Wissensräume im Wandel: Eine Geschichte der deutsch-französischen Tabakforschung (1780-1870) [1 ed.] 9783412518141, 9783412518127

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Wissensräume im Wandel: Eine Geschichte der deutsch-französischen Tabakforschung (1780-1870) [1 ed.]
 9783412518141, 9783412518127

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PERIPHERIEN Beiträge zur Europäischen und Globalgeschichte

Herausgegeben von Christof Dejung, Johannes Feichtinger, Antje Flüchter, Martin Lengwiler, Ulrike Lindner, Bernhard Struck und Jakob Vogel

Band 6

Die Reihe »Peripherien« versteht sich als Beitrag zur Erneuerung der europäischen Geschichte. Sie greift transnationale, postkoloniale oder globalhistorische Ansätze auf, um die Geschichte Europas global einzubetten. Zugleich interessiert sie sich für die vermeintlich peripheren Felder der europäischen Geschichte seit der Frühen Neuzeit. Die Peripherien der europäischen Geschichte bieten einen innovativen Standpunkt für neue Einsichten auf vermeintlich Vertrautes. Die Beschäftigung mit Randzonen – geografischen wie intellektuellen stellt traditionelle historiografische Narrative der europäischen Moderne (etwa zur Industrialisierung, Urbanisierung, Demokratisierung) in Frage und sucht nach neuen Wegen jenseits eines methodologischen Nationalismus. Die Reihe leistet damit einen Beitrag zur Dezentrierung und Provinzialisierung der europäischen Geschichte. Die Herausgeber

Alexander van Wickeren

WISSENSRÄUME IM WANDEL Eine Geschichte der deutsch-französischen Tabakforschung (1780 –1870)

BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR

 Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein. Bei dem Buch handelt es sich um eine von der Philosophischen Fakultät der Universität

zu Köln angenommene Dissertation.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek    : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie    ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2020 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Lindenstraße 14, D-50674 Köln Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung  : A tobacco plant (Nicotiana tabacum), its flowers and seeds, bordered by six scenes illustrating its use by man. Coloured lithograph, c. 1840 (Ausschnitt); Autor: Wellcome Library, London; Photonummer: V 44754; Systemnummer: b11859039; Aktennummer: 28060i Korrektorat  : Constanze Lehmann, Berlin Satz  : büro mn, Bielefeld Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-51814-1

Inhalt 1. Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Wissen, Raum, Objekt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Netzwerke und Verbindungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3. Zentren und Peripherien  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4. Geltung und Fragmentierung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5. Translokale Geschichte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Napoleonische Verbindungen: Die Entstehung einer rheinischen Tabakforschung um 1800  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1. Das Elsass als rheinisches Forschungszentrum  . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Rheinische Tabakforschung und das 18. Jahrhundert  . . . . . . . . . . 2.3. Nationalisierung der Reformkultur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4. Zentralisierung im napoleonischen Imperium?  . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Naturwissenschaften und praktisches Wissen: Die botanische Tabakforschung im Rheinland  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. Ökonomische Botanik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Agrikulturchemie um 1800  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3. Praktisches Wissen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Weltmarkt, Wissenschaft und Revolution: Rheinische Tabakforschung zur Mitte des 19. Jahrhunderts  . . . . . . . . 4.1. Regionale und globale Zigarrenwirtschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2. Wissenschaftsrhetorik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3. Die Revolution von 1848/49  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5. Nationale Kubanisierung und atlantische Wissenszirkulation im französischen Tabakmonopol  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1. Nationale Kubanisierung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2. Betrügerischer Atlantikhandel  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3. Chemie und Produktqualitäten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4. Atlantische Expertenkultur  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

6. Wissenskonkurrenz am Oberrhein: Die Globalisierung der Region und die Aneignung der Pariser Reformpolitik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1. Atlantische Emigration  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2. Pottasche, Potash, Kali  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3. Sorten/Trocknung: Wissenspatente  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4. Guano und regionaler Dissens  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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7. Nationalisierung und Abschottung: Das Scheitern einer partizipativen Tabakforschung in Frankreich  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 7.1. Nationale Intermediäre  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 7.2. Abgrenzungsrhetorik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 7.3. Exklusive Experimente  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 7.4. Zurückweisung regionalen Wissens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 8. Regional, National, Global? Fazit und Ausblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1. Netzwerke und Verbindungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2. Zentren und Peripherien  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3. Geltung und Fragmentierung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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9. Dankwort  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 10. Abbildungs-, Quellen- und Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1. Abbildungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2. Unpublizierte Quellen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3. Publizierte Quellen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4. Literatur  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5. Unveröffentlichte Vorträge und Manuskripte  . . . . . . . . . . . . . . . . .

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11. Register  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1. Ortsregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2. Personenregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3. Sachregister  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Einleitung An der östlichen Grenze des französischen Kaiserreichs erschien im Verlag von Johann Georg Heyse in Bremen 1810 ein von Georg Christian Bocris verfasstes Buch mit dem Titel Ueber die Verbesserung der Tabaks-­Kultur in Europa 1, an dem sich die Bedeutung unterschiedlicher räumlicher Horizonte ablesen lässt, unter deren Eindruck die Schrift entstanden war. Bocris konzipierte das Buch mit Blick auf die „nordamerikanischen Provinzen in Virginien und Maryland“ 2, gleichzeitig aber auch die regionalen Welten des Departements des Bouches-­du-­ Weser sowie die Ausdehnung des napoleonischen Imperiums in Europa. Bocris sah den in Europa kultivierten Tabak als Wissensobjekt, der „durch eine […] bessere Behandlung in einem […] hohen Grad veredelt“ werden könnte.3 Die für „Pflanzer, Kaufmann und Fabrikant“ wichtige anwendungsbezogene Erforschung des Tabakanbaus, so suggeriert die Schrift, war jenen raumordnenden Prozessen eingeschrieben, die die Scharnierzeit z­ wischen Früher Neuzeit und Moderne in vielfältiger Weise prägten. Die vorliegende Arbeit setzt an dieser Stelle an und widmet sich, vor allem mit Blick auf Tabakforscher aus dem Elsass sowie aus Baden und Paris, regionalen, nationalen und globalen Zusammenhängen agrarischer Wissensproduktion im deutsch-­französischen Kontext der breiteren „Sattelzeit“, jener Übergangsphase zur Moderne ­zwischen dem späten 18. und der Mitte des 19. Jahrhunderts.4 Der Tabak bietet sich dazu an, weil sich Pläne und Praktiken zu dessen ‚Verbesserung‘ als Teil einer breiteren landwirtschaftlichen Reformbewegung mehr oder weniger in dieser Zeitspanne herausbildeten und intensivierten. Die Erforschung 1 Das Buch wurde bereits 1812 zum zweiten Mal aufgelegt: Georg Christian Bocris, Ueber die Verbesserung der Tabaks-­Kultur in Europa, Bremen 1812, S. 4. 2 Ebd., S. 5. 3 Ebd., S. 4. 4 Reinhart Koselleck, Einleitung, in: Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-­sozialen Sprache in Deutschland, Band 1, Stuttgart 1979, S. XIII–XXVII, hier S. XV; für eine neue Adaption des Sattelzeit-­Konzepts aus globalgeschichtlicher Perspektive etwa: Stefanie Gänger, Mikrogeschichten des Globalen. Chinarinde, der Andenraum und die Welt während der „globalen Sattelzeit“ (1770 – 1830) in: Boris Barth/Niels Petersson/Stefanie Gänger (Hg.), Globalgeschichten. Bestandsaufnahme und Perspektiven, Frankfurt am Main (u. a.) 2014, S. 19 – 40.

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Einleitung

der Landwirtschaft war in der Sattelzeit kaum von ihrer praktischen Reform zu trennen. Debatten über die Einführung neuer Pflanzensorten, die Bedeutung verschiedener Dünger oder andere, zu optimierende landwirtschaftliche ‚Routinen‘ bestimmten die Zielsetzungen von Reformern in staatlichen Verwaltungen und Akademien, ­später auch in wissenschaftlichen Forschungsinstitutionen. Ausgehend von diesen Orten verdichtete sich am Ausgang der Frühen Neuzeit ein neuer, vom Paradigma der „Nützlichkeit“ 5 geleiteter „technisch-­ökonomischer Blick“ 6 auf die Natur. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts erweiterte sich die zunächst von Verwaltungsbeamten, Gelehrten und Großbauern getragene Landwirtschafts­ reform um stärker akademisch ausgebildete, professionelle Naturwissenschaftler, etwa aus dem Bereich der entstehenden Agrikulturchemie. Was als „Agricultural Enlightenment“ 7 oder „Ökonomische Aufklärung“ 8 begann, differenzierte sich in der Zeit nach 1800 weiter aus und brachte neue Hierarchien, Kommunikationsweisen und Formen landwirtschaftlichen Wissens hervor.9 Zwar e­ ntstanden erst 5 André Holenstein/Hubert Steinke/Martin Stuber, Introduction. Practices of Knowledge and the Figure of the Scholar in the Eighteenth Century, in: André Holenstein (Hg.), ­Scholars in Action. The Practice of Knowledge and the Figure of the Savant in the 18th Century, Band 1, Leiden (u. a.) 2013, S. 1 – 41, hier S. 19 – 21. 6 Günter Bayerl, Die Natur als Warenhaus. Der technisch-­ökonomische Blick auf die Natur in der Frühen Neuzeit, in: Sylvia Hahn (Hg.), Umwelt-­Geschichte. Arbeitsfelder – Forschungsansätze – Perspektiven, Wien 2001, S. 33 – 52; dazu auch Emma C. Spary, The ‚Nature‘ of Enlightenment, in: William Clark/Jan Golinski/Simon Schaffer (Hg.), The Sciences in Enlightened Europe, Chicago 1999, S. 272 – 304; zur „Ordnung der Natur“ in der Sattelzeit siehe das gleichnamige Kapitel 3 bei Julia Angster, Erdbeeren und Piraten. Die Royal Navy und die Ordnung der Welt 1770 – 1860, Göttingen (u. a.) 2012. 7 Peter M. Jones, Agricultural Enlightenment. Knowledge, Technology, and Nature, 1750 – 1840, Oxford 2016. 8 Marcus Popplow, Die Ökonomische Aufklärung als Innovationskultur des 18. Jahrhunderts. Zur optimierten Nutzung natürlicher Ressourcen, in: Ders. (Hg), Landschaften agrarisch-­ ökonomischen Wissens. Strategien innovativer Ressourcennutzung in Zeitschriften und Sozietäten des 18. Jahrhunderts, Münster (u. a.) 2010, S. 3 – 48; Marcus ­Popplow, Knowledge Management to Exploit Agrarian Ressources as Part of Late-­Eighteenth-­Century Cultures of Innovation. Friedrich Casimir Medicus und Franz Paula von Schrank, in: Annals of Science 69 (2012), S. 413 – 433. 9 Frank Uekötter, Die Wahrheit ist auf dem Feld. Eine Wissensgeschichte der deutschen Landwirtschaft, 3. Auflage, Göttingen (u. a.) 2012; Stefan Brakensiek, Das Feld der Agrarreformen um 1800, in: Eric J. Engstrom/Volker Hess/Ulrike Thoms (Hg.), Figurationen des Experten. Ambivalenzen der wissenschaftlichen Expertise im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert, Frankfurt am Main (u. a.) 2005, S. 101 – 122.

Einleitung

um 1900 jene naturwissenschaftlichen Forschungsinstitute, an denen oftmals der Beginn einer „Wissensgesellschaft“ festgemacht wird.10 Jedoch zeigt sich mit breiterem Blick auf den schon im Zeitalter der Revolutionen prägenden Einfluss botanischer Gärten, Gelehrtengesellschaften und Versuchsgüter, dass naturwissen­schaftliches Wissen auch im Bereich der Landwirtschaft allmählich begann, Theorien, Denkbilder und Argumente zu rekonfigurieren.11 In d ­ iesem Zusammenhang entstanden differenzierte Wissensbestände und Reformprojekte zu einzelnen Pflanzen. Das schloss einheimische Floren wie auch importierte Spezies ein, die als Ressourcen für die verarbeitenden Gewerbe in Europa angebaut wurden.12 Die sogenannten Handelspflanzen wurden zu Gegenständen von Experten, die zur finanziellen Konsolidierung europäischer Herrscher oder zum Wohl der Bevölkerungen beitragen wollten 13, aber auch den kapitalistischen Interessen von Unternehmen dienten. Spätestens mit Aufkommen der Handelsungewissheiten im Atlantik des Revolutionszeitalters wurde der schon seit Ende des Dreißigjährigen Krieges in Europa betriebene Tabakanbau ein fester Bestandteil der von Reformern und Experten anvisierten Pflanzenwelt. Eng damit verbunden war, dass der europäische Tabak einen zunehmend höheren Stellenwert in den verarbeitenden Tabakgewerben genoss. In naturräumlich so unterschiedlichen Gebieten wie der britischen Provinz Schottland oder dem osmanischen Syrien 14, aber auch in ähnlichen, wie den Rheinregionen der Niederlande, Badens oder des Elsass, wurde der ‚einheimische‘ Tabak zu einem wichtigen Substitut für Rohtabake aus dem atlantischen Raum. 10 Etwa Margit Szöllösi-­Janze, Wissensgesellschaft in Deutschland. Überlegungen zur Neubestimmung der deutschen Zeitgeschichte über Verwissenschaftlichungsprozesse, in: Geschichte und Gesellschaft 30 (2004), S. 277 – 313. 11 Siehe etwa Jones, Agricultural Enlightenment. 12 Mit Blick auf Baumwollstauden: Joseph Horan, Napoleonic Cotton Cultivation. A Case Study in Scientific Expertise and Agricultural Innovation in France and Italy, 1806 – 1814, in: Sharon Kingsland/Denise Phillips (Hg.), New Perspectives on the History of Life Sciences and Agriculture, Cham (u. a.) 2015, S. 73 – 91; mit Blick auf Indigo: Anja ­Timmermann, Indigo. Die Analyse eines ökonomischen Wissensbestandes im 18. Jahrhundert, Stuttgart 2014. 13 Lothar Schilling/Jakob Vogel (Hg.), Transnational Cultures of Expertise. Knowledge and the Rise of the Modern State, Berlin (u. a.) 2019. 14 Murphey Rhoads, Tobacco Cultivation in Northern Syria and Conditions of its Marketing and Distribution in the late Eighteenth Century, in: Turcica. Revue d’Études Turques 17 (1985), S. 205 – 226.

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Einleitung

Ein ansteigender, sich wandelnder Konsum von Tabakprodukten befeuerte die Ausdehnung des Anbaus. Mit der Entstehung von Konsumgesellschaften während des 18. und 19. Jahrhunderts wurden vormalige „Luxusprodukte“ wie Tee, Schokolade oder Tabak einer größeren Menge von Menschen zugänglich.15 Der ‚Massenkonsum‘ von Tabak hatte schon in der Frühen Neuzeit dazu geführt, dass die Pflanze zunehmend weniger als „Medikament“ denn als „Genussmittel“ klassifiziert wurde, ohne dass ihre bei Übergenuss schädliche Wirkung in Vergessenheit geriet.16 Das galt für Schnupf-, Pfeifen- wie für Zigarrentabak. Es blieb letztlich immer der Traum der Agrarexperten, europäische Tabake an die Erwartungen von Konsumenten anzupassen, die an die Produktqualitäten aus der ‚Neuen Welt‘ gewöhnt waren. Noch am Vorabend der Französischen Revolution waren in Frankreich etwa 90 Prozent der verarbeiteten Rohtabake aus Nordamerika bezogen worden.17 Die in ­diesem Zusammenhang entstehenden landwirtschaftlichen Reformprojekte waren nicht auf Europa oder den engeren deutsch-­französischen Kontext beschränkt. Obwohl der Tabak vor allem aus wirtschafts- und konsumgeschichtlicher Perspektive in den Blick der Forschung gerückt ist, liegen einige wenige Forschungsergebnisse zur Geschichte der ‚Verbesserung‘ des Tabakanbaus im

15 Zur Konsumgesellschaft des 18. Jahrhunderts im Bezug zum Tabak siehe die Arbeit von Michael Kwass, Contraband. Louis Mandrin and the Making of a Global Underground, Cambridge (u. a.) 2014, insbesondere Kapitel 1; zur Geschichte der Konsumgesellschaft generell: Maxine Berg/Helen Clifford (Hg.), Consumers and Luxury. Consumer Culture in Europe 1650 – 1850, Manchester 1999; Neil McKendrick/John Brewer/J. H. Plumb (Hg.), The Birth of a Consumer Society. The Commercialization of Eighteenth-­Century England, London 1982; John Brewer (Hg.), Consumption and the World of Goods, London 1994. 16 Annerose Menninger, Tabak, K ­ affee, Tee und Schokolade in Wissenskulturen der ­Frühen Neuzeit, in: Zeitenblicke 8 (2009), URL : , [Eingesehen am 17. 09. 2019]; Martina Christine Enke, Über die Bedeutung des Tabaks in der europäischen Medizin vom 16. bis ins 20. Jahrhundert, Berlin 1998; Didier Nourrisson, Tabagisme et antitabagisme en France au XIX e siècle, in: Histoire, Économie et Société 7 (1988), S. 535 – 547; Thomas Hengartner/Christoph Merki, Heilmittel, Genussmittel, Suchtmittel. Veränderungen in Konsum und Bewertung von Tabak in der Schweiz, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 43 (1993), S. 375 – 418. 17 Marc Vigié/Muriel Vigié, L’herbe à Nicot. Amateurs de tabac, fermiers généraux et contrebandiers sous l’Ancien Régime, Paris 1989, S. 153 – 180 und S. 187.

Einleitung

Königreich Polen 18 oder den italienischen Staaten 19, aber auch den USA 20 oder den ehemaligen Gebieten des spanischen Imperiums 21 vor. In vielen Teilen der Welt, so suggerieren diese Arbeiten, forcierten Forscher die Ausbreitung und Optimierung des Tabakanbaus in nahezu synchroner Weise. Tabak war bis 1800 außerhalb der Amerikas vor allem zu Subsistenzzwecken und regionalem Handel angebaut worden, wie Jordan Goodman in seiner einzigartigen Weltgeschichte des Tabaks skizziert hat.22 Im Laufe des 19. Jahrhunderts entstanden jedoch zahlreiche neue Tabakanbaugebiete, etwa im kolonialen Indonesien und s­ päter auch in Afrika, die in überregionale Märkte integriert wurden. Tabakforscher waren mit mehr und mehr Möglichkeiten konfrontiert, sich über die Grenzen ihrer engeren lokalen Kreise hinaus zu vernetzen. Die Moderne generierte neue Potentiale des Austauschs und der Verflechtung, auf regionaler, nationaler und globaler Ebene. Es ist jedoch weitgehend unklar, w ­ elche Bedeutung der von der Forschung für den Zeitraum betonten Nationalisierung der Wissenschaften in Europa dabei letztlich zukam. Anschließen lässt sich in dieser Hinsicht an eine Reihe vor allem seit den 1990er-­Jahren entstandener Arbeiten, die die räumliche Organisation von Wissenschaft seit dem späten 18. Jahrhundert durch die Entstehung „nationaler Kommunikationsräume“ 23 geprägt sehen. Folgt man diesen Studien, dann waren es imaginierte nationale Geographien, die räumliche Muster von Briefaustausch und Reisen 24 sowie die Entstehung spezifischer nationaler 18 Curtis Carroll Davis, ‚A National Property‘. Richard Claiborne’s Tobacco Treatise for Poland, in: The William and Mary Quarterly 21 (1964), S. 93 – 117. 19 Stefano Levati, Storia del tabacco nell’Italia moderna. Secoli  XVII–XIX, Rom 2017, vor allem Kapitel 6. 20 George Melvin Herndon, William Tatham and the Culture of Tobacco, Diss., University of Miami 1969. 21 Leida Fernández-­Prieto, Cuba agrícola. Mito y tradición, 1878 – 1920, Madrid 2005, S. 211. 22 Jordan Goodman, Tobacco in History. The Cultures of Dependence, London (u. a.) 1993, S. 193 – 215. 23 Ralph Jessen/Jakob Vogel, Einleitung. Die Naturwissenschaften und die Nation. Perspektiven einer Wechselbeziehung in der europäischen Geschichte, in: Dies. (Hg.), Wissen­schaft und Nation in der europäischen Geschichte, Frankfurt am Main (u. a.) 2002, S. 7 – 37, hier S. 23. 24 Kai Torsten Kanz, Nationalismus und internationale Zusammenarbeit in den Naturwissen­schaften. Die deutsch-­französischen Wissenschaftsbeziehungen z­ wischen Revolution und Restauration 1789 – 1832, Stuttgart 1997; Mario Ackermann, Wissenschaft und nationaler Gedanke im 18. und frühen 19. Jahrhundert. Eine Studie zum

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­ issenschaftsstile begünstigten. Damit ging eine symbolische, semantische W Nationalisierung einher, die in nationalen Rhetoriken und Raumimaginationen zum Ausdruck kam. Die Französische Revolution und die napoleonische Zeit werden in diesen Arbeiten oftmals als Katalysatoren einer schon in der Spätaufklärung anlaufenden „Nationalisierung der Gelehrtenrepublik“ verstanden.25 Während Gelehrte noch in der Frühen Neuzeit nach kosmopolitischem Ideal kommuniziert hätten, wurden ältere Institutionen wie Akademien, Gesellschaften oder Universitäten mehr und mehr in einen nationalisierten Austausch eingebettet, der Akteure und Orte der Wissensproduktion räumlich auf neue Weise verbunden hätte. Historiker/innen haben darüber hinaus argumentiert, dass sich nationale Räume des Wissens seit den 1840er-­Jahren zunehmend in eine langsam entstehende internationale Sphäre von Kongressen, Konferenzen und Organisationen eingebettet hätten.26 Darüber hinaus wurde vor allem mit Blick auf die expandierenden – aber auch kollabierenden – imperialen Räume gezeigt, dass Wissen als Produkt dynamischen Austauschs z­ wischen Europa und dessen überseeischen Kolonien, etwa in den Amerikas, entstand.27 Diese Prozesse gingen Nationalismus am Beispiel des Gedankenguts der deutschen Forscher Johann ­Beckmann und Johann Friedrich Ludwig Hausmann im Kontakt mit schwedischen Gelehrten 1763 bis 1815, Münster 2009; Ingrid Merchiers, Cultural Nationalism in the South Slav Habsburg Lands in the Nineteenth Century. The Scholarly Network of Jernej Kopitar (1780 – 1844), München 2007. 25 Franz M. Eybl, Patriotismusdebatte und Gelehrtenrepublik. Kulturwissenschaftliche Forschungsfelder im Problembereich nationaler Identitätsbildung, in: Harm Klueting/ Wolfgang Schmale (Hg.), Das Reich und seine Territorialstaaten im 17. und 18. Jahrhundert. Aspekte des Mit-, Neben- und Gegeneinander, Münster 2004, S. 149 – 162, hier S. 152; Iris Schröders Arbeit zeigt hingegen, dass wissenschaftliche Geographen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch in den Mustern der kosmopolitischen Gelehrtenrepublik kommunizierten. Eine Nationalisierung trat in der Geographie erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein: Iris Schröder, Das Wissen von der ganzen Welt. Globale Geographien und räumliche Ordnungen Afrikas und Europas 1790 – 1870, Paderborn 2011, Kapitel 1. 26 Davide Rodogno/Bernhard Struck/Jakob Vogel (Hg.), Shaping the Transnational Sphere. Experts, Networks and Issues from the 1840s to the 1930s, New York 2014; Martin H. Geyer/Johannes Paulmann (Hg.), The Mechanics of Internationalism. Culture, Society, and Politics from the 1840s to the First World War, Oxford (u. a.) 2001. 27 Patrick Manning/Daniel B. Rood (Hg.), Global Scientific Practice in an Age of Revolutions, Pittsburgh 2016.

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mit der Genese eines räumlich breiteren, imperiale Grenzen überschreitenden „globalen Bewußtseins“ 28 und der Ausbildung von Verbindungen mit stärker weltumfassender Reichweite einher, etwa ­zwischen Europa und Asien. Die Forschung hat, unabhängig vom Tabakanbau, vor allem die Bedeutung des Atlantiks als Kreuzungsraum für die Entwicklung der modernen Wissenschaften in der Übergangsphase ­zwischen Früher Neuzeit und Moderne hervorgehoben.29 Studien zur Industrialisierung Europas zeigen jedoch, dass für den Austausch von gewerblicher oder technischer Expertise nicht unbedingt nur die imperialen Räume des Atlantiks von Bedeutung waren, sondern diese auch durch weiterausgreifende Verbindungen geprägt wurde.30 Historiker/ innen haben darüber hinaus argumentiert, dass die Bedeutung des Atlantiks für Europa auch mit dem langsamen Niedergang des Sklavenhandels und der politischen Dekolonisierung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts keineswegs vollständig verschwand.31 Die neuen dampfbetriebenen Infrastrukturen, die Ausbildung eines in den entstehenden Weltmarkt eingebetteten transatlantischen Handels und die sich ­zwischen Europa und den Amerikas intensivierende Migration bieten wichtige Hinweise dafür, dass eine Wissensgeschichte des Tabakanbaus in der Sattelzeit nicht ohne Blick auf den Atlantik geschrieben werden kann. Das betrifft auch die Frage nach der Regionalität von Wissensproduktion. Der britische Historiker David N. Livingstone hat von einer Vielzahl unterschiedlicher „regional features“ 32 von neuzeitlicher Wissenschaft gesprochen. Historiker/ innen sind solchen Anregungen zur Komplexitätssteigerung einer „Geographie des Wissens“ bisher wenig gefolgt. Wichtige Anregungen in dieser Hinsicht bieten jedoch an zeitgenössischer Wissenschaft interessierte regionalgeschichtliche Arbeiten, in denen die Produktion von Wissen mit den Raumstrukturen 28 Sebastian Conrad, Eine Kulturgeschichte globaler Transformation, in: Sebastian ­Conrad/ Jürgen Osterhammel (Hg.), Wege zur Modernen Welt, 1750 – 1870, München 2016, S. 411 – 625, hier S. 459 – 460. 29 James Delbourgo/Nicholas Dew, Introduction, The Far Side of the Ocean, in: Dies. (Hg.), Science and Empire in the Atlantic World, London (u. a.) 2008, S. 1 – 28. 30 Maxine Berg, Useful Knowledge, Industrial Enlightenment and the Place of India, in: Journal of Global History 8 (2013), S. 117 – 141. 31 Donna Gabaccia, A Long Atlantic in A Wider World, in: Atlantic Studies 1 (2004), S. 1 – 27. 32 David N. Livingstone, Putting Science in its Place. Geographies of Scientific Knowledge, Chicago 2003, S. 87 – 88.

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historischer Identitätsregionen zusammengedacht wird.33 Anknüpfen lässt sich auch an die Landesgeschichte, die, vor allem mit Blick auf das deutschsprachige Zentraleuropa, die Bedeutung der bis weit ins 19. Jahrhundert existierenden kleinstaatlichen Territorien für die Regionalität des Wissens betont hat.34 Gleichzeitig haben Historiker/innen auch die weniger stark durch Wahrnehmungen oder staatliche Grenzen institutionalisierten regionalen Wissens- und Austauschräume in den Blick genommen. Anhand der Netzwerke der Oekonomischen Gesellschaft Berns in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hat etwa Martin Stuber einen den romanischen und deutschsprachigen „Kulturraum“ umfassenden Orientierungsradius der Schweizer Gelehrten herausgearbeitet.35 Das in der kulturhistorischen Forschung seit einigen Jahren ausgeprägte I­ nteresse an der Bedeutung von Grenzregionen 36, die ­zwischen den sich entwickelnden europäischen Nationalstaaten entstanden, ist aus wissensgeschichtlicher Perspektive hingegen weitgehend Neuland. Die vorliegende Arbeit untersucht am Beispiel des Tabakanbaus, inwieweit sich die oftmals als linear geschilderte Nationalisierung, Internationalisierung bzw. Globalisierung von Wissenschaft problematisieren lässt und ein k­ omplexeres, weniger teleologisches Narrativ erarbeitet werden kann.37 Über das spezielle Fallbeispiel einer Wissensgeschichte des Tabakanbaus hinaus trägt die Arbeit somit nicht nur zum Verständnis der sich wandelnden Landwirtschaftsreform, 33 Simon Naylor, Regionalizing Science. Placing Knowledges in Victorian England, London 2010. 34 Eckhardt Fuchs/Sylvia Kesper-­Biermann/Christian Ritzi (Hg.), Regionen in der deutschen Staatenwelt. Bildungsräume und Transferprozesse im 19. Jahrhundert, Bad Heilbrunn 2011. 35 Martin Stuber, Das Korrespondenznetz der Oekonomischen Gesellschaft Bern, in: Ulrich Johannes Scheider (Hg.), Kulturen des Wissens im 18. Jahrhundert, Berlin (u. a.) 2008, S. 123 – 132, hier S. 127; auch Holenstein/Steinke/Stuber, Introduction, S. 11: „The great majority of scholars, however, lived and worked within local and regional confines.“ 36 Christophe Duhamelle/Andreas Kossert/Bernhard Struck (Hg.), Grenzregionen. Ein europäischer Vergleich vom 18. bis 20. Jahrhundert, Frankfurt am Main 2007. 37 So die Forderung bei: Regina Dauser/Lothar Schilling, Einleitung. Raumbezüge staatsrelevanten Wissens, in: discussions, 7 (2012) – Grenzen und Kontaktzonen, URL: , [Eingesehen am: 17. 09. 2019]; Matthias Middell und und Katja Naumann haben in vergleichbarer Weise einen besonderen Blick auf die „plurality of competing spatial frame-­ works“ in der Moderne angemahnt: Matthias Middell/Katja Naumann, Global History and the Spatial Turn. From the Impact of Area Studies to the Study of Critical Junctures of Globalization, in: Journal of Global History 5 (2010), S. 149 – 170, hier S. 155.

Wissen, Raum, Objekt

sondern, grundsätzlicher, zum Bedeutungswandel von Räumen und Räumlichkeiten bei der Genese der modernen Wissenschaften bei. Eine wichtige Einschränkung dabei vorweg: Die Arbeit geht davon aus, dass zunächst die konkreten Raumdimensionen der entstehenden Tabakforschung rekonstruiert werden müssen, bevor der ‚Einfluss‘ ­dieses Wissens auf die Transformation von Umwelten untersucht werden sollte.38 Den hier anvisierten Reformern und Wissenschaftlern wird in der neueren Forschung eine wichtige Bedeutung für Umweltveränderungen zugeschrieben. Historiker/innen haben gezeigt, dass die wissensgestützte ‚Optimierung‘ landwirtschaftlicher Prozesse zur Entstehung eines „Proto-­Anthropozäns“  39 beitrug, das den Planeten durch menschengemachte atmosphärische Veränderungen, Bodentransformationen und das Aussterben von Arten prägte.40 Mensch-­Natur-­Beziehungen stehen im Zentrum der Arbeit; jedoch vor allem aus wissens- und raumgeschichtlicher Perspektive.41

1.1. Wissen, Raum, Objekt Auf einer theoretischen Ebene folgt die Studie damit der in der letzten Dekade intensivierten ‚Hinwendung zum Raum‘ in der Geschichtswissenschaft, die wiede­rum im breiteren Kontext des Spatial Turn in den Geistes- und Kulturwissenschaften steht.42 Obwohl unter d ­ iesem Label zahlreiche, mitunter divergierende Ansätze entstanden sind und entstehen, zählt es mittlerweile doch zum 38 Die bisherigen Umweltgeschichten des Tabaks gehen vergleichsweise wenig auf wissensgeschichtliche Perspektiven ein. Als Beispiel hier nur: Drew A. Swanson, A Golden Weed. Tobacco and Environment in the Piedmont South, New Haven (u. a.) 2014. 39 Helge Wendt, Epilogue. The Iberian Way into the Anthropocene, in: Ders. (Hg.), The Globalization of Knowledge in the Iberian Colonial World, Berlin 2016, S. 297 – 314. 40 Zum Aussterben von Arten um 1800: Ryan Tucker Jones, Empire of Extinction. Russians and the North Pacific’s Strange Beasts of the Sea, 1741 – 1867, Oxford (u. a.) 2017. 41 Zur Wissensgeschichte hier nur: Jakob Vogel, Von der Wissenschafts- zur Wissensgeschichte. Für eine Historisierung der „Wissensgesellschaft“, in: Geschichte und Gesellschaft 30 (2004), S. 639 – 660, Philipp Sarasin, Was ist Wissensgeschichte?, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der Deutschen Literatur 36 (2011), S. 159 – 172. 42 Stephan Günzel, Spatial Turn – Topographical Turn – Topological Turn. Über die Unterschiede ­zwischen Raumparadigmen, in: Jörg Döring/Tristan Thielmann (Hg), Spatial Turn. Das Raumparadigma in den Kultur- und Sozialwissenschaften, 2. Auflage, B ­ ielefeld 2009, S. 219 – 237.

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Minimalkonsens der Forschung, historische Räume als relationale, konstruierte Gebilde zu untersuchen.43 Räume werden dabei nicht mehr als statische ‚Container‘ gedacht, sondern als Produkte von menschlichen Akteuren verstanden, die durch ihre Praktiken und Imaginationen einzelne ‚Punkte‘ oder ‚Orte‘ zu Räumen verbanden. Räume erscheinen so als historisch kontingente und prozessuale Gebilde, deren performativer Charakter es erlaubt, sie als Behälterräume für historische Entwicklungen in the making zu sehen. Auch die am Raumparadigma orientierte Wissensgeschichte hat etwa seit den 1980er-­Jahren unter dem Schlagwort „Räume des Wissens“ wichtige Analyseperspektiven zu einer Historisierung von Raum beigetragen.44 Diese Studien konzentrieren sich auf eine präzise historisch-­räumliche Kontextualisierung von Wissen und bestimmen Reichweite sowie Grenzen zeitgenössischer Forschung. Auf einer allgemeinen Ebene hat dies erheblich zur Problematisierung einer älteren Ideengeschichte beigetragen, in der die raumlose Universalität von Wissen und das isolierte Genie ‚großer Erfinder‘ und Wissenschaftler mehr oder weniger unkritisch vorausgesetzt wurde.45 Dennoch trennen viele wissenshistorische Arbeiten nicht immer sauber ­zwischen ‚Raum‘ und ‚Ort‘. Unter dem Begriff ‚Raum‘ werden oftmals auch Lokalitäten der Wissensproduktion wie Laboratorien 46, Akademien 47 oder Schiffe 48 43 Susanne Rau, Räume. Konzepte, Wahrnehmungen, Nutzungen, Frankfurt am Main 2013; Angelika Epple, Relationale Geschichtsschreibung. Gegenstand, Erkenntnisinteresse und Methode globaler und weltregionaler Geschichtsschreibung, in: H-Soz-­Kult, 02. 11. 2017, , [Eingesehen am 17. 09. 2019]; mit speziellem Blick auf die Wahrnehmung von Räumen: Bernhard Struck, Nicht West, nicht Ost. Frankreich und Polen in der Wahrnehmung deutscher Reisender z­ wischen 1750 und 1850, Göttingen 2006; Frithjof Benjamin Schenk, Mental Maps. Die Konstruktion von geographischen Räumen in Europa seit der Aufklärung: Literaturbericht, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002), S. 493 – 514. 44 Immer noch eine zentrale Referenz in dieser Hinsicht: Mitchel G. Ash, Räume des ­Wissens – was und wo sind sie? Einleitung in das Thema, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 23 (2000), 235 – 242. 45 Dauser/Lothar Schilling, Einleitung. 46 Bruno Latour/Steve Woolgar. Laboratory Life. The Social Construction of Scientific Facts, Beverly Hills (u. a.) 1979. 47 Maurice P. Crosland, Science under Control. The French Academy of Sciences 1795 – 1914, Cambridge (u. a.) 1992. 48 Don Leggett, (Hg.), Re-­inventing the Ship. Science, Technology and the Maritime World, 1800 – 1918, Farnham (u. a.) 2012.

Wissen, Raum, Objekt

subsumiert. Die vorliegende Studie folgt der von Susanne Rau vorgeschlagenen Unterscheidung ­zwischen „Punkt-­Räumen“, die einen eher örtlichen Charakter haben, und „Wege-­Räumen“, die mal mal näher, mal weiter auseinanderliegende Orte übergreifend umfassen.49 Die Produktion von Wissen über den Tabakanbau wird somit weniger hinsichtlich der Machtkonstellationen lokaler Institutionen, sondern deren Prägung durch bestimmte, oftmals grenzüberschreitende Verbindungsräume analysiert. Wissensbestände werden als Produkte von Zirkulationen und Bewegungen, als Effekte entstehender Räume und Raumdifferenzen verstanden, die sich auf nationaler, regionaler und globaler Ebene adressieren lassen.50 Der Tabak bietet einen Ausgangspunkt, die Frage zur Räumlichkeit von W ­ issen mit Fragen zur Historizität von Wissensobjekten in Verbindung zu bringen. Historiker/innen haben in den letzten Jahren jene Wissensbestände herausgearbeitet, die auf unterschiedliche Waren, Pflanzen, Objekte, Instrumente oder andere „epistemische Dinge“ bezogene Akteure und Gruppen produzierten.51 Die Durchsetzung der Naturwissenschaften in der Landwirtschaftsreform während der Sattelzeit macht es notwendig 52, deren zunehmend disziplinär geordnete Methoden und Perspektiven in den Blick zu nehmen. Dennoch unterliegt der vorliegenden Arbeit vor allem ein objektspezifisches Interesse am räumlichen Wandel der Produktion landwirtschaftlichen Wissens. Die hier verfolgte räumliche Wissensgeschichte des Tabakanbaus setzt bei der Frage nach den Intensitäten der sich verändernden Raumregime für Wissens­ produktionen an, die den ‚Tabakanbau‘ als landwirtschaftliches Objekt hervorbrachten. Mit Blick auf neuere Ansätze aus der Wissensgeschichte geht die Arbeit drei Teilproblemen nach, die Facetten von Wissensräumen unterschiedlich 49 Rau, Räume, S. 143. 50 Delbourgo/Dew, Introduction, S.  11: „Understanding the production of knowledge thus requires, above all, understanding movement: of people, things, ‚languages‘, and techniques.“ 51 Ursula Klein/Emma C. Spary, Introduction. Why Materials?, in: Dies. (Hg.), Materials and Expertise in Early Modern Europe. Between Market and Laboratory, Chicago 2010, S. 1 – 23; dazu auch: Pascal Schillings/Alexander van Wickeren, Towards a Material and Spatial History of Knowledge Production. An Introduction, in: Historical Social Research 40 (2015), S. 203 – 218; zum Begriff des „epistemischen Dings“ siehe: Hans-­Jörg R ­ heinberger, Experimentalsysteme und epistemische Dinge. Eine Geschichte der Proteinsynthese im Reagenzglas, Göttingen 2001. 52 Jakob Vogel, Ein schillerndes Kristall. Eine Wissensgeschichte des Salzes ­zwischen Früher Neuzeit und Moderne, Köln (u. a.) 2008.

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adressieren: Zum einen geht es um Wissensräume aus einer Verbindungsperspektive, die in den letzten Jahren vor allem mit Blick auf die Netzwerksoziologie Bruno Latours kritisch diskutiert wurde.53 Zweitens fragt die Arbeit, inwieweit sich asymmetrische Verhältnisse in der Erforschung des Tabakanbaus ausbildeten und ­welche Möglichkeiten bestanden, um diese zu überschreiten. Drittens, schließlich, soll die räumliche Fragmentierung und spezifische Geltung der in den Reformprojekten zum Tabakanbau konstruierten Wissensbestände untersucht werden. Diese Teilaspekte laufen in der übergeordneten Frage nach der Relevanz regionalisierender, nationalisierender und globalisierender Prozesse für Wissensproduktionen im Bereich des Tabakanbaus im deutsch-­französischen Kontext zusammen.

1.2. Netzwerke und Verbindungen Welche Verbindungen prägten die Raumdimensionen der Tabakforschung im deutsch-­französischen Kontext der Sattelzeit und wie waren diese mit den breiteren sozialen, kulturellen und politischen Wandlungsprozessen der Zeit verschränkt? Mit Blick auf mögliche Verbindungen im Atlantik müssen dabei etwa die von der Forschung untersuchten Diasporanetzwerke berücksichtigt werden, die im Zuge der Auswanderung von Kontinentaleuropäer/innen in die ‚Neue Welt‘ entstanden.54 Anschließen lässt sich das Projekt jedoch nicht nur an neuere Überlegungen zur Überlagerung von Wissenszirkulation und Migrationsprozessen 55, sondern auch an Arbeiten zu staatlichen Infrastrukturen und diplomatisch-­konsularischen Vertretungen, die von Auswanderung betroffene europäische Staaten in den ‚Zielländern‘ etablierten. Die Forschung hat etwa 53 Einen guten Überblick über Latours ­Theorie bietet: Bruno Latour, Reassembling the Social. An Introduction to Actor-­Network-­Theory, Oxford (u. a.) 2007; zur geschichtswissenschaftlichen Kritik, vor allem mit Blick auf die ausgeblendeten historischen Kontexte: Angelika Epple, Lokalität und die Dimensionen des Globalen. Eine Frage der Relationen, in: Historische Anthropologie 21 (2013), S. 4 – 25, hier S. 10 – 13; ähnlich auch: Sebastian Conrad, What is Global History?, Princeton 2016, S. 124 – 129. 54 Zur neueren Forschung siehe: Jochen Oltmer, Migration vom 19. bis zum 21. Jahrhundert, 3., aktualisierte und erweiterte Auflage, München 2016, S. 82 – 92. 55 Simone Lässig/Swen Steinberg, Knowledge on the Move. New Approaches toward a History of Migrant Knowledge, in: Geschichte und Gesellschaft 43 (2017), S. 313 – 346.

Netzwerke und Verbindungen

am Beispiel der Kontakte z­ wischen Landwirtschaftsreformern und Diplomaten oder Konsuln auf die Bedeutung von Migration und Diplomatie für nach Europa transferiertes Saatgut hingewiesen.56 Historiker/innen haben darüber hinaus gezeigt, dass der Austausch von ­Wissen in Handelszusammenhänge eingeschrieben war. Lebende Pflanzen ­wurden zusammen mit verarbeiteten Waren und Rohstoffen transportiert und fanden auf diese Weise ihren Weg in die botanischen Gärten, landwirtschaftlichen Reformdiskussionen und Akklimatisierungsexperimente.57 Die Etablierung eines Weltmarkts zur Mitte des 19. Jahrhunderts weitete die Handelstätigkeit Europas aus. Seit den 1830er-­Jahren spielten auch indonesische Rohtabakressourcen eine Rolle in europäischen Zigarrenfabriken 58, die aus wissensgeschichtlicher Perspektive, etwa hinsichtlich der Vorbildrolle asiatischer Expertise für europäische Tabakforscher, gänzlich unerforscht ist. Für die vorliegende Arbeit sind auch wirtschaftsgeschichtliche Forschungen interessant, die Europas abweichende Beziehungen zu Anbaugebieten des Atlantiks herausgearbeitet haben. Michiel Baud hat etwa argumentiert, dass die Hafenstädte Hamburg und Bremen vor allem auf die im nördlichen Brasilien angebauten Tabake zurückgriffen 59 – die für Europa relevante atlantische (Tabak) Welt schloss also keineswegs nur Kuba oder die nordamerikanische Chesapeake Bay ein. Solche unterschiedlichen Handelsnetze innerhalb des Atlantiks sensibilisieren dafür, auch mit Blick auf landwirtschaftliches Wissen nach der Differenz 56 Joan Pierangnoli, Les animaux et la diplomatie française XVIe–XIXe siècles, in: Revue d’histoire diplomatique 127 (2013), S. 213 – 222; Brigitte Hoppe, The Transmission of ­Knowledge on East-­Asiatic Plants to Europe in Early Modern Times, in: Archives Internationales d’Histoire des Sciences 56 (2006), S. 165 – 183. 57 Etwa Klein/Spary, Introduction. Why materials?, S. 5, wo auf die „interaction between the scholarly and commercial worlds“ verwiesen wird; dazu auch: Harold J. Cook, Matters of Exchange. Commerce, Medicine, and Science in the Dutch Golden Age, New Haven (u. a.) 2007; Maxine Berg, In Pursuit of Luxury. Global History and British Consumer Goods in the Eighteenth Century, in: Past and Present 182 (2004), S. 85 – 142; Londa S­ chiebinger, Colonial Botany. Science, Commerce, and Politics in the Early Modern World, Philadelphia 2007; Emma C. Spary, Utopia’s Garden. French Natural History from Old Regime to Revolution, Chicago 2000; Richard Drayton, Nature’s Government. Science, Imperial Britain, and the „Improvement“ of the World, New Haven (u. a.) 2000. 58 Goodman, Tobacco, S. 211. 59 Michiel Baud, German Trade in the Caribbean. The Case of Dominican Tobacco, 1844 – 1940, in: Jahrbuch für Geschichte Lateinamerikas/Anuario de Historia de América Latina 25 (1988), S. 83 – 115.

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von Netzwerkräumen, also nach Binnenstrukturen des atlantischen Wissensraums zu fragen, die die Genese von landwirtschaftlichen Reformprojekten in Europa mitbestimmten. Netzwerke waren, zweitens, eng mit den politischen Wandlungsprozessen der Sattelzeit verknüpft, die oftmals als Katalysatoren – aber auch als Einschränkungsfaktoren – von Bewegungen des Wissens wirkten. In ­diesem Zusammenhang bezieht die Arbeit auch die sich wandelnden politisch-­ökomischen Ideenkontexte ein: Patriotisches Engagement und Verbindungen ökonomischer Sozietäten waren, wie Jani Marjanen und Koen Stapelbroek mit Blick auf das 18. Jahrhundert zeigen, nicht zuletzt Antworten auf zeitgenössische Vorstellungen Politischer Ökonomie.60 Die Forschung hat auch Dynamiken politisch-­ökonomischer Umbrüche als Impulsgeber für die Zirkulation und Produktion landwirtschaft­ lichen Wissens hervorgehoben. Die Bedeutung der nordamerikanischen Sezession während der 1770er- und 1780er-­Jahre oder die napoleonische Kontinentalsperre sind als zentrale Stimuli landwirtschaftlicher Forschung anerkannt, vor allem im Bereich des Zuckerrüben- oder des Baumwollanbaus.61 Die für soziale und politische Entwicklungen im deutsch-­französischen Kontext wichtige Revolution von 1848/49 hingegen ist in ihrer Bedeutung für die Genese der Landwirtschaftsreform bisher wenig untersucht, wenngleich die Revolution durchaus als Impulsgeber staatlicher Subventionen im Bereich der Agrarchemie angeführt wird.62 Im Anschluss an ­solche Überlegungen wird in der vorliegenden Arbeit noch genauer danach gefragt, w ­ elche politischen Prozesse als Anschub- wie Unterbrechungsfaktoren des Wissensaustauschs auftraten. Netzwerk- und Verbindungsräume des Wissens können keineswegs als egalitäre Kooperationen verstanden werden, sondern waren, drittens, von Hierarchie, 60 Jani Marjanen/Koen Stapelbroek (Hg.), The Rise of Economic Societies in the Eighteenth Century. Patriotic Reform in Europe, Basingstoke 2012. 61 Mit Blick auf unterschiedliche Produkte und ihre „Surrogate“: Elisabeth Vaupel, N ­ apoleons Kontinentalsperre und ihre Folgen. Hochkonjunktur der Ersatzstoffe, in: Chemie in unserer Zeit 40 (2006), S. 306 – 315; für den Zucker: Emma C. Spary, Feeding France. New Sciences of Food 1760 – 1815, Cambridge (u. a.) 2014, Kapitel 8; zur Baumwolle: Horan, Napoleonic Cotton. 62 Die Rolle der Revolutionen ist, trotz der suggestiven Verwendung als zeitliche Rahmungen für neuere Wissensgeschichten, wenig in den Blick geraten: Manning/Rood, Global; die Bedeutung der Französischen Revolution von 1789 für die Naturwissenschaften beleuchten hingegen eine Menge an Arbeiten. Hier nur: Nicole Dhombres/Jean Dhombres, Naissance d’un nouveau pouvoir. Sciences et savants en France, 1793 – 1824, Paris 1989.

Zentren und Peripherien

Abgrenzung und Ausschluss geprägt. Arbeiten zur Landwirtschaftsreform des 18. Jahrhunderts haben dies berücksichtigt und die ungleichen Patronagebeziehungen sowie Asymmetrien ­zwischen akademischen und nicht-­akademischen Reformern untersucht.63 Akademisch ausgebildete Kameralisten grenzten sich schon zur Mitte des 18. Jahrhunderts von Amtsleuten ab, die über keine kameral­ wissenschaftliche Ausbildung verfügten.64 Auch am Beispiel von Agrikultur­ chemikern haben Historiker/innen deren zunehmende Distanz gegenüber „Praktikern“ herausgearbeitet und die für die Zeitgenossen neue Bedeutung einer Rhetorik des ‚Wissenschaftlichen‘ hervorgehoben.65 Aufgreifen lassen sich in dieser Hinsicht auch kulturgeschichtliche Ansätze zu „Experten“, die deren „performative Strategien und Techniken der Selbstdarstellung“ analysieren.66 Dies gilt auch für die imaginierten Räume des Wissens, für die sich Experten zuständig fühlten. Gleichsam waren ­solche Inszenierungen im Bereich der Landwirtschaftsforschung auch Ausdruck eines symbolischen Boundary-­Work, durch das sich ‚Wissenschaftler‘ von ‚Nicht-­Wissenschaftlern‘ im Verlauf des 19. Jahrhunderts abgrenzten.67

1.3. Zentren und Peripherien Die vorliegende Arbeit fragt darüber hinaus wie die Tabakforschung der Sattelzeit auf regionaler, nationaler und globaler Ebene in einem dynamischen Zusammenspiel von ‚Zentren‘ und ‚Peripherien‘ entstand. Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass die meisten der zunehmend verwissenschaftlichten Projekte zur Optimierung 63 Holenstein/Steinke/Stuber, Introduction, S. 6. 64 Andre Wakefield, The Disordered Police State. German Cameralism as Science and Practice, Chicago (u. a.) 2009, S. 6 – 13. 65 Nathalie Jas, Déqualifier le paysan, introniser l’agronome, France 1840 – 1914, in: Écologie et Politique 3 (2005), S. 45 – 55. 66 Eric J. Engstrom/Volker Hess/Ulrike Thoms, Figurationen des Experten. Ambivalenzen der wissenschaftlichen Expertise im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert, in: Dies. (Hg.), Figurationen des Experten. Ambivalenzen der wissenschaftlichen Expertise im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert, Frankfurt am Main (u. a.) 2005, S. 7 – 17, hier S. 9. 67 Thomas Gieryn, Boundary-­Work and the Demarcation of Science from Non-­Science. Strains and Interests in Professional Ideologies of Scientists, in: American Sociological Review 48 (1983), S. 781 – 795.

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der Landwirtschaft im Kontinentaleuropa eng an die entstehenden modernen staatlichen Institutionen gebunden waren.68 Die Forschung hat etwa mit Blick auf die medizinische Aufklärung im Habsburgerreich gezeigt, dass hauptstädtische Akteure über staatliche Zentralisierungsprozesse Machtbefugnisse und Hegemonie gegenüber als ‚Peripherien‘ konstruierten Gegenden aufzubauen versuchten.69 Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts standen diese Prozesse der „Territorialisierung“ (Charles S. Maier) zunehmend unter dem Vorzeichen der entstehenden Nationalstaaten.70 Vor allem in Frankreich überlagerten sich Nationalisierungsprozesse mit der Genese des modernen Zentralstaats. Ganz in ­diesem Sinne ist von der Forschung die Entstehung einer von Paris ausgehenden, nationalen Wissenschaftspolitik konstatiert worden, die Akademien und Gelehrte in den französischen Regionen unter einem nationalen Paradigma zu zentralisieren versuchte.71 Im Folgenden wird gefragt, inwieweit die damit entstehenden Zentrum/ Peripherie-­Relationen die Genese landwirtschaftlichen Wissens strukturierten. Gleichzeitig untersucht die Arbeit jedoch auch die im Laufe des 19. Jahrhunderts zunehmende Infragestellung hierarchischer Zentrum/Peripherie-­Relationen, die sich auf unterschiedlichen Ebenen als Dezentralisierung – teilweise auch als Demokratisierung –, auf alle Fälle aber als Ausweitung partizipativer Möglichkeiten an den aus den ‚Zentren‘ für das nationale Territorium konzipierten Wissenspolitiken zeigten.72 68 Britische Reformer wie Joseph Banks waren weniger eng an den Staat angebunden. Das „Zivile“ der kameralistischen Praktiken in Großbritannien zeigte sich etwa darin, dass eine staatlich finanzierte Institution wie das 1792 gegründete Board of Agriculture nicht in die Diskussionen zum Tabakanbau eingebunden war: Frederick Albritton Jonsson, Scottish Tobacco and Rhubarb. The Natural Order of Civil Cameralism in the Scottish Enlightenment, in: Eighteenth-­Century Studies 49 (2016), S. 129 – 147. 69 Zum „Medical Empire“, in dem Wissen gegenüber Peripherien durchgesetzt werden sollte: Emma C. Spary, Introduction. Centre and Periphery in the Eighteenth-­Century Habsburg ‚Medical Empire‘, in: Studies in History and Philosophy of Science 43 (2012), S. 684 – 690; kritisch gegenüber den Erfolgen von landwirtschaftlichen Optimierungskampagnen in den europäischen Imperien: Sven Beckert, Homogenisierung und Differenzierung. Die Entwicklung der Baumwollmärkte, in: WerkstattGeschichte 45 (2007), S. 5 – 12, hier S. 7. 70 Charles S. Maier, Consigning the Twentieth Century to History. Alternative Narratives for the Modern Era, in: American Historical Review 105 (2000), S. 807 – 831. 71 Robert Fox, The Savant and the State. Science and Cultural Politics in Nineteenth-­Century France, Baltimore 2012, S. 83 – 94. 72 Mit Blick auf die Dezentralisierung des Staates in Frankreich: Pierre Rosanvallon, Der Staat in Frankreich von 1789 bis in die Gegenwart, Münster 2000, S. 56 – 58.

Zentren und Peripherien

Auf globaler und atlantischer Ebene hinterfragt die Studie wiederum einseitige Annahmen von Zentrum/Peripherie-­Relationen, die in der älteren Forschung in der These zusammenliefen, dass die moderne Wissenschaft vom ‚Westen‘ in die ‚koloniale Welt‘ diffundiert sei.73 Das vorliegende Projekt geht stärker von einer postkolonialen Wissensgeschichte aus, die die Bedeutung scheinbarer Peripherien für die Entstehung der modernen Wissenschaft betont.74 Ganz besonders berücksichtigt werden muss dabei die vor dem späten 19. Jahrhundert bisher kaum als Bezugspunkt für die Genese der modernen Wissenschaft untersuchte nordamerikanische Landwirtschaftsforschung und die lange Zeit in dieser Hinsicht gänzlich ignorierten Reformen in den iberischen Imperien.75 Neuere Ansätze zur sogenannten Global Labor History of Science zeigen darüber hinaus, dass nicht zuletzt die in globalen Peripherien marginalisierten subalternen Akteure – beispielsweise Arbeiterinnen und Arbeiter oder Sklavinnen und Sklaven auf Feldern, Plantagen und in gewerblichen Produktionsstätten – zur Genese modernen industriellen und landwirtschaftlichen Wissens in Europa beitrugen.76 Solche Ansätze stellen eine sozialgeschichtliche Erweiterung der vor allem im Anschluss an Kapil Raj entstandenen Arbeiten zur Konstruktion „westlicher Wissenschaften“ in Begegnung mit außereuropäischen Akteuren und deren Wissenskulturen dar.77 Die vorliegende Arbeit 73 George A. Basalla, The Spread of Western Science, in: Science 156 (1967), S. 611 – 622. 74 Kapil Raj, Relocating Modern Science. Circulation and the Construction of Scientific Knowledge in South Asia and Europe. 1650 – 1900, New York (u. a.) 2007; auch mit Blick auf Südeuropa wurde die Genese moderner Wissenschaft an der ‚Peripherie‘ heraus­ gearbeitet. Dazu etwa: Richard Butterwick/Simon Davies/Gabriel Sánchez Espinosa (Hg.), Peripheries of the Enlight­enment, Oxford 2008; Kostas Gavroglu (Hg.), The Sciences in the European Periphery during the Enlightenment, Dordrecht (u. a.) 1999; darüber h ­ inaus auch die Aufsätze aus „Part 4: Provinces and Peripheries“ in Clark/Golinski/Schaffer (Hg.), The Sciences in Enlightened Europe. 75 Jorge Cañizares-­Esguerra, On Ignored Global Scientific Revolutions, in: Journal of Early Modern History 27 (2017), S. 1 – 13. 76 Daniel B. Rood, The Reinvention of Atlantic Slavery. Technology, Labor, Race, and Capitalism in the Greater Caribbean, New York (u. a.) 2017; Katherine M. Murphy, Translating the Vernacular. Indigenous and African Knowledge in the Eighteenth-­Century British Atlantic, in: Atlantic Studies 8 (2011), S. 29 – 48. 77 Raj, Relocating; Jessica Ratcliff, Travancore’s Magnetic Crusade. Geomagnetism and the Geography of Scientific Production in a Princely State, in: British Journal for the History of Science 49 (2016), S. 325 – 352; Harald Fischer-­Tiné, Pidgin-­Knowledge. Wissen und Kolonialismus, Zürich (u. a.) 2013.

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ignoriert im Rückgriff auf diese Studien weder Machtasymmetrien auf globaler noch auf anderen Raumebenen, zeigt aber, dass diese angesichts der multidirektionalen Zirkulation von Wissen über den Tabakanbau stetig unterlaufen wurden. Kategorien wie ‚Zentrum‘ und ‚Peripherie‘ werden als heuristische, als fluide Begriffe verstanden, die nicht zuletzt Anlass zur Infragestellung starrer Dichotomien und Entwicklungsgefälle bieten.78

1.4. Geltung und Fragmentierung Drittens geht die vorliegende Arbeit den unterschiedlichen räumlichen „Reichweite[n] einzelner Wissenselemente“ 79 nach, in dem sie Geltung von Wissen in Räumen und die damit einhergehende inhaltliche Fragmentierung der zeitgenössischen Tabakforschung untersucht. Auch eine räumliche Wissensgeschichte kann dabei auf die professionalisierungs- und sozialgeschichtliche Forschung zur Geschichte des Wissens zurückgreifen, in der die besondere Bedeutung von Professionen bzw. Disziplinen als ‚Trägern‘ und sozialen Begrenzungen von Wissens­beständen ins Zentrum gestellt wird.80 Besonders anschlussfähig sind jedoch Studien zur Raumgeschichte der Aufklärung des 18. Jahrhunderts, die ein Augenmerk auf die über spezialisierte Gruppen hinausgehenden Geltungsdifferenzen legen und die räumliche Pluralität der Aufklärung innerhalb Europas thematisieren. Historiker/innen verweisen auf die nationale Fragmentierung und die spezifischen Ausprägungen der Aufklärung in Frankreich, Italien oder Schottland.81 Anhand nationaler Unterscheidungen wurde, nur um zwei Beispiele zu nennen, eine moderate 78 Die Arbeit lehnt sich hier an Delbourgo/Dew, Introduction, S. 10 – 15, an. 79 Wolfgang Kaschuba/Ina Dietzsch/Leonore Scholze-­Irrlitz, Einleitung, in: Dies. (Hg.) Horizonte ethnografischen Wissens. Eine Bestandsaufnahme, Köln (u. a.) 2009, S. 7 – 15, hier S. 13. 80 Vogel, Ein schillerndes Kristall; Studien zur Agrikulturchemie haben in d ­ iesem Sinne zeitgenössische Wissensdivergenzen herausgearbeitet. Aus der Menge der Arbeiten etwa: Ursula Schling-­Brodersen, Entwicklung und Institutionalisierung der Agrikulturchemie im 19. Jahrhundert. Liebig und die landwirtschaftlichen Versuchsstationen, Stuttgart 1989. 81 Marianne Klemun, Geognosie versus Geologie. Nationale Denkstile und kulturelle Praktiken bezüglich Raum und Zeit im Widerstreit, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 38 (2015), S. 227 – 242; Siegfried Jüttner, Europäische Aufklärung(en). Einheit und nationale Vielfalt, Hamburg 1992.

Geltung und Fragmentierung

Aufklärung in Schottland gegen eine revolutionäre im Rousseau’schen Frankreich abgegrenzt.82 Solche Unterschiede waren Ausdruck des Entstehens nationaler Wissenslandschaften, die seit dem späten 18. Jahrhundert durch Universitäten und Akademien mit den staatlichen Trägerschaften entstehender Nationalstaaten verflochten waren.83 Jedoch haben neuere Studien mit ihrem Fokus auf städtische 84 und regionale 85 Räume auch hervorgehoben, dass gleichzeitig Räume weiterexistierten, deren Wissen von nationalen Strukturen abwich. So wurde am Beispiel der italienischen Aufklärung gezeigt, dass beispielsweise der Vatikanstaat einen Schwerpunkt auf die Landwirtschaftsreform legte, während in Bologna andere ­Themen der Reform dominierten.86 Im Folgenden werden auch die räumlichen Unterschiede der Detaildifferenzen von Wissensbeständen mitberücksichtigt. Aufschlussreich sind in d ­ iesem Zusammenhang die Arbeiten David N. Livingstones, der von koexistierenden regionalen Stilen der Klassifikation von Pflanzen gesprochen 87 oder die räumlich differenzierten Rezeptionskulturen der Darwin’schen Lehre in der Zeit um 1900 analysiert hat.88 Studien zu agronomischen Reformen in den Plantagen der Karibik haben in ­diesem Sinne gezeigt, dass Experten nicht nur botanisches Wissen produzierten, sondern mitunter ganz unterschiedlichen Zuckerrohrvarietäten und -arten eine besondere Wirkung und Effektivität zuschrieben.89 Gleiches 82 Charles W. J. Withers, Placing the Enlightenment. Thinking Geographically About the Age of Reason, Chicago (u. a.) 2007, S. 27. 83 Jessen/Vogel, Einleitung, S. 18 – 19; dazu auch Mitchell G. Ash/Jan Surman, The Nationalization of Scientific Knowledge in Nineteenth-­Century Central Europe. An Introduction, in: Mitchell G. Ash (Hg.), The Nationalization of Scientific Knowledge in the Habsburg Empire, 1848 – 1918, Hampshire (u. a.) 2012, S. 1 – 29. 84 Antonella Romano/Stéphane van Damme, Science and World Cities. Thinking Urban Knowledge and Science at Large (16th–18th Century), in: Itinerario 33 (2009), S. 79 – 95. 85 Naylor, Regionalizing. 86 Withers, Placing, S. 34. 87 David N. Livingstone, The Spaces of Knowledge. Contributions Towards a Historical Geography of Science, in: Environment and Planning 30 (1995), S. 5 – 34. 88 David N. Livingstone, The Geography of Darwinism, in: Interdisciplinary Science Reviews 31 (2006), S. 32 – 41. 89 Jonathan Curry Machado/Ulbe Bosma, Turning Javanese. The Domination of Cuba’s Sugar Industry by Java Cane Varieties (1880 – 1950), in: Itinerario 37 (2013), S. 101 – 120; Stuart McCook, States of Nature. Science, Agriculture, and Environment in the Spanish Caribbean, 1760 – 1940, Austin 2002, insbesondere Kapitel 4; in ähnlicher Weise, jedoch mit Blick auf Weizen: Dana von Suffrin, Die Entdeckung des Urweizens. Wissen ­zwischen

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gilt für Arbeiten zu einzelnen Düngemitteln, wie dem im atlantischen Raum seit den 1840er-­Jahren schlagartig verbreiteten Guano 90, der über disziplinäre Grenzen hinweg einen nachhaltigen Eindruck bei Reformern hinterließ. Die Details landwirtschaftlicher Expertisen waren wichtige Bestandteile zeitgenössischer Wissensordnungen, die, stärker als bisher, auf ihre räumlichen Grenzen und Reichweiten hin befragt werden müssen. Die Frage nach der räumlichen Ausprägung von Geltung und Fragmentierung des Wissens stellt sich schließlich auch mit Blick auf die in Europa in räum­ lichen Kontexten verschiedenen Erwartungen an den Konsum ‚einheimischer‘ Tabake. Die Forschung hat gezeigt, dass es für Sattelzeitgenossen gerade aufgrund des Geschmacks einen Unterschied machte, ob Rüben oder Trauben als Substitute der Zuckergewinnung in der napoleonischen Zeit angebaut wurden.91 Nicht weiter einbezogen wurden jedoch die von französischsprachigen Historiker/innen seit einigen Jahren thematisierten Vorstellungen von Produktqualitäten. Die in solchen Arbeiten, insbesondere am Beispiel von Käse oder Wein, heraus­gearbeiteten Aus- und Einschlüsse von Substanzen in den verarbeitenden Industrien und Gewerben versprechen auch für eine Wissensgeschichte der Landwirtschaft einige interessante Perspektiven, obwohl der eigentliche Fokus der Qualitätsstudien bisher eher auf der Verarbeitung, weniger aber auf dem Anbau von Pflanzen liegt.92 In Anknüpfung an diese Ansätze soll im Folgenden etwa der mit dem gesellschaftlichen Bedeutungszuwachs der Zigarre seit den 1830er-­Jahren verbundene Wandel der Konsumwelten des Tabaks unter raumspezifischen Aspekten betrachtet werden, wobei die Wechselwirkung von Qualitätsvorstellung und Wissensbeständen in den Blick genommen wird. Von zentraler Bedeutung sind in d ­ iesem Zusammenhang auch neuere Arbeiten zu ideologischer und praktischer Anwendung in Palästina, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 2 (2014), S. 42 – 54. 90 Gregory Todd Cushman, Guano and the Opening of the Pacific World. A Global Ecological History, Cambridge (u. a.) 2013. 91 Spary, Feeding France, Kapitel 8. 92 Alessandro Stanziani, Introduction, Ders. (Hg.), La qualité des produits en France (XVIII e – X X e siècles), Paris 2003, S. 5 – 22; Alessandro Stanziani, Rules of Exchange. French Capitalism in Comparative Perspective, Eighteenth to the Early Twentieth Centuries, Cambridge (u. a.) 2012, insbesondere S. 168 – 182. Zum Eingreifen der Experten in industrielle Prozesse am Beispiel des Weins etwa: Alessandro Stanziani, Der gute Wein. Über die Entstehung und Entwicklung qualitativer Normen auf den Weinmärkten Frankreichs im 19. Jahrhundert, in: Historische Anthropologie 14 (2006), S. 68 – 92.

Translokale Geschichte

commodity chains, die Historiker/innen für die Verflechtung von Produktion, Handel und Konsum einzelner Waren sensibilisieren.93

1.5. Translokale Geschichte Obwohl sich der Tabak seit der Frühen Neuzeit in vielen europäischen Gebieten ausbreitete, die, wie die Rheinregionen, keineswegs als Nationen oder Nationalstaaten bezeichnet werden können, schlagen Studien zur Landwirtschaftswissenschaft des 19. Jahrhunderts die Nation als zentralen methodischen Unter­suchungsrahmen vor. Nathalie Jas etwa analysiert die Genese der ­Agrikulturchemie seit den 1840er-­Jahren mit vergleichendem Blick auf den Austausch ­zwischen Deutschland und Frankreich.94 Solche transnationalen Arbeiten auf dem Gebiet der Wissenschaftsgeschichte reichen, insbesondere für den deutsch-­französischen Kontext, weit in die 1990er-­Jahre zurück.95 Zwar ist es begrüßenswert, dass sich diese Studien nicht nur auf einen Staat oder eine Nation beziehen. Jedoch gehen diese in nicht unproblematischer Weise von der Nation sowie dem Nationalstaat als stabilen Ausgangsorten historischer Forschung aus. Dies ist weniger aus forschungspolitischen Gründen bedenkenswert, sondern eher deshalb, weil die Nation oder der Nationalstaat im 19. Jahrhundert Gegenstand von Konstruktionsbemühungen waren und keineswegs eine stabile Bedeutung besaßen.96 Unschärfe und historische Dynamik, der räumliche Gebilde wie ‚Deutschland‘ oder ‚Frankreich‘ während dieser Zeit unterlagen, werden jedoch durch den methodologischen Nationalismus der Forschung unkenntlich gemacht. Die spezifischen Entwicklungen innerhalb des deutsch-­französischen Kontexts legen es wiederum nah, von einer länger gezogenen Sattelzeitphase auszugehen, die bis zur Zäsur des Jahres 1870/71 reicht. Die Gründung der Dritten Republik in Frankreich, vor allem aber des Deutschen Kaiserreichs nach dem deutsch-­französischen Krieg, konsolidierten die nationalen Räume in nicht 93 Steven Topik/Carlos Marichal/Zephyr Frank (Hg.), From Silver to Cocaine. Latin Ameri­ can Commodity Chains and the Building of the World Economy, Durham (u. a.) 2006. 94 Nathalie Jas, Au carrefour de la chimie et de l’agriculture. Les sciences agronomiques en France et en Allemagne, 1850 – 1914, Paris 2001. 95 Kanz, Nationalismus. 96 Am Beispiel Frankreichs immer noch die klassische Studie von Eugen Weber, Peasants into Frenchmen. The Modernization of Rural France, 1870 – 1914, London 1979.

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unbeträchtlichem Maße. Es bietet sich gerade für die hier anvisierte Übergangsphase (1780 – 1870) ganz besonders an, Nation und Nationalstaat nicht als Ausgangs-, sondern als eine von mehreren Analyseperspektiven mit einzubeziehen. Im Folgenden werden die sich verändernden Raumdimensionen der Reformund Forschungsprojekte des Tabakanbaus im deutsch-­französischen Kontext aus translokaler, akteurszentrierter Perspektive analysiert. Ein translokaler Ansatz, wie ihn Ulrike Freitag und Achim von Oppen skizzieren, regt gleichzeitig dazu an, die Tabakforschung von scheinbar randständigen, marginalen und wenig berücksichtigten Einstiegspunkten her zu untersuchen.97 Anknüpfen lässt sich in ­diesem Punkt auch an wissensgeschichtliche Arbeiten wie die von Lissa Roberts, in der die Netzwerke analysiert werden, die von den kolonialen ‚Peripherien‘ ausgehend auf globaler Ebene etabliert wurden.98 Nichtsdestotrotz konzentriert sich die vorliegende Wissensgeschichte des Tabakanbaus vor allem auf weiße, männliche, oftmals akademisch gebildete Forscher, die in Studien, in denen subalterne Wissensproduzenten im Mittelpunkt stehen 99, zum Teil gar nicht mehr vorkommen. Die vorliegende Studie geht nicht 97 Ulrike Freitag/Achim von Oppen, Introduction ‚Translocality‘. An Approach to Connection and Transfer in Area Studies, in: Dies (Hg.), Translocality. The Study of G ­ lobalising Processes from a Southern Perspective, Leiden (u. a.) 2010, S. 1 – 21; Ulrike Freitag, Translokalität als ein Zugang zur Geschichte globaler Verflechtungen, in: Connections. A Journal for Historians and Area Specialists, URL: [Eingesehen am 29. 10. 2019]; ähnlich, aber mit stärkerem Fokus auf die Wissensgeschichte: Sebastian Dorsch, Translokale Wissensakteure. Ein Debattenvorschlag zu Wissens- und Globalgeschichtsschreibung, in: Zeitschrift für Geschichtswissen­ schaft 64 (2016), S. 778 – 795; anregend sind in dieser Hinsicht auch Überlegungen zur dezentrierten Geschichte: Natalie Zemon Davis, Decentering History. Local Stories and Cultural Crossings in a Global World, in: History and Theory 50 (2011), S. 188 – 202; mit Blick für die Bedeutung von Peripherien auf globaler sowie innereuropäischer Ebene: Christof Dejung/Martin Lengwiller, Einleitung. Ränder der Moderne. Neue Perspektiven auf die Europäische Geschichte, in: Dies. (Hg.), Ränder der Moderne. Neue Perspektiven auf die Europäische Geschichte (1800 – 1930), Köln (u. a.) 2016, S. 7 – 37, hier S. 29. 98 Lissa Roberts, ‚Le centre de toutes choses‘. Constructing and Managing Centralization on the Isle de France, in: History of Science 52 (2014), S. 319 – 342; andere Historiker/innen haben in vergleichbarer Weise den Begriff „islands of knowledge“ bemüht, um die eigenständige Dynamik von Kolonien für die Genese modernen landwirtschaftlichen Wissens zu verdeutlichen: Leida Fernández Prieto, Islands of Knowledge, in: ISIS. Journal of the History of Science in Society 104 (2013), S. 788 – 797. 99 Von einer „Demokratisierung“ historischer Wissensforschung spricht in ­diesem Zusammenhang etwa: Nils Güttler, Rezension zu: Lowenhaupt Tsing, Anna: Der Pilz am Ende

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davon aus, dass die hier im Zentrum stehenden Akteure wichtiger für die Genese der modernen Tabakforschung waren; wohl aber geht sie davon aus, dass die in mancherlei Hinsicht vergleichsweise gut untersuchten Landwirtschaftsreformer und -wissenschaftler einen besonders geeigneten Ausgangpunkt für die Frage nach der Räumlichkeit von Wissensproduktionen darstellen. Der Hauptfokus der vorliegenden Arbeit liegt auf den Tabakforschern in der heutigen deutsch-­französischen Grenzregion, dem Elsass, das in den Synthesen zur zeitgenössischen Landwirtschaftsreform bisher keine besondere Berücksichtigung erfahren hat 100 und somit vorläufig als wissenschaftliche ‚Peripherie‘ gelten kann. Das Elsass bietet sich an, da in der Region während des 18. und 19. Jahrhunderts im europäischen Vergleich bedeutende Mengen an Tabak produziert wurden und es das größte Tabakanbaugebiet Frankreichs darstellte.101 Mit der 1799 gegründeten Straßburger Landwirtschaftsgesellschaft, der Société des Sciences, Agriculture et Arts du Bas-­Rhin, verfügte die Region gleichzeitig über eine Gelehrtengesellschaft 102, die im Gegensatz zu anderen Sozietäten in der Rheinregion die territorialen und politischen Veränderungen des frühen 19. Jahrhunderts überlebte.103 Schließlich ist das Elsass aufgrund seiner von der Forschung oftmals hervorgehobenen kulturellen und sprachlichen Zwischenstellung und der dort zusammenlaufenden deutschen und französischen Einflüsse ein wichtiger Ausgangsort für diese Arbeit.104 der Welt. Über das Leben in den Ruinen des Kapitalismus. Berlin 2018, in: H-Soz-­Kult, 26. 03. 2019, [Eingesehen am 17. 09. 2019]. 100 Jones, Agricultural Enlightenment; Uekötter, Wahrheit; Popplow, Aufklärung. 101 Jacob M. Price, France and the Chesapeake. A History of the French Tobacco Monopoly, 1674 – 1791, and of its Relationship to the British and American Tobacco Trades, Band 1, Ann Arbor 1973, S. 485; Denis Brunn, Le Tabac en Alsace au XIXe siècle (1810 – 1870), Mémoire principal de diplôme, Faculté des lettres de Strasbourg 1967. 102 Die wichtigste neuere Monographie dazu ist: Georges Livet, Deux siècles d’histoire d’une société savante. La Société Académique du Bas-­Rhin. 1799 – 1999, Straßburg 2001. 103 Die kurpfälzische Landwirtschaftsgesellschaft etwa stellte ihre Aktivitäten mit dem Nieder­ gang der Kurpfalz 1804 ein: Klaus Kremb, „Die Begierde und der Eifer, wahre Grundsätze zu verbreiten“. Die Kurpfälzische physikalisch-­ökonomische Gesellschaft und die Kameral-­Hohe-­Schule in Kaiserslautern, in: Ders. (Hg.), Wissensdialog und Wissenstransfer. Von der Aufklärungsgesellschaft des 18. Jahrhunderts zur Kompetenzgesellschaft des 21. Jahrhunderts, Speyer 2015, S. 33 – 50. 104 Für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts etwa die neuere Studie von Claudia Nowak, Was ist des Elsässers Vaterland? Die Konstruktion regionaler und nationaler Identitäten

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Darüber hinaus wird auch die benachbarte und um 1800 politisch wie ökonomisch mit den linksrheinischen elsässischen Gebieten eng verflochtene ‚Region‘ des Großherzogtums Badens in den Blick genommen, wo neben einzelnen Reformern aus der napoleonischen Zeit insbesondere der 1819 gegründete Landwirthschaftliche Verein für das Großherzogtum Baden in den Blickpunkt rückt.105 Baden stellte bis weit ins 19. Jahrhundert hinein das wichtigste Tabakanbaugebiet der deutschen Staatenwelt dar. Schließlich gilt es zu berücksichtigen, dass das Elsass, im Gegensatz zu den benachbarten Tabakanbaugebieten Badens, in die Kompetenzsphäre der Pariser Zentralverwaltung des staatlichen Tabakmonopols eingebunden wurde, die zunächst an die Droits Réunis, dann an die Contributions indirectes des Finanzministeriums angeschlossen war. Seit 1810/11 gingen sämtliche Anweisungen hinsichtlich des Anbaus, des Handels, Verkaufs oder der Fabrikation – zumindest den Selbstaussagen der Verwaltung zufolge – aus der hierarchisch auf Paris zentrierten Verwaltungsstruktur hervor. Die Behörde blieb während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Finanzbeamten dominiert, die ihre einflussreiche Stellung erst 1860 zugunsten von Ingenieuren aus den Reihen der École Polytechnique abgeben mussten.106 Ein derart inklusiver, umfassender Fokus auf unterschiedliche ‚lokale Eingänge‘ in die Räume der Wissensproduktionen zum Tabakanbau im deutsch-­ französischen Kontext regt gleichzeitig auch zu einem dynamischen Vergleich der drei Akteursgruppen an. Der historische Vergleich soll hier als variables, dynamisches Vergleichen lokaler Untersuchungseinheiten verstanden werden, die wiederum potentiell miteinander verflochten waren.107 Der Fokus auf das Elsass, Baden und Paris bietet sich auch deswegen an, weil für diese Beispiele ein gewisser Fundus an Studien vorliegt, die jedoch in einer Grenzregion z­ wischen Frankreich und Deutschland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (1813 – 1848), Münster 2010. 105 Victor Funk (Hg.), Das landwirthschaftliche Vereinswesen in Baden. Geschichtliche Darstellung. Nach amtlichen Quellen bearbeitet und bei Gelegenheit der 50jährigen Jubelfeier des landwirthschaftlichen Vereins vorgestellt, Karlsruhe 1869. 106 Terry Shinn geht fälschlicherweise davon aus, dass der Tabakverwaltung schon in den 1790er-­Jahren ein Ingenieurscorps integriert wurde: Terry Shinn, From ‚Corps‘ to ‚Profession‘. The Emergence and Definition of Industrial Engineering in Modern France, in: Robert Fox/George Weisz (Hg.), The Organization of Science and Technology in France 1808 – 1914, London (u. a.) 1980, S. 183 – 208, hier S. 185. 107 Michael Werner/Bénédicte Zimmermann, Beyond Comparison. Histoire Croisée and the Challenge of Reflexivity, in: History and Theory 45 (2006), S. 30 – 50.

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im Allgemeinen dem Trend der oben genannten Wirtschafts- und Konsumgeschichten zum Tabak folgen. Obwohl sich kaum eine regionalwissenschaftliche Studie systematisch mit dem landwirtschaftlichen Wissen über den Tabak beschäftigt 108, halten diese Arbeiten dennoch einige Anknüpfungspunkte bereit. Dazu gehören etwa die Studien zur Straßburger Landwirtschaftsgesellschaft 109, die Biographien zu Jean-­Baptiste Boussingault 110 oder dem Straßburger Präfekten und Reformer Adrien de Lezay-­Marnesia.111 Wenn dennoch von einer lückenhaften Forschung gesprochen werden kann, dann liegt das nicht zuletzt auch an jenem stark ausgeprägten Blick der französischsprachigen Forschung auf die technischen Modernisierungen der staatlichen Manufakturen.112 Dennoch bietet die ältere Forschung einen unverzichtbaren Einblick in das verfügbare Quellenmaterial, das sich recht klar in publizierte Schriften der zeitgenössischen Tabakreformer sowie archivalisch überlieferte Korrespondenz und administrative Berichte unterscheiden lässt. Neben den regionalgeschichtlichen Studien war auch der 2003 von Muriel Eveno und Paul Smith erstellte Überblick zu Quellenbeständen für die Geschichte des französischen Tabakmonopols im 19. Jahrhundert hilfreich, obwohl die Autoren bei ihrer Auflistung die Reichweite des napoleonischen Kaiserreichs ignorieren und sich am heutigen Frankreich orientieren.113 Das dort aufgelistete Material wurde durch die umfassenden Bestände der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe, eigene Funde in der Biblio­thèque nationale et universitaire du Strasbourg und in Pariser Biblio­ theken ergänzt. Hinsichtlich der archivalischen Quellen basiert die Arbeit 108 Auch Hidemi Uchidas Arbeit über die elsässische Tabakkultur im 18.  Jahrhundert geht nicht auf die Verbesserungspolitiken ein: Ders., Le tabac en Alsace aux XVII e et XVIIIe ­siècles. Essai sur l’histoire d’une économie régionale frontalière, Straßburg 1997. 109 Livet, Deux siècles d’histoire. 110 Frederick W. MacCosh, Boussingault. Chemist and Agriculturist, Dordrecht (u. a.) 1984; Jean-­Claude Streicher, Boussingault au Pechelbronn et au Liebfrauenberg (1802 – 1887). Reconstitution d’une Révolution Agronomique, Colmar 2013. 111 Egon von Westerholt, Lezay Marnesia. Sohn der Aufklärung und Präfekt Napoleons (1769 – 1814), Meisenheim am Glan 1958. 112 Laurent Fièvre, Les manufactures de tabacs et d’allumettes. Morlaix, Nantes, Le Mans et Trélazé, (XVIIIe– XXe siècles), Rennes 2004. 113 Muriel Eveno/Paul Smith, Histoire des monopoles du tabac et des allumettes en France, XIXe–XXe siècles, Guide du chercheur, Paris 2003; daneben auch die ältere Bibliographie von Paul Smith, Les monopoles français des tabacs et allumettes aux XIXe et XXe siècles. Biographie sélective, in: Recherches contemporaines 2 (1994), S. 149 – 210.

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insbesondere auf der Überlieferung im Elsass, primär der Departementalarchive Bas-­Rhins und Haut-­Rhins, während in Paris Bestände der Archives nationales sowie der Archives diplomatiques hinzugezogen und in Karlsruhe das Generallandesarchiv ausgewertet wurde. Obwohl durch die Aushebungen ein großer Fundus von Material zusammengetragen werden konnte, müssen auch die Lücken angesprochen werden, die bei der Recherche augenscheinlich wurden. Das betrifft gerade den Brand im Zentralarchiv der Pariser Tabakverwaltung während der Commune 1871, dem das Fehlen eines Großteils des administrativen Zentralarchivs zu verdanken ist. Wenn im Folgenden dennoch Aussagen über die Wissenswelten der Pariser, Elsässer und Karlsruher Reformer gemacht werden, dann ist das zum einen der glücklichen Tatsache geschuldet, dass diese durch die rege Publikationstätigkeit der Experten aus deren Veröffentlichungen rekonstruiert werden konnten. Zum anderen war ausschlaggebend, dass in Paris und Karlsruhe eine mitunter gut dokumentierte ministerielle Parallelüberlieferung existiert, über die nicht nur die Pariser Experten, sondern auch badische und elsässische Reformer in den Blick geraten. Schließlich konnten die Lücken in der Überlieferung dadurch ausgeglichen werden, dass im Elsass ein recht umfangreich erhaltener archivalischer Bestand der departementalen Tabakbehörden Colmars und Straßburgs zu finden ist, der sowohl zu badischen als auch Pariser Tabakreformern wichtiges Material bereithält. Dasselbe gilt auch für den Nachlass der Straßburger Société des Sciences, der wiederum um private Archivbestände ihrer Mitglieder ergänzt werden konnte. Die vorliegende Arbeit ist in sechs aufeinander aufbauende Kapitel gegliedert. Kapitel 2 zeigt, dass die Intensivierung angewandter Tabakforschung um 1800 nicht ohne den rheinregionalen Netzwerkraum gedacht werden kann, der sich mit der Errichtung des französischen Tabakmonopols 1810/11 und der Einrichtung der Kontinentalsperre herausbildete. Jenseits der ansonsten zentralisierten, imperiumsweiten Großprojekte Napoleons zur Optimierung der Landwirtschaft bildeten sich regionale Verbindungen ­zwischen Tabakforschern entlang des Rheins heraus, die das Elsass in der napoleonischen Zeit als besonderen Impulsgeber wahrnahmen. Trotz neuer nationaler Rhetorik hatten Verbindungen unter den rheinischen Tabakanbaugebieten auch in der nachnapoleonischen Zeit Bestand. Kapitel 3 nimmt dies zum Anlass, um nach der Bedeutung naturwissenschaftlichen Wissens in den rheinischen Netzwerken um 1800 zu fragen. Im Z ­ eichen einer ökonomischen Botanik, die sich von der in

Translokale Geschichte

der Forschung mittlerweile für die Zeit beobachteten Durchsetzung der Agrikulturchemie unterschied, lassen sich für diese Zeit neue Überlegungen zum Nutzen einzelner Tabakvarietäten, zu den Gefahren von Krankheiten oder der ‚Degeneration‘ des Tabaks beobachten. Kapitel 4 zeigt im Anschluss, dass sich der rheinische Wissensraum zur Mitte des 19. Jahrhunderts nicht nur zunehmend auf einen badisch-­elsässischen ­Austausch beschränkte, sondern mit den globalen Handelsverflechtungen des entstehenden Weltmarkts im Bereich der badischen Zigarrenproduktion überlagerte. Innerhalb ­dieses regionalen Raums bewirkten das mit dem Aufstieg der Agrikultur­chemie einhergehende wissenschaftliche Selbstbild und die politischen Effekte der Revolution von 1848/49 in den Reihen oberrheinischer Tabakforscher eine zunehmend stärkere Exklusivität. Kapitel 5 richtet den Fokus auf die 1860 einsetzenden landwirtschaftlichen Projekte der Pariser Zentralverwaltung, mit denen der französische Tabakanbau an Kuba angenähert werden sollte, und analysiert diese vor dem Hintergrund der sich zur Mitte des 19. Jahrhunderts innerhalb des Atlantiks verstärkenden Wissensnetzwerke. Die atlantische Orientierung der Tabakforschung brachte jedoch, wie Kapitel 6 zeigt, auch Verbindungen in die Tabakanbaugebiete Nordamerikas hervor, die weniger die Pariser Ingenieure als die Experten in Baden und im Elsass prägten. Der zunehmend globale Horizont der Wissensproduktion in der südlichen Rheinregion begleitete die ambivalente Aneignung der aus Paris kommunizierten Reformmaßnahmen. Kapitel 7 argumentiert schließlich, dass elsässische Tabakforscher es trotz der zur Mitte des 19. Jahrhundert zunehmend partizipatorischen Struktur des französischen Nationalstaats nicht schafften, die in den oberrheinischen Diskussionen zirkulierende Tabakexpertise in den Kreisen der Pariser Ingenieure zu verankern. Aus d ­ iesem aus unterschiedlichen räumlichen Perspektiven auf die deutsch-­französische Erforschung des Tabakanbaus entstehenden Panorama werden im Fazit weiterführende Überlegungen zu den räumlichen Dimensionen der Wissensproduktionen über den Tabakanbau hergeleitet.

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2. Napoleonische Verbindungen: Die Entstehung einer rheinischen Tabakforschung um 1800 Auf dem Höhepunkt der napoleonischen Herrschaft über weite Teile Europas, in den Jahren 1811 und 1812, erschienen in mehreren Orten entlang des Rheins elaborierte Tabakanbauratgeber. Den Auftakt machte im September 1811 Adrien de Lezay-­Marnesia, seit 1810 Präfekt im Departement Bas-­Rhin, der eine Instruc­tion für die Tabakspflanzer, zum Gebrauche des Niederrheinischen Departements herausgab.1 Im Großherzogtum Baden, einem der Vasallenstaaten des von N ­ apoleon 1806 gegründeten Rheinbunds, publizierte der Konstanzer Bürgermeister Anton Burkhart im selben Jahr einen Unterricht über den Tabak-, Hopfen-, und Runkelrüben-­Bau, dessen Titel den Tabak als Teil einer weitere Pflanzen umfassenden Landwirtschaftsreform verstand.2 Im Departement de la Roer erschienen zur gleichen Zeit 500 Exemplare eines Handbuch des Tabaks-­ Bauers, zum Gebrauch des Klevischen und Kölnischen Bezirks.3 Solche Bücher waren wichtige Ausweise der Dynamik, die Tabakforschungsprojekte in den rheinischen Departements und Staaten in der napoleonischen Zeit aufnahmen. Die zeitlich enge Aufeinanderfolge der entlang des Rheins erschienen Schriften legt nahe, diese als Produkte eines räumlichen, regionalen Austausch- und Verbindungsraums zu sehen. Wenn Historiker/innen agronomische Projekte der napoleonischen Zeit bisher in den Blick genommen haben, dann sind deren räumliche Facetten vor allem hinsichtlich der groß angelegten, zentralisierten Ausbreitung von Zuckerrüben 1 [Adrien de Lezay-­Marnesia], Instruction für die Tabakspflanzer, zum Gebrauche des Nieder­rheinischen Departements, [Straßburg], 12. September 1811, Archives départementales du Bas-­Rhin (ADBR), 15/M/402, unpaginiert. 2 Eingabe des Finanzministeriums, Karlsruhe, 5. Oktober 1811, Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA), 236/6072, Fol. 25. 3 Gruet, Handbuch des Tabaks-­Bauers, zum Gebrauch des Klevischen und Kölnischen Bezirks, im Roer-­Departement, Aachen 1812; dazu auch: Brief Gruet an Dumont-­ Schauberg, [Kleve], 18. Januar 1812, Landesarchiv NRW (LA NRW), Roerdepartement, 02023, unpaginiert. Bei Dumont-­Schauberg handelte sich um den Besitzer des noch heute bestehenden Kölner Verlagshauses, in dem während der napoleonischen Zeit der Mercure du Département de la Roër erschien und der auch Gruets Buch verlegte. Dazu und zu Gruets Buch siehe: August Boerner, Kölner Tabakhandel und Tabakgewerbe. 1628 – 1910, Essen 1912, S. 159.

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untersucht worden.4 Als ‚Surrogate‘ für koloniale Produkte sollten diese eine von den Zeitgenossen befürchtete Rohstoffknappheit verhindern, die im Zeitalter der Kontinentalsperre (1806 – 1813) und der Dekolonisierungsprozesse in St. Domingue (bis 1806) akut erschien. Joseph Horan hat die Kampagne zur Verbreitung von Baumwolle in den Mittelmeergebieten des französischen Empire untersucht und dabei die Bedeutung des zentralisierten napoleonischen Staatsapparats für die Distribution von Baumwollexpertise hervorgehoben.5 Solchen Studien zufolge war es vor allem die Pariser Hauptstadt, von der aus geschulte Expertenteams in die Peripherien des Empire ausströmten und ‚hauptstädtisches‘ Wissen verbreiteten. Die napoleonische Ära zeichnete sich so gesehen durch eine Unterordnung neuer Gebiete unter ein stark zentralisiertes, auf ‚Kernfrankreich‘ ausgerichtetes Gebilde aus. Eine derartige imperiale Perspektive, wie sie prominent schon von Stuart Woolf vertreten wurde 6, hat den Vorteil, dass sie den methodologischen Nationalismus älterer Studien in Frage stellt und auf einzelne Departements und Staaten beschränkte Arbeiten durch Vergleiche und Transfers stärker integriert. Dennoch bleibt es vor ­diesem Hintergrund schwierig, das napoleonische Empire auch als Raum von Querverbindungen zu denken, in denen Paris nicht unbedingt als Zentrum fungierte. Die Bedeutung regionaler Räume etwa ist von der Forschung zum frühen 19. Jahrhundert spärlich behandelt worden, obwohl schon Arbeiten zur Spätaufklärung den besonders regionalen Charakter gelehrter Wissensnetze in und z­ wischen den wenig s­ päter von Napoleon integrierten Gebieten hervorgehoben haben. Reformer aus der rheinischen Kurpfalz etwa standen vor allem mit dem südrheinischen Elsass, den deutschen Staaten und 4 Zu den Reformprogrammen für den Zuckerrübenanbau etwa: Herbert Pruns, Europäische Zuckerwirtschaft, Band 2: Zuckerwirtschaft während der Französischen Revolution und der Herrschaft Napoleons, Berlin 2008; Emma C. Spary, Feeding France. New Sciences of Food, 1760 – 1815, Cambridge (u. a.) 2014, S. 268 – 315. 5 Joseph Horan, Napoleonic Cotton Cultivation. A Case Study in Scientific Expertise and Agricultural Innovation in France and Italy, 1806 – 1814, in: Sharon Kingsland/Denise Phillips (Hg.), New Perspectives on the History of Life Sciences and Agriculture, Cham (u. a.) 2015, S. 73 – 91. 6 Stuart Woolf, Napoleon’s Integration of Europe, London (u. a.) 1991; dazu auch die daran anschließenden Überlegungen: Stuart Woolf, Napoleon and Europe Revisited, in: Modern & Contemporary France 8 (2000), S. 469 – 478; Michael Broers/Steven Englund/Michael Rowe/ Annie Jourdan, Napoléon et l’Europe. Le Point de Vue Anglo-­Américain, in: Annales historiques de la Révolution française 354 (2008), S. 132 – 153; sowie Claire Gantet/Bernhard Struck, Revolution, Krieg und Verflechtung. 1789 – 1815, Darmstadt 2008, S. 222 – 225.

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Frankreich in Kontakt.7 Arbeiten zu Freimaurerlogen zeigen eine regionale Austauschkultur ­zwischen süd- und nordrheinischen Gebieten.8 Die politische Integration des napoleonischen Reiches überlagerte sich in diesen Fällen mit einer gewissen frühneuzeitlichen Regionalisierung entlang des Rheins, die schon Lucien Febvre als ein Gemenge aus Handelsbeziehungen, Mentalitäten, einer traditionellen politischen Eigenständigkeit sowie naturräumlichen Ähnlichkeiten beschrieben hat.9 Innerhalb ­dieses rheinischen Raums kam vor allem dem Elsass eine herausgehobene Rolle als Mittler politischer Kultur zu. Straßburg war eine der Keimzellen radikaler politischer Clubs im revolutionären Frankreich, von wo diese sich in die alten Gebiete der französischen Monarchie und die angrenzenden deutschen Staaten verbreiteten.10 Wenig ist bekannt darüber, wie sich ­solche regionalisierenden Prozesse zu den Nationalisierungsschüben verhielten, die vor allem zum Ende der napoleonischen Zeit einsetzten.11 Die Arbeit Bénédicte Savoys hat etwa auf die symbolische Nationalisierung aufmerksam gemacht, die mit dem als ‚Raub‘ am ‚Erbe der Nation‘ gebrandmarkten napoleonischen ‚Kunstraub‘ einherging.12

7 Wilhelm Kreutz, Zwischen Kosmopolitismus und Patriotismus. Aufgeklärte Sozietäten des rheinisch-­pfälzischen Raums im Kontext der regionalen, nationalen und europäischen Aufklärungsprozesse, in: Ders., Aufklärung in der Kurpfalz. Beiträge zu Institutionen, Sozietäten und Personen, Ubstadt-­Weiher 2008, S. 35 – 70. 8 Winfried Dotzauer, Freimaurergesellschaften am Rhein. Aufgeklärte Sozietäten auf dem linken Rheinufer vom Ausgang des Ancien Régime bis zum Ende der napoleonischen Herrschaft, Wiesbaden 1977; Ludwig Hammermayer, Freimaurerei und Geheimgesellschaften im Rheinland zum Ausgang des Alten Reiches und in der Napoleonischen Ära. Gedanken zum Werk von Winfried Dotzauer, in: Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde 40 (1982), S. 321 – 332; Martin Otto Braun, An den Wurzeln der Tugend. Rheinischer Adel und Freimaurerei 1765 – 1815, Köln (u. a.) 2015. 9 Lucien Febvre, Der Rhein und seine Geschichte, Frankfurt am Main (u. a.) 1994; mit Bezug zu Febvre, aber ohne Interesse an den Auswirkungen der politischen Integration in der Rheinregion während der napoleonischen Zeit: Catherine Maurer/Astrid Starck-­Adler (Hg.), L’espace rhénane, pôle de savoirs, Straßburg 2015. 10 Gantet/Struck, Revolution, Krieg und Verflechtung, S. 77. 11 Wichtige Anregungen bieten jedoch: Kai Torsten Kanz, Nationalismus und internationale Zusammenarbeit in den Naturwissenschaften. Die deutsch-­französischen Beziehungen ­zwischen Revolution und Restauration 1789 – 1832, Stuttgart 1997; Gantet/Struck, Krieg, Revolution und Verflechtung, S. 210. 12 Bénédicte Savoy, Patrimoine annexé. Les biens culturels saisis par la France en Allemagne autour de 1800, 2 Bände, Paris 2003.

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Das folgende Kapitel zeigt, dass im deutsch-­französischen Zusammenhang der Zeit um 1800, allen voran der napoleonischen Ära, weniger nationale Landschaften der Tabakforschung als vielmehr regionale Räume des Austauschs ­entstanden, deren Aufkommen eng mit den politisch-­staatlichen und wirtschaftlichen Transformationen innerhalb der napoleonischen Einflusssphäre verbunden waren. Diese regionale Forschungskultur erhielt sich über die politischen Umbrüche des Wiener Kongresses hinweg. Wenngleich nationale Bilder und Selbstbilder die Wahrnehmungen rheinischer Tabakexperten zu prägen ­begannen, so bedeutete dies keineswegs einen Abbruch von Wissensaustausch, sondern zeigte eher die Genese einer symbolischen nationalen Vorstellungswelt, in der die Charakteristika von Nationen betont und die Grenzen ­zwischen diesen imaginär stärker gezogen wurden.

2.1. Das Elsass als rheinisches Forschungszentrum Das Rheinland hingegen war durch regionale Netzwerke ­zwischen Orten der Tabakforschung geprägt, in denen die elsässische Reformkultur maßgeblich Impulse entfaltete. Patronagebeziehungen ermöglichten in Straßburg den Aufbau einer mit Experten umliegender Departements gespickten Reformverwaltung, die innerhalb des Rheinlands auf großes Interesse traf. Der folgende Abschnitt zeigt, wie ältere Verbindungen z­ wischen Tabakforschern mit der napoleonischen Zeit intensiviert wurden und sich ein reziproker Austausch von W ­ issen über den Tabakanbau herausbildete, der von der formellen Integration der Experten in Verwaltungsprojekte bis hin zum Austausch von Saatgut, Briefen oder Büchern reichte. Im Juni 1812 hatte der Leiter der staatlichen Baumschule in Koblenz, Johann Nepomuk Schwerz, seinen Posten aufgegeben und war vom Departement Rhin-­ et-­Moselle nach Straßburg übergesiedelt, um dort eine Anstellung als Inspecteur de la culture du tabac anzutreten.13 In einer Art Arbeitsvertrag legte die Präfektur fest, dass Schwerz für die Akklimatisierung von Tabaksorten in den botanischen Gärten Schlestadts, Obernais und Straßburgs zuständig sein und vergleichende 13 Günther Franz, Johann Nepomuk Schwerz. Gedächtnisrede anlässlich der 200. Wiederkehr seines Geburtstages bei der Jahresfeier der landwirtschaftlichen Hochschule am 20. November 1959, Stuttgart 1960, S. 10.

Das Elsass als rheinisches Forschungszentrum

Beobachtungen über die Entwicklung des Tabaks im Departement in einem Journal festhalten sollte.14 Die Orte Schlestadt, Obernai und Straßburg waren für die seit Herbst 1811 eingerichteten Gärten bewusst gewählt worden, weil sie Punkte darstellten, an denen der Tabakanbau innerhalb des Departement Bas-­ Rhins am intensivsten betrieben wurde.15 Schwerz’ Wechsel nach Straßburg machte den Koblenzer Gelehrten zu einem jener staatlichen Experten aus der 1806 untergegangenen Welt des Heiligen Römischen Reiches, die grenzüberschreitend innerhalb des französischen Imperiums zirkulierten. Ein weiterer Vertreter dieser Gruppe, der gebürtige Trierer Franz Marx, war als Generaleinnehmer in der Verwaltung von Haut-­Rhin tätig, da er langjährige Erfahrungen im Finanzbereich des Trierer Domkapitels vorweisen konnte.16 Wie Schwerz ist Marx ein wichtiges Beispiel dafür, dass rheinische Departements und die Staaten des Rheinbunds untereinander auf Fachpersonal zurückgriffen.17 Diese Beamten konnten auch innerhalb von Gebieten des Empire, die vorher nicht zum Heiligen Römischen Reich gehört hatten, hohe Verwaltungsposten erreichen. Die Zirkulation von Verwaltungsbeamten und 14 Extrait du Registre des Arrêtés du Préfet du Département du Bas-­Rhin, Straßburg, 16. Juni 1812, Stadtarchiv Koblenz, N5, unpaginiert. Günther Franz geht soweit, die Tätigkeit von Schwerz im Elsass als ein „frühes Beispiel landwirtschaftlicher Beratung“ zu verstehen: Günther Franz, Universität Hohenheim. Landwirtschaftliche Hochschule 1818 – 1968, Stuttgart 1968, S. 19. 15 [Adrien de Lezay-­Marnesia], Tabaksbau. Straßburg, den 10ten November 1811, Der Präfekt des Nieder-­Rheinischen Departements, Commandant der Ehren-­Legion; an die Herren Maires, in: Ders., Le préfet du département du Bas-­Rhin, commendant de la légion d’honneur; aux planteurs de tabac du département, [ohne Ort, ohne Jahr], S. 601 – 603, hier S. 602 – 603. Das Buch findet sich meines Wissens nach lediglich in der Biliothèque de l’Institut de France in Paris unter der Signatur 8° No. 118 Collection Étienne Barth. 16 Gabriele B. Clemens, Verwaltungseliten und die napoleonische Amalgampolitik in den linksrheinischen Departements, in: Willi Jung (Hg.), Napoléon Bonaparte oder der entfesselte Prometheus, Bonn 2015, S. 67 – 92, hier S. 79 – 81. 17 Ebd., S. 73. Dem Personal aus den elsässischen Departements mag dabei durchaus eine besondere Bedeutung zugekommen sein, weil die elsässische Bilingualität das teilweise existierende Sprachproblem bei der Besetzung von Beamtenposten in den linksrheinischen Departements zu lösen versprach: Ebd., S. 73 und 76, wo argumentiert wird, dass sich die „Aufstiegschancen“ von Elsässern im Rheinland gegen Ende der napoleonischen Zeit sogar noch verbesserten. Auch andere Rheinländer waren jedoch in die Reformantsregungen der französischen Behörden involviert. Siehe etwa: Karl-­Georg Faber, Andreas van Recum 1756 – 1828. Ein rheinischer Kosmopolit, Bonn 1969.

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Agrarexperten entlang des napoleonischen Rheins, die von der Forschung bisher eher aus verwaltungsgeschichtlicher Perspektive betrachtet wurde 18, brachte neue Kollaborationen von Agrarreformern hervor und fügte der Straßburger Tabakforschung eine stärker rheinische Note hinzu.19 Es war nicht zuletzt seine ausgewiesene Expertise zum Tabakanbau, die dem Koblenzer Schwerz einen zentralen Posten innerhalb der französischen Verwaltungsstruktur sicherte. Diese war im Zuge der Französischen Revolution und der napoleonischen Umstrukturierungen nicht nur ausgebaut worden, sondern hatte sich auch für Landwirtschaftsreformer zunehmend geöffnet.20 Schwerz’ Anstellung war Ausdruck einer Intensivierung der um 1800 einsetzenden „bürokratisch-pragmatischen Phase“ der Landwirtschaftsreform 21, in der Gelehrte enger an Enqueten und Reformprojekte in den staatlichen Reformverwaltungen gebunden wurden. Das 1810/11 im französischen Kaiserreich errichtete staat­liche Tabakmonopol, mit dem die Tabakwirtschaft, also der Anbau, der Handel und die Fabrikation, unter die Aufsicht einer staatlichen Behörde des französischen Finanzministeriums, den Droits Réunis, gestellt worden war, trug zur Ausdehnung der Verwaltung mit hierarchisch gegliederten Beamtenstellen bei.22 Um den Generaldirektor in Paris wurden in den Departements spezialisierte Direktoren-, Inspektoren- oder Generalkontrolleursposten geschaffen, während man die Präfekten der Departements mit allgemeineren Aufgaben der Monopolverwaltung betraute. Für die Stelle in Bas-­Rhin schien Schwerz geeignet, weil er Kenntnisse über den Tabakanbau im Rheinland nachweisen konnte. Im dritten, 1811 publizierten Band seiner Anleitungen zur Kenntnis der belgischen Landwirthschaft hatte sich der Koblenzer Agrarexperte als Kenner des Tabakanbaus im niederländischen 18 Clemens, Verwaltungseliten. 19 Jedoch zeigen Beispiele wie Schwerz oder auch Marx, dass die Forschung noch stärker als bisher jene Reformer in den Blick nehmen müsste, die sich innerhalb des Imperiums und des napoleonischen Rheinlands von Osten nach West bewegten. 20 Stefan Brakensiek, Das Feld der Agrarreformen um 1800, in: Eric J. Engstrom/Volker Hess/Ulrike Thoms (Hg.), Figurationen des Experten. Ambivalenzen der wissenschaftlichen Expertise im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert, Frankfurt am Main (u. a.) 2005, S. 101 – 122, hier S. 119. 21 Ebd. 22 Michel Bruguière, [Artikel] Droits Réunis, in: Jean Tulard (Hg.), Dictionnaire Napoléon, Paris 1987, S. 618; zu den Droits Réunis auch: Nicolas Delalande/Alexis Spire, Histoire sociale de l’impôt, Paris 2010, S. 18.

Das Elsass als rheinisches Forschungszentrum

Departement de l’Escaut inszeniert, das er auf seinen Reisen in die niederländischen und flandrischen Gebiete des napoleonischen Empire 1802, 1809 und 1810 besucht hatte.23 Die Verwaltung in Bas-­Rhin schätzte Erfahrungen mit den niederländischen und flandrischen Tabakanbaugebieten, die in den Augen des Straßburger Präfekten Adrien de Lezay-­Marnesia den „besten französischen Tabak“ lieferten.24 Es war das erklärte Ziel der Straßburger Verwaltung, den Tabak im Elsass genauso „berühmt“ zu machen wie die Tabake in Amersfoort und Warwick sowie die nicht weniger bekannten in Lille und Kleve.25 Kenntnisse über den Tabakanbau ergänzten und spezialisierten das allgemeinere wissenschaftliche Profil, das sich Schwerz durch die Tätigkeit in der napoleonischen Verwaltung erarbeitet hatte. Der Koblenzer war bis 1806 als Hauslehrer von Johann Ludwig Graf von Renesse, im heutigen Belgien, angestellt, bei dem er sich autodidaktisch durch Studien der Landwirtschaftswissen­ schaft weitergebildet hatte. Schwerz hatte sich im Anschluss als Leiter der Baumschule in Koblenz im Rhin-­et-­Moselle Departement in der Gelehrtenwelt einen Namen als Agronom und Botaniker gemacht.26 Diese Reputation war wichtig, weil die Einstellung von Reformern in der napoleonischen Verwaltung nicht nur auf formalisierten Bildungsabschlüssen beruhte. Im frühen 19. Jahrhundert gab es in Frankreich noch keine landwirtschaftswissenschaftlichen Abschlüsse und die in den deutschen Staaten für den Staatsdienst wichtige Ausbildung in den Kameralwissenschaften galt keineswegs als Ersatz.27 Die Forschung hat vielmehr gezeigt, dass während der napoleonischen Zeit die „identification of those individual members of the local elites who were judged to possess particular qualities“ 28 den Zugang und die Anstellung in staatlichen Reformprojekte regulierte. Der Tabakexperte Schwerz wurde im Elsass in eine entstehende Forschungskultur zum Tabakanbau integriert, in der auch Reformern des Departements Bas-­Rhin eine wichtige Rolle zukam. Für den Straßburger Versuchsgarten hatte

23 Franz, Johann Nepomuk Schwerz, S. 8 – 9. 24 Lezay-­Marnesia, Instruction für die Tabakspflanzer, S. 4 – 5. 25 Ebd. 26 Franz, Johann Nepomuk Schwerz. 27 Pascale Laborier (u. a.) (Hg.), Les sciences camérales. Activités pratiques et histoire des dispositifs publics, Paris 2011. 28 Woolf, Integration, S. 107.

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man Schwerz den Botaniker Jean-­Adam Schoelhammer zur Seite gestellt 29, der bis dahin die Versuchsgüter der Société des Sciences, Agriculture et Arts du Bas-­Rhin geleitet hatte.30 Die 1799 gegründete Straßburger Landwirtschafts- und Gelehrtengesellschaft trug durch ihre enge Vernetzung mit der Straßburger Präfektur auch in anderer Hinsicht zu den elsässischen Reformprojekten bei: Neben zahlreichen Forschungsberichten zur Tabakpflanze stellte die Gesellschaft auch Jurymitglieder für die im Dezember 1812 in Straßburg veranstaltete fête d’encouragement, bei der elsässische Gelehrte zusammen mit dem preußischen Forschungsreisenden Alexander von Humboldt die Landwirte des Departements für ihre Tabake bewerteten.31 Die Integration eines in der Rheinregion bekannten Experten wie Schwerz in die Straßburger Verwaltung lässt sich jedoch nicht ohne die persönlichen Beziehungen erklären, die den ehemaligen Koblenzer schon vor seinem Wechsel ins Elsass mit dessen späterem Präfekten verbanden. Bis zu seiner Versetzung nach Straßburg 1810 war Lezay-­Marnesia als Präfekt von Rhin-­et-­Moselle ­zwischen 1806 und 1810 Schwerz’ Vorgesetzter gewesen und hatte ihm dort die Stelle als Direktor der Koblenzer Baumschule ermöglicht. In dieser Zeit hatte sich eine enge Beziehung ­zwischen beiden entwickelt, die Schwerz auch kurz nach dem Ende der napoleonischen Zeit noch veranlasste, in dem Präfekten seinen „Freund“ und „Wohltäter“ zu sehen.32 29 État des dépenses faites sur les recettes qui précèdent, Chapitre 1er, Jardin à tabac pour multiplier les espèces, [ohne Ort, ohne Jahr], ADBR, 11/M/196, unpaginiert. 30 Karl Cranz, Bemerkungen auf einer vorzüglich in landwirthschaftlicher Hinsicht im Sommer 1801 durch einen Theil von Schwaben, des Elsasses, der beiden Rheinischen Kreise, dann Ober- und Nieder-­Sachsens angestellten Reise mit beigefügten Notizen über verschiedene Natur-­Gegenstände, Kunst-­Produkte, polizeiliche Anstalten und Anlagen, Band 1, Leipzig 1805, S. 50. 31 Brief Generalsekretär der Präfektur des Departement Bas-­Rhin an Société des Sciences, Agriculture et Arts du Département du Bas-­Rhin, Straßburg, 17. Oktober 1812, ADBR , 63/J/3, unpaginiert. Dazu meinen noch unpublizierten Vortrag: Humboldt, Bonpland and the Improvement of Tobacco Cultivation. Globalizing Knowledge on Agricultural Resources during the First Half of the 19th Century, Vortrag bei der Tagung: Sciences, Knowledge and Politics: Alexander von Humboldt and Aimé Bonpland between Europe and Latin America. 8th International and Interdisciplinary Conference, 04. – 07. Juli 2016, Paris. 32 An anderer Stelle hieß es auch: „Sollte das Publikum einigen Werth auf gegenwärtige Schrift setzen, so wisse es: daß die Erscheinung derselben ursprünglich von ­diesem edln Manne herrührt, der den Verfasser derselben anzog, und ihm die Mittel zu ihrer

Das Elsass als rheinisches Forschungszentrum

Patronage und Freundschaft, zwei bis zur Untrennbarkeit verflochtene Modi individueller Beziehungen z­ wischen Verwaltern und Fachleuten, waren zentral dafür, dass der Koblenzer Tabakexperte seit 1812 als Inspecteur de la ­culture du tabac in den botanischen Gärten Bas-­Rhins arbeitete.33 Auch der im ­Februar 1811 eingesetzte Direktor der Straßburger Tabakmanufaktur, Ange Marie François Gaetan Marocco, ein ehemaliger Tabakfabrikant,34 war aufgrund von Patronage des Präfekten zu seinem Amt gekommen.35 Im Unterschied zu Schwerz war die Ernennung Maroccos jedoch eine Strategie des Präfekten, die elsässische Elitenschicht, die Notabeln, an die Verwaltung des Departements zu binden und eine gewisse Akzeptanz für das Tabakmonopol hervorzubringen, das bei elsässischen Händlern seit der Französischen Revolution auf Kritik gestoßen war. Lezay-­Marnesia unterhielt ein ähnliches Verhältnis zu den neu ernannten Kantonskommissaren und den wichtigen Familien des Elsass. Bei protestantisch-­spiritistischen Treffen hatte der Präfekt versucht, mit einflussreichen Familien, wie den Oberlins oder der Familie Türckheim, Ausführung erleichterte“: Johann Nepomuk Schwerz, Beschreibung der Landwirtschaft des Nieder-­Elsaß, Berlin 1816, S. VII–VIII. 33 Clemens, Verwaltungseliten, spricht auf S. 74 von „Klientelismus“ und „Nepotismus“. In einem anderen Aufsatz kommt Clemens auf die für die Anstellung in der napoleonischen Verwaltung notwendigen guten Beziehungen zu sprechen: Gabriele B. Clemens, Diener dreier Herren – Die Beamtenschaft in den linksrheinischen Gebieten vom ‚Ancien Régime‘ bis zur Restauration, in: Helga Schnabel-­Schüle/Andreas Gestrich (Hg.), Fremde Herrscher – fremdes Volk. Inklusions- und Exklusionsfiguren bei Herrschaftswechseln in Europa, Frankfurt am Main (u. a.) 2006, S. 73 – 102, hier S. 83. 34 Paul Smith, La manufacture des tabacs de Strasbourg, synthèse historique et architecturale, [unpubliziertes und unpaginiertes Manuskript]. Ich danke Paul Smith für die freundliche Zurverfügungstellung seiner unpublizierten Forschung. Auch in Roer waren in ähnlicher Weise staatlich enteignete Tabakunternehmer in den Behördenapparat der Kölner Tabakmanufaktur aufgenommen worden: Boerner, Kölner Tabakhandel, S. 129 und 152 – 153; die Kölner Manufaktur wurde einem Rheinländer, dem Aachener Direktor der Droits Réunis Lippe, zugeteilt, der gleichsam Tabakbehörden in Aachen, Köln, Krefeld und Kleve leitete: Sabine Graumann, Französische Verwaltung am Niederrhein. Das Roerdepartement 1798 – 1814, Essen 1990, S. 125. 35 Lezay-­Marnesia betonte Maroccos „seltene Uneigennützigkeit“ und „noble Beschäftigung“, die ihn zu einem der „hochgeschätztesten Männer des Departements“ machen würden. Gleichsam wurde Marocco, wohl als Freundschaftsdienst, 1812 der „grand prix du concours sur le tabac“ der Departementsverwaltung verliehen: Michel Richard/Roger Dufraisse, Grand notables du premier empire. Bas-­Rhin, Sarre, Mont-­Tonerre, Rhin et Moselle, Roer, Paris 1978, S. 27.

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Beziehungen aufzubauen.36 Persönliche Bindung war ein Markenzeichen der Politik napoleonischer Verwaltungseliten. Ohne den Zuspruch der regionalen Führungsschicht war weder die napoleonische Politik noch die im Elsass etablierte Tabakforschung denkbar.37 Die Bedeutung der Patronage zeigte sich, als Schwerz karrieretechnisch lukrativere Stellen zugunsten der Tabakforschung in Bas-­Rhin ablehnte. Kurz nach seiner Einstellung als Tabakinspektor in Straßburg hatte Schwerz eine kürzere Forschungsreise zu dem renommierten agrarwissenschaftlichen Forschungs- und Lehrinstitut Hofwyl im schweizerischen Bern unternommen.38 Ein Brief aus dem Jahr 1813 an den Grafen von Renesse belegt, dass Schwerz das Interesse Philipp Emanuel von Fellenbergs auf sich gezogen hatte, der das Institut zusammen mit seinem Vater seit 1799 leitete.39 In Hofwyl, so hatte Schwerz dem Straßburger Präfekten zunächst mitgeteilt, wolle er seine „carriere agricole“ schnellstmöglich fortsetzen, weil der Posten als Tabakinspektor nicht ausreiche, um für seinen Lebensunterhalt aufzukommen.40 Die Forschungsmöglichkeiten in der Schweizer Eidgenossenschaft hingegen stellten eine deutlich lukrativere Tätigkeit da. Es war keine Seltenheit, dass Agrarreformer aus finanziellen Erwägungen und wissenschaftlichen Karrieregründen ihre Arbeit in den Verwaltungen des frühen 19. Jahrhunderts wieder aufgaben.41 Deren Projekte hatten wohl vor allem für Neueinsteiger unter den Agrarexperten einen „prestige-­steigernden Effekt“.42 Der Koblenzer Schwerz 36 Egon von Westerholt, Lezay Marnesia. Sohn der Aufklärung und Präfekt Napoleons (1769 – 1814), Meisenheim am Glan 1958, S. 202 – 214. Engeren Umgang pflegte Lezay-­ Marnesia mit elsässischen Gelehrten wie Brankenhoffer oder Arnold, den er noch aus der Koblenzer Zeit kannte. 37 Michael Rowe, From Reich to State. The Rhineland in the Revolutionary Age, 1780 – 1830, Cambridge (u. a.) 2003, S. 114: „The most important characteristic of the Napoleonic government was less its centralisation and more its dependence upon local elites“. 38 Hofwyl umfasste eine Reihe von Lehr- und Erziehungsanstalten, die sich neben der landwirtschaftlichen Forschung im allgemeineren Sinne auch für die pädagogische Erziehung der ländlichen Bevölkerung interessierten: Jones, Enlightenment, S. 178. 39 Darauf verweist: Franz, Johann Nepomuk Schwerz, S. 13. 40 [Persönliche Skizze von Schwerz], [ohne Ort, ohne Datum], SK, N5 Nachlass Johann Nepomuk Schwerz, unpaginiert. 41 Auch Albrecht Daniel Thaer war 1819 auf eigenen Wunsch wieder aus dem preußischen Staatsrat ausgeschieden, um sich seiner Lehrtätigkeit an der Berliner Universität und Forschung in Möglin zu widmen: Brakensiek, Agrarreformen, S. 118. 42 Ebd., S. 109.

Das Elsass als rheinisches Forschungszentrum

setzte seine Arbeit im Elsass jedoch bis zu Lezay-­Marnesias Tod im Jahr 1814 fort und schlug die neuen Karrieremöglichkeiten zugunsten der Förderungsverhältnisse in Straßburg aus. Schwerz’ Beziehung zu Lezay-­Marnesia führte dazu, dass andere, um den Posten als Straßburger Tabakinspektor konkurrierende Agronomen nicht berücksichtigt wurden. Auch der Pariser Gelehrte Alexis-­Antoine Cadet de Vaux 43, der sich schon seit den 1780er-­Jahren mit Fragen der Steigerung landwirtschaftlicher Produktivität beschäftigte und durch seine Publikationen zum Tabakanbau in Teilen des Empire bekannt geworden war, hatte versucht, sich in Straßburg einen Posten in den Optimierungsprojekten zu sichern. Cadet de Vaux, der von der Zentralverwaltung des Tabakmonopols zeitgleich als Generalinspektor für die staatlichen Tabakmanufakturen angestellt war – ich komme darauf weiter unten zurück –, hatte sich bei einem Kontrollbesuch in Straßburg dem Präfekten vorgestellt und sein Interesse durch die Demonstration landwirtschaftlicher Kompetenzen auf mehr oder weniger subtile Art betont.44 Der Straßburger Präfekt lehnte ihn jedoch ab und begründete den Schritt in einem Schreiben an die Pariser Zentralverwaltung damit, dass Cadet de Vaux beabsichtigt habe, Informationen über die Produktionsmethoden der Straßburger Tabakmanufaktur zu veröffentlichen, die im Elsass als bewahrenswertes „Geheimnis“ wahrgenommen würden.45 Gemeint war der in Händlerund Fabrikantenkreisen seit dem späten 18. Jahrhundert kultivierte Mythos

43 Zu Cadet de Vaux: André Vaquier, Un philanthrope méconnu. Cadet de Vaux (1743 – 1828), in: Paris et Ile-­de-­France. Mémoires publiés par la Fédération des sociétés historiques et archéologiques de Paris et de l’Ile-­de-­France 9 (1957/1958), S. 365 – 467, hier S. 398; sowie Thomas Le Roux, Le laboratoire des pollutions industrielles. Paris, 1770 – 1830, Paris 2011, S. 87 – 88. 44 Cadet de Vaux verwies auf die Notwendigkeit der Tabaktrocknung in „séchoirs“ und die Problematik überfeuchter Tabake: Brief Directeur général de l’Administration des Droits Réunis an Lezay-­Marnesia, Paris, 11. Februar 1812, ADBR, 11/M/196, unpaginiert; über den Aufenthalt in Straßburg und das Treffen, jedoch unter Ausblendung der Gespräche über den Tabakanbau: Alexis-­Antoine Cadet de Vaux, Moyens de prévenir le retour des disettes, Paris 1812, S. 152. Wenngleich kein offizielles Bewerbungsschreiben vorliegt, spricht auch die Tatsache, dass Cadet de Vaux schon vor seiner Reise ins Elsass mit den Gelehrten der Straßburger Société des Sciences korrespondierte, für eine ­solche Bewerbung: Koch, La Société libre d’Agriculture, S. 37. 45 Brief Directeur général de l’Administration des Droits Réunis an Lezay-­Marnesia, Paris, 11. Februar 1812, ADBR, 11/M/196, unpaginiert.

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über die Herstellungsverfahren der in vorrevolutionärer Zeit noch privatwirtschaftlich betriebenen Tabakfabriken. Öffentlich gemacht wurde nur das Geheimnis des Saucenrezepts, was die Reputation des in Straßburg fabrizierten Schnupftabaks in viele Teile Mittel- und Osteuropas zu verbreiten half und dem Elsass gegenüber den konkurrierenden Tabakverarbeitungszentren in Städten wie Paris, Köln, Hamburg oder Bremen einen gewissen Vorteil verschaffte.46 Geheimgehalten wurde die Rezeptur einer für die Produktion von Schnupftabak verwendeten Sauce 47, die zur Qualitätsverbesserung und Geschmacksnuancierung europäischer Rohtabake eingesetzt wurde.48 Die stetige Betonung des Geheimnis war eine Marketingstrategie für die elsässischen Tabakprodukte, die, wie die Debatte um Cadet de Vaux zeigt, auch durch Straßburgs nach der Etablierung des Monopols eingerichtete Staatsmanufaktur fortgeführt wurde. Der Pariser Gelehrte stand somit im Verdacht, das herausragende Markenzeichen der ehemaligen elsässischen Tabakfabrikanten einer breiten Öffentlichkeit zugängig machen zu wollen. Eine Verbindung des Pariser Reformers mit der Präfektur und der Straßburger Landwirtschaftsgesellschaft hätte deren Zusammenarbeit mit den regionalen Notabeln gefährdet, unter denen vormals enteignete Tabakfabrikanten gerade erst durch neue Positionen für Agrarexperten und ehemalige Fabrikbetreiber in der Monopolverwaltung besänftigt worden waren. Der Verdacht machte ihn für die eng mit der Präfektur kooperierenden regionalen Eliten weitgehend untragbar. 46 Louis Metzger nennt die deutschen Staaten, das Habsburger Imperium sowie das Russische Reich als Absatzräume elsässischer Schnupftabake vor der Revolution: Louis M ­ etzger, Coup’œil sur la culture, la fabrication et le commerce du tabac en Alsace aux XVIIe et XVIIIe siècles, Straßburg 1938, unpaginiert; zur Schnupftabakproduktion in Köln: B ­ oerner, Kölner Tabakhandel, S. 6 – 30 sowie 54 – 67; zu den in Straßburg seit etwa 1750 in Handelsgilden wie „Spiegel“ oder „Mörin“ zusammengeschlossenen Händlern: Hidemi Uchida, Le tabac en Alsace aux XVIIe et XVIIIe siècles. Essai sur l’histoire d’une économie régionale frontalière, Straßburg 1997, S. 173 – 176. 47 Dieses „Geheimnis“ war im frühen 19. Jahrhundert noch derart populär, dass der ehemalige Straßburger Händler Sinsheim, der nach 1811 auf die rechte Rheinseite übergesiedelt war, ihm ein eigenes Buch widmete: M. Sinsheim, Die Geheimnisse der sämmtlichen Rauch- und Schnupftabaks-­Fabrikation, Frankfurt am Main 1826. 48 Beate Hobein, Vom Tabaktrinken und Rauchschlürfen. Die Geschichte des Tabaks unter besonderer Berücksichtigung der Rauchtabak- und Zigarrenherstellung in Westfalen, Hagen 1987, S. 44 – 45.

Das Elsass als rheinisches Forschungszentrum

Die erfolgreiche Patronage-­Beziehung der elsässischen Tabakforschung mit Schwerz hingegen galt nicht nur in Straßburg, sondern auch in anderen Tabakanbaugebieten des napoleonischen Rheinlands als vielversprechend. Aus Köln berichtete Inspecteur Général der Droits Réunis d’Argent dem ortsansässigen Präfekt des Departement de la Roer im März 1812 von erfolgreichen „Maßnahmen“, die in Bas-­Rhin durch die Kooperation ­zwischen den Tabakforschern der Straßburger Landwirtschaftsgesellschaft, des Koblenzers Schwerz und der Präfektur angelaufen s­ eien.49 Der mit gebürtigen rheinischen Eliten besetzte Conseil Général des Departements de la Roer 50 forderte eine Nachahmung der Reformprojekte im südlichen Rheinland: Es scheint, als wären die in den Rheindepartements mit der Tabakproduktion Beauftragten deutlich besser über den Anbau des Tabaks informiert, als die im Roerdepartement. Es empfiehlt sich deshalb, einen Austausch z­ wischen den Departements zu organisieren, um auch den Landwirten in Roer jene Vorteile zu garantieren.51

Stärker auf den technisch-­agronomischen Vorbildcharakter der Reform verweisend, warnten die Repräsentanten des Conseils davor, den Anschluss an die Tabakanbaugebiete der Rheindepartements zu verlieren. Wenngleich hier nicht nur Straßburg im Mittelpunkt stand, sondern die gesamte Region, verdeutlichte vor allem die Forderung nach weiteren „genauen Anordnungen“ für den Tabakanbau, dass Reformer in Roer gerade die im nördlichen Elsass unter der Regie von Schwerz, der Präfektur und der Straßburger Landwirtschaftsgesellschaft entstandenen Schriften über den Tabakanbau zu würdigen wussten.52 Im benachbarten Großherzogtum Baden hoben Reformer im Januar 1812 in ganz ähnlicher Weise die zur „weysen Einführung des Tobackbaues […] gedruckte 49 Jedoch vergaß d’Argent nicht, auf die Unterschiedlichkeit der Böden in beiden Departements hinzuweisen, weswegen elsässisches Anbauwissen in Roer keineswegs ohne Vorbehalte kopiert werden könne: Brief Inspecteur général des Droits Réunis an Préfet du Département de la Roër, Köln, 12. März 1812, LA NRW , Roerdepartement, 02023, Fol. 249 – 251. 50 Zum Conseil général: Jeffry M. Diefendorf, Businessmen and Politics in the Rhineland. 1789 – 1834, Princeton 1980, S. 100. 51 Conseil général du département de la Roër. Chap. 2, Tit 1er Agriculture, [kein Ort, kein Datum], LA NRW, Roerdepartement, 02023, Fol. 380 – 381, hier Fol. 381. 52 Ebd.

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Anerweisung“ aus „der niederrheinischen Provinz“ hervor, von der man einige Exemplare in den Archiven der badischen Verwaltung vermutete.53 Die Wahrnehmung der elsässischen Tabakreformkultur in Roer und Baden knüpfte an rheinische Austauschbeziehungen zum Tabak des späten 18. Jahrhundert an. In den 1780er-­Jahren hatte der elsässische Greffier d’Erstein Experimente mit Tabakpflanzen gemacht, die von der badischen Verwaltung b­ eobachtet wurden.54 Auch der Karlsruher Hofbotaniker Carl Christian Gmelin, der im späten 18. Jahrhundert als einer der wichtigsten ökonomischen Aufklärer der süddeutschen Staaten bekannt war 55, hatte die elsässische Nachbarregion in der Hoffnung auf Wissen und neue Tabakpflanzen besucht.56 Trotz solcher älterer Ansätze einer rheinischen Austauschkultur brachte erst die napoleonische Ära eine stärkere regionale Vernetzung ­zwischen Tabakexperten hervor. Die der Straßburger Tabakforschung im Rheinland zugeschriebene Vorbildrolle wurde dabei oftmals auf das Wirken des Präfekten Lezay-­Marnesia ­verengt, der in Journalen und Zeitungen als landwirtschaftlich besonders versierter Präfekt ausgegeben wurde. Viele Artikel hatten schon dessen Verdienste um die Koblenzer Baumschule hervorgehoben, die Lezay-­Marnesia als Präfekt des Departements Rhin-­et-­Moselle mitorganisiert hatte 57, und zeigten dann 53 Die Rede von einer „niederrheinischen Provinz“ zeigt, dass die seit 1790 existierende administrative Trennung der alten „province d’étranger effectif “ in die Departements Bas-­Rhin und Haut-­Rhin sich im benachbarten Baden, ähnlich wie in Roer, noch nicht völlig durchgesetzt hatte: Brief Seekreisdirektorium an Landes Ökonomie Departement, Konstanz, 28. Januar 1812, GLA, 236/6072, Fol. 2 – 3. 54 Extractus des Geheimen Raths Protoco[lls], [ohne Ort], 21. Dezember 1780, GLA, 237/690, unpaginiert. Es handelt sich bei dem Greffier aller Wahrscheinlichkeitkeit nach um Jean-­ Frédéric Burger. 55 Moriz Gmelin, [Artikel] Gmelin, Karl Christian, in: Allgemeine Deutsche Biographie 9 (1879), S. 271 – 272. 56 Carl Christian Gmelin, Ueber den Einfluss der Naturwissenschaft auf das gesamte Staatswohl vorzüglich auf Land und Zeit berechnet, nebst Vorschlägen zur Anpflanzung entsprechender Surrogate für die kostbaren Colonialwaaren als: Zucker, Caffee, Indig, Chinarinde, Campfer, Opium u. a. und einige Notizen über die botanischen Gärten in Carlsruhe, bey Gelegenheit ihrer Verlegung in ein zweckmäßigeres Locale, Karlsruhe 1809, S. 93 – 94; zu Gmelins Mitgliedschaft in der Straßburger Société des Sciences: Nr. 16 Urkunde (Jahr X) der Mitgliedschaft bei der Société libre des Sciences et Arts établie a Strasbourg en l’an VII, GLA, 69/N Krebs, Carl Christian Gmelin, Personalia I, (1782 – 1908), unpaginiert. 57 Denis Brunn, Le tabac en Alsace aux XIXe siècle (1810 – 1870), Mémoire principal pour le diplôme d’études supérieures d’histoire, l’Université de Strasbourg 1967, S. 31; [Anonym],

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auch Interesse für seine „administrative[n] Erfolge in Bas-­Rhin“.58 Die neuere Forschung hat diese Zuspitzungen der Zeitgenossen meistens unkritisch übernommen. Das landwirtschaftliche Engagement Lezay-­Marnesias wird oftmals als Alleinstellungsmerkmal unter den Präfekten des Empire dargestellt.59 Ausgeblendet werden dabei die für Lezay-­Marnesia zentralen Verbindungen zu den Landwirtschaftsgesellschaften und Reformern wie Schwerz, ohne die der Präfekt wohl keineswegs die Tabakforschung des Departements hätte koordinieren können. Vor seinem Engagement in Straßburg hatte der Präfekt keine nachweisbare Erfahrung mit Tabakanbau sammeln können und war schon bei seiner Arbeit in Rhin-­et-­Moselle auf die Expertise anderer angewiesen. In Baden war die personelle Verengung des Blicks auf die elsässische Tabakforschung auch durch verwandtschaftliche Beziehungen begünstigt. Stéphanie Lezay, die Tochter von Lezay-­Marnesias Schwester Claudine Lezay, war 1806 von Napoleon adoptiert und mit dem Großherzog von Baden vermählt worden, um das Fürstentum enger an die napoleonische Einflusssphäre zu binden. Das linke Rheinufer; des Stromes Rand bis zum Stolzenfels, in: [Anonym] (Hg.), Denkwürdiger Rheinischer Antiquarius, welcher die wichtigsten und angenehmsten geographischen, historischen und politischen Merckwürdigkeiten des ganzen Rheinstromes […], Koblenz 1831, S. 213 – 244, hier S. 232 und 242; zur Bedeutung Lezay-­Marnesias für den Gartenbau in der Zeit um 1800 siehe den unpublizierten Vortrag von Petra Overath/Rita Hombach, Wissensräume der Gartenkultur: Zirkulation und lokale Aneigung von W ­ issen in Netzwerken einer rheinischen Gärtnerfamilie nach 1800, Vortrag bei der Tagung: Localisation et circulation des savoirs d’Etat en Europe (1750 – 1850), 18. – 19. September 2014, École normale supérieure, Paris. 58 Von Westerholt, Lezay Marnesia, S. 209, erwähnt „deutsche Journalisten“, die Lezay-­ Marnesia wahrnahmen und thematisierten. 59 Rowe, Reich to State, S. 196: „Encouragement of enterprise, especially agriculture, was one area where individual prefects could demonstrate initiative. Lezay-­Marnesia in particular distinguished himself in encouragement of agricultural improvement”. Die Tabakreform im Elsass wird meist als alleiniges Werk des Präfekten gedeutet, ohne dass der ­Straßburger Landwirtschaftsgesellschaft eine besondere Rolle zugeschrieben wird. So etwa bei: Fernand L’Huillier, Recherches sur l’Alsace napoléonienne, Straßburg 1947, S. 445 – 457 und S. 426 – 430; Brunn, Le tabac, S. 31 – 48; Emile Schaeffer, Comment Lezay-­Marnesia a amélioré et sauvegardé la culture du tabac, in: Manufacture des Tabacs de Strasbourg (Hg.), L’agriculture en Alsace sous l’administration du Préfet Adrien de Lezay-­Marnesia ‚Préfet des paysans‘ 1810 – 1814, Straßburg 1964, S. 22 – 56; Sébastien Herque, Napoléon et la promotion de l’agriculture, in: Chantiers historiques en Alsace 6 (2003), S. 109 – 115; Paul Darmstädter, Die Verwaltung des Unter-­Elsass (Bas-­Rhin) unter Napoleon I. (1799 – 1814) (Schluss.), in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 19 (1904), S. 631 – 672.

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Dass Stéphanie und der Präfekt von Bas-­Rhin sich teilweise gegen den Willen ­Napoleons mehrmals in Koblenz, in Godesberg und in Straßburg trafen, erhöhte die Achtung der Höfe in Karlsruhe und Stuttgart.60 Elsässische Reformprojekte galten im Rheinland jedoch auch deshalb als Vorbild, da sie ein hoffnungsvolles Gegenbild zu den bisherigen Forschungskollaborationen in den Städten entlang des Rheins boten, in denen unerwartete Probleme und Schwierigkeiten aufgetreten waren. Das Konstanzer Seekreisdirektorium etwa hatte im Januar 1811 beim Karlsruher Hofbotaniker Gmelin wegen eines „populären Unterrichts“ für den Tabakanbau in der Region nachgefragt, jedoch eine Absage erhalten.61 Gmelin sperrte sich gegen die Kooperation, weil er, wie er der Behörde brieflich mitteilte, es als seltenen Affront erlebte „von irgend einer Behörde aufgefordert zu sayn“ und sich noch dazu „von einem Kreisdirektor“ in einer solchen Sache „angeklagt zu sehen“, die eigentlich dem Kompetenzbereich des Landes Ökonomie Departement, einer Unterabteilung des badischen Innenministeriums, zugehöre.62 Der Botaniker lehnte jene weitgefassten Kompetenzen ab, die den badischen Kreisdirektorien nach der Einführung des Organisationsedikts von 1809 bei der Unterstützung von Handel, Gewerbe und Landwirtschaft nach dem Vorbild der französischen Präfekturen zugesprochen worden waren.63 Der noch im administrativen System der vorrevolutionären Zeit sozialisierte Gmelin weigerte sich, neue Befugnisse der Verwaltung anzuerkennen, wie sie auch im Elsass in ähnlicher Weise in den Reformprojekten der napoleonischen Zeit zum Ausdruck kamen. 60 von Westerholt, Lezay Marnesia, S. 24 und 174; zur Heiratspolitik Napoleons in den Rheinbundstaaten allgemeiner auch: Paul Sauer, Napoleons Adler über Württemberg, Baden und Hohenzollern. Südwestdeutschland in der Rheinbundzeit, Berlin (u. a.) 1987, S. 187. 61 Darüber hinaus sollte Gmelin einen „tauglichen Tabakspflanzer“ ausbilden, der Landwirten im badischen Seekreis den Tabakanbau gegen Bezahlung erklären sollte: Brief Seekreisdirektoriums an Gmelin, Konstanz, 10. Januar 1811, GLA , 236/6072, Fol. 4 – 8; Brief Seekreisdirektorium an Landes Ökonomie Departement, Konstanz, 28. Januar 1811, GLA, 236/6072, Fol. 2 – 3. 62 Die Kommunikation mit dem Konstanzer Kreisdirektorium schien den Hofrath Gmelin laut Selbstaussage zu „befremde[n]“ und zu „kränk[en]“: Brief Gmelin an das Landes Ökonomie Departement, Karlsruhe, 14. März 1811, GLA, 236/6072, Fol. 12 – 14. 63 Frank Engehausen, Die Integration der kurpfälzischen Gebiete in den badischen Staat, in: Armin Kohnle/Frank Engehausen/Frieder Hepp (Hg.), ‚… so geht hervor ein’ neue Zeit‘. Die Kurpfalz im Übergang an Baden 1803, Ubstadt-­Weiher 2003, S. 233 – 246, hier S. 235; Gantet/Struck, Revolution, Krieg und Verflechtung, S. 106.

Das Elsass als rheinisches Forschungszentrum

In den nördlichen Anbaugebieten des Rheinlands hingegen speiste sich die Spannung z­ wischen napoleonischer Verwaltung und Reformern vor allem aus dem undeutlichen Besatzungscharakter der departementalen Administration des Tabakmonopols. Rheinische Mitglieder der 1806 gegründeten Klever Landwirtschaftsgesellschaft, der Société d’Émulation et de l’Agriculture à Cleves, ­hatten das Tabakhandbuch des Contrôleur principal des Roer-­Departements, des französischen Beamten Gruet, im Frühling und Sommer 1812 kritisiert. Vordergründig ging es dabei um Gruets fehlende Sensibilität für lokale Eigenheiten des Tabakanbaus in Roer. Ausschlaggebend war jedoch, dass Roer’sche Reformer von der Erstellung des Anbauratgebers ausgeklammert worden waren.64 Darin zeigte sich auch der im Gegensatz zum Elsass und Baden asymmetrische Einbezug von regionalen Experten in die landwirtschaftlichen Projekte der Verwaltung. Bei der Vergabe von höheren Beamtenstellen in der Régie des Droits Réunis etwa wurden in Roer in erster Linie gebürtige Franzosen präferiert. Zwar sollte ein gewisser Anteil gebürtiger rheinischer Beamter aufgenommen werden, um das negative Image der Behörde als steuereintreibende „Kellerratten“ nicht noch weiter zu belasten.65 Auf sieben Direktorenstellen saßen jedoch lediglich drei Rheinländer.66 Aggressive Reaktionen französischer Beamter auf Beschwerden gebürtiger Rheinländer zeigen, dass die Tabakforschung in Roer von abwertenden Vorstellungen und Vorurteilen über die Bevölkerung der eroberten Gebiete geprägt war. Nachdem Inspecteur d’Argent dem Aachener Präfekt von den Beschwerden gegen Gruets Veröffentlichung berichtete hatte 67, fühlte sich der Klever Contrôleur im Juli 1812 genötigt, offensiv gegen Kritiken an seinem Handbuch vorzugehen, die 64 Denn Gruet hatte bei der Anfertigung seines Tabakanbauhandbuchs lediglich einige der Landwirte des Departements einbezogen – darauf komme ich in Kapitel 3 zurück: Brief Inspecteur général des Droits Réunis an Préfet du Département de la Roer, Köln, 12. März 1812, LA NRW, Roerdepartement, 02023, Fol. 249 – 251; dazu auch: Observations sur l’instruction pour la culture du tabac présenté à la Société d’Agriculture par Monsieur le Contrôleur principal des Droits Réunis, préposé surveillance des octrois de l’arrondissement de Clèves, Gruet, par la second Vice-­Président de la dite Société de Limburg Stirum, Kleve, 9. April 1812, LA NRW, Roerdepartement, 02672, Fol. 31 – 32. 65 Delalande/Spire, Histoire Sociale, S. 18. 66 Ähnlich Rowe: „The financial administrations remained predominantly ‚French‘“ Rowe, Reich to State, S. 104 – 105; etwas stärker abwiegend: Clemens, Verwaltungseliten, S. 76 – 77. 67 Brief Inspecteur Général des Droits Réunis an Préfet du Département de la Roër à Aix-­ la-­Chapelle, Köln, 13. Juni 1812, LA NRW, Roerdepartement, 02023, Fol. 324.

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einige Personen aus einem Gefühl der „Verbitterung“ ihm gegenüber vorbrachten.68 In solchen Aussagen schien das Bild des unaufgeklärten, unbelehrbaren Rheinländers auf, das die Eroberung des Rheinlands als rhetorisches Beiwerk der „mission civilisatrice“ begleitet hatte. Schon André Thouin, der Leiter des Pariser Museum d’Histoire naturelle, und die ihm unterstellten Kommissare hatten bei Missionen in den 1790er-­Jahren mit Blick auf den belgischen oder holländischen Tabakanbau argumentiert, dass den dortigen Kultivierungspraktiken und der Tabak anbauenden Bevölkerung kein besonderes Verbesserungswissen abzugewinnen sei.69 Die Beschwerden Klever Tabakexperten brachten somit latent vorhandene Vorbehalte gegenüber rheinischen Landwirten und Gelehrten zu Tage. Wenngleich sich die Forschung bisher wenig für die damit einhergehenden Widerstände und Reibungen z­ wischen Agrarreformern interessiert, zeigen diese Beispiele eindrücklich, wie die nach französischem Vorbild neueingerichteten bzw. mit Franzosen besetzten Verwaltungen in rheinischen Departements und den Rheinbundstaaten Aushandlungssituationen erzeugten, aus denen auch gescheiterte Kooperationen und abgerissene Verbindungen hervorgehen konnten. Trotz der kaum übersehbaren Probleme bei der Integration von Experten in die Projekte der Reformverwaltung in Baden und Roer, entwickelten sich dort Orte der Tabakforschung, die dem elsässischen Vorbild letztlich weitgehend nachempfunden waren. In Kleve war ein 40 Ar großer botanischer Garten eingerichtet worden, in dem allein 20 Ar für das Testen und Akklimatisieren neuer Tabaksorten vorgesehen waren. Dessen geographische Nähe zu den Arrondisse­ ments Kleve und Köln sollte, wie in Bas-­Rhin, denjenigen Tabakanbaugebieten des Departements de la Roer zu Gute kommen, die als besonders verbesserungsfähig erschienen. Der Klever Forschungsstation waren Kommissare aus der deutschsprachigen Bevölkerung des Roer-­Departements zugeordnet.70 68 Ebd. 69 Thouin war außerdem der Meinung, dass die dort vorhandenen Tabakkulturmethoden nicht über das hinausgingen, was in „verschiedenen Veröffentlichungen“ schon publiziert worden war: Pierre-­Yves Lacour, Les commissions pour la recherche des objets d’arts et de sciences en Belgique, Allemagne, Hollande et Italie. 1794 – 1797. Des voyages naturalistes?, in: Nicolas Bourguinat/Sylvain Venayre (Hg.), Voyager en Europe de Humboldt à S­ tendhal. Contraintes nationales et tentations cosmopolites 1790 – 1840, Paris 2007, S. 21 – 39, hier S. 30 – 32. 70 Boerner, Kölner Tabakhandel, S. 159; Ladoucette, Extrait du Registre des Arrêtés du Préfet du département de la Roër, in: Recueil des actes de la préfecture du département de

Das Elsass als rheinisches Forschungszentrum

Auf organisatorischer Ebene zeigte sich die Vorbildwirkung des Elsass auch in der Neuausrichtung älterer agrarwissenschaftlicher Forschungseinrichtungen für die ‚Verbesserung‘ des Tabakanbaus. In Roer hatte die französische Verwaltung bei der Klassifizierung der geernteten Rohtabake im Arrondissement Kleve erfolgreich mit der Société d’Émulation kooperiert.71 In Baden wurden vor allem Experten aus den dem neuen badischen Staat nach 1806 einverleibten Gebieten der ehemaligen Kurpfalz, insbesondere der rheinpfälzischen Gebiete um Heidel­ berg und Mannheim, herangezogen. Im Kontext eines lokalen Streitfalls um die Verwendung des sogenannten Geizenbaus, also der Verwendung nach der Ernte gewachsener Tabakblätter, hatte die badische Verwaltung etwa Kontakt mit dem schon im kurpfälzischen Heidelberg beschäftigten Plantagen-­Inspector Georg Friedrich Kall aus Schwetzingen aufgenommen.72 Von den in Roer und Baden mit Blick auf das Elsass konstruierten Tabakforschungseinrichtungen und Kooperationen ­zwischen Beamten und Experten profitierte schließlich auch die elsässische Reform. In den Akten der Straßburger Präfektur finden sich mehrere Briefe aus den Tabakbehörden Kölns oder ­Kleves – aber auch aus Nimwegen, Amersfoort, Brügge – mit denen Berichte über Anbaupraktiken, Saatgut und Bücher ihren Weg nach Straßburg gefunden hatten.73 Anfang 1812 sandte Gruet seine umstrittene, für Roer angepasste Version la Roër/Sammlung der Präfektur-­Akten des Roer-­Departements [keine Bandangabe] (1812), S. 77 – 80, hier S. 77 – 78; dazu auch Brief Directeur général de l’Administration des Droits Réunis an Ladoucette, Paris, 6. Mai 1812, LA NRW, Roerdepartement, 02023, Fol. 297 – 298; zu dem Handbuch und seinem Entstehungsprozess auch Boerner, Kölner Tabakhandel, S. 159. 71 Gustav Mücke, Die geschichtliche Stellung des Arrondissements und seines Verwalters zur Zeit der napoleonischen Herrschaft. Dargestellt am Beispiel des Leben und Wirken Karl Ludwig von Keverbergs als Unterpräfekt in Cleve, Diss., Universität Bonn 1935, S. 121 – 125; Comité cantonal de Calcar. Reflexion sur la culture du tabac. Au nom du Comité cantonal, Kalkar, 19. März 1810, LA NRW, Roerdepartement, 02672, Fol. 14 – 17. 72 Siehe dazu die Diskussion ­zwischen Fol. 11 und Fol. 15 sowie Fol. 32 und Fol. 50 im Faszikel GLA/236/16731; zur Kurpfalz grundlegend: Regina Dauser. Das Wissen der Herrschaft. Wissensgenerierung und Reformen der praktischen Aufklärung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Mark Häberlein/Stefan Paulus/Gregor Weber (Hg.), Geschichte(n) des Wissens. Festschrift für Wolfgang E. J. Weber zum 65. Geburtstag, Augsburg 2015, S. 619 – 633, hier S. 627 – 631. 73 Ein Verwaltungsbeamter der Droits Réunis im Département de la Lys sandte Lezay-­ Marnesia im März 1812 Angaben zu den in seinem Departement verwendeten Tabaksorten zu, die neben dem Namen der Sorte, ihrer Herkunft und den notwendigen Böden

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des Straßburger Tabakanbauhandbuchs ins Elsass.74 1813 folgte ein mehrseitiger Bericht zur Wirkung verschiedener Dünger auf die Tabakpflanzen, der aus den Experimenten der Forschungsstation im niederrheinischen Kleve hervorgegangen war.75 Aus den niederländischen Departements hatten Reformer eine Maschine zum Plätten der Blattrippe nach Straßburg geschickt.76 Solche Beispiele zeugen von der Bewegungsdynamik des Wissens und einer Reziprozität der Verbindungen innerhalb der rheinischen Austauschsphäre. Dennoch sollte nicht übersehen werden, dass das Elsass dabei weiterhin eine Art Vorbild, ein Zentrum der Tabakforschung markierte, an dem sich Reformer in Baden und Roer orientierten. Die in Straßburg geknüpften Verbindungen, unternommenen Forschungen und publizierten Schriften brachten in der Welt des napoleonischen Imperiums eine neue Intensität regionaler Netzwerke hervor.

2.2. Rheinische Tabakforschung und das 18. Jahrhundert Die Suche nach und Hinwendung zu vorbildhaften und nachahmbaren Forschungs- und Reformprojekten fand vor dem Hintergrund der wirtschaftspolitischen Maßnahmen Napoleons statt. Den mit der Errichtung des staatlichen Tabakmonopols 1810/11 hervorgerufenen Knappheitswahrnehmungen und Vorstellungen eines innerimperialen Konkurrenzkampfes begegneten Reformer mit der Akquise landwirtschaftlicher Wissensbestände. Der wirtschaftspolitische Druck forcierte dabei die Wiederentdeckung europäischer Tabakforschung aus dem späten 18. Jahrhundert. Die für die Entwicklung des Anbaus angestoßene Zirkulation in der napoleonischen Zeit überlagerte sich mit einem neuen Blick der Forscher in die nahe Vergangenheit der Tabakreform. Die mit der staatlichen Monopolisierung der Tabakwirtschaft einhergehenden Veränderungen sahen rheinische Reformer, wie Lezay-­Marnesia sich ausdrückte, auch die Verwendungsarten (Schnupf- oder Rauchtabak) umfassten: Brief Le Directeur Receveur général an Lezay-­Marnesia, Brügge, 16. März 1812, ADBR, 11/M/196, unpaginiert. Es finden sich weitere Briefe im Ordner 11/M/196, die die Kontakte Lezay-­Marnesias in der napoleonischen Rheinregion zeigen. 74 Lezay-­Marnesia hatte ihn um Auskünfte über Roer gebeten: Brief Gruet and Lezay-­ Marnesia, Kleve, 7. Mai 1812, ADBR, 11/M/194, unpaginiert. 75 Brief Gruet an Lezay-­Marnesia, Kleve, 10. Januar 1813, ADBR, 11/M/197, unpaginiert. 76 Lezay-­Marnesia, Instruction, S. 16.

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als einen „heilsamen Wetteifer“ ­zwischen den Tabakgebieten des französischen Kaiserreichs.77 Das war durchaus euphemistisch, denn tatsächlich durften die Departements mit Einrichtung des Monopols nur noch Rohtabake an eine in Paris zentralisierte staatliche Verwaltung verkaufen. Deren Ziel war es, angesichts der unklaren Handelssituation im Atlantik möglichst die gesamte Tabakproduktion in Frankreich mit Rohtabaken aus den Anbaugebieten des Empire zu bewältigen. In d ­ iesem Zusammenhang hatte die Monopolbehörde eine Neuklassifizierung der ihr unterstehenden Anbaugebiete vorgenommen und diese mit Erwartungen an die erforderlichen Eigenschaften der Rohtabake unter Druck gesetzt. Im Elsass wie in anderen Departements rückte die im 18. Jahrhundert noch geschätzte Eigenschaft der Rohtabake, „den Geschmack desjenigen [anzunehmen], mit welchem er vermischt wurde“ zunehmend in den Hintergrund. Sie führte dazu, dass Tabake und Tabakanbaugebiete mit der Einrichtung des Staatsmonopols zunächst einmal ihren „guten Ruf “ verloren.78 Das staatliche Tabakmonopol bedeutete eine Anpassung an die Qualitätsstandards außereuropäischer Tabake. ‚Einheimische‘ Tabake sollten schnellstmöglich als Substitute für nordamerikanische Rohtabake verwendbar gemacht werden. Auf wirtschaftspolitischer Ebene ging dieser Perspektivenwechsel mit Einschränkungen und Restriktionen einher. Zum einen wurden Importe von ­Rohtabak für die dem Monopol unterstehenden Gebiete des französischen Kaiser­ reichs untersagt. Die Departements mussten die Umstellung auf qualitativ hochwertige Rohtabake zügig bewältigen, da sie, wie Bas-­Rhin oder Roer, nur unter dieser Auflage eine Lizenz zum Anbau für die Staatsregie erhielten.79 Andere Departements, wie etwa Mont-­Tonnerre, hatten keine Lizenz erhalten, weil die Pariser Zentralverwaltung keine Möglichkeit sah, die dortige Qualität zeitnah zu verbessern.80 In allen Tabak anbauenden Departements gerieten Reformer unter Zugzwang, die aus Paris angelegten Standards zu erfüllen. Das staatliche Tabakmonopol Frankreichs schürte Konkurrenz ­zwischen den Verwaltungsräumen, unter denen lediglich zehn Lizenzen zum Anbau vergeben wurden. 77 Lezay-­Marnesia warnte davor, dass die „Erlaubniß zum Pflanzen […] ohne Zweifel denjenigen Departements allein vorbehalten werde, w ­ elche den besten Tabak hervorbringen“: Ebd., S. 4. 78 Ebd., S. 19. 79 Brunn, Le tabac, S. 7 – 8. 80 Max Springer, Die Franzosenherrschaft in der Pfalz 1792 – 1814 (Departement Donnersberg), Berlin (u. a.) 1926, S. 370.

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Die Erforschung des Tabakanbaus gewann erst vor d ­ iesem Hintergrund eine Priorität und Dringlichkeit, die sich im Elsass und den anderen Departements in der hektischen Neuausrichtung landwirtschaftlicher Forschungsressourcen zeigte. In Straßburg hatten die Reformer nach mehreren Vermessungsarbeiten Anfang Dezember 1811 entschieden, dass der Garten des Straßburger hospice des orphelins, eine der zentralen botanischen Einrichtungen des Departements, nun für die Erforschung des Tabakanbaus verwendet werden sollte, weil sich hier die gewünschte Anzahl an Saatgutbeeten anlegen ließen.81 Damit verengte sich das Spektrum an möglichen Forschungsräumen auf eine Institution des Departements, die unter der administrativen Aufsicht der kommunalen Commission administrative des hospices civils de la ville de Strasbourg stand. Der Garten des hospice des enfants, also des Kinderkrankenhauses, wurde aufgrund der beschränkten Platzverhältnisse als ungeeignet erklärt.82 Auch in Baden, das nicht formell zum napoleonischen Kaiserreich gehörte, zeigten sich die Effekte des staatlichen Tabakmonopols Frankreichs unmittel­ bar: „[A]uf die mündliche Anzeige, daß in Frankreich eine Toback Regie eingeführet, und alle Ausfuhr der Tobackblätter verboten sey“, hatten Reformer des Großherzogtum Badens schon im Januar 1811 diskutiert, wie nun „Vorsorge zu tragen“ sei, dass die „badischen Lande an denen selbstbenötigten Tabacksblätter keinen Mangel leiden“ würden.83 Die befürchtete Knappheit an Rohtabak ging auf das Exportverbot von Rohtabaken aus dem Elsass und anderen grenznahen Anbaugebieten zurück, aus denen die badischen Fabrikanten vor der Einführung des Monopols einen wichtigen Teil ihrer 81 Le jardin de l’hospice des orphelins de la ville de Strasbourg est susceptible à l’établissement des couches, [ohne Ort, ohne Jahr], ADBR, 11/M/196, unpaginiert. 82 Verantwortliche aus der Straßburger École de travail hatten sich ihrerseits bereiterklärt, dem städtischen Kinderkrankenhaus ihren Garten zur Mitbenutzung zur Verfügung zu stellen: Jardin pour la culture du tabac des hospices civils. Extrait du régistre des délibérations de la commission administrative des hospices civils de la ville de Strasbourg, Straßburg, 4. Dezember 1811, ADBR, 11/M/196, unpaginiert. 83 Eingabe des badischen Innenministeriums, Landes Oeconomie Departement, Karlsruhe, 19. Januar 1811, GLA, 236/16731, Fol. 5 – 6; mit Verweis auf den „Mangel an Tabak“ auch: Die Tabaks- und Hopfenkultur betreffend. Auf mündlichen Vortrag, daß der zur Emporbringung des Tabakes und Hopfenbaues im Seekreis anher berufene Joseph Brucker von Brühl Amts Schwetzingen dahier angelangt sey, wird vermöge Beschlußes den sämmtlichen Aemtern und Gefällverwaltungen des Kreises eröfnet, Konstanz, 26. April 1811, GLA, 236/6072, Fol. 17.

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Rohtabake bezogen hatten. Rheinbundstaaten wie Baden waren, im Gegensatz zu den in die Handelssphäre des Monopolsystems integrierten Departements, vor die Herausforderung gestellt, auch den innereuropäischen Handel zu substituieren.84 Vorschläge zur Erhöhung des Exportzolls, mit dem die Ausfuhr von Rohtabaken nach dem Vorbild Frankreichs gestoppt werden sollte, wurden zugunsten der landwirtschaftlichen Reformprojekte schnell ad acta gelegt.85 Das Tabakmonopol intensivierte damit eine Drucksituation, die sich im Rheinland jedoch schon mit der Kontinentalsperre langsam aufgebaut und eine stärkere Fokussierung auf agronomische Landwirtschaftsforschung bewirkt hatte. Viele der z­ wischen 1806 und 1810 erschienenen Schriften und angelaufenen Tabakexperimente waren Reaktionen auf das Bekanntwerden der napoleonischen Blockade britischer Handelsgüter aus den Amerikas und die Sorge, dass Tabakgewerbe und Konsumenten unter Mangel leiden würden. Die Straßburger Landwirtschaftsgesellschaft hatte 1806 einen Garten einrichten lassen, in dem Surrogate für die dank der Isolationsversuche knapp werdenden Importe erforscht wurden.86 Daraus ging 1809 ein Mémoire sur les diverses espèces des tabacs des Sekretärs der Gesellschaft Cadet hervor 87, der 84 Heinrich Hassinger, Der oberbadische Tabakanbau und seine wirtschaftliche Bedeutung, Karlsruhe 1912, S. 7 – 9 verweist darauf, dass insbesondere die aus dem Elsass nach Baden ausgeführten Rohtabake nicht mehr geliefert werden durften. Michael Rowe hingegen meint, dass sich die Kontinentalsperre besonders begünstigend auf den West-­Ost-­Handel innerhalb des napoleonischen Imperiums ausgewirkt habe. Das mag für viele Produkte stimmen, gilt jedoch nicht für den Tabak, der seit 1811 nicht mehr ­zwischen dem französischen Kaiserreich und den anderen, von Napoleon kontrollierten Territorien gehandelt werden durfte: Rowe, Reich to State, S. 199. 85 Einige Beamte waren sich jedoch zunächst noch gar nicht sicher „welchen Einfluß die in Frankreich eingeführte Regie auf den dießseitigen Debit” des Tabaks haben würde: Brief Ministerium der Finanzen an das Landes Ökonomie Departement, Karlsruhe, 1. Februar 1811, GLA, 236/16731, Fol. 7 – 8. 86 Alphonse M. Koch, La Société libre d’Agriculture et d’Économie intérieur du département du Bas-­Rhin du 15 floréal an VIII au 4me jour complèmentaire an X, in: Monatsbericht der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, des Ackerbaues und der Künste im Unter-­Elsass gegründet 1799/Bulletin mensuel de la Société des Sciences, Agriculture et Arts de la Basse-­Alsace fondée en 1799 24 (1890), S. 8 – 51, hier S. 13 – 14; dazu auch Livret, La Société académique, S. 32; zur Bedeutung der Kontinentalspeere für die Tabakforschung in Baden: Gmelin, Naturwissenschaft, S. VIII. 87 Dieser ist nicht mit dem Pariser Agronom Cadet de Vaux zu verwechseln.

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gleichzeitig in Straßburg einer Tätigkeit als Apotheker nachging und in der departementalen Tabakverwaltung angestellt war.88 Trotz solcher wichtigen Zeugnisse einer schon nach 1806 entstehenden agrarreformerischen Krisenbewältigungskultur darf die Kontinentalsperre für die realen und wahrgenommenen Druckverhältnisse nicht überbewertet werden. Die wirtschaftsgeschichtliche Forschung hat deren Bedeutung für die Intensivierung des Tabakanbaus im Rheinland ebenfalls ambivalent beurteilt.89 Erst die Errichtung des Monopolsystems erzeugte eine Überlagerung von Konkurrenzund Druckverhältnissen, die einen wirklichen Ausbau der Tabakforschung in den rheinischen Anbaugebieten und eine auf das Elsass fokussierte stärkere Vernetzung der Verbesserungsprojekte anregte. Rheinische Reformer orientierten sich mit der Errichtung des Monopols nicht nur an der Gegenwart, sondern konzentrierten sich auch auf die schriftlichen Erzeugnisse der Tabakforschung des späten 18. Jahrhunderts, die zen­ trale Impulse zur Bewältigung der Versorgungskrise versprachen. Im Badischen Magazin zitierte ein anonym verfasster Artikel zur Verbesserung des Tabakanbaus vom Juni 1811 Aufsätze aus dem Hannöverschen Magazin, die 1781 und 1790 über ‚nützliche‘ Tabakarten berichtet hatten.90 Tabakliteratur aus dieser Zeit bot auch im napoleonischen Elsass wichtige Anknüpfungspunkte. Zwar sind in den Beständen der Gelehrtengesellschaft keine offiziellen Listen über die in Straßburg erhältlichen oder von Reformern eingesehenen Ratgeber 88 Procès-­verbaux des séances de la Société des Sciences, Agriculture et Arts du Département du Bas-­Rhin, an 10 – 1827, Séance générale, 13. April 1809, ADBR, 63/J/30, S. 75 – 76. Der Bericht ist in den überlieferten Unterlagen leider nicht enthalten. Daneben sticht auch das durch einen anderen Mitarbeiter der departementalen Contributions indirectes, Heiter, 1806 veröffentlichte Buch hervor, das jedoch in erster Linie die Verarbeitung des Tabaks problematisierte und dem eigentlichen Anbau lediglich sechs Seiten widmete: Heiter, Mémoire sur le tabac, adressé à M. le Conseiller d’État, Directeur général de la Régie des Droits Réunis, Paris 1806. 89 Geoffrey Ellis behauptet, dass die Kontinentalsperre, vor allem im Zeitraum ­zwischen 1807 und 1810, nicht direkt auf eine Steigerung des Tabakanbaus wirkte: Geoffrey Ellis, Napoleon’s Continental Blockade. The Case of Alsace, Oxford 1981, S. 208. 90 [Anonym], An die Redaktion des Badischen Magazins. R. am 5. Juni 1811, in: Badisches Magazin 1 (1811), S. 337 – 339, hier S. 337. Der Karlsruher Botaniker Gmelin verwies 1809 in ähnlicher Weise auf die in den 1760er-­Jahren in der Markgrafschaft Baden durchgeführten Experimente mit Tabakpflanzen, die der Naturhistoriker Joseph Koelreuter unternommen hatte: Gmelin, Naturwissenschaft, S. 373; zu Koelreuter: J. Behrens, Joseph Gottlieb Koelreuter. Ein Karlsruher Botaniker des 18. Jahrhunderts, Karlsruhe 1894.

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erhalten. Jedoch gibt der Katalog der Bibliothèque nationale et universitaire de Strasbourg (BNUS ) einen ungefähren Überblick über die lokal verfügbaren Arbeiten zur Tabakreform, die an so unterschiedlichen Orten wie Dresden, Darmstadt, Wien, Frankfurt und Leipzig erschienen waren.91 Im Elsass waren ­solche Schriften besonders gut erhältlich, weil der Stadt Straßburg um 1800 eine wichtige Mittlerfunktion für den Buchmarkt ­zwischen den deutschen Staaten und Frankreich zukam.92 Die Zeitgenossen Napoleons griffen auf eine vor allem deutschsprachige Tabakanbauliteratur zurück, die in der Zeit der nordamerikanischen Unabhängigkeitskriege in den 1770er- und 1780er-­Jahren entstanden war – einer Zeit, in der mitteleuropäische Reformer ganz ähnliche Knappheitsszenarien wie die im frühen 19. Jahrhundert befürchtet hatten. Vergleicht man die in der Bibliographie als Geschichte der deutschsprachigen Tabakliteratur angegebenen Publikationen für den Zeitraum ­zwischen dem frühen 17. Jahrhundert bis 1776 und den Zeitraum ­zwischen 1776 und 1800, dann fällt ein exponentielles Wachstum dieser Literatur im späten 18. Jahrhundert auf. Während in der ersten Phase lediglich

91 Oliver Hochmuth hat in seiner Lokalgeschichte von „Kolonialwaren“ in Dresden darauf hingewiesen, dass die Bestände in lokalen Bibliotheken ein nicht unwichtiger Indikator für das in Städten vorhandene Wissen über Waren und Pflanzen sind: Ders., Globale Güter – lokale Aneignung. ­Kaffee, Tee, Schokolade und Tabak im frühneuzeitlichen Dresden, Konstanz 2008. In der Straßburger BNUS lagern folgende Bücher: Johannes Wiegand, Vollständige Anweisung zum Tabakbau. Nebst einem Anhang vom Pflanzen und Benutzen der Erdäpfel und der sogenannten Grundbirn, samt einer ausführlichen Nachricht von dem Futterkraut Lucerne, oder ewigen Klee. Dem Publicum zum Besten, und dem gemeinen Mann zum Nutzen, aus der Erfahrung und Practik zusammengeschrieben und mitgetheilet, Frankfurt (u. a.) 1766; [Anonym], Vollständige Abhandlung vom Tabaksbau. Vom Anfange des Säens bis dahin, dass er verkauft werden kann, Frankfurt am Main (u. a.) 1780; Johann Paul Wenzel, Abhandlung von der Schafzucht. Nebst einem Anhang vom Tabackbau, Wien 1770; [Johann Gottlieb Backhauss], Neue und vollständige Abhandlung vom Tabacksbau, worinnen die einzige und wahre Methode gezeiget wird: Wie diese Pflanze muss behandelt werden, wenn sie in Teutschland die Stelle des Virginischen Tabacks vertreten soll, Darmstadt 1779; Sperber, Anleitung zum Tabacksbau. Fuer den Saechsischen Landwirth, Dresden 1789. 92 Jürgen Voss, Das Elsaß als Mittler z­ wischen deutscher und französischer Geschichtsschreibung im 18. Jahrhundert, in: Ders., Deutsch-­Französische Beziehungen im Spannungsfeld von Absolutismus, Aufklärung und Revolution, Berlin 1992, S. 90 – 121; Guido Braun, Von der politischen zur kulturellen Hegemonie Frankreichs. 1648 – 1789, Darmstadt 2008, S. 45 – 46 und S. 142.

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26 Bücher publiziert wurden 93, so erschienen allein in dem deutlich kürzeren Zeitraum ­zwischen 1776 und 1800 40 Schriften zum Tabakanbau.94 Dennoch ist es bezeichnend, auch für den besonders regionalen Charakter der Reformlandschaft, dass rheinische Experten vor allem auf deutschsprachige Literatur zurückgriffen, wenngleich in vielen Teilen Europas unter Eindruck der Dekolonisierung in Nordamerika Tabakforschung angelaufen war. Das trifft etwa für das britische Schottland zu 95, aber auch auf Polen, wo König Stanislaw II. August Poniatowski in den 1780er-­Jahren Tabakanbauexperimente befohlen hatte.96 Auch in den italienischen Staaten waren schon vor der napoleonischen Zeit erste Versuche mit dem Tabakanbau unternommen worden.97 Das weitgehende Fehlen von Referenzen auf französische Bücher des Ancien Régime in den Reformkulturen des Rheinlands erklärt sich hingegen durch die dort gering ausgeprägte Forschung. Vor der Liberalisierung des Tabakanbaus in der Französischen Revolution waren publizierte Tabakanbauratgeber in Frankreich auf einige wenige Ausnahmen beschränkt.98 Dazu gehörte etwa die 1784 publizierte Broschüre Nicolas Dupré de Saint-­Maurs, Intendant der Province Guyenne, der die königliche Regierung aufforderte, den Tabakanbau wieder in der Region zu etablieren.99 Die geringe Dichte an Ratgeberliteratur war vor allem ein Effekt des Verbots von Tabakanbau in den Gebieten der Monarchie seit 1724. Als königliche Verwalter der Tabakwirtschaft hatten die bis 1789 existierenden fermes

93 Rainer Immensack, Bibliographie als Geschichte der deutschsprachigen Tabakliteratur von 1579 – 1995, Braunschweig 1996, S. 1 – 5 sowie 44 – 46. 94 Ebd., S. 5 – 8, 39 und 46. 95 Frederick Albritton Jonsson, Scottish Tobacco and Rhubarb. The Natural Order of Civil Cameralism in the Scottish Enlightenment, in: Eighteenth-­Century Studies 49 (2016), S. 129 – 147. 96 Über das polnische Interesse an preußischer Tabakforschung: Hans-­Heinrich Müller, Franz Carl Achard. 1753 – 1821. Biographie, Berlin 2002, S. 78 – 85; zum polnischen Tabakmonopol auch: Curtis Carroll Davis, ‚A National Property‘. Richard Claiborne’s Tobacco Treatise for Poland, in: The William and Mary Quarterly 21 (1964), S. 93 – 117. 97 Stefano Levati, Storia del tabacco nell’Italia moderna. Secoli  XVII–XIX, Rom 2017, vor allem Kapitel 6. 98 Gondolff nennt etwa ein Mémoire à l’avantage du Roy et de l’État, das zu Ehren des Kardinals Fleury in den 1720er-­Jahren anonym erschienen war: E. Gondolff, Le tabac sous l’ancienne monarchie. La ferme royale 1629 – 1791, Vesoul 1914, S. 441. 99 Ebd., S. 444.

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générales – eine ‚halbstaatliche‘, den in Übersee operierenden Handelskompanien vergleichbare Organisation, der der König das Privileg zu Handel, Fabrikation und Verkauf des Tabaks verliehen hatte 100 – den Tabakanbau verboten, weil der Anbau ‚einheimischer‘ Tabake in den Augen der fermiers Tabakschmuggel zu begünstigen schien, gegen den diese mit äußerster Härte vorgingen. Das Verbot schloss auch die Erforschung von Tabakpflanzen in Apotheker- und Klostergärten ein, die seit der Mitte des 18. Jahrhunderts häufig in Verdacht gerieten, den Tabak nicht zu Forschungs- oder Heilzwecken, sondern für den Schmuggel anzubauen.101 Eine breitere, etwa in nationalen Akademien und Gelehrtengesellschaften angesiedelte landwirtschaftliche Erforschung der Tabakpflanze hatte sich unter diesen Bedingungen in Frankreich vor 1789 kaum entwickeln können. Der Rückgriff auf die deutschsprachige Tabakanbauliteratur war jedoch nicht nur eine Reaktion auf deren Fehlen in Frankreich, sondern auch auf die fehlenden regionalen und lokalen Traditionen der Tabakforschung im Rheinland. Im Elsass und in Roer etwa waren im späten 18. Jahrhundert kaum Schriften zum Tabakanbau erschienen oder größere landwirtschaftliche Projekte entstanden. Im Gebiet des späteren Roers lassen sich jenseits der preußischen „Peuplierungspolitik“, im Rahmen derer Tabakbauern aus der Pfalz in den Gebieten um Kalkar angesiedelt wurden 102, kaum Aktivitäten der Verwaltung, geschweige denn Publikationen zum Tabakanbau feststellen. Im Elsass, das aufgrund seiner Sonderrechte als „province d’étranger effectif “ schon vor der Französischen Revolution Tabak anbauen durfte 103, existierte mehr Dynamik, ohne dass von einer der 100 Michael Kwass, Contraband. Louis Mandrin and the Making of a Global Underground, Cambridge (u. a.) 2014, S. 69; Marc Vigié/Muriel Vigié, L’herbe à Nicot. Amateurs de tabac, fermiers généraux et contrebandiers sous l’Ancien Régime, Paris 1989, S. 194 – 210. Das Monopol der fermes générales war unter Finanzminister Jean-­Baptiste Colbert eingeführt worden. 101 Ebd., S. 187 und S. 344 – 346. 102 Markus Zbroschzyk, Die preußische Peuplierungspolitik in den rheinischen Territorien Kleve, Geldern und Moers im Spannungsfeld von T ­ heorie und räumlicher Umsetzung im 17. – 18. Jahrhundert, Bonn 2014, S. 7. 103 Jacob M. Price, France and the Chesapeake. A History of the French Tobacco Monopoly, 1674 – 1791, and of its Relationship to the British and American Tobacco Trades, Band 1, Ann Arbor 1973, S. 485 ff.; zum Elsass im 18. Jahrhundert auch: Klaus-­Jürgen Metz, Das Elsass als Teil der französischen Monarchie (1648 – 1789), in: Michael Erbe (Hg.), Das Elsass. Historische Landschaft im Wandel der Zeiten, Stuttgart 2002, S. 85 – 101.

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späten napoleonischen Zeit vergleichbaren Intensität gesprochen werden kann.104 Die Erforschung des Tabaks war hier auf einzelne Güter, wie das des Greffiers d’Erstein 105, oder die botanischen Versuche Jean-­Frédéric Oberlins beschränkt.106 1791 erschien eine erste Publikation des Agronomen Louis Kaufmann (Bonne et seule manière de cultiver le tabac), auf die die Reformer der napoleonischen Zeit dann zurückgriffen.107 Zwar zeugen diese Beispiele von ersten Ansätzen der Produktion landwirtschaftlichen Wissens. Jedoch gab ein anonymer Engländer in seinem Bericht über eine Elsass-­Reise die Lage von 1793 ganz gut wieder, wenn er vor allem von „Landwirten“ sprach, die ihm bei seinen Fragen über den Tabak hätten Auskunft geben können.108 Agrarexperten waren im Elsass mit anderen Dingen beschäftigt. 104 Auch der Straßburger Prätor unternahm keine nachweisbaren Anstrengungen, die Rohtabakversorgung der Region durch die Produktion von Wissen oder eventuelle Kooperationen mit den Agronomen der Region voranzutreiben. Der Prätor beschäftigt sich vielmehr mit Tabakhandel: Ingeborg Streitberger, Der königliche Prätor von Strassburg 1685 – 1789. Freie Stadt im absoluten Staat, Wiesbaden 1961, S. 191. 105 Es findet sich im Generallandesarchiv nur eine kurze Notiz zu ­diesem Projekt. Auch Recherchen in den Straßburger Archiven haben keine weiteren Anhaltspunkte ans Licht gebracht: [Unbetitelter Bericht ohne Autorangabe], Gerstheim, 17. Oktober 1780, GLA, 237/690, unpaginiert. 106 In dessen Nachlass findet sich eine Skizze von einer Tabakpflanze, die auf botanische Forschung verweist: Tabacum nicotiana major, Archives de la Ville et de l’Eurométropole de Strasbourg, 77/Z/52/, Fond Oberlin, unpaginiert; zu Oberlin: Loïc Chalmel, Oberlin. Ein Pfarrer der Aufklärung, Potsdam (u. a.) 2012; Donatus E. Düsterhaus, Vom Beginn einer neuen Zeit. Johann Friedrich Oberlin (1740 – 1826) ­zwischen Revolution und Empire, in: Ute Planert (Hg.), Krieg und Umbruch in Mitteleuropa um 1800. Erfahrungsgeschichte(n) auf dem Weg in eine neue Zeit, Paderborn (u. a.) 2009, S. 267 – 287. 107 Joseph Louis Kauffmann, Bonne et seule manière de cultiver le tabac. Donnée par un patriote cultivateur alsacien, députés à l’Assemblée nationale, Paris 1790. Kauffmanns Schrift ist das einzige Werk, das Jean-­Michels Boehlers monumentale Arbeit zur Geschichte der elsässischen Landwirtschaft im 18. Jahrhundert hinsichtlich der Reform des Tabakanbaus nennt: Jean-­Michel Boehler, Une Société rurale en milieu rhénan. La paysannerie de la plaine Alsace (1648 – 1789), Band 1, Zweite und korrigierte Auflage, Straßburg 1995, S. 790. Einige wenige Überlegungen zur Reform des Tabakanbaus enthält jedoch auch das Buch des Straßburger Fabrikanten Schwendt: Schwendt, Auszug aus den Bemerkungen über den Entwurf des Auflagen-­Comite und denjenigen w ­ elchen Herr Mirabeau vorgelegt hat die Auflagen auf den Tabak betreffend, [ohne Ort] 1790. 108 [Anonym], Reise eines Engländers durch einen Theil von Elsaß und Nieder-­Schwaben. In Briefen verfaßt, und von seinem teutschen Freunde L. U. F. D. B. herausgegeben, Amster­ dam (u. a.) 1793, S. 13 – 14.

Nationalisierung der Reformkultur

Fehlende Anknüpfungsmöglichkeiten an Tabakforschungstraditionen in Roer und dem Elsass lassen sich auch durch die Institutionalisierungsbedingungen der agrarwissenschaftlichen Debatten erklären. In beiden Regionen hatten vor der Gründung von Landwirtschaftsgesellschaften – im Elsass 1799109 und in Roer 1806 – wenig gelehrte Orte existiert, von denen eine systematische Erforschung des Tabakanbaus hätte hervorgehen können. Damit unterschieden sich diese Regionen auch gegenüber Baden, wo, wie oben schon angesprochen, erste Publi­ kationen zum Tabakanbau schon im Rahmen der Projekte des kurpfälzischen Tabakmonopols in den 1770er- und 1780er-­Jahren entstanden waren. Badische Reformer griffen nicht nur auf die schriftlichen Zeugnisse dieser Zeit zurück, sondern integrierten mit der Übernahme der ehemaligen kurpfälzischen Terri­ torien nach 1803 auch dort vormals tätige Reformer.110 Sieht man von diesen in die 1770er- und 1780er-­Jahre zurückreichenden Linien ab, dann ist dennoch unverkennbar, dass erst die Errichtung des französischen Tabakmonopols 1810/11 eine Intensivierung von Tabakforschung im deutsch-­ französischen Kontext hervorbrachte, deren Räume vor allem regional geprägt waren. Die rheinische Forschungskultur bildete, neben ihrem Gegenwartsbezug, einen vertikalen Blick zurück in die Vergangenheit aus. Forschungsliteratur zum Tabakanbau aus dem späten 18. Jahrhundert wurde aufgegriffen, um die Probleme zu lösen, vor die sich rheinische Reformer angesichts der wirtschaftspolitischen Experimente Napoleons gestellt sahen.

2.3. Nationalisierung der Reformkultur Austausch und Vernetzung ­zwischen den rheinischen Tabakanbaugebieten überdauerten den endgültigen politischen Zusammenbruch des napoleonischen Imperiums im Jahr 1815, wurden jedoch durch die zunehmend national 109 Elsässische Agronomen hatten im späten 18. Jahrhundert meist ohne institutionelle Bindung auskommen müssen, wenn sie sich nicht in der allgemeiner ausgerichteten Straßburger Société Philantropique austauschten: Jürgen Voss, Die Straßburger ‚Société des Philantropes‘ und ihre Mitglieder im Jahre 1777, in: Ders., Deutsch-­Französische Beziehungen im Spannungsfeld von Absolutismus, Aufklärung und Revolution, Berlin 1992, S. 121 – 131. 110 Etwa Plantagen-­Inspektor Georg Friedrich Kall aus Heidelberg. Siehe dazu die Diskussion ­zwischen Fol. 11 und Fol. 15 sowie Fol. 32 und Fol. 50 im Faszikel GLA/236/16731.

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konnotierten Bilder und Emotionen der Experten verändert. Mit Blick auf den oben vorgestellten Reformer Johann Nepomuk Schwerz zeigt der folgende Abschnitt, wie ein informeller regionaler Austausch ­zwischen den Experten weiter existierte, während offizielle Kooperationen, sei es in Anstellungsverhältnissen oder formellen institutionellen Zusammenschlüssen, angesichts der von den Experten abverlangten nationalen Bekenntnisse immer schwieriger wurden. Schwerz hatte sein Engagement als Tabakinspektor im Elsass 1814 mit Verweis auf nationale Vorstellungen einer Heimkehr in das ‚deutsche Vaterland‘ aufgegeben. In der im selben Jahr publizierten Pfälzer Reise schilderte der gebürtige Koblenzer das besondere Gefühl, im hessischen Offenbach wieder „echt deutsche[n] Boden“ zu betreten. Die Arbeit im Elsass, wie die dortigen Arbeitgeber auch, schienen für Schwerz nur Monate nach seiner Abreise wenig mehr als eine peinliche Episode zu sein: „Für einen Mann, der sein Volk und Vaterland liebt und kein verkaufter Mietling und Fröner von Fremden ist,“ so hieß es in der oben zitierten Schrift, „ist dies [ein Leben außerhalb Deutschlands, AvW] nicht gleichgültig und macht, wenn er es lange entbehrt hat, auf sein Herz keinen geringen Eindruck.“ 111 Obwohl Schwerz’ Motivation zur Abreise sicher auch darauf zurückging, dass Lezay-­Marnesia, sein Gönner und Patron, im selben Jahre gestorben war und die Beziehungen zu den regionalen Eliten damit komplizierter Neuaushandlung bedurften, waren die Konsequenzen des Nationalisierungsschubs in der rheinischen Tabakforschung dennoch unverkennbar. Studien zu den im Empire zirkulierenden Beamten sprechen zwar von einer schwachen Ausprägung nationaler Emotionen 112; s­ olche Zeilen verdeutlichen jedoch, dass die Bewegungen landwirtschaftlicher Experten innerhalb des napoleonischen Reiches schon unmittelbar nach dessen Zusammenbruch als unpatriotisches Fehlverhalten umgedeutet werden konnten. Dies trifft nicht nur auf die linksrheinischen Gebiete zu. Auch der französische Staat hatte die Karrieren deutscher Verwaltungsbeamter, die in den bei Frankreich verbliebenen Gebieten 111 Zitiert nach Franz, Johann Nepomuk Schwerz, S. 10 – 11. 112 Das nationale Selbstbild, das Schwerz von sich produzierte, ist auch in die Forschung eingegangen, die seine Anwesenheit im Elsass weitgehend ignoriert hat. Das Beispiel Schwerz zeigt auch, dass die Annahme von Gabriele B. Clemens, dass Verwaltungsexperten während der napoleonischen Reiches gar keine „[n]ationalen Argumente“ benutzten und Nationalismus im Rheinland erst seit den 1840er-­Jahren eine Rolle spielte, zu vereinfacht ist: Clemens, Verwaltungseliten, S. 89 – 90.

Nationalisierung der Reformkultur

angestellt worden waren, mit der Niederlage Napoleons aus nationalen Gründen unterbrochen bzw. aufgrund des für sie steigenden Zwangs zum nationalen Bekenntnis schwieriger gestaltet.113 Solche neuen Ausschlussmechanismen korrespondierten, in Frankreich wie in den deutschen Staaten, mit einer intensivierten Wahrnehmung des jeweils anderen als nationalem „Erzfeind“ – eine Idee, die gerade im Kontext der sogenannten Befreiungskriege gegen Napoleon aufgekommen war.114 Während Reformer aus dem ehemaligen Heiligen Römischen Reich 1812 noch ganz offiziell in der Straßburger Tabakverwaltung arbeiten konnten, wurde dies im Zuge der Kriege zunehmend schwieriger. Nationale Emotionen waren in den Jahren um 1814/15 jedoch keineswegs gänzlich neu, sondern schon seit dem späten 18. Jahrhundert unter Tabakforschern, -händlern und -fabrikanten verbreitet. Unter deutschen Reformern war es in der napoleonischen Zeit nicht unüblich, französische Tabakforschung ins „Teutsche“ zu übersetzen.115 Das Beharren auf die Landessprache steht auch für ein Abrücken vom sprachlichen Kosmopolitismus der auf Französisch oder Latein kommunizierenden frühneuzeitlichen Gelehrtenrepublik. Neben Übersetzungen in die ‚Nationalsprachen‘ betraf dies auch die räumliche Verortung von Regionen auf der mentalen Karte der Zeitgenossen. Als in den 1790er-­Jahren Pläne für ein zukünftiges Tabakmonopol des französischen Staats bekannt wurden, war eine politisierte Diskussion z­ wischen Händlern entlang des Rheines entstanden, die sich gegen die zunehmende Steuerbelastung des Tabaks und die drohende Monopolisierung wehrten. Kölner Fabrikanten hatten, in nationaler Lesart, ihre Straßburger Kollegen zu denen „des alten Frankreichs“ gezählt 113 Ebd., S. 79 – 81. 114 Zum nationalen Denken der Revolutionszeit und der Ära Napoleons: Michael Jeismann, Das Vaterland der Feinde. Studien zum nationalen Feindbegriff und Selbstverständnis in Deutschland und Frankreich 1792 – 1918, Stuttgart 1992, S. 27 – 152. 115 So Friedrich Justin Bertuch, Verleger in Weimar und zeitgenössischer Universalgelehrter, in seiner Uebersicht der ausländischen Colonial-­Waaren und ihrer inländischen Surrogate aus dem Pflanzen-­Reiche von 1812 über Cadet de Vauxs „kleine interessante Schrift“: Friedrich Justin Bertuch, Uebersicht der ausländischen Colonial-­Waaren und ihrer inländischen Surrogate aus dem Pflanzen-­Reiche, Weimar 1812, S. 178; zu Bertuch etwa Walter Steiner/Uta Kühn-­Stillmark, Friedrich Justin Bertuch. Ein Leben im klassischen Weimar ­zwischen Kultur und Kommerz, Köln (u. a.) 2001; 1811 war auch eine italienischsprachige Übersetzung der Schrift Cadet de Vauxs erschienen: Alexis-­Antoine Cadet de Vaux, Trattato della cultura del tabacco e della preparazione della sua foglia ridotte ai suoi veri princip. Traduzione italiana, con note di un professore d’agricoltura, Florenz 1811.

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und deren im Gegensatz zu den „Rheinländern“ unterschiedliche Interessen betont.116 Schon hier zeigte sich, dass die während des früheren 18. Jahrhunderts auf mentaler Ebene noch als Übergangszonen verstandenen Grenzgebiete wie das Elsass zunehmend als scharfe Grenze z­ wischen zwei klar getrennten nationalen Räumen wahrgenommen wurden – Schwerz’ späterer Verweis auf Offenbach als Grenze Deutschlands war dabei weniger scharf als das geläufige Bild der Zeitgenossen.117 Obwohl sich derartige nationale Referenzen in den Jahren ­zwischen 1813 und 1815 deutlich verstärkten, überlagerten sie sich in den Jahren vor und nach dem Wiener Kongress mit Erinnerungen an die lukrativen imperialen Möglichkeiten, die die elsässische Tabakforschung deutschsprachigen Experten geboten hatte. Am 14. März 1815, also nur wenige Monate nach Schwerz’ Abreise aus Straßburg, hatte der Koblenzer Experte versucht, den Kontakt zur Tabakverwaltung in Straßburg wieder aufzunehmen und sein vormaliges Anstellungsverhältnis in der Monopolbehörde des Departements zu reaktivieren. Schwerz hatte seine Dienste angeboten und den Wunsch benannt, in der Verwaltung des elsässischen Tabakmonopols wieder „in einer seinen Kenntnissen gebührenden Weise“ angestellt zu werden.118 In durchaus selbstwerbender Absicht berichtete der Koblenzer von seiner Forschung zum Tabakanbau, die er „in anderen, dem Elsass nahen Departements gemacht habe“ und erwähnte auch, dass er derzeit plane, französische Versionen seiner Schriften zu publizieren.119 Das Entgegenkommen bei wichtigen nationalen Parametern wie der französischen Sprache, die Schwerz wie die meisten Gelehrten um 1800 routiniert beherrschte, machte es für den neuen Straßburger Präfekten Jean Antoine Joseph Debry noch einfacher, 116 Zitiert nach: Boerner, Kölner Tabakhandel, S. 102. 117 Über die Nationalisierung der Grenzen in der Wahrnehmung von Reisenden: Bernhard Struck, Nicht West – nicht Ost. Frankreich und Polen in der Wahrnehmung deutscher Reisender ­zwischen 1750 und 1850, Göttingen 2006, S. 193 – 229. 118 „Herr Schwerz fügt hinzu, dass er sich zur Verfügung stellt, um seine Forschungen fortzusetzen und eine französische Edition seiner Schriften herauszugeben, wenn trotz der unerwarteten Veränderungen in der Tabakverwaltung sein Lebensunterhalt aufgebracht, ihm das Notwendige gestellt sowie, wenn keine weitere Beschäftigung möglich sei, ihm das Auswandern erlaubt würde und er die von ihm in Frankreich angefertigten landwirtschaftlichen Schriften in der Fremde veröffentlichen könne.“ Brief Directeur générale an Préfecture du Département du Bas-­Rhin, Paris, 14. März 1815, SK, N5/Nachlass Johann Nepomuk Schwerz, unpaginiert. 119 Ebd.

Nationalisierung der Reformkultur

Schwerz der Pariser Behörde wegen seiner unter Lezay-­Marnesia erfolgreichen agrarreformerischen Arbeit zu empfehlen.120 Bewerbung und Empfehlung zeugen von Hoffnungen auf eine neuerliche imperiale Verflechtung der Tabakforschung in der Rheinregion, die für die Zeitgenossen angesichts von Napoleons Versuchen zur Errichtung eines weiteren Empire kurzzeitig neue Brisanz gewannen. Beachtet werden muss, dass Schwerz’ Bewerbung genau 14 Tage nach Beginn jener Herrschaft der Hundert Tage ­Napoleons erfolgte. Vor dem Hintergrund der Kooperationserfahrungen, die Schwerz und Straßburger Beamte während dessen erster Herrschaftszeit gemacht hatten, schien die Wiedereinstellung des Koblenzers nicht nur realistisch zu sein, sondern auch eine langfristige Perspektive zu haben. Obwohl die Niederlage bei Waterloo am 22. Juni 1815 letztlich Schwerz’ Reintegration in die elsässische Tabakverwaltung verhinderte, deutet die Kontaktaufnahme darauf hin, dass im Rheinland auch über die politischen Zäsuren hinweg ein anhaltendes Interesse von Gelehrten und Verwaltung füreinander existierte.121 Solche Beispiele zeigen, dass sich im Rheinland keineswegs nur nationale Reaktionen auf das scheinbare Wiedererstarken Napoleons entfalteten 122, sondern imperiale Erwartungen jenseits der Nation eine Rolle spielten. Imperialer Patriotismus zeigte sich auch in Form einer gewissen Form von Nostalgie für die Reformen des Empire, die in den südrheinischen Regionen vor allem in der anhaltenden Bewunderung und Mystifizierung des Straßburger Präfekten Lezay-­Marnesias Ausdruck fand. Schon in Schwerz’ Beschreibung der Landwirtschaft des Nieder-­Elsaß von 1816 war Lezay-­Marnesia durchweg heroisiert und als ‚Retter‘ der elsässischen Landwirtschaft portraitiert worden, während der Anteil der Straßburger Gelehrten aus der Société des Sciences keine Erwähnung fand.123 Deren Mitglieder trugen auch selbst zu ­diesem Bild bei. 120 Brief Directeur général de l’Administration des Droits Réunis an Préfet du Département du Bas-­Rhin, Paris, 20. März 1815, SK, N5, unpaginiert. 121 Schwerz selbst hatte 1816 allerdings ein Buch zur elsässischen Landwirtschaft publiziert, in dem er kritisch mit dem französischen Tabakmonopol ins Gericht ging: Johann N ­ epomuk Schwerz, Beschreibung der Landwirtschaft des Nieder-­Elsaß, Berlin 1816. 122 So etwa: Karl-­Georg Faber, Die Rheinlande z­ wischen Restauration und Revolution. Probleme der rheinischen Geschichte von 1814 bis 1848 im Spiegel der zeitgenössischen Publizistik, Wiesbaden 1966, S. 55 – 61. 123 Von einer „Mystifizierung“ des Präfekten spricht, am Beispiel des Elsass, auch: Livet, La Société Académique, S. 39.

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J. B. N. L. Husson, der Nachfolger von Schwerz als Straßburger Inspecteur, hatte 1824 explizit die Kontinuitäten ­zwischen dem von Lezay-­Marnesia angefachten Drang zur Erforschung des Tabakanbaus im Elsass und den Experimenten der Straßburger Landwirtschaftsgesellschaft in den 1820er-­Jahren hervorgehoben. Demnach galt es, das Werk des napoleonischen Präfekten weiter voranzutreiben und für das Departement neue Tabaksorten zu erforschen.124 Die positive Erinnerung an den Präfekten war nicht nur auf das Elsass beschränkt. Wie ein anonymer Autor 1831 in seinem Rheinischen Antiquarus anmerkte, wurde Lezay-­ Marnesia auch an den benachbarten Höfen von Karlsruhe und Stuttgart als wichtiger Reformer erinnert.125 Imperialer Patriotismus überlagerte sich jedoch nicht nur mit nationalen Emotionen, sondern auch mit einem patriotischen Bezug der Reformer zu den neuen administrativen Untereinheiten des französischen Kaiserreichs, allen voran dem Departement. Die Instruction für die Tabakspflanzer, zum Gebrauche des Niederrheinischen Departements und ähnlich lautende Schriften im nördlichen Rheinland, etwa im Departement de la Roer 126, die ein Jahr ­später erschienen, hoben diese Bezüge schon im Titel stark hervor.127 Die Schriften verdeutlichen, dass die in den 1790er-­Jahren von den französischen Revolutionstruppen besetzten bzw., wie im Elsass, umgestalteten französischen Provinzen und die dabei gezogenen Departementsgrenzen nicht nur von Verwaltungsbeamten, sondern auch von Reformern in patriotischer Weise wahrgenommen wurden. Ausnahmen bestätigen diese Regel. Die Klever Landwirtschaftsgesellschaft war seit März 1812, unter Federführung des Vize-­Präsidenten Limburg Stirum, dazu übergegangen, ein von der Tabakverwaltung des Departements herausgegebenes Tabakhandbuch in detailverliebter Kritik zu verreißen, weil sie dem Autor in mehreren Punkten absprach, mit den lokalen Eigenheiten des Tabakanbaus 124 Foderé, Extrait d’un Mémoire manuscrit, S. 252. 125 Anonym, Das linke Rheinufer, S. 242; im Departement Bas-­Rhin zeigte sich die lange währende Wertschätzung der Tabakreform des Präfekten nicht zuletzt daran, dass noch im August 1857 der damalige Präfekt Stanislas Migneret eine Statue Lezay-­Marnesias in Straßburg einweihte, wobei auch ein Repräsentant der Großherzogin von Baden anwesend war: von Westerholt, Lezay Marnesia, S. 226. 126 Gruet, Handbuch des Tabaks-­Bauers. 127 Brief Directeur général de l’Administration des Droits Réunis an Lezay-­Marnesia, Paris, 9. Oktober 1811, ADBR, 11/M/196, unpaginiert.

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im Departement vertraut zu sein.128 Nicht die Arrondissements Kleve und Köln oder gar das Departement, also die administrativen Raumeinheiten für die Gruet das Handbuchs verfasst hatte, sondern die Dorfebene, die „communes“, so das Hauptargument der Reformer, schienen aus dieser Sicht sinnvolle Begrenzungen für Ratschläge zum Anbau zu sein.129 Dem Patriotismus für eine Reform im neu geschaffenen Departement waren demnach immer auch Grenzen ­eingeschrieben; die lokale Ebene blieb für viele Reformer von Bedeutung. Das galt aber auch für die Territorialstaaten, die Napoleon nach 1800 in den besetzten deutschsprachigen Gebieten im Rahmen seiner imperialen Bündnispolitik geschaffen hatte. Das 1809 durch den Karlsruher Hofbotaniker Carl Christian Gmelin publizierte Buch Ueber den Einfluß der Naturwissenschaft auf das gesamte Staatswohl war laut Selbstaussage des Experten „vorzüglich für [s]ein Vaterland geschrieben“ 130, das für Gmelin jedoch weniger Deutschland als vielmehr das Großherzogtum Baden markierte. Gmelins Überlegungen schienen weder für die anderen Tabakanbaugebiete des napoleonischen Imperiums, des Rheinbunds oder gar der deutschsprachigen Welt, sondern allen voran für das Großherzogtum publiziert zu sein. Manche der agrarreformerischen Zeitgenossen im Rheinland hofften sogar, dass sich die Wirkung von Schriften, Preisverleihungen und botanischen Einrichtungen lediglich innerhalb der von ihnen jeweils repräsentierten subnationalen und subimperialen Territorien entfaltete. Im südbadischen Seekreis, 128 Observations sur l’instruction pour la culture du tabac présenté à la Société d’Agriculture par Monsieur le Contrôleur principal des Droits Réunis, préposé surveillance des octrois de l’arrondissement de Clèves, Gruet, par la second Vice-­Président de la dite Société de Limburg Stirum, Kleve, 9. April 1812, LA NRW, Roerdepartement, 02672, Fol. 31 – 32. 129 Gruets Schrift würde nur gewissen „communes“ Vorteile bringen, während sie für andere Tabakanbauorte wie Grieth, die Insel bei Emmerich, Beylerward, ein Teil von Duffeld, Niel, Leuth, Kekerdom sowie manche Bauernhöfe in Salmoord zu allgemein gehalten sei: Réplique de Mons. de Limburg Stirum à la réponse de M. Gruet sur ses observations, Kleve, 16. April 1812, LA NRW, Roerdepartement 02672, Fol. 33 – 34, hier Fol. 34; dazu auch die kritische Rezension von Gruets Buch: [unbetitelt, ohne Ort, ohne Datum], LA NRW, Roerdepartement 02025, Fol. 28; Solche Umfragen unter Landwirten waren eine gebräuchliche Praxis der napoleonischen Zeit: Klaus Freckmann, Landwirtschaftliche Umfragen der napoleonischen Zeit und ihre Bedeutung für die Kulturraumforschung Pfalz und Rheinland, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 37 (1989), S. 126 – 167. 130 Brief Gmelin an das Landes Ökonomie Departement, Karlsruhe, 14. März 1811, GLA , 236/6072, Fol. 12 – 14, hier Fol. 13.

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in Konstanz, wies ein gewisser Hofer im September 1811 auf die Gefahr hin, dass der eingangs angesprochene Unterricht über den Tabak-, Hopfen-, und Runkelrüben-­Bau des Konstanzer Bürgermeisters Anton Burkart über die Grenzen des Großherzogtums hinaus Verbreitung finden würde. Hofer warnte vor allem vor der Bekanntmachung der Broschüre bei den südlichen Schweizer Nachbarn, die ähnliche Schriften erstellen würden, um ihre Tabakanbaukultur zu unterstützen.131 Die Öffentlichkeit des Wissens war für Reformer wie Hofer ein zweischneidiges Schwert. Zwar war die Sichtbarkeit von Büchern und Gärten zentral für die Verbesserung der Tabakanbauwelten. Dennoch reagierte der Hofrat äußerst ambivalent auf die öffentliche Ehrung, die dem Konstanzer Bürgermeister Anton Burkart von Seiten des badischen Staats für seine Schrift zuteil wurde. Es muss Hofer bewusst gewesen sein, dass der öffentliche oder semi-­öffentliche Charakter von landwirtschaftlichen Verbesserungsprojekten die räumliche Begrenzung des Wissens schwierig machen würde. Letztlich reflektierten die rheinischen Reformer jedoch erstaunlich wenig über den Widerspruch z­ wischen ihrem Wunsch, landwirtschaftliche Forschung begrenzt einzusetzen und gleichzeitig eine breitere Öffentlichkeit durch Publikationen adressieren zu müssen. Dennoch sollten s­ olche Raumbilder und Zuschreibung nicht davon ablenken, dass der regionale Austausch von Wissen in der Rheinregion de facto weder in der Zeit vor noch in den Jahren nach 1815 eingestellt wurde. Eine Kommission der Straßburger Landwirtschaftsgesellschaft hatte in den frühen 1820er-­Jahren unter Vorsitz Hussons damit begonnen, Experimente mit dem Tabak nachzustellen, die Forscher des 1819 gegründeten badischen Landwirtschaftsverein unternommen hatten.132 Das Wissen in Hussons 1824 publizierter Mémoire manuscrit sur la culture du tabac dans le département du Bas-­Rhin profitierte von den Verbindungen 131 Hofer erwähnte jedoch nicht nur die Schweizer oder die Schweiz, sondern sprach gleichzeitig auch von „Bernbergern“, die nichts von dem neuen Buch erfahren sollten: Eingabe von Hofer, Karlsruhe, 8. September 1811, GLA, 236/6072, Fol. 22. 132 Der Artikel referierte dabei insbesondere auf den von der badischen Regierung als Experten konsultierten Schwetzinger Plantagen-­Inspektor Kall, dessen Aufsatz in den ­„Mémoires de la Société d’agriculture du grand-­duché de Bade“ von 1823 Husson stark inspiriert hatte: F. E. Foderé, Extrait d’un Mémoire manuscrit sur la Culture du tabac dans le Département du Bas-­Rhin, lu à la Société des sciences, agriculture et arts, par M. J. B. N. L. Husson, employé supérieur de l’Administration des contributions indirectes, in: Journal de la Société des Sciences, Agriculture et Arts du Département du Bas-­Rhin 1 (1824), S. 226 – 257.

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in der Rheinregion, die schon in der napoleonischen Zeit die Tabakforschung im Elsass mehr und mehr informiert hatten. Zwar sind ­solche Indizien gerade für die 1820er-­Jahre spärlich, jedoch lässt das vorhandene Material dennoch Zweifel an dem bisher von der Forschung oftmals gezeichneten Bild aufkommen, wonach elsässische Gelehrte nach dem Wiener Kongress ihren besonderen Bezug zu den deutschsprachigen Gebieten und somit ihr Interesse für die Forschung in der Rheinregion mehr oder weniger vollständig verloren hätten.133 Die um den Tabakanbau konstruierten Netzwerke und Verbindungen zeigen vielmehr, dass Experten auch nach der napoleonischen Zeit an die Austauschbeziehungen in der Rheinregion anknüpften. Allerdings konzentrierten sich diese nun mehr und mehr auf die südliche Rheinregion, da die niederrheinischen Tabakanbaugebiete im Laufe des 19. Jahrhunderts recht schnell von der Bildfläche verschwanden.134 Der Zusammenbruch des napoleonischen Empire bewirkte im Elsass weniger eine reale Neuausrichtung an einer französischen Tabakforschung oder eine Beschränkung von Forschungsverbindungen auf das Departement Bas-­Rhin. Vormals direkt angeschriebene rheinische Tabakanbaugebiete wurden aus dem Elsass nun allerdings über geographisch nahe Departementverwaltungen in Frankreich kontaktiert. Im Mai 1817 hatte die Straßburger Verwaltung sich bei der Präfektur in Lille im Departement du Nord erkundigt, ob diese mit Trocken­ schuppen holländischen Typs vertraut sei und inwieweit deren Ausbreitung positive Effekte auf den Anbau hätte.135 Während in der napoleonischen Zeit direkte 133 L’Hullier spricht von einer „starken Unterbrechung mit dem rheinischen Milieu“ und einer „verschärften Orientierung in Richtung Frankreich“: Ders, Recherches sur l’Alsace, S. 430; letztlich hat die neuere Forschung diese These weitgehend übernommen: David A. Bell, Nation-­Building and Cultural Particularism in Eighteenth-­Century France. The Case of Alsace, in: Eighteenth-­Century Studies 21 (1988), S. 472 – 490; David G. Troyansky, Alsatian Knowledge and European Culture. Jérémie-­Jacques Oberlin, Language, and the Protestant Gymnase in Revolutionary Strasbourg, in: Francia 27 (2000), S. 119 – 138; dagegen hat Georges Livret die besondere Bedeutung der Rheinregion für die elsässischen Gelehrten auch für die nachnapoleonische Zeit betont. Auch nach 1815 habe sich ein Netzwerk z­ wischen den „angrenzenden Provinzen“ Nancy, Metz, Besançon und Dijon und der deutschsprachigen Rheinregion um Mainz, Karlsruhe bis hin nach Frankfurt erhalten: Livet, La Société Academique, S. 31. 134 Boerner, Kölner Tabakhandel, S. 164 – 211. 135 Extrait des registres des Actes de la Préfecture du 28 mai 1817. Primes d’encouragement accordés aux cultivateurs pour l’établissement de séchoirs à la hollandaise, Straßburg,

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Verbindungen z­ wischen Straßburg und den französischen Monopolbehörden in Städten wie Nimwegen oder Amersfoort bestanden hatten, wurden jetzt den Niederlanden geographisch relativ nahe französische Departements als Mittler holländischer Tabaktrockentechnologie vorgezogen.136 Angesichts der sich verdichtenden nationalen Antagonismen auf beiden Seiten des Rheins wurden formelle Verbindungen aber, wie die Anstellung Schwerz’ in Straßburg, nach 1815 zunehmend unmöglich. Bei dem Straßburger Wissenschaftskongress von 1842 etwa hatten Gelehrte sich nicht auf die Gründung einer grenzüberschreitenden Enzyklopädischen rheinischen Gesellschaft einigen können, weil die Frage nach der Sprache des gemeinsamen Journals für Konflikte sorgte.137 Auch der Straßburger Kunstverein hatte seit den 1860er-­Jahren sein offizielles Engagement im Rheinland zugunsten einer Umorientierung nach Frankreich aufgegeben.138 Diese Ereignisse standen am Ende einer zunehmenden Entflechtung offizieller grenzregionaler Kooperationen im Rheinland, die während der napoleonischen Zeit auch in Hinblick auf den Tabakanbau intensiviert worden waren. Obwohl die neuen nationalen Zugehörigkeitsgefühle nach 1815 es verhinderten, dass Agronomen weiterhin in die behördlichen Projekte integriert wurden oder sich gemeinsame rheinische Gesellschaften oder Vereine für den Tabakanbau bildeten, bestand doch weiterhin ein informeller Austausch z­ wischen den Reformkulturen. Diese Tatsache und die sich überlagernden patriotischen Bilder sowie Verweise auf nationale, staatliche oder auch lokale Ebenen zeigen jedoch, dass für die 28. Mai 1817, ADBR, 11/M/194, unpaginiert. 136 Zum niederländischen Tabakanbau in der napoleonischen Zeit, jedoch ohne weitere Verweise auf die dortigen agronomischen Projekte: Johannes Jacobus Herks, De Geschiedenis van de Amersfoortse Tabak, Den Haag 1967, S. 206 – 215. Die kommunale Verwaltung Lilles hatte schon im 18. Jahrhundert einen intensiven Austausch mit den benachbarten flandrischen Gebieten geführt, in der auch die Tabakverarbeitung eine Rolle spielte: Catherine Denys, Les correspondances entre villes du nord de la France. Circulation des informations, des normes et des pratiques administratives dans un réseau autonome au XVIIIe siècle, in: Pascale Laborier (u. a.) (Hg.), Les sciences camérales. Activités pratiques et histoire des dispositifs publics, Paris 2011, S. 217 – 239, hier S. 223 – 224. 137 Ludwig Spach, Moderne Culturzustände im Elsass, Band 3, Straßburg 1874, S. 200 – 201. 138 Anne-­Doris Mayer, Les amis des arts de Strasbourg et l’Association rhénane pour l’encouragement des beaux-­arts, in: Isabelle Jansen/Friederike Kitschen (Hg.), Dialog und Differenzen 1789 – 1870. Deutsch-­Französische Kunstbeziehungen. Les relations artistiques franco-­allemandes, Berlin (u. a.) 2010, S. 397 – 407.

Zentralisierung im napoleonischen Imperium?

Tabakanbaureform der Zeit um 1800 kaum von einer „Entterritorialisierung“ gesprochen werden kann, die Guillaume Garner für diese Zeit vor allem am Beispiel des Kameralismus und der entstehenden Nationalökonomie herausgearbeitet hat.139 Das vorliegende Kapitel verdeutlicht eher die Überlappung unterschiedlicher Raumreferenzen, die von der Forschung bisher vor allem getrennt voneinander betrachtet worden sind.140

2.4. Zentralisierung im napoleonischen Imperium? Die im frühen 19. Jahrhundert zunehmend mit nationalen Referenzen aufgeladene Tabakforschung der Rheinregion wurde dabei keineswegs durch auf Paris zentrierte imperiumsübergreifende Maßnahmen herausgefordert oder abgelöst. Im Folgenden soll abschließend gezeigt werden, dass die Pariser Zentralverwaltung des staatlichen Tabakmonopols sich vielmehr durch eine gewisse Passivität auszeichnete, in der Nachwirkungen des Ancien Régime spürbar wurden. Für eine zentralisierte Tabakreform im napoleonischen Empire agitierende Landwirtschaftsexperten hatten angesichts der Last der Vergangenheit kaum Möglichkeiten, ihre Pläne umzusetzen. Außerhalb der Droits Réunis, der staatlichen Behörde, die das Tabakmonopol im Frankreich des frühen 19. Jahrhunderts organisierte, fanden sich hingegen zahlreiche französische Gelehrte, die eine imperiumsweite Reform des Tabakanbaus befürworteten. Der renommierte Pariser Forscher Alexis-­Antoine Cadet de Vaux etwa adressierte in seinem 1810 erschienenen Traité de la culture du tabac, et de la préparation de sa feuille, réduites à leurs vrais principes einen Raum, der

139 Guillaume Garner, Die Raumvorstellung im deutschen kameralistischen und nationalökonomischen Diskurs (1740 – 1820), in: Kulturwissenschaftliche Regionenforschung 1 (2001), S. 75 – 89, hier S. 84. 140 Vgl. die Artikel in Jani Marjanen/Koen Stapelbroek (Hg.), The Rise of Economic Societies in the Eighteenth Century. Patriotic Reform in Europe, Basingstoke 2012; dazu auch: Jakob Vogel, Stony Realms. Mineral Collections as Markers of Social, Cultural and Political Spaces in the 18th and Early 19th Century, in: Historical Social Research 40 (2015), S. 301 – 320; vor d ­ iesem Hintergrund wichtig sind auch die Überlegungen zu Botanikern des 18. Jahrhunderts, die bei der Erstellung von „Floren“ eher auf lokale Stadt- oder regionale Ebene zielten: Alix Cooper, Inventing the Indigenous. Local Knowledge and Natural History in Early Modern Europe, Cambridge (u. a.) 2007.

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die seit den 1790er-­Jahren von Frankreich okkupierten Territorien als integrierte Reformsphäre und zukünftige Ressourcenräume darstellte: Frankreich [la France] kann sich in dieser Epoche der weiten Eroberungen, die seine Dominanz ausdehnen und die Frankreich neue Klimazonen sichern, mehr als jemals zuvor von der Einfuhr ausländischer Tabake lösen. Nicht nur kann dabei der eigene Verbrauch an Tabak sichergestellt, sondern der im Boden des Imperiums [sol de ­l’Empire] kultivierte Tabak auch ein überaus wichtiges Objekt des Anbaus, der Industrie und des Handels mit anderen Völkern Europas werden.141

In der Rede vom „sol de l’Empire“ war „la France“, also ein im Stil der Revolutionsrhetorik bis zum Rhein reichendes Frankreich 142, tendenziell aufgehoben, ohne dass jedoch die weiteren Welten der von Napoleon kontrollierten Gebiete herausfielen. Cadet de Vaux imaginierte damit einen Raum, der ­zwischen einem nationalen und einem imperialen Verständnis Frankreichs oszillierte. In Bremen war 1810 eine ähnliche Schrift erschienen, in der der bereits erwähnte Georg Christian Bocris seine Gedanken Ueber die Verbesserung der Tabaks-­Kultur in Europa vor dem Hintergrund einer vergleichbar groß angelegten Reform konzipiert hatte 143, die mit den napoleonischen Eroberungen für die Zeitgenossen überhaupt erst denk- und durchführbar erschien. Tabakforscher wie Cadet de Vaux plädierten gleichzeitig für zentralstaatliche Maßnahmen innerhalb des Imperiums und hoben dabei ihre eigene Bedeutung hervor. J. M. Sarrazin etwa publizierte 1811 einen Traité élémentaire de la culture du tabac en France, in dem er mit Blick auf das „vaste Empire“ sein „Génie universel“ empfahl. Sarrazin meinte neue Agrarprojekte erdenken und die vor der Errichtung des Monopols für Rohtabakimporte ausgegebenen Summen zum Vorteil aller Franzosen abwenden zu können.144 Eine imperiumsweite Reform und Erforschung des Tabakanbaus, also eine erfolgreiche Substitution des Imports 141 Alexis-­Antoine Cadet de Vaux, Traité de la culture du tabac, et de la préparation de sa feuille, réduites à leurs vrais principes, Paris 1810, S. I. 142 Peter Sahlins, Natural Frontiers Revisited. France’s Boundaries since the Seventeenth Century, in: The American Historical Review 95 (1990), S. 1423 – 1451. 143 Georg Christian Bocris, Ueber die Verbesserung der Tabaks-­Kultur in Europa, Bremen 1812. 144 J. M. Sarrazin, Traité élémentaire de la culture du tabac en France, contenant les meilleurs procédés pour obtenir de cette culture des feuilles équivalente, en qualité, à celle

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außereuropäischer Tabake durch die Veredelung inländischer Tabake, war dieser Logik nach, die tief in der literarischen Genie-­Rhetorik der Zeit um 1800 verwurzelt war 145, auf die öffentlich agitierenden Agronomen angewiesen. Noch direkter formulierte dies Baillot de St. Martin, der in einer Veröffentlichung wortwörtlich nachfragte, ob „der Comte de l’Empire, Directeur général des Droits Réunis, ihm ein Dienstverhältnis anbieten“ könne.146 Die Reformer gingen davon aus, dass sich die Weiten des napoleonischen Imperiums von der französischen Hauptstadt aus durch Experten kontrollieren ließen. Derartige Vorstellungen waren nicht nur von den neuen zentralstaatlichen Möglichkeiten des Tabakmonopols inspiriert, mit dem nach 1810/11 ein formal streng an Paris orientiertes, hierarchisches Verwaltungssystem eingeführt wurde. Die Bewerbungen und Empfehlungen der Reformer standen gleichsam im Schatten einer 1808 im Empire angelaufenen Debatte über die Zukunft eines „Code Rurals“, der als Ergänzung des Code Civils als Gesetzbuch für die Landwirtschaft dienen sollte. Erste Etappen dieser Diskussion hatte Jean-­Joseph de Verneilh-­ Puyraseau 1810 und 1811 in drei Observations des Commissions consulatives sur le projet de Code rural betitelten Bänden festgehalten, die die Umfragen einer staatlichen Kommission repräsentierten.147 Tabakexperten wie Cadet de Vaux ließen sich auch durch das französische Innenministerium inspirieren, das seit der Amtszeit Jean-­Antoine ­Chaptals, einem zeitgenössischen Reformer und Chemiker, zu einem bedeutenden

importées de l’étranger, Paris 1811, S. 13 – 14. Leider konnte im Rahmen der Studie nicht eruiert werden, wo genau der Autor herstammte. 145 Aus der Menge der Literatur sei hier lediglich verwiesen auf: Günter Peters, Der zerrissene Engel. Genieästhetik und literarische Selbstdarstellung im achtzehnten Jahrhundert, Stuttgart 1982. 146 Baillot de St. Martin, L’art raisonné du cultivateur et du fabricant de tabacs, Paris 1812, S.  VII–VIII ; „Eine gute Verarbeitung des Tabaks“ sei, so betonte auch Cadet de Vaux, stets an eine „starke Überwachung der Regierung gebunden“: Cadet de Vaux, Traité de la culture du tabac, S. XI; andere Gelehrte bewarben sich hingegen vor allem auf Posten, auf denen sie an der Reform der staatlichen Tabakmanufakturen – auf die ich weiter unten zurückkomme – teilhaben konnten. Der Chemiker Jean Cabanis aus Montpellier etwa hatte (fälschlicherweise) das Pariser Innenministerium um eine Position in einer Tabakfabrik gebeten: Brief Cabanis an das französische Ministère de l’Intérieur, Montpeiller, 10. Februar 1811, Archives Nationales (AN), F/12/1876, unpaginiert. 147 Françoise Fortunet, Le Code Rural ou l’impossible codification, in: Annales de la Révolution française 54 (1982), S. 95 – 112.

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Impulsgeber für zentralisierte Landwirtschaftsreformen innerhalb des Empire geworden war.148 Die Pariser Behörde hatte Experimente mit Baumwollanbau im Mittelmeerraum angeleitet und war vor allem nach der Dekolonisierung von St. Dominque 1806 wegen ihrer Bemühungen um den Zuckerrübenanbau als Ersatz für Rohrzucker hervorgetreten.149 Autoren wie Cadet de Vaux wussten sicherlich auch um die kolonialen Projekte des Innenministers Chaptals. Dieser hatte eine landwirtschaftliche Mission unter Leitung des Agronomen Pouilé Ducanin nach Ägypten geschickt, in deren Rahmen auch der Tabakanbau in der Nilregion eingeführt bzw. ausgedehnt werden sollte.150 Im Windschatten von Napoleons ägyptischen Eroberungszügen z­ wischen 1798 und 1801 wurden zentralisierte, koloniale Reformprojekte des Tabakanbaus erdacht, deren imperiale Dimension in der späten napoleonischen Zeit wiederum auf die europäischen Gebiete des napoleonischen Reichs zurückprojiziert wurde. Nicht zuletzt das strenge Ressortprinzip des nachrevolutionären französischen Staats verhinderte es, dass die Dynamiken einzelner Ministerien auch in anderen Behörden Wirkung zeigten. Tatsächlich finanzierten die Droits Réunis keine zentralisierten Reformbemühungen, sondern blieben bei einer moderaten finanziellen und logistischen Förderung der Verbesserungsprojekte, die im Elsass und den anderen Rheinregionen im reziproken Austausch und eigendynamisch entstanden waren. Finanzfachmann Antoine Français de Nantes, seit 1804 Directeur général der Droits Réunis und damit einer der wichtigsten Akteure in der Zentralverwaltung des Tabakmonopols 151, hieß die elsässischen Projekte zum Tabakanbau willkommen und ehrte den Präfekten Adrien de Lezay-­Marnesia als einen „aufgeklärten Beamten“. Die Pariser Behörde nahm Lezay-­Marnesia nicht nur als regional 148 Jeff Horn/Margaret C. Jacob, Jean-­Antoine Chaptal and the Cultural Roots of French Industrialization, in: Technology & Culture 39 (1998), S. 671 – 698. 149 Jacques Godechot, Le dirigisme agricole sous le Premier Empire, in: Annuario del Istituto Storico italiano per l’età moderna e contemporanea 31 (1979), S. 35 – 58, hier S. 56 – 57; Robert Fox meint, dass die politische Zäsur des Jahres 1814/15 über die Kontinuität in der Verwissenschaftlichung der Bürokratie im Revolutionszeitalter hinwegtäuscht: Robert Fox, The Savant and the State. Science and Cultural Politics in Nineteenth-­Century France, Baltimore 2012, S. 10 – 11. 150 Die Herrschaft der Franzosen in der Region war in die breiteren Vorstellungen der „Zivilisierungsmission“ eingebettet: Carl Ludwig Lokke, The French Agricultural Mission to Egypt in 1801, in: Agricultural History 10 (1936), S. 111 – 117, hier S. 115. 151 André Cottez, Un fermier général sous le Consulat et l’Empire, Paris 1938, S. 218.

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wirkenden Reformer wahr, sondern sah in den von ihm initiierten „Maßnahmen zur Steigerung der imperialen Einnahmen“ im Bereich des Tabakanbaus ein Vorbild in der napoleonischen Einflussphäre.152 Die Straßburger Bemühungen erschienen als „Mittel der Verbesserung“, die „eine möglichst weitreichende Ausdehnung“ erfahren sollten.153 Die erhofften Synergien für andere Tabakanbaugebiete Frankreichs waren ein wichtiger Grund dafür, dass Pariser Beamte Gelder bereitstellten, die es den Departements erlaubten, botanische Gärten einzurichten und Experten einzustellen. Die Präsenz des Koblenzer Johann Nepomuk Schwerz im Elsass etwa war in den Augen der Pariser Beamten eine wichtige Facette der Reform: Napoleon selbst, so hieß es in einem Schreiben, sei überaus zufrieden mit dem Koblenzer Tabakexperten und einverstanden, wenn ein Teil der finanziellen Mittel der Verwaltung verwendet würde, um Schwerz das Abfassen einer Abhandlung über den Anbau im Elsass zu ermöglichen.154 Im Elsass erhielt die Präfektur 20.000 Francs – eine Summe, die in den Augen der Zeitgenossen derart hoch war, dass sie von Finanzminister Martin Michel Gaudin und Napoleon persönlich abgesegnet werden musste.155 Auch nach 1815 erschien Schwerz dem Generaldirektor der Droits Réunis weiterhin als einer der besten Kenner der Tabakanbaugebiete im Elsass und dessen Umland.156 Die Pariser Zentralbehörde finanzierte auch über die napoleonische Zeit ­hinaus Pläne und Projekte in Departements wie Bas-­Rhin und, vor Ausbruch der 152 Brief Français de Nantes an Lezay-­Marnesia, Paris, 9. Oktober 1811, ADBR , 11/M/196, unpaginiert. 153 Ebd. Konsequenterweise erlaubte die Zentralverwaltung Lezay-­Marnesia den schon 1811 erstellten Manuel du cultivateur du tabac. À l’usage du département du Bas-­Rhin, der zunächst nur an die Landwirte und Gelehrten im Elsass verteilt worden war, 1812 in den Pariser Annales de l’agriculture francoise [sic] zu veröffentlichen: Adrien de Lezay-­ Marnesia, Manuel du cultivateur de tabac. À l’usage du département du Bas-­Rhin, in: Annales de l’agriculture françoise, contenant des observations et des mémoires sur toutes les parties de l’agriculture 49 (1812), S. 58 – 95. 154 Brief Français de Nantes an Lezay-­Marnesia, Paris, 23. Februar 1812, ADBR, 11/M/196, unpaginiert. 155 Brief Ministre des Finances an Lezay-­Marnesia, Paris, 23. November 1811, ADBR, 11/M/196, unpaginiert; dazu auch: Brief Français de Nantes an Lezay-­Marnesia, Paris, 9. Oktober 1811, ADBR, 11/M/196, unpaginiert. 156 Brief Le Préfet du Département du Bas-­Rhin an Directeur générales de l’agriculture du commerce & directeur générales, Straßburg, 20. März 1815, SK , N5/Nachlass Johann Nepomuk Schwerz, unpaginiert.

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Kriege, auch in Roer. Regionale Bemühungen zur Verbesserung des Tabakanbaus wurden in Paris jedoch nur unterstützt, wenn sich Beamte aus den Departements dafür verantwortlich zeigten. Die passive Rolle der Zentralverwaltung bei der Reform des Tabakanbaus zeigte sich auch in ihrer Funktion als Verteiler und Organisator von Saatgut und Schriften innerhalb des Imperiums. Pariser Beamte leiteten auf Anfrage Dokumente zum Tabakanbau ­zwischen den regionalen Forschungszentren weiter 157, auch nach 1815. Gleichsam akquirierte die Zentralverwaltung im Auftrag der Behörden Tabaksaatgut und versandte d ­ ieses in die rheinischen Departements. Die elsässische Verwaltung profitierte dabei auch von konsularischen Kontakten, über die die Pariser Régie eine Anzahl von Tabaksorten aus Amerika, speziell aus Maryland, bezogen hatte.158 Saatgut aus den von Napoleon eroberten europäischen Gebiete war jedoch deutlich wichtiger und stellte die vor allem genutzte Quelle der landwirtschaftlichen Reformer dar.159 Die mehr oder weniger beiläufigen Pariser Hilfsaktionen lassen eine gewisse Passivität in agronomischen Fragen erkennen, die sich nicht zuletzt auf die in den Droits Réunis verbreitete Skepsis gegenüber Reformprojekten zurückführen lässt. François-­Nicolas Mollien, 1806 zum Ministre de Trésor Public ernannt und von der Forschung als einer der Hauptverantwortlichen beim Aufbau des Staatsmonopols gehandelt 160, hatte schon ein Jahr nach Beginn der Französischen 157 Brief Français de Nantes an Lezay-­Marnesia, Paris, 9. Oktober 1811, ADBR , 11/M/197, unpaginiert. 158 Ebd.; dazu auch Brunn, Le tabac, S. 37. Auch nach 1818 hatte die Pariser Zentralverwaltung auf Anfrage Tabaksaatgut der „Levante, Havannas, aus Virginia und Maryland“ nach Straßburg gesandt: Brief L’Inspecteur général du service des tabacs, Directeur du Département du Bas-­Rhin an Préfet du Département du Bas-­Rhin, Straßburg, 16. Februar 1818, ADBR, 11/M/196, unpaginiert. 159 Dabei zeigten sich aber auch die Grenzen der Pariser Behörde: Saatgut aus Holland und Flandern etwa, das die Zentralverwaltung dem Straßburger Präfekten versprochen hatte, konnte nicht beschafft werden, weswegen die Pariser Beamten anstelle dessen einige Varietäten aus dem „midi“ Frankreichs und Sortimente aus den Departements Lot-­et-­ Garonne sowie Ille-­et-­Vilaine organisierten: Brief Directeur général de l’Administration des Droits Réunis an Lezay-­Marnesia, Paris, 9. März 1812, ADBR, 11/M/196, unpaginiert; Saatgutlieferungen der Pariser Zentralverwaltung finden sich auch in der Zeit nach 1815: Gustave Fornier de Saint-­Lary, Observations de M. le Directeur général des Contributions indirectes sur les faits exposés par M. Fornier de Saint-­Lary, dans son rapport à la chambre des députés. Sur le projet de loi relatif au tabac, [ohne Ort] 1819, S. 13. 160 Mit Verweis auf Mollien und dessen Bedeutung für die Tabakmonopolverwaltung: Jean-­ Pierre Poirier, Lavoisier. Chemist, Biologist, Economist, Paris 1993, S. 365.

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Revolution im Rahmen der Assemblée nationale einen Vortrag präsentiert, in dem die Kultivierung von Tabak in Frankreich zwar nicht grundsätzlich „fremd“, jedoch aufgrund des französischen Klimas zu „Minderwertigkeit“ verdammt erschien. Der Tabak war und blieb für Mollien eine Pflanze wärmerer Gebiete, die er neben den Amerikas vor allem in Persien, dem Nahen Osten oder Syrien verortete.161 Seine Mémoires d’un ministre du Trésor public von 1845 betonten noch deutlicher, dass die Erforschung des Tabakanbaus zum Zeitpunkt der Etablierung des napoleonischen Monopols in keinerlei Weise gezeigt hatte, dass die „Kunst des Anbaus“ zu dessen Verbesserung im „französischen Territorium“ besonders beigetragen hätten.162 Solche Skepsis wurde dadurch gestärkt, dass sich die in Frankreich 1810/11 neuformierte staatliche Tabakmonopolorganisation aus einem Führungspersonal rekrutierte, das über gar keine oder nur wenig Erfahrung mit dem Tabakanbau verfügte. Bei der Errichtung des napoleonischen Monopols hatten eine Reihe von Finanzbeamten die Leitung übernommen, die schon in den fermes générales des 18. Jahrhunderts tätig gewesen waren – eine Institution, die, wie weiter oben schon gezeigt, für die Ablehnung des französischen Tabakanbaus bekannt war. Unter diesen ehemaligen fermiers befanden sich der oben genannte Français de Nantes, der 1778 bis 1790 eine der Directions des cinq grosses fermes in Nantes organisiert hatte 163, oder Mollien, der 1778 in die fermes eingetreten war und dort Erfahrungen in der monarchischen Tabakwirtschaft gesammelt hatte.164 Beide repräsentierten freilich nur einen kleinen Teil der zur Revolutionszeit noch verfolgten 40 bis 60 fermiers, denen von Napoleon nicht nur Amnestie, sondern teilweise auch Posten in der höheren Finanzverwaltung gewährt worden waren.165

161 Unbetitelter Bericht von François-Nicolas Mollien, [ohne Ort], [1790], AN, 29/AP/85, unpaginiert. 162 François-­Nicolas Mollien, Mémoires d’un ministre du Trésor public, Band 4: 1780 – 1815, Paris 1845, S. 416, sowie auch, in ähnlicher Weise, S. 419 – 420. 163 Cottez, Un fermier général, S. 218. 164 Gondolff, Le tabac, S. 215; Poirier, Lavoisier, S. 365; Dépinay, Projet de Taxe, S. 14. 165 Kenneth Margersion, P.-L- Roederer. Political Thought and Practice in the French Revolution, Philadelphia 1983, S. 42 – 54; Cottez, Un fermier general; dazu auch die interessante Studie von Michel Bruguière, Gestionnaires et profiteurs de la Révolution. L’administration des finances françaises de Louis XVI à Bonaparte, Paris 1986, insbesondere Kapitel 5 und 6, die, trotz ihres Fokus auf die Finanzverwaltung, nichts über den Tabakanbau bereithält.

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Schon den Zeitgenossen fiel auf, dass die Passivität der Pariser Beamten auf personelle Kontinuitäten ­zwischen dem vor- und dem nachrevolutionären Monopolsystem zurückgingen. Der Landwirtschaftsreformer Michel de Truchet hatte 1816 mit Rückblick auf die napoleonische Zeit einen Vergleich der fermiers-­ généraux mit den Beamten der Droits Réunis gewagt.166 Für Truchet waren die Beschränkungsmaßnahmen der Droits Réunis, also die Begrenzung der Anbauflächen in den Departements sowie die Limitierung der Tabak anbauenden Departements, auf die Maßnahmen des Tabakanbauverbots der fermes générales zurückzuführen.167 De Truchets Vergleich arbeitete mit Blick auf das Ancien Régime Ähnlichkeiten der Ignoranz in der napoleonischen Tabakkultur heraus. Auch im Vergleich zum Optimismus, mit dem die Droits Réunis seit 1810/11 die Optimierung der Verarbeitung von Rohtabaken vorantrieben, zeigt sich die Pariser Skepsis gegenüber zentralisierten wissensgestützten Eingriffen in die Welt des Tabakanbaus. Georges Dépinay, ein Beamter der Contributions indirectes, hatte schon in den 1790er-­Jahren eine aktive Pariser Politik für die zukünftige Tabakverwaltung angemahnt und schwärmte von den „arts d’industrie“, denen er für die Verarbeitung in den staatlichen Tabakmanufakturen eine besondere Bedeutung zumaß.168 Unter Leitung der Droits Réunis sollten diese „Künste“ zu einem „System perfekter Homogenität“ vereinigt werden, mit dem die Fabrikation von Tabak in den Staatsmanufakturen an einen gemeinsamen Standard angeglichen werden konnte.169 Der Tabakanbau spielte in d ­ iesem Zusammenhang keine bedeutende Rolle. Reformer wie Dépinay knüpften an die Gewerbepolitik des 18. Jahrhunderts an. Die fermes générales hatten bis 1740 sukzessive zehn königliche Manufakturen eingerichtet und diese dann stetig modernisiert, um den französischen Staat 166 Michel de Truchet, Mémoire sur la nécessité d’étendre la culture du tabac en France, pour éviter l’exportation du numéraire; et sur l’examen analytique des tabacs français, d’après lequel on peut avoir l’assurance de trouver en eux les qualités nécessaires à la bonne fabrication, Paris 1816, S. 70 – 7 1. 167 Ebd. 168 Contribution Indirectes, A. G. George Dépinay, Projet de Taxe, Sur le Tabac, Paris, 22. November 1801, AN , AP /29/85, S. 9; dazu auch: Smith, Notes sur la création de manufactures. 169 Dépinay, Projet de Taxe, S. 8: Dépinay spricht von einer „Notwendigkeit die nationale Fabrikation des Tabaks zu perfektionieren“, da die Fabrikation der Teil der Produktion sei, „der für die Industrie alleinige Bedeutung habe“. Zur zentralisierten, aus Paris gesteuerten Reform der staatlichen Manufakturen auch: Boerner, Kölner Tabakhandel, S. 148 – 149.

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von Tabakfabrikaten aus den britischen Kolonien Nordamerikas unabhängiger zu machen.170 Die napoleonische Tabakverwaltung schloss an diese Praktiken an, indem sie Experten für die zentralisierte Reform der Manufakturen einbezog. Das traf etwa auf den Pariser Gelehrten Cadet de Vaux zu, der nicht als Landwirtschaftsexperte für die imperiumsweite Verbesserung des Tabakanbaus, wohl aber als Generalinspektor für die Manufakturen des napoleonischen Imperiums angestellt worden war. Cadet de Vaux war beauftragt, in den einzelnen Produktionsstätten bestimmte, in Paris definierte Fabrikationsstandards durchzusetzen, indem er lokal oder regional traditionell verwendete Substanzen auf eine rote Liste setzte.171 Er schien der neuen Régie wohl vor allem deshalb dazu geeignet, weil er schon in den 1770er-­Jahren im königlichen Auftrag Tabakfabriken der Krone inspiziert hatte.172 Wenngleich Cadet de Vauxs Schriften in den Pariser Droits Réunis keine Bemühungen zu einer aus Paris gesteuerten, imperiumsweiten Reform des Tabakanbaus in Gang setzten, so trafen dessen Arbeiten in den rheinischen Tabakforschungszentren durchaus auf Interesse, ohne die dortigen Forschungskulturen zu dominieren und besonders zu prägen. Das im Mercure du département de la Roër von 1811 anonym erschienene Impromptu einer Verwandten des Herausgebers war von einer Faszination der Arbeiten und Perspektiven Cadet de Vauxs gekennzeichnet, wie sie im Rheinland sonst selten zu finden waren: Du plus noble des arts zélé propagateur Vous qui savez changer, habile novateur En fertiles terrains, les campagnes arides, En leur donnant l’engrais dont elles sont avides, Pour le bonheur commun poursuivez vos travaux, Le savant vous honore, et le nom De-­Vaux Gravé, Depuis long-­tems, au temple de mémoire Servira d’ornement aux fastes de l’histoire.173 170 Smith, Notes sur la création de manufactures de tabacs, S. 482; Vigié/Vigié, L’herbe à Nicot, S. 194 – 210; Kwass, Contraband, S. 69. 171 Boerner, Kölner Tabakhandel, S. 126. Boerner rekonstruiert die Erfahrungen der Kölner Handelskammer mit Cadet de Vaux, die wegen des Einsturzes des Kölner Stadtarchivs jedoch nicht mehr am Material nachvollzogen werden können. 172 Gondolff, Le tabac, S. 310. 173 [Anonym], Impromptu fait après lu l’instruction de M. Cadet-­De-­Vaux sur un nouvel engrais pour la culture du tabac, in: Mercure du département de la Roër 2 (1811), S. 636.

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Solche Gedichte können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die rheinregionalen Austauschwelten mit der elsässischen Forschungskultur als Mittelpunkt deutlich stärker auf die Forschungen in Roer einwirkten. Landwirtschaftsreformer im Elsass, in Baden oder Roer waren sicher auch in geographisch breitere, über das Rheinland hinausgehende Korrespondenznetze eingebunden, über die sie zum Tabak kommunizierten – wie etwa am Beispiel Carl Christian Gmelins gezeigt wurde.174 Dennoch konzentrierte sich der Austausch über den Tabakanbau mit der politischen Integration der Rheinregion in besonders starker Weise auf die dortigen Anbaugebiete. Die als Verteilerpunkt eher passiv agierende Pariser Zentralverwaltung half dabei, verschiedene Orte entlang des Rheins zu verknüpfen. Im Elsass wie in anderen Rheingebieten konnte sich im frühen 19. Jahrhundert eine von den zentralstaatlichen Maßnahmen des Empire recht unbehelligte Forschungskultur um den Tabak herausbilden, die nach 1815 dann vor allem die Tabakanbaugebiete des südlichen Rheinlands umfasste. Wenn die Forschung angesichts der zentralisierten Großprojekte zur Verbesserung der Landwirtschaft bisher eher auf Paris geblickt hat 175, so zeigt das vorliegende Kapitel deutlich, dass sich auch jenseits der Pariser Reform regionale Räume etablierten, die über die politischen Brüche hinweg existierten.

Cadet des Vaux hatte wohl die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, weil er im Mercure Textausschnitte eines seiner Bücher zum Tabakanbau publiziert hatte: Alexis-­Antoine Cadet de Vaux, Instruction sur la préparation des tiges et racines du tabac, in: Mercure du Département de la Roër 2 (1811), S. 631 – 635. Ich habe das Gedicht unübersetzt gelassen, weil es sich kaum ins Deutsche übertragen lässt. 174 Gmelin, Gmelin. 1 75 Etwa Spary, Feeding France.

3. Naturwissenschaften und praktisches Wissen: Die botanische Tabakforschung im Rheinland Trotz der verstärkten nationalen Emotionen agronomischer Eliten und einer neuen Spannung bei der Integration von Reformern in die Verwaltungen überdauerte die rheinische Tabakreformkultur die napoleonische Zeit. Das vorangegangene Kapitel hat gezeigt, dass sich mit der Errichtung des staatlichen Tabakmonopols im französischen Kaiserreich 1810/11 rheinregionale Verbindungen von Experten intensivierten. Mit Blick auf die unterschiedlichen Akteure, die in Kapitel 2 schon als Reformer, Botaniker oder Chemiker vorgestellt wurden, soll im Folgenden genauer gefragt werden, w ­ elche dieser Zuschreibungen die Wissenskultur der rheinischen Austauschwelt am besten charakterisiert. Ähnelte diese der Tabakforschung außerhalb des Rheinlands? Lassen sich während des frühen 19. Jahrhunderts Wandlungsprozesse nachvollziehen? Kapitel 3 untersucht die diskursiven Strukturen und räumlichen Eigenarten der rheinischen Forschung und geht den Grenzen sowie ­Reichweiten der Geltung von Wissen nach. Dies ist deshalb interessant, weil Historiker/innen in den letzten Jahren die Genese einer naturwissenschaftlich geprägten Landwirtschaftsforschung vermehrt auf die Scharnierzeit um 1800 datiert haben. Peter M. Jones hat in einem Aufsatz betont, dass die agrarreformerischen Diskurse sich durch eine Zunahme chemischer Theorien und Vokabeln auszeichneten 1, mit denen eine verstärkte „convergence of science and agriculture“ einhergegangen sei.2 Nicht erst mit Justus Liebigs seit den 1830er-­Jahren erschienenen Schriften, sondern schon mit den von Antoine Laurent de Lavoisier propagierten Theorien hätten 1 Peter M. Jones, Making Chemistry the ‚Science‘ of Agriculture, c. 1760 – 1840, in: History of Science 54 (2016), S. 169 – 194; Peter M. Jones, Agricultural Enlightenment. Knowledge, Technology, and Nature, 1750 – 1840, Oxford 2016, S. 162 – 164; dazu auch Jakob Vogel, Ein schillerndes Kristall. Eine Wissensgeschichte des Salzes z­ wischen Früher Neuzeit und Moderne, Köln (u. a.) 2008, S. 302 – 309. 2 Andere Autoren sehen diese Wandlungsprozesse erst für die Zeit seit den 1840er-­Jahren: Stefan Brakensiek, Das Feld der Agrarreformen um 1800, in: Eric J. Engstrom/Volker Hess/Ulrike Thoms (Hg.), Figurationen des Experten. Ambivalenzen der wissenschaftlichen Expertise im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert, Frankfurt am Main (u. a.) 2005, S. 101 – 122, hier S. 122.

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Reformer seit den 1780er-­Jahren für eine landwirtschaftliche Anwendung chemischer Theorien im Düngewesen optiert. Die Zergliederung von Substanzen und die Einführung neuer chemischer Analysebegriffe hatte seit Lavoisiers agrikulturchemischen Experimenten tatsächlich zahlreiche Nachahmer gefunden. Über Reformer aus der Pariser Académie des Sciences wie den schon im vorangegangenen Kapitel vorgestellten Jean-­Antoine Chaptal 3 wurden ­solche Ansätze in weiten Teilen Europas verbreitet.4 An der Schwelle zum 19. Jahrhundert zeigten sich die Konturen einer agrikulturchemischen Disziplin, die über eine zunehmend spezialisierte Publikationskultur kommunizierte – etwa das seit 1803 von Sigismund Friedrich Hermbstädt herausgegebene Archiv für Agrikulturchemie. Diese Dynamiken im Bereich des landwirtschaftlichen Wissens waren Teilprozesse eines sich herausbildenden Systems naturwissenschaftlicher Disziplinen.5 Das Aufkommen chemischer Betrachtungsweisen überlagerte sich mit einer von der Botanik geprägten Reformkultur. Botanische Gärten, Universitäten und Landwirtschaftsgesellschaften stellten wichtige Umschlagplätze für Landwirtschaftsforscher dar, über die Pflanzen aus den europäischen Kolonien und anderen außereuropäischen Gebieten in innereuropäische Umwelten gelangten. Akklimatisierung sollte eine systematische Neustrukturierung einheimischer europäischer Floren ermöglichen.6 Neu importierte Sorten schienen die Effizienz des Pflanzenanbaus zu optimieren und Botanikern zu ermöglichen, die 3 Klaus Dieter Schwenke, Lavoisier und die Anfänge der Agrikulturchemie, in: Geschichte der Chemie. Mitteilungen 22 (2012), S. 20 – 36, hier S. 19; Emma C. Spary, Feeding France. New Sciences of Food 1760 – 1815, Cambridge (u. a.) 2014, S. 1 – 7. 4 In den Niederlanden konzentrierte sich eine Gruppe von Lavoisier-­Anhängern in Wageningen um das Laboratorium der Rijkslandbouwschool: T. A. M. Snelders, Landbouw en Scheidekunde in Nederland in de vóór-­wageningse Periode (1800 – 1870), in: A. A. G. ­Bijdragen 24 (1981), S. 59 – 104; für Großbritannien und das Board of Trade: Frank A. J. L. James, ‚Agricultural Chymistry‘ is at present in it’s infancy. The Board of Agriculture, the Royal Institution and Humphry Davy, in: Ambix 62 (2015), S. 363 – 385. 5 Dazu grundlegend: Rudolf Stichweh, Zur Entstehung des modernen Systems wissenschaftlicher Disziplinen – Physik in Deutschland 1740 – 1890, Frankfurt am Main 1984. 6 Julia Angster, Erdbeeren und Piraten. Die Royal Navy und die Ordnung der Welt, 1770 – 1850, Göttingen 2012, S. 171; Zaheer Baber, The Plants of Empire. Botanic Gardens, Colonial Power and Botanical Knowledge, in: Journal of Contemporary Asia 46 (2016), S. 659 – 679; John McAleer, ‚A Young Slip of Botany‘. Botanical Networks, the South Atlantic, and Britain’s Maritime Worlds, c. 1790 – 1810, in: Journal of Global History 11 (2016), S. 24 – 43.

Naturwissenschaften und praktisches Wissen

‚Mängel‘ der ‚unberührten‘ Natur durch gezielten Eingriffe zu korrigieren. Forscher griffen dabei auch auf Modelle zur Klassifikation von Pflanzen zurück.7 Die mit dem Bedeutungszuwachs von Agrikulturchemie und Botanik zunehmende Verwissenschaftlichung der Landwirtschaftsreform wurde jedoch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein von einem Diskussionszusammenhang begleitet, den die Zeitgenossen je nach Sprachraum mit Begriffen wie „Agronomie“, „Ökonomie“ oder „Économie Rurale“ adressierten. Es handelte sich nicht um disziplinär geordnetes Wissen im Sinne der Botanik oder der Chemie, sondern vielmehr um eine Kombination praktischer Wissenselemente, die teilweise mit Überlegungen aus den Disziplinen verknüpft wurden. Marcus Popplow argumentiert, dass die Agrarreformer der ökonomischen Gesellschaften und Reformverwaltungen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts Kategorien wie „Botaniker“ oder „Naturhistoriker“ kaum eindeutig zugeordnet werden können, sondern komplexe Mischlagen unterschiedlicher landwirtschaftlicher Wissensbestände repräsentieren.8 Ähnliches gilt auch für die kameralwissenschaftliche Ausbildung von Staatsbeamten in den deutschen Ländern, deren landwirtschaftsbezogene Lehrinhalte sich keineswegs mit den Wissensordnungen moderner Disziplinen deckten.9 Wenngleich allen diesen Elementen für den Diskurs der rheinischen Tabakforschung um 1800 eine gewisse Bedeutung zukam, so vertritt das folgende Kapitel dennoch die These, dass die regionale Debatte besonders durch botanisches Wissen geprägt war und d ­ ieses am Beispiel des Tabaks weiterentwickelte. In den Kreisen der Tabakforscher entstanden seit der napoleonischen Zeit Umrisse eines Selbstverständnisses als ‚ökonomische Botaniker‘, das sich von dem stärker auf Landwirtschaftschemie fokussierter Experten durchaus unterschied. Da 7 Angster, Erdbeeren und Piraten, S. 171 – 172 sowie S. 284; Martin Stuber, Nützliche Pflanzen. Systematische Verzeichnisse von Wild- und Kulturpflanzen im Umfeld der Oekonomischen Gesellschaft Bern, 1762 – 1782, in: André Holenstein (Hg.): Nützliche Wissenschaft und Ökonomie im Ancien Régime. Akteure, T ­ hemen, Kommunikationsformen, Heidelberg 2007, S. 65 – 106. 8 Marcus Popplow, Knowledge Management to Exploit Agrarian Resources as Part of Late-­ Eighteenth-­Century Cultures of Innovation. Friedrich Casimir Medicus and Franz Paula von Schrank, in: Annals of Science 69 (2012), S. 413 – 433, hier S. 415; Marcus Popplow, Economizing Agricultural Resources in the German Economic Enlightenment, in: Ursula Klein/Emma C. Spary (Hg.), Materials and Expertise in Early Modern Europe. Between Market and Laboratory, Chicago 2010, S. 261 – 287. 9 Am Beispiel kameralistischer Arbeiten zur Düngung: Vogel, Ein schillerndes Kristall, S. 345.

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die rheinischen Beziehungen des Elsass in der Zeit nach 1815, wie Kapitel 2 zeigt, in erster Linie bis in den benachbarten badischen Tabakanbau reichten – also keineswegs immer die nördlichen Tabakanbaugebiete bei Kleve und Kalkar mitumfassten –, beziehen sich die folgenden Überlegungen weniger stark als das vorherige Kapitel auf das nördliche, denn das südliche Rheinland. Die im Umkreis des 1819 gegründeten badischen Landwirtschaftsvereins publizierten Aufsätze und Bücher liefern dabei ergiebiges Material für die 1820er- und 1830er-­Jahre und werden durch die für diese Zeit weniger dichte archivalische Überlieferung im Elsass sowie die dortigen Publikationen ergänzt. Gleichzeitig werden im Folgenden auch in Kapitel 2 schon angesprochene Tabakreformer aus Paris und die von der Forschung teilweise berücksichtigten preußischen Landwirtschaftsexperten 10 mit in die Analyse einbezogen, um die spezifischen Konturen der Diskussionen im Rheinland besser herausarbeiten zu können. Es wurden dabei stichprobenartig Schriften von Gelehrten untersucht, die in der Forschung als frühe Agrikulturchemiker gehandelt werden.

3.1. Ökonomische Botanik Tabakforscher im Rheinland hingegen waren vor allem von der Botanik geprägt und setzten dabei eigene Akzente der Forschung, im Bereich anwendungsbezogener, ökonomischer Botanik. Das botanische Paradigma führte nicht nur zu einer Adaption der gängigen Taxonomiemodelle, sondern brachte eine Wissensproduktion hervor, die sich stark an den Terminologien des Tabakhandels, an Qualitätsvorstellungen, Pflanzenkrankheiten oder der Selektion von Tabakspezies orientierte. Gleichzeitig reproduzierten rheinische Reformer in ihren Projekten um 1800 verbreitete botanische Klassifikationsstandards. In den während der napoleonischen Zeit entstandenen Versuchsgärten der elsässischen Städte Obernai, Schlestadt und Straßburg, aber auch den früher angelegten Jardin de l’école de médecine de Strasbourg 11 oder Hortus Magni Ducis Badensis Carlsruhanus

10 Ebd., S. 302 – 309; Spary, Feeding France. 11 D. Villars, Cataloque méthodique des plantes du jardin de l’école de médecine de Strasbourg, Straßburg 1807, S. 152: die dortigen fünf Sorten wurden unterschieden in „Nicotiana tabacum“, „Nicotiana glutinosa.“, „Nicotiana rustica“, „Nicotiana paniculata“ und „Nicotiana undulata“.

Ökonomische Botanik

in Karlsruhe 12 wurden Tabakpflanzen nach dem Ordnungssystem Carl ­Linnés klassifiziert. Das „Systema Naturae“ stieß seit dem späten 18. Jahrhundert auf breite Akzeptanz in der botanischen und zoologischen Forschung, in den lokalen und regionalen Floren, Naturgeschichten oder Büchern über Spezies.13 Erscheinungsformen von Tabakpflanzen wurden nach Linné mit lateinischen Bezeichnungen wie „Nicotiana Tabacum“ und „Nicotiana Rustica“ belegt.14 Linnés binominales System unterschied systematisch ­zwischen Spezies-­Entität und Spezifizierung.15 Bis zur Jahrhundertwende hatten sich im Rheinland auch andere taxonomische Traditionen behaupten können. Der Straßburger Jardin botanique etwa systematisierte Pflanzen 1759 auf Grundlage der von Linné abweichenden Ordnung des Leipziger Botanikers Christian Gottlieb Ludwig. Erst 1781 erfolgte eine Reorganisation des Straßburger Gartens nach den Prinzipien der Linné’schen Lehre, obwohl der schwedische Botaniker zu ­diesem Zeitpunkt schon in den Gelehrtenkreisen eine universelle Anwendung seiner Taxonomie einforderte.16 Der Übergang zum Linné’schen System schien deshalb bedeutend, weil ­dieses einen überregional verbindlichen Standard darstellte. Gleichzeitig erschien das System als Möglichkeit, die als regelrechte ‚Flut‘ wahrgenommene Vermehrung von Tabakpflanzentypen ordnen und die Kommunikation über neue Sorten 12 [Anonym], Hortus Magni Ducis Badensis Carlsruhanus, Carlsruhae 1811, S. 184 – 185: „Nicotiana 1. Crispa“,„fructiosa“, „Glutinosa“ „hybrida (Ex patre N. paniculatae, et N. Tabaci matre)“, „Macrophylla“, „paniculata“, „Pusilla“, „Rustica“, „Tabacum“, „undulata“. 13 Lisbet Koerner, Carl Linnaeus in his Time and Place, in: Nicholas Jardine/James A. Secord/Emma C. Spary (Hg.), Cultures of Natural History, Cambridge 1996, S. 145 – 162, hier S. 154; zur Ausbreitung der Linné’schen Lehre auch: Esther Helena Arens, Flowerbeds and Hothouses. Botany, Gardens, and the Circulation of Knowledge in Things, in: Historical Social Research 40 (2015), S. 265 – 283. 14 [Anonym], Das neue Tabago Buch. Ein Buch vom Tabak und der Kulturgeschichte des Rauchens, Hamburg 1985, S. 12. Der Gattungsname für den Tabak, „Nicotiana“, erinnerte an den französischen Botaniker Jean Nicot aus dem 17. Jahrhundert, dem die Entdeckung des dem Tabak eigenen Nikotins zugeschrieben wurde. 15 Londa Schiebinger, Plants and Empire. Colonial Bioprospecting in the Atlantic World, Cambridge (u. a.) 2004, S. 198. 16 Jacqui Hennick/Bernard Heitz, Histoire du jardin botanique à Strasbourg de 1750 à 1800, in: [Anonym] (Hg.), La Révolution Française et Alsace. L’Alsace et la science, Cernay 1994, S. 63 – 68, hier S. 65; zu den botanischen Wissenskulturen im Elsass auch: Jacqui ­Hennick, Le jardin botanique de Strasbourg et ses directeurs aux XVIIe et XVIIIe siècles, Straßburg 1990.

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sicherstellen zu können. Der Karlsruher Hofbotaniker Carl Christian Gmelin machte in seinem Buch über den Einfluss der Naturwissenschaften auf das gesamte Staatswohl von 1809 auf die Menge an unerforschten und nicht-­klassifizierten Tabakpflanzen aufmerksam, die ihm auf seinen Reisen in der südlichen Rheinregion aufgefallen waren.17 Alexander Braun, ein Schüler Gmelins 18, begegnete dem Problem 1823 mit der Erstellung eines Verzeichniß der verschiedenen Tabaksarten und Abarten, in dem er auf „die Heimathsländer des Tabaks“ aufmerksam machte, aus denen in Zukunft „viele neue noch unbekannte Formen“ zu erwarten s­ eien.19 In der Wahrnehmung der Reformer zeigten sich Ansätze eines auf die atlantische Welt ausgedehnten Erfahrungsraums, ohne dass sich wiederum stärkere direkte Beziehungen zu den Tabakanbaugebieten Nord- und Südamerikas nachvollziehen lassen. Die zeitgenössischen Eindrücke einer Vermehrung von Tabaksorten gingen auch auf epistemische Veränderungen der Botanik zurück. Waren Naturhistoriker der Frühen Neuzeit noch davon ausgegangen, dass sich ihr Zeitalter einer vollständigen und universalen Klassifikation sämtlicher Arten annäherte, so wurde mit dem Übergang zum 19. Jahrhundert deutlich, dass die totale Erfassung der Pflanzenwelt eine Utopie darstellte.20 Botaniker akzeptierten nun die potentielle Ungewissheit zukünftiger Entdeckungen und positionierten ihre Arbeiten vor jenem offenen Horizont immerwährenden „Fortschritts“, in dem Reinhart Koselleck eines der Charakteristika der Sattelzeit ausgemacht hat.21 Die Neuidentifizierung von Tabaksorten war Teil der von Wolf Lepenies für die Zeit um 1800 beobachteten Akkumulation von Wissen über Spezies, die mit einer in den europäischen Gelehrtenkulturen bis dahin beispiellosen Forschungstätigkeit einherging: Während 1740, so eines von Lepenies markantesten Beispielen, etwa 600 Tierarten bekannt waren, so registrierten und klassifizierten Forscher ein Jahrhundert s­ päter allein fast vier Mal mehr 17 Gmelin, Naturwissenschaft, S. 87 – 88. 18 Robert Caspary, Alexander Braun’s Leben, in: Flora oder allgemeine botanische Zeitung 60 (1877), S. 433 – 442, 449 – 457, 465 – 471, 497 – 507, 513 – 519, hier S. 434. 19 H. Erhardt, Der Tabak mit besonderer Rücksicht auf die für Kultur und Handel wichtigen Arten nebst deren Varietäten, Heidelberg 1841, S. 4 – 5. 20 Linn Barber, The Heyday of Natural History 1820 – 1870, London 1980, S. 65. 21 Reinhart Koselleck, Fortschritt, in: Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-­sozialen Sprache in Deutschland, Band 2, Stuttgart 1975, S. 351 – 425.

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Schlupfwespenarten.22 Wenngleich es in der Rheinregion keine äquivalenten Neubestimmungen von Tabaksorten gab, so war die Differenzierung des Wissens über neue Phänotypen und vor allem die damit einhergehende zukunftsgerichtete Erwartungshaltung unübersehbar. Unter rheinischen Reformern herrschte jedoch Unstimmigkeit, wie genau die neue Fülle von Tabaksorten geordnet werden sollte. Manche Experten waren davon überzeugt, dass sich die Forschung in erster Linie auf das Klassifizieren von „Arten“ der „Gattung“ Tabak konzentrieren sollte. In den 1820er- und 1830er-­ Jahren gingen viele davon aus, dass es 21 Arten Tabak gebe.23 Andere ordneten wenigen „Sorten“ bzw. „Arten“ – die Begriffe wurden oftmals synonym verwendet – eine potentiell unbegrenzte Menge an „Varietäten“ oder „Unterarten“ zu. Das geschah keineswegs konsistent: Braun beispielsweise teilte die Gattung „Nicotiana“ 1823 in „5 Untergattungen“ mit „verwandten Arten“ auf.24 Johann Metzger hingegen, der seit 1831 in Karlsruhe den ökonomischen Garten des badischen Landwirtschaftsvereins leitete 25, hatte 3 Hauptsorten der „Gattung“ ausgemacht, denen er wiederum weiter ausdifferenzierte „Unterarten“ zuordnete.26 Begriffe wie „Untergattung“ oder „Unterart“ griffen auf Linnés Konzept der ‚Varietät‘ zurück, das diese wiederum untergliederte.27 22 Wolf Lepenies, Das Ende der Naturgeschichte. Wandel kultureller Selbstverständlichkeiten in den Wissenschaften des 18. und 19. Jahrhunderts, München (u. a.) 1976, S. 16; Barber, The Heyday, S. 65: Die größte „species explosion“ trat dabei z­ wischen 1820 und 1860 auf. Die Zahl an bekannten Tieren nahm von 1758, als Linné 4162 Spezies regis­trierte, auf 415600 von Mobius im Jahre 1898 registrierte zu. 23 Fischer, Das Neueste und Wichtigste über den Tabaksbau, in: Verhandlungen des großherzoglich badischen landwirthschaftlichen Vereins zu Karlsruhe 6 (1828), S. 57 – 78, hier S. 57; F. E. Foderé, Extrait d’un mémoire manuscrit sur la culture du tabac dans le Département du Bas-­Rhin, lu à la Société des sciences, agriculture et arts, par M. J. B. N. L. ­Husson, employé supérieur de l’Administration des contributions indirectes, in: Journal de la ­Société des Sciences, Agriculture et Arts du Département du Bas-­Rhin 1 (1824), S. 226 – 257, hier S. 254. 24 Braun, Verzeichniß der verschiedenen Tabaksarten, S. 160 – 173. 25 Popplow, Gelehrte z­ wischen Obst und Gemüse, S. 67. 26 Johann Metzger, Landwirtschaftliche Pflanzenkunde, oder praktische Anleitung zur Kenntniß und zum Anbau der für Oekonomie und Handel wichtigen Gewächse, Erste Abtheilung, Heidelberg 1841, S. 477 – 490: „Maryland-­Tabak (Nicotiana macrophylla Sp.)“, „Virginischer Tabak (Nicotiana Tabacum)“ und „Veilchen Tabak (Nicotiana rustica)“. 27 Staffan Müller-­Wille, Botanik und weltweiter Handel. Zur Begründung eines natürlichen Systems der Pflanzen durch Carl von Linné (1707 – 78), Berlin 1999, S. 27.

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Welche Tabakpflanzen aber im Linné’schen Sinne als „Art“ oder „Abbart“, „Sorte“ oder „Varietät“ bezeichnet werden sollten und inwieweit eine Kombination der beiden Klassifikationskategorien überhaupt sinnvoll war, blieb im Rheinland eine offene Frage, die eine auf Kommunikationsstandards bedachte Forschungskultur als Problem adressierte. Der Karlsruher Reformer Johann Metzger klagte in seiner Landwirtschaftlichen Pflanzenkunde über „den Mangel einer bestehenden festen Nomenclatur bei den Culturpflanzen“, ohne die es schwierig sei, sich über einzelne Sorten zu „verständigen“.28 Das Problem der richtigen Ordnung motivierte auch Abgrenzungen von rheinischen Reformern untereinander. Metzger etwa grenzte sich 1841 von allen Reformern ab, die „Spielarten zu Arten gemacht und dadurch viele Wirren […] hervorgerufen“ hätten.29 Damit hatte er durchaus Erfolg: In einer Ankündigung zum Buch des badischen Reformers Christian Zeller, in dem Metzgers Tabakpflanzensystem 1836 vorab erschienen war 30, betonte der Autor, dass erst Metzger „das bis jetzt bestandene Chaos [durch] ordnende Beschreibung der für unsere Verhältnisse am meisten erprobten Tabaksarten“ beseitigt habe.31 Die beiden badischen Reformer August Wilhelm Babo und Friedrich Hoffacker strichen noch 1852 mit Blick auf die Verdienste Metzgers die vermeintliche Ignoranz heraus, die Botaniker und Tabakexperten gegenüber der Kategorie „Varietät“ gezeigt hatten.32 Diese konkreten Standpunkte und Konflikte waren sicher spezifisch für das Rheinland; sie spiegeln aber auch die von der Forschung allgemeiner hervorgehobenen konkurrierenden Aneignungsmöglichkeiten des Linné’schen Systems wider.33 Rheinische Tabakforscher gingen in ihrer botanischen Forschung jedoch weit über die binominalen Kategorien der Linné’schen Taxonomie hinaus. In einer Auflistung der Straßburger Tabakarten von 1811 kombinierten Jean-­Daniel 28 29 30 31

Metzger, Landwirtschaftliche Pflanzenkunde, S. IV. Ebd., S. VI. Zeller, Anleitung zum Tabacks-­Bau, S. IV. [Anonym], Anleitung zum Tabaksbau btr., in: Landwirthschaftliches Wochenblatt für das Grossherzogtum Baden 20 (1836), S. 410. 32 August von Babo/Friedrich Hoffacker, Der Tabak und sein Anbau. Nebst einem Anhang über die Cultur und Behandlung des Tabaks in Holland von Oekonom Ph. Schwab, Karlsruhe 1852, S. 24 – 25. 33 Mit Blick auf die Mikroveränderungen bei der Übersetzung von Linnés Texten innerhalb der europäischen Gelehrtengemeinschaft im 18. Jahrhundert: Bettina Dietz, Linnaeus’ Restless System. Translation as Textual Engineering in Eighteenth-­Century Botany, in: Annals of Science 16 (2016), S. 143 – 156.

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Schoelhammer und Johann Nepomuk Schwerz Linné’sche Begriffe mit Namen wie „Le Grand Asiatique“, „Grand Tabac de Virginie“, „Varinas“, „Tabac d’Amersfort“, „Le Bresil“ oder auch „Porto Rico ou Cavalier noir“.34 Solche Zuordnungen waren weitverbreitet und fielen vor allem auf, wenn einzelne Tabakforscher sie nicht vorgenommen hatten. Der Straßburger Tabakinspektor J. B. N. L. Husson etwa kritisierte an einem Artikel aus den Periodika des badischen Landwirtschaftsvereins, dass dessen Autor zwar die Vorteile der Varietät „nicotiana rustica, asiatica“ diskutiert, die alternative Benennung jedoch ausgelassen habe.35 Ansätze einer terminologischen Ergänzung des binominalen Systems unterschieden sich von der Lehre Linnés, in der alternative Begriffe lediglich geduldet, aber nicht im eigentlichen Sinne als Ziel der wissenschaftlichen Klassifikationsleistung galten.36 In den nach Linné’schem System geordneten Versuchsgärten war die „Vielfalt an Worten und Aussagen, Dingen und Beziehungen, in der sich die Pflanzen an ihren Standorten verstreut finden“, zugunsten der binominalen Nomenklatur weitgehend beseitigt worden.37 Die rheinische Forschung ähnelte in dieser Hinsicht viel eher den botanischen Wegen Georges-­Louis Leclerc de Buffons oder Michel Adansons im 18. Jahrhundert, in deren Systemen „indigene“ 34 Note sur les tabacs cultivés au jardin économique, [ohne Ort, ohne Datum], ADBR, P/259, unpaginiert; Ordre à suivre tant dans la conduite des jardins destinés 1. à l’éducation du plant & des porte-­graines de tabac, que 2. dans celle des champs destinés aux expériences de culture, & à celles des 3. differents modes de dessication, [ohne Ort, ohne Datum], ADBR, P/259, unpaginiert. 35 Foderé, Extrait d’un mémoire manuscrit sur la culture du tabac, S. 251 – 255. Dass die Frage nach der Zuordnung der Begrifflichkeiten ein ständiges Problem im Rheinland blieb, zeigt auch ein Kommentar des Benfelder Tabakfachmanns Napoléon Nicklès, der noch 1857 die in einem badischen Beitrag genannte „Nicotiana macrophylla“ mit den in seinen Augen im Elsass bekannten Begriffen „Maryland“ oder „Paraguay“ in Verbindung brachte: Napoléon Nicklès, [Rezension] Der Tabak und sein Anbau, von A. v. Babo und F. Hoffacker, nebst einem Anhang über die Cultur und Behandlung des Tabaks in Holland, von Ph. Schwab […], in: Revue d’Alsace 8 (1857), S. 429 – 432, hier S. 430. 36 Müller-­Wille, Botanik und weltweiter Handel, S. 28. 37 Staffan Müller-­Wille, Ein Anfang ohne Ende. Das Archiv der Naturgeschichte und die Geburt der Biologie, in: Richard van Dülmen/Sina Rauschenbach (Hg.), Macht des Wissens. Die Entstehung der modernen Wissensgesellschaft, Köln (u. a.) 2004, S. 587 – 605, hier S. 600; ähnlich auch: Schiebinger, Plants and Empire, S. 221; Staffan Müller-­Wille, Nature as a Market­place. The Political Economy of Linnaean Botany, in: History of ­Political Economy 35 (2003), S. 154 – 172; Lisbet Rausing, Underwriting the Oeconomy. Linnaeus on Nature and Mind, in: ebd., S. 173 – 203.

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oder auch traditionelle Bezeichnungen für Spezies zusammen mit ­binominalen Begriffen aufgeführt wurden. Auch in den Floren und Pflanzenbüchern der Frühen Neuzeit machte ‚Indigenisierung‘ einen essentiellen Bestandteil der Ordnungsforschung aus.38 Im Rheinland sollten die Zuordnungen garantieren, dass Reformer und Landwirte, denen man anscheinend eine Erlernung der ­Linné’schen Terminologie nicht zutraute, den Überblick über die erhältlichen Tabakprodukte und die für diese relevanten Sorten behielten. Die im Rheinland gepflegte Hinzufügung von Alternativbegriffen unterschied sich von der älteren Botanik jedoch durch die besondere Berücksichtigung von Begriffen aus der Welt des atlantischen Tabakhandels, wie etwa „Portorico“.39 Mit Portorico wurde Rohtabak bezeichnet, der europäische Häfen aus der spanischen Kolonie Puerto Rico in gesponnenen Rollen und Einzelblättern erreichte.40 Namen wie „Portorico“, oder auch „Western Leaf “, „Havana“ sowie „Turkish Tobacco“, waren keineswegs nur geographische Bezeichnungen, sondern Teil eines Systems von Qualitätsinformationen über Rohtabake, mit denen Händler Preise bestimmten.41 Zeitgenössische Reformer wie Metzger sahen Begriffe wie „Maryland“, „Paraguay“ oder „Bresil“ zwar als Teil einer „Bauernsprache“, waren sich jedoch gleichzeitig darüber bewusst, dass die Herkunft dieser Terminologien nicht in den ländlichen Gesellschaften des Elsass oder Badens, sondern den Welten des atlantischen Tabakhandels zu suchen sei.42 38 Alix Cooper, Inventing the Indigenous. Local Knowledge and Natural History in Early Modern Europe, Cambridge (u. a.) 2007. 39 Metzger sprach von im „Handel vorkommenden“ Tabak- und Pflanzensorten, die mit dem Linné’schen System verbunden werden sollten: Metzger, Landwirtschaftliche Pflanzen­ kunde, S. 480. 40 Beate Hobein, Vom Tabaktrinken und Rauchschlürfen. Die Geschichte des Tabaks unter besonderer Berücksichtigung der Rauchtabak- und Zigarrenherstellung in Westfalen, Hagen 1987, S. 44 – 45. 41 Regionale Herkunft und Qualität der Blätter gingen in den Kommunikationskulturen atlantischer Tabakhändler eine enge Beziehung ein. Mit Blick auf die Frühe Neuzeit und das 19. Jahrhundert: Barbara Hahn, Paradox of Precision. Bright Tobacco as Technology Transfer, 1880 – 1937, in: Agricultural History 82 (2008), S. 220 – 234, hier S. 224; ­Christian Hochmuth, Globale Güter – lokale Aneignung. K ­ affee, Tee, Schokolade und Tabak im frühneuzeitlichen Dresden, Konstanz 2008, S. 47; zu den sich in der Frühen Neuzeit heraus­bildenden Tabakmarken auch: Michael Zeuske, Sklaven und Tabak in der atlantischen Weltgeschichte, in: Historische Zeitschrift 303 (2016), S. 315 – 348, hier S. 318 – 319. 42 Metzger, Landwirthschaftliche Pflanzenkunde, S. III–IV; auch Husson lokalisierte die Verwendung von Begriffen wie „tabac de Bresil“ in erster Linie bei elsässischen Landwirten:

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Begriffe wie Portorico oder Porto-­Riko adressierten darüber hinaus verarbeitete Produkte, die Verbraucher im zeitgenössischen Einzelhandel erwerben konnten. Der westfälische Fabrikant Georg Herbermann verkaufte im frühen 19. Jahrhundert unter dieser Bezeichnung verschiedene Sorten von Schnupftabak.43 Um 1800 konnte man im Elsass oder Baden einen Porto-­Riko Schnupftabak kaufen, dessen Verpackung derjenigen im westfälischen Glandorf stark ähnelte.44 Wie Abbildung 1 zeigt, wurden für das Verpackungsdesign der Sorte um 1800 populäre Stereotype des ‚edlen Wilden‘ verwendet.45 Solche Verfahren boten sich an, weil Verpackungsdesigns angesichts der in Europa noch wenig ausgeprägten geistigen Eigentumsrechte von Fabrikanten nachgeahmt und kopiert werden konnten.46 Die im Übergang zum 19. Jahrhundert tendenziell anwachsende Anzahl gehandelter Tabaksorten erschwerte jedoch die Zuordnungsversuche rheinischer Reformer. Das betraf einerseits die seit dem 17. Jahrhundert verbreiteten Rauchtabake, zu denen im 18. Jahrhundert vermehrt Schnupftabaksorten hinzugekommen waren. Konsumenten und Forscher wurden in Zuge dessen mit einer ganzen Reihe neuer Produktbezeichnungen konfrontiert.47 Andererseits differenzierten sich Tabaksorten auch innerhalb der einzelnen Produktsektoren aus: Das Sortenangebot der habsburgischen Tabakregie etwa, für die in d ­ iesem Fall Zahlenmaterial vorliegt, zeigt für die Zeit z­ wischen 1784 und 1802 eine Ausdehnung von Tabakprodukten: Anstatt 20 ausländischer Schnupftabaksorten Foderé, Extrait d’un mémoire manuscrit sur la culture du tabac, S. 251 – 255. 43 Dessen Sortiment reichte von „Feinem Porto-­rico“, über „Portoriko erster Sorte“, „Portoriko zweiter Sorte“ bis hin zu „Portoriko nach holländischer Art“: Hobein, Vom Tabaktrinken, S. 44 – 45. 44 Wilfried Krings, Drie Jonge Italiaaners. Tabaketiketten Bamberger Provenienz aus dem frühen 19. Jahrhundert, in: Bericht des Historischen Vereins Bamberg 148 (2012), S. 265 – 275, hier S. 273. 45 Ebd., S. 266. 46 Auch auf der anderen Seite des Atlantiks gab es vor dem US-amerikanischen Bürgerkrieg keine geschützten Tabakmarken: Barbara Hahn, Making Tobacco Bright. Creating an American Commodity, 1617 – 1937, Baltimore 2011, S. 57 – 58; Krings, Drie Jonge Italiaaners, S. 273 weist aber auf Konfliktfälle hin, bei denen Hersteller andere vor Gericht wegen Abkupferns verklagten. 47 Wolfgang Schivelbusch, Das Paradies, der Geschmack und die Vernunft. Eine Geschichte der Genussmittel, 7., ungekürzte Auflage, Frankfurt am Main 2010, S. 143: In Frankreich wurden vor der Französischen Revolution etwa elf Zwölftel des Tabaks als Schnupftabak konsumiert, während beispielsweise in Großbritannien der Rauchtabak dominierte.

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Abb. 1: Verpackungen und Gefäße im Rheinland um 1800 als „Porto Rico“ gehandelter Tabake.

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standen dem Käufer in der Monarchie nun 24 zur Verfügung, wobei die sogenannten inländischen Sorten von neun auf 24 stiegen, ausländische Rauchtabake sich von sieben auf elf vermehrten und lediglich bei inländischen Rauchtabaken ein leichter Rückgang verzeichnet wurde.48 Neue Produktnamen aus der Welt des Handels verkomplizierten Versuche, Relationen zu den nach Linné’schem System klassifizierten Arten herzustellen – eine Facette botanischer Praktik, die von Historiker/innen bisher noch nicht gebührend berücksichtigt wurde.49 Die Tabakbotanik im Rheinland ergänzte die binominale Klassifikation akademischer Botaniker auch durch die Erforschung ‚innerer‘ Eigenschaften der Tabakpflanzen. Metzger analysierte die Tabake im badischen Landwirtschaftsgarten, indem er mehrere Monate lang auf Testbasis einen „kurzblättrigen Maryland-­ Tabak“ rauchte, den er nach eingehender geschmacklicher Analyse für „besser und leichter“ als andere Sorten befand.50 Kategorien wie „knellerfrei und 48 Jedoch ging die Neuerfindung von Sorten in Österreich im Zuge des Koalitionskrieges von 1809 zurück und stagnierte wiederum in den 1830er-­Jahren: Harald Hitz/Hugo Huber, Geschichte der österreichischen Tabakregie 1784 – 1835, Wien 1975, S. 91 – 92. 49 Trotz des suggestiven Titels bietet Müller-­Willes Buch Botanik und weltweiter Handel keine systematische Analyse der Interferenzen z­ wischen Handel und Botanik; Marcus Popplow wiederum hat am Beispiel Metzgers argumentiert, dass der Botaniker lediglich ein „offenes Ohr für die Bauern der Umgebung“ hatte und „Namen [sammelte], die [die Landwirte] für ihre Nutzpflanzen verwendeten.“ Damit übersieht Popplow jedoch die Bedeutung der sich wandelnden terminologischen Welten des Handels: Popplow, Gelehrte z­ wischen Obst und Gemüse, S. 67; die postkolonial orientierte Wissenschaftsgeschichte hat die Inklusion alternativer Begriffe in das Linné’sche System weitgehend ignoriert und eher eine Exklusion ‚indigener‘ Wissens- und Bezeichnungssysteme durch europäische Botaniker hervorgehoben, die sich im Zuge der globalen Anwendung ­Linné’scher Terminologie langsam durchgesetzt habe: grundlegend dazu Schiebinger, Plants and Empire. Schon die ältere, ethnologisch inspirierte Forschung hat in ­diesem Sinne gezeigt, dass „natives“ aus der Gegend von Virginia im 18. und 19. Jahrhundert das Wort „vpówoc“ verwendeten, wenn sie allgemein über Tabak sprachen, und Gruppen in Brasilien wiederum von „petun“ sprachen, wenn sie, nach dem Linné’schen System, „Nicotiana tabacaum“ adressierten: G. G. Stewart, A History of the Medicinal Use of Tobacco, 1492 – 1860, in: Medical History 11 (1967), S. 228 – 268, hier S. 230; gerade in den letzten Jahren sind Ansätze aufgekommen, die die Inklusion lokaler Namenssysteme, insbesondere aus Sklavenkulturen, in die europäische Naturgeschichte hervorheben: Christian Kull/Edward Alpers/Jacques Tassin, Marooned Plants. Vernacular Naming Practices in the Mascarene Islands, in: Environment & History 21 (2015), S. 43 – 75. Ich komme in Kapitel 5 auf die Bezugnahme europäischer Tabakforscher auf das Wissen von Sklaven zurück. 50 Metzger, Landwirtschaftliche Pflanzenkunde, S. 479.

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­ ohlschmeckend“, die Metzger als Kriterien für Arten und Varietäten vorschlug, w sollten präzise Informationen über die Verwendbarkeit einzelner Tabaksorten und -varietäten liefern 51, Qualitätsurteile ermöglichen und botanischer Klassifikation von Tabakpflanzen hinzugefügt werden. Zwar ist bisher wenig über die Geschmacksstandards und -begriffe bekannt, die von den Zeitgenossen mit einem hochwertigen Schnupf- oder Pfeifentabak verknüpft wurden. Jedoch zeigt sich an solchen Stellen eindrücklich, welcher Bedeutung die beim Konsum des Tabaks aktive sinnliche Wahrnehmung in den Überlegungen der Reformer zukam. Die besondere Aufmerksamkeit für den Geruch und Geschmack in der Erforschung des Tabaks ging auf deren von Alain Corbin beschriebene Aufwertung in den gelehrten Forschungspraktiken des 18. Jahrhunderts zurück.52 Diese erweiterten die Linné’sche Botanik, in der Pflanzen vor allem mit dem Auge klassifiziert wurden, um andere sinnliche Analysewerkzeuge. Die mehrdimensionalen Untersuchungsmethoden brachten im Rheinland immer wieder populäre Tabakpflanzen zum Vorschein, die gesuchte Qualitätseigenschaften mustergültig erfüllten. Der Heidelberger Pfarrer und Agrarreformer Joseph Anton Helfferich hatte 1812 den „asiatischen Tabak“ als anspruchsvolle, besonderer Pflege bedürftige, dennoch aber überaus geeignete Sorte für die Kultivierung im Großherzogtum Baden angepriesen.53 Elsässische Gelehrte erfuhren über einen Artikel des Heidelberger Plantageninspectors Georg ­Friedrich Kall vom Erfolg des „asiatica“ im benachbarten Baden und testeten diesen seit 1824 für das Departement Bas-­Rhin.54 Solche Hierarchisierungen von Tabakpflanzen entlang anwendungsbezogener Maßstäbe bewegten sich in den Koordinaten naturgeschichtlicher Forschung um 1800. Schon

51 Johann Metzger, Kulturbericht der landwirtschaftlichen Kreisstelle Weinheim, in: Landwirthschaftliches Wochenblatt für das Großherzogtum Baden 8 (1840), S. 317 – 322, hier S. 319. 52 Wenngleich Corbin eine neue gelehrte Sensibilität für Gerüche feststellt, so analysiert er dabei in erster Linie französische Chemiker um Lavoisier, ohne seine Überlegungen auf die Landwirtschaftsforschung und Botanik auszudehnen: Alain Corbin, Pesthauch und Blütenduft. Eine Geschichte des Geruchs, Berlin 1986, S. 9 – 1 und 21 – 35. 53 Joseph Anton Helfferich, Bericht über den Anbau einiger edlern Tabaksarten in der Gegend in Heidelberg. Veranlaßt durch das Bad. Magazin. Nro. 85. vom 9. Juny 1811, in: Badisches Magazin 2 (1812), S. 29 – 31, 35 – 36, 38 – 40, 42 – 43, 46 – 47, 49 – 50, hier S. 42. 54 Foderé, Extrait d’un mémoire manuscrit sur la culture du tabac, S. 251 – 255.

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Antoine-­Laurent de Jussieu hatte im Pariser Jardin du Roi die Asymmetrien ­zwischen Lebewesen hervorgehoben, indem er Pflanzen mit physischer Komplexität und Perfektion am Kopf-, weniger komplexe Organismen hingegen am Fußende des Gartens gepflanzt hatte.55 Rheinische Experten entdeckten jedoch in regelmäßigen Abständen neue zukünftige Standardsorten, so dass der asiatische Tabak in den Schriften der Forscher schnell an Popularität einbüßte. Es wurden dabei vermehrt abgestufte Klassen der Nützlichkeit von Tabakpflanzen etabliert: Metzger berichtete 1839 über eine „Rauchprobe“ in Heidelberg, bei der die Reformer von 24 Tabakpflanzen 7 in die erste und 7 in zweite Klasse eingeordnet hatten, während 10 Sorten als „unschmackvoll“ kategorisiert wurden.56 Derartige Hierarchisierungsversuche wiederholten sich und hielten die Suche nach besonders geeigneten Sorten angesichts der kritischen Einwände der Forscher im Fluss. Verantwortlich dafür waren nicht zuletzt intrinsische Dispositionen der Tabakpflanzen zu Krankheiten, die mitunter erst nach einer gewissen Zeit botanischer Beobachtung entdeckt wurden. Das zeigt sich etwa am Beispiel des sogenannten Rosts: Eine gute Sorte, so der badische Autor Erhardt, zeichnete sich dadurch aus, dass sie besonders „unempfindlich“ sei und lediglich „in nassen Jahrgängen vom Roste“ „befallen“ werde.57 Rost und andere Pflanzenkrankheiten waren unter den Botanikern des 19. Jahrhunderts gefürchtet und regten eine ausgeweitete Forschung nach Ursachen und Vermeidungsstrategien an.58 Es war eine der dringendsten Interessen rheinischer Tabakforscher, Tabaksorten ausfindig zu machen, die zugleich krankheitsresistent und für die Produktion von Rauchsowie Schnupftabak geschmacklich geeignet waren.

55 Hierarchisierungsprozesse wurden ab der Mitte des 18. Jahrhunderts durch die Hinzunahme anatomischer Techniken und Bewertungskriterien unterstützt: Emma C. Spary, Political, Natural and Bodily Economics, in: Nicholas Jardine/Emma C. Spary/James A. Secord (Hg.), The Cultures of Natural History, Cambridge 1996, S. 178 – 196, hier S. 188 – 189. 56 Metzger, Kulturbericht der landwirtschaftlichen Kreisstelle Weinheim, S. 319. 57 Erhardt, Der Tabak, S. 13. 58 Stuart McCook, Global Rust Belt. Hemileia Vastatrix and the Ecological Integration of World Coffee Production since 1850, in: Journal of Global History 1 (2006), S. 177 – 195, hier S. 182. Auch in der spanischen Karibik hatten Agronomen Krankheiten als Bedrohung für die Zuckerrohrplantagen ausgemacht, die, ähnlich wie der Tabakanbau im Rheinland, eine wirtschaftliche Blütezeit erlebten: Stuart McCook, States of Nature. Science, Agriculture and Environment in the Spanish Caribbean, Austin 2002, S. 82.

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Zur Eindämmung solcher Krankheiten entstand eine botanische Parallelforschung. Die „Hanfblume“ – oftmals auch „Hanftod“ oder „Orobanche“ genannt – stand im Mittelpunkt des gelehrten Interesses. In der Beschreibung der Landwirtschaft für das Nieder-­Elsass von 1816 hatte Johann Nepomuk Schwerz die Hanfblume als eine Art ‚Eindringling‘ beschrieben.59 Botanische Untersuchungen zum Hanftod kennzeichnete eine bellizistische Bildersprache, die sich aus dem semantischen Feld zeitgenössischer Kriegsbeschreibung speiste. Husson sprach 1824 von den „Verheerungen“, die der „Parasit“ – eine begriffliche Zuordnung des Botanikers Johannes Pfeiffer aus dem späten 18. Jahrhundert 60 – anrichte.61 In seiner 1811 publizierten Instruction führte der Straßburger Präfekt Lezay-­Marnesia die Hanfblume in einem Abschnitt „Von den Feinden des Tabaks“ neben Blattläusen, Würmern, Schnecken sowie Maulwürfen als „Schmarotzerpflanze“ auf.62 Hier klang schon jene seit der Mitte des 19. Jahrhunderts intensivierte Einkreisung von „Schädlingen“ der Landwirtschaft an, mit der zahlreiche Tiere und Pflanzen als vernichtenswerte, weil unökonomische, Lebewesen identifiziert wurden.63 59 Schwerz, Beschreibung der Landwirtschaft, S. 407; auch der Karlsruher Reformer ­Gmelin hatte 1809 von einer Reise ins Elsass berichtet, dass dort „die fettesten und schönsten Tabackpflanzen, die die beste und reichste Ernte versprachen, [nach Befall durch die Hanfblume] in wenigen Wochen zurückschlugen, abmagerten, gänzlich auszehrten und abstarben: Gmelin, Ueber den Einfluss der Naturwissenschaft, S. 93 – 95; über Gmelins Reisen im Elsass und dessen Botanisierungspraktiken, jedoch ohne Verweise auf dessen Interesse für den dortigen Tabakanbau: Gaston Mayer, Die botanischen Reisen und Exkursionen Carl Christian Gmelins, in: Mitteilungen des badischen Landesvereins für Naturkunde und Naturschutz 13 (1985), S. 13 – 31. 60 Andreas Emmerling-­Skala, Orobanche minor auf Trifolium pratense. Der kleine Sommer­ wurz im badischen Kleebau des 19. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 44 (1996), S. 1 – 55, hier S. 27; die biologische Forschung hat sich noch am Ende des 20. Jahrhunderts mit der Bekämpfung von Orobanchen beschäftigt: Siny J. ter Borg (Hg.), Biology and Control of Orobanche. Proceedings of a Workshop in ­Wageningen, The Netherlands, 13 – 17 Jan. 1986, Wageningen 1986. 61 Foderé, Extrait d’un mémoire manuscrit sur la culture du tabac, S. 245; zum zeitgenössischen Bellizismus grundlegend: Jörn Leonhard, Bellizismus und Nation. Kriegsdeutung und Nationsbestimmung in Europa und den Vereinigten Staaten 1750 – 1914, München 2008. 62 [Adrien de Lezay-­Marnesia], Instruction für die Tabakspflanzer, zum Gebrauche des Niederrheinischen Departements, [Straßburg], 12. September 1811, ADBR, 15/M/402, S. 20. 63 Sarah Jansen, „Schädlinge“. Geschichte eines wissenschaftlichen und politischen Kon­ strukts, 1840 – 1920, Frankfurt am Main (u. a.) 2003; dazu auch: Katharina Engelken/

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Unklarheiten bei der botanischen Zuordnung der Orobanchen- oder Hanfblumenarten verliehen dem ‚Schädling‘ eine gewisse Unkontrollierbarkeit. Während Gmelin und Schwerz der Varietät „orobanche ramosa“ 64 den Schaden an den Tabakkulturen anlasteten, zielte Lezay-­Marnesia auf die „orobanchia aggregata“ 65, wohingegen Husson wiederum die „orobanche major et minor“ als gefährlichste Bedrohung ausmachte.66 Die rheinische Tabakforschung stellte eine typologische Pluralisierung des Tabakschmarotzers fest, der von Linné Mitte des 18. Jahrhunderts noch strikt in die Orobanchen laevis, major und ramosa unterteilt worden war.67 Der fehlende Konsens bei der Identifikation spiegelte die Probleme der Botanik wieder, ‚Tabakfeinde‘ klar auseinanderzuhalten und zu identifizieren. Die unkontrollierte Ausbreitung der Hanfblume stellte die Hoffnungen der Reformer auf qualitativ hochwertige Rauch- und Schnupftabake in Frage. Intrinsische Dispositionen von Tabaksorten begünstigten das Aufkommen der Hanfblumen. Schwerz griff die romantische Naturphilosophie auf, die in Anlehnung an die frühneuzeitliche ‚Säftelehre‘ das Wachstum der Hanfblume auf die „Erzeugung krankhafter Säfte“ in der Tabakpflanze zurückführte.68 Einmal von Hanfblumen befallen, so Schwerz, würde der Parasit dem Tabak die „Lebenssäfte“ aussaugen.69 Gleichzeitig betonten Forscher auch exogene Ursachen. Husson etwa meinte, dass die „Schmarotzer“ in feuchten Jahren zahlreicher auftreten würden.70 Schwerz hingegen führte die Säfte auch auf eine falsche Fruchtfolge zurück.71 Obwohl exogene Erklärung mit der Weiterentwicklung von Mikrosko­ pen seit den 1840er-­Jahren zum Konsens botanischer Hanfblumenforschung Dominik Hünniger/Steffi Windelen (Hg.), Beten, Impfen, Sammeln. Zur Viehseuchenund Schädlingsbekämpfung in der Frühen Neuzeit, Göttingen 2007. 64 Gmelin, Ueber den Einfluss der Naturwissenschaft, S. 93 – 95; Schwerz, Beschreibung der Landwirtschaft, S. 407. 65 [Adrien de Lezay-­Marnesia], Instruction für die Tabakspflanzer, S. 20. 66 Foderé, Extrait d’un mémoire manuscrit sur la culture du tabac, S. 245. 67 Emmerling-­Skala, Orobanche minor, S. 11. 68 Schwerz, Beschreibung der Landwirthschaft, S. 29. 69 Ebd. 70 J. B. N. L. Husson, Des orobanches et leur influence sur les plantes qu’elles affectionnent, in: Journal de la Société des Sciences, Agriculture et Arts, du Département du Bas-­Rhin 2 (1825), S. 262 – 272, hier S. 265; auch Foderé, Extrait d’un Mémoire manuscrit sur la Culture du tabac, S. 246. 71 Schwerz, Beschreibung der Landwirthschaft, S. 407.

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wurde 72, koexistierten im Rheinland des frühen 19. Jahrhunderts noch divergierende Annahmen über die intrinsischen und exogenen Ursachen für das Auftreten der ‚Schmarotzerpflanze‘, die wenig verbunden nebeneinander standen. Tabakkrankheiten schienen die durch das napoleonische Tabakmonopol herbeigeführte Drucksituation weiter zu verschärfen. Neben Krankheitsanfälligkeit waren auch unkontrollierte Veränderungen ein weiteres Merkmal, anhand dessen rheinische Reformer Saatgut und Sorten klassifizierten. Tabake konnten demnach „ausarten“,73 also Anzeichen von „Denaturierung“ 74 und „Degeneration“ 75 zeigen. Die Forschungsdebatten zielten damit auf die Veränderung innerer Eigenschaften im Zuge einer generationellen Abfolge. Nachkommen von Organismen erfüllten nicht mehr die an die Sorte gebundenen Erwartungen.76 Zwar hatten pflanzliche Degenerationsphänomene, wie Emma C. Spary gezeigt hat, schon Mitte des 18. Jahrhunderts eine theoretische Fundierung durch Botaniker wie Buffon erhalten. Jedoch intensivierte sich erst seit der Französischen Revolution ein Diskurs über ‚ausgeartete‘ und ‚degenerierte‘ Elemente in der Pflanzen-, aber auch in der Menschenwelt.77 Aus Sicht rheinischer Tabakforscher betraf die Degeneration von Tabak eine Reihe von konsumtechnisch wichtigen Eigenschaften der Pflanze. Gelehrte der Straßburger Landwirtschaftsgesellschaft betonten neben „veränderten Blattformen“ gerade das als „Krankheit“ gewertete Vergilben von Pflanzen.78 Degenerierte Pflanzen trugen wenig zur Reproduktion des Tabaks benötigten Samen; sie waren „schwach und kraftlos“, markierten Prototypen von Tabak mit „minderwertigen Qualitätsmerkmalen“.79 Degenerationserscheinungen bedrohten 72 Emmerling-­Skala, Orobanche minor, S. 22. 73 [Adrien de Lezay-­Marnesia], Beschreibung der Feste, ­welche im Jahr 1812, bey Gelegenheit der Austheilung der Preise für den Tabakbau, statt hatten, [ohne Ort, ohne Datum] ADBR, 11/M/196, S. 2. 74 Gondolff, Le tabac, S. 143. 75 De la culture du tabac dans le Département du Bas-­Rhin, [ohne Ort, ohne Datum], ADBR, 11/M/194, unpaginiert; dazu auch: Brief Société des Sciences, Agriculture et Arts du Département du Bas-­Rhin an Lezay-­Marnesia, Straßburg, 7. Mai 1811, ADBR, 11/M/194, unpaginiert. 76 Gottfried Zirnstein, Variabilität, Vererbung und Züchtung bei A. D. Thaer und Zeitgenossen, in: Albrecht-­Daniel-­Thaer-­Tagung 5 (1976), S. 53 – 60, hier S. 54. 77 Spary, Utopia’s Garden, S. 104. 78 De la culture du tabac dans le Département du Bas-­Rhin. 79 Ebd.

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die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit rheinischer Tabakregionen und stellten die Hierarchisierungen von Sorten in Frage, die Tabakexperten seit der napoleonischen Zeit vorgenommen hatten. In den Zuckerplantagen der spanischen Karibik sprachen Gelehrte seit den 1840er-­Jahren in ähnlicher Weise von der Degeneration des Zuckerrohrs, wobei Uneinigkeit darüber bestand, ob Degeneration eher auf die intrinsischen Eigenschaften der Pflanze selbst oder auf die äußeren Einflüsse falscher Anbaumethoden zurückzuführen sei.80 Zwar sind keine Verbindungen ­zwischen den Debatten nachzuvollziehen, jedoch sind die Ähnlichkeiten frappierend. Für rheinische Tabakforscher trug nicht zuletzt die Vermischung verschiedener Sorten zu Degenerationsphänomenen bei. Der badische Botaniker Joseph Gottlieb Kölreuter hatte schon in den 1760er-­Jahren Kreuzungsversuche mit Tabakvarietäten gemacht, bei denen er festgestellt hatte, dass die erste Generation von Hybriden „unfruchtbar“ und „steril“ war, Blüten abfielen und die Pflanzen keinen eigenen Samen produzierten.81 Vermischten sich für zur Produktion von Schnupf- und Rauchtabak besonders geeignete Arten, so die zeitgenössische Logik, dann schwanden bei den Nachkommen auch die positiven Eigenschaften der Elterngeneration. Hybridisierung und Vermischung von Pflanzen als strategische ‚Züchtungen‘ geriet erst im späteren 19. Jahrhundert stärker in den Fokus von Agrarwissenschaftlern. Um 1800 waren derartige Methoden noch wenig verbreitet.82 Die räumliche Trennung der Tabakpflanzen in den Feldern und Versuchsgärten des Rheinlands sollte negativen Vermischungseffekten entgegenwirken. Im Juni 1811 wies der badische Ortsvorstand aus Neckarau darauf hin, dass der ins Großherzogtum importierte „virginische Tabak Samen“ „unvermischt“ „in eine[m] ganz reinen[,] mit inländische[m] Taback nicht angepflanzte[n] Boden“ 80 McCook, States of Nature, S. 81 – 82. 81 Thomas L. Hankins, Science and Enlightenment, Cambridge (u. a.) 1985, S. 137. Auch in der spanischen Karibik hatten Agronomen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts angenommen, dass es unmöglich sei, Hybride aus einzelnen Zuckerrohrvarietäten zu züchten, weil diese unfruchtbar zu sein schienen: McCook, States of Nature, S. 57. 82 Für das 19. und frühe 20. Jahrhundert aus der Fülle der Literatur hier nur: Jonathan Curry-­Machado, Cuba, Sugarcane and the Reluctant Embedding of Scientific Method. Agete’s La Caña de Azúcar en Cuba, in: Wilhelm Schedel (Hg.), Embedding Agricultural Commodities. Using Historical Evidence, 1840s-1940s, London (u. a.) 2017, S. 119 – 145, hier insbesondere S. 131 – 135, Oghina-­Pavie, Rose and Pear Breeding, S. 61 – 62.

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erprobt werden müsse, weshalb „ein abgesöndertes reines Stück Feld“ verwendet werden sollte.83 Helfferich, ein Heidelberger Reformer, hielt es sogar für nötig, Samen des asiatischen Tabaks nur an ganze Gemeinden zu senden, da die Gemeinde verhindern würde, dass einzelne Landwirte den ausgeteilten Tabaksamen mit ähnlichen Tabaksorten „untermischt[en]“.84 Die Reformer verstanden die Verhinderung von Degeneration als einen Kampf gegen die Zeit. Mitglieder der Straßburger Landwirtschaftsgesellschaft problematisierten die stetige Wiederverwendung der gleichen Sorten im Elsass.85 Darin folgten die Experten etwa den Arbeiten Linnés, der konstant ­gleiche Klimakonditionen für degenerative Veränderungen in Pflanzen verantwortlich machte.86 Folgern ließ sich daraus, dass die Einführung von Saatgut aus anderen, nicht-­ degenerierten Anbaugebieten oder botanischen Gärten zur Abwendung von Degenerationsphänomenen im Rheinland beitragen konnte. Im Elsass kursierten Vorschläge einer groß angelegten „renouvellement des graines“.87 Badische Agronomen sprachen, wie Ackermann, von einer „Renovierung des einheimischen Samens“.88 Strategien einer Regeneration des Saatguts zogen ihre Strahlkraft nicht zuletzt aus den zeitgenössischen Utopien gesellschaftlicher Erneuerung. In den Kreisen französischer Reformer war schon seit den 1780er-­Jahren eine „Regeneration der Landwirtschaft“ angemahnt worden. Diese knüpften s­ päter dann an die Bilder der Revolution und Inszenierungen des in mythologisch-­religiöser Weise

83 Brief Direktor des Neckarkreises an den Ortsvorstand zu Mannheim, Heidelberg, 30. Juni 1811, GLA, 313/2111, unpaginiert. 84 Helfferich, Bericht über den Anbau einiger edlern Tabaksarten, S. 43. Der Conseil général du Département du Bas-­Rhin hatte in einer Replik auf die Forschung des Straßburger Botanikers Husson 1824 betont, dass verschiedene falsche Kultivierungsmethoden zur Degeneration des Tabaks beigetragen hätten: Extrait de délibérations du Conseil général du Département du Bas-­Rhin. Session 1824. Séance du 26. August, 1824. Rapport du 3e Bureaux, ADBR, 11/M/194, unpaginiert. 85 De la culture du tabac dans le Département du Bas-­Rhin. 86 Müller-­Wille, Botanik und weltweiter Handel, S. 298; Oghina-­Pavie, Rose and Pear ­Breeding, S. 58. 87 Brief Français de Nantes an Lezay-­Marnesia, Paris, 9. Oktober 1811, ADBR , 11/M/196, unpaginiert. 88 Ackermann, Anbauversuche mit mehreren Tabaksorten, in: Verhandlungen des großherzoglich badischen landwirthschaftlichen Vereins zu Karlsruhe 3 (1823), S. 129 – 136, hier S. 129.

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als „Régénérateur de la France“ gefeierten Napoleon an, dem die Zeitgenossen auch die ‚Wiederbelebung‘ der Landwirtschaft zutrauten.89 Angesichts der unter rheinischen Tabakreformern verbreiteten Degenerationsdiagnose verkleinerte sich naturgemäß der Anteil an Sorten, die von den Forschern als ‚gesund‘ und ökonomisch, unvermischt und rein eingestuft wurden. Der gesteigerte Bedarf nach ‚frischem‘ Saatgut während der napoleonischen Zeit führte auch zu Saatgutknappheit.90 Es sollte nicht übersehen werden, dass Begriffe wie De- und Regeneration den langsamen Übergang zu einem biologischen Pflanzenverständnis ankündigten, in dem dynamisch veränderbare, individuelle ‚Lebewesen‘, nicht mehr Repräsentanten klar zuordbarer ‚Typen‘, die Welt bevölkerten. Folgt man Wolf Lepenies, dann deutete sich in der Zeit z­ wischen 1770 und 1820 eine neue „Verzeitlichung“ der frühneuzeitlichen Naturgeschichte an. Das stabile Arten-­Varietäten-­System des Linné’schen Systems wurde langsam verflüssigt. Nicht nur die Veränderung einzelner Arten und deren Eigenschaften, sondern auch ihr Verschwinden rückte stärker in den Blick der Naturforscher.91 In der rheinischen Tabakforschung lässt sich dabei jenes Hin- und Herchangieren ­zwischen dem älteren statischen Beschreibungssystem und der Absage an derartige Klassifizierungsmuster beobachten, das für die Übergangsphase von Naturgeschichte zur Biologie charakteristisch war.92 Trotz der langsamen Biologisierung des Blicks hing das frühe 19. Jahrhundert noch der älteren Idee einer „fixity of species“ an.93 Die Geschicke rheinischer Tabakforscher lassen sich deswegen auch weniger mit dem Begriff ‚Biologie‘ als vielmehr dem zeitgenössischen Label ‚ökonomische Botanik‘ zuordnen. Ökonomische Botanik bedeutete, wie Günther Luxbacher 89 Katia Sainson, ‚Le Régénérateur de la France‘. Literary Accounts of Napoleonic Regeneration 1799 – 1805, in: Nineteenth-­Century French Studies 3 (2001/2002), S. 9 – 25, hier S. 19. 90 In der Beschaffung „aechten guten Saamen[s]“ erkannte so mancher Reformer „eine größere Schwierigkeit“: [Anonym], Für Liebhaber des Rauchtabak, in: Badisches Magazin 1 (1811), S. 128. 91 Lepenies’ Das Ende der Naturgeschichte zeigt auf allgemeinerer Ebene, dass der „Erfahrungsdruck“ stetig neu entdeckter Tabakpflanzen die taxonomischen und begrifflichen Grenzen eines Systems aufzeigte, in dem Hybriden oder Mischformen kein eigentlicher Platz eingeräumt wurde: Lepenies, Das Ende der Naturgeschichte. 92 Müller-­Wille, Ein Anfang ohne Ende; Michel Foucault, Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften, Frankfurt am Main 1976, S.  165 – 203 und S. 307 – 359. 93 Barber, The Heyday, S. 57 – 58; Oghina-­Pavie, Rose and Pear Breeding, S. 61 – 62.

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gezeigt hat, nicht nur die bloße botanische Ordnung von Pflanzen und anderen Lebewesen, sondern umschloss deren Untersuchung mit Blick auf die „Endzwecke“ der Objekte; im Falle des Tabaks also auf dessen Verwendung als verarbeitete Ware.94 Autoren wie Johann Beckmann und Georg Rudolph Börner stellten d ­ ieses Vorgehen als die spezifische Logik der „Waarenkunde“ dar, die sie aus dem Wissenskorpus des Kameralismus und der traditionellen Universitätsbotanik abzugrenzen versuchten. In Frankreich hatten ähnliche Versuche dazu geführt, dass das französische Institut National seit 1790 auf Ebene der Abteilungsstruktur die Landwirtschaft von der Botanik unterschied 95, ohne dass die dortige Ausdifferenzierung ein Pendant zur Waarenkunde hervorbrachte. Die Selbst- und Fremdbeschreibungskategorie „Botaniker“ lehnten Tabakforscher im Rheinland allerdings ab. „Die Botaniker […]“, so hieß es im 1826 erschienenen Werk Die Geheimnisse der sämmtlichen Rauch- und Schnupftabaks-­ Fabrikation des Straßburger Tabakfabrikanten M. Sinsheim, der mit der staat­ lichen Monopolisierung des Tabaks in Frankreich nach Frankfurt ausgewandert war, machen „ihre Unterscheidungen der Arten und Abarten nur in Hinsicht auf die äußeren Formen der Pflanzen und ihrer Theile […]. Daher ist für den Botaniker die kräftigste Havanna-­Tabakspflanze ganz gleich mit der schwächsten Norddeutschen-­Tabakspflanze.“  96 „Botanik“ stand hier für eine Ausblendung anwendungsbezogener, landwirtschaftlicher und konsumorientierter Facetten, die in der rheinischen Forschung besonders betont wurden. Solchen Einschätzungen lagen zeitgenössische Vorstellungen eines Typus von Universitätsbotaniker als reiner ‚Theoretiker‘ zugrunde.97 Ohne dass rheinische Tabakexperten explizit einen positiven Gegenbegriff zu einer solchen Wahrnehmung des Botanikers entwickelten, zeigte sich aus den in der Region diskutierten Forschungspraktiken 94 Günther Luxbacher, Die technologische Mobilisierung der Botanik. Konzept und Wirkung der technischen Rohstofflehre und Warenkunde im 19. Jahrhundert, in: Technikgeschichte 68 (2001), S. 307 – 333, hier S. 311 – 312. 95 Dazu den noch unpublizierten Vortrag von Pierre Yves Lacour, Les savoirs agronomiques dans la Révolution. France, 1780 – 1810, Vortrag bei der Tagung: Staatswissen (,savoirs d’État‘) klassifizieren und benennen (1750 – 1850), 27. – 28. November 2013, Straßburg. 96 Sinsheim, Die Geheimnisse, S. 5 – 6. 97 Jones, Agricultural Enlightenment, S. 176. Schon Linné hatte unterschieden in „Anatomen“, die über den „innern Bau der Pflanzen“ arbeiten, „Gärtner“, die über den „Anbau der Pflanze“ forschten, und „Mediziner“, deren Blick in erster Linie auf die „Wirkungskräfte und den Nutzen der Pflanze im Körper“ fielen: Müller-­Wille, Botanik und weltweiter Handel, S. 134 – 135.

Agrikulturchemie um 1800

dennoch, dass sie das Label ökonomische Botanik nicht abgelehnt hätten. Botanische Perspektiven auf die Sorten und Varietäten des Tabaks waren im Rheinland essentiell; jedoch immer nur im Hinblick auf die Frage, wie diese zu einer ‚Verbesserung‘ des Tabakanbaus beitragen konnten.

3.2. Agrikulturchemie um 1800 Die ökonomische Botanik rheinischer Tabakforscher wurde nicht nur durch eine dynamische Perspektive auf Arten und Varietäten zunehmend erweitert, sondern geriet darüber hinaus in den Sog der unter zeitgenössischen Naturwissen­ schaftlern mehr und mehr debattierten chemischen Analysemethoden. Der folgende Abschnitt zeigt, dass eine Chemisierung der Tabakforschung im Rheinland im Vergleich zu anderen Orten um 1800 jedoch eher unausgeprägt blieb. Dennoch wurde die Chemie in den Reihen der Straßburger Société des Sciences, Agriculture et Arts du Bas-­Rhin zu einer Referenz. Wie das Protokoll einer Sitzung von 1809 belegt, hatte der Gesellschaftssekretär Cadet, der in Straßburg einer Tätigkeit als Apotheker nachging, ein Mémoire sur les diverses espèces des tabacs vorgestellt, das die anderen anwesenden Mitglieder der Gesellschaft für seine „profunden Kenntnisse“, nicht zuletzt in „Chemie“ würdigten.98 Auch der Straßburger Tabakfabrikant und Reformer Sinsheim wies auf die Notwendigkeit hin, für die Bestimmung der „innern Eigenschaften“ des Tabaks „chemische“ Attribute zu berücksichtigen.99 Im benachbarten Baden sprach der Karlsruher Agrarexperte Grießbach 1823 vom „Wärmegrad“, der ihm zufolge in einer „Pflanze das narkotisch-­gewürzhafte Öl entwickelt“ und gewisse Sorten deshalb zur „Fabri­zierung des Schnupftabaks fähig“ machte.100 Grießbach diskutierte mit Blick auf Wärme eine neben Mineralien und Elektrizität im späten 18. ­Jahrhundert 98 Procès-­verbaux des séances de la Société d’Agriculture, Sciences et Arts du Département du Bas-­Rhin, an 10 – 1827, séance générale du 13. Avril 1809, ADBR, 63/J/30, S. 75 – 76. Leider ist der Bericht Cadets in den Akten nicht enthalten, so dass die Details der chemischen Forschung im Einzelnen nicht rekonstruiert werden konnten. 99 M. Sinsheim, Die Geheimnisse der sämmtlichen Rauch- und Schnupftabaks-­Fabrikation, Frankfurt am Main 1826, S. 6. Der Autor stellt sich selbst als „ehemaligen Fabrikanten in Straßburg“ vor. 100 Christian Griesbach, Bericht über die Eigenschaften der auf dem Versuchsfelde des landwirtschaftlichen Vereins im Jahr 1823 gebauten Tabaksarten, in: Verhandlungen des

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noch dezidiert als ‚chemisch‘ geltende Eigenschaft als Indikator des Nutzens einzelner Tabakarten.101 In allen drei Fällen bezeugte das Wort „Chemie“ eine Erneuerung des landwirtschaftlichen und gewerblichen Blicks auf den Tabak durch die Aneignung der bereits angesprochenen Theorien Antoine-­Laurent de Lavoisiers. Die erkennbare Relevanz der Chemie in der rheinischen Tabakforschung beruhte nicht zuletzt auf deren Verbindungen zu den sich etablierenden chemischen Universitätslehrstühlen. Die Straßburger Landwirtschaftsgesellschaft war über Mitglieder wie den Pharmazeuten Cadet an die städtischen Apotheker- und Chemikerzirkel angebunden. Zu diesen gehörte etwa Jacob Reinbold Spielmann, der als Professor für Medizin, Chemie und Botanik an der Universität in Straßburg seit dem späten 18. Jahrhundert die neueren Entwicklungen der Disziplin repräsentierte. Auch die Errichtung der École de Pharmacie 1803 sowie der Imperialen Universität 1808 hatten die Präsenz der Lavoisier’schen Lehre in den elsässischen Gelehrtenkreisen verstärkt.102 Der Bedeutungszuwachs der Chemie in Arbeiten und Projekten zum Tabakanbau war an Orten außerhalb des Rheinlands jedoch deutlich früher zu spüren gewesen. In Berlin etwa hatte sich schon während der Sezessionskriege in Nordamerika eine agrikulturchemisch geprägte Tabakforschung entwickelt. Seit den 1780er-­Jahren wurden in Preußen unter Leitung Franz Carl Achards, Mitarbeiter an der Berliner Akademie der Wissenschaften im Chemielabor von Andreas Sigismund Marggraf, staatlich subventionierte Experimente unternommen, in denen Achard die für den „Feldbau“ des Tabaks „nützlichsten Anwendungen der Chemie und Physik“ erforschte.103 Ganz in dieser Tradition standen auch großherzoglich badischen landwirthschaftlichen Vereins zu Karlsruhe 3 (1824), S. 78 – 80, hier S. 78 – 79. 101 Jones, Agricultural Enlightenement, S. 162. 102 Adrian-­Mihail Stadler/Jack Harrowfield, Places and Chemistry. Strasbourg – A Chemical Crucible Seen through Historical Personalities, in: Chemical Society Reviews 40 (2011), S. 2061 – 2108, hier S. 2061 – 2064; zu Spielmanns Interessen im Bereich der Chemie: Théodore Vetter, Les relation scientifique entre la Grande-­Bretagne et l’Alsace dans la deuxième moitié du XVIIIe siècle, in: Revue d’Alsace 115 (1989), S. 37 – 67. 103 Zitiert nach: Hans-­Heinrich Müller, Franz Carl Achard. 1753 – 1821. Biographie, Berlin 2002, S. 80; zu den chemischen Experimenten von Archards Lehrer Andreas Sigismund Marggraf: Ursula Klein, Chemical and Pharmaceutical Laboratories before the Professionalization of Chemistry, in: Marta C. Lourenço (Hg.), Spaces and Collections in the History of Science. The Laboratorio Chimico Overture, Lissabon 2009, S. 3 – 12.

Agrikulturchemie um 1800

die 1815 in der Gründlichen Anleitung zur Kultur der Tabackspflanzen dokumentierten „chemisch-­agronomischen Versuche“ 104, die der Chemiker Friedrich ­Sigismund Hermbstädt, ein Schüler Achards und außerordentlicher Professor für Technologie an der neu gegründeten Universität Berlin, während der napoleonischen Zeit unternommen hatte. Hermbstädt, der Arbeiten Pariser Chemiker ins Deutsche übersetzt hatte und im frühen 19. Jahrhundert als einer der wichtigsten preußischen Popularisierer der Theorien Lavoisiers galt 105, profitierte wie Achard davon, dass es innerhalb der preußischen Verwaltung schon Ende des 18. Jahrhunderts eine klare Vorstellung von der Profession des „Chemikers“ und dessen Einsatzgebieten in der Landwirtschaftsreform gab.106 In Paris hingegen, wo Reformer keinen Preußen vergleichbaren Einfluss auf die zentralen Institutionen der staatlichen Tabakmonopolorganisation hatten (Kapitel 2), hatten Reformer wie Alexis-­Antoine Cadet de Vaux ihre Forschungen zum Tabakanbau seit der Errichtung des napoleonischen Tabakmonopols ins ­Zeichen der Chemie gestellt.107 Der Apotheker Cadet de Vaux zählte mit seinen Werken zu den Repräsentanten der von Emma C. Spary untersuchten Pariser Innovationskultur, in der zahlreiche Reformer versuchten, die Lavoisier’sche Chemie zur ökonomischen Optimierung der Landwirtschaft oder verarbeitender Gewerbe zu übertragen.108 Mit Blick auf den Tabak zeigt sich, dass Paris in Europa keine Sonderstellung als Zentrum chemischer Wissenschaften genoss. Auch in Berlin wurden ähnliche Versuche um 1800 ausgebaut. 104 Sigismund Friedrich Hermbstädt, Gründliche Anleitung zur Kultur der Tabackspflanzen und der Fabrikation des Rauch- und Schnupftabacks nach agronomischen, technischen und chemischen Grundsätzen, Berlin 1822, S. 106. 105 Schwenke, Lavoisier, S. 24; Müller, Franz Carl Achard, S. 80; zu Hermbstädts Verhältnis zur Lavoirsier’schen Chemie auch: Vogel, Ein schillerndes Kristall, S. 302 – 309; Fritz Welsch, S. F. Hermbstaedt (1760 – 1833). Begründer der chemischen Technologie in Preußen, in: NTM. Zeitschrift für Geschichte der Wissenschaften, Technik und Medizin 23 (1986), S. 57 – 64. 106 Auch in preußischen Salinen wurde innerhalb der Betriebe eine „chemische Produktion“ eingerichtet, die von Chemikern geleitet wurde: Vogel, Ein schillerndes Kristall, S. 301 – 302; der Monarch hatte chemische Experten auch bei der Erforschung von Zuckersurrogaten einsetzen lassen: Müller, Franz Carl Achard, S. 175 – 195. 107 Alexis-­Antoine Cadet de Vaux, Traité de la culture du tabac, et de la préparation de sa feuille, réduites à leurs vrais principes, Paris 1810, S. XVJ–XVIJ. 108 Spary, Feeding France; zur Rolle von Chemikern bei der Kontrolle von Gewerbe und Industrie in Paris: Thomas Le Roux, Le laboratoire des pollutions industrielles. Paris, 1770 – 1830, Paris 2011.

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Naturwissenschaften und praktisches Wissen

Die im Vergleich zum Rheinland besondere Bedeutung der Chemie in Berlin und Paris zeigte sich etwa darin, dass die dortigen Reformer chemische Analysemethoden und Begründungszusammenhänge bei der Diskussion für den Tabak geeigneter und notwendiger Dünger deutlich prägnanter anführten. Die Gründliche Anleitung zur Kultur der Tabackspflanzen des preußischen Chemikers Hermbstädt demonstrierte die Relevanz von Düngern wie dem Urin mit Blick auf dessen chemische Zusammensetzung: Wenn der frische menschliche Urin bis zur Consistenz eines dünnen Syrups gelinde abgedunstet wird, man als dann seinem gleichem Umfang schwache Salpetersäure zusetzt, alles umrührt, und das Ganze dem Erkalten aussetzt, so bildet sich eine große Anzahl von Krystallen, die nachher, mit eiskaltem Wasser abgespült und getrocknet, den Harnstoff darstellen, der, wenn man die daran klebende freie Salpetersäure durch Kali sättiget, das Ganze zur Trockne abdunstet, hierauf den trocknen Rückstand durch Alkohol extrahirt, und dann wieder krystallisieren läßt, durchsichtige, vierseitige an der Luft zerfließbare Krystalle ansetzt, w ­ elche nun den Harnstoff im reinen Zustande darstellen, der in hundert Theilen, aus 46,67 Stickstoff, 19,99 Kohlenstoff, 26,66 Sauerstoff und 6,66 Wasserstoff zusammengesetzt ist.109

Während „Alkalien“ und „Erden“ in der Chemie des frühen 18. Jahrhunderts noch als feuerbeständige und nicht mehr weiter zergliederbare Stoffe dargestellt worden waren, zeigte Hermbstädt mit Rückgriff auf Lavoisier, dass sich Tabakdünger in Elemente wie Kalium und Natrium sowie Erdalkalielemente wie Calcium, Strontium und Barium, ferner Sauerstoff und Stickstoff zerlegen ließen.110 Der „Harnstoff “ war Hermbstädt zufolge das bei der Verwendung des Urins als Düngemittel wirksame „Prinzipium“.111 Harn erschien dem Experten wichtig, weil er sich zu einem großen Anteil aus Stickstoff zusammensetzte, dem Chemiker in Paris und Berlin wiederum die eigentliche Bedeutung für das schnelle Wachstum von Tabakpflanzen zusprachen. Cadet de Vauxs Tabakchemie verwies auf den Ammoniak, ein Produkt von Stickstoff, den er vor allem in städtischen Latrinenexkrementen wiederfand.112 109 110 111 112

Hermbstädt, Gründliche Anleitung, S. 52 – 53. Schwenke, Lavoisier, S. 25. Hermbstädt, Gründliche Anleitung, S. 53. Cadet de Vaux, Traité de la culture du tabac, S. 17.

Agrikulturchemie um 1800

Antiphlogistische Theoretiker hatten Stickstoff erstmals in den 1770er-­Jahren als chemische Entität definiert.113 Neben Stickstoff adressierten Chemiker aber auch noch eine Reihe anderer Elemente. Cadet de Vaux schrieb der „Pottasche, neutrale[n] Salze[n] sowie pflanzliche[n] Erden“ eine wichtige Bedeutung beim Wachstum der Pflanzen zu.114 Darin zeigte sich, dass Reformer um 1800 noch deutlich abgewogener argumentierten als jene Agrikulturchemiker zur Mitte des 19. Jahrhunderts, die im Stickstoff die wichtigste Substanz für den Pflanzen­ bau ausmachten. Rheinische Tabakforscher hingegen begründeten den Nutzen einzelner Düngemittel weniger mit deren chemischer Zusammensetzung als mit den empirischen Erfolgen, die bestimmte Substanzen in den Tabakanbaugebieten des Rheinlands erzielten. Für Adrien de Lezay-­Marnesia, Präfekt des Departements Bas-­Rhin, erschienen gerade die Provinzen des ehemaligen Flanderns aufgrund deren erfolgreicher Verwendung tierischer und menschlicher Abtritte im Tabakanbau nachahmenswert.115 Das Comité Cantonal de Calcar der Klever Société d’Émulation debattierte 1810 in ähnlicher Weise eine mögliche Orientierung der Landwirte Kalkars an der benachbarten niederländischen Tabakdüngung.116 Die Emphase für Düngepraktiken belgischer und niederländischer Tabakanbaugebiete ging sicher auf jene Bewunderung zurück, die der dortigen Landwirtschaft bis zur Französischen Revolution zugekommen war.117 Obwohl im 113 G. J .Leigh, The World’s Greatest Fix. A History of Nitrogen and Agriculture, New York 2004, S. 96 – 98; zur frühen Debatte über Stickstoff auch: T. A. M. Snelders, The Society of Dutch Chemists and the Controversy about the Nature of Nitrogen (1798 – 1800), in: Janus 72 (1985), S. 157 – 169. 114 Alexis-­Antoine Cadet de Vaux, Instruction sur la préparation des tiges et racines du tabac considérées comme engrais des plantations successives, Paris 1811, S. 12 – 13; Müller, Franz Carl Achard, S. 79: Im Oktober 1780 hatte Achard in ganz ähnlicher Weise Pläne zur Verbesserung des Tabaks in der preußischen Monarchie erstellt, in denen er mit „alkalischen irdischen Düngers“ sowie „ungelöschtem Kalk“ die Umweltwidrigkeiten des preußischen Tabakanbaus auszugleichen gedachte. 115 [Adrien de Lezay-­Marnesia], Instruction für die Tabakspflanzer, zum Gebrauche des Nieder­rheinischen Departements, [Straßburg], 12. September 1811, ADBR, 15/M/402, S. 21. 116 Comité canton de la Société Clèves. Comité cantonal de Calcar. Reflexion sur la culture du tabac du Calcar, Kalkar, 19. März 1810, LA NRW, Roerdepartement, 02672, Fol. 14 – 17. 117 C. Vandenbroeke, Der zweite Aufschwung der Landwirtschaft und die Industrialisierung. Das 18. und die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Adriaan E. Verhulst/Paul Vandewalle (Hg.), Die belgische Landwirtschaft. Von der Vergangenheit zur Gegenwart, Brüssel 1980, S. 29 – 39, hier S. 29.

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Naturwissenschaften und praktisches Wissen

frühen 19. Jahrhundert vor allem das Elsass als Zentrum der zeitgenössischen Tabakforschung wahrgenommen wurde (Kapitel 2), zeigen ­solche Verweise, dass auch andere Vergleiche und Adaptionen innerhalb der Rheinregion wichtig waren. Rheinische Konzeptionen der Wirkung von Düngemitteln speisten sich aus anderen Quellen als die Vorstellungen der Berliner und Pariser Chemiker, in denen chemischen Analysen ein besonderer Stellenwert eingeräumt wurde. Die Ansichten zur Düngung gingen im Rheinland auch auf die Debatten kameralistischer Autoren zurück, die zur Mitte des 18. Jahrhunderts vor „dem Hintergrund des Bildes eines weitgehend autarken Gutshofs und einer verbreiteten Viehwirtschaft“ argumentierten, dass „Mist als der beste, weil kostengünstigste Dünger“ angesehen werden könne.118 Die um 1800 ubiquitären Verweise auf die durch Stalldünger verstärkte „Fruchtbarkeit des Bodens“ verdeutlichen die Adaption der unter Kameralisten verbreiteten vitalistischen Humustheorie.119 Tierische wie menschliche Exkremente zerfielen demnach in organische Bestandteile, die eine leicht lösliche Schicht innerhalb des Bodens bildeten, während mineralische Substanzen wie Kalk oder Mergel die Stabilität der Pflanze ermöglichten.120 Der oben schon diskutierte botanische und zunehmend biologisch geprägte Ansatz der Tabakforschung im Rheinland führte außerdem dazu, dass sich dort eine Diskussion um die Quantität und das Maßhalten von Düngung entfaltete, zu der es in Paris und Berlin kein Gegenstück gab. Johann Nepomuk Schwerz, seit 1812 als Tabakinspektor des Departements Bas-­Rhin tätig, wies in seiner Beschreibung der Landwirtschaft im Nieder-­Elsass auf die Bedeutung quantitativer Kon­ trolle von Düngemitteln hin:121 „Schwelgerisch angebrachter Dünger“, so Schwerz, 118 Vogel, Ein schillerndes Kristall, S. 345. 119 [Adrien de Lezay-­Marnesia], Instruction für die Tabakspflanzer, zum Gebrauche des Niederrheinischen Departements, [Straßburg], 12. September 1811, ADBR , 15/M/402, S. 21; Helfferich, Bericht über den Anbau einiger edlern Tabaksarten in der Gegend in Heidelberg. Veranlaßt durch das Bad. Magazin. Nro. 85. vom 9. Juny 1811, in: Badisches Magazin 2 (1812) S. 29 – 31, 35 – 36, 38 – 40, 42 – 43, 46 – 47, 49 – 50, hier S. 31: Helfferich sprach hier vom Dünger als einer „nothwendige[n] Bedingniß“. 120 Brakensiek, Das Feld der Agrarreformen, S. 102. Gleichzeitig rekurrierten Reformer mit Kalk und Schutt aber auch auf verbreitete Düngeroutinen, die seit dem 16. Jahrhundert eine Bedeutung für die Bewirtschaftung von Feldern hatten: Vogel, Ein schillerndes Kristall, S. 345 – 347. 121 Schwerz vermutete allerdings, dass dem „sehr tiefen Pflügen und dem aus überjährten Exkrementen, Kalk und Schutt“ bestehenden Dünger eine negative Wirkung zugeschrieben werden könnten: Schwerz, Beschreibung der Landwirtschaft, S. 404.

Agrikulturchemie um 1800

würde oftmals zu unbeabsichtigten Qualitätseinbußen in der Tabakernte führen.122 Der Koblenzer Agronom aktualisierte damit auch die Forschungsresultate von Naturhistorikern wie Jean-­Baptiste de Lamarck oder Louis ­Reynier aus den 1790er-­Jahren, die Variationen und negative Veränderungen in der Struktur von Pflanzen auf die exzessive Verwendung von Stalldüngern und städtischen Abwässern zurückgeführt hatten. Maßloser Düngergebrauch war in der Revolutionsära als ‚künstlich‘ gebrandmarkt worden, wohingegen der moderaten Zufuhr von Düngemitteln ‚Natürlichkeit‘ zugebilligt wurde.123 Die divergierende Deutung von Düngemitteln zeigt sich auch bei den praktischen Experimenten im Rheinland. Im rheinischen Kleve etwa eruierten Tabakforscher durch Feldversuche, w ­ elche Arten und Mengen von Dünger in bestimmten Böden des Departements am besten geeignet wären. Bodenzusammensetzungen wurden dabei nicht mit chemischen Begriffen, sondern unter Verwendung eines empirischen Vokabulars untersucht, das Kategorien wie „Körner steiniger Materien“ oder „fasrige Teile“ differenzierte.124 Solche Methoden zur Analyse der Relationen von Düngern, Böden und Tabaksorten sollten die für bestimmte Umwelträume sowie Tabakprodukte jeweils am besten geeignete Sorte von Stalldüngern feststellen.125 Die Beispiele zeigen, dass für Boden- und Feldversuche um 1800 keineswegs immer auf chemische Analyseperspektiven zurückgegriffen wurde. 122 Ebd., S. 407. 123 Wenngleich rheinische Reformer nicht explizit auf Reynier oder Lamarck referierten, so sind die Ähnlichkeiten zu den älteren Theorien mehr als offensichtlich: Emma C. Spary, Utopia’s Garden. French Natural History from Old Regime to Revolution, Chicago 2000, S. 118 – 119. 124 Gruet erarbeitete in ­diesem Sinne eine Klassifizierung von Stalldüngern für den Tabakanbau im Roer-­Departement, die er in seinem 1812 erschienenen Handbuch des Tabaks-­ Bauers den Landwirten Roers und seinen Korrespondenzpartnern in Straßburg zukommen ließ. Er zeigte in d ­ iesem Zusammenhang, dass ein jeweils mit „Schafsdünger“, „menschlichen Fäkalien“ und „Kuhdung“ gedüngtes Gebiet ganz unterschiedliche Zusammensetzungen aufwies: Brief Gruet an Lezay-­Marnesia, Kleve, 10. Januar 1813, ADBR, 11/M/197, unpaginiert. 125 Gruet, Handbuch des Tabaks-­Bauers, zum Gebrauch des Klevischen und Kölnischen Bezirks, im Roer-­Departement, Aachen 1812, S. 17; dagegen etwa die unterschiedlichen Empfehlungen bei: Christian Zeller, Anleitung zum Tabacks-­Bau mit systematischer Beschreibung der wichtigsten kultivierten Tabacks-­Arten. Verfaßt im Auftrage der Central-­Stelle des Grossherzoglichen Badischen Landwirthschaftlichen Vereins, Carlsruhe 1837, S. 16.

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Naturwissenschaften und praktisches Wissen

Die unterschiedliche Gewichtung chemischer Ansätze in der Tabakforschung im deutsch-­französischen Kontext um 1800 zeigt sich schließlich auch mit Blick auf den Erwartungshorizont der Reformer. Hermbstädt und Cadet de Vaux gaben vor, mittels der Chemie die Diskrepanz ­zwischen der amerikanischen Herkunft der Tabakpflanze und den Umweltbedingungen innereuropäischer Tabakanbaugebiete abmildern zu können. Die Chemie sei in der Lage, so Cadet de Vaux, die Hürden, die der Ausbreitung und Aufwertung der Tabakpflanze in Europa entgegenwirkten, geringer werden zu lassen.126 Die „Mängel der Natur“, also die kälteren Temperaturen Europas, könnten durch chemische Methoden bzw. die „physikalischen Wissenschaften“ supplementiert werden.127 Im Rheinland findet sich für ­solche Ansichten keine Entsprechung. Die Einstellung rheinischer Tabakforscher gegenüber solchen ‚theoretischen‘ Ansätzen im Bereich der Agrarreform war ambivalent. In einem Brief an seinen Verleger Johann Friedrich Cotta betonte der frühere Straßburger Tabakinspektor Schwerz noch im März 1819, dass er zwar „viel auf Kunst und wissenschaftliche Empirie“ gebe, jedoch wenig Wert für eine Anwendung „eigentliche[r] Wissenschaft“ in der Landwirtschaft sehe.128 Auch wenn Schwerz sich mit den Büchern des an Chemie interessierten preußischen Landwirtschaftswissenschaftlers A ­ lbrecht Daniel Thaers beschäftigte 129, blieb der Koblenzer dennoch ein lautstarker Befürworter von Induktivität und Empirie.130 Diese Haltung reflektierte die außerhalb des Rheinlands anzutreffende Ablehnung „angewandter Wissenschaft“ in der Landwirtschaftsreform.131 Selbst in einer als besonders fortschrittlich gerühmten Institution der Agrarreform, wie der 1822 von Mathieu de Dombasle gegründeten landwirtschaftlichen Forschungs- und Lehranstalt Roville, spielten Naturwissenschaften wie die Chemie keine bedeutende Rolle.132 126 „Einmal in die milderen und kalten Klimate transportiert, benötigt der Tabak eine Modifikation in der Art des Anbaus“: Cadet de Vaux, Traité de la culture du tabac, S. 75. 127 Cadet de Vaux spricht davon, dass der Tabakanbau „durch die Wissenschaft aufgeklärt werden müsse“: Ebd. 128 Zitiert nach: Franz, Johann Nepomuk Schwerz, S. 8. 129 Ebd., S. 5. 130 Ebd., S. 18. 131 Hans-­Werner Schütt, Anfänge der Agrikulturchemie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 21 (1973), S. 83 – 91, hier S. 89. 132 Jones, Agricultural Enlightenment, S. 180: „What is certain is that chemistry did not bulk large in the syllabus [of Roville] prescribed for study“; dagegen Fabien Knittel, der am Beispiel de Dombasles gerade die Bedeutung der Agrikulturchemie hervorhebt: Fabien

Agrikulturchemie um 1800

Diese letztlich tiefgreifenden Divergenzen z­ wischen den Reformern im Rheinland und denjenigen in Paris sowie Berlin sollten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es hinsichtlich der grundsätzlichen Notwendigkeit von Düngern und der Hervorhebung konkreter Substanzen keine zwei Meinungen gab. Für Forscher im Rheinland wie in Berlin und Paris stand die Notwendigkeit tierischer Stalldünger und städtischer Abwässer außer Frage. Städtische Abwässer, die in Paris als „poudrette“ verkauft wurden, schienen sowohl Lezay-­Marnesia als auch Cadet de Vaux wichtige Ressourcen für den Tabakanbau im napoleonischen Empire zu sein.133 Der Fall Virginias fungierte für alle Tabakreformer um 1800 als eine Art ‚Horror­szenario‘, anhand dessen die Notwendigkeit von Düngung für die europäischen Tabakanbaugebiete immer wieder beschworen wurde. Mit Blick auf das koloniale Virginia erinnerte Cadet de Vaux an die Versäumnisse, die dort in den Hochzeiten des Tabakanbaus gemacht worden waren. Der intensive Anbau, so der Pariser Experte, habe die Böden derart ausgemergelt, dass die Region jetzt weniger produktiv in der Erzeugung von Tabak sei.134 Diese negative Sichtweise saß dem Mythos eines düngelosen Virginias und langlebiger Stereotype über den wenig nachhaltigen „Soil Miner“ der Südstaaten auf, die schon im 18. Jahrhundert die Ansichten europäischer Gelehrter geprägt hatte.135 Tatsächlich hatte dies mit der komplexen Lage in der Chesapeake Bay, in der Düngung durchaus üblich war 136, wenig zu tun – eine Tatsache, die Tabakforscher in Paris, Berlin und im Rheinland schlichtweg ignorierten. Die geteilten Vorurteile über die alten Tabakanbaugebiete in Nordamerika waren einer der wenigen verbindenden Pole ­zwischen Berlin und Paris auf der einen und dem Rheinland auf der anderen Seite. Knittel, Mathieu de Dombasle. Agronomie et innovation. 1750 – 1850, Diss., Université de Nancy-­II, 2007, S. 74 – 87. 133 [Adrien de Lezay-­Marnesia], Instruction für die Tabakspflanzer, zum Gebrauche des Nieder­rheinischen Departements, [Straßburg], 12. September 1811, ADBR, 15/M/402, S. 21. 134 Cadet de Vaux, Instruction sur la préparation des tiges, S. 2 – 3: „Der Fehler im Düngeverhalten findet seinen Ausgang im Südwesten Amerikas, in Virginia, das schon seit langem über eine Tabakanbaukultur verfügt“; „soil exhaustion“ wurde auch in der spanischen Karibik als Problem beim Anbau von Zuckerrohrpflanzen angeführt: McCook, States of Nature, S. 81 – 82. 135 Carville Earle, The Myth of the Southern Soil Miner. Macrohistory, Agricultural Innovation, and Environmental Change, in: Donald Worster (Hg.), The Ends of Earth. Perspectives on Modern Environmental History, Cambridge (u. a.) 1988, S. 175 – 210. 136 Carolyn Merchant, The Columbia Guide to American Environmental History, New York 2002, S. 47 – 48.

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Naturwissenschaften und praktisches Wissen

3.3. Praktisches Wissen Die Fragmentierung des Wissens über den Tabakanbau um 1800 zeigte sich schließlich auch an den graduell unterschiedlichen Einbezügen des ‚praktischen Wissens‘ der Landwirte in den Tabakforschungen Berlins, Paris und des Rheinlands. Während sich Chemiker in Paris und Berlin im Zuge ihrer Professionalisierungsprojekte mehr und mehr von Landwirten abgrenzten, versuchten rheinische Reformer deren Wissen systematisch in der Tabakreform zu verankern. Landwirte wurden jedoch vor allem als ‚passive Wissensquellen‘ für die Repräsentanten der rheinischen Forschungskultur gesehen und mobilisiert. Praktische Facetten des Tabakanbaus sowie der Lagerung und Trocknung des Tabaks ergänzten die aus naturwissenschaftlicher Perspektive formulierten Strategien der Agraroptimierung. Die 1811 veröffentlichte Instruction für die Tabakspflanzer, zum Gebrauche des Niederrheinischen Departements des Straßburger Präfekten Adrien de Lezay-­Marnesia diskutierte in ­diesem Sinne nicht zuletzt Techniken zur Spaltung der Rippe des Tabakblatts 137 nach der Ernte oder den „Mangel an schicklichen Dörrplätzen“, also Trockenhäusern.138 Die besondere Befürwortung „wissenschaftlicher Empirie“ (Johann Nepomuk Schwerz) für die Verbesserungsprojekte war eng mit dem Interesse verbunden, das rheinische Forscher den Landwirten der angrenzenden Rheinregionen entgegenbrachten. Reformer der Straßburger Société des Sciences, Agriculture et Arts du Bas-­Rhin griffen in ihrer Forschung zum Tabakanbau auf „diverse Auskünfte“ von den „besten Landwirten“ zurück, die die Gelehrten für ihre Forschungen befragt hatten.139 In seiner 1816 erschienenen Beschreibung der Landwirtschaft im 137 Es gelte, so Lezay-­Marnesia, die Blätter nach der Ernte von oben nach unten zu spalten „und nur so viel ganz zu lassen, als nöthig ist, damit die beyden Theile des Blattes beysammen bleiben, und um die Blätter mit einander anfassen zu können“: [Adrien de Lezay-­Marnesia], Instruction für die Tabakspflanzer, zum Gebrauche des Niederrheinischen Departements, [Straßburg], 12. September 1811, ADBR, 15/M/402, S. 13. 138 [Lezay-­Marnesia], Instruction für die Tabakspflanzer, S. 17; dazu auch Frank Sebastian Johner, Die Vorgängerbauten der südpfälzischen Tabaktrockenschuppen. Tabaktrocknung vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, URL: [Eingesehen am 29. 10. 2019]. Ich komme auf die zur Mitte des 19. Jahrhunderts ansteigende Bedeutung der Schuppen in der Tabakforschung in Kapitel 4 und 5 zurück. 139 Brief Société des Sciences, Agriculture et Arts du Département du Bas-­Rhin an Lezay-­ Marnesia, Straßburg, 7.  Mai 1811, ADBR , 11/M/194, unpaginiert; über das von der

Praktisches Wissen

Nieder-­Elsass wies Schwerz auf die „verdienstvollen Landwirthe im Elsaß [hin,] die [ihm] Aufschlüsse über die Cultur ihrer Gegend gegeben“ hatten.140 Auch der Klever Tabakinspektor Gruet hatte die Landwirte Guillaume van Laak und Jean Voss aus dem Departement de la Roer systematisch in die Abfassung seines Handbuchs zum Tabakanbau im Departement hinzugezogen 141, das er dann wenig ­später nach Straßburg schickte. Der Austausch z­ wischen den Reformern entlang des Rheines lässt sich als Mobilisierung praktischer Wissensbestände verstehen, die erst unter dem wirtschaftlichen Druck des französischen Tabakmonopols in breitere regionale Zirkulationsprozesse eingeschrieben wurden. Verweise auf den Wert des Wissens der Landwirte und deren Einbezug in die Forschungsprojekte waren Ausdruck jener Verschiebungen, die sich in der Zeit um 1800 im Blick gelehrter Agrarreformer und staatlicher Beamter abzeichneten. Die Figur eines „aufgeklärten“, denkenden oder zumindest belehrbaren Landwirts ersetzte zu dieser Zeit allmählich das einseitige Stereotyp des unzugänglichen „Sudelwirts“ 142 – Wahrnehmungen der ländlichen Bevölkerung wurden somit um positivere Facetten erweitert. Wie die Arbeiten von Regina Dauser zeigen, waren schon die Forschungen und Anbauratgeber kurpfälzischer Amtsleute im späten 18. Jahrhundert aus deren Interaktion mit Landwirten hervorgegangen.143 Zwar ­verhinderte die soziale Gesellschaft eingerichtete „Korrespondenzkomitee“, das in den unterschiedlichen Kantonen des Departements als „Intermediär“ ­zwischen Straßburg und den ländlicheren Räumen agieren und die Gelehrten mit Landwirten in Verbindung bringen sollte: D. Goldschmidt, Historique de la Société des Sciences, Agriculture et Arts du Bas-­Rhin dépuis sa création jusqu’en 1870, in: Monatsbericht der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, des Ackerbaues und der Künste im Unter-­Elsass gegründet 33 (1899), S. 283 – 318, hier S. 286. 140 Er benannte 24 Landwirte, mit denen er in Kontakt stand: Schwerz, Beschreibung der Landwirtschaft, S. IV. 141 Brief Gruet an den Préfet du Département de la Roer, Kleve, 21. März 1812, LA NRW, Roerdepartement, 02025, Fol. 34 – 35. Die 1812 publizierte Version des Handbuchs enthielt tatsächlich eine Erklärung mehrerer „Haupt-­Tabakspflanzer“ des „Klevischen Bezirks“, darunter auch van Laak und Voss, die die Schrift Gruet zufolge „aufmerksam geprüft“ und deren Druck sogar verlangt hätten: Gruet, Handbuch des Tabaks-­Bauers, zum Gebrauch des Klevischen und Kölnischen Bezirks, im Roer-­Departement, Aachen 1812, S. 24. 142 Verena Lehmbrock, Agrarwissen und Volksaufklärung im langen 18. Jahrhundert. Was sehen historische Gewährsleute und was sehen ihre Historiker/innen?, in: Martin Mulsow/ Frank Rexroth (Hg.), Was als wissenschaftlich gelten darf. Praktiken der Grenzziehung in Gelehrtenmilieus der Vormoderne, Frankfurt am Main 2014, S. 485 – 514, hier S. 501 – 503. 143 Regina Dauser, Das Wissen der Herrschaft. Wissensgenerierung und Reformen der praktischen Aufklärung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Mark Häberlein/

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Naturwissenschaften und praktisches Wissen

Etikette es, dass Landwirte direkt in gelehrte Landwirtschaftsgesellschaften aufgenommen wurden 144, deren Mitglieder sich aus bürgerlichen und adeligen Kreisen rekrutierten. Jedoch zeigte sich in der rheinischen Tabakforschung ein informeller Einbezug der Landwirte in die Wissensproduktionen der Experten. Manche Experten machten die besondere Güte des praktischen Wissens rheinischer Landwirte auch an deren religiöser Orientierung fest. Im ersten Band seiner Anleitung zur Kenntnis der belgischen Landwirthschaft von 1807 hatte Schwerz sich mit dem „Einfluß politischer und religiöser Grundsätze auf den belgischen Ackerbau“ 145 beschäftigt und dabei negative Auswirkungen der imperialen Politik Napoleons auf den „Einfluß eines religiösen Systems auf den Ackerbau“ hypostasiert 146, das er vor allem durch die mit der Auflösung der Feudalstrukturen einhergehenden neuen Pachtstrukturen gefährdet sah.147 Vom katholischen Landwirt im Elsass war Schwerz dabei besonders angetan, weil der Ackerbau der Region, auch im Zuge der Revolution und der napoleonischen Zeit, seine religiösen Ursprünge und Charakterzüge bewahrt zu haben schien.148 Dem Katholizismus wurde in solchen Zeilen ein nicht näher beschriebener Einfluss, eine geradezu spirituelle Einwirkung auf die Agrarkenntnisse der Landwirte zugeschrieben. Die Forschung hat gezeigt, dass der spätere Straßburger Tabakinspektor Schwerz nicht nur überzeugter Katholik war, der abseits seiner Tätigkeit in der Tabakverwaltung ein nahezu „priesterliches Leben“ bevorzugte.149 Stefan Paulus/Gregor Weber (Hg.), Geschichte(n) des Wissens. Festschrift für Wolfgang E. J. Weber zum 65. Geburtstag, Augsburg 2015, S. 619 – 633, hier S. 627 – 631. 144 Popplow, Economizing Agricultural Resources, S. 276 und 278. 145 Johann Nepomuk Schwerz, Anleitung zur Kenntniß der belgischen Landwirthschaft, Band 1, Halle 1807. 146 Ebd., S. 68. 147 Ebd., S. 67. 148 Neben anderen Bauern hob Schwerz gerade den Pfarrer Schröder aus Schillersdorf hervor: „Noch wird der Leser den Namen Schröder, Pfarrer, in Schillersdorf, sehr oft in ­diesem Werke finden. Der Zufall führte mir die Noten, die er über den Ackerbau seiner Gegend gemacht hat, in die Hände, und ich freue mich nicht wenig, sie aus dem Staube hervorgezogen zu haben, unter dem sie vergraben lagen.“ Johann Nepomuk Schwerz, Beschreibung der Landwirthschaft, S. V–VII. Pfarrer waren grundsätzlich wichtige Protagonisten der Ökonomischen Aufklärung und in dieser Funktion auch weitgehend von anderen agronomisch interessierten Reformern anerkannt: Frank Konersmann, Über die Nutzbarkeit des Predigtamtes. Pfarrer als Agrarschriftsteller und Landwirte in der Pfalz, 1770 – 1852, in: Aufklärung 17 (2005), S. 5 – 33. 149 Franz, Johann Nepomuk Schwerz, S. 6.

Praktisches Wissen

Schwerz’ ­Vorstellungen waren eng verknüpft mit den zeitgenössischen romantischen Strömungen in Literatur oder Kunst. Der Koblenzer repräsentierte jene Kräfte in der rheinischen Tabakforschung, die die Agrarreform und Botanik mit dem „Geist der Romantik“ zu vereinen versuchten.150 Im Rheinland galten Landwirte jedoch nicht nur als wichtige Quellen des Wissens über den Tabakbau, sondern auch als dessen Vermittler. Nach einer Rundreise durch das Departement, Monate nach seinem Amtsantritt im März 1810, hatte Lezay-­Marnesia im September 1811 die „Ackersleute“ Waldejo, Freiß, Reybel, Heydel, Klein, Bottemer und Willmann zu sogenannten „Besuchern“ ernannt, die als „Ratgeber für die Landwirte“ Tabakfelder des Departements monatlich inspizieren sollten.151 Der Präfekt hatte diese neue Ämterverteilung handschriftlich auf einer seiner Instruktionen anbringen lassen, die die „Conseiller“ daran erinnern sollte, nicht selbstdenkend durch die Tabakfelder zu ziehen. Distinguierte Landwirte wie die oben genannten sollten, wie die Pariser Zentralverwaltung des Tabakmonopols den Praktiken des Präfekten bestätigend hinzufügte, die „Schwächen der Unterweisung“ effektiver ausräumen.152 In Baden hingegen wurde Landwirten als Vermittler mehr Kompetenzen eingeräumt. Das Konstanzer Seekreisdirektorium etwa hatte im April 1811 den Heidelberger Landwirt Joseph Brucker als „herrschaftlichen Tabakpflanzer“ engagiert, im Auftrag und auf Kosten der Kreisdirektion und in den Ämtern des Seekreises zu wandern und dort den laut Verwaltung zu wenig praktizierten Tabakanbau zu verbreiten.153 Während im Rheinland somit ein zwar graduell unterschiedliches, in seinen Grundzügen dennoch ähnliches Integrationsverständnis des praktischen Wissens der Landwirte existierte, traten Reformer in Berlin und Paris eher distanziert auf. Alexis Antoine Cadet de Vaux beispielsweise tat den kurz nach der Liberalisierung des Tabakanbaus in Frankreich im Zuge der Französischen Revolution 1791 erschienenen Traité complet de la culture, fabrication et vente du tabac 150 Brakensiek, Das Feld der Agrarreformen, S. 119. 151 Adrien de Lezay-­Marnesia, Manuel du cultivateur de tabac, à l’usage du Département du Bas-­Rhin/Handbuch des Tabakpflanzers des Nieder-­Rheinischen Departements, Straßburg, 2. September 1811, ADBR, 11/M/188, S. 21. 152 Brief Français de Nantes an Lezay-­Marnesia, Paris, 9. Oktober 1811, ADBR, 11/M/196, unpaginiert. 153 Brief Seekreisdirektorium an Landes Ökonomie Departement, Konstanz, 26. April 1811, GLA, 236/6072, Fol. 17.

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Naturwissenschaften und praktisches Wissen

Jérôme Pétion de Villeneuves 154 wegen mangelnder Präzision als ein „Gemenge an Unsicherheit“ eines „Landwirts“ ab.155 Derartige Distinktionsbemühungen und Grenzziehung waren Ausdruck der im späten 18. Jahrhundert langsam aufkommenden Professionalisierung von Chemikern.156 Inszenierungen des ‚einfachen‘ Bauern waren in den Reihen der Reformer um 1800 somit deutlich komplexer und ambivalenter 157, als der Blick auf die Experten im Rheinland suggeriert, und konnten auch als negative Distinktionskategorie aufgeladen werden. Zwar betonten Reformer wie Hermbstädt oder Cadet de Vaux durch ihre Verwendung von Kategorien wie „Erfahrung“ sowie „Économie Rurale“ 158 – ein Begriff, der um 1800 auf empirische Wissensbestände verwies – auch die Bedeutung nichtchemischen Wissens für die Verbesserung des Tabakanbaus. Jedoch war dessen Stellenwert geringer als im Rheinland, wo etwa die Trocknung von Tabak in externen Schuppen eine wichtige Facette für die Reformer darstellte. Diese standen den Wissenswelten der Landwirte insgesamt näher. Dennoch zeigt das vorliegende Kapitel, dass gerade der Botanik eine heraus­ gehobene Bedeutung innerhalb der regionalen Netzwerke zukam. Zwar ist diese besondere Bedeutung der Botanik für zeitgenössische Reformer durchaus betont worden, jedoch zeigt sich am Beispiel der rheinischen Tabakforschung, prägnanter als die Forschung bisher angenommen hat, wie zentral Paradigmen und Diskussionsschwerpunkte aus dem modernen botanischen Diskurs von den anwendungsbezogenen Reformern adaptiert wurden. Die Mobilisierung der in der jüngeren Forschung hervorgehobenen frühen Agrikulturchemie blieb in der rheinischen Tabakforschungskultur allenfalls rudimentär. Diese unterschied sich darin nicht zuletzt von Reformern in Paris oder Berlin. 154 Jérôme Pétion de Villeneuve, Traité complet de la culture, fabrication, et vente du tabac. D’après les procédés pratiqués dans la Pannonie, la Virginie, le Danemarck […] par un ancien cultivateur, [ohne Ort] 1791. 155 Cadet de Vaux, Traité de la culture du tabac, S. XIV. 156 Mit Blick auf die Differenzrhetoriken gegenüber nicht-­chemisch argumentierenden Landwirtschaftsreformern seit der Mitte des 19. Jahrhunderts: Nathalie Jas, Déqualifier le paysan, introniser l’agronome, France 1840 – 1914, in: Écologie & Politique 2 (2005), S. 45 – 55; zu den Abgrenzungsdynamiken von akademischen Physikern gegenüber ‚Amateuren‘ und der Konstruktion einer scientific community seit dem 18. Jahrhundert: Oliver Hochadel, Öffentliche Wissenschaft. Elektrizität in der deutschen Aufklärung, Göttingen 2003, insb. Kapitel 5. 157 Lehmbrock, Agrarwissen und Volksaufklärung 158 Cadet de Vaux, Traité de la culture du tabac, S. XVIJ.

4. Weltmarkt, Wissenschaft und Revolution: Rheinische Tabakforschung zur Mitte des 19. Jahrhunderts Trotz der Verstärkung nationaler Emotionen und Bekenntnisse haben neuere Arbeiten grundsätzlich argumentiert, dass sich regionale Austauschräume des Wissens im deutsch-­französischen Kontext erhielten. Für die südliche Rheinregion zeigt dies etwa der von Catherine Maurer und Astrid Strack-­Adler herausgegebene Sammelband L’espace rhénan, pôle de savoirs.1 Kapitel 3 hat den Blick stärker auf die Wissensbestände und Facetten des regionalen Diskurses über den Tabakanbau gelenkt und dabei den besonderen botanischen Charakter der rheinischen Forschung herausgearbeitet. Im Folgenden sollen wiederum die Bedingungen untersucht werden, unter denen sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts eine breitere rheinische Verbindungslandschaft zunehmend auf Kontakte ­zwischen Tabakexperten im südlichen Rheingebiet, dem Oberrhein, verengte. Gefragt wird dabei zum einen, wie die Herausbildung einer oberrheinischen Tabakforschung mit den einsetzenden ökonomischen Globalisierungsprozessen zusammenhing. Zwar haben schon die vorangegangenen Kapitel gezeigt, dass Verbindungen und Wahrnehmungen auf Weltniveau für die Experten wichtig wurden. Jedoch scheinen s­ olche Bezüge nicht zuletzt durch die von den Zeitgenossen seit den 1840er-­Jahren beobachtete Entwicklung eines Weltmarkts neue Bedeutung bekommen zu haben. Die Intensivierung von Handelsprozessen auf globaler Ebene ging mit der Ausbildung durch formelle und informelle Imperialismen abgesicherte Freihandelspolitiken einher. Europäische Staaten sicherten globale Absatzräume der in Europa fabrizierten Produkte.2 Die Wirtschafts- und Sozialgeschichte hat mit Blick auf die dabei in Europa entstehenden spezialisierten „Exportregionen“ Verbindungen von globalisierenden und 1 Catherine Maurer/Astrid Strack-­Adler (Hg.), L’espace rhénan, pôle de savoirs, Straßburg 2013; zur wirtschaftlichen Verflechtung der Oberrheinregion während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Mark Häberlein, Savoyische Kaufleute und die Distribution von Konsumgütern im Oberrheingebiet, ca. 1720 – 1840, in: Walter Rolf (Hg.), Geschichte des Konsums. Erträge der 20. Arbeitstagung der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. 23. – 26. April 2003 in Greifswald, Stuttgart 2004, S. 81 – 114. 2 Für die Baumwolle, eindrucksvoll: Sven Beckert, King Cotton. Eine Globalgeschichte des Kapitalismus, München 2014.

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regionalisierenden Prozessen herausgearbeitet.3 Diese Arbeiten werden jedoch selten systematisch mit jenen Studien zusammengebracht, die, etwa mit Blick auf die Rheinregion, die Überlagerungen von Handelsbeziehungen, Industrialisierung und Wissenstransfers thematisieren.4 Historiker/innen haben gleichzeitig darauf aufmerksam gemacht, dass die Landwirtschaftsforschung im Verlauf des 19. Jahrhunderts zunehmend exklusiver wurde – ein Befund, den schon das vorangegangene Kapitel durchaus bestätigt. Während gelehrte Agronomen noch um 1800 eng mit ‚einfachen‘ Landwirten kooperiert hätten, so s­ eien die Professionalisierungsbemühungen der zur Jahrhundertmitte stärker institutionalisierten Agrikulturchemie mit einer graduellen Verdrängung ‚nicht-­wissenschaftlicher‘ Experten einhergegangen.5 Referenzen auf chemische Begrifflichkeiten und Wissenschaftler kam eine symbolische und exklusive Dimension zu.6 Es liegen jedoch wenig differenzierte Resultate über die genauen Ein- und Ausschlusskriterien sowie -kategorien vor, mit denen eine als ‚Wissenschaft‘ verstandene Landwirtschaftsreform zur Mitte des 19. Jahrhunderts konstruiert wurde.7 Schließlich fragt das Kapitel auch, w ­ elche neuen Konditionen die politischen Eruptionen der Jahrhundertmitte, die Kontinentaleuropa während der Jahre 1848 und 1849 erschütterten, für die Tabakforschung im deutsch-­französischen Kontext setzten. Das bezieht sich auf die mit der Revolution verstärkten nationalen 3 Michael Schäfer/Veronique Töpel (Hg.), Sachsen und die Welt. Eine Exportregion im Vergleich, Leipzig 2014. 4 Catherine Maurer, Introduction, in: Dies./Astrid Starck-­Adler (Hg.), L’espace rhénan, pôle de savoirs, Straßburg 2013, S. 7 – 13, hier S. 10. 5 Etwa Nathalie Jas, Déqualifier le paysan, introniser l’agronome, France 1840 – 1914, in: Écologie & Politique 2 (2005), S. 45 – 55; Bernadette Bensaude-­Vincent/Isabelle Stengers, A History of Chemistry, Cambridge (u. a.) 1996, S. 92 – 160; Jakob Vogel, Ein schillerndes Kristall. Eine Wissensgeschichte des Salzes z­ wischen Früher Neuzeit und Moderne, Köln (u. a.) 2008, Kapitel 4; Oliver Hochadel, Öffentliche Wissenschaft. Elektrizität in der deutschen Aufklärung, Göttingen 2003, insb. Kapitel 5; zur rhetorischen Demarkation von Wissenschaft und Nicht-­Wissenschaft im 19. Jahrhundert grundsätzlich: Thomas Gieryn, Boundary-­Work and the Demarcation of Science from Non-­Science. Strains and Interests in Professional Ideologies of Scientists, in: American Sociological Review 48 (1983), S. 781 – 795. 6 Vogel, Ein schillerndes Kristall, S. 337 – 339. 7 Aus der älteren Forschung hier nur: Ursula Schling-­Brodersen, Entwicklung und Institutionalisierung der Agrikulturchemie im 19. Jahrhundert. Liebig und die landwirtschaftlichen Versuchsstationen, Braunschweig 1989.

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Emotionen und Vorstellungen, aber auch auf die politischen Konstellationen und Gegensätze, die die Revolution wenn nicht hervorbrachte, so zumindest stärker konturierte. Die Konfrontation liberaler, mitunter auch republikanisch-­ demokratischer Bewegungen und die ‚Reaktion‘ neoabsolutistischer Fürsten und autoritärer Herrscher nach 1848 markieren Dynamiken, die in der Wissens­ geschichte, zumal der Landwirtschaftsreform, bislang nur wenig berücksichtigt werden.8 Globalisierende, politisierende und verwissenschaftlichende Prozesse konvergierten bei der Verlagerung der rheinischen Tabakforschung auf den engeren Oberrhein zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Kapitel 4 plädiert dafür, die Dynamik des regionalen Austauschs von Tabakwissen vor dem Hintergrund der badischen Zigarrenindustrie und der grenzregionalen Handelsnetze von Rohtabak zu verstehen. Die Zigarre befand sich in den Jahren um 1850 in vielen Teilen Europas und der atlantischen Welt auf dem Höhepunkt ihrer Statussymbolik für das Bürgertum 9, während andere Produkte, wie der Schnupftabak, an Popularität verloren.10 Die fortschreitende Durchsetzung der Agrikulturchemie und die Revolution von 1848/49 brachten ein neues Verständnis von ‚Wissenschaftlichkeit‘ bzw. neue politische Verortungen hervor, die den Verbindungen unter Tabakexperten spezifische Grenzen einschrieben. Ältere Netzwerke der Reform des Anbaus ­zwischen dem Elsass und den Gebieten in der angrenzenden südlichen Rheinregion, so die These, wurden durch die neuen wirtschaftlichen Kontexte einerseits dynamisiert, durch die neuen politischen und wissenschaftlichen Bedingungen jedoch gleichzeitig restriktiver als zuvor.

8 Dazu am Beispiel der Medizin, jedoch nur mit engerem Blick auf Baden: Arleen Marcia Tuchman, Science, Medicine, and the State in Germany. The Case of Baden, 1815 – 1871, New York (u. a.) 1993, S. 91 – 113; ansonsten liegen so gut wie keine Überlegungen vor, die Revolution systematischer aus wissens- und wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive zu analysieren. Diese Leerstelle bestätigt sich auch mit Blick auf neuere Überblicksdarstellungen: Mike Rapport, 1848. Revolution in Europa, Darmstadt 2011; Eva Maria ­Werner, Kleine Geschichte der deutschen Revolution von 1848/49, Wien (u. a.) 2009; Frank E ­ ngehausen, Die Revolution von 1848/49, Paderborn (u. a.) 2007. 9 Bernard le Roy/Maurice Szafran, Die große Geschichte der Zigarre, 3., überarbeitete, aktualisierte und erweiterte Auflage, München 1998, S. 14. 10 Ebd.; ähnlich auch bei Didier Nourrisson, Cigarette. Histoire d’une allumeuse, Paris 2010, S. 55 – 56, der sich der Zigarre insbesondere als Vorgänger der s­ päter verbreiteten Zigarette nähert.

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4.1. Regionale und globale Zigarrenwirtschaft Die im Großherzogtum Baden zur Mitte des 19. Jahrhunderts ansteigende Fabri­ kation von Zigarren verlieh der rheinischen Tabakforschung neue Impulse. Wissenstransfers durch grenzregional reisende Experten, Briefverkehr und die Zirkulation von Büchern überlagerten sich mit einem grenzregionalen Export elsässischer Rohtabake für die Zigarrengewerbe des benachbarten Badens. Oberrheinischer Handel und Wissensproduktion waren dabei in die Globalisierung des entstehenden Weltmarkts eingebettet, der die Tabakforschung unter neue Rahmenbedingungen stellte. Im südlichen Rheinland machte sich dieser Zusammenhang vor allem in einer steigenden wechselseitigen Aufmerksamkeit für die Buchproduktion der jeweiligen Nachbarregion bemerkbar. Der Karlsruher Chemiker Julius Neßler hatte 1862 die kurz zuvor erschienene Denkschrift über den Tabakanbau im Departement des Niederrheins des Bouxiller Gelehrten Charles-­Henri ­Schattenmann für das badische Handelsministerium begutachtet.11 Im badischen Hockenheim bezog sich Philipp Schwab für seine historische Skizze zum Tabakanbau im Elsass auf das in Straßburg erschienene Buch De la culture du tabac. Vom Tabakbau Richard Hürstels 12, der sich neben seiner Tätigkeit im comice agricole von Benfeld und der Straßburger Landwirtschaftsgesellschaft auch als lokaler Tabakinspektor der staatlichen Régie engagierte.13 Hürstels Schrift stellte die bilinguale Version eines 1841 in Heidelberg auf Deutsch publizierten Buchs des Experten Erhardt dar, das dem elsässischen Übersetzer wegen der „lange[n] Erfahrung im Nachbarlande“ ins Auge gefallen war. Bei der „Aehnlichkeit des Bodens und Climas“, so Hürstel mit Blick auf die naturräumlichen Ähnlichkeiten ­zwischen Schwarzwald und Vogesen, könne 11 Brief Badisches Handelsministerium an Centralstelle für die Landwirthschaft, Karlsruhe, 8. Oktober 1862, Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA), 236/16732, unpaginiert. 12 Philipp Schwab, Der Tabakanbau in der Pfalz und in Holland, Karlsruhe 1852, S. XII zitiert jedoch lediglich „La culture du Tabac en Alsace Strasbourg 1850“, ohne Hürstel als Autor zu nennen. Es handelt sich um: [Richard Hürstel], De la culture du tabac. Vom Tabakbau, Straßburg 1850. 13 Hürstel stammte aus einer Familie von elsässischen Régiebeamten: Jean Vogt, Le ‚parachutage‘ administratif d’un affairiste à Sélestat en 1830. Le cas de J. B. Hurstel, entreposeur de tabac, receveur des contributions indirectes, in: Annuaire de la Société d’Histoire et d’archéologie de Sélestat et environs 52 (1987), S. 167 – 168.

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Erhardts Schrift „leicht im Niederrhein [das Departement Bas-­Rhin, AvW] angewandt werden“.14 Der regionale Austausch von Tabakwissen wurde im Elsass in eine lebendige Übersetzungskultur eingebettet. Diese trug einen wichtigen Anteil daran, dass die Region auch zur Mitte des 19. Jahrhunderts noch weitgehend zweisprachig war. Zwar mehrte sich seit den 1840er-­Jahren die Publikation rein französischsprachiger Bücher 15 – nicht zuletzt, weil die „haute bourgeoisie“ der Region, zu der die Tabakexperten teilweise gehörten, im Französischen eine „langue exclusive“ zur Abgrenzung von unteren Schichten entdeckte.16 Bilinguale Bücher wie das Hürstels waren jedoch keineswegs besonders, sondern vor allem in den Bereichen Wissenschaft und Belletristik überaus beliebt.17 Einige große elsässische Tageszeitungen wie L’Industriel alsacien oder Le Courrier du Bas-­Rhin druckten ihre Artikel weiterhin auf Deutsch und Französisch.18 Übersetzungsprozesse und wechselseitige Wahrnehmung der Tabakforscher am Oberrhein waren in den sich ausbildenden Handel von Rohtabak eingebettet. Ein Treffen von badischen und elsässischen Tabakforschern im März 1861 im nordelsässischen Bouxwiller Versuchsgut des erwähnten Schattenmanns verdeutlicht dies besonders anschaulich: Am ersten ­dieses Monats waren Herr von Langsdorff, Präsident der Landwirtschaftsschule des Großherzogtums Baden in Karlsruhe, Herr Lauter, Direktor der Gesellschaft für Tabaksproduktion und Handel des Großherzogtums Baden, Herr Neßler, Chemiker der badischen Landwirtschaftsverwaltung,[…] zu Gast auf meinem landwirtschaftlichen Anwesen. Ich habe mich bei dieser Gelegenheit lange mit den Herren aus dem Großherzogtum Baden […] unterhalten. Ich habe ihnen die aus meinen qualitativ hochwertigen Tabaken durch einen Fabrikanten aus Speyer gefertigten Zigarren gezeigt und wir haben uns über die Methode des Tabakanbaus ausgetauscht.19 14 Hürstel, De la culture, S. 3. 15 Bernard Vogler, Histoire culturelle de l’Alsace du Moyen âge à nos jours. Les très riches heures d’une région frontalière, Straßburg 1994, S. 287 – 289. 16 Ebd., S. 291. 17 Ebd., S. 244 – 245. 18 Ebd., S. 286 – 287. 19 Bei der Versammlung war darüber hinaus ein Herr Rothpletz aus Neustadt, Rheinbayern, anwesend, den Schattenmann als einen „gebildeten Landwirt“ identifizierte. Mit Rothpletz war ein Tabakexperte aus der bayerischen Rheinpfalz vertreten, der nicht im

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Die Begegnung in Bouxwiller stellte eine Art Handelstreffen dar, im Rahmen dessen der elsässische Unternehmer seine Rohtabake an badische und rheinbayerische Interessenten zu veräußern versuchte – die zur Probe angebotenen, aus Schattenmanns eigenen Tabaken gefertigte Zigarren müssen so überzeugend gewirkt haben, dass Exportbeschränkungen für Bouxwiller anscheinend wenig ins Gewicht fielen.20 Gleichzeitig nutzten die Experten das Treffen zum Austausch von Wissen über den Tabakanbau. Das Treffen repräsentierte damit nicht nur die Handelsbewegungen am Oberrhein, sondern zeigte im Kleinen die sich mit dem Handel überlagernde Wissenszirkulation.21 Die Zusammenkunft in Bouxwiller verdeutlicht darüber hinaus die neue Bedeutung von Rohtabakproduzenten, Kaufleuten oder Fabrikanten in der oberrheinischen Tabakforschung. Schattenmann war, neben seinen in den 1840er-­Jahren begonnenen Forschungen zum Tabakanbau, spätestens seit den frühen 1860er-­ Jahren auch zum Verkäufer von Zigarrendeckblättern avanciert, von denen die staatliche Regie Frankreichs einen Gutteil abnahm.22 Wilhelm Florentin Lauter agierte nicht nur als Reformer des badischen Landwirtschaftsvereins, sondern war gleichzeitig als Direktor der Badischen Gesellschaft für Tabaksproduktion und Handel aktiv, die er zusammen mit anderen Unternehmern und Agronomen des Großherzogtums 1857 als Aktienverein gegründet hatte. Mit dem Ziel, den Rohtabakhandel der Region zu monopolisieren, die Belieferung der expandierenden Zigarrengewerbe zu übernehmen und einen direkteren Zugriff auf die zur Zigarrenproduktion geeigneten Tabake sicherzustellen, hatte der Verein Landgüter und Bodenflächen im Großherzogtum aufgekauft und an Landwirte verpachtet.23 Auf

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engeren Sinne als Teil des Ensembles von Akteuren aus dem Elsass und Baden gesehen kann: Brief Schattenmann an Rolland, Bouxwiller, 16. August 1862, Archives départementales du Bas-­Rhin (ADBR), 11/M/195, unpaginiert. Möglicherweise handelte es sich um Schmuggel, der in der Grenzregion durchaus weiter florierte: Denis Brunn, Le tabac en Alsace au XIXe siècle (1810 – 1870), Mémoire principal de diplôme, Faculté des lettres de Strasbourg 1967, S. 143. Es ist nur ein einziges derartiges Treffen überliefert. Dennoch ist es wahrscheinlich, dass ­solche Zusammenkünfte regelmäßig auf beiden Seiten des Rheins stattgefunden haben. Dazu etwa die Statistiken zu den von ihm verkauften Tabaken, die Schattenmann dem Straßburger Präfekten zukommen ließ: Brief Schattenmann an Préfet du Département du Bas-­Rhin, Bouxwiller, 20. März 1863, ADBR, P/267, unpaginiert; zu Schattenmanns Bedeutung als Tabakproduzenten im Elsass auch: Brunn, Le tabac, S. 111 – 112. C. M. Anderst, Benachrichtigung über die Gründung einer badischen Gesellschaft für Tabaksproduktion und Handel, sowie über die Bedingungen, unter ­welchen die Zeichnung

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einem gesellschaftseigenen Versuchsgut in der Nähe des Kaiserstuhls im südlichen Baden, dem Lilienhof, war Lauter zusammen mit August von Babo, dem Leiter der landwirtschaftlichen Lehranstalt Weinheim, dazu auserkoren worden, den Tabakanbau auf den Gütern im Besitz der Gesellschaft durch die systematische Erforschung der Pflanze zu verbessern.24 Wenngleich sich aus solchen Angaben keine genauen Proportionsverhältnisse jener Reformer erschließen lassen, die in Handel und Forschung verflochten waren, so verweisen diese auf die Existenz von Unternehmer-­ Reformern, die gegenüber dem frühen 19. Jahrhundert einen neuen Sozialtypus von Tabakforscher darstellten. Experten waren oftmals Grenzgänger ­zwischen Tabakhandel, -anbau, -fabrikation und landwirtschaftlicher Wissens­ produktion. Forscher waren auch durch ein kapitalistisches Eigeninteresse am Tabakanbau motiviert. Die Zeitgenossen hingegen nahmen die aus der Überlagerung von Handel und Wissensaustausch hervorgehende oberrheinische Forschung nicht zuletzt als Produkt einer relativen Friedenszeit wahr. In der Revue d’Alsace hatte der elsässische Autor Frédéric Théodor Piton in einem Aufsatz mit dem Titel L ­ ’Alsace et le pays de Bade en 1859 betont, dass „Handelsverbindungen“ z­ wischen den Vogesen und dem Schwarzwald 25 sich zeitgleich zum Austausch „auf dem umfangreichen Gebiet der Wissenschaften“ nach dem Friede des Wiener Kongress intensiviert hätten.26 Der legale Rohtabakhandel in der südrheinischen Grenzregion, insbesondere vom Elsass nach Baden, war tatsächlich erst nach der entgültigen Niederlage Napoleons wieder in nennenswerter Weise angelaufen. Die Ausfuhr von Rohtabaken aus den Kantonen Straßburg und Schlestadt war erst 1816 erlaubt worden. Zwar hatte die Pariser Zentralverwaltung des Tabakmonopols die Ausfuhrmengen aus dem Elsass 1853 wieder eingeschränkt und den Export nur denjenigen Arrondissements vorbehalten, die gleichzeitig für die französische Régie von Aktien hierfür zugelassen wird, Karlsruhe 1857, S. 2 – 3. 24 Ebd., S. 2; zum Lilienhof auch: August von Babo, Urbarmachung und Einrichtung des Hofes Lilienthal am Kaiserstuhl im Breisgau nebst einer Beschreibung der landwirthschaftlichen Verhältnisse des Kaiserstuhls selbst, Lahr 1860. 25 Frédéric Théodore Piton, L’Alsace et le pays de Bade en 1859, in: Revue d’Alsace 10 (1859), S. 508 – 518, hier S. 508; zur Überlagerung von Wissenszirkulation und Handel am Oberrhein auch Maurer, Introduction, S. 10. 26 Piton, L’Alsace et le pays de Bade, S. 508.

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produzierten.27 Da Händler jedoch gerade mit qualitativ hochwertigen Zigarrendeckblättern und weniger über quantitative Mengen Gewinne erzielten, ging zur Mitte des 19. Jahrhunderts weiterhin ein finanziell wohl nicht unbedeutender Teil der Rohtabake aus elsässischen Gebieten in die rechtsrheinische Zigarrenindustrie des Großherzogtum Badens. Diese hatte seit den 1830er-­Jahren einen regelrechten Boom erfahren. Obwohl in Mannheim schon 1802, wie in vielen Teilen Europas, eine Zigarrenfabrik gegründet worden war, nahm die Expansion des Zigarrengewerbes, mit besonderer Konzentration in den Gegenden um Mannheim und Lahr, erst zur Mitte des 19. Jahrhunderts richtig an Fahrt auf.28 Badische Zigarrengewerbe verarbeiteten außereuropäische Rohtabake aus den USA, Kuba oder Indonesien, griffen jedoch auf ein zunehmend größeres Kontingent an Rohtabakressourcen aus dem südrheinischen Raum zurück. Darin zeichnete sich eine wirtschaftliche Arbeitsteilung ab – Rohtabake aus dem Elsass wurden in Baden zu Zigarren verarbeitet –, die durch Idealisierungen des elsässischen Rohtabaks von Experten und Händlern symbolisch gerechtfertigt wurde. Der Mannheimer Tabakhändler Helge Mayer monierte 1848 die in seinen Augen „mangelhaffte Tabakbehandlung von Seiten der Pflanzer“ in Baden und empfahl dagegen die im benachbarten Elsass.29 Philip Korn, ein Tabakfabrikant aus dem rheinbayerischen Speyer, bestätigte Schattenmann im Januar 1862 27 Brunn, Le tabac, S. 111 – 112 und 142 – 143. Die Neuregelung von 1853 zog der Schätzung von Brunn zufolge einen Einbruch von 58 % bei den Rohtabakexporten vom Elsass nach Baden nach sich. Solche Schätzungen sind jedoch angesichts der wenig genauen Statistiken der Zeit kaum aussagekräfig. 28 Hans Uhlmann, Die Entwicklung von Unternehmung und Betrieb in der deutschen Zigarren-­Industrie unter besonderer Berücksichtigung der Tabakbesteuerung, Halle an der Saale 1934, S. 29; Horst Ohmsen, Die Entwicklung der deutschen Zigarrenindustrie unter besonderer Berücksichtigung der ‚Verordnung über einmalige zusätzliche Steuererleichterungen zur Bereinigung der Tabakindustrie‘ vom 4. Juni 1956, Hamburg 1961, S. 12. 29 Negative Kommentare finden sich hingegen nicht für das Elsass, da dortige Tabake, aus badischer Sicht, die gesuchten Eigenschaften erfüllten. Mit regelrechter Euphorie berichtete Mayer dem Karlsruher Innenministerium, dass der elsässische „Tabakspflanzer“ seine Rohtabake ordentlich in „drey Classen“ abliefern würde: Brief Helge Mayer an das badische Innenministerium, Mannheim, 26. Juni 1848, GLA, 236/5855, unpaginiert. Zur Zentralität Mannheims für den badischen Tabakhandel grundsätzlich: Frank Swiaczny, Die Juden in der Pfalz und in Nordbaden im 19. Jahrhundert und ihre wirtschaftlichen Aktivitäten in der Tabakbranche. Zur historischen Sozialgeographie einer Minderheit, Mannheim 1996.

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brieflich, dass seine 1861 eingereichte „Probe“, trotz der etwas „kräftige[n] Qualität“, ein „vorzügliches Produkt für die Cigarren-­Fabrication“ liefere und „wir in der Pfalz wenig Tabak haben, der im Geschmack so Feiner wie der Ihrige ist“.30 Sieht man von einigen Ausnahmen einmal ab 31, dann gehörte es zum Konsens oberrheinischer Experten, dass der elsässische Tabak besser zur Produktion von Zigarren geeignet war als der in Baden. Obwohl badische und elsässische Agronomen in beiden angrenzenden Rheinregionen wichtige Räume für ein qualitativ hochwertiges Zigarrendeckblatt ausmachten, schienen die in Baden angebauten Tabake im Urteil der Zeitgenossen weniger exklusiv als die elsässischen. Die Qualitätskriterien für s­ olche Rohtabake hatten sich angesichts des Aufkommens des Zigarrenkonsums deutlich geändert. Während für die Forscher um 1800 noch Farbe und „Knellergeruch“ zentral waren, wie Kapitel 3 gezeigt hat, so ging es jetzt vor allem um die „Blattsubstanz“, die „zähe und haltbar, dabei aber dünn und seidenartig“ sein sollte.32 Zigarrendeckblätter schienen aus Sicht der Experten ganz andere Eigenschaften als jene Tabake zu benötigen, die in der napoleonischen Zeit zu Pfeifen- und Schnupftabaken verarbeitet worden waren. Trotz der sich wandelnden Qualitätsvorstellungen zeigte sich darin letztlich auch die kontinuierliche Bedeutung der Geruchs- und Geschmackssinne, die schon bei der Bestimmung von Schnupf- und Rauchtabakqualitäten eine Rolle gespielt hatte. Die Idealisierung des elsässischen Zigarrentabaks war auch eine Konsequenz der neuen Infrastrukturen, mit denen sich die Zeitgenossen ein Bild von den Anbaukulturen entlang des Rheins machten. Der regionale Zusammenhang des elsässischen Tabakanbaus erschien dem Reformer und Politiker François Zorn de Bulach 1861 am besten bei einer Eisenbahnfahrt entlang der linken Rheinseite erfahrbar: 30 Brief Korn an Schattenmann, Speyer, 6. Januar 1862, ADBR, 11/M/195, unpaginiert. Der Brief liegt außerdem in einer französischen Übersetzung vor. Zum Tabakhandel ­zwischen dem Elsass und Baden auch: Brief Oberamtmann Hanoltstein an das badische Innenministerium, Kork, [ohne Monat] 1855, GLA, 236/16731, unpaginiert. 31 Der Hockenheimer Philipp Schwab behauptete in seinem Buch Der Tabakbau in der Pfalz und in Holland etwa, dass der ehemals „wenig beachtete Pfälzertabak manchen andern den Vorrang streitig mache“: Schwab, Der Tabakbau in der Pfalz, S. 18. 32 [Anonym], Besprechung über den Tabaksbau. Abgehalten in Heidelberg am 1. März 1846. Unter dem Vorsitz des Frhrn. v. Babo, in: Landwirthschaftliches Wochenblatt für das Großherzogtum Baden 14 (1846), S. 77 – 83, hier S. 77.

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Wir können mit Stolz sagen, dass jeder fremde Reisende, der die Eisenbahnstrecke nach Basel bereist, vor Bewunderung verblüfft ist und, so weit das Auge reicht, auf beiden Seiten der Eisenbahnschienen die großen, mit unserem elsässischen Tabak überdeckten Ebenen sieht.33

Im nördlichen Teil des Elsass, in Bas-­Rhin, waren seit den 1840er-­Jahren zahlreiche private Verbindungen entstanden, die Straßburg auch mit Paris verbanden. Zwar verhinderte die ökonomische und politische Krise der späten 1840er-­ Jahre einen weiteren Ausbau, jedoch entstanden seit 1855 unter Federführung der Straßburger Präfektur neue Linien innerhalb des Departements Bas-­Rhin und des Elsass, die bis in die Schweiz hineinreichten.34 In Baden wurde der Personenverkehr über die Badische Hauptbahn abgewickelt, die nördliche Städte wie Mannheim und Heidelberg mit südlichen wie Freiburg und Konstanz verband. Straßburg konnte über die Strecke Appenweier–Kehl an diese Nord-­Süd Route angebunden werden. Vorstellungen von der Güte des elsässischen Tabaks waren nicht zuletzt ein Effekt des panoramaartigen Blicks, den die modernisierten Infrastrukturen ermöglichten. Der Austausch von Wissen in der oberrheinischen Tabakforschung orientierte sich an der Richtung des Rohtabakhandels von der linken auf die rechte Rheinseite. Für das Jahr 1870 lassen sich in der Bibliothek der Straßburger Landwirtschaftsgesellschaft unter der Rubrik „tabac“ neben drei Werken aus dem Elsass – Napoléon Nicklès’ Lettre sur la culture du tabac, eine französische Ausgabe von Schattenmanns Denkschrift sowie De la culture du tabac von Richard Hürstel – auch Julius Neßlers 1867 publiziertes Buch Der Tabak, seine Bestandtheile und seine Behandlung finden.35 Die wichtige Bedeutung badischer Tabakliteratur in der Sammlung der Straßburger Gesellschaft, für die es auf badischer Seite keine ähnlich konzentrierten Ansammlungen gibt, wird gerade im Vergleich zu den Anteilsverhältnissen von deutschsprachigen 33 [Anonym], Tabacs. Rapport 3e Bureau, in: Conseil général du Bas-­Rhin. Session de 1861. Rapport du Préfet et Procès-­Verbal des séances, Strasbourg 1861, S. 38 – 42, hier S. 38. 34 Joël Forthoffer, Les chemins de fer secondaires d’Alsace, hier et demain, in: Revue d’histoire des chemins de fer 24/25 (2002), S. 190 – 210; für Baden hier nur: Hans-­Jürgen Enzweiler, Staat und Eisenbahn. Bürokratie, Parlament und Arbeiterschaft beim badischen Eisenbahnbau 1833 – 1855, Frankfurt am Main (u. a.) 1995. 35 Société des Sciences, Agriculture et Arts du Département du Bas-­Rhin. Catalogue de la Bibliothèque 1870, ADBR, 63/J/26, unpaginiert.

Regionale und globale Zigarrenwirtschaft

Büchern in der kaum am Tabak interessierten Société industrielle de Mulhouse deutlich: Anstatt eines Verhältnisses von 1 zu 4, waren in der Bibliothek 1840 von 726 Büchern lediglich 10 % in deutscher Sprache verfasst.36 Wenngleich sich auch badische Aneignungen elsässischer Schriften finden, so schrieb sich das unterschiedliche Interesse am Rohtabakhandel stark in die oberrheinische Zirkulation von Tabakwissen ein. Der Transfer von Büchern ins Elsass bedeute jedoch nicht, dass diese dort genauso gelesen wurden wie in Baden. Hürstel wies 1850 auf die in einzelnen Punkten notwendigen Modifikationen hin, die eine Übertragung badischer Tabakliteratur vor dem Hintergrund der in Bas-­Rhin existierenden Verordnungen der Monopolverwaltung nahe legte.37 Auch Oppermann, der keinen Dienst in der Verwaltung des Monopols leistete, schätzte die Eigenschaft des Monopols für den Ausschluss bestimmter Anbaupraktiken wie den Geizenbau – also die Verwendung der nach der ersten Ernte nachgewachsenen Blätter.38 Die Verordnungsbücher der Tabakverwaltung des Departements fungierten seit dem Erscheinen von Lezay-­Marnesias Instruction für die Tabakspflanzer, zum Gebrauche des Niederrheinischen Departements (1811) in der napoleonischen Zeit als eine Art Horizont, vor dem elsässische Reformer ihre Arbeiten und aus Baden transferiertes Wissen begutachteten. Dennoch kam der badischen Tabakliteratur in den elsässischen Kreisen eine derartige Bedeutung zu, dass bestimmte Bücher aus dem Großherzogtum als Inspirationsquellen und Vergleichsfolien standardmäßig empfohlen wurden. 36 Vogler, Histoire culturelle, S. 225. Es wird in Voglers Buch nicht ganz klar gezeigt, ob diese Bücher in den deutschen Staaten oder im Elsass verfasst wurden. Gleichzeitig spiegelt die Differenz wiederum die kulturellen Unterschiede und den im nördlichen Elsass noch stärker ausgeprägten Bezug zu den deutschen Staaten wider. 37 Mit Verweis auf Erhardt, Der Tabak: „Diese Schrift, w ­ elche ausschließlich für Pfälzer Ackersleute bestimmt ist, enthält manche Bemerkungen, die nicht gerade im Niederrhein anwendbar sind, wiewohl der Boden und die geographische Lage beider Gegenden viele Aehnlichkeiten mit einander haben.“ Hürstel, De la culture du tabac, S. 21. Zu Erhardts Vorschlag beispielsweise, der Landwirt solle die Pflanzungen „etwa auf 14 Tage vor bis spätestens 14 Tage nach Johannis festsetzen“, bemerkte Hürstel, dass es „im Niederrhein verboten [sei,] nach dem 25sten Juni (Johanniszeit) zu pflanzen“ und bezog sich dabei auf „Art. 19. des Reglementar-­Beschlusses über den Tabaksbau“, der in Bas-­Rhin erschienen war: Ebd., S. 39. 38 Eugène Oppermann, Rapport sur la culture du tabac dans le département du Bas-­Rhin, in: Annales de Chimie et de Physique 9 (1866), S. 80 – 108, hier S. 104 – 105.

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Die 1852 publizierte Schrift Der Tabak und sein Anbau der beiden badischen Reformer August von Babo und Friedrich Hoffacker stellte bis in die 1860er-­ Jahre eine der wichtigsten Quellen elsässischer Tabakexperten dar. Unmittelbar nach dem Erscheinen von Schattenmanns Denkschrift 1862 hatten Mitglieder der Straßburger Société des Sciences, Agriculture et Arts du Bas-­Rhin deren besondere Ähnlichkeit mit dem Werk von Babos und Hoffackers hervorgehoben.39 Der Benfelder Reformer Napoléon Nicklès 40 hatte schon 1857 nicht nur eine überschwängliche Rezension der badischen Schrift in der Revue d’Alsace veröffentlicht, sondern im Briefverkehr mit seinem Bruder auch den Eindruck betont, den das Buch auf ihn machte.41 Die asymmetrischen Bezüge in der oberrheinischen Tabakforschung zeigen sich auch in dem unterschiedlich gelagerten Interesse für die Fabrikation. Neßler hatte die Straßburger Manufaktur im Oktober 1866 um Besuchserlaubnis gebeten, um dort technisch-­chemische Innovationen begutachten zu dürfen. Der Chemiker plante, diese in sein Buchprojekt aufzunehmen, das sich zu dieser Zeit in der letzten Planungsphase befand.42 Nur in Baden entwickelte die ansonsten vor allem auf die Anbauprozesse des Tabaks fokussierte Forschung ein derartiges Interesse an der Modifizierung der industriellen Zigarrenfabrikation, deren Zentren in Mannheim und Lahr unterstützt werden sollten. 39 Extrait du registre des déliberations du bureau du comice agricole de Saverne an Préfet du Département du Bas-­Rhin, Saverne, 14. August 1862, ADBR, 11/M/195, unpaginiert. Es handelt sich dabei um ein Dokument, das im Zusammenhang einer größeren Umfrage zu Schattenmanns Buch innerhalb des Departements entstanden ist. Ich komme auf diese Umfrage in Kapitel 6 zurück. Auch Schattenmann selbst gab gegenüber der Präfektur von Bas-­Rhin zu, seine Arbeit dezidiert im Anschluss an die Lektüre von Der Tabak und sein Anbau konzipiert zu haben: Brunn, Le tabac, S. 159. 40 Christian Wulf, [Artikel] Nicklès, Napoléon, in: Jean-­Pierre Kintz (Hg.), Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne, Na bis Or, 28 (1996), S. 2834 – 2835. 41 Martin de Vivar, En lisant les lettres de Napoléon Nicklès, in: Annuaire de la Société d’Histoire des Quatre Cantons 18 (2000), S. 54 – 75, hier S. 61. 42 Brief Neßler an das badische Handelsministerium, Karlsruhe, 1. Oktober 1866, GLA , 236/16716, unpaginiert; dazu auch: Brief Badisches Handelsministerium an Neßler, Karlsruhe, 4. Oktober 1866, GLA, 236/16716, unpaginiert. Ein Bericht über die Forschung in der Straßburger Manufaktur vom November 1867 zeigt jedoch, dass dortige Praktiken zur Nikotindosierung nicht nur – wie in Neßlers Forschung – von einer Regelung durch Fermentationsprozesse ausgingen, sondern auch andere Manipulationsmethoden anführten: Brief Thevenin an Unbekannt, Straßburg, 9. November 1867, Archives de la Ville et de l’Eurométropole de Strasbourg, 153/MW/539, unpaginiert.

Regionale und globale Zigarrenwirtschaft

Die Hinzuziehung badischer Tabakforscher in elsässischen Gerichtsprozessen verdeutlicht schließlich, dass die Zirkulation von Wissen am Oberrhein auch juristisch relevant wurde. Der Colmarer Cour impériale beispielsweise 43 hatte für die Lösung eines Konflikts ­zwischen dem Mannheimer Fabrikanten Wilhelm Sachs und dem Straßburger Händler Charles Schneegans, der in einer publizierten Broschüre überliefert ist, im Juli 1859 die beiden badischen Tabakexperten C. M. Anderst und Georg Friedrich Walz, außerordentlicher Professor der Pharmakologie an der Universität Heidelberg und Leiter eines pharmazeutischen Privatinstituts, als Gutachter hinzugezogen, um Schneegans Rohtabake auf Manipulationen zu untersuchen.44 Die Umdeligierung solcher Aufgaben an badische Agronomen – elsässische spielten für den Colmarer Gerichtsfall anscheinend keine Rolle – schien einen möglichst reibungslosen Handel in der Grenzregion zu gewährleisten. Was darin deutlich wurde, war ein am Oberrhein ausgeprägter Wunsch nach badischer Tabakanbauexpertise, mit der nicht nur das Wachstum der Pflanze auf den Feldern verbessert, sondern auch die regional gehandelten Rohtabake kontrolliert werden sollten. Sowohl die Intensivierung als auch die Gewichtung des sich in der Grenzregion mit dem Handel überlagernden Forschungs- und Wissenstransfers wird jedoch nur verständlich, wenn man auch die Bilder eines globalen Exports der aus oberrheinischen Tabaken hergestellten Zigarren hinzuzieht, die im Rheinland zur Mitte des 19. Jahrhunderts konstruiert wurden. Tabakfabrikant Mayer aus Mannheim hatte das badische Innenministerium im Juni 1848 darauf aufmerksam gemacht, dass neben den USA gerade „England, Spanien und andere überseeische Provinzen […] durch die Versendung von Kaufleuten […] Verehrer des Mannheimer Tabak geworden [sind].“ Nicht weniger als der „Absatz nach anderen Richtungen des fernen Auslandes“, wobei er auch auf Frankreich und die Habsburger Monarchie anspielte, schien das Schicksal badischer Zigarrenproduzenten zu bestimmen.45 Der Reformer Eichelzer nahm in seinem Bericht 43 Zum Colmarer Cour impériale: M. Richard, La cour d’appel de Colmar sous le Second Empire, in: Revue d’Alsace 108 (1982) S. 133 – 155. 44 [Anonym], Pièces produits devant la cour impériale de Colmar par M. Guillaume Sachs, négociant à Mannheim, contre M. Charles Schnéegans, négociant à Strasbourg, sur l’appel interjeté par les deux parties d’un jugement rendu par le tribunal de commerce de Strasbourg, le 27 juillet 1859, Straßburg 1860. 45 Brief Mayer an das badische Innenministerium, Mannheim, 26. Juni 1848, GLA, 236/5855, unpaginiert.

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von 1851 hingegen an, „daß die Pfälzer Cigarren in allen jenen Ländern Absatz finden [würden], in denen das Tabakmonopol nicht besteht“. „Millionen“ von Zigarren, so der badische Experte, würden in ­diesem Sinne nach „Rußland, ja sogar in die Türkei und Kleinasien“ gehen.46 Der Hockenheimer Bürgermeister, Tabakhändler und Reformer Philipp Schwab sprach von einem „unbeschreib­ lichen Emporkommen des Cigarrenwesens in aller Welt“.47 Darin zeigte sich der erst im Laufe des 19. Jahrhunderts verstärkt globale Erwartungs- und Erfahrungshorizont, vor dem die Verbesserungsprojekte am Oberrhein konzipiert und kommuniziert wurden. Solche Visionen waren Reaktionen auf die vor allem von Großbritannien verfolgte Freihandelspolitik. Erst die formelle und informelle Expansion des britischen Imperiums und der meist unter politischem Druck erfolgten ‚Öffnung‘ von Märkten, wie etwa im Osmanischen Reich der späten 1830er-­Jahre 48, brachte jene Erwartungen einer globalen Reichweite badischer Zigarrenexporte hervor, vor deren Hintergrund Tabakforscher ihr Engagement zur Verbesserung des Tabaks intensivierten. Badische Tabakfabrikanten schienen an den erfolgreichen Absatz anderer deutscher Unternehmer in den von Großbritannien beeinflussten Gebieten des indischen Ozeans anknüpfen zu können, die von Handelskonzessionen der 1840er-­Jahre profitierten.49 Auch Händler und Geschäftsleute aus Staaten ohne formelle Kolonien versuchten, die erhofften Vorteile imperialer Märkte ausnutzen.50 Der zur Mitte des 19. Jahrhunderts aufkommende Weltmarkt brachte Erwartungen eines transatlantischen Exports hervor, der den Austausch von Wissen am Oberrhein intensivierte.

46 Eichelzer, Cigarrenprobe in Heidelberg. Geschehen in Heidelberg 1851, den 26. Mai 1851, in: Landwirthschaftliche Berichte 5 (1851), S. 81 – 87, hier S. 85. 47 Schwab, Der Tabakbau in der Pfalz, S. 42. 48 Für eine knappe, aber konzise Darstellung der Freihandelspolitik und -doktrin sowie der meist aufgezwungenen ‚Öffnung‘ von Märkten: Resat Kasaba, Treaties and Friendships. British Imperialism, the Ottoman Empire, and China in the Nineteenth Century, in: Journal of World History 4 (1993), S. 215 – 241; dazu weiterhin auch die klassische Studie von: John Gallagher/Ronald Robinson, The Imperialism of Free Trade, in: The Economic History Review 6 (1953), S. 1 – 15. 49 Hermann Kellenbenz, German Trade Relations with the Indian Ocean from the End of the Eighteenth Century to 1870, in: Journal of Southeast Asian Studies 13 (1982), S. 133 – 152. 50 Andreas Zangger, Koloniale Schweiz. Ein Stück Globalgeschichte ­zwischen Europa und Südostasien (1860 – 1930), Bielefeld 2011.

Regionale und globale Zigarrenwirtschaft

Die Genese globaler Absatzmärkte für badische Zigarren verband sich in den Visionen oberrheinischer Tabakforscher teilweise auch mit Hoffnungen auf die Kaufkraft deutscher Emigranten, die ihr Glück auf der anderen Seite des Atlantiks gesucht hatten. In den USA stationierte badische Händler, wie etwa der Sohn des Händlers Barth-­Henrichs, wurden dazu angehalten, Konsumverhalten sowie Verpackungs- und Designmuster von Tabakprodukten in den US -amerikanischen Vertriebsstellen zu beobachten und Informationen darüber nach Baden zurückzusenden.51 Fabrikanten und Händler hofften in dieser Zeit auf Absatzchancen bei Deutsch-­Amerikanern, die in Städten wie Ohio über ein Drittel der zwei Millionen Einwohner stellten und denen man „eine gewisse Vorliebe für alles, was deutsch ist“ nachsagte.52 Preußische Fabrikanten und Händler hatten in Ohio ein Tabak-­Entrepot eingerichtet, durch das die Zigarren der Monarchie den US-amerikanischen Markt erobern sollten.53 In Baden mögen s­ olche Praktiken zur Sicherung von Absatzmärkten noch wichtiger gewesen sein, da es die süddeutschen Auswanderer zur Mitte des Jahrhunderts vor allem in die USA zog.54 Derartige Auswanderungsbewegungen waren keineswegs erst mit den kriegerischen Konflikten in der napoleonischen Epoche aufgekommen.55 Der deutschsprachige Südwesten stellte schon um 1800 eine der in Kontinentaleuropa am stärksten von Emigration gezeichneten Regionen dar.56 Die mit dem Ausbruch des Bürgerkrieges in den USA 1862 einsetzende Abkehr vom Freihandel setzte oberrheinische Händler und Fabrikanten schließlich unter

51 Brief Jos Barth-­Henrich an badische Centralstelle des landwirthschaftlichen Vereins, Mannheim, 28. Oktober 1852, GLA, 236/16735, unpaginiert. 52 Zitiert nach: Enno Eimers, Preußen und die USA 1850 bis 1867. Transatlantische Wechselwirkungen, Berlin 2004, S. 269. Es liegt keine mir bekannte Untersuchung über den globalen Zigarrenexport Badens vor. 53 Ebd. 54 Martin Ott, Crossing the Atlantic. Bavarian Diplomacy and the Formation of Consular Services Overseas, 1820 – 1871, in: Markus Mösslang/Torsten Riotte (Hg.), The Diplomat’s World. A Cultural History of Diplomacy, 1815 – 1914, Oxford 2008, S. 381 – 405, hier S. 387 – 393. 55 Jochen Oltmer, Migration vom 19. bis zum 21. Jahrhundert, 3., aktualisierte und erweiterte Auflage, München 2016, S. 13; Mark Häberlein, Vom Oberrhein zum Susquehanna. Studien zur badischen Auswanderung nach Pennsylvania im 18. Jahrhundert, Stuttgart 1993. 56 Oltmer, Migration, S. 13 – 14: Schätzungen zufolge stellten Südwestdeutsche 80 % der kontinentalen und überseeischen Abwanderer des deutschsprachigen Raumes vor 1815.

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Druck 57, weil die neuen protektionistischen Maßnahmen in den USA die arbeitsteilige grenzregionale Zigarrenwirtschaft gefährdeten. Die im Schatten des neuen Wirtschaftssektors intensivierte landwirtschaftliche Erforschung des Tabaks schien aus Sicht der Zeitgenossen mehr und mehr abhängig von globalen Märkten, deren Anfälligkeit für nationale Protektionismen auch die Notwendigkeit und Existenzberechtigung der Agrarexperten in Frage stellen konnte.

4.2. Wissenschaftsrhetorik Die zunehmend durch den globalen, speziell den atlantischen Export von badischen Zigarren angetriebene oberrheinische Tabakforschung entwickelte zur Mitte des 19. Jahrhunderts gleichzeitig ein neues Selbstbild ihrer ‚Wissenschaftlichkeit‘. Experten im Rheinland hatten sich um 1800 noch ambivalent zu den in der Landwirtschaftsreform aufkommenden Naturwissenschaften geäußert. Die stärkere Agrikulturchemisierung zur Mitte des 19. Jahrhunderts jedoch erzeugte mit ihrem Zwang zum Ausweis an Wissenschaftlichkeit eine rhetorische und symbolische Dynamik, aus der neue Prozesse regionaler In- und Exklusion hervorgingen. Die ständige Wiederholung wissenschaftlicher Titel, Professionen und Ämter war Ausdruck davon. Das badische Handelsministerium hatte Julius Neßler der Verwaltung der Straßburger Tabakmanufaktur im Oktober 1866 als „Doktor der Philosophie, Professor der Naturwissenschaften“ und „Direktor eines chemischen Laboratoriums in Karlsruhe“ vorgestellt, um die Wissenschaftlichkeit seines Aufenthaltes zu unterstreichen und die Chance auf Bewilligung des Antrages zu erhöhen. Als „Gelehrter“ habe er „diese Wissenschaft“ – die des Tabaks – mit vielen Publikationen bereichert und sich seit langer Zeit der Erforschung des Tabakanbaus und dessen Verarbeitung gewidmet.58

57 Nach Franz Kistler ließen „schon Gerüchte über einen Friedensschluss“ ­zwischen den Nord- und den Südstaaten „im Mannheimer Handel eine Flaute eintreten“: Franz K ­ istler, Die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in Baden, Freiburg im Breisgau 1954, S. 53; zur Auswirkung des US-amerikanischen Bürgerkrieges in Baden auch: Uhlmann, Die Entwicklung von Unternehmung, S. 37. 58 Brief Badisches Handelsministerium an Neßler, Karlsruhe, 4.  Oktober 1866, GLA , 236/16716, unpaginiert.

Wissenschaftsrhetorik

Rhetoriken der Wissenschaftlichkeit gingen jedoch auch von ‚einfachen‘ Reformern aus, die nicht zur engeren Riege der Agrikulturchemiker gehörten, sondern Landwirtschaftsreform als ein Zusammenspiel unterschiedlicher Facetten des Anbaus begriffen. Der Benfelder Napoléon Nicklès etwa betonte in einem Brief von 1857, dass er nicht mit irgendjemandem, sondern mit August von Babo, dem „Direktor der Landwirtschaftsschule in Karlsruhe“, also dem Vorstand einer wissenschaftlichen Einrichtung, in Kontakt stehe.59 Chemiker waren nichtsdestotrotz die wichtigsten Triebkräfte zur breiteren Durchsetzung von Wissenschaftsrhetorik in der oberrheinischen Landwirtschaftsreform. Im Elsass entstand unter dem Einfluss Jean-Baptiste ­Boussingaults eine Art Schüler-­Netzwerk. Dazu gehörten Mitglieder der Straßburger Société des Sciences wie Eugène Oppermann, der seit 1845 in Pechelbronn eine Stelle als Assistent Boussingaults innehatte und mit demselben seit Mitte der 1850er-­ Jahre in den Merkwiller Versuchsgütern Experimente mit dem Tabakanbau unternahm.60 Auch Abt Nicolas Müller war Teil dieser auf Boussingault ausgerichteten Verbindungen.61 In Baden wie im Elsass gab es enge Kooperationen ­zwischen Agrikulturchemikern und den Landwirtschaftsvereinen bzw. -gesellschaften. Assistent Oppermann stellte der Landwirtschaftsgesellschaft die Forschungsergebnisse Boussingaults erstmals 1848 vor.62 Personelle Verbindungen ­zwischen Boussingault und den Mitgliedern der Straßburger Gesellschaft wirkten als Katalysatoren für das neue Interesse an der Reform des Tabakanbaus, das sich in den Reihen der Straßburger Landwirtschaftsgesellschaft für die frühen 1860er-­Jahre beobachten lässt.63 Rhetoriken der Wissenschaftlichkeit waren eng mit der Einrichtung spezialisierter agrikulturchemischer Forschungsstationen auf beiden Seiten des Rheines verbunden. Im Elsass waren in Merkwiller und Pechelbronn in den 1830er-­Jahren unter Leitung von Boussingault Stationen entstanden.64 Tatsächlich 59 Zitiert nach: de Vivar, En lisant les lettres de Napoleon Nicklès, S. 61. 60 Streicher, Boussingault, über die Tabakexperimente in Merkwiller: S. 115 – 116, über ­Oppermann: S. 177 – 189. 61 Ebd., S. 177 – 188 und 231 – 242. 62 Goldschmidt, Historique de la Société des Sciences, S. 308. 63 Brunn, Le tabac, S. 111 – 112 und S. 159. 64 Das von Eugène-­Théodore Jacquemin 1869 im Elsass gegründete agrikulturchemische Labor konzentrierte sich hingegen auf Pflanzen wie den Wein: Goldschmidt, Historique de la Société des Sciences, Agriculture et Arts du Bas-­Rhin dépuis sa création jusqu’en

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existierte im Großherzogtum Baden jedoch erst seit 1859 ein agrikulturchemisches Forschungslabor 65, das Neßler auf Empfehlung Robert Wilhelm Bunsens besetzte.66 In beiden Rheinregionen waren damit Voraussetzungen für eine agrikulturchemische Wende der Tabakforschung geschaffen worden, wie sie sich in der Landwirtschaftswissenschaft um die Mitte des 19. Jahrhunderts allgemeiner abzeichnete.67 Zwar hatten Chemiker sich, wie bereits in Kapitel 3 gezeigt wurde, schon im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert einer Verbesserung der Landwirtschaft angenommen und Theorien in Paris sowie Berlin auch auf die Reform des Tabakanbaus angewandt. Jedoch waren ­solche Versuche im Rheinland überaus spärlich geblieben, bis sich seit den 1850er- und 1860er-­Jahren eine Gruppe von Agrikulturchemikern herauskristallisierte, die sich von zeitgenössischen Reformern durch die starke Übernahme naturwissenschaftlicher Theorien und Methoden unterschied.68 Professionalisierungspraktiken der Agrikulturchemie, die um 1800 vor allem von Seiten Pariser und Berliner Tabakforscher wahrzunehmen waren, zeigten sich zur Mitte des 19. Jahrhunderts auch im südlichen Rheinraum in ihrer vollen Blüte. Wissenschaftlichkeit wurde am Oberrhein durch Verweise auf überregional bekannte Wissenschaftler konstruiert. Neßler wies vor allem auf Justus Liebig hin.69 Auch Joseph Frédéric Flaxland aus Colmar nannte den Gießener Landwirtschaftschemiker als einen der „gelehrten Agronomen“, dessen Theorien „für die landwirtschaftliche Produktion äußerst förderlich“ wären.70 Liebig war

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1870, in: Monatsbericht der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, des Ackerbaues und der Künste im Unter-­Elsass 33 (1899), S. 283 – 318, hier S. 310. H. Riem, Entwicklung und Wirken der bad[ischen] staatl[ichen] landwirtschaftlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Augustenberg, Grötzingen [ohne Jahr], S. 9 – 10. Friedel Timmermann/Sigrid Holtmannspötter, [Artikel] Neßler, Julius, in: Neue Deutsche Biographie 19 (1998), S. 75 – 76; dazu auch Riem, Entwicklung und Wirken, S. 9 – 10. Nathalie Jas, Au carrefour de la chimie et de l’agriculture. Les sciences agronomiques en France et en Allemagne, 1850 – 1914, Paris 2001; Schling-­Brodersen, Entwicklung und Institutionalisierung der Agrikulturchemie. Jas, Au carrefour de la chimie, S. 50. Brief Neßler an das badische Handelsministerium, Karlsruhe, 1. Oktober 1866, GLA , 236/16716, unpaginiert. J[oseph] F[rédéric] Flaxland, La régie et les planteurs de tabac en Alsace. À Monsieur P. Joigneaux, in: Revue d’Alsace 4 (1863), S. 67 – 77, hier S. 77; dazu auch: J[oseph] ­F[rédéric] Flaxland, Quelques considérations relatives à l’enquête agricole dans les départements frontières du Nord-­Est, Paris (u. a.) 1866, S. 40; zu Flaxland: François Joseph Fuchs,

Wissenschaftsrhetorik

eine Koryphäe, die europaweites Ansehen genoss und, auch über das Elsass und Baden hinaus, in zahlreichen Schriften zitiert wurde.71 Als geschickter „Vermittler der Chemie“ und „Organisator wissenschaftlicher Untersuchungen mit Gespür für wissenschaftliche Verwertbarkeit“ hatte Liebig zwar selbst wenig originelle Beiträge geleistet, stellte jedoch eine populäre Referenz dar, die Agronomen am Oberrhein als Ausweis der Wissenschaftlichkeit ihrer Forschung herbeizitierten.72 Zwar haben Ana Carneiro und Natalie Pigeard gezeigt, dass elsässische Gelehrte und Chemiker in den 1850er- und 1860er-­Jahren ausgeprägte Kontakte in die deutschen Staaten hatten.73 Kommentare zu Liebig verwiesen in ­diesem Zusammenhang jedoch eher auf die Rezeption Liebig’scher Schriften; weniger hingegen auf Kontakte und institutionalisierte Kommunikation mit dem Gießener Chemiker.74 Der Bedeutungszuwachs der Agrikulturchemie führte dazu, dass sich am Oberrhein Züge einer exklusiven regionalen Kommunikation ­zwischen agrikulturchemischen Tabakforschern ausbildeten. Neßler betonte in seinem 1867 erschienenen Buch Der Tabak, seine Bestandtheile und seine Behandlung, dass er bei seinen Besuchen in der nordelsässischen Chemiefabrik Charles-­Henri ­Schattenmanns wichtige Anregungen zur Erforschung der Tabakpflanze gesammelt hatte. Neßler hatte nach Abschluss seiner Lehre im badischen Kippenheim schon in den 1850er-­Jahren als Apothekergehilfe in Schattenmanns Fabrik Beziehungen zu dem Experten aufgebaut 75, an die er für seine späteren Arbeiten zum Tabak anknüpfen konnte. Die hauptsächlich für die Produktion von Farben

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[Artikel] Flaxland, Frédéric Joseph, in: Jean-­Pierre Kintz (Hg.), Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne, Fe à Fr, 11 (1988), S. 966 – 967. Peter Borscheid, Naturwissenschaft, Staat und Industrie in Baden (1848 – 1914), Stuttgart 1976, S. 30; ähnlich auch: Vogel, Ein schillerndes Kristall, S. 333 ff.; auch Gelehrte in der spanischen Karibik referierten, wie Stuart McCook gezeigt hat, seit den 1850er-­Jahren auf den Gießener Chemiker: Stuart McCook, States of Nature. Science, Agriculture, and Environment in the Spanish Caribbean, 1760 – 1940, Austin 2002, S. 24; zu Liebigs Rolle als Referenzobjekt in Europa: Carsten Lind, Justus Liebig in Gießen, Deutschland und Europa, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 54 (2004/2005), S. 177 – 195. Borscheid, Naturwissenschaft, Staat und Industrie, S. 43. Ana Carneiro/Natalie Pigeard, Chimistes alsaciens à Paris au 19ème siècle: un réseau, une école?, in: Annals of Science 54 (1997), S. 533 – 546, hier S. 537 – 538. Neßler, der tatsächlich mit Liebig in Kontakt stand, sticht hier allerdings heraus: Brief ­Neßler an das badische Handelsministerium, [ohne Ort] 1867, GLA, 236/16716, unpaginiert. Timmermann/Holtmannspötter, Neßler.

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genutzte Chemiefabrik in Bouxwiller lässt sich als eine Art grenzüberschreitender Labor- und Lehrraum verstehen, in dem Überlegungen zum Tabakanbau im Schatten der industriellen Produktion diskutiert wurden.76 Die Agrikulturchemiker distanzierten sich von ‚einfachen Reformern‘; allen voran, wenn jene chemischen Methoden kein Gewicht einräumten. Neßler bezeichnete jene als „Praktiker“ – laut Nathalie Jas ein rhetorisches Produkt der agrikulturchemischen Wende in der Agrarreform seit den 1840er-­Jahren, mit der scheinbare Nicht-­Wissenschaftler gebrandmarkt wurden.77 Zwar konnte Neßler dem Praktiker vor allem beim Auffinden anwendungsbezogener Lösungen – etwa bei der landwirtschaftlichen und technologischen Modifikation der Farbe von Tabakblättern – nützliche Leistungen bescheinigen. Jedoch würde dieser letzlich die tieferen, theoretischen Einsichten in die chemischen Prozesse in der Tabakpflanze zu stark vernachlässigen.78 Tabakforscher grenzten sich jedoch nicht nur ab, sondern bezogen „Praktiker“ auch gezielt in ihre Forschungen ein. Im September 1866 hatte Neßler vor Mannheimer Tabakfabrikanten und -händlern einen Vortrag über ein Kapitel seines Buches zur Fermentation des Tabaks gehalten, für den ihm die Kaufleute bei der anschließenden Besprechung wichtige Hinweise mit auf den Weg gegeben hatten. Im Briefverkehr mit dem badischen Handelsministerium gab der Karlsruher Chemiker an, „manches gelernt“ zu haben. Neßler betonte, vor Abschluss der Monographie noch dringend „einige Untersuchungen über die chemische und physikalische Veränderung“ durchführen zu müssen.79 Experimente gingen also nicht lediglich aus dem innerwissenschaftlichen Diskurs der Tabakforscher und Agrikulturchemiker hervor, sondern beruhten oftmals auf Anregungen von Fabrikanten und Händlern. Damit eng verbunden waren 76 Julius Neßler, Der Tabak, seine Bestandtheile und seine Behandlung. Einwirkung der Art des Düngens, Trocknens, Fermentirens und Aufbewahrens auf die Güte des Tabaks ferner Angabe von Mitteln, die Verbrennlichkeit des Tabaks zu erhöhen. Untersuchungen und Versuche der landwirtschaftl. Versuchsstation Karlsruhe, Mannheim 1867, S. 32; über den oberrheinischen Austausch von Chemikern im 19. Jahrhundert, jedoch ohne Interesse am Tabakanbau: Georg F. Tschan, Die Universitäten am Oberrhein im 19. Jahrhundert. Ursprung moderner Wissenschaft am Beispiel der Chemie in Freiburg und Straßburg in: Maurer/Strack-­Adler (Hg.), L’espace rhénan, S. 315 – 336. 77 Jas, Déqualifier le paysan. 78 Neßler, Der Tabak, seine Bestandtheile und seine Behandlung, S. 123 – 124. 79 Brief Neßler an das badische Handelsministerium, Karlsruhe, 1. Oktober 1866, GLA , 236/16716, unpaginiert.

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institutionelle Veränderungen in den angrenzenden Rheinregionen, in Zuge deren neue Austauschorte für die unterschiedlichen Akteure geschaffen wurden. Der Straßburger Landwirtschaftsgesellschaft waren seit den 1830er-­Jahren lokale Zweigvereine, die sogenannten comices agricoles, zugeordnet 80, die Debatten in der Straßburger Zentrale aufgriffen und weiterbrachten. Seit den 1840er-­Jahren erfüllten Diskussionsrunden in Heidelberg, Ladenburg und Mannheim einen ähnlichen Zweck für den badischen Landwirtschaftsverein.81 Die dennoch ambivalente Haltung oberrheinischer Tabakforscher gegenüber „Praktikern“ machte sich auch in der Emphase für wissenschaftliche Versuchsanordnungen bemerkbar, die eine methodisch valide Integration des ‚praktischen Wissens‘ tabakanbauender Landwirte ermöglichen sollte. Neßler hatte im Wochenblatt des badischen Landwirtschaftsvereins über Experimente mit Tabakanbau unter Einbezug von Landwirten in verschiedenen Teilen Badens berichtet 82, die durch eine sechsschrittige, bei den Experimenten zu beachtende „Gebrauchsanweisung“ reguliert werden sollten. Eine laborhafte Experimentalordnung sollte ferner durch „Ansteckschilde[r]“ zur Kennzeichnung der gedüngten Felder, durch Tabellen zur genauen Notierung der Ergebnisse sowie durch das Aufschreiben von Regenmengen in einem Kalender garantiert werden.83 Die von den Experten angenommene Unberechenbarkeit der Landwirte schien durch eine strikte experimentelle Ordnung reduziert werden zu können. ‚Rohes‘ Erfahrungswissen sollte in methodisch standardisierte Versuche ­integriert werden. Derartiges Interesse am Wissen von Landwirten war keineswegs neu, sondern zeigte die Kontinuitäten zu den Landwirtschaftsreformern der Zeit um 1800 (Kapitel 3). Im Kontrast zu den Integrationsversuchen im frühen 19. Jahrhundert erschien der spätere Bezug jedoch nur noch im Modus der Verwissenschaftlichung möglich. 80 Goldschmidt, Historique de la Société des Sciences, S. 301. 81 Niels Grüne, „Wir bedürfen weder überseeischen Taback noch indischen Zucker …“ Vertriebsaktivitäten und handelspolitisches Engagement badisch-­pfälzischer Gewerbepflanzenbauern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Frank Konersmann/Klaus-­ Joachim Lorenzen Schmidt (Hg.), Bauern als Händler. Ökonomische Diversifizierung und soziale Differenzierung bäuerlicher Agrarproduzenten im Zuge der Marktintegration (15. – 19. Jahrhundert), Stuttgart 2011, S. 135 – 162, hier S. 153. 82 Julius Neßler, Anbauversuche mit Tabak, in: Landwirthschaftliches Wochenblatt für das Großherzogtum Baden 5 (1867), S. 154 – 155, hier S. 154. 83 Ebd.

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Auch die Reisen der Tabakforscher innerhalb der oberrheinischen Grenz­region standen ganz in ­diesem Paradigma. Boussingault beispielsweise berichtete 1869 über die Erfahrungen nach Baden reisender elsässischer Kollegen, die ihm versichert hatten, dass in der Pfalz eine beträchtliche Menge an sogenanntem Geizenbau üblich sei, den Boussingault, im Gegensatz zu seinem Assistent O ­ ppermann, als eine mögliche Alternative für die elsässischen Anbaukulturen empfahl.84 Im November 1861 hatte auch Schattenmann Landwirte der Pfalz besucht und Beobachtungen zur Tabaktrocknung aufgezeichnet.85 Praktisches Wissen wurde mit dem ‚wissenschaftlichen Blick‘ der Experten erfasst, adaptiert und integriert. Begriffe wie ‚Praktiker‘ oder ‚praktisch‘ waren mitunter auch nicht abwertend konnotiert, jedoch nur, wenn sie im Zusammenhang von Wissenschaftlichkeit geäußert wurden. Die vor allem in der badischen wie bayerischen Pfalz gelesenen Blätter für Landwirthschaft und Gewerbewesen hatten 1862 ein längeres Exzerpt aus der Denkschrift Schattenmanns abgedruckt, „welche[s] […] umso mehr der Mittheilung wert erachte[t] [wurde], als Herr Director Schattenmann sich weit über die Gränzen [sic] des Elsasses hinaus den Ruf eines denkenden, durch und durch praktischen Landwirthes erworben hat.“ 86 Solchen unscheinbaren Kommentaren wohnte kraft der Verbindung von „Landwirth“ und „praktisch“ zwar eine scheinbar pejorative Note inne. Jedoch nahm Schattenmann den Zeitschriftenartikel keineswegs zum Anlass, seine Reputation als Wissenschaftler zu verteidigen. Der Bouxwiller Reformer war am Oberrhein als Landwirtschaftsforscher anerkannt – Historiker/innen haben etwa für den Weinbau von einer „Schattenmanisation“ für die Jahrhundertmitte gesprochen 87 –, weshalb ­solche Zusätze eher als Kompliment denn als Anfeindung verstanden wurden. 84 [Anonym], Culture du Tabac, in: Ministère de l’agriculture, du commerce et des travaux publics (Hg.), Enquête agricole. Prémière Série. Documents généraux. Décrets, rapports, etc. Séances de la commission supérieure, Tomé deuxième, Paris 1869, S. 759 – 774, hier S. 770 – 771. 85 Brief Schattenmann an Léger, den Inspecteur de la culture des tabacs von Bas-­Rhin, Bouxwiller, 13. November 1861, ADBS, 11/M/195, unpaginiert. 86 [Anonym], Denkschrift über den Tabaksbau im Departement des Niederrheins von Karl Heinrich Schattenmann, Direktor der Minen von Buchsweiler, Mitglied des General-­ Ackerbaurathes, in: Blätter für Landwirthschaft und Gewerbewesen herausgegeben vom landwirthschaftlichen Kreis-­Comité und dem Verein zur Beförderung der Gewerbe in der Pfalz 7 (1862), S. 257 – 260, hier S. 257. 87 Nicolas Stoskopf, Charles-­Henri Schattenmann. 1785 – 1869, in: Nicolas Stoskopf, Les patrons du Second Empire, Band 4: Alsace, Paris 1994, S. 88 – 92, hier S. 89.

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Darüber hinaus wurde auch die Suchbewegung der Tabakforscher in die Vergangenheit zur Mitte des 19. Jahrhunderts von einer neuen Wissenschaftsrhetorik überwölbt (Kapitel 2). August von Babo und Friedrich Hoffacker etwa rekurierten auf ältere Ratgeberliteratur, die sie adaptierten und einer „wissenschaft­ liche[n] Begründung“ unterziehen wollten.88 Christian Zeller sah in kurpfälzischen Schriften über den Tabakanbau aus den Jahren 1777 und 1780 in ähnlicher Weise eine Orientierung für seine eigene Arbeit.89 Zellers Forschung profitierte dabei von Versuchen der Zeitgenossen, eine empirisch belegte Geschichte des Tabaks in den älteren und neueren Gebieten des badischen Staats zu schreiben. Die Dokumente und Anbauanleitungen aus der ehemaligen Kurpfalz, auf die er sich bezog, wurden zunehmend als Material zur Rekonstruktion von Badens histo­rischem Erbe gesehen: In den Akten der badischen Centralstelle für die Landwirthschaft finden sich Hinweise darauf, dass Reformer Mitte der 1850er-­Jahre in den vom Großherzogtum während der napoleonischen Zeit übernommenen Archivbeständen kurpfälzischer Territorien systematisch nach Schriftstücken zum Tabakanbau suchten.90 Die 1853 anonym veröffentlichten Notizen aus der Geschichte des Tabakbaues in Baden zitierten aus kurpfälzischen Dokumenten und schätzten die 1770er-­Jahre dabei, historisch übrigens nicht unpräzise, als „eine Periode [ein], in welcher man mehr auf besseren Bau und die Veredlung des Productes selbst sah“.91 Solche Arbeiten zeigen, dass sich die von einem verstärkten Bezug auf Quellen geprägte Geschichtsschreibung der Jahrhundertmitte auch als wichtig für die Geschichte des Landes erachteten 88 Babo/Hoffacker, Der Tabak und sein Anbau, S. IV. 89 Christian Zeller, Anleitung zum Tabacks-­Bau mit systematischer Beschreibung der wichtigsten kultivierten Tabacks-­Arten. Verfaßt im Auftrage der Central-­Stelle des Grossher­ zoglichen Badischen Landwirthschaftlichen Vereins, Karlsruhe 1837, S. III. 90 Das betrifft etwa folgendes, in einer nach 1855 angelegten Akte abgeheftetes Dokument: Abschrift einer Instruktion zur Veredlung des Pfälzischen Blätter-­Tabaks. 1777, Mannheim, 10. September 1777, GLA, 236/18734, unpaginiert. Als Autor des Dokuments verantwortlich war Freiherr von Oberndorff, der 1773 zum Geheimen Staats- und Konferenzminister in sämtlichen Staats-, Reichs-, Kreis-, Hoheits-, Justiz-, Religions- und Polizeisachen in der Kurpfalz ernannt worden war: Wilhelm Kreutz, [Artikel] Oberndorff, Franz Albert Fortunat Leopold Freiherr von, in: Neue Deutsche Biographie 19 (1999), S. 397. 91 [Anonym], Einige Notizen aus der Geschichte des Tabakbaues in Baden, in: Landwirthschaftliche Berichte 8 (1853), S. 62 – 72, hier S. 63; über die in Fußnote 90 genannte, von der „kurpfälzischen Regierung ausgegebene Instruktion zur Veredlung des Pfälzer Blättertabaks vom 10ten Sept. 1777“ siehe S. 64.

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ökonomischen ­Themen widmete.92 Im Kontext des aufkeimenden Historismus wurden Dokumente zugänglich gemacht, die die Phantasien von Reformern und Agrikulturchemikern nährten, deren erklärtes Ziel es war, neue und alte ‚Erfahrungen‘ in einen naturwissenschaftlichen Reformdiskurs einzubringen. Die neue Betonung der Wissenschaftlichkeit führte jedoch nicht nur zu hierarchisch strukturierten Versuchen der Inklusion, sondern auch zu stärker konnotierten Exklusionen. Tabakforscher aus der Straßburger Landwirtschaftsgesellschaft bzw. dem badischen Landwirtschaftsverein beobachteten in ­diesem Zusammenhang das Wissen und die Praktiken staatlicher Beamter auf beiden Seiten des Rheins zunehmend skeptischer. Vor allem die Angestellten der Straßburger Regieverwaltung erschienen als Zerrbild wissenschaftlich informierter Tabakforscher: „Man muß diese Angestellten gesehen haben“, zitierte der badische Autor Roth 1871 in einem Text über Das französische Tabaksmonopol im Elsaß einen ehemaligen Beamten aus Bas-­Rhin, wie sie am frühen Morgen, ehe der Thau fiel, durch die Felder rannten, um die S­ töcke und die Blätter […] zu zählen. Jedem Pflanzer ist indeß bekannt, daß vor dem Fallen des Morgenthau’s die Tabakblätter wie Glas zerbrechen, und dann, nach hiesigem Verfahren, nicht mehr zu der Tabaksorte erster Qualität gerechnet werden.93

Der elsässische „Angestellte“ der Monopolverwaltung erschien hier als Exekutor rigider Verordnungs- und Reglementierungstexte einer regionalen Behörde. Solche Stellen zeigen, dass die Jürgen Kocka zufolge sich seit dem späten 18. Jahrhundert weitgehend neutral auf „Ämter und Bedienungen“ beziehende Terminologie des „Angestellten“ von Wissenschaftlern und Gelehrten als tendenziell pejorative Abgrenzungskategorie aufgeladen werden konnte – ein Umstand, auf den Kocka so nicht genauer eingeht.94 Während Schriften aus der elsässischen Verwaltung in den Kreisen der Landwirtschaftsgesellschaften 92 Zur zeitgenössischen Geschichtsschreibung und -theorie hier nur: Stefan Jordan, Geschichtstheorie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Schwellenzeit ­zwischen Pragmatismus und klassischem Historismus, Frankfurt am Main (u. a.) 1999. 93 A. Roth, Das französische Tabaksmonopol im Elsaß, in: Landwirthschaftliches Wochenblatt für das Großherzogtum Baden 9 (1871), S. 13. 94 Jürgen Kocka, Angestellte. Begriffs- und Sozialgeschichte, in: Jürgen Kocka, Arbeiten an der Geschichte. Gesellschaftlicher Wandel im 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen 2012, S. 125 – 139, hier S. 125.

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und der gelehrten Reformer noch zur napoleonischen Zeit mit Interesse rezipiert worden waren (Kapitel 2), nahm diese Wertschätzung im Laufe des 19. Jahrhunderts spürbar ab. Diese Abgrenzungsbewegungen zeigten sich in Baden seit 1852 auch auf institutioneller Ebene. Mitglieder des badischen Landwirtschaftsvereins versuchten, sich dem Einflussbereich der 1838 im Ressortbereich des Innenministeriums gegründeten Centralstelle für Landwirthschaft zu entziehen. Zwar oblag der Centralstelle auch nach 1852 noch die administrative Leitung der Angelegenheiten des Vereins, der badischen Ackerbauschule, des landwirtschaftlichen Gartens in Karlsruhe sowie der Landesgestütanstalten. Die Experten des Landwirtschaftsvereins pochten jedoch auf „größere Selbstständigkeit“ bei der inhaltlichen Planung ihrer Reformvorhaben.95 Reformer am Oberrhein forderten eine institutionelle Ausdifferenzierung der Tabakforschung. Grundlegend dafür war ein oberrheinischer Diskurs, in dem z­ wischen wissen­ schaftlichen Praktiken und denen der Verwaltung unterschieden wurde. Agronomen in Baden verwiesen auf die nun nicht mehr „empirische“, sondern „naturwissenschaftliche“ Herangehensweise der Reformprojekte des Vereins.96 Der Colmarer Flaxland hob in einem 1863 in der Revue d’Alsace publizierten Text hervor, dass es Zeit sei, das „administrative Gebiet“ zugunsten des „wissenschaftlichen“ zu verlassen.97 „Die Landwirtschaft“, so spitzte eine zeitgenössische Stellungnahme zu, habe in den „vergangenen Jahren ­solche Fortschritte, auch auf dem wissenschaftlichen Gebiete gemacht, daß selbst der tätigste Verwaltungsbeamte nicht mehr im Stande sei, das innere, geistige Leben eines landwirtschaftlichen Vereins von einiger Bedeutung zu erhalten und zu fördern“.98 Solche Rhetoriken lokalisierten die eigentliche Produktion von Wissen in ‚wissen­schaftlichen‘ Institutionen. Staatliche Verwaltungen schienen zwar weiterhin wichtige Ansprechpartner für finanzielle Ressourcen zu sein, nicht aber mehr als Kooperationspartner 95 Zitiert nach: Kistler, Die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, S. 23. 96 Ebd. 97 Flaxland, La régie et les planteurs, S. 70. Auch der elässische Reformer Napoléon Nicklès hob hervor, dass die dem Pariser Finanzministerium unterstellten „Verwaltungsangestellten“ im Departement Bas-­Rhin primär durch ihr „finanzielles Interesse“ gekennzeichnet ­seien: Napoléon Nicklès, Lettre sur la culture du tabac et instruction sur cette culture, par feu M. Huerstel, controleur du magasin de Benfeld, Nancy [Die Broschüre ist nicht datiert, müsste aber 1857 oder 1858 erschienen sein], S. 1 – 2. 98 Zitiert nach: Kistler, Die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, S. 24.

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bei der Erforschung des Tabaks.99 Wissensproduktion für den Staat sollte losgelöst von der Verwaltung stattfinden. Eine ganz andere Distinktionsschärfe zeigten oberrheinische Tabakforscher jedoch gegenüber solchen Akteuren, die sich explizit von Wissenschaftlichkeit abgrenzten. Im Juni 1864 war in den regionalen Kreisen die ein Jahr zuvor publi­ zierte Neue Tabaksbau-­Methode eines gewissen Pastor Holzschuher aus dem Herzogtum Gotha begutachtet und diskutiert worden, in der sich der Autor kontrovers gegenüber der Wissenschaft positioniert hatte. Das Buch warb damit, dass die „Pflanzenzucht und Naturforschung“ es bisher weitgehend versäumt hätten, sich der Tabakpflanze und Optimierung ihres Anbaus erfolgreich zu widmen.100 Holzschuher inszenierte sich als Einzelgänger, der durch Aufenthalte in „Bessarabien“ und der „türkischen Moldau“, wo er als Pastor einer „evangelischen Gemeinde“ gewirkt habe, „Erfahrung“ mit dem Tabakanbau hatte sammeln können.101 Das in der Broschüre ausgebreitete Wissen erschien als Produkt einer individuellen Quasi-­Eingebung, die ihn von der Wissenschaft zu unterscheiden vorgab. Der Pastor präsentierte sich wie jene antiakademischen Wissensakteure, die seit den 1840er-­Jahren als Einzelgänger gegen den Dogmatismus der „akademischen Zunft“ argumentierten und polemisierten.102 Evangelische Kleriker wie 99 Damit war weder im Elsass noch im Baden gemeint, dass Reformer und Landwirtschaftschemiker nicht mehr mit staatlichen Behörden kooperieren sollten – ich komme darauf in Kapitel 7 zurück. 100 Holzschuher, Neue Tabaksbau-­Methode oder vollständige Anleitung, den Tabak in Europa auf leichte und natürliche Weise von derselben Güte wie in Amerika zu erziehen, und damit jedes Ackerfeld sowie jedes Gärtchen auf einen ungewöhnlich hohen Ertrag zu bringen, Gotha 1863, S. 9. 101 Ebd., S. 2 – 3. 102 Andreas Daum, Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert. Bürgerliche Kultur, naturwissenschaftliche Bildung und die deutsche Öffentlichkeit, 1848 – 1914, 2. Auflage, München 2002, S. 406; vergleichbare öffentliche Auseinandersetzungen wurden ­später auch über die sogenannte Welteislehre geführt: Christina Wessely, Koalitionen des Nichtwissens? Welteislehre, akademische Naturwissenschaften und der Kampf um die öffentliche Meinung, 1895 – 1945, in: Sybilla Nikolow/Arne Schirrmacher (Hg.), Wissenschaft und Öffentlichkeit als Ressourcen füreinander. Studien zur Wissenschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert, Frankfurt am Main (u. a.) 2007, S. 225 – 243; am Beispiel von populären Wetterprognoseexperten auch meine unveröffentlichte Magisterarbeit: Alexander van Wickeren, Die Vielfalt der Prognosen. Wetterwissen im Rheinland um 1900, Magisterarbeit, Universität zu Köln 2011.

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Holzschuher waren, wie Andreas Daum gezeigt hat, unter diesen auf öffentliche Wahrnehmung fixierten Experten keine Seltenheit. Deren Strategien der Aufmerksamkeitserzeugung liefen auf die Sicherung der materiellen Existenz ­heraus, die durch den Verkauf von Schriften auf einem zunehmend diversifizierten populärwissenschaftlichen Buchmarkt möglich wurde.103 Die Geschichte der Landwirtschaftswissenschaft hat weitgehend ignoriert, dass auch Agrarschriftsteller die Logiken dieser neuen publizistischen Landschaft übernahmen.104 Rheinische Experten wiesen Holzschuhers Buch offiziell zurück, weil d ­ ieses 105 in ihren Augen „nichts Neues“  produzierte. Die für die Zeit sehr explizit negative Darstellung und Reaktion auf das Buch deutet jedoch weniger auf eine wirkliche inhaltliche Ablehnung hin, sondern lässt sich eher als typisches Verhaltensmuster akademischer Gelehrter verstehen, die Akteure wie Holzschuher wegen des „Dilettantismus“ 106 ihrer unwissenschaftlichen Präsentation und der öffentlichen Abgrenzung von der Wissenschaft belächelten. Das wird besonders deutlich, wenn man auch andere Reformer hinzuzieht, die den Thesen Holzschuhers zwar Gehör schenkten, dessen Polemik gegen die wissenschaftliche Zunft jedoch explizit verurteilten.107 Die oberrheinische Tabakforschung sah sich zur Mitte des 19. Jahrhunderts mehr und mehr als Teil einer Wissenschaft, die sich in graduell unterschiedlichen, 103 Daum, Wissenschaftspopularisierung, S. 238 – 239, 413 und 451; die publikumswirksam betitelte Neue Tabaksbau-­Methode wurde, ganz nach dem ökonomischen Kalkül ihres Autors, nach der Erstveröffentlichung 1863 bereits 1867 wieder neu aufgelegt. 104 Etwa Jas, Au carrefour de la chimie; Schling-­Brodersen, Entwicklung und Institutionalisierung; Daum, Wissenschaftspopularisierung, hat wiederum kein Interesse an landwirtschaftlichen ­Themen. 105 Brief Badische Centralstelle für die Landwirthschaft an Neßler, Karlsruhe, 26. Februar 1864, GLA, 236/16735, unpaginiert; dazu auch: Brief Neßler an die badische Centralstelle für die Landwirthschaft, Karlsruhe, 20. Juni 1864, GLA, 236/16735, unpaginiert. 106 Daum, Wissenschaftspopularisierung, S. 406. 107 Auch Joseph Kratz, der Vizedirektor des landwirtschaftlichen Vereins zum Waldschlößchen bei Erfurt, wies die „Beschuldigung [Holzschuhers, AvW] mit Entschiedenheit zurück, daß in Deutschland die Wissenschaft sich nicht für die Millionen deutschen Geldes verzehrende Tabakspflanze interessiere und noch keine richtige Behandlung derselben hätte finden“ könne: Joseph Kratz, Praktische auf Erfahrung gegründete Methode des Tabaksbaues, angeregt durch Pastor Holzschuher’s Schrift, Neue Tabaksbau-­Methode oder vollständige Anleitung, den Tabak in Europa auf leichte und natürliche Weise von derselben Güte wie in Amerika zu erziehen, und damit jedes Ackerfeld, sowie jedes Gärtchen, auf einen ungewöhnlich hohen Ertrag zu bringen, Erfurt 1864, S. 6.

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teilweise diffusen Abgrenzungsbewegungen gegenüber staatlichen Beamten, selbststilisierten Außenseitern und „Praktikern“ konstituierte, mit denen jedoch auch hierarchische Inklusionen praktischen Wissens einhergingen. Diese Ambivalenzen sind in der Forschung zur Wissenschaftsrhetorik von Experten im 19. Jahrhundert keineswegs immer gebührend berücksichtigt worden.108 Mit dem Beharren auf wissenschaftlichen Methoden, Titeln und Terminologien ging nicht nur Abgrenzung, Distinktion und Isolation von Experten einher, sondern auch eine asymmetrische Annäherung an praktisches Wissen und dessen Träger.

4.3. Die Revolution von 1848/49 Das Hin und Her ­zwischen In- und Exklusion überlagerte sich in der oberrheinischen Tabakforschungslandschaft schließlich mit den Politisierungs- und Nationalisierungseffekten der revolutionären Erhebungen von 1848 und 1849. Deren Auswirkungen auf die Verflechtung im Grenzgebiet waren komplex: Zum einen zeigte die Revolution die Bedeutung der sich ausdifferenzierenden, teilweise radikalisierenden politischen Landschaft der Jahrhundertmitte; zum anderen verstärkten sich durch sie länger vorhandene nationale Wahrnehmungen der Experten (Kapitel 2), die die vor allem grenzregionale Organisation der Tabakforschung jedoch tatsächlich kaum tangierten. Badische Agronomen imaginierten sich dennoch als nationales Zentrum für die Verbesserung des Tabakanbaus. August von Babo und Friedrich Hoffacker betonten 1852 in ihrem Buch Der Tabak und sein Anbau, dass verschiedene Orte aus „Deutschland“ wegen „ausführliche[r] Anleitung angefragt“ hätten „und vielfach das Bedürfniß nach literarischen Hilfsmitteln geäußert“ 109 worden sei – nicht zuletzt, um „deutsche Cigarren“ 110 produzieren zu können. Auch „der Begehr nach Samen [ihrer rheinpfälzischen Versuchsgärten, AvW] aus allen Enden Deutschlands [sei noch nie] so bedeutend [gewesen] wie heute“.111 Im Zuge ihres nationalen Eifers verschwiegen die Reformer, dass nicht zuletzt elsässische Rohtabake bei 108 So etwa bei: Joris Vandendriessche/Evert Peeters/Kaat Wils, Introduction: Performing Expertise, in: Dies. (Hg.), Scientist’s Expertise as Performance: Between State and Society, 1860 – 1960, London (u. a.) 2015, S. 1 – 13. 109 Von Babo/Hoffacker, Der Tabak und sein Anbau, S. IV. 110 Ebd., S. 206. 111 Ebd.

Die Revolution von 1848/49

der Produktion „deutscher Zigarren“ in Baden verwendet wurden und intensive Beziehungen die Experten in der Oberrheinregion prägten. Das Bild einer deutschen Tabakforschung, das den Autoren vor Augen stand, beruhte auf einer zeitspezifischen mental map. Die Ostgrenze des imaginierten Deutschland, zeigte sich an den räumlichen Koordinaten der von beiden Reformern thematisierten Saatgutsendungen, die von den Tabakforschungsgärten im rheinpfälzischen Weinheim „bis an die polnische Grenze“ reichen sollten.112 Die westliche Grenze ­dieses Bildes von „Deutschland“ war zwar deutlich weniger explizit konturiert, lässt sich aber bei genauerem Blick aus dem Buch von Babos und Hoffackers herauslesen. Mit Blick auf das Elsass suggerierten beide, dass die Region lediglich für die Zeit des frühen 17. Jahrhunderts, als der englische Kaufmann Robert Königsmann erste Experimente mit dem Tabakanbau in der Region gemacht hatte, „noch zu Deutschland“ 113 gehört hatte, jetzt aber fester Teil Frankreichs sei. Solche nationalen Raumbilder, in denen Experten ihre Wissensproduktionen verorteten, knüpften an die schon zum Ende der napoleonischen Zeit intensivierte Nationalisierung mentaler Geographien an (Kapitel 2). Die als geographische Koordinaten einer deutschen Tabakforschung ausgegebenen Grenzen – also vom Rhein bis zum sogenannten Kongresspolen – spiegelten die populären Vorstellungen einer „kleindeutschen“ Lösung wider 114, wie sie gerade im Anschluss an die Revolution von 1848/49 in der Frankfurter Nationalversammlung zunehmend in den Köpfen der Eliten verankert worden war. Solche Bilder einer kleindeutschen Tabakforschung speisten sich auch aus den wirtschaftspolitischen Debatten in der Paulskirche über den Ausbau des deutschen Zollvereins zu einer nationalen Zollmauer, an denen badische Experten, Fabrikanten und Händler mitgewirkt hatten.115 In Frankfurt war die Einführung bzw. der Fortbestand eines Schutzzolls auf Tabakimporte im Zollverein befürwortet worden, da man befürchtete, dass die Märkte der zollvereinten deutschen Staaten von günstigeren Rohtabaken aus den USA bedroht würden.116 Zwar hatten Experten und Händler wie Philipp Schwab betont, dass „Prohibitiv-­Systeme“ nur wirken 112 Ebd., S. IV. 113 Ebd., S. 19. 114 Brian E. Vick, Defining Germany. The 1848 Frankfurt Parliamentarians and National Identity, Cambridge (u. a.) 2002, S. 139 – 172. 115 Zum Zollverein allgemeiner: Hans-­Werner Hahn (Hg.), Der Deutsche Zollverein. Ökonomie und Nation im 19. Jahrhundert, Köln (u. a.) 2012. 116 Grüne, „Wir bedürfen weder überseeischen Taback noch indischen Zucker …“, S. 156 – 157.

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könnten, wenn gleichzeitig die landwirtschaftliche Erforschung des Tabaks ausgebaut werden würde.117 Dennoch waren nationale Zollmauern ein zunehmend debattiertes Mittel, um den ersten Anzeichen einer im späten 19. Jahrhundert als „Amerikanische Gefahr“ wahrgenommenen wirtschaftlichen Hegemonie der USA etwas entgegenzusetzten.118 Die Nationalisierung protektionistischer Vorstellungswelten und die Bilder einer nationalen Tabakforschung waren aufeinander bezogen. Die Absatzraumhoffnung hingegen, die der Zollverein kurzzeitig weckte, trug wohl deutlich weniger zur Entstehung imaginierter nationaler Wissenslandschaften bei. Zwar hat Nils Grüne gezeigt, dass gerade in der nationalistisch aufgeladenen Zeit der Revolution von 1848/49, wie es im zeitgenössischen Jargon hieß, viel Fürsprache für die „Entfeßlung des gehemmten Verkehrs [und] größere[n] Markt[es] zum Absatz unserer Produkte in das innere Deutschland“ betrieben wurde.119 Jedoch orientierten sich badische Experten in den 1850er-­Jahren an den weiter oben aufgezeigten Erwartungen an einen globalen Markt für oberrheinische Zigarren, da man von einer nahenden Sättigung des zollvereinten Marktes ausging.120 Die zunehmende Nationalisierung der Vorstellungswelten zeigte sich schließlich auch bei der Eingliederung der oberrheinischen Forschung in die zur Mitte des 19. Jahrhunderts entstehende internationale Sphäre. Die Organisatoren des 117 Schwab, Ueber den Bau, S. 153. 118 Sven Beckert, American Danger. United States Empire, Eurafrica, and the Territorialization of Industrial Capitalism, 1870 – 1950, in: The American Historical Review 122 (2017), S. 1137 – 1170. 119 Zitiert nach: Grüne, „Wir bedürfen weder überseeischen Taback noch indischen Zucker …“, S. 154. Im Anschluss an die Revolution von 1848/49 konnten badische Händler auf einen nahezu unbegrenzten Zugang zum entstehenden Binnenmarkt zurückgreifen: Ebd., S. 155. 120 Der Zollverein schien aus Sicher badischer Händler und Experten nicht in der Lage, „die wachsende Produktion“ konsumieren zu können. Exporterfolge wären „nicht erreicht worden […], wenn die Intelligenz und die regen Bemühungen unseres Handels- und Fabrikstandes nicht die Absatzquellen für fabrizierte und manipulierte Tabake in den entferntesten Ländern der Erde eröffnet hätten.“ A. Adam, Protokoll über die Besprechung bei der Versammlung der Tabaksproduzenten, Händler und Fabrikanten, in: [Anonym] (Hg.), Bericht über die am 29. November zu Karlsruhe stattgehabte Besprechung über den Tabaksbau und Tabakshandel im Großherzogtum Baden. Nebst einem statistischen Anhange über die Bedeutung der Tabaksproduktion und des Tabakhandels, erstattet durch die Grossh. Centralstelle für die Landwirthschaft, Karlsruhe 1856, S. 1 – 25, hier S. 5; die ältere Forschung folgt den Zeitgenossen in dieser Hinsicht: „Der Anschluß des Landes an den Zollverein hat keinen merklichen Einfluß ausgeübt, weil ein großer Teil der Produktion nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika exportiert wurde.“ Uhlmann, Die Entwicklung von Unternehmung, S. 31.

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internationalen Landwirtschaftskongresses in Nancy von 1869 etwa, bei dem die Diskussion über den Tabakanbau einen gewissen Raum einnahm, warben für die Veranstaltung als Treffpunkt der Nationen. Der elsässische Reformer Louis  II. Pasquay aus Wasselonne wurde als einer der Vertreter Frankreichs behandelt und gab sich als solcher aus.121 Neßler vertrat die deutsche Delegation; gleichzeitig aber auch das Großherzogtum Baden.122 Die schon von den Zeitgenossen immer wieder reproduzierten nationalen Kategorisierungen haben die Forschung dazu bewogen, in dem Kongress vor allem ein Initialereignis des nationalen Austauschs der Agrikulturchemie z­ wischen Deutschland und Frankreich zu sehen.123 Ausgeblendet wurden dabei aber die regionale Dimension von Forschungsbeziehungen, die sich im Rahmen derartiger Veranstaltungen in die langsam expandierende Welt internationaler Konferenzen und Kongresse eingliederte.124 Schon die Revolution von 1848/49 hatte jedoch nicht nur eine symbolische Nationalisierung intensiviert, sondern aktualisierte auch politische Ordnungskate­ gorien, die sich im Gegensatz zu den nationalen Imaginationen tatsächlich auf die Kommunikationsstrukturen von Tabakforschern am Oberrhein auswirkten. Einen wichtigen Einblick in diese Mechanismen gewährt der Fall des US-amerikanischen Konsuls George H. Goundie, der im April 1861 in das Fadenkreuz badischer Beamter rückte. Freiherr Ludwig Rüdt von Collenberg-­Bödigheim, der Leiter der landwirtschaftlichen Centralstelle, der im Außenministerium eine führende Rolle als Befürworter restaurativer Maßnahmen gespielt hatte und eine dezidiert antirevolutionäre Grundhaltung verkörperte 125, hatte mit Blick auf einen Antrag auf Goundies Ehrenmitgliedschaft im badischen Landwirtschaftsverein darauf aufmerksam gemacht, dass ein Bericht des Innenministeriums den Konsul einer „feindliche[n] Weise“ verdächtigt habe. Goundie, so hieß es in d ­ iesem

121 Louis Grandeau, Comptes rendus des travaux du congrès agricole libre tenu à Nancy les 23, 24, 25 et 26 juin 1869, Paris 1869, S. 271. 122 Ebd., S. 28. 123 Jas, Au carrefour de la chimie, S. 214 – 215; zu Grandeau und dem Kongress in Nancy auch: Harry W. Paul, From Knowledge to Power. The Rise of the Science Empire in France, 1860 – 1939, Cambridge (u. a.) 1985, S. 187 – 191. 124 Zu der sich herausbildenden internationalen Kongress- und Tagungswelt: Madeleine Herren, Internationale Organisationen seit 1865. Eine Globalgeschichte der internationalen Ordnung, Darmstadt 2009. 125 Lothar Gall, Der Liberalismus als regierende Partei. Das Großherzogtum Baden ­zwischen Restauration und Reichsgründung, Wiesbaden 1968, S. 59.

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Bericht, habe „sich in den Jahren 1848 und 1849 in die politischen Wirren“ der Revolution eingelassen.126 Beschuldigt wurde mit Goundie nicht irgendein Konsul, sondern vielmehr derjenige, der seit den frühen 1850er-­Jahren auf beiden Seiten des Rheins durch die Einführung des Gunditabaks als externer Erneuerer des Tabakanbaus galt – ich komme in Kapitel 6 darauf zurück. Der politische Verdacht und die Anschuldigungen gegen Goundie waren dabei keineswegs aus der Luft gegriffen. An der Korrespondenz des Konsuls mit dem badischen Revolutionär Friedrich Hecker lässt sich zeigen, dass Goundie als Fluchthelfer republikanisch gesinnter Revolutionäre in die Revolution involviert war. Seine Briefe belegen, dass er mit Hecker nicht nur in Kontakt stand, sondern ­diesem auch bei der Organisation seines Asyls in den USA zu Hilfe gekommen war.127 Gleichzeitig hatte Goundie als US-amerikanischer Konsul in Basel an der Überführung in Baden verfolgter Flüchtlinge in die Schweiz mitgewirkt, die in Folge der Revolution, ähnlich wie Frankreich, zum Exilort für die Opfer gegenrevolutionärer Maßnahmen in den süddeutschen Staaten wurde.128 Die Verwaltung des Großherzogtums Baden verlangte seit der Revolution jedoch, dass nur diejenigen Tabakexperten mit badischen Reformern im Karlsruher Landwirtschaftsverein kommunizieren sollten, die dem badischen Großherzog loyal gegenüberstanden. 1852 bestimmte das badische Staatsministerium, dass die im selben Jahr neu konzipierte Centralstelle nur Mitglieder aufnehmen solle, die das „Vertrauen des landwirtschaftlichen Vereins besaßen“ 129 – wobei ­dieses Vertrauen wohl maßgeblich auf der Loyalität gegenüber dem Großherzog während der Revolution basierte.130 Wenngleich andere Beamte sich nicht 126 Brief Badisches Handelsministerium an badische Centralstelle für die Landwirthschaft, Karlsruhe, 17. April 1861, GLA, 236/16732, unpaginiert. 127 Franz X. Vollmer, Der Hecker-­Nachlaß von St. Louis/USA, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 136 (1988), S. 349 – 415, hier S. 401 – 402; dennoch lehnte Goundie nachweislich einen militärischen Aufstand badischer Landwirte ab, mit dem manche der radikalen Demokraten unter den Revolutionären liebäugelten: Ebd., S. 401 – 403. 128 Smith, Early Nineteenth-­Century German Settlers, S. 24; zur Schweiz als Exilort: ­Rosmarie Zeller, Badische Emigranten in der Schweiz, in: Achim Aurnhammer (Hg.), Von der Spätaufklärung zur Badischen Revolution. Literarisches Leben in Baden ­zwischen 1800 und 1850, Freiburg 2010, S. 735 – 750; zu Paris als Exilort: Jürgen Osterhammel, Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, München 2009, S. 213. 129 Zitiert nach: Kistler, Die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, S. 22. 130 Brief Badische Centralstelle für die Landwirthschaft an badisches Innenministerium, Karlsruhe, 1. August 1857, GLA, 236/10050, unpaginiert.

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sicher waren, „[o]b und in wie weit jene Beschuldigung begründet gewesen war und ob sie jetzt noch einen Grund abgeben könne, die beantragte Ernennung zum Ehrenmitglied des Vereins zu verweigern“ 131, hielt es Rüdt von Collenberg-­ Bödigheim dennoch für besser, sich eines „weisen gesunden Vorschlag[s]“ zu enthalten und die Korrespondenz mit dem Konsul gleich ganz einzustellen.132 Goundies Engagement in der Revolution führte dazu, dass der Konsul nicht mehr weiter in die oberrheinische Tabakforschung involviert wurde. Der Abbruch des Kontakts zu Goundie war nur die späte Zuspitzung schon unmittelbar nach der Revolution erfolgter Ausgrenzungen und Ausschlüsse weniger bekannter Tabakfachleute aus den landwirtschaftlichen Reforminsti­tutionen des Großherzogtums. Im Jahr 1849 war der Tabakhändler Johann Helmling, ein Schriftführer des Seckenheimer Volksvereins und, wie man in der badischen Verwaltung meinte, „demokratischer Kundgebungsredner“, aus seinen lokalen Ämtern entlassen worden. Auch den Händler Matthias Eder hatte die Verwaltung von weiteren Tätigkeiten in kommunalen Ämtern ausgeschlossen, nachdem dessen Vorgesetzte in Erfahrung brachten, dass dieser sich für die republikanischen Ziele der Revolution eingesetzt hatte.133 Damit unterschied sich die von der Centralstelle auch eine Dekade nach der Revolution praktizierte Politik der Ausgrenzung von der offiziellen badischen Haltung. Seit der politisch liberaleren „neuen Ära“ nach 1860 waren prorevolutionäre Aktivisten deutlich weniger drastischen strafrechtlichen Konsequenzen ausgesetzt gewesen als in den 1850er-­Jahren.134 Da sich der größte Teil des liberalen Bürgertums von den Republikforderungen distanzierte, konnte dieser nach der Revolution zurück in seine politischen Ämter 135, obwohl er gesellschaftliche Restriktionen trotzdem weiterhin fürchten musste. Goundies Fall zeigt jedoch 131 Ebd. 132 Brief Badische Centralstelle für Landwirthschaft an badisches Handelsministerium, Karlsruhe, 25. April 1861, GLA, 236/16732, unpaginiert. Es findet sich nach d ­ iesem Brief keine weitere postalische Interaktion ­zwischen badischen Experten und dem Konsul mehr. 133 Grüne, „Wir bedürfen weder überseeischen Taback noch indischen Zucker …“, S. 151. 134 Wolfgang Piereth, Von repressiver Milde zu politischer Bewältigung. Begnadigung und Amnestie der badischen Revolutionäre, 1849 – 1862, in: Clemens Rehm/Hans-­Peter Brecht/ Kurt Hochstuhl (Hg.), Baden 1848/49. Bewältigung und Nachwirkung einer Revolution, Stuttgart 2002, S. 255 – 290. 135 Radikaldemokratische Revolutionäre hatten in Baden während der Revolution von 1848/49 keine Massenbasis: Gall, Der Liberalismus als regierende Partei, S. 60 – 62; Werner, Kleine Geschichte, S. 116 – 121.

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anschaulich, dass sich „die Feinabstimmung über das Schicksal der Revolutionäre im Arkanbereich der Verwaltung“ und nicht etwa auf der öffentlichen Bühne des Gerichtssaals abspielte.136 Diese Verwaltung war im Zweifel bestrebt, die Integrität des großherzoglichen Staates zu ­schützen und Tabakexperten, die als politisch vorbelastet galten, aus ihren Korrespondenznetzen auszuschließen. Solche Exklusionen schienen auch elsässische Agronomen zu bedrohen, weswegen diese in den zwei Jahrzehnten nach der Revolution ihre Loyalität zum badischen Großherzog offensiv inszenierten. Der Bouxwiller Gelehrte Charles-­ Henri Schattenmann etwa hatte 1866 das Kreuz der Ritter vom Orden der Zähringer Löwen von Friedrich I. empfangen, das auch anderen, regierungstreuen badischen Tabakexperten, wie etwa Metzger, verliehen worden war.137 Schattenmann konnte sich damit als Teil einer Gruppe ausweisen, die in den Augen des badischen Fürsten besonders loyal zu seinem Land, seiner Person und seiner Regierung stand. Der Orden war nämlich „als Merkmal besonderer Anerkennung und des herzoglichen Wohlwollens“ 138, zum Andenken an die Herzöge von Zähringen, mit denen die großherzogliche Familie stammverwandt war, am 26. Dezember 1812 von Karl Ludwig Friedrich von Baden gestiftetet worden und sollte explizit als „Treueorden“ zum badischen Hof fungieren: Wir, Friedrich, von Gottes Gnaden Großherzog von Baden […] und unsere Nachfolger in der Regierung, sind die Großmeister des Ordens vom Zähringer Löwen und üben ­dieses Recht aus eigener und alleiniger Entschließung aus. […] Wir werden diesen Orden, welcher nie nachgesucht werden kann, ohne Rücksicht auf Stand und Geburt, für treu geleistete Dienste, so wie überhaupt als Merkmal besonderer Anerkennung und Unseres Wohlwollens verleihen.139

Nimmt man die Statuten ernst, dann wurden Tabakforscher wie Schattenmann und Metzger als Mitglieder einer von Ehre und Loyalität zusammengehaltenen Ordensfamilie anerkannt, in deren Zentrum der Großherzog stand. Dass 136 Piereth, Von repressiver Milde zu politischer Bewältigung, S. 268. 137 Johann Metzger hatte dieselbe Auszeichnung schon im März 1851 für seine Treue zum Fürsten und seine „Verdienste“ um Landwirtschaft, Wein- und Tabakanbau erhalten: Günter Schruft, Gartendirektor Johann Metzger (1789 – 1852) und der Weinbau, Wiesbaden 2001, S. 23. 138 Ebd., S. 27. 139 [Anonym], Großherzogtum Baden. Der Orden vom Zähringer Löwen, in: Ordensjournal 14 (2007), S. 1 – 15, hier S. 3.

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S­ chattenmann den Orden jedoch annahm, zeigt wiederum keineswegs, dass er die in der Straßburger Landwirtschaftsgesellschaft verbreiteten liberalen Ideale ablehnte.140 Die symbolischen Handlungen und Loyalitätsbekundungen von elsässischen Tabakexperten lassen sich nicht ohne den besonderen Blick badischer Behörden auf das Elsass während der Revolution verstehen, in denen Verdacht auf Revolutionsbeihilfe anscheinend stets präsent war. Schattenmanns Inszenierungen dienten vor ­diesem Hintergrund nicht zuletzt als Strategien, das Risiko eines politischen Zerwürfnisses mit badischen Experten zu minimieren und die oberrheinischen Verbindungen aufrechtzuerhalten. Ausschlaggebend für diese Praktiken war die Tatsache, dass die beiden französischen Rheindepartements, Bas-­Rhin und Haut-­Rhin, den badischen Behörden, neben der Schweiz, als flüchtlingsfreundliche Räume aufgefallen waren.141 Es war der Verwaltung in Baden nicht entgangen, dass die elsässische Administration sich keineswegs nach der anti-­revolutionären Politik in Paris, München und Karlsruhe richtete.142 Georges Livet hat gezeigt, dass auch Reformer aus der Straßburger Société des Sciences, Agriculture et Arts du Bas-­Rhin die Aufnahme badischer und pfälzischer Flüchtlinge begrüßten. Elsässische Gelehrte sahen diese Unterstützung als Ausdruck liberalen Austauschs in der Rheinregion.143 Die Inszenierungen der Tabakexperten widersprechen dem von Andres Daum angenommenen liberalen Grundgestus populärer Wissenschaftler zur Mitte des 19. Jahrhunderts demnach nicht grundsätzlich.144 Loyalitätsbekenntnisse zum Großherzog lassen sich deshalb auch innerhalb der Reihen badischer Experten feststellen. Das Vorwort zur 1852 erschienen 3. Auflage von Johann Doschs Leichtfaßlicher Anleitung zum Tabacksbau wies darauf hin, dass Dosch mit seinem Buch als „Freund vaterländischen Wohlstandes den Bestrebungen der landwirthschaftlichen Vereine und der gutgesinnten Presse“ folge.145 140 Zum Liberalismus der Gesellschaft: Georges Livet, La Société Académique du Bas-­Rhin 1799 – 1999. Deux siècles d’histoire d’une société savantes, Straßburg 2001, S. 80. 141 Ebd. 142 Imma Melzer, Pfälzische Emigranten in Frankreich während und nach der Revolution von 1848/49. Teil II, in: Francia. Forschungen zur westeuropäischen Geschichte 13 (1985/86), S. 369 – 407, hier S. 373 – 374 und 384. 143 Livet, La Société Académique, S. 80. 144 Daum, Wissenschaftspopularisierung, S. 414 – 416. 145 Johann Dosch, Leichtfaßliche Anleitung zum Tabacksbau. Nach den neuesten Regeln und Erfahrungen, 3., stark vermehrte Auflage, Freiburg 1852, S. 4.

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­ erartige Bekundungen von Loyalität waren sicher schon in der vorrevolutionäD ren Zeit verbreitet 146, jedoch aktualisierte und intensivierte sich ihr Gebrauch nach den Ereignissen von 1848/49, mit denen sich die Möglichkeit von Zuschreibungen politischer Devianz potenziert hatte. Es war für in die oberrheinischen Tabakforschungsnetzwerke verflochtene Akteure wichtig, gegenüber der Verwaltung des Großherzogtums eine Distanz zur Revolution von 1848/49 vorzuspielen. Vor allem die Ablehnung der ‚zersetzenden Elemente‘ aus dem republikanisch-­demokratischen Lager mussten stets artikuliert werden. Die ‚rechte‘ Politisierung der oberrheinischen Tabakforschung verdeutlicht, dass Impulse der Revolution von 1848/49 in Baden und am Oberrhein weit über eine katalysatorische Funktion im Bereich der staatlichen Förderung chemischer Forschung hinausgingen, die Historiker/innen bisher vor allem herausgearbeitet haben.147 Zentraler für die Intensivierung der Tabakanbauforschung war die zur Mitte des 19. Jahrhunderts in Baden dynamisierte Zigarrenproduktion, die auf den grenzüberschreitenden Rohtabakhandel im südlichen Rheinland angewiesen war. Diese regionale Handels- und Wissenskultur war deutlich stärker als zuvor in die globalen Strukturen des Weltmarkts eingebettet. Im Vergleich zum frühen 19. Jahrhundert etablierte sich erst jetzt ein deutlich exklusiverer Austausch z­ wischen den Reformern am Oberrhein, ohne dass sich ein nationales Umorientieren, oder gar ein Auflösen der oberrheinischen Tabakforschung, feststellen ließe.

146 Schon in Metzgers Landwirtschaftlicher Pflanzenkunde von 1841 hatte die Würdigung des Großherzogs von Baden einen prominenten Platz im Vorwort eingenommen: Johann Metzger, Landwirtschaftliche Pflanzenkunde, oder praktische Anleitung zur Kenntniß und zum Anbau der für Oekonomie und Handel wichtigen Gewächse, Erste Abtheilung, Heidelberg 1841, S. V. 147 Borscheid, Naturwissenschaft, Staat und Industrie, S. 16 – 26.

5. Nationale Kubanisierung und atlantische Wissenszirkulation im französischen Tabakmonopol Die elsässische Fraktion der oberrheinischen Tabakforschung wurde zur Mitte des 19. Jahrhunderts jedoch immer stärker mit neuen Zentralisierungsdynamiken innerhalb des entstehenden französischen Nationalstaats konfrontiert 1, die regionale Räume des Wissens auch in Frage stellten. Projekte nationaler „Territorialisierung“ von wissensbasierten Reformpolitiken durch zentralstaatliche Kompetenzerweiterung waren ein zentrales Signum der Zeit. Nationalstaaten wurden durch die Politiken ihrer Hauptstädte zunehmend „in der Fläche“ konsolidiert.2 Die Forschung hat für Frankreich vor allem technisch-­wissenschaftliche Großprojekte untersucht, etwa im Bereich des Straßenbaus.3 Auch die französische Tabakwirtschaft ist mit Blick auf die seit der napoleonischen Zeit von Seiten der Pariser Zentralverwaltung des Monopols organisierte Modernisierung der staatlichen Manufakturen untersucht worden. Seit den 1830er-­Jahren war für die Maßnahmen in der Tabakbehörde ein spezialisierter Stab von polytechnisch ausgebildeten Ingenieuren zuständig, die in der École impériale d’application du service des tabacs in praktischer Hinsicht zu Ingénieurs des tabacs ausgebildet wurden.4 Mit der Einrichtung eines Ministeriums für Handel und Landwirtschaft sowie des Conseil général de l’agriculture entstanden zentralstaatliche Reformmaßnahmen auch im Bereich der Landwirtschaft.5

1 Mit Blick auf die Nationalisierungsprozesse des 19. Jahrhunderts immer noch wichtig: Eugen Weber, Peasants into Frenchmen. The Modernization of Rural France, 1870 – 1914, London 1979. 2 Jörg Ganzenmüller/Tatjana Tönsmeyer (Hg.), Vom Vorrücken des Staates in die Fläche. Ein europäisches Phänomen des langen 19. Jahrhunderts, Köln 2016; Charles S. Maier, Consigning the Twentieth Century to History. Alternative Narratives for the Modern Era, in: American Historical Review 105 (2000), S. 807 – 831. 3 Antoine Picon, Die Ingenieure des Corps des Ponts et Chaussées. Von der Eroberung des nationalen Raumes zur Raumordnung, in: André Grelon (Hg.), Ingenieure in Frankreich, 1747 – 1990, Frankfurt am Main (u. a.) 1994, S. 77 – 99. 4 Muriel Eveno/Paul Smith, Histoire des monopoles du tabac et des allumettes en France XIXe–XXe siècles. Guide du chercheur, Paris (u. a.) 2003, S. 24; zu den Tabakmanufakturen generell: Laurent Fièvre, Les manufactures de tabacs et d’allumettes. Morlaix, Nantes, Le Mans et Trélazé, (XVIIIe–XXe siècles), Rennes 2004. 5 Pierre Rosanvallon, Der Staat in Frankreich von 1789 bis in die Gegenwart, Münster 2000, S. 149 – 157.

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Wie schon das vorangegangene Kapitel gezeigt hat, war die Produktion von Wissen über den Tabakanbau zur Mitte des 19. Jahrhunderts mehr und mehr von den Entwicklungen und Dynamiken des Weltmarkts geprägt, allen voran den Beziehungen in der atlantischen Welt. Jedoch waren nicht nur die regionalen Landwirtschaftsgesellschaften und -vereine in Straßburg und Karlsruhe, sondern auch die entstehenden zentralstaatlichen Verwaltungsbehörden in diese Globalisierungsprozesse eingebunden. Pierre Yves Saunier und Shane Ewen haben für europäische Stadtverwaltungen gezeigt, dass urbane Reformpolitiken seit den 1840er-­Jahren systematisch auf geographisch entfernte Verwaltungsexpertisen zurückgriffen.6 Viel weniger bekannt ist hingegen, inwieweit staatliche Behörden im Rahmen ihrer nationalisierten Optimierungsprojekte industrielles und landwirtschaftliches Wissen aufgriffen, das in europäischen Kolonien und außereuropäischen Gebieten genutzt und produziert wurde.7 Historiker/innen haben selten berücksichtigt, dass nationale Territorialisierungsprojekte von Experten in einem globalisierten Europa stattfanden. Das folgende Kapitel untersucht diese Zusammenhänge mit Blick auf die zur Jahrhundertmitte den Zenit ihrer Popularität erreichende Kubazigarre. Seit dem 17. Jahrhundert war kubanischer Tabak ein in Händlerkreisen anerkanntes Qualitätszeichen gewesen.8 In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden die teilweise heute noch bekannten kubanischen Zigarrenmarken, die vor allem mit den Weltausstellungen nach 1851 wegen ihres Geschmacks und der aufwendig gestalteten Bauchbinden nicht nur zu begehrten Rauch-, sondern auch zu Sammlerobjekten wurden.9 In so verschiedenen Regionen der Welt wie dem US -amerikanischen Staat Connecticut oder dem niederländischen Indonesien waren als Reaktion auf diesen Siegeszug Versuche zur Nachahmung der

6 Pierre-­Yves Saunier/Shane Ewen (Hg.), Another Global City. Historical Explorations into the Transnational Municipal Moment, 1850 – 2000, New York 2008. 7 Jakob Vogel, Public-­private partnership. Das koloniale Wissen und seine Ressourcen im langen 19. Jahrhundert, in: Rebekka Habermas/Alexandra Przyrembel (Hg.), Von Käfern und Menschen. Kolonialismus und Wissen in der Moderne, Göttingen 2013, S. 261 – 284. 8 Laura Nater, Colonial Tobacco. Key Commodity of the Spanish Empire, 1500 – 1800, in: Steven Topik/Carlos Marichal/Zephyr Frank (Hg.), From Silver to Cocaine. Latin American Commodity Chains and the Building of the World Economy, Durham (u. a.) 2006, S. 93 – 117, hier S. 101. 9 Bernard le Roy/Maurice Szafran, Die große Geschichte der Zigarre, 3., überarbeitete, aktualisierte und erweiterte Auflage, München 1998, S. 48 – 60.

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industriellen und landwirtschaftlichen Produktionsfacetten der kubanischen Zigarrenproduktion angelaufen.10 Auf der Weltausstellung 1855 wurden Imitationen kubanischer Zigarren aus Belgien, Griechenland, Holland, Paraguay, Preußen oder Schweden ausgestellt.11 Historiker/innen wie Jean Stubbs haben die dahinter verborgenen Projekte und Importsubstitutionspläne herausgearbeitet, ohne aber deren Genese aus wissensgeschichtlicher Perspektive weiter nachzugehen.12 Das Kapitel setzt an dieser Stelle an und analysiert die Kubanisierungsversuche der Pariser Tabakverwaltung in Frankreich im Hinblick auf die nach Kuba reichenden Verbindungen, und den Transfer von Wissen für ein nationales Programm zur ‚Verbesserung‘ des Tabakanbaus in Frankreich.13 Gleichzeitig werden im Folgenden immer auch die dysfunktionalen Momente bei Wissenstransfers berücksichtigt. Vor allem Historiker/innen der Frühen Neuzeit haben darauf hingewiesen, dass Ignoranz und Nicht-­Transfer von Wissen eine nicht zu unterschätzende, strukturelle Bedeutung zukam.14 Während das Elsass für badische Fabrikanten Rohtabake für global exportierte Zigarren bereitstellte (Kapitel 4), wurde die Region gleichzeitig in die auf den nationalen Markt konzentrierte französische Kubazigarrenfabrikation eingebunden. Die Kubanisierung Frankreichs lässt sich dabei nicht von der 10 Jean Stubbs, El Habano and the World It Has Shaped. Cuba, Connecticut, and Indonesia, in: Cuban Studies 41 (2010), S. 39 – 67. 11 Jean-­Augustine Barral, Tabac en feuilles, in: [Anonym] (Hg.), Exposition universelle de 1855. Rapports du jury international publiés sous la direction de S. A. I. le Prince ­Napoléon, Band 1, 1856, S. 160 – 164. 12 Stubbs, El Habano; Jean Stubbs, Transnationalism and the Havana Cigar. Commodity Chain Transfers, Networks, and Circuits of Knowledge, in: Catherine Hull (Hg.), Cuba in a Global Context. International Relations, Internationalism, and Transnationalism, Gainesville 2014, S. 227 – 242. 13 Dazu grundlegend: Alexander van Wickeren, Territorializing Atlantic Knowledge: The French State Tobacco Monopoly and the Globalization of the Havana Cigar around Mid19th Century, in: Lothar Schilling/Jakob Vogel (Hg.), Transnational Cultures of Expertise. Knowledge and the Rise of the Modern State, Berlin 2019, S. 181 – 196; Alexander van Wickeren, The Transformation of an Ecological Policy. Acclimatization of Cuban Tobacco Varieties and Public Scandalization in the French Empire, c. 1860 – 1880, in: Brett Bennett/ Ulrike Kirchberger (Hg.), Environments of Empire. Networks and Agents of Ecological Change, im Erscheinen. 14 Zur Bedeutung von Nicht-­Transfer in der Wissensgeschichte: Londa Schiebinger, West Indian Abortifacients and the Making of Ignorance, in: Robert N. Proctor/Londa ­Schiebinger (Hg.), Agnotology. The Making and Unmaking of Ignorance, Stanford 2008, S. 149 – 162.

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Wahrnehmung von Unwägbarkeiten des Weltmarkts trennen, aus denen die französische Tabakverwaltung die Dringlichkeit einer Substitution der Zigarren­ produktion herleitete. Wenn im Folgenden gerade die polytechnischen Ingenieure und die Pariser Zentralverwaltung in den Blick rücken, dann werden die für die Zeit fehlenden Dokumente des zerstörten Pariser Zentralarchivs durch zeitgenössische Publikationen sowie die Parallelüberlieferung in Paris, Straßburg und Colmar ausgeglichen. Darüber hinaus wurde eine Reihe von Schriften kubanischer Tabakexperten eingesehen 15, die meist deutlich besser erforscht sind als die Pariser Ingenieure. Das Kapitel rekonstruiert dabei nicht nur Verbindungen, sondern gerade auch die Wissenswelten, die auf beiden Seiten des Atlantiks die Reform des Tabakanbaus zu prägen begannen. Es zeigt, dass der Atlantik im 19. Jahrhundert auch jenseits der ehemaligen und bestehenden Grenzen von Imperien ein Austauschraum von Wissen war.

5.1. Nationale Kubanisierung Beamte der Pariser Zentralverwaltung des staatlichen französischen Tabakmonopols waren sich spätestens Anfang der 1860er-­Jahre einig, dass Konditionen des kubanischen Tabakanbaus in den dem Monopolsystem unterstellten Tabakregionen Frankreichs so weit wie möglich nachgeahmt werden sollten. Die Pariser Zentralbehörde verwies dabei auf mechanische und landwirtschaftliche Facetten, auf Details des Anbaus, der Ernte und der Verarbeitung auf Kuba, an denen sich Frankreich orientieren könnte. Im Mai 1861 hatte der Generaldirektor der Pariser Behörde, Eugène Rolland, gegenüber den französischen Departements betont, 15 Wenn mit Blick auf d ­ ieses Netzwerk im Folgenden von ‚kubanischen‘ Reformern und Wissenschaftlern die Rede ist, dann muss dabei berücksichtigt werden, dass diese zur Mitte des 19. Jahrhunderts sich keineswegs alle als ‚Kubaner‘ verstanden. Wenngleich die hier zur Geltung kommenden Akteure alle mitunter einige Zeit in Kuba lebten, waren sie keineswegs alle für eine Unabhängigkeit vom spanischen Imperium und hätten sich gleichzeitig auch nicht immer klar von ‚Spaniern‘ unterscheiden können. Aus darstellungspragmatischen Gründen wird im Folgenden dennoch die Bezeichnung ‚Kubaner‘ und ‚kubanisch‘ verwendet. Für eine neuere Arbeit zur komplexen Loyalitäts- und Identitätslage auf Kuba im 19. Jahrhundert siehe: Michael Zeuske, Kleine Geschichte Kubas, 4., überarbeitete und aktualisierte Auflage, München 2016, insbesondere S. 118 – 135.

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dass einer Orientierung an den Umweltkonditionen des Vuelta Abajo – des zeitgenössisch für seine Zigarrentabake am meisten gerühmten Anbaugebiets der Insel – nichts wesentlich im Wege stehe.16 Der Aufbau einer Produktion von Luxuszigarren in Frankreich sollte mit einem gegenüber den Ankäufen aus weltweiten Handelsnetzen, die von Konstantinopel über Havanna bis nach Holland reichten, deutlich stärkeren Einbezug von französischen Rohtabaken einhergehen.17 Während schon 1835 eine Verordnung aus Paris bestimmt hatte, dass der Anteil „einheimischer Rohtabake“ – das offizielle Label für französische Rohtabake – bei der Verarbeitung von Zigarren und anderen Tabakprodukten gesteigert werden sollte 18, so ergänzte die Zentralverwaltung den Import von Rohtabak seit den 1860er-­Jahren um eine landwirtschaftliche Verbesserungspolitik. Die Implementierung dieser Politik in Frankreich war national aufgeladen. Ein Artikel des der Pariser Tabakverwaltung nahestehenden Agrarexperten Louis Grandeau beschwor die Experimente Jean-­Jacques Théophile Schloesings, der ab 1859 als Direktor der École impériale d’application du service des tabacs, die praktische Ausbildungsstätte für Ingénieurs des tabacs, fungierte, mit aus Kuba eingeführten Tabaksorten symbolisch als Dienst an der französischen Nation und am „französischen Boden“.19 Schloesing meinte durch seine Versuche in 16 Brief Rolland an die französischen Departements, Paris, 14. März 1863, Archives départementales du Haut-­Rhin (ADHR), 4/P/209, unpaginiert. 17 Die Beamten der Régie bezogen Tabake etwa aus Handelshäusern in Kentucky, Maryland, Brasilien, Mexiko, Ungarn und Japan sowie aus Konsulaten in Virginia, Maryland, Havanna, Holland oder Platana. Auch Anbieter aus Trinidad, Guadeloupe, Martinique, der Levante, Cochinchina, Syrien gehörten zu den Lieferanten für Frankreichs Staatsmonopol: Julius Creizenach, Die französische Tabaksregie in ihrer Entwicklung, Organisation, finanziellen und volkswirthschaftlichen Bedeutung. Ein Beitrag zur Orientierung in der Tabaksfrage, Mainz 1868, S. 88 – 89; dazu auch du Maxime du Camp, Le Tabac, in: Ders., Paris. Ses organes, ses fonctions et sa vie dans la seconde moitié du XIX siècle, Band 2, 5. Auflage, Paris 1875, S. 169 – 223, hier S. 204; zur kontinuierlichen Einsendung von Rohtabakmustern aus Paraguay etwa: Brief Ministre des Finances an Ministre des Affaires Étrangèrs, Paris, 27. September 1864, Archives diplomatiques du ministère des Affaires étrangères (AD), 422/QO/266, unpaginiert. 18 [Anonym], Enquête parlamentaire sur l’exploitation du monopole des tabacs et des poudres, Paris 1876, S. 20. 19 Louis Grandeau, Culture de Tabac. Recherches expérimentales de M. Th. Schloesing, in: Journal d’Agriculture pratique 32 (1868), S. 66 – 67; zur Bedeutung nationaler Semantiken in der Wissenschaft des 19. und 20. Jahrhunderts: Ralph Jessen/Jakob Vogel, Einleitung.

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Paris-­Boulogne, die Möglichkeit eines flächendeckenden Anbaus von „tabacs de Havane“ in Frankreich nachgewiesen zu haben. Ausschlaggebend schien, dass er fünf Pflanzengenerationen der Havannasorte auf ihre Formveränderungen untersucht und von Generation zu Generation mehr oder weniger gleich niedrige Nikotinwerte festgestellt hatte. Die Sorten schienen auch in Frankreich die aus dem Vuelta Abajo bekannten Qualitätseigenschaften hervorzubringen.20 Solche Resultate waren von den optimistischen Akklimatisierungstheorien der Jahrhundertmitte geprägt, die die Verpflanzung und Anpassung sowie die Stabilität von Arten als relativ unproblematisch darstellten. Botaniker wie Isidore Geoffroy Saint-­Hilaire schrieben pflanzlichen und tierischen Spezies besonderes Potential zur Akklimatisierung in einem weiten Arsenal unterschiedlicher Naturräume zu.21 Der Optimismus der französischen Tabakbehörde ging gleichzeitig auf die Kompetenzverschiebungen innerhalb des Monopols Anfang der 1860er-­Jahre zurück. Polytechnische Ingenieure wie Rolland oder Schloesing hatten sich erst jetzt gegenüber den seit der napoleonischen Zeit aus den Reihen der Contributions indirectes rekrutierten Finanzbeamten behaupten können. Während Absolventen aus der 1795 gegründeten École Polytechnique den Contributions indirectes schon seit 1830 als technisches Personal unterstellt worden waren, so weitete sich deren vor allem auf die technologische Modernisierung der französischen Staatsmanufakturen begrenzter Aktionsradius nun auch auf die Reform des Tabakanbaus aus. Nach 1860 wurden polytechnische Ingenieure in allen Bereichen der staatlichen Tabakwirtschaft Frankreichs zu zentralen Entscheidungsträgern. Der mit den neuen Kompetenzen einhergehende Optimismus der Ingenieure führte jedoch nicht so weit, dass diese die Schwierigkeiten der Verbesserungsprojekte gänzlich ignorierten. Für Rolland war es „ohne Zweifel [, dass] in den hiesigen Feldern nicht die Prozeduren des Anbaus wie die in Havanna“ eingeführt werden könnten.22 Gelänge es aber zumindest, so Rolland, „dem Tabakanbau Die Naturwissenschaften und die Nation. Perspektiven einer Wechselbeziehung in der europäischen Geschichte, in: Dies. (Hg.), Wissenschaft und Nation in der europäischen Geschichte, Frankfurt am Main (u. a.) 2002, S. 7 – 37, hier S. 31 – 33. 20 Jean-­Jacques Théophile Schloesing, Le tabac. Sa culture au point de vue du meilleur rendement, combustibilité des feuilles, richesse en nicotine, etc., etc., Paris 1868, S. 105. 21 Michael A. Osborne, Acclimatizing the World. A History of the Paradigmatic Colonial Science, in: Osiris 15 (2000), S. 135 – 151, hier S. 140. 22 Brief Rolland an die französischen Departements, Paris, 14. März 1863, ADHR, 4/P/209, unpaginiert.

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Kubas ähnliche Konditionen in künstlicher Weise möglichst analog zu erzeugen“ 23, dann würde das fundamentale Auswirkungen auf die Qualität des Tabaks in Frankreich bedeuten. Für den Beamten und Ingenieur Charles Rey waren in Frankreich nach kubanischem Vorbild angebaute Tabake qualitätstechnisch in der Mitte ­zwischen denen der spanischen Insel und den bisherigen französischen Erzeugnissen anzusiedeln.24 Realistischer als eine genaue Kopie erschien den Ingenieuren eine graduelle Annäherung an das kubanische Vuelta Abajo. Das vor ­diesem Hintergrund von Paris ausgehende Programm zur ‚Hebung‘ des Tabakanbaus wurde nicht nur als rigoroses Verordnungswerk geplant, sondern auch durch Empfehlungen kommuniziert. Der im Dezember 1863 an die Departementsverwaltungen verschickte Pariser Rundbrief mit dem Titel Manutentions auxquelles sont soumis les tabacs en feuilles dans la Vuelto Abajo (Cuba) legte Beamten, Landwirten und Reformern detaillierte Verfahren für die Behandlung des Tabaks nach der Ernte nahe, die in den jeweiligen Anbaugebieten bekannt gemacht und, wenn möglich, umgesetzt werden sollten.25 Darüber hinaus stellte Rolland mit Ventilatoren künstliche Hitze erzeugende Trockenräume als „Inspiration“ für die Landwirte in den Departements dar, die nicht als strikt umzusetzende Verordnung verstanden werden sollte.26 Zwar hielt die Zentralverwaltung große Stücke auf die Übernahme künstlicher Trocknung in den Departements Frankreichs, die für die Kubanisierung unersetzlich schien. Jedoch lag es nicht im Interesse der Pariser Ingenieure, bei der Verbreitung von Informationen über diese Trockentechnologien „Druck“ auf den Landwirt ausüben.27 Dieser sollte 23 Brief Rolland an die französischen Departements, Paris, 4. Mai 1861, ADHR, 4/P/208, unpaginiert. 24 Charles Rey, Sur la culture du tabac. Extrait d’un rapport fait à le Ministre des Finances, in: Annales des sciences physiques et naturelles, d’agriculture et d’industrie publiés par la Société nationale d’Agriculture, etc. de Lyon 1 (1849), S. 589 – 604. 25 Der Rundbrief empfahl, die Büschel nach dem Trocknen zu öffnen, die fermentierten Blätter zu klassifizieren, zu sortieren und schließlich wieder zu „manoques“ zusammenzubinden. Eine „bétun“ genannte Flüssigkeit – hier behielt man das auf Kuba verwendete spanische Wort bei – war als Konservierungsmittel für den Tabak angedacht und sollte von den Landwirten mit einem Pinsel aufgebracht werden: Brief Rolland an die französischen Departements, Paris, Dezember 1863, ADHR, 4/P/208, unpaginiert. 26 Denis Brunn, Le Tabac en Alsace au XIX e siècle (1810 – 1870), Mémoire principal de diplôme, Faculté des lettres de Strasbourg 1967, S. 161. 27 Brief Rolland an die französischen Departements, Paris, 14. Juli 1864, ADHR, 4/P/211, unpaginiert.

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„durch Überzeugung“ gewonnen werden.28 Suggestion schien das geeignete Mittel, um Frankreich langsam an kubanische Standards anzupassen. Andere Facetten der Kubanisierung Frankreichs wurden als rechtlich verbindliche Verordnungen verbreitet. Dazu gehörte nicht nur die Einführung von staatlich beobachteten Experimentalfeldern in den Departements, in denen kubanische Tabaksorten getestet werden sollten 29, sondern vor allem die Einschränkungen, die die Régie für die Verwendung von Stickstoffdüngern erließ. Im elsässischen Departement Bas-­Rhin war auf Anordnung der Pariser Zentralverwaltung 1862 ein entsprechender Artikel dem Verordnungshandbuch hinzugefügt worden.30 Obwohl den Landwirten die Nutzung solcher Dünger weiterhin freigestellt wurde, kamen die neuen Anordnungen dennoch einem Quasi-­Verbot gleich: Stellten die Beamten in den departementalen Tabakspeichern, den magasins, die Düngung mit den genannten Substanzen fest, dann durften die betroffenen Blätter nur noch der Kategorie „nicht-­handelbar“ zugeordnet werden und gingen wegen fehlender Qualität nicht mehr in die Herstellung der Zigarren. Solche, ­zwischen Restriktionen und Empfehlungen oszillierenden, Maßnahmen gingen mit Bodenproben und Testreihen einher, die die Pariser Ingenieure in den frühen 1860er-­Jahren als Bestandsaufnahme der französischen Tabakanbaugebiete unternahmen, um weitere Verbesserungsmöglichkeiten abschätzen und regionalspezifisch anpassen zu können. Kurz nach der Machterweiterung der Ingenieure hatte die Zentralverwaltung Rohtabake aller dem Monopol unterstehenden Departements von einer Kommission begutachten lassen, die einen Überblick über deren Zustand und Verwendbarkeit für die Produktion von Zigarren kubanischen Stils erstellte. Die elsässischen Tabake in Bas-­Rhin und Haut-­Rhin beurteilten die Kommissare kritisch. Gerade die Bezirke der staatlichen Rohtabaksammellager in Schlestadt und Benfeld waren nicht über den dritten Rang hinausgekommen, während die Lager in Straßburg und Benfeld sogar nur den fünften Rang bei der Eignung für Zigarren und Scaferlati belegten.31 Verglichen mit den Qualitätsstandards in den angrenzenden Regionen, 28 Ebd. 29 Grandeau, Culture de Tabac, S. 66 – 67. 30 François Iggersheim, Politique et Administration dans le Bas-­Rhin, (1848 – 1870), Straßburg 1993, S. 448. 31 Brief Rolland an Préfet du Département du Bas-­Rhin, Paris, 23. Juli 1862, Archives départementales du Bas-­Rhin (ADBR), 11/M/195, unpaginiert; Brief Rolland an Préfet du Département du Bas-­Rhin, Paris, 17. April 1868, ADBR, 11/M/195, unpaginiert.

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so das Fazit der Generaldirektion im Juli 1862, befand sich die Tabakkultur im Elsass in einem minderwertigen Zustand.32 Die nationalen Reformprogramme gingen jedoch auch mit einer Hierarchisierung der Zukunftspotentiale französischer Tabakregionen einher. Der Pariser Tabakexperte Jean-­Augustin Barral etwa, ein ausgebildeter Tabakingenieur und Herausgeber des Journal d’agriculture pratique 33, erklärte vor allem das Elsass, aber auch Pas-­de-­Calais oder die südlichen Departements am Mittelmer, wo das Klima noch besser zur Kultur von Tabak geeignet sei 34, zu den mittelfristig wichtigsten Rohtabaklieferanten für die expandierende Zigarrenfabrikation. Andere Departements, die im frühen 19. Jahrhundert noch für Schnupf- und Pfeifentabake gerühmt worden waren, wurden nun abgewertet und erschienen für die aus Paris konzipierten Verbesserungsprojekte weniger günstig. Die 1860er-­Jahre brachten eine Neukategorisierung der Tabakregionen des französischen Nationalstaats hervor, in der die Eignung für Tabak zur Produktion von kubaähnlichen Zigarren zum zentralen Marker der Bewertung wurde. Diese Neueinschätzung von den Raumpotentialen französischer Tabakregionen geschah mit Blick auf eine globale Skala von Vergleichsräumen. Schon in den 1830er-­Jahren hatten Beamte der französischen Régie Tabakblätter aus Südamerika mit denen aus den USA verglichen und ersteren unterstellt, dass es ihnen an „Körper“ („corps“) mangeln und sie sich nicht als Rauchtabake eignen würden. Länder wie Holland, so die Beamten der Contributions indirectes, produzierten zu starke Tabake und s­ eien als Vorbild für die Zigarrenproduktion in Frankreich ungeeignet. Rohtabake aus Havanna, von deren hoher Qualität man ausging, aber auch den Varinas-­Plantagen Venezuelas und den osmanischen Anbaugebieten in der Levante versprachen hingegen jene Qualitätsmerkmale, mit denen sich französische Departements messen mussten.35 Zukunftspläne einer nationalen und zentralisierten Kubanisierung hatten in den Reihen der polytechnischen Tabakingenieure schon in den 1840er-­Jahren existiert. Während Barral den Tabakanbau als publizierender Agrarreformer

32 Brief Rolland an Préfet du Département du Bas-­Rhin, Paris, 23. Juli 1862, ADBR, 11/M/195, unpaginiert. 33 Jean-­Augustine Barral, Culture et monopole du tabac, in: Journal d’agriculture pratique et de jardinage 1 (1843/1844), S. 299 – 314, hier S. 314. 34 Barral, Tabac en feuilles, S. 162. 35 Chambre des Députés, Enquête sur les tabacs, [Paris 1836], S. 332.

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thematisierte 36, forschten enger an die Verwaltung angebundene Ingenieure innerhalb des botanischen Gartens und des agrarwissenschaftlichen Labors der École impériale d’application an einer Verbesserung des Tabakanbaus. ­Schloesing publizierte diese Ergebnisse seit den 1850er-­Jahren in mehreren Artikeln.37 Überschaut man die seit den frühen 1840er-­Jahren in zeitgenössischen Wissenschaftsjournalen publizierten Arbeiten der Ingenieure, dann zeigt sich ein zunehmend intensivierter Fokus auf den Tabakanbau. Visionen einer zentralisierten Anbaureform, die Reformer wie Alexis-­Antoine Cadet de Vaux schon in der napoleonischen Zeit auf den Raum des napoleonischen Imperiums projiziert hatten (Kapitel 2), wurden von den polytechnischen Ingenieuren zur Mitte des 19. Jahrhunderts mehr und mehr auf das Territorium des entstehenden französischen Nationalstaats gelenkt. Dass diese landwirtschaftlichen Projekte erst 1860 einsetzten lässt sich auch auf das kontinuierliche Desinteresse der Finanzbeamten der Contributions indirectes zurückführen, die sich seit der napoleonischen Zeit weitgehend passiv gegenüber Reformen des Tabakanbaus verhalten hatten. Noch 1859, ein Jahr bevor die Tabakingenieure ihre Kompetenz in der Verwaltung ausbauen konnten, hatte der Pariser Direktor des Finanzministeriums berichtet, dass die „Régie […] ihrem Selbstverständnis nach nichts als ein Händler [ist,] der von Produzenten kauft, die sich wiederum den Konditionen des Anbaus und den Geheimnissen der Ernte widmen“. Auch wenn es richtig sei, wie der Direktor argumentierte, dass die „Régie für den Sektor des Tabakanbaus in Frankreich Angestellte“ beschäftige, so ­seien diese doch lediglich für „fiskalische Fragen und für die Zählung der Blätter in den Tabakfeldern verantwortlich“.38

36 Barral, Culture et monopole du tabac, S. 308. In einem anderen Artikel verwies Barral auf seine botanischen Forschungen zum Tabak: Jean-­Augustine Barral, Prémier mémoire sur le tabac, in: Comptes rendus hebdomaires des séances de l’Académie des Sciences 21 (1845), S. 1374 – 1376, hier S. 1376. 37 Jean-­Jacques Théophile Schloesing, Mémoire sur le dosage de l’ammoniaque. Détermination de cette base dans le tabac, in: Annales de chimie et Physiques 31 (1851), S. 153 – 165. 38 Allerdings zeigten die Beamten der Contributions indirectes ein gewisses Interesse an einer Verbesserung des Tabaks in den französischen Überseegebieten: Guillaume Capus/­ Fernand Leuillot/Étienne Foëx, Le Tabac. Rendement et prix de revient – fabrication – production – action physiologique – régimes fiscaux – usages, Band 3, Paris 1930, S. 77; über den Anstieg des kolonialen Interesses in den 1870er-­Jahren und die Gründe dafür: van Wickeren, The Transformation of an Ecological Policy.

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Trotz der öffentlichen Agitation der Ingenieure für eine zentralisierte Verbesserung des Tabakanbaus lässt sich bei den Finanzbeamten allenfalls ein graduelles Abrücken von dieser Position beobachten. Henri Siméon, der seit 1841 den Posten des Generaldirektors der Tabakverwaltung bekleidete, hatte kurz nach seinem Amtsantritt angekündigt, die Pariser Ingenieure gleichberechtigter an der Kontrolle und an Reformen in Handel oder Verarbeitung teilhaben zu lassen.39 Dem Aufgabenspektrum der Polytechniker, wie es ein Jahr s­ päter hieß, wurde neben der Tätigkeit in den königlichen Tabakmanufakturen auch die Kontrolle über den Anbau zugeordnet.40 Solcher graduellen Veränderungen ungeachtet, lässt sich die weiterhin skeptische Einstellung der Finanzbeamten gegenüber einer Optimierung des Tabakanbaus deutlich an der Ausbildung der polytechnischen Ingenieure ablesen. Nachdem die Schüler in der École Polytechnique mit Unterrichtsfächern wie Physik, Mathematik und, in geringerem Maße, auch Chemie in Berührung gekommen waren 41, nahmen sie an den Kursen der École impériale d’application teil, die einen Schwerpunkt auf die praktische Arbeit in den Manufakturen legten. Ein Règlement sur les fonctions des elèves de la manufacture des tabacs de Paris von 1830 zeigt anschaulich, wie der Alltag der Schüler auf die Manufakturen konzentriert wurde, ohne dass dabei die auf den Feldern stehenden Tabakpflanzen Berücksichtigung erfuhren.42 Das mehr oder weniger komplett auf die Administration der Staatsmanufakturen fokussierte Curriculum stand genauso sinnbildlich für die Unterordnung der Ingenieure unter die Beamten der Contributions indirectes wie die geringe Anzahl von ein bis drei Schülern, die die Verwaltung jährlich aus der École impériale d’application in die Verwaltung einbezog.43 Es finden sich d ­ arüber hinaus 39 Brief Henri Siméon an die Präfekten der französischen Departements, Paris, 11. Dezember 1841, ADBR, P/255, unpaginiert. 40 Brief Ministre des Finances an Général Boilleau, Commandant de l’École polytechnique, Paris, 19. April 1842, Bibliothèque centrales des Archives de l’École Polytechnique (BCAEP), Titre II, Section 3, Classement de sortie carton 6, 1838 – 1851, unpaginiert. 41 Bruno Belhoste, La formation d’une technocratie. L’École polytechnique et ses élèves de la Revolution au Second Empire, Paris 2003, S. 296 – 297. 42 Ministère de la Guerre Copie du Règlement sur les fonctions des Élèves de la manufacture des Tabacs de Paris, [ohne Ort] [1830er-­Jahre], BCAEP, Titre II Admissions, Section 3, Classement de sortie carton 5, 1818 – 1837, unpaginiert. 43 Ministère de la Guerre: Tableau du nombre d’Élèves de l’École royale polytechnqiue à admettre en 1833 dans chacun des services publics que s’alimentent à cette École, Paris,

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zahlreiche Dokumente in den archivalischen Beständen der École Polytechnique, die den hierarchischen Blick der Finanzbeamten auf die polytechnischen Schüler belegen.44 Die École impériale d’application kam erst in den späten 1850er-­Jahren langsam an die Autorität anderer technischer Schulen in Frankreich heran, die schon damals auf eine weit ins 18. Jahrhundert reichende Ausbildungstradition zurückblickten.45 Die Tatsache, dass die Tabakverwaltung polytechnische Absolventen – etwa im Vergleich zur Monopolbehörde der Ponts et Chaussée – erst relativ spät inkorporiert hatte, zeugt gleichsam von einer gewissen Sorge vor Konkurrenz. Miteinander rivalisierende Beamtengruppen waren keine Besonderheit innerhalb des französischen Staats, sondern auch in anderen Verwaltungszweigen die Regel. Lutz Raphael hat angemerkt, dass in Frankreich noch für die Mitte des 19. Jahrhunderts kaum von einem zusammenhängenden oder homogenen „Staat“ gesprochen werden kann.46 Es waren nicht zuletzt diese Konfliktstrukturen, die die Pariser Zentralverwaltung bei der Verbesserung des Tabaks lange Zeit in Passivität verharren ließen. Bis 1860 beschränkte sich die staatliche Verbesserung und Kubanisierung der Sektoren der Tabakwirtschaft in Frankreich deswegen insbesondere auf die Manufakturen. Im Zentrum stand die 1857 gegründete Manufaktur Paris-­ Reuilly, die unter Leitung des Ingenieurs Charles Rey 25 und 30 Zentimeter lange „Luxuszigarren“ herstellte, die im zeitgenössischen Zigarrenhandel geläufige Namen wie „Londre“, „trabucos“ oder „regalias de la reina“ trugen.47 Gleichzeitig wurde die Produktion von Zigarren und Kubazigarren auch in die staatlichen Manufakturen Bordeaux’, Tonneins, Toulouses sowie Straßburgs und Marseilles ausgelagert – wohl auch um die Pariser Produktionsstätten zu

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7. September 1833, BCAEP, Titre II Admissions, Section 3, Classement de sortie carton 5, 1818 – 1837, unpaginiert. Dazu etwa: Brief Directeur de l’Administration des Tabacs an Général Tholosé, Commanant de l’École polytechnique, Paris, 17. Januar 1837, BCAEP , Titre  II , Admissions, Section 3, Classement de Sortie carton 5, 1818 – 1837, unpaginiert. Belhoste, La formation d’une technocratie, S. 30 – 32. Lutz Raphael, Recht und Ordnung, Herrschaft durch Verwaltung im 19. Jahrhundert, Frankfurt am Main 2000, S. 175 – 176. Du Camp, Le Tabac, S. 203. Mit der Gründung der Manufaktur wurde, nach dem zunächst Zigarrenproduktionsstätten in Paris Gros-­Caillou und Morlaix installiert worden waren, die Herstellung an einem zentralen Ort konzentriert: Didier Nourrisson, Cigarette. Histoire d’une allumeuse, Paris 2010, S. 53.

Betrügerischer Atlantikhandel

entlasten.48 Der größte Teil der Zigarrenherstellung fand damit außerhalb des Elsass statt.49 Die Kubanisierung der französischen Tabakwirtschaft, so zeigen diese Beispiele, bezog sich unter der Ägide der Contributions indirectes auf den Verarbeitungs-, nicht aber den Anbaubereich. Die nach 1860 einsetzende Kubanisierung des nationalen Territoriums oszillierte dann z­ wischen Empfehlungen und verbindlichen Verordnungen von landwirtschaftlichem Wissen, mit dem die Tabakregionen Frankreichs an die Erfordernisse einer an der Produktion von Kubazigarren ausgerichteten Tabakwirtschaft herangeführt werden sollten.

5.2. Betrügerischer Atlantikhandel Grundsätzlich waren landwirtschaftliche Maßnahmen zur Ausweitung der Zigarrenproduktion nichts Besonderes – auch in Baden und im Elsass waren derartige Versuche zur Mitte des 19. Jahrhunderts angelaufen, die, wie in Kapitel 4 gezeigt wurde, stark auf die Kooperation in der oberrheinischen Grenzregion zum Zweck des globalen Exports zurückgingen. Das ausgeprägte Pariser Interesse an der Nachahmung der Kubazigarre wich jedoch von den oberrheinischen Praktiken ab. Das nationale Kubanisierungsprogramm in Frankreich zielte nicht auf die Produktion für den Export, wie am Oberrhein, sondern auf die Sicherstellung qualitativ hochwertiger Tabakprodukte für französische Konsumentengruppen. Die Intensität der nationalisierten landwirtschaftlichen Verbesserungsprojekte in den 1860er-­Jahren war immer auch Ausdruck einer scheinbaren Gefährdung der Konsumenten in Frankreich durch den als unsicher wahrgenommenen Handel mit Zigarren im Atlantik. Ihrem Selbstverständnis nach fungierte die Pariser Tabakverwaltung in Frankreich als Garant für die Lieferung qualitativ hochwertiger Luxuszigarren. 48 Ebd.; Fièvre, Les manufactures de tabacs, S. 103. Zur Zigarrenproduktion in der Straßburger Staatsmanufaktur in den 1850er- und 1860er-­Jahren: Gustave Fischbach, La Manufacture des tabacs de Strasbourg, Straßburg 1873, S. 35. 49 In einer Sitzung des Conseil général du Bas-­Rhin von 1856 hatte das auf landwirtschaftliche Fragen spezialisierte 3. Bureau um den Leiter und Tabakexperten François Zorn de Bulach hervorgehoben, dass elsässische Rohtabake aber in beachtlichen Maße, für die „Verwendung für Zigarren“ in Frage kommen würden: [Anonym], Tabacs. Rapport du 3e bureau, in: Conseil général du Bas-­Rhin. Session de 1856. Rapport du Préfet et Procès-­ verbal des Séances, Straßburg 1856, S. 49 – 53, hier S. 50.

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Wie der Journalist Maxime du Camp 1875 feststellte, war es eine zentrale Maxime der Pariser Behörde, „dem öffentlichen Geschmack Befriedigung“ zu bereiten.50 Französische Zigarrenkonsumenten, so Jean-­Augustin Barral, ­seien „schwierig zufrieden zu stellen“.51 „Die Feinschmeckerei, auch Großthuerei der Tabakselite, ist nicht zufrieden mit der einfachen Regiewaare“, wie der Württembergische Beobachter Julius Creizenach befand, „selbst nicht mit ihren theuren und berühmten importierten Havannahcigarren. Namentlich die pariser jeunesse dorée bedarf, wie in allen Dingen, so auch hier, der allerdings vor dem billet de banque sich beugenden Exclusivität.“ 52 Während Händler und Experten im Großherzogtum Baden gerade auf die Zigarrenabsatzmärkte europäischer Imperien und der USA blickten, sah sich die Tabakverwaltung Frankreichs bis ins späte 19. Jahrhundert in erster Linie als Dienstleister der französischen Konsumgesellschaft. Im Gegensatz zu Tabakwaren wie Schnupftabak, Scaferlaty oder auch Zigaretten, die 1843 erstmalig von der Régie fabriziert wurden, galten Havanna- oder Kubazigarren als „Luxusprodukte“, deren Preis nur für einen kleinen Teil der Bevölkerung Frankreichs bezahlbar war.53 Der besondere Stellenwert luxuriöser Tabakprodukte im Selbstbild der Pariser Tabakingenieure ging auch auf den Wahrnehmungswandel von Luxusartikeln zurück. Während der moralisierende Diskurs der Frühen Neuzeit den Luxus mehr oder weniger verdammt hatte, wurde der Begriff zunehmend von pejorativen Konnotationen gelöst, ohne dass die kritische Dimension gänzlich verschwand. Im Laufe des 19. Jahrhunderts setzte sich die Auffassung immer stärker durch, dass Luxusprodukte zentrale Erzeugnisse der französischen Wirtschaft waren und sein sollten.54 Teure Zigarren waren für die Monopolverwaltung Tabakprodukte, bei denen die Möglichkeit von Reputationsverlust und -gewinn am stärksten hervortrat. 50 du Camp, Le Tabac, S. 174. 51 Jean-­Augustine Barral, Section VIII. Tabacs, in: Michel Chevalier (Hg.), Exposition universelle de 1867 à Paris. Rapports de jury international publiés, Groupe V, Classes 41 à 43, Band 6, Paris 1868, S. 374 – 402, hier S. 374. 52 Creizenach, Die französische Tabaksregie, S. 115 – 116. 53 [Anonym], Service d’exploitation industrielle des tabacs et des allumettes. Le monopole des tabacs en France, [Paris] 1947, S. 20. 54 Jeremy Jennings, The Debate about Luxury in Eighteenth- and Nineteenth-­Century French Political Thought, in: Journal of the History of Ideas 68 (2007), S. 79 – 105, hier S. 94 und 103.

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Als Garant für den nationalen Konsumraum fühlte sich die Pariser Verwaltung kaum zuständig für Absatzmärkte außerhalb des Hexagons. Im März 1842 hatte der Madrider Unternehmer Josef Infante der Pariser Tabakverwaltung angeboten, im spanischen Teil der Insel Santo Domingo unter Mitaufsicht des französischen Staats eine „kubanische Tabakmanufaktur“ zu errichten, wie es sie, so Infante, schon als erfolgreiche Privatunternehmen im Senegal und auf Martinique gebe. Die Tabakverwaltung lehnte das Angebot ab, weil die auf Santo Domingo produzierten Kubazigarren primär in französische Überseegebiete verkauft werden sollten und die Behörde meinte, dass die Konsumenten in den Kolonien von den Unternehmern bereits mit ausreichenden Mengen beliefert werden würden.55 Solche Angebote waren angesichts der Deindustrialisierungspolitik, die europäische Kolonialmächte im 19. Jahrhundert gegenüber außereuropäischen Gebieten pflegten, sicher grundsätzlich problematisch. Die Ablehnung lässt sich in d ­ iesem Fall jedoch nicht ohne den spezifischen Fokus der Pariser Tabakingenieure auf den inländischen französischen Absatzmarkt verstehen.56 Zu dessen Schutz etablierte die Tabakrégie in Frankreich ein differenziertes System von Lizenzen und staatlichen Verkaufsstellen, mit dem nicht zuletzt die Eliten unter den Tabakrauchern vom Vertrieb der staatlichen Behörde überzeugt werden sollten. 1862 eröffnete die Tabakverwaltung unweit der Pariser Staatsmanufaktur Gros-­Caillou am Quai d’Orsay Nr. 63 ein Spezialgeschäft, in dem eine Vielzahl havannischer „cigares de luxe“ ausgestellt und dem reichen 55 Brief Ministre de Finances an Ministre des Affaires Étrangèrs, Paris, 31. März 1842, AD, 422/QO/255, unpaginiert. 56 Am Beispiel der Baumwolle: Sven Beckert, King Cotton. Eine Globalgeschichte des Kapitalismus, München 2014. Zwar wurden Zigarren und andere Tabakprodukte der französischen Tabakverwaltung wie Scaferlati oder Schnupftabak auch außerhalb Frankreichs zur Mitte des Jahrhunderts immer gefragter und hätten stärker abgesetzt werden können, wenn von den Beamten ein Nachlass bei Zöllen gewährt worden wäre. Über eigene Verkaufsstellen im Ausland, wie sie etwa die habsburgische Tabakverwaltung im preussischen Breslau unterhielt, verfügte das Tabakmonopol Frankreichs jedoch nicht, obwohl die Praktiken der habsburgischen Beamten durchaus wahrgenommen wurden. Zu den Verkaufsstellen etwa: Brief Ministre des Finances an das Ministre des Affaires ­Étrangères, Paris, 21. Dezember 1867, AD, 422/QO/267, unpaginiert; Brief Ministre des Finances an das Ministre des Affaires Étrangères, Paris, 3. Mai 1865, unpaginiert; zum staatlichen Tabakmonopol in der Habsburgermonarchie: Harald Hitz/Hugo Huber, Geschichte der österreichischen Tabakregie 1784 – 1835, Wien 1975.

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Teil der Pariser Öffentlichkeit zum Kauf zugänglich gemacht wurden.57 Ähnliche Vertriebsstellen folgten im Grand Hotel, auf dem Boulevard des Capucins und, außerhalb von Paris, in der staatlichen Tabakmanufaktur Marseilles.58 Der Klientel entsprechend ließen sich Zigarren in einem Rahmen erwerben, der strategisch auf die Sozialräume des finanzkräftigen Großbürgertums zugeschnitten war. Einfache Tabakprodukte hingegen, wie etwa Pfeifentabake, wurden zum überwiegenden Teil in Entrepôts veräußert. Außerhalb von Paris organisierten den Verkauf 365 Lagerhäuser, die ihre Ware wiederum direkt aus den französischen Staatsmanufakturen bezogen.59 Darüber hinaus waren in Frankreich sogenannte Commissaires in speziell lizensierten Bureaux de tabac für den Vertrieb von Tabak zuständig, deren Anzahl sich bis 1870 auf etwa 40.000 ausdehnte.60 Staatliche bzw. staatlich-­lizensierte Vertriebsinfrastrukturen schienen als ein wichtiges Mittel zur Eindämmung der unkontrollierten Verbreitung gefälschter Zigarren innerhalb Frankreichs. Die Zeitgenossen befürchteten, dass, wie ein anonymer Beamter sich ausdrückte, „Fälschungen, die im Allgemeinen eine sehr geringe Qualität haben, Frankreich auf dem Weg des Schmuggels erreichten“.61 Das in d ­ iesem Zusammenhang bemühte Wort „pénètre“ war einer Semantik entlehnt, die die Unkontrollierbarkeit von Staatsgrenzen hervortreten ließ und die suggerierte, dass Kontrolle und Selektion von Zigarreneinfuhren notwendigerweise verschärft werden müssten, um den Ruf der Monopolverwaltung zu ­schützen. Aus Sicht der Pariser Ingenieure war es schwierig, den Konsumraum Frankreich von solchen Produkten freizuhalten. Diese schienen nicht nur direkt aus dem Atlantikhandel, sondern auch über die innereuropäischen Handelswege nach Frankreich zu gelangen. Der Publizist

57 [Anonym], Décret C. No. 914 (755), du 9 Juill. 1863. Vente de la Havane dits prensados, et des tabacs de fantaisie de toutes espèces, in: [Anonym] (Hg.), Nouveau recueil chronologique des lois et instructions des contributions indirectes des tabacs et des octrois, II–III, Période de 1831 à 1863, [ohne Ort, ohne JahrJ], Sp. 1574 – 1575; auch abgedruckt in: [Anonym], Ministère des Finances. Direction générale des tabacs, in: Le Siécle, 27. Jahr, No. 9768, Vendredi 17 Janvier 1862. 58 Creizenach, Die französische Tabaksregie, S. 115 – 116. 59 Ebd., S. 108. 60 Ebd., S. 110. Die Departementsverwaltungen übernahmen den Verkauf in größeren Städten ab 15.000 Einwohnern. 61 [Anonym], Décret C. No. 914 (755), du 9 Juill. 1863.

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Julien Turgan kritisierte 1862 Händler aus Havanna, die Zigarren als echte kubanische Produkte ausgaben, die jedoch in Hamburg oder Nordamerika hergestellt und auf Kuba lediglich umetikettiert worden waren.62 Neben Hamburg war insbesondere Bremen den Zeitgenossen als wichtiger Knotenpunkt des karibisch-­ hanseatischen Handels mit Zigarrenfälschungen aufgefallen. In Bremen, so Barral, würden Tabakblätter aus deutschen Anbaugebieten und Ungarn zu Kubazigarren verarbeitet, die man nach Kuba verschiffte, wo sie in neue Kisten umgepackt wurden.63 Einem anderen Autor zufolge hätten Bremer und Hamburger Händler, sobald sich ein Schiff aus Kuba näherte, Kisten ihrer gefälschten Zigarren auf See unter die Ladung geschmuggelt, die dann in den Bremer und Hamburger Häfen vom Zoll als „Havannazigarren“ registriert und so unbemerkt in den Handel gelangt wären. „Aus diesen Lagern“, so ein anonymer Autor 1867, „kommt die Mehrzahl der betrügerischen Zigarren, von denen Europa derzeit überflutet wird.“ 64 Auch wenn Inés Roldán de Montaud argumentiert hat, dass man Fälle von „corruption“ und Fälschungen in der kubanischen Zigarrenwirtschaft erst ab den 1880er-­Jahren kritischer beäugte 65, so wurden Probleme in Europa schon deutlich früher wahrgenommen. Als wichtige Zentren des internationalen Tabakhandels66 schienen die Städte Hamburg und Bremen in der Wahrnehmung von Tabakingenieuren und Publi­ zisten prädestinierte Orte von Schmuggel und Betrug zu sein. In Hamburg waren schon im späten 18. Jahrhundert erste Tabakgewerbe entstanden, die Havannazigarren, -zigarillos und -zigaretten sowie Schnupftabak produzierten. Mit dem Anstieg des Zigarrenkonsums ab den 1830er-­Jahren hatten die hanseatischen Imitationsindustrien eine starke Ausdehnung erfahren. Hamburger Tabakhändler griffen jedoch schon während der Etablierung des französischen Tabakmonopols 62 Julien Turgan, La manufacture impériale des tabacs, in: Ders., Les grandes usines de France. Tableau de l’industrie française au XIXe siècle, Paris 1862, S. 209 – 256, hier S. 256. 63 Barral, L’agriculture à l’exposition, S. 83. 64 [Anonym], Falsification du tabac, in: Journal de chimie médicale, de pharmacie, de toxicologie et revue des nouvelles scientifiques nationales et étrangères 4 (1868), S. 339 – 340; ähnlich auch: P. Christian, Le Jungfern-­Stieg du Hambourg, in: Revue du Nord 1 (1838), S. 126 – 144, hier S. 126 – 127. 65 Inés Roldán de Montaud, Spanish Fiscal Policies and Cuban Tobacco during the Nineteenth Century, in: Cuban Studies 33 (2002), S. 48 – 70, hier S. 55 – 56. 66 Michiel Baud, German Trade in the Caribbean. The Case of Dominican Tobacco, 1844 – 1940, in: Jahrbuch für Geschichte Lateinamerikas/Anuario de Historia de América Latina 25 (1988), S. 83 – 115, hier S. 86.

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1810/11 auf Rohtabak aus Puerto Rico, Cuba, Virginia sowie Anbaugebieten in Jutland und Mecklenburg im dänischen Gesamtstaat zurück und verkauften die Imitate entlang der Elbe und des Rheins.67 Wie französische Beobachter feststellten, zielten die aus den Hansestädten stammenden Imitate weniger auf die Kopie des Geschmacks oder des Geruchs kubanischer Zigarren, sondern perfektionierten das Nachahmen der Verpackung, des Designs und Aufschriften. Barral warnte vor Produkten, die echten Havanna­ zigarren optisch verblüffend ähnelten.68 Fälschende Unternehmen waren aus der Sicht von Pariser Gelehrten erfolgreich, weil sie Authentizität suggerierten; Bremer und Hamburger Zigarrenfabrikanten gaben ihren Produkten kubanische Namen.69 Dass gerade die Optik der Zigarrenverpackung zu einem entscheidenden Merkmal für die Fälschungsindustrie wurde, lag auch an verbesserten und verbilligten Drucktechniken. Die im frühen 19. Jahrhundert bekannt gewordene Lithographie diente Fabrikanten dazu, Fälschungen und Orginale von Zigarren und Zigarrenhüllen mit Illustrationen zu versehen.70 Französische Konsumenten schienen jedoch nicht nur durch in Europa gefälschte, sondern auch durch verseuchte Zigarren aus den europäischen Kolonien bedroht.71 1833 hatte Mateu Josep Bonaventura Orfila i Rotger, ein Mediziner aus den Reihen der Faculté de Médecine de Paris 72, in einer Schrift zu den Détails sur l’épidémie de la Havane et les dangers de fumer les cigares de cette colonie espagnole einen Zusammenhang ­zwischen dem Import von Zigarren aus Havanna und den in der kubanischen Stadt in den 1830er-­Jahren grassierenden Seuchen hergestellt. Diese war stark von der zeitgenössischen Miasmentheorie beeinflusst, die bis weit ins 19. Jahrhundert ‚schlechten Lüften‘ eine Rolle bei der Übertragung von Krankheiten zuwies und neben Konzepten existierte, die Erreger wie Bakterien verantwortlich machten. Schon der Titel 67 Mary Lindemann, Patriots and Paupers. Hamburg, 1712 – 1830, Oxford (u. a.) 1990, S. 43 – 44. 68 Barral, L’agriculture à l’exposition universelle, S. 83. 69 Diese Namen umfassten etwa „régalias, impériales, trabacos, panatellas, etc“: [Anonym], Falsification du tabac, S. 339. 70 Am Beispiel kubanischer Fabrikanten: Joan Casanovas, Bread, or Bullets! Urban Labor and Spanish Colonialism in Cuba, 1850 – 1898, Pittsburgh 1998, S. 31. 71 Zum folgenden Abschnitt auch: van Wickeren, Territorializing Atlantic Knowledge. 72 José Ramón Bertomeu-­Sánchez/Agustí Nieto-­Galan, Introduction, in: Dies. (Hg.) Chemistry, Medicine, and Crime. Mateu J. B. Orfila (1787 – 1853) and his Times, Sagamore Beach 2006, S. IX–XXV, hier S. IX.

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hob das Ansteckungspotential in den Tabakfabriken Havannas hervor. Ein Großteil der kubanischen Bevölkerung, so Orfilla, habe sich durch die „Macht und Gewalt der Miasmen“ mit Krankheiten wie der „Pest“, dem „Gelbfieber“ oder dem „Typhus“ angesteckt. Viele dieser Menschen s­ eien in die Fabrikation der Zigarren eingebunden und da viele der Fabrikarbeiter mit den „Epidemien“ in Kontakt gekommen s­ eien, steige die Wahrscheinlichkeit, dass die von ihnen angefertigten Zigarren zu Übertragungsherden würden, durch die sich Kubas Seuchen in Frankreich verbreiteten.73 Orfilas Schrift zeugt von einem wachsenden Bewusstsein für die Verbindung von Krankheitsübermittlung und globalen Handelsbeziehungen, das auch im Rahmen der Maßnahmen zur Eindämmung der Choleraepidemien in den 1830er-­ Jahren eine Rolle spielte.74 Obwohl das kleine Buch keinen direkten Einblick in die Sorgenwelt der Pariser Ingenieure bietet, handelte es sich bei dem Autor doch um einen gegen Mitte des 19. Jahrhunderts überaus öffentlichkeitswirksamen Mediziner, der in Bereichen wie Toxikologie und chemischer Medizin zu den prominentesten Vertretern in Frankreich gehörte.75 Orfilas Bedrohungsszenario einer steigenden Verwundbarkeit bürgerlicher Eliten dürfte in den Pariser Gelehrtenkreisen auf breite Resonanz gestoßen sein. Schließlich stellten auch unlautere Beimischungen zu Kubazigarren die Fähigkeiten der Pariser Tabakrégie als Garant für Qualität und Sicherheit von Tabakprodukten in Frage. Barral kam in einem Beitrag für die Presse scientifique des deux-­mondes von 1864 ausführlich auf die Frage zu sprechen, ob kubanische Fabrikanten und Händler Opium in die Luxuszigarren aus Havanna mischten, um deren Geschmack zu beeinflussen. Publizisten hätten behauptet, so Barral, dass die Hersteller des besten Tabaks in Havanna bis zu 20.000 Dollar im Jahr für Opiumbeimischungen ausgaben. Das Opium, und nicht der Tabak selbst, sei von Journalisten zum wichtigsten Agens des „leichten Rauchens“ sowie 73 [Mateu Josep Bonaventura] Orfilla [i Rotger], Détails sur l’épidémie de la Havane et les dangers de fumer les cigares de cette colonie espagnole, [ohne Ort] 1833, unpaginiert. 74 David Igler, Diseased Goods. Global Exchanges in the Eastern Pacific Basin, 1770 – 1850, in: American Historical Review 109 (2004), S. 693 – 7 19; Katherine Arner, Making Global Commerce into International Health Diplomacy. Consuls and Disease Control in the Age of Revolutions, in: Journal of World History 24 (2013), S. 771 – 796; die Akten in AN, F/12/7073 zeigen, dass französische Konsuln die Verbindung von Epidemien und Handel auch über den Tabak hinaus im Blick hatten. 75 Bertomeu-­Sánchez/Nieto-­Galan, Introduction, S. IX.

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„wohlriechenden Aromas“ erklärt worden.76 Abgesehen von den Geschmackverfälschungen von Zigarren evozierte der Begriff Opium bei den Zeitgenossen vor allem diffuse Vorstellungen. Zwar war die Substanz zu Beginn des Jahrhunderts ein in Europa verbreitetes Beruhigungs- und Schmerzmittel, das in vielen Hausapotheken, insbesondere unterer Schichten, zu finden war. Mit der medialen Aufmerksamkeit, die das ‚Opiumproblem‘ Chinas in der Mitte des 19. Jahrhunderts im ­Zeichen der Opiumkriege bekommen hatte, änderten sich jedoch die Einschätzungen. Zahlreiche Anti-­Opium-­Kampagnen bis zum E ­ rsten Weltkrieg 77 erreichten, dass Opium zunehmend pathologisiert wurde. Vor ­diesem Hintergrund wurde auch die Repräsentativität auf Weltausstellungen präsentierter Zigarren für die im eigentlichen Handel zirkulierenden Produkte mehr und mehr angezweifelt. Der spanische Gelehrte Ramón de la Sagra etwa, der für das Pariser Ministère du Commerce et Agriculture einen Bericht über die Weltausstellung von 1855 angefertigt hatte, meinte, dass die auf Ausstellungen gezeigten „exzellenten Zigarren“ extrem rar im Handel ­seien.78 Solche Beobachtungen überlagerten sich mit einem kritischen Blick auf die Tabakhändler und -fabrikanten des spanischen Kubas. Der französische Südamerikareisende Alcide d’Orbigny sah die kubanische Tabakproduktion und den Handel schlicht gefangen in den „Händen von Betrügern“.79 Eugène Rolland nannte diese eine „kleine Anzahl großer Kapitalisten“, denen die Lieferung von Tabak übertragen worden sei und die auf den Handel ein wahres Monopol hätten.80 Tatsächlich hatte sich die Anzahl der in wenigen Händen konzentrierten Tabakfabriken auf Kuba ­zwischen 1836 und 1861 von 306 auf mehr als 550 erhöht.81 76 Dr. H. Olivier, [Kurzer, unbetitelter Kommentar zur Barral], in: Revue de thérapeutique medico-­chirugicale [kein Band angegeben] 1864, S. 592. 77 Wolfgang Schivelbusch, Das Paradies, der Geschmack und die Vernunft. Eine Geschichte der Genußmittel, München (u. a.) 1980, S. 217 – 226. 78 Ramón de la Sagra, Études Hispano-­Américaines, IIe Article, Le tabac de l’île de Cuba, in: Annales de la Société universelle pour l’encouragment des arts et de l’industrie 6 (1856), S. 91 – 93, hier S. 93. 79 Alcide d’Orbigny, Voyage pittoresque dans les deux amériques. Résumé général de tous les voyages […], Paris 1841, S. 11; zu d’Orbigny: Carlos Antonio Carrasco, Alcide ­d’Orbigny. Le grand voyageur inspiré, in: Mondes et Cultures 61 (2001), S. 254 – 264. 80 Eugène Rolland, Réfutation de la brochure de M. le Baron de Janzé intitulé les finances & le monopole du tabac, Paris 1869, S. 84. 81 Raúl Martell Álvarez/Manuel Torres Gemeil/Matthias Franz, El Tabaco Cubano y los Alemanes/Der Kubanische Tabak und die Deutschen, Kirchheim 2013, S. 20 und 25.

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Ein anonymer Autor wies 1858 darauf hin, dass die Fabrikanten im Zuge der Ausdehnung der Zigarrenproduktion Tabakblätter aus anderen Teilen Südamerikas als Füllmaterial der Zigarren verwendet hätten, weil die im Vuelta Abajo produzierten Mengen nicht die Nachfrage in Europa und Nordamerika deckten.82 Die pejorative Bezeichnung „Kapitalist“ lässt sich als Anklage einer moralischen Verfehlung lesen, die dem Begriff seit der Frühen Neuzeit anhaftete 83 und mit dem Aufkommen eines Weltmarkts zur Mitte des 19. Jahrhunderts aktualisiert wurde. Die angenommene Korrumpierbarkeit kubanischer Tabakhändler war für viele Autoren in Frankreich eine Konsequenz der Abschaffung des staatlichen Tabakmonopols in Kuba durch die spanische Krone, mit der 1817 eine Ära nahezu ungetrübter Qualitätsproduktion untergegangen zu sein schien. Nach der Abschaffung des Monopols hatte sich die private Tabakwirtschaft Kubas durch einsetzende Kapitalinvestitionen aus Großbritannien, den deutschen Staaten, Frankreich und Spanien ausgedehnt.84 Pariser Tabakingenieure gingen davon aus, dass die Qualitäts- und Moralstandards unter dem 1817 in Kuba abgeschafften Monopol der spanischen Krone höher gewesen waren.85 Zwar hatte die spanische Krone seit dem späten 18. Jahrhundert tatsächlich zu verhindern versucht, dass etwa der Abwiegepreis bei der Verarbeitung in den Manufakturen durch die Beimischung von Tabakblättern billigerer Qualität oder Erden beeinflusst werden konnte. Die neuere Forschung hat jedoch gezeigt, dass es weiterhin vielfältige Fälle von Verunreinigung in der Produktion des vormaligen spanischen Staatsmonopols gab.86 Während sich in Kreisen der Tabakverwaltung dennoch der Mythos einer auf Qualität und Echtheit bedachten Staatsproduktion hartnäckig hielt, verdichtete sich das Bild einer privaten Zigarrenindustrie Kubas, die für die Zeitgenossen in Europa essentielle Standards vernachlässigte. 82 [Anonym], Les colonies et le tabac, in: Revue coloniale. Deuxième Série 20 (1858), S. 874 – 896, hier S. 893. 83 Lucian Hölscher/Marie-­Elisabeth Hilger, Art. Kapital, Kapitalist, Kapitalismus, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-­sozialen Sprache in Deutschland 3 (1982), S. 399 – 454. 84 Stubbs, El Habano and the World, S. 41. 85 [Anonym], Les colonies et le tabac, S. 893. 86 Nater, Colonial Tobacco, S. 102; zu den Diskussionen um Verunreinigungen: Charlotte Cosner, The Golden Leaf. How Tobacco Shaped Cuba and the Atlantic World, Nashville 2015, S. 18.

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Das Urteil über die private Tabakwirtschaft Kubas war jedoch keineswegs so eindeutig, wie die obigen Aussagen suggerieren. Barral verteidigte kubanische Produzenten indirekt gegen Redaktionen verschiedener französischer Journale, die mit den Verweisen auf den Opiummissbrauch seiner Meinung nach Gefahr liefen, „Vorurteile“ über kubanische Zigarren in die Welt zu setzen. Ähnliche Behauptungen waren ihm zufolge schon in den frühen 1840er-­ Jahren gegen Zigarren aus dem philippinischen Manila angeführt worden.87 Für Barral waren ­solche Befürchtungen unbegründet. Seine chemische Analyse hatte ergeben, dass sich weder in Manila noch in Havanna Spuren von Opium im Tabak nachweisen ließen. Auch Jean-­Jacques Théophile ­Schloesing betonte die „supériorité“ der in Havanna fabrizierten Zigarren und das „öffentliche Ansehen“ kubanischer Tabakproduzenten.88 Schloesing schloss von den auf der Pariser Weltausstellung 1855 vertretenen Fabrikanten, wie etwa die Firma H. Upmann y Compañía 89, auf die breite Masse von Unternehmern in der spanischen Kolonie. Die ambivalente Einschätzung der Glaubwürdigkeit des Handels führte dazu, dass die Pariser Zentralverwaltung ihre Vorsichtsmaßnahmen für die Ankäufe im atlantischen Handel ausweitete. Unter Leitung des Ingenieurs Eugène Goupil wurden 1862 Absolventen der École Polytechnique in Havanna fest stationiert und dazu angehalten, qualitativ besonders hochwertiges Zigarrenmaterial zu selektieren. Rohtabake und verarbeitete Zigarren wurden in der Station der französischen Régie optisch anhand von Mustertypen und durch Rauchproben begutachtet; als hochwertig klassifizierte Produkte in Zinkboxen verpackt und nach Frankreich versandt.90 Die permanente Handelsstation wurde von der Tabakbehörde zusammen mit dem französischen Generalkonsulat für das spanische Imperium organisiert.91 87 Olivier, [Kurzer, unbetitelter Kommentar zur Barral], S. 592. 88 Jean-­Jacques Théophile Schloesing, Tabacs fabriqués, in: Exposition universelle de 1855. Rapports du jury international publiés sous la direction de S. A. I. le Prince Napoléon, Band 1, Paris 1856, S. 609 – 610; auch Jean-­Augustine Barral hatte in einem Kommentar zur Pariser Weltausstellung im Jahr 1867 betont, dass die Stadt Havanna die besten Zigarren fabriziere: Jean-­Augustine Barral, L’agriculture à l’exposition universelle de 1867, in: Évariste Thévenin (Hg.), Entretiens populaires, Paris 1868, S. 29 – 97, hier S. 83. 89 Zu dieser: Álvarez/Gemeil/Franz, El Tabaco Cubano, S. 20 und 25. 90 [Anonym], Enquête parlamentaire, S. 80 – 81. 91 Barral, Section VIII. Tabacs, S. 379 – 380; Rolland, Réfutation, S. 89 – 90.

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Zigarren exzellenter kubanischer Qualität ließ die Pariser Zentralverwaltung jedoch nicht nur in Kuba, sondern auch in anderen Regionen Nord- und Südamerikas sowie Europas suchen. Pariser Tabakbeamte schickten Agenten von 1838 bis 1840 nach Ungarn, von 1845 bis 1847 nach Havanna, Paraguay und in die Vereinigten Staaten von Amerika, 1855 wieder nach Havanna, Brasilien und Paraguay sowie 1859 in die Autonomiegebiete Fiumes in Ungarn 92, um die Umstände und Möglichkeiten von Tabakankäufen auszukundschaften. Es war eine Mischung aus diesen handelspolitischen Entdeckungsreisen und einer graduellen Öffnung für den globalen Freihandel, die vor allem Paraguay als mögliches ‚zweites Kuba‘ in den Blick der Pariser Verwaltung rückte. Die 1844 begonnene Paraguay-­Mission des Geographen Alfred Demersay war vom Pariser Ministère des Instruction publique und der Tabakverwaltung explizit als Teilprojekt der Suche nach Zigarren kubanischer Qualität konzipiert worden. Dies belegen die Instruktionen für Demersays Reise, die Pariser Beamte anhand der Vorlage von Charles Reys Mission zur Erkundung des kubanischen Tabakanbaus erstellt hatten.93 Schon in den 1830er-­Jahren hatten europaweit bekannte Autoren wie Johann Rudolf Rengger oder Aimé Bonpland in ihren Reiseberichten Vergleiche z­ wischen dem Tabakanbau und der -fabrikation Paraguays und Kubas aufgestellt.94 Nach dem Ende der Isolierungspolitik der Regierung José Gaspar Tomás Rodríguez de Francias 1840 schuf der Staat Paraguay dann neue Möglichkeiten für ausländische Händler zum Ankauf von Rohtabaken aus dem Río de la Plata. Die britisch-­ französische Blockade von Buenos Aires, 1845 bis 1847, und die darauffolgende Abschaffung argentinischer Exportzölle beschleunigten die Durchsetzung 92 Ebd., S. 89; Service d’exploitation industrielle des tabacs et des allumettes, Le monopole des tabacs, S. 20: dem Autor nach gab es auch eine „Informationsmission“ ins Osmanische Reich. 93 Der Name Demersays ist auf dem Titelblatt des Abschnitts eingefügt, der die Dokumente zu Charles Reys Reise nach Kuba und in die USA von 1845 bis 1847 enthält: Instruction d’une Mission de l’administration des tabacs, aux États-­Unis et à la Havane, [ohne Ort], 20. April 1844, AN, F/12/2588, unpaginiert; zu der eigentlichen Mission von Demersay: Brief Ministère des Finances an Ministre de l’Instruction Publique, Paris, 30. August 1848, AN, F/17/2954, unpaginiert; Alfred Demersay, Du tabac au Paraguay. Culture, consommation et commerce. Avec une lettre sur l’introduction du tabac en France par M. ­Ferdinand Denis, Paris 1851. 94 Johann Rudolf Rengger, Reise nach Paraguay, Aarau 1835; mit Verweis auf die genannten Autoren: Demersay, Du tabac au Paraguay, S. 13 und 21.

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des Freihandels im Río de la Plata und lieferten der Tabakverwaltung weitere Argumente, um Tabakagenten wie Demersay zur Erkundung in das Hinterland Paraguays zu senden.95 Temporäre und permanente Missionen waren Maßnahmen zur Umgehung von Zwischenhändlern, denen immer auch eine machtpolitische Dimension innewohnte. „Ihre Herkunft [die der Zigarren, AvW],“ so fasste Rolland den neuen Zugriff Frankreichs auf Kuba 1869 in einem Satz zusammen, „hätte nicht kontrolliert werden können, wenn wir keine technischen Agenten in Havanna stationiert hätten.“ 96 Die Tabakagenten der Missionen und die Etablierung direkter Handelsbeziehungen lassen sich als Teil der Bemühungen um informelle Kontrolle ausländischer Märkte verstehen, die eine wichtige Dimension des französischen Imperialismus im 19. Jahrhundert darstellte. Beamte und Beauftragte der Pariser Tabakbehörde waren Teil der französischen Händler, Staatsbeamten, Zollagenten oder Intellektuellen, deren Ziel es war, Frankreichs handelspolitischen Einfluss in der Welt zu behaupten.97 Der Abschnitt zeigt jedoch auch, dass der atlantische Zigarrenhandel zur Mitte des 19. Jahrhunderts keineswegs komplett kontrollierbar schien. Pläne zur Importsubstitution und die beginnenden landwirtschaftlichen Projekte waren vielmehr auch Antworten auf ein latentes Krisenbewusstsein der Ingenieure um die Unwägbarkeiten des Atlantikhandels. Die Angst vor Reputationsverlust bei den bürgerlichen Zigarrenrauchern Frankreichs trug dazu bei, dass sich in den 1860er-­Jahren, als die Pariser Tabakingenieure schlagartig mit einer neuen Kompetenzfülle in der Verwaltung konfrontiert wurden, ein nationales Importsubstitutionsprogramm entfaltete, das Frankreich von den als unsicher geltenden Handelswelten unabhängiger machen sollte.

95 Lateinamerikanische Staaten rückten seit ihrer Unabhängigkeit in das ökonomische Inte­ ressens- und militärische Aktionsfeld Frankreichs: Jürgen Schneider, Frankreich und die Unabhängigkeit Spanisch-­Amerikas. Zum französischen Handel mit den entstehenden Nationalstaaten (1810 – 1850), Band 1, Stuttgart 1981. 96 Rolland, Réfutation, S. 87. 97 David Todd, A French Imperial Meridian, 1814 – 1870, in: Past & Present 210 (2011), S. 155 – 186, hier S. 160.

Chemie und Produktqualitäten

5.3. Chemie und Produktqualitäten Richtet man einen genaueren Blick auf die Inhalte des Pariser Kubanisierungsprogramms, dann zeigt sich dabei eindrücklich, wie spezifisch die schon in Kapitel 3 und 4 diskutierte Durchsetzung agrikulturchemischer Methoden in der Tabakforschung während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts an die Konsumanforderungen und -erwartungen angepasst wurde, die Zeitgenossen mit kubanischen Zigarren verbanden. Agrikulturchemische Annahmen hatten in den landwirtschaftlichen Verbesserungsprogrammen der Pariser Ingenieure nur Geltung, wenn sie sich mit zeitgenössischen Vorstellungen einer idealtypischen Kubazigarre vereinen ließen. In der Zentralverwaltung des französischen Tabakmonopols waren diese recht klar definiert. Eugène Rolland hob Kriterien wie „fein, leicht und brennbar“ als die drei wichtigsten Eigenschaften hervor.98 Jean-­Jacques Théophile Schloesing verwies auch auf die Notwendigkeit einer „perfekten Verarbeitung“ und betonte die von Konsumenten bei Zigarren geschätzte Eigenschaft, sich regelmäßig rauchen zu lassen.99 Unter allen diesen Bedingungen nahm die Kategorie „Brennbarkeit“ jedoch den höchsten Stellenwert ein.100 Das zeigte sich daran, dass die Experten für die Produktion besonders brennbarer Zigarren genau eine ­Substanz in der Tabakpflanze verantwortlich machten. Brennbarkeit war für Schloesing von dem Gehalt an „Pottasche“ abhängig, die sich durch die Analyse der Aschen von Tabakpflanzen nachweisen ließ.101 Pottasche wurde von Seiten der Ingenieure als der zur Erzeugung von Zigarren mit kubanischen Qualitätseigenschaften zentrale Stoff inszeniert. Dieser Fokus entsprach dem Hype, den Agrikulturchemiker um die Bedeutung von Mineralien, wie der Pottasche, für das Wachstum von Pflanzen entfacht hatten. Während sich seit den 1820er-­Jahren das sogenannte Gesetz 98 Brief Rolland an Préfet du Département du Bas-­Rhin, Paris, 23. Juli 1862, ADBR, 11/M/195, unpaginiert. 99 Schloesing, Tabacs fabriqué. 100 Für den Pariser Chemiker stand die „Brennbarkeit“ der Zigarren noch vor anderen Eigenschaften, obwohl er den Begriff der Brennbarkeit mit der Umschreibung „Behalten des Feuers“ nur unscharf einkreiste: Schloesing, Le Tabac, S. 2 – 3. 101 Jean-­Jacques-­Théophile Schloesing, Notice sur les travaux scientifiques de M. Th. ­Schloesing, Paris 1871, Archives de l’Académie des Sciences (AAS), Dossier personnel de Jean-­Jacques-­ Théophile Schloesing (1824 – 1919), [keine Signatur des Nachlasses vorhanden], S. 22.

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von Minimum durchsetzte, nach dem für das Wachstum von Pflanzen rund 12 Substanzen notwendig waren 102, hatten in den zwei Jahrzehnten um die Jahrhundertmitte Chemiker wie Anselm Payen in Frankreich oder Justus Liebig in den deutschen Staaten das Pflanzenwachstum reduktionistisch auf Mineralstoffe verengt.103 Deren Theorien zielten jedoch primär auf die Frage, ­welche Zufuhr von Stoffen zur quantitativen Steigerung der Landwirtschaft führten. Die Pariser Ingenieure erweiterten diese Perspektive, indem sie Mineralien wie Pottasche nicht nur in ihrer Rolle als Wachstumsbeschleuniger analysierten, sondern deren Bedeutung für die Qualität des aus den Pflanzen verarbeiteten Produktes in den Blick nahmen. Der besondere Fokus auf die Pottasche als qualitätsfördernde Substanz war somit in gewisser Weise ein Vexierbild der zur Mitte des 19. Jahrhunderts boomenden agrarwissenschaftlichen Theorien über Mineralien. Um den Anteil an Pottasche in den Tabakpflanzen zu erhöhen, sollten französische Landwirte auf Praktiken der sogenannten Gründüngung zurückgreifen 104, wie sie auf Kuba gebräuchlich und auch für Frankreich geeignet wären. Zwar betonte Schloesing auch, dass er bei seinen Forschungen in den Experimentalgärten in Paris-­Boulogne diverse „pottaschehaltige Dünger“ verwendet hatte, von denen – mit Ausnahme des Chlorids – alle auch eine besondere Wirkung auf die Mengen der Ernten ausgezeichnet hatte.105 Rolland schrieb im Februar 1861 in einem Brief an die Departements, dass Pottaschedüngung jedoch vor allem auf „verrottete[n] Pflanzen“ 106 und fermentiertem Laub basieren sollte. Das war eine nicht zuletzt preisgünstige Empfehlung, weil französische Landwirte eine Vielzahl von Pflanzen verwenden konnten.107

102 Ursula Schling-­Brodersen, Entwicklung und Institutionalisierung der Agrikulturchemie im 19. Jahrhundert. Liebig und die landwirtschaftlichen Versuchsstationen, Braunschweig 1989, S. 40 – 44. 103 Jakob Vogel, Ein schillerndes Kristall. Eine Wissensgeschichte des Salzes ­zwischen Früher Neuzeit und Moderne, Köln (u. a.) 2008, S. 360. 104 Brief Rolland an den Inspecteur de la culture à Colmar, Paris, 16. August 1866, ADHR, 4/P/211, unpaginiert. 105 Schloesing, Notice sur les travaux, S. 25. 106 Brief Rolland an den Directeur de la Culture et de Magasins in Vesoul, Paris, 26. Februar 1861, ADHR, 4/P/208, unpaginiert. 107 Brief Rolland an die französischen Departements, Paris, 10. Februar 1864, ADHR, 4/P/209, unpaginiert; auch Schloesing, Le Tabac, S. 23 – 24.

Chemie und Produktqualitäten

Dies unterschied sich von Empfehlungen zur Zufuhr von Pottasche, die Agrikulturchemiker ansonsten vertraten. Liebig etwa hatte zunächst Stoffe wie Abfallsalze aus dem Betrieb von Salinen und traditionell genutzte Holzasche in seinen Schriften hervorgehoben.108 Seit den 1860er-­Jahren verwies der Gießener Chemiker jedoch auf die sogenannten Kalisalze, die bei den Förderungen im mitteldeutschen Staßfurt abgebaut worden waren – ich komme darauf in Kapitel 6 ausführlicher zu sprechen. In Frankreich hingegen vertrat beispielsweise Payen eine abstraktere ­Theorie von Pottaschezufuhr, die weniger einzelne konkrete Düngematerialien identifizierte, sondern vor allem die Notwendigkeit von Kalium-­Verbindungen für das Pflanzenwachstum betonte.109 Im Gegensatz zu vergleichsweise teuren Kalisalzen preußischer Experten schienen die von der Pariser Tabakverwaltung vertretenen preisgünstiger, im Vergleich zu den Angaben der französischen Chemiker deutlich konkreter. Idealtypische Kubazigarren sollten aus Sicht der Pariser Ingenieure nicht nur durch die Zufuhr bestimmter Stoffe in den französischen Tabakanbau, sondern auch durch deren Reduzierung gewährleistet werden. Schloesing etwa hatte schon in den 1840er-­Jahren in mehreren Artikeln herausgearbeitet, dass die meistgesuchten Tabake wenig Nikotin enthielten.110 Kubanische Zigarren wiesen in seinen Analysen weniger Nikotin auf als die meisten Rohtabake Frankreichs.111 Französische Chemiker hatten seit der napoleonischen Zeit vor allem diskutiert, ob sich im Nikotin eine Art Wesensmerkmal des Tabaks ausmachen lasse – durchaus im Sinne einer chemisch orientierten Botanik (Kapitel 3). Als „Essenz des Tabaks“ war der Stoff von Experten aus den Reihen der École Polytechnique, vor allem durch den Chemiker Nicolas Vauquelin stärker theoretisiert worden.112 Die Forschung der Pariser Ingenieure zur Jahrhundertmitte 108 Vogel, Ein schillerndes Kristall, S. 348 und 361. 109 Ebd., S. 371. 110 Conservatoire national des arts & métiers, Extrait du rapport de la commission chargée d’examiner les titres des candidats à la chaire de chimie agricole et analyse chimique. Notices sur les travaux de M. Schloesing [undatiert, anscheinend aus den späten 1870er-­ Jahren], AAS , Dossier personnel de Jean-­Jacques-­Théophile Schloesing (1824 – 1919), [keine Signatur des Nachlasses vorhanden], unpaginiert. 111 Laurent, Les Manufactures de l’État, in: Anonym (Hg.), École polytechnique. Livre du Centenaire 1794 – 1894, Band 3: Service civils et carrières diverses, Paris 1897, S. 261 – 279, hier S. 272 – 273. 112 Paul Koenig, Die Entdeckung des reinen Nikotins im Jahre 1828 durch Reimann und ­Posselt mit einer Beschreibung ihrer Vorläufer und mit Abbildungen, Bremen 1940, S. 11 – 12.

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bedeutete eine graduelle Neuinterpretation der Theorien zum Nikotin in den Tabakpflanzen, das nun weniger als Marker der Tabakspezies, sondern vielmehr als zentrale Einflussgröße für Konsumeigenschaften verstanden wurde. Chemische Methoden wurden zu Identifizierungsmethoden für Substanzen, die bei der Erzeugung von Kubazigarren reduziert werden sollten. Die Reduktion von Nikotin setzte im Bereich der Weiterverarbeitung der Rohtabake in den staatlichen Tabakmanufakturen der französischen Régie an. Eine Möglichkeit wurde darin gesehen, den Nikotingehalt während der Verarbeitung durch die Mischung von stärker nikotinhaltigen und weniger belasteten Tabakblättern zu senken.113 Daneben wurde das Nikotin durch die Hinzufügung von Pottasche aus den Rohtabaken herausgewaschen.114 Schließlich versuchten die Ingenieure, den Nikotingehalt über die Fermentation des Tabaks in den Manufakturen zu reduzieren. In der 1857 speziell für die Herstellung kubanischer Luxuszigarren errichteten Manufaktur Paris-­Reuilly lag ein besonderes Augenmerk auf der Reproduktion der Durchschnittstemperatur Havannas in einer extra angelegten Kammer:115 Die Temperatur ist [dort, AvW] unveränderbar auf 25 bis 30 Grad fixiert; darüber hinaus erzeugt ein Dampfbläser, den man manuell regeln kann, die präzise Quantität an notwendiger Feuchtigkeit. […] Sobald diese Art der havannischen Fermentation vollendet ist, werden die Blätter getrocknet und, ganz nach dem Bedarf der einzelnen Abteilungen, in die Ateliers abgeliefert.116

Letztlich waren es jedoch vor allem die landwirtschaftlichen Prozesse, mit denen die Produktion von Nikotin minimiert werden sollte. Jean-­Augustin Barral

113 AAS, Conservatoire national des arts & métiers, S. 10. 114 Barral, Prémier mémoire sur le tabac, S. 1376. 115 Extraits des résondes des M. Rey, ancien Directeur de la Manufacture de Cigares-­Havane, à Paris (Reuilly) au questionnaire de la Commission d’enquête sur l’explotation du Monopole des tabacs et des poudres, [o. O., o. J], AN, C/3082, S. 83 116 „Man braucht eine Lampe, um sich in dieser Kammer zu orientieren, da die dortige Dunkelheit vollkommen ist, weil man erkannt hat, dass das Tageslicht sich schädlich auf den Tabak auswirkt und dass der direkte Sonnenschein sogar tödlich für den Tabak sein kann“ Du Camp, Le Tabac, S. 169 – 223; zu der Kammer auch: Emmanuel Ratoin, Comment on fait un cigar, in: Le Magasin pittoresque, 60 (1896), S. 364 – 367, 382 – 393, 394 – 398, hier S. 383.

Chemie und Produktqualitäten

zufolge konnten die Qualitätskriterien exquisiter Kubazigarren nur erfüllt werden, wenn diese „nicht stark ammoniakhaltig“ waren.117 Das Vorkommen von Ammoniak wiederum schien eng mit der Zufuhr von Stickstoff verbunden. Stickstoffhaltige Dünger wurden als Hauptverursacher vermehrten Nikotingehalts vermutet.118 Zwar gestand Rolland, dass es für die Ingenieure weiterhin unklar sei, ­welchen genauen Einfluss ein stark stickstoffhaltiger Boden auf den Gehalt von Nikotin in der Tabakpflanze hatte.119 Es zeigt sich in solchen Kommentaren dennoch eindrücklich, dass sich der agrikulturchemische Blick der Forscher mit dem vermehrten Aufkommen der Zigarrenproduktion gewandelt hatte. Während Reformer wie Cadet de Vaux oder Hermbstädt im Stickstoff um 1800 noch lediglich einen Wachstumsbeschleuniger für die Produktion von Schnupf- und Rauchtabaken gesehen hatten (Kapitel 3), so gewann angesichts der Zunahme des Zigarrenkonsums eine Neujustierung des Blicks an Gewicht, dank der die Experten sensibler für die geschmacklichen Einflüsse des Stickstoffs wurden. Der stärkere Fokus auf die Effekte von Stickstoff bzw. Ammoniak für den Konsum von Tabak war auch eine Reaktion auf den Hype, der zur Mitte des 19. Jahrhunderts mit bestimmten stickstoffhaltigen Düngemitteln verbunden wurde. Für die Pariser Ingenieure war Kuba das beste Beispiel für deren schädlichen Einfluss: Solange der Konsum [von Zigarren, AvW] unter einer gewissen Grenze geblieben war, hat der fruchtbare Boden dieser Region, [des kubanischen Vuelta-­Abajos, AvW] ohne Düngung stetig genügend ansteigende Erntemengen zugelassen. […] Jedoch macht man jetzt Gebrauch von hochenergetischen Düngern, von Guano und menschlichen Fäkalien. Das Resultat d ­ ieses intensivierten Anbaus war für die kubanischen Landwirte zufriedenstellend, die dadurch Gewinne eingefahren haben. Für die Raucher hingegen, die das gesuchte Aroma verschwinden sahen, war dies bedauerlich. Heutzutage hat der havannische Tabak, von einer kleinen Anzahl von crus privilégiés abgesehen, an Qualität verloren.120

117 Barral, Tabac en feuilles, S. 16. 118 Laurent, Les Manufactures de l’État, S. 272 – 273. 119 Brief Rolland an die französischen Departements, Paris, 4. Mai 1861, ADBR , 4/P/208, unpaginiert. 120 [Anonym], Enquête parlamentaire, S. 80 – 81; ähnlich auch Turgan, La manufacture impériale, S. 256. Für Schloesing waren allerdings unterschiedliche Facetten des Anbaus, wie

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Die Ingenieure wichen damit überaus stark von jenen Agrikulturchemikern ab, die den sogenannten Guano, Exkremente peruanischer Seevögel, als Stickstoffquelle ausgemacht und empfohlen hatten.121 George Todd Cushman spricht in ­diesem Zusammenhang von einer die Grenzen z­ wischen Wissenschaft und Handel verwischenden internationalen Propaganda seit den 1840er-­Jahren, in der Experten wie Händler die wachstumssteigernden Impulse des Guano-­Düngers anpriesen.122 Mit dem Anstieg des Guanohandels gerieten, wie das obige Zitat gut zeigt, auch städtische Latrinenwässer verstärkter in den Blick.123 Beide wurden aufgrund ihres Stickstoffgehalts unter der Kategorie der „hochenergetischen Dünger“ zusammengedacht, die in einem an dem Idealbild kubanischer Kultivierung geschulten Tabakanbau in Frankreich ausgeschlossen werden sollten. Die Pariser Tabakverwaltung reagierte auf den wahrgenommenen Anstieg von Guanonutzung im Tabakanbau der atlantischen Welt mit den weiter oben schon angesprochenen Verordnungen gegen die Verbreitung und Verwendung hochenergetischer Düngemittel. Die ablehnende Haltung gegenüber dem Guano in der Pariser Tabakverwaltung ging jedoch nicht nur auf die Wahrnehmung des Schicksals Kubas zurück, sondern auch auf die Intensivierung des Guanohandels in Europa. Nicht nur auf Kuba, sondern auch im südlichen Rheinland hatten Handelshäuser und Speditionen seit den 1840er-­Jahren zunehmend die Absatzmöglichkeiten von Guanodüngern erkannt, die unter internationalem Druck an der Küste Perus abgetragen und weltweit als Dünger exportiert wurden.124 Der elsässische Agronom Eugène Oppermann berichtete von einem Straßburger Handelshaus, das der Abstand der Pflanzen auf dem Feld oder die Anzahl der Blätter an einer Pflanze, für den Nikotingehalt relevant: Schloesing, Notice sur les travaux, S. 26. 121 Frank Uekötter, Die Wahrheit ist auf dem Feld. Eine Wissensgeschichte der deutschen Landwirtschaft, 3. Auflage, Göttingen (u. a.) 2012, S. 160; Edward D. Melillo, The First Green Revolution. Debt Peonage and the Making of the Nitrogen Fertilizer Trade, 1840 – 1930, in: American Historical Review 117 (2012), S. 1028 – 1060, hier S. 1045; ­Gregory Todd Cushman, The Lords of Guano. Science and the Management of Peru’s Marine Environment, 1800 – 1973, Diss., University of Texas at Austin 2003, S. 75 – 76. 122 Cushman, The Lords of Guano, S. 60 – 65. Britische Händler hatten in Frankreich und Preußen die Zuckerrübenindustrie von ihrem Produkt überzeugen können: Melillo, The First Green Revolution, S. 1043. 123 Cushman, The Lords of Guano, S. 63. 124 Gregory Todd Cushman, Guano and the Opening of the Pacific World. A Global Ecological History, Cambridge (u. a.) 2013.

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seit 1856 Guano aus der nordfranzösischen Hafenstadt Havre bezog, die neben Bordeaux als einer der wichtigen Umschlagplätze für den Atlantikhandel in Frankreich figurierte.125 Badische Landwirte hingegen bezogen ihren Guano aus dem Hamburger Hafen, der für die Belieferung der Länder des deutschen Zollvereins verantwortlich war.126 Die Guanoimporte auf der rechtsrheinischen Seite hielten bis zum deutsch-­französischen Krieg an und brachen in der Wirtschaftskrise von 1873 dann zunächst wieder zusammen.127 Die Zahlen zeugen von einer Intensivierung im Handel der Substanz während der 1850er- und 1860er-­Jahre, die nicht nur den Zollverein, sondern auch Frankreich sowie andere europäische Länder umfasste. In der offiziellen Kommunikation der Pariser Zentralverwaltung mit den Departements und in den Publikationen der Ingenieure wurden Stalldünger als moderate, alternative Zufuhr von Stickstoff gegenüber Guano und Latrinenwässern befürwortet.128 Die Ingenieure konnten damit an Forschungen aus dem frühen 19. Jahrhundert anschließen (Kapitel 3). Dem Ideal einer Nicht-­Düngung, das zuweilen in der Monopolverwaltung Frankreichs diskutiert 129 und um 1800 schon von einzelnen Experten vertreten wurde, wurde eine aktualisierte Version älterer Düngeempfehlungen entgegengehalten. Angesichts der zur Mitte des 19. Jahrhunderts ubiquitären Verweise auf die Notwendigkeit von Stickstoffzufuhr beim Pflanzenwachstum konnte auch die Pariser Tabakverwaltung nicht umhin, diejenigen Substanzen für Frankreich zu empfehlen, die Stickstoff erhöhten, ohne in die Klasse hochenergetischer Dünger zu fallen. Dennoch zeigt die Haltung der Pariser Ingenieure eindrücklich, dass die „Erfolgsgeschichte des Kunstdüngergebrauchs“, vor allem die Verwendung von Guano, nicht nur hinsichtlich dessen „realer Bedeutung“ in der Landwirtschaft 125 Eugène Oppermann, Rapport sur la question des engrais, présenté à la Société des Sciences, Agriculture et Arts du Bas-­Rhin, le 15 Septembre 1862, in: Nouveaux Mémoires de la Société des Sciences, Agriculture et Arts du Département du Bas-­Rhin 21 (1863), S. 292 – 305, hier S. 303. 126 Hinrich Hansen, Guano ist alle! Dünger und Kunstdünger in Schleswig-­Holstein im 19. Jahrhundert und einige ökologische Fragen, in: Manfred Jakubowski-­Tiessen (Hg.), Dünger und Dynamit. Beiträge zur Umweltgeschichte Schleswig-­Holsteins und Dänemarks, Neumünster 1999, S. 155 – 199, hier S. 169. 127 Ebd., S. 171. 128 Schloesing, Le Tabac, S. 41. 129 Brief Eugène Rolland an die französischen Departements, Paris, 26. Juni 1862, ADHR, 4/P/208, unpaginiert.

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des 19. Jahrhunderts 130, sondern auch hinsichtlich der Geltung in den spezialisierten Expertenkreisen angezweifelt werden darf. Agrikulturchemische Empfehlungen setzten sich nur in einer komplexen Abgleichung mit Qualitätsvorstellungen von Produkten durch. Zwar griffen Theorien zur Steigerung von Pottasche und Reduktion von Stickstoff breitere Debatten auf. Jedoch sorgten die Produktionserwartungen und die damit verknüpften Vorstellungen über Qualitäten von Zigarren dafür, dass es in den Kubanisierungsprogrammen der Pariser Tabakverwaltung zu spezifischen Aneignungen landwirtschaftswissenschaftlicher Diskussionen kam.

5.4. Atlantische Expertenkultur Diese Bezüge ­zwischen Wissensbeständen und Produktqualitäten lassen sich als Ausdruck einer atlantischen Expertenkultur begreifen, in der Tabakfachleute die konkreten Bedingungen für die Hervorbringung hochwertiger Zigarrentabake in engem Austausch miteinander debattierten. Der folgende Abschnitt zeigt, dass die im vorangegangenen Teil diskutierten Wissensbestände durch Reisen und Buchzirkulationen ­zwischen Kuba und Frankreich als weitgehend geteilte Standards hervorgebracht wurden. Das Pariser Kubanisierungsprogramm beruhte nicht auf lokaler Expertise der Ingenieure, sondern ging aus grenzüberschreitenden Netzwerken hervor. Empfehlungen von Gründüngung etwa markierten auch in den zur Mitte des 19. Jahrhunderts publizierten Schriften kubanischer Reformer eine wichtige Facette der Reformmaßnahmen. Der Agrarexperte José Maria Dau hatte in seinem 1847 erschienen Manuel del veguero argumentiert, dass der „beste Dünger derjenige aus verfaulten pflanzlichen Stoffen“ sei.131 Zwar meinten andere Autoren, wie der von der spanischen Regierung finanzierte Geograph Miquel Rodriguez Ferrer, dass in gewissen Teilen der Insel Kuba überhaupt kein Dünger notwendig sei, weil die Böden über eine ausreichende Fruchtbarkeit verfügten.132

130 Uekötter, Die Wahrheit ist auf dem Feld, S. 153. 131 Der französische Reformer Albert Wahu hatte dessen Schrift übersetzt und publiziert: Albert Wahu, Manuel du planteur de tabac. Traduit de l’espagnol, Alger 1863, S. 46 – 47. Ich beziehe mich im Folgenden auf die französischsprachige Übersetzung. 132 Dazu ebenfalls Wahus französischsprachige Übersetzung: Ebd., S. 29.

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Jedoch entsprachen Annahmen über Gründüngung ansonsten weitgehend den Empfehlungen und Verordnungen der Pariser Régie. Auch dem Guano-­Boom begegneten kubanische Tabakforscher skeptisch. Für Álvaro Reynoso, Direktor des Instituto de Investigaciones Químicas de La Habana, bedeutete die Zunahme von Guano eine Qualitätsminderung des kubanischen Tabaks, während ein moderater Einsatz im Zuckerrohranbau vertretbar schien.133 Diese Beobachtungen waren nicht zuletzt durch die Debatten in Europa geprägt. Kubanische Reformer griffen auch auf Annahmen der Pariser Ingenieure zurück. Francisco Frías Jacott (auch Pozos Dulces genannt) hatte in seiner 1860 in Paris veröffentlichten Coleccion de escritos sobre agricultura, industria, ciencias y otros ramos de interes para la isla de Cuba ganze Abschnitte aus einem Buch von Charles Fermond übersetzt, der sich wiederum an die Forschung des Ingenieurs Jean-­Jacques Théophile Schloesing anlehnte.134 Am deutlichsten wurde der Einfluss polytechnischer Ingenieure jedoch in der 1888 erschienenen, weltweit einzigen Komplettübersetzung von Schloesings Textsammlung Le tabac (1868). Die von Reynoso unter dem Titel Documentos relativos al cultivo del tabaco ins Spanische übertragenen Texte zeugen davon, dass die Theorien der Pariser Tabakingenieure als durch und durch kongruent mit den Umweltbedingungen des Tabakanbaus auf Kuba gedacht wurden.135 Die „gründlichen wissenschaftlichen Methoden“ 136, die Schloesings Buch aus Reynosos Sicht ausmachten, schienen für Kubas Tabakforschung essentiell.137 Für den Leser wurde 133 Leida Fernández-­Prieto, Mapping the Global and Local Archipelago of Scientific Tropical Sugar. Agriculture, Knowledge, and Practice, 1790 – 1880, in: Patrick Manning/Daniel B. Rood (Hg.), Global Scientific Practice in an Age of Revolutions, Pittsburgh 2016, S. 181 – 198, hier S. 192; mit Verweis auf: Álvaro Reynoso, Consideraciones respecto a los abonos, dirigidos a los agricultores Cubanos, Madrid, 1867. 134 Don Francisco de Frías Conde de Pozos Dulces, Coleccion de escritos sobre agricultura, industria, ciencias y otros ramos de interes para la isla de Cuba, Band 1, Paris 1860, S. 416 – 427; Pozos Dulces bezog sich auf: Charles Fermond, Monographie du tabac comprenant l’historique, les propriétés thérapeutiques, physiologiques, et toxicologiques du tabac […], Paris 1857; Bezüge zu den französischen Tabakingenieuren finden sich auch bei: Álvaro Reynoso, Apuntes acera de varios cultivos Cubanos, Madrid 1867, S. 348 – 349; Charles Fermond, Monographie du tabac comprenant l’historique, les propriétés thérapeutiques. 135 Fernández Prieto, Cuba agrícola, S. 211. 136 Álvaro Reynoso, Documentos relativos al cultivo del tabaco. Investigaciones acerca del tabaco por Mr. T. Schloesing, Band 1, Habana 1888, S. VI. 137 Ebd., S. VII.

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eine Anwendbarkeit in lateinamerikanischen Anbaugebieten auch durch den Bucheinband angedeutet. Während Schloesings Buchcover in der Originalversion lediglich schwarze Schriftzeichen auf weißem Hintergrund verwendete, kleidete Reynoso die Titel-, Autor- und Verlagsangaben in einen exotischen Rahmen ein, der eine klischeehafte Szenerie der Tropen repräsentierte. Die am Coverrand heraufragende Palme und ein exotischer Vogel sollten dem Leser verdeutlichen, dass Schloesings Werk auch für Kuba verwendbar war. Austausch und Ähnlichkeiten der Wissensbestände kubanischer und französischer Tabakforscher gingen dabei nicht zuletzt auf Begegnungen in Paris zurück, das zur Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem Dreh- und Angelpunkt der atlantischen Expertenkreise wurde. Der 1852 von Paris nach Algier ausgewanderte Albert Wahu etwa hatte während seiner Zeit in Paris ein Kilogramm Saatgut Havannatabak und das Manual del veguero (1847) von Dau sowie El tabaco habano, su historia, su cultivo (1851) von dem oben genannten Ferrer erhalten, die dieser von Havanna nach Paris gebracht hatte.138 Kapital aus der Präsenz kubanischer Gelehrter zog auch Jean-Augustin Barral, Tabakingenieur, Agrarexperte und enger Berater der Zentralverwaltung 139, der mit Reynoso und Pozos Dulces zwei wichtige Vertreter der kubanischen Landwirtschaftswissenschaft als Korrespondenten für das von ihm herausgegebene Journal d’Agriculture pratique gewinnen konnte.140 Reynoso hatte in den 1850er-­Jahren in Paris als Laborassistent bei Théophile-­Jules Pelouze gearbeitet, der zu dieser Zeit an der École impériale d’application des tabacs Kurse für Chemie gab und zum regelmäßigen Umgang der Tabakingenieure gehörte.141 Dazu zählte auch Ramón de la Sagra, der seit 1819 den botanischen Garten in Havanna leitete und in der dortigen Tabakmanufaktur in der Geschäftsleitung assistierte.142 De la Sagra kommunizierte im Rahmen regelmäßiger Parisaufenthalte mit französischen Ministerien und sandte diesen Berichte über den kubanischen Tabakanbau, in 138 Wahu, Manuel du planteur, S. 5. 139 Ich komme auf diese Beraterfunktion in Kapitel 7 ausführlicher zu sprechen. 140 Dazu die Auflistung bei: [Anonym], Collaborateurs des colonies et de l’étranger, in: Journal d’agriculture pratique 31 (1867), S. 4. 141 Francisco Díaz Barreiro, Selección de textos. Álvaro Reynoso, Habana 1984, S. 14. 142 Emilio González López, Un gran solitario. D. Ramón de la Sagra. Naturalista, historiador, sociológo y economista, New York 1982, S. 56 – 58; zu den internationalen Mitgliedern der Académie: Maurice P. Crosland, Science under Control. The French Academy of Sciences 1795 – 1914, Cambridge (u. a.) 1992, S. 369 – 375.

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denen die einzelnen Tabakanbaugebiete der Insel porträtiert waren.143 Mit ihrem Aufenthalt in Paris wurden kubanische Reformer zu gefragten Experten des kubanischen Tabakanbaus. Paris war, im Vergleich zu anderen europäischen oder französischen Städten, zur Mitte des 19. Jahrhunderts aufgrund seines Mythos als Innovationszentrum wissenschaftlicher Ausbildung in der spanischsprachigen Welt ein prädestinierter Ort für die Begegnung mit kubanischen Experten.144 Dieser überlagerte sich mit der Bedeutung der Stadt als Zufluchtsort für politische Exilanten.145 Pozos Dulces war als nationalistischer Verschwörer beschuldigt 1852 in den sicheren Hafen der französischen Hauptstadt geflohen.146 Gelehrte wie Pozos Dulces nutzten das Exil, um sich für die Modernisierung Kubas – wobei eine nationale, gegen das spanische Imperium gerichtete Note oftmals mitschwang 147 – mit neueren Theorien vertraut zu machen und kamen dabei mit den Pariser Tabakingenieuren in Berührung. Die kubanische Tabakforschung der Jahrhundertmitte ging auf die Impulse der Bourbonischen Reformen des späten 18. Jahrhunderts zurück 148, die in Havanna gelehrte Gesellschaften wie etwa der Real Sociedad Económica oder der Sociedad Económica de Amigos del País hervorbrachten.149 Auch andere Institute, wie der 143 Ramón de la Sagra, Études Hispano-­Americaines. Le tabac de l’île de Cuba, AN, F/12/7072, S. 91 – 93. 144 Marc Schalenberg/Rüdiger vom Bruch, London, Paris, Berlin. Drei wissenschaftliche Zen­ tren des frühen 19. Jahrhunderts im Vergleich, in: Richard van Dülmen/Sina R ­ auschenbach (Hg.), Macht des Wissens. Die Entstehung der modernen Wissensgesellschaft, Köln 2004, S. 681 – 702. 145 Jürgen Osterhammel, Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, München 2009, S. 206 – 214. 146 William Navarette, Cuban Exiles in France, in: Andrea O’Reilly Herrera (Hg.), Cuba. Idea of a Nation Dispersed, New York 2007, S. 36 – 46. 147 Das trifft insbesondere auf Pozos Dulces zu: Marie-­Claude Lecuyer, Anticolonialisme à Cuba au XIXe siècle. Pozos Dulces (1809 – 1877), Paris 2001, S. 44 – 45. 148 Aus der neueren Forschung hier nur: Daniela Bleichmar, Visible Empire. Botanical Expeditions & Visual Culture in the Hispanic Enlightenment, Chicago (u. a.) 2012; Gabriel B. Paquette (Hg.), Enlightened Reform in Southern Europe and its Atlantic Colonies. c. 1750 – 1830, Farnham (u. a.) 2009. 149 Schon 1819 war aus diesen Kreisen ein von Bernardo de Borjas y Tarrins publiziertes Anbauhandbuch hervorgegangen: Manuel Llanos Company, Evolución de las técnicas para el cultivo del tabaco en las colonias Hispanoamericanas, in: Anuario des Estudios Americanos 40 (1983), S. 469 – 496, hier S. 481.

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von de la Sagra geleitete botanische Garten Havannas, trugen zu der Erforschung des Tabaks bei. Ergänzt wurde die Tabakforschung der Landwirtschaftsgesellschaften durch das 1848 gegründete Instituto de Investigaciones Químicas de La Habana, das nach Casaseca von Reynoso geleitet wurde.150 Solche Institute waren wie Landwirtschaftsgesellschaften oder -vereine in der gesamten atlantischen Welt verbreitete Institutionen, die sich keineswegs in einer einfachen Diffusionsbewegung von Europa in die spanischen Kolonien ausgebreitet hatten, sondern angesichts der zahlreichen Verbindungen der Gelehrten mehr oder weniger gleichzeitig entstanden waren.151 Die Traditionslinie ­zwischen den Tabakforschern der Jahrhundertmitte und den Projekten der Bourbonischen Reformer war in den Augen französischer Experten keineswegs trivial. Mit Blick auf die Zirkulation kubanischen Tabaksaatguts im spanischen Imperium hatte etwa Alfred Demersay in seiner Schrift über den Tabakanbau in Paraguay von 1851 die Wertschätzung für die spanische Verwaltung betont. Diese hatte Ende des 18. Jahrhunderts Saatgut aus Kuba kommen lassen, das in Paraguay als „tabac rouge“ eine kubanischen Sorten besonders ähnliche Tabakqualität hervorgebracht hatte.152 Die sich zur Mitte des 19. Jahrhunderts in Paris begegnenden Reformer waren in ihrem Selbstverständnis jedoch deutlich ‚wissenschaftlicher‘ (dazu auch Kapitel 4) als jene des späten 18. Jahrhunderts und trafen sich vor allem in Institutionen, die d ­ ieses Selbstbild repräsentierten. Die Pariser Académie des Sciences markierte einen dieser exklusiven Orte des Austauschs.153 Die Ingenieure waren seit den 1830er-­Jahren, nachdem ihr corps in die Tabakverwaltung aufgenommen worden war, in d ­ iesem distinguierten Kreis der französischen Wissenschaft regelmäßige Gäste. Wie die anderen technischen Stäbe der Behörden verstanden sie sich als forschende Verwaltungsbeamte, die einen engen Kontakt zur Elite der Académie pflegten.154 Hier trafen die Polytechniker auf kubanische L ­ andwirtschaftsexperten 150 Fernández Prieto, Cuba agrícola, S. 95 und 103. 151 Robert Jones Shafer, The Economic Societies in the Spanish World, 1763 – 1821, Syracuse 1958. 152 Demersay, Du tabac au Paraguay, S. 7; hier zu auch: Paula Susan De Vos, Natural History and the Pursuit of Empire in Eighteenth-­Century Spain, in: Eighteenth-­Century Studies 40 (2007), S. 209 – 239. 153 Zu de la Sagra und der Académie: [Anonym], Mémoire et Communications, in: Compte rendu des séances de l’Académie des Sciences 14 (1842), S. 886 – 887. 154 Über die Anbindung polytechnischer Ingenieure an die Académie des Sciences: Bruno Belhoste/Konstantinos Chatzis, From Technical Corps to Technocratic Power. French

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wie de la Sagra, der der Académie in den 1830er-­Jahren als korrespondierendes Mitglied beigetreten war.155 De la Sagra hatte in der Académie seine in mehreren Bänden erschienene Histoire physique, politique et naturelle de l’île de Cuba vorgestellt, die ausführliche Abschnitte über den Tabakanbau der Insel Kuba enthielt. Die Debatte über den kubanischen Tabak in der Académie war von kubanischen Experten geprägt. Das zeigte sich besonders bei der Frage nach dem angeblichen Jodgehalt des Tabaks in den im Vuelta Abajo gezogenen Blättern. José Louis Casaseca, der erste Direktor des Instituto de Investigaciones Químicas 156, stand über regelmäßige Reisen nach Paris mit der Académie in Verbindung 157 und hatte sich 1855 in den Annales de chimie et de physique gegen einen vorangegangenen Artikel des Chemikers Gaspard Adolphe Chatin gewehrt, der Jod in Zigarren aus Kuba nachgewiesen zu haben meinte. Casaseca zufolge war Chatin zu der übertriebenen Schlussfolgerung gekommen, dass dies für die französischen Konsumenten negative Geschmacksveränderungen nach sich ziehen werde.158 Jod sei jedoch, so Casaseca, in den Tabaken nicht systematisch nachweisbar, sondern durch Zufall im Tabak gelandet und habe deswegen auch keinen Einfluss auf die Qualität der aus den Blättern gefertigten Zigarren.159 Casaseca schien die Debatte in der Académie für sich entschieden zu haben, nachdem weitere Kommentare von französischen Gelehrten auf seinen Beitrag ausblieben. Die sich aus Netzwerken und Begegnungen entwickelnde Tabakexpertenkultur kannte keineswegs nur Konsens, sondern zeichnete sich

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State Engineers and their Professional and Cultural Universe in the First Half of the 19th Century, in: History and Technology 23 (2007), S. 209 – 225, hier S. 219 – 220. [Anonym], Correspondence, in: Compte rendu des séances de l’Académie des Sciences 5 (1837), S. 876 – 877, hier S. 876. Fernández Prieto, Cuba agrícola, S. 95. Daniel B. Rood, The Reinvention of Atlantic Slavery. Technology, Labor, Race, and Capitalism in the Greater Caribbean, New York 2017, S. 28. José Louis Casaseca, Sur la quantité d’iode contenue dans des tabacs de diverses qualités, cultivés à l’île de Cuba, sur la perte en matières volatiles qu’éprouvent ces tabacs dans leur dessiccation, ainsi que sur la quantité de cendres qu’ils fournissent; suivies quelques observations sur la méthode de M. de Luca pour le dosage de l’iode, in: Annales de chimie et de physique 45 (1855), S. 477 – 485, hier S. 477; Gaspard Adolphe Chatin, Présence de l’iode dans les eaux pluviales, les eaux courantes les plantes de Antilles et des cottes de la Méditerranée, in: Compte-­rendus des séances de l’Académie des Sciences 37 (1853), S. 723 – 724. Casaseca, Sur quantité d’iode, S. 481.

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durch dynamische Debatten aus, in denen kubanische Akteure nicht per se untergeordnet waren. Es scheint nicht abwegig, in den Gegenargumenten aus Kuba auch Ausdrücke des Patriotismus einer kreolischen Gelehrtenelite zu sehen, die sich in verschiedenen Teilen des spanischen Imperiums seit der Mitte des 18. Jahrhunderts formierte.160 Eine spezialisierte atlantische Expertenkultur bildete sich zur Mitte des 19. Jahrhunderts nicht nur durch den Austausch in Paris, sondern auch durch die Reisen französischer Ingenieure ins spanische Kuba heraus. Die weiter oben schon angesprochenen Handelsmissionen dienten den Ingenieuren auch zur Erforschung des Tabakanbaus. Charles Rey war vom Finanzministerium zwar lediglich mit der Beschaffung von Handelsinformationen beauftragt worden, nutzte die Reise jedoch zusätzlich, um Analysen anzustellen.161 Diese fanden in Kooperation mit auf Kuba wirkenden Reformern statt. Ramón de la Sagra etwa hatte als Leiter des botanischen Gartens von Havanna schon 1828 zusammen mit dem französischen Reisenden Pierre-­Joseph Pelletier Bestandteile der Böden und Tabakpflanzen erforscht.162 Das Interesse der Reisenden galt dabei auch den Zigarrenworkshops in den größeren Städten der spanischen Kolonie. Generaldirektor Eugène Rolland wies 1869 auf Studien der Ingenieure zu den Prozeduren der Fabrikation in Havanna hin und sah die dortigen „praktischen Konditionen“ als wichtiges Lernobjekt für Frankreichs Tabakwirtschaft.163 Rey und Eugène Goupil berichteten Schloesing aus Kuba über Fermentation.164 Kubanische Verarbeitungsvorgänge schienen nicht zuletzt deshalb interessant, weil die Zigarrenherstellung wenig mechanisiert war.165 160 Bleichmar, Visible Empire. 161 Rey, Sur la culture du tabac. 162 Ramón de la Sagra, Histoire physique, politique et naturelle de l’ile de Cuba, Première partie: Histoire physique et politique, Band 1: Introduction, géographie, climat et population, Paris 1842, S. 135. 163 Rolland, Réfutation, S. 94 – 95. 164 Schloesing, Le tabac, S. 100 – 101. 165 Casanovas, Bread, or Bullets!, S. 27; Charles Rey, der Kuba von 1845 bis 1847 zum ersten Mal bereist hatte, berichtete in den 1870er-­Jahren rückblickend über die „chefs“ in den städtischen Zigarrenworkshops als „exzellente Kenner des Tabaks“: Extraits des résondes des M. Rey ancien Directeur de la Manufacture de Cigares-­Havane, à Paris (Reuilly), S. 83; auch französische Publizisten, wie etwa Emmanuel Ratoin, betonten die ausgeprägten „manuellen Fähigkeiten“ des „cigarier cubain“, der so geschickt sei, dass er als Deckblatt

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Wenn Kuba europäischen Reisenden der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als „Juwel unter den anderen Antillen-­Inseln“ erschien 166, dann ging das nicht zuletzt auf die erhoffte Übertrag- und Adaptierbarkeit industrieller und landwirtschaftlicher Expertisen aus Kuba zurück. Jenseits des von Historiker/innen zumeist hervorgehobenen ethnologischen Blicks der Reisenden 167 wurde Kuba als ein Reservoir von Wissen wahrgenommen, das für die Optimierung wirtschaftlicher Sektoren Frankreichs überaus relevant erschien. Darüber hinaus vermuteten die Ingenieure auch in anderen lateinamerikanischen Staaten, vor allem in Paraguay, dem kubanischen Anbau ähnelnde Praktiken. Alfred Demersay, den die Verwaltung ausgesandt hatte, breitete in seinem im Anschluss an die Reise 1851 erschienenen Buch Du tabac au Paraguay landwirtschaftliche Details über den Anbau aus.168 Kubanische und französische Tabakforscher räumten praktischer Expertise eine wichtige Bedeutung in der Wissensökonomie der kubanischen Anbauwelten ein. De la Sagras 1843 publizierte Histoire physique, politique et naturelle de l’île de Cuba hob dabei vor allem die Zentralität afrikanischer Sklaven im Vuelta Abajo hervor: Wenn sie [die dortigen Landwirte und Pächter, AvW] die Hilfe einiger Sklaven in Betracht ziehen, dann ist das nicht nur wegen deren physischer Kraft als lebendige Maschinen, sondern weil sie sie auch wegen ihrer Intelligenz ausgesucht haben. Die schwierige Arbeit der ‚pétite culture‘ kann keineswegs dummen Leuten anvertraut werden.169

De la Sagra gab vor mit einer Anzahl von Sklaven verkehrt zu haben und betonte deren „rationelle Kenntnisse“ als mögliche Ressource zur Gewinnung „physiologischer Prinzipien“ im Tabakanbau.170 Entgegen der älteren Ansicht, dass das ganze Halbblatt des Tabakblattes verwenden könne, ohne das Blatt zu zerstören: Ratoin, Comment on fait un cigar, S. 395. 166 Yvon Joseph, Four French Travelers in Nineteenth-­Century Cuba, New York (u. a.) 2008, S. 6. 167 Ebd. 168 Demersay, Du tabac au Paraguay. 169 Ramón de la Sagra, Histoire physique, politique et naturelle de l’île de Cuba. Histoire physique et politique, Band 2: Agriculture, commerce, revenues et appendice, Paris 1843, S. 126. 170 Ebd., S. 118.

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Kubas Tabakproduktion lediglich auf bäuerlicher Organisation ohne Sklaverei beruhte, hat William M. Morgan gezeigt, dass der qualitative und quantitative Anteil afrikanischer Sklaven am kubanischen Tabakanbau gerade nach der Abschaffung des spanischen Tabakmonopols 1817 und dem Aufkommen der „Second Slavery“ deutlich zugenommen hatte, obwohl der Handel mit Sklaven von den europäischen Großmächten als illegal bestätigt worden war.171 De la Sagras Untersuchung über die Rolle von Sklaven im kubanischen Tabakanbau war ungefähr zu der Zeit entstanden, als auch Tabakexperten in Europa, am Oberrhein, Akteure aus der Landwirtschaft aufgrund ihres praktischen Wissens in verwissenschaftlichter Weise in ihre Reformprojekte inte­griert hatten (Kapitel 4). De la Sagras Verweise zeigen, dass Sklaven keineswegs immer aus dem öffentlichen Diskurs der Gelehrten ausgeblendet wurden, wie Daniel B. Rood mit Blick auf technische Experten in den Plantagenkulturen der Karibik argumentiert.172 Tabakforscher hoben aber auch die besondere Bedeutung des praktischen Wissens von Pachthofbesitzern Kubas hervor.173 Der von der spanischen Regierung beauftragte Botaniker Ferrer hatte seinem Buch ein Interview mit französischen Auswanderern beigefügt, die in Kuba Farmen besaßen.174 Deren Wissen sei, so Ferrer, zwar „von jeder Sorte theoretischer Kenntnisse“ ausgenommen, jedoch vom „Licht der Erfahrung“ durchdrungen.175 Trotz der scheinbaren Wertschätzung des praktischen Wissens bestätigten die Tabakforscher durch ihre kategorialen Trennungen und Begriffe die den asymmetrischen Arbeitsverhältnissen im Vuelta Abajo unterliegenden rassistischen Vorstellungen. Ferrer betonte die notwendige Überwachung des „Negers“ durch wachsames und erfahrenes Personal.176 Ein in der Schrift El tabaco havano (1851)

171 William A. Morgan, Cuban Tobacco Slavery in the Nineteenth Century, in: Santiago de Luxán/João de Figueirôa-­Rêgo/Vicent Sanz Rozalén (Hg.), In Tabaco y Esclavos en los Imperios Ibéricos, Lissabon 2016, S. 243 – 269; allgemeiner auch: Michael Zeuske, Sklaven und Tabak in der atlantischen Weltgeschichte, in: Historische Zeitschrift 303 (2016), S. 315 – 348; zur Second Slavery: Dale Tomych, Through the Prisms of Slavery. Labor, Capital and World Economy, Lanham (u. a.) 2004. 172 Rood, The Reinvention of Atlantic Slavery. 173 de la Sagra, Histoire physique, politique et naturelle, Band 2, S. 117 – 118. 174 Wahu, Manuel du Planteur de Tabac, S. 32. 175 Ebd., S. 21. 176 Ebd., S. 38 – 39.

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abgedruckter Arbeitsplan zeigt, dass die Tabakexperten die hierarchischen Rahmenbedingungen der Genese des praktischen Wissens als wenig problematisch einschätzten.177 Wenn de la Sagra Sklaven nicht als „Maschinen“ adressierte, dann war das sicher ein Argument gegen den Arbeitszwang und die brutalen Methoden der Halter 178, jedoch nicht grundsätzlich gegen die Sklaverei gerichtet. In den Kreisen der Experten wurde immer auch über die Möglichkeit reflektiert, inwiefern sich die Wissensbestände von Sklaven, aber auch der Pachtbauern, für Frankreich mobilisieren ließen. De la Sagra wähnte sich während seiner Gespräche in den Tabakplantagen des Vuelta Abajo von „konfusen Antworten“ der von ihm interviewten Akteure umzingelt, wenngleich er hier und da auch meinte, den Wert einer „weisen Erfahrung“ erkannt zu haben.179 Die Landwirte, so der Botaniker, könnten ihre „lange Erfahrung“ jedoch nur eingeschränkt in den Termini der Landwirtschaftswissenschaften begreiflich machen. In deren Kreisen gebräuchliche Idiome, alltägliche Vokabeln und Begriffe nahm er als eine von den gelehrten Diskursen abgetrennte Sphäre wahr 180, die sich in erster Linie im Gespräch z­ wischen „Vater und Sohn übertrage“.181 Solche Wahrnehmungen porträtierten das praktische Wissen von Sklaven und Landwirten auf Kuba als weitgehend immobil; Experten imaginierten eine esoterische, abgeschottete Welt, die nur bedingt in die Begriffssphäre der scientific community übersetzt werden konnte. Praktische Kenntnisse wurden hier nicht als Rohmaterial angesehen, das in Wissenschaft übersetzt werden konnte 182, sondern behielten einen unzugänglichen Charakter. Die Vorstellungen der Tabakforscher suggerierten, dass ein Transfer des Wissens zum Scheitern verurteilt war. Nur vor ­diesem Hintergrund lässt sich verstehen, warum die auf Kuba stationierten französischen Tabakingenieure in den 1860er-­Jahren über die Möglichkeit diskutierten, einige der Arbeiter direkt nach Frankreich bringen zu lassen, anstatt sie weiterhin nur zu interviewen. Im November 1862 hatte der französische Generalkonsul für das spanische Imperium, Bernard des Essards, 177 178 179 180 181 182

Ebd., S. 28 – 29. Dagegen López, Un gran solitario, S. 24. de la Sagra, Histoire physique, politique et naturelle, Band 2, S. 118. Ebd., S. 117. de la Sagra, Études Hispano-­Américaines, S. 92. So das Argument bei: Kathleen S. Murphy, Translating the Vernacular. Indigenous and African Knowledge in the Eighteenth-­Century British Atlantic, in: Atlantic Studies 8 (2011), S. 29 – 48.

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dem die Aufsicht über die finanziellen Angelegenheiten der Forschungs- und Ankaufsmission in Kuba oblag 183, der Pariser Tabakverwaltung vorgeschlagen, vier chinesische Arbeiter von Havanna nach Paris bringen zu lassen. Französische Konsuln in Havanna hatten seit 1849 den beginnenden Handel mit Arbeitskräften aus China beobachtet.184 Das Pariser Ministère des Affaires Étrangers berichtete an die Tabakverwaltung über des Essards Vorhaben wie folgt: Unser Generalkonsul von Havanna schlug vor, um des Nutzens unserer Tabakmanufakturen Willen, vier junge, auf die Insel Kuba verschiffte Chinesen [nach Frankreich zu bringen] […]. Diese Chinesen, die z­ wischen acht und zehn Jahren alt waren, [als man sie nach Kuba brachte] und deren Gesundheitszustand es ihnen nicht erlaubte die Reise bis nach Marseille fortzusetzen, waren einem lokalen Händler, Monsieur Campbell, anvertraut worden, der sie provisorisch zur Ausbildung in einer Tabakfabrik untergebracht hatte.185

Kubanische Tabakfabriken beschäftigten eine ganze Reihe unterschiedlicher Arbeiter, die von afrikanischen Sklaven bis hin zu spanischen Kolonialsoldaten reichten.186 Die quantitative Präsenz asiatischer Arbeiter auf der Insel Kuba war ­zwischen 1847 und 1874 auf etwa 150.000 angewachsen. Diese waren in Tabakfabriken und anderen Unternehmen zu undurchsichtigen Vertragsverhältnissen angestellt und, den Sklaven nicht unähnlich, meist brutaler Schikane ausgesetzt.187 Konsul des Essard bestätigte der Tabakverwaltung, dass die Chinesen eine Ausbildung abgeschlossen und zu „exzellenten Arbeitern“ geworden s­ eien. Der Konsul bat die Pariser Ingenieure zu prüfen, ob in den staatlichen Tabakmanu­ fakturen Frankreichs Interesse an deren „speziellen Kenntnissen“ bestehe.188

183 [Anonym], Enquête parlamentaire, S. 234. 184 Dazu finden sich gleich mehrere Akten in: AN, F/12/7072. 185 Brief Ministre des Affaires Étrangèrs an Ministre des Finances, Paris, 6. Januar 1863, AD, 422/QO/266, Fol. 103 – 104; dazu auch: Brief Le Ministre des Finances an Ministre des Affaires Étrangèrs, Paris, 17. Januar 1863, AD, 422/QO/266, Fol. 35 – 36. 186 Casanovas, Bread, or Bullets!, S. 23, 35 – 37 und 42. 187 Evelyn Hu-­Dehart, Chinese Coolie Labor in Cuba in the Nineteenth Century. Free Labor of Neoslavery, in: Contributions in Black Studies 12 (1994), S. 39 – 54, hier S. 40. 188 Brief Ministre des Affaires Étrangèrs an Ministre des Finances, Paris, 6. Januar 1863, AD, 422/QO/266, Fol. 103 – 104; dazu auch: Brief Ministre des Finances an Ministre des Affaires Étrangères, Paris, 17. Januar 1863, AD, 422/QO/266, Fol. 35 – 36.

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Die Aufmerksamkeit für die Expertise chinesischer Kontraktarbeiter war jedoch auch ein Echo europäischer Diskussionen, in denen Chinesen kraft ihrer vermeint­lichen Rasseeigenschaften als global verschiffbare und günstige Arbeiter ­betrachtet wurden.189 Da diese ihr Wissen über den Tabak jedoch nicht dem wissenschaft­lichen Diskurs adäquat artikulieren konnten, gleichsam aber als besonders mobil galten, schien es sinnvoll, ihr Können durch praktische ­Demonstrationen vor Ort nutzbar zu machen. Überlegungen zum Transfer chinesischer Arbeiter nach Frankreich wurden jedoch bald mit Verweis auf geschlechter- und rassepolitische Grenzen von den Ingenieuren selbst ad acta gelegt. Generaldirektor Eugène Rolland hatte sich gegen die Überführung der chinesischen Arbeiter ausgesprochen und darauf hingewiesen, dass in Frankreich allein weibliche Zigarrenarbeiterinnen in den Manufakturen fabrizierten, was eine mögliche Präsenz der Chinesen problematisch gestalten würde.190 Die „Nachteile“, die Rolland in der Begegnung von Chinesen und Französinnen identifizierte, waren Ausdruck jenes patriarchalen Selbstverständnisses, in dessen Z ­ eichen die Tabakingenieure die Monopolorgani191 sation leiteten. Die Anspielungen Rollands können als spezifische Ausprägungen des in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts omnipräsenten Diskurses über die „Gelbe Gefahr“ gesehen werden, also als Teil der diffusen Angstvorstellungen um eine „kranke Kultur“ Europas, die vor der „Gesundheit und jugendlichen Frische des Ostens kapitulieren“ müsse.192 Das französische Finanzministerium hatte sich im Januar 1863 beklagt, dass Konsul des Essards ohne Bestätigung der Tabakverwaltung den Versand der chinesischen Arbeiter nach Frankreich angeordnet hatte. In den Augen der Zeitgenossen mussten französische Frauen vor dem ‚Unheil‘ chinesischer Migranten bewahrt werden. Unter dem Eindruck solcher Einwände entwerteten Polytechniker der Tabakverwaltung die chinesischen Arbeiter. Goupil berichtete nach Paris, dass die 189 Sebastian Conrad, Globalisierung und Nation im Deutschen Kaiserreich, München 2006, S. 181; Joseph, Four French Travelers, S. 89 – 90: Französische Reisende nahmen die Chinesen auf Kuba auch als resistent gegen körperliche Strafen wahr. Im Vergleich zu afrikanischen Sklaven schienen „Kulis“ zur Feld- und Fabrikarbeit besser geeignet. Für Yvon Joseph ist dies vor allem ein Ausdruck traditioneller Stereotype. 190 Brief Ministre des Finances an Ministre des Affaires Étrangères, Paris, 17. Januar 1863, AD, 422/QO/266, unpaginiert. 191 Ebd. 192 Conrad, Globalisierung und Nation, S. 193.

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Chinesen „weder Erfahrung noch Fähigkeiten ausgebildet hätten“, einer von ihnen außerdem „halb blind“ sei. Letzlich kämen sie doch nicht für einen Transfer nach Frankreich in Frage.193 Mit Goupils Bericht verstummte die Diskussion schlagartig. Das Außenministerium um Generalkonsul des Essards nahm das Gutachten im Mai 1863 kommentarlos zur Kenntnis.194 Wenngleich der Wert des Wissens der chinesischen Arbeiter durchaus bekannt war, sorgten die rassistischen Bilder in den Köpfen der Tabakexperten für einen Abbruch des Transfers. Von solchen Nicht-­Transfers abgesehen, wurde Kuba während des 19. Jahrhunderts jedoch nicht nur zu einem wichtigen Zentrum in der Erforschung von cash crops in der Karibik 195, sondern inspirierte deutlich breitere Expertenkreise, die wiederum auf die kubanischen Forscher zurückwirkten. Wenngleich Adaptionen französischer Arbeiten in den Zirkeln kubanischer Landwirtschaftsreformer von der Forschung berücksichtigt worden sind, ist wenig auf den Umstand hingewiesen worden, dass auch das Wissen kubanischer Forscher in Frankreich wahrgenommen wurde.196 Das Kapitel zeigt, dass die französischen Tabakanbaugebiete, in denen, wie in Kapitel 2, 3 und 4 für das Elsass gezeigt wurde, seit dem frühen 19. Jahrhundert regionale Wissenskulturen mit ihren spezifischen Räumlichkeiten und Verbindungen aufgekommen waren, sich seit den 1860er-­ Jahren zunehmend mit einem von Paris ausgehenden nationalen Territorialisierungsprojekt konfrontiert sahen. Das in den 1860er-­Jahren angelaufene Programm zur Einführung kubanischer Tabakanbaumethoden im französischen Territorium war keineswegs auf lokale Pariser Wissensbestände zurückführbar, wie sie von der Forschung bisher primär untersucht wurden.197 Vielmehr zeigten sich darin Versuche einer Territorialisierung von Wissensbeständen, die in der atlantischen Welt zirkulierten.

193 Brief Ministre des Finances an Ministre des Affaires Étrangères, Paris, 23. April 1863, AD, 422/QO/266, unpaginiert. 194 Brief Ministre des Affaires Étrangères an des Essard, Paris, 30. Mai 1863, AD, P/13691, unpaginiert. 195 Leida Fernández Prieto, Islands of Knowledge, in: ISIS. Journal of the History of Science in Society 104 (2013), S. 788 – 797. 196 Die Arbeiten zur französischen und deutschen Agrikulturchemie gehen auf diesen Zusammenhang nicht ein: Nathalie Jas, Au Carrefour de la chimie et de l’agriculture. Les sciences agronomiques en France et en Allemagne, 1850 – 1914, Paris 2001. 197 Antoine Picon, Engineers and Engineering History. Problems and Perspectives, in: History and Technology 20 (2004), S. 421 – 436.

6. Wissenskonkurrenz am Oberrhein: Die Globalisierung der Region und die Aneignung der Pariser Reformpolitik Die im vorherigen Kapitel analysierte Genese einer atlantischen Expertenkultur deutet darauf hin, dass auch am Oberrhein nicht nur die globalen und imperialen Absatzmärkte des sich zur Mitte des 19. Jahrhunderts ausbildenden Weltmarkts, sondern auch Europa überschreitende Austauschprozesse von Wissen zunehmend an Bedeutung gewannen. Die schon in Kapitel 4 hervorgehobene Auswanderung in die Amerikas 1 etwa produzierte genau wie Handelsverbindungen und diplomatische Netze neue Bedingungen, die für die Genese der modernen Landwirtschaftswissenschaft ernster genommen werden müssen, als es die Forschung bisher gemacht hat. Anknüpfen lässt sich in dieser Hinsicht jedoch an Studien zur chemischen Forschung in der elsässischen Textilindustrie, in der sich Rohbaumwollhandel und Wissensnetzwerke überlagerten.2 Grundsätzlich gilt, wie Johannes Paulmann am Beispiel des deutschen Südwestens gezeigt hat, dass regionale Besonderheiten im 19. Jahrhundert auch durch Verbindungen mit außereuropäischen Gebieten hervorgingen, die für andere Räume oder die entstehenden Nationalstaaten nicht dieselbe Bedeutung haben mussten.3

1 Nicole Fouché, Migration alsacienne aux États-­Unis. 1815 – 1870, Paris 1992; Alexandra Fies, Die badische Auswanderung im 19. Jahrhundert nach Nordamerika unter besonderer Berücksichtigung des Amtsbezirks Karlsruhe z­ wischen 1880 – 1914, Karlsruhe 2010. 2 Anthony S. Travis, Artificial Dyes in John Lightfoot’s Broas Oak Laboratory, in: AMBIX 42 (1995), S. 10 – 27; Anthony S. Travis, From Manchester to Massachusetts via Mulhouse. The Transatlantic Voyage of Aniline Black, in: Technology and Culture 35 (1994), S. 70 – 99. 3 Johannes Paulmann, Regionen und Welten. Arenen und Akteure regionaler Weltbeziehungen seit dem 19. Jahrhundert, in: Historische Zeitschrift 296 (2013), S. 660 – 699; ähnlich auch: Stefanie Michels/Albert Gouaffo (Hg.), Koloniale Verbindungen – Transkulturelle Erinnerungstopografien. Das Rheinland in Deutschland und das Grasland Kamerun, Bielefeld 2019; Michael Schäfer/Veronique Töpel (Hg.), Sachsen und die Welt. Eine Exportregion im Vergleich, Leipzig 2014; Angelika Epple, Globale Machtverhältnisse, lokale Verflechtungen. Die Berliner Kongokonferenz, Solingen und das Hinterland des kolonialen Waffenhandels, in: Christof Dejung/Martin Lengwiler (Hg.), Ränder der Moderne – Neue Perspektiven auf die Europäische Geschichte (1800 – 1930), Köln (u. a.) 2015, S. 65 – 91.

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Wissenskonkurrenz am Oberrhein

Das vorliegende Kapitel fragt danach, wie sich Prozesse der Globalisierung des Oberrheins zu den Kubanisierungsprojekten verhielten, die die Pariser Tabakingenieure in Frankreich – und damit auch im Elsass – zu etablieren versuchten. Wichtige Anregungen bieten in d ­ iesem Zusammenhang neuere Arbeiten, die die Zentralisierung der Wissenschaftspolitik im Frankreich des 19. Jahrhunderts aus der Perspektive von Regionen untersucht haben. Robert Fox etwa hat den regionalen Widerstand betont: „Most strikingly, the repeated attempts of French governments to bring the domain of learned culture under their wing provoked fierce resistance from more aggressively independent savants.“ 4 Regionale oder lokale Expertisen im Bereich der Textilproduktion zum Beispiel, wie sie im südlichen Elsass, in der Société industrielle de Mulhouse, entstanden, lassen sich Fox zufolge als ein „bulwark“ gegenüber hauptstädtischen Pariser Diskussionen begreifen.5 Zwar verstärkten sich mit der Einbeziehung des Elsass in den französischen Nationalstaat seit der Französischen Revolution ­solche Spannungen. Jedoch heben Historiker/innen auch die Aneignungen und den Kompromisscharakter hervor, mit denen das Elsass den nationalen Zentralisierungsprozessen begegnete. Die am französischsprachigen Ideal ausgerichtete regionale Schulbildung etwa traf in der Region auf Akzeptanz.6 Es lässt sich ein breites Spektrum an Reaktionen auf Zentralisierungsmaßnahmen erkennen, das von der Forschung vor allem auf ein variierendes Spannungsverhältnis ­zwischen regionaler und nationaler Zugehörigkeit zurückgeführt wurde.7 Je elsässischer sich selbsternannte Repräsentanten der Region fühlten, desto mehr wurden vereinheit­ lichende Maßnahmen aus Paris in einem kritischen Licht gesehen. Das folgende Kapitel untersucht die Aneignungsweisen der in Kapitel 5 analysierten Kubanisierungsprojekte, indem es das Elsass in eine oberrheinische und atlantische Perspektive rückt. Wie Kapitel 4 bereits gezeigt hat, wäre die Annahme eines 4 Robert Fox, The Savant and the State. Science and Cultural Politics in Nineteenth-­Century France, Baltimore 2012, S. 53. 5 Robert Fox, Science, Industry, and the Social Order in Mulhouse, 1798 – 1871, in: The British Journal for the History of Science 17 (1984), S. 127 – 168, hier S. 128 und 131. 6 Bernard Vogler, Histoire culturelle de l’Alsace du moyen âge à nos jours. Les très riches heures d’une région frontalière, Straßburg 1994, S. 205 – 206 und 280 – 286. 7 Zu den komplexen Identitätslagen: Claudia Nowak, Was ist des Elsässers Vaterland? Die Konstruktion regionaler und nationaler Identitäten in einer Grenzregion ­zwischen Frankreich und Deutschland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (1813 – 1848), Münster 2010.

Atlantische Emigration

global verbundenen Elsass jedoch kein adäquater Ausgangspunkt für die folgenden Überlegungen, da elsässische Forscher auf regionaler Ebene eng mit denen in Baden verflochten waren. Es war vor allem der US-amerikanische Tabakanbau und die sich in Nordamerika entwickelnde Wissenskultur, an die die Experten der Grenzregion ihr eigenwilliges und breitgefächertes Spektrum an Reaktionen auf die Vorschläge und Verordnungen aus Paris anlehnten. Konsuln, Agrarwissenschaftler und Auswanderer schufen Wissensnetzwerke entlang der oberrheinischen Emigrationsbewegungen in die ‚Neue Welt‘. Mit Blick auf das Elsass und Baden lassen sich spezifische, regionale Verbindungen im Atlantik beobachten, über die Wissensbestände transportiert wurden. Regionale Expertise am Oberrhein stimmte in einigen Punkten durchaus mit den Vorstellungen der Pariser Ingenieure überein. Es stehen im Folgenden die Arten und Weisen im Blick, mit denen Akteure aus der Grenzregion den Maßnahmen der Pariser Tabakingenieure begegneten.

6.1. Atlantische Emigration Verbindungen zu badischen Konsuln in den USA sorgten dafür, das oberrheinische Tabakforscher mit Informationen über den nordamerikanischen Tabakanbau versorgt wurden. In Briefen badischer Konsuln an die badische Centralstelle für Landwirthschaft und den Landwirthschaftlichen Verein wurde tableauartiges Wissen über den Gesamtkomplex der „Cultur von Tabak in den Vereinigten Staaten von Nord America“ ausgebreitet und deren Eigenarten detailreich diskutiert.8 Ein kartographisch besonders umfassender Bericht, den der New Yorker Generalkonsul Schmidt anlässlich einer Anfrage des Landwirtschafts­vereins im August 1856 eingesandt hatte, umfasste die „Staaten Maryland, Virginia, Kentucky, Ohio, Missouri, so wie Florida“.9 Konsuln waren seit dem frühen 19. Jahrhundert zu wichtigen Mittelsmännern in der atlantischen Agrarreform geworden 10, wenngleich 8 Brief Badisches Consulat in Philadelphia an das badische Innenministerium, Philadelphia, 3. Juli 1856, Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA), 233/10124, unpaginiert. 9 Brief Badisches General-­Consulat an das badische Innenministerium, New York, 22. August 1856, GLA, 233/10124, unpaginiert. 10 Wie Jack Ralph Kloppenburg gezeigt hat, wurden US-Konsuln seit den 1820er-­Jahren aktiv in die von staatlichen Behörden, insbesondere dem Patent Office, geplanten Initiativen

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ihre offizielle Funktion vor allem die Übermittlung von Handelsinformationen an Regierungen und Unternehmer umfasste.11 Zwar standen auch in anderen außereuropäischen und europäischen Ländern stationierte badische Konsuln in Kontakt mit oberrheinischen Landwirtschaftsreformern, jedoch kam dem Austausch mit denen in den USA besondere Bedeutung zu.12 Teils mit Württemberg und Bayern zusammen, teils alleine, verfügte der badische Staat mit Vertretungen in Philadelphia, New York, Baltimore, Cincinnati, Louisville, Milwaukee, St. Francisco, St. Louis und New Orleans über zahlreiche Brückenpunkte in den USA , die ein engmaschiges Kommunikationsnetzwerk bildeten.13 Für die besondere räumliche Ausrichtung der oberrheinischen Tabakforschung innerhalb des Atlantiks war es keineswegs unwichtig, dass die Konsulate proportional zu den Migra­ tionsgeographien süddeutscher Auswanderer errichtet worden waren, die es zur Mitte des Jahrhunderts angesichts des demographischen Drucks und politischer Unsicherheiten von Europa in die USA zog.14 Konsulate standen Auswanderern bei der Einrichtung ihres neuen Lebens im Ausland mit Rat und Tat zur Seite. Verbindungen oberrheinischer Tabakforscher zu nordamerikanischen Tabakanbaugebieten wurden auch durch US-amerikanische Konsuln geknüpft, die aufgrund ihrer Migrationsvergangenheit eine besondere Nähe zum südlichen Rheinland wahrten. Der schon in Kapitel 4 vorgestellte, in der Schweiz stationierte US-Konsul George H. Goundie etwa hatte mit badischen Tabakexperten Kontakt aufgenommen und dem badischen Staat mit der Einführung des Gunditabaks geholfen, weil er einen „Dienst“ „für das Land [s]einer Väter“ tun wollte. Er sei „in Amerika geboren“, der Vater aber gebürtig aus Osterheim bei Schwetzingen

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zur Verbesserung der Landwirtschaft einbezogen: Jack Ralph Kloppenburg, First the Seed. The Political Economy of Plant Biotechnology, 1492 – 2000, 2. Auflage, Madisson (u. a.) 2004, S. 53 und 55. Fies, Die badische Auswanderung im 19. Jahrhundert, S. 221. Neben den USA stach vor allem die Kommunikation von Konsuln über Anbaumethoden aus den Niederlanden hervor: Brief Badisches Consulat im Königreich der Niederlande an das badische Innenministerium, Tiel, 8. November 1851, GLA, 236/16731, unpaginiert; Brief Badisches Ministerium des großherzoglichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten an das badische Innenministerium, Karlsruhe, 15. November 1851, GLA , 236/16731, unpaginiert. Fies, Die badische Auswanderung im 19. Jahrhundert, S. 221. Ott, Crossing the Atlantic, S. 387 – 393.

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und erst 1801 nach Pennsylvania ausgewandert, wo er geheiratet und seinen Namen von Gund zu Goundie geändert habe. Obwohl Goundie seine „Heimat“ in „Nordamerika“ verortete, fühlte er sich „als Nachkomme eines Badensers“ dem badischen Tabakanbau patriotisch verbunden.15 Zwar hatten diese Aussagen – wie ich weiter unten noch zeigen werde – auch strategische Gründe. Jedoch zeigen sich darin nichtsdestotrotz jene über Generationen hinweg existierenden Zugehörigkeitsgefühle von Auswanderern, die versuchten, Verbindungen in die „Heimat“ ihrer Eltern aufzubauen.16 Goundies Engagement belegt, dass die oberrheinische Tabakforschung von einem transatlantischen Diasporagedanken profitierte, der die nachfolgenden Generationen südrheinischer Auswanderer anhielt, sich und die Expertise US-amerikanischer Anbauregionen in die landwirtschaftliche Reform ihrer Herkunftsregionen einzubringen. In Goundies Fall brachte diese Loyalität oberrheinische Reformer mit Pennsylvania in Berührung.17 In Konsul Goundies Herkunftsstaat wurde Tabakanbau in den Breiten des Lancaster County betrieben, der zunächst für Kau- und Pfeifentabak, seit den späten 1830er-­Jahren zunehmend für die Zigarrenfabrikation verwendet wurde, insbesondere von deutschen Emigranten.18 Badische Auswanderer wurden somit nicht nur als Abnehmer von Zigarren aus Baden imaginiert (Kapitel 4), sondern stellten gleichzeitig eine Gruppe dar, die die badisch-­elsässische Forschungslandschaft über konsularische Verbindungen mit Wissen versorgte. Konsuln wie Goundie waren für oberrheinische Tabakforscher wichtige Kanäle zur Akquise landwirtschaftswissenschaftlicher Forschung aus den USA. Der badische Reformer Karl-­Heinrich Rau und der elsässische Chemiker Jean-­ Baptiste Boussingault referierten beide auf einen Artikel aus dem Report of the

15 Brief Consulate of the United States of America at Zürich an das badische Ministerium für Landwirtschaft, Zürich, 9. April 1861, GLA, 236/16732, unpaginiert. 16 Zur neueren Forschung etwa: Jochen Oltmer, Migration vom 19. bis zum 21. Jahrhundert, 3., aktualisierte und erweiterte Auflage, München 2016, S. 82 – 92. 17 Leider lässt sich keine direkte Involvierung Goundies in den dortigen Tabakanbau nachweisen. 18 Daniel B. Good, The Localization of Tobacco Production in Lancaster County, Pennsylvania, in: Pennsylvania History. A Journal of Mid-­Atlantic Studies 49 (1982), S. 190 – 200, hier S. 192 und 194; über die Anlehnung an die kubanische Tabakproduktion in Pennsylvania auch: George R. Powell, History of York County Pennsylvania, Chicago 1907, S. 631 – 632.

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Commissioner of Patents for the Year 185819, dem offiziellen Journal des US-amerikanischen Patent Office, das Konsul Goundie der Karlsruher Centralstelle für Landwirthschaft hatte zukommen lassen, von wo es sich in den oberrheinischen Forscherkreisen verbreitete.20 Über die konsularischen Kanäle kamen Forscher wie Rau und Boussingault mit einer agrikulturchemischen Forschungslandschaft zum Tabakanbau in Berührung, die sich in den USA zur Mitte des 19. Jahrhunderts, ganz ähnlich wie am Oberrhein, auszudehnen begonnen hatte. Der Artikel, auf den sich beide bezogen, stellte eine Studie des Chemiker Charles T. Jackson dar 21, der in Boston eines jener privaten agrikulturchemischen Labors betrieb, die in den 1840er-­ Jahren in US-amerikanischen Städten entstanden.22 Jackson war von der Patent Office-­Behörde engagiert worden 23, um Versuche zur Verbesserung des Tabaks zu unternehmen und Böden zum Anbau der Pflanze zu begutachten.24 Staatliche Projekte zur Optimierung des Tabakanbaus in den USA waren Produkt eines intensiven Austauschs mit europäischen Landwirtschaftswissenschaftlern,

19 Karl Heinrich Rau, Die Landwirthschaft der Heidelberger Gegend, in: Anonym (Hg.) Festschrift für die Mitglieder XXI . Versammlung deutscher Land- und Forstwirthe. Beiträge zur Kenntniß der Land- und Forstwirthschaft im Großherzogtum Baden, Heidelberg 1860, S. 253 – 405, hier S. 368; Jean-Baptiste Boussingault, Statique des cultures industrielles. Le Tabac, in: Ders., Agrono­mie, chemie agricole et physiologie, Band 4, Paris 1868, S. 100 – 129, hier S. 125; der Text war schon 1858 erschienen in: Jean-Baptiste Boussingault, Statique des cultures industrielles. Le tabac, in: Comptes rendus hebdomadaires des séances de l’Académie des Sciences 58 (1858), S. 1007 – 1019. 20 Brief Handels-­Ministerium an den amerikanischen Consul Herrn G. H. Goundie hochwohlgeboren in Zürich, Karlsruhe, 14. Mai 1861, GLA , 236/16732, unpaginiert; Brief G. H. Goundie, Consulate of the United States of America at Zürich, an das Großherz. Badisches Ministerium für Landwirtschaft u. s. w., Zürich, 9. April 1861, GLA, 236/16732, unpaginiert. 21 Charles T. Jackson, Chemical Analysis of Tobacco Soils-­Analysis of the Ash of the Tobacco Plant, in: [Anonym] (Hg.), Report of the Commissioner of Patents for the Year 1858. Agriculture, Washington 1859, S. 290 – 307. 22 Margaret W. Rassiter, The Emergence of Agricultural Science. Justus Liebig and the Americans, 1840 – 1880, New Haven (u. a.) 1975, S. 80. 23 Gustavus Adolphus Weber, The Bureau of Chemistry and Soils. Its History, Activities and Organization, Baltimore 1928, S. 1 – 11. 24 Ariel Ron, Developing the Country. ‚Scientific Agriculture‘ and the Roots of the Republican Party, Diss., University of California Berkeley, 2012, S. 161 – 168; Kloppenburg, First the Seed, S. 58.

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die, wie Mark F. Finlay gezeigt hat, eine ausgeprägte Korrespondenz mit Nordamerika unterhielten.25 Konsularische Kontakte sicherten oberrheinischen Experten jedoch nicht nur die Versorgung mit aktueller agrarwissenschaftlicher Literatur, sondern stellten auch eine wichtige Quelle für Tabaksaatgut dar, das in den Akklimatisierungsexperimenten in den angrenzenden Rheinregionen getestet wurde.26 Zwar war Tabaksamen aus Nordamerika im Rheinland schon um 1800 nicht unbekannt (Kapitel 3). Jedoch stellte die Ausdehnung des Konsulatswesens im 19. Jahrhundert die transatlantischen Transfers von Saatgut auf eine stärker institutionalisierte Grundlage. Konsuln galten dabei als vertrauenswürdig, weil sie Sicherheits- und Transportstandards der oberrheinischen Tabakforschungskultur beachteten. Das zeigt sich etwa mit Blick auf die Sorgfalt, die badische Konsuln bei der Verschiffung von Saatgut nach Karlsruhe an den Tag legten: „Blecherne Büchsen“ aus Schutzgründen für den Versand zu n ­ utzen, kam nahezu mustergültig den Empfehlungen zum Transport von Pflanzen und Saatgut gleich, für die sich Reformer und Botaniker aussprachen.27 Andere Konsuln bedienten sich der ­zwischen Europa und den Amerikas neueingerichteten Dampfschifflinien, um die Tabaksaat schnell zu verschiffen.28 Die mit der Dampfkraft assoziierte Schnelligkeit war ein wissenschaftlicher Standard für den Pflanzen- und Saatguttransport, den zeitgenössische Gelehrte immer wieder betonten. Eine sichere und schnelle Lieferung von Saatgut und Pflanzen schien angesichts der diskutierten Lager- und Haltbarkeit von Pflanzensamen unumgänglich.29 25 Marc R. Finlay, Transnational Exchanges of Agricultural Scientific Thought from the Morrill Act through the Hatch Act, in: Alan I. Marcus (Hg.), Science as Service. Establishing and Reformulating Land-­Grant Universities 1865 – 1930, Tucaloosa 2015, S. 33 – 60, hier S. 50. Finlay zufolge wurden die USA allerdings erst in den 1890er-­Jahren zu einem Orientierungspunkt im transatlantischen Austausch der Agrikulturchemiker. 26 Nachweise dazu finden sich auf den kommenden Seiten. 27 Brief Badisches Consulat in New Orleans, Louisiana, an badisches Ministerium des Großherzoglichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten, New Orleans, 19. Februar 1857, GLA, 233/10124, unpaginiert; über die Transportempfehlungen: Katherine M. Murphy/ Christopher M. Parsons, Ecosystems under Sail. Specimen Transport in the Eighteenth-­ Century French and British Atlantics, in: Early American Studies 10 (2012), S. 503 – 539. 28 Brief Barth Henrich an badische Centralstelle des landwirthschaftlichen Vereins, Mannheim, 28. Oktober 1852, GLA, 236/16735, unpaginiert. 29 Annalisa Managlia/Umberto Masseti/Ariane Dröscher, Seeds of Knowledge. Unveiling Hidden Information through Letters and Gardens in Bologna, Turin and Uppsala, in:

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Das besondere Vertrauen zu Konsuln zeigt sich auch mit Blick auf die Abwertung anderer Intermediäre. Saatguthändlern aus den USA wurden, wie bei der Landwirthschaftlichen Besprechung über Tabakskultur 1847, „Betrügereien mit Tabaksamen“ 30 zugeschrieben; der internationale Saatguthandel, wie Gartendirek­ tor Metzger mit Blick auf Händler aus den Niederlanden feststellte, schien von Schwindel betroffen.31 Diese Kritik fiel in die Zeit, in der sich das Saatguthändlergewerbe auf beiden Seiten des Atlantiks überhaupt erst als privatwirtschaftlich relevanter Wirtschaftszweig etablierte.32 Während oberrheinische Forscher Saatguthändler mit Unsicherheit in Verbindung brachten, besaßen Konsuln einen Vertrauensvorschuss. Die Angewiesenheit auf individuelle Kontakte der Konsuln brachte es jedoch mit sich, dass Saatgutlieferungen aus den USA von Kontingentschwankungen betroffen waren. Im Oktober 1856 bedauerte der badische Konsul von New Orleans, dass es ihm „nicht gelungen“ sei, dem Auftrag nachzukommen, weil ­solche „Samen […] hier nicht zu finden“ ­seien.33 Enttäuscht teilte der New ­Yorker Generalkonsul Schmidt den Reformern im Dezember 1851 mit, dass er keinen „Samen aus den südlichen Staaten“ hatte ­schicken können, weil von ihm kontaktierte „Sachverständige [in den USA] der Meinung [waren,] dass ­solche History of Sciences and Technology 5 (2012), S. 17 – 29, hier S. 22. 30 [Anonym], Landwirthschaftliche Besprechung über Tabakskultur am 2. August d. J. in Heidelberg (Schluß), in: Wochenblatt des landwirthschaftlichen Vereins im Großherzogthum Baden 15 (1847), S. 218 – 224; ähnlich: Brief Badisches Konsulat St. Louis an das badische Innenministerium, St. Louis, 13. Januar 1857, GLA, 233/10124, unpaginiert. 31 [Anonym], Ueber den Tabaksbau in Nordamerika, in: Landwirtschaftliches Korrespondenzblatt für das Großherzogthum Baden 6 (1858), S. 33 – 43, hier S. 43; dazu auch Brief Vogelmann an badische Centralstelle des landwirthschaftlichen Vereins, Karlsruhe, 10. Dezember 1851, GLA, 236/16731, unpaginiert; A. Adam, Protokoll über die Besprechung bei der Versammlung der Tabaksproduzenten, Händler und Fabrikanten, [Anonym] (Hg.), Bericht über die am 29. November zu Karlsruhe stattgehabte Besprechung über den Tabaksbau und Tabakshandel im Großherzogtum Baden. Nebst einem statistischen Anhange über die Bedeutung der Tabaksproduktion und des Tabakhandels, erstattet durch die Grossh. Centralstelle für die Landwirthschaft, Karlsruhe 1856, S. 1 – 25, hier S. 9 – 10. 32 Zum Betrug im europäischen Saatguthandel während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Mauro Ambrosoli, The Wild and the Sown. Botany and Agriculture in Western Europe. 1350 – 1850, Cambridge (u. a.) 1997, S. 378 – 383. 33 Brief Badisches Consulat in New Orleans an badisches Innenministerium, New Orleans, 4. Oktober 1856, GLA, 233/10124, unpaginiert.

Pottasche, Potash, Kali

Sorten […] in unseren Gegenden nicht gehörig gediehen.“ 34 Vereinfacht gesagt: Wenn die Landwirte kein Saatgut abzugeben hatten, dann konnten badische Konsuln keines nach Karlsruhe senden, weil sie nicht über dieselben Netzwerke verfügten wie etwa professionelle Saatguthändler. Die staatlichen Vertreter im Ausland schienen dennoch relevant, weil sie Saatgut geographisch weit auseinanderliegender Tabakanbaugebiete akquirieren konnten. Der Karlsruher Garten­direktor Johann Metzger hatte den New Yorker Konsul für Saatgut aus dem „südlichen Amerika“ angeschrieben.35 Ähnlich wie schon der Austausch der Pariser Ingenieure mit Kuba gezeigt hat (Kapitel 5), weisen auch s­ olche Beziehungen darauf hin, dass die Genese einer Tabakforschung im Atlantik weniger als unilineare Diffusion von Europa, denn als wechselseitige Verflechtung von Forschungs- und Anbaukulturen auf beiden Seiten des Atlantiks verstanden werden muss. Arbeiten zur Geschichte der Landwirtschaftswissenschaft haben das Bild eines einseitigen Einflusses europäischer Agrarwissenschaftler auf ihre US -amerikanischen Kollegen zu stark verhärtet.36 Die wechselseitigen Kontakte von Agrarexperten sind in der Forschung zu wenig berücksichtigt worden.

6.2. Pottasche, Potash, Kali Verbindungen zu Konsuln in und aus Nordamerika trugen dazu bei, dass die von der Pariser Zentralverwaltung für den Tabakanbau hervorgehobenen Mineralien in spezifischer regionaler Weise wahrgenommen und angeeignet wurden. Der folgende Abschnitt geht am Beispiel der Debatte um den zur Brennbarkeit der Zigarren gesteigerten Gehalt an Pottasche Wissenstransfers aus den USA nach und untersucht die komplexen Übersetzungs- und Aneignungprozesse des Wissens in der oberrheinischen Tabakforschung. 34 Brief Konsul Schmidt an das badische Innenministerium, New York, 26. Dezember 1851, GLA, 236/16731, unpaginiert. 35 Brief Metzger an das badische Innenministerium, Karlsruhe, 23. Februar 1852, GLA , 236/16731, unpaginiert. 36 Rassiter, The Emergence of Agricultural Science; Mark R. Finlay, The German Agricultural Experiment Stations and the Beginnings of American Agricultural Research, in: Agricultural History 62 (1988), S. 41 – 50; dazu auch: Paul R. Jones, Justus von Liebig, Eben Horsfrod and the Development of the Baking Powder Industry, in: AMBIX 40 (1993), S. 65 – 74.

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Empfehlungen für Pottaschedüngung, die von der Pariser Zentralverwaltung als der Schlüssel zur Produktion brennbarer Kubazigarren gesehen wurde, waren am Oberrhein grundsätzlich willkommen. Louis II. Pasquay, ein elsässischer Tabakexperte, der ein landwirtschaftliches Familienunternehmen führte 37, befürwortete in seiner Schrift Des engrais Schloesings Theorien.38 Oberrheinische Forscher hatten diese im grenzüberschreitenden Dialog überprüft. Wie Neßler 1867 in seinem Buch Der Tabak, seine Bestandtheile und seine Behandlung retrospektiv betonte, hatte er bei seinen Besuchen in der nordelsässischen Chemiefabrik Charles-­Henri Schattenmanns in Bouxwiller Anregungen zur Bestimmung von „kohlensauren Alkalien“ und der „Pottasche“ bei der Analyse verbrannter Tabakblättern gesammelt, die Schattenmann als Abfallprodukte aus der Straßburger Tabakmanufaktur bezog.39 Neßlers Forschung war während seiner Tätigkeit als Apothekergehilfe in Schattenmanns Fabrik entstanden, die der Karlsruher Chemiker nach dem Abschluss seiner Lehre im badischen Kippenheim in den 1850er-­Jahren angetreten hatte.40 Der oberrheinische Austausch über und die Zustimmung zur Mineraliendüngung lässt sich jedoch kaum ohne den schon einige Jahre vor der Genese der Pariser Zentralisierungspolitik verstärkten Einfluss der US-amerikanischen Tabakforschung verstehen. Wenn der Heidelberger Ökonom und Agronom Karl Heinrich Rau 1860 eine Verbindung z­ wischen dem Pottaschegehalt „des vortrefflichen Bergstraßenbodens“ und der „Vorzüglichkeit des hier wachsenden Tabaks“ annahm, dann bezog er sich auf Forschungsresultate zu den „ausgezeichneten Tabaksböden von Massachusetts und Maryland“, die am Oberrhein durch die oben genannte Schrift Jacksons publik gemacht worden waren.41 Jackson sah „Potash“ oder „Pottassium“ – so die englischsprachige Bezeichnung für Pottasche – tatsächlich als „absolutely necessary“ für die Kultivierung des Tabaks an.42 Mit Blick auf den Bostoner Chemiker betonte auch Boussingault in einem 37 Rolf Werl, [Artikel] Louis II. Pasquay, in: Jean-­Pierre Kintz (Hg.), Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne, Na bis Or, 28 (1996), S. 2948. 38 Louis Pasquay, Des engrais. Compte de culture d’un hectare de tabac, Straßburg 1871, S. 32. 39 Neßler, Der Tabak, seine Bestandtheile und seine Behandlung, S. 32. 40 Friedel Timmermann/Sigrid Holtmannspötter, [Artikel] Neßler, Julius, in: Neue Deutsche Biographie 19 (1998), S. 75 – 76. 41 Rau, Die Landwirthschaft der Heidelberger Gegend, S. 368. 42 Jackson, Chemical Analysis of Tobacco Soils, S. 291.

Pottasche, Potash, Kali

1858 erschienenen Artikel zum Tabakanbau die Zentralität von Pottasche für Wachstum und Qualität der Tabakpflanzen.43 Die Einschätzungen US-amerikanischer Tabakexperten lassen sich nicht unabhängig von den Entwicklungen der Düngemittelindustrie in den USA betrachten. Jacksons Forschung unterstützte diejenigen Hersteller, die Potashdünger in den USA mit industriell betriebener Einäscherung von Bäumen, Tabakstengeln oder Substanzen wie Baumwollsamen produzierten.44 Darüber hinaus hatte der Chemiker auch versucht, Kapital für den Abbau von Phosphatlagerstätten zu akquirieren 45, um seine chemischen Kenntnisse und seine Reputation als Wissenschaftler im Bereich der Mineraldüngerherstellung zu Geld zu machen. US -amerikanische Analysen von Pottaschedüngung im Tabakanbau waren gleichzeitig von der Rezeption der Forschungen des Gießener Agrarwissenschaftlers Justus Liebig beeinflusst.46 Von Bedeutung war neben den englischsprachigen Übersetzungen von dessen Büchern vor allem Liebigs Labor in Gießen, das unter nordamerikanischen Wissenschaftlern Reputation als Ausbildungsstätte aufweisen konnte.47 Zwar war Liebig auch am Oberrhein eine wichtige Referenz der Tabakforscher, die ihre Wissenschaftlichkeit betonten und sich von anderen Reformern abgrenzten (Kapitel 4). Jedoch fand eine stärkere Adaption von dessen Theorien hier nicht zuletzt über die Aneignung und Rezeption der USamerikanischen Tabakforschung statt, in der Liebigs Mineralientheorien schon früher auf die Spezifika des Tabakanbaus angewandt worden waren. US-amerikanische Tabakforscher arbeiteten auf der Grundlage von Liebigs Theorien quantifizierte Angaben für die Tabakpflanze heraus. Jacksons Artikel von 1858 waren Statistiken angehängt, die die Notwendigkeit einer tabellarischen Bestimmung von Pottasche in den Tabakfeldern verdeutlichten. Dabei wurde eine Art Tableau korrelierender Eigenschaften vermittelt, das deutlich von jenem „Quantifying Spirit“ gezeichnet war, der seit der Mitte des 18. Jahrhunderts 43 Boussingault, Statique des cultures industrielles, S. 125. 44 F. M. L. Thompson, The Second Agricultural Revolution, 1815 – 1880, in: Economic History Review 21 (1968), S. 62 – 77, hier S. 70. 45 Richard C. Sheridan, Chemical Fertilizers in Southern Agriculture, in: Agricultural History 53 (1979), S. 308 – 318, hier S. 309. 46 Rassiter, The Emergence of Agricultural Science; Finlay, The German Agricultural Experiment Stations; dazu auch: Paul R. Jones, Justus von Liebig, Eben Horsfrod and the Development of the Baking Powder Industry, in: AMBIX 40 (1993), S. 65 – 74. 47 Rassiter, The Emergence of Agricultural Science.

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Wissenschaftler zu zahlenbasierter Rechtfertigung von Sachverhalten anhielt.48 Angesichts des Einflusses von Jacksons Forschung in den Reihen oberrheinischer Tabakexperten ist es wenig verwunderlich, dass diese an Schloesings Forschung gerade die gering ausgeprägten Mengenrelationen bemängelten.49 Im Wochenblatt des Landwirthschaftlichen Vereins stellte der Karlsruher Chemiker Julius Neßler ein Großexperiment vor, mit dem die Thesen aus Paris quantitativ belegt werden sollten.50 Jenseits der Verbindungen zur US-amerikanischen Tabakforschung überlagerte sich die Aneignung der Pariser Reformpolitik am Oberrhein gegen Ende der 1860er-­Jahre jedoch auch mit den Kategorien deutschsprachiger Agrikulturchemiker, die den Begriff ‚Kali‘ in semantisch neuartiger Weise aufluden. Der Elsässer Pasquay etwa hatte anlässlich seines Vortrags bei dem in Kapitel 4 schon besprochenen Congrès agricole in Nancy 1869 die Notwendigkeit von Pottaschedüngung anhand der sogenannten Staßfurter Kalisalze erläutert.51 Seit den frühen 1860er-­Jahren hatte sich um das preußische Staßfurt eine Tagebaulandschaft für salzartige Materialien etabliert, die Chemiker wie Liebig entdeckt und als landwirtschaftliche Düngemittel empfohlen hatten.52 Die Staßfurter Salze wurden zu einem Bezugspunkt für deren professionelle Ambitionen. In der Agitation deutschsprachiger Agrikulturchemiker für eine Staßfurter Düngeindustrie wurde die tatsächlich komplexe Zusammensetzung der in Staßfurt geförderten Salze und Substanzen weitgehend auf die Bezeichnung „Kali“ reduziert.53 Die Erfolge dieser Kategorie zeigten sich nicht zuletzt daran, dass unter dem Label „Staßfurter Kalisalze“ ein global agierender Exporthandel entstand, mit dem die deutsche Düngemittelindustrie im späten 19. Jahrhundert eine Art Monopol im Bereich kaliumhaltiger Mineraldünger erlangte.54 Die Theorien Schloesings und

48 Tore Frängsmyr (Hg.), The Quantifying Spirit in the 18th Century, Berkeley (u. a.) 1990. 49 [Anonym], Zweiundvierzigste Sitzung am 18. März 1867, in: Verhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins in Carlsruhe 4 (1869), S. 15 – 18. 50 Ebd. 51 Louis Grandeau, Comptes rendus des travaux du congrès agricole libre tenu à Nancy les 23, 24, 25 et 26 juin 1869, Paris 1869, S. 82 – 83. 52 Jakob Vogel, Ein schillerndes Kristall. Eine Wissensgeschichte des Salzes ­zwischen Früher Neuzeit und Moderne, Köln (u. a.) 2008, S. 353. 53 Ebd., S. 371. 54 Mit Blick auf den schwedischen und US -amerikanischen Markt: Sheridan, Chemical Fertilizers, S. 314; Thompson, The Second Agricultural Revolution, S. 70.

Pottasche, Potash, Kali

die Kubanisierungspolitik der Pariser Ingenieure wurden vor ­diesem Hintergrund in die regionale Diskussionslandschaft am Oberrhein übersetzt. Dies war eng mit der Tatsache verbunden, dass badische Tabakforscher direkt in das Düngegewerbe um Staßfurt involviert waren. Neßler hatte im Auftrag der Mannheimer Chemie-­Fabrik Georg Carl Zimmers, die mit dem Kali-­Boom teilweise nach Staßfurt verlagert worden war, in einer propagandistischen Dünge-­Lehre  55 von 1866 und der Arbeit Der Tabak 56 aus dem Jahr 1867 die Wirksamkeit der von Zimmer angebotenen Staßfurter Salze für den Tabakanbau herausgestrichen.57 Die Begriffsverwendung des Wortes Pottasche reduzierte sich jedoch zumindest auf der elsässischen Seite des Oberrheins auch in den späten 1860er-­Jahren nicht komplett auf das Kali. Pasquay nannte in d ­ iesem Zusammenhang auch die „sels de la Méditerranée“, von denen er sich einen ähnlich positiven Effekt für den Anbau von Tabak versprach.58 Adressiert wurden somit auch das Salzgewinnungsgewerbe an der französischen Mittelmeerküste, das schon seit der Frühen Neuzeit Düngemittel ins Innere Frankreichs und in umliegende europäische Staaten lieferte.59 Sieht man von diesen Assoziationen jedoch einmal ab, die sich weder in den Kreisen der Pariser Tabakingenieure noch der badischen Agronomen finden lassen, dann bildeten gerade die Staßfurter Kalisalze seit den späten 1860er-­ Jahren jenen begrifflichen Hintergrund, vor dem im Elsass und in Baden die Kubanisierungsmaßnahmen der Pariser Ingenieure gedeutet wurden. Die neuen Kategorien überlagerten sich mit den schon in den 1850er-­Jahren intensivierten konsularischen Verbindungen in die USA, die in der südrheinischen Grenzregion das Bewusstsein für die besondere Bedeutung von Pottasche schärften. Transfers aus den USA hatten den Boden dafür bereitet, dass die Reformvorschläge der Pariser Ingenieure zumindest in dieser Hinsicht auf einige Zustimmung trafen. 55 Julius Neßler, Dünge-­Lehre, herausgegeben von der Chemischen Fabrik von Georg Carl Zimmer vormals C. Clemm-­Lennig in Mannheim, Mannheim 1866. 56 Neßler, Der Tabak, seine Bestandtheile und seine Behandlung, S. 32. 57 Ebd., S. 37. Im Wochenblatt des Landwirthschaftlichen Vereins für das Großherzogtum Baden von 1867 finden sich Werbeanzeigen der chemischen Fabrik von Georg Carl Zimmer, in denen die Anwendbarkeit des Kalis auf den Tabakanbau propagiert wurde (S. 191). 58 Grandeau, Comptes rendus des travaux du congrès agricole, S. 82 – 83; Pasquay, Des ­engrais, S. 10 – 11. 59 Xavier Daumalin, Du sel au pétrole. L’industrie chimique de Marseille-­Berre au XIXe ­siècle, Marseille 2003.

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6.3. Sorten/Trocknung: Wissenspatente Verbindungen z­ wischen den USA und dem Oberrhein waren darüber hinaus auch in das auf beiden Seiten des Atlantiks während des 19. Jahrhunderts entstehende staatliche Patentwesen eingeschrieben. Der folgende Abschnitt zeigt am Beispiel des Transfers und Nicht-­Transfers von Tabaksorten und Tabaktrocknungsmethoden, dass Patente in der transatlantischen Austauschkultur für Irritationen sorgen konnten, gleichzeitig aber auch Alternativen zu den von der Pariser Zentralverwaltung propagierten Reformmaßnahmen sichtbar machten. Am Oberrhein stellte der von US-Konsul George H. Goundie in den 1840er-­ Jahren eingeführte Gunditabak die alternative Standardsorte zu dem von den Ingenieuren für Frankreich propagierten Havannatabak dar. Eugène Oppermann, der Assistent Jean-­Baptiste Boussingaults, hob in seinem 1858 publizierten Rapport sur la culture du tabac dans le département du Bas-­Rhin die filigranen und schmalen Blätter, die Biegsamkeit und die Widerstandsfähigkeit des Gundis bei der Verarbeitung hervor – Eigenschaften, die den Gundi angesichts der zeitgenössischen Qualitätsvorstellungen (Kapitel 5) als distinkten Zigarrentabak auszeichneten.60 Julius Neßlers Versuche zu den Auswirkungen stickstoffreicher Dünger griffen auf die Sorte als Testobjekt zurück, womit er der Gundi implizit zur Standardsorte für Experimente mit dem Tabak designierte.61 Tabakforscher im Elsass waren oftmals vorsichtiger und sprachen von einer „gewisse[n] Reputation“ der Sorte 62, die ihren guten Ruf immer auch mit anderen Varietäten teilte.63 Auch der badische Forscher August von Babo wies in einem Aufsatz von 1855 mit dem suggestiven Titel Welche Sorte Tabak soll bei uns angepflanzt und verbreitet werden? darauf hin, dass es „gegenüberstehende Meinungen“ gebe. Für ihn selbst jedoch war die besondere Güte des Gunditabaks evident.64 Trotz der Latenz im Elsass trat die Sorte einen unvergleichlichen Siegeszug in der Grenzregion an. 60 Oppermann, Rapport sur la culture du tabac, S. 81 – 82. 61 Julius Neßler, Anbauversuche mit Goundi-­Tabak im Jahr 1863, in: Wochenblatt des Landwirthschaftlichen Vereins im Großherzogthum Baden 3 (1865), S. 229 – 230; Neßler, Der Tabak, seine Bestandtheile und seine Behandlung, S. 61. 62 Brief Schattenmann an Rolland, Bouxwiller, 16. August 1862, ADBR, 11/M/195, unpaginiert. 63 Oppermann, Rapport sur la culture du tabac, S. 81 – 82. 64 August von Babo, Welche Sorte Tabak soll bei uns angepflanzt und verbreitet werden?, in: Landwirthschaftliches Centralblatt 6 (1855), S. 41 – 44, hier S. 41.

Sorten/Trocknung: Wissenspatente

Mit der Etablierung des Gunditabaks in der oberrheinischen Forschungskultur ging eine erfolglose Reihe von Akklimatisierungsversuchen mit in den Amerikas akquirierten Sorten zu Ende. Johann Metzger beispielsweise, der Leiter des badischen Landwirtschaftsgartens in Karlsruhe, hatte in den Experimentalgärten des Landwirthschaftlichen Vereins für das Großherzogtum Baden immer wieder „Versuche mit verschiedenen amerikanischen Original-­Tabaksaamen“ durchgeführt, die meist wenig „günstig aus[ge]fallen“ waren.65 Die in den 1860er-­Jahren von Adolphe Lemaistre-­Chabert, dem Direktor der Straßburger Société des Sciences, Agriculture et Arts du Bas-­Rhin unternommenen Akklimatisierungsversuche waren die Ausläufer einer Phase relativer Erfolgslosigkeit.66 Die dann einsetzende Popularität des Gundis kann als Kehrseite einer wenig enthusiastischen Aufnahme des Havannatabaks verstanden werden, den die Pariser Zentralverwaltung seit 1860 für Experimente in den grenznahen Departements Haut-­Rhin und Bas-­Rhin verteilte. Metzger zeigte sich deshalb lediglich gewillt, 1/8 des Pfundes „Havanna-­Tabak-­Samen“ anzunehmen, das der Mannheimer Tabakhändler Joseph Barth-­Henrich ihm 1852 zugesandt hatte.67 Zwar lag diese geringe Abnahme nicht zuletzt an der Tatsache, dass Barth-­Henrich Saatguthändler erwähnte, von denen sein auf Kuba tätiger Sohn die Samen gekauft hatte 68 – ein Problem für oberrheinische Agronomen, die, wie zu Anfang des Kapitels gezeigt, wenig Vertrauen in professionelle Saatguthändler besaßen. Dass jedoch auch Barth-­Henrichs Beharren auf die „beste Qualität“ der bei der Zigarrenprobe in Heidelberg 1851 getesteten Saat wenig Anklang bei Experten wie Metzger fand, hatte tiefere Beweggründe: Havannatabake hatten sich in der oberrheinischen Tabakforschung so wenig durchgesetzt, dass Barth-­Henrich sich schließlich an Landwirtschaftsvereine außerhalb der Grenzregion, in Hessen und Bayern, wandte, von denen er sich eine Abnahme des Samens erhoffte.69 In der Straßburger Société des Sciences waren keine nachweisbaren Akklimatisierungsversuche 65 Johann Metzger, Ueber die Tabaksveredlung in der Pfalz, in: Landwirthschaftliches Wochenblatt für das Großherzogtum Baden 8 (1840), S. 69 – 7 1, hier S. 71. 66 Registre des procès verbaux des séances de la Société des Sciences […], Séance du 5 Juillet 1865, ADBR, 63/J/8, unpaginiert; Brunn, Le tabac, S. 161 – 162. 67 Brief Jos Barth-­Henrich an badische Centralstelle des landwirthschaftlichen Vereins, Mannheim, 28. Oktober 1852, GLA, 236/16735, unpaginiert. 68 Ebd. 69 Brief Badische Centralstelle des badischen landwirtschaftlichen Vereins an Barth-­Henrich, Karlsruhe, 26. November 1852, GLA, 236/16735, unpaginiert.

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mit den aus Paris gelieferten Samen unternommen worden; wohl nicht zuletzt deshalb, weil Forscher Tabaksorten aus Kuba nur mittelmäßigen Akklimatisierungserfolg in der Grenzregion attestierten. Die besondere Reputation des Gundis am Oberrhein gründete darüber hinaus in dessen Absetzung gegenüber anderen Tabakvarietäten, die in der regionalen Forschungskultur in Erwägung gezogen wurden. Im Vergleich zum Duttentabak, eine schon länger gehandelte Sorte 70, besaß der Gundi aus Sicht der Experten den Vorteil, in den meisten Gegenden des Großherzogtums kultivierbar zu sein, weil er eine gewisse Robustheit mitbrachte.71 Der Gunditabak versprach aus Sicht der Tabakforscher eine Kombination aus Qualität und Quantität, Sicherheit und Produktivität.72 Der Gunditabak wurde in ­diesem Sinne nicht nur für seine qualitativen Eigenschaften, sondern auch für seine Beständigkeit gegenüber Wetterwechsel oder Krankheiten als ‚Garantie‘ gerühmt. Die Erhebung von statistischen Werten über die ‚Leistung‘ einzelner Tabaksorten – etwa durch Angaben zum Rippengehalt ‒ verdeutlicht nicht nur den oben schon angesprochenen „Quantifying Spirit“ oberrheinischer Tabakforscher, sondern auch deren Bedürfnis, Risiken in der Landwirtschaft zu minimieren. Die Forschung hat bisher übersehen, dass Diskussionen über Tabaksorten zur Mitte des 19. Jahrhunderts im ­Zeichen einer Semantik der Kalkulation stattfanden. Sicherheitserwägungen hatten schon in der Frühen Neuzeit im Rahmen landwirtschaftlicher Versicherungen eine Rolle gespielt.73 Solche Debatten intensivierten sich in der Zeit nach 1800 angesichts neuer Absicherungsmöglichkeiten gegen Umwelt- und Naturschäden.

70 Wie Johann Metzger 1841 berichtete, hatte der Duttentabak im Elsass als „Schaufeltabak“ Karriere gemacht: Johann Metzger, Landwirtschaftliche Pflanzenkunde, oder praktische Anleitung zur Kenntniß und zum Anbau der für Oekonomie und Handel wichtigen Gewächse, Erste Abtheilung, Heidelberg 1841, S. 480. 71 „Der Goundietabak ist derjenige, welcher, wohl für die meisten climatischen Verhältnisse passend, den größten Natural- und Geldbetrag liefert.“ von Babo/Hoffacker, Der Tabak und sein Anbau, S. 56 – 57; ähnlich: von Babo, Welche Sorte Tabak, S. 42; mit Bezug auf von Babos und Hoffackers Überlegungen hinsichtlich des Gundis: Rau, Die Landwirthschaft der Heidelberger Gegend, S. 366. 72 Adam, Protokoll über die Besprechung, S. 24. 73 Frank Oberholzner, Von einer Strafe Gottes zu einem versicherbaren Risiko. Bemerkungen zum Wandel der Wahrnehmung von Hagelschlag in der Frühen Neuzeit, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 58 (2010), S. 92 – 101; David Stead, Risk and Risk

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Diese Erwartungen trugen dazu bei, dass Experten in der Grenzregion ein flächendeckendes Aussterben anderer Tabaksorten imaginierten. Philipp Schwab prophezeite schon 1852, dass der Gunditabak, wenn „er [sich] in gleicher Schönheit [in] unserem Klima forterhält, die meisten älteren Sorten in wenigen Jahren verdrängt haben“ wird.74 Für Rüdt von Collenberg-­Bödigheim war der Gundi eine expansive Sorte.75 Aus den Quellen lässt kaum erschließen, ob sich diese Verdrängungs- und Standardisierungsprozesse auch jenseits der Visionen der Wissenschaftler, also in den Praktiken der Landwirte, abzeichneten. Kaum übersehen werden kann jedoch, dass Agrarwissenschaftler mittel- oder langfristig eine Reduktion von Artenvielfalt am Oberrhein in Kauf nahmen. Weit entfernt davon, eine ökonomische Nützlichkeit von Sortenvielfalt zu propagieren, zeigen die Kommentare der Zeitgenossen vielmehr eine eindimensionale Ausrichtung auf die Optimierung des Tabakanbaus. Die Verdrängung geläufiger Tabaksorten durch den Gunditabak schien unproblematisch. Die Entdeckung des Gunditabaks wurde als eine besondere Leistung regionaler Tabakforscher inszeniert. Repräsentanten des badischen Staates, wie Rüdt von Collenberg-­Bödigheim, waren von Reformern des badischen Landwirtschaftsvereins schon in den frühen 1850er-­Jahren überzeugt worden, dass die Entdeckung der Sorte vor allem als „ein Verdienst des Herrn von Babo und des [1852] verstorbenen Gartendirector[s] Metzger“ zu sehen sei.76 Von Babo und Hoffacker hatten argumentiert, dass sie die Sorte schon eine gewisse Zeit in ihren Versuchsgärten nahe Heidelberg kultiviert und botanisch beobachtet hatten 77, ohne den Tabak von dort aus zu verbreiteten.78 Die eigentliche wissenschaftliche Arbeit und damit auch die Anerkennung kam aus Sicht der badischen Verwaltung den Agrarwissenschaftlern des Großherzogtums zu. Reformer des badischen Landwirtschaftsvereins konnten ihre Reputation über den Gundi weiter ausbauen. Management in English Agriculture, c. 1750 – 1850, in: Economic History Review 57 (2004), S. 334 – 361. 74 Philipp Schwab, Der Tabakbau in der Pfalz und in Holland, Karlsruhe 1852, S. 39 – 40. 75 Brief Badische Centralstelle für Landwirthschaft an das badische Handelsministerium, Karlsruhe, 25. April 1861, GLA, 236/16732, unpaginiert. 76 Ebd. 77 Agronomen wie von Babo und Hoffacker klassifizierten den Gunditabak als eine Abart der „Virginischen Tabake“; Schwab hingegen sah im Gundi eine „Varietät“ der „Cubasorte“: Schwab, Der Tabakbau in der Pfalz, S. 39 – 40. 78 von Babo/Hoffacker, Der Tabak und sein Anbau, S. 31.

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Die badisch-­amerikanische Transferdimension bei der Einführung des Gundis wurde hingegen systematisch heruntergespielt. „Bezüglich der guten Absicht, bessere Tabaksorten bei uns einzuführen,“ so urteilte Rüdt von Collenberg-­B ödigheim, „theilt Herr Goundie sein Verdienst mit vielen anderen“.79 Aus seiner Sicht war es „ein glücklicher Zufall“, nicht aber die eigent­ liche Expertise oder Erfindergabe des US -Konsuls, der dazu geführt habe, dass Goundie mit der Sorte Erfolg hatte. Zwar zeigt der am Oberrhein mitunter variierende Begriffsgebrauch – neben „Gundi“ wurde die Sorte oftmals auch „Goundi“ genannt 80 –, dass nicht alle Reformer dem in Zürich stationierten US -Konsul eine derart unwichtige Rolle bei der Einführung der Sorte in der Region zumaßen. Insgesamt schien der Konsul jedoch nur einen Beitrag unter mehreren bei der Entdeckung des Gunditabaks geleistet zu haben – letztlich relativierten Reformer und Verwaltung Goundies Arbeit in nicht unerheblichem Maße. Obwohl Goundie tatsächlich keine, zumindest keine bekannten, Publikationen über die Sorte vorzuweisen hatte, sah sich der US-Konsul selbst als ihr eigentlicher Entdecker. Goundie zufolge war die Existenz der Sorte „den meisten Produzenten vollständig unbekannt“, bis er, der „Einführer“, sie an den Oberrhein brachte.81 Zwar erkannte der US -Konsul an, dass Agronomen wie von Babo oder Schwab „Zeit und Mühe geopfert“ hätten. Ihr eigentlicher Beitrag sei jedoch eher in der Popularisierung der Sorte durch wissenschaftliche Journale und Veranstaltungen zu sehen.82 Goundie knüpfte an diese Behauptungen finanzielle Erwartungen. Das zeigt sich vor allem daran, dass der Konsul eine ganz ähnliche Argumentation schon 1859 gegenüber dem US -amerikanischen Commissioner of Patents aufgefahren hatte, der für die staatliche Patentvergabe in den USA zuständig war. Diesem stellte er sich als patentberechtigter Entdecker des Gunditabaks vor. Die Sorte sei, so Goundie gegenüber der Behörde, „in all parts of Germany where tobacco is grown“ zu finden und der badische Staat habe den Tabak deshalb „by order“

79 Brief Badische Centralstelle für Landwirthschaft an das badische Handelsministerium, Karlsruhe, 25. April 1861, GLA, 236/16732, unpaginiert. 80 Brief Schattenmann an Rolland, Bouxwiller, 16. August 1862, ADBR, 11/M/195, unpaginiert. 81 Brief Consulate of the United States of America at Zürich an badisches Ministerium für Landwirtschaft, Zürich, 9. April 1861, GLA, 236/16732, unpaginiert. 82 Ebd.

Sorten/Trocknung: Wissenspatente

„Goundie tobacco“ getauft.83 Das war eine zumindest streitbare Begründung.84 Es ist aus den vorliegenden Unterlagen auch kaum ersichtlich, inwieweit Goundie in den USA damit erfolgreich war. Dessen Erwartungen waren hingegen keineswegs unrealistisch: Das US -amerikanische Patent Office vergab zur Mitte des 19. Jahrhunderts tatsächlich Patentrechte auf Trockentechnologie und für den Tabak speziell geeignete Düngemittel an US -amerikanische Agrarwissenschaftler.85 Den gegenüber den badischen Ministerien lancierten Erfinderinszenierungen des US -Konsuls lag ein ähnlicher Zweck zugrunde, den die Behörden in Baden erkannten. Rüdt von Collenberg-­Bödigheim lag richtig damit, dass die vom Weinheimer Kreisverein für den Konsul zunächst vorgeschlagene Ehrenmitgliedschaft, eine silberne oder goldene Medaille, Goundies Wünschen kaum entsprechen werde.86 Die von Goundie mobilisierte Erfindersemantik und Forderung finanzieller Entschädigung oder Beteiligung war auch am Oberrhein gängig. Im Elsass hatte der Tabakbauer und Zimmermann Willer aus der Kommune Hindisheim gegenüber der Straßburger Tabakverwaltung eine Abfindungssumme eingefordert, weil er für sich den Status des „Erfinders“ eines Tabaktrocknungsschuppens beanspruchte, den Experten auf beiden Seiten des Rheins in Zeichnungen übertragen hatten.87

83 George H. Goundie, G. H. Goundie, United States Council at Zurich, Switzerland, in: [Anonym] Report of the Commissioner of Patents for the Year 1859. Agriculture, Washington 1860, S. 532. 84 Es liegen mir wenig Informationen dazu vor, ob die Sorte sich wirklich stark über den Oberrhein hinaus ausbreitete. Bis Preußen war der Gundi allerdings vorgedrungen. Der preußische Ökonom Georg von Viehbahn beobachtete im Jahr 1862: „Die verbreitetste, eintröglichste und zu aller Art von Fabrikation geeignete Sorte ist neuerdings der Gundi-­Tabak geworden.“ Georg von Viehbahn, Statistik des zollvereinten und nördlichen Deutschlands, Band 2: Bevölkerung, Bergbau, Bodenkultur, Berlin 1862, S. 802 – 803. 85 Mit Verweis auf den patentierten Dorseys Tobacco Fertilizer: Julia A. King, Tobacco, Innovation, and Economic Persistence in Nineteenth-­Century Southern Maryland, Agricultural History 71 (1997), S. 207 – 236, hier S. 217. 86 Brief Badische Centralstelle für Landwirthschaft an das badische Handelsministerium, Karlsruhe, 25. April 1861, GLA, 236/16732, unpaginiert. 87 Brief Inspecteur de la culture des tabacs du Département du Bas-­Rhin an den Préfet du Département du Bas-­Rhin, Straßburg, 13. Februar 1835, ADBR, 11/M/222, unpaginiert; Brief Willer, Maitre Charpentier à Hindisheim, an Préfet du Département du Bas-­Rhin, Hindisheim, 4. Februar 1835, ADBR, 11/M/222, unpaginiert.

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Der durch Tageszeitungen verbreitete Begriff des „Erfinders“ 88 wurde im Rahmen solcher Strategien der Selbstvermarktung mobilisiert. Goundies Inszenierung als Entdecker des Gunditabaks beruhten jedoch auf einer grundsätzlichen Fehleinschätzung der badischen Vergabepraktiken. Obwohl die großherzogliche Verwaltung ein recht offenes Set von Kriterien wie „Neuheit“, „Nützlichkeit“ und „Erheblichkeit“ als Grundbedingungen für die Anerkennung von Patenten festgesetzt hatte, wurden Erfindungspatente vor allem für Fabrikationsmittel, nicht aber für Waren oder die Einführung „ausländischer Erzeugnisse“ erteilt.89 Der zur Mitte des Jahrhunderts sprunghafte Anstieg von Patentgesuchen in der badischen Verwaltung mag Goundie zu einer Anfrage ermutigt haben.90 Der Konsul unterschätzte jedoch die Unterschiede der staatlichen Patentvergabe in den USA und Europa, die in den 1850er- und 1860er-­ Jahren keinen gemeinsamen Normen unterlagen. Der badische Staat erkannte Erfindungen zur Verbesserung des Tabakanbaus nicht als staatliche Patente an. Die fehlende Akzeptanz und der Abbruch der Kommunikation mit dem ­später als ‚Feind‘ des Großherzogs apostrophierten Konsul (Kapitel 4) führten dazu, dass Goundie die Patentgesuche schließlich einstellte. Atlantische Verbindungen konfrontierten die oberrheinische Tabakforschung jedoch auch mit Wissensbeständen zur Tabakproduktion, auf die in den USA de facto Patente existierten. Im Landwirthschaftlichen Korrespondenzblatt für das Großherzogtum Baden hatte ein anonymer Autor schon 1858 – mit Verweis auf einen konsularischen Bericht 91 – argumentiert, dass es in der Maryland Bay und Ohio verbreitet sei, nach der Ernte in den Trockenhäusern ein Holzfeuer anzuzünden, um die „Operation des Trocknens“ zu beschleunigen.92 Der badische Beobachter bezog sich mit der sogenannten flue-­curing-­

88 Zum rechtlichen Begriff des „Erfinders“ im 19. Jahrhundert: Barbara Dölemeyer, Erfinderprivilegien und frühe Patentgesetze, in: Martin Otto (Hg.), Geschichte des deutschen Patentrechts, Tübingen 2015, S. 13 – 36. 89 Wolfram Fischer, Der Staat und die Anfänge der Industrialisierung in Baden. 1800 – 1850, Band 1: Die staatliche Gewerbepolitik, Berlin 1962, S. 85. 90 Ebd., S. 84 – 86: Bis 1849 gab es lediglich 60 Patente, während deren Zahl ­zwischen 1850 bis 1872 sprungartig auf 787 anstieg. 91 Brief Badisches Consulat in Philadelphia an das badische Innenministerium, Philadelphia, 9. Dezember 1856, GLA, 233/10124, unpaginiert. 92 [Anonym], Ueber den Tabaksbau in Nordamerika, in: Landwirtschaftliches Korrespondenzblatt für das Großherzogthum Baden 6 (1858), S. 33 – 43, hier S. 35.

Sorten/Trocknung: Wissenspatente

Methode auf eine zentrale Facette der nordamerikanischen Tabakkultur, die für US -amerikanische Experten zur Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer lukrativen Möglichkeit des Reputationsgewinns geworden war. Technologien zur Tabaktrocknung waren, ähnlich wie spezialisierte Tabakdünger, Objekte, auf der US -amerikanische Staat Patente vergab – 1861 wurde beispielsweise ein Improved Apparatus for Curing Tobacco patentiert.93 In den USA setzte eine gewisse Verrechtlichung im Bereich der Innovationen bei der Trocknung des Tabaks ein, die sich seit dem frühen 19. Jahrhundert zunächst in den Anbaugebieten Marylands und Virginias, seit den 1880er-­Jahren auch in Southern Virginia und North Carolina ausbreiteten.94 Flue-­curing-­Methoden wurden in Kreisen oberrheinischer Tabakforscher abgelehnt, weil die Technologie nicht für die im Zentrum regionaler Aufmerksamkeit stehende Produktion von Zigarren geeignet schien. Feuertrocknung brachte einen hellen Pfeifen- und Kautabak hervor.95 Das sahen auch US-amerikanische Agronomen so, wie Barbara Hahn gezeigt hat.96 Badische Tabak­experten waren in den 1850er- und 1860er-­Jahren jedoch an der Erzeugung von rötlichoder grünlichbraunen Zigarrentabakblättern interessiert, die in die expandierenden Märkte europäischer Imperien und Nordamerikas exportiert werden sollten (Kapitel 4). Flue-­curing schien dafür eher ungeeignet und war für den genannten badischen Beobachter deshalb zwar von „allgemeinem Interesse“ 97, jedoch ohne praktische Relevanz. Nur einige wenige Reformer, wie der badische Chemiker Julius Neßler, setzten sich ernsthaft mit der Wirkung von Holzfeuern für die Produktion von Zigarrendeckblättern auseinander. Neßler schien die Methode jedoch nur dann geeignet, wenn der Rauch aus dem Trocknungshaus möglichst schnell abgeleitet werden könnte.98 Derartige Technikvisionen trafen 93 King, Tobacco, Innovation, and Economic Persistence, S. 217. 94 Ebd., S. 208. 95 [Anonym], Ueber den Tabaksbau in Nordamerika, S. 34 – 35; der Bericht befindet sich als konsularischer Report auch unter den archivierten Dokumenten: Brief Badisches Consulat in Philadelphia an das badische Innenministerium, Philadelphia, 9. Dezember 1856, GLA, 233/10124, unpaginiert. 96 Deren „Bright Tobacco“ trat als Füllmaterial von Zigaretten seit dem späten 19. Jahrhundert einen globalen Siegeszug an. Davor wurde der Bright Tobacco in einem breiten Spektrum verwendet, das Kau- und Pfeifentabake umfasste: Hahn, Making Tobacco Bright, Kapitel 1. 97 [Anonym], Ueber den Tabaksbau in Nordamerika, S. 35. 98 Julius Neßler, Der Tabak, seine Bestandtheile und seine Behandlung, S. 113 – 114.

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sicher den optimistischen Zeitgeist; sie zogen insgesamt jedoch kein besonderes Interesse in Baden und im Elsass nach sich. Die Ablehnung von flue-­curing-­Methoden spiegelte sich auch in der Abgrenzung der Experten von anderen Trocknungsmethoden wider, insbesondere in den Domizilen der Landwirte. Unter Dächern eng zusammengehängte Tabake, so warnte Metzger eindringlich, trockneten nur langsam und waren dem „Dachbrande“ ausgesetzt, der eine „grünliche, unansehnliche Farbe“ hervorbrachte.99 Heißlufttrocknung schien ähnlich unpassend für die Produktion von Zigarrendeckblättern wie die Dachtrocknung, weil beide nicht die erwünschten Farbeigenschaften hervorbrachten. Die mit Blick auf US-amerikanische Trockentechnologie formulierte Distanz gegenüber Heißlufttrocknung betraf auch die von den Pariser Ingenieuren empfohlene Technik. Von 77 seit 1860 aufgestellten Schuppen waren im Elsass nur neun nach den Modellen der Pariser Régie errichtet worden.100 Oberrheinische Experten verschwiegen und ignorierten die aus Paris kommunizierten Möglichkeiten weitgehend. Gewisse Respektsbekundungen des Colmarer Joseph-­Frédéric Flaxland waren eher Ausnahmen denn die Regel.101 Obwohl die von Paris vorgeschlagenen Schuppen nicht Feuer und Qualm, sondern lediglich Heißluft verwendeten, lässt sich deren Ignoranz als Folge der Ablehnung US-amerikanischer Technologiepatente verstehen. Nicht konkrete Apparaturen, sondern das Prinzip mit künstlicher, menschengemachter Wärme forcierter Trocknungsprozesse stand in der oberrheinischen Tabakforschung auf einer roten Liste. Als Alternative empfahlen Reformer im Rheinland verbreitete Modelle, die ohne Heißluftverfahren arbeiteten. Von Babo und Hoffacker plädierten für den „holländischen Trockenhaustyp“ mit teilweise verschließbaren Wandungen, der ideal für die Produktion von Zigarrendeckblättern geeignet sei. Eine effektive Regulation von Hitzebildung, so betonten die Experten, sei bei d ­ iesem Modell durch Luftzufuhr geregelt.102 Schon in der napoleonischen Zeit lässt sich eine intensive Wahrnehmung der niederländischen Trockenhäuser nachweisen (Kapitel 3). Seit den 1850er-­Jahren waren oberrheinische Referenzen auf die 99 Johann Metzger, Versuche über das Trocknen des Tabakes in offenen Schopfen, in: Landwirthschaftliches Wochenblatt für das Grossherzogtum Baden 4 (1836), S. 293 – 294. 100 So die Schätzung bei: Brunn, Le tabac, S. 161. 101 Flaxland, La régie et les planteurs de tabac, S. 68. 102 Von Babo/Hoffacker, Der Tabak und sein Anbau, S. 122; andere Experten sahen das ähnlich: Adam, Protokoll über die Besprechung, S. 16.

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niederländische Tabakkultur jedoch mit Verweisen auf deren globalen imperialen Kontext aufgeladen. Der erwähnte Hollandreisende Schwab hatte zwar lediglich die Anbaugebiete um Betuwe besucht, beschrieb den niederländischen Anbau in seinem Reisebereicht Der Tabakbau in der Pfalz und in Holland jedoch vor dem Hintergrund der Plantagen in Java.103 Tatsächlich war am Oberrhein, wie auch in anderen Teilen Europas, seit den 1840er-­Jahren bekannt, dass Rohtabake aus Java oder Sumatra von Fabrikanten zunehmend für die Fabrikation von Zigarren verwendet wurden 104, da das „Kultuur Stelsel“-Programm des niederländischen Kolonialstaats durch Anreize für Kapitalinvestitionen eine an Export orientierte Tabakkultur etablierte.105 Anbauversuche und Tabaktrocknungstechnologie aus niederländischen Provinzen wie Betuwe erschienen als Teil einer entstehenden imperialen Tabakwissenskultur, die in der europäischen wie indonesischen Einflusszone der Niederlande hochwertige Zigarrendeckblätter hervorbrachte. In der regionalen Debatte wurde neben dem niederländischen Trockenhaus aber auch der „elsässische Schuppen“ diskutiert. Vor allem die von Landwirtschaftswissenschaftlern initiierte mediale Repräsentation, der zunächst von der elsässischen Verwaltung propagierten Trockenschuppen, trug dazu bei, dass sich die Idee einer speziellen „Elsässer Art“ verfestigte. Die Lithographien, die die elsässische Verwaltung schon in den 1820er-­Jahren zur Zirkulation der Gebäudemodelle einsetzte 106, waren auf der anderen Seite des Rheins aufgegriffen worden, wo der badische Landwirtschaftsverein 1851 1000 Exemplare lithographierter 103 Schwab, Der Tabakbau in der Pfalz, S. 12. 104 Hans Uhlmann, Die Entwicklung von Unternehmung und Betrieb in der deutschen Zigarren-­Industrie unter besonderer Berücksichtigung der Tabakbesteuerung, Halle (Saale) 1934, S. 30; Horst Ohmsen, Die Entwicklung der deutschen Zigarrenindustrie unter besonderer Berücksichtigung der „Verordnung über einmalige zusätzliche Steuererleichterungen zur Bereinigung der Tabakindustrie“ vom 4. Juni 1956, Hamburg 1961, S. 13. 105 Über die zunehmende Bedeutung Indonesiens im globalen Tabakhandel: Jordan Goodman, Tobacco in History. The Cultures of Dependence, London (u. a.) 1993, S. 210 – 211; Ulbe Bosma, The Cultivation System (1830 – 1870) and its Private Entrepreneurs on Colonial Java, in: Journal of Southeast Asian Studies 38 (2007), S. 275 – 291, hier S. 275; Andreas Zangger, Koloniale Schweiz. Ein Stück Globalgeschichte z­ wischen Europa und Südostasien (1860 – 1930), Bielefeld 2011. 106 Brief Inspecteur du service des tabacs an Préfet du Département du Bas-­Rhin, Straßburg, 15. Oktober 1826, ADBR, 11/M/222, unpaginiert.

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Modelle verteilt hatte.107 Die Lithographie trug kraft ihres modernen Rufes in anderen Bereichen der Landwirtschaftsreform zur Wertschätzung der ansonsten kritisch betrachteten elsässischen Beamten bei (Kapitel 4).108 Im Gegensatz zum holländischen Trockengebäude zeichnete sich das elsässische Modell in den Augen der Zeitgenossen durch ein komplizierteres System von Öffnungen aus, mit dem sich Wind über verstellbare Klappen und Läden in den Schuppen leiten ließ. Schwab und Schmeckenbecher hatten einen solchen im Auftrag der rheinbayerischen Regierung Ende 1851 im pfälzischen Harthausen montiert, dessen Bürgern eine Prämie winkte, wenn sie die Konstruktion übernahmen.109 Am Oberrhein lässt sich keine eindeutige Präferenz für einen der beiden Gebäudetypen erkennen.110 Reformer spalteten sich in dieser Frage in zwei Lager, von denen das eine den niederländischen Schuppentyp, das andere den elsässischen befürwortete. Erst in den Jahren nach 1900, mit der breiteren Hinwendung zur Produktion von Zigarettentabaken in Europa, traten flue-­curing-­ Technologien wieder ins Bewusstsein oberrheinischer Wissenschaftler.111 Zur Mitte des 19. Jahrhundert hingegen lehnten diese die in den USA boomenden und staatlich patentierten Heißlufttrocknungsverfahren genauso ab wie die Optionen, die die Pariser Régie im Rahmen ihrer Kubanisierungskampagne verbreitete. Dasselbe gilt für den Havannatabak. Adaption und Ablehnung von Wissensbeständen aus dem Tabakanbau Nordamerikas lieferten den Experten wichtige Punkte für den Umgang mit den aus Paris empfohlenen Reformmaßnahmen. 107 Vogelmann/von Seuther, Auszug aus dem Rechenschaftsbericht der Direktion der Centralstelle des landw. Vereins für das Jahr 1851, in: Landwirtschaftliches Wochenblatt für das Großherzogtum Baden 19 (1851), S. 229 – 252, hier S. 233 – 234. 108 Zur Frühgeschichte der Lithographie: Roger Münch, Alois Senefelder und die Erfindung des Steindrucks. Invention, Innovation und Diffusion, in: Christian Göbel (Hg.), Geschichte der Lithographie und Steindrucktechnik: 1971 – 2011. 40 Jahre Internationale Senefelder-­Stiftung in Offenbach, Offenbach 2011, S. 59 – 7 1. 109 Joachim Kermann, Der historische Tabaktrockenschuppen zu Harthausen (Pfalz) – Hintergründe zu seiner Entstehungsgeschichte in Zusammenhang mit der Revolution von 1849 und staatlich regionaler Wirtschaftsförderung, in: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 94 (1996), S. 297 – 365, hier S. 348 – 349; Schwab, Der Tabakbau in der Pfalz, S. 34. 110 Vielmehr war die Diskussion durch ein stetiges Abwägen der Vor- und Nachteile beider Schuppentypen geprägt. Von Babo und Hoffacker etwa befürworteten den holländischen Schuppentyp, weil ihnen der „Elsäßer Schuppen“ mit Anschaffungskosten verbunden schien: von Babo/Hoffacker, Der Tabak und sein Anbau, S. 123. 111 Robert N. Proctor, Golden Holocaust. Origins of the Cigarette Catastrophe and the Case for Abolition, Berkeley 2011, S. 34.

Guano und regionaler Dissens

6.4. Guano und regionaler Dissens Das von der Pariser Zentralverwaltung mit Blick auf kubanische Düngestandards nach 1860 durchgesetzte Verbot ‚hochenergetischer‘ Düngemittel ‒ Guano und städtische Abwässer – wurde in der Grenzregion zu einem regelrechten Politikum. Die dortigen Gegner der Pariser Ingenieure orientierten sich an Wissens­ beständen aus den USA, aber auch anderen Regionen der Welt, in denen E ­ xperten einen moderaten Einsatz der genannten Dünger für den Tabakanbau oder die Landwirtschaft im Allgemeinen empfohlen hatten. Ein beredtes Zeugnis davon geben die Berichte badischer Konsuln, die über den Umgang mit Guano in der amerikanischen Chesapeake Bay informierten.112 Seit den 1840er-­Jahren war der Guano sowohl in Gebieten wie Virginia, die p ­ rimär an einer Erzeugung von „bright yellow leaf tobacco“ für Pfeifen- und Kautabake interessiert waren 113, als auch in den für ihre Zigarrentabake bekannten Regionen Connecticuts verwandt worden.114 Ähnlich wie in Europa war der Guano auch in den USA durch Agrarjournale, wie den American Farmer, ins Bewusstsein der Öffentlichkeit getreten, nachdem das erstmals 1824 importierte Guano zunächst keine besondere Resonanz gefunden hatte.115 Der Fokus oberrheinischer Forscher auf den US-amerikanischen Tabakanbau trug maßgeblich dazu bei, dass diese auch in Zeiten zunehmender Zigarrenproduktion an der Notwendigkeit von Düngung festhielten. Die „alten tabakbauenden Staaten Amerika’s [in] Connecticut, Maryland, Virginia und Kentucky“ schienen einem der Konsuln „durch fortgesetzten Bau dieser Pflanze erschöpft“ und „ohne künstliche Mittel“ nur einer „geringe[n] Erndte“ fähig.116 Mit dem Nährstoffmangel in der Chesapeake Bay, den ­solche Eingaben suggerierten, 112 Brief Badisches Consulat in Philadelphia an das badische Innenministerium, Philadelphia, 3. Juli 1856, GLA, 233/10124, unpaginiert. 113 Edward D. Melillo, The First Green Revolution. Debt Peonage and the Making of the Nitrogen Fertilizer Trade, 1840 – 1930, in: American Historical Review 117 (2012), S. 1028 – 1060, hier S. 104; Gregory Todd Cushman, The Lords of Guano. Science and the Management of Peru’s Marine Environment, 1800 – 1973, Diss., University of Texas at Austin 2003, S. 63. 114 Der am Oberrhein bestens bekannte Bostoner Tabakforscher Charles T. Jackson empfahl den Guano für den dortigen Tabakanbau: Jackson, Chemical Analysis of Tobacco, S. 294. 115 Vivian Wiser, Maryland’s Agriculture, 1840 – 1860, in: Maryland Historical Magazine. A Quaterly 64 (1969), S. 105 – 132, hier S. 108. 116 Auszug aus einem an den Regierungsdirektor Schaaff in Freiburg gerichteten Schreiben des B. Landried, [ohne Ort], 24. August 1853, GLA, 236/16731, unpaginiert.

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wurde das in der oberrheinischen Diskussion schon im frühen 19. Jahrhundert kursierende Stereotyp des unverantwortlichen „soil miners“, der den Boden mit seinen Tabakpflanzen auslaugte, wieder aufgegriffen (Kapitel 3). Für eine positive Haltung gegenüber hochenergetischen Düngern war aber auch Asien von Bedeutung. Flaxland machte 1863 auf die Nutzung von Abwässern in China aufmerksam und übertrug diese auf den Tabakanbau in der Grenzregion.117 Er verwies auf Berichte Justus Liebigs, der in den 1859 veröffentlichten Naturwissenschaftlichen Briefen über die Besonderheiten chinesischer Düngekultur ausführlich berichtet hatte.118 Zwar ließen die von Flaxland und Liebig stark generalisierten Ansichten zu einem komplexen Raum wie „China“ weder regionale noch lokale Unterschiede zu. Wie Joachim Radkau gezeigt hat, präsentierte Liebig jedoch ein nicht unzutreffendes Bild einer für Europas Landwirtschaft nachahmenswerten chinesischen Kultur der Verwendung menschlicher Exkremente, deren Besonderheit sich durch die in China vielerorts verbreitete Vieharmut erklären ließ.119 Die Forschung hat solchen globalen Raumreferenzen, mit denen die Verwendung von Fäkalsubstanzen in der Landwirtschaft begründet wurde, zu wenig Bedeutung beigemessen. Wenn Historiker/innen darüber hinaus behaupten, dass die Verwendung von Abwässern als Düngemittel in Europa gegenüber Asien deutlich abfiel 120, dann lassen sich ­solche Aussagen mit Blick auf deren Wertschätzung in den Kreisen der oberrheinischen Tabakforschung differenzieren.

117 „Liebig meint, dass man in China nichts über die Prinzipien der deutschen Landwirtschaft weiß, jedoch kein anderes Düngemittel als menschliche Exkremente kennen würde.“ Flaxland, La régie et les planteurs de tabac, S. 76. 118 Justus Liebig, Naturwissenschaftliche Briefe über die moderne Landwirthschaft, 2., unveränderte Auflage, Leipzig (u. a.) 1859, S. 224 – 232. 119 Joachim Radkau, Natur und Macht. Eine Weltgeschichte der Natur, München 2000, S. 126 – 128; die Literatur zum europäischen ‚Chinabild‘ ist uferlos, deswegen nur die klassische Studie: Jürgen Osterhammel, China und die Weltgesellschaft. Vom 18. Jahrhundert bis in unsere Zeit, München 1989; darüber hinaus auch Erland Mårald, Everything Circulates. Agricultural Chemistry and Recycling Theories in the Second Half of the Nineteenth Century, in: Environment and History 8 (2002), S. 65 – 84, hier S. 74 – 75, wo darauf aufmerksam gemacht wird, dass andere europäische Agronomen auf der Grundlage von Expeditionsberichten neben China auch Japan für den vorbildhaften Nutzen städtischer Abwässer für die Landwirtschaft hervorhoben. 120 Dean Ferguson, Nightsoil and the ‚Great Divergence‘. Human Waste, the Urban Economy, and Economic Productivity, 1500 – 1900, in: Journal of Global History 9 (2014), S. 379 – 402.

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Jean-­Baptiste Boussingault hatte auch auf seinen Reisen nach Südamerika z­ wischen 1821 und 1832 Erfahrungen mit Guano- und Latrinendüngern gesammelt, ohne vor Ort spezifische Anwendungen für den Tabak beobachtet zu haben.121 Verweise auf die Tabakanbaukulturen Venezuelas fungierten in seinen Schriften jedoch als Argument für die Nutzung von Düngern am Oberrhein.122 In der erstmals 1844 publizierten Économie rurale nahm der Pechelbronner Chemiker eine komplementäre Relation ­zwischen den klimatischen Bedingungen und der Düngung des Tabaks an.123 Stickstoffhaltiger Latrinendünger erschien dabei als eine Möglichkeit, schlechtere klimatische Bedingungen zu substituieren. Zwar konnte der Dünger die Bedeutung des Klimas Boussingault zufolge nicht eins zu eins ersetzten.124 Jedoch zeigte das komplementäre Verhältnisses dennoch, dass die Pariser Tabakingenieure die Konsequenzen der im Vergleich zu Lateinamerika nachteiligen Klimasituation Europas unterschätzten. Die Verordnungen gegen hochenergetische Dünger standen im Widerspruch zu den klimatischen Nachteilen Europas. Nicht nur globale Vergleiche, sondern auch die Urbanisierungsprozesse im Rheinland, brachten aus Sicht Boussingaults nachahmenswerte Verwertungsweisen für Abwässer hervor: In Europa findet man Tabakfelder grundsätzlich dort, wo der Zugang zu mensch­ lichen Exkrementen gewährleistet ist. Es ist dem Gebrauch dieser besonders energetischen Düngemittel geschuldet, dass die Ernten in Flandern, im Elsass und in der Pfalz eine derartige Schönheit aufweisen können. Wenn eine ähnliche Kultur eine breite Ausdehnung neben einer großen Stadt erfährt, dann sind die Abfälle nicht mehr ein Grund für Betretenheit oder Gesundheitsschädlichkeit, sondern eine fruchtbare Quelle des Reichtums und der landwirtschaftlichen Prosperität.125

121 Boussingault hatte die Kombination von Guano und Tabak in Südamerika jedoch in Form der Zubereitung eines belebenden Getränkes kennengelernt: Jean-­Baptiste B ­ oussingault, Mémoires, Band 2: (1822 – 1823), Paris 1896, S. 139 – 140; dazu auch: Mariano de R ­ ivero/ Jean-Baptiste Boussingault, Mémoire sur l’Urao, in: Annales de chimie et de physique 29 (1825), S. 110 – 111, hier S. 111. 122 Boussingault, Mémoires, Band 2, S. 134 – 135. 123 Jean-­Baptiste Boussingault, Die Landwirthschaft in ihren Beziehungen zur Chemie, Physik und Meteorologie, Band 1, Halle 1851, S. 272 124 Ebd. 125 Boussingault, Statique des cultures industrielles, S. 77 – 78.

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Noch konkreter waren Vorschläge zur Sammlung von Abwässern in kalkgedeckten Jauchegruben außerhalb der Städte, die etwa der elsässische Tabakexperte Charles-­Henri Schattenmann angeregte.126 Zeitgenössische Hygieniker erhoffen sich von einer Beförderung städtischer Abwässer in die umliegenden Gebiete eine Filterung des Wassers durch die Bodenschichten.127 Außerdem konnten so die zur Mitte des 19. Jahrhunderts gefürchteten Miasmen zerstreut und in den sich ausdehnenden städtischen Räumen eine gesündere Umgebung geschaffen werden.128 Landwirtschaftlicher und hygienischer Nutzen erschienen als zwei Seiten derselben Medaille. Reaktionen oberrheinischer Experten auf die Pariser Düngemittelpolitik lassen sich kaum ohne die europa- und weltumspannenden Vergleiche von Düngepraktiken und Tabakkulturen begreifen, obwohl diesen auch Bilder der zeitgenössiches Ernährungswissenschaft zugrunde lagen. Johann Dosch aus Baden verglich die Wirkung von Pflanzendüngung mit der von Fleischbrühe im menschlichen Körper: „So wie nämlich die Fleischbrühe leicht verdaulich ist, und gleich in das Blut des menschlichen Körpers übergeht, ohne jedoch so anhaltend zu sein wie das Fleisch, so ist auch die Pfuhl für die Gewächse alsbald nahrungsfähig.“ 129 Liebig hatte die besondere Rolle des Fleisches für die Reproduktion des menschlichen Organismus in seiner 1847 publizierten Chemischen Untersuchung über das Fleisch und seine Zubereitung zum Nahrungsmittel hervorgehoben. Fleischextrakte nannte er „Muskelnahrung“ zur „Energieerzeugung“ mit einem besonderen Einfluss auf die Verdauung, Galle, Blut und Muskeln des Menschen.130 Analog 126 Charles-­Henri Schattenmann, Notice sur la désinfection des matières fécales par le sulfate de fer, et sur leur emploi comme engrais liquide, in: Comptes rendu hebdomaires des séances de l’Académie des Sciences 20 (1845), S. 1670 – 1671, hier S. 1670; Brunn, Le tabac, S. 111 – 112; Nathalie Potel, Un notable alsacien au XIXe siècle. Charles-­Henri ­Schattenmann (1785 – 1869), Mémoire de maîtrise, Université des Sciences Humaines de Strasbourg, Faculté des Sciences Historiques, 1990, S. 19 – 20; auch Boussingault hatte mit Verweis auf Schattenmann eine Jauchegrube auf seinem Hof in Merkwiller eingerichtet: Jean-­Claude Streicher, Boussingault au Pechelbronn et au Liebfrauenberg (1802 – 1887). Reconstitution d’une révolution agronomique, Colmar 2013, S. 112 – 114. 127 Mårald, Everything Circulates, S. 65 – 84. 128 Clare Brant, Fume and Perfume. Some Eighteenth-­Century Uses of Smell, in: The Journal of British Studies 43 (2004), S. 444 – 463, hier S. 457. 129 Dosch, Leichtfaßliche Anleitung zum Tabacksbau, S. 13 – 14. 130 Hans-­Jürgen Teuteberg, Die Rolle des Fleischextrakts für die Ernährungswissenschaften und den Aufstieg der Suppenindustrie. Kleine Geschichte der Fleischbrühe, Stuttgart 1990,

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zur nährenden Kraft des Fleischextrakts schienen auch hochenergetische Dünger für den ‚Körper‘ der Tabakpflanze unersetzbar und boten zeitgenössischen Tabakforschern ein suggestives Bild. Ungeachtet dieser vielfältigen Referenzen und Verweise kam dem Bezug auf US -amerikanische Debatten über den Tabak eine ganz besondere Bedeutung bei der Feinabstimmung der grenzregionalen Forschung zu hochenergetischen Düngern zu. Konsularische Berichte transportierten überaus abgewogene Bilder vom praktischen Einsatz des Guanos in Virgina: Arbeiter mit Harken […] machen den Boden ganz fein und locker, so daß die Asche sich mit der Erde mischt, man nimmt dazu dann noch 5 Pfund Guano für diesen Grund darunter und hakt es fein; dann mischt man einen Eßlöffel voll Saamen für jede 300. Quadratfuß mit feiner Salzasche und für diese Mischung sehr sorgfältig darüber, daß der Saamen regelmäßig darauf kömmt und nicht zu dick liegt; dann tritt man das Bett, oder rollt es mit Walze und es ist fertig. […] Das Feld zu verpflanzender Tabakspflanzen präparieren wir mit gutem veralteten Dünger, oder auch allein mit ca. 300 Pfund Guano per Acker und etwas Gips.131

Daraus erkennbar wurde das besondere Fingerspitzengefühl, mit dem Landwirte hochenergetische Dünger im Tabakanbau einsetzten sollten. Empfehlungen einer moderaten Nutzung hochenergetischer Dünger waren auf die Skepsis zurückzuführen, die auch in den USA gegenüber der Substanz bestand. Tabakfarmer befürchteten, ähnlich wie die Ingenieure in Paris oder die Reformer auf Kuba (Kapitel 5), negative Einflüsse des Guanos auf den Geschmack der Blätter.132 Konsularische Berichte aus Nordamerika aktualisierten am Oberrhein einen Diskurs über die abgewogene Nutzung von Düngemitteln aus der Zeit um 1800 (Kapitel 3). S. 10; zur Geschichte des Körpers: Philipp Sarasin, Reizbare Maschinen. Eine Geschichte des Körpers, 1765 – 1914, Frankfurt am Main 2003. 131 Brief Badisches Consulat in Philadelphia an das badische Innenministerium, Philadelphia, 3. Juli 1856, GLA, 233/10124, unpaginiert. 132 Peter Lesher, A Load of Guano. Baltimore and the Fertilizer Trade in the Nineteenth Century, in: The Northern Mariner/Le marin du nord 18 (2008), S. 121 – 128, hier S. 121; Farmer zeigten sich auch beim Anbau von Getreide skeptisch gegenüber der neuen ­Substanz, der man nachsagte, dass sie die Böden erschöpfe: Cushman, The Lords of Guano, S. 64.

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In der Grenzregion regten Berichte aus den USA gleichzeitig neue Experimente an, in denen die Eignung der Substanz für den regionalen Tabakanbau näher untersucht wurde. Nachdem Eugène Oppermann in der Straßburger Landwirtschaftsgesellschaft 1848 über Guanoexperimente des Pechelbronner Chemikers Jean-­Baptiste Boussingault berichtet hatte 133, wurden eine Reihe von elsässischen Tabakfeldern mit der neuen Substanz präpariert.134 In Baden berichtete Karl Heinrich Rau über eigene Versuche mit dem Guano, in denen dieser mit Garten- und Stallmist verglichen wurde.135 Dennoch meinten nur wenige Reformer, dass der mit Guano gedüngte Tabak den anders gedüngten qualitativ in nichts nachstehe.136 Repräsentativer waren Diskussionen wie die bei der Versammlung der Tabaksproduzenten, Händler und Fabrikanten im November 1855 in Karlsruhe. Der Guano wurde hier hinsichtlich seiner Einwirkung auf die Qualität des Tabaks mit anderen Düngern verglichen.137 Georg Friedrich Walz, außerordentlicher Professor der Pharmakologie an der Universität Heidelberg und Leiter eines pharmazeutischen Privatinstituts, wollte die Substanz nur als „Unterstützung zum kräftigeren Gedeihen der Pflanzen“ verwendet sehen. Guano erschien als eine Art „Beidünger“, wie der Karlsruher Chemiker Julius Neßler sich ausdrückte 138, der mit anderen Substanzen vermengt und als sekundäres Substitut traditioneller Stalldüngung verwendet werden sollte. Obwohl auch hier die geschmacksschädigenden Potentiale des Guanos hervorgehoben wurden (Kapitel 5), so unterschieden sich die Schlussfolgerungen oberrheinischer Reformer im Vergleich zu denen in Paris doch sich erheblich. 133 D. Goldschmidt, Historique de la Société des Sciences, Agriculture et Arts du Bas-­Rhin dépuis sa création jusqu’en 1870, in: Monatsbericht der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, des Ackerbaues und der Künste im Unter-­Elsass 33 (1899), S. 283 – 318, hier S. 308. 134 Oppermann, Rapport sur la question des engrais, S. 303. 135 Tabaksversuche, [ohne Ort und Datum], Universitätsarchiv Heidelberg, Nachlass Karl Heinrich Rau, Rep. 43/46, Kleine Manuskripte, 46, unpaginiert. 136 Ebd. 137 Adam, Protokoll über die Besprechung, S. 11. 138 Mit entsprechendem Bezug zu Neßler so bei: Karl von Langsdorff, Der landwirthschaftliche Garten und die landwirthschaftliche Gartenbauschule zu Karlsruhe in ihrem zehnjährigen Bestehen, in: Centralstelle für die Landwirthschaft (Hg.), Landwirthschaftliches Correspondenzblatt für das Großherzogtum Baden, Karlsruhe 1861, S. 147 – 216, hier S. 167.

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Dennoch verschob sich die Meinung im Laufe der 1860er-­Jahren graduell in Richtung der Maßnahmen der Pariser Régie. Oppermann etwa, der zu Beginn der polytechnischen Projekte im Elsass noch gegen die Verordnung zur Verwendung der „matières fécales“ optierte, hatte in der 1868 publizierten Schrift État de l’agriculture du département du Bas-­Rhin et moyens de l’améliorer den „gadoue“ – ein Synonym für Latrinendünger – als ungeeignet für den Tabak dargestellt.139 Zwar zeigten die erwähnten Kommentare Boussingaults, dass Oppermanns Mentor gleichzeitig weiterhin für die Verwendung hochenergetischer Dünger plädierte. Oppermanns Kommentar deutet jedoch eine gewisse Abschwächung der Position hin zu einer parisfreundlichen Wahrnehmung der Kubanisierungsprojekte an. Dies sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein Großteil oberrheinischer Tabakforscher am Guano als für den Tabakanbau zentrales Düngemittel festhielt – ich komme darauf zurück. Forscher am Oberrhein variierten den von der Pariser Zentralverwaltung behaupteten Nexus ­zwischen Stickstoff bzw. Ammoniak, der Bildung von Nikotin und den Raucheigenschaften der Tabakpflanze. Eine maßvolle Dosierung des Guanos schien für Julius Neßler günstig, um die Überproduktion von Ammoniak zu vermeiden, die der Karlsruher Chemiker für den „üble[n] Geruch“ von Zigarren verantwortlich machte.140 Die Beziehung ­zwischen Ammoniakgehalt, Nikotin und Geschmack von Zigarren konnte somit je nach räumlichem Kontext unterschiedlich gedeutet werden.141 Die moderaten Empfehlungen der Tabakexperten zur Stickstoffdüngung lassen sich auch als eine Art Werbekampagne für die am Oberrhein wachsende Kunstguanoindustrie verstehen. „Guano artificiel“ war, wie Eugène Oppermann in seinem 1863 publizierten Rapport sur la question des engrais argumentierte, nicht nur für den regionalen Tabakanbau oder die Landwirtschaft, sondern auch für die 139 Eugène Oppermann, État de l’agriculture du département du Bas-­Rhin et moyens de l’améliorer. Mémoire couronné par la Société dans sa séance du 2 décembre 1868, in: Nouveaux Mémoires de la Société des Sciences, Agriculture et Arts du Bas-­Rhin 4 (1869), S. 3 – 213, hier S. 124. 140 Brief Neßler an die badische Centralstelle für die Landwirthschaft, Karlsruhe, 12. Januar 1863, GLA , 236/16859, unpaginiert; dazu auch: [Anonym], Zweiundvierzigste Sitzung, S. 18. 141 Der Freiburger Agronom Johann Dosch wusste die peruanischen Vogelexkremente gerade wegen ihres hohen „Ammoniakgehalt[s]“ zu schätzen: Dosch, Leichtfaßliche Anleitung zum Tabackbau, S. 17.

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Industrie des Elsass bedeutend. Mit der nahe Straßburg errichteten Düngemittelfabrik Eugène-­Théodore Jacquemins 142, der seit 1869 auch eine agrikulturchemische Forschungsstation im Elsass leitete 143, war eine erste Produktionsstätte für den sogenannten künstlichen Guano entstanden, in die Oppermann, so suggeriert die halbversteckte Werbung für die Fabrik in seinem Text, anscheinend finanziell involviert war. Der dort hergestellte „Guano artificiel“ war keine elsässische oder französische Besonderheit, sondern lässt sich etwa auch im Königreich Bayern finden, wo in Augsburg ein „Kunst-­Guano“ vertrieben wurde.144 Eine Zweckentfremdung des Labels „Guano“ war akzeptabel, wenn durch Zusätze wie „artificiel“ oder „künstlich“ sichergestellt wurde, dass Konsumenten oder Zwischenhändler nicht über die wahre Natur des Produkts getäuscht wurden.145 Die Kategorie „künstlicher Guano“ war als marktstrategisches Label bekannt, mit dem Händler ganz unterschiedliche, meist schon länger verwendete Düngesubstanzen verkauften.146 Während in den USA auch „Fish-­Guano“ aus Fischresten produziert wurde 147, verwendeten französische Händler neben dem Blut von Schlachthöfen, Fischabfällen oder ammoniakhaltigen Abwässern von Gasfabriken nicht zuletzt auch „matières fécales“.148 Unter dem Label „künstlicher Guano“ floss demnach eine breite Palette an Substanzen in den Düngemittelhandel ein, die für den Verbraucher nicht unbedingt sichtbar wurde. Diesen wurde ein verkaufsfördernder Rahmen verpasst. Allerdings kritisierten die Zeitgenossen undurchsichtige Ver- und Beimischungen, wenn Dünger einzig als Guano gekennzeichnet waren. Oppermann verwies auf die Betrugsmöglichkeiten im regionalen Guanogeschäft.149 B ­ etrügerische Händler, die unter dem Namen Guano andere Substanzen verkauften, stellten 142 Oppermann, Rapport sur la question des engrais, S. 301 – 303. 143 Goldschmidt, Historique de la Société des Sciences, S. 310. 144 [Anonym], Der Guano der Kunst-­Guano-­Fabrik Augsburg, ein preiswürdiges Düngemittel, Augsburg 1860. 145 Am Beispiel anderer französischer Fabrikanten: Martin, La production de guano artificiel, S. 172. 146 In Straßburg wurde gesammeltes Blut durch Tücher gedrückt. Die abgesonderten Eiweißkörper wurden als wichtigste Bestandteile des in der Fabrik produzierten Düngers dargestellt: Oppermann, Rapport sur la question des engrais, S. 301 – 303. 147 Richard A. Wines, Fertilizer in America. From Waste Recycling to Resource Exploitation, Philadelphia 1985, S. 87. 148 Martin, La production de guano artificiel, S. 183. 149 Oppermann, Rapport sur la question des engrais, S. 303.

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nach ihm eine Gefahr für die Region dar. Landwirte könnten bei Betrugsfällen durch den Ankauf der im zeitgenössischen Maßstab teuren Guanodünger finanziell massiv geschädigt werden.150 Mit der Steigerung des Guanoimports waren Debatten über Gefahren und Präventionsmöglichkeiten auch an der amerikanischen Ostküste und in den französischen Atlantikhäfen angelaufen. Im Hafen von Baltimore etwa existierte seit 1853 ein Inspektionssystem, mit dem die Echtheit der dort gehandelten Guanoimporte überprüft wurde.151 Ähnliche Befürchtungen zur Fälschung von Düngemitteln hatten Agrikulturchemiker in Frankreich veranlasst, in Kooperation mit dem Ministerium für Landwirtschaft eine Düngemittelkontrolle zu diskutieren.152 Schon den Zeitgenossen war bewusst, dass ein schwer zu beziffernder Anteil der in den Häfen als ‚Guano‘ registrierten Importe wenig mit den Ablagerungen peruanischer Vogelexkremente zu tun hatte. Auch deshalb gab es am Oberrhein auch Tabakforscher, die die gegen hochenergetische Dünger gerichtete Pariser Kubanisierungspolitik von Anfang an überaus ernst nahmen.153 In einer Sitzung der Straßburger Société des Sciences im April 1867 hatten Agronomen hervorgehoben, dass eine derart gestaltete Düngung, ähnlich wie beim Anbau anderer Pflanzen, keine guten Ergebnisse erwarten ließ. Louis François Audéoud verwies auf den französischen Hopfenanbau, für den ein staatliches Gesetz den Gebrauch von Dünger regulieren würde. Schließlich s­ eien auch stark gedüngte Weinfelder der Qualität eines guten Weines eher hinderlich.154 Im Elsass formierte sich ein Lager von Reformern, das die Verordnungen der Zentralverwaltung unterstützte. Dazu gehörte paradoxerweise auch der Bouxwiller Reformer Charles-­Henri Schattenmann, der, wie oben angesprochen, den Gebrauch der Substanzen im Tabakanbau zunächst befürwortet hatte.155 Nach dem Beginn der Pariser 150 Ebd. 151 Lesher, A Load of Guano, S. 122. 152 Nathalie Jas, Au carrefour de la chimie et de l’agriculture. Les sciences agronomiques en France et en Allemagne 1840 – 1914, Paris 2000, S. 59; Martin, La production de guano artificiel, S. 187. 153 Brief Président de Comice Agricole de Schléstadt an Préfet du Département du Bas-­ Rhin, Niedernai, 8. August 1862, ADBR , 11/M/195, unpaginiert; ähnlich: Brief Lemaistre-­ Chaberet an Préfet du Département du Bas-­Rhin, Straßburg, August 1862, ADBR , 11/M/195, unpaginiert. 154 Séance der Société des Sciences, Agriculture et Arts du Bas-­Rhin, Straßburg, 3. April 1867, ADBR, 63/J/8, unpaginiert. 155 Schattenmann, Notice sur la désinfection des matières fécales, S. 1670.

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­ ubanisierungsprojekte änderte sich dessen Haltung. In der 1862 erschieneK nen Denkschrift über den Tabakanbau im Departement des Niederrheins wurden Düngemittel nur in einigen Fußnoten erwähnt und auf eine maßvolle Zugabe von Stalldüngern reduziert, die weder in Paris noch am Oberrhein kontroversen Diskussionsstoff abgaben (Kapitel 3).156 Stattdessen betonte Schattenmann den Nutzen praktischen Wissens – beispielsweise Techniken des Pflügens ‒ und die Bedeutung körperlicher Arbeit im Tabakanbau, die in den agrarwissenschaftlichen Diskussionen zugunsten der Düngemittel weitgehend zurückgedrängt worden war.157 Aus Sicht der regionalen Gegner der Pariser Maßnahmen war Schattenmann der zentrale Repräsentant einer fehlgeleiteten regionalen Adaption der Düngemittelpolitik.158 Die Straßburger Landwirtschaftsgesellschaft bildete sogar eine Untersuchungskommission unter Leitung von Oppermann und Imlin, deren 1862 veröffentlichter Rapport de la Commission nommée pour examiner le mémoire de M. Schattenmann sur la culture du tabac Schattenmanns Ausblenden der Dünge­ mittelfrage thematisierte und ablehnte.159 Die Zuweisung einer Rolle als regionaler Repräsentant der Pariser Düngemittelpolitik hing auf das Engste mit der besonderen Popularität des Wissenschaftlers und Unternehmers am Oberrhein zusammen.160 Wenn Historiker/innen zu Recht von einer „Schattenmanisation“ des Elsass in den 1850er- und 1860er-­Jahren

156 Karl Heinrich Schattenmann, Denkschrift über den Tabakanbau im Departement des Niederrheins am 19. Mai 1862 der Akademie der Wissenschaften eingereicht, Straßburg 1862, ADBR, 61/J/6, S. 7. 157 Dana Simmons, Waste Not, Want Not. Excrement and Economy in Nineteenth-­Century France, in: Representations 96 (2006), S. 73 – 98, hier S. 74. 158 In einer Sitzung der Straßburger Landwirtschaftsgesellschaft im Juli 1862, bei der die Untersuchungsergebnisse der Kommission vorgestellt wurden, hatten Mitglieder betont, dass viele von Schattenmanns Ratschlägen schon bekannt und andere schlecht ausgearbeitet s­ eien: Séance der Société des Sciences, Agriculture et Arts du Bas-­Rhin, 28. Juli 1862, ADBS, 63/J/8, unpaginiert; ähnlich kritisch: Flaxland, La régie et les planteurs de tabac, S. 67. 159 Eugène Oppermann, Rapport de la Commission nommée pour examiner le mémoire de M. Schattenmann sur la culture du tabac, in: Nouveaux Mémoires de la Société des Sciences, Agriculture et Arts du Bas-­Rhin 2 (1862), S. 305 – 324, hier S. 309 – 310. Wohl um drohende Kritik abzuwenden, hatte Schattenmann die Kommission auf sein Gut in Bouxwiller – letzlich erfolglos – eingeladen. 160 Ebd.

Guano und regionaler Dissens

sprechen 161, dann wurde bisher weitgehend übergangen, dass Schattenmann von den Zeitgenossen keineswegs nur durch Arbeiten zur Kultivierung von Wein oder Reformanregungen für den Eisenbahn- und Straßenbau, sondern auch für seine kontroversen Ansichten zum Tabakanbaus bekannt geworden war. Am Oberrhein trafen zur Mitte des 19. Jahrhunderts in öffentlichkeitswirksamer Weise zwei Fraktionen Reformer aufeinander, denen hochenergetische Düngemittel als Objekte gegenseitiger Abgrenzung dienten. In anderen Punkten, vor allem hinsichtlich der von Paris vorgeschlagenen Tabaksorten und Trocknungstechnologien, standen regionale Experten deutlich geschlossener gegen die Kubanisierungsprojekte zusammen. Dass sich dennoch nicht eindeutig von einem „bulwark“ gegen die Zentralisierungsmaßnahmen sprechen lässt, wie Robert Fox es in anderen Zusammenhängen herausarbeitet 162, zeigt sich mit Blick auf die kreativen Adaptionen, die in der Grenzregion hinsichtlich der Pottaschepolitik aus Paris kursierten. Solche Aneignungspraktiken waren nicht nur in die schon in Kapitel 4 analysierten grenzregionalen Austauschprozesse am Oberrhein eingebettet, sondern zu einem besonderen Teil durch Netzwerke bedingt, die die Grenzregion mit den Tabakanbau- und Forschungskulturen Nordamerikas verbanden. Konsuln waren zentrale atlantische Intermediäre von Wissensbeständen. Der Oberrhein war zunehmend in Globalisierungsprozesse einbezogen, die sich auch in Verweisen auf China, Venezuela oder Indonesien abzuzeichnen begannen.

161 Nicolas Stoskopf, Charles-­Henri Schattenmann. 1785 – 1869, in: Ders., Les patrons du Second Empire, Band 4: Alsace, Paris 1994, S. 88 – 92, hier S. 89. 162 Fox, Science, Industry, and the Social Order, S. 128 und 131.

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7. Nationalisierung und Abschottung: Das Scheitern einer partizipativen Tabakforschung in Frankreich Wenn Kapitel 6 die Genese oberrheinischer Wissensbestände als Alternativen zur Pariser Reform des Tabakanbaus untersucht, so soll im Folgenden, zum Abschluss der Arbeit, mit stärkerem Blick auf Frankreich nach den Möglichkeiten der Partizipation elsässischer Reformer an den Projekten der Pariser Ingenieure und der Bedeutung am Oberrhein generierter Tabakexpertise für das nationale Reformprogramm gefragt werden. Die Forschung geht von einer zur Mitte des 19. Jahrhunderts verstärkten nationalen Hinwendung elsässischer Eliten in Richtung Frankreich aus. In politischer Hinsicht etwa verfestigte sich, wie Bernard Vogler gezeigt hat, das Bekenntnis des Elsass zu Frankreich, gerade vor dem Hintergrund der zahlreichen Krisen z­ wischen den deutschen Staaten und Frankreich seit den 1840er-­Jahren.1 Die zunehmende elsässische Orientierung an der Pariser Politik ging aber auch auf den Ausbau einer nationalen Infrastruktur in Frankreich zurück – allen voran die Errichtung einer Eisenbahnverbindung ­zwischen Paris und Straßburg 1852, die das kulturelle Leben der Region mit dem Geschehen in der französischen Hauptstadt verband.2 Seit der Revolution von 1848/49 partizipierten elsässische Notabeln nicht nur an den Liberalisierungsbestrebungen der kurzlebigen Zweiten Republik, sondern hatten auch an der Stabilisierung des autoritären Kaiserreichs Napoleons III. ihren Anteil.3 Dies zeigte sich auch am Beispiel von Agrarreformern aus dem Umkreis der Straßburger Société des Sciences, Agriculture et Arts du Bas-­Rhin: Der Pechelbronner Chemiker Jean-­Baptiste Boussingault hatte sich 1848 als Repräsentant in die französische Assemblée nationale législatif wählen lassen, um 1 Während der „Rheinkrise“ von 1840 etwa bekannten sich elsässische Tageszeitungen überaus patriotisch zu Frankreich: Bernard Vogler, Histoire culturelle de l’Alsace. Du moyen âge à nos jours. Les très riches heures d’une region frontière, Straßburg 1994, S. 274 – 276; grundsätzlich: Claudia Nowak, Was ist des Elsässers Vaterland? Die K ­ onstruktion regionaler und nationaler Identitäten in einer Grenzregion z­ wischen Frankreich und Deutschland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (1813 – 1848), Münster 2010. 2 Bis 1852 sind es in erster Linie Gelehrte und Studenten, die die Vogesen in Richtung Paris überqueren: Vogler, Histoire culturelle de l’Alsace, S. 276 – 277. 3 François Iggersheim, Politique et Administration dans le Bas-­Rhin, (1848 – 1870), Straßburg 1993, S. 733 – 739.

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Nationalisierung und Abschottung

der regionalen und nationalen Landwirtschaftsreform neue Impulse zu geben.4 Solche Partizipationsversuche waren Effekte einer gewissen „Dezentralisierung“ des französischen Staats zur Mitte des 19. Jahrhunderts, durch die ‚Provinzen‘ auf unterschiedlichen Ebenen enger in die weiterhin stark von Paris ausgehenden politischen und administrativen Reformen eingebunden wurden.5 Dieser neuen Partizipationsmöglichkeiten ungeachtet, hat die Forschung auch die Isolierungs- und Abschottungsprozesse hervorgehoben, mit denen gerade wissen­schaftliche Experten in den Pariser Verwaltungen auf Vorschläge aus anderen Teilen Frankreichs reagierten. Wie Robert Fox in seiner eindrucksvollen Synthese The Savant and the State gezeigt hat, war der Zugang regionaler Experten zu den in der Pariser Verwaltung zentralisierten Projekten seit dem frühen 19. Jahrhundert mehr und mehr begrenzt.6 Die in der École Polytechnique ausgebildeten Ingenieure, die in vielen der Pariser Verwaltungen – die Tabakbehörde war hier nur ein Beispiel – als corps d’État technische Expertenstäbe formierten, zeichneten sich durch einen besonders exklusiven esprit de corps aus.7 Im folgenden Kapitel wird die These vertreten, dass die Abschottungsbewegungen der Pariser Tabakingenieure das Aufkommen einer partizipativen Tabakforschung in Frankreich verhinderten. Mehr noch: Die Spannung ­zwischen Partizipations- und Exklusionsdynamiken unterstützte die räumliche Fragmentierung der Tabakforschung in Frankreich. Versuche elsässischer Experten, Pariser Tabakingenieure von oberrheinischen Expertisen zu überzeugen, waren ohne Erfolg und trafen auf eine Technokratenelite, die auf die unbedingte Durchsetzung kubanischer Anbaustandards in Frankreich bedacht war. Die schon in Kapitel 5 analysierte Genese einer zentralisierten Wissenspolitik im französischen Monopol brachte nicht neue Möglichkeiten für die Distribution elsässischen Wissens innerhalb

4 Jean-­Claude Streicher, Boussingault au Pechelbronn et au Liebfrauenberg (1802 – 1887). Reconstitution d’une révolution agronomique, Colmar 2013, S. 143 – 158. 5 Pierre Rosanvallon, Der Staat in Frankreich von 1789 bis in die Gegenwart, Münster 2000, S. 56 – 57; dazu auch die neueren Debatten um die sogenannte Staatsbildung ‚von unten‘: Wim Blockmans/André Holenstein/Jon Mathieu (Hg.), Empowering Interactions. Political Cultures and the Emergence of the State in Europe. 1300 – 1900, Fanham (u. a.) 2009. 6 Robert Fox, The Savant and the State. Science and Cultural Politics in Nineteenth-­Century France, Baltimore 2012, S. 53. 7 Bruno Belhoste/Konstantinos Chatzis, From Technical Corps to Technocratic Power. French State Engineers and their Professional and Cultural Universe in the First Half of the 19th Century, in: History and Technology 23 (2007), S. 209 – 225, hier S. 216.

Nationale Intermediäre

eines nationalen Territoriums hervor, sondern verstärkte dessen Ausgrenzung und eine Zurückweisung von Wissensbeständen, die am Oberrhein zirkulierten.

7.1. Nationale Intermediäre Dennoch markiert das Jahr 1860 nicht nur für die Entstehung einer zentralisierten Wissenspolitik in Frankreich eine zentrale Wegmarke, sondern auch für die Versuche regionaler Tabakexperten, die nationalen Projekte mitzugestalten. Elsässische Tabakreformer traten durch private Briefe, öffentliche Kommentare sowie Plädoyers in Erscheinung, in denen ein nationalisiertes Verständnis der älteren Intermediärsrolle deutlich wurde. Für Experten im Elsass war der Aufstieg der Pariser Ingenieure in der Tabakverwaltung eine wichtige Bedingung für die Verbesserung des Tabakanbaus im regionalen und nationalen Maßstab. „Seitdem die Tabakrégie eine abgesonderte Verwaltung bildet“, so kommentierte der Bouxwiller Chemiker Charles-­Henri Schattenmann die Machtverlagerungen seit 1860, „ist der Tabakbau in Frankreich, der großer Verbesserungen fähig ist, der Gegenstand ihrer besonderen Fürsorge geworden.“ 8 Die Übernahme der Polytechniker war in Schattenmanns Augen eine zentrale Voraussetzung dafür, dass der „Boden des Elsasses“, als Teil eines breiteren „französischen Tabakanbaus“, „vortrefflichen Rauchtabak in Fülle erzeugen“ konnte.9 Die Ablegung der noch aus der napoleonischen Zeit stammenden agrarwissenschaftlichen Passivität der Verwaltung wurde im Elsass positiv wahrgenommen. Badische Forscherkreise teilten diese Euphorie gegenüber der französischen Monopolverwaltung nicht. Der Reformer Roth sprach noch 1871 pejorativ von „Angestellten der Régie“, die Landwirte der Nachbarregion zu unnötigen „Plackereien“ missbrauchten; das Verhältnis z­ wischen Tabakbauern und Régie hatte ihm zufolge ein Note von „Sklaverei“ „von der man sich in Deutschland keinen Begriff machen“ könne.10 Begriffe wie „Sklaverei“ überblendeten die

8 Karl Heinrich Schattenmann, Denkschrift über den Tabakbau im Departement des Nieder­ rheins, Straßburg 1862, Archives départementales Bas-­Rhin (ADBR), 61/J/6, S. 17. 9 Ebd. 10 A. Roth, Das französische Tabaksmonopol im Elsaß, in: Landwirthschaftliches Wochenblatt für das Großherzogtum Baden 9 (1871), S. 13.

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Tätigkeit der Monopolbeamten in den elsässischen Rheindepartements und in Frankreich mit Bildern zeitgenössischer Abolitionsdiskurse, in denen die Ineffizienz und Unproduktivität von Sklavenwirtschaft nicht zuletzt mit Blick auf deren Distanz zu der Rationalität moderner Naturwissenschaft gerechtfertigt wurde.11 Staatliche Tabakmonopole waren in den Kreisen wirtschaftsliberal orientierter badischer Experten grundlegend verdächtig. 1851 hatte ein anonymer Autor in einem Text Ueber das Tabaksmonopol berichtet, dass „Tabakshändler und Fabri­ kanten auf das Äußerste beunruhigt“ ­seien, da diese befürchteten, dass das in der Habsburger Monarchie existierende Staatsmonopol auf die Staaten des Zollvereins übertragen werden könne.12 Solche Debatten waren im Zuge von Handelsabkommen und der damals diskutierten Vereinigung des deutschen Zollvereins mit der Habsburger Monarchie aufgekommen.13 Einige der badischen Reformer, wie Kapitel 4 und 6 gezeigt haben, waren selbst in Tabakhandel oder -fabrikation tätig und fühlten sich deshalb in ihrem privatwirtschaftlichen Interesse bedroht. Zeitgenössische Kommentare überblendeten die Habsburger Tabakverwaltung mit Klischees der Ineffizienz und Stagnation.14 Die staatliche Régie der Habsburger brachte in Baden Ängste einer möglichen Übernahme des Monopolsystems in den zollvereinten Staaten hervor. Im Elsass wurden s­ olche grundsätzlichen Differenzen innerhalb der oberrheinischen Tabakforschung nicht nur wahrgenommen, sondern auch kritisch kommentiert. Napoléon Nicklès aus Benfeld etwa war, trotz seiner Faszination für das Werk der badischen Autoren August von Babo und Friedrich Hofacker, von deren Kritik am französischen Tabakmonopol höchst irritiert. Das Monopol

11 Tatsächlich waren Technologie und Wissenschaft jedoch eng mit der Sklaverei verflochten: Dale Tomych, Through the Prisms of Slavery. Labor, Capital and World Economy, Lanham (u. a.) 2004, S. 56; Daniel B. Rood, The Reinvention of Atlantic Slavery. Technology, Labor, Race, and Capitalism in the Greater Caribbean, New York (u. a.) 2017. 12 [Anonym], Ueber das Tabaksmonopol, in: Landwirthschaftliche Berichte 3 (1851), S. 17 – 19, hier S. 17. 13 Ebd. Jedoch hielt der Autor eine schleichende Übernahme der Monopolisierung genauso wie eine handstreichartige Adaption im Zollverein für „leere[s] Gerücht“. 14 Ebd.: Die „persönliche Abhängigkeit […], in welcher die Bauern [in der Habsburger Monarchie, AvW] zu dem Steuer- und Regiepersonale stehen“, reproduzierte aus Sicht badischer Experten ältere Beziehungen z­ wischen „Unterthanen“ sowie „Grund- und Standesherren“.

Nationale Intermediäre

war aus Nicklès’ Sicht eine „Steuer der besten Art“.15 Seit den späten 1830er-­Jahren stellten Elsässer den Nutzen des staatlichen Monopols zunehmend in den Vordergrund.16 Stimmen wirtschaftsliberaler Kritik waren im Elsass weitgehend verstummt, nachdem die nach der Errichtung des Monopols 1810/11 enteignete bzw. ihrer Handels- und Produktionsrechte beraubte Wirtschaftselite eine Protestwelle angestoßen hatte. Zahlreiche Pamphlete hatten die Abschaffung des Monopols und die Rekonstruktion einer ‚freien‘ Tabakwirtschaft gefordert. Die elsässische Hinwendung zur Pariser Monopolverwaltung ging mit einer Inszenierung von Zugehörigkeit zu den akademisch etablierten Naturwissenschaftlern Frankreichs einher. Joseph-­Frédéric Flaxland aus Colmar sah sich 1866 als Teil einer „immerwährenden Bewegung“, die er vor allem mit der Forschung George Villes, Professor am Muséum d’histoire naturelle und ein wichtiger zeitgenössischer Agrikulturchemiker, assoziierte.17 Der Wasselonner Tabakexperte Louis II. Pasquay erweiterte die Runde in seiner 1871 erschienenen Schrift Des engrais um andere französische Wissenschaftler – Barral aus Paris, Pierre Adolphe Bobierre aus Nantes, Faustino Malagutti aus Rennes, Jean Pierre Louis Girardin aus Rouen, Louis Grandeau aus Nancy und Isidor Pierre aus Caen –, die ihm für die Analyse des Bodens und des Düngers relevant erschienen.18 Aus den Quellen lässt sich nicht nachweisen, dass die Reformer aus dem Umkreis der Straßburger Landwirtschaftsgesellschaft – abgesehen von der Lektüre der Bücher – wirklich 15 „Auf Seite 166 scheinen die Herren von Babo und Hoffacker das Tabakmonopol in Frankreich zu tadeln. Wir müssen den beiden Herren mitteilen, dass Personen bei uns sich nicht über die durch das Dekret vom 29. Dezember 1819 etablierte Institution beschweren“ Napoléon Nicklès, [Rezension] Der Tabak und sein Anbau, von A. v. Babo und F. ­Hoffacker, nebst einem Anhang über die Cultur und Behandlung des Tabaks in Holland, von Ph. Schwab […], in: Revue d’Alsace 8 (1857), S. 429 – 432, hier S. 431 – 432. 16 Ein Brief ehemaliger elsässischer Tabakhändlern und -fabrikanten an Napoleon III. forderte diesen explizit dazu auf, das seit 1810 stets provisorisch verlängerte Staatsmonopol endgültig und fest zu installieren: Gustave Fischbach, La Manufacture des tabacs de Strasbourg, Straßburg 1873, S. 18 – 20; für das frühe 19. Jahrhundert hingegen sind die Proteste der ehemaligen Händler und Fabrikanten betont worden: Peter Geiss, Der Schatten des Volkes. Benjamin Constat und die Anfänge liberaler Repräsentationskultur im Frankreich der Restaurationszeit 1814 – 1830, München 2011, S. 319 – 322. 17 J[oseph] F[rédéric] Flaxland, Quelques considérations relatives à l’enquête agricole dans les départements frontières du Nord-­Est, Paris (u. a.) 1866, S. 40; Flaxland wies auch auf die Nähe zu Anselme Payen hin, der als Professor am Pariser Conservatoire national des arts et métiers lehrte: Flaxland, La régie et les planteurs, S. 77. 18 Pasquay, Des engrais, S. 14.

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intensive Beziehungen zu den genannten Akteuren unterhielten. Deren stetige Erwähnung erweckte jedoch den Eindruck, dass sich elsässische Tabakforscher auch als Teil der nationalen scientific community Frankreichs sahen. Der Aufstieg der Pariser Ingenieure in der Tabakverwaltung versprach aus Sicht von Forschern aus dem Elsass eine neue Möglichkeit, oberrheinische Expertise in die staatlich initiierten Verbesserungsprojekte auf nationaler wie regionaler Ebene einfließen zu lassen. Nicklès etwa regte – paradoxerweise durch eine Rezension in der vor allem regional gelesenen Revue d’Alsace – die Administration an, von der Lektüre grenzregionaler Ratgeberliteratur zu profitieren: „Insgesamt empfehlen wir diese Publikation [von Babos und Hoffackers Der Tabak und sein Anbau, AvW] wärmstens, insbesondere jenen Herren Funktionären der Verwaltung, die die deutsche Sprache beherrschen.“ 19 Aus Sicht elsässischer Agronomen und Experten sollte sich die Pariser Tabakverwaltung, wie letztlich die gesamte französische Gelehrtenöffentlichkeit, mehr gegenüber den oberrheinischen Wissensproduktionen öffnen. Die erhofften Kooperationsmöglichkeiten mit den Ingenieuren gingen auf früher angestossene Versuche elsässischer Reformer zurück. Nationale Verbreitungsversuche oberrheinischen Wissens verfolgten elsässische Reformer mit Blick auf die benachbarten Tabakanbaugebiete in Frankreich schon in den 1850er-­Jahren. Nicklès hatte zur Anwendung im nordwestlich des Elsass gelegenen Departements de la Meurthe eine Lettre sur la culture du tabac et instruction sur cette culture betitelte Zusammenfassung des von Richard Hürstel übersetzten Heidelberger Tabakanbauratgebers verfasst und diese zusammen mit der Landwirtschaftsgesellschaft Nancys herausgegeben. Die dabei betonten naturräumlichen Ähnlichkeiten des Tabakanbaus in den Departements Meurthe und Bas-­ Rhin sollten zeigen 20, dass das am Oberrhein zirkulierte Wissen über die engere regionale Anwendung hinaus für andere Regionen in Frankreich geeignet sei. Öffentliche Partizipationsversuche gingen nach 1860 auch mit Kontaktaufnahmen zu den Pariser Tabakingenieuren einher, die dasselbe Ziel verfolgten. Schattenmann hatte dem Generaldirektor der Pariser Tabakverwaltung, Eugène Rolland, über den Straßburger Präfekten postalisch ein Exemplar seiner 19 Nicklès, [Rezension] Der Tabak und sein Anbau, S. 432. 20 Napoléon Nicklès, Lettre sur la culture du tabac et instruction sur cette culture, par feu M. Huerstel, contrôleur du magasin de Benfeld, Nancy [Die Broschüre ist nicht datiert, müsste aber 1857 oder 1858 erschienen sein], S. 11 – 12.

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Denkschrift zukommen lassen 21, die zum Auftakt einer gut überlieferten Korrespondenz ­zwischen Bouxwiller und Paris wurde.22 Im Verlauf ­dieses Briefaustauschs machte Schattenmann nicht nur zahlreiche Anmerkungen zu den von der Pariser Régie präferierten Tabaktrockenschuppen, sondern schlug grundsätzliche Modifikationen vor. Er empfahl Rolland etwa den „tabac Goundi“, der ihm zufolge in der Pfalz und im Großherzogtum Baden ein Ansehen als Zigarrendeckblatt genoss.23 Obwohl Schattenmann von anderen Forschern am Oberrhein als Sympathisant der restriktiven Pariser Politik im Bereich hochenergetischer Düngemittel gesehen wurde (Kapitel 6), so erscheint er in den Briefen als Repräsentant der von den Kubanisierungsprojekten abweichenden oberrheinischen Wissensbestände. Persönliche Gespräche mit den Ingenieuren stellten den Höhepunkt einer suggestiven Nähe zu den Entscheidungsträgern in Paris dar. Schattenmann war im Laufe seiner Partizipationsbemühungen direkt in der Pariser Behörde vorgelassen worden, wo er den Austausch unter vier Augen suchte.24 Für das Zustandekommen solcher Gespräche war es nicht unwichtig, dass der Bouxwiller Agronom in der Pariser Académie des Sciences 1862 seine Denkschrift vorgestellt hatte, also über eine gewisse Reputation in den Pariser Wissenschaftskreisen verfügte.25 Persönliche Gespräche mit den Spitzenfunktionären der Behörde blieben auch deshalb eine Rarität, weil nicht alle elsässischen Reformer wie Schattenmann in diesen Kreisen anerkannt waren. Schließlich versuchten Experten aus dem Elsass, die Pariser Ingenieure über die Foren nationaler Forschungsprojekte in Frankreich zu adressieren. Bei der Enquête agricole, die das französische Ministère de l’Agriculture, du Commerce 21 Brief Préfet du Département du Bas-­Rhin an Directeur de la culture du Départemen du Bas-­Bas-­Rhin, Straßburg, 5. Juli 1862, ADBR, 11/M/195, unpaginiert. 22 In ADBR , 11/M/195 findet sich eine Rubrik mit dem Titel Tabacs. M. Schattenmann. Mémoire, observations, 1862, in der die Kommunikation des Präfekten mit Schattenmann, jedoch auch die Briefe Schattenmanns an die Pariser Zentralverwaltung überliefert sind. 23 Brief Schattenmann an Rolland, Bouxwiller, 16. August 1862, ADBR, 11/M/195, unpaginiert. 24 Über die Reise nach Paris im Mai 1862: Brief Schattenmann an den Inspecteur de la culture du Département du Bas-­Rhin, Bouxwiller, 21. Mai 1862, ADBR, 11/M/195, unpaginiert. 25 Brief Préfet du Département du Bas-­Rhin an Présidents der Comices agricoles und an Société des Sciences, Agriculture et Arts du Bas-­Rhin, Straßburg, 2. Juli 1862, ADBR , 11/M/195, unpaginiert; zur Académie des Sciences grundsätzlich: Maurice P. Crosland, Science under Control. The French Academy of Sciences 1795 – 1914, Cambridge (u. a.) 1992.

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et des Travaux Publics 1867 veranstaltete, trat der Pechelbronner Chemiker Jean-­ Baptiste Boussingault an Rolland heran, um ihn von der Güte bestimmter Anbaupraktiken im Großherzogtum Baden und der Pfalz zu überzeugen: Ich wäre sehr interessiert, die Meinung des Herrn Generaldirektors zu einer in ­diesem Zusammenhang vielleicht eher sekundären Frage zu hören, die grundsätzlich aber überaus wichtig ist: Die französischen Départements sind autorisiert, Tabak anzubauen, können jedoch nicht von den zweiten Trieben der Blätter profitieren – warum? Wenn ich meine Heuernte mache, rechne ich auch mit dem Geizen, der oft sogar der ersten Ernte vorzuziehen ist. Hinsichtlich des Tabaks muss ich jedoch davon absehen. […] Man hat mir versichert, dass man in Baden und in der Pfalz einen großen Teil an Tabak als Geizen zieht. Wo wäre der Nachteil, wenn wir auch so ernten würden?“ 26

Boussingaults Forderungen repräsentierten zwar keineswegs am Oberrhein allgemein akzeptierte Anbaustandards, da die Verwendung von nachgewachsenen Blättern, der sogenannte Geizenbau, in der grenzregionalen Diskussion ambivalent betrachtet wurde (Kapitel 4). Dennoch zeigt der Kommentar eindrücklich, dass diese für die nationalen, von Paris aus gesteuerten Optimierungsprojekte mobilisiert werden sollte. Die Enquête agricole schuf ein Forum, auf dem die Territorialisierungspraktiken der Pariser Ingenieure auf den Prüfstand gestellt wurden. Boussingault kam dazu in Frage, weil er, im Gegensatz zu anderen elsässischen Tabakforschern, von politischen Repräsentanten in Frankreich als nationaler Tabakexperte eingeschätzt wurde. Im Zuge der z­ wischen 1848 und 1851 zur Gründung der Zweiten Republik zusammengerufenen Assemblée nationale législatif, bei der Boussingault das Departement Bas-­Rhin repräsentierte, hatten Abgeordnete den Pechelbronner Chemiker als Berater der Pariser Tabakverwaltung vorgeschlagen. Neben den damals schon verstorbenen Agrarreformern Henri Louis Duhamel du Monceau und Louis Jean-­Marie Daubenton sowie dem schon weiter oben vorgestellten deutschen Chemiker Justus Liebig schien Boussingault den Abgeordneten aufgrund seiner „unsterblichen Dienste“ für 26 [Anonym], Culture du Tabac, in: Ministère de l’agriculture, du commerce et des travaux publics (Hg.), Enquête agricole. Prémière série. Documents généraux. Décrets, rapports, etc. Séances de la commission supérieure, Band 2, Paris 1869, S. 759 – 774, hier S. 770 – 771.

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die Landwirtschaft besonders hervorhebenswert. Der Chemiker sei, wie es in der Debatte der Nationalversammlung hieß, wegen seiner Arbeiten besonders prädestiniert dafür, im Rahmen des staatlichen Tabakmonopols zu einem „landwirtschaftlichen Fortschritt“ beizutragen und im „nationalen Interesse“ den Anbau des Tabaks in Frankreich zu verbessern.27 Diese Semantiken trugen auch den Selbstinszenierungen und der Position Boussingault in der Forschungslandschaft Frankreichs Rechnung. Mit der Ernennung zum Vorsitzenden der Sektion für „Économie rurale“ in der Pariser Académie des Sciences und der Publikation eines gleichnamigen Buches 1844 hatte der Pechelbronner Chemiker einen Begriff okkupiert 28, der seit dem 18. Jahrhundert in unterschiedlichen Zusammenhängen der Agrarreform verwendet wurde.29 Die erlangte Bekanntheit und die ihm zur Mitte des 19. Jahrhunderts zugeschriebene Rolle als agrikulturchemischer Reformer machten ihn zum vielversprechendsten Kandidaten, obwohl er bis zu d ­ iesem Zeitpunkt noch nicht mit Publikationen zum Tabakanbau in Erscheinung getreten war.30 Das von Boussingault und anderen Tabakforschern für Frankeich empfohlene Wissen war de facto oberrheinisch, wurde jedoch oftmals als ‚deutsche‘ Forschung ausgegeben. Nicklès grenzte 1857 eine gewisse Armut an „landwirtschaftlicher Literatur in Frankreich“ zu einem „Deutschland“ ab, das eine große Anzahl an Tabakanbaubüchern zu bieten habe.31 Tatsächlich blendete Nicklès damit die in 27 [Anonym], Reprise de la discussion sur le budget du Ministère des Finances, in: Compte rendu des séances de l’Assemblée nationale exposés de motifs et projets de lois présentées par le gouvernement. Rapports de MM. Les Répresentants, du 16 avril au 27 mai 1849, 10 (1849), S. 81 – 89, hier S. 87; zur nationalen Stilisierung von Wissenschaftlern: Ralph Jessen/Jakob Vogel, Einleitung. Die Naturwissenschaften und die Nation. Perspektiven einer Wechselbeziehung in der europäischen Geschichte, in: Dies. (Hg.), Wissenschaft und Nation in der europäischen Geschichte, Frankfurt am Main (u. a.) 2002, S. 7 – 37, hier S. 35. 28 Crosland, Science under Control, S. 158. 29 Dazu den noch unpublizierten Vortrag von Pierre Yves Lacour, Les savoirs agronomiques dans la Révolution. France, 1780 – 1810, Vortrag bei der Tagung: Staatswissen (,savoirs d’État‘) klassifizieren und benennen (1750 – 1850), 27. – 28. November 2013, Straßburg. 30 Boussingault hatte bis dahin lediglich einen ­kurzen Abschnitt zum Tabak in der Économie Rurale verfasst: Jean-­Baptiste Boussingault, Die Landwirthschaft in ihren Beziehungen zur Chemie, Physik und Meteorologie, Band 1, Halle 1851, S. 272; das französische Original: Jean-­Baptiste Boussingault, Économie rurale. Considérée dans ses rapports avec la chimie, la physique et la météorologie, Band 1, Paris 1843. 31 Nicklès, [Rezension] Der Tabak und sein Anbau, S. 429 – 430.

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vielen Departements seit der napoleonischen Zeit entstandenen Ratgeber aus.32 Die nationale Semantik verdeutlicht jedoch, dass sich das Intermediärsverständnis elsässischer Forscher, das die Region schon im 18. Jahrhundert geprägt hatte, gewandelt hatte. Vor 1800 waren elsässische Gelehrte von einem Selbstbild als reziproke, um beide Rheinseiten bemühte Akteure geprägt gewesen. Noch die Gründungsstatuten der Straßburger Société des Sciences von 1802 sahen die Mittlerrolle keineswegs auf den Transfer von der rechts- auf die linksrheinische Seite beschränkt: Zwischen den beiden Rheinufern platziert und im Besitz beider Sprachen, können wir [die elsässischen Gelehrten, AvW] uns die Entdeckungen beider aufgeklärter Nationen aneignen und deshalb als Intermediär für die beiden voneinander entfernten Völker auftreten.33

Obwohl die ältere Forschung teilweise argumentiert, dass die elsässischen Mittler­ vorstellungen und -praktiken mit der Französischen Revolution verblasst wären 34, zeigen neuere Arbeiten ein deutlich differenziertes Bild. Noch in den 1830er-­Jahren 32 Siehe dazu die in folgender Bibliographie angeführten Bücher: Paul Smith, Les monopoles français des tabacs et allumettes aux XIXe et XXe siècles. Biographie sélective, in: Recherches contemporaines 2 (1994), S. 149 – 210. 33 Zitiert nach: Joseph Leffzt, Die gelehrten und literarischen Gesellschaften im Elsass vor 1870, Heidelberg 1931, S. 123; zu dieser Stelle auch: Alexander van Wickeren, Die Zirkulation staatsrelevanten Wissens (savoir d’État) über den Tabakanbau in Baden und im Elsass um 1800, in: Christine Lebeau (Hg.), Der Staat. Akteure, Praktiken, Wissen (16. – 19. Jahrhundert). Sommeruniversität des DHIP, der Universität Paris 1 und der Universität zu Köln, 11. – 13. Juni 2012/L’État: acteurs, pratiques, savoirs (XVIe–XIXe siècle). Université d’été de l’Institut historique allemand en coopération avec l’université Paris 1 et l’université de Cologne, 11 – 13 juin 2012, URL: < https://www.perspectivia.net/receive/ ploneimport_mods_00000425 >, [Eingesehen am 31. 10. 2019]. 34 Am Beispiel der zeitgenössischen Geschichtsschreibung: Jürgen Voss, Das Elsaß als Mittler ­zwischen deutscher und französischer Geschichtsschreibung im 18. Jahrhundert, in: Ders., Deutsch-­Französische Beziehungen im Spannungsfeld von Absolutimus, Aufklärung und Revolution, Berlin 1992, S. 90 – 121, hier S. 119; ohne Blick auf das 19. Jahrhundert, dafür aber zur Mittlerrolle des Elsass im 18. Jahrhundert: Guido Braun, Von der politischen zur kulturellen Hegemonie Frankreichs. 1648 – 1789, Darmstadt 2008, S. 45 – 46; sowie Bernard Vogler/Jürgen Voss (Hg.), Strasbourg, Schoepflin et l’Europe au XVIIIe siècle. Actes du colloque organisé en coopération avec l’Université des Sciences Humaines de Strasbourg, Bonn 1996.

Nationale Intermediäre

hatte sich der Straßburger Botaniker Jean-­Daniel Buchinger als Mittler verstanden, der Literatur z­ wischen Frankreich und den deutschen Staaten hin- und herversandte.35 Vorstellungen vom Elsass verengten sich zur Mitte des 19. Jahrhunderts jedoch langsam auf das Bild eines Transferraums, der vor allem Frankreich über die Kontakte in der Grenzregion mit der Tabakforschung der rechtsrheinischen deutschen Staatenwelt verband. Dennoch täuscht die Intermediärsrhetorik darüber hinweg, dass die Straßburger Landwirtschaftsgesellschaft und die elsässischen Tabakforscher tatsächlich kein Monopol auf den Transfer grenzregionaler oder gar ‚deutscher‘ Expertise nach Frankreich hatten. Badische Reformer stellten ihre Tabakforschung zur Jahrhundertmitte einer breiteren französischen Öffentlichkeit selbst vor. Experten des badischen Landwirtschaftsgartens hatten bei der Pariser Weltausstellung 1855 ein Album präsentieren lassen, in dem in detaillierter Weise die Akklimatisierungs- und Forschungsergebnisse beworben wurden.36 Französische Übersetzer fertigten, wie Dauphiné im Jahr 1861, Übersetzungen badischer Anbauratgeber an.37 Wenn elsässischen Gelehrten im späten 18. Jahrhundert wohl tatsächlich eine gewisse Exklusivität bei der Vermittlung von Texten ­zwischen den beiden Rheinseiten zugekommen war, so trugen die Ausdehnung des Buchhandels und die Entstehung neuer öffentlicher Räume wie die Ausstellungen dazu bei 38, dass das elsässische Selbstverständnis als Mittler sich nicht mehr mit der tatsäch­lichen Bedeutung der Forscher in der Grenzregion deckte. Das hinderte Experten im Elsass jedoch nicht, ihren Ansprüchen als nationale Intermediäre mit kritischen Spitzen gegenüber der Pariser Tabakverwaltung einen besonderen Nachdruck zu verleihen. In einem Rapport sur la question des engrais von 1863 hatte Eugène Oppermann von den „sehr lebendigen

35 Nicolas Robin, Der Briefwechsel Jean-­Daniel Buchingers (Bestandsübersicht). Ein deutsch-­ französischer Beitrag zur Geschichte der Naturwissenschaften im 19. Jahrhundert, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 26 (2003), S. 57 – 66, hier S. 59 – 65. 36 Jean-­Augustine Barral, Tabac en feuilles, in: [Anonym] (Hg.), Exposition universelle de 1855. Rapports du jury international publiés sous la direction de S. A. I. le Prince ­Napoléon, Band 1, Paris 1856, S. 160 – 164, hier S. 162. 37 V. A. Dauphiné, Traité de la culture du tabac. Traduit, en grand partie, d’un ouvrage allemand du Baron A. de Babo, supérieur de l’école d’Agriculture de Carlsruhe, Paris 1861. 38 Ernst Fischer, Buchmarkt, in: Institut für Europäische Geschichte (Hg.), Europäische Geschichte Online (EGO ), Mainz 2010, URL : < http://ieg-­ego.eu/de/threads/ hintergruende/­buchmarkt >, [Eingesehen am 31. 10. 2019].

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Nationalisierung und Abschottung

Reklamationen aus den Kantonen“ gegen die Düngeverordnung der Pariser Régie berichtet und das Verbot als einen „großen Schmerz“ für die Landwirte dargestellt. Das Verbot bedränge diese geradezu, ihre Felder ausschließlich mit tierischen Stalldüngern zu bestellen.39 Im Journal d’agriculture pratique, das zur Mitte des 19. Jahrhunderts eines der zentralen Medien für den agrarwissenschaftlichen Diskurs in Frankreich darstellte, hatte Herausgeber Jean-­Augustin Barral 1862 einen wütenden Brief des Elsässers Müller abgedruckt, der sich ebenfalls gegen die Düngemittelpolitik wandte.40 Der Ausschluss ‚hochenergetischer‘ Dünger, wie ihn elsässische Autoren thematisierten, schien Anzeichen eines unkontrollierten ländlichen Aufruhrs hervorzurufen. Textliche Bilder von Unruhe unter den Landwirten sollten die Probleme der von Paris aus geforderten Maßnahmen verdeutlichen. Die Düngemittelpolitik der Régie stand in einem fragwürdigen Licht, weil sie Erinnerungen an die ländlichen Revolten in der Revolution von 1848/49 weckten – eine zentrale Schreckensvision der bürgerlichen Gesellschaft.41 Ihre Schärfe bekamen s­ olche Szenarien durch die wachsende Unzufriedenheit elsässischer Reformer über die von der Régie festgesetzten Preise und Abnahmekontingente für Zigarrendeckblätter. Der Reformer François Zorn de Bulach bemängelte 1854 in einem Brief an den Präfekten von Bas-­Rhin, dass die Behörde des Departements nicht genug Tabakblätter abnehme, was nicht zuletzt seine eigenen Einkünfte schmälere.42 Schattenmann beschwerte sich über die u ­ ngerechten 39 Eugène Oppermann, Rapport sur la question des engrais, présenté à la Société des Sciences, Agriculture et Arts du Bas-­Rhin, le 15. Septembre 1862, in: Nouveaux Mémoires de la Société des Sciences, Agriculture et Arts du Bas-­Rhin 2 (1863), S. 292 – 305, hier S. 292. 40 Jean-­Augustin Barral, Chronique agricole (première quinzaine d’avril), in: Journal d’agriculture pratique 26 (1862), S. 401 – 406, hier S. 404 – 405; ähnlich auch: Jean-Augustin Barral, Chronique agricole (première quinzaine de mars), in: Journal d’agriculture pratique 26 (1862), S. 293 – 300, hier S. 299. Leider liegen die Briefe, die Barral von Müller veröffentlichte, nicht im Original vor, sondern lediglich als publizierte Auszüge. Es ist gut möglich, dass Barral diese Briefe zensierte oder abänderte. 41 Zu der Angst vor Revolutionen etwa: Adam Zamoyski, Phantome des Terrors. Die Angst vor der Revolution und die Unterdrückung der Freiheit, 1789 – 1848, München 2016; mit engerem Blick auf die Revolution von 1848/49 etwa: Beate Althammer, Die Angst vor der sozialen Revolte. Bürgertum und Unterschichten in der Fabrikstadt Aachen im März und April 1848, in: Guido Müller (Hg.), Aachen, die westlichen Rheinlande und die Revolution 1848/49, Aachen 2000, S. 105 – 134. 42 Brief Zorn de Bulach an Préfet du Département du Bas-­Rhin, Osthausen, 11. September 1854, ADBR, P/266, unpaginiert.

Nationale Intermediäre

Klassifizierungen seiner Rohtabake und forderte eine Annäherung der in Frankreich geltenden Preise an die der Tabakhändler in Baden und der Pfalz.43 Proteste gegen Preispolitiken gingen bis in die Zeit der Etablierung des staat­lichen Tabakmonopols während der napoleonischen Ära zurück.44 Die Unzufriedenheit mit dem Pariser Ingenieurskorps stellte auch dessen viel beschworene Wissenschaftlichkeit zur Disposition. In den Sitzungen der Straßburger Landwirtschaftsgesellschaft war im April 1867 von „Zumutungen“ die Rede. Es wurde betont, dass die von den Pariser Ingenieuren eingeschlagene „Richtung“ nicht im Eigeninteresse der Verwaltung sein könne.45 Noch deut­ licher wurde Müller, der im Journal d’agriculture pratique von 1862 erklärte, dass die „neuen Vorschriften der Régie“ gegen jede „säkulare Erfahrung“ sprechen würden. Es sei zu wünschen, dass die Maßnahmen der Pariser Ingenieure vom „Licht“ der Aufklärung erfasst würden.46 Die Lichtsemantik wurde seit seit der Frühen Neuzeit verwendet, um fehlende Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen.47 Wenngleich keineswegs alle elsässischen Tabakexperten auf eine derart scharfe Rhetorik setzten – nicht zuletzt weil Reformer die Ansichten der Pariser Ingenieure hinsichtlich ‚hochenergetischer‘ Dünger durchaus teilten – waren die in den Büchern und Artikeln mobilisierten Bilder der Kritik keineswegs symbolische Praktiken einiger weniger. Elsässische Forscher unterließen es wohl aufgrund der Anfang der 1860er-­ Jahre, während des Second Empire, noch rigoros durchgeführten staatlichen Zensur 48, die Ingenieure der Tabakverwaltung öffentlich persönlich zu adressieren. 43 Schattenmann sprach von den „exzessiv gestiegenen Preisen für Tabak in der Pfalz und im Großherzogtum Baden“: Brief Schattenmann an Préfet du Département du Bas-­Rhin, Bouxwiller, 20. März 1863, ADBR, P/267, unpaginiert. 44 Geiss, Der Schatten des Volkes, S. 319 – 322. 45 Die Verwaltungsmaßnahmen führten dazu, so der Elsässer Prost nicht ohne ironischen Unterton, dass die wohlwollenden Absichten der Verwaltung von der gelehrten Außenwelt nicht erkannt werden würden: Registre des procès-­verbaux des séances de la Société des Sciences […], Séance 3. April 1867, ADBR, 63/J/8, unpaginiert. 46 Barral, Chronique agricole, S. 299. 47 Rolf Reichardt, Lumières versus Ténèbres. Politisierung und Visualisierung aufklärerischer Schlüsselwörter in Frankreich vom XVII. zum XIX. Jahrhundert, in: Ders. (Hg.), Aufklärung und Historische Semantik. Interdisziplinäre Beiträge zur westeuropäischen Kulturgeschichte, Berlin 1998, S. 83 – 170. 48 Roger Price, The French Second Empire. An Anatomy of Political Power, New York 2001, S. 39 und 268 – 269.

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Eine generelle Kritik der Wissenschaftlichkeit polytechnisch ausgebildeter corps war in der französischen Öffentlichkeit zur Mitte des 19. Jahrhunderts jedoch keineswegs ungewöhnlich. Seit der Revolution von 1848/49 wurden Absolventen der École Polytechnique wegen ihrer abstrakten Ausbildung als „inept in the real world“ karikiert und hoben Skeptiker die „cerebral otherworldliness“ ihrer polytechnischen Ausbildung satirisch hervor.49 Die Forschung hat übersehen, dass Einwände gegen Polytechniker auch auf deren landwirtschaftliche Reformprojekte abzielten. Diese Einwände verdeutlichen darüber hinaus den neuen Möglichkeitsraum, der sich aus elsässischer Perspektive mit dem Aufstieg der Pariser Ingenieure in der Verwaltung nach 1860 zu öffnen begann. Wissensbestände des südlichen Rheingebiets schienen im Rahmen einer zentralstaatlich organisierten Verbesserung der Zigarrentabake in Frankreich zunehmend mobilisierbar.

7.2. Abgrenzungsrhetorik Dieses Interesse wurde von einer semantischen Ausgrenzung regionaler Experten konterkariert, in der sich die ablehnende Haltung der Tabakingenieure zeigte. Die mal explizite, mal implizite Ignoranz der polytechnischen Ingenieure verdeutlichte sich nicht zuletzt an dem offensiv kommunizierten, exklusiven und elitären Selbstverständnis, sondern auch an dem letztlich beschwichtigenden Charakter von Versprechen auf eine zukünftige Kooperation mit regionalen Experten Frankreichs, zumal aus dem Elsass. Aufschlussreich ist in dieser Hinsicht das bereits erwähnte Gespräch, das der Pechelbronner Chemiker Jean-­Baptiste Boussingault mit dem Pariser Generaldirektor Eugène Rolland bei der Enquête agricole von 1868 gesucht hatte. ­Boussingaults Vorschläge zur Adaption von Anbaupraktiken aus dem Großherzogtum Baden hatte Rolland mit einem fast schon beiläufigen Verweis auf die in d ­ iesem Punkt feststehenden Verordnungen zurückgewiesen. Der Pariser Generaldirektor tadelte Boussingault außerdem für die Unangemessenheit seiner Wortmeldung, die den rein fiskalischen Charakter der Diskussion bei der Enquête durch das Thema unterbrochen habe.50 49 Fox, The Savant and the State, S. 35 – 36. 50 „Zuerst geht es hier um finanzielle Interessen und nicht um die Prozeduren rationellen Anbaus“: [Anonym], Culture du Tabac, S. 771.

Abgrenzungsrhetorik

Öffentliche Kritik an den Reformmaßnahmen der Pariser Ingenieure traf in den Reihen des polytechnischen corps der Tabakverwaltung auf Ablehnung und Widerstand. Mit Bezug auf eine Reihe in der elsässischen Tageszeitung L’Alsacien anonym erschienener Artikel hatte sich Generaldirektor Rolland im März 1862 in einem Brief an den Straßburger Präfekten über deren „Geist der Kritik“ und Gestus der „Abwertung“ echauffiert. Der L’Alsacien habe „stillose Abhandlungen“ veröffentlicht, die wenig mehr als eine fehlende Seriosität des elsässischen Autors belegen würden.51 Obwohl Rolland den Präfekten nicht um Zensur der Aufsätze bat – wie es zu Zeiten des Second Empire durchaus möglich gewesen wäre 52 – regte er dennoch eine von der Präfektur aufgesetzte Gegendarstellung an. Zwar lässt sich aufgrund der in Paris wie Straßburg überaus lückenhaften Überlieferung des L’Alsacien nicht sicher bestimmen ob eine Gegendarstellung wirklich veröffentlicht wurde. Jedoch verdeutlicht allein die Reaktion der Ingenieure auf die zunehmend aufgebrachte Stimmung, dass Partizipationsversuche regionaler Reformer als Angriffe auf die Projekte der Zentralverwaltung verstanden wurden. In öffentlichen Auseinandersetzungen über die Fehltritte staatlicher Verwaltungseliten trat deren Verletzlichkeit zum Vorschein.53 Der Gegenwind von Seiten der Ingenieure ging auf Verweise in den besagten Artikeln zurück, in denen Justus Liebig als wissenschaftliche Referenz angeführt worden war. Rolland sprach zwar lediglich von einem „in der Wissenschaft bekannten Namen“ unter dessen „Patronage“ die elsässischen Gegenvorschläge zur Pariser Düngemittelpolitik gediehen sei.54 Jedoch wies er darauf hin, dass der oben genannte Barral ihn auf diesen Umstand aufmerksam gemacht habe.55 51 Brief Rolland an Préfet du Département du Bas-­Rhin, Paris, 21. April 1862, ADBR, 11/M/195, unpaginiert. 52 Price, The French Second Empire, S. 268 – 269. 53 Mit Blick auf die Zeit um 1900: Frank Bösch, Öffentliche Geheimnisse. Skandale, Politik und Medien in Deutschland und Großbritannien 1880 – 1914, München 2009, S. 467; ich habe an anderer Stelle ausführlicher gezeigt, wie die Reformpolitik der Pariser Tabakingenieure in den späten 1860er- und 1870er-­Jahren skandalisiert wurde: Alexander van Wickeren, The Transformation of an Ecological Policy. Acclimatization of Cuban Tobacco Varieties and Public Scandalization in the French Empire, c. 1860 – 1880, in: Brett Bennett/ Ulrike Kirchberger (Hg.), Environments of Empire. Networks and Agents of Ecological Change, im Erscheinen. 54 Brief Rolland an Préfet du Département du Bas-­Rhin, Paris, 21. April 1862, ADBR, 11/M/195, unpaginiert. 55 Ebd.

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Rolland berief sich damit auf eben jenen Reformer aus dem erweiterten Umfeld der Tabakverwaltung, der sich in seinen Schriften besonders kritisch mit Liebig auseinandergesetzt hatte. Mit Blick auf die 1862 ins Französische übersetzten Chemischen Briefe Liebigs hatte Barral geurteilt, dass sie „exzellente Prinzipien“ für die Landwirtschaft darstellen würden, aber in manchen Punkten indiskutabel ­seien. Neben dem undifferenzierten Gebrauch stickstoffhaltiger Dünger bemängelte Barral gerade Liebigs zu stark verallgemeinerte Anbauempfehlungen für Kulturen wie Wein oder Tabak.56 Liebig, dessen Theorien zur Düngung am Oberrhein adaptiert worden waren (Kapitel 6), war eine Referenz, die oberrheinische Forscher aus Pariser Sicht wohl weitgehend diskreditierte. Gleichzeitig verdeutlichen diese Abgrenzungsbewegungen eine gewisse Konkurrenz innerhalb der sich zur Mitte des 19. Jahrhunderts herausbildenden Agrikulturchemie. Die ‚Verbesserung‘ des Tabakanbaus war für Jean-­Jacques Théophile Schloesing eng mit „dem Wissen der Agrikulturchemie“ verknüpft.57 Die Ingenieure leisteten ihrem Selbstverständnis nach einen spezifischen Beitrag zur zeitgenössischen Agrikulturchemie. Agrikulturchemisches Wissen über die Tabakpflanze wurde zu einem Marker der professionellen Identität des corps, die elsässische Reformer mit ihren Vorstößen zu verletzen drohten.58 Die Pariser Zentralverwaltung meinte im Bereich des Tabakanbaus, wie in anderen Bereichen der Produktionskette, ein Wissensmonopol zu vertreten. In dem für den Unterricht in der École impériale d’application konzipierten Cours sur la production et les emplois de la chaleur von 1863 grenzte Paul Démondesir den Kernbereich des Aufgabengebiets der Tabakingenieure jedoch vor allem 56 Jean-­Augustin Barral, Sur l’application de la chimie à l’agriculture, in: Journal d’agriculture pratique 26 (1862), S. 251 – 252, hier S. 251; Barral wies in mehreren Publikationen auf die Vereinfachungen von Liebigs Theorien hin: Paul Robin, Le point de vue d’un agronome, in: Ders./Jean-­Paul Aeschlimann/Christian Feller (Hg.), Histoire et agronomie. Entre ruptures et durée, Paris 2007, S. 45 – 59, hier S. 51. 57 Jean-­ Jacques-­ Théophile Schloesing, Notice sur les travaux scientifiques de M. Th. ­Schloesing, Paris 1871, Archives de l’Académie des Sciences (AAS), Dossier personnel de Jean-­Jacques-­Théophile Schloesing (1824 – 1919), [keine Signatur des Nachlasses vorhanden], S. 22. 58 Die Forschung hat die Konflikte in der sich ausbildenden Agrikulturchemie untersucht, dabei jedoch vor allem Akteure wie Boussingault und Liebig in den Blick genommen: Ursula Schling-­Brodersen, Entwicklung und Institutionalisierung der Agrikulturchemie im 19. Jahrhundert. Liebig und die landwirtschaftlichen Versuchsstationen, Stuttgart 1989, S. 70 – 75.

Abgrenzungsrhetorik

auf die „Anwendung der Hitze“ ein. Wissen über Hitzeeinwirkungen bei der Tabakproduktion inszenierte Démondesir als „eine der wichtigsten Spezialitäten der Ingenieure aus der Tabakbehörde“, mit der das corps „einen distinkten Platz unteren den anderen Ingenieurscorps“ behaupten könne.59 Während lange Zeit allein technische Anwendungen ein privilegierter Bereich der Ingenieure gewesen waren, was 1832 auch in der Gründung eines „Service central des Constructions et Machines“ zum Ausdruck kam, zählten nach 1860 zunehmend auch landwirtschaftliche Facetten und Bereiche der Tabakproduktion dazu.60 Der spezielle „Habitus“ der Tabakingenieure ist zwar zumeist mit Blick auf die Modernisierung der Staatsmanufakturen hervorgehoben worden 61, erstreckte sich jedoch vor allem nach 1860 auch auf den Tabakanbau. Der Tabakanbau wurde zu einem wichtigen, wenngleich den Anwendungen in den Manufakturen untergeordneten Distinktionsmarker. Rolland hierarchisierte den Aufgaben- und Wirkungsradius der Polytechniker wie folgt: Man muss nicht nur in den staatlichen Manufakturen möglichst perfektionierte Geräte sowie jeglichen Fortschritt der modernen Industrie einführen, sondern sich auch der Versorgung mit Rohstoffen von guter Qualität versichern. Diese werden teils durch den Ankauf von zwecklichen Ankäufen im Ausland sichergestellt, bedürfen jedoch einer Verbesserung der Produkte, die unser französischer Tabakanbau zur Verfügung stellt.62

59 Paul Démondesir, École impériale d’application du service des tabacs. Cours sur la production et les emplois de la chaleur, Paris 1863, [unpaginiertes Vorwort]. Demondesirs Buch basiert auf: Eugéne Péclet, Traité de la chaleur, considérée dans ses applications, 3. Auflage, Paris 1860. 60 M. Phillips, Discours prononcés aux obsèques de M. Rolland, in: Comptes rendus hebdomaires des séances de l’Académie des Sciences 100 (1885), S. 947 – 949, hier S. 947; Jean-­ Jacques Théophile Schloesing, Discours prononcés aux obsèques de M. Rolland, in: Ebd., S. 950 – 952, hier S. 950. 61 Am Beispiel der staatlichen Tabakmanufakturen: Jean-­Noël Retière, Une entreprise d’État séculaire: Les tabacs. L’exemple de la ‚Manu‘ de Nantes (1857 – 1914), in: Entreprise et Histoire 6 (1994), S. 109 – 127, hier S. 114. 62 Eugène Rolland, C. de l’adm. des tabacs, No 1, 12 Avr. 1860. Cabinet du directeur général. Installation de M. Rolland, directeur général des tabacs, in: Nouveau recueil chronologique des lois et instructions des contributions indirectes des tabacs et des octrois, II–III, Période de 1831 à 1863, [ohne Ort und Jahr], Sp. 1391 – 1392, hier Sp. 1391.

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Der Anbau des Tabaks wurde, wie der französische Journalist du Camp anmerkte, in der Forschung der Tabakverwaltung „ein Objekt mit der allerhöchsten Bedeutung“.63 Die Reaktionen auf öffentliche Vorschläge aus dem Elsass zur Modifizierung der Wissenspolitik entzündeten sich an einem im Vergleich zu den Manufakturen vageren Gefühl möglichen Reputations- und Identitätsverlusts. Die Gegenangriffe der Ingenieure gingen mit deeskalierenden Versprechen auf Partizipation an dem Pariser Verbesserungsprogramm einher, die jedoch vor allem der Tabakverwaltung nahestehende Reformer lancierten. Der französische Landwirtschafsexperte Pierre Joigneaux verdeutlichte in einer Replik auf den 1863 veröffentlichten Artikel Joseph-­Frédéric Flaxlands, dass er Überlegungen aus der Region diskussionswürdig fand.64 Barral bot der elsässischen Kritik im Journal d’Agriculture pratique ein frankreichweites Forum. Als Heraus­geber der Zeitschrift, in der Müllers Brief abgedruckt war, zeigte sich Barral sichtlich um Deeskalation bemüht, obwohl er in der internen Kommunikation mit der Verwaltung gegen die Verwendung stickstoffhaltiger Dünger agitierte. Öffentlich zumindest verteidigte er die Freiheit elsässischer Landwirte zu düngen, wie sie es für richtig hielten.65 Der Verweis auf die Möglichkeit einer ‚freien‘ Düngemittelverwendung bemühte dabei ein Motiv, das die im Bereich der Düngemittel erlassenen Verordnungen in Frage stellte, ohne die Inhalte der Kubanisierungspläne der Pariser Ingenieure grundsätzlich zu kritisieren. Beide Autoren suggerierten, dass Pariser Ingenieure, ihrer professionellen Identität ungeachtet, den elsässischen Tabakforschern zumindest eine Art Kritik- und Kommentarmöglichkeit bei der Genese zentralisierter Reformprogramme zugestehen sollten. Daraus resultierte ein gewisser Druck, der schließlich dazu führte, dass auch von Seiten der Tabakbehörde abmildernde Beiträge zu den Kritiken aus dem Elsass erschienen. Im April 1862 hatte Generaldirektor Rolland dem Präfekten des Departements Bas-­Rhin berichtet, dass die Zentralverwaltung gerne auf alle „legitimen Reklamationen“ an ihrer Politik zurückkommen werde und man in 63 Maxime du Camp, Le Tabac, in: Ders., Paris. Ses organes, ses fonctions et sa vie dans la seconde moitié du XIX siècle, Band 2, 5. Auflage, Paris 1875, S. 169 – 223, hier S. 179. 64 Pierre Joigneaux, De la culture du tabac en Alsace. À Monsieur J.-F. Flaxland, in: Revue d’Alsace 14 (1863), S. 138 – 141; zu Joigneaux: Daniel-­Paul Lobreau, Pierre Joigneaux (1815 – 1892) ou la République en sabots, 3 Bände, Diss., Université de Lyon 3, 1995. 65 „Wir haben nicht verstanden, warum man dem Landwirt nicht absolut frei lässt, wie und wodurch er den Tabak produziert, den er möchte.“ Barral, Chronique agricole, S. 299.

Abgrenzungsrhetorik

Paris verstehe, dass die Maßnahmen der Behörde Grund zur Klage liefern würden.66 Im Mai desselben Jahres bestätigte Rolland Charles-­Henri Schattenmann in einem persönlichen Brief, dass dessen Vorschläge für die Régie interessant ­seien. Schattenmanns Buch, so Rolland, trage zum „Fortschritt des Anbaus“ bei und stelle eine berechtigte „Kritik“ an der Verwaltung dar, die „bis zu einem gewissen Punkt auf den Praktiken elsässischer Landwirte gegründet“ sei.67 Regionales Tabakwissen, so suggerierte der Brief, schien eine wichtige Facette für die Gestaltung jener Verbesserungsprogramme zu sein, die die Ingenieure für die Reform des Tabakanbaus in Frankreich seit 1860 ins Auge fassten: Nach den Erklärungen, die mir geeigneter erscheinen als andere, bin ich zuversichtlich, mein Herr [Schattenmann, AvW], dass Sie meiner Verwaltung weiterhin ihre aufgeklärte Partizipation zukommen lassen und auch in Bas-­Rhin mithelfen werden, perfektionierte Anbaumethoden zu propagieren, deren Aufnahme ratsam wäre.68

Die Zugeständnisse, die Rolland hier machte, betrafen insbesondere die von Schattenmann aufgeworfenen Verbesserungsvorschläge zu Tabaktrockenschuppen. In den Kreisen elsässischer Forscher herrschte angesichts dieser scheinbaren Offenheit der Ingenieure vor allem Anfang der 1860er-­Jahre eine gewisse Zuversicht, dass die Verwaltung zur Kooperation mit dem Elsass bereit und an Vorschlägen der oberrheinischen Tabakforschung interessiert wäre. ­Schattenmann berichtete im Vorwort seiner Denkschrift von einem Treffen mit Rolland, bei dem dieser „Bemerkungen über die Verbesserungen“ „günstig“ aufgenommen und ihm „versichert“ habe, „daß diese Verbesserungen Gegenstand seiner besonderen Nachforschungen und Sorgfalt ­seien, und daß er [Rolland, AvW] gerne meine Mittheilungen in Betreff dieser Sache entgegennehme“.69

66 Brief Rolland an Préfet du Département du Bas-­Rhin, Note sur la culture du tabac dans le departement du Bas-­Rhin, [Paris], [1862], ADBR, 11/M/195, unpaginiert. 67 Brief Rolland an Schattenmann, Paris, 16. Mai 1862, ADBR, 11/M/195, unpaginiert. 68 Ebd. 69 Karl Heinrich Schattenmann, Denkschrift über den Tabakbau im Departement des Nieder­ rheins, Straßburg 1862, ADBR, 61/J/6, S. 3 – 4.

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Nationalisierung und Abschottung

7.3. Exklusive Experimente Es hätte den Elsässern vielleicht früher auffallen können, dass Versprechen auf eine nationale, partizipative Tabakreform und -forschung letztlich wenig mehr als Lippenbekenntnisse der dem erwartbaren öffentlichen Druck vorbeugenden Tabakingenieure waren. Tatsächlich kam es zu einer verstärkten Ausgrenzung elsässischer Reformer, die sich abseits der öffentlichen Diskussionen in den seit den 1860er-­Jahren durchgeführten Experimenten mit Tabaken aus Kuba bemerkbar machte. Diese Experimente wurden in den Schriften elsässischer Experten wenig erwähnt – wohl nicht zuletzt deshalb, weil lediglich Beamte und Landwirte der Departements, nicht aber Agrarwissenschaftler und Reformer von den Pariser Tabakingenieuren in die Durchführung der Experimente einbezogen wurden. Die Versuche waren von der Régie seit Frühling 1860 in Bas-­Rhin und Haut-­ Rhin, wie auch in anderen dem Monopol unterstehenden Tabakdepartements – etwa Alpes-­Maritime  70 –, an mehreren Punkten der Departements auf Feldern mit jeweils zwei bis vier Ar Umfang ausgeführt worden.71 Solche Experimente hatten regionale Verwaltungsbeamte schon Mitte der 1850er-­Jahre initiiert.72 Letztlich gingen die Versuchsformate bis in die napoleonische Zeit zurück, als die Departmensverwaltung von Bas-­Rhin erstmals botanische Gärten zur Erforschung des Tabakanbaus angelegt hatte (Kapitel 2). Unter den für die Tests präferierten Tabakarten dominierte der von der Zentralverwaltung besonders 70 [Anonym], Tabacs, in: Département des Alpes-­Maritime. Conseil général. Session de 1865. Rapport du Préfet et annexes. Procès-­Verbaux des délibérations (1865), S. 174 – 175. 71 Brief Rolland an Inspecteur de la culture du Département du Hau-­Rhin, Paris, 24. April 1861, Archives départementales du Haut-­Rhin (ADHR ), 4/P/208, unpaginiert; Brief ­Rolland an Directeur de la Culture du Département du Haut-­Rhin, Paris, 26. Februar 1861, ADHR, 4/P/208, unpaginiert. Bis auf wenige Ausnahmen sind diese Experimente im Elsass lediglich am Material des Departements Haut-­Rhin nachvollziehbar. Im Folgenden werden die Departements nicht getrennt betrachtet, sondern die Experimente im südlichen Elsass als repräsentativ für die ganze Region gesehen. 72 Vor dem Hintergrund der im Departement 1855 neu eingeführten Lizenz zum Tabakanbau für die französische Régie hatte die dortige Präfektur von Haut-­Rhin zusammen mit Angestellten der Contributions indirectes Experimente mit Tabaksamen unternommen: Brief Directeur de la culture du Département du Haut-­Rhin an Thomas, commis de culture de 1ere classe, chef de service à Colmar, Paris, 10. Januar 1855, ADHR, 4/P/208, unpaginiert.

Exklusive Experimente

hervorgehobene „tabac de Havane“, den die Ingenieure auf ihren Reisen nach Kuba und über die Verbindungen zu kubanischen Agrarexperten akquiriert hatten (Kapitel 5). Tabellarische Aufführungen der Experimente zeigen jedoch, dass auch andere Varietäten, wie die am Oberrhein bekannte Gundisorte, in den Akklimatisierungsfeldern der Departements vergleichend erprobt wurden.73 Der Vergleich, so suggerierten die Versuche, sollte weitere belastbare Ergebnisse über die Brauchbarkeit des „tabac de Havane“ in der elsässischen Grenzregion und den anderen französischen Departements liefern. Die Experimente dienten auch dazu, letzte Zweifler innerhalb des polytechnischen corps zu überzeugen. Charles Rey, der den kubanischen Tabakanbau persönlich in Augenschein genommen hatte, war weniger optimistisch als Forscher wie Schloesing und sah in seiner Schrift von 1849 eher „Schwierigkeiten bei der Akklimatisierung“ für eine mögliche Einführung kubanischer Tabaksorten nach Frankreich voraus. Rey prophezeite, dass die Pflanzen nicht „komplett ähnlich“ und „perfekt identisch“ zu denen in Kuba ­seien.74 Das Führungspersonal für die staatlich organisierten Akklimatisierungsexperimente wurde nicht unter Einbezug der regionalen Gelehrtengesellschaften, sondern vielmehr aus den Kadern der unteren Beamten der departementalen Tabakbehörden rekrutiert. Die Contributions indirectes in Colmar waren beauftragt worden, aus ihren Reihen Beamte auszuwählen, die aufgrund ihres „aufgeklärten Eifers“ dem wissenschaftlichen Ideal der Ingenieure am nächsten kamen und von denen man sicher war, dass sie sich komplett für die Experimente einsetzen würden.75 „Es ist notwendig,“ so bekräftigte Generaldirektor Eugène Rolland im April 1864, „dass die Chefs der Behörde den Versuchskulturen persönliche Sorgfalt widmen.“ 76 Neben diesen Beamten setzten die Pariser Ingenieure bei der Durchführung der Versuche auf Landwirte der Departements. Schon im Juni 1859 hatte die 73 Brief Contrôleur de la culture du Département du Haut-­Rhin an Inspecteur de la culture du Département du Haut-­Rhin, Colmar, 8. Oktober 1862, ADHR, 4/P/208, unpaginiert. 74 Charles Rey, Sur la culture du tabac. Extrait d’un rapport fait à le Ministre des Finances, in: Annales des sciences physiques et naturelles, d’agriculture et d’industrie publiés par la Société nationale d’Agriculture, etc. de Lyon 1 (1849), S. 589 – 604. 75 Brief Directeur de la culture du Département du Haut-­Rhin an Sous-­Inspecteur de la culture du Département du Haut-­Rhin, Colmar, 25. Mai 1860, ADHR, 4/P/208, unpaginiert. 76 Brief Rolland an die französischen Departements, Paris, 20. April 1864, ADHR, 4/P/210, unpaginiert.

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regionale Verwaltung eine Liste des planteurs qui ont commencé à préparer des feuilles pour cigars d’après le mode indiqué dans l’ordre général 77 angelegt, aus der eine Reihe geeigneter Personen für die Akklimatisierungsexperimente ausgewählt werden sollte.78 Die von der Verwaltung angestoßenen Versuche beruhten auf Ausschluss nicht geeigneter Landwirte. Sie reproduzierten nicht zuletzt die Logik der in Kapitel 4 skizzierten ‚verwissenschaftlichten Inklusion‘ von Landwirten in die Forschungsprojekte. Die Saatgutexperimente bezogen teilweise auch weibliche Landwirtinnen als ‚praktische Expertinnen‘ ein. Die Tabakbehörde in Haut-­Rhin stand mit einer sogenannten Witwe Stuch aus Lutterbach – von der ansonsten nichts weiter bekannt ist – in Verbindung, um ihr Saatgut für die Experimente abzukaufen und auftretende Engpässe an Tabaksamen zu verhindern.79 Im Laufe des 19. Jahrhunderts war die Exklusion von Frauen aus dem Gebiet der „field sciences“ zunehmend befürwortet worden, die männliche Kommentatoren als dezidiert unweiblich beschrieben.80 Die in den Quellen sehr selten auftretenden Verweise verdeutlichen, dass praktischen Expertinnen zwar eine gewisse Rolle bei den Experimenten zugebilligt wurde, Frauen jedoch ansonsten weitgehend ausgeschlossen blieben. Es waren wohl vor allem männliche Landwirte, die im Verständnis der elsässischen Behörden im Rahmen der Akklimatisierungsexperimente durch regionale Beamte angewiesen werden sollten. Beamte in den Departments im Elsass sprachen von einer „speziellen Überwachung“.81 Angestellte der Contributions 77 [Anonym], Liste des planteurs qui ont commencé à préparer des feuilles pour cigars d’après le mode indiqué dans l’ordre général, [ohne Ort], 18. Juni 1859, ADHR, 4/P/208, unpaginiert. 78 Beamte der regionalen Administration selektierten vor und im Anschluss führte eine „Commission d’expertise“ dann die letzte Auswahl durch: Brief Directeur de la culture du Département du Haut-­Rhin an Sous-­Inspecteur du Département du Haut-­Rhin, Colmar, 25. Mai 1860, ADHR, 4/P/208, unpaginiert. 79 Brief Inspecteur de la culture du Département du Haut-­Rhin an Contrôleur de la culture du Département du Haut-­Rhin, Lutterbach, 28. Mai 1860, ADHR, 4/P/208, unpaginiert; auch in der Straßburger Société des Sciences, Agriculture et Arts du Bas-­Rhin hatte eine Frau, Hélène Stahl, aus Benfeld im Juli 1858 über den Tabak referiert: Registre des ­procès verbaux des séances de la Société des Sciences […], Séance du 7 Juillet 1858, ADBR, 63/J/8, unpaginiert. 80 Henrika Kuklick/Robert E. Kohler, Introduction, in: Osiris 11 (1996), S. 1 – 14, hier S. 12. 81 Brief Contrôleur de la culture du Département du Haut-­Rhin an Henry, Lutterbach, 28. April 1860, ADHR, 4/P/208, unpaginiert.

Exklusive Experimente

indirectes sollten bei Inspektionsgängen die ihnen zugeordneten Güter kontrollieren 82, wobei besonderer Wert auf die korrekte Ausführung von Anbaupraktiken und den sparsamen Umgang der Landwirte mit dem ihnen zugeteilten Saatgut gelegt wurde.83 Die Wohnorte der Angestellten der Monopolverwaltung, so wies die Pariser Generaldirektion an, sollten nicht zu weit von den Experimentalfeldern der Landwirte entfernt liegen.84 Im Hinblick auf diese Überwachung war die räumliche Trennung z­ wischen den Experimentierfeldern ein besonders sensibler Punkt, den die Beamten im Auge behalten sollten. Distanzen z­ wischen den einzelnen Versuchsfeldern, aber auch zu den für die Ankäufer der Régie angelegten Tabakfeldern, sollten die „Risiken der Hybridisierung“ vermindern. Die Verwaltung bezweckte damit, dass die neuen Samen ihre „originale Reinheit“ behielten.85 Die Tabaksortenexperimente, so Rolland im April 1864, würden die Risiken von Schaden und Misserfolg deutlich verringern.86 Solche Kommentare zeigen, dass Vorstellungen unkontrollierbarer Hybridisierung und Vermischung, wie sie schon im frühen 19. Jahrhundert auftraten (Kapitel 3), weiter bestanden. Die Ingenieure vertrauten bei der Kontrolle der Akklimatisierungsexperimente nicht nur den Kenntnissen und dem Fleiß der überwachenden Beamten, sondern sandten außerdem Schreiben in die Departements, die die Verwaltung und die Landwirte bei der Durchführung der Experimente anleiten sollten. Landwirte und Chefs der Tabakbehörde sollten sich an gewisse „Regeln“ halten, die ihnen die Pariser Ingenieure vorgegeben hatten.87 Dies traf in erster Linie auf die Rahmenumstände der Experimente zu, die, so gut wie möglich, anhand einer Reihe scheinbar kubanischer Anbaupraktiken bestimmt worden waren.88 Die Bedeutung solcher Kontrollmechanismen für die Zentralverwaltung zeigt 82 Brief Contrôleur de la culture du Département du Haut-­Rhin an Inspecteur de la culture du Département du Haut-­Rhin, Lutterbach, 16. Juni 1860, ADHR, 4/P/208, unpaginiert. 83 Brief Inspecteur de la culture du Département du Haut-­Rhin an Schneider, Lutterbach, 28. Mai 1860, ADHR, 4/P/208, unpaginiert. 84 Brief Rolland an die französischen Departements, Paris, 20. April 1864, ADHR, 4/P/210, unpaginiert. 85 Ebd. 86 Ebd. 87 Es ging darum, die „Chefs der Behörde auf die Regeln zu fixieren“: Brief Rolland an die französischen Departements, Paris, 10. April 1865, ADHR, 4/P/210, unpaginiert. 88 Brief Rolland an die französischen Departements, Paris, 26. Juni 1862, ADHR, 4/P/208, unpaginiert.

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sich gerade an der Regelmäßigkeit, mit der die unteren Behörden und Landwirte in den 1860er-­Jahren mit „Instruktionen“ versorgt wurden.89 Auch der Versand von Saatgut aus Paris sollte helfen, eine vertikale, hierarchische Kommunikation z­ wischen Paris und den Departements durchzusetzen.90 Solche Anleitungen ähnelten denjenigen, die Botaniker im späten 18. Jahrhundert ihren global agierenden Pflanzensammlern mitgegeben hatten, um sicherzustellen, dass diese botanische Standards einhielten.91 Die stetige Kommunikation ­zwischen den Departements und der Pariser Zentralverwaltung ermöglichte eine kontinuierliche Information der Behörden über den Fortgang der Experimente. An den Versuchen beteiligte Landwirte und Beamte waren mit Anlauf der Experimente angewiesen worden, einen „Arbeitsbericht“ zu führen. Eingaben von Seiten der Pariser Ingenieure erinnerten die Beteiligten in den Departements an ihre Berichterstattungspflicht gegenüber der Zentralverwaltung.92 Tatsächlich finden sich in den Akten umfassende tabellarische Versuchsprotokolle, die regionale Beamte nach Paris gesandt hatten. Überliefert ist beispielsweise ein Journal indiquant les procédés mis en pratique, et les observations recueillies pendant les diverses phases de la culture d’essai faite dans le département du Haut-­Rhin, das ein Colmarer Beamter an die Pariser Zentralverwaltung geschickt hatte.93 Solche statistisch-­tabellarischen Verfahren in den Akklimatisierungsexperimenten zeigen, dass buchhalterische Methoden langsam Eingang in die landwirtschaftliche Wissens­produktion fanden.94 89 Brief Rolland an den Directeur de la Culture et de Magasins à Vesoul, Paris, 26. Februar 1861, ADHR, 4/P/208, unpaginiert. 90 Brief Direction von Colmar an Contrôle de Lutterbach, Colmar, 12. März 1861, ADHR, 4/P/208, unpaginiert. 91 Emma C. Spary, Utopia’s Garden. French Natural History from Old Regime to Revolution, Chicago 2000, S. 49 – 98. 92 Brief Rolland an den Inspecteur von Colmar, Paris, 24. April 1861, ADHR , 4/P/208, unpaginiert; Brief Rolland an den Directeur de la Culture et de Magasins à Vesoul, Paris, 26. Februar 1861, ADHR, 4/P/208, unpaginiert. 93 Journal indiquant les procédés mis en pratique, et les observations recueillies pendant les diverses phases de la culture d’essai faite dans le Département du Haut-­Rhin, et dont la surveillance a été confiée à M. Henry, Vérificateur de culture Administration des Tabacs, [ohne Ort], 1861, ADHR, 4/P/208, unpaginiert. 94 Thomas Depecker/Nathaly Joly, Agronomists and Accounting. The Beginnings of Capitalist Rationalisation on the Farm (1800 – 1850), in: Historia Agraria 65 (2015), S. 75 – 94.

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Die in den französischen Tabakdepartements von der Pariser Zentralverwaltung angeordneten Saatgutexperimente führten zu einem Ausschluss regionaler Forscher, der in den Kreisen der elsässischen Tabakforschung eher wenig reflektiert wurde – in einigen Fällen jedoch sehr explizit. Nicolas Müller, ein Schüler des Pechelbronner Chemikers Jean-­Baptiste Boussingault 95, hatte 1862 auf den problematischen Charakter der staatlichen Akklimatisierungsexperimente im Elsass hingewiesen, deren Ergebnisse ihm zufolge von der Pariser Verwaltung zu positiv interpretiert wurden. Müller plädierte dafür, die Experimente, bevor die Pariser Verwaltung durch Empfehlungen und Verordnungen stärker in den Sortenhaushalt der Region eingreifen würde, in einem kleineren Rahmen zu wiederholen und weiter zu verfeinern.96 Es gibt keine Anzeichen, dass dies aus Paris wahrgenommen oder gar umgesetzt wurde. Die Akklimatisierungsversuche der Pariser Ingenieure orientierten sich gerade nicht an den bekannten Verfahrensweisen zeitgenössischer Botaniker, wie denen der Pariser Société d’acclimatation. Diese ließen die in den Versuchsgärten der französischen Hauptstadt erarbeiteten Vorschläge zur Einführbarkeit neuer Spezies durch Parallelexperimente in den regionalen Zweigvereinen Nancys und Grenobles überprüfen und absichern, bevor sie Pflanzen als frankreichweit einführbar deklarierten.97 Obwohl die Pariser Ingenieure akademisch gebildete Experten aus der Straßburger Landwirtschaftsgesellschaft hätten hinzuziehen können, umgingen die Ingenieure mit den Experimenten die Repräsentanten oberrheinischer Tabakforschung im Elsass. Die Akklimatisierungsversuche waren ein wichtiges Beispiel für die institutionellen Ausgrenzungsprozesse, die die professionelle Identität der in Paris verantwortlichen Ingenieure hervorbrachte.

7.4. Zurückweisung regionalen Wissens Mit der Ausgrenzung der Forscher ging eine verstärkte Ablehnung der für eine breit angelegte Optimierung des Tabakanbaus hervorgehobenen Wissensbestände einher. Diese Abgrenzung und Abschottung betraf jedoch keineswegs 95 Streicher, Bousingault, S. 177 – 188 und 231 – 242. 96 Barral, Chronique agricole, S. 299. 97 Michael A. Osborne, Nature, the Exotic and the Science of French Colonialism, Bloomington (u. a.) 1994, S. 130 – 144.

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nur die in den grenzregionalen Forscherkreisen zirkulierenden Überlegungen, sondern bezog sich auch auf Vorschläge der scheinbar partizipativ eingebundenen Landwirte. Die Pariser Tabakingenieure sperrten sich gegen die Aufnahme elsässischer Tabakanbauratgeber in das offizielle, amtliche Schrifttum des Monopols. Charles-­ Henri Schattenmanns 1862 publizierte Denkschrift über den Tabakanbau, so bedauerte die Pariser Generaldirektion in einem Brief an den Straßburger Präfekten Stanislas Migneret, dürfe nicht von einer „Patronage des Präfekten“ profitieren 98 – offiziell, weil Schattenmann die Schrift vor dem Druck nicht zum Gegenlesen nach Paris gesandt hatte. Zwar überging der Präfekt diese Anordnung, da er Exemplare von Schattenmanns Buch als semi-­offizieller Distributor im Departement Bas-­Rhin an die Straßburger Société des Sciences, Agriculture et Arts du Bas-­Rhin leitete, die diese dann an die comices agricoles des Departements gab.99 Jedoch finden sich tatsächlich keine Versuche der Präfektur, eine offizielle Heraus­ gabe oder Veröffentlichung für die Schrift zu veranlassen oder einzufordern. Die Distanzierung des Präfekts ging in d ­ iesem Fall jedoch weniger auf die von Roger Price hervorgehobenen politischen Differenzen ­zwischen Präfekten und Notabeln während des Second Empires zurück, zu denen S­ chattenmann zu zählen ist.100 Vielmehr sorgte allen voran der Aufstieg der polytechnischen Ingenieure in der Verwaltung für eine zunehmende Loyalität der Präfekten gegenüber der Zentralverwaltung des französischen Tabakmonopols. Praktiken des ‚Offizialisierens‘ von landwirtschaftlichem Wissen waren in der elsässischen Grenzregion vor 1860 jedoch keineswegs unüblich gewesen. Der Direktor der Straßburger Zweigstelle der Contributions indirectes hatte dem Präfekten von Bas-­Rhin mit Blick auf die 1850 veröffentlichte Schrift Vom Tabakbau/De la culture du tabac des Reformers Richard Hürstel bestätigt, dass diese die Materie vollständig erfasse und von Nutzen für die regionale Tabakverwaltung 98 Brief Rolland an Préfet du Département du Bas-­Rhin, Paris, 9. August 1862, ADBR , 11/M/195, unpaginiert. 99 Brief Préfet du Département du Bas-­Rhin an Présidents der Comices agricoles und an Société des Sciences, Agriculture et Arts du Bas-­Rhin, Straßburg, 2. Juli 1862, ADBR , 11/M/195, unpaginiert. 100 Roger Price, Napoleon  III and the Second Empire, London (u. a.) 1997, S. 42: „In 1863, prefects had already begun to behave with noticeably greater circumspection, particularly in departments like the Nord in which so many notables already had been alienated by the regime’s economic, foreign and religious policies.“

Zurückweisung regionalen Wissens

sei. Zwar wurde die Schrift nicht als Lehrbuch in die während der 1850er-­Jahre von den regionalen Behörden kurzzeitig diskutierte Gründung einer landwirtschaftlichen Schule für den Tabakanbau übernommen.101 Jedoch war sie als Wiederabdruck im Annuaire de département du Bas-­Rhin der Präfektur erschienen 102, was ihren offiziellen, von der regionalen Verwaltung des Staatsmonopols sanktionierten Charakter hervorhob. Beamte sprachen von einer „offiziellen Öffentlichkeit“.103 Die nach 1860 stärker durchgesetzte symbolische Trennung z­ wischen den Schriften elsässischer Reformer und den Verordnungsbüchern der regionalen Behörde war nicht gänzlich neu. Schon 1854 hatte der genannte Direktor der Contributions indirectes die Unterschiede z­ wischen einem „Handbuch oder Führer für Landwirte“ und den von der Administration herausgegebenen „Verordnungen für den Anbau“ deutlich unterstrichen.104 Derartige Versuche der kategorialen Trennung können als Echo jener Abgrenzungen der ‚wissenschaftlichen‘ Tabakforscher gegenüber den ‚Angestellten‘ der Tabakverwaltung verstanden werden (Kapitel 4). Obwohl sich eine breitere, von Paris aus koordinierte De-­Offizialisierung des regionalen Wissens über den Tabakanbau erst mit der Kompetenzerweiterung der Polytechniker in der Verwaltung zeigte, waren schon in den Jahren zuvor neue Kategorisierungen zur Abgrenzung z­ wischen ‚Verwaltung‘ und ‚Forschung‘ etabliert worden. Die intensivierte Ausgrenzung elsässischer Schriften aus dem ‚offiziellen Kanon‘ ging mit einer Abwertung des am Oberrhein zirkulierenden Wissens einher, die sich besonders in der detaillierten Demontage einzelner Modifikationsvorschläge aus dem Elsass zeigte. In einem an den Straßburger Präfekten adressierten Brief vom September 1862 war Generaldirektor Eugène Rolland auf das angefochtene Verbot der am Oberrhein ambivalent beurteilten „engrais 101 Direction des Douanes, des Contributions indiréctes, et des Tabacs 1er Division Bureau No. 5512 Objets: Tabacs – Création d’une école special de culture dans le Bas-­Rhin, Straßburg, 22. August 1854, ADBR, 11/M/196, unpaginiert. 102 Brief Directeur de la culture du Département du Bas-­Rhin an Société des Sciences, Agriculture et Arts du Bas-­Rhin, Straßburg, 10. April 1850, ADBR, 63/J/4, unpaginiert; dazu auch: Denis Brunn, Le Tabac en Alsace au XIXe siècle (1810 – 1870), Mémoire principal de diplôme, Faculté des lettres de Strasbourg 1967, S. 149. 103 Ebd. 104 Brief Directeur de la culture du Département du Bas-­Rhin an Préfet du Département du Bas-­Rhin, Straßburg, 21. April 1854, ADBR, P/259, unpaginiert.

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des matières fécales“ zu sprechen gekommen. Rolland betonte, dass es wichtig sei, an der Verordnung festzuhalten.105 Viele Landwirte hätten das Interesse an städtischen Abwässern sowieso schon verloren. Die Zentralverwaltung würde lediglich Praktiken sanktionieren, die auch andere Departements als schlechten Brauch einschätzten.106 Die Zurückweisung betraf jedoch auch Ergebnisse der oberrheinischen Tabakforschung, die in den Diskussionen in Baden und im Elsass einstimmig befürwortet wurden. Rolland hatte im März 1863 in einem Rundbrief an die Direktoren der Verwaltungen aller französischen Tabakdepartements die Bedeutung der Gundisorte als Rauch- und Zigarrentabak stark angezweifelt.107 Diese Zweifel nährten sich aus den Versuchsergebnissen Jean-­Jacques Théophile Schloesings, nach denen der in Paris und anderswo angebaute Gundi deutlich mehr Nikotin als der im Elsass aufwies. Die Pariser Zentralverwaltung schien sich nach der Zusammenschau der Ergebnisse aus den staatlichen Saatgutexperimenten nicht mehr über den „distinktiven Charakter“ des Gundis sicher.108 Schloesing hegte gar Zweifel an der „Authentizität“ der Sorte, die er als „Anomalie“ abwertete.109 Damit geriet der Gundi in den assoziativen Dunstkreis phänotypisch abweichender tierischer, menschlicher und pflanzlicher Körper, die schon seit dem 18. Jahrhundert stigmatisiert worden waren.110 Das war keineswegs trivial: Die Exklusion des Gundis für die nationale Reform und die Einschränkung der Sorte auf eine engere regionale Anwendung war der sichtbarste Beweis einer Ablehnung der elsässischen Partizipationsbemühungen an einer von den Pariser Tabakingenieuren gelenkten Erforschung und Reform des Tabakanbaus in Frankreich. Zweifel am Nutzen der Varietät für Frankreich widersprachen 105 Brief Rolland an Préfet du Département du Bas-­Rhin, Paris, 16. September 1862, ADBR, 11/M/195, unpaginiert. 106 [Anonym], Tabacs. Rapport du 3e Bureau, in: [Anonym] (Hg.), Conseil général du Bas-­ Rhin. Session de 1862. Rapport du Préfet et procès-­verbal des séances, Straßburg 1862, S. 148 – 161, hier S. 151. 107 Ebd. 108 Brief Rolland an die französischen Departements, Paris, 14. März 1863, ADHR, 4/P/209, unpaginiert. 109 Jean-­Jacques Théophile Schloesing, Le Tabac. Sa Culture au point de vue du meilleur rendement. Combustibilité des feuilles, richesse en nicotine, etc., etc., Paris 1868, S. 72. 110 James Larson, The Most Confused Knot in the Doctrine of Reproduction, in: Tore ­Frängsmyr/J. L. Heilbron/Robin E. Rider (Hg.), The Quantifying Spirit in the 18th Century, Berkeley (u. a.) 1990, S. 267 – 289, hier S. 267.

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jedoch älteren Einschätzungen der Pariser Tabakverwaltung. Die Einführung des „Palatinat-­Gundy“ im Elsass war ganz zu Beginn der 1860er-­Jahre noch „avec plaisir“ beobachtet worden, da der Verwaltung die Sorte sowohl zur Herstellung von Zigarrendeckblättern als auch für den Scaferlaty bestens geeignet erschien.111 Obwohl die Ingenieure bei ihrer Ablehnung des Gundis auch auf die departementalen Experimente verwiesen, entsprach die anfängliche Wertschätzung nicht unbedingt den im Elsass und anderen Departements in den 1860er-­Jahren durchgeführten staatlichen Akklimatisierungsexperimenten, in denen die Sorte eher positiv bis ambivalent beurteilt wurde. In einem Bericht an die regionale Tabakverwaltung in Bas-­Rhin von 1862 hatten von drei Landwirten zwei für den Gundi optiert.112 Insgesamt unterschied sich die Berichterstattung über den Gundi stark von der offiziellen, abwertenden Propaganda der Pariser Ingenieure. Die Abweichungen z­ wischen den Ergebnissen der departementalen Akklimatisierungsversuche und den öffentlichen Aussagen der Pariser Zentralverwaltung verdeutlichen, dass den Ergebnissen der Experimente tatsächlich keine korrigierende Funktion zukam. Die Experimente erscheinen eher als Instrument, um die Bedeutung des Havannatabaks wissenschaftlich abzusichern. Landwirte wurden von Seiten der Pariser Ingenieure ähnlich übergangen wie die elsässischen Tabakforscher, obwohl erstere zumindest formal an den Akklimatisierungsexperimenten beteiligt waren. Das wird besonders an der sich im Elsass entzündenden Debatte über den Nutzen der von Paris empfohlenen Tabaktrockenschuppen deutlich. Im September 1864 berichtete der Bürgermeister des nordelsässischen Geipolsheim dem Präfekten von Bas-­Rhin, dass Hof, Haus und Ställe des Landwirts François-­Joseph Antz durch den „Heißlufttrockenschuppen“ seines Nachbarn, des Bauern Schwoob, in Brand geraten waren.113 Jener verlangte Entschädigung, weil der Schuppen zu 111 Brief Inspecteur de la culture du Département du Haut-­Rhin an Schneider, Lutterbach, 28. Mai 1860, ADHR, 4/P/208, unpaginiert; Brief Directeur du Département du Haut-­ Rhin an Sous-­Inspecteur de la culture du Haut-­Rhin, Colmar, 26. April 1860, ADHR, 4/P/208, unpaginiert. 112 Brief Inspecteur de la culture du Département du Haut-­Rhin an Contrôleur de la culture du Département du Haut-­Rhin, Lutterbach, 28. Juli 1862, ADHR, 4/P/208, unpaginiert. 113 Brief Maire von Geipolsheim an Préfet du Département du Bas-­Rhin, [ohne Ort und Jahr, wohl aber aus Geipolsheim und wahrscheinlich im September 1864 entstanden], ADBR, 15/M/291, unpaginiert.

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nah an das angrenzende Haus des Nachbarn gebaut worden war.114 Nachbar Antz appellierte mit seiner Beschwerde an die ‚feuerpoliceylichen‘ Aufgaben, also der Eindämmung und Verhinderung von Feuern, die staatlichen Verwaltungen seit dem 18. Jahrhundert zukamen. Brände galten, zusammen mit Überschwemmungen, bis ins 19. Jahrhundert als die größten Katastrophenszenarien für Dörfer und Städte.115 Landwirte und kommunale Akteure setzten sich dafür ein, dass Ämter ihre Aufgaben im Brandschutz wahrnahmen. Solche Partizipationsversuche wurden in Paris und in der regionalen Verwaltung mit Verweis auf und unter behördlicher Absicherung der ‚Wissenschaftlichkeit‘ der Pariser Reformprogramme schlichtweg übergangen. Der Präfekt hatte einen Feuerfachmann des Conseil d’hygiène publique et salubrité in Bas-­Rhin, dem die staatliche Kontrolle von Gebäuden im Departements seit der Französischen Revolution oblag 116, zur Inspektion nach Geipolsheim geschickt. Dieser erinnerte in seinem Abschlussbericht daran, dass Trockenschuppen nicht zu den „gefährlichen, gesundheitsschädlichen oder störenden Gebäuden“ gehört hätten und auch die Heißlufttrockenhäuser keinen Anlass böten, diese Zuordnung zu ändern.117 Die Straßburger Tabakverwaltung schloss die Akte im November 1864 mit der Notiz, dass die neuen Schuppen keine Brandgefahr darstellen würden.118 Die Zurückweisung von Verbesserungsvorschlägen elsässischer Landwirte waren Teil einer breiteren Ablehnung von Tabakforschung und -wissen aus der 114 Brief Maire von Geipolsheim an Préfet du Département du Bas-­Rhin, Geipolsheim, 16. September 1866, ADBR, 15/M/291, unpaginiert. 115 Feuerpoliceyreformen, Bauvorschriften und Feuerversicherungen sollten die Sicherheit vor den Verwüstungen erhöhen: Cornel Zwierlein, Der gezähmte Prometheus. Feuer und Sicherheit ­zwischen Früher Neuzeit und Moderne, Göttingen 2011, S. 359 und 362; dazu auch: Rebecca Saskia Knapp, Eine Wissensgeschichte der Feuersicherheit. Kommunikation über Brandbekämpfung z­ wischen 1600 und 1800, Diss. Ruhr-­Universität Bochum 2013. 116 Brief Colombet an den Maire de Geipolsheim, Straßburg, 27. September 1866, ADBR, 15/M/291, unpaginiert; am Beispiel des Conseil d’hygiène publique et salubrité in Paris: Thomas le Roux, Le laboratoire des pollutions industrielles, Paris, 1770 – 1830, Paris 2011, S. 229 und 234. 117 Brief Colombet an den Maire de Geipolsheim, Straßburg, 27. September 1866, ADBR, 15/M/291, unpaginiert. 118 Brief Directeur de la culture du Département du Bas-­Rhin an Préfet du Département du Bas-­Rhin, Straßburg, 9. November 1864, ADBR, 15/M/291, unpaginiert; dazu auch: Brief Colombet an Maire de Geipolsheim, Straßburg, 27. September 1866, ADBR, 15/M/291, unpaginiert.

Zurückweisung regionalen Wissens

Grenzregion in Paris. Dennoch zeigte sich in der Konfrontation ­zwischen den Ingenieuren und den elsässischen Reformern, dass in den Reihen der regionalen Tabakforscher ein älteres Selbstverständnis als Intermediär z­ wischen den beiden ‚Nationen‘ links und rechts des Rheins für die Reform des Tabakanbaus geltend gemacht wurde. Wenn ­solche Versuche aus der Region jedoch, trotz der zahlreichen Partizipationsversprechungen in Paris, ohne wirklichen Erfolg blieben, dann lag das nicht nur am aggressiven Ton elsässischer Reformer, sondern auch am Selbstverständnis der Pariser Tabakingenieure, die in der 1860 angelaufenen Reform des Tabaks nach kubanischem Beispiel einen Teil ihrer professionellen Identität als corps d’État erblickten. Auf einer allgemeineren Ebene zeigt das Kapitel, dass trotz der Dezentralisierungsdynamiken des französischen Staats und der Einbeziehung von Provinzen in die Entscheidungsfindung der Pariser Politik gegenläufige, exklusive Tendenzen dominierten.

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8. Regional, National, Global? Fazit und Ausblick Historiker/innen haben mit Blick auf die Zeit seit dem späten 18. Jahrhundert eine ganze Reihe von Raumdimensionen und Räumlichkeiten der modernen Wissenschaften herausgearbeitet, die den linearen Wandel von einer kosmopolitischen Gelehrtenrepublik der Frühen Neuzeit hin zu den international verbundenen nationalen Forschungslandschaften des 19. Jahrhunderts in Frage stellen. Regionalen und im weiteren Sinne globalen Räumen des Wissens wird in der Forschung zunehmend mehr Gewicht eingeräumt. Die sich in den Krisenzeiten um 1800 innerhalb der atlantischen Welt, zumal in Europa, intensivierende Erforschung des Tabakanbaus bot der vorliegenden Arbeit einen Einstiegspunkt, um die Bedeutung unterschiedlicher raumverändernder Prozesse für die Genese eines spezifischen Anwendungsfalls der modernen Landwirtschaftsforschung (neu) auszuloten. Reformen im Bereich des Tabakanbaus waren durch das sich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts herausbildende Interesse von Experten an einer ‚Verbesserung‘ landwirtschaftlicher Umwelten charakterisiert. Mit dem Übergang zum 19. Jahrhundert standen diese Versuche zunehmend im Z ­ eichen der sich ausdifferenzierenden Naturwissenschaften, allen voran der Agrikulturchemie. Tabakforscher aus dem Umkreis der Straßburger Société des Sciences, Agriculture et Arts du Bas-­Rhin boten den wichtigsten Ausgangspunkt der vor­ liegenden Arbeit, wenngleich auch Experten des benachbarten Landwirtschaftsvereins für das Großherzogtum Baden und die Pariser Beamten der ­Z entralverwaltung des französischen Tabakmonopols mitberücksichtigt ­wurden. Dem deutsch-­französischen Kontext der Tabakforschung galt ein besonderes Interesse mit dezentriertem Blick auf scheinbar ‚periphere‘ Akteure. Von diesen ausgehend wurden Räume des Wissens nicht methodisch vorausgesetzt, sondern als Möglichkeiten der Verräumlichung des Wissens untersucht. Die Arbeit folgt mit Blick auf Agrarreformer jenen Akteuren, die den Tabakanbau als ein spezifisches Objekt ihrer Forschung definierten. Die zeitgenössische Erforschung des Tabaks gibt einen Einblick in die Intensitäten und Ordnungen von Raumdimensionen landwirtschaftlicher Wissensproduktion in der Sattelzeit. Eine räumliche Wissensgeschichte des Tabakanbaus zeigt über das weitgehend unberücksichtigte Fallbeispiel hinaus, welches Potential einer Geschichtswissenschaft zukommt, die, systematischer als bisher, die sich

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wandelnden Raumdimensionen von Wissensproduktion ins Zentrum ihres Erkenntnisinteresses stellt. Die vorliegende Studie verdeutlicht dabei, dass vor allem der Regionalisierung des Wissens mehr Beachtung geschenkt werden sollte. Regionalität muss als relationale Kategorie begriffen werden, die ihre Dynamik aus unterschiedlichen Kontexten gewann und sich in wandelbaren Gebilden formierte. Die Regionalität des Wissens war nie von anderen Raumdynamiken abgekoppelt, sondern lässt sich auch durch Abgrenzung und Differenz bestimmen. Das Rheinland und, zur Mitte des 19. Jahrhunderts, der Oberrhein, waren für die Genese einer modernen Tabakforschung zentral, ohne dass europaüberschreitende Kontexte und Verbindungen ausgeblendet werden dürfen: Der meist für die Frühe Neuzeit untersuchten atlantischen Welt, hier vor allem die traditionellen Tabakanbaugebiete in den Amerikas, kam seit den 1830er-­Jahren eine zunehmend wichtige Bedeutung für die Experten zu. Darüber hinaus dienten Tabakforschern auch China oder Indonesien als Referenzpunkte. Darin zeigte sich die breitere globale Einbettung der Tabakforschung. Die Arbeit verdeutlicht, dass bestimmte Wissensbereiche in Europa erst zur Mitte des 19. Jahrhundert, vor dem Hintergrund der Entstehung eines Weltmarkts, verstärkter Migrationsbewegungen im Atlantik und den informellen Imperialismen der Zeit, globalisiert bzw. atlantisiert wurden. Auch im Fall eines scheinbar ‚globalitätsaffinen‘ Gegenstands wie dem Tabak waren globale Wissensräume keineswegs zu jeder Zeit ein zentraler Faktor der Wissensproduktion. Gleichzeitig zeigt die Arbeit, dass sich die deutsch-­französische Tabakforschung weniger stark durch Nationalisierungsprozesse auszeichnete, als für den Untersuchungszeitraum angenommen werden könnte, der als Phase der Herausbildung eines modernen Begriffs von Nation gilt. Die Absenz einer von manchen Reformern erträumten und ersehnten nationalen Tabakforschung bedeutete jedoch keineswegs, dass dem sich herausbildenden Nationalstaat keine Rolle zukam. Wie am Beispiel Frankreichs gezeigt wurde, erschien ­dieser zunehmend als Distributionsraum von Wissen untereinander konkurrierender Tabakexperten – ­solche Befunde müssten mit Blick auf das Deutsche Kaiserreich nach 1871 überprüft werden. Inwieweit die grundlegende Neuordnung der geopolitischen Situation Westund Mitteleuropas für die Zeit nach dem Krieg von 1870/71 und die Eroberung Elsass-­Lothringens regionale Verbindungen in der südlichen Rheinregion vertieften oder abbrechen ließen, muss hier offengelassen werden. Zwar weist die

Regional, National, Global? Fazit und Ausblick

Gründung des badisch-­elsässischen Tabakunternehmens Roth-­Händle 1871 auf eine zunehmende Verflechtung unter imperialen Vorzeichen hin.1 Jedoch deutet die nach der Annexion beginnende Migration elsässischer Wissenschaftler ins Innere Frankreichs und Algeriens gleichzeitig eine Zäsur in den grenzregionalen Austauschwelten an.2 Angesichts der sich schon vor diesen kriegerischen Auseinandersetzungen zunehmend abzeichnenden Verstärkung der globalen Verflechtung europäischer Agrarwissenschaftler mag auch das intensivere koloniale Ausgreifen der europäischen Mächte im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ein neues Zusammenspiel z­ wischen nationaler Territorialisierung, regionaler Zirkulation und imperialen Netzwerken herbeigeführt haben. Zwar lässt sich auch über den Untersuchungszeitraum hinaus ein Interesse an der Optimierung des europäischen Tabakanbaus erkennen, das nicht zuletzt in der Errichtung zahlreicher größerer Forschungsinstitute nach dem ­Ersten Weltkrieg wieder anstieg.3 Jedoch zeigt das französische Beispiel, dass die koloniale Tabakproduktion seit den 1870er-­Jahren eine neue Dynamik gewann und die der Monopolverwaltung unterstellten Departements keineswegs mehr jene Aufmerksamkeit genossen wie noch eine knappe Dekade zuvor.4 Die um 1900 verstärkten kolonialen Ideen einer Optimierung der eroberten Territorien werden jedoch unter dem weiten Blick des Historikers auch als Neuausprägung älterer Projekte lesbar, die sich in der Sattelzeit herausgebildet hatten. Wenngleich in dieser Zeitspanne keine nationale Tabakforschung entstand, Reformer sich eher regional und in unterschiedlicher Weise innerhalb der alten Welt des Tabaks im Atlantik orientierten, war es doch erst das Zusammenspiel von unterschiedlichen räumlichen Dimensionen, das den Überlegungen und Plänen der Reformer Kontur verlieh. Diese Ergebnisse, die im Folgenden nochmal mit Blick auf die zentralen Problemstellungen der vorliegenden Arbeit diskutiert werden, lassen sich in folgender These zuspitzen: Die Atlantisierung der deutsch-­französischen Tabakforschung zur Mitte des 19. Jahrhunderts hin 1 Rolf Hellmut Foerster, Ein Jahrhundert Elsässische/Badische Tabakmanufaktur, Roth-­ Händle. 1871 – 1971, Darmstadt 1971. 2 Alfred Wahl, L’option et l’émigration des Alsaciens-­Lorrains. (1871 – 1872), Paris 1974. 3 Paul Zimmermann, Tabakforschung in aller Welt. Ein Rundblick, Dresden 1926. 4 Alexander van Wickeren, The Transformation of an Ecological Policy. Acclimatization of Cuban Tobacco Varieties and Public Scandalization in the French Empire, c. 1860 – 1880, in: Brett Bennett/Ulrike Kirchberger (Hg.), Environments of Empire. Networks and Agents of Ecological Change, Chapel Hill, im Erscheinen.

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war eingebettet in ältere, sich wandelnde Prozesse der Regionalisierung von Wissensproduktion und einer letztlich wenig intensiven, in Frankreich sogar scheiternden Nationalisierung der Tabakreform.

8.1. Netzwerke und Verbindungen Netzwerke nationaler Wissenschaftslandschaften, wie sie in Europa in dieser Zeit etwa im Rahmen von Forschungsgesellschaften entstanden, existierten in der deutsch-­französischen Tabakforschung vor allem auf einer symbolischen, imaginären Ebene, die sich zur Mitte des 19. Jahrhunderts verstärkte. Dennoch spielte diese schon während der napoleonischen Eroberung Europas eine Rolle. Das lässt sich etwa am Beispiel des Koblenzer Gelehrten Johann Nepomuk Schwerz beobachten, der im Anschluss an die sogenannten Befreiungskriege seine Position als Tabakinspektor in Straßburg aufgab, um in sein ‚deutsches Vaterland‘ zurückzukehren. Badische Forscher sahen sich, ohne dass sich dafür in Archivmaterialien oder Publikationen valide Nachweise finden lassen, als Mittelpunkt einer ‚deutschen Tabakforschung‘, die vom Rhein bis in die östlichen Gebiete Preußens reichen sollte und das Elsass auf symbolischer Ebene ausschloss. Die als Bedeutungszuwachs nationaler Semantiken und Bilder auftretende Nationalisierung war dabei zur Mitte des 19. Jahrhunderts von der Entstehung eines Weltmarkts und der Auswanderung von Europa in die Amerikas geprägt. In Baden speisten sich nationale Bilder landwirtschaftlicher Tabakforschung auch aus den Debatten über den Schutzzoll auf US-amerikanische Rohtabake, die im Kontext des deutschen Zollvereins aufgekommen waren. Der symbolischen Nationalisierung stand im deutsch-­französischen Kontext eine materielle, wirkliche Ausbildung regionaler Forschungslandschaften gegenüber, die das vorliegende Projekt vor allem mit Blick auf das Rheinland und die südliche Rheinregion, den Oberrhein, analysiert hat. Vor dem Hintergrund der politischen Konstellationen der französischen Herrschaft und der napoleonischen Ära in Europa waren die in der Rheinregion schon länger existierenden Handelsverbindungen zu einem Netzwerk von Tabakreformern ausgebaut worden. Zwar spielte bei der Genese rheinischer Verbindungen während des frühen 19. Jahrhunderts sicher auch die traditionelle elsässische Bilingualität eine Rolle. Jedoch zeigte sich gerade mit Blick auf die Kontakte des Straßburger Präfekten Adrien de Lezay-­Marnesia mit dem nördlichen Niederrhein, Baden

Netzwerke und Verbindungen

oder niederländischen Departements, dass die Reformer ihre Sprachressourcen zur Orientierung innerhalb der von Frankreich eroberten bzw. politisch abhängigen Gebiete nutzten. Patronage und Freundschaften, wie etwa die enge Beziehung ­zwischen Lezay-­Marnesia und dem Koblenzer Gelehrten Johann Nepomuk Schwerz, waren Bindemittel regionaler Forschungslandschaften und Expertenzirkulation, die auf Muster der kooperativen napoleonischen Herrschaft zurückgingen. Die übergeordneten Antriebskräfte dieser rheinischen Zirkulation lagen jedoch weniger in den persönlichen Beziehungen als in politischen Maßnahmen wie der Einrichtung des französischen Tabakmonopols sowie der Kontinentalsperre, die Konsumenten wie Produzenten unter Druck setzten und in älteren und neueren Tabakanbaugebieten des Empire landwirtschaftliche Projekte zur Import-­Substitution hervorbrachten. Die Pariser Zentralverwaltung des Tabakmonopols griff in der Zeit um 1800 kaum in die dabei entstehende regionale Forschung ein. Die räumliche Dimension der rheinischen Tabakanbauforschung wird als eine Überlagerung der politischen Integration des napoleonischen Reichs und der, schon von Lucien Febvre analysierten, älteren strukturellen Verflechtungen in der Rheinregion lesbar.5 Solche rheinischen Verflechtungsprozesse bestätigen die in Arbeiten zur Ökonomischen Aufklärung hervorgehobenen regionalen Verbindungen von Landwirtschaftsreformern.6 Die Regionalität überlagerte sich jedoch weniger mit den in der Forschung zum 19. Jahrhundert zumeist analysierten regionalen Identitätsräumen 7, sondern bestimmte sich stärker geographisch, durch Netzwerke im Rheinland. Das Aufkommen verarbeitender Zigarrengewerbe in und globalen Zigarrenexports aus Baden zur Mitte des 19. Jahrhunderts verstärkte Kontakte im südrheinischen Grenzgebiet. Ohne dass elsässische und badische Experten etwa die niederländischen Tabakanbaugebiete aus dem Blick verloren, entstand, in engem Bezug zum grenzregionalen Rohtabakhandel, eine stark auf die Erzeugung qualitätstechnisch optimierter Zigarrendeckblätter 5 Lucien Febvre, Der Rhein und seine Geschichte, Frankfurt am Main (u. a.) 1994. 6 Wilhelm Kreutz, Zwischen Kosmopolitismus und Patriotismus. Aufgeklärte Sozietäten des rheinisch-­pfälzischen Raums im Kontext der regionalen, nationalen und europäischen Aufklärungsprozesse, in: Ders., Aufklärung in der Kurpfalz. Beiträge zu Institutionen, Sozietäten und Personen, Ubstadt-­Weiher 2008, S. 35 – 70. 7 Vgl. Celia Applegate, A Europe of Regions. Reflections on the Historiography of Sub-­ National Places in Modern Times, in: The American Historical Review 104 (1999), S. 1157 – 1182.

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fokussierte oberrheinische Debatte über neue Tabakarten, den Nutzen einzelner Düngemittel oder die Bedeutung bestimmter Techniken des Tabaktrocknens. Produktions- und Handelskontexte hatten einen zentralen Anteil bei der Genese von regionalen Kontakten unter Landwirtschaftswissenschaftlern. Pläne für einen aus heutiger Perspektive durchaus denkbaren ‚rheinischen Tabakanbauverein‘ lassen sich jedoch wohl deshalb nicht in den Quellen finden, weil grenzüberschreitende Einrichtungen angesichts der zunehmenden Nationalisierung des wissenschaftlichen Vereins- und Gesellschaftswesens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts den Zeitgenossen unpassend erschienen. In dieser Hinsicht bestätigt die Arbeit die Forschung, in der das Scheitern grenzregionaler Gelehrteninstitutionen betont wird. Dennoch unterscheiden sich die vorliegenden Ergebnisse von der regionalgeschichtlichen Elsass- und Oberrheinforschung, die, etwa mit Blick auf den Straßburger Kunstverein, eine Umorientierung der Eliten in Richtung Frankreich und zunehmend schwieriger werdende grenzregionale Kooperationen herausgearbeitet hat.8 Mit breiterem Blick auf den Austausch von Wissen in der Rheinregion während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigt sich darüber hinaus, dass politische Rahmenbedingungen nicht nur Impulse für die regionale Zirkulation von Wissen darstellten, sondern diese auch begrenzen konnten. Im Anschluss an die Revolution von 1848/49 wurde von Seiten der großherzoglich badischen Verwaltung für die angegliederten badischen Landwirtschaftsexperten, aber auch für elsässische und andere Reformer, vorausgesetzt, dass diese während der Revolution nicht gegen das großherzogliche Regime interveniert hatten. Politische Loyalität bzw. Neutralität wurde in den 1850er- und 1860er-­Jahren zu einem wichtigen Marker von Expertenbeziehungen am Oberrhein, der das Zustandekommen von Wissensaustausch ­zwischen den angrenzenden Rheinregionen begünstigen, gegebenenfalls aber auch einschränken konnte. Die Tabakforschung wurde zur Jahrhundertmitte hin immer stärker in die atlantische Welt integriert. Die seit den 1860er-­Jahren die Geschicke der Pariser Zentralverwaltung des französischen Tabakmonopols bestimmenden Ingénieurs des tabacs orientierten sich an kubanischen Zigarren. Der starke Bezug nach Kuba 8 Etwa: Anne-­Doris Mayer, Les amis des arts de Strasbourg et l’Association rhénane pour l’encouragement des beaux-­arts, in: Isabelle Jansen/Friederike Kitschen (Hg.), Dialog und Differenzen 1789 – 1870. Deutsch-­Französische Kunstbeziehungen. Les relations artistiques franco-­allemandes, Berlin (u. a.) 2010, S. 397 – 407.

Netzwerke und Verbindungen

war eng mit Reaktionen auf angenommene Unsicherheiten im atlantischen Handel verbunden, die die Integrität der Pariser Ingenieure und der Contributions indirectes als nationale Versorger der Tabakkonsumenten in Frage stellten. Die Forschung hat bisher lediglich gezeigt, dass in außereuropäischen Räumen, etwa im US-amerikanischen Connecticut oder im kolonialen Indonesien, auf kubanisches Anbauwissen oder Tabaksaatgut zurückgegriffen wurde, um die Zigarrenproduktion zu optimieren.9 Die vorliegende Arbeit zeigt darüber hinaus, dass Experten auch mit anderen atlantischen Tabakanbaugebieten verbunden waren, insbesondere mit US-amerikanischen. Diese Ergebnisse bestätigen auch Johannes Paulmanns Überlegungen zur Bedeutung der transkontinentalen Vernetzung Europas jenseits des Nationalstaats.10 Sie zeigen aber, dass globale Beziehungen auf regionaler Ebene schon weit vor der Zeit um 1900 zu einer Rekonfiguration von Wissensbeständen führten. Der vor allem von Historiker/innen der Frühen Neuzeit fokussierte Atlantik wird mit Blick auf die vorliegende Studie als ein für die Herausbildung der Landwirtschaftswissenschaften wichtiger Kreuzungsraum erkennbar. Die globalen Bezüge der Experten gingen geographisch gesehen jedoch auch über Kuba und die USA hinaus. Es finden sich etwa Verweise auf den Tabakanbau in Paraguay, die Düngekultur Chinas oder den Anbau von Tabak im kolonialen Indonesien. Solche Referenzen demonstrieren, dass sich in der Tabakforschung nicht nur die zunehmende Integration der atlantischen Welt, sondern eine Kontinente umspannende Verdichtung wechselseitiger Wahrnehmung abzuzeichnen begann, die Historiker/innen schon für die Zeit des frühen und mittleren 19. Jahrhunderts ausgemacht haben.11 Der Atlantik blieb jedoch wichtiger als diese weltweiten Horizonte. Die atlantischen Verbindungen der Experten lassen einige Gemeinsamkeiten erkennen. Pariser Ingenieure und oberrheinische Tabakforscher griffen beide auf diplomatische 9 Jean Stubbs, El Habano and the World it Has Shaped. Cuba, Connecticut, and Indonesia, in: Cuban Studies 41 (2010), S. 39 – 67; Jean Stubbs, Transnationalism and the Havana Cigar. Commodity Chain Transfers, Networks, and Circuits of Knowledge, in: Catherine Hull (Hg.), Cuba in a Global Context. International Relations, Internationalism, and Transnationalism, Gainesville 2014, S. 227 – 242. 10 Johannes Paulmann, Regionen und Welten. Arenen und Akteure regionaler Weltbeziehungen seit dem 19. Jahrhundert, in: Historische Zeitschrift 296 (2013), S. 660 – 699. 11 Sebastian Conrad/Jürgen Osterhammel (Hg.), Geschichte der Welt, Band 4: 1750 – 1870. Wege zur modernen Welt, München 2016.

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Netzwerke staatlicher Konsuln zurück, deren Präsenz in außereuropäischen Territorien sich in der Zeit nach 1800 ausdehnte. In Baden überlagerten sich diese Bezüge, wie etwa das Beispiel des US-Konsul George H. Goundie zeigt, mit einem anhaltenden Diasporagedanken und Zugehörigkeitsgefühlen, die die südrheinische Emigration nach Nordamerika begleiteten. Parallel zu den von staatlichen Vertretern etablierten Kontakten und Saatgutlieferungen knüpften Tabakforscher jedoch auch direkte Kontakte zu US-amerikanischen und kubanischen Experten. Netzwerke wurden zur Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend ‚verwissenschaftlicht‘. Forscher wie Jean-­Baptiste Boussingault und Julius Neßler sorgten dafür, dass die Tabakforschung von der entstehenden Agrikulturchemie beeinflusst wurde. Historiker/innen haben zurecht betont, dass die Durchsetzung der Chemie in den Jahren um die Jahrhundertmitte unter Tabakforschern exklusive Vorstellungen von ‚Wissenschaftlichkeit‘ verstärkte. Verweise auf die Wissenschaftlichkeit der jeweiligen Überlegungen zum Tabakanbau oder die Nennung akademischer Titel waren keineswegs Selbstzweck, sondern Abgrenzungsrhetorik. Zwar finden sich schon im frühen 19. Jahrhundert Gesten der Distinktion chemisch orientierter Forscher gegenüber ‚empirischen‘ Reformern. Jedoch traten in den Kreisen der Tabakforscher erst seit den 1840er-­Jahren stärkere Anzeichen eines Boundary-­Work hervor, durch das sich Experten expliziter von sogenannten Praktikern distinguierten. Wenngleich die Forschung ­solche Rhetoriken vor allem mit den akademischen Meinungsführern einer sich heraus­bildenden Agrikulturchemie assoziiert 12, konnte gezeigt werden, dass auch ‚einfache‘ Reformer sich Exklusionssemantiken aneigneten. Darüber h ­ inaus war das Tableau an Akteuren, von dem sich selbsternannte Wissenschaftler distanzierten, deutlich differenzierter als bisher angenommen. Es erstreckte sich von staatlichen Beamten bis hin zu jenen publizierenden Agrarreformern, die Vermarktungsstrategien der zur Mitte des 19. Jahrhunderts aufkommenden Populärwissenschaften inkorporierten. Trotz neuer Distinktionen gegenüber ‚nicht-­wissenschaftlichen‘ Akteuren bezogen Reformer und Agrikulturchemiker tabakanbauende Landwirte weiterhin in ihre Wissensproduktionen mit ein. Zwar zeigt sich auch an den Beispielen der vorliegenden Studie eine Distanzierung, wie sie die Forschung schon 12 Etwa: Nathalie Jas, Déqualifier le paysan, introniser l’agronome, France 1840 – 1914, in: Écologie & Politique 2 (2005), S. 45 – 55.

Zentren und Peripherien

länger betont.13 Jedoch wurden Abschottungstendenzen gegenüber Landwirten durch deren ‚verwissenschaftlichte Inklusion‘ in die Tabakforschung tenden­ ziell aufgehoben. Für die Erforschung der modernen Agrarwissenschaften sind jene zahlreichen landwirtschaftlichen Experimente, in denen Pariser Ingenieure, Straßburger und Karlsruher Experten das ‚praktische Tabakwissen‘ von Landwirten für ihre Forschung zu mobilisieren versuchten, bisher zu wenig berücksichtigt worden.

8.2. Zentren und Peripherien Die globale Verflechtung oberrheinischer und Pariser Tabakforscher sensibilisiert gleichsam dafür, dass die in Paris und im Rheinland entstehenden Wissenskulturen an die Kenntnisse subalterner Akteure in den ‚Peripherien‘ der atlantischen Welt gebunden waren. Wenngleich dieser Punkt sicher noch mehr Aufmerksamkeit verdient hätte und in der Forschung zunehmend stärker debattiert wird 14, lässt sich anhand der Arbeit zeigen, wie die agrarwissenschaftliche Reform des europäischen Tabakanbaus zur Mitte des 19. Jahrhunderts über die Zirkulation des Wissens innerhalb des Atlantiks in die „Second Slavery“ und den zunehmend als Substitut für Sklaven ausgebauten Einsatz asiatischer Kontraktarbeiter eingeschrieben war. Mit Blick auf die dabei generierten Einflüsse bietet auch die vorliegende Arbeit einige Anhaltspunkte für die seit einigen Jahren stärker diskutierte These, dass sich die moderne Wissenschaft des 18. und 19. Jahrhunderts keineswegs nur innerhalb Europas entwickelte und dann in die Welt diffundierte, sondern in einem dynamischen globalen Austauschprozess entstand.15 Rassistische Vorstellungen zeitgenössischer Forscher wirkten an einer semantischen Marginalisierung afrikanischer Sklaven und chinesischer Arbeiter mit, die wohl 13 Etwa: Verena Lehmbrock, Agrarwissen und Volksaufklärung im langen 18. Jahrhundert. Was sehen historische Gewährsleute und was sehen ihre Historiker/innen?, in: Martin Mulsow/Frank Rexroth (Hg.), Was als wissenschaftlich gelten darf. Praktiken der Grenzziehung in Gelehrtenmilieus der Vormoderne, Frankfurt am Main 2014, S. 485 – 514. 14 Etwa Daniel Rood, Toward a Global Labor History of Science, in: Manning/Rood (Hg.), Global Scientific Practice, S. 255 – 274. 15 Dazu insbesondere, jedoch mit Blick auf die Begegnungen ­zwischen Europäern und Asiaten: Kapil Raj, Relocating Modern Science. Circulation and the Construction of Knowledge in South Asia and Europe, 1650 – 1900, New York (u. a.) 2007.

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tatsächlich eine deutlich stärkere Rolle bei der Wissensproduktion spielten, als es die Bilder der Experten suggerierten. Beziehungen z­ wischen ‚Zentren‘ und ‚Peripherien‘ des Atlantiks folgten letztlich einer komplexen Wechselwirkung ­zwischen den Tabakforschern und schlossen auch jene Gebiete der Amerikas als wichtige Impulsgeber ein, die Historiker/innen lange eher als ‚Empfänger‘ des aus Europa diffundierenden Wissens verstanden haben. Nicht nur kubanische, sondern auch Pariser Tabakforscher gewannen durch Kontakte wichtige Anregungen für die Reformpläne europäischer bzw. karibischer Tabakanbaugebiete. Agenten und Ingenieure der Pariser Zentralverwaltung akquirierten bei ihren Kubareisen Wissen in den Feldern des für seinen Zigarrentabak populären Vuelta Abajos. Ingenieure in Paris – das als wissenschaftliches Ausbildungszentrum und politisches Exil Wissen­schaftler anzog – suchten den Austausch mit Landwirtschaftsreformern aus dem spanischen Imperium. Jenseits des Tabakanbaus verweisen ­solche Wechselwirkungen auf eine enge Verschränkung der Dynamiken aus den Reformen im spanischen Imperium, der mit der Ausdehnung der USA generierten agronomischen Wissensbestände und der Bemühungen zur ‚Hebung‘ der Landwirtschaft in Europa. Der atlantische Wissensaustausch wurde in den zentralisierten Reformprogrammen der sich bildenden europäischen Nationalstaaten aufgegriffen. Die Pariser Tabakingenieure mobilisierten die Verwaltungsstruktur des französischen Staatsmonopols für ein Frankreich umspannendes Programm zur Reform des Tabakanbaus. Aus Verbindungen nach Kuba akquiriertes Wissen sollte auf ein nationales Territorium angewandt werden. Seit 1860 wurden Verordnungen gegen sogenannte hochenergetische, stickstoffhaltige Düngemittel erlassen oder Experimente zur Akklimatisierung kubanischer Tabaksorten in den französischen Departements von der Pariser Verwaltung aufgefahren. Diese Versuche waren Teil der nach Charles S. Maier zur Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzenden Prozesse der „Territorialisierung“.16 Die nationalen Reformpläne knüpften dabei an die napoleonische Zeit an, in der Tabakforscher wie Alexis-­Antoine Cadet de Vaux eine zentralisierte landwirtschaftliche Reform der imperialen und nationalen Räume Frankreichs – erfolglos – erträumt hatten. Wenn eine nationale Tabakforschung auf beiden Seiten des Rheins eher symbolisch denn 16 Charles S. Maier, Consigning the Twentieth Century to History. Alternative Narratives for the Modern Era, in: American Historical Review 105 (2000), S. 807 – 831.

Zentren und Peripherien

tatsächlich existierte, so schrieben die Experten dem in Frankreich entstehenden Nationalstaat eine wichtige Bedeutung als Projektionsfläche und Verbreitungsmedium des Wissens zu. Verbreitungsversuche von Tabakwissen im Raumregime des Nationalstaats waren jedoch keineswegs auf die Pariser Ingenieure beschränkt, sondern r­ egten auch Forscher im Elsass – einer scheinbaren ‚Peripherie‘ des französischen Nationalstaats – an, das in der südlichen Rheinregion zirkulierende Wissen in Frankreich zu verbreiten. Vor dem Hintergrund des auch zur Mitte des 19. Jahrhunderts noch ausgeprägten Selbstverständnisses elsässischer Tabakforscher als Intermediäre z­ wischen den ‚Nationen‘ links und rechts des Rheins, dem Aufstieg der Pariser Ingenieure in der Zentralverwaltung 1860 und deren Optimierungskampagne für das französische Territorium erschien die Zentralverwaltung des Tabakmonopols als wichtiger Relaispunkt, über den am Oberrhein verbreitete Überlegungen in eine Reform des Tabaks in Frankreich ‚eingespeist‘ werden sollten. Die stärkere politische und kulturelle Orientierung des Elsass an Frankreich und die ‚nationalen Interessen‘ elsässischer Reformer überlagerten sich mit den neuen Distributionskanälen des Staatsmonopols. Die von ‚Zentren‘ und ‚Peripherien‘ ausgehenden Versuche einer Nationalisierung des Wissens führten jedoch keineswegs zu einer kooperativen, partizipativen Tabakforschung. Mit den polytechnischen Ingenieuren zogen in der Pariser Verwaltung seit 1860 eine Reihe von Absolventen der École Polytechnique die Fäden, deren professioneller esprit de corps eine Kooperation mit den als ‚Außenstehende‘ wahrgenommenen Tabakforschern des Elsass verhinderte. Überzeugungsversuche gegenüber den Pariser Polytechnikern gingen, trotz zahlreicher Partizipationsversprechen, keineswegs mit Aushandlung und Zugeständnissen an elsässische Forscher einher. Vielmehr kam es zu einer weitgehenden Abwertung regionalen Wissens von Seiten der Pariser Ingenieure, die auch die These von Robert Fox bestätigt, dass es in Frankreich seit dem Ende der napoleonischen Zeit zu einem stärkeren Ausschluss ‚provinzieller‘ Gelehrter aus den Pariser Wissenspolitiken kam.17 Auch innerhalb der regionalen rheinischen Forschungsverbindungen lässt sich die Ausbildung gewisser Zentrum/Peripherie-­Relationen beobachten. Der Wandel eines von den politischen Umständen und Mangelszenarien angetriebenen 17 Robert Fox, The Savant and the State. Science and Cultural Politics in Nineteenth-­Century France, Baltimore 2012, S. 53.

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regionalen Netzwerks während der napoleonischen Zeit hin zu einem an der Zigarrenproduktion orientierten oberrheinischen Wissensregime ging mit einer Verschiebung der internen Hierarchien innerhalb der Rheinregion einher. Die elsässische Tabakforschung der napoleonischen Zeit hatte, nicht zuletzt durch die imperiumsweite Bekanntheit des Präfekten Lezay-­Marnesias, eine gewisse Vorbildrolle für andere Tabakanbauregionen wie Roer oder Baden. In den 1850erund 1860er-­Jahren kam dann Tabakforschern des Großherzogtums Baden innerhalb der Oberrheinregion eine wichtigere Stellung zu, die sich beispielsweise in der Aneignung badischer Schriften in den Kreisen der Straßburger Landwirtschaftsgesellschaft zeigt. Da jedoch die Niederlande ein wichtiges Vorbild blieben und badische Experten sich weiterhin an den Wissensproduktionen im Elsass orientierten, lässt sich insgesamt nicht von einer klaren Zentrum/Peripherie-­ Struktur innerhalb des rheinregionalen Raums, sondern eher von einer Wechsel­ wirkung ­zwischen den Tabakforschern sprechen.

8.3. Geltung und Fragmentierung Wenngleich die von Paris aus initiierte nationale Kubanisierungspolitik wenig direkten Einfluss auf die Wissensproduktion im Elsass hatte, waren Versuche einer nationalen Homogenisierung, der flächendeckenden Einführung kubanischer Anbaupraktiken, nicht gänzlich erfolglos. Gerade die nach 1860 angestrengten Verordnungen gegen hochenergetische Düngemittel brachten im Elsass nicht nur Ablehnung, sondern eine mit Paris übereinstimmende Gruppe um den Bouxwiller Reformer Charles-­Henri Schattenmann hervor, die sich mit der Pariser Politik arrangierte. Darin lässt sich eine gewisse nationale Standardisierung von Wissen über den Tabakanbau erkennen. Die Geltung bestimmter Wissenselemente, oder auch Stile der Tabakforschung, entsprach mehr und mehr den Homogenitätsfiktionen, die Adepten einer ‚nationalen Kultur‘ in Europa beschworen. Den nationalen Orientierungen der Tabakforscher wohnte das Potential inne, regional entstehende Verbindungen in der Rheinregion in Frage zu stellen und den seit der napoleonischen Zeit wichtiger werdenden rheinischen Geltungsraum aufzulösen. Dennoch können s­ olche Ergebnisse nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich in den Diskursen der Tabakforscher insgesamt eher Kontraste, also eine räum­ liche Fragmentierung, abzeichneten. Zwar waren die schon in der Frühen Neuzeit

Geltung und Fragmentierung

empfohlenen Stalldünger in Paris, dem Elsass und in Baden ebenso anerkannt wie es zur Mitte des 19. Jahrhunderts die Zufuhr von pottaschehaltigen Substanzen für den Anbau von Tabak war. Wenn am Oberrhein seit den späten 1860er-­ Jahren unter ‚Pottasche‘ in erster Linie die im preußischen Staßfurt abgebauten ‚Abraumsalze‘ verstanden wurden, so bezeichnete die Pariser Tabakverwaltung mit derselben Terminologie eine als dezidiert kubanisch verstandene Gründüngung. Auch für die Anwendung des peruanischen Guanos, der die europäischen Märkte seit den 1840er-­Jahren regelrecht überschwemmte, lassen sich am Beispiel des Tabakanbaus räumlich fragmentierte Wahrnehmungen zeigen. Während die bisherige Forschung eher einseitig von einer Guanoeuphorie unter den Landwirtschaftsreformern ausgeht 18, tritt mit Blick auf die unterschiedlichen Tabakforscher gerade das abweichende Wissen um die ambivalenten Effekte des Stickstoffs in der Landwirtschaftswissenschaft hervor. Differenzen über ‚hochenergetische‘ Dünger, wie die ‚matières fécales‘ und Guano, waren keineswegs Marker nationaler Chemiekulturen, sondern eher auf regionaler oder lokaler Ebene ausgeprägt. Wenn Geltungsreichweiten von Wissen über den Tabakanbau im frühen und mittleren 19. Jahrhundert regional formatiert waren, dann handelte es sich dabei immer um Netzwerkräume, die ihre Gestalt vor dem Hinter­ grund der breiteren politischen und wirtschaftlichen Kontexte veränderten. Eine homogene Forschungskultur bildete sich nicht heraus. Die Fragmentierung der Geltung von Wissen in Paris und am Oberrhein war auch in die atlantischen Verbindungen eingeschrieben. Die Beobachtung von Anbaupraktiken der Chesapeake Bay etwa trug in den oberrheinischen Kreisen maßgeblich dazu bei, dass die Idee eines maßvollen Einsatzes von Guano von den Pariser Verordnungen gegen hochenergetische Dünger abgegrenzt wurde. Die zur Mitte des 19. Jahrhunderts erstarkten Einflüsse der chemischen Tabakforschung in den USA und in Kuba halfen allerdings mit, dass sich in den Reihen elsässischer, badischer und Pariser Tabakexperten ein chemisch geprägter Blick auf die Tabakanbaureform innerhalb Europas entwickelte. Wenn in Paris zur Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem ‚tabac de Havane‘ eine ganz andere Sorte im Mittelpunkt der Reformhoffnungen stand als im Elsass und Baden, wo zur selben Zeit der sogenannte Gunditabak dominierte, dann müssen die unterschiedlich gelagerten Forschungsergebnisse und die Übereinstimmungen in der 18 Mit wenigen Ausnahmen so auch: Gregory T. Cushman, Guano and the Opening of the Pacific World. A Global Ecological History, Cambridge (u. a.) 2013.

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Regional, National, Global? Fazit und Ausblick

südlichen Rheinregion als Effekte jenes regionalen Austauschraums entlang des Rheins verstanden werden, der sich seit dem frühen 19. Jahrhundert verdichtete. Vor allem mit Blick auf die Chemie lassen sich auch die räumlichen und zeitlichen Differenzen in der Implementierung naturwissenschaftlicher Methoden in der Tabakforschung aufzeigen. Während Landwirtschaftsreformer in Berlin und Paris schon um 1800 mit Rückgriff auf chemische Begriffe und Theorien operierten, war südrheinischen Experten eine Chemisierung zunächst eher fremd. Dies führte etwa zu dem Umstand, dass Pariser, aber auch Berliner Tabakforscher die Wirkkraft von Düngemitteln mit den analytischen Begriffen der Chemie beschrieben, während in Baden und im Elsass auf ältere Überlegungen der sogenannten Humustheorie sowie botanische Debatten zurückgegriffen wurde. Die Zurückhaltung gegenüber der Landwirtschaftschemie in Baden und im Elsass ging lange mit einer verbreiteten Absage an eine ‚abstrakte Wissenschaftlichkeit‘ und der Hervorhebung der Bedeutung praktischen Wissens einher. Tabaktrockenschuppen etwa, aber auch andere Details zum Setzen von Pflanzen, wurden im Elsass und in Baden schon in der napoleonischen Zeit diskutiert, obwohl sich die Aufmerksamkeit der Reformer erst vor dem Hintergrund des Aufkommens der Zigarre und der Umstellung der Produktion auf Zigarrendeckblätter seit den 1830er-­Jahren verstärkte. Wenn Historiker/innen in den letzten Jahren verstärkt auf die frühe Bedeutung der Chemie für Projekte landwirtschaftlicher Reformer hingewiesen haben 19, dann zeigt sich am Beispiel der rheinischen Tabakanbauforschung deutlich, dass sich die Chemie um 1800 in der Landwirtschaftsforschung keineswegs flächendeckend durchgesetzt hatte. Allein in der Adaption botanischer Theorien, Klassifikationssysteme und Begriffe scheint eine geteilte, raumübergreifende Verwissenschaftlichung der Tabakforschung in der Sattelzeit auf. Nicht nur im Elsass und in Baden, sondern auch in Paris, griffen Reformer auf das Taxonomiewissen des ‚Systema Naturae‘ Carl Linnés zurück, untersuchten Tabakarten auf Krankheiten und bewerteten einzelne Varietäten anhand ihres ökonomischen Nutzens. Diese ökonomische Botanik war stark anwendungsorientiert, reflektierte jedoch gleichsam den breiteren Wandel von einer statischen Naturgeschichte zur dynamischen Biologie, der sich im späten 18. Jahrhundert ansonsten eher in theoretischen Debatten ankündigte. Ein genauer Blick auf die spezifischen Aneignungen 19 Peter M. Jones, Making Chemistry the ‚Science‘ of Agriculture, c. 1760 – 1840, in: History of Science 54 (2016), S. 169 – 194.

Geltung und Fragmentierung

naturwissenschaftlicher Theorien und Klassifikationssysteme hält lohnende Perspektiven bereit, die in den letzten Jahren etwas in den Hintergrund der Forschung geraten sind. Verwissenschaftlichungsprozesse vollzogen sich in der Tabakforschung schließlich stets im Rahmen des sich wandelnden Tabakkonsums. In der napoleonischen Zeit etwa nahmen zeitgenössische Forscher bei der botanischen Ordnung von Tabakpflanzen auch Warenbegriffe auf, die Konsumenten aus der Welt des atlantischen Tabakhandels kannten. Tabakforscher waren darüber hinaus bemüht, den Gebrauch von Düngemitteln an Konsumerwartungen auszurichten. Die Reduktionsforderungen gegenüber Guanodüngern und die Erwartungen an eine intensivierte Nutzung von Mineralien waren auf die Hervorbringung einer idealen Kubazigarre ausgerichtet, von der die Zeitgenossen möglichst gleichbleibende Eigenschaften erhofften. Wissen über den Tabakanbau wurde von den Akteuren mit den imaginierten Bedürfnissen von Konsumenten zusammengebracht; die historische Erforschung der Landwirtschaftsreform hat ­solche komplexen Zusammenhänge bisher wenig berücksichtigt. Der Anbau von Pflanzen, so zeigt die vorliegende Arbeit, wurde in der Sattelzeit keineswegs nur hinsichtlich der quantitativen Produktionssteigerung, sondern auch in der Erwartung bestimmter Qualitätseigenschaften von Endprodukten zu optimieren versucht. Die Positionen der Tabakforscher machen nicht zuletzt deutlich, wie eng die landwirtschaftlichen Wissenswelten mit den Anforderungen einer sich ausbildenden Konsumgesellschaft verflochten waren.

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9. Dankwort Dieses Buch wäre nicht ohne die Hilfe einer ganzen Reihe von Menschen entstanden. Jakob Vogel hat mein Promotionsprojekt von Anfang an begleitet und mich seit meinem Studium gefördert. Ich danke darüber hinaus Regina Dauser, Gudrun Gersmann, Stefan Grohé und Hans-­Peter Ullmann für ihre Unterstützung als Betreuer/innen und Gutachter/innen. Dank geht auch an die, die Teile der Arbeit gelesen und mir wichtige Anregungen mit auf den Weg gegeben haben: Esther Helena Arens, Agnes Gehbald, Stefanie Gänger, Haydée Mareike Haass, Ralph Jessen, Benjamin Möckel, Johana Caterina Mantilla Oliveros, ­Pascal Schillings, Bernhard Struck, Melina Teubner, Helge Wendt und die Klasse 5 der a. r. t. e. s. Graduate School for the Humanities Cologne. Ich möchte mich darüber hinaus bei den Mitarbeiter/innen der von mir besuchten Archive und Bibliotheken bedanken, die mit ihrem Rat und Einsatz zum Entstehen ­dieses Buches maßgeblich beigetragen haben. Ein herzliches Dankeschön geht an die Herausgeber/innen, die mein Buch in die Reihe Peripherien. Beiträge zur Europäischen und Globalgeschichte aufgenommen haben. Johannes van Ooyen vom Böhlau Verlag danke ich für die Geduld und Hilfe. Die Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein hat die Drucklegung ­dieses Buches unterstützt. Es hätte jedoch nicht ohne die großzügigen Stipendien entstehen können, die ich von der a. r. t. e. s. Graduate School for the Humanities Cologne und dem Deutschen Historischen Institut Paris erhalten habe. Beiden danke ich auch für die wissenschaftliche Unterstützung. Dank geht auch an das Département d’histoire von Sciences Po, das meine zentrale Anlaufstelle in Frankreich war. Hier habe ich wichtige Lehrerfahrungen sammeln dürfen. Der Deutsch-­Französischen Hochschule, dem Centre interdisciplinaire d’études et de recherches sur l’Allemagne und dem Département d’histoire von Sciences Po bin ich für die finanzielle Unterstützung eines internationalen Workshops dankbar, den ich zum Abschluss meiner Zeit in Paris zusammen mit Camille Buat und Aude-­Cécile Monnot veranstaltet habe. Mein Dank geht zudem an diejenigen in Paris und Köln, die mir eine Cotutela-­Promotion ermöglicht haben. Dieses Buch hat von Gesprächen und vom Austausch mit sehr vielen Menschen profitiert, die hier unmöglich alle genannt werden können. Ganz besonders inspirierend waren die Anregungen, die ich bei den Treffen des Graduate

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Dankwort

Interdisciplinary Network für European Studies und des DFG /ANR -­Projekts Euroscientia. Räume und Zirkulation des staatlichen Wissens in Europa, 1750 – 1850 sammeln durfte. Daniel B. Rood, Paul Smith und Michael Zeuske kommt Dank dafür zu, dass sie mir unveröffentlichte Forschungsarbeiten zur Verfügung gestellt haben. Corinna Kühn hat das Manuskript korrekturgelesen und mir während der Promotion immer wieder gezeigt, dass es noch andere wichtige Dinge im Leben gibt. Meine Eltern und meine Schwester hatten es nicht immer leicht mit mir und dem Leben, während ich an d ­ iesem Buch gearbeitet habe. Ihnen ist d ­ ieses Buch gewidmet. Köln, 08. 11. 2019 

Alexander van Wickeren

10. Abbildungs-, Quellen- und Literaturverzeichnis 10.1. Abbildungen Abbildung 1: Verpackungen und Gefäße im Rheinland um 1800 als „Porto Rico“ gehandelter Tabake. (oben links) [Ohne Titel], Kupferstich, Platte H: 13,6 cm; B: 10,5 cm; Köln um 1800, KSM o. Nr. (Kölner Stadtmuseum); RBA 136597; abgedruckt in: Werner Schäfke, Blauer Dunst. Vier Jahrhunderte Tabak in Köln, Köln 1984, S. 40. (unten links) [Ohne Titel]: LWL-Freilichtmuseum Hagen; abgedruckt in: Beate Hobein, Vom Tabaktrinken und Rauchschlürfen. Die Geschichte des Tabaks unter besonderer Berücksichtigung der Rauchtabak- und Zigarrenherstellung in Westfalen, Hagen 1987, S. 45. (oben rechts) [Ohne Titel], aus: [Anonym], Tabago. Ein Bilderbuch vom Tabak und den Freuden des Rauchens. Herausgegeben und gedruckt aus Anlaß des 50 jährigen Bestehens der Cigarettenfabrik H. F. & ph. F. Reemtsma, Hamburg 1960, S. 39. (unten rechts): [Ohne Titel], aus: [Anonym], Tabago. Ein Bilderbuch vom Tabak und den Freuden des Rauchens. Herausgegeben und gedruckt aus Anlaß des 50 jährigen Bestehens der Cigarettenfabrik H. F. & ph. F. Reemtsma, Hamburg 1960, S. 40.

10.2. Unpublizierte Quellen Archives départementales du Bas-­Rhin, Straßburg (ADBR) 61/J/6 11/M/195 63/J/3 11/M/196 63/J/4 11/M/197 63/J/8 11/M/222 63/J/13 15/M/402 63/J/26 P/255 63/J/30 P/259 11/M/188 P/266 11/M/189 P/267 11/M/194 Archives départementales du Haut-­Rhin, Colmar (ADHR) 4/P/208 4/P/210 4/P/209 4/P/211

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Abbildungs-, Quellen- und Literaturverzeichnis Archives de la Ville et de l’Eurométropole de Strasbourg, Straßburg (AMS) 153/MW/539 77/Z/52 Archives nationales, Paris (AN) C/3082 F/12/1876 F/12/2588 F/12/7072

F/12/7073 F/17/2954 29/AP/85

Archives diplomatiques du ministère des Affaires étrangères, Paris (AD) 422/QO/266 P/13691 422/QO/267 422/QO/255 Archives des Académie des Sciences, Paris (AAS) Dossier personnel de Jean-­Jacques-­Théophile Schloesing (1824 – 1919) Bibliothèque centrales des Archives de l’École Polytechnique, Paris (BCAEP) Titre II, Admissions, Section 3, Classement de Sortie carton 5, 1818 – 1837 Titre II, Admissions, Section 3, Classement de sortie et carton 6, 1838 – 1851 Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA) 69/Nachlass Krebs 233/10124 236/5855 236/6072 236/10050 236/16708 236/16716 236/16731

236/16732 236/16735 236/16757 236/16859 236/18734 237/690 313/2111

Landesarchiv Nordrhein-­Westfalen Abteilung Rheinland, Duisburg (LANRW) Roerdepartement, 02023 Roerdepartement, 02025 Roerdepartement, 02672 Stadtarchiv Koblenz (SK) N5, Nachlass Schwerz Universitätsarchiv Heidelberg Nachlass Karl Heinrich Rau

Publizierte Quellen

10.3. Publizierte Quellen [Anonym], An die Redaktion des Badischen Magazins. R. am 5. Juni 1811, in: Badisches Magazin 1 (1811), S. 337 – 339. [Anonym], Anleitung zum Tabaksbau btr., in: Landwirthschaftliches Wochenblatt für das Grossherzogtum Baden 20 (1836), S. 410. [Anonym], Bemerkungen über den Tabaksbau durch jene in dem 8. Hefte der Verhandlungen des badischen Vereins veranlaßt, in: Verhandlungen des großherzoglich badischen landwirthschaftlichen Vereins zu Karlsruhe 3 (1823), S. 71 – 79. [Anonym], Besprechung über den Tabaksbau. Abgehalten in Heidelberg am 1. März 1846. Unter dem Vorsitz des Frhrn. v. Babo, in: Landwirthschaftliches Wochenblatt für das Großherzogtum Baden 14 (1846), S. 77 – 83. [Anonym], Correspondence, in: Compte rendu des séances de l’Académie des Sciences 5 (1837), S. 876 – 877. [Anonym], Culture du Tabac, in: Ministère de l’agriculture, du commerce et des travaux publics (Hg.), Enquête agricole. Prémière Série. Documents généraux. Décrets, rapports, etc. S­ éances de la commsission supérieure, Band 2, Paris 1869, S. 759 – 774. [Anonym], Das linke Rheinufer; des Stromes Rand bis zum Stolzenfels, in: [Anonym] (Hg.), Denkwürdiger Rheinischer Antiquarius, welcher die wichtigsten und angenehmsten geographischen, historischen und politischen Merckwürdigkeiten des ganzen Rheinstromes […], Koblenz 1831, S. 213 – 244. [Anonym], Décret C. No. 914 (755), du 9 Juill. 1863. Vente de la Havane dits prensados, et des tabacs de fantaisie de toutes espèces, in: [Anonym] (Hg.), Nouveau recueil chronologique des lois et instructions des contributions indirectes des tabacs et des octrois, II–III, Période de 1831 à 1863, [ohne Ort, ohne Jahr], Sp. 1574 – 1575. [Anonym], Denkschrift über den Tabaksbau im Departement des Niederrheins von Karl Heinrich Schattenmann, Direktor der Minen von Buchsweiler, Mitglied des General-­ Ackerbaurathes, in: Blätter für Landwirthschaft und Gewerbewesen herausgegeben vom landwirthschaftlichen Kreis-­Comité und dem Verein zur Beförderung der Gewerbe in der Pfalz 7 (1862), S. 257 – 260. [Anonym], Der Guano der Kunst-­Guano-­Fabrik Augsburg, ein preiswürdiges Düngemittel, Augsburg 1860. [Anonym], Einige Notizen aus der Geschichte des Tabakbaues in Baden, in: Landwirthschaftliche Berichte 8 (1853), S. 62 – 72. [Anonym], Enquête parlamentaire sur l’exploitation du monopole des tabacs et des poudres, Paris 1876. [Anonym], Falsification du tabac, in: Journal de chimie médicale, de pharmacie, de toxicologie et revue des nouvelles scientifiques nationales et étrangères 4 (1868), S. 339 – 340. [Anonym], Für Liebhaber des Rauchtabak, in: Badisches Magazin 1 (1811), S. 128. [Anonym], Hortus Magni Ducis Badensis Carlsruhanus, Carlsruhae 1811. [Anonym], Impromptu fait après lu l’instruction de M. Cadet-­De-­Vaux sur un nouvel engrais pour la culture du tabac, in: Mercure du département de la Roër 2 (1811), S. 636.

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Abbildungs-, Quellen- und Literaturverzeichnis Zamoyski Adam, Phantome des Terrors. Die Angst vor der Revolution und die Unterdrückung der Freiheit, 1789 – 1848, München 2016. Zangger, Andreas, Koloniale Schweiz. Ein Stück Globalgeschichte z­ wischen Europa und Südostasien (1860 – 1930), Bielefeld 2011. Zbroschzyk, Markus, Die preußische Peuplierungspolitik in den rheinischen Territorien Kleve, Geldern und Moers im Spannungsfeld von ­Theorie und räumlicher Umsetzung im 17. – 18. Jahrhundert, Bonn 2014. Zeller, Rosmarie, Badische Emigranten in der Schweiz in: Achim Aurnhammer (Hg.), Von der Spätaufklärung zur Badischen Revolution. Literarisches Leben in Baden ­zwischen 1800 und 1850, Freiburg (u. a.) 2010, S. 735 – 750. Zeuske Michael, Kleine Geschichte Kubas, 4., überarbeitete und aktualisierte Auflage, München 2016. Zeuske, Michael, Sklaven und Tabak in der atlantischen Weltgeschichte, in: Historische Zeitschrift 303 (2016), S. 315 – 348. Zimmermann, Paul, Tabakforschung in aller Welt. Ein Rundblick, Dresden 1926. Zirnstein, Gottfried, Variabilität, Vererbung und Züchtung bei A. D. Thaer und Zeitgenossen, in: Albrecht-­Daniel-­Thaer-­Tagung 5 (1976), S. 53 – 60. Zwierlein, Cornel, Der gezähmte Prometheus. Feuer und Sicherheit z­ wischen Früher Neuzeit und Moderne, Göttingen 2011.

10.5. Unveröffentlichte Vorträge und Manuskripte Lacour, Pierre Yves, Les savoirs agronomiques dans la Révolution. France, 1780 – 1810, Vortrag bei der Tagung: Staatswissen (,savoirs d’État‘) klassifizieren und benennen (1750 – 1850), 27. – 28. November 2013, Straßburg [unpublizierter Vortrag]. Overath, Petra/Rita Hombach, Wissensräume der Gartenkultur: Zirkulation und lokale Aneignung von Wissen in Netzwerken einer rheinischen Gärtnerfamilie nach 1800, Vortrag bei der Tagung: Localisation et circulation des savoirs d’Etat en Europe (1750 – 1850), 18. – 19. September 2014, École normale supérieure, Paris [unpublizierter Vortrag]. Smith, Paul, La manufacture des tabacs de Strasbourg, synthèse historique et architecurale, [unpubliziertes Aufsatzmanuskript]. Wickeren, Alexander van, Humboldt, Bonpland and the Improvement of Tobacco Cultivation. Globalizing Knowledge on Agricultural Resources during the First Half of the 19th Century, Vortrag bei der Tagung: Sciences, Knowledge and Politics: Alexander von Humboldt and Aimé Bonpland between Europe and Latin America. 8th International and Interdisciplinary Conference, 04. – 07. Juli 2016, Paris [unpublizierter Vortrag]. Wickeren, Alexander van, Die Vielfalt der Prognosen. Wetterwissen im Rheinland um 1900, Magisterarbeit, Universität zu Köln 2011.

11. Register 11.1. Ortsregister A Aachen  35, 43, 51, 110, 115, 246, 292, 297 Afrika  193 – 194, 196 – 197, 275 Ägypten  76, 309 Alpes-Maritime (Departement)  254 Amersfoort  41, 53, 72, 91, 305 Appenweier 128 Argentinien 177 Asien  19, 91, 96 – 97, 102, 132, 196, 221, 224, 275, 305, 320 Atlantik  9, 13, 18 – 20.  23, 26, 33, 55, 84, 87 – 88, 92 – 93, 121, 132 – 134, 155 – 157, 177, 170, 172, 175 – 176, 178, 184 – 186, 188 – 190, 192, 194 – 195, 198, 199, 200 – 207, 212, 218, 231, 233, 238, 267 – 269, 272 – 273, 275 – 276, 279, 281

B Baltimore  22, 76, 93, 200, 202, 204, 227, 231, 236, 277, 303, 304, 309, 319 Basel  128, 150 Bas-Rhin (Departement)  29, 32, 35, 39 – 44, 47, 49 – 50, 52, 55, 70 – 71, 77, 96, 102, 105, 109 – 110, 114, 123, 128 – 130, 142, 153, 162, 167, 212 – 213, 228 – 229, 235, 240, 242, 246, 252 – 254, 260 – 261, 263 – 264, 267 Bayern  123, 202, 213, 230 Belgien  41, 157 Benfeld  91, 122, 130, 135, 143, 162, 238, 240, 256, 294 Berlin  44, 106 – 108, 110, 113 – 114, 117, 118, 136, 280 Bern  14, 44, 70 Bessarabien 144 Betuwe 221 Bologna 25 Bordeaux  166, 185 Bouches-du-Weser (Departement)  7

Bouxwiller  123 – 124, 138, 140, 152, 208, 231 – 232, 237, 241, 279 Brasilien  19, 95, 159, 177 Bremen  7, 19, 46, 74, 171 Brügge 53

C Chesapeake Bay  19, 113, 223, 279 China  174, 196, 224, 233, 268, 273 Cincinnati 202 Colmar  32, 131, 136, 143, 148, 220, 239, 255, 258 Connecticut  156, 223, 273

D Dänemark 172 Darmstadt 59 Dresden 59

E England  62, 131 Europa  54 – 55, 57, 59, 60, 74 – 78, 84, 88, 92 – 93, 95, 107, 112 – 113, 19 – 121, 126, 133, 137, 156, 168 – 172, 174 – 175, 177, 184 – 185, 187, 189, 190, 193 – 194, 197, 199, 202, 205, 207, 211, 218 – 219, 221 – 226, 267 – 270, 273 – 276, 278 – 279 l’Escaut (Departement)  41

F Fiume 177 Flandern  78, 109, 225 Florida 201 Frankfurt am Main  59, 104, 147 Freiburg  128, 223, 229

G Geipolsheim  263 – 264 Gießen  136 – 137, 181, 209

322

Register Glandorf 93 Godesberg 50 Grenoble 259 Griechenland 157 Großbritannien  22, 84, 93, 132, 175

H Habsburger Monarchie  22, 46, 93, 95, 131, 169, 238 Hamburg  19, 46, 171 – 172, 185 Harthausen 222 Haut-Rhin (Departement)  32, 39, 48, 153, 162, 213, 254, 256, 258 Havanna  78, 104, 159, 160, 163, 168, 171 – 173, 176 – 178, 182, 188 – 190, 192, 196, 212 – 213, 263 Havre 185 Heidelberg  53, 63, 96 – 97, 102, 117, 122, 128, 131, 139, 208, 213, 215, 228, 240 Herzogtum Gotha  144 Hessen 213 Hindisheim 217 Hockenheim  122, 127 Hofwyl 44

I Indonesien  11, 19, 126, 156, 221, 233, 268, 273 Italien  11, 24 – 25, 60, 65

J Java 221 Jutland 172

K Kaiserstuhl 125 Kalkar  61, 86, 109 Karibik  25, 97, 101, 113, 137, 194, 198 Karlsruhe  31 – 32, 48, 50, 58, 68 – 69, 71, 87, 88 – 90, 98, 105, 122 – 123, 134 – 135, 138, 143, 150, 153, 156, 204 – 205, 207 – 208, 210, 213, 228 – 229, 275 Kehl 128 Kentucky  159, 201, 223 Kippenheim  137, 208

Kleve  41, 43, 51 – 54, 68 – 69, 86, 109, 111, 115 Koblenz  38 – 44, 47 – 48, 50, 64, 66 – 67, 77, 110 – 112, 270 – 271 Köln  43, 46 – 47, 52 – 53, 65, 69, 283 Königreich Ungarn  156, 171, 177 Konstantinopel 159 Konstanz  35, 50, 70, 117, 28 Kurpfalz  29, 36, 53, 63, 115, 141

L Ladenburg 139 Lahr  126, 130 Lancaster County  203 Leipzig  59, 87 Levante  78, 159, 163 Lille  78, 159, 163 Louisville 202 Lutterbach 256

M Madrid 169 Manila 176 Mannheim  53, 126, 128, 130 – 131, 134, 138 – 139, 211, 213 Martinique  159, 169 Maryland  7, 78, 89, 91, 92, 95, 159, 201, 208, 218 – 219, 223 Massachusetts 208 Mecklenburg 172 Merkwiller  135, 226 Meurthe (Departement)  240 Mexiko 159 Milwaukee 202 Missouri 201 Mont-Tonnerre (Departement)  55 München 153

N Nancy  71, 149, 210, 239 – 240, 259 Neckarau 101 New Orleans  202, 206 New York  201 – 202, 206 – 207 Niederlande  9, 72, 84, 202, 206, 221, 278 Nimwegen  53, 72

Ortsregister

O Obernai  38 – 39, 86 Offenbach  64, 66 Ohio  133, 201, 218 Osmanisches Reich  9, 132, 163, 177 Osterheim 203

P Paraguay 282 Paris  7, 22, 30, 30 – 33, 36, 39, 40, 45 – 46, 52, 55, 57, 65, 67, 73, 75 – 78, 80 – 82, 84, 86, 97, 107 – 108, 110, 113 – 114, 117 – 118, 125, 128, 136, 143, 150, 153, 155, 157 – 170, 172 – 192, 196 – 201, 207 – 208, 210 – 214, 220, 222 – 223, 225 – 229, 231 – 237, 239 – 243, 245 – 250, 252 – 255, 257 – 267, 271 – 273, 275 – 280, 283 Pas-de-Calais (Departement)  163 Pechelbronn  135, 225, 228, 235, 242 – 243, 258, 259 Pennsylvania 203 Persien 79 Pfalz  29, 36, 53, 61, 63 – 64, 115, 123, 127, 129, 132, 140 – 141, 146 – 147, 153, 221 – 222, 225, 241 – 242, 247 Philadelphia 202 Polen  11, 60, 147 Preußen  106 – 107, 157, 217, 270 Province Guyenne  60 Puerto Rico  92, 172

R Rhin-et-Moselle (Departement)  38, 41 – 42, 48 – 49 Rio de la Plata  177 – 178 Roer (Departement)  35, 43, 47, 48, 51 – 55, 61, 63, 68, 78, 81 – 82, 111, 115, 278 Russisches Reich  46, 132

S Schlestadt  38 – 39, 86, 125, 162 Schottland  9, 24 – 25, 60 Schwarzwald  123, 125 Schweden 157 Schweiz  14, 44, 70, 128, 150, 153, 202

Schwetzingen  53, 203 Seckenheim 151 Senegal 169 Spanisches Imperiums  11, 92, 97, 101, 113, 137, 158, 161, 169, 174 – 176, 189 – 190, 192, 194 – 195, 276 Speyer  123, 126 St. Dominque  76 St. Francisco  202 St. Louis  202 Staßfurt  181, 210 – 211, 279 Straßburg  29, 31 – 32, 37 – 50, 53 – 54, 56 – 59, 62 – 63, 65 – 68, 70 – 72, 77, 78, 86 – 87, 90 – 91, 93, 98, 100, 102, 104 – 106, 111 – 112, 114 – 116, 122, 125, 128, 130 – 131, 134 – 135, 139142, 153, 156, 158, 162, 166 – 167, 184, 208, 213, 217, 228, 230 – 232, 235, 239, 240, 244 – 245, 247, 249, 259 – 261, 264, 267, 270, 272, 275, 278 Stuttgart  50, 68 Sumatra 221 Syrien  9, 79, 159

T Tonneins 166 Toulouse 166 Trier 39

U USA  11, 131, 133 – 134, 147 – 148, 150, 163, 168, 177, 201 – 208, 211 – 212, 216 – 219, 222 – 223, 227 – 228, 230, 273, 276, 289

V Vatikanstaat 25 Venezuela  163, 225, 233 Virginia  7, 78, 95, 113, 159, 172, 201, 219, 223 Vogesen  122, 125, 236 Vuelta Abajo  159 – 161, 175, 183, 191, 193 – 195, 276

W Warwick 41 Wasselonne  149, 239

323

324

Register Waterloo 67 Weinheim  125, 147, 217

Wien  38, 59, 66, 71, 125 Württemberg  168, 202

11.2. Personenregister A

C

Achard, Franz Carl  106 – 107, 109 Adanson, Michel  91 Anderst, C. M.  131 Antz, François-Joseph  263 – 264 Audéoud, Louis François  231

Cadet de Vaux, Alexis-Antoine  45 – 46, 57, 65, 73 – 76, 81 – 82, 105 – 109, 112 – 113, 117 – 118, 164, 183, 276 Camp, Maxime du  168, 252 Carneiro, Ana  137 Casaseca, José Louis  190 – 191 Chaptal, Jean-Antoine  75 – 76, 81 Chatin, Adolphe  191 Collenberg-Bödigheim, Freiherr Ludwig Rüdt von  149, 151, 215 – 217 Corbin, Alain  96 Cotta, Johann Friedrich  112 Creizenach, Julius  168 Cushman, George Todd  184

B Babo, August Wilhelm von  90, 125, 130, 135, 141, 146 – 147, 212, 215 – 216, 220, 222, 238 – 240 Baden, Karl Ludwig Friedrich Großherzog von 152 Barral, Jean-Augustin  163 – 164, 168, 171 – 173, 176, 182, 188, 239, 246, 249, 250, 252, 259 Barth-Henrich, Joseph  133, 213 Baud, Michiel  19 Beckmann, Johann  104 Bobierre, Pierre Adolphe  239 Bocris, Georg Christian  7, 74 Bonpland, Aimé  177 Borjas y Tarrins, Bernardo de  189 Börner, Georg Rudolph  104 Bösch, Frank  249 Boussingault, Jean-Baptiste  31, 135, 140, 204, 208, 212, 225 – 226, 228 – 229, 235, 242 – 243, 248, 250, 259, 274 Braun, Alexander  88 – 89 Brucker, Joseph  117 Buchinger, Jean-Daniel  245 Buffon, Georges-Louis Leclerc de  91, 100 Bulach, François Zorn de  127, 167, 246 Bunsen, Robert Wilhelm  136 Burger, Jean-Frédéric  48 Burkhart, Anton  35

D d’Orbigny, Alcide  174 Dau, José Maria  186 Daubenton, Louis Jean-Marie  242 Dauser, Regina  115 Debry, Jean Antoine Joseph  66 Demersay, Alfred  177 – 178, 190, 193 Démondesir, Paul  250 – 251 Dépinay, Georges  80 Dombasle, Mathieu de  112 Dosch, Johann  153, 226, 229 Ducanin, Pouilé  76 Dupré de Saint-Maurs, Nicolas  60

E Eder, Matthias  151 Erhardt, H.  97, 122 – 123, 129 Essards, Bernard des  195 – 198 Eveno, Muriel  31 Ewen, Shane  156

Personenregister

F

I

Fellenberg, Philipp Emanuel von  44 Fermond, Charles  187 Ferrer, Miquel Rodriguez  186, 188, 194 Finlay, Mark F.  205 Flaxland, Joseph-Frédéric  136, 143, 220, 224, 239, 252 Fox, Robert  76, 200, 233, 236, 277 Francia, José Gaspar Tomás Rodríguez de  177 Freitag, Ulrike  28 Frías Jacott, Francisco  187 – 189

Infante, Josef  169

G Garner, Guillaume  72 Gaudin, Martin Michel  77 Girardin, Jean Pierre Louis  239 Gmelin, Carl Christian  48, 50, 58, 69, 82, 88, 98 – 99 Goodman, Jordan  11 Goundie, George H.  149 – 151, 202 – 204, 212, 216 – 218, 274 Goupil, Eugène  176, 192, 197 – 198 Grandeau, Louis  149, 159, 239 Grüne, Nils  148

H Hahn, Barbara  219 Herbermann, Georg  93 Hecker, Friedrich  150 Helfferich, Joseph Anton  96, 102, 110 Helmling, Johann  151 Hermbstädt, Sigismund Friedrich  84, 107 – 108, 112, 118, 183 Heyse, Johann Georg  7 Hoffacker, Friedrich  90, 130, 141, 146 – 147, 214 – 215, 220, 239 – 240 Holzschuher, Pastor  144 – 145 Horan, Joseph  36 Humboldt, Alexander von  42 Hürstel, Richard  122 – 123, 129, 240, 260 Husson, J. B. N. L.  68, 70, 91 – 92, 98 – 99, 102

J Jackson, Charles T.  204, 208 – 210, 223 Jacquemin, Eugène-Théodore  135, 230 Jas, Nathalie  27, 138 Joigneaux, Pierre  252 Jones, Peter M.  83 Jussieu, Antoine-Laurent de  97

K Kall, Georg Friedrich  53, 63, 70, 96 Kaufmann, Louis  62 Kocka, Jürgen  142 Kölreuter, Joseph Gottlieb  181 Königsmann, Robert  147 Korn, Philip  126 Koselleck, Reinhart  88

L Laak, Guillaume van  115 Lamarck, Jean-Baptiste de  111 Latour, Bruno  18 Lauter, Wilhelm Florentin  123 – 125 Lavoisier, Antoine Laurent de  83 – 84, 96, 106 – 108 Lemaistre-Chabert, Adolphe  213 Lepenies, Wolf  88, 103 Lezay, Claudine  49 Lezay, Stéphanie  49 – 50 Lezay-Marnesia, Adrien de  31, 35, 41 – 43, 45, 48 – 49, 54 – 55, 64, 67 – 68, 76 – 77, 98 – 99, 109, 113 – 114, 117, 129, 270 – 271, 278 Liebig, Justus  83, 136 – 137, 180 – 181, 204, 209 – 210, 224, 226, 242, 249 – 250 Linné, Carl  87, 89 – 92, 95 – 96, 99, 102 – 104, 280 Livet, Georges  153 Livingstone, David N.  13, 25 Ludwig, Christian Gottlieb  87 Luxbacher, Günther  103

325

326

Register

M Maier, Charles S.  22, 276 Malagutti, Faustino  239 Marggraf, Andreas Sigismund  106 Marjanen, Jani  20 Marocco, Ange Marie François Gaetan  43 Marx, Franz  39 – 40 Maurer, Catherine  119 Mayer, Helge  126, 131 Metzger, Johann  46, 89 – 90, 92, 95 – 97, 152, 154, 206 – 207, 213, 214 – 215, 220 Migneret, Stanislas  68, 260 Mollien, Nicolas François  78 – 79 Monceau, Henri Louis Duhamel du  242 Montaud, Inés Roldán de  171 Morgan, William M.  194 Müller, Nicolas  135, 246 – 247, 252, 259

N Nantes, Antoine Français de  76, 79 Bonaparte, Napoléon  32, 35 – 37, 49 – 50, 54, 57, 59, 74, 76 – 79, 83, 85, 87, 89, 118, 125, 238 Neßler, Julius  122 – 123, 128, 130, 134, 136 – 139, 149, 208, 210 – 212, 219, 228 – 229, 274 Nicklès, Napoléon  91, 128, 130, 135, 143, 238 – 240, 243

O Oberlin, Jean-Frédéric  43, 82 Oppen, Achim von  28 Oppermann, Eugène  129, 135, 140, 184, 212, 228 – 230, 232, 245 Orfila i Rotger, Mateu Josep Bonaventura  172 – 173

P Pasquay, Louis II.  149, 208, 210 – 211, 239 Paulmann, Johannes  199, 273 Payen, Anselm  180 – 181, 239 Pelletier, Pierre-Joseph  192 Pelouze, Théophile-Jules  188 Pfeiffer, Johannes  98 Pierre, Isidor  239

Pigeard, Natalie  137 Piton, Frédéric Théodor  124 Popplow, Marcus  85, 95 Price, Roger  260

R Radkau, Joachim  224 Raj, Kapil  23 Raphael, Lutz  166 Rau, Karl-Heinrich  203 – 204, 208, 228 Renesse, Johann Ludwig Graf von  41, 44 Rengger, Johann Rudolf  177 Rey, Charles  161, 166, 192, 255 Reynier, Louis  111 Reynoso, Álvaro  187 – 188, 190 Roberts, Lissa  28 Rolland, Eugène  158, 160 – 161, 174, 178 – 180, 183, 192, 197, 240 – 242, 248 – 254, 257, 261 – 262 Rood, Daniel B.  194, 264

S Sachs, Wilhelm  131 Sagra, Ramón de la  174, 188, 190 – 195 Saint-Hilaire, Isidore Geoffroy  160 Sarrazin, J. M.  74 Saunier, Yves  156 Savoy, Bénédicte  37 Schattenmann, Charles-Henri  122 – 124, 126, 128, 130, 137, 140, 152 – 153, 208, 226, 231 – 232, 237, 240 – 241, 246 – 247, 253, 260, 278 Schloesing, Jean-Jacques Théophile  159 – 160, 164, 176, 179 – 181, 183, 187 – 188, 192, 208, 210, 250, 255, 262 Schneegans, Charles  131 Schoelhammer, Jean-Adam  42, 91 Schwab, Phillip  122, 127, 132, 147, 215 – 216, 221, 222 Schwerz, Johann Nepomuk  38 – 45, 47, 49, 64, 66 – 68, 72, 77, 91, 98 – 99, 110, 112, 114 – 117, 271 – 272 Siméon, Henri  165 Sinsheim, M.  46, 104 – 105

Sachregister Smith, Paul  31, 43 Spary, Emma C.  100, 107, 111 Spielmann, Jacob Reinbold  106 Stapelbroek, Koen  20 Strack-Adler, Astrid  119 Stubbs, Jean  167 Stuber, Martin  14

T Thaer, Albrecht Daniel  44, 112 Thouin, André  52 Truchet, Michel de  80

V

Villeneuve, Jérôme Pétion de  118 Villes, George  239 Vogler, Bernard  129, 235 von Langsdorff, Karl von  123 Voss, Jean  115

W Wahu, Albert  186, 188 Walz, Georg Friedrich  131, 228 Woolf, Stuart  36

Z Zeller, Christian  90, 141 Zimmers, Georg Carl  211

Vauquelin, Nicolas  181 Verneilh-Puyraseau, Jean-Joseph de  75

11.3. Sachregister A

C

Agrikulturchemie  8, 20 – 21, 24, 27, 33, 75, 83 – 86, 105 – 114, 118, 120 – 123, 130, 134 – 138, 142, 144, 149, 165, 173, 176, 179 – 184, 186, 188, 191, 199, 203 – 205, 208 – 211, 219, 225 – 226, 228 – 231, 235, 237, 239, 242 – 243, 248, 250, 258, 267, 274, 279 – 280 Akademie  8, 12, 16, 22, 25, 61, 84, 106, 188, 190 – 191, 240, 243 Akklimatisierung  19, 38, 52, 84, 160, 205, 213, 214, 245, 255, 256 – 259, 263, 276 Ammoniak  108, 183, 229 – 230

Cholera 173

B Baumwolle  20, 36, 76, 199, 209 Betrug  167 – 178, 206, 230 – 231 Boden  15, 47, 53, 64, 74, 101, 110 – 111, 113, 122, 124, 129, 155, 162 – 163, 186, 192, 204, 208, 211, 224, 226 – 227, 237, 239 Botanische Gärten  9, 19, 38 – 39, 41, 43, 52, 56 – 57, 61, 70, 77, 84, 86 – 87, 89, 91, 95, 97, 101 – 102, 143, 146 – 147, 160, 164, 180, 188, 190, 192, 206, 207, 213, 215, 245, 254, 259 Brennbarkeit (Zigarre)  179, 207 – 208

D Degeneration  33, 100 – 103 Demokratie  22, 28, 121, 151, 154 Diaspora  18, 202, 274 Düngemittel  8, 26, 54, 84, 108 – 111, 113, 162, 180 – 181, 183 – 187, 208 – 212, 217, 219, 223 – 233, 239, 241, 246 – 247, 249 – 250, 252, 279, 280 – 281

E École Polytechniue  30, 155, 158, 160, 163 – 166, 176, 181, 187, 190, 197, 229, 236 – 237, 248 – 249, 251, 255, 260 – 261, 277 Ernte  55, 98, 114, 129, 158, 161, 164, 180, 183, 218, 225, 242, 244 Erreger  172 – 173 Exil  150, 189, 276 Experiment  19, 48, 54, 57 – 58, 62 – 63, 68, 70, 76, 84, 93, 95 – 96, 97, 101, 106 – 107, 111, 135, 138 – 139, 147, 159 – 160, 162, 167, 180,

327

328

Register 205, 210, 212 – 213, 218, 254 – 259, 262 – 263, 275, 276 Export  56 – 57, 119, 122, 124 – 126, 131 – 134, 148, 157, 167, 172, 184, 210, 219, 221, 271

F Feind  65, 98 – 99, 140, 149, 218 Feuer  179, 218 – 220, 263 – 264 Flue-curing  218 – 222 Forschungsreise  11, 41 – 42, 44 – 46, 62, 88, 98, 117, 123 – 124, 128, 130, 137, 140, 148 – 149, 174, 177 – 178, 186, 188 – 189, 191 – 193, 197, 210, 221, 241, 276 Freihandel  119, 132 – 134, 177 – 178

G Geizen  53, 129, 140, 242 Gelbfieber 173 Gelehrtenrepublik  12, 65 Gericht (juristisch)  93, 131 Guano  26, 183 – 185, 187, 223, 225, 227 – 233, 279, 281

H Handel  9 – 10, 11, 13, 19, 27, 30, 33, 37, 40, 46, 50, 55 – 58, 61 – 62, 74, 81, 86, 92 – 93, 95, 119 – 134, 138, 147 – 148, 151, 154 – 156, 159, 162, 164 – 178, 184 – 185, 192, 194, 196, 199, 202, 206 – 207, 210, 213, 228, 230, 231, 238 – 239, 247, 270 – 273, 281 Historismus  141 – 142 Hitze  161, 229, 251 Hopfen  35, 70, 231 Humustheorie  110, 281 Hygiene  226, 264

J Jod 191

K Kali  108 – 109, 181, 207 – 211 Kameralismus  21 – 22, 29, 41, 73, 85, 104, 110 Kapitalismus 175 Kautabak  219, 233 Klima  74, 79, 102, 112, 163, 215, 225

Konsul  18, 78, 149 – 151, 159, 173, 176, 195 – 198, 201 – 207, 211 – 212, 216 – 219, 223, 227, 233, 274 Krieg  9, 27, 59, 65, 78, 95, 108, 133 – 134, 174, 185, 268 – 270

L Landwirtschaftsgesellschaft  12, 14, 29, 31 – 32, 42, 45 – 49, 51, 53, 57 – 58, 61, 63, 67 – 68, 70, 72, 84 – 85, 100, 102, 105 – 106, 109, 114, 116, 122, 128, 130, 139, 142, 153, 156, 189 – 190, 213, 228, 232, 235, 239 – 240, 244 – 245, 247, 255 – 256, 259 – 261, 267, 278 Landwirtschaftsverein  30, 70, 72, 86, 89, 91, 105, 124, 135, 139, 142 – 143, 149 – 151, 153, 156, 190, 201, 210, 213, 215, 217, 221, 267, 272 Lithographie  172, 222 Luxus  10, 159, 166 – 168, 173, 182

N Nationalversammlung  79, 147, 235, 242 – 243 Nikotin  87, 130, 160, 181 – 184, 229, 262

O Opium  173, 174, 176

P Patent  202, 204, 212 – 222 Patronage  21, 38, 43 – 46, 64, 249, 260, 266, 271 Pest 173 Pfeifentabak  10, 96, 127, 163, 170, 203, 219, 223 Pflügen  110, 232 Phosphat 209 Plantage  23, 25, 53, 63, 78, 96 – 97, 101, 163, 194 – 195, 221 Policey 264 Pottasche  109, 179 – 182, 186, 207, 211, 233, 279 Preis (wirtschaftlich)  92, 168, 175, 180 – 181, 146 – 147

Sachregister Profession, Professionalisierung  8, 24, 41, 104 – 107, 114, 118, 120, 134 – 136, 207, 210, 213, 250 – 252, 259, 265, 277 Protektionismus  20, 32, 36, 55 – 58, 125 – 126, 133 – 134, 147 – 148, 271

R Rasse, Rassismus  194 – 198, 275 Rauch  54, 93, 95, 97, 99, 101, 104, 127, 156, 163, 169, 173, 176, 178 – 179, 183, 219, 229, 237, 262 Republik  27, 121, 150, 154, 235, 242 Revolution  9 – 10, 12, 20, 25, 33, 37, 40, 43, 46, 50, 60 – 61, 65, 68, 74, 76, 79, 80, 93, 100, 102, 109, 111, 116 – 117, 120 – 121, 146 – 154, 200, 222, 235, 244, 246, 248, 264, 272 Rohtabak  9, 10, 19, 46, 53, 55 – 57, 62, 74, 80, 92, 121 – 129, 131, 146 – 147, 154, 157, 159, 162 – 163, 172, 176 – 177, 181 – 182, 221, 247, 270 – 271

S Saatgut  19, 38, 53, 78, 100 – 103, 146 – 147, 188, 190, 205 – 207, 209, 213 – 214, 254, 256 – 259, 262 Schnupftabak  10, 46, 54, 93, 96 – 97, 99, 101, 104 – 105, 121, 127, 163, 168 – 169, 171, 183 Sicherheit  118, 173, 202, 205, 208, 214, 264, 273 Sklaverei  23, 95, 193 – 198, 238, 275 Sorten (botanisch)  8, 25, 33, 38, 48, 52 – 53, 68, 78, 84 – 93, 95 – 97, 100 – 105, 111, 150, 159 – 160, 162, 202, 207, 212 – 218, 233, 241, 254 – 255, 257, 259, 262 – 263, 276, 279 – 281 Stadt  19, 22, 25, 36, 46, 50, 58 – 59, 72 – 73, 75, 106, 108, 111, 113, 120, 133, 155 – 156, 170 – 173, 176, 184 – 185, 189, 192, 200, 204, 223 – 224 Stalldünger  110 – 111, 113, 125, 232, 246, 279 Statistik  124, 126, 209, 214, 258 Steuer  51, 65, 238 – 239

Stickstoff  108 – 109, 162, 183 – 186, 212, 225, 229, 250, 252, 276, 279 Substitut  9, 20, 26, 36, 55, 57, 76, 79, 107, 157 – 158, 178, 228, 271, 279

T Trocknung  45, 71, 114, 118, 140, 161, 212, 217 – 222, 233, 241, 253, 263 – 264, 280

U Übersetzung  65, 82, 107, 122 – 123, 186 – 187, 195, 207, 209, 211, 240, 244 – 245, 250 Universität  12, 25, 31, 44, 59, 84, 104, 106 – 107, 131, 228

V Verpackung  72, 93 – 94, 133, 150, 171 – 172, 176

W Wein  26, 136, 140, 152, 231, 233, 250 Weltausstellung  156 – 157, 174, 176, 245 Weltmarkt  13, 19, 33, 119, 122, 131 – 134, 154, 156, 158, 163, 167 – 178, 183 – 185, 192, 198 – 199, 206, 210, 219, 221, 231, 268, 278

Z Zigarre  10, 19, 26, 33, 121 – 134, 147 – 148, 154, 156 – 159, 162 – 163, 166 – 179, 181 – 183, 186, 191 – 192, 197, 203, 207 – 208, 212 – 213, 219 – 221, 223, 229, 241, 246, 248, 262 – 263, 271 – 273, 276, 278, 280 – 281 Zigarrendeckblätter  124, 126 – 127, 192, 219 – 221, 241, 246, 263, 271, 280 Zivilisierungsmission 76 Zoll  57, 147 – 148, 169, 171, 177 – 178, 185, 238, 270 Zollverein  147 – 148, 185, 238, 270 Zucker  20, 25 – 26, 35 – 36, 76, 97, 101, 107, 113, 184, 187

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