Wissen – das neue Kapital [1 ed.] 9783896449290, 9783896732316

Wissen ist symbolisches Kapital. Es zu mehren, zielorientiert zu entwickeln und dort zur Verfügung zu stellen, wo es ben

142 37 3MB

German Pages 316 [317] Year 2004

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Wissen – das neue Kapital [1 ed.]
 9783896449290, 9783896732316

Citation preview

MANAGEMENTSCHRIFTEN Fachhochschule Ludwigshafen am Rhein — Hochschule für Wirtschaft

HERAUSGEGEBEN VON BEATE KREMIN-BUCH, FRITZ UNGER HARTMUT WALZ

Wissen – das neue Kapital

Verlag Wissenschaft & Praxis

Wissen – das neue Kapital

Managementschriften Fachhochschule Ludwigshafen am Rhein Hochschule für Wirtschaft

HERAUSGEGEBEN VON BEATE KREMIN-BUCH, FRITZ UNGER HARTMUT WALZ

Band 6

Beate Kremin-Buch, Fritz Unger Hartmut Walz (Hrsg.)

Wissen – das neue Kapital

Verlag Wissenschaft & Praxis

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 3-89673-231-5 © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2004 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094

Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany

Vorwort

Vorwort Wir leben in einer Informationsgesellschaft, diese ist so definiert, daß mehr als 50 % aller Beschäftigten damit zu tun haben, daß sie Informationen schaffen, aufbereiten oder weitergeben. Informationen sind zweckgerichtetes Wissen. Wissen ist also mehr als Information, der Oberbegriff. Das ist kein reines Spiel um Worte. Wir können daraus lernen, daß wir viel mehr Wissen benötigen, um daraus nützliche Informationen zu generieren. Wer sich bei der Suche nach Wissen auf den erkennbaren Aspekt der Nützlichkeit einengen läßt, engt die Möglichkeit ein, Informationen zu besitzen. Wir wissen nicht im voraus, welchen Nutzen Wissen einmal haben kann. Darum ist die Hypothese der Wissensgesellschaft ein wirklicher Fortschritt gegenüber der der Informationsgesellschaft. Der Berufsintegrierende Studiengang (BIS) Betriebswirtschaft an der Fachhochschule Ludwigshafen gibt Berufstätigen die Möglichkeit nicht nur unter Beibehalt, sondern auch unter Nutzung ihrer beruflichen Tätigkeit ein betriebswirtschaftliches Studium zu absolvieren. Unsere Studierenden fragen während des Studiums immer nach Anwendungsmöglichkeiten von Theorie, sie erkennen sehr leicht die Möglichkeiten der Verschmelzung von sog. Theorie und sog. Praxis, einer Unterscheidung, die dem Studiengangsleiter (F.U.) immer mehr als höchst fragwürdig erscheint. Drei Diplomanden haben sich im Rahmen ihrer Diplomarbeit aus unterschiedlicher Perspektive der Wissensgesellschaft gewidmet. Die drei Diplomarbeiten bilden die ersten Kapitel des vorliegenden Bandes der Managementschriften. Thorsten Lack behandelt sehr grundsätzlich Fragen des Wissensmanagement. Die Vision der Wissensgesellschaft besticht durch fortwährende Wissensgenerierung und die Suche nach neuen Problemlösungen. Vernetztes, ganzheitliches und integriertes Denken und Handeln sind das Charakteristikum einer neuen Dienstleistungs- und Wissensunternehmung in Wirtschaft, Gesellschaft, Organisation und Kultur. Die wissensbasierte Unternehmung, deren Kapital die intellektuelle Leistung und deren aktive Formung und Umsetzung von der Theorie in die Praxis darstellt, zeichnet sich durch den Transfer von Wissen und Können hin zu anderen Marktteilnehmern aus, um Hilfestellung bei Problemlösungen zu geben. Grundvoraussetzung hierfür stellt die wissenschaftliche Forschung dar, die eigentliche Produktions- und Entwicklungsstätte der Ressource Wissen. Stephanie Mederer thematisiert das Wissen in Verbindung mit Konfliktmanagement. Konflikte sind in allen Organisationen allgegenwärtig. Unausgesprochen

5

Vorwort geistert in vielen betriebswirtschaftlichen Modellen die Annahme einer zentralen Willensbildungsinstanz herum. Wir müssen vielmehr erkennen, daß Widersprüche in den Zielen der Beteiligten einen Normalfall darstellen. Wie werden aber Meinungsverschiedenheiten konstruktiv ausgehandelt? Eine Antwort auf diese Frage versucht die vorliegende Arbeit zu finden, und darüber hinaus, eine Verbindung zwischen anderen aktuellen Managementansätzen und dem Management von Konflikten herzustellen. Wissen ist eine fundamentale Voraussetzung zur Lösung von Konflikten. Konfliktlösungen setzen das Wissen über die Ziele anderer voraus, über die Folgen möglicher Zielerreichungen und über Möglichkeiten widersprüchliche Ziele zu gemeinsamen Konzepten zu verbinden. Problemlösungen setzen Wissen über Möglichkeiten der Problemlösung voraus. Das ist die Verbindung zwischen Wissensmanagement und Konfliktmanagement. Mireille Lauermann behandelt das zentrale Marketing-Thema der Kundenbindung. Diese wird um so erfolgreicher umzusetzen sein, je mehr Wissen über das Verhalten und die Ziele der vorhandenen und potentiellen Kunden vorliegt. Marketing ohne umfassendes Kundenwissen ist praktisch unmöglich, Kundenbindung schon gar nicht. Thorsten Lack stellt schließlich einen weiteren Beitrag zur Verfügung, das „Content Management“. „Content Management“ als Unternehmensführungsansatz und moderne Ergänzung zum Wissensmanagement bzw. Hilfestellung bei der strategischen Entscheidungsfindung. Wissen muß auch „sortiert“ und „gespeichert“ werden. „Content Management“ will durch Verbesserung in der Verwaltung von Informationen über Kunden, und Unternehmen die marktbezogenen Geschäftsabläufe verbessern. Ziel ist die Steigerung der Kundenzufriedenheit. Das wiederum liefert uns einen Bezug zur Kundenbindung. Die Autoren und Herausgeber der Managementschriften hoffen, mit diesem Band einen Beitrag zur Verbesserung von Wissensmanagement in der Realität des Managements zu liefern und Studierenden die Möglichkeit zu geben ihr eigenes Wissen zu steigern. Im Namen der Herausgeber Ludwigshafen, im Frühjahr 2004

6

Fritz Unger

Inhaltsverzeichnis

Vorwort .....................................................................................................5 Inhaltsverzeichnis......................................................................................7

Thorsten Lack Wissensmanagement…………………………...........................................9 Stephanie Mederer Konflikte und Konfliktmanagement in Unternehmen……...…………..123

Mirela Lauermann Informationsmanagement unter dem Aspekt der Kundenbindung.......................................................................................197 Thorsten Lack Content Management..............................................................................233

7

Thorsten Lack

WISSENSMANAGEMENT

______________________________________________________ 1

Einleitung

2

Ressource, Produktions- und Wettbewerbsfaktor Wissen

3

Das Lebenszyklusmodell des Wissens im Unternehmen

4

Konzept und Ziele von Wissensmanagement

5

Wissensmanagement als normatives und globales Unternehmensführungskonzept

6

Literaturverzeichnis

Thorsten Lack

1

Einleitung

Der unternehmensspezifische Erfolgsfaktor Wissen und dessen kompetente und organisierte Verarbeitung - Wissensmanagement - werden als Schlüssel für den Unternehmenserfolg im 21. Jahrhundert angesehen. Es gilt, rechtzeitig die Zeichen der Zeit zu erkennen und kontinuierlich mit der Implementierung von erfolgsbezogenem Wissen zu beginnen. Wissensmanagement erlangt eine neue und bis vor Jahrzehnten noch nicht erkannte und vorhersehbare Funktion. Wissen ist nicht mehr nur Macht der Human Ressource, sondern bestimmt den Markt und damit entscheidend die Zukunft und Wettbewerbssituation der Organisationen. Die Unternehmen sind voller Erfahrungen, Kenntnisse und Fähigkeiten. In den Köpfen der Mitarbeiter, in Dokumenten, Konzepten und Nachrichten stecken Ideen und Lösungen, die maßgeblich als das intellektuelle Kapital einer Organisation bezeichnet werden können. Aus Erfahrungen werden sogenannte „best practices“, aus Ideen werden Wissensanforderungen der Zukunft und aus Kreativität und Innovation wird Produktivität. Geschäftsprozesse müssen somit der Anforderung gerecht werden, ganzheitlich und integrativ umgesetzt zu werden, kontinuierliche Verbesserungen der Strukturen sind notwendig, um erfolgreich am Markt bestehen zu können. Wissen und dessen Nutzung sowie Umsetzung wird zum erfolgskritischen Wettbewerbsfaktor Nr. 1, der ebenso wie das weitere unternehmensspezifische Kapital aktiv unter Beobachtung des Marktes mitgestaltet werden muß. Dies ist wiederum nur gewährleistet, wenn dabei der Zeitaspekt ausreichend Berücksichtigung findet und das Unternehmen durch Schnelligkeit selbständig Einfluß darauf nimmt. Was zählt ist letztendlich die daraus resultierende Rentabilität, daran und am Markt werden sich alle Teilnehmer messen lassen müssen.

1.1

Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft

1.1.1 Entwicklung von Organisationen zu Wissensunternehmungen Unternehmen befinden sich in einer Entwicklung vom Informationsbeschaffer zum Datenselektierer, um unternehmens- und marktrelevantes Wissen im Zeitalter der Informationsüberlastung herauszufiltern und somit Kunden und Marktteilnehmern ein Höchstmaß an Auswahlmöglichkeiten, Problemlösungskompetenz und Bequemlichkeit in Kommunikation und Beziehung zueinander zu gewähr10

Wissensmanagement leisten. Dies setzt voraus, daß eine Vernetzung im Denken und in der Wissensspeicherung stattfindet, um individuelle und spezifische Bedürfnisse befriedigen zu können. Hierzu ist es notwendig, sich dem Wandel und den vorgegebenen Strukturen anzupassen, diese umzusetzen, schneller als andere zu lernen und Trends vorab zu erkennen. Lernen und Entlernen stellen dabei ebenso einen wiederkehrenden und ständig neu zu überprüfenden Kreislauf dar wie der Zyklus von Anwendung und Ablage von neu erworbenem und altbewährtem Wissen. Die Konzentration auf die Wesentlichkeit von Wissen und Information, aber auch die richtige Auswahl und Handhabung von Daten wurden schon in der frühen Entwicklung des Informationszeitalters und der geschichtlichen Entwicklung des Wissens für Mensch und Arbeit als entscheidende Vorteile gegenüber den Mitstreitern angesehen. „Wo es sich um planende, orientierende oder koordinierende Tätigkeiten handelt, reichen Informationen alleine aber nicht aus; sie müssen zweckorientiert zu Wissen vernetzt werden.“1 Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, daß auch die Ressource Wissen einen langwährenden Entwicklungsprozeß durchlaufen hat, der von der industriellen Revolution bis hin zur Etablierung einer Wissensgesellschaft und Wissenswirtschaft seinen Weg genommen hat. Diese Entwicklung ist somit nicht als grundlegend neu anzusehen. Die Umsetzung von Wissenserlangung und die darauf aufbauende effektive und effiziente Nutzung desselben haben sich allerdings mit den Jahrzehnten der Forschung und Entwicklung zukunftsweisend verändert. Pfiffner/Stadelmann teilen, getreu der oben beschriebenen „Evolution“, Wissen in verschiedene ökonomische Dimensionen ein. „Die .. Ausführungen, die nach den drei Phasen der „industriellen Revolution“, der „Produktivitätsrevolution“ und der „Wissensrevolution“ gegliedert sind, sollen aufzeigen, daß zwar in jeder Epoche der Bezug oder Fokus des ökonomisch relevanten Wissens über Arbeit geändert, das Streben nach diesem Wissen aber immer unverändert eine elementare Funktion eingenommen und zu einer massiven Steigerung der volkswirtschaftlichen Produktivität und des Outputs geführt hat. Diese wichtige Feststellung gestattet es, wesentliche Schlussfolgerungen für die Wissensarbeit zu ziehen und einen Erklärungsansatz für das Defizit des Managementwissen in der Wissensgesellschaft anzubieten.“2 1 2

Sattelberger, T. (1999), S.98 Pfiffner, M./Stadelmann, P. (1999), S.37

11

Thorsten Lack Jede dieser Phasen prägte das entsprechende Zeitalter durch einen speziellen Wissensstand. Erfindungen und Forschungen brachten revolutionäre Erkenntnisse hervor und sind Boten unserer Vergangenheit. Deren kreative Erfinder waren es, die durch kontinuierliche Arbeit an dem bereits wissentlich Erlangten weiterforschten und somit den Grundstein und die Basis für unseren gegenwärtigen Wissensstandard und unsere Erfahrungen gelegt haben. Diese Entwicklung ist von einer zunehmenden Dynamik geprägt und bewirkt, daß die Halbwertzeit der Wissenserlangung, Wissensnutzung und Wissensveralterung weiter abnimmt. Auch Pfiffner/Stadelmann zeigen, daß „die dynamischen Entwicklungen der Informationstechnologie, und damit das dahinter steckende Know-how .. nicht nur die Steuerung, Bedienung und Funktion bestehender Produkte und Dienstleistungen verbessert, sondern auch völlig neue Produkte ermöglicht“3 haben. Diese Art der Weiterentwicklung führt dazu, daß „in allen modernen Volkswirtschaften der Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung, der zum größten Teil nicht manuelle, sondern Kopf- oder Wissensarbeit leistet und dabei mit Wissen im weitesten Sinn umgeht, derart hoch, und dementsprechend der Anteil derjenigen, die manuelle Arbeit leisten, noch nie so tief“4 war wie heute. Hierdurch wird, neben der zunehmenden Steuerung von Maschinen durch den Menschen, klar, daß immer mehr Gewicht auf das Gebiet des Wissens5 gelegt wird. Diese Transformation fordert aber auch ihren Tribut. Neben Umstellungen in Entwicklung, Forschung und Produktion innerhalb der Wissensgesellschaft, die immer häufiger entscheidend zu Neuerungen beigetragen haben, fand dies gleichermaßen seine Auswirkungen auf die Bruttosozialprodukte und Beschäftigungskonzepte der nachindustriellen Länder, da die Gewichtung auf das Gut Wissen weiter zunimmt. Die Veränderungen erfassen die Gesamtwirtschaft und beeinflussen direkt deren leistungsbezogenen Output. Bell legte 1979 fünf Eigenschaften6 fest, die charakteristisch für diese Wissenskonzentration und deren Metamorphose stehen: den Übergang von einer güterproduzierenden zu einer Dienstleistungswirtschaft, den Vorrang einer Klasse professionalisierter und technisch qualifizierter Berufe, die zentrale Stellung des theoretischen Wissens als Quelle von Innovationen und Ausgangspunkt der gesellschaftlich-politischen Programmatik, die Steuerung des technischen Fort3

Pfiffner, M./Stadelmann, P. (1999), S.21 Ebenda, S.22 vgl. Bell, D. (1996), S.179-193, vgl. Machlup, F. (1967), S.8-9 6 vgl. Pfiffner, M/Stadelmann, P. (1999), S. 23 4 5

12

Wissensmanagement schritts und die Bewertung der Technologie und die Schaffung einer neuen intellektuellen Technologie (später als Informationstechnologie bezeichnet) Bleicher sieht hierin in seinen Ausführungen zum „Konzept Integriertes Management“ ähnliche Tendenzen, die sich aber vorwiegend aus der volkswirtschaftlichen Theorie ableiten lassen. Unbestritten ist, daß die Entwicklung „vom primären Wirtschaftssektor der Urproduktion und vom sekundären Sektor der industriellen Produktion fortführt. Die gegenwärtige Entwicklung wird dabei zunehmend vom tertiären Sektor der Dienstleistungen getragen, während sich am Horizont bereits ein quartiärer Sektor der Wissensgesellschaft (Kultur und Kommunikation) abzeichnet ... “7. Es geht in dieser Gesellschaft weniger darum, Güter von ausreichendem Wert zu produzieren, als mehr die Schwerpunkte auf die den Gütern zugrunde liegenden Ideen zu setzen, im speziellen das kreative und innovative Wissen. Das produzierte und am Absatzmarkt angebotene Produkt muß durch Qualität und Anwendbarkeit für den Konsumenten überzeugen, der Grundstein liegt jedoch zuvor in der Erkenntnis über die Bedürfnisse und der Anwendung des ermittelten Wissens darauf. Das Produkt als solches stellt in der Postmoderne und in Zeiten der Wissensgesellschaft nicht mehr die revolutionäre Errungenschaft, sondern nur noch das Ergebnis einer produktiven Kopfarbeit dar. Der große Vorteil, den der quartiäre Sektor innehat, ist die Tatsache, daß über Ressourcen verfügt wird, die nicht der Knappheit unterliegen, sondern - im Gegenteil - mit ihrer Anwendung wachsen und entwickelt werden können. Dieser Aspekt widerspricht sämtlichen volkswirtschaftlichen Grundaussagen8, wie dies Bleicher erläutert: Ideen und technische Erfindungen als Wachstumstreiber haben nicht die Eigenschaft, knapp zu sein, wie dies bei den physischen Aktiven der Fall ist. Sie sind vielmehr reichlich vorhanden, und es kommt lediglich darauf an, sie marktnah zu erschließen. Dabei kommt es zu „Schneeballeffekten“ der Reproduktion, ohne daß dabei zusätzliche Kosten entstehen müssen.

7 8

Bleicher, K. (1999), S. 113-114 Bleicher, K. (1997), S. 1/7

13

Thorsten Lack

Wissen Kapital Arbeit

Agrargesellschaft (bis 19. Jh.)

Industriegesellschaft (bis 19./20. Jh.)

Wissensgesellschaft (Ende 20. Jh.)

Agrarwirtschaft

Industrieproduktion

Dienstleistungen

Mehrwert durch Verarbeitungsdifferenzen

Mehrwert durch Zeit- und Risikodifferenzen

Mehrwert durch Wissensdifferenzen und Wissensbasierung

Arbeitsgewinnung

Kapitalgewinnung

Arbeitsgewinnung

Abbildung 1: Die Entwicklung von Gesellschaften (in Anlehnung an Weber, J., 1998, S.9) Das Gesetz des abnehmenden Grenzzuwachses - die Grundlage der meisten ökonomischen Analysen - ist auf die Welt der „Intangibles“ nicht anwendbar, weil immateriellen Gütern die Knappheitseigenschaft fehlt. Denn hier gilt das Gesetz der zunehmenden Grenzzuwächse. Der Schlüssel zum wirtschaftlichen Wachstum liegt damit beim Übergang in eine Wissensgesellschaft nicht mehr in der Zunahme der Produktion physischer Leistungen, sondern in der Geschwindigkeit der kumulativen Wissensverbrei-tung mit ihrer unbegrenzten Variation und Verfeinerung.

14

Wissensmanagement Die Konzentration auf Wissen und dessen Vielfältigkeit im Vorkommen bestimmen somit ein neues Zeitalter. Traditionelle Vorgehensweisen werden laufend überdacht, mit den Möglichkeiten der Wissensgesellschaft verglichen und neu strukturiert. Die über Jahrhunderte gereifte Überzeugung, daß das Wissen über ein Produkt sowie die richtige Zusammenführung komplexer Problemlösungen zu einem neu definierten Wissensbaustein Grundlagen für neue Lösungsansätze und Entwicklungsmöglichkeiten darstellen, zeichnet unser heutiges Zeitalter aus. Diese Erkenntnis wird gepaart mit dem Paradigma der Dienstleistungsgesellschaft, um durch eine optimale Konstellation beider Systeme eine erfolgversprechende Quintessenz zu erhalten. Auch zukünftig werden der Wandel und der Drang zu einerseits lebenslangem Lernen der Individuen und zum anderen zu einer Lernenden Organisation nicht eingegrenzt werden. Durch ein in jedem Menschen vorhandenes Naturgesetz, dem Drang nach Gedankenfreiheit, manifestiert im Grundgesetz in Form des Rechtes auf freie Meinungsäußerung, wird es in Zukunft auch weiterhin belebbare Kritik, innovative Ideen und Lösungsansätze geben, die die oben aufgeführten Feststellungen von Bleicher bestätigen und auf dem Weg zur Wissensgesellschaft ausweiten und festigen werden. „Allerdings: Viele der neueren Überlegungen zur erfolgreichen strategischen Führung sind noch weitgehend Theorie. Man spricht über die Notwendigkeit von Anpassung, Unternehmensvision und Führungsstärke. Die wirklichen Handlungen im Unternehmen bleiben jedoch viel zu oft hinter diesem Anspruch zurück. Zu stark sind die häufig unterbewußten Vorurteile darüber, was wichtig ist und wie man handeln sollte. Man ist Gefangener seiner früheren Erfolge: Verhaltensweisen und Entscheidungsmuster, die jahrelang goldrichtig waren, können doch nicht plötzlich wertlos sein. Und in der Tat kann es nicht darum gehen, allem Bewährten den Rücken zu kehren und das Heil in neuen Rezepten zu suchen. Die Wirklichkeit ist viel weniger dramatisch. Warum schließlich sollte für Unternehmen nicht gelten, was für den einzelnen in Wirtschaft und Gesellschaft längst unwidersprochen zum kategorischen Imperativ erhoben ist - lebenslanges Lernen? Das heißt, die Einsicht in die Notwendigkeit, erworbene Fähigkeiten und Erfahrungen laufend weiterzuentwickeln und zu nutzen, um aus veränderten Situationen das beste zu machen.“9

9

Raffée, H (1985), S.198

15

Thorsten Lack Daraus resultiert die sich selbst vorantreibende Entwicklung von Organisationen von der industriellen Revolution hin zu Wissensunternehmen in einer modernen Wissensgesellschaft. 1.1.2 Vision und Strategie einer Wissensunternehmung Die Vision der Wissensgesellschaft besticht durch fortwährende Wissensgenerierung und die Suche nach neuen Problemlösungen. Vernetztes, ganzheitliches und integriertes Denken und Handeln sind das Charakteristikum einer neuen Dienstleistungs- und Wissensunternehmung in Wirtschaft, Gesellschaft, Organisation und Kultur. Die wissensbasierte Unternehmung, deren Kapital die intellektuelle Leistung und deren aktive Formung und Umsetzung von der Theorie in die Praxis darstellt, zeichnet sich durch den Transfer von Wissen und Können hin zu anderen Marktteilnehmern aus, um Hilfestellung bei Problemlösungen zu geben. Grundvoraussetzung hierfür stellt die wissenschaftliche Forschung dar, die eigentliche Produktions- und Entwicklungsstätte der Ressource Wissen. „The one feature such firms possess in common, however, is that they are less capitalintensive than firms in the manufacturing industry and more learning-intensive than other service industries.“10 Lange Zeit wurden nicht genügend Anstrengungen unternommen, um bei den Mitarbeitern das Bewußtsein für die Ressource Wissen und die Akzeptanz gegenüber einer Wissensgesellschaft zu verankern. Die Erkenntnis, daß es aber gerade die von vielen Menschen mit einem gemeinsamen Interesse zusammengetragenen Ideen sind, die Organisationen zukünftig Innovationskraft, Kreativität und Problemlösungskompetenz verschaffen, gewinnt sowohl bei der Unternehmensleitung als auch in den verschiedenen Unternehmensbereichen, die die Keimzellen der Ideenfindung darstellen, mehr und mehr an Bedeutung. Der Gedanke, jedes Individuum als wertvollen Teil einer ganzen, wertschöpfenden Wissensunternehmung zu sehen, hat revolutionäre und visionäre Ansätze. Die Strategien der Umsetzung, die sich aus dieser Konzentration auf den Menschen und seine intellektuelle Arbeitskraft ergeben, haben richtungsweisenden Charakter für Lernende Organisationen, die am Markt bestehen und die Zukunft für das Unternehmen schon frühzeitig positiv prägen wollen.

10

Nurmi, R. (1998), S. 26-31

16

Wissensmanagement „Die grundlegende Kapitalressource, die fundamentale Investition, aber auch das Kostenzentrum einer entwickelten Wirtschaft ist der Geistesarbeiter, der arbeitsmäßig das einsetzt, was er in systematischer Schulung gelernt hat, d.h. Konzepte, Ideen und Theorien, und nicht der Mann, der arbeitsmäßig manuelles Können oder Muskelkraft einsetzt.“11 Auffallend ist der Aspekt, daß es vielen Unternehmen leichter fällt, in den Markt einzusteigen, wenn die Vision, Wissen im Unternehmen zu verbreiten, von allen akzeptiert und über ausgefeilte Strategieansätze umgesetzt wird. Das notwendige Kapital, das weniger durch laufende Investitionen oder Kostenstrukturen bewertbar ist, bringen die Menschen in die Organisation ein. Ein zusätzlicher, strategischer Vorteil besteht vor allem in dem Fehlen von Globalisierungsschranken oder Verständigungsschwierigkeiten. Kulturelle Differenzen stellen zwar ein Hemmnis, aber zugleich auch eine grenzüberschreitende Chance dar. Die Internationalisierung des Faktors Wissen und die flexiblen Möglichkeiten zur Übertragung von Know How kreieren eine weltweite Kommunikationsbasis, die eine Verbreitung ohne hohen finanziellen Aufwand oder ökologische Belastungen bedeutet. Diese Verfahrensweise stellt einen erheblichen strategischen Wettbewerbsvorteil gegenüber der „Old Economy“ dar, gegenüber Unternehmen, die nach altbewährter Vorgehensweise die Beschaffung ihrer wertschöpfenden Produktionsgüter über zeit- und kostenintensive, aber auch umweltbelastende Wege vollziehen. Neben diesen Vorteilen ergeben sich zusätzlich viele neue Chancen in der Wissenswelt, die bislang weder erschlossen noch genutzt wurden. Nurmi führt dies auf die traditionellen Organisationsformen zurück, die eine Nutzung der sich mit dem vorhandenen Wissen verbindenden Möglichkeiten erschweren oder verbieten und dadurch visionäre Denkansätze behindern: „But it is still true that much useful knowledge remains unused because of organizational blocks, and because of an inability to sell it to potential customers.“12 Schnelligkeit, Kreativität und Innovationen spielen somit die entscheidende Rolle. Dabei ist weniger an das Wissen an sich, als vielmehr an Wissen als mögliches Aktivum - als Potentialfaktor - der Geschäftstätigkeit zu denken: „Knowledge is enhanced when it is applied, and fades away if it is not used. When a company sells a physical good to a customer, the good is moved from the supplier to the buyer. But when a firm sells 11 12

Drucker , P. F. (1974), S. 65 Nurmi, R. (1998), S. 26

17

Thorsten Lack know-how, the know-how remains the property of both partners even after the transaction. In fact, the know-how of both has increased. In selling knowledge, both the supplier and the buyer learn.“13

Abbildung 2: Drei Triebkräfte steigern die Bedeutung der Ressource Wissen (in Anlehnung an North, K., 1999, S.15) Dieser Aspekt macht deutlich, daß sich die Denkweisen der Unternehmen in einem neuen Jahrtausend auf andere Einflußfaktoren richten müssen. Es ist nicht mehr ausreichend, die annähernde Gewißheit zu besitzen, über das notwendige Know-how in Betrieb und über das Umfeld zu verfügen, um daraus Wettbewerbsvorteile in Marktvorsprünge zu realisieren. Entscheidend wird sein, inwieweit Organisationen bereit sind, Wissensentwicklung zu fördern, Wissen auch über den Markt zu generieren, Kooperationen einzugehen sowie einen integrierten, vernetzten und weitsichtigen Denkansatz im Unternehmen und über dessen 13

Nurmi, R. (1998), S. 26-31, Bleicher (1997), S. 117

18

Wissensmanagement Grenzen hinaus zu allen beteiligten Partnern zu entwickeln, zu pflegen und schrittweise auszubauen. Vision und Strategie der Wissensunternehmung finden sodann ebenfalls ihren Ansatz in der Wertschöpfungskette, nämlich über die Akzeptanz aller, die am Unternehmenserfolg nachhaltig interessiert sein sollten.

1.2

Grenzen menschlichen Wissens nach Malik

Menschliches Wissen ist eine der wichtigsten, zum Überleben notwendigen Triebfedern des Menschen. Über Jahre der Anpassungsprozesse hinweg versuchen sowohl Tiere als auch Individuen, sich durch Wissensgewinnung und Wandlung, nach sorgfältiger Erkenntnis über Fortschritt und Entwicklungsmöglichkeiten, in der Evolutionstheorie einen Schritt weiterzubewegen. Durch die Zunahme an wissensfähigen und wissensgestaltenden Erkenntnissen und die aktive Gestaltung und Anwendung von Wissen hat der Mensch über Jahrhunderte erkannt, daß diese ausbaufähige Ressource förderungswürdig ist und jedem einzelnen einen qualitativ höheren Lebens- und Wissensstandard bieten kann. Diese Freiheit der Wissensgewinnung und Wissensgenerierung hat jedoch ihre Grenzen, die Malik eindrucksvoll aufzudecken versucht. „Die wichtigste These ... besteht in der Behauptung, dass wir nur in den seltensten Fällen über ein ausreichendes Mass an Wissen oder Information verfügen, um eine im konstruktivistischen Sinne rationale Entscheidung zu treffen, oder um in diesem Sinne ein Problem rational lösen zu können. Diese Auffassung führt zu einer gewissen Bescheidenheit mit Bezug auf die Leistungsfähigkeit der Vernunft, die nicht mehr als ein Instrument mit unbegrenzten Möglichkeiten angesehen wird. Unser Wissen und unsere Vernunft sind unvermeidbaren Begrenzungen unterworfen.“14 Das bringt die Erkenntnis, daß Wissen, unabhängig davon auf welches Geschöpf es übertragen wird, Grenzen unterliegt, die nicht mehr faßbar sind. Diese Grenzen reichen so weit, daß Innovationen, die Triebfedern der Wissensentwicklung, somit grundsätzlich zukunftsweisend ausgerichtet sind und niemals mit endgültiger Sicherheit eine Aussage über deren Gelingen oder Scheitern getroffen werden kann. „Insbe-

14

Malik, F. (2000), S.309

19

Thorsten Lack sondere haben wir nie ausreichend Informationen zur Verfügung, um Prognosen machen zu können.“15 Setzen wir den von Malik verwendeten Begriff der „Planung“ mit einer Entscheidungsfindung unter Berücksichtigung von generiertem Wissens gleich, so wird im folgenden nochmals die Begrenzung von Wissen in der Vergangenheit und in der Zukunft deutlich. Wissen und die daraus entstehenden Entscheidungen und Auswirkungen unterliegen keiner sicheren Vorhersagefähigkeit. „Der systematische Ansatz geht davon aus, dass Planung im Grunde nicht eine gedankliche Antizipation zukünftiger Zustände ist, sondern entweder darauf ausgerichtet ist, in der Gegenwart Entscheidungen zu treffen mit größtmöglicher Berücksichtigung ihrer zukunftsdeterminierenden, gewissermassen präjudizierenden Wirkungen, oder zukunftsdeterminierende Wirkungen von Vergangenheitsentscheidungen herauszufinden oder, und hier wird das Hauptgewicht liegen müssen, die laufende Anpassung der Unternehmung an die sich ständig ändernden Umstände vorzunehmen.“16 Wissen führt somit zu einem Zustand, der gegenwärtig den Wissensträger zwar aufgrund seines Bewußtseins befriedigt, ihm aber hinsichtlich seiner zukünftigen Entscheidungsfindung nur eine qualitativ höhere Informationsgrundlage bietet. Allein durch das Vorhandensein werden Entscheidungen nicht besser oder richtiger. Erst durch die Anwendung von Wissen, Erfahrungen und das Zusammentragen von komplexen Problemstellungen und Informationen kann Wissen dafür sorgen, entsprechende Entscheidungsszenarien von Anfang an auszuschließen, einzugrenzen oder intensiver weiterzuverfolgen. Malik zeigt dies, indem er behauptet, „dass der Umstand der faktischen Begrenztheit unseres Wissens zwar zu einem Verzicht auf Detailerklärungen und Detailprognosen zwingt, dass aber gleichzeitig durch die Schaffung spontaner Ordnungen unter Verwendung von allgemeinen Regeln, sowie, äquivalent dazu, durch die Verwendung von Prinziperklärungen und Prinzipprognosen eine erstaunliche Verstärkung der Möglichkeiten gegeben ist, den Ablauf von Geschehnissen zu beeinflussen.“17 Wissen und dessen Begrenzung läßt sich demzufolge nicht detailliert erläutern, liefert aber eine allgemeine Grundlage zur gezielten Einflußnahme auf die Entscheidungsfindung zur Überwindung der natürlichen Grenzen.

15 16 17

Malik, F. (2000), S.64 Ebenda, S.65 Ebenda, S.310

20

Wissensmanagement Weiter unterscheidet Malik bei der Wissensbegrenzung den Schwierigkeitsgrad der Sachverhalte und Problemlösungen. „Die Begrenzungen unseres Wissens beziehen sich .. auf die spezifischen Details einer Erklärung komplexer Sachverhalte.“18 Da die in den Unternehmungen vorkommenden Problemstellungen meistens komplexer Art sind und deren optimale, sich vom Wettbewerb abhebende Lösungen auf einer eher abstrakten Ebene analysiert und diskutiert werden müssen, trifft diese Aussage auf die tägliche Umsetzung menschlichen Wissens und dessen Grenzen durchaus zu. Malik benennt dies als die „unüberwindbare Limitierung menschlichen Wissens“19. Die Konsequenz, die sich daraus für das menschliche Verhalten und die Unternehmensführung ergibt, ist eindeutig. Wissen ist notwendig, um ein Höchstmaß an Information und Erfahrung zur Anwendung zu besitzen. Die Zunahme von Wissen sichert vor allem bei komplexeren Aufgabenstellungen, daß durch das vorhandene Potential verschiedene Alternativen und Lösungsansätze gefunden werden können. Trotzdem wird sich der Mensch darüber bewußt werden müssen, daß Wissen eine zukunftsgerichtete und bedarfsorientierte Momentaufnahme ist, deren Anwendung Hilfestellungen in der strategischen Entscheidungsfindung sichert. Allerdings kann Wissen niemals das Gelingen oder die Wahrhaftigkeit der Problemlösung garantieren. Eine aus Wissen entstandene Theorie ist nur so lange haltbar, bis sie widerlegt wird. Wissen muß im allgemeinen und im Detail kritisch hinterfragt und überprüft, aber auch ständig neu erarbeitet werden. Erst nach dieser Erkenntnis kann man mit Sicherheit sagen, daß die aus der zuvor beschriebenen Theorie erlangte Lösungsvariante nicht die einzig wahre Alternative war und daß es notwendig ist, aufgrund der neuen Gegebenheiten einen weiteren Lösungsansatz zu suchen. Dazu bedient man sich der Erfahrungen aus den ge-scheiterten Lösungen, wodurch die zukünftige Alternativenauswahl auf einer nun höheren Wissensebene angesiedelt wird. Doch auch diese qualitativ höherwertige Wissensebene unterliegt der von Malik beschriebenen natürlichen Begrenzung, bis zur Widerlegung weiterer Hypothesen20. Dies fördert schrittweise die Wissensqualität und die daraus ableitbare Entscheidungsfähigkeit.

18 19 20

Malik, F. (2000), S.207 Ebenda, S.198 Vgl. Popper, K. (1998), S.217-218, S.44-123

21

Thorsten Lack

2

Ressource, Produktions- und Wettbewerbsfaktor Wissen

Wissen spielt im Unternehmertum eine entscheidende Rolle und prägt das Verständnis einer Organisation gegenüber Mitarbeitern, Kunden (Stakeholdern), Shareholdern und den Marktteilnehmern. Wofür steht die Ressource Wissen aber letztendlich in einem Unternehmen? Was ist so wertvoll an den Verfahrensweisen, Ideen, dem Gedankengut, Routineausführungen und innovativen Experimenten von Arbeitnehmern, die sich im Dienste ihres Arbeitgebers mit situationsbedingten Konflikten und Problemen, auch über die Arbeitszeit hinaus im Privatleben, auseinandersetzen und ohne die das System bei Verlust dieser Wissensvorräte und -vorhaltung als Organisation in seinen Grundpfeilern erschüttert werden würde? Es sind genau diese Wissensvorsprünge, die Unternehmen dazu verhelfen, erfolgreich und schnell am Markt zu agieren und zu reagieren. Wissen ist einzigartig, schafft Werte für Kunden und Organisation, ist schwierig zu substituieren und zu imitieren21. Wissen stellt somit einerseits einen bedeutenden und strategischen Wettbewerbsfaktor dar, zum anderen ist diese unsichtbare Ressource aber über eine jahrelange Entwicklung der Organisationen gereift bis hin zu einer offen geführten Wissensgesellschaft, in der Wissen im Unternehmen zum „vierten Produktionsfaktor“22 geworden. Diese Faktoren, sei es im Wettbewerb oder als Produktionsfaktoren, müssen aktiv durch das Management bearbeitet werden. Sie ändern interne und externe Abläufe und verändern Strukturen. „Die Betrachtung einer Organisation ... be-deutet dann, daß Wissen in jedem Fall eine betriebswirtschaftlich relevante Kategorie ist und ebenso „bewirtschaftet“, also gemanagt werden muß, wie dies für die „klassischen“ Produktionsfaktoren Kapital, Rohstoffe und Arbeit heute selbstverständlich ist.“23 Hierzu ist es entscheidend, eine Institution einzurich-ten, die sich ausschließlich mit der Erschließung der Ressource Wissen sowie dessen Vorteilen als Produktions- und Wettbewerbsfaktor beschäftigt. Diese Aufgabe eine ist Führungs- und Managementaufgabe. 21 22 23

Vgl. Aebi, R. (2000), S.88 Stewart, T. A. (1998) Schüppel, J. (1996), S.43

22

Wissensmanagement Um am Markt bestehen zu können, Vorteile auszuschöpfen und Know-how zur richtigen Zeit, am richtigen Ort in der richtigen Konstellation und Qualität einzusetzen24, bedarf es einer intensiven Auseinandersetzung mit den zukünftigen Chancen und Risiken einer solchen Ressourcenaufdeckung und -pflege. Die Abgrenzung von Wissensmanagement zu anderen Unternehmensführungskonzepten und Strategieansätzen wird erst bei näherer Betrachtung einleuchten und klar verständlich. Es steht nicht der komplette Umbruch im Vordergrund, sondern auf der Grundlage von Vertrauen, Offenheit, Kritikfähigkeit, Fehlertoleranz und Akzeptanz wird Wissenoffenlegung und -erschließung in Organisationen erst über Jahre hinweg praktikabel. Wissen managen verlangt somit nicht das radikale Redesign von altbewährten Strukturen, sondern versucht neben einer sukzessiven, schrittweisen und schnittstellenkonformen Integration und Implementierung sowie der Gewinnung der Akzeptanz und Aktivität der eigenen Mitarbeiter auch die Unterscheidung zu den Wettbewerber zu erreichen. Darin liegen der Konflikt und die Chance dieser Ressource in diesem Unternehmensführungskonzept, bei Bestehen die sich daraus bietenden erfolgskritischen Möglichkeiten und Wettbewerbsvorteile zu nutzen. Neben der Andersartigkeit in der Systemumsetzung dieses Konzeptes, nämlich einer möglichst basisnahen Wissensbewirtschaftung, wird versucht, Innovationen in bekannte Strukturen einzusetzen, die als augenblicklich optimal und beständig angesehen werden. Doch der Erfolgsfaktor Zeit treibt die Entwicklungsgeschwindigkeit der Märkte unaufhaltsam voran. Somit stellt die dauerhafte Unterscheidung zwischen dem eigenen Unternehmen und den Mitbewerbern - und der damit verbundenen Identifizierung der Mitarbeiter mit demselben - die Erschließung und Besetzung neugeschaffener Märkte auf der Grundlage innovativer Ideen, Konzepte und der daraus entstehenden Produkte dar. Wissen wird als postmoderner Produktionsfaktor zur dauerhaft positiven Beeinflussung der Unternehmensgeschäfte akzeptiert. Diese Gedankenansätze werden weder im Business Reengineering noch im Total Quality Management berücksichtigt. Wissensmanagement stellt bei dem zukunftsträchtigsten Produktions- und Erfolgsfaktor Human Ressource nicht nur die Arbeitsleistung und Arbeitskraft in den Vordergrund der Betrachtung, sondern die individuelle, nicht ersetzbare Ideenkraft, das implizite Wissen jedes einzelnen, gewonnen aus internen und externen Entwicklungsprozessen und Erfahrungen. Wissen wird zu einer Art Skill, die es benötigt, gepflegt und gefördert zu werden, das heißt im Zuge von Change 24

Vgl. Bullinger, H. J. (1999), S. 83-84

23

Thorsten Lack Management in Unternehmen, hervorgerufen durch Weiterentwicklungs- und Wandlungstendenzen, gehen Organisationen immer häufiger dazu über, auch Skill Management zu betreiben, auf allen Ebenen und bei allen Beteiligten. Der zur Verfügung stehende Produktionsfaktor Wissen wird somit eher selten von außen eingekauft, sondern befindet sich bereits mit all seinen Vorzügen im Unternehmen, mehr oder minder offengelegt und gefördert. Skill Management birgt zudem die Notwendigkeit, sodann verschiedene Arten des Wissens zu erkennen, zu unterscheiden und für die Anwendbarkeit und Wichtigkeit im Unternehmen richtig einzuschätzen. Denn nur der richtige Einsatz von erkannten Stärken und Vorteilen läßt sich im Wettbewerb erfolgsversprechend einsetzen. „Wissen kommt als Ressource eine Reihe von Charakteristika zu, die klassische Produktionsfaktoren nicht aufweisen: •

Wissen ist eine unerschöpfliche Ressource.



Der Verbrauch von Wissen vernichtet nicht ihre Inhalte.



Wissen verträgt gleichzeitig viele Konsumenten.



Der Wissenswert verändert sich durch Anwendung nicht.



Der Einsatzwert von Wissen vergrößert sich durch seine Anwendung.



Durch Wissensnutzung wird wenig Energie verbraucht.



Die Anwendung von Wissen schadet der Umwelt nicht.

Die Fähigkeit des Menschen stellt die einzige Einschränkung von Wissensmanagement dar.“25 In der Entwicklung der Ressourcen, geprägt durch Erfahrungen, kann bei ständiger Überprüfung und Drang nach kontinuierlicher Verbesserung in kleinen Schritten eine Modifizierung des Wissens erlangt werden. Dies führt zu einer qualitativ höherwertigen Wissensebene. Konkurrenzanalysen und Wettbewerbsbeobachtungen sind auf dem Wissensmarkt unumgänglich und sorgen für einen gesunden Kampf um die jeweils besseren Ideen, Problemlösungen oder Alternativen.

25

Pawlowsky, P. (1998), S.148

24

Wissensmanagement Durch die sich andauernd verkürzende Halbwertszeit der Wissenserlangung besteht die Notwendigkeit, ständig aktuell informiert zu sein, die Transformation von Wissen in Produkte oder Dienstleistungen voranzutreiben und damit schneller zu agieren als die Mitbewerber. Es kommt vor allem darauf an, die Ressource Wissen und den gleichnamigen Produktionsfaktor im Unternehmen an den entscheidenden Schnittstellen ausfindig zu machen. Dabei gilt es zu gewährleisten, daß unabhängig davon, ob Wissen intern gefördert oder von extern erworben wird, die dem Wissen zugrunde liegende qualitative Ideenauswahl und –umsetzung einen hohen Stellenwert bezüglich Verfügbarkeit, Einzigartigkeit und Einsatzmöglichkeit am Markt beigemessen bekommt.

2.1

Grundlagen des Wissens

Um Wissen und dessen Verarbeitung sowie Nutzung zu verstehen, bedarf es einer klaren Definition von Wissen. Auch ist es wichtig für die Unternehmensführung, in der Praxis zu eruieren, welche verschiedenen Wissensbestandteile in der eigenen Unternehmung vorkommen, wie weit diese ausbaufähig und nutzbar sind bzw. wo versteckte Mängel erkennbar auftreten. Das Wissen über Wissen, die richtige Einschätzung über die Existenz und das Vorkommen von Know-how, die Beurteilung brach liegender Ressourcen, die Transformation von wichtigen Informationen und Daten in strukturspezifisches und unternehmens- sowie wettbewerbsrelevantes Wissen sind Bestandteile der folgenden Ausführungen. Diese können entscheidende Vorteile bei der Analyse der eigenen Wissensstrukturen und der der Konkurrenz liefern. 2.1.1 Abgrenzung von Daten, Informationen und Wissen Um eine eindeutige Begriffsbestimmung zu gewährleisten, müssen Daten, Informationen und Wissen untereinander abgegrenzt und in einen Kontext gebracht werden. In der täglichen Praxis und Unternehmensführung wird oftmals auf eine klare Trennung verzichtet, wobei dies zu mißverständlicher Handhabung und Umgangsweise mit diesem Themengebiet führen kann, sobald innerhalb des Unternehmens eine weisungsgebundene Strategie des Wissens gelebt werden soll, aber Mitarbeiter und das Unternehmen mitgestaltende Wirkungsfaktoren wie Zulieferer, Produzenten oder - allgemein gesprochen - Stakeholder die Wertigkeit und Instrumentalität des Begriffs Wissen nicht einordnen können. Die Erkenntnis, daß Wissen aus Daten und Informationen resultiert und erst durch die Transformation von objektiven Informationen, gepaart mit subjektiven Emp25

Thorsten Lack findungen und Handlungen, zu neuen Wissensbestandteilen wird, ist eine Grundvoraussetzung für das Verständnis, wie Wissen gewonnen und weiterentwickelt wird. Erfahrungen und die Bereitschaft zur Anwendung und Neugestaltung verschiedener Erkenntnisse zu kreativen und innovativen Konzepten, die sich aus den vorgenannten, zuvor nicht in Zusammenhang zu bringenden Informationen vereinigen, bilden nach ihrer Zusammenführung den Wettbewerbsfaktor Wissen. „Aus Daten werden Informationen, wenn sie in einen Problembezug eingeordnet und für die Erreichung eines Zieles verwendet werden. Informationen sind somit Kenntnisse über Sachverhalte, die ein Handelnder benötigt, um eine Entscheidung darüber zu fällen, wie er ein Ziel am günstigsten erreichen kann.“26 „Wissen bezeichnet die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen. Dies umfaßt sowohl theoretische Erkenntnisse als auch praktische Alltagsregeln und Handlungsanweisungen. Wissen stützt sich auf Daten und Informationen, ist im Gegensatz zu diesen jedoch immer an Personen gebunden. Es wird von Individuen konstruiert und repräsentiert deren Erwartungen über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge.“27 Es ist damit unbedingt notwendig, zu verstehen, daß die vielen Daten und Informationen aufeinander aufbauen und ihre Auswahl darüber entscheidet, welche Qualität Wissen im Unternehmen hat und wie diese nach außen präsentiert und angeboten wird. 2.1.2 Unsicherheit von Informationen Um die Zusammenhänge zwischen Informationen und Wissen verstehen zu können, ist es erforderlich, sich über die Grundstrukturen von Informationen Gedanken zu machen. Informationen dienen dem Wissensaufbau und sind Basis für die Entscheidungsfindung. Führt der Anwender sich nun aber vor Augen, daß alle Informationen hypothetischer Natur sind und erst durch ihre Widerlegung eindeutig der Beweis angetreten wurde, daß diese Informationen nicht zielgerichtet waren, bleibt trotz allem die Erkenntnis, daß durch die Anwendung ein hoher Informationswert und spezifisches Wissen vermittelt werden konnten. Die auf Informationen beruhende Entscheidung ist also immer auch eine Entscheidung unter Unsicherheit28. Die Masse der heutzutage dargebotenen Informationen läßt den Rückschluß zu, daß es immer schwieriger wird, die richtigen Informationen zu selektieren und für 26 27 28

Schreyögg, G./Conrad, P. (1996), S.4 Probst, G. (1999)., S.46 Vgl. Eisenführ, F./Weber, M. (1999), S.1-23, S.130

26

Wissensmanagement eine operative oder strategische Entscheidung von Wichtigkeit heranzuziehen. Die Konsequenz daraus ist das Bemühen der Menschen, möglichst viele Unwägbarkeiten und Unsicherheitsfaktoren auszuschließen, um der angestrebten Zielfunktion in der Entscheidungsfindung näherzukommen. Risiken sollen dadurch minimiert werden. Zudem kann die Unsicherheit von Informationen sodann auf Entscheidungs- und auf zwischenmenschlicher Ebene zu Konfliktpotentialen führen. Diese zu lösen ist Aufgabe des Konfliktmanagements, wobei Instrumente des Wissensmanagements dabei behilflich sein können. Die Konfliktsituationen können einerseits dazu beitragen, Entscheidungen zu diskutieren und damit sicherer zu machen, andererseits aber auch den Ausschluß von unbrauchbaren und hinderlichen Informationen frühzeitig herbeiführen. Diese Form der Konfliktbewältigung trägt dazu bei, Wissen über Informationsselektion, -verwendung und -anwendung in Form von Lernprozessen zu katalogisieren, zu systematisieren und zu aktualisieren. Unter Zuhilfenahme von unterschiedlichen Verfahren wird versucht, Einfluß auf die Unvollständigkeit von Informationen zu nehmen. „Entscheidungsunterstützung durch formale Verfahren muß die Unschärfe der Informationen in Betracht ziehen, indem sie einerseits die Konsistenz der Aussagen überprüft und andererseits notfalls mit unvollständigen Informationen auszukommen versucht.“29 Als Entscheidungsgrundlage dienen somit Informationen, die der Unsicherheit unterliegen und so lange unsicher bleiben, bis die damit aufgebaute Hypothese mit Sicherheit widerlegt werden konnte. Solange sind die Entscheidungsträger auf der Suche nach besseren Alternativen, unter Berücksichtigung von halbwegs weniger unsicheren Informationen. Die zuvor getroffene Entscheidung bleibt bis zu diesem Zeitpunkt als richtige Wahl unter den vorgegebenen Bedingungen bestehen. „Damit kann eine .. [Anm. d. Verf.: Entscheidung] auch nicht richtig oder falsch sein, sondern sie kann letztlich nur die Risikobereitschaft eines Entscheidungsträgers richtig oder falsch widerspiegeln, d.h. für diesen geeignet sein oder nicht.“30 Aufkommende Konflikte helfen, die Entscheidungsvorbereitung und die Informationssuche transparenter zu gestalten. Konfliktsituationen zeigen auf dem Weg zur Entscheidung die Unsicherheit von Informationen und ermöglichen dadurch gesteuerte Handlungsalternativen.

29 30

Eisenführ, F. (1999), S.1 Thommen, J.-P. (2000), S.693

27

Thorsten Lack 2.1.3 Wissensarten Das Verständnis über unterschiedliche Wissensarten, speziell über deren Vorkommen und gegenseitige Abgrenzungen, ist notwendig, um die verschiedenen Wissensstrukturen und deren unterschiedliche Auswirkungen für Anwender und auf die Organisation zu begreifen. Wissen läßt sich aus den Grundstrukturen heraus in implizites, stilles (tacit knowlege, embodied knowledge) und in explizites (disembodied knowledge) Wissen aufspalten. Implizites Wissen ist versteckt in den Köpfen der Mitarbeiter, nicht offengelegt und nur subjektiv nutzbar. Implizites Wissen trägt zwar einen großen Teil zum Unternehmenserfolg bei, der Lerneffekt im Sinne einer Lernenden Organisation auf kollektiver Wissensbasis bleibt allerdings unberücksichtigt. Wissensvermehrung und -fortentwicklung werden durch mangelnde Offenlegung und fehlende Nutzungsmöglichkeit für alle Mitglieder verhindert. Dieser Umstand wird oftmals durch Machtbegierden einzelner („Wissen ist Macht“) und Spartenegoismus gefördert, wo es doch besser wäre, im Sinne einer Win-Win-Strategie unter Berücksichtigung des Teamgedankens diese Lernbarrieren abzubauen. „Subjektive Einsichten und Intuition sind implizites Wissen, es ist tief in den Handlungen und Erfahrungen von Individuen verankert, ebenso wie in den Idealen, Werten oder Gefühlen. Implizites Wissen läßt sich in die Dimensionen technisch und kognitiv segmentieren. Erstere umfaßt die informalen und schwer dokumentierbaren Fähigkeiten und Fertigkeiten, umschrieben mit dem Begriff „Know-how“. Letztere setzt sich aus Schemata, mentalen Modellen, Überzeugungen und Wahrnehmungen, die wir für selbstverständlich halten, zusammen. Die kognitive Dimension spiegelt unsere Vorstellung von der Wirklichkeit ... und unsere Vision der Zukunft ... wider.“31 Explizites Wissen hingegen liegt offen. Es bedarf der richtigen Speicherung in Dokumenten, der richtigen Nutzung und des entscheidungsrelevanten Einsatzes. Dokumentation mittels elektronischer Datenverarbeitung und Verbreitung von unternehmensrelevanten Informationen und Daten über Intranet erleichtern sowohl spezielle Suchfunktionen zur Auffindung von Informationen als auch die Bereitstellung von Wissen. Dementsprechend muß es für die Organisation entscheidend sein, vorhandenes, erkanntes, implizites Wissen zu dokumentieren, das heißt es explizit zu machen und somit der gesamten Organisation zur Verfügung zu stellen. Weiterhin sollte die Unternehmensleitung mit oberster Priorität noch nicht offengelegtes und unerschlossenes, implizites Wissen suchen, erschließen 31

Schreyögg (1995), S.8

28

Wissensmanagement und fördern. Parallel dazu wird der Prozeß der Implementierung und der Verbreitung auf kollektiver Basis forciert, was enorme Überzeugungs- und Motivationsarbeit erfordert. Daneben existiert weiterhin die Unterscheidung in privates und kollektives, öffentliches Wissen. Implizites Wissen ist das in mehreren Köpfen vorhande, kollektive Wissen. Explizites Wissen, welches nur von einer Person aufrufbar ist und für andere verschlossen oder verschlüsselt bleibt, ist hingegen privates Wissen. Gleichzeitig stellt implizites Wissen, das in Form von Spezialistenwissen von einer Person zurückbehalten wird und somit nicht einsetzbar ist, ebenfalls privates Wissen dar. Explizites, bereits erschlossenes und weiter zu differenzierendes Wissen bildet wiederum die kollektive Wissensbasis. „Von einer Kollektivierung von Wissen wird gesprochen, wenn ursprünglich nur wenigen Individuen zugängliches Wissen durch Maßnahmen mehreren zugänglich gemacht wird.“32 Ausschlaggebend sind somit die Zugänglichkeit und Erschließung der verschiedenen Wissensbasen. „Der Teil der .. Wissensbasis, dessen Zugänglichkeit den an den organisatorischen Entscheidungsprozessen Beteiligten bekannt ist, gehört zum bewußten Wissen ... .“33 Es weiterhin zwischen Objektwissen und Metawissen unterschieden, wobei Metawissen Wissen über ein bestimmtes, mit einem Objekt in Verbindung zu bringendes Wissen darstellt und somit auf einer höherwertigen Wissensebene zu finden ist. Diese höherwertige Wissensebene zeichnet sich durch eine ausgereifte Kollektivität des Wissens aus. Dies resultiert aus den gemeinsamen Zugriffsmöglichkeiten aller Nutzer, was in konkreten strategischen oder operativen Entscheidungssituationen gezielt eingesetzt werden kann. Unzugängliches, nicht auf dieser Objekt- bzw. Metawissensebene wiederzufindendes Wissen wird auch als latentes Wissen bezeichnet. Polanyi, der 1962 an der Yale University erstmals einen Vortrag über implizites Wissen hielt und auf die Besonderheiten von Transfer zwischen tacit knowledge und explizitem Wissen verwies, stellt eindeutig die Konsequenzen der Wissenschaft auf der Suche und Interpretation nach implizitem Wissen heraus. „Wir nähern uns hier einer entscheidenden Frage: Erklärtes Ziel der modernen Wissenschaft [Anm. d. Verf.: Unternehmensführung] ist es, ein unabhängiges und streng objektives Wissen zu erstellen. Jedes Zurückbleiben hinter diesem Ideal 32 33

Schreyögg, G./Conrad, P. (1995), S.8 Ebenda, S.7

29

Thorsten Lack wird allenfalls als vorübergehende und zu beseitigende Unzulänglichkeit geduldet. Angenommen jedoch, implizite Gedanken bildeten einen unentbehrlichen Bestandteil allen Wissens, so würde das Ideal der Beseitigung aller persönlichen Elemente des Wissens de facto auf die Zerstörung allen Wissens hinauslaufen. Das Ideal exakter Wissenschaft erwiese sich dann als grundsätzlich in die Irre führend und möglicherweise als Ursprung verheerender Trugschlüsse. Ich meine zeigen zu können, daß der Prozeß der Formalisierung allen Wissens im Sinne einer Ausschließung jeglicher Elemente impliziten Wissens sich selbst zerstört.“34

Latente Wissensbasis Aktuelle Wissensbasis

Von allen geteiltes Wissen (A) explizites Wissen kollektiv

Der Organisation zugängliches individuelles Wissen (B)

privat

Der Organisation nicht zugängliches individuelles Wissen (C) implizites Wissen Wissen der Umwelt, über das ein Metawissen in der Organisation vorhanden ist (D) Sonstiges kosmisches Wissen (E)

Abbildung 3: Ein Schichtenmodell der organisatorischen Wissensbasis (in Anlehnung an Schreyögg, G., 1996, S.8)

34

Polanyi, M. (1966), S.27

30

Wissensmanagement Dies zeigt, daß objektives Wissen, auch auf Metawissensebene, das Unternehmensziel zum erfolgreichen Agieren am Markt sein sollte, aber aufgrund der ausschlaggebenden persönlichen Erfahrungen, Ideen und Konzeptionen der Beteiligten nicht umsetzbar ist. Versucht die Unternehmensführung streng nach moderner wissenschaftlicher Theorie vorzugehen und somit die Suche nach einer „objektiven Wahrheit“, die nicht existiert, zu forcieren und dadurch den wichtigsten Faktor einer Unternehmung, die subjektiven Elemente, auszuschalten, so wird sie sich von selbst zerstören. Das lebende System der Organisation kann nur durch die subjektiven, lebenden und wandelbaren Elemente seiner Begründer und Organe existieren und demnach einer Selbstaufgabe entgegenstehen. Die Differenzierung der zuvor aufgeführten Wissensarten bildet die Grundlage für Lernprozesse und Entwicklungsmöglichkeiten von Unternehmungen auf Basis subjektiver Einflüsse. „Die Unterscheidung in implizites und explizites Wissen unterstreicht die Sichtweise von Organisationen als lebende Systeme und nicht nur als informationsverarbeitende Gebilde. Ist erst einmal die wichtige Rolle, die implizites Wissen in einer Organisation spielt, identifiziert, wird Innovation nicht nur als Zusammenbringen von Daten und Informationen begriffen, sondern auch als individueller Prozeß persönlicher und organisatorischer Selbsterneuerung.“35

2.2

Balance zwischen explizitem und implizitem Wissen

Die richtige Balance zwischen implizitem Wissen und explizitem Wissen zu finden stellt für viele Organisationen eine Gradwanderung bei der Identifizierung und Einbindung von Wissen in die Unternehmensstrukturen dar. Oftmals werden die Prioritäten nur auf das Auffinden und Sichtbarmachen von bislang in den Köpfen der Mitarbeiter befindlichem Wissen gesetzt. Daß dies jedoch durch Dokumentation in Datenbanken ungeahnte Kosten und Aufwendungen auslöst, die ein Unternehmen in den wirtschaftlichen Ruin treiben können, wird dabei oft nur ungenügend berücksichtigt. Somit stellt sich in der Praxis die Frage, welches Wissen dokumentiert werden soll, um zu gewährleisten, daß zu gegebener Zeit dieses unternehmensrelevante oder wettbewerbsentscheidende Wissen zur richtigen Zeit am richtigen Ort in ausreichender Aufbereitung und Qualität vorherrscht.

35

Schreyögg, G./Conrad, P. (2001), S.9

31

Thorsten Lack Die Verwaltung von Informationen reicht nicht aus, um strategisch wichtige Ziele in gewinnbringende Ergebnisse und bewährte Arbeitsmethoden umzusetzen. Diese Ausrichtung ist in ihrer grundlegenden Idee nicht neu. Schütt weist darauf hin, „daß dieser Ansatz schon im BPR [Anm. d. Verf.: Business Process Reengineering] verfolgt wurde: den Prozess sauber definieren, das zugehörige Wissen dokumentieren, in einer Datenbank ablegen und damit allen zur Verfügung zu stellen ... .Das Geschäftswissen ist viel zu dynamisch und komplex, um vollständig in Datenbanken abgelegt werden zu können.“36 Es geht darum, Wissensaustauschstrukturen klar und eindeutig zu definieren, um somit speziell die Informationen zu selektieren und jederzeit greifbar abzulegen, die der Organisation im Wettbewerb Vorteile und Schnelligkeit garantieren. Trotzdem bleibt es eine Herausforderung für jede Unternehmensführung, das sogenannte tacit knowledge, das Wissen in den Köpfen der Mitarbeiter, zu erschließen. Da man sich dies nicht über Suchmaschinen oder andere Informationsverarbeitungssysteme zu eigen machen kann, entwickeln Organisationen „yellow pages“, auch Wissenslandkarten genannt. Sicherlich ist die höchst sinnvolle Trennung der beiden Wissenszustände, wie von Polanyi eingeführt, notwendig, um theoretische Konstrukte über Wissen jeder Art und deren Management zu erläutern, in der Praxis zeigen sich allerdings zunehmend Probleme in der eindeutigen Dif-ferenzierung einzelner Tatbestände. Die verschiedenen Wissensbasen können nur als Einheit und deren Management als ganzheitlicher, in die anderen Unternehmensfunktionen integrierter Ansatz verstanden werden, ohne sich von seiten der Unternehmensleitung auf einen Erklärungs- und Anwendungsbereich schon von Anfang an festzulegen. Die zuvor angesprochene Problematik, daß sich Wissen, ob implizit oder explizit, in bestimmten Situationen unterschiedlich äußert, darf nicht durch festgelegte Paradigmen oder Annahmen der Führung bestätigt werden. Um situationsbedingt richtig zu handeln und konkrete Einschätzungen vornehmen zu können, trotzdem aber auch im Wissensmanagement immer auf der Suche nach der „besseren Alternative“ zu sein, hat Snowden, Europa-Direktor des Instituts für Knowledge Management, Polanyis Erklärungssansatz weiterentwickelt, um sowohl die Unterschiede in der Verständlichkeit von explizitem und implitzitem Wissen als auch in deren fließendem Übergang genauer zu beleuchten. Daraus entstand das HANSE37 Modell, welches sich in fünf Komponenten aufglie36 37

Schütt, P (2000), S.29-32 vgl. ebenda, S. 30

32

Wissensmanagement dert, um dadurch die Praxiserfahrung von Bewertung und Optimierung von Wissensflüssen im Unternehmen besser zu verstehen. Wissen läßt sich leichter aufdecken, handhaben und kategorisieren, wenn nach diesem Modell vorgegangen wird (im Englischen „ASHEN“). Daraus ergeben sich die aufgeführten Wissensbestandteile: Heuristiken Artefakte Natürliche Begabung Skills Erfahrungen

(H) (A) (N) (S) (E)

Heuristiken Heuristiken können als dokumentierte Verfahrensweisen darstellt und interpretiert werden, andererseits aber auch schon lange Jahre im Unternehmen eingebunden sein, ohne daß jemals die Notwendigkeit bestanden hätte, diese niederzuschreiben. Somit können sie sowohl explizites als auch implizites Wissen darstellen. Es sind leicht merkbare Regeln, die dazu beitragen, die Komplexität einer Organisation besser zu verstehen und daraus leichter und schneller strategische Entscheidungen zu treffen. Wissen wird somit bei Erfahrungsaustausch verbreitet. Artefakte Artefakte stellen explizite Wissensbausteine dar, die allerdings nicht immer in Datenbanken festgehalten sein müssen. Ungewöhnliche Informationen, die z.B. aufgrund der Sorgfältigkeit einzelner Mitarbeiter in einem persönlichen Jahreskalender festgehalten wurden und für das Unternehmen und den Mitarbeiter bei turnusmäßig wiederkehrenden Arbeiten von unschätzbarem Wert sind, können unter Umständen aufgrund der individuellen Vertraulichkeit der Daten allerdings nicht in Datenbanken übernommen werden. Die Überführung in eine Wissensdatenbank gefährdet wegen mangelnder Pflege und Vertraulichkeit oftmals den Bestand und muß behutsam eingeführt und überarbeitet sein. Natürliche Begabung Natürliche Begabung besitzt jedes Individuum, allerdings ist diese nicht für alle Situationen gleich stark ausgeprägt. Begabung stellt implizites Wissen dar, das nicht vermittelt und erlernt werden kann. Auch kommt es darauf an, in den entscheidenden Situationen über diese dann geforderten, natürlichen Begabungen informiert zu sein, sie zu entfalten und entsprechend einzusetzen. Das Streben der Organisation, dieses implizite Wissen ausfindig zu machen, hat obersten Stellen-

33

Thorsten Lack wert. Die Abhängigkeit der Organisationen von diesen individuell unterschiedlich ausgeprägten Begabungen muß aufgeweicht und das Wissen darüber, welche Personen über welche Eigenschaften verfügen, verbreitet werden. Skills Übersetzt bedeutet Skills Fähigkeiten. Sie stellen zunächst implizites, stilles Wissen dar, lassen sich aber leicht dokumentieren, da Fähigkeiten meistens im Unternehmen durch die tägliche Arbeit offengelegt werden. Bei den Fähigkeiten sind die zwei entscheidenden Faktoren Zeit und Qualität. Oftmals hilft es Unternehmen, intensive Schulungen der Mitarbeiter vorzunehmen, um deren Fähigkeiten zu stärken, damit die Qualität zu steigern und den Zeitfaktor der eigentlichen Arbeitsausführung zu verringern. Ein häufig gemachter Fehler von Organisationen besteht darin, allein auf Inhalte und Effektivität von Wissensdatenbanken zu vertrauen, ohne die darin hinterlegten Fähigkeiten und Erfahrungen zu hinterfragen und den Anwendern näherzubringen. Erfahrungen Erfahrung stellt einen Wissensfaktor dar, der unabhängig davon, ob es sich um Wissen von Einzelpersonen oder um Gruppenerfahrung handelt, implizit ist, sich aber ebenso gut dokumentieren läßt. Gerade wegen der Komplexität mancher Projekte und der daraus gewonnenen Erfahrungsstrukturen ist es notwendig, vor der Dokumentation einen Blick auf die Wiederverwendungswahrscheinlichkeit dieses Erfahrungswissens zu werfen. Auch hier gilt, daß der Aufwand der Dokumentation sich nur durch entsprechende Nutzung und gewinnsteigernden Einsatz der niedergeschriebenen Ressource Wissen rechtfertigen läßt. Ein Problem im gegenwärtigen Zeitalter der Fusionen und Übernahmen stellt die Abwerbung von ganzen Abteilungen oder Mitarbeitergruppen dar. Damit gehen implizites, wahrscheinlich nicht veröffentlichtes Wissen und Erfahrung verloren. Dieser Verlust stellt für ein Unternehmen eine große Gefahr, eine fast unüberwindbare Hürde bei Implementierung von Wissensmanagement dar. Für das Individuum hingegen kristallisiert sich unveröffentlichtes Wissen als wertvolle Ressource heraus, die sich bei Verhandlungen auf dem Arbeitsmarkt vorteilhaft auszahlen kann. Aus diesen fünf Wissensbestandteilen, aufgespalten in explizite und implizite Elemente, kann der Praxiseinsatz des HANSE Modells abgeleitet werden. Entscheidungen sind die Grundlage jeglichen strategischen Handelns. Sie werden geprägt durch das zuvor erworbene, richtig interpretierte und anschließend optimal zur Situation passende eingesetzte Wissen. Dieses Wissen läßt sich weder messen noch abfragen, sondern es unterliegt zu Beginn nur der Beobachtung. Somit wird erst nach der Umsetzung einer Entscheidung in die Praxis deutlich, ob

34

Wissensmanagement das entscheidende und strategisch richtige Wissen angewendet wurde. Hieraus resultiert die Forderung, frühzeitig zu erkennen, welches Wissen benötigt wird und welche Wissensbausteine in noch nicht ausreichender Form vorhanden sind. Dazu bedient sich die Unternehmensführung der zuvor erläuterten Wissensbestandteile des HANSE-Modells. Dies kann über den externen Zukauf von Wissensartefakte, über Skillaufbau und Schulungen begünstigt werden. Prozesse werden vorwiegend unter dem Aspekt des Wissens zu optimieren versucht. Prozeßoptimierung durch den Einsatz von Wissensmanagement soll zu schnelleren und besseren Entscheidungen führen. Das System stellt sich dann in Theorie und Praxis annähernd ganzheitlich dar, wenn die Errungenschaften in Form von Wissen und Erfahrung aus einem Projekt auch anderen, diesem Projekt fernen Prozessteilnehmern zur Verfügung gestellt werden. Das hieraus entstehende Wissensnetzwerk läßt funktions- und abteilungsübergreifende Anwendung und Nutzung zu. Somit wird zwar eine für alle Bereiche im Unternehmen bereitgestellte Dokumentation gewährleistet, diese ist aber nicht nur spezifisch für bestimmte Anwendungen, sondern versucht dem Anspruch der segmentübergreifenden Transformation gerecht zu werden. Schwachstellen können gezielt behoben werden. Die Optimierung des täglichen Wissensflusses bzw. Wissenstransfers im Unternehmen zwischen den einzelnen Individuen und Bereichen stellt somit die gewünschte, ausgeglichene Balance zwischen stillem und explizitem Wissen dar.

2.3

Lernen und Entlernen als Voraussetzung für permanenten Wandel

Die zuvor beschriebene Balance zwischen den beiden Wissensarten ist eine Grundlage für die Lernende Organisation und die Umsetzung und Implementierung von Wissensmanagement in einer Unternehmung. Daneben ist der Prozeß von ständig andauerndem Lernen und Entlernen nahezu gleichbedeutend und mitentscheidend. Die Mitglieder der Organisation realisieren täglich, welches Wissen sie zur Umsetzung der geschäftspolitischen Strategien und Visionen benötigen, aber auch welche Wissensbestandteile veraltet sind, erneuert werden müssen und somit neuen Recherchen und aktualisierenden Speicherungsprozessen unterliegen. Der fortwährende Kreislauf der Überprüfung von Wissensbestandteilen und Wissensressourcen, mit der Absicht auf Erneuerung und Komprimierung auf essen35

Thorsten Lack tielle Elemente, die im täglichen Einsatz zur Problemlösung beitragen, wird in regelmäßigen Abständen durchgeführt. Daneben trägt auch die individuelle Wissenserneuerung diesem Lernkreislauf Rechnung, was sich in den Köpfen und der Artikulation der Anwender widerspiegelt. Grundvoraussetzung dafür ist allerdings die Gestaltung der Organisation selbst. Die Organisation gibt die Rahmenbedingungen vor, die es jedem einzelnen erlauben, sich individuell und im Team wissentlich zu reproduzieren. Eine Organisation im Sinne einer Lernenden Organisation, die den Wandel vorantreibt, ist in ihren Grundstrukturen differenziert konzipiert. Im traditionellen Bewußtsein sind Organisationen, die aus Handlungen keinen Lern- oder Erfahrungseffekt erzielen und somit weder Wandel noch Veränderung herbeiführen, in ihren Strukturen „enttäuschungsresistent progammiert.“38 Das bedeutet, daß bei nicht erfüllten Erwartungen (Enttäuschungen) keine automatische Veränderung der gegenwärtigen Strukturen, genau genommen kein Lernverhalten einsetzt. „Nach einer völlig anderen Grundlogik funktioniert organisatorisches Lernen. Lernen ... als selbstreferentielle Restrukturierung der organisatorischen Wissensbasis und der immanenten Handlungstheorien. Dabei ist entscheidend, daß sich die Restrukturierung unvoreingenommen - in potentiell jede Richtung - vollziehen kann, d.h. das System ist prinzipiell bereit, im Enttäuschungsfall bisherige Kognitionen zu revidieren und neue Erwartungen (selbstreferentiell) zu bilden. Mit anderen Worten, organisatorisches Lernen bedingt eine umgekehrte Modalisierung von Erwartungen; für organisatorisches Lernen ist kennzeichnend, daß Erwartungen gegenüber möglichen Enttäuschungen jederzeit änderungsbereit programmiert werden.“39 Daneben muß trotz vorhandener Strukturänderungen und Verhaltensabsichten die Umwelt ständig beobachtet und die Installation von Frühwarnsystemen beschleunigt werden. Dadurch wird der Lernmechanismus in Gang gesetzt. Kontinuität im Wandel und fortlaufende Veränderung der Wissensbasis innerhalb einer Lernenden Organisation sind notwendig, um neue Verbindungsperspektiven zwischen Schnittstellen im Unternehmen zu entwickeln und Widersprüche zu vermeiden. Stabilität wird ergänzt durch revolutionäre Lernprozesse. Wachsamkeit, Revision und Entwicklung der Wissensbasis sind nach Steinmann /Schreyögg wesentliche Faktoren, die in bezug auf die Lernbereitschaft einer Unternehmung erlebt und 38 39

Steinmann, H./Schreyögg, G. (2000), S. 475 Ebenda, S.475

36

Wissensmanagement gelebt werden müssen, die aber auch die eigene Existenz des Systems in einer komplexen Umwelt garantieren. Auf dem heutigen Wissensstand ausharren führt ohne Weiterentwicklung von Know-how zum unternehmerischen Kollaps und zu Rückschritten in der Wettbewerbsposition. Das Unternehmen entscheidet ganz bewußt, ob und welche Lernprozesse zum Einsatz kommen, um Stillstand zu vermeiden und Wandel zu forcieren. „Organisationales Lernen als eine Grundoperation in Organisationen impliziert auch den Fall des intendierten Nichtlernens, d.h. die Entscheidung, in bestimmten Situationen nicht zu lernen und sich nicht zu verändern (Stabilisierung). Ein lernendes System muß ... lernen, mit den Vorteilen des Nichtlernens umgehen zu können“40, um dadurch frühzeitig Entwicklungen und Tendenzen folgerichtig einschätzen zu können. Wissensbewahrung und Wissenserschließung beinhalten somit generell auch die Steuerung des Managements, welche Wissensbestandteile gegenwärtig und zukünftig Verwendung finden, und - daraus abgeleitet - welche Lernprozesse. Diese Entscheidungsfunktion muß allerdings in Händen der verantwortlichen Mitarbeiter liegen, die täglich damit umgehen sollen. Das Bewußtsein für effektives Lernen und Entlernen kann jedoch nur die Unternehmensleitung im Sinne aller proklamieren und schüren. „Wissensbewahrung ist eine kontinuierliche Aufgabe, die auch eine fortwährende Aktualisierung einschließt. Wer seine Fähigkeiten nicht trainiert oder gewisse Prozesse nicht am Laufen hält, der verlernt über kurz oder lang das mühevoll Erlernte. Zusätzlich ist es notwendig, sich ganz bewußt von nicht mehr benötigtem Wissen zu trennen.“41 Der so einsetzende Wandel, bedingt durch bewußtes Lernen und Entlernen von Prozessen und Verfahrensweisen, trägt seinen Teil zur Unternehmensentwicklung und Existenzsicherung bei. Im Konzept der Lernenden Organisation stellt zusätzlich der Teil der Wissensidentifikation auf verschiedenen Ebenen, wie z.B. Neuentdeckung und Selektion von Wissen, einen wichtigen Hauptaspekt dar.

40 41

Steinmann, H.; Schreyögg, G. (2000), S.476 Frauenhofer Institut Arbeitswirtschaft und Organisation in Zusammenarbeit mit Deutsche Bank AG (1999), S.40

37

Thorsten Lack

3

Das Lebenszyklusmodell des Wissens im Unternehmen

Ein weiterer Aspekt, der bis in die Unternehmensführung hineinreicht und hinlänglich schon im Marketing bekannt ist, betrifft den Produktlebenszyklus. Dieser Lebenszyklus läßt sich auch auf die Ressource Wissen als Produktionsfaktor und Wettbewerbsfaktor ausweiten. Die Bewirtschaftung von Wissen umfaßt ebenso verschiedene Lebensphasen wie die von physisch faßbaren Produkten.

Abbildung 4: Lebenszyklusmodell des Managements der Ressource Wissen (in Anlehnung an Schreyögg, G., 1996, S.20) 38

Wissensmanagement Schreyögg/Conrad beschreiben in ihren Ausführungen zum Wissensmanagement die einzelnen zu durchlaufenden Phasen. Entscheidend bei der Interpretation des Lebenszyklus der Ressource Wissen ist die Tatsache, daß eine Deckung der für ein Mangelempfinden aus Sicht des Wissennutzers verantwortlichen Lücke zwischen Wissensangebot und Wissensnachfrage forciert wird. Der Kreislauf der Wissenserweiterung als Hilfestellung zur Lösung eines Problems führt zu einer qualitativ höheren Wissensbasis, da das vorhandene Know-how um weitere Wissenselemente angereichert wird. Voraussetzung für eine solche Problemanalyse ist zu Beginn die Erhebung des notwendigen Wissensbedarfs, der langfristig über die verschiedenen Phasen des Lebenszyklus abzudecken ist, bis die unter Umständen auch nur annähernde Schließung der Lücke zwischen Angebot und Nachfrage erreicht wird.

Abbildung 5: Wissenslebenszyklus (in Anlehnung an Herbst, D., 2000, S.13) „Wissen ist ein sich selbst produzierendes und selbst aufrechterhaltendes Netzwerk ... von Strukturen, in die neue Wissenselemente einzubinden sind. Diese Strukturen müssen durch unaufhörliches Wissen kontinuierlich auf den neuesten Stand gebracht werden. Das Entstehen von Wissen hat demnach mit Selbstorganisation zu tun, weshalb selbstorganisierende Organisationsformen für die lernende Organisation förderlich ist. Bei sich selbst produzierenden und selbst aufrechterhaltenden Systemen wird auch von autopoietischen Systemen gesprochen ... Unternehmen stellen sich als autopoietische Systeme dar, in denen jede getroffene Entscheidung auf andere Entscheidungen und damit selbstreferentiell auf

39

Thorsten Lack sich selbst verweist ... . Da Wissen die Entscheidungsgrundlage bildet und Wissen sich ebenfalls auf anderes Wissen bezieht, ist auch das Lebenszyklusmodell des Managements der Ressource Wissen ein selbstreferentielles System.“42 Der Wissenslebenszyklus gleicht im Ablauf den Phasen des Produktlebenszyklus: von der Forschung und Entwicklung über die Reife- und Marktphase bis hin zur Marktsättigung und Entsorgung (Entlernen).

3.1

Ebenen/Bausteine des Wissens

Wissen setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen und kann im Zuge eines konsequenten Managements auch nur als Gesamtkonzept einschließlich dessen Zusammenhänge betrachtet werden. „Das Bausteinmodell des Wissensmanagements fasst zentrale Prozesse des Wissens aus strategischer und operativer Perspektive zusammen.“43 Daneben ist zusätzlich die normative Wissensebene zu betrachten und für jede Organisation separat zu interpretieren. Wissen erfüllt auf jeder Ebene unterschiedliche Funktionen, die integriert und verzahnt aufeinander abgestimmt werden müssen, um für rationale Entscheidungen auf Unternehmensebene zu dienen. Aus diesem Grund kann auch Wissen in eine normative, strategische und operative Ebene untergliedert werden. Wissensmanagement greift auf diese Bausteine zurück und versucht, auf jeder Wissensebene Einflußfaktoren und Zusammenhänge zu erkennen und im Sinne der Unternehmung zu steuern.

3.2

Normative Wissensebene

Unter dem Aspekt der normativen Wissensebene eines Unternehmens wird das Gesamtsystem betrachtet. Alle auf die Unternehmung einwirkenden Wissenselemente und beeinflussenden Faktoren werden einbezogen. Dementsprechend sind die Veränderungsbereitschaft und Korrelation zwischen Lernprozessen und Unternehmenskultur, Wissensaustausch- und Kommunikationskultur wichtig, um Rückschlüsse aus der vergangenheitsbezogenen Entwicklung auf die zukünftige 42 43

Schreyögg, G./Conrad, P (1996), S.24 Gabler Wirtschaftslexikon (2000), S-Z, S.3543-46, S.3545

40

Wissensmanagement Etablierung einer normativen Wissensebene im Unternehmen zu ziehen. Eine klare Ausrichtung auf allen Ebenen, der normativen, strategischen und operativen Ebene, bildet dabei die Festlegung von Wissenszielen.

Wissensziele

Wissensidentifikation

Feedback

Wissensziele

Wissensbewahrung

Wissensnutzung

Wissenserwerb

Wissensentwicklung

Wissens(ver)teilung

Abbildung 6: Bausteine des Wissensmanagement (in Anlehnung an Gehle, M., 2001, S.35) „Normative Wissensziele bilden die aus wissensorientierter Perspektive relevanten unternehmenspolitischen und kulturellen „Leitplanken“ des Managements. Im normativen Bereich werden die Grundlagen für die generelle Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit Wissensaspekten geschaffen. Grundlegende Voraussetzung für ein an Wissenszielen orientiertes Management ist die Grundeinstellung, daß Wissen eine zentrale Größe für den Unternehmenserfolg darstellt.“44 Ansatzpunkt dafür ist die Bereitschaft aller Managementebenen zu entsprechendem Einsatz im Sinne der wissensbasierenden Unternehmung mit dem Ziel, eine wissensbewußte Unternehmenskultur aufzubauen und zu festigen. Gleichzeitig entsteht durch die Festlegung von normativen Wissenszielen auch die Fähigkeit, 44

Probst, G. (2001)., S.72

41

Thorsten Lack wissensorientierte Ziele im strategischen und operativen Bereich zu entwickeln. Wissensgestaltung und -ausrichtung entstehen auf diesen Führungsebenen und sind vordergründige Führungsaufgaben. Die Pflege und aktive Gestaltung der Unternehmenskultur dürfen bei der Diskussion um die Festlegung der normativen Wissensziele nicht hinten anstehen, sondern müssen direkt in das Vorhaben und die tägliche Umsetzung integriert werden. Entscheidend ist somit ein offenes Ohr für eine klare Kommunikationspolitik und „eine Kultur des Vertrauens und der Fehlertoleranz.“45 Kommunikation und Vertrauen stehen in Wechselwirkung. Sie bedingen und ergänzen sich gegenseitig.46 3.2.1 Wissenskultur und Unternehmenskommunikation Wissenskultur und Unternehmenskultur sind eng miteinander verbunden. Nur zufriedene und gut informierte Mitarbeiter erbringen die Leistungen, die ein erfolgreiches Unternehmen von ihnen im Wettbewerb erwartet. „Letzten Endes kann man alle wirtschaftlichen Vorgänge auf drei Worte reduzieren: Menschen, Produkte und Profite. Die Menschen stehen dabei immer an erster Stelle. Wenn man kein gutes Team hat, kann man mit den beiden anderen nicht viel anfangen. ... Erkennen Mitarbeiter, daß sie in eine Loose-Situation [Anm. d. Verf.: WinLoose-Strategie] versetzt werden, sinkt ihre Motivation und Leistungsfähigkeit, was mittelfristig wirtschaftliche Schäden für das Unternehmen zur Folge hat.“47 Wichtiger Bestandteil der Wissenskultur stellt die Informations- und Kommunikationspolitik48 dar, aber auch Kritikfähigkeit und Fehlertoleranz. Unternemensethik, als Bestandteil von Unternehmensführung und Unternehmenskultur, „ist die humanistische Verantwortung den Mitarbeitern gegenüber sowie die uneingeschränkte Verpflichtung, in der Unternehmensführung danach zu handeln. Unternehmensethik ist auf sittlichen und tugendhaften Grundsätzen aufgebaut und begreift eine menschliche, respektvolle und förderliche Mitarbeiterführung sowie ein gutes Betriebsklima als wesentliche Einflussfaktoren für den gesamtunternehmerischen Erfolg. Schließlich sind es die Menschen, die neue Produkte entwickeln, sie herstellen, vermarkten und verkaufen. Daher sollten sie im Mittelpunkt der Unternehmensführung stehen.“49

45

Probst, G. (2001), S.74 Vgl. Picot, A./Reichwald, R./Wigand, R. T. (2001), S.123 47 Olesch, G. (2000), S.6-8 48 Vgl. Bullinger, H.-J. (1991), S.467-469 49 Ebenda, S.7 46

42

Wissensmanagement Das Verständnis darüber, daß durch zufriedene und gut informierte Mitarbeiter Wissensprozesse in einer Organisation und unter den Beteiligten reibungsloser, effizienter und effektiver ablaufen, scheint nicht neu. „So ist die Definition relevanter Wissensbereiche häufig ein wesentlicher Träger der Unternehmenskultur. ... Weniger relevante Wissensbereiche werden ... von einer intensiveren Wissens(ver)teilung ausgeschlossen.“50 Dieser Umstand spiegelt die Realität unserer Unternehmen wider. Die Kluft zwischen Wunsch-Soll-Zustand und erreichtem Ist-Zustand in bezug auf die Unternehmenskultur und die daraus entspringende Wissenskultur ist noch immer zu groß. Dadurch scheitert die Umsetzung einzelner Schritte, die letztendlich Voraussetzung für Implementierung und Etablierung von Wissensmanagement sind. Der Anspruch, den Organisationen an das eigene Unternehmen, deren Mitarbeiter und deren gelebte Kultur stellen, und die praktizierte Realität sind gegenwärtig zwei separate Welten. Mit der Einführung von Wissensmanagement und der daraus zu entwickelnden Wissenskultur, die zur Stärkung und Prägung der unternehmenseigenen Kultur beitragen soll, wird versucht, diese Lücke zu schließen. Der Weg dahin ist richtig, die Umsetzung allerdings noch immer zu behäbig, da Wissen „unterschiedlich stark politisiert und als machtsichernde Ressource eingesetzt“51 wird. Zu beachten sind auch die kulturellen Unterschiede einzelner Organisationen in einem Konzern, da durch Traditionen und länderspezifische Besonderheiten einer Unternehmung unterschiedliche Kommunikationsformen gepflegt, verstanden und akzeptiert werden. Auch daraus entstehen nicht selten Konflikte, die in bezug auf eine gemeinsame Wissens- bzw. Unternehmenskultur und -kommunikation in Einklang zu bringen sind. 3.2.2 Lernprozesse Lernprozesse sind die Vorboten der Wissensgenerierung und -verarbeitung. Durch sie ist das Organisationsmitglied in der Lage, Vorgänge in das Unternehmensgeschehen einzuordnen oder für sich und seine Zwecke innerhalb der gesteckten Unternehmensgrenzen nutzbar zu machen. Lernprozesse ermöglichen, neben der Interpretation von zuvor Unbekanntem, auch die Fähigkeit zur Unterscheidung zwischen ineffizienten und verwertbaren Abläufen zugunsten eines Aufgabenbereiches. Lernprozesse können sich in unterschiedlichen Arten widerspiegeln. Neben individuellen Lernprozessen, die vorwiegend auf die Ausbildung von Instinkten und Reifeprozessen des menschlichen Wesens ausgerichtet sind, 50 51

Probst, G. (2001), S.258 Ebenda, S.358

43

Thorsten Lack existieren noch weitere Lerntheorien mit unterschiedlicher Ausprägung, die dem Verständnis der Wissenserschließung und Wissensreife dienen: •

die behavioristische Lerntheorie



die kognitive Lerntheorie



die soziale Lerntheorie

Während sich die behavioristische Lerntheorie mit dem Stimulus-ResponseAnsatz und der klassischen Konditionierung beschäftigt, die sich durch den Zusammenhang aus beobachtbarer Verhaltensänderung von einzelnen Individuen und externen Bedingungen auszeichnet, interpretiert die soziale Lerntheorie vor allem die Ergebnisse aus dem Zusammenwirken von Lernprozessen mehrerer Individuen, vorwiegend das Imitationslernen oder das Lernen am Modell. Für die Wissensschaffung ist dagegen die kognitive Lerntheorie von besonderer Bedeutung. Individuelles Lernen spielt sich zu einem großen Teil im menschlichen Gehirn ab. Dieser Lernprozeß läßt sich je nach Gedächtnisstruktur in unterschiedliche Abläufe kategorisieren. Im Rahmen des Langzeit-, Kurzzeit- und Ultrakurzzeitgedächtnisses gibt es unterschiedliche Speicherformen und -dauern von Gedächtnisinhalten. Weiterhin spielt die Differenzierung nach Lernen, Entlernen, Vergessen und Nicht-Erinnern, die sich grundlegend durch den Zugriff auf abgelegte Wissensinhalte unterscheiden, eine zentrale Rolle im Verständnis der Lernprozesses eines Menschen. Individuen legen sich bei der kognitiven Lerntheorie sogenannte „cognitive maps“ an, womit die Orientierung und Auffindung von gespeicherten Wissensinhalten erleichtert wird. Über diese Vorgehensweise ist ein Wissensträger in der Lage, durch das Abspulen eines theoretischen Ablaufes sein Vorwissen zu einer bestimmten Situation in Zusammenhang zu der präsentierten Umwelt zu bringen und daraus Schlußfolgerungen zu ziehen. Aus diesen Schlußfolgerungen lassen sich entweder das Scheitern einer zusätzlichen Wissensspeicherung und die Aufnahme dieser Informationen zur Wissensverarbeitung in das menschliche Gehirn ableiten, oder es werden konkrete Lösungsmöglichkeiten für ein vorgegebenes Problem, durch Transformation von bereits bekannten Problemfällen, auf die aktuell herrschende Gegebenheit erarbeitet. Dadurch wird dem Wissensarbeiter ermöglicht, Erkenntnisse mit bereits vorhandenen Wissenszusammenhängen zu verknüpfen und daraufhin neues Wissen zu 44

Wissensmanagement erstellen. Die „cognitive maps“ werden durch diese Form der Lernprozesse sukzessive überarbeitet und aktualisiert.52 Das Individuum entscheidet aufgrund der aufkommenden Problemstellungen sowie seines subjektiven Empfindens und der Lernbereitschaft, inwieweit altes Wissen erneuert werden oder komplett entsorgt werden muß. Diese Wissensvernichtung schafft Platz für eine Neuorientierung, die Ausbildung neuer Wissenskonstrukte auf höherwertiger Wissensbasis, welche der gesamten Unternehmung im Sinne einer Lernenden Organisation zur Verfügung gestellt werden sollen. Das ist die Zielsetzung dieser Lern- und Verhaltensprozesse. 3.2.3 Wissensleitbilder „Die angestrebte Wissenskultur wird in einem Wissensleitbild schriftlich fixiert.“53 Das Wissensleitbild stellt somit einen in die Zukunft gerichteten Orientierungsrahmen dar, der die gegenwärtige Unternehmenskultur widerspiegelt und die Wünsche, Werte und Vorstellungen des Managements, der Belegschaft und der externen Beteiligten berücksichtigt. Aussagen über Wissen, die eine Vision und Strategie ausdrücken, sollen als eine Art Selbstverständnis und Selbstbekenntnis im Unternehmen implementiert werden. Dafür bedient sich das Leitbild, welches sowohl aus der Unternehmenskultur entspringt als auch von ihr beeinflußt wird, dreier Teilbereiche: Die Leitidee Die Leitidee verstärkt den Sinngedanken und den Nutzen von Wissen. Die Wissensanwendung, die zur Lösung von aktuellen und künftigen Problemsituationen vorgelebt werden soll, wird unterstrichen durch die Vermittlung einer Vision. Die Leitidee implementiert das Wissen im Unternehmen, in den Köpfen der Mitarbeiter und sensibilisiert für die weitere Vorgehensweise. Die Wissensleitsätze Um die zumeist abstrakt formulierten Visionen und Strategien für die Beteiligten faßbar zu machen, werden von der Unternehmensleitung Wissensleitsätze, eine Art Grundaussagen, verfaßt. In ihnen spiegelt sich die Leitidee und deren Umsetzung wider. Diese Grundsätze beinhalten Kernaussagen zu Werten, Zielen und Erfolgskriterien. Über die praktische Formulierung von Leitsätzen wird neben der Leistungsfähigkeit auch die Kompetenz des Unternehmens nach innen und nach außen dokumentiert und demonstriert. Eine klare Abgrenzung zu den Wissensleitsätzen anderer Unternehmen läßt gegebenenfalls auch Wettbewerbs-vorteile 52 53

Vgl. Amelingmeyer, J. (2000), S.102-105 Herbst, D. (2000), S.38

45

Thorsten Lack schon ansatzweise in diesem Frühstadium deutlich werden. Anwendung finden die Leitsätze auf alle Unternehmensbereiche, nicht alleine wegen der verbindlichen Formulierung: „Neuartige und ungewöhnliche Ideen sind ausdrücklich erwünscht.“54 Das Leitmotto Um die Wissensidee und deren Leitsätze übersichtlich und leicht merkbar zu gestalten, wird durch das Unternehmen ein Leitmotto des Wissens veröffentlicht. Dieses erinnert während des täglichen Handelns an die festgelegte Vision, Strategie und damit an das gesteckte Ziel. Das Motto ist greifbar, schafft Identifikation mit den Unternehmenswerten und fördert Identität. Da das Wissensleitbild zukunftsgerichtet ist, unterstützt es die Vorgehensweise des Wissensmanagements primär. Vorgegebene Werte und Normen, aber auch Bekenntnisse von Mitarbeiter- und Unternehmensseite werden festgehalten und in das Leitbild eingearbeitet. Die daraus resultierende Verbindlichkeit der Aussagen und der erwarteten Ergebnishaltung kompensiert Uneinigkeiten bei der Formulierung des Leitmotivs der Unternehmung, da der einzuschlagende Weg eindeutig vereinbart wird.

3.3

Strategische Wissensebene

Die strategische Wissensebene ist eng verbunden mit der strategischen Ausrichtung der Unternehmung. „Strategische Zielsetzungen auf Gesamtunternehmensebene (corporate strategy) und Geschäftsbereichsebene (business strategy) konzentrieren sich ... vornehmlich auf markt- und wettbewerbsbezogene Elemente ... .“55 Die operativen Handlungsmaxime werden aus denen der normativen und strategischen Ebene entwickelt. Aus diesem Grund ist es wichtig, daß die einzelnen Ebenen ineinander greifen und das Verständnis über die Notwendigkeit von Wissen auf allen Ebenen vorhanden ist. Die Strategiebildung stellt dabei den Mittelpunkt dar und koordiniert in letzter Instanz die Vorgehensweise bzw. gibt die Zielrichtung der Organisation vor. Dies dokumentiert sich in Organisationsstrukturen oder Managementsystemen. Damit in Einklang zu bringen ist das vorhandene und noch zu identifizierende Wissenspotential, unabhängig davon, auf

54 55

Herbst, D. (2000) S.40 Probst, G. (2001)., S.67

46

Wissensmanagement welcher der drei angesprochenen Organisationsebenen dieses angesiedelt und vorzufinden ist. 3.3.1 Wissensziele „Die Definition von Wissenszielen kann auf normativer, strategischer oder operativer Ebene ansetzen. Im normativen Kontext geht es um die Bestimmung von Führungs- und Verhaltensregeln, die einen produktiven Umgang mit Wissen fördern. Aus strategischer Sicht steht die Bestimmung organisationalen Kernwissens (z.B. in Form von Kernkompetenzen) sowie dessen Schutz und Entwicklung im Vordergrund.“56 Die Wissensdefinitionen der normativen und strategischen Ebene lassen sich sodann auch auf die operative Ebene herunterbrechen. Dabei sollte beachtet werden, daß die normative Zielsetzung die Rahmenbedingungen liefern soll, die strategische hingegen den langfristigen Orientierungsrahmen für die Unternehmensausrichtung und das zu realisierende Vorhaben. Für das ausführende Organ, die operative Ebene, werden die langfristig festgelegten Zielinterpretationen auf die kurzfristige Umsetzbarkeit hin überprüft. 3.3.2 Bewertung von Wissen (Wissensbilanz) Wissenskapital und dessen Bewertung bzw. Bilanzierung stellen eine außerordentliche Herausforderung der modernen Arbeitswelt und Unternehmensführung im Jahrhundert der „New Economy“ dar, denn gerade daran läßt sich die Umsetzung der strategischen Zielsetzung ableiten und messen. „Nach dem Verständnis von Edvinsson/Brünig „schließt Wissenskapital nicht nur menschliches Denkvermögen ein, sondern auch Markennamen und Warenzeichen. Dies sind Vermögenswerte, die zu historischen Kosten verbucht und im Laufe der Zeit immer wertvoller wurden ... . Alle diese Positionen werden in der Bilanz gegenwärtig mit Null bewertet.“57 Wissenskapital wird gleichgesetzt mit dem verwandten Begriff des intellektuellen Kapitals. Entscheidend für die Bewertung des Wissenskapitals ist, wie sich dieses im Unternehmen zusammensetzt und direkt erfassen läßt. Wissenskapital ist aufgeteilt in Human- und Strukturkapital. 56 57

Gabler Wirtschaftslexikon (2000), S-Z, S.3543-46, S.3544 Edvinsson, L./Brünig, G. (2000), S.13

47

Thorsten Lack Humankapital beinhaltet „die Kombination aus Wissen, Fähigkeiten, Innovation und Fähigkeiten der einzelnen Mitarbeiter einer Firma, mit der sie die gestellten Aufgaben erfüllen. Sie umfasst auch die Werte, die Kultur und die Philosophie des Unternehmens. Humankapital kann das Unternehmen nicht besitzen.“58 Strukturkapital beinhaltet „die Hardware, Software, Datenbanken, Organisationsstrukturen, Patente, Warenzeichen und alle andere Organisationsmerkmale, welche die Produktivität der Mitarbeiter unterstützen. ... . Strukturkapital schließt auch Kundenkapital ein: die Beziehungen, die mit den Top-Kunden gepflegt werden. Anders als beim Humankapital können Firmen Strukturkapital besitzen und auch entsprechend anders darüber verfügen.“59 Der Bewertung von intellektuellem Kapital in der Bilanz steht die bisherige Bewertung von Vermögensgegenständen, die greifbar und faßbar sind, entgegen. „Die bereits seit einigen Jahren zu verzeichnende Kritik an traditionellen finanzwirtschaftlichen Bewertungsmethoden und ihrer Inadäquatheit zur Steuerung von Unternehmen flammt unter Wissensgesichtspunkten neu auf. ... Trotz des bedeutenden Beitrags von Wissen und Dienstleistungen zu Wertschöpfung und Wachstum moderner Unternehmen und Nationen konzentrieren sich, mit wenigen Ausnahmen, unsere Management-Kontrollsysteme, unsere ökonomischen Modelle und unsere sozialen Meßinstrumente auf physisches Vermögen und ihre physischen oder physisch meßbaren Outputs.“60 Diese Kritik zeigt, daß „materielles Vermögen (tangible assets) und immaterielles Vermögen (intangible assets) unter buchhalterischen Gesichtspunkten unterschiedlich bewertet werden, ohne daß daraus eine für die Unternehmensführung relevante Logik erkennbar ist.“61 Weiter ist festzustellen, daß durch die Einführung von Wissensbewertungen im Unternehmen Tendenzen eventueller Verschiebungen von Machtstrukturen erkennbar und offengelegt werden. Individuell genutztes und öffentlich zugängliches Wissen wird im Zuge von Bewertungsverfahren festgestellt und zugeordnet. Die Vertreter der bislang angewandten finanzwirtschaftlichen Bewertungsmethoden, die sich durch exakt bestimmbare Kennzahlen auszeichnen, müssen künftig allerdings mit Bewertungsverfahren mit wesentlich unexakteren und schwerer interpretierbareren Kennziffern vorliebnehmen. Durch den Einfluß, den jeder einzelne auf die eigene und kollektive Wissensbasis nehmen kann, sind eine stän58

Edvinsson, L./Brünig, G. (2000), S.19 Edvinsson, L. (2000), S.19 North, K. (1999), S.184 61 Ebenda, S.184, vgl. Wiersema (1997), S.249-252 59 60

48

Wissensmanagement dige Weiterentwicklung und damit verbunden auch laufende Anpassung der Bewertung von Wissen im Unternehmen notwendig. Dieser Prozeß im lebenden Organismus verlangt neben allgemeinem wirtschaftlichen und humanen Verständnis für alle Beteiligte, Umgebung und Umwelt auch ein entsprechend hohes Maß an Einsatzbereitschaft und Flexibilität. Vorzufindende Strukturen bei der Bewertung von Wissen lassen sich durch gehortetes Wissen und geheimgehaltene Ideen oder Innovationen leicht verändern oder manipulieren und verdeutlichen damit die zuvor erwähnten, von Macht geprägten Wissenshierarchien der Vergangenheit. Wichtig bei der Wissensbewertung ist vor allem der Zusammenhang zwischen den einzelnen nutzbringenden Wissensbestandteilen, zusammengefügt zu einem großen Wissenspool, dem intellektuellen Kapital, und den sonstigen zu bilanzierenden Vermögensgegenständen. Diese Wissensbestandteile werden schließlich durch den Controller entsprechend analysiert und einem Chance-Risikoprofil zugeordnet. Auch daraus können neue Einsichten gewonnen und die strategische Zielsetzung angepaßt werden. Edvinsson definierte 1992 den grundlegenden Charakter von intellektuellem Kapital, woraus sich drei fundamentale Einsichten ergaben: Intellektuelles Kapital ist eine Information, die Finanzinformationen ergänzt, ihnen aber nicht untergeordnet ist. Intellektuelles Kapital ist nicht-finanzielles Kapital und repräsentiert die verborgene Lücke zwischen Marktwert und Buchwert. Intellektuelles Kapital als aktiviertes nicht-finanzielles Vermögen ist eine Verbindlichkeit. „Die dritte Einsicht war ganz besonders wichtig, da sie bedeutet, dass intellektuelles Kapital als Verbindlichkeit genauso wie Eigenkapital zu betrachten ist und von den Stakeholdern, also Kunden, Mitarbeitern etc., geborgt wird. Die Gegenbuchung zu dieser Verbindlichkeit ist nach traditionellen Buchhaltungsregeln Goodwill. Aber nach den gleichen Regeln ist dies ein wertloser Posten, der so rasch wie möglich abzuziehen ist. Das reduziert wiederum den Wert der Bilanz die Antithese zu der Vorstellung, wonach dieser Wert so erheblich zum zukünftigen Wachstum des Unternehmens beiträgt.“62 62

Edvinsson, L. (2000), S.37

49

Thorsten Lack Die Einzigartigkeit, die durch die Bewertung von Wissen in einer Art Bilanz dokumentiert wird, hat aber nicht nur Vorteile in der Verfahrensweise. Sobald sich ein Unternehmen entscheidet, am Markt sein vorhandenes Know-how zur Verfügung zu stellen, um daraus ein Geschäftsfeld erwachsen zu lassen, so wie in vielen Organisationen des Dienstleistungssektors der Moderne geschehen, muß dieses Vermögensgut auch entsprechend bilanziert werden. Die Bilanzierung von Wissen soll aber auch zum Ausdruck bringen, daß sich der Unternehmenserfolg sowohl aus dem bedingtem Output als auch aus dem Potential jener, die den Wert schaffen, zusammensetzt. Eine klare Aufgliederung in Produktwissen, Wissenspotentiale und Innovationen erscheint günstig, aber auch äußerst schwer realisierbar. Wichtig ist demnach, daß sich die Bilanzierung als eine Art zukunftsweisendes und vergangenheitsbezogenes Informationssystem darstellt. „Demnach hat das neue Informationssystem über den Geschäftserfolg zwei Komponenten: Es stützt sich auf die Wertschöpfung und auf diejenigen, die diesen Wert schaffen.“63 Dies läßt sich in der Form interpretieren, daß Wertschöpfung zum einen vergangenheitsbezogen auf eine bestimmte Leistung zurechenbar ist, aber auch zum anderen Erwartungen für die Zukunft widerspiegelt, die gestützt werden durch das weiterentwickelbare Potential der Mitarbeiter. North differenziert zudem in Wissensbuchhaltung und Wissenscontrolling. Grundlegend bei dieser Unterscheidung ist, daß die Bewertung einer organisationalen Wissensbasis durch die Wissensbuchhaltung erfaßt wird, das Wissenscontrolling hingegen sich vorwiegend mit den Wissenszielen beschäftigt. Bringt man gegenwärtige und vergangenheitsbezogene Wissensgrundlagen mit den zukunftsorientierten Wissenszielen in Zusammenhang, entstehen wiederum das zuvor von Schneider erwähnte Informations- und Dokumentationssystem sowie weitere verschiedene Bewertungsansätze zur Wissensmessung. Folgende Methoden finden Anwendung: Deduktiv-summarische Ansätze Hierbei wird der Unterschied zwischen Marktwert und Buchwert eines Unternehmens analysiert. Über deduktiv abgeleitete Indikatoren wird das immaterielle Vermögen in monetärer Form bewertet. Da die Unterschiede daraus nur schlecht deutlich werden, wird diese Form der Anlayse nicht zu Zwecken der operativen oder strategischen Planung eingesetzt.

63

Schneider, U. (1996), S.163

50

Wissensmanagement Marktwert-Buchwert-Relationen (Relation Börsenkurs x Anzahl der Aktien zum bilanziellen Eigenkapital) Calculated Intangible Value (Durch Entwicklung und Nutzung der organisationalen Wissensbasis soll die vergleichbare Eigenkapitalrendite des Unternehmens erhöht werden.64) Induktiv-analytische Ansätze Bei dieser Analysemethode werden einzelne Elemente der Wissensbasis bewertet, um Ansatzpunkte zu ihrer Entwicklung zu liefern. Das Verfahren beschränkt sich auf weitgehend nicht finanzielle Indikatoren. Intangible Assets Monitor (Sichtbares Vermögen und immaterielles Vermögen werden „als Elemente der organisatorischen Wissensbasis nach den Gesichtspunkten Wachstum/Erneuerung, Effizienz und Stabilität“65 beurteilt und bewertet.) Intellectual Capital Navigator (Marktwert-Buchwert-Relation, Humankapital, Strukturkapital und Kundenkapital werden im Soll-Ist-Vergleich eines Navigatorsystems auf Wachstumsaussichten überprüft.)

3.4

Operative Wissensebene

Die operative Ebene unterstützt bei der Umsetzung der strategischen Planung und hilft die täglichen Aktivitäten zu koordinieren, zu steuern oder auch zu korrigieren. Die losgelöste Betrachtung der operativen Ebene reicht nicht aus, sondern es muß ein harmonisches Gleichgewicht zwischen allen Bereichen im Sinne einer Erleichterung bei der Erreichung der Unternehmenszielsetzungen hergestellt werden. Auf der operativen Ebene findet die direkte Umsetzung der zuvor geplanten Strategien und erkannten Nutzenpotentiale statt. Es zeigt sich, neben Motivation und Bereitschaft der Menschen zur Teamarbeit bzw. Wissensteilung, gerade auch in den operativen Handlungsgrundsätzen die Realisierung einer positiv gestalteten normativen Ebene, in Form von Unternehmenskultur und -werten, und einer akzeptierten strategischen Ebene, der Zielplanung. 64 65

Vgl. North, K., 1999, S.190-191 North, K. (1999), S.192

51

Thorsten Lack 3.4.1 Identifizierung von Wissen Eine wichtige Vorarbeit, die das Unternehmen im Rahmen der operativen Handlungen leistet, stellt die Identifizierung von Wissensstrukturen und Wissensbeständen dar. Dies ist notwendig, um sich ein Bild über die bereits vorhandenen oder neu zugewinnenden Ressourcen zu machen. Dabei kann die Führung die Portfoliotechnik der Wissensbereiche anwenden, um durch klare Strukturierung festzustellen, wo förderungswürdige Wissensbestandteile lokalisiert sind. Über die Wissensidentifizierung erlangen sowohl die Unternehmensleitung als auch der Mitarbeiterstab eine Information. Die Registrierung der Wissenserhebung stellt die Basis dar, auf der neue Lern- und Wissenserzeugungsprozesse angesiedelt werden können. Aufbauend darauf werden die Bereiche, in denen Wissen Hebelwirkung aufweist und hohen Nutzen verspricht, verstärkt und zuerst bearbeitet. Konfliktpotentiale keimen bei einer Bestandsaufnahme vorwiegend in der Preisgabe der individuellen Wissensgüter sowie bei der Offenlegung unkoordinierter, über Jahre gewachsener Strukturen, die sich in schwer auflösbaren Wissensverflechtungen innerhalb der Unternehmensbereiche manifestieren. Teilweise dominieren die vorzufindenden Strukturen auch bereichsübergreifend, ohne daß dies dabei explizit offengelegt werden muß. Sie haben sich über Jahre durch stillschweigende Akzeptanz und Gewöhnung der Unternehmensleitung etabliert, ebenso wie die informellen Wege und Beziehungsgeflechte unter den Menschen und Wissensträgern. Die Einführung einer Bestandsanalyse und Wissenserhebung, mit dem Ziel, darauf aufbauend ein modernes und zukunftsorientiertes Managementkonzept zu gestalten, an dem alle gleichermaßen beteiligt sind, führt zu Unruhe und negativer, oft wenig konstruktiver Kritik. Jedoch liegt jeder Zukunftsbetrachtung und orientierung eine Vergangenheitsanalyse zugrunde, welche es unbedingt notwendig macht, nach entsprechender Überzeugungsarbeit unter den Mitarbeitern Wissen und die damit verbundenen Zusammenhänge oder Vorgehensweisen zu identifizieren und anschließend systematisch zu katalogisieren. 3.4.2 Wissensbedarf: Das Wissensintensitäts-Portfolio Gerade für die Ressource Wissen ist es notwendig, im Rahmen diverser Unternehmenskonzepte, Marketingstrategien und der richtigen Einsatzplanung bei der Wissensbedarfermittlung die Szenario- und Portfoliotechnik anzuwenden. Hieraus kann die Unternehmung erkennen, wo Stärken in der Wissensanwendung liegen und wie diese weiter zum strategischen Vorteil der Organisation ausgebaut werden können. Rehäuser/Krcmar haben ein Wissensintensitäts-Portfolio entwi52

Wissensmanagement ckelt, das sich sehr stark an das Informationsintensitäts-Portfolio von Porter/Millar anlehnt.

Abbildung 7: Wissensportfolio zur Bewertung von Wissen (in Anlehnung an Peritsch, M., 2000, S.105) Das Portfolio gliedert sich in zwei Dimensionen, und zwar in die Wissensintensität in der Wertschöpfungskette einerseits und die Wissensintensität in der Leistung andererseits. Bei ersterer wird die Intensität von Wissen vorwiegend im Wertschöpfungsprozeß der Unternehmung betrachtet. Die Intensität ist dann hoch, wenn der Wissensanteil, der benötigt wird, um gegebene Problemstellungen im Wertschöpfungsprozeß zu lösen, ebenfalls hoch ist. Im anderen Fall herrscht 53

Thorsten Lack eine hohe Wissensintensität in der Leistung, wenn viele Dienstleistungen, Konzepte oder Produkte einer Organisation vermarktet werden, denen ein hoher Wissensanteil zugrunde liegt. Die angebotene Leistung wird über das darin eingebrachte und verarbeitete Wissen beurteilt. Bei Betrachtung des Portfolios wird verständlich, daß den Bereichen „hohe Intensität in der Wertschöpfung“66 und „hohe Intensität in der Leistung“67 von Wissen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden müssen. Hier liegen die Wettbewerbsvorteile der Ressource Wissen verborgen und können, wie es das Intensitätsportfolio widerspiegelt, auch optimal umgesetzt werden. Wissen entspricht in diesem Feld nicht nur dem Produktionsfaktor, sondern auch einem Wettbewerbsfaktor. Alle Unternehmen werden bemüht sein, sich aufgrund der Dynamik in Markt und Wissen in diesen Bereich der Wissensnutzung vorzubewegen und damit den Wissensstand und die Wissensintegration in die angebotenen Leistungen sukzessive zu fördern. Das Wissensintensitäts-Portfolio bietet damit der Unternehmensleitung die Möglichkeit, sich einen Überblick über die Gegebenheiten des Wissensaufkommens und des Wissenseinsatzes zu verschaffen und damit Schwerpunkte auf die zukunftsorientierten Tätigkeiten zu legen. Dies muß unabhängig davon geschehen, ob sich das Unternehmen während des Lebenszyklus in der Forschungs-, Entwicklungs- oder Absatzphase befindet. Es können grundsätzlich alle Bereiche des Wissenslebenszyklus in der Portfoliotechnik betrachtet werden und mit Hilfe der Szenariotechnik unterstützend, zukunftsgerichtet auf neue, unbekannte Marktbereiche oder Produktinnovationen angewendet und übertragen werden.68 3.4.3 Wissenserzeugung: Die vier Grundmuster Die vier Grundmuster der Wissenserzeugung oder Wissensschaffung sind gekennzeichnet durch das Zusammenwirken von implizitem und explizitem Wissen. Den Vorgang, der durch die Umwandlung von implizitem Wissen zu explizitem Wissen forciert wird, bezeichnet man als Sozialisation. Sozialisation ist vorwiegend gekennzeichnet durch Erfahrungsaustausch, mentale Modelle oder Kenntnisse und Fertigkeiten. Erwähnenswert ist dabei vor allem die Tatsache, daß der Mensch „ohne Sprache unmittelbar implizites Wissen von anderen erwerben“69 66

Schreyögg, G./Conrad, P. (1996), S.33 Ebenda, S.33 Vgl. Schreyögg, G./Conrad, P. (1996), S.33 69 Nonaka, I./Takeuchi, H. (1997), S.75 67 68

54

Wissensmanagement kann. Dieses Beispiel wird häufig in Unternehmen gefunden, bei denen der Auszubildende durch Beobachtung und Nachahmung lernt. Dabei ist es für den Lernerfolg von grundlegender Relevanz, daß sich der Lehrende in den Lernenden, und umgekehrt, hineinversetzen kann und hilft, auftretende Probleme zu erkennen und zu lösen. Nonaka/Takeuchi weisen deutlich darauf hin, daß der reine „Informationstransfer ohne den zugehörigen Erfahrungskontext“70 oft wenig oder keinen Sinnzusammenhang ergibt.

Abbildung 8: Die vier Grundmuster der Wissenserzeugung und der Wissensinhalte (in Anlehnung an Schreyögg, G., 2001, S.34) Sozialisation kann aber auch zwischen dem Unternehmen, den Kunden und Zulieferer stattfinden. Lernexperimente und Imitationen basieren auf der gleichen Systematik. Sollte im Sinne einer Lernenden Organisation ein Kunde oder Zulieferbetrieb in die Entwicklung eines neuen Produktes einbezogen werden und dabei seine Verbesserungsvorschläge oder Kritik anbringen dürfen, so entsteht ein unaufhörlicher Interaktionsprozeß, der zu einem kontinuierlichen Austausch von implizitem Wissen führt. 70

Nonaka, I./Takeuchi, H. (1997), S.75

55

Thorsten Lack „Externalisierung ist ein Prozeß der Artikulation von implizitem Wissen in expliziten Konzepten.“71 Die Verständigung der Menschen untereinander zur Übermittlung von Wissen wird bei der Externalisierung durch „Metaphern, Analogien, Modelle oder Hypothesen“72 unterstützt. Bei der Entwicklung von Konzepten und Modellen sind die Unternehmen gehalten, dem Zeitgeist von Geschwindigkeit und Innovation gerecht zu werden. Eventuell auftretende Lücken, die durch Mißverständnisse aus den Erläuterungen von Sprache und bildhafter Darstellung entstehen, müssen durch das Unternehmen geklärt oder überbrückt werden. Dazu bedienen sich Organisationen vorwiegend der Instrumente der Externalisierung, in denen durch die Erläuterung der Zusammenhänge von Sprache und Bild eine Verständigungsbrücke für Anwender und Zielgruppe geschaffen wird. Zudem schafft die Organisation durch solche Erklärungsversuche, „das Engagement für den kreativen Prozeß“73 zu steigern. „In diesem Sinne ist der Reichtum an bildlicher Sprache und Phantasie ... ein entscheidender Faktor für die Bewußtmachung impliziten Wissens. Von den vier Formen der Wissensumwandlung enthält die Externalisierung den Schlüssel zur Wissensbeschaffung, weil sie aus implizitem Wissen neue explizite Konzepte bildet.“74 Die Kombination als drittes Element der vier Grundmuster stellt den Transfer von explizitem zu explizitem Wissen sicher. „Kombination ist ein Prozeß der Erfassung von Konzepten innerhalb eines Wissenskomplexes und dient dazu, verschiedene Bereiche von explizitem Wissen miteinander zu verbinden. Der Austausch und die Kombination von Wissen läuft über Medien wie Dokumente, Besprechungen .. oder Computernetze. Eine Neuzusammenstellung vorhandener Informationen durch Sortieren, Hinzufügen, Kombinieren oder Klassifizieren von explizitem Wissen ... kann zu neuem Wissen führen.“75 Diese Form der Wissensgestaltung wird erheblich durch Datenbanken oder Neuronale Netze unterstützt. Neukombiniertes, explizites Wissen stellt im Idealfall das Ergebnis dar. Als letztes Element wird die Internationalisierung genannt. Sie zeichnet sich vor allem durch aktives Lernen in der Praxis, dem „learning by doing“ aus. „Wenn Erfahrungen durch Sozialisation, Externalisierung und Kombination in Form von gemeinsamen mentalen Modellen oder technischem Know-how internalisiert

71

Nonaka, I./Takeuchi, H. (1997), S.77 Ebenda 73 Ebenda 74 Ebenda, S.79 75 Ebenda, S.81 72

56

Wissensmanagement werden, werden sie zu einem wertvollen Wissenskapital.“76 Internationalisierung stellt somit die Verarbeitung von explizitem zu implizitem Wissen dar. Das neu erworbene, aus explizitem Wissen offengelegte und erlernte Wissen wird durch die Individuen implementiert, im Gehirn in spezifischer Weise gespeichert und bis zur Entlernung verankert. Zusätzlich dazu steht der Unternehmung und somit allen Anwendern dauerhaft das in öffentlich zugänglichen Dokumenten oder Datenbanken niedergelegte, allgemein bekannte Wissen zur Verfügung. Hierbei erscheint es wichtig, daß der Teil des nun neu verfügbaren Wissens ebenfalls den Mitgliedern zu jeder beliebigen Zeit zugänglich ist und damit auch die Unternehmenskultur in gravierender Weise positiv verändern wird. Die Wissensspirale nach Nonaka/Takeuchi gliedert sich in vier verschiedene Bereiche auf. Das grundsätzlich Entscheidende an der Wissensspirale ist der Effekt, daß durch „die bloße Kombination verschiedener Wissensteile“77 der Wissensbestand keine Veränderung erfährt. Unter Berücksichtigung des Abstraktionsniveaus von Wissen, beeinflußt durch Innovation und Kreativität der verschiedenen Bestandteile, kann dies allerdings zu einer höherwertigen Wissensebene führen. Hierbei spielen die zuvor erwähnten vier Grundmuster Sozialisation, Externalisierung, Kombination und Internationalisierung eine primäre Rolle. Aus diesen Grundmustern leitet sich in ihrer Anwendung die Wissensspirale ab. Neues, explizites Wissen, gewonnen aus altem, zuvor implizitem Wissensbestand, wird für das Unternehmen nun faßbar und verwertbar. „Ein Unternehmen kann sein Wissen nicht im luftleeren Raum erzeugen, sondern muß das implizite Wissen seiner Angehörigen mobilisieren. Dieses mobilisierte Wissen wird durch die vier Formen der Umwandlung im Unternehmen verstärkt und dringt so in höhere ontologische Schichten vor. Diesen Vorgang bezeichnen wir als Wissensspirale, die in der Interaktion von implizitem und explizitem Wissen auf dem Weg durch die ontologischen Schichten immer wertvoller wird. Die Wissensschaffung im Unternehmen ist somit ein Spiralprozeß, der ausgehend von der individuellen Ebene immer mehr Interaktionsgemeinschaften erfaßt und die Grenzen von Sektionen, Abteilungen, Divisionen und sogar Unternehmen überschreitet.“78

76 77 78

Nonaka, I./Takeuchi, H. (1997), S.82 Ebenda, S.84 Ebenda, S.86

57

Thorsten Lack

Abbildung 9: Wissensspirale zur Umwandlung von Wissensinhalten (in Anlehnung an Pfeifer, T., 2001, S.138) Die angesprochene Wissensumwandlung wird durch die vier Aktionsfelder unterschiedlich bestimmt. Die Sozialisation soll die Weitergabe von „Erfahrungen und mentalen Modellen“79 erleichtern. Die Externalisierung wird über einen „konstruktiven Dialog oder von kollektiver Reflexion ausgelöst“80, so daß durch bildhafte Vermittlung von Wissen selbst schwer vermittelbares, implizites Wissen dem Anwender leicht verständlich dargestellt werden kann, er dieses selbst wiedergeben und artikulieren kann und sich auf dieser Lernbasis neue, zuvor unternehmensfremde Kenntnisse anzueignen vermag. „Die Kombination entsteht durch die Verbindung neu geschaffenen und bestehenden Wissens aus anderen Teilen des Unternehmens, um sie zu einem neuen Produkt, Service oder Managementsystem zu verschmelzen.“81

79 80 81

Nonaka, I./Takeuchi, H. (1997), S.85 Ebenda Ebenda

58

Wissensmanagement Die Internationalisierung führt schlußendlich über das „learning by doing“, das heißt, die Anwendung in den täglich anfallenden Geschäftsprozessen des Unternehmens, zum Erfolg. Hier entscheiden sich, neben der Relevanz für den täglichen Gebrauch, auch die Brauchbarkeit und Notwendigkeit des Erlernten.

Abbildung 10: Die Spirale der organisationalen Wissenserzeugung (in Anlehnung an North, K., 1999, S.53) Durch die Spirale des Wissens sollen ihre Anwender auch in der Lage sein, im Unternehmen zu erkennen, welche Kenntnisse für das Weiterkommen der Organisation benötigt werden. Damit schließt sich der Kreislauf, und die Wissensspirale nimmt im Optimalfall direkten Einfluß auf das Lernpotential jedes an der Wissensumwandlung Beteiligten einerseits und zum anderen auf das Gefühl der Nutzer, wann der Systemkreislauf des Lernens und Entlernens als Konsequenz aus der Wissensspirale in Gang gesetzt werden muß. Beide Kreisläufe, der der Wissensbildung und der des Lernens, können wiederum nur integrativ und verzahnt miteinander betrachtet und angewendet werden.

59

Thorsten Lack 3.4.4 Wissensentwicklung Bei der Wissensentwicklung wird die Aufmerksamkeit vorwiegend Innovationen und der Kreativitätsförderung geschenkt. Daher ist die Wissensentwicklung sehr intensiv mit dem Innovationsmanagement und den dort anzuwendenden Verfahren zur Neuentwicklung von Ideen verbunden. Prinzipiell ist das Anliegen der Wissensentwicklung, neues, internes oder implizites Wissen zu erkennen und in die Organisation explizit für alle nutzbar zu implementieren. Dementsprechend unterscheidet sich die Wissensentwicklung vom Wissenserwerb. Während der Wissenserwerb darauf gerichtet ist, fremdes Wissen von außen in das Unternehmen zu integrieren, ist das Anliegen der Wissensentwicklung, eigene Fördermaßnahmen zu ergreifen, um das in den vorhandenen Personalstrukturen brachliegende Wissen und Potential zu aktivieren. 3.4.5 Wissenserwerb Da die vier Grundmuster der Wissenserzeugung spiralförmig über mehrere Organisationsschichten zur Wissensgenerierung beitragen, ist nun darauf aufbauend zu betrachten, welche Stufen des Wissenserwerbs von Organisationsmitgliedern durchlaufen werden. Nach Dreyfus/Dreyfus durchlaufen Individuen bis zum Aufbau von Fähigkeiten in unterschiedlichen Stadien fünf Stufen. Diese führen vom Anfänger, fortgeschrittenen Anfänger, Kompetenzniveau bis hin zum Meister und Experten. Dabei wird die Spirale des Wissens unter Umständen mehrmals durchlaufen, um gegen Ende des Fähigkeitenerwerbes am qualitativen Ziel, dem Expertenwissen, angekommen zu sein. Als Anfänger lernt das Organisationsmitglied im Unternehmen vorwiegend kontextfrei, das heißt „losgelöst von konkreten Beispielen der realen Welt.“82 Dem Anfänger werden in der Aneignungsphase differenzierte, objektive Fakten und relevante Muster präsentiert, bei denen keinerlei Verständnis über Situation und Information vorausgesetzt wird. Der Anfänger wird dahingehend trainiert, daß er Entscheidungen durch analytische Vorleistung fällen kann, obwohl die Einstellung des Organisationsmitgliedes zur Aufgabenstellung zu Beginn noch als sehr zurückhaltend und distanziert anzusehen ist. Die weiteren Lernprozesse auf der Ebene des fortgeschrittenen Anfängers, des Kompetenzniveaus und des Meisters unterscheiden sich von Lernverhalten und der Aneignung nur in Nuancen. Die Identifikation mit der Problemstellung 82

Schreyögg, G./Conrad, P. (1996)., S.37

60

Wissensmanagement wächst mit der Schwierigkeit der Aufgaben und der Häufigkeit der Präsentationen. Zudem kann der Lernende immer wieder auf Lernmethoden, Lernergebnisse und Erfahrungen zurückblicken, die ihn über den Wissenstransfer zu neuerlichem Lernerfolg leiten. Im Gegensatz zum Experten, der sein Wissen und „Können so verinnerlicht hat, daß er sich dessen nicht mehr explizit bewußt ist“83, handelt der Anfänger noch nach rationalen oder irrationalen Entscheidungsmustern, basierend auf den zuvor erwähnten Lernerfahrungen. „Der Experte sammelt seine Erfahrungen über Situationen und klassifiziert sie nach Gruppen, die sowohl Ziel und Perspektive als auch gleiche Entscheidungen ... gemeinsam haben.“84 Dadurch kann sich der Experte in viele verschiedene Momentaufnahmen hineinversetzen, damit verbundene Abläufe erkennen und aus bereits vorhandenen, mentalen Modellen, die im Gedächtnis hinterlegt sind, Handlungen und Reaktionen selbständig ausführen. Diese Verfahrensweise wird nicht jedes Mal erneut hinterfragt, sondern gilt für den Experten und sein Umfeld als Intuition auf einem abstrakten und analytisch hohen Niveau. Wissenstransfer (Wissensverteilung) und Wissensnutzung Wissenstransfer findet im Umfeld des Unternehmens, vorwiegend am Arbeitsplatz statt. Er setzt sich aus der Wissensentwicklung und dem Wissenserwerb zusammen. Unter Wissensentwicklung versteht man sämtliche Personalführungsund Entwicklungsinstrumente. Wissenserwerb kann sich dazu in folgende Bereiche aufspalten: •

Wissen von externen Wissensträgern



Rekrutierung dieser Personen/Wissensträger



Kauf von Wissensprodukten (CD-ROM, Fachzeitschriften etc.)



Integration von Wissen durch Zukauf anderer Unternehmen



Erwerb von Stakeholderwissen

Allein der Wissenstransfer an sich birgt bereits Konfliktpotentiale. So stehen dem gewünschten Datenaustausch unterschiedlicher Wissensträger Egoismus, Neid und Mißgunst gegenüber. Die angedachte, neutrale Wissensteilung kollidiert in der täglichen Praxis mit emotional angefachten Eigeninteressen der Mitarbeiter. Es bedarf entsprechender Überzeugungsarbeit, um Sinn, Notwendigkeit und Nut83 84

Schreyögg, G./Conrad, P. (1996)., S.37, vgl. Dreyfus, H. L./Dreyfus, S. E. (1987), S.55 Schreyögg, G./Conrad, P. (1996)., S.37

61

Thorsten Lack zen der Wissensweitergabe zugunsten der Allgemeinheit in der Organisation jedem einzelnen näherzubringen. Dementsprechend existieren Wissens- und Teilungsbarrieren, die den Transfer verhindern. Ziel der Unternehmung muß es sein, diese Barrieren nach Einführung eines aktiven Wissensmanagement anfangs zu reduzieren und gegen Ende komplett abzubauen. Individuelle Transferbarrieren „Wissen ist Macht“; Angst vor Veränderungen; Unfähigkeit zur Kommunikation Organisatorische/Technische Transferbarrieren Unterschiedliche, nicht kompatible IT-Systeme gekoppelt mit autoritärem Führungsstil Kulturelle Transferbarrieren Fehler- und Mißtrauenskultur, in der Fehlerbestrafung vorherrscht und Fehlertoleranz vermieden wird; Leistungsorientierung Diese Wissenstransferbarrieren können durch die aufgeführten Methoden des Wissensmanagement aufgebrochen werden, sofern das System akzeptiert, gelebt und gepflegt wird: •

Schaffung einer Wissensaustauschkultur



Kommunikationsforen



Monitoring; Surfix; open space Veranstaltungen; Dokikai (Treffen Ehemaliger), job rotation



Schaffung von Anreizsystemen

Sollte es gelingen, die Barrieren der Wissensteilung zu brechen, so wird ein Lernprozeß in Gang gesetzt, der das Wissensspektrum auf einer breit angelegten Basis zügig voranbringt, ohne die teilenden Individuen zu vernachlässigen oder zu benachteiligen. Wissenstransfer wird zur elementaren Steuerungsgröße der Wissenserschließung und -nutzung für erfolgreich agierende Unternehmen. 3.4.6 Wissensbewahrung Wissensbewahrung wird eine immer wichtigere Perspektive im Unternehmen, da wegen der hohen Fluktuation unter der Belegschaft Wissen gesichert und die Qualität der präsentierten Informationen in Form von Gültigkeit und Aktualität überprüft werden muß. Dem wird in Form von Datenbanken, Data Warehouse Systemen, Management Information Systemen und Content Management Folge geleistet.

62

Wissensmanagement Beliebte Vorgehensweisen bei der Ablage und Erhaltung von explizit gewordenem Wissen stellen die nachfolgenden Methoden und Anwendungen dar: Wissenslandkarten (Überblick über das in der Organisation vorhandene Wissen und Know-how, sowie Potential und Verteilung. Anmerkungen über Lerneffekte, Erfolgsfaktoren und Verfahrensweisen.85) Wissensquellenkarten, Wissensbestandskarten, Wissenstopographien yellow pages (Sonderform der Wissensquellenkarte, Wissensbranchenbuch „Gelbe Seiten“ Dokumentation von Wissensträgern, Wissensgebieten, Kernprozesse, Projekterfahrungen, Entscheidungen, Ansprechpartner und -daten) lessons learnt (Dokumentation von Erfahrungen in Berichten) think tanks (Ideenfabrik, Betriebliches Vorschlagswesen, Kontinuierlicher Verbesserungsprozeß) best pratices (Erfahrungen aus der Praxis, die vermittelt und auf andere Organisationsmitglieder zur Anwendung übertragen werden sollen; sie bilden die Grundlage jeglichen Erfahrungsaustausches) Netzwerke (IT-Systeme mit Suchmaschinen, Intranet, verbundene Gemeinschaft von Menschen) Wissensbroker, Wissensingenieure (Verantwortlich für die Vermittlung von relevanten Wissensinhalten; Erkennen von Schwachstellen und Nachholbedarf in Wissensangebot und Wissensnachfrage; Übernahme der Erstellung, Überarbeitung und Aktualisierung von Wissensdatenbanken) Wissensmatrix Über die Institutionalisierung der aufgeführten Wissensbewahrungskonzepte oder Strategien wird gewährleistet, daß gewonnenes Wissen oder erlernte Erfahrungen innerhalb des Unternehmens verbleiben und weiterentwickelt werden können, sofern Wissensmanagement erfolgreich implementiert wurde. Dies ist von hohem 85

Vgl. Herbst, D. (2000), S.82

63

Thorsten Lack Wert und stellt einen der wichtigsten Wettbewerbsvorteile dar. Das Unternehmen schützt sich dadurch vor Wissensverlusten der unterschiedlichsten Art und kann sich darauf aufbauend auf die Wissenserweiterung konzentrieren.

64

Wissensmanagement

4

Konzept und Ziele von Wissensmanagement

Aus den geschilderten Definitionen und Grundlagen der Ressource Wissen stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit von Wissensmanagement. Entscheidend ist der Umgang mit der wertvollsten Ressource des Unternehmens, einer Ressource, die niemals aufgebraucht oder verbraucht wird, sondern einen Wert darstellt, der durch seine konsequente Nutzung an Qualität gewinnt. Jede Organisation muß sich fragen, was sie zum heutigen Zeitpunkt, dem status quo, kann, weiß und - vor allem - was sie wissen muß, um im Wettbewerb bestehen zu können. Das erfolgskritische Wissen ist richtungsweisend und muß gebündelt werden. Aus der Wissens- und Wettbewerbsanalyse folgt unter anderem die Zielbildung des Unternehmens allgemein und speziell für die Ressource Wissen. Organisationen können sieben entscheidende Ziele von Wissensmanagement erkennen:86 Kompetenzen erzeugen, um notwendiges Wissen für Organisationen erkennen zu können. Informationstechnologien zur Unterstützung und Auffindung von Mensch oder Information, die Antworten auf ungelöste Fragen haben. Erfahrungsaustausch und datenverarbeitende Systeme anbieten, um somit eine Vielfalt an Hilfestellungen zu produzieren. Der Mensch jedoch steht im Mittelpunkt von aktiv und effektiv praktiziertem Wissensmanagement. Frühzeitige Erkenntnis und Sensibilität über Chance und Risiko, den Sinn für die Investition in Wissen und dessen Teilung, zur Schaffung einer qualitativ höherwertigen Wissensbasis. Innovationenentwicklung und deren Umsetzung bei gelebter Toleranz für Fehler, gepaart mit der Erkenntnis, daß Lernen aus Fehlern Verbesserungen hervorbringt. Wissensverluste vermeiden, indem Mitarbeiter konsequent und dauerhaft Wissen in einen Pool einbringen, der jedem jederzeit zur Verfügung steht und einer adäquaten Pflege unterliegt.

86

Vgl. Duhnkrack, T. (1999), S.21

65

Thorsten Lack Effiziente Problemlösung im Sinne einer Unternehmenskultur des 21. Jahrhunderts, die durch gezielte Nutzung von allgemeinem und individuellem Wissen einer Organisation und deren Menschen auch die bestmögliche Problemlösung anbieten kann. Die Darstellung der Ziele von Organisationen beschreibt den Charakter von Wissensmanagement. Wissensmanagement ist mehr als ein Unternehmensführungskonzept, es erklärt primär den Versuch, Mitarbeiter und Unternehmensführung über eine gemeinsame Vision zur Teamarbeit, Nutzenentfaltung und Persönlichkeitsbildung zu führen, um zusammen erfolgreich zu sein. Jeder einzelne soll daraus eine individuelle Wertschöpfung erlangen und der Organisation zu Wachstum und Profit verhelfen. Zum anderen ist es ein Konzept, das neben der Berücksichtigung von Wettbewerb und Umweltgesichtspunkten auch den Überlebenskampf Unternehmen von morgen bestimmen wird. Aktiv gelebtes und erfolgreich implementiertes Wissensmanagement drückt sich demzufolge gerade in den Produkten und Dienstleistungen aus. „The next wave of economic growth is going to come from knowledge-based business. ... In the years ahead, people´s use of knowledge-based products ... will be critical to their economic success. … and businesses that know how to convert information into knowledge will be the most successful.“87 Den Grundstein dieser Erkenntnis beschreibt Nonaka: „In einer Wirtschaft, in der einzig die Ungewißheit gewiß ist, ist Wissen die einzig sichere Quelle für dauerhafte Wettbewerbsvorteile.“88 Dieser Marktvorsprung muß systematisch erarbeitet werden, um dadurch die Unternehmung über Wissensmanagement dem Ziel ein Stück näherzubringen. Ein solcher Prozeß dauert lange Zeit, denn in der Etablierung und Weiterentwicklung wird dieser Kreislauf aufgrund der Wirtschaftsdynamik und den Marktanforderungen mit Sicherheit niemals beendet werden. Trotzdem gilt es den Wissensprozeß zu aktivieren und in die Ablauf- und Aufbauorganisation zu integrieren. Darin sowie in der Schaffung eines neuen Bewußtseins für den sensiblen und wertvollen Umgang mit dem eigenen und organisatorischen Wissen liegen die Notwendigkeit und die zukünftige Aufgabe von bedingungslos praktiziertem und konsequent gelebten Wissensmanagement.

87 88

Davis, S./Botkin, J. (1994), S. 165, S.165-170 Nonaka, I. (1992), S. 95, S.95-103

66

Wissensmanagement

4.1

Definition und Historie von Wissensmanagement

Wissensmanagement ist jedes bewußte Bemühen, die Ressource Wissen im Unternehmen verbessert zu entwickeln, einzusetzen, zu bewahren und damit transparent darzustellen. Im Mittelpunkt von Wissen und Wissensmanagement steht der Mensch, stehen der konkrete Nutzen für Unternehmen und Organisationsmitglieder sowie der Vorteil und damit die Akzeptanz von Führung und Mitteleinsatz. Eine Einführung von Wissensmanagement in der heutigen, von dynamischen Vorgaben und statischen Strukturen geprägten Umwelt ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nur dann erfolgreich, wenn das Wissen der Mitarbeiter mit ihrer Motivation und den operativen Geschäftsprozessen verknüpft wird. Die Anwendung von Wissensmanagement und die Hinterlegung von „ureigenem Wissen und individuell geprägten Kapital“ zur Transformation in kollektives und unternehmensspezifisches Kapital müssen für jeden Anwender einen unmittelbaren persönlichen Nutzen aufzeigen. Wissen wird demzufolge „zum Motor und zur entscheidenden Einflußgröße im Wertschöpfungsprozeß“89 eines Unternehmens in der Neuzeit. Es wird somit zu einem wichtigen Bestandteil im Management und der Unternehmensführung, den Produktionsfaktor Wissen bevorzugter zu gestalten und zu managen, da durch eine effektivere Nutzung und Bewirtschaftung desselben enorme Produktivitätssteigerungen erzielt werden können.90 Dieses Umdenken führt dazu, neue Unternehmensführungskonzepte zu entwickeln, um damit sowohl die gesteckten strategischen Ziele zu erreichen als auch neben einer Stärkung der normativen Ebene im Unternehmen die operativen Vorsätze erfolgreich zu gestalten. Alte Organisationsstrukturen, die sich in Jahrzehnten gefestigt haben, müssen aufgeweicht und mit neuen Lernprozessen und Anwendungsmodalitäten versehen werden. Im Unterschied zu früheren Zeiten wird das Potential neuerdings mehr in der Kreativität der Menschen als in deren physischer Arbeitskraft gesehen. Die Zeiten und die damit verbundenen Anforderungen haben sich gewandelt. Das Unternehmen ist auf den Mitarbeiter ebenso angewiesen wie dies im umgekehrten Sinne der Fall ist. Diese Abhängigkeit wird erst im Laufe der Zeit wahrgenom89 90

Bullinger, H. J/Haus, I.; Ohlhausen, P./Wagner, K. (1998), S.22, S.22-26 Vgl. Bullinger, H. J. (1999), S.83

67

Thorsten Lack men, und es muß versucht werden, eine Symbiose aus Vertrautheit, Vereinigung und gegenseitiger Anteilnahme zu erreichen. Diese kann sowohl in der Erkenntnis über eine unabdingbare Partnerschaft zwischen Unternehmer und Mitarbeiter als auch in dem Wissen über deren Umsetzung während der täglichen Konfrontation verborgen liegen. In der Entstehung ist Wissensmanagement ein Konzept, das einerseits aus Fehlern und Erfahrungen anderer Konzepte gelernt hat, andererseits aber seinen ganz eigenen Weg gefunden hat - von der industriellen Revolution über die Arbeitsteilung bis hin zur Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft. Wissensmanagement mündet im Endstadium, mit Unterstützung der Lernenden Organisation in ein modernes Wissenszeitalter, in dem keine wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Probleme losgelöst und allein als Einzelfall betrachtet werden dürfen. Danach streben die Entwicklung und Ausrichtung von Wissensmanagement. Wissensmanagement wird in der Literatur unterschiedlich definiert. Im folgenden sollen einige ausgewählte Definitionen Erklärungsansätze zu diesem komplexen Themenbereich bieten, um somit Mißverständnisse in den weiteren Ausführungen zu vermeiden. Eine ganze Reihe von verschiedenen Definitionen werden ergänzend bei Hilse aufgeführt.91 Heinrich definiert Wissensmanagement (=knowledge management) als „die zielgerichtete, geplante Versorgung einer Organisation mit Wissen, deren Hauptaufgaben das Auffinden von Wissensquellen und die Produktion, Speicherung, Verteilung und Verwendung von Wissen mit technischen und nicht-technischen Hilfsmitteln sind.“92 Staehle bezeichnet Wissensmanagement als „die zielgerichtete Gestaltung organisationaler Lernprozesse. Organisationen sind demnach Wissenssysteme, die aus unterschiedlichen Subsystemen, Elementen und Verbindungen zwischen ihnen bestehen ... . Organisationales Lernen als Prozeßkomponente beschreibt die Entstehung, Erzeugung, Veränderung und Fortentwicklung der verschiedene Wissensbasen; Lernprozesse verbinden die Lernfähigkeit, das Wissen und das Gedächtnis einer Organisation zur sog. organisatorischen Intelligenz. Damit wird

91 92

Vgl. Hilse, H. (2000), S.68-70 Heinrich, L. J. (2001) S.276

68

Wissensmanagement die Fähigkeit einer Organisation bezeichnet, schnell und effizient neue Lösungen für Managementprobleme zu finden und anzuwenden ... .“93 Della Schiava/Rees verstehen Wissensmanagement wie folgt: „Die zweckorientierte Selektion der Information für die systematische Gewinnung von Wissen sowie der effiziente Austausch und die Reflexion von Wissen im Unternehmen zur Unterstützung der strategischen Ziele.“94 Für die Gestaltung einer Wissensmanagement-Kultur im Unternehmen sind vier verschiedene Grundsäulen notwendig, die sich wiederum gegenseitig interaktiv beeinflussen: eine offene Unternehmenskultur im Sinne einer Lernenden Organisation, in der es ausdrücklich erlaubt ist, Fehler zu begehen, dies auch durch offene und vertrauensvolle Kommunikation und Informationspolitik vorgelebt wird, eine klare und langfristige strategische Positionierung, eine Organisation, die durch flache Hierarchien und kleine, auf Selbstorganisation bauende Einheiten geprägt ist, eine entsprechende technische Infrastruktur. „The information revolution favors and strengthens network forms of organization, while making life difficult for hierarchical forms ... . It means conflicts will increasingly be waged by „networks“, rather than by „hierarchies“. It means that whoever masters the network form stands to gain major advantages in the new epoch.“95 Über diese Aussage können die oben angeführten flachen Hierarchien und die technische Infrastruktur als Voraussetzungen für eine positive und erfolgreiche Umsetzung von Wissensmanagement im Unternehmen verstanden und untermauert werden. Systeme, geleitet durch Menschen und Informationen, geben neue Führungsstrukturen und -funktionen vor und ersetzen durch ihre praktische Anwendung und sukzessive Verbesserung festgefahrene hierarchische Führungsebenen. Auch hierin zeigt sich ein Unterschied zum Umgang mit Wissen noch vor vielen Jahren, da sich die Voraussetzungen und Zugangswege verändert und sowohl den Menschen als auch die Organisation weitergebracht haben. Dadurch wurde jedes Zeitalter, von der Industriegesellschaft bis zur heute vorherrschenden Wissensgesellschaft, mit einer eigenwilligen Prägung versehen. Ohne diese Grundlagen wäre ein sukzessiver Aufbau von Wissen und Wissensmanagement nicht denkbar gewesen.

93 94 95

Staehle, W. H. (1999), S.920, vgl. Pawlowsky, P./Reinhardt, G. J. (1996) Della Schiava, M./Rees, W. H. (1999), S.49 Applehans, W./Globe, A./Laugero, G. (1999), S.57

69

Thorsten Lack Warum Wissensmanagement heute unabdingbar ist und welchen Grundtenor viele nationale und internationale Unternehmen mit dem Thema Knowledge Management verfolgen, sei an der Studie des Frauenhofer Institutes für Wirtschaftsforschung kurz erläutert: Die aufgeführten Befragungen zeigen deutlich, daß die Implementierung von Wissensmanagement großen Nutzen verspricht und als notwendig angesehen wird. Die Umsetzung dieser Vorsätze geht dagegen schleichend voran. Es wird hervorgehoben, daß der vierte Produktionsfaktor Wissen die anderen drei zusammenführt, verbindet und koordiniert und dementsprechend auch zukünftig eine außerordentlich wichtige Position im Unternehmen einnehmen wird. Wissen kann dazu beitragen, Arbeit, Kapital und die Produktionsfaktoren Boden und Maschinen im Sinne der Organisation zu formen. Der Anteil der Unternehmen, die sich dies zu eigen machen und somit den Produktionsfaktor Wissen wesentlich an der Wertschöpfung teilhaben lassen, ist noch zu niedrig im Vergleich zu denen, die deren Bedeutung als enorm ansehen. Daraus kann abgeleitet werden, daß zwar die Sensibilität gegenüber Wissensmanagement bei einem breiten Spektrum von Unternehmen zugenommen hat, dieses aber aufgrund diverser Umsetzungsschwierigkeiten selten in der Realität gelebt wird. Dennoch erwarten sich die Unternehmen die unterschiedlichsten Verbesserungen durch die Anwendung von Wissensmanagement. Generell kann gesagt werden, daß Wissensmanagement die Verbesserungspotentiale aufdecken und für das Gesamtgefüge erschließen kann. Trotzdem scheitert es in der Praxis noch immer an den persönlichen Ängsten der Menschen. Weitere Barrieren, die effektives Wissensmanagement behindern, seien stellvertretend, auch für interne Lernbarrieren, aufgeführt.

4.2

Entwicklung und Gestaltung

Von besonderer Bedeutung sind Aufgaben an die Entwicklung, Gestaltung und Bewältigung von Wissensmanagement. Die damit beschriebenen Maßnahmen sollen in der Entwicklungsphase überprüft und umgesetzt werden. Die perspektivische Ausrichtung des Konzeptes an dem vorhandenen System und den nutzbaren Ressourcen steckt Grenzen, über die es gilt hinauszuwachsen und neue Integrationsmöglichkeiten oder Schnittstellen aufzudecken. 70

Wissensmanagement Wissensmanagement stellt sich damit den Anforderungen des Informationszeitalters, insbesondere beim Management •

von Wissens- und Informationsquellen



der Wissensträger- und Informationsressourcen



des Wissensangebots



des Wissensbedarfs



der Infrastrukturen der Wissens- und Informationsverarbeitung96

Dabei gilt es, diese entscheidenden Wissensressourcen zu erkennen, zu pflegen und zu unterstützen. Die Meinungen der befragten Unternehmen zeigen eindeutig, daß der Prozeß der Wissensentwicklung noch nicht ausgereift und abgeschlossen ist. Präsentes Wissen muß aktiv in das Management eingebunden werden und verschlossenes Wissen aufdecken helfen. Über die Jahre der Unternehmensentwicklungen in den verschiedenen Epochen ist auch das Bewußtsein für Wissensmanagement stetig gewachsen und findet seine verdiente Beachtung und Würdigung in der heutigen Zeit - mit Blickrichtung auf die Zukunft.

96

Vgl. Staehle, W. H. (1999), S.920-921

71

Thorsten Lack Die wichtigssten Instrumente des Wissensmanagements Kooperation mit Kunden Kooperation mit Zulieferenrn Indivikuelle Weiterbildung von Mitarbeitern Recherche in Fachzeitschriften/im Internet Marktforschung Konkurrenzanalyse Teilnahme an Kongressen, Foren, Fachtagungen Informationsdienste von Banken Vergleichsanalysen/Benchmarking Kooperation mit Universitäten und Forschungseinrichtungen Gezielte Neueinstellung von Experten

71 % 59 % 52 % 45 % 34 % 34 % 28 % 27 % 26 % 18 % 12 %

Tabelle 1: Instrumente des Wissensmanagements (in Anlehnung an Frauenhofer Institut, 1999, S.12) Wissensmanagement greift hierdurch an den Grundpfeilern der Lernenden Organisationen an, um von dort aus sowohl die Strukturen aufzubauen als auch neue Kräfte zu bündeln. Dies ist ein dynamischer, niemals endender Prozeß. „Eine lernende Organisation als statischen Endzustand kann es nicht geben; es gibt nur Unternehmen, die ... effizienter lernen als andere ... . Das Konzept steht für einen permanent ablaufenden Prozeß.“97 Dem Ganzen liegt ein intelligenter Lernprozeß zugrunde, der durch die Zusammenführung von Managementkonzept und Strategie nicht mehr nur Teilbereiche im Unternehmen erreicht, sondern sich auf die gesamte Organisation, und über deren die Grenzen hinaus, ausweitet. Neben der Konzentration auf Wissen stehen die Errichtung von Anreizsystemen und die Reifung der Unternehmenskultur mit im Vordergrund, um eine effiziente Gestaltung von Wissensmanagement zu ermöglichen.

4.3

Methoden und Anwendungsbereiche

Wissensmanagement findet sich in identischer Weise auf den unterschiedlichen Wissensebenen wieder. Auf der normativen, strategischen und operativen Ebene ist es die primäre Aufgabe, Wissen zu steuern, Ziele zu bilden und zu überprüfen. 97

Kremin-Buch, B./Unger, F./Walz, H. ( 2000), S.83

72

Wissensmanagement Damit verbunden ist die gezielte Verknüpfung der Managementkultur mit der Unternehmenskultur, um eine erfolgreiche Arbeitsleistung im operativen Geschäft zu ermöglichen. Bestärkt wird dieses Konzept durch eine kontinuierliche Überprüfung von Abläufen, Prozessen, Zielvorgaben, Implementierung und Akzeptanz unter der Mitarbeiterschaft. Nur wenn auf allen betroffenen Ebenen im Unternehmen Wissensmanagement mit seinen Ausführungen und Methoden zur Anwendung kommt, kann einerseits eine positive Grundstimmung vermittelt und anderseits nach außen kommuniziert werden, daß durch die Integration von Wissensmanagement eine höherwertige Arbeitsleistung und Qualität angestrebt wird. Die konzeptionellen Verflechtungen zwischen der Lernenden Organisation und der an Wissensmanagement orientierten intelligenten Unternehmung verdeutlichen den integrierten Wissensansatz. Dieser kann sich nur dann bewähren, wenn alle Ebenen miteinander verzahnt werden und aufeinander einwirken. Wissensmanagement greift dabei auf jeder einzelnen Ebenen ein, reguliert allerdings auch übergreifend Grundnormen und Verhaltensweisen durch strikte Vorgaben. Dies kann sich in einer einheitlichen Dokumentation oder Bewertung von Wissenstatbeständen aus Projekten oder von Wissensträgern sein. Auf normativer Ebene unterstützt Wissensmanagement bei •

der Schaffung einer Wissenskultur



der Gestaltung von Lernprozessen



dem Aufbau einer gemeinsamen „Sprache“



der Verfassung von Leitbildern im Wissensmanagement

Auf der strategischen Ebene werden die Methoden auf die Identifikation und Erklärung von Zielen sowie deren Bewertung gelenkt. Das Management setzt sich intensiv mit der Ressource Wissen auseinander und versucht, gegenwärtige Bestände zu ergründen und zukünftigen Bedarf zu erkennen. Die darauf aufbauenden notwendigen Kapazitäten werden durch das Management richtungsweisend bereitgestellt und geführt. Auf operativer Ebene soll dies durch Erwerb, Entwicklung, Transfer, Nutzung und Bewahrung von Wissen umgesetzt werden.

73

Thorsten Lack

5

Wissensmanagement als normatives und globales Unternehmensführungskonzept

Wissensmanagement etabliert sich als Unternehmensführungskonzept der Zukunft und löst damit Konzepte wie Business Reengineering, Total Quality Management oder Kaizen schrittweise ab. Das Verständnis darüber, daß immer häufiger Geschäftsprozesse von dem darin enthaltenen und zugrundeliegenden Wissen abhängen, macht es unausweichlich, die Ressource Mensch als Wissens- und Ideenträger und die Ressource Wissen in den Mittelpunkt aller Handlungen zu stellen. Dies muß auf Unternehmensführungsebene erkannt und global umgesetzt werden. Durch die Internationalisierung der Unternehmen, die Globalisierung der Märkte und die Flexibilisierung der Mitarbeiter sind die Organisationen darauf angewiesen, Konzepte zu präsentieren, die weltweit verständlich sind. Es bedarf Standards, die zwar zwischen den Kulturen oder von Unternehmen zu Unternehmen durchaus verschieden sind, aber alle auf einem gemeinsamen, globalen, normativen Grundverständnis beruhen. Individuelle Vorgehensweisen, geprägt durch verschiedene Kulturen und differenzierte Meinungsvielfalt, fordern den Wettbewerb heraus. Daß aber alle Unternehmen, um im Kampf um Marktanteile und Kunden bestehen zu können, Trends verfolgen und die für das eigene Unternehmen richtungsweisenden Aspekte übernehmen müssen, scheint einleuchtend. Entscheidend wird somit die Bereitschaft sein, von anderen Unternehmen zu lernen und dadurch auch neuen Unternehmensführungskonzepten Raum zur Entfaltung zu geben, um auf dieser Basis Wissensmanagement kontinuierlich zu bestätigen und weiterzuentwickeln. Wissensmanagement lebt von den Wurzeln des Unternehmens, den Menschen, unabhängig von Rasse, Religion und Hautfarbe. Die geistige Ideenproduktion weist keine Grenzen auf, kennt keine Hindernisse in der Erforschung und lernt von Umsetzungen und Veröffentlichungen anderer Ideen mit enormer Schnelligkeit. Das prägt die weltweite, tolerante Ausrichtung von globalem Wissensmanagement als Unternehmensführungskonzept, in sämtlichen Organisationen, verschiedenen Bereichen und getragen von den unterschiedlichsten Menschen aus allen Nationen.

74

Wissensmanagement

5.1

Wissensmanagement als strategischer und struktureller Managementansatz im Innovations-, Qualitäts- und Konfliktmanagement

Durch den Managementansatz ist es notwendig, Wissensmanagement direkt auf die strukturellen Bedürfnisse und das Umfeld der Unternehmung auszurichten, ohne dabei den Gesamtzusammenhang aus den Augen zu verlieren. Es bleibt nach wie vor wichtig, auf die unterschiedlichen Prägungen der Menschen oder Kulturen im Unternehmen einzugehen; der Schwerpunkt liegt dabei auf der konsequenten Umsetzung innerhalb des vorgegebenen Umfeldes. Die gegebenen örtlichen oder regionalen Bedingungen bilden die Grundlage, auf der die Unternehmensleitung das Managementkonzept umsetzen muß. Unternehmensbereiche, die länderübergreifend und verzahnt aufeinander abgestimmt werden müssen, benötigen eine spezielle Betrachtung und Behandlung. Gerade deshalb werden die strategischen Ziele des Wissensmanagements, abgeleitet aus den globalen Unternehmenszielen, an die Situation in der ansässigen Organisation angepaßt, um eine in dieser Umgebung adäquate Umsetzung und erfolgreiche Implementierung zu gewährleisten. Das globale Unternehmensführungskonzept Wissensmanagement beschreibt klare und eindeutige Aussagen zur Einführung und Abgrenzung, muß sich aber auch in der Managementgestaltung den vorzufindenden Gegebenheiten situativ anpassen. Die Strukturen sind identisch, müssen eingehalten werden und bilden das Grundgerüst, die praktische Umsetzung hingegen läßt sich oftmals nicht standardisieren. Somit kann Wissensmanagement zumindest dazu beitragen, daß weitreichende strategisch zu treffende Entscheidungen aufgrund einheitlicher Vorgaben leichter einzugrenzen sind. 5.1.1 Innovationsmanagement / Ideenmanagement (Kontinuierlicher Verbesserungsprozeß und Lernende Organisation) Welchen Beitrag leistet Wissensmanagement zum Innovationsmanagement? Innovationen werden geprägt durch Ideen, Kreativität und Schnelligkeit. „Bei Innovationen handelt es sich zunächst um wissens- und kreativitätsbedingte Veränderungen von lokaler Reichweite, die größere geschäfts- oder organisationsbezogene Veränderungen und Lernprozesse entweder nach sich ziehen oder aus

75

Thorsten Lack ihnen hervorgehen können.“98 Innovation steht für Wettbewerbsvorteile und stellt somit einen strategischen Erfolgsfaktor jeder Unternehmung dar. Es entscheidet aber nicht nur die Geschwindigkeit am Markt, sondern vor allem das zuvor von außen oder innen zu generierende und eigenständig zu entwickelnde Wissen, um Innovationsprozesse überhaupt erst in Gang zu bringen. Der Gedanke, Wissen vorrätig zu haben oder auf Abruf produzieren zu können, ist veraltet und dementsprechend nicht zielgerichtet. Wissen kann nur dort gelebt werden, sich entfalten und entwickeln, wo eine Unternehmenskultur herrscht, die Wissensentwicklung auch fördert. Das beinhaltet - neben den erwähnten Kriterien der Offenheit, Kritikfähigkeit auf allen Unternehmensebenen und Fehlertoleranz auch die Weitsichtigkeit der Unternehmensleitung, zu gegebener Zeit den Wissensstand im Unternehmen zu überprüfen. Dies schließt - parallel zu der Untersuchung der eigenen Wissensbestände - auch zu entsprechenden Zeitpunkten die Durchführung von Konkurrenz- und Branchenanalysen ein. Im Zuge dieser Analysen werden Begriffe wie Benchmarking, Outsourcing oder Firmenkooperationen interessanterweise immer wieder verwendet und als Bedrohung verstanden, um aufmerksam den externen Innovationstransfer zu beobachten und gleichermaßen in der eigenen Organisation zu fördern. Innovationsmanagement „umfaßt das Management jener Prozesse, in denen durch Kombination von Wissenskomponenten neuartige Verknüpfungen von Zwecken und Mitteln angestrebt werden.“99 Der Bezug zum Wissensmanagement wird dadurch deutlich hervorgehoben. Hierbei geht es nicht nur darum, vermittelte und erkannte Daten und Informationen abzulegen, sondern sie aktiv in verwertbares Wissen umzuwandeln. „In dieser Hinsicht ist das Innovationsmanagement dem Wissensmanagement ähnlicher als dem reinen Daten- und Informationsmanagement. Es beschränkt sich nicht auf die Daten- und Informationslogistik, sondern versucht auch die personellen und organisatorischen Voraussetzungen für Innovationen zu schaffen.“100 Unter-nehmenskenntnisse und Wissensvermehrung müssen aktiv gelebt werden, sonst droht die Eroierung des Wissensbestandes, wodurch neue Innovationen verhindert werden. Das setzt die intensive Auseinandersetzung der Unternehmensleitung mit den Mitarbeitern und deren intellektuellem Kapital voraus. „Dies bedeutet, dass ohne eine „Human Ressource“- Kultur eine bewußte Förderung der Wissensvermehrung durch ... die An98 99

Hilse (2000), S.313 Lehner, F. (2000), S.309 Hilse, H. (2000), S.312-313

100

76

Wissensmanagement und Einbindung der Mitarbeiter und damit ihres Wissens die fluide Wissensbasis schnell durch eine Fluktuation erodieren kann.“101 Menschen kreiren Innovationen und tragen dadurch zur Wissensbildung bei, welche wiederum die Beschleunigung der Erforschung neuer Innovationen forciert. Schon Nonaka/Takeuchi erwähnen die Schaffung von Unternehmenswissen. „Damit meinen wir die Fähigkeit eines Unternehmens, Wissen zu erzeugen, es in der ganzen Organisation zu verbreiten und ihm in Produkten, Dienstleistungen und Systemen Ausdruck zu verleihen. Diese Wissensschaffung bildet den Schlüssel zu den einzigartigen Innovationsformen ... : ständige, schrittweise und spiralförmige Verbesserungen.“102 Besonderer Augenmerk ist auf das implizite Wissen in der Organisation zu legen. „Ist die Bedeutung des impliziten Wissens erkannt, verändert sich auch die Auffassung von Innovation. Es geht nicht mehr nur um das Zusammenfügen von einzelnen Daten und Informationen. Es geht um einen höchst individuellen Selbsterneuerungsprozeß der Mitarbeiter und des Unternehmens. Das persönliche Engagement der Mitarbeiter und ihre Identifikation mit dem Unternehmen ... werden unverzichtbar. In dieser Hinsicht betrifft die Schaffung von neuem Wissen Ideale genauso wie Ideen. Und dieser Sachverhalt nährt den Innovationsprozeß. Das Wesen der Innovation liegt darin, die Welt [Anm. d. Verf.: das Unternehmen] im Sinne eines Ideals oder einer Vision neu zu schaffen. Die Schaffung von neuem Wissen erfordert somit einen fortlaufenden Prozeß der Neufindung des Unternehmens und all seiner Angehörigen. Sie fällt nicht in die ausschließliche Zuständigkeit von Spezialisten ..., sondern in die des gesamten Unternehmens.“103 Auch Drucker hat den angedeuteten Zusammenhang aller Marketingfunktionen, also auch die Kombination aus Innovation gepaart mit Wissen, das allen vernetzten Unternehmensbereichen dienen kann, frühzeitig erkannt. “Innovation goes right through all phases of business. It may be innovation in design, in product, in marketing techniques. It may be innovation in management organization or in management methods. ... Innovation extends through all forms of business. ... In the organization of business enterprise innovation can therefore no more be considered a separate function than marketing. It is not confined to engineering or research, but extends across all parts of the business, all functions, all activities.“104 101

Bleicher, K. (1999), S.120 Nonaka, I.; Takeuchi, H. (1997), S.13 Ebenda, S.21 104 Drucker, P. F. (1999a), S.38 102 103

77

Thorsten Lack Weiterhin geht Drucker darauf ein, daß neben der Vernetzung und Gleichstellung der kreativen Ansätze im Marketing und Innovationsmanagement diese sich natürlich gegenseitig beeinflussen und die Ziele nachhaltig verändern bzw. mitgestalten können. „And innovation is not only a servant of the marketing goals of the business but is, in itself, a dynamic force to which the business contributes and which in turn affects it.“105 Somit wird klar, daß Innovation dazu beiträgt, Wissen zu entwickeln und zu prägen, aber im Umkehrschluß auch Wissen ausschlaggebend ist für neue Innovationen. Dies kann nur in einem jahrelangen Prozeß unter Einbindung der Mitarbeiter erschlossen werden. „Management must not forget that innovation is a slow process.“106 Dieser schleichende Prozeß ist allerdings notwendig, um zukünftiges Wissen erschließen und durch dessen Anwendung neue Innovationsstrukturen erkennen zu können. „ ... the constant improvement of our ability to do by applying to it our increased knowledge - is one of the tasks of the business enterprise and a major factor in its survival and prosperity.“107 Auch im Innovationsmanagement unterliegt die Ressource ähnlich dem Wissensmanagement einem erheblichem Zeitverfall. Die Erneuerung von Wissen in immer kürzeren Abständen trägt dazu bei, daß reaktiv, mit steigender Geschwindigkeit, auch Innovationen den Markt mit neuen, besseren Ideen und Umsetzungen durchdringen müssen, um dem Wettbewerb standzuhalten. „ ... this is an dynamic question, which produces new answers every few years - whereas an ideal business, once designed and effective, is likely to retain its characteristics for a fairly long period.“108 Neben dem Lebenszyklus für Wissen unterliegt somit auch der Innovationslebenszyklus Beeinträchtigungen und verringert sich in immer kürzeren Abständen.109 Spezialistenwissen, das „aus Sicht des Innovationsmanagements ... unbedingt notwendig ist“110, kann sich aufgrund des Zeitverfalls schwerlich weiterentwickeln. „Nur auf Basis von exzellentem Fachwissen ist es möglich, hervorragende innovative Problemlösungen zu generieren. Der Erwerb von Spezialwissen ... ist vor allem zeitabhängig. Dieses Wissen erwirbt man sich jedoch nur dann 105

Drucker, P. F. (1999a), S.54 Ebenda, S.66 107 Ebenda, S.54 108 Drucker, P. F. (1999b), S.129 109 Vgl. Botkin, J. (2000), S.303-305 110 Peritsch, M. (2000), S.128 106

78

Wissensmanagement zeitgerecht, wenn man sich intensiv mit dem jeweiligen Wissenssegment auseinandersetzt.“111 Spezialistenwissen bildet somit nur ein bestimmtes Segment im Wissenslebenszyklus ab. Die anderen Lebenszyklusphasen sind geprägt durch ein breitgefächertes Wissensspektrum, das phasenübergreifend ausgetauscht, kombiniert und spezialisiert werden muß. Dadurch stellt sich sodann auch unter Zukunftsaspekten die Frage nach einer zeitgemäßen Definition von Innovation. Drucker beschreibt Innovation der Neuzeit folgendermaßen: „Innovation is the design and development of something new, as yet unknown and not in existence, which will establish a new economic configuration out of the old, known, existing elements. It will give these elements an entirely new economic dimension. It is the missing link between having a number of disconnected elements, each marginally effective, and an integrated system of great power.“112 Bezogen auf diese neuzeitliche Definition von Innovation wird deutlich, welchen Beitrag Wissensmanagement zu einer optimalen Realisierung von Innovationsmanagement leisten kann. „Die Ergebnisse von Innovationen repräsentieren für das Unternehmen neues Wissen. Gestaltungsansätze im Innovationsmanagement reflektieren in spezifischer Weise die Besonderheiten von Wissenstransferprozessen, die zur Erstellung innovativer Leistungen notwendig sind.“113 Der aus Innovationen zu erzielende neue und höherwertige Wissensgehalt sowie die Erfahrungen aus Anwendung und Experimenten bilden die Grundlagen für eine sukzessive, erweiterte Untersuchung innerhalb des Unternehmens, inwieweit das vorhandene Innovationspotential optimal ausgeschöpft wird. Dies bietet Spielraum für Verbesserungen und Anwendungsalternativen, um durch Kombination von verschiedenen Ergebnissen aus Theorie und Praxis neues Wissen zu erhalten. Die Verknüpfung von Erfolgen im Wissensmanagement und das Lernen aus gescheiterten Vorhaben und Fehlern in Anwendung und Umsetzung stellen die ersten Schritte zur Erweiterung eines offen gelebten Innovationspools zur Ausbildung neuartiger Ideen dar. Dieser Innovationspool besteht sowohl aus dem Gedankengut der Mitarbeiter als auch aus der Vielfalt der möglichen Neukombinationen von Wissen. Neues Wissen entsteht im Rahmen der Ideensuche durch Erfahrungsaustausch, Diskussionen, Brainstorming und anderen Problemlösungsva111 112 113

Peritsch, M. (2000), S.128 Ebenda, S.138 Ebenda, S.51

79

Thorsten Lack rianten, die im Marketing und Wissens- bzw. Innovationsmanagement bei der Problemsuche angewandt werden. Hieraus folgt die Forderung, daß Innovationsmanagement zum einen nicht nur als eine Reaktion auf Maßnahmen anderer zu betrachten ist, sondern aktiv im Wettbewerb eingesetzt werden muß, und zum anderen, daß Innovation sowohl von implizitem Wissen als auch von explizitem Wissen innerhalb und außerhalb des Unternehmens abhängig ist. „Schumpeter hat das Hervorbringen von Innovationen als integralen Bestandteil wirtschaftlicher Aktivitäten verstanden und damit die Basis für ein Innovationsverständnis geschaffen, das Innovation nicht nur als Reaktion auf Veränderungen außerhalb des Wirtschaftssystems sieht, sondern die bewußt herbeigeführte und am Markt erfolgreiche unternehmerische Innovation als einen wesentlichen Erfolgsfaktor im Wettbewerb begreift.“114 Auch das daraus entstehende Zielsystem, das sowohl im Wissensmanagement als auch im Innovationsmanagement gleichermaßen tangiert wird, zeigt gewisse Gemeinsamkeiten. Neben der allgemeinen Gestaltung einer Organisation für die Ressource Human ist „der kognitive Ansatz, das heißt das Management des Wissens über Märkte, Kunden, Wettbewerber, Technologien und Anwendungstrends entscheidend.“115 Für Little stellt sich eine weitere Gemeinsamkeit heraus. Es genügt nicht mehr, nur Wissensförderung bei den Mitarbeitern zu wecken, um die zuvor angesprochenen Ziele zu verwirklichen. „Das Management kann Innovationen nicht einfach per Dekret verordnen, sondern es muß die Imagination, Intuition und Motivation der Mitarbeiter wecken und auf diese Weise kreative Leistungen stimulieren.“116 Kotler/Bliemel beschreiben diese Art der Innovationsfindung als einen fortwährenden Prozeß, der durch ständige Motivation laufend neu angeregt werden muß: die „kontinuierliche Innovation“117. Dies gilt es zu fördern, um im Wettbewerb bestehen zu können und der Erste auf dem Markt zu sein. Ansonsten besteht die Gefahr, daß bei abruptem Abbruch des Innovationskreislaufes oder -zyklus darauf folgende, aufkommende Problemsituationen nicht mehr adäquat gelöst werden können, da es an neuen, kreativen Ansätzen fehlt. Somit „ist Kontinuität .. ein wichtiges Konzept für Innovationen.“118 114

Peritsch, M. (2000), S.31 Ebenda, S.87 116 Little, A. D. (1997), S.40 117 Kotler, P.; Bliemel, F. (2001), S.688 118 Sabel, H.; Weiser, C. (2000), S.200 115

80

Wissensmanagement Sarges beschreibt dies in seinen Ausführungen zur Management-Diagnostik folgendermaßen: „Die Probleme sind komplex und vernetzt. Entscheidungen haben neben Haupt- auch meist daran geknüpfte Nebenwirkungen, die möglicherweise erst später sichtbar werden. Und grundsätzlich sind die Probleme nicht statisch, sondern dynamisch.“119 Gerade dadurch bekommen Unternehmen den Zwang zur Kontinuität auferlegt. Sollte somit eine Innovation als Hilfestellung zur Problemlösung fehlen oder zum richtigen Zeitpunkt nicht greifbar sein, stellt dies einen realen Wettbewerbsnachteil dar, der sich zukünftig überproportional auswirken kann. Aufträge zugunsten des Unternehmens können ausbleiben und werden von Kundenseite an Mitbewerber vergeben oder bestehende Engagements werden frühzeitig beendet. Innovationsmanagement muß sich somit kontinuierlich in einem Prozeß der Überprüfung und Aktualisierung von Wissen und Ideen befinden, darf dabei aber die Kreation neuer Lösungsansätze während einer Problembegleitungsphase nicht vernachlässigen. Dülfer spricht in seinen Ausführungen zum internationalen Management in bezug auf Marketingforschung von einem „Intelligenzzyklus“120, der neben der Informationsgewinnung auch die Informationsauswertung beinhaltet. Dieser Zyklus muß noch um den Prozeß der Wissensgewinnung aus Informationen, Neukreation von Innovationen und Ideen sowie der daraus abgeleiteten Wissensgenerierung erweitert werden, um auch das Innovationsmanagement bei internationaler Betrachtung wettbewerbsfähig zu gestalten. Unter Berücksichtigung all dieser Aspekte zeigt sich, daß Innovation und Wissen zur strategischen Entscheidungsfindung einen bemerkenswerten Beitrag leisten können. „Die Erhöhung der Qualität von Entscheidungen ist mit der Fähigkeit verknüpft, Wissen aus unterschiedlichen Bereichen einfließen zu lassen ... “121 Bürgel hat diesen Trend frühzeitig erkannt und zu deuten gewußt. Er sieht die Entwicklung des Wissensmanagements nicht als einen eigenständigen Prozeß, sondern immer als Kombination und Kooperation mit anderen Managementansätzen. So ist auch Wissensmanagement keine Weiterführung von Informationsmanagement. Entscheidend ist für Bürgel die Integration von Wissens- und Innovationsmanagement, was er als Kompetenzmanagement interpretiert. Dies hebt sich eindeutig 119 120 121

Sarges, W. (2000), S.244-245 Dülfer, E. (1997), S.484 Peritsch, M. (2000), S.131

81

Thorsten Lack von den anderen Managementkonzepten ab. „Diese Unterscheidung ist insofern angebracht, weil dadurch die Aufmerksamkeit auf einen für den Innovationsprozeß zentralen Aspekt, d.h. auf die Schlüsselfrage der Durchsetzung neuen Wissens, neuer Technologien und Geschäftskonzepte im Markt gelenkt wird. Wissen ist hierfür nur Mittel zum Zweck.“122 5.1.2 Die innovative Organisation nach Drucker Drucker erkannte, daß Unternehmensführung ein Konzept ist, das von Ideen und einer konsequenten Umsetzung lebt. Organisation und Führung solcher Unternehmen verlangen allerdings, daß die am Markt befindlichen Betriebe ihre Einstellungen und Verfahrensweisen ändern. Erfolg ist eine logische Konsequenz aus Innovation und Idee, wobei Drucker anmerkt, daß es eine Vielzahl von Ideen braucht, um die eine wirklich effiziente und wirkungsvolle Idee in der Praxis zu realisieren. „Eine innovativ orientierte Unternehmung begreift, daß am Anfang der Innovation eine Idee steht. Ideen sind ähnlich wie Säuglinge - sie werden winzig geboren, sind unreif und ohne Konturen. Sie sind nur Versprechung, aber keine Erfüllung. ... Ein innovatives Unternehmen wird aber ebenso wissen, daß sich die Mehrheit der Ideen als nicht sinnvoll herausstellen wird. Innovative Ideen sind wie Froscheier. Tausend werden gelegt, aber nur aus einem oder zweien entstehen vollausgereifte Frösche.“123 Grundlegend bietet Innovation im Unternehmen der Organisation die Möglichkeit der Fortentwicklung. Dabei wird weniger auf die Verbesserung von kleinen Komponenten geachtet, wie dies im Qualitätsmanagement getan wird, sondern es wird mit Systematik ein Innovationsnetzwerk entwickelt, das auf das Gesamtkonzept der Organisation zugeschnitten ist. Dies hat zur Folge, daß der Begriff Innovation bei Drucker einer ganz bestimmten Definition folgt: „Innovation heißt, Bedürfnisse des Kunden mit einer Neuerung zu befriedigen und ihm einen neuen Gegenwert zu bieten. Organisationen messen Innovationen daher nicht an ihrer wissenschaftlichen oder technologischen Bedeutung, sondern daran, was sie in den Markt einbringen und welchen Nutzen sie für den Kunden erbringen. Ihnen gilt die „gesellschaftlich wirksame Innovation“ als genauso wichtig wie die „technologische Innovation. ... Innovative Unternehmen wissen auch, daß sich eine erfolgreiche neue Idee häufig auf völlig unvermuteten Märkten am besten durchsetzt.“124 122 123 124

Bürgel, H. D. (1998), S.68 Drucker, P. F. (1986), S.260-261 Ebenda, S.261

82

Wissensmanagement Diese Darstellung und Zusammenführung von Unternehmen und Innovation hat bei Drucker eine gemeinsame Grundlage. Der Mensch steht auch bei seiner Interpretation eines erfolgreich umzusetzenden Unternehmensführungskonzeptes im Mittelpunkt und bestimmt die Erfolgsfaktoren einer Organisation. Über den Mensch lernt das Unternehmen und kann somit Erfolge sichern und Weiterentwicklung gewährleisten. Drucker bestätigt dies in der Aussage, „daß Menschen kein Kostenfaktor, sondern ein Aktivposten sind und daß die Menschen deshalb so geführt werden müssen, daß sie die Verantwortung für die eigenen Ziele und die eigene Leistung genauso wie für die der Gruppe übernehmen.“125 Weitere Faktoren wie Finanzen, Planungen oder Konkurrenzbeobachtungen, die das Unternehmen zusätzlich beeinflussen, bleiben wirkungslos, wenn die Menschen, die für die Umsetzung verantwortlich sind, den entscheidenden Zeitgeist vermissen lassen. „Kluge Unternehmen wissen, daß nicht Geld Innovationen produziert, sondern daß es Menschen sind. Sie wissen, daß bei innovativer Arbeit die Qualität sehr viel mehr zählt als die Quantität. ... Erfolgreiche Innovationen erfordern nur selten sehr viel Geld in den ersten und kritischen Stadien. Sie erfordern aber einige äußerst kompetente Mitarbeiter, die sich der Aufgabe verschreiben, sich von ihr antreiben lassen und ihre gesamte Zeit mit äußerster Intensität für diese Aufgabe aufwenden.“126 Dieser Ansatz wird streng verfolgt und gefördert und beinhaltet das gesamte Engagement der Unternehmensleitung. Es bedarf einer differenzierteren Einstellung der Managementorganisation, da mit Erfolg und Scheitern, Chance und Risiko vorsichtiger umzugehen ist als mit den alltäglichen unternehmerischen Entwicklungen, Vorgehensweisen und Entscheidungen. „Diese Organisationen wissen aber auch, daß die meisten innovativen Ideen, so brilliant sie auch sein mögen, nicht zum Erfolg führen. Also gehen sie mit den Innovationsbereichen in der Planung, im Budget, in den Erwartungen und Kontrollen ganz anders um als im Management des laufenden Betriebes.“127 Im Bewußtsein einer veränderten Unternehmensführung im Bereich Mitarbeiterführung und Innovation beschäftigen sich die Verantwortlichen auch mit betriebswirtschaftlichen Kennzahlen. Das Chance-Risiko-Verhältnis beeinflußt extrem die Entscheidungsfindung im frühen Entstehungsstadium, nimmt Bezug 125 126 127

Drucker, P. F. (1996) S.222 Ebenda, S.262 Ebenda, S.263

83

Thorsten Lack auf die nach Einführung der Innovation möglicherweise eintretenden Konsequenzen in finanzieller, betrieblicher, mitarbeiter- und marktbezogener Sicht. „Innovative Unternehmen wissen, daß sich der Innovationsertrag radikal anders verhält als die Erträge aus laufenden Geschäften. Über sehr lange Zeiträume hinweg, manchmal über Jahre hinweg, erbringen Innovationen überhaupt keine „Erträge“. Sie verursachen nur Kosten. Danach aber sollten die Erträge exponential ansteigen. Eine Innovation ist dann als Mißerfolg zu betrachten, wenn sie die ursprüngliche Investition nicht mehr als hundertfach wieder einspielt. Die Risiken sind einfach zu groß, um einen geringen Ertrag zu rechtfertigen.“128 Neben dem Rückfluß von Kapital, das in Investitionen eingebracht wurde, stellen für Drucker neue Projekte und regelmäßige Prüfroutinen bedeutende Bestandteile der organisierten Innovationsbetriebe dar. „Innovative Unternehmen haben .. ein äußerst wachsames Auge auf diese neuen Projekte. ... Das innovative Unternehmen organisiert sich vor allem so, daß das Alte, Veraltete und nicht mehr Produktive abgestoßen wird. ... Ein innovatives Unternehmen stellt daher etwa alle drei Jahre sämt-liche Produkte, Prozesse, Technologien, Dienstleistungen und Märkte auf den Prüfstand.“129 Dies entspricht dem Portfoliogedanken, das heißt einer gesunden Selektion einzelner gewinnbringender und erfolgreicher Geschäftsbereiche und Prozesse, die sich einer ständigen Qualitäts-, Innovationsund Erfolgskontrolle durch das Unternehmen und einer damit verbundenen Überprüfung der Marktpositionierung unterziehen müssen. Kritisch steht Drucker allerdings einer Zusammenführung von Innovation und Kreativität gegenüber. Für ihn stellt die Kombination aus beiden Komponenten keine Basis für Unternehmenserfolg oder eine höherwertige Wissensbasis zur besseren Ideenentwicklung und Entscheidungsfindung dar. „In innovativen Unternehmen redet man niemals von „Kreativität“. „Kreativität“ ist das Schlagwort für Unternehmen, die nicht innovieren.“130 Was andere Unternehmen als Voraussetzung und Neugestaltung von Ideen empfinden, betrachtet Drucker als unrentabel und wenig fortschrittlich. Seiner Begründung nach sollten sich innovative Unternehmen nicht auf die Erforschung weiterer Alternativen zu neu entwickelten Innovationen konzentrieren, wenn diese eindeutige Schwachstellen aufweisen und dadurch zum Scheitern verurteilt sind. Kreativität ist demzufolge eine Modeerscheinung, die über die zwanghafte Kreation von Alternativen die Sicht verne128 129 130

Drucker, P. F. (1996), S.263 Ebenda, S.264 Ebenda, S.265

84

Wissensmanagement belt und eine realistische und situationsgerechte Beurteilung von Innovationen behindert. Es ist damit unabdingbar notwendig, sich auf neue Projekte zu konzentrieren und anderweitig gestaltete Ideen und Innovationen hervorzubringen, denen günstigere Erfolgschancen eingeräumt werden. Diese Einstellung Druckers hat damit wesentlichen Einfluß auf die strategische Entscheidungsfindung bei Neuentwicklungen und Betreuung von Innovationen, aber auch auf die operative Entscheidung, da in kürzesten Zeitabständen Aussagen über die Überlebensfähigkeit einer am Markt zu etablierenden Idee getroffen werden müssen. In Zeiten des fortschreitenden Wandels innerhalb und außerhalb der Organisationen hat diese Form der Führung und Umgangsform mit Problemen richtungsweisenden Charakter für Mitarbeiter und Leitung. Es „bedarf .. entsprechender Einstellungen, politischer Richtlinien und Praktiken, die eine innovative Organisation kennzeichnen“131, um in Zeiten, in denen „Innovationsbedarf und ... Innovationschancen größer sein werden als je zuvor“132, diese einzigartigen Marktpotentiale zu erkennen, zu beurteilen und zu intensivieren, um auch international bestehen und überleben zu können. 5.1.3 Organisationale Lerntheorie Die organisationale Lerntheorie basiert auf dem Prinzip des Lernens durch Unternehmen. Die Organisation lernt durch die sich weiterbildenden Menschen und deren Erfahrungen. Weiterhin wird das zur Verfügung gestellte und durch Anwendung gereifte Wissen in die Organisation eingebracht133. Die Summe von Einzelwissen ist werthaltiger als das isolierte Wissen von jedem Individuum, da Lernprozesse auf Organisationsebene mehrdimensionale Lernmodelle verwenden können134. Diese Modelle ergänzen und erweitern die schon vorhandenen Lernmethoden durch Neukombinationen ausgereifter Erfahrungen von unterschiedlichen Individuen in verschiedenen Teilbereichen der Organisation. Es findet die Verknüpfung von Lernergebnissen intern zu einem Ganzen statt, woraus sich wiederum Schlußfolgerungen für zukünftige Aufgabenstellungen ziehen lassen. Organisationale Lernprozesse sollen demnach eine kollektive Verhaltensänderung nach sich ziehen, die sich erst dann in Wissen manifestiert, wenn es zur Anwendung des Erlernten kommt. „Wenn organisationales Lernen verhaltensinduzierte 131

Drucker, P. F. (1996), S.265 Ebenda Vgl. Justus, A. (1999), S.102, S.105, S.102-142 134 Vgl. Peritsch, M. (2000), S.52 132 133

85

Thorsten Lack ... Veränderungen nach sich zieht, kann deshalb die Aneignung von Wissen nicht gleichgesetzt werden mit Lernen. Erst wenn die Veränderung von kollektivem Wissen sich auch in entsprechenden Handlungsmodifikationen äußert, kann davon ausgegangen werden, daß eine Organisation gelernt hat. Solange Wissen nicht in Handlungen oder Entscheidungen umgesetzt werden kann, wurde auch nicht gelernt.“135 Bei dieser Verhaltensänderung kann es sich sowohl um die Neuentwicklung und Transformation von Wissen als auch um die „Umsetzung von latent bestehendem Wissen in konkrete Handlungen und Entscheidungen"136 handeln. Die organisationale Lerntheorie muß damit als ein wichtiger Teil im aktiven Wissensmanagement betrachtet werden. Sie fördert das Bewußtsein für die Notwendigkeit von Verhaltensänderungen, auch unter dem Aspekt möglicher Kosten von Lernen und Wissenserwerb. Erst durch eine Verhaltensänderung lernt das Individuum und stellt im Optimalfall dem Kollektiv seine Erfahrungen zur Verfügung und zur Diskussion. Der Erfahrungsaustausch auf Organisationsebene fördert Anwendungs-, Lern- und Kritikbereitschaft. Als besonders erwähnenswert gelten drei Lernarten137: single-loop-learning (vgl. Abbildung 11) (Optimierung von Prozeßabläufen durch Fehleraufdeckung und -korrektur. Organisation und Zielsetzungen werden hingegen nicht verändert.) double-loop-learning (Erkennen und Aufdecken von Fehlern und Erarbeiten von neuen Problemlösungen über Lernmechanismen. Umsetzung in der Organisation.) deutero-learning (Lernen lernen, das heißt im Mittelpunkt stehen die Lernprozesse und ihre Verbesserungen. Punkt 1. und 2. werden dabei intensiv betrachtet.)

135 136 137

Ulrich, P. (1998), S.37 Vgl. Ulrich, P. (1998), S.37 Vgl. Bullinger, H.-J. (1996), S.53-54

86

Wissensmanagement

Überprüfung der Standards / Normen auf ihre Angemessenheit

single-loop-learning

Überwachung und Diagnose der Unternehmensumwelt

Vergleich der Informationen aus der Umwelt mit denen interner Standards / Normen

Sofortige Korrektur der Abweichungen

Abbildung 11: Der Prozeß des Singlelloop-learning (in Anlehnung an Ulrich, P., 1998, S.38) In Betrachtung der zuvor beschriebenen Aspekte wird deutlich, daß der Lernprozeß der Individuen notwendig, aber nicht hinreichend für den Lernerfolg des Kollektivs ist. Der Einfluß von subjektiven, unbewußten, bereits bestehenden Verhaltensregeln und Normen wirkt sich auf die Fehleridentifikation und -bereinigung negativ aus und kann im Kollektiv verhindert werden. Das Kollektiv strebt nach objektiver Veränderung. Alle Entscheidungen in der Organisation, ob in bezug auf Lernprozesse oder Wissensstrukturen, werden von Individuen gefällt. Die Anzahl der kollektiven Wissensarbeiter einer Unternehmung grenzt das Risiko der subjektiven Beeinflussung jedoch schrittweise ein. Auf dieser Basis findet in der organisationalen Lerntheorie eine kritischere Auseinandersetzung mit Wissensmanagement und der Lernenden Organisation statt, mit dem Ziel, das persönliche Empfinden und die sich daraus entfaltende Unsicherheit in Entscheidung und Lernerfolg einzugrenzen oder idealerweise völlig auszuschließen. Dies ermöglicht der kritische Lernansatz der organisationalen Lerntheorie nach den beschriebenen Entscheidungsmustern im Zuge einer gezielten Reflexion und Diskussion.

87

Thorsten Lack 5.1.4 Qualitätsmanagement und die Verflechtung zu Wissensmanagement Innovation sichert Wissen und den praktischen Umgang damit. Ein implementiertes und aktiv gelebtes Wissensmanagement bietet eine Grundlage für Qualitätsbewußtsein, sei es im Kontakt mit Kunden oder in der Entwicklung neuer Produkte. Vollmar verweist darauf, „dass Qualitätsmanagement eine Vorform zum Wissensmanagement darstellen kann. ... . Änderung in der Unternehmenskultur und Sensibilisierung der Mitarbeiter bereiten den Boden für das Wissensmanagement.“138 Der Einfluß von Unternehmenskultur und Mitarbeiterführung auf eine erfolgreiche Etablierung und Veränderung von Wissensstandards wird damit nochmals unterstrichen. Der Kreislauf aus Innovation, Wissen und Qualität schließt sich erneut und unterliegt, wie jedes einzelne Element, auch im Ganzen einem kontinuierlichen Veränderungs- und Erneuerungsprozeß. Neue Innovationen führen zu neuem Wissen; die Rohstoffe139 der Ressource Wissen, nämlich diverse Informationen, liefern den Grundstock für Ansätze zu Qualitätsverbesserungen. „Die Wichtigkeit einer Information soll an dem Schaden gemessen werden, mit dem die Organisation rechnen müßte, wenn die Informationsbeschaffung unterbliebe.“140 Diese Forderung führt Mag auf Acker zurück, um damit einerseits die Wichtigkeit von Informationen für die Verarbeitung zu Wissen und zur Entwicklung von Innovationen darzustellen, anderseits zu erläutern, wie ausschlaggebend der Faktor Zeit bei der Opportunitätskostenbetrachtung ist. Sind nicht genügend Informationen vorhanden, läßt sich auch schwerlich ein geeignetes Innovations- oder Wissensmanagement aufbauen. Wissensmanagement führt jedoch durch seine stringente Ausrichtung bei Prozeßabläufen zu weiteren Ansatzpunkten, um das Qualitätsbewußtsein zu stärken und gegebenenfalls neu zu überdenken. Im Umkehrschluß kann durch eine verstärkte Betrachtung von Prozessen und Verbesserungen im Qualitätsmanagement auch das Wissensmanagement in seinen Abläufen beeinflußt werden. Neues Wissen über qualitativ verbesserte Abläufe ermöglicht eine Steigerung und Festigung des Qualitätsbewußtseins. Verbesserte Qualität zeichnet sich wiederum in einem nachvollziehbaren Lernprozeß der Erweiterung und erfolgreichen Anwendung von zuvor beschriebenen, neu erworbenen Wissensbestandteilen ab. „Die spezifische Prozeßbetrachtung beim 138

Vollmar, G. (2000), Internetseite: wissensmanagement online, http://www.wissensmanagement.de...-Jan.00/Qualitätsmanagement.html, 02.03.2001, 15:16 Uhr 139 Vgl. Della Schiava, M./Rees, W. H.(1999), S.221 140 Acker, H. (1956), S.115-120, S.142

88

Wissensmanagement Qualitätsmanagement ermöglicht neue Arten des Lernens und des ständigen Verbesserns von Abläufen. In Qualitätszirkeln werden wichtige Erfahrungen für den Aufbau von Wissensmeetings gemacht.“141 Seghezzi erkannte, daß es notwendig ist, durch andauernde Verbesserungen, welche durch alle Mitarbeiter des Unternehmens getragen werden sollten, Fehler im innovativen Bereich als Lernquellen zu betrachten und im repetitiven Bereich Fehler zu vermeiden, um eine hohe Qualität zu erreichen.142 Im Resultat bedeutet dies unweigerlich die enge Verflechtung von Lernprozessen, Wissensverarbeitung und Qualitätsfindung.

Abbildung 12: Wissensmanagement baut auf den Erfahrungen des Qualitätsmanagements auf, die Bereiche der menschlichen Kreativität und Intuition werden fokusiert (in Anlehnung an della Schiava, M./Rees, W. H., 1999, S.115) 141 142

Della Schiava/Rees, W. H. (1999), S.112 Vgl. Seghezzi, H.D., 1994, S.57

89

Thorsten Lack Wissen kann zu gesteigerter Qualität führen; Qualität ist ein Indiz für konsequente, weiterführende und zukunftsgerichtete Wissensaktivitäten. Wissen kann zum wirtschaftlichen Objekt, z.B. Wissen als Produkt, werden. Die Auseinandersetzung mit Wissen, gleichgültig ob als eigenständiges Produkt oder als Rohstoff und Ressource, bietet dem Unternehmen die Möglichkeit, altbewährte Strukturen neu zu überdenken und damit eine Entscheidungsfindung voranzutreiben, die sowohl eine höherwertige Wissensbasis als auch ein Produkt oder eine Serviceleistung von verbesserter Qualität beinhaltet. Somit haben beide Managementkonzepte neben einer vergleichbaren Strategie und Vision eine konsequente Ausrichtung an unternehmerischen Grundsätzen und Zielen als gemeinsame Grundlage. Die Interaktion zwischen beiden Handlungsmaximen führt durch konsequente Kombination von einzelnen Elementen aus den verschiedenen Managementansätzen zu Synergieeffekten. Hieraus resultieren bessere Entscheidungen, da sich die Basis der vorhandenen Informationen und Erkenntnisse erhöht, allerdings nicht verdoppelt hat Stellt man die Begriffe Wissen und Qualität einander gegenüber, so wird deutlich, daß beide einander bedingen. Beide unterliegen einem Lernprozeß und werden sich zukünftig getrennt eher rück- als fortentwickeln, wenn das Lernprocedere nicht fortlaufend gepflegt und überprüft wird. Beide müssen ganzheitlich im Sinne der Lernenden Organisation ineinander verzahnt werden. Damit entfaltet sich die Multiplikatorenwirkung von Vorteilen beider Unternehmensführungsansätze. Antreiber dafür ist neben dem Individuum die (Lernende) Organisation, das Kollektiv. Aber auch sie müssen sich durch Erfahrungen und Erkenntnisgewinn, „das stetige Wachsen von Wissen und Gewißheit“143, einer ständigen Infragestellung unterziehen, um somit einen neuen, wirkungsvollen Ansatz für situationsgerechte und zukunftsgerichtete Veränderungen zu verfolgen. „Eine transzendentale Qualitätsauffassung postuliert ein absolutes und universell geltendes, erkennbares Qualitätsmass ... . Trotz dieser Auffassung wird nicht von einer präzisen Definierbarkeit der Qualität ausgegangen. Sie ist vielmehr eine nicht analysierbare Eigenschaft, deren Erkenntnis erst durch Erfahrung wächst.“144 Einem ähnlichen Prozeß unterliegt auch Wissen. Beide Bereiche wachsen nur dann stetig, wenn aus Fehlern gelernt werden und durch neuerliche Anwendung und Reflexion von Erfahrung und Erkenntnis ein Lernprozeß einge-

143 144

Della Schiava, M./Rees, W. H. (1999) S.49 Hodel, M. (1999), S.97

90

Wissensmanagement leitet werden kann, der diese Fehlerquellen berücksichtigt. Qualität und Wissen und deren Managementansätze greifen auf dieser Ebene erneut ineinander. Entscheidender Faktor wird allerdings wiederum der Mensch sein. Es gilt, das Bewußtsein für Qualitätsmerkmale zu wecken und die Umsetzung bei der täglichen Arbeit zu gewährleisten. Dabei geht es nicht nur darum, die Produktqualität zu sichern, dies ist Aufgabe der Abteilung Qualitätssicherung, sondern „Prozesse innerhalb der Organisation steuerbar [Anm. d. Verf.: zu] machen, um die Leistung derselben im Markt zu steigern.“145 Dokumentation und Standardisierung von Abläufen tragen dazu bei, Wissen niederzulegen und Arbeitsabläufe transparenter zu machen. Fakt ist, daß durch die Dokumentation das Qualitätsbewußtsein und das Wissen aus einer einzelnen Person herausgelöst und dem Kollektiv zur Verfügung gestellt werden. Das Unternehmen wird damit sowohl dem Ansatz des Qualitätsmanagements als auch dem des Wissensmanagements gerecht. Jedem einzelnen sollte nicht nur reines Fachwissen vermittelt werden, sondern auch die Mentalität von Verbesserungen bei offengelegten Wissens- und Qualitätsstandards ins Bewußtsein gerufen werden, damit sie besser umgesetzt und genutzt werden können. Damit nehmen beide Managementansätze entscheidenden Einfluß auf die Unternehmenskultur146, die ihren ganz bestimmten Anteil an der Entwicklung der Lernenden Organisation und Ausgestaltung von qualitativ hochwertigen Wissensprozessen hat. „Die Schaffung einer Kultur, in der ... Fehler offen angesprochen werden, kann dazu beitragen, häufig anzutreffenden Kommunikationsproblemen in der Problemlösung abzuhelfen.“147 Dadurch wird der Tatsache Rechnung getragen, daß eine Problemlösung nie aus einer einzigen Sichtweise betrachtet werden kann, sondern verschiedene Elemente immer wieder ineinander verzahnt zu einer besseren Alternative führen, hervorgerufen durch Erkenntnisse aus Wissensmanagement und Qualitätsmanagement. Durch Lerneffekte in der Wissensgewinnung und Wissensanwendung wird Qualität gefestigt, da die realistische Möglichkeit besteht, durch den Ausschluß verschiedener zuvor erlernter und aufgrund aufgedeckter Fehlerquellen verworfener Varianten die geeignetste und der Problemlösung am nächsten kommende Alternative zu entdecken. Diese bleibt solange bestehen, bis auch im Wissensmanagement und im Qualitätsmanagement gleichermaßen eine bessere Alternative ge145 146 147

Vollmar, G. (2000) Ebenda Weber, J.; Grothe, M. (1999), S.31

91

Thorsten Lack funden wird, und die zuvor implementierte Lösung aufgrund weiterreichender Erfahrungen und Fehlertoleranzen zu einer Widerlegung der Alternativenhypothese zugunsten einer neuen Ausrichtung führt. Dies fördert schrittweise die Qualitätssicherung und das Qualitätsbewußtsein durch Wissen. Der aufgezeigte Zusammenhang zwischen Innovations-, Qualitäts- und Wissensmanagement macht deutlich, daß alle Bereiche integrativ betrachtet werden müssen. Jeder Managementansatz beinhaltet Elemente, die sich sowohl in den anderen Managementkonzepten anwenden lassen als auch übergreifend ergänzend auswirken können. Solche Elemente sind gekennzeichnet durch eine gezielte Wissensidentifikation, Vertrauen in die Qualität und Richtigkeit von Daten und Informationen sowie die schrittweise Verbesserung von Ziel- und Strategieabweichungen. Dies muß sich eine intelligente und lernende Unternehmung zunutze machen und dementsprechend situativ handeln. Die Verknüpfung der effektiven und positiven Wirkungen einzelner Bereiche untereinander muß erschlossen werden und damit zur Zielerreichung und Strategieumsetzung beitragen. Demzufolge wird eines der obersten Ziele der Organisation sein, Qualität durch Wissen und ständige Innovationskonzepte zu sichern, die Suche und Entwicklung von Ideen voranzutreiben, um damit am Markt das erfolgskritische Wissen frühzeitig verfügbar zu haben. Vorteilhaft sind weiterhin ein breiteres Erfahrungsspektrum und ein forcierter Informationsaustausch. Das Wissen über die Notwendigkeit eines integrativen Managementansatzes wie auch das in verschiedenen, vielfältigen Teilsegmenten hinterlegte Wissen der Unternehmung liefert einen erheblichen Beitrag zur Qualitätssicherung der Arbeitsleistung. Zudem stärkt sich die Wissensquote des Unternehmens mit jeder weiteren, konsequenten Wissensverteilung. Somit steigt auch die Qualität der Wissensleistung. Einzige Gefahr besteht in der fehlenden Aktualisierung und der Veralterung von Wissensbestandteilen. Wird die Pflege von Wissensressourcen aus besonderen, vorherrschenden Gründen vernachlässigt oder gar eingestellt, so kann infolge des dynamischen Umfeldes nicht einmal die derzeitig gesichert erscheinende Qualität des Unternehmenswissen bewahrt werden. Fehlende Aktualisierung wirkt sich überproportional negativ aus. Darum ist das Lernen der Unternehmung nicht nur als Reaktion auf die gestiegenen Anforderungen der Märkte zu betrachten, sondern verfolgt egoistische Ziele in bezug auf die Überlebensfähigkeit und Sicherung bzw. Ausbaufähigkeit der Wissensqualität.

92

Wissensmanagement 5.1.5 Krisenmanagement und Konfliktmanagement Krisenmanagement und Konfliktmanagement sind Schlagworte im heutigen Unternehmertum bei der Bewältigung von potentiellen Gegensätzen im 21. Jahrhundert. Gerade im Bereich der globalisierenden und international aufstrebenden Unternehmungen wirken sich durch Fusionen bedingte kulturelle Unterschiede oder differenzierte Arbeitsweisen und Führungsstile unterschiedlich auf die Integration aus. Kotler/Bliemel haben erkannt, daß ein Übermaß an Konflikten Störungen mit sich bringt. „Das Problem besteht daher weniger darin, Konflikte vollständig zu beseitigen, als vielmehr darin, sie managementmäßig besser zu bewältigen“148 und daraus im Ergebnis bessere strategische und operative Entscheidungen zu fällen. Nicht nur der Zusammenhalt untereinander muß neu erarbeitet werden, es muß auch das Verständnis für- und miteinander aufgebaut und gepflegt werden, im speziellen das Sprachverständnis in Form einer gemeinsamen Sprache. Dies ist neben der Landessprache auch die Sprache des Wissens, dessen Vermittlung in fremden Kulturen und das Lernen aus unbekannten Organisationsstrukturen zu einer einheitlichen Kommunikationsbasis führt. Durch die Umwälzung von alteingefahrenen Vorgehensweisen und die Übernahme von wirtschaftlich sinnvolleren und besseren Alternativen entsteht gleichermaßen eine gemeinsame höherwertigere Wissensbasis. Unternehmenskulturen und deren differenzierte Umgangsformen bilden sowohl im Team als auch beim Individuum die ersten Hürden im Kontakt untereinander, der unabdingbar für die Erkenntnis von vorhandenen, entstehenden und aufkeimenden Konflikten ist. Die Gefahr einer Kulturfalle, das heißt der Ähnlichkeit zweier eigentlich verschiedener Kulturen, entsteht häufig bei mangelnder Ernsthaftigkeit und Tiefgründigkeit in der internen Unternehmensanalyse. Der Firmenwert, der durch Fusion oder Zusammenführung zweier grundverschiedener Organisationen entsteht, liegt im Wissen über Aufgaben, Strukturen, Werte und Können, das heißt speziell in der Anwendung, aber vor allem in einer gefestigten Unternehmenskultur. Werden solche Traditionen und Wettbewerbsvorteile der einzelnen Organisationen nicht ausgetauscht und ergänzt, so bleibt bei der rasanten Geschwindigkeit der Märkte das Wissen auf der Strecke, kann nicht ausgebaut werden und verliert somit über seine Halbwertzeit täglich an Wert und Effizienz. Risikoorientierung und Lernoptimierung werden dadurch zurück in die Verantwortung des Individuums gelegt, ohne daß diese Kompetenzen in der Or148

Kotler, P./Bliemel, F. (2001)., S.1122

93

Thorsten Lack ganisation zentral und für alle gleichermaßen gebündelt werden. Individualismus als Folge fördert die Konkurrenz im eigenen Unternehmen, schafft Gegensätze und widerspricht den angestrebten Synergieeffekten und somit dem Sinn der Zusammenlegung mehrerer Unternehmen(-sbereiche). Konflikte sind durch mangelnde Integrität und gemeinsame Identifikation vorbestimmt. Wissensmanagement hingegen versucht einen nun entscheidenden Beitrag für ein besseres Krisen- und Konfliktmanagement zu leisten. Wiederum wird deutlich, daß die verschiedenen Unternehmensführungs- oder Managementansätze nicht für sich allein betrachtet werden dürfen, sondern verzahnt und integriert ineinander übergehen. Der Umgang des Unternehmens mit der Ressource Mensch, der die Wertschöpfung der Organisation maßgeblich beeinflußt, und dessen Wissen stellt einen entscheidendes Kriterium für Motivation und Zufriedenheit dar. Diese psychologischen Einflüsse beziehen sich auf das Individuum im speziellen, aber auch auf die Organisation im allgemeinen. Nur wenn Strukturen, Verfahrens- und Verhaltensweisen und deren Auswirkungen erkannt, analysiert und bewertet werden, wird vor dem Hintergrund eines ständigen Verbesserungsstrebens der Beteiligten die Sinnhaftigkeit von Wissensmanagement im Krisen- und Konfliktmanagement hinterfragt. Psychologische Grundmuster beim Menschen und an der Sache selbst dienen dazu, schwierige und komplexe Probleme zu erklären und auf ein geringes Maß an Komplexität zu reduzieren, um eine Vereinfachung in der Handhabung zu gewährleisten. Dazu ist es unbedingt notwendig, Wissen für dieses Handlungsgebiet vorrätig zu haben, es präsentieren, aber auch wandeln und anpassen zu können. Erst dann trägt Wissensmanagement dazu bei, Konflikte und Krisen offen zu diskutieren. Die Handlungskompetenz der einzelnen und der Organisation wird gestärkt. Die Abstraktion von Problemlösungen fordert nicht selten, daß vorhandene Konflikte auf höherer Ebene ausgesprochen und Lösungsansätze übergreifend im Unternehmen erarbeitet werden. Diese kritische und problembewußte Lernbereitschaft im Sinne der Lernenden Organisation auf höherem Abstraktionsniveau einzubringen, Wissen zu übertragen und auf fremde oder unternehmenseigene Konfliktsituationen anzuwenden ist eine Qualität von Wissen im Konfliktmanagement. Möglicherweise erkennen Unternehmen auf der Suche nach brachliegenden Ressourcen oder konfliktträchtigen Mechanismen, die den Unternehmenserfolg behindern, daß das vorhandene Wissen zur Lösung und im Umgang mit solchen Verhaltensmustern nicht mehr ausreicht, und bedienen sich unternehmensfremder Institutionen. Das kann Wissen von psychologisch oder wirtschaftlich orientierten Unternehmen sein, oftmals von Unternehmensberatungen. Diese wiederum stellen ihr Wissen konsequent zur Verfügung, versuchen 94

Wissensmanagement das vorhandene Wissen im betreuten Unternehmen zur Konfliktlösung zu aktivieren und zu erweitern, um in der Verbindung von eigenem und fremdem Wissensmanagement erkannte Krisensituationen zu bewältigen. Der angesprochene Aspekt des Lernen-Lernens spielt eine wichtige Rolle. Wissen preisgeben, vervielfältigen, mit Hilfe anderer neu kombinieren oder erneuern bedeutet Lernen durch Konfliktsituationen. Entscheidende Informationen richtig einschätzen, frühzeitig erkennen und produktiv anwenden bewirkt einen strategischen Vorteil. Der Mehrnutzen entsteht durch die Reduzierung des Konfliktpotentials innerhalb der Unternehmung oder unter den Beteiligten und die dadurch mögliche Konzentration auf die gestellten Arbeitsaufgaben. Die Wirkung ist überproportional. Schleichende, aufkeimende Konfliktpotentiale wurden bislang selten beachtet oder aber aktiv, aus dem Wissen über sie heraus, bekämpft. Hintergrund der geforderten Offenheit und Vertrauenskultur im Umgang mit Konflikten stellt im Wissensmanagement das Bewußtsein dar, daß mit der Anwendung der Problemlösungskompetenz keine un-nötigen Ressourcen im Unternehmen an den falschen, verlustbringenden Stellen gebunden werden. Wissen als elementarer Bestandteil der Unternehmung wird zur effizienten Konfliktbeseitigung eingesetzt und schafft damit, neben einer zusätzlichen Wissensgewinnung, Freiräume für die Umsetzung der eigentlichen Geschäftsstrategien. a)

Strategieansätze zur Entscheidungsfindung und Informationsgewinnung

Wer sich als Unternehmer mit Informationsgewinnung und Entscheidungsfindung beschäftigt, muß sich darüber im klaren sein, daß unterschiedliche Einflüsse aus Umwelt und Umgebung auf Organisation und Individuum wirken. Um eine Strategie rationaler Entscheidungsfindung, der Informationssuche und -verarbeitung zu nutzen und aktiv vorzuleben, bedarf es des Verständnisses dieser Strategieansätze. Im folgenden seien exemplarisch zwei Ansätze, das „Modell rationaler Entscheidungen“ und das „Modell verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie“ nach Hungenberg, dargestellt. Das Modell rationaler Entscheidungen baut auf einer konkreten Strategiebildung und daraus abgeleiteten Informationen und Entscheidungen des Unternehmens auf. Es stehen rationale Aspekte im Vordergrund. „Strategische Entscheidungen werden getroffen, indem ausgehend von einem bestimmten strategischen Ziel zunächst die Situation des Unternehmens analysiert wird, darauf aufbauend werden verschiedene Strategiealternativen formuliert und schließlich wird diejenige Alternative ausgewählt, durch die die Unternehmensziele am besten erfüllt wer95

Thorsten Lack den. Zentral für diese Entscheidungslogik ist die Annahme, dass Entscheidungsträger rational handeln - das heißt, dass sie ausgehend von einem klar formulierten und allgemein akzeptierten Ziel die optimale Lösung für ihr Problem suchen und dabei sämtliche Informationen berücksichtigen, alle denkbaren Alternativen miteinander vergleichen und dann die (objektiv) beste Lösung auswählen.“149 Der Mensch setzt sich für Entscheidung und Problemlösung ein. Demgegenüber steht die verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie. Diese stellt im Gegensatz zum rationalen Modell der Entscheidungsfindung „die kognitiven und motivationalen Beschränkungen menschlichen Verhaltens in den Mittelpunkt. Konkret geht sie davon aus, dass Menschen nur über eine begrenzte Kapazität an Informationsverarbeitung verfügen und dass ihre Bereitschaft, sich im Unternehmen zu engagieren ebenfalls beschränkt ist.“150 Daraus lassen sich zwei Annahmen ableiten: Das Unternehmen stellt sich als Instrument dar, in welchem unterschiedliche Interessengruppen ihre teilweise konträren Ziele im eigenen Sinne verfolgen. Das Unternehmen entsteht erst durch eine Koalition der Partner und dient der Zweckund Zielerfüllung. Das Unternehmen ist eine Interessengemeinschaft. Entscheidungsträger im Unternehmen verfügen über eine begrenzte Rationalität in ihren Entscheidungen. Aufgrund des Kapazitätsengpasses in der Informationsaufnahme können weder objektiv rationale Entscheidungen getroffen werden, noch kann zwischen verschiedenen Entscheidungsalternativen ausgewählt werden. „Und selbst wenn dies möglich wäre, so wird es nicht gelingen, die verschiedenen Entscheidungsalternativen vollständig zu bewerten, weil das Wissen um die Bedingungen, in denen bestimmte Entscheidungen getroffen werden, immer unvollständig ist und damit die Konsequenzen einzelner Entscheidungsalternativen gar nicht vollständig abgeschätzt werden können.“151 Mangelnde Verbundenheit mit der Organisation und fehlende Objektivität in der Entscheidungsfindung führen zu einem Interessenkonflikt bei Strategiebewältigung und Zielerreichung. Durch die zuerst genannte Annahme einer geduldeten Koalition läßt sich kein strukturiertes Zielsystem aufbauen. 149 150 151

Hungenberg, H. (2000), S.209 Ebenda, S.209-210 Ebenda S.210

96

Wissensmanagement „Letztlich kann man aus Sicht der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie .. nicht davon ausgehen, dass Unternehmen ein eindeutiges Ziel oder ein konsistentes Zielsystem besitzen - eher ist anzunehmen, dass sie unterschiedliche, auch konfliktäre Ziele zur gleichen Zeit verfolgen. Bestimmte Gruppen besitzen jedoch bei der Zielbildung ein größeres Gewicht als andere.“152 Darauf aufbauend wird versucht, Entscheidungsprozesse in einem Unternehmen zu verstehen und unter dem Aspekt der Zielbildung der Unternehmen, der Verhaltensweise der beteiligten Entscheidungsträger von Informationssuche und –verarbeitung als Grundlage für die Entscheidungsfindung von Entscheidungsregeln und dem Verhalten des Unternehmens darauf zu erklären. Es folgen vier Aspekte: Unternehmen verfolgen keine klar abgegrenzten Ziele, sondern teilweise konfliktäre Ziele. Diese Konflikte werden dadurch überwunden, daß einzelne Ziele in Teilbereichen betrachtet und gelöst oder im Laufe der Zeit angepaßt werden. Systematische Suchfunktionen nach Informationen sind nicht die Regel. Unternehmen suchen Informationen problembezogen und optimieren damit zwar gegebenenfalls die Problemlösung, schaffen jedoch nicht die optimale Informationsbasis innerhalb der Unternehmung. Die Informationssuche wird nicht auf das gesamte Unternehmen ausgeweitet. Dadurch werden wichtige Erkenntnisse nicht übertragen und innerbetrieblich nutzbar gemacht. Entscheidungsträger geben sich mit individuellen Lösungsansätzen zufrieden. Entscheidungen, denen Handlungsalternativen zugrunde liegen, erfolgen nicht nach einem ausgeglichenen Chancenverhältnis, das alle Alternativen gleichwertig berücksichtigt, sondern nach Erfahrungswerten. Dadurch erlangen Problemlösungen, die bereits bekannt sind, den Vorzug. Erst bei komplexen Situationen oder Problemen werden innovative Konzepte erprobt, da keine Erfahrungswerte vorhanden oder anwendbar sind. Unternehmen lernen aus den Ergebnissen von Entscheidungen. Dadurch werden Ziele und Prioritäten immer wieder neu angepaßt. Das gegenwärtige Verhalten beruht also immer auf vergangenen, unternehmensrelevanten Handlungen.153 Diese Teilbereiche verdeutlichen, daß Unternehmen bei der Informationsgewinnung noch immer zu sporadisch agieren und bei der Entscheidungsfindung ihren 152 153

Hungenberg, H. (2000), S.212 Vgl. Cyert, R.; March, J. (1995), S. 206-235

97

Thorsten Lack Fokus mehr auf Wissensintegrität und objektive Rationalität wenden müssen. Individuelle, subjektive geprägt Voraburteile und Vorurteile dürfen nicht zur Anwendung kommen und damit die Entscheidung beeinträchtigen. Im Anschluß an die erfolgreiche Problembewältigung ist es Aufgabe jedes Entscheidungsträgers, dem gesamten Unternehmen seinen Wissensstand zu vermitteln. „Je mehr Informationen quantifiziert werden können, desto geringer ist der subjektive Einfluß bei der Beurteilung und Interpretation des Informationsmaterials.“154 Entscheidungen können somit im folgenden professioneller und - aufgrund einer breiter gestreuten und konsequenter genutzten Informations- und Wissensbasis strategisch objektiver getroffen werden. b)

Zeiteinteilung und Organisation

Zeitmanagement und Organisation führen im Wissensmanagement zu erheblichen Erleichterungen. Sie sollen ermöglichen, die gesteckten Ziele zu erreichen, Konfliktpotentiale durch erfolgreiche Organisation im Keim zu ersticken oder nach Auftreten mit Perfektion zu lösen. Zeitmanagement steht in engem Zusammenhang mit Wissensmanagement und bleibt vorrangige Aufgabe der Unternehmensleitung, die durch Delegation von Vorgaben einer groben Zeitplanung an die Belegschaft weitergegeben wird. Eigenverantwortlichkeit und Selbstmanagement liegen demnach im kleinen bei jedem Betroffenen. Dazu beitragen wird, wie der Kommunikations- und Informationsfluß innerhalb der Organisation gelebt wird und welche Freiräume für Umsetzung und Anwendung zur Verfügung gestellt werden. „Lernprozeße haben immer einen Preis im Sinne von Opportunitätskosten; sie können ... eine vorhandene Orientierung von Mitarbeitern zerstören, Bewährtes in Frage stellen.“155 Unbestritten ist die Tatsache, daß nach Einführung von Wissensmanagement die tägliche produktive Arbeitsleistung sinken wird. Die Konzentration der Mitarbeiter muß sodann auf Erstellung der Produkte, Optimierung des Betriebsablaufs und Wissensorientierung gleichermaßen gelenkt werden. Um dies in parallel organisierte Strukturen einzubetten, die kompatibel mit der vorherrschenden bzw. angestrebten Unternehmenskultur sind, ist es Ziel der Unternehmensleitung, ein effektives und effizientes Zeitmanagement in die Organisation einzugliedern. Die entstehenden 154 155

Wieselhuber, N. (1986), S.277 Walz, H.; Bertels, T. (1995), S.27

98

Wissensmanagement Opportunitätskosten von Wissen und Management sind zu berücksichtigen und abzuwägen. c)

Kritische Betrachtung

Das Streben nach Rationalität in der Entscheidungsfindung ist seit jeher bekannt. Der subjektive Einfluß, dem jede Informationsselektion und Entscheidungsvorbereitung unterliegt, ist charakteristisch für diesen Wunsch. Es wird allerdings niemals eine objektive Entscheidungsgrundlage geben, auf deren Basis Unternehmen Konfliktsituationen oder die Gefahr einer einer falschen fehlgeschlagenen Alternativenauswahl vermeiden können. Solange der Mensch Entscheidungen selektiert und auf der Basis seines strategischen und zielbewußten Verständnisses von Unternehmertum agiert, wird die Rationalität in der Entscheidung ein ehrenvolles Streben bleiben. Weder die noch zu erwähnenden Neuronalen Netze, die auf Basis von vergangenen, menschlichen Entscheidungsmustern zukünftige Vorgehensweisen ableiten, noch mathematische Verfahren, werden dieser Problematik Abhilfe leisten können. Der wesentliche Gedanke, der diesem Aspekt zugrunde liegt, ist das Bewußtsein, daß Informationen und Wissen zwar gemanagt werden können, Konflikte gelöst, Innovationen verbessert und Qualität ausgebaut werden können, aber die Geburtsstätte all jener Entwicklungen menschliche Gedanken, Wünsche und Entscheidungen subjektiver Prägung sind. Dafür kann auch eine intelligent geführte Unternehmung mit einer strukturierten Organisation und einem intensiven Zeitmanagement keine Ansatzpunkte zur Veränderung anbieten. Sie liefern lediglich die Rahmenbedingungen, die für eine möglichst weitreichende, objektive Entscheidungsfindung notwendig erscheinen.

5.2

Wissensmanagement und Psychologie

Wissensmanagement und Wissenspsychologie stehen in einem direktem Zusammenhang. Bezugnehmend auf den Einsatz der Ressourcen Information und Wissen sei der wissenspsychologische Ansatz näher erläutert. Einstellungen, Werte, Intuition und Emotion sind psychologische Grundmuster, die Wissen und deren Management prägen und von denen der Erfolg maßgeblich abhängt. Die Beteiligung der betroffenen Mitarbeiter, deren Motivation und die 99

Thorsten Lack Umsetzung von positiven Werten und Einstellungen in kreative und innovative Ideen sind entscheidende Voraussetzungen für ein funktionierendes Unternehmensführungskonzept. Hierbei kommt es nicht nur darauf an, Mitarbeiter für den Moment zu motivieren, sondern ihnen langfristig das Gefühl zu vermitteln, gebraucht zu werden und an ihren Ideen und ihrem Wissen interessiert zu sein. Daraus entwickelt sich die Perspektive, daß Unternehmen noch vor Implementierung eines neuen Managementkonzeptes dafür Sorge zu tragen haben, daß ein positives Betriebsklima und eine angenehme Unternehmenskultur vorherrschen, wobei es den Menschen wichtig ist, sich im Sinne und für den Erfolg der Organisation zu verwirklichen und einzubringen. Gemeinschaft und Individuen müssen psychologisch getrennt voneinander betrachtet werden. Hierbei spielen die gegenseitigen Beeinflussungen eine Rolle. Auch Aebi erkannte, daß „die Kultur in wesentlichen Zügen das Wissen und dessen Management“156 prägt. Wissenspsychologie beschäftigt sich „mit Fragen des Erwerbs von Wissen, seiner Repräsentation im menschlichen Gedächtnis, seines Abrufs, seiner Anwendung beim Entscheiden, im Denken und Handeln und seiner damit einhergehenden Veränderung. ... . Für die Wissenspsychologie ist die Frage relevant, wie das menschliche Wissen im Gedächtnis gespeichert wird.“157 Aufgrund einer wechselseitigen „Beziehung zwischen der Umgebung, in welcher der Mensch lebt, und seinem im Gedächtnis repräsentierten Wissen“158 ist es möglich, daß sich der Wissensträger an bestimmte Informationen und Ereignisse erinnern kann. Die Verarbeitung dieser Daten, Informationen und Wissensbestandteile im Gedächtnis zu neuronalen Impulsen wird sich, wie später ausführlich beschrieben, auch die Organisation in Form von Nachbildung und Transformation dieser Nervenströme in Neuronale Netze, die sogenannte Künstliche Intelligenz, zunutze machen.159 Wissenspsychologie hat zwei Stoßrichtungen, zum einen den Input, in welchem die aufgenommenen Informationen verarbeitet und gespeichert werden, und zum anderen den Output, der die daraus ableitbaren Handlungen widerspiegelt.

156

Aebi, R. (2000), S.111 Fink, K. (2000), S.46 Ebenda, S.46 159 Vgl. Von Cranach, M. (1955), S.24-26 157 158

100

Wissensmanagement Durch die Input-Output-Relation wird ein Kreislaufmodell gebildet, das ähnlich dem Lebenszyklusmodell von Wissen entspricht und durch Lernprozesse oder Abgleich von Informationen mit bereits vorhandenen Abspeicherungen auf Lernen und Nichtlernen zurückgreift. Wissen wird somit ständig erneuert und aktualisiert, wofür es vor allem bei Organisationen der Etablierung einer Kommunikationskultur in der Unternehmenskultur bedarf. „Ein Individuum kann für sich alleine aus seinem vorhandenen Wissen logische Schlüsse ziehen und kreativ denken; jedoch ergibt sich eine andere Situation auf gesellschaftlicher Ebene, da nur über den Kommunikationsprozeß Wissen vermittelt werden kann.“160 Kommunikation und Psychologie sind eng miteinander verbunden. Wissensaustausch wird erst dann gefördert und verfolgt, wenn Mitarbeiter Sinn und Notwendigkeit einsehen, dabei den eigenen Nutzen erkennen und diesen in Zusammenhang mit den Geschäftsprozessen der Organisation bringen. Es ist seitens der Unternehmensleitung ebenso über motivationale Anreizsysteme nachzudenken wie über alltägliche Wissensbarrieren und kulturelle Hemmschwellen. Nach Überprüfung all dieser Motivations- und Störfaktoren ist unter psychologischen Aspekten zu eruieren, welche Personen geeignet sind, spezifische Aufgaben im Unternehmen zu erfüllen. Abschließend sei dazu auf Kurtzke/Popp eingegangen, die klar herausstellen, daß Menschen mit geringerem Wissen im Unternehmen keine wertmäßig niedriger einzustufenden Menschen sind. Es ist Aufgabe der Unternehmensführung, deren Potentiale zu erkennen bzw. aktiv zu wecken, zu fördern und einzusetzen. Die durch das Gefühl der Minderwertigkeit entstehenden Komplexe bedürfen eines intensiven Einfühlungsvermögens und psychologischen Erkenntnisprozesses seitens der Verantwortlichen, um keinen Schaden am Individuum oder am Gesamtgefüge der Organisation anzurichten. Kurtzke/Popp weisen darauf hin, daß der Einsatz von Menschen unter Berücksichtigung von deren Stärken und Schwächen für das Unternehmen vorgenommen wird, und möchten damit verdeutlichen, „daß diese Einteilung keine Bewertung der Potentiale oder gar des Menschen an sich [Anm. d. Verf.: bedeutet], sondern sich ausschließlich auf die ... wahrgenommene Wertigkeit des Wissens und der Leistungen dieser Mitarbeiter im heutigen Wertschöpfungsgeschehen bezieht.“161

160 161

Fink, K. (2000), S.48 Kurtzke, C../Popp, P. (1999), S.79

101

Thorsten Lack

5.3

Anwendungssysteme - Neuronale Netze/Künstliche Intelligenz

Die verschiedenen Managementansätze zeichnen sich durch eine starke theoretische Bindung aus. In der Praxis und bei der Umsetzung von Wissensmanagement in Organisationen ist es allerdings nötig, soviel wie erforderlich aus der Theorie in die Praxis zu übertragen und Systeme und Anwendungsformen zu finden, die Unternehmen bei der täglichen Wissensgewinnung und -verwaltung unterstützen. Daraus folgt die Notwendigkeit, daß Vernetzungen entstehen und nachgebildet werden, die neben den theoretischen Grundkenntnissen ihrer Nutzer auch deren Erfahrungen und Anwendungen in einer bestimmten Weise registrieren und verarbeiten können. Ein weiterer Anspruch, der vom Markt und Wettbewerb an solche internen Netze gestellt wird, ist die Verknüpfung untereinander und die ständige Gewährleistung von Sicherheit und Aktualität. Ein erster Schritt wurde durch das „content management“ gelegt, das die effektive Verwaltung und den effizienten Einsatz von abgelegten Dokumenten im Sinne eines organisierten Dokumentenmanagements mit allgemein gültigen Zugriffsmöglichkeiten gewährleistet. Daneben existieren in Anlehnung an Sarges sogenannte Expertensysteme oder wissensbasierte Systeme. Diese sind in der Lage, große Datenmengen dynamisch zu verwalten und zu verarbeiten, so z.B. „Fragen zu beantworten, Schlüsse zu ziehen, Lösungsvorschläge zu machen, selbst sinnvolle Fragen zu stellen, plausible Erklärungen zu geben und Zusammenhänge aufzuzeigen.“162 Weitere Aspekte werden durch die sogenannte Künstliche Intelligenz oder Neuronalen Netze berücksichtigt, die dem oben geschilderten Anspruchsdenken sehr nahe kommen. Trotz fehlender eindeutiger Definitionen des Begriffs Intelligenz haben Karagiannis/Telesko163 nach Dengel eine Liste mit grundlegenden Eigenschaften definiert, die Intelligenz voraussetzen:164

162 163 164

Sarges, W. (2000)., S.789-790 Vgl. Karagiannis, D./Telesko, R. (2001), S.14 Vgl Dengel, A. (1994)

102

Wissensmanagement •

Geistige Grundhaltungen



Fähigkeit zur Zerlegung komplexer Probleme in überschaubare Teilaufgaben



Erkennen von Zusammenhängen und Ableiten neuer Fakten aus existierenden Tatsachen



Verstehen von mehrdeutigen oder unvollständigen Sachverhalten



Fähigkeit zur Vorhersage



Bewerten von Alternativen in Hinblick auf die Handlungsauswahl



Fähigkeit zur Selbstreflexion



Fähigkeit zur Generalisierung und Abstraktion



Weiterverarbeitung visueller Sinneseindrücke



Wissensaufnahme und -bereicherung (Lernen)



Fähigkeit zur Kommunikation

In bezug auf das Auffinden einer Problemlösung reicht für intelligentes Wissen alleine noch nicht das Vorhandensein dieser erwähnten Eigenschaften, obwohl sie als Grundvoraussetzung für Kompetenz und Alternativenbewertung angesehen werden können. Der Anwender benötigt ein bestimmtes Wissen über die gestellte Problematik, um über Intelligenz, Anwendung und Erlerntes seine Problemlösungskompetenz ausspielen sowie ständig erweitern und fortentwickeln zu können. Dieser Wissensstand wird immer durch eine gezielte subjektive Einflußnahme, nämlich durch die Interpretation bestimmter Eindrücke, verändert. Es bedarf bei der Vielfalt an Informationen, die dem Menschen an jedem Ort und zu jeder Zeit zur Verfügung stehen, einer gewissen Intelligenz, diese zu sortieren, zu selektieren und die richtigen Schlüsse und Entscheidungen daraus zu ziehen. Dazu ist der Mensch allein allerdings nicht mehr in der Lage. Es fehlt an der Fähigkeit, die Verarbeitung all dieser Informationen zeitnah zu gewährleisten und gleichzeitig einen kollektiv festgelegten Standard in der Qualität der Arbeitsleistung der Organisation aufrechtzuerhalten, um langfristig strategisch wichtige und richtige Entscheidungen zu treffen. Künstliche Intelligenz kann dem Menschen helfen, „seine eigene natürliche Intelligenz besser einzusetzen, sie vor allem auf einem höheren Niveau nutzbar zu machen“ und dadurch die Möglichkeit einer besseren Informationsübersicht offeriert zu bekommen. Zwei Erkenntnisse von Henkel gelten dabei als gesichert: „Um künstliche Intelligenz zu nutzen, müssen wir .. erst einmal kräftig in natürli-

103

Thorsten Lack che Intelligenz investieren.“165 „Künstliche Intelligenz darf uns nicht dazu verführen, selbst nichts mehr zu lernen.“166 Obwohl die Organisationen trotz wissensbasierter Systeme Unmengen an Informationen erhalten und bereithalten, fehlt es nach Reinhardt an der Wissenslogistik, einer sogenannten Just-in-time-Bereitstellung von Wissen, um den Mangel an Wissen in Organisationen zu beseitigen. Erneut wird der Zusammenhang zwischen Wissensorganisation und Wissensmanagement deutlich. „Was fehlt, ist eine Informationslogistik, welche die richtigen Information zur richtigen Zeit am richtigen Ort für jeden Menschen in beliebigen Arbeits- und Lebensprozessen ... zur Verfügung stellt, um ihn mit seinem bereits vorhandenem Wissen und der Wandlung der bereitgestellten Information zu neuem Wissen fortwährend optimale Entscheidungen treffen zu lassen. Die Rückkopplung der Informationslogistik und der Anwendung von Wissen für anstehende Entscheidungsprozesse bezeichnen wir als Wissenslogistik und schließlich als Wissen-management.“167 Aus dieser Behauptung schlußfolgert Reinhardt, „dass wir mit Hilfe von Softwaresystemen die menschlichen Verhaltensweisen nachbilden, ohne dabei jedoch die Entscheidungsfreiheit auf die Software zu übertragen oder die menschliche Intelligenz in Frage zu stellen.“168 Daraus folgt die anfangs erwähnte Bezugnahme auf intelligente Systeme. „Die Software basiert auf der Technik der Neuronalen Netze, bei der prinzipielle Strukturen und Verhaltensweisen des menschlichen Gehirns elektronisch nachgebildet werden. Neuronale Netze lernen anhand von Beispielen. Dabei werden nicht Wörter, Satzsequenzen oder Buchstaben eines Dokuments erfasst, sondern der assoziative Inhalt der Information aus Sicht des Benutzers.“169 Eine Folge dieses Lernprozesses, in dem das maschinelle Lernen nach Reinhardt den Denkprozeß der Menschen ergänzt und ihnen hilft, ist die Unterstützung jedes einzelnen und des Kollektivs in der Organisation bei der Entscheidungsfindung und bei der Praktizierung von Wissensmanagement. Letztendlich wird dadurch der biologisch begrenzte Prozeß der Verarbeitung, Speicherung, Aufnahme und Klassifizierung von Wissen durch elektronische Systeme künstlich erweitert. Es ist aber klar, „dass Software allein nicht zum Erfolg führt. Sie kann der Kommunikation und der Pflege von Wissen nur dann 165

Henkel, H.-O. (2001), S.18 Ebenda, S.23 167 Reinhardt, G. J. (2000), S.32-34 168 Ebenda, S.33 169 Ebenda, S.33 166

104

Wissensmanagement dienen, wenn sie von einer Gemeinschaft eingesetzt wird, für die Teamarbeit und Offenheit zur Grundregel geworden ist.“170 Heuer beschreibt die Existenz und Entwicklung von Neuronalen Netzen in der Industrie wie folgt: „Künstliche Neuronale Netze sind ein völlig neuer Ansatz, Informationsverarbeitung zu verstehen und zu betreiben. Künstliche Neuronale Netze sind, im Gegensatz zu dem bisherigen Verfahren der Informatik ... in der Lage, Daten in ihren Zusammenhängen zu erfassen und zu verarbeiten. ... . Das Netz lernt an Beispielen und Erfahrungen aus der Umwelt, in der es selbst arbeitet.“171 Karagiannis/Telesko sehen die Grundlagen der wissensbasierten Systeme vorwiegend im Erkennen von Kausalketten und Näherungslösungen nach der Eingabe von unstrukturierten Datenmengen und Informationen, welche im Wiederholungsfall bestimmte Verfahrensmuster zeigen, die zukunftsweisend interpretiert werden können.172 Hieraus folgt, daß Unternehmen die Integration der künstlichen Intelligenz in die Organisation und deren Zusammenhänge meistern müssen. Dabei sind neben der Abstimmung des Systems auf die vorhandenen Gegebenheiten und Strukturen der Organisationseinheiten auch die Motivierung und Schulung der Mitarbeiter notwendig. Das System soll eine Erleichterung in der Informationsverarbeitung und Entscheidungsprognose ermöglichen, nicht jedoch Kontroll- oder Überwachungsinstanz sein. Zudem sind bereichsübergreifende und vernetzte Anwendung und Ergebnisauswertung der Künstlichen Intelligenz gleichermaßen Bestandteile wie die fortlaufende Kommunikation über Anwendungsprobleme und Verbesserungspotentiale. Speziell in der Forschung sieht Heuer einen entscheidenden strategischen Vorteil der ökonomisch interessanten Eigenschaften der künstlichen Neuronalen Netze. „Die Eigenschaften, die Neuronale Netze ... interessant erscheinen lassen, sind zum Teil in den allgemeinen Vorteilen der Datenverarbeitung begründet. Diese werden noch erweitert durch die Tatsache, daß neuronale Verarbeitungsparadigmen in Gebiete vorstoßen, die der traditionellen Datenverarbeitung grundsätzlich verwehrt sind. Weiterhin kann die Übernahme neuronaler Prinzipien eine Standardisierung erzwingen ..., um Entwicklungskosten gering zu halten.“173 Der entscheidende Vorteil dieses System ist der Lernprozeß, der fortlaufend erprobt 170

Randow, G. v. (/2000), S.4 Heuer, J. (1997), S.7 Vgl. Karagiannis, D. (2001), Vorwort, S.5 173 Heuer, J. (1997), S.67 171 172

105

Thorsten Lack und überprüft wird. „Wird der Lernprozeß auch während des Einsatzes eines Neuronalen Netzes nicht abgebrochen, so kann sich das Netz selbständig an eine sich ändernde Umwelt anpassen.“174 Es wird somit nicht nur der Anschein einer ständig ablaufenden Überprüfung im Sinne von Qualität und Quantität vermittelt, sondern auch die Richtigkeit der Informationen aufgrund von Erfahrungen und bereits verarbeiteter Angaben in Frage gestellt. „Neuronales“ Lernen ist der Anpassungsprozeß, bei dem ein Neuronales Netz auf seine Umwelt reagiert, um sein Verhalten hinsichtlich einer Zielfunktion zu optimieren. Zumeist ist das Neuronale Lernen darauf aus, einen bestimmten Fehler, eine Abweichung von der gewünschten Reaktion, zu beseitigen.“175 Zwei weitere entscheidende Vorteile sieht Heuer in der Möglichkeit der Vervielfältigung und Simulation der Systeme. „Ist ein künstliches Neuronales Netz erstellt, so kann es unter Ausnutzung einer geeigneten Semantik abstrakt beschrieben werden. Ist diese Beschreibung in der Lage, das Netz in der Gänze seiner für den Informationsverarbeitungsprozeß relevanten Eigenschaften wiederzugeben, so ist ein so beschriebenes Netz beliebig kopierbar. Eine einmal erstellte Topologie ist dann ebenso zu vervielfältigen wie die Erfahrungen, die ein Netz im Laufe seiner Konfrontation mit der Umwelt gemacht ... hat.“176 „Liegt eine Beschreibung des Neuronalen Netzes vor, so kann diese auch benutzt werden, um dieses System zu simulieren und seine internen Abläufe zu beobachten. Dies dient auf der einen Seite der Beseitigung von Fehlern oder unnötigen Operationen, ist des weiteren aber auch sinnvoll für Zwecke der Forschung.“177 Das Prinzip der Nutzung von Datenbanken und künstlichen Prognoseverfahren scheint für Henkel ein plausibles Konzept zu sein. Allerdings warnt er davor, zu glauben, daß mit der Einführung von Datenbanken und deren künstlicher Verwaltung und Vorausschau Entscheidungen und Verantwortung obsolet wären. Es ist nicht möglich, „durch Knopfdruck die Folgen verschiedener Entscheidungen simulieren, ja im Grunde die unternehmerische Entscheidung errechnen zu können und sich damit der moralischen und wirtschaftlichen Verantwortung zu entledigen.“178

174

Heuer, J. (1997), S.68 Ebenda, S.16 176 Heuer, J. (1997), S.68 177 Ebenda, S.68 178 Henkel, H.-O. (2001)., S.9 175

106

Wissensmanagement Die Forderung, die hieraus resultiert, ist konsequent. Es müssen lernende Systeme erkannt und verstanden werden, denn durch deren Lernfähigkeit können neue Kombinationen bei der Beurteilung von Problemen bzw. deren Lösung gefunden und dadurch Risiken durch Erfahrungswerte minimiert werden. Der Mensch als Anwender, Nutzer und Schöpfer dieser Systeme ist noch immer darin integriert und dafür auch verantwortlich. Da aber unterschiedliche Lernformen der Systeme angewandt werden, muß zwischen qualitativen und quantitativen Lernprozessen beim überwachten und unüberwachten Lernen im künstlichen Netz unterschieden werden. Beim überwachten Lernen wird ein Trainer über die Reaktionen des Netzes informiert und versucht, durch mehrmalige Präsentation des gleichen Musters ein gewünschtes Ergebnis mit geringerem Fehlergrad zu erhalten. Bei den Qualitätsmerkmalen werden auf eine Reaktion psychologische Verhaltensmuster wie „Lob und Bestrafung“ verwendet, um das System in eine bestimmte Richtung zu trainieren. Bei den quantitativen Merkmalen wird durch Vorgabe von Ein- und Ausgabemustern versucht, die auftretende Diskrepanz beider Muster, die Fehlerquelle, allen Neuronen im Netz als Lernmuster zur Verfügung zu stellen. Ziel ist es, Abweichungen zu reduzieren und aus den neuen Verhaltensmustern für zukünftige Anwendungen im voraus strategisch entscheidende, fehlerfreiere Schlußfolgerungen zu ziehen. Beim unüberwachten Lernen wird dem Netz keinerlei Rückmeldung über die Güte der Auswertung nach der Musterpräsentation geliefert. Das Netz bildet sich somit aufgrund der schon vorhandenen Erfahrungsmuster seine eigene Repräsentation und versucht dabei Lernmethoden neu zu erschließen. Dieser Lernprozeß ist zufällig und stark von der Art des Trainings und der Muster abhängig.179 Trotz aller beschriebener Vorteile und Erfahrungen darf das System nicht überschätzt werden. Die Ergebnisse und daraus angewendeten Lernprozesse sind immer nur so gut, wie das Verhalten und die Eingabe der betroffenen Mitarbeiter in der Unternehmung dies zulassen. Zwar sollen „die auf den Computern durchgeführten Simulationen ... helfen, die im menschlichen Gehirn ablaufenden geistigen Prozesse besser verstehen zu können“180, aber „der Anspruch, menschliche Intelligenz auf Maschinen zu simulieren, ohne die geistigen Prozesse zu verstehen und zu spezifizieren, hat nämlich zur Folge, daß in der Künstlichen Intelligenz 179 180

Vgl. Heuer, J. (1997), S.17-18 Karagiannis, D. (2001), S.15

107

Thorsten Lack nur das realisiert werden kann, was technisch machbar ist, und damit der Grad der Intelligenz auf den Rechnern vom jeweiligen technischen Standard abhängig ist.“181 Ergebnisse können zwar in die Zukunft prognostiziert werden, jedoch greifen die Netzwerke nach wie vor auf gegenwärtige, individuell geprägte Datenmengen zurück, die einer unterschiedlichen, personenabhängigen Differenzierung unterliegen. Dies deutet darauf hin, daß ohne den Menschen mit all seinen Erfahrungsberichten auch die qualitativ beste Maschine keine Entscheidungen treffen kann. Entscheidungen sind von Menschen zu treffen und zu vertreten. Henkel betont in seinen Ausführungen, daß in der Künstlichen Intelligenz beides steckt, nämlich „das Risiko, menschliche Schwächen gleichsam zu vermehren, aber auch die Chance, sie auf vielen Gebieten zu vermeiden.“182 Bei der Suche nach der „richtigen“ Entscheidung können Auswertungen wie die des Neuronalen Netzes aber dazu beitragen, daß Lösungs- und Entscheidungsalternativen schneller und konfliktfreier bewertet werden können. Auch hier bewahrheitet sich die Erkenntnis, daß eine Hypothese nur so lange aufrecht-erhalten und als „wahr“ befunden werden kann, bis sie eine Widerlegung erfährt.183 Ebenso sind Neuronale Netze nicht als die abschließende Wahrheitsfindung zu interpretieren, sondern als Unterstützung zur Entscheidungsfindung in der Gegenwart, möglicherweise auch als Beihilfe zur Hypothesenwiderlegung. Durch Kritik, Lernprozesse und Alternativenbewertung versucht der Anwender, diese Systeme der Wahrheitsfindung näherzubringen. Aebi betont ausführlich die Wichtigkeit der Menschen in dieser Systementwicklung, „deren Denken und Handeln .. durch nichts zu ersetzen“184 ist, „Kreativität und Initiative werden immer das Primat des Menschen bleiben. Systemintelligenz ist dazu verdammt, immer künstlich, insbesondere rezepthaft zu sein.“185 Gerade deshalb stellt sich zum Ende einer jeden Neuentwicklung die Frage, wohin diese Form der Arbeitserleichterung schlimmstenfalls führen kann. Der Mensch neigt zu schnell dazu, sich durch eine Mystifizierung der Technik186 181

Karagiannis, D. (2001), S.15 Henkel, H.-O. (2001)., S.25 183 Vgl. Busch, R./Dögl, R./Unger, F. (2001), S.44-47, vgl. Albert, A. (1978), S.26-27 184 Aebi, R. (2000), S.111 185 Ebenda, S.111 186 Vgl. Henkel, H.-O. (2001), S.25 182

108

Wissensmanagement verleiten zu lassen und nicht mehr selbständig zu agieren. Dieser Trägheit und Müdigkeit müssen Unternehmen durch ständige Aufklärung und Motivierung zu Innovation und Kreativität entgegenwirken. Ideenentwicklung und Erfahrungsaustausch im Neuronalen Netz bedingen sich und müssen parallel gefördert werden. Dazu sei abschließend nochmals Henkel zitiert: „Wäre es nicht eine paradiesische Vorstellung, das menschliche Versagen mit künstlicher Intelligenz abzuschaffen? ... Für kommende Generationen und wahrscheinlich auch für alle Zeit ist aber auch richtig, dass menschliche Unfehlbarkeit nicht zu erreichen sein wird, von moralischer Richtigkeit ganz zu schweigen. Auch nicht mit Hilfe künstlicher Intelligenz. Aber es hat Sinn sie einzusetzen. Damit wird das schöpferische Potential der Menschen ja nicht lahm gelegt. Denn schließlich enthält jedes Künstliche Intelligenz-Programm selbst großen Einfallsreichtum. Wir müssen in jedem Fall genau abwägen, wann wir einem intelligenten System Entscheidungen übertragen wollen und wann nicht.“187

5.4

Erfolgsfaktoren für eine gelungene Integration von Wissensmanagement in die Unternehmensorganisation

Auf Basis einer Unternehmenskultur, die einen offenen Wissenstransfer gewährleistet, wird die Einführung von Wissensmanagement dann mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein, wenn das Wissen der Mitarbeiter mit deren Motivation und den operativen Geschäftsprozessen verknüpft wird. Es gehört begleitend dazu auch die selbstkritische Hinterfragung von jedem „Tun und Handeln“ der Organisation, in allen Phasen der Realisation und Implementierung des Systems, um dadurch Verbesserungen frühzeitig einleiten und Schwachstellen rechtzeitig erkennen zu können. Im Lebenszyklusmodell und dem Prozeß der Veralterung von Wissen ist es unbedingt notwendig, den kritischen Erfolgsfaktor Zeit zu berücksichtigen. Nur die Ersten am Markt werden durch Innovation, Risikobereitschaft und Schnelligkeit am Geschehen partizipieren und die betrieblichen Zielvorgaben in der Zukunft

187

Henkel, H.-O. (2001)., S.26

109

Thorsten Lack dominieren. „New knowledge could also be produced jointly if the companies collaborated much earlier on in the work process.“188 Gerade aus diesem Grunde ist Wissensmanagement ein lebendes Unternehmensführungskonzept, das auf jedes Einzelwesen im Sinne einer Prozeß- und Wertschöpfungsorientierung verantwortungsbewußt übertragen werden muß. Erst wenn der dokumentierte Umgang mit Wissensinhalten zum Alltag geworden ist und durch die Unterstützung mit einem innovativen und flexiblen System positiv erlebt wird, kann Wissensmanagement auch erfolgreich am Markt, das heißt produktiv, qualitätsfördernd und in Konsequenz auch kostensenkend betrieben werden. Folgende kritische Erfolgsfaktoren sind erwähnenswert bei der Umsetzung von erfolgversprechendem Wissensmanagement: •

Den Nutzen über Anwendungen konkret definieren, um somit intrinsisch zu motivieren und nicht über externe Anreizsysteme (finanzielle Anreize) Erfolge und Implementierung zwangsweise zu erkaufen.



Eine schrittweise Vorgehensweise bei der organisatorischen und technischen Umsetzung auch unter Berücksichtigung der Schnittstellenproblematik innerhalb des Unternehmens.



Konsequente Unterstützung, Förderung und aktives Vorleben durch die Unternehmensführung mit strategischer Priorität.



Implementierung innerhalb einer ausgesuchten, erfolgreichen und strategisch äußerst relevanten Unternehmenseinheit, die in eine „bottom-up“Strategie nach der Pilotphase fließend übergeht, um die Ideen der Basis fundamental zu etablieren.



Bereitstellung einer leistungsfähigen Infrastruktur.



Eine einfache Bedienbarkeit soll Verständlichkeit widerspiegeln und erzeugen.



Gewährleistung von technologischer Unterstützung.



Einbindung in wissensschaffende und wissensverarbeitende Prozesse, um zum einen am Puls der Zeit (Entstehungs- und Entwicklungszyklus) zu sein, aber zum anderen auch den Zeitaufwand so gering wie möglich zu halten.

188

Davenport, T./Probst, G. (2000), S.205

110

Wissensmanagement •

Offenheit für Kritik und konstruktive Vorschläge der Mitarbeiter und Externer (Kontinuierlicher Verbesserungsprozeß, Customer-Relation-shipManagement, Zulieferstrukturen, Supply Chain Management).



Kurze, effektive Planungsphasen mit intensiver, nutzenaufweisender Einführungsphase in fließenden Einklang bringen.



Breite Abdeckung und hohe Akzeptanz von Themengebieten (die Abstraktionsebene der Synectic als Arbeitsmodell für die Alternativenrecherche) unter Beachtung der kritischen Masse an Inhalten.



Zielgerichtete Schulungsmaßnahmen.



Permanente Überwachung von Stimmung, Trends und Umsetzung.



Bedarf und Motivation eines jeden einzelnen noch vor Aufbau an Akzeptanz als vorrangiges Ziel anstreben.



Hohe zeitliche Korrelation von Motivationsmaßnahmen und echten Arbeitsergebnissen.

Die Quintessenz aus diesen kritischen Erfolgsfaktoren ist, daß ein Wissensmanagementsystem an sich weder eine verbesserte Ergebnisqualität von Inhalten bietet, noch automatisch den Dokumentationsgrad von Projekten erhöht. Nur über eine gesunde Projektdisziplin bei der Realisierung von Projektinhalten kann Information durch einen klaren Kontextbezug zu Wissen mit dem daraus resultierenden Handlungspotential werden. Dies steigert sowohl bei der Wissensimplementierung als auch bei Unternehmensentscheidungen die Nachvollziehbarkeit und Identifikation mit dem gemeinsam erarbeiteten und zukünftig auch gemeinsam gelebten Ergebnis Wissensmanagement im Unternehmen. Durch den ständig präsenten Erfolgsfaktor Zeit wird zur Erfüllung der anderen aufgezählten Erfolgsfaktoren von außen Druck auf die Realisierung der Unternehmensziele ausgeübt. Mangelnde kritische Hinterfragung oder voreilige Handlungen können die Folge daraus sein und dem Unternehmen Kosten verursachen oder zum Scheitern des Projektes führen. Letztendlich führt die Implementierung von Wissensmanagement und die zeitnahe Überführung von Informationen in erfolgskritisches Wissen dazu, Schnelligkeit und Präsenz am Markt zu bewirken. Wird dies effektiv und zügig umgesetzt, leiten sich daraus einige weitere Erfolgsfaktoren als Folge einer zeitgemäßen Betrachtung der Wissensetablierung selbständig ab.

111

Thorsten Lack

5.5

Gründe für das Scheitern oder die mangelhafte Implementierung sowie Lösungsmöglichkeiten und Praxisansätze

Der Erfolgsfaktor Zeit ist einer der Gründe, warum die Implementierung von Wissensmanagement in der Praxis scheitern kann. Die Geschwindigkeit in der Entwicklung zwingt die Marktteilnehmer, Problemlösungen zu präsentieren, die teilweise noch nicht komplett ausgereift sind. Dem kann sich die Organisation allerdings nicht entziehen, da das Umfeld die Vorgaben bestimmt. Zeitmanagement, Organisation und Wachsamkeit können aber dazu beitragen, frühzeitig Trends und Marktnischen zu entdecken und aktiv am Geschehen beteiligt zu sein. Kooperationen können durch verkürzte Entwicklungszeiten oder Ideenaustausch dem ebenfalls Rechnung tragen. Eine weitere Fehlinvestition kann in der Ressource Mensch begründet sein. Wenn es dem Unternehmen nicht gelingt, Menschen zu überzeugen und zur Wissensteilung anzuregen, dann wird wegen mangelnder Motivation und Koordination das Vorhaben scheitern und enorme Kosten verursachen. Der Nutzen der Wissensübertragung wurde nicht eindeutig hervorgehoben und dadurch nicht ausreichend kommuniziert und vorgelebt. Ursachen dafür können nicht vorhandene Freiräume, fehlende Anreizmaßnahmen, zu theoriebezogene Grundlagen und die Hinauszögerung von Erfolgserlebnissen sein. In den Blickpunkt der Betrachtung rückt auch die Möglichkeit, die falschen Mitarbeiter ausgebildet oder eingekauft zu haben, die sich weder mit dem Unternehmen noch mit dessen Zielen oder Interessen identifizieren können. Wissensmanagement ist ein Managementansatz, der nur dann erfolgreich bestehen kann, wenn kurzfristig Umsetzungsmaßnahmen greifen und den Teilnehmern plastisch aufgezeigt werden kann, wo bei der täglichen Arbeit Vorteile zu finden sind. Dies kann über Koordinatoren, Wissensbeauftragte oder Projektverantwortliche in Form von Erfahrungsaustausch und Ergebnisberichten vermittelt werden. Aufkeimende Konfliktpotentiale, durch Unzufriedenheit und mangelnde Akzeptanz geschürt, wirken dem entgegen. Ein aktives Krisen- und Konfliktmanagement sollte in Einklang und Zusammenarbeit mit Wissensmanagement stehen. Der tägliche Austausch über die Realisierung des Projektes Wissen und der ganzheitliche Abgleich mit potentiell auftretenden Konflikten im Unternehmen können gewährleisten, daß Konflikte vermie-

112

Wissensmanagement den werden. Die Zusammenführung von allen Mitarbeitern in einer harmonischen Unternehmenskultur führt zu positiven Ergebnissen und fördert die Wissensaustauschkultur. „Für die ständige Weiterentwicklung des Unternehmenswissens ist die Zusammenführung von jüngeren und älteren Mitarbeitern wesentlich.“189 Es besteht demnach die dringende Notwendigkeit, nicht nur die Wertschöpfungskette innerhalb und außerhalb der Organisation zu pflegen, sondern auch die Identifikation und Integration aller Mitarbeiter in das Unternehmen sicherzustellen. Dieser ehrgeizige Wunsch jeder Unternehmung richtet sich nach den Unternehmenszielen und -visionen. Die Realisierung von ausgearbeiteten Strategien und operativen Maßnahmen muß manchmal Korrekturen erfahren, um über Umwege, aufgrund der aktuellen, sich ständig ändernden Situationen und Bedingungen, letztendlich doch zum Ziel zu kommen. Erfolgreiche Implementierung von Wissensmanagement in das Unternehmen ohne Reibungsverluste, aber mit Akzeptanz und Identitätsgefühl, erhöht den Wert der Organisation.

189

Della Schiava, M. (1999), S.49

113

Thorsten Lack

6

Literaturverzeichnis

Acker, H.: Die organisatorische Stellengliederung im Betrieb, Wiesbaden, 1956 Ackermann, K.-F.: Balanced Scorecard für Personalmanagement und Personalführung, Praxisansätze und Diskussion, Wiesbaden, 2000 Aebi, R.: Kundenorientiertes Knowledge Management, Erfolg durch Wissen über Markt und Unternehmen, Business & Computing, New York, 2000 Albert, H.: Traktat über rationale Praxis, Tübingen, 1978 Amelingmeyer, J.: Wissensmanagement, Analyse und Gestaltung der Wissensbasis von Unternehmen, Gabler Edition Wissenschaft, Wiesbaden, 2000 Applehans, W.: Globe, A.; Laugero, G.: Managing Knowledge, A Practical WebBased Approach, Addison-Wesley Information Technology Series, New York, 1999 Bach, V.; Österle, H.; Vogler, P.: Business Knowledge Management in der Praxis, Prozessorientierte Lösungen zwischen Knowledge Portal und Kompetenzmanagement, Heidelberg, New York, 2000 Bell, D.: Die nachindustrielle Gesellschaft, Frankfurt, New York, Band 1001, 1996 Bernhard, M.G.; Hoffschröer, S.: Report Balanced Scorecard; Strategien umsetzen, Prozesse steuern, Kennzahlensystem entwickeln, Symposion Publishing, Düsseldorf, 2001 Bertels, T.: Die Lernende Organisation, Modell für das Management des Wandels im Wissenszeitalter, in Kremin-Buch, B.; Unger, F.; Walz, H.: Lernende Organisation, Managementschriften Fachhochschule Ludwigshafen am Rhein Hochschule für Wirtschaft, Sternenfels, 2000, 2.Auflage Bleicher, K.: Das Konzept Integriertes Management - Visionen-MissionenProgramme, 5. Auflage, St. Galler Management Konzept Band 1, 1999 Botkin, J.: Vorsprung durch Wissen, Wie freier Informationsfluss Unternehmen revolutioniert, Econ Verlag, 2000, Übersetzung von A. Bangert, Originalausgabe: Botkin, J.: Smart Business, New York, 1999 Bünting, K.-D.: Deutsches Wörterbuch - Mit der neuen Rechtschreibung, Mannheim, 1996 114

Wissensmanagement Bürgel, H. D.: Wissensmanagement, Schritte zum intelligenten Unternehmen, Berlin, Heidelberg, 1998 Busch, R.; Dögl, R., Unger, F.: Integriertes Marketing, Strategie, Organisation, Instrumente, 3. Auflage, Wiesbaden, 2001 Bullinger, H.-J.: Handbuch des Informationsmanagements im UnternehmenTechnik, Organisation, Recht, Perspektiven, Band I, C.H. Beck´sche, München, 1991 Bullinger, H.-J.: Lernende Organisationen; Konzepte, Methoden und Erfahrungsberichte, Stuttgart, 1996, Aufsatz von Zahn, E.: Strategische Erneuerung durch organisationales Lernen Bullinger, H. J; Haus, I.; Ohlhausen, P.; Wagner, K.: Produktionsfaktor Wissen, Personalwirtschaft, München, Ausgabe 5, 1998 Bullinger, H. J.: Wissen und Information als Produktionsfaktor, ZWF, Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb, München, 1999, 3. Jahrgang 94 Cyert, R.; March, J.: Eine verhaltenswissenschaftliche Theorie der Unternehmung, Schäffer-Poeschel, 2. Auflage, 1995, In: Ebenda, A Behavioral Theory of the Firm, Englewood Cliffs 1963, 2. Edition, Cambridge, Mass.: Blackwell 1992 Davenport, T. H.; Prusak, L.: Working Knowledge, How Organizations Manage What They Know, Boston, Massachusetts, 1998 Davenport, T.; Probst, G.: Knowledge Management Case Book, Siemens Best Practises, New York, 2000 Davis, S.; Botkin, J.: The coming of knowledge-based business, Harvard Business Review, 5, September-October 1994 Dreyfus, H.L.; Dreyfus, S.E.: Künstliche Intelligenz, Von den Grenzen der Denkmaschine und dem Wert der Intuition, Reinbek, 1987 Della Schiava, M.; Rees, W. H.: Was Wissensmanagement bringt, Wien, 1999 Dengel, A.: Künstliche Intelligenz, Allgemeine Prinzipien und Modelle, Mannheim, 1994 Drucker, P. F.: Neue Management-Praxis, Erster Band Aufgaben, Mannheim, 1974 Drucker, P. F.: Die Chance des Unternehmers: Signale für das Management von morgen, Mannheim, 1987, Übersetzung von Ursel Reineke, Originalausgabe: 115

Thorsten Lack Drucker, P. F.: The Frontiers of Management, Where Tomorrow´s Decisions are Being Shaped Today, New York, 1986 Drucker, P. F.: The Practice of Management, Butterworth-Heinemann, 1999a Drucker, P. F.: Managing for Results, New York, 1999b Dülfer, E.: Internationales Management in unterschiedlichen Kulturbereichen, München, Wien, 1997, 5.Auflage Duhnkrack, T.: Wozu brauchen wir Wissensmanagement? Interview Bereichsvorstand der Deutschen Bank AG, Konzern-Mitarbeiterzeitschrift „Forum“ der Deutschen Bank AG, Ausgabe 12/99 Edvinsson, L.; Brünig, G.: Aktivposten Wissenskapital, Unsichtbare Werte bilanzierbar machen, Wiesbaden, 2000 Eisenführ, F.; Weber, M.: Rationales Entscheiden, Heidelberg, 3.Auflage, 1999 Fink, K.: Know-how-Management, Architektur für den Know-how-Transfer, München, Wien, 2000 Von Cranach, M.: Über das Wissen sozialer Systeme, Soziales Wissen als Gegenstand der Sozialpsychologie, 1995, in Flick, U.: Psychologie des Sozialen: Repräsentationen in Wissen und Sprache, Reinbek, Rowohlts Enzyklopädie, 1995 Frauenhofer Institut Arbeitswirtschaft und Organisation in Zusammenarbeit mit Deutsche Bank AG, Wettbewerbsfaktor Wissen, Leitfaden zum Wissensmanagement, Mittelstandsbroschüre, Frankfurt am Main, 1999 Friedag, H. R.; Schmidt, W.: Balanced Scorecard, Mehr als ein Kennzahlensystem, Freiburg i. Br., 2000a Friedag, H. R.; Schmidt, W.: My Balanced Scorecard, Das Praxishandbuch für Ihre individuelle Lösung, Freiburg i.Br., 2000b Gabler Wirtschaftslexikon, Wiesbaden, 15.Auflage, 2000, S-Z Gehle, M.; Mülder, W.: Wissensmanagement in der Praxis, Frankfurt am Main, 2001 Gentsch, P.: Wissen managen mit innovativer Informationstechnologie, Strategien-Werkzeuge-Praxisbeispiele, Wiesbaden, 1999

116

Wissensmanagement Hax, A. C.; Majluf, N. S.: Strategisches Management, Ein integratives Konzept aus dem MIT, Frankfurt, New York, 1991, übersetzt von S. Mantscheff, Originalausgabe: Strategic Management, An Integrative Pers-pective, 1984 Heinrich, L. J.: Informationsmanagement, Planung, Überwachung und Steuerung der Informationsinfrastruktur, München, Wien, 6.Auflage, 1999 Henkel, H.-O.: Künstliche Intelligenz, Enttäuschung oder Hoffnung?, Eintrittsvorlesung an der Universität Mannheim am 13.02.2001, Internetadresse: http://dekanat.bwl.uni-mannheim.de/www/Presse/Skripte/3_Vortrag/ 3_ Vortrag.html, 06.04.2001, 16:15 Uhr Henkel, H.-O.: Künstliche Interlligenz, Enttäuschung oder Hoffnung, Entrittsvorlesung an der Universität Mannheim am 13.12.2001; 06.04.2001, 16.45 Uhr, Internetseite:http://dekanat.bwl.uni-mannheim.de/www/Presse/Skripte/3_Vortrag/3_vortrag.html., S. 4 Heppner, K.: Organisation des Wissenstransfers - Grundlagen, Barrieren und Instrumente, Wiesbaden, 1997 Herbst, D.: Erfolgsfaktor Wissensmanagement, Das professionelle 1x1, Berlin, 2000 Herrmann, C.: Das neue Marketing, Die Herausforderung durch die elektronischen Medien, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr.12, 15.Januar 2001 Heuer, J.: Neuronale Netze in der Industrie, Einführung - Analyse - Einsatzmöglichkeiten, Wiesbaden, 1997 Hilse, H.: Kognitive Wende in Management und Beratung, Wissensmanagement aus sozialwissenschaftlicher Perspektive, Wiesbaden, 2000 Hodel, M.: Organisationales Lernen und Qualitätsmanagement, Eine Fallstudie zur Erarbeitung und Implementierung eines visualisierten Qualitätsleitbildes, Bildung und Organisation Band 7, 1999 Hungenberg, H.: Strategisches Management in Unternehmen, Ziele-ProzesseVerfahren, Wiesbaden, 2000 Institut für e-Management e.V. (IFeM), Köln: „Motivation und Anreizsysteme bei der Einführung von IT-gestütztem Wissensmanagement“, Internetadresse: http://www.knowledgemarkt.de/motivation/studie/start/html, 26.04.2001, 09:45 Uhr

117

Thorsten Lack Justus, A.: Wissenstransfer in strategischen Allianzen, Eine verhaltenstheoretische Analyse, Schriften des Instituts für Unternehmensführung der GeorgAugust Universität Göttingen, Band 3, P.Lang, Frankfurt am Main, 1999 Kaplan, R. S.; Norton, D. P.: Balanced Scorecard, Strategien erfolgreich umsetzen, Stuttgart, 1997, übersetzt aus dem Amerikanischen P. Horvarth, in Originaltitel: Kaplan, R.S.; Norton, D.P.: The balanced scorecard: translating strategy into action, Boston, Mass., 2000 Karagiannis, D.; Telesko, R.: Wissensmanagement, Konzepte der Künstlichen Intelligenz und des Softcomputing, Lehrbücher Wirtschaftsinformatik, München, Wien, 2001 Kotler, P.; Bliemel, F.: Marketing-Management, Analyse, Planung und Verwirklichung, Stuttgart, 10.Auflage, 2001 Krallmann, H.: Wettbewerbsvorteile durch Wissensmanagement, Methodik und Anwendungen des Knowledge Management, Stuttgart, 2000 Kurtzke, C.; Popp, P.: Das wissensbasierte Unternehmen, Praxiskonzepte und Management-Tools, München, Wien, 1999 Lehner, F.: Organisational Memory, Konzepte und Systeme für das organisatorische Lernen und das Wissensmanagement, München, Wien 2000 Little, A. D.: Management von Innovation und Wachstum, Wiesbaden, 1997 Luhmann, N.: Organisation und Entscheidung, Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften, Vorträge G 232, Opladen, 1978 Luhmann, N.: Organisation und Entscheidung, Westdt. Verlag, Wiesbaden, 2000, Kap. 4: „Paradoxie des Entscheidens“ Luhmann, N.: Die Wissenschaft der Gesellschaft, Frankfurt, 3.Auflage, 1998 Machlup, F.: The Production and Distribution of Knowledge in The United States, 3.Auflage, Princeton, 1967 Mag, W.: Entscheidung und Information, München, 1977 Malik, F.: Strategie des Managements komplexer Systeme, Ein Beitrag zur Management-Kybernetik evolutionärer Systeme, Bern, Stuttgart, Wien, 6. unveränderte Auflage, 2000 Masing, W.: Handbuch Qualitätsmanagement, Beitrag Prof. Dr. J. P. Bläsing, München, Wien, 1999, 4.Auflage

118

Wissensmanagement Nonaka, I.: Wie japanische Konzerne Wissen erzeugen, Harvard Manager, II Quartal 1992, 2, 14. Jahrgang Nonaka, I.; Takeuchi, H.: Die Organisation des Wissens, Wie japanische Unternehmen eine brachliegende Ressource nutzbar machen, Frankfurt Main/New York, 1997 Nordström, K.; Kaku, M.: Das Internet ist keine Quelle von Wettbewerbsvorteilen, Erfolgsfaktoren von Unternehmen, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr.122, 29.05.2001 North, K.: Wissensorientierte Unternehmensführung, Wertschöpfung durch Wissen, Wiesbaden, 1999 Nurmi, R.: Knowledge-Intensive Firms, Business Horizons, May-June 1998 Olesch, G.: Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor, Wissensmanagement-Das Magazin für Führungskräfte, Heft 4, Ausgabe Juli, 2000 Pawlowsky, P.: Wissensmanagement, Erfahrungen und Perspektiven, Wiesbaden, 1998 Peritsch, M.: Wissensbasiertes Innovationsmanagement, Analyse-Gestaltung-Implementierung, Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden, 2000 Pfeifer, T.: Qualitätsmanagement, Strategien-Methoden-Techniken, München, 2001 Pfiffner, M.; Stadelmann, P.: Wissen wirksam machen - Wie Kopfarbeiter produktiv werden, 2. Auflage, Bern, Stuttgart, 1999 Picot, A.: Reichwald. Ralf, Wigand, Rolf T.: Die grenzenlose Unternehmung, Information, Organisation und Management, Wiesbaden, 2001, 4.Auflage Polanyi, M.: Implizites Wissen, suhrkamp taschenbuch wissenschaft, Frankfurt am Main, Originalausgabe Polanyi, M.: „The Tacit Dimension“, Garden City, New York, Doubleday & Company, Inc. 1966 Popper, K.: Objektive Erkenntnis, Ein evolutionärer Entwurf, Hamburg, 1973 (1998), 4. Auflage, aus dem Engl. Hermann Vetter Preißner, A.: Marketing und Vertriebssteuerung, Planung und Kontrolle mit Kennzahlen und Balanced Scorecard, München, Wien, 2000 Probst, G.; Raub, S.; Romhardt, K.: Wissen managen: Wie Unternehmen ihre wert- vollste Ressource optimal nutzen, 3. Auflage, Wiesbaden, 1999

119

Thorsten Lack Probst, H.-J.: Balanced Scorecard leicht gemacht, Warum sollten Sie mit den weichen Faktoren hart rechnen?, Wien, 2001 Rafeé, H.; Wiedmann, K.-P.: Strategisches Marketing, Stuttgart, 1985 Randow, G. v.: Know-how für alle!, Die Zeit, 24/2000, Internetadresse: http://www.zeit.de/2000/24/200024_know_how.html, 14.08.2001, 09:25 Uhr Reinhardt, G. J.: Wissensmanagement - Das Magazin für Führungskräfte, Heft S, Sonderausgabe August, 2000 Romhardt, K.: Die Pflege von Datenbanken ist noch kein Wissensmanagement, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr.18, 22.01.2001 Rughase, O. G.: Jenseits der Balanced Scorecard: Strategische Wettbewerbsvorteile messen, Berlin, 1999 Sabel, H.; Weiser, C.: Dynamik im Marketing, Umfeld-Strategie-Struktur-Kultur, Wiesbaden, 3. Auflage, 2000 Sarges, W.: Management-Diagnostik, Göttingen, 2000, 3.unveränderte Auflage Sattelberger, T.: Wissenskapitalisten oder Söldner?, Personalarbeit in Unternehmensnetzwerken des 21.Jahrhunderts, Wiesbaden,1999 Schabel, F.: Auf dem Sprung in die Wissensgesellschaft !? – Der Wandel in den Köpfen, Wissensmanagement - Das Magazin für Führungskräfte, Heft S, Sonderausgabe August, 2000 Schmidt, T.: Wissensmanagement, Definition, 20.08.2001, 10:05 Uhr, Internetadresse: http://www.wi.fh-flensburg.de/wi/schmidtt/2000ss/themen/wissensmanagement.htm, in: VDI-Richtlinie 5007 „Wissensbanken in der Anwendung“, 1995 Schneider, U.: Wissensmanagement, Die Aktivierung des intellektuellen Kapitals, Frankfurt am Main, 1996 Schreyögg, G.; Conrad, P.: Wissensmanagement, Managementforschung 6, Aufsatz von Rehäuser, J./ Krcmar, H., Wissensmanagement im Unternehmen, New York, Berlin, 1996 Schreyögg, G.: Wissen in Unternehmen. Konzepte, Maßnahmen, Methoden, Berlin, 2001 Schüppel, J.: Wissensmanagement, Organisatorisches Lernen im Spannungsfeld von Wissens- und Lernbarrieren, Wiesbaden, 1996

120

Wissensmanagement Schütt, P.: Die richtige Balance zwischen stillem und explizitem Wissen, Wissensmanagement - Das Magazin für Führungskräfte, Heft 4, Ausgabe Juli, 2000 Schuster, H.J.: Handbuch des Wissenschaftstransfers, Berlin, Springer Verlag, 1990, Aufsatz von Mittelstraß, J.: Gestörte Verhältnisse? Zur gesellschaftlichen Wahrnehmung von Wissenschaft, 1990 Seghezzi, H.D.: Qualitätsmanagement, Ansatz eines St. Galler Konzepts, Entwicklungstendenzen im Management, Band 10, Zürich, Verlag NZZ, 1994 Staehle, W. H.: Management, Eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive, München, 8. Auflage, 1999 Steinmann, H.; Schreyögg, G.: Management, Grundlagen der Unternehmensführung, Konzepte-Funktionen-Fallstudien, 5. Auflage, Wiesbaden, 2000 Stewart, T. A.: Der vierte Produktionsfaktor, Wachstum und Wettbewerbsvorteile durch Wissensmanagement, München, Wien, 1998 Timmermann, A.: Strategisches Denken – Lebenslanges Lernen auch für Unternehmer. In Rafeé, H.; Wiedmann, K.-P.: Strategisches Marketing, Stuttgart, 1985, S. 197 - 227 Thommen, J.-P.: Managementorientierte Betriebswirtschaftslehre, Zürich, 6. Auflage, 2000 Thomssen, G.: Frankfurter Forum für Wissenschaft und Wirtschaft, Johannisberger Gespräche, Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft, Interview mit Dr. Kajo Neukirchen, Vorstandsvorsitzender der mg technologies ag, Sonderveröffentlichung in „Die Woche“, 12.05.2000 Ulrich, P.: Organisationales Lernen durch Benchmarking, , Wiesbaden, 1998 Vollmar, G.: Qualitätsmanagement braucht Wissensmanagement. In Wissensmanagement - Das Magazin für Führungskräfte, Ausgabe Januar 2000, 02.03.2001, 15:16 Uhr, Internetseite: wissensmanagement online, http://www.wissensmanagement.de.-Jan.00/Qualitätsmanagement.html Walz, H.; Bertels, T.: Das intelligente Unternehmen, Schneller lernen als der Wettbewerb, Langenberg am Lech, 1995 Webber, A.M.: What´s So New About the New Economy?, Harvard Business Review, Heft 71, January-February - 1/1993

121

Thorsten Lack Weber, J.; Schäffer, U.: Balanced Scorecard, Advanced Controlling, Reihe Neue Aufgabenfelder und Instrumente, Band 8, Vallendar, 1998 Weber, J.; Grothe, M.; Schäffer, U.: Wissensmanagement für Controller, Neue Aufgabenfelder und Instrumente Band 12, Advanced Controlling, Vallendar, 1999 Welge, M.K.; Al-Laham, A.; Kajüter, P.: Praxis des Strategischen Managements, Konzepte-Erfahrungen-Perspektiven, Wiesbaden, 2000 Wiersema, F.: Customer intimacy, Santa Monica (CA): Knowledge Exchange, 1996, übersetzt von Gebauer, S.: Gewinnformel Kundennähe, Die neue Dimension erfolgreicher Partnerschaft, München, 1997 Wieselhuber, N.; Töpfer, A.: Strategisches Marketing, Management und Marketing, Erfahrungsberichte aus der Unternehmenspraxis, Langenberg am Lech, 2. Auflage, 1986 Wilson, D. A.: Managing Knowledge, New York, 1996

122

Stephanie Mederer

KONFLIKTE UND KONFLIKTMANAGEMENT IN UNTERNEHMEN

1.

Einleitung

2.

Konflikte in Unternehmen

3.

Konfliktmanagement in Unternehmen

4.

Konfliktmanagement und Wissensmanagement

5.

Literaturverzeichnis

Stephanie Mederer

1. Einleitung Unternehmen müssen auf vielen Gebieten neuartigen Anforderungen gerecht werden. Hilfen, um diesen Anforderungen zu begegnen, gibt es in Form von aktuellen Managementansätzen, die schlüssig auf die heutigen Problemstellungen eingehen. Bei vielen dieser Ansätze wird aber eines nicht näher beachtet: Die Spannungsherde, die in und zwischen Menschen dadurch entstehen. Es wird davon ausgegangen, daß bei Einführung eines neuen Managementinstrumentes sofort ein idealtypischer Zustand eintritt, daß alle Betroffenen im Unternehmen ohne Probleme dieses verinnerlichen und zukünftig eine entsprechende Haltung einnehmen. Die Realität sieht ganz anders aus: viele Menschen in Unternehmen haben innere Konflikte, auch in der Interaktion mit anderen treten Spannungen auf. Noch ein Gesichtspunkt ist in diesem Zusammenhang wichtig: Fremdsteuerung und Selbststeuerung. In vielen Managementansätzen überwiegt nach wie vor das Modell der Fremdsteuerung, d. h. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen von der Unternehmensleitung dazu gebracht werden, deren Willen zu realisieren. Über Beeinflussung sollen Mitarbeiter die Sicht des Topmanagements soweit internalisieren, daß sie auch bei Nichtverfügbarkeit des Vorgesetzten und ohne Einsatz von negativen Sanktionen das gewünschte Verhalten zeigen. Dies setzt einerseits ein hohes Maß an Vorstrukturierung und Vorausdenken voraus und damit das Halten der Mitarbeiter in einem Status der Unselbständigkeit, andererseits spiegelt sich darin eine Einstellung wider, die davon ausgeht, daß die Beschäftigten nicht zur Reflexion ihrer selbst und der Situation des Unternehmens in der Lage sind. Aus den bereits erwähnten Gründen wird es darüber hinaus immer schwieriger, überhaupt vorstrukturierte Handlungsanweisungen, die allgemein und in jedem Fall gültig sind, vorzugeben. Jede Situation ist neu und andersartig. Um sie zu bewältigen, sind Mitarbeiter notwendig, die sich in zunehmenden Maße selbst steuern.

124

Konfliktmanagement Aus den obigen Ausführungen sollte keineswegs geschlossen werden, daß das Modell der Fremdsteuerung keine Bedeutung mehr habe. Vielmehr sollen sie dazu anregen, darüber nachzudenken, ob bewährte Formen der Mitarbeiterführung (beispielsweise die Nutzung des Motivationsfaktors „Anerkennung“) nicht auch den neuen Anforderungen evolutionär angepaßt werden können. Führung könnte als „Steuerung durch Anregung“ gesehen werden, das Aushandeln von Dissens wäre dann die höchste Form dieser Steuerung.1 Wie werden aber Meinungsverschiedenheiten konstruktiv ausgehandelt? Eine Antwort auf diese Frage versucht die vorliegende Arbeit zu finden, und darüber hinaus, eine Verbindung zwischen anderen aktuellen Managementansätzen und dem Management von Konflikten herzustellen.

1

vgl. von Eckstein, D.; Kasper, H.; Mayrhofer, W. (1999), S. 555-556

125

Stephanie Mederer

2. Konflikte in Unternehmen Sobald Individuen aufeinandertreffen, entstehen aufgrund unterschiedlicher Einstellungen, Meinungen und Zielsetzungen Spannungen. Konflikte sind Bestandteil aller Situationen des menschlichen Lebens, also auch Bestandteil des Arbeitslebens. Der Begriff „Konflikt“ ist umgangssprachlich negativ belegt. Organisationsmitglieder assoziieren damit in erster Linie Negatives wie Frust und Aggression, Verlust der Steuerungsfähigkeit der Situation und die Vermutung, negativ aufzufallen.2 Die positiven Aspekte eines Konfliktes, nämlich: • der sich durch den Konflikt äußernde Drang nach Veränderung • das Aufzeigen von Schwachstellen • die Weiterentwicklung der Individuen, Gruppen und Organisationen bei der Konfliktbewältigung treten dabei in den Hintergrund. Dabei sind die genannten Punkte hilfreich bei der Bewältigung von unternehmensspezifischen Anforderungen. Konflikte sind eine Chance, um Strukturveränderungen zu erreichen. Dazu ist aber nötig, daß Unternehmen sich ihr Konfliktverhalten bewußt machen und in einem nächsten Schritt versuchen, dieses aktiv zu gestalten.3

2.1

Begriffsklärungen

2.1.1 Der Konfliktbegriff Die Literatur zum Themenkomplex „Konflikt“ ist vielfältig und kommt aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, die sich mehr oder weniger an den beteiligten Konflikteinheiten orientieren. Hier sind

2 3

vgl. Regnet, E. (1996), S. 35 vgl. Gilbert, D. (1997), S. 40-41

126

Konfliktmanagement • • •

die Psychologie, die sich mit Konflikten innerhalb einer Person auseinandersetzt die Soziologie, die Konfliktverhalten in Gruppierungen untersucht die Betriebswirtschaft, die Konfliktformen in Organisationen als Betrachtungsgegenstand hat

zu nennen. Um sich aber mit dem Konfliktphänomen in Unternehmen sinnvoll auseinander setzen zu können, müssen die Gestaltungskriterien einer Konfliktsituation bestimmt werden. Die Kriterien • • •

Gegensätzlichkeit (scheinbare) Unvereinbarkeit Gleichzeitigkeit

können als die größtmöglichen gemeinsamen Nenner von Konfliktsituationen angesehen werden.4 Das Kriterium „Gegensätzlichkeit“ sagt aus, daß im jeweiligen subjektiven Kontext etwas gegensätzlich zu eigenen Ansichten und Erwartungen erscheint und auch wahrgenommen wird. Die Gegensätze erscheinen unvereinbar, jede Partei hat eigene Interessen, die mit Interessen der anderen Parteien kollidieren. Dieser Gegensatz kann sich durch leichte Spannungen bis hin zu gewaltmäßigen Auseinandersetzungen ausdrücken.5 Interessengegensätze zwischen Parteien müssen allerdings nicht unbedingt zu einem Konflikt führen, es müssen noch unvereinbare Handlungen der Parteien, die sich gegenseitig ausschließen, dazukommen, damit von einem Konflikt gesprochen werden kann. Bei vorhandenen Interessengegensätzen kann aber von einer gewissen Disposition für eine Konfliktsituation gesprochen werden, der Konflikt ist latent vorhanden.6

4

vgl. Kappe, D. (1996), S. 20 vgl. Oechsler, W. (1979), S. 11 6 vgl. Jost, P. (1998), S. 12 5

127

Stephanie Mederer Im Gegensatz zu einem Problem, bei dem es um einen Mangel von Lösungsund Handlungskompetenz in Sachfragen geht, ist ein Konflikt durch einen Mangel an sozialer Interaktionskompetenz gekennzeichnet.7 Die Parteien müssen sich im gleichen zeitlichen Rahmen der Unvereinbarkeit der künftig möglichen Positionen bewußt werden, damit eine Konfliktsituation gegeben ist. Mit dem Begriff „scheinbare Unvereinbarkeit“ soll auf die Beeinflussungsmöglichkeiten der Parteien im Hinblick auf Veränderung der Haltungen in der Konfliktsituation hingewiesen werden. Durch die Betrachtung von Konflikten zeigen sich zwei Problembereiche:8 • •

ein Erklärungsproblem hinsichtlich Erscheinung und Funktion von Konfliken ein Gestaltungsproblem hinsichtlich der Einflußnahme auf Entstehung und Austragung von Konflikten

Konflikte bestehen meist nicht nur aus den Konfliktparteien, die den Konflikt austragen, sondern auch mindestens aus einem Konfliktgegenstand. Unter Gegenständen von Konflikten können Ziele und Mittel verstanden werden.9 Konfliktgegenstände sind meist nicht änderbar, sie sind als gegeben hinzunehmen. Konflikte, bei dem die Parteien um ein feststehendes Gut konkurrieren, sind ein Beispiel dafür. Aus diesem Grund heraus ist es sinnvoll, sich bei Konflikten schwerpunktmäßig mit Ursachen und nicht mit Konfliktgegenständen zu beschäftigen.10 2.1.2 Management Management wird allgemein verstanden als die Koordination von Gestaltungsund Steuerungsaufgaben bezüglich des Leistungsprozesses des jeweiligen Unternehmens. Die Koordination ist auf die Ziele des Unternehmens abgestimmt. Management ist somit Unternehmensführung. Was schwerpunktmäßig in Unternehmen gestaltet und gesteuert wird, ist immer in Abhängigkeit von der ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklung zu 7

vgl. Mahlmann, R. (2000), S. 25 vgl. Oechsler, W. (1979), S. 12 9 vgl. Meyer, B. (1997), S. 21 10 vgl. Jost, P. (1998), S. 21 8

128

Konfliktmanagement sehen. Problemschwerpunkte der jeweiligen Zeit spiegeln sich darin wider.11 In früheren Zeiten stand die Gestaltung der sachlichen Dimension der Leistungserstellung im Vordergrund. Die Planung und Organisation der Einsatzstoffe, die Optimierung des Leistungsprozesses waren Gegenstand der Betrachtung. Heute liegt der Schwerpunkt auf der personellen Dimension: Das Handeln der beteiligten Menschen ist so zu koordinieren, daß die gemeinsame Aufgabe bestmöglich erfüllt wird. Es geht hier um Fragen der Motivation, des individuellen Leistungsverhaltens und um die Interaktion in den Gruppen. Danach richtet sich das Aufgabenspektrum des Managements aus. Das Management erfüllt seine zielgerichteten Gestaltungs- und Steuerungsaufgaben durch Fällen von Entscheidungen, die durch unterschiedliche Zeithorizonte, Freiheitsgrade und unterschiedliche Bedeutung für den Erfolg des Unternehmens gekennzeichnet sind. Auf dieser Grundlage können Managemententscheidungen zu einzelnen Typen von Entscheidungen gebündelt werden. Damit ergeben sich drei Aufgabenfelder für das Management: • • •

normatives Management strategisches Management operatives Management

Normen und Werte des Unternehmens werden durch das normative Management definiert, um somit zu einem Selbstverständnis des Unternehmens zu kommen. Ihren Ausdruck finden diese Normen und Werte in der Vision, in der Unternehmenskultur und –verfassung. Die Vision ist der unternehmerische „Wunschtraum“, sie ist ein noch nicht präzisiertes und operational formuliertes Ziel, es fehlt der exakte Zeithorizont, und die Möglichkeiten ihrer Realisation sind noch nicht ausgelotet. Es geht darum, alle am strategischen Ausführungs- und Planungsprozeß Beteiligten mit der Vision zu motivieren. In der Unternehmenskultur finden die Erfahrungen, die ein Unternehmen in der Vergangenheit mit gelungenen und mißlungenen Problemlösungen gesammelt hat, in den Werten und Einstellungen der Mitglieder ihren Ausdruck. Es sind

11

zur Entwicklung der Managementlehre vgl. Oechsler, W. (1979), S. 73ff

129

Stephanie Mederer selbstverständliche, nicht mehr hinterfragte Voraussetzungen des Verhaltens und Handelns der Mitglieder.12

Normatives Management Unternehmensverfassung

Visionen und Ziele

Unternehmenskultur

Strategisches Management Strategien Strukturen

Systeme

Operatives Management Ziele

Maßnahmen

Abbildung 1: Dimensionen des Managements (in Anlehnung an Hungenberg)13 Unter der Unternehmensverfassung kann die Gesamtheit der für ein Unternehmen relevanten Regelungen verstanden werden, wie z. B.: •

gesetzliche Regelungen (Wettbewerbsgesetz, Arbeits- und Mitbestimmungsrecht) kollektivvertragliche Vereinbarungen (Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen) privatautonome Rechtsvereinbarungen (Gesellschaftsvertrag)14

• •

Durch das strategische Management wird die externe (Marktposition) und interne Ausrichtung (Ressourcen) des Unternehmens bestimmt. Es werden die Voraussetzungen geschaffen, daß die längerfristigen Ansprüche der normativen 12 13

14

vgl. Bleicher, K. (2000), S. 3166-3168 vgl. Hungenberg, H. (2000), S. 20

vgl. Gerum, E. (1993), S. 3416-3417

130

Konfliktmanagement Dimension erfüllt werden können und sich somit ein langfristig gültiger Handlungsrahmen ergibt, in dem sich einzelne konkrete Handlungen abspielen können. Es gilt Strategien zu entwickeln, die mit Hilfe von Strukturen und Systemen umgesetzt werden. Auf der Ebene des operativen Managements wird das konkrete Handeln festgelegt. Rahmen hierfür sind die strategischen Managemententscheidungen. Ziele und Maßnahmen für die einzelnen Bereiche des Unternehmens werden erarbeitet und entschieden. 2.1.3 Konfliktmanagement Konfliktmanagement war ein Schlagwort der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts. Konfliktforschung konzentrierte sich primär auf globale Probleme der Gesellschaft und der Wirtschaft. Konflikte zwischen zwei Staaten, zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden waren beispielsweise Gegenstand der Betrachtung. Die Innensicht in ein Unternehmen, das Verhalten der Menschen darin und die Bedeutung des Konfliktmanagements für Probleme im unternehmerischen Umfeld wurde nur am Rande abgehandelt.15 Erst in jüngster Zeit werden Analysen von Konfliktursachen, die Konfliktwahrnehmung, die Planung und die Durchführung der Interaktionsprozesse, organisatorische und personelle Implementierungsmaßnahmen sowie die Kontrolle der erzielten Konfliktregelungen wissenschaftlich begleitet. Das Management von Konflikten beinhaltet, die in aktuellen und zukünftigen Konfliktsituationen innewohnenden Kräfte in einer für das Unternehmen wertsteigernden Art und Weise zu nutzen. Darunter sollen alle gezielten Vorgehensweisen verstanden werden, die von den Konfliktparteien oder von Dritten planmäßig und bewußt eingesetzt werden, um die Konfliktdynamik konstruktiv zu handhaben.16 Aufgrund der Vielzahl der auftretenden Konfliktformen, beteiligten Konfliktparteien und Konfliktgegenständen muß Konfliktmanagement situativ gehandhabt werden. Konfliktmanagement beinhaltet demnach eine situative Komponente, die besagt, daß es keine allgemein gültigen Konfliktregelungsstrategien gibt,

15 16

als Beispiel: vgl. Schwarzkopf, M. (1977), S. 75-84 vgl. Glasl, F. (1999), S. 21

131

Stephanie Mederer sondern immer nur eine der Situation angepaßte.17 Konfliktmanagement definiert dazu die „Spielregeln“, nach denen Konflikte im Unternehmen ausgetragen werden sollen.18 Konfliktmanagement bedeutet nicht, Konfliktfreiheit herbeizuführen und ein Management der Harmonie zu betreiben. Konflikte werden als Chance zur Weiterentwicklung gesehen. Ein Management, das Konfliktfreiheit anstrebt, würde dagegen im Stillstand verharren. Wie schon erwähnt, gibt es keine Konfliktfreiheit im menschlichen Leben. Somit wäre das Anstreben von „Konfliktfreiheit“ eher als Konfliktvermeidung und –unterdrückung anzusehen. Um die in Konflikten innewohnenden Kräfte wertsteigernd nutzbar zu machen, ergeben sich zwei Forderungen an das Konfliktmanagement: Die zielgerichtete Beeinflussung von aktuellen Konfliktprozessen, d. h. negative Auswirkungen abzuwenden und ein gewisses Maß an Kontrolle über den Ablauf der Prozesse zu bekommen.19 Die Rahmenbedingungen im Unternehmen so zu verändern, daß die unter Kapitel 2 genannten positiven Aspekte zum Tragen kommen. Dies beinhaltet auch, daß die Organisationsmitglieder Einstellungen und Verhaltensweisen entwickeln, die dazu führen, daß sich abzeichnende Konfliktsituationen frühzeitig erkannt und konstruktiv angegangen werden. Das Management von Konflikten berührt somit alle Dimensionen der Entscheidungsfindung: die normative, strategische und operative.

2.2

Konfliktursachen in Unternehmen

Die Suche nach Konfliktursachen in Unternehmen hat zum Ziel, sinnvolle Ansatzpunkte für eine Konflikthandhabung zu liefern. Eine systematische und situative Bestimmung der Ursachen ist die Grundlage für eine konstruktive Bewältigung durch gezielten Einsatz von Instrumenten des Konfliktmanagements.

17

vgl. Gilbert, D. (1997), S. 35-36 vgl. Regnet, E. (1996), S. 45 19 vgl. Oechsler, W. (1979), S. 11 18

132

Konfliktmanagement

Individuum

Organisation

Schnittstelle komplexer Situationen

Abbildung 2: Konflikte – Schnittstelle komplexer Situationen (in Anlehnung an Spisak)20 Problematisch ist dabei, daß sich bei der Suche nach den Konfliktursachen immer weitere Ursachen finden lassen, diese Frage also zu einem unendlichen Regreß führt. Es bietet sich als Lösung an, die Vielfalt der möglichen Konfliktursachen auf einzelne Ursachenkategorien zurückzuführen, um damit zu ermöglichen, daß das Konfliktmanagement gezielt an diesen scheinbar „letzten“ Ursachen ansetzen kann und präventive Maßnahmen sinnvoll eingeführt werden können, die es dem Einzelnen und dem Unternehmen als Gesamtes erlauben, Konflikte konstruktiv anzugehen.21 Als allgemeine Basis für unternehmensspezifische Konflikte können die beiden Bereiche „Organisation“ und „Individuum“ angesehen werden. Beide Bereiche beinhalten konfliktauslösende Kräfte, wobei nicht nur die innewohnenden Kräfte der beiden Bereiche getrennt zu betrachten sind, sondern auch die Wechselwirkungen dazwischen ein hohes Maß an konfliktauslösendem 20 21

vgl. Spisak, M. (1999), S. 321 vgl. Gilbert, D. (1997), S. 44-45

133

Stephanie Mederer Potential in sich tragen. Auf dieser Sicht aufbauend, wurden in der Literatur viele Versuche unternommen, „letzte“ Konfliktursachen zu identifizieren. Sie ähneln sich alle mehr oder weniger stark in ihren Differenzierungen. An dieser Stelle werden folgende Punkte als „letzte“ Ursachen von Konflikten in Unternehmen behandelt:22 • • • •

Diskrepanz zwischen Zielvorstellungen und -erreichung Komplexität Umweltverbundenheit Unvollkommenheit der Information

2.2.1 Diskrepanz zwischen Zielvorstellungen und -erreichung Unternehmerische Ziele ermöglichen es, Strategien und Umsetzungsmaßnahmen für das Unternehmen abzuleiten. Zielkategorien eines Unternehmens sind neben dem formalen Oberziel der Gewinnmaximierung: Innerhalb des Zielsystems zeigen sich konkurrierende aber auch sich gegenseitig begünstigende Teilziele. Mit der Verfolgung von sozialen Zielen beispielsweise wird das Unternehmen Bedürfnissen der Mitarbeiterebene gerecht. Allerdings verfolgen soziale Ziele auch die Motivation und damit die Erhöhung der Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter aus Sicht des Unternehmens. Die Struktur eines Unternehmens wird durch das Zielsystem aktualisiert. Das Zielsystem dokumentiert den angestrebten Erfüllungsgrad. Es muß dabei von Oberzielen ausgehend über Bereichsziele bis zu Zielen einzelner Stellen strukturiert werden. Konflikte können auf dieser Ebene durch divergierende Meinungen über Ziele und Aufgaben entstehen, sie sind somit immer Sachkonflikte. Eine andere Sicht auf das Zielsystem eines Unternehmens bietet das Stakeholder-Konzept. Es stellt die Personengruppen dar, die das Unternehmen abbilden und jeweils spezifische Ansprüche haben. Stakeholder sind definiert als: „Individuen oder Gruppen, die die Ziele einer Organisation beeinflussen, oder die von deren Zielerreichung betroffen sind.“ 23

22 23

in Anlehnung an Krüger, W. (1972), S. 24-27 Jost, P. (2000), S. 25

134

Konfliktmanagement Marktstellungsziele - Marktanteil und -geltung - Umsatz - Neue Märkte Rentabilitätsziele - Gewinn - Umsatz-, Eigenkapital- und Gesamtkapitalrentabilität Finanzielle Ziele Kreditwürdigkeit Liquidität Selbstfinanzierungsgrad Soziale Ziele Arbeitszufriedenheit - Einkommen und soziale Sicherheit - Soziale Integration - Persönliche Entwicklung Macht- und Prestigeziele - Image und Prestige - Unabhängigkeit - Politischer und gesellschaftlicher Einfluß

Abbildung 3: Zielkategorien eines Unternehmens (in Anlehnung an Busch, Dögl, Unger)24 Die folgende Tabelle gibt - an deren Funktionen orientiert - einen Überblick über mögliche Anspruchsgruppen und deren spezifischen Ziele.25 Alle diese Anspruchsgruppen verfolgen spezifische Interessen, haben aber gleichzeitig etwas gemeinsam: sie alle sind am Gesamterfolg des Unternehmens interessiert und partizipieren auch daran. Dadurch entstehen Anspruchsüberschneidungen aber auch Ansprüche, die miteinander kooperieren, sind vorhanden.26

24

vgl. Busch, R., Dögl, R., Unger, F. (2001), S. 104-105 vgl. Gilbert, D. (1997), S. 31 26 vgl. Jost, P. (2000), S. 512 25

135

Stephanie Mederer Anspruchsgruppe (Stakeholder) Interne Anspruchsgruppen 1. Eigentümer Kapitaleigentümer Eigentümer- Unternehmen 2. Manager 3. Mitarbeiter

Externe Anspruchsgruppen 4. Fremdkapitalgeber 5. Lieferant 6. Kunden 7. Konkurrenz 8. Staat und Gesellschaft Lokale, nationale und internationale Behörden, Aus- und inländische Behörden, Verbände und Interessenlobies aller Art, Politische Parteien, Bürgerinitiativen, Allgemeine Öffentlichkeit

Interessen (Ziele) - Einkommen, Gewinn - Erhaltung, Verzinsung und Wertsteigerung des investierten Kapitals - Selbständigkeit / Entscheidungsautonomie - Macht, Einfluß, Prestige - Entfaltung eigener Ideen und Fähigkeiten Arbeit = Lebensinhalt - Einkommen, Arbeitsplatz - Soziale Sicherheit - Sinnvolle Betätigung, Entfaltung der eigenen Fähigkeiten - Zwischenmenschliche Kontakte - Status, Anerkennung, Prestige - Humane Arbeitsbedingungen - Sichere Kapitalanlage - Befriedigende Verzinsung - Vermögenszuwachs - Stabile Liefermöglichkeiten - Günstige Konditionen - Zahlungsfähigkeit der Abnehmern - Qualitativ und quantitativ befriedigende Marktleistung zu niedrigen Preisen - Service, günstige Konditionen - Einhaltung fairer Grundsätze und Spielregeln der Marktkonkurrenz - Kooperation auf branchenpolitischer Ebene - Steuern und Sozialleistungen - Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen - Positive Beiträge zur Infrastruktur - Einhaltung der Rechtsvorschriften und Normen - Teilnahme an der politischen Willensbildung - Beiträge und Unterstützung von kulturellen und wissenschaftlichen Bildungsinstitutionen - Erhaltung einer lebenswerten Umwelt

Abbildung 4: Stakeholder und ihre Interessen (in Anlehnung an Gilbert)27

27

vgl. Gilbert, D. (1997), S. 31

136

Konfliktmanagement 2.2.2 Komplexität Tiefgreifende Veränderung der Markt- und Umweltbedingungen, die sich in einem globalen und deregulierten Wettbewerb ausdrücken, sind Treiber der Komplexität in Unternehmen. Darüber hinaus führt verändertes Konsumenten- und Konkurrenzverhalten zur Fragmentierung der Märkte. Die Individualisierung des Abnehmermarktes zwingt Unternehmen zu Diversifikation. Dies führt zu einer zunehmend heterogenen Kundenstruktur und zu einem in Breite und Tiefe ausgeweitetem Produktionsprogramm. Unternehmen sehen sich dadurch einer Informationsvielfalt und einem insgesamt erhöhten Koordinations- und Flexibilitätsbedarf ausgesetzt. Die Randbedingungen auf Markt- und Unternehmensseite verändern sich multidimensional und beinhalten eine hohe Vielschichtigkeit und Interdependenz. Ein weiterer Komplexitätstreiber ist die Multipersonalität in Unternehmen. Zwei Gesichtspunkte, nämlich • •

das Zusammentreffen unterschiedlicher Einstellungen und Meinungen und ausgelöst durch die heutige Tendenz zur Globalisierung das Aufeinanderprallen von kulturspezifischen Eigenheiten in Unternehmen, die zum Aufbau von Vorurteilen führen28

sind hier besonders hervorzuheben. Die Gestaltungsparameter der internen Prozesse werden zunehmend vernetzter und voneinander abhängiger. Zudem weisen sie eine hohe Wechselwirkung mit der sich ändernden Unternehmensumwelt auf. Die Folge davon ist, daß eine hohe Zahl zu berücksichtigender, miteinander verflochtener Entscheidungsparameter das Gefühl der Ohnmacht, Unüberschaubarkeit und Nichtbeeinflußbarkeit beim Entscheidungsträger hervorrufen. Die eindeutig kausale Beeinflussung der Wirkung von A nach B geht verloren, Entscheidungen sind in ihren Konsequenzen nicht einfach rückführbar, da sich ihre Auswirkungen in einer nicht einfach zu durchschauenden Art und Weise weiterentwickeln. Komplexität kann also als eine Umschreibung des Unvermögens, zahlreiche, hochgradig abhängige und damit schwer abgrenzbare Planungs-, Entscheidungs, und Handlungsparameter zu beeinflussen, gelten.29

28 29

vgl. Kappe, D. (1996), S. 25 vgl. Bliss, C. (2000), S. 1-3

137

Stephanie Mederer Komplexität kann auch quantitativ, mit der Menge an Informationen, die ein System beinhaltet, charakterisiert werden. Komplexität spiegelt aus diesem Blickwinkel die Informationsmenge wider, die ein Individuum zur vollständigen Beherrschung eines Systems benötigt. Es ist allerdings zu keinem Zeitpunkt möglich, zu wissen, welche Informationsmenge ein System beinhaltet und wie viele Informationen für eine vollständige Beherrschung noch benötigt werden.30 Aus dieser theoretischen Sicht ist eine subjektive Komponente ableitbar: Komplexität ist abhängig vom Kenntnisstand und der Wahrnehmungs- und Aufnahmefähigkeit eines Betrachters. Die dominierenden Organisationsformen, die nach nur einer Dimension ausgerichtet sind, z.B. nach Funktionen, Objekten, Gebieten oder Kundengruppen, bringen das Komplexitätsproblem besonders zutage. Die Schwäche dabei ist die Schwerfälligkeit, mit der solche Organisationen auf Veränderungen reagieren (können). Sie zeigen sich vor allem bei Entscheidungswegen über mehrere Instanzen, Streit um Kompetenzen und Abteilungsegoismen (Abteilungen betrachten sich als die wichtigste Funktion im Unternehmen) usw. 2.2.3 Umweltverbundenheit Durch den Unternehmenszweck – die Herstellung und der Verkauf eines Gutes oder einer Dienstleistung – ist ein Unternehmen zwangsläufig mit seiner Umwelt verbunden, die sich ihm äußerst komplex und schnell verändernd darstellt. Die Umwelt eines Unternehmens ist geprägt von einer Vielzahl von Faktoren. Sie wirken auf das Unternehmen ein und sind oftmals nicht direkt beeinflußbar. Beispiele hierfür sind: Wechselkursschwankungen, technologische Entwicklungen, gesetzliche Regelung oder das Verhalten der Wettbewerber. Unternehmen sehen sich zunehmend mit Diskontinuitäten konfrontiert, d. h. Umweltvariablen weichen abrupt von vergangenen Entwicklungsmustern ab, ohne daß diese Veränderung vorhersehbar gewesen wäre. Diskontinuitäten lösen Interessenverschiebungen zwischen den Stakeholdern aus und können somit Auslöser von Konflikten sein.31

30 31

vgl. Appelhans, D. (1998), S. 103ff vgl. Jeschke, B. (1993), S. 13

138

Konfliktmanagement Die hohe, sich immer schneller vollziehende Veränderungsdichte fordert vom Management die Beschleunigung des Zeitfaktors, denn dieser ist entscheidend für Gewinn und Verlust. Innovationszyklen, Entscheidungs-, Entwicklungs-, Produktions- und Verkaufszeiten müssen so verkürzt werden, daß idealerweise schneller agiert werden kann als die Konkurrenz. Jede Führungskraft ist somit Zeitmanager. Aus dieser Sicht wird Zeit ausschließlich linear verstanden, es gibt nur eine objektive Zeit, die in Tagen, Stunden und Minuten gemessen wird. Dieses Zeitmaß beansprucht Allgemeingültigkeit. Der Mensch hat dagegen ein subjektives Zeitempfinden, eine Stunde kann je nach Situation sehr lang oder sehr kurz vergehen. Es gibt allerdings Prozesse im Unternehmen, die sich nicht straflos zeitlich komprimieren lassen. Wird beispielsweise bei Teambildungen, bei Motivationsgesprächen, bei Kreativitätsphasen und Strategieentwicklungen Zeit unter das jeweils angemessene Maß verkürzt, muß mit schlechteren Ergebnissen gerechnet werden. Menschen brauchen ihre subjektive Eigenzeit für kreative und kommunikative Prozesse. Ihre innere Zeit läuft nicht linear, sondern in Phasen von Verlangsamung und Beschleunigung. Dieses Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichem Beschleunigungsdruck und subjektiver Eigenzeit ist der Grund für viele Konflikte, weil die humane Eigenzeit der Mitarbeiter sich nicht immer mit der unternehmerisch gewünschten Beschleunigung deckt. Des weiteren werden Konflikte, die andere Inhalte als Konfliktgegenstand haben, durch äußeren Zeitdruck wesentlich verschärft.32 2.2.4 Unvollkommenheit der Information und Kommunikation Unvollständigkeit, Ungewißheit und Unsicherheit von Informationen sind eine weitere Basiskonfliktursache in Unternehmen. Informationen bilden die Grundlage für Entscheidungen. Eine vollständige Erfassung aller zu einem Entscheidungsproblem gehörenden Informationen gibt es nicht, Informationen sind somit immer unvollständig. Entscheidungen auf Basis unvollständiger Informationen sind immer Entscheidungen, die einen hohen Grad an Unsicherheit in sich bergen. 32

vgl. Wittschier, B. (2000), S. 45-49

139

Stephanie Mederer

Bei der Informationsaufnahme laufen zunächst kognitive Prozesse der Wahrnehmung ab. Die Aufnahme ist abhängig von Überzeugungen und dem Wissen einer Person, das es möglich macht, kognitive Kategorien zu bilden und Beziehungen unter Einschluß von Bedürfnissen und Erwartungen zwischen diesen herzustellen.33 Konfliktquellen ergeben sich dadurch, dass gleiche Informationen von verschiedenen Personen qualitativ und quantitativ unterschiedlich bewertet werden. Die Bewertung von Informationen erfolgt immer subjektiv und gleiche Informationen können verschieden wahrgenommen und bewertet werden • •

die Sicht auf ein Problem aufgrund unterschiedlicher Informationsbasen differiert und Entscheidungen getroffen werden, die nicht von allen nachvollzogen werden können die Verteilung von Informationen in Unternehmen meist über mehrere Instanzen läuft und somit die Wahrscheinlichkeit der Filterung und Verzerrung von Informationen groß ist34

Das Konfliktpotential verstärkt sich mit dem Informationsvolumen, denn je mehr Informationen zur Verfügung stehen, desto mehr muß ein Mensch verarbeiten. Individuen sind dazu in unterschiedlichem Maß in der Lage. Eine weitere Beobachtung ist, daß Störungen bei der Informationsaufnahme und –verarbeitung gleichsam auch Störungen in der Kommunikation sind. Gründe dafür sind:35 • • • • • •

33

unterschiedliche Sprachen und Terminologien unterschiedliche Kommunikationsneigungen der Kommunikationspartner unterschiedliche Erfahrungen und Kenntnisse der Kommunikationspartner nicht zueinander passende, unflexible Informationskanäle Unterschiede in der Verfügbarkeit von Kommunikationssystemen die Glaubwürdigkeit des Kommunikationssenders für den Empfänger

vgl. Oechsler, W. (1979), S. 49 vgl. ebenda, S. 61 35 vgl. Gilbert, D. (1997), S. 61 34

140

Konfliktmanagement

2.3

Konfliktbereiche und Handhabungsformen

2.3.1 Konfliktbereiche Die Konfliktbereiche in Unternehmen sind unüberschaubar miteinander verflochten, denn jedes Element, das in Beziehung zum Unternehmen steht, kann mit einem anderen Element im Sinne einer Totalinterdependenz in konfliktärer Beziehung stehen. Aus Gründen der Überschaubarkeit ergeben sich hier vier relevante Bereiche: • • • •

Konflikte im Individuum Konflikte in Gruppen Konfliktbereich zwischen Gruppen Konfliktbereich zwischen Unternehmen und Umwelt

die im folgenden näher betrachtet werden. a) Konflikte im Individuum Die Frage, wie und warum Konflikte im Innern eines Menschen entstehen, ist in der Psychologie umfassend diskutiert worden. Der Fokus an dieser Stelle liegt auf den Bereichen, die in einem organisatorischen Kontext als konfliktauslösend angesehen werden können. Deshalb werden nun die Bereiche • • • • •

Persönlichkeit Rollenaspekte Verhalten Entscheidungen Wahrnehmung

eines Menschen näher betrachtet. Diese Betrachtung dient dazu, schlaglichtartig wichtige Bereiche des individuellen Konfliktverhaltens aufzuzeigen. Alle im folgenden aufgeführten Aspekte sind in hohem Maße miteinander verbunden, und die Abgrenzung dieser Aspekte kann nur als ein Hilfsmittel angesehen werden, um den umrissenen Betrachtungsgegenstand faßbarer zu machen.

141

Stephanie Mederer Unter Persönlichkeit wird hier der „Komplex von Gewohnheiten, Werten, Einstellungen, Motiven und Trieben, die einen Menschen kennzeichnen“ 36 verstanden. Die Persönlichkeitsfaktoren determinieren die Konfliktbereitschaft eines Individuums. Wesentliche Eigenschaften, die zum Verlauf des Konfliktgeschehens beitragen, sind: • • • •

Risikoneigung Problemlösungsfähigkeit, charakterisiert durch Veranlagung, Ausbildung und Erfahrung Selbstvertrauen Identifikation mit den Zielen, den Werten und dem Sozialklima der Organisation

Die Lösung innerer Konflikte wird erschwert, weil: • • • •

die Handlungsmöglichkeiten mit Einstellungen und damit mit Werten und Gefühlen verbunden sind die Wahrnehmung subjektiv und selektiv ist aufgrund von kognitiven Dissonanzen das Selbstbild und Selbstwertgefühl bedroht wird die Konsequenzen eigener Entscheidungen gefürchtet werden, wenn die Wirkung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Entscheidungen sollen nicht bereut werden müssen37

Das auf Freud zurückgehende Instanzenmodell strukturiert die Persönlichkeit eines Menschen in drei Bereiche:38 Das Über-Ich repräsentiert die Werte und Normen, die während der Erziehung übernommen wurden. Daraus leitet ein Individuum seine Ansprüche sich selbst gegenüber ab. Das Über-Ich stellt das Gewissen eines Menschen dar. Im Es befinden sich die Triebe und Gefühle. Alle Motive und Bedürfnisse sind im Es gelagert. Das Es verhält sich nach dem Lustprinzip.

36

Krüger, W. (1972), S. 58 vgl. Hugo-Becker, A., Becker H. (1996), S. 8 38 vgl. Crisand, E. (1996), S. 49 37

142

Konfliktmanagement Das Ich ist die Kontrollinstanz. Es vermittelt und entscheidet zwischen den Normen des Über-Ich und den Bedürfnissen und Motiven des Es. Vertikale r

Normen

Individuelles Über-Ich

Entscheidungs Instanz

Individuelles Über-Ich

Lustprinzip

Triebe, Motive Es

Rollen Berufliches Über-Ich

Familiäres Über-Ich

Normen Konflikt

...

...

Horizontaler Konflikt

Abbildung 5: Instanzenmodell, Rollen und Konflikte (in Anlehnung an Crisand)39 Zu jeder sozialen Position gehören Verhaltensweisen, die von dem Positionsträger erwartet werden. Diese Erwartungen, bezogen auf eine Position, beschreiben eine Rolle. Rollenkonflikten fühlt sich das Individuum ausgesetzt, wenn sich die Normen der verschiedenen Über-Ichs widersprechen. Rollen sind vom Einzelnen unabhängige Bündel von Verhaltensvorschriften, deren Inhalt von der Gesellschaft bestimmt und verändert wird. Diese Verhaltensvorschriften begegnen dem Rollenträger mit einer gewissen Verbindlichkeit, so daß er sich ihnen nicht ohne Schaden entziehen kann. Rollenerwartungen üben somit einen Zwang aus, denn der Gesellschaft stehen Sanktionen zur Verfügung, mit deren Hilfe sie ihre Erwartungen erzwingen kann.40 Durch auferlegte Rollenerwartungen werden Normen festgelegt. Dieser Mechanismus bewirkt für den Einzelnen eine Komplexitätsreduktion, denn Normen sind seine Hilfe für die Umweltorientierung. Allerdings können Normvorgaben 39 40

vgl. Crisand, E. (1996), S. 50 vgl. Müller-Bader, P. (1977), S. 17-25

143

Stephanie Mederer sich auch nicht mit Wertvorstellungen des Individuums decken, dann entsteht ein Konflikt.41 Rollenkonflikte lassen sich in Intra- und Inter-Rollenkonflikte unterscheiden. Bei einem Intra-Rollenkonflikt empfindet ein Mensch innerhalb einer Rolle eine Spannungssituation, beim Inter-Rollenkonflikt ergeben sich Differenzen zwischen den Rollen. Menschliches Verhalten ist Streben nach Bedürfnisbefriedigung. Wird das Streben nach Bedürfnisbefriedigung behindert, ergibt sich für das Individuum ein Konflikt. Dies bedeutet, daß Konflikte, die aus Konfliktgegenständen wie Verteilung von knappen Gütern oder dem Kampf um Machtpositionen zu resultieren scheinen, ihre eigentliche Konfliktursache in den dahinter stehenden Bedürfnissen haben. Individuen sehen die Erfüllung ihrer Bedürfnisse gefährdet oder behindert. Persönliche Bedürfnisse können in die Bereiche: • • • •

Überlebensbedürfnisse (Hunger, Durst, Schlaf) Kultur- und Lebensstandardbedürfnisse soziale Bedürfnisse (Kontakt, Kommunikation, Anerkennung) Selbstverwirklichungsbedürfnisse (Annäherung an eigenes Idealbild)

unterteilt werden.42 Die Entstehungsbedingungen von inneren Konflikten werden darin gesehen, daß unterschiedliche bis gegensätzliche Reize gleichzeitig zu bestimmten Reaktionen auffordern, die als unvereinbar empfunden werden. Kognitive Elemente steuern das Verhalten. Kognition beinhaltet Prozesse wie: Wahrnehmen, Erkennen, Denken, Erfassen und Lernen mit Rückgriff auf Wissen und Erfahrung. Ein innerer Konflikt entsteht, wenn mindestens zwei Kognitionen gegenläufig sind. Im Innern fechten entgegengesetzte Kognitionen und Gefühle (Einstellungen, Normen und Werte, Lebensstilvorstellungen). Eine solche Situation wird als kognitive Dissonanz bezeichnet. Es ist schwer zu ertragen, gegensätzliche

41 42

vgl. Oechsler, W. (1979), S. 61-62 vgl. Wagner, B. (1978), S. 96-98

144

Konfliktmanagement Meinungen und Gefühle gleichzeitig zu haben, weil das dem Streben nach Harmonie zuwiderläuft. Menschen müssen in ihrem Leben täglich Entscheidungen fällen. Die Bewertung der dabei zur Verfügung stehenden Alternativen ist der Auslöser für Konfliktsituationen im Innern des Menschen. Dabei können drei Typen innerer Konflikte identifiziert werden:43 •

• •

Ein Individuum muß sich zwischen zwei (oder mehreren) Alternativen entscheiden, die ihm gleichermaßen erstrebenswert erscheinen, sich aber nicht gleichzeitig realisieren lassen. Die Entscheidung für eine Alternative bedeutet Verzicht auf die andere. Das Individuum steht vor einer Entscheidung, die sowohl Angenehmes als auch Unangenehmes bringt. Der einzelne befürchtet, sich durch eine Entscheidung Chancen für immer zu vergeben. Das Individuum muß sich zwischen Möglichkeiten entscheiden, die alle als unattraktiv eingeschätzt werden. Die Entscheidung für eine Möglichkeit ist die Entscheidung für das „kleinere Übel“.

Jede bedeutsame Entscheidung ist mit inneren Konflikten verbunden, sobald eine Auswahl zwischen unvereinbaren Alternativen zu treffen ist. Die Entscheidungsfindung verkörpert das Ensemble von Grundeinstellungen, die Art, wie wir Informationen aufnehmen und auswerten und die Bereitschaft sich mit divergierenden Inhalten auseinander zu setzen. Andererseits ergibt sich ein innerer Spannungszustand auch daraus, daß bei Wahl zwischen mehreren Alternativen das Verhaltensmuster die möglichst lange Erhaltung der Wahlfreiheit sein wird. Sobald die Freiheit der Wahl eliminiert oder bedroht ist, wird ein Konflikt empfunden (Reaktanz).44 Jeder Mensch nimmt aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen und seines motivationalen Zustandes sein Umfeld in einer spezifischen Situation anders wahr. Das unternehmerische Umfeld ist determiniert durch die organisatorische Struktur:

43 vgl. Mahlmann, R. (2000), S. 35 44 vgl. Thomae, H. (1974), S. 54-57

145

Stephanie Mederer • • • •

Tätigkeit, Position Art der Kommunikation Ausmaß der Selbständigkeit, mit der die Probleme gelöst werden können Arbeitsklima

Zu inneren Konflikten kommt es, wenn mindestens zwei Wahrnehmungen, die für das Handeln oder Befinden relevant sind, einander widersprechen. Eine Person kann sich mit mehreren Problemen gleichzeitig beschäftigen oder unter Streßbedingungen arbeiten. Dadurch können aktuelle Probleme übersehen werden (Ablenkungseffekt) oder aber der Person kommen verstärkt Probleme zu Bewußtsein, die unter normalen Umständen gar nicht wahrgenommen werden (Sensibilisierungseffekt). Dieser Effekt kann sich auch so auswirken, daß eine relativ kleine Problemstellung ausreicht, um in einer Person das Gefühl der Überforderung hervorzurufen, also die Grenze der Belastbarkeit damit überschritten wird. Ob es zu einem Konflikt kommt, hängt von der Intensität der sich im Problem ausdrückenden Reize ab. Diese Reize müssen die individuelle Reizschwelle eines Individuums zur Wahrnehmung eines Konfliktes überschreiten. Die Schlußfolgerung daraus lautet: Ob in einer Situation ein Konflikt entsteht oder nicht, hängt immer von den Perzeptionen der Betroffenen ab. Wird die Spannungssituation nicht wahrgenommen, dann besteht auch kein Konflikt. Das individuelle Wahrnehmen eines Konfliktes ist subjektives Wahrnehmen der Wirklichkeit. Der Konstruktivismus beschäftigt sich mit der Wahrnehmung der Wirklichkeit. Eine zentrale Aussage ist, daß es keine objektive Wirklichkeit gibt, sondern nur eine konstruierte, die wir zusammen mit allen anderen hervorbringen.45 Sie ist von zentraler Bedeutung für das Konfliktmanagement, denn daraus folgt, daß eine objektive Erkenntnis eines Konfliktzustandes nicht möglich ist. Es gibt somit in einer Konfliktsituation niemals nur eine uneingeschränkt gültige Sichtweise. Die Wirklichkeitskonstruktion des Konfliktgegners ist also zunächst als genauso gültig wie die eigene anzusehen. In traditionell organisierten Unterneh-

45

vgl. Watzlawick, P. (2000), S. 7-10

146

Konfliktmanagement men ist häufig zu beobachten, daß die Wirklichkeitskonstruktionen der hierarchisch höheren Stellen als die richtigen angesehen werden.46 b) Konflikte in Gruppen Grundlegend sind obige Ausführungen zu inneren Konflikten auch für den Gruppenbereich relevant, denn die Einstellungen, Gefühle und das Verhalten eines Einzelnen strahlen in die Gruppe ab und initiieren Reaktionen der anderen Gruppenmitglieder. Darüber hinaus sind folgende Bereiche als Konfliktquellen in Gruppen zu nennen:47 • • • • • •

willkürliche Handlungen und Entscheidungen sozialer Vergleich Gruppendynamik Einfluß der Führungsposition Gruppennormen und –rollen Kontrollprozesse

Nicht verständliche, nicht nachvollziehbare oder willkürliche Handlungen und Entscheidungen sind Auslöser für Konfliktsituationen in Gruppen, denn Menschen gehen davon aus – auch wenn die Entscheidung zu ihren Gunsten ausfällt – daß willkürliche Entscheidungen sich zu jeder Zeit wiederholen können. Wenn ein Großteil der Gruppenmitglieder keine kooperative Haltung einnimmt, wird die Entscheidungsfindung erheblich erschwert. Eine kooperative Haltung strebt Fairneß durch Lösungen an, bei denen beide gewinnen. Eine individualistische Haltung dagegen hat die Optimierung der persönlichen Zielerreichung ohne Beachtung der sich dadurch ergebenden Konsequenzen für die anderen vor Augen. Die Bereitschaft, kooperative Strategien anzuwenden, steigt, wenn der persönliche Nutzen aus der Kooperation zunimmt, wenn andere Mitglieder sich gleichfalls kooperativ verhalten und die Möglichkeit der direkten Kommunikation zwischen den Mitgliedern besteht. Die eigene Identität und das Selbstbild erwirbt ein Mensch immer im Vergleich zu anderen. Die Gruppe ist dabei der Ort, an dem er nach Selbstbestätigung 46 47

vgl. Gilbert, D. (1997), S. 73-76 vgl. Mahlmann, R. (2000), S. 135ff

147

Stephanie Mederer sucht. Die Rückmeldung der Gruppe gibt ihm ein Gefühl dafür, wie er auf andere wirkt. Positive Rückmeldungen verstärken das gezeigte Verhalten, es wird dadurch immer wieder angewendet. Negative Rückmeldungen bringen das Individuum dazu, das gezeigte Verhalten zu überdenken und eventuell zu ändern. Je wichtiger einem Individuum der soziale Vergleich ist, desto mehr wird es versuchen, die ihm gestellten Anforderungen zu erfüllen, um somit eine positive Rückmeldung zu erreichen. Das kann zu Übereifrigkeit führen, so daß das gezeigte Verhalten negativ bewertet wird. Die Folge davon ist, daß Selbst- und Fremdeinschätzung divergieren. Jede Gruppe durchläuft verschiedene Phasen der Gruppenbildung. Bei mangelnder Berücksichtigung der jeweiligen Gruppenbildungsphase ergeben sich zwei Konfliktquellen: •



Wenn Führungskräfte nicht erkennen, in welchem Stadium sich die Gruppe gerade befindet, ist die Wahrscheinlichkeit unangemessenen Verhaltens recht hoch. Eine Gruppe in der Anfangsphase braucht mehr richtungsweisende Handlungsmaßstäbe als eine Gruppe, die schon länger zusammen arbeitet. Hier sollten Eingriffe nur noch auf Wunsch erfolgen. Der Gruppe wird nicht die Zeit gelassen, Rollen-, Funktions- und Führungsstrukturen zu entwickeln. Es fehlt an sozialer Reibung. Energien, die für den Arbeitsprozeß und die Zielerreichung wichtiger einzusetzen wären, werden nun in latente Machtkämpfe investiert.

Zentrale Aufgabe einer Führungskraft ist die Bündelung der Gruppenaktivitäten auf bestimmte Ziele. Dadurch ergeben sich folgende Aufgaben: • • • • • •

klare Formulierung der Gruppenziele und Erklärung des Zielkontextes Darstellung des Wertes der Einzelbeiträge Koordination der Aktivitäten Bereitstellung der Informationen Ausübung positiver und negativer Sanktionen Repräsentation der Gruppe nach außen

Die Fähigkeiten der Führungsperson sind entscheidend für die Art und den Umfang der Erfüllung der gestellten Aufgaben. Treten bei der Führungskraft Gefühle des Versagens auf, ergeben sich intrapersonelle Konflikte, die sich auf die Gruppe auswirken. Die Gruppe ihrerseits wird ihre Erwartungen auch nicht

148

Konfliktmanagement erfüllt sehen. Die Nichterfüllung der wechselseitigen Erwartungen ist somit Auslöser für Konflikte. Beispielsweise bestehen auf Seiten der Mitarbeiter bestimmte Vorstellungen über den Führungsstil. Diese Vorstellungen sind die Erwartungshaltungen des Mitarbeiters an seinen Vorgesetzten und an das Unternehmen selbst, die mit den Erwartungen des Unternehmens an den zu praktizierenden Führungsstil seiner Führungskräfte divergieren können. Durch die Präsenz relevanter Bezugspersonen wird die Selbsteinschätzung und das Verhalten beeinflußt. Eine relevante Bezugsperson in Gruppen stellt die Führungskraft dar. Eine souverän wirkende Führungskraft bringt Mitarbeiter dazu, sich geringer einzuschätzen als bei einer unsicher wirkenden Führungskraft. Hier besteht die Gefahr der Selbstüber- und unterschätzung. Der beeinflussende Faktor von Führungspositionen auf das Verhalten der Gruppenmitglieder muß somit bei Gruppenzusammensetzungen bedacht werden. Normen in einer Gruppe legen fest, welches Verhalten erwünscht ist.48 Mit Normen wird die Zusammenarbeit auf der Sach- und Beziehungsebene definiert. Neben den Verhaltensnormen gibt es auch Beurteilungs- und Meinungsnormen, die Bewertungsmaßstäbe oftmals unbewußt festlegen. Bei Nichtbefolgen der Normen wird die Gruppe mit Sanktionen reagieren. In jeder Gruppe gibt es Rollenkategorien, die zeitweilig von einem oder von mehreren Gruppenmitgliedern ausgeübt werden. Diese Rollenkategorien betreffen Aufgaben und Werte innerhalb einer Gruppe und das soziale Verhalten. Konflikte in Gruppen resultieren aus Überschneidungen von Rollen der verschiedenen Mitglieder. Dabei ist zu beachten, daß die Gruppenrollen nicht an Einzelpersonen gebunden sind, vielmehr vereinigt jedes Mitglied der Gruppe Teile der Rollenkategorien auf sich. Kontrolle von Gruppen hat zum Ziel, daß Entscheidungen umgesetzt und eingehalten werden. Kontrolle heißt Überprüfung. Diese Überprüfung kann auf verschiedene Arten und Weisen durch soziale Einflußnahme erfolgen. Diese Einflußnahme kann folgende Formen annehmen:

48

vgl. von Rosenstiel, L. (1978), S. 249-253

149

Stephanie Mederer • • •

Überzeugung Überredung Machtausübung (direkt/indirekt)

Eine Konfliktquelle ist das gegensätzliche Kontrollbewußtsein von einzelnen Gruppenmitgliedern. Personen mit ausgeprägtem Kontrollbewußtsein gehen davon aus, daß ihre Umwelt durch sie steuerbar ist und sie so ihre Ziele erreichen. Andere sehen mehr die gemeinsame Zielerreichung unter dem Aspekt der Selbstorganisation. Dadurch prallen verschiedene individuelle Einstellungen und Kontrollhandlungen aufeinander. Auch die Art der Kontrollausübung kann zu Konflikten führen. Überzeugung und Überredung sind kooperative Arten, um Gruppen auf ein Ziel auszurichten. Durch Druck und Formen von Machtausübung, durch Androhung negativer Sanktionen wird ein hohes Maß an Widerstand und Demotivation provoziert. Allerdings gibt es auch Menschen, die eine klar vorgegebene Richtung wünschen. In Form einer Gruppennorm wird sich das richtige Kontrollmaß für die Gruppe entwickeln. Es gilt, diese zu erkennen und Kontrolle so auszuüben, daß der Widerstand möglichst gering ist. Dazu müssen sich die Sanktionen mit den Gerechtigkeitsvorstellungen der Gruppe decken, und vorhersehbar und angemessen sein. c) Konfliktbereich zwischen Gruppen Konflikte zwischen Gruppen können auf die Faktoren: • • •

Interdependenz der Gruppen und Entscheidungen Interessengegensätze mangelnde Abstimmung zwischen den Gruppen

zurückgeführt werden. Eine der fundamentalsten Schlußfolgerungen aus der Ökonomie ist, daß Individuen mehr produzieren können, wenn sie sich auf etwas spezialisieren und miteinander kooperieren. Eine direkte Folge davon ist die innerbetriebliche Arbeitsteilung. Dadurch ergeben sich Interdependenzen zwischen organisatorischen Einheiten, die von gegenseitigen Abhängigkeiten gekennzeichnet sind. Das Handeln einer Gruppe hat Einfluß auf das Ergebnis des Handelns der anderen Gruppe.

150

Konfliktmanagement Aber auch in diesem Fall, wenn verschiedene Aufgabenträger ihre Entscheidungen in Unkenntnis der anderen Entscheidungen treffen, liegen Interdependenzen vor, die konfliktträchtiges Potential enthalten. Ein Beispiel dafür ist das gleichzeitige Zugreifen auf eine gemeinsame Ressource.49 Jede organisatorische Einheit im Unternehmen entwickelt eigene Interessen, Ziele und Normen. Sie sind das Ergebnis von Zielbildungsprozessen. Die einzelnen Gruppenmitglieder haben ihre Vorstellungen über mögliche Zielsetzungen abgestimmt. Sie sind geprägt von den einzelnen Persönlichkeitseigenschaften in der Gruppe, von den strukturellen Rahmenbedingungen, dem organisatorischen Status und der sozialen Interaktion in der Gruppe. Jede Gruppe versucht nun, durch geeignetes Handeln ihre Interessen und Ziele möglichst gut durchzusetzen. Wenn diese Interessen konkurrieren, ergeben sich Interessengegensätze. Für das Entstehen eines Konfliktes sind konkurrierende Interessen notwendig, allerdings können auch gleichzeitig kooperative Interessen bei den Konfliktgruppen vorhanden sein.50 Ein anderer Auslöser von Interessengegensätzen ist die differierende Beurteilung allgemeiner Ziele von Gruppen. Hauptursache dafür ist die Unvollkommenheit der Information und Kommunikation, die auch für die mangelnde Abstimmung zwischen organisatorischen Gruppierungen verantwortlich ist. d) Konfliktbereich zwischen Unternehmen und Umwelt Die radikale Veränderung der Umweltanforderungen resultiert aus:51 • • • •

einem intensiven Wettbewerb, ausgelöst durch Internationalisierung und Globalisierung fragmentierten und gesättigten Märkten mit anspruchsvollen Kunden schnellem technologischem Wandel, vor allem im Bereich der Kommunikation und Information Änderung der Wertestruktur der heutigen Gesellschaft

Als Folgerungen für Unternehmen ergeben sich: Die Verlagerung des Gewichts vom materiellen auf den immateriellen Anteil eines Produktes. Das Kauf- und Konsumerlebnis – gleichzeitig Ausdruck eines Lebensstils – überlagert die ei49

vgl. Jost, P. (1998), S. 22-24 vgl. Jost, P. (2000), S. 512 51 vgl. Schildknecht, C. (1998), S. 11 50

151

Stephanie Mederer gentliche technische Funktion. Dies erfordert eine Anpassung. Wertegemeinschaften über die Unternehmensgrenze hinaus müssen geschaffen werden. Dafür müssen die Mitglieder der Organisation diese Werte zunächst produzieren, damit sie der Kunde konsumieren kann. Unternehmen in der heutigen Zeit können nicht mehr nur das Ziel der Gewinnmaximierung der Besitzer bzw. Anteilseigner verfolgen. Sie haben vielmehr auch eine gesellschaftliche Verantwortung. Aus diesem Grund müssen die Forderungen der unternehmerischen Umwelt beachtet werden. Die in diesem Themenkomplex beinhalteten Spannungen sind für ein Unternehmen nur indirekt, beispielsweise über wachsende Konkurrenz oder nachlassenden Absatz bemerkbar. Deshalb ist es oft für Mitarbeiter und Management schwierig, frühzeitig notwendige Änderungen in Richtung Anpassung und Gestaltung der Unternehmung zu akzeptieren und umzusetzen. 2.3.2 Handhabungsformen Die Handhabungsformen der unter Kapitel 2.3 genannten Konfliktbereiche werden hier dargestellt. Aus Vereinfachungsgründen werden die Handhabungsformen in und zwischen Gruppen zusammengefaßt. Die Art der Reaktionen bei beiden Bereichen ist sehr ähnlich, da es sich bei beiden Bereichen um interpersonelle Konflikte handelt.52 a) Handhabungsformen des Individuums Mechanismen der Konflikthandhabung im Individualbereich sind Suchverhalten und Anspruchsanpassung.53 •

52 53

Suchverhalten Das Individuum sieht sich einer Situation gegenüber, in der es sich zwischen mehreren Alternativen entscheiden muß. Wenn keine der momentan zur Verfügung stehenden Alternativen akzeptabel ist, wird es nach weiteren Alternativen bzw. Informationen suchen, um die Unsicherheit der Entscheidung zu reduzieren.

vgl. Krüger, W. (1972), S. 86-88 vgl. Dorow, W. (1978), S. 94-97

152

Konfliktmanagement •

Anspruchsanpassung Wenn dies nicht gelingt, wird es seine Ansprüche so reduzieren, daß eine der gebotenen Alternativen akzeptabel erscheint, um so seinen inneren Konflikt aufzulösen.

Wenn mehrere gute Alternativen zur Auswahl stehen, wird sich sein Anspruchsniveau erhöhen. In der Auswahl der Alternative, die dem höheren Anspruchsniveau am meisten entspricht, ist die erfolgreiche Konfliktbewältigung zu sehen. Eine durch Suchverhalten und Anspruchsanpassung erfolgreiche Konfliktbewältigung bewirkt beim Individuum einen Lernvorgang, der durch das Gefühl der Zufriedenheit gekennzeichnet ist. Kann ein Konflikt nicht bewältigt werden, kommt es zu Frustrationen des Individuums. Als Folge davon entwickelt es Abwehrmechanismen. Die drei wichtigsten Formen von Abwehrmechanismen in Konfliktsituationen sind: • •



Projektion Das Individuum projiziert an sich wahrgenommene unliebsame Verhaltensweisen auf andere, um das eigene Selbstbild nicht zu gefährden Verdrängung Impulse aus dem Es, deren Befriedigung das Über-Ich im Wege steht, werden vom Ich in das Unbewußte abgedrängt. Dort wirken die verdrängten Impulse aber weiter, sie halten die Person in einem permanenten Spannungszustand, der sich in Angst oder Aggression ausdrückt Sublimierung Sozial verachtete Motive oder Handlungen werden in Motive bzw. Handlungen verwandelt, die anerkannt sind

Des weiteren kann das Erfahren einer Konfliktsituation dazu führen, daß der Konflikt umgeleitet wird und die Konfliktenergien Ersatzobjekte treffen, die aus anderen Personen oder aus materiellen Objekten bestehen können.54 b) Konflikthandhabung in und zwischen Gruppen Die Formen der Konflikthandhabung in und zwischen Gruppen können eine Vielzahl von Formen annehmen. Um diesen Themenbereich sinnvoll abzuhan54

vgl. Oechsler, W. (1979), S. 67

153

Stephanie Mederer deln, wird eine Systematik verschiedener Situationsbedingungen als Hilfsmittel zur Darstellung der Handhabungsformen benutzt. Es ist zunächst entscheidend, ob das Konfliktfeld von den Konfliktparteien bewußt wahrgenommen wird oder nicht. Wenn es nicht wahrgenommen wird, liegt ein latenter Konflikt vor, mögliche Reaktionen sind ein Bewußtwerden oder die Fortsetzung des unbewußten Ignorierens. Wenn das Konfliktfeld wahrgenommen wird, sind die Faktoren • •

Interessenausgleich zwischen den Beteiligten und Möglichkeit der Umgehung des Konflikts

Bedingungen für das weitere Verhalten in Konfliktsituationen im Intergruppenbereich.55 Wenn ein Interessenausgleich zwischen den Beteiligten möglich ist, können die Konfliktparteien gegenseitige Interessen berücksichtigen. Die Art der Konfliktaustragung wird dann von dem Gefühl des konstruktiven Problemlösens bestimmt, der Konflikt kann bewältigt werden. Es wird nach neuen befriedigenden Alternativen für alle gesucht, die bisherigen Alternativen, bei denen die Auswahl einer Alternative immer einen Kompromiß für eine Partei darstellt, werden nicht als gegeben hingenommen. Gruppen versuchen, neue bisher unbekannte Problemlösungsformen zu finden, die allen Wünschen und Zielen gerecht werden. Eine weitere Form der gegenseitigen Berücksichtigung von Interessen ist der Kompromiß. Jede Partei macht Zugeständnisse, diese Zugeständnisse werden verhandelt. Interessant ist hier die Betrachtung des Verhandlungsspielraumes. Der eigene Spielraum muß festgelegt und der gegnerische muß erforscht werden. Es werden Versuche unternommen, den gegnerischen Verhandlungsspielraum zu beeinflussen. Vorteil bei einem Kompromiß ist, daß Interessen der Parteien nicht unterdrückt werden. Allerdings können auch „faule“ Kompromisse aus Bequemlichkeit gefunden werden, das eigentliche Problem bleibt weiterhin bestehen. Ansprüche werden evtl. nicht ernsthaft aufgegeben, sondern einfach zurückgedrängt, eine latente Unzufriedenheit kann die Folge sein und neues Konfliktpotential entsteht. 55

vgl. Krüger, W. (1973), S. 98ff

154

Konfliktmanagement

Interessenausgleich in der Konfliktsituation

ist möglich

- Problemlösen

- Kompromiß - stillschweigender Ausgleich

ist nicht möglich

- Kampf - Vermittlung durch Dritte - Zufall - Rückzug einer Partei

Abbildung 6: Konflikthandhabungen bezogen auf Möglichkeit des Interessenausgleichs Es kann auch stillschweigend ein Interessenausgleich stattfinden, wenn die Bereitschaft nicht vorhanden ist, ein Problem offen zu lösen. Dabei wird der momentane Status erhalten, es gibt keine Entwicklung, Entscheidungen werden nicht getroffen, gegenseitige Einigkeit wird vorgespielt. Z. B. Mitarbeiter sagen das, was der Vorgesetzte hören will. Dadurch wird das Arbeitsklima belastet, der Einzelne wird frustriert. Der offene und freie Informationsfluß ist unterbrochen. Wenn der Konflikt aus Sicht der Konfliktparteien nicht umgehbar ist und auch kein Interessenausgleich erfolgen kann, werden – je nach Wichtigkeit des Problems – Formen der einseitigen Interessendurchsetzung dominieren. Bei wichtigen Fragen werden die Parteien versuchen, mittels Kampfformen ihre Interessen durchzusetzen. Kampf bedeutet immer einseitige Interessendurchsetzung. Alle Formen der Machtausübung bei Entscheidungen fallen darunter. Ein autoritärer Führungsstil wäre hier als Beispiel zu nennen. Der Gewinn der einen Partei ist allerdings

155

Stephanie Mederer immer der Verlust der anderen. Es gibt keine „echte“ Problemlösung, sondern Entscheidungen werden einfach durchgesetzt, ohne Anhörung divergierender Meinungen und Ideen. Eine andere Form der Konflikthandhabung ist die Vermittlung durch eine Drittpartei. Das Urteil der Drittpartei muß von den Parteien akzeptiert und befolgt werden. Im Unternehmen wird oftmals der gemeinsame Vorgesetzte zur Drittpartei. Aber auch externe Berater können als Vermittler fungieren. Problematisch an dieser Form der Konflikthandhabung ist die Tatsache, daß die Drittpartei aus Sicht der Konfliktparteien für den Sieger Partei ergriffen hat. Die Verlierer können sich ungerecht behandelt fühlen und sich zwar oberflächlich dem Urteil unterwerfen, aber die Gründe, die zu diesem Urteil geführt haben, nicht einsehen. Das Urteil muß daher eine hohe Akzeptanz erreichen. Konflikten kann auch begegnet werden, indem Entscheidungen einfach verzögert und aufgeschoben werden. Die Konfliktlösung wird ohne aktive Beeinflussung dem Zufall überlassen. Diese Art der Konfliktlösung erfordert wenig Aufwand und die Beziehung zwischen den Parteien wird weniger belastet als bei offenen Machtkämpfen. Eine weitere Verhaltensform kann in Rückzug, aus Furcht vor Niederlagen, bestehen. Oft sind Mißerfolge in der Vergangenheit Auslöser für dieses Verhalten. Der Kontakt zur anderen Konfliktpartei wird vermieden. Das eigentliche Problem bleibt trotzdem bestehen. Notwendige Beziehungen sind dadurch unterbrochen. c) Konflikthandhabung zwischen Unternehmen und Umwelt Die Reaktion des Unternehmens auf Außenkonflikte kann folgende Formen – gestaffelt nach Aktivitätsniveau - annehmen:56 • • • •

Umgehung der Konfliktsituation durch Nichtbemerken oder Rückzug Anpassung an die sich wandelnde Umwelt Beeinflussung der Umwelt Antizipation von Umweltveränderungen durch Früherkennung

Umgehung bedeutet, daß das Unternehmen Konflikte meidet. Es entwickelt keine Aktivitäten, um auf die Umwelt zu reagieren. Konfliktsignale werden nicht wahrgenommen oder wenn sie wahrgenommen werden, wird nicht auf sie rea56

vgl. Krüger, W. (1972), S. 106-110

156

Konfliktmanagement giert. Aus den Signalen resultierende Informationen und Anregungen versickern so an verschiedenen Stellen im Unternehmen. Sei es durch zu viele Stellen, durch die die Informationen bis zum Entscheidungszentrum gefiltert werden oder durch verzerrte Darstellung der Tatsachen. Aber auch Überlastung im Unternehmen kann eine Ursache für Nichtreagieren auf Signale sein. Das tatsächliche Vorhandensein und die Wahrnehmung von Konflikten stimmen nicht überein. Die Anpassung an die Umwelt beinhaltet gleichzeitiges Akzeptieren der Abhängigkeit von den Entwicklungen der Umwelt. Diese Strategieart kann zu einer weitgehenden Umstrukturierung des Unternehmens führen, wenn beispielsweise technische Weiterentwicklungen bei der Konkurrenz schon implementiert sind und das Unternehmen nachzieht. Bei einer sich schnell wandelnden Umwelt kann eine laufende Anpassung das Aktivitätsniveau recht hoch halten. Dadurch hat das Unternehmen keine Kapazitäten frei, um bewußt zu versuchen, seine Umwelt entsprechend seiner Ziele zu beeinflussen. Bei Nutzung von Beeinflussungsstrategien werden Signale der Umwelt nicht übersehen, sondern es wird versucht, das Geschehen aktiv zu beeinflussen. Antizipation, also das gedankliche Vorwegnehmen zukünftiger Entwicklungen, ist die aktivste Konfliktstrategie. Die Grenzen des Unternehmens müssen mit Hil-fe eines Frühwarnsystems die Umwelt beobachten und die so gewonnenen Informationen an die entsprechenden Stellen im Unternehmen weiterleiten. Die Informationen werden bewertet und zukünftige Auswirkungen werden beispielsweise mit Hilfe von Szenariotechnik vorweggenommen. Oft betreiben Unternehmen aus einer Position der Stärke heraus keine Umweltbeobachtung. Dann lauert jederzeit die Gefahr, Trendbrüche oder neuere technologische Entwicklungen zu übersehen. Dann besteht bereits ein latentes Konfliktfeld, das in diesem Stadium auch schon erkannt werden muß. Damit wird der offene Konflikt schon vorweggenommen. Auf die Früherkennung können vorbeugende und anpassende Maßnahmen folgen, die das Geschehen in die gewünschte Richtung lenken. Es wird oft versucht, Spannungen in diesem Bereich durch eine Ad-hoc-Bewältigung entgegenzuwirken.57 Verhalten und Reaktion ist ein dann nicht vorher geplanter Prozeß. 57

vgl. Gilbert, D. (1997), S. 80

157

Stephanie Mederer 2.3.3 Zusammenfassende Betrachtung der Konflikthandhabungsformen Konfliktbereiche

Im Individuum

In Gruppen

Zwischen Gruppen

Zwischen Unternehmen und Umwelt

Konflikte ergeben sich durch - Persönlichkeit - Rollenaspekte - Verhalten - Entscheidungen - Wahrnehmung - willkürliche Handlungen und Entscheidungen - sozialer Vergleich - Gruppendynamik - Einfluß der Führungsposition Gruppennormen und –rollen - Kontrollprozesse - Interdependenz - Interessengegensätze - mangelnde Abstimmung - siehe Kapitel 2.2.3 „Umweltverbundenheit“ - hohe Veränderungsdynamik - Veränderungen können Bedrohung darstellen - Umweltfaktoren oftmals nicht beeinflussbar - Diskontinuitäten lösen Interessenverschiebungen zwischen Stakeholdern aus

Handhabungsformen - Suchverhalten - Anspruchsanpassung - selektive Wahrnehmung - Abwehrmechanismen - Problemlösen - Kompromiß - Stillschweigender Ausgleich - Kampf - Vermittlung durch Dritte - Zufall - Rückzug einer Partei

- Umgehung - Anpassung - Beeinflussung - Antizipation

Abbildung 7: Übersicht über Konfliktbereiche und Handhabungsformen In allen oben behandelten Bereichen treten ähnliche Verhaltensmuster als Reaktion auf Konflikte auf. Mit anderen Worten: ein Individuum reagiert im Grunde genauso auf Konfliktsituationen wie das Unternehmen als Ganzes auf seine Umwelt.

158

Konfliktmanagement

2.4

Konfliktverlauf und Konfliktarten

2.4.1 Konfliktverlauf Neben dem Verhalten der Konfliktparteien determiniert auch der Verlauf des Konfliktes das Konfliktergebnis und die Auswirkungen. Das Wissen des typischen Verlaufes von Konflikten kann helfen, zukünftige Auswirkungen und die damit verbundenen Konsequenzen bei einem gegebenen Konflikt gedanklich vorweg zu nehmen. Der typische Konfliktverlauf kann in Anlehnung an das Produktlebenszykluskonzept als Lebenszyklus beschrieben werden.58

Konfliktverlauf

1

2

3

Latenzphase

Emergenzphase

Aufschwungphase

4

5

Zeit Reifephase

Abschwungphase

Abbildung 8: Konfliktlebenszyklus 1. Latenzphase Erste Schlüsselereignisse werden bekannt. Durch die Ereignisse Betroffene suchen nach weiteren Informationen, um den Anspruchsbereich voll zu erfassen. 2. Emergenzphase Ausweitung des Anspruchsbereichs. Interessengruppen bilden sich und stecken ihre Erwartungen ab. Zentraler Bestandteil ist die Konfliktdefinition.

58

vgl. Jeschke, B. (1993), S. 70-77

159

Stephanie Mederer 3. Aufschwungphase Interessengruppen gehen Koalitionen ein. Konfliktgegner entwickeln konkrete Zielvorstellungen. Der Konflikt wird eher durch Dritte thematisiert, als daß ein direkter Informations- und Meinungsaustausch zwischen den Konfliktgegnern stattfinden würde. Zentraler Bestandteil dieser Phase ist die Zielbestimmung. 4. Reifephase Eine Konfliktregelung wird vorangetrieben, oft unterstützt durch den Einfluß Dritter. Wenn eine verbindliche Regelung sich abzeichnet, läßt das Involvement der Konfliktparteien allmählich nach. Diese Phase ist von der Regelung des Konflikts gekennzeichnet. 5. Abschwungphase Für die Konfliktparteien gibt es im Hinblick auf den Anspruchsgegenstand keinen Interaktionsbedarf mehr. Ein weiterer Gesichtspunkt im Zusammenhang mit dem Verlauf von Konflikten ist das Prozeßmodell von Jost, der Organisationskonflikte als einen dynamischen Prozeß versteht, der durch aufeinanderfolgende Konfliktepisoden charakterisiert ist. Dabei besteht eine Konfliktepisode aus fünf Phasen (siehe Abbildung). Jede einzelne Phase einer Episode übt einen Einfluß auf die nachfolgende aus. Das Wahrnehmen einer Konfliktsituation beeinflußt das Verhalten der Konfliktpartei. Dieses wiederum hat Einfluß auf das Verhalten der anderen Partei. Die Konsequenzen aus diesem Verhalten sind im allgemeinen wieder der Ausgangspunkt einer nächsten Konfliktepisode.59 Mit Hilfe des Eskalationsmodells von Glasl60 wird die Verschärfung von Konfliktsituationen beschrieben. Dieses Modell umfaßt drei Phasen und neun Stufen. Jede neue Stufe bezeichnet eine neue Qualität des Konflikts:

59 60

vgl. Jost, P. (1998), S. 67-68 vgl. Glasl, F. (1999), S. 216-219

160

Konfliktmanagement

Wahrnehmung eines Konflikts

Entstehung einer Konfliktsituation

Konsequenzen aus der Interaktion

Entstehung einer Konfliktsituation

Verhalten einer Konfliktpartei

Reaktionen der anderen Konfliktpartei 1. Konfliktepisode

2. Konfliktepisode

Abbildung 9: Das Prozeßmodell einer Konfliktsituation (in Anlehnung an Jost)61 Phasen in konfliktären Situation:

Verhärtung Meinungsverschiedenheiten führen zu Spannungen. Die Spannung ist noch durch Gespräche lösbar, es gibt noch keine starren Parteien oder Läger. Die Parteien gehen noch davon aus, Störung mit Argumenten beseitigen zu können. Debatte Hier geht es vor allem um die Frage: „Welches ist der bessere Standpunkt?“. Überheblichkeit und Arroganz können die Verhaltensweisen prägen. Im Denken, Fühlen und Wollen kann es zur Polarisierung kommen. Taten statt Worte Diskussionen erscheinen plötzlich sinnlos, non-verbale Signale und unbeherrschte Ausbrüche erfolgen immer häufiger. Gefahr der Fehlinterpretation von Argumenten steigt. Oft wird die Strategie vollendeter Tatsachen verfolgt.

61

vgl. Jost, P. (1998), S. 67

161

Stephanie Mederer Sorge um Image und Koalitionsbemühungen bei Außenstehenden Beide Konfliktparteien werben nun um Verbündete. Ein strahlendes Selbstbild steht einem negativen Feindbild gegenüber. Stereotype Klischees, Gerüchte und Diffamierungen nehmen zu. Gesichtsverlust Öffentliche Diskriminierung der Gegner und persönliche Angriffe unter die Gürtellinie sind an der Tagesordnung. Drohstrategien Gegenseitige Drohungen und zunehmendes Mißtrauen und Enttäuschungen erschweren die Kontrolle über den Konflikt. Drohungen werden mit Gegendrohungen beantwortet. Es werden Sanktionspotentiale aufgebaut. Begrenzte Vernichtungsschläge Beide Parteien sind sich bewußt, daß es nichts mehr zu gewinnen gibt. Ziel ist es nun, die Existenz des Gegners zu erschüttern. Zersplitterung des Gegners Jetzt geht es nur noch darum, Macht- und Existenzgrundlage des Gegners völlig zu vernichten. Gemeinsam in den Abgrund Die Genugtuung, im eigenen Untergang den Feind mit in den Abgrund zu reißen, ist nun der einzige Trost. Totale Konfrontation ist möglich, Vernichtung zum Preis der Selbstvernichtung wird in Kauf genommen. Die Dynamik der Eskalation ist von der Situationseinschätzung der Parteien abhängig:62 Wird die Situation rivalistisch eingeschätzt, ist die Tendenz zur Ausweitung vorhanden. Es vollzieht sich eine Fixierung auf Machtstrategien, die eigenen Interessen werden höher gewichtet als die der anderen. Es gibt keine Verständigungsversuche mehr. Der Triumph über den Gegner wird zum eigenständigen Ziel. Schätzen beide die Situation so ein, daß beide Seiten gewinnen können, 62

vgl. Gilbert, D. (1997), S.41

162

Konfliktmanagement werden die Parteien eine kooperative Haltung einnehmen und somit die Eskalation des Konfliktes stoppen. Die Auseinandersetzung auf den ersten drei Stufen dreht sich primär um Inhalte. Es findet eine begrenzte Kooperation zwischen den Parteien statt, die es möglich macht, zu einem Ergebnis zu kommen, das sich für beide Seiten als Gewinn darstellen läßt. Auf diesen Stufen kann der Konflikt noch als produktiv angesehen werden. Auf den Stufen 4 bis 6 hat der Konflikt sich schon so zugespitzt, daß nur noch Ergebnisse möglich sind, bei denen die eine Partei gewinnt und die andere verliert. Der Konflikt verschiebt sich mehr und mehr von der Inhalts- auf die Beziehungsebene. Ab Stufe 7 gelangt der Konflikt in einen Bereich, in dem beide Parteien im Grunde nur noch verlieren können. Das Ziel der Vernichtung des Gegners ist wichtiger als die Bewahrung der eigenen Existenz.63 Der Verlauf von Konflikten durchläuft nicht nacheinander alle Stufen. Vielmehr können Sprünge nach vorne und nach hinten auftreten. Die Intensivierung von Konfliktsituationen läuft sukzessive ab, der Verlauf „springt“ nicht von Stufe zu Stufe, es ergeben sich eher fließende Übergange. Der Verlauf des Konfliktes wird des weiteren durch beschleunigende und verlangsamende Zeitfaktoren bestimmt:64 Menschen, die miteinander streiten, reden und handeln oft schneller als unter normalen Umständen. Die Zeit zum Überlegen und Abwägen wird nicht genommen. Die Schnelligkeit der Reaktionen der Konfliktparteien ist aus deren Sicht mitentscheidend für Sieg oder Niederlage. Dieser Zeitdruck provoziert übereiltes Verhalten und treibt damit den Konflikt voran. Zeit und Energie, die für einen Konflikt verbraucht werden, stehen für andere Vorgänge nicht mehr zur Verfügung, damit verzögern Konflikte andere organisatorische Abläufe. Die Kommunikation in einem Konflikt verlangsamt sich, denn es wird zwar geredet, aber die Inhalte werden nicht mehr verstanden oder der Sinn des Gehörten wird umgedreht, es beginnt ein oft schon ritualisiertes Mißverstehen. Die für Arbeitsabläufe nötige Kommunikation findet nicht statt und boykottiert damit auch die Zeitkoordination im Betrieb. 63 64

vgl. Meyer, B. (1997), S. 23-24 vgl. Wittschier, B. (2000), S. 52-53

163

Stephanie Mederer Beide Faktoren im Konflikt haben denselben Effekt: sie erschweren die Lösung und Verständigung zwischen den Konfliktparteien und verlängern somit die Konfliktsituation. Abschließend ist festzuhalten, daß es keinen „Konfliktautomatismus“ gibt, denn letztendlich hängt es davon ab, wie sich die betroffenen Menschen in der Konfliktsituation konkret entscheiden und verhalten. Der Konfliktverlauf ist somit von situativen Determinanten abhängig.65 2.4.2 Konfliktarten Eine Differenzierung von Konflikten hat zum Ziel, den Schwerpunkt eines Konflikts zu umreißen, um somit eine Richtung für Interventionsmaßnahmen zu haben.66 Ein Interessenkonflikt ergibt sich durch unterschiedliche Wünsche oder Bedürfnisse.Ein Zielkonflikt liegt vor, wenn Interessen auf unvereinbare Ziele hinweisen.Über das zu erreichende Ziel liegt beim Beurteilungskonflikt Einigkeit vor, nur über den Weg zum Ziel herrscht Uneinigkeit. Der Verteilungskonflikt ist ein Konflikt um knappe Ressourcen, wie beispielsweise um die Besetzung einer Führungsposition, um Geld, aber auch um Anerkennung. Ein Rollenkonflikt liegt vor, wenn von einer Person durch ihre Rollen nicht vereinbare Verhaltensweisen gefordert werden. Der Strukturkonflikt bezieht sich auf organisationale Strukturen im Unternehmen. Die Organisationsform und die darin festgelegten formalen Prozeduren führen zu Konflikten. Beim Strategie-/Methodenkonflikt besteht Uneinigkeit über Wahl und Einsatz von Methoden. Beim Beziehungskonflikt ist die Beziehungsebene zwischen Menschen Gegenstand der Betrachtung. Wertkonflikte entzünden sich an Anschauungen, Werten und Normen. Die Besonderheit ist hier, daß für moralische Anschauungen kein rationaler Grund besteht. Somit sind sie auch nicht rational entscheidbar. Bei Beziehungs- und Wertkonflikten steht der persönliche Aspekt im Vordergrund, während bei allen anderen Arten der Sachaspekt Hauptkonfliktgegenstand ist. In Konfliktsituationen taucht eine Konfliktart selten in Reinform auf, meist mischen sich verschiedene Arten, ein Strategiekonflikt um Methoden beispielsweise kann sich zum Beziehungskonflikt zwischen Menschen entwickeln.67

65

vgl. Glasl F. (1992), S. 14 vgl. Mahlmann, R. (2000), S. 80 67 vgl. Wittschier, B. (2000), S. 45-46 66

164

Konfliktmanagement

3. Konfliktmanagement in Unternehmen Das Auftreten und Austragen von Konflikten kann mit physischen und psychischen Kosten verbunden sein, die sich bis heute allerdings kaum erfassen und bewerten lassen. Als Beispiele sind zu nennen:68: zeitlicher Aufwand des TopManagements und der Mitarbeiter zur Bewältigung von Konflikten und Motivationsverlust der Mitarbeiter.

Zielwirkungen des Konflikts

Optimaler Konflikt Konfliktkapazität

Konfliktbelastung

Abbildung 10: Konfliktoptimum (in Anlehnung an Krüger)69 Andererseits ist bei Betrachtung von Gruppen, in denen ein gewisser Grad an Gegensätzlichkeit vorliegt, auffällig, daß sie kreativere und genauere Lösungen hervorbringen, als Gruppen, in denen völlige Harmonie herrscht. Das gleiche gilt für Konflikte zwischen Gruppen und ihrem Führer. Opposition beeinflußt die Qualität und die Neuartigkeit von Problemlösungen. Auch im Intergruppenbe-

68 69

vgl. Gilbert, D. (1997), S. 39 vgl. Krüger, W. (1973), S. 22

165

Stephanie Mederer reich ist dieses Phänomen zu beobachten: Wettbewerb zur Erreichung gemeinsamer Ziele wirkt sich positiv auf die Unternehmensleistung aus. Wenn der Konfliktgrad steigt, dann setzen unproduktive Effekte ein. Aufgabe des Konfliktmanagements ist es, ein Optimum an Konfliktgrad in allen Bereichen herbeizuführen. Mit diesem gewissen Grad an Gegensätzlichkeit muß allerdings konstruktiv umgegangen werden.

3.1

Geforderte Haltungen gegenüber den Konfliktursachen

Den unter Punkt 2.2 identifizierten Konfliktursachen ist eines gemeinsam: sie sind permanent und unaufhebbar vorhanden. Das bedeutet, daß diese „letzten“ Ursachen ein Datum sind und sich somit die Frage stellt, wie die Mitglieder des Unternehmens diesen Ursachen im Sinne eines Konfliktmanagements begegnen können. 3.1.1 Haltung zur Diskrepanz zwischen Zielvorstellungen und –erreichung Aufgabe des Managements ist es an dieser Stelle, die richtige Balance bei der Erfüllung der Bedürfnisse der Anspruchsgruppen zu finden und dabei nicht die unternehmerischen Interessen aus den Augen zu verlieren. Je nach Höhe des Gewinn-Niveaus ändern sich die Zielprioritäten des Unternehmens. Die Reihenfolge dieser Prioritäten bestimmt sich nach den Gesichtspunkten der Überlebensfähigkeit. Auf dieses Zielsystem aufbauend, müssen nun die Interessen der Anspruchsgruppen eingeordnet und berücksichtigt werden. Diese Einordnung muß schlüssig begründet und offen kommuniziert werden. Die Grundhaltung sollte davon bestimmt sein, daß die Unternehmensführung glaubhaft macht, daß sie bestrebt ist, alle beteiligten Parteien gewinnen zu lassen. Im Konfliktfall richtet sich die angemessene Strategie nach den situativen Variablen. Situative Variablen für das Unternehmen sind:70

70

vgl. Gilbert, D. (1997), S. 84

166

Konfliktmanagement • • • • • •

Finanzielles Ergebnis Machtposition des Unternehmens Management-Know-how Konflikterfahrung Interessen der Stakeholdergruppen Beziehung zu den Stakeholdern

Gewinnniveau

hoch

mittel Überlebensniveau

1. Kunden 2. Arbeitnehmer 3. Gewinn/Wachstum 1. Gewinn/Wachstum 4. Umwelt 2. Kunden

I

II

1. Kunden 2. Arbeitnehmer 3. Umwelt 4. Gewinn/Wachstum

III

Prioritätsstufen

Abbildung 11: Zielsystem in einer gesellschaftlich reagierenden Unternehmung gestuft nach Prioritäten (in Anlehnung an Busch, Dögl, Unger)71 Unzufriedenheit, Schuldzuweisungen etc. sind die Folge, wenn einmal aufgestellte Ziele nicht erreicht werden. Im Vordergrund sollte die Frage nach dem „Warum“ stehen. Warum wurde das Ziel nicht in der gewünschten Form erreicht? Wurden auf dem Weg dahin Fehler begangen? Hat sich das Erreichen dieses Ziels mittlerweile überholt? Ist der jetzige Zustand evtl. besser als der ursprünglich anvisierte?

71

vgl. Busch, R., Dögl, R., Unger, F. (2001), S. 108

167

Stephanie Mederer Ein Fehlermanagement, so verstanden, daß nicht Personen schuld sind, sondern der Prozeß der dahintersteht, ist zu installieren, denn alle einmal gefällten Entscheidungen, die zu dem Fehler geführt haben, sind selbst mehr oder weniger fehlerhaft. Deshalb ist das Aufdecken von Fehlern eine Möglichkeit, etwas noch besser zu machen. Das Akzeptieren, daß Fehler auf allen Ebenen im Unternehmen gemacht werden und daß dies die Chance für eine Weiterentwicklung ist, ist eine zentrale Forderung an alle Mitarbeiter. Diese Grundhaltung sollte Eingang in die Unternehmenskultur finden. Des weiteren sollten strategische Zielsetzungen laufend auf ihren Inhalt überprüft werden. Eine strategische Zielsetzung birgt immer die Gefahr, daß sie als unumstößlich gegeben hingenommen wird. Sie muß ständig kritisch überprüft und gegebenenfalls angepaßt werden. 3.1.2 Haltung zu Komplexität Das Komplexitätsmanagement kann in die Bereiche Programm-, Produkt- und Prozeßkomplexität unterschieden werden. Dies ist schon ein erster Schritt, um dem Problem der Komplexität entgegenzutreten: im Sinne einer Systematik Komplexitätsbereiche voneinander gedanklich abzugrenzen. Dabei sollte aber immer klar sein, daß die analytisch voneinander abgegrenzten Bereiche eine hohe Interdependenz aufweisen. Die Literatur zum Thema „Komplexitätsmanagement“ bietet dagegen isolierte Ansätze für die oben genannten Bereiche an, das Management der Komplexität wird somit zur „Komplexitätsverwaltung“ mit suboptimalen Zielerreichungen. Ohne nun im Detail auf die einzelnen Prozeßschritte eines Komplexitätsmanagements eines vernetzten Phasenmodells einzugehen, ist eine Feststellung wichtig: Die Mitglieder eines Unternehmens – primär die Managementebene – müssen ein „Denken in Komplexität“ entwickeln, das beinhaltet, daß komplexe Systeme nicht mit einer linearen Ursache-Wirkungs-Mechanik gedanklich zu erfassen sind. Nicht die einzelnen Elemente eines Systems sind ausschließlich zu betrachten und zu optimieren, sondern auch die Beziehungen zueinander müssen untersucht werden.

168

Konfliktmanagement Eine weitere Forderung ist die Implementierung veränderter Unternehmensstrukturen, die die heutige Nachfrage- und Wettbewerbskomplexität als gegeben akzeptieren und die sich dahingehend ausrichten.72 3.1.3 Haltung zu Umweltverbundenheit Die heute herrschende hohe Veränderungsdynamik birgt für Unternehmen ein hohes Konfliktpotential. Das Unternehmen muß Instrumente entwickeln, die zu einer stärkeren Sensibilisierung von Signalen von außen führen, damit es angemessen reagieren kann. Auch wenn Diskontinuitäten nicht auf dem Weg der extrapolierenden Verfahren zu erkennen sind, so kündigen sie sich doch durch schwache Warnsignale an. Dies beinhaltet die Chance, bei rechtzeitiger Beachtung und richtiger Einschätzung angemessen zu reagieren.73 Diskontinuitäten können für solche Unternehmen eine Bedrohung darstellen, die sich nicht flexibel genug auf neue Rahmenbedingungen einstellen können. Rechtzeitiges Einstellen – das heißt, früher als Konkurrenten – auf strategisch relevante Umweltveränderungen ist eine wichtige Wettbewerbschance. Durch eine Umweltanalyse können relevante Trendentwicklungen frühzeitig aufgespürt werden. Die Entwicklung dieser Trends ist kontinuierlich zu beobachten und die zukünftigen Auswirkungen auf die Unternehmenspolitik sind einzuschätzen. Die Umweltanalyse ist somit Informationsbasis für strategische Entscheidungsfindung.74 Ein Zeitmanagement sollte neben dem frühzeitigen Aufspüren von unternehmensrelevanten Veränderungen auch Mitarbeitern Eigenzeiten für die Erfüllung ihrer Aufgaben gewähren. Diese humanen Eigenzeiten können nur begrenzt rational beeinflußt werden. Der Führungskraft fällt damit die Aufgabe zu, zwischen dem marktwirtschaftlichen Druck zur Beschleunigung und der notwendigen humanen Eigenzeit zu vermitteln.

72

vgl. Bliss, C. (2000), S. 249-260 vgl. Jeschke, B. (1993), S. 13 74 vgl. ebenda, S. 17 73

169

Stephanie Mederer Das spezifische Gleichgewicht aus Verzögerung und Beschleunigung ist jeweils neu zu suchen, die menschlichen Fähigkeiten geben den Ausschlag für Entscheidungen über die Zeit. Führungskräfte müssen verantwortlich entscheiden, wo sie Prozesse beschleunigen können und wo sie bewußt konkret Zeit einräumen, sei es für persönliche, zwischenmenschliche oder teambedingte Abläufe.75 3.1.4 Haltung zu Unvollkommenheit der Information und Kommunikation Jede Übertragung von Informationen ist letztlich unvollkommen, da sie durch die subjektive Wahrnehmung des Wahrnehmenden beeinflußt ist.76 Das Erkennen und Verwerten von Informationen, um Informationsvorsprünge zu erlangen, ist eine Grundlage für unternehmerischen Erfolg. Um diese Informationsvorsprünge auch umzusetzen, bedarf es einer gut funktionierenden Kommunikationsstruktur, denn darüber werden Handlungsorientierungen vermittelt. Sämtliche Konflikte sind zugleich Kommunikationsprozesse, ihre Verschärfung und Entspannung sind Folgen von Kommunikationsakten. Kommunikationsakte werden auf zwei miteinander verbundenen Ebenen ausgetragen, und zwar auf der inhaltlichen Ebene, auf der es um den Gesprächsgegenstand geht und der Beziehungsebene, auf der das Verhältnis zwischen den Kommunikationspartnern bestimmend für die Art der Kommunikation ist. Aus diesem Grund ist es für ein Unternehmen wichtig, auf die Beziehungen und das Verhältnis der Organisationsmitglieder positiv einzuwirken.

75 76

vgl. Wittschier, B. (2000), S. 78-79 vgl. Gilbert, D. (1997), S. 61

170

Konfliktmanagement 3.1.5 Übersicht über Konfliktursachen und geforderte Haltungen Konfliktursachen

Spezifische Problemfelder

Geforderte Haltungen

Diskrepanz zwischen Zielvorstellungen und erreichung

- Unmöglichkeit der Befriedigung aller Bedürfnisse - Nicht /teilweise Erreichen von Zielen

- Offene Kommunikation - Entwickeln einer Denkhaltung sind Chance zur Weiterentwicklung

Komplexität

- Erhöhter Kommunikationsund Flexibilitätsbedarf - Unmöglichkeit der Kenntnis und Verarbeitung aller Informationen - selektive Wahrnehmung - schwierige Abschätzung der Wirkungen von Entscheidungen - durch Multipersonalität prallen unterschiedliche Werte, Einsstellungen und Normen aufeinander - Verstärkung der Komplexität durch eindimensionale Organisationsformen

- Entwickeln eines „Denkens im Komplexität“ speziell der Managementebene - Gestaltung der Organisationsstruktur

Umweltverbundenheit

- Diskontinuitäten lösen Interessenverschiebungen zwischen Stakeholdern aus - hoher wirtschaftlicher Beschleunigungsdruck

- Beachtung schwacher Warnsignale - Frühzeitiges Einstellen auf relevante Umweltveränderungen - Durchführung einer kontinuierlichen Umweltanalyse - Zeitmanagement

Unvollkommenheit der Information und Kommunikation

- Unvollständige Informationen - subjektive Bewertung - Unterschiedliche Informationsstände - Filterung / Verzerrung von Informationen - Störungen bei der Informationsaufnahme sind gleichzeitig

- Erkennen, Verwerten und Umsetzen von Informationsvorsprüngen - Entwickeln einer gut funktionierenden Kommunikationsstruktur

Abbildung 12: Übersicht über Konfliktursachen, Problemfelder und geforderte Haltungen

171

Stephanie Mederer

3.2

Ausgestaltung des Konfliktmanagements

Die eingangs aufgestellten Forderungen bilden die Grundlage für die nun zu formulierende Ausgestaltung des Konfliktmanagements. Konfliktmanagement beinhaltet zwei Aspekte: • •

die zielgerichtete Beeinflussung von Konfliktprozessen die Veränderung der Rahmenbedingungen, um zu den geforderten Haltungen zu finden

Zum erst genannten Punkt gibt es eine Fülle von Literatur, zumal sich hierzu Beeinflussungsmöglichkeiten relativ unproblematisch aus den oben dargestellten Konfliktbereichen ableiten lassen. Zum zweiten Aspekt des Konfliktmanagements ist das Angebot an Literatur weniger ausgeprägt. Dabei ist der dahinter stehende Gedankengang als äußerst wichtig zu betrachten: Die Einwirkung über die Veränderung des organisatorischen Rahmens, so daß Organisationsmitglieder zu bestimmten Interaktionen im Sinne des Konfliktmanagements bewegt werden.77 3.2.1 Die zielgerichtete Beeinflussung von Konfliktprozessen Analyseprozeß einer Konfliktsituation Die Steuerung eines Konfliktes im Sinne einer konstruktiven Nutzung setzt einen Analyseprozeß voraus. In Anlehnung an Glasl besteht dieser Prozeß aus den Fragekategorien:78 Konflikt-Inhalte Was ist der Konfliktgegenstand, welche Konfliktart(en) beinhaltet der Konflikt? In welchem Kontext ist der betrachtete Konflikt eingebettet? Ist der Konflikt durch strukturelle Zwänge bedingt? Welche Bedürfnisse der Konfliktparteien spiegeln sich im Konflikt wider? Läuft der Konflikt mehr auf der Sach- oder auf der Beziehungsebene ab? Auf der Sachebene geht es primär darum, eine Klärung bzw. Veränderung der Positionsdifferenz über einen bestimmten Gegenstand herbeizuführen. Auf der 77 78

vgl. Dorow, W. (1978), S. 205 vgl. Glasl, F. (1999), S. 95-152

172

Konfliktmanagement Beziehungsebene ist das Verhältnis der Konfliktparteien entweder – bewußt Gegenstand des Konflikts oder – sie wirkt sich unterschwellig auf die Konfliktaustragung aus. Ist das Verhältnis auf der Beziehungsebene ungetrübt, können Konflikte auf der Inhaltsebene womöglich einfacher geklärt werden. Konfliktparteien sind eher dazu bereit, zugunsten des anderen auf etwas zu verzichten. Beurteilung Konfliktverlauf Wie ist der Konflikt bisher verlaufen, auf welcher Eskalationsstufe befindet er sich zur Zeit? Wie gestalten sich aktuell die Verhaltensweisen der Konfliktparteien? Wie wirken sich diese auf den Verlauf aus? Wie ist das Machtverhältnis zwischen den Parteien? Konflikt-Parteien Welche Personen, Gruppen bzw. sozialen Systeme sind am Konflikt beteiligt? Von wem geht die Konfliktinitiative aus? Wie sind sie organisiert? Wie ist die Erwartungshaltung der Parteien? Wie voreingenommen sind die Konfliktparteien schon? Sind sie noch bemüht, Informationen und Meinungen auszutauschen? Grundeinstellung der Parteien zum Konflikt Welche situativen Faktoren beeinflussen die momentane Konfliktbereitschaft? Welche können dazu beitragen, daß es zur Überschreitung weiterer Konfliktschwellen kommt? a) Wahl der Strategie Bei Betrachtung unkontrollierter Eskalation von Konflikten wird die Wichtigkeit gezielter Beeinflussung von Konfliktprozessen klar.79 Die Aufgabe des Konfliktmanagements besteht nun darin, dem einzelnen und der Gruppe Handhabungsinstrumente mitzugeben, die situationsspezifisch eingesetzt werden können. Die hier vorgestellten Arten, Konfliktsituationen zu begegnen, sind kein schematisches Lösungsraster. Sie sind nur ein Ansatzpunkt, um sich mit vorliegenden Konflikten auseinander zu setzen und sich über die eigene Position und die der anderen Partei klar zu werden.

79

vgl. Gilbert, D. (1997), S. 80

173

Eingesetztes Machtpotential

Stephanie Mederer

Durchsetzung Kampf

Problemlösung Integration

Kompromiß

Vermeidung Rückzug, Ignoranz

Anpassung

Bereitschaft zum kooperativen Verhalten

Abbildung 13: Strategien der Konflikthandhabung (in Anlehnung an Gilbert)80 Die passende Strategie hängt von grundsätzlichen Einstellungen und der Situation ab. Sie orientiert sich daran, ob angestrebt wird, tendenziell zuerst eigene Bedürfnisse oder die des Partners zu befriedigen. 81 Die Verhaltensorientierung beschreibt zum einen das Machtpotential, das eingesetzt wird, und zum anderen die Bereitschaft zu kooperativen Verhalten. Die Strategien Vermeidung, Rückzug und Ignoranz sind anzuwenden, wenn 82 • • •

80

der Konflikt umgehbar erscheint eine einfache und wenig aufwendige Reaktion angebracht ist eine verdeckte Konfliktregelung angestrebt wird, denn oft stellt Rückzugsverhalten eine uneingestandene Anspruchsanpassung dar

vgl. Gilbert, D. (1997), S. 85 einen Literaturüberblick über konfliktbezogene Strategietypologien liefert Jeschke, B. (1993), S. 97-110 82 vgl. Krüger, W. (1972), S. 98-112 81

174

Konfliktmanagement

Nachteile sind, daß • • •

diese Strategien keine konstruktiven Konfliktlösungen darstellen Gegensätze weiterhin latent bestehen bleiben auf Dauer notwendige Beziehungen einen Bruch erfahren

Eine Anpassungsstrategie ist zu wählen, wenn • •

die Beziehungsebene nicht gefährdet werden soll die Bewertung der Wichtigkeit des Konfliktgegenstandes sich verändert

Nachteilig ist, daß • •

der Konflikt nicht bearbeitet, sondern verdeckt wird bei Nachziehen die Position des „Zweiten“ eingenommen wird

Durchsetzen oder Kämpfen sollte gewählt werden, wenn • • • • •

schnelle Reaktion und ein schnelles Durchsetzen von Beschlüssen gefordert ist, z. B. in Krisensituationen eine einfache, unproblematische Handhabung präferiert wird wenig Verständnis für die gegnerische Seite nötig ist Verlierer dazu gebracht werden sollen, aus der Niederlage zu lernen der innere Zusammenhalt in einer Gruppe gestärkt werden soll

Nachteile sind: • • • • • •

Kampf und Durchsetzung sind keine echte Problemlösungen Es gibt einen Gewinner und einen Verlierer, einen Gewinn für beide Parteien gibt es nicht Verlierer wird frustriert und sinnt auf Rache Gewinner bestätigt sich in seiner Selbsteinschätzung und wird unkritisch Andersartige Meinungen und Ideen werden unterdrückt Das Arbeitsklima kann sich verschlechtern, intrapersonelle Konflikte können auftreten

175

Stephanie Mederer

Ein Kompromiß ist anzustreben, damit • • •

beiderseitige Kerninteressen berücksichtigt werden können durch beiderseitige Zugeständnisse ein Ausgleich zwischen den Interessen stattfinden kann neben Problemlösen und Integration der zweitbeste Weg der Konfliktaustragung beschritten wird

Nachteile bei einem Kompromiß sind: • • • •

verhältnismäßig hoher Zeitaufwand aus Bequemlichkeit werden eventuell „faule“ Kompromisse gefunden, das eigentliche Problem bleibt weiterhin bestehen Ansprüche werden häufig nicht aufgegeben, sondern einfach zurückgedrängt latente Unzufriedenheit bei geringer Akzeptanz des Kompromisses, neues Konfliktpotential ist gegeben

Die Anwendung der Strategie Problemlösung und Integration hat folgende Vorteile: • • • • • • •

Es wird versucht, Verständnis für die Motive und Interessen der anderen zu haben Es werden neue Alternativen gesucht, so daß keine Entscheidung zwischen den alten zu fällen ist sie ist somit eine Handhabungsform, die zu Innovation, Wandel und Anpassung führt Der Ideenspielraum und die Informationsbasis zur Konfliktbewältigung vergrößern sich Problemlösen stellt eine „echte“ Konfliktbewältigung dar Führt zu Lerneffekten im individuellen und organisatorischen Bereich Frustrationseffekte und Abwehrmechanismen werden vermieden

Nachteile dabei sind: • • •

176

Zu Beginn des Prozesses ist es offen, ob eine Lösung gefunden werden kann Schnelle Lösungen sind selten Ist mit hohem Zeitaufwand verbunden

Konfliktmanagement Die Gestaltung von Konflikten kann nicht allgemein gültig programmiert werden. Sie muß auf die Besonderheit der konkreten Konfliktsituation zugeschnitten sein. Eine situationsbezogene Konfliktgestaltung ist abhängig von:83 • • •

der jeweiligen Konfliktursache der Besonderheit der betroffenen Konfliktparteien und des jeweiligen Kontextes der aktuellen Erscheinungsform des Konfliktes Vermeidung, Rückzug, Ignoranz

Anpassung

Durchsetzung oder Kampf

Kompromiß

Problemlösung, Integration

Thematisierungszeitpunkt

früh/spät

spät

früh/spät

spät

früh

Kommunikationsintensität

gering

gering

gering

hoch

hoch

Handlungsbereitschaft

gering

hoch

hoch

hoch

hoch

Abbildung 14: Merkmalsausprägungen von Konflikthandhabungsstrategien (in Anlehnung an Jeschke)84 Als grobe Eckpfeiler zur Auswahl der situativ passenden Strategien können neben den oben aufgeführten Gedanken die Punkte „Thematisierungszeitpunkt“, „Kommunikationsintensität“ und „Handlungsbereitschaft“ heran gezogen werden. Abbildung 14 erläutert diesen Zusammenhang näher. Die optimale Konfliktstrategie „Problemlösung“ ist möglichst frühzeitig anzugehen, die Intensität der Kommunikation und die Bereitschaft zum Handeln müssen hoch ausgeprägt sein. Die Anwendung der Strategiearten ist ohne weiteres auf Konflikte im Individualbereich aber auch auf das Unternehmen als Gesamtes übertragbar. Im individuellen Bereich sind Konflikte zwischen Kollegen, zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern denkbar. Bei Betrachtung der Unternehmensebene können die im Rahmen des Stakeholderkonzeptes identifizierten Anspruchsgruppen als Konfliktparteien fungieren. Prinzipielle Auswirkungen von Konflikthandhabungsstrategien sind in der untenstehenden Abbildung dargestellt. Dabei handelt es sich um eine Vereinfa83 84

vgl. Wagner, B. (1978), S. 247 vgl. Jeschke, B. (1993), S. 116

177

Stephanie Mederer chung dahingehend, daß nur zwei Konfliktparteien an einem Konflikt beteiligt sind und beide Mindestanforderungen an die Regelung des Konflikts stellen. Durch Durchführung einer Ergebnisanalyse kann die Wirkung der jeweils gewählten Strategie überprüft und darauf aufbauen, das weitere Vorgehen und Verhalten festgelegt werden. Durch Anwendung der Strategien können sich im Konfliktfall Interessen, Werte, Wahrnehmung und mögliche Alternativen für die Beteiligten ändern. Dann ist die Strategie entsprechend anzupassen.

Forderungen Konfliktpartei B

Besserstellung von B bei gleichzeitiger Schlechterstellung von A

Vorteilhafte Konfliktergebnisse für A und B

Gleichzeitige Schlechterstellung von A und B

Besserstellung von A bei gleichzeitiger Schlechterstellung von B B

Mindestforderungen Konfliktpartei B Mindestforderungen Konfliktpartei A

Konfliktsituation

Durch Mindestforderungen begrenzte Verhandlungslinie

Forderungen Konfliktpartei A

Abbildung 15: Prinzipielle Auswirkungen von Konflikthandhabungsstrategien (in Anlehnung an Gilbert)85 Funktionale Konfliktergebnisse ergeben sich ausschließlich im rechten oberen Teil der Grafik, denn nur hier sind die erzielten Ergebnisse für beide Parteien von Vorteil. Dysfunktionale Konfliktergebnisse stellen sich in den anderen Bereichen dar: denn auch wenn eine Partei eine Besserstellung gegenüber der anderen erfährt, ergibt sich in der Gesamtheit kein positives Konfliktergebnis.

85

vgl. Gilbert, D. (1997), S. 88

178

Konfliktmanagement Die Gerade ist die Verhandlungslinie beider Konfliktparteien, die positiven Konfliktwirkungen der einen Partei entsprechen den negativen Auswirkungen der anderen = „Nullsummenspiel“. 3.2.2 Veränderung der organisationalen Rahmenbedingungen Um organisationale Veränderungen herbeizuführen, muß einerseits an Strukturen und Prozessen, andererseits an Systemen und Personal angesetzt werden. Dabei können aus Gründen der Systematik die Gestaltungsmaßnahmen in harte und weiche Faktoren unterschieden werden. Als harte Faktoren können solche Ansatzpunkte bezeichnet werden, die folgende Forderungen erfüllen:86 • • • •

Formulierung von Verhaltensregeln für abstrakte Stelleninhaber, d. h. sie sind unabhängig von konkreten Einzelpersonen Sicherstellung der Einhaltung dieser Verhaltensregeln Bieten eines Rahmens für Entwicklungsmöglichkeiten Erleichterung der Stellenaufgabe durch technologische Hilfsmittel

Weiche Faktoren sind dagegen: Gestaltungsmaßnahmen, die einen konkreten Mitarbeiter dazu bringen, die an ihn durch das Unternehmen gestellten Anforderungen zu erfüllen Das klassische Vorgehen beim Herbeiführen von organisationalen Veränderungen ist die kausale Abfolge der Phasen Diagnose, Planung, Einführung und Kontrolle. Dabei wird die Planung von einem kleinen Kreis vorgenommen, um dann die Maßnahme organisationsweit einzuführen. Durch formal geplante und umgesetzte Maßnahmen soll eine Veränderung des individuellen und - darauf aufbauend - des organisationalen Verhaltens erreicht werden. Dieses klassische Modell wird durch seine Eindimensionalität dem vorherrschenden komplexen und wechselseitigen Verhältnis zwischen organisationalem und individuellem Verhalten nicht gerecht. Ein offen geregelter Veränderungsprozeß, in dem sich Planungs- und Implementierungsphasen in iterativen Schleifen abwechseln, scheint für tiefergreifende Veränderungen geeigneter zu sein. Die Planung verändert sich von einer langfristigen detaillierten Phasengestaltung zu kurzen Phasen von Impulsgebungen auf einer breiten Basis der Parti86

vgl. Bergauer, A. (2001), S. 154

179

Stephanie Mederer zipation. Die Implementierung wird zu einem den Veränderungsprozeß begleitenden Management.87 Hauptprobleme bei der Implementierung von tiefergehenden Änderungsprozessen im Unternehmen ergeben sich durch Widerstände im Gefühlsbereich. Deshalb sind Maßnahmen, die die weichen Faktoren betreffen, sehr sorgfältig auszuwählen und umzusetzen. b) Veränderung von Strukturen und Prozessen Die Forderungen des Konfliktmanagements bezogen auf die Veränderung von Strukturen und Prozessen erstrecken sich im Bereich der harten Faktoren auf • •

dezentrale Organisations- und Führungsstrukturen Abbau von Hierarchieebenen

und im Bereich der weichen Faktoren auf • •

Aufbau einer Vertrauensorganisation Aufbau einer gut funktionierenden Kommunikationsstruktur

Hinter der Forderung nach dezentralen Organisations- bzw. Führungsstrukturen steht der Gedanke, daß eine so gestaltete Organisationsform geeignet ist, sich schnell auf Veränderungen aufgrund dynamischer und komplexer Umweltanforderungen einzustellen. Gleichzeitig dient sie der Unterstützung zur problemlösenden Austragung von Konflikten, denn hinter einer Dezentralisation steht die Individualisierung als Prinzip der Organisationsgestaltung. Zwangsläufig werden Entscheidungsbefugnisse dezentralisiert und einzelne Entscheidungsträger müssen im Sinne einer Selbstorganisation autonom Entscheidungen treffen. Ihnen werden Handlungsspielräume dahingehend ermöglicht, daß mit internen Chancen und Risiken eigenverantwortlich umgegangen werden kann. Der Abbau von Hierarchieebenen ist eine Folge der Dezentralisation von Entscheidungsbefugnissen. Neben den oben beschriebenen Effekten bewirkt er eine Reduktion von organisatorischer Komplexität. Durch Aufbau einer Vertrauensorganisation tritt eine Verstärkung der Selbstgestaltung, -steuerung und -entwicklung ein. Organisationsmitglieder agieren in einer Arbeitsatmosphäre, in der Spannungen ausgetragen und offen diskutiert werden können.

87

vgl. Schildknecht, C. (1998), S. 190-191

180

Konfliktmanagement In einer empirischen Studie von Lawrence / Lorsch88 wurde 1972 nachgewiesen, daß eine Korrelation zwischen hoher Leistungsfähigkeit eines Unternehmens, gemessen an der Gewinn- und Umsatzentwicklung und häufigen bewußtmachenden, problemlösungsorientierten Austragen eines Konfliktes besteht. Die konstruktivste Handhabungsform von Konflikten ist somit der Interessenausgleich und das Problemlösen. Im unternehmerischen Umfeld setzt diese Form eine offene und partizipative Organisationsform und Führung voraus, das Gefühl der Zusammenarbeit muß von Offenheit und Vertrauen geprägt sein, denn Probleme zu lösen bedingt eine intensive Zusammenarbeit mehrerer Personen. Dadurch entsteht eine größere Informationsbasis und damit ein größerer Ideenspielraum.89 Damit einher geht der Aufbau einer gut funktionierenden Kommunikationsstruktur, denn nur Menschen, die sich vertrauen, kommunizieren auch offen miteinander. Eine gute Kommunikationsstruktur gewährleistet auch den Austausch und die Auseinadersetzung mit Stakeholderansprüchen und mit dem unternehmerischen Zielsystem. Informationsvorsprünge durch Beobachten der Umwelt können ungehindert zu den relevanten Stellen vordringen. c) Veränderung von Systemen und Personal Harte Faktoren in diesem Bereich sind die Installierung eines Frühwarnsystems und damit verbunden die Durchführung von kontinuierlichen Umweltanalysen. Unternehmen müssen sich an schwachen Signalen orientieren, die Umfeldveränderungen ankündigen. Dazu muß das Unternehmensumfeld analysiert werden, denn es sind die Markt- und Umfeldveränderungen, die Unternehmen zwingen, ihre Strategie kontinuierlich anzupassen. Schwache Signale sind Informationen, die im Hinblick auf Quelle und Wirkung noch nicht einschätzbar sind. Reaktionen sind somit nicht perfekt vorhersehbar, aber man kann sich darauf vorbereiten auch dann schon, wenn nicht klar ist, ob sie ein Risiko oder eine Chance darstellen. Wenn schwache Signale permanent beobachtet werden, ist erkennbar, wann sie sich verdichten. Somit kann eine rechtzeitige Reaktion erfolgen. Dazu werden Managementbereiche gebraucht, die strategische Veränderungen schnell umsetzen und damit eine schnelle Reaktionsfähigkeit auf eintretende neue Situationen gewährleisten. 88 89

vgl. Lawrence, P./Lorsch, J. (1972), S. 73-74 vgl. Krüger, W. (1972), S. 100

181

Stephanie Mederer Im Bereich der weichen Faktoren stellt sich für das Konfliktmanagement die Steigerung der Konfliktkompetenz der Organisationsmitglieder als Aufgabe. Ziele des Aufbaus der Konfliktfähigkeit sind • • •

Konflikte frühzeitig wahrnehmen Konflikte nach ihrer Art und ihrem Eskalationsgrad erfassen eigene und fremde Beiträge zum Konfliktverlauf erkennen und entsprechend handeln

Die verbesserte Fähigkeit, tragfähige Lösungen zu finden, Vertrauen als Basis guter Beziehungen und guter Zusammenarbeit zu entwickeln, Toleranz und Offenheit, bilden die Grundlage für das oben formulierte Zielbündel.90 Im Rahmen einer Selbststeuerung versuchen beteiligte Konfliktparteien sich eigenständig auf ein vorteilhaftes Vorgehen zu einigen, das konform mit den Organisationszielen ist, ohne daß eine übergeordnete Instanz eingreift. Ein Instrument der Selbststeuerung ist das Vertrauen der Parteien in die zukünftige Zusammenarbeit und Kommunikation. 91 Führungskräfte sollten das unter 3.1.3 beschriebene Zeitmanagement betreiben und sich und ihren Mitarbeitern humane Eigenzeiten geben. Dadurch verändert sich die Autonomie und Partizipation der Mitarbeiter und damit zwangsläufig auch die Organisationsstruktur.92 Unternehmensspezifische allgemein anerkannte Werte und Normen schaffen eine gemeinsame Basis für alle Mitglieder des Unternehmens. Es muß eine Initiierung des kulturellen Wandels stattfinden, dahingehend, daß die Unternehmensphilosophie der Persönlichkeit und den Überzeugungen der Mitarbeiter entspricht, denn dann kann sie dem Mitarbeiter das Gefühl von Selbstverwirklichung geben. Je stärker die Unternehmensphilosophie motivatorische Effekte auslöst, desto geringere Bemühungen müssen auf anderen Gebieten getätigt werden. Dies kann durch immaterielle Reize, wie Statussymbole, Titel etc. unterstützt werden.93

90

vgl. Mahlmann, R. (2000), S. 20 vgl. Jost, P. (1998), S. 367-368 92 vgl. Wittschier, B. (2000), S. 224 93 vgl. Krüger, W. (1972), S. 171-173 91

182

Konfliktmanagement Wenn eine hohe Akzeptanz der Unternehmenswerte vorliegt, so werden die Wirksamkeit und der Effekt der Motivation durch gruppendynamische Prozesse noch verstärkt. Für das „Miteinander umgehen“ in der Gruppe gibt es allgemeingültige Werte, die dem Einzelnen das Gefühl der Zugehörigkeit und Geborgenheit vermitteln. Das Wertesystem muß so aufgebaut werden, daß sich alle Mitglieder daran ausrichten können. Wenige Grundsätze müssen von allen verinnerlicht werden. Daraus folgt, daß diese Grundsätze sehr weit formuliert sein müssen und für eine lange Zeit Gültigkeit besitzen sollten. Trotzdem ist zu beachten, daß immer die Situation eintreten kann, in der Werte angepaßt werden müssen, sei es aus internen Veränderungen der unternehmerischen Zielsetzung heraus oder aus Veränderungen gesellschaftlicher Normen. In Bezug auf Konfliktmanagement muß eine Einigkeit in der Behandlung von Konflikten angestrebt werden, damit ist allerdings nicht die völlige Konfliktfreiheit als Ausgangsbasis zu nehmen. Bei allen beteiligten Personen muß Klarheit über die Zielsetzungen und Anforderungen neuer Konzeptionen herrschen. Erst wenn alle die Inhalte in einem gewissen Umfang akzeptiert und verinnerlicht haben, kann ein Konzept Realität werden. Diese Folgerung gilt auch für das Realisieren des Konfliktmanagements. Die geforderten Fähigkeiten zur Bewältigung der auftretenden Konflikte müssen bewußt gemacht und geschult werden. Allgemeines Ergebnis des Herzbergmodells94 ist, daß die Befriedigung der physischen und sozialen Bedürfnisse Unzufriedenheit beendet, aber noch keine Zufriedenheit bringt. Erst die Erfüllung der psychischen Motive, wie Streben nach Achtung, Erfolg und Selbstverwirklichung, löst Zufriedenheit aus. Dieses Ergebnis ist keine allgemeingültige Aussage in dem Sinne, daß bei jedem Individuum eine gleiche Bedürfnisstruktur vorherrscht. Es ist durchaus denkbar, daß auch Menschen schon bei Erfüllung der physischen und sozialen Motive Zufriedenheit verspüren. Allerdings gibt es an, in welche Richtung Motivationsmaßnahmen gehen sollten. Die Motivationsstruktur ist somit die intervenierende Variable zwischen Konflikt und Zufriedenheit bei dessen Bewältigung. Je höher ein Mitarbeiter moti94

vgl. Neuberger, O. (1978) zur Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg, S. 214-216

183

Stephanie Mederer viert ist, desto stärker ist er belastbar und desto stärker seine Kapazität, Konflikte als Herausforderung an seine Fähigkeiten zur erfolgreichen Bewältigung zu sehen. Je größer die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung und der Entscheidungsfreiraum für einen Mitarbeiter im Unternehmen sind, desto größer ist auch seine Zufriedenheit und somit seine Motivation zur Leistung. Ein Mensch ist dann motiviert, wenn er die entsprechenden Fähigkeiten, das Wissen und die Fertigkeiten zur Handlungsdurchführung besitzt. Wenn Erfolg durch eigene Fähigkeit oder Anstrengung erklärt wird, dann führen die resultierenden emotionalen Reaktionen wie Stolz, gesteigertes Selbstwertund Kompetenzgefühl dazu, in ähnlichen Situationen hohe Intensität und Anstrengung zu zeigen. Dagegen führt die Erklärung von Erfolg durch äußere Umstände eher zu Gefühlen der Überraschung und Dankbarkeit, so daß die Anreizwirkung nur un-wesentlich verstärkt wird. Dieser Zusammenhang wird in Abbildung 16 dargestellt. Ziele sind dabei: • • •

Entwicklung von Eigenverantwortung und Selbstkontrolle Aktives, selbständiges, antizipatorisches Verhalten Entwickeln der Fähigkeit, Konflikthandhabungsstrategien situationsspezifisch einzusetzen

Die Steigerung der Konfliktfähigkeit ist im obigen Zusammenhang als Handlungsergebnis zu werten. Weiterhin sind als Ziele und damit als Handlungsergebnisse die Entwicklung der Denkhaltungen „Fehler sind Chance zur Weiterentwicklung“ und „Denken in Komplexität“ anzustreben.

184

Konfliktmanagement

Person Motivation Motiv

X

Befähigung Erfahrung/ Lernen

X

= - Fertigkeiten - Wissen

Handlungsergebnis

Abbildung 16: Zusammenhang zwischen Motivation und Befähigung (in Anlehnung an Schildknecht)95 d) Zusammenfassende Übersicht zu Veränderung von organisationalen Rahmenbedingungen Gestaltungsfelder Strukturen und Prozesse

Systeme und Personal

Maßnahmen Harte Faktoren - Dezentrale Organisations- bzw. Führungsstrukturen - Abbau von Hierarchieebenen Weiche Faktoren - Aufbau einer Vertrauensorganisation - Aufbau einer gut funktionierenden Kommunikationsstruktur Harte Faktoren - Installierung eines Frühwarnsystems - Durchführung von kontinuierlichen Umweltanalysen Weiche Faktoren - Steigerung der Konfliktkompetenz der Organisationsmitglieder - Selbststeuerung - Zeitmanagement - Initiierung kulturellen Wandels - Entwicklung der Denkhaltungen „Fehler sind Chance zur Weiterentwicklung“ „Denken in Komplexität“

Abbildung 17: Übersicht über Gestaltungsfelder und Maßnahmen zur Veränderung organisatorischer Rahmenbedingungen (in Anlehnung an Bergauer)96

95 96

vgl. Schildknecht, C. (1998), S. 114-115 vgl. Bergauer, A. (2001), S. 181-182

185

Stephanie Mederer

4. Konfliktmanagement und Wissensmanagement

4.1

Wissensmanagement

Das Ziel des Wissensmanagements beruht auf der Vision der lernenden Organisation. Mit deren Hilfe soll die organisationale Intelligenz nachhaltig gesteigert werden. Organisationale Intelligenz drückt sich in der Fähigkeit aus, auf neue Herausforderungen mit strukturellen Veränderungen zu antworten. Neue Herausforderungen können sich unternehmensintern oder -extern ergeben. Die Intelligenz einer Organisation hängt direkt mit der Fähigkeit, die organisationale Wissensbasis zu nutzen, zu verbessern und zu transformieren, zusammen. Sie ist abhängig von:97 • • •

den Voraussetzungen in der Struktur einer Organisation der organisationalen Lernfähigkeit der Qualität und Größe der organisationalen Lernbasis

Organisationales Lernen kann drei mögliche Ergebnisse hervorbringen:98 • • •

eine Veränderung des Denkens (kognitives Lernen) eine Veränderung des Fühlens (Organisationskultur) eine Veränderung des Handelns (Verhalten)

Wissensmanagement ist nach einem strukturellen Muster in Unternehmen zu implementieren. Dieses Muster ist funktional orientiert und besteht aus99 • • • •

97

Wissensgenerierung, Wissensspeicherung, Wissenstransfer, Wissensanwendung.

vgl. Güldenberg, S. (1999), S. 545-547 vgl. ebenda, S. 537 99 vgl. ebenda, S. 540-544 98

186

Konfliktmanagement Wissensgenerierung in Organisationen vollzieht sich durch organisationale Lernprozesse. Diese wiederum implizieren individuelle Lernprozesse. Daraus folgt, daß neues organisationales Wissen durch bereits vorhandenes individuelles Wissen entsteht. Wissensgenerierung bezieht sich einerseits auf bessere organiationale Nutzung bestehenden individuellen und kollektiven Wissens und andererseits auf die Entwicklung und Beschaffung neuen Wissens. Wissensspeicherung hängt primär von den Speichersystemen ab. Sie haben die Aufgabe, organisationales Wissen unabhängig von den einzelnen Organisationsmitgliedern zu speichern und so einen dauerhaften Zugriff zu sichern. Dabei ist in natürliche, künstliche und kulturelle Speichermedien zu unterscheiden. Das jeweilige organisationale Wissen ist dem passenden Speichersystem nach dem Gesichtspunkt der Handhabbarkeit für den einzelnen Benutzer zuzuordnen. Speicherung von Wissen allein gewährleistet noch nicht die Anwendung des neuen organisationalen Wissens. Als nächster Schritt muß ein Wissenstransfer stattfinden. Dabei ist zwischen direkten und indirekten Wissenstransfer zu unterscheiden. Direkter Wissenstransfer verfolgt das Ziel, organisationale Wissensbestände auf Unternehmensangehörige explizit zu übertragen. Indirekter Wissenstransfer dagegen hat nicht explizit dieses Ziel vor Augen, sondern eher eine Form der strukturellen Koppelung, beispielsweise durch gemeinsames Arbeiten. Wissensanwendung kann als eine Umsetzung von organisational gelerntem Wissen in Aktionen verstanden werden. Die Umsetzung kann in den Aktionsformen Kommunikationen, Handlungen und Entscheidungen geschehen. Organisationales Wissen äußert sich somit in einem geänderten Verhalten der Organisationsmitglieder. 4.1.1 Kritische Felder des Wissensmanagements Obwohl Unternehmen in einem gezielten Umgang mit dem Faktor Wissen den entscheidenden Erfolgsfaktor für die Zukunft sehen, gibt es bis heute – trotz aufwendiger Wissensmanagementprojekte – nicht viele befriedigende Ergebnisse bei der Umsetzung.

Als Hauptgründe dafür sind zu nennen:100 100

vgl. Herp, T. (1999), S. 82ff

187

Stephanie Mederer •

Bezüglich des Rohstoffs Information herrscht ein Überfluß, der nicht mehr zu bewältigen scheint. Das gleiche gilt für die Ressource Wissen. Diese Entwicklung wird durch die gegebenen Kommunikationsmöglichkeiten verstärkt. So wird die Wahrnehmungsfähigkeit der Entscheidungsträger überfordert. Das ist das Neue an der Wissensgesellschaft: während früher Manager Entscheidungen unter unvollständigen Daten und Informationen zu treffen hatten, müssen sie sie heute unter einem Zuviel an Daten treffen. Dem einzelnen Entscheidungsträger ist es aber unmöglich, alle Daten zu Information oder zu Wissen zu verarbeiten.101 Hohe Mißerfolgsraten ergeben sich, wenn Wissensmanagement als eine ausschließliche informationstechnologische Aufgabe verstanden wird. Die zielgerichtete Versetzung von wenigen Leistungsträgern bringt mehr, als der Aufbau aufwendiger Datenbanken oder Netzwerksysteme. Investitionen in Wissen werden wie konventionelle Anlageentscheidungen behandelt. Die Strategie und nicht die Investitionsrechnung muß aber an dieser Stelle entscheiden, um die unternehmerisch richtigen Schwerpunkte zu setzen. Menschen sind nicht ohne weiteres bereit, ihr Wissen preiszugeben und mit anderen zu teilen.







4.2

Konfliktmanagement und Wissensmanagement

Die Implementierung von Wissensmanagement ist in ihrer Struktur identisch mit den Ansätzen des Konfliktmanagements: Wissensgenerierung geschieht über individuelle und organisationale Lernprozesse. Ähnlich ist es beim Konfliktmanagement, bei dem individuelle Lernprozesse durch Aneignung und bewußte Anwendung von Konflikthandhabungsstrategien gefordert werden und sich dadurch zwangsläufig die organisationalen Lernprozesse anschließen. Konflikte können als Signale für Schwachstellen im Unternehmen angesehen werden. Wenn auf diese Signale reagiert wird, wird deutlich, daß Konflikte Aktivität stimulieren, sie bewirken eine Motivation, verbunden mit individuellem und organisatorischem Lernen. Wissensspeicherung geschieht durch Erfahrungswerte, die die Organisationsmitglieder durch Konfliktbewältigung erlangen. Diese Werte werden verinnerlicht 101

vgl. Güldenberg, S. (1999), S. 522

188

Konfliktmanagement und somit gespeichert. Darüber hinaus können Schilderungen von erfolgreichen Konfliktbewältigungen in elektronischen Dokumentensystemen Eingang finden. Der Wissenstransfer erfolgt durch direkte Kommunikation der Erfahrungen zwischen den Organisationsmitgliedern. Darüber hinaus werden die geforderten Haltungen durch die Struktur vermittelt und dadurch ein indirekter Wissenstransfer initiiert. Die Wissensanwendung ist im geänderten Konfliktverhalten zu sehen. Bezogen auf kritische Felder des Wissensmanagements können zum Punkt des Informationsüberflusses und der damit einhergehenden Überforderung der Entscheidungsträger die Lösungsansätze des Konfliktmanagements, nämlich das Denken in Komplexität und das Entwickeln einer guten Kommunikationsstruktur, herangezogen werden. Wie alle qualitativen Veränderungsmaßnahmen hat das Management von Wissen und auch von Konflikten das Problem der Rechtfertigung in Bezug auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis. Untersuchungen des Kostenverlaufs bezogen auf den Lebenszyklus eines Produktes haben ergeben, daß Entscheidungen und Aktivitäten schon in der Planungsphase ca. 70 % der kumulativen Produktlebenskosten festlegen. In einer späteren Phase des Produktlebenszyklus können suboptimale Entscheidungen entweder gar nicht oder nur mit extrem hohen Aufwand behoben werden.102 Dieser Zusammenhang zwischen Festlegung und Realisierung operativer Ziele kann ohne weiteres auch auf qualitative Zielgrößen übertragen werden.103 Mit anderen Worten: je frühzeitiger die richtigen, der Strategie entsprechenden Maßnahmen ergriffen werden, umso weniger Kosten ergeben sich zukünftig für das Unternehmen und umso höher ist der qualitative Nutzen. Es kann gesagt werden, daß solche Forderungen der lernenden Organisation wie:104

• •

bewußtes und aktives Lernen, Konsequenz in der Strategieumsetzung,

102

vgl. Kremin-Buch, B. (1998), S. 136-137 vgl. Schildknecht, C. (1998), S. 7 104 vgl. Bertels, T. (2000), S. 83-91 103

189

Stephanie Mederer • • • • •

flexible Strukturen, robuste Kernprozesse, starke, vorgelebte Vision, ausgeprägte Unternehmenskultur, hohe Fehlertoleranz,

mit Forderungen des Konfliktmanagements korrelieren. Werden diese Schlüsselkompetenzen erfolgreich umgesetzt, werden beide Ansätze verwirklicht.

190

Konfliktmanagement

5. Literaturverzeichnis Appelhans, D.: Unternehmensführung in chaotischen Umfeldern in: Schriftenreihe betriebswirtschaftliche Forschungsergebnisse, Band 77; Hamburg 1998 Bergbauer, A.: Erfolgreiches Krisenmanagement in der Unternehmung; Eine empirische Analyse in: Duisburger Betriebswirtschaftliche Schriften, Band 23; Hrsg.: Barth, K., Bodenstein, G., Breithecker, V., et al.; Berlin 2001 Bertels, T.: Die lernende Organisation: Modell für das Management des Wandels im Wissenszeitalter in: Managementschriften / Fachhochschule Ludwigshafen am Rhein, Band 1, Lernende Organisation (2. Aufl.); Hrsg.: Kremin-Buch, B., Unger, F., Walz, H.; Sternenfels 2000 Bleicher, K.: Zum Stichwort „Unternehmenskultur“ in: Gablers Wirtschaftslexikon, Band S-Z, S. 3166-3168, (15. Aufl.), Wiesbaden, 2000 Bliss, C.: Management von Komplexität; Ein integrierter systemtheoretischer Ansatz zur Komplexitätsreduktion in: Unternehmensführung und Marketing, Band 35; Hrsg.: Meffert, H., Steffenhagen, H., Freter, H.; Wiesbaden 2000 Busch, R., Dögl, R., Unger, F.: Integriertes Marketing; Strategie, Organisation, Instrumente; (3. Aufl.); Wiesbaden 2001 Crisand, E.: Psychologie der Persönlichkeit in: Arbeitshefte Führungspsychologie, Band 1; Hrsg.: Bienert, W., Crisand, E.; (7. Aufl.); Heidelberg, 1996 Dorow, W.: Unternehmenskonflikte als Gegenstand unternehmenspolitischer Forschung in: Schriftenreihe betriebswirtschaftliche Forschungsergebnisse, Band 77; Hrsg.: Kosiol, E., Grochla, E., Pohmer, D. et. al.; Berlin 1978 Eckhardstein, von, D.; Kasper, H.; Mayrhofer, W.: Steuerung im Spannungsfeld von Autonomie und Kontrolle in: Management : Theorien – Führung – Veränderung; Hrsg.: von Eckhardstein, D.; Stuttgart 1999 Gerum, E.: Zum Stichwort „Unternehmensverfassung“ in: Gablers Wirtschaftslexikon, Band SL-U, S. 3416-3417, (13. Aufl.), Wiesbaden, 1993 Gilbert, D.: Konfliktmanagement in international tätigen Unternehmen. Ein diskursethischer Ansatz zur Regelung von Konflikten im interkulturellen Management in: Schriftenreihe Unternehmensführung, Band 18; Hrsg.: Kreikebaum, H.; Sternenfels 1997

191

Stephanie Mederer Glasl, F.: Die großen Konflikte der Gegenwart und ihre Auswirkungen auf die Unternehmen in: Imageprofile `92, Das Deutsche Image-Jahrbuch, Konfliktmanagement und Umweltstrategien, 5. Jahrgang; Hrsg.: Demuth, A.; Düsseldorf 1992 Glasl, F.: Konfliktmanagement; Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater; (6. Aufl.), Stuttgart 1999 Güldenberg, S.: Wissensmanagement in: Management : Theorien – Führung – Veränderung; Hrsg.: von Eckhardstein, D.; Stuttgart 1999 Hauschildt, J.: Innovationsmanagement; (2. Aufl.); München 1997 Herp, T.: Wissen ist Macht – Über die Faktoren, die auch wohlgemeinte und aufwendige Wissensmanagementprojekte scheitern lassen in: Wirtschaftswoche, Nr. 15, S. 82-83, 1999 Hugo-Becker, A.; Becker H.: Psychologisches Konfliktmanagement, Menschenkenntnis, Konfliktfähigkeit, Kooperation; (2. Aufl.), München 1996 Hungenberg, H.: Strategisches Management in Unternehmen; Ziele – Prozesse – Verfahren; Wiesbaden 2000 Jeschke, B.: Konfliktmanagement und Unternehmenserfolg; Ein situativer Ansatz; Wiesbaden, 1993 Jost, P.: Strategisches Konfliktmanagement in Organisationen; Eine spieltheoretische Einführung; Wiesbaden 1998 Jost, P.: Konfliktmanagement und das Organisationsproblem in: WISU, Ausgabe 4, S. 510-522, 2000 Kolbitz, H.: Zur Einführung in: Harvard-Manager – Innovationsmanagement, Band 2, S. 7, Hamburg 1989 Kremin-Buch, B.: Strategisches Kostenmanagement: Grundlagen und moderne Instrumente; Mit Fallstudien; Wiesbaden 1998 Krüger, W.: Grundlagen, Probleme und Instrumente der Konflikthandhabung in der Unternehmung; Berlin 1972 Krüger, W.: Konfliktsteuerung als Führungsaufgabe; Positive und negative Aspekte von Konfliktsituationen; München 1973 Lawrence, P., Lorsch, J.: Organization and Environment, (5. Aufl.), Illinois, 1972

192

Konfliktmanagement Little, A.(Hrsg.): Management von Innovation und Wachstum; Wiesbaden 1997 Mahlmann, R.: Konflikte managen; Weinheim und Basel 2000 Meyer, B.: Formen der Konfliktregelung; Eine Einführung mit Quellen; Opladen 1997 Müller-Bader, P.: Konflikt und Leistung: ein Beitrag zur Analyse der Leistungswirkung betrieblicher Konflikte in: Wirtschaftswissenschaftliche Forschung und Entwicklung; Band 2; Hrsg.: Aschoff, C., Müller-Bader, P., (1. Aufl.); München, 1977 Neuberger, O.: Motivation und Zufriedenheit in: Organisationspsychologie, (1. Aufl.); Hrsg.: Mayer, A.; Stuttgart 1978 Pearson, A.: Die fünf Geheimnisse der Innovation in: Harvard-Manager – Innovationsmanagement, Band 2, S. 9-15, Hamburg 1989 Regnet, E.: Wie gehen Manager mit Konflikten um? in: io Management Zeitschrift, Nr. 3, S. 35-38, Zürich 1996 Rosenstiel, von; L.: Arbeitsgruppe in: Organisationspsychologie, (1. Aufl.); Hrsg.: Mayer, A.; Stuttgart 1978 Schildknecht, C.: Management ganzheitlicher organisationaler Veränderung; Modell und Anwendung auf die Produkt- und Prozeßentwicklung; Wiesbaden, 1998 Schwarz, G.: Konfliktmanagement: sechs Grundmodelle der Konfliktlösung; (3. Aufl.); Wiesbaden 1997 Schwarzkopf, M.: Unternehmerische Antwort auf den Wandel in: KonfliktManagement; Freiheitschance, Gewinnverantwortung, Führungsverpflichtung; Hrsg.: Baur, G.; Löwe C.; Athanassoglou P.; et. al.; Bern 1977 Spisak, M.: Konfliktmanagement – Konflikte in Organisationen in: Handbuch angewandte Psychologie für Führungskräfte; Führungskompetenz und Führungswissen; Hrsg.: Steiger, T.; Lippmann, E.; Zürich 1999 Thomae, H.: Konflikt, Entscheidung, Verantwortung; Ein Beitrag zur Psychologie der Entscheidung; Stuttgart 1974 Wagner, B.: Konflikte zwischen sozialen Systemen; Konzeption für ein bedürfnis-orientiertes Konfliktmanagement in: Soziologische Schriften; Band 24; Berlin 1978

193

Stephanie Mederer Watzlawick, P.: Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Wahn – Täuschung – Verstehen; (26. Aufl.); München 2000 Wittschier, B.: Konfliktzünder Zeit; Wirtschaftsmediation in der Praxis; Wiesbaden 2000

194

Mirela Lauermann

INFORMATIONSMANAGEMENT UNTER DEM ASPEKT DER KUNDENBINDUNG

1.

Einordnung der Kundenbindung in die Marketingdiskussion – begriffliche Ansätze

2.

Untersuchung des Beziehungsmanagements auf Mechanismen zur Informationsversorgung der Austauschpartner

3.

Maßnahmen und Instrumente der Kundenbindung

4.

Literaturverzeichnis

Mirela Lauermann

1

1.1

Einordnung der Kundenbindung in die Marketingdiskussion – begriffliche Ansätze

Vom Transaktionsmarketing zum Beziehungsmarketing

Im transaktionsorientierten Marketing steht das Marktsegment im Zentrum absatzpolitischen Handelns und nicht die individuelle Beziehung zum Nachfrager. Ziel des Einsatzes der Marketing-Mix-Instrumente ist die Transaktion, als einzige Verbindung zwischen Anbieter und Nachfrager. Hier kann der Nachfrager nie identifiziert werden, so daß keine bewussten Kontakte zu ihm aufgenommen und somit auch keine Beziehungen aufgebaut werden. Aussagen wie: „Das klassische, transaktionale Mass Marketing wird zunehmend durch das Konzept des interaktiven Marketing (Beziehungsmarketing) verdrängt“1, sind in der Literatur als Gegenüberstellung isolierter Transaktionen und Geschäftsbeziehungen zwischen Anbieter und Kunden verstärkt anzutreffen. Dittrich macht aufmerksam, daß ein „reines ‚Transaction’ - oder ‚RelationshipMarketing’ in der Realität kaum existiert.“2 Wenn in der Literatur isolierte Transaktionen und Geschäftsbeziehungen zwischen Anbietern und Kunden getrennt voneinander dargestellt werden, dann „um die ‚neue’ Denkweise einprägsamer zu verdeutlichen“3. Massenmarketing und kundenindividuelles Marketing sind zwei sich gegenüberstehende Extreme eines Kontinuums. Zwischen diesen beiden Polen befinden sich verschiedene Zwischenformen des Marketings, wie, laut Hesse, in der folgenden Abbildung ersichtlich wird. Da es sich für ein Unternehmen nicht um eine Entweder-Oder-Entscheidung handelt, macht BMW mit einer multi-optionalen Strategie bei der Herstellung unterschiedlicher Automobilausführungen verständlich.

1

Hildebrand, V. G., 2000, S. 56 Dittrich, S., 2000, S. 37 3 Ebenda, S. 37 2

196

Kundenbindung

Abbildung 1: Entwicklung vom Massenmarketing zum Individualmarketing (Hesse, J., 1997, S. 22) Dies verdeutlicht, daß neben dem Hauptaktivitätenfeld als Segmentanbieter, BMW in spezifischen Nischen tätig ist und zudem maßgeschneiderte Produkte durch eine individuelle Ausstattung der PKW’s offeriert. Es heißt verstärkt: „An Stelle von ‚Beeinflussungs’- wird ‚Beziehungsmarketing’ gefordert“4. Da durch die Gestaltung von Kundenbeziehungen im BeziehungsMarketing eigentlich eine originäre Marketingaufgabe angesprochen wird, und hier Besonderheit in Vergleich zum Massenmarketing darstellt,5 sieht auch Meffert, keinen Paradigmenwechsel der sich anzukündigen scheint.6 „Das Beziehungs- marketing ... ist im Gegensatz zum Beeinflussungsmarketing nicht auf präferenzinduzierte Transaktionen ausgerichtet, sondern leitet seine zentrale (zukünftige) Bedeutung aus der Absicht her, den Kunden zu gewinnen.“7 Die Existenz von Geschäftsbeziehungen ist allerdings beiden Konzepte gemeinsam.

4

Meffert, H., 1998, S. 24 Meffert, H., 1994, S. 197 6 Vgl. ebenda, S. 198 7 Hesse, J., 1997, S. 21 5

197

Mirela Lauermann

Abbildung 2: Beispiel eines multi-optionalen Strategiemusters (Vgl. http://www. bmw group.com, 2001) Diese Meinung vertreten auch Dichtl und Schneider. „Beziehungsmarketing ... geht nicht über die klassische Aufgabe des Marketing einer systematischen Ausgestaltung der Beziehung zu Abnehmern hinaus. Es stellt die Pflege der Kundenbindung in das Zentrum eines marktorientierten Managements.“8 Wettbewerbsvorteile sollen demzufolge verstärkt auf der Beziehungsebene zum Kunden geschaffen werden. Der strategische Gedanke der Schaffung und Gestaltung ökonomischer Anreize für den Aufbau und Erhalt einer dauerhaften Geschäftsbeziehung hat in der Investitionsgüterindustrie schon lange Tradition und gewinnt im Konsumgütermarketing immer mehr an Bedeutung. Da im Investitionsmarketing die Anzahl der Personen, die ihren Bedarf decken möchten, wesentlich geringer ist als im Konsumgütermarketing, findet eine direkte Kommunikation zwischen Anbietern und Nachfragern statt. In diesem Falle wird der medialen Massenwerbung keine Bedeutung beigemessen, die persönliche Kommunikation gilt hier als wichtigstes Kommunikationsinstrument.9 8 9

Dichtl, E./ Schneider, W., 1994, S. 6 Vgl. Busch, R./ Dögl, F./ Unger, F., 2001, S. 20

198

Kundenbindung Ein Unternehmen kann in seiner Art, einen Markt zu bearbeiten, folgende Marketingstrategien angehen. Entweder es ist daran interessiert, Kunden für sich zu gewinnen, was eine offensive Vorgehensweise darstellt, oder es ist bestrebt, bereits vorhandene Kunden gegen den Wettbewerb zu verteidigen, legt in diesem Fall also eine defensive Strategie an den Tag. Das Beziehungsmarketing setzt eben auf eine defensive Sicherung der Geschäftsbeziehung, indem der Anbieter alles daran setzt, die Bindung zu seinem Kunden zu verstärken. Der Anbieter leitet somit keinerlei Maßnahmen ein, um auf den Kunden direkt einzuwirken, sondern sorgt für die Rahmenbedingungen, die das Erhalten der Kundenbeziehung sicherstellen sollen. Seine Aufgabe besteht darin, die Informationsdefizite und Opportunitätsbefürchtungen des Kunden zu überwinden.10 Gleichfalls muß er vielmehr an sich selbst und an seinem Verhalten gegenüber dem Kunden arbeiten. So muß er es z. B. unterlassen, opportunistisch zu handeln, selbst wenn sich für ihn dadurch eine Gelegenheit zur Unternehmenszielerreichnung ergibt. Er muß sich stets als zuverlässiger und fairer Partner erweisen. Ein ständiges Abwägen zwischen kurzfristigem Ausnutzen des Kunden zum eigenen Vorteil und des langfristigen Erhaltens der Geschäftsbeziehung ist hier angesagt. Allerdings müssen beide Austauschpartner, in gleichem Maße, ihren Beitrag zur Beziehung erbringen. „Ein unterengagierter Partner tendiert zu Opportunismus und gefährdet damit die Stabilität der Beziehung.“11 Z. B. gibt es Kunden, die lediglich ihre eigenen Vorzüge verfolgen (Geschenke bei Mitgliedschaftseintritt), aber nicht vorhaben, sich weiterhin als aktiver Geschäftspartner zu zeigen. Das ist eine weitere Begründung dafür, daß sich ausgeglichene und gefestigte Kundenbeziehungen als unsicherheitsreduzierende Institutionen auszeichnen. Natürlich bietet auch eine Geschäftsbeziehung keinen perfekten Schutz vor Opportunismus, aber Grund genug, das Konstrukt der Kundenbindung auf seine Möglichkeiten der Deckung von Informationsbedürfnissen zu analysieren.

10 11

Vgl. Kaas, K. P., 1995, S. 37 Vgl. ebenda, S. 39

199

Mirela Lauermann

1.2

Das Konzept der Kundenbindung im Rahmen von Beziehungsmanagement

1.2.1 Zum Verständnis des Begriffes Kundenbindung Marktorientierte Zielsetzungen vieler Unternehmen haben sich angesichts der hohen Wettbewerbsintensität und -dynamik gewandelt. Auch wenn die Neukundenakquisition für Anbieter immer noch von Bedeutung ist, verschieben diese den Schwerpunkt ihrer Marketingaktivitäten auf die langfristige Bindung vorhandener Kunden. Der ausschlaggebende Grund für diese Entwicklung ist die Erkenntnis, daß dadurch der Unternehmenserfolg zunimmt. Meffert ist der Meinung daß: „Erst durch die langfristige Kundenbindung kann das Ertragspotential eines Kunden ausgeschöpft werden.“12 Neben der Ausschöpfung der Kundenpotentiale spielt auch der Kostenfaktor eine Rolle. Dieser Effekt kommt dann zum Tragen, wenn ein Unternehmen es schafft, den Kundenanteil konstant zu halten. Das soll aber nicht heißen, daß die Anzahl der abwandernden Kunden durch Neukundenakquisition kompensiert wird, sondern daß die Stammkunden dem Unternehmen erhalten bleiben. Reicheld und Sasser haben im Rahmen ihrer Untersuchungen bezüglich des Kostenanfalles bei Abwanderungen von Kunden, am Beispiel der Migrationskurve einer Kreditkartengesellschaft gezeigt, daß bereits „eine 5 prozentige Verringerung der Kundenabwanderungsrate einer Regionalbank ... einen 85 prozentigen Anstieg des Kundenwertes“13 gebracht hat. Unter Kundenwert sind die Gewinnflüsse zu verstehen die im durchschnittlichen Lauf einer Kundenbeziehung erzeugt werden.14 Die Abbildung ist so zu verstehen, daß beispielsweise bei einer Kundenbeziehung von 10 Jahren die Abwanderungsrate 10 % beträgt und in diesem Fall der Kundenwert, als Gewinnfluß für die Zeitspanne von 10 Jahren, 300 Dollar entspricht. Läßt sich die Abwanderungsrate von 10 % auf 5 % senken, so führt dies zu einem Kundenwert von 525 Dollar, der eine Steigerung von 85 % bringt. 12

Meffert, H., 2000, S. 118 Reichheld F. F./Sasser. E. W., 2000, S. 142 14 Vgl. ebenda, S. 142 13

200

Kundenbindung

Abbildung 3: Abwanderungskurve am Beispiel einer Kreditkartengesellschaft (Reichheld, F. F./Sasser, E., 2000, S. 142) Damit tut sich auch die Frage des Managements von Kundenbeziehungen auf. „Das Beziehungsmanagement ist eine spezielle Ausgestaltung des traditionellen Marketing, in dem der Anbieter seine profitablen Kunden langfristig an sich zu binden versucht.“15 In der Literatur sind sehr vielfältige theoretische Konzeptionen und Definitionen zum Begriff Kundenbindung anzutreffen. Bruhn definiert Kundenbindungsmanagement als „die systematische Analyse, Planung, Durchführung sowie Kontrolle sämtlicher auf den aktuellen Kundenstamm gerichteten Maßnahmen eines Unternehmens mit dem Ziel, daß diese Kunden auch in Zukunft die Geschäftsbeziehung aufrechterhalten oder intensiver pflegen.“16

15 16

Eggert, A., 1999, S. 9 Bruhn, M., 1999, S. 112

201

Mirela Lauermann Aus dieser Definition geht für das Kundenbindungsmanagement der Charakter von anbieterseitigen Aktivitäten hervor. Die Kundenbindung ist jedoch sowohl aus anbieter- als auch aus nachfragerseitiger Perspektive zu betrachten. Im Folgenden wird auf die beiden genannten Aspekte des Begriffes Kundenbindung eingegangen. Es erscheint sinnvoll, für die weiteren Erklärungen verhaltenswissenschaftliche Überlegungen, wie psychische und soziale Faktoren, welche für langfristige Geschäftsbeziehungen entscheidend sein können, heranzuziehen. Anbieterseitig wird durch das Binden des Kunden an eine Leistung oder eine Marke eine unternehmerische Aufgabe verstanden, die dem Erreichen von wirtschaftlichen Erfolgen, z. B. Gewinn, dienen soll. „Strategien zur Kundenbindung sollen dem Anbieter zu mehr Sicherheit, mehr Wachstum und mehr Gewinn verhelfen.“17 Meyer und Blümelhuber beschreiben das Erreichen des unternehmerischen Ziels durch eine stark vereinfachte Wirkungskette: „Kundenorientierung -> Kundenzufriedenheit -> Kundenbindung -> wirtschaftlicher Erfolg“18. Voraussetzung für dieses mittel- oder langfristig angelegte Ziel ist die Kundenbindung, die dadurch erzeugt wird, daß Kundenerwartungen aufgrund eines kunden-orientierten Angebotes erfüllt werden und der Kunde mit den Leistungen des Anbieters zufrieden ist. Bereits in einem vorherigen Kapitel wurde darauf hingewiesen, daß Nachfrager vor und nach dem Kauf die subjektiv wahrgenommene Leistung mit ihren Erwartungen vergleichen. Die Reaktion der Nachfrager läßt vor dem Hintergrund der oben genannten Wirkungskette auf die empfundene Zufriedenheit schließen. Geht der Vergleich nicht im Sinne einer Übereinstimmung aus, wie im Folgenden dargestellt, so wurde keine Kundenzufriedenheit und somit auch keine Kundenbindung erzeugt. Wenn aber der Kunde über seine Erwartungen hinaus befriedigt wird, hat dies sogar ‚begeisterte’ Kunden als Ergebnis.

17 18

Eggert, A., 1999, S. 2 Meyer, A./ Blümelhuber, Ch., 2000, S. 273

202

Kundenbindung

Kundenwahrnehmung der Leistung

Überfüllung >

Erfüllung =

Unterfüllung