den 1920er und 1930er Jahren miteinander verbunden hatte, kam bis auf Weiteres zum Erliegen. Die marxistische Sicht auf Asien und die Verbindungen der globalen Arbeit, die die Grenze zwischen Europa und Asien kreuz und quer überspannten, schufen ein Beziehungsgeflecht zwischen Deutschen und Indern, das sich von dem einer klassischen kolonialen Beziehungen stark unterschied. Der Orientalismus führte im 20. Jahrhundert eher zu einer Identifikation als zu einer Entfremdung und unterbrach so die normative Beziehung zwischen Zentrum und Peripherie.99 Dass der radikale Marxismus Europas Peripherien zu Weltzentren machte, erlaubte neue, kontranormative Aussagen über die europäische Kultur – und über die Identität Deutschlands und Indiens, die jetzt in einem internationalen Kontext standen. Eine gedankliche Verbindung zwischen den Arbeiter-Kämpfen in den europäischen Ländern einerseits und dem antikolonialen Kampf der Eliten und Subalternen in den kolonialen Gesellschaften andererseits, erforderte ein hohes Maß an intellektueller Arbeit und gesellschaftlicher Interaktion über die Grenzen hinweg. Aber so eine Veränderung war nur möglich, weil sich auch der historische Kontext veränderte: Das Zeitalter der Aufklärung klang nun, am Ende des 19. Jahrhunderts, endgültig aus und machte in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts einem eher komplexen, vielstimmigen und polarisierenden Zeitalter der Verflechtung Platz. Doch dieses neue Zeitalter, obgleich noch jung, war alles andere als unschuldig. Selbst der universalistische Idealismus des Marxismus war durchfärbt von unterschiedlichen nationalistischen Ausprägungen und Ausbrüchen des Bedürfnisses, sich auf der Weltbühne Geltung zu verschaffen. Bemühungen, die globale Hegemonie der angelsächsischen Macht des 19. Jahrhunderts zu untergraben, führten zu neuen Machtspielen und damit zu neuen universalistischen Visionen, um diese zu legitimieren.

8 Geokulturelle Ganzheiten Deutsche und indische nationalistische Denker nutzten politische Geographie und Kulturgeschichte, um Theorien über die geographisch expansiven Dimensionen der Kultur aufzustellen. Und zwar taten sie dies in einer Weise, die die Welt regionalisieren sollte. Insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg zielten deglobalisierende Theorien darauf, die normgebende Weltkarte des 19. Jahrhunderts aufzuspalten, die um den Nordatlantik herum zentriert war und immer weitere Kreise zog, um sich den ganzen Erdball einzuverleiben. Post-aufklärerische Wissenschaftler entwarfen dagegen Landkarten, die zu angeblich widerständigen Strömen führten, zu Strömen der Kultur, der Geschichte, ja sogar der Rasse, und forderten auf dieser Grundlage eine revolutionäre Neuordnung des Raums auf der Erde. Studien zur Kulturgeographie waren von Natur aus interdisziplinär, und einige dieser Studien waren deutsch-indische Gemeinschaftswerke, die monumentale, weltumspannende Territorien entwarfen, in denen sie jeweils am Ursprung standen. Deutsche und indische Nationalisten definierten neue territoriale Grenzen und forderten Anerkennung für Unterschiede, bezogen sich aber zugleich auch in ihre jeweiligen Projekte ein, was gegenseitige Wechselwirkungen nur verstärkte und zu immer mehr Verflechtungen führte. Der verheißungsvolle wissenschaftliche Diskurs der Geopolitik eröffnete ein Dialog-Forum, auf dem sich deutsche und indische Nationalisten in ihrer Vorstellung einer neuen Weltordnung wechselseitig beeinflussten und sich gegenseitig als Vertreter neuer ganzheitlicher Visionen legitimierten. Transnationale Dialoge führten deutsche und indische Volkshistoriker zusammen, Beispiele hierfür sind Projekte der sogenannten „Volksgeschichte“ oder Rabindranaths Schulprojekt Shantiniketan. Sie sorgten für einen regen Austausch unter geopolitischen Denkern wie Karl Ernst Haushofer und Benoy Kumar Sarkar in Berlin und verflochten Politikwissenschaftler wie Taraknath Das und Franz Thierfelder an der Deutschen Akademie in München. Die post-aufklärerischen Dialogpartner neigten dazu, sich Kultur als eine Art Heimat-Kompass vorzustellen, als einen Raum der Ganzheit, in dem sich Heimat und Fremde wie Standbein und Spielbein verhalten – das eine fest verortet, das andere frei beweglich. Ihrer Beschreibung nach war Kultur eine in historischen, durchaus archaischen Traditionen verwurzelte Einheit aus Verwandtschaft, Sprache und Region. Kultur konnte aber auch den geopolitischen Raum durchreisen und dabei fortwährend die eigenen Grenzen überschreiten. In den 1920er Jahren schwebte nationalistischen Intellektuellen aus Indien wie auch aus Deutschland eine Weltkarte expandierender Kulturregionen vor, die über zu-

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sammenhängende und auch nicht-zusammenhängende Räume hinweg ausgriffen. Der Waffenstillstand, der den Ersten Weltkrieg beendete, wurde am 11. November 1918 unterzeichnet. Mitte Januar 1919 versammelten sich die Repräsentanten der alliierten Siegermächte zur Pariser Friedenskonferenz. Deutschland, Österreich und Ungarn wurden von den Verhandlungen ausgeschlossen, in denen es um die Festlegung neuer Grenzen ging und an deren Ende Deutschland fast zehn Prozent seiner Gebiete abtreten musste. Elsass und Lothringen gingen an Frankreich, das Saargebiet wurde als entmilitarisierte Zone einer Regierungskommission des Völkerbundes unterstellt, wobei Frankreich als Mandatsmacht auftrat. Sämtliche Gemeinden im Grenzstreifen von Eupen-Malmedy wurden Belgien unterstellt, und Nordschleswig wurde an Dänemark zurückgegeben. Im Osten wurden weite Teile dessen, was die Deutschen als Preußen bezeichneten, in das wiedererstandene Polen integriert, allen voran das Gebiet Oberschlesien mit seinen ergiebigen Eisenminen.1 Danzig wurde zur „Freien Stadt“ (unter dem Schutz des Völkerbundes) erklärt, und sämtliche Überseegebiete in China sowie sämtliche Kolonien im Pazifischen Raum und in Afrika wurden beschlagnahmt. Das Kaiserreich Österreich-Ungarn wurde aufgelöst und nach dem Nationalitätenprinzip in sieben Nachfolgestaaten aufgeteilt.Viele Deutsche waren schockiert über den sogenannten „Kriegsschuld“-Artikel und die damit verbundene Auflage von Reparationszahlungen, und die Konservativen sahen sich nun in der Rolle einer kolonisierten und „subalternen“ Gruppe des neuen Europa.2 Als Reaktion auf die neue normative internationale Ordnung des Vertrags von Versailles entwickelten sich kontranormative nationalistische Identitäten.3 Gegenwissenschaften entwickelten sich, um diese konträren Visionen zu formulieren und zu verteidigen. Sozialwissenschaftliche Diskurse entstanden, die die universelle Autorität des Völkerbundes zur Verwaltung der Weltordnung der Nachkriegszeit kritisierten und für sich in Anspruch nahmen, eine tiefere und wahrere Welt kultureller Kontinuität aufzuzeigen, die den nationalstaatlichen Partikularismus konterkarierte. Für die deutschen Wissenschaftler relativierte und „provinzialisierte“ das Studium der Kulturgeographie den geopolitischen Rang Nordwesteuropas in der Welt und stellte den Anspruch des Völkerbunds kritisch in Frage, der einen neuen Nachkriegsuniversalismus auf den Thron heben wollte.4 Für indisch-nationalistische Denker indes, wie z. B. Ramananda Chatterjee, bezeichnete die Idee eines „Greater India“ (Mahattvar Bhārat) eine Kulturgeographie antikolonialer Prägung – einen Raum von planetarischer Bedeutung für weltläufige Inder. Greater India, sagte Chatterjee, sei eine Weltregion gewesen, eine, die ihre Blütezeit unter den hinduistischen und buddhistischen Königsherrschaften über ganz Asien erlebt hatte und die ohne jede Art von imperialis-

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tischen „Untaten“ auskam, die zu Recht mit den universalistischen Reichen aus dem modernen Westen verbunden werden.5 Greater India, so beharrten die Nationalisten, sei durch friedliche kulturelle Interaktionen expandiert, im Gegensatz zur Expansion von „Großbritannien und Frankreich“. Greater India war vor allem eine Denkkategorie der Opposition, die den indischen Nationalisten ihren Protest gegen die weltgestaltende Kraft Westeuropas erleichterte.6

Deutsche Heimat und das Projekt Shantiniketan Der deutsche Nationalstaat wurde 1871 geboren, als eine „nervöse Großmacht“.7 Er war „Neuankömmling und Nachzügler“ zugleich, in Anbetracht der Tatsache, dass Großbritannien, Frankreich und Russland längst auf gutem Wege waren, Übersee-Imperien zu errichten. Während Englisch die internationale Handelssprache war, war Französisch die Sprache der Diplomatie.8 Briten und Franzosen, so erklärten deutsche geopolitische Denker, hätten sich auf unterschiedliche Weisen omnipräsent gemacht – nicht nur durch ihre Kolonien, sondern auch durch die Verbreitung ihrer Sprachen und „nationalen Ideen“ weit über alle Lande. Jacob Burckhardts „Weltgeschichtlichen Betrachtungen“ (1905) zufolge bestand die Aufgabe deutschsprachiger Historiker, einfach ausgedrückt, darin, die Deutschen in der Welt zu beheimaten: „Das wahrste Studium der vaterländischen Geschichte wird dasjenige sein, welches die Heimat in Parallele und Zusammenhang mit dem Weltgeschichtlichen und seinen Gesetzen betrachtet, als Teil des großen Weltganzen, bestrahlt von denselben Gestirnen, die auch anderen Zeiten und Völkern geleuchtet haben (…).“9 Der Historiker Friedrich Meinecke war der gleichen Meinung. In seinem Werk Weltbürgertum und Nationalstaat (1908) sagt er, dass der nationale Fortschritt in Deutschland am sukzessiven Verfall einer wurzellosen, undifferenzierten und kosmopolitischen Gesittung des Bildungsbürgertums sowie an einem neu aufkommenden Identitätsgefühl einer reisenden Nation gemessen werden könne, die deutsch und weltläufig zugleich war.10 Das Verlangen der Deutschen nach globaler Bedeutung als identitätsstiftendem Element hatte sich durch die Kriegsniederlage nicht etwa verringert, sondern sogar verstärkt. Das Interesse für Volksgeschichte nahm nach 1918 stark zu. Ihr diente Kulturgeschichte zum Erhalt lokaler Identität, aber auch, um neue expansive und welthistorische Geographien der germanischen Kultur zu entbergen. Herausragende deutsche Historiker, unter anderem an Instituten in Leipzig und Bonn, zogen dem nach Versailles politisch aufgeladenen Begriff Nationalstaat den viel weitergehenden Begriff Volk vor. Werner Conze, der nach dem Zweiten Weltkrieg noch eine wichtige Rolle in der deutschen Sozialgeschichte spielen

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sollte, war zu Beginn seiner Laufbahn junges Mitglied dieser (völkisch-deutschnational geprägten) „Denkschule“.11 „Volk“ als Begriff hatte den Vorteil, gleich in zweierlei Hinsicht auf eine Beziehung zwischen Mensch und Raum zu verweisen – auf die Verwurzelung in der Heimat und auf mögliche Mobilität rund um die Welt. Auch „Heimatkunde“ als Studiengebiet betrachtete zweierlei – festgelegte lokale und flexible mobile Bindungen an Heimaten, und sie war so dezentral wie das Deutsche Reich vielfältig war.12 Es gab Forschungsgruppen in der Pfalz, im Rheinland, in Bayern, in Sachsen und Westfalen und später auch nordöstlich und südostlich des eigentlichen Reichsgebiets, die aufzuzeigen versuchten, bis wohin sich das deutsche Volk vor langer Zeit ausgebreitet hatte. Es gab Experten, die es sich zur Lebensaufgabe machten, die Geschichte ihrer Heimat zu erforschen, wie zum Beispiel Franz Thierfelder in Altenach, Georg Heeger in der Pfalz13 oder Günter Freyer im Rheinland. Bayern richtete 1921 ein Ministerium für Heimat- und Lebenskunde ein.14 Die Heimatbewegung war in lokalen Vereinigungen der bürgerlichen Gesellschaft verwurzelt, in Museen, Vereinen und Folkloregruppen. Jeder Wissenschaftler und jede Organisation trug ihren kleinen Teil zu einer riesigen Kulturwolke bei. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg spielte die Heimatkunde eine bedeutende Rolle und stand als Schulfach auf dem Lehrplan jeder Volksschule. Einen Großteil ihrer Dynamik bezog die Bewegung aus den Hochschulen für Gymnasiallehrer, deren Schwerpunkt darauf lag, den Studenten mit Lehrinhalten zur Regionalgeschichte und deutschen Diaspora-Narrativen die Geschichte des Deutschtums zu vermitteln. Lange bevor die Volksgeschichte ab 1918 in Deutschland zur Blüte kam, hatte Rabindranath Tagore eine Vision für die Bildung der bengalischen Jugend formuliert, die ihre Grundlage in einer Rückkehr zur Dorfkultur hatte, aber auch die Bedeutung überregionaler Verbindungen in Asien betonte. Rabindranaths bildungspolitisches Engagement begann mit der Gründung des ShantiniketanAshrams im Jahr 1901, wo er eine Schule für Dorfkinder einrichtete. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte veröffentlichte er eine Reihe von Aufsätzen und Artikeln, die seine pädagogische Erziehungstheorie erläuterte. Insbesondere hielt er die (bengalische) Muttersprache als Unterrichtssprache für unabdingbar, und zwar von der Grundschule bis zur Universitätsausbildung.15 1904 verfasste er seinen berühmten Aufsatz „Svadeśi Samāj“, in dem er eine dringend notwendige soziale Reform der ländlichen Regionen forderte, Schulen und handwerkliche Ausbildungszentren eingeschlossen. Rabindranaths pädagogisches Engagement für Reformen im dörflichen Leben folgte dem Ruf nach Reformen, die Bankim bereits Jahrzehnte zuvor gefordert hatte, um der Tendenz zur kolonialen Angleichung entgegenzuwirken und die Wurzeln bengalischer Identität vor westlichen Einflüssen zu bewahren.

Deutsche Heimat und das Projekt Shantiniketan

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In einem Essay aus dem Jahr 1872 über die Bedeutung bengalischer Dörfer rügte Bankim seine urbanen bhadralok-Dialogpartner scharf dafür, dass sie nicht hoch genug zu schätzen wussten, dass die Nation (deś) sich zum allergrößten Teil aus Dorfgemeinschaften konstituierte und eben nicht aus der ihnen vertrauten städtischen Bevölkerung. Und er fuhr fort: „Großbritannien gibt der indischen Stadt Geld, die Ressourcen aber nimmt es aus dem Dorf. Reis, Seide, Baumwolle, Jute und Indigo.“16 Eine solche Sichtweise auf die Ausbeutung der Reichtümer des Landes, der natürlichen Ressourcen und der agrarischen Erzeugnisse, lag auf einer Linie mit den „Drain-Theorien“, die indische Wirtschaftstheoretiker wie Dadabhai Naoroji und Romesh Chunder Dutt entwickelt hatten und die von der „Erschöpfung“ der „Erträge des Landes“ handelten.17 Der Abfluss an natürlichem Reichtum wurde anschaulich geschildert als „Extraktion der Lebensenergie“ aus dem Leib der indischen Nation. Gandhis Spinnrad-Kampagne sowie seine Identifikation mit dem einfachen „fadenspinnenden“ Dorfhandwerker bündelten und erweiterten diese Vorstellungen vom Dorf als einer umkämpften Stätte der Kultur und einem entleerten Speicher des indischen Naturreichtums. Sowohl bei Bankim als auch bei Gandhi lag der Fokus auf der bedrohten, authentischen Lebensenergie, die im ländlichen Indien zu finden war, nicht in der Stadt. Rabindranath Tagore, Kshitimohan Sen, Dinesh Chandra Sen und Gurusaday Dutt sammelten alte Volkserzählungen und trugen so zu ethnographischen Studien des bengalischen Dorflebens bei. Rabindranath allerdings konstatiert, dass die Dorflandschaft nicht im Gegensatz zur Stadtlandschaft stand, so wie die Verwurzelung mit dem Dorf keinen Widerspruch zum Reisen darstellte. Das Dorf fungierte quasi als in der Heimat verorteter Fixpunkt auf dem geopolitischen Kompass eines reisenden indischen Nationalisten. Sein Kontrapunkt der indischen Kultur indes bewegte sich über ganz Süd- und Ostasien hinweg und folgte darüber hinaus auch Reisewegen rund um den Globus. In der Weltsicht bengalischer Nationalisten vollzog sich mit Beginn der Jahrhundertwende eine seismische Verschiebung der indischen Kulturgeographie, die mit der Weltsicht früherer Denker wie Bankim Chandra Chattopadhyay im 19. Jahrhundert nichts mehr gemein hatte. Kultur und Reisen, das gehörte fortan zusammen, und Identität war nicht länger nur an einen festen, regional begrenzten Raum gebunden. Greater India (Mahattvar Bhārat), als ein (gedankliches) Selbstkonstrukt und ein diskursives Gebilde, war der geokulturelle Ausdruck des Anti-Anglozentrismus – ja, tiefgreifender noch, es war ein Protest gegen die Hegemonie einer liberalen imperialen Weltordnung, die um die nordwesteuropäische Macht herum zentriert war.

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Widerspruch gegen das historische Narrativ des Empire Seit den 1880er Jahren hatte die britisch-imperiale Geschichtsschreibung eine konsistente Darstellung der historischen Vergangenheit Indiens entfaltet, beginnend mit der Eroberung Nordindiens durch Alexander den Großen, über die altindischen Herrscherreiche der Maurya und der Gupta weiter über das Mogulreich bis hin zur Ankunft eines „zweiten Alexander“ im Gewand des British Empire. Man sieht, dass der Neoklassizismus in Großbritannien ebenso emblematisch für die Blütezeit des Empire war wie die Bewahrung der Kolonialordnung in Indien.18 Im späten 19. Jahrhundert versuchten britische Historiker, die riesigen Königreiche der altindischen Vergangenheit mit ihren Anfängen im mächtigen Weltreich des Makedonenkönigs Alexander dem Großen zur Herrschaft des British Empire in Indien in einen inneren Zusammenhang zu setzen, einen Zusammenhang, der von starken Kontinuitätslinien gekennzeichnet war. Der Historiker E. J. Rapson sah den „British Raj“ in einer Linie mit den „Nachfolgern Alexander des Großen“ in Indien.19 V. A. Smith, ein hochrangiger Kolonialverwalter und Kolonialhistoriker, schilderte Indiens antike Vergangenheit als langen Historienzug siegreicher Erobererkönige, beginnend mit Alexander dem Großen über Chandragupta Maurya, Asoka, Samudragupta, Harsha und Akbarbis hin zum Höhepunkt der britischen Herrschaft.20 Damodar Dharmananda Kosambi, der große indische Historiker und Mathematiker aus Maharashtra, der dem Marxismus und der Kommunistischen Partei Indiens zugetan war, nannte Smiths Buch später einmal eine „staatstragende und vornehme“ Geschichtsschreibung „auf einem unglaublich schmalen Fundament valider Daten, aus dem ein imposanter Überbau aus Konjekturen, Wortgeklimper und Standesdünkel erwächst“.21 Die anglozentrische, britisch akademisierte Weltsicht in den historischen Bravourstücken der Smiths und Rapsons bewog Rabindranath Tagore einmal mehr, sich dem ländlichen Raum zuzuwenden. Damit bereitete er (ebenso wie die Kulturhistoriker und Folkloristen Bengalens aus seinem Umfeld) den Boden für ein alternatives Narrativ der regionenübergreifenden Kontinuität in Südasien. Zeitgleich bekamen Gegen-Narrative über ländliche Regionen und Orte unter indischen Nationalisten zunehmend mehr Bedeutung.22 Die aufkommenden nationalistischen Reaktionen auf die britische Kolonialgeschichtsschreibung verteidigten die kulturellen Welten der alten Hindu-Königreiche, der buddhistischen Ökumene und des islamischen Universalismus. Taktgeber dieser nationalistisch verzaubernden Unternehmungen waren Historiker der Calcutta University. Kashi Prasad Jayaswal forschte über altindische Hindu-Reiche im Hinduismus und Shaheed Hasan Suhrawardy studierte die persische Imperialgeschichte. Mit einer ähnlichen Stoßrichtung verlegte sich Anagarika Dharmapala darauf, die alte Stellung des Buddhismus als Weltreligion zu rekonstruieren. Anagarika Dhar-

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mapala war Begründer der Maha Bodhi Society, einer buddhistischen Gesellschaft mit Sitz in Kalkutta. Der Buddhismus sei sowohl regional als auch überregional zu begreifen, legte die Gesellschaft dar.23 Beeinflusst von Dschamal alDin al-Afghani (einem iranisch-islamischen Vordenker des Anti-Kolonialismus) und Okakura Kakuzō (mit seiner Vision von Asia is One, „Asien ist Eins“) vertrat Dharmapala die Meinung, dass der frühe Buddhismus die gesamte Region Asien umspannt habe und sie zu einem ursprünglich zusammenhängenden kulturellen Ganzen machte. Um die Jahrhundertwende stieß man auf neue archäologische Artefakte (Manuskripte, Siegel, Tafeln, Säulen, Münzen und Tempelsteine), die die Erforscher von Greater India – zumindest nach ihrer eigenen Einschätzung – in die Lage versetzten, ungeahnte archaische Kulturwelten enthüllen zu können, die von etwa 500 v. Chr. bis 500 n. Chr. ganz Asien umfassten. In jenem Jahrtausend, so folgerten bengalische Nationalisten, gestützt auf die wissenschaftliche Autorität von Philosophie, Numismatik und Archäologie, schien der indische Subkontinent, und insbesondere Nordostindien (Bengalen), das Zentrum historischer, interasiatischer Beziehungen gewesen zu sein. Ab den 1880er Jahren barg man immer wieder alte buddhistische Handschriften in Sanskrit und Pali, aber auch in vielen anderen alten und modernen Volkssprachen wie Kutschisch, Agnisch, Khotanesisch, Sogdisch, Tibetisch, Nepalesisch, Ceylanesisch und Uigurisch.24 Die regionenübergreifende Geographie des historischen Buddhismus wurde zur raumbezogenen Vorlage für neue Studien über Greater India. Um ihre Erkenntnisse zu untermauern, wonach die altindischen Könige, die chakravartin (auch sarvabhauma genannt, die „vollendeten Gebieter“), im Rahmen einer „konstitutionellen Monarchie“ herrschten und nicht durch kriegerische Eroberungen, stützten sich indische Gelehrte in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts auf den Kanon sanskritischer Kernschriften wie den Veden, den Epen und den Puranas, aber auch auf neu entdeckte Werke wie das Arthashastra (ein bedeutendes Buch der altindischen Staatsrechtslehre, mutmaßlich verfasst im 4. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung) und die Shukra-Niti (eine Abhandlung über die Wissenschaft der Regierungsführung, vermeintlich aus dem 15. oder 11. nachchristlichen Jahrhundert, tatsächlich aber aus dem 19. Jahrhundert).25 Gelehrte aus dem indischen Kulturraum argumentierten, dass der Einfluss Alexanders des Großen auf die alten asiatischen Gesellschaften nur gering war. Königsherrschaft, in ihrer charakteristisch indischen Ausformung, so legten sie dar, basierte nicht auf Kriegskunst, sondern auf Allianzbildung. Auch Kashi Prasad Jayaswal hielt in einem einflussreichen Essay von 1912 daran fest, dass die althinduistischen Reiche (sāmrājya) von wohlwollenden Königsherrschaften und konstitutionellen Monarchien geprägt waren.26 Etliche nationalistische Gelehrter

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waren der gleichen Ansicht, darunter Pramathanath Banerjea, Narendranath Law, Radha Kumud Mukerjee und der malayalische Gelehrte Kavalam Madhava Panikkar.27 Pannikar schrieb ein Buch über den nordindischen Großkönig Harsha (Harshavardhana von Kannauj) und bezeichnete ihn als cakravartī, den hinduistischen Welteroberer, der ein Weltzentrum schuf und alle Hindus um sich vereinte, unabhängig von Sprache oder Region.28 D. R. Bhandarkar und Hemchandra Ray verknüpften die philologische Aufarbeitung der antiken Schriften mit theoretischen Argumentationen vornehmlich deutscher Wissenschaftler wie Johann Bluntschli (Rechtwissenschaftler) und Adolph Wagner (Ökonom) zum Thema Staatssozialismus.29 Ray beschrieb eine „Ähnlichkeit zwischen den Aktivitäten der Spitzel im [Lehrbuch der Politik von] Kautilya und dem staatssozialistischen Deutschland, dem Erbe der Bismarckschen Politik“.30 Die Autoren der „Greater India Bewegung“ machten sich also Gedanken sowohl über die welthistorische Bedeutung der buddhistischen und hinduistischen Kulturwelten als auch über ihre Vergleichbarkeit. 1923 schloss Kalidas Nag an der Pariser Ecole pratique des hautes études unter der Betreuung von Jules Bloch und Jean Przyluski eine Dissertation über ein großes Werk der altindischen Staatstheorie ab, das Arthashastra des indischen Gelehrten Kautilya (auch als Chanakya bekannt), das die erste Generation von Wissenschaftlern der „Greater India Bewegung“ viel beschäftigte. Er erklärte darin, inwiefern das neuartige nationalistische Verständnis der interasiatischen Beziehungen auf den Arbeiten deutschsprachiger Gelehrter wie Moriz Winternitz, Richard Garbe, Aurel Stein und Albert von le Coq aufbauen könne. Ebenso hob er Beiträge französischer Asienforscher hervor wie die des Orientalisten Sylvain Levi oder des Sinologen Paul Eugène Pelliot, aber auch Werke russischer Asienforscher wie die des Anthropologen Dimitri Klementz oder der japanischen Forschungsreisenden Otano Kozui und Tachibana Zuicho.31 Im bibliographischen Verzeichnis seiner umfassenden Retrospektive auf die Gelehrtenwelt im ersten Jahrzehnt der „Greater India Bewegung“ vermerkte U. N. Ghoshal neben vielen indischen Werken auch 96 Beiträge ausländischer Wissenschaftler, darunter gerade mal 16 Briten. In Fußnoten und Bibliographien trugen die Gelehrten der „Greater India Bewegung“ ihre Verbindungen über das British Empire hinaus stolz zur Schau. Wie Nag auseinandersetzte, war das Arthashastra, (oft mit „die Wissenschaft des Reichtums“ übersetzt), verfasst um 300 vor unserer Zeitrechnung zur Zeit der Maurya-Dynastie, am besten als eine wissenschaftliche Abhandlung über Staatskunst und Diplomatie des Alten Indien zu lesen. Es sei, so Nag, ein Handbuch der königlichen Diplomatie in einem historischen Zeitalter internationaler Kriege. Nach seiner, um es vorsichtig auszudrücken, ganz neuen Lesart war das Arthashastra also eine außenorientierte Abhandlung über das Diplomatiesystem des Alten Indien. Seine tendenziöse Interpretation brachte ihm or-

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dentlich Kritik von Gelehrten ein, die darauf verwiesen, dass der Hauptinhalt des Werks auf Eroberungen bezogen sei.32 Dabei zog Nag die politische Rationalität von Eroberungen per se nicht in Zweifel. Vielmehr würdigte er das strategische Potenzial, durch Eroberungen Grenzen zu überschreiten und neue Beziehungen aufzubauen – zwei Prinzipien geopolitischer Machtausübung und Diplomatie, die Nags sämtliche Schriften ebenso wie den überwiegenden Teil der „Greater India Forschung“ durchziehen. Neben Nag fanden sich in den 1920er Jahren eine ganze Reihe von Wissenschaftlern, die sich mit Greater India und den indischen Beziehungen mit China, Zentralasien, Südostasien und Afghanistan beschäftigten.33 Der Fokus lag dabei auf der Ausbreitung des Hinduismus und Buddhismus außerhalb von Nordindien durch spirituelle Aktivitäten indischer Missionare, Siedler und Händler.34 In der Zwischenkriegszeit zählte die lose „Denkschule“ eines Greater India um die fünfzig Gelehrte und Journalisten, die hauptsächlich in Kalkutta und in Shantiniketan ansässig waren.35 In der Zeit der Khilafat-Bewegung, auch bekannt als indische muslimische Bewegung (1919 – 24), schrieben auch muslimische Autoren wie Shaheed Hasan Suhrawardy, I. H. Qureshi, Abul Kalam Azad oder Muhammad Shahidullah interregionale Studien, die sich vornehmlich auf die Geschichte des indo-islamischen Universalismus konzentrierten.36 „Greater India“ wurde als hierarchische Vorherrschaft durch „Kulturmacht“ begriffen, um den von Sheldon Pollock geprägten Terminus zu verwenden.37 Die bengalisch-sprachige Geschichtsschreibung über Indien begann im Allgemeinen mit einer Darstellung der Arier. Das Bāmlār Itihāsa (1935) aus der Feder von Bhupendranath Datta schritt von der „Arischen Ära“ über die „Islamische“ bis hin zur „Britischen Ära“.38 Der Diskurs über den Arianismus hatte sich im bengalischnationalistischen Denken längst festgesetzt, insbesondere durch die Rezeption der Werke von Friedrich Max Müller. Rabindranath Tagore nutzte die Vorstellung vom „Arier“, um eine Vorstellung von Kompromiss und Synthese der kulturellen Traditionen in Südasien zu entwerfen. Bereits in seinem Aufsatz „Bhāratvar e Itihāser Dhārā“ (Der Verlauf der indischen Geschichte) von 1912 führte Rabindranath an, dass in alter Vergangenheit arische Invasoren auf den Subkontinent vorgedrungen waren und zunächst nur Verachtung für die nichtarische Bevölkerung hatten, auf die sie dort gestoßen waren. Erst zu einer späteren Zeit, als der brahmanische Ritualismus durch die Kaste der Kshatriya-Krieger in die Schranken gewiesen wurde, in der Zeit der Indischen Epen, sei die Möglichkeit für eine Vermengung aufgekommen. Und mit eben dieser Vermengung, so Rabindranath, begann die Sammlung schriftlicher Beschreibungen wichtiger Ereignisse der indischen Geschichte (Bhārat). Nach seiner Lesart der Geschichte stellte die Ära des Ramayana (nach dem Mahabharata das zweite indische Nationalepos; Anm. d. Übers.) eine Zeit der Kshatriya-

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„Freundschaftlichkeit“ (bhāv) dar, die den brahmanischen Ritualismus überwand. Es sei die Begegnung und Verschmelzung von Ariern und Nicht-Ariern gewesen, wie sie in der epischen Literatur zum Ausdruck kommt, die die archaischen Wurzeln der indischen Nation hervorbrachte.39 Diese Art der arisch orientierten Argumentation setzte sich in Rabindranaths Werk ab 1900 bis in die 1920er Jahre fort, und viele seiner Artikel in der Zeitschrift The Visva Bharati Quarterly der 1920er Jahre hatten die „arisch-nichtarische Synthese“ zum Gegenstand. Das Ariertum, als altnordindische Welt-Zentriertheit, hallte in der Idee von Greater India nach und war auch in der deutschen kulturgeographischen Debatte sehr präsent. Doch nicht nur das Konzept der Arier, sondern auch die Anwendung der historisch-vergleichenden Methode verband bengalische Denker der „Greater India Bewegung“ mit den Denkweisen des deutschen Orientalismus. Das Studium der alten Texte machte verborgene Strukturen der Weltgeschichte offenbar, und diese verborgenen Strukturen wiederum konnten verwendet werden, um die eigene nationale Gruppe in der Welt ins Zentrum zu rücken. „Eines Tages“, so stichelte Rabindranath Tagore 1927, „wird irgendein deutscher Gelehrter [die] Arbeit erledigen“ und eine vergleichende Studie über das große indische Märchenepos Ramayana in Süd- und Südostasien erstellen.40 Rabindranath erkannte den besonderen disziplinären Wert der deutschen Wissenschaft, die zugleich auf kulturelle Identität und welthistorische Universalität abhob. Das war zugleich ein inhärenter methodologischer Gegenliberalismus, der nicht mit der politischen Philosophie des Individualismus oder dem Diffusionismus einer universalisierenden Aufklärung begann, sondern mit Vorstellungen einer präexistenten, historischen Ganzheit und Totalität, die wiederentdeckt und offenbart werden konnte, um die Welt neu zu verzaubern. Ganzheitliche Konzepte der Kulturgeographie im frühen 20. Jahrhundert suchten nach Wegen, den assimilatorischen Fluten des anglozentristisch-imperialen Liberalismus, die sich seit dem 19. Jahrhundert ausgebreitet hatten, das Wasser abzugraben.

Geopolitik nach der Niederlage Auch in diesem post-aufklärerischen Diskurs der Kulturgeographie zeigen sich einmal mehr vor allem Interaktionen und wechselseitige Anleihen, keine einseitigen Transfers. Die indisch-nationalistischen Bestrebungen, „Greater India“ zu erfinden und ihm ein Format im Weltmaßstab zu geben, erregte die Aufmerksamkeit deutscher Nationalisten, insbesondere nach Versailles. Indische Nationalisten hinwiederum nutzten in ihren Projekten zur globalen Verzauberung deutsche Fußnoten, unmittelbar inspiriert von den deutschen Wissenschaftsent-

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würfen, die auch dazu dienten, die nationale Kränkung der Kriegsniederlage zu kompensieren. Karl Ernst Haushofer, ein bekannter Vertreter der Geopolitik, diente als Offizier im Ersten Weltkrieg und hatte als Kommandeur einer Feldartillerie-Brigade unmittelbar Fronterfahrung gesammelt. Vor dem Krieg war er als Militärgesandter der deutschen Regierung in ganz Ostasien unterwegs. Von 1908 bis 1910 unternahm er im Auftrag der deutschen Regierung eine ausgedehnte Inspektionsreise durch Japan, um Recherchen über die Antung-Mukden-Eisenbahn anzustellen und sich über die Organisation des japanischen Offizierskorps zu informieren.41 Die Reise führte ihn auch nach Indien (Darjeeling und Kalkutta), Burma (Rangoon und Mandalay) und Malaysia (Malakka) sowie nach China (Hongkong).42 In den 1920er Jahren avancierte Haushofer zu einem populären Schriftsteller, dessen Werke über den „Lebensraum“ auch Hitler las, als er 1924 nach dem sogenannten Bierkeller-Putsch eine kurze Haftstrafe in der Festung Landsberg verbüßte.43 „Lebensraum“ war der „Bereich der deutschen Ausstrahlung im Osten“, der keine feste Grenze hatte, sondern stetig vorrückte.44 Zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft sahen viele deutsche Kommentatoren in Haushofer sogar den zukünftigen Vordenker der Nazi-Außenpolitik.45 In einer Rezension über sein Werk heißt es in der konservativen Zeitung Oberland (1932): „General Haushofer skizziert die Außenpolitik dieses ‚Dritten Reiches‘ … wonach wir auf den Ausbau und Erhalt unserer Grenzlandschaften ein sehr viel stärkeres Gewicht legen müssen als auf unsere Überseebesitzungen. Gleichwohl … muß das Großdeutsche Reich allen rassenverwandten Menschen Heim und Schutz bieten … Jede Form der Macht, die durch den Raum wirkt, ist politisch.“46 Als Mitherausgeber der Zeitschrift für Geopolitik erklärte Haushofer in der Erstausgabe von 1924, dass er der Tradition geopolitischer Organismusvorstellungen folgen wolle, wie der Idee vom „Staat als (bodenständigem) Organismus“ des Wegbereiters der Geopolitik Friedrich Ratzel und der Idee vom „Staat als Lebensform“ des schwedischen Staatswissenschaftlers Rudolf Kjellén. Haushofer definierte Geopolitik als „die Wissenschaft von der politischen Lebensform im natürlichen Lebensraum, die sie in ihrer Erdgebundenheit und ihrer Bedingtheit durch geschichtliche Bewegungen zu erfassen sucht“. Zugleich hielt er fest, dass die internationalen Beziehungen nach Versailles mit dem Wunsch nach „deutschem Lebensraum“ nur wenig zu tun hätten, und dass der ständige Kampf um territoriale Aneignungen und Vorherrschaften der weltgeschichtlichen Bedeutung der germanischen Kultur entspringe. Rudolf Kjellén (1864 – 1922), einer der führenden neuzeitlichen Vertreter der „biologischen Staatslehre“, begriff den Staat als lebenden Organismus. Der Einfluss seiner Schriften, insbesondere der seines Hauptwerks Der Staat als Le-

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bensform (Staten som Lifsform, 1916), ebenso wie die Werke von Friedrich Ratzel über den Staat als zugleich bidenständiger und historischer Organismus, schufen die Basis für die wissenschaftliche Debatte über den Lebensraum in den 1920er Jahren.47 In einem Artikel in der Zeitschrift für Geopolitik schrieb Haushofer von einem „spürbar wachsenden Protest des gesamten Erdraums gegen die führenden kolonialen Expansionsmächte, sprich die Angelsachsen“.48 Der deutsche Staat wurde zum Symbol für die archaische Welt der deutschen Kultur, und die imaginierte überregionale Vergangenheit deutscher kultureller Größe würde sich noch folgenschwer auf die territorialen Normen der Gegenwart auswirken. Insbesondere der Orient diente Haushofer als Symbol einer archaischen und archetypischen Phase in der Weltgeschichte der Zivilisation. Eine der wichtigsten Methoden der damaligen Geopolitik bestand darin, Metaphern zu finden für die besonderen Schwierigkeiten, die Deutschland in der unmittelbaren Nachkriegszeit auf der Weltbühne und in der Weltgeschichte hatte. „Die Beschäftigung mit fremden Ländern [zeigt] das verlorene Recht auf Selbstbestimmung, unter dem Deutschland leidet.“49 Haushofers spezielles Interesse am welthistorischen „Indopazifischen Lebensraum“ zeigte sich auch in seiner Zeitschrift für Geopolitik. Für jede Ausgabe schrieb Haushofer einen Bericht über diese Region. Für ihn bestand die indopazifische Region aus Indien, China und Japan sowie den Inseln Südostasiens. Die geopolitische Region Asien sah er als bald dominierende Macht der Weltpolitik, und so würde das Archaische (wieder) die Oberhand über das Moderne gewinnen. Und mit dem zu erwartenden Aufstieg des Orients würden nach Haushofer auch die Weichen für die Zukunft Mitteleuropas gestellt. Der Wissenschaftszweig Geopolitik versuchte, die Welt nach (geopolitischen) Kategorien wie Klima, Handel oder geistigen und kulturellen Ähnlichkeiten in regionenübergreifende Welten einzuteilen.50 Das Leitkonzept von „Raum“ (im Sinne Haushofers) bezeichnete eine erweiterte „Erdraumeinheit“, einen Verbund unterschiedlichster kleinerer Regionen zu einer geographischen Einheit, innerhalb derer eine dominierende, historisch verwandte Gemeinschaft als die beherrschende galt. Die Interessen des NS-Regimes an Raumbeherrschung, an Machtausweitung und Legitimierung der Macht durch rassische Überlegenheit verbanden sich zur „Raumforschung“. Der Neologismus „Raumwissenschaft“ wurde zu einem der deutlichsten Zeichen für die „Nazifizierung“ der universitären Wissenschaft, neben dem abwertenden Begriff der „Gegnerforschung“.51 „Raum“, so Haushofer, sei die Geographie einer „Schicksalsgemeinschaft“. Um seine Behauptung zu untermauern, stellte er einmal mehr den Bezug zu Asien her: „Wenn wir uns mit dem ostasiatischen Raum und seinen Grenzen beschäftigen, müssen wir auch die Schicksalsgemeinschaft der drei Kulturländer Ostasiens betrachten: der ‚drei Nationen‘ [San-goku], wie sie seit tausenden von Jahren in Japan genannt werden: Indien, China und Japan! Gewiss, es sind drei separate

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Kulturen! – doch sie existieren nebeneinander, in einer großen Schicksalsgemeinschaft, in einer fortwährenden Verbindung.“52 Karl Haushofer „orientalisierte“ den deutschsprachigen Raum insofern, als er ihn nach dem Muster Asiens ausgestaltete und auf diese Weise Phantasien beflügelte von der Revanche längst vergangener Dynastien am Nationalstaat und von uralten organischen Kulturen an den zeitgenössischen europäischen Vorstellungen von internationaler Ordnung. In Haushofers Vorstellungswelt war der Osten in seinem „Gemeinschaftsgefühl“ sehr viel weiter als Europa. „Das WirGefühl ist in Asien sehr viel lebenskräftiger als in Pan-Europa, trotz der ehrenwerten Versuche von Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi [dem Gründer der Paneuropa-Union, der ältesten europäische Einigungsbewegung, Anm. d. Übers.].“53 Haushofer zufolge versprachen sowohl Asien als auch Mitteleuropa die welthistorische Zerstörung der neumodischen Kleinstaaterei von Versailles und die Vernichtung der Vorstellung eines weltweiten Staatenbundes. Haushofer identifizierte sich wechselseitig mit Asien, wenn er die Sprache der „Subalternen“ gebrauchte, um das deutsche Volk zu beschreiben: „Das Auslandsdeutschtum, wie heute oft diskutiert, droht in manchen Teilen der Welt subaltern zu werden … Was Graf Apponyi eine unerträgliche Dauerbelastung für den Stolz eines Volkes nannte, kann auch als völliges Versinken in eine subalterne Gesinnung bezeichnet werden; und wie wir gesehen haben, kamen die Führer der südostasiatischen Selbstbestimmungsbewegungen empor, da sie ihre Millionen Anhänger überzeugt haben, sich von eben dieser Gesinnung zu befreien, die jetzt von Mitteleuropa Besitz ergriffen hat.“54 Haushofer argumentierte, dass eine Weltordnung, die auf dem Recht der nationalen Selbstbestimmung basierte, wie in der Gründungsakte des Völkerbundes festgelegt, in Wahrheit ein hinterhältiger Weg für die westlichen Mächte war, ihre Herrschaft über die Welt auszuweiten.55 Und in Fortsetzung seiner Selbst-Orientalisierung fuhr er fort: „lieber würde man auf einer Halbinsel leben, die zumindest die Ansprüche Eurasiens im panasiatischen Sinne anerkennt, als in der Sklaverei eines aufgezwungenen Friedens.“56 Nichtsdestotrotz konnten einige subalterne Akteure weltgeschichtliche Geltung für ihre archaische Vergangenheit beanspruchen. Sie konnten sich wissenschaftlicher Disziplinen bedienen, um mit ihrer Autorität eine frühere Phase der Weltgeschichte wachzurufen, die den gegenwärtigen weltgeschichtlichen Moment zu sprengen in der Lage war. Deutschland, so klagten die deutschen „Subalternen“, könne sich nicht länger damit begnügen, ein Zentrum zweiten Ranges zu sein, angrenzend an das westliche Europa, wo es doch einst Zentrum seiner eigenen kulturellen Welt gewesen sei. Es sei dazu bestimmt, wieder ein eigenes Zentrum für sich zu werden.57 Im Gegensatz zu dem im Versailler Vertrag festgelegten juridischen Grenzsystem, wonach „abgegrenzte politische Räume“ konstruiert werden sollten, um die

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Rechte ethnischer Minderheiten zu gewährleisten,58 bestanden die deutschen geopolitischen Denker auf „natürlichen“ Grenzen, welche den Ansprüchen der welthistorischen Kulturen entsprachen. Das deutsche „Lebensraum“-Denken rechtfertigte seinen expansionistischen Charakter, indem es an die Stelle der Autonomie verschiedener politischer Einheiten, die in der zeitgenössischen Welt existierten, die Autonomie verschiedener Kulturen in der Weltgeschichte setzte. „In Bezug auf die natürlichen Grenzen kultureller Welten denkt man an Landschaften und Bodenbewässerung, vor allem an Berge und Flüsse“, schrieb ein deutscher konservativer Denker über Mitteleuropa.59 Die Gegenwärtigkeit alter Vergangenheit, vermeintlich eingeschrieben in die natürliche Umwelt, animierte die deutschen „Subalternen“, Autonomie nicht innerhalb eines Nationalstaats, sondern innerhalb des Bezugsrahmens einer welthistorischen Kultur zu verlangen. Dieses Projekt des deutschen geopolitischen Radikalismus verband die beanspruchte kulturelle Kontinuität mit einem bunten Bild von Küsten und Hinterland, Steppen und Flussläufen, Meer und Land, Städten und Dörfern. Lebensraum und Ökologismus gingen Hand in Hand.60 Mitteleuropa musste befreit werden, musste sich weltweit herausheben, damit das (verlorengegangene) „Raumbewusstsein der deutschen Seele niemals wieder verloren geht, so wie die Erinnerung an die großen chinesischen und indischen Königreiche, oder an das nationaljapanische Raumbewusstsein, das sich bis Kleinasien erstreckte und zweitausend Jahre lang währte“.61 In der Zwischenkriegszeit zeigten deutsche Konservative ein starkes und anhaltendes Interesse am indischen antikolonialen Nationalismus. Haushofer war ein begeisterter Leser von Benoy Kumar Sarkars Werken.62 Sarkars 1922 bei Julius Springer in Berlin erschienenes Buch The Futurism of Young Asia nannte er die „neue Bibel des jungen Deutschlands“63, die in keinem seiner Universitätskurse fehlen durfte.64 Zeitschriften wie Deutsches Volkstum, Das Gewissen oder die Preußische Kreuzzeitung veröffentlichten antikoloniale, pro-indische Artikel, während sie sich gleichzeitig dafür aussprachen, dass die Deutschen „die Meere wieder befahren“ sollten, als seemächtige Kolonialisten.65 In den späten 1920er Jahren unterstützte der Verein für Deutsche im Ausland den indischen nationalistischen Kampf ganz offen, während er gleichzeitig vehement die Wiederaufnahme der deutschen Expansion in Übersee forderte. Der deutsche Geograph Erich Obst schrieb 1926: „Die Völker [dieser Regionen] könnten eines Freund und Lehrers nicht entbehren. … Wir fordern unser Recht auf unsere Kolonien, denn ohne ein deutsch-überseeisches Aktionsfeld wird unser Volk verkrüppelt. Kein anderer Staat in Europa ist von allen Seiten so stark eingeschränkt wie der deutsche. Niemand anders fühlt so stark, was es heißt, geographisch im Herzen eines balkanisierten Kontinents zu liegen, wie die Deutschen.“66

Feuer mit Feuer bekämpfen

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Die Deutschen in ihrem Groll über die verlorene Weltgeltung suchten nach wechselseitigen Identifikationsformen (cross-identification), nach Vergleichs- und Anknüpfungspunkten in der Welt. So sehr die deutschen Nationalisten wieder Kolonisatoren sein wollten, so sehr sahen sie sich auch als Kolonisierte. Der aus einem Adelsgeschlecht stammende Ernst Graf zu Reventlow (1869 – 1943), ein deutschvölkischer Nationalist vom äußersten rechten Rand, gründete zusammen mit dem aus Indien gebürtigen politischen Aktivisten Chempakaraman Pillai die Indische Nationalpartei Berlin (1920) sowie den Orientverein (1935) und saß 1950 im Vorstand der Indian Association in München. Auch Graf zu Reventlow, ein glühender Antisemit und früher Mitstreiter der Deutschen Glaubensbewegung, die das Christentum ablehnte und durch einen „arisch-nordischen“ Glauben ersetzen wollte, verwendete einen Großteil seines Eifers auf antibritische Propaganda.67

Feuer mit Feuer bekämpfen Einige Varianten des nationalistischen Diskurses in Deutschland nutzten während der 1920er und 1930er Jahre den indischen Orientalismus, um einen unverhohlenen, gutwilligen und pluralistischen Imperialismus zu behaupten, den die Deutschen der Welt bieten konnten, und der sich von den gewaltsamen Formen unterschied, die Englisch oder Französisch sprechende Kolonisatoren verbreitet hatten. Franz Thierfelder, ein deutscher Publizist und Kulturpolitiker gebürtig aus Sachsen, studierte zunächst an der Universität Leipzig. Wie viele national-konservative Revolutionäre diente er im Ersten Weltkrieg und war in französischer Kriegsgefangenschaft. 1921 beteiligte er sich an gewaltsamen Aktionen zur Niederschlagung der sogenannten „Märzkämpfe“, von deutschen Kommunisten entfachte Arbeiterrevolten. Franz Thierfelder war Linguist und Politikwissenschaftler sowie Gründungspräsident der Akademie zur Wissenschaftlichen Erforschung und Pflege des Deutschtums (Deutsche Akademie) in München, deren oberste Aufgabe darin bestand, das Kulturgut der im Ausland lebenden Deutschen zu wahren. Zudem förderte die Deutsche Akademie Deutschkurse in den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich sowie in ganz Osteuropa und sogar in Shanghai und Kalkutta.68 Es wurden verschiedene länderspezifische Komitees gegründet, wie 1931 der Indische Ausschuß der Deutschen Akademie.69 Es gab auch amerikanische, russische, chinesische und polnische Komitees. Mit der Gründung des British Council im Jahr 1934, einer Einrichtung zur Förderung internationaler Beziehungen, schrieb Thierfelder ein Buch, in dem er vor dem Aufstieg der britischimperialen Kulturdiplomatie warnte. Immer wieder spielte er darauf an, dass man

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sich vor allem vor den Briten in Acht nehmen solle, nicht vor den Amerikanern oder den Franzosen. 1951, nach Krieg und Entnazifizierung, gehörte Thierfelder zu den Gründern des Goethe-Instituts, der Nachfolgeorganisation der Deutschen Akademie, und spielte als Leiter der „Arbeitsgemeinschaft für Sprachpflege“ eine führende Rolle in der deutschen Rechtschreibreform und Sprachkultur. In seinen wichtigsten Schriften fokussierte Thierfelder auf den Balkanraum als dem verlorenen Teil eines landgebundenen Deutschen Reiches und auf die Rolle der deutschen Sprache, die sie als mögliche Universalsprache zur Schlichtung nationaler Unterschiede in der Region spielen könnte. Die deutsche Sprache, so schrieb er, könne als „Weltsprache“ dienen und in Mittel- und Osteuropa die gleiche Art von nationalem Pluralismus ermöglichen wie zuvor das Französische und das Englische in ihren jeweiligen überseeischen Imperien. Doch damit die deutsche Sprache diese Funktion erfüllen könne, müsse der ihr innewohnende Kosmopolitismus kultiviert werden. Für dieses Ziel setzte sich Thierfelder von 1929 bis 1937 aktiv in der Deutschen Akademie ein.70 Thierfelders Schriften weisen in zwei Richtungen: einmal in die Balkanregion, und einmal nach Indien. Unmittelbar nach ihrer Gründung 1925 widmete sich die Deutsche Akademie der Erstellung einer „deutschen Biographie“ aller im Ausland lebenden Deutschen und dem Aufbau einer „deutschen Bibliothek“, in der „die wichtigsten kulturellen Ausdrucksformen unseres Volkes im Hinblick auf geistiges und materielles Leben“ bewahrt werden sollten.71 Thierfelder zeichnete ein Bild von Mitteleuropa als einem Raum pluralistischer Inklusion, zusammengehalten von der universellen Sprache Deutsch. Die vielen Kultur- und Sprachgruppen auf dem Balkan sowie die miteinander verbundenen Ökonomien der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie und die nach Versailles 1919 vom Reichsgebiet abgetrennten Landesteile könnten alle wieder zu einer geopolitischen Einheit von weltweiter Bedeutung zusammengefügt werden, wenn nur die deutsche Sprache als lingua franca anerkannt würde. Auf dem Höhepunkt der wieder aufkeimenden deutsch-imperialistischen Träumereien in den späten 1920er Jahren sah Thierfelder die berückende Vision von deutschen Muttersprachlern an der Spitze ihres eigenen Land- und See-Imperiums, das sich über ganz Mittel- und Südosteuropa erstreckte. Für das deutsche Außenministerium spielte Thierfelder eine wichtige Rolle, denn er war erster Ansprechpartner in Fragen der Kulturdiplomatie und hegte obendrein ein besonderes Interesse für Indien. Thierfelder setzte den geopolitischen Radikalismus der deutschen Nachkriegszeit mit dem anti-imperialen Kampf der indischen Orientalen gleich und nahm damit teils identitäre Verschränkungen (cross-identification) vor. Aber es war auch eine Art imperialistisches Rollenspiel im Gange, als Thierfelder versuchte, den unzufriedenen Völkern des britisch-liberalen Empire

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den fürsorglichen Unterstützer vorzuspielen, um zu demonstrieren, dass ein deutscher „Ersatz“-Kolonialherr seine Herrschaft über die peripheren Völker der Welt in einer wohlwollenderen und sanfteren Weise ausüben würde als der ursprüngliche britische Kolonialherr. Thierfelders Ausführungen nahmen immer beides in den Blick, den Subalternen und den Imperialisten, den Mitbürger und den kolonialen Lehrmeister, wenn es um Indien ging. Diese gespaltene Identität schien die Deutschen während der Zwischenkriegszeit zu verfolgen. Gespaltene Identitäten schienen auch indischen Nationalisten nicht fremd. So etwa arbeiteten Benoy Kumar Sarkar und Taraknath Das mit Thierfelder zusammen, um über die Deutsche Akademie 1929 ein Stipendienprogramm für indische Studenten auf die Beine zu stellen, das auch während der NS-Zeit, zumindest bis 1941, bestehen blieb. Der Indische Ausschuß der Akademie förderte zwischen 1929 und 1936 sechsundsechzig indische Studenten mit einem Stipendium für Deutschland, wovon vierunddreißig promoviert wurden.72 Die Akademie engagierte auch bedeutende indische Wissenschaftler als Gastprofessoren, um in Deutschland zu lehren und zu forschen. Gleichermaßen förderte sie deutsche Studenten, um an indischen Universitäten zu forschen, und sie entsandte deutsche Professoren zu Vortragsreisen durch Indien.73 Indische und deutsche Denker aus dem rechten Spektrum sahen eine revolutionäre Politik kommen, die technologisches Knowhow aus dem hochindustrialisierten Deutschland in das Schwellenland Indien transferierte, aber auch den gegenseitigen Austausch von Geschenken der Verzauberung begünstigte, insbesondere von nicht sichtbaren Gütern kultureller und spiritueller Natur zwischen dem deutschen und dem indischen Volk.74 Taraknath Das, ein radikaler Untergrundkämpfer der Swadeshi-Bewegung und Internationalist aus Kalkutta, reiste 1905 nach Tokio und schiffte sich dort auf einem japanischen Ozeandampfer nach San Francisco ein, wo er im April 1906 ankam. Er wurde zu einem führenden Diplomaten des antikolonialen Widerstands der indischen Diaspora in den Vereinigten Staaten und bekam die USamerikanische Staatsbürgerschaft. Wegen antibritischer Aktivitäten während des Krieges verbrachte er ein Jahr, von 1918 bis 1919, in einem Bundesgefängnis. Nach seiner Entlassung kehrte Das rasch ins politische Leben zurück, wurde Vorsitzender der New York Friends of Freedom for India Society, heiratete Mary Keatinge Morse, eine amerikanische Aktivistin, und machte einen Hochschulabschluss an der Georgetown University. Nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs in dem Fall Vereinigte Staaten v. Bhagat Singh Thind 1923 wurde auch Taraknath Das die US-Staatsbürgerschaft entzogen und er wurde ausgebürgert. (Das Urteil verweigerte rückwirkend allen indischen Amerikanern das Recht auf die Staatsbürgerschaft der Vereinigten Staaten, da sie der damals gängigen Definition einer „weißen Person“ nicht ent-

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sprachen. Anm. d. Übers.) Er verließ die Vereinigten Staaten Richtung Deutschland und ließ sich in München nieder.75 Dort begann er Ende der 1920er Jahre eine enge Zusammenarbeit mit Franz Thierfelder. Das hob nachdrücklich hervor, dass sich die britischen Aktivitäten in Indien während des 19. Jahrhunderts immer wieder in Versuchen verhakten, einen weiten regionenübergreifenden Raum zu verteidigen, der sich zu Wasser über den Indischen Ozean und den Golf von Bengalen erstreckte, und zu Lande über russische, französische und japanische Gebiete hinweg. Er behauptete, dass Weltpolitik, realistisch betrachtet, nicht auf einer paritätischen Repräsentanz der Nationalstaaten basiere, sondern in einem unermüdlichen Kampf zwischen den geopolitischen Machtzentren bestehe. In diesem Sinne schrieb er sein Werk India’s Position in World Politics (1922). Indien war ihm zufolge keine Nation; es war ein Imperium, und man erweise der indischen Sache einen Bärendienst, wen man annehme, es sei auf dem Weg zum Nationalstaat. Eine solche Sichtweise, so Das, missachte das Wesen und die welthistorische Bedeutung der indischen Kultur. „Indien ist so groß wie Russland. Zur Zeit des Kaisers Asoka war Indien ein viel mächtigeres Reich als das Römische Reich oder das der Griechen.“76 Die Briten, so argumentierte er, bedienten sich der Sprache des Liberalismus, um die eigene Weltherrschaft auszubauen. Nicht von ungefähr waren sie mit allen Mitteln darauf bedacht, das Gebiet des Indischen Ozeans zu kontrollieren, um Vorstöße anderer europäischer Großmächten in die britisch dominierte Region aufzuhalten – indem sie eine Führungsrolle bei der Verwaltung des Suezkanals einnahmen; indem sie 1903 einen Vertrag unterzeichneten, um den Bau der Berlin-Bagdad-Bahn unter ihre Kontrolle zu bringen; indem sie 1907 mit Russland den russisch-britischen Vertrag von Sankt Petersburg aushandelten, um die imperialistische Beute Persien unter sich aufzuteilen; indem sie 1911 mit Japan die Anglo-Japanische Allianz schlossen; schließlich indem sie 1915 in Birma, Sikkim und Tibet die Macht übernahmen.77 Nach Das’ Interpretation war das British Empire alles andere als eine wohlwollende liberale Macht, die Indien zu nationaler Anerkennung verhelfen wollte, noch war es Repräsentant politischer Normalität in der Welt. Das’ politikwissenschaftliche Darstellung entlarvte das Mandatssystem der 1920er Jahre als ein probates Mittel zur Verschleierung der britischen und französischen Weltmacht, die sich auf diese Weise selbst erhalten wollte. In den 1920er und 1930er Jahren diente Deutschland gleichsam als ein wichtiger Spiegel, in dem Das die indische Situation reflektiert sah und seine Ansichten daraus entsprechend entwickelte. Deutschland lag „im Herzen Europas“, betonte er, genauso wie „Indien auf der anderen Seite im Herzen Asiens liegt“.78 Das war ein Wissenschaftler ohne Lehrstuhl (so wie Thierfelder), erwarb sich aber großes Ansehen durch seinen unermüdlichen Einsatz für die Institu-

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tionalisierung politischer und schulischer Bildung wie auch durch seine journalistischen Beiträge. Ab dem Tag seiner Abreise aus Indien im Jahr 1903 bis zu seinem Tod in den USA im Jahr 1958 setzte Das nie wieder einen Fuß auf indischen Boden. Er war politisch ein vagabundierender Nationalist, ein rastloser Denker in der Diaspora, der sich nichtsdestotrotz als reisender Vertreter Indiens in der Welt verstand. Die Verflechtung deutscher und indischer Auffassungen von Kulturgeographie zeigte in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg erste konkrete geopolitische Auswirkungen. Die transnationalen Dialog-Foren schufen Kanäle für politisches Handeln. Der Erste Weltkrieg offenbarte die Verflechtung unterschiedlicher Historien und politischer Werdegängeverschiedener Gruppen, die wegen kontinentaler Entfernung und der kolonialen Trennlinie Welten voneinander entfernt zu liegen schienen. Doch nun, da ein weiterer großer Krieg zwischen rivalisierenden europäischen Großmächten auszubrechen drohte, ermöglichten die ineinander verflochtenen Kanäle der Zusammenarbeit einen besonders intensiven Austausch zwischen disparaten Gruppen. Eugene D’Souza hat die breite Rezeption der Nazi-Propaganda in Indien dokumentiert, insbesondere in Form von indischen Zeitungsartikeln, erschienen in Zeitungen aus Kalkutta, Bombay, Poona, Gadag, Karnataka, Aligarh und dem Pandschab, die den Aufstieg der Deutschen zur Weltmacht begrüßten und in ihren ideologischen Positionen mit der nationalsozialistischen Weltanschauung übereingingen.79 D’Souza zufolge hatte die NSDAP Kontakte zu zahlreichen indisch-nationalistischen Institutionen.80 In der Zeit nach 1937 spielte Indien für die Nazis eine zunehmend strategische Rolle in ihrer Provokation eines internationalen Konflikts. Der britische Geheimdienst verfolgte Vorstöße zur Schaffung nationalsozialistischer Kultureinrichtungen in Indien gar zurück bis ins Jahr 1936, als der deutsche Iranologe Georg Leon Leszczynski erstmals nach Bombay reiste in der Absicht, dort eine nationalsozialistische Partei zu gründen.81 Unter seiner Leitung wurde das Deutsch-Indische Institut in Bombay gegründet.82 Zu seinen Aktivitäten gehörten unter anderem die Verbreitung von Propagandaliteratur, die Vorführung deutscher Filme und die Finanzierung indisch-antikolonialer Organisationen.83 Die Landesgruppe British-Indien und Ceylon der NSDAP in Bombay fungierte auch als Reisevermittler, um Inder nach München zu bringen und dort als Deutschlehrer auszubilden. 1939 wurden an der Deutschen Akademie in München 29 indische Deutschlehrer unterrichtet.84 In Bombay war Leszczynski als Außenhandelsrefernt der Landesgruppe der wichtigste Vertreter der Nazis, in Kalkutta war es Horst Pohle. Die britische Kolonialaufsicht nannte ihn einen der „frühen Apostel des Nationalsozialismus, [der] 1933 in dieses Land kam und an der Hochschule Calcutta Y.M.C.A. Deutsch

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unterrichtete“.85 Einige der vierzig bis sechzig Studenten, die regelmäßig Pohles Kurse besuchten, studierten an der Calcutta University, wo sie von Dozenten wie dem in Berlin ausgebildeten Biologen Shankar Purushottam Agharka zu einem Deutschkurs verpflichtet wurden.86 Einige dieser Inder knüpften engere Kontakte zur Auslandsorganisation der Nationalsozialisten, darunter Vinayak Damodar Savarkar, Madhav Sadashiv Golwalkar sowie Keshav Baliram Hedgewar in Bombay. Savarkar, ein radikaler Hindu-Nationalist und führender Kopf der Mahasbha (der sogenannten Gesamtindischen großen Hindu-Versammlung; Anm. d. Übers.), ergriff die Initiative und gestaltete diese Bande aktiv.87 Es waren seine eigenen Ziele und Interessen, die ihn mit Leszczynski zusammenarbeiten ließen. Die Nationalsozialisten in Deutschland wiederum mühten sich um Savarkars Unterstützung beim Aufbau einer hinduistisch-buddhistischen Einheit in China, Japan und Indien.88 V. D. Savarkar beförderte die Vision eines hinduistischen Imperialismus in Indien, oder auch die Rache der einst hinduistischen Großmacht der Marathen in der Gegenwart. In seinem Buch Hindu-Pad-Padashahi (1925) schilderte Savarkar die Geschichte des frühneuzeitlichen Königreichs der Marathen, das nach der Herrschaft der Shivaji entstand, nicht nur als eine Geschichte von Expansionsdrang, sondern er beschrieb sie auch als „Ideal eines unabhängigen Hindu-Reiches“89 und sprach von einem geopolitischen Kampf um „dharma“ und „desh“ und von der „harten Prüfung, die die Hindus in ihrem tödlichen Kampf gegen die Macht der Mohammedaner zu bestehen hatten“. Die Marathen unter Madhao Rao, so Savarkar, „befreiten die hinduistischen Meere“ von der Herrschaft des muslimischen Reiches unter Aurangzeb und ermöglichten so hinduistischen Handel und Gewerbe, was den englischen Einmarsch „beschämte“. Savarkar wünschte sich nicht die Schaffung eines hinduistischen Nationalstaats, ihm schwebte ein hinduistisches Großreich vor, beseelt und befeuert von einem „pan-hinduistischen“ Geist. Neuere Vorbilder für diese Art von Imperium, so fuhr er fort, seien das deutsche „Königreich Preußen“ und das italienische Risorgimento. „So wie das italienische Königreich Piemont, so wie das deutsche Königreich Preußen, so ist auch das hinduistische Reich Maharashtra, trotz innerer Fehden, eine nationale und pan-hinduistische Errungenschaft, für die jeder hinduistische Patriot dankbar sein muss.“ Inzwischen schuf eine Gruppe von Hindu-Nationalisten in Kalkutta unter den Anführern Asit Krishna Mukherji und Vinaya Datta eine bengalische Basis für die NSDAP im Ausland.91 Das vom Deutschen Konsulat in Kalkutta unterstützte Blatt New Mercury des Verlegers Asit Krishna Mukherji feierte das Ariertum, rechtsnationales Gedankengut und antibritische Gesinnung. Die Schriftstellerin und Wahl-Inderin Maximiani Portas (Maximine Portaz), eine schrille Zeitgenossin griechisch-britischer Abstammung mit französischer Staatsangehörigkeit, wurde

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in Kalkutta zur Anhängerin pro-nationalistischer Gruppierungen, die ihrerseits mit den Nationalsozialisten sympathisierten.92 Sie war eine glühende Nazi-Sympathisantin und Verfechterin des indischen Orientalismus. Sie entwarf ihren eigenen feministischen hinduistisch-arischen Mythos und sah in Hitler die Verkörperung eines hinduistischen Gottes. 1932 reiste sie zunächst nach Bombay und arbeitete eng mit der Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS) zusammen, einer rechtsradikalen Organisation unter Leitung von Hedgewar und Savarkar.93 Wenig später reiste sie weiter nach Kalkutta, wo sie den bengalischen Brahmanen und Verleger Asit Krishna Mukherji heiratete, einen Bewunderer des faschistischen Italiens. Nach ihrer Hochzeit änderte sie ihren Namen in Savitri Devi kehrte 1945 nach Westdeutschland zurück, und tat sich dort unverhohlen als größte Predigerin für die Wiederbelebung des Hitler-Kults nach dem Zweiten Weltkrieg hervor. In Kalkutta war die pro-nationalistische Gesinnung von Benoy Kumar Sarkar ganz anderer Natur, nämlich beeinflusst durch die Sprache des wissenschaftlichen Internationalismus. Sarkar pries den Nationalsozialismus als Form einer wohlwollenden Diktatur. Die Diktatur würde das Ende der gegenwärtigen Erfahrung einer „antithetischen“ Beziehung des Kolonialsubjekts zum antagonistischen Kolonialstaat bedeuten.95 1938 prägte Sarkar den Begriff der „Despo-Demokratie“, um darzulegen, inwiefern die wohltätige und therapeutische Herrschaft eines indischen Machthabers über sein jāti (Volk oder Kaste) zu einer neuen Weltkarte führen und Bengalen weltweite Anerkennung verschaffen würde. Zwar sprach Sarkar von jāti, beschwor aber keinen hinduistischen oder arischen Nationalismus (wie es bei den hinduistischen Mahasabha und der Savarkar-Gruppe der Fall war), sondern vielmehr einen groß-bengalischen ethnischen Nationalismus, der Hindus und Muslime umfassen sollte. Sarkars Faschismus basierte auf einer hindu-muslimischen Einheit innerhalb einer neuen kulturellen Kategorie, der Bengalität. So nimmt es nicht Wunder, dass Sarkars großer archetypischer Held Subhas Chandra Bose war, der 1941 seinen offensiven Kampf begann, um Hindus und Muslime zu einen und das British Empire durch eine enge Kooperation mit den Nationalsozialisten und den Achsenmächten zu zerstören. In Anita Desais Buch Baumgartner’s Bombay (1988) zeichnet die Autorin ein Bild, wie deutsche Kriegsgefangene in Ahmedabad sich aus dem Repertoire des indischen Orientalismus bedienten, um sich verschiedentlich die Zeit zu vertreiben: „Einige hatten sich Bücher bestellt, lernten Sanskrit, Arabisch, Astronomie oder Homöopathie; sie organisierten eine Reihe von Vorträgen und Vorführungen aller Art – Eurythmie, Theosophie (nach den Lehren von Madame Blavatsky), Tanzkunst (nach Mary Wigmore [sic]), Aerodynamik.“97 In diesem Mise en abyme (Bild im Bild) eines deutsch-indischen Orientalismus in britischer Gefangenschaft fängt Desai anschaulich ein, wie Indien Eingang in die deutsche Mentalität ge-

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funden hat, geradeso wie umgekehrt Deutschland in die indische. Transnationale Dialoge, die in Versuchen wurzelten, die Weltordnung zu erleuchten, trugen dazu bei, nationalistische Ressentiments zu verstärken. Ernst Bloch war 1954 nicht der Erste, der eine mögliche Verwandtschaft zwischen radikalem Antikolonialismus und Faschismus konstatierte, was er als „Suche nach falschen Utopien“ bezeichnete. Jedoch besteht eine der Herausforderungen für Historiker darin, Potenziale von Gegebenheiten zu unterscheiden. Das post-aufklärerische Feld der Geokulturwissenschaften, das Deutsche und Inder verband, schuf Potenziale für Befreiung, Solidaritätsbildung, Vergeltung, Hurra-Patriotismus und sogar für Genozid. Die Betrachtung von Rahmen und Beschaffenheit dieses dialogischen Feldes sollte analytisch getrennt werden von der Betrachtung der verschiedenen Zwecke, für die es benutzt wurde. Die Ironie besteht darin, dass wir in der Zeit wirtschaftlicher Autarkie während der Weltwirtschaftskrise ein beispielloses Ausmaß von Interdependenzen und Verflechtungen beobachten, alle in dem Bemühen, die Weltordnung neu zu gestalten. In dieser historischen Phase brachte die Faszination für Unterschiede, nicht für Gemeinsamkeiten, für das Ethos der Konfrontation und der Opposition, nicht für den Pazifismus, nationalistische „Underdog“-Denker zusammen. Wir beobachten hier eine Situation, in der sich verschiedene Gruppen wechselseitig benutzten, um eigene Interessen durchzusetzen und eigene Projekte von universeller Bedeutung auf der internationalen Bühne zu verfolgen. Das Zeitalter der Verflechtungen kann weder als die Krise eines singulären liberalen Universalismus noch als Zersplitterung in unzählige nationalistische Partikularismen verstanden werden. Tatsächlich erleben wir hier eine Umkehr in der Politik der Differenzherstellung, die dazu führt, dass sich nationalistische Gruppen, gerade weil sie sich unbedingt von allen anderen unterscheiden wollen, magnetisch anziehen. So konnten Nationalisten Mitstreiter finden in ihrem Bestreben, zu singulären Wortführern einer verzaubernden und begeisternden Weltordnung zu werden, einer Weltordnung nach ihrer eigenen Fasson.

9 Im Reich der Psychoanalyse Die Psychoanalyse schuf ein Dialog-Forum, in dem deutsche und indische Persönlichkeiten die menschliche Welt verzauberten, indem sie die verborgene Ordnung nicht der äußeren Welt, sondern der inneren Seelenwelt offenlegten. Die postkoloniale Geschichtsforschung hat die Psychoanalyse tendenziell als einen wissenschaftlichen Diskurs des Westens betrachtet, durchdrungen von der Weltsicht des Empire, als einen Diskurs, der sich nach Indien verbreitete, dort rezipiert wurde und neue Interpretationen fand.1 Wenn wir aber einmal gelten lassen, dass die Psychoanalyse eher eine Gegenwissenschaft denn eine herkömmliche Wissenschaft war, und wenn wir weiters gelten lassen, dass sie eher ein Kind des Zeitalters transnationaler Verflechtungen denn der europäischen Aufklärung war, dann müssen wir den besonderen Platz der Psychoanalyse anerkennen, den sie als Teil einer ganzen Palette neuer Gegenwissenschaften zu Beginn des 20. Jahrhunderts einnahm, welche allesamt aus einer großen Dezentralisierung und Neuverteilung der Macht in der Weltordnung hervorgingen.2 Die psychoanalytische Zergliederung einheitlicher Vorstellungen von einem europäischen, bürgerlichen Selbst und die Pluralisierung von Kräften, die in der psychischen Innenwelt walteten, begannen just als das europäische Konzert der Mächte auseinanderbrach und die einheitliche Auffassung vom Empire ebenfalls pluralisiert wurde. Die Psychoanalyse als Diskurs entstand aus den Interaktionen zwischen verschiedenen Zentren intellektueller Macht in verschiedenen Teilen der Welt. Um es deutlich zu sagen: Sie „reiste“ nicht vom „europäischen“ Wien aus hinaus in die Welt, vielmehr wurde sie von einer Gruppe von Gelehrten und Forschern aus der ganzen Welt mit-erschaffen, die sich selbst als Verbannte oder Ausgestoßene fühlten, oder als Kritiker der Vision des 19. Jahrhunderts von einem fortschreitenden aufgeklärten europäischen Universalismus. Freuds frühes Wagnis, den von ihm so bezeichneten „dunklen Kontinent“ des Sexuallebens und des Unbewussten zu kartieren, aus einem gleichsam „unterirdischen“ Bewusstsein eine verborgene Ordnung herauszulesen, den dionysischen Untergrund des bürgerlichen Selbstseins zu durchforschen und das zu erhellen, was er den „Keller der Triebwünsche“ nannte, führte aller Welt das Bild des Menschen in einer neuen Weise vor Augen. Es war das erste Wagestück eines „gottlosen Juden“, wie Peter Gay ihn bezeichnete, einer Zwischenfigur mitten in einem gerade zerfallenden Europa.3 Im kolonialen Indien der Jahrhundertwende war Girindrasekhar Bose, ein junger Arzt in Kalkutta und Student der Psychologie, im gleichen Sinne eine Zwischenfigur, nur dort in einem gerade zerfallenden Imperium. Bose begann, eine eigenschöpferische Theorie der Psychoanalyse zu entwickeln, die sich von der Freudschen unterschied, und veröffentlichte 1921 eine erste Abhandlung über https://doi.org/10.1515/9783110706178-010

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seine Variante der Psychoanalyse. Im gleichen Jahr gründete Bose in Kalkutta die Indian Psychoanalytic Society. Zur Überbrückung der großen räumlichen Distanz zwischen dem österreich-jüdischen Begründer der Psychoanalyse und dem bengalischen Experten war man angewiesen auf die Zirkulation von wissenschaftlichen Texten und auf briefliche Korrespondenz, ebenso wie auf die englische Sprache: Wenn Freud und Bose miteinander kommunizierten, geschah das ausschließlich auf Englisch. Die Verbreitung des post-aufklärerischen Diskurses in der Zeit von 1880 bis 1945 war großenteils weniger eine Reaktion auf das Erbe der Aufklärung und des Empire als vielmehr ein Mittel, eben dieses Erbe aufzuarbeiten, das Großbritannien in seiner Rolle als dominierende Weltmacht in seiner kolonialen Peripherie im 19. Jahrhundert hatte entstehen lassen. Wilhelm Wundt, ein deutscher Physiologe, Psychologe und Philosoph, entwickelte einen neuen Ansatz der Psychologie. Er verstand sich als positivistischer Wissenschaftsphilosoph, begründete die experimentelle Psychologie, die auf den mit der Sinneswahrnehmung verbundenen Gefühle basiert und etablierte das erste psychologische Laboratorium mit einem experimentalpsychologischen Forschungsprogramm, das an der Universität Leipzig angesiedelt war. Seine Kernthese lautete, dass die Psyche nach einer eigenen Logik funktioniere, die sich von der des physiologischen Systems unterscheide. Die Psyche könne aber dennoch empirisch erforscht werden, so Wundt, und zwar mit Hilfe von mentalen Tests, Messungen und Analysen des Verhaltens. Der US-amerikanische Wissenschaftshistoriker Mitchell Ash hat darauf hingewiesen, wie gut dieser experimentelle Ansatz zur Erforschung von Psyche und Verhalten in die deutsche Erfahrungswelt des ausgehenden 19. Jahrhunderts passt, als ein rasantes technologiegeführtes Industriewachstum die Menschen überrollte.4 Lernen Schüler besser am Morgen oder am Nachmittag? Wie lässt sich Ermüdung am Arbeitsplatz effektiv lindern? Welcher Mitarbeiter ist der richtige für welche Aufgabe? Wie kann Intelligenz gemessen oder gesteigert werden?5 All dies sind typische Fragestellungen der angewandten Psychologie, die aus der Wundtschen Schule stammen und in Arbeiten von Wissenschaftlern wie Ernst Meumann an der Universität Zürich, Hugo Münsterberg an der Harvard University und G. Stanley Hall an der Johns Hopkins University in Baltimore weiterentwickelt wurden. In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zeigten sich in den wissenschaftlichen Grundlegungen der Psychologie viele innovative Ansätze, die wichtige Wege zu neuen Betrachtungsweisen der menschlichen Seele im 20. Jahrhundert eröffneten. Die Gestaltpsychologie, die in den Arbeiten von Karl Hering und Carl Stumpf gründet, sowie die Tiefenpsychologie von Sigmund Freud gelten als die beiden nach Wundt wichtigsten Formen der Wissenschaft vom menschlichen Geist.6 Die Schule der Gestaltpsychologie mit ihrer Suche nach ganzheitlichen Perspektiven fiel in die Hochphase der ebenfalls im 19. Jahrhun-

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dert entstandenen Strömung der Lebensphilosophie, die als Kritik am Maschinenzeitalter und der damit verbundenen repetitiven Handlungen angelegt war.7 Die Gestaltpsychologie hob darauf ab, dass Psyche und Persönlichkeit als integrale Systeme angeordnet sind und nicht durch Methoden der wissenschaftlichen Zerlegung (Disaggregation) verstanden werden können, sondern nur unter Berücksichtigung der quasi organischen Ganzheitlichkeit der Seele. Die Psychoanalyse nahm für sich in Anspruch, eine Welt der Seele enthüllen zu können, die mit den etablierten bürgerlich-normativen Konzepten von Vernunft und dem Mythos vom aufgeklärten Subjekt kaum erkennbar war. Nach der Freudschen Psychoanalyse ist die Dynamik des Seelenlebens auch nicht mit mechanistischen Modellen erfassbar. Freud verwies auf Risse und krankhafte Vorgänge innerhalb der Psyche, aber auch auf die Vieldeutigkeit des psychischen Erlebens. Der Freudsche Ansatz verortete das Seelenleben innerhalb der unauflösbaren sexuellen Dynamiken im Familien- und Gesellschaftsleben und deutete auf psychoanalytisch orientierte Therapieverfahren wie die Gesprächstherapie als die einzigen Wege hin zu einer wenigstens vorläufigen seelischen Gesundheit. Die Psychoanalyse erhob für sich den Anspruch, die tiefen unsichtbaren seelischen Dimensionen des Individuums und der Gesellschaft enthüllen zu können. Die experimentelle Psychologie ebenso wie die Psychoanalyse boten Girindrasekhar Bose und anderen Indern eine wichtige Möglichkeit, mit Autorität über die zeitgenössische indische Psyche und über das Seelenleben im Allgemeinen zu sprechen, und zwar in einer Weise, die über die Beschränkungen der kolonialen britischen Wissenschaft hinausging. Tatsächlich bedeutete das Aufkommen der Psychologie einen starken geistigen Eingriff in die koloniale Wissensordnung. Im Jahr 1905, also parallel zum Beginn der intellektuellen Swadeshi-Bewegung, etablierten Asutosh Mukherjee und Brajendra Nath Seal an der Calcutta University die Psychologie alseigenständiges Studienfach; sie wurde also nicht von der Kolonialverwaltung eingeführt. Die Seminare dümpelten einige Jahre lang vor sich hin, bis Asutosh Mukherjee und Brajendra Nath Seal, beide Förderer der nationalistischen Bildungspolitik, ihre Studenten ins Ausland schickten, um sich das dringend benötigte Fachwissen zur Einrichtung neuer Studiengänge an der Calcutta University zu erwerben. Sie schickten ihre Studenten in die Vereinigten Staaten und nach Deutschland, also über die Grenzen des British Empire hinaus. Im Jahr 1910 hatte der Geschichtsstudent Narendra Nat Sengupta noch drei Studienjahre bis zu seinem Abschluss an der Calcutta University vor sich. Doch über einen neu eingerichteten Fonds mit dem Zweck, das neue Bengal National College mit in Deutschland und Amerika ausgebildeten Professoren auszustatten, wurde Sengupta zusammen mit sechs anderen jungen Studenten aus Kalkutta und Malda für ein Auslandsstudium ausgewählt. So kam er im Rahmen des

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transnationalen Dialogs als Student in die Vereinigten Staaten und würde später, ausgestattet mit den modernsten Erkenntnissen und Methoden der psychologischen Forschung, wieder nach Indien zurückkehren. 1910 erhielt Sengupta einen Studienplatz an der Harvard University, wo er bei Hugo Münsterberg im Labor für Experimentelle Psychologie studierte.8 Während seiner Studienzeit in Harvard besuchte er auch Vorlesungen bei Rabindranath Tagore, der im Februar 1913 auf seiner ersten Vortragsreise durch die Vereinigten Staaten war.9 Narendra schrieb Fachartikel und hielt vor seinen amerikanischen Kommilitonen Vorträge über das nationale Bildungsprogramm von Rabindranath Tagore.10 Sengupta unternahm darüber hinaus auch eine Studienreise an das Psychologische Laboratorium von Edward Titchener an der Cornell University. Titchener war auch ein Schüler von Wundt.11 1915 kehrte Sengupta nach Kalkutta zurück und gründete gleich darauf das Psychologische Laboratorium an der Calcutta University, das später zum Institut für Angewandte Psychologie wurde. Die Lehre dort stützte sich auf die Wundtschen Methoden und verwendete die Lehrbücher von Titchener. Der Wundtsche Ansatz der Experimentalpsychologie dominierte die relativ neue Wissenschaft der Psychologie, insbesondere, weil sie die Verbindung zwischen Seelenleben und der sich industrialisierenden Gesellschaft herausstellte. Für Intellektuelle in Kalkutta bestand der besondere Reiz eines Studiums der Sozialpsychologie darin, dass sie ihre eigene Modernität gegenüber der normativen Macht Europa zur Geltung bringen konnten, angesichts der Tatsache, dass die Psyche der städtischen Inder nun ebenso vom Stadtleben und der Fabrikarbeit beeinflusst war wie die der Europäer. Nun konnten auch Inder Grundlagenforschung über die Psychologie ihrer städtischen Landsleute betreiben, und ihre Erkenntnisse waren ebenso maßgebend wie die der europäischen Wissenschaftler – wie die indischen Anhänger der Wundtschen Psychologie betonten. Einer der bedeutendsten unter ihnen war Suhrit Chandra Mitra, der 1923 von Kalkutta nach Leipzig reiste, um sein Promotionsstudium bei Felix Krueger (Wundts Schüler und dessen Nachfolger als Direktor am Leipziger Psychologischen Laboratorium) zu beginnen.12 Krueger hatte zehn Jahre zuvor auch schon N. N. Sengupta in Boston kennengelernt.13 Mitras erste Arbeiten standen in direktem Zusammenhang mit Experimenten, die er in Leipzig durchführte und die sich mit der Wundtschen Beziehung von Wahrnehmungsprozessen und physiologischen Vorgängen befassten.14 Mit seiner Reise nach Leipzig pilgerte S. C. Mitra in das Zentrum eines ganz neuen Forschungsgebiets. Schon amerikanische Psychologen hatten Ende des 19. Jahrhunderts ähnliche Studienreisen an das Leipziger Laboratorium und andere deutsche Institute unternommen, als es um die Entwicklung von Forschungsprogrammen an amerikanischen Universitäten ging. Granville Stanley Hall, Gründungspräsident der Clark University, schrieb über

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seine „Wanderjahre“ in Deutschland (1868 – 1871 und 1876 – 1878) zu Zeiten so berühmter Gelehrter wie Helmholtz, Hartmann, Fechner und Wundt.15 Der erste Band des Indian Journal of Psychology wurde 1926 veröffentlicht. N. N. Sengupta schrieb das Vorwort und würdigte seinen Harvard-Professor Hugo Münsterberg und insbesondere die „heroischen Anstrengungen der Leipziger Schule, die ein Bild der Seele als einheitliches Ganzes zeichnet“, nachdem der „Objektivismus“ des 19. Jahrhunderts die „psychischen Zusammenhänge“ noch immer nicht erkannt habe.16 Bezeichnenderweise kritisierte Sengupta das Kolonialregime dafür, dass das deutsche und amerikanische „Licht“ der psychologischen Forschung nur „einen schwachen Einfluss auf den Tenor des Denkens und der Kultur an indischen Gestaden“ hatte. Die Methoden der deutschen Wissenschaftler wie „Wundt, Stumpf, Lipps und Münsterberg“, eröffneten eine „Aufgabe, die [nun] den Psychologen in Indien zukommt“. Und diese Aufgabe „[bestand] nicht nur in geduldigen wissenschaftlichen Untersuchungen, sondern auch in echter Pionierarbeit auf unserem Spezialgebiet. Es ist unsere Pflicht, mit den Irrungen aufzuräumen, die in akademischen Kreisen kursieren; es ist unsere Pflicht, die Energie, die mit der ständigen Wiederholung von Lehrbuchwissen verschwendet wird, sinnvollen forschungsrelevanten Aufgaben zuzuführen“, schrieb Sengupta.17 Inder setzten also deutsche Methoden ein, um die intellektuelle Kettenhaft unter den britischen Kolonialherren zu sprengen. 1929 veröffentlichte Sengupta zusammen mit Radhakamal Mukherjee ein Buch über Psychologie und Ökonomie. Das Buch suchte nach Erklärungen für soziale Dislozierung unter den Bedingungen der Industrialisierung. Die beiden Autoren argumentierten, dass der „Regionalismus“ sowie die Fähigkeit, in der Muttersprache, in lokalen Festen und Traditionen verwurzelt zu bleiben, wichtige Elemente für die seelische Gesundheit der Inder im Kontext von Kolonialismus und Industrialisierung seien.18 Mit psychologischen Untersuchungen der Arbeiterschaft in Kalkutta, insbesondere in den „Tata Works“ in Jamshedpur, der Planstadt, die man zur Beheimatung der Angestellten des Stahlwerks unweit von Kalkutta errichtet hatte, leistete Sengupta zusammen mit seinem Studenten M. N. Banerji Pionierarbeit. Im Jahr 1931 schrieb Banerji im Indian Journal of Psychology einen Aufsatz über „Industrial Psychological, Fatigue Study, Reaction Time as an Indicator of onset of Fatigue at the Tata Works“.19 Die Wellen der indisch-nationalistischen Psychologie in Kalkutta schwappten bald schon auf andere Institutionen des Subkontinents über. Dank der Arbeit von H. D. Bhattacharyya wurde 1921 an der University of Dhaka ein Psychologisches Laboratorium nach Wundtschem Vorbild eingerichtet. 1924 gründete M. V. Gopalaswamy das Psychologische Laboratorium an der University of Mysore. Und in den 1930er Jahren entstanden Psychologische Institute in Lahore unter Parsa

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Ram, Mohammad Aslam und Mohan Ganguli, sowie in Patna, Lucknow und Aligarh. Rückkopplungsschleifen mit deutschen Institutionen wurden ebenfalls aufgebaut. Ein gutes Beispiel für die daraus resultierende transnationale Wissenszirkulation zeigt sich in der Person von Kripal Singh Sodhi (geb. 1911), dem Sohn eines Arztes, der bei einem Schüler von N. N. Senguptas an der Pandschab University studierte, bevor er 1937 mit einem Humboldt-Stipendium nach Berlin kam. Sodhi arbeitete an Problemen der kognitiven Psychologie und untersuchte, wie das Gehirn Tiefenwahrnehmung erzeugt. Sodhi wurde schließlich Inhaber eines Lehrstuhls für Psychologie an der Freien Universität Berlin. Sein Spezialgebiet war Sozialpsychologie, insbesondere die Erforschung der Entwicklung von Rassenidentität.20 Das Institut für Psychologie der Freien Universität prägte Ende der 1960er Jahre den marxistisch beeinflussten Ansatz der „Kritischen Psychologie“ und wurde mit seinem Forschungsschwerpunkt „Soziale Minderheiten“ bekannt.21 Die universalistischen Deutungsansprüche der Psychologie wurden also benutzt, um den kulturellen Nationalismus in Indien zu stärken. Die angeblich typisch indische Kultur des Familienlebens, des religiösen Glaubens oder der Persönlichkeitsbildung wurden in der Fachsprache der Psychologie erfasst, argumentativ belegt und einem transdisziplinären Forschungsumfeld für weitere Debatten zugänglich gemacht. Das Indian Journal of Psychology enthielt eine Reihe von Aufsätzen zu den Themen Emotionen, Triebe oder religiöse Gefühle, in denen Wundtsche Modelle herangezogen wurden, um die spezifischen Wesenszüge der indischen Kultur herauszuarbeiten. Das nationalistische Projekt, Anerkennung im politischen Bereich zu erlangen, ging einher mit dem Streben nach Anerkennung in den internationalen Foren der Wissenszirkulation. 1932 veröffentlichte die Indian Psychological Association einen Sonderband über Wundt, herausgegeben von Suhrit Chandra Mitra, in dem die methodischen Ansätze von Wundt als eine Säule der neuen Schule des Behaviorismus gefeiert wurde (zu dessen bedeutendsten Vertretern der russische Physiologe und Verhaltensforscher Iwan P. Pawlow zählt). 1936 wurde in Kalkutta die „Pavlov Society“ gegründet (mit dem Ziel, die psychologische Forschung nach Pawlow voranzutreiben).22 Die große Bedeutung von Wundt als Begründer einer institutionalisierten empirischen Psychologie wurde in Kalkutta mit unzähligen Aufsätzen gewürdigt, die in den nachfolgenden zwanzig Jahren unter Seguptas Herausgeberschaft im Indian Journal of Psychology erschienen. Der Schwerpunkt lag auf der experimentellen Psychologie. Die meisten Aufsätze befassten sich mit Intelligenzexperimenten und mit Experimenten zur Gedächtnisforschung. Die Experimente in Bengalen zielten darauf, die Lernfähigkeit der Inder zu messen, um daraus abzuleiten, wie man die nationale Bildung verbessern könne. Zweit-

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häufigster Forschungsinhalt war die Physiologie der Wahrnehmung, die sich mit Sinnesreizen wie sehen, schmecken, hören, fühlen und riechen beschäftigt, die ebenfalls empirische Untersuchungsmethoden nutzt, um die Wahrnehmung mithilfe experimenteller Studien zu verstehen. Andere Forschungen konzentrierten sich auf Ermüdungserscheinungen und Leistungskraft. In Jamshedpur forschten indisch-nationalistische Psychologen an der Verbesserung der Leistungsfähigkeit von Arbeitern sowie an der Förderung und Belebung der einheimischen Industrie.23 Weitere wichtige Inhalte der Zeitschrift waren überblickartige Darstellungen zur internationalen Fachliteratur und Beiträge zum Forschungsstand der Psychologie. Die Psychologienährte verschiedene Dimensionen des wissenschaftlichen Radikalismus hinsichtlich einer Verbesserung der nationalen Bildung, einer Ausweitung des Handels sowie der Kräftigung der geistigen (und kulturellen) Potenz der Nation. Diese meist zaghaft, manchmal aber auch kühn eugenisch und vitalistisch daherkommenden Überlegungen führten auch zu starken Thesen über weniger sozialverträgliche Einstellungen der indigenen Gesellschaft (z. B. arbeitsbezogene Drückebergerei oder Aufsässigkeit), die den Denkweisen der kolonial-indischen Mittelklasse entsprachen. Am wichtigsten im hier behandelten Kontext ist jedoch, dass die im Laboratorium der experimentellen Psychologie von Kalkutta praktizierte radikale Wissenschaft den indischen Nationalisten die Möglichkeit bot, sich der Sprache der strukturierten Argumentation und der logischen Schlüsse zu bedienen, die international Stellenwert besaß und dafür benutzt werden konnte, Anerkennung jenseits des imperialen Kontextes zu finden.

Psychoanalyse als radikale Wissenschaft Die Psychoanalyse fand im Indian Journal of Psychology große Beachtung, Hauptthema aber war sie nicht. Girindrasekhar Bose, ein Schüler von N. N. Sengupta, übernahm die Aufgabe, die Fachsprache der Psychoanalyse als einen neuen und vielleicht sogar noch wichtigeren Kanal zu nutzen, um den Indern außerhalb des imperialen Rahmens wissenschaftliche Autorität zu verschaffen. Die Psychoanalyse war im Vergleich zur Wundtschen experimentellen Psychologie eine umstrittene Wissenschaft, und ihre faszinierenden Thesen über die Welt der Psyche waren radikal. Doch je strittiger und anti-empirischer der disziplinäre Ansatz, desto größer die bezwingende Autorität, für die, die ihn nutzen. Girindrasekhar Bose nutzte die Psychoanalyse, um die Ansprüche des indisch-antikolonialen Internationalismus zu erweitern, womit er die indisch-nationale Selbstheit an die Spitze und ins Zentrum der Weltordnung rückte.

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Sigmund Freud, der Vater der Psychoanalyse, machte deutlich, dass seine Absichten andere waren als die der Wundt-Anhänger. Die Wundtsche Psychologie-Konzeption zielte darauf ab, die individuelle Psyche an den Druck und die Belastungen des modernen Lebens anzupassen. Freud hingegen verfolgte einen radikalen Ansatz, der darauf zielte, das Dionysische zu enthüllen, das vom modernen Leben verdeckte Unbewusste, und es aufzuzeichnen. Für Freud war das moderne Leben an sich das Problem – Konventionen waren das Problem, nicht internalisierte Normen. Es ging ihm darum, die internalisierten Vorstellungen eines Individuums über seine innere persönliche Welt und über seine äußere zwischenmenschliche Welt hervorzukehren, sichtbar zu machen, zu erkennen und anzuerkennen. Nur mithilfe der regelmäßigen Selbstreflexion, durch die eigene innersystemische Gefühle und Konflikte gespürt und akzeptiert werden könnten, sei seelische Gesundheit in der modernen Welt möglich, so Freud. Freud wandte eine kulturhistorische Methode auf die Auslegung der Seele an, um das Primitive, Irrationale und Mythische – alles, was die Alltagsvernunft durchkreuzt – in das Reich des Rationalen und Modernen zu heben.24 Freud aber wollte nicht nur die unerforschten „primitiven“ Bereiche der menschlichen Seele entdecken, sondern er wollte dieses erweiterte Bewusstsein zur Quelle eines verantwortungsethischen Handelns machen. Über die Psychoanalyse sagt er: „Die Absicht der Psychoanalyse besteht darin, das Ich zu stärken, es vom Über-Ich unabhängiger zu machen, sein Wahrnehmungsfeld zu erweitern und seine Organisation auszubauen, so daß es sich neue Stücke des Es aneignen kann. Wo Es war, soll Ich werden. Es ist Kulturarbeit etwa wie die Trockenlegung der Zuydersee.“25 Freud strebte nach „der verbesserten Harmonie des Ichs, von dem erwartet wird, dass es erfolgreich vermittelt zwischen den Ansprüchen des Trieblebens [des ‚Es‘] und denen der äußeren Welt, also zwischen innerer und äußerer Realität“.26 Seine Vorstellung von „Kultur“ und der Zähmung des Es durch das Ich war sicherlich getragen von einem Glauben an die Überlegenheit gesellschaftlicher Werte der europäischen männlichen gehobenen Mittelschicht. Zwar erfand Freud eine Gegenwissenschaft, die eine neue Ästhetik des Dionysischen Infernos im „Ich-Kern“ offenbarte, aber er war auch der Auffassung, dass diese tiefe, aufgewühlte See gedämmt und trockengelegt werden und die vermeintliche kulturelle Überlegenheit der Europäer erhalten bleiben könne. Zur gleichen Zeit, da Freud seine Thesen über die Abgründe der menschlichen Seele und der ihr innewohnenden triebhaften Natur auf eine Weise vorstellte, die eurozentrische Annahmen bestätigte, lenkten andere europäische Denker im Fin de Siècle die „innere Reise“ auf einen orientalen Weg, weg vom „Europäischsein“.27 Die Suche nach Seelenharmonie bewog viele Kontinentaleuropäer, sich dem Orient und mithin populären Konstrukten östlicher Spiritualität zuzuwenden. Romain Rolland, französischer Literaturnobelpreisträger und gefeierter Pa-

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zifist, stützte sich auf das europäische Konstrukt von indischer Spiritualität und wurde damit zum Wegbereiter einer spirituellen Erweckungsbewegung nach dem Ersten Weltkrieg, insbesondere mit Büchern wie Gandhi (1924), Ramakrishna (1929) und Vivekananda (1930).28 Rolland war einer der Hauptvertreter der europäisch-orientalistischen Welle mystischer Spiritualität in den 1920er Jahren. Für Sigmund Freud war Rollands spirituell aufgeladene Idee des „ozeanischen Gefühls“, das durch die Hinwendung zum Orient erreicht werden könne, sinnlos und sogar gefährlich.29 Romain Rolland hatte den Begriff „ozeanisches Gefühl“ zur Beschreibung mystischer Erfahrungen geprägt. In Briefen an Romain Rolland erläuterte Freud seine Bedenken gegenüber Rollands indischem Orientalismus. Als Jude, so erklärte Freud, gehöre er doch einer Rasse an, die im Mittelalter für alle Volksseuchen verantwortlich gemacht worden sei und in der Gegenwart die Schuld am Zerfall des Reiches in Österreich und am Verlust des Krieges in Deutschland tragen solle.30 Und angesichts solcher Erfahrungen, so schrieb Freud, habe er einen großen Teil seines Lebens daran gearbeitet, eigene und Menschheitsillusionen zu zerstören.31 Im Kontext aufwallender und stark ansteckender nationalistischer Stimmungen ab den 1890er Jahren in der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn und dem Aufstieg des Christlichen Sozialismus, beides stark antisemitisch gefärbt, wurde die Situation der österreichischen Liberalen und insbesondere der Juden unter ihnen, immer unsicherer.32 Freud übte heftige Kritik an Romain Rollands Werk. Mit seinen Behauptungen über innere persönliche Harmonie und die All-Einheit der Welt durch spirituelle Erweckung aus dem Osten, so Freud, würde er seine Leser in die Irre leiten. In einer Zeit, in der „die Menschen nicht lernten, ihre Destruktionstriebe von ihresgleichen abzulenken, wenn sie Haß und Gewinnsucht nicht bändigten und den wissenschaftlichen Fortschritt in der Beherrschung der Natur immer wieder zur gegenseitigen Vernichtung ausnutzten“, warf Freud Rolland vor, ein Jünger des Eskapismus zu sein.33 Als Freud sich in seinen späteren Werken der Metapsychologie zuwandte, suchte er den Ursprung des „Todestriebs“ in der modernen europäischen Kultur zu ergründen, der einen irrationalen Drang zur Selbstzerstörung zu wecken schien und sich am allerdeutlichsten wohl auf dem Höhepunkt der modernen europäischen Kriegsführung und im aufkommenden faschistischen Hass der Mehrheitsgruppen gegen Minderheitengemeinschaften zeigte. Freud schlussfolgerte, dass die Mehrheitseuropäer das Anderssein der Juden in ein Symbol verwandelt hätten, in ein Symbol, das für das eigene Gefühl der Entfremdung von einem erdachten Zustand der Fülle stand. Im Kontext der NS-Herrschaft entwickelte Freud den Gedanken weiter: Um das „ozeanische Gefühl“ der All-Einheit zu erlangen, das Romain Rolland so sehr fasziniert hatte, würden diejenigen aus der ‚kompakten Majorität‘ letztlich Zeichen und Embleme der Entfremdung von der

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perfekten All-Einheit zu zerstören suchen. Und für völkische Deutsche war das Hauptsymbol der Entfremdung die jüdische Minderheit.34 Freud stand sowohl dem Eskapismus als auch der Exotik des indischen Orientalismus skeptisch gegenüber. Er kommentierte auch kritisch das Ausmaß, in welchem die Rechtsradikalen die orientalistische Faszination aufgriffen, insbesondere zur Begründung einer uralten arischen Identität als Motiv dafür, die Semiten zu verdrängen. Doch auch wenn Freud die europäischen Konstruktionen von Indien als einem Reich archaischer Spiritualität und eines „ozeanischen Gefühls“ bezweifelte, so interessierte er sich gleichzeitig doch für die Geschehnisse im zeitgenössischen Osten. Als ein österreichischer Jude, Angehöriger einer Minderheitsgruppe in einer zunehmend feindlichen volksdeutschen Umgebung, gehörte Freud einer transnationalen Gemeinschaft an, die koloniale Gräben überschritt und die „kompakten Majoritäten“ Europas in Frage stellte. Seine Fernbeziehung mit Girindrasekhar Bose in Kalkutta sowie anderen aktiv Beteiligten bei „Psychoanalytic International“ innerhalb und außerhalb Europas boten ihm ein geistiges globales Forum der Anerkennung und der Interaktion, auf der Grundlage von gegenwissenschaftlichen Thesen zum gesellschaftlichen Leben. Freuds wollte die Welt durch Psychoanalyse erobern. Girindrasekhar Bose war der Schrittmacher für einen hiervon verschiedenen Ansatz zur wissenschaftlichen Erforschung von Psyche und Geist in Kalkutta. Bose sah Freud als einen Offenbarer verborgener Wahrheiten. Freud „entwickelte eine spezielle Methode zur Erforschung des Unbewussten“, die den Gelehrten Bose aus Kalkutta seit den frühen 1910er Jahren faszinierte.35 Bereits seit Studientagen interessierte sich Bose für Hypnose und dafür, wie es Magiern gelang, die Wahrnehmung ihrer Zuschauer zu manipulieren. Von 1917 an arbeitete Bose als Lehrbeauftragter für Psychologie an der Calcutta University, in einer kurz zuvor von Asutosh Mukherjee eingerichteten Abteilung. Kurz vor Abschluss seiner Dissertation über „Das Konzept der Verdrängung“ 1921, sandte Bose eine Kopie an Sigmund Freud in Wien. Die Arbeit wurde von einem britischen Rezensenten in der Indian Medical Gazette wegen ihres angeblich „mangelhaften Stils“ verunglimpft.36 Boses Entschluss, sein Werk an Freud höchstpersönlich zu senden, so scheint es, war eine Möglichkeit, die sanfte Macht der internationalen Korrespondenz gegen die herablassende Nichtanerkennung durch imperiale Institutionen zu nutzen. Zwischen beiden Männern begann eine rege Korrespondenz, die bis heute ausführlich kommentiert und intensiv erforscht worden ist.37 Die Gründung einer völlig neuen Wissenschaft, einer Archäologie der Psyche, wie Freud sie sich vorstellte,38 brauchte nicht einmal zehn Jahre, ehe Beschreibungen ihrer Methoden Kalkutta erreichten. In seinen autobiografischen Notizen erklärt Bose, dass er 1909 mit der Psychoanalyse bekannt geworden sei, aber nicht durch Vermittlung eines europäischen Lehrers oder Gesandten, sondern „vor-

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nehmlich [durch] Zeitschriftenartikel und dürftige Hinweise und Informationen“.39 Bose sagte, es gebe „keine systematische Beschreibung der Psychoanalyse in englischer Sprache, nicht in einem einzigen Buch auf Englisch“, und da er keine Gelegenheit hatte, Deutsch zu lernen, musste er sich stark auf seine Phantasie und das eigene selbstreflektierende introspektive Denken verlassen. Nach seinem eigenen Selbstverständnis rezipierte er keine europäische Wissenschaft, sondern er praktizierte eine nicht-britische. Die Psychoanalyse hatte ihre Wurzeln schließlich nicht in der anglophonen Kulturwelt. Wichtig für Bose waren Dialoge über das British Empire hinaus, die ihm die Beschäftigung mit der Psychoanalyse ermöglichten, denn mit der Psychoanalyse, die weit davon entfernt war, ein Diskurs des „Westens“ zu sein, eröffnete sich tatsächlich ein neuer Weg faszinierender Wissenschaft, der den Mythos eines einheitlichen Europa in Frage stellte. Bose betrachtete das dialogische Forum der Psychoanalyse auch als eines, in dem er wissenschaftliche Originalität beanspruchen konnte.40 Seine Einarbeitung in die Wissenschaft der Psychoanalyse erfolgte nicht durch bloße Aneignung europäischen Denkens. Er betonte, dass er sich bestimmte Einsichten selbst erschließen musste, die er dann später erst schriftlich bestätigt fand. „Viele Wahrheiten, die ich durch Patientenanalysen entdeckt habe und die ich für originär erachtete, waren bereits allgemein bekannte Erkenntnisse, wie ich im Nachhinein feststellte“, erinnerte er sich.41 Er hatte das Gefühl, dass Methoden, die er später in Büchern fand, Ideen bestätigten, die er zuvor selbst entwickelt hatte, und dass dort Wahrheiten standen, auf die er bereits selbst durch eigene Introspektion und seine klinische Praxis gekommen war. Für Bose erweiterte die Psychoanalyse den Rahmen für sein intellektuelles Handeln und soziale Interaktion. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Psychoanalyse verlieh sowohl dem Österreicher Freud wie auch dem Inder Bose die ästhetische Erfahrung, in der Mitte einer offenbarten Welt zu stehen, auch wenn sie sich beide am Rand ihrer jeweils manifesten Welt befanden. Die Entdeckungen der Psychoanalyse verliehen sowohl Freud als auch Bose, wenn auch in ganz unterschiedlicher Weise, die intellektuelle Macht, sich gegen unterschiedliche Formen gesellschaftlicher Unterdrückung zu behaupten. Als die beiden ihren Briefwechsel begannen, war Bose fünfunddreißig Jahre alt, Freud fünfundsechzig. Neben den kulturellen und politischen Unterschieden, die sie trennten, gab es auch eine Generationenkluft. Freud nahm die dominierende Position ein, schließlich war er der Begründer dieses gegenwissenschaftlichen Forschungsbereichs, und doch war Bose so frei, einige von Freuds zentralen Thesen innerhalb der psychoanalytischen Diskurs-Arena zu kritisieren und den Meister so herauszufordern.

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In einem Brief, den er im Februar 1922 an den jungen Dr. Bose schrieb, fand Freud ein bemerkenswert hohes Maß lobender Worte: „Es war eine große und freudige Überraschung, dass das erste Buch über ein psychoanalytisches Thema, das aus jenem Teil der Welt (Indien) zu uns kam, eine so fundierte Kenntnis der Psychoanalyse bewies, einen so tiefen Einblick in ihre Schwierigkeiten und so viel an tiefgehenden originären Gedanken.“ Bose veröffentlichte den Brief noch im selben Jahr in der Calcutta Review und der Modern Review. Die Anerkennung durch Freud spielte für die Erlangung von Status und Ansehen innerhalb der Gelehrtenkreise in Kalkutta eine wichtige Rolle und gab Bose zudem das Gefühl, trotz der institutionellen Beschränkungen des Kolonialstatus in akademischen Fragen international mitspielen zu können.42 In einem Brief vom Oktober 1922 bat Freud Bose um Erlaubnis zum Abdruck seines Namens auf dem Titel des Journal of the Psychoanalytic Association und dem der Zeitschrift für Psychoanalyse. Freud schrieb: „Ich bitte um freundliche Genehmigung, Ihren Namen als Leitfigur und Repräsentant der indischen Gruppe auf die Titelseiten beider Zeitschriften drucken zu dürfen, in einer Reihe mit anderen Spitzenforschern.“ Freud hatte den Wunsch, einen internationalen Zirkel der Psychoanalyse zu etablieren. The International Journal of Psychoanalysis wurde 1920 ins Leben gerufen. Ab dem dritten Band erschien Bose als Mitherausgeber aus Kalkutta im Impressum, neben den anderen Herausgebern aus Berlin, New York, London, Den Haag, Budapest, Zürich und Wien. Für Bose sah es nun so aus, als könne seine internationale wissenschaftliche Zugehörigkeit dazu beitragen, die Legitimität der britisch-imperialen Zügel hinwegzufegen. Kalkutta war jetzt ein wichtiger Knotenpunkt im internationalen Kreis der psychoanalytischen Wissenschaft. Auch Freud profitierte vom persönlichen Kontakt mit Girindrasekhar Bose, dem Gelehrten aus Kalkutta. 1922 schrieb er an ihn: „Dass die Psychoanalyse in Ihrem fernen Land auf so viel Interesse und Anerkennung stößt, findet mein großes Erstaunen.“43 Freud sah darin den Beweis für die „Welteroberung“ (Freud) seiner neuen Wissenschaft, die sich am Rande der Autorität des Europäertums entwickelte. Im Kontext seiner Debatten mit Romain Rolland sah Freud das von Bose in Indien an den Tag gelegte wissenschaftliche Interesse an der Psychoanalyse als das Gegenmittel zur illegitimen spiritistischen Begeisterung für den Orientalismus in Europa, einer Begeisterung, die schnell in Eskapismus (Weltflucht) oder gar einen selbstbezogenen, weltabgewandten Narzissmus umschlagen konnte. Für Freud bestätigte der intensive Austausch mit Bose den Status der Psychoanalyse als neue europazentrierte und doch selbstreflexive Wissenschaft mit weltweiter Relevanz. Die transnationale Verbindung zwischen Freud und Bose diente beiden dazu, ihr jeweiliges Selbstbild zu stärken sowie die Gewissheit, Ansehen und Geltung in der Welt zu haben.

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Methodische Debatten Was aber war es, das Girindrasekhar Bose an den Methoden der Psychoanalyse so sehr reizte, und wie hat er diese angewandt? Wenn es etwas gibt, das Freud in seinem Werk Die Traumdeutung in drastischer Weise vor Augen führt, dann die ästhetische Rolle des Wissenschaftlers als Offenbarer verborgener Welten des psychischen Lebens.44 Träume waren jetzt Texte, die es zu deuten galt, um die Tiefen der menschlichen Seele sichtbar zu machen. Neben der von Freud eingeführten neuen ästhetischen Dimension der Wissenschaft zum Verständnis des Seelenlebens in einem psychoanalytischen Rahmen interessierte sich Bose besonders für die Methoden der Gesprächstherapie, die Traumdeutung und Fallstudien. Er übernahm das zentrale Kriterium des Freudschen Ansatzes, wonach der sexuellen Begierde oberste Bedeutung beizumessen sei, um das Seelenleben ergründen und verstehen zu können. Doch im Laufe seiner Karriere nahm Bose eine Reihe von Änderungen und Anpassungen der psychoanalytischen Methode vor. Als er für den bengalischen Kontext eigene Kategorien der Psychonanalyse zu entwickeln begann, ging er über den bloßen Import bzw. die reine Übersetzung „westlicher“ Termini und Methoden in einen indischen Referenzrahmen hinaus. Vielmehr benutzte er Instrumente der Gegenwissenschaft, um Normen des Empire zu durchbrechen. In den ersten zehn Jahren seiner beruflichen Tätigkeit als Psychoanalytiker schrieb Bose auf Englisch, analysierte seine bengalischen bhadralok-Patienten mit der Methode „freie Assoziation“ und machte sich umfangreiche Notizen zu jedem einzelnen. Er verfasste Fallstudien zu Therapiemethoden, in denen er zentrale Kategorien der ontogenetischen Analyse, also die Analyse der psychischen Entwicklung des Individuums, anwendete, um nach Dynamiken der „Verdrängung“ (unbewusster Wünsche oder Begierden) zu suchen, die durch Traumdeutung aufgedeckt werden konnten. „Jede Generalisierung ist aus einer Vielzahl konkreter Fälle entwickelt“, schrieb er 1920 in der Einleitung zu seinem bahnbrechenden Werk Theory of Repression. Boses klinische Praxis war stark frequentiert: Er hatte bereits mindestens eintausend Patienten behandelt, als er 1928 sein Werk Svapna („Der Traum“) verfasste, seine wichtigste bengalische Abhandlung über die Psychoanalyse.45 Freud stellte sich die menschliche Psyche als etwas vor, das sich im dauerhaften Kampf mit drei Instanzen befindet – dem Es, dem Ich und dem Über-Ich. Eine erfolgreiche Therapie bedeutete einen Waffenstillstand zwischen den dreien – das vorläufige Ende innerer Kämpfe. Girindrasekhar Bose stellte sich den Weg zur Gesundung der Psyche anders vor. Seine Ästhetik war nicht nur von Freuds Theorien geprägt, sondern auch von den Ansichten seines Lehrers Jagadish Chandra Bose, eines in England ausgebildeten Physikprofessors der Calcutta

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University. J. C. Bose war ein führender Experte auf dem Gebiet der elektromagnetischen Wellen und forschte vor allem rund um das Thema elektrische Leitfähigkeit im Bereich der Physik und Biologie, zur elektrischen Polarisation durch Ionenkristalle und zur Signalübermittlung durch drahtlose Telegrafie. Seine berühmteste Erfindung war der „elektromagnetische Crescograph“, mit dem er magnetische Impulse beim Wachstum von Pflanzen in millionenfacher Verstärkung beobachten und aufzeichnen konnte. Im frühen 20. Jahrhundert, als europäische Wissenschaftler häufig Analogien zwischen Physiologie und Psychologie bildeten, zog Bose eine weitere Parallele, und zwar zwischen Ökologie und Psychologie. Bose behauptete, dass er mit seinem Crescographen die Reaktion von Pflanzen aufzeichnen könne, wie zum Beispiel das „Trauma“ nach einem Schnitt, nach Belastung mit Narkotika oder nach einem Temperaturschock. Die magnetische Leitfähigkeit in der Pflanze, so J. C. Bose, sei analog zur Nervenreaktion bei Tieren. Girindrasekhar Bose war von dieser Lehre über psychisch „Elektrizität“ stark beeinflusst. Für ihn stand der unentwegt fließende Strom psychischer Energie als Bild für die seelische Gesundheit, die er zu erschließen suchte. „Wenn es kein Hindernis gibt, an keiner Stelle im Stromkreis, sollte der Wunsch frei und ungebändigt sein.“46 In der späteren Zeit seiner Karriere wurden die Philosophie des Yoga, wie sie in den Yoga-Sutren und im Samkhya (der „Philosophie des Geistes“) dargestellt wird, und insbesondere die Vorstellung von Gesundheit als einem freien Energiefluss sowie die Bedeutung von Gegensätzen und der Umkehrung als Mittel zur Heilung, zu immer wichtigeren Impulsen für G. Boses künstlerische Innovationen im Bereich der Psychoanalyse. Bereits 1921 lehnte G. Bose die Dreiteilung der menschlichen Psyche in Es, Ich und Über-Ich ab und schlug stattdessen das Modell einer Zwillingspsyche vor, bestehend aus einem „aktiven“ und einem „passiven“ Selbst. Er stützte sich dabei auf die Vorstellung von Purusha und Pakriti aus der (dualistischen) SamkhyaPhilosophie, derzufolge die Welt aus zwei Prinzipien aufgebaut ist, aus Purusha (Geist, Selbst/Seele) und Prakriti (Urmaterie, Materie/Energie). Dabei steht Purusha für das männliche (erkennende) Prinzip, Prakriti für das weibliche (schaffende) Prinzip. Beide formen sie die individuelle Natur und tiefe Persönlichkeit eines jeden Menschen. Die Triebunterdrückung, so Bose, trete auf, weil die bewussten Wünsche, die zum aktiven Selbst gehören, für ihre eigene Verwirklichung stets die latenten Wünsche des passiven Selbst unterdrückten. Es gelte daher, so G. Bose, diese andere, passive Seite des Selbst durch die Methode der freien Assoziation hervorzukehren, unbewusste (passive) Wünsche ans Licht zu bringen, und sie dann durch die Praktik des Tagtraums einer Befriedigung zuzuführen. Erst wenn passive Wünsche nicht mehr unterdrückt würden, könne die (seelische) Gesundheit wiederhergestellt werden.47

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G. Bose veröffentlichte zunächst einen Artikel über seine ursprüngliche Methode im International Journal of Psychoanalysis (1925). Auch Sándor Ferenczi, ungarischer Psychoanalytiker, der dem engsten Kreis um Freud angehörte und sich einen Namen als Kliniker gemacht hatte,,48 begann zu dieser Zeit , eine eigene Methode zu entwickeln, die mit dem Schlagwort „erzwungene Fantasie“ bezeichnet wird. Bose erkannte nun, dass es notwendig war, die Urheberschaft für sein methodisches Konzept innerhalb der internationalen Welt der Psychoanalyse zu sichern. Er beharrte darauf, die imaginative Tagtraum-Methode als Erster im therapeutischen Kontext angewandt und die Inspiration dazu aus dem Kontext in Kalkutta bezogen zu haben. „Ich muss darauf verweisen, dass ich meine Ideen unabhängig von Ferenczis Vorschlägen entwickelt habe. Tatsächlich habe ich diese Methode schon lange vor Erscheinen von Ferenczis Aufsatz zu diesem Thema angewandt.“49 Zu G. Boses veränderter Methode der Psychoanalyse gehörte es auch, seine Studenten anzuleiten, gegensätzliche Erscheinungsformen der Imagination (bewusste Tagträume vs. unbewusste Inhalte) zu nutzen, um die Kanäle der (unbewussten) Wunschbefriedigung frei zu machen. Für Fachbegriffe der Psychoanalyse schuf er Neologismen im Bengalischen und erfand, wo es erforderlich war, sogar eigene spezielle Fachausdrücke – wie beispielsweise den „Gegenwunsch“ (viparīta icchā). Doch wie die nachstehende kleine Vokabelliste mit psychoanalytischen Fachbegriffen zeigt, die G. Bose zusammengestellt hat, handelt es sich nicht einfach um eine binäre Übersetzungstabelle mit Begriffen, die von der Ausgangssprache in die Zielsprache übertragen werden. Bose bewegte sich vielmehr in einer Art Übersetzungsmatrix zwischen bengalischen, englischen und deutschen Begriffen: Svapna :: Dream :: Traum Abādh bhābānuṣaga krama :: Free association method :: Assoziation Ūrdhvagati :: Sublimation :: Aufhebung Histiriyā :: Hysteria :: Hysterie Icchā :: Wish :: Wunsch Kāmana :: Desire :: Begierde Icchā Pūraṅa :: Wish fulfillment :: Wunscherfüllung Paritṛpta kara :: Gratification :: Erfüllung Abadaman :: Repression :: Verdrängung Kāmabikār :: Perversion :: Perversion Viparīta icchā :: Opposite wish :: (…)

Doch es ging hier nicht um die bloße Übersetzung westlicher Ausgangssprachen in die bengalische Zielsprache, sondern auch um die sich verändernde Beziehungsmatrix zwischen deutscher, englischer und bengalischer Sprach- und Kulturautorität. Und dabei stellen wir fest, dass Englisch in dieser Matrix die Funktion

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einer Verkehrssprache hatte. Englisch, als die Sprache, die Freud benutzte, um mit G. Bose zu kommunizieren, und die umgekehrt G. Bose benutzte, um mit Freud zu kommunizieren, lag in der Mitte. Und Englisch bot G. Bose außerdem auch die Grundlage, um darauf aufbauend seine bengalischen Neologismen zu entwickeln. Für seine Yoga-inspirierte Psychoanalyse diente ihm das Englische als Verkehrssprache, wie zum Beispiel im Falle des Begriffs „Freie Assoziationsmethode“, den G. Bose aus dem Englischen direkt ins Bengalische übersetzte, oder für neue Wortschöpfungen wie viparīta icchā (Gegenwunsch). Deutsch lernte er erst später, Ende der 1920er Jahre, aber nie als Forschungs- oder Schriftsprache. Da jedoch Begriffe wie „sublimation“ oder „repression“ im Englischen selbst psychoanalytische Neologismen waren, die in ihrer Übersetzung erkennbar auf das deutsche Ursprungswort wiesen, schwächte sich die Autorität der englischen Sprache innerhalb des internationalen Dialog-Forums der Psychoanalyse ab. Englisch war hier nicht die dominierende Herkunftssprache der Terminologie, sondern lediglich Verkehrssprache; gleichermaßen basierte die wissenschaftlich betriebene Psychoanalyse in Bengalen nicht auf Terminologien einer dominierenden Sprache oder auf interpretierten Übersetzungen, sondern auf der Triangulierung zwischen drei Sprachen mit jeweils abweichenden sprachlichen und kulturellen Bedeutungen. Die Dynamik der Triangulierung, nicht das Dilemma der bloßen Aneignung eines fremden Begriffs, charakterisierte G. Boses semiotisches Werk.Weil eine dritte Sprache im Spiel war und weil das Englische lediglich als Verkehrssprache außerhalb des Empire diente, ergaben sich gewisse Spielräume, die er sich zunutze machte. G. Bose bezeichnete Freud immer als einen Wiener Arzt, nicht als jemanden aus dem Westen oder aus Europa, und er verortete ihn immer wieder ausdrücklich in der Wiener Welt der Moderne. Aber vielleicht konnte sich G. Bose genau dadurch, dass er Freud konkret in Wien verortete und ihn eben nicht als Apostrophe für den abstrakten „Westen“ betrachtete, und vielleicht auch, weil er mit Freud in der Drittsprache Englisch kommunizierte, einen größeren Gedankenraum erschließen, um in eigenen Bahnen zu denken und sogar einige der Leitsätze im Kern der Freudschen Lehre umzuformen. Auch wenn Freud den Orientalismus als eskapistischen Firlefanz ablehnte, so respektierte er doch Meinungsverschiedenheiten im fachwissenschaftlichen Diskurs. Der Begriff „Gegenwunsch“ erscheine ihm zwar einsichtig und plausibel, schrieb er an G. Bose, die Ästhetik des klassisch dreigliedrigen Ansatzes aber sei durch experimentelle Beweise belegt. Freud und Bose lebten in sehr verschiedenen Welten, sozial wie politisch. Sie waren durch die Drittsprache Englisch und ihren transnationalen Austausch in Sachen Psychoanalyse sowohl getrennt als auch verbunden, so konnten sie einander von Fall zu Fall zustimmen oder ihre Differenzen beibehalten.

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Psychoanalyse zwischen imperialer und nationalistischer Identität Mit seinem Interesse an Psychoanalyse stand Girindrasekhar Bose im Kalkutta der 1910er Jahre nicht allein. Ein weiterer indischer Pionier der Psychoanalyse war der britische Sanitätsoffizier Owen Berkeley-Hill, der ganz unabhängig von G. Bose arbeitete. Nachdem Berkeley-Hill in London die Anfänge der British Psychoanalytic Society mitgestaltet hatte, kam er über den Indian Medical Service nach Indien.50 Bereits Jahre zuvor, in seiner Studentenzeit, tat sich Berkeley-Hill hervor als einer der vielen jungen britischen Freunde der deutschen Kultur, deren Zahl um die Jahrhundertwende stetig wuchs. Als Student hatte er sich an der Universität Göttingen eingeschrieben, weil ihn die fehlende wissenschaftliche Strenge am Department of Physiology in Oxford „anwiderte“. „Ich ging zusammen mit einem Kommilitonen, mit Edward Whitley, der ebenfalls unzufrieden war“, erinnerte er sich.51 In Göttingen stieß er auf das Psychologiestudium, erkrankte aber schwer, machte eine Kur in Hamburg und kehrte anschließend wieder nach London zurück. Nach seiner Rückkehr freundete er sich mit Ernest Jones an, einem von Freuds ersten britischen Mitarbeitern, und wurde Mitglied in der 1913 gegründeten British Psychoanalytical Society. Zeitgleich trat er dem Indian Medical Service bei, dem militärischen Sanitätsdienst in Britisch-Indien. Seine Reise nach Indien führte ihn zunächst nach Hyderabad, dann nach Ranchi. Während seiner Zeit als Kolonialbeamter in Indien entwickelte er ein eigenes Verständnis für psychoanalytische Konzepte und Methoden. In seinem Aufsatz „Psychologie und Pädagogik“ (1916) schlug Berkeley-Hill vor, dass die Psychologie Wege aufzeigen könne, um die von der radikalen Swadeshi-Bewegung initiierten landesweiten Aufstände in den Griff zu bekommen. In seinen frühen Artikeln behandelte Berkeley-Hills die mentale Hygiene bei „farbigen Rassen“, und machte einen „anal-erotischen Faktor“ aus, der ihm zufolge den Hochmut des hinduistischen Ritualismus begründete, sowie auch einen „Elternkomplex“, in dem er die Wurzel des „fundamentalistischen“ Islam sah.52 Regierungsfeindliche Aktivitäten tat er als „antisoziales Verhalten“ ab. Indische Volksverhetzung sei „eine Krankheit, so wie die Cholera auch, und am besten wird sie auch genauso geheilt, durch Vorbeugung und nicht durch Therapie“.53 Die britische Kolonialverwaltung war in den 1920er Jahren in der Tat sehr interessiert daran, ob und inwiefern die Psychologie zur Prävention antikolonialer „Neurosen“ innerhalb der einheimischen Bevölkerung beitragen könne, und engagierte Girindrasekhar Bose höchstpersönlich, um vor der Gendarmerie von Kalkutta über dieses Thema zu referieren.54

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Christiane Hartnack legt dar, dass G. Boses Herangehen an das Problem des „Terrorismus“ sich deutlich von Berkeley-Hills Ansatz unterschied, auch und vor allem darin, dass er dessen Aussage, wonach der radikale politische Extremismus als psychische Krankheit zu behandeln sei, eine deutliche Absage erteilte.55 Wie Hartnack zeigt, nahm G. Bose 1923, auf dem Höhepunkt der Niederschlagung der indischen Aufstände durch die Briten, „Märtyrer und Patrioten“ aus der Kategorie der „Neurosekranken“ aus und schrieb: „Ein hoher Sinn für Moral und Pflicht leitet uns oft zu selbstzerstörerischen Handlungen und so auch zu dem Gefühl, Patriot oder Märtyrer zu sein.“56 Identitätsbildung unter post-aufklärerischen Bedingungen war getragen von dialogischen Interaktionen und der Suche nach verborgener Weltordnung. Im Zeitalter der Verflechtungen entwickelten sich Identitäten auf einer globalen, nicht auf einer regionalen oder nationalen Bühne, wenngleich auch Konstrukte regionaler und nationaler Identitäten nötig waren, um Vorstellungen von offenbarten Welten zu verankern. Es ging G. Bose in seiner Arbeit darum, bengalische Hindus in den Mittelpunkt internationaler Diskurse der Psychoanalyse zu rücken, und zwar sowohl als praktizierende Psychologen wie auch als koloniale Untertanen, es ging ihm aber auch immer darum, wissenschaftliche Relevanz und Originalität in Bezug auf die Ästhetik der psychoanalytischen Diagnose- und Behandlungsmethoden zu demonstrieren. Mit seinen kritischen und innovativen Ansätzen der Psychoanalyse wirkte er beständig darauf hin, indische Intellektuelle in der Welt hervorzuheben. Und mit seinen Werken aus den 1930er Jahren, in denen er die Wissenschaft der Psychoanalyse mit Traditionen der hinduistischen Philosophie verband, erkämpfte er sich intellektuelle Autorität und Geltung in der Welt. G. Bose schuf eine indisch-nationalistische Identität, indem er die deutsche psychoanalytische Wissenschaft mit Darstellungsformen von Geist und Seele aus dem hochkastigen Hinduismus verwob. In den 1930er Jahren begann eine neue Phase in Boses Karriere, da er seine Werke zunehmend auf Bengali verfasste. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere nahm er ein zweisprachiges Projekt in Angriff, schrieb ein Werk in englischer Sprache, mit dem er sich am internationalen Diskurs der Psychoanalyse beteiligte, das andere in bengalischer Sprache, das einen weiten Bogen spannte, von der bengalisch-hinduistischen Identität praktizierender Psychologen bis hin zur besonderen Anziehungskraft orientalistischer Vorstellungen über indische Traditionen. In den Ausführungen seiner bengalisch-sprachigen Werke, die sich inhaltlich sehr stark von seinen englisch-sprachigen unterschieden, konstruierte er unter anderem eine tief verwurzelte Identität, verankert in Geschichte und Philologie, und zog die zentralen heiligen Schriften des Hinduismus heran, das Bhagavad Gītā, das Yoga-Sūtra und die Purāṇās. Er wollte damit zeigen, dass diese alten Sanskrit-Texte reiche Quellen für psychoanalytische Erkenntnisse enthiel-

Psychoanalyse zwischen imperialer und nationalistischer Identität

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ten. Anders formuliert, er kam zu dem Schluss, dass die Psychoanalyse den Indern ohnehin nie fremd gewesen war – sie war schon immer da, lag im Ursprung der hinduistischen Traditionen. „Ein Psychologe ist daher in der indischen Philosophie eher in seinem Element als im westlichen Denken“, schloss er.57 Damit folgte er einer etablierten Tradition bengalischer Wissenschaftler, die sich bei ihrem Streben nach einem Platz in der Mitte der modernen Wissenschaft auf Behauptungen über die tiefgreifende Kontinuität eines uralten kulturellen Erbes der Himalaya- und Ganges-Region stützten. Pramatha Nath Bose, Brajendranath Seal, J. C. Bose und P. C. Ray, sie alle schrieben Bücher über die „Hindu“-Wissenschaft, in denen sie die inhärente Rationalität und wissenschaftliche Natur der Sanskrit-Tradition bekräftigten. So wie sie sich im Rahmen ihrer politisch-intellektuellen Agenda darum bemühten, „den Westen“ aufzuspalten und in Europa auch andere Zentren jenseits von Großbritannien zu finden, so versuchten sie, ihre eigene „Peripherie“ ihrerseits in ein intellektuelles Zentrum umzuwandeln. Dies erreichten sie durch ihre innovative Praxis einer begeisternden Wissenschaft, in der sie die deutsche Gegenwissenschaft mit einheimischen „hohen“ Hindu-Traditionen verflochten. G. Bose scheute sich, seine bengalischen Bücher ins Englische übersetzen zu lassen und beharrte darauf, dass sie speziell für die bengalische Leserschaft geschrieben seien: „Wenn meine Werke es wert sind, werden Ausländer sie in ihre eigenen Sprachen übersetzen. Kein Engländer wird seine Werke zum Wohle der Bengalen auf Bengalisch schreiben!“58 G. Boses Projekt, seine wissenschaftlichen Beiträge in seiner bengalischen Muttersprache und nicht auf Englisch vorzulegen, war Teil seiner Bemühungen, das Bengalische zu einem „Zentrum der Weltkultur“ zu machen, wie Rabindranath Tagore es einmal beschrieben hatte. Tagores Projekt der intellektuellen Politik hatte es auf eine Umkehr der imperialen Gepflogenheit in Sachen Literaturübersetzung angelegt, die immer nur in eine Richtung lief, und zwar vom Englischen in die indischen Sprachen. Die bengalische Sprache selbst sollte Quell der Weltliteratur sein, Kunst von globaler Bedeutung, in ihrer eigenen sprachlichen Reinform. In seinem Werk Viśvavidyālayer Rūp (1933) legte Tagore dar, dass muttersprachliche Bildung und Forschung auf höchstem Niveau unerlässlich seien, nicht nur, um die intellektuelle Entwicklung voranzutreiben, sondern auch, um den ethischen und ästhetischen Reifeprozess des bengalischen Volkes zu fördern. Der wissenschaftliche Internationalismus, so sah es auch G. Bose, setzte den Austausch heimischer Kreativität mit fremden Modellen voraus. Seine psychoanalytischen Werke in bengalischer Sprache sollten die „prägende Grundlage“ für eine indische Geistesphilosophie sein. Die Bedeutung des alten jñān (Weisheit) konnte so durch den modernen vijñān (Wissenschaft) erschlossen werden. Psychoanalytische Auslegungen altindischer Texte konnten über ihre philologische

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Deutung urch Bankim Chandra Chattopadhyay oder Bal Gangadhar Tilakweitere Sinnebenen (byaṅgyārtha) der Gītā offenbaren.59 G. Boses bengalische Beiträge zur Psychoanalyse beinhalteten eine psychoanalytische Interpretation des Bhagavad Gītā (1931), eine psychoanalytische Lesart der Purānas, Purā a Prabeś (1934), einen Aufsatz über die Chronologie der Andhra-Könige, sein Hauptwerk über die Yoga-Sutren (1938) sowie das Manabyādhir Paribhāṣā (1953), ein Buch über psychoanalytisches Fachvokabular in bengalischer Sprache. Girindrasekhar zog Vergleiche zwischen den 195 Versen des Yoga-Sutra von Patanjali und Mystikern und Philosophen wie Plotin, Johannes Scotus, Meister Eckhart, Jakob Böhme und Emanuel Swedenborg.60 Yoga wurde als Ergänzung zum Materialismus der zeitgenössischen Moderne präsentiert – als die Kunst, die die Welt der Wissenschaft komplettierte. Surendranath Dasguptas Projekt, die Wissenschaft zu bereichern, behandelte überdies ekstatische Erfahrungen auf wissenschaftlicher Ebene. Das Unterfangen, jñān (Weisheit) und vijñān (Wissenschaft) zusammenzuführen, findet sich auch bei Dasgupta, insbesondere in seinem dicken Wälzer über Yoga-Philosophien, in dem er die hinduistische Welt der Philosophie gegen den Buddhismus verteidigte. Dasgupta, Professor für indische Philosophie an der Calcutta University im frühen 20. Jahrhundert, galt als der bedeutendste bengalische Gelehrte der indischen Mythologie. Er schrieb über „Yoga Cosmology“, „Yoga Physics“ und „Yoga Psychology“ und behauptete, im Yoga-Sutra von Patanjali (Yōgasūtra) Entsprechungen zu modernen Wissenschaften gefunden zu haben. G. Bose porträtierte die kulturelle Besonderheit der Hindus auf eine Weise, die universelle Bedeutung für diese Kultur geltend machte. Zudem verstärkten ihm zufolge sanskritische Traditionen die begeisternde Kraft der Psychoanalyse. „Die philosophischen Systeme Indiens beschäftigen sich im Gegensatz zu denen des Westens nicht allein mit intellektuellen Fragen. Sie streben vielmehr alle nach einer praktikablen Lösung für das Problem von Leid und Elend.“61 Anders als Bankim Chandra Chattopadhyay, der das Gītā als einen religiösen Text über diszipliniertes Handeln (anuśīlan) präsentierte, interpretierte G. Bose die moralischen Unterweisungen des Bhagavad Gītā als ein psychologisches Rezept zur Linderung seelischen Leids (duhkhanibṛtti). Die Verringerung des seelischen Leidens ergebe sich daraus, „die eigene dharmische Rolle als Mitglied einer Familie und Gemeinschaft zu spielen“, so erklärte er.62 Das rätselhafte Geheimnis, das Arjuna im Bhagavat Gītā aufgegeben wird, wie G. Bose schrieb, entsprang der „Konfrontation mit jātidharma und kulīndharma – aus einer Pflicht, die sich aus seiner Position als Teil des Volkes und aus seiner Position als Teil einer angesehenen Familie ergibt“.63 Glück und geistige Gesundheit, so fuhr er auf Bengalisch fort, werde dadurch erlangt, dass man zum „moralischen und materiellen Fortschritt der Menschen“ beitrage.64 Und Yoga

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zeige, „dass Zeit die reinste aller Entitäten ist, die vom menschlichen Geist nur indirekt erfasst werden kann. Es hat sich gezeigt, dass die Vorstellung von mehrfachen Wiedergeburten tatsächlich Wahres bergen kann, insbesondere da Psychoanalytiker ein wachsendes Bewusstsein für das über Generationen hinweg weitergegebene Es entwickeln. Unser Es ist nicht unser eigenes, sondern ist historisch in uns gewachsen … Die hinduistische Philosophie lehrt Methoden, das Leid dieser Welt dauerhaft zu überwinden und einen Zustand vollkommenen Glücks zu erreichen.“65 Nur in seinen bengalischen Schriften, nicht in den englischen erklärt G. Bose, dass seine Arbeit als Psychologe der eines indischen ṛṣi aus alter Zeit ähnele und identifiziert die Introspektion (den „Blick ins Innere“) als wichtigste psychologische Methode zur Erfassung eigener Bewusstseinsvorgänge. „Der große Wert der Introspektion für die Lösung psychischer Probleme ist noch nicht wirklich erkanntworden“, konstatierte er.66 Die rsis von einst waren im Grunde Psychoanalytiker. „Der Geist des rishi muss Empathie entwickeln. … [Die] rishis machten sich psychologisches Denken zunutze. … Traf der rishi auf das verborgene Wesen eines Brahmanen, dann nur, weil seine Nachfragen ihn an diesen Punkt geleitet haben, völlig natürlich und unweigerlich. Dabei sei daran erinnert, dass er sich vor allem von seinem psychologischen Gespür leiten ließ, von seinem eigenen lauteren Herzen.“67 Während man, wollte man sich 1880 in den Mittelpunkt der Welt stellen, nicht anders konnte, als die westliche Wissenschaft zugunsten der indischen Kultur abzulehnen, wie Bankim Chandra es tat, hatten sich die Gegebenheiten in den 1930er Jahren geändert. Nun brachte G. Bose vor, dass nicht-westliche Traditionen sogar innerhalb der Wissenschaft selbst zu finden seien, allerdings nur in der speziellen anti-positivistischen Wissenschaft der Psychoanalyse im Wien des Finde-Siècle. Bankim Chandra interessierte sich vor allem für die offenkundig rationalisierbaren Aspekte hinduistischer Traditionen, G. Bose hingegen wandte sich den genau gegenteiligen Aspekten zu. Die mystischen Elemente, die einem wissenschaftlichen Verständnis zuvor als ein unlösbares Rätsel erschienen, konnten jetzt erschlossen werden, und das tiefer liegende, verborgene Reich der Seele wurde nunmehr ergründbar. Yoga bot ein eigenes, ein in sich einheitliches Weltbild – war keine Wissenschaft von außerhalb, sondern eine von innen heraus.

Carl Gustav Jung und andere deutsche Neomystiker C. G. Jungs Haltung zur orientalistischen Mystik war das genaue Gegenteil zu Freuds ausgeprägter Reserviertheit. Jungs „Avantgarde-Konservatismus“, wie der

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Jung-Forscher Jay Sherry es nennt, verband Mythos und Logos, Seele und Intellekt, das Spirituelle und das Wissenschaftliche, und zwar in einer Weise, die seinerzeit dem Deutschen seinen Platz in der Welt behauptete.68 1938 reiste Jung nach Indien, wo er die Ehrendoktorwürde der University of Calcutta erhielt und am 25-jährigen Jubiläum der Indian Science Congress Association teilnahm. Er kam voller Erwartungen und Vorfreude und reiste ab mit den Worten, er müsse dem Drang widerstehen, sich im Indischen zu verlieren, müsse seiner europäischen Natur treu bleiben. Sein Narrativ von der indischen Versuchung, der er sodann entsagte, lässt eine Verwurzelung im indischen Orientalismus erkennen. Orientalismus und Okkultismus dienten der Organisation von Interessen. Am Anfang seiner Karriere galt Jungs Interesse okkultistischen Phänomenen, die er sich mit wissenschaftlichen Methoden der Psychologie zu erklären versuchte.69 1902 schrieb er seine Dissertation „Zur Psychologie und Pathologie sogenannter okkulter Phänomene“, in der Séancen im Mittelpunkt der Betrachtungen standen. In Indien nutzte Jung die Gelegenheit zu reisen und besuchte Tempel in Trichur und Amarkantak. Sein besonderes Interesse galt der baulichen Konstruktion von Tempeln und Altaren. Er besuchte Ellora und Sanchi und berichtete auch von der Schönheit der Gebäude der Mogulzeit, von denen er besonders beeindruckt war.70 Jung malte Mandalas ab, die er in Ajanta und Madurai sah.71 Mandalas, bildliche Darstellungen mit kraftvoller spiritueller Symbolik, hatten ihn schon immer fasziniert. Auch in seinen eigenen Werken verwendet er den Begriff „Mandala“, wenn auch in eigenwilliger Weise, zum Beispiel um sich auf vom Geist erzeugte Bilder zu beziehen, die eine vermeintlich höhere psychische Einheit symbolisieren, zugleich aber auch alle inneren Widersprüche und Konflikte bloßlegen, die diese Einheit in sich begreift.72 Um das Bedeutungspotenzial der orientalischen Symbole bestmöglich zu erschließen, prägte Jung neue Begriffe, wie er es oft tat. Dies ermöglichte ihm außerdem, sein System als anders – und besser – darzustellen als dasjenige seines Lehrers Freud.73 Umwoben von der Faszination für das Ariertum der mitteleuropäischen Orientalisten seiner Zeit sah Jung in der altindischen Kunst „das arische Unbewusste, [das] ein höheres Potenzial besitzt als das jüdische; nämlich das einer dem Barbarischen noch nicht ganz entfremdeten Jugendlichkeit, das zugleich Vor- und Nachteil ist“.74 Unter Betonung der phylogenen (ererbten) Faktoren, die das Leben beeinflussen, führte Jung aus, dass Archetypen, also die vielen im (kollektiven) Unbewussten angelegten Möglichkeiten menschlicher Imagination, von Generation zu Generation solange weitergegeben werden, bis epochale Veränderungen neue Archetypen für ein nachfolgendes Zeitalter schaffen.75 Eine Epoche ist gekennzeichnet durch ihre Archetypen, so Jung. Individuen einer Gesellschaft haben ähnliche Träume. Bilder, die in den Träumen von Individuen immer und immer

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wiederkehren, so Jung, seien innerhalb einer Gesellschaft in einem bestimmten Zeitraum verallgemeinerbar. Wiederkehrende Traumbilder wiesen zurück auf große symbolträchtige Urbilder wie das Mutterbild, den alten weisen Mann und auf das, was Jung als Anima bezeichnet. Während Freud quasi hineinzoomen wollte in das individuelle Seelenleben, wollte Jung es herauslösen und in einen großen gesellschaftlichen und historischen Kontext stellen. In den Mandalas der hinduistischen und buddhistischen Traditionen sah Jung das konzeptuelle (das unbewusst angelegte) Potenzial einer Gesellschaft in einem bestimmten historischen Zeitraum. Und dieses Potenzial definierte nach Jung den Rahmen für den Ausdruck des individuellen Seelenlebens in einer „primitiven“ Zeit. In „Was Indien uns lehren kann“ schrieb Jung: „Ich werde nun etwas sagen, was meine indischen Freunde unangenehm berühren wird, doch möchte ich sie selbstverständlich keineswegs kränken. Ich habe, so scheint mir, die merkwürdige Tatsache beobachtet, daß ein Inder, insofern er wirklich Inder ist, nicht denkt, zumindest nicht, was wir ‚denken‘ nennen. … In dieser Hinsicht gleicht er dem Primitiven.“76 Das indische Unbewusste, so behauptete Jung, groß zwar in seiner Primitivität, habe Mühe, sich an die moderne Welt anzupassen. Jung folgte einer Einladung von Girindrasekhar Bose an dessen Institut in Kalkutta, wenngleich Bose ihm und seinem Ansatz gegenüber distanziert blieb. Bose hatte seine eigene Interpretation der altindischen Lehre von der Wiedergeburt entwickelt, die das unbewusste Leben indischer Hindus über Generationen hinweg bestimmte. Bose interessierte sich nicht dafür, wie monumentale Urbilder sich in die individuelle Psyche einprägen. Es ging ihm vielmehr um ontogenetische Prozesse, mittels derer sich die individuelle Psyche durch Anpassungen und Verhaltensänderungen neu organisiert, insbesondere durch individuelle und introspektive Imaginationsarbeit. G. Bose widersprach Jungs Ansichten von vornherein, aber nicht entlang kultureller Trennlinien. Die wissenschaftliche Kontroverse bestand vielmehr darin, die Ontogenese gegen die Phylogenese zu verteidigen und mithin die zentrale Stellung der sexuellen Triebe im Seelenleben, die Jung wahlweise durch Mythos oder Religion zu ersetzen suchte. Bose erklärte: „[Jung] betrachtete die verschiedenen Instinkte als seien sie einer undifferenzierten Ur-Lebenskraft entsprungen, einer Ur-Kraft, für die er bedauerlicherweise den Begriff der Libido verwendete. Und damit brachte er ein doch recht unnötiges Durcheinander in ein Thema, das ohnehin kompliziert genug war. Jung sieht die Ur-Libido als unbedingten Lebenswillen; als Anpassung an das Leben, als Erfüllung einer Aufgabe, als den Hauptanreiz schlechthin; als verdiente Freude für die getane (genetische) Pflicht.“77

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Mit ungläubigem Kopfschütteln schrieb Freud über die große Faszination, die Yoga auf mitteleuropäische Psychoanalytiker, Mythographen und Indologen ausübte. Der „Rückzug aus der Welt“, der „Rückfall in uranfängliche Geisteszustände“, wie er es sah, schienen ihm bedenklich.78 Aber die Gelehrten um Jung waren eifrig dabei, die „Tiefenpsychologie“ mit der Mythographie und der Mystik zu verschmelzen, ebenso wie mit einer neuen Prüderie, die Sex durch den Reiz dunkler Mythen ersetzte. Auch der Eranos-Kreis (eine Gruppe zur Erörterung vor allem religionswissenschaftlicher Fragestellungen), der zwischen 1933 und 1952 regelmäßig in Ascona tagte, widmete sich speziell diesen Themen. Auch die chinesische Philosophie bot wissenschaftliches Potenzial, um das Fundament des europäischen Alltagslebens zu bereichern. Wie der evangelische Theologe und Sinologe Richard Wilhelm sagte, sollte die Weisheit chinesischer Texte nicht mehr nur einer kleinen Gruppe von Mönchen vorbehalten sein. In einem „Zeitalter des geistigen Austauschs zwischen allen Teilen der Welt“ sollten die Lehren weithin verbreitet werden.79 Wilhelm fand auchviel Gemeinsames zwischen den Lehren des Lao Tse und dem Christentum, was für die deutsche Exegese fremder Traditionen typisch war. Diese Erkenntnis, die sich gar nicht so sehr von derjenigen unterscheidet, die Max Müller zur Übersetzung des Ṛg Veda bewogen hatte, animierte Wilhelm, seine Übersetzung des I Ging (1924), des ältesten der klassischen chinesischen Texte, und des taoistischen Buchs über Meditation, Das Geheimnis der goldenen Blume (1931) fertigzustellen. Die Berufung auf die intellektuelle Autorität des Taoismus als Mittel zur Rückbesinnung auf das deutsche Selbst fand bei deutschen Literaten großen Anklang. Angeregt durch Wilhelms sehr populäre deutsche Übersetzung taoistischer Texte versuchten auch einflussreiche deutsche Schriftsteller, eine neue intellektuelle Autorität zu behaupten. In seinem historischen Roman Die drei Sprünge des Wang-lun. Ein chinesischer Roman erzählt Alfred Döblin die Lebensgeschichte des historisch verbürgten chinesischen Rebellenführers Wang-lun im 18. Jahrhundert, und thematisiert dabei die taoistische Lehre vom wu-wei, vom Nichthandeln und Nicht-Widerstreben.80 Marxistische Orientalisten diskutierten in den 1920er Jahren enthusiastisch den Taoismus, als einen historischen Vorläufer der materialistischen Philosophie. Deutsche Intellektuelle wie Martin Buber, Hugo von Hofmannsthal, Albert Ehrenstein und Bertolt Brecht nutzten den Taoismus, um „westliche“ Konventionen der Philosophie zu hinterfragen.81 Und sie nutzten die intellektuelle Autorität der asiatischen Literatur, um aus berufener Quelle Antworten auf ihre eigenen Fragen zu bekommen. Bereits 1928 und 1929 hatte Jung einen regen Austausch mit Richard Wilhelm, der das China-Institut in Frankfurt gründete und Jung das tibetische Prinzip der Mandalas erklärte.82 Beide waren bestrebt, Wesen und Sinn des Buddhismus und

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Taoismus für das westliche Publikum zu erschließen und ostasiatische Traditionen für Mitteleuropäer auch außerhalb der philologischen und theologischen Fakultäten anwendbar zu machen. Auch Heinrich Zimmer, Sohn eines Indologen und bedeutender Interpret der Yogaphilosophie und des Tantrismus, schloss sich Jung in diesem Bestreben an. Mircea Eliade, rumänischer Religionsphilosoph, traf mit C. G. Jung zusammen und machte ihn zu seinem esoterischen Guru, bis es 1950 zu einem bitteren Zerwürfnis kam. Neben den Teilnehmern der Tagungen in Ascona führten auch eine Reihe von anderen Intellektuellen Psychoanalyse, Philologie und Mystik zusammen: Giuseppe Tucci, italienischer Gelehrter des tibetischen Buddhismus, Jakob Wilhelm Hauer, deutscher Indologe und Religionswissenschaftler in Tübingen, und Swāmī Agehānanda Bhāratī (Klostername des aus Österreich gebürtigen Leopold Fischer), hinduistischer Mönch, Anthropologe und Sanskritist, um nur einige zu nennen. Hauer trug in den 1920er Jahren dazu bei, Yoga als esoterische Form der körperlichen und spirituellen Erbauung in Deutschland populär zu machen. Im Kern seiner Interpretation ging es ihm darum, die historischen Klüfte zwischen den verschiedenen sanskritischen Texttraditionen zu beseitigen, um das Samkhya, eines der ältesten indisch-philosophischen Denksysteme, als einen Zweig am großen arischen Baum der vedischen Philosophie zu behandeln.83 Die Veden waren für Hauer eine „Arische Bibel“.84 Vier Jahre lang, von 1933 bis 1937, führte Hauer die Deutsche Glaubensbewegung an (deren Gründer er auch war), die er als die Religion des neuen deutschen Paganismus beschrieb, rein arisch und gesäubert vom Einfluss des jüdischen Jerusalem. In seinem verschwörerischen und paranoiden Weltbild war der jüdische Einfluss nicht der einer sichtbaren Minderheit, sondern der einer unsichtbaren großen zivilisatorischen Macht, ähnlich der britischen Weltmacht, die sich über die Erde ergossen hatte und gegen die deutsche Subalterne um ihr Überleben kämpfen mussten. Hauers erste anti-positivistische Arbeit über esoterische Yoga-Praktiken verband philologische Studien der Yoga-Sutren von Patanjali mit pseudo-psychoanalytischen Spuren des theosophischen Okkultismus. Hauer studierte und promovierte bei Richard Garbe, einem empirisch arbeitenden Indologen, dem er etliche seiner Bücher widmete. Hauer betrachtete sich selbst nicht bloß als Gelehrten, sondern auch als Weisen.85 In Anlehnung an die Strategie Schopenhauers zu Beginn des 19. Jahrhunderts nutzte auch Hauer die altindischen Schriften, um sich als Deutscher in der Welt zu profilieren, indem er einen besonderen Zugang zu orientalistischen Erkenntnissen behauptete. Die beiden indischen Studenten K. A. Bhatta und K. R. Dhawan, die bei Hauer über tantrische Kulte der Shivaiten und Reinkarnation promovierten, bezeichneten ihn als ihren „Guru“.86 Hauer unterhielt sogar eine längere Korrespondenz

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mit Shyamsundar Goswami, einem jungen Yogi aus Santipur in Nordbengalen, der später als „Yoga-Bekehrer“ in Schweden tätig wurde.87 In einem Brief an Hauer 1932 beschrieb Goswami ausführlich seine Fähigkeiten und Kräfte als Yogi und bot an, ihm diese vorzuführen.88 Hauer war begeistert. „Ihre Demonstrationen des Hatha-Yoga interessieren mich außerordentlich.“89 Am Ende aber kam es nie dazu, denn Hauer konnte ihm die Reise nicht finanzieren. Magnus Hirschfeld, der Berliner Sexualwissenschaftler, bereiste Indien im Jahr 1930. Hirschfeld war deutscher Jude, Mitbegründer der Homosexuellen-Bewegung und einer der ersten, der zum „Dritten Geschlecht“ forschte. Obwohl er sich in seiner politischen Ausrichtung stark von Hauer unterschied, teilte er mit ihm die Faszination für den Orient als Zugang zu einer tieferen Wissenschaft. Hirschfeld glaubte, dass die „primitive“ Kunst indischer Tempel und religiöser Objekte eine vormoderne Beziehung zur menschlichen Sexualität darstellte, von der die modernen Europäer lernen könnten.90 Hirschfeld erinnerte sich an „die ekstatischen Tänze zu vedischen Gesängen, insbesondere an die rituellen ‚Teufelstänzer‘, die nach schnellen Drehbewegungen in eine kataleptische Starre verfielen, an die Yogis und Fakire, die auf ihren Körpern rollten, anstatt auf ihren gesunden Beinen zu gehen. Die Hindu-Götter und Kulte zeigen eine sehr interessante, offene und symbolische Verehrung der Geschlechtsteile; der Kult von Yoni und Lingam ist allüberall.“91 Der indische Orient wurde in den 1920er und 1930er Jahren in den Köpfen vieler deutscher Psychoanalytiker und Mythographen mit primitiven Sexualpraktiken verbunden, die die wahre sexuelle Verfassung der Europäer zum Vorschein brachten. In einem Brief an Heinrich Zimmer scherzte Jung über den „phallischen Pfad“ zum Tempel, den er gegangen sei.92 In Indien habe er erkannt, was es bedeutet, Europäer zu sein, erklärte Jung nach seiner Rückkehr: „Wenn Sie die bedeutendste Lektion lernen wollen, die Indien einem beibringen kann, so hüllen Sie sich in den Mantel Ihrer moralischen Überlegenheit, begeben Sie sich in die Schwarze Pagode von Konarak, setzen Sie sich in den Schatten der gewaltigen Ruine, die noch immer mit der bestürzendsten Sammlung von „Obszönitäten“ bedeckt ist, lesen Sie MURRAYS hinterlistiges altes Handbuch für Indien, … und dann analysieren Sie sorgfältig und mit der äußersten Ehrlichkeit alle Ihre Reaktionen, Gefühle und Gedanken. Es wird Sie eine ganze Weile in Anspruch nehmen, aber am Ende, wenn Sie gute Arbeit geleistet haben, werden Sie etwas über sich selbst erfahren haben und über den Weißen im allgemeinen, was Sie wahrscheinlich noch von niemandem sonst hörten.“93 Jungs Liebäugeln mit dem Orient, um zu ergründen, was wahrhaft europäisch ist, war in Kreisen der intellektuellen Elite ein gängiges literarisches und geistiges Konzept. Der niederländische Kunsthistoriker Johan Huizinga gab sein Studium der Orientalistik später aber auf und wandte sich stattdessen der Geschichtswissenschaft mit Schwer-

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punkt Europäisches Mittelalter zu.94 Der rumänische Religionswissenschaftler Mircea Eliade, der Jung beneidete und ihm gar nachzueifern suchte, berichtete in seinen Memoiren Bengalische Nächte (1933) von seinem Kampf, sich neben dem berühmten indischen Professor Surendranath Dasgupta, bei dem er von 1929 bis 1931 in Kalkutta studiert hatte, zu behaupten. In „Das Mädchen Maitreyi“, ein orientalistischer Bildungsroman mit betont europäischen Männlichkeitsidealen, erzählt er die Geschichte seiner Liebe zur Tochter seines indischen Professors, die wegen des Widerstands des Vaters aber unerfüllt blieb. Die junge Bengalin Maitreyi Devi, die orientalische Muse in seinen Memoiren, wurde später selbst zu einer bedeutenden Dichterin und Romanautorin. Jahrzehnte später veröffentlichte sie ihre eigene literarische Erzählung über die Beziehung zu Eliade, die von der seinen stark abwich.96 Freud verglich das glückhafte „ozeanische Gefühl“ mit „so etwas wie der Wiederherstellung des uneingeschränkten Narzissmus“, einem Zustand, in dem das Selbst völlig aufgeht, Zeit und Raum überschreitet und als eine unendliche Weite erlebt. Jungs Reisen nach Indien, mit einem Buch über Alchemie in der Tasche, und vielleicht ebenso auch Eliades Reisen, suggerieren ein mitteleuropäisches Ich, das sich erotisch angezogen fühlte von der weiteren Welt. Diese Erotik allerdings war nicht zu unterscheiden von einem narzisstischen Fetisch für die eigene Selbstbespiegelung.97 Auf dem Höhepunkt seiner Karriere leitete der bengalische Arzt und Psychologieprofessor Girindrasekhar Bose eine Reihe von institutionellen Projekten. Während seiner Tätigkeit als Leiter des Fachbereichs Psychologie an der University of Calcutta in den 1930er Jahren gründete er Samīkṣa, die erste Zeitschrift für Psychoanalyse, die hauptsächlich englischsprachige Artikel enthielt. 1939 gründete er mit finanzieller Unterstützung seines wohlhabenden Bruders Rajsekhar das Lumbini Park Mental Hospital, die erste stationäre psychotherapeutische Einrichtung in Indien, die bald für die Anwendung von Elektroschock-Behandlungen bekannt wurde.98 1948 eröffnete er in Kalkutta die erste städtische Ambulanzklinik.99 1949 folgte der Bau von Bodhayana, einer allgemeinbildenden Schule für Kinder mit psychischen Störungen, deren Lehrkonzept an psychoanalytischen Theorien ausgerichtet war. Zu Freuds fünfundsiebzigstem Geburtstag überreichte ihm G. Bose im Namen der Indian Psychoanalytical Society eine feingeschnitzte Vishnu-Statuette aus Elfenbein, der Freud einen prominenten Platz auf seinem Schreibtisch einräumte. Sie erinnere ihn, so schrieb er, an den „Fortschritt der Psychoanalyse, an ihren stolzen Eroberungszug durch fremde Länder, und die, wie ich finde, erbaulichen Gefühle, die sie zumindest in einigen meiner Zeitgenossen geweckt hat“.100 Sigmund Freud war daran gelegen, die Zersplitterung der europäisch-bürgerlichen Kultur des 19. Jahrhunderts samt aller Risse aufzuzeigen und heraus-

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zustellen, dass normative Kultur innere Konflikte zwischen unterdrückten, angestauten und möglicherweise selbstzerstörerischen Kräften barg. Damit machte er die radikale Kraft der Psychoanalyse geltend, die eine andernfalls verborgene Dimension des gesellschaftlichen Lebens aufzudecken vermochte, und zwar mit globaler Gültigkeit. G. Bose, der seine Arbeit an anderen philosophischen Leitlinien und politischen Visionen ausrichtete als Freud, verband die Psychoanalyse mit einer Neubewertung der hinduistischen Vedanta- und Yoga-Philosophie, in der hinduistische religiöse Texte an ihrem Schnittpunkt mit der psychoanalytischen Wissenschaft global bedeutsame Einsichten in innerseelische Welten gaben. Sowohl Freud als auch G. Bose praktizierten die Psychoanalyse, um die Existenz des verborgenen Universums der Seele deutlich zu machen, die der konventionelle Empirismus nicht erfassen konnte. Ihre wissenschaftliche Arbeit und ihre gesellschaftliche Stellung ermöglichten es ihnen, die Welt auf ganz neue Arten und Weisen zu begeistern. Ihre Beiträge waren gegenwissenschaftlich und gaben neuen Visionen der Weltordnung – der inneren Weltordnung – eine Stimme, dank derer der differentielle Charakter der kompakten Mehrheiten Europas und des Empire vom Bild der globalen Universalität losgelöst und neu zusammengefügt werden konnte.

10 Künstlerische Welten Es war eine mährische Intellektuelle, die nach einem Studium der Kunstgeschichte in Wien in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg eine neue Perspektive auf indische Kunst etablierte: Stella Kramrisch sah hierin das Tor zu einer verborgenen Welt der Kreativität. Inspiriert wurde sie von Theorien, die an der Shantiniketan School of Art unter Rabindranath Tagore, Abanindranth Tagore und Nandalal Bose entwickelt worden waren. Währenddessen, in den 1920er Jahren, arbeitete Franz Osten, ein deutscher Filmregisseur aus München, mit Himanshu Rai zusammen, um eine neue Ästhetik für das indische Kino der Moderne zu erschaffen, in dem indische Dörfer zu Kulissen für Dramen über sozialen Wandel und weiblichen Individualismus wurden. Himanshu Rai, Franz Osten sowie ihre Mitarbeiter Niranjan Pal und Devika Chaudhury (später bekannt unter ihrem Künstlernamen Devika Rani) schickten sich an, das universelle Drama in einer weiblichen und indischen Weise zu erzählen und dem indischen wie dem internationalen Publikum gleichermaßen zu vermitteln.1 Sowohl in der Kunstgeschichte als auch in der Filmproduktion, in der Erforschung und Erschaffung von Stand- und Bewegtbildern suchten Kooperationen zwischen Indern und Deutschen, ästhetische Normen wiederzufinden oder wiederzuerfinden, die gegen die Konventionen des 19. Jahrhunderts rebellierten. Die Fachrichtung indisch-nationalistischen Kunstgeschichte sowie die Produktion nationalistischer Kunst stellten die Vorstellungen des Empire von indischer „indigener“ Kunst und Kultur als ethnischer Besonderheiten innerhalb einer imperialen britischen Universalität in Frage. Der Expressionismus in der indischnationalistischen Kunst war in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg eine Koproduktion deutsch-indischer Zusammenarbeit.2 Kramrisch und Osten waren die beiden Intellektuellen, die am meisten zur ästhetischen Rebellion in Indien beitrugen, als das Ideal eines Empire zerfiel. Die Möglichkeit der massenhaften Reproduktion von Kunstbildern, die im Zuge der photografischen Revolution ab den 1870er Jahren aufkam, erlaubte es der Phantasie, weiter und schneller zu reisen, und vereinfachte den transnationalen Dialog und die Synchronisierung des ästhetischen Empfindens von Gruppen auf der ganzen Welt.3 Deutsche Denker nutzten Bilder, um sich selbst an die Peripherien der Welt zu befördern, und indische Denker nutzten Bilder, um sich in die Welt-Zentren zu begeben. Dies passierte sowohl durch imaginative Leistungen als auch durch soziale Interaktion. Stand- und Bewegtbilder, Fotografie und Kinematographie, schufen die Möglichkeit, Sensitivitäten in einem globalen Maßstab zu verbreiten.4 Dieses Kapitel befasst sich mit den Verflechtungen, die sich

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mit diesen neuen Methoden visuellen Denkens und damit neuer ästhetischer Erfahrungen entwickelten.5 Stella Kramrisch, eine weltreisende Kunsthistorikerin, gebürtig aus Österreich-Ungarn, studierte und promovierte am berühmten „1. Kunsthistorischen Institut der Universität Wien“, das vom polnisch-österreichischen Kunsthistoriker Josef Strzygowski geleitet wurde. Nach Indien kam sie als Postdoktorandin auf der Suche nach einer Anstellung und mit dem dringenden Wunsch, die buddhistischen und hinduistischen Tempel, die Schwerpunktthema ihrer Dissertation gewesen waren, mit eigenen Augen zu sehen. Kramrisch blieb in Indien, lehrte zunächst an der Viśva-Bhārati Universität in Shantiniketan, die Rabindranath einst als Schule gegründet hatte, bevor sie dann an die University of Calcutta wechselte. Bis 1950 blieb sie Mitglied des Kunsthistorischen Seminars in Kalkutta und folgte dann einem Ruf an die University of Pennsylvania, wo sie zudem zur Kuratorin für Indische und Südasiatische Kunst am Philadelphia Museum of Art ernannt wurde. Während der 1930er und 1940er Jahre jedoch war Kramrisch gezwungen, als Staatenlose in Indien zu bleiben, da es nach dem Aufstieg der Nationalsozialisten für sie keinen Weg zurück nach Österreich gab und sie trotz aller Versuche auch in Großbritannien oder den Vereinigten Staaten keine Anstellung finden konnte. Die gewaltsame Neustrukturierung Europas unter deutscher Herrschaft in den 1930er Jahren veränderte auch Kramrischs Position, machte die reisende Wissenschaftlerin zu einer Migrantin wider Willen. Indien, der Ort ihrer Feldarbeit, mit dem sie sich identifizierte, wurde für sie zum Ort des Exils. Und Kramrisch war nicht die einzige, der es so ging. Auch der Regisseur Franz Osten, obwohl nicht jüdischer Abstammung, verließ Deutschland 1934 und schiffte sich nach Indien ein. Zusammen mit seinen deutschen Mitarbeitern, dem Kameramann Josef Wirsching und dem Bühnenbildner Karl von Spreti, ließ er sich in Malad nieder, einem Vorort von Bombay. Die drei kamen auf Einladung des Produzenten Himanshu Rai und des Drehbuchautors Niranjan Pal. Sie gründeten zusammen das Produktionshaus Bombay Talkies, das dem frühen indischen Kino in den 1930er Jahren die ersten Kassenschlager bescherte.6 Bombay Talkies wurde zu einer Art institutionellem Impulsgeber für die noch junge und aufstrebende Bollywood-Filmindustrie, denn das Unternehmen bildete eine Reihe wichtiger Schauspieler, Bühnenbildner und Techniker aus, die in den 1950er Jahren Techniken und Genres des indischen Kinos konsolidierten.

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Das verflochtene Vermächtnis der Stella Kramrisch Der große Meister des visuellen Denkens in der indischen Kunstgeschichte war Ananda Kentish Coomaraswamy, der Pionier des Studiums buddhistischer Kunst und der Erforschung der Kunstgeschichte aus einer indisch-nationalistischen Perspektive.7 Coomaraswamy, geboren 1877, war Sohn eines ceylonesischen Vaters (Muthu Coomaraswamy) und einer englischen Mutter (Elizabeth Beeby). Sein Vater starb, als er zwei Jahre alt war, woraufhin seine Mutter mit ihm nach Großbritannien zog. Seine Doktorwürde erlangte er 1906 an der University of London, mit einer Arbeit zur Gesteinskunde Ceylons. 1905 bereits begann er über Kunst zu schreiben, während er noch Direktor des Mineralogical Survey of Ceylon war (einer staatlichen Institution zur mineralogischen Erkundung Ceylons), in diesem Jahr gründete er auch die Ceylon Social Reform Society. Seine erste größere Publikation, Mediaeval Sinhalese Art (Mittelalterliche Singalesische Kunst), erschien im Jahr 1907. Seine frühen Beiträge waren angelehnt an das Werk des britischen Begründers der Arts-and-Crafts-Bewegung William Morris.Von 1909 bis 1913 gehörte er dem Kreis um Rabindranath Tagore an und engagierte sich in der Indian Society of Oriental Art (Indische Gesellschaft für Orientalische Kunst) in Kalkutta.8 1916 ging er in die Vereinigten Staaten, wo er der erste Kurator für indische und muslimische Kunst am Museum of Fine Arts in Boston wurde. Coomaraswamy war einer der Pioniere, der Fotografien als visuelle Texte in kunsthistorischen Werken nutzte. Seine History of Indian and Indonesian Art enthielt 68 Seiten Text und 60 Seiten mit hochwertigen ganzseitigen Abbildungen.9 Ein weiterer solcher Pionier, Victor Goloubew, gab ab 1912 die angesehene Kunstzeitschrift Ars Asiatica der École française d’Extrême-Orient heraus. Mit ihren hochwertigen fotografischen Reproduktionen revolutionierte die Reihe die Art und Weise kunsthistorischer Argumentation. Kramrisch las in ihren Studientagen beide Autoren mit Begeisterung. Coomaraswamy nutzte Bilder als maßgebliche Tore zu einer unsichtbaren Welt der Kreativität. Seiner Ansicht nach sprachen Bilder nicht nur über den Gegenstand seiner Arbeit im engeren Sinn, sondern sie wiesen auch auf philosophische Aussagen hin, auf Vorstellungen über Regierung und Gemeinwesen, auf grundlegende Ideen über die Gesellschaft und die soziale Organisation. Bilder erzählten einem aufmerksamen Betrachter sogar, wie ein Volk „Zeit und Ewigkeit“ verstand. Sein 350 Seiten umfassendes Werk Buddha and the Gospel of Buddhism von 1916 bot eine Enzyklopädie der buddhistischen Philosophie wie auch Abbildungen, die den Buddhismus visuell erklärten. Für sein Buch übernahm Coomaraswamy eine Reihe von Bildern aus dem Werk der bengalischen Shantiniketan-Schule, insbesondere die Gemälde von Nandalal Bose. Bilder waren nicht

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wie Substantive in einem Satz, von denen jedes für sich ein konkretes Konzept indizierte. Bilder waren Symbole, weitaus mächtiger als Worte. Sie waren Gucklöcher in ein Universum. Aus diesem Grund mussten Bilder nicht bloß gelesen werden, sondern man musste sie auch dechiffrieren können. Kunstgeschichte war für Coomaraswamy ein gelehrtes Unterfangen, die Welt zu beseelen. Trotz aller bedeutenden Kunstrichtungen und Ansätze zur Kunstinterpretation, die Stella Kramrisch in ihr Werk integrierte, blieb ihre wichtigste Inspirationsquelle das Werk von Coomaraswamy, dem sie auch ihr letztes Buch und ihre letzte Ausstellung „The Presence of Śiva“ widmete.10 Diese letzte Ausstellung im Jahre 1983 war eine Hommage an Coomaraswamys Dance of Siva von 1916. Doch Kramrisch bezog auch andere Einflüsse in ihre kunsthistorische Forschung ein. Neben Coomaraswamy nahm sie drei weitere starke Strömungen auf – den komparatistischen Ansatz von Josef Strzygowski, die geistesgeschichtliche Methode von Max Dvořák und den künstlerischen Expressionismus der Bengalischen Kunstschule in Shantiniketan, auch als Bengal School of Art oder allgemein als Bengal School bekannt. Kramrisch schrieb sich 1916 am Kunstgeschichtlichen Institut der Universität Wien ein und schloss ihre Dissertation über die Kunst in den indischen Dörfern Sanchi und Bharhut 1919 ab.11 Als Studentin besuchte sie vor allem 1918 regelmäßig die theosophische Buchhandlung in Wien und begann sich auch mit dem neuen orientalisch-modernistischen Stil des Ausdruckstanzes zu beschäftigen.12 Kramrisch war beeindruckt von Leopold Schroeders Übersetzung des Bhagavad Gita sowie von Wassily Kandinskys Verteidigung der Theosophie und des Expressionismus als Absage an den epigonalen Neoklassizismus, die er in seinem Buch Über das Geistige in der Kunst, insbesondere in der Malerei vorlegte.13 Kramrischs Mentor, der Titan der kunsthistorischen Forschung Josef Strzygowski, war ein weltbekannter Komparatist. Er begann als Experte für byzantinische und nahöstliche Kunst, dehnte den Rahmen seiner Betrachtungen dann aber aus, um auch die „Kunst der eurasischen Steppen“ einzubeziehen, die sich vom Kaukasus bis zum Himalaya erstrecken. Später entwickelte er ein neuartiges Konzept der globalen Kunstgeschichte auf Basis der Rassentheorie. Er vertrat die Ansicht, dass die globale Kunstgeschichte entlang der Linien von kreativen Gegensätzen zwischen nördlichen und südlichen Rassen verstanden werden könne. Kramrisch arbeitete aber auch eng zusammen mit Strzygowskis Erzfeind, Max Dvořák, dessen Werk aus einer anderen, historisierenden Tradition der Wiener Kunstgeschichte hervorging. Diese Tradition, die auf Franz Wickhoff und Alois Riegl zurückging, hob die Suche nach den Ursprüngen und den Abfolgen kultureller Überlieferungen hervor. Dvořák vertrat die Ansicht, dass „Kunst die Gestaltung der philosophischen Ideen eines Volkes ist“, und dass diese Gestaltung über lange Zeiträume hinweg zurückverfolgt werden kann.14 Als reisende Intel-

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lektuelle konnte Kramrisch ihre eigene kreative Autorität und mithin ihre ganz persönliche Form von Identität auf der Weltbühne behaupten. Nach Abschluss ihrer Dissertation im November 1919 ging sie an die Universität Oxford. Sie begleitete ihren Doktorvater Strzygowski im Rahmen eines Gaststipendiums, das offenbar aus einem Nachkriegsprogramm des British Relief Fund finanziert war.15 Im selben Jahr, im Mai 1920, begann Rabindranath Tagore seine vierzehnmonatige Tour durch Europa und die Vereinigten Staaten, unter anderem, um die Unterstützung ausländischer Wissenschaftler und Intellektueller für seine neu gegründete Viśva-Bhārati International University in Shantiniketan zu gewinnen.16 Kramrisch lernte Rabindranath im Juni 1920 kennen, entweder als er zu Besuch in Oxford war oder im Londoner Haus seines Freundes William Rothenstein, Direktor der Royal Academy of Art und Präsident der Londoner Indian Society.17 Kramrisch erzählte ihm von ihrem Wunsch, indische Sakralkunst vor Ort in Indien studieren zu wollen.18 Das Indische Museum in Kalkutta beherbergte kunstvoll geschnitzte Reliefs der „Stupa of Barhut“. Auch Strzygowski träumte von einer Reise nach Shantiniketan, um dort eine Abteilung für Kunstgeschichte nach dem Vorbild seines Kunsthistorischen Seminars in Wien einzurichten.19 Rabindranath war sehr beeindruckt von der jungen Wissenschaftlerin Kramrisch, er hoffte gleichzeitig auf die Unterstützung weltbekannter deutschsprachiger Akademiker wie Kramrischs Doktorvater Strzygowski und lud beide an die neue Universität nach Shantiniketan ein. Kramrisch stellte einen Antrag auf ein Visum für BritischIndien, dessen Bearbeitung sich über Monate hinzog und die Vermittlung von Rabindranaths Londoner Freunden wie William Rothenstein erforderte.21 1921 schrieb Kramrisch sich als Post-Doktorandin an der School of Oriental and African Studies der Universität London ein, während sie parallel dazu eine wissenschaftliche Fernbeziehung zu Rabindranaths Kreisen in Shantiniketan und Kalkutta aufnahm. Sie publizierte einen Artikel über die Forschungsergebnisse ihrer Dissertation in Rupam, einer Fachzeitschrift für Kunst, herausgegeben von Ordhendra Coomar Ganguly und unterstützt von Rabindranaths Neffen Abanindranath, den führenden Kräften hinter der Swadeshi-Bewegung zur Förderung einer neuen nationalen Kunst für Inder. Von London aus publizierte sie in der Calcutta Review einen zweiten Artikel über allgemeine Merkmale der indischen Kunsttradition.22 Als Rabindranath Tagore im Juni 1921 Wien besuchte, traf er sich mit Strzygowski. Strzygowski war inzwischen dabei, seine Gastprofessur in Bryn Mawr in den Vereinigten Staaten zu planen und sah deshalb von einer Reise nach Kalkutta ab; schlug aber vor, seine Studentin Stella Kramrisch nach Shantiniketan zu schicken, um den Boden zu bereiten für seine Gastprofessur im darauffolgenden

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Jahr.23 Schlussendlich reiste Kramrisch nach Indien und blieb fast dreißig Jahre, während Strzygowski nie dorthin kam.

Indisch-nationalistischer Expressionismus Der Kampf um nationale Unabhängigkeit war natürlich auch ein Kampf um künstlerische und moralische Autonomie – ein Fest des begeisternden Anti-Empirismus im Angesicht eines imperialen Naturalismus. Nationalistische Geisteswissenschaften versuchten, den Indern ein Anrecht auf eine eigenständige politische Bedeutung in der Welt zu vermitteln. Eine durch Reisen entstandene Form von weltbezogener Autonomie lehnte britische ästhetische Normen ab und erforschte andere künstlerische Stile. Die deutsche Kunst bot nationalen Künstlern in den 1920 Jahren wichtige Horizonterweiterungen, so wie es die japanische Kunst seit der Jahrhundertwende getan hatte und auch weiterhin tat. Im frühen 20. Jahrhundert rühmten indische Nationalisten und ihre britischen Wortredner Kunsthandwerk und „handgefertigte Exotika“ als authentische Musterstücke indischer Kunst, die den Pluralismus des Empire und seine multikulturelle Inklusion demonstrierten.24 Orientalisten wie der frühe Ananda Coomaraswamy und E. B. Havell betrachteten die indische Kunst als ein von Tradition, Kunstfertigkeit und „unmittelbarer Erfahrung“ beherrschtes Reich, ganz anders als der „Energieausfall“ und die Kraftlosigkeit, die ihrer Ansicht nach die zeitgenössische europäische Kunst im frühen 20. Jahrhundert kennzeichneten.25 Der Idealismus der Arts-and-Crafts-Bewegung sowie das Streben, die großen Traditionen der indischen religiösen Kunst wiederzuentdecken, entwickelten sich parallel zum Aufstieg der populären Bazaari-Kunst ab den 1870 Jahren.26 In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg verfochten indische Nationalisten gerade nicht den Pluralismus innerhalb des Empire, sondern geopolitische Autonomie jenseits der britischen Welt. Indische Künstler wollten sich nicht damit zufriedengeben, ihre Authentizität allein mit Volkskunst und kunsthandwerklichen Arbeiten verbunden zu sehen, während britische Kunst und „westliche“ Tradition den Diskurs über „Bildende Kunst“ und „Moderne Kunst“ dominierten.27 Wie Partha Mitter und Tapati Guha- Thakurta gezeigt haben, verfolgte E. B. Havell, der Direktor der Government School of Art in Kalkutta, seine eigene Vorstellung zur Kultivierung der indischen Kunst, die sich von dem Projekt der radikalen Nationalisten insofern unterschied, als dass er die indische Volkskunst gegen den Naturalismus der westlichen modernen Kunst verteidigte. Im Gegensatz dazu ließ Coomaraswamy sich in seinem späteren Werk von der nationalistischen Bengalischen Schule inspirieren und hegte die Vision einer großen Kulturregion, die Indien mit Südost- und Ostasien verbinden würde.

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Coomaraswamy bewegte sich von seinem frühen Interesse am Kunsthandwerk weg in eine neue Phase, hin zu einem radikaleren intellektuellen Ansatz, indem er die modernen Schulen der indischen Malerei in die zentrale Position innerhalb einer riesigen regionenübergreifenden Landschaft eines altasiatischen Kosmopolitismus rückte und sie entsprechend zu interpretieren suchte.28 Damit bewegte er sich gedanklich weg von der Haltung eines Bürgers des British Empire, hin zu der eines Sezessionisten, bestrebt, sich von eben diesem zu lösen. Er betrachtete die indische Kunst nicht länger als die Kunst einer indigenen Minorität im Weltkontext des British Empire, sondern als eine metropolitane Kunst im Zentrum ihrer eigenen Welt. Stella Kramrisch folgte Coomaraswamy in dieser antiimperialen Wendung und versuchte, die Bedeutung der indischen Kunstproduktion neu zu definieren. Coomaraswamy bereitete den Weg und Kramrisch verhalf diesem neuen anti-anglozentrischen Ansatz im Studium der indischen Kunst zur Bedeutung. Das nationalistische Projekt, das in den 1910er Jahren von Abanindranath Tagore nach seinem Bruch mit Havell bereits in Gang gesetzt worden war, begann in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg mit der Behauptung, die indische Kunst habe ihren eigenen Modernismus, ihre eigene Bildende Kunst, ihre eigene Kleinund Volkskunst, kurz: ihre eigene Weltbedeutung. Abanindranath „rettete“ die Vergangenheit auf eine neue Weise, indem er eine „verlorene Sprache der indischen Kunst“ thematisierte.29 Die indische Ästhetik stellte eine ganze Welt für sich dar, nicht bloß ein peripheres Bruchstück in einem größeren imperialen Ganzen. Eine Verschmelzung asiatisierter und orientalistischer Aussagen über die spirituelle Tiefe der indischen Kunst, erwachsen aus alten nicht-dualistischen Philosophien, waren diesem begeisternden Projekt ausgesprochen förderlich, was wichtig und bedeutsam war. Nationalisten nutzten die Besonderheit des Orients, um eine Welt der Ästhetik zu zeigen, in der sich indische Schauspieler und Zuschauer im Mittelpunkt fühlen konnten. Tapati Guha-Thakurta weist darauf hin, dass auch „europäisch-romantische Theorien, die Kunst über bestimmte exaltierte Konzepte von Schönheit, Erhabenheit, Emotion und Idealismus definierten“, mitspielten.30 Doch diese Theorien hatten auch ein kontra-normatives und anti-anglozentrisches Potential. Es war nicht entscheidend, dass es sich um „europäische“ Konzepte handelte, vielmehr war ihre spezielle, antikonventionelle Färbung von Bedeutung, die man als spezifisch deutsch bezeichnen kann. Dieser besondere Ton aus dem deutschsprachigen Raum fand Anklang bei seiner entfernten Verwandten, der Bengal School-Bewegung, als einer Art Familienbeziehung. Die von Rabindranath Tagore gegründete Einrichtung Viśva Bhārati, zunächst als eine dem Ashram im Ortszentrum von Shantiniketan angeschlossene Schule und 1951 als Universität anerkannt, widmete sich von Anfang an dem Aufbau transnationaler Allianzen. Nandalal Bose, der Direktor des 1919 eta-

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blierten Kunstinstituts der Universität (Kalā Bhavan), wollte von den zeitgenössischen deutschen und österreichischen Erfahrungen profitieren.31 Er hatte bereits große Anstrengungen unternommen, um Verbindungen zu japanischen Künstlern herzustellen. Er lud Yokoyama Taikan, Kampo Arai, Shunso Hishida, Shokin Katsuta sowie weitere japanische Künstler nach Shantiniketan ein, die Lehr- und Meisterkurse gaben.32 Und so wurde Stella Kramrisch von Künstlern in Shantiniketan und Kalkutta bereits mit Spannung erwartet, als sie 1921 in Indien ankam. Sogleich folgten Einladungen in den inneren Führungskreis der Visva-Bharati University. Abanindranath Tagore, Hauptkünstler und Schöpfer der „Indian Society of Oriental Art“, gab ihr bald schon den liebevollen Spitznamen „Didimani“.33 Kramrisch hielt Vorlesungen über die Europäische Moderne in der Kunst ebenso wie über ihr Spezialgebiet, die Indische Kunstgeschichte.34 Ihre bengalische Zuhörerschaft zeigte größtes Interesse an ihren Einsichten in die „Bewegung der Moderne in der Europäischen Kunst“.35 In ihren Vorlesungen zur Europäischen Kunst vertrat Kramrisch die Ansicht, dass die europäischen Künstler mit der Bewegung vom Impressionismus zum Postimpressionismus, Kubismus und Dadaismus nach einer kulturellen Erneuerung und nach einem Ausbruch aus dem „alten Europa“ suchten. Die Künstler der europäischen Moderne lösten sich von der naturalistischen Nachahmung der äußeren Welt, die die europäische Ästhetik seit der Renaissance belastet und eingeschränkt hatte. Sie wandten sich zunehmend der Darstellung abstrakter innerer menschlicher Erfahrung zu.36 Nachdem Kramrisch sich zuerst auf Europa konzentriert hatte, sprach sie als nächstes über Indien. Ihre zweite Vorlesungsreihe, die am 27. Juli 1922 begann, trug den Titel „The Expressiveness of Indian Art“ (Die Ausdruckskraft der indischen Kunst).37 Hier unterstrich sie nachdrücklich ihren Standpunkt, wonach die moderne indische Kunst nur dann Erfolg haben könne, wenn sie eng angeschlossen bleibe an die einheimischen Traditionen, zugleich aber auch Einflüsse von außerhalb in sich aufnähme, aus Ostasien und aus Europa.38 Kramrisch untermauerte den intellektuellen Anti-Anglozentrismus der Swadeshi-Bewegung und argumentierte, dass Abanindranath Tagore und die Bengalische Schule dazu beigetragen hätten, eine kulturelle Erneuerung Indiens anzustoßen, und zwar durch die Zurückweisung des „Naturalismus“ des britischen kolonialen Government Art College und ihre Rückkehr zur „Abstraktion“ der alten indischen Kunsttraditionen. Diese Rückbesinnung auf die Tradition war vielschichtig, hatte zahlreiche Facetten und umfasste auch die Auseinandersetzung mit der Miniaturmalerei im Mogulreich (1526 bis 1858) und der japanischen Laviertechnik.39 Ein Vergleich der verschiedenen Versuche zur erneuten Verzauberung führte sie zu dem Schluss, dass die europäischen Maler der Moderne, allen voran die deutschen und die österreichischen, den „imitativen Ansatz“ der

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„westlichen Kunst“ des 19. Jahrhunderts zunehmend ablehnten und eine Erneuerung in der „reinen“ Abstraktion suchten.40 Beide, sowohl die indischen als auch die deutschen Modernisten, waren folglich eigenwillige Subjekte, die ihre alte Haut abstreiften und nach neuen Wegen suchten, sich in einer neu imaginierten Ästhetik hervorzuheben. Kramrisch arbeitete vergleichend. Kreative Bestrebungen in Indien konnte man neben die im deutschsprachigen Europa stellen: gleicher ästhetisch-künstlerischer Wert, wenn auch unterschiedliche (Aus)gestaltung. Kramrisch zufolge hatten moderne Künstler aus Ost und West viele Gemeinsamkeiten und konnten sich durch Austausch untereinander bereichern. „Die indische Weltsicht hat eine tiefe Wirkung auf die moderne westliche Spiritualität, während gleichzeitig der Osten die europäische Kultur annimmt“, kommentierte sie.41 Franz Bopps Komparative Linguistik, Wilhelm Wundts Psychologische Ethnologie, Bernhard Ankermanns und Fritz Graebners Idee der Kulturkreise und Riegls Kunstwollen waren seit dem 19. Jahrhundert fest etablierte Ansätze für globale Vergleichsstudien. Es waren Versuche, das „große Ganze“ zu sehen, den welthistorischen Horizont, und zwar in einer Weise, die „Europa“ in einen viel weiteren Kontext stellte. Josef Strzygowski untersuchte Europa in einem globalen Kontext, um die kulturelle Hegemonie Westeuropas aus dem Weg zu räumen. Kramrischs Komparatismus ließ sich von Strzygowski inspirieren. Und der tendierte dazu, die Grenze zwischen Orient und Europa zu verwischen, und die devote Folgsamkeit des europäischen, in der Renaissance verankerten Naturalismus, auf den Kopf zu stellen. Das kontra-normative und anti-anglozentrische Ethos der vergleichenden Studien prägt die meisten von Kramrischs Aufsätzen in den Jahren 1922 und 1923 und erhellt, warum sie eine bedeutende und bislang nie dagewesene Ausstellung von Bauhaus-Kunstwerken in Kalkutta organisierte (1922– 1923).42

Bauhaus in Kalkutta – Bengal School in Berlin Unter Kramrischs Projekten war die Bauhaus-Ausstellung in Kalkutta das mit der größten Wirkung. Kramrisch organisierte eine Ausstellung mit 175 Kunstwerken der Bauhaus-Schule, die von 1922 bis 1923 in Kalkutta gezeigt wurden. Im Mai 1922 schrieb sie einen Brief an Johannes Itten, den Direktor des Bauhauses, den sie aus dem Wiener Avant-Garde-Milieu kannte.43 Sie erkundigte sich nach einer Möglichkeit, in Kalkutta eine Kunstausstellung mit Verkauf von Bauhaus-Kunst zu veranstalten. Vermutlich hatte Itten ein Jahr zuvor, im Mai 1921, Rabindranath Tagore getroffen, als dieser im Nationaltheater in Weimar aus seinen Werken las.44 Aus persönlichen Erinnerungen von Stella

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Kramrisch 1985 geht hervor, dass sie ihre Ausstellungs-Idee damals Abanindranath Tagore „vorgeschlagen“ hat. Im Namen der „Shantiniketan International University“ und „im Namen von Abanindranath Tagore“ bat Kramrisch Itten um „einige Zeichnungen, Aquarelle, Lithographien oder auch Holzschnitzereien … insbesondere Werke von Herrn [Paul] Klee“.45 Die Ausstellung, so erklärte sie, solle Teil einer „internationalen Ausstellung lebender Kunst“ sein und Ende 1922 bei der Indian Society of Oriental Art in Kalkutta stattfinden.46 Nachdem er Kramrischs Brief erhalten hatte, begann Itten, die Meister am Bahaus abzuklappern und sie um Mitwirkung und Werkbeigaben für die Kunstund Verkaufsausstellung zu bitten. Anfang August schrieb er an Paul Klee, Lyonel Feininger, Gerhard Marcks, Oskar Schlemmer, Lothar Schreyer und Georg Muche.47 Auch Wassily Kandinsky fragte er an.48 Und alle, mit Ausnahme von Schlemmer, steuerten eine Reihe ihrer Werke bei. Itten schickte gleich sechzig seiner eigenen Arbeiten, dazu eine Auswahl von Werken seiner Studenten.49 Hinzu kamen weitere Stücke – 35 von Feininger, drei von Kandinsky, neun von Klee, 29 von Marcks, neun von Muche, sieben von Schreyer, zwei von Sophie Koner (einer Bauhaus-Studentin) und acht von einer weiteren Studentin namens Margit Téry-Adler.50 Jedes Kunstwerk war mit einem Preis zwischen zwei und fünfzehn Britischen Pfund versehen. Am 30. August 1922 sandte Ittens Sekretärin, Lotte Hirschfeld, vier große Kisten mit 175 Bauhaus-Kunstwerken nach Kalkutta.51 Die Arbeiten des deutschen Bauhauses wurden in Kalkutta nicht ausgestellt, um sie als etwas Außergewöhnliches zu fetischisieren, sondern um sie mit zeitgenössischen indischen Kunstwerken in Verbindung zu bringen und sie zu vergleichen. Wie in einem Artikel der Kunst-Zeitschrift Rupam von Anfang 1923 zu lesen ist, war die Bauhaus-Ausstellung „eine Abteilung“ der Vierzehnten Jahresausstellung der Indian Society of Oriental Art am 23. Dezember 1923.52 Die Kunst des Bauhauses wurde neben Werken der Bengal School ausgestellt. Im Ausstellungskatalog erläutert Kramrisch ihre Absicht, durch die Bilder und Werke der Bauhaus-Sektion veranschaulichen zu wollen, wie indische Künstler ihre „Ausdrucksformen aus der indischen Lebenssicht heraus entwickeln“ und damit zugleich auch „eine Sprache formulieren, für die es schwierig ist, eine Vorfahrenschaft auszumachen, weder im Osten noch im Westen“.53 Und so wie Kramrisch die Bauhaus-Ausstellung durch eine vergleichende Brille interpretierte, taten dies auch die indischen Kunstkritiker: In einer Rezension zur Bauhaus-Ausstellung von 1924 erklärte Abani Banerji, dass indische Künstler wie Gaganendranath Tagore „zu weiteren Experimenten“ in Farbe und Form aufbrachen, so wie moderne europäische Künstler sich bemühten, „die Spinnweben anekdotischer, literarischer Assoziationen“ zu beseitigen.54 In der Ausgabe vom April 1923 der Vierteljahresschrift Visva Bharati Quarterly schrieb Stella Kramrisch ihre eigene ausführliche Rezension zur Bauhaus-Ausstellung.

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Darin formulierte sie ihre Ansicht über die schöpferische Autorität der indischen Kunst und erklärte, dass „bestimmte Beschaffenheiten des Musters, des Rhythmus’, des Verhältnisses von Teil zu Teil und vom Teil zum Ganzen“, die für die indische Sakralkunst von zentraler Bedeutung seien, nun auch für europäische Künstler wichtig geworden waren. Die Bauhaus-Ausstellung in Kalkutta stellt jedoch nur eine Episode dar in einer globalen Kreisbewegung, mit der modernistische Kunstwerke zwischen Indien und dem deutschsprachigen Europa in den frühen 1920 Jahren zirkulieren. Zeitgleich mit der Bauhaus-Ausstellung in Kalkutta nämlich wurde eine bedeutende Großausstellung mit Kunstwerken der Bengal School nach Berlin verschifft, um im prestigeträchtigen Kronprinzenpalais der Nationalgalerie gezeigt zu werden.55 Und so erfreuten im Februar und März 1923 insgesamt 113 Exponate moderner indischer Kunst aus Shantiniketan und Kalkutta die Ausstellungsbesucher in Berlin. Ein Blick auf die Ausstellungsliste zeigt eine umfangreiche Auswahl an Werken von Meistern der Bengal School, darunter Gaganendranath Tagore, Abanindranath Tagore, Nandalal Bose, Manishi Dey, K. N. Mazumdar und Sunayani Devi,56 sowie 42 weitere Künstler. Laut Liste hat auch „Rabendranath Tagore“ eines der Werke gemalt, betitelt „The Javanese Actress“ (Die Javanische Schauspielerin).57 Es bleibt zu klären, ob es sich bei besagtem „Rabendranath“ tatsächlich um Rabindranath Tagore handelte, der mutmaßlich erst nach 1927 zu malen begann. Was bisher oftmals als die Geschichte einer exemplarischen europäischen Kunst dargestellt wurde, die in den Osten reiste, kann viel fruchtbringender als die Zirkulation moderner Kunstwerke innerhalb inspirierender Netzwerke des globalen Austauschs verstanden werden. Benoy Kumar Sarkar organisierte die Berliner Ausstellung. Als reisender Nationalist hatte er einst am Bengal National College in Kalkutta gelehrt, koordinierte jetzt aber Aktivitäten im Namen der nicht unbeträchtlichen indischen Diaspora im Berlin der Zwischenkriegszeit. Er tat dies über seine Indo-Europe Trading Company und deren Zeitschrift, die Commercial News.58 Das ganze Jahr 1922 hindurch stand Sarkar in engem Kontakt mit O. C. Ganguly, dem Herausgeber von Rupam, und publizierte eine Reihe von Artikeln über „Futurismus“ und moderne indische Kunst in eben jener Zeitschrift. Die Leitartikel aus den Jahren 1922 und 1923 zeigen, dass Ganguly häufig Sarkars radikale Argumente bemühte, wonach die indischen Künstler sich von der Tradition befreien und sich die Kraft der viśvaśakti (Weltkraft) zunutze machen müssten. Wie Kramrischs Bauhaus-Ausstellung in Kalkutta war Sarkars Bengal SchoolAusstellung in Berlin die Krönung einer intensiven Zeit des Interpretierens und Argumentierens über die Bedeutung moderner indischer Kunst. 1922 publizierte Sarkar sein Buch Futurism of Young Asia (1922) zusammen mit seiner Aufsatz-

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Reihe in der Kunstzeitschrift Rupam. 59 Er trat sogar in eine Ferndebatte mit Stella Kramrisch über die Rolle der Tradition in der indischen Moderne ein, und zwar just zu der Zeit, als die beiden Ausstellungen stattfanden.60 Während Kramrisch die indischen Modernisten dafür pries, dass sie in dem verwurzelt blieben, was sie als indische Tradition ansah, rühmte Sarkar die indischen Modernisten dafür, dass sie ihre Beschäftigung mit dieser Tradition ohne Scham aufgaben. „Eine gewisse intellektuelle Einheit hält die ganze moderne Welt der Kunst organisch zusammen“, war Sarkars feste Überzeugung.61 Kramrisch betonte indes die Vergleichbarkeit mitteleuropäischer und indischer Kunst unter den Aspekten „Primitivismus“ und „Tradition“. Auch Sarkar hob auf die Vergleichbarkeit ab, allerdings unter dem Aspekt eines gemeinsamen „Futurismus“ der europäischen und indischen Modernisten. In der Rupam schrieb Stella Kramrisch, damals in Kalkutta lebend, kritische Erwiderungen auf Sarkars Aufsatz über „Futurismus“, und Sarkar, damals in Berlin lebend, antwortete wiederum mit entsprechenden Gegenkritiken auf Kramrisch. Der transnationale Dialog zwischen den beiden enthielt auch eine merkwürdige Verschiebung von Orten, Kunstobjekten und Identitäten. Sie argumentierten nicht nur aus höchst unterschiedlichen Perspektiven heraus über die Welthaftigkeit der indischen Kunst, sondern sie entwickelten auch unterschiedliche Programme, um die Welt zu bereichern und dem Griff zu entkommen, den das alte Europa, und das britische Empire in seiner hegemonialen Position innerhalb des Kontinents, auf die ganze Welt besaßen.62 Um dem Mangel an vergleichender Perspektive auf die künstlerische Moderne in Indien beim deutschen Publikum zu begegnen, schrieb Kramrisch 1924 Aufsätze über indische Kunst in deutschen Kunstzeitschriften, beispielsweise in Der Cicerone oder im Jahrbuch der jungen Kunst.63 Ihre Hauptthese war, dass die „neue Kunst in Europa“ ihre Inspiration aus der Kunst Asiens bezog. Mit dieser Behauptung aus dem Werkzeugkasten des mitteleuropäischen Indischen Orientalismus kehrte sie die Beziehung von Zentrum und Peripherie um. „Der Import von Kunstwerken aus dem Fernen Osten nach Europa und ihre Wertschätzung bedeuteten lediglich einen weiteren Schritt zur Entwertung der Kunstideale der alten europäischen Traditionen und erschütterten den Glauben der Menschen an die Unfehlbarkeit der alten Normen.“64 Die asiatische Kunst brachte den Modernismus nach Europa, so Kramrisch, nicht umgekehrt.

Etablierung der Kunstgeschichte an Universitäten Kramrischs Interpretationen hatten einen großen Einfluss auf die Kunstkritik in Kalkutta und Shantiniketan. Ihre Vorlesungen wurden positiv aufgenommen und

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fanden inhaltlich Eingang in die Schriften des führenden indischen Kunstwissenschaftlers der Association of Oriental Art, O. C. Ganguly.65 Asit Kumar Haldar, ein Großneffe von Tagore und in Shantiniketan ein wichtiger Künstler, schrieb 1925 in der Zeitschrift Prabāsī einen Aufsatz über „Die Ästhetik der westlichen Kunst“ („Prācīn Śilpa-Kalār Rekhā-Chānda“). Darin fanden sich viele von Kramrischs Argumenten zu den Analogien zwischen europäischem Expressionismus und indischer Kunst, gerade im Hinblick auf gemeinsame Elemente der Abstraktion, der Dynamisierung und des Primitivismus. Die Kunst im Allgemeinen, so legte Haldar dar, habe die engen Begrenzungen des Naturalismus längst überschritten – diese künstlerische Kraft sei jedoch erst jetzt von europäischen Modernisten und Expressionisten entdeckt worden. Die Rezeption von Kramrischs Arbeit in Kalkutta wurde durch ihre Lehrtätigkeit gefördert. Einer ihrer Lieblingsstudenten, Prithwish Neogy, lehrte an der University of Calcutta, bevor er dann einem Ruf als Professor an die University of Hawai’i folgte, wo er sich auf das Studium der traditionellen hawaiianischen Kunst spezialisierte. Ein anderer Student, Devaprasad Bose, forschte über bengalische Volkskunst. Und Niharranjan Ray schloss seine Dissertation bei Kramrisch ab und übernahm anschließend den Bhagishwari-Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Calcutta University.66 Kramrisch und ihre Schüler stellten überdies die Vorstellung in Frage, wonach die großen Traditionen Indiens arischen Ursprungs seien. Niharranjan Ray sprach von „dem bengalischen Volk als einer Mischung, nicht mit den Ariern, sondern zwischen Draviden und Mongolen“.67 Dies stand im Gegensatz zu den Theorien über arische Ursprünge, wie sie von Josef Strzyogwksi, Kramrischs Lehrer, oder auch von B. G. Tilak, dem „Goethe von Poona“, vertreten wurden, der behauptete, dass die Arier in prähistorischer Vergangenheit aus der Arktis nach Indien gekommen seien.68 Kramrisch versuchte in ihren Arbeiten, die einheitliche Philosophie einer archaischen Kulturwelt aufzudecken und diese Welt durch ihre Hochkunst und ihre Volkskunst sowie durch ihre Artefakte und ihre zeitgenössischen expressionistischen Kunstwerke wieder zum Sprechen zu bringen. Durch vergleichende Gegenüberstellung, beispielsweise von antiker Terrakotta-Kunst und modernen Gemälden der Bengal School, oder von Volkskunst bzw. Stickereien und Objekten der Hochkultur, so argumentierte Kramrisch, zeige sich die Essenz und das Zusammenspiel, die majā, der indischen Kulturwelt lebendig und wohlbehalten, weshalb sie die normative liberal-europäische Ästhetik des modernen Zeitalters überrage.69 Kramrischs Einfluss machte sich auch durch ihre aktive und rigorose Kritik an Kunstwerken bemerkbar, die aus der Kala Bhavana kamen, der Fakultät für bildende Künste der Visva-Bharati-Universität in Shantiniketan, aber auch von Künstlern in Kalkutta. Nach Kramrisch schrieb die indische Kunst eine strenge

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ästhetische Grammatik vor, die in altindischen Weltsichten verwurzelt sei, gleichwohl aber immer auch modern bleibe. „Die indische Kunst in ihrer elementaren Kraft, in ihrer nimmermüden Erfindung überreicher Formen, in ihrem endlosen Rhythmus, in ihrem strengen, abstrakten Muster all dieser Kompositionen hat Teil am primitiven Typus der Weltkunst“, erklärte sie.70 Die besten indischen Künstler, so die junge Kramrisch, seien diejenigen, die die stärkste Berührung haben mit den primitiven und ihrer selbst nicht bewussten indischen Traditionen. Und diese Künstler waren, in ihrer Sicht, Frauen und Kinder. „Der einfache Handwerker, das Kind, die Frau – alle die, die im neuen Zeitalter noch nicht voll erwacht sind – besitzen noch die unverzerrten, ganzheitlichen Visionen, die für die indische Kunst so charakteristisch ist. Die indischen Kinder, und auch die indischen Frauen, sind in ihrem künstlerischen Ausdruck spontan.“71 Kramrisch ließ es nicht durchgehen, wenn sie der Meinung war, Nandalal Bose oder seine Schüler produzierten minderwertige Kunstwerke, und wies sie scharf zurecht. Panchanan Mondal, Kunststudent in Shantiniketan in den 1930er Jahren, erinnerte sich: „Stella warf ein kritisches Auge auf alle Arbeiten in Kalā Bhavan.“ Und was Nandalal Boses Faszination für chinesische und japanische Kunst anbelangte, so hielt sie mit ihrer Meinung ebenfalls nicht hinterm Berg – Nanda Babu habe „seine Seele an China verkauft, vor lauter glühender Asienbegeisterung“, wetterte sie.72 Und ein anderes Mal, beim Anblick eines Kunstwerks von Ardhendu Bannerji, einem von Nandalals Schülern, rief sie: „Man sollte den Künstler hängen!“ Abanindranath musste eingreifen und Kramrisch bitten, ihre Kritik milder zu formulieren. Andererseits feierte Kramrisch ohne jegliche Vorbehalte den „indischen Kubismus“ von Gaganendranath Tagore sowie die „Naivität“ und „Spontaneität“ des Werks von Sunayani Devi, sowohl in lokalen Kunstzeitschriften in Kalkutta als auch in internationalen Foren.73 Kramrisch koordinierte einen internationalen Kreis von Personen, die sich für die bengalische Kunstbewegung engagierten und sie unterstützten. Dank ihrer Kontakte schrieb Coomaraswamy aus Boston einen Artikel für Rupam und auch Stella Bloch brachte sich von New York aus mit Beiträgen ein.74 Hermann Goetz und William Cohn, Experten für Altindien und indo-persische Kunst in Berlin, steuerten ebenfalls regelmäßig Artikel bei.75 Beide mussten nach 1933 emigrieren, Cohn nach London und Goetz nach Baroda. Die Zeitschrift Rupam, die unter O. C. Ganguly gegründet worden war, wurde 1934 in Journal of the Indian Society of Oriental Art umbenannt, nachdem Kramrisch sie übernommen hatte. Sie bat Josef Strzygowski und Heinrich Zimmer jeweils um einen Beitrag für die erste Ausgabe unter ihrer Herausgeberschaft. Strzygowskis Artikel „India’s Position in the Art of Asia“ erschien zusammen mit Zimmers Artikel „Aspects of Time in Indian Art“.76 Beide waren 1937 abermals in einer Ausgabe vertreten, Strzygowski mit einem Aufsatz über die „nördlichen

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Wurzeln“ der chinesischen Kunst, Zimmer mit einem Aufsatz über „Bäume, Hütten und Tempel“ in der indischen Kunst.77 Betty Heimann, einst Studentin bei Paul Deussen in Kiel und jetzt im Exil in London, trug 1938 einen Aufsatz über die „Bedeutung von Zahlen in hinduistischen philosophischen Texten“ bei.78 Die Zeitschrift konzentrierte sich auf die Zusammenführung von Archäologie und Forschungen zur materiellen Kultur mit neuen nationalistischen Interpretationen der indischen Kunst. Unter Kramrischs Herausgeberschaft verzeichnete die Zeitschrift Neuzugänge in den Sammlungen indischer Museen, beschrieb sie und bot Interpretationen an, die auf die Bedeutung der Kunstwerke und ihre feinsinnige Ausgestaltung abhoben.79 Die Zeitschrift strebte an, gesamt-indische Themen zu bedienen und dabei unterschiedliche Regionen und Traditionen zu berücksichtigen, eingeschlossen buddhistische, brahmanische und muslimische Kunst sowie Kunst aus Kerala, Nepal und Kambodscha. Neben dem Bemühen, die Kontinuität verschiedener alter Kunsttraditionen in Indien nachzuzeichnen bzw. zu konstruieren, arbeitete die Zeitschrift auch daran, die Anfangsgründe des zeitgenössischen künstlerischen Modernismus in Indien zu identifizieren. Sie war bestrebt, ein geopolitisches, kreatives Zentrum zu schaffen, das die künstlerischen Ausformungen des Modernismus auch außerhalb Nordwesteuropas hochhielt.

Künstlerischer Internationalismus Die Internationalisten in Indien waren gespannt zu sehen, wie die indischen Kulturproduktionen vom internationalen Publikum aufgenommen wurden und inwieweit es indischen Intellektuellen gelang, im Ausland Anerkennung zu finden. In Berlin war man im Kronprinzenpalais unterdessen dabei, Rezensionen der deutschen Presse zur Ausstellung „Moderne Indische Aquarelle“ zu sammeln, übersetzte sie ins Englische, um sie dann in der Rupam-Ausgabe vom Juli 1923 zu veröffentlichen und auch dem indischen Publikum in Kalkutta zugänglich zu machen. Die meisten Besprechungen priesen entweder die „romantische“, „orientalische“ Spiritualität der indischen Kunstwerke oder sie kritisierten sie als zu „lyrisch und süßlich“ oder als zu sehr verwurzelt in „antiken Dramen“.80 Mit anderen Worten, die meisten Rezensenten betonten den strikten Unterschied, und eben nicht die Vergleichbarkeit zwischen den indischen Aquarellen und der europäischen modernen Kunst. Einzig Hermann Goetz, ein junger deutsch-jüdischer Indologe und Experte für islamische Kunst aus Berlin, der mit Stella Kramrisch befreundet war, griff den Aspekt in seiner Rezension auf und räsonierte, dass die indischen Werke zwar anders seien, den künstlerischen Ausdrucksformen der modernen Kunst in Europa aber durchaus gleichwertig gegenüberstünden.81

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Die intellektuelle Politik der Zwischenkriegszeit, deren Konjunktur die Tagore-Institutionen in Bengalen mit kulturellen Einrichtungen in Deutschland verbunden hatte, erreichte 1930 einen gefeierten Höhepunkt, als Rabindranath Tagore, mittlerweile ein selbstbewusster Maler und Aussteller, mit seinen Kunstwerken durch Europa und die Vereinigten Staaten reiste. Bilder und Kunstausstellungen wurden zu neuen und unverzichtbaren Elementen in Rabindranaths Streben nach antikolonialer Erfüllung. Hatte er sich lange Zeit auf die Kraft seiner Worte verlassen, so setzte er nun immer mehr auf die Wirkung seiner Bilder, um sein ausländisches Publikum zu Vergleichen und Interaktionen zu animieren. Rabindranath stellte seine Kunstwerke zuerst in Birminghams City Art Gallery aus, im Mai 1930 dann in der Galerie Pigalle in Paris. Im Juli ging es weiter nach Berlin, wo seine Ausstellung in der Galerie von Ferdinand Moeller zu sehen war.82 Unter den Besuchern der Ausstellung war Käthe Kollwitz, ebenso Heinrich Lüders, der den Lehrstuhl für Indologie an der Berliner Universität innehatte.83 Die Exponate reisten anschließend weiter zu Galerien in Dresden und München, von dort dann nach Moskau. Rabindranaths „Kunst-Tournee“ war auch ein Mittel, Anerkennung zu erheischen für die internationale Bedeutung der indischen Kultur außerhalb des British Empire. Rabindranaths künstlerisches Werk wurde in der deutschen Presse ausführlich besprochen. Einige deutsche Kritiker feierten die die Ähnlichkeit seiner Bilder mit denen von „Klee, Nolde, Rohlfs und Kubin“ und wiesen auf die Vergleichbarkeit zwischen der indischen Schöpferkraft und der „neuesten Malerei Westeuropas“ hin.84 Andere wiederum schimpften über die deutschen Organisatoren, die eine Ausstellung voller „dilettantischem Kitsch“ präsentierten und fanden es „unglaublich, dass eine Kunstgalerie, die der Sache der deutschen Kunst einen so großen Dienst erwiesen hat, jetzt solch eine Ausstellung veranstaltet!“85 Ludwig Justi hingegen, seines Zeichens Direktor der Nationalgalerie, der 1923 bereits mit Benoy Kumar Sarkar für die Ausstellung Moderner Indischer Kunst zusammengearbeitet hatte, war ein großer Bewunderer von Rabindranaths Malerei. Er erkundigte sich bei der Galerie Möller nach der Möglichkeit, Stücke aus Rabindranaths Ausstellung für die Zeitgenössische Sammlung der Nationalgalerie Berlin zu erwerben. Nachdem ihn Justis Anfrage erreicht hatte, antwortete Rabindranath prompt und gab fünf seiner Aquarelle als Schenkung an die Nationalgalerie.86 Justi wurde gemeinsam mit achtundzwanzig anderen Direktoren deutscher Museen 1933 von den Nationalsozialisten wegen der Kultivierung „entarteter Kunst“ entlassen.87 Rabindranaths Kunstwerke blieben bis 1937 in der Sammlung der Nationalgalerie, dann wurden sie vom NS-Regime als „entartet“ auf die schwarze Liste gesetzt. Neben Werken von Macke, Dix, Beckmann, Kandinsky,

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Kokoschka, Jawlenski, Braque und vielen anderen Vertretern der modernen Kunst wurden Rabindranaths Gemälde aus der Sammlung entfernt, um Platz zu schaffen für „deutsche Klassiker“ wie die „Riesengebirgslandschaft mit aufsteigendem Nebel“ von Caspar David Friedrich, die man im Dezember 1937 mit viel Tamtam aus Oslo erworben hatte.88 Im Laufe der folgenden zwei Jahre gab man drei von Rabindranaths Gemälden an ihn zurück, zwei wurden in einer Berliner Kunsthandlung gegen europäische Kunstwerke eingetauscht.89 Rabindranath verstarb 1941 und hatte das hässliche Ende seines Projekts eines „Künstlerischen Internationalismus“ noch miterlebt. Der Bildgegenstand, der Kramrisch am meisten in seinen Bann zog, und zu dem sie im Laufe ihrer Karriere immer wieder zurückkehrte, war Śiva (Shiva). „Das Bild von Siva ist voller kosmischer Energie [und zeigt] einen Augenblick des kosmischen Tanzes.“90 Kramrischs Suche nach Bildern der Verzückung muss im Kontext der 1930er Jahre gesehen werden, vor dem Hintergrund von NS-Regime und Exil, als sie weit weg von ihrer Heimat und Familie in Wien war. Kramrisch, noch immer in der Diaspora in Kalkutta, pflegte ihre Kontakte nach Deutschland weiter, und baute neue zu Institutionen im Ausland auf, die mit Deutschland verbunden waren – insbesondere zum Warburg Institute in London, dem von Aby Warburg ursprünglich in Hamburg gegründeten kunsthistorischen Forschungsinstitut, das 1933 nach London exiliert wurde und zu dem sie besonders enge Verbindungen knüpfte. Auch zu amerikanischen Institutionen in New York und Philadelphia knüpfte sie zunehmend engere Bande. Für Kramrisch war es nicht die Suche nach radikalen orientalistischen Einsichten, und es war auch nicht die Abkehr von den Normen der abendländischen „Westernness“, die die Gleichschaltung es deutschen Wissenschaftsbetriebs kennzeichneten. Nein, für sie resultierte der Aufstieg des deutschen Faschismus aus dem Missbrauch einer kontranormativen Gesinnung unter selbsternannten Underdogs – als Konsequenz der Verzauberung missgünstiger, ungehobelter und unzivilisierter Menschen. Das Warburg Institute in London entwickelte sich zum Gegenpol von Josef Strzygowskis völkischem Kunstinstitut in Wien und repräsentierte die Blütezeit der „konservativen“ Tradition der Wiener Kunstgeschichte in Großbritannien, wie sie mit den früheren Arbeiten von Riegl und Dvořák assoziiert war. Einer der führenden Wissenschaftler, die neben Aby Warburg das Warburg Institute ins Leben riefen, war Dvořáks Schüler Fritz Saxl. Angehörige von Minderheitengruppen, wie die jüdischen Deutschen Warburg und Saxl, die das Warburg Institute gegründet hatten, suchten nach Wegen, das Selbstverständnis der normativen europäischen Kultur zu öffnen und zu erweitern. Das Warburg Institute suchte die Entstehung westlicher Traditionen zu verstehen, indem es insbesondere den Zwischenraum zwischen europäischer Gegenwart und „klassischer“ Vergangenheit untersuchte.91 Am Warburg Institute richteten Forscher ihre kriti-

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sche Aufmerksamkeit auf das nicht untersuchte und kaum wertgeschätzte europäische Mittelalter und die Frühe Neuzeit. Insbesondere verwiesen sie auf Elemente des Irrationalen und des Ritualistischen, auf die hermetische Tradition und die langen Kontinuitäten des europäischen Neoplatonismus und des archaischen Paganismus.92 Einige Institutsmitglieder wie Fritz Saxl und Erwin Panofsky interessierten sich für den Orient, aber eher am Rande der großen Forschungsachse einer vergleichenden Untersuchung verschiedener Weltregionen in kulturhistorischer Perspektive. Die Interessen des Warburg Institute standen denen von Josef Strzygowski diametral gegenüber, der als Angehöriger der deutschen Majorität den Orientalismus und Anti-Westernismus einsetzte, um den geopolitischen Status Deutschlands und seiner Satelliten zu erhöhen, und um die Behauptung einer reinen arischen Kulturwelt zu untermauern, die im antiken Osten ihre Wurzel habe. Stella Kramrisch begann ihre Zusammenarbeit mit dem Warburg Institute und dem Courtauld Institute in London, einem weiteren Forschungsinstitut für Kunstgeschichte, zwischen 1937 und 1940. Während dieser Zeit reiste sie jeden Sommer per Schiff nach London, wo sie von Mai bis September blieb, und kehrte danach wieder nach Kalkutta zurück, um dem europäischen Winter zu entfliehen. In den Sommern 1937 bis 1939 hielt sie öffentliche Vorlesungen am Courtauld Institute, für gewöhnlich zu Themen der buddhistischen und hinduistischen Kunst. Sie gab „stilistische Überblicke“ über die wichtigsten archäologischen Stätten wie Bharhut, Sanchi, Mathura und Amaravati, und diskutierte die indische „Ikonographie“.93 Kramrisch folgte Coomaraswamy in der Kritik an der europäischen Überheblichkeit, die indische Kunst und die Vielzahl der Götter, als „Ikonolatrie“ (Bildverehrung) zu bezeichnen.94 Im November und Dezember 1940 organisierte Kramrisch am Warburg Institute eine Ausstellung von Fotografien mit dem Titel „Aspects of Indian Culture“ (Aspekte der indischen Kultur).95 In London, umgeben von den deutschsprachigen Diaspora-Intellektuellen des Warburg Institute, stellte Kramrisch eine ganz besondere Ausstellung für das britische Publikum zusammen. Sie war einzigartig in ihrem Ansatz – eine thematische Schau, die versuchte, abstrakte Konzepte zu vermitteln und eine (wieder) offenbarte kulturelle Welt des altindischen Hinduismus im Medium der Fotografie zu beschwören. Es war eine Ausstellung, die dem „archäologischen und ikonographischen Blickwinkel“ explizit entgegenwirken sollte.96 Bilder eröffneten Einblicke in ein kulturelles Universum außerhalb Europas, so jedenfalls sah es Kramrisch, ähnlich wie Coomaraswamy. „Kunst ist eine Sprache, für die wir anfangs vielleicht die Symbole unserer Schriftsprache brauchen, um uns ihre Geheimnisse zu erschließen, so ist sie eigentlich doch eine Sprache mit ganz eigenen Symbolen, die wir nicht richtig verstehen und begreifen können, wenn wir nicht lernen, diese Symbole direkt zu lesen“, schrieb sie.97

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Die Fotografie schuf eine neue Nähe und schärfte den Blick für kultische Kunst. Die Ausstellung sollte die Betrachter aus der westlichen Welt in eine Welt der Ästhetik entführen, in deren Zentrum das alte Indien stand. Sie war gleichsam ein intellektuelles politisches Programm, durchdrungen sowohl von der antikolonialen Absicht der Inder als auch vom großen Ethos der deutschen Gelehrsamkeit, das Bild der Welt anders zu sehen als im geordneten Rahmen der angelsächsischen Weltsicht. Die Ausstellung unter dem Titel „The Meaning of the Hindu Temple and Its Decoration“ (Die Bedeutung des Hindu-Tempels und seines Dekors) war dem Hindu-Tempel als einem religiösen Umfeld gewidmet. Sie bildete den Kern ihres späteren Meisterwerks The Hindu Temple (1946). Ziel der Ausstellung war es, „eine zusammenhängende Wiedergabe der Bedeutung des Tempels als eines religiösen Gebäudes“ zu geben, „auf Grundlage seiner Architektur und der relevanten Sanskrit-Texte“.98 Besonders den ersten Teil der Ausstellung, „The Elevation of the Temple“ (Die Errichtung des Tempels) betrachtete Kramrisch als völlig neu. Sie erklärte darin anhand von Bildern des Tempels die aus ihrer Sicht fundamentale ganzheitliche Philosophie der indischen ästhetischen Tradition. Dieser Teil der Ausstellung umfasste Reflexionen über den Tempel als Abbild der Welt, seiner verschiedenen Ebenen als Symbole für die Entwicklungsstufen sowie der rituellen Objekte als Symbole für die „Fülle des Seins“.99 Kramrisch wollte fotografische Bilder nicht nur als Ersatz für die Betrachtung materieller Objekte zeigen, sondern auch als Träger einer Verzauberungserfahrung für ihre Betrachter. Das Besondere war, dass die Fotografien die Lichtverhältnisse im Tempel zu simulieren vermochten, was Ausstellungsstücke in Museen nicht konnten. „Es ist von grundlegender Bedeutung, dass die ausgewählten Fotografien modern sind und ein breites Publikum ansprechen, das sich mittlerweile gewöhnt hat an ständig aktuelle Fotografien in Tageszeitungen, Zeitschriften usw.“, so Kramrisch.100 Und im Katalog zur Ausstellung beschrieb Kramrisch die fotografische Wiedergabe als Zugewinn für das Originalobjekt. „Indische Skulpturen in Sammlungen sind nur Fragmente eines Ganzen. Sie sind losgelöst vom Körper des Tempels, dem sie zugehören, losgelöst auch von der Umgebung, in der sie erscheinen, vom Licht, das sie umhüllt und das sie abstrahlen. Die Fotografien zeigen das Licht und das Dunkel, die Heimstatt der Skulpturen, an den Außenmauern und im Inneren der indischen Tempel, und sie tragen dazu bei, uns den ursprünglichen Kontext, zu dem sie gehören, lebhaft vor Augen zu stellen.“101 Kramrischs Interesse am der Nutzung von Bildern für pädagogische Zwecke wurde durch die immens populäre Rezeption des Indischen Orientalismus im deutschsprachigen Europa der 1920er Jahre gewiss bestärkt. Ironischerweise haben Kramrischs Interpretationen der indisch-sanskritischen Tradition das deutsche und österreichische Publikum in den Zwischenkriegs-

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jahren nie erreicht, ebensowenig wie ihre Idee, auf der Grundlage von deutschen kunsthistorischen Methoden indische Monumentalbauten allgemeinverständlich zu erklären. Ihr Werk steht beispielhaft für die gedeihlichen Wege in der Ferne, die das Leben deutscher Intellektueller nahm, abgeschnitten und weitab ihrer Heimat. In Kalkutta veröffentlichte Kramrisch 1946 ein zweibändiges Werk mit dem Titel The Hindu Temple. Sie legte darin ihre Methode zur Erforschung sakraler Bildnisse dar, hob auf eine genaue Betrachtung der Objekte ab, und reflektierte was es hieß, den Sakralbildnissen in ihrer originalen Umgebung „mit warmem Herzen“ gegenüberzutreten. Ihr Werk stützte sich stark auf die Selbstreflexion, insbesondere auf das innere Erleben des Betrachters beim Anblick religiöser Hindu-Architektur.102 Das Ethos des Buches Hindu Temple war sowohl historistisch als auch komparatistisch insofern, als dass Kramrisch natürlich die große hinduistische Tradition thematisierte, dabei aber durchgängig anklingen ließ, dass die fremde Welt der alten hinduistischen Vergangenheit erhabener war als die des antiken Westens. Gleichwohl trug das Buch auch expressionistische und anti-empiristische Züge, denn Kramrisch stützte sich nicht nur auf eine große Anzahl von Bildern, um ihre Argumente vorzubringen, sondern sie fasste den Tempel auch als ein dreidimensionales „Wesen“ auf, das den geneigten Besucher umfing und in einer Art mystisch-künstlerischer Sprache zu ihm sprach. Kramrisch stellte das persönliche Erleben bei der Betrachtung der architektonischen Formen des Hindu-Tempels in den Mittelpunkt ihres Buches, um dessen, wie sie es nannte, „tiefere Bedeutung“ zu erschließen, bezogen auf die räumliche Umgebung ebenso wie auf die kulturelle Welt, der er zugehörig war. Im indischen Tempel fand Kramrischs Subjektivität einen Platz im Zentrum der Welt. Um den Tempel zu verstehen, musste er „neu erlebt“ werden, vielleicht in einer Weise, die Rabindranath Tagore wohl am besten verstanden hätte. In der Spätphase ihres Schaffens folgte Kramrisch dem expressionistischen Wunsch, kulturelle Welten neu zu entdecken und sie neu erleben, und kaprizierte sich nicht mehr auf historistische Bemühungen, die Entwicklung einer bestimmten künstlerischen Tradition nachzuzeichnen. Diese Verschiebung spiegelt den weiten intellektuellen Weg wider, den Kramrisch von Dvořáks Wiener Schule bis zu Tagores Bengal School gegangen war. Doch bereits Ende der 1930er Jahre gab es Anzeichen dafür, dass Kramrischs soziale Beziehungen in Kalkutta Belastungen ausgesetzt waren und sie sich zunehmend isoliert fühlte, sich auch selbst zurückzog und vom gesellschaftlichen und kulturellen Leben der Stadt abkapselte. Sie blieb lieber für sich, wie Bekannte sich erinnern, und arbeitete wie besessen. Wenn sie privat zum Tee eingeladen war, brachte sie eigenen Pulverkaffee und ihre eigenen Kekse mit.103 Sie stand in Kontakt mit Fritz Saxl vom Warburg Institute in London, um dort möglicherweise

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einen Lehrauftrag zu bekommen. An der Calcutta University scheint es Spannungen gegeben zu haben, sodass sie sich zunehmend unwohl und nicht mehr wertgeschätzt fühlte.104 1950 verließ sie die Universität endgültig, allerdings nicht im Einvernehmen. Hätte sie früher gehen können, und wäre sie als Jüdin aus Wien nicht staatenlos geworden, so wäre sie wahrscheinlich schon in den frühen 1940er Jahren nach Europa zurückgekehrt. So aber emigrierte sie nach Philadelphia, war zunächst Gastprofessorin an der University of Philadelphia, später Kuratorin für Indische Kunst am Museum of Philadelphia. Kramrisch war bestens gerüstet, um sich erneut intellektuelles Renommee in Amerika aufzubauen. Kramrischs Interesse an der textuellen Natur von Kunst verband sie mit der Wiener Schule. Ihr Fokus auf die experimentelle Natur von Kunst verband sie mit der Bengal School. Doch ihre Überzeugung, dass die Bedeutung der orientalischen Kunstwelt, welche nicht nur im Kontrast stand zur fragilen und seichten Ästhetik des westlichen europäischen Naturalismus der Post-Renaissance, sondern sie auch in den Schatten stellte, verband sie eindeutig auch mit dem streitbaren kontra-normativen Komparatisten Josef Strzygowski. Strzygowski, der sicher war, die Kunst des zentralasiatischen Nordens habe die Kulturen des mediterranen Südens seit jeher überragt, ließ sich in seinen Ansichten vom Komparatismus leiten, um die globale Überlegenheit Mitteleuropas zu bekräftigen. Kramrisch wandte die komparativen Methode hingegen an, um die indische Welt der sakralen Kunst zu offenbaren, sie hatte nichts gemein mit Strzygowskis Überlegenheitsrhetorik. Strzygowski sprach voller Selbstbewusstsein über den Orient, ohne jemals dort gewesen zu sein. Kramrisch hingegen blieb fast dreißig Jahre lang in Kalkutta und beteiligte sich, anders als Strzygowski mit seinem selbstbezogenen Monolog über Weltkunst, intensiv an Dialogen und Debatten. Sie war mit ihrem künstlerischen Denken in der Mitte zwischen Wien und Bengalen angesiedelt und stand zwischen Komparatismus, Historizismus und Expressionismus.

Kino und indische Kreativität In der Zeit der Swadeshi-Bewegung war Dadasaheb Phalke aus Bombay einer der Pioniere der bewegten Bilder in Indien. Er war der erste Inder, der Filme drehte, und der sich mit der politischen Bedeutung der Filmproduktion kritisch auseinandersetzte.105 Ein weiterer Pionier unter den Filmemachern des frühen indischen Films war Jamshedji Framji Madan, der das erste große Filmtheater in Bombay betrieb. Einer seiner Söhne, Jeejeebhoy Jamshedji Madan, inspiriert von der großen Macht indischer Intellektueller, wollte den indischen Film international wettbewerbsfähig machen, indem er Wissen und Know-how aus dem Ausland

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holte und es indischen Filmemachern und Produzenten vermittelte. So unternahm er 1928 eine Studienreise nach Hollywood, von wo er amerikanische Schauspieler mit einem Zweijahresvertrag nach Bombay holte, damit sie dort Schauspielunterricht nach amerikanischem Vorbild erteilten.106 Das Madan-Studio wurde nach dem Vorbild Hollywoods konzipiert, was auch eine unverfrorene Überschreitung der Grenzen des British Empire darstellte.107 Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs stammten 85 Prozent der nach Indien importierten Filme aus den Vereinigten Staaten.108 Amerikanische Filme mit Verfolgungsszenen und witzigen Pointen unterhielten das Publikum.109 Deutsche Filme wiederum waren international für ihr technische Perfektion bekannt, für die expressionistische Ausleuchtung des Filmsets und die Montage-Technik. Auch Spezialeffekte standen in Indien hoch im Kurs; die aber waren für indische Filmemacher, im festen technologischen Würgegriff der britischen Kolonialherren, kaum zu realisieren. Das indische Publikum war großenteils auf importierte Filme angewiesen, wollte es in den Genuss fortschrittlicher Filmkunst kommen. Das futuristische Stummfilm-Epos Metropolis, eine Produktion der deutschen UFA (Universum-Film AG), die 1927 in die Kinos kam, hatte in Indien durchschlagenden Erfolg. Doch mit dem Erfolg der Hollywood-Filme konnten deutsche Filme nicht konkurrieren.110 Amerikanische Produzenten kontrollierten in den 1920er Jahren neunzig Prozent des indischen Filmmarktes. Und doch waren es Berlin und München, nicht Hollywood, die sich in den späten 1920er Jahren als wichtigste Zulieferer von filmischen Methoden und Technologien nach Indien hervortaten. Wie wir noch sehen werden, war die Entwicklung von Methoden und Technologien in Deutschland selbst mit den Mythen des orientalischen Zaubers ebenso verflochten wie mit den gesellschaftlichen und künstlerischen Beiträgen indischer Filmschaffender Bereits 1919 publizierte Himanshu Rai einen Aufsatz im UFA-Feuilleton, in dem er erläuterte, welch großes Potential das national-indische Kino für eine weltweite Anerkennung hätte, wenn es noch engere Kontakte mit Deutschland aufbaute.111 In den 1920er Jahren waren fünf Inder zur Ausbildung bei der UFA, die in Babelsberg Fotografie oder Film studierten.112 Zohra Segal studierte 1928 für drei Jahre modernen Tanz an Mary Wigmans Tanzschule in Dresden, bevor sie nach Indien zurückkehrte, um eine Schauspielkarriere zu beginnen.113 1933 kam V. Shantaram nach Berlin, um in den Labors der AGFA seinen in Farbe gedrehten Film Sairandhri zu entwickeln.114 Und 1939 brach auch Suresh Chandra Das von der Produktionsfirma Kali Films in Kalkutta zu einer Studienreise nach Berlin auf, um bei AGFA neue Kenntnisse für das eigene Unternehmen zu erwerben.115 Devika Rani, eine Großnichte von Rabindranath Tagore, wurde als einer der berühmtesten indischen Film-Superstars dafür gefeiert, das „Ansehen des indischen Kinos im Ausland“ gesteigert zu haben.116 Mit ihr hielten auch „ehrbare“

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Hindu-Frauen Einzug in das indische Kino, nachdem dort in der ersten Generation nur Filmschauspielerinnen anglo-indischer Herkunft, wie Ruby Myers, Renee Smith oder Beryl Cleason zu sehen gewesen waren.117 Devika Rani hatte als Bühnenbildnerin in London gearbeitet und an der Royal Academy of Dramatic Arts in London ein Studium der Theater- und Schauspielkunst absolviert.Von dort aus ging sie 1928 nach Berlin, um unter dem österreichischen Filmregisseur G. W. Pabst in Babelsberg zu arbeiten, wo sie, wie sie später erzählte, während der Dreharbeiten zu Blauer Engel das Make-up-Tablett für Marlene Dietrich hielt.118 In den 1930er Jahren produzierte Devika Rani etliche Filme für die indische Filmgesellschaft Bombay Talkies, in denen sie auch die Hauptrolle spielte. Bombay Talkies war die erste große indische Tonfilmgesellschaft auf modernstem technischem Niveau und die wichtigste Talentschmiede in der jungen, aufstrebenden Filmindustrie von Bombay.119 Devika Rani wurde zu einem der ersten weiblichen Superstars des indischen Kinos und zu einer wichtigen Förderin junger Talente.

Die deutsche Gefahr im Filmgeschäft In den Jahren 1927 und 1928 untersuchte das von der indischen Regierung eingesetzte Indian Cinematograph Committee (ICC) die Filmindustrie, um die Monopolisierung des indischen Marktes durch amerikanische und deutsche Firmen zu verhindern.120 Das Komitee unter Vorsitz des indischen Anwaltes T. Rangachariar setzte sich aus drei britischen Kolonialbeamten und drei Vertretern der Filmindustrie zusammen. Seine Aufgabe bestand darin, sämtliche Kinofilme kritisch zu prüfen, um eine „unmoralische Wirkung“ und die Verletzung „religiöser Gefühle“ zu vermeiden und entsprechende Empfehlungen abzugeben.121 Im Verlauf der Untersuchungen wurden insgesamt 239 Zeugen gehört, und 25 Kinos besucht. Mit seiner großen Zahl an Kinos übertraf Bombay 1927 alle anderen indischen Städte bei weitem.122 Die zweitgrößte Kino-Stadt in Indien war Kalkutta. Die Madan-Filmtheater eröffneten in allen Teilen des Landes Häuser und waren damit die größte Kinokette in indischer Hand.123 Im ICC war man sich einig, dass es zur weiteren Entwicklung des indischen Kinos brauchte es nach wie vor neue Techniken und Zugang zu neuesten Technologien brauchte. Wie das ICC mit einiger Besorgnis feststellte, waren es auch staatliche Subventionen, die den deutschen Film international nach vorn brachten. Das sogenannte „Kontingent-System“, also die Bereitstellung staatlicher Unterstützung für deutsche Filmhäuser, trug zur internationalen Verbreitung des deutschen Films bei und machte ihn fast so billig wie die amerikanische Konkurrenz. Zudem konnten die Filme in der Stummfilm-Ära recht einfach international vermarktet

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werden, lediglich die Zwischentitel mussten geändert werden. Das ICC kam zu dem Schluss, dass die praktische Ausbildung in Film und Kinotechnik dringend vonnöten sei, und forderte eine robustere heimische Filmindustrie, um die Abhängigkeit von amerikanischen und deutschen Produktionen einzudämmen. „Es besteht dringender Verbesserungsbedarf, in der Entwicklung der Geschichten, der Drehbücher, der Filmschauspieler, der Technik, der Fotografie – einfach in jeder Hinsicht, trotz einiger Fortschritte, insbesondere in der Fotografie“, hieß es im Bericht des Komitees. Er enthielt eine Reihe von Vorschlägen, darunter eine Änderung des Tarifsystems, die Vergabe von Stipendien und die Einrichtung neuer Ausbildungsgänge; schließlich wies er auf die Gefahr einer „nicht-indischen“ Kontrolle des Sektors hin. Die größte Sorge aber bereiteten dem ICC der Schauspieler und Regisseur Himanshu Rai, ein Schüler von Rabindranath Tagore, sowie der Drehbuchautor Niranjan Pal, Sohn des radikalen Swadeshi-Führers Bipin Chandra Pal.124 Nach einem kurzzeitigen Einsatz als Waffenschmuggler für die Swadeshi-Aktivisten im Ausland ließ sich Niranjan Pal in London nieder, und auch Himanshu Rai ging nach London, nachdem er sein Studium an der Viśva Bhārati University abgeschlossen hatte. Dort hatte er vor, gemeinsam mit seinem Freund Niranjan Pal Drehbücher zu schreiben und mögliche Sponsoren zur Produktion indischer Filme für ein internationales Publikum zu gewinnen.125 Als die beiden Freunde ihre Idee im Jahr 1921 zu realisieren begannen, hatte Rabindranath Tagore seine erste Reise durch Kontinentaleuropa gerade abgeschlossen. Auf seiner dritten Reise 1930 besuchte Rabindranath Tagore die weltweit bekannten Oberammergauer Passionsspiele, die ihn außerordentlich beeindruckten. Die Aufführung fand in der bengalischen Presse ein breites Echo, was Niranjan Pal und Himanshu Rai auf die Idee brachte, eine Filmreihe über die Propheten der Weltreligionen zu drehen.126 Der vergleichende Ansatz ihrer Konzeption, die verschiedenen religiösen Mythen auf die gleiche Stufe zu stellen, war in doppelter Hinsicht bemerkenswert: zum einen wegen der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem Ethos des Swadeshi-Internationalismus, zum anderen wegen der raffinierten Strategie, sich mit einem indischen Filmerfolg auf dem expandierenden internationalen Filmmarkt hervorzutun. Der erste Film der Reihe sollte das Leben des Buddha thematisieren, der zweite das Leiden Christi. Die beiden indischen Kino-Kolporteure hofften außerdem, mit ihrer Filmreihe die Karrieren indischer Schauspieler und Filmemacher zu befördern und ihnen weltweit zu Ruhm und Ehre zu verhelfen. Pal wusste, dass der Indische Orientalismus in Deutschland sehr populär war und wollte die Nachfrage auf dem Markt gerne bedienen. Drehbücher, die sich buddhistischer und christlicher Themen bedienten, würden gut in die allgemeine Stimmung der Zeit passen, in Europa ebenso wie in Amerika, und potenziell auch

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in Indien, wo „mythologisch“ orientierte Filme neben solchen mit „sozialen“ und „historischen“ Bezügen erfolgreich waren. In London lernte Himanshu Rai die indische Filmschauspielerin Devika Rani kennen, und zusammen mit Niranjan Pal gingen sie bald schon eine folgenreiche Liaison ein, die schließlich zur Gründung der indischen Filmgesellschaft The Bombay Talkies mit einer Reihe enger Mitarbeiter aus Deutschland führen sollte. 1924 reisten Himanshu Rai und Niranjan Pal nach Deutschland, um bei der EMELKA, der Münchener Lichtspielkunst AG (heute Bavaria Film GmbH) Fördergelder für ihre Filmreihe über das Leben Buddhas und das Leiden Christi einzuwerben. In München lernten sie auch Franz Osten kennen, den deutschen Filmregisseur, der sowohl in Deutschland als auch in Indien tätig war. Die EMELKA hatte sich unter neuer Führung gerade neu aufgestellt, und die Investoren zeigten sich von der Aussicht auf einen Film über Buddha begeistert, zumal die Faszination für alles Orientalische damals auch in Deutschland auf dem Höhepunkt war. Die Zusammenarbeit mit indischen Filmschaffenden würde dem Film sicherlich ein zusätzliches authentisches Gepräge geben, sein Prestige auf dem deutschen Markt steigern und ihn abheben von der wachsenden Zahl anderer Orientfilme, die mit schwarz geschminkten oder afro-amerikanischen Schauspielern als Ersatz für Inder gedreht wurden.127 Im Übrigen waren Geschichten, die von Liebe erzählen, vom Mythos des Orients als Ort exotischer Sinnlichkeit, ein Standard-Genre des frühen deutschen Stummfilms.128 Exotische Filme über den Orient waren von Anfang an ein großes Geschäft. Die typischen Handlungsstrukturen des frühen deutschen Orient-Films bedienten orientalische Stereotypen von galanten asiatischen Männern, die europäische Frauen verführten. Auch zum Thema Dreiecksbeziehung im Orient gab es etliche Filme: das deutsche Stummfilmdrama Opium (1919) von Robert Reinert; Die Perle des Orients (1919) von Karlheinz Martin; Das Indische Grabmal/Der Tiger von Eschnapur (1921) von John May, zu dem Fritz Lang und Thea von Harbou das Drehbuch schrieben, auf Grundlage des gleichnamigen orientalischen Erfolgsromans aus von Harbous Feder.129 Große Erfolge feierten auch Die Lieblingsfrau des Maharadscha (1920) von Max Mack und Sumurun (1920) von Ernst Lubitsch. Mit Der Brunnen des Wahnsinns (1919), produziert von Ottmar Ostermayr, wagte die EMELKA den ersten Versuch im Genre des exotischen Orient-Films.130 Nur Filme über Indianer an der amerikanischen „Frontier“ konnten im deutschen Kino noch größere Erfolge verzeichnen.131 In den 1920ern speisten sich filmische Innovationen aus der weit verbreiteten Faszination für den Indischen Orientalismus der Zwischenkriegszeit, einschließlich des Buddhismus als Weltreligion, der welthistorischen indischen Epen und der gigantischen Geographie des Himalaya. Filme über den Himalaya, oft im dokumentarischen Stil erzählt und mit dem Triumph des Willens im Vor-

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dergrund, ließen noch in den Jahren des Nationalsozialismus die Kassen klingeln. Themen eines eher philologisch inspirierten Orientalismus fanden erst ab den späten 1920er Jahren ihren Weg auf die Leinwand, nicht zuletzt durch Bemühungen von Franz Osten und EMELKA. Aus der ersten Zusammenarbeit von Rai und Pals mit Osten und EMELKA entstand in deutsch-indischer Koproduktion der Film The Light of Asia (1925, „Die Leuchte Asiens“), eine Adaption von Arnold Edwins Erzählung über das Leben des historischen Buddha Gautama, von dessen Geburt bis zum Eintritt ins Nirwana.132 Er war ein voller Erfolg.133 Franz Osten wurde 1876 als ältester Sohn des Porträtfotografen Franz Xaver Ostermayr in München geboren. Seinen ersten Film drehte er 1911. Im Ersten Weltkrieg leistete er Militärdienst in Südtirol, Galizien und Frankreich. EMELKA war die Produktionsgesellschaft seines jüngeren Bruders Peter Ostermayr, gegründet im April 1918. Die Filmproduktion, angesiedelt im kulturellen Milieu der Münchner Avantgarde zwischen Bühne und Leinwand, war das süddeutsche Pendant zur UFA in Berlin.134 Bekannt war die EMELKA für ihre extravaganten historischen Kostüm-Dramen.135 1924 war Osten 48 Jahre alt und hatte bereits einen Ruf als überregional bekannter deutscher Regisseur. In den frühen 1920er Jahren war München noch das Zentrum des deutschen Films, die Berliner UFA setzte sich erst gegen Ende des Jahrzehnts an die Spitze.136 Light of Asia war der erste Film in Spielfilmlänge unter deutscher Produktion und Regie, der vor Ort in Indien gedreht worden war. Der Film setzte stilistisch und thematisch ganz neue Akzente: Erstens durch den Blick für ethnographische Details, zweitens durch den Einsatz indischer Schauspieler und drittens durch einen Handlungsstrang, der die Schlüsselthemen aufnahm, die den Zauber des indischen Orientalismus der Nachkriegsjahre kennzeichneten.137 Mit seiner mythischen Opulenz, seiner extravaganten Kulisse und seinem religiösen Inhalt war der Film darauf angelegt, sein Publikum in eine neue Welt zu entführen, in eine Welt, die nicht nur fremder, sondern auch anziehender war als die Alltagswelt der Nachkriegsrealität. Und vielleicht lag es genau daran, dass Light of Asia auf den Kinoleinwänden in Großbritannien und den Vereinigten Staaten eher mäßigen Erfolg hatte, während der Film in Deutschland ein echter Kassenschlager wurde.138 Himanshu Rai und Franz Osten erneuerten ihre Zusammenarbeit schon zwei Jahre später. Inspiriert von der Geschichte der großen Liebe des indischen Großmoguls Shah Jahan zu seiner (dritten) Ehefrau Mumtaz Mahal und dem Bau des prachtvollen Taj Mahal als Zeichen seiner Liebe, drehten sie Shiraz: Das Grabmal einer großen Liebe. Auch dieser Film wurde vor Ort in Indien gedreht, erbrach an den deutschen Kinokassen alle Rekorde. Dass man für deutsche Produktionen indische Schauspieler und Drehbuchautoren engagierte und noch

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dazu indische Landschaften und Kulissen nutzte (wobei Shiraz eine deutschbritische Koproduktion war), war den britischen Kolonialverwaltern ein Dorn im Auge. Die Wirkung, die das Schaffen indischer Schauspieler und Filmemacher im Ausland hatte, entzog sich der imperialen Kontrolle. Die imaginierte orientalische Welt, die den deutschen Kinobesuchern in den Jahren nach Versailles als Zuflucht diente, wurde erschaffen aus der realen Welt globaler Kreisläufe und indischer Kreativität, die jenseits der engen Grenzen eines zunehmend unzeitgemäßen British Empire lagen. Rai wurde vom Indian Cinematograph Committee (ICC) dazu befragt, weshalb er seine Filme mit ausländischen Fördermitteln finanzierte, warum er sie auf die internationalen Märkte brachte und wieso er Techniken und Technologien verwendete, die von außerhalb der britisch kolonialen Welt eingeführt werden mussten. Die britische Regierung Indiens wollte, dass die Weltsicht der Inder nach innen gerichtet blieb, verhaftet in der Weltsicht des liberalen Empire. Himanshu Rai sagte vor dem ICC aus und verteidigte seine Arbeit mit deutschen Regisseuren, Kameraleuten und Produktionsteams ebenso wie den Zufluss von Fördergeldern aus deutschen Produktionshäusern. Den Bedenken des Komitees begegnete Himanshu Rai, indem er auf rein pragmatische Aspekte abhob: Je größer die Zahl der Zuschauer indischer Filme im Ausland, desto größer das Geschäft für indische Produzenten und Regisseure. Himanshu Rai erklärte, dass indische Investoren nicht bereit waren, größere Summen in Filmprojekte zu investieren. „Was blieb mir anderes übrig. Ich habe kein Geld. Also habe ich mich, um es zu bekommen, an Leute gewandt, die einer anderen Nationalität angehören.“139 Unter den gegebenen Umständen, so erklärte er weiter, müsse er alles versuchen, um an ausländische Gelder zu kommen, solange jedenfalls, bis sein endgültiges Ziel erreicht sei, indische Filmhäuser im Inland aufzubauen und das Interesse indischer Investoren zu wecken. „Den Aussagen von Herrn Himanshu Rai zufolge“, so ein Mitglied des ICC, „hätten in erster Linie die Deutschen profitiert, wenn die ursprünglichen Verhandlungen mit ihnen gefruchtet hätten. Würde man ein solch unternehmerisches Gebaren als förderungswürdig erachten, was sollte die Amerikaner dann ihrerseits hindern, in das Geschäft hierzulande einzusteigen? Sofern es stimmt, was Herr Himanshu Rai sagt, dass er bei jedem Inder, den er um finanzielle Hilfe ersuchte, auf taube Ohren stieß.“140 Das ICC hatte offenbar durchaus Sorge, dass ausländisches Kapital aus Deutschland und aus Amerika die erfolgreiche Entwicklung einer einheimischen Filmindustrie behindern könne. Das ist sicher die harmlosere Deutung. Man könnte auch sagen, dass die Kolonialverwalter darauf bedacht waren, den indischen Kinomarkt vor außerimperialen Interessen zu schützen. Seine Filme, darauf bestand Himanshu Rai, waren nicht weniger indisch und nicht weniger nationalistisch, nur weil sie in internationaler Zusammenarbeit

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entstanden. „Mich hat niemand geschickt. Ich bin der Produzent dieser Filme. Ich habe dafür Geld von einem Kapitalgeber genommen. Ich habe meine Abnehmer, und ich engagiere meine Künstler. Es ist meine Produktion. Also ist es eine indische Produktion.“ Er wurde ordentlich in die Mangel genommen, setzte sich aber heftig zur Wehr. „Meine Filme sind swadeshi insofern, als dass Urheber, Mitwirkende und die Geschichten allesamt swadeshi sind.“141 Richtig ist: die Produktion des indisch-nationalistischen Kinos fand in Indien statt, mit ein paar Drehorten im Ausland. Der indische Filmkritiker Naval Gandhi schrieb in einem Artikel für die Berliner Lichtbild-Bühne: „Die deutsche Filmindustrie wird auf dem indischen Markt gewaltige Möglichkeiten haben, so sie ihre Chance wahrnimmt und ein aktives Interesse an dieser fernen Region zeigt … An schönen szenischen Motiven und billigen Arbeitskräften, die sich leicht für den Film einsetzen lassen, mangelt es gewiss nicht.“142 Abgesehen von der Rolle Deutschlands als Geldgeber hatten alle Beteiligten im indischen Filmgeschäft auch ein feines Gespür für die qualitativ sehr hochwertige deutsche Ausrüstung und die Technologie, die besser waren als die aus Hollywood. Während Technologien, Techniken und Finanzierung aus Deutschland kamen, wies Himanshu Rai ausdrücklich darauf hin, dass die Drehbücher von Indern geschrieben wurden und sich aus lokalen Themen speisten, und dass der Schauspielstil eindeutig indisch war. Ausländische Techniken, verflochten mit lokalem Talent und lokalem Stil, erzeugten die Mischung, die das kreative Potenzial des indischen Kinos und auch das Ansehen Indiens im eigenen Land stärkte. „Wir vermögen unsere Gefühle nicht in gleicher Weise auszudrücken, wie dies Engländer tun, und mit jedem Versuch, dies zu imitieren, wäre das Ganze sofort verdorben, es wäre lächerlich und die Leute würden sich darüber lustig machen. Also besser keine Mimik zeigen und allein die Augen sprechen lassen. In der Filmkunst ist die Zeit des Verzichts auf jegliche Mimik gekommen. Mienenspiel findet nurmehr auf der Bühne statt. Mir liegt viel daran, dass jeder Ausdruck, der gezeigt wird, indisch ist“, so Himanshu.143 Im Weiteren unterschied er zwischen ausländischen Technologien und einheimischen Stilformen und beharrte darauf, dass der indische Stil mit anderen kulturellen Kontexten vermischt werden könne und dennoch svadeśi bleibe, „dem eigenen Land treu“. In der Auseinandersetzung zwischen dem Indian Cinematograph Committee und Himanshu Rai wurden konträre Werte gegeneinander ausgespielt. Die Mitglieder des Komitees argumentierten mit der absoluten Notwendigkeit, indisches Kapital in Indien zu halten, die indische Industrie vor Ort zu entwickeln und sie nicht in die Hände ausländischer Unternehmen zu geben. Himanshu Rai hingegen führte nationalistische Argumente an und betonte die Dringlichkeit, Indien zu einem international angesehenen Kulturproduzenten zu machen. Internatio-

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nale Anerkennung, so Himanshu Rai, sei diesem Zweck durchaus förderlich. Auch seine geopolitischen Ambitionen waren so notwendigerweise internationalistisch und nach außen orientiert – sie verlangten nicht nur die Anerkennung deutscher Kooperationspartner, sondern benötigten auch ausländisches Kapital und Filmtechnik, um indischen Ziele zu erreichen. Die Arbeitsbeziehung zwischen Himanshu Rai und Franz Osten festigte sich erst, nachdem das ICC seinem Unmut über die Zusammenarbeit ziemlich deutlich Ausdruck verliehen hatte. Rais und Ostens dritter gemeinsamer Film, Schicksalswürfel („A Throw of Dice“), kam 1929 in die Kinos. Inspiriert von einer Episode aus dem Mahābhārata, einem altindischen Epos, in dem es zu allen möglichen Verwechslungen kommt und ein Königreich im Würfelspiel verlorengeht, war auch dieser Film vor Ort in Indien gedreht worden. Mit Schicksalswürfel feierte Osten in Deutschland seinen größten Erfolg.144 Die drei Stummfilme, für die Osten in den 1920er Jahren als Hauptregisseur in Indien tätig war, wiesen allesamt mythische Grundelemente auf. Sie spielten in den „ewigen Weiten des Dschungels“, handelten von Maharadschas und Maharanis, griffen indologische Themen aus dem Mahābhārata oder dem Buddhismus auf und suchten die Erhabenheit des Mythos zu beschwören. Niranjan Pal, Himanshu Rai, Devika Rani, Franz Osten und Josef Wirsching hatten ein gutes Rezept für große Kinoerfolge in Deutschland gefunden, das aus der allseitigen Popularisierung von romantisierten Orientvorstellungen in der deutschen Gesellschaft nach Versailles schöpfte.

Kinopublikum und indische Kreative In seinen Presseartikeln stellte Osten sich selbst meist als ein Kommunikator europäischer Technik dar, der dafür indisch-kulturelle Authentizität in Empfang nahm. Die Authentizität Indiens war das große Werbeargument seiner frühen orientalistischen Filme. „Die Aufgabe, die ich zusammen mit meinen treuen Helfern … zu bewältigen hatte, war die Produktion eines authentischen indischen Films mit ausschließlich indischen Schauspielern, indischer Ausstattung, indischen Kostümen und Accessoires. Natürlich haben amerikanische und europäische Produktionsfirmen schon vor uns Filme in Indien gedreht, den kompletten Spielfilm dann aber in ihren eigenen Studios mit ihren eigenen Schauspielern fertiggestellt.“145 Er warb damit, sein deutsches Publikum hinter die Kulissen zu führen, damit es mit eigenen Augen sehen konnte, wie authentisch Schauspieler, Requisiten und Kulissen waren. „Da der Film zu Lebzeiten Buddhas spielt, war es wichtig, nur Gebäude zu verwenden, die aus jener Zeit stammten. Zu diesem Zweck drehten wir die meisten Szenen in Ober-Hindustan, nördlich von Kalkutta,

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ungefähr dort, wo Buddha herkam und wo die Dörfer noch immer ursprünglich sind, unberührt von europäischen Einflüssen. Einer der reichsten Maharadschas zeigte sich besonders interessiert an unserer Arbeit. Er bot uns jede erdenkliche Hilfe und Unterstützung an, stellte uns für die Filmarbeiten nicht nur jede Menge Leute zur Verfügung, sondern auch rund dreißig Elefanten.“146 Osten sprach sogar davon, dass sich seine indischen Mitarbeiter „der Bewahrung der alten Traditionen des indischen Theaters verpflichtet“ fühlten. Rezensionen in der LichtbildBühne und im Film-Kurier sangen regelmäßig wahre Lobeshymnen auf die „spirituelle Authentizität“ seiner Filme. Während wir uns bei seinen Werken erklärlicherweise auf die filmischen Projektionen europäischer Vorstellungswelten konzentrieren, die Osten und seinem Publikum durch den Kopf gingen, dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass seine Filme, ebenso wie auch einige andere der populärsten Produktionen im Deutschland der 1920er Jahre, sich in ihrem innersten Kern aus urindischen Quellen speisten und durch indische Kooperationen vorangetrieben wurden. Anders gesagt: Sich lediglich auf Ostens „deutsche“ Denkweise und auf die germanischen Ausprägungen des orientalistischen Diskurses zu konzentrieren, hieße, die andere Hälfte des Prozesses zu ignorieren, der von kulturellen Verflechtungen, Koproduktion und gegenseitigen Abhängigkeiten des dialogischen Handelns lebte. Dass Bombay Talkies in Indien ein derart hohes produktionstechnisches Niveau aufbauen konnte, führt Gerhard Koch vor allem auf die deutsche Beteiligung zurück, speziell bei technischen Neuerungen.147 In einer biographischen Notiz erklärte Franz Osten, dass er die technischen und administrativen Aspekte von Bombay Talkies nach deutschem Vorbild organisiert habe und bemerkte nicht ohne Stolz, dass „deutsche Apparate und Materialien“ angekauft worden seien.148 Im Jahr 1927 zog Osten von München nach Berlin. Im folgenden Jahr reiste er im Auftrag der UFA erneut nach Indien, um bei Shiraz Regie zu führen. Zu dieser Zeit veröffentlichte er in den wichtigsten Filmzeitschriften Artikel über die Regiearbeit vor Ort in Indien, nachdem seine drei Indien-Filme jeweils große kommerzielle Erfolge erzielt hatten.149 Danach war er zwischen 1929 und 1934 weiterhin für verschiedene deutsche Produktionsfirmen tätig. Doch der Druck, Spielfilme in Propagandaträger für das Deutsche Reich zu verwandeln, setzte ihm immer mehr zu. Tatsächlich war Osten eigentlich für sein breitgefächertes Themenrepertoire bekannt. Sein Film über Johann Strauss’ Der zerstreute Walzer sowie sein Film Zu Straßburg auf der Schanz waren Musicals. Er inszenierte „Kulturfilme“, ein dokumentarisches Format zur Aufarbeitung historischer Ereignisse, wie zum Beispiel einen Film über das Leben der 1898 ermordeten Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn.150 Auch bei etlichen Krimis führte er Regie, wie zum Beispiel bei Die Damen in Schwarz.151 Ein Film wie Der Judas von Tirol fiel mit seinem nationalistischen Flair in das Genre des Heimatfilms. Der Judas von

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Tirol spielt Anfang des 19. Jahrhunderts in einem deutschsprachigen Dorf in Tirol, das während der Napoleonischen Kriege besetzt war; der Film erzählt die Geschichte des Freiheitskämpfers Andreas Hofer, der sich dort versteckt hält und von einem Knecht verraten wird. Nach 1933 setzten die Nationalsozialisten über zweitausend deutsche Regisseure, Produzenten, Schauspieler und Techniker auf schwarze Listen.Wie so viele andere Künstler und Kreative, die das Glück hatten zu entkommen, wurden auch deutsche Filmschaffende in den 1930er und 1940er Jahren ins Exil gezwungen. Regisseure aus Deutschland und Europa kamen scharenweise nach Hollywood, darunter Fritz Lang und Douglas Sirk, oder sie flüchteten nach Paris wie G. W. Pabst und Lotte Eisner, oder nach London wie Max Schach.Von allen Fluchtzielen war Hollywood das begehrteste. Mehr als fünfhundert deutschsprachige Emigranten fanden Arbeit in amerikanischen Film- und Fernseh-Studios. Während es die meisten emigrierten Talente nach Westen zog, nach London und Los Angeles, reisten Osten und seine Truppe nach Osten, nach Bombay. Anfang 1934 verließ Osten NS-Deutschland und ging zusammen mit dem außerordentlich begabten jungen Kameramann Josef Wirsching und dem Filmarchitekten Karl von Spreti in das Wahlexil Bombay. In einem Schreiben vom Juni 1934 wurde Osten darüber in Kenntnis gesetzt, dass man seiner Filmgesellschaft „Ideal Film“ keine Geschäftszulassung erteilen würde, da die geforderten Dokumente, die Ostens „arische Wurzeln“ belegen sollten, nicht vorlägen. Osten zögerte es hinaus, seine Unterlagen an die Reichsfachschaft Film weiterzuleiten, einer berufsständischen Dachorganisation unter der Kontrolle des Propagandaministeriums.153 1934 trat er schließlich der NSDAP bei, versuchte in der Folge aber zunehmend, sich vom deutschen Filmmarkt zu distanzieren. Sein Bestreben, die nazifizierte deutsche Filmindustrie zu meiden, die mit Filmen über Heimat und Vaterland, Bergsteigen und dem geopolitischen „Triumph des Willens“ übersättigt war, führte Osten nach Indien. Er unternahm erste Versuche, seine Filme indischer zu machen und den indischen Orientalismus abzulegen, der seine Filme in der Zeit der Weimarer Republik gekennzeichnet hatte. Das nationalsozialistische Regime förderte Filme über den germanischen Aufstieg in der Welt in verschiedenen Genres. Die Filmemacher waren in dieser Zeit geradezu fixiert auf welthistorische Erzählstoffe für große Monumental- und Historienfilme. In den 1930er Jahren entstanden heroische Filme über deutsche Himalaya-Expeditionen. Kampf um den Himalaya (1938) war ein Dokumentarfilm um eine Gruppe deutscher Bergsteiger, von denen sieben beim Versuch, den Gipfel des Nanga Parbat im heutigen Pakistan zu besteigen, ums Leben kamen.154 Der Dämon des Himalaya (1935) von Günter Oskar Dyhrenfurth entwickelte auf der Grundlage dieser wahren Geschichte eine fiktionale Handlung.155

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Die Filme von Karl Ritter, Leni Riefenstahl, Hans Steinhof und Gustav Ucicky bildeten Fantasien vom geopolitischen Kampf und völkischer Überlegenheit der Deutschen ab. Insbesondere Ucickys Filme erzählten von der gefahrvollen Rückkehr der Auslandsdeutschen in die Heimat, mal aus Osteuropa (Heimkehr, 1941) und mal sogar aus der Mandschurei (Die Flüchtlinge, 1928).156 Der beliebteste Regisseur während der NS-Zeit aber war der Österreicher Colin Ross mit seinen monumentalen geopolitischen Dokumentarfilmen.157 Seine Filme konzentrierten sich auf Amerika und den asiatisch-pazifischen Raum von Indien über Japan bis nach Australien, darunter auch sein populärer Film Achtung Asien! Achtung Australien!. Ross reiste mit seiner Familie, und seine Ehefrau und seine Kinder waren in vielen seiner Filme zu sehen. Er vermarktete sich so als arischer Entdecker und pater familias. Franz Ostens talentierter Kameramann Josef Wirsching arbeitete in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren, als die Zusammenarbeit mit Indern unterbrochen war, an einer Reihe von geopolitischen Filmen und Heimatfilmen.159 Einer der berühmtesten war Kreuzer Emden im Indischen Ozean (1926), ein nationalistischer Film über einen deutschen Kreuzer, der 1915 im britisch-indischen Madras Ölanlagen in Brand schießt, woraufhin es in Singapur zu einer Meuterei der dort stationierten britisch-indischen Soldaten kommt. Mit Stoßtrupp 1917 (1934) setzte Wirsching deutsche Fronterfahrungen in Szene. Unter Palmen und Pagoden (1934) brachte eine Reise-Dokumentation durch die Inselwelt von Thailand. Nachdem er 1935 nach Indien ausgewandert war, endete seine Karriere im deutschen Film, mit Ausnahme eines letzten deutschsprachigen Projekts: An den Grenzen Tibets (1943) bediente sich noch einmal des Indischen Orientalismus, um ein breites deutsches Publikum anzusprechen. Doch das Beste stand Wirsching noch bevor: In der Zusammenarbeit mit den größten Filmstars und Regisseuren des indischen Kinos wurde er zu einem der legendären Kameramänner Bollywoods und setzte mit seiner arrivierten Kameratechnik für den indischen Film der Jahrhundertmitte neue Maßstäbe. Wirsching ließ in seine Filme den deutschen Expressionismus der 1920er Jahre einfließen. Viele berühmte Filme tragen unverkennbar seine Handschrift, wobei insbesondere Tiefenschärfeaufnahmen und Kameraeffekte zum Einsatz kamen, mit denen auf der Leinwand geisterhafte und ätherische Stimmungen erzeugt werden. Wirschings Kamera betete seine Heldinnen geradezu an und schuf ikonische Bilder großer indischer Schauspielerinnen, wie etwa Madhubala in Wirschings erfolgreichem Meisterwerk Mahal (1949), oder Meena Kumari im opulent inszenierten Spielfilm Pakeezah (1972). Wenn Stella Kramrischs Fotografien und archäologischen Objekte durchdrungen waren vom Geist von Shantiniketan und Kalā Bhavān, vom Drang, die Lebenskraft (rasa) zu enthüllen, wie sie in der indischen Kunst ihren Ausdruck

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fand, folgte Himanshu Rais und Franz Ostens filmische Zusammenarbeit anderen, wenngleich verwandten Pfaden im expressionistischen Kino der 1930er Jahre. Natürlich suchten Rai und Osten ein breites Publikum anzusprechen. Während Kramrisch ihre Aufmerksamkeit religiösen Objekten und Darstellungen von Gottheiten widmete, beschäftigte sich Himanshu Rai intensiv mit der filmischen Romanze, mit all ihrer populären Attraktion. In den 1920er Jahren nutzten Rai und Osten mythologische Motive, um mit romantischen Liebesfilmen ein breites deutsches Publikum zu gewinnen. Nachdem Osten und Rai 1934 mit ihrem kompletten Filmstab nach Bombay gezogen waren, erfanden sie das Genre des Liebesfilms neu, indem sie andere kulturelle und stilbildende Elemente verwendeten, um ein breites indisches Publikum anzusprechen. Damit dies auch gelang, setzten Himanshu, Osten, Niranjan Pal und Devika Rani Elemente eines künstlerischen Expressionismus ein, der mit Kalā Bhavan, der Fakultät der Bildenden Künste in Shantikitan, verbunden wird. Dieser Ort wurde zur Kulisse und zum Bezugsrahmen für eine neu erfundene indische Moderne, in der die romantischen Heldinnen die wichtigsten dramaturgischen Figuren waren. Das war die modernistische Ästhetik Rabindranath Tagores, die sich hier auf weibliche Protagonisten stützt (wie etwa in den Erzählungen Chārulatā, Strīr Patra oder Chitrāngadā), angewandt auf das neue Medium Film angewandt.160 Himanshu Rai hatte an der von Rabindranath gegründeten Universität studiert, und Devika Rani war ein Mitglied der Familie Tagore. Die Art und Weise, wie Bombay Talkies seine Liebesfilme inszenierte, sowie die wachsende Bedeutung von Devika Ranis Figuren als ästhetischer und dramatischer Mittelpunkt der Filmhandlungen, lassen ein ganz neuartiges Konzept erkennen, das die indische Kinowelt begeisterte: Die weibliche Heldin wird zu einem populären universellen Symbol für die conditio humana. In den Filmen der 1930er Jahre aus dem Hause Bombay Talkies, am Beginn dessen, was Ravi Vasudevan den „melodramatischen Modus“ des indischen Kinos nennt,161 dient die Heldin weniger als Symbol der indischen Kultur, sondern sie kommuniziert Emotionen in einer dem indischen Zielpublikum verständlichen Filmsprache, die für sich in Anspruch nimmt, die Universalsprache menschlicher Dramen zu sein.162 Die Bombay Talkies-Filme ersetzten expressionistische Elemente durch mythologische, denn aus deutschen Kinogängern der 1920er Jahre waren nun indische Kinogänger der 1930er Jahre geworden.163 Rai ging es weniger darum, (dokumentarische) Filme über eine bestimmte Örtlichkeit zu drehen, als vielmehr darum, die Örtlichkeit als Schauplatz zu nutzen, um eine Geschichte mit weltweiter, menschlicher Gültigkeit zu erzählen.

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Das „Dorf“ als Kulisse Die von Bombay Talkies produzierten Filme verwarfen die alten indisch-orientalistischen Themen wie beispielsweise den Buddhismus als Weltreligion, den Himalaya als Zentrum der Weltgeographie oder die indischen Epen als Quell der Weltgeschichte. Stattdessen nahmen sie ein neues Thema auf: die indische Frau als universelle Ausdeuterin im Film. Diese Verschiebung fiel zeitlich zusammen mit dem Ende der Stummfilmära und dem Aufkommen der ersten indischen Tonfilme. Die Handlung in den Bombay Talkies-Filmen der 1930er Jahre konzentrierte sich auf die pulsierende Welt der Liebe, mit besonderem Akzent auf dem Schmerz einer unerwiderten oder unerfüllten Liebe. Die frühen Drehbücher von Bombay Talkies, die Niranjan Pal geschrieben hatte, spielten in kleinen Ortschaften oder auf dem Land, ganz selten in großen Städten. In den 1930er Jahren schrieb Pal ganze acht Drehbücher für das Unternehmen. In Pals Geschichten standen oft starke weibliche Figuren im Mittelpunkt, die sich gegen sinnlose gesellschaftliche Regeln zur Wehr setzten. Jawani Ki Hawa (1935) erzählt von einem durchgebrannten Liebespaar und der mysteriösen Ermordung des missbilligenden Vaters des Mädchens, als er versucht, den beiden zu folgen. Der Blockbuster Achhut Kanya (Das Unberührbare Mädchen, 1936) erzählt die Geschichte eines Mädchens, das der Dalit-Kaste der Unberührbaren angehört, sich in einen brahmanischen Jungen verliebt und tragisch zu Tode kommt, nachdem sie soziale Ächtung erlitten hat. Jeevan Prabhat (1936) ist ein Drama über eine junge brahmanische Frau, die irrtümlicherweise in Verdacht gerät, ihren Ehemann mit einem Dalit-Töpfer zu betrügen. Izzat (1937) erzählt eine Romeo-und-Julia-Geschichte, die im Milieu zweier verfeindeter Klans angesiedelt und im Königreich der Marathen des 18. Jahrhunderts spielt. In Durga (1938) geht es um ein unschuldiges Mädchen vom Lande, das den Tod ihrer Mutter erleidet und von der Gesellschaft anschließend schlecht behandelt und eines Verbrechens beschuldigt wird, das sie nicht begangen hat. Und Nirmala (1938) erzählt von einer schwangeren Frau, der ein Astrologe offenbart, sie müsse sich von ihrem Ehemann trennen, um ein gesundes Kind zu gebären. Daraufhin verlässt Nirmala ihren Ehemann, um ihren neugeborenen Sohn sodann vom Bettler des Dorfes gestohlen zu bekommen. Der Film findet sein glückliches Ende mit der Wiedervereinigung von Mutter, Vater und Sohn, kurz vor Nirmalas tragischem Tod. Diese Heldinnen-Figuren, gespielt von Devika Rani, belebten die Filme der 1930er Jahre. Ebenso wie Rabindranath mit seinem künstlerischen Schaffen bestrebt war, die Welt in das indische Dorf mitzunehmen, so siedelte Bombay Talkies die meisten seiner Filme im dörflichen Leben an. Allerdings stellten die Filme Liebe und Leid dar, sozusagen der universale Goldstandard für große Kinoerfolge, sie interessierten sich nicht für die kulturalistische Betrachtung des Dorflebens an

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sich. Statt aus den alten Epen der indischen Hochkultur zu schöpfen, aus dem Ramayana, dem Mahabharata oder aus den buddhistischen Jatakas (den moralisch lehrreichen Geschichten aus dem Leben des Buddha), thematisierten die Bombay Talkies-Filme der 1930er Jahre alltägliche Liebesgeschichten, die mit familiären Verpflichtungen oder mit Kastenunterschieden zu kämpfen hatten. Das Thema der heroischen emotionalen Kämpfe und der Leiden indischer Frauen kehrte in die Filmhandlung zurück. Devika Rani spielte die Rolle der Heldin in neun aufeinanderfolgenden Tonfilmen, die zwischen 1934 und 1938 von Bombay Talkies produziert wurden. Die neu gegründete Filmproduktion stand in Konkurrenz zu zwei weiteren Unternehmen, New Theatres in Kalkutta und Madan Studios in Bombay. Doch mit dem eher naturalistischen Stil, den neuartigen Plots („Hindi Social“) und der hohen technischen Finesse seiner Filme hob sich Bombay Talkies von den anderen Unternehmen ab. Die Heldinnen, deren Rolle Devika Rani spielte, waren oft in ärmellose Blusen gekleidet, die als freizügig und frivol galten. In den Plots ließen sie sich häufig auf Liebschaften mit den falschen Männern ein, die einer anderen Kaste entstammten oder eine andere kulturelle Identität hatten. Devika Rani war auf der Leinwand stets glamourös geschminkt, im Stil einer Marlene Dietrich. Sie sang und tanzte bisweilen sogar (wie in Durga), womit sie mit einem Tabu brach, das die bengalischen bhadhramahilā (vornehm manierliche Frauen) von „dionysischen“ Formen der Kunst fernhielt. Die offene Darstellung von Romanzen in den frühen Bombay-Talkies-Filmen, meist mit Devika Rani und ihrem Filmpartner Ashok Kumar, stachen aus der Masse der Filme heraus. Die Liebesgeschichten endeten in der Regel tragisch und kombinierten Melodrama mit gesellschaftlichem Kommentar. Ein enttäuschter Filmkritiker schrieb: „Die künstlerischen, kreativen und erzieherischen Werte der Handlungen bleiben im Hintergrund, und die meisten der Filme sind geprägt von Szenen und Dialogen, die darauf angelegt sind, sexuelle Begierden zu wecken und junge Gemüter gezielt zu stimulieren.“164 Bereits in den 1930er Jahren schuf Bombay Talkies einen Stil und eine Vision des indischen Kinos, die im eigenen Land populär waren, aber auch die Gunst des internationalen Publikums gewannen. Mit der Verhandlung menschlicher Dramen, die sich um die Figur einer umkämpften Heldin vor der Kulisse eines indischen Dorfes entwickelten, beanspruchten die Filme aus dem Hause Bombay Talkies auf der fiktiven globalen Filmbühne eine neue künstlerische Autorität. Insofern war Bombay Talkies ein eindrückliches Beispiel dafür, wie im neuen Medium Film ein weiteres Feld entstand, auf dem indische und deutsche Kreativität in einem gemeinsamen Projekt in die Mitte der Welt rückten, um universell gültige Geschichten auf eine neue Weise zu erzählen; diesmal Geschichten von Romantik und Tragik. Ein 1939 in Berlin erschienener Artikel nannte Devika Rani

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die „Greta Garbo des Wunderlandes“. Die Anerkennung über eine so große Distanz hinweg, an der die Inder seit über drei Jahrzehnten gearbeitet hatten – sie hatte ihre Wurzeln in der intellektuellen Politik.165 Die Anwesenheit von „Ausländern“ in Bombays Filmindustrie stieß aber auch auf Kritik, wie Koch betont. Die Zeitschrift Filmindia aus dem Jahr 1938 wetterte gegen die „deutschen Experten … mit ihren Ehefrauen und Kindern“, die in der Branche immer wichtiger zu werden schienen.166 Saadat Hasan Manto hingegen fand das deutsche Engagement bei Bombay Talkies ganz selbstverständlich und erinnerte an Himanshu Rai als die eigentliche nimmermüde und unumstrittene kreative Autorität hinter dem gewagten Unternehmen Bombay Talkies.167 Himanshu Rai und Franz Osten produzierten in den fünf Jahren zwischen 1934 bis 1939 insgesamt siebzehn Filme gemeinsam.168 Die enorme Produktivität ihrer Zusammenarbeit entsprang der gemeinsamen Überzeugung, an einer neuen Art von verzauberndem Kino für ein globales Publikum mitzuarbeiten und Indien zu einem modernen Weltzentrum der Kulturproduktion zu machen. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde der damals bereits dreiundsechzigjährige Franz Osten von den Briten verhaftet und in einem Lager für Staatsbürger aus feindlichen Nationen interniert. Dort blieb er sieben Monate lang, bis er im April 1940 aus Altersgründen nach Deutschland abgeschoben wurde. Nach seiner Rückkehr in das kriegführende Deutschland war Osten jedoch nicht mehr in der Lage, als Regisseur zu arbeiten. Abgeschnitten von der deutschen Filmindustrie, verschwand Osten buchstäblich von der Bildfläche. Nach Kriegsende leitete er kurz das Besetzungsbüro der Bavariafilm, bevor er ab 1946 bis zu seinem Tod Kurdirektor von Bad Aibling war und nur hin und wieder als Dozent an einer Münchner Filmschule arbeitete. Himanshu Rai verstarb unerwartet 1940, offenbar an gebrochenem Herzen, nach dem Ende seiner Ehe mit Devika Rani und der Internierung von Franz Osten. Devika Rani heiratete 1945 Svetoslav Roerich, den Sohn des russischen Orientalisten und mystischen Malers Nicholas Roerich, mit dem sie schließlich nach Australien auswanderte.169 Bombay Talkies litt unter dem künstlerischen Aus seiner kreativen Köpfe. Mitte der 1940er Jahre hatte das Unternehmen seine besten Filme hinter sich, auch wenn es das indische Kino noch auf Jahrzehnte hinaus mit großen Schauspiel-, Regie- und Technik-Talenten befruchten sollte. Die Belegschaft der Filmstudios Bombay Talkies in Malad, einem Vorort von Bombay, wuchs in den 1940er Jahren auf fast vierhundert Mitarbeiter und Künstler an.170 Savak Vacha, ein Tontechniker, produzierte hier den Blockbuster Mahal (1949). Ashok Kumar, Prithiwiraj Kapur und Dilip Kumar, die Devika Rani einst zu Bombay Talkies geholt hatte, wurden bald schon zu bedeutenden Größen des indischen Kinos. R. D. Pareenja (Kameramann), K. A. Abbas (Drehbuchschreiber und Regisseur) sowie Saadat Hasan Manto (Schriftsteller) arbeiteten in den 1940er

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und 1950er nach wie vor für Bombay Talkies und spielten eine wichtige Rolle in der indischen Filmindustrie.171 Sashadhar Mukherji, ein Schwager des Schauspielers Ashok Kumar, arbeitete zunächst als Techniker bei Osten und wurde später, in den 1940er Jahren, Filmproduzent bei Bombay Talkies. Auch für andere Filmikonen war Bombay Talkies das Sprungbrett zu einer großen Karriere, darunter Leela Chitnis, Raj Kapoor und Najmul Hussain. Zu dieser Zeit arbeitete Charu Roy, der bald als Filmregisseur aus Kalkutta weltweite Berühmtheit erlangen sollte, mit Osten als Kostümbildner für Light of Asia zusammen. Der Regisseur Satyajit Ray, der seine Karriere in den 1950er Jahren begann, verfolgte wie kein anderer die zugleich nationalen wie internationalen künstlerischen Ziele von Bombay Talkies und suchte nach Wegen aus dem Dilemma zwischen Authentizität im eigenen Land und Anerkennung im Ausland. Seine Apu-Trilogie, die zu den Meisterwerken des internationalen Kinos zählt, offenbarte die versteckte Existenz des menschlichen Dramas, das sich zunächst in einem dörflichen und später dann in einem großstädtischen Setting entfaltete; das Universelle manifestierte sich im nur scheinbar Partikularen und beflügelte sowohl die Vorstellungskraft des indischen als auch des internationalen Publikums. Rays bengalisch-sprachiger Film Pather Panchali (deutsch: „Apus Weg ins Leben: Auf der Straße“, 1955) entfachte in ganz Indien einen Sturm der Begeisterung, wurde dort aber auch kontrovers diskutiert und gewann Preise in Cannes, Venedig, London, Berlin, San Francisco, Tokio und anderswo.172 Satyajit Ray ebenso wie andere international angesehene Künstler der Filmkunst der 1950er Jahre, darunter Ramkinkar Baij oder Benod Bihari Mukherji, die ihre Wurzeln in der von Rabindranath gegründeten Viśva Bhārati Universität in Shantiniketan hatten, suchten die Welt mit ihrer Kunst zu verzaubern, womit sie die bestehende Weltordnung, die um das alte Europa herum organisiert war, samt der hegemonialen Ansprüche angelsächsischer Standards herausforderten. Filmhistoriker in Südasien haben sich mit der Frage beschäftigt, was das indische Kino der Bombay Talkies nun genau repräsentierte – eine Assimilation, eine Ablehnung oder eine Vernakularisierung des „Westens“, insbesondere mit Blick auf den filmischen Modernismus in Hollywood. Eine eher vergleichende, archivgestützte Untersuchung zeigt, dass die Ursprünge der künstlerischen und der technologischen Besonderheit des Bombay-Kinos ebenfalls auf deutsch-indische Zusammenarbeit zurückgehen. Und solche internationalen Arbeitszusammenhänge, denen die Verflechtung verschiedener historischer Herkünfte und sehr unterschiedlicher Akteure eigen war, sind weitaus komplexer als bloße Prozesse der Anpassung oder der Identitätsverhandlung mit dem „Westen“. Es geht hier eigentlich um die Geschichte von Verflechtungen und von Dialoghandlungen beim Streben nach neuer intellektueller Autorität. Indische Filmkünstler sahen die dringende Notwendigkeit, menschliches Drama zu erkunden

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und darzustellen, und zwar außerhalb der erstickend engen Vorgaben des britisch-liberalen Empire, das dazu neigte, den künstlerischen Geschmack der ganzen Welt so zu verbiegen, dass er dem eigenen Bild entsprach. Stella Kramrisch, die aus Mähren stammende Wiener Wissenschaftlerin, arbeitete daran, die künstlerische Kreativität Indiens auf einer Weltbühne außerhalb des Rahmens der Empire-Kunstgeschichte zu präsentieren. Himanshu Rai, Franz Osten, Devika Rani und andere Mitarbeiter von Bombay Talkies waren angetreten, Filme zu machen, die die Welt des menschlichen Dramas aus einer mit Stolz beseelten indischen und weiblichen Perspektive schilderten. Dieses künstlerische und gelehrte Schaffen im Bestreben, die Welt zu verzaubern, hatte etwas gemein mit anderen Versuchen zur Kumulierung intellektueller Autorität, quer durch das breite Spektrum der Künste und Wissenschaften. Inder und ihre deutschsprachigen Dialogpartner enthüllten verborgene Systeme von thermodynamischer und atomarer Energie, revolutionierten die Welt des Handels, der Arbeit, der Kulturgeografie, der Psyche, der Kunst und des Dramas. Die Wissenschafts- und Kunstformen der Post-Aufklärung waren angewiesen auf einen transnationalen Dialog außerhalb des Rahmens und der Konventionen eines Wissenssystems, das in der Dominanz des British Empire verankert war. Ein Nachruf auf Himanshu Rai im Berliner Film-Kurier von 1940 pries den indischen Filmregisseur und Schauspieler für seine deutsch-indische Zusammenarbeit, mit der er „die ganze Welt erobert“ habe.173 Treffender hätte man es nicht formulieren können – in einer Zeit, als die Welt kein fest definiertes geographisches Gebilde war, sondern ein hitzig umkämpfter und immer wieder wild mit Gegenbildern überblendeter Raum.

11 Eine neue Ordnung Dieses Buch hat sich im Wesentlichen mit intellektuellen Unternehmungen befasst, die die Welt neu ordnen und neu kategorisieren sollten – also das zu tun, was wissenschaftlicher Universalismus schon immer getan hat, nur eben im Dienste der selbstidentifizierten Ausgestoßenen, der Bezwungenen, der Rebellen und der Exilierten dieser Erde. Das waren die Gruppen, die sich zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts mit Feuereifer der Gegenwissenschaften bedienten. Doch die großartigen Anstrengungen, die natürliche und die kulturelle Welt neu zu ordnen, waren nicht das Resultat individueller Entscheidungen. Sie waren immer Ausdruck historischer Zusammenhänge – ein Ausdruck ihrer Zeit. Die spezifischen geopolitischen Verhältnisse, die zwischen 1880 und 1945 durch die gleichsam seismische Verschiebung von Macht in der Welt entstanden und die einhergingen mit einer großen Dezentralisierung und Umverteilung von Macht auf mehrere Zentren weltweit, schufen die notwendigen Rahmenbedingungen für kollaborative, wenngleich bedrohlich anmutende Projekte, um die Welt auf’s Neue zu verzaubern. Die post-aufklärerische Welt der Wissenschaft und Forschung indes war eine Welt für sich, definiert durch ihren transnationalen dialogischen Rahmen sowie durch ihren rebellischen und nonkonformistischen epistemischen Charakter. Die Wissenschaft war während des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts kein einheitliches Sytem. Sie operierte je nach historischer Epoche unterschiedlich und diente unterschiedlichen Herren. Nach den 1880er Jahren wurde die Wissenschaft dazu benutzt, die Welt in ihre Teile zu zerlegen und eine Vielzahl von autoritativen Weltbildern zu generieren, die miteinander konkurrierten. Erst ab 1945, mit der langsam herandämmernden Neuverteilung globaler Macht, begann die Wissenschaft eine neue Rolle zu spielen. Sie stand nun gleichsam Gewehr bei Fuß für die aufstrebenden Hegemonialmächte – die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion –, die sich mühten, die Welt nach ihrer jeweils eigenen Vorstellung wieder zusammenzusetzen. Während das British Empire vor 1880 einen Diskurs globaler, aufgeklärter Ganzheitlichkeit pflegte, ließen nun beide Weltmächte, die Amerikaner ebenso wie die Sowjets, nach 1945 den Diskurs über globale Integration und eine „kompetitive Koexistenz“ durch Wissenschaft neu aufleben.1 Nach dem Zweiten Weltkrieg, in den Nachwehen der von den Nationalsozialisten betriebenen imperialen Expansion mit Invasionen und dem planmäßigen Genozid an den europäischen Juden, kamen im Juli 1945 die Staats- und Regierungschefs von Großbritannien, den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion zur Potsdamer Konferenz zusammen, um über die Aufteilung Deutschlands (und die Nachkriegsordnung für Europa) zu beraten sowie das weitere Vorgehen https://doi.org/10.1515/9783110706178-012

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für seine Integration in eine fortan asymmetrische, in Ost und West aufgeteilte bipolare Weltordnung zu beschließen.2 Die beiden deutschen Staaten sollten nicht nur politisch, sondern auch epistemisch in die neue Weltordnung eingegliedert werden.3 Einrichtungen und Disziplinen der deutschen Wissenschaft, die sich in den 1920er Jahren zu einem dritten Zentrum für eigene Vorstellungen von der Ordnung der Welt außerhalb des Völkerbundes und der Komintern entwickelt hatten, waren in den 1930er Jahren durch die Nationalsozialisten langsam ausgehöhlt worden. Nun lösten die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs diese Einrichtungen auf, um ein neues und gefestigtes Weltsystem zu erschaffen.4 Angesichts dieser weitreichenden politischen Verschiebungen veränderte sich die dialogische Ordnung zwischen Deutschen und Indern drastisch. Deutsche und Inder begegneten sich jetzt unter neuen Vorzeichen, als Gefolgsleute der nördlichen Supermächte, wenn man so will, auf der einen Seite, und als Repräsentanten der Dritte-Welt-Länder auf der anderen. Die Modernisierungstheorie, die sich vorwiegend in von den USA unterstützten Institutionen entwickelte, und der internationale Apparat der Vereinten Nationen schufen Arenen der Wissensproduktion und ermöglichten die Ausübung intellektueller Macht durch emigrierte deutschsprachige Wirtschaftswissenschaftler. Fast ein Drittel der Wissenschaftler, die nach 1945 für das neue Forschungsfeld der Entwicklungsökonomie verantwortlich waren, waren deutschsprachig, die meisten von ihnen Flüchtlinge aus den deutschsprachigen Ländern Europas.5 Wie detaillierte Studien zeigen, wurden insbesondere die Universitäten von London und Oxford, die Wirkungsstätten der beiden Ökonomen Paul Narcyz Rosenstein-Rodan und Kurt Mandelbaum, zu institutionellen Zentren für die Formulierung der Entwicklungsökonomie.6 Die beiden Wissenschaftler prägten eine Reihe der herausragenden jüngeren Emigranten aus Deutschland, die später ihrerseits Beiträge zur Entwicklungsökonomie einbrachten, unter ihnen Heinz W. Arndt, Warner Max Corden, Gerard O. Gutmann, John Mars, Alexandre Kafka und Paul Streeten.7 Für westdeutsche Intellektuelle, aber auch für all jene, die während der NSZeit ins Exil gezwungen worden waren, war die neue Rolle als intellektuelle Vertreter einer pro-westlichen ökonomischen und politischen Integration ein Weg, sich eine neue Identität zu verschaffen – eine Identität, die fest im Westen verortet war und die über die wissenschaftlichen Mittel verfügte, den Rest der Welt dem Westen gleich zu machen. Nach 1945 nahmen viele westdeutsche und auch emigrierte Wissenschaftler stolz für sich in Anspruch, westlicher zu sein als der Westen. Und die westdeutsche akademische Welt wurde zur amerikafreundlichsten in ganz Europa. Aus den Worten von Karl Jaspers aus dem Jahr 1947 spricht das Gefühl der Selbst- und Weltverneinung, das deutsche Intellektuelle nach dem Krieg verspürten – die Folge eines gescheiterten Versuchs, planetaren Ruhm durch radikale Mittel zu erlangen: „Wir sind nicht auf die Straßen gegan-

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gen, als unsere jüdischen Freunde abgeführt wurden; wir haben nicht geschrien. Wir zogen es vor, am Leben zu bleiben, mit der schwachen, gleichwohl logischen Begründung, dass unser Tod niemandem geholfen hätte. Wir sind schuldig, am Leben zu sein.“8 Indien und Deutschland waren nie auf parallelen Pfaden unterwegs, weder politisch noch gesellschaftlich. Die Diskrepanzen zwischen ihren historischen Entwicklungslinien sind mindestens ebenso wichtig wie ihre Verflechtungen. Aber in der Zeit zwischen 1880 und 1945 bewegten sich viele deutsche und indische Intellektuelle innerhalb des gemeinsamen Horizonts einer nationalistischen, anti-englischen Politik mit kontranormativer Denkweise. 1945, nach der Barbarei der Nazis, war von einer deutschen Identität nichts mehr übrig, mit der man hätte auftrumpfend zurück auf die Weltbühne stürmen können. Weltgeltung konnten die Deutschen nur in Verbindung mit Amerika oder der Sowjetunion erlangen. Im Kontext des Zweiten Weltkrieges schrieb Alexander Gerschenkron, ein russisch-jüdischer Emigrant, über „Deutschland [als] dem wunden Punkt Europas. Erfolg oder Misserfolg seiner wirtschaftlichen Anpassung können der übrigen Welt nicht egal sein“.9 Für Gerschenkron waren es der illiberale Interventionsdrang Deutschlands sowie die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gruppen wie der sogenannten „ostelbischen Junker“, der adeligen und nichtadeligen preußischen Großgrundbesitzer, die die Entwicklung Deutschlands im 19. und 20. Jahrhundert in eine falsche Richtung gelenkt hatten. Gerschenkron beschreibt das Deutschland des 19. Jahrhunderts mit dem Begriff der politischen und wirtschaftlichen „Rückständigkeit“ – ein beliebter Begriff unter Modernisierungstheoretikern. Deutschlands Weg zur Modernisierung im 19. Jahrhundert, so scheint er anzudeuten, ließ die Modernisierung der Dritte-Welt-Länder in der Mitte des 20. Jahrhunderts bereits erahnen. „Der zeitliche Zusammenfall des Imports großer Mengen von Maschinen und Know-hows aus dem Ausland mit großen Chancen auf eine rasche Industrialisierung haben die Kluft zwischen wirtschaftlichem Potenzial und wirtschaftlicher Realität in den rückständigen Ländern mit der Zeit immer weiter vertieft.“10 Die eigene Rückständigkeit trieb im Deutschland des 19. Jahrhunderts Innovationen voran, nicht nur in der Technologie, sondern auch in der Organisation: Hochofen, Universal- und Großbanken, Kartellbildung und dergleichen mehr. Doch Rückständigkeit beförderte auch Korporatismus, autoritäre Strukturen und letztlich auch den Faschismus.11 Die University of California in Berkeley, die University of Chicago und die Harvard University wurden in den 1950er und 1960er Jahren zu drei der wichtigsten Zentren der Entwicklung von Modernisierungstheorien. Im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften gab es dort eine große Zahl deutscher Emigranten, sowohl aus Mitteleuropa als auch aus der damaligen Sowjetunion. Und diese Wissenschaftler waren es meist, die nicht müde wurden hervorzuheben, dass die

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Modernisierung und die Fortentwicklung der urbanen Zivilgesellschaft der richtige Weg seien, um Asien voranzubringen. Während sich deutsche Orientalisten vor 1945 mit Asien cross-identifizierten, kehrte sich diese gedankliche Dynamik nun um: Viele Entwicklungsökonomen zogen nun mit Blick auf die Zwischenkriegszeit den Abstieg Deutschlands und seiner Einflusssphäre in den Totalitarismus als mahnendes und abschreckendes Beispiel für die neuen Regierungen in Asien, dem Nahen Osten und Afrika heran. Deutschland vor 1945 wurde zum Symbol einer raschen Entwicklung, die fürchterlich schiefgelaufen war. Während Deutschland sich vor 1945 als Orient Europas fühlte, wurden nach 1945 die DritteWelt-Länder zum Deutschland der Westmächte. Die Entwicklungsökonomie, eine der einflussreichsten wissenschaftlichen Strömungen der Nachkriegszeit, beschäftigte sich im Kern mit Fragen der globalen Integration, soll heißen, mit der Normalisierung der Welt im Sinne amerikanischer und westeuropäischer Interessen. Wirtschaftswissenschaftler wie Albert Otto Hirschman und Harvey Leibenstein konzentrierten sich auf die sich wandelnden „Einstellungen, Motivationen und Anreize“ in Dritte-Welt-Ländern und betrachteten die Modernisierung als ein gewaltiges Erziehungsprojekt.12 Der schwedische Ökonom Gunnar Myrdal war einer der einflussreichsten Vordenker der Entwicklungsökonomie. Er galt als ausgewiesener Experte für alle wirtschaftsund sozialpolitischen Fragen im Zusammenhang mit der Modernisierung der Dritte-Welt-Länder, insbesondere unter dem Aspekt der post-kolonialen geopolitischen Verschiebungen nach dem Zweiten Weltkrieg und einer Welt, die im Kalten Krieg in zwei Blöcke geteilt war. „Was stattgefunden hat, war ein rascher Zerfall der kolonialen Machtstrukturen, begleitet von einem sehnsüchtigen Verlangen nach Entwicklung in den unterentwickelten Ländern selbst.“13 Für die richtige „Ausrichtung“ der Grenzregionen der Welt, so erklärt Myrdal in seinem Werk Asian Drama: An Inquiry into the Poverty of Nations (deutsch: Asiatisches Drama: Eine Untersuchung über die Armut der Nationen), müsse die Entwicklungspolitik des Westens explizit unter den Aspekten der Diplomatie, der Abschreckung und der „Gewinnung von Herzen und Köpfen“ gedacht werden.14 Er kam zu dem Schluss, dass Investitionen in Gesundheit, Bildung und Armutsbekämpfung die wichtigsten Determinanten zur Förderung der Entwicklung seien. Was dem Westen in den 1920er Jahren mit Deutschland nicht geglückt sei, müsse er nun, im Kalten Krieg, mit den Dritte-Welt-Ländern erfolgreich erreichen.15 Otto Schiller, ein deutscher Agrarökonom, war zwischen 1953 und 1958 als Berater für die indische und die pakistanische Regierung tätig. Er arbeitete am Aufbau dörflicher Kooperativen zur Entwicklung der Landwirtschaft. Die deutsche Genossenschaftsidee, seit Raiffeisen und Schulze-Delitzsch im 19. Jahrhundert eines der weltweit meist kopierten Modelle zur Wirtschaftsentwicklung, bekam nach dem Zweiten Weltkrieg neuen Aufwind und war in Sachen

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Entwicklungsstrategien der deutsche Exportschlager schlechthin. Wie Corinna Unger aufzeigt, reisten in den 1950er Jahren westdeutsche Delegationen nach Indien, um den Aufbau von Dorfgenossenschaften und Ausbildungsprojekten voranzutreiben.16

„Unterentwicklung“ als geopolitische Identität Die Zeit von 1947 bis Mitte der 1960er Jahre war eine Zeit der Experimentierfreude und neuer Möglichkeiten, vor allem innerhalb des gerade entstehenden, aufstrebenden Machtblocks der Dritte-Welt-Länder („Blockfreie Staaten“), der außerhalb des unmittelbaren Einflusses der beiden Supermächte agierte. So begann der Pakistanische Staat in den 1950er Jahren diplomatische Kontakte mit arabischen und zentralasiatischen Nationen zu knüpfen.17 Unterdessen waren indische Offizielle mit Eifer dabei, die Beziehungen mit China zu kultivieren. K. M. Panikkar, 1948 Indiens erster Botschafter in China, sprach nachdrücklich von der Notwendigkeit eines neuen „Regionalismus“, wie er es bezeichnete, worunter er die „Wiederherstellung Asiens“ als eines regionenübergreifenden politischen Blocks verstand.18 Indien und Pakistan knüpften erste Bande mit afrikanischen Ländern, insbesondere im Rahmen der Bandung-Bewegung. Indien ebenso wie Pakistan waren beide aus dem Orbit des britisch-liberalen Empire ausgebrochen, trotz ihrer formalen Mitgliedschaft im Commonwealth. Und so waren die ersten zwei Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit für beide eine Zeit des Überschwangs, des selbständigen Erkundens und Experimentierens auf dem internationalen politischen Parkett. Zwischen dem 23. März und dem 2. April 1947 fand in Neu-Delhi die Asian Relations Conference statt, auf der Vertreter aus mehr als dreißig Ländern zusammenkamen. Im Anschluss daran lud Jawaharlal Nehru, der erste indische Premierminister, 1949 zur Inter-Asians Relations Conference ebenfalls in NeuDelhi ein, die dem indonesischen Freiheitskampf breite Unterstützung aus ganz Asien bescherte. Im Mai 1950, mit der Konferenz von Baguio auf den Philippinen, an der auch Indien und Pakistan teilnahmen, schritt die Herausbildung eines asiatischen Blocks weiter voran.19 Zwischen 1952 und 1955 reisten verschiedene Gruppen von Funktionären der Nationalist Congress Party und des Nationalen Planungskomitees nach China, darunter auch J. Nehru und P. C. Mahalanobis, um die diplomatischen Beziehungen zu festigen.20 Im gleichen Zeitraum wurde 1953 in Kalkutta das Institute of Asian African Relations gegründet. 1954 legte Indonesien Pläne für eine internationale Konferenz afrikanischer, arabischer und asiatischer Staaten vor. Mit dem Panchsheel-Abkommen zwischen Indien und China, das im April 1954 unterzeichnet wurde, erkannte Indien die

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Ansprüche Chinas auf Tibet an, eine Erklärung, die stark umstritten war. Im selben Monat trafen sich auch die Staats- und Regierungschefs der sogenannten „Colombo-Mächte“, bestehend aus Indonesien, Indien, Pakistan, Burma und Sri Lanka, um die Konferenz von Bandung vorzubereiten.21 Zur Eröffnung der Konferenz im April 1955 traten Vertreter aus zweiundzwanzig Ländern der südlichen Erdhalbkugel in Bandung zusammen.22 Von 1946 bis 1965 verband der „Geist von Bandung“ neue Nationen überall im globalen Süden, zumindest für einige Zeit23; aufkommende militärische Konflikte zwischen den einstmaligen Bandung-Partnern setzten der Ära schließlich ein Ende. Dialoge über „Solidarität“ „Blockfreiheit“, und „Dritte-Welt-Nationalismus“ waren nicht kohäsiv genug, um danach noch tragfähige diplomatische Beziehungen über asiatische Ländergrenzen hinweg zu erhalten.24 Die zunehmende regionale Dominanz Chinas, der indisch-chinesische Krieg von 1962, der indischpakistanische Krieg von 1965 sowie der Tod gleich mehrerer führender Köpfe der Bandung-Konferenz, darunter Jawaharlal Nehru (1964),brachten eine Verschiebung in der Entwicklungspolitik mit sich.25 Die direkten Interventionen der Amerikaner und der Russen in Asien, insbesondere im Spannungsgebiet Vietnam, belasteten die inter-asiatischen Beziehungen, ja wirkten ihnen sogar entgegen.26 Während der Dekolonialisierung beherrschte die Idee der „Modernisierung“ die Debatten; dennoch bot der transnationale Diskurs des Marxismus eine Alternative zum Streben nach globaler Integration. Durch die Bewegung der „Blockfreien Staaten“ aus Asien und Afrika sowie den Aufstieg bedeutender marxistischer Denkschulen in Dritte-Welt-Ländern außerhalb der Institutionen des Kalten Krieges, wurde der Marxismus der Dritte-Welt-Länder zu einem wichtigen Mittel, die Welt nach 1947 neu zu inspirieren. Der Marxismus aus dem Süden wurde für eine junge Generation der neuen Linken in Europa und Amerika, die in den 1960er und 1970er Jahren radikale gesellschaftliche Umwälzungen anstrebte, zu einer der Hauptquellen neuer intellektueller Autorität.27 Der post-koloniale nationalistische Marxismus in Ghana, Indien, Vietnam, Ägypten, Kuba, Brasilien, Argentinien, im Kongound in den Karibikstaaten erzeugten in einem post-orientalistischen Zeitalter Rückkopplungsschleifen. Neue Formen geopolitischer Verflechtungen sowie neue Wellen der begeisternden Inspiration verbanden sich beispielsweise auch in den Jugendbewegungen der 1968er.28 Manifeste von Marxisten der Dritte-Welt-Länder zielten darauf, den globalen Süden von den Machtblöcken des globalen Nordens „abzukoppeln“. Wie der indisch-amerikanische Anthropologe Akhil Gupta klug bemerkt, wird die post-koloniale Ironie einer zunehmenden Abhängigkeit der Dritte-Welt-Länder von nördlichen Mächten bei gleichzeitiger Beteuerung der kulturellen Autonomie sehr häufig in Termini des Marxismus artikuliert. Dies wiederum schuf ein neues post-

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koloniale Dilemma, in welchem „Unterentwicklung zu einer Form von Identität in der post-kolonialen Welt [wurde]“.29

Westdeutsches Geld, ostdeutsche Kulturdiplomatie Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die ersten westdeutschen Generalkonsulate eröffnet, in Bombay 1951, in Neu-Delhi 1952, in Kalkutta und in Madras 1954. Pläne, wonach die deutschen Unternehmen Krupp und Demag ein Stahlwerk in Indien errichten sollten, wurden 1953 bekannt. Die Standortwahl für das neue Werk fiel auf die Stadt Rourkela.30 Rourkela liegt im „Eisengürtel“ Indiens und an der Eisenbahnlinie Kalkutta-Bombay. Es war die Zeit des zweiten Fünf-JahresPlans unter der Verantwortung von P. C. Mahalanobis, und die Nehru-Regierung war bestrebt, ihre anfängliche, auf die Landwirtschaft ausgerichtete Strategie anzupassen, um nun auch die Schwerindustrie zu entwickeln, die wiederum die für den Bau von Eisenbahnen notwendigen Elemente erzeugen und eine rasche Industrialisierung ankurbeln würde. Paul Zils, ein deutscher Dokumentarfilmer, kam 1945 nach Indien, nachdem er in den 1930er Jahren bei der UFA in Berlin und in den 1940er Jahren in Hollywood gearbeitet hatte. Bei der Ankunft in Bombay wurde er von Lama Anagarika Govinda empfangen, einem deutschen Buddhisten, der seit den 1930er Jahren in Indien lebte.31 Mit der Begegnung der beiden Männer trafen gleichsam zwei unterschiedliche Epochen aufeinander, die Ära des populären Indischen Orientalismus in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts und die Ära des westdeutschen Erste-Welt-Denkens in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Die Tage des British Empire in Indien waren bereits gezählt, als Zils von der indischen Regierung zum Leiter der Außendienstabteilung der staatlichen Dokumentarfilmproduktionsgesellschaft von Information Films of India bestellt wurde. India’s Struggle for National Shipping (1947), in Auftrag gegeben von der Scindia Steam Navigation Company, war Zils’ erster unabhängiger Dokumentarfilm. Als freischaffender Filmemacher bot er sich bei Firmen oder Interessengruppen, die mit ihren Geschichten oder Werbebotschaften einen internationalen Markt erreichen wollten, als Werbefilmer und Dokumentarfilmer an und machte rasch Karriere. Zils spielte bei der Entwicklung des indischen Dokumentarfilms eine wichtige Rolle, wie ihm die Filmzeitschrift India Documentary bescheinigt, die er 1955 zusammen mit Kollegen wie Kamala Bhoota, F. R. Bilimoria und anderen in Bombay gegründet hatte.32 1962 drehte Zils Rourkela – Stahl für Indien, eine Dokumentation über die Stahlwerkerstadt Rourkela, das „Ruhrgebiet Indiens“, deren Aufbau mit westdeutschen Geldern finanziert worden war.33 Die Dokumentation, die Szenen der

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verschiedenen Phasen der Stahlproduktion enthielt, Erzabscheidung, Koksverhüttung und Stahlveredelung, transportierte die Botschaft, die sowohl die indische Regierung als auch die westdeutschen Firmen vermitteln wollten: Die Westdeutschen stellten Methoden und Technologien bereit mit der Absicht, Hilfe zur späteren Selbsthilfe zu leisten. Zils stellte Indien als eine Nation von Arbeitern, Erzeugern und produktiven Technologien dar. Seine kurzen Dokumentarfilme beleuchteten auch das Leben der Fischer in Bombay, der Teepflücker in Darjeeling, der Arbeiter in den Textilindustrien.34 Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Westdeutschland als ein Leuchtfeuer des normativen Westens neugestaltet, das auch als Suchscheinwerfer für Entwicklungsprojekte in DritteWelt-Ländern fungierte.35 Westdeutschland und Indien stellten einen Leitplan mit Maßnahmen für die „gegenseitige“ Zusammenarbeit in wirtschaftlichen Angelegenheiten auf: Deutschland würde seine Expertise und seine Technologie einbringen, im Gegenzug würde Indien seinen riesigen Markt für deutsche Unternehmen öffnen.36 Die Ordnung des transnationalen Dialogs hatte sich gewandelt. Es war nicht länger so, dass Deutsche und Inder beide danach trachteten, die Technologien und Philosophien des jeweils anderen zu nutzen, um die Welt um sich herum neu anzuordnen. Diese Art von Dialogstruktur, aufgebaut vom deutschen populären Orientalismus einerseits und dem indischen akademischen Internationalismus andererseits, gehörte in eine frühere Zeit und war inzwischen überholt. Nun stellte Deutschland Indien das notwendige Handwerkszeug für seine Integration in die Nachkriegswelt zur Verfügung, während Indien den Deutschen ein „unterentwickeltes“ Terrain anbot, auf dem ihre Kapitalinvestitionen und Kulturprogramme die Westdeutschen immer mehr zu einem Teil der westlichen Welt heranwachsen ließen. Der populäre Orientalismus war in Westdeutschland gestorben, und der Amerikanismus nahm bald seinen Platz ein. Unterdessen war intellektuelle Politik in Indien nicht mehr länger ein Projekt von Aufständischen gegen den Kolonialstaat, sondern das von Technokraten innerhalb der post-kolonialen Regierung. 1959 begann ein Gemeinschaftsprojekt der Regierung Indiens und der Vereinten Nationen mit dem Ziel, den Mangel an ausgebildeten Industriehandwerkern, insbesondere an Fachkräften wie Facharbeitern und Konstrukteuren, technischen Zeichnern, Elektrikern, Mechanikern und Feinblechnern zu beheben. Im Rahmen dieses Programms wurden Gelder aus einem Sonderfonds bereitgestellt, um indischen Studenten die Möglichkeit zu bieten, ihre technische Ausbildung oder ein wissenschaftliches Studium in Deutschland oder Österreich zu absolvieren. In Madras wurde 1959 das Indian Institute of Technology gegründet, ebenfalls mit finanzieller und technischer Unterstützung aus Westdeutschland. Das deutsche Wirtschaftswunder der 1950er Jahre hatte eine wahre Magnet-Wir-

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kung auf Studenten aus Asien und Afrika, in etwa so, wie sie die deutschen Universitäten in den 1920er Jahren ausgeübt hatten. Die Deutsche Stiftung für Entwicklungsländer (DSE) wurde 1959 in Berlin gegründet mit dem Ziel, Gaststudenten aus der „Dritten Welt“ einen maximal dreimonatigen Studienaufenthalt in Deutschland zu ermöglichen, um die deutsche Unternehmenskultur in Industrien zu studieren und um Möglichkeiten für die „internationale Zusammenarbeit auf deutschem Boden“ zu eröffnen.37 Das deutsche Wirtschaftswunder führte auch dazu, dass eine Reihe multinationaler deutscher Firmen ihre Interessen auf den indischen Markt ausdehnten.38 Wo die Westdeutschen keine Firmen aufbauten, stellten sie TechnologieKultur zur Verfügung. 1941 entwarf der deutsch-jüdische Architekt Otto Königsberger, ein angeheirateter Neffe des Nobelpreisträgers Max Born, die Pläne für den Bau der modernen Neustadt von Bhubaneswar.39 Königsberger hatte ein langfristiges Interesse an städtebaulichen Planungsprojekten in Indien. Er war auch an der Planung der Stahlwerkerstadt Bhadravati beteiligt und leitete Planung und Bau der Neustadt von Jamshedpur, ein experimentelles wohnbauliches Projekt zur Unterbringung der Stahlarbeiter.40 Die Planstadt Chandigarh wurde, wie allgemein bekannt, in den 1950er Jahren nach Plänen des schweizerisch-französischen Architekten Le Corbusier entworfen. Das intellektuelle und kulturelle Engagement Deutschlands sowie anderer westlicher Länder in Indien in den 1950er und 1960er Jahren erschien im Vergleich zu den weltverzaubernden Bestrebungen der Zwischenkriegsjahre ausgesprochen praxisorientiert.41 Vielleicht hatten die Verheerungen des Zweiten Weltkriegs einen ernüchternden Effekt auf das intellektuelle Leben der Nachkriegszeit. Sicherlich aber fügte der geopolitische Wettstreit des Westens mit dem Sowjetblock, zumal unter Androhung einer nuklearen Katastrophe, dem westdeutschen Engagement in Indien ein erhöhtes Maß an planfixiertem Realismus bei. Die Dialogformen, die Deutsche und Inder miteinander verbanden, veränderten sich in den Jahren nach 1945 drastisch. Deutsche und Inder sahen sich nicht länger als ein Teil des jeweils anderen, als untrennbar verbunden in den Projekten des jeweils anderen zur Neugestaltung der Welt, und auch ihre jeweiligen kulturellen Domänen fungierten nicht länger als Vorposten für Projekte der Wissensproduktion oder der Identitätsbildung des anderen. Die Formen der Transposition und cross-identification, die in den Zwischenkriegsjahren für die deutschen und indischen Verbindungen so kennzeichnend waren, wichen nun einer strikten Scheidelinie zwischen dem industrialisierten Norden und dem Dritte-Welt- Süden. Diskurse der Post-Aufklärung machten Diskursen der Modernisierung Platz.

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Ostdeutschland Erstaunlicherweise überlebte der Indische Orientalismus in Ostdeutschland besser als in Westdeutschland. Im Osten dienten Studien über Indien sowohl dazu, eine geopolitische Abgrenzung zu artikulieren, als auch zur Demonstration der herausragenden Autorität der Sowjet-Wissenschaften und der dahinterstehenden Weltsicht. Während die Bundesrepublik Deutschland unter der Ägide eines amerikanisch geprägten Internationalismus eine Politik der Entwicklungshilfe verfolgte, entwickelte sich die Deutsche Demokratische Republik (DDR) schließlich zu einem Vorreiter der sowjetischen Kulturdiplomatie im Osten. Nikita Sergejewitsch Chruschtschow, Erster Sekretär des ZK der KPdSU, reiste Ende 1955 nach Indien, im Jahrder Konferenz von Bandung. Sein Besuch war der Startschuss für eine Kulturoffensive des Ostblocks in Indien, die vor allem von ostdeutschen Wissenschaftlern ausgeführt wurde. Ab etwa 1957 begannen in Ostdeutschland die Vorbereitungen für ein großes Projekt der Kulturdiplomatie, das auf der Weltagrarausstellung in Neu-Delhi im Februar 1960 zu einem „Tag der DDR“ führte.42 Der Ostblock, so merkte ein westdeutscher Diplomat damals an, breite seine kulturellen Geschenke „wie eine unaufhaltsame Flut über Indien“ aus. 1957 reisten Mulk Raj Anand, C. B. Rao, Sajjad Zaheer und Manoj Basu als Mitglieder einer Delegation zur Akademie der Wissenschaften in Ost-Berlin. Auf dem Internationalen Schriftstellergipfel trafen sie dort mit Arnold Zweig, Bodo Uhse und Günther Deicke zusammen.43 Und im Februar 1960 kam eine Handelsdelegation aus der DDR nach Kalkutta. Die ostdeutsche Präsenz in Indien war weniger offensichtlich, zeigte sich nicht plakativ in Form von multinationalen Unternehmen und Entwicklungsprojekten, sondern eher leise in Form von Kulturprogrammen und persönlichen Zusammenkünften auf Tagungen und Konferenzen. Walter Ruben, deutscher Indologe an der Berliner Humboldt-Universität, wurde zur wichtigsten Figur bei der Entwicklung kultureller Beziehungen zwischen Ostdeutschland und Indien. Ruben besuchte Indien 1957 auf Einladung der Universität Delhi, um dort eine Reihe von Vorlesungen über die Poesie des Dichters Kalidasa und die Samkhya-Philosophie zu halten. Im selben Jahr gründete die DDR eine Indisch-Deutsche Freundschaftsgesellschaft in Nellore.44 Im Dezember 1958 hielt die Gesellschaft eine Gedenkfeier zum 135. Geburtstag von Max Müller ab, die eine erbitterte Auseinandersetzung zwischen Ost- und Westdeutschland um die Kulturhoheit über diese Ikone der deutschen Indologie in Indien entfachte. 1960 versah Westdeutschland die Goethe-Institute in Indien, die als Kultur- und Sprachlernzentren fungierten, mit dem Namen Max Müllers und kam damit der DDR zuvor. Ruben wurde 1924 bei Hermann Jacobi mit einer Dissertation über das indische Nationalepos Ramayana promoviert und war stark

Ostdeutschland

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beeinflusst durch die Afrikanische Kulturanthropologie von Leo Frobenius, bei dem er an der Universität in Frankfurt am Main auch studiert hatte. Ruben floh 1935 in die Türkei und lehrte dort an der Universität Ankara, bevor er nach Santiago de Chile ging, wo er von 1948 bis 1949 lehrte. Im Jahr 1950 entschied er sich, nach Ostdeutschland zurückzukehren, wo er zum Direktor des Institutes für Indienkunde ernannt wurde. Zum Marxismus fand Ruben erst im späten Alter von einundfünfzig Jahren, als er an der Humboldt-Universität lehrte. „Ich war [nicht] ausgebildet als Marxist, obwohl ich den Marxismus 1952/54 als Student an der sogenannten Abenduniversität für Marxismus-Leninismus studiert hatte“, erinnerte er sich.45 Der spätere Ruben stand westlichen Spiritualisten skeptisch gegenüber, deren Interesse am Orient, wie er befand, ihnen nur zur Lösung eigener unausgegorener und irrationaler Zwänge diene. Nach seiner Rückkehr aus dem Exil waren seine Schriften von einem fulminanten, wenn nicht gar fanatischen Bemühen geprägt, die Dynamiken des historischen Materialismus aufzuzeigen, die von der antiken bis zur modernen indischen Kulturproduktion ihre Wirkung entfalteten. Als er 1965 in den Ruhestand ging, schickte er sich an, „sein ganzes Wissen über das antike Indien in fünf Bänden“ zusammenzutragen, mit dem historischen Materialismus als dem alles überspannenden Motiv, von der Urgeschichte bis zum modernen Roman.46 Walter Ruben untersuchte die Geistesgeschichte des modernen Indiens innerhalb eines ökonomischen Entwicklungsrahmens, insbesondere was den Aufstieg des indischen Bürgertums zwischen 1885 und 1947 anbelangte.47 Charakteristisch für Rubens Ansatz war der Fokus auf die Bedeutung von Rabindranath Tagore für die historische Entwicklung der indischen Moderne. Die DDR organisierte eine einen Festakt zum einhundertsten Geburtstag des Poeten.48 Ruben stellte den ostdeutschen Ansatz zum Verständnis von Rabindranath Tagores Werk dem westdeutschen gegenüber. Der Westen, so Ruben, präsentierte Rabindranath als einen spirituellen Weisen. Der Osten hingegen, mit Berlin als der autoritativen kulturellen Beobachtungsstelle für Indien, sah Rabindranath dagegen als einen radikalen sozialen Denker in allen Fragen der Ungleichheit. Rabindranath war nach Rubens Einschätzung nicht deshalb so bedeutend, weil er die Seele erhellte oder die östliche Spiritualität repräsentierte. Nein, er perfektionierte vielmehr eine neue Form des kulturellen Widerstandes gegen den Kapitalismus, der sich durch die gesamte Bengalische Renaissance zog und in der nationalistischen Bewegung gipfelte. „Eines der grundlegenden vedischen Konzepte ist ‚Wahrheit‘. In Indien ist dies nicht bloß eine Frage der Erkenntnistheorie, sondern auch eine moralische Kategorie“, schrieb Ruben.49 Ruben betrieb radikale Wissenschaft in einer marxistischen Tonlage und suchte im Herzen des in-

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dischen Nationalismus nach der verborgenen weltweit gültigen Vision globaler gesellschaftlicher Gleichheit. Nach Rubens Ansicht bildete Rabindranath zusammen mit Vivekananda und Gandhi einen Dreibund der „Wahrheitsredner“. Vivekananda, Rabindranath und Gandhi riefen alle drei nach einer anti-asketischen „Lebensbejahung“. Gandhis Wirken, so Ruben, habe zu den anti-kolonialen Bewegungen in Afrika und Lateinamerika beigetragen und jungen Nationalstaaten ein Beispiel gegeben.50 Rabindranath hingegen erkannte den Willen zum „Fortschritt“ zum Wohle der Menschen. Und weil Rabindranath als Dichter weiterhin aktiv blieb, und weil er neben dem „Wahrheitsreden“ auch die Imperative der sozioökonomischen Entwicklung erkannte, sei er von wahrhaftwelthistorischer Bedeutung, so Ruben. Ruben blieb dabei, allein die marxistische Sicht könne die Wahrheit über Rabindranath Tagores künstlerische Kreativität offenbaren. Immer wieder dachte Ruben über die Indologie der DDR nach, die einem ganz anderen Ansatz folgte als der Orientalismus der westlichen Wissenschaftler. „Bei uns gibt es keine Verbreitung von Yoga oder anderen Neo-Buddhisten, von Theosophisten oder sonstigen Heilsbringern wie in der BRD.“51 Westdeutsche Indologen äußerten sich derweil besorgt über die Stärke der DDR-Indologie, vor allem, weil die Wissenschaft dort eine größere Sichtbarkeit und ein allgemein größeres Ansehen zu haben schien als in der Bundesrepublik.52 Während die DDR keine Ressourcen in Indien investieren konnte, unterstützte das Regime in den 1950er und 1960er Jahren einige faszinierende Forschungen zur Geschichte der indischen Gesellschaft. Ruben begann ein Projekt über zeitgenössische indische Romane, die in englischer Sprache geschrieben waren. In den späten 1950er Jahren standen neben antiken Schriften auch Formen des indischen Modernismus im Fokus seines Interesses.53 Radhakamal Mukherjee, Ökonom und Sozialtheoretiker aus Kalkutta, kam auf Rubens Einladung hin von 1953 bis 1957 für vier Jahre als Gastprofessor an die Berliner Humboldt-Universität. Diese Zusammenarbeit zwischen Ruben und Mukherjee schuf, in Rubens Worten, die „Grundlage für das Studium des modernen Indien in Berlin“.54 Ruben pflegte Freundschaften mit einigen der wichtigsten marxistischen Historiker Südasiens jener Zeit. Die längste und persönlichste Korrespondenz führte er mit Debiprasad Chattopadhyaya, Autor des philosophischen Werks Lokayata (1959), einem brillanten bengalischen marxistischen Wissenschaftshistoriker und Psychoanalytiker, der bei Girindrasekhar Bose gelernt hatte. Darüber hinaus unterhielten auch D. D. Kosambi und Romila Thapar einen intensiven Briefwechsel mit Walter Ruben und tauschten sich mit ihm über materialistische Ansätze zur altindischen Geschichte aus.55 Im Westen Deutschlands gedieh der Orientalismus erfolgreich in akademischen Gefilden, während ihm die breiten Wege in die Populärkultur und in die

Ostdeutschland

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staatliche Forschungsplanung weitgehend versperrt waren. An der Ideologie der transatlantischen Integration und der europäischen Identität Deutschlands führte für Westdeutsche kein Weg vorbei. Es gab keine institutionellen, ja nicht einmal ideellen Räume, um Ideen über mystische, spirituelle, oder sprachliche Ursprünge zu entfalten, die das Besondere der deutschen Wissenschaft oder auch das besondere geopolitische Schicksal des Volkes aus deutschem Blut zu untermauern. Man könnte sagen, dass „das Germanische“ nach dem Zweiten Weltkrieg in beiden Teilen Deutschlands, im Westen wie im Osten, abgetötet wurde. Der Indische Orientalismus vor 1945 hatte sich bemüht, „Deutsch-Sein“ so zu definieren, dass eine positive Identifikation mit dem Indischen Orient und gleichzeitig eine scharfe Abgrenzung zu anderen zivilisatorischen (sprachlich-ethnischen) Kategorien wie der angelsächsischen, der abendländischen, der lateinischen, der jüdischen oder der christlichen möglich wurde. Deutsche Ideen wurden von britischen und amerikanischen Kommentatoren als inhärent gefährlich aufgefasst. Die britische Germanistin E. M. Butler stellte in ihrem grundlegenden Werk The Tyranny of Greece over Germany (1958) fest: „Die Deutschen sind vielleicht einzigartig in ihrem Eifer, mit dem sie Ideen verfolgen und versuchen, sie in die Realität umzusetzen. Ihre großen Errungenschaften, ihre katastrophalen Fehlschläge, ihre tragische politische Geschichte sind alle durchtränkt von diesem Idealismus.“56 Nach 1945 waren die Begriffe „Deutschsein“ und „Mitteleuropa“ negativ konnotiert (und sind es bis heute). Und weil gleichzeitig Indiens Identitätskonstrukt als Hort der Opposition gegen westliche Werte und Normen vollkommen verblich, konnte „Indien“ der deutschen Vorstellungswelt nicht länger als Kernkonzept dienen. Identität kennt keine definiten Grenzen, sie verändert sich konträr und alte Identitäten schwinden – die Identität mit „westlichen“ Normen schwand ebenso wie die Identität mit dem orientalischen „Indien“ als einem zentralen Konzept in der deutschen Vorstellungswelt. Vielleicht hat Carl Schmitt die intellektuelle Tradition der alten konservativen Eliten Deutschlands am besten dargestellt. Nicht lange nach dem Zweiten Weltkrieg untersuchte er die tiefliegenden Beweggründe deutscher Nationalisten um die Jahrhundertmitte und identifizierte sie als bewusste Suche nach der Rolle des politischen underdogs, um die Last des Gefühls, einem normativen westeuropäischen Zwang unterworfen zu sein, erträglicher zu machen.57 Im Rückblick auf Deutschlands Werdegang, von seiner Gründung 1871 bis zum Zweiten Weltkrieg, zog Schmitt den Vergleich zwischen den Deutschen und der starken Figur des „Partisanen“, dem Experten für Widerstand und Guerillakampf. Deutschland, so seine These, sei immer ein Partisan gewesen, stets bestrebt, die Machtverhältnisse in der Welt neu zu ordnen, so wie Guerilla-Krieger

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dies im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts im Kontext einzelner Nationalstaaten getan hatten. Schmitt verwies auf Mao Zedong, Ho Chi Minh und Che Guevara als die modernen Erben des geopolitischen Radikalismus, eines Radikalismus, den das deutschsprachige Europa einst geteilt hatte.58 Auch Inder, Pakistaner und Bangladescher sahen ihre Vorfahren im 19. und frühen 20. Jahrhundert als Partisanen dieser Erde – als Rebellen nicht nur gegen eine bestimmte Kolonialmacht, sondern gegen all das, wofür die Macht der Briten in einem weiteren Sinne stand. Das British Empire stand während des ganzen 19. Jahrhunderts, bis Mitte des 20. Jahrhunderts, und vielleicht sogar noch bis zur Suez-Krise, für einen sich verschränkenden westlichen Universalismus, der auf einheitsstiftenden Idealen der Aufklärung und des Empire gründete und um das nordwestliche Europa herum zentriert war. Dies war eine Form von Universalismus, von der sich die Partisanen dieser Erde, einschließlich der deutschsprachigen, während einer Periode ihrer Geschichte lossagen wollten.

Epilog Wie dieses Buch dargelegt hat, kommt es auf den Kontext an: Was Menschen denken, muss im Zusammenhang mit den Personen betrachtet werden, mit denen sie sprechen, und auch im Zusammenhang mit den politischen Interessen, die diese Gespräche lenken. Politische Gruppen, trotz ihrer offensichtlichen Unterschiede und trotz ungleicher Verteilung ihrer Macht und ihrer materiellen Ressourcen, werden spätestens dann miteinander reden, wenn sie Hilfe brauchen. Und im Kern der transnationalen Gespräche im hier betrachteten historischen Zeitraum von 1880 bis 1945 ging es darum, die bestehende Weltordnung neu zu visualisieren und die Welt in einer Weise neu zu verzaubern, die die Ideale von einem „Europäischen Konzert der Mächte“ und einem „Empire der Aufklärung“ aus dem 19. Jahrhundert hinter sich ließ. Unter den hier untersuchten Verflechtungen entzündeten sich erste Funken der Rebellion eines noch unerfahrenen 20. Jahrhunderts gegen die alten Obliegenheiten des neunzehnten. Daraus wiederum entwickelten sich erste regionale Regungen gegen einen ganz dem 19. Jahrhundert verhafteten, sich selbstbespiegelnden britisch-imperialen Hegemon mit globaler Reichweite. Forschungsprojekte der post-aufklärerischen Gegenwissenschaften und sonstige wissenschaftliche Unternehmungen zur Verzauberung der Welt schufen intellektuelle Ressourcen zur Entfaltung „weicher“ Macht (soft power) auf der internationalen Bühne. Dieses Buch hat Diplomaten und Gesandte auf dem Feld der geistigen Beziehungen weltweit untersucht. Oftmals waren sie nur einen kleinen Schritt entfernt von den offenkundigen Belangen der internationalen Beziehungs- und Machtpolitik. Eine Zeit der geopolitischen Verflechtungen und Instabilitäten – eine große internationale Un-Ordnung – fand 1945 ihr Ende. Es folgte eine Neuorganisation im Kalten Krieg, die eine dreigeteilte geopolitische „Normalität“ zementierte: den Westen, die Sowjetunion, die Dritte Welt. In diesem besonderen Zeitalter der Verflechtung brachten die Bahnen postaufklärerischen Gedankenaustauschs ab den 1880er Jahren Denker beidseits der kolonialen Trennlinie auf dieselbe Wellenlänge und durchbrachen die räumliche Logik des Empire. Der gleichzeitige Zerfall der Ideale „Europa“ und „Empire“ spitzte sich mit den Angriffen deutscher und indischer Intellektueller auf die Position des British Empire als unangreifbarem Symbol des westlichen Universalismus zu. Der Kampf gegen anglozentrische Strukturen und Symbole der Weltordnung wurde aus diversen Positionen heraus vorgetragen, was die Verflechtungen zwischen beiden Gruppen nur noch verstärkte. Die Inder versuchten, die weiche Macht der deutschen Wissenschaft für intellektuelle Bestrebungen gegen das British Empire zu nutzen. Die Deutschen wiederum versuchten, die https://doi.org/10.1515/9783110706178-013

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Epilog

weiche Macht der indisch-intellektuellen Wissensproduktion für ihre Rebellion gegen das Ideal eines Europa einzusetzen, in dem der nordwestliche „Kern“ seine Hegemonie fortsetzen würde. Kurzum, an der Schwelle des 20. Jahrhunderts war es die gemeinsame Rebellion von Deutschen und Indern gegen das Erbe des 19. Jahrhunderts, die sie vereinte und ihre Aktivitäten über einen längeren Zeitraum hinweg in Einklang brachte. So wie sich die geopolitischen Ausrichtungen der Mächte während der verheerenden Zeit des Zweiten Weltkriegs veränderten, so veränderten sich auch die Muster der transnationalen Verflechtungen. Inder, Pakistaner und bald auch Bangladescher begannenmit anderen „Dritte-Welt-Ländern“ in Asien und Afrika ein Gespräch unter Gleichen. Südasiatische Länder begannen, als Entwicklungsländer zu den Deutschen zu sprechen, angewiesen auf Spenden vom industriell fortgeschrittenen „Westen“. Die ineinander verflochtenen Projekte einer die Welt verzaubernden Gelehrsamkeit, die das 19. und frühe 20. Jahrhundert charakterisierten, kamen zu einem Ende. Doch sie hatten viel bewirkt, hatten verborgene Welten der natürlichen Energie, des Handels, der Arbeit, der Kultur und der Psyche enthüllt sowie künstlerische und darstellerische Ausdrucksformen als probates Mittel zur Durchbrechung von Machtstrukturen erkannt. Intellektuelle, wissenschaftliche und künstlerische Institutionen wurden zunehmend von den Supermächten absorbiert. In der Zwischenzeit trug das Aufkommen der Kulturgeschichte und der „Area Studies“, die beide den „Multikulturalismus“ in den Vordergrund schoben und ihn als Merkmal des neuen normativen westlichen Universalismus etablierten, wesentlich zur Stabilisierung der Weltordnung bei. Die modernen Beziehungen zwischen Asien und Europa gedanklich in eine Vorstellung von Zentrum vs. Peripherie zu pressen, von europäischem Kolonialismus vs. asiatischem Widerstand, hieße, das Resultat des Kalten Krieges rückwirkend verantwortlich zu machen für die unvorhersagbaren Prozesse des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Wie Spezialisten der interregionalen und transnationalen Studien betonen, lohnt sich der Seitenblick auf Konstellationen, die über die Dualität des Kolonialismus hinausgehen. Es ist der beste Weg, den alten Hemisphären-Mythos zu zersprengen, wonach die Welt naturgegeben in Osten und Westen (oder Norden und Süden) geteilt sei – selbst in der heutigen modernen Zeit – und Ideen allein über diese Verwerfungslinie hinweg ausgetauscht worden seien.1 Für ein schicksalhaft kurzes „Jahrhundert“, von etwa 1880 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs, hatten die historischen Prozesse in Deutschland tatsächlich mehr gemein mit der asiatischen Geschichte, als man zunächst meinen möchte. Die eng verflochtenen Beziehungssysteme zwischen Deutschen und Indern waren geprägt von festen Allianzen über imperiale Grenzen hinweg und zielten darauf, den geopolitischen Status quo des 19. Jahrhunderts zu zerstören. Dieses Buch lenkte den Blick auf den Mittelgrund, wo die Interessen sich trafen

Epilog

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und die Grenzen zwischen asiatischen und europäischen Identitäten verschwammen, zu einer Zeit als die Weltordnung des 19. Jahrhunderts auseinanderbrach und mit ihr der europa-zentrierte Idealismus der Aufklärung. Wenn wir uns auf die Konstellationen dialogischer Interdependenz konzentrieren, nicht auf monolithische Diskursblöcke, können wir erkennen, wie Wissensproduktion, Texte und Medien, Fach-Institutionen und persönliche Werdegänge, die oftmals durch nationale oder neo-zivilisatorische Grenzen künstlich voneinander getrennt sind, in Wahrheit ko-konstituierend wirken und alle miteinander am Kampf um neue Macht auf der Erde beteiligt sind. Die Betrachtung dieser Querverbindungen kann dazu führen, die Periodisierung der Geschichte in aufeinander folgende Zeitalter, historische Epochen oder Abschnitte sowie unser Verständnis der Ideen- und Geistesgeschichte in einem Regionen übergreifenden Rahmen neu zu denken. Wenn in den 1880er Jahren eine Zeit intellektueller Verflechtungen begann, die in den Zwischenkriegsjahren ihren Höhepunkt erreichte, dann bedarf es weiterer Anstrengungen, sowohl in den Archiven als auch auf theoretischer Ebene, um die transnationale Ära von 1880 bis 1945 als eine Zeit des kreativen Ideenreichtums und des Versagens besser zu verstehen. Das Zeitalter der Verflechtung reichte bis ins frühe 19. Jahrhundert zurück und umspannte 150 Jahre von Partnerschaften und Brüchen zwischen Deutschen und Indern, die vor der schwindenden Globalmacht des British Empire eine Lebendigkeit zeigte, die zur Herausforderung wurde für allzu sichere Vorstellungen von klaren regionalen, nationalen und geopolitischen Trennlinien. Die eingehende Untersuchung der historischen Verflechtungen legt das tiefere Binde-Gewebe der transnationalen Beziehungen in der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts frei.2 Im steten Versuch, sich Autonomie und Überlegenheit zu sichern, verstrickten sich die Gruppen immer wieder in die Projekte und Geschichten anderer. Die deutsche Geschichte ist verwoben mit der Geschichte und mit den Interessen anderer Völker; ebenso wie die Geschichte Südasiens mit der Geschichte anderer Völker verwoben ist. Das 20. Jahrhundert brachte komplizierte Angelegenheiten hervor, angetrieben von den Imperativen vermeintlicher politischer Notwendigkeiten. Das manichäische Universum von Schwarz und Weiß, von Eigenem und Fremdem, von Deutschen und Juden, von Asiaten und Europäern sowie von hochkontrastiven Vorstellungen von „Andersartigkeit“, all das wird den Abstufungen des „Anders-Seins“ und dem Spektrum seltsamer Identifikationen nicht gerecht, die immer dann entstanden, wenn fremde Gruppen das Bedürfnis verspürten, einander auf einem Stück gemeinsamen Bodens für eine gewisse Zeit auf besondere Weise zu brauchen. Geschichte im Hinblick auf ihre Verflechtungen verständlich zu machen, eröffnet uns auch eine Sicht auf unser 21. Jahrhundert, in dem undurchlässige Grenzen heute zusehends weniger als solche wahrnehmbar sind denn als Be-

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Epilog

wegungen zur Reterritorialisierung und Wiederverzauberung durch globale Migration und die weltweite Verbreitung digitaler Medien. In einer Zeit nach 2001, in der die Versuche der Vereinigten Staaten von Amerika, sich im Zentrum einer unipolaren Weltordnung des 21. Jahrhunderts fest zu etablieren, eindeutig fehlgeschlagen sind, und das, was ein „amerikanisches Jahrhundert“ werden sollte, schon sehr bald erschien wie das Jahrhundert einer Neuordnung und Neuverteilung von Weltmacht, von Multipolarität und geopolitischem Wettbewerb, ist es mit einer manichäischen Geschichtsauffassung wohl kaum getan. Das Selbstsein und das Anderssein sind zwei miteinander verknotete Dinge. Die Muster der Allianzbildung, der intellektuellen Kreativität und des stillschweigenden politischen Einverständnisses, die dieses Buch beschreibt (Muster der Verflechtung), vermitteln uns für unsere heutige Zeit wichtige Botschaften.3 Mehr noch als eine erbauliche Erzählung von der erfolgreichen Suche nach einer gemeinsamen Basis ist uns das vorausgegangene Zeitalter der Verflechtungen (1880 bis 1945) eine nüchterne Mahnung, dass Versuche, das Monster der Hegemonie zu überwinden, nur allzu oft neue Monstrositäten gebären. Die enorme Dimension des Kampfes um neue Universalismen, oder genauer gesagt, des Bestrebens einzelner Machtgruppen – ob weiße, farbige, schwarze, männliche oder weibliche –, sich in der Welt zu profilieren und intellektuelle Autorität für sich zu beanspruchen, um für neue Universalismen einzutreten, ist und bleibt der große innere Dämon, dem wir uns alle gegenübersehen, und mit dem wir alle weiterhin zu rechnen haben.

Anmerkungen Einleitung . Intellektuelle Institutionen sind Thorstein Veblen zufolge „Denk-“ oder „Geistesgewohnheiten“, die in einer Gesellschaft vorherrschend sind. Über Generationen hinweg tradieren sie eine Kohärenz der Geschmäcker (tastes) und Werte (values), die mit dieser Schicht verbunden sind; siehe: The Theory of the Leisure Class (London: Macmillan, 1899), 116. Dietrich Rüschemeyer und Theda Skocpol verorten intellektuelle Institutionen innerhalb des Staatsapparats, als Quellen „sozialen Wissens“. Ihnen zufolge legen die intellektuellen Institutionen die Parameter und Semantiken für die Gestaltung von Politik fest; siehe: Rüschemeyer und Skocpol (Hrsg.), States, Social Knowledge, and the Origins of Modern Social Policies (Princeton, NJ: Princeton University Press, 1996), 5. C. A. Bayly greift auf diese soziologischen Definitionen sowie auf die Kommunikationstheorie von Karl Deutsch zurück, um die Rolle britischer intellektueller Institutionen bei der Errichtung der Kolonialherrschaft in Indien nachzuzeichnen; in: Empire and Information (Cambridge: Cambridge University Press, 1996). . Regina Höfer (Hrsg.), Imperial Sightseeing: Archduke Ferdinand of Austria-Este’s Journey to India (Wien: Museum für Völkerkunde, 2010), 1. . Ferdinand Schrey, Die Reise des deutschen Kronprinzen nach dem fernen Osten (Berlin: G. Stilke, 1912); Paul Rohrbach, Der deutsche Gedanke in der Welt (Düsseldorf: Langewiesche, 1912), 123–148; über politisches Theater im Kaiserreich siehe: David Blackbourn, „Politics as Theater“ in: Populists and Patricians (London: Allen and Unwin, 1987), 246–261. . Asutosh Mukherjee, University Convocation (Kalkutta: University of Calcutta, 1910), 130. . Paul Natorp, Stunden mit Rabindranath Thakkur (Jena: Eugen Diederichs, 1921), 25; siehe auch den Brief von Helene Natorp an Rabindranath Tagore (1924) in der Sammlung von Martin Kämpchen, in: Jeanne Openshaw (Hrsg.), Rabindranath Tagore and Germany: A Documentation, übers. von S. V. Raman und Martin Kämpchen, (Kalkutta: Max Mueller Bhavan, 1991), 84. . Ich knüpfe an bestehende Arbeiten der Verflechtungsgeschichte und der Histoire croisée an, unterscheide mich aber wesentlich von diesen Arbeiten, indem ich mich auf die Bildung von Allianzen durch untergeordnete regionale Eliten gegen globale Hegemonen konzentriere; siehe: Michel Espagne und Michael Werner (Hrsg.), Transferts: les relations interculturelles dans l’espace franco-allemand (Paris: Editions Recherche sur les civilisations, 1988); Michael Werner und Bénédicte Zimmermann, „Beyond Comparison: Histoire Croisée and the Challenge of Reflexivity“, History and Theory 45 (2006): 30–50; Gerhard Haupt und Jürgen Kocka (Hrsg.), Geschichte und Vergleich (Frankfurt: Campus, 1996). . C. A. Bayly, Imperial Meridian: The British Empire and the World, 1780–1830 (London: Longman, 1989), 191–196; Linda Colley, Britons: Forging the Nation, 1707–1837 (New Haven, CT: Yale University Press, 1992), 321–324, 363; Maya Jasanoff, Edge of Empire: Lives, Culture, and Conquest in the East, 1750–1850 (New York: Knopf, 2005), 320. . Siehe dazu Ann Laura Stoler’s wegweisende Arbeit über Rassifizierung und Imperialismus Carnal Knowledge and Imperial Power: Race and the Intimate in Colonial Rule (Berkeley: University of California Press, 2002). Es gibt eine Reihe neuerer Arbeiten, die Rassifizierung durch Vergleich in imperialistischen Kontexten untersucht haben; siehe: Harald Fischer-Tiné, Low and Licentious Europeans: Race, Class, and „White Subalternity“ in Colonial India (Delhi: Orient Black Swan,

https://doi.org/10.1515/9783110706178-014

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Anmerkungen

2009); Satoshi Mizutani, The Meaning of White: Race, Class, and the „Domiciled Community“ in British India 1858–1930 (New York: Oxford University Press, 2011). . Gentleman-Kapitalisten werden von Anthony Hopkins und P. J. Cain untersucht, vgl. British Imperialism: 1688–2000 (London: Longman, 2002), 177; Ian Clark, Hegemony in International Society (Oxford: Oxford University Press, 2011), 109; Pascale Casanova erforscht die weltweite Vorherrschaft der französischen Elitekultur in der Neuzeit, The World Republic of Letters (Cambridge, MA: Harvard University Press, 2004), 9; siehe auch: Immanuel Wallerstein über den „Kern“ des Weltsystems im nordwestlichen Europa, The Modern World-System, Bd. 2 (New York: Academic Press, 1974), 36. . Derek Howse, Greenwich Time and the Discovery of the Longitude (Oxford: Oxford University Press, 1980), 152–172; Ian Bartky, One Time Fits All (Stanford, CA: Stanford University Press, 2007), 82. . Paul Kennedy, „The Costs and Benefits of British Imperialism 1846–1914,“ Past and Present 125 (1989): 186–192. . Michael Adas, „High“ Imperialism and the „New“ Imperial History (Washington, DC: American Historical Association, 1993). . Über „Islamischen Universalismus“ schreibt Ayesha Jalal, Partisans of Allah (Cambridge, MA: Harvard University Press, 2008), 179–191; zum „Asiatischen Universalismus“ siehe: Sugata Bose, A Hundred Horizons (Cambridge, MA: Harvard University Press, 2006), 233. . Alfred Eckhard Zimmern, The Third British Empire (London: Humphrey Milford, 1926), 1; HUA 2199/93 Rektorat. . James Joll, „Liberalism and Its Enemies“, in: Europe since 1870 (New York: Harper and Row, 1973), 133–150; Richard Langhorne, The Collapse of the Concert of Europe (Basingstoke, UK: Macmillan, 1981), 8–55; Norbert Elias, The Germans (New York: Columbia University Press, 1996), 162. . Charles Maier, „Consigning the Twentieth Century to History: Alternative Narratives for the Modern Era“, American Historical Review 105 (2000), 807–831; David Blackbourn und Geoffrey Eley, The Peculiarities of German History (Oxford: Oxford University Press, 1984), 1–38. . Sukanya Banerjee, Becoming Imperial Citizens (Durham, NC: Duke University Press, 2010), 193; Daniel Gorman, Imperial Citizenship (Manchester: Manchester University Press, 2006), 205– 215. . Zur transnationalen Geistesgeschichte siehe: Sugata Bose und Kris Manjapra, Cosmopolitan Thought Zones (Houndmills, UK: Palgrave Macmillan, 2010); Sebastian Conrad und Dominic Sachsenmaier, Competing Visions of World Order (New York: Palgrave), 1-28. . Dies lässt sich allgemein umreißen als Spannung zwischen dem Ansatz von Edward Saids Orientalism (New York: Pantheon, 1978) und dem von Wilhelm Halbfass in: India and Europe: An Essay in Understanding (Albany: State University of New York, 1988). Die Geschichtsschreibung der beiden Schulen, der Cambridge-Schule und der Schule der subaltern studies hat diese geschichtswissenschaftliche Debatte wieder aufgegriffen. . Es gibt eine breitgefächerte und immer noch wachsende Literatur zur deutschsprachigen Kulturgeschichte Asiens, insbesondere Indiens. Das klassische Werk von Leslie Willson, A Mythical Image: The Idea of India in German Romanticism (Durham: Duke, 1964), hat viele wichtige Verfeinerungen und Ausarbeitungen angeregt; eine Übersicht hierzu bietet: Jörg Esleben, Christina Kraenzle, Sukanya Kulkarni (Hrsg.), Mapping Channels between Ganges and Rhein (Newcastle, UK: Cambridge Scholars Publishing, 2008). . Einen wichtigen theoretischen Beitrag zu diesem neuartigen Ansatz liefert Jürgen Kocka (Hrsg.), Comparative and Transnational History (New York: Berghahn Books, 2009); siehe hierzu

Einleitung

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auch: Andrew Zimmerman, Alabama in Africa: Booker T. Washington, the German Empire, and the Globalization of the New South (Princeton, NJ: Princeton University Press, 2010) und Susan Pennybacker, From Scottsboro to Munich: Race and Political Culture in 1930s Britain (Princeton, NJ: Princeton University Press, 2009). Das klassische Beispiel einer interkulturellen Studie ist immer noch Halbfass, India and Europe. Eine jüngere Forschungsrichtung mit einer Vielzahl neuerer Arbeiten betont die politische Dimension der Begegnung; siehe: Cemil Aydin, The Politics of AntiWesternism in Asia (New York: Columbia University Press, 2007). . Partha Chatterjee behandelt den „Moment des Aufbruchs“ des bengalisch-nationalistischen Denkens während der Zeit, die er scharfsinnig als die „Post-Aufklärung“ des späten 19. Jahrhunderts bezeichnet, in: Nationalist Thought and the Colonial World (Minneapolis: University of Minnesota Press, 1986), 14–17, 58. . Zu diesem Argument siehe Partha Chatterjee, Lineages of Political Society (New York: Columbia University Press, 2011), 82–93. . Im Gegensatz zum Dualismus in Edward Saids Orientalism ist meine Analyse vom fraktionellen Ansatz bei Partha Chatterjee in Lineages of Political Society inspiriert. . Mikhail Bakhtin, The Dialogic Imagination (Austin: University of Texas Press, 1981), 259– 422; zu „dialogischen Handlungen“ siehe John Kelly und Martha Kaplan, Represented Communities (Chicago: University of Chicago Press, 2001), 6–9. Lydia Lius Begriff der „translingualen Praxis“ ist für die folgende Diskussion besonders relevant; siehe: Translingual Practice: Literature, National Culture, and Translated Modernity – China 1900–1937 (Stanford, CA: Stanford University Press, 1995), 25; siehe hierzu auch die aufschlussreiche Diskussion über langue und parole im Zusammenhang mit Studien zur Globalisierung 1850–1920 bei T. N. Harper, „Empire, Diaspora and the Languages of Globalism, 1850– 1914“, in: A. G. Hopkins (Hrsg.), Globalization in World History (New York: Norton, 2002), 155. . Emma Rothschild, The Inner Life of Empire: An Eighteenth-Century History (Princeton, NJ: Princeton University Press, 2011), 210. . Sebastian Conrad, „Enlightenment in Global History: A Historiographical Critique“, American Historical Review 117 (2012): 999–1027. . Isaiah Berlin, Vico and Herder: Two Studies in the History of Ideas (London: Chatto and Windus, 1976), XXVI, XXVIII. . David Lindenfeld, The Transformation of Positivism (Berkeley: University of California Press, 1980), 77–88; Anne Harrington, Reenchanted Science (Cambridge, MA: Harvard University Press, 1997), 23–30; Suzanne Marchand, German Orientalism in the Age of Empire (New York: Cambridge University Press, 2010), 4; Martin Jay, Marxism and Totality (Berkeley: University of California Press, 1984), 150, 174. . Michel Foucault, Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften (Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1971), 454. . Ibid., 456. . Lindenfeld, Transformation of Positivism, 5–7. . Hans-Georg Gadamer, Philosophische Lehrjahre. Eine Rückschau (Frankfurt: Vittorio Klostermann, 1977), 212. . Zu Anne Harringtons gefeierter Anwendung des Konzepts von Max Weber siehe: Reenchanted Science, 29; Pierre Duhem, German Science (La Salle, IL: Open Court, 1991; zuerst 1915); Daniel Rodgers, Atlantic Crossings: Social Politics in a Progressive Age (Cambridge, MA: Belknap Press of Harvard University Press, 1998), 367; Victoria de Grazia, Irresistible Empire (Cambridge, MA: Belknap Press of Harvard University Press, 2005), 159.

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Anmerkungen

. Theodor Adorno und Max Horkheimer, Dialectic of the Enlightenment (New York: Seabury, 1972; zuerst 1944); Bruno Latour, We Have Never Been Modern (New York: Harvester Wheatsheaf, 1993). . Das Phänomen des „Tagore-Zirkels“ mit seinem ausgeprägt intellektuellen Charakter wurde bereits von Mark Ravinder Frost herausgearbeitet: „The Great Ocean of Idealism: Calcutta, the Tagore Circle, and the Idea of Asia, 1900–1920“, in: Shanti Moorthy und Ashraf Jamal, Indian Ocean Studies (New York: Routledge, 2010), 251–279. . Zu „konstruktive Swadeshi“ siehe Sumit Sarkar, Swadeshi Movement (New Delhi: People’s Publishing House, 1973), 40.

1 Deutsche Intellektuelle in Britisch-Indien . Vasant Kaiwar, „The Aryan Model of History and the Oriental Renaissance,“ in: Vasant Kaiwar und Sucheta Mazumdar, Antinomies of Modernity (Durham, NC: Duke University Press, 2003), 31. . Susanne Zantop, Colonial Fantasies (Durham, NC: Duke University Press, 1997), 17–30. . Partha Chatterjee, Arms, Alliances, and Stability (New York: Wiley, 1975), 20. . L. C. B. Seaman, From Vienna to Versailles (New York: Harper & Row, 1963); Adam Zamoyski, Rites of Peace: The Fall of Napoleon and the Congress of Vienna (London: Harper Press, 2008). . Zum Crescendo der 1830er and 1840er Jahre siehe C. A. Bayly, Imperial Meridian: The British Empire and the World, 1780–1830 (London: Longman, 1989), 1–25; Dieter Langewiesche, Liberalismus in Deutschland (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1988), 164–179; ders., Nation, Nationalismus, Nationstaat (München: Beck, 2000); Brian Vick, Defining Germany: The 1848 Frankfurt Parliamentarians and National Identity (Cambridge, MA: Harvard University Press, 2002). . Heine, Heinrich: Deutschland. Ein Wintermährchen. (Hamburg: Hoffmann und Campe, 1844) 34. . Johannes Fabian, Time and the Other: How Anthropology Makes Its Object (New York: Columbia University Press, 1983), 25, 31. . Friedrich Nietzsche,Was den Deutschen abgeht, in: Götzen-Dämmerung oder Wie man mit dem Hammer philosophirt (Leipzig: Naumann, 1889), 98. . Russell Berman, Enlightenment or Empire (Lincoln: University of Nebraska Press, 1998). . Michael Maurer, Aufklärung und Anglophilie in Deutschland (London: DHI, 1987), 370. . Berman, Enlightenment or Empire, 21–64. . Walter Mignolo, Local Histories / Global Designs: Coloniality, Subaltern Knowledges, and Border Thinking (Princeton, NJ: Princeton University Press, 2000), 51–60; Felix Driver, Geography Militant: Cultures of Exploration and Empire (Oxford: Blackwell, 2001), 26. . Maurer, Anglophilie, 253–291; Bayly, Imperial Meridian; Linda Colley, Britons: Forging the Nation, 1707–1837 (New Haven, CT: Yale University Press, 1992), 147–194; Jörg Esleben, „‘Indisch lesen’: Conceptions of Intercultural Communication in Georg Forster’s and Johann Gottfried Herder’s Reception of Kalidasa’s ‘Sakuntala’“ Monatshefte 95 (2003): 217–229. . Maurer, Anglophilie, 50. . Maiken Umbach, „Visual Culture, Scientific Images and German Small-State Politics in Late Enlightenment“, Past and Present 158 (1998): 110–145. . P. J. Marshall, Bengal: The British Bridgehead (Cambridge: Cambridge University Press, 1987), 26, 93. . George Sarton, „Anquetil-Dupperon (1731–1805)“, Osiris 3 (1937): 193–223.

1 Deutsche Intellektuelle in Britisch-Indien

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. P. J. Marshall, The British Discovery of Hinduism in the Eighteenth Century (Cambridge: Cambridge University Press, 1970), 15–17. . Bradley Herling, The German Gita (New York: Routledge, 2006), 92. . Philip Stern, The Company-State: Corporate Sovereignty and the Early Modern Foundation of the British Empire in India (Oxford: Oxford University Press, 2011), 207. . Chen Tzoref-Ashkenazi, „India and the Identity of Europe: The Case of Friedrich Schlegel“, Journal of the History of Ideas 67 (2006): 713–734. Dies ist das klassische Thema von Edward Said, Orientalism (New York: Pantheon, 1978), und gilt im deutschen Fall für die Beziehungen zu britisch-imperialen Infrastrukturen. . So die Behauptung von Johann Joseph Görres, katholischer Theologe und Naturphilosoph, der 1810 in Heidelberg lehrte, in seiner Mythengeschichte der asiatischen Welt (Heidelberg: Mohr und Zimmer, 1810); Görres stellt die Behauptung auf, dass archetypische mythische Formen von Ost nach West wanderten, und dass westliche Mythen von östlichen Originalen abgeleitet seien. Ein starkes Argument bezüglich der politischen Interessen der deutschen Wissenschaft liefert Sheldon Pollock: „Deep Orientalism: Notes on Sanskrit and Power Beyond the Raj“, in: Carol Breckenridge und Peter van der Veer (Hrsg.), Orientalism and the Postcolonial Predicament (Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 1993), 76–133; Kamakshi Murti, India: The Seductive and Seduced „Other“ of German Orientalism (Westport, CT: Greenwood, 2000), 11–33. . Frank Korom, „Of Navels and Mountains“, Asian Folklore Studies 51 (1992): 103–125. . Michael Franklin, Orientalist Jones (Oxford: Oxford University Press, 2011), 38–42. . Friedrich Creuzer, Symbolik und Mythologie der alten Völker (Leipzig: Leske, 1810); ders., Aus dem Leben eines alten Professors (Leipzig: Leske, 1840). . Friedrich Creuzer, Religions de l’Antiquité, Bd. 1, übers. von J. D. Guigniaut (Paris: Treuttel et Würtz, 1825), 132; George Williamson, Longing for Myth (Chicago: University of Chicago Press, 2004), 121–150. . Creuzer, Religions de l’Antiquité, 435; Williamson, Longing for Myth, 127. . Siehe hierzu die Diskussion über Komparativismus versus Diffusionismus bei Suzanne Marchand sowie ihre Ausführungen zum europäischen Erbe des komparativistischen Ethos in der hermetischen Philosophie in: German Orientalism in the Age of Empire (New York: Cambridge University Press, 2010), XXV, 62–66; Wilhelm Halbfass, „India and the Comparative Method“, Philosophy East and West 35 (1985): 3–15. . Diese brillante Interpretation stammt von Louis Miller, „The Revelation of Genius“, PhD Diss., Princeton University, 1992, 119. . Heine, Deutschland. Ein Wintermährchen. s. Anm. 6. . Niall Ferguson, Empire: How Britain Made the Modern World (New York: Penguin, 2004), 184. . Siehe die klassischen Essays von Bernard Cohn, An Anthropologist among the Historians and Other Essays (Delhi: Oxford University Press, 1987), 224–254; 632–679. . S. N. Mukerji, History of Education in India (Delhi: Acharya Books, 1966), 65–67. . Morris Berman, „‘Hegemony’ and the Amateur Tradition in British Science“, Journal of Social History 8 (1975): 30–50; Donald Clay Johnson, „German Influences on the Development of Research Libraries in Nineteenth-Century Bombay“, Journal of Library History 21 (1986): 215–227. . Lewis Pyenson, Cultural Imperialism and Exact Sciences (New York: Lang, 1985), 14–17; Dirk van Laak, Imperiale Infrastruktur: Deutsche Planungen für eine Erschließung Afrikas 1880 bis 1960 (Paderborn: Schöningh, 2004), 67–76. . Michel Foucault, Die Ordnung der Dinge (Frankfurt a.M. 1971), 289–294; Tuska Benes, In Babel’s Shadow: Language, Philology, and the Nation in Nineteenth- Century Germany (Detroit: Wayne State University Press, 2008), 76–95.

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Anmerkungen

. Salomon Lefmann, Franz Bopp: Sein Leben und seine Wissenschaft, Bd. 1 (Berlin: Reimer, 1891). . Eine – allerdings unvollständige – Liste der deutschsprachigen Redner, viele von ihnen Kommilitonen von Bopp (1791–1867), die wenigstens zeitweilig auch als Bibliothekare oder Assistenten in britischen orientalistischen Bibliotheken und Institutionen tätig waren, enthält die Namen von Michael Solomon Alexander (1799–1845), Albrecht Hoefer (1812–1883), Aloys Sprenger (1813–1893), Theodor Goldstücker (1821–1872), Theodor Aufrecht (1821–1907), Ernst Reinhold Rost (1822–1896), Max Müller (1823–1900), Martin Haug (1827–1876), Ernst Trumpp (1828–1885), Gustav Oppert (1836–1908), Georg Bühler (1837–1898), Augustus Rudolf Hoernle (1841–1918), Carl Cappeller (1842–1925), Georg Thibault (1848–1914), Rudolf Hoernes (1850–1912), Hermann Jacobi (1850–1937), Eugen Hultzsch (1857–1927); siehe zu diesem Thema auch:Valentina Stache-Rosen, German Indologists: Biographies of Scholars in Indian Studies Writing in Germany (Delhi: Max Müller Bhavan, 1981). . Rosane Rocher, „Sanskrit for Civil Servants 1806–1818“, Journal of the American Oriental Society 122 (2002): 130. . Herman W. Tull, „F. Max Mueller and A. B. Keith: ‘Twaddle’, and ‘Stupid’ Myth, and the Disease of Indology“, Numen 28 (1991): 30. . Max Müller, Chips from a German Workshop (London: Longmans, 1867), 390–391. . Murti, Seductive and Seduced „Other“, 37. . Paola Palladino and Michael Worboys, „Science and Imperialism,“ Isis 84 (1993): 91–102. . Johnson, „German Influences“. Lorenz Franz Kielhorn ging nach seiner Dissertation bei Adolf Stenzler in Breslau 1866 als Mitglied des Educational Department of Bombay Presidency nach Indien und war Assistent von Monier-Williams in Oxford. . Ikram Chaghtatai (Hrsg.), „Introduction“, Austrian Scholarship in Pakistan (Islamabad: PanGraphics, 1997), 15; Nina Berman, German Literature of the Middle East (Ann Arbor: University of Michigan Press, 2011), 154–167. . „A. F. Rudolf Hoernle“, English Historical Review 26 (1911): 795–796. . „Heinrich Ferdinand Blochmann“, Encyclopaedia Iranica, http://www.iranicaonline.org /articles/blochmann-heinrich-henry/. . Geboren wurde er in Secundra, nahe Agra. G. A. Grierson, „Augustus Frederic Rudolf Hoernle“, Journal of the Royal Asiatic Society of Great Britain and Ireland 51 (1919): 119; Auf Aurel Steins Wunsch hin wurde „English Citizen“ in seinen Grabstein graviert; siehe auch: Karl Meyer und Sharleen Blair Brysac, Tournament of Shadows: The Great Game and Race for Empire in Central Asia (Washington, DC: Counterpoint, 1999), 393. . C. A. Bayly, Empire and Information (Cambridge: Cambridge University Press, 1996), 142–179. . Max Müller, Auld Lange Syne (New York: Scribner’s, 1898), 95. . Douglas McGetchin, Indology, Indomania, and Orientalism (Madison, NJ: Fairleigh Dickinson University Press, 2009), 107. . Moriz Winternitz, Georg Bühler und die Indologie (München 1898), 22. . Georg Bühler, Report on Sanskrit, British Library, MSS 1874–75. . Julius Jolly, Georg Bühler, 1837–1898 (Straßburg: Trübner, 1899). . Johnson, „German Influences“, 217. . Winternitz, Bühler, 55. . Johnson, „German Influences“, 222; Indra Sengupta, From Salon to Discipline (Würzburg: Ergon, 2005), 136. . Sengupta, From Salon to Discipline, 113; Winternitz, Bühler, 19.

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. Adolf, Robert und Hermann Schlagintweit, Results of a Scientific Mission to India and High Asia, Undertaken between the Years 1854 and 1858 (Leipzig: Brockhaus, 1863), X. . Kapil Raj, „When Human Travellers become Instruments“, in: ders., Relocating Modern Science (Houndmills, UK: Palgrave Macmillan, 2007), 181–222. . Alexander von Humboldt, Central-Asien: Untersuchungen (Leipzig: Brockhaus, 1863), 203. Gordon T. Stewart, Journeys to Empire: Enlightenment, Imperialism and the British Encounter with Tibet, 1774–1904 (Cambridge: Cambridge University Press, 2009), 245. . Schlagintweit, Mission to India, I. . Jürgen Osterhammel, „Alexander von Humboldt: Historiker der Gesellschaft, Historiker der Natur“, Archiv für Kulturgeschichte 81 (1999): 105–131; Oliver Lubrich, „Alexander von Humboldt: Revolutionizing Travel Literature“, Monatshefte 96 (2004): 360–387; David Arnold, Science, Technology and Medicine (Cambridge: Cambridge University Press, 2000), 24. . Jeannette Mirsky, Sir Aurel Stein, Archaeological Explorer (Chicago: University of Chicago Press, 1977), 22. . Annabel Walker, Aurel Stein: Pioneer of the Silk Road (London: John Murray, 1995), 19. . Frank Iklé, „Sir Aurel Stein. A Victorian Geographer in the Tracks of Alexander“, Isis 59 (1968): 145. . S. N. Pandita, Aurel Stein in Kashmir: The Sanskritist of Mohand Marg (Delhi: Om, 2004). . Aurel Stein, Serindia: Detailed Report on Explorations in Central Asia (Oxford: Clarendon Press, 1921). . Iklé, „Sir Aurel Stein“, 150. . Aurel Stein, Innermost Asia: Its Geography as a Factor in History (London: Royal Geographical Society, 1925), 495. . Aurel Stein, Limes Report, Hrsg. Shelagh Gregory und Julie Kennedy (Oxford: British Archaeological Reports, 1985); Meyer und Brysac, Tournament of Shadows, 392–393. . Winternitz, Bühler, 10. . George Grierson, Korrespondenz mit Ernst Windisch, APAC, MSS Eur E223. . S. N. Pandita, Western Indologists and Sanskrit Savants of Kashmir (Delhi: Siddharth, 2000), 218; siehe auch den „Index of Papers, published by the Archaeological Survey of India“, APAC, V/ 14–21. . George Grierson, „Report on the Linguistic Survey of India“, Journal of the Royal Asiatic Society of Great Britain and Ireland (1908): 1127–1131. . Siehe „Linguistic Survey of India Records“, APAC, IOR/S. . Ulrike Kirchberger, Aspekte deutsch-britischer Expansion: Die Überseeinteressen der deutschen Migranten in Großbritannien in der Mitte des 19. Jahrhunderts (Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 1999), 312. . Andrew Grout, „Geology and India, 1775–1805: An Episode in Colonial Science“, South Asian Research 10 (1990): 1–18. . V. Ball, Scientific Results of The Second Yark and Mission: Memoir of the Life and Works of Ferdinand Stoliczka (London: Eyre and Spottiswoode, 1886); Arnold, Science, 24. . Siehe sein Tagebuch in: Ball, Scientific Results, 4–6. . Wilhelm Waagen, Jurassic Fauna of Kutch (London: n.p., 1873). . Ruth Struwe, „An Ambitious German in Early Twentieth Century Tasmania: The Collections Made by Fritz Noetling“, Australian Archaeology 62 (2006): 33. . Immanuel Pfleiderer, Glimpses into the Life of Indian Plants (Mangaluru: Basel Mission Book and Tract Depository, 1908). . Carl Schorske, Fin-de-Siècle Vienna (New York: Knopf, 1979), XVIII–XXII.

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Anmerkungen

. Eduard Suess, Das Antlitz der Erde (Prag: Tempsky, 1883–1909); Erich Thenius, Eduard Suess, Forscher und Politiker (Wien: Österreichische Geologische Gesellschaft, 1981), 53–82. . William Herbert Hobbs, „Eduard Suess“, Journal of Geology 22 (1914): 811–817. . Der Begriff „Gondwana“ wurde 1872 erstmals in einem internen Bericht von H. B. Medlicott, dem Leiter des Geological Survey of India, benutzt. Er bezieht sich in diesem Fall ausschließlich auf Dekkan, den südlichen Teil des indischen Subkontinents. Erst in der Arbeit von H. F. Blanford und O. Feistmantel taucht der Begriff in Verbindung mit einem „Ur-Kontinent“ auf. Ottokar Feistmantel, „The Fossil Flora of the Gondwana System“, Palaeontologia Indica 3 (1880): 1–77; siehe: Erich Thenius, „Das ‘Gondwana-Land’ Eduard Suess‘“, in: Eduard Suess – Forscher und Politiker (Horn: Österreichische Geologische Gesellschaft, 1981), 53–60. . Arnold, Science, 53. . Herbert Hesmer, Leben und Werk von Dietrich Brandis (Opladen: Westdeutscher Verlag, 1975), 10. . Arnold, Science, 54. . Benjamin Weil, „Conservation, Exploitation, and Cultural Change in the Indian Forest Services, 1875–1927“, Environmental History 11 (2006): 326–328. . Ramachandra Guha, Forestry and Social Protest in British Kumaun, c. 1893–1921 (Kalkutta: Centre for Studies in Social Sciences, 1985), 18, 19. . Dietrich Brandis et al., Report on the Deodar Forests of Bashahr Punjab (Simla: Forestry Department, 1865), 16, 17. . Indra Saldanha, „Colonialism and Professionalism: A German Forester in India“, Economic and Political Weekly 31 (1996): 1266. . Dietrich Brandis, „Memorandum on Mr. Collins’ Report on Caoutchouc“, in: James Collins (Hrsg.), Edinburgh Report on the Caoutchouc of Commerce (London: W. H. Allen, 1872), 48–54. . Dietrich Brandis, Notes on Forest Management in Germany (London: n.p., 1888), 1. . Campbell Walker, Reports on Forest Management in Germany, Austria, and Great Britain (London: George Eyre, 1873). . Hesmer, Leben und Werk von Dietrich Brandis, 136. . Ibid., 89; Ulrike Kirchberger, „Deutsche Naturwissenschaftler im britischen Empire“, Historische Zeitschrift 271 (2000): 640; Berthold Ribbentrop, Forestry in British India (Kalkutta: Superintendent of Government Printing, 1900). . Rudyard Kipling, „In the Rukh“, in: All the Mowgli Stories (London: Macmillan, 1993), 255; Saldanha, „Colonialism and Professionalism“, 1265. . Henry Maine, Village-communities in the East and West (London: J. Murray, 1871), 7–8. . Henry Maine, „The Effect of Observation on India on Modern European Thought“, in: The Rede Lecture (Cambridge: Cambridge University Press, 1875), 39. . H. J. Makinder, India (London: George Philip, 1910). . Maurer, Anglophilie, 90–96, 238. . Kirchberger, Aspekte deutsch-britischer Expansion, 307–347. . Mike Davis, Late Victorian Holocausts (London: Verso, 2001), 311–340. . Peter Mandler, „‘Race’ and ‘Nation’ in Mid-Victorian Thought“, in: Stefan Collini (Hrsg.), History, Religion, Culture: British Intellectual History 1750–1950 (Cambridge: Cambridge University Press, 2000), 224–244. . Abigail Green, „Representing Germany? The Zollverein at the World Exhibitions, 1851–1862“, Journal of Modern History 75 (2003): 836–863. Die Entwicklungsprogramme sind detailliert ausgeführt in der Zeitschrift des Vereins für Socialpolitik, insbesondere in den 1880er Jahren, vor allem

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in Bezug auf die „innere Kolonisierung“ der deutschen Grenzgebiete, in Beiträgen von Gustav Schmoller und Hermann Schmidt-Rimpler. . Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte: 1866–1918, Bd. 2 (München: Beck, 1983) 649. . Gordon Cherry, „The Town Planning Movement and the Late Victorian City“, Transactions of the Institute of British Geographers 4 (1979): 306–319; Manu Goswami, Producing India: From Colonial Economy to National Space (Chicago: University of Chicago Press, 2004), 31–72. . H. Hale Bellot, University College London, 1826–1926 (London: University of London Press, 1929), 1; G. F. Daniell, „Position of Technical Instruction in England“, Nature 88 (1912–1913), 320; Kurt Düwell, Deutschlands Auswärtige Kulturpolitik 1918–1932 (Wien: Böhlau Verlag, 1976), 70– 103. . Colin Eisler, „Kunstgeschichte American Style“, in: Donald Fleming und Bernard Bailyn (Hrsg.), The Intellectual Migration (Cambridge, MA: Harvard University Press, 1969), 547. . Daniel Rodgers, Atlantic Crossings: Social Politics in a Progressive Age (Cambridge, MA: Belknap Press of Harvard University Press, 1998), 29–30. . Matthew Arnold zitiert hier Wilhelm von Humboldt, den er überaus wohlwollend eine „der schönsten und vollkommensten Seelen, die je auf dieser Erde weilten“, nennt. Nicole Staub und Kathrin Jost (Hrsg.), Humboldt International: Der Export des deutschen Universitätsmodells im 19. und 20. Jahrhundert (Basel: Schwabe, 2001), 238. . Matthew Arnold, Higher Schools and Universities in Germany (London: Macmillan, 1874), 229; siehe auch Ronald Hyam, Britain’s Imperial Century (London: Batsford, 1976), 201, 274. . Karl Pearson, The Function of Science in the Modern State (Cambridge: Cambridge University Press, 1919), 55. . Hyam, Imperial Century, 274. . Arthur Mayhew, The Education of India (London: Faber and Gwyer, 1928), 208. . Über den „weltmännischen“ semiprofessionalisierten Modus der sozialwissenschaftlichen Gelehrsamkeit in Großbritannien im 19. Jahrhundert siehe: Dietrich Rüschemeyer und Theda Skocpol (Hrsg.), States, Social Knowledge, and the Origins of Modern Social Policies (Princeton, NJ: Princeton University Press, 1996), 230. . Paul Weindling, „The ‘Sonderweg’ of German Eugenics: Nationalism and Scientific Internationalism“, British Journal for the History of Science 22 (1989): 321–333. . Frederick Nicholson, Report Regarding the Possibility of Introducing Land and Agricultural Banks into the Bengal Presidency (Madras: Superintendent’s Office, 1895). . V. Venkatasubbaiya und Vaikunth Mehta, The Co-operative Movement (Allahabad: Servants of India Society, 1918). . Ibid., 21. . Walter Leifer, Indien und die Deutschen (Tübingen: Erdmann, 1969), 205. Vgl. P. Ponette, Vorwort in Dineshwar Prasad (Hrsg.), Hoffmann on Mundari Poetry (Patna: Joyti, 1979), I. . E. S. F. Walker, Report of a Tour on the Continent to Inspect Equipment and Tanneries (London: India Office, 1892). . Swire Smith, Educational Comparison on Industrial Schools in England, Germany and Switzerland (London, 1877); Friedrich Schenck, Historical Sketch of the Rhine, in Connection with Education (Edinburgh: Royal Scottish Society of Arts, 1876); Matthew Richards, Continental Tours on Behalf of Sunday Schools in Sweden, France, Germany and Switzerland (London: Sunday School Union, 1886); Mary Woods, Report on the Teaching of History in the School of Germany and Belgium (London: Macmillan, 1902).

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Anmerkungen

. Patrick Geddes, Cities in Evolution (London: Williams and Norgate, 1915); Narayani Gupta, „Urbanisation in South Asia in the Colonial Centuries“ in: Sharif Uddin Ahmed (Hrsg.), Dhaka: Past Present Future (Dhaka: Asiatic Society, 1991), 640. . Norbert Elias, Über den Prozess der Zivilisation, Bd. 1 (Basel: Haus zum Falken, 1939), 10–17. . Schorske, Vienna; Pieter Judson, Exclusive Revolutionaries (Ann Arbor: University of Michigan Press, 1996), 207–222; John Boyer, Political Radicalism in Late Imperial Vienna (Chicago: University of Chicago Press, 1981), 403–421. . Gary Weir, „Tirpitz, Technology, and Building U-boats, 1897–1916“, International History Review 6 (1984): 175; Willi Boelcke, So kam das Meer zu uns (Frankfurt: Ullstein, 1981), 21, 22, 25. . Rudolf Ibbeken, Das außenpolitische Problem Staat und Wirtschaft in der deutschen Reichspolitik 1880-1914: Untersuchungen über Kolonialpolitik, Internationale Handelsverträge und die Bagdadbahn (Schleswig: Ibbeken, 1928), 196. . Akira Iriye, The Cold War in Asia (Englewood, NJ: Prentice Hall, 1974), 12. . David Blackbourn, The Long Nineteenth Century (London: Fontana, 1997), 250. . Carlo Cipolla (Hrsg.), The Emergence of Industrial Societies (Glasgow: Collins, 1973), 770–771. . Kwang-Ching Liu, „German Fear of a Quadruple Alliance, 1904–1905“, Journal of Modern History 18 (1946): 222–240. . Johannes von Plugk-Harttung, „Geschichte der Neuzeit: das nationale und soziale Zeitalter seit 1815“, Weltgeschichte, Bd. 6 (Berlin: Ullstein, 1908), 599–605. . Anon., „Um die Weltherrschaft“, Gartenlaube 101 (1904): 693. . Pyenson, Cultural Imperialism, 17. . Paul Rohrbach, Der deutsche Gedanke in der Welt (Düsseldorf: Langewiesche, 1912), 62. . Pyenson, Cultural Imperialism, 6–16, 312–316. . Johannes Voigt, Max Mueller: The Man and His Ideas (Kalkutta: K. L. Mukhopadhyay, 1967), 65–73. . Andrew Huxley, „Dr. Fuehrer’s Wanderjahre: The Early Career of a Victorian Archaeologist“, Journal of the Royal Asiatic Society of Great Britain and Ireland 20 (2010): 489– 502; Charles Allen, The Buddha and the Sahibs (London: John Murray, 2002), 271. . Allen, Buddha, 73. . Wilhelm Halbfass, India and Europe, 287–309. . Rajendralal Mitra, The Antiques of Orissa, Bd. 1 (Kalkutta: K. L. Mukhopadhyaya, 1961, zuerst 1873), 19; Mitra zitiert insbesondere die Werke von Goldstücker und Müller, um die britischen Behauptungen zu widerlegen. . P. C. Ray, History of Hindu Chemistry (London: Williams and Norgate, 1902); siehe auch seine einleitenden Bezugnahmen auf Hermann Kopp, Geschichte der Chemie (1843); Friedrich Windischmann, Über den Somacultus der Arier (1846); Theodor Goldstücker, Panini: His Place in Sanskrit Literature (1861); Rudolf von Roth, Indische Medicin (1872); Georg Bühler, The Laws of Manu (1886). . P. C. Ray, Hindu Chemistry (London: Williams and Norgate, 1902), LVII, LVIII. . Angarika Dharmapala, Editorial, Journal of the Maha Bodhi Society 7 (1898): 95.

2 Indische Untertanen außerhalb des Empire . Svadeśi ist die standardisierte romanisierte Form für das in diesem Buch verwendete „Swadeshi“.

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. Sumi Sarkar, The Swadeshi Movement in Bengal (New Delhi: People’s Publishing House, 1973); Peter Heehs, The Bomb in Bengal (Delhi: Oxford University Press, 1993); Haridas Mukherjee und Uma Mukherjee, Origins of the National Education Movement, 1905–1910 (Kalkutta: Jadavpur University Press, 1957); Arjun Appadurai (Hrsg.), The Social Life of Things: Commodities in Cultural Perspective (New York: Cambridge University Press, 1986); Lisa Trivedi, Clothing Gandhi’s Nation (Bloomington: Indiana University Press, 2007); Durba Ghosh, „Terrorism in Bengal: Imperial Strategies of Political Violence and Its Containment in the Interwar Period“, in: Dane Kennedy und Durba Ghosh (Hrsg.), Decentering Empire (New Delhi: Orient Longman, 2006). . Sarkar, Swadeshi Movement, 4, erwähnt die Verhaftungen in Maniktala (Mai 1908), die Ausweisung von neun Anführern (Dezember 1908) und das Verbot der wichtigsten Samiti (Panchayati Raj), eine dezentrale Regierungsform der dörflichen Selbstverwaltung durch gewählte Räte, die vor allem in Indien, Pakistan und Nepal verbreitet ist (Januar 1909). . Siehe: Kris Manjapra, „Knowledgeable Internationalism and the Swadeshi Movement“, Economic and Political Weekly 47 (2012): 53–62. Count Okuma, der ehemalige Premierminister von Japan, schrieb 1907: „Dreihundert Millionen Inder suchten in Japan Schutz vor der Unterdrückung durch Europa. Die Inder riefen zum Boykott europäischer Waren auf, und für die Inder wäre es eine Enttäuschung gewesen, hätte sich Japan diese Gelegenheit nicht zu Nutze gemacht.“ Foreign Department Secret External, März 1908, Nr. 179. . Noor-Aiman Khan, Egyptian-Indian Nationalist Collaboration and the British Empire (New York: Palgrave Macmillan, 2011); Sareen, Revolutionary Movement (Delhi: Sterling, 1979), 25; James Campbell Ker, Trouble in India (Kalkutta: Superintendent of Government Printing, 1917), 15; Cemil Aydin, The Politics of Anti-Westernism in Asia (New York: Columbia University Press, 2007), 142– 168; Raouf Abbas Hamed, „Germany and the Egyptian Nationalist Movement, 1882–1918“, Die Welt des Islams 28 (1988): 11–24. . Sarkar, Swadeshi, 14, 47. Sarkar nennt dies „Hindu Revivalism“. . Zur Einordnung der Zeit zwischen 1880 und 1914 als eigener Periode des internationalistischen Denkens siehe das Argument von Tim Harper, „Empire, Diaspora and the Language of Globalism, 1850–1914“, in A. G. Hopkins (Hrsg.), Globalization in World History (New York: Norton, 2002), 141– 166. . Vgl. Bijoycandra Mazumdar über Preußens Herausforderung Englands und Frankreichs in der Zeit von Bismarck bis Wilhelm II. in seinem erweiterten Aufsatz „Iyurōpiyō Mahāsamar“, Prabāsī 15 (1915): 275–281; Kris Manjapra, „From Imperial to International Horizons“, Modern Intellectual History 8 (2011): 327–359. . Ramchandra Chatterjee, „How to Help“, Modern Review 2 (1907): 483. . Bankim Chandra Chattopadhyaya, „Jaibanik,“ in: Brajendra Nath Bandyopadhyay (Hrsg.), Vijñānrahasa, (Kalkutta: Bangiya Sahitya Parisat, 1938, zuerst 1875), 36. . Tithi Bhattacharya, The Sentinels of Culture: Class, Education, and the Colonial Intellectual in Bengal (Delhi: Oxford University Press, 2005), 153–191. . Geraldin Forbes, Positivism in Bengal (Kalkutta: Minerva, 1975), 50–96; Sudipta Kaviraj, Bankimchandra and the Making of Nationalist Consciousness (Kalkutta: Center for Studies in Social Sciences, 1989). . Bankim Chandra Chattopadhyaya, Vijñānrahasa. . Deepak Kumar, „The ‘Culture’ of Science and Colonial Culture, India 1820–1920“, British Journal for the History of Science 29 (1996): 195–209; Irfan Habib und Dhruv Raina, „Copernicus, Columbus, Colonialism and the Role of Science in Nineteenth Century India“, Social Scientist 17 (1989): 50–66.

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Anmerkungen

. Bankim Chandra Chattopadhyaya, „Āścarya Saurōtpāt,“ in: Brajendra Nath Bandyopadhyay (Hrsg.), Vijñānrahasa, 79–81. . Bankim Chandra Chattopadhyaya, „Jaibanik“, in: Vijñānrahasa, 75–78. . Sudipta Kaviraj, The Unhappy Consciousness: Bankimchandra Chattopadhyay and the Formation of Nationalist Discourse in India (Oxford: Oxford University Press, 1995). . Ibid., 108–115. . Tapan Raychaudhuri, „Europe in India’s Xenology: The Nineteenth-Century Record“, Past and Present 137 (1992): 156–182. . Ein weiterer wichtiger Beitrag hierzu ist Andrew Sartori, Bengal in Global Concept History (Chicago: University of Chicago Press, 2008). . Sri Aurobindo, New Lamps for Old, Essay 5 (Pondicherry: Sri Aurobindo Ashram, 1974), 37–39. . Robert Gregg, „Valleys of Fear: Policing Terror in an Imperial Age, 1865–1925“, in: Kevin Grant, Philippa Levine, Frank Trentmann et al. (Hrsg.), Beyond Sovereignty, (New York: Palgrave Macmillan, 2007): 80–102; Daniel Brückenhaus, „Every Stranger Must Be Suspected: Trust Relationships and the Surveillance of Anticolonialists in Early Twentieth-Century Western Europe“, Geschichte und Gesellschaft 36 (2010): 523–566; Amit Kumar Gupta, „Defying Death: Nationalist Revolution in India, 1897–1938“, Social Scientist 25 (1997): 3–27. . Sarkar, Swadeshi Movement, 68. Weitere Gründungsherausgeber waren Subash Chandra Mullick und Shyam Sundar Chakravarti. . „Boycotting in Ireland“, Bande Mataram, 13. März 1907; Barbara Southard, „The Political Strategy of Aurobindo Ghosh“, Modern Asian Studies 14 (1980): 353–376; „The Awakening in China“, Bande Mataram, 4. April 1907; „Seventy-six Suffragists Arrested“, Bande Mataram, 8. April 1907; „France: The Strike Movement“, Bande Mataram, 22. Mai 1907. . Manjapra, „Knowledgeable Internationalism and the Swadeshi Movement“, 53. . Harald Fischer-Tiné und Carolien Stolte, „Imagining Asia in India: Nationalism and Internationalism (ca. 1905–1940)“, Comparative Studies in Society and History 54 (2012): 65–92. . Chitabrata Palit, Science and Nationalism in Bengal, 1876–1947 (Kalkutta: Institute of Historical Studies, 2004), 1–116. . Manu Bhagavan, „The Rebel Academy: Modernity and the Movement for a University in Princely Baroda, 1908–1949“, Journal of Asian Studies 61 (2002): 919–947. . V. K. Chavda, „Development of Science Education and Growth of Scientific Institutions in the Native State of Baroda in the Nineteenth and Twentieth Centuries“ (Delhi: NISTADS Seminar Papers, 1985), 4. . Dhruv Raina und Irfan Habib, „Technical Institutes in Colonial India Kala Bhavan, Baroda (1890– 1990)“, Economic and Political Weekly 26 (1991): 2619–2624, 2621. . „The Rise of Germany“, Modern Review, November 1909, 546. . „Germany’s Fight for Sea Power“, Modern Review, April 1907, 155. . „Character Sketch: Kaiser Wilhelm II: War Lord or Peace Emperor?“, Modern Review, April 1907. Ein weiterer Artikel vom April 1907 bezieht sich auf „Deutsches Wohlwollen“ und belobigt den Kaiser ebenfalls für seinen gutmütigen Charakter. . Panchanan Saha, Madam Cama: Mother of Indian Revolution (Kalkutta: Manisha, 1975), 7–10. . M. N. Roy, „Letter to Woodrow Wilson“, in: Sibnarayan Ray (Hrsg.), Selected Works of M. N. Roy, Bd. 1 (Delhi: Oxford University Press, 1987), 80. . Samaren Roy, Restless Brahmin: Early Life of M. N. Roy (Bombay: Allied, 1970), 55. . AA 1915, R27406, Nr. 1. . Syama Prasad Mookerjee, „Education in British India“, Annals of the American Academy of Political and Social Science 233 (1944): 30–38.

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. Narendra Krishna Sinha, Asutosh Mookerjee: A Biographical Sketch (Kalkutta: Asutosh Mookerjee Centenary Committee, 1966). . Zu Sadlers Wirken in Großbritannien siehe M. Sadler, „The Unrest in secondary education in Germany and elsewhere“, Special Reports on Educational Subjects 9, 1902, British Library, CD 836. . Calcutta University Commission 1917–1919, APAC, V/26/864/6, 95. . Brajendra Nath Seal, Indian Universities Commission: Abstract and Evidence (Simla: Government Central Printing Office, 1902), 121. . Asutosh Mukherjee, „University Convocation 1907“, Addresses: Literary and Academic (Kalkutta: R. Cambray, 1915), 7. . Ibid., 20. . Asutosh Mukherjee, „University Convocation 1913“, Addresses by the Honorable Sir Asutosh Mookerjee (Kalkutta: University of Calcutta, 1913), 176. . David Lindenfeld, The Practical Imagination: The German Sciences of State in the Nineteenth Century (Chicago: University of Chicago Press, 1997), 264–322. . Asutosh Mukherjee, „University Convocation 1911“, Addresses: Literary and Academic, 136. . Sisir Bose (Hrsg.), Alexander Werth and Walter Harbich, Netaji in Germany. An Eye-Witness Account of Indian Freedom Struggle in Europe during World War II, (Kalkutta: Netaji Research Bureau, 1970), 134. . Siehe Mukherjee, Addresses: Literary and Academic. . Sinha, Asutosh Mookerjee, 81. . P. C. Ray, Life and Experiences of a Bengali Chemist (Kalkutta: Chuckervertty, Chatterjee, 1935), 262. . Mukherjee, Addresses: Literary and Academic, 132. . Benoy Kumar Sarkar, Parājitā Jārmāni (Kalkutta: Oriental Book Agency, 1935), 656. . „Info zu Harish Chandra und Jnanendra Chandra Dasgupta“, HUA, Phil Fak 532; Saloman an das Auswärtige Amt, 21. September 1915, AA, 21077–2, 000105–107; Horst Krüger, „Indische Studenten in Berlin“, ZMO, Mappe 89; Benoy Kumar Sarkar, Futurism of Young Asia (Berlin: Springer, 1922), 306. . „Information zu A. M. Bose“ 1916, AA, 21101–2, 0000159; Arabinda studierte Physik und begann seine Dissertation 1914 in Heidelberg; er bat um Erlaubnis, seine Arbeit auch während des Krieges fortsetzen zu dürfen. Asutosh Mukherjee, „University Convocation 1914“, Addresses, 251. Debendra Mohan Bose, ein Neffe von Jagadish Chandra Bose, studierte ebenfalls Physik, und zwar an der Humboldt-Universität zu Berlin bei Erich Regener. S. C. Roy, „D. M. Bose: A Scientist Incognito“, Science and Culture 76 (2010): 491–493; B. C. Kundu, „Professor Shankar Purusottam Agharkar, 1884–1960“, Taxon 11 (1962): 209–211. . B. K. Sarkar, Education for Industrialization (Kalkutta: Chuckervertty, Chatterjee, 1946), 49–51; Mukherjee, Convocation Address, 27. März, 1914, Addresses, 135; S. C. Mitra an die Philosophische Fakultät, HUA, Phil Fak, Prom 10035. . Vogel, Bericht an das Auswärtige Amt, 3. August 1915, AA, 21080–2, 107; „Info zu Manekji Davar“, 1904, HUA; Suzanne Marchand, German Orientalism in the Age of Empire (New York: Cambridge University Press), 192–193; Akten der Nachrichtenstelle für den Orient, 30. September 1914, AA, 21072–1, 000086; Max Freiherr von Oppenheim, „Telegramm“, 15. September 1914, AA, 21071–1, 000070; Bimala Churn Law (Hrsg.), D. R. Bhandarkar (Kalkutta: Indian Research Institute, 1940); Akten der Nachrichtenstelle für den Orient, 6. April 1916, AA, 21096–1, 000022; R. N. Dandekar (Hrsg.), Ramakrishna Gopal Bhandarkar as an Indologist (Poona: Bhandarkar Oriental Research Institute, 1976).

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Anmerkungen

. Mukherjee, „University Convocation 1923“, Convocation Speeches by Asutosh Mukherjee 1907–1924, Asutosh Mukherjee Papers, NMML, 503. . Rabindranath Tagore, The Center of Indian Culture (Madras: Society for the Promotion of National Education, 1919). . Hemchandra Kanungo, Bāmlāy Biplab Praceā (Kalkutta: Kamala Book Depot, 1928). . Bhupendranath Datta, Amār Āmerikay Abhijnata (Kalkutta: Metcalf Press, 1926); Amal Chattopadhyaya, Bhupendranath Datta and His Study of Indian Society (Kalkutta: Bagchi, 1994); Hemchandra Dasgupta, Bhārater Biplabkāhini (Kalkutta: Jadavpur University, 1948); Peter Heehs, „Foreign Influences on Bengali Revolutionary Terrorism 1902–1908“, Modern Asian Studies 28 (1994), 533–556; Hemchandra Kanungo, Bālāy Biplab Praceā (Kalkutta: Kamala Book Depot, 1928); Kalidas Nag, Memoirs (Kalkutta: Writers Workshop, 1991; zuerst 1921–1923); Abinash Chandra Bhattacharya, Iorope Bhāratiya Bilplaber Sādhana (Kalkutta: Bandana Impression, 1949). . „Report on the Working of the Indian Companies Act for 1896–1917“, APAC, V/24/548. . Anonymous, „Girindrasekhar,“ Samīka: Journal of the Indian Psychoanalytical Society, Sonderausgabe Bose, 9 (1955): 11; Taraknath Das, „A Programme for the Indian Nationalists“, Calcutta Review, series 3, 7 (1927): 109–113. . Joachim Oesterheld et al., Inder in Berlin (Berlin: Der Ausländerbeauftragte des Senats, 1997). . Sarkar, Education for Industrialization, 46–48. . Ibid., 345–349. Bspw. immatrikulierten sich 1910 vier Studenten in Harvard: Jatindra Nath Set, H. L. Roy, N. N. Sengupta, Benjoy Kumar Sarkar. Ihre Einschreibung erfolgte über die Büros des Bengal National Council of Education. Ihr Studium wurde gefördert durch den Bengal National Council of Education; siehe: „Letter of Reshbihari Ghosh to the President of Harvard“, 8. April 1910, Harvard University Archives, UAIII 15.88.10 1890–1968, Box 4371; „Letter by the Dean to the National Council of Education,“ 24. Juli 1911, UAIII 15.88.10, Box 4486. . Satis Chandra Basu, „Public Education in Germany“, Modern Review 8 (1910): 167–170. . Lala Hardayal, „India and the World Movement,“ Modern Review 13 (1913): 185–188.

3 Deutsche Visionen eines asiatisierten Europa . Andrew Zimmerman, Alabama in Africa: Booker T. Washington, the German Empire, and Globalization of the New South (Princeton, NJ: Princeton University Press, 2010), 5–15. . W. O. Henderson, The Industrial Revolution on the Continent: Germany, France, Russia (London: Frank Cass, 1967), 52. . Paul Kennedy, The Rise of the Anglo-German Antagonism, 1860–1914 (London: Allen and Unwin, 1980), 157–205. . Georg Forster, Entdeckungsreise nach Tahiti und in die Südsee, 1772–1775 (Berlin: Neues Leben, 1979, zuerst 1777); Sujit Sivasundaram, Nature and the Godly Empire: Science and Evangelical Mission in the Pacific, 1795–1850 (Cambridge: Cambridge University Press, 2005), 123–124. . Hermann Keyserling, Das Reisetagebuch eines Philosophen (Darmstadt: Reichl, 1919), 295. . Lora Wildenthal, „Notes on a History of ‘Imperial Turns’ in Modern Germany“, in: Antoinette Burton (Hrsg.), After the Imperial Turn: Thinking with and through the Nation, (Durham, NC: Duke University Press, 2003), 144–156. . Norbert Elias, The Germans (New York: Columbia University Press, 1996), 23–119. . Karl Bleibtreu, Von Robespierre zu Buddha (Leipzig: Friedrich, 1900).

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. Ibid., 27, 279. . Walter Leifer, Indien und die Deutschen (Tübingen: Erdmann, 1969), 300; siehe hierzu auch die Werke von Elisabeth Sass-Brunner und ihrer Tochter Elizabeth Brunner sowie von Irmgard Burchard-Simaica, Nicolai Roerich und Oswald Malura. . Peter Hansen, „Confetti of Empire: The Conquest of Everest in Nepal, India, Britain and New Zealand“, Comparative Studies in Society and History 42 (2000): 307–332; David Thomas Murphy, German Exploration in the Polar World (Lincoln: University of Nebraska Press, 2002). . Heinrich Harrer, Sieben Jahre in Tibet (Wien: Ullstein, 1952); Willy Merkl, Nanga Parbat (München: Lehmanns, 1953). . Kurt Boeck, Indische Gletscherfahrten (Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1900); vergl. hierzu Peter Hansen über britische Himalaya-Filme, „The Dancing Lamas of Everest: Cinema, Orientalism, and Anglo-Tibetan Relations in the 1920s“, American Historical Review 101 (1996): 712–747. . Fritz Stern, Politics of Cultural Despair (Berkeley: University of California Press, 1961), 134, 140; Ulrich Linse, Barfüßige Propheten (Berlin: Siedler, 1983), 19, 20; Corinna Treitel, A Science for the Soul (Baltimore: Johns Hopkins University Press, 2004), 102–107. . Dies ist das klassische „Sonderweg“-Argument. . Mary Louise Pratt, Imperial Eyes (London: Routledge, 1992), 5–9. . Matthew P. Fitzpatrick, Liberal Imperialism in Germany: Expansion and Nationalism, 1848– 1884 (New York: Berghahn Books, 2008), 20; Jens-Uwe Guettel, „From the Frontier to German South-West Africa,“ Modern Intellectual History 7 (2010): 523–552. . Friedrich Daab, Einführung zu Paul de Lagarde, Deutscher Glaube – Deutsches Vaterland – Deutsche Bildung: Das Wesentliche aus seinen Schriften, (Jena: Diederichs, 1914). . Bradley Naranch, „Beyond the Fatherland, Colonial Visions, Overseas Expansion, and German Nationalism, 1848–1885“, PhD Diss., Johns Hopkins University, 2007. . Woodruff Smith, „The Ideology of German Colonialism, 1840–1906“, Journal of Modern History 46 (1974): 641–662. . Arne Perras, Carl Peters and German Imperialism, 1856–1918 (Oxford: Oxford University Press, 2004), 20; Uwe Wieben, Carl Peters: das Leben eines deutschen Kolonialisten (Rostock: Neuer Hochschulschriftenverlag, 2000), 24–26. . Maximilian von Hagen, Bismarcks Kolonialpolitik (Stuttgart: Friedrich Andreas Perthes, 1923), 20, 28, 33; W. O. Henderson, The German Colonial Empire, 1884–1919 (London: F. Cass, 1993), 61. . Wilhelm Hübbe-Schleiden, Überseeische Politik, eine culturwissenschaftliche Studie mit Zahlenbildern (Hamburg: Friederichsen, 1881), 66–74. . Ulrike Kirchberger, „Deutsche Naturwissenschaftler im britischen Empire“, Historische Zeitschrift 271 (2000): 621-660. . Dirk van Laak, Imperiale Infrastruktur: Deutsche Planungen für eine Erschließung Afrikas 1880 bis 1960 (Paderborn: Schöningh, 2004), 52. . Rüdiger vom Bruch, Weltpolitik als Kulturmission (Paderborn: Schöningh, 1982), 69, 90. . van Laak, Imperiale Infrastruktur, 87–93. . Paul Rohrbach, Der deutsche Gedanke in der Welt (Düsseldorf: Langewiesche, 1912), 49–82. . Kurt Düwell, Deutschlands auswärtige Kulturpolitik 1918–1932 (Wien: Böhlau, 1976), 1–27. . Stanley Rice, „A German on India“, Calcutta Review 4 (1916): 17. . Ibid. . Volker Berghahn, Der Tirpitz-Plan (Düsseldorf: Droste, 1971), 173–201; Lewis Pyenson, Cultural Imperialism and Exact Sciences (New York: Lang, 1985), 253.

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Anmerkungen

. Alfred Gollin, Balfour’s Burden: Arthur Balfour and Imperial Preference (London: Anthony Blond, 1965), 263. . Kaushik Bagchi, „An Orientalist in the Orient: Richard Garbe’s Indian Journey, 1885–1886“, Journal of World History 14 (2003): 281–325. . Arthur Holitscher, Das unruhige Asien (Berlin: Fischer, 1926), 45; Waldemar Bonsels, Indienfahrt (Frankfurt: Rütten, 1912), 32; Egon Erwin Kisch, Asien gründlich verändert (Berlin: Reiss, 1932), 107. . Fitzpatrick, Liberal Imperialism, 208; vgl. auch William Shanahan, „Liberalism and Foreign Affairs: Naumann and the Prewar German View“, View of Politics 21 (1959): 188–223. . Keyserling, Reisetagebuch, 203, 284. . Bernhard Kellermann, Der Weg der Götter (Berlin: Fischer, 1929), 96. . Holitscher, Unruhiges Asien, 159–161. . Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung (Leipzig: Brockhaus, 1819); vgl. Raymond Schwab, Renaissance Orientale (Paris: Payot, 1950), 427. . John H. Smith, Dialogues between Faith and Reason (Ithaca, NY: Cornell University Press, 2011), 136–141. . Rüdiger Safranski, Schopenhauer und die wilden Jahre der Philosophie (München: Hanser, 1987), 200. . Eda Sagarra, Tradition and Revolution (New York: Basic Books, 1971), 160, 185; Angela Sendlinger, Lebenspathos und Décadence um 1900 (Frankfurt: Lang, 1994), 79, 151. . Kris Manjapra, „Schopenhauer, Schopenhauerians and the German Appropriation of Eastern Thought“, Thesis, Harvard University Archives, 2001. . Eduard von Hartmann, Philosophie des Unbewussten, Versuch einer Weltanschauung (Berlin: Duncker, 1869). Philip Mainländer, Die Philosophie der Erlösung, 2 Bde. (Berlin: Grisebach, 1886). Hartmanns und Mainländers Schopenhauer-Interpretation kommentiert Johann Gestering, German Pessimism and Indian Philosophy: A Hermeneutic Reading (Delhi: Ajanta, 1986), 150–258. . Hans Rollmann, „Deussen, Nietzsche, and Vedanta“, Journal of the History of Ideas 39 (1978): 125–132. . Siehe Richard Garbe, Indien und das Christentum (Tübingen: Mohr, 1914); siehe auch: Max Müller, India: What Can It Teach Us? (London: Longmans, 1883). . Safranski, Schopenhauer, 483–508. . Christopher Ryan, Schopenhauer’s Philosophy of Religion (Leuven: Peeters, 2010). . Sascha Hesse, Schopenhauer und das Christentum (Berlin: Wissenschaftlicher Verlag, 2006). . Suzanne Marchand, German Orientalism in the Age of Empire (New York: Cambridge University Press, 2010), 105–112. . Safranski, Schopenhauer, 200–204. . Paul de Lagarde, Erinnerungen an Friedrich Rückert (Göttingen: Dietrich, 1886), 96; Max Müller, Auld Lang Syne (New York: Scribner’s, 1898), 81. . Stern, Politics of Cultural Despair, 61, 66–69. . Daab (Hrsg.), Paul de Lagarde, Deutscher Glaube, 3. . Treitel, Science for the Soul, 30–32; Andreas Daum, Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert (München: Oldenbourg, 1998), 195–202. . Treitel, Science for the Soul, 30–32. . Ibid., 7. . Gerhard Klamp, „Schopenhauertradition und Forschung im zwanzigsten Jahrhundert“, Zeitschrift für philosophische Forschung 14 (1960): 438–452; Ulrich Linse, Ökopax und Anarchie:

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eine Geschichte der ökologischen Bewegungen in Deutschland (München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1986), 125–152. . Norbert Klatt, Theosophie und Anthroposophie (Göttingen: Klatt, 1993), 39–60. . Ibid., 62. . Pierre Bourdieu, Homo academicus (Paris: Éditions de Minuit, 1984). . Konrad Jarausch, Students, Society, and Politics (Princeton, NJ: Princeton University Press, 1982), 134–159. . Ibid., 75. . Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866–1918, Bd. 2 (München: Beck, 1983), 10. . Nipperdey, Deutsche Geschichte, 1:498–533. . F. Charles Thwing, The American and the German University (New York: Macmillan, 1928), 42, 43; Daniel Rodgers, Atlantic Crossings: Social Politics in a Progressive Age (Cambridge, MA: Belknap Press of Harvard University Press, 1998), 33–75. . Jarausch, Students, 38. . Marchand, German Orientalism, 270. . siehe: „Dissertantinnen von Josef Strzygowski,“ Universitätsarchiv Wien, Rigorosenprotokoll der Phil. Fakultät, Ph 59 1910–1934. . aus: Klaus Ludwig Janert, Verzeichnis indienkundlicher Hochschulschriften (Wiesbaden: Harrassowitz, 1961). Anzahl der Dissertationen: 1800–1829: 4; 1830–1849: 5; 1850–1869: 27; 1870– 1889: 95; 1890–1909: 146; 1910–1933: 243; 1933–1953: 167; 1953–1964: 55. . Maureen Healy, „Becoming Austrian: Women, the State, and Citizenship in World War I“, Central Europe and History 25 (2002): 1–35. . Astrid Kury, Heiligenscheine eines elektrischen Jahrhundertendes sehen anders aus (Wien: Passagen, 2000), 29; Carl Schorske, Fin-de-Siècle Vienna, 117. . Cemil Aydin, The Politics of Anti-Westernism in Asia (New York: Columbia University Press, 2007), 122; Kumari Jayawardena, The White Woman’s Other Burden (New York: Routledge, 1995), 207–217. . Dianne Howe, „The Notion of Mysticism in the Philosophy and Choreography of Mary Wigman, 1914–1931“, Dance Research Journal 19 (1987): 19–24. Siehe auch Anne Braude, Radical Spirits: Spiritualism and Women’s Rights (Boston: Beacon, 1989), 197–202. . Jarausch, Students, 7; Friedrich Meineke, Weltbürgertum und Nationalstaat (München: Oldenbourg, 1908). . Ute Mehnert, „German Weltpolitik and the American Two-Front Dilemma: The ‘Japanese Peril’ in German–American Relations, 1904–1917“, Journal of American History 82 (1996): 1452– 1477; Heinz Gollwitzer, Geschichte des weltpolitischen Denkens (Göttingen: Vandenhoeck, 1982), 42–43; Barbara Tuchman, The Zimmermann Telegram (London: Constable, 1958), 55; siehe auch Sebastian Conrad, Globalisation and the Nation State in Imperial Germany (Cambridge: Cambridge University Press, 2011), 222–225. . Regina Höfer (Hrsg.), Imperial Sightseeing: Die Indienreise von Erzherzog Franz Ferdinand (Wien: Museum für Völkerkunde, 2010). . Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt, Staatsbesuch im Indien der Maharajas: Tagebücher zur indischen Reise Grossherzog Ernst Ludwigs von Hessen und bei Rhein 1902/1903 (Darmstadt: Hessische Historische Kommission, 2003). . „Nixon Report“, in: A. K. Samanta, Terrorism in Bengal, Bd.2 (Kalkutta: Government of Bengal, 1995), 625. . Die Frankfurter Zeitung berichtet über die Ankunft des Kronprinzen in Bombay (10. Januar 1911), ebenso wie über seine Besuche in Haiderabad und Jaipur (24. Januar 1911).

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Anmerkungen

. Oscar Bongard, Die Reise des deutschen Kronprinzen durch Ceylon und Indien (Berlin: Schwetschke, 1911); W. Heichen, Unseres Kronprinzen Fahrt nach Indien (Berlin: Phönix, 1911); Hans Zache, Mit dem Kronprinzen durch Indien (Berlin: Süd-West, 1913); Annie Sprecht-Blaurock, Die Reise des deutschen Kronprinzen nach dem Fernen Osten (Berlin: F. Schulze, 1912); Max Korten, Die Reise des Kronprinzen nach Ceylon (Düsseldorf: Schwann, 1911). . Hans Molisch, Als Naturforscher in Indien (Jena: Gustav Fischer, 1930). . Heisenberg besuchte Indien 1928, Sommerfeld 1929. . Zum Thema „Fernweh“siehe Edgar Reitzs und Peter Steinbachs Heimat: eine deutsche Chronik, Eine Serie, 1979–1984, Episode 1: „Fernweh 1919–1928“ (Leipzig: Kinowelt Home Entertainment, 2006); vgl. hierzu Katinka Kocks, Indianer im Kaiserreich (Frankfurt: Spiegel, 2004). . siehe Wilhelm von Polenz, Das Land der Zukunft (Leipzig: F. Fontane, 1904); J. L. Neve, Charakterzüge des amerikanischen Volkes (Leipzig: Wallmann, 1902); Ludwig Fulda, Amerikanische Eindrücke (Stuttgart: J. G. Cotta, 1906); George von Skal, Das amerikanische Volk (Berlin: E. Fleischel, 1908); Ernest Bruncken, Die amerikanische Volkseele (Gotha: Perthes, 1911). . Keyserling veröffentlichte auch South American Meditations (Originaltitel: Südamerikanische Meditationen) (London: Harper, 1932; Stuttgart: Deutsche Verlags Anstalt 1932). . Keyserling, Reisetagebuch, 2:810–827. . Jürgen Offermanns, Der lange Weg des Zen-Buddhismus nach Deutschland (Lund: Lunds Universitet, 2002); Douglas McGetchin, Indology, Indomania, and Orientalism (Madison, NJ: Fairleigh Dickinson University Press, 2009), 126. . Helmuth von Glasenapp, Die fünf großen Religionen (Düsseldorf: Diederich, 1951). . Max Weber, Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie: Hinduismus und Buddhismus, Bd. 2 (Tübingen: J. C. B. Mohr, 1920); Helmuth Glasenapp, Der Jainismus, eine indische Erlösungsreligion (Berlin: Häger, 1925). . Karl Seidenstückers deutsch-buddhistische Gemeinschaft war in den 1920er Jahren an heftiger Kritik der Theosophie beteiligt; die Diskussion wird geschildert bei Perry Myers, German Visions of India, 1871–1914 (New York: Palgrave Macmillan, 2013), 25–53. . Hermann Oldenberg, „Die Religion des Veda und der Buddhismus“, in: Aus Indien und Iran (Berlin: Wilhelm Hertz, 1899), 42; Martin Bauman, „Culture Contact and Valuation: Early German Buddhists and the Creation of a ‘Buddhism in Protestant Shape’“ Numen 44 (1997): 275–277. . Karl Seidenstücker, Buddhistische Evangelien (Leipzig: Fändrich, 1909); Paul Dahlke, Buddhismus als Weltanschauung (Breslau: Markgraf, 1912). . Hermann Oldenberg, „Die Orientalische Philosophie, indische und iranische“, Kultur der Gegenwart, Bd. 1, Nr. 5f (Teubner: Berlin, 1909), 32–44. . Hermann Oldenberg, Buddha: Sein Leben, seine Lehre, seine Gemeinde (Berlin: Hertz, 1881). . Linse, Barfüßige Propheten, 56. . Max Vogrich, Buddha (Leipzig: Hofmeister, 1901); Adolf Vogl, Maja (Stuttgart: Feuchtinger, 1908). . Zu Webers Lesart des „Orient“ siehe: Ronald Inden, „Orientalist Constructions of India“, Modern Asian Studies 20 (1986): 401–446. . Hermann Keyserling, The Recovery of Truth (London: Harper, 1929). . Hans Ludwig Held, Deutsche Bibliographie des Buddhismus (Leipzig: Hans Sachs, 1916),VIII. . Ibid., VII. . Zum „furor orientalis“ siehe Marchand, German Orientalism, 216–251. . Ibid., 276–277; Michael Kater, „The Work Student: A Socio-Economic Phenomenon of Early Weimar Germany“, Journal of Contemporary History 10 (1975): 71–94.

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. Siehe den Überblick über den populären Buddhismus in Deutschland bei Glasenapp, „Influence of Indian Thought“, Calcutta Review 29 (1928): 189–209. . Kalidas Nag, Memoirs (Kalkutta: Writers Workshop, 1991; zuerst 1921–1923), 45. . Baumann, „Culture Contact and Valuation: Early German Buddhists and the Creation of a ‘Buddhism in Protestant Shape’“ Numen 44 (1997): 273. . McGetchin, Indology, 131. . Nyanaponika Thera (Hrsg.), Nyanatiloka Centenary Volume (Kandy: Buddhist Publication Society, 1978). . Bhikku Bodhi, Nyanaponika: A Farewell Tribute (Kandy: Buddhist Publication Society, 1995). . Leifer, Indien und die Deutschen, 136. . Ken Winkler, A Thousand Journeys: The Biography of Lama Anagarika Govinda (Longmead, Dorset: Element, 1990), 12–19. . Sri Aturugiriya Gnanawimala, 50 Jahre Buddhistisches Haus (Berlin: Buddhistisches Haus Frohnau, 1974). . Anagarika Govinda, Der Weg der weißen Wolken: Erlebnisse eines buddhistischen Pilgers in Tibet (Stuttgart: Rascher, 1969). . Bhakti Hridaya Bon, My Lectures in England and Germany (Vrindaban: Bhajan Kutir, 1984). . Nyanatusita und Hellmuth Hecker, The Life of Nyanatiloka Thera:The Biography of a Western Buddhist Pioneer (Kandy: Buddhist Publication Society, 2008), 340. . C. F. Andrews, Sadhu Sundar Singh: A Personal Memoir (New York: Harper, 1934). . Vgl. die Diskussion der Arbeit von Indologen in Held, Deutsche Bibliographie des Buddhismus, III. . Irmgard Heidler, Der Verleger Eugen Diederichs und seine Welt (Wiesbaden: Harrassowitz, 1998), 44ff. . Ibid., 512ff. . Martin Kämpchen, Rabindranath Tagore in Germany: Four Responses to a Cultural Icon (Shimla: Indian Institute of Advanced Study, 1999), 58–84. . Siehe Mark Morrisson, „The Periodical Culture of the Occult Revival: Esoteric Wisdom, Modernity and Counter-Public Spheres“, Journal of Modern Literature 31 (2007), 1–22. . Heinz Sarkowski, Der Insel Verlag, 1899–1999 (Frankfurt: Insel-Verlag, 1999), 260–264. . Vridhagiri Ganeshan, Das Indienerlebnis Hermann Hesses (Bonn: Bouvier Verlag, 1975), 27– 30. . Hermann Keyserlings Reisetagebuch eines Philosophen war ein weiterer populärer Erfolg und erreichte sieben Auflagen in vier Jahren. . Reeta Sanatani, Rabindranath Tagore und das deutsche Theater der zwanziger Jahre (Berlin: Lang, 1983). . Alexander Zemlinsky, Lyrische Symphonie: In sieben Gesängen nach Gedichten von Rabindranath Tagore (Wien: Universal Edition, 1924); Hans Gal, Phantasien: nach Gedichten von Rabindranath Tagore (Wien: Universal Edition, 1923). Siehe auch Roger Oliver, „Hans Gal at 95,“ Tempo 155 (1985): 2–7; Carlo Coppola, „Rabindranath Tagore and Western Composers: A Preliminary Essay“, Journal of South Asian Literature 19 (1984): 41–61. . Krimhild Stöver, Witte-Lenoir (Oldenburg: Paape, 1980). . Rainer Maria Rilke, Gedichte über den Buddha, in: Neue Gedichte (Leipzig: Insel-Verlag, 1907), 46.

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Anmerkungen

. Christiane Günther, Aufbruch nach Asien: Kulturelle Fremde in der deutschen Literatur um 1900 (München: Iudicium, 1988), 27; Stefan Zweig, Amok (Leipzig: Insel-Verlag, 1922); Lion Feuchtwanger, Kalkutta, 4. Mai (Berlin: Drei Masken, 1925). . Otto de Fries, Indien – das Wunderland (Dresden: Reissner, 1921); Kurt Boeck, Indische Wunderwelt (Leipzig: Haessel, 1925); Oscar Kauffmann, Aus Indiens Dschungels (Leipzig: Klinkhardt und Bierman, 1911); Immanuel Pfleiderer, Volkstypen aus Indien (Stuttgart: Th. Benzinger, 1924); Irma Prinzessin Odescalchi, Durch Dschungel und Tempel (Berlin: Paetel, 1927); Lola Kreutzberg, Tiere, Tänzerin und Dämonen (Dresden: Carl Reissner, 1929); Alfons Nobel, Tempel, Paläste und Dschungel (Bonn: Verlag der Buchgemeinde, 1929); E. Litzmann, Aus dem Lande der Märchen und Wunder (Berlin: D. Reimer, 1914); R. Ribbeck, Im Wunderlande Indien (Bonn: Verlag der Buchgemeinde, 1925); H. von der Gablentz, Steinerne Wunder (Leipzig: Heiling, 1935). . Peter Jelavich, Berlin Cabaret (Cambridge, MA: Harvard University Press, 1993), 26–33. . Ibid., 130. . Treitel, Science for the Soul, 130. . Detlev Peukert, The Weimar Republik (London: Allen Lane, 1987), 161–167. . Siehe Hanns Heinz Ewers, Indien und Ich (München: Müller, 1919). . Hilmar Teske, Das heutige Indien und seine Freiheitsbewegung (Plauen: Selbstverlag, 1930). . Ibid., 5. . Larry Jones, German Liberalism and the Dissolution of the Weimar Party System (Chapel Hill: University of North Carolina Press, 1988), 225–229. . Max Weber, Hinduismus und Buddhismus (Tübingen: Mohr, 1921). . Rudolf Otto, „Parallelen und Wertunterschiede im Christentum und Buddatum“, Vorlesung in Göttingen am 24. Januar 1913; siehe: Otto, Die Gnadenreligion Indiens und das Christentum: Vergleich und Unterscheidung (Gotha: Klotz, 1930). . Otto, Gnadenreligion, 1–12. . Rudolf Otto, „Religiöser Menschheitsbund,“ Deutsche Politik 6 (1921): 237. . Hans-Martin Barth, „Die Bedeutung Rudolf Ottos für den ökumenischen und den interreligiösen Dialog“ in: Hans-Martin Barth und Christian Elsas (Hrsg.), Bild und Bildlosigkeit. Beiträge zum interreligiösen Dialog (Hamburg: E.B.-Verlag Rissen, 1994). . Siehe Dorothy Figueira, Aryans, Jews, Brahmins (Albany: State University of New York Press, 2002), 50–63. . Celia Applegate, A Nation of Provincials (Berkeley: University of California Press, 1990), 7. . Svoboda Dimitrova-Moeck, Women Travel Abroad 1925–1932 (Berlin: Weidler, 2009); Mary Nolan, Visions of Modernity: American Business and the Modernization of Germany (New York: Oxford University Press, 1994), 1–13. . Kris Manjapra, M. N. Roy: Marxism and Colonial Cosmopolitanism (Delhi: Routledge, 2010), 31–55. . Brian Houghton Hodgson, „Ethnography and Geography of the Sub-Himalayas“, Journal of the Asiatic Society of Bengal 16 (1847): 44–45. . Tony Ballantyne, Orientalism and Race (Houndmills, UK: Palgrave, 2002), 49. . Thomas Trautmann, Aryans and British India (Berkeley: University of California Press, 1997), 172–178; Leon Poliakov, The Aryan Myth: A History of Racist and Nationalist Ideas in Europe (London: Chatto and Windus, 1971). . Arthur Gobineau, Sur l’inégalité des races humaines (Paris: Librairie de Fimin Didot, 1853), 162–162. . Trautmann, Aryans, 200. . Ballantyne, Orientalism, 120.

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. Sheldon Pollock, „Deep Orientalism: Notes on Sanskrit and Power Beyond the Raj“, in: Carol Breckenridge und Peter van der Veer (Hrsg.), Orientalism and the Postcolonial Predicament, (Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 1993), 83. . Siehe Thomas Mann, Doktor Faustus: Das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn, erzählt von einem Freunde (Stockholm: Bermann-Fischer, 1947); Friedrich Nietzsche, Zur Genealogie der Moral, (Leipzig: C.G. Naumann, 1887). . Stefan Arvidsson, „Aryan Mythology as Science and Ideology“, Journal of the American Academy of Religion 67 (1999): 327–354. . Barbara Besslich, Faszination des Verfalls (Berlin: Akademie Verlag, 2002). . Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes (München: Beck, 2011, zuerst 1918/1922), 400. . Ibid., 450. . Hans-Georg Gadamer, Philosophical Apprenticeships (Philosophische Lehrjahre) (Cambridge, MA: MIT Press, 1985), 45. . Spengler, zitiert in: Prasenjit Duara, Decolonization: Perspectives from Now and Then (London: Routledge, 2004), 1. . Suzanne Marchand, Down from Olympus (Princeton, NJ: Princeton University Press, 1996), 306–309. . Spengler, Untergang, 840–879. . Wolfe William Schmokel, Dream of Empire: German Colonialism, 1919–1945 (New Haven, CT: Yale University Press, 1964), 46–75; Roger Chickering, We Men Who Feel Most German (Boston: Allen and Unwin, 1984), 78. . Wolfgang Bialas und Anson Rabinbach (Hrsg.), Nazi Germany and the Humanities (Oxford: Oneworld, 2007); Jeffrey Herf, Reactionary Modernism (Cambridge: Cambridge University Press, 1984); Sebastian Maass, Die andere deutsche Revolution: Edgar Julius Jung und die metaphysischen Grundlagen der konservativen Revolution (Kiel: Regin-Verlag, 2009); Armin Mohler, Die konservative Revolution in Deutschland 1918–1932 (Stuttgart: Vorwerk-Verlag, 1950). . Sabine Mangold, Eine „weltbürgerliche Wissenschaft“ (Stuttgart: Steiner, 2004), 115. . Hermann Beck, „Between the Dictates of Conscience and Political Expediency“, Journal of Contemporary History 41 (2006): 611–640; Edgar Jung wurde in der „Nacht der Langen Messer“ (30.6./1.7.1934) ermordet; sein Freund Leopold Ziegler emigrierte bald darauf; Suzanne Marchand, „Nazism, Orientalism and Humanism“, in: Bialas und Rabinbach, Nazi Germany, 296; Helmut Schörer, Leopold Ziegler: Leben und Werk in Dokumenten (Karlsruhe: Badische Landesbibliothek, 1979), 114. . Andrew von Hendy, The Modern Construction of Myth (Bloomington: Indiana University Press, 2002); für die spätere Zeit siehe Charles Maier, „The End of Longing? (Notes toward a History of Postwar German National Longing)“, in: John Brady et al. (Hrsg.), The Postwar Transformation of Germany (Ann Arbor: University of Michigan Press, 1999), 271–285. . Johann Bachofen, Das Mutterrecht (Stuttgart: Krais und Hoffman, 1861); Alfred Baeumler, Das mythische Weltalter (München: C.H.Beck, 1965). . Heinz Grünert, Gustaf Kossinna (Rahden: Leidorf, 2002). . Gustaf Kossinna, Die Herkunft der Germanen: Zur Methode der Siedlungsarchäologie (Leipzig: Kabitzsch, 1920), 3; Marchand, Olympus, 185. . Edgar Dacqué, Organische Morphologie und Paläontologie (Berlin: Gebrüder Borntraeger, 1935). . Wolf-Ernst Reif, „The Search for a Macroevolutionary Theory in German Paleontology“, Journal of the History of Biology 19 (1986): 79–130.

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Anmerkungen

. Pollock, „Deep Orientalism“, 93. . Karl Joël, Seele und Welt (Jena: Diederichs, 1912); Leopold Ziegler, Der ewige Buddho (Darmstadt: Reichl, 1922). . Arthur Moeller van den Bruck, Das dritte Reich (Hamburg: Hanseatische Verlagsanstalt, 1923). . Nabaneeta Sen, „The ‘Foreign Reincarnation’ of Rabindranath Tagore“, Journal of Asian Studies 25 (1966): 275–286; Paul Natorp, Stunden mit Rabindranath Thakkur (Jena: Diederichs, 1921). . Leopold von Schroeder, Arische Religion (Leipzig: Haessel Verlag, 1914). . Leopold von Schroeder, Mysterium und Mimus im Rigveda (Leipzig: Philo Press, 1908), XI. . Josef Strzygowski an Rabindranath Tagore, Wien, 18. Juni 1921, Visva Bhārati University Archives (VBU), EC 387. . Josef Strzygowski, Die Krisis der Geisteswissenschaften (Wien: Schroll, 1923); zum Begriff „Krise“ als Konzept der Weimarer Republik siehe: Rüdiger Graf, Die Zukunft der Weimarer Republik (München: Oldenbourg, 2008). . Siehe hierzu die Diskussion in: Colin Eisler, „Kunstgeschichte American Style“, in: Donald Fleming und Bernard Bailyn (Hrsg.), The Intellectual Migration, (Cambridge, MA: Harvard University Press, 1969), 560; Strzygowski, Krisis, 29. . Talinn Grigor, „‘Orient oder Rom?’ Qajar ‘Aryan’ Architecture and Strzygowski’s Art History“, Art Bulletin 89 (2007): 562–590. . Susannah Heschel, Aryan Jesus (Princeton, NJ: Princeton University Press, 2008), 166–200. . Siehe Benedict Andersons Konzept der „imaginierten Gemeinschaften“, in: Imagined Communities: Reflections on the Origin and Spread of Nationalism (London: Verso, 1983), 6. Gegen Ende der 1930er Jahre konzentrierte sich Strzygowskis Interesse auf den angeblichen arischen Kulturvorsprung Mitteleuropas gegenüber Westeuropa; siehe: Das indogermanische Ahnenerbe des deutschen Volkes und die Kunstgeschichte der Zukunft (Wien: Deutscher Verlag für Jugend und Volk, 1941); Josef Strzygowski, Europas Machtkunst im Rahmen des Erdkreises (Wien: Wiener Verlag, 1943). . Suzanne Marchand, „The Rhetoric of Artifacts and the Decline of Classical Humanism: The Case of Josef Strzygowski“, History and Theory 33 (1994): 106–130. . Hartmut Behr, A History of International Political Theory: Ontologies of the International (Basingstoke, UK: Palgrave Macmillan, 2010). . Erez Manela, The Wilsonian Moment (Oxford: Oxford University Press, 2007); Kevin McDermott and Jeremy Agnew, The Comintern: A History of International Communism from Lenin to Stalin (London: Macmillan Press, 1996), 1–40. . Siehe Ernst zu Reventlow, „Versailles 1870/71“, in: Ders., Von Potsdam nach Doorn (Berlin: Kleiber, 1940), 7. . Richard Evans, The Coming of the Third Reich (London: Allen Lane, 2003), 34–41; Heschel, Aryan Jesus, 20–25. . Otto Henne am Rhyn, Kulturgeschichte des deutschen Volkes (Berlin: Baumgaertel, 1903), I. . Bettina Arnold, „‘Arierdämmerung’: Race and Archaeology in Nazi Germany“, World Archaeology 28 (2006): 8–31. . Egon Freiherr von Eickstedt, Rassenkunde und Rassengeschichte der Menschheit (Stuttgart: Ferdinand Enke, 1934), 14. . Klemens von Klemperer, Konservative Bewegungen zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus (Wien: R. Spies, 1957), 148. . Geoffrey Field, „Nordic Racism“, Journal of the History of Ideas 38 (1977): 523–540.

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. William Bossenbrook, The German Mind (Detroit: Wayne State University Press, 1961); George Santayana, The German Mind (New York: Crowell, 1968). . Stefan Arvidsson, Aryan Idols (Chicago: University of Chicago Press, 2006), 178–238; Thomas Trautmann, The Aryan Debate (Delhi: Oxford University Press, 2005), XXIX. . Marchand, German Orientalism, 66–71. . Sven Hedin, „Einleitung“, in Herbert Tichy, Zum Heiligsten Berg der Welt (Wien: Seidel, 1937), 10. . Arthur Drews, „Das Licht des Ostens“, Tat 15 (1923): 692. . Kevin Repp, Reformers, Critics and the Paths of German Modernity (Cambridge, MA: Harvard University Press, 2000), 53; Volker Berghahn, Europe in the Era of Two World Wars (Princeton, NJ: Princeton University Press, 2006): 33–47; Robert Chickering, We Men Who Feel Most German; Stanley Suval, „Overcoming Kleindeutschland: The Politics of Historical Mythmaking in the Weimar Republic“, Central European History 2 (1969): 312–330. . Mike Tydesley, „The German Youth Movement and National Socialism“, Journal of Contemporary History 41 (2006): 21–34; Peukert, Weimar Republik, 242: Schorske, Fin-de-Siècle Vienna, 62. . NSDAP-Parteikarten, Bundesarchiv. . Pollock, „Deep Orientalism“, 94; Michael H. Kater, Das Ahnenerbe der SS (Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1974): 43. . Siehe Valentina Stache-Rosen, German Indologists: Biographies of Scholars in Indian Studies Writing in Germany (Delhi: Max Müller Bhavan, 1981). . Siehe auch die Biographien der besprochenen Hauptfiguren im online-Forum Deutsche Biographie der Bayerischen Staatsbibliothek, München), www.deutsche-biographie.de/index. . Kater, Ahnenerbe, 65; Anke Oesterle, „John Meier und das SS-Ahnenerbe“, in Helge Gerndt (Hrsg.), Volkskunde und Nationalsozialismus (München: Münchner Beiträge zur Volkskunde, 1987), 83–93; Heschel, Aryan Jesus, 21. . Margarete Dierks, Jakob Wilhelm Hauer (Heidelberg: Schneider, 1986), 208–274; Schaul Baumann, Die Deutsche Glaubensbewegung und ihr Gründer Jakob Wilhelm Hauer (1881–1962) (Marburg: Diagonal-Verlag, 2005). . Pollock, „Deep Orientalism“, 94. . Bialas und Rabinbach (Hrsg.), Nazi Germany, XXXII-XLII; Willi Oberkrome, „German Historical Scholarship under National Socialism“, in: Bialas und Rabinbach (Hrsg.), Nazi Germany, 207–237. . Walter Ruben, „Autobiographie“, handschriftl. Manuskript, Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW), Mappe 11, unnummerierte und undatierte Dokumente. . Beispielsweise studierte Wüst mit Geiger, Breloer mit Hermann Jacobi und Ludwig Alsdorf studierte bei Heinrich Lüders. . Walther Wüst, Stilgeschichte und Chronologie des Rgveda (Leipzig: Deutsche morgenländische Gesellschaft, 1928), erschienen im literarischen Stil des Rig-Veda. . Erich Frauwallner, Geschichte der indischen Philosophie (Salzburg: Otto Müller, 1956). . E. H. Johnston, „Hermann Jacobi“, Journal of the Royal Asiatic Society of Great Britain and Ireland (1938), 346. . Ludwig Alsdorf, The History of Vegetarianism and Cow-Veneration in India (London: Routledge, 2010; zuerst 1961). . Ludwig Alsdorf, Deutsch-Indische Geistesbeziehungen (Heidelberg: Kurt Vowinckel Verlag, 1944).

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Anmerkungen

. Horst Junginger, „From Buddha to Adolf Hitler: Walther Wüst and the Aryan Tradition“, in: Ders. (Hrsg.), The Study of Religion under the Impact of Fascism (Leiden: Brill, 2008), 107–178. . Bernhard Breloer, Die Grundelemente der altindischen Musik (Bonn: Bonner UniversitätsBuchdruckerei, 1922), 13. . Herman Lommel, Religion und Kultur der alten Arier (Frankfurt: Klostermann, 1935); Johannes Hertel, Die arische Feuerlehre (Leipzig: Haessel, 1925). . Helmuth von Glasenapp, Der Hinduismus (München: Wolff, 1922). . Franz Altheim, Die Krise der Alten Welt (Berlin: Ahnenerbe-Stiftung Verlag, 1943). . Ibid. . Hermann Güntert, Der Ursprung der Germanen (Heidelberg: Carl Winter, 1934). . Ibid., 137–157. . Hans F. K. Guenther, The Racial Elements of European History (London: Methuen, 1927), 152. . Hans F. K. Guenther, Die Nordische Rasse bei den Indogermanen Asiens: Zugleich ein Beitrag zur Frage nach der Urheimat und Rassenherkunft der Indogermanen (Jena: J. F. Lehmanns Verlag, 1934). . Siehe Egon von Eickstedt, Grundlagen der Rassenpsychologie (Stuttgart: Ferdinand Enke, 1936), 103. . Oswald Menghin, Einführung in die Urgeschichte Böhmens und Mährens (Reichenberg: Sudetendeutscher Verlag Franz Kraus, 1926). . Die „Prähistorik“ als Wissenschaft hatte ihren Höhepunkt erreicht. Johan Callmer (Hrsg.), Die Anfänge der ur- und frühgeschichtlichen Archäologie als akademisches Fach (1890–1930) (Rahden: Leidorf, 2006). . Die Veröffentlichung buddhistischer Texte, kanonischer wie populärer Werke, ging in den 1930er Jahren in Deutschland stark zurück. Vgl. Heinz Sarkowski, Der Insel Verlag, 1899–1999 (Frankfurt am Main: Insel, 1999). . Mitchell Ash (Hrsg.), Forced Migration and Scientific Change (Washington, DC: German Historical Institute, 1996); David Kettler, The Liquidation of Exile (London: Anthem, 2011);Volkmar von Sühlsdorff, Deutsche Akademie im Exil (Berlin: EMV, 1999). . Heinrich Robert Zimmer, Kunstform und Yoga im indischen Kultbild (Berlin: Frankfurter Verlags-Anstalt, 1926); siehe auch die Einführung von Joseph Campbell in ders. (Hrsg.), Myths and Symbols in Indian Art and Civilization (New York: Pantheon, 1972), V; Lucian Scherman (Hrsg.), Kleine Schriften (Stuttgart: F. Steiner, 2000); J. Scheftelowitz, Die Zeit als Schicksalsgottheit in der indischen und iranischen Religion (Stuttgart: Kohlhammer, 1929). . Erich von Hornbostel, Music of the Orient (New York: Decca, 1940); Dieter Christensen, „Erich von Hornbostel, Carl Stump, and the Institutionalization of Comparative Musicology“, in: Bruno Nettl et al. (Hrsg.), Comparative Musicology and Anthropology of Music, (Chicago: University of Chicago Press, 1991), 201–209; Vanessa Agnew, „The Colonialist Beginnings of Comparative Musicology“, in: Eric Ames et al. (Hrsg.), Germany’s Colonial Pasts, (Lincoln: University of Nebraska Press, 2005), 41; Einführung von Barbara Stoler-Miller (Hrsg.), Exploring India’s Sacred Art: Selected Writings of Stella Kramrisch (Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 1983), 3–35. . Ash und Söllner (Hrsg.), Forced Migration, 6. . Martin Kern, „Die Emigration der Sinologen 1933–1945: Zur ungeschriebenen Geschichte der Verluste“, in: Helmut Martin und Christiane Hammer (Hrsg.), Chinawissenschaften, (Hamburg: Institut für Asienkunde, 1999), 222–242. . Skuli Sigurdsson, „Physics, Life, and Contingency: Born, Schroedinger, and Weyl in Exile“, in: Ash und Söllner (Hrsg.), Forced Migration, 48–70.

3 Deutsche Visionen eines asiatisierten Europa

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. Kurt Walf, „Reading and Meaning of Daoist Texts in Nazi Germany“, in: Raoul Findeisen et al. (Hrsg.), At Home in Many Worlds, (Wiesbaden: Harrassowitz, 2009), 152; siehe auch Steve Hochstadt, Shanghai-Geschichten: die jüdische Flucht nach China (Berlin: Hentrich and Hentrich, 2007). . Karl Löwith, Reisetagebuch 1936 und 1941 (Marbach: Deutsche Schillergesellschaft, 2001), 79–95. . Alvin Mars, „A Note on Jewish Refugees in Shanghai“, Jewish Social Studies 31 (1969): 286– 291. . Anil Bhatti und Johannes Voigt (Hrsg.), Jewish Exile in India (Delhi: Manohar, 1999); siehe: Muhammad Asad (ehemals Leopold Weiss), Islam und Abendland (Olten: Walter, 1960). . Bhatti und Voigt, Jewish Exile, 9–24. . Hermann Goetz, „Notes on the Maharaja Fatesingh Museum, Baroda“, East and West 12 (1961): 254–255. . Thomas Lawton, „Dr. Stella Kramrisch“, Artibus Asiae 53 (1993): 499–500. . Horst Krüger, Neue Indienkunde (Berlin: Akademie Verlag, 1970); Johannes Voigt, Die Indienpolitik der DDR (Köln: Böhlau, 2008), 241; Friedrich Wilhelm, „The German Response to Indian Culture“, Journal of the American Oriental Society 81 (1961): 395–405. . Ruben, „Autobiographie“. Nach der Reise erschien ein Aufsatz über die Religion der Asuren: Ruben, Eisenschmiede und Dämonen in Indien (Leiden: Brill, 1939), 102ff. . Ruben, „Autobiographie“. . Renate Heuer (Hrsg.), „Betty Heimann“, Lexikon deutsch-jüdischer Autoren, Bd. 10 (München: K. G. Saur, 2002), 353–355. . Linda Kerber, „The Stateless as the Citizen’s Other: A View from the United States“, American Historical Review 112 (2007): 1–34. . Tom Ambrose, Hitler’s Loss (London: Chester Springs, 2001); Claus Dieter Krohn, Intellectuals in Exile (Amherst: University of Massachusetts Press, 1993); Fleming und Bailyn, Intellectual Migration, 8. . Der Fall Adorno in Amerika ist ein klassischer Prüfstein für das Studium der deutschen Methodologie „im Exil“; siehe: Theodor Adorno, „A European Scholar in America“, übers. v. Donald Fleming, in: Fleming und Bailyn (Hrsg.), Intellectual Migration, 222–242. Franz Neumann, der vorübergehend in den Vereinigten Staaten lebende Politikwissenschaftler, schrieb ebenfalls über das Exil der deutschen „Theorie und Geschichte“ im Land des amerikanischen „Empirismus und Pragmatismus“; Franz Neumann et al. (Hrsg.), The Cultural Migration (Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 1953); Leo Spitzers Studie über die Erinnerungsarbeit der jüdischen Exilgemeinden trägt den Titel Hotel Bolivia (New York: Hill and Wang, 1998). . Anthony Heilbut, Exiled in Paradise: German Refugee Artists and Intellectuals in America (New York: Viking, 1983), 119, 438–468. . Wissenschaftler wie Hermann Goetz, Muhammad Asad (Leopold Weiss), Agehananda Bharati (Leopold Fischer), Stella Kramrisch, Walter Kaufmann und Otto Königsberger, allesamt europäisch-jüdischer Abstammung, leisteten wichtige sach- und fachkundige Beiträge zum Nationalismus in Indien.

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Anmerkungen

4 Indische Visionen einer germanischen Heimstatt . Radhakamal Mukherjee, „Indian Emigration“, in: Economic Problems of Modern India, Bd. 1 (London: Macmillan, 1939), 100; Eric Hobsbawm, Industry and Empire: From 1750 to the Present Day (Harmondsworth: Penguin, 1969), 207. . Zur frühen Karriere von Abinash Chandra Bhattacharya als revolutionärer Terrorist in Bengal siehe: Samaren Roy, The Restless Brahmin: Early Life of M. N. Roy (Bombay: Allied Publishers, 1970), 19; siehe auch den Brief von Abinash Chandra Bhattacharyya an Clemens Delbrück, 11. August 1914, AA, R21070–1, 28–30, sowie Bhattacharyas Geschichte der nationalistischen Bewegung in der Diaspora: Iyurōpe Bhāratiya Biplaber Sādhanā (Kalkutta: Bandana Impression, 1949). . Der Bericht von Karl Emil Schabinger über die „Nachrichtenstelle für den Orient“ enthält eine Beschreibung des Bürogebäudes mit 23 Räumen in der Tauentzienstraße 19a, III, 21. September 1915, AA, R1502, 13643. . Kris Manjapra, „Illusions of Encounter“, Journal of Global History 1 (2006): 363–382. . Zu „Aufenthalten“ siehe Sunil Amrith, Migration and Diaspora in Modern Asia (Cambridge: Cambridge University Press, 2011), 22–37. . Lala Hardayal, Forty-four Months in Germany and Turkey, February 1915 to October 1918 (London: P. S. King, 1920), 20. . Ibid., 17. . Zum Wohnheim in der Uhlandstraße (Hindustan-Haus), zu der Vereinigung der Inder in Mitteleuropa in der Knesebeckstraße und den religiösen Orten siehe Ausländerkartei Indien, 1928– 1938, HUA; zum Cricket-Platz am Baumschulenweg: „Orientals in Berlin“ (Britischer Geheimdienst-Bericht zum indischen Leben in Berlin), APAC, L/P&J/12/102, 3. September 1923; zum Wohnheim für ältere Emigranten in der Georg-Wilhelm-Straße: „Orientals in Berlin“, APAC, L/ P&J/12/102, 22. Mai 1923. . Kris Manjapra, „From Imperial to International Horizons“, Modern Intellectual History 8 (2011), 327–359. . Devesh Kapur und John McHale, Give Us Your Best and Brightest: The Global Hunt for Talent and Its Impact on the Developing World (Washington, DC: Center for Global Development, 2005), 105. . Giuseppe Flora, Benoy Kumar Sarkar (1887–1949) (Delhi: Center for Contemporary Studies, 1998), 14. . B. K. Sarkar, „The Making of Naren Sengupta“, Indian Journal of Psychology 19 (1944): 125– 134. . Benoy Kumar Sarkar, Duniyār Ābhāōyā (Kalkutta: Raychaudhuri, 1926). . Benoy Kumar Sarkar, „Social Metabolism in Its Bearings on Progress“, Social Forces 16 (1937): 169–177. . Flora, Sarkar, 12– 17. . Benoy Kumar Sarkar, Parājita Jārmānī (Kalkutta: Oriental Book Agency, 1932), 11. . Benoy Kumar Sarkar, Economic Development (Madras: B. G. Paul, 1926), I. . Sarkar, Parājita Jārmānī, I. . Sarkar, Duniyār Ābhāōyā, IV. . Die Reihe umfasst folgende Bände: Bd. 1 Ägypten, Bd. 2 Großbritannien und Irland, Bd. 3 Erster Weltkrieg, Bd. 4 Vereinigte Staaten von Amerika, Bd. 5 Japan, Bd. 6 China, Bd. 7 Frankeich, Bd. 8 Deutschland, Bd. 9 Österreich, Bd. 10 Schweiz, Bd. 11 Italien, Bd. 12 Die Lage der Welt. . Sarkar, Parājita Jārmānī, 14.

4 Indische Visionen einer germanischen Heimstatt

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. Siehe Kshitish Chandra Banerjees Reisebericht My Travels in the East (Kalkutta: Shailen, 1936); David Motadel, „Qajar Shahs in Imperial Germany“, Past and Present 213 (2011): 191–235; Julie Codell, „Reversing the Grand Tour: Guest Discourse in Indian Travel Narratives“, Huntington Library Quarterly 70 (2007): 173–189. . Kalidas Nag, Memoirs (Kalkutta: Writers Workshop, 1991; zuerst 1921–1923), 55. . Jacques Rancière, Politics of Aesthetics (London: Continuum, 2004). . „Orientals in Berlin“, APAC: L/PJ/12/102. . Kris Manjapra, M. N. Roy: Marxism and Colonial Cosmopolitanism (Delhi: Routledge, 2010), 31–62. . Vgl. Omkar Goswami, „Sahibs, Babus, and Banias: Changes in Industrial Control in Eastern India“, in: Rajat Ray (Hrsg.), Entrepreneurship and Industry, (Delhi: Oxford University Press, 1993), 228–259. . Uma Das Gupta, „Rabindranath Tagore on Rural Reconstruction: The Shriniketan Programme, 1921–1941“, Indian Historical Review 5 (1978): 354–378. . Großbritannien blieb für Inder zahlenmäßig das wichtigste Zielland für Bildung in Übersee. Rozina Visram, Ayahs, Lascars, and Princes (London: Pluto, 1986); Sumita Mukherjee et al., „‘The Land of Gold and Silver’: Indian Students and Their Perceptions of Britain“, Historical Studies 26 (2009): 135–150. . „Indian Information Bureau and Chattopadhyaya“, 15. Mai 1930, APAC, L/PJ/12/233, 79–81. . A. C. N. Nambiar an Nehru, Dokument zur Gründung des Indian Information Bureau, 20. März 1929, ZMO, Nachlass Krüger, Dok. 59. Das Indische Informationsbüro in Berlin, das von Virendranath Chattopadhyaya und A. C. N. Nambiar geleitet wurde, unterstützte indische Studenten während des Studiums in Berlin. Die Leiter des Büros berichteten monatlich an Nehru und bezogen ab 1928 finanzielle Mittel vom Indischen Nationalkongress. . A. C. N. Nambiar an Jawaharlal Nehru, 4. Januar 1929, ZMO, Nachlass Krüger, Dok. 59. . Nehru an Chattopadhyaya, 25. April 1929, NAI Nehru Korrespondenz; Fotokopie im ZMO, Nachlass Krüger, Dok. 47. . „Indian Information Bureau and Chattopadhyaya“, 15. Mai 1930, APAC, L/PJ/12/223: 79–81. . Eckard Michels, „Deutsch als Weltsprache?“ German History 22 (2004): 206–228; Düwell, Deutschlands auswärtige Kulturpolitik, 379–384; Volkhard Laitenberger, Akademischer Austausch und auswärtige Kulturpolitik (Göttingen: Musterschmidt, 1976). . Nambiar an Nehru, 27. August 1929, ZMO, Nachlass Krüger, Dok. 179. . Haushofer Nachlass, 31. Januar 1936, Bundesarchiv Koblenz, N1122/115. . Nirode Barooah, Chatto: The Life and Times of an Indian Anti-Imperialist in Europe (Oxford: Oxford University Press, 2004), 178–224. . Thomas Fraser, „Germany and Indian Revolution, 1914–1918“, Journal of Contemporary History 12 (1977): 255–272; Daniel Brückenhaus, „Every Stranger Must Be Suspected: Trust Relationships and the Surveillance of Anticolonialists in Early Twentieth-Century Western Europe“, Geschichte und Gesellschaft 36 (2010): 525. . Barooah, Chatto, 7. . Britische Überwachungsakte, APAC, L/PJ/12/667. . P. C. Ray, Life and Experiences of a Bengali Chemist (Kalkutta: Chuckervertty, Chatterjee, 1932), 132. . Margit Pernau, „Schools for Muslim Girls: A Colonial or an Indigenous Project?“ Oriente Moderno 23 (2004): 271; Sheela Raj, Mediaevialism to Modernism (Bombay: Popular Prakashan, 1987), 240; Tara Ali Baig, Sarojini Naidu (Delhi: Ministry of Information and Broadcasting, 1974).

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Anmerkungen

. Sarojini Naidu studierte am King’s College in London und in Cambridge; Kamaladevi absolvierte ein Studium an der University of London; Virendranath studierte in Oxford; Barooah, Chatto, 7–10. . Mrinalini Sinha, „Refashioning Mother India“, Feminist Studies 26 (2000): 623–644. . Sibnarayan Ray, In Freedom’s Quest (Kalkutta: Minerva, 2002), 2:31–34. . M. Saha, „Facilities for Study in Germany“, Modern Review 31 (1922): 157ff. . Sehri Saklatvala, The Fifth Commandment: A Biography of Shapurji Saklatvala (Salford, UK: Miranda, 1991); Mike Squires, Saklatvala (London: Lawrence und Wishart, 1990), 140, 144–157. . 1923 zählte der Britische Geheimdienst mehr als 200 politisch aktive Studenten in Berlin; „Orientals in Berlin“, 13. Januar 1923, APAC, L/PJ/12/102, 9,10. . Ausländerkartei Indien, 1928–1938, HUA. Es handelt sich bei dieser Quelle um Immatrikulations-Karteikarten indischer Studierender an der Universität in den genannten Jahren. . siehe: Ausländerkartei Indien, 1928–1938, HUA. . Vivendranath Chattopadhyayas Haus in der Berliner Georg-Wilhelm-Straße diente als soziales Zentrum. APAC, 3. September 1923, L/P&J/12/102. . „Report on Indians“, APAC, 1923, L/PJ/12/102. . „Orientals in Berlin“, APAC, 22. Mai 1923, L/PJ/12/102. . Hoi-eun Kim, „Physicians on the Move. German Physicians in Meiji Japan and Japanese Medical Students in Imperial Germany, 1868–1914“, PhD Diss., Harvard University, 2006; Meng Hong und Dagmar Yue-Dembski, Chinesen in Berlin (Berlin: Verwaltungsdruckerei Berlin, 1996), 32; Marilyn Levine, The Found Generation: Chinese Communists in Europe during the Twenties (Seattle: University of Washington Press, 1993), 147–149; Thomas Harnisch, Chinesische Studenten in Deutschland: Geschichte und Wirkung ihrer Studienaufenthalte in den Jahren von 1860 bis 1945 (Hamburg: Institut für Asienkunde, 1999), 205. . Siehe: Richtlinien zur Immatrikulation, 4. Dezember 1923, Mitteilungen des Deutschen Instituts für Ausländer, HUA; Klaus J. Bade (Hrsg.), Deutsche im Ausland – Fremde in Deutschland (München: Beck, 1992), 24. . „Berlin Pictorial“, Calcutta Review, Serie 3, 7 (1923), 465. . Ibid. . Ibid. . Siehe: Ausländerkartei Indien, 1928–1938, HUA. . Die Siemensstadt liegt in Spandau und wurde 1899 gegründet. Indische Studenten der Ingenieurswissenschaften absolvierten hier in den 1930er Jahren Praktika; darunter auch N. G. Swami aus Madras (1931), M. H. Advani (1929) und Manmohan Lal Gauba (1929); siehe Siemens Archiv (SAA), Ausländerkartei Nrn. 9, 56, 168. . SAA, München, Akte 1291. 1935 wurde die Siemens-Niederlassung in Kalkutta zur Regionalverwaltung für ganz Asien ausgebaut. . SAA, Akte 9463, beschreibt die Gastaufenthalte indischer Nationalisten in der Siemensstadt im Jahr 1936. Auch andere indische Studenten erhielten dort eine Ingenieurausbildung, siehe: Ausländerkartei Indien, 1928-1938, HUA. . SAA, Akte 9463, Katalog-Nr. 13139. . SAA, Akte 9463. . Daniel Rodgers, Atlantic Crossings: Social Politics in a Progressive Age (Cambridge, MA: Belknap Press of Harvard University Press, 1998); Hoi-Eun Kim, „Physicians on the Move“. . APAC, 3. September 1923, L/P&J/12/102. . Sugata Bose, His Majesty’s Opponent (Cambridge, MA: Belknap Press of Harvard University Press, 2011), 91

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. „Indian Students in Germany at Home to German Professors“, Modern Review 40 (1926): 229– 231. . Sunil Kumar Ghosh, Bhupendranath (Kalkutta: Madanmohan Library, 1971); Bhupendranath Datta, „Eine Untersuchung der Rassenelemente in Belutchistan, Afghanistan und den Nachbarländern des Hindukusch“, Phil. Diss., Universität Hamburg, 1921. . Interview mit A. C. N. Nambiar, 18. November 1972, Oral History-Sammlung im Nehru Memorial Museum and Library (NMML), Delhi. . „Indians and Germany“, in: Sind Observer, 25. Oktober 1922, ZMO, Nachlass Krüger, Dok. 50. . Amit Das Gupta, Handel, Hilfe, Hallstein-Doktrin (Husum: Matthiesen, 2004), 30. . Im Oktober 1922 gründete Chattopadhyaya mit Unterstützung Moskaus das Indische Nachrichten- und Informationsbüro in Berlin. Lohani, Khankoji und Abani Mukherjee, die alle am ursprünglichen Antrag auf sowjetische Unterstützung Anfang 1921 beteiligt waren, wurden wohl individuell von der sowjetischen Regierung finanziell unterstützt, um kommunistische Aktivitäten außerhalb des Kreises von M. N. Roy fortzusetzen; Das Gupta, 24. Dezember 1923, NAI, Home Department Political, 1924 Dok. 21/1. . Cecil Kaye, Communism in India (Kalkutta: Editions Indian, 1971), 11. . Nehru berichtet in seiner Autobiographie von seinem Besuch in Berlin Ende 1926; siehe Jawaharlal Nehru, Autobiography (London: John Lane, 1936), 161. . Die Liga gegen Imperialismus trug ursprünglich den Namen „League against Cruelties and Oppression in the Colonies. Es handelte sich um eine von der Sowjetunion gesponsorte Organisation zur Stärkung des sowjetischen Einflusses in der Kolonialwelt“, Report on League Activities, 2. Juni 1927, APAC, L/PJ/12/267. . Überwachungsbericht an Petrie, APAC, 9. April 1927, L/PJ/12/266. . Bomell, „Passports of Indians for Germany“, 7. September 1922, APAC, L/PJ/12/98: 4, 5. . „List of Suspect Civilian Indians on the Continent of Europe“, Februar 1944, APAC, L/PJ/12/ 659: 55. . A. M. Bose, 25. August 1916, AA, Mappe 21090. . „Statement of Nalini Bhusan Das Gupta“, NAI, Home Department, Political 1924, Dok. 21/1. . APAC, L/PJ/12/462; Ray, In Freedom’s Quest, 3:181. . Sheikh Ali, Zakir Husain (Delhi: Vikas, 1991). . Joachim Oesterheld, „Lohia as a Doctoral Student in Berlin“, Economic and Political Weekly 45 (2010): 85–91. . Amar Farooqui, Remembering Dr. Gangadhar Adhikari (Delhi: People’s Publishing House, 1998), 5–9. . Jyotirmoy Gupta (Hrsg.), M.N. Saha in Historical Perspective (Kalkutta: Thema, 1994). . Virendranath Chattopadhyaya heiratete zunächst Agnes Smedley, dann Lidija Kazunovskaia. M. N. Roy heiratete Evelyn Trent und nach der Scheidung dann Ellen Gottschalk. Subhas Chandra Bose heiratete Emilie Schenkel, Benoy Kumar Sarkar heiratete Ida Steiler. A. C. N. Nambiar heiratete nach seiner Scheidung von Suhasini Chattopadhyaya eine Deutsche; siehe: Manjapra, M. N. Roy, 119. . Vikram Seth, Two Lives (London: Little, Brown, 2005). . „CIB’s Reports on Activities of Germans, Italians and Japanese“, APAC, L/PJ/12/506, 79. . Ibid., 93. . Nina Berman, Orientalismus, Kolonialismus und Moderne (Stuttgart: M&P Verlag, 1997), 35. . Jon Jacobson, Locarno Diplomacy: Germany and the West, 1925–1929 (Princeton, NJ: Princeton University Press, 1972), 35–46; John Lowe, The Great Powers, Imperialism, and the German Problem (London: Routledge, 1994), 251–253.

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Anmerkungen

. Wolfe William Schmokel, Dream of Empire: German Colonialism, 1919–1945 (New Haven, CT: Yale University Press, 1964), 76–89; Roger Chickering, We Men Who Feel Most German (Boston: Allen and Unwin, 1984), 56–62. . Agnes Smedley, „Indians in European Zoological Gardens“, 10. Oktober 2006, Zeitungsausschnitt, ZMO, Nachlass Krüger, Box 59. . Siehe: Rachel Holmes, The Hottentot Venus (New York: Random House, 2006); Sander Gilman, „Black Bodies, White Bodies: Towards an Iconography of Female Sexuality in Late Nineteenth-Century Art, Medicine, and Literature“, in: Henry Gates (Hrsg.), Race, Writing and Difference, (Chicago: University of Chicago Press, 1986), 223–261. . Siehe Robert Rydell, All the World’s a Fair: Visions of Empire in American International Expositions, 1876–1916 (Chicago: University of Chicago Press, 1984), 22–32; Alexander Honold, „Ausstellung des Fremden – Menschen- und Völkerschau um 1900. Zwischen Anpassung und Verfremdung: Der Exot und sein Publikum“, in: Sebastian Conrad und Jürgen Osterhammel (Hrsg.), Das Kaiserreich transnational, (Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2004), 170–190. . Lothar Dittrich, Carl Hagenbeck (1844–1913): Tierhandel und Schaustellungen im Deutschen Kaiserreich (Frankfurt am Main: Peter Lang, 1998); Carl Hagenbeck, Von Tieren und Menschen: Erlebnisse und Erfahrungen (Berlin: Vita, 1909); Klaus-Dieter Kürschner, Von der Menagerie zum größten Circus Europas: Krone (Berlin: Ullstein, 1998). . von Mutius an das Auswärtige Amt, 6. September 1915, AA, 21089–1: 129, 130. . Berliner Tageblatt, 21. März 1927. . Virendranath Chattopadhyaya, „Der Zoo, ein neuer Lunapark. Der Schwindel der Indienschau“, Welt am Abend, 3. Juli 1926. . Ibid. . Siehe Chandana Mozumdar, „Swastika and Tiranga: Subhas Bose and Indian Nationalism’s Connection with the Third Reich“, PhD Diss., Auburn University, 1999, 23, der sich auf einen Artikel von Rudolf Olden in den Akten des Auswärtigen Amts bezieht. . Bericht, NAI, F. 15 XLV 28 Pol; Fotokopie ZMO, Nachlass Krüger. . Siehe die Berichte von Tagore in der britischen Presse in: Kalyan Kundu et al. (Hrsg.), Imagining Tagore (Kalkutta: Shishu Sahitya Samsad, 2000), 120ff. . Martin Kämpchen, Rabindranath Tagore and Germany (Kalkutta: Max Müller, 1991), 9; Rita Panesar, „Der Hunger nach dem Heiland“, Magisterarbeit, Universität Hamburg, 2004. . Kämpchen, Tagore and Germany, 84ff. . Ketaki Kushar Dyson, Ranger Rabindranath (Kalkutta: Ananda, 1997), 130. . Humboldt-Universität zu Berlin, Musikwissenschaftliches Seminar, Lautarchiv, LA 346; eine Aufnahme in der Berliner Staatsbibliothek von Wilhelm Doegen zu Tagores erstem Deutschlandbesuch im Jahr 1921. Aufnahmen einer englischen und einer bengalischen Ansprache von Benoy Kumar Sarkar aus dem Jahr 1921, einer Dichterlesung von Dwijendralal Ray, einer Ansprache des Maharaja von Baroda (LA 71) und von Keramat Ali werden ebenfalls im Archiv aufbewahrt. . Friedrich Raff, „Tagore-Aktien“, Vossische Zeitung, 15. Dezember 1921; Kurt Düwell, „Staat und Wissenschaft in der Weimarer Epoche: Zur Kulturpolitik des Ministers C. H. Becker“, Historische Zeitschrift Beiheft NF 1 (1971): 31–74. . Partha Mitter, The Triumph of Modernism (London: Reaktion, 2007); Kris Manjapra, „Stella Kramrisch and the Bauhaus in Calcutta“, in: R. Sivakumar (Hrsg.), The Last Harvest, (Delhi: NGMA, 2011), 34–40. . Friedrich Raff, „Tagore-Aktien“, Vossische Zeitung, 15. Dezember 1921; Dr. E. R. Filcher, „Tagore und wir. Ein Schlußwort zur Tagore ‘Mache’“, Allgemeine Zeitung Chemnitz, 7. März 1921;

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Alex Aronson, Brief Chronicles of the Time: Personal Recollections of My Stay in Bengal (Kalkutta: Writers Workshop, 1990), 22. . Lewis Hyde, The Gift: Imagination and the Erotic Life of Property (New York: Random House, 1983), 56; Marcel Mauss, Essai sur le Don (Paris: Alcan, 1925). . Prasanta Kumar Pal, Rabijibanī, Bd. 4 (Kalkutta: Bhurjapatra, 1988), 195. . Rabindranath Tagore an C. F. Andrews, 10. Mai 1921, Zürich, in: ders., Briefe aus Europa, übers. v. Axel Monte, (München: Books ex Oriente, 2010), 75. . Georg Lukács beschreibt Tagore als „eine gänzlich unbedeutende Person“ und kritisiert in seiner Rezension zu Gora, „Tagore’s Gandhi Novel“ (1922), die deutsche Faszination als Hunger nach „spiritueller Substitution“, in: Reviews and Articles for Die Rote Fahne, übers. v. Peter Palmer (London: Merlin Press, 1983), 8–11. . „Rabindranath Pratyābartan“, Prabāsī 21 (1921): 763–764. . Ibid. . Ketaki Kushari Dyson, Ranger Rabindranath (Kalkutta: Ananda, 1997), 130. . Ute Gahlings, Hermann Keyserling (Darmstadt: Liebig Verlag, 1996). . David Gosling, Science and the Indian Tradition: When Einstein Met Tagore (London: Routledge, 2007). Die Konversation wurde veröffentlicht von Rabindranath Tagore, The Religion of Man (New York: Macmillan, 1930). . W. G. Archer, „The Paintings of Tagore“, East and West 12 (1961): 147–151; Ananda Coomaraswamy, „Drawings by Rabindranath Tagore“, Rupam, Nr. 42-44, 1930, 73–75. . Stella Kramrisch, „Indische Malerei der Gegenwart: Zur XV. Jahresausstellung der India Society of Oriental Art“, Der Cicerone 16 (1924): 954–962. . Ratan Parimoo, Paintings of Three Tagores (Baroda: University of Baroda, 1973). . Anon., „Tagore als Maler“, in: Der Tag; KZ, „Ausstellung in der Galerie Moeller“; WG, „Tagore als Maler“. Diese Zeitungsausschnitte aus dem Jahr 1930 befinden sich in der Mappe 1436 „Tagore, Rabindranath“ im Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin (ZSMB). . Rabindranath Tagore an Ludwig Justi, 15. August 1930, ZSMB, Mappe 1436, 1. . Stella Kramrisch, „Form Elements in the Visual Work of Rabindranath Tagore“, Lalit Kala Contemporary, 2 (1964): 37–39. . Fritz Wartenweiler, Indiens Not, Indiens Ringen. Hinweis auf neuere Schriften über Indien und Gandhi (Erlenbach: Rotapfel, 1932), 123–126. . Josef Strzygowski an Rabindranath Tagore, 4. April 1922, Wien. Visva Bhārati Archive (VBA), Shantiniketan, EC 387. . Alik Akhtar Ansari, „Tadsch Mahal und seine Bedeutung für die Geschichte der indischen Baukunst“, Phil. Diss., Fachbibliothek Kunstgeschichte, Universität Wien, 1926. Mit photographischem Begleitmaterial; in: Fotosammlung, Box 28; Josef Strzygowski, The Influences of Indian Art (London: India Society, 1925). . See Kalidas Nag, „Dr. Sten Konow and the Via-Bharati“, Modern Review 36 (1924): 721–722. . Moriz Winternitz, Rabindranath Tagore (Prag: Calve, 1936). . Rabindranath Tagore an Nirmalkumari Mahalanobis, 15. Juli 1927, in: Tagore, Jāvā Yātrīr Patra, zit. in Sugata Bose, A Hundred Horizons (Cambridge, MA: Harvard University Press, 2006), 245. . Hermann Weber, Der deutsche Kommunismus (Köln: Kiepenheuer und Witsch, 1963), 101. . Peel, „Memorandum on V. Chattopadhyaya“, Januar 1929, APAC, L/PJ/ 12/280. . Siehe den Richthofen-Bericht, Bundesarchiv, Reichskommissariat für Überwachung der öffentlichen Ordnung, R1507/67299/650, 17. Oktober 1924, 11, 12. In Indien bemühte sich von Collenberg derweil auch um neue Genehmigungen für deutsche Händler. In einem Zeitungsinterview

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Anmerkungen

sagte der deutsche Generalkonsul in Indien, dass die Handelsziele Deutschlands im Vordergrund stehen müssten. Vgl. Industrie und Handelszeitung, Mai 1925, nN. 1, 245, 246. . „Orientals in Berlin“, APAC, 3. September 1923, L/PJ/12/102. . Polizeipräfektur, Paris, GA C3 „Communiste (Internationale)“, und B2184 148.800-C „Au Sujet du Mouvement Nationaliste Hindou“. Diese Akten dokumentieren Bemühungen der französischen Polizei, M. N. Roy 1925 aufzuspüren und auszuweisen. . Benoy Kumar Sarkar kehrte am 18. September 1925 nach Indien zurück. Er wurde in der Indian Daily Mail und dem Bombay Chronicle als Botschafter des neuen Indiens gefeiert; siehe: Giuseppe Flora, Benoy Kumar Sarkar (1887–1949) (Delhi: Center for Contemporary Studies, 1998), 17. Bhupendranath Datta kehrte 1927 zurück; siehe:“Bhupendranath Datta Returning to India“, Modern Review, Mai 1927, 289–290. Zur Petition der Kheiri-Brüder, nach Indien zurückkehren zu dürfen, siehe: Madeleine Slade an Alexander Muddmann, 12. Januar 1926, NAI, „Jabbar and Sattar Kheiri“, Akte Nr. 39. . Siehe die Erinnerungen von Lucie Hecht, der Sekretärin Chattopadhyayas, in ihrem Brief an Horst Krüger, „Memories of Chattopadhyaya“, 10. August 1967, ZMO, Nachlass Krüger, Dok. 41. . Ibid. . Ibid. . Evelyn Roy an Henk Sneevliet [Jack Horner], 13. März 1927, International Institute for Social History (IISH), Sneevliet Akten 362. . Agnes Smedley, „European Quest“, in: Battle Hymn of China (New York: Knopf, 1943), 150. . Ruth Price, The Lives of Agnes Smedley (New York: Oxford University Press, 2005), 141–144. . „Die Ermordung des Inders Singh von seiner Frau und Mörderin, Hilde Singh-Aluwaliya“, Welt am Abend, 27. September 1926. . Prittwitz, „Sketch of Har Dayal,“ 19. März 1918, AA, R21112–2: 134–137; Dharmavira, Lala Har Dayal and Revolutionary Movements of His Times (Delhi: India Book Company, 1970). . Dharmavira, Har Dayal. . Ray, In Freedom’s Quest, 3:53, 54. . Siehe bspw. den Bericht über Abdussattar Siddiqi vom 31. Juli 1915, AA, R21087. Subhash Chandra Bose litt auch an chronischen Magenbeschwerden; vgl. Leonard A. Gordon, Brothers against the Raj: A Biography of Indian Nationalists Sarat and Subhas Chandra Bose (New York: Columbia University Press, 1990), 257. . Nayan Shah, „Between ‘Oriental Depravity’ and ‘Natural Degenerates’: Spatial Borderlands and the Making of Ordinary Americans“, American Quarterly 57 (2005): 703–725. . Lucie Hecht an Horst Krüger, 10. August 1967, ZMO, Nachlass Krüger, Dok. 41. Hecht schrieb, dass „Chatto meist auf der Flucht“ sei. Chattopadhyaya selbst schrieb in einem Brief an Nehru: „Meine Gesundheit macht mir Sorgen … Mein psychischer Zustand ist schrecklich.“ Chattopadhyaya an Nehru, 23. Januar 1929, NAI Nehru Correspondence, Fotokopie im ZMO, Nachlass Krüger, Dok. 43. . Brief von Lidija Kazunovskaia an Horst Krüger, 13. Juni 1965, „Memories of Chattopadhyaya“, ZMO, Nachlass Krüger, Dok. 59. . Chattopadhyaya schreibt im Mai 1928 an Nehru: „Die Arbeit im Sekretariat (der Liga gegen den Imperialismus) ist sehr anstrengend, und manchmal möchte ich aufgeben. Aber was soll ich machen? … Ich fühle mich sehr müde und habe furchtbares Heimweh.“ NAI, Nehru Correspondence, Fotokopie im Nachlass Krüger, ZMO, Dok. 130. . Anfang der 1930er Jahre wurde er als Professor für Anthropologie nach Moskau berufen, dort aber angeklagt, da er Ansichten vertrat, die nicht der Parteidisziplin entsprachen. Viren-

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dranath Chattopadhyaya wurde wahrscheinlich 1936 bei einer von Stalins Säuberungen hingerichtet; siehe: Barooah, Chatto, 300. . „Archie Phinney“, RGASPI, Bestand 100, Dok. 109. . Barooah, Chatto, 309. . Adolf Hitler, Mein Kampf (Boston: Houghton Miflin, 1999), 1: 150–155. . Tapan Mukherjee, Taraknath Das (Kalkutta: Jadavpur, 1998), 201. . Zur Verhaftung von Nambiar und Naidu siehe den britischen Geheimdienstbericht vom 8. März 1933, APAC, L/PJ/12/73. Im März 1933 wurde die Kommunistische Partei verboten, im Juni 1933 die SPD. Anfang 1931 verschärfte sich der Konflikt zwischen Sozialisten und Kommunisten einerseits und den Nationalsozialisten andererseits; zu Festnahmen von Nationalsozialisten siehe: Detlev Peukert, Inside Nazi Germany (New Haven, CT: Yale University Press, 1987), 89–95; Ossip Flechtheim, Die KPD in der Weimarer Republik (Frankfurt am Main: Europäische Verlagsanstalt, 1969), 283–288; William Allen, The Nazi Seizure of Power (Chicago: Quadrangle Books, 1965), 34 . Siehe den Bericht des britischen Botschafters in Berlin, Horace Rumbold, 8. März 1933, APAC, L/PJ/12/73. . „Nazi Imprisonment“, 8. März 1933, APAC, L/PJ/12/73. . Taraknath Das, „A Memorandum on the Possibility of Establishing a School of Oriental Studies in Munich,“ 1. November 1931, Archiv des Instituts für Zeitgeschichte (IfZ), MA 1190/3. . Siehe Nicholas Goodricke-Clarke, Hitler’s Priestess: Savitri Devi, the Hindu-Aryan Myth, and Neo-Nazism (New York: New York University Press, 1998), 80–91. Zur deutschen Indologie in der Nazi-Zeit siehe auch: Sheldon Pollock, „Deep Orientalism: Notes on Sanskrit and Power Beyond the Raj“ in: Carol Breckenridge und Peter van der Veer (Hrsg.), Orientalism and the Postcolonial Predicament (Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 1993), 86. Karl Haushofer war von 1934 bis 1937 Präsident der Deutschen Akademie und sah, wie viele Intellektuelle in der NSDAP, das Bündnis zwischen Indien und Deutschland nicht durch die Brille des Okkultismus oder der spirituellen Sehnsucht, sondern glaubte an ein geopolitisches Bündnis. . Die wichtigsten Quellen zu Subhas Chandra Bose in Deutschland sind: Gordon, Brothers against the Raj, und Bose, His Majesty’s Opponent; Trott zu Solz, „Notiz für Herrn Luther“, NA-UK, 28. Januar 1943, Katalog Nr. 349596, GFM 33/564. . Trott zu Solz, „Notiz für Herrn Luther“, NA-UK, GFM 33/564. . Sein erster erhalten gebliebener Brief aus Europa stammt von März 1933, siehe Sisir Kumar Bose and Sugata Bose (Hrsg.), Subhas Chandra Bose, Letters, Articles, Speeches and Statements, 1933–1937, (Kalkutta: Netaji Research Bureau, 1994), 1. Der nationalsozialistische Geheimdienst beobachtete Boses Aktivitäten im Jahr 1933 genau. Deutsche Agenten bezeichneten ihn als den „mutmaßlichen Nachfolger von Mahatma Gandhi“; siehe Bericht von Emil Gassner, 22. Oktober 1933, Bundesarchiv, R1501/125746: 44, 45. . Gordon, Brothers against the Raj, 269; Anton Pelinka, Demokratie in Indien (Wien: Studienverlag, 2005), 81–105. . „Deutsch-Indische Gesellschaft,“ Österreichisches Staatsarchiv, AdR/BPO Wien, Vereinsbüro XVIII/11809; APAC, CIB Report, Nr. 10 aus 1939, 26. . „CIB’s Reports on Activities of Germans, Italians and Japanese,“ APAC, L/PJ/12/506, 111. . APAC, L/PJ/12/506. . Johannes Voigt, „Hitler und Indien“, Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 19 (1971): 33–63. . Siehe das Zitat im Bericht von Erich Gassner (Anm. 167), Bundesarchiv, 22. Oktober 1933, R1501/125746: 44, 45. . Gordon, Brothers against the Raj, 283.

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Anmerkungen

. Subhas Chandra Bose an Dyckhoff, 5. April 1934, zitiert in: Gordon, Brothers against the Raj, 283. . Durlab Singh, Formation and Growth of the Indian National Army (Lahore: Hero Publications, 1946), 24–26. . Nach starkem Druck durch die britische Regierung lief der „Hindoo-German Conspiracy Case“ in San Francisco von November 1917 bis April 1918. . APAC, 21. Mai 1940, L/PJ/12/163, 100. . Shedai an Doertenbach, NA-UK, E233877–8 3 (4757), GFM 33/2110. . „List of Suspect Civilian Indians on the Continent of Europe“, APAC, L/PJ/12/659. Von den 116 namentlich vermerkten Personen auf der Überwachungsliste waren 24 vor dem Aufkommen der Nationalsozialisten nach Europa gekommen. Die Liste ist nicht vollständig und bietet keine vergleichbaren Informationen für jede einzelne erfasste Person. . Eric Phipps, „Indian Societies and Associations in Germany“, APAC, 1939, L/P&J/12/410. . „Indian Communist Party,“ APAC, 18. August 1922, L/PJ/12/46, 3. . Gerhard Höpp (Hrsg.), Blind für die Geschichte? Arabische Begegnungen mit dem Nationalsozialismus (Berlin: Klaus Schwarz, 2004), 55; Gerhard Höpp, Mufti- Papiere: Briefe, Memoranden, Reden und Anfrufe Amin al-Husaini (Berlin: Klaus Schwarz, 2001), 105. . Francis Nicosia, „Arab Nationalism and National Socialist Germany, 1933–39: Ideological and Strategic Incompatibility“, International Journal of Middle East Studies 12 (1980): 351–372. . Höpp, Mufti-Papiere, 170. . Noor-Aiman Khan, Egyptian-Indian Nationalist Collaboration (New York: Palgrave Macmillan, 2011). . Jakob Hauer war Gründer der nationalsozialistischen Deutschen Glaubensbewegung und entwickelte Vorstellungen von einer arischen Bruderschaft zwischen Deutschen und Indern; siehe: Goodricke-Clarke, Hitler’s Priestess, 71–79; Margaret Dierks, Hauer, 208. . Phipps, „Indian Societies and Associations in Germany“, APAC, 8. September 1939, L/P&J/ 12/410, 10–15. . Ludwig Alsdorf an Trott und Staatssekretär Keppler, „Zu schaffendes Organ für die IndoGermanische Arbeitsgemeinschaft“, NA-UK, 1942, GFM, 599–602, 16. . Ibid. . Gordon, Brothers against the Raj, 524; N. G. Ganpuley, Netaj in Germany (Bombay: Bharatiya Vidya Bhavan, 1959), 151ff. . „CIB’s Reports on Activities of Germans, Italians and Japanese“, APAC, L/PJ/12/506. . Ibid. . Ibid. . Delhi Intelligence Bureau Reports, APAC, 20. Januar 1940, L/PJ/ 12/507, 26. . „CIB’s Reports on activities of Germans, Italians and Japanese,“ APAC, L/PJ/12/506. . Bose, His Majesty’s Opponent; Johannes Voigt, Indien im Zweiten Weltkrieg (Delhi: ArnoldHeinemann, 1987), 150–159.

5 Der physische Kosmos . Schorske, Fin-de-Siècle Vienna, XIX. . Paul Forman, „Scientific Internationalism and the Weimar Physicists“, Isis 64 (1973): 154; John Cornwell, Hitler’s Scientists (New York: Viking, 2003), 93–110.

5 Der physische Kosmos

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. Ashis Nandy, „Defiance and Conformity in Science: The Identity of Jagadis Chandra Bose“, Science Studies 2 (1972): 31–85. . Saha gründete 1934 das Science and Culture Journal. . Benjamin Zachariah, „Uses of Scientific Argument: The Case of ‘Development’ in India, 1930– 1950“, Economic and Political Weekly 36 (2001): 3689–3702. . Deepak Kumar, „Reconstructing India: Disunity in the Science and Technology for Development Discourse, 1900–1947“, Osiris 15 (2000): 241–257. . Erwin Schrödinger, „Ist die Naturwissenschaft milieubedingt?“ Vortrag am 18. Februar 1932, Berlin, in Ders.: Über Indeterminismus in der Physik (Leipzig: Barth, 1932), 35–36. . Henning Eichberg, „On Olympic Sport“, in: Mikulas Teich und Roy Porter (Hrsg.), Fin de Siècle and Its Legacy (Cambridge: Cambridge University Press, 1990), 115–131; Dikaia Chatziefstathiou, Discourses of Olympism: From the Sorbonne 1894 to London 2012 (Hampshire: Palgrave Macmillan, 2012), 28–31. . Walter John Moore, Schrödinger, Life and Thought (Cambridge: Cambridge University Press, 1989), 9. . Russell McCormmach, „On Academic Scientists in Wilhelmian Germany“, Daedalus 130 (1974): 157–171. . Lewis Pyenson and Douglas Skopp, „Educating Physicists in Germany circa 1900“, Social Studies of Science 7 (1977): 329–366. . Brigitte Schroeder-Gudehus, „Challenge to Transnational Loyalties: International Scientific Organizations after the First World War“, Science Studies 3 (1973): 93–118. . Jagdish Mehra, The Golden Age of Theoretical Physics (Singapore: World Scientific, 2001), 1:404–458. . Ian Hacking, The Emergence of Probability (London: Cambridge University Press, 1975), 63–72. . Subrata Dasgupta, Jagadis Chandra Bose and the Indian Response to Western Science (Oxford: Oxford University Press, 1999); Ashis Nandy, Alternative Sciences: Creativity and Authenticity in Two Indian Scientists (Delhi: Allied, 1980), 20. . Jagadish Chandra Bose, „Inauguration of the Bose Institute“, 30. November 1917; J. C. Bose, Sir Jagadish Chander Bose: His Life, Discoveries and Writings (Madras: G. A. Natesan, 1921): 90– 110; Patrick Geddes, The Life and Work of Sir Jagadis C. Bose (London: Longmans, Green, 1920). . Jagadish Chandra Bose, „Reply to Calcutta Citizens’ Address“, in: Ders., Sir Jagadish Chander Bose, 117; über J. C. Bose siehe die Arbeit von Pratik Chakrabarti, Western Science in Modern India: Metropolitan Methods, Colonial Practices (Delhi: Permanent Black, 2004): 180–218. . Zitat von Jagadananda Roy, in: Visvapriya Mukherjee, Jagadish Chandra Bose (Delhi: Ministry of Information and Broadcasting, 1983), 29. . Vgl. Jagadis Chandra Boses Weltreisen; hierzu Monoranjon Gupta, Jagadishchandra Bose (Delhi: Bharatiya Vidya Bhavan, 1964); Subrata Dasgupta, Jagadish Chandra Bose and the Indian Response to Western Science (Delhi: Oxford University Press, 2000). . Srinivasa Ramanujan (1918, Mathematik); J. C. Bose (1920, Physik); Chandrasekhar Venkata Raman (1924, Physik); Meghnad Saha (1927, Physik); Birbal Sahni (1936, Paläobotanik); Kariamnikkam Krishnan (1940, Physik); Homi Jehangir Bhabha (1941, Physiks); Shanti Swarup Bhatnagar (1943, Chemie); Subhramanyam Chandrasekhar (1944, Astrophysik); P. C. Mahalanobis (1945, Statistik); Darashaw Nosherwan Wadia (1957, Geologie); Satyendranath Bose (1958, Physik); siehe Current Science 80 (2001): 721. . C. V. Raman wurde 1924 zum Fellow gewählt, Meghnad Saha 1927, S. N. Bose 1958; siehe: S. Bhagavantam, „C. V. Raman (1888–1970)“, Biographical Memoirs of Fellows of the Royal Society 17

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Anmerkungen

(1971): 564–592; D. S. Kothari, „Meghnad Saha (1893–1956)“, ibid. 5 (1959): 217–236; J. Mehra, „Satyendra Nath Bose, 1894–1974“, ibid. 21 (1975): 116–126. . Elisabeth Crawford, J. L. Heilbron und Rebecca Ullrich, The Nobel Population 1901–1937: A Census of the Nominators and Nominees for the Prizes in Physics and Chemistry (Berkeley: University of California Press, 1987); Singh Rajinder, „India’s Physics and Chemistry Nobel Prize Nominators and Nominees“, Notes and Records of the Royal Society 61 (2007): 333–345. . Brigitte Schroeder-Gudehus, „Division of Labour and the Common Good“, in: Carl Gustaf Bernhard et al. (Hrsg.), Science, Technology and Society in the Time of Alfred Nobel (Oxford: Pergamon, 1982), 14. . Erez Manela, The Wilsonian Moment (Oxford: Oxford University Press, 2007). . B. D. Nag, „India and Intellectual Co-operation“, India and the World Journal 1 (1932): 213. . A. G. Cock, „Chauvinism and Internationalism in Science: The International Research Council, 1919–1926“, Notes and Records of the Royal Society 37 (1983): 249–288. . Cock, „Chauvinism“. . Siehe Dhruv Raina, Images and Contexts:The Historiography of Science and Modernity in India (Delhi: Oxford University Press, 2003). Raina stellt die Inder als Akteure in einem Dialog mit neuen Methoden dar. . Abha Sur, „Scientism and Social Justice: Meghnad Saha’s Critique of the State of Science in India“, Historical Studies in the Physical and Biological Sciences 33 (2002): 87–105. . P. C. Ray, Autobiography of a Bengali Chemist (Kalkutta: Orient Book, 1932). . „Development of Chemical Industries and Its Necessity“, Calcutta Review, 3. Reihe, 5 (1922): 137, 138. . John Loudusamy, „The Indian Association for the Cultivation of Science“, Journal of Science Education and Technology 12 (2003): 381–396. . Meghnad Saha, Autobiographische Notiz, in: Shanitmay Chatterjee (Hrsg.), Collected Works (Delhi: Government of India, 1986), 1:103. . Johann Heinrich von Thünen, Der isolierte Staat in Beziehung auf Land, Wirtschaft und Nationalökonomie (Berlin: Akademie-Verlag, 1835), 160. . Mokshagundam Visvesvaraya, Memoirs of My Working Life (Bangalore: Visvesvaraya, 1951), 30. . Shiv Visvanathan, Organizing for Science: The Making of an Industrial Research Laboratory (Delhi und Oxford: Oxford University Press, 1985), 49–89. . Indian Industrial Commission 1916–1918 (Delhi: Agricole Publishing Academy, 1980). . Arnold, New Cambridge History of India, 166. . Chakrabarti, Western Science in Modern India, 296. . Shiv Visvanathan, Organizing for Science (Delhi: Oxford University Press, 1985), 50. . Rajani Palme Dutt, India Today (London: n.p., 1940), 144. . Zitiert in: B. R. Tomlinson, The Economy of Modern India (Cambridge: Cambridge University Press, 1993), 120. . P. C. Ray, Essays and Discourses: with a Biographical Sketch (Madras: Natesan, 1918), 15; Arnold, New Cambridge History of India, 162. . Ray, Essays and Discourses, 240. . Ibid., 70. . Santimay Chatterjee, „Introduction“, in Saha, Collected Works, 1:4. . S. N. Bose, zitiert in: Jagdish Mehra, S. N. Bose obituary, Biographical Memoirs of Fellows of the Royal Society 21 (1975): 120.

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. Meghnad Saha, „On Maxwell’s Stresses“, Philosophical Magazine 33, Nr. 193–198 (1917): 256– 261; Meghnad Saha, „On Radiation-Pressure and the Quantum Theory“, Astrophysical Journal 50 (1919): 220–226. . Ben Almassi, „Trust in Expert Testimony: Eddington’s 1919 Eclipse Expedition and the British Response to General Relativity“, Studies in History and Philosophy on Modern Physics 40 (2009): 57–67. . Alex Soojung-Kim Pang, „The Social Event of the Season: Solar Eclipse Expeditions and Victorian Culture“, Isis 84 (1993): 125–177. . Saha, Collected Works, 2:450. . „The Eclipse of the Sun“, London Times, 5. Juni 1919. . „Time and Space – The New Scientific Theory,“ Statesman (Kalkutta), 4. November 1919. . Jagadish Mehra, „S. N. Bose“, Biographical Memoirs of Fellows of the Royal Society 21 (1975): 117–122. . Siehe Sahas autobiographische Notiz in: Collected Works of Meghnad Saha, 1:7. . Die Notation der Ionisierungsgleichung von Meghnad Saha lautet:

. Robert Anderson, Building Scientific Institutions in India: Saha and Bhabha (Montreal: McGill University Press, 1975), 12. . Diana Barkan, Walther Nernst and the Transition to Modern Physical Science (Cambridge: Cambridge University Press, 1999), 23; Hans-Georg Bartel und Rudolf Hübener, Walther Nernst: Pioneer of Physics and of Chemistry (Hackensack, NJ: World Scientific, 2007), 194. . Meghnad Saha an Ashutosh Mukherjee, 20. August 1921, Berlin, NMML, Verz. 92; K. Mendelssohn, The World of Walther Nernst: The Rise and Fall of German Science, 1864–1941 (Pittsburgh: University of Pittsburgh Press, 1973), 68. . M. N. Saha, „Versuch einer Theorie der physikalischen Erscheinungen bei hohen Temperaturen mit Anwendungen auf die Astrophysik“, Zeitschrift für Physik A: Hadrons and Nuclei 6 (1921): 40–55. Saha veröffentlichte einen zweiten wichtigen Artikel hierzu: „Über einen experimentellen Nachweis der thermischen Ionisierung der Elemente“, Zeitschrift für Physik 40 (1926): 648–651. . Meghnad Saha, „Facilities for Study in Germany“, Modern Review 31 (1922): 157. . Laut britischem Überwachungsbericht trat M. N. Saha bereits bei einem seiner früheren Aufenthalte in Berlin in Kontakt mit M. N. Roy; „Activities of Roy’s Agents in India“, APAC, L/PJ/ 12/54, 15–19. . Subhas Chandra Bose und Meghnad Saha beriefen 1922 eine Konferenz der Bengal Young Men’s Conference in der Bow Street ein; siehe: Akten über Meghnad Saha, Bengal State Archives, 100; Sambit Mallick et al., „Debates on Science and Technology in India: Alliance Formation between the Scientific and Political Elite during the Inter-War Period“, Social Scientist 33 (2005): 49–75. . Saha, „Address as President, Physics and Mathematics Section“, 13th Indian Science Congress: Papers and Abstracts (Kalkutta: Indian Science Congress Association, 1926). . Abinash Chandra Bhattacharaya, Bahirbhārate Bhārater Muktiprayās (Kalkutta: Firma Mukhopadhyaya, 1962), 104. . S. N. Bose, zit. n. Jagdish Mehra, S. N. Bose obituary, 122–124. . S. N. Bose, „Plancks Gesetz und Lichtquantenhypothese“, Zeitschrift für Physik 26 (1924): 178– 181. . Mehra, S. N. Bose, 136.

346

Anmerkungen

. David Rowe und Robert Schulmann, Einstein on Politics (Princeton, NJ: Princeton University Press, 2007), 204–215. . Korrespondenz Gandhi – Einstein: Boston University Archive, Einstein Papers, Box 13, Kontroll-Nr. 587–623; Korrespondenz Nehru – Einstein: ibid., Kontroll-Nr. 725–775; Korrespondenz Tagore – Einstein:Visva Bhārati Archives, Shantiniketan,Verz. EC104; zu Einsteins Korrespondenz mit M. N. Roy siehe: Sibnarayan Ray, In Freedom’s Quest, Bd.3 (Kalkutta: Minerva, 2002), 284 Fn31. . Hubert Goenner, Einstein in Berlin (München: Beck, 2005), 291–305. . Adolf von Harnack, „Denkschrift, Seiner Majestät dem deutschen Kaiser unterbreitet, 1909“, in: Bernhard Fabian (Hrsg.), Adolf von Harnack. Wissenschaftspolitische Reden und Aufsätze (Hildesheim: Olms, 2001), 12. . Elisabeth Crawford, Nationalism and Internationalism in Science, 1880–1939 (Cambridge: Cambridge University Press, 1992), 106–124. . Schroeder-Gudehus, „Division of Labour“, 6. . H. Kellermann, Der Krieg der Geister (Weimar: Duncker, 1915); Jürgen von Ungern-Sternberg und Wolfgang von Ungern-Sternberg, Der Aufruf „An die Kulturwelt!“ Das Manifest der 93 und die Anfänge der Kriegspropaganda im Ersten Weltkrieg (Stuttgart: Steiner, 1996); Stefan Wolff, „Physicists in the ‘Krieg der Geister’: Wilhelm Wien’s ‘Proclamation’“, Historical Studies in the Physical and Biological Sciences 33 (2003): 337–368. . Bartel und Hübener, Walther Nernst, 251. . Robert Anderson, Building Scientific Institutions in India: Saha and Bhabha (Montreal: McGill University, 1975), 12. . HUA, Phil. Fak. 312. Chakravarty schrieb seine Dissertation „Über Anthrapyridone“. . Suman Seth, Crafting the Quantum (Cambridge, MA: MIT Press, 2010), 73, 79–84. . Jeffrey Johnson, The Kaiser’s Chemists: Science and Modernization in Imperial Germany (Chapel Hill: University of North Carolina Press, 1990), 124. . Max Born, My Life and My Views (New York: Scribner, 1968), 169–173. . Bartel und Huebener, Walther Nernst, XI. . Forman, „Scientific Internationalism“, 161. . Kevin Repp, Reformers, Critics and the Paths of German Modernity (Cambridge, MA: Harvard University Press, 2000), 12–13. . Forman, „Scientific internationalism“, 151–180. . Repp, Reformers, 215–312. . Hans Hartmann, Max Planck als Mensch und Denker (Basel: Ott, 1953), 32–33. . Frank-Rutger Hausmann, „Auch im Krieg schweigen die Musen nicht“. Die deutschen wissenschaftlichen Institute im Zweiten Weltkrieg (Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2001). . Nadine Rossol, Performing the Nation in Interwar Germany: Sport, Spectacle and Political Symbolism (Basingstoke, UK: Palgrave Macmillan, 2010), 26–36. . Brigitte Schroeder-Gudehus, Deutsche Wissenschaft und internationale Zusammenarbeit (Geneva: Dumaret & Golay, 1966), 204. . Fritz Haber an Hugo Rudolph Kruyt, 7. Juli 1926, zit. n. Forman, „Scientific Internationalism“, 163. . Pamela Spencer Richards, Scientific Information in Wartime: The Allied-German Rivalry, 1939– 1945 (Westport, CT: Greenwood Press, 1994), 46. . „Die deutsche Chemie in den letzten 10 Jahren,“ Mitteilungen des Deutschen Instituts für Ausländer, 13. Mai 1924, HUA.

5 Der physische Kosmos

347

. „Denkschrift der Kartellierten Akademien über den Conseil International de Recherches“, 1927, Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaft (BBAW), PAW Abschnitt II (1812–1945), II-X II-7, 59, 60. . Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft Mitteilungen (Berlin-Dahlem: MPI), 1931–1932; 1932–1933. . Michael Eckert, Die Atomphysiker: Eine Geschichte der theoretischen Physik am Beispiel der Sommerfeldschule (Braunschweig: Vieweg, 1993), 119–121; Rajinder Singh, „Arnold Sommerfeld: The Supporter of Indian Physics in Germany“, Current Science 81 (2001): 1489–1494. Zu Sommerfeld siehe Seth, Crafting the Quantum, 71–94. . Kurt Düwell, Interne Faktoren auswärtiger Kulturpolitik im 19. und 20. Jahrhundert (Stuttgart: Institut für Auslandsbeziehungen, 1981), 10–14. . J. L. Heilbron, The Dilemmas of an Upright Man (Cambridge, MA: Harvard University Press, 2000), 149. . Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, 12. Januar 1930, Nr. 1049, 283. . Helmuth Albrecht und Armin Hermann, „Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Dritten Reich“, in: Rudolf Vierhaus und Bernhard vom Brocke (Hrsg.), Forschung im Spannungsfeld (Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, ), . . Mark Mazower, Dark Continent: Europe’s Twentieth Century (New York: Knopf, 1988). . Hans A. Bethe, „The Happy Thirties,“ in: Roger H. Stüwer (Hrsg.), Nuclear Physics in Retrospect, (Minneapolis: University of Minnesota Press, 1979), 11–31. . D. P. Ray Chaudhuri, „The Cyclotron“, Science and Culture 5 (1940): 403–409. . Eckert, Die Atomphysiker, 119. . Jahnavi Phalkey, „Big-science, State-formation and Development: The Organisation of Nuclear Research in India, 1938–1 959“, Diss., Georgia Institute of Technology, 1997, 224; HansJoachim Bieber, „Zur Frühgeschichte der indischen Nuklearpolitik“, Geschichte und Gesellschaft 31 (2005): 379. . David Cassidy, Heisenberg: A Bibliography of His Writings (Berkeley: University of California Press 1984), 548; Dieter Hoffmann and Mark Walker, The German Physical Society in the Third Reich, übers. v. Ann Hentschel (Cambridge: Cambridge University Press, 2012), 1–22. . Brief des Preußischen Kultus- und Reichsministers für Wissenschaft an den Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts, Dr. W. Bothe, 13. Dezember 1937, Archiv der Max Planck Gesellschaft, Mikrofiche, Dok I Abt. Rep 000 1A Nr. 1056; Alan Beyerchen, Scientists under Hitler (New Haven, CT: Yale University Press, 1977), 58–60, 62–78. . Friedrich Herneck, Max von Laue (Leipzig: Teubner, 1979), 60. . Heilbron, Dilemmas, 154, 193. . Meghnad Saha, „Need for a Hydraulic Research Laboratory“, Collected Works, 1:34. . Saha, „The All India Radio: What Are Its Defects and How to Remedy Them“, Modern Review 62 (1937): 693. . Bieber, „Frühgeschichte“, 379. . Phalkey, Nuclear India, 231. . Meghnad Saha an Jawaharlal Nehru, 27. Oktober, 1941, NMML, Jawaharlal Nehru Papers, Dok. 90. . Meghnad Saha, „The River Physics Laboratories of the World“, Collected Works, 2:44. . Meghnad Saha, „Need for a Hydraulic Research Laboratory“, Collected Works, 2:34. . Meghnad Saha, „Flood,“ Science and Culture 9 (1943): 92. . D. M. Bose, „Meghnad Saha Memorial Lecture, 1965“ (Kalkutta: Bose Institute, 1967), 118– 120. . Meghnad Saha an Jawaharlal Nehru, 5. Dezember 1953, NMML, Jawaharlal Nehru Papers.

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Anmerkungen

. G. Venkataraman, Journey into Light (Bangalore: IAS, 1988), 186. . G. H. Keswani, Raman and His Effect (New Delhi: National Book Trust, 1980), 61. . Abha Sur hat diese Referenzen zusammengetragen; Abha Sur, „Aesthetics, Authority, and Control in an Indian Laboratory: The Raman-Born Controversy on Lattice Dynamics“, Isis 90 (1999): 25–49; C. V. Raman und K. S. Krishnan, „A New Type of Secondary Radiation“, Nature 121 (1928): 501; „The Optical Analogue of the Compton Effect“, Nature 121 (1928): 711; Indian Journal of Physics 2 (1928): 387, 399; „The Negative Absorption of Radiation“, Nature 122 (1928): 12; „Polarization of Scattered Light-quanta“, Nature, 122 (1928): 168; „Molecular Spectra in the Extreme Infra-Red,“ Nature 122 (1928): 278; „Radiation of Molecules Induced by Light“, Nature 122 (1928): 822. . Siehe Ernst Rutherford, „Recent Reactions between Theory and Experiment. The Raman Effect: The Constitution of Hydrogen Gas“, Nature 127 (1929): 878–880. . „Raman Light Thesis Stirs Physicists“, New York Times, 28. Juni 1931; „India’s Men of Science Leading a Renaissance: Raman, Bose and Ray“, New York Times, 31. Januar 1932. . Wilhelm Füßl, Oskar von Miller 1855–1934 (München: Deutsches Museum, 2005). . „Korrespondierende Mitglieder“, Nachlass Karl Haushofer, Akten der Deutschen Akademie, Bundesarchiv Koblenz, N1122/109. . D. E. Wacha, The Life and Life Work of J. N. Tata (Madras: Ganesh und Co., 1914), 139. . Archiv der Max Planck Gesellschaft, Dezember 1930. . Zu den Einladungen an Schrödinger und Born siehe: Max Born, My Life, 366. . Sitzung des Indischen Ausschusses der Deutschen Akademie, 23. Oktober 1934, Nachlass Haushofer, Bundesarchiv Koblenz, N1122/115. . Keswani, Raman and His Effect, 103. . Born an Lindemann, Bangalore, 14. November 1935, zit. n. Skuli Sigurdsson, „Physics, Life, and Contingency“, in Mitchell G. Ash und Alfons Söllner (Hrsg.), Forced Migration (Washington: German Historical Institute, 1996), 55. . Nancy Thorndike Greenspan, The End of the Certain World (New York: Basic Books, 2005), 207. . The Second Quinquennial Reviewing Committee of the Indian Institute of Science (Bangalore: Manager of Publications, 1936). . Meghnad Saha, „The Indian Institute of Science“, Science and Culture 1 (1936): 523. . Zitiert in Greenspan, End of the Certain World, 206. . Born, My Life, 273–274. . Greenspan, End of the Certain World, 206. . Ibid. . S. Bhagavantam, „C. V. Raman“, Biographical Memoirs of Fellows of the Royal Society 17 (1971): 573. . Abha Sur, „Aesthetics, Authority, and Control“, 32. . Siehe Ramans überzeugende Argumente zu Kristallstrukturen zwischen 1945 und 1948 in Nature: z.B. „Scattering of Light in Crystals“, Nature 155 (1945): 396–397; „Infra-Red Absorption Spectra of Crystals“, Nature 161 (1948): 165–166. . Abha Sur, „Aesthetics, Authority, and Control“, 33. . Eric Hobsbawm, Age of Extremes (New York: Pantheon, 1994), 229. . Bieber, „Zur Frühgeschichte der indischen Nuklearpolitik“.

6 Internationale Ökonomien

349

6 Internationale Ökonomien . Erik Grimmer-Solem, The Rise of Historical Economics and Social Reform in Germany 1864– 1894 (Oxford: Clarendon Press, 2003); Erik Grimmer-Solem, „German Social Science, Meiji Conservatism, and the Peculiarities of Japanese History“, Journal of World History 16 (2005): 187–222. . So las Karl Kolwey vom Institut für Weltwirtschaft regelmäßig die Texte von Radhakamal Mukherjee. . D. E. Wacha, The Life and Life Work of J. N. Tata (Madras: Ganesh, 1914), 180. . Raj Chandavarkar, Origins of Industrial Capitalism in India (Cambridge: Cambridge University Press), 58–71. . Wacha, J. N. Tata, 2. . R. M. Lala, Beyond the Last Blue Mountain (Delhi: Penguin Books, 1991). . Blair Kling, „Paternalism in Indian Labour: The Tata Iron and Steel Company of Jamshedpur“, International Labor and Working-Class History 53 (1998): 69–87. . Satyabrata Datta, „Role of Indian Worker in Early Phase of Industrialisation,“ Economic and Political Weekly 20 (1985); „Jāmshedpurē ārō Iyurōpiyō āmdāni“, Prabāsī (1924), 717. . „Jāmshedpurē,“ Prabāsī. . Tirthankar Roy, The Economic History of India, 1857–1947 (Oxford: Oxford University Press, 2000), 225. . Notiz vom 22. September 1932, SAA, Dok. 4286, 5. . Chronik „Siemens in Indien“, SAA, 68.Li156. . Walter Leifer, Indien und die Deutschen (Tübingen: Erdmann, 1969), 267. . D. R. Gadgil, Imperial Preference for India (Bombay: Gokhale Institute, 1932), zit. in Thomas Ainscough, Report on the Conditions and Prospects of British Trade in India 1926–27 (London: His Majesty’s Stationery Office, 1927) 29. . Ibid., 65. . Anne McClintock beschäftigt sich ausführlicher mit diesem „Rassismus der Gebrauchsgegenstände“ (commodity racism) in ihrem Buch Imperial Leather (New York: Routledge, 1995), 32– 33, 207–231. . Balkrishna Madan, India and Imperial Preference: A Study in Commercial Policy (Oxford: Oxford University Press, 1939), 46. . Gadgil, Imperial Preference for India, 31. . Königliches Institut für Seeverkehr und Weltwirtschaft an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. . Bernhard Harms, Rede zur Eröffnungsfeier am 24. Februar 1911 (Kiel: Institut für Weltwirtschaft, 1911), 36. . Friedrich von Lupin, Die indische Textilindustrie als Industrie eines kolonialen Rohstofflandes (Jena: Fischer, 1931). . Paul Kennedy, „Finance and Strategy in Twentieth-Century Great Britain“, International History Review 13 (1981): 44–61. . Emma Rothschild, Economic Sentiments: Adam Smith, Condorcet, and the Enlightenment (Cambridge, MA: Harvard University Press, 2001), 224–227; Jeffrey Young, Economics as a Moral Science: The Political Economy of Adam Smith (Cheltenham: Edward Elgar, 1997), 157, 163–176. . Deborah Redman, The Rise of Political Economy as a Science (Cambridge, MA: MIT Press, 1997), 208–215. . Adam Smith’s Theory of Moral Sentiments, zit. n. Rothschild, Economic Sentiments, 122; vgl. dazu auch Rothschilds ausgezeichnete Darstellung, ibid., 116–146.

350

Anmerkungen

. Emma Rothschild, „Smithianismus and Enlightenment in 19th Century Europe“ (1998), in: „The Rise and Fall of Historical Political Economy“, unveröff. Mitschriften der Konferenz im Center for History and Economics, Cambridge University. . Raymond James Sontag, Germany and England: Background of Conflict 1848–1894 (New York: Appleton-Century, 1938), IX. . Keith Tribe, Strategies of Economic Order (Cambridge: Cambridge University Press, 1995), 44. . Friedrich List, Gesammelte Schriften, Bd. 2 (Stuttgart: Cotta, 1850), 103. . Tribe, Strategies, 55; List, Schriften, 2:105. . M. G. Ranade, Essays on Indian Economics (Madras: Natesan, 1920), 189. . Romesh Chunder Dutt, The Economic History of British India (London: Kegan Paul, Trench, Truebner, 1902), 296; Manu Goswami, Producing India: From Colonial Economy to National Space (Chicago: University of Chicago Press, 2004), 231, 280. . Dutt, Economic History, 299. . M. G. Ranade, Essays on Indian Economics, 18. . Ibid., 20. . Roman Szporluk, Communism and Nationalism (New York: Oxford University Press, 1988), 140. . Ranade, Essays on Indian Economics, 189. . V. G. Kale, India and Imperial Preference (Trichinopoly: S. M. Raja Rao, 1910), 3, 25. . Ibid., 27. . Joseph Schumpeter, Epochen der Dogmen- und Methodengeschichte (Tübingen: Mohr, 1914), 6; Pramatha Nath Banerjea, Study of Indian Economics (London: Macmillan, 1911). . Volker Berghahn (Hrsg.), Quest for Economic Empire (Providence, RI: Berghahn Books, 1996), 7. Zur Notwendigkeit von Kolonien als Absatzmarkt für Überschüsse der deutschen Kolonialmacht siehe: Maximilian von Hagen, Bismarcks Kolonialpolitik (Stuttgart: Gotha, 1923), 13; zu kolonialen Visionen in den Zwischenkriegsjahren siehe: Wolfe William Schmokel, Dream of Empire: German Colonialism, 1919–1945 (New Haven, CT: Yale University Press, 1964), 2. . Bernhard Harms, Volkswirtschaft und Weltwirtschaft: Versuch der Begründung einer Weltwirtschaftslehre (Jena: Fischer, 1912), 10. . Heinrich Dietzel, Weltwirtschaft und Volkswirtschaft (Dresden: Zahn und Jaensch, 1900), 119. . Arthur Dix, Deutschland auf den Hochstraßen des Weltwirtschaftsverkehrs (Jena: Fischer, 1901); Harms, Volkswirtschaft und Weltwirtschaft, 44. . Friedrich Hoffmann, Die Geschichte des Instituts für Weltwirtschaft (Kiel: Institut für Weltwirtschaft, 1960), 257. . Ansprache von Benoy Kumar Sarkar 1922, Humboldt-Universität zu Berlin, Musikwissenschaftliche Abteilung, Lautarchiv, LA 346. . Brij Narain, „Indian Exchange and Currency During 1920“, Weltwirtschaftliches Archiv 17 (1921): 67–74; V. G. Kale, „Small Industries in India“, Weltwirtschaftliches Archiv 19 (1923): 153–160; Sudhir Sen, „Die Goldbewegung aus Britisch-Indien“, Weltwirtschaftliches Archiv 39 (1934): 186– 216. . Adam Tooze, Statistics and the German State (Cambridge: Cambridge University Press, 2001), 103. . Benoy Kumar Sarkar, „Economic Planning for Bengal“, Insurance and Finance Review 4 (1936): 25–42. . Bernhard Harms, Weltwirtschaftliche Aufgaben der deutschen Verwaltungspolitik: Zugleich als ein Beitrag für die Reform des Konsulatswesens (Jena: Fischer, 1911), 14. . Rudolf Kobatsch, Internationale Wirtschaftspolitik (Wien: Manz, 1907), 11–14.

6 Internationale Ökonomien

351

. Bernhard Harms, „Das Objekt der Sozialwirtschaftslehre: Wesen und Begriff“, in: ders., Allgemeine Sozialwirtschaftslehre (1919), 17. . David Dyzenhaus, Legality and Legitimacy: Carl Schmitt, Hans Kelsen and Herman Heller in Weimar (Oxford: Clarendon Press, 1997), 50. . „Industrial Methods and Commercial Policies in Modern Economic Development“, Journal of the Bengal National Chamber of Commerce 2 (1927–1928): 230. . Benoy Kumar Sarkar, „Financial Germany since Stabilization“, Journal of the Bengal National Chamber of Commerce 1 (1926–1 927): 24. . „Chemical Combines of France and Great Britain“, Journal of the Bengal National Chamber of Commerce 2 (1927–1928): 14. . Bangia Jārmān Vidya Pariad Annual Reports (Kalkutta, 1933–1938), Dok. 149.B.311, National Library of India, Kalkutta. . Giuseppe Flora, Benoy Kumar Sarkar and Italy (New Delhi: Italian Embassy Cultural Center, 1994), 71. . „Introduction“, Ārthīk Unnati 1 (1931): 36. . Benoy Kumar Sarkar, Futurism of Young Asia (Berlin: Springer, 1922), 82. . „Seven Postulates of Arthasastra“, Journal of the Bengal Chamber of Commerce 2 (1927–1928), 79. . Sarkar, Bagia Jārmān Vidyā Sasad (Kalkutta: Calcutta Oriental Book Agency, 1937), 8. . „German Electrical Engineer on Tour in India“, Journal of the Bengal Chamber of Commerce 1 (1926–1927): 274; Deutsches Museum, Archiv, VB1926/27. . Sarkar, Futurism, 200. . Benoy Kumar Sarkar, „Die Entwicklung und weltwirtschaftliche Bedeutung des modernen Indien“, in: Indien in der modernen Weltwirtschaft und Weltpolitik (Stuttgart: Fleischhauer und Spohn, 1931), 37–54. . Benoy Kumar Sarkar, „Das technische Studium in Indien und seine Bedeutung für die deutsch-indischen Wirtschaftsbeziehungen“, Bayerische Industrie- und Handelszeitung Nr. 49, 7. Dezember 1930, Sonderdruck (7 Seiten). . Benoy Kumar Sarkar, „Economic Planning for Bengal“, Insurance and Finance Review 4 (1933): 42. . Anonymous, „Bata Shoe Factory, Konnagore“, India and the World 3 (1934): 56. . Benoy Kumar Sarkar, Parājita Jārmānī, 34. . Ibid., 103. . Ibid., 660. . P. C. Ray, The Industrial Development of India (Nagpur: Nagpur University Press, 1932), 1, 24– 26. . David Ludden, Agrarian History of South Asia (Cambridge: Cambridge University Press, 1999), 18. . Karl Kolwey, „Zwei Indier über ökonomische Probleme in Indien“, Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 52 (1924): 177–195. . Radhakamal Mukherjee, Principles of Comparative Economics (London: P. S. King), XXIV. . Ibid., XXV. . Ibid., XXVI. . Ibid. . Padmanabha Pillai, Economic Conditions in India (London: Routledge, 1925), 154; C. F. Strickland, An Introduction to Co-operation in India (London: Humphrey Milford, 1922), 42. . Radhakamal Mukherjee, Groundwork of Economics (London: Longmans, Green, 1925), 235.

352

Anmerkungen

. M. L. Darling, Some Aspects of Co-operation in Germany, Italy and Ireland (Lahore: Superintendent, Government Printing, Punjab, 1922), 1, 4; Henry Wolff, Rambles in the Black Forest (London: Longmans, Green, 1890), 42. . Patrick Geddes, Town Planning in Theory and Practice (London: Garden City Association, 1908). . Mukherjee, Groundwork, 196. . Ibid. . Ibid., 155. . J. C. Kumarappa, Why the Village Movement? (Rajahmundry: Hindustan Publishing, 1939). . Mukherjee, Groundwork, 328. . Radhakamal Mukerjee (Hrsg.), Economic Problems of Modern India (London: Macmillan, 1939–1941), 204. . Mukherjee, Groundwork, 196. . Mukherjee, Regional Sociology (New York: Century, 1926), V. . Mukherjee, Groundwork, 208. . Radhakamal Mukerjee und Narendra Nath Sen-Gupta, Introduction to Social Psychology: Mind in Society (London: Heath, 1929), 255. . Gary Herrigel, Industrial Constructions (Chicago: University of Chicago Press, 1996), 74–85. . Schorr, „Zakir Husain“, ZMO, Nachlass Krüger, Dok. 88, 2. . Gustav Schmoller, Die Volkswirtschaft, die Volkswirtschaftslehre und ihre Methode (Frankfurt am Main: Klostermann, 1893), 71. . Michael Appel, Werner Sombart: Historiker und Theoretiker des modernen Kapitalismus (Marburg: Metropolis, 1992), 15. . Joachim Zweynert und Daniel Riniker, Werner Sombart in Russland (Marburg: Metropolis, 2004), 21. . Jabbar Kheiri an Sombart, 23. März 1928, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA PK), Rep. VI, NL Sombart 6a.; Paul Kara Mursa 8. Dezember 1927; Achmed Halid, 22. Juli 1929; Chaoi Feng aus China, 24. Februar 1924; Kimosuke Otsukda, 28. Dezember 1923, Tsunao Miyajima aus Japan, 14. Oktober 1928, M. Baba aus Japan; Achmed Naim Hakimbay aus Turkistan, 20. Mai 1927; S. Mukacs, ebenfalls Japan, 3. März 1921; Sombart korrespondierte die ganzen 1930er Jahre hindurch mit dem japanischen Gelehrten M. Baba. . Friedrich Lenger, Werner Sombart 1863–1941: eine Biographie (München: C.H.Beck, 1994), 184. . Siehe NL Sombart, Korrespondenz, GStA PK, Rep VI. . Ziyaettin Fahri, „Mes Souvenirs autour de W. Sombart“, Revue de la Faculté des Sciences Economiques de l’Université d’Istanbul 3 (1942): 68; siehe: Appel, Werner Sombart, 78: „Werner Sombart scheint als Hochschullehrer zahlreiche ausländische Studenten angesprochen zu haben.“ . Der britische Geheimdienst registrierte die Zahl der indischen Studenten; siehe: „Orientals in Berlin“, 3. September 1923, APAC, L/PJ/12/102. . Siehe die Akte über „Zakir Husain“ in: HUA, Phil. Fak. 699. . Werner Sombart, Die römische Campagna (Leipzig: Duncker und Humblot, 1888). . Erik Grimmer-Solem, „Imperialist Socialism of the Chair: Gustav Schmoller and the German Weltpolitik, 1897–1905“, in: Geoff Eley et. al. (Hrsg.), Wilhelminism and its Legacies, (New York: Berghahn, 2003), 107–122; Andrew Zimmerman, Alabama in Africa: Booker T. Washington, the German Empire, and the Globalization of the New South (Princeton, NJ: Princeton University Press, 2010), 80–92.

6 Internationale Ökonomien

353

. Werner Sombart, Das Wirtschaftsleben im Zeitalter des Hochkapitalismus (München: Duncker und Humblot, 1928), 2:967. . Siehe bspw. Freiherr Axel von Freytag-Loringhoven, „Versailles, Spa und die Zeitrichtung“, Preußische Kreuzzeitung, 351, 23. Juli 1920, 1. Autoren wie von Freytag-Loringhoven wähnten sich im Bunde mit antikolonialen Aktivisten. . Siehe bspw. den Artikel „Indisches Volkstum,“ in: Deutsches Volkstum, 2 (1926): 491–497, in dem Inder als aufstrebendes, revolutionäres Volk dargestellt werden. . Zu Reventlow und Oppenheim siehe: Gerhard Höpp, Araber in Berlin (Berlin: Ausländerbeauftrage des Senats, 1998), 14. Der britische Geheimdienst berichtete von der Teilnahme Adolf Hitlers an einem antikolonialen Treffen ägyptischer, türkischer, indischer und irischer Revolutionäre am 22. Dezember 1922, etwa ein Jahr vor dem Putschversuch in München; siehe „Orientals in Berlin“, 1. August 1923, APAC, L/PJ/12/102. . „Die außenpolitische Orientierung der Rechtsverbände“, Bundesarchiv Koblenz, Mikrofiche, R43 I/2696, 1926, Fiche 2, 37, 38. . Dirk von Laak, Über alles in der Welt: Deutscher Imperialismus im 19. und 20. Jahrhundert (München: C.H.Beck, 2005), 104–129. . Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung, Teil IV. 37. (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1959), 798. . Arthur Mitzman, Sociology and Estrangement: Three Sociologists of Imperial Germany (New York: Knopf, 1973), 136–143. . Appel, Werner Sombart, 233. . Lenger, Werner Sombart, 247. . Sombart, Die deutsche Volkswirtschaft im 19. Jahrhundert, 1:71. . Kevin Repp, Reformers, Critics and the Paths of German Modernity (Cambridge, MA: Harvard University Press, 2000), 171. . Werner Sombart, Luxus und Kapitalismus (München: Duncker und Humblot, 1913), 169. . Werner Sombart, Der Moderne Kapitalismus (München: Duncker und Humblot, 1902), 2:422– 475. . Ibid., 50. . Sombart studierte zunächst die italienischen Gesellschaftsformen, bevor er sich auf das Studium Deutschlands verlegte. Seine Dissertation befasste sich dann mit der ländlichen Ökonomie des antiken Rom (s. Anm. 104). . Werner Sombart, „Der Kampf um die Edelmetalle im Zeitalter des Frühkapitalismus“, Weltwirtschaftliches Archiv 11 (1913), 147–170. . Werner Sombart, Der Bourgeois (München: Duncker und Humblot, 1920), 213. . Gerhard Schacher, „Die national-wirtschaftliche Emanzipation des Orients“, Zeitschrift für Geopolitik 9 (1932): 393, zitiert Werner Sombarts Buch zur Untermauerung der These, wonach der Orient im Begriff sei, zur Wirtschaftsmacht aufzusteigen. . Sombart, Luxus, 35. . Ibid., 36. . Ibid., 43. . Ibid., 46. . Werner Sombart, Händler und Helden (München: Duncker und Humblot, 1915), 13. . Weltbürgerlichkeit wurde von vielen Deutschen als eine besonders germanische Qualität angesehen, beginnend mit Immanuel Kants berühmten Schriften Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784), und Zum ewigen Frieden (1795); siehe hierzu auch Susan Meld-Shell, The Embodiment of Reason (Chicago: University of Chicago Press, 1996), 81 über Kants Lesart der französischen Philosophen, insbesondere Rousseau, und die Entwicklung seiner

354

Anmerkungen

Ansichten. Siehe hierzu auch den aufschlußreichen Artikel von Karl Guthke, „Die Entdeckung der Welt um 1800. Die Geburt der globalen Bildung aus dem Geist der Geographie und Ethnologie“, in: Jahrbuch des freien deutschen Hochstifts (2003): 134–208; Friedrich Meinecke, Weltbürgertum und Nationalstaat (München: R. Oldenbourg, 1908). . Meinecke, Weltbürgertum, 135–136. . Sombart, Händler und Helden, 47. . Karl Hardach, The Political Economy of Germany in the Twentieth Century (Berkeley: University of California Press, 1976), 12. . Zakir Husain, „Die Agrarverfassung Britisch-Indiens“, Phil. Diss., Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, 72. . Ibid., 113. . Ibid., 80. . Ibid., 2:135. . Zakir Husain, Capitalism: Essays in Understanding (London: Asia Publishing House, 1944), 25. . Ibid., 127. . Ibid., 200. . Majid Hayat Siddiqi, „Bluff, Doubt and Fear: The Kheiri Brothers and the Colonial State, 1904–45“, Indian Economic and Social History Review 24 (1987): 233–263. . „Reports on Activities of Germans, Italians and Japanese“, 9. September 1938, APAC, L/PJ/ 12/506. . Abdul Jabbar Kheiri, „Indien und seine Arbeiterschaft: Ihre Entstehung und Bewegung“, Phil. Diss., Humboldt Universität zu Berlin, 1927, HUA, Phil. Fak. 658, 13. . Ibid., 14. . Ibid., 19. . Ibid., 22.

7 Marxistische Totalität . Georg Lukács, „What Is Orthodox Marxism?“ in: History and Class Consciousness, übers. v. Rodney Livingstone (Cambridge: MIT Press, 1971; zuerst 1919), 1–26. . Partha Chatterjee, Arms Alliances and Stability (New York: Wiley, 1975), 30–32. . Gareth Stedman Jones, „Radicalism and the Extra-European World“, in:Victorian Visions of the Global Order (Cambridge: Cambridge University Press, 2007), 199; Kevin Anderson, Marx at the Margins (Chicago: University of Chicago Press, 2010), 182–195, 217; Bryan Turner, Marx and the End of Orientalism (London: Allen and Unwin, 1978), 7. . Eric Hobsbawm, Age of Extremes (New York: Pantheon, 1994), 57. . W. I. Lenin, „Über den Nationalstolz der großen Russen“, Sotsial-Demokrat, 21 (1914), 102. . W. I. Lenin, „Das Erwachen Asiens“ (Prawda, Nr. 103, 1913), übers. v. George Hanna, Lenin Collected Works, Bd. 19 (Moscow: Progress Publishers, 1977), 85–86; Sanjay Seth, Marxist Theory and Nationalist Politics (Delhi: Sage, 1995), 38. . Dadabhai Naoroji und Bikhaji Cama vertraten Indien; siehe Peter Grohmann et al. (Hrsg.), Der Internationale Sozialistenkongress Stuttgart 1907: Protokoll (Stuttgart: Selbstverlag der Studiengruppe, 1977), 36. . Karl Kautsky, Sozialismus und Kolonialpolitik (Berlin: Buchhandlung Vorwärts, 1907), 21.

7 Marxistische Totalität

355

. Ibid., 27. . Ibid., 36. . So wurde auf der Stuttgarter Debatte 1907 über Kolonialvölker geredet, insbesondere über die in Afrika; siehe Kautsky, Sozialismus und Kolonialpolitik, sowie Christian Koller, „Eine Zivilisierungsmission der Arbeiterklasse? Die Diskussion über eine ‘sozialistische Kolonialpolitik’ vor dem Ersten Weltkrieg“, in: Jürgen Osterhammel und Boris Barth (Hrsg.), Zivilisierungsmissionen: Imperiale Weltverbesserung seit dem 18. Jahrhundert, (Konstanz: UVK, 2005), 229–235; Andrew Zimmerman, „Ethnologie im Kaiserreich. Natur, Kultur und ‘Rasse’ in Deutschland und seinen Kolonien“, in: Sebastian Conrad und Jürgen Osterhammel (Hrsg.), Das Kaiserreich transnational, (Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2004), 191–212. . Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866–1918, Bd. 2 (München: C.H.Beck, 1983), 630– 645. Der einflussreiche liberale Publizist Paul Rohrbach war ein Befürworter der deutschen wirtschaftlichen und territorialen Expansion, vor allem in Südosteuropa, aber auch in Afrika; Paul Dehn, Von deutscher Kolonial-und Weltpolitik (Berlin: Allgemein Verein für Deutsche Literatur, 1907), 31. Siehe auch Philipp Ther, „Deutsche Geschichte als imperiale Geschichte. Polen, slawophone Minderheiten und das Kaiserreich als kontinentales Empire“, in: Conrad und Osterhammel, Das Kaiserreich transnational, 129–148. . Die Kritik an Luxemburgs Buch war groß; vgl. die Rezensionen von Otto Bauer in: Die Neue Zeit, Nr. 24, 1913; Anton Pannekoek in: Bremer Bürgerzeitung, 29. Januar, 1913; und G. Eckstein im Vorwärts, 16. Februar 1913. . Eine solche invertierte Geometrie interessierte zu dieser Zeit auch Leo Trotzki; siehe hierzu sein Buch Die Permanente Revolution (1906). Darin suchte er u.a. nach einer Theorie, die erklärte, warum die Revolution in den weniger kapitalistischen Regionen der Welt begann und sich auf die kapitalistisch stärker entwickelten Regionen ausbreitete. . Georg Lukács, „The Marxism of Rosa Luxemburg“, in: Ders., History and Class Consciousness (Cambridge, MA: MIT Press, 1971), 27–45. . August Thalheimer, „Beitrag zur Kenntnis der Pronomina personalia und possessiva der Sprachen Mikronesiens“ (1908), erwähnt bei Jürgen Kästner, Die politische Theorie August Thalheimers (Frankfurt: Campus, 1982), 17. . August Thalheimer, Einführung in den dialektischen Materialismus (Berlin:Verlag für Literatur und Politik, 1928), 35. . Siehe Arthur Holitschers Transkription chinesischer Revolutionslieder: Arthur Holitscher, „Aus den Gesängen der Chinesischen Revolution“, Weltbühne 27 (1931): 676; siehe auch: Franz Carl Enders, „Der neue Orient“, Weltbühne 21 (1925): 564. . Theodor Lessing, Europa und Asien (Hannover: W. A. Adam, 1924), 18. . Lawrence Baron, „Discipleship and Dissent: Theodor Lessing and Edmund Husserl“, Proceedings of the American Philosophical Society 183 (1983): 32–49. . Hans-Georg Gadamer, „Selbstdarstellung“, in: ders., Gesammelte Werke (Tübingen: MohrSiebeck, 1990), 2:480 . Rainer Marwedel, Theodor Lessing: Eine Biographie (Darmstadt: Luchterhand, 1987), 258. . Ibid., 257, 309. . Zur marxistischen Anthropologie siehe Andre Gingrich, „From the Late Imperial Era to the End of the Republican Interlude: Creative Subaltern Tendencies, Larger and Smaller Schools of Anthropology“, in: Fredrik Barth (Hrsg.), One Discipline, Four Ways: British, German, French and American Anthropology (Chicago: University of Chicago Press, 2005), 96–97. . Otto Corbach, „Das erwachende China“, Weltbühne 22 (1926): 34. . Arthur Holitscher, Das unruhige Asien (Berlin: Fischer, 1926), 21.

356

Anmerkungen

. Egon Erwin Kisch, Asien gründlich verändert (Berlin: Aufbau-Verlag, 1980), 227. . Paul Zils, „Ten Years,“ Indian Documentary 2 (1955): 7. Dokumentarfilme von Zils über Indien befinden sich im Filmarchiv des Deutschen Filminstituts in Wiesbaden. . Egon Erwin Kisch, China Geheim (Berlin: E. Reiss, 1933). . Karl Schlögel, Berlin, Ostbahnhof Europas (Berlin: Siedler, 1998), 356. . „IAH Filmprogramm“, 1930, Bundesarchiv Koblenz, RY 9/I 6/7/15, 53. . Alexander Watlin, Die Komintern: 1919–1929 (Mainz: Decaton, 1993), 513. . „‘Das Schanghai- Dokument’ Der große China-Film des Volks-Film-Verbandes“, Arbeiter Illustrierte Zeitung 7 (1928): 2. . Cemil Aydin, The Politics of Anti-Westernism in Asia (New York: Columbia University Press, 2007), 142–168. . My Reminiscences of the Russian Revolution (London: G. Allen & Unwin, 1921) von Morgan Philips Price war das erste in Indien erhältliche Buch über die russische Revolution; siehe: Satyabrata Rai Chowdhuri, Leftist Movements in India (Kalkutta: Minerva Association, 1976), 67. . Report of Indian Constitutional Reform (Her Majesty’s Stationery Office, Cmd. 9109, 1918, 14), zit. n. B.R. Nanda, Socialism in India (Delhi: Vikas, 1972), 41. . Ranajit Guha, „A Colonial City and Its Times“, Indian Economic and Social History Review (IESHR) (2008): 329–351. . Politisches Dossier Inland 27, NAI, Ordner 4, 1921. . Harald Fischer-Tiné und Carolien Stolte, „Imagining Asia in India: Nationalism and Internationalism (ca. 1905–1940)“, Comparative Studies in Society and History 54 (2012): 65–92. . S. A. Dange, „The Asiatic International“, Socialist, 7. Oktober 1922. Dange hatte diese Zeitschrift im August 1922 gegründet. . Branko Lazic, Biographical Dictionary of the Comintern (Stanford, CA: Hoover Institution Press, 1973). . Siehe APAC, 18. August 1922, L/PJ/12/46. Zu diesem historischen Berliner Ort zwischen Westund Osteuropa siehe: Schlögel, Berlin. Ostbahnhof Europas, 152. . Sean McMeekin, The Red Millionaire: A Political Biography of Willi Münzenberg (New Haven, CT: Yale University Press, 2003), 156; Ulrich Weitz, Salonkultur und Proletariat: Eduard Fuchs, Sammler, Sittengeschichtler, Sozialist (Stuttgart: Stöffler und Schütz, 1991). . Roy erhielt von der WES 200£ pro Monat für die Veröffentlichung des Vanguard; siehe: Public Record Office (PRO), London, F.O. 371/8170: 248–272. . R. P. Dutt, The Two Internationals (Westminster: Allen and Unwin, 1920). . Jan Lucassen, „Brickmakers’ Strikes on the Ganges Canal“, in Rana Partap Behal et al. (Hrsg.), Coolies, Capital and Colonialism (Cambridge: Cambridge University Press, 2006), 48. . Rajani Kanta Das, Preface, in: India and a New Civilisation (Kalkutta: N. C. Das, 1942). . „Status of certain British Indians whose naturalisation in the USA has been declared illegal: Dr Sudhindra Bose, Tarak North Das, Rajani Kanta Das, etc“, September 1923 bis 19. März 1930, NA-UK, IOR/L/E/7/1331, Dok. 544, 20. . Rajani Kanta Das, The Industrial Efficiency of India (London: P. S. King & Sons, 1930); R. J. Das, History of Indian Labour Legislation (Kalkutta: University of Calcutta, 1941); R. J. Das und Ruth Sklar Das, India and New Civilisation (Kalkutta: N. C. Das, 1942). . Yogendra Yadav, „What Is Living and What Is Dead in Rammanohar Lohia?“ Economic and Political Weekly 45 (2010): 92–107. . Siehe Britischer Geheimdienst-Bericht, „Dr. R. M. Lohia’s Lectures on Socialism“, 11. November 1935, NAI, Dok. Nr. 800 (78) A III; Rai Akhilendra Prasad, Socialist Thought in Modern India (Delhi: Meenakshi Prakashan, 1974), 126; Nanda, Socialism in India, 153.

7 Marxistische Totalität

357

. Kris Manjapra, M. N. Roy: Marxism and Colonial Cosmopolitanism (Delhi: Routledge, 2010), 86; Odd Arne Westad, The Global Cold War (Cambridge: Cambridge University Press, 2005), 54. . A. K. Hindi, M. N. Roy: The Man Who Looked Ahead (Bombay: Modern Publishing House, 1938), 220–221. . Dipesh Chakrabarty, Provincializing Europe (Princeton, NJ: Princeton University Press, 2000); Hans-Georg Gadamer, Philosophische Lehrjahre (Frankfurt: Vittorio Klostermann, 1977), 11. . S. Ani Mukherji, „The Anti-colonial Imagination: The Exilic Productions of American Radicalism in Interwar Moscow“, PhD Diss., Brown University, 2011; Michael Adas, „Contested Hegemony: The Great War and the Afro-Asian Assault on the Civilizing Mission“, in: Christopher Lee (Hrsg.), Making a World after Empire (Athen: Ohio University Press, 2010), 69–106. . Fenner Brockway, „The Coloured People’s International“, New Leader 2 (1927). . Rote Fahne, 19. Februar 1927. Hans Piazza, „Jawaharlal Nehru und die Antiimperialistische Liga“, Wissenschaftliche Zeitschrift für Geschichte 19 (1970): 397. H. Krüger, „Zum Einfluss internationaler Faktoren auf die Herausbildung und Entwicklung der antiimperialistischen Haltung Jawaharlal Nehrus“, in: Politik und Ideologie im gegenwärtigen Indien (Berlin: Schriften des Zentralinstituts für Geschichte, 1975), 308. W. Münzenberg, Solidarität: Zehn Jahre Internationale Arbeiterhilfe, 1921–1931 (Berlin: Neuer Deutscher Verlag, 1931), 333. . Nehru bezeichnete dieses erste Treffen als frei von sowjetischem Einfluss. Er stellte jedoch fest, dass die Liga in den kommenden Jahren zunehmend unter sowjetischer Beeinflussung litt. Jawaharlal Nehru, Autobiography (Oxford: Oxford University Press, 1980), 161–166. . Michele Louro, „At Home in the World: Jawaharlal Nehru and Global Anti-Imperialism“, PhD Diss., Salem State University, 2011; League against Imperialism, 2. Oktober 1927, IISH, Dok. 1–13. . Zum Beispiel die Jugendkonferenz 1929 in Amsterdam, die War Resister’s Internationals von 1931 und 1932 und der Friedenskongress 1936: siehe:Vijay Prashad, The Darker Nations: A People’s History of the Third World (New York: New Press, 2007), 16–50. . Die „Asien-Afrika-Konferenz“ (Bandung-Konferenz) fand im April 1955 in Bandung statt. . Frantz Fanon, „The Algerian War and Man’s Liberation“, in: Toward the African Revolution, übers. v. Haakon Chevalier (New York: Monthly Review Press, 1964), 145. . Die Kuomintang und die Kommunistische Partei Chinas kämpften um die Kontrolle über das Festland, und der indische Aufstand erreichte in Britisch-Indien seinen Höhepunkt; Kris Manjapra, „Transcolonial Recognition“, in: Sugata Bose und Kris Manjapra (Hrsg.), Cosmopolitan Thought Zones, (Houndmills: Palgrave Macmillan, 2010), 159–177. . Jawaharlal Nehru, „Der Britische Imperialismus in Indien, Persien und Mesopotamien“, in: Das Flammenzeichen vom Palais Egmont: Offizielles Protokoll des Kongresses gegen koloniale Unterdrückung, Brüssel, 10.–15. Februar 1927 (Berlin: Neuer Deutscher Verlag, 1927), 55–61; Jean Jones, The League against Imperialism (Preston: Socialist History Society, 1996), 5; Hans Piazza (Hrsg.), Die Liga gegen Imperialismus und für nationale Unabhängigkeit (Leipzig: Karl-Marx-Universität, 1987). . Offizielles Protokoll des Kongresses, 78. . Indian National Congress Report of the Proceedings of the Forty-third Session of the Indian National Congress (Kalkutta, 1928), 97. . Nehru, Autobiography, 161. . Franz Josef Furtwängler, „Gandhi oder MacDonald? Zur Gewissenskrise des internationalen Sozialismus“, Das Freie Wort 24 (1930): 7; Max Baumann, „Gandhi und die deutsche Jugend“, Das Freie Wort 28 (1930): 19; Ingolf Askvald, „Furtwängler und die indischen Parias“, Das Freie Wort 28 (1930): 22; Hans Neisser, „England und Indien“, Das Freie Wort 28 (1930): 24; Hermann Kranold,

358

Anmerkungen

„Die britische Politik der britischen Arbeiterregierung“, Sozialistische Monatshefte 36 (1930): 1092; Viktor Schiff, „Der Heilige und sein Narr“, Das Freie Wort 26 (1930), 27. . Friedrich Heiler, Christlicher Glaube und indisches Geistesleben (München: Reinhardt, 1926); Zakir Husain, Die Botschaft des Mahatma Gandhi (Berlin: Volkserzieher Verlag, 1924); Helmuth von Glasenapp, Von Buddha zu Gandhi: indisches Denken im Wandel der Jahrhunderte (Tübingen: J. C. B. Mohr, 1934). . „Lebenslauf Selbstdarstellung“, Nachlass Furtwängler, AdsD, Box 1, Dok. 1. . „Charakter der deutschen Gewerkschaftsbewegung“, Nachlass Furtwängler, AdsD, Box 6, 1947. . Mary Nolan, Visions of Modernity: American Business and the Modernization of Germany (New York and Oxford: Oxford University Press, 1994), 65–80. . Ibid., 113–149; Daniel Rodgers, Atlantic Crossings: Social Politics in a Progressive Age (Cambridge: Cambridge University Press, 1998), 112–149. . Willy Buschak, Franz Josef Furtwängler: Gewerkschafter, Indien-Reisender, Widerstandskämpfer. Eine politische Biografie (Essen: Klartext Verlag, 2011), 55. . Ibid., 55; Franz Josef Furtwängler, „Die Zukunft der indischen Arbeiterbewegung und der IGB“, Die Arbeit 7 (1927): 458. . Wie Anm. 70. . Karl Schrader and Franz Josef Furtwängler, Das werktätige Indien (Berlin: Deutscher Textilarbeiter-Verband, 1928), 157. . Franz Josef Furtwängler, „Der Märtyrer von Bengalen,“ Vorwärts, 9. Juni 1927; Buschak, Furtwängler, 189. . Wilhelm Filchner, „Britisch-Indien“, Kölnische Zeitung, 14. Juli 1928. . „Indiens Freiheitskampf und die Weltwirtschaft“, 15. Mai 1930, Deutsche Wirtschafts-Zeitung, 200. . Franz Josef Furtwängler, Die weltwirtschaftliche Konkurrenz des indischen Industriearbeiters (Leipzig: Deutsche wissenschaftliche Buchhandlung, 1929); ders., Die Zukunft der indischen Arbeiterbewegung und der internationale Gewerkschaftsbund; ders., Indien: Das Brahmanenland im Frühlicht (Berlin: Büchergilde Gutenberg, 1931). . Franz Josef Furtwängler, Indien: Das Brahmanenland im Frühlicht (Leipzig: Büchergilde Gutenberg, 1931). . „Die Drachensaat“, AdsD, Bonn, Box, 1, Dok. 3, nicht katalogisiert. . Buschak, Furtwängler, 90. . Ibid., 91. . Ibid., 129–164. . Christopher Sykes, Troubled Loyalty: A Biography of Adam von Trott zu Solz (London: Collins, 1968), 332–347. . Milan Hauner, India in Axis Strategy (Stuttgart: Klett-Cotta, 1981), 359; siehe Leonard A. Gordon’s maßgebliche Darstellung Brothers against the Raj (New York: Columbia University Press, 1990), 446–462. . Buschak, Furtwängler, 186. . Karl Haushofer, „Mitarbeiter der Geopolitik“, IfZ München, MA 618, 1941. . August Thalheimer an Vasant Bhagvant Karnik, Paris, 24. Mai 1934, NMML, M. N. Roy Archiv, Nachlass Karnik. . Ibid. . Ibid.

8 Geokulturelle Ganzheiten

359

. Die Briefe wurden von A. K. Pillai gesammelt und nach Roys Freilassung veröffentlicht als: M. N. Roy, Letters to Congress Socialists (Kalkutta: Renaissance, 1937). . M. N. Roy, „To the Executive Committees of the Congress Socialist party“, NMML, Roy Papers 42, Februar 1936. . John Patrick Haithcox, Communism and Nationalism: M. N. Roy and Comintern Policy (Princeton, NJ: Princeton University Press 1971), 250. . Zitiert in: Jane Degras, The Communist International, 1919–1943 (London: Oxford University Press, 1960), 1:138–144. . Robert Alexander, The Right Opposition: The Lovestoneites and the International Communist Opposition of the 1930s (Westport, CT: Greenwood Press, 1981), 292–294. . Jon Wilson, The Domination of Strangers (Basingstoke, UK: Palgrave Macmillan, 2008), 190– 192.

8 Geokulturelle Ganzheiten . Margaret MacMillan, Paris 1919: Six Months that Changed the World (New York: Random House, 2002), 219–223. . Der Begriff „subaltern“ wird im Großen Brockhaus in der Ausgabe von 1928 als „untergeordnet, ohne eigene Verantwortung“ definiert.Während der Begriff in den 1920er Jahren kaum Eingang in die deutsche Sprache fand, wurde er im Englischen häufig verwendet, bezog sich aber nicht, wie in der postkolonialen Literatur, auf koloniale Bevölkerungen, sondern auf Soldaten in untergeordneten militärischen Rängen; siehe bspw. Charles Carrington, A Subaltern’s War (London: P. Davies, 1929), über seine Erfahrungen an der Front; siehe auch: Max Plowman, A Subaltern on the Somme in 1916 (Uckfield: Naval & Military Press, 2001). . Susan Pedersen, „Settler Colonialism at the Bar of the League of Nations“, in: Caroline Elikins und Susan Pedersen (Hrsg.), Settler Colonialism in the Twentieth Century (New York: Routledge, 2005), 113–134. . Dipesh Chakrabarty, Provincializing Europe (Princeton, NJ: Princeton University Press, 2000), 2–36. . Ramananda Chattopadhyaya, „Mahattvar Bhārat“, Prabāsī 25 (1925): 119–124. . Rabindranath Tagore, Greater India (Madras: S. Ganesan, 1921); siehe auch Benoy Sarkar, Baithakē (Kalkutta: Chakrabarty Chatterjee, 1945), 181. . Volker Ullrich, Die nervöse Großmacht, Aufstieg und Untergang des deutschen Kaiserreichs, 1871–1918 (Frankfurt: S. Fischer, 1997). . Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte, Bd. 2 (München: C.H.Beck, 1983), 621; A. J. P. Taylor, The Struggle for Mastery in Europe 1848–1918 (Oxford: Clarendon Press, 1954). . Jacob Burckhardt, Weltgeschichtliche Betrachtungen, 3. Aufl. (Stuttgart: Spemann, 1918), 12. . Friedrich Meinecke, Weltbürgertum und Nationalstaat (München: R.Oldenbourg, 1908), IX. . Siehe Willi Oberkrome, Volksgeschichte: Methodische Innovation und völkische Ideologisierung in der deutschen Geschichtswissenschaft 1918-1945 (Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1993), 126–146. . Celia Applegate, A Nation of Provincials: The German Idea of Heimat (Berkeley: University of California Press, 1990), 30. . Ibid., 79. . Ibid., 155.

360

Anmerkungen

. Rabindranath Tagore, „Śikār Bāhan“ (1915), in: Rabindra Racanābalī, Bd. 12 (Kalkutta: Viśvabhāratī, 1947–1966), 635–647. . Bankim Chandra Chattopadhyaya, „Bangadeśer Kak“ (1872), in: Sāhitya Samagra (Kalkutta: Tuli-Kalam, 2004), 288. . Dadabhai Naoroji, Poverty and Un-British Rule in India (London: Swan Sonnenschein, 1901), 33; Romesh Dutt, The Economic History of British India (London: Kegan Paul, 1902), XIII. . Rama Mantena, The Origins of Modern Historiography in India (New York: Palgrave, 2012), 44– 55. . E. J. Rapson, Ancient India (Cambridge: Cambridge University Press, 1914), 122–126. . V. A. Smith, Ancient India (London: Luzac, 1911), 336–400. . D. D. Kosambi, „The Basis of Ancient Indian History“, Journal of the American Oriental Society 75 (1955): 226–237. . Ranabir Samaddar, „Territory and People: The Disciplining of Historical Memory,“ in: Partha Chatterjee (Hrsg.), Texts of Power: Emerging Disciplines in Colonial Bengal (Minneapolis: University of Minnesota Press, 1995), 167–200. . Alan Trevithick, The Revival of Buddhist Pilgrimage at Bodh Gaya (Delhi: Shri Jainendra Press, 2006), 44–58. . J.W. De Jong, A Brief History of Buddhist Studies in Europe and America (Delhi: Satguru, 1987), 38. . Das Arthashastra wurde 1905 von R. Shamasastry, dem Leiter der Government Oriental Library in Mysore, wiederentdeckt. Er begann 1905 mit der Veröffentlichung in Fortsetzungsform; die erste englische Übersetzung erschien 1915. Später zeigte sich, dass das Arthashastra das Produkt mehrerer Autoren war und im Laufe vieler Jahrhunderte geschrieben wurde; siehe Thomas Trautmann, Kautilya and the Arthashastra: A Statistical Investigation of the Authorship and Evolution of the Text (Leiden: Brill, 1971), 48, 65. Das Sukraniti wurde nachweislich im 19. Jahrhundert verfasst, siehe Lallanji Gopal, „The Sukraniti: A Nineteenth-Century Text“, Bulletin of the School of Oriental and African Studies 25 (1962): 524–556. . Kashi Prasad Jayaswals einflussreicher Vortrag von 1912 über „Introduction to Hindu Polity“ basierte auf dem Arthashastra, er ist nachgedruckt in: Modern Review 13 (1913): 535–541, 664–668, und 14 (1913): 77–83, 201–206, 288–291; siehe: Johannes H. Voigt, „Nationalist Interpretations of Arthasastra in Indian Historical Writing“, in: S. N. Mukherjee (Hrsg.), South Asian Affairs (St. Anthony’s Papers Nr. 18) (Oxford: Oxford University Press, 1966), 52. . Pramatha Nath Banerjea, Public Administration in Ancient India (London: Macmillan, 1916); N. N. Law, Studies in Ancient Hindu Polity (London: Longmans, Green, 1914); R. C. Majumdar, Corporate Life in Ancient India (Kalkutta: Surendra Nath Sen, 1918); U. N. Ghoshal, The History of Hindu Political Theories from the Earliest Times to the End of the First Quarter of the Seventeenth Century (London: H. Milford, 1923). . V. D. Savarkar, Hindu-Pad-Padashahi (Madras: B. G. Paul, 1925), 249. . Hemchandra Ray, „Was State-Socialism Known in Ancient India? A Study in Kautilya’s Arthasastra“, in: Sir Asutosh Mookerjee Silver Jubilee Volumes (Kalkutta: University of Calcutta, 1922), 429–446. . Hemchandra Ray, „Economic Policy and Functions of the Kautiliyan State“, Journal of the Department of Letters of University of Calcutta 13 (1926): 29. . Kalidas Nag, „Greater India“, Calcutta Review, 17. Januar 1926. . Moriz Winternitz, „Kautilya and the Art of Politics in Ancient India“, The Visva Bharati Quarterly 1 (1923): 261.

8 Geokulturelle Ganzheiten

361

. P. C. Bagchi schrieb India and China (Kalkutta: Greater India Society, 1927); Niranjan Prasad Chakravarti veröffentlichte India and Central Asia (Kalkutta: Abinash Chandra Sarkar, 1927); Bijan Raj Chatterji schrieb Indian Culture in Sumatra and Java (Kalkutta: A. C. Sarkar, 1927); R. C. Majumdar veröffentlichte Ancient Indian Colonies in the Far East (Lahore: Punjab Sanskrit Book Depot, 1927); Phanindranath Bose schrieb Indian Teachers in China (Madras: S. Ganesan, 1923); Upendranath Ghoshal schrieb Ancient Indian Culture in Afghanistan (Kalkutta: Prabāsī Press, 1928). . Siehe bspw. Beni Barua, The Religion of Asoka (Kalkutta: Maha Bodhi Society, 1927). . B. K. Sarkar, R. K. Mukherjee, Dhiren Roy, N. R. Ray, I. H. Baqai, H. B. Sarkar, Keshab Gupta, Amar Lahiri, Vivekanadna Mukerji, Rajnarayan Gupta, Arun Datta- Majumdar, Mahan Raychaudhuri, Kshitish Banerji, Manoranjan Chowdhury, Ajit Ghosh und weitere Mitglieder der Bewegung der zweiten Generation in den 1920er und 1930er Jahren. . Der islamische Universalismus wird diskutiert bei Ayesha Jalal, Self and Sovereignty (London: Routledge, 2000), 189–211. . Sheldon Pollock, The Language of Gods in the World of Men (Berkeley: University of California, 2006), 23. . Bhupendranath Datta, Bālār Itihāsa (Kalkutta: Nababhārata Publishers, 1977), 25–49. . Rabindranath Tagore, Bhāratvarse Itihāser Dhārā (Kalkutta: Jivansmriti, 1912), 250; Vasant Kaiwar, „The Aryan Model of History and the Oriental Renaissance“, in: Vasant Kaiwar und Sucheta Mazumdar (Hrsg.), Antinomies of Modernity (Durham, NC: Duke University Press, 2003), 30–51. . Tagore, Java Yatrir Patra, zit. in: Sugata Bose, Hundred Horizons (Cambridge: Cambridge University Press, 2006), 258. . Hans Adolf Jacobsen, Karl Haushofer, Bd. 1 (Boppard: Boldt, 1979), 88. . Nachlass Haushofer, Bundesarchiv Koblenz, 1909, N1122/153, Teil 2. . David Thomas Murphy, The Heroic Earth: Geopolitical Thought in Weimar Germany, 1918–1933 (Kent, OH: Kent State University Press, 1997), 277. . Norbert Krebs, „Der Bereich der deutschen Ausstrahlung im Osten“, in Hermann Aubin et. al. (Hrsg.), Deutsche Ostforschung, (Leipzig: Hirzel, 1942), 12–30. . Michael Burleigh, Germany Turns Eastwards (Cambridge: Cambridge University Press, 1988), 78–147; David Blackbourn, The Conquest of Nature (London: Jonathan Cape, 2006), 249–265. . Fritz Hesse, „Geopolitische Probleme Englands im Vorderen Orient“, Zeitschrift für Geopolitik 7 (1930): 662. . Friedrich Ratzel, Politische Geographie (München: R. Oldenbourg, 1897), 21–39. . Karl Haushofer, Zur Geopolitik der Selbst-Bestimmung (München: Roesl & Cie, 1923), 161. . Ibid., 11. . Ibid., 23. . Mitchell G. Ash et al., Geisteswissenschaften im Nationalsozialismus: das Beispiel der Universität Wien (Göttingen: Vienna University Press, 2010), 18. . Karl Haushofer, „Bericht über den indopazifischen Raum“, Zeitschrift für Geopolitik 9 (1932): 45. . Karl Haushofer, Geopolitik der Pan-Ideen (Berlin: Zentral-Verlag GmbH, 1931), 15. . Haushofer, „Bericht über den Indopazifischen Raum“, Zeitschrift für Geopolitik, 8 (1931): 930. . Andrew Zimmermann, Alabama in Africa: Booker T. Washington, the German Empire, and the Globalization of the New South (Princeton, NJ: Princeton University Press, 2010), 173–198. . Graf Bethlen, „Nationalismus und Kosmopolitismus“, Zeitschrift für Geopolitik 7 (1929): 517. . Hans Freyer, Herrschaft und Planung (Hamburg: Hanseatische Verlagsanstalt, 1933), 39.

362

Anmerkungen

. Charles S. Maier, „Consigning the Twentieth Century to History“, American Historical Review 105 (2000): 807–831. . Ernst Tiessen, „Der Friedensvertrag von Versailles und die politische Geographie“, Zeitschrift für Geopolitik 1 (1924): 203–220. . Hermann Aubin, Grundlagen und Perspektiven geschichtlicher Kulturraumforschung und Kulturmorphologie (Bonn: Ludwig Röhrscheid, 1965), 17–26. . Karl Haushofer, Zur Geopolitik der Selbstbestimmung Südostasiens (München: Rösl & Cie, 1923), 50. . Benoy Kumar Sarkar, Chinese Religion through Hindu Eyes (Shanghai: Shanghai Commercial Press, 1916), 236. . Benoy Kumar Sarkar, Benoy Kumar Sarkarer Baithake, Hrsg. Haridas Mukhopadhyaya, Bd. 1 (Kalkutta: De’s Publishing, 2002), 18. . „Bericht der Deutschen Akademie“, 1931, Archiv des IfZ-München, MA 1190/3. . Siehe bspw. „Indisches Volkstum“, in: Deutsches Volkstum 2 (1926): 491– 497, wo die Inder als aufsteigendes, revolutionäres Volk geschildert werden. . Erich Obst, „Wir fordern unsere Kolonien zurück!“, Zeitschrift für Geopolitik 3 (1926): 153. . „Die auβenpolitische Orientierung der Rechtsverbände“. 1926, Bundesarchiv, Microfiche, R43 I/2696, Fiche 2, 37, 38. Einer der schillerndsten Titel aus den Kriegsjahren war Der Vampir des Festlandes (Berlin: E. S. Mittler, 1939). Ernst Reventlows Buch beschreibt die besonderen Beziehungen der „englischen Weltmacht“ zum Deutschen Reich. . „Deutsche Akademie“, Bundesarchiv, R51 FB 3240. . „Sitzung des indischen Ausschusses der Deutschen Akademie am 23. Oktober 1934“, Bundesarchiv Koblenz, N1122/115. . E. Michels, „Deutsch als Weltsprache? Franz Thierfelder, the Deutsche Akademie in Munich and the Promotion of the German Language Abroad, 1923–1945“, German History 22 (2004): 206– 228. . Franz Thierfelder, „Die Arbeit der Deutschen Akademie im Jahre 1926/27“, Bundesarchiv N1122/109. . „Bericht über den indischen Ausschuss“ 1936, Archiv des IfZ München, MA 1190/3. . Eine Delegation deutscher Wissenschaftler reiste 1938 nach Kalkutta, um am Deutschen Institut von Benoy Kumar Sarkar Vorträge zu halten; siehe: Bericht über Bangiya Jarman Vidya Samsad, NLI, Akte 149.B.311. . Auch deutsche Indologen mit „spiritualistischen“ Neigungen wie Jakob Hauer von der Universität Tübingen arbeiteten mit der Deutschen Akademie zusammen. Bundesarchiv Koblenz, Nachlass Haushofer, N1122/47. . Tapan Mukhejee, Taraknath Das: Life and Letters of a Revolutionary in Exile (Kalkutta: National Council of Education, 1998), 8–10, 184–189. . Taraknath Das, India’s Position in World Politics (Kalkutta: Sarawaty Library, 1922), 64. . Nathaniel Curzon, Persia and the Persian Question (London: Longmans, Green, 1892): 555– 585. . Taraknath Das, „India and the British Commonwealth of Nations“, Calcutta Review (1928): 143–153. . Eugene D’Souza, „Nazi Propaganda in India“, Social Scientist 28 (2000): 77–90. . Ibid., 78. Zu diesen Institutionen gehörten das International Railway Information Bureau in Madras, der Bombay Press Service, der IndoGerman News Exchange in New Delhi, die German Society der Aligarh University, die Bhatachar-Bewegung in Bengal, die Khaksar-Bewegung in den

9 Im Reich der Psychoanalyse

363

Vereinigten Provinzen, die German Institutes in Bombay und Kalkutta sowie einzelne Vertretungen des Hindu Mahasabha. . Brief des Polizeipräsidenten an den Minister der Regierung von Bombay, NAI, 21. Juli 1939, Home Department (Special), Dok. Nr. 830(A), 37; D’Souza, „Nazi Propaganda“, 84. . Ludwig Alsdorf, „Zu schaffendes Organ für die Indo-Germanische Arbeitsgemeinschaft“, NAUK, GFM 33/564. . „CIB’s Reports on Activities of Germans, Italians and Japanese“, APAC, L/PJ/12/506, 52. . Ibid., 58. . Ibid., 64. . CIB Reports, APAC, L/PJ/12/506, Survey 12 1939, 46. . CIB Reports, APAC, L/PJ/12/506, 94. . Ibid., 158; Maria Casolari, „Hindutva’s Foreign Tie-up in the 1930s,“ Economic and Political Weekly 35 (2000): 218–228. . Savarkar, Hindu-Pad-Padashahi, 1. . Ibid., 254. . Nicholas Goodrick-Clarke, Hitler’s Priestess (New York: New York University, 1998), 50–57. . Ibid., 60. . Ibid., 61. . Ibid., 67. . Elaine Scarry, The Body in Pain (New York: Oxford University Press, 1985); Ranajit Guha, Dominance without Hegemony (Cambridge, MA: Harvard University Press, 1997). . CIB Reports, APAC, L/PJ/12/506. . Anita Desai, Baumgartner’s Bombay (London: Heinemann, 1988), 125.

9 Im Reich der Psychoanalyse . Ashis Nandy hat hierzu eine klassische Studie vorgelegt: Ashis Nandy, The Savage Freud (Princeton, NJ: University Press, 1995), 81; siehe auch Ranjana Khanna, Dark Continents (Durham, NC: Duke University Press, 2003), 1, 66; Purnima Mehta, „The Import and Export of Psychoanalysis to India“, Journal of the American Academy of Psychoanalysis and Dynamic Psychiatry 25 (1997): 455–471; Kalpana Seshadri-Crooks, „The Primitive as Analyst: Postcolonial Feminism’s Access to Psychoanalysis“, Cultural Critique 28 (1994): 175–213. . Siehe die Diskussion bei Matt Ffytche über Freud als „post-aufklärerischer“ Denker, in: The Foundation of the Unconscious (Cambridge: Cambridge University Press, 2012), 272. . Peter Gay, A Godless Jew: Freud, Atheism, and the Making of Psychoanalysis (New Haven: Yale University Press, 1987), 72–113. . Mitchell G. Ash, Gestalt Psychology in German Culture, 1890–1967 (Cambridge: Cambridge University Press, 1995), 36. . David Meskill, Optimizing the German Workforce (New York: Berghahn Books, 2010), 42. . Ash, Gestalt Psychology, 28–50, 103–108; zu Freuds „verheerendem“ Positivismus siehe David Lindenfeld, The Transformation of Positivism (Berkeley: University of California Press, 1980), 1–10. . Anne Harrington, Reenchanted Science (Cambridge, MA: Harvard University Press, 1996), 25; Ash, Gestalt Psychology, 72, 287–291. . Siehe Narendra Nath Sengupta, 1890-1968, Harvard University Archives, Box 4486, UAIII 15.88.10.

364

Anmerkungen

. Mou Banerjee, „Rabindranath at Harvard, An Enquiry“, unveröffentl. Aufsatz. . Ibid. . Durganand Sinha, Psychology in a Third World Country: The Indian Experience (New Delhi: Sage), 13–16. . Akte Suhrit Chandra Mitra, Universitätsarchiv Leipzig, PhilFakProm 10035. . Benoy Kumar Sarkar, „The Making of Naren Sengupta, the Pioneer of Experimental Psychology in India“, Indian Journal of Psychology 19 (1944): 133. . Akte Mitra, Universitätsarchiv Leipzig, PhilFakProm 10035. . Stanley Hall, Founders of Modern Psychology (New York: Appleton, 1912), V-VI. . N. N. Sengupta, „Psychology, Its Present Development and Outlook“, Indian Journal of Psychology 1 (1926): 1–25. . Ibid., 23. . Radhakamal Mukerjee and Narendra Nath Sengupta, Introduction to Social Psychology: Mind in Society (London: D. C. Heath, 1929), 255. . M. N. Banerji, „Reaction Time as an Indicator of Onset of Fatigue“, Indian Journal of Psychology 10 (1935): 69–71. . Petra Rösgen, „Kripal Singh Sodhi: Leben und Werk eines indischen Psychologen in Deutschland,“ Magisterarbeit, Universität Koblenz, 2003; „Indian Civilians Known or Believed to be on the Continent of Europe“, APAC: L/P&J/12/762, 51– 68. . Kripal Singh Sodhi, Urteilsbildung im sozialen Kraftfeld (Göttingen: C. J. Hogrefe, 1953). . N. N. Sengupta, „On Gestalt Theory“, Indian Journal of Psychology 2 (1927): 55–59. . Auswertung des Indian Journal of Psychology für die Jahre 1926 bis 1937 (150 Artikel insgesamt): 6 Artikel über Experimente zu Arbeitskraft, Erschöpfung und Effizienz; 33 Artikel über Experimente zu Intelligenz und Gedächtnis; 22 Artikel zu Emotionen, Instinkt, Aufmerksamkeit und religiösem Gefühl; 12 Artikel zu Felddiskussionen; 24 Artikel zur Physiologie der Wahrnehmung; 9 Artikel zu Gruppe, Sprache, Identität und Geselligkeit; 3 Artikel zur Kinderpsychologie; 16 Artikel zur Psychoanalyse und 2 Artikel zur Gestaltpsychologie. . Carl Jung, „Reise nach Afrika 1925/26“, Archiv der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH), Sammlung Carl Jung (JAZ), Hs 10455: 45. Die Verbindung zwischen Freuds Psychoanalyse und Methoden der Archäologie wurde jüngst erforscht von Khanna, Dark Continents, 33–65. . Sigmund Freud, New Introductory Lectures on Psychoanalysis (London: Hogarth Press, 1933), 181. . Sigmund Freud an Romain Rolland, 19. Januar 1930, in: Letters of Sigmund Freud, Hrsg. Ernst Freud (New York: Basic Books, 1960), 392–393. . Edward Said, Culture and Imperialism (New York: Knopf, 1993), 239. . Romain Rolland, Mahatma Gandhi, übers. v. Emil Roniger (Zürich: Rotapfel Verlag, 1924); Ders., Essai sur la mystique et l’action de l’Inde vivante (Paris: Stock, 1929); Ders., La vie de Vivekananda et l’évangile universel (Paris: Stock, 1930). . Sigmund Freud an Romain Rolland, Letters, 14. Juli 1929, 388. . Sigmund Freud an Romain Rolland, Letters, 4. März 1923. . Ibid. . Carl Schorske, Fin-d e-Siècle Vienna, 185; John Boyer, Political Radicalism in Late Imperial Vienna (Chicago: University of Chicago Press, 1981), 316. . Sigmund Freud an Romain Rolland, 19. Januar 1930, in: Henri Vermorel (Hrsg.), Sigmund Freud et Romain Rolland correspondance, 1923–1936 (Paris: Presses Universitaires de France, 1993), 313.

9 Im Reich der Psychoanalyse

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. Sigmund Freud, Civilization and Its Discontents (London: Hogarth Press, 1930), 47, 61. . Girindrasekhar Bose, „Scope of Psychology“, Indian Journal of Psychology 7 (1932): 29. . Christiane Hartnack, Psychoanalysis in Colonial India (Delhi: Oxford University Press, 2001), 107. . Die beiden bedeutendsten klassischen Analysen liefern Hartnack, Psychoanalysis in Colonial India, 107–130; und Nandy, Savage Freud, 95–115. . In Freud and the Non-European (London: Verso, 2003), 27, schreibt Edward Said: „Freud ist ein bemerkenswertes Beispiel für einen Denker, für den die wissenschaftliche Arbeit, wie er oft sagte, eine Art archäologische Ausgrabung der verschütteten, vergessenen, verdrängten und verleugneten Vergangenheit war. Nicht umsonst war Schliemann ein Vorbild für ihn.“; Richard H. Armstrong, „Freud: ‘Schliemann of the Mind’“, Biblical Archaeology Review 4 (April 2001): 17. . Girindrasekhar Bose, The Concept of Repression (Kalkutta: S. C. Majumdar, 1921), 32. . Nandy, Savage Freud, 95–115. . Bose, Concept of Repression, 32. . „An Indian Psychoanalyst“, Modern Review (May 1922): 637. . Sigmund Freud an Girindrasekhar Bose, 27. Oktober 1922, The Bose - Freud Correspondence (Kalkutta: Indian Psychoanalytical Society, 1964), 12. . Paul Ricoeur, Freud and Philosophy (New Haven, CT: Yale University Press, 1970), 87–102. . Siehe Hartnack, Psychoanalysis in Colonial India, 204. . Girindrasekhar Bose, „Ambivalence,“ Sankhya 3 (1949): 5. . Bose, Concept of Repression, 32ff. . Pierre Sabourin, Sandor Ferenczi: Un pionnier de la clinique (Paris: Campagne Première, 2011), 149–172. . Girindrasekhar Bose, „Opposite Fantasies in the Release of Repression: A New PsychoAnalytic Technique“, Indian Journal of Psychology 7 (1932): 31. . Owen Berkeley-Hill, All too Human: An Unconventional Autobiography (London: Peter Davies, 1939), 40. . Ibid., 64. . Owen Berkeley-Hill, „The Anal-Erotic Factor in the Religion, Philosophy and Character of the Hindus“, International Journal of Psycho-Analysis 2 (1921): 306; ders., „A Short Study of the Life and Character of Mohammed“, International Journal of Psycho-Analysis 2 (1921): 31; ders., „The ‘Color Question’ from a Psychoanalytic Standpoint“, Collected Papers of Owen Berkeley-Hill (London: Book Company, 1933), 139–148. . Owen Berkeley-Hill, „Psychology and Pedagogy“, Collected Papers (Kalkutta: Book Company, 1933), 172. . „Business Meeting Report,“ International Psychoanalytic Association, Business Meeting 10 (1929): 510–526. . Vgl. Hartnack’s differenzierte Besprechung des Werks von Berkeley-Hill in ihrem Buch Psychoanalysis in Colonial India, 55. . Girindrasekhar Bose, „The Reliability of Psychoanalytic Findings“, British Journal of Medical Psychology 3 (1923): 105–115. Christiane Hartnack, „The Uses of Psychoanalysis in the Treatment of Indian Patients“, in: Psychoanalysis in Colonial India, 144–162. . Girindrasekhar Bose, „Psychological Outlook in Hindu Philosophy“, Modern Review (Januar 1931): 16. . Girindrasekhar Bose, zitiert in: D. Ganguly, „Girindrasekhar,“ Samīka: Journal of the Indian Psychoanalytical Society 9 (1955): 38. . Girindrasekhar Bose, „Gītā“, Prabāsī 31 (1931): 9, 251, 340, 473, 667, 837.

366

Anmerkungen

. Ibid., 349. . Girindrasekhar Bose, „The Yoga Sutras“, Samīka: Journal of the Indian Psychoanalytical Society 11 (1957): 45–51. . Partha Chatterjee, Lineages of Political Society (New York: Columbia University Press, 2011), 50. . Bose, „Gītā“, 255. . Ibid. . Girindrasekhar Bose, „Yoga Sutras“, Indian Journal of Psychology 6 (1931): 139. . Girindrasekhar Bose, „Psychology and Psychiatry“, Indian Journal of Psychology 5 (1930): 145. . Girindrasekhar Bose, „The Rishi’s Mind“, Indian Journal of Psychology 5 (1930): 126. . Jay Sherry, Carl Gustav Jung: Avant-Garde Conservative (London: Palgrave, 2010), 70. . Sein Interesse am Okkultismus zeigt sich in seiner Teilnahme an verschiedenen „spiritistischen Experimenten“ 1895; siehe: „Protokolle der Sitzung“, JAZ, Hs 1055:1a; zu seinem Interesse an fliegenden Untertassen siehe die Korrespondenz zwischen Carl Jung und Fowler McCormick, JAZ, 20. März 1953. . Carl Jung, „Reise-Reminiszenzen Indienreise Dezember 37 - Februar 38“, JAZ, Hs 1057; S.P. Mukherjee informiert Dr. Jung, dass ihm die Ehrendoktorwürde verliehen wird. . Carl Jung, „Concerning Mandala Symbolism“ (Erstveröffentlichung 1950), in: ders., Carl Jung Collected Works, Bd. 10 (New York: Pantheon, 1953), 355. . Jungs Skizzen von Mandalas aus Ajanta und Skizzen des Tempeldesigns in Amarkantak sowie Reise-Reminiszenzen werden aufbewahrt in seinem Archiv, JAZ, Hs 1057. . David L. Hart, „The Classical Jungian School“, in: The Cambridge Companion to Jung, Hrsg. Polly Young-Eisendrath und Terence Dawson (Cambridge: Cambridge University Press, 2008), 95. . Petteri Pietikainen, „The ‘Volk’ and Its Unconscious: Jung, Hauer and the ‘German Revolution’“, Journal of Contemporary History 35 (2000), 523–539; Walter Kaufmann, Freud versus Adler and Jung (New York: McGraw- Hill, 1980), 292. . Michael Vannoy Adams, „The Archetypal School“, in: Cambridge Companion to Jung (Cambridge: Cambridge University Press, 1997), 102. . Carl Jung, „Was uns Indien lehren kann“ (1939), in: ders. Grundwerk, Bd. 9 (Olten: Walter, 1990) 160. . C. G. Jung, Two Essays on Analytical Psychology, in: Indian Journal of Psychology 3 (1929): 75. . Freud, Civilization and Its Discontents, 72. . David Dollenmayer, „The Advent of Döblinism: Wang-Lun and Wadzek“, in: Roland Albert Dollinger (Hrsg.), A Companion to the Works of Alfred Döblin, (Rochester: Camden House, 2004), 60. . Ibid. . Christiane Günther, Aufbruch nach Asien (München: Iudicium, 1988), 78. . Jung, „Concerning Mandala Symbolism“, 356. . Jakob Wilhelm Hauer, Die Anfänge der Yogapraxis in alten Indien (Stuttgart: Kohlhammer, 1921). . Thomas Colebrooke, „On the Vedas or Sacred Writings of the Hindus“, Asiatic Researches 8 (1808): 390; Nirad Chaudhuri, Scholar Extraordinary: The Life of Friedrich Max Müller (New York: Oxford University Press, 1974), 137. . Hauer widmete Garbe Das Lankavatara-Sutra und Das Samkhya (Stuttgart: Kohlhammer, 1927) sowie Yogapraxis (Berlin: Kohlhammer, 1921). . Siehe: K. R. Dhawan an Jakob Wilhelm Hauer, 1932, und K. A. Bhatta an Jakob Wilhelm Hauer, 1942, Nachlass Hauer, Bundesarchiv Koblenz, N1131/179.

10 Künstlerische Welten

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. Shyamsundar Goswami an Jakob Wilhelm Hauer, 9. November 1932, Nachlass Hauer, Bundesarchiv Koblenz, N1131/137. . Ibid. . Jakob Wilhelm Hauer an Shyamsundar Goswami, 27. Dezember 1932, Nachlass Hauer, Bundesarchiv Koblenz, N1131/137. . Magnus Hirschfeld, Men and Women: The World Journey of a Sexologist (New York: Putnam’s, 1935), 141. . Ibid., 149. . Carl Gustav Jung an Heinrich Zimmer, 12. Dezember 1938, JAZ, Korrespondenzen 205. . Jung, „Was Indien uns lehren kann“, 162f. . Vgl. Kurt Köster, Johan Huizinga, 1872–1945 (Oberursel: Verlag Europa-Archiv, 1947). . Mircea Eliade, Bengal Nights (Manchester: Carcanet, 1993); siehe Mac Ricketts, Mircea Eliade, Bd. 1 (Boulder: East European Monographs, 1988), 464–486. . Maitraye Devi, Na Hanyante, It Does not Die (Kalkutta: Writers Workshop, 1976), 235, 255. . Freud, Civilization and Its Discontents, 74. . „Indian Psycho-Analytical Society Annual Report for 1948“, Samīka 3 (1948): IV. . Ibid., 202. . Girindrasekhar Bose, „Everyday Psychoanalysis“, Samīka (1945); siehe: T. G. Vaidyanathan und Jeffrey Kripal (Hrsg.), Vishnu on Freud’s Desk (Delhi: Oxford University Press, 1999).

10 Künstlerische Welten . Krishna Bose und Sugata Bose, Einführung zu Rabindranath Tagore, Purabi, übers. v. Charu Chowdhuri (London: Seagull, 2007). . Ashish Rajadhyaksha, Indian Cinema in the Time of Celluloid (Bloomington: Indiana University Press, 2009), 69ff. . William Petig, „The Birth of a New Realism: Photography, Painting and the Advent of Documentary Cinema“, Film History 10 (1998): 165–187; Christopher Pinney, The Coming of Photography in India (London: British Library, 2008), 3, 4. . Jacques Rancière, Politics of Aesthetics (London: Continuum, 2004). . Pinney, Coming of Photography, 103–160. . Choodamani Nandagopal, Impressions: Devika Rani Roerich (Bangalore: International Roerich Memorial Trust, 1992), 25–45. In Goa gibt es eine Joseph-Wirsching-Foundation. . Partha Mitter, Art and Nationalism in Colonial India (Cambridge: Cambridge University Press, 1994), 308–309. . Roger Lipsey, Coomaraswamy: His Life and Work (Princeton, NJ: Prince ton University, 1977), 87. . Ananda Coomaraswamy, La Sculpture de Bodhgaya (Paris: Editions d’Art et d’Histoire, 1935). . Stella Kramrisch, The Presence of Śiva (Princeton, NJ: Princeton University Press, 1981). . Stella Kramrisch, „Untersuchungen zum Wesen der frühbuddhistischen Bildnerei Indiens“, Phil. Diss., Universität Wien, 1919. . Tagebucheintrag in: Willy Rotzler, Johannes Itten. Werke und Schriften (Zürich: Orell Füssli, 1972), 108. . Barbara Stoler Miller, „A Biographical Essay“; in: Dies. (Hrsg.), Exploring India’s Sacred Art: Selected Writings of Stella Kramrisch, (Philadelphia: University of Pennsylvania, 1983), 5; Wassily Kandinsky, Über das Geistige in der Kunst (München: Piper, 1912), 18–35.

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Anmerkungen

. Max Dvořák, Idealismus und Naturalismus in der gotischen Skulptur und Malerei (München: R. Oldenbourg, 1918), 19. . Akte „Stella Kramrisch“, Archiv der Universität Wien, PH RA 4727. . Rabindranath Tagore, The Center of Indian Culture (Madras: Society for the Promotion of National Education, 1919), 13. Dieser Text war ursprünglich Teil einer Eröffnungsrede zum Studienjahresbeginn an der Viśva Bhārati University. . Die Begegnung fand am 19. oder 20. Juni 1920 statt. Ketaki Kushari Dyson und Sushobhan Adhikary, Rager Rabindranath (Kalkutta: Ananda, 1997), 401; Prasanta Kumar Pal, Rabijībanī, Bd. 4 (Kalkutta: Ananda, 1989), 17. . Stella Kramrisch an Ordhendra Coomar Gangoly, London, 15. Juni 1921, zitiert in: Rabindra Kumar Das Gupta, „Philosopher of Indian Art“, Statesman, 25. Juni 1996. . Siehe den Brief von Josef Strzygowski an Rabindranath Tagore, 15. Juni 1921, Visva Bhārati Archiv, EC 387. . William Rothenstein an Rabindranath Tagore, Brief 143, in: Mary Lago (Hrsg.), Imperfect Encounter: Letters of William Rothenstein and Rabindranath Tagore (Cambridge, MA: Harvard University Press, 1972), 281. . Ibid. . Stella Kramrisch, „The Expressiveness of Indian Art“, Calcutta Review (October 1922): 1–46. . Am Ende ging Strzygowski nicht nach Shantiniketan. Josef Strzygowski an Rabindranath Tagore, 4. April 1922, Visva Bhārati Archiv, EC 387. . C. A. Bayly, „The Origins of Swadeshi“, in Arjun Appadurai (Hrsg.), The Social Life of Things: Commodities in Cultural Perspective, (Cambridge: Cambridge University Press, 1986), 310. . Ananda Coomaraswamy, Introduction to Indian Art (Adyar: Theosophical Publishing, 1923), VII. . Saloni Mathur, India by Design (Berkeley: University of California Press, 2007), 49–55. . Mitter, Art and Nationalism, 248. . Ananda Coomaraswamy, Geschichte der indischen und indonesischen Kunst (Leipzig: Verlag Karl Hiersemann, 1927); Ananda Coomaraswamy, Art and Swadeshi (Madras: Ganesh, o.D.), 116. . Mitter, Art and Nationalism, 267. . Tapati Guha-Thakurta, Art, Artists and Aesthetics in Bengal, c. 1850–1920: Westernising Trends and Nationalist Concerns in the Making of a New „Indian“ Art (Oxford: Oxford University Press, 1988), 190. . Stella Kramrisch, „The Significance of Indian Art (in Indian Arts und Art-Crafts). Recent Movements in Western Art“, in W. D. S. Brown (Hrsg.), Indian Art and Art-Crafts: Five Lectures, (Adyar: Theosophical Publishing House, 1922). Vortrag auf der Kunst- und Handwerksausstellung des Jahreskongresses der Theosophischen Gesellschaft. . Nandalal Bose, Vision and Creation (Kalkutta: Viśva Bharati, 1999). . Panchanan Mandal, Bhāratśilpi Nandalal, Bd. 2 (Shantiniketan: Rarh-Gabesana, 1988), 121. . Binode Bihari Mukherjee bezieht sich darauf in: „On Ramkinkar Baij“, Chitrakar (Kalkutta: Seagull, 2006), 86. Bald nach ihrer Ankunft hielt Kramrisch in Shantiniketan eine Reihe von Vorträgen mit dem Titel „The Tendencies of Modern European Art“; siehe hierzu die Ankündigung in: „Ourselves“, Rupam 10 (1922): 69. . Mandal, Bhāratśilpi Nandalal, 2:121. . Kramrisch hielt insgesamt sechs Vorlesungen über „The Expressiveness of Indian Art“, beginnend im Juli 1922; siehe: PMA-SK, Box 25, Ordner „SK Calcutta“, nicht katalogisiert. . Kramrisch, „The Expressiveness of Indian Art“; „The Aesthetics of Young India: A Rejoinder“, Rupam 10 (1922): 66–67; „Indian Art and Europe“, Rupam 11 (1922), 81–86; „An Indian Cubist“,

10 Künstlerische Welten

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Rupam 11 (1922): 107–109; „The Significance of Indian Art“ und „The New Art in Europe“, The Visva Bharati Quarterly 1 (April 1923): 69–75. . Ibid., 22. . Abanindranath Tagore veröffentlichte Sadanga: The Six Limbs of Painting (Kalkutta: Indian Society of Oriental Art, 1921), als eine Rekonstruktion der altindischen ästhetischen Tradition. . Die Subtilität dieses Arguments wird meisterhaft dargelegt in: Partha Mitter, „Das Bauhaus in Kalkutta“, in: Regina Bittner und Kathrin Rhomberg (Hrsg.), Das Bauhaus in Kalkutta. Eine Begegnung kosmopolitischer Avantgarden, (Berlin: Hatje Cantz 2013). . Stella Kramrisch, „Indian Art and Europe“, Rupam 11 (1922): 81–85. . Kramrisch, „The Expressiveness of Indian Art“; „The Aesthetics of Young India: A Rejoinder“, Rupam 9 (1922): 66–67; „Indian Art and Europe“, 81–86. . Barbara Stoler Miller, „Introduction“, in: Miller, Exploring India’s Sacred Art. . Mitter, „Bauhaus in Kalkutta“, Ms., 4. . Stella Kramrisch an Johannes Itten, 5. Mai 1922, Thüringisches Hauptstaatsarchiv (THA), Weimar, Akte 130, Dok. 57, 1. . Ibid. . Brief von Johannes Itten an Paul Klee, Abschrift in Feininger, Marcks und Schlemmer. Johannes Itten an Paul Klee, 7. August 1922, THA, Weimar, Akte 130, Dok. 57, 5. . Lotte Hirschfeld an Paul Klee, 23. August 1922, THA, Weimar, Akte 130, Dok. 57, 5. . THA, Weimar, Verzeichnisse II, VIII, und IX, THA, Akte 130, Dok. 57, 35–58. . THA, Weimar, Verzeichnisse I, III, IV, V, VI, VII, X, THA, Akte 130, Dok. 57, 35–58. . Stella Kramrisch an Johannes Itten, 31. August 1922, THA, Akte 130, Dok. 57, 26. . Anonym, „The Fourteenth Annual Exhibition of the Indian Society of Oriental Art“, Rupam 13/14 (1923): 14–18. . Rupam, 13/14 (1923), enthält einen Auszug aus der einführenden Erläuterung zum Katalog. . Abany C. Bannerjee, „Gaganendranath Tagore’s New Indian Art“, Visva Bharati Quarterly 2 (1924): 298–301. . Vgl. den Bericht vom 25. April 1923, ZSMB, Berlin, I/NG 603, 8. Von Berlin wanderte die Ausstellung nach Leipzig zum dortigen Kunstverein. . Siehe das Verzeichnis der an die Staatlichen Museen zu Berlin vermachten Kunstwerke, ZSMB, Berlin, I/NG 603, 16–12. . Tagore hat seine Bilder in der Regel nicht signiert. „Sonderausstellungen“, ZSMB, Berlin, I/ NG 603, 1923– 24, 50. Objekt 50 trägt den Titel „Die javanische Schauspielerin“. Vgl. hierzu den Katalogeintrag von Sarkar über Nabendranath Tagore, in: „Ausstellung Moderner Indischer Aquarelle in der Nationalgalerie“ (Berlin: Indo-European Trading Company, o.D), 1, 4. . Benoy Kumar Sarkar, Economic Development (Madras: B. G. Paul, 1926), XIII. . Kramrisch, „The Aesthetics of Young India“, Rupam 10 (1922): 66–67; Benoy Kumar Sarkar, „Social Philosophy in Aesthetics“, Rupam 15/16 (1923): 88. . Sowohl Kramrisch als auch ein Gelehrter mit dem Pseudonym „Agastya“ verfassten kritische Erwiderungen zu Benoy Sarkars Essay über „Futurismus“. Ihre Aufsätze erschienen 1922 in den Ausgaben April, Juli und Oktober, Rupam 1922, Nr. 10–12. Sarkar erwiderte darauf in einem Aufsatz von 1923, „Social Philosophy in Aesthetics“, Rupam 15/16 (1923): 88–99. . Benoy Kumar Sarkar, „Ausstellung moderner indischer Aquarelle in der Nationalgalerie“. . Siehe Anm. 60. . Stella Kramrisch, „Indische Malerei der Gegenwart“, Der Cicerone 16 (1924): 954–962; Nachdruck in Jahrbuch der jungen Kunst 4 (1924): 234–242. . Stella Kramrisch, „The New Art in Europe“, Visva Bharati Quarterly (April 1923): 68.

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Anmerkungen

. O. C. Ganguly, „Movements in European Art“, Journal of the Society of Oriental Art 1(1923): 493. . Kalidas Nag, India and the Pacific World (Kalkutta: Book Company, 1941), 1. . Pramatha Nath Bose, Degeneration: A World Problem (Kalkutta: Newman, 1924). . B. K. Sarkar nannte Tilak den „Goethe von Poona“, in: Futurism of Young Asia (Berlin: Springer, 1922). Tilaks These über die arktischen Arier wurde diskutiert in: The Arctic Home in the Vedas: being also a new key to the interpretation of many Vedic texts (Pune: Kesari, 1903). . Geeta Kapur, „Contemporary Practice: Some Polemical Categories“, Third Text 11 (1990): 111. . Kramrisch, „Expressiveness“, 1–46, 8. . Stella Kramrisch, „The Present Movement of Art, East and West“, Visva Bharati Quarterly 1 (October 1923): 225. . Mondal, Bhāratśilpi Nandalal, 121–123. . Ibid., 18. . Stella Bloch, „Intuition“, Rupam 3 (1920): 25–26. . Hermann Goetz, „The Relations between Indian Painting and Indian Sculpture“, Rupam 22/ 23 (1925): 46–53; William Cohn, „Problems of Indian Art“, Rupam 3 (Juli 1920): 2–10; William Cohn, „Buddhistische Skupturen aus Japan“, Berliner Museen: Berichte aus den Preußischen Kunstsammlungen 43, 7/8 (1922): 75. . Josef Strzygowski, „India’s Position in the Art of Asia“, Journal of the Indian Society of Oriental Art 1 (1933): 7–17. . Josef Strzygowski, „Three Northern Currents in the Art of the Chinese People“, Journal of the Indian Society of Oriental Art 5 (1937): 42–57; Heinrich Zimmer, „Trees, Huts and Temples“, Journal of the Indian Society of Oriental Art 5 (1937): 111–121. . Betty Heimann, „Significance of Numbers in Hindu Philosophical Texts“, Journal of the Indian Society of Oriental Art 6 (1938): 88–93. . siehe: Katalogisierung der indischen Kunstobjekte in Siam, bei Amaravati in Berlin, Kalkutta und Lahore, Rupam Magazine, 1929. . Max Osborn, „The Indian Exhibition in Berlin“, Rupam 15/16 (1923): 74–82. . Valentina Stache-Rosen, „Hermann Goetz“, in: German Indologists (New Delhi: Goethe Institut, 1981). . See „Meine Bilder“, Tagores Einführung zur Ausstellung, datiert 2. Juli 1930. ZSMB, Mappe 1436. . siehe den Artikel: „Mit und ohne Schleier“, BZ am Abend, 14. Oktober 1981. . „Tagore als Maler“, in: Der Tag; „Ausstellung in der Galerie Moeller“, von KZ; „Tagore als Maler,“ von WG, Zeitungsausschnitte, 1930, ZSMB, Berlin, Mappe 1436. . Rezension von Ferdinand Eckhardt, 30. August 1930, ZSMB, Berlin, Mappe 1436. . Rabindranath Tagore an Ludwig Justi, 15. August 1930, ZSMB, Berlin, Mappe 1436, 1. . Paul Ortwin Rave, Kunstdiktatur im Dritten Reich (Berlin: Argon, 1988), 28. . „Beschlagnahme 1937“, ZSMB, Berlin, I/NG 863, S. 382. . Annegret Janda und Jörn Grabowski, Kunst in Deutschland 1905–1937 (Berlin: Staatliche Museen zu Berlin), 202, 203. . Stella Kramrisch, Grundzüge der indischen Kunst (Dresden: Avalun-Verlag, 1924), 87. . Donald Fleming and Bernard Bailyn, The Intellectual Migration: Europe and America, 1930– 1960 (Cambridge, MA: Harvard University Press, 1969), 37. . Aby Warburg, Gesammelte Schriften (Berlin: Akademie Verlag, 1998), 104; Frances Yates, Giordano Bruno and the Hermetic Tradition (Chicago: University of Chicago Press, 1964). . Stella Kramrisch, Vorträge 1936–1937; 1938–1939; 1939. „Kramrisch at Courtauld Institute in London“, Courtauld Institute, nicht katalogisiert.

10 Künstlerische Welten

371

. Ananda Coomaraswamy, The Transformation of Nature in Art (Cambridge, MA: Harvard University Press, 1934), 157ff. . Francis Younghusband, „Kramrish Exhibition of 1940“, in: Mappe „Papers re. proposed exhibition of photographs, ‘Aspects of Indian Art’ to be held at Warburg Institute“,Warburg Institute Archiv (WIA), London, 12. Juli 1940. . Stella Kramrisch an William Rothenstein, 2. August 1937, APAC, HOU B MS Eng 1148. . Rezension zur Ausstellung, Listener, London, 21. November 1940. . Stella Kramrisch an Frank Richter, 2. Februar 1941, Kramrisch Korrespondenz, APAC, Mss Eur F 147/70. . Younghusband, „Kramrish Exhibition of 1940“, 3. . Ibid. . „Exhibition of Indian Art at the Warburg Institute“, Ausstellungskatalog, 1, in: Sammlung WIA. . Die Fortführung dieser Methode findet sich bei Diana Eck, Darśan, Seeing the Divine Image in India (Chambersburg, PA: Anima Books, 1981), 9. . Stella Kramrisch Aufsätze, Philadelphia Museum of Art Archive (PMA-SK), Box 40, Dok. 24. . Stella Kramrisch spielt auf den unangenehmen Abschied in ihrem Brief vom 20. Juni 1973 an Niharranjan Ray an, einem ehemaligen Studenten, der ihren Lehrstuhl übernahm, nachdem sie Kalkutta verlassen hatte; siehe: PMA-SK, unkatalogisierte Korrespondenz. . Brigitte Schulze, Humanist and Emotional Beginnings of a Nationalist Indian Cinema in Bombay (Berlin: Avinus, 2003), 51. . „Indien produziert“, Kinematograph 22 (Juni 1928). . Miriam Hansen, „The Mass Production of the Senses: Classical Cinema as Vernacular Modernism“, Modernism / Modernity 6 (1999): 59–77; Rajadhyaksha, Indian Cinema, 39. . Priti Ramamurthy, „The Modern Girl in India in the Interwar Years“, Women’s Studies Quarterly 34 (2006): 213; Neepa Mujumdar, Wanted Cultured Ladies Only! Female Stardom and Cinema in India, 1930s–1950s (Chicago: University of Illinois Press, 2009), 17–49. . Babli Sinha, „Entertaining the Raj: Cinema and Cultural Intersections of the United States, Britain and India in the Early Twentieth Century“, PhD Diss., University of Chicago, 2006. . A. F. Stenzel, „Franz Osten und das indische Filmwesen“, Deutsche Filmzeitung 29 (1929): 30. . Himanshu Rai, „Der nationale Film in Indien“, UFA-Feuilleton 47 (19. November 1919): 4–5; Brigitte Schulze, Kino im interkulturellen Kontext (Nordhausen, Germany: Traugott Bautz, 2008), 38–40. . Ausländerkartei Indien, 1928–38, HUA. . Zohra Segal, Close-Up: Memoirs of a Life on Stage and Screen (Delhi: Women Unlimited, 2010). . Mihir Bose, Bollywood: A History (Stroud: Tempus, 2006), 105. . „Criminal Investigation Department Reports on activities of Germans, Italians and Japanese“, APAC, L/PJ/12/506, 53. . Illustrated Weekly of India (1939), 20. . Ramamurthy, „The Modern Girl in India“, 210. . Erik Bournow, „Acquisition File for Indian Film Collection“, 1977, Library of Congress, FEB 8068, 2. . Choodamani Nandagopal, Impressions, Devika Rani Roerich (Bangalore: International Roerich Memorial Trust, 1992). . Madhavi Kale, „Screening Empire from Itself: Imperial Preference, Represented Communities, and the Decent Burial of the Indian Cinematograph Committee Report (1927–28)“, in Kevin

372

Anmerkungen

Grant (Hrsg.), Beyond Sovereignty: Britain, Empire and Transnationalism, c. 1880–1950, (London: Palgrave 2007), 191–213. . Priya Jaikumar, The End of Empire: Politics of Transition in Britain and India (Durham, NC: Duke University Press, 2006), 65–106; Jaikumar, „More than Morality: The Indian Cinematograph Committee Interviews (1927)“, Moving Image 3 (2003): 82–109. . Sinha, „Entertaining the Raj.“ . B. Jha, „Patriarchs of Indian Cinema“, in: 70 Years of Indian Cinema, Hrsg. T. M. Ramachandran (Bombay: Cinema India-International, 1985), 54–60. . Niranjan Pal, Such Is Life: An Autobiography, in: Kushum Pant Joshi und Lalit Mohan Joshi (Hrsg.), Niranjan Pal: A Forgotten Legend and Such Is Life (London: South Asian Cinema Foundation, 2012), 57–75; siehe auch die Erinnerungen von Niranjan Pals Sohn, Colin Pal, in: Amrit Gangar, Franz Osten and the Bombay Talkies (Bombay: Max Müller Bhavan, 2000), 12; Erik Barnow und S. Krishnaswamy, Indian Film (New York: Columbia University Press, 1963), 89. . „Evidence from the India Cinematograph Committee“, British Library Social Sciences Collection, V/26/970/2. . Joshi, Niranjan Pal. . Zum indischen Humanismus Indien siehe Schulze, Humanist and Emotional Beginnings, 54– 66. Louis Brody, der als M’bebe Mpessa in Kamerun geboren wurde, war Schauspieler in Das Indische Grabmal; siehe: Tobias Nagl, „Von Kamerun nach Babelsberg. Louis Brody und die schwarze Präsenz im deutschsprachigen Kino vor 1945“, in: Ulrich van der Heyden und Joachim Zeller (Hrsg.), Kolonialmetropole Berlin, (Berlin: Berlin-Edition, 2002), 220–225. . Das „Mythologische“ war eines der Standard-Genres. . Ein Remake des Films drehte Richard Eichberg 1938. . Richard John Ascarate, „Cinematic Enlightenment: Franz Osten’s Die Leuchte Asiens“, Quarterly Review of Film and Video 25 (2008): 357–367. . Brigitte Schulze, „Land des Grauens und der Wunder“, in: Triviale Tropen: Exotische Reiseund Abenteurfilme aus Deutschland 1919–1939 (Hamburg: CineGraph, 1997), 72–84. . Suresh Chabria (Hrsg.), Light of Asia: Indian Silent Cinema (Delhi: Wiley Eastern, 1994). . Gerhard Koch, „Von der Münchener Lichtspielkunst zu den Bombay Talkies“, in: Chidananda das Gupta und Werner Kobe (Hrsg.), Kino in Indien, (Freiburg: Mersch, 1986), 134. . Peter Jelavich, Munich and Theatrical Modernism (Cambridge, MA: Harvard University Press, 1985), 9. . Jan-Christopher Horak und Jennifer Bishop, „German Exile Cinema, 1933–50“, Film History 8 (1966): 373–389; Kristin Thompson, „Early Alternatives to the Hollywood Mode of Production: Implications for Europe’s Avant-Gardes“, Film History 4 (1993): 392. . Anton Kaes, Martin Jay et al. (Hrsg.), The Weimar Republic Sourcebook (Berkeley: University of California Press, 1994), 367. . Carl-Erdman Schönfeld, „Franz Osten’s ‘Light of Asia’ (1926): A German-Indian Film of Prince Buddha“, Historical Journal of Film, Radio and Television 15 (1995): 556. . Barnouw and Krishnaswamy, India Film, 92. . „Report of the Indian Cinematograph Committee, 1927–28“, APAC, V/26/970/1, (Madras: Superintendent Government Press, 1928), 1005. . Ibid. . Ashish Rajadhyaksha, „The Phalke Era: Conflict of Traditional Form and Modern Technology“, in Tejaswini Niranjana et al. (Hrsg.), Interrogating Modernity: Culture and Colonialism in India, (Kalkutta: Seagull Books, 1993), 47–82. . Naval Gandhi, „The Film Market in India“, Lichtbild-Bühne 39 (1925).

10 Künstlerische Welten

373

. „Report of the India Cinematograph Committee“, 1004. . Franz Osten, „Franz Osten und das indische Filmwesen“, Süddeutsche Filmzeitung 8 (1929): 16; siehe auch Jessica Elizabeth Kamm, „German Film, World Travel“, PhD Diss., University of Illinois, Urbana-Champaign, 2011. . Franz Osten, „The Love of Buddha“, Lichtbild-Bühne 129 (1925). . Ibid.; Thomas Brandlemeir, „Franz Osten, a Bavarian in Bombay“, Grifithiana, 53 (Mai 1995): 83. . Siehe auch Veronika Feuchtner, „The International Project of National(ist) Film: Franz Osten in India“, in Christian Rogowski (Hrsg.), The Many Faces of Weimar Cinema, (Rochester, NY: Camden House, 2010), 179. . Koch, „Von der Münchener Lichtspielkunst zu den Bombay Talkies“, 125–144. . Osten, „Franz Osten und das indische Filmwesen.“ . Franz Osten, Elisabeth von Österreich (1931). . Bundesarchiv Filmarchiv, Prüf-Nummer 21334, Microfiche 771. . Horak und Bishop, „German Exile Cinema“, 376. . Personalakte „Franz Osten“, Bundesarchiv RFA-Film A46, 286, 288. . Frank Leberecht und Franz Schröder, Kampf um den Himalaja (Degeto Kulturfilm, 1938). . Günter Oskar Dyhrenfurth, Dämon Himalaya. Bericht der internationalen Karakorum-Expedition (Basel: Schwabe, 1935). . „Gustav Ucicky“, in: Hans-Michael Bock und Tim Bergfelder, The Concise Cinegraph: Encyclopaedia of German Cinema (New York: Berghahn Books, 2009), 490. . „About Colin Ross“, 7. Dezember 1939, APAC, L/PS/12/4076. . Bodo-Michael Baumunk, „Ein Pfadfinder der Geopolitik: Colin Ross und seine Reisefilme“, in Jörg Schöning (Hrsg.), Triviale Tropen: Exotische Reise- und Abenteurfilme aus Deutschland 1919–1939, (Hamburg: CineGraph, 1997), 86. . Louis Ralph, Emden: Unser Emden (Bavaria Film, 1926); Franz Osten, Die kleine Inge und ihre drei Väter (EMELKA, 1926); James Bauer, Mein Heidelberg, ich kann dich nicht vergessen (EMELKA, 1927); Karl Grune, Waterloo (EMELKA, 1929). . Tagore, Pūrabī, übers. v. Charu Chowdhuri, in: Krishna Bose und Sugata Bose (Hrsg.), Purabi: The East in Its Feminine Gender (Kalkutta: Seagull Books, 2007), 1–43. . Ravi Vasudevan, The Melodramatic Public (New York: Palgrave, 2011), 51, 104. . Ibid., 100. . Rachel Dwyer and Divia Patel, Cinema India 9 (New Brunswick, NJ: Rutgers University Press, 2002), 161. . Sudhir Bose, „On Cinema in Calcutta“, Ananda Bazaar Patrika, 15. August 1933. . Ute Poiger, „Imperialism and Empire in Twentieth-Century Germany“, History and Memory 17 (2005): 134. . Baburao Patel, „The Foreigners Insult the Indians!“, Filmindia 4 (September 1938): 1–5. . Saadat Hasan Manto, „Ashok Kumar“, Journal of South Asian Literature 20 (1995): 113–120. . Carl-Erdmann Schönfeld, „Das wahre Märchen vom Prinzen Buddha: Franz Ostens indische Stummfilme“, EPD Film 7 (1996): 28–33. . Choodamani Nandagopal (Hrsg.), Impressions, Devika Rani Roerich (Bangalore: International Roerich Memorial Trust, 1992), 25–24, 145. . Koch, „Von der Münchener Lichtspielkunst zu den Bombay Talkies“, 125–144. . Bose, Bollywood, 129 . Sharmistha Gooptu, Bengali Cinema: An Other Nation (London: Routledge, 2001), 140. . „Himanshu Rai“, Film-Kurier 22 (1940): 3.

374

Anmerkungen

11 Eine neue Ordnung . Mark Mazower, „An International Civilization? Empire, Internationalism and the Crisis of the Mid-Twentieth Century“, International Affairs 82 (2006): 553–566. . Fred Taylor, Exorcising Hitler (London: Bloomsbury, 2011); Siegfried Kupper, Zone – Macht – Staat. Politische und ökonomische Entwicklungen in der sowjetischen Besatzungszone (Schkeuditz: Schkeuditzer Buchverlag, 2010); Matthias Uhl, Die Teilung Deutschlands (Berlin: Be.Bra, 2009); Henry Wend, Recovery and Restoration (Westport, CT: Praeger, 2001). . Jennifer Fay, Theaters of Occupation (Minneapolis: University of Minnesota Press, 2008), XIII– XX. . Philip Mosely, „Dismemberment of Germany: The Allied Negotiations from Yalta to Potsdam“, Foreign Affairs 28 (1950): 487–498; Manfred Müller, Die USA in Potsdam 1945 (Berlin: Fides, 1996). . Harald Hagemann, „Dismissal, Expulsion, and Emigration of German-Speaking Economists after 1933“, Journal of the History of Economic Thought 27 (2005): 416. . Hans Ulrich Esslinger, Entwicklungsökonomisches Denken in Großbritannien (Marburg: Metropolis, 1999). . Hagemann, „Dismissal“, 405–420. . Karl Jaspers, The Question of German Guilt (New York: Capricorn Books, 1961), 18; Mark Clark, Beyond Catastrophe: German Intellectuals and Cultural Renewal (Lanham, MD: Lexington Books, 2006), 53. . Alexander Gerschenkron, Bread and Democracy in Germany (Berkeley: University of California Press, 1943), 212. . Alexander Gerschenkron, „Economic Backwardness in Historical Perspective“, in Bert Hoselitz (Hrsg.), The Progress of Underdeveloped Areas, (Chicago: University of Chicago Press, 1952), 6. . Gerald D. Feldman, Vom Weltkrieg zur Weltwirtschaftskrise (Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1984). . Albert Harvey Leibenstein, Economic Backwardness and Economic Growth (New York: Wiley, 1957), 111ff. . Gunnar Myrdal, Asian Drama (New York: Twentieth Century Fund, 1968), 3. . Ibid., 12. . Marjorie Lamberti, „Returning Refugee Political Scientists and America’s Democratization Program in Germany after the Second World War“, German Studies Review 31 (2008): 263–284. . Corinna Unger, „Modernization à la mode. West German and American Development Plans for the Third World“, Bulletin of the German Historical Institute 40 (2007): 143–159; Bodo Sperling, Die Rourkela-Deutschen (Bonn: Eichholz, 1963). . Surendra Chopra, Pakistan’s Thrust in the Muslim World (New Delhi: Deep and Deep, 1992); G. L. Mehta, „Asian Nationalism vis-à-vis other Asian Nations“, Annals of the American Academy of Political and Social Science 318 (1958): 89–96; Marvin Weinbaum, „Pakistan and Afghanistan: The Strategic Relationship“, Asian Survey 31 (1991): 496–511. . K. M. Panikkar, Asia and Western Dominance (London: Allen and Unwin, 1953). . Rahul Mukherji, „Appraising the Legacy of Bandung“ in: See Seng Tan und Amitav Acharya (Hrsg.) Bandung Revisited (Singapore: NUS Press, 2008), 167. . Akhil Gupta, Postcolonial Development: Agriculture in the Making of Modern India (Durham, NC, and London: Duke University Press, 1998), 49. . Christopher Lee, Making a World after Empire (Athens: Ohio University Press, 2010), 35.

11 Eine neue Ordnung

375

. Kweku Ampiah, Political and Moral Imperatives of Bandung (Folkesone: Global Oriental, 2007); Vijay Prasad, The Darker Nations (New York: Norton, 2007); Jamie Mackie, Bandung 1955: Non-alignment and Afro-Asian Solidarity (Singapore: Editions Didier Millet, 2005); Antonia Finnane und Derek McDougall (Hrsg.), Bandung 1955: Little Histories (Melbourne: Monash Asia Institute, 2010). . James Brennan, „Radio Cairo and the Decolonization of East Africa, 1953-64“, in: Lee, Making a World after Empire, 173–195. . Ang Cheng Guan, „The Bandung Conference and the Cold War International History of Southeast Asia“, in: Tan, Bandung Revisited, 39. . Odd Arne Westad, The Global Cold War (Cambridge: Cambridge University Press, 2005), 34. . Michael J. Montesano, „Bandung 1955 and Washington’s Southeast Asia“, in: Tan, Bandung Revisited, 211; Randall Stone, Satellites and Commissars. Strategy and Conflict in the Politics of Soviet-Bloc Trade (Princeton: Princeton University Press, 1996), 33ff. . Quinn Slobodian, Foreign Front: Third World Politics in Sixties West Germany (Durham, NC: Duke University Press, 2012), 15. . Martin Klimke et al. (Hrsg.), 1968 in Europe (New York: Palgrave, 2008). . Akhil Gupta, Postcolonial Development: Agriculture in the Making of Modern India (Durham, NC: Duke University Press, 1998), IX; Ward Morehouse, Science and the Human Condition in India and Pakistan (New York: Rockefeller University Press, 1968). . Jonathan Parry and Christian Strümpell, „On the Desecration of Nehru’s ‘Temples’: Bhilai and Rourkela Compared“, Economic and Political Weekly 43 (2008): 47–57. . Paul Zils, „Ten Years: Documentary-Making in India I“, Indian Documentary: A Quarterly 2 (1955): 8. . Ibid., 1. . Paul Zils, Rourkela – Stahl für Indien (1963). . Siehe bspw. Zils‘ Dokumentarfilm, Auf einer Teeplantage in Dardschiling (1962). . Theodor Heuss, Kräfte und Grenzen einer Kulturpolitik (Tübingen: Wunderlich, 1951), 39, 64. . Omkar Goswami, „Sahibs, Babus, and Banias: Changes in Industrial Control in Eastern India“, in Rajat Ray (Hrsg.), Entrepreneurship and Industry, (Delhi: Oxford University Press, 1993), 256–258. . Zils, Rourkela, 40. . Bosch eröffnete seine Niederlassung in Bangalore 1953. Daimler-Benz eröffnete ein Büro in Bombay 1954. Hindustan Machine Tools und MAN Machine Works in Jabalpur wurden mit deutschen Fördergeldern gegründet. AEG hatte seinen Hauptsitz in Bangalore in der Government Electric Factory. 1957 kam die Dynamit Nobel AG nach Indien. Die Westfälische Metall-Industrie AG und die Chemischen Werke Albert aus Wiesbaden-Biebrich eröffneten Niederlassungen in Delhi. Der Wälzlager-Hersteller Kugelfischer-Georg Schäfer und Co. aus Schweinfurt operierte ab 1960 in Bombay. BASF, Bayer, Krupp sowie KraussMaffei hatten ab den 1960er Jahren ebenfalls Niederlassungen in Indien. . Ravi Kalia, Bhubaneswar: From a Temple Town to a Capital City (Carbondale: Southern Illinois University Press, 1994). . Otto Koenigsberger, „New Towns in India“, Planning Review 23 (1952): 95–132; Rhodri Windor Liscombe, „Independence: Otto Koenigsberger and Modernist Urban Resettlement in India“, Planning Perspectives 21 (2006): 157–178. . Volker Berghahn, America and the Intellectual Cold Wars in Europe (Princeton, NJ: Princeton University Press, 2001), 26–51, 250–283. . „Großer Erfolg des ‘Tages der DDR’“, Neues Deutschland, 8.Februar 1960.

376

Anmerkungen

. Johannes Voigt, Die Indienpolitik der DDR: Von den Anfängen bis zur Anerkennung (Köln: Böhlau, 2008), 241. . Ibid., 254. . Walter Ruben, Autobiographie, handschriftl. Manuskript, Archiv BBAW, NL Ruben, Box 11. . Ibid. . Walter Ruben, Kulturgeschichte Indiens: Ein Versuch der Darstellung ihrer Entwicklung (Berlin: Akademie Verlag, 1978). . Ibid., 343. . Walter Ruben, Rabindranath Tagores Weltbedeutung (Berlin: Akademie Verlag, 1962), 1. . Ibid., 25. . Walter Ruben, „Die Perspektiven der Indologie in der Deutschen Demokratischen Republik“, 1960, Archiv BBAW, Ruben Schriften, nicht katalogisiert, Box 4. . Walter Ruben, 28. August 1956, Archiv BBAW, Box 2, Mappe 3. . Ludwig Alsdorf, „Der Stand der Indologie in Deutschland“, Ordner B2, Politisches Archiv des AA, Januar 1960. . Walter Ruben, Über die Aufklärung in Indien (Berlin: Akademie Verlag, 1959). . Ibid., 10. . Walter Ruben, „Indology in Berlin after the War“, Archiv BBAW, Ruben Schriften, nicht katalogisiert, Box 13, 12. . Ashis Nandy, „The First Non-Western Psychoanalyst in Colonial India“, in: The Savage Freud, 105; A. G. Hopkins, „Development and the Utopian Ideal, 1960–1999“, in: Robin Winks (Hrsg.), Oxford History of the British Empire, (Oxford: Oxford University Press, 1999), 643. . E. M. Butler, The Tyranny of Greece over Rome (Boston: Beacon Press, 1958). . Carl Schmitt, Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum (Köln: Greven Verlag, 1950), 207; siehe auch: George Mosse, The Crisis of German Ideology (New York: Fertig, 1998), 283. . Stephen Legg (Hrsg.), Spatiality, Sovereignty and Carl Schmitt (London: Routledge, 2011).

Epilog . Francoise Lionnet und Shu-mei Shih, Minor Transnationalism (Durham, NC: Duke University Press, 2005); Durba Ghosh und Dane Kennedy, Decentering Empire (New Delhi: Orient Longman, 2006); Gilles Deleuze und Felix Guattari, A Thousand Plateaus (Minneapolis: University of Minnesota Press, 1987); Ernesto Laclau und Chantal Mouffe, Hegemony and Social Strategy (London: Verso, 1985); Michael Hardt und Antonio Negri, Empire (Cambridge, MA: Harvard University Press, 2009). . Eduard Glissant, Poetics of Relation (Ann Arbor: University of Michigan, 1997), 137–140, 159– 161. . Michael Hardt und Antonio Negri, Commonwealth (Cambridge, MA: Harvard University Press, 2009), 206.

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Personenregister Abbas, K. A. 288, 319 Adhikari, Gangadhar 104, 337 Adorno, Theodor 12, 312, 333 Agharkar, Shankar Purushottam 56, 126, 321 Ainscough, Thomas 154, 349 Alexander der Große 44, 91, 210 f., 295 Alfassa, Mirra 70 Alsdorf, Ludwig 89 f., 331, 342, 363, 376 Andrews, Charles Freer 107, 327, 339 Arnold, David 38, 127. 278, 300, 315 f., 330, 342, 344 Arnold, Matthew 38, 278, 300, 315 – 317, 330, 342, 344 Ash, Mitchell 226, 332, 348, 361, 363 Ashley, Charles 192 Aston, William 149 Aufrecht, Theodor 27, 314 Aydin, Cemil 190, 311, 319, 325, 356 Baldwin, Roger 201 Banerjea, Pramathanath 164, 210, 350, 360 Banerji, Albani 229, 262, 361, 364 Barakatullah, Muhammad 191 Bat’a, Jan Antonín 165 Becker, Carl Heinrich 107, 138, 338 Bentham, Jeremy 38 Berghahn, Volker 88, 310, 323, 331, 350, 352, 363, 373, 375 Berkeley-Hill, Owen 241 f., 365 Bernstein, Eduard 184 Bethe, Hans 141, 347 Bhabha, Homi 126, 143, 151, 343, 345 f. Bhaduri, Anadhi Nath 104 Bhaduri, Prasanta 104 Bharati, Agehananda (Fischer, Leopold) 212, 260, 262, 265, 333, 339, 360, 368 – 370 Bhattacharyya, Abinash Chandra 229, 334 Bhatti, Anil 93, 333 Blanford, Henry Francis 316 Blavatsky, Helena 68, 223 Bleibtreu, Karl 61, 82, 322 https://doi.org/10.1515/9783110706178-016

Bliokh, Yakov 190 Bloch, Ernst 174, 210, 224, 266, 353, 370 Blochmann, Heinrich 26, 54, 314 Bohr, Niels 141, 143 Böhtlingk, Otto von 44 Bon, Bhakti Hridaya 34 f., 56, 76, 205, 327 f., 332, 358, 362, 374, 377 Bopp, Franz 24 f., 54, 67, 261, 314 Born, Hedwig Ehrenberg 148 – 151, 332, 348 Born, Max 121, 123, 137, 140, 145, 147 – 151, 299, 332, 346, 348 Bose, Ananda Mohan 56, 103, 113 f., 123 f., 129, 131, 134 f., 145, 225 f., 234 – 245, 247, 251 f., 310, 321 f., 336 – 345, 347 f., 356 f., 361, 365 – 367, 371, 373 Bose, Arabindra Mohan 56, 103, 113 f., 123 f., 129, 131, 134 f., 145, 225 f., 234 – 245, 247, 251 f., 310, 321 f., 336 – 345, 347 f., 356 f., 361, 365 – 367, 371, 373 Bose, Debendra Mohan 56, 103, 113 f., 123 f., 129, 131, 134 f., 145, 225 f., 234 – 245, 247, 251 f., 310, 321 f., 336 – 345, 347 f., 356 f., 361, 365 – 367, 371, 373 Bose, Devaprasad 56, 103, 113 f., 123 f., 129, 131, 134 f., 145, 225 f., 234 – 245, 247, 251 f., 265, 310, 321 f., 336 – 345, 347 f., 356 f., 361, 365 – 367, 371, 373 Bose, Girindrasekhar 13, 56, 103, 113 f., 123 f., 129, 131, 134 f., 145, 225 f., 231, 234 – 245, 247, 251 f., 302, 310, 321 f., 336 – 345, 347 f., 356 f., 361, 365 – 367, 371, 373 Bose, Jagadish Chandra 56, 103, 113 f., 123 f., 129, 131, 134 f., 145, 225 f., 234 – 245, 247, 251 f., 310, 321 f., 336 – 345, 347 f., 356 f., 361, 365 – 367, 371, 373 Bose, Nandalal 56, 103, 113 f., 123 f., 129, 131, 134 f., 145, 225 f., 234 – 245, 247, 251 f., 253, 255, 259, 263, 266, 310, 321 f., 336 – 345, 347 f., 356 f., 361, 365 – 368, 371, 373 Bose, Pramatha Nath 56, 103, 113 f., 123 f., 126, 129, 131, 134 f., 145, 225 f., 234 –

Personenregister

245, 247, 251 f., 310, 321 f., 336 – 345, 347 f., 356 f., 361, 365 – 367, 370 f., 373 Bose, Rajsekar 56, 103, 113 f., 123 f., 129, 131, 134 f., 145, 225 f., 234 – 245, 247, 251 f., 310, 321 f., 336 – 345, 347 f., 356 f., 361, 365 – 367, 371, 373 Bose, Rash Behari 56, 102 f., 113 f., 123 f., 129, 131, 134 f., 145, 225 f., 234 – 245, 247, 251 f., 310, 321 f., 336 – 345, 347 f., 356 f., 361, 365 – 367, 371, 373 Bose, Satyendranath 56, 103, 113 f., 123 f., 129, 131, 134 f., 145, 225 f., 234 – 245, 247, 251 f., 310, 321 f., 336 – 345, 347 f., 356 f., 361, 365 – 367, 371, 373 Bose, Subhas Chandra 14, 56, 102 – 104, 112 – 115, 123 f., 129, 131, 134 f., 145, 198 f., 223, 225 f., 234 – 245, 247, 251 f., 310, 321 f., 336 – 345, 347 f., 356 f., 361, 365 – 367, 371, 373 Bothe, Wolfgang 347 Bradley, Benjamin 192, 313, 323 Brandis, Dietrich 34 f., 316 Brandler, Heinrich 200 Breloer, Bernhard 88 – 90, 331 f. Brockway, Fenner 194 f., 201, 357 Brühl, Peter 55, 129 Buchanan, D. H. 128 Bühler, Georg 25 – 30, 43 f., 54 f., 314 f., 318 Burckhardt, Jakob 205, 359 Burnouf, Eugène 72 Butler, Eliza Marian 172, 303, 376 Cama, Bhikaji 51, 58, 100, 320, 354 Cancrin, Georg von 159 Chakravarty, Dhirendranath 55, 136, 346 Chamberlain, Joseph 38 Chatterjee, Partha 204, 311 f., 319, 321, 335, 344, 354, 359 f., 366 Chatterjee, Ramananda 47, 204, 319, 321, 335, 344, 359 Chattopadhyaya, Aghorenath 58, 95 f., 99 – 103, 106, 110 – 112, 322, 335 – 337, 339 f., 359 Chattopadhyaya, Bankim Chandra 47, 58, 95 f., 99 – 103, 106, 110 – 112, 319 f., 322, 335 – 337, 339 f., 359 f.

401

Chattopadhyaya, Debiprasad 58, 95 f., 99 – 103, 106, 110 – 112, 302, 322, 335 – 337, 339 f., 359 Chattopadhyaya, Kamaladevi 58, 95 f., 99 – 103, 106, 110 – 112, 322, 335 – 337, 339 f., 359 Chattopadhyaya, Sarojini Naidu 58, 95 f., 99 – 103, 106, 110 – 112, 322, 335 – 337, 339 f., 359 Chattopadhyaya, Suhasini 58, 95 f., 99 – 103, 106, 110 – 112, 322, 335 – 337, 339 f., 359 Chattopadhyaya, Virendranath 58, 95 f., 99 – 103, 106, 110 – 112, 182, 191 f., 194, 322, 335 – 337, 339 f., 341, 359 Chaudhury, Devika siehe auch Rani, Devika 253 Chowdhury, Jogendra Kumar 55, 361 Conze, Werner 205 Coomaraswamy, Ananda 255 f., 258 f., 266, 270, 339, 367 f., 371 Creuzer, Friedrich 23, 313 Cunningham, Alexander 44 Dacqué, Edgar 83, 329 Dahlke, Paul 75 f., 326 Dange, Shripad Amrit 191, 194, 356 Darling, Malsolm Lyall 168, 352 Das, Rajani Kanta 1 – 4, 11, 19 – 21, 23 f., 34, 36, 38, 41 f., 45, 49 – 53, 59 – 61, 67 f., 72, 74 f., 78 – 82, 87, 91 f., 97 – 99, 101 f., 104 – 106, 110 – 112, 114, 119, 123, 126, 128 f., 133, 136, 138 f., 143 f., 147, 152 – 155, 157 f., 160 f., 165 – 169, 173, 175, 177 f., 182, 184, 186, 189 – 195, 197 f., 201 f., 204 f., 207, 211 f., 214 – 216, 219 – 222, 224, 229 f., 234, 236, 244, 247 f., 251, 255, 257, 259, 261, 263, 269, 271 f., 274 – 279, 282 f., 285 – 287, 291, 298 f., 304, 307 f., 310 – 312, 316, 318, 322 – 324, 326 – 331, 335, 337 f., 346, 351, 353 – 358, 360, 366, 368 f., 372 f. Das, Suresh Chandra 1 – 4, 11, 19 – 21, 23 f., 34, 36, 38, 41 f., 45, 49 – 53, 59 – 61, 67 f., 72, 74 f., 78 – 82, 87, 91 f., 97 – 99, 101 f., 104 – 106, 110 – 112, 114, 119, 123, 126, 128 f., 133, 136, 138 f., 143 f., 147,

402

Personenregister

152 – 155, 157 f., 160 f., 165 – 169, 173, 175, 177 f., 184, 186, 189 – 195, 197 f., 201 f., 204 f., 207, 211 f., 214 – 216, 219 – 222, 224, 229 f., 234, 236, 244, 247 f., 251, 255, 257, 259, 261, 263, 269, 271 f., 274 – 279, 282 f., 285 – 287, 291, 298 f., 304, 307 f., 310 – 312, 316, 318, 322 – 324, 326 – 331, 335, 337 f., 346, 351, 353 – 358, 360, 366, 368 f., 372 f. Das, Taraknath 1 – 4, 11, 19 – 21, 23 f., 34, 36, 38, 41 f., 45, 49 – 53, 59 – 61, 67 f., 72, 74 f., 78 – 82, 87, 91 f., 97 – 99, 101 f., 104 – 106, 110 – 112, 114, 119, 123, 126, 128 f., 133, 136, 138 f., 143 f., 147, 152 – 155, 157 f., 160 f., 165 – 169, 173, 175, 177 f., 184, 186, 189 – 195, 197 f., 201 f., 204 f., 207, 211 f., 214 – 216, 219 – 222, 224, 229 f., 234, 236, 244, 247 f., 251, 255, 257, 259, 261, 263, 269, 271 f., 274 – 279, 282 f., 285 – 287, 291, 298 f., 304, 307 f., 310 – 312, 316, 318, 322 – 324, 326 – 331, 335, 337 f., 341, 346, 351, 353 – 358, 360, 362, 366, 368 f., 372 f. Dasgupta, Binayendra Nath 57 f., 244, 322, 343 Dasgupta, Hemendranath 57 f., 244, 322, 343 Dasgupta, Jnanendra Chandra 55, 57 f., 244, 321 f., 343 Dasgupta, Surendranath 57 f., 244, 251, 322, 343 Datta, Bhupendranath 57, 95 f., 102, 110, 191, 211, 322, 337, 340, 349, 361 Datta, Vinaya 57, 95 f., 102, 222, 349, 361 Davar, Manekji 56, 321 De Lagarde, Paul 63, 67 f., 323, 324 Desai, Anita 223, 363 Deussen, Paul 56, 67, 77, 90, 93, 267, 324 Dev, Satyasundar 58 Devi, Maitreyi 73, 251, 367 Devi, Savitri 73, 223, 341, 367 Devi, Sunayani 73, 263, 266, 367 Dey, Manishi 263 Dharmapala, Anagarika 44, 208 f., 318 Diederichs, Eugen 76, 309, 323, 327, 330 Dix, Arthur 160, 268, 350

Döblin, Alfred 248, 366 Doegen, Wilhelm 106, 338 Drews, Arthur 88, 331 D’Souza, Eugene 221, 362 f. Du Bois, W. E. B. 57, 111, 173 Dutt, Clemens 158, 192, 207, 350, 356, 360 Dutt, Rajani Palme 128, 158, 192, 207, 344, 350, 356, 360 Dutt, Romesh Chunder 157 f., 207, 350, 356, 360 Dvořák, Max 256, 269, 272, 368 Dyhrenfurth, Günter Oskar 62, 283, 373, 379 Eddington, Arthur 130 f., 345 Eggeling, Julius 27 Eickstedt, Egon 86, 91, 330, 332 Eidlitz, Walther 76 Einstein, Albert 13, 108, 123, 129 – 131, 134 – 136, 138, 140, 195, 201, 339, 346, 377 Eliade, Mircea 249, 251, 367 Elias, Norbert 61, 310, 318, 322 Fabian, Johannes 20, 312, 346 Falkenhorst, Carl 41 f. Faltis, Dr. Otto 113 Fanon, Frantz 195, 357 Feistmantel, Ottokar 34, 316 Feniger, Sigmund 75 Ferenczi, Sándor 239, 365 Fermi, Enrico 141 Fernandez, E. E. 39 Feuchtwanger, Lion 77, 328 Fischer, Leopold (Agehananda Bharati) 76, 249, 298, 309, 320, 324, 326, 329, 333, 349 f., 355 f., 359 Forman, Paul 137, 342, 346 Forster, Georg 20 f., 60, 312, 322 Foucault, Michel 8, 10 f., 311, 313 Fowler, Alfred 132, 366 Franz Ferdinand, Erzbischof 1, 71, 325 Freud, Sigmund 13, 65, 73, 108, 140, 225 – 227, 232 – 237, 239 – 241, 245 – 248, 251 f., 363 – 367, 376 Friedrich Wilhelm IV. von Preußen 30 Frobenius, Leo 71, 93, 301

Personenregister

Fuchs, Eduard 192, 356 Führer, Anton 43, 71, 97, 102 – 104, 115 f., 127, 137, 164, 201, 215, 276 Furtwängler, Josef 14, 72, 196 – 200, 357 f., 377 Gadamer, Hans-Georg 188, 194, 311, 329, 355, 357 Gadgil, Dhananjay Ramchandra 155, 349 Gandhi, Mahatma 65, 105, 108 f., 127, 135, 168, 178, 189, 191, 193, 196, 198 f., 207, 233, 302, 319, 339, 341, 346, 348, 357 f., 364 Gandhi, Naval 65, 105, 108 f., 127, 135, 168, 178, 189, 191, 193, 196, 198, 207, 233, 280, 302, 319, 339, 346, 357 f., 372 Ganguly, Ordhendra Coomar 257, 263, 265 f., 365, 370 Garbe, Richard 27, 67, 89, 210, 249, 324, 366 Geddes, Patrick 40, 166, 168, 318, 343, 352 Geiger, Wilhelm 90, 331 Gerschenkron, Alexander 293, 374 Ghoshal, Upendra Nath 210, 360 f. Ghose, H. N. 49, 102, 126 f., 163 Ghosh, Aurobindo 126, 319 f., 322, 337, 361, 376 Ghosh, Jogendra Chandra 47, 126, 319, 322, 337, 361, 376 Gill, Dalip Singh 114, 376 Glasenapp, Helmut von 73, 90, 326 f., 332, 358 Gobineau, Arthur 81, 328 Goetz, Hermann 93, 266 f., 333, 370 Goloubew, Victor 255 Goswami, Shyamsundar 250, 317, 335, 350, 367, 375 Gottschalk, Ellen 337 Govinda, Anagarika 75, 297, 327 Graf Apponyi, Albert 215 Grierson, George Abraham 32 f., 109, 314 f. Griesbach, Eduard 33 Grimm, Georg 75 f., 349, 352 Guha, Ramachandra 35, 258, 316, 356, 363 Guha-Thakurta, Tapati 259, 368 Gundert, Hermann 77 Güntert, Hermann 89 – 91, 332

403

Günther, Hans F. K. 89, 91, 300, 328, 366 Gupta, Akhil 115, 208, 296, 318, 320, 335, 337, 343, 352, 361, 368, 372, 374 f. Gupta, Nalini 114 f., 208, 318, 320, 335, 337, 343, 352, 361, 368, 372 Gueth, Anton Walther Florus 75 f. Haber, Fritz 136 – 140, 346 Hagenbeck, Carl 105 f., 338 Hagenbeck, John 105 f. Haldar, Asit Kumar 265 Hall, G. Stanley 32, 93, 226, 228, 318, 364 Hamid, Khwaja Abdul 103 Hardach, Karl 176, 354 Hardayal, Lala 111, 322, 334 Harms, Bernhard 13, 72, 156, 159 – 164, 180, 349 – 351 Harnack, Adolf von 107, 135 f., 138, 140, 346 Hartnack, Christine 242, 365 Hassan, Zain ul Abidin 113 Hauer, Jakob Wilhelm 89, 249 f., 331, 342, 362, 366 f. Haug, Martin 26, 54, 57, 314 Hauptmann, Gerhart 107 Haushofer, Karl Ernst 13, 203, 213 – 216, 335, 341, 348, 358, 361 f. Havell, Ernest Binfield 258 f. Hecht, Lucie 112, 340 Heimann, Betty 93, 267, 333, 370 Heine, Heinrich 20, 33, 312 f. Heisenberg, Werner 71, 123, 139, 326, 347 Held, Hans Ludwig 15, 51, 74, 108, 130, 175, 178, 223, 326 f., 353 f. Hentig, Werner Otto von 113 Herrigel, Gary 170, 352 Hertel, Johannes 90, 332 Hesse, Hermann 77, 107, 324, 327, 361 Hessen, Erzherzog Ludwig von 71, 325 Hildebrand, Bruno 157 f. Hilferding, Rudolf 186 Himmler, Heinrich 89 Hirschfeld, Magnus 250, 262, 367, 369 Hitler, Adolf 87, 112, 114 f., 213, 223, 332 f., 341 f., 347, 353, 363, 374 Hobson, John 31, 185 f. Hodgson, Brian 80, 328

404

Personenregister

Hoernle, Rudolf 314 Hoffmann, Adolph 184 f., 312, 317, 347, 350 Hoffmann, Ernst Lothar 75, 185, 312, 317, 347, 350 Hoffmann, Johann B. 33, 39, 185, 312, 317, 347, 350 Holitscher, Arthur 65, 72, 189, 324, 355 Hübbe-Schleiden, Wilhelm 63, 68, 323 Huizinga, Johan 250, 367 Hultzsch, Eugen 26, 314 Humboldt, Alexander von 30, 32, 34, 38, 48, 57, 86, 99 f., 230, 300 – 302, 315, 317, 321, 338, 350, 354, 377 Humboldt, Wilhelm von 30, 34, 38, 48, 57, 99 f., 230, 300 – 302, 317, 321, 338, 350, 354, 377 Husain, Zakir 102, 104, 171 – 173, 177 – 181, 337, 352, 354, 358 Hyndman, Henry Mayers 184 Itten, Johannes

107, 261 f., 367, 369

Jacobi, Hermann 55 f., 89 f., 93, 107, 300, 314, 331 Jarausch, Konrad 70, 325 Jasper, Karl 292, 374 Jayaswal, Kashi Prasad 208 f., 360 Joël, Karl 82 f., 330 Jogiches, Leo 185 Jones, William 21 f., 241, 313, 328, 354, 357 Jung, Carl Gustav, 67, 82, 88, 124, 130, 174, 245 – 251, 286, 329, 364, 366 f., 377 Justi, Ludwig 268, 339, 370 Kale, Vaman Govind 158 – 160, 350, 371 Kandinsky, Wassily 256, 262, 268, 367 Karnik, Vasant Bhagvant 200 f., 358 Kazunovskaia, Lidija 337, 340 Keyserling, Hermann 60, 65, 72, 74, 77, 107 f., 322, 324, 326 f., 339 Kheiri, Abdul Jabbar 110, 116, 172, 179 – 181, 340, 352, 354 Kheiri, Abdul Sattar 104, 116, 179 – 181, 340, 352, 354 Kielhorn, Lawrence 26, 28, 54, 314 Kipling, Rudyard 24, 36, 316 Kisch, Egon Erwin 189, 324, 356

Kjellén, Rudolf 213 Klee, Paul 108, 262, 268, 369 Klein, Felix 1, 56, 96, 259, 332 Klemperer, Klemens von 86, 330 Kobatsch, Rudolf 161 f., 350 Koch, Gerhard 282, 288, 372 f. Kol, Henri van 184 Kolwey, Karl 166 f., 349, 351 Königsberger, Otto 299, 333 Konow, Sten 32, 108 f., 174, 339 Kosambi, Damodar Dharmananda 208, 302, 360 Kramrisch, Stella 14, 57, 92 f., 109, 253 – 267, 269 – 273, 284 f., 290, 332 f., 338 f., 367 – 371, 377 Krishna Varma, Shyamji 100 Laak, Dirk van 64, 313, 323, 353 Lamprecht, Karl 138 Lassen, Christian 72 Laue, Max von 129, 141, 347 Lawson, Robert 131 Ledebour, Georg 184 f. Lenin, Wladimir I. 183 – 185, 191, 330, 354 Lesný, Vincenc 109 Lessing, Theodor 187 f., 195, 355 Leszczynski, Georg L. 221 f. Lévi, Sylvain 109 Lindenfeld, David 11, 311, 321, 363 List, Friedrich 103, 114, 157 f., 160, 263, 268, 283, 314, 337, 342, 350 Lockyer, Norman 130 Lohia, Ram Monohar 104, 182, 192 f., 337, 356 Lommel, Herman 90, 332 Lovestone, Jay 201 f. Lüders, Heinrich 28 f., 89 f., 108, 268, 331 Lukács, Georg 182, 339, 354 f. Luxemburg, Rosa 184 – 186, 355 Mackenzie, Millicent 57 Mackinder, Halford John 36 Madan, J. J. 273 – 275, 287, 349 Madan, Jamshedi Frami 273 – 275, 287, 349 Maier, Charles 4, 310, 329, 362 Maine, Henry 36, 178, 316 Mainländer, Philip 66, 324

Personenregister

Malaviya, Madan Mohan 127, 154 Malik, Abdul Rauf 115 Mann, Bernhard Keller 55, 78, 81, 115, 148, 247 Mann, Gustav 35, 55, 78, 81, 115, 148, 247 Mann, Thomas 55, 74, 77 f., 81, 107, 115, 148, 247, 329 Manto, Saadat Hasan 288, 373 Marchand, Suzanne 74, 311, 313, 321, 324 – 326, 329 – 331 Marx, Karl 182 f., 186 f., 354, 357 Maugham, Somerset 111 Mayhew, Arthur 38, 317 Mazumdar, Kiran 263, 312, 319, 361 Medlicott, Henry Benedict 316 Mehta, Vaikunth 39, 317, 363, 374 Meinecke, Friedrich 205, 354, 359 Meyer-Benfey, Heinrich 109 Miller, Oskar von 72, 164, 313, 332, 348, 367, 369 Mirza, Babar 104 Mitra, Prafullchandra 44, 56, 228, 318, 321, 364 Mitra, Rajendralal 44, 228, 318, 321, 364 Mitra, Suhrit Chandra 44, 56, 228, 230, 318, 321, 364 Mitter, Partha 258, 338, 367 – 369 Moeller van den Bruck, Arthur 82 f., 330 Molisch, Hans 71, 326 Mondal, Panchanan 266, 370 Monier-Williams, Monier 31, 314 Mukherjee, Asutosh 2, 52 – 57, 127, 129, 132, 145, 167 – 171, 227, 234, 302, 309, 319, 321 f., 335, 337, 341, 343, 345, 352, 360 f., 366, 368 Mukherjee, Bāgha Jatin 2, 52 – 57, 71, 129, 167 – 171, 302, 319, 321 f., 335, 337, 341, 343, 345, 352, 360 f., 366, 368 Mukherjee, Radhakamal 2, 52 – 57, 129, 166 – 171, 178, 180, 229, 302, 319, 321 f., 334 f., 337, 341, 343, 345, 349, 351 f., 360 f., 366, 368 Mukherjee, Satish Chandra 2, 52 – 57, 97, 126, 129, 167 – 171, 302, 319, 321 f., 335, 337, 341, 343, 345, 352, 360 f., 366, 368 Mukherji, Asit Krishna 222, 289, 357, 374 Mukherji, Sashadhar 289, 357, 374

405

Mukhopadhyay, Bhudeb 47 f., 318 Müller, Friedrich Max 25 – 28, 31 f., 36, 43, 55, 67, 72, 81, 86 f., 157, 211, 248, 300, 314, 318, 324, 328, 331, 338, 366, 372, 374 Münsterberg, Hugo 226, 228 f. Münzenberg, Willi 189, 192, 194, 356 f. Nag, Kalidas, 58, 98, 116, 143, 210 f., 322, 327, 335, 339, 344, 360, 370 Nag(chaudhuri), Basanti Dulal 143, 344 Naidu, Jayasurya 103, 112, 335 f., 341 Nambiar, Arathil Candeth Narayanan 99, 102, 106, 112, 115, 335, 337, 341 Narain, Brij 160, 166, 350 Natorp, Paul 2, 83, 109, 309, 330 Naumann, Friedrich 42, 138, 312, 324, 329 Nehru, Jawaharlal 99, 102 f., 135, 151, 194 – 196, 295 f., 297, 335, 337, 340, 346 f., 357, 375, 377 Nehru, Motilal 99, 102, 195, 295, 297, 335, 337, 340, 346, 357, 375, 377 Nell, Conrad 75 Neogy, Prithwish 265 Nernst, Walther 13, 120, 132 f., 135 f., 138, 345 f. Neumann, Franz 67, 333 Neumann, Karl Eugen 67, 74, 76 f. Nicholson, Frederick 39, 317 Nietzsche, Friedrich 20, 24, 67, 76, 81, 312, 324, 329 Nolan, Mary 197, 328, 358 Obeidullah, Muhammad 116 Obst, Erich 216, 362 Olden, Rudolf 106, 338 Oldenberg, Hermann 27, 54, 67, 73, 82, 326 Oppenheim, Max von 95, 99, 174, 321, 353 Oppert, Gustav 26, 314 Osten, Franz 20, 22, 29, 31, 60, 67 f., 72, 80 f., 84, 86, 88, 93, 95, 105 f., 115, 156, 159, 172 f., 175, 186, 188 – 191, 196, 204, 213, 215, 233 f., 253 f., 261 – 264, 270, 277 f., 281 – 285, 288 f., 290, 294, 300 f., 303, 306, 309, 326, 331, 361, 371 – 373 Osten, Peter 20, 22, 29, 31, 60, 67 f., 72, 80 f., 84, 86, 88, 93, 95, 105 f., 115, 156,

406

Personenregister

159, 172 f., 175, 186, 188 – 191, 196, 204, 213, 215, 233 f., 253, 261 – 264, 270, 278, 281 – 283, 285, 288 f., 294, 300 f., 303, 306, 309, 326, 331, 361, 373 Otto, Rudolf 33, 71, 79 f., 199, 294, 328, 330 f., 355, 375 Pal, Niranjan 253 f., 276 – 278, 281, 285 f., 339, 368, 372 Panikkar, Kavalam Madhava 210, 295, 374 Panofsky, Erwin 270 Pareenja, R. D. 288 Pearson, Karl 38, 317 Peters, Carl 63 f., 323 Phalke, Dadasaheb 273, 372 Phinney, Archie 112, 341 Pillai, Champakaraman 174, 217, 351, 359 Pischel, Richard 29, 54, 89, 108 Planck, Max 123, 129, 136, 138, 140 – 142, 147, 345 – 348, 377 Plugk-Harttung, Julius von 318 Pohle, Horst 221 f. Pollock, Sheldon 81, 88, 211, 313, 329 – 331, 341, 361 Portas, Maximiani 222 Prabhakar, Moreshwar 55, 126 Prasad, Games 56, 317, 320, 356, 361, 375 Pratap, Mahendra 116 Przyluski, Jean 210 Rahman, Habibur 113, 115 Rai, Himanshu 14, 253 f., 274, 276 – 281, 285, 288, 290, 356, 371, 373 Ramadan, Mohammed Hafiz 194 f. Raman, Chandrasekhara Venkata 121, 123 f., 126 f., 129, 140 f., 145 – 152, 309, 343, 348 Ranade, Mahadev Govind 158, 164, 350 Rani, Devika 253, 274 f., 277, 281, 285 – 288, 290, 367, 371, 373 Rapson, Edward James 208, 360 Ratzel, Friedrich 169, 213 f., 361 Ray, Niharranjan 265, 371 Ray, Niharranjan 44, 55, 58, 127 f., 166, 210, 243, 265, 289, 318, 320 f., 335 – 338, 340, 344, 346 – 348, 351, 360 f., 371, 375

Ray, Prafulla Chandra 44, 55, 58, 127 f., 166, 210, 243, 289, 318, 320 f., 335 – 338, 340, 344, 346 – 348, 351, 360 f., 375 Ray, Satyajit 44, 55, 58, 127 f., 166, 210, 243, 289, 318, 320 f., 335 – 338, 340, 344, 346 – 348, 351, 360 f., 375 Reitz, Edgar 72, 326 Reventlow, Ernst Graf zu 174, 217, 330, 353, 362 Ribbentrop, Berthold 35, 316 Riegl, Alois 256, 261, 269 Rilke, Rainer Maria 77, 327 Rodgers, Daniel 38, 197, 311, 317, 325, 336, 358 Rohrbach, Paul 42, 64, 309, 318, 323, 355 Rolland, Romain 58, 195, 232 f., 236, 364 Ross, Colin 72, 284, 373 Rost, Ernst Reinhold 25, 31, 314 Roth, Rudolf von 30, 44, 318 Rothenstein, William 257, 368, 371 Roy, Charu 14, 47, 52, 100, 103 f., 110 f., 135, 182, 191 – 193, 200 f., 289, 320 – 322, 328, 334 f., 337, 340, 343, 345 f., 349, 356 – 359, 361 Roy, Dilip 14, 47, 52, 100, 102 – 104, 110 f., 135, 182, 191 – 193, 200 f., 320 – 322, 328, 334 f., 337, 340, 343, 345 f., 349, 356 – 359, 361 Roy, Manabendranath 14, 47, 52, 100, 103 f., 110 f., 135, 182, 191 – 193, 200 f., 320 – 322, 328, 334 f., 337, 340, 343, 345 f., 349, 356 – 359, 361 Roy, Satish Chandra 14, 47, 52, 56, 100, 103 f., 110 f., 135, 182, 191 – 193, 200 f., 320 – 322, 328, 334 f., 337, 340, 343, 345 f., 349, 356 – 359, 361 Roy, Tarachand 14, 47, 52, 56, 100, 103 f., 110 f., 135, 182, 191 – 193, 200 f., 320 – 322, 328, 334 f., 337, 340, 343, 345 f., 349, 356 – 359, 361 Ruben, Walter 89, 93, 300 – 302, 331, 333, 376 Rutherford, Ernst 146, 149, 348 Sadler, Michael

52 f., 321

Personenregister

Saha, Meghnad 13, 56, 104, 120 f., 123 f., 126, 129 – 136, 139, 141 – 144, 147 – 152, 320, 336 f., 343 – 348 Said, Edward 8, 310 f., 313, 364 f. Saklatvala, Shapurji 100, 103, 192, 336 Sarkar, Benoy Kumar 13, 55, 97 f., 104, 110, 116, 160, 162 – 166, 170 f., 180, 203, 216, 219, 223, 263 f., 268, 312, 319 – 322, 334, 337 f., 340, 350 f., 359, 361 f., 364, 369 f. Saxl, Fritz 269 f., 272 Schenkl, Emilie 113 Schiller, Otto 294 Schlagintweit, Hermann 29 f., 72, 315 Schlagintweit, Robert und Adolf 29 f., 315 Schlegel, Friedrich 22, 24, 67, 313 Schlich, Wilhelm 35 Schmitt, Carl 33, 303 f., 351, 376 Schmoller, Gustav 173, 317, 352 Schopenhauer, Arthur 66 – 68, 249, 324 Schorske, Carl 120, 315, 318, 325, 331, 342, 364 Schrödinger, Erwin 121 – 123, 147, 343, 348 Schroeder, Leopold von 76, 84, 256, 330 Schroeder-Gudehus, Brigitte 136, 343 f., 346 Schuchhardt, Carl 83, 91 Schulze-Gaevernitz, Gero von 172 Schumacher, Hugo 51, 193 Schumpeter, Joseph 159, 350 Seal, Brajendranath 52, 168, 227, 243, 321 Segal, Zohra 274, 371 Seidenstücker, Karl 67, 74 f., 326 Sengupta, Narendra Nath 227 – 231, 314, 322, 334, 363 f. Seth, Suman 137, 346 f., 354 Seth, Vikram 104, 337, 347, 354 Seydel, Rudolf 73 Shaikh, Tayab 103 Sherry, Jay 246, 366 Singh, Brajesh 76, 103, 219, 327, 340, 342, 344, 347 Singh, Hilde 76, 111, 219, 327, 340, 342, 344, 347 Singh-Aluwaliya, Shiodeo 111 Sinzheimer, Hugo 197 Sircar, Mahendra Lal 126

407

Smedley, Agnes 111 f., 337 f., 340 Smith, Adam 156 – 159, 171, 208, 275, 317, 323 f., 349, 360 Smith, Vincent Arthur 157 f., 208, 275, 317, 323 f., 360 Soden, Julius von 159 Sodhi, Kripal Singh 230, 364 Sombart, Werner 64, 171 – 180, 352 – 354 Sommerfeld, Arnold 71, 137, 139, 141, 326, 347 Spengler, Oswald 33, 81 f., 329 Spratt, Philip 192 Sprenger, Aloys 26, 314 Spreti, Karl von 254, 283 Steiler, Ida 337 Stein, Aurel 27, 30 f., 210, 314 f., 329, 332, 346 Strauss, Otto 55, 282 Strzygowski, Josef 69, 84 f., 91, 109, 254, 256 – 258, 261, 266, 269 f., 273, 325, 330, 339, 368, 370 Sturz, Johann Jakob 63 Suhrawardy, Shaheed Hasan 208, 211 Sun Yat-Sen 194, 199 Sur, Abha 328, 344, 348 Tagore, Abanindranth 13, 77, 83, 106 – 108, 243, 253, 259 f., 262 f., 265, 268, 272, 285, 312, 338 f., 346, 361, 369 f., 373 Tagore, Gaganendranath 13, 77, 83, 106 – 108, 243, 259 f., 262 f., 265 f., 268, 272, 285, 312, 338 f., 346, 361, 369 f., 373 Tagore, Rabindranath 2, 13 f., 52, 76 f., 83, 102, 106 – 108, 112, 135, 145, 166, 206 – 208, 211 f., 228, 243, 253, 255, 257, 259, 261 – 263, 265, 268, 272, 274, 276, 285, 301 f., 309, 312, 322, 327, 330, 335, 338 f., 346, 359 – 361, 367 f., 369 f., 373, 376 Tagore, Soumendranath 13, 77, 83, 106 – 108, 112, 243, 259 f., 262 f., 265, 268, 272, 285, 312, 338 f., 346, 361, 369 f., 373 Tata, Jamshed 51, 146, 151, 153, 229, 348 f. Teske, Hilmar 78, 328 Thalheimer, August 186 f., 200 f., 355, 358 Thibaut, Georg 27, 55

408

Personenregister

Thiemann, Wilhelm 189 Thierfelder, Franz 203, 206, 217 – 220, 362 Thoms, Hermann 139 Tichy, Herbert 87, 331 Tirpitz, Alfred von 41, 64, 318, 323 Titchener, Edward 228 Trautmann, Thomas 81, 328, 331, 360 Treitel, Corinna 68, 323 f., 328 Trent, Evelyn 111, 337 Tribe, Keith 157, 350 Trick, Ludwig 39 Trotzki, Leo 355 Trott zu Solz, Adam von 113, 199, 341, 358 Tucci, Giuseppe 109, 249 Tull, Herman 26, 314 Unger, Corinna

Wegener, Alfred 64 Weiss, Leopold 93, 333 Wigman, Mary 70, 325 Wilamowitz-Moellendorf, Ulrich von 4 Wilhelm, Richard 1 f., 30, 32 f., 40, 54, 60, 71, 101 f., 107, 110, 121, 128, 134 – 136, 138 – 141, 146 – 148, 150, 158, 165, 248, 310, 313, 315, 318, 320, 326, 333 f., 336, 346 – 348, 354, 358 Wilhelm II. 1, 41 f., 64, 70 f., 319 Wilson, Horace H. 25, 320, 359 Winternitz, Moriz 27, 32, 109, 210, 314 f., 339, 360 Wirsching, Josef 254, 281, 283 f., 367 Wundt, Wilhelm 226, 228 – 230, 232, 261 Wüst, Walther 29, 31, 34, 89 f., 180, 331 f.

295, 346, 374 Yule, Henry

Veblen, Thorstein 309 Visvanathan, Shiv 127, 344 Visvesvaraya, Mokshagundam 127, 382 Voigt, Johannes 93, 318, 333, 341 f., 360, 376 Vowinckel, Kurt von (Kurt Wolff) 76, 331 Wagner, Adolph 74, 78, 158, 210 Walker, E. S. F. 39, 315 – 317, 347 Weber, Albert 44, 79, 326, 339 Weber, Max 12, 74, 79, 187, 311, 326, 328, 339

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Zemlinsky, Alexander 77, 327 Ziegler, Leopold 82 f., 329 f. Zils, Paul 189, 297 f., 356, 375 Zimmer, Heinrich 92, 178, 249 f., 266 f., 313, 332, 367, 370 Zimmern, Alfred Eckhard 4, 310 Ziya, Hilmi 172 Zweig, Stefan 25, 29, 73, 77, 84, 91, 249, 300, 328